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LA
DIB
UNIVERSITÄTEN
DES
MITTELALTERS BIS 1400.
VON
P. HEINRICH DENIFLE,
AUS DEM PRBDIOBRORDBM
UNTBRARCHIVAR DBS HL. STOHLBS.
ERSTER BAND.
DIE ENTSTEHUNG DEE UNIVEE8ITÄTEN DES MITTELALTEBS
BIS 1400.
BERLIN,
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1885.
DIE ENTSTEHUNG
DER' / •<' :-/ '^.
UNIVERSITÄTEN
DES
MITTELALTERS BIS 1400.
VON
/P?)HEINBICH DENIFLE,
AUS DEM PREDIOBRORDEN
DNTBRAROHIYAR DBS HL. STUHLBS.
BERLIN,
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1885.
LA
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IMPRIMATUR
Fr. Angnitiniia Baata O. F., 8. F. A. Mag.
^
\*
- SEINER EMINENZ
K
DEM HOCHWÜRDIQSTEN HERRN
JOSEPH CARDINAL HERGENRÖTHER
PRAEFECTEN DES VATICANISCHEN ARCHIVS
IN
TIEFSTER VEREHRUNG UND DANKBARKEIT
GEWIDMET.
Vorwort und Einleitung.
Ueber das Entstehen dieses Werkes ftthle ich mich um so
mehr veranlasst die Leser aufzuklären, als meine Freunde auf
dem germanistischen Gebiete mit gutem Rechte eine Ausein-
andersetzung von mir verlangen können.
Während ich mit der Ausarbeitung einer Geschichte der
deutschen Gottesfreunde im 14. Jh. beschäftigt war, wurde ich
Herbst 1880 in Ordensangelegenheiten nach Rom berufen. Bei
Durchmusterung der römischen Bibliotheken und Archive wurde
es mir sofort klar, dass ich an eine Vollendung meiner Arbeit,
f&r die in Rom fast alle Materialien fehlen, vorderhand nicht
denken dürfe, wenngleich ich durchaus nicht gewillt bin auf
diesem Gebiete einen Mann, dem ich gründliche Quellenkenntniss
and wahres Verständniss für die Eigenart germanischer Mystik
absprechen muss, nach Herzenslust schalten und walten zu
lassen. Zunächst war ich nur bestrebt, den einen Punkt über
die Prophezeiungen des 14. Jhs. bezüglich bevorstehender Kata-
strophen aufzuhellen. Die genetische Entwickelung der Frage
führte mich auf ähnliche Erscheinungen im 12. und 13. Jh.
Meine Beschäftigung mit Abt Joachim und dem Evangelium
aetemum sowie mit den Schicksalen des letzteren an der Uni-
versität Paris um die Mitte des 13. Jhs. brachte mich zur
Ueberzeugung, dass die Forschungen darüber ganz ungenügend
sind. Beim weiteren Studium wurde mir klar , dass auch die
bisher bekannten Resultate über den Streit der Universität mit
den Bettelorden äusserst problematischer Natur seien. In
Folge dessen dachte ich an eine Publication: Die Universität
Paris und die Bettelorden in der ersten Hälfte des 13. Jhs.
Vm Einleitang.
mit einem Anhange über das Evangelium aeternum, machte aber
im Verlaufe der Arbeit die Beobachtung, dass Du Boulay uns
alle hinsichtlich des Entwickelungsganges der Universität Paris
in die Irre geführt hat. Ich liess es mich nicht verdriessen,
noch einmal von vorne anzufangen, um eine Geschichte der
Schulen und der Universität zu Paris bis zum Ende des 13. Jhs.,
in der naturgemäss meine bisherigen Forschungen verwertet und
die bereits studierten Fragen ihre Stelle finden sollen, zu ver-
fassen. Damit jedoch endlich einmal der Grund zu einer Ver-
fassungsgeschichte der mittelalterlichen Universitäten gelegt werde,
unternahm ich es um Paris die übrigen Hochschulen bis zum
Ende des 14. Jhs. zu gruppieren.
Die beiden ersten Bände beschäftigen sich überhaupt mit
den mittelalterlichen Universitäten, drei weitere werden aus-
schliesslich der Universität Paris gewidmet sein.
Dass es an einer quellenmässigen und kritischen Forschung
über die mittelalterlichen Universitäten mangle, ist die oft
widerholte und berechtigte Klage. Diesem Umstände mag es
wohl zum Theil zuzuschreiben sein, dass die genannten Univer-
sitäten in unsem Handbüchern der Universal- und Kirchen-
geschichte so stiefmütterlich behandelt werden.
Die bisherige Universitätslitteratur bietet uns kein
besonders erfreuliches Bild. Die älteren Arbeiten, die sich
zugleich auf die spätere Zeit erstrecken, sind kaum nennens-
werth, und kommen in der Regel über eine nackte Nomenclatur,
die zuweilen mit einiger Litteratur angäbe versehen ist, nicht
hinaus^). Dies ist um so sonderbarer, als die Geschichte
1) Ich erwähne hier nur einselne ?on denjenigen, die man noch bis jüngst
hie und da benfltst hat, and sehe ?on den Abhandlungen in encyclop&dischen
Werken ganc ab. Guolphgangus Jnstus Francophordianus, Omninm acade-
miarum et quarumdam iUnstrium scholarum totius Europae erectiones, fun-
dationes, confirmationes. Francoforü 1 554. Middendorpius, Academiarum
orhis christiani libri duo. Coloniae 1572 (die späteren ?ennehrten Ausgaben
kenneich nicht). Paniirolus, De claris legum interpretibus. Lipsiae 1721
(2. und 4. Buch c. 1— 8). Immanuelis Godofr. Goeiii Geographia academica.
Norimhergae 1789. Etwas mehr gibt Keuffel, Historia originis ac pro-
gressus scholarum inter christianos. Helmstadii 1743. Der Autor hatte
Launoius, De scolis celebrioribus (Paris. 1672 in 12<> und Opp. omn. IV,
Einleitimg. IX
einzelner Hochschulen bereits bearbeitet vorlag. Erst Mein er s
schlug ein von seinen Vorgängern verschiedenes Verfahren ein').
Doch unterschreibe ich vollends das Urtheil, welches Savigny
über dessen Leistung fällte, es sei mit dieser Geschichte sehr
wenig gethan. Ich vermag sie nur ein Durcheinander zu
nennen. Ueber alles Mögliche wird gesprochen, jedoch ohne
Methode und ohne dass es dem Verfasser gelungen wäre, das
Material zu einem übersichtlichen Ganzen zu verarbeiten. Es
ist nicht möglich sich über die Entstehung der einzelnen Hoch-
schulen aus diesem Buche klar zu werden. Unbedeutend ist
Fr. V. Raumers Abhandlung über die Universitäten'). Neue
Bahnen brach Savigny durch seine Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter*). Die Untersuchungen führten ihn auch
auf die Darstellung der mittelalterlichen Universitäten, wenigstens
insofeme sie mit dem römischen Rechte in Berührung standen.
Das Hauptverdienst Savignys bleibt, dass er sich bestrebte, die Ge-
schichte aus den Quellen zu studieren , dass er zuerst bestimmt auf
den Unterschied in einzelnen Universitätsverfassungen aufmerksam
machte, und durch seine Forschungen ungemein anregend wirkte.
Indess genügt Savignys Arbeit keineswegs. Einzelnen Univer-
sitäten, z. B. den spanischen, englischen, vorzüglich aber den
1 p. lif.) Tor sich, der wie Joly, Trait^ historique des Cooles ^piscopales
et ecd^iastiques (Paris 167S) seinen Werth beh<, die aber ebenso wenig
als Landriot, Becherches historiqaes sar les 6coles litt^raires du christia-
nisme (Paris 1851) und Maitre, Les ^coles ^piscopales et monastiques de
l'occident (Paris 1866) in diesen Kreis gehören. Eeuffel behandelt von den
UniTersitäten nur die ältesten, und kommt dabei nicht über das Gewöhnliche
hinaus. Nichts bietet Besolds Nomenclatur der Academien (im Thesaurus
practicas. Ratisbonae 1740). Dessen Bissertatio de jure academiarum (in
Juridico-politicae dissertationes. Argentorati 1624 p. 64, 187 ff.) wird wie
andere Ähnliche z. 6. Gonringius, De antiquitatibus academicis (Goettingae
1739) im 2. Band berücksichtigt werden. Die dem Conring angeh&ngte
Bibliotheca historica academica von Heu mann ist nicht zu unterschätzen.
>) Geschichte der Entstehung und Entwickelnng der hohen Schulen
lUflers Erdtheils. Göttingen 1802—1805. 4 Bde. S. dazu unten S. 220.
S) Geschichte der Hohenstaufen VI, 437 ff.
^) Im dritten Bandet S. 152 ff. An Savigny lehnt sich in den Haupt-
punkten an (Knrtz) Die Entstehung und Ausbildung der mittelalterlichen
Universit&ten nach ihren Hauptmomenten in der Baltischen Monatsschrift
1861 S. 81 ff.
X Einleitang.
deutschen sammt den ungarischen und der polnischen widmete
er nicht die geringste Aufmerksamkeit. Andere, namentlich die
französischen, werden zu flüchtig behandelt, und hinsichtlich der
Pariser stützt er sich fast durchgehends auf Du Boulay. Was
die italienischen Universitäten anbelangt, so kam bei Savigny
im Grunde nicht das 13. und 14. Jh. zur Darstellung, sondern,
von manchen Einzelheiten abgerechnet, eine spätere Epoche.
Dies betrifft besonders seine Auseinandersetzungen über die
Organisation der Universitäten Bologna und Padua. Savignys
Quellen waren hierin grossentheils die gedruckten Statuten des
16. Jhs. Ueber die Entstehungs- und Gründungsgeschichte und
über viele mit ihnen im Zusammenhange stehenden Fragen bleiben
wir fast durchweg im Unklaren. Savignys Hauptaugenmerk war
auf die Rechtsgeschichte und die Biographie der einzelnen Rechts-
lehrer sowie die Darstellung ihrer Werke gerichtet; was er hierin ge-
leistet hat, behält ebenso wie Sartis epochemachende Arbeiten, die
jedoch für Savignys Untersuchungen die unentbehrliche Grundlage
waren, dauernden Wert, mag auch das Einzelne mit der Zeit noch
so sehr ergänzt und berichtigt werden. Die Universitäten er-
örterte indess Savigny nur nebenbei; seine auf sie bezügliche
Abhandlung kann sich nicht im entferntesten mit seiner eben
genannten Arbeit messen.
Grässe will ich hier nur erwähnen, weil er noch häufig
citiert wird*). Ueber die hieher gehörige Arbeit v. Steins*)
hat Paulsen voll Schonung das richtige Urtheil ausgesprochen:
^Dem Buche von Stein fehlt es an gründlichem Studium der
Quellen, wofür die breiten allgemeinen Erwägungen nicht ent-
schädigen' 0- V. Stein wollte nur philosophieren, und es scheint,
A) In seinem Lehrbach einer aUg. Literärgeschichte IL 3. Abthlg.
2. HUfte (Dresden 1843) geht er weitl&ufig auf die Universitäten ein. Das
Grandong^ahr der einielnen ist kaum einmal richtig angegeben, und der
Verfasser unterscheidet sich Oberhaupt Ton den Autoren des 16. Jhs. fast nur
dadurch, dass er eine Menge Litteratur anfahrt, die er aber, weil er sie kaum
SU Gesicht bekam und wohl theilweise dem Heumann nachschrieb, auch
nicht kritisch sichten konnte. Zudem fehlen vielfach gerade die Hauptwerke.
^) Die innere Verwaltung. Zweites Hauptgebiet Das Bildungswesen.
IL Das Bildungswesen des Mittelalters. 2. Aufl. Stuttgart 1883.
7) Geschichte des gelehrten Unterrichts an den deutschen Schulen und
Einleitung. XI
dass er mit Absicht seine Augen vor den Thatsachen geschlossen
hat, damit er durch letztere in seinen phantastischen Träu-
mereien nicht gestört werde*). Kein Wunder, dass eben deshalb
das nach einem einigermassen ähnlichen Plane gearbeitete Werk
der geistreichen Augusta Theodosia Dräne*) für viele Partien
weit mehr nützt, als das des Nationalöconomen und Profes-
sors zu Wien, obwohl begreiflicher Weise durch Dranes popu-
läres Buch, für das nur ein beschränktes Material herangezogen
wurde, der Wissenschaft kaum etwas gedient ist.
Im Grossen und Ganzen schöpft man aus den Publicationen,
welche sich mit den Universitäten einzelner Länder im All-
gemeinen beschäftigen — die specielle Litteratur werde ich
soweit sie Interesse bietet bei jeder Universität verzeichnen —
bedeutend mehr Gewinn. Auch hier will ich nur die haupt-
sächlichsten erwähnen.
Für Italien ist vor allem Muratori zu nennen, der in
einer Dissertation über die Wissenschaft und Schulen in Italien
nach 1100 manche wichtige Documente veröffentlicht, den Gegen-
Uni?er8it&ten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Leipzig 1885
S. 10 Anm. 1.
9) Da ich gerade mit der Aosarbeitang einer Recension ?on Steins Arbeit
beschäftigt bin und ich in meinem Werke öfters auf dieselbe zu sprechen
komme, kann ich fQglich eine weitere Aaseinandersetzong hier umgehen.
Nor ein Beispiel möchte ich anfflhren, um zu zeigen, wie ferne dem
Antor die Kritik lag. S. 77 fahrt er ein 'Tagebuch' von Walahfrid Strabo
an. Es 'beginnt mit dem J. 816 und endet mit dem J. 825. Herausgegeben
in den Berichten der Erziehungsanstalt des Benedictinerstifts zu Maria-Ein-
siedeln 1856/7 ('Wie man vor tausend Jahren lehrte und lernte') hat K.
Schmidt einen Auszag gegeben (Gesch. d. P&dagogik^ II, 199 ff.)' (siel)* Auch
▼. Stein bringt die Gmndzflge dieses 'Tagebuchs'. Nun ist aber dasselbe
eine Dichtung des noch jetzt lebenden P. Martin Marty, nunmehr apost.
Yicars von Dakota, worauf König schon im J. 1868 (Freiburger Diöcesan-
Archiv III, 360 Anm., and jüngst ibid. XY, 185 ff.) und dann Wattenbach,
Deutschlands Geschichtsquellen^ I, 229 Anm. 3 aufmerksam gemacht hstben.
y. Stein scheute auch vor ganz gewöhnlichen Plagiaten nicht zurück. Was
er z. B. in dem 1884 erschienenen 3. Theil S. 93 f. über das üniversit&ts-
wesen seit dem 16. Jh. in Italien sagt, hat er nur, ohne die Quelle zu
nennen, der Beilage zur AUgem. Ztg. 1883 n. 326, nachgeschrieben.
^) Christian schools and scholars or Sketches of education from the
Christian era to the cooncil of Trent 2. edition. London 1881.
Xn Einleitang.
stand aber nicht zusammenhängend behandelt hat'°). Weit
förderlicher sind Tiraboschis Forschungen, die man immer mit
Nutzen gebrauchen wird^'). Es ist unverzeihlich, dass Goppi
aus denselben so wenig gelernt hat^'). Das Lob, welches 4'impor-
tante lavoro' Goppis sowie 4'ingegno, la dottrina e la pazienza'
des Autors von Goppino, dem jetzigen italien. Unterrichtsminister,
erhalten hat, vermag ich nicht zu unterschreiben. Goppi war
zunächst mit der italienischen Universitätslitteratur viel zu wenig
vertraut. Dies ist ein Mangel, den vollends erst ein Ausländer
empfindet, der sich mit demselben Gegenstand beschäftigt. Auf
die Entwickelung der einzelnen Universitäten gieng der Verfasser
fast gar nicht ein^'). In der Darstellung der Organisation der
Universitäten werden alle Zeiten durch einander gemengt und
Einzelheiten verallgemeinert. Im Wesentlichen erhebt sich dabei
der Verfasser nicht über Savigny**).
Die französisclien Universitäten untersuchte zuerst zusammen-
hängend Pasquier, wenngleich zunächst nur in Hinsicht auf
10) Antiquit. Italicae III, 8S4ff., nämlich die 44. Dissertation, während
die 43. den Stand der Wissenschaft in Italien vor 1100 behandelt.
11) Storia della letteratara italiana. In den tom. 4—6 (in jedem lib.
1. c. 3) wird das 13—15. Jh. behandelt.
13) Le uniyersitä italiane nel medio evo. Firense 1880.
13) Ich begreife nicht, dass Winkelmann (lieber die ersten Staatsoni-
▼ersitäten. Festrede 1880 S. 38 n. 10) die von Coppi p. 88ff. gegebene
Uebersicht 'gani natslich' finden kann. Hätte Goppi doch wenigstens nur
Tiraboschi ausgeschrieben!
1^) Die unverständige BrochOre von Garpellini, Sulla origine naiio-
nale e populäre delle universitä di studj in Italia (Siena 1861) hat Banchi,
Di un recente opusculo del D. G. F. Garpellini (Siena 1861) gehörig be-
leuchtet. Montefredinis Schrift, Le piü celebri uniTorsitä antiche e mo-
derne, Torino 1888, Terdient fast noch weniger Erwähnung als Garpellinis
Elaborat. S. meine Anzeige in Deutsche Litteratuneitung 1883 n. 49
Sp. 1734. Bent hat in The british Quarterly Review n. 159 (Juli 1884)
p. 28 eine Abhandlung, 'Italian university life in the middle ages', Teröffent-
licht Sie hat mit unserer Aufgabe nur wenig su thun, und der Autor be>
racksichtigt zumeist die spätere Zeit. Anhangsweise bemerke ich hier, dass
im Oiornale degli eruditi e dei curiosi n. 55. 58. 59^60. 63. 64. 66
(PadoTa 1884) eine recht nflUliche Rubrik Bibliografia deUe uniTersitä italiane
zu dem Zwecke eröffnet wurde, um die gedruckte Litteratur aber die italie-
nischen UniTersitäten wo möglich Tollständig aufzufahren.
Einleitiiiig. XIII
das römische Recht ^^). Dass er fOr seine Zeit viel geleistet hat,
wd derjenige nicht bestreiten, der die damaligen Mittel im
Auge behält. Heute ist das Werk allerdings veraltet. Noch
immer brauchbar sind die Litteratumach weise , welche Lelong-
Fevret de Fontette bringen**). Lebeuf arbeitete durch
seine Schrift: L'^tat des sciences en France depuis la mort du
Roy Robert jusqu'ä celle de Philippe le BeV^) ähnlichen Ab-
handlungen in der Histoire litt^raire de la France vor.
Das 13. Jh. nahm sich in letzterer Daunou zum Vorwurf ^^); er be-
schäftigte sich auch mit den französischen Universitäten *^). Wer
Daunous Arbeiten kennt, die von Haur^au, so oft sich Gelegenheit
bietet, mit Grund berichtigt werden, wird hier nichts suchen.
In der That bildet für den Abschnitt über die Universität Paris
fast bloss Du Boulay die Quelle; Toulouse, Montpellier, Orleans
und Angers gehen überhaupt nahezu leer aus. Ein weit ernsterer
Forscher war V. le Clerc, welcher den Discours sur r6tat des
lettres en France au 14. si^cle schrieb '°). Trotzdem kann ich
nicht sagen, dass die in demselben den Universitäten geschenkte
Aufmerksamkeit'*) uns um einen Schritt weiter gebracht hätte.
Vielfach werden die alten Irrthümer widerholt, neue Hypothesen
mit der grössten Sicherheit ausgesprochen und Einzelheiten ver-
allgemeinert Dabei wird alles nur obenhin gestreift. Dies
gilt besonders von den Universitäten ausser Paris; sie erfahren
lediglich eine stiefmütterliche Behandlung'*). Vallet de Viri-
le) Becherches de la France (Paris. 1665) liv. 9 (p. 763 ff. 843 ff.). Die
Universitäten ausser Paris kommen sehr schlecht weg. Man erhftlt keinen
genügenden Begriff von ihnen.
10) Biblioth^ne historiqne de la France tom. 1. (1. 5) n. 44548—45622.
17) Paris 1741. Hauptsächlich berücksichtigt der Verfasser die Uni-
versität Paris.
1^) Tome 16 p. 1. Discours sur l'^tat des lettres en France au 13.
siMa
1») Ibid. p. 39—59.
«0 Bist litt^r. de la France t 24.
») Ibid. p. 239—278.
^ Ich hfttte es nicht für möglich gehalten, dass man Le Clercs
Abhandlung auf guten Glauben hin als QueUe für die Eenntniss der Pariser
üniTersitftt gebrauchen würde, h&tte mich DöUingers Vortrag, Die Uni*
Tersitftten sonst und jetzt (München 1867) nicht eines andern bf^lehrt.
XIV Einlditang.
ville kam ebenfalls auf die Universit&ten zu sprechen'*); doch
ist seine Forschung nicht selbständig. Nur die Archaeologie und
die Siegelkunde haben etwas gewonnen'^).
üeber die englischen Universitäten ist noch immer Hubers
Werk") das bekannteste. Geistvolle Auffassung und Darstellung
wird in demselben kein Leser vermissen. Es leidet aber
stark an jenen Gebrechen, die in historischen Arbeiten geist-
reicher Männer so häufig zu Tage kommen: die Einzelheiten
treten fast ganz zurück, Grund und Zusammenhang in den That-
sachen werden fixiert, ehe letztere genügend eruiert worden
sind, es wird mehr philosophiert als geforscht und ein System
aufgebaut, ehe die nöthige Grundlage geschaffen wurde. Die
Wahrheit meiner Behauptung wird vorzüglich in meinem zweiten
Bande ihre Bestätigung finden. Für einen grösseren Leserkreis
Was n&mlich dort S. 5. 6. Aber Paris angeffthrt wird, ist wörtlich dem Le
Giere entlehnt (s. p. 248. 247), ohne dass jedoch dieser Gewährsmann ci-
tiert worden w&re. Ans Le Giere schöpfte DöUinger auch die irrige Notis,
in Bologna seien im J. 1262 gegen 20000 Studierende gewesen. Im ganzen
13. Jh. gibt nur 6in Aator die Anzahl der Studenten in Bologna an, nftmlich
Odofred. Dieser sagt jedoch, zur Zeit Azos (also Anfangs des 13. Jhs.)
h&tten sich 10000 Scholaren in Bologna aufgehalten (s. unten S. 138 Anm.
322). MuUinger, The nniversity of Gambridge from the earliest times p.
129 ff. entnahm dieselben SteUen (in ihrer ganzen Aasdehnong) aus Le Giere;
indess gab er doch seine QueUe an.
^) Histoire de l'instruction publique en Europe et principalement en
France. Paris 1849. Literarhistorischen Werth beansprucht Stallaert et
VanderHaeghen, De l'instruction publique an moyen äge in den M^*
moires cour. de l'acadtoie roy. de Belgique (Brüssel 1850) XXIII.
**) Nichts möge man im Gatalogue de l'histoire de France
(Biblioth^ne imperiale. D^part. des imprimös) tome 7 (Paris 1861), 2. part
suchen. Die sect. 14 § 2 'Histoire de l'uniTersit^ en g6n6ral' (p. 515) ent«
h< die Titel Ton 12 Schriften, welche sich auf politische Fragen des Unter-
richts im 19. Jh. beziehen. Eine Ausnahme macht nur A. Li^vyns, De
l'universit^ depuis sa fondation jusqu'lk ce jour etc. Paris 1831. Die sect
15 § 4 'Histoire de PnniTersitö en g^n^rai' (p. 518—520) bringt die Titel
Ton 51 Büchern, die sich fast nur mit modernen Fragen beichftftigen. Ala
Ausnahme können die unbedeutenden Piecen: Un mot sur les unirersit^s,
Paris, Ellian 1828; Hilmagrand, Origine de raniTersitö, Paris 1845, be-
trachtet werden.
^) Die englischen UniTersIt&ten. Gassd 1839. 1840.
(
Einleitiing. XV
berechnet ist J. H. Newmans Rise and progress of nniver-
sitiCB etc."). Das Buch beruht auf Quellen; aber leider wird
nie eine eitler t. Durchaus veraltet ist Maiden, On the
origin of universities and academical degrees*''), in welcher
Schrift ausser den englischen und schottischen Universitäten
auch die von Paris, Bologna und Salerno kurz behandelt werden.
Trotzdem, dass diese Publication so ziemlich nichtssagend ist,
entlehnte ihr doch nicht wenig Mullinger, The university of
Cambridge from the earliest times to the royal unjunctions of
1535 *•). Der Autor geht in diesem Werke dem Beispiele des
eben genannten Verfassers folgend ausser auf die Universitäten
Cambridge und Oxford auch auf die Universitäten Paris, Bologna
ein; es mangelt ihm aber an Methode, Selbständigkeit und
Kritik; selbst für die Geschichte der Hochschule zu Cambridge
ist in dem grossen Bande weit weniger geleistet, als man erwarten
soUte").
Der erste, welcher in neuerer Zeit die Universitäten Spaniens
zusammenhängend bearbeitet hat, war Z ä. r a t e '*'). Für die Wissen-
schaft ist aber dessen Leistung unbrauchbar, da der Autor nie
angibt, woraus er geschöpft hat '^). Er gieng auch von ganz irrigen
Voraussetzungen aus, was besonders im Abschnitte Consideraciones
^ In Historical sketches vol. III (London 1876). Der Autor spricht von
Cimbridge nur gelegentlich, dafflr aber ausführlicher von Paris, Oxford
and Dublin. Der erste Theil der Schrift (p. 1—251) erschien bereits 1856
(London) anter dem Titel: Office and werk of universities. S. unten S. 65 Anm.
ST) London 1835.
») Cambridge 1873.
^) Weit besser gearbeitet ist desselben Verfassers The uniTersity of
Cambridge from the royal injunctions of 1535 to the accession of Charles
the first. Cambridge 1884. Der Autor bleibt in diesem Werke mehr bei
der Sache. Ich sage 'mehr', denn nach meinem BegrifPe gef&llt er sich auch
hier zn sehr darin, allerlei bunt durcheinander vorzufahren.
^ De la instrucciön publica en Espafia (Madrid 1855) II, 162—293.
^) Der Verfasser erscheint öfter wie ein gewöhnlicher Plagiator, in*
dem er als seine Ansicht und als sein ürtheil die Worte Anderer ausgibt.
So z. B p. 183: & mio jnlcio etc. Vgl. dazu Floranes in der unten zu ci-
tierenden Abhandlung p. 201. Z&rate p. 196: opino etc. Vgl. damit Flo-
ranes p. 62. Wie der Autor far Falencia und Valladolid die erw&hnte
Quelle ohne sie zu nennen benutzte, so für Salamanca in derselben Weise
Mendo, De jure academico IIb. 1 qn. 7 n. 188.
XVI Einleitong.
sobre la organizacion, gobierno y ensenanza de las antiguas univer-
sidades'') hervortritt. Alles ist unbestimmt und ungenau. Kein
Wunder, dass Zärates Arbeit auch in Spanien kein Ansehen
geniesst. Derselben gegenüber bildet die Geschichte des be-
kannten Vincente de la Fuente'^) einen sehr bedeutenden
Fortschritt. Nicht bloss dass dieser Verfasser die Leser fast
durchweg gewissenhaft auf seine Quellen verweist, hat er es
auch verstanden aus einem viel reicheren, theilweise hand-
schriftlichem Material zu schöpfen. Der Anhang von Docu-
menten (40 Nummern) muss werthvoU genannt werden. Für die
Entstehungsgeschichte der spanischen Universitäten hat De la
Fuente immerhin unvergleichlich mehr geleistet, als Goppi für die
der italienischen. Indess herrscht in diesem letzten Werke De la
Fuentes nahezu eine noch grössere Unordnung, als in seiner Historia
ecclesiästica de Espana. Der Autor arbeitete, wie es scheint, nicht
nach einem praemeditierten Plane, weshalb ihm der Blick auf das
Ganze fehlte. Zudem hatte der Verfasser keinen richtigen Begriff
von der Organisation der Universitäten im Allgemeinen, jener der
italienischen und spanischen im Besondem; es konnte ihm deshalb
gar nicht in den Sinn kommen, zwischen den beiden letzteren
einen Vergleich anzustellen und die Verfassung der spanischen
Universitäten auf die der italienischen zurückzuführen. Im Ein-
zelnen mangelt es zugleich dem Autor an kritischem Verständniss.
Und so sehr man für den Quellenapparat dankbar sein muss,
so kann ich doch nicht umhin zu gestehen, dass De la Fuente
noch mehr hätte leisten sollen '^). War es doch mir bei einem ver-
») 8. p. 263 ff.
'9) Historia de las uniTersidades, colegios y demas establecimientos de
ensenanxa en Espana. I (Madrid 1884). Das Werk kam mir (dnrch die
Qate des Herrn Prof. Edaardo de Hinojosa in Madrid) erst zn, als der
Druck meiner Arbeit schon sehr weit vorgeschritten war. Der Band Ter-
breitet sich fiber die Universitäten bis cur Begienmg der katholischen
Könige U75.
^) üeber die UniTersit&ten Lissabon-Coimbra, Palencia, Perpignan Ter-
mochte De la Fnente fast gar nichts beizubringen. Hinsichtlich der am
10. September U15 von Benedict XIII. gegrOndeten Universität von Cala-
tayod entgieng ihm die Stiftbnlle (Reg. Tat. Avenion. Ben. XIII. t. 70
Bl. 654 b) and sah ein anderes bei ihm mangelhaft datiertes Schreiben fdr
dieselbe an (Historia p. 160 and 321 n. 23; vgl. dasa Reg. Yat. Avenion
Einleitung. XVII
häitDissmässig kurzen Aufenthalt in Spanien und Portugal möglich
ein reicheres Material auszunützen. Allen Forschem über spa-
nische Universitäten hat der wackere Floranes im vergangenen
Jh. einigermassen vorgearbeitet"). Der Autor hat auf mehrere
nicht unwichtige Quellen aufmerksam gemacht und einige Fabeln
hinsichtlich des Ursprungs der Universitäten Salamanca, Palencia
und Yalladolid für immer widerlegt, wenngleich er selbst manche
unhaltbare Ansichten aufgestellt hat^^).
Ueber die portugiesischen Unterrichtsanstalten existiert ein
bändereiches Werk von Ribeiro")- Die Abschnitte, welche
in unsere Geschichte einschlagen, sind sehr verwirrt; es geht
dem Verfasser genügendes Quellenstudium und Kritik ab.
Als die verdienstvollste Arbeit hinsichtlich der mittelalter-
lichen Universitäten Deutschlands muss die Pauls ens^^) ange-
sehen werden, durch welche die ältere anders durchgeführte
Schrift K. v. Raumers") überholt ist*®). Paulsen verstand es
].c. Bl. 584. Weitere Docamente ibid. B].595b; 1 64 El. 586 b; t. 71 El. 499).
Ich kann mich nicht enthalten wenigstens auf einen Irrthum bei De la
Faente hinzuweisen, da man aus ihm sonst leicht gegen mich ein Argument
formieren könnte. Der Autor l&sst p. 187 bereits Innocenz IV. eine Bulle für
Salamanca ausfertigen; thats&chlich ist aber dieses angebliche Schreiben die
Bulle Alexanders IV. Tom 6. April 1255 (s. unten S. 484).
^) Origen de los estndios de Gastilla in GoUecciön de documentos
in^ditos para la historia de Espana XX (Madrid 1852).
^) Auf die spanischen Universitäten kommt auch De los Bios im
3. Bande seiner Historia critica* de la literatura espanola (Madrid 1863) zu
sprechen. Doch ist aus den gelegentlichen Bemerkungen nicht viel zu lernen.
Noch mehr gilt dies von Don Modesto Lafuente, Historia g^neral de
£spana (Barcelona 1877. 1879). Das Werk ist eben fQr das grosse Publicum
berechnet. Etwas mehr bietet fiber einige Universitftten Schäfers Ge-
schichte von Spanien III (Ootha 1861).
^) Historia dos estabelecimentos scientificos literarios e artisticos de
Portugal nos sucesiTos reinados da monarchia. Lisboa 1871 n. ff.
^) Die Gründung der deutschen Universitäten im Mittelalter. Organi-
sation und Lebensordnungen der deutschen Universitäten im Mittelalter, In
Sybels Histor. Zeitschrift Bd. 45 (1881) S. 251-311, 385--440.
39) Die deutochen Universitätea Stuttgart 1854.
^) Zarncke, Die deutschen Universitäten im Mittelalter, Leipzig 1857,
bietet nicht, was der Titel verspricht. — Unglaublich schlecht sind die 'Ge-
schichtlichen Notizen' und die 'Literatur' im Deutschen akademischen
Jahrbuch (Leipzig 1875) bearbeitet.
Denifle, Die UniTeniUlteii L B
XVm Einleitung.
in besonnener und anschaulicher Weise die Resultate einer ernsten
und gediegenen Untersuchung vorzufahren, und er hat manche
schiefe Aufstellungen neuerer Gelehrte mit Glück bekämpft. Aller-
dings musste ich ihm in mehreren Hauptpunkten widersprechen.
Ich bin jedoch der Meinung, dass, hätte er sich, um hier nur
einen derselben zu erwähnen, bei Darstellung der Organisation
der Universität Paris in grösserer Unabhängigkeit von den
frühem Forschungen gehalten und handschriftliches Material
ausgebeutet, er zu meinen Ergebnissen gelangt wäre^').
Die Geschichte der ungarischen Universitäten des Mittel-
alters fand einen sorgsamen Bearbeiter in Abel Jenö^'). Der
Autor hat mit grossem Fleisse das auf dieselben bezügliche
Material gesanmielt und zumeist in extenso mitgetheilt
Hätte ich mich bei meinen Untersuchungen nur auf die
genannten Autoren und überhaupt auf die gedruckte Literatur
verlassen, so wäre ich wesentlich nicht weiter gekommen. Die
Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte wurde durch die bis-
herigen Forscher nicht besonders aufgehellt. Lassen sie uns
doch häufig über die einfachsten Dinge, z. B. das Gründungsjabr
im Unsichern. Nicht viel Gewinn und kein bedeutender Fort-
schritt war auch zu erwarten, wollte ich bloss die specielle
Litteratur für die einzelnen Universitäten, die ich jedesmal am
betreffenden Orte angegeben habe, benützen und den bereits vor-
handenen Vorrat methodisch sichten. Ich zog es schon meiner
Natur nach vor, von vorne anzufangen und meine Forschung
lediglich auf die Documente, die zum Theil gedruckt vorlagen,
^1) In Paulsens bedentendem Werk Qeschiclite des gelehrten Unterrichts
auf den deutschen Schulen und UniversitAten vom Ausgange des Mittelalters
bis cur Gegenwart (Leipzig 1885) werden die UniTersitäten nebst den an-
deren Qelehrtenschulen seit dem Ausgange des Mittelalters unter einem andern
Gesichtspunkte als die mittelalterlichen in Sybels Zsch. behandelt Wenige
Notiien Ober letztere finden sich auch im genannten Werke S. 10 ff. Die
Abhandlungen und Erörterungen fiber die deutschen Universitäten Ton
Muther, Maurer, Eaemmel n. s. w. werde ich im Werke gelegentlich
besprechen. Die soeben erschienene preisgekrönte Arbeit Spechts: Ge-
schichte des Unterrichtswesens in Deutschland Ton den Utesten Zeiten bis
zur Mitte des dreizehnten Jhs. (Stuttgart 1885) fällt natOrlicher Weise
grossentheils ausserhalb der Behandlung unseres Gegenstandes.
^') Egyetemeink a köz^pkorban. Budapest 1881.
Einleitung. XIX
zum Theil erst aus den Bibliotheken und Archiven hervorgesucht
werden mussten, zu basieren. Die wissenschaftlichen Beisen, die
ich seit fünf Jahren nach den verschiedenen Ländern Europas
machen konnte, förderten natürlich durchweg , meine Arbeit,
wenngleich in Bezug auf einige Universitäten die Ausbeute gering
war. Doch auch das Besultat, dass hinsichtlich etlicher wenige
Nachrichten uns überliefert sind, ist ein Gewinn zu nennen*').
Nehmen betreffs der Pariser Universität die Bibliotheken
und Archive von Paris immerhin die erste Stelle ein, so bean-
^) Allerdings stOnde es am unsere Eenntniss einer jeden mittelalter-
lichen Universität schlimm, hätte es mit dem jüngst von Döllinger ausge-
sprochenen Worte seine Bichtigkeit, im ganzen Mittelalter habe niemand
daran gedacht, auch nur Materialien fOr die Geschichte einer Universität zu
compilieren. Bei Bndolf Heinze, Heidelberger Universität^ubil&en. Acade-
mische Bede. Heidelberg 1884 S. 26 n. 9. Döllinger hat, wie es scheint,
nie etwas gehört von den Compilationen der Actenstücke, Statuten, Privile-
gien, Joramenta, die man seit dem 13. Jh. an verschiedenen Universitäten
gemacht und chronologisch geordnet hat. Ich erwähne speciell die ältesten,
n&mUch jene von Paris, Oxford und Orlöans. Ich erinnere hier hinsichtlich
Paris nur an die handschriftlichen Compendien, die ich widerholt citiert
habe (vgl. dazu unten S. 811); in Bezug auf Orleans verweise ich auf
die unten S. 257 Anm. 151 erwähnten Hss. Die Libri cancellarii et
procuratorum von Oxford wurden in den Munimenta academ. Oxon. (Oxford
1868) ediert. Hätten die Alten nicht die Materialien in solcher Weise ge-
sammelt, 80 blieben wir Ober vieles im Ungewissen. Es ist einerlei, ob sie
diese Compilationen zum Zwecke einer Geschichte der Universität ange-
fertigt haben oder nicht. Jedesfalls sind sie ein Zeugniss dafür, dass das
Mittelalter doch nicht so ganz ohne ^historischen Sinn' war, wie Döllinger
trftamty dem zudem unbekannt blieb, dass z. B. der Ursprung der Universität
P&ris noch 'in katholischer Zeit', d. i. vor der Beformation beschrieben wurde
and gedruckt erschien. Die äusserst seltene Publication, die ich unten
mehrere Male angeführt habe und die sich in der Kationalbibliothek zu Paris
befindet, rflhrt vonGoulet her, und tr> den Titel: Compendium recenter
editnm de multipUci Parisiensis universitatis magnificentia , dignitate et ex-
cellentia, cgns fnndatione mirificoque suorum suppositorum ac officiariorum
et collegioram nomine . . . Impressum in alma Parisiorum universitate pro
TooBsano Denis librario 1517 (stammt aus dem J. 1516). Der Autor hatte
über die ursprüngliche Zusammensetzung der Universit&t resp. das Yerhältniss
der Facnlt&ten lu den Nationen die richtigere Ansicht, als sie heute in
Deutschland vertreten wird. Englische Autoren (z. B. Twyne, Antiquit. acad.
Oxon. apol. p. 12; Tanner, Bibliotheca brit. hibem. p. 648) eitleren auch
die Schrift De antiquitate academiarum Britannicarum von Bossus (gest. 1491).
B»
XX Einleitnng.
spracht doch das Yaticanische Archiv, in das ich am 1. December
1883 ohne mein Zuthun durch die Huld seiner Heiligkeit Leos XIU.
auf Vorschlag seiner Eminenz des Card. Hergenröther als Unter-
archivar berufen wurde, racksichtlich der gesammten mittel-
alterlichen Universitäten den vorzüglichsten Platz. Trotzdem
bin ich der erste, der es für diesen Zweck ausgebeutet hat.
Nur Sarti und Fantuzzi haben es für die Viten der Bologneser
Bechtslehrer, Benazzi für seine Geschichte der Hochschule zu
Rom benützt. Die Entwickelungsphasen einzelner Lehranstalten
und Universitäten, z. B. der zu Orleans, Lissabon -Coimbra,
Palencia, Prag, Erfurt, um von denen Roms und der Römischen
Curie zu schweigen, werden erst durch Acten des Vat. Archivs
aufgehellt. Durch diese wird auch für immer das relativ hohe
Alter der Schule zu Cambridge erwiesen. Neue Aufschlüsse
erhält man fast über jede Hochschule. Nur hinsichtlich einiger,
z. B. Wien, Heidelberg und der kleinem italienischen, zieht man
aus dem Vat. Archiv für jene Epoche, die uns in diesem Bande
beschäftigt, wenig Nutzen.
Von eminenter Bedeutung sind ausser den Regesta buUarum
und andern Documenten des Vat. Archivs die Regesta suppli-
cationum et expeditionum^*). In ihnen sind uns nämlich eine
^) Sie beginnen mit Clemens VI. Bereits Eur Zeit des GardinaUegaten
Octavius Aqnayiva fanden sich im ArchiTe des pftpstlichen Palastes ca
Avignon ausser einem Fragmentum Regestri suppUcationum anni primi Cle-
mentis Y. (von denen ich nichts mehr entdeckte) keine früheren, wie aus
dem Index librorum manuscriptorum qui in archivio Falatii Avenionensis re-
perti sunt tempore legationis 111°^^ et BeT»i Dni Dm Octavii Gardinalis de
Aquaviva anno domini 1594 (Archi?. Vat. Arm. 56 n. 88) ersichtlich ist Von
Clemens VI. existieren über aUe 11 Jahre 22 Bftnde (an. 1. — 2; an. 2.-3; an«
3. — 2; an. 4.-2; an. 5.-3; an. 6.— 2; an. 7. — 3; an. 8.-2; an. 9.— 1; an. 10.^1;
an. 11.— 1), von Innocens VI. 13 B&nde (an. 1.— 2; an. 2—1; an. 3.-3;
an. 4 fehlt; an. 5.-2; an. 6.— 1; an. 7.-1; an. 8.-1; an. 9.-2). Das
Tierte Jahr fehlte ebenso zur Zeit des erw&hnten GardinaUegaten. Von Urban
V. sind 10 Bände erhalten (an. 1.— 5; an. 2.-2; an. 3.-*l; an 4.-2; aus
iwei Serien). Auch im J. 1594 erstreckten sich die Register nur bis an. 4.
inclusive. Wie schon damals, so fehlen auch jetst die Supplikregister Gre-
gors XI. Dagegen sind 81 Ton Clemens YIL erhalten (an. 1. — 9, darunter
einer aus einer andern Serie; einmal waren im Gänsen 10; an. 2.^4; an.
8.— 1; an. 4.-2; an. 5 fehlt; an. 6.— 1; an. 7. 8.-2; an. 9.-4; an. 10.— 1;
an. 11.—2; an. 12.-2; an. 13. 14.— -2; an. 15.— 1; an. 16 — 1). Ausserdem
Einleitung. XXI
grosse Anzahl Rotuli und Suppliken aufbewahrt, welche theils
verschiedene, namentlich französische, spanische und englische
Universitäten, theils hochgestellte Persönlichkeiten, unter ihnen
vorzüglich Kaiser Karl IV., für die Universitäten oder einzelne
Mitglieder derselben an die päpstliche Curie eingesandt haben.
Durch solche Rotuli und Suppliken wird zuweilen die Existenz
einer Hochschule erwiesen, wir gewinnen einen annähernden
Begriff von der Frequenz an den Universitäten, werden über die
Namen vieler Professoren und Schüler, über manche unbekannte
Ereignisse u. s. w. aufgeklärt. Der Zweck meiner Arbeit erlaubte
es nicht aus den Supplikregistem mehr auszuziehen, als that-
sächlich unten vorliegt und im zweiten Bande noch erscheinen
wird. Ich behalte mir aber vor, später speciell die Pariser
Rotuli zu bearbeiten.
Im Yat Archiv ist hinsichtlich unserer Zeit bloss das Ponti-
ficat Urbans VI. schlecht vertreten. Es sind nur 3% Register-
bände auf uns gekommen ^^). Zwar weisen auch die Ponti-
ficate der nächstfolgenden römischen Päpste bis Sixtus IV. be-
deutende Lücken auf; allein man wird überreich entschädigt durch
das Archiv der Bullen im Lateran, welches ipit Bonifaz IX.
beginnt, und von Alters her der Dataria apostolica gehörte,
wenngleich die Sammlung an sich einen Bestandtheil der Vati-
canischen bildet, oder, wenn man will, umgekehrt ^^). Doch darf
ich nicht verschweigen, dass sich der Inhalt der Registerbände
im Lateran grossentheils auf Provisionen bezieht. Sehr wichtig
existieren Fragmente einzelner Jahre. Der 5. Band fehlte anch 1594; der
6. wurde damals nicht verzeichnet. Von Benedict XIII. besitzen wir 23
Bände (an. l.~9 ans einer Serie; 3 ans einer andern; an. 2.^2; 8 erstrecken
sich auf die Jahre 9—15, und 1 auf die Jahre 13—25). Im Ganzen sind im
Vat. Archiv 99 Papierregisterbände von Suppliken in Grossfolio und mehrere
Fragmente derselben. S. dazu noch die Notiz unten S. 387 Anm. 699.
^^) Die Mnf Bände Oblig. sowie die Sammlung von Actenstflcken, welche
'De schismate Urbani VI.' betitelt ist nnd sich auf den Anfang des Schismas
besieht (Arm. 54 n. 14—39), waren meinen Zwecken nicht dienlich.
^) Ich werde über diese CoUection später im Archiv für Litteratur-
und Kirchengeschichte des Mittelalters berichten. S. einstweilen unten
S. 419 und Überhaupt Über die Schicksale der päpstl. Archive anfangs
dieses Jhs. Marinis Memorie storiche im Plegestum Clementis V. cura et
studio monachorum 0. S. B., Romae 1885, p. GGXXVIII sqq.
XXn Einleitang.
sind sie hinsichtlich der Bischofsernennungen, und sie bieten
hierin selbst für jene Epoche grössere Ausbeute, in der das
Vatic. Archiv wider reicher ist.
Die GoUectoriae , unter ihnen namentlich die ^Introitus et
exitus camerae apostolicae' ergaben mir wesentliches nur für das
Studium an der römischen Curie.
Nicht unbedeutende Schwierigkeiten stellten sich mir ent-
gegen, um zur Kenntniss und Einsichtnahme der gedruckten
Litteratur zu gelangen. Und doch musste ich vom Anfange an
darnach streben, mich in Bezug auf die Universitäten aller Länder
genau zu informieren. In Rom hält es schwer vorzüglich die
neueren Publicationen aufzutreiben, was jeder zugeben wird,
der einmal dort gearbeitet hat. Dies gilt sogar hinsichtlich der
italienischen. Hätte ich es mir so leicht gemacht wie Goppi,
um Montefredini gar nicht zu erwähnen, so wäre die Mühe
nicht sehr gross gewesen. Allein mir lag daran, etwas mehr zu
leisten als diese.
Zunächst wollten die Italien. Städte-Statuten, die in die
Universitätsperiode fallen, durchgesehen sein. Wer sich mit den-
selben beschäftigt hat, wird wissen, was es kostet, gerade die
altern aufzufinden^')- Die Drucke sind äusserst selten, und Hss.
stehen nicht immer zu Gebote. Erst spät wurde mir meine
Arbeit erleichtert, als ich auf die an italienischer Litteratur
reiche Biblioteca del Senate del Regno zu Born aufmerksam
gemacht wurde und mir deren Bibliothecar Menozzi freundlichst
Zutritt gewährte. So weit meine Kenntniss reicht, existiert keine
Statutensammlung, welche mit der in der genannten Bibliothek
einen Vergleich aushielte. Blätterte ich auch manche Bände
umsonst durch und war der Ertrag für meinen Zweck verhältniss-
mässig gering, so kann ich doch nicht umhin die Forscher,
welche sich mit der italienischen Geschichte befassen, auf diese
Bibliothek und deren Statutensammlung hinzuweisen.
^^) Ich will jedoch nicht undankbar verschweigen, welchen Nutzen da-
bei Bonainis Alcuni appunti per servire ad una bibliografia degli statuti
italiani in den Annali delle universitä Toscane II (Pisa 1851), 141—234;
III (1854), 5-42 bieten, Forschungen, die durch Manzoni, Bibliografia degli
statuti, ordini e leggi dei municipii italiani (Bologna 1876. 1879) überholt
wurden.
Einleitung. XXIII
Merkwürdig mag es scheinen, dass man die ältere italienische
Universitätslitteratur leichter ausfindig macht, als die neuere.
Der Grund liegt darin, dass eben die letztere vielfach gar nicht
in den Buchhandel gekommen ist und zumeist auch in den
grösseren Bibliotheken mangelt Ist man dann endlich so glück-
lich in ihren Besitz zu gelangen, so reut einen zumeist die
Mühe, die man darauf verwendet hat, ihrer habhaft zu werden.
Dies gilt namentlich von den Schriften, die für die Wiener
Weltausstellung im J. 1873 verfasst wurden. Sehr richtig ist
diesbezüglich Banchis Urtheil, sie seien in Eile geschrieben
worden, 'e perciö senza alcun interesse di novitä'^^). Natürlich
bezieht sich dies nicht auf alle neuem Arbeiten, am wenigsten
aber auf die höchst verdienstvollen und wichtigen Documenten-
sammlungen, wie jene für Florenz, Pavia, Perugia.
Die von mir eingeschlagene Methode ist dieselbe, welcher
ich bei meinen Untersuchungen über die deutschen Mystiker
gefolgt bin, nämlich die analytische. Meiner Ueberzeugung nach
gewinnt man mit der synthetischen auf einem Gebiete, wo es
noch so viel zu thun gibt und die einzelnen Thatsachen erst
eruiert werden müssen, keine unanfechtbaren Besultate. Man
lauft Gefahr Einzelheiten zu Allgemeinheiten zu erheben,
Schlüsse auf mangelhafte Induction zu bauen *^), manchmal
gerade umgekehrt überall vorkonunende Erscheinungen als Eigen-
thflmlichkeiten zu betrachten und endlich die verschiedenen
Zeiten durch einander zu mengen. Folgerungen, wie der: so
war es an diesem Orte oder in diesem Jahrhundert, darum wird
es wohl auch anderswo und in dem früheren und späteren
Jahrhundert so gewesen sein, bin ich abhold. Es ist der histo-
rischen Wissenschaft weit mehr gedient, wenn man sich ledig-
lich auf den Boden der Thatsachen stellt und sich das Terrain
Schritt für Schritt erobert und sichert, als wenn man ^den
Standpunkt hoch genug nimmt, um in einer weit ausgreifenden
^) ArchiT. 8tor. ital. ser. 3 t. 21 p. 145.
^) Ein abschreckendes Beispiel bietet EUingers Schrift: Das Yerh<-
nias der öffentlichen Meinung zu Wahrheit und LOge im 10, 11. und 12. Jh.
(Berlin 1884), zudem darin die einzelnen Thatsachen oft nach Art des
Flacitts niyricus aufgefasst und dargelegt werden.
XXIV Einleitung.
Umschau die Blicke streifen zu lassen über Völker und über
Jahrhunderte', und sich trotz alles Pochens auf den historischen
Sinn keinen Scrupel macht, die Geschichte so darzustellen, wie
man sie eben haben will und braucht, und nicht so, wie sie
thatsächlich ist. Die Poesie ist Sache der Poeten und nicht der
Historiker.
Die analytische Methode ist der einzige Weg, der uns zu
den wahren Gesetzen führt; sie bewahrt uns vor dem Missgrifife,
den man so häufig macht, für vorgefasste Ideen und Behaup-
tungen Beweise zu suchen, wobei man in der Begel das richtige
Säizlein übersieht: Qui nimis probat, nihil probat. So ergieng
es, um ein hieher gehöriges Beispiel zu bringen, jenen, welche
die These erhärten wollten, die mittelalterliche Kirche sei dem
römischen Bechte feindlich gegenüber gestanden, sie habe es
unterdrücken wollen. Es ist gang und gäbe hiefür zunächst die
Concilsbescblüsse aus den Jahren 1131, 1139 (beide gleich-
lautend) und 1163^^), sowie die Decretale Alexanders IIL vom
J. 1180 '*) zu eitleren. Honorius III., sagt man dann weiter,
habe das in den genannten Beschlüssen enthaltene Verbot im
J. 1219 auf alle Priester ausgedehnt"). Beweisen jedoch die
genannten Beschlüsse, dass, wie Schmidt will, ^die Kirche alles
that, was in ihren Kräften stand, um das römische Recht zu
unterdrücken'? Wenn ja, dann muss man auch zugeben, dass
die Kirche alles gethan hat, um die Medicin zu unterdrücken,
denn in den erwähnten Beschlüssen wird den Mönchen und
Ganonikem nicht weniger verboten, auswärts die Medicin zu
studieren, als die leges temporales oder mundanae. Allein dies
wagt doch niemand zu behaupten, weil der Wortlaut der Acten
zu deutlich offenbart, dass die Kirche das Verbot nur für die
Mönche, Honorius III. auch für die Priester, nicht aber an
sich erlassen hat. Warum übersieht man nun dies, wenn es sich
M) Mansi, Coacil. coli. XXI, 459. 528. 1179. Aehnliche Bestimmongen
wurden frflher (x. B. 1130) und später erlassen.
AI) c. 3. X ne clerici 3,50.
^) Ibid. c. 10. — G. A. Schmidt, Die Reception des römischen Rechts
in Deutschland (Rostock 1868) S. lUf. wurde bis heute recht eigentlich
als der Gewährsmann fOr obige Ansicht betrachtet.
Einleitung. XXV
am das kirchliche Verbot des Stadiums der leges saeculares
handelt? Weil man eben fQr die These, die Kirche sei dem
röm. Rechte feindlich gegenüber getreten, eines Argumentes
bedarf. Nicht viel besser steht es mit dem Schlüsse, den man
aus dem Verbote des Cüvilrechtes für Paris und Umgebung durch
Honorius IIL zieht. Dass dasselbe rein local und in Rücksicht
auf die Pariser Verhältnisse gegeben wurde, wird nunmehr un-
zweifelhaft durch die bisher nicht bekannte von mir unten
S. 252 f. verwertete Bulle Gregors IX., mittels welcher der Papst
das Studium des Givilrechts in Orleans ohne weiteres erlaubte ^°).
Nur ein Schreiben Innocenzs IV. vom J. 1254 hat einige Beweis-
kraft^^). Inwiefern dies der Fall sei, wird im zweiten Bande
untersucht werden, wo ich die Frage im Zusammenhange be-
handele^^). Das Angeführte genügt zum Erweise der Noth-
wendigkeit, ohne vorgefasste Meinungen in seinen Forschungen
vorzugeben und die einzelnen Facta in ihrem wahren Werthe
abzuwägen, um dann erst wenn möglich Gesetze aufzustellen.
Der Plan des Werkes tritt, täusche ich mich nicht, in
demselben selbst zu Tage. Der vorliegende Band beschäftigt
sich mit der Entstehungs- und Gründungsgeschichte der mittel-
alterlichen Universitäten bis 1400, der zweite wird einen Grund-
riss der Organisation und Verfassung der mittelalterlichen Univer-
sitäten und CoUegien enthalten. In letzterem werden auch manche
Fragen ihre Erörterung finden, die ich schon in dem gegenwärtigen
Bande berühren musste, die aber zu innig mit der ganzen Orga-
nisation verknüpft sind, als dass sie von der Besprechung der-
selben losgelöst werden könnten. Dahin rechne ich namentlich
^) Natürlich galten bisher die Professoren von Orleans als 'aufgekl&rte'
Männer, die sich dem Verbote Honorius IIL widersetzten, und Le Giere
sagt geradezu: Les professeurs d'Orl^ans, pour acquerir ce renom, avaient
dft r6sister aux bnUes d*Honorius III (Le Giere wusste nicht einmal, dass es
sich bloss um 6ine Bulle handelt), qui interdisaient en France les chaires de
droit romain. Bist. litt, de la France XXIY, 254. Auch Schmidt, Die Re-
ception des römischen Rechts S. 135, theilte, weil ihm der eigentliche Sach-
verhalt entgieng, eine irrige Auffassung.
M) Bei Matth. Paris, Ghron. mi^. ed. Luard VI, 293.
^) S. einstweilen unten S. 696 f. und S. 754 ff.
XXVI Einleitung.
die Untersuchung über das eben gestreifte Verhältniss der Kirche
zum römischen Rechte sowie über die Entwickelung des Kanzler-
amtes und der Licentia docendi.
Weshalb ich mir das Jahr 1400 als Gränze festgesetzt
habe, über welche hinaus die Universitäten keine Besprechung
erhalten, hat darin seinen Grund, dass eben das 15. Jh. überall
neue Verhältnisse aufweist. Allerdings kommen diese nicht
gerade mit dem J. 1400 zum Vorschein. Hätte ich z. B. bloss
die deutschen Universitäten berücksichtigt, so würde ich ungefähr
mit der Mitte des 15. Jhs. geschlossen haben, während ich die
italienischen nicht weit über die Mitte des 14. Jhs. hinaus in
Betracht gezogen hätte. Da sich jedoch meine Untersuchungen
auf die Universitäten aller Länder erstrecken, so war ich genöthigt
eine bestimmte Jahrzahl als terminus zu wählen, die so ziemlich in
der Mitte liegt. Ich fand keine andere als eben 1400. Wer
sich damit nicht einverstanden erklärt und mehr wünscht, möge
die Forschungen weiterführen.
Obwohl der Geschichte der Universität Paris mehrere Bände
vorbehalten sind, so musste ich ihr doch schon in diesem meine
Aufmerksamkeit schenken. Die Geschichte der andern Hoch-
schulen ist unverständlich ohne jene der Pariser. Sowohl diese
wie die zu Bologna haben sich am frühesten und ungefähr um
dieselbe Zeit durch Bildung von Gorporationen als Universitäten
constituiert. Ich konnte eben deshalb schon jetzt die Darlegung
des Corporationswesens an beiden genannten Schulen nicht um-
gehen. Was ich hier darüber gesagt habe, bildet eine Vorarbeit
für die nächstfolgenden Bände.
Hinsichtlich der übrigen Hochschulen beschränkte ich mich
in diesem Bande darauf lediglich deren Entstehungs- und
Gründungsgeschichte und den Zustand der Lehranstalt als solcher
darzustellen. Ich verfolgte wo möglich die Entwickelung so
weit, bis die Verfassung klar zu Tage tritt und erstere ohne
letztere nicht behandelt werden kann. Daher kommt es, dass
ich bei Beschreibung der grösseren Universitäten, wie Oxford,
Padua, Toulouse, Montpellier, Orleans u. s. w. früher abbrechen
musste als in der Regel bei den kleinern, von denen zudem
einige sich nicht recht lebensfähig erwiesen, und deren Geschichte
Einleitung. XXVII
ich deshalb wenigstens in den Hauptzügen bis zu ihrer Auf-
lösung fortsetzte. Wie verfehlt es ist, die Entstehungsgeschichte
nicht von der der Verfassung zu trennen, zeigen uns besonders
die einschlägigen Arbeiten von Meiners und Savigny, in denen
wir über erstere fast nichts erfahren, während bei Behandlung
der letztem in der Regel zu spät angesetzt wird, eben weil sich
die beiden Autoren über die Anfänge nicht klar waren.
Nicht umgehen durfte ich jene Momente, die flir die ein-
zelnen Schulen als solche von Bedeutung sind. Selbstverständ-
lich gehören hieher zunächst die Fragen, welche Lehrftcher an
ihnen und wann dieselben in Au&ahme kamen und wie stark
die einzelnen vertreten waren. Letzteres liess sich nicht immer
eruieren, hie und da musste ich mich mit den mangelhaften
Angaben der an den Papst geschickten oft späten Universitäts-
rotuli begnügen. Nicht ohne Wichtigkeit schien mir in Erfahrung
zu bringen, wann da und dort das erste GoUeg für arme Schüler
gestiftet wurde. Welchen Werth man auf solche CoUegien im
Mittelalter legte, hat uns am besten Heinrich v. Langenstein
gesagt (s. unten S. 624 Anm. 1640). Die Pariser CoUegien
musste ich natürlich noch ausschliessen. Auffallend ist, dass in
Deutschland die eigentlichen CoUegien, wie sie in den romani-
schen Ländern und in England bestanden, kaum in Aufnahme
kamen.
Ich habe unten S. 220 bemerkt, warum ich die Universi-
täten nicht chronologisch oder nach den verschiedenen Ländern
gruppiert habe. Das im zweiten Paragraph des fünften Haupt-
abschnittes über die Entstehung der Universitäten Gesagte (s. be-
sonders S. 772 ff.) bringt es durchaus mit sich, zwischen solchen
Universitäten, welche gewissermassen aus sich selbst oder durch
Auswanderung entstanden sind, und solchen, die Stiftbriefen
ihre Existenz verdanken, zu unterscheiden. Die Sonderung in
diese zwei Gruppen ist nichts weniger als äusserlich, im Gegen-
theile gründet sie sich auf die historische Entwickelung des
Generalstudiums, der man aber bisher kaum eine Aufinerksamkeit
geschenkt hat. War es nun nothwendig zwischen Universitäten
ohne Gründungsurkunden und Universitäten mit solchen zu
unterscheiden, so musste ich letztere, wollte ich consequent
XXVm Einleitimg.
bleiben, nach der verschiedenen Art der Stiftbriefe, welche sie
erhielten, classificieren , obgleich ich zugestehe, dass es sehr
häufig ganz accidentell war, wenn dieser Hochschule ein päpst-
licher, und nicht ein landesfiirstlicher oder kaiserlicher zu Theil
wurde, und umgekehrt. Meine Disposition erleichtert zugleich den
Einblick in das Yerhältniss der geistlichen und weltlichen Gewalt
zur Errichtung der Universitäten des Mittelalters und macht
manche Erörterungen darüber und eine weiter ausgesponnene
Polemik gegen die herrschenden Ansichten überflüssig. Die
bisher beliebte Eintheilung nach Ländern wäre am Platze, wenn
die Gründung der Hochschulen mit dem Nationalbewusstsein in
den einzelnen Ländern einen directen Zusammenhang gehabt
hätte.
Es bedarf wohl nicht der Versicherung, dass ich mich, so
weit es in meinen Kräften stand, der Genauigkeit befliss. Inso-
ferne es mir möglich war, verglich ich auch die bereits ge-
druckten Quellen mit den Originalen und Handschriften, nament-
lich wenn es sich um Stellen handelte, die Beweiskraft haben
sollten. Besonders den älteren Drucken ist nicht zu trauen.
Den päpstlichen Schreiben fügte ich in der Kegel auch dann die
Nummer des betreffenden Briefes in den Yaticanischen Regesten
bei, wenn erstere bereits publiciert waren. Ich halte es nicht für
nothwendig, die Nützlichkeit dieses Verfahrens weiter darzulegen.
Unzählige Male bot sich mir Gelegenheit, mich mit land-
läufigen Behauptungen auseinanderzusetzen. Man sei aber über-
zeugt, dass ich bemüht war, die Warnung des ersten Glossators
der Sentenzen des Peter Lombardus, Peters von Poitiers, nie aus
den Augen zu verlieren: Teritati non intellectae obloqui teme-
raria praesumptio est; intellectae sed offendenti contraire obsti-
nata praesumptio est; et hoc vitio praecipue Magistri laborant,
quos saepe veritas intellecta offendit, — offenditur autem unus,
quando alius bene dicit. Unde licet reclamante conscientia
statim ei contradicit' (Ck)d. Paris. 14423 Bl. 41b). Ich bin
jedem dankbar, der mich auf Irrthümer, Fehler und Lücken
aufinerksam macht und von mir übersehene Documente, welche
in meine Zeit reichen, zu Tage fördert. Soweit es möglich
ist, werde ich allen Wünschen Rechnung tragen. Sollte aber
Kmleitun«. XXIX
ich keinen Natzen mehr aus solchen Winken nnd Nachträgen
ziehen können, so werden sie gewiss einem künftigen Bearbeiter
der Universitätsgeschichte zu gute kommen, dem mein Werk
doch immerhin manche schwere Mühe ersparen wird, der ich
mich nothgedrungen unterziehen musste und von der ich nicht
weiter reden will.
Ein ausführliches Register folgt mit dem zweiten Bande,
der mit dem ersten ein Ganzes bildet.
Bei meinen Arbeiten wurde mir überall Unterstützung zu Theil.
Namentlich muss ich meinen verbindlichsten Dank aussprechen
der Direction der Nationalbibiiothek , des Nationalarchives und
der Uniyersitätsbibliothek zu Paris, den Bibliotheksvorständen
der Staatsbibliothek zu München, der Universitätsbibliotheken
zu Leipzig und Erlangen, sowie speciell Mons. Ciccolini und
P. Bollig an der Yaticanischen Bibliothek, meinen beiden Freunden
P. Jeiler in Quaracchi bei Florenz und P. Ehrle in Rom, den
Herren Omont und E. Chatelain in Paris, Herrn W. Meyer in
München, Hofrath Ficker in Innsbruck, Herrn Sindaco und
Archiworstand Banchi in Siena, Prof. A. Corradi in Pavia, Prof.
Hinojosa in Madrid. Gute Aufnahme fand ich an allen Biblio-
theken und Archiven, an denen ich arbeitete und deren es nicht
wenige sind, und Auskunft gab mir jeder so gut er konnte, an
den ich mich wandte. Schlimm erdeng es mir nur in Padua;
ich würde jedoch darüber schweigen, müsste ich mich nicht
deshalb rechtfertigen, dass ich das dortige Museo civico nicht
benützt habe. Als ich mich im Juli vergangenen Jahres daselbst
aufhielt, um meine Notizen über die Universität Padua zu er-
gänzen, und ich mit A« Gloria, dem Vorstände des Museo civico,
sprechen wollte, Hess er mir sagen, dass ich alle Documente,
welche sich auf die Geschichte der Universität Padua bis 1318
beziehen, in seinen demnächst erscheinenden Monumenti lesen
könne. Dieses sonderbare Benehmen sticht sehr ab gegen das
des Bibliothekars an der Bibliothek S. Antonio, P. Josa 0. Min.,
der mir bei Untersuchung der dortigen Hss. jedesmal treu zur
Seite stand. Es blieb mir daher nichts anderes übrig, als auf die
Publication Glorias zu warten, die aber bis jetzt nicht erschienen
ist und vor Juli oder August nicht ausgegeben werden wird.
XXX Einleitung.
Unter diesen Umständen wäre ich schon froh gewesen, hätte
man mich am Museo civico wenigstens auf die gedruckte neuere
Litteratur aufinerksam gemacht.
Am meisten verfiichtet fahle ich mich meinem Freunde
Herrn Prot £. Steinmeyer in Erlangen, der mit grtester Bereit-
willigkeit und Aufopferung die Durchsicht der Correcturbogen
übernahm. Die Fehler, welche stehen geblieben sind, fallen
nicht ihm zur Last
Vielleicht ist es mir gelungen, eine neue richtigere Auf-
fassung eines der wichtigsten Theile der Culturgeschichte des
Mittelalters wenigstens Yorzubereiten und die Ueberzeugung zu
befestigen, dass wir es nicht mit einer finstem, sondern mit
einer sehr lichten Periode zu thun haben, die sich vor unserer
Zeit trotz alles Fortschrittes auf den verschiedenen Gebieten
nicht zu schämen braucht
Rom, 10. Mai 1885.
P. Heinrich Denllle.
Inhalt.
Seite
L Beieielinniigr und Befn^iff der mittelalterlicben UniTersitftt«
1. StndlniiL Studium generale 1
Alter des Ausdrackes Studium generale 2. — Anwendung der Be-
zeichnung Studium 5. — Scholae 9. — Begriff des Ausdruckes
Studium generale 11. — Landesschule 12. — Lehranstalt fttr Alle
14. — Unterricht fQr Alle 17. — Studium priTilegiatum 19. --
mit der facultas ubique docendi 21. — Abweichende Ansichten 23.
— Nicht Vertretung aller Wissenschaften 25. — Man strebte sie
an 28.
2. Unlyersltas. Aoademia. Qymnasium 29
Uniyersitas im Mittelalter 29. — Ahna mater 33. — Academia 36.
^ Gymnasium 37.
n» Entstelimiiir md Entwickelung der beiden ftttesten Unirer-
sit&ten.
1 Entwlokelung der Schulen in Paris und Bologna im All-
gemeinen 40
Wie sind die Utesten üniyersitftten entstanden? 40. — Neue Me-
thode in der Doctrin 45. — Privilegien 48. -— Authentica
Habüa 48. — Friedrich I. Tor Bologna 49. ~ Auseinander-
setsung mit Giesebrecht 50. — Die Hss. der Authentica 52. —
Ob zu Roncalia erlassen? 54. ~ Wem kam die Authentica zu
gute? 55. — Bedeutung des PriTÜegs fftr Bologna 59. -VTriTÜeg
Philipp Augusts für Paris 60. — üebergang zu den n&chstfol-
genden Paragraphen 62.
2. Die Bildung der Oorporationen an der Hoobeohule seu
64
Bisheriger Irrthum hinsichtlich der Bildung der üniyersit&t Paris
64. — Statsen des Irrthnms 65.
a. Bildung der üniversitftt und der Facult&ten 67
Die Magister der Terschiedenen Disciplinen constituierten die Uni-
Tersitftt 67. — Der Ausdruck facultas 71. — Bildung der Facult&ten
72. — Handlungen der Vertreter der einzelnen Wissenschaften als
Faenlt&ten 73. — Die Uniyersit&t nicht identisch mit den yier
XXXII li^alt.
Soiia
Nationeu 77. — Die Artisten ursprünglich kaum identisch mit den
vier Nationen SO. -* Irriger Bericht des Johann von St. Victor 82.
b. Alter und Character der Nationeneintheilung in
Paria 84
Gemischte Scholarenverbindung 84. — Im 12. Jh. bestand noch
nicht die Eintheilung in vier Nationen 85. — Nicht die Artisten
bildeten die alte Universität 87. — Das Privileg Philipp Augusts
^ _ IjVie entstanden die vier Nationen ? 91. — Unterschied
2wischen der früheren und späteren Zeit 92. — Interessante Botuli
93. — Die Eintheilung in vi6r Nationen hat sich nicht spontan
entwickelt, sondern ist geschaffen worden 94. — Grund der Ein-
theilung 95. — Procuratoren der Nationen 97. — Welche Ele-
mente schlössen die Nationen in sich? 97. ~~ Stellung der Artisten
sur Universität 98, — zu den vier Nationen 102. — Kein Gegen-
sats zwischen Nationen und Facultäten 103. — Wann erfolgte
die Nationeneintheilung? 105.
c. Stellung des Bectors innerhalb der Universität . . . 106
Bisherige Meinungen 106. — Die Bectoren in den päpstlichen
Schreiben 107. — Bector scholarum 108. — Es gab anfiknglich
noch nicht einen Bector an der Spitze der Universität 109. — Wann
in den Universitätsacten der Bector zuerst erwähnt wird 1 14. — Der
Bector in der ersten Periode 115. — Wahl des Bectors 118. —
Wie der Bector nach und nach Haupt der ganzen Universität
wurde 119. — Es geschah nur durch Vergewaltigung von Seite
der Artisten. Unverhältniasmässige Ueberzahl der Magistri ar-
tium 123. — Es war unnatürlich, dass der Bector der Artisten
Vorstand der Universität wurde 125. — Losung der Schwierig-
keiten 127. — Theorien des Mittelalters über die Nothwendigkeit
eines Corporatioiifihaaptes 128. ~ Uebersicht 130.
8. Kntwiokeltmg der Ctorporationen an den Sdhnlen Bolo-
gnae 132
Beine and gemischte Scholarenverbindung 132. — Friedrichs I.
Auth. Ilabiia im Verhältniss zu den Gorporationen 133.
a. Das Wesen der Scholarenverbindungen 135
Sie waren fireie Genossenschaften auf fremdem Boden 135. — Es
gab anfänglich mehr als zwei Scholarenverbindungen zu Bolo-
gna 186. — Gliedening der einzelnen Verbindongen 139. — Letztere
entstanden nicht zu gleicher Zeit 140. ^ Von welcher Nation der
Gedanke Verbindungen zu schliessen herrühren mag 141. — Motive
zur Eingehung von Genossenschaften 142. — Die Scholarenverbin-
dungen und die städtischen gewerblichen Zünfte Italiens 145. —
Bector scholarum, Bector scholarium 147. •— Wie die Scholaren
zum GenossenschafUrecht gelangten, da sie keine Profession aus-
In»»»»»- xxxin
Seit«
übten 151. — Eigenart der Studierenden 153. — Schlossresiiltat
153. — Mehrere Gorporationen, jede mit einem Bector 154. —
EigenthOmlichkeiten der ScholarenTerbindongen Bolognas 156. —
Irrige Ansichten 157.
b. Zeit der Entstehung der Scholarenverbindangen . . 158
a Verh<niss der Scholarenyerbindnngen Bolognas zur
Stadtgemeinde und zu den Professoren 160
Woher kam die Missgnnst der Stadt gegen die Scholarenverbin-
düngen? 160. — Eintreten Honorius III. fOr die Scholaren 161. —
Neue Differenzen 162. — Die Stadt war nicht an sich den Ver-
bindungen feindlich 163. — Widerholtes Einschreiten des Papstes
166. — Die Stadt will das Rectorat unterdrücken 168. — Die
Professoren dabei im Spiele 169. — Grund dieser Erscheinung
171. ^ Ausgang des Streites zu Gunsten der Scholaren 175.
d. Der einheimische Rechtsschfller, und die Scholaren
der Übrigen Wissenschaften 177
e. Der Rector, und seine Stellung innerhalb der Gorpo-
rationen 181
Sayignys irrige Methode. Die Juristen-Statuten 181. — Beschaf-
fenheit der Bectoren 184. — Uebergang 191.
f. Yerh<nisB der Scholarenverbindungen zur Lehran-
anstalt und umgekehrt 192
Yerhftltniss der Professoren zu den ScholareuTerbindungen 192.
— Die Professoren und die Stadt 193. — Erklftrung des Ab-
hftngigkeitsTerhftltnisses der Professoren tou den Scholaren 196.
— Es war Folge des Entwickelungsprocesses, dass die Scholaren
die Administration der Studienangelegenheiten in die H&nde be-
kamen 200. — Stellung der Lehranstalt zu den ScholarenTerbin-
dongen 201. — Die Professoren waren die Begenten des Stu-
diums 204.
g. Kurzer üeberblick Aber die Studien-Verhftltnisse der
Hochschule 205
Die Lehrfächer in Bologna 205. — Zahl der Professoren im 14. Jh.
208. — Privilegien von Seite der P&pste 209. -^ GoUegien 212.
m. Eiitfltelinng und Entwiekelung der übrigen Hochschulen Eu-
ropas biB 1400.
Bis 1400 entotanden 55 Hochschulen 219. — Methode bei der
Darstellnng 220.
1. Die f&lsoblioh als Uniyersltaten bezelohneten Schalen . . 221
Macerata 221. — Lyon 223. — Breacia, Messina, Palermo, Yienne
924. — Palma, Beims 225. — Todi 227. — Die Particularstudien
228. — Pistoja 229. — Mantua, Parma 230.
D«Bifle, IMo UniTenit&tan I. G
XXXIV In'««'"»-
Seite
2. Die Hoobsohulexi oline Errlohtnngsbriefe 231
Stndienanstalten ex consuetadine nnd ex priTÜegio 231.
Salerno 232
Ansichten Aber den ürsprnng, ob laical oder clerical 232. — Wie
weit die Nachrichten znrackreichen 234. — Salerno unter den
Staufem 235.
Oxford 237
Die Fabel von der Alfredschen Stiftung 237. — Oxford wird erst
912 urkundlich erwähnt 238. — Fälschungen 239. — Die Schule
bestand im 12. Jh. 241. — Irrthum derjenigen, die sie erst 1229 ge-
gründet sein lassen 241. — Stand der Schule Ende des 12. und
Anfang des 13. Jhs. 242. — Erlitt keine Unterbrechung mehr 244. —
Der eigentliche Ursprung unklar 247. — Warum die Mitte des 13. Jhs.
consolidiert. Frequenz 248. — Das erste Colleg 249. — Paris
theilweise Vorbild Oxfords 250. — Rotuli der Universität 251.
Orleans 251
Wurde nicht erst von Clemens Y. gegründet 251. — Die frühesten
Schulen. Die ersten Actenstücke für eine Bechtsschule im 13. Jh.
Gregor IX. 252. — Clemens Y. ertheilte nur das Corporations-
recht 256. — Das juristische Studium hatte wahrscheinlich in
Paris seinen Ursprung. Zusammenhang mit der Bulle Super spe-
eula 258. — Philipp der SchGne und die Universität 260. — Un-
geschick der französischen Könige 262. — Uebersiedelung der
Universität nach Nevers 264. — Widerherstellung der Univer-
sität in Orleans durch Johann XXII. 265. — Namen von Pro-
fessoren. Stand der Universität Ende des 14. Jhs. 268—269
Angers 270
Wie weit die juristische Lehranstalt surfickreicht 270. —
Blühend Mitte des 13. Jhs. Professoren 271. ^ Bischof Wilhelm
le Maire 272. — Durch die päpstl. und fürstlichen Schreiben
wurde die Schule und die Universität nur privilegiert, nicht ge-
gründet 274. — Frequens der Universität in der 2. Hälfte des
14. Jhs. 276. " Collegien 277.
Padua 277
Entstand 1222 durch Auswanderung aus Bologna 277. — Contrakt
mit Yercelli im J. 1228 278. ~ Schlüsse aus diesem Contrakte
auf Padua selbst 280. — Das dortige Studium existierte noch
unmittelbar nach 1228 281. — Zur Zeit der Tyrannei Eszelins
(1237—1256) Stillstand des Studiums 284. — Reactivierung des-
selben im J. 1260. Lehrfächer. Bischof v. Padua 285. —
Schnelle Blüthe der Hochschule. Der Papst und die Scholaren
286. — Kritischer Zustand im vorletzten Decennium des 13. Jhs.
287. ~ Annähernde Angabe des Personals tandes bis 1318
288. " Collegien 289.
Inhalt XXXV
Seite
Vercelli 290
Entstand 1228 darch Auswanderung aus Padua 290. — Guter
Anfang 291. — Ubertns de Bobio. Ubertus de Bonacurso 291.
293. — Von der Mitte des 13. Jhs. ab beständiges Schwan-
ken 293.
Beggio 294
Frühe Rechtsschule, die aber nur wenig ihrer schnell Torüber-
gehenden BlQthe zeigt 294. — Professoren. Doctordiplom 295. —
YerfaU im 14. Jh. 295.
Modena 296
Ruf der Schule £nde des 12. Jhs. Pilius 296. — Guido de Snza-
ria. Die Lehranstalt ohne grosse Bedeutung 297. — Trauriger
Zustand im 14. Jh. 298.
Vicenaa 298
Bedeutend Anfangs des 13. Jhs. und entstanden durch Auswan-
derung aus Bologna, aber nur von kurzer Dauer 298. — In der
2. Hälfte des 13. Jhs. ReactiTierung 299. — Im 14. und 15 Jh.
Niedergang. Fortbestand you Schulen. Venedigs Verbot 300.
3. Hoohsdhiilen mit nur päpstUohen Errlohtungsbriefen . . 301
Römische Curie 301
Das Generalstudium an der röm. Curie von Innocenz IV. gegrün-
det 301. — Honorius III. nicht der Stifter 302. -^ Nicht bloss
Rechtsschule, sondern auch theologische Lehranstalt 302. —
Eifrige Pflege des Civilrechts 304. - Widerholte Dispens vom
Verbote Honorius III. 305. — Studium der orientalischen Sprachen
306. — Mit dem Studium an der Curie nicht zu verwechseln
die Schule in Trets 308. — Zur Zeit des Schismas besassen
die römischen und die avignonesischen Päpste eine Lehranstalt
309. — Päpstliche Palastschule und die Hofschule Karls des
Grossen 310.
Rom 310
Karl I. von Aqjou — Bonifaz VIII. 310. — Matthaeus Romanus.
Lehrfächer 311. — Das Studium in der Periode der Päpste zu
Avignon 311. — Allmählicher Verfall. Restaurierung durch Eugen
IV. 312. — Neue Bestimmungen Eugens IV. 313. — Wechsel-
fälle der Hochschule. Mehr Professoren als Schüler unter
Leo X. 315. — Das erste CoUeg 316.
Pisa • 317
Rechtskundige zu Pisa seit dem 12. Jh. 317. — Erhält erst vor
der Mitte des 14. Jhs. die nothwendigen Vorbedingungen zu
einem Generalstudium. Clemens VI. 319. — Keine andauernde
Blüthe 320. — Löste sich nach und nach auf. Restaurierung
im J. 1473 321.
C*
XXXVI Intal»-
Ferrara 322
Die froheren Schalen. Markgraf Alberto t. Este und Bonifaz IX.
322. — WechselTolles Dasein der Schale 323. — Endliche Gon-
Bolidiemng im 15. Jh. 324.
Tonlonse 325
Stiftang der Schale durch den Gardinallegaten Roman im J. 1229
325. — Das Tom Grafen Baymand aasgeworfene Salariam 326.
^ Jean de Garlande and Boland von Cremooa 327. — Schrei-
ben der üniversit&t an die aaswftrts Stadierenden 327. —
Stillstand 329. — Gregor IX. im J. 1233. — Der Papst and der
Graf wegen des Salariams 331. — Innocenz IV. 333. — Sorge
der Päpste Ar das Stndiam 334. — Lehrfächer 334. — Schick-
sale des theologischen Lehrfaches 336. — Enorme Freqaens
der Universität im 14. Jh. Rotali Namen von Professoren 338.
— Die GoUegien 339.
Montpellier «^ . 340
Alte medicinische Schale 340. — Kirchlicher Einflass 342. —
Die jaristische Schale. Placentin 343. — Azo oder Bassianos?
344. — Differens zwischen Jacob I. von Aragon and Glemens lY.
345. — Begelang der Promotionen im J. 1285 364. — Artisten
in Montpellier 347. — Solempne Stndiam in Montpellier am die
Mitte des 13. Jhs. 347. — - Es war ein Generalstadium 348.
— Trotzdem erliess Nicolaas lY. einen Stiftbrief 350. — Er-
klärnng dieser Thatsache 350. — Die theologische Facaltät 354.
— Zustand des medicinischen und jnristischen Stadiums im 14. Jh.
354. — Namen von Juristen im 14. Jh. 356. — Gollegien 356.
Avignon 357
Schulen im 13. Jh. 357. — Gutes Gedeihen des Studiums bei Be-
ginn des 14. Jhs. 358. — Stiftbrief Bonifazs YIIL 358. — Yer-
hältniss desselben zu den vorausgehenden Schreiben Karls 11.
Irrige Anschauungen modemer Gelehrten 359. — WechselfäUe
der Anstalt im 14. Jh. 361. — Frequenz. Juristen. Golle-
gien 362.
Gabors 362
GegrOndet von Johann XXII. 362. — Toulouse das Yorbild 363.
' Schwierige Existenz 364. — Lehrpersonal Mitte des 14. Jhs.
364. — Gollegien 365.
Gr6noble 365
Benedicts XII. Stiftbrief 365. — Guter Wille Hamberts, trotz-
dem schneller Yerfall der Lehranstalt 366.
Gambridge 867
Gambridge und Oxford im Wettstreit hinsichtlich des hohen Alters.
Die Schule reicht kaum ins 12. Jh. Fortsetzung der Ingulf-
Inhalt xxxvn
Seit«
sehen Chronik 367. — Die erste sichere Nachricht aas dem
J. 1209 368. — Wichtige Schreiben Heinrichs III. und Gre-
gors IX. 369. ~ Ungeordneter Zustand der Universit&t bis ins
14. Jh. 37 i. — Die theologische Facultät 373. — Das erste Cd-
leginm 374. — Veranlassung cum Stiftbriefe Johanns XXII. 375.
Valladolid 376
Die Schule des 13. Jhs. 376. — Das Generalstudium errichtet
Ton Clemens VI. 377. — Wichtiges Privileg desselben Papstes
bezfiglich des Salariums 378. — Botulns der Universität 379.
— . Aufschwung des Studiums unter Martin V. 379. — Theolo-
gische Facult&t 380.
Heidelberg 380
Nicht c. 1346 gegründet 880. — Bericht des Marsilius von Ing-
hen 381. — Urbans VI. Stiftbrief 382. — Ohne kaiserliche
Grandungsurkunde 383. — Die Diplome des KurfOrsten Buprecht
384. — Eröffnung der Schule. Kleiner Anfang; plötzlicher Zu-
wachs 385. — Lehrfächer. Collegium 386.
Köln 387
Die froheren Stifts- und Klosterschulen 387. ~ Sie bildeten kein
Generalstudium; man bewarb sich an ihnen nicht um academische
Grade 388. — Ungemein günstige Lage Kölns fOr ein General-
studium. Wissenschaftliche Rdhrigkeit in der Kölner Provinz 391.
— Behauptung Panlsens hinsichtlich der Entstehung der Hoch-
schule 394. — Die ersten Professoren kamen grossentheils erst
kurz vor Gründung der Universität nach Köln 395. — Die Errich-
tungsbnlle Urbans VI. 398. — Eröffnung der Hochschule. Ma-
trikel 399. — Civilrecht 400. 401. — Päpstliche Privilegien.
Dotierung 400. 401. — Bursen 402.
Erfurt '. 403
Die blähenden Schulen der ersten Hälfte des 13. Jhs. Saty-
risches Gedicht des Nicolaos de Bibera 403. — Weitere Nach-
richten über die Schulen bis zur l^itte des 14. Jhs. 405. —
Heinrich von Oytha um die Mitte des Jhs. Bector in Erfurt
406. — Wichtige Supplik Kaiser Karls IV. Vor Gründung der Uni-
versität war Erfurt im Besitze einer der besuchtesten Lehranstalten
Deutschlands. Vier Hauptschulen 407. — Stiftbrief des Gegen-
papstes Clemens VII. Bulle Urbans VL 410. — Stand der
Schule 411. — Collegien 412. — Dotierung 413.
Fünfkirchen 413
Studienverhältnisse in Ungarn im 18. und 14. Jh. Veszprim 413.
— Um die Mitte des 14. Jhs. nur 6in Doctor der Theologie in
Ungarn 414. ^ Urbans V. Stiftbrief für Fünfkirchen 415. —
Galvanus de Bononia 417. — Baldiger Verfall der Hochschule 418.
XXXVm la^^alt
Seite
Ofen 418
Der Stiftbrief Bonifazs IX. Schwierigkeit das Datum desselben
zu fixieren 418 — Schwaches Leben der Schule 420. — Reacti-
Vierung im 15. Jh. Kurzer Bestand 421. — Mathias Gorvinus
und die neuen Hochschulen 422.
4. Hoolisoliulen mit kaiserliohen oder landesherrUolien Qrün-
dungsnrlnmden 424
Arezzo 424
Auswanderung aus Bologna 1215. Ro£fridus Epiphanii 424. —
Zustand der Schule Mitte des 13. Jhs. 425. — Rückgang in der
folgenden Epoche. Notizen aus der 1. H&lfte des 14. Jhs. 425.
— Karls IV. Stiftbrief 427. — Verfall der Schule. Friedrich III.
Widereröffnung and völliger Niedergang 428.
Siena 429
Die Schulen am die Mitte des 13. Jhs. 429. — Innocenz IV.
430. — Versuch der Commune 1275 ein Generalstudium zu er-
richten. Scheitern desselben 431. — Die Schalen bis 1321. Jacob
de Belviso, Jacob de Arena, Oldradus 434. — Der Mediciner Dinus
435. — Riccardo Petroni 436. — Epochemachendes Ereigniss
in Bologna 1321. Auswanderung von Professoren und Scholaren
437. _ Uebersiedlung nach Siena 438. — Professoren. Fede-
rigo Petrucci. Salarium. 489. — Baldige Auflösung des Studiums
zu Siena 440. — Wideraufnahme der Vorlesungen in Bologna
441. — Cinus von Pistoja in Siena 443. — Neue Anstrengungen
der Sienesen 444. — Privileg Karls IV. 446. — Trauriger Za-.
stand des Studiums 448. — Neue Rührigkeit Ende des 14. Jhs.
449. — Gregor XII. 450. — Gollegium 451. — Endliche Con-
solidierung 451.
Neapel 452
Neapel nicht die erste von einem Landesfürsten gegründete Uni-
versität 452. — Friedrichs II. Stiftbrief. Scheidang der Briefe
bei Peter de Vineis 453. — Lehrstuhl der Theologie 455. — Unter-
brechang and Wideraufnahme der Schule. Thomas von Aquin
456. — Verlegang des Studiums nach Salemo unter Konrad II.
457. — König Manfred als Restaurator der Schale in Neapel 457. —
Th&tigkeit Karls I. von Aqjou. Clemens IV. 458. — Lehracher460.
Treviso 461
Die Stadtschule des 13. Jhs. 461. — Beschluss der Commune im
J. 1314 ein Generalstudium zu errichten 462. — Berufungen von
Juristen 463. — Neue Anstrengungen im J. 1318 464. — Privi-
leg Friedrichs des Schönen 465. ~ Plötzlicher Verfall der
Schale 466.
Orange 467
Inhalt. XXXK
8«ito
Die Lehranstalt im 13. Jh. Privileg ürbana V. im J. 1365 467.
— Stiftbrief Karls IV. 468. -— Gegenpapst Clemens YII. er-
richtet den Lehrstuhl fQr das canonische Recht 470. — Geringe
Bedeutung der Schule In der folgenden Periode 47 L
Palencia 471
Irrige Anschauungen hinsichtlich der alten Schulen 471. — Die
Lehranstalt zu Beginn des 13. Jhs. 472. — Errichtung des
Generalstudiums durch Alonso YIIL 474. — Baldiger Rück-
gang. Reactivierung durch Fernando III. und Bischof Tello 475.
— Stillstand seit Mitte des 13. Jhs. 476. •— Wiederherstellung
durch Urban lY. Yerfall 478.
Salamanca 478
Alonsos IX. Th&tigkeit 479. — Stiftbrief Fernandos III. 480. —
Aufschwung unter Alfonso el Sabio 481. — Salarium der Pro-
fessoren 483. — Alexanders lY. Privilegien 484. — Sorgfalt Al-
fonsos el Sabio 486. — Kritische Lage des Studiums Ende des
13. Jhs. 487. — üebelst&nde betreffs der Besoldung 488. —
Verdienst Clemens Y. um die Widerherherstellung der Lehran-
stalt 489. — Glücklicher Erfolg 491. — Errichtung der theolo-
gischen Lehrkanzeln 492. — Zustand der Universität Mitte und
Ende des 14. Jhs. 495. — Das erste grössere Colleg 494.
Sevilla 495
Eigenthümlichkeit dieser Schule 495. — Sie war vorbereitet
durch die Lehranstalten der Dominicaner für die orientalischen
Sprachen 495. — Raymund Martini 496. — Die Mauren Lehr-
meister der Brüder 497. — Alfonsos el Sabio Stiftbrief 498. —
Privileg Alexanders lY. 499. — Stillstand 499.
Lerida 499
Jacobs II. Stiftbrief. Bonifazs YIII. Antheil 509. — Die Magna
Charta 501. — Yerdicnste Jacobs II. um die Lehranstalt 503. ^
Kurze Unterbrechung. Reactivierung 504. — Das erste Colleg
505. — Die Lehrf)U:her. Gründung der theologischen Lehrstühle
506. — Medicin 507. — Nationen 507.
Huesca 508
Pedros lY. Stellung zu den verschiedenen Lehranstalten 508. —
Pedros Stiftbrief 509. — Das Salarium der Professoren 500. —
Stocken des Studiums. Affaire mit den Juden 511. — Unter-
brechung des Studiums bis Paul II. 513. — Reactivierung 514.
6. Hoohsohulen mit päpstliohen and landesherrlioheii oder
kaiserUohen Stiftbrlefen 515
Perpignan 515
Bisheriger Irrthum hinsichtlich des Ausstellers des päpstlichen
Stiftbriefes 515. — Pedros lY. Gründung 516. — Misserfolg 517. —
XL Inhalt.
Seit«
Stifibrief des Oegenpapstes Clemens YII. 517. ^ Freqaenz der
neuen Hochschule 518. — Die theologische Facultät 519.
Lissabon-Goimbra 519
Merkwürdiges Geschick des Qeneralstudinms in Portugal 519. —
Die früheren Schulen in Lissabon und Coimbra 520. — Bemü-
hungen geistlicher Würdenträger Portugals um eine Hochschule
in Lissabon. König Diniz 522. — Nicolans IV. PriTÜegienbrief
523. — Clemens Y. Verlegung des Studiums nach Coimbra Anf.
des 14. Jhs. 524. — Die Magna Charta. Lehrf&cher 525. — Sa-
larium 526. — Uebersiedelung nach Lissabon 527« -— Verdienste
Clemens VL 528. — Bückverlegung nach Coimbra 529. — Ge-
fährdeter Zustand der Schule. Abermalige Transferierung nach
Lissabon 530. — Stiftbrief des Gegenpapstes Clemens VIL 531.
— Botulus 582. — Eifrige Pflege der Umyersität Ton Seite der
Könige 533. — Endliche Fixierung der Uniyersität in Coimbra 534.
Perugia 534
Die Rechtslehrer daselbst im 13. Jh. Sorge der Stadt für Schu-
len 535. — Grosse Rührigkeit der Commune Anf. des 14. Jhs.
Plan sich um ein Universit&tspriTÜeg zu bewerben 536. — Corpo-
rationen 537. — Jacob de Belviso 538. — Stiftbrief Clemens V.
538. — Berufung Ton Juristen 539. — Mediciner 541. — Neue
Periode. Jacob de BeWiso 542. — Bewilligung der Promotionen
durch Johann XXII. 543. — Bemühungen der Stadt, um das Stu-
dium in gutem Stande zu erhalten 544. — Matrikel 546. —
Lehrpersonal 547. — Die theologisohe Lehrkanzel 548. — P&pstL
Privilegien 549. — Stift- und Privilegienbrief Kaiser Karls IV.
550. — Das erste Colleg 551.
Florenz 552
Vorgeschichte 552. — Beschluss der Republik im J. 1321, in den
Besitz eines Generalstudiums zu gelangen 553. — - Misserfolg zur
Zeit, als in Florenz mehrere Professoren lehrten 554. — Ein-
zelne Lehrer in der n&chsten Periode 556. — Neuer Beschluss
der Stadt 557. — Stiftbrief Clemens VI. 55& — Wechselvolles
Schicksal der Schule 559. — Neue Geldmittel Berühmte Pro-
fessoren 560. — Grossartige Th&tigkeit der Stadt 561. — Stift-
brief Karls rv. 562. — Lehrpersonal 563. — Neue Anstrengungen
564. — Statuten 565. — Wechselvolles Schicksal. Colleg 565. —
Verlegung des Studiums nach Pisa 566.
Piacenza 566
Das 12. Jh. Placentln. Carolus de Tocco 566. — Stiftbrief Inno-
cenz IV. 567. — Schwache Wirkung desselben 567. — Stiftbrief
Galeazzo Viscontis 569. -— Verlegung des Studiums von Pavia
nach Piacenza 570. — Plötzliche Blüthe und schneller Verfall
der Universität 571.
Inhalt XLI
Seite
Pavia 572
Die Rechtsschale Pavias in früherer Zeit 472. — Ansichten der
Forscher Ober die Schalen des 13. and 14. Jhs. 574. — Verfall
derselben in der Epoche yor OrUndaug der Universität 577. —
Stiftbrief Karls IV. Päpstlicher Stiftbrief 579. — Unterbrechang
580. — Widerherstellung durch Filippo Maria Visconti. Glück-
licher Erfolg 581. ~ Erstes GoUeg 582.
Prag 582
Die Schulen des 13. Jhs. Ihre wechsehollen Schicksale 582. —
König Wenzels II. Bemühungen 585. — Stiftbrief Clemens VI.
58$. — Karls Stiftbrief 586. 587. — Motive Karls 588. — Fa-
coltftten 589. — Das Studium kam alsbald in Aufnahme 590. —
Doctordiplom aus dem J. 1359. Supplik Karls aus dem J. 1355
für die Professoren und mehrere Schüler 591. — Heinrich von
Ojrtha 592. — Supplik Karls aus dem J. 1362 595. — Karls Be-
mühungen um die Schule 597. — Gollegium Garolinum 598. •—
Haus für die Juristen 599. -~ Frequenz der Universität 600. —
Päpstliche Privilegien 601. — Feindselige Gesinnung des Gegen-
papstes Glemens VU. 602. — Schutz der Päpste Bonifazs IX. und
Innocenzs VII. 603.
Wien 604
Die Bürgerschule bei St. Stephan im 13. Jh. 604. — Rudolf der
Stifter und Urban V. 605. — Stiftbrief Rudolfs 605. — Ur-
bans V. Stiftbrief. Warum die theologische Facultät nicht er-
laubt wurde 606. — Erste Statuten. Albert von Sachsen 607.
— Schwaches Leben der Universität. Doch bestand nicht bloss
die Bürgerschule 608. — Matrikel 610. — Thätigkeit Albrechto UI.
Günstiger Augenblick für Wien 612. — Das Schisma. Spaltung
der Pariser Universität 613. — Verhalten der natio anglicana;
sie stand Glemens VII. nicht schroff gegenüber. Rotulus. Un-
entschiedenheit 614. — Parteiischer Bericht des Marsilius von
Inghen 615. — Die deutschen Theologen entschieden auf Seite
Urbans VI. 616. — Heinrich von Langenstein 617. — Mehrere
Deutsche kommen von Paris nach Wien 618. — Errichtung der
theologischen Facultät zu Wien durch Urban VI. — Privilegien-
brief Albrechts, nicht von Heinrich von Langenstein veranlasst
620. — Bestimmungen Albrechts 622. — Gollegium ducale 623.
— Albrecht wird als Stifter der Hochschule betrachtet 624.
Krakau 625
Stiftungsbrief Kasimirs des Grossen 625« — Stiftbrief Urbans V.
626. ~ Stand der Schule nach Kasimirs Tod 627. — Erneue-
rung durch Wladislaus. Bonifaz IX. Bewilligung der theol.
Facultät 628. — Incorporationen 629. — Erstes Golleg. Päpstl.
Privilegien 629.
XLn Inhalt.
Seite
6. Hoohsolmlen die niolit Ins Leben traten 630
Fermo 630
Bißherigor Irrthum hinsichtlich der Gründung der Schule 630.
— Nicht Bonifftz YIII., sondern Bonifaz IX. erliess den Stift-
brief 631. — Er hatte keine Wirkung. Die Universität datiert
erst seit Siztus V. 633.
Verona 634
Schulen in früherer Zeit. Stiftbrief Benedicts XII. Die Uni-
versität trat nicht ins Leben 634.
Orvieto 635
Nicht unbedeutende Schulen des 13. Jhs. 635. — Lehrfächer
636. — Gregor XL und Urban VI. 637. — Man hört seit £r-
theilung des Stiftbriefes nur von Qrammaticalschulen 638.
Pamiers 638
Gründungsbrief Boni&zs VIII. ohne Wirkung 638. — Die Rechts-
schnle von Alais 639.
Dublin 639
John Lech und der Stiftbrief Clemens Y. 640. — Alexanders de
Bicknor Thätigkeit. Statuten 641. — In wieweit die Bemühungen
von Erfolg gekrönt waren 642.
Valencia 643
König Jacob I. und Innocenz IV. Der Erfolg entsprach nicht
der Intention 643. — Die Schulen des 14. Jhs. Anstrengungen
des Stadtrathes 644. — Die Universität datiert erst seit Ale-
zander VI. 645.
Alcalä • • 646
Sanchos IV. Absicht blieb unausgeführt. 646. — Zur berühm-
ten Universität legte Jimenez de Cisneros den Grund. Ale-
xander VI. 647.
Genf 648
Karls IV. Stiftbrief ohne Erfolg 648. — Zustand der Schulen um
jene Zeit 649.
Lucca 649
Bemühungen der Commune im 14. Jh. 650. ^ Karls IV. und
Urbans VI. Stiftbriefe 651. — Luccas Missgeschick 651. — Kein
Erfolg auch im 15. Jh. 652.
IV. Die Universitäten in ihrem Verhältnisse zn den früheren
Schulen.
Bisherige Ansichten 653. — Uebergang 654.
1. St. Qenevihve, Notre Dame, St. Viotor, und die Hooli-
sobnle zn Paris 655
Die Behauptung von der Vereinigung der drei oben genannten
Schulen 655. — Die Schulen in St. Genevieve vor und nach
Inhalt. XLni
Seite
der Reform des Klosters 656. — Scholae internae und ex-
ternae. St. Oallen. St. Hubert in den Ardennen 658. — St. 6e-
oevi^fe hat sich nicht mit Notre Dame Tereinigt 659. — Die
Artisten in St. OeneviÖTe zu Abälards Zeit 661. — Wo waren sie
in der sp&teren Epoche ? 662. — Wann kamen sie auf das linke
Seinenfer? 664. — Glos de Garlande. Rne du Fouare 667. —
Das Kanzleramt von St. GeneTiöve 668. — Resultate 670. — Ur-
sprung des lateinischen Viertels 671. ^ St. Victor konnte sich
ebenfalls nicht mit Notre Dame vereinigen 672. — Besass seit
dem Ende des 12. Jhs. keine Berühmtheit. Nach Beginn des
13. Jhs. ohne einen Theologen 673. — Bedeutung von Notre
Dame 674. — Wiege der Universität. In welchem Sinne 1 675.
— Wie die irrige Ansicht entstand 677. — Du Boulays Luft-
gebilde 678. — Die modernen Aufstellungen 681.
2. Die gelehrten Corporatdonen zn Paris in ihrem Verhält-
ni88 zn Notre Dame und St. Gtoneviäve 683
Stand der Frage 683. — Zusammenhang mit den Untersuchungen
im 2. Hauptabschnitt 684. — Stellung des Kanzlers 685. — Als
dieser die volle Macht besass, konnte sich die Universität nicht
in der von Du Boulay vorgetragenen Weise auf der Insel ent-
wickeln 687. — Gonsequenzen 692. — Schlussresultate 693.
3. Die Dom-, Stifts- nnd Klostersohnlen, nnd die ansserita-
lienisohen Universitäten 695
Schwierigkeit hinsichtlich der Dom- und Stiftsschulen 695. —
Der bei allen Hochschulen gleich bleibende Factor war die
Rechtswissenschaft 696. — Diese nahmen die Universitäten
nicht aus den Dom- und Stiftsschulen 698. — Bestimmungen
der Orden 699. — Das medicinische Fach entlehnten die
Universitäten nicht von den genannten Schulen 703. — Das
theologische Lehrfach mangelte an vielen Universitäten. Grund
dieser Erscheinung 703. — Die Universitäten mit der theologi-
schen Lehrkanzel 706. — Das vierte Lateranconcil und Hono-
rius III. 707. — Deren Vorschriften wurden vielfach vernach-
lässigt 708. — Die Universitäten lehnten sich hinsichtlich
der Theologie nicht an die Dom- und Stiftsschulen an 709. —
Ebenso wenig an die Klosterschulen 710. — Die artes liberales.
Die Benedictinerschulen. Letztere waren in Verfall 711. — Die
Studien bildeten kein wesentliches Element in der Gesetzgebung
des Ordens. Die Consuetudines 715. — Die Chorherren. Die Oister-
cienser 717. *- Die Dominicaner 718. — Franciscaner, Augustiner,
Carmeliter 720. — Die Universitäten giengen nicht aus den Kloster-
schulen hervor 720. — Untersuchung hinsichtlich der Dom- und
Stiftsschulen. Kirchliche Bestimmungen 721. — Lösung der Frage
XLIV Inlu^lt
Smto
bezfiglich des AiiBcliliuses der üiuTerritifteii mn firllhere Sduden.
Scheidung in Tier Hiuiptgnippen 7i3. — Schlosvesnltai 728.
4. Die Sclralen Italiens imd die UniTersit&keii 729
Irrige Behanptnngen 729. — Die frtthesten Schulen und jene
die durch Auswanderungen entstanden 723 —731. — Die meistoi ita-
lienischen Universitäten hatten in den Stadtschulen ihre Wurzeln 73 1 .
— Die Hanptfilcher 732. — Die Thiti^eit der italienischen Com-
munen 733. — Viele Hochschulen hatten siemlich dasselbe Aus-
sehen wie die de Torbereitenden Lehranstalten 734. — Pflege
der Hochschulen durch die Communen 735. — Consequenzen.
Das Rectorat der Scholaren?erbindungen 736. — Coppis Aus-
spruch 4'independenza intellettuale dei popoli dall' influenxa eccle-
siastica' 738. — Die Universit&ten und das italienische Stftdte-
wesen 741.
Y. Ursache der Entstehung der mittelalterUehen Hochsehulea.
Character der früheren Schulen und der Uni?ersitäten. Frage-
pnnkt 748.
1. Paris und Bologna, und die mittelalterliolie Hoohsohnle 745
Die Unterschiede zwischen der älteren und neueren Zeit konnte
man zuerst an Paris und Bologna beobachten 745. — Diese beiden
Schulen wurden seit dem 12. Jh. Ton Studierenden aller Länder
aufgesucht 746. — Honorius III. leistete Vorschub 747. — Nene
Wendung der Dinge. Nach und nach bestrebten sich die ein-
zelnen Länder ähnliche Lehranstalten zu erhalten 747. -> Zu-
erst die romanischen, dann die tlbrigen Völker 748. — Ausnahme-
stellung Englands 751. — Die Hochschulen verdanken Paris und
Bologna ihren Ursprung 752. — Die Universitäten trugen einen
fremdländischen Charakter 753. ^ Folgen davon hinsichtlich des
Studiums der Landrechte 754 — des canonischen Rechts 757 — der
Classiker 758 — der Theologie 759. — Nur in Bezug auf die
medicinische Wissenschaft waren Salemo und Montpellier die
Ausgangspunkte 760. — Gleichförmigkeit 760. — Umwandlung
der alten Schulen 761.
2. Die geistliclie und weltliche Maoht in ihrem Verhältnisse
ZOT Gründnng des Gheneralstndinms 763
Widerstreitende Ansichten der Forscher tlber das genannte Ver-
hältniss 763. — Wittenberg 766. — Scheidung der Universitäten
in solche ohne, und solche mit Stiftbriefen 771. — Entwicke-
Inng derLicentia docendi zur Licentia ubiqne docendi 772. —
Nene Klasse von Schulen. Zusammenhang mit dem BegriffSe
eines Studium generale 775. — Seit der Fixierung dieses Be-
griffes konnte kein Oeneralstndium mehr ohne Gründungs-
nrkunde ins Leben treten 776. — Ansicht des Mittelalters
Inhalt. XLV
S«ite
darftber 778. — Das Recht des Papstes 779 -^ des römischen
Kaisers 781 — des Königs oder Landesf&rsten 784. •— Seit der
Mitte des 13. Jhs. war entweder ein päpstlicher, oder ein kaiser-
licher oder landesherrlicher Stiftbrief die Vorbedingung eines
Generalstndinms 790. — Stellung der Gommunen und des Bi-
schofes zur Errichtung Ton Hochschulen 790.
Rückblick 792
Oeistige Th&tigkeit des Mittelalters 792. — Das Verdienst der
P&pste, des Clems, der weltlichen Fürsten und der Gommunen
792—794. — Die aragonesischen Könige in Sardinien und Sici-
lien 794. — Harmonie zwischen Geistlichem und Weltlichem auf
dem Universitätsgebiete 795. — Die mittelalterliche Uni?ersität
und die modernen Anschauungen 795. — Charakter der mittel-
alterl. üniversit&t. Vorzüge und Fehler 797. — Sie Terdient
unsere Achtung und unseren Dank 798.
Beilage I. Die st&dtischen Statuten Paduas, für die Studierenden
in den Jahren 1259—1275 erlassen 800
Beilage H. Uebersichtstabelle der Uni?ersit&ten nach der heutigen
L&ndereintheilung 807
Ergänzungen 811
DIE ENTSTEHUNG
DER
UNIVERSITÄTEN
DES
MITTELALTERS BIS 1400.
I.
BEZEICHNUNG UND BEGRIFF DER MITTELALTERLICHEN
UNIVERSITÄT.
Ehe wir unsere Untersuchungen über die Universitäten ^) des
Mittelalters beginnen, ist es durchaus nothwendig, darüber ins
Reine zu kommen, mit welchen Ausdrücken sie bezeichnet wurden,
welche Begriffe denselben zu Grunde lagen und wann die Ausdrücke
in allgemeinen Gebrauch kamen. Dies ist um so nothwendiger,
als einige derselben bis heute noch von Verschiedenen verschieden
erklärt werden, davon zu schweigen, dass man noch nicht den
Versuch gemacht hat nachzuweisen, wann gerade der haupt-
sächlichste derselben zuerst in Aufnahme gekommen ist, wann er
stereotyp wurde. Diese Untersuchung erhält um so grösseres
Interesse, als wir aus den verschiedenen einander folgenden
Benennungen der mittelalterlichen Universität auch ein Bild von
dem Entwicklungsprocesse des mittelalterlichen Studienwesens
gewinnen.
1. Stadium. Studium generale.
Keine Bezeichnung war für die Universität im Mittelalter
gebräuchlicher als Studium generale. Wie alt ist aber dieser
Ausdruck, und welchen Begriff verband man mit demselben?
Was das Alter des Ausdruckes 'Studium generale' betrifft,
so kann ich natürlich nicht nachweisen, wann man denselben
<) < Universität' gebrauche ich hier in dem jetzt üblichen Sinne für
Hochschale; weiter unten komme ich auf die mittelalterliche Bedeutung zu
sprechen.
D«Bifle, Die UniTeraitAteii l 1
2 I. Bezeichnung der mittelalterlichen Universität.
zuerst anwendete, sondern nur, wann er zuerst in den Urkunden
erscheint. Die Anwendung selbst ist immer früher als das Vor-
kommen in den Documenten.
Zum ersten Male finde ich die Schule von Vercelli mit dem
Ausdrucke 'Studium generale' bezeichnet, und zwar in den
Statuten gegen die Ketzer, welche hauptsächlich der Franciscaner
Heinrich von Mailand in dem Jahre 1233 — 1234 aufgestellt
hatte*). Aus früherer Zeit kann ich wenigstens kein Document
nachweisen'). Nur dem synonymen Ausdruck: 'Studium universale'
begegnen wir um einige Jahre früher, nämlich in dem von der
Universität Toulouse im Jahre 1229 — 1230 erlassenen Sendschreiben
'ad universalia studia alibi florentia'*), auf das ich im Abschnitt
^) Hist. patriae mon. XYI, 1237 ; Statuti e monomenti Btorici del commone
di Vercelli Torino 1877, p. 272 § 387. Die Commune von Vercelli beschliesst,
qnod remanente studio generali Vercellis et permanentibos condicionibas qae
sunt inter Commune Vercellarum et Scolarcs, cum aliorum doctornm fit
electio, prima de Theologo nno fiat.
') Dass auf viel früher gegründete Stndienanstalten der Ausdruck von
Bp&teren Schriftstellern angewendet wurde, tut nichts aur Sache. So meinen
z. B. Constantin Ton Orvieto in seiner Vita des hL Dominicus (Paris Natio-
nalbibl. n. 18324 Bl. 226 und bei Quetif-Echard, SS. Ord. Pr. I, 26) und dar-
nach Humbert (Original im Besitze des Dominicanerordens; s. auch Quetif-
Ech. 1. c.\ dass zur Zeit, als Dominicus in Palcncia studiert habe (Ende des
12. Jhs.), dort 'generale florebat Studium'. So bezeichnet auch Ant Godi das
Studium zu Vicenza (1204—1209) als Studium generale (Chron. bei Muratori,
Script, rer. itaL VIII, 75). Allein dieser Ausdruck wurde nur Ton den ge-
nannten Autoren selbst, weil zu ihrer Zeit gebräuchlich, jenen Studienanstalten
beigelegt. Man könnte sich auch auf ein Schreiben Peters de Yineis (Epp. 3, 13;
HuiU.-Br6holl. Hist diplom. II, 1. p. 453), das man bis in die letzte Zeit
Friedrich II. zuschrieb und dem Jahre 1224 zuwies, berufen, worin der Ans-
druck auf das Studium in Neapel angewendet wird. Allein sowohl dieser Brief,
als zwei andere, die man in diese Zeit setzte (epp. 10 und 12; HuiU. L Ci
447. 449), sind sp&teren Datums; der erste gehört König Manfred (s. Böhmers
Begesta Imperii V. ed. Ficker n. 1537. 4680), die zwei andern König Konrad
(L c. 4601. 4572). Den Kachweis findet man bündig bei Ficker a. a. 0. Noch
Morelli fiel in den Statuti della universitii e studio Fiorentino (Firenze 1881)
p. XXX in den alten Irrthum.
^) Bei Jean de Qarlande, De triumphis ecclesie im cod. n. 1225 nony.
acquis. lat. zu Paris p. 75. Ed. Wright (1856) p. 96. Nach Edmund, Sketch
of the life of Walter de Morton (Oxford 1859) p. 14 müsste man schliesseni
1. Stadium. Stadium generale. 3
über die Universität Toulouse zu sprechen komme. Dass der
Aasdruck ^Studium generale' damals noch keineswegs allgemein
gebräuchlich war, muss man auch daraus schliessen, dass man
für jene Zeit geradezu nach ihm suchen muss. Erst 1242 taucht
er wider auf, und zwar in den Statuten der Artisten von Mont-
pellier^), während er in den medicinischen vom Jahre 1220, die
jenen ziemlich ähnlich sind°), noch nicht erscheint. In den
vom J. 1240 wird die Bezeichnung 'locus famosus' gebraucht^).
Im J. 1246 finden wir den Ausdruck 'Studium generale' zum
ersten Male in den Acten der Generalkapitel der Dominicaner*),
angewendet auf die Hauptordensstudien, und zugleich mit dem
correlativen Ausdruck 'Studium solenne'. Letzteren gebraucht
auch Card. Odo von Ch&teauroux im J. 1247'), und einige
Jahre später Alexander IV. in Bezug auf Montpellier ^°). Die
ersten päpstlichen Actenstücke, in denen sich der Ausdruck 'Stu-
dium generale' findet, datieren aus dem J. 1244—1245, vom
15. Mai 1247 und 6. Februar 1248, alle von Innocenz IV. 'O- Die
es w&re ia England bereits circa 1175 'generale Studium' gesagt worden.
Allein in Dogdales Monasticon Auglicanum II (Londini 1661), 854, worauf dort
Bezug genommen wird, kommt natürlich nichts derartiges vor.
^) Bei Oariel, Series Praesulum Magalonensium. Tolosae 1G65, I, 357.
Germain, Hist. de la Commune de Montpellier. III, 450: incipientes incipient,
. . . ut consnetum est in locis ubi est Studium generale.
^) Bei Germain 1. c. p. 418.
7) Ib. p. 425.
^) Martine, Thes. nov. anecd. IV, 1690. Ich komme weiter unten darauf
zurftck. Um dieselbe Zeit verfasste Constantin von Orvieto die Legende des
bl. Dominions (s. Qu^tif-Echard, SS. Ord. Praed. I, 153), worin derselbe Aus-
druck vorkommt S. oben S. 2 Anm. 3.
9) Bei D'Argentr^, Coli. jud. I, 158: ubicunque solenne viget Studium.
^^) Beg. Yat an. 2 ep. 113 Bl. 141b: ad Montem Pessulanum Studium
soUempniter regltnr. Schreiben vom 8. Februar 1256.
^^) Mittelst des ersten Actenstflckes errichtet er das Studium an der
Corie: VolumuB et statnimus, ut studentes in scolis ipsis ... talibus privile-
giis ... gaudeant qnibus gandent studentes in scolis, ubi generale regitur
Studium. In 6. de privil. tit. 7 c. 2. Bisher wnsste man nicht, wann diese
Besümmung statt hatte. Noch Friedberg setzt die Decretale in die Jahre
1243 — 1253, gestützt auf Potthast. AUein der Begleiter des Papstes, Nicolö
da Cnrbio, sagt in der Vita Innocentii : et nt de plenitudine gratiae gaudeant
4 I. Bezeichnung der mittelalterlichen Universität.
Bezeichnung wird nunmehr allgemein. 6. April 1255 wendet sie
Alexander IV. auf Salamanca an'*), 15. Nov. 1256 auf die Uni-
versität Paris"). König Alfonso el Sabio gebraucht sie in dem-
selben Jahre von den von ihm in Sevilla errichteten Schulen**),
und nahm sie um dieselbe Zeit in sein Gesetzbuch auf^*). Es
wäre ein höchst unnützes Unternehmen, nach dieser Periode noch
den Ausdruck verfolgen zu wollen. Er begegnet uns überall,
und es existiert von nun an keine Stiftungsurkunde irgend einer
Universität, worin er nicht vorkäme.
Der Ausdruck ^Studium generale' ist also verhältnissmässig
jungen Datums, und es ist nichts als eine leere Behauptung,
wenn Danou meint, gegen Ende des 12. Jhs. sei die Universität
Paris 'Studium generale' genannt worden*®). Aber noch weit
ferner von der Wahrheit ist Lorenz v. Stein mit seiner An-
sicht, der Ausdruck finde sich zuerst in den Statuten der Uni-
versität Pisa^Oi ^Iso erst im 14. — 15. Jahrhundert.
nniversi, secnndo anno sui pontificatus apudLugdunnm in saa enria
generale Studium ordinavit tarn de theologia, quam de decrctis, decretalibus
pariter et legibus. Bei Baluze, Miscell. ed. Mansi, I, 198. Maratori, Rer.
ital. SS. V, 692 c. 16. Der Brief fehlt bei Berger, Registres d'Innocent IV. —
Im 2. Briefe gewährt der Papst den Studierenden am Studium zu Narhonne
die Privilegien der Scholares Mn studiis gencralibus.* Arch. Yat. an. 4 ep.
719 BI. d93h. Berger 1. c. n. 2717. Mittelst des dritten Briefes errichtete
der Papst das Studium zu Piazenza. Bull. Rom. ed. Taur. III, 356.
1^) Original (Seidenschnur, Siegel fehlt) im UniTersitfttsarchiv zu Sa-
lamanca. S. auch BuU. Rom. III, 601.
^3) Du Boulay Bist. univ. Paris. III, 332. Ebenso 28. März 1257. Bull.
Ord. Praed. ed. RipoU. I, 333. Thnrot, De l'organisation de Tenseignement
dans l'universitd de Paris p. 11 konnte erst das Jahr 1259 nachweisen. Das
2. Schreiben fehlt bei Du Boulay und Jourdain , Index chronologicus.
Paris. 1862.
^^) Im Memorial histörico espanol I, 54. Madrid 1851. Alfonso spricht
darin von den ^estudios 6 escuelas generales'.
1^) Las Biete Partidas del sabio rey Don Alfonso el IX (es war jedoch
derX.), Barcelona 1843. P. II. tit. 31, ley 1, wo er den Begriff vom 'estudio
general' erörtert.
. 1«) Hist. litt, de la France XYI, 46. Vgl. auch Grevier, Eist, de Tuni-
versit^ de Paris YII, 115 Anm.
17) Die innere Verwaltung. Zweites Hauptgeb. II. 2. Aufl. S. 107.
1. Studium. Studium generale. 5
Aber welche Bezeichnung hatte man früher? Man gebrauchte
einmal den einfachen Ausdruck 'Studium'. Dieser wurde selbst
dann, als die Benennung 'Studium generale' bereits in Anwen-
dung war, viel häufiger gewählt. Peter de Vineis spricht vom
Neapolitanum Studium**), Friedrich IL im J. 1227 vom Studium
Bononie*'), ebenso 1234 vom Studium, das er aput Neapolim
gegründet '^°), und 1239 gebraucht er wie Peter den Ausdruck
Neapolitanum Studium**). Der einfache Ausdruck wird ferner
im Contrakte der Stadt Vercelli mit den Scholaren von Padua
gewählt: Studium Vercellarum, Studium Padue"), ihn wendet im
selben Jahre das Provincialconcil von Valladolid auf Palencia
an"), wo 1212—1214 ein Studium generale im spätem Sinne
von Alfonso VIIL gegründet wurde. Von demselben Studium sagt
c. 1243 Don Rodrigo Jimeuez de Rada: et licet hoc Studium
fuerit aliquando interruptum, tamen per dei gratiam adhuc du-
rat'*). König Jacob el conquistador gebraucht denselben Aus-
druck in Bezug auf die Schule von Valencia '*). Ebenso wenden Hono-
riusIII. und Gregor IX. noch nicht, auch nicht in 6inem Schreiben,
den Ausdruck 'Studium generale' an. Ersterer spricht vom 'stu-
1») Epp. Petri de Vineis 1. 4 ep. 8.
19) Reg.Vat. Honor. III. an. 11 ep.444 Bl. 157 und Winkelmann, Acta
imperii inedita, p. 263. Hum.-Breholl. II, 712.
«0) HuiU.-Br6hoU. IV, 497.
21) Winkelmann 1. c. p. 649, und widerholt bei HuilL-Br^hoU. V, 495 f.
Auch Richard de S. Germano gebraucht die Phrase. Mon. Germ. SS. XIX,
344. Vgl 372.
^) Der Contrakt wurde neuerdings mit der alten Orthographie ediert
von Balliano, Della universitä degli studi di Vercelli. Vercelli 1868 p. 38 ff.
'3) Item porqne queremos tornar en so estado el estudio de Palencia,
ostorgamos etc. Espana sagrada ed. Bisco, XXXVI, 218.
2^) De rebus Hispaniae lib. 7 c. 34 in Hispania iilustrata II, 128. Vom
«estudio de Palencia' ohne das Epitheton general spricht auch die zur Zeit
Alfonsos el Sabio verfasste Grönica general de Espana. Ed. Zamora 1541
Bl. 394 a.
^) Fueros de Valencia y su Beino lib. 9 tit. De Metges, Apothecaris 6
Speciers, rub 32 n. 17: Atorgam que tot clergue 6 altre hom puzque fran-
cament 6 sens tot 8er?i e tribut tenir Studi de gramdtica e de totes altres
arts, ^ de flsica 6 de dret civil e canonich en tot loch per tota la ciutat
(Valencia). Vgl. auch ViUanueva, Viage literario II, 96.
g I. Bezeichnung der mittelalterlichen Universität
dium Bononie"^), Studium Palentie"); letzterer vom Studium
Parisiense^^). In Bezug auf das Generalstudium von Toulouse
sagt er 27. April 1233: (Apost. sedis legatus) duxit provide sta-
tuendum, ut in Tolosana civitate cuiuslibet licite facultatis studia
plantarentur '0? gleichwie Friedrich 11. im J. 1224 wollte, dass
'apud Neapolim . . . cuiuscunque professionis vigere studia"").
Hat zwar der Ausdruck ' Studium' an diesen beiden Stellen den
alten Sinn, und nicht genau den von Lehranstalt, so gehören sie
nichtsdestoweniger hieher, weil in der nächsten Zeit der Ausdruck
'Studium' in dieser Phrase stets mit der Bezeichnung 'generale'
erscheint. Die einfache Benennung gebraucht derselbe Papst
auch später in Bezug auf dasselbe Studium^'); sie wendet
auch Innocenz IV. auf die Universität Paris") sowie auf jene
von Valencia '*'*), auf Oxford") u. s. w. an. Studium war über-
In dem Schreiben vom 5. Jan. 1227 an die Rectores Lombardiae.
Mon. Genn. bist. Epistolae saec. XIII. I, 247.
27) Reg. Vat. an. 5 ep. 153 Bl. 32 a.
2^) In der Bulle Parens scientiarum vom 13. Apr. 1231 bei Du
Boulay III, 141 f. Und so in allen Schreiben, die sich auf die Lehranstalt
in Paris beziehen.
2^) Percin, Monnmenta conv. Tolosani Ord. Praed. Tolosae 1693 III,
152. Du Boulay III, 149. Der Delfin Hnmbert II. sagte sp&ter in Bezug
auf Orenoble : studia generalia. S. weiter unten im 3. Paragraph. Innocenz lY.
widerholte II. September 1245 dieselbe Phrase Gregors. Berger 1. c. n. 1515.
80) Huill.-Br6holl. II, 450.
8i) So schrieb er 28. April 1236 an den Grafen von Toulouse: Card.
Legatus ... ad heresim fortius confutandam Tolose sacre pagine et aliarum
artium Studium ordinavit. Beg. Vat. an. 10 ep. 58 Bl. 150 b. Und 28. April
1233 an die Stadt: victualia tempore caristie de civitate per fluTinm non
extrahantur prefata, ne pro ipsorum defectu quod absit Studium . . . dissol?!
contingat. Beg. Vat. an. 7 ep. 67 Bl. 14 b. Und so auch in Bezug auf
Paris.
82) Histoire de Languedoc ed. Privat VII, 435 (in den Notes), 11. Sept.
1245; VIII, 1188 ff. drei Schreiben vom 19. Sept. desselben Jahres.
88) Orti, Memorias historicas de la fundacion y progressos de la.insigna
universidad de Valencia. Madrid 1730 p. 428. Das Breve ist vom 13. April
1245 datiert.
8^) So im Schreiben an Bischof v. Lincoln v. 20. Mai 1246: apudOzo-
niam, ubi Studium vigere dinoscitur. ViTood, The history and antiquities of
the univ. of Oxford ed. Gutch I (1792) p. 236. Berger 1. c. n. 1859.
1. Stadium. Studium generale. 7
baupt die gewöhnliche Benennung und blieb es im ganzen 13. Jh.
und noch später, um unter anderm die Lehranstalt einer Stadt
oder alle Schulen derselben zusammengenommen unter einem
Aasdruck kurzweg zu bezeichnen. Man sagte Studium Bono-
niense, Parisiense, Oxoniense, Aurelianense etc., oder Studium in
civitate • . . Studium apud . . . u. s. w. Beispiele finden sich
überall, und werden gelegentlich von mir angeführt werden. Der
Ausdruck wurde aber in dieser Bedeutung nicht bloss von Gene-
ralstudien, sondern auch von Particularstudien gebraucht, die wie
z. B. Erfurt erst später zu Generalstudien erhoben wurden. Das
früheste Actenstück, in dem 'Studium' in obigem Sinne auf die
Universität Paris angewendet erscheint, ist ein Schreiben Hono-
riusm. vom 11. Mai .1219").
Doch kommt der einfache Ausdruck 'Studium' in der Bedeu-
tung von Lehranstalt nicht vor dem 13. Jh. vor. Man könnte sich
zwar auf das Privileg Philipp August vom J. 1200 berufen, da es
dort nach Du Boulay heisst: Gapitale Parisiensis Studii scola-
rium. Allein im Originale steht: Gapitale Parisiensium scola-
rium *'). Auch mit einer Berufung auf das Schreiben Nicolaus I.
an Karl den Kahlen stünde es nicht besser: sollte nämlich wirk-
lich diese Bulle existieren, so wäre sie gefälscht, denn die Phrase:
Tarisiis in studio cujus capital', erweist sich als ein späteres
EinfÜgsel, wie ich im Verlaufe nachweisen werde. Eine unan-
fechtbare Stelle für den Ausdruck 'Studium' im Sinne von Lehr-
anstalt vor dem 13. Jh. lässt sich nicht nachweisen'^).
^) Bei Da Boulay III, 93: Studium Parisiense, qnod doctrinae snae
flnenta asqaeqaaqne diffandens etc.
^ Original im Nat. Arch. zu Paris M. GG^ n. 1. Von mir otmmehr
herausgegeben in den M6moires de la soci^te de Thistoire de Paris X, 247.
Vgl. p. 250. So haben auch alle Vidimus der nächstfolgenden Könige, wie
ich 1. c. angemerkt habe. Nur Du Boulay bietet III, 3 die falsche Leseart.
^'') Man könnte sich auf einen Brief Peters v. Blois berufen, nämlich
ep. 174 bei Migne, Patrol. lat. 207 p. 468, wo es heisst 'Neapolitanum stu-
diam\ AUein sowol dieser als der nächstfolgende Brief gehören dem Peter
de Vineis (Epp. lib. lY. ep. 8. 7) "Ebenso könnte man desselben Peters
Continuatio der Ingulfschen Hist. Groyland. (bei Fell, Ber. Anglic. script
Yet Oxoniae 1684 p. 108 ff.) heranziehen, wo er von der * forma Aurelia-
nensis studii' spricht. Allein die ganze Stelle ist nichts als eine spätere
g I. Bezeichnang der mittelalterlicheii Universität.
Auch die grammatischen Glossatoren des 12. Jhs. kennen
diese Bedeutung noch nicht. Papias erklärt ^Studium' einfach als
'honestarum artium doctrina, littere, scientia, eruditio'"), nach
dem Vorgange von Ansileubi glossarium '®) und Isidor Ethymol.
Huguccio nennt beim Worte *studere, Studium' nur die klassische
Bedeutung: operam dare, vacare discipline und ähnlich*^). Klarer
jedoch ergibt sich aus seinem Artikel: gignas, gignasium * ^), dass
er die oben entwickelte Bedeutung von 'studium' nicht kenne. Nach-
Umarbeitung. Es heisst unter anderem darin, man habe Anfang des 12. Jhs.
im Kloster Croyland neben Aristoteles auch des 'Averroes isagoge et com-
menta' benützt. Wenn Huber (Die engUschen Universitäten I, 103 Anm.)
meint, Petrus Bles., als Zeitgenosse desBuhmes des arabischen Philosophen, habe
Averroes sehr unschuldig als sich von selbst verstehend mit aufführen kOnnen,
80 ist darauf zu erwidern, dass Peter Bles. früher starb, ehe der Buhm des
Averroes durch dessen Schriften zu den Christen und zu Petrus Blescnsis
gelangen konnte. Köstlich ist, wenn Hugonin, Essu sur la fondation de
Tecole de S. Victor (bei Migne, Patrol. lat. 175 p. 4 XXIV) die ganze SteUe
als Bericht des Orderich Vitalis ausgibt, der die Begebenheit (Hist. eccles.
part. 2 IIb. 4 p. 366 bei Migne Patr. lat. 188) doch ganz anders berichtet. —
Bei Du Gange - Henschel VI, 395 wird aus Ulgers Epitaph auf den Bischof
Marbod (11 — 12 Jh.) die Stelle citiert: Curans ut fieret virtutem quod
redoleret, Transtulit huc Studium, transtulit Ingenium. * Studium' soU
hier im Sinne von academia genommen sein. Allein dies beruht auf
einem Missverständniss, wie sich jeder aus dem Zusammenhange des Epi-
taphiums, das voUständig bei Launoius, Opp. IV, parte I p. 56; Bangeard,
Histoire de Funiversit^ d' Angers, publ. p. Lemarchand, Angers 1872 II, 166 f.
vorliegt, Überzeugen kann. 'Studium' wird hier, correlativ mit Ingenium',
im klassischen Sinne von 'Streben' genommen. — In der Vita S. Norbcrti,
Mon. Germ. XII, 678 heisst es: Florebat tunc Lauduni Studium magistrorum
Anselmi et Rodolfi fratris ejus. Aber , Studium' hat hier wohl kaum die
Bedeutung von Lehranstalt. Im Irrthum ist auch Luschin, Oesterreicher an
italienischen Universitäten. Wien 1882 S. 93, wenn er meint, Bologna sei
bereits 1158 (von Friedrich I.) mit dem Titel 'Studium' ausgezeichnet wor-
den. Die Auth. HMta spricht nicht davon.
98) Rudimentum im Cod. Vat. Reg. 1448 Bl. 257.
39) Cod. Vat. Pal. 1773 Bl. 310a. S. darüber Uscner, Rhein. Mus.
XXIV, 384.
*0) Liber derivationum Cod. Vat. Pal. 1777 Bl. 277 b. So auch noch
in der Summa Britonis aus der 1. Ilätfte des 13. Jhs. (unter studere. Cod.
Burghes. in Rom n. 349), was sich daraus erklärt, dass Brito vielfach nur
Huguccio ausschrieb.
*») L. c. Bl. 131a.
1. Studium. Studium generale. 9
dem er dort die eigentliche Anwendung des Wortes gignas (pu-
gna, luctus) und gignasium (locus in quo fiebat) erörtert hat,
kommt er auf den übertragenen Sinn: Studium scolarium et ma-
gistrorum dicitur gignas et locus studii dicitur gignasium et
quandoque ipsum Studium, quia sicut in palestra corpus, ita in
studio exercetur animus. Aber das eine, wie das andere Mal,
nimmt er 'Studium' im Sinne von wissenschaftlicher Uebung, denn
er fahrt fort: 'et hinc accidit, ut oranium proprio artium exer-
citium, vel locus exercitii gignasium dicitur ut scola', wobei er
selbst 'scola' nicht im Sinne von Lehranstalt gebraucht"). Os-
bem V. Gloucester*^), der vor Huguccio und nach Papias schrieb,
führt uns zu keinem andern Resultate**).
Noch Ende des 12. und im Anfange des 13. Jhs. gebrauchte
man für Lehranstalt, wie für die SchuUocalitäten und Hörsäle
den Ausdruck 'scolae' und zwar fast stereotyp im Plural, So
sagt Petrus Bles., um nur einige Beispiele zu bringen, von Gal-
fridus Peronensis: 'quem in scolis Parisius vidi'**). Stephan von
Tournay spricht von den 'Parisienses secularium scole'*^),
wie selbst noch Robert de Courgon im J. 1215 in seinem
Statut für die Universität Paris: 'status Parisiensium scola-
rum'*Oi tind noch später Ferdinand der Heilige in Bezug auf
das Generalstudium zu Salamanca*®), Lucas de Tuy für jenes
^^) Das Glossarium Aoaileubi und Papias haben noch weniger darüber.
^3) Card. Mai gab dessen Yocabul. als Thesaurus noYus latinitatis
heraus (Classic. Autor, tom. 8 Romae 1836). Vgl. nun darüber V^Tilmanns im
Rhein. Museum XXIX, 179 ff.
^) Ueber ^Studium' findet sich gar nichts; zu gymnasium aber ledig-
lich die Erklärung: id est Studium; unde gymnasiolum, id est paryum Stu-
dium (l. c. p. 249), wobei gymnasium und Studium im Sinne von exercitatio
und resp. pugna genommen wird. Vgl. auch p. 261.
*^) Ep. 240 p. 546 (ed. Migne) ; ygL ep. 19 p. 69. AehnUche Phrasen
begegnen dem Leser fortwährend.
««) Ep. 80 ed. Du Molinet. Paris 1682. Ich habe die Stelle nach
Cod. Paris. 2923 El. 115 b corrigiert.
*7) Bei Du Boulay III, 81.
^^jPorque entiendo que es pro de myo regno e de mi tierra otorgo e
mando que aya escuelas en Salamanca. So im Original (das Siegel fehlt) in
der Universitätscapelle zu Salamanca auf der Epistelseite. Copie in der dor-
10 !• Bezeichnung der mittelalterlichen Universität.
von Palencia") und Clemens IV, für das Generalstudium zu
Toulouse*").
Wie kam man aber dann dazu, 'Studium* für 'scolae' im Sinne
von Lehr- oder Unterrichtsanstalt zu gebrauchen? Die Erklärung
ist nicht so schwierig. Neben 'scolas regere' gebrauchte man
im 12. Jh. auch die Ausdrucksweise ' Studium, studia litterarum
regere', so sagt Abaelard *scolas regere'") und 'Studium dialec-
tice regere' "). Alexander III. stellt in einer und derselben De-
cretale beide Ausdrücke gegenüber: ut quicunque viri idonei et
litterati regere voluerint studia litterarum, sine molestia . . . scho-
las regere permittantur"). In der Eidesformel des Bologneser
Rechtslehrers Lothar v. Cremona v. J. 1189 begegnet uns das-
selbe: 'regere Studium in civitate Bononiensi', und 'regere scolas
legum' ")•
'Studium' wird hier noch in der Bedeutung von Unterricht ge-
nommen. Es ist aber begreiflich, dass nach und nach der Usus ent-
stehen konnte, 'Studium' gerade wie Schule im Sinne von Unter-
richts- oder Lehranstalt anzuwenden '^'^). Gleichwie ja auch nach
tigen Bibliothek Ms. 1, 3, 24. Nunmohr correct publiciert in Memoria sobre
el estado de la instruccion en esta üniversidad. Salamanca 1882, p. 1291
S. auch Alejandro Vidal y Diaz, Memoria historica de la üniversidad de Sa-
lamanca. Salamanca 1869, p. 15.
^^) Eo tempore rex Adefonsus evocavit magistros telogichos et aliarum
arcium liberalium et palencie scolas constituit procurante reverentissimo et
nobilissimo uiro tellione eiusdem civitatis episcopo. Chron. (in Hispania 11-
lustrata IV, 109). Ich verglich die älteste Hs., n&mlich zu Leon, Gapit. S.
Isidori aus der Mitte des 13. Jhs.
fiO) Bist de Languedoc ed. Privat YII, Notes 440, 8. J&nner 1266:
rectores scolarum civitatis Tholosane etc.
^^) Bist, calam. inter. Opp. Abaelardi ed. Cousin I, 18.
^^) Ib. p. 6. Der Ausdruck 'scolas regere' war der im 12. Jh. ge-
bräuchliche und findet sich Oberall. Im Verlaufe werden wir öfters darauf
zurückkommen. Bereits vor Abaelard findet sich auch: praepositus studii.
So Balderich von Dol in seinem Gedichte an Godefrid. Romania I, 37.
^) Epp. ed. Migue, Patrol. lat. 200, ep. 807 p. 741. Beeret. V, 5 c. 3
^) Sarti, De claris archigymnasii Bononiensis Professoribus. Bononiae
1769, II, 64.
^^) Eine Glosse zu Johannes de Garlandia De misteriis ecclesie be-
zeichnet 'Studium' als 'con^egatio clericorum'. Ms. zu S. Genevi^ve in
Paris Y. 1. 5. 4». 18 Jh.
1. Stndinm. Stndiam generale. 11
Hugnccio gignasium für 4ocus studii' und 'Studium' im Sinne von
Unterricht oder wissenschaftlicher Uebung gebraucht wurde, wo-
raus sich dann naturgemäss ergeben musste, 'Studium' auch für
'locus studii' zu nehmen.
So fieng man im 13. Jh. an den Ausdruck 'Studium' in der
Bedeutung von Lehranstalt zu gebrauchen.
Wozu aber dann noch die nähere Bezeichnung 'generale'?
Man sprach bis heute viel über die Bestimmung des Begriffes
'Studium generale', und mancher verzweifelte fast zu einem sicheren
Resultate gelangen zu können. So schrieb Delisle noch 1870: titre
honorifique, dont il serait difficile de pr^ciser la signification
l^ale^^). Und ich muss gestehen, dass Delisle viel richtiger
nrtheilte als viele andere, welche wähnten endlich den wahren
Sinn gefunden zu haben. Um zur Klarheit zu gelangen ist es
hier wie anderwärts nothwendig die Dinge zu scheiden, und nicht
die Zeiten durch einander zu mengen.
Man muss hier unterscheiden zwischen den Schulen, denen
der Ausdruck schon seit langem xa%' i^ox^jy zukam, obwohl er
thatsächlich noch nicht von ihnen gebraucht wurde, und den
Schulen, die erst im 13. Jh. ins Leben gerufen wurden, die aber
höchst wahrscheinlich die nächste Veranlassung zum Gebrauche
jenes Ausdruckes boten. Wir beschäftigen uns hier zunächst mit
den letztem.
Wichtige Documente hiefür bieten die Schreiben Friedrichs II.
in Bezug auf Neapel. Im J. 1239 sagt er: in urbe nostra Nea-
polis . . . ipsius (studii) sedem locavimus et cultum indiximus ge-
neralem'^^). Er gebraucht hier eine Phrase, die identisch ist mit
der gewöhnlichen: Studium generale, oder mit dem Ausdruck
'scholae generales', den er in demselben Jahre anwendet '^^)
und der, wie wir sehen werden, später öfters gebraucht wurde;
uns ist obige Phrase Friedrichs viel bezeichnender. Was meinte
er aber mit derselben? Das sagt uns der Gründungsbrief vom
56) Biblioth^ae de l'ecole de chartes 1870 p. 52.
57) Winkelmann, Acta imperii, p. 649. In einem andern Schreiben bei
HaiU.-Br6holl. Y, 496 spricht er ähnlich.
M) HuiU.-Br6holL V, 495.
12 I* Bezeichnung der mittelalterlichen Universität.
J. 1224. Friedrich erklärt in demselben, er habe das Studium für
alle Wissenschaften in Neapel gegründet, damit die Wissens-
dürstenden 4n ipso regno inveniant, unde ipsorum aviditati satis-
fiat, neque compellantur ad investigandas scientias peregrinas
nationes expetere nee in alienis regionibus mendicare'. Sie
könnten sich jetzt fast unter den Augen ihrer Eltern aufhalten;
er befreie sie a multis laboribus, a longis itineribus et quasi
peregrinis. Dafür gebietet er aber auch, ut nuUus Scolaris le-
gendi causa exire audeat alibi vel docere, et qui de regno sunt
extra regnum in scolis, sub pena . . . usque ad festum S. Mi-
chaelis nunc proximi revertantur *"). Ausserdem dürfe innerhalb
des Königreichs niemand sich unterstehen addiscere alibi vel do-
cere *°). Es ist nun klar, dass Friedrich mit der Phrase studii
sedes et cultus generalis, d. h. Studium generale zunächst eine
Reichs- oder Centralschule bezeichnen wollte, an der allein
für seine Unterthanen**) gelehrt werden durfte, und zu der alle
Schüler des Reiches kommen mussten, wollten sie überhaupt un-
terrichtet werden. Durch das Verbot, dass fortan nirgends sonst
in seinem Reiche gelehrt und gelernt werden dürfe, hebt er
gerade den Unterschied zwischen dieser Reichsschule und den
übrigen, sogenannten Particularstudien, recht hervor. Ähnlich
stellt später auch Heinrich de Segusio (Ilostiensis) das Studium
generale dem ^Studium speciale alicuius castri vel ville' gegen-
über^'). Auf dasselbe kommt eine Erklärung Alfonsos el Sabio
hinaus"). So waren auch in der That viele der später gegrün-
deten Generalstudien zunächst nur Reichsschulen, die in erster
Linie den wissenschaftlichen Bedürfnissen der Unterthanen eines
Reiches dienen sollten**).
W) HuU!.-Br6hoU. II, 450 f., 452 f.
60) Huillard-Br^hoUes 1. c.
61) Darum erw&hnt er 1239 vor AUem die regnicolae, denen ad nomi«
natum Studium licitus sit accessus et mora. Uuill. - Breholl. 494. Winkel-
mann 1. c.
6>) Summa super tit. decret De magistris. Hs. der Universitätsbibl.
in Barcelona.
69) Las siete Partidas L c. Wir kommen alsbald darauf zurück.
6^) Im dritten Abschnitt wird sich dies bei den einzelnen Universi-
täten zeigen.
1. Studium. Studium generale. 13
Dieser Begriff eines 'Studium generale' steht in der Ge-
schichte nicht ohne jede Analogie da. Was waren denn die
Rechtsschulen in Berytus und in andern königlichen Städten, von
denen Kaiser Justinian in der Const. Omnem spricht, anders, als
derartige Reichsschulen, an denen innerhalb des Reiches allein
das Recht gelehrt werden und die ^Schüler studieren durften?
Alle Schüler mussten an eine dieser Lehranstalten wandern um
die *tria volumina' zu studieren"). Einige Analogie bietet auch
eine Verordnung Kaisers Lothar!, für Italien vom J. 825, der
zufolge in gewissen Städten Italiens Gentralschulen errichtet
werden sollten, zu denen die Schüler der umliegenden, ja oft
der entfernten Städte und Distrikte kommen mussten ^^).
Doch war auch bei Friedrich II. der Begriff einer Reichs-
schule nicht der volle Begriff für den Ausdruck 'Studium gene-
rale'. Er dachte auch an die Auswärtigen, die zum Studium
kommen sollten. Bereits 1224 sagt er: Omnes igitur amodo qui
studere voluerint in aliqua facultate vadant Neapolim^^). Noch
deutlicher erhellt dies aus Kundgebungen der spätem Jahre.
1226 versuchte er die in der Lombardei, besonders zu Bologna
bestehenden Schulen aufzuheben und lud die Scholaren ein nach
Neapel auf das Studium zu gehen"). Ebenso suchte er die
Scholaren Bolognas im J. 1234 zum Besuche des Neapolitanischen
Studiums zu bewegen**). Dass es in seinem ursprünglichen Plane
lag am Studium zu Neapel alle auswärtigen Schüler zuzulassen,
erhellt endlich aus einem Schreiben vom J. 1239, womit er aus
^^) S. besonders § 7 der genannten Constitution in Praef. in Digestum.
^) Gonstit. Olonnenses in Mon. Germ. Leg. I, 249. Solche Gentral-
schulen waren Pavia, Turin, Gremona, Florenz, Fenno, Verona, Yicenza,
Cividale (Forum Julii). Nach Pavia z. 6. mussten die Schüler de Mediolano,
de Brixia, de Laude, de Bergamo, de Novaria, de YerceUiSy de Tertona, de
Aquis, de Janua, de Aste, de Guma kommen, nach Florenz alle aus Toscana,
o. 8. w.
«7) HniU.-Br6holL H, 452.
^) HuiU.-Br^hoU. II, 646. Math, de Griffonibus bei Muratori, Ber.
ItaL SS. XVIII, 109.
^9) Haill. • Br^holl. IV, 497. S. dazu Reg. Imp. ed. Böhmer - Ficker
IL 2044.
14 !• Bezeichnnng der mittelalterlichen üniTernt&t
Gründen und im ausdrücklichen Unterschiede von früher die un-
bedingte Zulassung auswärtiger Scholaren aufhebt und ausser
jenen seiner beiden Königreiche Sicilien und Jerusalem und jenen
jenseits der Alpen nur solchen Italienern den Besuch gewährt,
deren Mutterorte zu ihm hielten ^^). Gewiss, war auch das Stu-
dium zu Neapel in erster^Linie eine Reichsschule und zunächst
nur für die Bewohner des Königreiches, so sollte es doch anfäng-
lich alle Schüler, woher sie nun kamen, au&ehmen. Die Aus-
drücke 'studii sedes ac cultus generalis' oder ^scolae generales'
galten ihm als Lehranstalt für Alle.
Diesen letztem Sinn hat der Ausdruck 'Studium generale' in
den oben angeführten Actenstücken , er wurde eine der Grund-
bedeutungen desselben. Klar tritt uns diese Bedeutung in einem
bereits angezogenen Schreiben Innocenz IV. entgegen. Er meint,
weil von den verschiedenen Theilen der Welt viele zum Aposto-
lischen Stuhle kämen, habe er für sie dort ein Studium errichtet,
und die Studierenden sollten alle Privilegien eines Generalstu-
diums gemessen^'). Noch deutlicher spricht Alexander IV. in
Bezug auf Paris: Ad id in civitate ipsa generalis studii funda-
menta • • . stabilita esse noscuntur, quod ex omnibus gentibus
illuc pro acquirendis magnis scientie opibus confluat continue
multitudo"). In den Statuten der Universität Wien vom J. 1385,
um ein Beispiel aus dem nächsten Jahrhundert zu nehmen, wird
geradezu auf den concursus generalis scholarium hingewiesen''),
und Erfurt wurde lange, ehe es eine Hochschule erhielt, eben
deshalb abusive Studium generale genannt'*). In ähnlicher Weise
sprechen Clemens VL und VIL und Urban VI. sowie andere Päpste
in ihren Stiftungsbriefen von den Generalstudien.
Es ergibt sich nun von selbst, dass sich das Epitheton 'ge-
W) Httm..Br6hoU. V, 493 ff. Winkehnann 1. c.
^») In 6 De priviL 7, 2.
7«) Bei Du BouUy III, 332.
^•) Kink, Gesch. der kais. ünivers. wa Wien. II, 75.
'^^) S. unten unter Erfart.
7&) Fabroni, Historia academiae Pisanae. Pisis 1791 I, 404. Weis-
senbom, Acten der Erfurter ünirersit&t. I, 2. 4. Aebnlich in frOhem und
sp&tem p&pstlichen Stiftangsbriefon.
1. Studiam. Studium generale. 15
nerale' nicht auf 'Studium', sondern auf die an dem Studium
Studierenden beziehe. Analoga dazu bieten die Bezeichnungen
concilium generale, capitulum generale etc., in denen das Epi-
theton * generale' dieselbe Stellung hat. Darauf hin zielt auch
die mittelalterliche Eintheilung der Privilegien. 'Aliud est gene-
rale', sagte man, 'aliud speciale. Generale est, quod est indul-
tum tot! coUegio clericorum'. Das speciale beziehe sich nur auf
eine Person oder eine Kirche"). Und so ist es gar nicht auf-
fällig, wenn wir den Ausdruck Studium generale in obiger Be-
deutung auch auf Schulen ausserhalb der Christenheit angewendet
sehen. Der Dominicaner Bicoldus de Montecrucis schreibt an
der Wende des 13. und 14. Jhs. in seinem Werke gegen den
Alchoran, er sei zu den Sarazenen nach Bagdad gereist, 'ubi
generale ipsorum soUempne habetur Studium'"). Wie im Occi-
dent der Ausdruck Studium generale im Sinne von Lehranstalt
für die Studierenden der ganzen Christenheit genommen wurde,
so wendete der Dominicaner denselben für das Hauptstudium
der Sarazenen an.
Zutreffend gebrauchten damit identisch Heinrich de Segusio
und Bernardus Parmensis den Ausdruck 'commune Studium'");
Jean de Garlande wendet in demselben Sinne die Benennung
'Studium universale' an"), wie 1252 König Konrad in Bezug auf
Salemo^®), das er auch mit 'commune Studium' bezeichnet").
'^^) So Raymund Ton Penafort in einer noch nicht bekannten und edierten
canonistischen Schrift aus der Zeit vor seinem Eintritt in den Orden (c. 1222).
Bibl. Bnrghes. n. 261 in Rom.
7^) Hs. in der Eapitelsbibl. zu Oviedo in Spanien. Vgl. auch Qu6tif-
Echard, Script. Ord. Praed. I, 504.
78) Lectura in Beeret. Prooem. — Glosse zu Bex pacificus. Der Papst
habe die Decretalen nach Bologna gesandt, 'propter Studium, quod est Bo-
nonie commnnius et generalius precipue in utroque jure, et ibi quasi de Om-
nibus partibus mundi sunt stndentes*. Cod. Burghes. 257.
79) De misterüs ecclesie. Hs. in S. Geneyidve zu Paris. Y l. 5 in
4<^. (13. Jh.): i. e. Studium universale Parisius.
Floret Alexandro locus hie dedit Anglia florem.
Im Cod. 543 zu Brügge Bl. 52b heisst diese Interlinearglosse: studii uniyer«
saUa 80. parisius. S. oben S. 2.
«>) HailL-Br6h. II, 448.
«1) Ibid. p, 449.
16 I. Bezeichnung der mittelalterlichen Universität.
König Konrad ahmten nach In Bezug auf ^Studium universale^
Peter IV. von Aragonien*'), und Andere®'). Jeden Zweifel an
obiger Grundbedeutung benimmt eine Phrase Gregors X. 'apud
Neapolitan. civitatem vigebat Studium generaliter' **). Auch die
öfters gebrauchte Bezeichnung *scolae generales'®*^) erklärt die
genannte Bedeutung nicht weniger deutlich.
Wenn ich oben sagte, dass manchen Schulen schon seit
langem der Ausdruck 'Studium generale' xar' i^oxi^y zukam, ob-
wohl er thatsächlich nicht auf sie angewendet wurde, so muss
man den Ausdruck in dem zuletzt entwickelten Sinne von 'Lehr-
anstalt für Alle' nehmen. In der That, längst als die Bezeich-
nung 'Studium generale' in Anwendung war, hatten Bologna und
Paris den Begrifif derselben, sie waren an der Wende des 12. Jhs.
die eigentlichen Generalstudien. Aber bereits vor diesen beiden
besassen Lüttich, Reims, Laon und andere Lehranstalten diese
Bedeutung, und ich zweifle keinen Augenblick, dass, wenn diese
Schulen das 12. Jh. in ihrer einstigen Blüthe so wie Bologna und
Paris überlebt hätten, ihnen ebenso auch der später entstandene
Ausdruck 'Studium generale' wäre beigelegt worden.
Gleichwie aber der einfache Ausdruck 'Studium' für sich
allein genommen früher den Sinn von 'Unterricht' als den von
^2) So sagt er in seinem Stiftungsbriefe der üniversit&t Perpignan von
Saragossa aas im J. 1349. Hs. des Statutenbaches auf der Bibliothek za
Perpignan n. 6537. (Die Drucke and Hss. sind in der Nummcrirang durch-
einandergemengt; daher die hohe Nummer der Hs.).
S3) Z. B. von Kaiser Karl lY. in Bezug auf die Hochschule von
Lucca. Baluze Miscel. ed. Mansi lY, 184. Im 15. und 16. Jh. kommt
dieser Ausdruck häufiger als früher vor, nimmt aber schon eine andere
Bedeutung an.
^) Bei Marino de Ebolo. Arch. Yat. Arm. 31 n. 72 ep. 2344. In der
Hs. 117 G. des Archivs zu S. Peter steht 'Studium generale', wie auch bei
Martöne-Durand, SS. ampl. coli. II, 1275.
^^) So Friedrich II. in einer Urkunde vom J. 1239 bei HuilL-Br^holles
Y, 1 p. 495. Alfonso el Sabio verbindet beide Ausdrücke: estadios 6 escuelas
generales. Im Memorial histörico espanio), I, 54. Sancho lY sagt ebenfalls:
estndio de escuelas generales. Bei Floranes, Origen de los estadios de Ga-
Btilla (Golleccion de documentos in^ditos para la historia de Espaäa. XX
76. Madrid 1852).
1. Studium. Studium generale. 17
^ Unterrichtsanstalt' hatte, so blieb ihm auch später mit dem
Epitheton 'generale' nicht selten diese Bedeutung, was man bis-
her ganz ausser Acht gelassen hatte. Auch dieser Begriff findet
sich in dem eben angezogenen Schreiben Innocenz IV., worin
er das Studium an der Curie errichtet. Es heisst dort nämlich
in Bezug auf die an demselben Studierenden, sie sollten alle
Privilegien gemessen, 'quibus studentes in scholis ubi generale
regitur Studium sunt muniti'. An den Schulen oder an der Lehr-
anstalt ist mithin ein Generalstudium. Letzterer Ausdruck kann
hier nur soviel wie 'generalis disciplina', d. i. Unterricht für
Alle bedeuten. In diesem Sinne finden wir den Ausdruck bei
Paul de Liazariis in der 1. Hälfte des 14. Jhs. erklärt: Que stu-
dia autem dicantur generalia relinquitur arbitrio iudicis, ut vi-
deat si generaliter sacra pagina, iura et artes ibi docean-
tur^*). Und so sagt auch Matthaeus Paris ad an. 1229, der
grössere Theil der Pariser Magister habe Angers bei der Aus-
wanderung gewählt 'ad doctrinam universalem' *^). Alexander IV.
gebraucht 1257 den Ausdruck: 'ubi generalis in ea (sacra pagina)
viget scolastici studii disciplina' ^^). In derselben Weise muss der
Ausdruck: 'litterarum Studium generale' in einigen päpstlichen
Privilegienbriefen ^') aufgefasst werden, denn wie im 12. Jh. die
Phrase 'studia litterarum regere' nichts anderes besagt, als
'den Unterricht in den Wissenschaften leiten', so hat auch hier
'Studium' mit dem Epitheton 'generale' keine andere Bedeu-
tung. Derselbe BegriflF lag wohl ursprünglich der oft wider-
kehrenden Formel der Errichtungsbriefe zu Grunde: ut sit Stu-
dium generale in sacra pagina, in iure canonico etc., oder ein-
^ In Clement. De sepultwis. Dudum. Hs. n. 62 der Bibliothek Bipoll
im ArcliiTO de la Corona de Aragon zu Barcelona.
87) Chron. mig. ed. Luard. III, 168.
88) Beg. Yat. an. 3 ep. 225 BL 30 b.
^) So z. B. im Schreiben Alexanders IV. y. 29. Juni 1260 für Sevilla
(Memorial histörico espaSol. I, 163). Aehnlich Clemens Y. in Bezug auf Bo-
logna 1310. Heg. Yat. an. 5 ep. 169, und sonst öfters. Ygl. auch das
Schreiben der kirchl. H&upter Portugals Tom 12. Nov. 1288 an Papst Nico-
laoB lY. (Leitao, Noticias chronoL da universidade de Coimbra L Lisboa
1729 p. 9).
DaaifU, Die UaiTanititen L 2
lg I. Bezeichnang der mittelalterlichen Universität.
fach: in quavis licita facultate, und sie findet ihren Pendant in
einer Wendung bei Friedrich IL : Disponimus apud Neapolim do-
ceri artes cuiuscunque professionis et vigere studia (cuiuscun-
que professionis '°). Hat der Ausdruck 'Studium generale' in
solchen Verbindungen nicht den Sinn von 'Unterricht für Alle',
dann muss die ganze Phrase als Kürzung der vollständigen Formel,
wie sie noch im 13. Jh. in päpstlichen Errichtungsbriefen vor-
kommt, betrachtet werden : ut in dicto loco sit Studium generale
(in quo magistri doceant et scholares libere studeant et audiant)
in quavis licita facultate etc.'^). In den gewöhnlichen Formeln
fehlen meist die hier eingeklammerten Worte. Allein andere
Male kann die Phrase: ut sit Studium generale in sacra pagina
etc. nicht als Kürzung der eben erwähnten aufgefasst werden,
und dies führt uns einen Schritt weiter in der Erörterung über
den Begriff 'Studium generale'.
Einige Male begegnet uns die Phrase: ut in civitate pre-
fata sit in iure canonico et civili etc. perpetuum Studium gene-
rale, in quo magistri doceant et scolares libere studeant in fa-
cultatibus prelibatis''). Es ist doch klar, dass der Ausdruck
'Studium generale' in Bezug auf das zweite Glied für Unterrichts-
anstalt genommen wird, trotzdem dass diese Bedeutung für das
erste Glied nicht wohl passend ist Einem ähnlichen Falle be-
gegnen wir in einem Schreiben Clemens Y. für Goimbra vom
25. Febr. 1308: Nicolaus papa nu ... ordinavit, ut in civitate
Ulisbonensi . . . esse posset de cetero litterarum Studium gene-
rale, tam eidem studio quam regentibus et studentibus . . . certa
90) Bei Ham.-Br6hoU. L c. n, 450.
91) So im Errichtnngsbriefe Nicolaus IV. vom 26. October 1289 für
MontpeUier bei d'AigrefeniUe, Bist, de la viUe de MontpeUier II, 840. Ger-
main, Hist. de la commune de Montpellier III, 453. Dann in der Gründungs -
buUe Bonifaz YIIL fOr Pamiers vom 18. Dec. 1295. Reg. Yat an. 1 ep. 658
Bl. 146b; im Stiftbriefe desselben Papstes für Ayignon vom I.Juli 1303 im
Gartulaire de l'universit^ d'Avignon par Laval I, 6.
^ In den Errichtungsbriefen Benedicts XII. fftr Grenoble vom 12. Mai
1339 (Reg. Yat. an. 5 ep. 420 Bl. 219 a) und vom 22. Sept. desselben Jahres
für Verona (Bull. Rom. ed. Taur. IV, 459). Aehnlich Clemens Y. 13. Juli
1312 für Dublin (Reg. Yat an. 7 ep. 934 Bl. 196 b).
1. Studiam. Studiom generale. 19
privilegia et indulgentias concedendo "). An sich möchte man
meinen, ^litteranun Studium generale' werde wie in früherer Zeit
ftr ^Unterricht' genommen. Allein, die nähere Bestimmung 'tam
eidem studio' schliesst diesen Sinn aus, und lässt nur jenen von
Lehranstalt' zu. Wir lernen daraus, dass sich die Bedeutung
,Lehranstalt für Alle' allmählich vollständig in den Vordergrund
drängte und die Formel 'Studium generale in sacra pagina, iure
canonico' etc. stereotyp wurde, ohne dass man noch über die
Bedeutung des Ausdruckes nachdachte.
Indessen die Bedeutung 'Lehranstalt', 'Unterricht für Alle' war
nichts weniger als der letzte, volle Begrifif des Ausdruckes 'Stu-
dium generale'. Gerade die zwei ältesten und grössten General-
studien, Bologna und Paris, waren privilegierte Studienanstalten.
Keine neue Lehranstalt konnte neben ihnen aufkommen, wenn
sie nicht etwa an den Privilegien derselben Theil hatte. Das
Studium generale wurde ein Studium privilegiatum zum
Unterschiede von Particularstudien , die die Privilegien an sich
nicht besassen'^). Die 'Lehranstalt für Alle' ist zugleich mit
Privilegien für Lehrer und Schüler versehen.
93) Beg. Yat. an. 3. ep. 384 Bl. 72 b.
^) Heinrich de Segusio (Hostiensis) sagt z. B. in Bezog auf das Pri-
TÜeg, die Benefizien ferne von der Kirche am Studiam generale beziehen
za können, in der Summa sup. tit. decret.: Si cui indultum fuerit, ut in
studio fiructus suamm percipiat prebendarum, de studio generali intelligen-
dom est, non de studio speciali alicuins castri yel ville, cum hoc in fraude
fiat. Summa super tit. decret. De magütris. Barcelona» UniversitätsbibL Doch
ist dabei nicht ausgeschlossen, dass auch Particularstudien unter Umständen
und ausnahmsweise ähnliche Privilegien erhalten konnten. So erlangten die
am Studium in Narbonne Studierenden von Innocenz lY. am 13. Mai 1247
alle Privilegien der Generalstudien (Beg. Yat. an. 4 ep. 719 Bl. 393 b> Der-
selbe Papst gewährte auf Bitten der Herzogin von Djjon (Aliz de Yergy)
6. Februar 1245 den Klerikern der Provinz Lyon am theol. Studium der
Domicaner in Dijon, das nicht einmal für den Orden ein Generalstudium
war, den Genuss ihrer Benefizien (Archiv, d^part. in Dgon H. 932. Original.
YgL auch Ripoll, Bull. Ord. Praed. I, 147 n. 81). Für die dortigen Schulen
der Franciscaner bewilligte dasselbe der nämliche Papst 22. Juni 1246 (Sba-
ralea, BnO. Ord. Min. I, 416 n. 137), 26. März 1249 aber für ihre theol.
Schulen in der Provinz Bologna (Sbaralea I, 529 n. 300). So hatte auch das
Studiam in Yalladolid, ehe es Generalstudium war, Privilegieui denn König
2*
20 ^ Bezeichnung der mittelalterlichen üniyersit&t.
So sehen wir auch, dass von jenem Zeitpunkte an, wo Ge-
neralstudien sei es von den Päpsten, sei es von den Landes-
fOrsten gegründet wurden oder ex consuetudine bestanden, die
neue Studienanstalt gleichzeitig in den Besitz der Privilegien
bereits existierender Generalstudien gelangte. Die in den Er-
richtungsbriefen hiefllr gebrauchten Worte werden, mutatis mu-
tandis, ebenso stereotyp, wie die Formel für die Errichtung selbst.
Die erste päpstliche Bulle zu Gunsten eines eben gegründeten
Generalstudiums ist jene Gregors IX. v. 27. April 1233 für Tou-
louse, wo das Generalstudium 1229 von dem Cardinallegaten
ins Leben gerufen wurde, und der Papst stellt sofort das neue
Studium jenem zu Paris in den Privilegien gleich mittelst der
Formel: ut eadem libertate gaudeant, qua gaudent Parisienses
scolares . . . ut quicunque magister ibi examinatus et approbatus
fuerit in qualibet facultate, ubique sine alia examinatione legendi
liberam habeat facultatem'*). Diese Formel wird nunmehr in
allen Stiftungsbriefen dem Wesen nach widerholt; fast durchweg
begegnen wir ihr in dieser Fassung: ut studentes talibus privi-
legiis, libertatibus et inmiunitatibus gaudeant, quibus gaudent
studentes in scholis, ubi generale regitur Studium (so bereits In-
nocenz IV. für das Studium an der Curie 1244— 1245 ••), oder
einfach: quibus gaudent studentes in studio generali, u. s. w. Es
wird hiemit das neue Studium den bereits existierenden General-
studien gleichgestellt
Zur Zeit Gregors IX. war dies etwas Neues, und die Pariser
Universität beschwerte sich beim Papste und klagte über Eingriff
in ihre Rechte wegen des dem Studium zu Toulouse gewährten
Privilegs, dass die dort creierten Magistri überall sollten aner-
kannt werden, also auch in Paris. Der Papst antwortete 3. April
1234, dass er durch das dem Tolosaner Studium gegebene Pri-
vileg durchaus nicht den Gewohnheiten und Statuten des Pariser
Bancho lY. wollte den von ihm projectierten 'escnelaa generales' sa AlcalA
un J. 1293 fdle jene Freiheiten gehen, 'que ha el estudio de Yalladolid.'
(Bei Floranes, Origen de los estudios de Gastilla in derCoUeccion de docn-
mentoa in^itos para la historia de Espaiia XX, 76).
^) Percin und Du Boulay 1. c.
M) S. oben 8. 17.
1. Stadium. Stüdinm generale. 21
Studiums Abbruch thun wolle; für dasselbe bleibe es wie bisher 'O-
Allerdings konnte auch Paris nicht allzu lange die Ausnahme
bilden, nur einige Male noch wird Paris, Bologna oder auch Ox-
ford ausgenommen.
Fragen wir nun aber, worin vor allem die Privilegien eines
Generalstudiums bestanden, so werden wir auf den letzten Be-
griff eines Studium generale gewiesen, der im Wesen nur eine
Gonsequenz aus den Grundbegriffen eines Generalstudiums ist.
Zugleich wird der Unterschied desselben von einem Particular-
studium vollends klar.
Am Generalstudium konnte sich jeder ohne Unterschied der
Nation die Kenntnisse erwerben, welche ihn berechtigten die acade-
mischen Grade an demselben zu erlangen. Nicht die an einem
Particularstudium erworbenen Kenntnisse befähigten einen zur
Ablegung der Prüfung an einem Generalstudium und zur Erlan-
gung der Grade. Kam dies manchmal vor, so geschah es nur
nach ausdrücklicher Dispens von Seite des päpstlichen Stuhles^*).
Und nur mit solcher Dispens oder in Folge hergebrachter Ge-
wohnheit, wie z. B. in Lyon, hatte hie und da ein Particular-
studium das Promotionsrecht.
Der Begriff des Generalstudiums brachte es aber auch mit
sich, dass die Kenntnisse, welche man sich an einem General-
stadium erwarb, auch an jedem andern anerkannt werden mussten.
Wenn dies Paris, Bologna und Oxford in der ersten Zeit nicht
zugestanden, so geschah es in Folge hergebrachten Usus, der
sich jedoch fUr immer nicht erhalten konnte.
Aus dieser Vorbedingung ergab sich als Gonsequenz, dass
auch die an einem Generalstudium erworbene Lehrbefahigung an
allen Generalstudien ohne neues Examen anerkannt werden musste.
Die facultas ubique docendi war schon im Keime im Be-
griffe eines Generalstudiums enthalten. Es bedurfte nur, dass
97) Das Actenstflck findet sich Reg. Yat. Greg. an. 8 ep. 13 Bl. 171b;
Dich einer Abschrift pnbliciert beiValois, OaiUaame d'AuTergne. Paris 1880
p. 3e3 n. 49.
^ 8. unten im Abschnitte über die üniyersit&t Orange. Dieser FaU
ist höchst lehrreich nnd bestätigt die Regel. Im einxehien erscheint er auch
sonst noch Oftery allein immer als Ausnahme.
22 I* Bezeichnnng der mittelalterlichen Uniyersit&t.
dies auch förmlich ausgesprochen wurde, und Gregor IX. that
das zuerst in Bezug auf Toulouse'*). Die dortige Hochschule
macht hierin Epoche in der Geschichte der Universitäten. Die
Ausnahme in Bezug auf Paris, Bologna und theilweise auch Ox-
ford und später Orleans, welche lange Zeit nur jene bei ihnen
vorgenommenen Promotionen in jenen Fächern, die sie vorzüglich
pflegten, anerkannten, und die anderwärts Promovierten einem
neuen Examen unterzogen, gründete sich auf den eigenthümlichen
Entwicklungsgang dieser Hochschulen und auf spezielle Gesetze
derselben, und bestätigt gerade dadurch die Regel, dass das
Privileg der facultas ubique docendi eine characteristische Eigen-
thümlichkeit der Generalstudien war. Wir finden sie deshalb
fast in allen Stiftbriefen nebst jener eben besprochenen, dass die
an diesem oder jenem Generalstudium Studierenden mit der Zeit
sich an demselben der Prüfung unterziehen und die Grade d. i.
die Lehrbefähigung in der betreffenden Wissenschaft erwerben
könnten, erwähnt"*).
Gerade dieses Privileg der Generalstudien setzte aber vor-
aus, dass das Generalstudium allgemein auch als solches an-
erkannt war. Dies bedarf wohl keiner Erklärung. Wer sollte
aber diese Bedingung setzen, wenn nicht der allgemeine Vater
der Christenheit, nämlich der Papst, in zweiter Linie der römi-
sche Kaiser, und bedingungsweise die Landesfürsten ? Hierin liegt
nicht die letzte Bedeutung der päpstlichen und kaiserlichen Stift-
briefe, auf die ich weiter unten ausführlich zu sprechen komme.
Stiftbriefe fielen nur in der ersten Zeit bei jenen Generalstudien
weg, die bereits allgemein als solche anerkannt waren sei es ex
consuetudine sei es aus irgend einem andern Umstände.
Es versteht sich von selbst, dass die an den Generalstudien
Promovierten auch aller andern Privilegien, welche die Lehrer an
einem Generalstudium besassen, theilhaftig wurden, wie ja über-
haupt, sobald jemand an einem Generalstudium aufgenommen
99) S. oben 8. 20.
100) Eg ist deshalb nicht nothwendig, dass ich bei DarsteUnng der ein-
seinen Hochschulen daraof wider snrackkomme.
1. Stadium. Stadium generale. 23
war, er alsbald an den Privilegien desselben Theil nahm, wie
die Stiftbriefe fortwährend widerholen.
Hiemit ist die Bedeutung des Ausdruckes Studium generale
fOr unsere Zeit erschöpft. Das Erfordemiss, dass an einem
Generalstudium eine grössere Anzahl Lehrer sein und wenigstens
eines der hohem Fächer, nicht bloss die artes liberales, vorge-
tragen werden musste, brachte wohl das Generalstudium mit sich,
allein es war keine Eigenthümlichkeit, denn auch an Particular-
studien kam dies nicht selten vor, ohne dass es dazu einer Dis-
pens bedurft hätte.
Im 16. Jh. hatte man die Bedeutung des mittelalterlichen
Generalstudiums noch besser erkannt als vielfach heute. Petrus
Gregorius sagt z. B. : Studia generalia hodie seu publica dicuntur
scholae, in quibus publice ex privilegio pontificis summi vel prin-
cipis vel antiqua consuetudine, cujus initium non exstat memoria,
Studium est privilegiatum et permissa societas et concursus scho-
lasticorum et docentium, continens pro contento^^^). Damals gehörte
nur noch, wie schon theilweise seit der Mitte des 14. Jhs., zum
Begriffe eines Studium generale oder einer Hochschule auch die
Vereinigung der Lehrer und Schüler oder des einen Theiles zu
einem Corpus, zu einer Universität, d. i. das Privileg des Uni-
versitätsrechtes. Der Begriff, das Studium generale sei ein pri-
vilegiertes Studium, tritt manchmal ganz in den Vordergrund, da
die Grundbedeutung von ^Studienanstalt für Alle' sich von selbst
ergab. So z. B. im 15. Jh. in einem Actenstücke Martins V.^°').
Von selbst erledigen sich nun die abweichenden Ansichten.
Eine Entwicklung der Bedeutung vermisse ich bei allen. Ziem-
lich nahe steht Savigny der Wahrheit^®'). Thurot hat ihn nicht
101) De repablica üb. 18 c. 1 p. 1200 ed. Paltheniana 1597.
IM) Er g^^t in semer Constitution für die üniversit&t Salamanca yom
20. Febr. 1422, dass das Verbot der Mendicantenobern, ne fratres ipsorum
ordinom ad stadiom Salamantinam pro studendo et gradus lectoriatus, licen*
tiae et magisterii in Tbeologia recipiendo accedere anderent, de directo est
contra natoram generalinm stadiomm. Original im UniTersit&tsarchi? tu
Salamanca. Gedruckt in Constitutiones apostolicas y estatatos de la mny
insigne uniTersidad de Salamanca. Salamanca 1625 p. 61.
103) Geschichte des Böm. Rechts, III, 4l4. Auf dessen verwirrende
24 I- Bezeichnong der mittelalterlichen üaiversit&t.
verstanden, wenn er meint, Savigny zufolge beziehe sich das
Epitheton 'generale' bei Studium nur auf das 'docere hie et ubi-
que' *®*). Thurot fallt aber selbst in den Irrthum, indem er sagt,
der Ausdruck 'Studium generale' habe nur die Bedeutung wie
bei den Dominicanern, und beziehe sich auf die verschiedenen
Nationen, die in Paris vertreten waren. Die Dominicaner wendeten
ja nur den bereits bestehenden Ausdruck auf jene Ordenslehran-
stalten an, die vom Generalkapitel als die Gentra für auserlesene
Schüler der verschiedenen Provinzen bestimmt waren. Das Stu-
dium generale der* Dominicaner und anderer Orden erschöpft den
Begriff, wie sich aus Obigem ergibt, nicht im entferntesten. Es
fOhrt zu ganz falschen Anschauungen, mit Lorenz v. Stein den
späten Ausdruck ^Studium sublimius' oder vielmehr 'sublimius
Gymnasium' mit dem von 'Studium generale' zu identificieren '***).
Studium generale wurde damals noch nicht als 'Hochschule' be-
zeichnet; 'hohe schuole' wurde in Deutschland bis zur Mitte des
14. Jhs. wohl nur Paris, genannt. Aber selbst darnach gebrauchte
man den Ausdruck 'hohe schuole' '^^) noch nicht im Sinne des spätem
Ausdruckes 'sublimius Gymnasium'. Eine andere Ansicht vertritt
Germain. Ihm ist die Vereinigung der drei Schulen in Montpel-
lier: des Rechts, der Medicin und der Artes 'zur Universität'
und deren Verbindung durch ein gemeinschaftliches Band gleich-
bedeutend mit der Gonstituierung eines Studium generale ^^'^).
Ansichten in Betreff der Stiftbriefe komme ich weiter unten zu sprechen.
Was die Entwicklung der Bedeutung des Ausdrucks anbelangt, so kam
Schulte im Archiv fOr kath. Eirchenrecht XIX, 24, viele Verstösse abge-
rechnet, der Wahrheit am nächsten.
^M) De l'organisation de Tuniversit^ de Paris p. 11 n. 4.
105) Die innere Verwaltung II. 2, 107. 501. Nur Meiners und Hauts-
Reicblin waren seine Quellen.
1^) Im Jahre 1365 erscheint zum wi.derholten Male in den deutschen
Actenstacken die Wiener Universität betreffend 'hohe Schule'; aber wie sich
aus einem Vergleiche derselben mit den lateinischen Originalien ergibt, nicht
als eigentliche Widergabe von ' Studium generale'. So viel ich urtheilen
kann, entstand der deutsche Ausdruck ganz selbständig und unabhängig
vom lat 'Studium generale', wofür man 'gemeine schnol' sagte.
107) jfetude historique sur l'6cole de droit de Montpellier (1877) p. 11.
Vgl. auch dessen Eist de la commune de Montpellier, III, 2. 159.
1. Studinm. Stadium generale. 25
Allein durch Vereinigung mehrerer Schulen zu einer Schule er-
halten wir noch keineswegs den vollen Begriff eines Studium ge-
nerale. Zudem würde aus Germains Behauptung folgen, die C!on-
stituierung einer Ciorporation von Lehrern und Schülern mehrerer
Schulen sei zugleich die Gonstituierung eines Studium generale,
während wir besonders aus dem Beispiele von Orleans lernen,
dass mit dem Begriffe eines Studium generale noch nicht der
einer Corporation gegeben war"*). Die stets widerkehrenden
Ausdrücke: universitas studii, Studium universitatis, auf die ich
sogleich aufmerksam machen werde, erweisen dieselbe Thatsache.
Einen bedeutend grossem Irrthum schliesst die Behauptung
in sich, 'Studium generale' habe die Vertretung aller Wissen-
schaften bezeichnet. Sie wurde noch bis in die neueste Zeit aus-
gesprochen "'), trotzdem schon Savigny gegen sie polemisierte. Man
wäre nie auf sie verfallen, hätte man den Ausdruck genetisch
entwickelt und darauf geachtet, dass wenigstens den Begriff schon
die Rechtsschule zu Berytus verdiente und dass er in vollem
Masse auf die Rechtsschule zu Bologna übergieng. Gleichviel,
ob in dem Ausdrucke das Wort 'Studium' für 'Unterricht' oder
für 'Lehranstalt' genommen wird: er war nicht von der Anzahl
der wissenschaftlichen Fächer bedingt. So finden wir, dass Al-
fonso el Sabio in seinen Siete Partidas als die Fächer eines
Generalstadiums die artes (die er noch specialisiert) und das
geistliche und weltliche Recht aufzählt"®); er übergeht aber die
108) So sagt z. B. Philipp der Schöne in Bezug auf die üniyersit&t:
nee placeat nohis . . . quod doctores et scolares studii Aurelian. nniversitatem
habeant nee statu universitatis utantur, ymmo sicut ah olim ihidem extitit
obserratum tamquam singulares persone morihus et scientia laudahiliter im-
bnentnr, nosque pro eorum utilitate et dicti studii reformatione gratias et
privilegia etc. Statutenbuch im Cod. Yat. Reg. 405 BL 31b (J. 1312>
ISRchi das Studium generale war ihm ein Dom im Auge, sondern die üni-
Tersit&t an demselben, diese woUte er aufgehoben wissen.
109) So yertritt sie noch Lusehin, Oesterreicher an italienischen üni-
yersit&ten. Wien 1882 S. 93. Die allgemeine Quelle, woraus man diesen
Irrthum schöpfte, war wie immer Meiners, Gesch. d. Entstehung etc. lY,
389. Hartwig, Aschbach, Ennen und andere widerholen im Grunde nur den-
selben Irrthum, worüber unten im Abschnitte über das Yerh<niss der üni-
yersitftt zu den Klosterschulen.
110) Las siete Partidas, n. tit. 31 ley 1.
26 I- Bezeiclmung der mittelalterlichen Universität.
Medicin und die Theologie. Dieselbe Beobachtung macht man
in den Stiftungsbriefen der einzelnen Generalstudien. Dort be-
gegnet uns fortwährend die Phrase in der einen oder andern
Weise: ut in eadem villa sit Studium generale in jure cano*
nico et civili, in artibus, et etiam medicina et qualibet alia lici-
ta facultate, oft mi^ dem Zusatz: non tarnen theologia, d. h. in
dieser Stadt soll ein Generalstudium in jeder Facultät, oder
im Jus, in den Artes, in der Medicin u. s. w. sein"^). Also für
jede Facultät, für jede Wissenschaft konnte ein G^neralstudium
gegründet werden. Darum heisst es auch: et vigeat Studium ge-
nerale in theologica facultate ^*^). Denselben Sinn haben die
Worte in dem Schreiben Urbans IV. v. J. 1263, womit er der
Universität Palen cia zu Hilfe kommt: scientiarum Studium gene-
rale"*), d. i. ein Generalstudium für die Wissenschaften. Wer
sich nur immer den Begriif eines Generalstudiums, wie wir ihn
ui) So in der BuUe fQr Montpellier y. J. 1289: indalgemus ut in
dicto loco Bit deinceps Stadium generale, in quo magistri doceant et scolares
libere Btudeant et audiant in quavis licita facultate. 13. Nov. 1288 bitten
die H&upter Portugals den hl. Stuhl um ein generale Studium literarum in
qualibet facultate in Lissabon. Fr. Leitao, Noticias chronologicas da uniyer-
sidade de Goimbra. Lisboa 1729 p. 9. So heisst es auch im Statutenbuch
der Universität Lerida v. J. 1300: (Rex Jacobus) in utroque jure canonico
et civili, medicina, philosophia et artibus ac aliis approbatis scientiis quibus-
cumque Studium in dicta civitate Ilerdensi instituit generale. YiUanueva,
Yiage literario a las Iglesias de EspaBa. XYI. Madrid 1851 p. 207 f.
Delfin Humbert 11. sagt 25. Juli 1339, Benedict XII. habe erlaubt, dass
zu Grenoble essent perpetuo generalia studia in utriusque juris, medicinae
et artium facultatibus. (Valbonnais) Hist. de Dauphin6. II. Gen^ve 1722
p. 412. Clemens YII. sagt 28. Nov. 1379 in Bezug auf Perpignan, dass dort
In juribus canonico et civili, in artibus et etiam medicina et qualibet alia
licita non tamen theologia ein Studium generale sei. Aehnlich auch König
Peter v. Aragonien in Bezug auf dasselbe Studium. Ms. 6537 zu Perpignan.
Ich habe hier nur seltenere Actenstacke angeführt. Im dritten Abschnitte
finden sich Beispiele bei jeder Universität.
^i>) So sagt InnocenzYI. 21. Juni 1360 in Bezug auf Bologna, ürbanY.
14. April 1363 in Bezug auf Padua (BuUen im BuU. magn. Rom.), Martin Y.
17. Dec. 1421 in Bezug auf Montpellier (bei Germain, Histoire de la com-
mune etc. III, p. 416), Nicolaus Y. 1447 in Bezug auf Perpignan (Mb. 1. c.)
n. 8. w.
113) BulL Born. ed. Taurin. UI, 296.
1. Stndiam. Studium generale. 27
oben entwickelt haben, gegenwärtig hält, wird dies begreiflich
finden.
Ans der gegentheiligen Ansicht würde übrigens folgen, dass
es im Mittelalter bis zur zweiten Hälfte des 14. Jhs. nur wenige
Generalstudien gab, und von den vier Weltstudien*"), Paris, Bo-
logna, Oxford und Salamanca höchstens Oxford diesen Namen
verdiente. Bis zur 2. Hälfte des 14. Jhs. und noch länger war
nämlich von den meisten Hochschulen die Theologie ausgeschlossen,
wie sich im Verlaufe des Werkes ergeben wird. Bologna aber hatte
bis 1360, Salamanca bis zum Ende des 14. Jhs. keine Theologie,
Paris aber ermangelte von 1219 bis in das 17. Jh. des Studiums
des weltlichen Rechts. Und trotzdem war jede jener Lehran-
stalten ein Generalstudium im vollen Sinne des Mittelalters, und
es fiel niemand bei daran zu zweifeln. Wenn daher Döllinger
sagt: ^Und doch war auch Paris keine Universität im vollen, im
jetzigen deutschen Sinne'"*), und die übrigen Schulen Frank-
reichs nur Specialschulen nennt"*), so ist allerdings wahr, dass
weder Paris noch die meisten der mittelalterlichen Generalstudien
Universitäten nach jetzigem deutschem Begriffe waren, aber es ist
falsch zu behaupten, sie seien keine Universitäten oder vielmehr
Generalstndien im vollen Sinne gewesen, denn sie waren dies in
jenem des Mittelalters. Später griff eine andere Auffassung Platz "^).
1^^) Auf dem Goncil von Yienne wurden für das Stadium an der Curie
(nicht flir das Generalstudium in Rom, wie so häufig gesagt wird), in Paris,
Oxford, Bologna und Salamanca Lehrkanzeln für die orientalischen Sprachen
Torgeschrieben, dem. V, 1. In Folge davon betrachtete man die vier zu-
letzt genannten Studien als Weltstudien, wie aus Martins Y. Constitution für
Salamanca vom J. 1422 hervorgeht (nos ob id Studium Salamantinum, quod
unnm de quatuor orbis generalibus studiis ex dispositione apostolica in re-
gione ispanica eelebri fama resplendet etc.). Original im Univers.-Archiv zu
u&) Die Universitäten sonst und jetzt. München 1867. S. 6.
u«) Ibid. a 11.
u^ Zwei Jahrhunderte vor uns urtheilte man viel richtiger. Bebuff z. B.
sagt: Non minus dicitur universitas, etiamsi omnes facultates non sint con-
cessae ibidem. Tract varii in tract Nominat. qu. 6 n. 13 p. 118 ed. Lugd.
1600. Petrus Oregorius aber meint : Neque ideo minus studia generalia dicentur
antUniversitates, quod non onmes scientiae ibisedcertae tantum tractentur
28 I- Bezeicliniing der mittelalterlichen üniyersit&t
Aufgabe des Forschers ist es daher, sich zuerst über die Begriffe
klar zu werden ^^') und die Zeiten und Jahrhunderte zu scheiden.
Ein umstand darf jedoch hier nicht übersehen werden, dass
man nämlich auch im Mittelalter häufig darnach strebte an einer
Lehranstalt alle Wissenschaften vertreten zu sehen. Die Aeusse-
rung Savignys, die Gesammtheit der Wissenschaften habe man
im Mittelalter nicht als die Hauptsache bei einer Hochschule be-
trachtet^^'), ist irreführend. Man hat sie allerdings nicht als
die Hauptsache, wohl aber sehr oft als einen wünschenswerthen
Factor angestrebt. Bereits Friedrich H. wollte 1224, dass am
Studium in Neapel doctores et magistri in qualibet facultate
seien, denn es sollten dort 'cuiuscunque professionis vigere stu-
dia\ damit die Wissbegierigen 4n ipso regno inveniant, unde ip-
sorum aviditati satisfiat neque compellantur ad investigandas
scientias peregrinas nationes expetere' ^'^). Auch Alfonso el Sabio
wünschte für das Generalstudium Lehrer in jeder Wissenschaft,
trotzdem er dies nicht zum Begriffe derselben für nothwendig
hält, wie wir gesehen haben, und nur für den Fall, als dies nicht
geschehen könne, sollten immer wenigstens Lehrer der Gramma-
tik, Logik, Rhetorik und der Rechtswissenschaft angestellt sein^'^).
Was offenbart femer die in den Stiftungsbriefen sich fortwährend
et doceantor, namque generalitas ad üniTersitatem non pertinet sed ad pnbli-
cam causam docendi. L. c. Tom4s Franco aber schreibt in der tasserst
seltenen Schrift: Defensa por la oniversidad de santo Tom&s de Sevilla (nur
20 Blätter) Bl. 16: Qne hay mnchas y muy graves nniversidades, en qne no
se 16en todas las facoltades referidas en la ley de Parttda (des Alfonso el
Sabio), und er zählt auf Alcal4 de Henares, SigQenza, Ebora, Braga. Yom
Studium zu Paris aber meint er: qne es tan nombrado y universidad tan
iUustre no se 16en leyes. Die Schrift erschien Sevilla 1656.
11^) Und dass sich Döllinger aber den Begriff eines 'Studium generale'
nicht klar war, das beweist eine Phrase ib. S. 5: Die Pariser Hochschule
wuchs anfangs als Studium generale , dann als Universitas zu der mächtig-
sten aUer Corporationen empor. D. h. die Pariser Hochschule wuchs als
Lehranstalt, später als Corporation zur mächtigsten Corporation empor. So
geht es, wenn man über Dinge schreibt, deren Begriffe man nicht kennt.
W9) A. a. 0. S. 414.
iw) Huill.-Br6holl. H. 450.
1») Las siete Partidas II, üt. 31 ley 3.
2. üniversitas. Gymnasium. 29
widerholende Phrase, das Studium generale sei erlaubt ^in qua-
yis licita facultate'^''), anders, als die Erlaubniss ein Studium
fOr jede Wissenschaft einrichten zu können? Dies war auch sehr
häufig der Wunsch derjenigen, welche sich um Bewilligung eines
Generalstudiums an den Papst oder an den Fürsten wandten.
Von der Mitte des 14. Jhs. ab wird dies gang und gäbe. Den
modernen Begriff einer Hochschule oder Universität hat also das
Mittelalter eingeleitet. Hüten muss man sich jedoch, in dem
mittelalterlichen Begriffe eines Studium generale die Vertretung
aller Wissenschaften zu suchen"*).
2. Üniversitas. Aoademia. Gymnasium.
Der landläufige Ausdruck für Hochschule ist heutzutage
^Universität'. Nicht weniger häufig begegnen wir demselben im
Mittelalter. Und doch verband man damals mit ihm einen von
dem heutigen ganz verschiedenen Begriff. Dem mittelalterlichen
Begriffe liegt der des Ciorpus juris civilis zu Grunde, wonach
'üniversitas' ähnlich wie 'corpus' im Sinne von corporativer Ver-
bandseinheit gebraucht wurde"*). Weiter ausgebildet wurde
dieser Begriff durch die Glossatoren, die zumeist in demselben
Sinne wie üniversitas und corpus die Ausdrücke coUegium und
societas nahmen. Am bekanntesten wurde die Definition des
^ Die 'illicita' facultas oder Wissenschaft, z. B. Ma^e, Astrologie
IL 8. w. wurde in p&pstlichen Stiftbriefen immer ausgeschlossen.
^^) Allerdings darf man sich hierin widerum nicht auf L. v. Stein ver-
lassen, der aus Friedrichs IL Stiftungsbrief (1) der ersten Wiener Kathedral-
schnle yom J. 1237 die Worte anführt, er errichte nicht 'aliquod Studium
generale omnium facultatum' (1. c. S. 498), woraus folgen würde, dass be-
reits in der 1. Hälfte des 13. Jhs. die Vertretung aller Wissenschaften in
dem Begriffe 'Studium generale' eingeschlossen war. Die Worte kommen
aber nicht im PriTÜegienbriefe vor, sondern sie gebraucht im 17. Jh.
Lambecins, den Schlikenrieder, Chronologia Diplom, celeb. et antiquiss. üni-
Ters. (Yindobon. Vienna 1753) p. 166 anführt Stein verwechselte bloss
Lambecins mit Kaiser Friedrich IL Dieser jedoch sagt nur: Yolentes et
commodo studio provideri, per quod prudentia docetur in populis . . . po-
teatatem damus etc. L. c. p. 4. S. Httill.-Br6hoU. Y, 57.
^ S. OierkOi Das deutsche Genossenschaftsrecht III, 142.
80 ^' Bezeichnimg der mittelalterlichen üniyersit&t.
Hugolinas: universitas est plurium corporum coUectio inter se
distantium uno nomine specialiter eis deputato^'^).
Nun ist es doch klar, dass der Ausdruck ^universitas' nichts
weniger denn eine Lehranstalt oder Hochschule, sondern über-
haupt jeden organisierten menschlichen Verband bezeichnete. Die
universitas magistrorum oder scholarium, d. h. die corporative
Verbandseinheit der Professoren und Scholaren ist nur eine Spe-
cies des allgemeinen Gattungsbegriffes.
So erklärt sich der durch das Mittelalter herrschende Sprach-
gebrauch und die Ausdrucksweise 'universitas studii\ Die Uni-
versität war an der Schule oder dem Generalstudium. Schon
Alfonso el Sabio sagte: universidad del estudio de Salamanca "*).
Dieser Sprachgebrauch hatte sich an allen Hochschulen, wo Cor-
porationen bestanden, eingebürgert. Beispiele bietet der Verlauf
des Werkes in Menge'"). Daneben erscheint mehrere Male die
Bezeichnung 'Studium universitatis', am frühesten bei Johann de
Garlande "'), und noch spät bei König Ludwig v. Frankreich im
J. 1369 für das Generalstudium zu Gabors und in einem Schreiben
des Gegenpapstes Benedict XHI. für Salamanca ^'*). Mit der
ersteren Bezeichnung fällt zusammen 'Studium ac ejus universi-
tas''••).
1*^) Samma digest. 3, 4 in summa Azonis, Venetiis 1581 p. 1156. Diese
Frage wird überhaupt yon den Glossatoren und den spätem Legisten eu
Dig. 3, 4 (Quod eutto^u« wntverntatü) erörtert. S. auch Gierke L c. S. 193,
wo die Materie grftndlich erschöpft wird. Die Ganonisten des 13. Jhs. hatten
keine andere Auffassung. S. Gierke S. 247 f.
i>6^ In Memoria sobre el estado de la instruccion en esta (Salamanca)
nniyersidad 1882 p. 132.
^^) um so auffallender ist es, wenn Meiners, IV, 388, Hautz, Gesch. der
üniv. Heidelberg, I, 101, Muther, Zur Gesch. der Rechtswissenschaft S. 280
behaupten, erst seit Ende des 14. Jhs. sei obige Phrase entstanden und be-
deute die universitas magistrorum.
IM) De misteriis ecclesie. Im Cod. 546 zu Brfigge findet sich der
Text mit Glosse :
universitatis
conscripsere manus Studium quo tempore mortem.
iW) Ordonnances des roys de France, Y, 329. Benedicts XIII. Schreiben
vom 16. März 1416 im Universit&tsarchiT zu Salamanca.
1^) Z. B. in Schreiben Johann XXIL f&r Gahon in den Statuta acade-
miae Cadurcensis (s. a.) p. 6.
2. üniversitas. Gymnasiiim. 31
Gleichwie die Schulen von Paris und Bologna am frühesten
Gorporationen erhielten, so begegnet man auch am frühesten in
den Urkunden jener Schulen der Bezeichnung ^üniversitas', me
der zweite Paragraph lehren wird. Es ist gerechtfertigt den
Bestand beider Hochschulen seit jener Zeit zu datieren, in welcher
sie ^universitates' erhielten, wenngleich bereits vorher blühende
Schulen dort existierten.
Üniversitas, corpus, coUegium, societas, communio, consor-
tium begegnen uns in den Universitätsacten so ziemlich in dem-
selben Sinne. Allein in Acten, welche sich auf die Universität
Paris beziehen, findet sich nicht selten 'üniversitas' noch verstärkt
oder näher präcisiert. So sagen die Professoren in der Littera
vom J. 1254, ihre Vorfahren hätten ab utroque principe ein 'cor-
pus coUegii sive universitatis' erlangt^"). Das Moment der Ein-
heit sollte dadurch mehr hervorgehoben werden. Andere Male
finden sich die Bezeichnungen 'universitatis consortium' ^^'), 'uni-
versitatis coUegium' ^"). Der Ausdruck 'üniversitas' schien manch-
mal abgeschwächt, und man verstärkte ihn auf die eben genannte
Weise. Auch wurde dadurch der 'Universitätsverband' viel besser
bezeichnet als durch den einfachen Ausdruck 'üniversitas'. Lmo-
cenz m. gebrauchte auch hiefür 'communionis vestrae consor-
tium' "^). 'CoUegium' nahm daneben sehr häufig die Bedeutung einer
Verbindung für sich innerhalb der Universität an, so z. B. in
Bezug auf die GoUegia magistrorum an den verschiedenen Hoch-
schulen, wenngleich der Ausdruck meist identisch mit 'üniversi-
tas' gebraucht wurde. Die Bedeutung von 'simul cohabitantes'
nahm er an bei den GoUegia pauperum scholarium, und bei den
131) Bei Du Boulay IH, 255.
13^ So widerholt in Schreiben Innocenz lY. S. die Schreiben von
mir ediert in den M^moires de la societ^ de l'histoire de Paris X, 254 ff.
Alezander lY. bei Du Boulay lü, 283.
1») Alezander lY. gebrauchte in der Streitfrage um die Wideraufoahme
der Dominicaner in den UniTersit&tsverband fast durchgehends obige Phrase.
Man Tgl. hier nur M6moires etc. p. 266. Ebenso Humbert (Archives de
Dgon. H. 221). Weitere Beispiele für beide Bezeichnungen folgen unten im
Abschnitte über die Gorporationen.
134) Bei Du Boulay III, 61.
32 I- Bezeichnnng der mittelalterlichen Universit&t.
in einem Hause zusammenlebenden studierenden Ordensmitgliedern
an einer Universität*").
Der Ausdruck 'universitas' wurde nicht bloss auf die Ge-
sammtheit der Magister und Scholaren, oder auf die einen oder
andern allein angewendet, sondern auch auf die Mitglieder einer
einzigen Facultät. In Paris werden die Artisten so unter einem
Gesichtspunkt aufgefasst, und nicht weniger auch die Theologen.
Das eigentliche Moment im Begriffe von 'universitas' blieb aber
immer das, die Gesammtheit der Magister und Scholaren an einer
Hochschule zu bezeichnen, und darum wurde er ebenso in Bo-
logna, wo anfänglich nur Scholarenverbindungen bestanden, wie
in Paris, wo die Magistri die Verbindung eingiengen, gebraucht
Hier wie dort finden wir die Bezeichnung 'universitas magistro-
rum et scholarium'*"). Treffend bezeichnete dies Alexander IV.
mit den Worten, er verstehe 'universitatis nomine . . . omnes ma-
gistros et scholares commorantes Parisius, cuiuscunque societatis
seu congregationis existant' "'). Die Phrase *universitas magis-
trorum et scholarium' für sich allein genommen erklärt uns eben-
so wenig die Verfassung einer Hochschule wie die Bezeichnung
*universitas scholarium' allein. Die erstere wurde auch dort an-
gewendet, wo nur universitates scholarium bestanden, die letztere,
wo die Macht bei den Magistri lag. Die Verfassung muss man
aus andern Momenten erschliessen "*).
Nach dem Gesagten bedarf es keines Beweises mehr dafür,
dass der Ausdruck 'universitas' im Mittelalter niemals die Ge-
sammtheit der Wissenschaften bezeichnete, wie manchmal behauptet
is5^ Gierke 1. c. S. 193 nennt freilich diese Unterscheidung willkOrUch;
aUein es handelt sich hier um das Thats&chliche, nicht darum, ob man Recht
hatte solche Unterscheidungen aufzusteUen.
i36j In Bezug auf Paris begegnen wir fortwährend dieser Phrase; in
Bezug auf Bologna bringe ich weiter unten Belege.
IST) BipoU, BuU. Ord. Praed. I, 291.
188) Ganz irrig ist es deshalb mit Prantl, Gesch. der Ludwigs-Mazimi-
lians-Universitftt I, 26 zu behaupten, ursprünglich habe die ganze Richtung
zur uniyersitas doctorum et scholarium, d. h. zur Vereinigung der Nationen
und Facult&ten hingedrängt; der Entwicklungsgang habe folgerichtig zur
uniyersitas doctorum, d. h. zum Facultätensystem gefOhrt. Prantl war sich
über die Begriffe der einzelnen Ausdrücke und Bezeichnungen nicht klar.
2. üniversitas. Gymnasium. 33
wurde"'). Diese Bedeutung wäre auch dann ausgeschlossen, wenn
'aniyersitas' die Lehranstalt bezeichnet hätte. Solche Deutungen
sind nur bei gänzlicher Unkenntniss des mittelalterlichen Sprach-
gebrauches möglich"^).
Das Epitheton 'alma' bei Universitas (alma universitas) fand
ich nicht vor dem 14. Jh. ^^^). Diese Ausdrucksweise stammt
ebenfalls aus dem politischen Leben '^'). Die Bezeichnung ^mater
universitas' begegnet uns schon früher. Wenigstens findet sich
circa 1300 in einer Ordinatio der Oxforder Magistri die Stelle:
huiusmodi igitur damnis et gravaminibus volens mater Univer-
sitas consultius ocurrere ... ordinavit etc."'). Ohne Zweifel
wurde diese Bezeichnung schon früher angewendet. Abgesehen
davon, dass sowohl in Oxford als in Cambridge das Buch, in das
die Namen der Schüler eingeschrieben wurden, dem anderwärts
^^) So sagt z. B. Dulaure in Histoire de Paris 1834 III, 6, unter
Ludwig XI. hätten die Schalen zu Paris den Titel üniversit&t erhalten, 'mot
qai flignifiait l'oniyersalit^ des sciences enseign^es dans ces 6coles.' Solche
Aufstellungen bekämpfte bereits Sayigny III, 413.
^^0) Auf ähnlicher Unkenntniss des mittelalterlichen Sprachgebrauches
beruht die Behauptung Hubers (Die engl, ünivers. I, 24), die mittel-
alterliche Universität sei in jener Zeit universitas lüeraria genannt worden,
was ebenso irrig ist, als seine andere, sie habe den Namen Academia erhalten.
Weit schlimmer steht es aber mit Zärate, der (De la instruccidn publica en
Espana. Madrid 1855 II, 184. Anm. 2) es auffallend findet, dass Alexander lY.
für Salamanca zwar den Ausdruck 'Studium generale', nicht aber 'el nombre
de universidad' gebrauche.
^^) 1337 findet es sich auf Orleans angewendet. Statutenb. Cod. Yat.
Beg. 405 Bl. 45 b. Ebenso in den Acten der Univers. Heidelberg i. J. 1386.
Haatz-Beichlin 1. c. II, 330. In Oxford im J. 1407. Munimenta acad. Oxon. I,
237. 239. In einem Actenstacke v. 27. Juni 1292 wird die Universität
Paris 'venerabilis' genannt. Du Boul. III^ 503.
^^) So wird z. B. die Gemeinde Lubecensis widerholt: alma nostra
nnivenitas, genannt Ms. 260 Bodl. Laud. Mise. 14. Jh. 'Alma urbs' war
schon längst von Justinian im Cod. De novo cod. fac,f De JusUnianeo cod.
Joe and Dig. vet Const. Ontna» § 10 u. s. w. gebraucht. Diese Anwen-
dung des Epitheton ist die ursprflngliche, die Anwendung desselben auf die
Corporationen und Gemeinden aber erst übertragen.
1^) Munimenta academica 1. c. p. 77. Dieses Epitheton erhält 1369
auch die Universität Paris von den Mönchen von S. Germain*des-Pr6s. Du
Boulay, M6m. bist sur le Pr6-aux-Glercs p. 136 1
DeaifU, Dl« Unironititeii I. 3
34 I- BezeichBnng der mittelalterlichen UniTersitAt.
herrschenden alten usus zufolge bereits in der 2. Hälfte des
13. Jhs. mit matricula bezeichnet wurde ^^O« nannte InnocenzIV.
schon früher die 'communio' der Magistri und Scholaren zu Ox-
ford ^foecunda mater', die ^de utero suo filios producit ad justi-
tiam eruditos' ^*^). Ein Jh. später, im J. 1342, betrachtete König
Eduard III. von England die Universitas Cantebrigiae als mater
et propagatrix studentium peritorum^^*). So entstand nach und
nach die Bezeichnung: Alma Mater. In den Statuten von Wien
vom J. 1389 wird die Pariser Universität so genannt**'), und in
jenen der Universität Köln v. J. 1392 heisst es: ut alma mater
nostra Universitas studii Goloniensis suos veros filios ab adulte-
rinis valeat discemere etc.*"). In einem Statute der Oxforder
Artisten v. J. 1408: nostra mater Oxoniae Universitas et prae-
cipue ipsa artium facultas^"). Und in einem Statute v. J. 1411:
coram D. Cancellario hujus almae Universitatis matris nostrae*^**).
Universitas wird an keiner dieser Stellen für Hochschule genommen,
sondern für Lehrkörper, was besonders aus dem Kölner und dem
nächstfolgenden Oxforder Statut erhellt, so dass also wie schon
in dem oben angezogenen Schreiben Innocenz IV. die Corporation
IM) In Bezug auf Oxford sagt dies Rishanger, De bellis Lewes etEves-
ham ed. Halliwell. London 1840 p. 22 zum J. 1264, als die Universität nach
Korthampton auszog: Erat enim clericomm numerus quorum nomina scripta
fnerunt in matriculis rectomm excedens XYM. In Bezug auf Cambridge
kommt dies in einem Schreiben des Bischofs Hugo Ton Ely t. J. 1276 vor.
FuUer, The history of the university of Cambridge ed. Wright. Cambridge
1840 p. 50.
^^) Munimenta academica I, 27. Das Schreiben ist TOn 2. Non. Octo*
bris anno 12, also Tom 6. Oct. 1254. Komisch genug macht der Heraus-
geber Anstey wie hier so auch bei andern Schreiben desselben Jahres ein
Fragezeichen zu 1254.
U6) Dyer, The Priyileges of the university of Cambridge. London 1824
I, 74. Auch Kurfürst Ruprecht I. nannte 1386 die universitas omnium fa-
cultatum 'mater'. Bei Hautz-Reichlin 1. c. II, 315.
i«7) Bei Kink II, 93.
1^) Bei Bianco, Die alte üniversit&t KOln. 1856. L Anlagen S. 8.
Schmitz, Mittheilungen aus Akten der üniversit&t Cöln. Programm des
Kaiser Wilhelm-Gymnasiums 1879. S. 25.
148) Munimenta academica I, 241.
iw) L. c. 260.
2. Univenitas. Gymnasinm. 35
als mater bezeichnet wurde '^^). Dann scheint sich noch hie und
da ^ahna' nicht auf ^mater\ sondern auf Universitas, z. B. im
Kölner Statute (alma, mater nostra, Universitas) , bezogen zu
haben. Später verband man 'alma' durchaus mit 'mater', da ja
der Ausdruck 'alma mater' aus der Liturgie und dem can. Becht
bekannt war^'^'), und bezog ihn auf die Universität als Lehran-
stalt. Dies der Ursprung unserer Bezeichnung 'alma mater'"*»).
Fragt man nun, wie es kam, dass später 'universitas' im
Sinne von Hochschule oder der Gesammtheit verschiedener Fa-
cultäten genommen wurde, so ist es nicht so schwer darauf zu
antworten. Bereits im 13. Jh. begegnet der Ausdruck 'universitas'
öfters in einer Satzverbindung, in der man bisher nur 'Stu-
dium' im Sinne von Lehranstalt gebrauchte, z. B. 'existens in
universitate"'^^. Dies hieng damit zusammen, dass man schon
früher promiscue z. B. 'Universitas Oxoniensis' mit 'Studium
Oxoniense' anwendete ^'^O. Manchmal werden scheinbar beide
Bezeichnungen geradezu identificiert"^), wenngleich sich ihre Be-
griffe noch keineswegs deckten. Am auffälligsten ist dies in
Phrasen wie 'delicta in universitate Oxoniae perpetrata' *") oder
'in universitate cursus legere', 'in universitate Oxoniae studere' *").
Es ist nicht zufallig, dass in Oxford 'universitas' ebenso wie
1^^) So sagte man auch: Matricula nniversitatis studii. Vgl. die Erfurter
Matrikel bei Weissenbom 1. c. S. 32. Matricula scolarium et universitatis
Bcolarinm, in Perugia vom J. 1339, s. Padelletti, Archiv, giurid. Y, 501.
^^') Wer kannte nicht z. B. die Antiphon: Alma redemptoris mater?
Oder den Hymnus: Ave maris Stella, Dei mater alma? Hieher gehört auch
die 3. Antiph. zur Landes am Feste des hl. Thomas v. Aquin aus der
1. HUfte des 14. Jhs.: Alma mater ecclesia. So beginnt aber auch eineDe-
cretale Boni£u YIII. (in YL 5, 11).
1^**) Der Ausdruck wird falsch entwickelt von Zamcke (Urkundliche
Quellen S. 515), wenn er meint, die Artistenfacultät sei, weil fnndamentum,
'alma mater' gewesen.
i^s) z. B. Mun. acad. Oxon. I, 57.
IM) Ibid. p. 25.
1^) So sagt Clemens Y. am 13. Juli 1312 für Dublin, der Erzbischof
habe berichtet, in jenen Gegenden sei keine 'scolarium universitas vel Stu-
dium generale'. Reg. Yat. an. 7 ep. 934 Bl. 196 b.
^ Aus dem J. 1279 in Mun. acad. I, 39.
1^7) Aus dem J. 1306 und 1311. Ibid. p. 87. 88 u. s. w.
3*
36 I* Bezeichnung der mittelalterlichen üniTersit&t.
'Studium' die Präcisierung 'generalis' erhielt"'). In Deutschland
herrschte vom Anfange an dieser Gebrauch. Karl IV. gebrauchte
1355 in einem und demselben Actenstücke 'in studio Pragensi
actu legere' und 'in universitate Pragensi actu legere'"'),
ja man findet bei ihm beide Ausdrücke schon identificiert"^).
Man setzte also den einen Ausdruck für den andern, bis endlich
in der Auffassung sich auch die Begriffe deckten, was Ende des
14. und Anfangs des 15. Jhs. bereits vollendete Thatsache war.
'Universitas' im heutigen Sinne von 'Studium generale' oder 'Gre-
sammtheit der Facultäten' ist nicht romanischen, sondern ger-
manischen Ursprungs. In Italien, Frankreich und Spanien war
der ursprüngliche Begriff von 'universitas' immer zu lebendig,
wogegen nichts verschlägt, dass man sehr frühe z. B. 'universitas
Parisiensis' sagte, wobei ja immer der ursprüngliche Sinn durch-
leuchtete.
Thujrot meint ^•*), die Pariser Universität sei auch Acade-
mia Parisiensis genannt worden, und zwar in einem Schreiben
Alexanders IV. v. J. 1256. Diese Behauptung wurde schon früher
aufgestellt"*), und bis in die neueste Zeit nachgeschrieben"*).
Indess wurden alle durch Du Boulay irre geführt. Allerdings
heisst es in der erwähnten Bulle bei ihm: convenit quidem, ut
ad ipsius Universitatis conservationem . . . totius diligentiae Stu-
dium impendamus, quatenus Academia Parisiensis apostolica so-
1^) Reg. Suppl. Clem. VI. an. 1 p. 2 Bl. 164 b in der Supplik der Anla
Balioly heisst es, dass zu Oxford < universitas scolarium viget generalis'.
1^9) Beg. Suppl. Giern. VI. an. 11. Bl. 15 b (im zweiten Theil, wo Sup-
pliken aus dem 3. Jahre Innocenz VI.). 8. unten unter Universität Prag.
i60j In einem Schreiben an ein Capitel sagt er: . . . ut universitas
nostra (Pragensis) eisdem successoribus gaudeat, quibus Parisiensis etOxo-
niensis studia gloriantur, presertim cum idem nostrum Pragense Stu-
dium adeo ... privilegiatum existat etc. Hoffmanns Sammlung ungedruckter
Urkunden II, 222.
*6i) De l'organisation de l'universit^ de Paris 1. c.
162) So von Huber, Die englischen Universitäten I, 24.
i63j Paalscn, in Sybels Hist Zsch. 1881. S. 386. Meiners und seine
Qopisten hatten hier die richtigere Ansicht, wohl nur deshalb, weil ihnen
die Stelle bei Du Boulay entgieng.
2. üniyersitas. Gymnasium. 37
licitudine . . . solida permaneat ^^*). Doch der Ausdruck ^aca-
demia Parisiensis' wurde von Du Boulay selbst eigenmächtig zur
Verdetttlichung von 'universitas' eingefügt*"). Es wäre doch
auch merkwürdig genug, dass der Pariser Universität einmal diese
Bezeichnung sollte beigelegt worden sein, um dann schnell wider
nicht bloss in Bezug auf Paris, sondern auf alle übrigen Uni-
versitäten des Mittelalters zu verschwinden, bis sie dann in der
Humanisten-Zeit auftauchen konnte. Man kannte allerdings den
Ausdruck 'academia', vorzüglich aus den Schriften des hl. Augus-
tin, aus dem Prologe des hl. Hieronymus zur Genesis und aus
den Glossatoren^^*). Aber er kam für die damaligen Schulen
nicht zur Anwendung ^*^).
Anders verhält es sich mit der Bezeichnung Gymnasium.
Alexander lY. nennt Paris in dem eben citierten Schreiben : po-
1«*) Eist Univ. Paris. III, 332.
1^) So fehlt der Ausdruck in dem Apograph des Schreibens im 6e-
neralarchi? des Dominicanerordens (vgl. auch Bull. Ord. Praed. I, 322). Ebenso
fehlte er in dem Originale, das im grossen Franciscanerconvente zu Paris
aafbewahrt, nnd in den Firmamenta trium ordinum b. P. N. Francisci (Pa-
risias 1512) parte 2 tr. 2 Bl. 63 a abgedruckt wurde. Vgl auch Wadding,
Ann. ed. 2. IV, 34 ; Sbaralea, Bnllarium Francisc. II, 170. — Desgleichen hat
auch nur Du Bonlay selbst den Namen 'academicus' für die Pariser Magistri
des 13. Jhs. eingefOhrt. C£r. III, 287.
i66j Von Brito wird er in dem Commentare zu Hieronymus erkl&rt (Hs.
LI Bl. 3 a. 13. Jh. in der Marciana). Ebenso in einem Gorrect. Bibl. eben-
da«, n. L. Bl. 122 a. AUein schon vor Brito interpretieren den Ausdruck, ge-
stützt auf Isidor, das Glossarium Ansileubi (Cod. Yat. Pal. 1773 Bl. 23 a),
Papias (Cod. Yat. Beg. 1448 Bl. 2 a) und Huguccio (Cod. Yat. Palat. 1777
BL 5b), und zwar tlbereinstimmend als 'villa Piatonis'.
1^7) Oanz vereinzelt kommt der Ausdruck 'academia' auf die Schule
zu Tours im 11. Jh. in dem Briefe Oozechins angewendet vor: Yide siplacet,
quam sanae doctrinae . . . theologi de Turonensi emergant academia, 'cui
praesidet iüe apostolus satanae Berengarius. Bei Mabillon, Yet. Anal. Paris
1723 p. 443. Yincentius Auria, La Sicilia inventrice, Palermo 1704 p. 30 f.
und ihm folgend Mongitore, Divertimenti geniali, ibid. p. 149 f. Quadrio,
Della storia e deUa ragione d'ogni poesia. Bologna 1739 I, 87, und andere
berichten, Friedrich II. habe c. 1233 eine 'Academic der ital. Poesie' in
Palermo errichtet. Allein sie stützen sich nur auf eine vage Tradition, der
im Wesen nur das eine Kömchen Wahrheit zu Grunde liegt, dass Friedrich
in seiner Umgebung Dichter hatte und die Poesie förderte.
38 I* Bezeichnuog der mittelalterlichen Universität.
tissimum gymnasiom studiorum. Wilhelm de S. Amore wendet
auf Paris denselben Ausdruck an ^*^), und das Schreiben der Uni-
versität y. J. 1254, gerichtet an alle Bischöfe etc., beginnt: Ex-
celsi dextera . . . olym plantavit parisius venerandum gignasium
litterarum ^''). Und später: Huic venerando et salubri gignasio
quondam prefiiere magistri nostri etc."**). Diese Bezeichnung
kam nicht mehr ausser Uebung. Um wenigstens 6in Beispiel
aus der nächsten Zeit zu bringen, so schrieb Anf. des 14. Jhs.
die Universitas magistrorum et scolarium dem Papste, der Vic-
toriner Magister G. verweile unter ihnen regendo Parisius in
sacre doctrine gimnasio a duodecim annis citra"^). Auf die
Pariser Schulen wurde dieser durch das ganze Mittelalter be-
kannte und auch von Friedrich IL gebrauchte"*) Ausdruck schon
längst angewendet. Philipp Harveng sagt in dieser Beziehung:
scolare gymnasium*"). Giraldus Cambrensis gebraucht bei Er-
zählung seines Studienganges zu Paris die Worte: egressus ita-
que tenore sub isto de scolarum tunc gymnasio"*). Abaelard
selbst wird noch früher in einem Epitaphium ^gymnasii fax' ge-
nannt "'^). Selbst die Erinnerung an die alte Bedeutung war im
168) In De pericnlis noviss. temp. ed. Gonstant 1632 p. 18.
16») Du Boulay III, 255, verglichen mit Cod. Yat. 406 Bl. 50 b.
170) ii)id. Um 80 bezeichnender ist es, wenn in Ersch und Gmber AUg.
Encydop&die, 1. Sect. 98. Th. (Leipzig 1880) S. 305 behauptet wird, das
Mittelalter habe nur den Namen schola gekannt und erst mit der Benaissance
sei auch der Name gymnasium wider aufgetreten. S. dagegen die früheren
und die nächsten Anmerkungen.
171) Schreiben der Universit&t unter der Sammlung des Mag. Berardus
de Neapoli im Archiv. Yat. n. 29 A ep. 30.
175) Ad instituendum quarumlibet scientiarum gymnasia in civitate
Neapel. So im J. 1234. HuiU.-Br6hoU. lY, 497.
178) Ep. 4 p. 34 (ed. Migne, Patrol. lat. 203). YgL ep. 3 p. 27.
174) Opp. ed. Brewer, I, 410.
176) Ms. a. XI. 5 (12. Jh.) zu S. Peter in Salzburg. Das *Epytaphium
Petri Abaelardi' befindet sich auf dem Yorderblatte eines Prachtexemplares
der Sentenzen des Lombarden. Ediert von Pez, Thes. anecd. III, XXII. —
Dass Huguccio und Brito in ihren Yocabularien ebenfalls auf den Begriff
von Gymnasium eingehen, findet sich auch von Du Gange unter 'gignasium'
erwähnt, obwohl man sonst sowohl bei diesem Artikel, als auch bei ' univer-
sitas', besonders jedoch bei < Studium' von ihm so gut wie im Stiche gelassen
2. Universitas. Gymnasium. 39
Mittelalter noch nicht verwischt, man sprach von jenen, ^qui in
scolis militant'^'*).
Von allen Bezeichnungen der mittelalterlichen Universität
als Lehranstalt ist ^Studium generale' oder auch 'Studium' allein
die eigentlich gebräuchliche und officielle.
wird. YorzOgUch beim letzten Artikel sind die Nachweise für jene Bedeu-
tung, die in unsere Untersuchung gehört, theils falsch, theils zu spät und
zu spärlich; nur für die gebräuchlichere sind sie früher.
176) Hugo V. S. Gher sagt, auf die Glossatoren des 12. Jhs. gestützt, in
der Erklärung des Prologs des hl. Hieronymus zur Genesis c. 1 : Gymnasium
dicitur a gymnas . . quod est lucta . . . inde dictum est Studium, quia ibi
fit collnctatio mentalis. Die Bezeichnung kommt auch sonst noch öfter vor.
Konrad lY. und Manfred von Sicilien gebrauchen sie z. B. für die Schulen
zu Salemo und Neapel. Winkelmann, Acta Imperii inedita, p. 411. 414.
Peter Damian wendet sie im 11. Jh. auf Kavenna an. De parentelae gra-
dibus c. 8 (Opp. ed. Bassani 1783 III, 188), u. s. w. Durch obige Nachweise
ist die Behauptung von Hautz-Reichlin, Gesch. der Univ. Heidelberg I, 102
widerlegt, man habe erst gegen Ende des 15. Jhs. das Wort 'Gymnasium*
von den Hochschulen gebraucht. Ygl. Paulsen 1. c. Wie immer so wurde
auch hier nur Meiners, Gesch. der Entstehung etc. lY, 391 copiert. S. auch
oben Anm. 170.
n.
ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DER ZWEI
ÄLTESTEN UNIVERSITÄTEN.
Der Entwicklungsgang der Schulen zu Paris und Bologna
verdient eine viel sorgsamere Behandlung als der der übrigen
Hochschulen. Sie hatten im Mittelalter nicht bloss unvergleich-
lich mehr Bedeutung als die späteren, sondern sie waren fär
deren Entstehung und Verfassung geradezu eine nothwendige
Voraussetzung. Dies ist der Grund, warum ich hier auch die
Schule zu Paris, so weit nothwendig und in gedrängter Ettrze,
hereinziehen werde; ohnedem hebt sich Bologna nicht gehörig
ab, und die übrigen Hochschulen sind zum grossen Theil und
in mehrfacher Beziehung unverständlich. Die älteste Hochschule,
jene von Salemo, bleibt hier ausgeschlossen, denn gerade zur
Zeit ihrer höchsten Blüthe hat sie kaum einen Einfluss auf die
Entstehung und Verfassung anderer Hochschulen ausgeübt; es
lässt sich nicht einmal ein solcher auf die medicinische Schale zu
Montpellier nachweisen. Die Schule zu Salemo findet eben des-
halb ihre Behandlung mit den übrigen Hochschulen im 3. Ab-
schnitte.
Paris und Bologna haben in ihrer Entstehung einige gemein-
same Factoren. Diese wollen wir zuerst ins Auge fassen, um
dann auf die Verschiedenheiten überzugehen.
1. Entwidldiing der Soholen za Paris und Bologna
im Allgemeinen.
Savigny schliefst dort, wo er die Entstehung der zwei
ältesten Universitäten erörtert, jeden äussern Einfluss auf sie
aas, und stellt sich die Sache also vor: *Wenn ein Mann Ton
1. Paris und Bologna im Allgemeinen. 41
höherem Lehrtriebe erregt, eine Anzahl lernbegieriger Schüler
um sich yersammelt hatte, so entstand leicht eine Reihefolge von
Lehrern, der Kreis der Zuhörer erweiterte sich, und so war ganz
durch inneres Bedür&iss eine bleibende Schule gegründet. Später-
hin, als das innere Leben abnahm, wurden ganze Universitäten
durch freien Entschluss von Fürsten neu gestiftet. Aber, was
damals auf diesem Wege entstand, war mit den aus innerem
Trieb entstandenen Schulen nicht zu vergleichen' ^). Diese ideale
Anschauung ist der Hauptsache nach eine Modificierung eines
Schleiermacherschen Gedankens, dem zufolge in dem Bedürfnisse
der Wissenschaft auch das des wissenschaftlichen Vereines liegt.
Der blosse Trieb nach Erkenntniss führe nothwendig auf Mit-
theilung und Gemeinschaft aller Art, und alle öffentlichen An-
stalten, welche dazu gehören, entständen aus freier Neigung.
Erst in ihrer weiteren Ausbildung bedürften diese Anstalten des
Staates, um von ihm geschützt und begünstigt zu werden '). Sa-
vigny modificierte diesen Gedanken dahin, dass dies wohl in Be-
zug auf die ersten Universitäten, nicht aber auf die spätem
gelte *), und er ergänzte ihn noch überdies. Allein auch in Bezug
auf die Ergänzung war Savigny nicht originell, sondern er ent-
lehnte sie frei aus Meiners ^).
Diese Ergänzung ist es, an welcher wir zuerst Kritik üben
woUen, da sie bei den Forschern bis heute ihr Glück machte.
Savigny, und theilweise schon Meiners, glaubten also, durch einen
berühmten Lehrer, um den sich eine grosse Jüngerzahl sammle.
1) GesclL des Rom. Bechts. III, 155. Diese Behaaptung, die Savigny
öfters widerholt, wnrde fortwährend nachgeschrieben. Beines Plagiat ist die
DazBtellnng bei Hautz-Beichlin, Qesch. d. Univ. Heidelberg I, 35.
*) Gelegentliche Gedanken Aber Universitäten in deutschem Sinn.
Beriin 1808 S. 2ff.
^ In den Vermischten Schriften lY, 257. 259 aus den Heidelberger
Jahrb. fflr Philologie. Jhg. I. 1808.
^) Geschichte der hohen Schalen unseres Erdballs. Göttingen 1803.
n, 306. — Auf die Ausfflhrungen L. v. Steins (Die innere Yerwaltnng IL 2
S. 201 ff. 205 ff.) einzngehen wird mir jeder erlassen, der dessen ungesnndes
Gctatesprodnct gelesen hat. Uebrigens, so origineU er sich auch ausgeben
mag, konnte er es doch nicht verbergen, dass er im Grunde nur den oben
aalgesprochenen Gedanken Savignys widerholt. S. S. 206 f.
42 IL Entstehung der Ältesten Universitäten.
entstände leicht eine gelehrte Nachkommenschaft, und schliesslich
eine bleibende Schule'^). Diese Ansicht hat insofern etwas Be-
stechendes, als sie sich, weil auf der Oberfläche liegend, einem
jeden von selbst beim ersten Nachdenken darbietet Allein sie
reicht als Erklärung nicht bloss nicht im entferntesten hin, son-
dern sie ist mit den Thatsachen im Widerspruch. Dadurch allein,
dass ein berühmter Lehrer eine Anzahl lernbegieriger Schüler
um sich versammelt, entsteht keineswegs so leicht eine Reihefolge
von Lehrern mit einem zahlreichen Schülerkreise, so dass dann
das Endresultat eine bleibende Schule wäre. Ist kein anderer
Factor im Spiele, so bildet sich höchstens eine vorübergehende
Schule, die durch einige Zeit ihr Dasein fristet, aber nichts
weniger als eine bleibende. Und gesetzt, es hätte sich eine blei-
bende gebildet, ist diese schon identisch mit einem Generalstudium?
Dass Savignys Erklärung ungenügend ist, dafür bietet die Ge-
schichte Beispiele in Menge. Um die Mitte des 11. Jhs. war
Lanfranc der berühmteste Lehrer Frankreichs. Durch ihn, meint
Guitmund^), habe Gott die im Verfall gerathenen artes liberales
wider hergestellt. Er war der Gründer der berühmten Schule
im Kloster Bec, zu der, auch nachdem der hl. Anselm Vorsteher ge-
worden war, zahlreiche Schüler aus allen Gegenden strömten^). Aber
wie lange dauerte diese Schule? Einer der berühmtesten Schüler
Lanfrancs war Anselm v. Laon. Er wurde der Mittelpunkt einer
Schule der genannten Stadt, die ihn unter seinen Nachfolgern
Radulf und Lodulf mehrere Jahre überlebte und eine Menge
Schüler aller Nationen anzog *). Aber was ist aus dieser be-
^) Noch mehr ver&llgemeinert wurde diese Behauptung z. B. von Mon-
tefredini, Le piü celebri universitä antiche e moderne. Torino 1883. Sa-
vigny sagt wenigstens: 'es entstand leicht eine Reihefolge'. Nach Monte-
fredini p. 5 war dies, wie sich ans dessen Redeweise ergiebt, jedes Mal der FaU.
«) In Biblioth. max. Fat. XVni, 441.
7) Vita Lanfranci anct. Milone Crispino in AA. SS. Mai. VI, 834 n. 7.
Ordericas Vital, bei Migne, Patr. lat. 188 p. 327.
^) Rupert de Tuy sagt, dass sowohl zu ihm als zu Wilhelm v. Cham-
peaux <de cunctis fere provineiis ezamina discipulorum festinabant'. In reg.
s. Benedicti 1. 1. Opp. Yenet. 1749. lY, 294. Damit stimmt das Epitaphium
Marbods auf Anselm (bei Migne, PatroL lat. 171 p. 1722). Weitere Belege
folgen im 3. Bande.
1. Paris und Bologna im Allgememen. 43
rühmten Schule geworden? Wohl den längsten Bestand hatte in
jener Zeit die Schule zu Reims. Vom Erzbischof Fulco Ende des
10. Jhs. hergestellt erhielt sie Remigius von Auxerre und Huc-
bald von S. Amand zu ihren ersten Vorstehern'), und wir finden
die Schule noch anderthalb Jh. später in einer gewissen Blüthe
dastehend ^^). Aber in dem Masse als die Pariser Schulen an
Glanz zunahmen, verblich der Ruhm der erstem, bis man end-
lich kaum mehr von ihr sprach. Dies war auch das Schicksal
der Schulen in LOttich"), Tours"), Chartres'') und so vieler
anderer ^^), die alle einen schönen Anfang nahmen, um deren
Gründer sich immer eine Anzahl lernbegieriger Schüler versam-
melt hatte, welche Gründer sogar in einer Reihenfolge von Lehrern
noch fortlebten; und doch hatten diese Schulen keinen bleibenden
Bestand, sie giengen oft schon unter, ehe sie von den Schulen in
Bologna und Paris erdrückt werden konnten.
Und diese beiden Schulen selbst, wie sind sie entstanden?
Ist es nur einem Zufall zuzuschreiben, dass die Reihefolge der
9) Flodoardi Bist Bern, eccles. lib. 4 c. 9 in Mon. Genn. SS. XIU,
574 und bei Migne^ Patrol. lat. 135 p. 289. Ademari HiBtor. III, 5 in Mon.
Germ. lY, 119, wo gesagt wird, Heiricum Eemigium et Ucbaldtun calvurn
monachoB haeredes phUosophiae reliqoit.
10) S. besonders die Vita Adelberti II. bei Jaif^, Bibl. rer. germ. III,
583 £ Dann ep. 815 Alexandri III. (geschrieben 1170—1172) über die
Reimser Scholaren (Migne, Patr. lat. 200 p. 746).
11) Darüber wird im 3. Bande ausführlicher die Bede sein.
^) Das Zasammenströmen der Schüler aus allen Weltgegenden zu der
Schale Odos v. Orl6an8 in Tours im 11. Jh. wird in ähnlicher Weise ge-
schildert, wie ein halbes Jh. später von Fulco das Zusammenströmen zu
Abaelards Lehrstuhl S. Abbates S. Martini Tomac. in D'Achery SpiciL^
II, 889.
1^) Die Schule von Ghartres, welche Torzüglich dem Bischof Fulbert
im 11. Jh. die Blüthe verdankte, stand noch in der Mitte des 12. Jhs. mit
Böhm da. S. darüber Schaarschmidt, Joh. Saresberiensis, Leipzig 1862
S. 73 ff. und Barach, Bemardi Silvestris De mundi universitate. Innsbruck
1876 S. VIU ff.
1^) S. L. Maitre, Les 6coles episcopales et monastiques de l'occident.
Paris 1866. Bedarf dieses Werk auch in vielen einzelnen Punkten der Be-
richtigung und Erweiterung, so thut dies doch dem hier in Betracht kom-
menden Gegenstand keinen Eintrag.
44 U. Entatehuiig der ältesten UniTernt&ten.
Lehrer nicht ins Stocken geriet, der Kreis der Zuhörer sich immer
mehr erweiterte, und in Folge dessen eine bleibende Schule von
selbst gegründet war? Nichts weniger als dies. Wir sehen viel-
mehr, dass es in Bologna und Paris bis zu einem gewissen Zeit-
punkte ebenso gieng wie überaU. Seit dem 10. Jh. traten in Paris
berühmte Lehrer auf, wie wir im 3. Bande sehen werden, und
keinem einzigen von ihnen ist es gelungen eine bleibende Schule
dort zu gründen. Diese datiert erst aus dem Anfange des 12. Jhs.
Vor dieser Zeit waren fast alle übrigen Schulen Westeuropas
glücklicher als die Pariser Schulen ^^). Ebenso ist es sicher, dass
bereits vor Imerius in Bologna theils Rechtskundige waren, theils
der eine oder andere Rechtslehrer auftrat Odofred nennt na-
mentlich einen Pepo^*). Ja lange, ehe der Ruf der Schule
von Bologna ein begründeter war, gab es in Italien an andern
Orten Rechtsschulen, so in Pavia*'), Verona^*), Nonantula"),
vorzüglich aber in Ravenna*^). Und doch wird mit dem Auftreten
1^) Der 3. Band beschäftigt sich im 1. Theile aasschliesslich damit.
16) In Dig. vet lib. 1. De justitia et jnre Jua civüe ett: Gam stadiam
esset destrnctnm Romae, libri legales fnerant deportati ad dvitatem Ravenne
et de Ravenna ad civitatem istam (Bononiae): qaidam dominus Pepo cepit
autoritate sua legere in legibus; tarnen qaicqaid faerit de scientia soa nul-
lius nominis fuit; sed dominus Imerius etc. S. darflber auch Sarti, De claris
Archigymn. Bonon. Profess. I, 2 ff. 7. 13. 24. Savigny, Qesch. des Rom.
Rechts lY, 6 ff. Del Yecchio, Di Imerio e della sua scuola. Pisa 1869 p. 13 f.
Ficker, Forschungen III, 133. Dass Pepos Th&tigkeit in das 11. Jh. falle,
ist nunmehr erwiesen. — Rechtskundige sind fCkr die Jahre 1067 und 1076
sicher gestellt. S. Ficker a. a. 0. S. 136.
17) S. Ficker a. a. 0. S. 44 ff.
1«) Ficker S. 54 ff. 66 ff
19) Ficker S. 127 ff. Doch muss hier bemerkt werden, dass in Bezug
aufNonantula Ficker nur Rechtskundige, aber nicht eine Rechtsschule nach-
zuweisen im Stande war.
SO) Sarti a. a. 0. S. 2. SaviguylV, Iff. Ficker S. 110 ff. Er bringt
8. 112 ff. ausser dem stereotypen Kachweis aus Peter Damian neue Zeugnisse. —
Far das Studium der Rechtswissenschaft in Italien im 11. Jh. zeugt auch
Wippos Tetralogus, worin Heinrich III. der Rath gegeben wird, die Grossen
anzuhalten ihre Söhne nach Italiens Sitte in die Schule zu schicken, damit
sie Recht und Gesetze kennen lernten. S. Giesebrecht, De literarnm studüs
apud Italos. Berolini 1845, p. 19. 21.
1. Paris und Bologna. Neue Methode. 45
des Irnerius in Bologna die Sachlage verändert. Zwar knüpfen
sich an seinen Namen nicht die Anfänge der Rechtsschule in
Bologna, wie Savigny will'^), aber die bleibende Rechtsschule,
die zugleich jene von Ravenna, um von den übrigen zu schweigen,
in Schatten stellte, und lange Zeit hindurch das Muster für die
nenentstehenden Rechtsschulen inner- und ausserhalb Italien wurde,
verdankt wohl nur Irnerius ihren Ursprung").
Wie nun diese Thatsachen erklären? Es geht nicht mehr an
zu sagen, bloss durch den Ruhm eines Lehrers und durch die
Lembegierde der Schüler seien bleibende Schulen entstanden.
Es müssen hier vielmehr andere Factoren thätig gewesen sein.
Neue Maihoda in dar Doctrin.
Um nicht fehl zu gehen, muss man hier zwischen dem ersten
Aufblühen dieser Schulen und der bleibenden Blüthe derselben
unterscheiden. Paris und Bologna nahmen deshalb vor allen
übrigen Schulen fast um dieselbe Zeit (Anf. des 12. Jhs.) einen
so ungeahnten fast plötzlichen Aufschwung, weil allein dort
gerade damals ein bestimmter Wissenszweig in einer neuen den
Bedürfnissen der Zeit entsprechenden aber den Zeitgenossen bis-
her nicht oder ungenügend bekannten Methode von einem oder
mehreren Lehrein behandelt und dadurch eine neue Aera der
wissenschaftlichen Forschung eingeleitet wurde. t)iese neue Me-
thode besass die Zugkraft für Lehrer und Schüler verschiedener
Länder, welch letztere oft halb Europa durchwandert hatten zu dem
Zwecke, um sich einem ihnen zusagenden Lehrer anzuschliessen ").
^) ' Als hier durch den Bnhm eines Lehrers und durch die Lembegierde
der Schüler eine Bechtsschnle entstand', Savigny III, 168. Mit Recht ge-
nfigt Ficker a. a. 0. S. 143 diese Erklärung nicht.
>^) Allerdings meint Ficker 8. 144, der Baf der Schule von Bologna
mflsse schon vor Imerias ein fester begrOndeter gewesen sein; die Anfänge
der Bologneser Schule seien mehr in den longobardischen Gränzgegenden
(er meint die eben aufgezählten Bechtsschulen) als in Bologna selbst zu
suchen. Letzteres ist auch meine Ansicht; ersteres w&re aber zu beweisen.
Ffir des Irnerius epochemachende Bedeutung sprechen die alten Zeugnisse,
wie Ficker selbst nicht umhin kann einzur&nmen.
^) Aach hierflber wird der 3. Band Aufschluss geben. Savigny selbst
gesteht dies ni, 155 mit Anwendung auf Paris und Bologna zu.
46 n. Entstehnng der ältesten üniversit&ten.
Auf diese Weise wurde in Paris und Bologna der Grundstein zu
bleibenden Stätten der Wissenschaft gelegt. Die immer mehr
wachsende Zahl der Schüler brachte die Vermehrung der Lehr-
kräfte mit sich'^), der wissenschaftliche Ehrgeiz beider wurde
geweckt, und dies sowohl, als der gegenseitige Ideenaustausch
in den Disputationen, die erst jetzt in Folge der neuen Methode
in den Schulen eigentlich heimisch werden, waren gute Elemente,
um die Forschung vor Stagnation und die Schulen selbst gegen
Verfall zu bewahren.
In Paris war es die Ausbildung der Dialektik, vorzüglich
aber die neue Methode in der Theologie, welche, theilweise schon
von Wilhelm von Champeaux angebahnt, vorzüglich aber von
Abaelard und andern Doctoren in verschiedener Weise ausgebil-
det, von den Gleichzeitigen und ihren Nachfolgern weiter fort-
geführt und in Bezug auf jene Abaelard's in die richtige Bahn
geleitet, den Umschwung der Pariser Schulen herbeiführte. Die
Wurzeln des im 13. Jh. grossartig entfalteten Systems der
Theologie liegen im 12. Jh., und alle Summen der Theologie,
deren es eine beträchtliche Anzahl nicht bloss vor Alexander
Alensis sondern auch vor und zur Zeit des Peter Lombardus gab
und die sich grossentheils noch handschriftlich in den Bibliotheken
befinden, worauf ich im 3. Bande ausführlich zu sprechen komme,
weisen direct oder indirect auf Paris zurück. Allerdings waren
die Pariser Schulen der ersten Hälfte des 12. Jhs. keineswegs
die spätere Hochschule, noch bildeten die Professoren derselben
eine Universität. Allein es war nun der Grund dazu gelegt, dass
keine Stagnation mehr eintrat, die Professoren und Schulen sich
nach und nach vermehrten, bis endlich der Zeitpunkt eintrat, in
dem die Magistri spontan eine Corporation eingiengen und also
die Universität Paris gegründet war").
In Bezug auf die Schule von Bologna hat Savigny selbst
theilweise richtig angedeutet, dass sie den Ruhm der von ihr im
^^) Deutlich sagt dies in Bezug auf Paris die Littera univers. ▼. 4. Fe-
bruar 1254: qui (magistri) processn temporis crescente numero auditonun
sicut oportuit ampliati, ut liberius et tranquillins etc. Du Boul. III, 255.
*^) Wie dies letztere vor sich gieng, werden wir weiter unten sehen.
1. Paris nnd Bologna. Nene Methode. 47
Anf« des 12. Jhs. ausgeheDden Ernenerung der Rechtswissenschaft
za yerdanken habe. Diese Erneuerung knüpft sich allerdings an
den Namen des Irnerius**). Wie einstens Berytus Justinian zufolge
legnm natrix' genannt wurde 'Oi so erhielt nun auch Bologna
als ein neues Berytus, worin Justinians Intentionen noch mehr
als in dem alten verwirklicht wurden, dieses ehrenvolle Epithe-
ton'"). Um die Mitte des Jhs. wurden dort auch dem canonischen
Rechte durch Gratian neue Bahnen angewiesen '"), das sich bald
^) S. Savigny a. a. 0. S. 83 ff. Nicht umsonst wurde Irnerius scien-
tiae legalis illuminator genannt. Vgl. Sarti, De claris archigymn. Bonon.
profess. n, 262; I, 13. 25. Odofred sagt von ihm» er habe in Bologna zu-
erst die artes vorgetragen, dann die leges: et ipse fnit maximi nominis et
fnit primuB illuminator scientiae nostrae, et quia primus fuit qui fecit glosas
in libris nostris vocamus eum lucemam juris. In Dig. vet. I. c. Vgl. auch
Sayigny lY, 13 ff. Selbst Ficker, welcher den Ruf der Schule von Bologna
als einen vor Irnerius fest begründeten betrachtet, zweifelt nicht daran,
das8 dieser der erste war, welcher die auf dem Gebiete des longobardischen
Rechts schon länger angewandte Methode auch auf die Behandlung der B5m.
Rechtsqaellen übertrug, sie vieUeicht vielfach eigenthümlich weiter ent-
wickelte nnd dass mit ihm die schriftstellerische Th&tigkeit begann. A. a. 0.
S. 143. AUes, was man über Irnerius weiss, findet sich zusammengetragen
bei Del Yecchio 1. c. p. 16 ff. Die Gelegenheitsschrift bietet jedoch nichts
Neues.
*^ Gonst. Omnem § 7: In Berytinensium pulcherrima civitate quam et
legnm nntricem bene qnis appellat.
^) So in den Statuten von Lerida vom Jahre 1300: Non sine causa
Bononie, quam legum nntricem recte vocamus, statutum esse comperimus etc.
Bei Villanneva XYI, 220. In den gedruckten Statuten der Juristenfacult&t
Bononiae 1561, p. 1 findet sich dieselbe Phrase. Aber längst vorher sagte
Pilios in der Summa trium librorum, 1. 11 tit. 18 (de studiis): Gum impe-
rinm modemis temporibus scissuram senserit, isteque civitates due (Bom und
Constantinopel) dominationem perdiderint, ceperunt jura quovis loco tradi
et Bononie maxime, que legalium studlorum monarchiam tenuit, nee non
Mntine, in qua juris prudentie archana reseramus. God. Yat. 2313 Bl. 373 a.
Diese SteUe ist in Bezug auf den ersten Theil auch von Accurs in seine
Glossen zum betreffenden Text aufgenommen worden (God. Yat. 1434
Bl. 181b), in Bezug auf Modena hätte sie bei ihm keinen Sinn gehabt, und
wäre mit seiner zu Dig. lib. 27 de excusat, tert. angeführten Glosse, auf
die ich zurückkomme, im Widerspruche gewesen.
^) S. darüber Schulte, Geschichte der QneUen und Litteratur des can.
Hechts. Stuttgart 1875. I, 46 ff. 109 ff.
48 n. Entstehung der ftltesten üniversit&ten.
als selbständige Disciplin entwickelte'^). Dass Bologna schon
damals eine ziemliche Anzahl von Professoren besass, muss man
aus einem Schreiben Alexanders ni. vom J. 1159 schliessen ").
Dadurch, dass die neue Methode auch in andern Schalen
Eingang fand, wurden die Grundlagen der Mutterschule nur immer
stärker. Der Ruhm der letztem stieg indem er verbreitet wurde,
und man beeilte sich umsomehr die Mutterschule aufzusuchen.
Privilegien.
Bald traten noch weitere Factoren hinzu, die der Blüthe
dieser Schulen die Zukunft sicherten. Es waren einmal die Pri-
vilegien. Savigny meint, Gunst und Ungunst der mächtigsten
Herrscher jener Zeit hätten auf die Blüthe der Schulen wenig Ein-
fluss gehabt"' ). Ich kann diese Auffassung nur als ganz irrig
ansehen, weil sie mit den Thatsachen selbst im Widerspruche
ist. Sie beruht auf einer zu idealen Anschauung des Mittelalters,
als hätten sich dort die gelehrten Schulen nicht allein von
innen heraus entwickelt, sondern auch. Dank diesem innemLebens-
principe, ohne jede äussere Hilfe erhalten. Man bedachte nicht,
dass gerade die mittelalterliche Hochschule mit der an ihr exis-
tierenden freien selbständigen Körperschaft mehr des Schutzes
durch Privilegien bedurfte, als die spätem vom Staate abhängigen
Schulen. Weit entfernt, dass die Privilegien auf die Blüthe der
Schulen wenig Einfluss ausgeübt haben, waren sie gerade mit
die Grundlage für dieselben und förderten wesentlich die Freiheit
des Unterrichts, sowohl des Lehrens als des Lernens. Auch hier
treten die geschichtlichen Thatsachen beweisend ein.
Von selbst werden wir zuerst auf das Privileg Friedrichs L,
die sogenannte Authentica Habiia^ geführt. Man nennt es nicht
^) S. daia Maassen, Paaoapalea S. 7.
'1) Es ist gerichtet ad Gerardnm episcopam, canonicos et legis doe-
tores caeterosqae nagistros Bononiae commorantes. Migne, Patrol. lat.
ton. 200 ep« 9 p. 73. Der P^Mt, 8en>8t frtlher als Bolandns Lehrer in Bo-
logna, leigt darin seine Wahl an. Dass viele Legisten Ton Imerins an bis ram
Ende des 12. Jhs. sich in Bologna aufhielten, erheUt anch ans den Torachie-
denen Arbeiten Aber einielne Theile des C. J. C, welche Sarigny im 4. Bd.
der Geschichte des RAnt Rechts ans jener Zeit nadiweist
») A. a. 0. S. 89.
1. Paris und Bologna. Privilegien. 49
selten das erste Universitätsprivileg. Allein mit Unrecht Da-
mals als es erlassen wurde, gab es noch nicht Universitäten, d. h.
(Korporationen an Schalen, es gab nur Schulen. Es ist eines der
wichtigsten Privilegien für dieselben, und wurde später allerdings
ein Universitätsprivileg. Aber für welche Schulen wurde das Pri-
vileg gegeben? Fast allgemein behauptete man, es sei nur der
Schule in Bologna ertheilt worden*'). Diese Ansicht scheint
durch ein jüngst aufgefundenes historisches Gedicht auf Friedrich!,
von einem Zeitgenossen verfasst'^), eine Stütze zu erhalten. Es
wird nämlich darin erzählt, dass, als der Kaiser um Pfingsten
1155 vor Bologna lagerte, nebst den Bürgern auch die Doctoren
und Scholaren der Stadt hinauszogen um den Kaiser zu sehen.
Dieser erkundigte sich, warum sie Bologna zum Studienorte ge-
wählt hätten, und wie sie von den Bürgern behandelt würden.
Ein Doctor antwortete auf die letztere Frage, dass sie im Ganzen
zufrieden seien, nur müssten sie Klage erheben, dass die Bürger
Schulden der Nachbarn von ihnen zurückforderten. Diese verkehrte
Art möge er bessern, damit die Studierenden hier sicher sein
könnten. Friedrich verkündete dann, nachdem er die Fürsten
der Reihe nach um Bath gefragt hatte, das Gesetz, womit er die
Studenten sowohl beim Kommen, als beim Verweilen und Zurück-
kehren, in seinen Schutz nahm.
Hätten wir es hier wirklich mit einer historischen Thatsache
zu thun, dann würde das Privileg nicht bloss der Schule zu Bo-
logna das Entstehen zu verdanken haben, sondern es wäre ge-
radezu für dieselbe erlassen worden. Als historische Thatsache
^) Savigny HL, 168 f. Ihm schrieben es nach Coppi, Le universiU
italiane, p. 75, Stobbe, Gesch. der deutschen Rechtsquellen I, 616; Luschin
a. a. 0. S.91, Stein a. a. 0. S.257; Montefredini a. a. 0. S. lOf.» der übri-
gens aus der ganzen Auth. nur die bei Savigny S. 170 angefahrten 3 Zeilen
kennt, in der Meinung, sie seien Me parole del privilegio agli studenti';
Mnther, Zur Qesch. d. Bechtswissenschaft S. 257 Anm. 1.
M) Herausgegeben von Giesebrecht nach Cod. Ottob. 1463 in den
Sitsungsber. d. bair. Akad. d. Wissensch. PML-hist. Klasse 1879. Bd. U,
285 f. Vgl. auch Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit Y, 1 S. 51ff.
Bezeichnend genug hat ausser Winkelmann (in seiner akadem. Bede, Ueber
die ersten Staats-Uniyersit&ten. Heidelberg 1880 S. 7) sonst jeder, soviel
Ich sehe, das Gedicht flbersehen.
Denifle, Die Unirenltittii L 4
50 II- Entstehiiiig der Utesten UnireraitAten.
nehmen Giesebrecht") und Winkelmann'') obige Erzählung hin,
und ersterer sieht in derselben eine sehr wicbtige Bereicbening
unserer historischen Litteratur und schreibt ihr eine grosse Be-
deutoDg für die Geschichte des juristischen Studiums und des
gesammten Universitätswesens zu*'). Nun, letzteres ist vCllig
übertrieben selbst im Falle, dasa hier historische Thatsachen vor-
ägen. Zudem hätte Giesebrecht wissen sollen, dass es sich zur
Zeit Friedrichs I. noch nicht um 'Universitätswesen' handelte.
Aber wie steht es mit dem Factum? Giesebrecht, und ihm folgend
Winkelmann, nehmen an, das Privileg sei in der That 1155 fflr
Bologna ertheilt, November 1158 auf dem Reichstag zu Roncalia
aber in erweiterter Gestalt und für alle Schulen verallgemeinert
aofs neue verbrieft und in Form eines Reichsgesetzes, der soge-
nannten Authentica Habila, erlassen und auf Friedrichs Befehl
in das Corpus J. C. aufgenommen worden"). Sie konnten eben
nicht läugnen, dass der Wortlaut der Auth., wie sie im Corpus
juris civ. steht, keineswegs fOr Bologna allein, das ja gar nicht
einmal genannt wird, spricht, sondern fOr alle Schulen. Und
doch geht aus obiger Erzählung hervor, dass das Privileg nur
fttr Bologna ertheilt wurde"). Zweifelsohne müsste also im Ge-
«») B. a. 8. 0. 8. 387.
'«) Ueber die ersten Staats -Univenititen B. 7 f.
'^) Aach Winkelmann meint, dass die Stelle venchiedene Seiten des
Btudeutischeu Lebens damaliger Zeit berobre. Allein ich finde nichts darin,
WBB man nicht bisher anch sonst gewnsst h&tte, als den Passus 'Nocte die
■tndüs intenta mente Tacamos', der in ähnlicher Weise noch einmal wider-
holt wird. Aber gerade dies ist eine höchst noglanhwflrdige Seite des sts-
dentiichen Lebens, wie sich ans der Geschichte Bolognas ergibt
^) Cod. Ke filins pro patre (4, 18). Der Text in den gedmckten Aus-
gaben, anch in dem von Perts nach der Wienerhs. 2094 besorgtem Dnicke
hl den Mon. Germ. Leges II, 114 ist sehr fehlerhaft. Am weitesten weicht
von demselben die, soweit nach meiner Forachong ich achliessen kann, Uteste
Becension im Cod. Vit 1427 BL 68a ab. Der Text des Cod. gehCrt dem
12. Jh. BD, die Auth. aber, welche im 3 !' ' . i < rx lu leeren
Bbtte steht, der 1. HUfte des 13. Jhs. Ai...[< i:. m: iun. i:, von den
Dmcken nod der erwähnten Hb. Terschie<lt [i, .ibcr ilein Drucke sieb mehr
nähernd bieten Cod. 84A im Archiv in 8t. l'i:U>r .tus dem 13. Jb. (imtWM
Ton 4, 13), und die 3. 52 Anm. 42 Gitterten Iha.
») Der Doctor sagt ja som Kaiser:
1. Paris und Bologna. PriTilegien. 51
setze vom J. 1155 die Schule von Bologna genannt Bein, was
auch Giesebrecht nicht bestreiten wird. Nun ist es aber höchst
auffallend, dass die Rechtslehrer Bolognas bei Anführung oder
Erklärung des kaiserl Privilegs kein anderes, früheres kennen,
als das im Corpus J. G. enthaltene, d. h. 1158 für alle Schulen
ertheilte. Dazu kommt noch, dass, waren die Rechtslehrer Bo-
lognas im Wahne, ein Privileg sei Bologna ganz im besondem
verliehen worden, sie nicht ermangeln dies zu erwähnen und da-
rauf aufmerksam zu machen. Seit Joh. Bassianus und Azo be-
riefen sie sich z. B. auf das vermeintliche Privileg eine Rechts-
schule besitzen zu dürfen, da E. Theodosius die Stadt gegründet
habe, wie dies in der Legende der hh. Ambrosius und Petronius
erwähnt werde, unter ausdrücklicher Bemerkung, dass mithin die
Lehrer zu Reggio und Modena nicht das vom Rom. Recht den
in königl, Städten Lehrenden gewährte Privileg besitzen"). Zu-
perversum corrige morem
Lege tua liceat tntos hie esse legentes.
Unmittelbar daran schliesst sich:
Tunc rez principibos consoltis ordine cunctis
Legem promulgat que sit tutela legentum.
Dass dies alles vor und fflr Bologna geschah, beweisen noch die letzten
Verse:
In de rogat cives ut honorent urbe scolares
Hospita iura dolis seryent iUesa remotis.
Postqne dies p an cos reparatis viribus inde
Castra movens ductor Tuscorum visitat nrbes.
Den oft widerkehrenden Ausdmck * legentes' erklärt Giesebrecht dahin, dass
er die Studierenden d« h. die Scholaren, nicht die Doctoren bedeute. Aber
wie beweist er dies?
^) Auf Joh. und Azo beruft sich ausdrflcklich Odofred ad 1. 7 Dig.
de ezcus. tut. (27. 1), und sagt dann: igitur doctores qui docent ultra Aposam
(s. daraber Sarti I, 94) non debent habere immunitatem . . . Scholares volue-
runt quod dominus Azo legeret in platea s. Stephani, dicebant enim, Bononia
est regia civitas, ut innuitur in legenda S. Ambrosii et S. Petronii, et Bononia
est ab Aposa citra. Unde dicebant ipsi: si nos docemus in regia civitate,
debemus habere immunitatem, si citra Aposam; si ultra, non .... non qui
docent Regii vel Mutinae, imo est una proditio. Aehnlich, wenngleich kürzer,
Accurs, und er nimmt ad 1. c. ebenfalls Beggio und Modena zu Gunsten Bo-
lognas ans.
4*
52 ^^' Entstehung der ältesten Universitäten.
dem sagen andere Rechtslehrer des 13. Jhs., die Auth. Habita
gelte für alle Schüler, an welche Orte sie auch giengen^^). Dass
nun ein für Bologna so wichtiges Document, wie die erste Aus-
fertigung der Auth., das der Kaiser der Erzählung nach ja nur
auf Bitten der Lehrer und Schüler hin ausgestellt hatte und
diese gerade in der nächsten Zeit wie nur irgend etwas im
höchsten Grade interessieren musste, sobald in Verlust gerathen
sein, und die Erinnerung an das Document und die nähern um-
stände bei Ausfertigung desselben sich nur beim Verfasser jenes
Gedichtes erhalten haben soll, ist bei näherer Betrachtung kaum
anzunehmen.
Da drängt sich vielmehr die begründete Vermuthung auf,
der Verfasser habe durch jenes Zwiegespräch zwischen Kaiser
und Studierenden nur die Entstehung der Authent Habita erklären
wollen. Er kannte diese und wusste dass sie in Bologna, dessen
Schule allein damals einen Ruhm in Italien besass, in Anwendung
war. Er glaubte nun, sie habe auch der dortigen Schule ihr
Entstehen zu verdanken. Der Aufenthalt des Kaisers vor Bologna
1155 bot ihm den Anhaltspunkt die Entstehung des Gesetzes zu
erklären, und er konnte um so sicherer ein früheres Jahr wählen
als die alten Recensionen der Auth. keine Datierung haben ^'), \md
^1) Hier sei bes. Heinrich de Segnsio erw&hnt, welcher in seiner Somma
snper tit Decret (Hs. zu Barcelona, Uniyersit&tsbibl., Cod. 112C im Archiv
zu St. Peter), De Magistris, sagt: In summa notandum omnes scolares ad
qnencnnqae locom veniant causa addiscendi, hoc imperial! privilegio gandere.
^^) So im ältesten aller 25 Godd., die ich eingesehen habe, nämlich im
Cod. Yat 1427. Dann im Cod. Yindobon. 2094 (Mon. Qerm. Leg. II, 114),
13—14. Jh.; Cod. 34 A im Archiv zu St. Peter, 13. Jh.; Cod. Burghes. 224,
13. Jh.; Codd. Yat. 1428 (13. Jh.); 1429 (14. Jh.); 1430 (14. Jh.); Codd.
Yat. Palat. 761. 763. 758 (aUe aus 13. Jh.); 757. 759. 760 (14. Jh.). Cod.
Yat Reg. 1120 (14. Jh.). In den Codd. der Yatic. aas 13. Jh. ist dieAath.
durchweg am Bande. Die Auth. steht femer ohne Datum in den Codd.
Paris. 14347 (13. Jh., am Bande), 4519 Bl. 72a (13. Jh. am Bande), 4521
und 4521 A (14. Jh. am Bande), 4521 B (ebenso), 4522 (14. Jh. am Bande),
4523 (13. Jh. am Bande mit der XJeberschrift: Imperator Fredericas regni
sai fidelibas> 14342 und 16912 (14. Jh.). Im Cod. Paris. 14347 ist dabei
BL 90 b die Ueberschrift: In novellis constitutionibns Federici imperatoria.
In den Codd. lat Monac 22 (auf einem besonders eingehefteten Zettel des
1. Paris und Bologna. PriWlegien. 53
einzelne wie Cod. Vat. 1427 nur die Ueberschrift tragen: Consti-
tutio Friderici consilio procerum promulgata. Dieses Gonsilium
fand dem Verfasser zufolge vor Bologna statt, die Unterredung
bUdet dazu die Staffage. Dass der Verfasser selbst kein anderes
Gesetz als das 1158 auf dem Reichstag zu Roncalia promulgierte
kenne, beweist er selbst, indem der Inhalt des seinigen ebenso
allgemein ist als der der Auth.*"), während er doch seinen Worten
und der ganzen Erzählung zufolge nur für Bologna passen müsste.
Wenn Oiesebrecht meint, der Kaiser selbst scheine in der Auth.
hinzuweisen, dass ihm Klagen der Scholaren über die Haftung
fOr Schulden ihrer Landsleute schon früher zu Ohren gekommen
seien: quod aliquando ex perversa consuetudine fieri audivimus,
so möchte ich vorerst fragen, ob denn ^aliquando' auf 'audivimus'
zu beziehen sei? Nach Odofreds Umschreibung ist aliquando
örtlich zu nehmen ^^). Und dann versteht sich von selbst, dass
Friedrich Klagen zu Ohren gekommen sein werden, denn ein Grund
zur Erlassung des Gesetzes musste vorliegen. Aber damit ist
noch nichts für obige Erzählung erwiesen. Giesebrecht beruft
sich auch darauf, dass die Auth. Sacramenta puberum, gleich
der Auth. Habita 1158 erlassen, ebenfalls einige Jahre früher,
vielleicht 1155, existierte, wie man nach alten Rechtslehrem
schliessen müsse* ^). Allein, dieses Beispiel dient nur zur Erhärtung
meiner Bedenken. Die Rechtslehrer des 13. Jhs. wussten genau
die nahem Umstände, bei welcher Gelegenheit die Auth. Sacra-
13. Jhs.) and 14010 (am Bande) fehlt ebenMs die Datiemog. Godd. 1501.
3880. 3884. 13013 besitzen die Glosse ohne die Auth.
^) Legem promulgat qua sit tutela legentam,
Sdlicet at nemo Studium exercere volentes
Impediat stantes nee enntes nee redenntes,
Kec pro Ticino qoi nollo jure tenetor
Solvere cogator, qaod non debere probatur.
Nor durch seine eigenen Worte, die der Yerf. diesem Gesetze nachschickt und
durch die Worte, die er dem Doctor in den Mund legt, erhalt das Gesetz
Beziehung auf Bologna. 8. oben Anm. 39.
^) In Auth.: non obstante aliqna contraria et perversa consuetudine,
quam audiTimus qaod (in) qaibusdam locis habet locum, nach Cod. Paris.
4561 Bl. 209 b.
**) Savigny IV, 186.
54 n. Entstehung der ältesten UniTersitftten.
menta pub. erlassen wurde, anzugeben; zwei bezeichnen sogar
den Ort, wo dies geschehen sei^'). Nur über die Auth. Habita
referieren sie einfach, wohl weil sie ebenso wie manche andere
Gesetze nur zu Boncalia entstanden ist^^).
Ich bin weit entfernt die Möglichkeit des vom Bergomasken
Erzählten zu bestreiten; meine Auseinandersetzung zielt nur da-
hin darzuthun, dass die Bedenken gegen die Erzählung noch weit
grösser sind als die Möglichkeit, und es angezeigter ist die Erzählung
vorderhand mit Misstrauen aufzunehmen. Ein historisches Factum
kann ich bis jetzt noch nicht darin erblicken.
Eines beweist jedoch die Erzählung immerhin, dass nämlich
Friedrichs Privileg zuerst für Bologna in Anspruch genommen
ward, wenngleich es nicht ausdrücklich für die dortige Schule
sondern für alle Schulen (Italiens), zu denen Studierende ziehen,
ertheilt wurde*'). Und in dieser Beziehung spricht die Erzählung
durchaus gegen Savignys Aufstellung. Denn wenn Gunst oder
^ N&mlich Gnizzardinns und höchst wahrscheinlich anch Hngolinns
(s. Savigny S. 188). Sie bezeichnen Reni insola als den Ort.
^7) Da gerade die altern Hss. der Auth. Babüa keine Datiemng ent-
halten, könnte sich der Zweifel aufdrängen, ob denn dieselbe wirklich anf
dem Beichstag zu Boncalia erlassen und das Datum nicht erst später
zugef> worden sei. AUein folgende Erwägungen, die ich Prof. Ficker in
Innsbruck verdanke, machen die Entstehung zu Roncalia wahrscheinlich. In
der sicher zu Roncalia erlassenen Gonstitutio de feudis, Feud. n, 55, heisst
es: Habito consilio episcoporum, ducum, marchionum, comitum, simul etiam
palatinorum iudicum et aliorum procerum hac edictali lege perpetuo Talitura
saneimns etc. Fast dieselben Ausdrücke finden sich an zwei Stellen der
Auth. Biabita wider. Das ist sicher keine zufällige Uebereinstimmnng. Denn
insbesondere die Aufführung der Judices und Proceres entspricht dem son-
stigen Kanzleistil nicht. In Feud. II, 55 ist die Fassung dadurch veranlasst,
dass die ähnliche Fassung in der Gonstitutio Lothars von 1136, Feud. II,
52, sichtlich massgebend war. In der Auth. Habita ist die auffallende Auf-
führung wohl nur daraus zu erklären, dass jene gleichzeitig mit der Gonsti-
tutio de feudis entstand und dass die Fassung dieser anf sie einwirkte.
^s) So heisst es: omnibus qui causa studiorum peregrinantur scolaribus
. . . ut ad loca, in qua veniunt, inhabitant et studia exeroent, tarn ipsi quam
eonun nnntii securi sint So God. Yat. 1427. ~ God. 34 A im Archiv zu 8. Peter:
ut ad loca in quibus h'terarum exercentur studia tarn ipsi quam nuntii eorum
veniant et habitent cum eis secure. Im Drucke: ... et in eis secore ha-
bitent.
1. Paris und Bologna. Privilegien. # 55
Ungunst auf die Blüthe der Schulen wenig Einfluss auszuüben
im Stande waren, warum griff Bologna dann so schnell nach dem
kaiserl. PrivUeg")?
Dasselbe ist zu wichtig, als dass wir es nicht näher betrachten
sollten. Der Grundgedanke des Privilegs ist, dass diejenigen,
welche zu einer Studienanstalt behufs ihrer wissenschaftlichen
Ausbildung reisen, in den kaiserlichen Schutz genommen werden.
Unbehelligt sollen sie reisen und an dem Ziele ihrer Reise sich
aufhalten können. Wer ihnen ein Unrecht zufüge oder sie wegen
Vergehen ihrer Landsleute schädigen wolle, habe schwere Strafe
zu gewärtigen. Im Falle sie verklagt würden, sollten sie die
Wahl haben entweder vor ihren Professoren oder vor dem Bi-
schöfe der Stadt gerichtet zu werden'^).
Vorerst werfen wir die Frage auf, wem denn eigentlich das
Privileg zu gute kam, den Professoren oder den Schülern? Und
*^) Es gehört mit za den Guriosit&ten in der Gesch. der Entstehung
nnd Entwickelang der höh. Schul, unseres Erdtheiles v. Meiners, wenn der
Verf. U, 54 schreibt, die Auth. habe man mit einem so tiefen Stillschweigen
übergangen, als wenn sie nie existiert hätte.
^) Im Cod. Vat. 1427 heisst es: ... hnins rei optione data scolaribus,
nt coram domino ant magistro suo Tel civitatis episcopo secnndum hanc
iurisdictionem conneniant. Im Cod. 34A des Archivs zu S. Peter: . . . eos
coram domino vel magistro suo vel ipsius civitatis episcopo quibus hanc iu-
risdictionem dedimns conveniat Der Schlussatz ist in beiden gleich und
entschieden der unverständlichen übrigens ziemlich alten Leseart des Druckes
vorzuziehen. Es muss heissen: Qui vero ad alium iudicem trahere eos
temptaverit, a causa, etiamsi iustissima fuerit, pro tali conamine cadat. ~
Auch Hostiensis, Summa super tit. Decret. De Magistris, liest also. Dass
die Scholares auch die Stadtobrigkeit wählen konnten ist klar. Schon Ac-
cnrs, CoU. 9 tit. 15. C. 21 § 2 (vgl. Savigny III, 177 Anm. 6) und Odofred
in Auth. sagen dies, und vor ihnen Damasus: Bononie habent scolares (ju-
dices) episcopum, magistrum et potestatem, et habent potestatem eligendi
ex illis quem voluerint, et si consentiant in unum illorum ante litem con-
testatam, non poterunt resilire. Questiones II, De judiciia im Cod. 14320
Bl. 177 b der Nationalbibl. zu Paris (Bei Schulte, Sitzungsber. der phil. bist.
GL der kais. Akad. LXVI, 149 ist ein ganz missverstandener Text mitge-
theilt). Rolandinus sagt aber im Tractatus notularum (Cod. Paris. 13688
Bl. 121): Scolaris qui Bononie moratur subiectus est de iure communi iudici
Bononiensi . . . sed per Privilegium potest declinare et dicere, quod velit
coram suo doctore conveniri.
5S II. Entsteliang der ftitesien ünivenit&teiL
woun letxtern, ob den Schülern der Rechtswissenschaft, octer ohne
t'ntorsehied allen SchtUem? Sayigny meint, die jnristia<Aen Pro-
fessor eu würden nicht bloss rühmlich erwähnt, sondern gerade
fttr die berühmten Professoren Ton Bologna sei das Privileg ge-
geben woi-den^^. Er hat die Stelle im Ange: 'omnibiis, qm
causa stadiorum peregrinantnr, scolaribns et maxime diTinamm
atque sacrarum legnm professoribns' "). Allein, wo ist denn hier
von den berühmten Professoren zu Bologna die Rede? Dies ist
so wenig der Fall, dass Accnrs nnd ihm folgend Jac. Butrigarins
das ^maxime' sammt dem ganzen Begriff zn den Scholaren her-
überziehen, behauptend, das Privileg sei vorzüglich den Rechts-
schülern ertheilt worden, wenngleich auch andern Schülern").
Einige haben die Worte ^divinanim atque sacr. legnm professores'
geradezu auf die Schüler angewendet'^). In der That legen die
älteren Glossatoren der Authentica Habiia das Privileg nur für
die Scholares aus^^). Erst Baldus lässt es auch von den Pro-
fessoren gelten'*). Man könnte allerdings dagegen einwenden,
dass in demselben von jenen die Rede ist, ^quorum scienüa mundus
illuminatur' etc., eine Phrase die weniger für die Schüler passt
w) L. c. 8. 169.
^^) Savigny wurde wohl anf obige Ansicht geführt, weil auf dem Seidu-
tage zu Roncalia die vier Rerhtslehrer aus Bologna: Bulganu, Martinas,
Jacob und Hugo zugegen waren. Otto Morena, Hist. rer. Landen, bei Mu-
ratori, Rer. ital. SS. VI, 1016 f.
&3) Beide in Cod. ad Autb« Hablta, Bcotarilm.
M) So verstehe ich weoigHtans ('Inus in Cod. 8, 18 IMniquium^ wenn
er die Ansicht einiger 'moderni' anführt, denen zufolge die Scholares einen
Judex erw&hlen könnten, 'quia rxorcent profcRsionem, ut in Auth. BMta^
(Cod. Yat. 2592). Nun kann abnr In dpr ganzen Auth. nur die oben citierte
Phrase hieher bezogen worden. Dariolo spricht Ahnlich wie Cinus ad 1. c
^^) So Accurs, Odofrod, (hildo de Huiaria (Cod. Paris. 4489 El. 47a),
Jac. Butrigarius ad Auth. Um lo londnrbarer ist es, wenn h&nfig, und
neuestens von Giesebrocht, Qosclilchto der doutnrhcn Kaiserzeit Y, 1 S. 181
Anm., gesagt wird, unter den Scholaren soion auch die Professoren mit ein-
begriffen, 'wie ausdrücklich hervorgehoben wird*.
^) Privilegia huius Auth. concoduntur otiam professoribus, id est ma-
gistris fiive doctoribus . . . lam ergo non est dubium, quod doctores forenses
habent Privilegium huius authentice otc. Doch stellt er diese Ansicht nur als
Meinung hin unter Berufung auf Nicolaus Matarello an der Wende des 18. Jhs.
1. Paris und Bologna. Privilegien. 57
Allein in unmittelbarer Verbindung mit ihr folgen die Worte:
quis enim eorum*') non misereatur, qui*^) amore scientie facti
sunt exules, eine Stelle, die in der älteren Zeit nur auf die
Scholares ausgelegt wurde '^*). Und so besagen auch die früheren
Worte nichts anderes, als dass die Schüler an jenen Studienan-
stalten, zu denen sie reisen, zu Männern gebildet werden, durch
deren Wissenschaft die ganze Welt erleuchtet wird, ganz in lieber-
einstimmung mit Justinians Const. Omnem^ die doch für die Auth.
Habita die Grundlage war, in der für die Schüler ein derartiger
Unterricht gefordert wird, 'ut ex hoc optimi atque eruditissimi
eCficiantur, quatenus fiant optimi justitiae et reipublicae mini-
stri'«*^).
Dasselbe erhellt auch aus dem ganzen Zusammenhange der
Autbentica. Trotzdem der Kaiser im Anfange auch von den
Professoren spricht, so nimmt er doch in der Folge namentlich
nur die Scholaren in Schutz. Am deutlichsten zeigt sich dies an
der Stelle, wo er ihnen das Privileg der Wahl des Gerichts^
Standes ertheilt. Hier wird der letzte Halt für die Behauptung,
als habe Friedrich unter den Scholaren vielleicht auch die Mar
gistri verstanden, genommen, denn dieselben Scholaren, von
denen früher die Rede war, werden hier ausdrücklich von den
Domini und Magistri unterschieden. Savigny selbst ist gezwungen
etwas später zu bekennen, das Privileg sei eigentlich nur den
Schfilem zu Theil geworden ^^).
Welchen Zweck hat aber dann im Anfange der Auth. die
ehrenvolle Erwähnung der ^divinarum atque sacrarum legum pro-
fessores*? Sie werden dort geradezu 'maxime' berücksichtigt.
Ziehen wir aus dem ganzen Zusammenhange der Autbentica auf
diese Stelle einen Schluss, so ergibt sich, dass die Professoren
der Rechtswissenschaft eigentlich nur um der Scholaren willen
erwähnt werden, was, wenngleich mit andern Worten, auch Accurs
67) Cod. Yat. 1437 fehlt eanmu
^) Ibid. cum statt ^'.
^ So s. R von Odofred ad Auth. Bointa.
«0) PraeC und § IL
ö) A. a. 0. S. 170.
58 n. Entstehiuig der ältesten UniTersit&ten.
und Jac. Butrigarios sagen, wie wir gesehen haben. Da ge-
rade die Professoren der Rechtswissenschaft an jenem Orte, wo
von den Scholaren, qui causa studionim ad loca, in quibus lite-
rarum exercentur studia, peregrinantur , die Rede ist, genannt
werden, so ergibt sich, dass Friedrich das Privilegium, wenngleich
allen Schülern"), so doch vorzüglich jenen der Rechtswissenschaft
ertheilen wollte. Zu einem ähnlichen Schlüsse werden wir durch
die Stelle, wo von der Wahl des Grerichtsstandes gesprochen
wird, gedrängt. Bereits in der angezogenen Constitution Omnem
Justinians erhalten vorzüglich die Professoren der Rechtswissen-
schaft nebst dem Bischöfe die Gerichtsbarkeit So^*) verhält es
sich auch in Friedrichs Authentica. Die Phrase: ut (scolares)
coram domino vel magistro suo . . . conveniat, bezieht sich zuerst
auf die Lehrer der Rechtswissenschaft (dominus), wie bereits
Odofred sagt^*), und auch Savigny richtig gesehen hat^^), und
dann auf die Lehrer der anderen Wissenschaften"). Gilt dies
in Bezug auf die Professoren, so auch in Bezug auf die Scho-
laren, denn der Schüler musste seinen Lehrer wählen, d.h. den
Lehrer jener Wissenschaft, welche er studierte. Den Schülern der
Rechtswissenschaft kam also das Privileg in erster Linie zu gute.
Und dass dem also war, dafür zeugt die Geschichte der Schule
Bolognas.
^') 80 macht auch Accnrs zu 'peregrinantur seolanbui* die Glosse:
eoinslibet facnltatis. Cod. 34 A im Archiv von S. Peter.
63) Schon Accurs (Cod. 34 A im Archiv zu S. Peter) und die Interlinear-
glosse im Cod. Yat 1427 bringen beide Constitutionen in Bezug auf diesen
Punkt in Verbindung.
^) In Dig. vet. Const 1. lUud vero.
«) A. a. O. S, 171.
<^) Bereits Accnrs setzt lu damkio legum hinzu, lu magiüro alterius
facultatis. Cod. 34 A im Archiv zu S. Peter. Aehnlich die Interlinearglosse
im Cod. Yat 1427. Es geht nicht an mit Savigny zu sagen, 'vel magistro
suo' sei um der Deutlichkeit willen zu 'domino' gesetzt worden. Geradezu
absurd ist Steins Behauptung (L c. S. 247), dominus bedeute soviel als Haus-
herr, d. h. dominus im eigenen Hausei Der professores werde nicht er-
wähnt. Solche Sonderbarkeiten bedürfen keiner Widerlegung. Uebrigens
erU&rt Accurs 1. c. das Wort dominus: qui alias preceptor appellatur . . .
alias magister.
1. Paris und Bologna. Privilegien. 59
Dass dieses Privileg Friedrichs wesentlich zur Blüthe Bo-
lognas beitrug, bedarf keines Beweises, denn direct oder indirect
nehmen dies fast alle an. Ja man überschätzt sogar die Bedeutung
desselben. Eine Ueberschätzung muss ich es nennen, wenn man
behauptet, durch jenes Privileg sei die Recbtsschule von Bologna
zu einer staatlich anerkannten Corporation, zu einer 'universitas
personarum' erhoben worden ^^); und noch immer zu hoch gehalten
wird es, wenn man meint, es habe mit c. 3 Decret. 5, 5 das
Becht der entstehenden Universitäten begründet ^^). Indessen
solche Aeusserungen beweisen die zu Tage liegende Wichtigkeit
dieses Privilegiums für die Schulen, resp. für Bologna, und die
Unrichtigkeit der Behauptung, Gunst oder Ungunst der mächtig-
sten Herrscher hätten wenig Einfluss auf die Blüthe der Schulen
ausgeübt*').
Friedrichs Privileg erhielt die grösste Bedeutung dadurch,
dass es sei es unmittelbar oder mittelbar die Grundlage wurde
für die Privilegienbriefe, welche die Kaiser und Landesherren den
Universitäten gaben. Durch alle Privilegienbriefe zieht sich die
eine Bestimmung hindurch, dass die Studierenden beim Reisen
und während des Aufenthaltes unbehelligt sein und in den kaiser-
lichen oder landesherrlichen Schutz genommen werden sollen.
Selbst die Städte Italiens haben diesen Punkt für ihre klemen
07) Laschin a. a. 0. S. 91. Dies ist eine ziemlich verbreitete Ansicht
^) Stein a. a. 0. S. 248.
0^) Auch der andere Theil der Behanptong, die Ungunst der mächtig-
sten Herrscher hätte wenig Einfluss gehabt, ist nicht minder unrichtig.
Savigny citiert namentlich die yon Friedrich II. 1226 verfügte Aufhebung
der Schule zu Bologna, die ohne Erfolg gewesen sei. S. 89 u. 178. Allein
warum bemflhte sich dann Honorius IIL so angelegentlich, dass Friedrich IL
'specialiter constitutionem factam de studio et studentibusBononie' zurück-
nehme? So 5. Januar 1227 an die Lombarden (Mon. Germ, bist Epist.
saec. XHL I, 247), und in dem Ton ihm ausgehenden Entwurf der vom
Kaiser zu 'vollziehenden Friedensurkunden (bei Winkelmann, Acta Imperii
inedita p. 263 f.), welche Worte dann Friedrich auch gebrauchte. Bei Huill-
Br^lL II, 712. Uebrigens gebe ich zu, dass die Ungunst des Kaisers weit
weniger schadete, als seine Gunst nützte, weil die Schule im ersten FaUe
immerhin in einem noch m&chtigeren Herrscher, n&mlich im Papste, einen
Beschützer fand.
gO II. Entstehang der ältesten Universitftten.
Republiken nie umgangen. Die Grundlage hierfür bildete die
Auth. Habita^ die bereits im Keime das später nie fehlende Pri-
vileg enthielt, dass die Scholaren von den Abgaben befreit sein
sollten. Die Authentica gieng in diesen Grundzfigen zuerst in
den Stiftbrief Friedrichs n. für Neapel, und dann, zumeist durch
diesen, in andere Stiftbriefe über. Ein Unterschied ist nur
darin zu bemerken, dass, während Friedrichs I. Privileg den
Scholaren und zwar vorzugsweise jenen der Rechtswissenschaft
galt, in den Stiftbriefen das Privileg anfänglich auf alle Studie-
rende, später auf alle Universitätsangehörige ausgedehnt wurde.
Vielfach wurde die Auth. auch die Grundlage für die Wahl des
Gerichtsstandes durch die Scholaren.
Die Schulen von Paris waren schon frühzeitig im Genüsse
von Privilegien. Als der erste König, welcher solche ertheilte,
wird Ludwig YII. genannt '®). Leider hat sich kein Actenstück
erhalten. Ein solches existiert aber von seinem Sohne und Nach-
folger Philipp August V. J. 1200. Da dieses Privileg sowie die
übrigen Privilegien später Gegenstand der Untersuchung sein
werden, so kann ich sie hier füglich übergehen'^ 0- I^^s ^^^^ P^*
vilegien zum Glänze der Schule viel beigetragen haben, sagt uns
der Chronist Wilhelm Aremoricus ad an. 1209. Er meint der
grosse Zudrang zu den Schulen in Paris sei nicht bloss auf
Rechnung der Bequemlichkeit des Ortes zu setzen, ^sed etiam
propter libertatem et specialem praerogativam defensionis, quam
Philippus rex et pater ejus ante ipsum ipsis scolaribus impen-
debant^ '0. Und wie in Bologna, so finden wir auch in Paris eine
eifersüchtige Hochhaltung der Privilegien, deren Verletzung nur
70) Dies sagt Wilhelm Aremoricns, der es wohl wissen konnte, in der
Fortsetzung der Qesta Philippi Augusti. S. Anm. 71.
7<^*) 8. das Privüeg Philipp August nach dem Originale von mir heraus«
gegeben in den M6moires de la soci6t6 de l'liistoire de Paris X, 247. Y^
auch Du Bonlay ni, 2.
71) Gesta Philipp! Augusti in RecueU des historiens des Gaules XVII,
88. So sagt auch Philipp der Schöne in Besng auf Orleans 1312: ceterum,
ut doctores, magistri et scolares libentius ad Studium ipsum declinent et
taato lerventiuB ibidem studentes proficiant, quanto plus honorari se sentiaut,
illnd privüegüs, henefidis et libertatibua munientes etc.
1. Paris und Bologna. Privilegien. gl
ZU oft die Schliessung der Vorlesungen, ja selbst die Auswande-
rung aus der Stadt zur Folge hatte. Wären, um nur 6in Bei-
spiel zu nennen, 1229 bis 1231 der Universität Paris nicht ihre
alten Rechte, die sie vom Könige und von den Päpsten besass,
unverkürzt zurückgegeben worden, sie hätte aufgehört zu exi-
stieren, wie Gregor IX. deutlich genug ausspricht"), trotzdem
dass sie sich so glanzvoll entwickelt hatte und so blühend bisher
dagestanden war. Darum ermahnt derselbe Papst zwei Jahre
später den König, er möge das Privileg des Philipp August den
Scholaren erneuem und auf dessen Beobachtung dringen, damit
das Studium in statum pristinum reformetur' ^'). Wie nothwendig
zum Bestände einer Schule die Privilegien, die sich ja keine
Schule oder Universität selbst geben konnte, waren, beweist
der sich seit der ersten Hälfte des 13. Jhs. ausbildende Usus,
Conservatoren der Privilegien jener Schulen aufzustellen.
Savignys Ansicht kann ich mir nur daraus erklären, dass er
zwischen Schule und Schule nicht gehörig schied. Auf die geistige
Schule, wenn ich so sagen darf, nämlich auf die Entwicklung undFort-
pflanzung der Ideen hatte allerdings die Gunst oder Ungunst der
hohem Autorität keinen directen Einfluss'^). Aber für die Schule,
an der diese Ideen entwickelt und fortgepflanzt wurden, besonders
aber für den Bestand dieser Schule, bildeten die Privilegien jener
Autorität, mit der man rechnen musste, fast noch festere Grund-
pfeiler als die Organisation derselben. Baute sich doch diese
zum grossen Theile auf jenen auf. Daher die Erscheinung, dass
die Professoren oder Schüler einer Schule, in den Besitz von Pri-
vilegien einmal gelangt, oft viel zäher an denselben hiengen, und
zwar selbst jenen gegenüber, von denen sie dieselben empfangen
7S) Im Schreiben an den Bischof t. Paris vom 23. Not. 1229. Beg. Yat
an. 3 ep. 88 BL 144a, nach einer Abschrift nunmehr ediert von Yalois,
GniUanme d'Auvergne, p. 343 n. 18. Aebnlich lauten die Schreiben an die
Bischöfe Ton Le Maus und Senlis und den Archidiacon von Ghalons (Beg.
Yat. an. 3 ep. 89), sowie an den König und seine Mutter (ibid. ep. 95. Du
BouL m, 135).
75) Beg. Yat. an. 5 ep. 34 Bl. 81a. Du Boul. III, 143.
7*) Theüwcise spricht auch Savigny a. a. 0. S. 89 von dieser Schule,
springt aber alsbald auf den andern Begriff der Schule über.
g2 n. Entstehung der ältesten Universit&ten.
hatten, als an manchen Punkten der Verfassung. Hatte einmal
eine Schule Privilegien erhalten, so sahen Professoren und Schüler
den Genuss derselben als ein unveräusserliches Recht an ^^). In-
sofern kamen die Privilegien gewiss auch der geistigen Schule
zu gute.
So entwickelten sich die Schulen zu Paris und Bologna aller-
dings spontan und von innen heraus; allein blühende und
bleibende Schulen wurden sie nicht ohne die neue Methode in
der Doctrin an denselben und ohne die Privilegien. Und doch
waren diese zwei Factoren allein noch nicht genügend um die
Schulen vor baldigem Verfalle zu schützen. Es musste noch ein
dritter Factor hinzutreten, der gerade für diese zwei Schulen von
epochemachender Bedeutung war, der sie zu dem machte was
sie waren, die Universität zu Paris und die Universität von
Bologna.
Bis in die 2. Hälfte des 12. Jhs. hatten alle grossem Schulen
mehr oder weniger dasselbe äussere Gepräge. Unterschieden sich
auch Paris und Bologna durch die zwei eben genannten Factoren
von den übrigen Schulen und besassen auch beide eine grössere
Anzahl von Lehrern und Schülern, so bildeten doch weder hier
noch dort Lehrer und Schüler ein moralisches und juridisches
Ganze, sie hatten sich noch nicht zu Genossenschaften vereinigt.
Bis dieser Moment eintrat, verstrich in Paris und Bologna, selbst
nachdem beide Schulen die unbestrittene Hegemonie über alle
übrigen erhalten hatten, eine geraume Zeit. Der Grund davon
ist einleuchtend. Einmal bezeichnet überhaupt erst die 2. Hälfte
71^) Job. Kone zu Leipzig sagte im J. 1445 in 6ffentlicber Yersammlang,
in die PrivUegien und Freiheiten der Universität habe sich kein König and
kein Kanzler einzumischen. Bei Zamcke, Die nrkandl. Quellen zur Gesch.
der Univ. Leipzig. Abh. der k. s&chs. OeseUsch. d. Wissensch. III« 723.
Gerade als hätte sich die Universit&t selbst die Privilegien und Freiheiten
ausgestellt! Der Ausspruch ist nur im obigen Sinne richtig. Es führt zu Miss-
verständnissen, solche Stellen ohne Erklärung zum Erweise der Freiheit der
mittelalterL Universitäten anzuführea
1. Paris und Bologna. PriTÜegien. 63
des 12. Jhs. den Zeitpunkt, in dem das Genossenschaftswesen
überall einen neuen Aufschwung nahm. Und dann mangelte spe-
ciell in diesem Falle ein Vorbild für Genossenschaften an Schulen'^).
Erst eine Zeit mit veränderten Verhältnissen konnte auch an den
Schulen das Bedürfiiiss nach Vereinigung zu Genossenschaften
wecken, diese konnten sich daher nur spontan und nach und
nach entwickeln. Die Vorbedingungen hiefür existierten aber
damals bloss in Paris und Bologna, denn wohl nur sie besassen
neben einer grossen Schttlerzahl verschiedener Nationen eine
hmreichende Anzahl von Lehrern.
Man kann sowohl in Bezug auf Paris als auch auf Bologna von
der Entstehung, oder wenn man lieber sagen will, Gründung der
Hochschule nicht sprechen, ohne den Entwicklungsgang der Cor-
porationen darzulegen. Das, was wir Universität Paris oder
Hochschule von Bologna nennen, sind nicht die Schulen vor der
Bildung der (3orporationen an denselben, sondern die Schulen
von jenem Momente ab, wo der Bildungsprocess von Genossen-
schaften vor sich gegangen war. Erst die Genossenschaften
drückten diesen Schulen ein bleibendes Siegel auf, sie sind ein
wesentlicher Factor im Entwicklungsgange dieser zwei Schulen.
Dies ist der Grund, warum ich hier die Bildung der Corpora-
tionen an den Schulen zu Paris und Bologna darstellen muss.
Paris und Bologna gehen hier weit auseinander; nur wenige
gemeinsame Factoren lassen sich noch unterscheiden.
76) Nur durch g&nzliches Missverstehen des Briefes Gozechins (bei Ma-
biUon, Yet. Anal. Paris. 1723 p. 439) konnte Laferriöre ans demselben eine
den spfttem Qeneralstndien nicht ganz unähnliche Organisation der Lütticher
Schule im 11. Jh. herauslesen. S^ances et trarauz de Tacad^mie des sciences
mor. et polit XXY (Paris 1855) p. 10 f.
64 n. Entstehong der ftltesten ümvenit&ten.
2. Die Bildoxig der Corporationen an der HoohBolmle
zu Paris.
In Bezug auf die Bildung und das Wesen der Universität
zu Paris hat sich ein grosser folgenschwerer Irrthum seit mehr
denn zwei Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt
Seit Du Boulay, dem theilweise Belforest vorausgieng, nahm man
an, die Universität Paris als Corporation sei aus einer Vereinigung
der sogenannten vier Nationen hervorgegangen, diese zusammen
hätten eine Gesammtgenossenschaft, die Universität, gebildet.
Die Nationen hätten aus den Scholaren und Professoren bestanden;
Facultäten habe es noch nicht gegeben. An der Spitze der
Gesammtgenossenschaft oder der Universität sei der Bector
gewesen, dem die Procuratoren der vier Nationen als Vertreter
ihrer Landsleute, als Consiliarii zur Seite waren. Seit der Mitte
des 13. Jhs. habe sich dies alles geändert. In Folge des Aus-
ganges der lange Zeit hindurch währenden Streitigkeiten der
Universität mit den Bettelmönchen, welche Lehrstellen an der
Hochschule beanspruchten und erhielten, seien zuerst sämmtliche
Doctoren der Theologie, zu denen eben auch die Professoren aus
den Bettelorden gehörten, aus den Nationen ausgetreten, und
hätten ein besonderes GoUegium, nämlich die theologische Fa«
cultät gebildet; ihrem Beispiele seien die Lehrer des canonischen
Rechts, und später auch jene der Medicin gefolgt. Seit dieser
Zeit, sagte man, habe die Universität aus sieben ungleichartigen
Theilen bestanden, den drei eben genannten Facultäten, von
denen jede ihren Decan besass, und den vier Nationen. Diese
letztern wären die alte Universität gewesen und sie hätten den
Namen der Universität geführt Die vier Nationen seien im Be-
sitze des Rectorats und der Gerichtsbarkeit geblieben, zu ihnen
hätten auch die Scholaren der 8 Facultäten gehört, denn nur
die Doctoren bildeten die Facultäten der Theologie, des Jus und
der Medicin. Diese Metamorphose habe die Universität c. 1260
begonnen '0-
77) Die wahre Quelle für obige Behaaptnngen war weniger Pasqoier
in seinen Recherches de la France , 1. 9, da er im eh. 6 den eigentlichen
Fragepnnkt gar nicht kennt, obwohl er eh. 9 auf die Facultäten eingeht, von
denen er nur 2 annimmt, sondern Du Boulay, bes. m, 349 f. 562 ff., und
2. Bildung der Corporatlonen an der Hochschule eu Paris. 65
Diese Behauptungen sind im Wesen total irrig; nur da und
dort ist ein Körnchen Wahrheit zu finden. Vor allem mögen
die Leser überzeugt sein, dass ein Document oder ein gleichzeitiger
Bericht darüber, dass 1259—1260 oder etwas später eine Um-
wandlung in Bezug auf die Organisation der Universität statt-
gefunden habe, absolut nicht existiert. Alle meine Recherchen
im Universitätsarchiv an der Sorbonne, in der Arsenal- und Ma-
dessen Copist Crevier I, 466 f. Der Ganal in neaerer Zeit , durch den diese
Behauptoogen weiter geleitet wurden, war für Deutschland ausser Meiners I,
81 ff. fast ausschliesslich Savigny, Gesch. des Böm. Rechts III, 349 ff. Sa-
?igny f&llte S. 338 ein hartes Urtheil über Du Boulay; er fand dessen
Werk *ohne Kritik'. Um so auffälliger ist es, dass er dem Du Boulay
ausser der Fabel über den Ursprung der Hochschule fkst aUes nachschreibt.
Ebenso verhält es sich mit Huber, Die engl Universitäten I, 30 f. 40 ff. 44 ff.
In Deutschland wurde keine andere Ansicht vertreten. Neue Ganäle haben
sich wie es scheint inMaurer's Geschichte der Städteverfassung in Deutsch-
land (II, 288 ff.) und in Sybels Hist. Ztsch. 1881 S. 254 f. eröffoet, die aber
nur das alte Wasser fortleiten. Die Einleitungen zu der Geschichte ein-
zelner Universitäten in Deutschland bieten keine andern Ansichten. Es lohnt
sich nicht der Mühe sie aufzuzählen. In Italien begnügte man sich Savigny
zu übersetzen. In Spanien sprach so weit mir bekannt nur Zärate, De la
instruccion publica en EspaSa II, 177 f. etwas ausführlicher darüber, aber
lediglich wie Du Boulay. Die Engländer besassen zunächst nur Newman, Tbe
Office and work of nniversities (London 1856) und die Uebersetzung von
Habers Werk. In Frankreich arbeitete man besser als anderswo. Der anonyme
Autor der Origo vera, auf den ich alsbald zu sprechen komme, bekämpfte
glücklich Du Boulays System, das jedoch Tillemont in seiner Yie de S. Louis
(par OanUe. Paris 1851) VI, 217 wider auf&ischte. In neuester Zeit wich
Thurot, De l'organisation de l'enseignement dans l'universit6 de Paris (Paris 1850
p. 3 £ 13 ff.) von Du Boulay ab, ohne ihn gerade zu bekämpfen und die
Schwierigkeiten zu lösen. Doch gelang es ihm nicht sich vollständig von
Du Boulay zu emancipieren (s. p. 18). Aus gelegentlichen Bemerkungen, die
Jourdain in den Noten zu seinem Index chronologicus macht, schliesse icb,
dass auch er von Du Boulay, wenigstens in Bezug auf die Stellung des
Rectors in der Universität, abweiche. Andere Autoren, wie Dubarle, La-
ferriöre, Halmagrand, Dezmas u. a. giengen aUerdings den bequemem be-
tretenen Weg. Vor Du Boulay urtheilte theilweise richtiger Goulet, der in
der (höchst seltenen) Schrift Compendium recenter editum de multiplici pa-
risienais universitatis magnificentia etc. (Parisiis 1516) Bl. 1 den Ursprung
zwar auf Karl den Grossen zurückführt, Bl. 3 b die 'arcium facultas omnium
aliamm basis, mater et nutriz' nennt, allein doch Bl. 2b die Zusammen-
setzung aus den vier Facultäten als die ursprüngliche ansieht.
Denifl«, Die ÜDiTenititeo I. 5
6g IL Entstehung der ältesten UniTersitäten.
Zarinbibliothek, an den Archives nationales, wo doch so viele
Originalien, darunter nicht wenige Inedita, welche Jourdain nicht
kannte^'), liegen, an der Nationalbibliothek zu Paris, im British
Museum, im Yaticanischen Archiv blieben fruchtlos. Und auch
Du Boulay konnte keine Documente beibringen; die er citiert,
handeln von etwas ganz anderm. Das erste das er anfuhrt, eine
Bulle Alexanders IV. vom 5. April 1259"), ist gegen jene
Magister und Scholaren gerichtet, welche wegen der Angelegenheit
Wilhelms von S. Amour sich von den Religiösen trennen und
diese von ihrer Gemeinschaft ausschliessen wollten. Wäre diese
Absicht nicht vereitelt worden, so hätte nicht die von Du Boulay
ausgedachte Organisation Platz gegriffen, sondern die Auf-
lösung der Universität, was die Magistri einige Jahre vorher,
wie sich weiter unten ergeben wird, offen anstrebten. Davon,
dass zuerst die Theologen, dann die Ganonisten und Mediciner
aus den Nationen ausgetreten seien, findet sich nirgends eine
Spur; es handelt sich vielmehr immer nur darum, dass gewisse
Magistri, besonders jene der Ai-tistenfacultät '®) , keine Gemein-
schaft mit den Mendicanten haben wollten. Dank der mächtigen
Stütze in Alexander IV. hatten diese Anschläge für die Mendi-
canten keine üblen Folgen. Unter demselben Datum schrieb der
Papst dem Bischof von Paris, er möge in Gegenwart der Magi-
stri alle seine bisherigen auf das Studium in Paris bezüglichen
Actenstücke vorlesen und die Magistri aufinerksam machen,
welchen Strafen sie sich aussetzten, namentlich, wenn sie irgend
eine Trennung anstrebten, ^cum intelligamus et velimus intelligi
huiusmodi separationem, quocunque nomine appelletur et quavis
arte vel ingenio fiat, contra ordinationem , sententias, statuta et
litteras nostras fieri et tcmere attemptarf **). Die Franciscaner
von Paris crmahnt er 24. Juni desselben Jahres, ^ut essent intre-
pidi et ferventer in pace conservanda atque studio, seque sua
^) Im Index chronologicoB chartanun pertinentiam ad hiatoriam nni-
▼enitatis Paris. Parisiis 1862.
«)III, 348.
»0) S. ibid. p. 351 1
^1) Im Nationalarchiv su Paris. L. 353 a 244. Von mir ediert in
dea Hemoires de Phistoire de Paris X, 2G3 t
2. Pari^ BildoBg der üniversitftt und der Facnlt&ten. 67
scripta dirigere contra turbatores pacis et studii eorundem' ^^).
Andere Bullen, die auf dasselbe hinzielten, kannte bereits Du
Boulay. So wird es begreiflich, warum 1260 in Paris wider alles
ruhig war.
Das andere Document, worauf sich Du Boulay beruft, sein
eigentliches Steckenpferd, worin der Rector et universitas magi-
strorum et scholarium den Dominicanern den Platz anweisen ^^),
gehört nicht in diese Zeit, sondern über ein Jahrhundert später
in die Epoche, als die Universität wegen des Dominicaners Jo-
hannes de Montesono verhandelte. Die Jahrzahl 1259 wurde von
Du Boulay eigenmächtig hinzugesetzt, wie bereits der anonyme
Autor der Origo vera, ein Zeitgenosse Du Boulays, nachwies ^^).
Ich trete nun den Nachweis an, dass obige Behauptungen auf
ähnlichem Irrthume und gedankenlosen Schlüssen beruhen. Was
sich hier nur kurz ausführen lässt, erhält im 3. Bande seine weitere
Begründung.
a. Bildung der Universität und der Facultäten.
Den wahren Sachverhalt über diese Frage erhalten wir aus
nicht wenigen gleichzeitigen Quellen. Vor allem bietet sich uns
die Littera Universitatis magistrorum et scholarium Parisius stu-
dentium vom J. 1254 dar. Es heisst darin, dass sich die ^sa-
^ Registriert im Repertorium seu inventariam eorum quae in ballis
sammomm pontificam in favorem totias Ordinis et potissimnm hujns conventns
(Parisiensis) concesBis continentur. Nationalarchiv zn Paris L. 941 n. 1. Die
Balle selbst konnte ich nirgends auffinden. Sie begann: Quantum sitanobis
pro quiete vestra. Anagnie 8. Kai. Jul. an. 5.
^) Bei Du Boulay p. 356. Jourdain, Index chron. n. 183. Ich kann
mich nicht enthalten hier ein interessantes Beispiel anzuführen zum Erweise,
wie oberflächlich Manche arbeiten. L. Stein, der Nationalöconom, macht
ans obigem Beschlüsse der Universität an drei SteUen seines Werkes (Die
innere Verwaltung 1. c. S. 278. 279. 282) 'ein pftpstliches Breye vom J. 1259',
und an den beiden letzten Stellen schreibt er es Alexander III. zu!
^) Der Titel heisst: Universitatis Parisiensis ejusque facultatum qua-
tuor origo vera. Der anonyme Autor ist ganz gegen Du Boulay, den er mit
Recht fabulator' nennt, gerichtet. Zwei Hss. existieren: NationalbibL 9943 und
Univers. bibL in Paris Ms. U. 1. 1. Ich citiere nach letzterer Hs. Obiger
Nachweis findet sich p. 726 iL Auch Jourdain n. 183 Hess sich durch Du
Boulay verfahren.
5*
68 n. Entstehung der ältesten Universitäten.
pientiae fons' zu Paris 4ii quatuor facultates vid. theologiam,
jurisperitiam, medicinam, necnon rationalem, naturalem, moralem
philosophiam quasi in quatuor paradisi flumina' theile. Die Pro-
fessoren dieser Facultäten, die wegen der wachsenden Schalerzahl
vermehrt werden mussten, 'ut liberius et tranquillius vacare pos-
sent studio litterali, si quodam essent juris speciali vinculo so-
ciati, corpus coUegii sive universitatis cum multis privilegiis et
indultis ab utroque principe sunt adepti'^^). Die Universität
gieng also ihrem eigenen Gestandnisse zufolge aus der Vereini-
gung der Magistri der vier Disciplinen (facultatum) hervor. Von
einer Vereinigung der Nationen, oder davon, dass diese die Uni-
versität gebildet hätten, spricht die Littera nicht.
Dieser Bericht wirft ein helles Licht auf andere Thatsachen
in der Geschichte der Universität Paris, die widerum umgekehrt
jenen erhärten. Aus obigem Berichte ergibt sich nämlich, dass
den eigentlichen Grundstock der Pariser Universität die Pro-
fessoren der verschiedenen Disciplinen bildeten, dass das ursprüng-
liche Bildungselement der Universität das Gonsortium magistrorum
war. Es gewährt Interesse, dass uns die Universität gerade in
dieser Gestalt am frühesten entgegen tritt. Thomas Walsingham
erzählt im Leben des 21. Abtes von S. Alban Johann! (1195 —
1214): Hie in juventute scolarum parisiensium frequentator as-
siduus ad electorum consortium magistrorum meruit attingere *^).
Dass zu diesem Consortium die Magistri aller Facultäten ge-
hörten, erfahren wir aus einem Schreiben Innocenz III. v. J. 1209
an die Professoren der Theologie, Decretorum et liberalium ar-
tium, worin er ihnen befiehlt, einen Magister artium, den sie
'beneficio societatis eorum in magistralibus' beraubt und dem
sie verboten hatten sich in Zukunft 'universitati magistrorum' zu
widersetzen, widerum ^communioni magistrorjim' zu restituieren
und zum ^consortium in magistralibus' zuzulassen^'). Solche
Stellen bedürfen keiner weitem Erklärung. Von nun an begegnen
^) Nach Cod. Yat. Reg. 406 (14. Jh.) Bl. 50 b. Da Boolay III, 255.
^) Gesta abbatnm monasterii S. Albani ed. Riley, I, 217.
87) Bei Da Boolay III, 60 f. Wir kommen weiter nnten auf dieses
Schreiben noch zu sprechen. Haber, Die engl ünivers. I, 42 Anm., hat
dasselbe gar nicht verstanden.
2. Paris. Bildung der üniTersität und der Facnltäten. 69
wir in den päpstlichen Schreiben Honorius in., Innocenz IV. und
Alexanders IV. oft den Bezeichnungen ^universitas doctorum',
^magistrorum coUegium', ^magistrorum consortium' etc. Albert
der Grosse aber sagt von sich: ^Dico igitor quod me existente
Venetiis cum essem juvenis . . . post autem longo tempore cum
essem Parisius de numero doctorum et grege' etc.'*).
Man denke nun aber ja nicht, dass dieses Consortium ma-
gistrorum dem Doctoren-GoUegium zu Bologna oder an manchen
andern italienischen Universitäten ähnlich war, an denen eben das
GoUegium doctorum ausserhalb und gegenüber der eigentlichen Uni-
versität entstand, so dass sich auch in Paris das genannte GoUegium
nur der eigentlichen Universität, den vier Nationen, gegenüber ge-
bildet hätte. Abgesehen davon, dass selbst in diesem Falle die
gegentheilige Ansicht unhaltbar wäre, indem sich auch daraus er-
geben würde, dass die Professoren nicht innerhalb der Nationen waren,
so erweist sich eine solche Annahme als irrig. Hätte sich nämlich
das GoUegium gegenüber den vier Nationen gebUdet, so würden
die Magistri der Artisten nie zu demselben gehört haben, da
sie, wie sich ergeben wird, zugleich den vier Nationen beigezählt
waren. Das GoUegium doctorum ist vielmehr der eigentliche
Grundstock der Universität Paris, nicht aber die vier Nationen.
Aber in welcher Weise war dieses GoUegium zusammenge-
setzt? BUdeten die vier Facultäten als Körperschaften und
Vereine der Magistri der vier Disciplinen die Elemente desselben,
oder nur die Magistri der verschiedenen Schulen, die zugleich
die Vertreter der vier DiscipUnen waren? Wer die erste Frage
bejaht, müsste zugestehen, dass bereits beim Entstehen der Uni-
versität die vier Facultäten bestanden hätten, was den geschicht-
lichen Thatsachen vollends widerspricht. Die Bildungselemente
der Universität waren ursprünglich nur die Magistri der ver-
schiedenen Schulen, oder wenn man wiU, die Magistri von vier
Disciplinen; die Facultäten als solche bUdeten sich erst später.
Aber auch die Behauptung Du Boulays und besonders Hubers,
bis ungefähr 1231 habe zwischen den einzelnen Disciplinen, be-
De mineralibus 1. 2 tr. 8 c. 1 nach Cod. Amplon. in 4. n. 273 Bl. 71a
(13. Jb.).
70 n. Entstehang der ftltesten Univenit&ten.
sonders den theologischen und artistischen, keine bestimmte
Gränze stattgefunden, beruht auf Irrthum. Die weitere Ent-
wicklung gehört in den 3. Bd. ; hier werde ich nur kurz darlegen,
wie die Facultäten entstanden sind.
Die eigentliche Universität bildeten die Doctoren der vier
Disciplinen, wie uns die Universität selbst sagt. Es ist nun
nicht weniger natürlich, dass sich innerhalb der Universität die
Lehrer einer gemeinsamen Disciplin unter sich vereinigten, als
dass im fremden Lande die Landsleute sich zusammenthaten und
Genossenschaften bildeten. Und gerade der Umstand, dass die
Magistri der vier Disciplinen unter einander verbunden waren,
musste umsomehr zur Facultätenbildung hindrängen. Die Ar-
tisten hatten sowohl für sich als für ihre Schüler ganz andere
Interessen und Bedürfnisse, als die Theologen, und diese andere
als die Artisten und Juristen u. s. w. Nichts war natürlicher,
als dass sich die Magistri einer gemeinsamen Disciplin nach und
nach vereinigten, um die Angelegenheiten, die sie und ihre Schüler
gleichmässig betrafen, gemeinsam zu regeln. Interessant ist nun,
dass bereits im J. 1213 die Magistri der vier Disciplinen ihre
Rechte bei Promotionen der Gandidaten dem Kanzler gegenüber
geltend machten, und zwar die Theologen in anderer Weise als
die Artisten u. s. w. "). Die Promotionsfrage war in Paris der
erste Schritt zur Facultätenbildung. Zwei Jahre darauf machte
der päpstliche Legat Robert de Gour<;^n für die Artisten in Paris
eigene Statuten, die verschieden von jenen von ihm für den
^Status theologorum' aufgestellten waren '^). Natürlich geschieht
keine Erwähnung von den Nationen. Nun beachte man aber,
dass die Artisten eigene Statuten hatten und sich nicht nach
^9) Bei Jourdain, Index chrono!, n. 15.
^) Unifersitätsarchiv zu Paris Ms. th. VII. Original mit Siegel an
Seidenschnnr. Ein schlechter Abdruck bei Du Boulay III, 81 f. Qleich
im Beginne befindet sieh ein crasser Druckfehler: NuUus legat Parisius de
artibus citra 12. aetatis suae annum. Den genialen Kirchenhistoriker Kurtz
bcschlich auch nicht ^in Zweifel an der Richtigkeit dieser Leseart, und er
ruft aus: 'A^o EwOllQ&hrige Docenten der Philosophie! Die Worte lauten
so klar und bestimmt, dass eine andere Deutung nicht möglich ist\ Baltische
Monatsschrift L c. S. 111 Anm. Schade, dass das Original sagt: . . . citra
vicesimum primum etatis sue annum.
2. Paris. Bildung der üniTersit&t und der Facultäten. 71
jenen der Theologen richten, und umgekehrt die Theo-
logen die ihrigen besassen, und nicht jene der Artisten befolgen
durften. Eines muss hier jeder zugeben, dass nämlich bereits
in jener Zeit innerhalb der Universität die Magistri je nach ihrer
gemeinsamen Disciplin unter einander durch dieselben Statuten
verbunden und gegenüber den Magistern einer andern Disciplin
abgegränzt waren. Ist das nicht der Anfang zur Facultäten-
bildung?
In jene Zeit fällt nun für Paris die Gewohnheit den Ausdruck
^facultas' im Sinne einer gemeinsamen scientia oder Disciplin
anzuwenden'*). Zuerst finde ich ihn in dieser Bedeutung von
Honorius III. am 18. Februar 1219 gebraucht in einem Schreiben
an die Scholaren von Paris, in dem er unter anderm sagt, der
Scholar, der einmal examiniert worden sei und die Licenz er-
halten habe, könne libere in ea de qua licentiam obtinuit regere
facultate' ''). Im selben Jahre am 3. Mai erscheint er widerum
in einem päpstlichen Schreiben: 4n omni facultate Parisius silet
vox doctrine"*). Auf eine bestimmte Wissenschaft wurde er
22. Nov. desselben Jahres in der Bulle Super specula bezogen:
docentes vero in theologica facultate '*)• Und nunmehr erscheint
er diirchgebends so. Am 1. April 1222 wurde er in diesem Sinne
widerholt schon von der Universität selbst gebraucht'*). Allein im
Jahre 1255 trifft sich der Ausdruck bereits in einer neuen Bedeutung.
Die Artisten sagen : Nos . . . magistri artium . . . propter novum
^1) Ich sage 'fUr Paris', denn vereinzelt kommt die Anwendung obigen
Ausdruckes in der genannten Bedeutung schon früher Tor, z. B. bei Peter
Bles. ep. 93 p. 292 (Migne Patrol. lat. tom. 207). Bisher war man gewohnt
auf Heumann, Praef. ad Gering. Antiqu. aead. p. XIY zu verweisen. Allein
damit ist wenig gedient. Ausser dem Citate aus Peter Bles. ist dort nichts
zu gebrauchen. Die Stelle aus Friedrich I. ist von Friedrich II., die Beru-
fung auf Innocenz lY. führt irre, da schon seit mehr denn 20 Jahren der
Ausdruck in obiger Bedeutung in Anwendung war. Und darüber, wann die
Bezeichnung im Sinne von Collegium zuerst gebraucht wurde, findet man bei
Heamann gar keine AnfOhlung.
9S) Reg. Yat. an. 3 ep. 308 Bl. 64 b.
»^) Ibid. ep. 445. Du Boulay III, 94.
9*) Beg. Yat. an. 4 ep. 610 Bl. 143 a.
9^) Bei Du Boulay p. 106.
72 n. Entstehung der ftltesten ünifersit&ten.
et inestimabile periculum quod in facultate nostra imminebat'^).
Im Jänner 1259 schreiben sie aber: Gonsiderantes, nostram facul-
tatem . . . frequenter subjacere periculis . . . jurent coram tota
facultate^'). Es ist doch klar, dass hier facultas nicht mehr im
Sinne von Wissenschaft sondern in der Bedeutung von Consortium der
Magistri einer gemeinsamen Disciplin d. h. im Sinne von Facultät
in unserer Auffassung angewendet wird"^). Aber nicht weniger
sicher ist es, dass der Ausdruck nicht erst jetzt in dieser Bedeutung
genommen wurde, sondern schon früher, und zwar nicht bloss
von den Artisten, sondern auch von den übrigen; denn die Ar-
tisten sagen ^nostra facultas' zum Unterschiede von den andern
Facultäten. Und nun erst erhält eine Stelle in einem Schreiben
des Cardinallegaten Otho vom J. 1247 in Bezug auf Paris ihren
Werth: Hortamur, quatenus universi et singuli terminis antiquis
scientiarum et facultatum quas posuerunt patres nostri (sint)
contenti'").
Daraus ergibt sich nun mit Bestimmtheit, dass bereits vor 1260
der Ausdruck ^facultas' (zuerst auf eine gemeinsame Disciplin
angewendet) von dem Consortium der Magistri einer gemeinsamen
Wissenschaft gebraucht wurde, dass mithin die Facultätenbildung
bereits vor 1260 vor sich gegangen war. Aber was hat sich denn
seit 1215 ereignet?
Die Magistri der einzelnen Disciplinen fiengen seit jener
Zeit an gemeinschaftliche Statuten zu machen, Versammlungen
zu halten; sie setzten fort, was sie schon früher gethan: in ihrer
Disciplin gemeinschaftlich zu prüfen, zu promovieren, die Pro-
movierten in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, Mitglieder auszu-
schlicssen u. s. w. Eine neue Grundlage hiefür wurde die im
J. 1231 von Gregor IX. erlassene Bulle Parens scientiarum, die
als die Magna Charta der Universität angesehen werden muss.
^) Cod. Tat. Beg. 406 BL 56 b. Da Boulay p. 280.
37) Cod. Vat. Beg. 406 BL 71 a.
^) Man kann nun Savignys Behauptung beorUieilen: 'Der Name fiBicultas
für ein Collegium von Lehrern desselben Fachs ist ziemlich neu'. Oesch.
des Bdm. Bechts III, 233 Anm. b. Nur auf Savigny beruft sich Ducange-
Henschel unter 'facultas'.
^) Bei D'Argentr^, Coli. jud. I, 1 p. 159.
2. Paris. Bildung der Universit&t und der Facultäten. 73
In ihr werden alle Facultäten einzeln für sich behandelt und
ihnen schliesslich die Vollmacht ertheilt ^constitutiones seu ordi-
nationes providas faciendi de modo et hora legendi et dispu-
tandi, de habitu ordinato, de mortuorum exequiis, nee non de
baccalariis . . . hospitiomm taxatione, seu etiam interdicto et re-
belies ipsis constitutionibus vel ordinationibus per subtractionem
societatis congrue castigandi' ^^^). Dass sich diese Vollmacht
nicht bloss auf die ganze Universität, sondern auch auf die Ma-
gistri der einzelnen Disciplinen erstreckte, haben besonders die
Artisten und Theologen klar an den Tag gelegt.
Im J. 1252 sagen die ^Doctores Parisienses actualiter in
theologia regentes', dass sie 'concorditer ordinaverunt', dass in
Zukunft 'religiosus aliquis non habens coUegium ... ad eorum
societatem nullatenus admittatur'. Ferner, ^ut singula religiöser um
coUegia singulis magistris actu regentibus et unica scola sint
contenta\ Schon früher (alias) sei inter doctores theologicos
verhandelt, und von ihnen concorditer verboten worden, ^ne ali-
quis baccalareus in theologica facultate promoveatur ad cathe-
dram nisi . . . saltem aliquos libros glossatos . . . legendo' etc.
Würde Jemand zuwider handeln, ^ei societatem suam tam in
principiis quam aliis penitus denegabunt', und jeder wider spän-
stige Baccalaureus ^a consortio magistrorum excludetur' ^°^). Im
Jahre 1253 beschliesst die ganze Universität, *ut de cetero nullus
in quacunque facultate magister ad collegium magistrorum vel
consortium universitatis admittatur, nisi prius in plena congrc-
gatione magistrorum vel saltem coram tribus magistris sue fa-
cultatis ad hoc specialiter deputatis juraverit, statuta nostra . . .
se observaturum' ^®*). Die plena oder generalis congregatio ma-
gistrorum hat zum Gegenbegriflf die Congregatio der Magistri
einer einzelnen Facultät oder einer Nation. Solche Versanmi-
lungen hielt die theologische Facultät bis 1260 nicht wenige.
100) Im Nationalarchiv zu Paris sind zwei Originale, L. 242 n. 76 (Blei-
siegel an Seidenschnur) und M. 257 c n. 5 (Siegel fehlt). Reg. Vat. Qreg.
IX. an. 5 ep. 23 BL 73 a.
101) Cod. Vat. Beg. 406 BL 54a. Bei Boulay p. 245.
los) Cod. Tat Reg. 406 BL 56a. Du Boulay p. 252. Das Original ist
im UniversitätsarchiT zu Paris, Ms. th. YIL
74 n. Entstehuog der ältesten UniTersit&ten.
Von einigen war soeben die Rede. Im J. 1241 verdammte der
Bischof V. Paris 'convocato concilio omnium magistrorum theo-
logie tunc Parisius regentium' 10 Irrthümer^®'). An der Talmud-
Untersuchung und Verdammung nahmen 1248 'omnes magistri
theologie et iuris canonici' Theil^^*); an den berühmten Ver-
sammlungen und Disputen über die Pluralitas beneficiorum in den
Jahren 1235 und 1238 aber nur wider die Theologen mit dem
Bischöfe^®*). Im J. 1247 bediente sich der Bischof bei Ver-
dammung des Johannes de Brescia und des Mag. Raymund eben-
falls des 'consilium magistrorum theologiae' ^*^*). Im Jahre 1253
hielten die Theologen eine Zusammenkunft, um über einen Beicht-
^os) Diese Irrthümer mit obiger Phrase findet man handschriftlich oft,
zumeist in Hss. der Sentenzen des Peter Lombardus oder der Summe des
hl. Thomas, verzeichnet. Ich notiere hier nur Cod. Burghes. 296. UniTcr-
sitatsbibl. zu Valencia (in Spanien) am Schlüsse der 1. pars Summae S. Tho-
mae. Eben dort in der Hs. T. I. 15 im Escorial. In Leipzig, UniT. Bibl.
n. 416 steht: Anno dorn. mccxIiii subscripti sunt articuli in presentia nni-
versitatis magistrorum theologie parisiens Aehnl. in Rouen, A. 263.
Auch Matth. Paris hat die Jahrzahl 1243 (Chron. mal. ed. Lnard, IV, 280).
Das Factum erwähnt ebenfalls der hL Bonaventura in 2. sent. dist. 23 n. 2 qu. 3,
wo es hcisst : ab universitate magistrorum Parisiensium. In den meisten Hss.
z. B. Burgo de Osma (13. Jh. nicht numeriert), Archiv de la Corona de Aragon
unter den Hss. von RipoU n. 33 fehlt hier die Jahrzahl, allein in der Nationalbibl.
zu Neapel (YII. c. 12) steht die gewöhnliche uccxl in octava Epiphanie, d. i.
also nach damaliger Rechnung 1241. 'De consilio magistrorum tunc existen-
tium Parisius' bietet Wilhelm de Falgar in seinen Quaestionen (Arsenalbibl. in
Paris n. 457 BI. 24a). In dem zu Avignon 1256 abgehaltenen Capitel der
Dominicaner der Provence heisst es : Isti sunt errores condempnati Parysius
ab cpiscopo paris. et magistris theologie regentibus Parysius uccxl. God.
273 zu Toulouse Bl. 291a. S. noch D'Argentr^. Coli. jnd. I, 1 p. 158. 186.
^^) Cod. Paris. 16558 Bl. 234 f. D'Argentr6 1. c. p. 155. Dort findet
mau auch ihre Namen aufgezählt. Vgl. auch Quetif-Echard, SS. Ord. Pracd. I,
166. Dies war jedoch nicht bloss 1248, sondern schon früher, n&mlich unter
Gregor IX., der Fall, wie aus dem Schreiben des Cardinallegaten (Quetif-Echard,
p. 128) und aus der Bulle Innocenz lY. vom 9. Mai 1244 (Reg. Tat an. 1
ep. 681) hervorgeht.
105) So Thomas de Cantimpre, De apibus Üb. 1 c. 19 § 5. Ich verglich
die Stelle mit dem Cod. Vat. 4846 Bl. 17a. Univers. Bibl. in Bologna n. 1674
Bl. 14 a; Cod. Paris. 3585 Bl. 14b. Im zuerst genannten Jahre waren *onmes
magistri theologie' zugegen, im J. 1238 'quam plures magistri theologie'.
10«) D'Argentr6, 1. c. p. 159.
2. Paris. Bildung der Universität and der Facult&ten. 75
casus ^^'), im J. 1259, um über das Beichtprivileg der Mendicanten
zu berathen^®*).
Wie mit den Theologen so verhält es sich auch mit den
Artisten. Im J. 1244 machten sie gemeinsam Statuten über die
Lectionsordnung^^'). Im J. 1254 fasste die universitas magi-
strorum artium ein Statut ab gegen Jene, welche nicht beitragen
wollen die gemeinsamen Auslagen zu bestreiten ^^^). Im darauf
folgenden Jahre bestimmten omnes et singuli magistri artium de
communi assensu, was und in welcher Ordnung in ihren Schulen
vorgelesen werden sollte ^^). Weitere Statuten folgten *de com-
muni assensu magistrorum nostre facultatis' im J. 1259^").
Von den zwei übrigen Facultäten, den Decretisten und Me-
dicinern, weil damals noch ohne jene Wichtigkeit wie die Theo-
logen und Artisten, ist weniger bekannt.
Interessant ist ferner, dass sich eine Facultät nicht in die
inneren Angelegenheiten einer andern mischen durfte. Klar erhellt
dies aus einem Schreiben Alexanders IV. vom 19. Juli 1259 an
den Bischof von Paris, worin er ihm aufträgt den Artisten unter
Excommunication zu verbieten sich ^de faciendis et corrigendis
sermonibus et licentiandis iis qui incipiunt in theologica facul-
tate' einzumischen, da sie doch früher nicht gewohnt waren es
W7) Quetif-Echard, SS. Ord. Praed. I, 109. Dort citiert er auch hiefür
Hannibald de Hannibaldis in 4. Sent. für diese Ansicht, wo zugleich stehe, dass
nebst den Theologen auch die Juristen zugegen waren, und 'omnes predicti
magistri apposuemnt sigilla sua uno ezcepto'. Allein die Stelle fand ich
nicht im genannten Commentar, und dürfte von einem andern alten Commen-
tator sein.
108) Dies berichtet der Dominicaner Johannes de S. Benedicto in einem
1288 gehaltenen Sermon: Super isto casu quidam congregavit magistros in
theologia Parisius, inter quos fuit fr. Thomas de Aquino, et indicaverunt
hanc dogmatizationem (dass nämlich die Mendicanten die Erlaubniss a sa-
cerdote parochiali einholen müssten) erroneam et miserunt pro hac ad cu-
riam tempore Alexandri IIII. En sagt es sei im 5. Pontificatsjahre geschehen.
Cod. Paris. 3120 Bl. 36 &
i<») Cod. Vat. Reg. 406 Bl. 53 a. Bei Du Boulay p. 194.
ii<^) Jonrdain 1. c. n. 108.
^ Cod. Tat. Beg. 406 Bl. 56 b. Du Boulay p. 280.
ii<) Cod. Vat. Beg. 406 Bl. 70 b. Bei Du Boulay p. 347. 350.
76 n. Entstohong der ältesten Universit&ten.
zu thun, und sie möchten 'de talibus tanquam de rebus ad se
non pertinentibus' abstehen"').
Zudem darf nicht vergessen werden, dass von den Statuten
der einzelnen Facultäten die Statuten der ganzen üniversitas
magistrorum et scholarium, die für alle Facultäten bindend waren,
genau unterschieden werden. Ein solches Statut erwähnt im
J. 1209 in einem Schreiben Innocenz HI."*). Am 27. März 1229
bestimmte die ganze Universität, dass wenn ihr nicht innerhalb
eines Monats Gcnugthuung widerfahre, sie die Stadt verlasse
und es keinem Magister und Scholar erlaubt sein solle, sich causa
studii in Paris aufzuhalten"^). Allgemeine Statuten datieren auch
aus den Jahren 1245, 1251 und noch mehr aus den spätem"*).
In den Jahren 1247 und 1254 bestätigte Innocenz IV. die Sta-
tuten, die einige von der Universität dazu Deputierte gemacht
hatten"^). Ausserdem wurden schon damals die Facta der ein-
zelnen Facultät als Facta der ganzen Universität angesehen, was
sich besonders deutlich beim Streite der Theologen mit den Men-
dicanten zeigte"^). Der Ausschluss der zwei Magister des Do-
minicanerordens aus der theologischen Facultät wurde als Aus-
schluss aus der ganzen Universität angesehen.
Bei solcher Sachlage nimmt es nicht Wunder, wenn nach
und nach die Bezeichnung eines wissenschaftlichen Faches auf
die Gesammtheit der Lehrer jener gemeinsamen Disciplin über-
tragen ward, ähnlich wie früher der Ausdruck 'Studium' mit der
Zeit auf den Ort des Studiums angewendet wurde. Dass sich
aber innerhalb der Universität solche Consortien von Lehrern,
11^ Nationalarchiv zu Paris L. 253 n. 245. Yen mir ediert in den
Memoires etc. p. 264 f. Schon 1247 ermahnte der Cardinallegat Otho die
UniTersit&t, *qaatinus unifersi et singuli terminis antiqais scientiarum et fa-
cultatum quos posueront patres nostri (sint) content!. S. o. S. 72.
"«) Bei Du Boolay III, 60.
11&) Unifersit&tsarcliiv zu Paris. Ms. th. lY. S. Jourdain n. 30.
116) Bei Da Boulay p. 195. 240. Es ist hier nicht nothwendig, die spä-
tem aufiBuz&hlen.
117) Jourdain n. 78 (Berger, Begistres etc. n. 2455); Jourdain n. 110.
HS) So bestätigte z. B. 1252 die Üniversitas ansdracklich das Statut
der Theologen desselben Jahres. S. bei Du Boulay p. 245; unten Ann. 133.
2. Paris. Bildang der Universität und der Facnltäten. 77
d. h. Facultäten, gebildet hatten, und zwar lange vor 1260, kann
jetzt nicht mehr geläugnet werden, denn wir finden die Gesammt-
heit der Magister einzelner Disciplinen mit den autonomen Rechten
von Genossenschaften ausgestattet, sie halten unabhängig von
andern gemeinschaftliche Versammlungen , machen selbständig
Statuten u. s. w. Allerdings vermisst Du Boulay bei ihnen den
Besitz von Decanen und eines eigenen Siegels"®). Was nun den
Decan betrifft, so konmien wir weiter unten darauf zu sprechen.
In Bezug auf das Siegel genügt aber die Bemerkung, dass auch
die Universität lange Zeit kein Siegel hatte, und nachdem sie
endlich (1225) 1—2 Jahre im Besitze eines solchen gewesen war,
entbehrte sie desselben wider über 20 Jahre und erhielt es dann
Dur mit Bewilligung des Papstes"®). Und doch kann nur der-
jenige, der mit geschlossenen Augen die Geschichte betrachtet,
läugnen, dass die Universität in Wahrheit eine Genossenschaft
war. Du Boulay hat es wie viele moderne Forscher nicht ver-
standen, das Mittelalter aus sich heraus aufzufassen und sich zu
hüten, moderne Anschauungen in dasselbe hineinzutragen. Uebrigens
sehlägt sich Du Boulay selbst fortwährend. Ihm zufolge sollen
die Theologen erst c 1260, jedoch früher als die Decretisten und
Mediciner, eine Facultät gebildet haben. Nun kamen aber die
Theologen erst nach diesen in den Besitz eines Siegels. Wie
stimmt dies zu Du Boulays Behauptung?
Doch war nicht am Ende die Universität identisch mit den
vier Nationen, die vielleicht die integrierenden Theile jener ge-
bildet haben, so dass auch die Facultätenbildung nur innerhalb
der vier Nationen statt hatte, zu^^nen eben auch die Magistri
gehört hätten?
Von einer Identität der vier Nationen mit der Universität
kann schon deshalb keine Rede sein, weil in diesem Falle die
Gewalt bei den Nationen gelegen wäre, also bei den Scholaren
und den. Magistri artium. Allerdings sagt dies Du Boulay"^);
119) SteiD, Die innere Yenraltang etc. S. 278 schreibt alle diese Miss-
Verständnisse ab.
^^) S. in den M^moires etc. p. 253 f.
1^) So besonders in seinem Abr6g6 de l'histoire de l'aniversit^ de Paris
78 II. EntstehoDg der ältesten UniTerdtäten.
allein dagegen sprechen alle bisher aufgeführten Thatsachen.
Ihnen zufolge lag die Gewalt bei den Magistri, resp. bei den
Facultäten. Dadurch schon wird die Behauptung, die Artisten hätten
die alte Universität gebildet, und der willkürliche Satz, 'universi-
tatem fundatam esse in artibus', der im ganzen Mittelalter nicht
ausgesprochen wurde, widerlegt.
Auch dieser Ausweg, dass die Gesammtheit der Magistri zu
den Nationen gehört hätten, hilft nichts, wie ich apodictisch
nachweisen will.
In dem Acte, den einige Bischöfe über das Uebereinkommen
zwischen der Universität und den Dominicanern am L. März 1256
aufsetzten, wird die Universität von den Nationen universorum
scholarium strenge geschieden"'). Dass dies kein Uebersehen,
sondera in der Natur der Sache begründet war, wird durch
folgenden Beweis klar. Im Jahre 1225 hatte die Universität
bereits ein Siegel; denn in diesem Jahre zerbrach es der Cardi-
nallegat Roman"'). Sie erhielt nachher erst 30. October 1246
von Innocenz lY. wider die Erlaubniss auf sieben Jahre ein solches
zu führen"*). In der Petition gab die Universität als Grund
an, dass, wie Innocenz IV. sie anredet, ^pro (sigilli) defectu di-
versa incommoda sepissime sustinetis, dum privata et ardua vestra
negotia cum queritis alieni sigilli remedium veniunt in notitiam
aliorum'. Der Papst ermahnt sie aber, dass ^sine vestre univer-
sitatis aut maioris partis regentium magistrorum assensu nulle
littere sigillentur\ Am 30. Mai 1252 erneuert der Papst diese
Erlaubniss mit denselben Worten auf weitere 10 Jahre"*). Die
Universität als solche besass jilso ein Siegel; jedes andere galt
p. 31 ff.: 4es nations sont les premiers et seales compagnies, qui ont goa-
Tcni6 l'uni versitz jusques ä 1260 ou environ'. Aehnlich Defense des droits
de l'aniTersit^ de Paris, de son recteur et de ses qoatre natlons. Paris 1657.
Bezeichnend ist, dass die Autoren für ihre Ansicht eigentlich nur eine Auto-
rität, den sp&ten Belferest, besitzen, der die Frage gar nicht studiert hatte.
i>S) Bei Da Boolay p. 296.
i>') ChroD. Taren, bei Martine - Durand, Ampi. coli. V, 1067. Vgl.
auch Ann. de Danstapl. ed. Lnard, p. 68.
"*) S. Anm. 120.
1*^) S. Mömoires etc. p. 245 n. lY. und Joordain a 94.
2. Paris. Bildung der UniTersität und der Facult&ten. 79
ihr als 'alienum', und sie fürchtete bei Gebrauch eines solchen
für die Offenbarung ihrer geheimen Angelegenheiten. Nun besass
aber auch jede der vier Nationen wenigstens schon 1249 ein
eigenes Siegel"*). Waren nun die Siegel der vier Nationen
identisch mit jenem der Universität? Wenn die Ansicht die ich be-
kämpfe, im Rechte ist, dann waren das Siegel der Universität und
jenes der vier Nationen eins und dasselbe. Allein dem widerspricht
einmal der Wortlaut: die Universität erhielt 6in Siegel, während
die vier Nationen vier Siegel hatten"'). Dem widerstreitet die
Geschichte; denn in der That ist das üuiversitätssiegel verschieden
von jenen der vier Nationen"*). Endlich lehrt uns dies die
Universität selbst. Im Jahre 1255 löste sich nämlich dieselbe
der Dominicaner wegen auf. Die ^singuli magistri et scholares
omnium facultatum' sagen nun im Schreiben an den Papst, dass
sie alle aus der communio et societas ausgetreten seien, 4psius
universitatis beneficiis et privilegiis renunciantes expresse . . .
renunciando jure nostro'"®). Auch der Dominicaner-General
Humbert sagt, die Magistri hätten sich 'ab ipsius universitatis
coUegio' geschieden, und 'novam quandam societatem, nomine
universitatis verbotenus extincto, pariter inierunt' ^"). Dasselbe
wird durch die Worte Alexanders IV, bestätigt"^). Das Acten-
1*6) Das im obigen Jahre ausgefertigte Actenstück aber die Rectors-
wahl wurde gesiegelt 'quatnor sigillis nationnm'. Cod. Vat. 406 Bl. 16. Du
Bonlay p. 222. In der Begel lautet sonst die Phrase: sigillis quatuor na-
tioQBm.
127 j YfiQ oben, so war auch im J. 1225 nur von 6inem Universitäts-
siegel die Bede: üniversitas ... sigillo universitatis negotia sigillaret. Ghron.
Turon. 1. c. Von den vier Nationen hatte aber jede ein Siegel. An der
Urkunde vom J. 1253 (1254) bei Jourdain n. 108 sieht man noch jetzt (Uni-
Tersit&tsarch. Ms. th. IV. 18) die vier Stellen, an denen die Siegel der vier
Nationen Mengen.
^^) S. den Abdruck der Siegel der Universität und der vier Nationen bei
Yallet de Yiriville, Histoire de Finstruction publique en Europe (Paris 1849)
p. 129 ff. S. auch DouSt D'Arcq, Collection de sceaux, I, 2 n. 8015 ff.
«») Cod. Vat. Beg. 406 Bl. 44 ff. Bei Du Boulay p. 288 ff.
iso^ So in dem noch nicht pnblicierten Schreiben Humberts aus dem
Jahre 1256 im Archiv zu Dijon, H. 221, dort falsch dem Qeneral Johann
von Vercelli zugeschrieben.
1^) In seiner am 10. December 1255 erlassenen Bulle kommt er auf
80 II* Entstehung der ältesten Universitäten.
stück unterschrieben die Magistri aber so: Nos autem magistri
et auditores omniain facultatum magistris fratribus et eorum au-
ditoribus dumtaxat exceptis, quoniam sigillum commune uon
habemus utpote ab universitatis coUegio separati, sigillis quatuor
nationum ab antiquo Parisius distinctarum in hac littera usi su-
mus^"). Die Magistri sagen also, sie könnten das Universitäts-
siegel, weil aus der Universität ausgetreten, nicht mehr benützen,
und sie bedienten sich daher der Siegel der vier Nationen. Als
die Magistri als Universität handelten, gebrauchten sie nicht die
Siegel der vier Nationen, sondern das Universitätssiegel, wie offen
aus den Documenten vom J. 1252 und 1254 hervorgeht"**). Es
ist also klar, dass das Universitätssiegel verschieden war von
jenen der vier Nationen, und in Consequenz waren diese nicht
die integrierenden Theile der Universität. Ja während letzere sich
auflöste, existierten die vier Nationen als solche noch fort. Es
ist geradezu unbegreiflich, dass man so wichtige Documente nicht
beachtet oder nur oberflächlich gelesen hat.
Aber auch die Artisten waren ursprünglich als Facultät nicht
identisch mit den vier Nationen. Sie waren einmal bei Ausferti-
gung des eben genannten Actenstückes zugegen. Humbert er-
wähnt sie namentlich. Als im J. 1255 diese Facultät ihre Stu-
dienordnung publicierte, gebrauchte sie die Siegel der vier Nationen
'consensu earundem' "*). Sie waren also nichts weniger als iden-
tisch mit den vier Nationen. Das Jahr vorher siegelte dieselbe
Universitas magistrorum artium ein anderes Document mit den
das Factum zu sprechen, bemerkt aber, dass die Magister ihren Zweck doch
nicht erreichten, 'cum universitatis nomine . . . intelligamus et velimus in-
teUigi omnes magistros et scolares commorantes Parisius cuinscunqne socie-
tatis seu congregationis ezistant*. Original im Qeneralarchiv des Domicaner-
ordens. S. Bull. Ord. Praed. I, 291 n. 51, und Nationalarchiv zu Paris,
L. 249 n. 59.
^^) S. bei Du Boulay p. 292.
^^) In dem ersten heisst es: Hanc autem ordinationem Universitas ap-
probavit et sigilli sui munimine roboravit (Du Beul. p. 245). In dem andern:
Hanc autem ordinationem . . . sub nostri sigilli munimine fccimus roborari
(Du Boul. p. 253).
IM) Bei Du Boulay p. 281. Selbst er musste dies a. a. 0. zugestehen.
2. Paris. Bildung der Universität und der FacuUäten. gl
Siegeln der vier Nationen^")- Damals hatte eben noch keine
Facultät ein eigenes Siegel. Allein das Factum erweist, dass die
Artisten als Facultät zwar innerhalb der Nationen, aber nicht
identisch mit denselben waren.
Dass die Universität verschieden von den Nationen war, er-
gibt sich auch aus dem Schenkungsacte der ganzen Universität
vom J. 1222 an die Dominicaner von S. Jacob in Paris. In
diesem Acte führt sich die Universität zum ersten Male als Nos
universitas magistrorum et scholarium ein. Die Universität tritt
an die junge DominicanergrQndung alle Bechte ab, die sie auf
den Platz von S. Jacob vor der Kirche S. Etienne hatte. Wenn
irgendwo, so hätten in einem solchen Acte die vier Nationen
genannt werden müssen, wären diese die Universität gewesen,
hätten sie dieselbe constituiert. Aber von den Nationen keine
Silbe, während die von der Universität den Dominicanern aufer-
legten Verpflichtungen nur ^magistris et scolaribus', besonders
aber den ^magistris cuiuscunque facultatis' zu Gute kommen
sollen. Stirbt ein Magister irgend einer Facultät, ^qui in officio
regendi decesserit Parisius', so sollen die Brüder für dessen Seele
dieselben Verpflichtungen haben wie für die eines verstorbenen Mit-
bmders. Erwählt aber ein Magister bei ihnen den Begräbniss-
platz, dann ^si fuerit theologus, sepelient eum in capitulo suo,
si autem alterius facultatis, in claustro'.
Aber wird dieser Schenkungsact der Universität nicht wenig-
stens mit den Siegeln der vier Nationen versehen? Nein, 'pre-
sentem paginam sigillis magistrorum theologie fecimus roborari'.
Noch heute sieht man am Originale drei Pergamentstreifen, an denen
die Siegel gehangen haben ^'*). Die Universität hatte eben damals
noch kein gemeinschaftliches Siegel, und beauftragte daher die Ma-
^ Bei Jourdain n. 108. Allerdings sagt der Act gegen den Kanzler
Philipp de Thor! vom J. 1283<-1284, die Artisten h&tten seit undenklichen
Zeiten das Siegel der Nationen gebraucht. Was aber von diesem Acte zu
halten sei, werden wir bald sehen.
^) üniversitätsarchiT zu Paris, Ms. th. VI. Nur 6in Siegel ist theil-
webe erhalten. Jourdain ist zu n. 23 ungenau. Den Text s. bei Du Boulay
p. 105 1 Die Reflexionen Du Bonlays p. 106 beweisen, auf welch schwachen
Füssen seine Behauptung beruht.
Deoifle, Dm UnirenitAten. L 6
32 II- Entstehnng der iltesten ümYersititen.
gistri der ersten Facoltät, der theologischen, ihre Privatsiegel zu
gebrauchen. Aber warom nahm denn die Uniyersität nicht
die Siegel der yier Nationen? Weil diese nicht die Universität
waren. Oder wird man sagen, die vier Nationen seien eben
auch noch nicht im Besitze ihrer Siegel gewesen? Allein, damit
wäre nichts gewonnen, denn die Universität erhielt bald darauf ihr
Siegel, sonst hätte es nicht schon 1225 auf Betreiben des Kanzlers,
der sich in seinen Rechten verletzt sah, durch den Cardinallegaten
Roman zerbrochen werden können. Die Universität als solche hätte
also früher als die vier Nationen ihr Siegel erhalten. In dem
einen wie in dem andern Falle ergibt sich, dass die vier Nationen
nicht die Universität waren.
Wurden femer Mitglieder aus der Universität ausgeschlossen,
so handelten dabei niemals die Nationen, sondern nur die Ma-
gistri. So geschah es bereits im J. 1209^''), so im J. 1238, wie
wir aus einem bisher nicht bekannten Schreiben Gregors IX. vom
4. Juni jenes Jahres erfahren. Die Magistri schlössen jene aus,
welche sie wollten. Der Papst rügt nur ihre Willkür, und dass
sie theilweise in die Rechte des Bischofs eingegriSien hätten^'*).
Nicht weniger erhellt diese Thatsache aus dem Universitätsstreite
mit den Mendicanten, wie wir im weitem Verlaufe des Werkes
sehen werden.
Von selbst richtet sich nun ein Bericht des Johann von
5. Victor in seinem Memoriale historiarum"'), auf den sich
137) Du Boulay III, 60 f.
^®) Reg. Vat. an. 12 ep. 137 Bl. 27 a: Parisiensis episc. conqaestio
continebat, qnod magistri et scolares Parisienses pretextu cuiasdam in-
dalgentie quam a sede apostolica se obtinnisse proponant (s. oben S. 73)
ut vid. priTare possint beneficio societatis sne eos qui rationabilibas consti-
tutionibus et ordinationibus suis presumpserint contraire . . . Preterea cum
idem (episcopus) cancellaria parisicnsi vacante sit in possessione vel quasi
licentiandi provectos ad officium magistratus, prefati magistri ei super hoc
se indcbite opponentes quosdam scolares rationabiliter licentiatos ab ipso ad
docendum pro sue voluntatis arbitrio non admittunt, scolares suos subtra-
hentes eisdem, ac insuper scolares ipsos et magistros, sub quibus licentiari
ittceperunt predicti, a societate sua exdudunt etc.
139) Cod. Paria. 4948 Bl. 269a.
2. Paris. Bildang der Universität und der Facultäten. g3
Du Boulay beruft""), wonach 1231 *tota universitas quatuor
nationum decrevit, quod a lectionibus cessarent'. Ich kann sogar
nachweisen, wie dieser Bericht des 100 Jahre später lebenden
und hier nicht verlässlichen Autors"^) entstanden ist In dem
oben"') citierten Actenstiicke vom 27. März 1229 bestimmen die
*Provisore8 ab universitate', dass eventuell die Vorlesungen all-
gemein eingestellt werden sollen. Johann von S. Victor ver-
wechselte nun die Provisores mit den Procuratores der vier
Nationen, und glaubte daher, der Beschluss sei von den vier
Nationen ausgegangen. Allein hätten hier die vier Procuratores
der Nationen gehandelt, so wäre das Actenstnck nur mit den
vier Siegeln der vier Nationen gesiegelt worden. An demselben
sieht man aber heute noch 13 Pergamentstreifen, welche die Siegel
der Provisores trugen"'), ein Zeichen dass letztere von den Pro-
curatoren der vier Nationen gänzlich verschieden waren"*).
140) Eist. uniy. Paris. III, 563 f.
^*^) So sagt er unter anderm: Decretum qnoque est ab omnibns, nt
stadiam in Britanniam apud Nannetum transferretur; comes enim Britanoie
promittebat omyersitati xnultas curialitates et plnra beneficia quam Parisius
se facturum. Rex autem francorum hoc comperto, habito consilio cum bonis^
fecit emendari bene et sufficienter a civibus quod fuerat forefactum, et sie
lectiones sunt resumpte. Cod. Paris. 1. c. Nach Johann von 8. Victor wäre
also das Stadium kaum unterbrochen worden, während doch nahezu zwei
Jahre ein grosser Theil der Professoren abwesend war. Auch handelte es
sich nicht um Nantes, wohin man ziehen wollte oder hinzog, sondern, wie
wir weiter unten sehen werden, vorzüglich um Angers und Orleans. Nantes
wird nie genannt. Ferner war damals der König resp. die Königin nichts
weniger als geneigt die Ordnung widerherzustellen. Endlich Wlt das Factum
nicht in das Jahr 1231, sondern 1229.
1^) S. oben Anm. 115.
^^) Das Docoment trug 21 Siegel, an 8 Stellen sind die Pergament-
streifen verschwunden. Von den Siegeln selbst existieren nur an einzelnen
Streifen noch üeberbleibsel. Jourdains Bemerkung zu n. 30 ist ungenau.
1^) Du Boulay scheute auch nicht vor Erfindungen zurück seine
These zu beweisen. Zum J. 1281 (p. 456 f.) berichtet er von dem damals
Msgebrochenen Streite zwischen den Picarden.nnd Engländern, und bei dieser
Gelegenheit erdichtet er ein vollständiges Zwiegespräch zwischen beiden, worin
oatfirlich aach die Phrase *de prima academiae Parisiensis fundatione et com-
positione ex nationibus' nicht fehlen durfte.
6*
84 n. Entstehang der ältesten Uni?er8it&ten.
Der nächste Abschnitt wird jedoch hoffentlich diese Frage
in ihrem Wesen für immer abschliessen.
b. Alter und Charakter der Hationeneintheilnng in Paris.
Sind denn aber die vier Nationen an der Hochschule zu Paris
so alt? Datiert die Gruppierung in die vier Nationen Gallicorum,
Picardorum, Normannorum und Anglicorum aus so früher Zeit?
Was waren denn eigentlich diese Nationen, wie haben sie sich
gebildet, und wie verhalten sie sich zu den vier Facultäten?
Die vier Nationen treten zum ersten Male in der Form
einer gemischten Scholarenverbindung auf, zu der die Scholaren
und die Magistri artium gehörten. So lernen wir sie im J. 1249
kennen. Für die Zeit vor diesem Jahre lassen sich nur aus
andern Thatsachen Schlüsse ziehen. Klärende Documente für
jene Epoche existieren absolut nicht. Das angebliche Concordat
der vier Nationen über die Wahl des Rectors vom J. 1206,
dessen Du Boulay erwähnt^^'), ist identisch mit jenem vom J. 1266,
wie bereits der Autor der Origo vera nachgewiesen hat"*). Seit
zwei Jahren Hess ich diesen Punkt nicht aus den Augen; allein
es war mir unmöglich für die frühere Epoche ein Document
irgendwo aufzutreiben. Sehen wir also, ob wir sonst zu einiger
Klarheit über die Entwicklung der Pariser Scholarenverbindung
gelangen.
Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass sich ursprünglich die
Scholaren nach ihren verschiedenen Nationalitäten gruppierten,
ohne dass daran die Professoren sich betheiligt hätten. An sich
ist es schon natürlicher, dass die Gruppierung nach Landsmann-
schaften zuerst unter den Scholaren sich vollzog. Sie waren
am zahlreichsten und am fremden Orte zugleich am meisten
des gegenseitigen Schutzes bedürftig. So finden wir in der
That, dass sich, soweit wir Kunde davon haben, auch an andern
Universitäten die Scholaren und nicht die Professoren nach Na-
^^) Hist. ani?. Paris. II, 662; in, 31. Sarigny nnd die meisten andern
haben es Du Boulay harmlos Dachgeschrieben.
^M) Selbst GreTier hielt es fOr sicherer sich nicht aaf dasselbe in be-
rufen. Hist de Vuniyersit^ de Paris, l, 294 Anm. YII, 117.
2. Paria. Alter und Charakter der Nationeneintheilimg. 85
tionen schieden, z. B. in Bologna, Vicenza, Padua, Vercelli, Le-
rida u. 8. w.
Davon aber, inwieweit und wie die Scholaren in Paris in
jener Zeit organisiert sein mochten, findet sich nicht die geringste
Spur. Mit Bestimmtheit lässt sich bloss sagen, dass sie an der
Wende des 12. Jhs. noch keineswegs in vier Nationen abgetheilt
waren. Heinrich II. von England spricht im J. 1 1 69 auf Grund
einer Zusammenkunft mit dem Könige von Frankreich von ^galli-
cana ecclesia partes suas interponente seu scolaribus diversarum
provinciarum aequa lance examinantibus'^^^). Ist es einerseits
ungewiss, ob hier bloss die Scholaren von Paris verstanden
wurden, so ist es andererseits gewiss, dass, selbst wenn von
den Pariser Scholaren die Bede ist, in der Stelle auch nicht der
geringste Anhaltspunkt fOr eine Eintheilung derselben in vier
Nationen sich findet. Ich begreife nicht, wie Jourdain auf Grund
dieser Stelle behaupten konnte: perantiqua est scholarium dis-
tribntio in quatuor nationes^^'). Wenn er sodann diese Ein-
theilung in der menschlichen Natur begründet findet, so antworte
ich, dass es wohl natürlich war, dass sich die Scholaren nach
ihren verschiedenen Nationen und Provinzen gruppierten, nicht
im geringsten aber, dass sie sich gerade in vier Nationen ab-
theilten. Und nur darum handelt es sich hier. Philipp August ^^^)
and Roger von Hoveden wissen auch noch nichts von vier Nationen,
obgleich, wie wir sogleich sehen werden, den Worten des letztem
zufolge wenigstens die clerici teutonici in irgend einer Weise
zusammenhielten. Jacob de Yitry gruppiert die Scholaren nach
H7) Bei Da Boalay II, 364.
i4B^ Index chronologicas p. lY.
^^ Stein, Die innere Verwaltang etc. S. 258 sieht in dem Acte Phi-
lipp Angosts Yom J. 1200 nicht bloss Nationen erw&hnt, sondern auch den
Beschloss des Königs 'ans den nationes, die sich zu Genossenschaften schon
froher vereinigt hatten, jetzt rechtsprechende Körperschaften zn machen,
indem dieselben autorisiert wurden, sich jetzt ihre Anwälte, die Procuratores,
selbst zn w&hlen, das Haupt derselben, den Bector, einzusetzen' u. s. w. Ein
prftchtiges Beispiel Yon modemer Geschichtsbehandlung t Nicht 6in Jota findet
sich im königlichen Acte. S. das Document in den M^moires de l'histoire
de Paris X, 247.
gg IL Entstehung der ftltesten üniTenitäten.
12 verschiedenen Nationen, und, ^as bezeichnend ist, nennt
nicht die Picarden, die doch nach der Eintheilung in vier Na-
tionen einer derselben den Namen gaben*"). Dies ist ein neuer
Punkt in der ganzen Frage. Bereits Fauchet hat bemerkt, dass
die Bezeichnung Ticardia' ziemlich jung sei ^"), was der Special-
forscher über die Picardie, der Mauriner Dom Grenier*"), be-
stätigt. Erst im 13. Jh. habe man angefangen sie öfters zu
gebrauchen.
Folgerichtig erfährt man auch nichts von vier Procuratoren
der vier Nationen, im Gegentheile kann man mit Bestimmtheit
nachweisen, dass Anfangs des 13. Jhs. solche noch nicht exi-
stierten. Als der Streit zwischen den Scholaren und dem Kanzler
ausgebrochen war, wandten sich erstere an Innocenz lU. mit der
Bitte einen Procurator haben zu dürfen, was der Papst gewährte"').
Dies beweist einmal, dass sich die Scholaren noch keineswegs
als Corporation oder Corporationen constituiert hielten. Aus-
drücklich bestätigt dies der Zeitgenosse Johannes Teutonicus,
die päpstliche Decretale commentierend: Dubitationis causa hec
fuit, quia scolares non videntur constituere universitatem, cum
jus universitatis non sint a principe consecuü^O* Wären die
ifiO) Bist, occid. ed. Duaci 1597 c. 7 p. 279.
1^1) De la milice et armes. Paris 1610 f. 350b: Le mot de Picardie
n'est pas ancien, ains se trouYe seulement depuis 400 ans. Et Pierre de
Bloii en ses epitres sexnble estre le premier qui en face mention, si j'ay en-
cores bonne memoire. Er schrieb das Werk 1600. Ich muss aber gestehen,
dass ich das Wort nicht bei Peter Bles. gefunden habe. Ich mag mich ge-
täuscht haben. S. nächste Anm.
159) Notice historiqae de Picardie (Nationalbibl bu Paris. D. Qrenier
GLX pag. 20 art. 2 f. 60 b): Si la lettre de Pierre de Blois] . . . citee par
Fonchet est vraie, c'est le premier monument qui cn fasse mention. Aehn-
lich art. 3 A f . la. Grenier konnte auch nicht den Brief Peters von Blois
namhaft machen. Bumet, Histoire de Picardie (Cod. Paris 12888) geht
Bl. 8 wohl auf die Etymologie des Namens, nicht aber auf das Alter des-
selben ein.
1&3) Comp. lY. Decret. 1, 16. De procurat. c. 2. Die Decretale stammt
nicht aus dem J. 1203, wie man allgemein annimmt, sondern sie steht in Ver-
bindung mit den Streitigkeiten, die 1210—1211 mit dem Kanzler begannen.
1^) Cod. Paris. 3931 A. Cod. Vat. 2509. Der jüngere Zeitgenosse Vin*
2. Paris. Alter und Charakter der Natioueneintheilung. 87
Scholaren schon damals in vier autonome Corporationen mit vier
Procuratoren an der Spitze derselben gegliedert gewesen, wie
hätten sie da noch anfragen können, ob sie einen Procurator
haben dürften? Erst jetzt wurden Anfänge zu selbständigen
Scholarenverbindungen in Paris gemacht, denn nicht eher fühlten
die Scholaren das Bedürfhiss sich gemeinschaftlich nach aussen
vertreten zu lassen, trotzdem dass schon seit 100 Jahren Zwistig-
keiten vorgekommen waren. Bei derartigen Fällen mussten aber
früher die einzelnen Scholaren die Sache für sich abmachen, eben
weil sie noch keine Körperschaft bildeten ^'^'^).
Ebenso grundlos ist die Behauptung, die Artisten hätten
schon lange eine Universität gebildet, und das sei die alte Uni-
versität gewesen. Diese Ansicht, die man fortwährend nach*
schreibt"'), ist lediglich in der Phantasie Du Boulays entstanden.
Abgesehen davon, dass weder in einem Documente noch in einer
gleichzeitigen Chronik davon auch nur die geringste Spur zu
entdecken ist, wird die Behauptung durch die oben citierte Lit-
tera vom J. 1254 widerlegt, derzufolge sich die Artisten mit den
Professoren der übrigen Fächer zur einen Universität verbanden.
Vorher waren sie ebenso einzeln stehend, wie die andern, und
nachher gehörten sie wie diese zum grossen Corpus universitatis
und bildeten sich wie sie zu Facultäten. Alle Professoren waren
damals in derselben Position. Im 3. Bande, in dem wir von der
Entwicklung der Pariser Schulen sprechen werden, komme ich
darauf zurück. Ebenso wenig erfahren wir natürlich, dass die
Artisten nach Nationen gegliedert gewesen wären oder solchen
vorgestanden hätten. Im Gegentheile werden die Scholaren,
wenn sie als Gesammtheit aufgefasst werden, immer nur allein
erwähnt. So spricht Odo von Paris im J. 1207 von der commu-
nitas scolarium "'), Innocenz HI. in der eben citierten Decretale
centius Hispanus schreibt in seinem Apparat zu Gregors Decretalen in dieser
Frage nur Johannes Teut. ab. Cod. Paris. 3967 Bl. 96 b.
1^) Der Ausweg, den Da Boulay hier p. 23 sucht, es habe sich nur
am einen procurator ad lites gehandelt, ist hiemit abgeschnitten.
i56j Der neueste Hauptyertreter derselben war Huber in der Gesch. der
engl. Universitäten I, 40 ff.
1*7) Original im Nationalarchiv zu Paris M. 257 c n. 2. N. 3 einVidi-
mas des Actes. Du Boulay p. 36.
gg II. Entstehang der ältesten Universitäten.
von der universitas scolarium, ähnlich Job. Teutonicus in der
genannten Glosse. Als diese niedergeschrieben wurde (c. 1218),
zweifelte doch kein Mensch daran, dass die Magistri eine Ge-
nossenschaft eingehen könnten. Wenn er also vom Dubiom
spricht, ob die Scholaren eine Genossenschaft bilden, so meinte
er nur die Scholaren, und nicht die Magistri. Zur selben De-
cretale sagt eine anonyme Glosse jener Zeit: conceditur universi-
tati scolarium paris. facere procuratorem "*).
Aber hatten nicht die Ai*tisten oder wenigstens die Scholaren
bereits beim Beginne des 13. Jhs. einen Rector, der zugleich
Rector der vier Nationen war? Fast allgemein berief man sich
bisher auf eine Stelle im Acte Philipp Augusts vom J. 1200: ad
hec in capitale parisiensium scolarium pro nullo forifacto iusti-
cia nostra manum mittet ^'^'). H^mer6 und Du Boulay sehen hier
die erste Erwähnung eines Rectors**®). Der anonyme Autor der
Origo Vera war sich über den Begriff 'capitale scolarium' nicht
ganz im Klaren ^^^). In neuerer Zeit verstanden jedoch franzö-
sische Forscher darunter im Gegensatz zu der allgemeinen An-
nahme, gestützt auf den Anklageact der Artisten gegen den
Kanzler Philipp de Thori vom J. 1283—1284"'), einen magister
regens in irgend einer Facultät"'). Darin wird nämlich 'capi-
^^) Arsenalbibl. n. 394. Die Glossen oder vielmehr Notabilia var
4. Coxnpil. folgen unmittelbar auf die Notabilia des Paulas Ungarns zur
2. nnd 3. Comp. Diese Parthie der Hs. ist aas der 1. H&lfte des 13. Jhs.
Da die Notabilia znr 4. Compil. noch nicht bekannt sind, will ich den Anfang
hierher setzen : In prima parte dicitur, quod credere debemos et confiteri onom
deum et incommutabilem.
1^^) M^moires de Phistoire de Paris X, 250. Die älteste Copie ist wohl
jene im Cod. Vat. Ottob. 2796 Bl. 29 a. — lieber die F&lschang, die Da
Boulay hier darch Einschiebung von 'stndü' vorgenommen, habe ich bereits
oben gesprochen. S. S. 7.
1^0) H^mer^, De academia Paris, p. 95. Da Boulay p. 4. Savigny and
andere folgten Du Boolay.
^^^) P. 693 neigt er sich mehr dahin den Aasdruck im Sinne von ma-
gister regens zu nehmen.
^^) Bei Jourdain n. 274.
^^) So besonders Jourdain p. 47 a Anm. 1 and p. 66 b Anm. 1, and
Thurot l c. p. 16 Anm. 2.
2. Paris. Alter and Charakter der Nationeneintheilnng. g9
tale scolarium' mit einem magister regens identificiert^**). Die
Frage nach der Richtigkeit dieser Ansicht vorläufig bei Seite
hissend, bemerke ich, dass es nicht angezeigt ist bei zu erweisenden
Stellen sich von vorneherein auf jenen Act zu berufen. Die Ar-
tisten stellten darin die Thatsachen gerade so dar, wie sie sie
fttr den Augenblick brauchten, und scheuten auch vor Fälschungen
nicht zurück ^'^). Dasselbe könnte ebenso gut an dieser Stelle
der Fall gewesen sein.
Allein trotzdem ist die eben genannte Ansicht die richtige. Der
Zeitgenosse Roger von Hoveden erzählt uns die Veranlassung zum
Acte Philipps. Ein Diener eines vornehmen deutschen Scholaren
wurde in einer Weinschenke geschlagen. Darauf entstand ein ^con-
cursus clericorum teutonicorum', es kam zu einem blutigen Con-
flikt zwischen ihnen und den Bürgern, die dann 4n hospitium
clericorum teutonicorum' bewaffnet einbrachen und jenen Deut-
schen mit einigen seiner Landsleute ums Leben brachten. Die
'magistri scholarum' nahmen sich der Scholaren an und klagten
beim Könige, der dann aus Furcht, 'quod magistri scholarum et
scholares a civitate sua recederent' jenen^Act erliess^*'). Aus
diesem Berichte erfahren wir einmal, dass die Scholaren derselben
Gegenden zusammenhielten; wenigstens wird es hier ausdrücklich
von den Deutschen gesagt. Wir erfahren ferner, dass es sich
nur um Scholaren und magistri scolarum handelte. Man liest
^^) S. Jonrdain p. 47 a.
1^^) Hier nur ein Beispiel. Gegen den Kanzler wollen die Artisten be-
weisen, dass die Magister das Recht zu examinieren haben, und zwar in Folge
der Balle Farens scieniiarum, Gregor IX. sage nämlich darin: De fisicis autem
et artistis cancellarius bona fide permittet examinare magistros etc. Jourdain
p. 48 a. Im Originalacte (üniversitätsarchi? Ms. th. V.) steht in der That
permittet. Non sagt aber Gregor IX. nicht j>ermittet, sondern promittet, was
einen ganz andern Sinn gibt. In den zwei oben S. 73 Anm. 100 citierten
Originalien ist *promittet' sogar ausgeschrieben; im Archiv Vat 1. c. steht die
AbkArzang fQr 'pro'. Da den Artisten das 'promittere* im Wege stand,
machten sie 'permittere* daraus, um so die Leser zu dapieren. Dass die Rö-
mische Curie diesen Act yerwerfen musste, yersteht sich von selbst S. Jonr-
dain n. 276. Das Original der päpstl. Bulle im Nationalarchiv zn Paris,
M. 67 n. 10.
1^) Chronica mag. Bogen de Honedene ed. Stubbs IV, 120.
90 ^I* Entstehung der ältesten üniyersitftten.
nicht, dass ein Biector, oder die Natio anglorum, zu denen spSter
die Deutschen gehörten, sich der gekränkten Scholaren annahmen,
nein, lediglich die Professoren standen filr sie ein. Da nun der
König den Act aus Furcht erliess, dass die Professoren und
Scholaren die Stadt verliessen, musste er in demselben ebenso
die erstem wie die letztem fOr die Zukunft schützen. In dem
ganzen Acte kann aber nur der Ausdmck 'capitale scolarium'
auf den magister regens bezogen werden, und so finden wir in
der That die Erklämng in dem eben citierten Anklageacte vom
J. 1283—1284 bestätigt
Eine weitere Erhärtung erhält diese Thatsache durch eine
Bemerkung in Philipps Document in Bezug auf die Canonici in Paris.
Der König sagt: . . . nolumus ut canonici parisienses et eorum ser-
vientes in hoc privilegio contineantur, sed volumus ut servien-
tes canonicoram parisiensium et eiusdem Tille canonici ean-
dem libertatem habeant, quam eis predecessores nostri observare
debuemnt et nos eisdem observare debemus '*^). Warum erwähnt
hier Philipp August auch die Canonici von Notre Dame? Weil
eben auch sie magistri regentes waren. Er nimmt sie aber aus,
weil sie bereits alte Privilegien hatten, in Folge deren sie auch
in der Universität einer Ausnahmsstellung sich erfreuten, gleichwie
auch Gregor IX. in seiner Bulle Parens scientiarum die Ca*
noniker in ihren alten Freiheiten beliess^^O-
Wenn aber im Acte Philipp Augusts noch nicht der Rector
genannt wird, wann erscheint er dann zum ersten Male? Wie
wir alsbald sehen werden erst im J. 1244. Ist aber dem also,
wie kann man dann noch behaupten, die Artisten oder die Scho-
laren hätten von jeher einen Rector gehabt?
167) Du Boolay p. 3 hat hier wider eben völlig defecten Text Statt
^DolumuB' hat er 'volamus^ statt 'canoDicoram parisiensiom': 'tantum Pari-
sias'. Obige Stelle eitlere ich nach dem Original in den Memoires etc. p. 251.
Ganz gleich schreibt die alte Copie im Cod. Ottob. 2796 Bl. 29 b.
16^) Auch hier besitzt Du Boulay p. 141 einen wie absichtlich defecten
Text, der den Sinn gibt: der Kanzler soll den Ganonikem nicht die eon-
silia magistromm mittheilen, w&hrend nach dem Originale 'Parisiensibns ca-
nonicis libertate ac jure in incipiendo habitis in sua manentibos firmitate'
ein selbständiger Satz ist. ^ationidarchiv zu Paris L. 242 n. 76; M. 257 c n.5.
2. Paris. Alter und Charakter der Nationeneintheilung. 91
Fassen ^ir unsere Resultate zusammen, so ergibt sich, dass
die Gruppierung in vier Nationen noch keineswegs im Anfange
des 13. Jhs. vor sich gegangen war, wenngleich die Scholaren
derselben Länder naturgemäss zusammenhielten. Aber diese in
solcher Weise entstandenen Consortia hatten in keiner Weise
autonome Rechte, am wenigsten war ihnen oder der Gesammt-
heit ein aus ihrer Wahl hervorgeganger Rector oder ein Haupt
vorgesetzt. Hiemit fällt natürlich die Ansicht, als hätten die
Artisten Ende des 12. oder anfangs des 13. Jhs. zu den Nationen
gehört, oder als hätte es von Alters her eine Universität der
Artisten gegeben.
Nun erscheint aber der ganze erste Paragraph nur mehr als
Consequenz dieser Ausführungen. Wenn Anfangs des 13. Jhs.
noch nicht die vier Nationen bestanden, so versteht es sich von
selbst, dass diese nicht identisch sind mit der Universität, die
der oben citierten Littera vom J. 1254 nach zu schliessen bereits
Ende des 12. Jhs. bestand, oder wenigstens entstanden ist. Wir
finden es nun begreiflich, warum sich die Artisten- Magistri
ebenso wie die Professoren der übrigen Fächer zur Facultät
bilden konnten, und wir haben nunmehr auf einem andern Wege
das oben ausgesprochene Resultat gefunden, dass die Artisten-
Facultät nicht identisch war mit den Nationen. Der Satz bleibt
für immer bestehen: 'Der Grundstock der Universität war die
Vereinigung der Lehrer der verschiedenen Disciplinen, die sich
dann nach und nach in die vier Facultäten schieden. Weit ent-
fernt, dass die vier Nationen die Universität bildeten, ist es mehr
als wahrscheinlich, dass sie zur Zeit der Entstehung der Uni-
versität noch gar nicht als solche existierten'.
Aber wie haben sich dann die vier Nationen gebildet, und
wie kamen die Artisten mit ihnen in Verbindung? Wie ich be-
reits Eingangs bemerkte, treten uns die vier Nationen zuerst im
J. 1249, und zwar als existierend, entgegen ^^'). Damals gehörten
auch bereits die Magistri artium zu ihnen. Wie kam es nun
dazu? Da kein einziges Document darüber vorhanden ist, lassen
sich nur Vermuthungen aufstellen.
1/
w
169) S. das Actenstück bei Da Boulay p. 222.
92 II* Entstehung der ältesten Universitäten.
Vergleicht man die Pariser EintheiluBg in vier Nationen mit
ähnlichen Erscheinungen in Italien, so findet man, dass jene Ein-
theilung sich nichts weniger denn von innen heraus und spontan
ergeben hat. Bei einer spontanen Entwicklung hätten sich ganz
andere Gruppen bilden müssen. Paris war vielleicht mehr der
Sammelplatz der Schüler aller Nationen, wie Bologna. Nun sehen
wir aber in Bologna Hauptgruppen entstehen, die so ziemlich
das ganze civilisierte Europa umfassten: Tuschen, Lombarden,
Catalanen, Francigenae, Deutsche resp. Engländer. In diese
Hauptgruppen reihten sich spontan oder wenigstens leicht die
angränzenden oder verwandten Nationen. Ganz anders in Paris.
Die vier Gruppen umfassten eigentlich nur Frankreich und Eng-
land, alle übrigen Nationen mussten sich, ohne dass sie auch die
geringste Beziehung zu einer der vier Nationen gehabt hätten,
einfach einschachteln lassen. Drei Hauptgruppen liegen innerhalb
von Frankreich und Belgien (Gallicorum, Picardorum, Normannorum),
und nur die vierte ausserhalb (Anglicorum). Also vom ganzen
Süden, von Spanien, von Italien, um von Deutschland, dessen
Söhne nicht weniger eifrig als die anderer Länder Paris auf-
suchten ^^'*) , nicht zu sprechen, ist keine Bede. Hätten sich
wohl die Gruppen in solcher Weise gebildet, wenn sie das Re-
sultat einer naturgemässen Entwicklung gewesen wären? Dies
ist mehr als zweifelhaft
Bei einer naturgemässen Entwicklung wären zudem die Unter-
abtheilungen ebenso organisch gegliedert gewesen, wie in Bologna.
Allein in Paris war nur 6ine Nation abgetheilt. Die Verzeichnisse
hierüber bei Goulet*'"), DuBreul''*) und Du Boulay'") sind aus
später Epoche. Es ergibt sich vielmehr, dass noch im ganzen
14. Jh. die Unterabtheilungen sehr lückenhaft waren. Man findet
nämlich in den Botuli, welche die Facultas artium in den Jahren
i69a^ Arnold von Lübeck sagt im Beginne des 13. Jhs., dass dieD&nen,
'nsam Teatonicorom imitantes' ihre ▼omehmeren Söhne nach Paris schickten,
wo sie ausser Theologie und artes 4n negotiis ecclesiasticis tractandis boni
decretiste sive legiste comprobantur.' Bei Leibnitz, SS. rer. BronsY. II, 657.
170) Compendinm recenter editam etc. Bl. 3 b ff.
171) Du Brenl, Th^atre des antiquit^s de Paris. Paris 1639 p. 456.
17S) Du Boulay p. 558 ff.
2. Paris. Alter und Charakter der Nationeneintheilung. 93
1348'^'), 1362'^') und später an den Papst sandte, dass einzig
nur die natio gallicana in Provinzen, nämlich in die provincia
Parisien., Senonen., Bemen., Turonen., Bituricensis eingetheilt
war, und eine Bemerkung in der Einleitung zu den Rotuli lässt
darauf schliessen, dass damals, und mitbin auch früher, nur die
natio gallicorum Unterabtheilungen besass, nicht aber die andern
3 Nationen^''), wenngleich zu ihnen, und zwar hauptsächlich zur
natio anglicana, verschiedene Länder oder wenigstens Landstriche
gehörten. Und gerade die Art und Weise, wie dieses berichtet
wird, bestätigt unsere Ansicht ^^^), so dass auch über diesen Punkt
^73) Reg. Snppl. Clemens VI. an. 8 p. 2 Bl. 183.
iw) Reg. Suppl. ürbani V. an. 1 p. 1 Bl. 135 a.
17^) Im Rotulas vom J. 1348 heisst es gleich Eingangs: cum dicta fa-
cnltaa arciom in hoc rotnlo sit divisa in quatuor naciones, quarum prima est
nacio gallicana, secunda picardorum, tercia Normannornm et qaarta Angli-
coram, et in nacione gallicorum sint quinqae pro7incie, qaamm prima est
Parisien., secanda Senonen., tercia Bemen., quarta Turonen , et quinta Bitu-
ricen. etc. Ebenso im Rotulus vom J. 1362, Heg. Suppl. ürbani Y. an. 1
p. 1 Bl. 135 a. Wären auch die übrigen Nationen in Provinzen getheilt
gewesen, so h&tten sie ebenso genannt werden müssen, denn es war
kein Grand yorhanden hier dies zu yerschweigen. — Es folgt darauf die Pe-
titio der natio gallicana für den Procurator, dann die Nomina magistrorum
der einzelnen Provinzen und ihre Bitten von einander getrennt.
^7^) Sowohl bei dem Rotulus nationis Picardorum, als bei jenem Nor-
mannorum wird weiter keine ünterabtheilung angegeben. Beim Rotulus na-
tionis anglicanae vom J. 1362 (Bl. 159a) heisst es aber im Eingange: Sanctitati
vestre supplicat insuper devota filia yestra universitas Paris, pro omnibus et
singnlis magistris actu regentibns in arcium facultate anglicane nacionis, sub
qua nacione continentur et reducuntur omnes ad Studium Paris, venientes de
Imperio fere omnis alamannie, et alii de aliis que in circuitu sunt regnis,
videlicet üngarie, Bohemie, Polonie, Suecie, Dacie, Norwegie, Scocie, Anglie,
Tbemie etc. Wie bei den zwei vorhergehenden Nationen, so werden bei
dieser dann alle Magister nur unter der einen Nacio anglicana aufgeführt,
so dass also auch diese nicht in Provinzen abgetheilt war. Die Natio Nor-
mannornm wurde überhaupt nie weiter getheilt, was selbst Du Boulay wusste.
Auch in dem viel kleinem Rotulus artistarum Paris., der 1365 eingesendet
und in Avignon 16 El. Jul. an. 3 unterschrieben wurde (Reg. Suppl. ürb.V. an. 3
p. 3 Bl. 101 a), erscheint nur die natio gallicana, nicht die übrigen Nationen
in Provinzen getheilt. In der Vorbemerkung zur natio anglicana heisst es
nur, sie enthalte XI regna. Bl. 107 b. Selbst noch in den 1383 und 1387
94 U* Entstehiiog der idtesten üniTenittleii.
alle bisherigen Angaben nnr auf Irrthnm beroht haben ^^').
Die . Eintheilung dieser Nationen in Provinzen datiert also ans
späterer Zeit. Nur in Bezng auf die natio anglicana exi-
stierte vor 1321 (1322) der Usus, sie in provincia anglicana nnd
provincia non anglicana zu gliedern. Im genannten Jahre brach
nämlich eine Zwistigkeit inter provinciam aoglicanam et un-
decim regna ipsius nationis, qne vocabantur provincia non angli-
cana' wegen der Wahl des Rectors, Procurators, Bedells, der
Examinatoren u. s. w. ans. Sie wurde geschlichtet, und der dar-
über ausgefertigte Act 1333 von der ganzen Universität be-
stätigt*^*). Seit dieser Zeit verlor sich die Unterscheidung in
provincia anglicana und non anglicana ^^'); man gebrauchte aber
vereinzelt den Ausdruck provincia Alemannye'*®), ohne dass von
andern Provinzen eine Bede wäre. Man stritt sich jedoch hie
und da um die Diöcesen**^).
Um so auffälliger und unnatürlicher erscheint aber gerade
deshalb die Eintheilung in obige vier Gruppen. Denn hätten
diese mehrere Provinzen unter sich gehabt, so wäre noch immer-
hin eine spontane Entwicklung voraussetzbar, obwohl selbst in
diesem Falle die nähere Betrachtung der Unterabtheilungen der
Natio Gallicorum dagegen sprechen würde. Zur Provinz Bourges
z. B. gehörte später ganz Spanien und Italien, vom Oriente
gar nicht zu reden.
Wir mögen die vier Nationen von welch immer fttr einer Seite
betrachten, so ergibt sich: Die Nationeintheilung in Paris
an den Gegenpapst Clemens VIL eingesendeten RotuU ist nur die natio gal-
licana in Provinsen getheilt. Beg. Snppl. dem. VIL an. 1 p. 5 Bl. 127.
an. 9 p. 2 Bl. 9a.
^77) So besonders die Angaben bei Da Boulay 1. c. and V, S64 1 Bich-
tiger Tharot p. 21 f.
^7^) Im Universitätsarclii? za Paris existiert der Originalact Garton 14,
Nation d^Allemagne, 2e Hasse, and bei Joardain, Index chronol. n. 526.
179) Thurot sagt p. 20, die Unterscheidung sei 1331 abgeschafft worden.
Davon kommt jedoch im Acte selbst nichts vor. Von den 12 regna, wie nan
gesagt wurde, sollte nur kein einziges ein Praerogati? yor den Qbrigen besitzen.
^^) Reg. nat. anglicanae (Universitätsarchi? zu Paris) III, Bl. 49 zum
J. 1363. Vgl. jedoch ibid. Bl. 6 a.
»»!) Z. B. 1346. Ib. Bl. 31 b.
2. Paris. Alter und Charakter der Nationeneintheilung. 95
gründet sich nicht auf eine spontane Entwicklung, sondern sie
ist künstlich, sie ist gemacht worden, und zwar ebenso
wie später an den Universitäten Prag, Wien und Leipzig. Höchst
wahrscheinlich ist sie in Bezug auf die Zahl eine Nachahmung
ähnlicher Verhältnisse an italienischen Universitäten in den ersten
Decennien des 13. Jhs., in Betreff der Benennung aber achtete
man nur darauf, welche Nationen am zahlreichsten vertreten
waren. Da nun in den ersten Decennien des 13. Jhs. die Fran-
zosen, Picarden, Normannen und Engländer das grösste Gontin-
gent lieferten, wurden auch die vier Gruppen nach ihnen benannt,
und weil man nicht von der Vierzahl abgieng, fiel jede andere
Gruppe aus^"). Wie sich im weitem Verlaufe ergeben wird,
war Italien hierin viel glücklicher. Dank der organischen Ent-
wicklung in Bologna, in Folge welcher auch die Nachahmungen
an italienischen Universitäten der ersten Zeit ganz anders aus-
fielen. Und selbst die dortige spätere Beducierung auf zwei Corpora-
tionen war weit vortheilhafter, obgleich man natürlich nicht ver-
gessen darf, dass die Corporationen in Italien in mancher Be-
ziehung etwas anderes waren, als die Nationen in Paris.
Aus dieser Art und Weise der Eintheilung in Nationen er-
gibt sich aber, dass die Anfangs des 13. Jhs. bereits existierenden
Associationen unter den Scholaren, von denen Jacob de Vitry
spricht, und auf die der Bericht Rogers von Hoveden schliessen
lässt, obgleich sie sich naturgemäss bildeten, ohne Einfluss auf
die Nationeneintheilung geblieben sind.
Fragt man nun aber nach dem Grunde der Gliederung in
Nationen, so stimme ich Paulsen vollständig bei, dass sie vor-
nehmlich für die Zwecke der Verwaltung geschah; setze aber
hinzu, dass sie nicht weniger die allgemeine Disciplin im Auge
hatte. Die Eintheilung wurde nämlich in erster Linie wegen der
Scholaren vorgenommen, die in ungemein grosser Anzahl zu Paris
1^) Die Behauptung, welche Paulsen jüngst ausgesprochen hat, aus
dem Universitätsorte als Mittelpunkt sei die ganze Christenheit in vier Quar-
tiere eingetheilt worden, ?erdient keine BerücksichtigUDg (s. Sybels Hist.
Zach. 1881 S. 387). Ich glaube denn doch, dass in diesem FaUe die vier
Quartiere etwas anders ansgefalien w&ren und man nicht den Osten und Saden
▼ergessen h&tte.
96 n. Entstehung der Utesten Univeraitäten.
sich aufhielten'^'). In dieses Chaos konnte nur durch Scheidung
Ordnung gebracht werden. Sie hatte zur Folge, dass jede einzelne
Gruppe, resp. Nation, für die derselben angehörenden Mitglieder
sorgte, da jede dieser Nationen eine Genossenschaft für sich
bildete. Während alle Nationen untereinander vorzüglich in dem
einen von ihnen gemeinschaftlich gewählten Rector zusammenhien-
gen, stand an der Spitze jeder einzelnen Nation ein von ihr ge-
wählter Procurator.
Ein nicht ganz unähnliches System hatten die Franciscaner
für ihre sehr zahlreichen Schüler in Paris im 13. Jh. einge-
führt. Der hl. Bonaventura verordnete nämlich als General
c. 1268 ^pro studentibus illuc (in Paris) de toto ordine acceden-
tibus, quod secundum quatuor octonaria provinciarum videlicet
Hispanorum, Alemannorum, Lumbardorum et Romanorum essent
i83j Thurots Behauptungen, De l'orgftnisation de l'enseignement dans
runiversitö de Paris p. 33 n. 1 and ib. Gorrections p. 3 f., in Betreff der Ansahl
Studierender werden nicht bloss durch die von ihm Gorrections p. 4 aufgeüQhr-
ten Zeugnisse widerlegt, was selbst Schwab, Johannes Gerson S. 78 einsah,
sondern auch durch die oben citierten Rotuli, auf die ich in Bezug auf diesen
Funkt alsbald inrOckkommen werde. Die yonThurot angegebene Zahl 1500
resp. 1700 erreichte nahezu in einem Rotulns, in dem die wenigsten Schola-
ren aufgeführt werden, allein die Universit&t Toulouse, wie wir unten sehen
werden. Uebrigens darf man nicht vergessen, dass wenn in Paris die Ma-
gistri vom 13. bis lum 14. Jh. in Zunahme waren, die Scholaren wegen der
neu entstandenen oder mehr zur Blüthe gekommenen Uniyersit&ten in Ab-
nahme waren. In jener Zeit, von der ich oben spreche, war Paris neben Bo-
logna Alles. Und wilhrend damals die Engl&nder so stark an der üniyersit&t
yertreten waren, dass nach ihnen eine der vier Nationen benannt wurde,
finden wir sie im 14. Jh. selten mehr an derselben, wie sich ans dem Re-
gistrum nationis angUcanae ergibt. Am zahlreichsten erscheinen noch im J. 1345
(II, Bl. 51a). Sie wurden an ihren einheimischen Universitäten zurück-
gehalten. Ebenso waren die Schweden und Dänen gegen früher in Abnahme,
and es geschah dies immer mehr, wie ein Vergleich der 2. Hftlfte des 14. Jhs.
mit der ersten H&lfte im Reg. nationis anglicanae ergibt. Nur die Schotten
waren immer in ziemlich gleicher Anzahl vorhanden, w&hrend allerdings die
Deutschen besonders seit Mitte des 14. Jhs. zunahmen. Böhmen, Ungarn,
Polen und andere Völker können hierin natürlich mit den Deutschen keinen
Vergleich aushalten. So kam es, dass die Natio anglicana im 14. Jh. im Ver-
haltniss za jeder der übrigen 8 Nationen nnverhftltnissmftssig klein war.
2. Paria. Alter und Charakter der Nationeneintheilang. 97
ibi quatuor assistentes, qui pro studentibus utilia proponerent et
humillter procurarent' "*).
Es ist klar, dass durch die Nationeneintheilung die Ver-
waltung und Beaufsichtigung vereinfacht ward. Deshalb wurde
auch die grösste Gruppe, nämlich die natio Gallicorum, noch in
fBnf weitere Provinzen abgetheilt. Dass aber diese Eintheilung
in erster Linie zu Zwecken der Verwaltung geschah, beweist der
soeben bemerkte Umstand, dass jede der Gruppen einen Procu-
rator an der Spitze hatte, weshalb man jedoch die Procuratoren der
vier Nationen zu Paris, Savigny folgend, nicht mit den Consiliarii
an den italienischen und spanischen Universitäten durchweg ver-
wechseln darf. An den letztern waren die Consiliarii, wie ja
aach der Name andeutet, in erster Linie die Räthe des Rectors,
der auch von ihnen gewählt wurde; in Paris waren die Procu-
ratores vor Allem wirkliche Procuratoren der Nationen, die an-
fänglich, wie sich schliessen lässt, mit dem Rector nicht in di-
recter Berührung standen, wenigstens wählten bis zum J. 1249
nicht sie den Rector, wie sich aus einem Actenstücke dieses Jahres
ergibt^"). Es kann sogar sein, dass sie früher bestanden als
der Rector.
Welche Elemente schlössen aber diese vier Nationen in sich?
Wie bereits oben bemerkt wurde, treten sie uns im J. 1249 als
gemischte Scholarenverbindung entgegen. Nicht bloss die Scho-
laren, sondern auch die Magistri artium mit ihnen waren in vier
Nationen abgetheilt. Warum dies? Einmal waren die Artisten
schon in den ersten Decennien des 13. Jhs. zahlreicher als die
übrigen Professoren. Jedoch dieser Umstand allein hätte nie
den Ausschlag gegeben, die Magistri der Artisten den Scholaren
beizuzählen. Der eigentliche Grund dieser Erscheinung ist viel-
mehr dieser, dass nach der Anschauung des Mittelalters und be-
sonders des 12. und 13. Jhs. das Studium der Artes nur Vor-
bereitung zu dem Studium der übrigen Wissenschaften war, so
dass der Grundsatz galt, man dürfe in den artes nicht ruhen.
IM) So in der handschriftlichen Chronik der XXIV Generäle. Cod. 53
Leopold Gadd. der Laurenz, in Florenz (Nicht paginiert).
1^) Bei Da Bonlay p. 222.
D«aifU, Di« UoiT«nitAt«n 1 7
98 n. Entstehung der ältesten üniversit&ten.
In Folge davon blieben im Grunde genommen die Artisten, auch
wenn sie das Magisterium erhalten hatten, Scholaren, wenigstens
in Bezug auf die hohem Wissenschaften, und sie wurden in dieser
Hinsicht auch als solche behandelt. Sie theilten demnach auch
noch in Zukunft alle Bedingungen der Scholaren, bis sie mit dem
Magisterium in einer andern Wissenschaft das Niveau des Scho-
larenthums überschritten hatten. In Folge davon traten sie aus
den vier Nationen aus.
Da dieser Punkt, so wichtig er auch ist, bisher zu wenig
Berücksichtigung gefunden und man ihn, wenn man ihm Beach-
tung zu Theil werden liess"®), doch nie für diese Frage ver-
werthet hat, so lohnt es sich der Mühe etwas länger bei ihm zu
verweilen. Es wird sich ergeben, wie grundlos Hubers Behaup-
tung ist, die 'facultas artium' sei ursprünglich die angesehenste
Facultät gewesen*").
Dass die Philosophie nur vorbereitend, und das eigent-
liche Ziel die Theologie sei, hat bereits Abaelard ausge-
sprochen*^^), um hier nicht auf die frühere Zeit einzugehen.
Sowohl in der Abaelardschen Schule als ausserhalb derselben
war dies ein bekannter Grundsatz. Eines der interessantesten
Beispiele bietet uns die theologische Summe ^Omiies sitientes'.
Walter von S. Victor bezeichnete sie Ende des 12. Jhs. als 'Sen-
tentie divinitatis' voll von Haeresien, und er schrieb sie Abae-
lard zu*®'). Seit 6—7 Jahrhunderten sprach man entweder nicht
mehr von dieser Summe, oder machte, weil sie nicht mehr
kennend, falsche Combinationen. Man wusste von ihr nur aus
Walter, da es nicht gelang sie wider aufzufinden. Ich war so
^8«) So bei Vischer, Gesch. der Universit&t Basel. Basel 1860. 8. 157.
SybelB Hist. Zsch. 1881 S. 398.
i87j Die engl. Universitäten I, 44.
1^) So gleich im Beginne seiner Theologie oder Sacrae conditionis
summa, die in ansern Aasgaben den verfehlten Titel 'Introductio ad theolo-
giam* führt. Opp. ed. Cousin II, 2 f.
18^) De quatnor Labyrinthis im Originalcodex n*379 der Anenalbibl.
zu Paris, Bl. 43a. Er sagt: Fertor etiam hie liber Petri Abailardi faisse
aut ex libris eins exceptus. £r bringt auch aus demselben Excerpte. Da
Boulay bat II, 629 flf. aus Walter solche mit andern abgedruckt
2. Paris. Alter und Charakter der Nationeneintheilung. 9g
glflcklich sie in 2 Münchner Hss. (n. 18918 und 16063) zu ent-
decken, von denen die erstere den reinern Text bietet. Mir er-
gab sich, dass sie nicht Abaelard zum Verfasser hat^^^), wohl
aber einen Schüler, der jedoch oft vom Meister abwich'"). In
der Einleitung nun erörtert der Autor weitläufig, dass man weder
in den Philosophen noch in den Artes ruhen, sondern sie nur
a liminibus begrüssen dürfe, denn sie hätten ein unsicheres Fun-
dament. Sie dienten nur als Weg zur Theologie, die eine sichere
Onindlage habe u. s. w. '"'). Johann von Salisbury schildert eben-
falls das Fruchtlose, falls man nur in der Dialektik ruhe'^^), und
Peter von Blois schreibt ihm denselben Gedanken nach'"^).
Giraldus Cambrensis spricht ähnlich'®*); er selbst wolle 'super
arüum et literature fimdamentum legum et canonum parietes in
altum engere, et sacrum scripture theologice tectum a superiori
concludere' ''*). Nach Robert von Melun sind die Artes nur in-
stromentum veritatis. 'Eam quippe solam artes liberales habent
190) Rheinwald, Petri Abaelardi Epitome Theologiae christianae, Vorrede
p. Xni hielt sie, obwohl sie nicht keDnend, mit Recht für verschieden von
den Ton ihm herausgegebenen Sentenzen, wogegen Deutsch, Peter Abaelard,
Leipzig 1883, es fdr möglich hUt, dass sie identisch seien (S. 453 f.).
1^1) Der Kachweis folgt in der von mir und Ehrle herausgegebenen
Zsch. Archiv fdr Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters.
i92j Cod. lat. Mon. 18918 Bl 81a: Gannina poetarum et philosophorum
dicta non propter se sed propter aliud debent legi, sc. ut erudicius et fa-
cundins divinae paginae studeamus, primitias inquam offerendae sunt, quia
non debemuB in eis consenescere, sed potius a liminibus salutare . . . Non
est autem consenescendum in artibus, sed a liminibus sunt salutandae, de
ipsis tranBenndum est ad sacram paginam propter quam in eis ad tempus
studendum est. Ideo propter se non est appetendum verum illnd rationis,
quod est et inqoiritur in artibus, quoniam debile et instabile habet funda-
mentnm . . . Artes sine divinitate cassae sunt . . . quibus velnt semitis ad
ea quaa sunt in divina scriptura debemus attoUi. Ebenso Cod. 1. Mon.
16068 Bl. 3.
1^) Metal. II c. 9 p. 866 (Migne, Patrol. lat. 199): Neque enim magnum
est . . . fli in Ulis duntaxat versetur,. que nee domi, nee militiae, nee in foro,
nee in claustro, nee in curia, nee in ecclesia, imo nnsquam nisi in schola
proeont. Vgl. auch c. 7.
^) Ep. 101 p. 312 (Migne, Patrol. 1. 207).
^ Opp. ed. firewer II, 350 f.
1«) Opp. I, 43. 410. Vgl. IV, 9.
7*
100 !!• Entstehung der Utesten ünivenitäten.
dominam, ei subiectionis debito famulantur' '*'). Nach Gregor IX.
dienen alle Wissenschaften der Theologie^*'); speciell die artes
liberales sind eine Vorbereitung zu derselben. Er sagt: Trius
equidem iuniores, ut fiant docibiles in conflatorio liberalium, cu-
dunt malleis indefessi exercitii et preparant yasa sua, quibus
aquas auriant sapientie salutaris' ^**). Er lehrt dies speciell in
Bezug auf Paris. Auch Petrus Comestor sieht in den artes nur
ein Fundament '^°), und Jacob de Vitry erlaubt das Studium in
der Grammatik, Dialektik und Rhetorik, weil sie ^preparant adi-
tum ad scientias pietatis'; nicht so aber die quadruvales '^').
Man nannte deshalb die Artes 'scientiae adminiculantes ad theo-
logiam'"*). Odo von Ch&teauroux spricht einen ähnlichen Ge-
danken aus, und sieht die artes als Fundament an, beifügend,
man solle die artes nur als ^via' und 'adminiculantes' be-
trachten, nicht aber als 'terminus' und 'finis'"'). In der Summa
dictaminis des ProvenQalen Pontius begegnen wir keinen andern
Ideen"*).
Diese übereinstimmenden Gedanken, die man um viele ver-
mehren könnte, erhärten zur Genüge meine Behauptung. Sie
wurden in Paris schon frühzeitig praktisch umgesetzt Der Car-
dinallegat Robert de Gour^on bestimmte 1215 für die Theologen,
'quod nuUus Parisius legat citra trigesimum quintum aetatis suae
annum et nisi studuerit per octo annos ad minus, et libros fide-
liter et in scholis audiverit, et quinque annos audiat theologiam.
1^7) So in seinen Sentenzen. Cod. 191 za Brügge.
198) Reg. Yat. an. 5 ep. 58 Bl. 90b: Cum sapientie sacre pagine relique
scientie debeant famulari etc.
1^) Ibid. an. 6 ep. 346 Bl. 99 b. Das Schreiben, an sich höchst inter-
essant, ist an den König gerichtet in Bezug auf den Kanzler Philipp.
^ In dem Sermo de S. Augustino. Cod. Paris. 14589 Bl. 40a.
3^^) So im Sermo coram scolaribus. Cod. Paris. 17509 Bl 32a. Aehn-
lich spricht in Bezug auf die Artes Peter Cantor. Cod. Paris. 14521 BL78b.
^ So Robert de Sorbonne im Sermo ad scolares in der Predigtsamm-
lung des Peter von Limoges. Cod. Paris. 15971 Bl. 198 a. Aach ihm ist
es klar, dass die artes allein nicht genflgen.
^) Sermo 3. dorn. II. post Pentecost. Cod. Paris. 15948 BL 18 a. 18 b.
^ Cod. 190 in der Abthlg. Ripoll im Archivo de la Corona de Aragon
zu Barcelona (Bl. 19b; 21b).
3. Paris. Alter und Charakter der Nationeneintheilung. 101
antequam privatas lectiones legat publice"^'^). Thurot und mit
ihm andere haben diese Worte so verstanden, als bezögen
sich die acht Jahre Studiums auf die Theologie'^'). Dies ist
jedoch irrig. Es heisst zuerst ganz allgemein, der künftige
Lehrer der Theologie müsse 8 Jahre studiert haben. Von diesen
8 Jahren müssen aber 5 auf das Studium der Theologie ver-
wendet werden. Wozu aber dann die übrigen 3 Jahre?
Während dieser Zeit sollten eben die Artes studiert werden.
Allerdings war damals noch nicht das Magisterium in artibus
Ar die Theologen vorgeschrieben. Allein trotzdem finden wir,
dass schon seit langem viele Scholaren der Rechte, besonders
aber der Theologie Magistri in artibus waren. So z. B. Stephan
Langten"'), Simon von Tournay"*), Clarus de Sesto, Roland
von Gremona, Jordan von Sachsen'^'), Humbert von Romans,
Laurentius de Filgeriis""), Wilhelm von S. Amour*"), Odo von
^) Bei Du Boohy p. 82.
^ De l'orgamsation etc. p. 110.
^7) Heinrich von Gent, De viris illustribus. Cod. Paris. 314. lat. nouv.
acqa. Bl. 77 a.
a») Ibid. BL 76b.
^ Dass Jordan magister in artibus war, lässt sich ziemlich bestimmt
nachweisen. Bereits in dem Gatalog der Scripta Magistrorum sive baccalar.
Ord. Praed. (Gisterc. Biblioth. zu Stams in Tirol Cod. 1 am Schiasse des
Bandes), dessen Abfassungszeit in die Begierongsjahre des Generals Stephanus
Borg. (1292— 1295) Mt (dieCopieist sp&ter), heisst es von ihm: scripsit...
saper Priscianum minorem. In Leipzig, Univers. Bibl. n. 1291 Bl. 92 a fand
ich auch: Notula magistri Jordani super Priscianum minorem. Ob. aber
Jordan mit Jordanus Nemorarins dem Mathematiker identisch sei (cfr. AUg.
Deutsche Biogr. XIV, 501 f.) ist mehr als zweifelhaft. Sicher aber war er
kurz vor Eintritt in den Orden Baccahirius in theologia. Yitas Fratr.
part. 3 c. 4.
»0) Ueber die letzten 5 findet man die Nachweise bei Quetif-Echard, SS.
Ord. Praed. I. unter den betreffenden Namen, wo auch die ältesten Docu-
mente verzeichnet sind.
^1) Am 27. Not. 1238 schreibt ihm Gregor IX. 'quod in artibus et
iure canonico cathedram magistralem Parisius ascendere meruisti'. Reg. Yat.
an. 12 ep. 344 Bl. 64b. Es ist dies die früheste Urkunde, worin Wilhelm
von 8. Amour genannt wird. Wahrscheinlich gehört ihm und schrieb er in
jener Zeit die Glosse tocius libri posteriorum G. de sancto Amore in n. 109
der Abthlg. Eipoll im Arch. de la Corona de Aragon zu Barcelona. Aus dem
Vr
102 Q- Entstehang der ältesten Universitftten.
Douai*"), u. s. w. Von den Medidnern sind es wenige, die nicht
magistri in artibus waren, wie sich aus den verschiedenen Botuli
ergibt. Nichtsdestoweniger werden die magistri artium, wenn sie
zugleich in einer hohem Wissenschaft studierten, nur als Scho-
laren bezeichnete^'). Und so bezeichnet das Magisterium
in artibus nur einen Abschluss im artistischen Stu-
dium, nicht aber einen Abschluss im Scholarenthum.
Das Magisterium in artibus offenbarte an sich nur in Bezug auf
die artistischen Scholaren einen hohem Grad, nicht so sehr aber
überhaupt oder in Bezug auf die Scholaren der übrigen Fächer,
eben weil das artistische Studium nur als Uebergangsstadium
zum Studium der andem Wissenschaften angesehen vnirde.
Daraus ergibt sich nun als Consequenz, dass, wenn die Scho-
laren in vier Nationen eingetheilt waren, eo ipso auch die Ma-
gistri artium zu ihnen gehören, und unter derselben Eintheilung
mit begriffen sein konnten. In der That bildeten die vier Nationen
seit ihrer künstlichen Gliedemng eine gemischte Scholarenver-
bindung. In ihr nahmen die einfachen Scholaren der Artes, die
noch nicht Magistri waren, den niedersten Platz ein, und es war
deshalb nicht minder Consequenz, wenn sie bei der Wahl zu
Aemtem innerhalb der Nationen weder active noch passive
Stimme hatten. Das Magisterium in artibus war dazu erfordert
Jedoch genügte auch dieses allein nicht zu allen Stellen, da ja
wie wir gesehen, dasselbe nur in Bezug auf die artistischen
Scholaren einen hohem Grad bezeichnete, nicht aber in Hinsicht
Schreiben Innocenz IV. yom 3. Sept. 1247 an den Magister Johannes geht
hervor, dass Wilhelm damals Hheologie studio insistens' war. Uebrigens
stimmen diese Facta dem Wesen nach mit dem Berichte des Matth. Paris
in Chron. maj. ed. Luard. V, 598 f. überein.
^ So berichtet Matth. Paris 1. c, der dort auch in derselben Weise
Christian Canonicus von Beauvais und Nicolaus de Barro erwähnt.
^^) In einer Ordenschronik der Dominicaner aus der Mitte des 13. Jhs.
(bei Mamachi, Ann. Ord. Praed. I. Append. p. 302 n. 12) heisst es z. B. von
Jordan: 'hie cum esset Scolaris Parisius et probus in theologia'. Er wird
einfach als Scholaris bezeichnet, obwohl er bereits Magister in artibus war und
Theologie studierte. Noch zur Zeit des Ancharanus galt als 'Scolaris' jeder
einschliesslich der Licentiaten. In YI. Decret. Prooem. p. 3a; Ancharan.
nahm es ans Baldus.
'2. Paris. Alter und Charakter der Nationeneintheilung. 103
auf die Scholaren überhaupt. Und darum war wenigstens zur
Erlangung des Bectorats nothwendig, dass sowohl die Wähler als
der Gewählte ausserdem noch Baccalaurei in der Theologie, als
dem Schlussteine des dortigen Studiums, wären, oder dass sie cur-
sorisch dieselbe gelesen, bei Abgang dieser Eigenschaft aber
wenigstens 6 Jahre als Magistri artium gelehrt hätten"^). Die
Procuratoren mussten ebenfalls Magistri artium sein und konnten
nur Yon solchen der einzelnen Nation gewählt werden.
Bei dieser Sachlage versteht man sehr leicht, warum schon
vom Anfange an die Mitglieder der Nationen geradezu als Ar-
tisten aufgefasst werden, und man begreift wie es dazu kommen
konnte, dass nach und nach die vier Nationen als Nationes Ar-
tistanim bezeichnet wurden. Das gemeinsame Band fQr alle Mit-
glieder der vier Nationen war eben das artistische Studium, mit
dem sich die einen beschäftigten, die andern beschäftigt, theil-
weise einen Grad in artibus erlangt hatten. Das artistische Stu-
dium war das Gebiet, auf dem sich alle begegneten.
Ebenso wenig Schwierigkeit liegt aber darin, dass die Ma-
gistri regentes in artibus als Lehrkörper mit den Magistri der
drei übrigen Facultäten das Gonsortium und die Universitas ma-
gistrorum bilden konnten. Unter einem Gesichtspunkte gehörten
sie zu den vier Nationen, unter einem andern zu der Universitas
magistrorum, wenngleich sie trotzdem immer innerhalb der Nationen
blieben. Und dieses Verhältniss blieb auch dann fortbestehen,
als nach einigen Decennien die Facultas artistarum mit den vier
Nationen identificiert wurde.
Man kann nun beurtheilen, was es mit dem so oft betonten
^Gegensatz' zwischen den Nationen und den Facultäten für ein
Bewandtniss habe. Die Frage fallt für unsere Periode ganz weg,
^^) In dem Concordate Tom J. 1266 heisst es, 'dudum' sei das Statut
erlassen und 'a nonntülis annis' beobachtet worden, 'qaod nuUus potest eli-
gere, qui non potest eligi, quia intrantes iarati qui eligunt rectorem debent
liabere Yocem activam et passivam, et quod nnllus de magistris habet vocem
passivam ad electionem rectoris, nisi sit bachalarens in theologia vel legerit
cnrsorie, vel rexerit per sex annos continue in Grammaticis, licet ad eligen-
dun intrantem sen electorem rectoris omnes acta regentes Parisius habeant
Yocem activam'. Bei Da Boalay p. 380.
I
104 ^^' EntstehuDg der Utesten UmyersiUten. ,
weil die Nationeneintheilung einen ganz andern Zweck hatte als
die Scheidung in Facultäten. Beide konnten sehr woU neben
einander bestehen. In Deutschland sprach man von einem solchen
Gegensatze auf Grund der Einrichtungen an den ersten deutschen
Universitäten, besonders an jener von Prag, und verlegte dann diesen
dort gefundenen Gegensatz auch nach Paris, indem man von
vorneherein annahm, die ersten deutschen Universitäten seien
'gedankenlose Nachahmungen' von Paris gewesen*'*). Die Wahr-
heit ist vielmehr, dass solche Behauptungen gedankenlos nieder-
geschrieben werden. In Prag und in Wien z. B. gehörten alle
Professoren der verschiedenen Facultäten ebenso zu den Nationen,
wie die Schüler. Die Professoren und Schüler wurden ohne Aus-
nahme in vier Nationen eingetheilt, und ausserdem existierte
noch die Eintheilung in Facultäten. In Paris gehörten aber
weder früher noch zur Zeit als die ersten deutschen Universitäten
gegründet wurden die Professoren der drei Facultäten der Theo-
logie, des Jus und der Medicin strenge zu den vier Nationen, son-
dern nur die artistischen Professoren. Hätte in Prag eine ähnliche
Organisation bestanden, so wäre die Nationalitätenfrage und der
Zwist zwischen den einzelnen Nationen vielleicht lange oder für
immer dahin gehalten worden. Doch darauf komme ich am
betreffenden Orte zu sprechen.
Das Yerhältniss der Nationen zu den Facultäten und umge-
kehrt in Paris wird einem nur klar, wenn man die Zwecke bei-
der nicht aus dem Auge verliert. Die Nationen waren zu
Zwecken der Verwaltung und der allgemeinen Disciplin consti-
tuiert, und unter diesem Gesichtspunkte standen alle Angehörigen
derselben unter ihren Procuratoren und dem Rector. Die Fa-
cultäten entstanden in Bezug auf jene Wissenschaften, nach
denen sie sich schieden, sie repräsentierten die verschiedenen
2i^) So z. B. Maurer, Geschichte der deutschen St^dteverfassung n,
296. Gans sonderbar nimmt sich Höfler aus. In seinem Magister Has
S. ^7 f. sagt er, dass in Paris die vier Nationen die philosophische Facultat
gebildet hätten, von der die drei übrigen Facultäten geschieden waren; in
einem Athemsuge aber lässt er die Prager Universität * gleich der Pariser
aus vier Nationen constituiert' sein (S. 99). Wenigstens etwas richtiger
Muther, Zur Gesch. der Rechtswissenschaft S. 277 f.
2. Paris. Alter and Charakter der NationeneintheilaDg. 105
Lehrkörper, und hatten als solche nur Beziehung zur Schule.
Die Folge war, dass während die Scholaren in Hinsicht auf die
Verwaltung und die allgemeine Disciplin den Nationen ange-
hörten, sie in Bezug auf die Schule und auf das was mit ihr
zusammenhieng von ihren Professoren resp. den Facultäten ab-
hiengen. Nur die artistischen Scholaren blieben auch hierin in
ihrer Nation, da die artistische Facultät seit der Nationenbildung
innerhalb der Nationen war. Im nächsten Paragraphen werden wir
stringente Beweise hierfür beibringen.
Es erübrigt noch die eine Frage, wann die Nationenein-
theilung vor sich gegangen sei. Ich habe bereits oben*^^) be-
merkt, dass vor dem J. 1249 keine Erwähnung der vier Nationen
geschieht, und dass dieselben als solche Anfangs des 13. Jhs.
noch nicht bestanden. Was es mit dem angeblichen Concordat
vom J. 1206 auf sich habe, sahen wir; ebenso führten wir den
späten Bericht des Johann von S. Victor auf seine Quelle zurück '^^).
In der Bulle Parens scientiarum vom J. 1231 heisst es aber, der
Kanzler solle bei Ertheilung der Licenz ^personarum et nationum
acceptione submota' vorgehen; doch diese Phrase, weit entfernt
eine Eintheilung in vier Nationen zu bezeichnen, hat den ein-
fachen Sinn, der Kanzler solle ohne Bücksicht auf die Person
und Abkunft des Gandidaten vorgehen'*^). Indess schon 11. Mai
1219 werden von Honorius III. Trocuratores' der Magistri libera-
lium artium'"), 31. Mai 1222 auch Nationen erwähnt""). Bieten
zwar diese Stellen keineswegs einen stricten Beweis für die Existenz
der vier Nationen in jener Epoche, so können sie sich doch schwerlich
später constituiert haben. Im J. 1255 gebrauchten die aus dem Uni-
versitätsverbande ausgetretenen Magistri die Siegel 'quatuor na-
tionum ab antiquo Parisius distinctarum , eine Phrase, die
216) s. 84. 91.
»^) S. 84. 82 f.
' 218) pasB sich Dn Boulay p. 143. 564 trotzdem auf die Stelle beruft,
darf Datflrlich nicht mehr Wunder nehmen. Bringt er doch S. 157 auch die
Wiener Universit&t als Beweis, da sie bereits 1237 nach dem Muster von
Paris in vier Kationen eingetheilt gewesen sein soll!
21») Bei Da Boulay p. 94.
220) Nee Bcohires Interim secundum nationes suas sibi quenquam prefi-
cient ad iniurias ulciscendas. Reg. Yat. an. 6 ep. 411 Bl. 246 a.
10g II. Entstehung der Utesten üniTersitftten.
1267 widerholt wurde"*). Was vom Ausdrucke 'ab antiquo'
in Pariser Universitätsacten zu halten sei, lehrt das mehrmals
citierte Actenstück der Artisten gegen den Kanzler Philipp de
Thori vom J. 1283—1284, worin Statuten und Grebräucbe er-
wähnt werden mit der stereotypen Formel sie bestünden 'a tem-
pore a quo non extat memoria \ Und doch lässt sich bei nicht
wenigen nachweisen, dass sie erst 30—40 Jahre früher entstan-
den sind. Keinen viel grössern Zeitraum bezeichnet auch der
Ausdruck 'ab antiquo \ Meiner Ansicht nach wurden die vier
Nationen innerhalb der ersten 2 Decennien des 13. Jhs. formiert
Sie hatten aber bei ihrer Gonstituierung noch fast gar keine
Bedeutung, und fristeten ein ruhiges Dasein, da man weder von
dem Ereignisse selbst, noch von Statuten, die die einzelnen
Nationen gemacht hatten, noch von der damaligen Organisation
etwas hört'"), während wir über all dies in Bezug auf die Uni-
versität selbst unterrichtet sind. Erst in Folge innerer Reibungen
kommen die Nationen 1249 zum Vorschein.
c. Stellang des Bectors innerhalb ddr TTniveriitftt
Dass der Bector das Haupt der ganzen Universität war,
und zwar vom Augenblicke der CSonstituierung an, war bis heute
fast die allgemeine Ansicht Bei Du Boulay ist diese Ansicht
eine Gonsequenz aus der irrigen Annahme, dass die Universität
vom Anfange an nichts anderes als die vier Nationen gewesen ist
Indem der Bector das Haupt der vier Nationen war, folgte für
Boulay mit Nothwendigkeit, dass er auch Haupt der Universität
war. Da er aber die Gonstituierung der vier Nationen in das
9—10 Jh. verlegte, datierte er ganz logisch den Ursprung des
Rectorats in Paris aus jener Epoche. Spätere Forscher ver-
^1) S. oben S. 80, und Jourdain n. 216.
9^) Es ist ein wahrer Hohn aaf die Geschichte, wenn Du Bonlay p. 563
schreibt: in privilegiis papalibas et regalibus, in *8tatatis et constitationibas
ipsius universitatis non alias cemimus partes sea classes quam Nationes,
neque alios praefectos et gubematores quam rectorem et proenratores usqne
ad annom 1260. Warum hat er die Documente in seiner Historia nicht citiert?
Warum besonders kein anderes königliches Privileg, ausser dem Philipp
Augusts, das die späteren Könige nur Tidimierten?
2. Paris. Stellang des Rectors innerhalb der Universität. 107
warfen zwar zumeist den fabelhaften Ursprung der Pariser Uni-
versität; aber indem sie sich von der Auffassung Du Boulays in
Betreff der Nationen und der Universität nicht loszumachen ver-
mochten, nahmen sie doch fast alle Consequenzen bei Du Bou-
lay auf Treu und Glauben an, und unter anderen auch diese,
der Bector sei stets das Haupt der Universität gewesen. In
Deutschland verdienen vornehmlich Meiners, Savigny und Huber
genannt zu werden; andere haben diese nur ausgeschrieben. Einige
französische Forscher der neueren Zeit waren viel vernünftiger,
nachdem bereits der Autor der Origo vera in Du Boulays Sy-
stem eine arge Bresche geschossen hatte. Doch gelang es auch
den Modernen nicht zur völligen Klarheit zu gelangen, nament-
lich gilt dies von Thurot.
Die Resultate, zu denen wir in den zwei vorhergehenden
Paragraphen gelangt sind, machen eigentlich die Frage schon un-
möglich. Wenn der Bector nur Haupt der Nationen war, und
diese nicht mit der Universität identisch sind, so folgt von
selbst, dass der Bector nicht Haupt der Universität war. Trotz-
dem will ich hier die Frage erörtern, da uns die Untersuchung
auch noch zu neuen Besultaten führen und die alten bestätigen
wird.
Vor allem ist es Thatsache, dass kein einziges päpstliches
Schreiben bis in die Mitte des 14. Jhs. an den Bector allein,
oder an den Bector mit der Universität gerichtet wurde. Du
Boulay sagt zwar, nach Bicher Senonensis seien die Päpste ge-
wohnt gewesen ihre Schreiben ^ad rectorem scholarium' zurichten"^).
Allein dies ist eine gewissenlose Verdrehung des Textes. Bicher
sagt nämlich, die Glerici zu Paris hätten behauptet, ^se antiqui-
tus magistros et deffinitores habuisse, qui scolarum et scolarium
rectores extiterunt, quos etiam D. Papa eis scribendo rectores sco-
larum eos s^pellasse comprobatur' "^). Bicher hat hier die Bulle
Innocenz UI. vom J. 1209 im Auge, welche die Adresse trägt: Tni-
versis rectoribus sacre pagine, decretorum et liberalium artium
magistris Parisiüs commorantibus' '"). Allein mit 'Bectores sacre
») Eist univ. Paris. III, 564.
3M) Mon. Germ. BS. XXY, 328.
22») S. Potthast D. 3570. In den Codd. Yat. 2509 Bl. 198a. Paris, nouv.
108 IL Entstehung der ältesten üniversitftten.
pagine' etc. werden nicht der Rector der UniYer8ität, sondern die
Magistri regentes in der Theologie etc. bezeichnet. In der 1210
vom Papste selbst veranlassten Comp. in. trägt deshalb die be-
treffende Decretale in nicht wenigen Hss. den einfachen Titel:
Universis doctoribus Parisius commorantibus"*), was dann ebenfalls
auf den Titel in Gregors Decretalen übergieng. Tancreds Glosse
identificiert auch, wie natürlich, die Bezeichnungen 'rectores' und
^doctores'. und wenn Richer selbst sagt, der Papst habe die
Magistri: rectores scolarum genannt, so nimmt er ja auch beide
für gleichbedeutend"^). Sollte sich aber auch einmal eine Chronik
acquis. 2127 BL 127b. 2, 15 c. 12 steht: *Idem rectoribus universis sacre pa-
gine decretorum et liberalinm artiom Parisius commorantibns', was wohl die
richtigere Leseart ist. So auch in den Codd. Paris. 3926. 3927.
^) So in den Codd. Paris. 3928. 3930. 3931 A. 3932. Cod. lat Mon.
3879. Cod. Borghes. n. 264. Cod. Admont. 22, und, habe ich recht notiert, Codd.
n. 440 der Capitelsbibl. zu Cordoba; n. 305, Alcoba^a in derNaUBibl. sn Lissabon
(nebenbei bemerkt enthalten die drei zuletzt genannten Hss. auch die
Comp. Y. mit den Glossen des Jac. de Albenga ; bisher kannte man nur 6ine
Hs., n. 462 zu Chartres). Der Cod. 1835 zu Troyes (Ezceptiones decretalium
trium compilationnm) hat: magistris parisiensibus; Cod. Paris. 3929: uniTorsis
magistris Parisius commorantibus.
^7) Rector scolarum bezeichnete Überhaupt den Chef der Schule. So wurde
bereits Abaelard genannt (Chron. Morigniac. in Recueil des hist des Gh&ules XII,
80). Correlativ hiemit war die Bezeichnung: Magister scolarum. Die Grund-
form lag in dem Ausdrucke: scholas, Studium regere. Daher auch: schola-
rum regimen. So kommt es, dass der Name * Rector' in Bezug auf jede
Schale» besonders aber der Theologie angewendet wurde. Adam Wal-
lensis nannte sich 'prepositus olim scolarum' des Peter Lombardus (Walter
y. S. Victor im Cod. 379 BL 89 a in der Arsenalbibl. zu Paris — theilweise
Original). Thomas de Cantimpr6 spricht von einem gewissen BonifMins
'tunc rector in theologia Parisius' (De apibus I, 25 nach der Hs. 4457—58
in Brüssel). Heinrich von Gent gebraucht in seinem Catalogus de viris
illustribus widerholt das Epitheton: theologice scole rector oder presidens
(nach Cod. 314 der nouv. acqu. lat der Nationalbibl. zu Paris, Bl. 75 b bis
77 b). In der Geschichte der Universität Paris werde ich darauf zurflck-
kommen. Wurde doch schon einige Jahrhunderte früher der Ausdruek
'doctor' mit der Bezeichnung 'rector' identificiert So in den 2 Hss. 214
und 443 aus dem 11. Jh. zu Monte Gasino. S. auch Bibl. Casin. lY, 347.
Identisch mit 'pastor' in der Reg. past. des h. Gregor. Du Boulay, dem all
dies wie es scheint, entgieng, gibt p. 61 eine ganz absurde Erklärung,
die darauf hinausläuft, dass der Ausdruck Rector immer das Haupt der Uni-
versität bedeutet habe.
2. Paris. Stellung des Bectors innerhalb der Universität. 109
finden, auf die man sich mit Du Boulay berufen könnte, so hätte
dies keine Bedeutung, denn nicht auf Chroniken, sondern auf die
Actenstücke kommt es hier an, von diesen aber, deren ich
wenigstens so viele als Du Boulay kenne, ist kein einziges an
den Rector gerichtet. Und der Rector sollte das allgemeine Haupt
der Universität gewesen sein?
Im ganzen 13. Jh. legte man ferner nicht in die Hände des
Rectors den Eid auf die Befolgung der Statuten ab"^). Nur die
Artisten machten, wie wir sehen werden, eine Ausnahme. Und
doch geschah dies sonst an allen Universitäten, wo ein Rector war.
Es darf daher nicht Wunder nehmen, dass die Universität
selbst in ihren gemeinschaftlich ausgefertigten Acten bis in das
14. Jh. hinein niemals den Namen des Rectors voranstellte, ja ihn
in solchen Acten bis zum Jahre 1338 nicht einmal nannte. Die ste-
reotype Phrase lautete Eingangs der von der ganzen Universität aus-
gestellten Documente: (Nos) universitas magistrorum et scholarium
Parisias studentium, oder ähnlich'"). Die Formel: (Nos) rector
et universitas magistrorum et scolarium etc. datiert erst aus
jener Epoche, in der der Rector, wie sich aus andern Anzeichen
ergibt, das Haupt der ganzen Universität geworden war. Zum
ersten Male erscheint sie im J. 1341"°), und dann fortwährend,
nachdem sie bereits in den unmittelbar vorhergehenden Jahren
vorbereitet war**'). Nun sehen wir aber, dass an jenen Hoch-
schulen, an denen in jener Zeit der Universität definitiv ein Haupt
vorgesetzt war, dieses auch in den von der Universität ausgefertig-
ten Actenstücken vorangestellt wurde. So finden wir z. B. in
Toulouse im J. 1314 den ^Rector studii Tolosani una cum aliis
>K) Ein interessantes Statat findet sich hierüber oben S. 73.
^ Man ?ergl. die oben 8. 76 Anm. 115 f. citierten Stellen bei Du
Boulay. Obige Phrase wendete die Universität bereits 1222 an (Du Boulay
p. 105); sie erscheint dann ebenso in den Jahren 1266 (Du Boul. p. 383),
1275 (ibid. p. 419), 1276, 1277 (ibid. 430. 432), 1281 (ibid. p. 456 und Jourd.
n. 269), 1289 (Du Boul. M^moires historiqnes sur les b^n^fices p. 133), 1291
(Du Bonl. Hist. univers. III, 499), 1296 (Jourd. n. 343). Und so war es noch
im 14. Jh. bis cum J. 1888 incl. (Jourdain n. 555>
»0) Bei Jourdain n. 579.
») S. Jourdain n. 551 (J. 1336); Du BouUy lY, 261 (J. 1339).
110 n. Entstehung der ältesten Universitäten.
doctoribus et magistris regentibus in studio supradicto' die Statuten
machen"*). In Oxford wurde bereits c. 1250 der Kanzler, der
dort das Haupt des Studiums war, den Magistern übergeordnet*"),
wie in Angers der Scholasticus"*). Von Bologna und den ita-
lienischen Universitäten will ich gar nicht sprechen, denn es ver-
steht sich dort von selbst Dasselbe war 1302 in Lerida der Fall"*),
1307 in Orleans "•). Und wir brauchen gar nicht auswärtige
Universitäten zum Vergleiche heranzuziehen, da uns Paris selbst
als Beispiel dient Im J. 1274 begann der Bector, als er nicht
mehr bloss Haupt der vier Nationen, sondern der Artisten-Facultät
war, seinen Namen, wenngleich noch nicht immer, den gemeinschaft-
lichen Acten des ArtistencoUegiums vorzusetzen. Es hiess: Bector
üniversitatis et procuratores (quatuor nationum) ceterique magistri
Parisius actu regentes in artibus"^), oder: Bector üniversitatis
Parisiensis et omnes et singuli magistri facultatis artium'")etc.
Wäre der Bector das Haupt der ganzen Universität gewesen, so
würde er Eingangs der Actenstücke der ganzen Universität eben-
so erschienen sein, wenigstens das eine oder andere Mal, wie in
jenen der Artistenfacultät Aber nicht Einmal geschieht das"').
^) Bist de Languedoc ed. Privat VU. Notes p. 479.
^) Monim. Academ. I, 18. Vgl. dann p. 30. 39. 52. 62 n. 8. w.
^^) So heisst es in dem 1362—1363 eingesandten Botolus studii An-
degaven.: Scolasticas et universitas stndii vestri Andegaven. Arch. Tat
Urban. Y. Reg. Snp. an. 1 p. 2 Bl. 120a
236) Bei ViUanneva, Viage literario XYI, 233.
^) Statntenbnch im Cod. Vat. Heg. 405 Bl. 24b.
^7) So in dem Schreiben, das die Artistenfacolt&t an das Generalcapitel der
Dominicaner za Lyon im genannten Jahre sendete. Die Uteste fast gleich-
zeitige Copie findet sich unter der Sammlung der Generalcapitel des Ordens
Bl. 60 a, die von der Mitte des 13. Jhs. ab gleichzeitig mit den jeweUigen
Generalcapiteln, mithin unabhängig yon der sp&tem des Bernhard Guidonis,
gemacht wurde. Hs. im Generalarchiv des Ordens. Man t&uschte sich darin,
dass man genanntes Schreiben, auch ediert bei Du Beul. p. 408, als Schreiben
der ganzen Universität ansah. Obige Phrase findet sich auch im J. 1279
bei Du Beul. p. 447, im J. 1292 bei Du Boul. p. 501.
^) So im J. 1279 bei Du Boul. p. 449.
239) Dass der von Du Boulay zum J. 1259 (p. 356) citierte Act in das
Ende des 14. Jhs. gehöre , habe ich bereits oben S. 67 angedeutet. Es ist
unbegreiflich, dass niemand die Anachronismen bemerkte, die in diesem
2. Paris. Stellung des Rectors innerhalb der Universität. m
Wir finden sogar, dass bei Aufzählungen der Rector erst nach
den Theologen und den Decanen der Decretisten und Mediciner
unmittelbar vor den Procuratoren und den Artisten genannt
wurde, eben weil er nur zu diesen letztem gehörte""). Dies
war der Fall, bis die Decretisten und Mediciner dem Bector
unterworfen wurden.
WenA der Bector stets das allgemeine Haupt der Universität
war, wie kommt es denn, dass er in der Organisation der Uni-
versität während der ersten Hälfte des 13. Jhs. niemals hervortritt?
Man hört nichts von ihm bis um die Mitte des 13. Jhs. Und
doch trugen sich innerhalb dieser Zeit wichtige, die Universität
vielfach aufregende Ereignisse zu, so dass, wenn der Bector das
Haupt der ganzen Universität gewesen wäre, er doch endlich einmal
hätte genannt werden müssen. Aber nichts davon. Er erscheint
nicht im Acte Philipp Augusts; er kommt nicht zum Vorschein
Schreiben, würde es in das Jahr 1259 (1260) fallen, za Tage treten. Ich wiU
hier nur auf einen aufmerksam machen. Der Platz der Praesentati aus
dem Dominicanerorden soll hinter den aliorum ordinum, sc. Minorum, Car-
melitarum, Angustinensium, Cisterciensium etc. sein. Nun kamen aber die
Carmeliten erst gegen 1259—1260 nach Paris, und zwar in der kleinen An-
zahl Ton sechs Personen. Der Schenkungsact ist vom Febr. 1259 (1260)
datiert (Nationalarchiv zu Paris, L. 927. s. Felibien, Eist, de Paris, III, 215).
Der erste Carmelit, der in Paris die Doctorwflrde erhielt, Gerhard v. Bo-
logna, war erst später dort. Selbst der classische Autor Jaillot, Recherches
crit. snr la ville de Paris IV. Quartier S. Benoit p. 26, Hess sich durch
Da Boulay beeinflussen. Ebenso erhielten auch die Augustiner erst im Dec.
1259 eine Schenkung in Paris (Nationalarchiv, L. 921) und ebenso kam auch
ihr erster Doctor, Aegyd ▼. Rom, erst mehrere Jahre später nach Paris. Ob-
wohl JaiUot (1. c. y. Quartier S. Andr6-des-Arc8 p. 26 ff.) das Ganze richtig
darstellte, konnte er sich trotzdem nicht von Du Boulay losmachen (cfr. p. 28).
Zum Schlüsse noch die Bemerkung: Der Universit&tsstreit hatte fOr die
Dominicaner kraft der p&pstl. Yermittelung einen höchst günstigen Ausgang.
Und nun kommt auf einmal ein Actenstfick, worin den Domicanern der letzte
Platz angewiesen wird, wozu Papst und Dominicaner 'ja' sagen. Warum
kam denn keinem der Forscher bis heute ein Zweifel an der Aechtheit der
Datierung?
^ So im J. 1264 in der Bulle Clemens IV. ad proYisorem pauperum
magistrorum in vico ante palatium de Thermis (Reg. Yat. an. 5 ep. 16 Bl. 220 b
8. Da Boulay p« 236). Aehnlich in einem Actenstficke der Universität
▼om J. 1267 bei Jourdain n. 216.
112 ^' Cntsteliimg der Ältesten üniversit&ten.
beim Compromiss zwischen dem Kanzler nnd der Universität im
J. 1213; er wird nicht erwähnt in dem Statute Roberts de CJour-
<^n im J. 1215, nicht in den langwierigen Verhandlungen zwischen
der Universität und dem Bischöfe in den nächsten Jahren; er
ist unsichtbar, als 1225 der Gardinallegat das Siegel zerbrach,
und man hört nichts von ihm bei der 1229 stattgehabten Aus-
wanderung der Universität Auch in den Verhandlungen, die
1229 — 1231 in Folge dessen zwischen dem Papste und der Uni-
versität, sowie dem Papste und dem Könige und Bischöfe statt
hatten, kommt nicht einmal der Name Rector vor. Oregor IX.
nennt ihn auch nicht in der Magna Charta der Universität, in
der Bulle Parens acietUiarum^ durch welche doch die Universität
reorganisiert wurde. Wer glaubt Angesichts solcher Thatsachen an
die Existenz eines allgemeinen Rectors der Universität? Wenn
es wirklich einen gegeben hat, welches war denn bei solcher
Sachlage seine Function?
Uebrigens staunen wir nicht mehr über derartige Erschei-
nungen, da wir nunmehr aus dem vorigen Abschnitt wissen, dass
bei all diesen Gelegenheiten auch von den vier Nationen keine
Rede ist, und dass dieselben, wenngleich sie bereits in ihren An-
fängen existierten, ein höchst geräuschloses Dasein führten. Eben
weil der Rector nur den vier Nationen, nicht aber der Univer-
sität angehörte, decken sich hier die Thatsachen.
Im Jahre 1237 kommt der Name Rector vor^^O- Allein in
keiner andern Bedeutung als in dem erwähnten Schreiben Inno-
cenz lU. vom J. 1209. Oregor IX. sagt nämlich, *ut nullus in
universitatem magistrorum vel scholarium seu rectorum vel pro-
curatorem eorum' die Excommunication promulgieren dürfe* ^').
Du Boulay's verderbter Text lautet: seu rectorem vel procuratores
eorum' und er meint, es sei hier von den Procuratores nationum
die Rede, sowie auch vom Rector der ganzen Universität. Allein
wie nun jeder sieht ist diese Interpretation durch den ächten
Text ausgeschlossen. Der Plural Rectores in der Verbindung
^universitas rectorum' bezieht sich auf die Magistri regentes der
^^ Bei Du BonUy findet sich p. 157 das betreffende «p&pstl. Schreiben.
M>) Qreg. IX. Reg. an. 5 ep. 66 El. 94 a.
2. Paris. Stellung des Rectors innerhalb der Universität. HS
einzelnen Facultäten, und der Singular Procurator bezeichnet eben
den Procurator der ganzen Universität"*). Bestätigt wird dies
durch eine ähnliche Bulle Innocenz IV. vom J. 1246, worin es
heisst: ^ut nuUus in Universitäten) vertram magistrorum aut sco-
larium, aut procuratorem eorum, vel rectorem cuiuscumque
facultatis' die Excommunication promulgiere"*). Hierdurch ist
ebenfalls ausgeschlossen, dass Rector das Haupt der Universität
bedeutet, denn ^rector cuiuscunque facultatis' bezeichnet den Ma-
gister regens in irgend einer Facultät, so dass der Sinn ist: die
Excommunication darf weder gegen die Gesammtheit der Magister
und Scholaren, noch gegen einen einzelnen Magister, noch gegen
den Procurator der Universität ausgesprochen werden. Du Boulay
kannte diese Bulle, wie sich aus einer Stelle ergibt"**), wo er sie ins
Jahr 1245 setzt; allein, weil gegen seine Auffassung, unterliess er
es den Text zu bringen. Dieselbe Bedeutung hätte der Ausdruck
*rector' in der Bulle Innocenz IV. vom 9. Mai 1244, wenn er
wirklich darin stünde, wie Du Boulay vorgibt'"). Allein es heisst
dort nicht: Gancellarius Parisiensis et rector es ac regentes Parisius
in Sacra pagina, sondern: Cancell. Paris, et doctores regentes
Parisius etc."'). Du Boulays Leseart würde aber eine Tauto-
logie enthalten.
Unter den mehr denn 140 päpstlichen Bullen, die seit Be-
ginn des 13. Jhs. bis 1260 sich auf die Universität Paris be-
ziehen^*')? giW GS nur eine einzige, auf die man sich wegen des
Rectors berufen kann, nämlich jene Innocenz IV. vom 1. Juni
243 j In derselben Weise war Wilhelm von S. Amonr 'procnrator scho-
lariam vel rector de coUegio eorum.' Opp. ed. Gonstantiae 1632 p. 94.
***) Jourdain n. 76.
»*«») Bist. univ. Paris. HI, Ö64.
^) ffist. univ. Paris. III, 192. Vgl. 564.
^ Reg. Vat. an. 1 ep. 681 Bl. 105b. Anch das Bull. Rom., worauf
sich Da Boulay beruft, bietet die Leseart der Regesten, so dass hier widerum
ein Konststfickchen Du Boulays vorliegt. S. Bull. Rom. ed. Gherubini, das
doch Du Boulay nur gebrauchte. Raynald ad ann. 1244 d. 42 hat die falsche
Leseart: rectores regentes in sacra pagina, jedoch immerhin die bessere als
jene Du Boulays.
M7) Mehr denn 30 derselben waren bisher nicht bekannt. Alle andern
Universitäten susammengenommen weisen im 13. Jh. nicht mehr p&pstliche
D«nifU, Die üniTwrsitMen I. 8
in IL Entstehung der Ältesten Universitäten.
1252'"). Sie betrifft wie jene vom J. 1246 ebenfalls das Privileg,
dass die Universität etc. nicht excommuniciert werden könne.
Darin finden sich nun die Phrasen: 'ut nuUus in üniversitatem
vestram magistrorum et scolarium aut rectorem vel procuratores
vestros cuiuscunque aut quaruncunque facultatum . . . excommu-
nicationis sententiam audeat promulgare'. In der Conservatio
privilegii steht aber: 'quatenus prefatos magistros et scolares,
eorumque rectorem vel procuratores non pennittas molestari'.
Eines geht aus dem Wortlaute mit Bestimmtheit hervor, dass
seit den Jahren 1237 und 1246 eine Umwandlung und Verände-
rung vor sich gegangen sein muss. Ich sage dies besonders wegen der
an zweiter Stelle angeführten Phrase. Ich bin ganz gegen die
Methode des anonymen Verfassers der Origo vera, welcher bei
solchen Stellen von vornherein theils Fälschung wittert, theils die
Identität des Rectors mit Procurator in den Act hinein interpre-
tiert. Aufgabe des Forschers ist es vielmehr zu untersuchen,
welche Thatsachen obigen Worten zu Grunde liegen und ob nicht
anderweitige Actenstücke uns über den Bector und dessen Stel-
lung innerhalb der Universität Aufschluss geben. Hiermit sind
wir bei dem positiven Nachweis angelangt, dass der Bector in
der ersten Zeit keineswegs das Haupt der ganzen Univer-
sität war.
Der Bector wird zum ersten Male in einem Beschlüsse der
Artistenfacultät vom J. 1244 erwähnt. Wer sich den Beschlüssen
der Universitas artistarum widersetzt, >vird von ihr ausgeschlossen
und bleibt es so lange, bis 'rectori et procuratori pro universi-
tate fuerit ad plenum et pro ipsorum voluntate satisfactum^'*').
Schreiben auf, als Paris allein innerhalb von 60 Jahren. Allerdings f&llt
nahezu die H&lfte (60—70) in die Epoche des Universit&tsstreites mit den
Mendicanten.
^^) Du Boulay p. 242. Jourdain meinte 1. c. p. 11 Anm. 1, der Text
sei von Du Boulay eigenmächtig verändert worden, und p. 14 Anm. 2, die
von Du Boulay gebrachte Bulle sei im Grunde identisch mit der von ihm
selbst n. 93 abgedruckten. Allein dem ist nicht also. Der von Du Boulay
gedruckte Text findet sich wörtlich sammt der conservatio privilegii im Cod.
Vat. Reg. 406 Bl. 16 (Anfang des 14. Jhs.), und Jourdain hätte diese Bulle
ebenso wie die übrigen notieren sollen.
349) Cod. Vat Reg. 406 Bl. 53 b. Du Boulay p. 195.
2. Paris. Stellang des Rectors innerhalb der Universität. 115
Der Rector erscheint also hier in der Gesellschaft der Artisten.
In demselben Jahre machte die ganze Universität ein Statut über
Hörsäle und Wohnungsmiethe. Im ersten Theile werden Be-
stimmungen für die Magistri gegeben, im zweiten für die Scho-
laren, und da heisst es, dass jene derselben, 'qui domum inter-
dictam receperint . . . quam cito moniti fuerint per rectorem
vel servientem ab eo missum vel procuratores similiter vel nun-
tium ab eis missum, beneficiis scolarum et universitatis pri-
ventur' *'*). Hier erfahren wir also von einem Amte des Bectors,
das jedoch kein anderes als das der Procuratoren ist: auf die
Scholaren in gewissen Punkten ein wachsames Auge zu halten.
Handelte es sich aber hier um die Scholaren, insofern sie zu-
gleich zu den Nationen gehörten (und deshalb hatten die Procu-
ratoren und der Rector mit ihnen zu thun), so einige Jahre später,
1251, um die Scholaren, insofern sie den einzelnen Facultäten
angehörten. Das Document ist für unsere Frage eines der wich-
tigsten.
Die ganze Universität erklärt, ^qui debent dici scolares, et
qui sint repetendi si capiantur, et a quibus'. In Bezug auf diesen
letzten Punkt wird bestimmt: Modus autem repetendi scolares
captos talis erit äpud magistros artium, quod magister Scolaris
capti cum duobus magistris regentibus, quibus constat quod sit
Scolaris, accedet ad prepositum, et scolarem suum repetet; qui
si reddere denegaverit, dictus magister significabit rectori univer-
sitatis, et tunc rector eum nomine universitatis repetet, et si pre-
positus eum reddere noluerit rectori, tunc recurret rector ad
cancellarium , et postremo ad episcopum vel officialem eiusdem.
In aliis autem facultatibus unusquisque magister scolarem suum
repetet per se, si necesse fuerit"^). Dieses Statut hat nur einen
360) Cod. Yat Reg. 4Q6 BL 49 a. Du Boolay 1. c.
>&i) Cod. Yat. Reg. 406 El. 48 b. Da Boalay III, 240 bietet hier wider
einen ganz defecten Text, der sogar einen yerkehrten Sinn gibt Ich glaube
nicht, dass er denselben absichtlich gefälscht hat, denn die Leseart ist ebenso
defect an Stellen, die nicht zu dieser Frage gehören, und aas deren Erkl&-
nmg dorch Da Boalay hervorgeht, dass ihm nicht bloss der richtige Text
Torlag, sondern dass er ihn auch richtig copieren wollte. So steht im ge-
nannten Cod.: Bachelhurii vero decretales et legea legentes . . . qoi etiam audi-
8*
11g II. Entstehang der ältesten Üni?er8it&ten.
Sinn, wenn die Universität aus den vier Facultäten und nicht
aus den Nationen bestanden hat, und der Bector lediglich Vorstand
der letztern war. Wäre die Universität identisch mit den vier
Nationen gewesen, dann hätte der Rectorj weil Haupt der Na-
tionen, alle Scholaren vom Pr6vöt fordern können. Nun aber
darf er nur die Scholaren der Artisten, und zwar auch dann
erst, wenn die Magistri sie fruchtlos zurückgefordert hatten, nie
aber jene der Theologie, der Juristen und der Mediciner zurück-
verlangen. Aus welchem Grunde? Weil es sich hier nicht um
die Scholaren als solche, wie in dem unmittelbar vorher be-
sprochenen Statute, sondern um die Scholaren, insofern sie den
verschiedenen Facultäten angehören, handelt, und der Rector da-
mals mit den Facultäten als solchen, vorzüglich aber mit den
drei eben genannten nichts zu thun hatte und mithin nicht Rector
der Universität war. In Betreff der Wohnungsfrage trat der
Scholar weder mit seinem Magister noch mit den verschiedenen
Facultäten an sich in Berührung, das gehörte zur Competenz der Na-
tionen. Anders gestaltete sich aber die Sachlage in Bezug auf
Schule. Hier gehörte der Scholar seinem Magister und der Fa-
cultät dieses Magisters an**^*). Denn als Scholar wurde nur der-
jenige angesehen und nur jener hatte Anrecht darauf von
seinem Magister im Falle der Gefangennahme reclamiert zu wer-
den, der zum wenigsten zweimal die Woche das Colleg besuchte'*'),
und die lectiones ordinariae hörte; die lectiones cursoriae
kamen hier ganz ausser Betracht'*'). Die lectiones ordinariae
tores Ugum et decretaliam. Die cnrsiv gedruckten Worte fehlen im Texte
bei Du Bonlay, während die Erklärung p. 241 dieselben voraassetzt. Der
anonyme Autor der Origo vera p. 787 war glacklicher als Du Bonlay.
»"•) 8. oben S. 104 f.
3^3) So wird in dem in Frage stehenden Statut bestimmt. Cod. Vat
Reg. 406 1. c. Du Boulay p. 240. Auch Robert de Sorbonne sagt in seinem
Liber conscientie: Nota quod non habetur pro Scolari Parisius, qui ad minus
non yadit bis in ebdomada ad scolas. Cod. Paris. 15954 El. 838 b. S. auch
Du Boulay p. 231. Thurot übersetzt *bis' mit 'une foisM (De l'organisation
etc. p. 110).
'^) Robert de Sorbonne sagt 1. c. Preterea non repntatnr aliquis Sco-
laris propter lectiones cursorias, si non andiat ordinarias, nee repetitur a ma-
gistro aliquoy si capiatur aliqno de casu a preposito et ponatttr in casteUo.
2. Paris. Stellung des Recton innerhalb der Universit&t. 117
hielten eben nur die Magistri. Es var hier derselbe Grundsatz
massgebend, der in dem Streite gegen das Beichtprivileg der
Mendicanten so oft ausgesprochen wurde. Der Gläubige, hiess
es, muss bei seinem Pfarrer beichten, denn dieser ist der Hirte;
dieser muss seine Schafe kennen lernen , damit er für sie
Rechenschaft ablegen könne. Und so galt auch hier das
Prinzip: Der Scholar muss die Schule seines Magisters be-
suchen, damit jener von diesem gekannt werde und letzterer für
ihn eventuell einstehen könne"*).
In Bezug auf die Schule waren also die Magistri Alles, und
die Scholaren standen unter deren und des Kanzlers Jurisdiction
and Botmässigkeit. Der Rector hatte damals mit den Facultäten
und den Scholaren, insofern diese mit jenen in Berührung kamen,
an sich nichts zu thun. Darum mussten selbst bei den Artisten
die magistri regentes die Initiative betreffs der Zurückforderung
ihrer Scholaren ergreifen ; erst wenn dies nichts fruchtete, wandten
sie sich an den Rector, damit er unterhandle, und sich even-
tuell an den Kanzler, in letzter Instanz an den Bischof oder
dessen Official wende. Bei den übrigen Facultäten sollten die
Magistri nicht bloss die Initiative nehmen, sondern eventuell
sich selbst an den Kanzler, resp. an den Bischof wenden, wie sich
aus dem Zusammenhange des Actes ergibt. Warum musste aber der
Rector von den Artisten angerufen werden? Wir werden hiermit
auf ein anderes nicht weniger wichtiges Document gewiesen.
Im Jahre 1249 entspann sich ein Streit inter magistros regentes
in artibus, sc. inter nationem Gallicorum ex una parte, et alias tres
nationes ex alia de rectore eligendo et de modo eligendi'. Die
drei Nationen verboten sogar ^suis compatriotis , ne scolas ma-
gistrorum nationis Gallicane causa discipline introirent'. Es gab
damals in Folge eines Zwistes einen rector nationis Gallicanae,
Da Boulays Text ist corrupt, und Thnrot Hess sich p. 65 Anm. 5 durch ihn
tAaschen, indem er meint, man habe statt lectiones cursoriae auch Hransito-
riae' gesagt.
^ So sagt, eine andere Hs. des Liber conscientie (Cod. Paris. 3218
Bl. 165 b): Item Scolaris debet frequentare scolas, ut cogooscatur a magistro
Buo, quod si accipiator a cnstodibus ville, qnod requiratnr a magistro suo,
qnod non &ceret, si eum non cognosceret.
113 II' Entstehung der ältesten üniversit&ten.
und einen aliarum trium nationum. Gemeinschaftlich wurde nun
der Zwist beigelegt und die Wahlordnung für die Zukunft gere-
gelt. Das darüber ausgestellte Actenstück schliesst mit den
Worten: Antequam vero ista forma pacis publicetur, revocabitur
a tribus nationibus per singulas scolas Artistarum inhibitio, quam
fecerant suis compatriotis, ne scolas magistrorum Gallicane na-
tionis causa discipline introirent, et fruerentur scolares introeundi
scolas magistri cuiuslibet solita libertate^^^). Aus dieser Urkunde
erhalten wir zunächst eine Bestätigung unseres Resultates, dass die
Magistri der übrigen Facultäten nicht zu den vier Nationen ge-
hörten. Stünde nur der Satz hier, die drei Nationen hätten ihren
Landsleuten verboten die Schulen der Magister der natio gallicana
zu besuchen, so würden Du Boulay und dessen Ausschreiber die Be-
hauptung nicht unterlassen haben, magistros theologicae et canoni-
cae facultatis adhuc in nationibus fuisse sub procuratoribus, wie Du
Boulay oft widerholt. Allein hier konnte er diese Phrase nicht
anwenden, wenigstens ist er wie beim vorher besprochenen Acten-
stück ganz still. Denn wenn die drei Nationen ihr Verbot
^per singulas scolas artistarum' aufheben mussten, so ist doch
klar, dass nur die Artisten, nicht aber die übrigen Magistri zu
den Nationen gehört, und mithin nicht die vier Nationen die
Universität zusammengesetzt haben.
Ferner ergibt sich, dass die Artisten -Magistri nicht bloss
zu den vier Nationen gehörten, sondern dass sie auch als
Facultät innerhalb derselben, wenngleich nicht mit ihnen iden-
tisch, waren, und aus ihnen die Vorstände der Nationen gewählt
wurden — Resultate, zu denen wir bereits in den frühem Ab-
schnitten gelangt sind. Eben deshalb musste der Rector von
den Artisten eventuell angerufen werden, wie uns das unmittelbar
vorher besprochene Actenstück zeigt
Für die Zukunft wurde die Rectorswahl in der Weise ge-
regelt, dass die von den Artisten-Magistern gewählten vier Pro-
curatoren der vier Nationen den Rector wählen sollten. Der
Rector gieng also aus den Artisten hervor und gehörte den Na-
tionen an. Da nun aber die drei übrigen Facultäten, wie wir
3^) Cod. Yat. Reg. 406 Bl. 1 b. Du Boulay p. 222.
2. Paris. Stellung des Rectors innerhalb der Universität. HQ
oben nachgewiesen haben und wie sich aus diesem Actenstücke neuer-
dings ergibt, nicht zu den vier Nationen gehörten und nicht inner-
halb derselben waren, wie kann man noch behaupten, der Bector
sei Haupt der ganzen Universität gewesen? So erklärt es sich,
warum der Rector bei Zurückforderung der Scholaren vom Pr6v6t
nicht von den Magistern der andern Facultäten angerufen wurde.
Er hatte nichts mit ihnen, und sie nichts mit ihm zu thun.
Halten wir diese Urkunde mit den zwei vorher citierten zu-
sammen , so kommen wir zum Schlüsse, dass der Rector damals auch
noch nicht eigentliches Haupt der Artisten als Facultät, son-
dern nur der Nationen war, zu denen die Artisten gehörten und
innerhalb deren sie als Facultät existierten, und dass man durch-
aus nicht sagen kann, die Artistenfacultät sei aus den vier Na-
tionen zusammengesetzt gewesen. Zu diesem Resultate sind wir
gelegentlich schon oben gelangt*"). Wir begreifen nunmehr,
warum der Rector bei Beschlüssen der artistischen Facultät nie
als solcher sich zeigt, nie als anwesendes Mitglied erscheint,
warum sich die Facultät noch nicht wie später einführt: Rector et
universitas artistarum, und ähnlich, sondern von 1244 bis
1274 die Phrase: Nos magistri artium de communi consensu ar-
tistarum Parisius regentium, oder eine ähnliche gebraucht '^^).
Erst 1274 erscheint der Rector an der Spitze des Schreibens der
Artisten'"), nachdem bereits im J. 1271 die Gewohnheit bestanden
hatte in seine Hand zu schwören'*'). Auch früher musste zwar der
Rector die Beschlüsse bekannt geben ; allein er erscheint wie die
Procoratoren nur als ein Executivorgan""). Es kam aber endlich
nach und nach dazu, dass der Rector auch Haupt der Ar-
25«) 8. 8. 80.
»7) s. Jourdain n. 108 (26. Febr. 1254); Du Boulay p. 280 (19. M&rz
1255); Du BouL p. 347 (J&nner 1259); p. 350 (5. Mai 1259); p. 361 (April
1260); p. 398 (1. April 1271).
SS8) s. oben S. 110.
259) s. Du Boalay p. 399. Schon 1252 musste der Artisten- Baccalar
dare fidem, sowohl 'quod observabit statuta universitatis prent expressa sunt
ei a rectore', als 'quod obediet rectori'. Oxford, Colleg. corp. Christi 283
BL 150*.
960) ^}s solches haben wir ihn soeben kennen lernen, nnd als solches
erscheint er auch in den Actenstücken bei Du Boulay p. 347. 361. S. vor. Anm.
120 II* Entstehung der ältesten Universit&ten.
tisten-Facultät wurde, da diese innerhalb der Nationen war, sie
schliesslich immer an den Bector recurrieren musste, und
endlich dieser selbst aus ihrer Mitte gewählt war. Von der Zeit
an, wo der Bector thatsächliches Haupt der Artisten - Facultät
wurde, betrachtete man auch die vier Nationen quasi identisch
mit derselben.
Die drei übrigen Facultäten kamen erst später unter die
Botmässigkeit des Bectors. Am 27. August 1266 werden vom
Cardinallegaten zur Beilegung von vorgekommenen und vorkom-
menden Zerwür&iissen innerhalb der Nationen, sollten sie von
diesen selbst nicht geschlichtet werden können, 'tres antiquiores ma-
gistri theologicae facultatis et quatuor Decretistae tunc Parisius
existentes regen tes actu' als Schiedsrichter bestellt'^'). Scheint
schon daraus hervor zu gehen, dass die übrigen Facultäten ausser-
halb standen, so wird dies gewiss durch die Worte desselben
Legaten vom J. 1275. Er verordnet, ut facultas artium magi-
strorum Parisiensium per callidi hostis astutiam propter dissen-
siones huiusmodi olim divisa ... ad debitam redeat unionem, ne
. . . se lugeat desolatam, unius tantum rectoris sit contenta re-
gimine, ut unum fiat . . . corpus unius capitis regimine guber-
nandum, quatuor procuratores et quatuor bedellos habeat . . •
juxta consuetudinem facultatis etc.'"). Aus diesen Worten er-
gibt sich von selbst, dass noch damals der Bector nur den Ar-
tisten angehörte, nur den vier Nationen vorstand. Das Regime
des Bectors bezieht sich bloss auf die Artisten, und der Schaden
aus dem Zwiespalt trifft nur die Artistenfacultät, nicht die ganze
Universität.
Ganz anders einige Jahre später. Nachdem ein Streit ^inter
magistros artium ex una parte et magistros in decretis et medi-
cinis ex altera' über die Einladung zu den congregationes gene-
rales ausgebrochen war, und die letztem sich bereits nachgiebig
gezeigt hatten, bestimmte der Cardinallegat im J. 1279, in Zu-
kunft solle die Einladung vom Bector ausgehen, der die Decane
der beiden Facultäten entweder selbst, oder durch einen Artisten-
Mi) Da BonUj p. 379.
^) Joardain n. 258. Da Boal. p. 415.
2. Paris. Stellang des Rectors innerhalb der Universität. 121
Magister, oder schriftlich benachrichtigen müsse"*). Und nun
finden wir, dass der Bector bei Aufzählungen vor den Decanen
der einzelnen Facultäten aufgeführt wird, z. B. im Jahre 1289'"),
während er früher ihnen nachgestellt wurde***). Aber trotzdem
wurde der Rector noch nicht als Haupt der ganzen Universität
betrachtet. Als der Kanzler im J. 1283—1284 behauptete, er
sei Caput universitatis, da bestritten dies die Artisten, sagten
aber nicht, ihr Rector sei das Haupt, sondern der Papst"*).
Standen nun gleichwohl die Decretisten und Mediciner dem
Rector nach, so hatte dieser doch noch lange Zeit hindurch keine
Gewalt über die Theologen. Zwar sagt Du Boulay, es sei zwischen
ihnen und den Artisten ein ähnlicher Streit wie der eben erwähnte
ausgebrochen, und aus dem Eide, den die Gandidaten der Artisten
zu S. Genevi^ve hätten ablegen müssen, gehe hervor, dass der
Rector die Theologen ebenso wie die Decane der Decretisten und
Mediciner zu den Versammlungen eingeladen habe"0- Allein
nichts widerspricht mehr der Wahrheit als diese Behauptung.
Einmal ist von einem Streite, der in Beziehung auf diese Frage
zwischen den Artisten und Theologen damals ausgebrochen sein
soll, nirgends die Rede. Und dann datiert der Eid, auf den sich
Du Boulay bezieht, erst aus dem Jahre 1341"*). In der Eides-
formel, die 1289 eingeführt wurde, heisst es unter anderm bloss:
Item (jurabitis), quod vos observabitis ordinationem nuper factam
de modo congregationes denuntiandi generales decano decretorum
et decano medicorum "•), was sowohl Du Boulay, als Thurot und
383) Da Beul. p. 445 f.
^ Dies ist der Fall in zwei Docnmenten des genannten Jahres vom
7. Joni and 3. No?ember (Nationalarchiy zu Paris, M. 67 n. 27. 28. Vgl.
auch Da Beul. M^moires historiqnes sur les b^n^fices p. 133). Es heisst:
ünirersis presentes litteras inspecturis Universitas magistrorum et scolarium
. . . Notom Sit nos rectorem, decanos facultatum, procuratores nationum nee
non et magistros qaataor facoltatum etc. Aehnlich im Augast. M. 67 n. 29.
»^) S. oben S. 109.
^ So im Acte gegen Philipp de Thori bei Joordain p. 49 a.
%7) Du Boulay, Bist. univ. III, 446.
»8) Ibid. IV, 275.
389) Cod. Vat Reg. 406 Bl. 4 a. Diese Jaramenta tragen kein Datum,
folgen aber anf das Docoment, worin von dem Eide der W&hler des Rectors
122 ^I* Entstehung der ältestea Universitäten.
Jourdain entgieng. Ebenso war damals noch nicht wie im J. 1341
die Alinea in der Eidesformel: Item jurabitis, quod statutum
factum et ordinatum per facultatem artium de prepositione rec-
toris in actibus communibus universitatis inviolabiliter obser-
vabitis, ad quemcunque statum deveneritis.
Dass die Theologen noch nicht vom Rector abhiengen, ergibt
sich aus einem Documente vom 7. März 1297. Der Archi-
diacon Brie, Decan der theologischen Facultät, antwortete dem
ihn zur Versammlung einladenden Rector, 'quod magistri in theo-
logica facultate regentes per rectorem universitatis, quin potius
per bedellum, ad congregationem aliquatenus vocarentur, nunquam
Visum fuitParisius nee auditum'"°). Dass in Bezug auf die Ma-
gistri in theologia ein anderer modus eingehalten wurde folgt
auch aus dem Acte der Artisten gegen den Kanzler Philipp
de Thori c. 1283—1284*'^). Es ist also nur zu klar, dass die
theologische Facultät in einer ganz andern Position als die zwei
Facultäten der Decretisten und Mediciner sich befand. Der
Decan der theologischen Facultät hatte auch bis in das erste De-
cennium des zweiten Drittels des 14. Jh. in allen Versammlungen
den ersten Platz vor dem Rector'^'), und erst 20. April 1341
wurde die Frage betreffs der Einladung zu den Versammlungen
in einem für die Theologen ungünstigen Sinne ausgetragen ''').
Dieses Jahr haben wir bereits oben als jenen Zeitpunkt kennen
lernen, in dem zum ersten Male die Acten der Universität mit der
vom genannten Jahre und den Juramenta examinatornm S. Genovefae (s. Du
Boulay p. 484) die Rede ist. Die Phrase 'nuper factam' in obiger Formel
deutet auf die 1279 gemachte Verordnung wegen Einladung der Decretisten
und Mediciner hin. Sie kommt noch in den 'Articuli, qnos tenentar iurare
bachelarii in artibus incepturi quando venerint ad rectorem' Tor im Reg.
nationis anglic. III, BL 57 b.
^70) Bei Jourdain n. 327. Du Boulay entgieng dieses Actenstück.
Grevier gibt II, 85 eine ganz falsche Erkl&mng obiger Worte, und Jourdain
hätte besser gethan ihn nicht zu eitleren. Crevier, praeoccupiert durch Du
Boulays irrige Ansichten, verstand nicht die einfache Gonstruction mit 'quin
potius'.
>7i) Bei Jourdain p. 49 b.
«7«) S. Origo Vera p. 756.
»") 8. bei Du Boulay IV, 267 f.
2. Paris. Stellung des Rectors innerhalb der Universität. 123
von nun an feststehenden Formel eingeleitet werden: (Nos) Rector
et universitas magistrorum et scholarium"*). Der Rector der
Artisten war nunmehr definitiv Rector und Haupt der ganzen
Universität.
Es geschah nur durch Vergewaltigung von Seite der Artisten,
dass der Rector der Artisten nach und nach Haupt der ganzen
Universität wurde, wenngleich es wahr ist, dass es endlich dazu
kommen musste. Die drei übrigen Facultäten verschwanden quan-
titativ gegenüber den Artisten. Nicht wenig Aufschluss hierüber
gewähren uns die an die päpstliche Curie eingesendeten Univer-
sitäts-Rotuli. Denn wenngleich in denselben nicht alle Professoren
aufgezählt werden, sondern nur eine bestimmte Anzahl, so bleibt
doch das Verhältniss zwischen den Rotuli der einzelnen Facultäten
auf allen Seiten dasselbe. In den 1348 eingesendeten Rotuli der
vier Facultäten bemerken wir folgendes Verhältniss. Magistri
regentes der Theologie werden 32'"), Doctores regentes des
can. Rechts 18"*), Magistri in medicina 46"^), und 514 Magi-
stri artium actu regentes aufgezählt '^^). Aus dem Rotulus facul-
tatis artium Paris., der 1362"') an Urban V. geschickt wurde,
erfahren wir, dass damals wenigstens 441 Artisten-Magister in
Paris waren "°). In demselben Jahre werden aber in dem Ro-
tulus magistrorum theologiae Paris, regentium nur 25 Theologie-
Professoren"'), im Rotulus facultatis .decretorum 11 Juristen'®'),
274) S. oben S. 109.
275) Beg. SoppL Clem. VI. an. 8 p. 2 Bl. 91a.
27«) Ibid. Bl. 96.
277) Ibid. Bl. 123.
278) Ibid. Bl 183. Zur natio gallicana gehörten 165, zu jener Norman-
nomm 153, Picardomm 158, zur anglicana 38. Von ihnen waren ^aliqui bacal-
larii corsores Tel boni scolares in theologia vel in decretis vel in medicina',
die ansdrflcklich BL 199 b genannt werden.
279) Jener der Artisten wurde im Sept. 1362 aufgesetzt (s. Du Boulay
IV, 902), und in ÄTignon 5. Eal. Dec. an. 1 bewilligt.
280) Die natio gallicana z&hlt 104 auf, jene Picardomm 184, Norman*
norum 98, Anglicana 55. Bei der letztem wird ausdrücklich erw&hnt, dass
die Magistri actu regentes waren. UrbaniV. Reg. Supp. an. 1 p. 1 Bl. 135 a.
281) 20 Weltpriester und 5 Ordensgeistliche. Ibid. Bl. 77 b.
282) Ibid. Bl. 76 a.
]24 II* Entstehung der ältesten Universitäten.
imBotulusmagistrorum facultatis medicinae 25 Magister^^') erwähnt
Vergleicht man die Anzahl der Artisten mit jener circa 1283,
wo ungefähr 120 waren '^*), so ergibt sich, dass wie auch die
übrigen Facultäten, so besonders die Artisten in steter Zunahme
sich befanden, und dass sie quantitativ immer die Praeponderanz
besassen '^^). Es musste dazu kommen, dass die übrigen Facul-
täten von den Artisten wie erdrückt wurden, und dies um so
mehr, als die Magistri artium nicht bloss das Regime in den
vier Nationen hatten, sondern zugleich zu der Universitas magi-
strorum gehörten.
Zu all dem kommt, dass die Artisten schon frühe anfiengen
in die Hand des Bectors zu schwören'"). Für unsere Frage
Ausschlag gebend ist aber, dass die Incipientes in artibus vom
J. 1289 an, ^quando veniunt ad rectorem fide prestita corporair
unter anderm schwören mussten : Item stabitis cum magistris se-
cularibus et deffendetis statum, statuta et privilegia eorundem
toto tempore vite vestre ad quemcunque statum deveneritis • . .
Item jurabitis, quod libertates singulas facultatis et consuetudines,
facultatis honestas et tocius universitatis privilegia deffendetis ad
quemcunque statum deveneritis'^'). Da nun seit der Mitte des
13. Jhs. alle, welche zur Theologie übergiengen, von den zwei
übrigen Facultäten die meisten, den artistischen Curs früher
^3) Ibid. Bl. 189 a. Sowohl hier als in dem obigen Rotulus sind die
Baccalarei nicht erwähnt.
^ So im Acte gegen den Eansler Philipp de Thori bei Jourdain
p. 45 a.
^^) Dass die Artisten nicht erst in der 2. H&lfte des 18. Jhs. die sahl-
reichste Gruppe bildeten (s. Sybels Hist. Zsch. 1881 S. 254), sondern bereits
Anfangs jenes Jhs., erhellt ans dem Gontracte vom J. 1213 (bei Jonrdain
n. 15). W&hrend es in Bezog anf die Magistri der übrigen Facultäten ein*
fach heisst, die Migorität solle entscheiden, wurde in Beziehung auf die Ar-
tisten bestimmt, dass aus ihnen drei Magistri Ton den Artisten selbst, und
drei Tom Kanzler erwählt würden, und die Migorität dieser sechs soUte ent-
scheiden. Dies geschah deshalb, weil die Anzahl der Artisten-Magistri zu gross
war. Man vergleiche dazu, um Missyerständnisse zu rermeiden, oben
S. 96 Anm. 183.
^) S. oben S. 119 u. Anm. 259.
387) Cod. Tat. Reg. 406 Bl. 4 a.
2. Paris. Stellung des Rectors innerhalb der UniTersität. 125
durchgemacht und das Magisterium erhalten hatten, so ist klar, dass
dieselben auch später, wenn sieMagistri in einer andern Facultät ge-
worden waren, den Artisten gewissermassen verbunden blieben. So
schlössen die Artisten im J. 1341 den Decan der theol. Facultät
von ihrem Gonsortium aus. Sie konnten dies ihm gegenüber als
einem juratus dictae facultatis artium thun^^*). Das war ein
Zustand, der endlich dorthin fuhren musste, wo er auch endigte,
zur Unterordnung aller Facultäten unter den einen Rector der
Artisten.
Dieses endgültige Resultat war ein ganz unnatürliches. Ge-
rade jene Facultät war von nun an im ausschliesslichen Besitze
des Rectorats über die ganze Universität, deren Disciplin immer und
besonders im 12. — 13. Jh., wie wir bereits oben gesehen haben und
im 3. Bande noch mehr erhärten werden, als blosse Vorbereitung
zu den hohem Wissenschaften angesehen wurde. Das Studium in
artibus galt nur als ein Uebergang. Man begreift aber eben
deshalb, warum die Kämpfe zwischen den Theologen und Ar-
tisten, die besonders heftig nach 1341 ausbrachen, bis zur
Zeit Du Boulays nicht mehr aufhörten, ja damals ihren Höhe-
punkt erreichten, worüber ich im 4. Bande referieren werde. Fast
hat es den Anschein, als habe die Unterwerfung des Decans der
Theologen im J. 1341 mehr einen persönlichen Charakter besessen'").
Der Widerstand der Theologen gegen die Artisten machte sich
am meisten bemerkbar, als man daran arbeitete erstere, unter den
Rector zu bringen. So z. B. im J. 1339 , als es sich um eine allge-
meine Contribution handelte""). Später, im J. 1347, lehnten sich
5 Magistri der Theologie offen gegen die facultas artium auf"*).
In demselben Jahre wurden ^ad instanciam theologorum' der
s^) Bei Du Boolay IV, 268. Die Artisten berufen sich ausdracklich
auf das Jaramentnm des Decans dictae facultati artium olim praestitam.
Im Reg. nationis angl. II, El. 41 a heisst es, dass in vigilia Paschae des ge-
nannten Jahres 'reconciliatus fnit magister Symon de MineUys decanus in
theologia et rennitus facultati ad gratiam, si privatio eins fuerit iusta, et ad
institiam, si faerit ininsta'.
^9) Dies erhellt aus dem eben citierten Documente bei Du Boulay.
^) Reg. nat. angUeanae, II, Bl. 36b.
291) Ibid. in, Bl. 3 b.
126 II* Entstehang der ältesten üniversit&ten.
Bector, die vier Procuratoren und die ganze artistische Facultät
zur römischen Curie citiert, und die englische Nation wählte zum
Nuntius ad curiam ad litigandum contra dominos theologos den
Magister Konrad von Schweden"'). Auf andere wichtige Docu-
mente dieser Zeit, die bereits der Autor der Origo vera heran-
gezogen hat, komme ich im 4. Bande zu sprechen. Ein ähnlicher
Dissens machte sich auch bei andern Facultäten geltend. So
z. B. scheute sich der Decan der Decretisten nicht im J. 1365
dem Bector in der Versammlung die Worte entgegen zu schleu-
dern: non curo de praeceptis vestris plus quam de uno obolo"').
Dass die Centralisation nicht im Geiste der Pariser Univer-
sität lag, machte sich eben noch lange fühlbar. Nicht die ganze
Universität in Vereinigung, sondern jede Facultät für sich expe-
dierte noch nach 1341 ihre Botuli an den Papst, wenngleich
man über einzelne Puncte gemeinschaftlich beriet"'*), und die
Botuli gleichzeitig abgesendet wurden. Erst der 1383 an Cle-
mens VII. überschickte zeigt eine Aehnlichkeit mit den Botuli
der übrigen Universitäten, d. h. er erscheint als ein Ganzes.
Paris kommt in der frühern Zeit mit Montpellier überein, wo,
den Hader abgerechnet, zum Theile ähnliche Verhältnisse be-
standen, indem die medicinische Facultät, weil früher bestehend,
auch später nur lose mit der juristischen verbunden war, so dass
jede Facultät für sich ihre Botuli nicht bloss abfasste sondern
auch absendete.
Allerdings trugen an dem schliesslichen Ausgang in Paris die
drei Facultäten selbst theilweise die Schuld. Seit der Mitte des
13. Jhs. benützte die ganze Universität zur Ausführung von Ge-
schäften, die die Scholaren angiengen, nicht selten den Bector,
als Haupt der Nationen, zu denen die Scholaren gehörten. Das
beste Beispiel gewährt uns die Littera Universitatis vom J. 1254.
Die Universität liess zuerst durch die Bedelle den Schülern in
den Schulen der Dominicaner ankündigen, dass zwei Magistri
derselben von der Universität ausgeschlossen seien, und die Scho-
s») Ibid. BL 4 a.
s»S) Bei Da Bonlay IV, 387.
*M*) Dies ergibt sich fflr die frühere Zeit besonders aas dem J. 1348.
Reg. nat angl. III, BL 5 b.
2. Paris. Stellung des Rectors innerhalb der Universität. 127
laren deshalb deren Vorlesungen nicht besuchen dürften. Darauf
gieng der Rector mit drei Magistern der Artisten hin, um
den Auftrag zu vollführen'^*). Wie sich schon oben zeigte,
SD erscheint auch hier der Rector als eine Art Executivorgan
der Universität, und zwar gerade wegen der Scholaren. Wie die
Servientes 'servientes universitatis' hiessen, so nannte man auch
den Rector eben deshalb 'rector universitatis', und bereits im
J. 1261 'rector universitatis magistrorum et scholarium' "''^). Der
Ausdruck hatte später eine andere Bedeutung als früher. In der
frühem nahm ihn Innocenz IV. in der oben"*) citierten Stelle,
zudem man nicht vergessen darf, dass der Ausdruck 'universitas' nicht
selten bloss die artistische Facultät (wie er ja auch auf die Theo-
logen allein angewendet wurde) oder die vier Nationen bezeichnete.
Vielleicht wendet man ein, dass auf diese Weise weder die
ganze Universität früher ein gemeinschaftliches Haupt, noch jede
der drei Facultäten einen Decan gehabt hätten, was doch gegen
den Begriflf einer Corporation Verstösse. In der That besteht
auch das stereotype Argument Du Boulays in dem Satze: Bis 1260
zeigt sich nirgends eine Spur von Decanen, mithin waren die
Facultäten noch innerhalb der Nationen eingeschlossen. Er fühlte
aber nicht, dass er sich selbst damit schlage. Ihm zufolge traten
die Theologen circa 1260 zuerst aus den Nationen aus, und
bildeten eine Facultät mit einem eigenen Decan. Ihrem Beispiele
seien dann die Decretisten und Mediciner gefolgt "0- Was be-
zeugen aber die Thatsachen? Dass die Decretisten und Mediciner
vor den Theologen Decane besassen. Die Decane der Decretisten
und Mediciner werden zum ersten Male in dem Actenstücke vom
7. Juli 1267 erwähnt"'). Von einem Decan der Theologen,
die dort ebenfalls aufgeführt werden, ist keine Rede. Noch
deutlicher erhellt dies aus der Bulle Clemens IV. vom 23. März
1269. Zum Provisor pauperum magistrorum in vico ad portas
ante palatium de Thermis solle niemand anderer bestellt werden,
»*) 8. Do Boulay lU, 257.
395) 8. Jonrdain n. 184.
»«) S. 114.
«W) 8. S49. 564f.
^ Jonrdain n. 216. Du Bonlay p. 387 f. hat einen sehr defecten Text.
] 28 n. Entstehung der ältesten Universitäten.
ausser wen 4oci archidiaconus, Gancellarius Parisiensis ac magistri
actu regentes in theologica facultate, nee non decretistarum et
medicorum decani, rector universitatis Parisiensis et procuratores
quatuor nationum' bezeichnen"'). Wäre den Theologen damals
einDecan vorgestanden, so hätte er müssen genannt werden, denn es
ist nicht abzusehen, warum hier gerade die Decane der Decretisten
und Mediciner, sowie der Rector der Artisten, nicht aber der
Decan der Theologen angeführt werden, hätten diese einen be-
sessen, da sie doch alle hier in derselben Position sind.
Erst im J. 1289 scheinen die Theologen bereits einen gehabt
zu haben, denn es wird in einem Document desselben Jahres all-
gemein von den 'decani facultatum' gesprochen'"*). Im J. 1297
ist aber ausdrücklich vom Decanus facultatis theologicae die
Rede'*'). Da nun nach Du Boulays Behauptung die Theologen
zuerst aus den Nationen ausgetreten waren um eine Facultät zu
bilden, so folgt sogar nach Du Boulays Ansicht, dass die theo-
logische Facultät einige Decennien ohne Decan existiert hat.
Man sieht, auf wie schwachen Füssen das ganze System dieses
Geschichtsschreibers ruht.
Aber musste denn nach damaligen Begriffen eine Corporation
ein besonderes Haupt besitzen ? Vor allem diene als Antwort, dass
es sich hier nicht um die Theorien des Mittelalters, sondem um
die Thatsachen handelt, die sich nicht nach Doctrinen, sondem nach
den Bedürfnissen und von innen heraus entwickelten. So finden
wir Genossenschaften, an deren Spitze sogar sechs Rectoren, und
überhaupt eine grössere Anzahl von Consuln standen'*'), wir
treffen Genossenschaften mit einem einzigen Haupte, wir finden
aber auch solche ohne besonderes Haupt, in denen jedoch
die Majorität die Stelle desselben vertrat. Ich weiss nicht
welches System unsern Begriffen mehr widerspricht, das erste,
^) Bei Du Boulay p. 235.
300) s. oben S. 121 Anm. 264.
^1) Jourdain n. 327. Aach Grevier, II, 85, sieht diesen Act als den
ersten an, worin vom Decan der Theologen ausdrückliche Erw&hnnng
geschieht
30^) Ich komme darauf im Abschnitte aber die Universität Bologna
sarack. S. unten Anm. 349.
2. Paris. Stellung des Rectors innerhalb der Universität. 129
wonach einer Genossenschaft eine Mehrzahl von Häuptern vor-
gesetzt ist, oder das letzte, wonach dieselbe ein corpus acepha-
lum zu sein scheint. Ich glaube wohl das erstere.
Uebrigens machte eine Genossenschaft ohne gemeinschaftliches
Haupt den Theoretikern keine besondere Schwierigkeit. Die Glossa-
toren allerdings sahen es als selbstverständlich an, dass jede univer-
sitas ein Oberhaupt, einen rector, besitzen müsse'®'). Diese Ansicht
war sehr verbreitet. Innocenz IV. dagegen, also gerade derjenige,
welcher die Universität Paris wie nur irgend einer kannte und
zwar in einer Periode, wo weder sie ein gemeinschaftliches Haupt,
noch deren Facultäten einen Decan besassen, sagt: Ad esse col-
legii non exigitur, quod ibi sit praelatus *°*). Ebenso betrachteten
auch Spätere das Vorhandensein eines besonderen Hauptes für den
Bestand einer Corporation als etwas Unwesentliches. So meint
z. B. Bartolo unter Berufung auf Innocenz: De esse collegii non
est, quod habeat rectorem, potest enim esse sine rectore seu
praelato . . . Tarnen si volunt, possunt sibi invicem rectorem fa-
cere'"*). Baldus praecisiert diese Lehre etwas mehr, indem er
sagt: major pars universitatis est princeps et caput, ita quod
non cadit in intellectu, quod aliqua universitas possit omnino
esse sine capite'"®). D. h. in Genossenschaften ohne Haupt ver-
tritt die Majorität die Stelle desselben, so dass die Genossen-
Schaft zwar wohl ohne ein besonderes Haupt, nicht aber durchaus
ohne ein solches gedacht werden kann.
Uebrigens waren die Facultäten und die Universität Paris
nicht ganz ohne Vorstand. Es war der Abschluss einer organischen
Entwicklung aus früherer Zeit, wenn der Kanzler von Notre Dame
lange Zeit gewissermassen als caput generale der Facultäten und
in Consequenz der Universität angesehen wurde. Er selbst be-
^^ S. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht III, 224 f.
3^) In Decret. 3. De praebend. Oum ecdesia.
30^) In Big. 47 De coneg. illic. 1. 4. S. andere Belege und die Ent-
wickelnng dieser Lehre bei Gierke 1. c. S. 396 f.
30^) In Auth. Edbüa n. 78. Doch neigt sich dieser Rechtslehrer mehr
der Ansicht zu, dass ein rector specialis wenn nicht actu so doch potentia
nothwendig vorhanden sein müsse. Mit ihm ebenso andere Rechtslehrer.
S. Gierke, 1. c. S. 480 f.
DanifU, Die ümyanitatoii L 9
130 ^ Entstehung der ältesten üniTersit&ten.
trachtete sich als solches noch gegen Ende des 13. Jhs.'^O? trotz-
dem er seit den ersten Decennien desselben nicht wenig, wenn-
gleich nicht so viel, als man bisher annahm, von seiner alten
Macht eingebüsst hatte. Auch schrieben die Päpste nicht minder
oft an den Kanzler als an die Universität selbst.
Es kann nun nicht mehr auffallen, dass wir in Toulouse, wo
die Universität nach jener von Paris gebildet wurde, im 13. Jh.
dieselbe Beobachtung machen, wie die eben gethane. Die
dortige Universität hatte damals ebenso wenig einen Bector als
die Pariser; der Kanzler war das Haupt derselben *°'), eine That-
sache, die sich in Bezug auf das Studium auch in Orleans und in
Angers widerholt Erst im 14. Jh. finden wir an der Spitze dieser
Hochschulen, in Angers erst zu Ende desselben, einen Bector '°').
Eines hat sich nun vor allem ergeben, dass die Uni-
versität Paris im 13. Jh., besonders in der ersten Hälfte des-
selben in unaufhörlichem Werden begriffen war, und dass ein
gewisser Abschluss, wenngleich kein natürlicher, doch erst in
der Mitte des 14. Jhs. erreicht wurde. Unter allen Facultäten
307) Dies erhellt aus dem Acte gegen den Kanzler Philipp de ThorL
S. oben S. 121. Vor Martin IV. widerholte dieser Kanzler aosdracklicb,
dass die Universität gegen ihn 'licet oniTersitatis capud existeret nee in eum
potestatem haberet sicut nee inferior in snperiorem' sich verfehlt habe. So
im Schreiben Honoriiis IV. vom 1. Februar 1286. Reg. Vat. an. 1 ep. 263.
308) Koch 1290 schrieb Bertrandns de Trilia (der doch im Convente
der Dominicaner zu Toulouse 1276 und 1277 und überhaupt in der Tolosaner-
provinz Lector war, mithin Aber den Stand der üniversit&t unterrichtet sein
musste) sowie die Definitoren des Provincialcapitels 'viris venerabilibns ac
dominis providis et discretis D. Tsamo de s. Paulo, venerabili cancellario,
rectoribus qnoque dominis doctoribus ac magistris, ac Universität! stadii Tho-
losani etc. Cod. Paris. 4348 Bl. 158 a. Douais, Essai sur Forganisation des
6tudes dans Tordre des fr^res prScheurs, Paris 1884 p. 148 hat eine irrige Inter-
pnnction. Rectores sind hier wie in den oben S. 108 bezeichneten Fällen
die magistri regentes.
309) Im zireiten Bande wird davon ausfohrlich die Bede sein. Uebri-
gens vgl. wegen Orleans unten den Abschnitt. Wenn ich oben nicht auf die
englischen Universitäten hingewiesen habe, so geschah es, weil sie sich doch
nur theilweise nach der Universität Paris gebildet hatten.
2. Paris? Stellung des Rectors innerhalb der Universität. 131
machte aber die artistische die meisten und bedeutendsten
Wandlungen durch, in welche die andern an sich schon in Bewegung
begriffenen Facultäten mit hinein gerissen wurden. Einen einiger-
massen ruhigen Punkt bilden eigentlich die vier Nationen, denn
die Bewegung, die man in denselben wahrnimmt, ist in erster
Linie die Bewegung der artistischen Facultät. Aufgabe des
Forschers ist es in der jeweiligen Entwickelung der einzelnen Zeit-
abschnitte die sichern Punkte zu fixieren und sich zu hüten, die
verschiedenen Epochen durch Aufstellung von allgemeinen Ge-
setzen auszugleichen und zu verwischen. Dieses Werden von
den einfachen Schulen an bis zur vollen Blüthe der Universität
wird uns in spätem Bänden, z. Th. schon unten im vierten Ab-
schnitte, beschäftigen.
Fassen wir nun kurz die Hauptresultate zusammen, so er-
geben sich folgende:
1. Die Universität Paris constituierte sich Ende des 12. Jhs.
aus der Vereinigung der Lehrer der vier Disciplinen: der Theo-
logie, des Jus, der Medicin und der Artes.
2. Die vier Facultäten bildeten sich erst nach und nach
innerhalb der Universität durch engere Verbindung der Lehrer
desselben Fachs, und erst allmählich nahm der Ausdruck ^facultas',
der ursprünglich eine Disciplin bedeutete, den Begriff eines Col-
legiums von Professoren derselben Disciplin an.
3. Wenngleich sich anfanglich die Scholaren derselben Nation
naturgemäss vereinigten, so haben sich doch gerade die vier
Nationen nicht organisch entwickelt, sondern die Eintheilung in
dieselben ist künstlich, und sie wurde erst nach Constituierung
der Universität in den ersten Decennien des 13. Jhs. gemacht.
4« Die Elemente der Nationen waren alle Scholaren ein-
schliesslich der Licentiaten, sowie die Magistri artium.
5. Die Magistri artium gehörten also einerseits zu dem con-
sortium magistrorum, welches die Universität bildete, anderer-
seits zu den vier Nationen.
6. Der Rector war ursprünglich Haupt der vier Nationen,
bald aber der Artistenfacultät. Anfänglich hatten ebenso wenig
die ganze Universität als die einzelnen Facultäten einen gemein-
schaftlichen Vorsteher.
9*
132 n. Entstehung der ältesten üniTersit&ten*
7. Erst gegen die Mitte des 14. Jhs. wurde der Rector der
vier Nationen, resp. der Artistenfacultät , Vorsteher der ganzen
Universität, nachdem ihm gegen Ende des 13. Jhs. die Decre-
tisten und Mediciner, vor der Mitt« des 14. Jhs. auch die Theo-
logen unterworfen worden waren.
3. Entwicklung der Oorporationen an den Sohulen
Bolognas.
Wie steht es aber um Bologna? Bildete sich auch dort
eine Corporation? Hat sie sich ebenso entwickelt wie in Paris?
Die Antwort auf diese Fragen ist um so wichtiger, als Bologna
in diesem Punkte fast mehr Einfluss auf die übrigen Universi-
täten bis 1400 ausgeübt hat, wie Paris, und die Forschung
hierüber bis heute nicht sehr weit gediehen ist. Nur schritt-
weise wollen wir also in unserer Untersuchung vorwärts gehen
und unsere Schlüsse nur in soweit ziehen, als sie wo möglich
auf Thatsachen der ersten Epoche gestützt sind.
Vor allem müssen wir zwischen reinen und gemischten
Scholarenverbindungen unterscheiden. Die reine Scholaren-
verbindung bestand nur aus den Scholaren mit Einschluss der
Baccalarei, theilweise auch der Licentiati. Sie wählten in der
weitern Ausbildung aus ihrer Mitte das Haupt, den Bector, dem
alle Gehorsam schuldig waren. Die gemischte Scholarenverbindung
enthielt ausser den Scholaren auch Magistri, und diese waren in
ihr das Ausschlag gebende Element. Die letztere haben wir
bereits kennen lernen. Bei der gegenwärtigen Untersuchung fällt
sie jedoch weg, denn hier beschäftigt uns nur die reine Scholaren-
verbindung; bloss von ihr ist die Bede, wenn man von der Uni-
versität zu Bologna spricht.
Man hat verschiedene Erklärungen des Ursprungs der Scho-
larenverbindungen in Bologna gegeben. Ich berücksichtige einst-
weilen nur jene, die mich zu meiner eigenen Ansicht hinüber-
führen. Luschin bringt den Ursprung der Universität mit den
Laienschulen in Italien in Verbindung"®). Aber wo existiert
Mö) A. a. 0. 8. 90.
3. Entwicklang der Gorporati onen an den Schalen Bolognas. 133
hier ein Zusammenhang? Laschin corrigiert sich eine Seite später
indem er meint, Friedrich I. habe als Ausdruck persönlicher Gunst
gegen die vier berühmten Bologneser Rechtslehrer seiner Zeit,
Bulgarus, Martin, Jacob und Hugo, 1158 die Auth. Habita er-
lassen, durch welche die Bechtsschule von Bologna zu einer staat-
lich anerkannten Corporation, zu einer 'universitas personarum'
erhoben wurde. Allein fürs erste kommt in dem Actenstücke
nichts von Bologneser Rechtslehrern vor, wie wir oben gesehen
haben, und dann müsste, wäre dies der Fall gewesen, viel eher
eine Lehrer- als eine Scholarenverbindung entstanden sein. Nach
L. v. Stein wurde durch die genannte Auth. das Recht der ent-
stehenden Universitäten begründet'*^). Aber in der Auth. steht
nicht eine Silbe von einer Universitas. Eine solche Erklärung
ohne nähere Begründung dient zu nichts. Uebrigens haben diese
Forscher übersehen, dass Friedrich L in seiner im J. 1158 er-
lassenen Gonstitutio pacis alle Gonventikel und Verbindungen in
den italienischen Städten verbot®^'), und mithin weit entfernt
sein musste mittelst der um dieselbe Zeit erlassenen Auth. Habita
das Recht der Verbindungen an Hochschulen in den italienischen
Städten zu begründen.
Aber leistete Friedrichs Authentica Habita in keinerlei Weise
einer Scholarenverbindung Vorschub? Zwar nicht direct, wohl
aber indirect. Auf Grund von Friedrichs Privileg hätten sich
auch die Magistri vereinigen können. Denn wenn in späterer
Zeit die Examina vor den Promotionen nicht ohne Einfluss auf
die Bildung von Doctorencollegien waren, warum hätte nicht
auch der Umstand, dass den Magistri die Jurisdiction über die
Schüler verliehen wurde, einem ähnlichen GoUegium günstig sein
können? Werden doch gerade aus diesem Grunde die Professoren
juris civilis von Odofred magistratus genannt"'). Ja man sollte
meinen, dass dieser Umstand wenigstens der Bildung von Gorpo-
rationen, die wie eine Familie von den Doctoren regiert werden,
hätte förderlich sein sollen. Sahen doch die Rechtsstudierenden
3H) Die innere Verwaltung 1. c. S. 248.
«2) In Mon. Germ. IV, 112.
31^) In Gonst 1. Dig. vet. Illud vero n. 23.
134 ^I* Entstehung der ältesten Universitäten.
in jedem ihrer Lehrer zugleich ihren Dominus. Hostiensis ver-
gleicht deshalb recht zutreffend den Familienvater mit dem ma-
gister: Dominus potest habere jurisdictionem super suam familiam
sicut magister super discipulos . . . quilibet dominus habet fami-
liam suam regere '^^). Dass die Magister mit den Schülern eine
einzige Körperschaft, 6ine Familie bilden sollten, wurde als das
natürlichste angesehen. Doch Friedrichs Privileg hatte nicht
diese Wirkung.
War es also vielleicht einer Scholarenverbindung günstiger?
Wenigstens insofern, als es vorzüglich den Scholaren zu gute
kam, und als sich in dem Privileg den Scholaren einige Anhalts-
punkte boten Corporationen einzugehen. Es wurde einmal haupt-
sächlich den Scholares forenses (qui causa studiorum peregri-
nantur) ertheilt, wie Odofred sagt"*); sie werden in kaiserlichen
Schutz genommen, auf dass sie sicher reisen und am Studien«
orte unbehelligt verweilen könnten, von der örtlichen Gerichtsbar-
keit befreit, und es wird ihnen die Wahl des Gerichtsstandes
überlassen. Der Gedanke eine Verbindung einzugehen lag in
Folge dessen für die Scholaren allerdings nahe, um in der-
selben einen bessern Schutz nach aussen zu haben und die
Privilegien um so sicherer geniessen zu können. Wir werden
weiter unten sehen, auf welche Weise dies für die Scholarenverbiu-
düngen in Bologna zutrifft. Ferner galt, wie wir oben bemerkt
haben, das Privileg zwar allen Schülern, jedoch in besonderer
Weise denen der Rechtswissenschaft'"**). Auch in Betreff dieses
Punktes werden wir finden, dass sich in Bologna gerade die scho-
lares forenses der Rechtswissenschaft zuerst verbanden.
Das ist alles, was man aus Friedrichs Privileg, für sich allein
betrachtet, zu Gunsten der Scholarenverbindungen vorbringen
*!*) Lectura in Decret. 2. De foro competenti. Cum eontingai,
31&) Ad Anth. ffabüa: Item signori notate, quod per hoc qnod dielt
constitatio ista 'omnibus Bcholaribus qui causa studiorum peregrinantur' dico,
quod hec constitutio non tangit dominos scholares Bononienses qui sunt rives,
quia ipsi non peregrinantur, immo in domibus suis propriis dcgunt, unde
cessante causa cessat Privilegium. Nach Cod. Paris. 4561 Bl. 210a. Aehnl.
Baldus zur Stelle.
315«) S. oben S. 55 ff.
3. Bologna. Wesen der ScholarenTerbindungen. 135
kann. Ein 'Recht' der entstehenden Universitäten hat es also
sicher nicht begründet
Wie ist nun also der Ursprung der Scholarenverbindungen
in Bologna zu erklären? Bei Beantwortung dieser Frage ist es
nothwendig einen andern Weg einzuschlagen als die frühem
Forscher gethan haben, und als Grundprincip festzuhalten: alles
zu scheiden und nichts durch einander zu mengen.
a. Das Wesen der Scholarenverbindongen.
Der ursprüngliche Charakter der Scholarenverbindungen Bo-
lognas war der der freien Genossenschaften auf fremdem
Boden. Dies ist eine der wichtigsten, wenngleich bisher vielfach
misskannten Thatsachen in der Universitätsgeschichte des 13. Jhs.,
geeignet nicht bloss viele Seiten in der Organisation der Universität
Bolognas, sondern auch indirect nicht wenige in der Organisation
anderer Universitäten aufzudecken. Man hat in letzter Zeit diesem
Punkte fast gar keine Aufinerksamkeit geschenkt, während man
versucht hat die Nationeneintheilung der Pariser Universität und
der von ihr in mancher Hinsicht abhängigen deutschen Universi-
täten durch einen Vergleich mit den Zünften jener Zeit zu er-
klären. Allein es ist nicht gelungen und konnte nicht gelingen.
Die Pariser Nationeneintheilung wird uns in einem Stadium be-
kannt, in dem sie wenige Vergleichungspunkte mit den Innungen
aufweist, am wenigsten aber in Bezug auf die spontane Entwick-
lung derselben. In Bologna dagegen, wo wir die Verbindungen,
wenngleich nicht bis zu ihrem Ursprung, doch weit genug zu-
rück verfolgen können, um sichere Schlüsse auf ihr Wesen ziehen
zu können, gestaltet sich die Sachlage ganz anders. Sie haben
nicht weniger ihre Geschichte, als die Innungen Bolognas, von
denen bereits 1211 mehrere dort existiert haben'**), und die
bis zum J. 1228 zu 20 Gewerbeinnungen und 22 Waffengesell-
schaften angewachsen waren ^^0« I^och entschlage man sich von
n«) Dies ergibt sich aus einer Urkunde dieses Jahres, in der unter anderm
von den sacramenta societatum armomm et artium facta ad honorem et uti-
fitatem Commnn. Bonon. die Bed<^ ^t. Savioli, Annali Bolognesi II, 2 p. 464.
917) Savioli III, 1 p. 54 ff. 58 Anm. G, wo sie aufges&hlt werden. Eben-
so bei Savisny UI, 148 f.
136 ^* Entstehang der ältesten Universitäten.
vorneherein des Gedankens, als wären die städtischen Innungen
Bolognas der Beweggrund für die Scholaren zum Eingehen von
Genossenschaften gewesen. Das Motiv zur Bildung von Scho-
larenverbindungen war vielmehr, wie sich aus dem Verlaufe der
Untersuchung ergeben wird, dem Wesen nach dasselbe, welches
z. B. die deutschen Kaufleute in fremden Ländern und Städten
zur Bildung von Genossenschaften ihrer Nationalität bestimmte.
Dass aber die Organisation der Scholarencorporationen von
italienischen, besonders Bologneser Verhältnissen beeinflusst war,
brachte die Natur der Sache mit sich. Die Scholarenverbindungen
Bolognas bilden eine Klasse für sich unter den freien Genossen-
schaften des 12. und 13. Jhs., die weder mit den Gilden, noch
mit den gewerblichen Zünften allein vollends übereinstimmen.
Diefolgende Untersuchungbringt denBeweis für meine eben aus-
gesprochenen Behauptungen. Die Anordnung der Argumente und die
ganze Darstellung ist durch die Beschaffenheit der Quellen bedingt
Im Anfange des 13. und zu Ende des 12. Jhs. waren die Scho-
laren Bolognas noch nicht in zwei Corporationen, der Gitramon-
tani und Ultramontani, getheilt, es bestanden damals mehr denn
zwei Corporationen. Bereits Savigny war zu diesem Schlüsse
geneigt, da auch in Vicenza, dessen Studium 1204 durch Aus-
wanderung aus Bologna ins Leben gerufen war, und in Ver-
celli, 1228 von Padua, indirect also von Bologna aus gegründet,
vier Corporationen existierten"'). Diese Vermuthung erhält durch
folgende Erwägung volle Sicherheit.
Am 27. Mai 1217 schreibt Honorius HI. 'Scolaribus universis
de Urbe, Campania et de Tuscia Bononie commorantibus'***).
Wie aus dem Schreiben hervorgeht, bildeten diese Scholaren
unter einander eine Genossenschaft, denn der Papst beginnt also:
Etsi multam honestatem immo necessitatem sicut asseritis causa
«18) Sayigny III, 178 Anm. a; 277. 307. 309 f.
319) Bei Sarti 1. c. II, 58. Da Savigny auf diese Ueberschrift, die in
der That Ausschlag gebend ist, gar nicht achtete, glaubte ich anfftngUch, sie
sei verdächtig und finde sich vieHeicht nicht in den Vatic. Regesten. AUein
dem ist nicht so, denn wie ich sie ohen gegeben, steht sie an. 1 ep. 453.
Bl. UOb. Dass Späteren dies entgieng, darf nicht Wunder nehmen; im
besten Falle haben sie nur Savigny excerpiert.
3. Bologna. Wesen der SchoIarenTerbindnngen. 137
contineat, que vos ad contrahendam societatem induxitetc. Aus
dieser Stelle ergibt sich einmal, dass die Italiener, weil die
Scholaren aus Tuscien, der Campagna und Rom eine Genossen-
schaft bildeten, noch keineswegs unter einander eine einzige Uni-
versitas unter dem Namen Citramontani constituiert hatten, sondern
zum allerwenigsten zwei, die eben angeführte, und dann allenfalls
die Oberitaliens. Eine Erhärtung erhält diese Beobachtung durch
Accurs Glosse in Dig. Quod cuiusgue universitaiis 1. 1, wo er auf-
zahlt, welche Genossenschaften erlaubt seien. Zu ihnen rechnet
er auch die congregatio scolarium Tuscorum"°). Diese Glosse
ist unzweifelhaft in Verbindung mit dem eben citierten Schreiben
Honorius III. Wir wissen nun auch, welche Benennung die eine
italienische Genossenschaft gehabt hatte, nämlich Tuschi oder
Toschi. Eben dasselbe muss man aus einer Stelle Odofreds in
Cod. schliessen, wo er vom Streite inter Lombardes et Tuscos
zur Zeit Azos spricht'"). Die oberitalienische Scholaren ver-
^^) y. cdumun: Item qnelibet congregatio pro insticia conservanda ut
scolarium tnscorum vel universitas totius, ut c. De iurisd. omn. iud. etc.
Nach Cod. 31 A. im Archiv von S. Peter. Tniversitas totius' bezeichnet die
Gesammtheit der Lehrer und Schüler. Bartolo in Dig. de coli, illic. 1. 4 n. 18.
^^) In Auth. Habiia, Die Professoren hätten zur Zeit Azos das Pri-
vileg der Criminaljarisdiction ttber die Scholaren der Stadtobrigkeit über-
lassen und zwar aus dem Qrunde: quia inter Lombardes et Tuscos fuit
maxima discordia et maximum bellum, ita quod domini doctores non poterant
86 intromittere in puniendo eos, unde dixerunt, quod potestas huius civitatis
intromitteret se in criminali causa . . . sed hodie reversum est ad pristinum
statum; tamen deus velit quod non faciant sibi male ad invicem, nam per
doctores male pnnientar illa maleficia. Diese Stelle Odofreds macht es wahr-
scheinlich, dass sich in Bologna die zwei italienischen Scholarenverbindnngen
unter den Namen der Lombardi und Tuschi, zu denen auch die Scholaren
von Rom and der Campagna gehörten, nach dem Vorbilde der beiden Waifen-
gesellschaften, der societates Lombardorum und der Toschi, die bereits 1174
erwähnt werden, gebildet haben. Muratori, Rer. ital. SS. XVIII, 243. 8a-
violi, Annali Bolognesi U, 1 p. 40. 42 f. Savioli bezieht 1. c. p. 350 354
Odofreds Worte auf einen Krieg zwischen diesen beiden Waffengesellschaften.
AUein Odofred spricht ja nur Ton den Scholaren ; seine Worte geben keinen
andern Sinn, so dass man, selbst die Richtigkeit von Saviolis Erklärung vor-
ausgesetzt, annehmen mflsste, die Scholaren seien auch Mitglieder der Waffen-
gesellschaften gewesen. Odofred sagt noch ausdrücklich in Bezug auf die
renunciatio : habuit locum in scolaribus non clericis etc.
138 I^ Entstehung der ältesten UniTersit&ten.
bindung wurde also mit Lombardi bezeichnet. Somit gab es im
Beginne des 13. Jhs. in Bologna wenigstens zwei Genossenschaften
italienischer Studenten: die Toschi und Lombardi. Eine Scheidung
innerhalb der Italiener finden wir auch in Vercelli, und zwar
werden hier ebenfalls speciell die Lombardi genannt, wie wir
unter Vercelli sehen werden.
Gab es aber damals noch nicht die vereinigte Universitas
der Gitramontani, so natürlich auch nicht jene der Ultramontani,
denn dieser Name hat hier nur in (Korrelation mit dem erstem
einen Sinn. Es versteht sich doch zudem von selbst, dass, wenn
die Italiener nicht unter sich geeinigt waren, dies noch weniger
bei den übrigen Nationen der Fall sein konnte. Von den vielen
Tausenden der Scholaren, die damals in Bologna studierten'"),
gehörte ein grosser Theil dem Auslande an.
Nun erst begreift man, warum an den Studienanstalten,
welche von Bologna aus mittelbar oder unmittelbar durch Aus-
wanderung gegründet wurden, ebenfalls mehrere Corporationen
bestanden. In Vicenza gab es ausser der Universitas der Ita-
liener auch eine der Engländer, der ProvenQalen und der Deut-
schen"'). Ebenso finden wir in Padua im J. 1228 wenigstens
drei Corporationen, die der Italiener, der Francigena^ und der
Provinciales"*). In Vercelli waren in demselben Jahre vier
geplant, und zwar in derselben Weise wie in Vicenza, nur
mit dem Unterschiede, dass dort statt der Engländer die Franci-
genae erscheinen''^). Da nun an allen diesen Studienanstalten die
^ Odofred sagt I. c. als Angenieoge: 'et erant hie (Bononie) tnnc
temporis X milia scolares' (nach Cod. Paris. 4561 Bl. 210 a), d. L zur Zeit
Azo8 im Anfange des 13. Jhs.
^ Am deutlichsten erhellt dies aus einer Urkunde vom J. 1205 bei
Mittarelli, Annales camaldulenses IV, Append. p. 260, verglichen mit einer
Urkunde vom J. 1206, ibid. p. 262.
^) Diese drei Corporationen waren theils durch die Rectoren, theils
durch einen Procurator beim Contrakte mit der Stadt Vercelli ver-
treten. 8. das Document bei Balliano, Della universiti degli studi di Ver-
celli p. Sa. Nur obige drei Corporationen werden genannt; gewiss existierte
aber noch eine vierte, n&mlich die der Deutschen, die ja mit dei\. andern in
Vercelli eingefOhrt werden soUte. Sie war beim Contrakte nur nicht vertreten.
»&) Bei Balliano p. 40.
3. Bologna. Wesen der Scholarenverbindungen. 139
Italiener zu 6iner Corporation vereinigt waren, nicht so aber in
Bologna, wo die Italiener wenigstens zwei Genossenschaften bildeten;
da femer an den genannten Orten ausser der Corporation der
Italiener noch drei der Scholaren der übrigen Länder existierten :
so ist der Schluss gerechtfertigt, dass in Bologna ursprünglich
im Ganzen nicht bloss mehr denn zwei, sondern mehr denn vier
Scholarenverbindungen oder universitates, societates scholarium
bestanden "•).
Diese Scholarenverbindungen waren aber schon frühzeitig
gegliedert, d. h. die einzelne Corporation umfasste nicht bloss
die Scholaren einer einzigen Gegend, sondern die mehrerer an
einander gränzender Provinzen. So waren z. B. die Römer und
die Scholaren der Campagna und Tusciens zu öiner Corporation
vereinigt Wichtiger war dies in Bezug auf die Schüler jenseits
der Alpen 9 indem nicht jede Nation stark genug vertreten war
um eine Corporation zu bilden und sie deshalb genöthigt war
sich den ihr. näher liegenden Nationen anzuschliessen. Wir finden
deshalb, dass Scholaren nicht bloss verschiedener Provinzen,
sondern verschiedener Nationen und Länder zu Genossenschaften
zusammengetreten waren. So gehörten bereits 1228 in Padua
zu den Francigenae die Anglici und Normanni; zu den Provin-
ciales die Spani et Catalani'^'). Nach der an Mitgliedern reichsten
Nation wurde die Corporation benannt, von der jene jedoch
ebenso wie die übrigen Nationen ein Glied ausmachte.
Möglich ist, dass ursprünglich die eine oder andere Nation
für sich eine Corporation bildete, und dass erst mit der Zeit meh-
^ Behaaptttngen, wie die, bereits im 12. Jh. hätten sich in Bologna
die Studierenden inCitramontani undUltramontani geschieden, sind nicht mehr
haltbar. Diese Behauptung hatte bis in die jOngste Zeit ihre Vertreter. Man
▼ergl. Gersdorf in den Mittheilungen der deutschen Gesellsch. z. Erforsch,
vaterl. Spr. u. Alterth. Y, 9. Paulsen in Sybels Hist. Zsch. 1881 S. 256.
Scarabelli, Costituzionl , discipline e riforme delP antico studio Bolognese
(Piacenza 1876), p. 18. Einzig steht dieser da mit der Behauptung, bis 1265
bitten beide Genossenschaften zusammen nur einen Rector gehabt (p. 39).
Der Autor hat überhaupt Tom Entwicklungsgange der Corporation en zu
Bologna keinen Begriff, und spricht in wenigen Sätzen Qber denselben.
^) Bei BaUiano, 1. c.
240 ^^' Entstehung der ältesten Universitäten.
rere zu einander traten. Allein mit Bestimmtheit kann dies nicht
mehr behauptet werden.
Aus dem päpstlichen Schreiben vom J. 1217 wird aber auch
klar, dass die Scholarenverbindungen sich nicht auf einmal und
zugleich, sondern nach und nach, die eine nach der andern, ge-
bildet haben. Aus den Worten des Papstes muss man nämlich
schliessen, dass die Corporation der Scholaren von Rom, der
Campagna und Tusciens im J. 1217 noch ganz jung war; der Papst
redet zu denjenigen, die zu derselben zusammengetreten waren.
Nun gab es aber bereits Ende des 12. Jhs., zur Zeit des Joh.
Bassianus, solche Verbindungen, denn dieser bestreitet den Scholaren
das Recht consules eligere, was nur einen Sinn hat, wenn schon
damals eine oder mehrere Scholarenverbindungen existierten'").
Der Wortlaut des pästlichen Schreibens führt uns aber auch
zum Schlüsse, dass solche Verbindungen freie Innungen waren.
Denn welchen Sinn sollen sonst die Worte besitzen : que vos ad
contrahendam societatem induxit? Die Scholaren giengen einen
wechselseitigen Vertrag ein. Dies wird durch die weitern Worte
des Papstes noch mehr klar. Sie sollten, meint derselbe, eher
die Stadt verlassen, als die Corporation auflösen oder in ihre
Statuten ein von dem Podestä ihnen aufgedrängtes ihrer Freiheit
schädliches Statut aufnehmen, da sie sowohl das eine wie das
andere zu thun durch ein von ihnen eidlich geleistetes Versprechen
verhindert seien"'). Von dieser einen Corporation ist aber der
Schluss auf die andern gerechtfertigt.
Die letzten Beobachtungen führen uns um einen Schritt
weiter. Die Scholarenverbindungen waren freie Genossenschaften,
die nach und nach sich bildeten; die jüngste derselben war jene der
338) Ich komme alsbald darauf znrflck.
339) Universitatem yestram monemus . . . qaatenus in actibns (Sarti
falsch: artibus) vestris eam de cetero modestiam observetis, ut et Infamie
notam et reram dispendium omnino vitetis, de civitate exire quam periurii
reatum incurrere pocius eligentes, si ad altemm predictorum per potestatem
contingeret tos arctari, vos enim societatem dissoWere ant statutum iUud
contra libertatem scolarium vestris statntis inserere non potestis, qni ntramque
(Sarti: utnimque) servare et quam potestis diligencius procnrare fide inter-
posita promisistis. Sarti L c. und Reg. Yat, 1. c.
3. Bologna. Wesen der Scholarenverbindangen. 141
Toschen, aus Rom, der Campagna und Tuscien recrutiert. Nach
ihr hat sich keine neue mehr entwickelt, im Gegentheile haben sich
bald darauf die bereits bestehenden, wie wir sogleich sehen werden,
mehr concentriert. Der Gedanke, zu Genossenschaften zusammenzu-
treten, gieng also wahrscheinlich nicht von den Scholaren italienischer
Nation aus, sondern von denen fremder Nationen. Ich sage 'wahr-
scheinlich', denn mit völliger Sicherheit kann dies nicht gesagt
werden, weil jede Nachricht über die Scholarenverbindung der
Norditaliener fehlt. Aber abgesehen davon, dass der Ursprung der
einzelnen italienischen Genossenschaften nicht allzu weit aus einander
liegen konnte, ist es schon in der Natur der Sache begründet,
dass sich zuerst die nichtitalienischen Scholaren auf fremdem
Boden, nämlich in Italien, nach Nationalitäten vereinigten, und
dann erst die Italiener, die in Bologna ja auch fremde
waren, während die Scholares cives von Bologna niemals eine
Verbindung eingiengen. Dass sich gerade die Fremden einigten,
war ebenso ein Bedürfniss, als dass sich z. B. die deutschen
Eaufleute in der Levante, in Italien oder in England unter ein-
ander verbanden. Schon an sich ist es natürlich und durch die
Erfahrung bestätigt, dass die Landsleute in der Fremde zusam-
menhalten. Die Scholaren des Mittelalters hatten keine andere
Gewohnheit. Robert de Sorbonne bezeichnet es als eine gute
Sitte der Pariser Schüler, dass sie mehr die Schulen von Lehrern,
die ihre Landsleute sind, besuchen, als die anderer "°). Und in
der That findet man im Registrum nationis anglicanae zu Paris"*)
des 14. Jhs., dass z. B. die Deutschen fast regelmässig unter einem
deutschen Professor das Licentiat in artibus nahmen und anfien-
gen. Bestanden auch in Bologna in Bezug auf das Licentiat und
^^) Liber conscientie im Cod. Paris. 15954 BI. 335 ar Item nota quod
boni scolares parisius libencius audiunt a magistris compatriotis suis et magis
notis et magis familiaribas sibi, maxime si sint eqae boni yel meliores, quam
ab aliis. Immo erabescont maxime audire ab extraneis etc. Bei anderer
Gelegenheit (in einer Predigt der Sammlung des Peter t. Limoges, Cod. Paris.
15971 Bl. 146b) rflgt er allerdings die Scolares, 'qui vadont solum ad ma-
gistros compatriotas yel notos', was auch die Ansicht des hl. Thomas in einer
Collatio ist (Cod. Paris. 15034 Bl. 50a); aUein es beweist immerhin die That-
Bache, dass die Scolaren ihre Landsleute aufsuchten.
^) Im Universit&tsarchiT zu Paris.
142 n* Entstehung der ältesten Universitäten.
überhaupt die Studien andere Verhältnisse als in Paris, so blieben
diese doch dieselben betreffs des Principes der gegenseitigen Ver-
bindung der Scholaren einer und derselben Nation.
Allein hier liegt noch ein tieferer Grund vor, nämlich der
des gegenseitigen Schutzes und der Unterstützung, deren vor
Allem die Fremden bedürftig waren. Dies war ein Grundprincip
bei Gründung einer jeden freien Genossenschaft jener Zeit'")«
Ein städtisches Statut Bolognas vom J. 1211 weist sehr deut-
lich darauf hin. Der Podestä Wilhelm de Pusteria, der in den
Streitigkeiten der Stadt mit den Scholaren öfters genannt wird,
verordnete nämlich im genannten Jahre, 'quod nuUus de civitate
Bonon. vel districtu vel aliunde amodo in antea se astringat
per promissionem vel securitatem vel sacramentum sub aliquo
ingenio de adjuvando unus alium, nee ab aliquo, qui sit de di-
strictu Bononie vel aliunde, promissionem vel sacramentum vel se-
curitatem'") de se adjuvando recipiat, salvis sacramentis socie-
tatum armorum et artium factis ad honorem et utilitatem Com-
munis Bononie\ Jeder soll innerhalb 40 Tage alle jene 'qui sunt
sibi astricti' in genannter Weise, von dem Schwüre und den Ver-
pflichtungen entbinden. Jeder Bürger wird angehalten, die zu-
wider Handelnden anzuklagen, wofür ihm die Hälfte der den-
selben auferlegten Geldstrafe versprochen wird. — Wenn schon
Einheimische sich verbindlich machten sich gegenseitig zu unter-
stützen (und von den Einheimischen ist an der eben citierten
Stelle vor allem die Rede), um wie viel mehr Grund dazu hatten
die Fremden. Interessant ist, dass dieses Statut gerade in jene
^ Sehr gut drflckt dies die Synode von Ronen v. J. 1189 aus:
Sunt qoidam tarn clerici quam laici huinsmodi societatem ineuntes, ut de
cetero in qniboslibet causis vel negotiis mntnmn sibi prestent anxilium, cer-
tam in eos poenam statuentes, qoi contra huiusmodi veninnt constitutum.
Die Synode verbietet solche societates sea fraterias. Mansi, Coli. Concil.
XXn, 585 n. 25.
^ Savioli, der II, 2 p. 466 dieses Docninent anfahrt, hat hier einen
▼erderbten Text. Ich habe ihn im obigen wider hergestellt Diese Verord-
nnng kommt in den Statuta popnli Bononiensis vom J. 1250, die Loigi Frati
mit den Statuten der nftchstfolgenden Jahre ediert hat (Statntl di Bologna,
Bologna 1869—1877), nicht mehr vor.
3. Bologna. Wesen der ScholarenTerbindangen. 143
Zeit fällt, da die Spannung zwischen der Stadt und den Scho-
larenverbindungen bereits begonnen hatte.
Die Sorge fiir gemeinsame Geselligkeit und gemeinsamen
Rechtsschutz waren wohl vor allem das treibende Motiv für die
fremden Scholaren zu Bologna Verbindungen unter sich einzu-
gehen. Dies macht es erklärlich, warum wir in der Folge immer
die Gesammtbeit einer Genossenschaft die Parthei eines einzelnen
Mitgliedes gegenüber fremder Bedrückung ergreifen sehen ; warum
bei empfangenem Unrecht von Seite der Stadt die Auswanderung
der Scholaren von Bologna seit der Wende des 12. Jhs. nie mehr
vereinzelt, sondern immer in Gorporationen und Verbindungen
statt hatte; warum sich nach und nach innerhalb der einzelnen
Genossenschaften ein vollständiger Gerichtsstand ausbildete.
Gegenseitiger Unterstützung waren die Scholaren vorzüglich
bei der Wohnungsmiethe am fremden Orte und bei dem
Abkommen mit den Hausbesitzern bedürftig. Die in Bologna
ansässigen Scholaren hatten nicht nöthig sich um Wohnungen
umzusehen *^^); nur die Fremden kamen in diese Lage. Es war
dies eine der Hauptangelegenheiten der Scholaren des Mittel-
alters, für die sich besonders die Päpste interessierten. In
Bologna galt schon Ende des 12. Jhs. das Gesetz, dass ein 'scho-
laris conducens hospitium, in quo est alius scholaris apud Bono-
niam\ excommuniciert sei*"). Von keiner andern Universität
gibt es hierüber so frühe Nachrichten. Hätte nur der ein-
zelne Scholar für sich allein mit dem Hausherrn zu verhandeln
gehabt, so würde er immer den Kürzern gezogen haben; als Mit-
glied der Corporation war er aber so stark wie diese selbst, denn
nicht mehr der einzelne, sondern die Genossenschaft verhandelte
durch Abgeordnete mit den Hausherren. Darum begegnen wir
3M) YgL oben S. 134 Anm. 815 Odofreds Worte.
^ So im Cod. €7 in Dijon aus dem ersten Drittel des 13. Jhs. , wo
die Stette mit mehreren andern unter Briefen Alexanders III. steht. Die
Gnmdlage hierfür bietet eine Verordnung Clemens III. (1137— 1191) in der
2. CompU. Decret. (die gekürzt in den Decret. Greg. 3 De loc. c. 7 sich
findetX rosp. die Constitution des Cardinallegaten Wilhelm vom J. 1176 bis
1177. S. Sarti I, XXIII sq. Aso beruft sich im Comment et magn. appar.
ad sing. leg. C. De loc. (4, 65) 1. 32 auf Clemens.
144 n. Entsteliimg der ältesten üniversit&ten.
Bestimmungen über Taxation der Wohnungen nur an jenen
Schulen, an denen Corporationen bestanden. Eines der trefflich-
sten Beispiele bietet Orleans"*).
So kam es, dass die Scholarenyerbindungen Bolognas nur
aus Fremden, sei es Italienern oder Nichtitalienem , bestanden.
Das Motiv zur Eingehung derselben brachte dies mit sich. Schon
in Friedrichs Auth. Habita erhielten nur die scholares forenses
die Privilegien ''^). In Bologna war dies so stark ausgebildet,
dass dort der fremde Schüler xa%' i^x^^ scholaris hiess"').
So glichen die Scholarenyerbindungen Bolognas den Scholen der
Fremden, die einstens in Rom waren ^^'), und nicht weniger auch
den kaufimännischen Genossenschaften, die in Folge von Nieder-
lassungen in fremden Städten sich nach den verschiedenen Natio-
nalitäten bildeten.
Doch wurden sie Ende des 12. und Anfangs des 13. Jhs.
nicht mit den Hansen verglichen, sondern vielmehr mit den
städtischen gewerblichen Zünften von Bologna und Umgebung, und
zwar wohl vor allem deshalb, weil sie in der Organisation mit
denselben vielfach übereinkamen. An jener Stelle, wo Azo das
Recht der Scholaren bestreitet sich Consuln zu wählen, gibt er
als Grund an, dass dies auch nicht die discipuli pellipariorum
vel fabrorum aut similium corporum thäten; dies sei das Amt
336) Obwohl dort beinahe das ganze 13. Jh. ein Gencralstudinm bestand,
wurden doch erst 1306, d. h. in dem Jahre, als die Corporation von Lehrern
und Schalem erlaubt wurde, Bestimmungen Aber die Wohnungsmiethc ge-
geben. Clem. y. Reg. Tat. an. 1 ep. 327 Bl. 64.
337) S. oben S. 134.
33S) Dies geht aus Stellen hervor, wie s. B. die in den städtischen Sta-
tuten: nuUuB civis civitatis Bononie vel districtus Bononie debeat jurare sub
aliquo rectore scolarium vel sub aliquo alio Scolari. Ed. Frati II, 29. Unter
dem 'civis' ist hier etwa nicht jedweder Borger Bolognas lu verstehen, denn
dies hätte keinen Sinn, sondern der Scolaris civis. Unter dem 'Scolaris' aber
wird der fremde Schüler verstanden« Aehnlich auch in den Statuten 1. c.
II, 23. Was von Stein a. a. 0. S. 256 f. über den 'scholaris' und 'studens'
sagt, verdient keine Berücksichtigung.
339) Sie hiessen Scholae peregrinorum, und es werden genannt Scholae
Francorum, Frisonum, Saxonum atque Langobardorum. Vita Leonis III.
n. 372. Migne, Fatrol. lat. tom. 128 p. 1215.
3. Bologna. Wesen der Scbolarenverblndongen. 145
der Meister •"). D. h. gerade weil die Scholarenverbindungen den
gewerblichen Innungen glichen, sollten sich jene ebenso wie
diese ihre Consuln von ihren Meistern, nämlich den Professoren,
vorsetzen lassen. Wie wir sehen werden, war dies auch die An-
sicht der Nachfolger Azos.
Dieser Umstand veranlasst uns die Scholarenverbindungen
von einer andern Seite, nämlich der ihrer Uebereinstimmung mit
den städtischen Innungen Italiens, zu betrachten. Die Haupt-
umrisse der Organisation sowohl auf Seite der städtischen In-
nungen als auf jener der Scholarenverbindungen decken sich so
ziemlich. Erwägen wir vor Allem die äussern Momente, und
zuerst die Benennung der Vorsteher der einzelnen Genossen-
schaften. Das Haupt der einzelnen Scholarenverbindungen war
keineswegs 'Rector studii', wie später in Spanien, in Frankreich
und an den italienischen Universitäten des 14. Jhs., sondern ledig-
lich Rector societatis oder universitatis scholarium. Der letzte
Ausdruck wird bereits in einer oben citierten Urkunde vom
J. 1206, die Schule von Vicenza betreflfend, erwähnt'*'). Gewiss
sagte man schon damals auch ^rector scholarium"*'). Später
wenigstens werden beide Bezeichnungen abwechselnd gebraucht,
die immer dasselbe bedeuten : den Vorsteher der Genossenschaft.
Diese Benennung wurde nur den bereits existierenden Innungen Bo-
lognas und anderer Städte Italiens entlehnt. Schon im J. 1194 finden
wir in Bologna Guido de terrafagolis als Rector societatum, als
Haupt der Innungen'*'), in Pistoja um dieselbe Zeit die Rectores
340) Comment. et magn. apparatus ad sing. leg. Cod. Lugd. 1596 zu
8, 13 p. 286.
^^) a die oben S. 188 Anm. 323 citierte Qaelle.
M9) Wollte man sich auf Sarioli, Annali Bolognesi II, 2 p. 465 and
Sarti II, 224 yerlassen, so wäre nachweisbar das J. 1214 das erste Jahr, in
dem der Aosdrack 'rector scolarinm' yorkommt. Allein beide haben die
Jahnahl in einem st&dtischen Statut fiUsch gelesen. In den Statuten Bo-
lognas Tom J. 1250 heisst es, die Stadt habe im J. mcozIf (1245) das Statut
gemacht, dass kein civis 'sub aliquo rectore scolarium' . . . schwören dflrfe.
Ed« Frati II, 29. Ich sah selbst die Hs. in der Biblioteca municipale ein,
and kann rersichem, dass Frati richtig geschrieben hat. Sarioli und Sarti
nachten daraus mccziih, d. i. mccxif.
^) Savioli Annali Bolognesi II, 2 p. 177. Vgl. dazu U, 1 p. 202 Nota F.
DcnifU, Die ünireMiMton L 10
146 II- Entotehong der ältesten UniTersit&ten.
artium ^^*) , d. h. die Vorsteher der einzelnen Zünfte ; dieselben
werden auch 1223 als in Perugia^**), 1228 in Verona'") exi-
stierend erwähnt, und sie erscheinen nun im 13. Jh. durchweg ab-
wechselnd mit den andern Ausdrücken: Priores, Capita oder Ca-
pitudines etc., während in Deutschland da und dort die Be-
zeichnung 'Meister' oder 'magister'^^^), in Frankreich capita,
maitres, gardes, prud' hommes, consules etc.'") für den Zunft*
vorstand die gewöhnlichere war. Der Ausdruck Rector wurde
in obiger Anwendung im allgemeinen da gebraucht, wo an der
Spitze einer Genossenschaft nicht eine Mehrzahl von Consuln,
sondern nur die eine oder andere Person stand, wenngleich dies
nicht immer zutrifft'"). Für diese Organisation der Genossen-
^) 8tat. Fistor. §§ 52 und 152 bei Muratori, AnUqn. iul lY, ^27 ff.
Dass diese Statuten aus dem Ende des 12. Jhs. stammen, vergl Hegel, Ge-
schichte der St&dteverfetssung von Italien II, 246.
^^) BftiliTi, Consules, Rectores vel Priores fratemitatum, societatum, ü^
miliarum seu quarumlibet artium. Theiner, Cod. diplom. dom. temp. s. Sedis I,
77 n. 127. S. auch Gregorovius, Gesch. d. Stadt Rom, 2. Aufl. V, 303 f.
^ Im Liber juris ciyUis urbis Yeronae Script 1228 ed. Campagnola
1728 heisst es p. 147: Prohibebo, quod nuUnm misterium (ministerium) de
ciTitate seu districtu Yeronae habeat Tel habere possit gastaldionem rel
rectorem, nisi qui sit de suo misterio et qui exerceat illud misterium, ex*
ceptis molendinariis et walcariis, qui possint habere gastaldionem quem to-
luerint de dominis molendinorum et fuUonum sive walcatorum. Prof. Ficker
macht mich aufmerksam, dass eben nur die erhaltene Niederschrift der Sta-
tuten vom J. 1228 ist, während die Statuten selbst wohl grossentheils noch
dem 12. Jh. angehören.
^7) Dieser Ausdruck wird schon 1157 auf den Zunftvorstand der Schuh-
macher Ton Magdeburg angewendet. Maurer, Geschichte der St&dteverfassung
in Deutschland 11, 330. 370, wo sich die Belege für die sp&tere Zeit finden.
^ S. Schaeffner, Gesch. der Rechtsverfassung Frankreichs, 2. Ausg. II,
599 t Fagniez, £tudes sur Pindustrie et la classe industrielle ä Paris an
13. et au 14. si^cle, p. 121 ff. 27 ff. Rosiöres, Hist de la ioci6t6 fran^aise
1. ed. II, 464. Troi omes' kommt bereits in einem Documente vom J. 1168
in Betreff Albys vor. S. Auriac, Hist. de Pancienne cath6diale et des ör^ues
d'Alby. Paris 1858 p. 199 n. 6.
^^) So werden bei Muratori, Antiqu. Italiae lY, 638 sex rectores pro-
cerum et valTassomm Mutinae genannt, und in einem pftpetlichen Schrt iben
Tom 26. Oct. 1232 rectores fratemitatis urbis erw&hnt. Bull Boman. ed.
Taur. UI, 474.
8. Bologna» Wesen der ScholArenverbindangen. 147
Schäften bildete die italienische Städteverfassung das Vorbild.
Das Amt des städtischen Podeste oder Bectors war früher da als
die Bezeichnung, die wenigstens in Bezug auf 'Bector' in Italien
nicht vor der Mitte des 12. Jhs. in allgemeinen Gebrauch kam"^),
und in der Anwendung auf das städtische Haupt wohl dem er-
neuten Studium des römischen Bechts und Alterthums ihr Ent-
stehen resp. die Wideraufhahme zu verdanken hat"^). Eben
deshalb dürfte sie in dieser Anwendung aus Bologna stammen.
Man hüte sich also die Benennung Bector scolarium mit
der 'Bector scolarum' zu verwechseln, oder beide zuj einander
in irgend eine Beziehung zu bringen'"). Fürs erste sind
die Begriffe beider wesentlich von einander verschieden; die
Bezeichnung Bector scolarium hat mit der andern Magister oder
Bector scolarum gar nichts zu thun. Die letztere bedeutet
den Lehrer, welcher die Schule und den Unterricht leitet, da-
her scholas, Studium regere, woraus dann der Titel 'ma-
gistri regentes' entstand^"). Und auch hier darf man 'schola'
durchaus nicht im Sinne der Innungen der frühem Jahrhunderte
nehmen***), denn vor Ende des 12. Jhs. bildeten weder die
Lehrer noch die Schüler irgendwo eine Genossenschaft. Der
andere Ausdruck: Bector scholarium bedeutete, wie der
vollere Titel ^Bector universitatis scholarium' von selbst andeutet,
lediglich den Vorsteher, das Haupt der Scholarenverbindung, ohne
dass diese Benennung zur Schule zunächst in einer Beziehung
gestanden hätte. Ausdruck und Begriff waren ursprünglich rein
zünftig, eine Thatsache, die dadurch ihre weitere Bestätigung
erhält, dass die Bezeichnung ^Bector scolarium' vor dem Ende
des 12. Jhs., d. i. vor jener Epoche, in der sowohl Bolognas
Scholarenverbindungen entstanden, als auch die übrigen städtischen
Zünfte eine bestimmtere, autonome Organisation annahmen, nicht
^ 8. Fieker, Forsch, zur Reichs- u. Bechtsgesch. Italiens ü, 182 f.
111,438 1
SU) Hegel, a. a. 0. S. S47.
3M) Hober, Die engl UniTersitäten I, 80 bringt beide Bezeichnungen
in einen fiitftlen ZoBammenhang.
3») S. oben 8. 108 Anm. 227.
SM) 8. Gregorofins, Gesch. der Stadt Born 2. Aufl. II, 415 ff.
10*
148 II* Entstehung der ältesten üniversit&ten.
Bachgewiesen werden kann, worauf man allerdings bisher nicht
achtete. Man verlasse sich ja nicht auf die Drucke oder späte
Hss. In der Folge ^ als die Bezeichnung Rector scholarium all-
gemeiner wurde und man an den Universitäten anfieng den Rector
auch Rector studii zu nennen, findet man allerdings die Titel Rector
scolarium und Rector scholarum promiscue gebraucht; man setzt«
nicht selten den erstem für den letztem, wo man früher nur
Rector scholarum oder vielmehr Magister scholarum angewendet
hätte '"). Die Ausdrücke wurden häufig nicht mehr strenge geschieden,
was zur Folge hatte, dass man auch ^Magister scholarium' statt
'Rector scolarium' gebrauchte und für magister scolarum
anwendete. Dies geschah theilweise schon früher"^).
^^) Gleichwie andere so achtete auch Molverstedt, Beitr&ge zur
Kunde des Schulwesens im Mittelalter (Magdeburg 1875) nicht darauf.
3^) Wie flberall, so darf man sich bei solchen Nachweisen ja nicht auf
spätere Hss. oder gar die Drucke verlassen. In einer Hs. der Summa
Decret. de Bern. Fapiensis (Vat. Arch. Mitte des 13. Jhs.) findet sich 5 De
Magistris: ille qui magister scolarium dicitur, während in der Ausgabe des
Laspeyres (Ratisbonae 1860) nach 8 Hss. die richtige Leseart magister sco-
larum enthalten ist. In einer Urkunde Heinrichs HI. v. England vom J. 1231
steht bei Füller, The history of the university of Cambridge ed. Wright p. 22:
magistri scolarium, während das Original nach Shirley, Royal and other
historical Icttres illustr. of the reign of Henry lU. I, 398, und ein anderer
Act p. 396 richtig magistri scolarum besitzt. Ich zweifle auch deshalb, ob die
Leseart bei Wood, Hist. univ. Oxon. I^ 141 für die frohere Epoche Roberts
Grosset^te 'magister scolarium', richtig sei, wenngleich nicht zu längnen ist,
dass in England seit dem Beginne des 13. Jhs. der Ausdruck Cancellarins
scolarium gebraucht wurde. — Ich will noch andere Belege bringen. Savigny
citiert aus der Summa Godefredi de Trano 5 De magistris n. 1 : nunc autem
queritur de GanceUario Paris, et de Archidiac. Bonon. et de magUtro scolarium,
AUein die ältesten Hss, bieten: de magittrU seolanm. So nn. 12. 252. 254.
286. 288 in der Bibl. Burghes. zu Rom. n. 113 G im Arch. zu S. Peter,
nn. 15411. 15412 der Nat. Bibl. zu Paris u. s. w. Auf Gottfried stAtzt sich
gänzlich die Summa titulorum Balduini, n. XYIII. A. fol. 51, zu Danzig, der
so wie jener schreibt (s. Schulte, Quellen II, 502 Anm. 34). Die
Gasus long! Bemardi Parm. (Bibl. Burgh. n. 77. 245), Job. de Deo, Summa
super casibus Decret. (God. Vat. 2343; Bibl. Burghes. a 94 und 145) haben
ebenso. Ein Beispiel jedoch, wie man bereits im 13. Jh. beide Bezeich-
nungen mit einander zu verwechseln anfieng, bieten die Hss« der Summa
S Raymundi Gib. 1 de magist) Godd. Vat. nn. 2300. 2302. 2674. 2708.
Reg. 851. Arch. zu S. Peter 26 G bieten 'magistri scolarum'. Vat 2301.
3. Bologna. Wesen der Scholarenrerbindangen. 149
Doch beruht keineswegs auf einer solchen Verwechslung der
Gebrauch die Bezeichnung ^Rector scholarum' statt ^Magister
scholarum' zu schreiben, denn 'Rector scholarum' entstand ganz
natürlich aus der alten Phrase ^scholas' oder ^Studium regere'*^^).
Indess war der technische Ausdruck für den Leiter der Schule
vor dem 13. Jh. 'magister scholarum' und nicht ^rector scholarum'.
Er erscheint fast ausnahmslos in kirchlichen Actenstttcken jener
und in päpstlichen Documenten begegnen wir kaum einer
andern Bezeichnung als ^magister scholarum'"^).
Einen weitern Zusammenhang der Scholarenverbindungen
Bolognas mit den städtischen Innungen in Italien erweist femer
das Institut der Consiliarii. Die Consiliarii der Rectoren
werden bereits im Jahre 1224 erwähnt"'). Jede Nation hatte
zur Zeit, als 2 Gorporationen bestanden, wenigstens einen, wie
aus einer Urkunde vom J. 1265 hervorgeht ''^), und durch die
städtischen Statuten vom J. 1289 bestätigt wird^''), eine Er-
4294. Reg. 170. Pal. 703. 704. Barghes. n. 78 aber 'scolarium'. Die erstere
ist die richtige Leseart. — Frühere Beispiele dafflr, dass magister scola-
riam statt scolarum gesagt wurde, finden sich z. B. bei Gh. Schmidt, Hist. de
chapitre de S. Thomas p. 11 (J. 1182) im Cod. Paris. 16558 Bl 234 a (aUer-
dings nur im Codex, der mit dem Factum selbst jedoch fast gleichzeitig ist),
wo der bei der TalmudTordammung 1248 anwesende Magister scolarium An-
degaven. genannt wird.
»T) s. oben S. 108 Anm. 227.
^ Dass der Ausdruck 'Rector' in anderer Verbindung in p&pstlichen
ActenstOcken vorkomme^ haben wir oben S. 108 gelegentlich gesehen. Nach
Fechter, Geschichte des Schulwesens in Basel bis zum Jahre 1589 (Basel)
8. 7 wäre dort der Ausdruck 'rector puerorum s. scholarum' schon lange
vor dem 13. Jh. in Anwendung gewesen. Allein mit Aufstellungen ohne Be-
weise aus Documenten ist nichts gedient. Mir scheint, dass Fechter den
Ausdruck nur dem von ihm S. 11 citierten Gapitclsbeschluss rom J. 1460
entnommen hat.
^^) Savioli IT, 2 p. 466. Savigny III, 199 findet sie erst 1265 erwähnt.
^^) Sarti II, 61. Die beiden Nationen der Pictaviensium und Vasco-
nnm wurden vereinigt zur natio Pictaviensium; doch durfte diese dann zwei
Consiliarii haben.
^^) Ibid. 227. In dem städtischen Statute dieses Jahres ist nämlich
bei gewissen Vorfällen von dem scholaris denuntians die Rede, Ober dessen
Leumund der Rector und der Consiliarius sne (Sarti falsch: sive) nationis
einen Eidschwur ablegen müssen.
150 II* Entstehung der ältesten üniversitftten.
scheinung, die auf andern nach dem Muster Bolognas gegründeten
Hochschulen sich widerholt, z. B. in Padua, L^rida, Montpellier.
Sie bildeten als Vertreter der Nationen den Bath des Rectors.
Diese Einrichtung, die man, weil man ihren Ursprung nicht kannte,
nicht selten als Eigenthümlichkeit aufgefasst hat, oder deren
Ursprung man in Paris suchte'"), obwohl zwischen Paris und
Bologna ein Unterschied obwaltet *^'), wurde im allgemeinen nur
den städtischen Innungen entlehnt, und diese widerum nahmen
die städtische Verfassung zum Vorbilde. Dem Podestä oder
Rector stand ein Bath zur Seite, den z. B. in Pistoja 14 con-
siliarii bildeten; dies war der engere Rath. Der weitere bestand
unter anderm aus 100 gewählten Bürgern, 25 von jedem Thor-
bezirk''^). Nach Odofred hatte Bologna später ausser den
Doctoren 2000 consiliarii '^^). Ein gutes Beispiel für diese
Einrichtung bei Zünften bildet die Kaufinannsgilde zu Rom, welche
unter jährlich gewählten vier Cionsuln stand, denen 12 Gonsi-
liarii'") zur Seite waren.
Noch ein Punkt kommt hier in Betracht, der zwar nur eine
theilweise Uebereinstimmung der Scholarenyerbindungen mit den
italienischen Zünften aufweist, uns aber um so mehr überzeugt,
dass dieselben freie Genossenschaften waren.
Bereits Azo vergleicht die Rectoren der Scholarenyerbindungen
mit den Gonsuln der städtischen Genossenschaften '*0- ^^^ ^^^'
Steher dieser letztem wurden nämlich damals wegen der ihnen
übertragenen Gerichtsbarkeit und der Rom. Auffassung entsprechend
viel öfter mit dem Ausdrucke consules als rectores bezeichnet
^ Was T. Stein, Die innere Yerwaltong etc. S. 258 f. darüber sagt,
beruht geradem auf Unverstand. Er hat anch keinen Begriff über das Ter*
haltniss von Paris su Bologna und umgekehrt
»«) 8. oben 8. 97.
^) Stat. Pist bei Mnratori, Antiqu. Ital. lY, 527 ff. §§ 52. 151 1 Hegel
a. a. 0. S. 248 f.
^ Dig. vet De just et jure, jm muem.
^ GregoroTius Y, 806 bietet einen defecten Text Es heisst im Statat:
XII consiliarii, YIII de talgiarolis (Schnittwaarenhftndler) et lY de franciaro-
lis (Fransenmacher). Statnti dei mercanti di Roma ed. Gatti p. 3.
»7) s. oben & 144.
3. Bologna. Wesen der Scholarenverbindangen. 151
Da nun die Rectoren innerhalb ihrer Genossenschaft ebenfalls
die Gerichtsbarkeit ausübten, so boten natürlich die Consuln der
städtischen Innungen einen Vergleichungspunkt dar. Doch hiemit
sind wir mit dem Vergleiche zu Ende, denn die Gerichtsbarkeit
innerhalb der Scholarenverbindungen hat sich schwerlich nach
dem Muster der genossenschaftlichen der italienischen Innun-
gen jener Zeit entwickelt. Die Genossenschaften der Kaufleute
und Gewerbetreibenden hatten den Glossatoren zufolge hierin
im C!od. J. G. einen Rückhalf®). Da aber die Scholaren
keine Profession ausübten, vielmehr nur Schüler der Ausüben-
den waren, so schien das Corpus J. G. der Gerichtsbarkeit inner-
halb der Scholarenverbindungen vielmehr entgegen als günstig zu
sein ; dieselbe entwickelte sich deshalb auch nicht nach dem Muster
der städtischen Innungen Italiens. Wie wir weiter unten sehen
werden, war dies die Ansicht der Legisten.
Wie gelangten nun aber dann die Scholaren doch zum Ge-
nossenschaftsrecht und zur genossenschaftlichen Gerichtsbarkeit?
Vor allem entschlage man sich der Vorstellung, als seien
die Scholaren Bolognas ähnlich den Schülern unserer Hochschulen,
oder, um im Mittelalter zu bleiben, dem Gros der Schüler zu
Paris gewesen. Gerade zur Zeit, als die Scholarenverbindungen
entstanden, wurde in Bologna fast nur über Jus civile und Jus
canonicum gelesen. Diese Wissenschaften zogen nur solche an,
welche im reifern Alter waren, und im Heimathlande entweder
schon eine Stellung hatten, oder zu einer solchen gelangen wollten.
Wir finden unter den Scholaren Bolognas Archidiacone, Praepo-
siti. Canonici u. s. w. "•). Schon Friedrich I. setzte in seiner
Auth. Habiia Scholaren dieser Art voraus, denn wenn er in der-
selben den Scholaren freie Wahl des Gerichtsstandes zugestand,
^ D. 3, 4 werden nur GoUegia von Gewerbetreibenden erwfthnt. In
dem Ton den Crlossatoren oft angerufenen 1. 7 (IMni^im) C. de jurisdict
onn. 3, 18 ist dasselbe der Fidl. Auf Grund desselben sagt Hngolinns,
Summa Dig. 8, 13 n. 3, nicht bloss die societates civitatum et vicorom etc.
seien erlaubt, sondern auch *onmes societates professionum, item negotiationum'.
^ Man vgl. unter andern den Slenchus der Scholaren seit 1265 bei
Strti n, 834 ff. In froherer Zeit war dies noch mehr der Fall, und diese
Erscheinung kehrt an allen Bechtsschulen wider.
152 ^ Enstehung der UtesteD Universitäten.
SO machte er sie dadurch gewissermassen sui juris, was doch
sicher grosse Reife der Scholaren voraussetzte. Diese Thatsache
beweist aber zugleich, dass die Scholaren in ihrer Heimath
freie Männer waren, welche Bologna nur um der Wissen-
schaft willen anfeuchten. Ihre alte Freiheit büssten sie in Bologna
nicht ein und wollten sie auch nicht preisgeben. Es ist nicht
zufallig, dass in Bologna die Scholaren ebenso wie die Rechts*
lehrer selbst mit 'Domini' tituliert wurden, eine Sitte, die theil-
weise auch auf andere Universitäten mit ähnlichen Einrichtungen
übergieng'^®), für Paris aber, wo eben verschiedene Verhältnisse
waren, für das 13. Jh. nicht nachgewiesen werden kann'^O* Roffred
von Benevent und Albert Galeottus nannten ihre Rechtsschüler
im acht mittelalterlichen Sinne 'socii' "*).
S7<>) So werden 1209 die Scholares in Yicenza durchaus Domini
tituliert. MittareUi, Annal. Camaldul lY, 213 f. Ebenso spricht sie 1229
Guido Faba in Bologna an (Summa dict. Cod. Paris. 8652 Bl. 72), und Odo-
fred gibt in der Mitte des 13. Jhs. den Bechtsschfllem denselben Titel (Ad
Auth. Eabita), gleichwie er auch in der Anrede fortwährend die Formel ge-
braucht: Or signori. Man vgl. auch Sarti a. & 0. So erhalten auch in Sie*
neser Acten vom J. 1321 die Scholares aus Bologna immer den Titel Do-
mini (Banchi, Alcuni documenti che concemano la venuta in Siena neu
anno 1321 dei lettori e degli Scolari dello studio Bolognese in Oiomale sto-
rico degli archiri Toscani V, 309 f. 312 f. u. s. w.). Dasselbe ist der Fall
in Bezug auf die Rechtsschaler von Rom im J. 1319 (Renazzi, Storia delP
universitA degli studi di Roma, I, 262) und Ton Perugia in der Matricula
v.J. 1339 (PadeUetti im Archivio giurid.Y, 501 ff.). Im J. 1388 erscheinen
in Florenz die Scholares des Jus als Domini, jene der Medicin als Magistri
(Statut! della universitik e studio Fiorentino. Firenze 1881, p. llf.).
97^) Im Registrum nationis anglicanae (Universit&tsarchi? zu Paris)
werden im 14. Jh. die Licentiierten ebenfalls Domini tituliert
37>) Quest. sabbat. Prooem. : Cum . . . ego cogitarem quid utile et fruc-
tuosum possem sociis de legum scientia ministrare etc. Cod. Burghes. 249.
Der Ausdruck kommt in dieser Anwendung nicht selten vor. Roffred
spricht die Schüler 1. c. an: Accipite ergo Studiosi socii et Studium et soUi-
citudinem attendite offerentis . . . quidam de meis sociis tyrones in legibus
non poterant panem durum dentibus mandncare. Aber auch die Doctores
nennt er der damaligen Sitte gemäss socii. S. Prooem. De ordine judi-
ciorum (Cod. Burghes. 248), welches Werk er 'ad instantiam socionim
nobilium de partibus curie, cum essem in civitate curialissima et nobill Are-
tina' schrieb. Yon Albert .Galeottus citiert Diplovataccius eine Uinliche
Phrase (mit Anwendung auf die Scholaren bei Sarti II, 253; I, 117).
3. Bologna. Wesen der Scholarenverbindnngen. 153
Als solche freie Männer vereinigten sich die Scholaren nach
ihren Nationalitäten auf fremdem Boden. Und waren nun gleich*
wohl die also entstandenen Genossenschaften der gewöhnlichen
Annahme zufolge nichts weniger als im Sinne des Rom. Rechts'^'),
so bildeten sie sich doch um so mehr aus dem Drange der
Umstände, sie waren in der Natur der Verhältnisse begründet '^Oi
und wenn je, so waren die also entstandenen Genossenschaften
freie Genossenschaften im eigentlichen Sinne, die, wenn nicht
das Römische, so doch ein nationales Recht für sich haben konnten.
Hier kommen wir wider zu jenem Punkt, von dem wir ausge-
gangen sind. Ich habe oben bemerkt, dass die Scholarenverbindung
der Toschen die zuletzt entstandene war, und dass überhaupt die
der Gorporationen unter den Italienern wahrscheinlich erstnach den
übrigen Gorporationen sich entwickelt hatten. Hier drängt sich
derselbe Gedanke aul Die Anregung solche Genossenschaften
zu bilden konnte weniger von jenen Scholaren ausgehen, die von
Haus aus mit dem Rom. Rechte in Berührung getreten waren,
als vielmehr von solchen, deren nationales Recht und nationale
Gewohnheiten der Bildung ähnlicher Genossenschaften günstiger
waren. Und da kommen vor Allem die Deutschen, die Franzosen
und Engländer, und so viel ich schliessen darf, die Provengalen
und Catalonier in Betracht. Unter ihnen beanspruchen die Deut-
schen einen der ersten Plätze, denn das Genossenschaftsrecht war
bei ihnen an der Wende des 12. Jhs. und im Anfange des 13. in
voller Ausbildung begriffen. Möglich, dass sie auch bei Bildung
der Scholarenverbindungen in Bologna den Ausschlag gegeben
haben und sie zu den ersten gehörten, welche sich zu einer Ge*
nossenschaft constituierten. Ist es doch interessant, dass die
Deutschen in jener Zeit, als die verschiedenen Scholarenver-
bindungen auf die zwei der Ultramontani und Citramontani re-
duciert waren, die einzig privilegierten unter allen Nationen
erscheinen. Wenngleich in den städtischen Statuten vom J. 1250
37<^ S. oben S. 151 Anm. 36S. Das Rom. Recht erkennt auch nur die*
jenigen Genossenachaften an, die legibus et senatus consultis et principalibus
constittttionibus approbiert sind.
974) 8. oben 8. 140 ff.
154 II* Entstehung der ältesten Universitäten.
verboten wurde 'facere aliquod mutunin alicui persone de Alla-
mania*, so war doch die Clausel dabei: nisi esset Scolaris *^0-
Trotzdem, dass im J. 1265 die Ultramontani 13 Nationen um-
fassten, wurde dennoch bestimmt, dass alle 5 Jahre der Rector der
Ultramontani aus der deutschen Nation genommen würde '^*).
im J. 1273 wurde es von der in der Kirche S. Proculo versammelten
universitas Ultramontanorum als altes Privileg bezeichnet, 'quod
nobiles de Alamania non teneantur jurare rectori'"'). Der
Grund dieser Bestimmungen lag allerdings auch in' dem Bewusst-
sein, dass das Imperium translatum est ad Alemannos, et ideo
fons nobilitatis pollet in Germanis"''). Allein mir scheint er
noch mehr darin gesucht werden zu müssen, dass eben bei der
Bildung der einstigen Scholarenverbindungen die deutsche Nation
eine hervorragende Bolle gespielt hatte, was um so mehr ihr zu-
kommen konnte, als ihre Mitglieder zahlreich waren. Der Platz den
sie damals einnahm, sollte ihr auch in Zukunft so weit möglich be-
wahrt bleiben. Mit Rücksicht darauf, dass seit der Reducie-
rung aller Genossenschaften auf nur zwei doch öfter ein nicht-
deutscher als ein deutscher Rector an die Reihe kam, sollten die
Nobiles de Alamania überhaupt von der eidlichen Verpflichtung
gegen den Rector entbunden sein, was vielleicht nie der Fall ge-
wesen wäre, hätten die Deutschen in der Weise wie wohl ursprüng-
lich eine Genossenschaft für sich mit eigenem Rector gebildet.
Unser Resultat lautet, dass die Scholarenverbindungen Bo-
lognas freie Genossenschaften bildeten, die in derselben Weise wie
die kau&nännischen Genossenschaften auf fremdem Boden sich
entwickelten, in ihrer Organisation aber nicht unabhängig von jener
der italienischen Zünfte waren, wenngleich sich der Kern nicht
als italienisch erweist
Nun erklärt sich die bisher nicht verstandene Erscheinung
mehrerer Corporationen , eine jede mit eigenem Rector, an dem
^inen Studium. Sie bietet nichts auffälliges mehr. Nur hüte
S75) stataU die Bologna ed. Frati II, 254.
876) Bei Sarti II, 61.
'77) Bei Malagola, Della Tita e deUe opere di Antonio Urceo detto
Godro. Bologna 1878 p. 537.
'78) Baldos in prooem. Dig. n. 32.
IL Bologna. Wesen der Scholarenverbindungen. 155
man sich die Phrase zu gebrauchen, in Bologna seien mehrerere
Universitäten gewesen. Da wir jetzt mit dem Ausdruck Univer-
sität den Begriff einer Hochschule verbinden, so entstünde leicht
der falsche Begriff: in Bologna hätten mehrere Hochschulen exi-
stiert Und doch war dort nur 6ine Schule, an ihr aber mehrere
Scholarenverbindungen. Diese, weil ursprünglich nur Genossen-
schaften in dem eben entwickelten Sinne, hatten zunächst keine
directe Beziehung zum Studium, und ihre Rectoren waren keines-
wegs Bectores stndii. Hätten die Scholarenverbindungen Bolognas
ursprünglich eine directe Beziehung zum Studium und zur Schule
gehabt, dann würde sich nur eine einzige grosse Genossenschaft
mit einem Rector an der Spitze, der zugleich Rector studii war, ge-
bildet haben, wie wir dies an vielen der spätem Universitäten sehen,
und diese üne Körperschaft wäre in mehrere Nationen getheilt
gewesen. Den Beweis liefert Bologna selbst. Je mehr nämlich
die Professoren, die eigentlichen Leiter, Regenten des Studiums,
in Abhängigkeit von den Scholaren kamen, desto directer wurde
die Beziehung der Rectoren der Scholarenverbindungen zum Stu-
dium, und desto mehr stellte sich die Nothwendigkeit heraus die
verschiedenen Corporationen zu reducieren. In Bologna wurde
in jener Zeit noch nichts ^gemacht', alles entwickelte sich spontan.
Die Verschmelzung zu nur zwei Corporationen geschah noch vor
der Mitte des 13. Jhs., denn in den Statuten der Stadt Bologna
vom J. 1250 werden bereits der rector Ultramontanorum (Johannes
de Yaranis) und der Citramontanorum (Pantaleon de Venetiis)
erwähnt"*). Die zwei Corporationen (Universitates) wurden näm-
Uch dann Gitramontani und Ultramontani genannt, von denen jede
in mehrere Nationen getheilt war, oder vielmehr mehrere Nationen
omfasste. Im Jahre 1265 zählte die Corporation der Ultramon-
S7») Statut! di Bologna ed. Luigi Frati, I, 366 f. Die zwei üniversitftten
werden unter dem gemeinsamen Gesichtspunkt 'nniversitas' genommen (nni-
▼ersitas scolarium). S. dazu unten S. 156 und Anm. 385. So beginnt auch das
Schreiben Innocenz IV. vom J. 1253, womit er die Statuten der Universität
bestätigt D. f. rectores et universitas scolarium Bononien. quedam dicuntur
edidisse statuta salubria et honesta, que ad utilitatem et bonum statum ipso-
mm rednndare noscuntur. Reg. Tat. an. 10 ep. 398. Bl. 229. Sarti II, 124.
156 n« Entstehang der ältesten ünirersit&ten.
tani 13 Nationen, während sie unmittelbar vorher 14 hatte '^^).
Für den Augenblick wurde keine Neubildung irgend einer Nation
zugelassen, sondern der von auswärts kommende Scholar musste
sich in eine der genannten Nationen, die seinem Lande am nächsten
stand, nach dem Gutdünken des Rectors und der Gonsiliarii ein-
reihen'"0. Jede der zwei Gorporationen hatte einen eigenen
Rector; im Jahre 1250 finden wir zum ersten Male dieRectoren
beider Genossenschaften erwähnt'").
Die Reducierung auf eine einzige Corporation war wohl in
Folge der eigenartigen Entstehung der Scholarenverbindungen
nicht so leicht möglich wie in Padua, wo seit 1473 die Juristen
.nur mehr 6ine Universität bildeten, der abwechselnd ein Rector
der Gisalpiner und Transalpiner vorstand'"). Der Noth wendig-
keit, nur 6inen Rector zu besitzen, konnte sich aber auch Bo-
logna mit der Zeit nicht verschliessen, und so finden wir dort
seit dem Anf. des 16. Jhs. nur 6inen Rector über beide Gorpo-
rationen gesetzt "0- War man doch schon seit dem 13. Jh., d. i.
seit der Zeit, wo die Gorporationen in directer Beziehung zum
Studium standen, gewohnt, sie, wenngleich von einander getrennt,
unter 6inem Gesichtspunkt zu betrachten und als universitas
scholarium zu bezeichnen. Und es bedurfte nur mehr eines Schrittes,
um bei der engen Zusammengehörigkeit der Scholaren und Pro-
^ Sie hiessen: Gallici, Picardi, BurgandioneB, Pictavienses et Yascones
(▼or 1265 waren beide getheilt), TuroneDses et Cenomanenses (wahrachein-
lieh waren anch diese frflher getheilt), Normanni, Gatelani, üngari, Poloni,
Theotonici, Tspani, Prorinciales, Anglici. Bei Sarti II, 61. Die Böhmen
und Mähren bildeten also damals noch nicht eine Nation fftr sich, wie
Dndik, Mährens allgem. Gesch. X, 434 irrig meint. Richtig Malagola, I libri
della nazione tedescha presse lo studio Bologn. (Modena 1884) p. 5. Savigny
III, 187, sich anf die späten Statuten stfltzend, lässt die Ultramontani aus
18 Nationen bestehen. Ihm folgten alle spätem Schriftsteller. — Leider fehlt
ein Actenstück der altern Zeit fQr die Citramontani, d. i. die Italiener.
^1) Sarti a. a. 0. Erst in späterer Zeit wurden dem Bedflrfhiss ent-
sprechend die Nationen vermehrt.
^ S. 8. 155. In Padua finden wir 1261 einen Rector transalpinus und
einen cisalpinus erwfthnt. Stat. almae univers. Jurist. Patav. gymn. 1551 J, 1.
^) Facciolati, Fast! gymnasii Patavini, Patavii 1757 II, 5. Stat. almae
unirers. Jurist J, 4.
SM) SUtuta et privil. univ. Jurist. Bonon. 1561 p. 14. 102. 107.
3. Bologna. Wesen der Scholarenverbindungen. 157
fessoren beide als magistrorum et scholarinm universitas aufzu-
fassen *•').
Durch obige Darstellung sind Behauptungen wie: die Hoch-
schule zu Bologna sei demokratisch organisiert gewesen ****),
von selbst widerlegt Da es sich im Beginne nicht um die
Schule sondern um die Scholaren verbin dun gen handelte, so
sind solche Behauptungen gegenstandslos.
Aber noch ein anderer Umstand erhält nun seine Erklärung,
dass nämlich auch damals, als die verschiedenen Verbindungen
auf zwei reduciert waren, nur die scolaYes forenses, d. h. die
nicht in Bologna oder dessen Distrikt einheimischen, eigentliche
Mitglieder der einen der zwei Corporationen waren. Es konnte
wohl vorkommen, dass sich Einheimische, cives, den C!orporationes
forensium anschlössen; allein sie waren keineswegs eigentliche
3S5) So thut dies Clemens Y. 10. März 1310 (Reg. Vat. an. 5 ep. 158
BI. 43a) und Johannes XXII am 11. Juli 1326 (Reg. Vat. an. 10 parte 2
ep. 2705) und in dieser V^eisennzählige Male. S obenS.32. 137 Anm.320. Auch
Savigny meinte S. 413 Anm. b auf eine hierher gehörige Steile bei Sarti I,
258 hinweisen 2u können. Allein Sarti sagt, die Adresse: Universitati Ma-
gistrorum et scholarinm Bononie commorantium der Bulle Bex paeißcuSf wo-
mit Gregor IX. die Decretalen nach Bologna sandte, komme in keiner Hs.,
die er eingesehen, vor, und finde sich nur in Böhmers Ausgabe der Decre-
talen. Immer stehe sonst: Doctoribus et scholaribus universis etc. Ich kann
ans meiner Erfahrung Sarti's Urtheil nur bestätigen.
s^) Sie hat in einer Aeusserung Savignys S. 158 ihren Grund, nach
der die Organisation der Schule zu Bologna theilweise auf den republikani-
schen Geist Bolognas zorflckzufflhren wäre. Nackt wie sie oben dasteht findet
sie sich ausgesprochen in einem Artikel (zum grossen Theil Plagiat von Sa-
rigny und Huber) der Baltischen Monatsschrift (IV, 89. 105) vom Historiker
Kurtz verfasst, und bei Hauts-Reichlin, Gesch. der Univ. Heidelberg, I, 102.
— Eine im Wesen richtige Auffassung fand ich bei Bouthors (Bim-
benet, Hist. de Puniversit^ d^Orleans p. 72 f.), allerdings mit der fal-
schen Anwendung auf die Universität Orleans. Nachträglich habe ich
gesehen, dass auch Maurer, Gesch. der Städteverfassung in Deutschland II,
282 f. diese Auffassung theilt, jedoch ebenfalls ohne die eigentliche Entwick-
tmg dieser Art von Genossenschaften zu kennen, was schon daraus hervor-
geht, dass er Bologna ganz ausser Acht lässt, während er Paris als Muster
nimmt, ungeachtet in Paris, wie wir oben gesehen haben, andere Verhält-
nisse obwalteten. Noch mehr gilt dies von den deutschen Universitäten.
158 II* Entstehang der ftUesten UBiTersitftten.
Mitglieder. Sie bildeten ja früher keine Corporation, und blieben
deshalb auch ausserhalb, als alle Genossenschaften auf zwei redu-
ciert worden waren. Wer sich über das eben dargelegte Wesen und
die Art und Weise der Entstehung der Scholarenverbindungen
im Klaren ist, dem leuchtet dieser Umstand, weil nur eine (Tonsequenz,
von selbst und ohne weiteres ein. Doch wird sich weiter unten
Gelegenheit bieten darauf zurückzukommen.
b. Zeit der Entstehung der Scholarenverbindungen.
Meiners glaubte, bereits in der ersten Hälfte des 12. Jhs.
hätten die Scholaren Bolognas Genossenschaften gebildet'"). Auf
die Entstehungszeit der Auth. Habita führen sie viele Forscher
zurück'"). Savigny war sich im Unklaren "•). Es ist auch
schwer darüber etwas Bestimmtes zu sagen, da alle Quellen
fehlen. Jedoch lässt sich der Schluss aus verschiedenen Um-
ständen ziehen, dass die ersten Scholarenverbindungen Bolognas
höchst wahrscheinlich nicht lange vor Ende des 12. Jhs. entstanden
sind. Vor Job. Bassianus machte, so weit bekannt, niemand eine
Erwähnung von den Scholarenverbindungen. Indem dieser den
Scholaren das Recht bestritt Rectoren zu wählen "°), setzte er
die Existenz der Verbindungen voraus. Ende des 12. Jhs. exi-
stierte also wenigstens die eine oder andere Scholarenverbindung.
Aber datiert der Ursprung derselben aus einer viel frühem Zeit?
Thatsache ist, dass in den Summen Rogers, Placentins und
Pilius auch nicht 6ine Andeutung von der Existenz der einen
oder andern Scholarenverbindung in Bologna sich findet'")*
^7) Oesch. der Entstehung und Entwickelung der hohen Schulen, U 54 f.
388) S. oben 8. 133.
S89) Gesch. des Rom. Rechts III, 472.
890) Die Nachweise folgen im Abschnitte c.
8^^) In der Summa Bogers (Frogerii), welche die erste über den Codex
geschriebene Summe ist, kommt speciell im IIb. 3, 18 (De jurisdictione om*
nium judicum) der Abschnitt 'Feriniquum', wo die Spätem die Frage be-
handeln, weder in der Hs. zu Tübingen (Mc. 14), noch zu Vieh in Spanien
(Capitelsbibl. n. 82 nach den Summen Placentins), noch in dem bisher nicht
bekannten Cod. Paris. 18280 (wo Bl. 44 a die Summa codicis ohne Bogers
Name ist), der mit Cod. 78 des Spanischen Collegs in Bologna abereinstimmt,
noch im Cod. der Laurenz. (Plut. 5 sin. cod. 10), vor. In dem ?on Tfi-
3. Bologna. Zeit der Entstehung der Scholarenyerbindnngen. 159
Allerdings ist dieser Beweis allein nicht stringent, da z. B. der
spätere Guido de Suzaria die Scholarenyerbindungen ebenfalls
nicht erwähnt "'). Die Auth. Habita übergeht femer den Rector
mit Stillschweigen, obwohl sie ihn doch beim Passus über den
Gerichtsstand der Scholaren hätte erwähnen müssen, wenn irgend-
wo in der Lombardei Scholarenverbindungen mit Rectoren be-
standen hätten. Auch der Bergomaske, der uns über den Ur-
sprung der genannten Auth. berichtet ^''), weiss weder von Scho-
lareuTerbindungen noch von Rectoren zu erzählen. Von der
Genossenschaft der loschen wissen wir, dass sie erst ziemlich
spät, in keinem Falle vordem Pontificatinnocenz m, entstand''^).
Es ist nicht glaublich, dass der Ursprung der übrigen Verbin-
dungen von jenem der süditalienischen durch einen sehr grossen
Zeitraum getrennt war. Dies liesse sich erklären bei Verbindungen,
die an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Verhältnissen
entstanden, nicht aber bei den Scholaren in der einen Stadt Bo-
logna. Zu all dem kommt noch, dass auch die übrigen Genossen-
schaften und Zünfte, sollte selbst ihr Ursprung weiter zurück
datieren, sich erst in der 2. Hälfte des 12. Jhs. bestimmter
organisiert haben. Ja die meisten aus ihnen entstanden erst
damals. In Bologna selbst geschieht die erste Erwähnung der
dort existierenden Gesellschaften im J. 1174'^'), also verhältniss-
mässig spät.
biogen (nicht in den andern Hss.) ist am Rande, vie mir Herr Repetent Dr. J.
Schmid berichtet, nur angemerkt, dass, wer studiorum causa sich zehn Jahre
irgendwo aufhalte, Domicil erhalte. Lib. 4 tit. 13 fehlt aberail g&nzlich.
Ebenao wenig enth< die Summe Placentins aber den Codex z. B. im Cod.
Yindob. 2126 Bl. 73 und im Drucke (Moguntiae 1536) p. 103, wo De jnrisd.
onuL jud., und Bl. 88 b, Druck p. 146, wo Ne filius pro patre ohne die
Auth. Eabiia ist. Piüus hfttte in der Summa trium librorum zum widerholten
Male Gelegenheit gehabt aber obige Frage zu sprechen, z. B. Cod. Vat. 2313
^ich nach dem Prooemium Bl. 361, vo er Ober das domicilium causa stu-
diorum im Sinne der Randbemerkung von Rogers Summe in Tübingen handelt;
BL 363 b, wo de coUegiis die Rede ist; 372b, wo die Auslegung De studüs folgt.
3») In cod. 1. c. im Cod. Paris. 4489 Bl. 43 a.
9») 8. oben 8. 49 f.
SM) S. oben S. 140.
^^) Sayioli 1. c. IL 1 p. 40£f. Im genannten Jahre existierte nämlich
160 n. Entstehung der Utesten Universit&ten.
Die genannten Erwägungen bestimmen mich zur Annahme,
dass die ersten Scholarenverbindungen Bolognas sich nicht vor
den letzten Decennien des 12. Jhs. gebildet haben. Aus diesem
Umstände erklärt es sich, dass man auch erst Ende des 12. Jhs.
anfieng den Scholaren das Recht zu bestreiten Rectoren zu wählen.
Der dem Rechtsgefühle der Bologneser Juristen so wider-
sprechende Usus der Scholaren sich Rectoren zu wählen musste
gerade beim Entstehen, da er ganz neu und deshalb um so
sonderbarer war, den grössten Widerspruch erwecken. Vor Joh.
Bassianus hört mau aber keinen Laut darüber. Die Entstehung der
Scholarenverbindungen fallt deshalb wohl nicht in eine frühere Zeit.
Somit liegen die Anfange der Scholarenverbindungen Bolognas
in derselben Epoche, wie die Vereinigung der Magistri der ver-
schiedenen Wissenszweige zu einer Corporation in Paris. Aber
auch die Scholaren von Paris hatten sich um jene Zeit nach
Landsmannschaften vereinigt, wie wir oben gesehen hatten, nur
waren erstere damals ebenso wenig in die vier Nationen getheilt,
wie die Scholaren Bolognas in zwei Corporationen.
c. Yerhältniss der Scholarenverbindongen Bolognas zur Stadtgemeinde
und zu den Professoren.
Zur Zeit als die Scholarenverbindungen Bolognas entstanden,
war die eigentliche Concessionslehre in Betreff der Corporationen
und CoUegien noch nicht ausgebildet. Zwar berief man sich
schon ziemlich frühe auf das Privilegium principis'''); allein es
geschah noch keineswegs in jener schroffen und allgemeinen
Weise, wie dies in der Mitte des 13. Jhs. inauguriert und an
der Wende desselben weiter ausgebildet wurde "^). Trotzdem
bereits die Waffengesellschaft (societas armorum) der Lombarden ; wahrschein-
lich jedoch auch andere Genossenschaften. S. überdies oben S. 82. 36.
SM) S. Joh. Teuton. oben 8. 86. Roffred, Quest. sabb. 28. im Cod.
Burghes. 249.
S97) s. Gierke III, 288. 368. Am weitesten gieng damals wohl Petras
de Bellapertica, der in seiner Lectura in Cod. 3, 13 (Parrhisiis 1519) sagt:
Quodconqae collegiom approbatum, dico expresse (approbatum), nam qnod*
conque collegium non est expresse approbatum, est reprobatum. Und in
IIb. 1 Cod. De sac. san. eccles. et privil. earum, Bl. 3a fahrt er die Er-
3. Bologna. SchoIarenTerbindungen gegenfib. d. Stadt a. d. Professoren. 161
mussten auch bereits Ende des 12. Jhs. alle Corporationen , die
im Corpus juris civ. nicht als coUegia licita erwähnt waren, in
der Entstehung mit der nächsten Obrigkeit rechnen. Mehr noch
galt dies von den Scholarenverbindungen. Denn betrachtete man
schon an sich das freie Associationswesen mit grosser Missgunst,
so noch mehr jene Verbindungen, die scheinbar geradezu gegen
den Geist des Römischen Rechts entstanden. Zu diesen letztern
gehörten eben Bolognas Scholarenverbindungen, die es also
deshalb nicht bloss mit der Stadtgemeinde, sondern auch mit den
Rechtslehrem zu thun hatten, und es half nichts, dass sie in
einer jener lombardischen Städte sich entwickelten, in denen nach
den Worten des Hostiensis Corporationen existierten, die zwar einen
Herrn hatten, ihn aber nicht gebührend anerkannten^'^), und
sich, wie es scheint, Körperschaften organisierten, ehe ihre
Vorrechte genehmigt waren.
Aus dem bereits oben citierten päpstlichen Schreiben vom
27. Mai 1217 an die Scholaren Roms, Tusciens und der Cam-
pagna geht hervor, dass diese bei Constituierung ihrer Genossen-
schaft sich eidlich das Versprechen gegeben hatten dieselbe
weder jemals aufzulösen noch auch zuzulassen, dass ihre Freiheit
je beeinträchtigt werde*"). Die Commune Bolognas mit dem
Podestä wollte nun, sie sollten einen Paragraphen in ihre Statuten
aufiiehmen, der gerade ihre Freiheit beschränkte, und den die
Stadt selbst ihren eigenen Statuten einverleibte und welchen in
Vollzug zu bringen sich der Podestä unter einem Eidschwure
verpflichten musste. Dies letztere erhellt aus dem Schreiben des
Papstes an den Podestä unter demselben Datum *°°), Man er-
fährt jedoch aus beiden Schreiben nicht, was dies für ein Paragraph
war. Zum Glück ist er uns als städtisches Statut vom J. 1217
und in einem spätem päpstlichen Schreiben erhalten. Das Statut
droht einem jeden, nicht allein den Scholaren, mit immerwährender
laabtheit eines CoUegs auf die Approbation des Fürsten oder des Papstes
nrttck.
<M) Bei Gierke lU, 290.
^) S. oben S. 140.
*w) Bei Sarti II, 58. Reg. Vat an. 1 ep. 454.
Oenifle, Die Unirertiitieo L U
162 II- Entstehung der ältesten üniTersititen.
Verbannung und Confiscation der Güter, wenn er auf einer Con-
spiration, die die Verlegung des Studiums zum Zwecke hat, er-
tappt werde. Dieselbe Strafe gewärtigt jeden Scholaris (nicht bloss
jene Roms, Tusciens und der Gampagna) oder irgend einen andern,
wenn er einen Scholaren sich dermassen kann verbindlich machen,
dass er ihm gebieten könne Studien halber die Stadt zu verlassen* *0.
Es ergibt sich daraus, dass das Statut alle Scholaren angieng,
wenngleich sich nur die der drei genannten Provinzen an den
Papst gewandt hatten.
Die Verwendung des Papstes für die Scholaren war aber
für den Augenblick ohne Wirkung, was wir aus den Schreiben,
welche Honorius III. im Jahre 1220 erliess, und von denen eines
vom 6. April an die Stadt, zwei andere vom 13. Mai je an den
Podest4, sowie den Bischof von Parma und den Archipresbyter
von Reggio gerichtet waren"'), erfahren. Um von den zwei letzten
einstweilen abzusehen, so geht aus dem ersten hervor, dass es
sich nicht etwa bloss um eine einzige Scholarenverbindung, sondern
um alle handelte, wie sich dies schon aus dem eben citierten
städtischen Statut ergibt Es erhellt aber auch, dass dieses von
der Stadt nicht bloss aufrecht erhalten wurde, sondern dass es
noch den Zusatz erhielt, die Scholaren hätten kein Genossen-
schaftsrecht mehr, noch dürften sie Rectoren besitzen, wenn
nicht in die Eidesformel der Rectores der Passus aufgenonunen
würde, sie würden nicht Veranlassung geben, dass das Studium
^^i) Sarioli, Annali Bolognesi II, 2 p. 465: Si quis inventus fuerit fe-
cisse yel facere sectam vel conspirationem pro studio transferendo a civitate
Bonon. ad alium locum, perpetuo banniatur et omnia ejns bona pnblicentur
quoram medietas accusanti detur. Item si quis Scolaris vel alius aliquem
alium scolarem aliquo modo vel ingenio astrinxerit ut possit ei precipere de
ducendo de civitate isla causa studii, banniatur et ejus bona que babuerit
Bononie Tel in ejus districtu publicentur quomm medietas sit accosantis.
S. Statuti di Bologna ed. Frati II, 25.
402j pm zweite dieser Schreiben fehlt bei Sarti und Savioli, findet sich
aber in Reg. Vat an. 4 ep. 729 BL I79b. Es hat denselben Inhalt wie das
dritte und beginnt ebenfalls: Statutis ciritatis. Das erste steht auch im Bull.
Rom. ed. Taur. III, 367. Schultes Bemerkung im Archir f. kath. Kirchen-
recht XIX, 9 gegen Savigny ist also sehr massig. Schulte hat eben damals
Sarti nicht benatatt
3. Bologna. ScholarenrerbinduDgen gpgenflb. d. Stadt u. d. Professoren. 163
anderswohin verlegt werde oder ein Scholaris ausser in Bologna
studiere ^®^). Zudem wurde der Podesti verpflichtet innerhalb
zweier Monate seit seinem Amtsantritte a rectoribus scolarium,
und wurden diese neu gewählt, innerhalb der ersten 15 Tage
nach deren Wahl, den Eid hierüber von ihnen abzunehmen. Er
musste auch darauf achten, dass diese Verordnung in die Statuten
der Scholarenverbindungen aufgenommen wurde ^°^).
Diese Umstände erweisen doch deutlich, dass die Scholaren
bei Constituierung ihrer Corporationen mit der Stadtobrigkeit
gar nicht verhandelt hatten, und dass sie mit dieser erst in
Folge ihres feindlichen Vorgehens in Berührung kamen. Die
Scholaren waren jetzt, wie der Papst bereits 1217 sagte, vor
die Alternative gestellt, entweder die Stadt zu verlassen, oder
sich eines Meineides schuldig zu machen ^°'^).
Man hüte sich jedoch hier voreilige Schlüsse zu ziehen, als
wäre z. B. die Stadtobrigkeit den Scholarenverbindungen an
sich und von vorneherein feindlich gegenüber gestanden. Denn
wenn auch letztere ohne eingeholte Erlaubniss der ersteren ein-
gegangen wurden, so liess man dieses damals ohne weiteres ge-
schehen und beanstandete dieselben nicht. Es geht dies einmal
MS) Bei Sarti II, 57 ff. Reg.Vat. ann. 4 ep. 738. 739 Bl. 179 f. Das Schreiben
an den Bischof t. Parma etc. findet sich anter den Briefen des 9. Jahres
ep. 47 Bl. 9b. Der Papst sagt in dem oben zuerst citierten Schreiben:
Btatoistis, ut si quis inventns fuerit sectam, pactionem vel conspirationem
pro studio a civitate Bononiensi ad locum alium transferendo, facere vel fe-
cisse, et si Scolaris quispiam vel alius quemquam scolarem astrinxerit modo
qnolibet quo precipere possit ei, ut causa studii eandem exeat civitatcm:
perpetao banniatur et omnia bona eins que Bononie vel in ejus districtu
habuerit publicentur, et eorum tribuatur medietas accusanti. Freterea so-
cietatem yel rectores scolares non permittantur habere nisi hoc capitnlum
in eorom (rectomm) joramento ponatur, videlicet quod non dabunt operam,
ut Stadium ad locum alium transferatur, nee cuiquam Scolari precipiant, ut
gratia Stada abscedat a civitate predicta. Bei Sarti 1. c. ist der Text
fehlerhaft.
^^) Potestas . . . teneatur predictum capitnlum iurari facere a recto«
riboB scolarium ... et in societatum scolarium scriptis poni. Sarti 1. c.
Beg. Yat. 1. c. Bl. 179b. Ebd. vird bemerkt, der Podesta habe 'pro quorum
obsairatione' den Eid abgelegt
«06) 8. oben S. 140 Anm. 329.
11*
164 n. Entstehung der ältesten Universitäten.
aus einem spätem städtischen Statute hervor, in dem die Scholaren
die Zusage erhielten, sie könnten in der Stadt unbehelligt wohnen
'sicut poterant ante statutum conditum inter eos de rectoribus
non habendis'^^^). Und dann meint Honorius in. am 6. April
1220, die Scholaren hätten früher volle Freiheit gehabt*"'). Am
5. Oct. 1224 erinnert er die Stadtobrigkeit ausdrücklich an ihre
Vorfahren *°^), die um den Ruhm Bolognas so eifrig besorgt
gewesen seien. Aus dem Zusammenhange der verschiedenen
päpstlichen Schreiben ergibt sich aber, dass der Papst hier
keinen andern Ruhm im Auge habe, als den durch die Anwesen-
heit der Scholaren in ihrer Stadt erworbenen *"*). Anfänglich
stand also die Stadtobrigkeit nichts weniger als feindlich den
Scholarenverbindungen gegenüber.
Aber auch in jener Epoche, die uns gerade beschäftigt, kann
von Feindschaft nur insofern gesprochen werden, als die Stadt-
obrigkeit mit ihren Statuten den Scholaren bloss die Freiheit
nehmen wollte, anderswo als in Bologna zu studieren, nicht aber,
als wäre sie überhaupt den Verbindungen und deren Rectoren
abhold gewesen. Dies ergibt sich aus dem ganzen Verlaufe. Die
Stadt machte nämlich seit Ende des 12. Jhs. die unangenehme
Erfahrung, dass von Zeit zu Zeit sowohl Professoren, worauf ich
noch zu sprechen konmie, als Scholaren die Stadt verliessen, um
sich anderswo Studien halber anzusiedeln. Die Stadt sah sich
natürlich beeinträchtigt und wollte solchen Vorfällen durch Sta-
tuten vorbeugen, die sich jedoch anfänglich nur auf die Bürger
^) Statuti di Bologna ed. Fiati II, SarioU U, 2 p. 466.
^7) Er sagt nftmlich von den in Frage stehenden städtischen Statuten,
sie seien mehr 'destituta contra libertatem antiquam (scolarium) et habitam
hactenas\
^8) Bei Savioli 1. c. lU, 2 p. 52 (bei Sarti fehlt das Schreiben) steht:
predecessores nostri. Nach den Heg. Yat ann. 9 ep. 46 BL 9b, aus denen
Savioli doch das Schreiben edierte, gehört jedoch predecessores t es tri.
Savioli setzt auch das falsche Datum: 8. Oct. Allein 3. Non. Oct. ist der
5. October.
409) So schreibt der Papst 6. Aprü 1220 der Stadt: . . . attendentes,
quod ipsi (scolares) gratoito ad stndendom vestram preelegerint civitatem,
qae cum prius esset hnmilis, per eosibidem congregatos divitiis
fere supergrcssa est civitates proviucie universas.
3. Bologna. ScholarenTerbindangen gegenflb. d. Stadt n. d. Professoren. 165
resp. die einheimischen Scholaren bezogen. So verbot sie ihnen
1203 bis 1204, wo gerade die Auswanderung nach Vicenza
stattfand, unter Androhung der Verbannung und Conficiscierung
der Güter mit den abziehenden fremden Scholaren zu gehen oder
dieselben sei es selbst oder durch andere an den Ort der Studien
za führen^"). 1215 hatte eine Auswanderung nach Arezzo statt*").
Die Stadt sah sich veranlasst die Statuten zu verschärfen, und
sie that dies 1217. Die in diesem Jahre gegebenen beziehen
sich, wie wir gesehen haben, auch auf die auswärtigen Scholaren.
Die Bectoren werden zwar noch nicht offen genannt; aber sie
sind vorzugsweise durch den Passus bezeichnet: si quis Scolaris
. . . alium scolarem aliquo modo . . . astrinxerit, ut possit ei pre-
cipere etc.*"). Scheint auch aus dieser Stelle hervorzugehen,
die Stadt sei überhaupt gegen das Rectorat gewesen, so zeigt
sieb doch aus dem Statut vom J. 1220, wo offen von den Rectoren
die Rede ist, dass das Rectorat nur in dem Falle in Frage ge-
stellt sein sollte, wenn der jedesmalige Rector sich nicht eidlich
verpflichte, keine Veranlassung zur Verlegung des Studiums zu
geben.
Wie sich nun von selbst versteht, so kam die Stadt nur nach
und nach zu jener im J. 1220 gegen die Scholaren und Rectoren
eingenonunenen Stellung, die keineswegs an sich, sondern nur
per acddens feindlich war. War auch jede folgende Massregel
^^^) Bei Savioli II, 2 p. 462: statuimus, qaod nullas ciris habitator
Imitts civitatis vadat post scolares, qui de civitate recesserint pro studio aliqao
faciendo yel pro abitando, et nuUns civis vel aliquis alius ducat scolares
aliqaos per se yel alium aliquo ingenio vel det operam de ducendo causa
stadii alibi exercendi vel habitandi, et si quis contrafecerit amodo in antea
nee ipse nee sui liberi sint habitatores hu ms civitatis et ipso jure sint publi-
cata in commnni bona eorum, et etiam persone eorum sint in banno commu-
nitatis Bonon. Et boc statutum habeat locnm " tempore domini GniUelmi
de Pasteria citra ann. 1204. S. auch Statuti di . ologna ed. Frati II, 23.
^11) Roffred von Benevent sagt: Cum essem Aw tii, ibique (Cod. Burghes.
249: abi) in cathedra residerem post transmigrationem Bononie, ego Ron-
fredas Beneventanus juris civilis professor anno D. MCCXV (Cod. Burghes.
249: MGCXYI) mense Octobris etc. Prooem. in Quest. Sabbatin. Cod.
Borgfaes. n. 135 (c Mitte des 13. Jhs.).
419) s. oben S. 162.
Igg II. Entstehung der ältesten Universitäten.
schärfer als die vorhergehende, so hatte doch jede von ihnen
nur den 6inen Zweck zu verhüten, dass die Scholaren die Stadt
verlassen und anderswo studieren. Die Stadt war also an sich
gewiss für die Scholaren, deren Verbindungen und Rectoren, und
wären dieselben niemals ausgezogen, so hätte sie wenigstens
jetzt noch nicht Veranlassung genommen gegen sie aufzutreten,
ja sie würde vielleicht dem tacitus consensus zur Gorporations-
bildung einen consensus expressus haben folgen lassen.
Zu diesem Resultate fähren uns noch andere Umstände, und
zwar vorerst das päpstliche Schreiben vom 13. Mai 1220 an den
Podesta und die Stadt. Nachdem nämlich Honorius III. dieselben
aufgefordert hatte die Statuten zurückzuziehen, gibt er als Motiv
an : attendentes, quod scholares ipsos benignitate retinere potestis
melius quam duritia, que facit, ut multi etiam natalis soll dulce-
dinem derelinquant . . . scholares ipsos honorificentiis consuetis
et bonis conditionibus, que via erit potior et potentior, curetis
ad terre vestre gloriam et commodum retinere*"). Der Papst
will sagen: 4hr wollt die Scholaren an euere Stadt fesseln?
Da wendet ihr gerade die entgegengesetzten Mittel an. Strenge
und Zwang statt Milde und Gewährung der Freiheit'. Auf den
6inen Zweck, die Scholaren zurückzuhalten, läuft auch eine
städtische Verordnung hinaus, die wir in dem päpstlichen
Schreiben vom 6. April 1220 kennen lernen: nee permittat (po-
testas) Bononiensem aliquem vel extraneum, nisi primo jura-
verit quod non leget alibi, extraordinariam aliquam legere
lectionem*^*). Es sind hier nicht die Doctoren gemeint, sondern
jene Scholaren, die bereits extraordinarie lesen durften. Und
schliesslich verlangte die Stadt bereits seit dem Ende des 12. Jhs.,
wie wir sehen werden, auch von den Doctoren die Eidesleistung,
dass sie nirgends als nur in Bologna lehren würden. Allerdings
wurde die Stadt zu diesem Gesetze noch durch andere Umstände
veranlasst, aber doch leuchtet auch hier dasselbe Motiv durch.
Sie wollte im Besitze, ja im alleinigen Besitze des Studiums
^13) Beg. Vat ann. 4 ep. 729 Bl. 179b. Dies schrieb er auch dem
Bischof von Parma und dem Archipresbyter von Reggio. S. Sarti II, 59.
4M) Bei Sarti 1. c. p. 57.
3. Bologna. Scholarenverbindangen gegenfib. d. Stadt u. d. Professoren. ] g7
bleiben. Noch 1250 verbot sie aus diesem Grunde den Bürgern,
irgend einem ausserhalb der Stadt und dem Districte von Bologna
wohnenden Scholaren etwas auf Borg zti geben"*).
Aus all dem geht hervor, dass die Stadt keineswegs das
Becht der Scholarenverbindungen sowie Rectoren zu besitzen
bestritt, sondern dass sie r. :i die fernere Existenz derselben von
Bedingungen abhängig machte"^), die unter den gegebenen Um-
standen hart waren. Denn die Scholaren wählten, wie auch der
Papst erwähnt *^^), freiwillig, ohne eingegangene Verpflichtung
mit der Stadt, Bologna als den Ort ihrer Studien; es musste
ihnen also auch freistehen Bologna wider zu verlassen. Die
städtischen Verordnungen waren um so härter, als jedem Kläger
die Hälfte der Güter versprochen wurde *^*), ein Versprechen,
das eine Fülle von Denunciationen zur Folge haben musste.
Man begreift, warum sich die Scholaren im J. 1220 wider an
den Papst wandten, bei dem sie sich durch zwei Abgesandte,
unter denen ein Canonist war, vertreten Hessen. Aber auch
die Stadt wendete sich diesmal an Honorius III. und liess sich
sowohl durch einen Rechtslehrer als einen andern Rechts-
kundigen vertheidigen. Letztere suchten zuerst die erwähnten
Statuten abzuschwächen und zu entschuldigen, und zwar wohl
deshalb, wie aus dem Zusammenhange des Documentes ersichtlich
ist, um die Scholaren in der Stadt zurückzuhalten. Endlich
opferten sie das Statut, soweit es die Rectoren und die lectiones
ordinarie betraf, und überliessen das Uebrige der päpstlichen Ent-
scheidung. Allein der Papst verwarf alle Statuten, befahl sie aus
dem städtischen Capitularium zu entfernen und bestellte den Bischof
«1») Statuti di Bologna ed. Frati II, 194.
^1^) Sarti hat sich znr Bebanptung rerleiten lassen: primo scholaribus
edictum est, ne in corpus coirent et rectores crearent, qui Universum corpus
moderarentur. I, 120. Savigny hat die frühern Acten kaum mehr als in
Bezog auf das Datum verglichen, und deshalb auch den letzten, von dem nun
die Rede sein wird, nicht im Zusammenhange a'<^i!ofas8t und darum diesen
wie die frflhem missverstanden. Spätere haben Svignys Behauptungen als
Actenstficke benfitzt.
«7) S. oben 8. 164 Anm. 409.
«^ S. oben 8. 162 Anm. 401. 403.
Igg II. Entstehang der ältesten UniyerBit&ten.
von Parma und den Archipresbyter von Reggio als die Exe-
cutoren, die eventuell mit den kirchlichen Strafen eingreifen
sollten"').
In der That zog nun die Stadt, sind wir anders gehörig unter-
richtet, im selben Jahre das Statut in Betreff der Scholaren zu-
rück und milderte jenes in Bezug auf die Rectoren*").
Sei dem aber wie ihm wolle, der Hader zwischen der Stadt
und den Scholaren hatte noch kein Ende, im Gegentheile wurde
die Spannung zwischen beiden bald grösser als je, es kam zum
offenen Bruche, und die Stadt verjagte schliesslich die Rectoren
der Scholaren sammt den Consiliarii auf Eingebung der Professoren
des Rom. Rechts hin, welche für die Stadt Partei ergriffen
hatten. Wir erfahren den Hergang kurz aus dem Schreiben Hono-
rius ni. vom 5. Oct. 1224, an den sich die Scholaren wider,
seit 1217 zum dritten Male, mit der Bitte um Schutz gegenüber
den Forderungen der Stadt gewandt hatten.
Der Papst kommt in demselben zuerst auf die frühem Ver-
handlungen zurück, die, wie er meint, doch volle Nachgiebigkeit
der Stadt zur Folge hätten haben sollen. Allein, es stehe nun
schlimmer als je, denn sie habe neuerdings harte Verord-
nungen gegen die Freiheit der Scholaren erlassen, sie dulde nicht
mehr die Rectoren und die Consiliarii, ja habe dieselben gleich
Verbannten gezwungen Bologna zu verlassen, hierin beeinflusst
^1^) AU dies erhellt aus den ivei Schreiben Yom 13. Mai 1220. Sarti
und Sayioli haben statt Uectiones' unrichtig ^ectores'.
^^) Bei Sayioli II, 2 p. 466: Pro honore et commodo et utilitate Gomm.
Bonon. . . . statutum est, quod scolares causa studii BoDonie accedentes in
ciyitate Bonon. possint libere commorari sicut poterant ante statutum con-
ditum inter eos de rectoribns non habendis, ita tarnen, quod si contigerit iiles
habere, quod jurent ipsi rectores in sacramento rectorie, quod non dabunt
operam aliquo modo vel ingenio de studio Bonon. transferendo, nee aliquem
scolarem cogant de civitate Bonon. exire. Nisi primo fuerit (Sayioli: fecerit)
Potestati liquidum rectores tale facere sacraroentum, scolares habere rectores
non possunt. (Der Text bei Sayioli ist yerderbt; ich habe ihn theilweise
nach jenem der Statuten yom J. 1250 ed. Frati II, 27 corrigiert). Ich kann
hier nicht den Zweifel unterdrücken, ob Sayioli das richtige Datum ange-
geben habe. Der Inhalt des Statuts passt für die Zeit nach 1224, wie sich
aus S. 176 ergeben wird. Sayioli muthmasste bloss wie es scheint.
3. Bologna. Scholarenverbindangen gegenflb. d. Stadt u. d. Professoren. Igg
von den Lehrern des Böm. Rechts, die, ihre Pflicht vergessend,
sich der Entscheidung der Rectoren nicht gefügt hätten ^^').
Nun erst kann man sagen, die Stadt habe das Rectorat
unterdrücken, oder vielmehr die Scholarenverbindungen in der-
selben Weise wie andere Innungen von sich abhängig machen
wollen. Es war der äusserste Schritt gegen die Scholaren,
höchst wahrscheinlich durch die grosse Auswanderung derselben
im J. 1222 nach Padua veranlasst^"). An ihr scheinen vor
allem die Rectoren Schuld gewesen zu sein, welche einen Theil
der Scholaren verpflichteten anderswohin zu gehen. Die Zu-
rückgebliebenen, welche sich wider ihre Rectoren wählten, er-
fuhren nun die Rache der erzürnten Stadt. Diese sah nunmehr
weniger in den Scholarenverbindungen als solchen, als vielmehr
in den Rectoren, den Rädelsführern darartiger Auswanderungen, das
Unheil. Die Folge war das besprochene Statut, wodurch sie
ähnlichen Vorfallen für die Zukunft vorbeugen wollte.
Ehe wir den Ausgang dieses langwierigen Streites ins Auge
fassen, müssen wir die Ansicht der Rathgeber der Stadt, die
nach den Worten des Papstes keine andern als die Professoren
des Rom. Rechts waren, und von denen 1220 einer, nämlich
Hugo, legum doctor, als ihr Vertheidiger beim Papste auftrat*"),
einer kurzen Erörterung unterziehen.
War die Stadt noch im J. 1220 nur per accidens den
Rectoren der Scholarenverbindungen feindlich, so nahmen die
Professoren des Rom. Rechts an sich eine oppositionelle Stellung
gegen sie ein, und zwar theilweise schon in einer Zeit, in
der die Stadt gegen die Rectoren überhaupt noch nichts ver-
*^) Unde non sine caasa miramar, qnod, sicut universitas scolarium trans-
missa nobis coqaestione monstravity vos libertatem eorum infringere molientes
dura contra eam statuta noviter edidistis, nee ipsos rectores Tel consiliarios
sastinentes habere iUos, qaos ad hoc prefecerant, tanquam bannitos civitatcm
Testram compulsistis exire snggerentibus id legum doctoribus, qui non com-
mnnia commoda sed priTata querentes stare, ut tenebantnr, sententie rectorum
scolarium contempsemnt. Beg. Yat. 1. c. SaTioli 1. c.
^ S. darflber im Abschnitte unter Padua.
^ Mit einem Rechtskundigen, 0. de tortinengo. Dies sagt uns Hono-
rus III in den beiden Schreiben Tom 13. Mai 1220.
170 ^^' Entstehung der ältesten Universitäten.
lauten Hess. Als der erste, der den Scholaren das Recht bestritt
Bectoren zu wählen, vrird Job. Bassianus genannt ^'^) am Ende des
12. Jbs. Ihm folgten Azo*"), Accurs*"), und der mehr gemässigtere
Odofred*"). Ja noch in den ersten Jahren des 14. Jhs. vertraten
424^ Die betreffende Stelle steht nicht unter den Glossen des Joh. Bas-
sianus zum Codex im Cod. Paris. 4536, noch im Clm. 22. Aus den Vor-
lesungen zum Codex oder aus der Summa kann sie nicht nachgewiesen wer-
den, weil diese verloren sind (Sayigny lY, 307 f.). AUein Odofred führt Bassian
mit Azo als Gewährsmann für obige Ansicht an. S. Anm. 427. Aus demselben
Grunde wie bei Johann Bassianus kann man nichts aus Hugolins Summe
zum Codex berichten. In seiner Summe zu den Digesten (s. Sayigny Y, 55)
kommt er auf die Frage nicht zu sprechen. So in den Codd. Burghes. n. 265
und 278 nach Azos Summa.
425^ So heisst seine Glosse in Cod. 3, 13 Periniqunm . . . jprofe$$UmeB:
ergo scolares, quia non exercent professionem sed sub exercentibos sunt dis-
cipuli, non possunt eligere consules, sicut nee discipuli peUipariorum. Ma-
gistri ergo possunt eligere consules, quia ipsi exercent professiones. Clm. 22
Bl. 51b. Cod. Paris. 4518 Bl. 47a. Diese Stelle hatten Aceurs undOdofred
vor sich. Erweitert findet sie sich in Azos Comm. et magnus Appar. ad
sing. leg. Cod. ad 1. c, und nur diese kannte Sayigny III, 174 Anm. a wie
man überhaupt bisher die reine Glosse Azos übersah. Unrichtig steht im
Drucke und consequent bei Savigny: sub exercentibus fiunt discipuli.
426^ Quid ergo in scolarium universitate? an possint habere rectores?
Yidetur quod non, und er gibt dann unter Berufung auf Azo den Grund wie
dieser an und schliesst: magistri ergo possunt eligere, quia ipsi exercent pro-
fessionem, et sie fit Parisius. Cod. Burghes. 224 ad 1. c. Cod. 34 A im
Archiv v. 8. Feter. Dadurch werden die etwas vagen Bemerkungen bei
Gierke III, 208 Anm. 60 prftcisiert.
^^) Er macht zur selben Stelle wie die frühem die Glosse: ünde est
articulus, quod qui exercent professionem, quod ipsi eligunt judices. Sed
discipuli non exercent, unde ipsi non eligunt Sic ergo dicimus, quod scho-
lares cum faciant quasi universitatem et corpus, quod possunt creare et ha-
bere rectores; verum tamen dicimus, quod de jure scholares non possunt
eligere rectores, quia isti sunt discipuli doctorum, unde ipsi doctores, qui
exercent professionem, debent eligere rectores, et ita scripsit hie Johannes
et Azo. Et ita dicitur quod est Parisius, quod doctores eligunt rectores, et
non scholares. (Im Cod. Paris. 4561 Bl. 155 ist der Text defect. In seinen
Repetitiones geht er auf diese Frage nicht ein. Cod. Paris. 1545). Es ist
klar, dass sich Odofred nicht so schroff gegen das Recht der Scholaren
Rectores zu wählen stellt, wie seine Yorfahren. Er lehrt, sie könnten dieses
Recht ausüben, nur aber nicht de jure. Zu ihrer Rechtfertigung sagt er:
per legem mnnicipalem huius civitatis scolares creant rectores. Auf diese
Stelle werde ich sogleich zurückkommen.
3. Bologna. ScholarenverbindaDgen gegenüb. d. Stadt a. d. Professoren. ] 7 1
Petrus de Bellapertica, Jac. Batrigarias und Cinus ^'') die Ansicht
der eben erwähnten Rechtslehrer. Nach Petrus de Ancharano,
auf den ich sogleich zu sprechen komme, muss man schliessen,
dass die genannten Juristen den Scholaren nicht bloss das Recht,
Rectoren zu w&hlen, bestritten, sondern auch Verbindungen einzu-
gehen. Einer solchen Auffassung liegt die Theorie zu Grunde,
der zufolge die Versagung des jus eligendi rectorum gleichbedeutend
mit der Versagung der Corporationsrechte sei"'). Diese Theorie
ist auch allein consequent, und so hat es sehr viel für sich, dass
dies auch die Ansicht des Joh. Bassianus und Azos gewesen war.
Allein sicher kann dies nicht von Accurs und Odofred behauptet
werden. Denn wenn Accurs fragt: Quid ergo in scolarium uni-
versitate? an possint habere rectores? so setzt er doch die sco-
larium universitas voraus, denn er fragt ja, ob diese Rectoren
besitzen dürfe, obgleich er mit Azos Worten antwortet. Odofred
sagt zwar nicht unumwunden, dass die Scholaren eine Uni-
versitas bilden, er lässt sie aber doch ^ quasi universitatem
facere'"").
Es ist nicht schwer zu sagen, warum die Legisten das Recht
der Scholaren sich Rectoren zu wählen bestritten. Sie standen
lediglich auf dem Standpunkte des Corpus jur. civ., dem zufolge
sich nur diejenigen, qui professionem exercere noscuntur, die
eigenen Richter wählen durften"^). Dieser beschränkte Gedanken-
kreis brachte es mit sich, dass sie für Genossenschaften wie die
Scholarenverbindungen nicht bloss beim Beginne des Entstehens
derselben, sondern auch später kein Verständniss hatten. Dieser
428) Petrus de Bellapertica beruft sich ad 1. c. auf die Glosse (Accurs)
und löst die Frage kurz wie diese. Jac. Butrigarius sagt überdies, dass die
Wahl durch die Scholaren de consuetudine usurpatum sei (ad Auth.
HMia). Cinus in Cod. 3, 13 (nach Cod. Yat. 2592) fragt: Numquid scolares
possnnt eligere iudicem? Die quod non, quia scolares non exercent profes-
sionem, sed magistri, qui docent. Quidam modcrni dicunt contrarium, quia
scolares exercent professionem, ut in Auth. Habita, vel quia eorum univer-
sitas est licita, et sie possunt dare iurisdictionem, ut in Dig. quod cuius^ae
wnivernUxtU.
^) Ueber diese Theorie s« Oierke III, 481.
^30) 8. die betreffenden SteUen oben in den Anmerkungen.
^1) S. oben 8. 151.
172 II« Entstehung der Ältesten üniTenitftten.
Standpunkt beherrschte sie so sehr, dass einige von ihnen,
welche eine Erklärung für die Erscheinung, dass die Scholaren
sich ihren judex wählten, suchten, die Auth. Hahiia herbeizogen
mit der Bemerkung, in ihr sei ausgedrückt, dass sie professionem
exercent*"). Hätte sich Honorius III. auch auf den Standpunkt
des Rom. Rechts gestellt, dann wäre es um eine der schönsten
Erscheinungen in der ganzen Universitätsgeschichte des 13. Jhs.
geschehen gewesen. Der Papst hatte aber einen weiteren Blick
als die Legisten.
Auch die Canonisten nahmen bei Erörterung dieser Streit-
frage nur den Standpunkt des Rom. Rechts ein, obgleich die
jüngeren wie auch spätere Legisten dieselbe im Sinne der
Scholaren lösten. Die frühem Canonisten, z. B. Johannes Teu-
tonicus^") und Abbas antiquus^'*), sowie nachher Johannes An-
dreae^'*^) sind consequenter als Accurs und Odofred, und sie
behaupten, dass das Recht Verbindungen einzugehen ^de jure^
nicht den Scholaren sondern den Professoren zukonune. Ich
sage, dies sei consequenter. Denn erkannte man an, dass die
Scholaren eine Universität bilden, dass diese mithin licita sei, so
war ja selbst auf Grund des Corpus jur. civ. das Recht zur Wahl
von Consuln oder Judices gegeben*"), was im Princip auch Accurs
^ S. oben S. 56 und unten Anmerkung 439.
^ In seinem Apparat zur Comp. lY. zu 1, 16 (De procurat) sagt er:
scolares non videntur constituere uniTersitatem, cum ins uniyersitatis non
sint a principe consecuti, und er beruft sich wie alle auf das Rom. Recht.
Cod. Paris. 3931 A.
^ In seiner Lectura zu den Decret commentiert er Prooem. Rex pa-
cificus dodort»', qui faciunt universitatem. Ausserdem sagt er 1 De constit.
Ex litteria: nota magistros facere universitatem, ut in principio huius libri
notatur. Cod. Burghes. 231. Cod. Tat. 2542.
^ In seiner Novella in Decret. Greg. IX. finden sich die in Anm. 8
citierten Stellen der Decret. in der Weise des Abbas ant. erkl&rt. Seine
Erkl&rung wurde dann die Grundlage für Sp&tere, z. B. fOr Joh. de Lignaao
(In Decret Cod. lat Monac. 8786), Joh. von Imola (ed. Yenet 1575) u. s. w.
Petrus de Ancharano hatte dieselbe Quelle, nur schied er viel deutlicher,
wie wir sehen werden.
^ Cod. 3, 13 De jurisdict.: Periniquum et temerarium esse perspi-
cimus eos, qui professiones aliquas seu negotiationes ezercere noscuntnr, ju-
2. Bologna. ScholarenverbiDdangen gegenüb. d. Stadt u. d. Professoren. 173
und Odofred annehmen ^'^). Wer den Scholaren das Recht bestritt
sich Rectoren zu wählen, der musste ihnen das Recht bestreiten
Verbindungen einzugehen, wer ihnen aber die Rectorswahl
zugestand, musste das rechtliche Bestehen der Scholaren als
universitas voraussetzen, und umgekehrt, wollte er anders folge-
richtig denken. Ich kann es einerseits nur als einen Fortschritt
bezeichnen, wenn gegen die Mitte des 14. Jhs. Bartolo das Recht
der Scholaren sich Rectoren zu wählen aus dem Jus commune
ableitet, ^quia ita scholares sicut quelibet alia universitas possunt
sibi facere rectorem'*"). Allein weder er*"), noch Baldus*"),
dicum, ad quos earundem professionum seu negotiationum cura pertinet, Ju-
risdictionen! et preceptionem declinare conari. Nach Cod. Vat. 1427 und
Cod. Borghes. 273 aus dem 12. Jh.
^^) Accors macht zwar zu pertinet obiger Stelle die Glosse: ex electura
eomm qni exercent (professionem). Sic ergo dant ordinariam jurisdictionem
iUi de illa professione, ut etiam declinari non possit (Cod. Burghes. 224-
Cod. 34 A Archiv zu S. Peter. Cod. Palat. 762). Da er Iftugnet, dass die
Scholares professionem exercent, so scheint die Bestreitung des Rechtes der
Rectorswahl also ganz consequent zu sein. Allein kurz vorher macht er zu
Brivaiorum consensus non facit judicem die Glosse: puta duorum vel trium
Tel etiam decem, nam secus in consensu alicuius collegii, puta cerdonum,
pellipariorum et similium . . . item secus in consensu universitatis . . .
statim facta electione habet jurisdictionem, sed (ohne höhere Bestätigung)
non effectum iurisdictionis (nach den citierten Hss.). Bereits vor Accurs
hatte diese Stelle die Glosse (Azos): collegii consensus bene facit indicem
(Cod. Palat. 763). Odofred widerholt ad 1. c. die von Accurs gebrauchten
Worte. Dass aber die Scholares eine Universitas bilden, sagt er ausdrück-
lich an der Anm. 427 citierten SteUe. Und doch bestreitet er ebd., dass die
Scholares 'de jure' wie eine andere Universit&t Rectores wählen könnten.
Auch Petras de Bellapertica sagt an der oben Anm. 6 cit. Stelle: omnes de
coUegio debent respondere coram judice sue professionis.
«») Ad Anth. BMul
*^) In Cod. 3, 13 IMmguum: Querit glossa (Accnrsii) utrum univer*
Bitas scolarium possit habere rectorem. Glossa videtur dicere quod non, und
Bartolo fahrt non die BegrOndung derselben an. Dagegen nun schliesst er:
Doctores dicont, qnod universitas scolarinm sit approbata et possit habere
rectorem per Auth. BMta, et ita observat consuetudo. Bartolo ist zwar mit
dar Bemfung auf die Auth. oder vielmehr auf die Doctoren im Irrthume,
denn*jene sagt gar nichts darüber (s. oben S. 56 Anm. 54), wie früher schon
Jac. Batrigarias ad Auth. erklärte: hec lex non loqoitar de rectore sed de
doctore. Vgl. Bartolo noch In Dig. 47 De coUeg. iUicit. 1. 4 n. 7.
^^) Ad 1. c. Cod. vertheidigt er, ohne gerade von der universitas scho-
174 I^' Entstehung der ftltesten UniTerBit&ten.
weil lediglich auf dem Standpunkte des Corpus jur. civ. stehend,
vermochten andererseits die Streitfrage genügend zu lösen. Ihre
Ansichten trugen immer nur das Gepräge von blossen Concessionen
an die Scholaren.
Petrus de Ancharano, der sich überhaupt viel mit dem
CoUegium der Doctoren und der Universitas scolarium beschäftigt,
versucht mehr Licht in diese Sache zu bringen. Er stellt einmal
als sicheres Princip auf, dass die Doctoren de jure eine Uni-
versität bilden könnten. ^Cura enim studii legum professoribus
est commissa quasi studii gubematoribus'. Man könnte daher
schliessen, quod doctores tantum ineant universitatem*^'). Also
nicht die Scholaren? Dies sei eine Streitfrage. Aber, meint er,
^quidquid sit de jure, de facto videmus, quod scholares de per
se faciunt universitatem, et doctores de per sc collegium sepa-
ratum'*"). An einem andern Orte sagt er geradezu, die Scho-
laren constituierten de jure eine Universität**'). Er bekämpft
unter Berufung auf Baldus die Gründe der Gegner (Joh. Bas-
sianus, Azo, Accurs etc.), die sich eigentlich auf den 6inen re*
ducierten, dass die Scholaren ebenso wenig eine Verbindung ein-
gehen könnten wie die discipuli pellipariorum et similium cor-
porum. Der Vergleich entspreche nicht der wirklichen Sachlage. Das
Recht zur Schliessung einer Verbindung, meint er, ^non extenditur
ad discipulos ipsarum (artium), quia illi sunt subalterni arti vilissime,
sicut famuli scholarium; scolares autem subalternantur doctoribus
et scientie' ***). In Folge davon setzt er das Recht der Scholaren
larium su sprechen, dasselbe Princip. Ausdrücklich tritt er fflr dieselbe ein
ad Auth. Eabita n. 80, wenngleich er in Prooem. Digest. Haee autem tria n. 1 1
gesteht, die electio rectoris gehöre den Doctores za 'sed consuetudo servat
ad oniTersitatem scholarium', obgleich dies nicht das Katflrlichste sei, denn
'istud non est rationabile et natura non vult, quod membra sint supra capat
et sint super verticem patris*. An sich und de jure sollte die Wahl 'ad ani*
versitatem stadenUam, id est doctorum et scholarium, id est ad capnt cum
membris' gehören.
^^) Super 6. Decret prooem. p. 6.
^ In Decret. 1 De consuet. cum dilectus. BL 117 ed. Bononiae 1581.
^ In 6 prooem. p. 6.
***) L. c. in 6.
3. Bologna. Scholarenverbindungen gegenüb. d. Stadt u. d. Professoren. 175
Rectoren zu wählen als sich von selbst verstehend voraus. Höher
konnte sich ein Rechtslehrer wohl nicht mehr erschwingen.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass bis tief ins 14. Jh.
hinein die Natur der Scholarenverbindungen und deren Rechte
den Juristen grosse Schwierigkeiten bereiteten, und dass selbst
im Falle, als man eine günstigere Lösung gab, diese doch
nicht den Kern traf. Allerdings sind die jüngeren Rechts-
lehrer, die aber naturgemäss die mildern waren, dadurch zu
entschuldigen, dass zu ihrer Zeit die Scholaren Verbindungen
eine andere Stellung auch gegenüber den Professoren einnahmen,
als anfänglich. Den frühesten Legisten muss man es aber
deshalb nachsehen, weil in jener Epoche der Usus sowohl der
Scholaren als mancher anderer Genossenschaften, sich Consuln
zu wählen, noch nicht allgemein als rechtsgültig anerkannt war,
was ich wenigstens aus Roffred von Benevent schliesse***). In
jener ganzen Zeit gab es nur einen Einzigen, der für die Scho-
larenverbindungen das richtige Verständniss hatte, nämlich den
Papst. Er fasste sie gerade als das auf, was sie waren, nämlich
als freie Genossenschaften, und daraus leitete er ihr Existenz-
recht ab.
Der Ausgang des Streites war für die Scholaren günstig.
Sie verdankten aber dies lediglich der Festigkeit und Einsicht
ihres einzigen Vertheidigers, nämlich Honorius III. Er misbilligte
am 5.0ctober 1224 ebenso das Vorgehen der Stadt wie das Betragen
der Professoren, erinnerte erstere an die bisher nicht gestörte Frei-
heit der Scholaren, und mahnte sie das gegen dieselben er-
lassene Statut aufzuheben und die Rectoren sowie die Consiliarii
zurückkommen zu lassen. Kurz, der Papst trat ein für das her-
gebrachte Recht der Scholaren. Er droht der Stadt über sie
den Bann durch die Conservatoren aussprechen zu wollen, sollte
sie nicht Folge leisten oder den Schaden gut machen, die Scholaren
in dem Besitze der Rectoren und Consiliarii wie bisher ungestört
lassen und sich ihren gerechten Statuten widersetzen ^^^).
^6) So sagt er in der Lectura in Cod. (cod. Paris. 4.54.6 Bl. 44a. 3, 13
Penni^uum): non enim credimus mercatores vel alios vulgares et mechanicas
artes ezercentes posse iudicem constitaere. Von den Scholaren spricht er nicht.
^^) Bei Savioli III, 2 p. 56: Universitäten! vestram monemus . . . qua-
176 II' Entstehung der ältesten Üniversi täten.
Jetzt erst scheint die Stadt jenes Statut erlassen zu haben,
das Savioli mit dem Datum 1220 herausgab ^^^), worin sie den
Scholaren freien Aufenthalt in der Stadt gewährt, ^sicut poterant
ante statutum conditum inter eos de rectoribus non habendis',
denn erst c. 1224 duldete sie nicht mehr die Rectoren**'). Doch
wurde auch nachher noch immer ein Eid von diesen auf das
Versprechen, an der Verlegung des Studiums nicht Schuld zu sein,
abverlangt, widrigenfalls den Scholaren der Besitz derRectoren nicht
gestattet würde. Dieses Gebot erscheint noch im Statutenbuch
vom J. 1259**'), ja noch 1267*"), und ich finde es erst in jenem
vom J. 1288 ganz ausgemerzt*"). Der Sieg der Scholaren war
tenus statutum editum contra scolares irritantes omnino bannum, cni rectores
et consiliarios subjecistis, penitus relazetis nee impedientes eos, quo minus sicut
hactenus habeant consiliarios et rectores. Quin etiam si que de bonis it>80-
rum occasione banni occupata fuerint, ea sine difficultate quaUbet restitut
faciatis eisdem . . . Alioquin Abbati S. Frosperi Reginensis ... et predictis
Arcbidiacono et Archipresbyt. (die bereits erwähnt wurden und 1220 den Auf-
trag erhielten) nostris damus litteris in mandatis, ut . . . tos ad ea que man-
damus per censuras ecclesiasticas . . . compellant. Es gehörte die ganxe
Oberflächlichkeit Raumers dazu, um die Behauptung aufzustellen, Honorius III.
habe 1216 die nach Landsmannschaften gebildeten Vereine der Studenten
untersagt. Geschichte der Hohenstaufen. 3. Aufl. VI, 344. Dabei beruft
er sich unglaublicher Weise gerade auf jene zwei päpstlichen Schreiben Tom
J. 1217 (woraus er 1216 macht), die ich oben citiert habe (Reg. Vat. an. 1
ep. 453. 454), und in denen Honorius III. die Scholarenverbindungen ver-
theidigtl Zwei Seiten weiter jedoch lässt Raumer den Studenten wider die Unter-
stützung Honorius III. angedeihen, allein er verstand eigentlich nicht, worum
es sich handelte.
M7) S. oben S. 168 Anm. 420.
^ Dieses zu Qunsten der Scholaren erlassene Statut hatte wohl Ode-
fred gemeint, wenn er sagt: per legem municipalem huius civitatis scolares
creant rectores. S. oben S. 170 Anm. 427.
^9) Bei Sarti II, 223.
^) S. SUtuti di Bologna ed. Frati II, 27, Varianten.
^1) Im Cod. Vat. 2669 finden sich die städtischen Statuten vom ge-
nannten Jahre, die mit den von Sarti II, 225 in das Jahr 1289 geaetsten
fibereinstimmen. Sie tragen das Datum 21. Sept. 1288 Indict. prima. Im
8. Buche derselben stehen die auf das Studium bezfiglichen Verordnungen,
üebrigens existiert der von Sarti citierte Codex noch in Bibl. mtuiicip. sa Bo-
logna. Er trägt keine Jahrzahl, allein das von Sarti angegebene Jahr er-
gibt sich aus dem damaligen Podestä.
3. Bologna. Der einheimische Rechtsschfller. 177
nicht mit Einern Male ein yollständiger , sondern nur nach und
nach. Das Jahr 1224 inaugurierte denselben in Folge des ener-
gischen Einschreitens des Papstes.
üebrigens geht aus diesem ganzen geschichtlichen Verlaufe
hervor, dass die Scholarencorporationen in Bologna nicht weniger
des Schutzes der höchsten Autoritäten bedurften, um sich immer mehr
und mehr als Genossenschaften zu consolidieren, als die Magister-
corporation und die gemischte Scholarenverbindung in Paris*"'),
wenngleich auch in Bologna die Anregung zu den jeweiligen
Acten immer von den Gorporationen selbst erfolgte.
d. D«r einheiniiiohe Beohtisohftler, und die Scholaren der übrigen
Wissenichaften.
Ich habe bereits oben bemerkt, dass die eigenthümliche
Entstehungsweise der nach dem Muster der Hansen gebildeten
Scbolarenverbindungen es mit sich brachte, dass der einheimische
Bechtsschüler Bolognas nicht eigentliches Mitglied der spätem
zwei Gorporationen, der Citramontani und Ultramontani , sein
durfte. Dieser Umstand hatte mehrere Consequenzen im Ge-
folge. Die Scholares cives konnten sich einmal von Rechts-
wegen nicht an der Wahl des Rectors betheiligen, noch konnten
sie selbst zu Rectoren gewählt werden. Sie bildeten ja selbst
nie eine Genossenschaft, noch gehörten sie einer solchen an. Sie
standen mithin auch ausserhalb der beiden Gorporationen der Gitra-
montani und Ultramontani, die nur die Vereinigungen der ein-
stigen Genossenschaften waren. Ebenso wenig durften sie
natflrlich auch Gonsiliarii werden oder irgend ein anderes Amt,
das den Gorporationen zukam, übernehmen. Bereits Savigny er-
kannte, dass nur die scolares forenses und nicht die einheimischen
die eigentliche Universitas bildeten, und die cives weder in der Ver-
sammlung stimmen noch Aemter der Universität bekleiden konn-
ten*"). Folgerichtig brauchten aber auch die einheimischen dem
Bector nicht den Eid auf die Beobachtung der Statuten abzu-
legen (wenngleich sie sich denselben zu unterwerfen hatten),
was nicht aidSiallen darf, da in Bologna nicht einmal die nobiles
^) Gesch. des R6m. Rechts m, 182 f.
^^^) S. darüber unten im vierten Hauptabschnitte.
0««ifU, DS« UnlTttntftiMi I. 12
178 ^ Eotttahiuig der iltesten üniTersititeiL
de Alamania gehalten waren ^jnrare rectori' ***). Die Stadt
handelte ganz consequent nnd im Geiste der Entwicklung der
Scholarenverbindungen, wenn sie 1245 jedem (Scolaris) dvis ver-
bot ^jurare sab aliqno rectore scolarinm vel sab aliquo alio Sco-
lari aliquo modo Tel ingenio' **^). Dieses Statat zeugt um so
weniger Ton einer Feindseligkeit gegen die scholares forenses,
als die Stadt fast um dieselbe Zeit die Güter derselben von den
Steuern, denen sonst die bona forensium unterworfen waren, be-
freite^"). Wer sich auf die gedruckten Juristen - Statuten von
Bologna verlässt, geht allerdings irre, denn in späterer Zeit
mussten alle Schüler, gleichviel, ob cives oder forenses, den Eid
leisten. Allein im 13. und theilweise noch im 14. Jh. war dies
in Bezug auf die cives noch nicht der Fall, weshalb wir auch an
einigen Studienanstalten, die Bologna zum Vorbilde genommen
hatten, dieselbe Entdeckung machen, z. B. in Lörida^**). In den
dortigen Statuten wird ausdrücklich erklärt, dass die scolares
cives civitatis necnon physici et artistae nicht de stricto corpore
universitatis studii quantum ad ordinationes sive statuta condenda
seien, obgleich sie dieselben, dum scolares fuerint, befolgen
müssten^'^). Auf Grund der altern Statuten wird in jenen vom
J. 1457 der Universität Perugia bestimmt: quod scolares cives
perusini vel comitatenses non intelligantur esse nee sint de uni-
versitate nostra, nee in ea aliquid habeant participium, nee in
^) S. oben 8. 154.
^) Statuti di Bologna ed. Frati II, 29. S. oben 8. 144 Anm. 888.
^) So in einem Sutute vom J. 1250 in den SUtati II, 101.
^ In den Juristenstatuten ▼om J. 1300heis8t es: cum te dicas cirem
Ilerdae, jurare non cogens universitatis statuta, licet dum in hoc studio fneris
ad eorum observantiam tenearis. Bei Villanueya XVI, 229. Diejenigen jedoch,
welche lehren woUten, mussten natürlich, ob dieselben nun cives oder ex-
teri waren, den Eid ablegen. Ib. p. 220. Dass das Gesets nicht in L6rida
luerst gemacht sondern aus den Bologneser Statuten copiert wurde, ergibt
sich, abgesehen davon, dass Bologna dort als Musterschule betrachtet md,
daraus, dass es nur einen Sinn innerhalb der Entwicklung der Bologneser
Verfassung hat und nach 1800 von den meisten Universitäten aufgegeben
wurde.
**T) Bei Villanueva XVI, 226 f.
3. Bologna. Der einheimische Rechtsschfller. 179
aliqaa congregatione umyersitatis interesse possint, nisi per rec-
torem et consiliarios essent yocati^*').
Der einheimische Scholaris erscheint wahrhaftig nur als ein
Stiefkind, um nicht zu sagen als ein Zwitterding. Wie dies erklären?
Soll man mit Savigny, der eine ungenügende Eenntniss dieser
Thatsachen besass, den Grund in der Abhängigkeit der einheimischen
Scholaren von der Stadtobrigkeit suchen^*^^)? Allein warum haben
dann andere Universitäten, die ebenfalls Universitates scolarium
waren, wie z. B. Montpellier und Florenz, diese Unterschiede auf-
gegeben^*®)? Und sollte man nicht meinen, dass gerade die
grössere Abhängigkeit von der Stadt mit ein Grund hätte sein
mflssen, die einheimischen Scholaren fester an die Universität zu
knüpfen? Auf einem noch grossem Missverständnisse beruht die
Ansicht Höflers, die Bologneser hätten dem Wunsche, ihre Uni-
versität als Weltuniversität, ihre Stadt als Mittelpunkt eines
Znsammenströmens von Studierenden aus allen Ländern zu sehen,
die eigenen Ansprüche und Rechte geopfert ^*^). Obige That-
sachen sind vielmehr nichts denn Gonsequenzen, die die ursprüng-
liche Art und Weise der Entstehung der Scholarenverbindungen
und deren allmähliche Weiter- und Ausbildung mit sich bringen
musste. Bloss die scholares forenses giengen in Bologna Genossen-
458) Padelletti im Archiv, giurid. VI, 104 Anm. 3.
^^) Sayignys irrige Ansicht hat die Baltische Monatsschrift IV, 106
noch mehr breit getreten mit den Worten: 'Der Grand dieser auffallenden
Zarftcksetzong ist in den hest&ndigen Competenxstreitigkeiten der üniversit&t
mit der Stadt xa suchen'. Was sowohl Ton Savigny als auch in dieser
Zsehr. gesagt wird, *die Universität' habe von ihren stimmberechtigten Mit-
gliedem das eidliche Gelübde gegenüber den Statuten und dem Rector gefor-
dert, die Stadt aber aUe ihre Angehörigen, welche diesen Eid leisten würden,
mit Bann bedroht, ist nnr Missverstftndniss jener Thatsachen, die ich oben
dargestellt habe.
^ In Floren* war zwar allerdings geboten, der Rector müsse em fo-
lensis sein (so im J. 1321, Statuti etc. p. 109; im J. 1366, ib. p. 149), wie
sp&ter auch in Pisa im J. 1478 bestimmt wurde (Fabroni, Hist. acad. Pi-
sanae I, 440 ff.), allein die üniversit&t selbst sollten die Einheimischen mit
den forenses 'qni reperientar in civitate Florentiae' bilden (Statuti etc. p. 109).
^^) Mag. Joh. Has und der Abzug der deutschen Professoren und Stu-
denten aas Prag. Prag 1864 S. 98.
««>) Darüber alsbald mehr.
13*
IgO ^- Entstebang der iltesten üniTerntiten.
Schäften ein. Mithin standen die scholares dres ausserhalb der-
selben. Die einen wie die andern waren aber Studenten an
demselben Stadium, das die Professoren leiteten ^*^. Als jedoch
die ursprQngliche Stellung der Scholarencorporationen besonders
durch die wichtiger werdende Position der Rectoren allm&hlich
sich veränderte, die Rechte der Genossenschaften immer grosser,
und Ton ihnen nach und nach die äussern Studienangelegenheiten
gänzlich abhängig wurden, da war die Folge, dass die scolares ciyes,
obwohl sie immer noch ausserhalb der Gorporationen standen,
denselben nicht mehr gleichgültig gegenüber bleiben konnten und
durften. Einerseits entbehrten sie, weil nicht Mitglieder, der
eigentlichen Corporationsrechte, andererseits schuldeten sie den
Corporationsstatuten , weil die (xenossenschaften nunmehr in
directer Beziehung zum Studium standen , Gehorsam, wollten sie
die Privilegien der Studienanstalt geniessen.
Dies allein die richtige Erklärung einer Erscheinung, die
für sich allein betrachtet komisch genug ist, genetisch entwickelt
aber alles Seltsame verliert. Merkwürdig bleibt nur, dass solche
Bestimmungen, die einzig in Bologna einen Sinn hatten, in späterer
Zeit an einigen Universitäten noch Aufnahme fanden, während
sie mit Recht an andern unterdrückt wurden. Selbst in Bologna
wurde der einstige Unterschied zwischen den scholares forenses
und cives mit der Zeit mehr und mehr abgeschwächt, wenngleich
er fortwährend bestehen blieb, und die Namen der scholares fo-
renses und cives, welche dem Rector den Eid geleistet hatten,
in getrennte Matrikeln geschrieben werden mussten^**).
Die eigenthümliche Entstehungsweise und weitere Ausbildung
der Scholarencorporationen Bolognas erklärt es auch, warum ihnen
gegenüber nachher die Artisten und Mediciner, sowie in späterer
Zeit die Theologen, ihre Schwierigkeiten hatten, wenngleich dabei,
wie wir an seinem Orte sehen werden, noch ein anderer Grund mit
im Spiele war. Es ist einfach Consequenz, wenn die Statuten von
L^rida sie ebenso wie die scolares cives vom strictum corpus
universitatisa usschliessen^*^). Doch hatte dies mehr in Bologna,
^) SUtQta et privil. almae anirers. Jurist. Hb. 3 p. 50.
*«*) 8. oben 8. 178.
3. Bologna. Der Bector innerhalb der Gorporati onen. Igl
als in L^rida einen Sinn. Bloss die Rechtsschttler giengen
nämlich in Bologna ursprünglich Verbindungen ein ; Artisten und
Mediciner gab es damals dort nur wenige ^'^). Als jedoch diese
erstarkt waren, hatten die Juristen bereits die äussern Studien-
angelegenheiten in Händen, und es hieng gänzlich von ihnen ab,
ob die Artisten und Mediciner auch eine Verbindung schliessen
konnten, wenngleich es doch endlich dazu kam. Im J. 1360,
als Innocenz VI. in Bologna die theologische Schule gegründet
hatte *••), verbanden sich die Magister in der Theologie zu
einer Universitas, während die Theologiestudierenden zur Uni-
Tersitas Artistarum gehörten. Gleichwie schon die Art und Weise
der Entstehung dieser zwei Verbindungen eine von jener der
juristischen Scholarenverbindungen ganz verschiedene war, so
auch die Organisation derselben. Sie beschäftigt uns hier nicht
weiter mehr, und wir kehren zu den Scholarenverbindungen
zurück.
\^ 6. Der Beotor, und Beine Stellung innerhalb der Corporationen.
Von selbst werden wir nun auf den wichtigsten Punkt in der
i Scholarenverbindung, auf den Charakter und die Stellung des
Rectors in derselben, hingeleitet. Den Meisten mag die Dar-
stellung dieser Verhältnisse sehr einfach und leicht vorkommen, da
die Statuten darüber Aufschluss geben und klar über die Be-
ziehungen des Bectors zur Universität und zum Studium und um-
gekehrt sprechen. In der That hat auch Savigny hier, wie auch
sonst zumeist, nur die gedruckten Statuten zur Hand genommen.
Er war der Meinung, die meisten und wichtigsten derselben, die
1432 redigiert wurden und weiter umgearbeitet in dem Drucke von
'1561 (den er benützte und der auch mir vorliegt) enthalten sind,
rührten aus der Zeit der ersten bestimmteren Einrichtung der
Universität her"0- Zwei Gründe bewogen ihn zu dieser An-
^ Was Haeser, Lehrb. der Gesch. der Medicin, 3. Bearb. I, 653 da-
rQber sagt, ist falsch; er hat die vagen Behauptungen bei Sarti I, 433 f. nur
noch mehr erweitert.
^^ Weiter onten komme ich darauf zurflck.
^7) Gesch. des Böm. Bechts HI, 163.
Xg2 II* Entstehung der ältesten Universitäten.
sieht. Einmal die sichere Nachricht, dass bereits 1253 Sta-
tuten der Universität existierten"®). Allein, Savigny macht
sich hier einer petitio principii schuldig. Sind denn die 1253
von Innocenz IV. bestätigten Statuten identisch mit denen von
1432? Dieselben waren weder Savigny bekannt, noch kann ich
sagen, wie sie ausgesehen haben. Dann, meint ei*, beweise für
seine Ansicht besonders der in den gedruckten Statuten mitgetheilte
Katalog der Bücherverleiher, denn er enthalte fast durchaus
Werke aus dem 12. und 13. Jh. Allein daraus folgt bloss, dass
der Katalog alt ist, nicht aber ist jener Umstand fQr das Alter
der Statuten beweisend, zwischen denen er steht. Der einmal
angefertigte Katalog wurde eben immer wider dem jeweiligen
Corpus der Constitutionen beigegeben. Einen schlagenden
Beweis bilden die Statuten von Florenz vom J. 1388, in die der-
selbe Katalog buchstäblich gleichlautend ohne neue Zuthat und
mit unmerklichen Varianten aufgenommen wurde"*).
Uebrigens sprechen wichtige Gründe gegen Savignys Ansicht.
Die Statuten, wie sie vorliegen, sind einmal viel zu umfangreich,
als dass sie auch nur dem Haupttheile nach aus dem 13. Jh.
stammen könnten. Man vergleiche doch mit ihnen jene von
Arezzo, L^rida, Toulouse aus einer Zeit, wo Bolognas Statuten
bereits vorlagen und z. B. in jenen L6ridas, wie man mit Bestimmt-
heit sagen kann, benützt wurden. Wie bescheiden treten diese auf
gegenüber den Statuten Bolognas aus dem 16. Jh.^*'*) Dann beweist
die Geschichte der Umarbeitungen der Statuten an den verschie-
denen Hochschulen gegen Savignys Behauptung. Der spätere Corpus
statutorum sieht dem frühem zumeist nur in einigen Hauptpunkten
ähnlich, und selbst diese sind verändert. Beispiele bieten die
^ InuocenE IV. bestätigte nämlich solche in jenem Jahre. Sarti II,
124. 8. oben 8. 155 Anm. 379. Wie ans den Annalen der Deutschen Nation
hervorgeht, machte diese Nation, somit auch jede andere, ihre eigenen be-
sondem Statuten. Solche existierten bereits 1289. S. Malagola, Urceo
Codro p. 538. Diese Statuten sind natürlich von den allgemeinen verschieden.
^^) Statati della nniversitä e studio Fiorentino, p. 44 ff. Der Katalog
findet sich in der Ausgabe der Bologneser Statuten vom J. 1561 üb. 1 p.27;
bei Sarti II, 214 ff Neu abgedruckt bei Savigny S. 649, die canonistischen
Schriften daraus bei Schulte, Geschichte der Quellen d. Oan. Rechts II, 554.
469a) Dazu vgl. die Bemerkung in den Statuta Jurist, v. Padua Bl. la.
3. Bologna. Der Rector innerhalb der Gorporationen. Igg
theologischen Statuten von Paris aus dem 14. und 15. Jh. , die
Universitätsstatuten von Angers aus dem Ende des 14. Jhs. u. s. w.
Dasselbe musste in Bologna mehr als anderswo, wenn man Paris
ausnimmt, der Fall sein, da man dort ursprünglich keine bereits
durch lange Erfahrung erprobte Statuten copieren konnte; die
Constitutionen musste erst das jeweilige Bedürfhiss schaffen, sie
wuchsen aus den Verhältnissen, die mit den verschiedenen
Epochen andere wurden, hervor. Dies brachte nothwendig theil-
weise Umarbeitung der alten und Aufnahme neuer mit sich. Mit
den allgemeinen Vorschriften gieng es hierin ebenso, wie z. B.
mit den Statuten der Deutschen Nation, die widerholt und
in kurzen Zwischenräumen theils erneuert, theils vermehrt oder
corrigiert wurden ^'^). Aehnlich war es ja auch mit den Statuten
der Ordensgesellschaften ^'0. Ich läugne gewiss nicht, dass uns
in den Statuten des 16. Jhs. manche wichtige Hauptpunkte aus
früherer Zeit erhalten sind. Aber dieselben kann nur ein Vergleich
mit sichern Documenten aus früherer Zeit feststellen, mit nichten
kann man sie a priori erschliessen, oder gar den Schluss auf ^das
meiste und wichtigste' in den Statuten ausdehnen. Ebendeshalb
ist Savignys Darstellung nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Die
verschiedenen Zeiten sind dort durch einander gemengt
Ganz irre würde man gehen, wollte man ohne weiters durch
die genannten Statuten zur Klarheit über die Stellung der Rectoren
in der ersten Hälfte des 13. Jhs. gelangen. Später waren nur
mehr zwei Gorporationen und Anfangs des 16. Jhs. nur 6in Rector*^*).
Die Verhältnisse hatten sich mithin geändert, und auf diese verän-
derten Verhältnisse beziehen sich die Statuten. Wir müssen also
einen andern Weg einschlagen, ohne dass wir deshalb dieselben
aus dem Auge verloren.
^''^) So werden, am nur das 14. Jh. za erw&hnen, für die Jahre 1343,
1348, 1367, 1896 die nova oder corrigierien statata erwähnt 8. Malagola,
L c. p. 538.
^71) Allerdings begehen hier die Forscher denselben Fehler, wie Sa-
Tigny in Besug auf die Universit&tsstatnten Bolognas, indem sie aus den
bei Holstein gedruckten Ordensstataten Schlüsse aaf das 12. and 13. Jh.
liehen.
479) S. oben S. 156.
Ig4 II. Entstehnng der ftltesten XJniTenitftten.
Tbatsache ist zunächst, dass die Scholaren jeder Corporation
den Rector ihrer Genossenschaft wählten. ' Hierzu bedurfte es keines
Gesetzes von Seite der Gorporationen ; dies war dadurch, dass
dieselben existierten, eo ipso gegeben^''). Ebenso verstand es
sich von selbst, dass der Rector forensis sein musste, da ja die
Verbindungen nur aus forenses gebildet waren*'*). Vorschriften
hierüber erwiesen sich erst dann als nothwendig, als man den
Entwicklungsgang der Scholarenverbindungen aus dem Gedächtniss
verloren hatte, sowie an den übrigen nach dem Muster von Bo-
logna eingerichteten Universitäten. In diesem Punkt kamen wohl
alle Scholarenverbindungen in Bologna mit einander überein.
Ob aber der zu wählende Rector ein scholaris sein musste,
oder ob er auch Doctor sein konnte, war anfänglich gewiss nicht
bestimmt. Es scheint, dass ursprünglich jede Corporation nach
Gutdünken gewählt hat. Einen Beweis hiefür bieten uns die
Scholarenverbindungen vonVicenza aus den Jahren 1204 — 1209.
Im Jahre 1205 waren von den vier Rectoren der vier Gorporationen
drei Scholaren und einer Magister; ebenso war im J. 1206 sicher
auch einer Magister*''). Gewiss ist, dass, sollten die Scholaren
früher manchmal einen Professor zum Rector gewählt haben,
*w) s. oben S. 172 f.
^74) S. oben 8. 144. Selbst wenn die Gorporationen einen Doctor sum
Rector sollten gewählt haben, war derselbe ein forensis.
^7^) Bei Miltarelli, Ann. Camald. IV. Appendix p. 260 werden lom
J. 1205 erwähnt: Magister Robertus de AngUa et Quilelmos Cancelinos de
Proyincia et Guamerius de Alemannia et Manfredus de Gremona rectores
pro universitate scolarium. Im Laufe des Docnmentes wird der Magister ab
solcher von den drei übrigen Rectoren scharf geschieden. Der Archidiaeon
migoris Yicentinae ecclesiae sagt: Eapropter dilecti in christo fratres magislef
et TOS tres ad hoc rectores prenominatL Man könnte nur iweifeln, ob der
Magister Robertos de Anglia also wirklich Rector war. Daraof antwortet ein
Docnment vom nächsten Jahre (ibid. p. 262): Ibiqne magister Robertos de
Anglia et dominos War(nerias) de Alamannia rectores oniTereitatis scolarioai
eto. Wie bereits SaTigny S. 308 Anm. bemerkte, wird dadnrcb klar, dass
Robert zoglelch Lehrer war, die übrigen aber Schüler. Dass in dem sweiten
Actenstflcke Oamerios mit Dominos beseichnet wird, beweist nicht, dass er
Lehrer war, er war Tielmehr Schüler. Im Docnmente Tom J. 1209, das Sa*
Tigny entgieng (bei ICttarelli im eigentl. Theil des Bandes p. 213) weiden
die Profeuoren zoiaeist mit magister (aoch magister kgom), die Sdralares
aber mit Domini tltoliert. S. oben S. 152 AnsL 370.
3. Bologna. Der Rector innerhalb der Gorporationen. 185
dies ebenso wenig gegen das Princip der Scholarenverbindungen
Verstössen haben würde, als die Thatsache, dass hie und da an deut-
schen Universitäten, an denen die Macht doch bei den Professoren
lag, ein Scholaris das Amt eines Rectors bekleidete ^^^), gegen den
Geist der Magister-Gollegien spricht. Das Charakteristicuni bestand
ja nicht in der Beschaffenheit des gewählten Bectors, sondern
darin, von wem die Wahl des Rectors ausgieng. Zudem wissen wir,
dass jene Professoren, von denen oben die Rede war^^^), nur das
Wahlrecht der Scholaren angriffen, sich aber nicht gegen die
Aufstellung eines Scholaris als Rector kehrten, was sie, so sollte
es wenigstens scheinen, nicht unterlassen hätten, wäre es con-
sequent der Fall gewesen, obgleich sie hierin ebenso Unrecht
gehabt hätten wie in Bezug auf den andern Punkt. Einen
Beweis fär diese Yermuthung könnte man in der Organisation
Paduas vom J. 1228 erblicken, wo ein Dominus Adam de Ganocho
als Rector Francigenarum, Anglicorum, Normannorum, ein Dominus
Gaufredus provincialis als Rector provincialium et Spanorum et
Gatellanorum genannt wird^'^). Da hier jedoch Alle mit Do-
minus tituliert werden, fehlt der Masstab, den wir in Bezug auf
Vicenza hatten, und wir wissen deshalb nicht sicher, ob hier
^7^) Dies geschali öfters z. B. in Prag, Erfurt, Leipzig, Ingolstadt.
Gersdorf, Beitrag zur Geseh. der Universität Leipzig (Mitth. d. d. GeseU-
scbaft z. Erforsch. TaterL Sprache and Alterth. Y, 15) meint, der erste Stu-
dent, der auf einer deutschen Universität zum Rector erwählt wurde, sei der
in Leipzig 1471 inscribierte und 1475 zum Rector erwählte Adolph Fürst
zo Anhalt. Allein Gersdorf irrte um mehr als ein Jahrhundert. Der erste
Student, der auf einer deutschen Universität zum Rector gewählt wurde,
war HenricuB de Etwat de Primislavia, der 1366 von Karl ly. als rector
universitatis Pragensis und Scolaris in jure canonico erwähnt wird. Reg.
Snppl. Drbani V. tom. unic. Bl. 264, und an. 4 p. 1 Bl. 175a. Ebenso fungieren
in Erfurt lange vor 1475 Scholaren als Rector en. So in den Jahren 1398.
1399. 1400. 1401. 1405. 1434. 1449 u. s. w. (Vgl. Weissenbom, Acten
der Erfurter Universität I, 52. 56. 59 f. 74. 160. 221).
^77) S. S. 170. Allerdings setzen Azo und Accurs die Gerichtsbarkeit
der Rectoren voraus. AUein nicht jen6 griffen sie an, sondern dass die
Scholaren selbst sich die Bectoren wählten, was ein Privileg der Doc-
toren sei.
«7S) Bei Balliano 1. c. S. 38 f. Savigny schreibt S. 311 Anm. c. falsch
nach Zacharia: rectoriae provincialium.
]g6 n. Entstehnng der ältesten üniTenit&ten.
Professoren gemeint seien (was immerhin einige Wahrschein-
lichkeit für sich hat) oder bloss Scholaren.
Eben deshalb lässt sich darüber für die erste Periode nichts
sicheres behaupten. Festhalten muss man bloss das eine, dass
die Scholaren ebenso wohl Professoren als Schüler zu Rectoren
wählen konnten, indem dies ganz von der Freiheit derselben
abhieng, und das erstere ebenso wenig als das letztere der Ver-
fassung widersprach.
Um die Mitte des 13. Jhs., als die Scholarenverbindungen
bereits eine feste Organisation erhalten hatten und sie auf die
zwei grossen Gorporationen der Ultramontani und Citramontani
reduciert worden waren, wurden nicht bloss beide Gorporationen
gleichmässiger organisiert, sondern Ton jener Zeit ab wurde auch
der Rector nicht nur von den Scholaren sondern auch ans
den Scholaren gewählt. Ein Vergleich mit andern Universitäten^
für die Bologna Muster war, ergibt dies am besten, obgleich die
städtischen Statuten Bolognas vom J. 1250 noch nicht darauf
schliessen lassen ^"). In Padua erscheinen nämlich ebenfalls in den
Jahren 1260 und 1261 nur Scholaren als Rectoren ^*®). In L6rida
wurde 1300 Torgeschrieben, dieScholares forenses sollten den Rector
und die Consiliarii ^ex se ipsis' wählen^''). Die Juristenstatuten
T. J. 1339 in Montpellier bestimmen nichts, ob der Rector Scolaris
sein müsse; allein bereits im J. 1351 wird es ausdrücklich vor-
ausgesetzt^"). Die Statuten von Florenz aus dem J. 1388 sagen
schon: Geterum eligatur iuratus scholaris de nostre Universitatis
479^ Mit dem Epitheton Dominus werden im genannten Jahre Johannes de
Yaranis als rector Dltramontanomm and Pantaleon de Venetiis als rector
Citramontanomm bezeichnet. Statut! ed. Frati I, 866.
^ In den Statuta speetab. et almae nnivers. Iitfistanun Patar.
Gymn. 1561, Bl 1 werden Gosaldus (wohl Gonsalms) Hispafias ffir das J. 1860,
dann für das n&chste Jahr der Transalpinus Henricus de 8. Petrooella pre-
positus frisensis nnd der Gisalpinus Franciscus de Nofaria Ganoniciis Padnanos
erwihnt. Wegen der Jahressahlen s. unten unter Padoa.
«») Bei Villanueva XVI, 211.
^ Das Statut lautet dahin, dass eine neue Beetorswahl Torgeniunmen
werden mflsste, soUte der Rector w&hrend seines Amtes ad honorem docto-
ratus aufgenommen werden. Bei Germain, £tude historique bot l'^ole de
droit de Montpellier p. 110.
3. Bologna. Der Rector innerhalb der Gorporationen. Ig7
corpore**')- Ist aus diesen und den oben angeführten Facten
ein Schlnss gestattet, so folgt, dass wenigstens seit der zweiten
Hälfte des 13. Jhs. in Bologna der Usus bestand, die Rectoren
aus den Scholaren selbst zu wählen, obwohl ein deutlich
formuliertes Gesetz erst im 14. Jh. in die Statuten aufgenom-
men wurde, das in den gedruckten also lautet: Ad Recto-
ratus igitur officium eligatur Scolaris nostrae universitatis^^^).
Dieser Schluss wird durch ein Document vom J. 1265 erhärtet,
worin noch mit ganz allgemeinen Worten von der Wahl des
Rectors die Rede ist, wenngleich in derselben Weise wie später
in L6rida, darauf hingewiesen wird, dass der Rector ein Scholaris
sein solle. Den Nationen wird nämlich vorgeschrieben, quod
eligent bonum et idoneum ... de aliqua ipsarum nationum*^^).
Ebensowenig war wohl im Anfange festgesetzt, ob die Rectoren
Laien oder Glerici sein müssten. Auf eine bestimmte Norm kam
man erst durch das Bedürfhiss. Dieses stellte sich aber bald
ein. Der Rector besass schon seit der ersten Hälfte des 1 3. Jhs.
wenigstens eine theil weise Gerichtsbarkeit über die Scholaren jener
Corporation, die ihn gewählt hatte, wie wir alsbald sehen werden.
War nun der Rector ein Laie, so konnte er über den grössten
oder wenigstens grossen Theil der Scholaren dieses Amt nicht
ausüben. Ein wesentlicher Theil derselben gehörte nämlich dem
geistlichen Stande an. Schon die Glosse in die Decretalen sagt,
und zwar, wie aus dem Zusammenhange sich ergibt, in Bezug auf
Bologna, von den scolares: qui clerici sunt pro majori parte*").
Die Glosse ist geschrieben nach dem Verbote des Studiums
des Civilrechts, das sich nicht auf alle Gleriker, sondern nur
auf die Presbyteri und clericos personatus haben tes bezieht*")-
Zudem waren die Schüler des canon. Rechts wohl in nicht viel
geringerer Menge vorhanden ; das Verbot Honorius IH. erstreckte
^) Statati etc. p. 15.
^ Savigny ist S. 190 im Irrthume, wenn er anter Scolaris auch die
ProfeMoren mit einbegriffen wissen will. Es verschlägt doch nichts, wenn
einmal eine Ausnahme von der Regel gemacht wurde.
^) Bei Sarti II, 61.
486) De loc. 3, 19. Nach Cod. Bm^ghes. 237.
«7) c. 10. X. ne clerici (3, 50J.
Igg n. EntsteliuDg der ftltesten ünirersit&ten.
sich aber nur auf das Rom. Becht. Darum konnte im nächsten Jahrh.
Baldus unter Berufung auf die genannte Glosse recht wohl das-
selbe wie sie widerholen"'). Nun durfte aber der Cleriker nicht von
einem Laien gerichtet werden, und dies galt, wie Joh. Hispanus
sagt, ebenso yon den scolares clerici^^. Allerdings war ihr Judex
der Bischof; allein der Rector besass nun einmal ebenfalls Gerichts-
barkeit, und da musste sich die Nothwendigkeit herausstellen
einen clericus zum Rector zu wählen, denn sonst hätte er nur
über den einen, und zwar den geringem, Theil der Scholaren
Gerichtsbarkeit ausüben können. Dass dies der Grund war, darf
man mit Recht aus Bartolo schliessen, der, nachdem er von der
Gerichtsbarkeit innerhalb gewisser Congregationen gesprochen,
fortfährt: et idem dico in universitate scolarium, quorum rector
esse non potest nisi clericus sit^'^). Noch deutlicher erklärt sich
Baldus, der die Frage verneint : numquid rector scolarium potest
esse laicus? und zwar, quia scolares pro majori parte sunt cle-
rici, über die er also nicht Richter sein könnte. Der Rector
müsse aber universalis, und nicht bloss Rector des einen oder
andern Theiles sein*")-
Wohl herrschte auch in Bezug auf diesen Punkt wahrschein-
lich lange Zeit nur der Usus, ehe ein bestimmtes Statut formu-
^) Ad. AuÜL Habita n. 84.
«89) In Decret. De foro competenti im Cod. Tat. 2343 BL 161b. Er
sagt vom clericus: qui non potest nisi coram ecclesiastico iudice conreniri...
nee huic priyilegio potest clericus abrenunciare . . . Videtur tarnen, qnod
in casn possit clericus coram seculari conreniri, nt est videndom in scola-
ribus, qui habent tres indices, ut habetur in privilegio federici . . . sed ego
non admitto illud in scolaribus clericis, quos de necessitate dico coram epi-
scopo conveniendos, quia Privilegium imperiale non potest constitntionem
apostolicam immutare. Auf dasselbe kommt eine Glosse des Accnrs ad Auth.
HMta verb. «t lüem hinaus. Cod. 34 A im Archiv zu 8. Peter.
«90) In Dig. De rebus dnb. (84, 5) und Dig. 47 De coUeg. illicit 1. 4 o. 13.
«91) Ad Auth. HfJlnta n. 84. 85. Pet. de Ancharano lehrt in Beiag da-
rauf in VI. prooem. : ut sie (rector) non in parte sed in omnibns Jurisdiction
nem habeat Baldus sagt auch in prooem. Dig. Haec mOan tna n. 12, der
Bector mtlsse ein clericus sein, ein Laie sei nicht capax. Dies galt nattirlich
nur dort, wo der grössere Theil der Scholaren, wie in Bologna, ans Glerikem
bestand.
3 Bologna. Der Bector innerhalb der Corporationen. Igg
lieft wurde. In Padua waren 1261 beide Rectoren Clerici*"),
es ist aber wohl zweifelhaft, ob damals bereits ein Gesetz darüber
bestand. In L4ridas Statuten ist auch noch nichts bestimmt; allein
der erste Rector war Archidiacon von L^rida, der zweite Archi-
diacon von Valencia*"). In den Statuten von Montpellier vom
J. 1339 wird schon der Clericat ausdrücklich von dem Rector
und den Consiliarii gefordert*^*). Ganz deutlich sprechen darüber
die Statuten von Florenz vom J. 1388*"), womit jene Perugias
vom J. 1457 wesentlich übereinkommen*"). Es scheint somit,
dass nicht vor der ersten Hälfte des 14. Jhs. das Gesetz über den
Clericat des Rectors in die Statuten Bolognas aufgenommen wurde,
und vielleicht um dieselbe Zeit in jene Paduas*'^). Der be-
treffende Passus in den Statuten von Florenz und Perugia gleicht
nur einer Explication der Vorschrift in Bologna und setzt diese
voraus, während L^rida dieselbe noch nicht vor sich hatte,
sondern nur die Praxis kannte. In den gedruckten Statuten
Bolognas heisst es: Item sit clericus non conjugatus, habitum
deferens clericalem, ac nullius religionis appareat.
Auch hier fordert Savigny zum Widerspruche auf. Er
meint: 'Clericus möchte hier vielleicht einen Studierenden
oder Literaten bezeichnen, nicht einen Geistlichen'*'^). Allein,
49S) S. oben S. 186 Anm. 480.
^3) Bei Villanueva XYI, 202. 233. Der zuerst genannte Rector wurde
1300, der andere 1302 erw&hlt.
^^) Kan liest widerholt: Sint . . . consiliarii clerici . . . rector autem
semper clericus existat . . . qni etiam rector et consiliarii clerici, ut premit-
titnr, existentes etc. Bei Germain 1. c. p. 90 f.
^ Rubr. 6: Prohibemus ad officium rectoratus aspirare posse aliquem
qni vigesimum annum non adimpleverit . . . item professum cuiuscunque re-
ligionis, Qxoratum . . . Talis quoque electus existat clericus secularis
saltem in minor ibus constitutus, habitum quoque deferat clericalem.
Statuti etc. p. 15.
^^) Sit secularis clericus, nee sit coigugatus et qui nullius religionis
profesBus existat, exceptis canonicis regularibus, quos eligi possumus in rec-
tores. Bei PadeUetti im Archiyio giurid. VIII, 143.
^7) Statuta etc. Bl. 7a, ähnlich wie das Statut in Bologna.
«M) 8. 190 und ScarabeUi L c. p. 40. Köstlich, wie Prantl eine fthnliche
Bestimmung in den Ingolstftdter Statuten erkl&rt: 'ausser den Klostergeist-
lichen waren gmnds&talich alle Ungebildeten Tom Rectorate ausgeschlossen,
190 II- Entstehung der Ältesten üniTersit&ten.
diese Behauptung ist nunmehr hinfällig, besonders wenn man
Bolognas Statut mit jenem yon Florenz und Perugia vergleicht.
Uebrigens hat diese Aufstellung eine äusserst schwache Basis.
Savigny meint nämlich, die in den Statuten der Juristen Bo-
lognas dem Rector ertheilte Befugniss Waffen zu tragen passe nicht
zum geistlichen Stand. Allein dasselbe Recht hatte auch der
Rector in Florenz und Perugia^"'), obwohl dort ausdrücklich,
wie wir gesehen haben, der Glericat vom Rector gefordert wurde.
Zudem geht aus den städtischen Statuten Bolognas vom J. 1288
hervor, dass vor dem J. 1286 die Cleriker Bolognas ziemlich
häufig Waffen trugen, was allerdings in diesem Jahre verboten
wurde. Der Bischof erlaubte es aber auch jetzt noch den Qe-
rikem, wenn eine causa rationabilis et legitima vorhanden war**^).
Die rationabilis et legitima causa bildete eben in unserm Falle das
Ansehen des Rectors. Savignys Berufung auf die Analogie mit
der Pariser Universität ist de subjecto non supponente*^^).
Schliesslich meint er, dass, wenn der Ausdruck clericus den geist-
lichen Stand bezeichne, er ^auf eine gedankenlose Weise in die
Statuten gekommen und stets ohne Einfiuss geblieben sei', da 1508
in Padua ein verheiratheter Rector vorkomme. Allein mir scheint
vielmehr Savignys Schluss gedankenlos zu sein. Wie kann man
daraus, dass in sehr später Zeit einmal in Padua eine Aus-
nahme gemacht wurde, folgern, dass die Bestimmung der
Statuten Bolognas über den Clericat des Rectors stets ohne
Einfiuss geblieben sei? Maassen wollte Savignys Behauptung
durch eine von ihm aufgefundene alte Glosse erhärten, in der
nämlich dem Ausdruck Scolaris der Auth. Habüa jener von de-
und die Gebildeten konnten den ihnen etwa anklebenden Mangel der Kle-
riker-Eigenschaft sehr leicht durch eine blosse Formalität, d. h. durch An-
nahme einer niederen Weihe, ergftnsen'. Qesch. der Ludwig-MaximiL-UniTer-
sit&t I, 37.
^^) Bahr. 19: Laudabilem consuetudinem in Bononiensi, Paduano, Pe-
msino et aliis generalibus Studiis diutius obseryatam volentes in hoc nostro
studio in omnihus observare, statuimus ut rector et ipsias duo socii . . . arma
defensibilia et offensibilia portare Taleant lidte, Ubere et impune. Statut!
della universiti Fiorent p. 28.
^) So in den handschrifü. Statuten lib. 4 im Cod. Vat. 2669.
Ml) Darüber im 4. Bande.
3. Bologna. Der Rector innerhalb der Gorporationen. 191
ricas substituiert wird *®'). Allein, dafür, dass Scolaris und clericus
oft promiscue gebraucht wurden, bedurfte es wahrhaftig nicht der
Bestätigung durch jene Glosse. Hier handelt es sich aber darum,
ob auch in dem genannten Statute der Ausdruck clericus identisch
sei mit Scolaris. Savigny und Maassen hätten schon aus dem
Zusammenhange auf das Gegentheil schliessen müssen. Zuerst
heisst es: Ad Rectoratus officium eligatur Scolaris nostre uni-
Tersitatis. Als die erste Eigenschaft des Rectors wird mithin be-
stimmt, dass er Scolaris der Bologneser Universität sein müsse.
Nun folgt die zweite: Item sit clericus non conjugatus habitum
deferens clericalem. Wenn nun clericus identisch mit Scolaris
ist, dann liegt hier eine crasse Tautologie Yor. Und die Bestim-
mung wird in den Statuten an zwei Orten widerholt ^^'). Uebrigens
passt auch die nähere Bezeichnung ^non conjugatus' nur für einen
wirklichen Gleriker*®^), um yon der andern ^habitum deferens
clericalem' gar nicht zu sprechen^®*).
Wir haben bereits zum widerholten Male bemerkt, dass der
Rector Gerichtsbarkeit über die Scholares ausübte. Sie war auf
das Gorporationsverhältniss gegründet *^^), und erscheint deshalb
schon frühe, wie aus dem Vergleiche, den Azo zwischen den
Bectoren und den ministeriales anderer Gorporationen, sub qui-
^ In den Jahrb. d. germ. Rechts Yon Bekker und Muther II, 239.
Bereits PadeUetti hat sich I. c. gegen diese Erklärung oder yielmehr An-
wendung gerichtet. Ihm folgte Goppi, Le universitä italiane, p. 145.
^) So in den Statuta üb. 1 p. 1 und 3.
^ Zu allem Ueberflusse erkl&rt auch dies Baldus ad Auth. n. S5,
nachdem er gesagt, ein Laie könne, wenn der grössere Theil der Scholaren
Cleriker sei, nicht Bector sein: Idem dico de clerico uxorato non deferente
habitum et tonsuram.
^ Als Curiosum mag hier angeführt werden, dass Montefredini,
Le piü eelebri aniTerdtä antiche et moderne, p. 14 den Ausdruck < nullius
religionis appareat' mit <non ecclesiastico' widergibt. Warum denn aber nicht
gleich mit ^n«a reUgione'?
W6) Diesen Punkt habe ich bereits oben kurz erörtert. Innocenz IV.
sagt in Decret. De constit, quod rectores assumpti ab universitatibus habent
jnriadiotionem. Hostiensis spricht in seinem Gomment. ad 1. c. noch genauer:
qnod rectores assumpti ab unirersitate jurisdictionem habente habent exer-
dtinm jnrisdictionis.
192 n. Entstehung der ftitesten UniTenit&ten.
bus posaunt conveniri, anstellt^^^, sowie aus dem oben*®*)
dargelegten Verhältnisse der Scholarenverbindungen za den ge-
werblichen Zünften hervorgeht. Es ergibt sich auch daraus, daas
sich die Scholaren schon frühzeitig demRector eidlich verbanden'®*).
Doch war das Wesen der Gerichtsbarkeit anfänglich bis zur
Mitte des 13 Jhs. gewiss noch nicht so bestimmt, wie in der
2. Hälfte des 1«S. Jhs. oder gar im 14. Jh., was man schon aus
dem Umstände schliessen muss, dass in jener ganzen Zeit keine
Frage über die Ausdehnung der Gerichtsbarkeit der Rectoren auf-
geworfen wurde, während von der 2. Hälfte des Jhs. an sich
die Rechtslehrer eifrigst damit beschäftigten.
Doch interessiert uns hier nicht die Thatsache, dass die Rec-
toren über die Scholaren (rerichtsbarkeit ausübten — dies war ja
selbstverständlich — , sondern die merkwürdige Erscheinung, dass
auch die Professoren unter der Gerichtsbarkeit der Rectoren
standen. Waren sie doch schon frühe zum Gehorsam gegen letztere
verpflichtet"*).
der Soholarenverbindnngen lor Lehranitatt und
umgekehrt
Es liegt auf der Hand, dass das eben berührte Factum
nicht erklärt werden kann, wenn nicht die Professoren, auch ohne
dass Scholaren Verbindungen mit Rectoren existierten, zu den
Scholaren in einem gewissen Abhängigkeitsverhältniss standen,
denn weder die Verbindungen noch die von ihnen gewählten
Rectoren konnten an sich dasselbe zur Folge haben, wenn es
nicht bereits vorhanden war.
Vor allem darf man nicht übersehen, dass die Professoren
ebenso wie die scolares cives ausserhalb der Corporationen sich be-
fanden. Diese bildeten ja nur die Scholaren, und zwar die Scho-
lares forenses der Rechtswissenschaft. Es war mithin nur Gon-
607j Comment. et magn. apparat. in Cod. De jorisdiet. (8, 18).
«») 8. 8. 144 f. 147 ff.
w») 8. oben 8. 165.
&iOj HoQorius III. sagte ja 1224 Ton den Doctoren des B6m. Rechts:
qui non commonia commoda sed privata querentes Stare at tenebantnr sen*
tentie rectorum scolariam contemsenmt 8. oben 8. 169 Anm. 421.
3. Bologna. Die ScholarenTerbindungen und die Lehranstalt. 193
Sequenz, dass die Professoren in den Versammlungen der Cor-
porationen weder Sitz noch Stimme hatten, gerade wie die ein-
heimischen Schüler. Dies sind die ursprünglichen Verhältnisse,
hervorgegangen aus der Art der Entwickelung dieser Corporationen.
Und nur denjenigen werden dieselben überraschen, der von der
Entstehung der Scholaren Verbindungen irrige Begriffe hat**^).
Im Laufe der Zeit wurden diese Zustände allerdings theilweise
modificiert, z. B. jene in Bezug auf die einheimischen Schüler;
aber niemals konnte der eigenthümliche Ursprung verläugnet
werden.
Ein weiterer, sicherer Punkt ist, dass die Lehrthätigkeit der
Professoren in gewissem Grade an den Ort, wo sich die Studenten
aufhielten, gebunden war. Honorius IIL spricht von den Scho-
laren Bolognas in einer Weise, als stamme der Ruhm des dor-
tigen Studiums nicht so sehr von den berühmten dort lehrenden
Professoren, die durch ihre neue Lehrmethode die Schüler an-
zogen, als vielmehr von den dort studierenden Scholaren. Ja,
seine Worte führen auf den Gedanken, als habe Bologna es diesen
zu verdanken gehabt, dass es Sitz der berühmten Studien
wurde oder es wenigstens geblieben ist. Aus freien Stücken hätten
sie Bologna gewählt, dessen Name nunmehr überall als ein an-
deres Betlehem, das Haus des Brodes, verkündet werde, während
die Stadt früher unbeachtet gewesen sei"*). Einer um so grössern
Achtung seien sie würdig, denn reine Gnade von ihrer Seite,
^^1) So Savigny S. 185. Kortz, Verfasser des Aufsatzes 'Die Entstehung
und Ausbildung der mittelalterl. Universitäten' in der Baltischen Monats-
schrift IV, 107, Hrant seinen Augen nicht', wenn er solche Bestimmungen
wie die eben erörterten in den Statuten liest. S. auch Paulsen in Sybels
Bist. Ztsch. 1881 Bd. 45 S. 256.
^^) Sane cum ex studio literarum preter infinita commoda, que sentitift
ex eo, Testra civitas inter alias sit famosa et in universo mundo nomen an-
nuntietur ipsins factaque sit altera Betlehem, domus videlicet panis, qui
parrulis frangitnr in eadem, ex qua exeunt duces, . . . quoniam in studio
eruditi assumuntur ad regimen animarum: non solum debitis a scolarium
gravaminibus conquiescere , verum etiam illos honoribus prevenire, atten-
dentes quod ipsi gratuito ad studendum vestram preelegerint civitatem, que
cum prios esset humüis, per eos ibidem congregatis divitiis fere supergressa
est civitates provincie universas. S. oben S. 162. 164. Sarti II, 57.
Denifl«, Die UniTenitAten. L 13
194 n. Entstehung der Ältesten UnWersit&ten.
nicht Pflicht, sei es, dass sie Bologna erwählt hätten; ihre Frei-
heit dürfe also von der Stadt nicht in Knechtschaft umgewandelt
werden***).
Honorius m. schrieb so im J. 1220 an die Stadt Bologna,
also zu einer Zeit, wo die alten Erinnerungen noch frisch sein
mussten. Wie nun dies erklären? Denn thatsächlich -fahrten
doch die berühmten Professoren den Ruhm der Studienanstalt
herbei. Nur sie scheinen die Scholaren aus verschiedenen Ländern
angezogen zu haben. Gewiss. Allein nichts desto weniger mussten
die Professoren Bolognas in einem bestimmten Abhängigkeitsver-
hältnisse von den Scholaren sich befunden haben und in einer Be-
ziehung, welche die Professoren an den Ort, wo sich die Scho-
laren aufhalten wollten, knüpfte. Dies folgt mit Nothwendigkeit
aus den Worten des Papstes. Dieselbe Beobachtung machen
wir, wenn wir gewisse städtische Verordnungen und Statuten
in Bezug auf die Professoren beachten.
Seit Ende des 12. Jhs. nöthigte die Stadt den Professoren
des Römischen Rechts den Eid ab, nicht ausserhalb Bologna
über dasselbe zu lesen. Pilius erzählt, dass, als er von Bologna
(vor 1182) nach Modena gegangen sei und diese Stadt ihm einen
Rechtsstuhl angetragen hatte, Bologna, um seine Uebersiedlung zu
verhüten, alle Rechtslehrer zusammengerufen und sie zum Eid
gezwungen habe, innerhalb zweier Jahre nicht ausserhalb Bo-
logna den Schülern Cävilrecht zu lesen **^). In der Folge ent-
wickelte sich allmählich***) ein Usus. Im Jahre 1189 legte Lothar
V. Cremona den Eid auf das Versprechen ab, überhaupt nicht
(nicht bloss innerhalb zweier Jahre) irgendwo anders, als zu Bologna
zu lehren**'). Im J. 1198 leisteten wider zwei Bechtslehrer den-
613) Vos . . . debitnm non habentes respectum gratiam ipsorom in de-
bitnm, et libertatem in servitutem molientes reducere statnistis etc. Bei
Sarti L e.
614) So in seiner Summa trium librornm (Cod. Vat. 2313 Bl. 860b) De
monicipibos et origin. (10, 38). Die legales professores' schwuren, 'ne per
continuum biennium extra civitatem Bononie discipulis jura civilia traderemus'.
^^^) Keineswegs, wie Savigny S. 218 meint, alsbald als bleibende Form.
^^^) Jnro ego D. Lotbarins, quod ab hac die in antea non regam scolas
legum in aliquo loco nisi Bononie, nee ero in consilio, ut Studium huius ci-
vitatis ndnuatur. Sarti II, 64.
3. Bologna. Die ScholarenverbindaDgen and die Lehranstalt. 195
selben Eid; zugleich geht aus dem ihn enthaltenden Documente
hervor, dass seit Lothar kein weiterer Fall vorgekommen sei'^^).
Zum darauffolgenden Jahre notiert Sarti wider 3 Fälle ^^^). Im 13. Jh.
mehren sich aber dieselben. Im J. 1213 finden sich deren nicht we-
niger denn 5"'), drei Jahre später wieder einer"®), und nach Sa-
violi wurde dieser Eid im J. 1217 ausdrücklich in den Statuten
der Stadt vorgeschrieben; sicher war er bereits vor 1250 gesetz-
lich eingeführt" 0 , so dass später kein Rechtslehrer das Lehr-
amt antreten konnte, er hätte sich denn eidlich vor dem Podestä
verpflichtet, ausserhalb Bologna den Scholaren nicht zu lesen"').
^1*^) Die beiden Rechtslehrer waren Bandinus und Johanninus. Es heisst
beim ersten: D. Bandinns Familiatas eodem modo et eodem tenore juravit
obseryare, qaemadmodam D. Lotharias Doctor iegam observare juravit
(Sarti II, 65). Da Lothar als Beispiel genommen wird, so massen seit jener
Zeit kanm andere F&ile vorgekommen sein, als höchstens der des Johanninus
(Sarti II, 101), der einige Monate früher den Eid ablegte. Dieser selbst
chwnr: quod de cetero in aliqua alia terra non leget scientiam legum sco-
laribus nisi in Bononia, et quod non dabit operam . . . quod scolares in alia
civitate debeant morari etc. Sarti II, 101. Bei Sarti ist der Text schlecht.
BIS) L. c. p. 90. Vgl. auch Savioli II, 2 n. 327. Bei dieser Gelegen-
heit sei jedoch bemerkt, dass nicht alle Fälle verzeichnet oder auf uns ge-
kommen sind.
B^^) Bei Sarti II, 71. Die Eidesformel war dieselbe wie bei Johanninus
im J. U98.
^ Bei Sarti II, 70. Widerum dieselbe Eidesformel wie bei Johanninus.
B^^) Savigny sagt S. 220, der Eid sei in den Statuten der Stadt von
1259 ausdrücklich vorgeschrieben worden. Allein schon Sarti notiert Va-
rianten aus dem Statute vom J. 1249 (II, 222), abgesehen davon, dass in
den Eidesformeln der Jahre 1220 und 1221 bereits auf das städtische Statut
hingewiesen wird : juravit secundum formam statuti, quod non legat etc. (Sarti
n, 68); ut in statutis de dominis legum continetur (ibid. p. 75); sicuti in
statuto Communis Bonon. continetur de dominis legum (ibid. p. 68). Dadurch
wird Saviolis Bemerkung bestätigt (Annali Bolognesi II, 2 p. 465 f.). In den
Statuten vom J. 1250 ed. Frati II, 22 f. findet sich ebenfalls die Vorschrift.
^^) Statuimus, quod quilibet volens regere Studium legum Bononie
postquam ezaminatus fuerit et approbatus ut regat, non sinatur regimen in-
choare, nee aliquis doctor legum det ei librum suum (sine licentia), nisi primo
juret ut hactenns juravenmt, quod de cetero in aliqua alia terra non leget
scolaribus scientiam legalem nisi Bononie, et juret ita legere, et Potestas te-
neatar dare operam quod, hec juramenta predicto modo fiant coram se vel
uno ex judidbus suis. Savioli 1. c. Der Eid wurde nicht bloss vor der
feierlichen Promotion der Approbierten abgenommen , wie Savigny meint,
13*
196 IL Entstehung der ftltesten Universit&ten.
Es ist nun richtig, dass es sich bei diesem Eid anfanglich
nur um die Professoren handelte, und derselbe schwerlich der
Scholaren wegen abverlangt wurde. Bei Lothar scheint das
Ganze überhaupt nur persönliche Sache gewesen zu sein, die
Stadt nöthigte ihn nicht einmal wie Pilius und Genossen zum
Eidschwur"'). Dasselbe war vielleicht noch im J. 1198 der Fall.
Wenigstens muss man dies aus dem Hinweis auf Lothar schliessen.
Darum kommen auch nicht zu viele Fälle vor. Im 13. Jh. wird
es anders. Die Stadt scheint nunmehr den Eid vorzüglich um
der Scholaren willen von den Professoren abgenommen zu haben,
denn sie wollte verhindern, dass den ausziehenden Scholaren
die Professoren folgten, und dadurch die Schüler selbst an
Bologna bannen. Was sollten diese an einem andern Orte
ohne Professoren thun? Der Ausdruck 'non leget scolaribus
scientiam legalem in aliqua alia terra' bezieht sich im Sta-
tute in erster Linie nicht auf Scholaren, die an einem andern
Orte schon ansässig waren, sondern auf jene Bolognas, die even-
tuell die Stadt verlassen würden. Das erhellt aus dem Zusam-
menhange in den Eidesformeln vom J. 1198 ab"*).
Diese Momente deuten darauf hin, dass bisher bei Aus-
wanderungen der Scholaren die Professoren denselben folgten,
gleichwie in der That 1204 nach Vicenza und 1215 nach Arezzo
nicht bloss Scholaren, sondern auch Professoren zogen. Der
Grund war wohl dieser, dass eben die letzteren den ersteren
irgendwie verbunden waren und zu ihnen in einem Abhängig-
keitsverhältnisse standen. Uebrigens fragt es sich auch hier,
was die Professoren ohne Schüler in Bologna thun wollten.
sondern Oberhaupt von jenen, qoi incipiont de noYO regere studinm legale
(bei Sarti II, 68), abgelegt. In den Statuten vom J. 1288 wurde derselbe
auch für die Ganonisten vorgeschrieben (Cod. Yat. 2669 im 8. Bache der
Statuten. Sarti II, 225), im J. 1312 aber überhaupt abgeschafft Cfr. Ghirar-
dacci, Della historia di Bologna I, 560 f.
5S9) Die stftdtischen Gonsuln versprachen, quod neque ipsi neque aliquis
snccessor eomm cogent predictum Lotharium aliquod sacramentum facere,
per quod magis sit districtus Gommuni neque eum prohibebunt vel cogent
regere Stadium in civitate Bononie. Sarti II, 64.
^) S. oben S. 195 Anm. 517 ff.
3. Bologna. Die SchoIareDverbindungen und die Lehranstalt. 197
Dieses Abhängigkeitsverhältniss konnte ursprünglich wohl
schwerlich in etwas anderm bestanden haben, als dass die Aus-
übung des Lehramtes wenigstens der auswärtigen Professoren
an die Wahl und das Lehrgeld der Scholaren gebunden war,
und in Bezug darauf eine Art Contract zwischen diesen und
den Professoren existierte. Dass letztere von den Scholaren
gewählt wurden, ist schon frühzeitig beurkundet, obgleich
zwar nicht direct für Bologna, doch aber für Studien-Anstalten,
die auf Bologna zurückweisen. So sollten jene Professoren,
die die Commune von Vercelli besolden musste, yon den yier
Rectoren der Scholaren berufen werden; sie hatten auch das
Recht beim Abgange des einen oder des andern Professors
neue zu substituieren"^). Dass auch in Padua dasselbe System
in Betreflf der Wahl der Rechtslehrer herrschte, ergibt sich schon
daraus, dass eben die Paduaner Scholaren es waren, welche jene
Forderung im J. 1228 an Vercelli stellten. Im J. 1267 wurde
dieses Statut für Padua selbst nur erneuert oder erweitert, nicht
aber erst erlassen**^), denn Nicolaus IV. erwähnt im J. 1288 den
Usus der Scholaren die Legisten vorzuschlagen bereits als con-
suetudo ^' '). Auch in L^rida wurden 1 300 die Professoren ^ad commune
dvitatis salarium lecturi', wenngleich per paciarios civitatis, doch
consilio rectoris et consiliariorum suorum gewählt und berufen*").
Kann man schon daraus schliessen, dass es in Bologna, wenigstens
hinsichtlich der Rechtslehrer, welche nicht Bürger waren, kaum
^5) Bei Balliano I. c. p. 40: dicti domini et magistri qni debent sala-
rium percipere a Communi Vercellarum eligantur a qnatuor rectoribns . . .
et subBtitnent eis alios meliores usque ad certum gradnm etc.
^ Statuta spectab. et almae univ. Jurist. I, 1. So massen die Phrase,
der Praepositus Johannes habe die üniTersität unter anderm mit dem Privileg
de eligendis doctoribns beschenkt, aufgefasst werden.
^^) Reg. Yat an. 1 ep. 61 Bl. 16 a: Petitio d. f. communis civitatis
Paduane nobis exhibita continebat, quod in civitate ipsa de consuetudine ob-
tinetnr, quod doctores ibidem in civili iure regentes pro tempore a scolaribus
in predicta civitate insistendo studio litterarumcommuniter eliguntur, et huius*
modi eorum electio per ipsius communis consilium approbatur.
^ Bei Ylllanaeva XYI, 214. In Perugia wurden die Bechtslehrer be-
reits vor 1806 ebenfalls von den Savi und den Bectores Scholarium vor-
geschlagen. S. unten unter Perugia.
198 II* Entstehung der ältesten Universit&ten.
anders gewesen sein wird, so wird dies noch durch geschichtliche
Thatsachen bestätigt.
Am 13. September 1282 drohten die Scholaren der Commune
von Bologna mit der Auswanderung, falls sie ihre Privilegien nicht
wahren würde. Namentlich beriefen sie sich darauf, 'quod Potestas
vel Gapitaneus seu aliquis vices eorum gerens non possit Bononiense
Studium impedire prohibendo doctoribus ne legant vel precipiendo
ut legant contra voluntatem scolarium"^). Einerseits
ersieht man daraus, wie sich das einstige Yerhältniss der Scho-
laren zum Studium umgestaltet hatte, andererseits erkennt man,
dass die Ausübung des Lehramtes vom Willen der Scholaren
schon seit langem abhängig sein musste. Denselben Aufschluss geben
uns in anderer Form weitere Thatsachen. Es hat sich ein Äcten-
stück vom J. 1279 erhalten, dem zufolge die Scholaren mit Guido
de Suzaria einen Vertrag abschlössen, ihm 300 Lire zu geben,
wenn er nach Bologna käme und ihnen ein Jahr lang extra-
ordinarie das Digestum novum läse^'^). Man ist im Irrthum
mit Schulte anzunehmen, vor diesem Jahre sei nichts ähnliches
vorgekommen"^). Sowohl die Art und Weise wie das Document
darüber abgefasst ist"'), als auch der Umstand, dass dieser Modus
des Gontractes nur eine andere Form des bereits bestehenden
Usus war, den Professoren ein Lehrgeld zu geben, was Savigny
sehr wohl einsah"'), sprechen dagegen. Diese Gewohnheit war sehr
alt ^^^), und sie bestand unter der Phrase coUectam facere oder sa-
^^) So Martin IV. in dem Schreiben desselben Datums. Sarti ü, 106.
^0) Bei Sarti II, 83. Der Procarator des Guido de Snsaria Tersprach
in dessen Namen, quod dictus D. Quido yeniet ad Giyit. Bononie infra qoiii-
decim dies post festum b. Michaelis et leget Digestum novum extraordinarium,
et complebit librum et hoc pro precio trecentarum librarum Bonon. promis-
sarum predicto preceptori per scholares etc.
^91) Die Gesch. der Quellen undLiteraturdes canon. Rechts II, 409 Anm. 530.
M«) S. Anm. 530.
533) in, 254 f.
^ So heisst es auch in der ältesten Vita des hl. Raymnnd von PelKafort:
Bononienses cives diligendus attendentes, quod tantus magister a suis audi-
toribus salarium non petebat, sed quod gratis a deo acceperat gratis dabat,
ordinaverunt ipso magistro penitus ignorante, quod sibi a communitate annis
singulis copioium subsidium preberetur, ut predicta civitas tarn gratioso ma*
gistro minime privaretur. Hs. aus der 1. HUfte des 14. Jhs. der UnlTersitäts-
3. Bologna. Die Scbolarenverbindungen und die Lehranstalt. 199
lariuin petere. Zahlten nun zwar die Scholaren das Lehrgeld
ex justitiae debito, so hieng dies andererseits doch wider vom
Willen derselben ab. Dies wird nicht bloss von Odofred bestätigt,
dem zufolge die Doctoren zwei Scholaren wählten, ^ut scrutentur
Yoluntates scolarium', durch welche zwei sie dann den Gontract
abschlössen'^''), sondern auch durch ein bisher niclft bekanntes
Document, das uns auch sonst noch manche wünschenswerthe
Au&chlüsse gibt: es ist ein, wenngleich vielleicht nicht ausge-
fertigtes, päpstliches Schreiben, das vor den zwei letzten De-
cennien des 13. Jhs. geschrieben wurde.
Der Papst macht den Rectoren und Scholaren ^Bononie in
scientia legali studentibus' Vorwürfe, dass sie aus Missgunst gegen
die Legisten denselben das gebührende Salarium verweigert
hätten, in Folge dessen dieselben gezwungen wären die Stadt zu
verlassen. Er ermahnt sie die den Rechtslehrem feindlichen Statuten
zurückzuziehen, jene wider in ihre alten Ehren und den frühem
Stand aufzunehmen, und ihnen das Salarium zukommen zu lassen^'*).
bibliothek sa Barcelona. Das Factum fftUt sicher vor 1219. Ich berufe
mich auf dasselbe trotz Schuhes Bemerkung a. a. 0., wo der Autor noch in-
dem das Salarium der Scholaren mit einer öffentlichen AnsteUung verwech-
selt. — Die GoUegiengelder waren schon zur Zeit des Bulgartis im Branche,
wie Savigny III, 255 Anm. e. ans Odofred anfahrt. Aach Roff^ed, Libelli
jor. civ., de off. jnd. quo petunt salaria rectores liberal, artium weiss da-
von. Nachdem er die Ansicht ausgesprochen, die Philosophi und legum
doctores soUten eigentlich nicht salaria petere, sagt er: Set videtur, quod legum
doctoribtts salaria promissa peti possnnt . . . hodie tarnen ita usus est, ut sa-
laria promissa a scolaribus doctores exigant et libros scolarinm pro coUectis
capinnt, ut tutius Bit eis pignori incumbere, quam in personam agere. Cod.
Borghes. 135.
^) In Dig. noT. 1. 79 de verb. obL Vgl. Savigny III, 254 Anm. c.
536) Ecce enim cum dilecti filii . . cives Bononienses legum doctores
com ob devotionem ad nos ab eis habitam, qne sumpsit exordinm ex fami-
liaritafte contracta nobiscum diu anteqnam conscenderemus speculum aposto-
licl cuhninis . . . pro salutari consilio super quibusdam casibus eorom gra-
vantibus conscientiam consequendo ad apost. sedem accesserint: vos prepo-
nentes rationis indicium et sequentes vestramm arbitrinm voluntatom de sub-
trahendis salariis debitis doetoribus memoratis et de quibnsdam aliis articulis
nonnnUa statuta doetoribus ipüs et eorum honori contraria, quamquam snb-
sütutos sibi dimiserint prout asseritur, motu proprio edidistis . . . Nonne
redundat in aupradicti studii dampnum maximnm et tocius civitatis Bonon.
200 n. Entstehong der ältesten Uniyersitaten.
So konnte man nur sprechen, wenn zwischen den Professoren
und Scholaren ein Contract bestand, bei dem die letztern die
eigentlichen Herren spielten und von denen die Berufung zum
Lehramte, wenigstens in Bezug auf die fremden Professoren,
ausgieng. Es war nur Consequenz, wenn die Scholaren schliesslich
auch bestimmten, was vorgelesen werden sollte, ein Umstand,
der sich aus der Art und Weise, wie solche Verträge oft ab-
geschlossen wurden, von selbst ergibt
Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich, wie nach und nach
die Administration der Studienangelegenheiten in die Hände der
Scholaren gelangen musste^'^), und man begreift, wenn die Pro-
fessoren rücksichtlich dieser äussern Studienangelegenheiten dem
Rector der Scholaren, die demselben durch die Wahl die Juris-
diction übertrugen, ebenso wie die Scholaren sich zum Gehorsam
verpflichten mussten. Ohne Zweifel bildete sich dieser Zustand
anfänglich in Bezug auf die fremden und nicht die einheimischen
Rechtslehrer.
So steht es mit einem Hauptpunkte in der Organisation
zu Bologna, der bisher, wie es scheint, jeder Erklärung spot-
tete*"*), was um so weniger Wunder nehmen darf, als man
vestrique statas detrimentum quantalibet doctornm ipsonun translatio sen
qualiscunque absentia tarn illustrium personarum? . . . UniYersitatem vestram
rogandam duximns et adhortandam, . . . qnatenns considerantes provide quod
salaria doctoribus Don censentur gratis tribui, sed ex iastitie debito exhiberi,
maxime cum ipsa Yelint iura ciyilia. . ., snpradicta et qnelibet alia statuta in doctornm
ipsorum preiudicium . . . penitus revocetis ac doctores ipsos ad honores et Status
pristinos liberaliter admittentes necnon solita benevolentiaetcoudigna reverentia
prosequentes eis provideatis de consuetis salariis et proyideri ab eornm au-
ditoribus libere permittatis. Das Schreiben beginnt: Bononieme studhan. In
der Sammlung des Marino de Ebolo. Archiv. Vat. ep. 2350 coUationiert mit 117 C
im Archiv zu S. Peter. Durch dieses Schreiben wird die Ansicht Savignys wider-
legt, als hätten die Besoldungen, das Salarium mit darunter verstanden,
keinen bedeutenden Einfluss auf das Bestehen der Bechtsschule gehabt
^7) Es ist reines Missverst&ndniss, wenn Luschin a. a. 0. S. 93 sagt,
'die Leitung der Korporationsangelegenheiten' sei endlich in die Hftnde
der Studierenden gekommen. Ja waren denn diese jemals wo anders als in
den B&nden der Scholaren? Bildeten nicht diese die Gorporadonen? Es ist
ein Unterschied zwischen Studien - und Corporationsangelegenheiten.
^7a) In einem andern Zusammenhange wird dieser Punkt unten im
vierten Hauptabschnitt nochmals zur Sprache kommen.
3. Bologna. Die ScholarenTerbioduogen und die Lehranstalt. 201
bereits im 14. Jh. das Abhängigkeitsyerhältniss der Professoren
von dem Rector nicht mehr verstand und nur auf die hergebrachte
Gewohnheit zurückführte"^). Allerdings konnte man sich damals
die Thatsache deshalb so schwer erklären, weil die Verhältnisse
sich seit der 1. Hälfte des 13. Jhs. anders gestaltet hatten, sei
es durch die DoctorencoUegien, sei es durch den Umstand, dass
die Studienstädte überall einen bedeutenden Einfluss auf die
Administration der Studienangelegenheiten mittels der von ihr
gewährleisteten Besoldung gewannen. Aber nur derjenige wird
Bolognas Verhältnisse sonderbar finden, der, wie bisher die
Meisten, nur die fertigen Zustände ins Auge fasst und sich gegen
die allmählige Entwicklung derselben verschliesst. Weder in Bo-
logna noch in Paris wurde die Organisation mit einem Male ins
Leben gerufen, sie gestaltete sich nach und nach.
Nun erst verstehen wir die oben citierten Worte Honorius in.
Sie beweisen nur zu sehr, dass bereits zu seiner Zeit die Ad-
ministration der Studienangelegenheiten in den Händen der Scho-
laren lag, gleichwie sich auch zugleich aus denselben ergibt,
dass sich schon damals die Professoren den Rectoren verpflichtet
hatten"'). Gewiss, Bologna verdankte zum grossen Theil seinen
Ruhm den Scholaren.
Aber steht dieses Resultat nicht mit der Thatsache im
Widerspruche, dass der Ruhm der Schule zu Bologna sich an
die Erneuerung der Rechtswissenschaft geknüpft hat?'^^^) Die
Beantwortung dieser Frage führt uns zur Auseinandersetzung eines
andern wichtigen Punktes, nämlich zur Erörterung der Stellung
der Lehranstalt zu den Scholarenverbindungen.
Es ist durchaus irrig anzunehmen, dass in Bologna der
Rector der Scholaren auch Rector studii gewesen sei, und die
Professoren vollends in die Abhängigkeit der Scholaren geraten
^ So fragt fialdas: numqoid doctores sobsint universitati? Breviter
dicendnm est quod non, nisi ex praerogativa consnetudinis, vel juramento,
qnia juraTenint obedire rectori. Ad. Auth. Babüa n. 14. Aebnlich spricht
Peter de Ancharano in Decret. I. De Gonsuet. p. 118. Er nennt die For-
derung des Gehorsams Ton den Professoren eine antiquata ezactio.
»9) S. oben 8. 169 Ann. 421.
^) 8. oben 8. 46 f.
202 Enstehang der ältesleft UniTenit&ten.
.seien. Der Hauptvertreter dieser Ansieht ist Huber'*^), der
überdies hinzusetzt, die nationeile Organisation habe das un-
bedingte Uebergewicht über die wissenschaftliche behauptet. Diese
Ansicht beweist, dass man die Verhältnisse Bolognas auch
gar nicht kenne. Die Bectores studii waren in Bologna ebenso
wie in Paris die Professoren und nicht die Bectores scholariunt
Der Ausdruck Rector studii wurde allerdings in Italien später
üblich; allein soweit ich die Docnmente kenne, ist er auf
den liector der Scholaren bezogen nicht italienischen sondern
eher »panischen Ursprungs. Wenigstens gebraucht ihn Alfonso
el Sabio zuerst in diesem Sinne in seinen Siete Partidas '^'). In
Bezug auf Bologna existiert bisher für das 13. Jh. nicht ein Do-
cumenta und es kann kaum existieren, da die Entwicklung nir-
gends so consequent vor sich gieng wie in Bologna, und die An-
wendung des Ausdrucks Bector studii auf den Bector der Scholaren-
corporationen dem Geiste jener Entwicklung widersprochen hätte.
Spätere Gewohnheiten stossen diese Thatsache nicht um. Es ist
kein Widerspruch, sondern ein im Wesen der Verhältnisse be-
gründetes Factum, wenn seit dem Ende des 12. Jhs., also zu
einer Zeit, wo die Scholarenverbindungen im ausgesprochenen
Besitze der Bectoren mit Jurisdiction waren, nur auf die Pro-
fessoren, nie auf die Bectores scholarium die Phrase angewendet
wurde: ^regere Studium Bononie\ oder ^regere scholas legum'.
In den städtischen Statuten wird das Wort ^regere' in Bezug
auf das Studium in derselben Weise angewendet, wie in den
Phrasen ^regere civitatem', ^regere terram medicine' etc.^**). Das
Ml) Die engUHchen Universitäten I, 31 f.
M9) Las siete Partidas II, tit. 31 ley 6.
M8) In den städtischen Statuten vom J. 1250, 1259 nnd 12SS erscheint
der Ausdruck 'regere' in Besug auf das Stadium noch ebenso, wie 2. B. I1S9
in der Eidesformel des Lothar, oder 1317 in dem allgemeinen Statute Ober
die Eidesleistung der Professoren. Regere in jare eanonico oder dvili, regere
studiom legam etc. war ja überhaupt der ganz gewöhnliche Ausdruck, der
keines Beleges bedarf. Etwas fraher, als die erste Eidesformel den Pro-
fessoren Yorgeschrieben wurde, sagt Pilius in Besag auf seinen Weggang tob
Bologna: Idonea igitur securitate deinde promissis acoepta, omni pactione
nunc et in posterum regendis scolis cessante, com ea receaa ete. Suauna
irlum librorum im Cod. Vat 2313 Bl. 360b. Jordan von Sachsen, der mit
3. Bologna. Die Scholarenverbindnngen und die Lehranstalt. 203
meinte ich, wenn ich oben bemerkte "*), der Ausdruck Rector schola-
rium stehe in keiner Beziehung zum Begriffe Rector oder Magister
scholarum. Die erste Bezeichnung bezog sich auf das Haupt der
Corporation, die letztere wie in Paris auf jenes der Schule"*).
Und nachdem der Papst dem Archidiacon das Amt übertragen
hatte, die zu Promovierenden zu prüfen, da sah man wohl auch
in ihm das Haupt oder den Rector des Studiums *^^), wenngleich
die Professoren deshalb ebensowenig aufhörten Regentes zu sein,
wie jene zu Paris wegen des dortigen Kanzlers. Sowohl
der nächste Zweck des damaligen Studiums, die Promotion und
Doctorierung der fähigen Scholaren, als auch die Vorbedingung
zu derselben, nämlich das Examen, schloss jegliche Einmischung
sei es der Universitas scholarium, sei es der Rectoren, aus. Noch
Baldus würde im 14. Jh. eine solche Einmischung als 'mittere
faicem in messem alienam' betrachtet haben, und er sagt aufs
bestimmteste vom Rector: non potest doctoribus claudere viam
pnblicam nee disponere de jure superioris^O* I)o<^h findet
er es convenient, dass der zu Promovierende dem Rector prä-
sentiert werde. Zudem konnten sich weder die Scholaren noch
der Rector selbst dem Examen entziehen, das vor 1219 die
Magistri"^), nachher vorzüglich die Archidiacone mit den Ma-
den Einrichtnngen der italienischen Universit&ten wie nur irgend einer
Tertraut war, da er häufig vor den Scholaren derselben predigte und eine
Menge in seinen Orden aufnahm, nennt den von ihm in Padua c. 1231 aofge-
nommenen Archidiacon mag. Jacob zu Ravenna 'juris rector' (Lettres du
b. Jonrdain de Saze ed. Bayonne, Paris 1865 p. 134), obwohl er sehr gut
den Begriff rector scholarium kannte (s. ibid. p. 114).
»**) 8. 8. 147.
^ 8. oben 8. 108. besonders Anm. 227.
^ Bonifaz VUI. sagte im J. 1301: Cum in ciyitate Bon oniensi Studium
per dei gratiam Tigeat generale, cui Archidiaconi Bononienses« qui sunt pro
tempore, preesse noscantur ac in eodem studio consistentes, qui licentiantnr
in aliqua facultate supradictis etc. Sarti II, 168.
M7) Ad. Auth. EMta n. 16.
^ Da es im st&dtischen Statute vom J. 1217, worin die Eidesformel
f(ir die Professoren vorgeschrieben wird, heisst: 'quilibet . . . postquam exa-
minatus fuerit et approbatus est regat', der Archidiacon aber erst 1219 von
Honorius in. als Examinator aufgesteUt wurde (Sarti II, 59), so ist klar,
dass froher die Magistri allein examinierten.
o^
204 ^' Entstehung der ältesten Universitäten.
gistri vornahmen. Allerdings gestalteten sich später die Ver-
hältnisse insofern anders, als der Gandidat demRector drei Eide
schwören musste"'), was ich für unsere Periode nicht nachweisen
kann. Allein auch dann bezogen sich dieselben nicht so sehr auf das
Studium selbst, als vielmehr auf die äussern Studienverhältnisse.
Die Thatsache, dass die Professoren die Regenten des Sta-
diums waren, macht es begreiflich, warum sich in Bologna seit
ungefähr der 2. Hälfte des 13. Jhs. DoctorencoUegien constituieren
konnten. Ausserdem, dass sie einem Bedürfhisse ihren Ursprung
verdankten, bildeten sie zugleich einen Damm gegen die wachsende
Macht der Scholarenverbindungen, sie waren ein Schutz, dass
die Professoren nicht vollends unter die Botmässigkeit der Rec-
toren gelangten. Dadurch, dass sich die Doctores legentes zu
GoUegien vereinigten, entzogen sie sich soweit möglich der Juris-
diction der Rectores scholarium. So fragt Peter de Ancharano,
an universitas scholarium possit per statuta sua ligare doctores.
Er antwortet in Bezug auf die doctores legentes verneinend, quia
Corpora sunt distincta de consuetudine. Und er macht die Bemer-
kung : et adverte, quia doctores se subjiciunt sicut singuli et non ut
collegium doctorum"®). So kam es, dass z. B. in Turin, wo
ebenfalls eine Universitas scholarium im 15. Jh. existierte, daneben
aber sich ein Doctorencollegium gebildet hatte, letzteres sich dagegen
verwahrte als seien die Doctoren in aliquo jurisdictioni rectoris
unterworfen, und es wurde bestimmt, quod nuUus doctor juret ser-
vare statuta universitatis et obedire rectori, nisi si jurare vult
juret et salvis statutis GoUegii*").
Die Schule und die Innern Studienangelegenheiten zu Bologna
leiteten also die Professoren, nicht aber der Rector oder die
Scholaren. Diese hatten natürlich die Gorporations- und äussern
Studienangelegenheiten unter sich. Die Rectoren zu Bologna
waren nicht rectores studii, sondern rectores scholarium oder
universitatum scholarium, unter deren Botmässigkeit die Pro-
M9) Statuta et pri?il. univ. Jurist. Bonon. p. 40 f. Vgl auch Sarigny
217, der jedoch auf die Entwicklung nicht achtete.
&50) In Decret. De consuet. p. 118.
^^) Stat ven. sacrique coUegii Jnrisconsult. Aug. Taurin. Tanr.
1614 p. 21 ff.
3. Bologna. Die StadienTerh<nisse der Hochschule. 205
fessoren als die eigentlichen rectores studii keineswegs vol-
lends standen, im Gegentheile reduplicative als Professoren,
um mich hier eines scholastischen Ausdrucks zu bedienen, ausser-
halb derselben sich befanden.
Inwieweit die übrigen nach dem Muster von Bologna ge-
bildeten Universitäten hierin von der Mutteranstalt abwichen, kann
uns erst im zweiten Bande beschäftigen, wo überhaupt von der
Verfassung der Universitäten die Bede sein und die Verfassung
der Universität Bologna im 13. Jh. in allen ihren Theilen zur Dar-
stellung kommen wird, was nicht früher möglich ist, als
der erste der Registerbände der deutschen Nation zu Bologna
publiciert sein wird. Im 2. Bande lässt sich auch erst ein voller
Vergleich zwischen den Scholarenverbindungen Bolognas und
ihrer Verfassung und den Nationen in Paris anstellen, der,
nebenbei gesagt, zu Gunsten der erstem ausfällt.
Hier müssen wir nunmehr dasjenige nachtragen, was auf
die Schule zu Bologna als solche Bezug hat.
g. Karzer TJeberblick über die Studien- Verhältnisse der Hochschule.
Die Hochschule zu Bologna entwickelte sich allerdings vor-
zugsweise, ja ursprünglich nur als Rechtsschule. Allein
nach und nach wurden an derselben auch andere Fächer gelehrt,
ohne dass jedoch anfänglich die Vertreter derselben zur Univer-
sitas scholarium gehört oder eine Universität für sich gebildet
hätten. Am frühesten finden wir dort Lehrer der Medicin und
der artes liberales. Professoren der Medicin kommen seit dem
13. Jh. vor. Die ersten sichern Nachrichten stammen aus den
Jahren 1213 und 1222*"). Nach den Statuten von Bologna vom
J. 1250 waren nicht bloss die Domini legum frei vom Heeres-
dienste, sondern auch die ^magistri gramatice, dialetice et fisice
qui regant vel regent'*"). Einen Ruhm erwarb Thadaeus
Alderottus, dem die Stadt Bologna in den Statuten besondere
Privilegien bewilligte"*). Unter ihm machte jener Wilhelm von
^^*) S. Sarti I, 438. Dagegen , dass bereits 1156 ein collegium medi-
corum in Bologna bestanden habe, spricht er sich mit Recht aus.
&^) Statuti di Bologna ed. Frati, I, 497. In späteren Statuten wird
noch beigefOgt: notarie et dictatorie (dietaminis) facaltatis.
»*) Sarti, II, 227.
206 II* Entstehung der ältesten Unirersitftteo.
Brescia das Doctorat, den Engelbert von Admont vorher in der
Philosophie zu Padua gehört hatte "'^). Von dieser Zeit, d. i.
von circa 1280 ab, wuchs die medicinische Schule immer mehr,
und wir werden sehen, dass sie nach der Mitte des 14. Jhs.
bedeutender war als die philosophische'").
Professoren der artes liberales und der Notariatskunst
finden sich in Bologna ebenfalls seit dem Beginne des 13. Jhs.,
in Bezug auf die erstem vereinzelt schon früher"'). Doch kamen
die artes liberales bis in das 14. Jh. nicht sehr zur Blüthe, und sie
blieben im Rückstande hinter der medicinischen Disciplin. Als sich
in Bologna neben den zwei juristischen Scholarenverbindungen im
Anfange des 14. Jhs. eine andere, neue gebildet hatte, da waren es
zwar die Mediciner und Artisten mitsammen, vorzüglich aber die
erstem, welche dieselbe veranlassten "•).
Was die Theologie anbelangt, so wurde sie hin und wider
bereits im 12. Jh."'), seit der ersten Hälfte des 13. Jhs. in den
Klöstem vorgetragen, ohne dass man jedoch in denselben, weil sie
der Hochschule nicht incorporiert waren, promoviert hätte. An
dem Generalstudium der Dominicaner nahmen auch Auswärtige
Theil; Engelbert von Admont berichtet selbst, dass er dort
Theologie studiert habe*"). Als der Hochschule die Theologie
^^^) Epist. ad Ulricnm scholasticom, bei Pez, Thes. anecd. nov. I, 1 p.
429. Er sagt: 'conventam soscepit in medicinis Bononiae sab mag. Tatheo,
medico praecipao'.
^^) Bei Sarti, I, 489—484 findet man Nachrichten über einselne Pro-
fessoren der Medicin zn Bologna im 13. Jh. Aoszuscheiden ist p. 447 Roland
Ton Cremona. Sarti beruft sich auf die Vitas Fratrum, worin stehe (part.
1 c. 5 n. 1): cujus fama celebris ... in phisicis habebatur. AUein die Lesart
der Hss. variiert. Dass 'philosophicis' zu lesen sei , ergibt sich auch ans
Stephan de Salanhaco, der sagt: 'in seculo magnus philosophus'. S. Belege
bei Molinier, De fr. Gnill. Pelisso, Paris 1880, p. 8 Anm. 4.
^^^) S. Sarti, I, 485. 503. S. dazu Anm. 553. Magistri puerorom
werden auch in den Statuten Yom J. 1250 erwfthnt Ed. Frati, II, 102.
^^) Ghirardacci, Della historia di Bologna I, 329, aas dem Jahre 1295,
wo ihnen das Unterfangen von den Juristen verwehrt wird; p. 451, 554, 589,
wo bereits eine nniversitas phisiconim erwfthnt wird. Savigny III, 179 hat
das Ganze verwirrt dargestellt
^^) Nach Hngnccio war Rolandus, der nachmalige Papst Alexander III.^
residens in cathedra magistrali in divina pagina. S. Schalte II, 115 Anm. 8.
^) Bei Pez 1. c.
3. Bologna. Die Studienverh<nisse der Hochschule. 207
erlaubt wurde, erhielten die Klöster der vier Bettelorden formlich
das Oeffentlichkeitsrecht; die Mitglieder derselben waren es,
welche die Theologie lasen. Bisher war man darüber im
Zweifel, ob lunocenz VI. im Jahre 1360 oder 1362 ein Studium
generale in der Theologie gewährt habe. Für das erste Jahr
steht ein das Bull. Rom.'^"), für das Jahr 1362 sprechen das von
Ghirardacci publicierte Schreiben ^^') und die gedruckten Statuten,
denen dann Sarti, Savigny, Paulsen u. a. folgten. Die Frage
wird nunmehr durch die Vaticanischen Regesten entschieden.
Dort trägt die betreffende Bulle Innocenz VI. das Datum
2. kal. Jul. an. 8., das ist, 30. Juni 1360"»).
Dieses Schreiben wurde das Formular für die Stiftbriefe der
theologischen Facultät zu Padua und Perugia. Der Papst rühmt
in der Einleitung die disciplina facultatis theologice als den
Lebensbaum im Paradiese und als eine glänzende Leuchte im Hause
des Herrn. In Bologna hätten das Jus can. und civile und die
artes liberales längst schon ihre Früchte hervorgebracht; auf die
Bitten der Stadt hin bestimme er nun, dass dort in Zukunft auch
ein ^Studium generale in eadem theologica facultate existat'.
Er gibt den Studierenden die Privilegien, welche sie an ähnlichen
Studienanstalten geniessen, will aber, dass (für den Anfang) solche
Professoren genommen würden, welche in Paris oder an andern
grossen Schulen promoviert hätten. Die Licentia docendi er-
theilt der Bischof, resp. der Vicesgerens, dem die Candidaten
präsentiert werden müssten. Diese sollen von Professoren der-
selben Facultät examiniert werden. Die Approbierten haben das
Recht, an allen Generalstudien in dieser Facultät ohne neue Appro-
bation zu lehren.
Die frühesten Fälle von Promotionen in der theologischen
Facultät scheinen in das erste Jahr Urbans V. zu fallen, der in
studio Bononiensi den Augustiner-Eremiten Jacobus Sanctus de
^^) Ball. Born. ed. Tanr. lY, 517. Es steht irrig XI. kal. Jnl. statt
n. kal. Jul. Man sieht wie die Yerwechsliing entstehen konnte.
MS) DeUa historU di Bologna II, 262.
^) Reg Yat. Avenionen. tom. 24 BI. 516.
208 II' Entstehung der ältesten IJniversit&ten.
Venetiis und den General der Serviten Nicolaus de Yenetiis
examinieren, eventuell promovieren liess***).
Betrachten wir die Hochschulen jener Zeit, in der die meisten
derselben, die uns in diesem Bande beschäftigen, bereits gegründet
waren, und vergleichen wir sie mit jener von Bologna, so
finden wir, dass Bologna damals noch alle in der Rechtswissen-
schaft überragte, in der Medicin aber nicht zu weit zurückstand.
Der Gardinallegat Anglicus hat uns eine Beschreibung des Zu-
Standes von Bologna im J. 1371 hinterlassen^*^). Er kommt
darin auch auf die Professoren zu sprechen, welche dort im
genannten Jahre gegen städtisches Salarium docierten. Das
Jus canonicum lehrten 6 Professoren, das Givilrecht aber nicht
weniger denn 12'*^). Man denke jedoch nicht, dass nicht mehr
664) Reg. Vat. Ind. an. 1. ep. 450 Bl. 111b; ep. 541 Bl. 174b.
6^6) Sie beginnt: In Christi nomine Amen. Anno natiyitatis eiusdem miUe-
simo trecentesimo septuagesimo primo, indictione nona, de mense Octobris,
pontificatus ss. in Christo patris et D. N. D Gregorii div. proT. pape nndecimi
an. primo. In presenti quatemo fit memoria de condictionibas et statu ci-
vitatis Bonon.,castrorum et fortiliciorum existentium in ipsa ciyitate ac castromm
fortilicioram, yillarum et terranim existentiam in comitatu et districtu de ciyi-
tate, et quoruncunque introituum ipsorum ciyitatis, comitatus, territorii et
districtus ac ezpensamm hodie occurentium et que solyuntur in civitate pre-
dicta. Archiv. Yat. Cast. S. Angelo, arm. 3 caps. 2 n. SS. Dem Card. Ang-
licns wurde 1. März 1368 das regimen civit. Bonon. von Urban Y. flbertra-
gen. Reg. Yat. Com. an. 6. Bl. 14.
^^) P. 7 werden die Doctores legentes in studio dicte civitatis Bonon.
erwähnt. In iure canonieo. D. Johannes de Lignano legit librum decretalium
ordinarie de mane cum salario in anno flor. cccc. D. Gaspar domini Johannis
Calderini legit librum decretalium ordinarie de mane cum sah in an. lib. c.
D. Jeronimus domini Federici olim domini Johannis Andree legit librum de-
creti ordinarie de mane cum sal. lib. gl. in an. D. Laurentius de Pinu legit
librum decretalium ordinarie cum sal. in an. lib. l. D. Hugucio deXienisde-
Yicencia, auditor domini card. legit librum YI. et Clement, cum sal. in an.
tam pro lectura quam pro audientia flor. ccc. D. Bartholomeus de Ma^
nathis legit librum YI. et Clem. cum sal. in an. lib. I. D. Petrus Ravati
legit lecturam decreti extraordinarie cum salar. in an. lib.c. /n iure dvili,
D. Ricardus de Saliceto legit librum cod. ordinarie de mane cum sal. in anno
flor. cccc. et pro addictione sibi facta per D. N. Papam flor. cc. D. Antbo-
nius de Presbiteris legit librum cod. ordinarie de mane cum sal. in anno lib.
<'. hon. D. Sanctus de Daynisiis (Santo Dainesi) legit libr. cod. ord. de mane
3. Bologna. Die Stadienverhältnisse der Hochschale. 209
dort lasen, denn, wie bemerkt, kommen nur die Salariierten in
Betracht. Drei Magistri trugen die Medicin, ebenso viele die Prac-
tica medicine, und einer die Chirurgie vor. Ausserdem war die
Astrologie, Rhetorik und Notariatskunst mit je einem Professor ver-
treten, die Logik mit 2 Professoren'"). Die Theologen, weil
Ordensleute und deshalb in Bologna schwerlich von der Stadt
besoldet, werden leider nicht aufgezählt. Einige Jahre später,
nämlich 1388, finden wir, die Theologen nicht mitgerechnet, 70 Pro-
fessoren (darunter zwei Scholaren) angestellt, von denen 27 Legisten,
12Canonisten, HMediciner, 15 Artisten, Grammatiker und Magistri
der Notariatskunst waren. Die Stadt zahlte ein Salarium von
11417 Lire'").
Die Studierenden des Jus canonicum bedurften keiner anderen
Privilegien von Seite des Papstes, als jene, die für alle
übrigen gegeben wurden, wohl aber jene Geistlichen, welche
das Civilrecht und die Medicin hören wollten, da sie dies wegen
des bestehenden Verbotes nicht thun durften"'). Clemens V.
gewährte am 10. März 1310 auf 10 Jahre, dass die 'persone
ecclesiastice, quibus audire leges vel physicam prohibent canonice
cum sal. in an. Üb. 6. D. Bartholomeas de Boninchamnis legit l. cod. ordi-
narie de mane cum sal. in an. lib. c. D. Thomas de AngeleUo 1. lib. cod. or-
dinarie He mane c. s. i. a. lib. c. D. Gregorius de A^ognidis 1. lib. inforciati
c. s. 1. a. lib. c. D. Franciscus de Ramponibus 1. librum inforciati c. s. i. a.
lib. c. D. Nicolaus de Zapolino 1 lib. infortiati c. s. i. a. lib. c. D. Bene de
Florentia, D. Johannes de Yalentia legerant lib. voluminis c. s. i. a. inter
ambos lib. c. D. Johannes de Bonsignoribus 1. lib. Tolnminis c. s. i. a. lib. c.
D. Baldasar domini Johannis Calderini 1. extraordinarie (lib.) cod c. s. i. a. lib. c.
M*^ Ibid. Sie werden unter dem gemeinschaftlichen Titel: In medici-
na et artibns, aufgezählt. Der Mediciner Johannes de Mediolano legit me-
dicinam in nonis et philosophiam in vesperis. Das Salar für diese betrag
50 Gulden oder Lire. Der Astrologe war Martinus de Alamannia.
ftdSj Archivio notarile zu Bologna. Provisiones in Gapreto A. Scara-
beUi p. 70.
^^) Seit 1131(Concil von Reims) fieng man an das Studium des Civil-
rechts und der Medicin den Mönchen zu yerbieten (Mansi, Coli, concil. XXI,
459). Alexander III. that dies auf dem Concil von Tours, und seine Yer-
ordnong kam in die Decretalen (c. 3 Ne clerici, 3. 50); Hororius III. dehnte
endlich das Verbot 1219 in dem berühmten Schreiben Super tpecula auf alle
Priester aus (c. 10 Ne clerici 3. 50).
D«Difl0, nie ÜDirersititen I. 14
210 1^- EntsU'liaDg der ältesten UDiversitäten.
sanctiones, electis in episcopis confirmatis ac religiosis personis
et aliis in sacerdotio constitutis dumtaxat exceptis, huiusmodi
leges ac physica audire et illis libere studere in civitate nostra
(Bonon.) valeant; jedoch nicht über 7 Jahre lang dürften die
Einzelnen ihre Beneficien fort beziehen"**). Der Grund, den der
Papst hierfür vorbringt, war, dass das Studium in jener Zeit ^multe
diminutionis susceperit detrimenta' und er durch sein Privileg
beitragen wolle, dass es 'statum resumat pulchritudinis primitive'.
Es bildete sich nunmehr eine Gewohnheit. Johann XXII.
bewilligte am 19. Jänner 1317 auf Bitten der Stadt für weitere
10 Jahre vom Ablauf des durch Clemens gewährten Decenniums,
also von 1320 an, dasselbe Privileg*"'). Er erneuerte es am
22. November 1330 wider auf 10 Jahre*"). Im J. 1343-1344
wandten sich die Rectores univ/ersitatis et ipsa universitas sco-
larium studii Bononien. an Clemens YI. mit der Bitte um Er-
neuerung des Privilegs auf unbestimmte Zeit (sine temporis
prefinitione). Sie verlangten zu viel, und erhielten nichts. Nur
der Fruchtgenuss wurde am 21. Jänner 1344 auf 5 Jahre
mit der Bemerkung gewährt: etiam universitati Parisius in theo-
logia studentibus noluimus concedere que petuntur*^'). Erst
Innocenz VI. erneuerte am 30. Juni 1360 wider das frühere
Privileg auf ein Decennium*^^), nachdem die ambaxiatores Bonon.
^pro honore et augmento dicte civitatis et studii generalis' darum
gebeten hatten*'*).
Auf alle Studierenden bezog sich das Privileg, die Beneficien
auch ferne von der Kirche am Studium zu Bologna geniessen zu
können. Kaum eine andere Universität hat hiefür so viele
päpstliche Bullen aufzuweisen als Bologna. Von Clehiens V. bis
ans Ende des 14. Jhs. findet sich kaum ein Papst, der das
Seinige nicht dazu beigetragen hätte *'^).
*70) Reg. Vat. an. 5. ep. 170.
"1) Reg. Vat. Comm. an. 1 p. 2 ep. 1798.
* 573) Beg. Vat Comm. an 15 p. 3 ep. 1950.
673) Reg. Supplic. an. 2 p. 1. Bi. 144 (im 2. Theil).
674) Reg. Vat. Ayenion. tom. 24 Bl. 517.
67&) Reg. Suppl. Innoc. VI. an 58 Bl. 139. Hier ist das Datam 5. kl. Jiü.
^76) Reg. Vat. Clem. an. 5 ep. 169. Bl. 45 a; Joh. XXII. Comm. an. 1. p.
2. ep. 1799; an. 6 ep. 1064 Bl 368; an. 15 p 4 ep. 257. 258. Clem. VI.
3. Bologna. Die Studien Verhältnisse der Hochschale. 211
Schwerer wiegend war der Schutz, den die Päpste in anderer
Weise dem Studium zu Bologna angedeihen liessen, selbst als sie
in Avignon residierten. Am 10. März 1310 gewährt Clemens V,.
was einst Nicolaus IV. am 18. August 1291 formell ausgesprochen
hatte "^), dass die in Bologna 'in jure canonico et civili' Gra-
duierten 'ubique legere valeant et docere'^^'). Unter demselben
Datum bewilligt er, dass die Universität 'per nuUum apost. sedis
legatum etiam de ipsius sedis latere missum nee alias nisi per
summum Pontificem vel de ipsius speciali mandato de dicta civitate
Bonon. amoveri valeat vel etiam interdici'"'). Den Bischöfen
von Ravenna, Ferrara und Parma trägt er aber auf die 'acce-
dentes ad Studium predictum' zu beschützen ®®°). Mit nicht ge-
ringerem Eifer begünstigte Johann XXII. die Schule zu Bologna.
Am 23. November 1321 nimmt er die Universität auf deren
Klagen hin in Schutz und gebietet dem Bischöfe die Buhe-
störer mit kirchlichen Strafen zu belangen^"), den Erzbischöfen
und Bischöfen Italiens befiehlt er aber am letzten Jänner des
nächsten Jahres, gegen jene Städte, Obrigkeiten und Bürger
Italiens Stellung zu nehmen, die 'directe et indirecte impedire
dicuntur, ne ad predictum Studium (scolares) valeant declinare
contra apostolica et imperialia privilegia a longis retro tempori-
bus concessa studio mcmorato' "'), Es war dies gerade nach jener
Zeit, in der sich die Universität theilweisc aufgelöst und andere
Wohnsitze aufgesucht hatte. Die Schuld trug der Podestä. Klar
genug erhellt dies auch aus der Klage der Commune und
der Universität, 'quod nonnuUi potestates et capitanei dicte
civitatis per tempora presidentes privilegia universitati magi-
<
Reg. Suppl. an. 2 p. 1 BI. 144. Innocent. VI. Comm. an. 7 BI. 231a. Ur-
bani Y. Comm. an. 2 BI. 164. u. s. w.
^'^^) Sarti 11, 59. Diese Balle beweist jedoch ebenso wenig dafür, dass
die Doctoren von Bologna erst jetzt die licentia ubique docendi erhalten
hätten, als die fast gleichlautende desselben Papstes für die Doctoren von
Paris vom 23. M&rz 1292. Reg. Yat. an. 5 ep. 30 BI. 193b.
578) Reg. Vat. an. 5 ep. 159.
579) Ibid. ep. 158.
580) Ibid. ep. 156.
581) Reg. Vat. Comm. an. 6 ep. 438.
582) Ibid. ep. 439.
14*
212 II- Entstehang der Ältesten üoiTersititen.
fttrorum et scolarium in civitate ipsa degentium ab apostolica
sede concessa, per qne prelibatum re^tar Studium, non obser-
vant, sed rigores in suis regiminibus insequentes privilegia
ipsa frequenter infringunt, propter quod prefato studio sepius
perturbato magistri et scolares predicti presidium aliud non
habentes cessant a studio prelibato in detrimentum ipsorum et
gravem dictorum communis displicentiam et tedium animorum'^^').
Der Papst setzte nun den Bischof von Bologna, eventuell dessen
Metropoliten, den Erzbischof von Ravenna, als Conservator und
Schutzherm der Universität ein*").
Als der Podestä mehrere Jahre später das juramentum ^de
observandis statutis eiusdem studii factis et faciendis' nicht leisten
wollte, wandten sich der Rector und die Scholaren an Benedict XII.,
der am 9. Februar 1341 dem Podestä befahl, den Eid abzulegen*").
An Urban V. sandte die 'universitas Bononie' im ersten Jahre
seines Pontificates einen Rotulus*^^).
Die Collegien nahmen in Bologna scheinbar ziemlich früh
ihren Anfang. Und doch muss man bis in das 14. Jh. hinab-
gehen, um endlich ein Gollegium im vollen Sinne des Wortes
zu entdecken. Dadurch rechtfertigt sich die grössere Ausführ-
lichkeit meiner Darstellung.
In Bologna begegnen die Collegien lange Zeit hindurch gleich-
sam als Institute für auswärtige Nationen oder wenigstens Nicht-
Bolognesen. Dies lag für dort ganz und gar in der Natur der
Sache. Mit der Sorbonne in Paris kamen sie bloss darin überein,
dass sie, hier wie dort, nur für arme Studierende gestiftet wurden.
Der wesentliche Unterschied besteht aber darin, dass die Bologne-
sischen Collegien anfanglich nicht organisiert waren.
In der ersten Phase finden wir noch nicht, dass die Dotierten
in einem eigenen Hause beisammen gewohnt hätten; es wurde
^ Johann XXII. fahrt diese Expositio im Schreiben vom 11. Juli
1326 an. Reg. Yat. Com. an. 10 p. 2 ep. 2705.
^ Wir werden weiter unten Gelegenheit haben, auf dieses wichtige
Schreiben zarückzakommen.
w&) Reg. Tat. Secret. an. 7. ep. 13 Bl. 8 b.
^ Reg. Suppl an. 1. p. 4. Bl. 61. Andere Suppliken, theils der
Commune, theils der Universität, sind enthalten in Reg. Suppl. Innoc. VI. an.
7 Bl. 120; an. 8 Bl. 139.
3. Bologna. Die StadienYerh<nisse der Hochschule. 213
nur eine bestimmte Summe zum Unterhalte einer Anzahl von
Scholaren irgend einer Nation ausgeworfen. Auf diesen Gedanken
kam Zoen, ein Bolognese, der einst Archipresbyter in Bologna,
und darauf Bischof in Avignon war. Mittels Testamentes vom
12. Februar 1 257 "^), d. i. also gerade in demselben Jahre und dem-
selben Monat, in dem König Ludwig IX. dem Robert von Sorbonne
in Paris das Haus abtrat, welches den Anfang für das Gollegium
Sorbonnicum bildete^"), bestimmte er, der jedesmalige Bischof von
Avignon solle aus seinen Liegenschaften bei Bologna 8 Scholaren
der Provinz Avignon, darunter drei Canoniker der Kirche selbst,
am Studium in Bologna unterhalten, eventuell Scholaren aus der
Provinz Arles. Jeder aus ihnen müsse 24 Bologn. Lire jähr-
lich 5 Jahre hindurch erhalten; nach Abgang eines derselben
soll ein anderer an dessen Stelle gewählt werden. Hört das
Studium in Bologna auf, oder ist man nachlässig in Ausführung
seines Willens, so dass sie auf ein anderes Generalstudium
anstatt nach Bologna geschickt würden, so sollen die Liegen-
schaften verkauft werden, wozu er die Dominicaner und Francis-
caner in Avignon als Commissäre ernannte. Das Testament des
Biscbofes wurde bis 1 306 ausgeführt. Im genannten Jahr wurde
die Stadt vom Gardinallegaten Napoleon Orsini mit Interdikt
belegt und des Studiums beraubt '^^^), und der Guardian der
Franciscaner und der Prior der Dominicaner Hessen die Liegen-
schaften durch Paulus Teucarari verkaufen, der die Summe bei
den genannten Ordensobern hinterlegte, die dieselbe später bei
Kaufleuten deponierten"^). Johann XXII. Hess auf die Klagen
^7) Das Testament ist im Arch. Vat Instr. misc. an. 1257 n. 14. Nach
einer Abschrift ediert yon Sarti II, 118.
^^) Das Ton mir aufgefundene seit einem Jahrhundert verloren ge-
glaubte Original, den eigentlichen Gründungsact der Sorbonne, habe ich ediert
in den M^moires de la societ^ de Paris X, 252. Das bisher zumeist ange-
gebene Datum 1250 ist irrig. Der Act wurde mense Febmarii 1256 (1257)
erlassen. S. p. 244. Das so genaue Zusammentreffen des Datums der Sor-
bonne, des ersten weltlichen Uniyersit&tscollegs in Paris, mit dem der ersten
Stiftung in Bologna ist gewiss höchst interessant und merkwürdig.
^9) s. Ghirardacci I, 488.
^) Ein Recurs hierüber bei Sarti II, 122 — an ganz falscher Stelle,
und p. 231 mit der Jahreszahl 1256 bezeichnet — und in den Actenstücken
214 I'* EntstehnDg der ältesten UniTersit&ten.
der Scholaren aus der Provence im J. 1318 eine Untersocbung
anstellen*'*), wies die Religiösen zurecht"*), und gab am 7. Sept
1322 den Bischöfen von Bologna und Ferrara den Auftrag dafär
zo sorgen, dass das Geld durch die Dominicaner und Francis-
caner den Käufern zurückerstattet werde, die hinwiederum die
Liegenschaften restituieren sollten, da er weder das Unrecht,
noch ^tanta dictorum pauperum scolarium detrimenta' ertragen
könne*'*). Aber erst 1330 kam dies zur Ausführung. Die Ein-
künfte wurden dann vergrössert, so dass sie für 30 Scholaren
genügten. Die Stipendiaten sollten nun auch in einem Hause bei-
sammen wohnen, und Johann XXII. trug seinem Legaten auf dahin
zu trachten, dass die Plätze auf 50 vermehrt würden*'*).
Das sogenannte CoUegio Bresciano wurde 1326 von
Wilhelm von Brescia, Archidiacon von Bologna, für arme aus-
wärtige Scholaren jeder beliebigen Nation gegründet. Man weiss
nur, dass es 1434 noch bestanden hat*'*).
Die Blüthezeit der Gollegien beginnt jedoch erst mit der
2. Hälfte des 14. Jhs. Circa 13G2— 1363 wurde vom Nachlasse
des Guido Ferrarini das Collegio Reggiano für arme Scholaren
aus Reggio gestiftet. Das CoUeg wird noch 1471 erwähnt*®*).
Von grosser Bedeutung war das spanische CoUeg, welches
der Cardinallegat Aegyd Albornoz mittels Testamentes vom 29. Sept.
1364 gründete. Der Bau desselben wurde im nächstfolgenden
Johannes XXII. S. die nächstfolgenden Anmerkungen. Unverständlich und
die Chronologie verwirrend Scarabelli, Costituzioni, discipline e riforme deir
antico studio Bolognese, p. 5G f.
&»i) Reg. Vat. Corara. an. 2 p. 1 Bl. 309 a.
6i«) Ibid. Bl. 309 b.
^^) Ibid. an. 7 p. 1 ep. 229. Wie der Papst in diesem Schreiben sagt
appellierten die Dominicaner und Franciscaner kurz vorher an ihn. Diese
Appellation wird auch in dem Berichte bei Sarti (s. Anm. 2) erwähnt. Der-
selbe ftllt also zwischen 1318 und 1322; in ihm wird aber die Sache etwas
anders dargestellt.
6W) 8. Scarabelli 1. c. p. 57.
696^ Sarti, im 2. Bande De claris Archigymnas. Bon. Professoribus (nur
in wenigen Exemplaren vorhanden, defect, 40 Seiten Text und 54 Seiten
Appendix umfassend) p. 25. Fantuzzi, Notizie degli scrittori Bolognesi
HI, 185.
b»6) Fantuzzi III, 184.
3. Bologna. Die Studien Verhältnisse der Hochschule. 215
Jahre begonnen. Es war für 24 Spanier mit 2 Kaplänen bestimmt'*^).
Papst Gregor XI., obwohl selbst mit der Stiftung eines CoUegs
beschäftigt, fährte am 21. September 1371 auf Bitten der Testa-
mentsexecutoren das Colleg der vom Stifter gewollten Bestimmung
zu, dass nur Spanier dort Aufnahme fänden '^^). Auf die Supplik
der rectores et scolares des CoUegs hin befahl er am 7. Jänner
1375 dem Bischof von Cuenca, die Statuten des Collegs zu refor-
mieren***). Wie wir weiter unten sehen werden, wurde dieses
Colleg in Siena und Alcalä als eines der Muster für die dortigen
CoUegien genommen. Dasselbe hat sich bis heute im alten Zu-
stande, wenngleich äusserst schwach besetzt, aus dem Mittelalter
erhalten: ein einziges Beispiel auf dem Continent!
Viel umfassender war der Plan Urbans V., und doch kann
dessen Stiftung kein eigentliches Colleg genannt werden. Das von
ihm bestimmte Haus sollte ^certum scolarium numerum de di-
versis partibus in Bononiensi studio' enthalten"®). Ersetzteam
13. August 1364 drei *gubernatores et rectores eorundem scola-
rium ac domus . . . necnon dispensatores et administratores pe-
eunie, victualium ac rerum et bonorum ipsis scolaribus deputan-
dorum' ein, deren hauptsächlichster Bernard Guidonis Prior
des Benedictinerklosters Marmanda war. Die Scholaren sollten
jedoch 'rectori studii Bononien. qui est pro tempore' unterworfen
sein'^0.
Es ist staunenswerth , welche Summen der Papst für
diese Stiftung verwendete. Am 15. September 1368 trug er Zono
Abadinghi, ^factori Albertorum antiquorum de Florentia et aliis
camere apost in civitate Bonon. depositariis presentibus et fu-
turis' auf, dem Provisor ^domus scolarium, quos in studio Bonon.
dudum expensis nostris ordiuavimus retineri', nämlich Bernard
Guidonis, jedes Jahr 'quatuor milia ducatorum auri' zu assignieren,
da eben zum Unterhalte der Scholaren ^magnis pecuniarum
6»^) Eine Copie des Testamentes im Arch. Vat. arm. 32 n. 21 Bl. 147.
S. ausserdem Almanacco stat arch. Bologn. an. 4. (Bologna 1833) p. 89. 96.
114. Ghirardacci 11, 288. Fantuzzi III, 185.
»»8) Reg. Vat. Ind. an. 1. Bl. 171b.
^99) Ibid. an. 5 Bl. 8 b.
«00) Reg. Vat. Urb. V. De Curia (n. 263) an. 2 Bl. 113.
601) Ibid.
216 II- EntstehuDg der ältesten Universitäten.
summis' nothwendig seien ^^'). Vom 16. Juni 1367 an bis zum
15. Juni 1368 hatten die drei Provisoren 'quinque milia novin-
gentos octo (5908) flor. auri, undecim solides et obolum monete
Bonon. , ac frumenti corbes centum quinquaginta tres, quartas
tres, et salis corbes decem' von verschiedenen Officialen und
Schuldnern der apostolischen Kammer erhalten, und davon '4366
flor. auri, et solides tres et denar. undecim et obolum monete
Bonon., ac totum dictum frumentum et quinque corbes dicte
salis' für die Scholaren bezahlt, denen sie ausserdem noch 1296
flor. auri und 27 Sold, zu Borg gegeben hatten. Dem Ca-
nonisten Johannes de Lignano schenkte der Papst die Einnahmen
aus einer Fähre im Gebiete von Ferrara am 20. Jänner 1370,
jedoch unter der Bedingung, sie in den ersten zwei Jahren 'sco-
laribus pauperibus quos in Bononiensi studio ad uostras (Papae)
expensas tenemus' zuzuwenden ^^^). Innerhalb des Zeitraumes vom
18. December 1364 bis 31. Dec. 1368 wurden unter andern in
libris et ornamentis capelle assignatis studentibus Bononie de man-
dato D. N. Pape flor. 543' gespendet**^*). Ausserdem trug dieser
23. April 1365 dem apostolischen Nuntius Wilhelm de Lordato auf,
alle Bücher juris canonici et civilis, die er bereits besitze oder
innerhalb dreier Jahre aus dem dem apostol. Stuhle reservierten
Nachlasse der Praelaten und Cleriker erhalte, nach Bologna für
das Haus 'pauperum scolarium' zu senden "°^).
Die Scholaren konnten in jeder licita facultas' promovieren,
und Urbau verbot am 31. Jänner 1370 den Doctoren und Ma-
gistri von Bologna strenge in Zukunft 'pecunias et res alias' von
ihnen wegen Ertheilung der Liceuz zu verlangen •*')•
^) Reg. Yat. Secret. an. 6 Bl 117 b. Siehe einen ähnlichen Auftrag
▼om 6. October ibid. Bl. 179b.
«») Ibid. Bl. 173 b.
«0«) Ibid. Indult, an. 8 ep. 160. Fantaxzi, Notisie degli scriUori
Bolognesi Y, 30. Anm. 6. Ein ähnliches Schreiben in Being auf einen andern
Fall findet sich Reg. Yat Secret. an. 6 Bl. 77a yom 16. Febr. 1368.
«0*) Arch. Yat. Instrum, misc. 1370 n. 4.
^ Archiy. Yat. Instrum. misc. 1365 n. 18.
^7) Reg. Yat Ind. an. 8. ep. 155. Ueber das CoUeg finden sich noch
Notiaen im Instrum. misc. n. 37. Tom J. 1365; Arm. 52. tom. 9 p. 145.
3. Bol{>gDa. Die Studi«'M Verhältnisse der flochschule. 217
Doch alles frühere überragte Gregors XL Stiftung. Urban V.
wies seinem Hause noch keine Einkünfte zu; von Jahr zu Jahr wurde
dem Provisor das Nöthige zur Verfügung gestellt. Auch waren
die Studenten nicht durch Statuten unter einander verbunden.
Das Ganze konnte also keinen Bestand haben und den Stifter nicht
lange überleben. Erst sein Nachfolger legte Hand an das Werk,
an Urbans Stiftung zugleich anknüpfend, und sie in grossartiger
Weise vollendend. Am 23. Februar 1371, also kaum V^ Monat
nach seiner Krönung, theilte er dem Cardinal Anglicus seinen
Plan mit, in Bologna 'quoddam perpetuum CoUegium scolarium
ordinäre et instituere' und demselben Einkünfte zuzuweisen. Er
möge von den Gütern der Rom. Kirche im Districte von Bologna,
der Romagna und der Marken ^pro necessitatibus et sustentatione
scolarium dicti collegii' jährlich für die Zukunft 1500 Ducaten an-
weisen lassen. Als Wohnung habe er 'quoddam hospitium here-
dum quondam Johannis de Pepolis in civitate Bonon. cousistens'
in Aussicht genommen. Zum Ankaufe möge der Cardinal 4000,
behufs nöthiger Reparaturen 500 Goldducaten dem Bernard
Guidonis und Johann de Senis geben ®°®). Dem Bischöfe von
Cesena, Lucius, trägt er auf, Bernard Guidonis zur Sustentation
der Scholaren für das mit 16. Juni beginnende nächste Jahr
4000 Goldgulden zu übermitteln*"^). Unter demselben Datum
setzt er Bernard Guidonis zum Gubernator und Rector der
Häuser ein; er betont ausdrücklich, dass seine Stiftung an jene
ürbans V. anknüpfe. Ihn und Johann de Senis bevollmächtigt
er, das genannte Haus mit allem Zugehör anzukaufen*^"). Am
18. December 1372 erliess er weitläufige Statuten*"), aus
denen ich für jetzt nur das eine entnehme, dass das Colleg für
30 Scholaren gegründet war, von denen die eine Hälfte Jus canon.,
die andere Jus civile studieren sollte. Zwanzig von ihnen müssten
aus den Diöcesen Limoges und Toul sein, die übrigen 10 aus Italien,
«08) Reg. Vat. Cam. an. 1 Bl. 8. Zwei Schreiben.
609) Ibid. Bl. 9.
610) Ibid. Bl. 9b, 10. Ghirardacci II, 302 f. Ebendaselbst ein anderes
pftpstliches Privileg.
«") Reg. Vat. Ind. an. 2 Bl. 239b. Ghirardacci II, 308.
218 IL Entstehung der ältesten UniTersit&ten.
jedoch nicht von Bologna**'). Das CoUegium hat in Zukunft
den Namen ^Gregorianum coUegium' zu führen. Auf dieses CoUeg,
gleichsam den Augapfel Gregors XL, beziehen sich viele päpst^
liehe Schreiben*"), von denen mehrere im 2. Bande besprochen
werden***).
^^'^) Scarabelli p. 58, meint, der Papst habe die Bolognesen ans Miss-
guoBt gegen Bologna ausgeschlossen. Aber nichts widerspricht mehr der
Wahrheit. In einem Schreiben vom 1. Jänner 1372 sagt Johann ausdrücklich:
cum Studium civitatis nostre Bononien. geramus in visceribus caritatis et
propierca Studium ipsum in studentibus ampliari et augmentari velimus et
iuibi quoddam collegium studentium in facultatibus iuris canonici et civilis
. . . duxerimus ordinandum etc. Reg. Tat. Secret. de Cur. an. 2 Bl. 190b.
Der Grund, warum die Bolognesen ausgeschlossen wurden, war die Intention
des Stifters, 'prefatum Collegium pro scolaribus pauperibus, qui parentum
opibuB vel sufficientibus proveutibus ecclesiasticis in studio sustentari non
possint, vel eis ad prosequenda studia facultates proprie non suppetunt, in-
stituere et dotare'. So in den Statuten, Reg. Yat. Ind. an. 2 Bl. 240 b. Es
ist doch klar, dass die Bolognesen, die unter den Augen ihrer Eltern
studierten, weniger bedürftig waren, als die Fremden. Scarabelli war immer
unffthig; allein die Hauptschnitzer machte er gerade in Folge seiner Gesin-
nung gogen das Papstthum.
^^^) So in Rog. Vat. Secret. de cur. an. 2. 61. 190- 194b; Secret. an.
2. Bl. 134. 136. Ind. an. 2. Bl. 238. an. 4. Bl. 18. 39. 95. an. 5. Bl. 53b.
^^*) Der Verkauf der Güter dieses Collegs durch den am Concil von
Constaui abgesetzten Johann XXIII. bildete einen der 70 (72) Elagepunkte
dos Concils von Constanz gegen ihn am 16. Mai 1415. S. H. v. d. Hardt,
Magnum concil. Const. IV (Fraucoforti 1699), 203 n. 45. Hefele, Concilien-
gescb. VII, 129. Doch hatte das CoUeg mit jenem Verkaufe, der ja rückgängig
gemacht wurde, nicht sein Ende. Es wird noch später erwähnt. S. Fan-
tuzzi l. c. p. 188.
III.
ENTSTEHUNG UND ENTWIOKELUNG DER ÜBRIGEN HOCH-
SCHULEN EUROPAS BIS 1400.
Es hat einen besonderen Reiz, dem Ursprünge jener Hoch-
schulen, welche die breite Grundlage für die Universitäten der
nächsten Jahrhunderte gebildet hatten, nachzuspüren. Das 13. und
14. Jh. bieten ein eigenthtimliches Schauspiel. Papst und Kaiser,
Städte und Landesherren wetteiferten in der Errrichtung von
Culturstätten, die zu den schönsten und grossartigsten Erscheinungen
des Mittelalters gehören. Wären alle Intentionen realisiert worden,
so würde Europa bis 1400 im Besitze von nicht weniger denn
55 Hochschulen, Paris und Bologna mitgerechnet, gewesen sein.
Allein, von neun existieren nur die Stiftbriefe, die eben nicht zur
Ausführung gekommen sind. Es bleiben jedoch immerhin 46 Hoch-
schulen übrig, von denen an der Wende des 14. Jhs. nachweisbar
noch 37 — 39 bestanden haben, eine erkleckliche Anzahl, von der
man bisher keine Ahnung hatte.
Die bisherigen Forschungen über die Hochschulen des Mittel-
alters, im besondern über den Ursprung und die Gründung der-
selben, liegen, wie ich bereits in der Einleitung hervorgehoben
habe, im Argen. Ich erhielt den Eindruck, als habe man gerade
den wichtigsten Theil der Culturgeschichte des Mittelalters mit
besonderer Nachlässigkeit und Oberflächlichkeit behandelt. Nur
wenige Hochschulen jener Epoche, die wir im Auge haben, be-
sitzen eine Beschreibung, die den Anforderungen der Wissenschaft
genügt, völlig unbrauchbar sind aber die allgemeinen Dar-
stellungen von Meiners und Grässe, äusserst lückenhaft und im
220 UI. EntwickeluDg der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Einzelnen häufig irrig jene von Savigny*). Dieser Forscher
hat aber richtig erkannt, dass man bei einer umfassenden Arbeit
Hochschule für Hochschule, weil durchstudieren, so auch be-
handeln müsse, während Meiners einem solchen Systeme den
Begriff einer Geschichte abspricht, gestützt auf das aufrichtige
Bekenntniss, dass von vielen Universitäten gar nichts oder doch
nicht so viel gedruckt sei, dass man daraus eine Geschichte der-
selben zu Stande bringen könnte^). Selbst zu forschen fiel ihm
nicht ein, und so liefert auch sein Werk alles andere, nur nicht
dasjenige, was der Titel verspricht.
Verschiedene Methoden bieten sich bei Behandlung dieses
Gegenstandes dar. Die Meisten würden dafür sein, ich sollte die
Universitäten nach den verschiedenen Ländern gruppieren. Aber
abgesehen davon, dass ich in diesen Fragen Bedenken trage mit
der Majorität zu gehen, so wird die Reihe der Universitäten
ohnehin ein Abschnitt beschliessen, in dem die Universitäten in
Beziehung zu den einzelnen Ländern und umgekehrt aufgefasst
werden. Dieses Verfahren setzt jedoch die Kenntniss der einzelnen
voraus. Eine andere Methode wäre, die Hochschulen chronologisch
darzustellen. Allein dafür genügt, später ein chronologisches Ver-
zeichniss anzufertigen. Viel mehr hätte die andere für sich,
die Universitäten genetisch zu behandeln, d. i. in wie ferne die
eine von der andern im Entstehen abhängig war. Allein so
schön dieser Gedanke ist, so lässt er sich in Bezug auf die
Entstehungsgeschichte nicht immer durchführen. Diese Methode
ist ganz am Platze in Betreff der Organisation der einzelnen
Universitäten, und ich werde sie auch deshalb im zweiten Bande
anwenden. Diejenige, welche ich hier wählte, bot sich mir von
selbst dar. Einmal wurde ich zu ihr durch Bekämpfung gewisser
Ansichten, auf die ich weiter unten zu sprechen komme, gedrängt.
Und dann musste ich, welche Methode ich auch wählen mochte,
einmal jene Generalstudien ausscheiden, die, obwohl ohne Stiftungs-
brief, trotzdem als wahre Generalstudien angesehen wurden.
Ferner mussten die ächten Hochschulen von jenen abgetrennt werden,
>) S. darober die Einleitung.
>) Geschichte der Entstehung und Entwickelung der hohen Schulen I,
8. IV.
1. Die flllschlich als Universitäten bezeichneten Schulen. 221
deren Stiftbriefe nicht zur Ausführung gekommen sind. Dadurch
war die Methode für die Behandlung auch der übrigen Hochschulen
Yorgezeichnet.
Was nun den Zeitraum anbelangt, den ich bei Behandlung
einer jeden Universität ins Auge fasse, so wird er durch den
Titel bestimmt. Ich gebe eine Geschichte der Gründungen, und
behandle jede einzelne Hochschule bis zu dem Zeitpunkte, in dem sie
consolidiert dastand; nicht selten werde ich deshalb die Schwelle
des 15. Jhs. überschreiten müssen. Die fernere Geschichte ist
auch meist so innig mit der Organisation verwebt, dass die eine
ohne die andere nicht wohl dargestellt werden kann, und sie
mithin in den zweiten Band gehört. Aber auch dort wird sich
die Geschichte nur innerhalb des Ramens des Mittelalters halten.
Hat sich eine Universität bis zum Ende des 14. Jhs. aufgelöst, so
verfolge ich ihre Geschichte bis zu diesem Zeitpunkte, damit man
sich klar werde, welche der mittelalterlichen Hochschulen am
Ausgange des 14. Jhs., d. i. als eine neue Zeit anbrach, noch
existierten. Zu diesem Behufe werde ich auch, so weit es mir
möglich ist, den Anhaltspunkten zu ungefährer Bestimmung der
Frequenz derselben nachforschen. Um das Bild zu vervollständigen,
lag es mir daran, das Gründungsjahr der ersten weltlichen Collc-
gien für Scholaren an den Hochschulen innerhalb dieser Epoche,
soweit an ihnen solche existierten und es mir möglich war Sicheres
darüber zu ermitteln, anzugeben.
1. Die fälsohlich als Universitäten bezeichneten Sohulen.
In diesem Paragraph handelt es sich nicht bloss darum jene
Schulen auszuscheiden, die irrig als Generalstudien betrachtet
wurden oder die erst später dazu erwuchsen, sondern auch zu zeigen,
dass man durch einige Aehnlichkeiten, die zwischen den General-
und Particularstudien existieren, sich nicht verführen lassen dürfe.
Dabei setze ich dasjenige, was ich oben über den Begriff der
Generalstudien gesagt habe, voraus, ohne dasselbe nochmals zu
widerholen. Der erste Hauptabschnitt bildet in Bezug auf den
genannten zweiten Punkt die Directive.
Nach einer ziemlich verbreiteten Ansicht ist die Universität
Macerata bereits im 13. Jh. gegründet worden. Nicolaus IV.
222 11^- Entwicklung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
habe sie mittels einer Bulle vom J. 1290 ins Leben gerufen').
Allein, noch Niemand war im Stande dieses Schreiben vorzu-
zeigen, das in der That weder im Archive zu Macerata, noch
im Vaticanischen sich findet. Die Behauptung selbst erweist
sich auch aus andern Gründen hinfällig, wie Foglietti gut dar-
gelegt hat*). Wahr ist nur, dass in Macerata schon frühzeitig
ein Collegium advocatorum et procuratorum existierte und im
J. 1290 eine Rechtsschule erwähnt wird. Im genannten Jahre
sandte nämlich die Commune von Macerata an die Municipien
der Provinz Schreiben, mittels welcher sie eingeladen werden
durch ihre öffentlichen Ausrufer verkünden zu lassen, dass, wer
Leges studieren wolle, nach Macerata kommen möge, wo Dominus
Guliosus de Monte Granarii vom 18. October an über dieselben
lesen werde*). Wie überhaupt in Italien, und namentlich auch
3) Der erste, welcher diese Behauptung aufstellte, scheint UghelH ge-
wesen zu sein. Italia sacra II (Yenet. 1717), 730. Sie wurde nachgeschrieben
von Compagnoni, Regia Picena (Macerata 1601) p. 150, und neuestens von
Yalenti in Memoria intorno Tunivcrsitä di Macerata (Macerata p. 1868) p. 3 sqq.
und Tartufari, Discorso pronnnziato sui diritti dell' universitä di Macerata (Roma
1884). Letzterer behauptete sogar p. 4, er habe dafür 'documenti storici
in mano', und er erwähnt überdies die Tradition, der zufolge die Universität
Macerata gleichzeitig mit den Hochschulen Bologna, Padua, Neapel und
Perugia entstanden sei. Dies alles in einem Athemzugl Anrispa, De ini>
tiis plurium Italiae acadcmiarum et maxime in nostra Piceni provincia (Prae-
lectio amplissimo Macerat. scnatui dicata anno 1777, Macerata 1778 p. 21)
datiert ebenfalls vom J. 1290 den Beginn der Universität.
4) Cenni storici sulP univcrsitä di Macerata 1878 p. 5 ff. Schon Tira-
boschi, Storia della lettcratura italiana lY, 65 hat die Aufstellung bekämpft. In
Fogliettis Darstellung haben sich nur einige Irrthümer eingeschlicheD, z. B.
im 13. Jh. hätte man noch nicht den Ausdruck 'studium generale' gebraucht
(p. 16), die universitas magistrorum oder scholarium sei bei einer Hochschule
damals etwas Kothwcndiges gewesen (p. 18) u. s. w. Ähnliche Fehler bei
Yalenti p. 4.
^) Solche öffentliche Kundmachungen haben sich von den Ortschaften
Sanseverino, Fabriano, Ascoli, Monte San Martino und Sassoferrato erhalten,
gedruckt bei Yalenti p. 17—19. Sie sind in Bezug auf diesen Punkt fast gleich-
lautend. Die von San Martino lautet: Quod quicunque vult ire ad Studium
Legis, vadat ad Dominum Guliosum de Monte Granarii, qui permanet ad
dictam Maceratam, quia ibi retinebit scolam, qui intendit incipere in festo
b. Luce proxime venturo, quia ibi invenient copiam maximam omnium rerum
comestibilinro. In der Kundmachung von Sanseverino heisst es am Schlüsse:
1. Die fälschlich als Universitäten bezeichneten Schulen. 223
in den Marken die Eechtswissenschaft gepflegt wurde, worüber
uns Bartolo belehrt®), so auch in Macerata, und zwar ehe dort
eine Universität gegründet wurde. Diese verdankt erst Paul III.
am 1. Juli 1540 ihr Entstehen'). Natürlich geschieht im Stift-
briefe nicht eines bereits früher in Macerata gegründeten Gene-
ralstudiums Erwähnung^).
In den Universitäten- Verzeichnissen, die gang und gäbe sind,
wird auch Lyon genannt, wo nach Meyssonnier 'long temps
avant la venue de nostre SeigneurV) nach den. Vernünftigem,
mit denen ich es allein zu thun haben will, c. 1300 eine Uni-
versität, resp. ein Generalstudium gegründet worden sein soll.
Allein mit Unrecht. Lyon besass wohl abwechselnd und zu ver-
schiedenen Zeiten Schulen in den artes, in der Theologie, beson-
ders aber in der Medicin und im Rechte, in welchem auch promo-
viert wurde *°), allein es bestand dort kein eigentliches General-
ibi namque inveniet Studium Optimum et victualia rerum. Vgl. auch Fo-
glietti p. 14.
^) In Dig. vet. const. Omnem verb. Haec autem tria sagt er: Plus dicunt qui-
dam moderni, ut Richardus Malombra, quod possint haec jura hodie doceri
in qualibet civitate vel castro, ut Mutinae, Rhegii, Parmae, Yercellis et in
castris, ut vidimus, roaxime in provincia Marchiae Anconitanae.
7) Bull. Rom. ed. Taur. VI, 283. Arch. Vat. Castel S. Angelo arm. 9.
Caps. 1 n. 24 (Copie). Im Bull. Rom. und bei Yalenti p. 22 steht kal. Junii.
Ueber die nähere Veranlassung des Schreibens vgl. Foglietti p. 37 f.
B) Nebenbei bemerke ich hier, dass Fiorgentili, Degli studi universi-
tär! di Camerino (Camerino 1864), widerholt (z. B. p. 30. 38) Camcrino
als 'aede degli stndi generali' vom 13. Jh. ab bezeichnet, obwohl das Studium
erst im vor. Jh. von Benedict XIII. *il nome di universitä' erhalten habe.
Allein der Autor ist hiermit ebenso im Irrthume, wie mit der Behauptung
(a. p. 29), die Studienanstalt zu Camerino habe vor Benedict XIII. das Pro-
motionsrecht gehabt.
9) Histoire de Tuniversit^ de Lyon et du College de m6decine, Lyon
1644 p. 1.
^^) Im J. 1290 schwebte zwischen dem dortigen Erzbischof und dem Capitel
ein Streit darüber, wer den Canonisten und Legisten die Licenz ertheilen
könne. Launoi, De scholis celebrior. Opp. lY, part. 1. p. 14. Die Stadt
berief dch auch 1302 auf das Recht 4n iure civil! et canonico ad docendum-
que artes alias liberales' ein 'Studium scolarium et regentinm' besitzen zu dürfen.
S. Cartulaire municipale de la ville de Lyon ed. Guigue. Lyon 1876 p. 29.
Vgl. p. 87. S. auch Hüffer, Die Stadt Lyon. Münster 1878 S. 93.
224 m« Entwickolung der Hochschulen bis zam Ende des 14. Jhs.
Studium, wie sich auch in den dortigen Archiven nichts darüber
findet")- Auch in Brescia soll Ende des 14. Jhs. ein General-
studium existiert haben"). Allein es ist ein Irrthum. Brescia
besass im Mittelalter nie eine Hochschule, und es darf nicht
Wunder nehmen, wenn man weder im dortigen noch im Vatica-
nischen Archiv etwas über sie findet. In den Universitäten-
Verzeichnissen findet man auch öfters Messina, wo 1224,
und Palermo*'), wo 1394 Hochschulen gegründet sein sollen,
was jedoch nicht weniger auf Irrthum beruht. Die erste Hoch-
schule in Sicilicn ist jene von Catania, mittels Bulle Eugens IV.
vom 18. April 1444 gestiftet. Was speciell Palermo betrifft,
so erhielt diese Stadt eine eigentliche Hochschule erst 1779, mit
dem kurzen Dasein bis 1805**). Da bei Tanhäuser vorkommt:
'Vienne hat Legisten vil'"), so schloss Savigny, in Vienne
im Dauphin6 sei im 13. Jh. eine blühende Rechtsschule
gewesen**); allein keine Spur ist von derselben zu finden*^). Der
11) Das von Innocenz IV. bei seiner Anwesenheit in Lyon errichtete
Gencralstudium war das Stadium an der Curie, wie wir unten sehen werden,
nicht eine Hochschule fflr die Stadt selbst. S. Überdies oben S. 3 Anm. 11.
1'"^) Dies berichtet der Stadtchronist Jacob Malvezzi bei Muratori, Rer.
ital. SS. XYI, 921: Genitoris mei assertione hoc loco diebus suis generale
Studium in sacra pagina et philosophia statutum erat. Alidosi, Li dottori
forestieri, che in Bologna hanno letto teologia, filosofia etc. (Bologna 1623)
fahrt p. 28 Johann Ton Parma auf, der c. 1309 in Brescia Lector war gegen
Salarium von 400 Lire und dann nach Bologna berufen wurde.
^^) Nach Höfler, Mag. Hus S. 99 wäre Palermo bereits unter Friedrich II.
gegrflndet gewesen. Er beruft sich sogar auf die Epist. Petri de Vineis 11 1
n. 2. Allein Höfler verwechselt, fatal genug, Palermo mit Salemo.
1^) S. darüber Is. Carini, L'universit^ di Palermo nelP anno primo del
corrente secolo. Palermo 1874.
1^) Vienne hat legisten vil, Der kunst astr6n6mie se D61et (Toledo) ich
niht lernen wil Von der nigrömanzfe: niht guot ist souberie. Bodmer, Aus-
gabe des Manesseschen Codex II, 63 b. Vd Hagens Minnesinger II, 88.
i<^) Geschichte des Rom. Rechts III, 409.
*') Weder bei Lelidvre, Hist. de Tantiquite de la ville de Vienne (Vienne
1623), noch bei Drouet, Hist. de Teglise de Vienne (Lyon 1708. Suppl^m.
1769), Gharvet, Hist. de P^glise de Vienne (Lyon 1761), CoUombet (ders. Titel
Vienne 1847); Chevalier, Cartulaire de Tabbaye de S. Andre (Vienne 1869);
Actes Capitulaires de P^gtise Saint Maurice (Vienne 1875) u. s. w. findet sich
ein Anhaltspunkt.
1. Die Alschlich als Uniyersit&ten bezeichneten Schalen. 225
grösste Kenner der Geschichte des Dauphin^, Abb£ Chevalier, ver-
sicherte mich, dass jene Stelle auf einem Missverständnisse beruhen
müsse. Und sollten wirklich viele Legisten in Vienne gewesen sein,
so bewiese eine solche Thatsache noch nicht für eine ^blühende
Rechtsschule', denn auch die Rechtsgelehrten oder Jurisperiti
waren Legisten: deren gab es z. B. in Mailand im 13. Jh.
gegen 200, und trotzdem bestanden dort ausser Schulen für
Kinder und die Jugend keine Lehranstalten^').
Spanische Schriftsteller verlegen den Ursprung der Univer-
sität Palma auf der Insel Mallorca in die Zeit des Raymund
Lttllus, und glauben, das spätere ^estudio general y Luliano' habe
Raymund zum Gründer. Allein dem ist nicht also. Auf Betrei-
ben desselben wurde allerdings von König Jacob L in Miramar
ein CoUeg für 13 Franciscaner dotiert, welche die arabische
Sprache lernen sollten, ein Institut, das von Johann XXI. am
16. Sept. 1276 gutgeheissen wurde '^); Raymund mag auch selbst
hier Sprachen oder Philosophie vorgetragen haben, wie viel-
leicht früher in Randa '°): allein mehr lässt sich nicht schliessen,
zudem das GoUeg der Franciscaner in Miramar noch zu Leb-
zeiten Raymunds sich aufgelöst hat'^). Thatsache ist, dass die
Universität zu Palma erst 31. August 1483 von Ferdinand dem
Katholischen gegründet und mit den Privilegien von L6rida aus-
gestattet wurde").
Aus einem Schreiben Alexanders IV. vom 15. März 1257 an
den Decan und das Capitel von Reims könnte man schliessen,
dass auch hier im 13. Jh. ein Generalstudium war. Der Papst
sagt darin, dass der Cantor 'Remis adeo utiliter sicut et alibi in
dicta (sacra) pagina studere si velit valeat, et eidem ecclesie de-
^^j S. GaWanens Flamma bei Mnratori, SS. rer. ital. XI, 712 und dazu
die gesunden Bemerkungen Tiraboschis in Storia della lett ital. IV, 69.
19) Die BnUe ist ausgefertigt 16. kl Oct. an. 1. Da erst am 20. Sept.
1276 der Erönungstag war, und Johann 20. Mai 1277 starb, so wurde sie vor
dem Krönungstag ausgesteUt. Gedruckt in Historia general del reino de
MaUorca escrita por los cronistas Don Juan Dameto etc. 2. ed. III. Palma
1841 p. 47.
M) S. Historia general L c. p. 44.
«) Ibid. p. 48.
^) Ibid. p. 449. Zdrate, De la instruccion publica en Espana 11, 246 f.
Doniflo, Die UairenittMn I. 15
226 ^^* Entwickelang der Hochschulen bis sam Ende dea 14. Jhs.
servire\ Die Adressaten sollten eben deshalb die fructus bene-
ficiorum 'eidem cantori nisi Remis in predicta pagina studenti
Yel alibi ubi generalis in ea viget scolasüci studii disciplina\
nicht gewähren"). Man könnte nun meinen, dass wegen der
Verbindung der Generalstudien mit dem Studium zu Reims
daselbst auch ein Generalstudium existiert habe. In der That
behauptet man, ein solches sei bereits von Eugen III. bei
seiner Anwesenheit in jener Stadt im J. 1148 gegründet worden.
Allein für diese Ansicht findet sich auch nicht 6in Fundament**).
Die früher so berühmte Schule existierte allerdings noch unter
Eugen in. Gab sie doch noch unter Alexander IIL Lebens-
zeichen von sich'^); allein sie bestand nicht mehr in ihrer Be-
rühmtheit. In späterer Zeit erhielt Reims einen Zuwachs durch
die im J. 1229 stattgehabte Auswanderung aus Paris'*), ohne
dass sie jedoch bedeutende Spuren zurückgelassen hätte. Am aller-
wenigsten dürfte man sich hiefÜr auf obiges Schreiben Alexan-
ders IV. berufen, denn der Papst meint nur, der Cantor könnte.
») Reg. Yat. an. 3 ep. 225 BI. 30b.
^) Marlot schweigt in seiner MetropoUs Remensis historia (Remis 1679)
n, 352 ff. daraber, in seiner Histoire de la ville, cit6 et nniTersit^ de Reims
(Reims 1S46) IV, 313 weist er aber nach, dass die Universit&t erst 9. Jianer
1547 von Paol III. gegründet wurde. Eugen III. habe zwar dea Plan ge*
fasst öffentliche Schulen in den angesehensten St&dten des Reiches lu er-
richten; der Plan sei jedoch nicht zur Ausftlhrung gekommen. Kein Wunder,
dass auch Gousset, Les actes de la pronnce ecc]6siastique de Reims II, 229
nur die Canones des GoncUs von Reims unter Eugen III. bringt und dass
ebenso wenig in Bulle d'erection de rnniversit^ de Reims (1717) und in
Titres, chartres, lettres patentes des roys de France et autres enseigne-
ments concemant Tetablissement et erection ... de PuniTersitö de Reims
(1718) eine Bulle vor Paul III. vorkommt
2^) 8. Alezandri III. epp. in Migne Patrol. lat t 200 ep. 815 p. 746.
Mansi ColL conc. XXI, 1081. Auf jene Zeit bezieht sich wohl auch das
Zeugniss Caesars von Heisterbach im Liber memorab. II c. 16 ed. Strange
I, 84. Andere Belege werde ich qAter bringen.
K) Dies berichtet das Chron. Clun. im Cod. Yat. R^. 507 Bl 21b
alii quidem Remis, alii Andegavis, alii Aurelianis, alii vero in AngUam et
alii in Italiam vel in Ispaniam sive in alias provincias mnndi caaaa studii
sunt profecti. Ebenso Bernard Quidonis in dem Cat. Pontif. Rom. ad an.
1229 im Cod. Yat. 2043 Bl. 91b.
1. Die ftlschltch als UniTersitftteii bezeichneten Schulen. 227
weil ein Stadium der Theologie in Reims existiere, dort sich
ebenso wie anderswo unterrichten lassen. Sollte derselbe aber
ein anderes Studium aufsuchen, so müsse es ein Generalstudium
sein. Mir ist von einer Universität in Reims sonst nichts be-
kannt. Uebrigens ist in Actenstücken unter dem theologischen
Stodiom zu Reims manchmal ein Ordensstudium zu verstehen.
Urban Y. beauftragt den Kanzler zu Paris, den Johannes de
Spamato Gustos der Franciscaner zu Reims, ^qui. licet in Re-
menfii studio, quod in sacra theologia soUemne post Parisiense
Stadium reputatur, principalis sententiarum et Biblie lector per
sesK continuos annos fuit, ad legendum sententias in dicto Pari-
siensi studio pro primo cursu debito provincie Francie, de qua
fore dinoscitur, per . . . capitulum provinciale fratrum dicti
ordinis .... approbatus extiterit,' zur Professur und zum Examen
zuzulassen*^). Daraus geht aber hervor, dass dieses Studium
der Theologie ein Ordensstudium, nicht eine öffentliche Schule
war, obgleich sie von Auswärtigen besucht worden zu sein
scheint.
Andere Male wird die Bezeichnung 'Studium generale' auf ein
Stadium missbräuchlich angewendet. So versendete die C!ommune
von Todi im J. 1290 die Litterae 'studii generalis' in die um-
liegende Gegend 'pro parte mag. Fidantiae', Lehrers der Gram-
matik'*). Aehnlich wurde auch das Erfurter Studium, ehe es
ein eigentliches Generalstudium war, also genannt, wie wir unten
sehen werden. Solche Schulen, sogenannte Particularstudien,
waren überall zerstreut Hie und da konnten dieselben sogar
eine päpstliche Stiftungsbulle aufweisen. So wurde z. B. von
Johann XXn. am 1. Februar 1329 4n villa Galliaci Albien. dioc'
(Gaillac) ein Studium errichtet mit der Bestimmung, ^ut in villa
prefata sit in facultate liberalium artium Studium, in quo magistri
libere doceant ac scolares studeant et audiant in scientia memo-
rata'"). Ein Greneralstudium im eigentlichen Sinne kann man
^) Reg. Tat Indult, ei com. an. 1 ep. 270 Bl. 80 a.
^ Ich entnehme diese Notia den Schriften Garampis im Vat Archiv.
Oben genannter Magister lehrte 1278 an Neapel. S. Origlia, Istoria dello
stodlo di Ni^^U p. UO. U2.
^ Reg. Vat Com. an. 13 p. 2 ep. 1169 Bl. 63 a.
15*
228 ni. Entwickelang der Hochschnlen bis zum Ende des 14. Jhs.
dieses um so weniger nennen, als die grössere Lehranstalt des nahen
Alby, wo bereits im 13. Jh. ein Studium war'®), und nach den
Worten des Papstes im genannten Schreiben ein 'rector et ma-
gistrorum universitas studii Albien.' existierte, durchaus nicht
diesen Namen verdiente'^). Von andern denn päpstlichen Stiftungs-
briefen für Particularstudien will ich gar nicht sprechen, sie sind
häufig").
Manchmal besassen diese Particularstudien auch Privilegien,
z. B. Valladolid, als die dortige Schule noch reines Parti-
cularstudium war**) Ebenso wurde Narbonne, wo an der
Cathedrale im 13. Jh. ein theologisches Studium bestand, das
noch im 14. Jh. fortexistierte'*), schon frühzeitig privilegiert**).
Das Interessanteste jedoch ist, dass an Orten, wo keine Höch-
st)) Im J. 1285 wurde der Dominicaner Petrus de Petra lata als lector
^rope p. episcopum' erwählt. Hs. su Toulouse 273 Bl. 340.
31) Deutlich erhellt dies aus Reg. Suppl. Clem. VI. (an. 1. p. 1 Bl.
210 b), wo Stephanus de Sonheto für die Zeit seines Aufenthaltes 'in quo-
cunque studio generali, vel Albie, licet generale non sit', um Dis-
pens von Besidenzpflicht anh<. So erklftrt es sich auch, warum in dem
weitläufigen Testamente des Bischofs von Alby Peters de la Yie vom J. 1337
weder das Studium in Alby noch Angehörige desselben bedacht werden,
wfthrend der Bischof doch Legate anweist, 'de quibns duo derlei vel pres-
byteri possunt Tivere in studio Tholose, et alii duo in studio Montispessulani,
et alii duo in studio Caturci', und aller möglichen Personen und Genossen-
schaften von Alby gedenkt (Arch. Yat. Rationes Spolii episcopi Albien.
1337 n. 2).
^) Eines der interessanteren Beispiele bietet ein Act im Arch. Yat.
Cast s. Angelo arm. 12 caps. 5 n. 10. Der Card. s. Marcelti, Petrus, stiftet
*8Colam liberalium artium in civitate Amalfitana regendam, ubi scolares tarn
clerici quam laici Amalfi et Atrani . . . doctrine fructns et grattam solo
studio valeant comparare*. Das Original ist ausgestellt 20. Oct. 1209.
'^) Im Abschnitte über die Universit&t Yalladolid wird davon die
Bede sein.
^) Dies ergibt sich unter Anderem aus einem Schreiben Johanns XXII.
▼om 10. Oct. 1330 an Raymund Mauri, Canonicus in Narbonne (R«'g. Yat. an.
14 p. 1. ep. 577) und aus dem 1383 von der Universität Paris an Clemens
YII. eingesendeten Rotulas, in dem Johann Keroullay, mag hi art und in
Tbeologia actn regens Parisius erw&hnt wird, welcher war Segens theologiam
in Karbona multis annis in societate b. m. Dom. Petri qnondam archiepiscopi
Narbonnen. postea card.* (Reg. Suppl. Clem. YII an. 1 p. 5. BL 129b).
'^) S. oben S. 3 Anm. 11.
1. Die ftlschlicli als UniTersit&ten bezeichneten Schalen. 229
schulen waren, hie und da auch CoUegien für arme Scholaren
gegründet wurden. Das in Puketoft vom Bischöfe zu Ripen,
Christian, fQr 20 arme Scholaren gegründete reicht sogar in
das Ende des 13. oder den Anfang des 14. Jhs. zurück, dessen
Dotation von Benedict XL 1303 bestätigt wurde ^'). So existierten
ja auch manchmal in der einen oder andern Stadt lange vorher,
ehe dort eine Hochschule gestiftet wurde, CoUegien von Juristen
und Medicinern, wie z. B. in Genua'^^), Macerata, und solche
CoUegien blieben manchmal bestehen, als das Generalstudium
aufgehört hatte z. B. in Treviso, Piacenza.
ZuweUen studierten an Particularstudien auch auswärtige
Studenten, die als scolares forenses die gewöhnlichen Privilegien
von solchen besassen. So findet sich z. B. in einem Statute von
Viterbo vom J. 1251 die Bestimmung, 'quod omnes scolares
forenses in causis civilibus coram suis doctoribus et magistris
debeant conveniri, et ab omnibus exactionibus, exercitibus, anga-
riis et parangariis sint exempti' ^^).
Nicht hierher gehören auch Schulen, an denen nur der eine
oder der andere Magister, sei er auch noch so berühmt gewesen,
gelehrt hat. Es ist ganz irrig, mit Coppi ") deshalb von einer Uni-
versität zu Pistoja zu sprechen, weU dort der berühmte Dinus
von 1279 an fünf Jahre über Civilrecht gelesen hatte *°). Ein Pro-
fessor, mag er auch gross gewesen sein, macht ebensowenig ein
Generalstudium, als eine Schwalbe den FrühUng^'). Gerade in
^) Reg Yat ep. 53. Grandjean n. 53. Nur schreibt der genannte
Herausgeber falsch 'Castiarnns' statt 'Cristiamus'. In den Reg. Yat. Clem. Y.
an. 5 ep. 471 heisst dieser Bischof 'Cristianas'.
37) S. Isnardi, Storia della universitä di Genova I (Genova 1861), 15 ff.
^) Ediert in den Gronache e statnti della citt& di Yiterbo da J. Ciampi.
Firenae 1873 p. 519. Dort and p. 518 werden noch andere Privilegien er-
wähnt Es ist sonderbar, dass Manzoni, Bibliografla degli statuti, ordini
e leggi dei municipii italiani (Bologna 1876) I, 563 das Statuto vom J. 1251
im Archivio comnnitatiTO za Yiterbo noch als anediert betrachtet und sich
mit einer Notiz Bonainis ans dem J. 1851 begnügt.
^) Le universitli italiane p. 98.
^) Sarti 1. c. I, 233 Anm. f.
^) Es ist eine ganz mfissige Annahme Schnltes, der zudem Pistoja zu
den ^Universitäten' rechnet, wenn er auch Roffred dort als Lehrer auftreten
Isst. Gesch. der Quellen und Litter. des can. Rechts II, 76. 537. Er war 1218
230 m* EntwickeluDg der Hochschulen bis Bum Ende des 14. Jhs.
Italien gab es vom Ende des 12. bis zum 14, Jh. kaum eine
bedeutendere Stadt, in der nicht zn Zeiten irgend ein Rechts-
lebrer über Römisches Recht gelesen hätte. Ich erwähne hier
namentlich noch Man tu a, wo Ende des 12. Jhs. Placentinus und
vielleicht auch Joh. Bassianus^^) und einige andere^') als Lehrer
aufgetreten waren. Ebenso lehrten 1272 in Parma Gilio Milidoxii
und Albert Galeottus^O- Parma gestand jedoch im 14. Jh. selbst
zu, dass es kein Generalstudium besitze, indem Sitdi die Stadt
im J. 1328 an Johannes XXn. um die Gewährung eines solchen
wandte, der es jedoch nur unter der Bedingung erlauben woUte,
dass Bologna dadurch keinen Schaden litte ^*). Parma war auch
im 15. Jh. mit seinen Bemühungen um ein Generalstudium nicht
glücklicher.
nicht mehr Professor nnd 1219 in Pisto^ja nur anwesend, um zwischen dieser
Stadt nnd Bologna Frieden schliessen lu helfen. 8. nnten anter Aresso.
Beiläufig bemerke ich hier, dass Schulte auch Langres in Frankreich in den
Universitäten des 14. Jhs. rechnet (II, 540), allerdings auf Grund efaies kOst*
liehen Beweises. Samson de Galvo monte sagt nftmlich: ego Sampeon de
GalTomonte in Basyneio legum professor lingon. dioec. d. h.: ich . . . ge-
gebOrtig ans Ghaumont en Bassigny, in der Diöcese Langrea Wo er Pro-
fessor war, sagt Samson nicht. Viel schlimmer ist es jedoch, dass Schalte
1. c. S. 536 ff. dreimal aus Pavia und Ticino swei getrennte üniYersitaten
macht! Der von ihm citierte Rochus Gurtius, oder vielmehr Gorti Bocoo,
der in Ticino als Professor lehrte, war eben aus Pavia gebürtig and lehrte
dort von 1494 ab. S. Memorie e documenti per la storia deU' onivenita
di Pavia I, 69. Dass Studium Ticinense Studium von Pavia sei, wusste
Schulte nicht! Er hat jedoch einen Genossen in Grftsse, der im Lehrbuch einer
allg. Liter&rgeschichte (II. 3. Abtheilung 2. Hilfte) a 922. 926 Angers and
Aigou als zwei Universitäten anftkhrt; die Grttndung der erstem sei unsicher,
Aigou datiere von 1348.
«) 8. Savigny IV, 250. 292.
^3) S. Bettinelli, Delle lettere e deDe arti Mantovane (Mantova 1774)
p. 5 f.
^) Tacoli, Memorie storiche della ciUk di Beggio di Lombardia I
(Reggio 1742), 358. Affb, Memorie degli scrittori e lett Parmigiani, I (Pinna
1789) 82. 112. Vgl. auch Savigny Y, 143. 529, der ans ASb aach übertos
de Bobio citiert.
*^) S. die Bulle bei Affb 1. c. p. XXVI.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. 231
2. Die Hoohsohulen ohne Errlohtungsbriefe.
Es gibt nicht wenige Hochschulen oder Generalstudien, die
gar keinen Errichtungsbrief aufweisen, sondern die auf irgend
eine andere Weise ins Leben getreten sind, und später, als sie
privilegiert wurden oder als die an denselben existierenden Ma-
gister und Scholaren das Corporationsrecht erhielten, als rechtlich
bestehende Generalstudien vorausgesetzt wurden. Wie sich von
selbst versteht, bieten diese mehr Schwierigkeit als die Hoch-
schulen mit Stiftbriefen. Kann man bei den letztem mit Sicher-
heit angeben, wann sie wenigstens officiell als Generalstudien
betrachtet wurden, so ist dies bei den erstem nicht der Fall;
wir müssen uns begnügen, wenn uns die Untersuchung zeigt,
wie weit eine sichere Erinnemng zurückreicht Wie wir sehen
werden, geht diese bei allen hieher gehörigen Generalstudien in
das 12. oder in die erste Hälfte des 13. Jhs. und ausnahmsweise
in eine noch frühere Epoche zurück.
Bereits vom 13. Jh. ab machte man den Unterschied zwischen
Studienanstalten, die ex consuetudine existierten, und solchen die
ex privilegio beständen *'^). Die erstem sind die Hochschulen
ohne Errichtungsbriefe. Diese allein interessieren uns in diesem
Abschnitte. Ihr Yerhältniss zu den Hochschulen mit Stiftbriefen
kann erst erörtert werden, wenn wir die Gründung aller General-
stadien besprochen haben.
<^) Jaeohas de Arena sagt Prooem. Dig. Tet.: Quid ergo si civitas hoc
priTilegio (ImperaUnris) careat (quod jora ibi possint doceri), sed in ea stadiom
juris est habitum tanto tempore, cnios initii non existit memoria, at est
BoDonie etPadne? Respon. licite potaerant jura doceri ibidem, cum ex tanti
temporis patientia princeps remisisse prohibitionem soam et permisisse fin-
gatnr . . . Item talis consaetndo similis est privilegio et facit licitom sieut
et pririlegiom. Bl. 61b ed. Paris. 1541. Bartolo schreibt nachher, sich auf
Jacob de Arena berufend, ähnlich in Dig. vet. Const. Omnem, sab Terb. ffec
muem tria, nur restringiert er das Qanze auf Padaa, während er fflr Bologna
sogleich die consuetudo nnd das Privileg Lothars angibt. Peter de An*
charanOi Prooem. in YI. Beeret, beruft sich ebenfalls fOr Padaa aaf die
coBsaatiido. Joh. Andreae schreibt anter Beaiehang aof Hostiensis wenig-
stens hinsichtlich der collatio magistgrii in dem. De magistris, cum tU nimU:
aliqai eonferont aactoritate apostol. . . . aliqai de consuetudine, aliqui de
iore commnnL
232 m* Entwickelnng der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhrs.
Salemo.
Zuerst bietet sich Uns die älteste aller Hochschulen dar,
nämlich die medicinische Schule zu Salerno. Wann und wie
sie entstanden ist, weiss man bis heute nicht, trotzdem, dass
die Forschungen über sie seit Savigny wesentlich weiter vorge-
schritten sind^O- I^i^ Anfänge bleiben noch immer in Dunkel
gehüllt. Und ich kann nicht umhin zu gestehen, dass man nicht
einmal darüber ins Reine gekommen ist, ob der Ursprung geistlich
oder weltlich war. Diejenigen, welche für den weltlichen Ursprung
sind, konnten nicht 6in Zeugniss oder einen stringenten Beweis
hiefür anführen, was De Renzi aufrichtig genug zugesteht ^^),
während ihn Häser schon als 'unzweifelhafte' Wahrheit hinstellt,
trotz des Geständnisses, dass der Ursprung der Schule In sagen-
haftes Dunkel gehüllt' sei^'). Häser bemerkte nicht den cir-
culuB yitiosus, in dem er sich bewegte. Er strengt sich allerdings
an, etliche Beweise zu geben. Einmal, dass die Lehrer uud
Schüler Besoldungen und Stipendien bezogen und Steuerfreiheit
genossen hätten, und mehrere Vorsteher Triores' (Dekane) nicht
,Aebte', verheirathet gewesen wären *°). Dagegen frage ich zuerst:
auf welche Epoche bezieht sich dies? Auf die Anfange der Schule,
oder auf einen etliche Jahrhunderte später ausgebildeten Zustand?
'Die Anfänge der Schule von Salerno sind in sagenhaftes Dunkel
gehüllt' gesteht Häser. Also bezieht sich sein Argument auf die
spätere Zeit, nicht auf den Ursprung der Schule, was in Bezug
auf dessen Beweise in einer frühem Schrift ^0 bereits Renzi
angedeutet hat"). Steht ferner der Möglichkeit, dass der Ur-
^^ Es ist aber bezeichnend, wenn Montefredini, Le piü celebri nniver-
sitii p. 6 im J. 1883 nur SaTignys Urtheil (III, 156) za reproducieren weiss,
während doch gerade italienische Gelehrte, bes. De Renzi, neue Aufschlllsse
Ober jene Schule geliefert haben.
^) Storia docamentata della scuola medica di Salerno. 2. ed. NapoU
1857 p. 145: 4 le prove positive mancano e tutti docamenti, che si posBono
citare' rignardano tempi lontani daUa primitiva fondazione.
*^) Lehrbuch der Geschichte der Medicin. 3. Bearb. Jena 1875, 1, 646.
^) A. a. 0. S. 650 f. Dort finden wir auch die nftchstfolgenden 'Be-
weise'.
51) Ueber die medicinische Schule zu Salemo. Gotha 1851.
^>) Storia etc. p. 146.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Salerno. 233
Sprung geistlich war, im Wege, dass am Studium verheirathete Pro-
fessoren lasen? Das Studium an der Rom. Curie, um nur dieses
eine zu erwähnen, war doch gewiss wie nur irgend eines geist-
lichen, ja kirchlichen Ursprungs, und doch lehrten an demselben,
wie wir unten sehen werden, verheirathete, besoldete Professoren
über Civilrecbt Der sonderbare Hinweis auf diä Bezeichnung
'Priores' nicht 'Aebte' verdient keine Berücksichtigung. Für
Häser genüge die Bemerkung, dass auch die Benedictiner 'Priores'
besassen, dass aber diese Benennung, die sowohl bei weltlichen
als geistlichen CoUegien an den Hochschulen des Mittelalters
vorkam, weder für den geistlichen noch weltlichen Ursprung der
Schule zeugt. Häser meint femer, für den weltlichen Charakter
der Schule liefere die Thatsache den schlagendsten Beweis,
dass sich unter den Lehrern der Heilkunde Frauen, Töchter und
Gattinnen der Professoren befanden. Allein Häser ist es ent-
gangen, dass Manegold, welcher in der 2. Hälfte des 11. Jhs.
in Paris Theologie vortrug, verheirathet war, und dass seine
Töchter ebenfalls Unterricht über die hl. Schrift ertheilten "),
Und somit sind wir am Schlüsse der 'Beweise' Häsers angelangt,
die allerdings klar darlegen, wie fatal es ist, über eine Schule
des Mittelalters zu schreiben, wenn man die übrigen Schulen
nicht kennt**)«
Mit den Beweisen Renzis für den weltlichen Ursprung der
Schule zu Salerno steht es nicht viel besser. Lediglich Hypothesen,
denen immer der eine Gedanke zu Grunde liegt: die Schule war
im 11. und 12. Jh. laical, mithin war sie auch im Ursprünge,
von dem wir jedoch nichts A^issen, laical. Angesichts solcher
^^) Hi&t. litt, de la France IX, 281. Giesebrecht hat in den Sitzungs-
Ber. der k. bair. Acad. d. Wissensch. 1868 II. S. 308 nachgewiesen, dass
dieser Manegold nicht jener Ton Lautenbach war.
^) Dies hat H&ser in seinem Werke auch sonst vollends an den Tag
gelegt. Hier nur einige Beispiele zu den oben noch anzuführenden. In
Amalfi wurde die erste Hs. der Pandecten aufgefunden (I, 646 — eine l&ngst
widerlegte Fabel. S. Saviguylll, 94 ff.). Friedrich II. gründete oder befestigte
Salerno, Neapel, Bologna (S. 643 f.). In Bologna bestand wahrscheinlich
schon im J. 1156 eine 'medicinische Facult&t\ In Padua war eine gelehrte
Schule schon zur Zeit Karls des Grossen; die Uni?er8it&t wurde von Frie-
drich IL gegründet (653). Messina and Pavia erhielten 1224 und 1250
234 in* Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Beweise ^^) hat die von Puccinotti vertretene Ansicht, die Schale
von Salemo sei ursprünglich eine geistliche von den Benedictinem
von Monte Cassino gegründete Anstalt gewesen, die später ge-
mischt, im 13. Jh. aber laical wurde ^^), wenigstens ebenso viel für
sich, als die gegentheilige ^0. Das beste ist jedoch zu gestehen:
wir wissen es nicht. Immerhin ist es aber gewiss, dass die Schule
keinen Stiftbrief besass.
Reichen auch die Nachrichten über Salemitanische Aerzte
weiter als ins 11. Jh. zurück ^^), so kann man doch erst seit
dieser Zeit von einem grossen Ruhme der Schule von Salemo
sprechen. Erst dieser Epoche gehört das interessante Gedicht
Hochschnlen (ibid.). Im J. 802 stiftete Karl der Grosse bei der Kirche
N6tre-Dame in Paris eine Cathedralschule ; die Annalen der üniyerBit&t
reichen bis 1107 zurück (S. 656). Die medicinische Schule befand sich
gleich denen der übrigen Fächer in der Abtei St. Victor, welche nach ihrer
Gründung mit der Universit&t in Verbindung trat (S. 657). König Alphons
VIII. von Spanien errichtete 1199 zu Valenzia eine höhere Lehranstalt
(Häser verwechselte Valencia mit Palencia, wo 1212—1214 das Generalstn*
dium gegründet wurde). 1243 stiftete Alphons IX. (bekanntlich 1230 ge-
storben) die Universit&t Salamanca, und Alezander IV. erhob sie 1254 zu
einem der quatuor studia generalia orbis (ibid. S. 657 — letzteres sagte erst
Martin y.) BonifazVIII. hatte 1325 (sie!) die Leichenöffnungen verboten, u. s. w.
Was soll man von einem Autor halten, der sich innerhalb weniger Zeilen
solche Blossen gibt Mein Rath geht dahin, Häsers Werk mit tasserster
Vorsicht zu gebrauchen. Auf manche andere Irrthümer werde ich gelegent-
lich aufmerksam machen.
^) S. besonders 1. c. p. 146 f.
^) Storia della medicina I Napoli 1860, p. 317 ff. 326 ff.
^'*) L&cherlich ist es sich mit H&ser und nachher mit Stein (Die innere
Verwaltung 1. c. S. 241) auf Huber, Die englischen Universitftten I, 15 lu
berufen, da doch Haber kein kompetentes Urtheil besass, indem er ja selbst
gesteht, er habe weder Ackermanns Schrift 'noch sonst etwas Specielles tlber
die Salemitanische Schule' bei der Hand gehabt. Zudem leugnet Huber
eigentlich doch nur den 'kirchlichen' Ursprung Salernos, was auch meine
Ansicht ist, denn 'kirchlich' und 'geistlich' macht einen Unterschied.
^) 8. De Benzi p. 148. Sowohl hier (p. 157) als in seiner CoUectio
Salemitaiia III, 325 ftthrt er das Verseichniss der Aente bis ins 9. Jh. (848)
Burfick. Er citiert zwei, Josep und Josan. Dann folgen wenige aas jener
Zeit. Erst das 11. Jh. ist reich vertreten.
2. Hoehsehiileii ohne Sftiftbriefe. Salerno. 285
FloB medicmae scholae Salerni an'*), ans dessen Indpit nicht
nndeuüich hervorgeht, dass die Schule bereits damals organi-
siert war*^). Es ist aber falsch, mit Häser anzunehmen, neben
der ärztlichen Schule habe schon sehr frflhe eine die Philosophie
und die Rechtswissenschaft umfassende Lehranstalt bestanden*^).
Der *alte Geschichtschreiber' J. A. de Nigris, auf den er sich
hiebei beruft, ist jungen Datums. Ebenso grundlos ist Häsers
Behauptung, Friedrich IL habe 1213 die Lehranstalt fbr die
drei Wissenschaften der Medicin, der Philosophie und des Jus zur
'Staatsanstalt' erhoben*'). Bis zum J. 1231 hat sich kein Fürst mit
der Schule von Salemo als solcher beschäftigt Selbst die circa
1140 gegebene Bestimmung König Rogers, die EänfOhrung einer
Prüfung fbr Aerzte betreffend, erwähnt nicht mit einer Silbe
Salemos; es werden darin Yerwaltungs- und richterliche Be-
amte als Examinatoren bestellt*'). Friedrich n. kam aber, so
weit bis jetzt bekannt, vor 1231 mit der Schule von Salerno
nur insofern in Berührung, als seine Unterdrückung aller ge-
lehrten Schulen seines Königreiches zu Gunsten des General-
studiums zu Neapel höchst wahrscheinlich auch die Schule von
Salemo getroffen hat**).
Erst in dem 1231 abgefassten Gesetzbuch fbr das Königreich
Sidlien finden sich auch Verordnungen, welche sich auf die Schule
▼on Salemo beziehen. Niemand dürfe Medicin oder Chirargie
vortragen als in Salemo, und Niemand sich Magister dieser
Wissenschaften nennen, der nicht von den Magistem geprüft
sei**). Zur ärztlichen Praxis könne der Geprüfte erst nach
einem von der Facultät ausgestellten Zeugnisse und mit Erlaubniss
^ Ediert in der CoUectio Salernii. V, If.
^ AngloTom regt leribit scola tote Salerni.
<i) A. a. 0. 8. S49.
«) A. a. 0.
^ Hiiin.-Br6lion. IV, 149. Undenbrog, Cod. Legom aatiquarnm. Fnn-
ooftvt. 1618 pi 806.
M) 8. Winkelniami, Ueber die ersten StaatsoniTersiaten. Acadealtcke
Bede, Heidelberg 18S0, 8. 15.
») Ck>n8t. 3 tit 47 und 45 bei Hoi]l.-Br^oll. lY, 151. 150. Vgl. dam
Böhmer-Ficker n. 1888 a.
236 IIL Entwickeloog der HochscholeB bü xoa Eade d€t 14. As.
der R^eruDg abergehen**). Indem Friedrich in dra ange-
gebenen Bestimmongen za^eich die Gegenwart seiner Beamten
bei der Prüfling verordnete und die licenz zor Praxis von der
Erlaubniss der Begiemog nach Torhergegangener Erkimdigong
über die politische Unverdächtigkeit des Geprüften abhängig machte,
wurde Salemo nach Winkelmann eine Staatsschale im heaügen
Sinne*^). Im J. 1240 wurde der Stadiengang vorgeschrieben **)•
Ein neuer Wendepunkt trat mit dem Jahre 1252 ein. Das
Studium zu Neapel war in Auflösung*'), jenes zu Salemo gerade
damals gewiss nicht in grosser Blüthe, da König Konrad fort-
während von der reformatio studii Salemitani'?) spricht Er be-
schloss nun 1252 in Salemo ein gemeinsames Studium und eine
Centralschule zu errichten, so dass auch jene Wissenszweige, die
früher in Neapel gelehrt wurden, nun ausschliesslich in Salemo
ihre Vertretung fänden^'). Er theilte diese Intention den Ju-
stitiaren mit^'), indem er die Nothwendigkeit betonte, 'ut fideles
nostri regnicole scientiarum fructus, quos indesinenter esuriunt,
per aliena mendicare suffragia non coacti, paratam in regno
sibi mensam propinationis inveniant'. Er nennt Salemo *antiqua
mater et domns studii', und ladet alle Magistri und Scholaren
zu dem nun bereiten Gastmahl ein^'). Im August des nächsten
^) Const. 3 tit. 45. HailÜ-Br^h. lY, 150. Der Geprüfte masste in con-
yentu publico magistroram jadicio comprobatas sein, cam tesUmonialibos
litcris de fide et sufficienti scientia tarn magistrorum qaam ordinatoram dos«
trorom.
*7) s. Winkelmann S. 16. S. darüber unten anter Neapel.
^ Conai 8 tit. 46. Haill -Br6h. lY, 285. S. daxa Winkehnann S. 41
n. 86. BObmer-Ficker n. 2959 b.
<^) 8. darfiber anten im Abschnitte über die Hochschule an Neapel.
7^) Z. B. Unifersale Stadium in ciritate nostra Salerni . . . proTxdimus
reformandnm. HuilL-Br^h. II, 448.
71) S. Orlando, Un codiee di leggi e diplomi Siciliani (Palermo 1857)
p. 58. Forsch, cur deutschen Gesch. YI, 686. Winkelmann, Acta imperii
inedita, p. 411. BOhmer-Ficker n. 4571-4578.
7>) Huill.-Br6h. II, 447. Doch ist es nicht sicher, dass dieses Schreiben
gerade in das Jahr 1252 faUe. Es kann ebenso gut in das nächste Jahr ge*
hdren, so dass es gleichseitig mit jenem an Petrus de Casoli, mit dem es
vielfach übereinstimmt, ausgegeben wurde.
7') Ad hoc igitur tam salabre confi? iam magistros quoslibet et seolares
hilariter infitamus.
S. Hochschalen ohne Stiftbriefe. Oxford. ^37
Jahres berichtet er dies dem Petras de Gasoli, indem er ihn
auffordert nach Salerho zu kommen, das 'tam marine yicinitatis
habilitas quam terrene fertilitatis fecunditas reddant utiliter tanto
negotio congruentem\ Das Studium werde reformiert, damit es
unter andern 'docentibus et addiscentibus se prebeat gratiosam' '^).
Doch nicht lange dauerte dieser Zustand an. König Manfred
restaurierte 1258 wider das Studium in Neapel, so dass in Sa-
lemo nur mehr die medicinische Schule zurückblieb ^*), die jedoch
nimmer ihre einstige Blüthe erreichte, ja gar nicht erreicheu
konnte, da das nahe Neapel ebenfalls eine besuchte medicinische
Schule besass'^). Allein, dass Salemo auch noch zur Zeit der
Anjous einen der ersten Plätze unter den medicinischen Schulen
Europas und den ersten in Italien selbst einnahm, beweisen die
Documente '^).
Oxford.
Weniger, obwohl noch immer genug der Schwierigkeiten, bot
bisher dem Forscher die Universität Oxford. Wären die alten
Ansichten über den Ursprung dieser Hochschule richtig, so ge-
hörte sie gar nicht in diesen Abschnitt, denn bis zum heutigen Tage
halten manche auch in Deutschland die Alfredsche Stiftung oder
Restauration vielfach aufrecht, und dies um so mehr, als Huber,
von dessen Fusstapfen abzuweichen einige nicht wagen, sie mit
allem Aufwand von Combinationen zu vertheidigen gesucht hat^^).
7^) Haill.-Br^h. II, 449. Schirrmacher, Gescb. der letzten HohensUufeo
(Göttingen 1871) S. 590. Böhmer-Ficker n. 4601.
7^) S die Nachweise im Abschnitte Aber die Hochschule cn Neapel.
7^) Nicht wenige bisher unbekannte Docamente finden sich in den an-
geordneten Schriften von Minieri Riccio, Stndii storici fatti sopra 84 registri
Angioni dell' archivio di stato di Napoli. Napoli 1876, und besonders in Della
dominazione Angioina nel reame di Sicilia, und Nuovi stodii riguardanti la
dominazione Angioina. Beide Napoli 1876. Vereinzelt kommen die Notizen
auch in dessen Schrift II regno di Carlo I. d'Angiö (dall' Archivio storico
italiano XXYI anno 1877) Firenze 1877, z. B p. 48 (vom J. 1278) vor.
77) S. De Renzi, Storia p. 551. 554 ff. Was er jedoch dort vom hl.
Thomas sagt, ist irrig.
78) Die englischen üniTersitftten I, 558 ff. II, 55 ff. Nnr die voralfre-
dische Existent von Schulen in Oxford bestreitet er II, 564. In der letzten
Zeit haben in Deutschland vorzdglich Pauli im Programme Robert Grosset^te
288 m* Entwickeliug der Hoeluehiiltti bis min Bade des 14. Jhs.
Ternere Zweifel an der BegrOndiing seholarischer Anstalteii durch
Alfred solle man anf das Gebiet unhistoriBcher^ onerspriesslieher
Skeptik und Negation verweisen nnd nnberflclraichtigt lassen' ^'X
war sein Scblnssresultat.
Und doch ist die Alfredsche Stiftung in das Reich der Fabeln
zu verweisen« James Parker wies nach, dass die Stadt Oxford
912 zum ersten Male urkundlich erwähnt werde, während Alfred
schon 901 starb. In Hyde Abbey Chronicle steht das Testament
KSnig Alfreds; 50 Orte werden darin erwähnt, währ«d Oxibrd,
das nach Huber doch wie kein anderer Ort f&r die Begründung
irgend eines wichtigen Instituts christlicher Givilisation so sehr
der Weisheit eines Alfred wOrdig erscheinen musste, darin fehlt
Kein Schriftsteller bis zum 14. Jh. weiss etwas von einer der-
artigen Stiftung, am wenigsten die der Zeit Alfreds am nächsten
Stehenden, wie Asser, der das Leben und die Thaten Alfreds
schrieb. Das Ganze ist eine Fiction des 14. und 15. Jhs.
Und seit diese Fabel zur Zeit Richards n. als Basis in einer
Streitsache vorgebracht wurde, fand sie ihren Weg selbst in Par-
lamentsacten'^). Im 15. Jh. wusste man sogar, dass in Oidord
nur die ^doctores sacrae theologiae et juris canonici doctores et
und Adam Ton Manb, Tflbingen 1864; Weiss, Gesch. Alfreds des Orossen,
Schaffliaassii 1852, S. 849ff und Wetser nnd Weite Kirchenlexicon* I,
540 ernsten Zweifel an der Wahrheit der Alfredschen Stifbong erhoben.
Pauli trat vorher in seinem König Aelfred und seine Stellimg in der Qesch.
Englands, Berlin 1851, S. 207 ff noch weit schärfer gegen eine Beaiehong Al-
freds sur Schule in Oxford auf. Es beweist den höchsten Orad Ton ün*
kenntniss, wenn Stein (Die innere Terwaltong etc. S. 232) König Alfred in
Oxford, wo nie eine Cathedrale war, eine KiSathedralkirche mit Internat' er-
öffioen Iftsst.
7') A. a. 0. I, 66. n, 568 meint er, vom Standponkte der gesunden
bist. Kritik ans könnten keine erhebliche Zweifel gegen den Alfredschen
Ursprung Torgebracht werden.
^) Parker, On the history of Oxford dnring the tenth and ekfenth cen-
taries. (912-1100). Oxford 1871. TgL S. 51 14f. Warum Stein diese Schrift
entgieng, kann wohl nicht Wunder nehmen. S. Die innere Yerwaltnag iL a.
0. S. 232. Dass man in Oxford auch jetst noch nicht an einem andern Be-
saltate ak su jenem Parkers gelangt ist, beweist der Umstand, dass jttngrt
The Oxford historical Society den Neudruck seiner Schrift beschlossen hat
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Oxford. 2-^9
in mediciBis et legibus doctores . . . a principio fundationis (uni-
versitatis) per regem Alfredum' runde Hüte gebraucht hätten^*).
Es ist unglaublich, welche Fälschungen, mitunter sehr plumpe,
man sich zu Schulden kommen Hess, um Alfred zum Stifter der
Oxforder Universität zu machen. So wurde unter anderm Assers
Vita Alfredi durch einen grossen Passus über den Streit, den
Grimboldus im J. 886 mit den veteres scholastici zu Oxford
gehabt habe, und den zu schlichten Alfred selbst herbeigeeilt
sei, interpoliert^'). Wilhelm von Malmesbury liess man femer
in seinen Antiquitates Glaston. ecclesie sagen, König Alfred
habe auf Rath des Abtes Neot die Schule gegründet, und in Rom
beim Papste Martin II. durch Abgesandte die Bestätigung der-
selben eingeholt.' Der Papst habe nicht bloss diese ertheilt,
sondern die Schule auch mit mannigfachen Privilegien beschenkt ^^).
Allein erstens liest man in dem genannten Werke Wilhelms
gar nichts davon; der Autor erwähnt den König nur beiläufig ^0.
Ferner müsste das ganze Factum in das Jahr 883—884 fallen,
denn Martin II., d. i. Marinus I. regierte nur von Ende 882—884.
Und in der That nimmt man auch das Jahr 883 als das Grün-
dungsjahr der Universität an. Nun starb aber Neot schon 877—878,
was Mabillon sehr gut einsah"^), weshalb er Miene machte, das
Gründungsjahr zu verlegen. Man kann es ja anstellen wie man will.
Die weitere Bemerkung, König Alfred habe um die Bestätigung
^1) Gascoigne, Dictionariam theologicam in Loci e libro veritatum.
V^ith an introdnction hy James E. Thorold Rogers (Oxford 1881), p. 178.
^) Bereits Spelman hat in seiner Tita Alfredi niagni Oxonii 1678 p.
140 ff. 144 ff. die Interpolierung der Vita, wahrscheinlich durch Gamdenas
(im J. 1600 und 1603), nachgewiesen, nachdem man bereits 1622 Arg-
wohn geschöpft, und Usser in seinen Primordia ed. 1693 p 342 die ganze
eingeschobene Clausel verworfen hatte. S. über die Geschichte dieser Inter-
polation und der Aufdeckung derselben Mon. bist. Brit. I, 489 Anm.; Pauli,
König Aelfred S. 4 ff. 207; Lappenberg, Gesch. Englands I, XLVIII. 339 f.
Die Yertheidigung der Aechtheit der Stelle durch Huber U, 557 ff. muss als
eine missglückte bezeichnet werden. Selbst Lingard, Gesch. von England,
übers, von Salis I, 219 Anm. 3 war hier kritischer.
^) Wood, Hist. univ. Oxon. I, 16; The history and antiquities of the
nnivers. of Oxford ed. Gutch I, 43. Du Boulay I, 223.
M) S. Migne Patrol. lat. 179 p. 1712.
»&) Ann. Bened. III, 241 f.
240 ni. Entwickelang der Hochschalen his sam Ende des H. Jhs.
der von ihm errichteten Schule beim Papste angehalten ^^), ist
ebenso ein krasser Anachronismus, wie der Passus in einem von
Wood mitgetheilten Gedichte ^^), der König habe ^an uniyersite
for Clerks' gegründet (wo also der Ausdruck Universitas im Sinne
von Lehranstalt genommen wird, was vor der 2. Hälfte des
14. Jhs. nicht der Fall war), oder die Fabel, Johann Scotus habe
in den Tagen König Alfreds die Logik des Aristoteles und Ave-
roes (!) zu Oxford vorgetragen^"). «Durch so plumpe Dichtungen
hat man nur bewiesen, auf welch schwachen Füssen die Be-
hauptung von der Alfredschen Stiftung ruhe.
Um aber auf Wilhelm von Malmesbury zurückzukommen,
so spricht er in seinem Werke De rebus gestis regum Anglorum^'j
weitläufig (theilweise nach Asser) von Alfreds Klosterstiftungen,
von seinem wissenschaftlichen Wirken und wie durch ihn die
Studien wider gehoben worden seien. Allein von einer Schule
in Oxford weiss er nichts. Zu alledem bliebe es immerhin ein
Räthsel, dass der genannte Schriftsteller und vor ihm seit dem 10.
bis 12. Jh. andere, z. B. Asser, Florentius von Worcester im Ghron.
Chronicarum '°) , die Annales anglo-saxon.'^) u. s. w., so kleine
Umstände in den Beziehungen des Papstes Marinus zu König
Alfred und umgekehrt zu erzählen wissen , wie z. B. dass der Papst
auf Bitten desselben *scholam Saxonum in Roma morantium
ab omni tributo et talento teloneo' befreit, dass er dem König
mit andern Geschenken eine Kreuzpartikel gesandt habe u. s. w.,
dass sie aber die Stiftung der Schule zu Oxford und die da-
bei stattgehabte Relation mit dem päpstlichen Stuhl constant
mit Stillschweigen übergehen '*). Doch würde man sich täuschen,
^) Aaf diese *8omnia' hat bereits Smith in dem höchst seltenen Werke :
Ann. nniyers. Collegii, demonstrantes, Gailhelmam Darham fdisse Terom fan«
datorem (Novocast 1728) aufmerksam gemacht.
W) Wood a a. 0.
^j Dies stehe sogar in einem Exemplar Ton Assers Vita Alfiredit Twyne,
Apologia antiqnit. acad. Ozoniensis 1. 3 n. 2S7. Wood, engl. Ansg. I, 280.
89) Lib. 2 n. 122. 123 (ed. Migne p. 1082 sqq ).
90) In den Mon. Germ. SS. XUI, 124.
W) Ibid. p. 105.
9>) Aach in den Gesta pontif. Anglor. (ed. Hamilton) spricht Wilhelm
Ton Malmesbury yon Oxford widerholt (p. 315 l&sst er es lange Tor Alfred
2. Hochschalen ohne Stiftbriefe. Oxford. 241
wollte man glauben, der Ursprung von der Fabel der Alfredschen
Stiftung sei im 16.— 17. Jh. zu suchen; er datiert vielmehr, wie
ich bereits oben bemerkt habe, aus den frühem Jahrhunderten.
Die Alfredsche Stiftung nahmen selbst solche an, die wie
Schaarschmidt läugnen, dass^ in Oxford im 12. Jh. eine Hoch-
schule existiert habe. Nach fast Jahrhunderte langer Unter-
brechung wäre sie erst 1229 in Folge einer Auswanderung Pariser
Scholastiker wider in Aufnahme gekommen, und dies sei die ältere
und wohlbegründete Tradition, gegen welche nichts Wesentliches
aufzubringen sei'*). Eine derartige allen geschichtlichen Thatsachen
zuwiderlaufende Behauptung nimmt sich sonderbar im Munde eines
Mannes aus, der Andere der Kritiklosigkeit zeiht. Während
Schaarschmidt vorgibt, viele Zeugnisse dafür zu kennen, dass
in Oxford zur älteren angelsächsischen Zeit eine berühmte Schule
war'*), übersieht er die sichern Belege für die Existenz einer
besuchten Lehranstalt in Oxford im 12. Jh. bis 1229. Er nennt nur
ein Document, nämlich das des Gervasius Dorobomensis oder von
Ganterbury, welcher sagt: Vacarius sei zur Zeit König Hein-
richs I. nach England berufen worden, und habe in Oxford
die Rechtswissenschaft gelehrt"). Allein dieses Zeugniss beweise
nichts, denn der Chronist habe, wie in hundert andern Fällen
zu bemerken ist, die Oxforder ^Universität* zurückdatiert, und die
Nachricht, Tacarius' hätte, in England römisches Recht gelesen,
fiUschlich so gedeutet, als sei dies in Oxford geschehen, indem
bestehen), sowie von Grimbold (p. 173) and den verschiedenen Arbeiten Alfreds
(p. 177. 332 f. 392 ff. n. s. w.); jedoch von einer Schale zu Oxford weiss er
nichts.
M) Joannes Saresberiensis. Leipzig 1862 8. 17 ff.
M) Es w&re za wünschen, dass Schaarschmidt diese Zeugnisse einmal
pablicieren möchte. Bis dahin halte ich seine Erörtenmgen fftr eitles Ge-
rede nnd bin der Ansicht, dass aas der Litteratar der Angelsachsen irrig
auf das Vorhandensein einer Hochschule der Angelsachsen zu Oxford ge-
schlossen ist.
^) Actas pontificum Cantuariens. in Histor. Anglicanae Script. Londini
1652 II, 1665 und ed. Stubbs II, 384. Die Art nnd Weise wie Schaar-
schmidt citiert, beweist, dass er die Stelle nicht dem Werke selbst, son-
dern Andern entnommen hat. Oenrasius sagt: Tone leges et causidici
in Angliam primo Tocati sunt, quorum primus erat magister Vacarius. Hie
in Oxonefordia legem docuit.
D«iiiru, Jhb Uiii?«nittl«B L 16
242 ni. EntwickeliiBg der Hochschulen his nun Ende des 14. Jhs.
ihm Oxford als vornehmster Stadiensitz galf ). Aber wenn die
Oxforder Schule erst 1229 in Aufnahme kam, Gervasius aber da-
mals nicht mehr lebte, welchen Sinn kann da noch Schaarschmidts
voreilige Behauptung haben?
Man mag die Sache wenden wie man will, eines folgt immer,
dass nämlich Oxford bereits im 12. Jh. eine Schule besass. Und
dass sie schon damals gut besucht war, ergibt sich aus einer Stelle
in der Chronik des Matthaeus Paris, oder vielmehr des Roger
Wendover, in der es heisst, im J. 1209 'recesserunt ab Oxonia
ad tria millia clericorum tam magistri quam discipuli, ita quod
nee unus ex omni universitate remansit, quorum quidam apud
Gantabrigiam, quidam vero apud Radingum liberalibus studiis
vacantes villam Oxoniae vacuam reliquerunt''^). Der Grund, warum
die Auswanderung geschah, war folgender. Ein Scholar tödtete
unvorsätzlich ein Weib; die Bürger kamen herbei, ergriffen und
knüpften, vom König Johannes, der sich in Woodstock aufhielt,
dazu ermächtigt, etliche Genossen des Thäters auf, während dieser
selbst entkam. Magister und Scholaren stellten nun ihre Studien
ein und wanderten nach Cambridge, Maidstone und Reading.
lieber die Stadt selbst wurde das Interdict verhängt, das nach
der Zurückkunft der Magister und Scholaren (1214) vom Car-
dinallegaten Nicolaus für drei Jahre auch auf solche Magister
gelegt wurde, welche in der Zwischenzeit dort gelehrt hatten'').
Die Rückkehr der Magister und Scfiolaren erfolgte erst 1214
und zwar durch Vermittlung des genannten Cardinallegaten.
Die Stadt musste eidliche Bürgschaft gegen Widerholung ähnlicher
Vorkommnisse leisten und sich zu Bedingungen verpflichten, welche
•«) A. a. 0. 8. 18.
*7) Roger de WendoTcr, Flores histor. ed. Coxe. Ich konnte nur die
englische Uehersetinng von Giles, Roger of Wendover*« Flowers of history
(IT, 249 f.) henütsen. 8. Matth. Paris, Ghron. majora ed. Loard II, 526.
M) Dies erheUt ans der vom CardinaUegaien Nioolans im J. 1214 ans-
gefertigten Urkunde. Muniaenta academioa or dociments iUostratiTe off
aeademical life and stndies at Oxford I, 8: Magistri yero, qoi post scho-
larinm recessom irreferenter legerant Oxomae, sospeadMitar per trienniun
ah officio legendi ibidem.
3. HoohichuleD ohne Slifibriefe. Oxford. 243
«
den Scholaren günstig waren''). Um Michaeli dieses Jahres
nahmen die Magister ihre Vorlesungen wider auf.
Die Ereignisse von 1209 und 1214 sind die ersten Kundgebungen
des Studiums zu Oxford. Sie beweisen, dass dasselbe bereits im
12. Jh. dort existiert hat, denn es wäre nicht abzusehen, wie
dasselbe sonst im An£ des 13. Jhs. eine nicht unbedeutende
Blüthe hätte aufweisen können. Auf einmal können nicht gegen
3000 Scholaren hingekommen sein, die dann bei der Aus^
Wanderung behufs Unterkunft drei verschiedene Städte aufzu-
suchen gezwungen waren. Dass die von Roger Wendover und
Matthaeus Paris genannte Zahl der Scholaren nicht allzusehr
übertrieben sei, ergibt sich gerade aus den vom Gardinallegaten
und der Stadt ausgefertigten Documenten des J. 1214, denn diese
beweisen einmal, welche Schwierigkeiten den Scholaren bereits
vor ihrem Wegzuge die Wohnungsmiethe gemacht hat; sie zeigen
uns dann die Fürsorge des Gardinallegaten für die vielen pauperes
scholares, von denen ausserdem nicht weniger denn hundert am
Nicolaitage auf Kosten der Stadt Speisung erhalten sollten.
Sie deuten femer auf eine nicht geringe in Oxford anwesende
Zahl von Professoren hin. Denn wenn mehreren Magistern auf drei
Jahre die Vorlesungen untersagt werden konnten, so folgt denn
doch, dass kein Mangel an Professoren herrschte.
Durch diese sicheren Thatsachen gewinnt ein von Wood ad an.
1 200 angeführter Ausspruch des Senatus Bravonius seine Wichtigkeit :
^Urbs illa erat firequens scolis, magistra in disciplinis, quod et
vobis praepono propter adjacentem urbem, in qua abundant pru-
dentes eloquii mistici, ponderantes verba legis, proferentes omni
poscenti de thesauro suo nova et vetera'"**). Dass diese Nach-
richt auf Wahrheit beruhe, geht unumstösslich aus einem Be-
^) Dies ist in zwei Documenten auf ans gekommen, Ton denen eines
Yom Cardinallegalen ausgefertigt ist (s. Anm. 98), das andere von der
Stadt selbst herrflhrt (bei Wood, Hist. Univers. Oxon. I, 61. Vgl. dessel-
ben The lustory and antiqoities of the onifersity of Oxford ed. Gatch.
Oxford 1792 I, 186). Dass die Borger den Gardinallegaten um Absolution
baten, berichtet Matthaeus Paris ad an. 1213 (L c. p. 569).
looj xhe history and antiquities of the university of Oxford I, 177.
Hist üniTen. Oxon. L 58.
16*
244 ni. Entwidcdoag der Hoefcsdmlen Ins tarn Eade des 14. As.
lichte des Giraldns Cambrensis herror. Dieser erzihU nimBch,
das9 er seine Topographia Cambriae (c. 1186) m Qsfoid, iibi
clems in Aoglia magis vigebat et clericata preceUebat, ... in
tanta aadientia recitare disposait". Zum Glücke eridiri er
selbst, was er unter clems verstehe. Da das Werk drei Thefle
besitze, berichtet er, habe er beschlossen es in drei Tagen YomH
lesen« Trimoque die panperes omnes oppidi totins ad hoc oon-
Tocatos hospitio suscepit et exhiboit. In crastino vero doctores
diyersarum facultatum omnes et discipulos famae ma-
joris et noticiae. Tertio die reliqaos scolares com mili-
tibus oppidanis et burgensibus maltis"®0« Nicht bloss waren
also schon viele Doctoren nnd Scholaren in Oxford, sondern ver-
schiedene Wissenszweige hatten bereits ihre Vertreter.
Dadurch erhalten andere alte Docomente ihre volle Bedentong.
In einem derselben aus der Zeit König Stephans wird von mehreren
Hospitia clericorum (scholarium) gesprochen'®'). In einem an-
dern vom Jahre 1201 wird der 'Cancellarius universitatis Oxo-
niensis cum coetu magistrorum ejusdem' erwähnt'**). Nun ist
aber interessant, dass der Ausdruck ^coetus' gerade in Oxford
gerne gebraucht und noch in später Zeit angewendet wurde, um
das Collegium der Magistri zu bezeichnen '*'*). Der Terminus
weist also auf eine Corporation hin, die bereits Anfangs des 13.
Jhs. unter den Magistern in Oxford bestand.
Dass nun das Studium von 1214 bis 1229 nicht mehr
unterbrochen worden ist, ergibt sich theils aus Acten '*^), theils
loij De rebus a se gestis 11, c. 16. Opp. ed. Brewer I, 72f. W«nua
ist denn dieseB Werk, von dem gerade der betreffende Bd. bereits 1861 er-
schienen ist, Schaarschmidt entgangen?
*W) Wood, Eist. uniy. Oxon. I, 51.
w«) Ibid. II, 388.
^^) So im 13. Jb. (Mun. acad. I, 62. 64.) wie aacb im 14 Jh. (ibid.
p. 82). 1348—1344 wenden sich der CanceUarins et cetus onanimis magistro-
ram universitatis Oxonie an Clemens VI. Reg. SappL an. 2. p. 8 BL 74a.
Dieselbe Bezeichnung findet sich in dem 1362 an Urban T. eingesendeten
Rotulns magistroram oniv. Oxonie. Reg. Snppl. an. 1. p. 1 BL 207 a n. & w.
104^ Im J. 1216 schrieb der Gardinallegat Qoala omnibos magistria et
scolaribns Oxonie commorantibus in Bezug auf die vom frOhem Cardinal-
legaten verfügten Bestimmungen. Wood, The histoiy etc. p. 188. Eine an-
2. Hochscbnlen ohne Stiftbriefe. Oxford. 245
und besonders aus der Geschichte der zwei Bettelorden , der
Dominicaner und Franciscaner. Denn beide Orden recrutierten
sich in England unter andern auch aus solchen, welche schon
vor 1229 in Oxford Professoren oder Baccalarei waren. Im
Jahre 1230 war der General der Dominicaner, Jordan von
Sachsen, in England, und er schrieb von dort: 'Apud Studium
Oxoniense, ubi ad presens eram, spem bone capture Dominus
nobis dedit'^^*). Es trat nämlich Robert Bacon in den Orden,
der vor seinem Eintritt in Oxford 'regens in theologia' und zu-
gleich socius in scola des sei. Edmund war, welcher 4. April
1234 Erzbischof von Ganterbury wurde, nachdem er lange vorher
^doctor theologiae factus Oxoniae' ^^'^). Robert setzte nach dem
Eintritte in den Orden 4ectiones suas in scholis s. Eduardi', d. i. bei
den Dominicanern, fort^''^). Die Franciscaner giengen 1225 nach
Oxford und mietheten sich im nächsten Jahre dort ein Haus ^^"),
das sie nur kurze Zeit bewohnten, denn Anfangs der dreissiger
Jahre finden wir sie schon in einem andern Domicil, in dem sie
dann beständig blieben'^'). In dem ersten Hause nun 4ntra-
vemnt ordinem multi probi baccalaurei et multi nobiles' ^^°).
Um jene Zeit war in Oxford Robert Grosset^te Kanzler der
Universität, der wie Jean de Garlande zum grossen Theil da-
selbst ausgebildet wurde, und lange vor 1229 das Magiste-
dere Urknode vom J. 1219 siehe in Mun. acad. I, 4fi Einen mag. Wilhelm
Scotus doctor decretorum apud Oxonium erwähnt Honorins III. 31. Ang
1217. Reg. Tat. an. 2 ep. 607.
i<^) Lettres du h. Joordain de Saze ed. Bayonne. Paris 1865 p. 134.
Der Originalcodez, einst in 8. Agnese zn Bologna, befindet sich jetzt in
Privatbesitz; eine Abschrift existiert in der Biblioth. Gasanat. zn Rom (D.
ly. 24). Ich komme anf diese interessante Briefsammlong noch öfters znrUck.
106) Trifet bei D'Achery, SpidL^ IIl, 192. Qn6tif-Echard lassen Robert
schon 1228 Dominicaner werden (SS. Ord. Praed. I, 118), was zu früh ist.
i«7) TriTOt 1. c.
loS) Dies ergibt sich aus Eccleston, De adventn Minorum in An-
gliam in den Monnmenta Franciscana ed. Brewer I, 9 f. 11. ed. Howlett, p. 9.
109) Ans einem Vergleich der Stellen in Mon. Francisc. I, 9. 17. 37
mnss man dies erschliessen.
110) L. c p. 17. Thomas Eecleston nennt p. 37 Oxford den Ort, *nbi
principale stndiom florebat in Anglia et ubi aniversitas scholarinm convenire
consneverat'.
246 in. Entwickelang der Hochsehalen bis nun Ende des 14. Jlis.
riom der Theologie erhalten hatte "^), während Johann de Gktrlan-
dia bereits c. 1212 dort Johann von London als Professor der
Philosophie gehört hat'"). Zu allem Ueberflass berichten noch die
Ann. de Dunstaplia, im J. 1228^^*) sei apud Oxoniam inter
scolares et populnm eine dissensio ausgebrochen, und das Volk
habe sich schliesslich ^arbitrio quatuor magistrorum qui tone essait
precipui' gefügt.
Es hiesse Eulen nach Athen tragen, sich länger bei Er-
härtung dieser Thatsache und bei der Widerlegung einer Behauptung
aufzuhalten, die nur in jener bekannten Art und Weise, mit der
man Geschichte zu machen gewohnt ist, ihre Erklärung findet
Das Höchste, was man behaupten kann, ist, dass Oxford im J.
1229 durch die Auswanderung aus Paris einen Zuwachs erhalten
habe, wiewohl selbst dies nicht direct bewiesen werd^ kann.
Matthaeus Paris, obschon Zeitgenosse jener UebersiedeloDg, weiss
nichts davon, und er lässt den grössten Theil nach Angers
ziehen '^^). Und doch, sollte man meinen, hätte er ein solches
Ereigniss nicht umgehen können, um so mehr, als er mehrere
englische Professoren aufzählt, die bei jener Gelegenheit Paris
verliessen, und die wie es scheint ebenfalls Angers au&uchten.
Spätere Schriftsteller z. B. Paul Aemilius^'^) wissen allerdings
davon zu erzählen. Ja auch König Heinrich HL hat am 16.
Juli desselben Jahres den Magistern und Scholaren von Paris
'civitates, burgos vel villas quascunque' Englands angeboten, ohne
^^) Dass OrosseUte Ozforder Magister war, berichtet Oaacoifiie nach
Einsicht in ein Antograph Roberts. Dictionar. theoL in Lod e libro veri-
tatnm, p. 176. Vgl. auch Roberti Grosseteste epist. ed. Lnard, p. XZXI sqq.
Lechler, Job. Wiclif I, 179. — Job. de Oarlande spridit Ton sich darftber
in De trinmphis ecclesiae (n. 1325 nonv. acqois. lat Nati<ni. Bibl. sn
Paris p. 42. Wrights Ausgabe, London IS56, p. 58).
^") ▼sl* dain die richtigen Bemerkungen Hanrteis in Notices et ex-
traits des mannscrits XXVII. 2 p. 72.
US) Ed. Lnard p. 109.
11«) Chron. miooi^ ed. Lnard m, 168 ad an. 1229. Aneh die Annalea
de Dnnstaplia ed. Lnard p. 117 berichten in Ähnlicher Weise.
11^) De rebns gestis Fnuicormn (Lntet. 1550) n. 142a. Das Chron.
Cluniaoense oiid Bemard Guidonis sagen, einige seien unter aaderoi nach
*in Angliaa' gegangen. S. oben S. 226. Anm. 26.
8. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Oxford. 247
speciell Oxford zu erwähnen^'). Allein indirect lässt sich schliessen,
dass Oxford wie Cambridge in dem betreffenden Jahre mehr fre-
quentiert wurden, da der genannte König im J. 1231 sagt, Oxford
werde aseholaribus tarn cismarinis quam transmarinis aufgesuchte^').
Eines steht nun fest, dass nämlich Oxford seit dem 12. Jh.
ein nicht unbedeutendes Studium besass, wenngleich es dahingestellt
bleibt, ob es mit Yacarius seinen Anfang nahm, und die Thätigkeit
des Robert Pullus bei Erneuerung der Theologie daselbst im
Spiele war^^"). Dass seit der Mitte des 12. Jhs. dort sicher eine
Schule existierte, die immer mehr an Bedeutung und an Fre-
quenz zunahm und nicht mehr ausser 1209 bis 1214 unterbrochen
wurde, kann nur deijenige läugnen, welcher sich überhaupt gegen
alle geschichtlichen Thatsachen verschliesst. Die eigentliche
Blflthe der Hochschule fällt allerdings weder in das 12. noch
in die erste Hälfte des 13. Jhs. (obwohl dieselbe bereits in
der letztem Epoche keine geringe war): sie fällt in die Zeit,
als die beiden Bettelorden der Franciscaner und Dominicaner
ihre beständige ununterbrochene Vertretung an der Hochschule
^^ 8. Galendarinm rotolomm patent in torri Lond. (1S03) p. 14.
1^7) Bei Shirley, Royal and other historical lettors iUnstrative of the
reign of Henry III. I, 398 n. 326. Dieses Docoment berieht sich zwar auf
Cambridge; aUein p. 399 findet sich die Bemerkung, dass mutatis mntandis
gana gleiche Acte fOr Oxford aasgefertigt wurden.
^^) Dass Robert PuUus von Ezeter nach Oxford gieng und dort 5 Jahre
lang die Theologie tradierte, sagt eine anonyme Gontinuatio des Ghron.
Bedaa bei Wood, Eist. Univ. Oxon. I, 49 und engl. Ausg. I, 142. Schaar-
achmidt meint 8. 21, ein solcher Versuch Roberts kOnne keinesfialls in die
Zeit KOnig Stephans Men, da er da keinen Sinn h&tte. Darauf ist an er-
widern, dass Stephan (1135—1154) doch nur die Romischen Rechtsstudien
verboten hat ( Joh. Saresber. Policrat. L 8 ed. Giles p. 357). Wenn also der KOnig
dem Yacarius Schweigen auflegte und Vorlesungen über das ROm. Recht Ton
seinem Reiche verbannt wissen woUte, so folgt noch nicht, dass deshalb die
Schule in Oxford au existieren aufgehört habe, oder dass an derselben der
Unterricht in der Theologie unmOglidi gewesen sei Schaarschmidt findet femer
darin eine Schwierigkeit, dass Robert bis au seiner Erhebung cum Gardinalate
nur 'ein einfacher Schiülehrer* war, den Ausdruck 'doctor soholasticus' des
Joh. Saresber. in jener Weise widergebend. Darauf kann ich nur entgegnen,
Sfbaarschmidt möge uch vorher mit dem mittelalterl. Sprachgebrauch ver-
traut nacheni ehe er sich unterflUigt aber das Mittelalter au schreiben.
248 ni. EDtwickelniig der Hochsdmlen bis zm Ende des 14. Jha.
hatten"*). Wohl schon nm die Mitte des 13. Jhs. entstand der
Gebranch, die 'Sennones examinatorii omninm baccalariomm tarn
secnlarinm qnam religiosonmi' in dem einen der beiden Ordeoa-
hänser zn halten'**). Ln J. 1257 wnrde die Hochschnle die
zweite Schule nnd ein Fundament der Kirche, nnd ftnf Jahre
firfiher ^Oxonialis nniyersitas aemnia Parisiensis' genannt **0-
Nach gleichzeitigen Nachrichten sollen im J. 1264 dort nicht
weniger denn gegen 15000 immatricnlierte Schfiler, nnd Anfangs
des 14. Jhs. gar 30000 gewesen sein'**). Allerdings höchst nn-
»9) Selbst Haber, a. a. 0. 8. 76 und Pauli, Programm S. 3Sf erkennen
dies an.
1*^ Dies gebt ans dem Scbreiben Clemens Y. vom 24. April 1313
an den Bischof von London etc. hervor (Beg. Vat an. 8. ep. 294 Bl. dSb)^
worin er den Bericht der Dominicaner bringt, dass jene sermones, 'qni finnt
anteqnam baccalarii in facnltate tbeologica magistrentnr . . . a tempore cnins
non eztat memoria' in den betreffenden Hinsem gehalten wflrden.
^) Chron. maj. ed. Lnard Y, 618: Die üniversitas Ozomensis sei
scola seennda ecciesie, immo ecclesie fnndamentnm. Femer ibid. Y, 353.
139) üeber das J. 1264 s. oben S. 34 Anm. 144. Für den Anfang des
14. Jhs. sind die Quelle Richard von Armagh (Cod. Yat Beg. 449 61. 37a, Brown,
Append. ad Fascicnl.frer. n, 473), der vor Innocenz YI. im J. 1357 sagte,
jetzt seien keine 6000 Studenten mehr in Oxford, während frflher (1333
war er Kanzler) 30000 sich dort aufgehalten hätten, und Thomas Gas-
coigne (Dictionarium theoL in Loci e libro veritatum, p. 202), der diese Ziffer
als Kanzler 'in rotulis antiquomm cancellariorum Ozoniae' gefunden hat Die
Zahl sowie die näheren umstände haben ihre Geschichte. Huber, Die engl,
ünffersit. 1, 114 f. schreibt, 'eine ziemlich gut Terbflrgte Nachricht schlägt die
Frequenz von Oxford um die Mitte des 13. Jhs. auf etwa 30000 an*. Er wider«
holt dies S. 225 Anm., yertheidigt hier wie dort diese Ziffer, und meint,
im 14. Jh. sei sie auf 4—5000 gesunken. Ibid. II, 250 sah er seinen Irrthum
ein und sagt, jene Nachricht von der grossen Frequenz beziehe sich auf die
ersten Jahrzehnte des 14. Jhs. Pauli kannte Gascoigne noch nicht, las
ebenso wenig Richard von Armagh, Hubers Werk aber nicht ganz,
denn in seinem Programm S. 21 steht er gerade mit Berufung auf Huber
ffXr dessen irrige Angabe ein. Dieselbe vertrat jOngst wider Weber, Üeber
das Yerhältniss Englands zu Rom (Berlin 1883) S. 53 Anm. 1, da er weder
Richard, noch Gascoigne, noch Huber, sondern nur Pauli gelesen hatte.
Noch kostlicher nimmt sich yon Stein ans. Er hält 'mit den gesunden Be-
merkungen Hubers alle Angaben Aber die Zahl von 10, 20, ja 40000 Zn-
hOrem für absolut werthlos; die höchste nachweisbare Ziffer war wohl 4400'
(die innere Yerwaltung l c. S. 256). Dieser hat also bei Huber gar
2. Hochschulen ohne Stifthriefe. Oxford. 249
glaublich, denn Oxford hätte damals nicht so viele nnd grosse
Räumlichkeiten gehabt, um eine solche Menge von Scholaren auf-
zunehmen. Allein sicher ist, dass die Schülerzahl in stetem
Wachsen begriffen war, was sich schon daraus schliessen lässt, dass
in Paris die Engländer, die dort im 13. Jh. in grosser Anzahl
studiert hatten, im 14. Jh. kaum mehr vertreten waren ^**), weil
sie eben zumeist Oxford aufsuchten.
Die Anfänge des ersten Gollegs in Oxford, und überhaupt
des ersten auf englischem Boden, reichen in die Zeit vor 1264
zurück. Nach Edmund, Bischof von Nelson, war die durch
Walter de Merton im J. 1264 in Maiden vorgenommene Grün-
dung nur die Entwicklung einer frühem Stiftung unbekannten
Datums ^'^). Der ökonomische und geistliche Theil habe in
Maiden gelebt, während die Stipendiaten, nämlich 20 Scholaren,
sich dort aufhielten, wo sie ihrer Bestimmung gemäss studieren
konnten, also zunächst in Oxford, obwohl sie nicht an dieses
Studium gebunden waren. Gewiss seien die Scholaren schon seit
1264 in Oxford in einer Aula beisammen gewesen, was sich
daraus schliessen lasse, dass sich seit jenem Jahre fast alle Er-
werbungen auf den Ort, wo das spätere Merton-CoUeg lag, be-
ziehen. Im J. 1267 war Walter Besitzer von einem grossen
Areale, das am 3. September ein königliches Privileg erhielt.
Im J. 1274 fand die Verschmelzung der verschiedenen Zweige
des öconomisch- geistlichen Theils mit dem academischen in Ox-
ford statt. Erst in diesem Jahre stand die Stiftung in ihrer Voll-
endung da"*)-
Oxford war eine der wenigen Hochschulen, an der im 13.
Jh. alle Disciplinen, welche für damals in Betracht kommen
nichts gesehen, ausser die NuHenl Panlsen echreiht wie Panli. SyhelgHist.
Zsch. Bd. 45 S. 299. Der Heransgeher Gascoignes kannte nur Gascoigne,
nicht Richard, nnd sieht ersteren als die eigentliche QneUe an. L. c. p. 234.
1^ S. oben S. 96 Anm. 183.
^) S. Edmund, Bishop of Nelson, Sketch of the life of Walter de
Merton, Oxford and London 1859, p. 9 ff.
i>^) Ibid. p. 16 ff. Im J. 1274 hest&tigte der EOnig alle Geschenke an
L&ndereien, bescheinigte die Statuten und überträgt den Sitz des 'domus'
Ton Maiden nach Oxford ^bi perpetuo scholares meos moraturos esse de-
cemo'. Ibid. p. 18.
250 m* Eotwickeloog der Hochscliideii Iris sam Ende des 14. Jhs.
können, und zwar auch die Theologie gelehrt worden. Das Jus
ciyile scheint jedoch anch noch im An&nge des 14. Jhs.f wie
überhaupt in England, so auch zu Oxford schwach vertreten ge-
wesen zu sein"*).
Aber im Orunde ist die Hochschule der 2. Hälfte des 13. Jhs.
dieselbe mit jener der 1. Hälfte, in der ihr ebenso wie nachher
der Gancellarius vorstand"').
Trotzdem kann diese Schule weder eine königliche noch
eine päpstliche Urkunde aufweisen. Als man sich anderwärts
um derartige Stiftungsbriefe bewarb, bestand das Studium zu Oxford
bereits ex consuetudine. Das Schreiben des Cardinallegaten Otho
vom J. 1238 setzt den Charakter der Schule als Studium generale
und die ^Universitas magistrorum et scholarium' als existierend
voraus "*). Wahrscheinlich, dass diese letztere seit langem, etwa
seit Ende des 12. Jhs., bestand, denn sowohl ein oben dtiertes
Document"*), als auch das von Seite der Scholaren mit der Stadt
abgemachte Uebereinkommen wegen der Wohnungsmiethe "*), und
der gemeinschaftliche Auszug im J. 1209 lassen darauf schliessen.
Noch mehr aber war all dies eine vollendete Thatsache, als der
Bischof von Lincoln die Magister von Oxford hinsichtlich der
Lectionsordnung auf Paris hinwies, 'ne . • . a patrum et majorum
vestigiis et conformitate regentium Parisius theologorum manifeste
recedatur' "^), oder als Innocenz IV. am 20. Mai 1246 demselben
Bischöfe auftrug, dafOr zu sorgen, dass in Oxford niemand das
Lehramt in irgend einer Facultät ausübe, 'nisi qui secundum
^) Dies sagt Oascoigne I. c, wo er Ton den 80000 Scholaren spridit-
^) S. oben S. 344. So heisst es anch in den Docnmenten vom J.
1214: Gancellarins scholariam Oxon. quem episcopos constitnerit Mnn.
academ. I. 2; Wood, Hist. unWers. Oxon. I, 61.
^M) S. Munim. academ. I, 6 ff.
^^) 8. oben S. 244.
^^) Dass bereits Tor 1209 die Taxation der Wohnongen eommnni oon-
BÜio clericorom and der Stadt Torgenommen wnrde, ergibt sich ans dem
Documente des Cardinallegaten yom J. 1214 (Man. academ. 1, 1). Nor moss
es dort in dem Satze: 'taxatae commoni consilio clericorom et nostro ante
recessom scholarium' statt 'nostro' *Testro' heissen.
^^) Boberti Grosseteste epistolae ed. Luard p. 347 ep. 188.
2. Hoohflclialen ohne Stiftbriefe. Orltens. 251
morem Parisiensem . . . examinatos fuerit'^"). Und als er
spater, im J. 1254, alle der Universität von wem immer er-
iheilten 4mmunitates, libertates et laudabiles antiquas rationabiles
consuetudines* bestätigte, erkannte er wenigstens stillschweigend
den rechtmässigen Bestand der Schale und deren Universität an"').
Man war bisher gewohnt Oxford und Cambridge unter 6inem
Gesichtspunkte zu betrachten. Es geht dies an, wenn man die
Verfassung beider Schulen vergleicht, nicht aber in Hinsicht auf
deren Entwicklung. Cambridge gehört nicht in diesen Abschnitt.
Orleans.
Über das Studium zu Orleans waren die bisherigen For-
schungen theils höchst ungenügend, theils irreführend, und zwar
sowohl betreffs der Entstehung des Generalstudiums, als auch
der Organisation desselben. Uns beschäftigt hier vorläufig
nur die Frage nach der Entstehung.
Wären die bisherigen Forscher im Hechte, so dürfte dieses
Studium noch weniger in diesem Abschnitt behandelt werden, als das
zu Cambridge. Ziemlich allgemein nahm man nämlich an, es sei
erst (1306) von Clemens V. als Generalstudium erklärt oder ge-
gründet worden"^), wenngleich man dann hie und da zugestand,
dass bereits früher ein Bechtsstudium dort existiert habe ^"^), zu
IS') Reg. Yat. an. 8. ep. 520 61. 284. Wood engl. Ausg. I, 236.
Berger n. 1S59, dem jedoch ebenso wie Potthast der Druck bei Wood entgieng.
1») Reg. Yat. an. 12. ep. 251. 252 61. 180a. Mnn. acad. I, 26. 27 ff.
Beiläufig bemerke ich hier, dass sich Ton der üniversit&t Oxford einige in-
teressante Rotuli und Suppliken im Yat. ArchiT erhalten haben. Reg. Suppl.
dem. YI. aa. 1. p. 2BL 164b; an. 7 p. 3 Bl. 199a; Innocenz YI. an. 8 p, 8
BL 66b; ürbani Y. an. 1 p. 8 Bl. 7; p. 1 Bl. 207; an. 4 p. l Bl. 61.
^ 8o bereits Pasqnier, Reoherches de la France I, 989 und Du
Bonlay lY, 101 ; Bimbenet Histoire de Tuni^ersit^ de lois d'Orl^ans (1858) p. 6 ;
SaTigny III, 401 (*der EOnig genehmigte diese Stiftung' des Papstes); Jour-
dain, Index chronol. chartar« uniTors. Paris, n. 868; Budinssky, Die üniTor-
•iUt Paris (Berlin 1876) S. 51. Le Maire, Histoire de la ^me et duch«
d'Orltens, Orlöans 1648, I, 886 hatte eine etwas richtigere Ansieht Neuestens
vertrat die falsche LaTsJ, Cartnlaire de l'nniTersitö d'Ayignon (1884) I,
lY; er behauptet, Orleans sei nach dem Muster Ton ATignon gegrflndet
worden. In der Regel bringen auch Alle das irrige Datum 1305.
lU) So sagt Savigny S. 400: ^Schon frühe war hier eine berühmte
Schule und awar wahracheinlieh eine Rechtsschule'. Bonderbar iii der Be*
252 in. Entwickelang der Hochschalen bis mm Ende des 14 Jhs.
welcher Annahme es übrigens nicht viel Scharfsinnes bedurfte,
da ja Clemens in mehreren Schreiben sagt: es habe dort 'ab
antiquo' ein Bechtsstudium geblüht. Allein obige Ansicht ist
unrichtig. Clemens V. setzte das Generalstudium als bereits
existierend voraus, er gründete es weder, noch erklärte er es zu
einem solchen, sondern er gab den Magistern lediglich das Corpo-
rationsrecht , machte Bestimmungen behufs Beorganisierung der
Anstalt und beschenkte sie mit Privilegien.
Da das Generalstudium des 14. Jhs. in Orleans eine Bechts-
schule war, welche für die andern Facultäten kaum mehr Platz
Hess, so muss das Generalstudium auch für die frühere Zeit als
Bechtsschule nachgewiesen werden. Delisle hat in einem dankens-
werthen Artikel die Existenz einer Schule für Briefstil und
lateinische Poesie in Orleans während des 12. und 13. Jhs. dar-
gethan^''). Allein, man wäre im Irrthum zu glauben, aus dieser
Schule habe sich das Generalstudium, um das es sich handelt,
nach und nach entwickelt. Im Gegentheile, je mehr dieses in
Aufnahme kam, desto mehr trat die ältere Schule in den Hinter-
grund. Dass dies bereits vor Ende des 13. Jhs. der Fall war,
und es mithin unrichtig ist ganz allgemein zu sagen: im 12. und
im 13. Jh. hätte das Studium des Briefstiles etc. die Jugend
nach Orleans gezogen, wird sich ergeben.
Die ersten Actenstücke für eine Bechtsschule, und zwar speciell
für eine Schule des Böm. Bechts in Orleans sind zwei bisher
unbekannte Schreiben Gregors IX. vom 17. Jänner 1235 an Philipp
Berruier, Bischof von Orleans. Aus dem ersten, dem eigentlich be-
weisenden, ergibt sich, dass der Bischof Bedenken trug, ob die
Legisten, die bereits in grösserer Anzahl zu Orions in Mitten
eines Schülerkreises lehrten, das Bömische Becht vortragen dürften,
weis: 1286 hätten die Scholaren mit denBflrgem einen Streit gehabt, wobei
mehrere der erstem erschlagen worden seien. Gfr. Matth. Paris, Chron. mi^ora
ed. Lnardin, 370. Matthaeus spricht aber norTon'scolares juvenes iUnstrissimi
et genere preclari'. Die Existenz eines Rechtsstudioms im 18. Jh. gibt auch
Thurot, Docnments relatift a l'aniversitö d'Orl^ans in der Bibl. de Pteole
des chartes XXXII (1871), 380 in, ohne sie jedoch nachweisen sa können.
^^) Les ^les d'Orlöans an donxi^me et an treiridme siMe, im Annn-
aire-Bolletin de la bociM de lliistoire de Franoe YII, 289 ff.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Orleans. 253
da dies doch in Paris verboten sei. Der Papst antwortet auf
seine Anfrage bejahend; er macht jedoch in Hinsicht auf die
Geistlichen mit Seelsorge sowie die Archidiacone, Decane und
Erzpriester eme Ausnahme^''). Das zweite Schreiben bezieht
sich zwar nicht direct auf das Rechtsstudium, aber da es unter
demselben Datum und in Verbindung mit dem ersteren ausgestellt
ist, so steht es doch indirect zu demselben in Beziehung. Der
Bischof erbittet für die Scholaren, die fortwährend in grosser
Menge nach Orleans strömten, propter injectionem manuum Ab-
solution, die später gewährt wurde ^'^). Auf eine ziemliche Anzahl
von Studenten lässt auch der Bericht des Matth. Paris zum
J. 1251 über die Anwesenheit der sogenannten ^pastores' in Orleans
Bchliessen "•).
Im Jahre 1266 muss der Buf der Schule schon bedeutend ge-
wesen sein, denn König Karl I. von Neapel richtete in diesem Jahre
ebenso an die Professoren und Scholaren von Orleans wie an
die von Paris ein Schreiben, um sie für das von ihm reorgani-
sierte Studium zu Neapel zu gewinnen; zugleich berief er auch
von dort Professoren'"). In jener Epoche war auch das artisti-
sche Studium noch stark in Orleans vertreten und rivalisierte mit
dem von Paris"'). Aber zur Zeit, als Philipp IV. (im J. 1297)
seinen Untergebenen befahl, die Professoren und Scholaren von
137) Aorelianensi Episcopo. Nobis taa fraternitas postalaTit, at com
prohibitom sit ne leges legantar Parisias, et in Anrelianensi civitate plures
legnm doctores et scolares etiam commorentur, utrum id tolerare valeas per
DOStras te litteras edocere benignins dignaremnr: nos igitar taam snper hoc
pnidentiam commendantes magistros quam scolares prefaots, archidiaconis,
decanis, archipresbyteris et aliis personis ecclesiasticis curam animarom
habentibuB damtaxat ezceptis, libere leges ibidem aadire ac docere permittas.
Reg. Vat. an. 8 ep. 420 Bl. 252b.
^ £z parte toa foit a nobis hamiliter postnlatum, at cum mnltitado
scolarinm ad ciTitatem et diocesim taam confioxerit et confiuat incessanter
etc. Reg. Yat. an. 8 ep. 421.
199) Ghron. mBj. ed. Lnard V, 249. Matth. Paris spricht von der
hrniversitas scolariam', was jedoch hier nicht wörtlich genommen werden darf.
1^0) Del Gindice, Cod. diplomat. del regno di Carlo 1. e IL, I, 250.
Note.
1^1) S. Ratebenf ed. Jnbinal (Paris 1838) II, 415.
254 ^I* Entwickalling der Hochschulen bis «mm Ende des 14. Jhs.
Paris und OrUans während des Krieges nicht zu belästigend^'),
da war das Studium wohl hauptsächlich Bechtsschule. Das wich-
tigste Document hierüber ist ein bisher unbekanntes Schreiben
Bonifaz Ym. vom 1. März 1301 an den Bischof von Auxerre,
Peter de Momay, gerichtet. Folgende Thatsachen erhellen aus
demselben. Bereits als der Adressat Bischof von Orleans (1288—
1296) war, kamen zum dortigen Studium so viele Rechtslehrer,
dass nicht ein jeder derselben eine hinreichende Schülerzahl er-
halten konnte, weshalb der Vorstand des Studiums, nämlich der
Scholasticus der Gathedrale, mit den Doctoren, dem Capitel und
dem Bischof bestimmte, dass in Zukunft dort 2 Decretisten,
3 Decretalisten und 5 Givilisten ordinarie lesen sollten ^^'). Ist
schon diese Anzahl von Bechtslehrem pine erkleckliche, so folgt,
dass sie früher noch grösser gewesen. Man sieht aber auch, dass ge-
rade das Studium des Köm. Bechts am stärksten betrieben wurde.
Einem der Nachfolger des Adressaten auf dem bischöflichen Stuhle
in Orleans, Berthold (1300—1307), genügten indessen 5 Givilisten
nicht, er stellte eigenmächtig noch einen sechsten an, nämlich
einen gewissen Magister Alanus, obwohl Bertholds unmittelbarer Vor-
gänger, Ferricus (1296-1299), das frühere Statut bestätigt hatte.
Auf die Vorstellungen der Doctoren hin antwortete Berthold, er
werde nicht bloss einen, sondern vier oder filnf weitere anstellen,
1^) Bei Du Bonlay, Hist oniv. Paris. V, 790.
1^) Yen. fr. episc AnUsiodorenai. Significant nobia BColMdciis ecdene
ftfC dociores stadii Aarelian., qaod cnm oUm ad dictnin atadium, qnod in di*
Toraia florere acientiia preaertim in ntroqae jure ab aaüqoia temporibna con-
aaeTit, taatadoctommcoiiciirret (aicl) mnltitado, quodeonun aingulia haben
neqaeoiitibiia decentem andienüiuii comittTam, erat ipd atiidio multitBdo
keioa idarimiiaa oneroaa ac eonim doctomm aactoritaa et doctrina propter
ipaomm nmeroaitatem nimiain quodammodo rileacebat: prefatoa ecolaaticui
ad qnem einsdem atadii gnbematio et diapoaitio ab antiqna ^»probata et
haelenoa pacifice obaerrata ooBaaetodine pertinet, habito aaper hiis tarn coan
doctoriboa taue in atudio predicto legentiboa, quam com capitnlo dicte
eccleaie tractatn, de ipaomm aaaenan et Tolnntate, intenreniente inaaper
anctoritate tna, qai tone AoreL eccleaie preaidebaa, certam haina doctomm
nomerom ordinarie in atodio j^redicto legentinm, daonun fidelicet in deeretia,
trinm in decratalibna et qoinqne in jore ciTili, dnxit deliberatione proTida
atatnendnm, aatringendo ae ad hninamodi nunemm in eodem atndio per-
petnia tea^Mriboa obaarrandnaa. Rag. Tat an. 7 ep. 86 BL Sla.
3. Hochtchnleii ohne Stiftbriefe. Orl^aiu. 255
würden sie sich nicht fügen. Um ihnen die facultas appellandi
zu nehmen, heisst es im genannten päpstlichen Schreiben, 4nhi-
buit Omnibus et singulis doctoribus, bachalariis et scolaribus
universis eiusdem studii, ne pro huius negotii prosecutione aut
alia quacunque de causa congregationem aliquam facerent seu
super aliquibus communem tractatum haberent absque sua licentia
specialis in singulos contrafacientes excommunicationis sententiam
promulgando'. Der Scholasticus und die Doctores ipsius studii,
die darin einen grossen Schaden für dasselbe erblickten, appel-
lierten an den Papst, und dieser bestellte den Adressaten, einen
früheren Doctor am genannten Studium, zum Schiedsrichter. Er
möge sich nach Orleans begeben und dort in Gegenwart beider Theile
^pro tranquillitate et statu salubri tam studii quam in eo le-
gentium et studentium predictorum' kraft apostolischer Auetoritat
die nöthigen Beschlüsse fassen ^^*).
Die Blüthe der Bechtsschule zu Orleans in jener Zeit ist
noch aus andern Documenten ersichtlich. Der Bischof von Amiens,
Wilhelm, sagte in einer Bede mit Bezug auf das Beichtprivileg
der Mendicanten, deren heftiger Gegner er war, ca. 1288: Post-
modum dum essemus in domo nostra prope Aurelianis, visum fiiit
nobis ezpediens, quod negotium et privilegia exponerentur magistris
et Scolaribus Aurelianensibus, qui sunt peritiores in iure
quam Parisienses et melius intelligentes^^'). Die Rechts-
schule von Orleans war also in der 2. Hälfte des 13. Jhs. berühmter
als die Rechtsfacultät zu Paris, und es ist mithin sehr zweifel-
haft, ob die Behauptung Thaners, die französische Scholastik des
canon. Rechtes habe an der Universität Paris ihren nationalen
Mittelpunkt gehabt, richtig ist'^'). Hatte doch Orleans vor Paris
1**) Beg. Vat. L c.
145) Cod. Paris. 3120 Bl. 32 b. Dieser wichtige Codex wurde, scheint es,
seit Balose (Yitae pap. Avenion. I. Notes p. 578) and Qa6tif-£chard (SS. Ord.
Praed. I, 295. 404) nicht mehr hervorgezogen, resp. benutzt Der grösste Wider-
part des Bischofs war der Dominicaner Johannes de S. Benedicto. Beide
studierten einst zusammen die Artes za Paris 'in Garlandia', wo eben die
Artistenschale war. Ueber den Bischof s. GalL^christ. X, 1190.
1^) Zwei anonyme Glossen znr Samme Stephan! Tomacensis. Wien
1876. 8. 25.
256 m* Entwickelnng der Hochschulen his sum Ende des 14. Jhs.
den Vorzug, dass mit dem canon. Recht auch das röm. tradiert
wurde. Dass Orleans als Rechtsstudium Ende des 13. Jhs. bereits
einen Weltruf erlangt hatte, schliesse ich auch daraus, dass
König Wenzel n. von Böhmen einen jungen Mann keineswegs
nach Bologna, sondern dorthin schickte. Römisches Recht zu
hören, damit er in die Heimath zurückgekehrt nach dem Plane
des Königs die einheimischen Gesetze auf Grund des Römischen
Rechts umgestalte '^0- Wie anderen Generalstudien z. B. Bologna,
Toulouse, Padua, Salamanca und dem der Röm. Curie, übersandte
Bonifaz YIU. im J. 1298 seine Decretalen auch den Doctoren
und Scholaren von Orleans*").
Als nun am 27. Jänner 1306 Clemens V., der an diesem Studium
im Röm. Rechte promoviert hatte, sein erstes Schreiben dorthin rich-
tete, handelte es sich nicht mehr um Gründung oder Bestätigung des
Generalstudiums. Die Unordnungen, welche in den letzten Jahren
dort vorkamen und von denen die oben erwähnten nur einen Theil
bildeten, machten es nur wünschenswerth, dass die Professoren und
Schüler des Studiums selbständiger und mehr consolidiert
würden, und dass ein Theil der Rechte, welche der Scho-
lasticus bisher besass, an die Professoren abgetreten werde.
Kurz, es stellte sich die Nothwendigkeit heraus, dass die Pro-
fessoren und Scholaren Corporationsrechte erhielten. Zu diesem
Zwecke giengen die Professoren Johannes de Unistinga utriusque
juris, Michael Macondit'^') et Stephanus de Momeio legum pro-
fessores nach Lyon zum Papste, um ^pro universis doctoribus et sco-
laribus predicto immorantibus et immoraturis studio nonnuUa
privilegia, immunitates et gratias cum instantia suppliciter' zu
erbitten, wie Clemens Y. unter demselben Datum schreibt^").
^^7) Adolescentem qnempiam, Conradum nomine, Aarelianis ad stadiom
deitinavit, qnatenns ipse in legam scientia ibidem stndendo proficeret et
qnandoqne roTenns ipsanim legum tenorem prout rex conceperat in regno
Bohemie instaararet Gron. Anlae regiae in Fontes rer. anstriac. SS. VIII, 130.
^^) 8. Friedbergs Ausg. S. 934 Anm.
1^9) In Reg. Yat. an. 4 ep. 372 Bl. 80 b heisst er Maloondicios.
^^) Reg. Yat an. 1 ep. 325 BL 68 b. Er Terordnet, dass die genannten
Professoren von den Scholaren in Orleans für ihre Mflhen and Strapazen ent-
ichlidigt würden.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Orleans. 257
Nur die Unordnungen der letzten Jahre, welche daran Schuld
waren, dass die aus der Lehranstalt Hervorgegangenen bei weitem
nicht mehr den frühern, die mit Recht Säulen der Kirche genannt
werden konnten, glichen, bestimmten den Papst zu seinem Vor-
gehen, nicht aber der Gedanke, das Studium zu Orleans sei noch
kein Generalstudium. Dies lernen wir aus einem von ihm
22. April 1309 an die Doctoren und Scholaren gerichteten
Schreiben ^'^'). Was das Studium selbst anbelangt, so wollte er
dasselbe nur auf den frühern Stand zurückführen^"); das Neue
betraf die Professoren und Scholaren an dem Studium, denen er
am 27. Jänner 1306 die Erlaubniss gegeben, in Zukunft eine Cor-
poration und ein CoUegium zu bilden, das nach Art des GoUegiums
am Generalstudium zu Toulouse regiert werden sollte. Die Doctores
erhalten nun das Becht Statuten in Bezug auf alles, was sie und
ihr Verhältniss zum Studium und den Schülern angeht, zu machen,
und er ertheilt ihnen die Vollmacht, wenn ihnen auf zugefügtes
Unrecht nicht Genugthuung widerfahre, die Vorlesungen einzustellen.
Er gab ihnen die Privilegien der Doctoren und Scholaren von
1^^) Inter cetera studia iuris canonici et civilis Aurelianense stndium et
doctorum peritia et scolarium disciplina preclarum velut singulare sidus immo
nt alternm in terris celum sydereum jam pridem emicuit . . . quodque pre-
clarum tune fuerat, nunc nt accepimus obscuratum est celum. Nam moderne
stelle prioribuB impares non manentes in suo ordine a cursu solito deviantes
no?is quorondam adinventionibus succedentibus splendorem solitum retraze-
mnt. ... ad nostram reducimus memoriam, quod de ipso studio yelut de
quibnsdam lapidicinis in firmo positis olim non minus recte quam solide
excidebantnr colnmpne dei, ecclesiam in statum boni regiminis supportantes,
eo quod tnnc ipsnm Studium sub quibusdam multiplicabatur libertatibus et
obserTantiis regebatur, quibus ut asseritur nunc quorundam machinationibus
destitntnm Servitute premitur et ad multa deductus devia prioribus absimiles
discipulos parit Reg. Vat. an. 4 ep. 372 Bl. 80 a. Diese Briefe Clemens
Y. finden sich auch im Statutenbuch der üniyersitftt Orleans, Cod. Tat. Reg.
405 und Cod. August, n. 78. 8 zu Wolfenbüttel. Beide Hss. sind sehr gut. Einen
stark verderbten Text enth< Cod. Paris. 4223\ Ich eitlere nach Cod. Yat.
Reg. aus dem 14. Jh.
^^) Ibid. sagt er: Eapropter ad antlquas consuetudines et observantias
perquam utiles volenübus in eodem studio proficere idem Studium paterne
BoUicitndinis studio ordinavimus reducendum, und bringt nun die Statuten
Aber die ganze Ordnung der Vorlesungen, welche zu dem Zwecke Peter,
Bischof von Palestrina, entworfen hatte.
D o B i n e , Die UniTenitftton L 1 7
258 in. Entwickeluog der Hochschnlni bis zum Eode des 14. Jhs.
Toulouse'**). Der Bevormundung durch den Scholasticus wurden
sie nun so weit möglich entzogen und auf eigene FOsse ge-
stellt»*)-
Es ist klar, dass das Studium in Orleans seit der 1. Hälfte
des 13. Jhs. vorzüglich als Rechtsstudium florierte. Bonifaz VIIL
sagt zwar in seinem Schreiben, früher seien die verschiedenen
Wissenschaften dort betrieben worden; allein für seine Zeit spricht
er nur vom Jus. Ebenso beziehen sich die Verordnungen
Clemens V. ausschliesslich auf die Rechtswissenschaft, von einem
Studium der lateinischen Poesie etc. ist keine Rede mehr; ja der
Papst sagt widerholt, in Orleans habe litterarum Studium in
utroque jure ac presertim civili laudabiliter ab antiquo
geblüht"*).
Daraus folgt zugleich, dass gerade das Studium des Rom.
Rechts eifrig gepflegt wurde, was durch oben angeführte Do-
cumente bestätigt wird^*^), und was sich noch weiter unten er-
geben wird. Nun erhält der an erster Stelle herangezogene
Act seine Bedeutung. 1235 oder noch 1234 ergeht nämlich an
den Papst die Anfrage, ob in Orleans Vorlesungen über das
i&3j Quin igitar in Aarelianensi cifitate litterarnm stndiam in ntroqne
jure ac presertim civili laudabiliter vigaerit ab antiqno . . . nos ipsam . . .
▼olentes opportunis confovere favoribus et presidiis commanire . . . presen*
tiom aactoritate concedimus, ut doctores et scolares in dicto Aarelianensi
studio nunc et in posterum immorantes habeant universitatem et coUegium
regendum et gubernandum ad modum universitatis et collegii generalis stodii
Tholosani. Dicti quoque doctores condendi seu faciendi constitutiones, ordi-
nationes et statuta provida . . . super modo eligendi rectorem, qui predlctntn
collegium et universitatem regat . . . liberam habeant facaltatem • . . Cete-
rum ut doctores et scolares predicti eo liberius valeant intendere studio et
proficere in eodem, quo magis se munitos aguoverint gratia et favore, ancto-
ritate apost indulgemus eisdem, ut . . . omnibus privilegiis, libertatibas
et immunitatibuS concessis doctoribus et scolaribus in Tholos. studio commo-
rantibus gaudeant et utantur. Reg. Vat. an. 1 ep. 326 Bl. 64. Cod. Yat
Reg. 405 BL 15a. Vgl. dazu Bl. 18—21.
^^) So im angeführten Schreiben und ep. 292 Bl. 58a, sowie Cod. Yat.
Beg. 405 Bl. 16a. Am 30. Juni 1307 verfasste die UniveniUt das Statut
'de rectore eligendo et procuratoribus nationum'. Ibid. BL 24*"*
1^^) So in vier Schreiben vom 27. Jänner 1306. Vgl. anch oben Anm.
153 und S. 257 Anm. 151.
»^) S. oben S. 252 ff.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Orleans. 259
Römische Becht erlaubt seien, da sie in Paris verboten wären.
Der Papst findet keine Schwierigkeit darin und ertheilt die Er-
laubniss. Soweit der Wortlaut jenes Documentes einen Schluss
zulässt, scheinen damals noch nicht zu viele Eechtslehrer und
Rechtsschüler in Orleans gewesen zu sein**'^), was wohl darauf
hindeutet, dass die Legis tenschule zu Orleans noch in den An-
fangen war. Wie kamen nun die Legisten dorthin?
Am 16. November 1219^*®) wurde von Honorius III. das
Schreiben nach Paris gesandt, worin er für Paris und die um-
liegenden Städte alle Vorlesungen über das Rom. Recht ver-
bietet. Die Legisten, die sicher nicht in grosser Anzahl in Paris
waren ^"), mussten also bald darauf die Stadt verlassen. Ich kann
mich da nicht des Gedankens erwehren, dass sie sämmtlich oder
mehrere von ihnen nach Orleans gezogen sind und dort ihre Vor-
lesungen in den nächsten Jahren über das Rom. Recht wider auf-
genommen haben. Orleans war zudem 1 229 mit Angers und Tou-
louse einer der Orte, den die Pariser Magister und Scholaren bei
ihrer Auswanderung vorzüglich aufsuchten. So würde es sich auch
erklären, warum von jener Zeit an die Hauptstärke am Studium
zu Orleans im Rom. Rechte lag. Sollte man darin eine Schwierig-
keit finden, dass erst 1234—1235 vom Bischof von Orleans
wegen der Zulässigkeit eine Anfrage geschah, so löst sich dieselbe
dadurch, dass gerade im J. 1234 ein neuer Bischof den dortigen
167) Oben S 253 Anm. 137.
1^) So im Cod. 263 der Biblioteca Alcobaga (in Biblioteca nacional zu
Lissabon) aus der Mitte des 13. Jhs. (nach den Briefen des Peter Bles.) Das
päpstliche Schreiben ist adressiert Dilectis filiis capitulo paris. et ceteris
ecclesiarum prelatis et capitulis in civitate ac diocesi Paris, constitntis . . .
Super tpelunca (1. «pecuto). Dat. Yiterb. XYI kal. Decemb. an. 4^. Savigny
meint, in der Wiener Hs. j. civ. 173 (jetzt 7219) sei dieselbe Bulle und
mit derselben Adresse datiert Y. Id. Maii an. 3. (Yermischte Schrift. III,
413 f.). Allein Sarigny wurde falsch benachrichtigt. Die Bulle Super apecula
findet sich nicht im Codes; die Ton ihm genannte ist jene bei Potthast
n. 6061. In den Reg. Yat. Hon. an. 4. ep. 610 Bl. 143 b ist die Const. Yen.
frat . . Patriarche Antiochen. et nniversis archiepiscopis et episcopis ac dil. f.
ceteris ecclesiarum prelatis in patriarchatu Antiochen. constitntis adressiert
mit Dat. X. kal. Dec.
^^) Darauf scheint mir auch der Umstand hinzudeuten, dass Innocenz III.
im J. 1209 in der Adresse nur die rectores decretorum erwähnt. S. oben S. 107.
17*
260 ni. Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Bischofstuhl bestieg'^®), und dieser eben bedeutend skrupulöser
war als sein Vorgänger. Eine Schwierigkeit entstünde nur dann,
wenn von 1219 oder 1220 an bis 1235 immer derselbe Bischof
gewesen wäre.
Eines ist aber sicher, dass das Generalstudium zu Orleans
weder einen päpstlichen noch einen königlichen Stiftungsbrief
aufweist. Als im Anfange des 14. Jhs., nämlich 1306, die Ma-
gister sich dort zu einer Corporation verbanden, bestand bereits
das Generalstudium, als solches war es wenigstens seit der
1. Hälfte des 13. Jhs. anerkannt, und wird im Anfang des
14. Jhs. bei allen päpstlichen und königlichen Bestimmungen
vorausgesetzt.
Der Zeitpunkt jedoch, in dem die Hochschule reorganisiert
wurde und wie andere Generalstudien eine Universitas magi*
strorum et scholarium erhielt, war zugleich der Moment, in dem
dem ganzen Studium zu Orleans der Untergang drohte. Die
Veranlassung dazu gaben König Philipp IV. und die Stadt, welche
die der Schule gewährten Freiheiten nicht begriffen.
Der Stadt waren die den Professoren und Scholaren ertheilten
päpstlichen Privilegien ein Dom im Auge. Während im J. 1311
dieselben eines Tages vor den im Kloster der Dominicaner
versammelten Professoren und Scholaren zur Verlesung kamen,
brachen mehrere Bürger dort ein, erlaubten sich Gewaltthaten
und Drohungen um die Publicierung zu verhindern, und einige
von ihnen sprachen offen aus, ^quod dicti scolares pacem cum
ipsis civibus in perpetuum non haberent, nisi rcnuntiarent eorum
privilegiis habitis et habendis'. Andere flössten den Scholaren mit
den Worten Furcht ein : ^quod non erant nisi sexaginta novem anni,
quod eorum antecessores interfecerant scolares et iverant ultra
mare, qui postea redeuntes habuerunt pacem suam, et quod
nunc, hora veniat quod ita fecerint\ Allerdings bestrafte der
König am 29. März (1311) die schuldigen Bürger, wie aus einem
Schreiben desselben vom genannten Tage, worin obige Thatsachen
angeführt werden, hervorgeht "0- Allein die Erbitterung musste
isoj Er hiess Philipp (IL); sein Vorgänger, deBselben Namens, war
1221-12S4 Bischof. S. Oall. Christ YIII, U64, 1462.
161) Cod. Yat. Reg. 405 Bl. 83h. Das Schreiben ist aasgefertigt Die
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Orleans. 261
doch auf beiden Seiten wachsen. Dem König lag daran, die-
selbe zu beben mit der Absicht, beide Theile zu befriedigen.
Aber abgesehen davon, dass sein Experiment zum momentanen
Untergang der Universität führte, bewies er mit demselben, dass
er von dem Wesen der Universitäten und der academischen
Freiheit keinen Begriff hatte.
Im Juli 1312 erliess er ein Schreiben, das seiner Intention
nach wohl die Magna Charta der Hochschule werden sollte.
Nach einer Einleitung über das Pariser Studium und die An-
wendung des Böm. Hechts in Frankreich kommt der König auf
den eigentlichen Gegenstand. In dem vom Papste den Doctoren
und Scholaren von Orleans gewährten Privileg, eine autonome
Universität bilden zu dürfen, sah er die Quelle alles Uebels
und den Grund aller Störungen, deren, wie man nothwendig
schliessen muss, ausser der genannten in jüngster Zeit nicht
wenige auch unter den Doctoren und Scholaren selbst vor-
gekommen waren. Er erklärt deshalb das päpstliche Privileg
für nichtig. Die Doctoren und Scholaren dürften keine Universität,
die ohnehin nicht seine Autorisation besitze, bilden, noch
als solche handeln; sie sollten singulare Personen bleiben
wie vor Empfang des päpstlichen Privilegs '"). Doch will er, dass
in Orleans das Generalstudium, vorzüglich im Jus canon. und
civile, fortexistiere, nur verbot er, dass Theologiae Magistri creiert
würden, ^ne detrahatur privilegiis Romane sedis studio con-
cessis Parisius\ In einem Schreiben vom 17. Juli desselben
Jahres hob er folgerichtig auch die nationum divisionem auf,
lone post festam anntmciationis dominice anno dorn. 1310. Beiläufig sei
bemerkt, dass der Behauptung der Bflrger gemäss, vor 69 Jahren hätten
ihre Vorfahren mehrere Scholaren erschlagen, dieses Factum in das Jahr
1241—1242, und nicht mit Matth. Paris (s. oben S. 252 Anm. 135) in das J.
1236 zu setzen wäre.
^^^) Ibid. Bl. 30 b: inter doctores et scolares iuris canonici et civilis
ibi Btndentes cemimus grave nuper scandalum snscitatnm, videntes ex eo
Stadium illnd turbatum et impeditum enormiter, ac nisi celeriter occnrratur,
proTBOS quod absit in futurum posse destitni: universitatem huiusmodi, que
causam huic prestabat scandalo nee fuerat auetoritate nostra subnixa, tolli
decreTimus. Quod enim hie favore studii fuerat dispositum, manifeste ten-
debat ad noxium. S. auch Ordonnances des roys de France I, 502.
262 lU* Entwickeluog der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
und zwar weil sie Anlass zu Zwist biete, und viele berühmte
Generalstudien deshalb zu Grunde gegangen seien ^*'). Eine seiner
schlimmsten Verordnungen erfolgte im December desselben Jahres.
Der König kommt darin auf die durch ihn erfolgte Aufhebung der
Universität zurück, dann aber stellt er die Doctoren und Scholaren
unter Polizeiaufsicht. Den Pr6v6t macht er zum Conservator
der königlichen Privilegien, welche die Doctoren und Scholaren so
lange geniessen sollten, ^quamdiu ipsi ut persone singulares
secundum antiquum modum in dicto studio se habebunt\ Da nun
aber jüngst die Doctoren beider Rechte sich Studierende durch einen
Eidschwur besonders auf die Beobachtung der von ihnen ver-
fassten Statuten verpflichtet hätten, durch diese Handlungsweise
aber seinem Willen entgegen gehandelt würde, ^cum per hoc
indirecte statu universitatis eos appareat uti velle', so verbietet
er dies für die Zukunft, indem er die Bailliven und den Pr^vöt
von Orleans beauftragt, darauf zu achten, dass von den Doctoren
nie mehr etwas ähnliches unternommen werde. Eventuell dürften
sie auch die Doctoren vor ihr Gericht ziehen^**).
Dass diese königlichen Bestimmungen nicht dazu angethan
waren die erregten Gemüther zu beruhigen, versteht sich von
selbst. Hatte es der König doch gerade auf die Professoren
beider Rechte abgesehen, deren Privilegien er auf alle Magistri
et scholares in theologia, grammatica ac logica legentes et stu*
dentes Aurelianis ausdehnte '^^). Offenbar wollte der König durch
diese Verordnung Lehrer und Schüler aller Fächer nach Orleans
ziehen, um für die Doctoren beider Rechte ein Gegengewicht
zu schaffen. Die Thatsache, dass der König der Schule doch
viele Privilegien gab, wurde nun nicht mehr beachtet. Diese
schienen viel geringer zu sein als jenes, das ihnen genommen
wurde. Welche Befriedigung sollte den Professoren der ihnen
i63j Cod. Vat. Reg. 405 Bl. 34 b. Ceterum nationum diviaionem sea
distinctionem propter pericula discordie, cedum et valnernm, que facile con-
tiogere solent in studiis nationum divislonnm casum prestantiomy cum con-
gregantur frequenter vel etiam convocantur, penitns prohibemns in atadio
memorato. Studia namque plura celebria pront accepimos ex hüs prorsus
disaipata fnisse noscnntor.
1«^) Ibid. Bl. 81b.
1«) L. c-
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Orleans. 263
versprochene königliche Schutz auf ihrer Reise nach Orleans, beim
dortigen Aufenthalte und der Rückkehr, sowie die Befreiung von
den Abgaben ^^^) gewähren, wenn sie nicht einmal gesellschaft-
lich vereint mit einander leben durften und jede gegen-
theilige Regung denunciert und bestraft wurde? Was half es,
dass die Bailliven und der Pr^vöt sowohl die Doctoren und
Scholaren als auch die denselben gewährten Privilegien gegen
die Stadt schützen sollten, wenn jene Conservatoren der Privi-
legien den Doctoren und Scholaren gegenüber doch wider die
Stellung von Polizisten einnahmen?
Die Privilegien waren auch theilweise im Widerspruch mit
dem Verbote der Universität. In dem ersten Schreiben gewährt der
König den Doctoren, dass sie Statuten machen dürften, und dass
der älteste Doctor die Stelle des Decans vertreten solle ^*^).
Allein um Statuten zu verfassen, mussten die Doctoren Versamm-
lungen halten, und die Statuten selbst konnten nur den
Zweck haben, dass sie für Alle bindend waren. In diesem Um-
stände lagen jedoch alle Keime zur Bildung einer Genossenschaft,
und hätten die Doctoren und Scholaren es auch mit bestem
Willen verhüten wollen, so wären sie doch immer zum Eingehen
einer Genossenschaft oder Universität gedrängt worden. Und
gerade dies verbot der König in derselben Constitution.
So unheimliche Zustände Hesse man sich dann nicht gefallen,
wenn man den Polizeistock mehr gewohnt ist, nicht aber im
Mittelalter, wo alle Schichten ein frisches freies Leben durch-
drang. Philipp des Schönen Verordnungen für die Schule von
Orleans bekunden nicht bloss den Geist des Despotismus —
dies wäre nichts Neues; Friedrich II. offenbarte in Bezug
auf Neapel einen ähnlichen — , sie zeugen noch viel mehr für
die Thatsache, dass der König die Idee der mittelalterlichen
Universität nicht begriff. Mit seiner plumpen Handlungsweise
steht Philipp der Schöne einzig in der Universitätsgeschichte
des Mittelalters da. Eine hundertjährige Erfahrung gieng an
ihm spurlos vorüber. Stellten sich einstens die Stadt Bologna und
1^^) L. c. BI. 29b des oben zuerst angeführten Schreibens, das ich die
Magna Charta der Schale nannte.
167) L. c.
264 in. Entwickelnng der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
die Professoren den Scholarenverbindungen scbroff gegenüber,
so handelte es sich damals um etivas ganz Neues, um Scholaren-
Verbindungen und nicht um Genossenschaften überhaupt. Philipp
der Schöne verbot ein aller Orten bekanntes Institut, nämlich
die Genossenschaft der Lehrer und Lernenden.
Sein Nachfolger Ludwig le Hutin wandte keine radicale
Kur an. Er bemühte sich zwar am 10. Juni 1315, dass das
von Philipp im J. 1311 gegen einige Bürger von Orleans erlassene
Strafurtheil, wovon oben die Rede war, in Vollzug käme*"),
und verfügte schon 11. Februar 1315 auf die Klage der Doctoren
und Scholaren, der Pr6v6t 'comminari frequenter non veretur,
quod ipsos (tam scolares quam alios clericos) si deliquerint
puniet ac banniet et expellat de civitate Aurel, sicuti foret Or-
dinarius clericorum ipsorum, propter quod dicti clerici valde
timent in dicto studio morarf, dass sich die Bestimmungen
Philipps ^ad laicos äolum et non ad clericos' zu beziehen haben.
Die Studierenden könnten den apostolischen Constitutionen gemäss
in Bezug auf die persone ecclesiastice den geistlichen Gerichts-
stand haben '^*). Allein im Wesen blieben doch Philipp des
Schönen Verordnungen in Kraft.
Die Doctoren und Scholaren hatten nichts mehr in Orions
zu suchen. Sie beschlossen die Stadt zu verlassen. Vor Ostern
(11. April) 1316 verpflichteten sie sich gegenseitig durch einen
Eid, nach dem Fest keinen scholastischen Act mehr in Orions
und dessen Vorstadt vorzunehmen, wenn bis dahin ihre dem Könige
Ludwig vorgelegten Wünsche nicht erfüllt, und der gegenwärtige
Pr^vöt von Orleans für immer entfernt wäre, Bürger und König
ihnen das Genossenschaftsrecht erlaubt und der letztere alle
bisherigen den päpstlichen Privilegien entgegenstehenden Ver-
ordnungen aufgehoben hätte. Eventuell würden sie, soweit sie
könnten, verhindern, dass Orleans künftighin Studien halber
aufgesucht werde. Wer dieser Verordnung zuwiderhandle oder
nicht schwören wolle, habe ihre Verachtung zu fürchten'^®).
>68) Ibid. Bl. 34 b.
169) Ibid. Bl. 35a. Ein Schreiben darin widerholt Bl. 41b.
^'^) Die Juramenta enr&hnt Johannes XXII. in einem Sehreiben vom 15.
Nov. 1319: Ego inro, qnod nisi nobis fiat iosticia super articnlia in inqnesta
2. Hochschalen ohne Stiftbriefe. Orleans. 265
Wäre der päpstliche Stuhl nicht seit dem Tode Clemens V.
längere Zeit erledigt gewesen, so hätten sich die Professoren und
Scholaren an den Papst wenden können, und es würde in Or-
leans nicht auf das Aeusserste gekommen sein. So aber waren
sie jedes Schutzes beraubt. Am 27. Mai schlössen daher
Rector, doctores ac universitas studii Aurelian. mit der Commune
von Nevers einen Contrakt ab, dem zufolge sie Orleans ver-
lassen und nach Nevers überziehen sollten"^). Ende Juli 1316
war die Schule zu Orleans bereits aufgelöst und befand sich in
Nevers. Dies erhellt aus dem Schreiben Philipps le Long (der
erst zur Regierung gelangt war) vom letzten Juli genannten
Jahres, worin er die 'ruina Aurelian. studii, quod suo tempore
inter cetera iuris civilis studia poUens noscitur claruisse et pene
cuncta huius orbis climata radiis illustrasse sue doctrine' beklagt.
Er wünscht die Widerhersteilung, verspricht allen die in Orleans
studieren wollten seinen Schutz, bestätigt alle von Philipp ge-
währten Privilegien, und befiehlt dem Bailliv von femern Feind-
seligkeiten abzustehend^'). Allein mittels solcher Verordnungen traf
Philipp ebenso wenig als sein Vorgänger den Kern der Sache.
Die Widerhersteilung der Universität zu Orleans ist gerade so
ein Werk Johannes XXII., als die Gewährung des Universitäts-
privilegs selbst ausschliesslich Clemens V. zuzuschreiben ist
Die Zurückführung der Universität von Nevers nach Orleans war
eine der ersten Sorgen Johannes XXII. nach seiner Besteigung des
päpstlichen Stuhles. Wäre das Avignonesische Papstthum in der
Weise von der französischen Krone abhängig gewesen, als man
bisher gewöhnlich behauptet hat, so würde die ganze Sache einen
contentis et propositis coram rege; item nisi prepositns qui nunc est amo-
▼eatur perpetno ab omni officio in BaUiva Anrelianen.; item nisi bnrgenses
consentiant et rex permittat nos libere uti nniversitate, id est, quod rex
amoteat perpetno omnia impedimenta tam per predecessorem snnm, quam
per ipsnm apposita contra privilegia nostro stndio a summo pontifice
concessa: me de cetero post Pascha et in perpetuum nullum actnm scolasti-
cnm Aurelianis nee in snburbio Anrelian. exercere legende vel andiendo tan-
qnam doctor, bacaUariuB vel Scolaris publice vel occulte, donec predicta nobis
foerint penitns adimpleta etc. Reg. Yat. Secret. tom. 2. ep. 616.
171) Das Docnment beiChoppin, De domanioFranciae (Parisüs 1605) p. 690.
173) Cod. Yat. Reg. 405 Bl 35b.
266 ni. Ent wickelang der Hochscbolen bis zum Ende des 14. Jhs.
ungünstigen Verlauf genommen haben. Zum Glücke steht es
jedoch anders.
Am 7. Juli des Jahres 1317 beauftragte der Papst den Erz-
bischof Raynaud von Bourges und den Mag. Johann Ghercemont
Ganonicus von Paris sich mit dem Bischöfe, den Procuratoren des
Gapitels von Orleans, mehreren Bürgern, Magistern und Scholaren
sowie Vertretern des Königs über die Mittel und Wege, das Stu-
dium wider nach Orleans zu verlegen, so eilig wie möglich zu be-
rathen und ihm darüber zu berichten*^'). Unterdessen wandte
sich der König an den Papst mit der Bitte um dessen Unter-
stützung. Er sandte durch den Ärchidiacon von Orleans Amisius
ein Schreiben an ihn, worin er ihn bat, die Universität aufzuheben
und die Scholaren wegen des Eidschwures zu dispensieren. Dies
war in Berücksichtigung der Lage der Umstände eine sehr ein-
fältige Bitte, deren Gewährung nichts weniger als den gewünschten
Zweck erreicht hätte.
Der Papst sah klarer und weiter als der König und ant-
wortete ihm am 6. Juni 1318^, dass er seinem Wunsche in
Betreff der Aufhebung der Universität, d. h. dass die Magistri
und Scholaren keine Genossenschaft bilden dürften, nicht nach-
kommen könne; er wolle jedoch einige Modificationen anbringen.
Der Hauptpunkt derselben bestand darin, dass sich die Universität
und deren Mitglieder um die Handlungen der einzelnen nicht
im Namen der Universität annehmen dürften, ausgenommen, ein
Bürger belange einen Doctor oder Scholar in einer Sache, welche
die ganze Universität angehe. Jeder Rector müsse bei seinem
Antritte auf diesen Punkt einen Eid ablegen. Der Papst ermahnt
den König, auf seine Vorschläge einzugehen, hält ihm das Beispiel
König Ludwigs des Heiligen und überhaupt seiner Vorfahren vor,
^qui concessiones universitatum per Romanos pontifices in regne
Francie plerisque factas studiis non reputarunt ad honus, nullam
super illis curarunt ingerere novitatem'. Bisher seien unter
deren glücklichen Regierung die Studienanstalten im freien und
ruhigen Genüsse der Universitäten gewesen*^*), mit einziger Aus-
las) Reg. Vat. Sccret. an. 1. 2. tom. 1 ep. 304. tom. 2. ep. 123. Commun.
an. 1. p. 1. ep. 1390 Bl. 397.
1''^) Immo 8ub eornm et tue felici regimine usqne in hodiemum diem
studia ipsa universitatibus ipsis libere ac pacifice petita fuerunt.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Orleans. 267
nähme des Studiums zu Orleans, 'cuius dissipatio quantum incomo-
ditatis attulerit, tuis ut credimus sensibus non ignotum existit' ^^^).
Dem König gefielen diese Vorschläge, wie er dem Papste
durch Johannes Mandeville juris civilis professor berichten liess, und
er bat ihn, bestimmt durch die Vorstellungen des Bischofes, Decans,
Capitels und der verschiedenen Orden, dass in Folge des Weg-
ganges der Studierenden ^eorum ecclesie ceciderant in ruinam
et divinum propter hoc diminuebatur officium in eisdem', er
möge dafür sorgen, dass nunmehr seine Bestimmungen und
Modificationen zur Ausführung kämen. Der Papst beauftragte
damit den Gardinallegat Gaucelin am 15. November 1319 und
ertheilte ihm nebst den nöthigen Instructionen die Vollmacht,
die Studierenden von ihrem Eid zu lösen und ihnen die Er-
laubniss zu geben nach Orleans zurückzukehren. Zugleich hält
er alle Privilegien aufrecht, welche der Universität Clemens V. und
seine früheren Vorgänger ertheilt hatten ^'^). In zwei weitern
Schreiben befiehlt er ihm die Scholaren von der Excommunication,
in die sie möglicher Weise verfallen wären, loszusprechen"').
Nun erst, nämlich im April 1320, erliess auch der König ein Edict,
worin er seinen Willen ausspricht, quod Aurelianis sit Studium
175) Reg. Vat. Secret. an. 1. 2. tom. 1. ep. 817 Bl. 223b, tom. 2. ep.
233: quod universitas ipsa, rector, doctores aut scolares iUius, de factis sin-
gularium scolarium et doctoram universitatis nomine se nuUatenns intro-
mittant nee factnm persone singularis alicnius de unitersitate iam dicta
tamquam nniversitas prosequantur, nisi doctor Tel Scolaris contra doctorem
aut scolarem actionem aliquam civilem yel criminalem forsitan intentarent, que
totam universitatem tangeret manifeste. Et hoc quUibet rector seu decanus
universitatis ipsius in novitate creationis sue proprio firmare tenebitur iura-
mento. Set et quilibet canonicus civis vel incola civitatis Aurelianen. contra
fiingnlos doctores, baccalarios seu scolares studii memorati in singulis eorum
caasia Ipsos singnlariter contingentibus habere poterit consiliarios seu ad-
vocatos de universitate predicta, dummodo placeat consiliariis vel advocatis
elsdem etc. Die Taxierung der Wohnungen überlässt er dem König. Wer
nicht Scholar ist, kann nicht vor dem Bector oder den Decanen und Gon-
servatoren zu Qericht gezogen werden, sondern nur vor dem eigenen Richter.
Das Waffentragen ist den Scholaren durch die Stadt verboten.
176) Reg. Tat. Secret tom. 2. ep. 616. Hier auch das Schreiben an
den König inseriert
177) Ibid. ep. 615. 617. Dieselbe Vollmacht erhielt am 1. Februar 1321
der Bischof von Orleans. Beg. Vat. Com. an. 5. p. 1 ep. 380 Bl. 189.
268 in. EntwickeluDg der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
generale, und die Bedingungen aufstellt, unter denen die Doctoren
und Scholaren dort studieren könnten. Diese sind buchstäblich
identisch mit jenen, die der Papst am 6. Juni 1318 ihm vorge-
schlagen und deren Approbation der König im nächstfolgenden
Jahre nachgesucht hatte ^^•). Nach einem Schreiben des Papstes
an den Cardinallegaten Gaucelin vom 7. Juni 1320 zu schliessen
waren damals die Studierenden von Nevers, wo es ihnen ohnehin
nicht gut gieng'^'), bereits zurückgekehrt*"). Schon 24. August
1320 statuierten die Juristen in Orleans eine Lectionsordnung"').
Am 3. Jänner des nächsten Jahres beauftragte der König den
Bailliv einen Eid auf die Beobachtung der vom König und dessen
Vorfahren den Doctoren und Scholaren gewährten Privilegien in
deren Gegenwart abzulegen und dieselben zu beschützen'"). Der
Papst aber dispensierte am 7. Mai 1339 die Studierenden auf
5 Jahre von der Residenzpflicht *").
Aehnlich wie gerade ein Jahrhundert vorher die Scholaren
von Bologna konnten sich jetzt gewiss auch die Magister und
Scholaren von Orleans zu dem von ihnen errungenen Sieg
Glück wünschen. Eine neue Epoche brach nun für die Schule
an, die glänzendste während ihrer langen Existenz***). Die Sta-
"8) Cod. Vat. Reg. 405 Bl. 29a.
i79j s. CoqoiUe, Histoire du pays et duch^ de Nivemois, Paris 1612,
p. 373. Als Grand des Auszuges der Studenten ton Orleans gibt aber der
Autor irrig an, Johann XXII. habe die Stadt mit dem Interdict belegt S.
p. 372. Defrasnay, Essai sur Phistoire du Nivernois im Mercnre de France,
Septembre 1738 — AYril 1739 geht nicht so weit
WO) Reg. Vat Secret tom. 2 ep. 670.
181) Cod. Vat Reg. 405 Bl. 40 a. Die Professoren heissen: Stephanos
Bellicognati (rector anivers.), Johann Vehein, Jordan Galofre, Wilhelm Ri-
chelinei Johann Gastelli, Radulph Nigri, Ito Canonici, Peter de Cappis, Gne-
rin Cordelle, Huris clTilis professores Aurelianis ordinarie acta regentes'.
189) Cod. Vat Reg. 1. c. Bl. 42a.
W') Reg. Vat Job. XXII. Comm. an. 18 p. 1. ep. 624.
IM) Der Umstand, dass man Aber die erste so interessante Periode
dieser wichtigen üniTersit&t bisher wenig wasste, veranlasste mich ausführlicher
SU sein. Le Maire 1. e. p. 832 ff. 338 ff. 372 f. Termengt Falsches mit Wahrem
und citiert nie die Quellen, die er kannte. Bimbenet's Histoire ist in Besug
auf die Geschichte der Unitersit&t gani unbrauchbar. Saviguy wasste eigent*
lieh gar nichts.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Orleans. 269
tuten"*) und die ganze Organisation sind nicht weniger inter-
essant als die Geschichte der Entstehung.
Die Universität schickte öfters ihre Rotuli an den heiligen
Stuhl ein, von denen mehrere im Vat. Archiv existieren*").
Einer der vollständigem ist jener vom J. 1394, an den Gegen-
papst Benedict XIII."^). Es werden darin 4 legum professores
und 3 Canonisten erwähnt. Von den licentiati presentes sind
59 in legibus und 23 in jure can., ausserdem werden 13 licen-
tiati in utroque jure genannt. Absentes werden 125 erwähnt.
Von den Baccalaurei presentes sind in 5. anno lecture 8 in le-
gibus und 1 resp. 3 in jure can.; in 4. anno 22 in legibus und
4 in jure can.; in 3. anno 40 in legibus und 4 in jure can.; in
2. anno 39 in legibus und 5 in jure can.; im 1. Jahre 36 in
legibus und 22 in jure can. Baccalaurei absentes werden 73
aufgezählt In den 5 Jahrgängen ^^^) haben nicht weniger denn
368 einfache Scholaren beider Rechte um Gnaden und Beneficien
bei Benedict XIII. angehalten; allein auf das 1. Jahr entfallen
141 Scholaren. Im J. 1343 waren in Orleans wenigstens 8 legum
doctores, 3 doctores utriusque und 2 decretorum *^*).
185^ ZvL ihnen gehören auch mehrere Verordnongen Clemens Y. nnd
Philipps des Schönen, die ehenso wie die ganze Organisation im zweiten
Bande zur Sprache kommen werden.
186 j Suppliken kommen schon frühzeitig vor, z. B. in Clemens VI. Reg. SnppL
an. 1. p. 1. Bl. 99a; p. 2 Bl. 73a. 81h; an. 3. p. 1 Bl. 79a; p. 2 Bl. 50b; an. 4. p.
1 Bl. 50b;an.5p.3Bl. 9b. UrbanV.an. 1 p. 2B1. 12; an 3p. 2B1. 189a. Die
fast st&ndige Phrase lautet: Bector et coUegiam aniversitatis studii Anrelianen-
sis. Rotali finden sich unter anderm in Reg. Suppl. Clem. VI. an. 8. p. 2. Bl. 18.
Hier werden 5 legum doctores erw&hnt. Urbani Y. Reg. Suppl. an. 1. p. 2.
BL 12. an. 3 p. 2 Bl. 189. Reg. Suppl. Clem. YII. an. 14. Bl. 186. Dann Clem. YII.
mit Signatur 'tomus unicus' aus dem 1. Jahre ; der Rotulus ist sehr bedeutend.
187) Reg. Suppl. Bened. XIII. an. 1 p. 6 Bl. 121-209a.
1^) In Reg. Suppl. Clem. YII. tom. nnic. werden sowohl die Baccalaurei
als die Scholaren vom G.Jahre an gerechnet. Bei erstem heisst es: Baccal-
larii in sexto volumine sue lecture existentes; bei letztem: Scolares in sexto
Tolumine sue auditionis existentes.
i89j Heg. Suppl. Clem. YI. an. 2. p. 3 Bl. 170a. Die legum doctores
hiessen: Beraard de Coulasone, PhU. de Tribus montibus, Anselm ds Sal-
nas(?), Sancius Liberge, Guigo de Godeto, Andraeas Rnffi, Peter de Serrone,
Phil, de Tienvilla. Die doctores utriusque: Stephan Bellicognati, Matthaeus
Colheta, Stephan Rogerii. Die doctores decret.: Johann Caneti, Robert de
Chanuleya, 0. S. B.
270 ^* Entwickelung der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
Angers.
An Orleans reiht sich unmittelbar Angers an. Wie dort
so war auch hier das frühere Studium verschieden von dem
spätem. Das eigentliche Studium generale war eine Rechtsschule,
während die alte Schule von Angers nichts weniger als der Rechts-
wissenschaft ihren Ruhm zu verdanken hat. Wann begann nun
aber die Rechtsschule, d. h. das Studium generale?
Der gewöhnlichen Angabe zu folgen, dasselbe sei zu Angers
1364 gegründet worden, geht nicht an, denn wie wir sehen
werden, sind alle Privilegienbriefe jener Epoche keine Stift-
briefe; im Gegentheile setzen sie die Stiftung voraus. Zudem
wird das Studium schon 1337 vom Bischöfe Fulco ganz un-
gesucht als Studium generale bezeichnet, dem als caput studii
der Scholasticus Andegavensis vorstehe ^'*^).
Wie weit zurück das Rechtsstudium zu Angers datiere, kann
nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Die Statuten vom J. 1373
berufen sich auf einen vom Bischöfe ülger eingeführten Usus,
wonach die Bedelle des Studiums bei Gelegenheit der Promotionen
auf Kosten des Bischofs gespeist werden sollten*''), ülger war
vom J. 1124 bis 1148 oder 1149 Bischof von Angers. Lässt
man nun auch dahin gestellt, ob sich die Universität nicht im
J. 1373 geirrt habe, so würde es sich noch immer fragen, ob
denn zur Zeit Ulgers Promotionen im Rechte vorkamen. Dies
muss um so mehr verneint werden, als in jener Zeit überhaupt
noch keine förmliche Promotionen, das Examen abgerechnet, an
irgend einer Schule statthatten. Was nun das Rechtsstudium
zu Angers anbelangt, so finde ich wenigstens bis in die erste
Hälfte des 13. Jhs. keinen Anhaltspunkt zum Schlüsse, dass in
Angers ein solches existiert hätte, wenngleich für die Artes dort
seit langem ein Studium blühte.
^^0) S. das Document bei Kangeard, Histoire de raniversit^ d' Angers,
publ. par Lemarchand. Angers 1872, II. p. 196 ff. Dieses Werk im vor. Jh.
▼erfasst, übertrifft bei weitem die meisten Monographien über einzelne
Universitäten an GrQndlichkeit and Verst&ndniss. Ich glaube aber in Deutsch-
land der erste zu sein, der es citiert. Durch dieses Werk wird die ältere
Dissertation in Privileges de l'universit^ d' Angers (1736), obgleich sie manches
Wahre und NQtzliche enthält, überflüssig gemacht.
191) S. Rangeard II, 223; I, 100 ff.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Angers. 271
Im J. 1236 bestimmte die Synode von Tours, dass die Ad-
vocaten, welche oft unwissend seien, drei Jahre, die Officiales aber
fünf Jahre Jus studiert haben müssten, ehe sie angestellt werden
könnten*'*). Es mag sein, dass in Folge dieses Beschlusses das
Rechtsstudium zu Angers, das zur Kirchenprovinz Tours gehörte,
in Aufnahme kam. Wahrscheinlich befanden sich dort bereits
Rechtslehrer, die sich sei es im J. 1219 - 1220, sei es im J. 1229
von Paris, sei es überhaupt von Bologna aus, angesiedelt hatten.
Sicher ist, dass Angers bei der Pariser Auswanderung im
J. 1229 die grösste Zugkraft ausübte, was sich nicht bloss aus
Matth. Paris, sondern auch aus gleichzeitigen päpstlichen Schreiben
und andern Quellen ergibt**'). Ueber die Rechtslehrer jedoch,
die in diesem Falle nur Canonisten hätten sein können, lässt
sich beim Mangel an Urkunden nichts Bestimmtes behaupten*"**).
Thatsache ist aber, dass im weitern Verlaufe des 13. Jhs.
das Rechtsstudium zu Angers ziemlich blühend gewesen sein
muss. Ich will kein Gewicht legen auf die Anwesenheit des
Otho de Fontana juris civilis professor docens Andegavi im
J. 1243*"). Viel bedeutender ist der Umstand, dass im Cod.
Paris, 11724 bei den Questiones disputate Andegavis nicht weniger
denn sieben Rechtslehrer genannt werden *'®). Ungefähr in derselben
193) Mansi, SS. Concil. coli. XXIII, 412 n. 2. 4.
i93j Wegen Matth. Paris s. oben S. 246. Am 10. Mai 1230 schrieb
Gregor IX. ^magistris et scolaribus Parisius et Andegavis commorantibufi' in
Sachen der Anflösung der Pariser üniTersität (Reg. Yat. an. 4. ep. 19 Bl. 13a);
am 5. Mai des nächsten Jahres handelt es sich in einem päpstlichen Schreiben
nur um Magistri artium et phisice, die in Paris die Licenz erhielten, und
nunmehr nach der Auswanderung sich in Angers und Orleans aufhielten.
Da Bottlay III, 146. Auch Albert von Stade (Mon. Germ. SS. XVI, 360)
und Vincenz von Beauvais (Spec. bist. 1. 30 c. 137) erwähnen nur Angers.
Das zuerst citierte päpstl. Schreiben findet sich auch bei Balnze Mise. ed.
Mansi III, 392 und Potthast n. 8551.
1^) Auch das Yatican. Archiv Hess mich hier im Stiche.
i»5) S. Rangeard 1. c. II, 178.
^^) YonBl. 101 b an. G. de Rothomago, Rufinus Lumbardus, Gervasius
de Clisant, Guillelmus de Ruis, Simon le Lormier, Ricardus de Piris, B. de
Brulia. Die Quaestionen beginnen: Incipiunt questiones disputate Andegavis.
In der Regel werden sie von dem betreffenden Professor eingeleitet, z. B.
Ista questio fuit a Dom. G. de Rotomago terminata. Oder: Magister Ru-
272 ^- Entwickelang der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
Epoche waren auch die Scholaren sehr zahlreich, und bildeten
vielleicht mit den Professoren eine Corporation. Im J. 1279
wandten sie sich nämlich im Vereine mit den Bürgern an
Karl L von Neapel, um mehrere Privilegien zu ihren Gunsten
zu erhalten, die sich auf die Stadtpolizei bezogen, was der
König, oder vielmehr der Graf von Anjou, gewährte**'). Wie
sich aus dem Vidimus Karls ü. vom J. 1289 ergibt, gieng die
Bitte vorzüglich von den Fremden, die sich in der Stadt auf-
hielten, sowie von den Scholaren aus*"). Einen grossen Auf-
schwung nahmen die Studien zu Angers unter dem Bischof
Wilhelm le Maire, 1291—1314, dem eben die Sorge für die-
selben eine Herzenssache war. War er es doch*"), welcher auf
dem Concil von Yienne im J. 1311 es heftig beklagte, dass
viele oft unfähige Geistliche mehrere Beneficien, manchmal so
gute, dass sie damit fünfzig oder sechzig arbeitsame, gelehrte
Personen zur Genüge unterstützen könnten, inne hätten. Die
Folge davon sei die ^enervatio et dissipatio studiorum, que mo-
demis temporibus ubique terrarum depereunt propter hoc, quod
bonis Scolaribus exercitatum Ingenium habentibus provideri non
potest per prelatos' '°^). Zu seiner Zeit war der Scholasticus
finns Lambardns terminavit istam qnestionem etc. Von den genannten Pro-
fessoren waren einige CiYilisten, andere Canonisten. Die Schrift dieser Ab-
theilnng des Codex ist aus der 2. Hftlfte des 13. Jhs.
197) Es ist nur das Vidimus Karls II. bei Bangeard II, 180 ff. erhalten.
Im J. 1329 bestätigte Philipp VI. von Frankreich den Act. Ibid. p. 194.
198) Der König sagt n&mlich: Nous, attendanz . . . sasditc statuti estre
honorables a nons et proufitables a nostre cite d'Angers dessasdite et aalx
escolliers et aulx aultres estrangiers demenrans en iceUe etc. L. c. p 182.
199) Raynald, der in seinen Ann. ad an. 1311 n. 54ff. einen grossen
Theil jener Klage ans dem Cod. Yat. 4177 ediert hat, wusste nicht den Ver-
fasser anxngeben. Noch weniger natflrlich Haur^u in der Gall. Christ.
XIV, 577. Rangeard wurde bereits im vor. Jh. anf den wahren Autor,
n&mlich den oben genannten Bischof, geführt durch die handschriftlich vor-
handenen Acten desselben. S. 1, 197 f. II, 129. D'Achery publicierte in seinem
Spicil^ I, 785 einen Theil der Acten dieses Bischofs.
MO) Rayoald 1. c. n. 61. God. Vat 4177 Bl. 4b. Die Rede hielt, wie
ee scheint, der Bischof in der 1. Sessio, Octob. 1311. S. ibid. BL la.
2. Hochscbulen ohne Stiftbriefe. Angers. 273
das Haupt des Studiums, bereits ein Doctor der Rechte. Um
den Streit mit den Officialen Karls von Valois zu schlichten,
bestellte der Bischof nicht weniger denn sieben Rechtslehrer des
genannten Studiums"'). Von diesem Zeitpunkte an werden die
Documente in Bezug auf das Rechtsstudium zahlreicher. Aus
dem J. 1316 existiert ein Mandatum officialis Andegav. unter
andern doctoribus ordinarie Andegavi regentibus tarn in jure
canonico quam civili adressiert*"*). Im Jahre 1337 finden wir
das erste Mal das Studium mit dem Ausdrucke Studium generale
bezeichnet, und es erhellt aus dem Actenstücke, dass die Schule
von jeher sich in einem guten Zustande erhielt"'). Dank der
Sorge des Scholasticus, dessen Amt es sei ^Studium ordinäre, et
errata corrigere in eodem quantum spectat ad actus scolasticos
et scolasticam disciplinam'.
Aus den Suppliken, die von Angers im J. 1342 an Clemens VI.
eingesendet wurden, und in denen 'Robertus Surdi, doctor legum
necnon in jure can. licentiatus' erscheint, muss man schliessen
es sei dort schon lange promoviert worden*®*). Der Scholasticus
et Studium Andegavense wandten sich auch im 2. Jahre des
Pontificats Clemens VI. mit einer Supplik*"*) an ihn, und 1350
wird von den Promotionen im Jus wie von einer längst her-
»>i) Rangeard I, 187.
909) Ib. II, 192. Vgl auch ein Document aas dem J. 1317 ibid. p. 194.
^ Bischof Fulco sagt n&mlich unter anderm: In mente revolyimus
statum honorabilem et antiquum Andegavensis studii generalis, de cujus
lactis dulcedine tot boni juvenes educati fuerunt, et in quo tot boni Tiri,
ducnm, comitum, et aliorum principum et baronum fratres, filii et nepotes
et alto sanguine derivati retroactis temporibus studuerunt et Student etiam
bis diebus. Rangeard II, 197.
90*) Reg. Suppl. an. 1. p. 1. Bl. 271. Der genannte Professor las *per
continunm septennium in legibus ordinarie in Andegavensi studio'. Ein an-
derer wird als licentiatus in legibus und Scolaris in jure can. erwähnt, u. s. w.
S. auch Reg. Tat. Avenion. Clem. VI. (an. 4.) tom. 30 Bl. 165 a. Wenn
flbrigens Gabriel de la Roche Maillet im Th^atre g^ographique du royaume
de France (Paris 1632) versichert, Clemens VI. habe 1350 die Privilegien
des Studiums bestätigt, so kann ich fQr gewiss hinstellen, dass sich eine
solche Balle weder in Angers noch im Vaticanischen Archiv findet 8. auch
die oben citierte Dissertation p. 13.
306) Reg. Suppl. an. 2. p. 1. Bl. 121 (im 2. Theil).
Donifle, Die UnirertiUten I. 18
274 in. Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
gebrachten Sache gesprochen"*). Wegen der Pest war jedoch
damals das Studium wie überall in Abnahme. Doch 1356 be»
stätigt König Johann von Frankreich den Scholasticus, doctores,
licentiatos et bachalarios ac omnes et singulos scolares studii
Andegavensis in allen Privilegien und Freiheiten, die sie und
ihre Vorfahren ab antiquo hatten '^0- I^ J- 1361 gründet
Wilhelm Georges, clericus Andegavensis, quatuor bursas quatuor
scolarium perpetuas, die in einem von ihm erbauten Hause
wohnen sollten. Sie müssten habiles sein ad studendum et pro-
ficiendum in facultate legali vel canonica'^''). Das Jahr darauf
wandte sich der Scholasticus et universitas studii Andegavensis
an ürban V. mit der Bitte, er möge eidem studio gewähren,
^ut in eodem studio studentes fructus quoscunque beneficiorum
possint percipere' als würden sie residieren, und zwar auf drei
Jahre. Ausserdem baten Genannte um Beneficien für Mitglieder der
Universität"®). In dem natürlich nur einen geringen Theil der
Universitätsmitglieder umfassenden Rotulus werden ein Legum
doctor, 6 licentiati in utroque jure, 12 licentiati in legibus (von
denen viele in artibus graduiert waren), 5 licentiati in decretis,
13 baccalarei in legibus und 6 in decretis genannt. In einem
Nachtrage sind noch ein licent. in legibus, und je drei bacca-
larei in legibus und in jure can. erwähnt'**^).
Am 25. Jänner 1363***) gewährte Urban V. omnibus et sin-
gulis personis ecclesiasticis, que in dicto studio et civitate
Andegav. in quacunque facultate licita studebunt et legent,
auf drei Jahre das Privileg, abwesend von ihren Kirchen ihre
Beneficien behalten zu dürfen'*'), was er im J. 1366 auf weitere
S06) lUngeard II, 199 ff.
»7) Ibid. II, 204.
»>8) Ibid. II, 205 ff.
S09) Urbani Y. Reg. Soppl. an. 1. p. 2 Bl. 120a. Hier findet sich n&m-
Hch der Botolas studii Andegavensis.
»W) Ibid- Bl. 67 a.
»1) Nicht 1362, wie Raogeardll, 208 and I, 241 meint Das Schreiben
ist 8. kal. Febr. an. 1 ausgestellt, wie sich auch aus dem oben angeführten
Rotulus ergibt.
ns) Bei Rangeai^ II, 208.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Angers. 275
drei Jahre ausdehnte'^'). Es ist dies, soweit bekannt, das erste
der Universität gewährte päpstliche Privileg. Daraus ergibt sich
zugleich, dass der Papst indirect das Studium des röm. Rechts
den Priestern erlaubte, denn in jener Zeit war Angers fast aus-
schliesslich eine Rechtsschule. Unter den im Rotulus vom
J. 1362 notierten 44 Universitätsmitgliedem war nur ein ein-
ziger magister in artibus et in medicina, alle übrigen licentiati
oder baccalarei in legibus oder in jure canonico ausser einem
actu regens in legibus. Jedoch ein Actenstück des Jahres 1339
lässt noch einen viel weitem Schluss zu. Das Capitel der
Kirche von Angers erlaubte den jungen Canonikem die täg-
lichen Distributionen fortzubeziehen , sollten sie auch zur Zeit
des pflichtmässigen Chores in der Schule sein^^^). Die täg-
lichen Distributiojaen waren sonst immer ausgenommen, und das
Capitel konnte überhaupt eine Erlaubniss sowohl in Betreff der-
selben als für das Rechtsstudium nur geben, wenn es vom Papste
ermächtigt war. Gregor XI. bewilligte am 22. April 1371 uni-
versis doctoribus et magistris et scolaribus studii Andegav. das
Privilegium fori, d. i. non trahi extra civitatem Andegaven'**),
am 21. Jänner 1377 aber nahm er ihre Privilegien und Frei-
heiten, die sie ^tam ab homine quam a jure' erhalten hätten,
in denen sie aber oft gedrückt würden, in Schutz*"). Während
des gleichen Zeitraumes, nämlich im Juli 1364, ertheilte König
Karl von Frankreich auf Bitten Ludwigs I., Herzogs von Anjou,
der Universität Angers alle Privilegien, welche die Könige der
Universität Orleans gegeben hatten **0-
Aus dieser Darlegung ergibt sich, dass sich die Rechtsschule
zu Angers als Generalstudium seit ungefähr vor Mitte des 13. Jhs.
ohne jeden päpstlichen oder landesherrlichen Stiftbrief entwickelt
hat. Es ist falsch, mit Du Boulay"^) den zuletzt genannten
aw) Ibid. p. 214.
^*) Rangeard I, 217 f. Dies wurde im J. 1368 nur widerholt. S. ibid.
II, 215.
21») Reg. Vat. Ind. et Privil. an. 1. ep. 610 BL 154a.
2^6) Reg. Vat. Bull, divers, an. 6 (n. 288) Bl. 146 a.
2^7) Bei Rangeard II, 2 10 ff. I, 250 ff. findet sich eine genaue Ausein-
andersetzung derselben.
'1^) Hist. nniy. Paris. IV, 381. AUerdings muss man aus dem Index
IS«
276 m* Entwickelang der Hochschulen his zam Ende des 14. Jhs.
Act des Königs von Frankreich als Gründungsact der Universität
anzusehen, denn davon ist im Docnmente keine Rede. Das Stu-
dium selbst wird durch jenen Act nicht im geringsten berührt.
Der König ertheilt die Privilegien nur deshalb, damit die ^stu-
dentes ibidem ab omni adversitate liberi et ab omni perturbatione
securi liberius et utilius studere valeant inconcussi"^*). Durch
die Grewährung solcher Privilegien wurde ebenso wenig Angers
als Orleans oder ein anderes Studium zum Generalstudium er-
hoben. Avignon war 1303 als Generalstudium gegründet, und
doch gab demselben erst Johann XXIII. im J. 1413 alle Pri-
vilegien der Universitäten von Toulouse und Orleans**"). Mont-
pellier erhielt 1289 das päpstliche Privileg; allein nicht vor
17. December 1421 wurden der Universität alle Privilegien der
zwei Universitäten Toulouse und Orleans von Martin V. er-
theilt"^). So existierte das Studium zu Angers, als es die
Privilegien erhielt, bereits ex consuetudine als Generalstudium,
die consuetudo hatte dann die Privilegien zur Folge.
Aehnlich wie Orleans bestand also Angers, wenn auch nicht
in gleicher Blüthe, ungefähr seit der 1. Hälfte des 13. Jhs. als
Rechtsschule, und zwar speciell als Schule des röm. Rechts, so
dass die andern Fächer immer mehr in den Hintergrund traten.
Darauf sowie auf die nicht geringe Blüthe des Studiums lässt
auch ein im J. 1378 an den Gegenpapst Clemens VE. einge-
sendeter Rotulus schliessen. In diesem erscheinen nebst dem
Scholasticus, der decretorum doctor ist, 8 professores juris
utriusque, 2 legum, und ebenso viele decretorum docto-
res"*). Ausserdem 72 licentiati, 284 baccalarei, sei es in
legibus, oder in decretis, und 190 Scholaren. Von gerade
damals Abwesenden werden ein professor juris utriusque und
(Univers. Andegav.) verglichen mit p. 319. 320 wider schliessen, dass er 1350
als Grflndnng^ahr annehmen will; das ist aber ebenso grandlos.
S19) S. bei Rangeard II, 213.
2^) Laval, Cartulaire de Puniversitö d' Avignon (Avignon 1884) I, 41. 44.
^^) S. Germain, Bist, de la commnne de Montpellier III, 391 Anm. 2.
^^) Scholasticus war seit 12 Jahren Petrus Bertrandi. Die doctores
J. U. hiessen: Ganfrid Gnillopni, Radalph de Garadonc, Johann de Escherbeyo,
Peter de Corceyo, Gaufrid le Boateiller, Stephan Diglier, Johann de Yarenis,
'Hngo de Keroulay. Die legum doctores: Johann Flandini, Briencius Prions.
Decretorum doctores: Johann de Benayo, Guido de Meduana.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Padua. 277
ein decretonim doctor, sowie 20 licentiati in legibus und 10 in
decretis, 15 in utroque und 30 baccalarei genannt"').
Ziemlich spät, wenn man von der oben genannten durch
Wilhelm Georges gegründeten Burse absieht, erhielt Angers
Gollegien für arme Scholaren. Das erste ist das 1408 von
Johann Yerrier für nur vier Studierende des Jus civile gestiftete.
Es hiess Gollöge de la Fromagerie"^).
Padua,
In diesen Zusammenhang gehören auch mehrere italienische
Universitäten, von denen einige ihren Ursprung einer Aus-
wanderung von einer anderen Schule zu verdanken haben. Vor allen
Padua. Alte Schriftsteller berichten, im J. 1222 sei das Studium
der Scholaren von Bologna nach Padua transferiert worden"'). Un-
richtig ist in dieser Notiz nur, dass 'das Studium', d. i. also das
ganze Studium transferiert worden sei. In Bologna blieb immer-
hin noch ein grosser Theil der Scholaren zurück, die, wie wir
oben gesehen haben, im J. 1224 an Honorius III. gegen die Stadt
appellierten. Nicht weniger irrig ist die Meinung, Friedrich IL
habe 1241 oder früher das Studium von Bologna nach Padua verlegt,
eine Ansicht, die heute wohl keine Vertretung mehr findet"^*).
Aus der ersten Zeit der Hochschule sind uns nicht bloss
einige Namen von Professoren aufbewahrt — dies wäre nicht
viel, denn solche finden sich schon aus früherer Epoche"*) — ,
»3) Giern. VII. Reg. Sappl. ao. 1. p. 7. Bl. 152 a 193 b. Ein nicht nn-
bedeatender Rotnlus ibid. an. 14. p. 2 Bl. 201.
^ Rangeard I, 430. II, 273, wo die Grandungsnrkande, p. 279, wo die
Bestimmang des Bischofs Hardain vom J. 1412 Aber die Capelle des GoUegs
sich findet.
M5) So anonyme Chroniken bei Muratori, Rer. ital. SS. Till, 371. 421.
459. 736. Sonderbar genag l&sst Meiners I, 63 die Hochschule tu Padna
einerseits ans sich selbst entstehen, andererseits durch Auswanderung aus
Bologna gegründet werden. Engelberts von Admont Behauptung, erst c.
1274 sei das Studium tou Bologna nach Padua verlegt worden (bei Pez,
Thes. anecd. nov. I, 430), hat bereits Tiraboschi, Storia della lett. ital. IV,
56 gehörig beleuchtet.
'^) Vgl. jedoch Cenni storici suHa r. universitli di Padova (1873) p. 8.
SM) Bereits im J. 1165 wird ein Rechtslehrer, Gerardus Pomadellus
Marosticensis genannt, der *regebat in legibus in domo Martini de Gosso
juxta majorem ecclesiam Padnanam'. Facciolati, De gymnasio Patavino synt.
278 in. Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
sondern wir wissen aus sichern Nachrichten, dass nicht wenige
Professoren beider Rechte und anderer Fächer sich dort in
Mitte einer grossen Schülerzahl aufgehalten haben'"). Ein Er-
eigniss des Jahres 1228 zeigt uns aber die Hochschule in voller
Blüthe.
Im genannten Jahre schlössen Abgeordnete der Stadt Vercelli
mit den Rectoren resp. Procuratoren der Scholaren zu Padua
einen Contrakt auf acht Jahre ab, wonach die Stadt den Scho*
laren und der Universität 500 der besten Wohnungen versprach,
deren Miethpreise zwei Scholaren und zwei Bürger bestimmen
XII. (PaUv. 1752) p. 9. Er war 1169 schon Bischof von Padua, und sein Vor-
gänger Cazo wird ebenfalls sacroruro canonum doctor genannt. Ich begreife nicht,
warum Savigny III, 276 Anm. a besonders zu betonen sich veranlasst fühlt,
dass die Vorlesungen nur eine vorübergehende Unternehmung ohne bleibende
Folge waren. Wenn bis 1222 ununterbrochen Rechtslehrer in Padua ge-
lehrt h&tten, 80 wären deshalb noch nicht ein Qeneralstudium dort gewesen, es
hätte erst mit der Auswanderung aus Bologna begonnen.
^7) Buoncompagnos Summa, die 1215 vollendet wurde und am 26. April
desselben Jahres die Approbation der Universität Bologna erhielt, kam
am 31. März 1226 'Padue in maiori ecclesia' Mn presentia professorum iuris
civilis et canonici et omnium doctorum et scolarium Padne commorantium'
zur Einführung. Cod. Paris. 7731 Bl. 83 b. Cod. tat. Mon. 23499 Bl. 58.
S. Thurot in Notices et eztraits XXII, 36. Rockinger, Briefsteller und
Formelbücher des 11 — 14. Jhs. I, 119. Guido Faba lässt in seiner Summa
dictaminis den mag. E. Castellanus doctor decretorum Padue dem mag. Pe-
trus Hispanus doctor decret. Bononie schreiben, er möge an seiner Statt
die Schule in Padua übernehmen, wo 'multittfdinem habebitis auditorum';
er sei auf einen Bischofssitz berufen. Cod. Paris. 8652 Bl. 47 b. Die Summa
schrieb Faba 1229, als Aliprando Faba Podestä in Bologna war (s. Bl. 27a, da-
zu Qhirardacci I, 148) und Johann Corrado zum Bischof von Padua erwählt
wurde (Bl. 45 a). Sarti, und ihm folgend Tiraboschi, setzen das Schreiben
ohne jeglichen Qrund ungefähr in das Jahr 1223. Es kann sogar dem J. 1228
oder 1229 angehören, so dass es zum Beweise angeführt werden könnte,
dass das Studium 1228 nicht ganz nach Vercelli transferiert wurde.
Uebrigens heisst der Rechtslehrer im genanten Cod. and im Cod. Paris.
8650 Bl. 31b. E. Castellanus, Cod. 8653 Bl. 54 b R.magister CasteU. doctor Padue
comorans, nicht, wie Sarti in seinem Codex liest, Wilhelm Guasco, oder nach
Cod. Casin. 281 p. 56: G.Guascus. — Jordan von Sachsen predigte bereits 1223
'scholaribus apud Paduam', wo er 33 Brüder aufnahm, von denen mit Ausnahme
von zweien alle 'competentis litteraturae et quam plures inter eos satis nobiles'
waren. Lettres du b. Jonrdain de Saxe ed. Bayonne. Paris 1865, p. 8. 12.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Padua. 279
müssen. Im Falle der UneiDigkeit wäre der Bischof oder ein
Gapitnlar beizuziehen. Die theuerste dürfe den Preis von
19 Lire von Pavia nicht übersteigen. Nur die Wohnungen,
welche bei Märkten für die Aufnahme der Gäste dienen, könne
man nicht in Beschlag nehmen. Die Commune von Vercelli
erbot sich auch zu einem Vorschuss von 10000 Lire für die
Scholaren, die in den ersten zwei Jahren mit zwei Denaren, in
den folgenden mit 3 für jede Lire verzinst werden sollten. Sie
werde verbieten, die Lebensmittel aus dem Districte führen zu
lassen. Das Getreide würden die Scholaren um den Einkaufs-
preis erhalten. Die Stadt versprach ferner ein Salarium für
die Professoren auszuwerfen, welche von den vier Rectoren der
Nationen der Franzosen, Italiener, Deutschen und Provencjalen
gewählt werden sollten, und zwar für einen Theologen, drei Civi-
listen, vier Canonisten (zwei in decretis und zwei in decretalibus),
zwei Mediciner, zwei Dialektiker und zwei Grammatiker, im
ganzen also für 14. Ausserdem machte sich die Commune anheischig,
zwei Bedelle und zwei exemplatores, die für correcten Text
sorgen müssten, zu halten. In Civilsachen sollen die Scholaren
unter den Bectoren, in Criminalsachen unter der Stadtobrigkeit
stehen. Aller mögliche Schutz und die grösste Begünstigung
wird ihnen in Aussicht gestellt, und sie würden gehalten werden
wie die Bürger. Die Commune werde es in ganz Italien publi-
cieren lassen, dass das Studium in Vercelli existiere. Die Bectoren
und Scholaren versprachen aber sich zu bemühen, *quod tot
scolares venient Vercellis et morentur ibi in studio, qui sint
sufficientes ad praedicta quingenta hospitia conducenda, et quod
Universum Studium Padue veniet Vercellis et moretur ibi usque
ad octo annos. Si tamen facere non poterint, non teneantur' "*).
Das sind die hauptsächlichsten Punkte, welche hier in Betracht
kommen. Der Act, der in der Regel citiert wird, wenn man vom
Studium in Vercelli spricht, gehört recht eigentlich in die Ge-
schichte der Hochschule zu Padua, weil er uns nicht so sehr
über den Zustand der Schule zu Vercelli, als vielmehr über den
^ Balliano, DeHa universitä degli studi di Vercelli, p. 38 ff. Andere
Abdrücke sind unter Vercelli verieichnet.
280 ^^^* Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des U. Jlis.
der Schule zu Padua in den ersten Jahren ihres Daseins .als
Hochschule einigermassen aufklärt. Er beweist nämlich nicht nur,
dass Padua vier Scholarenverbindungen, jede unter einem eigenen
Rector gehabt habe, worauf ich bereits oben aufmerksam machte,
sondern dass auch das Lehrpersonal für jene Zeit ziemlich
stark, und die Anzahl der Scholaren verhältnissmässig gross
gewesen sein müsse, denn 500 Wohnungen werden nicht mit
500 Scholaren besetzt. Doch hüte man sich hier vor voreili-
gen Schlüssen. Man darf nicht von vorneherein annehmen,
dass in Padua neben der Rechtswissenschaft auch Theologie,
Philosophie und Medicin gelehrt wurden, weil diese Lehrgegen-
stande auch für Vercelli verlangt werden. Wie sich von selbst
versteht und es die Art und Weise des Ursprungs mit sich
brachte, war die Rechtswissenschaft das Leben der Hochschule.
Darüber ist kein Zweifel. Auf die artes liberales komme ich
alsbald zu sprechen. Theologie wurde jedoch nicht öffentlich
gelehrt, und schwerlich schon damals Medicin"^). Was die
Theologie betrifft, so lässt sich ihr Betrieb nicht einmal für
die in Padua existierenden Klöster nachweisen, und ich zweifle
sehr, ob man im Gonvente der Dominicaner in jenen Jahren Theo-
logie vorgetragen hat. Wenigstens wurde erst am 28. October 1226
der Grundstein zur Kirche gelegt ''°), obwohl bereits früher mehrere
Dominicaner in Padua waren. Dass Albert der Grosse 1228 dort
Theologie dociert habe, ist noch weniger erwiesen '*')) ^^
3^) S. Gloria in den Atti del r. istituto Yeneto di scienze, lettere ed
arti, tom. 6. ser. 5. (Veneria 1879—80) p. 1028.
S36^ GeneralarchiT des Dominicanerordens. Pio, DeUa nobile et gene-
rosa progenie del P. Domenico in Italia (Bologna 1615) p. 355 f. aas Muscheta,
B. Joannis cognomento Vicentii praeclara gesta (Patavii 1590) Bl. 13 b. Nur
sagen beide 5. October. Ebenso in Muschetas Schrift De augustissimo templo
D. Augustini prope flumen. Hs. in der Marciana, L. IX. 84 61. 5 b.
^1) Gloria führt nur ^in Zeugniss hierfür an, n&mlich das des Domi-
nicaners D. Maria Federici aus dem Ende des vor. Jhs. 1. c. 1038. Fede*
riet citierte Echard und die Monum. conyentus. Echard I, 164 sagt, Albert
habe vor Eintritt in den Orden in Padua Philosophie (was Gloria 1. c. für
jene Zeit nicht hingehen lassen will), und dann dort oder in Bologna Theologie
studiert. Alles blosse Vermuthangen, für die nicht das winsigste Document
existiert. Davon, dass Albert in Padua die Theologie gelehrt habe, weiss
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Padua. 281
dass er daselbst 1222—1223 in den Orden von Jordan von Sachsen
aufgenommen worden sei"^). Ueber die Schulen in den übrigen
Klöstern hört man nichts. Was nun die artes liberales betrifft,
so meint Gloria, vor 1234 seien sie (die Philosophie) nicht ge-
lehrt worden, sondern nur die Grammatik'"'). Allein dagegen
spricht der gleichzeitige Brief Jordans von Sachsen, der c. 1231
in Padua einen Ungarn aufnahm 'optime institutus in artibus'^'O-
Sicher ist jedoch, dass, wenn die Commune von Vercelli
auch Lehrstellen für Theologie und Medicin errichtet haben wollte,
dies keineswegs beweist, diese Fächer seien in Padua gelehrt
worden, sondern dass dies vielmehr daraufhindeutet, dass die Com-
mune von einem andern Gesichtspunkte aus zu jenem Beschlüsse
kam. Mir scheint, dass hier das Studium zu Neapel, resp. der Stift-
brief Friedrichs II., mit dem der Contrakt in einigen Punkten
übereinstimmt, von Einfluss war. Vercelli wollte eine Lehranstalt
ähnlich jener zu Neapel in allen Fächern besitzen.
Man sollte nun meinen, dass jetzt das Studium zu Padua
wenigstens auf mehrere Jahre unterbrochen worden sei. Dies war
auch die Ansicht einiger Schriftsteller"*)? während andere
auch Echard nichts. Berichteten dies aber vielleicht die Monum. conventus?
Und welche Antorit&t haben diese? Gloria selbst ist hier viel zu leicht-
gläubig.
^ Nicht eine einzige alte Notiz existiert hierüber. Man hat nur eine
SteUe in den Vitas Fratrum auf Albert bezogen (part. 4 c. 10. s. Echard
I. c. p. 163), um doch auch etwas aber Alberts Jugend berichten zu können.
Die Sache ist also sehr problematisch. Sicher ist nur, dass Albert wirklich
einmal in Padua war. Ob als juvenis, wie Echard 1. c. meint, oder später,
das sagt er nicht. Als juyenis war er einmal in Venedig. S. oben S. 69
und Echard p. 163 n. 4.
• «83) L. c.
«84) S. Anm. 238. Dass ausser den Rechtslehrern auch andere Doctoren
damals in Padua sich aufhielten, erfahren wir Überdies aus der oben citierten
SteUe in der Summa Buoncompagnos. S. S. 278 Anm. 227.
«86) Facciolati wusste noch nichts yom Gontrakte; aUein trotzdem be-
ginnt er nach dem Vorgange Papadopolis (Bist. gymn. Patavini, 1726 p. 2)
seine Fasti gymnasii Patayini (Patavii 1757) I, 1 mit dem J 1260; in seinen
Syntagm. spricht er zwar wie wir gesehen haben von frühern Professoren,
allein er lässt doch erst um die genannte Zeit das Gymnasium Patavinum
rite recteque constitutum sein. Tiraboschi jedoch, Storia della letter. ital.
282 ni. Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
glaubten, der Contrakt sei gar nicht ausgeführt worden"'). Weder
die eine noch die andere Ansicht ist richtig. Auf die letztere
komme ich im nächsten Paragraphen zurück. Gegen die erstere
sprechen nicht wenige Thatsachen.
Im Jahre 1229 predigte der General der Dominicaner Jordan
von Sachsen in Padua. Er schreibt der Diana und den übrigen
Klosterfrauen von St. Agnese in Bologna, ihre Bitten in Betreff der
Scholaren von Padua seien erhört worden, ubi bene viginti et
probi postea intraverunt'"). Um 1231 nahm er dort den
Archidiacon Jacob von Ravenna und mit ihm einen juvenis
magni ingenii optime institutus in artibus aus Ungarn, ebenfalls
Archidiacon, und circa triginta novitios probos, litteratos et no-
biles, et plures in eorum numero sunt magistri "*) in den Orden.
Das Jahr darauf dankt er Gott, ^eo quod jam plures de schola-
ribus Paduanis probos et idoneos nobis dedit'"'). Dass nach
1228 die Anzahl der Studierenden keine geringe gewesen sein
könne, lernen wir aus einem andern fast gleichzeitigen Berichte.
In der ältesten Vita des heiligen Antonius von Padua '^^),
IV, 51. 54, nimmt eine Unterhrechnng des Studiums von 1226—1260 an,
weil man keine Erwähnung desselben innerhalb dieser Zeit finde, und er be-
trachtet den Contrakt von Vercelli mit Padua als eine erwünschte Bestäti-
gung fflr seine Ansicht. Er fand einen 'Gegner in Colle, Storia dello studio
die Padova, Padova 1824, 1, 61 ff.
3M) S. darflber im Abschnitte über Vercelli.
^7) Lettres du b. Jourdaln ed. Bayonne p. 100.
^ Lettres p. 134: Magister Jacobus Archidiaconus Ravennas, prepo-
situs Bobiensis, qui episcopatum ante introitum etiam rogatus accipere re-
futavit, cui in Lombardia non est melier juris rector, assumpsit habitum.
Dass dies in Padua der Fall war, erfahren wir aus einem Briefe desselben
Inhalts, den Jordan nach St. Jacob in Paris schrieb (Cod. Paris. 10621
Bl. 178). Im erzbischOfl. Archiv zu Ravenna geschieht dieses Archidia-
cons öfters Erwähnung. Caps. C n. 898 v. J. 1213: Dominus Jacobus Archi-
diaconus; Caps. III n. 1: magister Jacobus Archidiaconus. Und so öfters.
Zuletzt in Caps. F n. 1922 v. J. 1228: Dominus magister Jacobus Archi*
diaconus Ravennas. Im J. 1233 (Caps. F n. 2338) wird bereits Johannes Archi-
diaconus erw&hnt. Also auch aus diesen Documenten ergibt sich, dass der
Archidiacon nach 1228 und vor 1233 in den Orden getreten ist.
SM) Ibid. p. 166.
^ Sie finden sich in fünf Hss., die ich eingesehen habe. In der Bibl.
acionale (Abthlg. Alcoba^a) zu Lissabon n. 286 (nicht paginiert); Cod. Paris.
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Fadua. 283
die zum Theil auf eigener Anschauung, zum Theil auf dem
Bericht von Augenzeugen, besonders des Bischofs Soeiro Viegas II.
von Lissabon, der 29. Jänner 1232 starb und kurz vorher beim
Papste in Italien war'"), beruht"*), ist im 10. Capitel des
2. Theiles von den Processionen die Bede, die nach dem Tode des
Heiligen (13. Juni 1331) statt hatten. Der Autor zählt auf, wer
bei denselben zugegen war, und unterlässt nicht die 4ittera-
torum turma scolarium, quorum non mediocri copia viget civi-
tas Paduana' zu erwähnen. Wollte man auch auf diese Stelle
allein noch nicht allzu viel Gewicht legen, da unter den *litterati'
nicht gerade Universitätsstudierende verstanden werden müssen, so
benimmt uns doch eine andere Stelle jeden Zweifel. Aus ihr geht
hervor, dass die litterati als Universität existierten. Als man
sich nämlich im nächsten Jahre beim Papste um die Ganonisation
des Antonius, die am 1. Juni erfolgte, bemühte, da war es die
'favore digna magistrorum atque scolarium universitas tota',
1436S (61. 186a); 14365 (Bl. 362a); St. Florian in Oberösterreich XI. 264
Bl. 164a Die Lissaboner Hs. ist die älteste Yon allen und vor Ende des
13. Jbs. geschrieben. Die Herausgeber derselben in den Portugaliae monu-
menta historica, Script ores I (Olispone 1856) p. 116 setzen sie zu sp&t an. Die
drei andern Hss. sind ebenfalls aus dem 13. Jh. In der Bibl. di S. Antonio zu
Padua enthält Cod. 74 von Bl. 112-^165 zwei Yiten des hl. Antonius; die
erstere, nach 1293 verfasst, reicht bis 127 b; die 2. von 128—165. Diese
zweite nun ist die eben angegebene, steht aber doch den vier citierten Hss.
nach, da sie bereits* spätere Znsfttse enthält. Die Hs selbst stammt aus dem
14. Jh. (Beide Viten nunmehr ediert von A. M. Josa, Bononiae 1884, er
wusste aber leider nicht, dass die zweite Vita schon gedruckt war). Die Vita in
den eben citierten 5 Hss. wurde meist die Grundlage für spätere Bearbei-
tungen. Jene in den AA. SS. Jun. II p 705 ist eine Kürzung, jene bei
Suria8(Jani p. 728 ed. Colon. 1589 tom. 8) eine Erweiterung derselben. Hier-
nach müssen meine Bemerkungen in der Zsch. f. kath. Theol. 6. Jhg. S. 713
berichtigt werden. Der Verfasser dieser ältesten Vita nahm sich die erste
Yita S. Francisci von Thomas de Celano als Vorbild, und entlehnte ihr nicht
wenige Phrasen.
^^) S. Cunha, Historia ecclesiastica da igreia de Lisboa (Lisboa 1642)
Bl. 109b. 129b.
>^) Der Autor sagt in der Einleitung: Deniqne nonnuUa scribo, que
ocnlis ipse non vidi, Domino tamen Sugerio II. Ulizbonensi episcopo et
aliis viris catholicis referentibus ipsa cognovi. In der Einleitung zum 2.
Theile, der den Bericht seit dem Hingänge des hl. Antonius enthält, meint
284 If'* Entwickelnog der Hochscholen bis lam Ende des 14. Jhs.
welche an die Römische Curie schrieb*^'). Dieses Zeagniss hat
am 80 mehr BedeataDg, als die Vita vor Restauratioii der Uni-
versität im J. 1260 — 1261 geschrieben wnrde'^^), mud als man
daher nicht sagen kann, der Aator habe den Zostand der Uni-
versität während der spätem Zeit in die frühere hineingetragen.
Ans diesen Zeugnissen ergibt sich, dass der Contrakt mit
Vercelli nnr theilweise ansgefilhrt wurde, und dass immerhin
noch eine grössere Anzahl von Professoren und Scholaren in
Padua zurückblieb. Andere Belege, die Colle f&r die Jahre
1245 und 1249 anführt'^'^), beweisen nicht für ein förmliches
Studium. Vielleicht bringt Gloria in seinen Monumenti della
universitä di Padova, die er bereits vor dem Erscheinen mehr
als gebührend erhoben hat'^*), weitere Documente. Allein es wird
nie gelingen nachzuweisen, dass das Studium zu Padua vor dem
2. Decennium der 2. Hälfte des 13. Jhs. in Blüthe stand. Ich
glaube vielmehr, dass es bis zu jenem Zeitpunkte, und zwar
wegen der grausamen Tyrannei Ezzelins (1237 — 1260) in Padua,
inmier mehr in Verfall geriet. Vielleicht ist es daraus zu er-
klären, dass Albert der Grosse zur Zeit, als er den Tractat De
natura locorum schrieb, in einer Weise vom Studium zu Padua
spricht, als hätte es damals kaum mehr existiert '^^).
er: Mira vero que circa eam et per eum dens mflgestatis operari dignatas
est a die obitns sui et deinceps, vironim nobis fide dignomm relatione relata
sequenti oposcnlo dnximas inserenda. Portagaüae Mon. 1. c. p. 120.
2*3) Portug. Mon. 1. c. 124.
3^) Josa weist p. VI ff. sehr gut nach, dass die Vita in der 1. Hftlfte
des 13. Jhs. verfasst worden sein müsse. Meiner Ansicht nach datiert sie
aus den ersten Jahren nach der Heiligsprechung, was ich aus den Quellen
der Legende und aus dem Umstände, dass die erste Yita des hl. Franciscus
von Thomas de Celano noch ganz frisch im Ged&chtnisae des Verfiissers
war, schliesse.
246) Storia dello studio di PadoYa I, 63 f.
246) In den Atti del r. istituto Veneto, tom. 1. ser. 6. p. 1257. 1267.
Gloria meint fast, Yor ihm habe niemand etwas Yom Studium zu Padua,
niemand etwas von Palaeographie gewusst. Wenn er aber gar so viel weiss,
warum schreibt er dann nicht eine förmliche Geschichte, und Yerspricht
nur eine zusammenfassende Notisensammlung mit einem Apparat Ton Docu-
menten?
947) Im Tractate De natura locorum (tr. 3 c. 2. ed. Lugdun. tom. 5)
2. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Padua. 285
Nach vier Jahren seit erlangter Freiheit, nämlich 1260,
hatte die Reactivierung der Universität Padua statt'*'), obschon
1259 wenigstens Grammatiker daselbst docierten. Die Commune
entwickelte eine ungewöhnliche Thätigkeit und erliess besonders
1 260 und während der nächsten Jahre Bestimmungen hinsichtlich
der Wohnungen, der Rechte und Privilegien der Scholaren, der
Anzahl der zu berufenden Juristen (2 Legisten, 3 Ganonisten),
der vorzulesenden Bücher, der Stationarii u. s. w. Das Salarium
der Legisten soll nicht 300 Lire, das der Ganonisten nicht 200
übersteigen. Die Doctoren seien jährlich zu berufen 'per comune
Padue de consilio rectorum et tractatorum studii'"'). Im J. 1262
wurde Rolands Ghronik 'coram doctoribus et magistris presente
etiam societate laudabili baccalariorum et scholarium liberalium
artium de studio Paduano' vorgelesen ; von diesen werden 3 pro-
fundi et periti doctores in physica (Medicin) et scientia naturali,
einer in der Logik, und 6 in der Grammatik und Rhetorik ge-
nannt'"). Die Rectoren der Universität bestimmten um jene
Zeit, dass der Bischof von Padua das Examen vornehmen und
die Licenz ertheilen sollte. Urban IV. bestätigte am 9. Jänner
1263 diesen eingeführten Usus"^) und spricht von der 'univer-
sitas magistrorum et scolarium Padue' als von einer bereits
anerkannten. Die Hochschule war schon consolidiert und schwang
sagt er: Patavium, qoae nunc Padua vocatar, in qua multo tempore viguit
Studium literarum.
^ Richtig Facciolati L c. und Synt. p. 10. Statuta spectab. et almae
univers. Juristarum Patav. gymn. 1551. Bl. 1. Irrig die Genni storici p. 8.
s^9) S. genannte Statuten mit den näheren Nachweisen unten Beilage 1.
200) Muratori, Her. ital. SS. VIII, 360. Mon. Germ, SS. XIX, 147.
^^) Im Vat Archiv fand ich das Schreiben in den Reg. Vat. Avenion.
dem. VI. t. 34 Bl. 83 b; Beg. Suppl. Clem. VI. an. 5 p. 2 Bl. 45a, wo die
BuUe einer Supplik des Bischofs von Padua Hildebrand (1319—1352) inseriert
ist. Ürbans Schreiben bei Riccoboni, De gymnasio Patav. in Graevii Thes.
antiqu. et hist. Italiae VI. par. 4 p. 4; Tomasini, Gymn. Patav. (1654) p. 9.
Im J. 1362 ordnete Innocenz VI. an, dass, wenn der Bischof gestorben sei,
in der Zwischenzeit bis zur Neuwahl der Abbas monasterii de Canaria 0.
S. B. die Promotionen vorzunehmen habe. Da die Ausstellung des Schreibens
hierflber durch den Tod des Papstes verhindert wurde, that dies Urban V.
am 8. Nov. 1362. Reg. Vat. Ind. an. 1 ep. 579 Bl. 158 b.
286 '^'' Entwickelofif d^r Hochscbalen bis tnm Ende des 14. JhB.
sich bald zu einer der ersten in Italien empor. Im J. 1374
sandte Gregor X. seine auf dem Goncil zu Lyon erlassenen Gon-
Htitutionen nicht bloss nach Bologna nnd Paris'"), sondern tat
1. November auch nach Padua'^'). Es ist dies der erste Fall,
dass ein Papst seine Constitutionen oder Decretalen an andere
Hochschulen als die zwei zuerst genannten geschickt hatte.
Aus der nächstfolgenden Periode, deren Besprechung schon
in den 2. Band gehört, seien bloss folgende Facta erwähnt
Die Hochschule war für die Bepublik Padua eine Lebensfrage,
und es wurde wie auch anderwärts zugleich fQr den Papst eine
Handhabe, um die Stadtobrigkeit in Schranken und in Gehorsam
7M erhalten. Im J. 1288 wandte sich die Commune von Padua
an Nicolaus IV. wegen eines Zwistes zwischen ihr und den
Scholares ultramontani. Die Ultramontani waren mit der Wahl
des Rechtölehrers Jacob von Arena, welche die Commune be-
stätigt hatte, nicht einverstanden und hatten sich im October
1287 durch einen Eidschwur verpflichtet, die Stadt zu verlassen
und zu ihr binnen 10 Jahren nicht zurückzukehren, falls bis
Weihnachten Jacob von Arena ^a lectura ordinaria librorum
legalium* nicht entfernt worden sei. Sie machten jedoch damit
nicht Ernst, und die Commune bat nun den Papst, die Ultra-
montanen vom geleisteten Eide zu lösen, da ^ex discessu predic-
torum ultramontanorum scolarium, si fieret, de civitate ipsa nos-
catur tam communl quam civitati predictis grave dispendium
imminere, preserüm cum ex hoc facile sequi possit dissolutio
studii Paduani, quam non esset dubium in non modicum detri-
meutum reipublice redundare\ Der Papst gewährte die Bitte
am 1, Juni'**),
*'^^) 8. Schulte 11, ai.
^^) Campi, llist. ecclei, di Piacensa (1651) II, 458 hat eine solche an
^univ^rsia doctoribue et scolaribus Padannis* gerichtete Bolle pnbliciert.
Auch berichtet ea Snn^lbert von Admont L c.» and Schalte II, 558 hat im
CVa. Viudob. 2084 Bl iO^ ebenüalls die an Padoa adressierte Buüe gefonden.
Engelbert irrt nur darin, dass er, wie ich bereits bemerkt habe* glaabte, das
Studium »ei erat damals von Bologna nach Padua veriegt worden ; der F^»st
habe auch blo:ts nach Padua, nicht nach Bologna die Constitutionen gesandt
^^) Reg. Yat an. 1 ep. 61 BL 16a. Das Schreiben ist nunmehr ediert
in d«n Melanges d'ArcheoIogie et d'histoire. 4. anaee 1884, p. 55.
2. HochschuleD ohne Stiftbriefe. Padua. 287
Allein durch eigene Schuld hätte die Commune bald ihr
Studium verloren. Die Stadt erliess 1282''^'^) ^nonnulla statuta,
nedum iniqua, quinnimo nefanda et horrenda quam plurimum
crudelibus studii quorum pretextu clerus civitatis et dioc. Pa-
duan. multimodi offensis impetitur, läcessitur iniuriis, af&citur
contumeliis "•)• Am 1. October 1288 erklärte sich Nicolaus IV,
gegen diese Statuten und drohte dem Podestä, den Anzianen,
dem Rathe und der Commune, sie durch seinen Legaten den
Erzbischof von Ragusa excommunicieren zu lassen und unter
anderm ^civitatem predictam studii dignitate, privilegiis et in-
dulgentiis omnibus vobis et eidem civitati super studio ipso ab
apostolica sede concessis' zu berauben, ^universos magistros et
scolares alienigenas de civitate predicta prorsus expellere\ so
dass sie 'ad eam absque speciali sedis predicte licentia nuUa-
tenus revertantur', widrigenfalls diese aller Benefizien verlustig
und solche zu erlangen für die Zukunft unfähig wären: sollten
der Podesti, die Anzianen etc. nicht innerhalb von 15 Tagen nach
Empfang des Schreibens die genannten Statuten cassieren'^^).
Am 27. Mai des nächsten Jahres belegte auch Bonaventura,
Erzbischof von Ragusa, von Monselice aus in der That Padua
mit dem Interdicte'^^). Am 2. August 1290 aber erliess Nico-
laus IV. ein Schreiben, woraus wir erfahren, dass zwischen dem
Podest^ etc. und dem Clerus der Stadt ein Uebereinkommen
getroffen war, in Folge dessen der Papst den Cardinal Peter
de Colonna beauftragte, 'sententias latas contra Studium civi-
tatis predicte' aufzuheben'"*).
^^) S. Gennari, DeU' antico corso de' fiami in Padova (Padova 1776)
p. 112; Annali della cittä di Padova (Bassano 1804) III, 36; Informazione
iaiorica deUa cittü di Padova (Bassano 1796) p. LXIII. Bereits 1265 und
1274 wurden solche Statuten erlassen.
^ Cavacio, Hist. coenob. Justinae Patavinae (Patarii 1696) p. 125
meint, bereits Martin lY. habe sieh (1282) gegen die Statuten aasgesprochen
nnd Padua mit dem Interdict belegt, das erst Nicolaas lY. im J. 1289 auf-
gehoben habe. AUein ganz mit Unrecht und ohne Beweis.
SS7) Beg. Vat an. 1. ep. 212 Bl. 50 b. £p. 213 ist der Auftrag an den
Ersbischof von Bagusa unter demselben Datum. Bei GoUe, L e. I, 70 sind
die Daten nicht richtig.
958^ Qennari, DeU' antico corso de' fiumi in Padova L c.
^^^) So in dem Anm. 259 citierten Schreiben.
288 ^^' Entwickelnng der Hochscholen bis zam Ende des 14. Jlis.
Wirklich nahm dieser alles zurück, was vom Erzbischof
^contra Studium memorate civitatis, magistros et scolares eiusdem
studii' geschehen war und setzte die Punkte der Vereinbarung
zwischen dem Glerus und der Gemeinde auf, die dann die
päpstliche Bestätigung erhielten, doch unter erneuerter Andro-
hung aller bereits verhängten Strafen, sollte der Podestä und
die übrigen noch einmal die genannten Statuten aufstellen.
In diesem Falle müssten die Magistri und Scholaren binnen
8 Tagen den Podestä, die Anzianen und den Rath durch ihre
Rectoren ermahnen, jene Statuten zurückzunehmen. Würden sie
dies unterlassen, oder wagten sie, nachdem die Commune inner-
halb eines Monats die Statuten nicht zurückgenommen hat, noch
in der Stadt zu bleiben oder in dieselbe ohne ausdrückliche Er-
laubniss des apostol. Stuhles studii causa zurückzukehren, so
sollten sie allen vom Erzbischofe früher angedrohten Strafen
verfallen"*).
Man sieht hieraus, welche Macht damals schon das Studium
zu Padua war. Und eine solche blieb es auch in der nächstfolgen-
den Zeit trotz einiger geringfügiger Unterbrechungen '•®). Die
Hochschule zu Padua erhielt wie Bologna einen Weltruf, beide
waren die Leuchten der Rechtswissenschaft, Bologna voraus, dann
Padua, bis im 15. Jh. die Hochschule zu Padua jener zu Bo-
logna den Vorrang abgewann. Gloria kann bis 1318 zwar nur
55 Legisten, 28 Canonisten, 38 Artisten, Physiker u. s. w. nach-
weisen *'0; allein nimmt man sie als Schriftsteller, so ist die
Zahl nicht so geriug. Im J. 1344 konnte der Bischof von
Padua an Clemens VI. schreiben, dass zu Padua 'viget in iure
canonico et civili aliisque facultatibus preter sacram theologiam
Studium generale, sicut per totam Italiam et in nonnullis aliis
mundi partibus est notorie manifestum""). Aber auch die
Theologie sollte die Hochschule erhalten, und zwar nur drei
»W) Reg. Vat Nie. IV. an. 3 ep. 854 Bl. 69 b.
^*>) 8. Celle I. c. p. 71 £ Die Ansicht Tomasinis, Qymn. PaUv. p. 10,
das Oeneralstudittm sei von Nicolaus lY. an bis 1800 onterbrochen gewesen,
ist jedoch irrig.
^1) Atti del r. istitnto Veneto, tom. 1 ser. 6 p. 1268.
^) Beg. Suppl Clem. VI an. 5 p. 3 Bl 45 a. 8. oben S. 285 Ann. 251.
2. Hocbschalen ohne Stiftbriefe. Padua. 289
Jahre später als Bologna. Am 14. April 1363 bestimmt Urban V.,
dass an der Hochschule zu Padua, die 4ongis temporibus in se
ipso sicut prefulgida Stella emicuit ... in iure canonico et civili
et liberalibus artibus tamquam ager plenus cui Dominus bene-
dicit', auch ^Studium generale in theologica facultate existat'. Wie
Innocenz VI. für Bologna, so verordnete Urban V. für Padua, dass
die zunächst zu berufenden theologischen Professoren in Paris oder
an andern berQhmten Schulen graduiert sein müssten. Wie dort
so wurde auch hier der Bischof oder der von ihm Designierte
und bei Sedisvacanz der Capitelsvicar beauftragt die Promotionen
zu überwachen und die licentia ubique docendi zu ertheilen'^*).
Erst in jener Zeit, also sehr spät, erhielt Padua das erste
CoUeg für arme Scholaren. Die Anfänge des frühesten, nämlich
des CoUegium Tornacense, so genannt, weil es unter dem Schutze
S. Mariae de Tornaco gestellt war, und gegründet von dem Laien
Petrus de Boateriis, reichen in das Jahr 1363 zurück. Es war
für je zwei Scholaren aus Padua, Treviso und Ferrara gestiftet.
Mit dem Jahre 1366 kam es in Aufnahme '*0* Aber erst 1390
beginnt die Epoche der weiteren GoUegien'^').
Padua und Yicenza sind Hochschulen, deren Entstehung
mit dem sofortigen Auftreten von Scholarenverbindungen zusam-
mentrifft, ohne dass erstere jedoch der Natur der Sache nach Pai*is
oder Bologna glichen. Die Art und Weise, wie sie ins Leben
traten, brachte dies mit sich. Beide Hochschulen entstanden zu-
gleich mit vier Scholarenverbindungen. Während aber die Schule
zu Yicenza sich bald auflöste und in Folge dessen von Scho-
larenverbindungen keine Rede mehr sein kann, erscheinen in
Padua bei der Restauration der Hochschule im J. 1260 — 1261
nur mehr zwei Genossenschaften der Juristen, jede mit eigenem
Rector. Im zweiten Bande werden wir Gelegenheit haben, die
ganze Verfassung näher kennen zu lernen.
^ Reg. Vat. an. 1. lib. 1. BL 64a. Im Ball. Rom. ed. Taar. IV» 519
ist der mit dem fOr Bologna gegebenen Privileg gleichlautende Eingang
weggelassen.
^) S. Facciolati, Syntagm. p. 120 t Fasti gymn. Fat. p. XYIII.
M5) Ibid. p. 124 ff.
Doniflo, Die UniTanititon f 19
290 11^* Entwickelang der Hochschulen bis srnn Ende des 14. Jhs.
yeroellL
Von selbst bietet sich ans nach Padua das Studium zu
Vercelli dar. Wir haben bereits im vorigen Paragraph den
Contrakt kennen gelernt, den im J. 1228 die Commune von
Vercelli mit den Scholaren von Padua abgeschlossen hat, und
dem zufolge das Studium auf 8 Jahre nach Vercelli verlegt
werden sollte. Noch bis in die jüngste Zeit nahm man in Italien
häufig an, dass das Generalstudium in Vercelli bereits 1220 ge-
gründet, und 1228 nur auf weitere 8 Jahre prolongiert worden
sei'*'). Allein nur durch ein Uebersehen kam man auf
diesen Irrthum. In den Statut! antichi Vercellesi im Archivio
civico zu Vercelli findet sich nämlich Bl. 55 b das Beeret Frie-
drichs IL gegen die Häretiker; Bl. 56a steht das Datum
März 1224 Ind. XII., darauf folgen die Statuten von Vercelli
gegen die Ketzer, in denen vom Studium generale zu Vercelli
die Bede ist'*^. In unverzeihlicher Flüchtigkeit bezog man das
Datum sowohl auf Friedrichs Decret als auf die nachfolgenden
Statuten'*"), die mit anderen vom Franciscaner Heinrich von
Mailand aufgestellt erst in das Jahr 1233 oder 1234 fallen"*).
SM) Um von dem <ern Dnrandi und de Gregory nicht zu sprechen, so
gehören hierher Saoli, SoUa condizione degli stndii nella monarchia di Savoia
Tonne 1S43, p. 451; Cibrario, Storia della monarchia di Saroia. Torino
1841, II, 262; Cantü, Storia universale. Torino 1842 tom. 10. p. 527; Yallaori,
Storia delle oniTerdtä degli stadi del Piemonte. Torino 1845 I, 17 ff.; und
neuestens noch Coppi, Le universit^ itaiiane nel medio evo p. 88 f. Die
irrige Ansicht vertrat bereits Aprati in seiner handschriftl. Memoria intomo
aU' universitä di Vercelli im Arch. civico zu YerceUL
^'^ Es kann sich davon jeder selbst flberzeugen in den Statut! e mona-
menti storici del Commune di VerceUi. Torino 1877 p. 267. 269. Monnm.
patriae, tom. 16 leg. mnnicip. II, 1234f. Die Stelle Ober das Studium heisst
p. 1237: Item statuit et ordinat, quod remanente studio generali Vercellis et
permanentibus conditionibus, qae sunt inter Commune Vercellarum et sco«
lares, quando aliorum doctorum fit electio, prima de theologo uno fiat, qni
particeps sit salarii sicut et ceteri doctores, nee obstet quod non nominetur
theologus in conditionibus Ulis.
^ Sehr gut hat schon Mandelli, U commune di Vercelli nd medio evo,
Vercelli 1858, III, 8 ff. darauf aufinerksam gemacht.
^ Ficker in den Mittheilungen des Instituts f. öst. (Geschichtsforschung I,
208 ist für das Jahr 1238; Mandelli 1. c. p. 24 tritt für das Jahr 1284 bis 1235 ein,
da sie von Gregor IX. am 30. April 1235 als nuper edita bezeichnet werden.
?. Hochschulen ohne Stiftbriefe. Vercelll. 291
Dass Tor 1228 inVercelli dennoch Schalen existierten, wird sich
unten zeigen,' dies war jedoch auch an anderen Orten der Fall,
trotzdem erst später das Oeneralstudium gegründet wurde ''^^). Aber
ob sich auf die Zeit Tor 1228 das städtische Statut ^De studio scola*
rium habende' in den Mon. Patriae XYI, 1215 so sicher beziehe,
als dort die Herausgeber behaupten'^®), möchte ich sehr bezweifeln.
Die Ansicht einiger alten Franciscaner-Ghroniken, das Studium
sei Yon Mailand und Pavia nach Vercelli transferiert worden"^),
bedarf keiner Widerlegung, da ja dem Gontrakte gemäss das
Studium von Padua nach Vercelli verlegt werden sollte'").
Savigny war im Zweifel, ob der Gontrakt ausgeführt worden
sei'^')- Und in der That liegt ein solcher Zweifel nahe, da, wie
wir gesehen, in Padua das Studium fortexistierte. Allein er
wird durch folgende Thatsachen gehoben. Jordan von Sachsen
nahm 1229 in Vercelli in den Orden auf ^tres theutonicos
meliores qui erant in civitate, quatuor Provinciales optimos et
tres Lombardes probos vel quatuor' '^*). Speciell erwähnt er den
Magister Valterus theutonicus, regens in logica, peritissimus artis
suae, qui etiam inter majores magistros Parisius habebatur.
Ferner den 'optimus et probus theutonicus magister Godescalcus,
canonicus Traiectensis', einen andern theutonicus, Ganonicus Spi-
rensis studens in jure canonico, qui rector erat theutonicorum
Bcolarium Vercellis, zwei 'Baccallarii, parati ambo protinus ad
^^) Wie schon vorher Mandelli und Balliano. Das Statut soll swiscben
1205— 1S08 erlassen worden sein. Aber wo ist der Beweis?
no^) Möglich, dass Ubertus de Bobio vor 1228 in Vercelli lehrte.
*7^) So in der Antiqn« legenda ss. Patris Francisci. Cod. Yat. 4354
Bl. 65b f.; dann in der Chronik der XXIY Generale. Cod. Laurenz. 53
Leopold. Oadd. Ueber die andern UnzokömmUchkeiten dieser Qaellen s.
meine Bemerkongen in der Ztsch. l kath. Theol. VI, 7 12 ff.
^>) Dieses Docnment wurde seit Zacharia', Iter litterar. per Italiam,
Yenet 1762, p. 142 sqq. Öfters gedruckt. So yon Yallaari a. a. 0. I, 215 ff.
SavigDy in» 666 ff., Dnboin, Baccolta deUe leggi e decreti emanati dai so-
Tfani della r. casa di Savoia, XIY. Torino 1847. p. 1. Zuletzt noch, mit
dem eorrectesten Text, von Balliano, Della nniversitä degli stndi di Yercelli
p. 88ff. Das Original ist Terloren; aUein es existieren 2 sehr alte Copien in
den Codd. dei Biscioni I, 895; lY, 455 (im Archi? zu Yercelli).
«8) L. c. S. 277. 812.
*7«) Lettres da b. Jourdain de Saxe p. 102. S. dazu oben S. 138.
19*
292 ni. Entwickelong der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
regendum, unus Provincialis, alter Lombardus', zwei andere Pro-
yeii(alen, von denen einer in Decretis, der andere in Legibus,
4egebat in cathedra pro magistris', im Ganzen zwölf bis dreizehn
Magistri und Baccalarei'^*). Im Jahre 1231 gieng er wider
mit octo novitiis bonis et idoneis von Vercelli weg"*). Für
die Existenz des Studiums zu Vercelli im J. 1234 zeugen femer
das Testament des Jacob de Garnario"^) sowie die oben citierten
Statuten des Franciscaners Heinrich von Mailand. Nimmt man
all diese Documente zusanmien, so ergibt sich, dass in Vercelli
in der That alle Fächer vertreten waren. Hieher gehören auch
zwei bisher kaum bekannte Schreiben Gregors IX. Aus dem einen,
vom 25. Februar 1231, erfahren wir von einem Scholaris von
Vercelli, der fOr einen Magister und mehrere Scholaren aus
Frankreich gutstand"*); in dem andern, vom 18. Februar 1238,
trägt der Papst dem Bischof von Novara unter anderm auf, nicht
zu dulden, dass fernerhin noch die Scholaren in Vercelli weilten,
wenn die Vercellesen nicht die kirchenfeindlichen Statuten
zurücknähmen"*). Da diese Verordnung eine ebenso empfind-
S7^) Lettres du b. Jourdain, p. lU. In den Vitas Fratrom p. 4 e. 10
n. 3. 4. ist ebenfalls Tom mag. Qalteras Theutonicns, regens in artibns, et
in medicina valde peritus, qui conductos erat magno salario ad legendam',
▼on einem 'magnas clericas et in jare peritus' uid von andern Scholaren die
Rede, die Jordan in Vercelli aufnahm.
>7«) Ibid. p. 146.
^^) Dieses höchst interessante Testament, worin fttr Scholaren in Ver-
celli ebenfalls gesorgt wird, findet sich bei J. A. Irici, Bemm patriae libri
III. Mediolani 1745. p. 81 ff. Ein Theil soll In usus paoperom et mazime
scolarinm audientinm sacram paginam' verwendet werden und Jacob de Car*
nario bestimmt dass wenigstens *tres scolares panperes audientes theologiam,
si doctor in theologia Vercellis fuerit', an Sonntagen ernfthrt würden (p. 84).
Der llagister 'qui Vercellis de theologia doceret' soll auch seine den
Dominicanern vermachten Bflcher benfltzen darfen. 'Libri antem physice et
artiom distriboantor paaperibos scolaribns VerceUen.' (p. 85 f.).
^^) Willermo de Gamoto clerico Scolari Vercellen. accepimns conque*
rente, qaod com idem pro magistro G. de Salomonis Tilla eanonico Botho-
magensi et qoibasdam aliis clericis de regno Francie tone in Lombardia
causa stndil commorantibns apnd qnosdam ereditores Bononien« Senen. et Farmen,
in quadam fideiosserit peconie qoantitate de ipsa certo termino dictis credi-
toribns persoWenda etc. Beg. Vat an. 4. ep. 109 BL 51a.
^^) Der Papst schreibt nAmlich dem Bischof Ton NoTara, er solle, wenn
die Vercellesen die gegen die kirchliche Freiheit erlassenen Statuten nicht
2. Hochscbolen ohne Siiftbriefe. YercelU. 293
liehe Strafe für die Yercellesen sein sollte wie das Verbot der
Abhaltung von Märkten und des Verkehrs mit andern Städten,
so lässt sich daraus schliessen, dass die Schülerzahl nicht un-
bedeutend gewesen sein kann. Ungefähr um dieselbe Zeit
sandte Friedrich n. den Professor des Givilrechts Magister V.
pro edocendis scolaribus dorthin"'). Auch noch andere Docu-
mente sprechen für die Ausführung des Vertrages'"); allein
die obigen genügen zum Erweise der Thatsache. Zu grosser
Blüthe kam das Studium niemals, und es scheint, dass man
bereits im J. 1234 eine Auflösung oder Abnahme desselben be-
fürchtete, wie es auch nach 1242 unterbrochen wurde'*'). Aller-
dings kam es dann wider in Aufnahme'*'), konnte es jedoch
nicht zu fortdauernder Existenz bringen'""). Eines ist indessen
klar, dass es für die Zeit der Existenz keinen Stiftbrief auf-
weisen kann, und dass trotzdem der Papst niemals die Recht-
mässigkeit desselben bestritt, obgleich die Statuten vom J. 1341
zurflckzögen, bewirken 'eos tanqnam ezcommunicatos ab omnibus artias
evitari, eisdem comercia aliorum' antersagen, 'et ne qnis ipsorum in potestatem
▼el reetorem assnmeretnr alicabi nuUasque ad nundinas accederet YerceUen.
neve scolares in ciTitate ipsa nlterius morarentnr'. Reg. Yat. an. 11
ep. 392 Bl. 358b. Vgl dazu Mandelli I, 193.
^) S. HnilL-Br^hoU. lY, 498 und dazu Böbmer-Ficker n. 2314. Dass
1240 übertns de Bonacurso inVercelli lebrte, ist gewiss. S. Mandelli III, 27.
SSI) 8. MandeUi a. a. 0. p. 23 H. Balliano I. c. p. 21 f. ist zu poetisch.
^ Dies ergibt sich ans der Art nnd Weise, wie Jacob de Gamario
Tom Magister in theologia (s. oben S. 292. Anm. 277) nnd die oben S. 290
Amn. 267. dtierten Statuten yom Studium sprechen. Die Vitas Fratrum
part. 4. c. 10 n. 3 sagen aber um die Mitte des 13. Jhs. (c. 1260): 'Tempore
quo b. memorie Mag. Jordanus predicabat Yercellis, nam tnnc Studium ibi
erat' etc. Auch MandeUi kann zwischen 1242 und 1266 kein Actenstfick
nachweisen, was ihm jedoch f&r die sp&tere Epoche gelingt. S. p. 29 ff.
^ In den städtischen Statuten yom J. 1341 heisst es unter anderm:
Statatnm est inviolabiliter et perpetno observandum, quod in civitate Yer-
cellarum ... in qua etiam ab antiquo Studium esse consuevit, sit et esse
debeat semper et in perpetnum Studium generale. Statuta Communis Yercell.
(YerceUis 1541) Bl. 61. Yier Legisten, 2 Ganonisten, 1 Mediciner sollten lesen.
2^) Nach Mandelli III, 44 hOrte das Studium c. 1372 zu existieren
auf, wenngleich sich sp&ter noch GoUegien von Jndices und Medicinem er-
hielten. Schon froher scheint es 1270 und 1810—1338 unterbrochen gewesen
zu sein. S. p. 32. 35 f.
294 m. Entwickelang der Hocbschalen bis zum Ende des U. Jhs.
bestimmen: ^quilibet possit doctorari in civitate Vercell.' im
Rechte und in der Medicin.
Seggio.
Das Generalstudium zu Reggio in der Aemilia war Rechts-
schule und theilweise blühender als das Studium zu Vercelli. Fulvo
Azzari, in seinen Chroniche di Reggio Lepido originate secondo
le vite de' suoi vescovi "*)» ist im Unsicheren, wann das Studium
seinen Anfang genommen habe; er meint jedoch nicht lange
nach widererlangter Freiheit"*), also nicht vor 1188'"). Aus
diesem Jahre konnte Tacoli eine Urkunde beibringen, in der
Jacob da Mandra verspricht, von Michaelis an auf ein Jahr nach
Reggio zu kommen ^cum scolaribus causa scolam tenendi', und
innerhalb dieser Zeit nirgends sonst scolam teuere'"). 1215 bis
1216 erwähnt Innocenz III. einen Ganonicus von Cremona, der zu
Reggio studierte'"). Jordan von Sachsen predigte auch dort
den Scholaren circa 1232'"). Allein, etwas ausserordentliches kann
damals diese Schule nicht gewesen sein, wenngleich nichts beweist,
dass Innocenz IV. noch im J. 1243 an einen einfachen Magister
scolarum von Reggio sein Schreiben richtet"®). Eine grössereBiathe
datiert aus den nächsten Jahren. Ein Statut des Jahres 1268 ver-
ordnete, dass die 'doctores legum et scolares' nicht zum Consilium
zu kommen brauchten ^cum erunt in scolis', es sei denn der Po-
desti sende ausdrücklich nach ihnen"'). Schon vorher las dort
SM) Handschriftlich (17. --18. Jh.) in der BibL mnndp. xu Beggio in
2 Bänden. Tacoli, Memorie storiche della cittä dl Beggio di Lombardia
(I. Beggio 1742; II. Parma 1748; III. Garpi 1769) statit sich oft auf AaiarL
Tacolis Werk wurde nur in 100 Exemplaren gedruckt In demselben herrscht
eine beispiellose Verwirrung. Yon einer Uebersicht ist keine Bede.
>8&) Memorie I, 602. TacoU III, 828 bringt diese Ansieht lum J. Uda
Azzaris Gompendio deU' historia della citta di Beggio (Beggio 1623) bietet nur
einige Kamen im Abschnitt: Dottori lamosi iniegge (die Schrift ist nicht paginiert).
SM) In diesem Jahre wurde wenigstens der Friede wider hergestellt.
TacoU I, 412 f.
M7) Tacoli 1. c. m, 227.
388) Comp. IV. c. 2 De electione (1, 8) God. Vat. 1404. Das Gapitel in
Gremona rief H. canonicum suum Begii disciplinis scolasUds insistentem inrtick.
M») a unter Modena.
^) 8. Berger, Begistres d*Innocent IV. n. 77.
Mi) Tacoli 1. c p. 756.
2. Hochschulen ohne Btiftbriefe. Reggio. 295
Accurs Reginas"'), nicht zu verwechseln mit dem früheren be-
rühmten Rechtslehrer dieses Namens. Im J. 1270 schloss der
bekannte Rechtslehrer Guido de Suzaria mit der Commune einen
Gontrakt ab, in Reggio und nirgend anders zu lehren'*'). Das
wichtigste Document ist ein Doctordiplom aus dem J. 1276, in
dem als Lehrer des Rom. Rechts Guido de Suzaria und Johannes
de Bondeno, als Decretisten Pangratinus und Guido de Baysio,
und ausserdem noch multi alii tarn juris civilis quam canonici
Domini et Magistri mit der Universitas scolarium Civitatis Regii
erscheinen"^). Der Bischof ist es, der dem Petrus Amadeus
Kiginkolius das Doctorat ertheilt. Dass das Studium zu dieser Zeit
als Generalstudium betrachtet wurde, ergibt sich aus einer Bitt-
schrift von 17 Scholaren, die der Commune im J. 1313 vor-
stellen, dass sie nicht studieren könnten, da kein Professor in
Reggio lehre, und die Stadt für die Besoldung von Lehrern nicht
mehr sorge, ^ut antiquitus fieri consuevit et maxime tempore boni
Status civitatis predicte, imo priusquam generale Studium
vigere consueverat in civitate predicta'"^). Die Stadt
erhörte ihre Bitten. Der Professor juris utriusque Franciscus de
Lafontana las dort im J. 1314"'), und später Peter de Suzara.
Allein bald darauf verlieren sich die Spuren eines förmlichen
Studiums.
Weder dieses Studium noch das weiter zu besprechende in
Modena scheinen durch eine Auswanderung von Bologna aus ent-
standen zu sein; es liegt kein Grund vor zu dieser Annahme.
^ 8. Tiraboschi, Biblioteca Modenese I, 79.
^) TacoU J, 373. In Beggio yerfasste er auch seine Glossen in Cod.
wie ans Cod. Paris 4489 widerholt heryorgeht. 8. auch Pancirolii Berum
hist. patriae snae libri octo (Begii 1847) p. 175.
SM) Ibid. III, 215f. Aach ediert von 8aYigny m, 712f.
995) TacoU III, 225.
^ Er wurde Yom Podestä und der Commune Yon Treyiso im ge-
nannten Jahre gebeten 'ad docendnm in ciritate (Tarvisii) in jure civili'. Er
antwortete: 'quia communi Regii, cui me ante repetitionem yestramm litte-
ramm promisi anno presenti ordinarie in jure etiam ciyili docere scolaribus
cintatis cjusdem, nobilitatem Testram humiliter deprecor, quatenus . . . me
eicnsatum habere dignemini.' Yerci, 8toria della marca Tri?igiana YII,
Documenti, p. 70 n. 709. Nach Lafontanas Abreise im J. 1315 wurde der
Legist ThomaxiuB de Cartariis yon Padua berufen. TacoU 1. c. p. 226.
296 m. Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Die Uebersiedlung des Pilius nach Modena war persönliche Sache.
Es mögen ihm Scholaren gefolgt sein, aber aus seinen Worten
muss man, wie wir sehen werden, schliessen, dass dort bereits
ein Studium existierte.
Modena.
Ueber die Schule zu Modena finde ich kein Document,
in dem dieselbe jemals Generalstudium genannt worden wäre.
Ob hier Promotionen vorgenommen wurden, ist zweifelhaft. Doch
glaube ich nicht, dass das Studium jenem von Reggio weit nach-
gestanden ist. Bereits Ende des 12. Jhs. wird die Stadt als
Gönnerin der Studierenden des Rechts von Pilius gerühmt*");
er nahm einen Antrag derselben, dort zu lehren, an, und
gieng vor 1182 von Bologna weg"'). Um jene Zeit scheint
wohl der Glanz jener Schule am grössten gewesen zu sein.
Pilius stellt sie fast auf eine Linie mit Bologna'*'). Dessen
hieher gehöriger Ausspruch wurde nur zu seinerzeit widerholt ■•*^),
später aber nie mehr citiert. Durch das ganze 18. Jh. hindurch
lehrten jedoch berühmte Rechtslehrer dort'*^), um die nicht bloss
297) So in seiner Summa trium librorum (Cod. Tat. 2313 Bl 360). De
municipibus et origin. (10, 38): Mutina, que juris alumnoB semper diligere
consuevit. Es bestand also bereits ein Studium, wenngleich es nicht wahr
ist, dass bereits vor Pilius Placentinus dort gelehrt habe. 8. Anm. 801.
^S) Er erzfthlt selbst a. a. 0. die interessante Yeranlassong. 8. auch
oben S. 194 Anm. 2. Vgl. Sayigny IV, 319 f., wo Sarti berichtigt wird.
399) s. oben S. 47 Anm. 28.
300) Wörtlich kommt die Stelle in Rolands Summa in tres posteriores
libros Cod. Tor (Cod. Casin. n. 58 p. 64). Die Kotiien Ober diesen Codex
und den Verfasser der Summe in der Bibliotheca Casinensls II, 130 sq. sind
ganz irrig. Der Codex gehört nicht dem 14. sondern der Mitte des 13.
Jhs. an. Die dort p. 544 geschriebene Jahrsahl 1301 steht in einem yiel
sp&tem Stücke am Bande. Boland selbst nennt sich judex, und entlehnte sehr
Vieles dem Pilius, unter anderm obige Stelle (wo, wie auch anderw&rts, sogar
die Sigle Py steht), und z. B. p. 69: nuper bolonie concessit Imperator
heinricns (s. Pileus 1. c. De jure reipubl. 11, 29), so dass alle Consequensen
und Vermuthungen der Bibl. Casin. fallen. Der Autor, yerschieden von
Rolandus Bandinellus, lebte wohl nicht lu lange nach Placentin and PilioB,
▼ielleioht war er deren jOngerer Zeitgenosse. Cfr. die Einleitung lur Somne
in der Bibl Casio. 1. c. p. 131.
Ml) s. Tiraboschi, Bibliotheca Modenese I, 4Sif. Sailgsy ist Jedoch
3. Hochsehalen ohne Stiftbriefe. Modena. 297
einheimische, sondern auch auswärtige Scholaren sich sammelten ^^').
Dies letztere kann man auch aus einem Schreiben Honorius III.
vom J. 1225 an den Bischof von Modena gerichtet, schliessen ''*'),
sowie aus dem Contrakte des Guido de Suzaria, von dem sogleich
die Rede sein wird. Zwischen 1225 und 1232 scheint das Stu-
dium auf kurze Zeit unterbrochen gewesen zu sein, denn in einer
Chronik heisst es zum letztgenannten Jahre: dicto tempore re-
cnperatum fiiit Studium scolarium Mutine per dictam potestatem *®^).
Jordan von Sachsen predigte dort circa 1232, war aber nicht
vom Glücke begünstigt, denn nach achttägiger Aussaat ämtete
er wenig, wie er selbst sich ausdrückt, während er in Reggio
einen guten Fang gemacht hatte '®'^). Um die Mitte des Jhs.
lehrten dort Martinus de Fano, Wilhelm Durantis, Albertus
Galeottus. Im Jahre 1260 verpflichtete sich Guido de Suzaria
gegen Besoldung in Modena über Recht zu lesen und dare
operam efficacem in studio scolarium augmentando et Mutine
retinendo ... et quod nuUo tempore alibi reget nisi in civitate
Mutine et quod non prestabit patrocinium in civitate Mutine
nisi pro suis scolaribus forensibus '^^). Im Jahre 1279 erscheint
dort Nicolaus Matarellus '^^). Vom Anfange des 14. Jhs. an
kam das Studium ins Stocken trotz mancher Anstrengungen der
III, 383 im Irrthnme, wenn er auch Placentin in Modena lehren l&sst.
Offenbar yerwecliBelt er hier Modena mit Mantua, wfthrend er lY, 250 das
Richtige trifft
^) Nach einer Chronik bei Muratori, Rer. ital. 88. IX, 771 zum J.
1247 wurden yon der Friedrich 11. freundlichen Partei zu Modena nebst
den 8oldaten aus Parma auch omnes scolares de Parma, qui tunc erant
Mutinae ad studendum, gefangen genommen.
^ SiUingardi, Gatalogus omnium episcop. Mutin. Mutinae 1606 p. 91.
Honorius III. gew&hrte n&mlich facultatem absolvendi scholares studentes
Mutinae, qui se leviter et sine livore percusserint. 8olche Vorkommnisse
lassen immer auf das Yorhandensein von 8cholaren aus yerschiedenen Ge-
genden Bchüessen.
^ Muratori, Her. ital. 88. XY, 560. Doch erscheinen auch zwischen
1225 und 1232 dort Bechtsiehrer, n&mlich Albertus Papiensis, und Ubertus
de Bonacurso. 8. SiUingardi I. c. p. 90. Tiraboschi 1. c. p. 49.
^ Lettres p. 140. 144: De his, qui apud Begium intrayerunt, credo
quod satia audbtis etc.
>M) Muratori, Ant. Ital. med, aeyi m, 905—907.
^) 8. Sayigny Y, 430.
298 ^* EntwickeloDg der Hochschulen bis xam Ende des 14. Jhs.
Commune in den Jahren 1306 bis 1328'®'). Nachdem die
Stadt bereits im J. 1327 bestimmt hatte, dass dort ein
stationarius 'omnia et singula exempla in jure civili et canonico
tarn in testu quam in apparatu bona et bene correcta cum addi-
tionibus omnibus et singulis' besitzen solle'®'), erliess sie im
nächstfolgenden Jahre das Statut 'De studio habende', in welchem
sie sich zuerst beklagt, dass ihre Söhne unwissend seien, und
zwar aus Mangel eines eigenen einheimischen Studiums, das
in der Rechtswissenschaft, Medicin und Notariatskunst zu unter-
halten die Commune wegen der beständigen Kriege ausser Stand
gewesen sei. Es wäre ihr auch schwer gefallen, die studierende
Jugend auf dem Generalstudium zu Bologna unterrichten zu
lassen. Sie ermächtigt nun den Podestä, die Anzianen u. s. w.,
jedes Jahr einen Legisten, einen Mediciner und einen Magister
der Notariatskunst zu berufen und zu besolden. Den Scholaren
stellt sie Befreiung vom Kriegsdienste in Aussicht'^').
Yioenia.
Ein wechselvoUes Dasein fahrte das Generalstudium zu
Vicenza. Der Chronist Gherardus Maurisius sagt: Sub isto'^')
venit Studium scholarium in civitate Vicentiae et duravit usque ad
potestariam D. Drudi'"), gewiss also von 1204 bis ungefähr 1210.
9M) 8. Tiraboscbi L c p. 53 ff.
><^) In Monomenti di storia patri* deUe pro?hicie ModenesL 8ta-
tnti I (Panna 1864), 162 nibr. 168.
910) Ibid. p. 168 Anm. Moratori, Antiqn. Ital. III, 908* Auch in 8p&-
leren Bt&dtisclien Stataten trifft dch wider der Paragraph 'De studio habende'
(i. B. in Libri qoinqne Btatntorom inclytae civitatis Mutinae, 1547, lib. 1
mbr. 98), aUein er bat dort einen anderen Inhalt. Campori, Informasione
deUa r. uniyersitlk di Modena (Modena 1861), Notizie storiche circa PoniTersit^
di Modena e il sno patrimonio in den Opuscoli religiosi, letterarj e morali
(Modena 1863, Lnglio e Agosto p. 81) und Genno storico deUa r. nniversitä
di Modena e delle sne dipendense (Modena 1872) p. 3 bringen für unsere
Epoche nicht viel Nntien. Luigi Cerretti, Modenese notiiie (5 Binde,
Reggio 1833 ff.) bietet nnr eine Fortsetrang yon Tiraboschi und beschftftigt
sich mit Schriftsteliem des jetiigen und Yorigen Jahrhunderts.
^^) Ntalich Bemardus Yexillifer Papiensis.
SU) Bei Moratori, Ber. ital. BS. YIII, 15. Anton Oodi sagt eben£Uls
cum J. 1204: Suecedente . . Domino Bemardo . . Studium generale ftüt in
ciTitate Yicentiae, doctoresque in contrata s. Yiti manebant, ut etiam hodie
apud Priorem s. Yiti apparent priTÜegia collatioiiis studii. Moratori 1. e. p. 75.
2, Hoebsebalen ohne Stiftbriefe. Vicenza. 299
Es gibt mehrere Documente, welche von der Existenz einer blühenden
Schale, an der vier Scholarenverbindungen mit eigenen Rectoren be-
standen, Zeugniss ablegen "*). Besonders ans dem Actenstücke
vom 25. Juli 1209 erhellt, dass unter den Scholaren alle Nationen
vertreten waren. Sarti macht es höchst wahrscheinlich, dass das
Studium durch eine Auswanderung aus Bologna entstanden sei '^^).
Auch nach 1210 taucht wider ein Studium in Vicenza
aa£. Am 14. August 1261 erkennt der Stadtrath 'in sala epis-
copatus Vicentiae', 'quod si Studium scolarium civitatis Vicentie
reformetur, multa eidem civitati Vicentie commoda poterunt
pervenire', und er wirft eine Besoldung von 500 libras dena-
riorum Venet. fQr den decretalium doctor magister Arnoldus
aus 'pro salario unius anni, ita quod dictus magister Arnoldus
teneatur ad minus habere viginti scolares Vicentie in scolis suis
et in jure canonico ibidem legere a feste b. Michaelis ad unum
annum'. Ein paar Monate (14. Oct.) später versprach die Stadt 'dare
et solvere magistro Johanni Hispano in decretis ducentas libras
denariorum V. pro legere librum decretorum in scolis in medio
civitatis Vicentie omnibus volentibus exaudire\ Und mehrere
Wochen darauf sicherte sie dem Mag. Aldebrandus de Ulciporzis
von Bergamo zu 420 libras denariorum V. qui hie Vicentie legit
et lectums est librum Infortiati legalem'. Am Schluss des Jahres
setzte sie dem Magister Baulus Phisicus 450 libras denariorum V.
pro docere artem phisice omnibus volentibus exaudire' aus'^^).
>^>) Miitarelli, Ann. camaldul. bringt im 4. Bde. yier Documente, welcbe
sieb auf das Stadium in Vicenza bezieben, ans den Jabren 1205. 1206 Append.
p. 260—263 und eines yom 7. exeont. Julii 1209 (Text p. 213). Das wicbtigste
ist das letzte, worin Scholaren aus Böbmen, Deatscbland, Ungarn, Frankreicb,
Bnrgnnd, Polen, Spanien, Italien anfgez&blt werden. Dass in Vicenza vier
ScholarenYerbindnngen bestanden, haben wir oben S. 138 gesehen. Sayi,
Memorie antiebe e moderne intorno alle pablicbe scuole in Vicenza (Vicenza
1815) p. 1101 kannte den ersten and letzten Act; Marzari, La bistoria di
Vicenza (Vicenza 1604) p. 87 nar den letzten. Obne Beweis l&sst dieser
das Stadium bis 1224 fortdauern. AUein das letzte Docoment für ein Stndiam
in Vicenza in dieser Periode ist ein von Innocenz III. 'scolaribus Vicentie
commorantibas' am 25. November 1209 adressiertes Scbreiben. Bei Savi
p. 113. Einzelne Becbtslebrer und Grammatiker traten allerdings fortwährend
aof; eine Liste vom J. 1229 an bei Savi p. 18 £
*^) De daris arcbigymn. Bon. Profess. I, 806.
>i&) Storia della llarca Trivigiana e Veroneae di Giamb. Verei. Venezia
1786. U, Doeomenti p. 49 n. 112. Savi p. 115.
300 ni. Entwickelang der Hocbscbalen bis zum Ende des 14. Jbs.
Es darf also nicht angenommen werden, als seien die
Studien in Vicenza nach 1210 gänzlich damiedergelegen. Dies
war im 13. und 14. Jh. kaum in einer der italienischen Städte
der Fall, waren sie auch in ihrem Bestreben, ein General-
studium in Stand zu halten, nicht immer vom GlQcke begünstigt.
Davon abgesehen, dass auch im J. 1264 zu Vicenza wider do-
cierende Professoren des Givilrechts, der Medicin, Grammatik und
Dialektik erwähnt werden und im J. 1811 die städtischen Gonsuln
den Auftrag erhalten, auf die Klagen der Scholaren zu hören,
so liest man in den Statuten vom J. 1339, dass die in Vicenza
lehrenden Professoren des Givilrechts nicht die Advocatur aus-
üben sollten, damit eben die Schule keinen Schaden erlitte ''**).
Wurde auch unter der Herrschaft Venedigs die von den Vicentinem
an den Dogen im J. 1410 gerichtete Bitte, dass sie sich an
Johann XXIIL um ein ^generale Privilegium studii' wenden dürften,
^cum alias fuerit Studium in civitate Vicentie' und in Anbetracht,
dass 'scientia est illa, qua totus mundus gubernatnr', am 13. Juli
genannten Jahres abgeschlagen, so erhielten sie doch bereits
17. Mai 1404 die Erlaubniss 'conducere et salariare doctores
legum et grammatice ac medicos physicos et ciroycos' "*^). Und so
wird in den im J. 1426 redigierten städtischen Statuten bestimmt,
dass die ^doctores juris sive iudices de collegio judicum', sowie
die 'doctores artium et medicinae, sive medici quam chirurgid, et
professores sive magistri grammaticae docentes in civitate Vin-
centiae de caetero ab omnibus' oneribus personalibus dumtaxat
communis Vincentiae sint immunes'"*). Behufs höherer Ausbil-
dung suchten die Vicentiner allerdings auswärtige Lehranstalten
auf, was die Commune nicht bloss gestattete, sondern auch durch
Gewährung von Freiheiten förderte '^0-
'^ft«) S. Savi p. 17. Im J. 1339 hatte auch die Neabemfniig zwei neuer
Legisten und eines Mediciners statt, and die Scholaren wurden ?on den
Abgaben befreit
iibh) 8. die Documente bei Sayi p. 117—119.
310) StataU Vincentina (Yenetiis 1499) Bl. 92b. Die Yerordnong datiert
ohne Zweifel ans einer frühem Zeit als dem J. 1426.
317) Ibid.: scholares tarn ei?e8 quam forensea eontea ad aliena loca sta-
dionuB causa non teneantor ad solntionem alioniui dalii sen gabeUae com-
munis Yineent. pro personis, Ubris, eqois et aliis rebus.
8. Hocbschulen mit pApstl. Stiftbriefen. ROm. Curie. 801
3. Hoohsolmlen mit nur päpstUohen ErrioMungsbriefen.
Die Bezeichnung ^Errichtungsbrief nehme ich hier sowie in
den nächstfolgenden Paragraphen im weitem Sinne. Die genaue
Praecisierung derselben ergibt sich sowohl aus der folgenden
Entstehungsgeschichte der einzelnen Hochschulen, als auch aus
einer daran sich schliessenden Untersuchung.
Um der Darstellung mehr Uebersichtlichkeit zu geben, werde
ich hier und in den nächsten Abschnitten wie theilweise schon
früher die einzelnen Hochschulen nach den Ländern classifizieren.
Bömische Curie.
Italien. Obgleich das Studium an der päpstlichen Curie
nicht stricte zu Italien gehört, so muss ich wegen des General-
studiums zu Bom und weil sich die päpstliche Curie doch auch
in Italien aufhielt, dennoch hier von demselben sprechen. Ich
habe bereits oben"') bemerkt, dass dieses Studium von Inno-
cenz IV. zwischen 1244 und 1245"') im zweiten Jahre seines
Pontificats während seines Aufenthaltes zu Lyon gegründet
wurde. Dieses Studium ist ganz verschieden vom Generalstudium
zu Bom, mit dem es häufig verwechselt wird"^). Wenn es
jedoch heisst, das Studium habe sich an der Curie oder apud
sedem befunden, so ist damit nicht gemeint, dass es sich noth-
wendig im päpstlichen Palaste habe befinden müssen, sondern in
der Stadt und an dem Orte, wo sich die Curie aufhielt''^).
>i^ 8. oben 8. 3 Anm. 11.
^) Nicht 1243, wie Carafa, De Gymnasio Romano (Borna 1751) I,
131 nnd nach ihm Beamont, Gesch. der Stadt Bom II, 680 behaupten.
s^ So T. SaTigtty in der 1. Aufl. seiner Gesch. des r6m. Hechts; in
der 2. hatte er sich corrigiert, obwohl er S. 865 widemm das Studinm an der
Curie mit der 'Bömischen Bechtsschole' verwechselt Tiraboschis Forschun-
gen in der Storia della lett. ital. lY, 64; Y, 75 sind sowohl ttber dieses als
aber das Bömische Studium mangelhaft, resp. irrig. Baumer hält natOrUch
in allen drei Auflagen seiner Hohenstaufen den Standpunkt der 1* Aufl.
Sarignys fest
^ AusdrQcidieh sagt dies Joh. Andreae in YI. De priril. c 2. Auch
erhellt dies aus der Thatsache, dass, wie wir sogleich sehen werden, HOrsftle
802 ^' Entwickelosg der Hockschnleii bis so» Sode des 14. Jhs.
Dieses Stadium war ein wirkliches Greneralstadinm*") und
wurde von Innocenz IV. aus dem Grunde errichtet, weil, wie
er in dem Stiftbriefe sagt, von der ganzen Christenheit Personen
zum hl. Stuhle kämen, die nun dort auch in Bezug auf ihre
wissenschaftlichen Bedürfhisse Befriedigung finden sollten'").
Nicht Honorius III., sondern lediglich Innocenz IV. ist der Stifter
dieses Generalstudiums *'0-
Bisher glaubte man, dieses Studium sei ausschliesslich eine
Rechtsschule gewesen, verfahrt durch den Text in den Decretalen
Bonifaz Vm.'"). Allein man hat hier ausser Acht gelassen,
dass dieser Papst die genannte Bulle Innocenz IV. wie andere
Bullen seiner Vorgänger, die er in seine Decretalensammlung auf-
nahm, veränderte und verkürzte. Aus dem unverkürzten Text, der
noch erhalten ist, ergibt sich aber, dass Innocenz IV. das Studium
an der Curie nicht bloss für Jus can. und civile, sondern auch
für die Theologie gegründet hat"*). Eine weitere Bestätigung
hie and da gemietbet warden. Vgl. noch Benani, Storia deli' «dttrsltä
degli studi di Roma I, 30. Oefters, besonders unter Innocens lY., war das
Stadinm, nach dem Wortlante bei Niccolö de Corbio an sehliessen, allerdings
im Paläste. 8. Anm. 326.
^*) Bereits Niccolö de Corbio nennt es 'generale Stadium*. Balase,
Miseell. ed. Mansi I, 198.
89S) Garn de diyersis mondl partibas mnlti conflaaat ad seden ^posto-
Ueam qaasi matrem, nos ad commonem tarn ipsoram qoam allonun omniam
apad sedem commorantiam commodam et profectnm patema sollicitadine in-
tendentes nt sit eis mora huiosmodi firactaosa providimos, qnod ibidem
de cetero regatur stndiam litteramm, qoatinos inter alia ipsius benefida
qoibas reficinntnr assidne ipsios scientie sue nberibos spiritoaliter satientar.
Nach Cod. 72 sa Grenoble. Gekflrst in YI. Decret. 5 De prifU. c. 2.
Schulte hat in seinem Iter gallicnm in den Bits. -Her. d. kais. Akad. LIX.
Bd. 8. 382 einen an twei SteUen ▼erderbten Text
<M) Beaassi bringt die angeUiehe Thltigkeit Honorias III. lum
Generalstndiam in eine fhlsche Beaiehnng. Die Documente schweigen..
8. unten Anm. 391.
^ Dort hoisst es nlmlich 1. c. proTidimus, quod ibidem de cetero
regatar et Tigeat Stadium iuris diyiai et honani, canonici Tidelicet et ciTÜis.
Mit Safigny ▼ertritt die üUsohe Ansicht unter andern Qregorofins, Gcsoh.
der Stadt Born Y, 597 f.
"M) In iien Anm. 823 genannten Codex heisst es nadi HMtieator': ünde
cam tarn in theolo|^ fiicnltate quam in utroque jare canonioo et citili eertis
8. Hocbschnlen mit pftpstl. Stiftbriefen. Rom. Curie. 808
bietet ein späteres Schreiben desselben Papstes, worin er sich
auf das frühere beruff 0. Widerholt nennt er auch den
Archidiaconus Dnnelmen. am 23. November 1252 apad sed. apost.
in theologica facultate docentem"*), gleichwie er am 9. Februar
desselben Jahres den Dominicaner Bartholomäus de Breganza
als regens in curia nostra in theologie facultate bezeichnet '**).
Dann darf man nicht vergessen, dass auch unter dem Ausdruck
^Studium juris divini' die Theologie verstanden wurde. Der Nach-
folger Bonifaz VUI., Benedict XI., gebraucht am 15. Februar 1804
das Wort der angezogenen Decretale 'Studium juris divini'
im Sinne von Studium theologice facultatis, das an der Curie
existiere'"). In ähnlicher Weise erklären den Ausdruck Jo-
hannes XXH und Clemens VI."')* Ebenso versteht auch Job.
Andreae in seiner Olosse dieselbe Bezeichnung 'proprio de sacra
pagina'.
•d hoc statnÜB acolis ordinarie ibi (apad b. sedem) doceatnr, Yolamni et
statnimoB, ut studentes in scolis ipsis penes sedem eandem talibus privile-
gÜ8 omnino, libertatibus, et immonitatibas sint muniti, qnibus gandent sta*
dentes in scolis, nbi generale regitur Stadium, percipientes integre proTentas
saoB ecclesiasticos sicot aliL Kars sagt ans dasselbe aach der Begleiter
des Papstes, Kiccolö de Garbio, indem er meint: In saa caria generale sta-
diom ordinayit tarn de theologia, qaam in decretis, deeretalibos pariter et
legibas. Baluse, Miscell. ed. Mansi I, 198. Von der Zeit, in der anter Inno-
cens lY. die Carie in Neapel war, nftmlich 1254, sprechend sagt er: ge-
nerale Bladiam theologie, decretaliam, decretoram atqne legom in palatio
BQO, sieat nbiqae fecerat, ordinavit. Balnze 1. c. p. 205.
BIT) Garn olim dazerimns stataendam nt omnes apad sedem apost tam
in theologica facultate quam in utroque jure can. et ciyili studentes bene-
fieiomm saorum proventus integre percipiant etc. Marino de Ebolo im Arch.
Tat. Arm. Sl n. 78 ep. 1864.
»8) Bog. Tat. an. 10 ep. 245 Bl. 220a.
^) Beg. Tat an. 9 ep. 111 BL 128 b.
^ Beg. Tat an. 1 ep. 867 Bl. S6b.
^) So sagt Johann XXII. 1317 Ton ehiem GanonicuB von ürgel, 'qnod
ipie studio dlTinl juris, theologice Tidelicet fiseultatis, qnod de mandato
nostro apud i^kmI sedem regitur, immoratur'. Beg. Tat Gommun. an. 1. p.
3 ep. 2144. EbenBO 1819 in Beiug auf den Gaator JohannoB de Faliano,
und anBdrflcUiflh wird erwUint, Innocena lY. habe in dicta fiicultate stu-
dentes apud sedem eandem pririlegiert. Beg. Yat Gomm. an. 3 ep. 860. In
304 ni. Entwickelong der HochBchiilen bis züm Ende des 14. Jhs.
Daza kommt der usus in allen Epochen. Wie wir
nämlich in einem spätem Bande sehen werden, trugen seit
Innocenz IV. jene Magistri der verschiedenen Orden, die an der
Curie lasen, am Studium zumeist nur Theologie vor. In den
Ausgaben der römischen Curie ist femer fast ausschliesslich nur
von den 'scholae in theologia' oder dem Magister theologie die
Rede, nicht von den andern. Bald wird die Reparatur der theo-
logischen Hörsäle bezahlt'"), bald wird angeordnet, das Salarium
^pro hospitio scolarum theologie' auszufolgen "'), bald die Hörsäle
zu vergrössem "^). Daselbst wird auch regelmässig die Besoldung
des Magisters der Theologie erwähnt. Durchschnittlich bekam
er für 8 Wochen 36, für das Schuljahr circa 252 Goldgulden.
Ausserdem wurden ihm die Reisekosten, der Transport der
Bücher vergütet, für Kleider gesorgt u. s. w., wovon sich nicht
wenige Beispiele erhalten haben"*).
Nicht weniger eifrig wurde allerdings an dem Studium der
Curie das Jus gepflegt und zwar vorzüglich das Jus civile"*),
derselben Weise widerholt er diese Erkl&riingen im J. 1329 in Bezug aof
Johannes Vincentius (Beg. Yat Gomm. an. 14 p. 1 ep. 150) and Johannes
Martini (1. c. ep. 239. Vgl. auch ep. 721), im J. 1331 in Bezug auf Geral-
dus de Galinier. (Beg. Yat. Gomm. an. 15. p. 3 ep. 1137). Ganz dieselben
Phrasen gebrauchte Clemens YI. in seinem Schreiben. Beg. Yat. Gomm. an.
4 IIb. 4 p. 2 ep. 351 und an. 9. lib. 2 p. 2 ep. 1503.
•
^) Bonif. YIIL Introitus et exitus n. 5 Bl. 61a; Giern. Y. Intr. et
exit n. 10 Bl. 29b. Joann. XXII. n. 13 Bl. 60b; n. 30 BL 47a; n. 32
Bl. 84 b.
sss) Beg. Yat. Avenion. Giern. YI. tom. 18 BL 419a; Joann. XXII.
Intr. et exit. n. 32 BL 91. Im J. 1332, von dem hier die Bede ist, musste
das Salarium far die vergangenen 14 Jahre bezahlt werden. YgL noch n.
53 BL 2 b.
33«) Joann. XXII. Intr. et ezit L e. BL 61b.
335) Bonif. Yni. Intr. et ezit. n. 5 BL 35 b. 39 b. 41. Giern. Y. Intr.
et ezit n. 10 BL 19. 20. 34; n. 8 BL 16b. Joann. XXIL Intr. et ezit n.
18 BL 21; n. 16 BL 58 n. s. w.
336) Joh. Andreae in YI ad L c: et vide mirabile» qaod in Bomana
curia ins dvile legi potest et non Pandas (im Drucke, ans dem nuneiat
nachgeschrieben wird, nnriditig Temsii') et locis vkinis.
8. Hochschnlen mit p&pstl. Stiftbriefen. R6m. Gnrie. 305
Über das dort auch berühmte Rechtslehrer, wie z. B. Dinus,
lasen •"). Dass darin schon frühzeitig promoviert wurde, erhellt
aus zwei päpstlichen Schreiben Clemens IV. vom 10. Juli 1268*"),
worin den Doctoren zu Montpellier und Bologna kundgemacht
wird, jene in Montpellier möchten den Mag. Wilhelm Seguier de
Montepessulano als doctor in jure civili aufnehmen, da er vom
Mag. Berardus de Neapoli regelrecht an der Curie examiniert und
promoviert worden sei *"). Zu Gunsten von Legisten, die an der
Rom. Curie lasen, wurden die Priester schon sehr frühe vom
Verbote Honorius III. dispensiert. Als Bindus von Siena am
Studium der Curie über Civilrecht docierte, erlaubte Honorius IV.
am 18. Oct.1285 allen Geistlichen, mit Ausnahme der Bischöfe, Aebte
und Religiösen, bei ihm zu hören '^^). Dasselbe that Nicolaus IV.
den 25. October 1290 in Hinsicht auf den Legisten Comes de
s»"^) Vgl Savigny V, 450.
338) Bei Marino de Ebolo ep. 2337. 2338 im Arch. YaU Wie immer
fehlt der Name des Papstes. In der Briefsammlung des Berardus da Napoli
zu Bordeaux sind uns dieselben Schreiben erhalten (in jener des Arch. Vat.
fehlen sie) und zwar mit Namen und Datum. Von Delisle ediert in Notices
et eztraits des mss. XXYII, 2 p. 115 f.
^^) Mag. Guillelmus Seguier de Montepessulano ... ad magisterii gra-
dum aspirans, quem idem Bononie propter dissensionem inter d. t archidia-
conum Bonon. ex parte una et scolares inibi studentes ex alia super creatione
Doctorum exortam non poterat obtinere, ad nos recursum habens super hoc
proyisionis nostre remedium . . . postulavit. Nos itaque ipsius voto favo-
rabili pia benignitate faventes, d. f. Magistro Berardo de Neapoli subdia-
cono et notario nostro iuris civilis professori commisimus, at eum iuxta
formam in talibus consuetam diligenter examinans si ad hoc ipsum idoneum
inveniret sibi licentiam in eodem iure ubique docendi auctoritate nostra
concederet . . . Dictns yero notarius primo pluribus doctoribus postea tarn
iUis quam aliis jurisperitis de nostra curia convocatis exacte tam private
quam publice ipsum examinans sibi eorundem conspirante consensu licentiam
in eadem civili sapientia docendi ubique ac postmodum librum iuxta morem
in hiis hactenus observatam tradita sibi a nobis auctoritate concessit. Des-
halb möchten sie ihn nun als juris civilis professor aufnehmen« Ibid.
3M) Beg. Vat. an. 1. ep. 164 BL 46a. Vgl. dazu auch Lettera deU'Ab.
Gaet Marini. Borna 1797 p. 85, und Benazzi, Storia deU' nniverdtti degli
Btudi di Roma I, 245.
Denifle, Die UoiTenitlteD. L 20
306 ni. Entwickelang der Hochschnlen bis xam Ende des 14. Jhs.
ürbeveteri"')- Dieselbe Erlaubniss ertheilte Bonifaz VIII. mit
ähnlichen Worten wie Honorius IV. am 1. März 1297, als Johann
Meruguliesi von Pistoja an der Curie las'^"^). Am 13. Februar
1302, als dort Mag. Gabriel de Patientibus von Mailand über
Jus ciyile lehren wollte, sagt der Papst noch überdies, dass die
Eenntniss des Jus civile ^ecclesiaticis tam circa curam temporalium
quam administrationem spiritualium est admodum utilis et etiam
opportuna', und deshalb wolle er, *ut persone ipse pro acquirenda
scientia supradicta eo libentius et ferventius predicto juris studio
immorentur, quo potioris favoris presidio per eandem sedem (apo-
stolicam) in hac parte se noverint confoveri' "'). Derselbe Papst
übersandte 1298 seine Decretalensammlung wie den Profes-
soren und Scholaren anderer Hochschulen, so auch Doctoribus
et Scolaribus universis in Romana curia commorantibus '^^). Im
Jahre 1343 richtete das GoUegium doctorum in generali studio
Romane Curie . . . actu et ordinarie legentium Jus canonicum
et civile eine Supplik an Clemens VL, aus der hervorgeht, dass
damals zwei Doctoren über das Decret, zwei über die Decretalen
und zwei über das Civilrecht lasen"*).
Dieses Studium wurde mit jenen zu Paris, Bologna, Oxford
und Salamanca auf dem Concil von Vienne bestimmt, damit dort
ein Lehrstuhl für arabische, chaldäische und hebräische Sprache er-
^^) Reg. Vat. an. 3 ep. 481 Bi. 98 b. 'Apad sedem eandem tantnm'
dfirfe es geschehen, und nur in Bezug auf dessen Zuhörer oder auf jene
des Substituten.
^) Reg. Vat. an. 3 ep. 14 Bl. 198 a. Der Papst dispensiert ihn vom
geleisteten Eide, 'qnod nonnisi in civitate Bonon. in jure regeret'.
343) Reg. Tat. an. 8. ep. 16 Bl. 151a. S. dazu Renazzi L c. p. 245.
3M) So im Cod. Burghes. n. 7. Vgl. auch Friedbergs Ausgabe der
Decretalen.
345) Die Supplik beginnt: Suplicant 8. Y. humiles et deroti filii ac
seduli oratores vestri Gollegium doctorum in yestro generali studio Romane
Curie etc. Das Collegium bittet um Gnaden fflr die einzelnen Mitglieder.
Es werden genannt: Johannes Scherlati, der während 7 Jahre die Decretalen las;
Jacob Gaufridi, conjugatus, legum doctor; Bernardus Rastaeii, legum doctor
and canonicus; Guilhelmns Baralhi, canonicus, Ord. S. Aug., der Aber das
Decret las; Aymerigns Biga, Ord. S. Aug., decretorum doctor, ttber die De-
cretalen lesend; Arnaldus Terroni, decretorum doctor und darin auch Pro*
fessor. Arch. Vat. Clem. VI. Reg. Supplic. an. 1 par. 2 Bl. 67 a.
8. Hochschulen mit p&psU. Stiftbriefen. Rom. Carie. 307
richtet werde, und es ist keineswegs eine geringe Ehre, dass
die Goncilsbestimmung wenigstens in Bezug auf die eine oder andere
der Sprachen zuerst an demselben in Ausführung kam. Das
Verdienst gebührt Johannes XXII., der sich bemühte, dass das
Statut auch an den andern genannten Generalstudien Erfolg habe.
So schrieb er 24. Februar 1319 dem Bischöfe von Paris, er
möge dem vom Judeuthum zum Christenthum bekehrten Johannes
Savalti de Noyavilla, der in der hebräischen und chaldäischen
Sprache unterrichtet sei ^et desideret libros earundem linguarum
in latinum transferre ac alios Christifideles in eisdem Unguis
Parisius erudire, in studio Parisiensi linguas ipsas seu alteram
earum docenti in stipendiis competentibus et sumptibus . . . juxta
teuerem constitutionis fe. re. Clementis Pape V. super hoc edite'
vorsehen*"). Ob dieser Auftrag ausgeführt wurde, konnte ich
nicht finden, während dies in Bezug auf das Studium an der
römischen Curie der Fall ist. Vom 19. November 1317 au wird
dem Magister linguarum ebenso wie dem Magister theologiae
und den übrigen Angestellten das Salarium bezahlt. Am ge-
nannten Tage wird nämlich fr. Gonradus electus Effesinus magister
linguarum in Guria genannt**^), welcher 17. December bereits als
Archiepiscopus magister linguarum aufgeführt wird '"). Er blieb
in diesem Amte bis 8. April 1318'**), an welchem Tage fr.
Bonifacius magister linguarum de novo deputatus per dominum
nostrum erscheint***^). Dieser blieb nun ziemlich lange. Er
wird erwähnt H. November 1321 und widerholt im J. 1322
und 1328'"). sowie in den Jahren 1324—1327»"). Zu gleicher
Zeit waren für die Sprachen noch andere angestellt und
besoldet Im September 1321 bekommen Raynerius de Go-
stansa presbyter et Alexander Petiti clericus nuntii regis Er-
s^) Reg. Com. an. 3 ep. 408 El. 131 b.
347) Joannis XXII. Intr. et exit. C. A. n. 16 El. I36a; n. 17 El. 44a.
M8) Ibid. n. 16 Bl. 137 a; n. 17 El. 45 b.
«») Ibid. n. 16 Bl. 138 a- 140a.
350) Ibid. El. 141 a.
361) Ibid. n. 47 Ei. 118b, 120a; 121a n. a. w. n. 54 BL 126a etc. Id2a.
36>) Ibid. n. 57 El. llOff. n. 81 Bl. 70b (hier steht irnhOmlich magister
lignornm); n. 84 Bl. 78 b u. s. w.
20*
808 in. Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
menie, qui debent docere in curia linguas eorum, eine Besoldung"*),
und sie sind wenigstens noch bis 28. Mai 1323 im Amte'**).
Ich kann hier diesen interessanten bisher kaum beachteten
Gegenstand nicht weiter verfolgen'"). Das Angeführte genügt,
um einigen Begriff von der Ausdehnung der Studien an der
päpstlichen Curie zu erhalten. Dass auch das medicinische Studium
gepflegt wurde, ergibt sich aus den Besoldungen, die um dieselbe
Zeit den Thysikern' an der päpstlichen Curie gewährt wurden.
Doch erhielt dasselbe erst im 15. Jh. mehr Bedeutung.
Auf Irrthum beruht aber die Ansicht des Gregorovius, im
13. Jh. sei am Studium der Curie bereits Aristoteles erkläit
worden *^^). Ich wenigstens finde keinen Anhaltspunkt für diese
Behauptung. Scheint doch überhaupt das artistische Studium an
der Rom. Curie spätem Datums zu sein.
Mit dem Generalstudium an der Curie ist nicht zu ver-
wechseln das Studium, welches Urban V. zu Trets gründete
und das ebenfalls Studium D. nostri Pape hiess. Dieser Papst
unterstützte nämlich fast noch mehr als seine Vorgänger arme
Studierende. Er unterhielt während seines Pontificates fortwährend
^ Ibid. n. 47 Bl. 118b; 120a. Die Besoldung des magister lingaamm
betrug in der Regel 12 Gulden fQr 8 Wochen.
8W) Ibid. n. 47. Bl. 121b- 124. n. 54 Bl. 126-131 a.
355j Voigts Bemerkungen in seiner Wiederbelebung des classischen Alter-
thums 2. Aufl. II, 359, die Concilsbestimmung von Vienne sei nirgend ins
Leben getreten, wird dadurch wohl für immer .widerlegt.
^ Gregorovius meint V, 600f., der hl. Thomas sei 1261 nach Rom berufen
worden, um an der Palastschule die Schriften des Aristoteles zu erklären,
dort habe er Philosophie und Moral Yorgetragen bis 1269. Alles theüs un-
genau, theils falsch. Der Ausdruck 'teuere Studium Romae' bezieht sich
nicht auf das Studium an der Curie, sondern auf das im Orden. Im J. 1265 be-
stimmte z. B. das ProYincialcapitel der Rom. Provinz der Dominicaner zu
Anagni: Fratri Thome de Aquino iniungimus in remissionem peccatornm, quod
teneat itudium Rome, et volumus quod fratribus qui staut secum ad studen-
dum provideatur in necessariis etc. (Originalcodex der G^neralcapitel und
der Capitel der Rom. Provinz im Generalarchiv, Bl. 189 a). Im J. 1272 be-
schloss ein anderes Capitel (zu Florenz): Studium generale theologie quan-
tnm ad lectiones et personas, et numerum studentium comittimns plenarie
fratri Thome de Aquino (Ibid. Bl. 143 b). Mehr darftber im 3. n. 4 Bande.
Die Nutzanwendungen des Gregorovius fallen hiemit.
3. Hochschulen mit päpsti. Stiftbriefen. Rom. Curie. 309
1000 Scholaren an verschiedenen Studienanstalten'"); er errichtete
ein GoUeg in Bologna"'), ein anderes in Montpellier für Mediciner*"),
und ebenso ein Studium, das bereits November 1363 in Trets
war, und dort bis zum 3. Juni 1365 blieb, wo es nach Manosque
übertragen wurde. Im J. 1364 waren 180 Schüler an diesem
Studium, von denen 155 auf Kosten des Papstes erhalten wurden.
Sie waren aus den Diöcesen Aix, zu der Trets gehörte, Marseille,
Toulon, Fr6jus, Grasse, Vence, Riez, Digne, Apt, Sisteron, Sen^s,
Carpentras, Nizza, Gavaillon, Gland&ve und Avignon. Ausser dem
Bector studii werden 7 Magistri und das übrige zum Unterhalte
der Studenten nothwendige Personal aufgeführt unter dem Ge-
sammttitel: Servitores continui scolarium studii dicti Domini
nostri. Als das Studium nach Manosque transferiert wurde, be-
stand das gesammte Personal mit den Studenten aus 110 In-
dividuen "•).
Wenn wir bedenken, dass die Päpste ohnehin das General-
studium an der Curie zum grossen Theil unterhielten, und in
Folge davon Jahr für Jahr ziemliche Ausgaben machen mussten,
so staunen wir, dass z. B. Urban V. neben dem Generalstudium
noch ein anderes Studium der Hauptsache nach versehen,
und überdies auch andere GoUegien erhalten und unterstützen
wollte.
Zur Zeit des grossen Schismas hatten sowohl die Bömischen
Päpste als die Gegenpäpste ein Studium s. Palatii. Doch scheint
an jenem der letzteren später nur mehr Theologie vorgetragen
worden zu sein; wenigstens schliesse ich dies aus dem Botulus,
967) So die Prima vita Urbani Y. bei Balaze, Yitae Paparum Avenion.
(Parisiis 1693) I, 395.
968) s. oben S. 215.
8^) S. Balaze 1. c. Er liess 12 Scholaren in MootpeUier 'ad artem
medicine addiscendam' in einem von ihm erbauten Collegiam ernähren. Arch.
Yat Reg. litt, camer. apost. 1366 o. 346 Bl. 36 a.
3^) Obige Notizen, die bisher ganz unbekannt waren, sind den Rationes
scholanim de Tritis 1364. 1366 (n. 253) im Yaticao. Archiv entnommen. Sie
hat der Rector des Stndiams, Deodatns Jordani, niedergeschrieben. Ehe
man nach Manosque übersiedelte, untersuchte der Rector studii auf Geheiss
des Papstes, ob Pertuis oder St. Remy geeignetere Orte fttr die Anstalt
wären.
glO IIL Eatwiekelmig der Hoebsebalea Ins sn Ende da 14. Jlift.
den die scolares 8. palatii an Benedict XIIL im ersten Jahre seines
Pontifieates eioHandten, und der sich nnr auf die nu^istri et
Htudentes in tacnltate theologie bezieht^'), während an jenem
der Bdmischen Päpste nebst der Theologie noch immer Jos ear
nonicum und civile vorgetragen wurde'*').
Das Studium an der Curie war nicht stabil. Gleichwie
nämlich der päpstliche Hof nicht fix war, so hatte auch die
Schule an demselben keinen bleibenden Sitz, sondern folgte der
Curie überall hin'*'). Sie glich hierin vollends der Hofschule
Karls des Grossen und seiner Nachfolger. Die Könige und Kaiser
hörten schon seit langem auf eine Palastschule zu unterhalten^
dafttr aber besassen die Päpste eine solche, jedoch in viel
grösserm Umfange, als jene.
Som.
Die Hochschule zu Rom dankt Bonifaz VUI. ihr Dasein.
Der Stiftungsbrief ist vom 6. Juni 1303 datiert"*). Zwar be-
schloss Karl I. von Neapel aus Erkenntlichkeit gegen die Stadt,
die ihn zum Senator erwählt hatte, am 14. October 1265 in
Rom ein ^generale Studium tam utriusque juris quam artium^
zu gründen"*); allein es blieb nur beim guten Willen, so dass '
Bonifaz VHI. diese Stiftung nicht einmal zu erwähnen brauchte,
und nicht erwähnte. Der Beweggrund bei Stiftung dieser Hoch-
schule von Seite des Papstes war ähnlich jenem bei Stiftung
der Schule an der Curie. Nach Rom als dem Sitze des Papst*
thumes kommen von allen Gegenden die Fremden. In ihrem
Interesse, aber auch im wissenschaftlichen Interesse der Ein*
361) Ben. XIII. Reg. ezpectationum an. 1. p. 7. Bl. lS6a.
^^) Als Beweis möge hier dienen, dass in Schreiben Bonifas IX. Scho-
laren des Can. und Rom. Rechts Mn Romana caria stndentes' erw&hnt wer*
den. Z. B. Reg. im Archiv Tom Lateran, 1389, an. 1 lib. 6 Bl. 98; lih. 7
BL 846.
s*') Bonifai de Yitalinis sagt lur oben genannten Decretale in dem.:
Notandum, quod Romana curia ubicnnque sit, habet Stadium generale.
Oomment. in Clem. Const ed. Yenet 1574. Bl. 181a.
^) Renaui 1. o. p. 258 n. 81. BoU. Rom. ed. Taurin. lY, 166.
M) Bei Del Qiudice, Cod. diplom. del regno di Carlo L e IL, I,
68, n. 94.
3. Hochschulen mit p&pstl. Stiftbriefen. Rom. 311
heimischen, wird das Studium errichtet. Der Papst schloss keine
Wissenschaft aus^^'). Johann XXII. beschränkte jedoch am
1. August 1318 das Recht der Promotionen, die der Vicar zu
Rom zu leiten hatte, auf das jus canonicum et civile'^'), woraus
man jedoch nicht mit Renazzi und Savigny'^^) schliessen darf,
als habe erst jetzt die Hochschule das Recht der Promotionen er-
halten. Beim Examen müssten wenigstens vier Magistri zugegen
sein. Der Gandidat für das Doctorat in jure civili sollte
wenigstens sechs Jahre studiert und zwei Jahre (eines davon in
Rom) gelesen haben. Der Canonist in jure can. musste fünf
Jahre gehört und zwei Jahre (von ihnen eines in Rom) gelehrt
haben. Bereits 26. Februar 1317 ertheilte der Papst Dispens
von der Residenzpflicht'"').
Trotz des Aufenthaltes der Päpste zu Avignon blieb das General-
studium zu Rom fortbestehen, und es ist völlig der Wahrheit
widersprechend mit Voigt zu behaupten, während jener 70 Jahre
sei das Studium zu Rom fast vergessen gewesen '*'). Papst
Johann XXII. wollte Anfangs des Jahres 1324, dass seine Con-
stitution über die Armuth Christi Cum inter nonnullos durch
seinen Vicar in Rom 4n studio urbis' publiciert werde*'®). Aus
einem Actenstücke vom J. 1334 lernen wir den Auftrag kennen,
'doctoribus Romani studii tam in jure quam in fisica ... de
florenis aureis quadringentis vel circa anno quolibet juxta solitum
et sicut fuit opportunum exhiberi' "*). Weitere, meist päpstliche
Documente aus den Jahren 1325, 1330, 1350, 1354 und 1369,
welche sich auf die Universitas studii oder das Studium Urbis
^ 'Generale vigeret Stadium in qualibet facaltate'. Ibid.
s«7) Benaizi 1. c. p. 266. BuU. Rom. ed. Taar. IV, 275.
M8) Ibid. p. 60. Sayigny III, 321.
^^) Renazzi 1. c. p. 260.
8^9) Die V^iederherst. des class. Alterth. II, 44. Savigny ist sich unklar.
370) Reg. Yat Secret. an. 8. ep. 4 Bl. 1 b. Der Schluss des Breves mit
dem Datnm fehlt; es gehört aber in den Anfang des Jabres, nicbt in die
spätem Monate. Am 15. Oct. 1319 wnrde der Canonist Matthaeus Romanns
ad lectnram decretalinm erw&blt. S. das Docnment bei Renazzi p. 261 n. 25.
371) Ant. Vitale, Storia diplom. de' Senatori di Roma, Roma 1791 I,
243 bat das Schreiben König Roberts von Neapel an Peter Rayano nnd
Tancred vom 11. M&rz 1334 pabliciert, worin oben genannter Auftrag vor-
kommt. 8. p. 245.
312 ni. Eniwiekieliiiig der Hoduehnlen bis nun Ende des 14. Jlis.
beziehen, und in denen dasselbe fortwährend als bestehend voraus-
gesetzt wird, wurden bereits von Renazzi publiciert'"). Aus
ihnen ergibt sich, dass noch bis 1369 fortgesetzt das Doctorat
in jnre civili ertheilt wurde''*). Dadurch ist natfirlich nicht
ausgeschlossen, dass in der letzten Zeit das Studium im Verfalle
war. Es trat theilweise sogar Stillstand ein. Die nicht vor
1363 reformierten Statuten der Stadt beschUessen in einem
eigenen Paragraph die Reformatio der Schule und die Berufung
und Dotierung von Professoren*'*).
Die Erneuerung hielt nie lange an; das Studium verfiel
auch gegen Ende des Jhs., um endlich unter Eugen IV. ernstlich
reorganisiert zu werden'"), nachdem der Plan Innocenz VIL
im J. 1406 das Generalstudium herzustellen nicht vom Glücke
begünstigt war"*).
Es war höchste Zeit, dass der Papst an die Neugründung
der Hochschule zu Bom dachte, deren Einwohner seit mehr als
einem Jahrhundert die drangsalvollsten Tage durchlebt hatten. Ein
erschütterndes Ereigniss löste dort das andere ab : die Verlegung
des päpstlichen Stuhles nach Avignon, innere Zwietracht, Occu-
pation durch Ludwig den Baier, Erdbeben, Revolution Golas de
S79) L. c. p. 263. 268 n. 26. 29—32. Die genannten Doeamente be-
finden sich alle im Yat. Archiv.
378) Arch. Yat. Regestum litterarum camer. et thesanrarii Apost. 1364.
1368. 1369. Bl. 136 a befindet sich der Auftrag, dass Laurentius de Ibstock,
bacalarius in legibus 4n generali studio alme urbis Rome in facultate juris
civilis ad doctoratus honorem' promoviert werde (28. J&nner 1369); 151a
steht derselbe Auftrag hinsichtlich des Johannes Segini (9. Februar)-, 169b in
Bezug auf Matthäus Clementis baccallarius in legibus decanus Oscen. (2. M&rz).
Dabei werden immer die legum doctores erw&hnt, welche anwesend waren.
>74) Statut! della cittji di Roma del saec. U. pnbl. da Camillo Re.
Roma 1883 p. 144. Nach dem Codex im Arch. Yat. Mise. Arm. 6 n. 96
tr> der Paragraph Bl. 177 b die Aufschrift: De studiis generalibus nrbis
Romae. Nach Cod. Yat Ottob. 1880 und Yat. 7308: Quod doctores in alma
urbe sint forenses medici magistri salariati et de eorum salario. Es heisst
im Beginne, dass das Studium generale privilegiatnm . . . per defectnm ibi-
dem legentium iam coUapsum per sufficientem doctomm facundiam sublevetur.
87») Renazzi 1. c. p. 106. 116. 274.
87^) Reg. Yat Innoc. YU. De curia an. 2. lib. 2 61. 181 a« Cfr. Re-
naisl 1. c. p. 109 f. 273.
3. Hochschalen mit p&psü. Stiftbriefeo. Rom. 313
Rienzi u. s. w. Wurde auch der päpstliche Stuhl wider nach
Rom zurückverlegt, so schlug doch das sofort eingetretene grosse
Schisma neue Wunden. War es hei solcher Sachlage kein Wunder,
dass die römische Universität nicht zu gedeihen vermochte und
allen Widerhelehungsversuchen spottete, so verstand es sich auch
von selbst, dass die Unwissenheit immer mehr zunehmen musste.
Gleichwie es das Verdienst Bonifaz VIII. bleibt die Hoch-
schule ins Leben gerufen zu haben, so ziert es das Andenken
Eugens IV. mit bleibendem Ruhme, dass er die Widerhersteilung
derselben in Angriff genommen hat. Mit seinem Schreiben vom
10. October 1431 beginnt eine neue Epoche in der Geschichte
der Universität. Und darum kommen spätere Päpste auf Eugens
Verordnungen ebenso zurück, wie auf den Stiftbrief Bonifaz VIII.
Gab Eugen in seinem Schreiben einerseits Bestimmungen über
die Taxation der Wohnungen und den Gerichtsstand, und gewährte
er den Universitätsmitgliedern die gewöhnlichen Freiheiten und
Immunitäten, so regelte er andererseits die Subsidien zum Unter-
halte der Universität. In der ersten Zeit ihres Bestandes nahm man
sie aus den Renten von Tivoli und Rispampano; Eugen erhöhte
die auf den importierten Wein gelegte Steuer, damit der Ueber-
schuss zu Zwecken des Studiums verwendet würde'''). Am
7. Februar 1433 gab er dem Rector ein Gonsilium von vier
Reformatoren zur Seite, die aus zwölf der angesehensten Bürger,
von denen einige in jure can. vel civili doctores sein sollten, gewählt
werden, ein Jahr lang im Amte bleiben und über ihr Gebahren
Rechenschaft ablegen müssten. Durch diese Verordnung wollte der
Papst verhüten, dass die Renten zu einem andern als zu dem
von ihm bestimmten Zwecke verwendet würden "*). In demselben
377) ut in gabellam Tini forensis, quod in tabemis Tenditar, pro qua
yenditores huiasmodi yini sex denarios pro qualibet libra camere dicte urbia
solvere tenentur, addantur etiam pro libra tres Bolidi cum dimidio, que
additio exigi et conseryari debeat. Reg. Vat. De cur. an. 1. 2. lib 12 Bl. 115 b;
De offic. L 1. Bl. 67 a. Renaszi 1. c. Auftrage hierüber finden ßichim Arch.
Vat. Diy. Camer. t 17. Bl. 203 b; 244 a. Von den »pftteren Pftpsten, welche
darauf reflectierten, citiere ich Nicolaus V. De cur. 1. c. t. 22 Bl. 14b;
SiztuB rV. Diy. Cam. t. 38 BL 246a; Innocenz Vni. Ibid. t 46 Bl. 210a.
Leo IL in der oben anzuführenden Bulle.
"8) Reg. Vat. De cur. an. 2. 3. 1. 13 BL 147 a. Im zweiten Bande
komme ich darauf zurück.
314 ni. Entwickelnng der Hochschnleii bis zum Ende des 14. Jhs.
Schreiben, worin er diese Verfügungen trifft, gibt er auch den
Auftrag ^coUegium pro pauperibus inibi collocandis scolaribos et
studentibus constitui et ediiicari possessionesque et domos vel
alia immobilia bona ad ipsius domus seu coUegii opus emere'.
Sowohl diese als die frühere Bestimmung erneuerte der Papst
am 1, November desselben Jahres*^®). Allein nur die erstere, nicht
jene hinsichtlich des CoUegs kam zur Ausführung. Am 25. Mai
1438 veröffentlichte er neuerdings sein Schreiben vom 10. October
1431 mit Hinzufügung weiterer Aufträge"®).
In der Zwischenzeit sah man sich auch um geeignete Lehr-
kräfte um. Für das jus civile werden die legum doctores Gaspar
de Battarellis"*) und Ludovico Pontano"') genannt; für die
lectura ordinaria decretalium der doctor utriusque Anton de
Bosellis"*); für jene decretorum Yvo de Coppulis, welcher
von Perugia kam"*). Am wenigsten Fortschritte machte die
Theologie"*). Der Grund davon lag wohl darin, dass sie am Stu-
dium der päpstlichen Curie eine stärkere Vertretung hatte.
Die Hochschule war zwar auch nach Eugens Tod manchen
Wechselfällen ausgesetzt, ja unter Sixtus IV. hätte ihr bald
wider der Untergang gedroht"*), allein sie blieb nunmehr doch
fortbestehen. Alexander VI. sorgte für neue Schullocalitäten.
Unter Eugen wurden alle Schulen bei S. Eustachio vereinigt"');
Alexander begann in der Nähe den heutigen Bau der Sapienza*"),
379) Reg. Vat. de Cur. an. 2. 3. 1. 13 Bl. 251b.
»80) Reg. Vat. de Cur. an. 5-8 1. 15 Bl. 272b.
381) Div. Cam. t. 18 Bl. 2 b. Benazzi p. 276 n. 3.
382) Benazzi p. 129 f.
383) Div. Cam. t. 17. Bl. 216a.
384) Ibid. Bl. 55 b. Renazzi p. 279 n. 5.
386) Vgl. Renazzi p. 165. Card. Dominions Capranica, aaf den ich als*
bald zu sprechen komme, sagt in den fQr sein Golleg bestimmten Constita*
tionen: qoia in Urbe Studium theologiae non multum Tiget, volumns, quod
Sit in ipso collegio aliquis notabilis doctus magister theologiae' etc. Alm!
coUegii Capranicensis Const. c. 23, ed. Rom. 1879 p. 22.
386) a Renazzi p. 195.
387) Ibid. p. 125 f. Vgl. p. 280 n. 10.
388) Ibid. p. 281 n. 11. 12. Das erste Actenstack, mit dem der Papst
1000 Dncaten anweisen Hess, ist vom 17. Dec. 1497, das andere, in dem ein
gleicher Auftrag erfolgte, vom 16. Nov. 1498.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Rom. 315
den Leo X. erweiterte und Alexander YII. vollendete. Scheinbar
brachte es die Hochschule nunmehr sogar zu grosser Blüthe,
denn nach dem von Marini herausgegebenen Verzeichniss der
Lehrer vom J. 1514 waren von den 88 Professoren nicht
weniger denn vier Theologen, 11 Ganonisten, 20 Legisten, 15 Me-
dianer, die übrigen aber Philosophen, Mathematiker, Rhetoriker
und Grammatiker "'). Allein es ist nur Schein. Leo X. führt am
5. November 1513 die Klage seines Vicars und der Reformatoren
des Studiums an, dass an der Universität, welche 4nter ceteras
studiorum generalium in Italia universitates frequens et celebris
esse deberet, a pluribus citra annis adeo scolarium copia defe-
cit, ut quandoque plures sint qui legant, quam qui audiant'.
Der Grund davon sei, dass die von Eugen gewährten Privilegien
nicht beobachtet würden und die Professoren sich in andere
Geschäfte mengten, und deshalb ihre Verlesungen unterliessen '®®).
Die damals enorme Professorenzahl deutet also nichts weniger
als auf eine grosse Ausdehnung und einen blühenden Zustand
der Lehranstalt hin. Auch gewährte der römischen Hochschule
keinen Vortheil, dass ungefähr um jene Zeit das Studium an der
Curie aufgehoben wurde"°'). Ob Leo X. dies bewerkstelligt habe,
und ob das Studium mit der Hochschule vereinigt wurde, konnte
ich aus den Acten nicht ermitteln ^'^).
^^) Marini, Lettera nella qnale s'illustra il rnolo de'professori dell
archiginnasio Romano per Tanne MDXIV. Roma 1797, p. 11—16. Ansser
den 88 Professoren werden noch Grammatiker der verschiedenen Stadttheile,
der Rector, die Reformatoren und der Bedell aufgeführt. Der Autor der
unten Anm. 391 anzuführenden Relazione hat den Catalog wohl nie zu Gesicht
bekommen, und deshalb missverstanden.
»»0) Reg. Vat. Leon X. Bull. l. 26 (n. 1016) Bl. 209. Im Bull. Rom. z. B.
ed. Taurin. Y, 568 fehlt gerade die oben herbeigezogene entscheidende Stelle,
da die Herausgeber der irrigen Meinung waren, sie gehöre dem Schreiben
Bonifaz YIII. an, während doch Leo nur das Schreiben Eugens IV. vom
10. October 1431 widerholt, und darauf obige Klage anführt.
>^ Noch ein Jh. nach Leo X. hört man die Klage, dass die Schüler-
zahl Ton Dreissig selten erreicht werde. Cod. Yat. 7400 Bl. 54b.
Sdi) üeber das Studium zu Rom existiert ansser der citierten Lettera
Marinis, in der p. 90 sqq. mehrere Acten von Eugen lY. an abgedruckt
sind, und dem oft erwähnten Tortrefflichen, wenngleich nicht ^durchweg
kritischen Werke Renazzis und jenem Garafas ein nicht zu unterschätzender
Artikel (zum grossen Theile Auszug aus Renazzi) in Moronis Dizionario
316 m EntwiGkelang der Hoc]i8chiilen bis tarn Ende des U. Jhs.
Die Geschichte der römischen Hochschule macht es begreif-
lich, warum an derselben erst spät ein CoUeg für arme Scholaren
gegründet wurde. Da das von Eugen IV. geplante nicht zur
Ausführung kam, so ist das erste der nachher so zahlreichen
GoUegien Roms, die alsbald unvergleichlich mehr Bedeutung ge-
wannen, als die Hochschule selbst, ja von denen sogar einzelne
gleichsam eine Universität für sich repräsentierten, das vom
Cardinal Domenico Capranica im J. 1458 gestiftete CoUegium
pauperum scholarium sapientiae Firmanae''') oder kurzweg Gol-
Tol. 84 p. 282—323; yoI. 85 p. 3—208. Arm ist Relazione e notisie intomo
alla r. nniversitä di Roma. Borna 1873. Moroni fällt aUerdings in den all-
gemeinen Fehler, die angeblich von Honorius III. and dann die von Innocenz lY.
gestiftete Schale mit der Gründung der Universit&t in Yerbindong sa bringen.
Allein die von Innocenz ins Leben gerafene Lehranstalt ist das Studium an
der Curie, von dem ich im vo«. Paragraph gesprochen habe; die Gründung
einer Schule jedoch durch Honorius III., die auch Eenazzi gestützt auf
etliche Autoren erwähnt, ist sehr problematisch. Man glaubte einen Schrift-
steller des 13. Jhs. für diese Behauptung citieren zu können, n&mlich Job.
de Golumna, welcher 1255 Erzbischof von Messina wurde und 1280—1290
starb (s. Qu6tif-Ech. I, 418). Diesem schrieb man ein Werk De Tiris
illustribus zu, worin der Autor von einer Yon Honorius III. gestifteten
Palastschule spricht. Doch dieses Werk gehört nicht jenem Johann de Go-
lumna des 13. Jhs., sondern es hat einen Johann de Golumna des 14. Jhs.
zum Verfasser. Ich kenne nun drei Hss., n. 142 in der Bibl. Barberini;
n. XX. VI. 34 in der Bibl. Gasanat. zu Rom; cod. lat. cl. X. n. 58 in der
Marciana zu Venedig. Sind auch diese drei Hss. insofern von einander ver-
schieden, als die zwei letztern die ethnici und christiani getrennt von ein*
ander aufführen, w&hrend in der erstem alle durcheinander gemengt alpha-
betisch behandelt werden, so stimmen sie doch darin überein, dass im An-
hang zu Innocenz III. der Tod des Dominicaners Joannes de Gomite auf
Gypern im J. 1322, und im Abschnitte Thomas v. Aqnin dessen Heilig-
sprechung durch Johann XXH. (1323) erw&hnt werden. Demselben Autor
wurde auch das Mare historiarum beigelegt Allein Waitz hat in den Mon.
Germ. SS. XXIV, 266 nachgewiesen, dass es nicht vor 1340 geschrieben
sein könne. Der Autor beider Werke mag also ein Johann de Golumna
gewesen sein, aber keineswegs der berühmte des 13. sondern ein anderer
des 14. Jhs. Dadurch verliert dasjenige, was er über das 13. Jh. besonders
die ersten Decennien desselben erzählt, wesentlich an Werth. Ich konnte
mich nicht entschliessen, oben bei Behandlung des Studiums an der Gurte
auf Honorius lU. zurückzugehen.
^ S. Gatalani, De vita et scriptis Dominici Gapranica card. commenta-
riuB (Fermi 1793) p. 130. 155.
8. HochBchnlen mit papstL Stiftbriefen. Pisa. 317
legio Capranica. Es hiess Tirmanae' nicht als wäre es nur für Scho-
laren aus Fermo bestimmt gewesen, sondern weil der Stifter Bischof
von Fermo war. Der Cardinal gründete es für 31 Scholaren,
wie er selbst in seinen Constitutionen sagt'^'). Er bestimmte
in denselben, von welchen Persönlichkeiten die Alumnen prä-
sentiert werden, und inwieweit sie ihrer Abkunft nach theils
Yon Rom theUs von einigen andern Orten Italiens sein sollten''^).
Sechzehn von ihnen müssten Theologie und die artes studieren,
die übrigen in jure canonico. Der Stifter baute noch kein be-
sonderes Haus für sie, sondern nahm sie im J. 1458 in seinen
eigenen Palaste auf, wo er ihnen eine Bibliothek einrichtete.
Nachdem er jedoch 14. August desselben Jahres gestorben war
und dem Colleg ein reiches Erbe hinterlassen hatte, erbaute
sein Bruder Card. Angelus Capranica ein Haus neben dem
Palaste, in welchem die Scholaren 1460 untergebracht wurden*'*),
und in dem auch heute noch das CoUegio Capranica besteht
Pisa.
Das Studium generale zu Pisa wurde von Clemens VI. am
3. September 1343 errichtet "•). Hiemit ist natürlich nicht
gesagt, dass erst jetzt das dortige Studium begonnen habe. Wie
es in Italien und theilweise auch in Spanien der Brauch war,
dass sich die Städte den einen oder andern Rechtslehrer hielten,
dessen Vorlesungen, in Italien meist über Köm. Becht, auch von
Auswärtigen besucht waren, so geschah dies auch in Pisa, ehe
dort ein Oeneralstudium bestanden hatte. Diese Stadt war schon
'98) Cap. 14 ed. Rom. 1879 p. 12; c. 16 p. 16.
»W) Ibid.
^ Gonst. c. 9 p. 8 Piazza, EuseTologio romano (Roma 1698) p. 216.
n I, 152. Vgl. auch Yenuti, Accarata e Buccincta descrizione to-
pografica e istorica die Roma modema (Roma 1766) p. 135. Die Idee ein
Colleg zu grOnden fasste Card. Domenico allerdings nicht erst im J. 1458,
de war ziemlich alt, und wahrscheinlich durch eine ähnliche Idee Engens lY.,
von der ich oben gesprochen habe, yeranlasst.
^ Reg. Yat Gommun. an. 2. tom. 3 ep. 1132. Fabroni Hist. acad.
Pisaiiae, I, 404. Nicht 1344, wie Savigny III, 303 nnd Schalte, Arch. f.
kath. Kirchenr. XIX| 11 annehmen.
818 UI. Entwickelnng der Hochschulen bis zam Ende des 14. Jhs.
seit dem 12. Jh. sehr reich an Rechtskundigen, unter denen
nicht wenige Bechtslehrer genannt werden^*'). In Pisa war
auch jene Pandektenhs, welche zu Justinians Zeit von Gonstantinopel
nach dem Abendlande gebracht worden sein soll*'*). Das wich-
tigste Document für die Existenz einer Rechtsschule zu Pisa vor
1343 datiert aus der Zeit circa 1213, als sich ein Mönch von
Marseille nach Pisa begab ^ad exercendum ibi Studium' und zwar,
wie aus dem Zusammenhange erhellt, das Rechtsstudium'**).
Andere Documente sind uns aus den Jahren 1194, 1316, 1319
aufbewahrt ^^^). Dass auch Medicin vorgetragen wurde, ergibt
8»7j Einen minutiösen Nachweis hat Flam. dal Borgo in seiner Disser-
tazione epistolare suU'origine deUa universit^ di Pisa (Pisa 1765) p. 83 sqq.
besonders 85—132 geliefert. Der Autor ist hierin viel sorgsamer als der
frühere Fabrucci (Calogerä, Raccolta d'opascali scientifici e filologici tom.
21 — 25) und der spätere Fabroni. Savigny hat die 'wenig bedeutende'
Dissertation (111, 301) wohl nicht gesehen. Dal Borgo ist nur im Irrthume,
dass er mit jener Arbeit gegen Fabrucci die Gründung der Hochschule vor
dem 14. Jh. nachweisen wiU. Konnte er doch nicht die Existenz einer
andauernden Schule apodiktisch erweisen. S. die Bemerkungen Tiraboschis,
Storia della lett. ital. lY, 70 f. Nur die Professoren hat im Auge Buonamici,
Della scuola Pisana del diritto romano in Annali delle universitj^ Toscane,
Pisa 1874 p. Iff. Die vom Rom. Rechte beeinflussten Statut! della cüA
di Pisa (ed. Bonaini. Firenze 1854—1870) geben keinen Aufschluss darüber.
89S) Dies sagt Odofred in Dig. De rei vendic. In rem aeHo, und Bartolo
in rubr. Dig. Soluio matrimonio. Nach der Einnahme Pisas durch die Floren-
tiner im J. 1406 kam die Hs. nach Florenz.
s^) Der Brief des Mönches B. von S. Victor in Marseille an seinen
Abt K wurde von Martene- Durand in Coli, ampliss. I, 469 ediert Sowohl
das J. 1065 als 1127 und 1213 passen für die Anfangsbuchstaben des Abtes
und des Religiösen. S. Orandi, Epistola de Pandectis p. 13. 16. Borgo 1. c.
p. 18 ff. und Fabroni I, 14. Das Jahr 1213 empfiehlt sich am besten, denn
in der That waren in der ersten H&lfte des 13. Jhs. viele Proven^en in Italien
Römisches Recht zu studieren — und der Mönch erwähnt, dass 'per totam
fere Italiam scolares et mazime provinciales' sich aufhielten um Römisches
Recht zu hören. In den Jahren 1127 und besonders 1065 war in Italien
das Rechtsstudium noch nicht in der Weise organisiert, dass es viele Ans*
w&rtige angezogen h&tte. Die Mönche studierten trotz des Verbotes des
Lateran. Concils vom J. 1139 h&ufig Civilrecht.
^^) Im zuerst genannten Jahr wurde in Pisa ein Dig. nov. durch Vi-
Tianus nuncius Pisanorum scolarium verkauft Fabroni I, 401. Im J. 1316
lagegen erlaubt ein Bischof einem Canonicus am Studium in Pisa den Fmcht-
genuss seines Canonicates , als würde er an einem Oeneralstndiam studieren.
3. Hochschulen mit pi^stl. Stifthriefen. Pisa. 319
sich unter anderm aus einem Documente aus der Zeit unmittelbar
nach Gregor X., und aus einem Acte vom J. ]340"°').
Die nothwendigen Vorbedingungen zu einem Generalstudium
erhielt Pisa jedoch erst 1338, in welchem Jahre von Bologna
aus wider eine Auswanderung stattfand. Benedict XII. ver-
hängte nämlich 2. März bis 21. October dieses Jahres das Inter-
dict über Bologna*^'). Das Studium wurde unterbrochen, und
Lehrer und Schüler zogen nach verschiedenen Orten. Einige
giengen nach Gastel S. Pietro bei Imola, darunter Rayner von
Forli, um dann bald nach Pisa zu wandern ^^'), wohin 1339 auch
Bartolo zog"®); wider andere suchten Arezzo auf"*). Im J. 1340
wird ein Rector Gitramontanus studii Pisani erwähnt"'^). Auf
Bitten der Stadt errichtete Clemens VI. in dem oben genannten
Jahre ein Studium generale in allen Facultäten"^). Allem An-
Ihid. p. 402. Wegen 1319 s. Baonamici p. 7. Bei Stein, Die innere Yerwaltung
L c. 8. 290 liest man folgende Behauptung: 'So ward in Pisa eine freie
römische Rechtsschule ohne eine schola artium schon 1316 gegründet; erst
1472 tritt eine solche unter dem Namen des Studium generale auf!
^^^) Berardus da Napoli hat uns ein päpstliches Schreiben
(Martins IV.) aufbewahrt, worin Magister Toringus losgesprochen wird,
der 'pridem dum Neapoli medicine vacaret studio et scolas regeret in eadem
Tocatns per eos ad quos id spectare dinoscitur ad regimen parochialis
ecclesie s. Christine Pisan.' und dort 'rector canonice institutns' war, 'scolas
proseqnens docendo ut antea' sein Leben fortführte. Arch. Tat. n. 29 a ep.
486. Es w&re jedoch möglich, dass er in Neapel zurückblieb. Wegen des
Jahres 1340 s. Fabroni p. 54.
Ml) Ghron. di Bologna bei Mnratori XYIII, 876. 378. Ghirardacci,
Della bist di Bologna 11, 138.
40Sj pies bezeugt er von sich selbst: Dum ego recessi de studio Bonon.
per Papam Benedictum tunc temporis interdicto et transtuli me ad legendum
in jure civili ad felicem et triumphalem civitatem Pisan. In dig. Qu. de
jnstitia et jure Ovmea populi. Vgl. Savigny VI, 501. S. auch die cit. Chron.
sowie Matth. de Qriffonibus bei Muratori 1. c. p. 163. Ghirardacci l. c. Sarti
im 2. Bande De claris archigymn. Profess. (s. oben S. 214. Anm. 595) p. 36.
*03) S. Fabroni p. 48 f. Savigny, VI, 147.
^) Annales Aretini bei Muratori XXIV, 878.
*^) Fabroni p. 60. Baonamici p. X n. 39.
^ Communis et populi dicte civitatis devotis in hac parte snpplica-
tionibus inclinati auctoritate apostolica presentium tenore statuimus et etiam
ordinamos at in civitate ipsa de cetero sit Studium generale ... in sacra
pagina, iure canonico et civili et in medicina et qualibet alia licita facol*
täte. S. die QueUe oben Anm. 396.
820 ni. Entwickelang der Hochschulen bis zam Ende des 14. Jhs.
scheine nach wollte die Stadt, die sich seit 1338 im Besitze von nicht
wenigen Professoren, besonders des Rechts, sah, einmal die Existenz
des Studiums für die Zukunft sichern, und erwirkte eben deshalb
das päpstliche Privileg, das sich auch auf die Theologie bezog.
Und dann musste das Studium erst das Promotionsrecht erhalten,
das dasselbe bisher nicht besass. Denn obgleich viele Pro-
fessoren und Scholaren von Bologna kamen, so brachten sie
dennoch nicht Bolognas Privilegien mit*®^). Die Promotionen
hatte der Bischof vorzunehmen, und er musste die Licentia
docendi ertheilen.
Am 2. December desselben Jahres gewährte derselbe Papst
den Magistern und Scholaren des Studiums, dass die Studierenden
in allen Facultäten, mithin auch im Jus civile, von der Residenz-
pflicht dispensiert seien ^^*). Eine kaiserliche Urkunde kann Pisa
nicht aufweisen"*).
Von nun an lasen einige grosse Legisten in Pisa^'®); allein
die Blüthe dauerte nicht an. Im J. 1359, nachdem Baldus das
Jahr vorher dort gelesen hatte, beschloss die Stadt sogar die
Professoren wegen Geldmangel zu entlassen, was sie auch aus-
führte^*^). Einige Jahre später fieng man jedoch neuerdings an,
und im J. 1364 wandte sich die Stadt wider an den Papst, auf
dass er das Generalstudium bestätige. Urban Y. erfüllte die
Wünsche und vidimierte am 10. November desselben Jahres den
^7) Dies sagt Ancharanus inProoem. VI. Decretal. (p. 3 b) in Bezug auf
die 1321 stattgehabte Auswanderimg resp. Uebersiedlung yon Professoren
ans Bologna nach Siena.
^) Reg. Tat Common, an. 2 tom. 8 ep. 819 BL 125 b wo die Littera
nnWersis doctoribns et magistris ac scolaribus stndii Pisani steht; dann
folgt knrs jene Archiepiscopo Pisano, die sich anch bei Fabroni p. 406 findet
^09) Was Fabroni p. 80 ff. und Bnonamid darüber sagen, ist nichts als
grandiose Yermathnng. S. daiu Tiraboschi, Storia della letteratura itaL Y, 68.
^^^) Die hauptsächlichsten waren Bartolö, Franciscus de Tigrinis and
Baldus. 8. darüber Fabrucci in den genannten Opusc. vol. 23 p. 20ffl Fa-
broni p. 50 ff. Wegen Bartolo s. besonders Buonamici p. 9; wegen De Ti-
grinis vgl. Memorie istoriche de piü nomini iUnstri Pisani (Pisa 1790) I, 205 ff.
Rossi im Giomale di emdiiione artistica V (Perogia 1876), 188 n. 68; p.
868 n. 92. 95. Wegen Baldaa s. Baonamid p. 10 f.
^^) 8. das Yeraeichniss der 5 Professoren, die damals entUssen war*
den, bei Fabrncci 1. c. tom. 25 p. Xlff. Fü>roni, p. 71 Anm. 1.
3. Hochschalen mit p&pstl. Stiftbiiefen. Pisa. 321
Stiftbrief Clemens VI.*"). Das Jahr darauf beklagte sich jedoch
die Stadt beim Papste, dass, obgleich von ihm die 'privilegia
studii generalis concessi per D. dementem papam VI.' erneuert
worden seien, die Kanzlei die Gittere renovationis super percep-
tione fhictuum beneficiorum insistentium in dicto studio' nicht
ausfolgen wolle. Der Papst bewilligt in Folge dessen die Supplik
auf ein Triennium am 11. Mai des genannten Jahres*'^).
Das Studium fristete nun noch fortwährend sein Dasein.
Promotionen in der theologischen Facultät fand ich verzeichnet
für die Jahre 1367"*) und 1369*"). Ebenso wurden auch Vor-
lesungen über andere Wissenschaften, namentlich über Jus und
Medicin, gehalten, wie sich aus Daten bis zum J. 1400 ergibt**^).
Das bekannte traurige Schicksal der Stadt im J. 1406 theilte
jedoch ebenso das Studium derselben, es gieng ein und wurde erst
später, vorzüglich auf Veranlassung Lorenzos de' Medici, im
J. 1473*'^) durch Auflassung der Hochschule zu Florenz wider
hergestellt, wenngleich in der Zwischenzeit noch immer mehrere
Bechtslehrer auftraten.
Das Generalstudium zu Pisa des 14. Jhs. rechnet man
häufig zu den 'berühmten' Universitäten. Allein ich finde nichts,
was diese Ansicht rechtfertigen würde. Dass dort mitunter
grosse Bechtslehrer lasen, beweist nichts, denn diese Mengen
damals meist von der Art und Weise der Besoldung ab. Ungleich
bedeutender wurde die restaurierte Universität des 15. Jhs.,
wiewohl sie keinen Bartolo oder Baldus mehr besass.
^ Reg. Yat. Indult, an. 3 p. 94. Das Schreiben ist gerichtet an Dil fil.
nobili Yiro Johanni de AgneUo duci ac . . ancianis, consilio et commnni
civit. Pisan. . . Sancte devotionis affectns quem ad nos et Bomanam geritis
eccleaiam nos indacont, nt petitionibos vestris quantom cum deo poBSumos
fayorabiliter annuamus etc.
*") Rep. Suppl. Urb. V. an. 3 p. 2 Bl. 44 b.
^^) Beg. Yat. Urbani V. Avenion. tom. 16 Bl 429 a.
^<») Ibid. tom. 20 Bl. 515.
««) Fabmcci, vol. 25 p. XVn ff. vol. 29 p. 263 ff. Fabroni p. 72.
^^7) Nicht 1472, wie conseqnent behauptet wird. 8. unten im Abschnitt
über Florenz.
Dentfla, Di« UBiTeraititen I. 21
822 ni. Eutwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jbs.
Fonrarft«
Auch inFerrara waren längst vorher, ehe Bonifaz IX. das
Generalstudiom errichtete, Schulen und zwar für alle Fächer
mit Ausnahme der Theologie ^^^). Die artistischen Schulen befanden
sich bis 1297 im Convent der Dominicaner^^'). Di6 Ansicht ist aber
irrig, als hätten diese Schulen eine Hochschule gebildet oder als
sei diese von Friedrich II. gegründet worden*"), und ich brauche
mich nicht weiter bei ihr aufzuhalten, da sie bereits gründlich
widerlegt wurde *'^). Von einem Generalstudium kann man erst
seit 1391 sprechen. Am 8. Febr. gieng Markgraf Alberto von Este
4i8j Dies erheUt ans einem von Mnratori, Ant. med. aevi III, 910 pn-
blicierten stadtischen Statute vom J. 1264, in welchem die 'docentes in scientia
legum et medicinae et in artibus grammaticae et dialecticae' Yom Kriegs-
dienste ausgenommen werden. YgL auch Borsetti, Eist gymn. Ferrariens.
gymnasii (Ferrara 1735) I, 11. Solche Bestimungen wurden von italienischen
Republiken und Gommunen, wie wir im Verlaufe sehen werden, häufig er-
lassen, und zwar schon ehe sie an die GrAndung einer Hochschule dachten.
r-a Was die Litteratur Aber die Schule in Ferrara betrifft, so bemerke ich,
dass Frizzi, Memorie per la storia di Ferrara im toL 3. (Ferrara 1793) auch
in der Ausgabe Laderchis (Ferrara 1850) kaum Aber Borsetti hinausgeht.
Goppi behauptet p. 8. 94 Anm. 2 , ausser Borsetti habe auch Rufo eine
Hist. Ferrar. gymnasii (1811) geschrieben. Im Laufe seines Buches ci-
tiert Goppi demgemäss durchgehends Rufo als den neueren, und nicht
Borsetti. Ich suchte lange Zeit und Aberall auch in Ferrara nach Rofos
Werk, aber natArlich vergebens, denn es existiert nicht. Goppi hat ein-
fach den Gard. Tommaso Rufo, welchem Borsetti seine Geschichte gewidmet
hat, wie auf dem Titel derselben zu lesen ist, mit dem eigentlichen Autor
▼erwechselt, und die Herausgabe des Werkes Borsettis aus mir unbekannten
GrAnden in das Jahr 1811 gesetzt. DafAr entgiengen Jedoch Goppi mehrere
seit Borsetti Torfasste und in Ferrara erschienene Schriften, aus denen er
allerdings nicht viel gelernt hätte, z. B. Leati, Sulla universitä degli studi di
Ferrara (1860); Gugnsi, Notizie storiche sulla universitä libera degH studi di
Ferrara (1873); Gennari, La universitä di Ferrara (1879).
♦19) Borsetti p. 13.
♦20) Yertheidigt von Borsetti p. 9 ff.
♦21) Theil weise von Hieron. Baruffaldi unter dem Namen Jac. Quarini,
Ad Ferrar. gymnas. hist supplem. et animadvers. Bononiae 1740 p. 10 ff. und
von Tiraboschi, Storia della letteratura ital. lY, 62 f. Y, 79. Guarinus sagt
p. 17 mit Recht, dass erst vom J. 1391 ab 'epocha rationabüis, firma et in-
dubitata desumenda est uniyersitatis Ferrariensis'. Ygl. auch Frizzi III, 119.
S. Hochsehalen mit päpsU. Stiftbriefen. Ferrara. $23
nach Rom und erwirkte das Privileg eines solchen von Boni-
faz IX. ^"). Am 4. März erschien die Bulle, und das Studium
generale wurde in allen Facultäten, auch in der Theologie, mit
denselben Worten, wie fQr Pisa, gewährt "•)• Nur bestimmte
der Papst, dass bei Sedis-Vacanz der Archipresbyter und das
Capitel die Promotionen leiten sollten. Man gewann gegen Sala-
rium für das Jus civile Barth, de Saliceto, der sich damals in
Ferrara aufhielt, und Ziliolus von Cremona, sowie andere Pro-
fessoren fQr die übrigen Facultäten, und eröffnete das Studium
am Feste de&hl. Lucas im nämlichen Jahre 1391 ^'^). Aber schon
nach 3 Jahren wurde es als zu kostspielig auf Bitten der
Stadt, die die Professoren nicht glaubte besolden zu können,
unterbrochen"*).
Doch bereits unter Niccolö III. erstand es im J. 1402 von
Neuem. Ausser den einheimischen Professoren wurden auch
fremde berufen: ffir das Rom. Becht Peter de Ancharano und
Johann von Imola, für das can. Recht Anton de Butrio"^).
Erst später las dort über Medicin Hugo Benzi"'). Allerdings
kam das Studium auch jetzt nicht zur Blüthe, ja es schlummerte
fast wider ein, wie sich aus Acten vom J. 1429 und 1480
nicht undeutlich ergibt ^'^). Zwar hielten etliche Grammatiker
^) Im Ghronicon Estense bei Mnratori, Rev. ital. SS. XY, 524 heisst
es: Dominus Albertus Estensis volens arbem Ferrsriae insigni et nunquam
bactenns babito bonore magnificare, cum a ss. D. N. Papa Bonifacio IX. de
studio generali constituendo in civitate ipsa graUam et Privilegium appor-
tasset, Studium ipsum in omni facultate scientiarum . . . incboari atque per-
fid decrevit. S. über die n&beren Umst&nde Gennari p. 27 if.
^) Bei Borsetti I. c. p. 18. BuU. Rom. ed. Tanrin. lY, 610. Yoigt,
IHe Wiederbelebung des clasa Altertb. I, 549 seUt die Stiftung Olscblicb
ins Jahr 1392.
^ Ghronicon Estense 1. c. p. 524.
^^) Jacob Delayto bei Muratori, Rer. ital. SS. XYIII, 909.
*^) Jacob Delayto bei Muratori 1. c. p. 973. Sie blieben nicbt Aber
1406 in Ferrara.
tt7) s. MazzucbeUi, Gli scrittori d'Italia 11, p. 2 p. 790. YgL aucb
Borsetti II, 20.
*^) Bei Borsetti 1. c. p. 28 ff. Die Stadt spricbt unverboblen aus, Fran-
cesco de Gampanea babe, ibre Notb bemerkend, sieb gleichsam ihrer erbarmt
und beschlossen, in Ferrara gegen massiges SaJarium Grammatik zu lehren.
Giovanni de Finoti versprach von Bologna mit vielen Schalem su kommen.
21*
324 ni. Eotwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
wie Francesco de Campanea und Giovanni de Finoti Schule,
auch waren dort die zwei berühmten Humanisten Guarino von
Verona und Giovanni Aurispa, von denen ersterer nicht bloss
den Prinzen Lionello unterrichtete, sondern auch gegen Honorar
über Poesie las^"). Allein von andern Professoren ist kaum
mehr die Rede.
Die Stadtbehörde gestand später offen ein, dass in Ferrara
keine Hochschule mehr existiere. Im Jahre 1442 bat nämlich der
Magistrat den Markgraf Lionello, er möge das Generalstudium
widerherstellen. Dieser überliess die Sache dem Judex Giovanni
Gualengo und den 12 Sayj, d. i. der eigentlichen Stadtobrig-
keit, welche nach Aufwerfung der Frage, 'an generale Studium
hac in civitate fieri debeat et an civitati conducat', dieselbe
bejahten, die Yortheile eines Generalstudiums darstellend, welch
materiellen und geistigen Gewinn Ferrara und dessen Söhne aus
einem solchen ziehen würden u. s. w. Auf Erfolg sei um so
mehr zu rechnen, als andere Generalstudien in Folge der vielen
Kriege darniederlägen ^^°). Es wurde beschlossen 'ut generale
Studium hac in civitate fiat\ In der That kam es auch zur
Eröffnung, bei welcher Gelegenheit Guarino die Rede hielt ^").
Im nächsten Jahre klagte die Obrigkeit nur über den schlimmen
Zustand der Grammaticalclassen. Den 12 Sayj lag ob, strenge
über die Lehrer bonarum litterarum zu wachen^").
Die Bemühungen der Stadt waren mit grösserm Erfolge
gekrönt, als sie ahnen konnte. Die Hochschule zu Ferrara
wurde eine der berühmteren in ganz Italien. War schon um
die Mitte des 15. Jhs. die Zahl der Professoren eine ansehn-
liche^"), so noch mehr im J. 1474, in dem nicht weniger denn
51 Professoren, die Scholares legentes mitgerechnet, dort dodierten,
für welche 1473—1474 die Summe von 11047 Lire ausgeworfen
wurde, also keine geringere, als ein Jahrhundert vorher Bologna
für die Professoren bezahlt hatte. Von den Rechtslehrem lasen
"») S. über beide Voigt 1. c. S. 551 ff. 560ff.
^) Bei Bonetü 1. c. p. 47.
«1) Ibid. p. 49.
*w) Ibid. p. 50.
*W) Ibid. p. 56.
3. Hocbschnlen mit päpstl. Stiftbriefen. Toulouse. 325
9 über das canonische Recht und 14 über das Komische; die
übrigen waren Artisten, Philosophen, Mediciner, Sprachlehrer
(zwei der griechischen Sprache)*").
Tonlouse.
Betrachten wir Frankreich (in seiner heutigen Gestalt), so
bietet sich uns vor allem Toulouse dar*"). Die Idee, dort
gegenüber der um sich greifenden Häresie ein Studium zu
gründen datiert schon aus der Zeit Honorius m. Dieser Papst
bat am 19. Jänner 1217 die Magistri und Scholares von Paris,
^quatinus illuc aliqui accedant, qui causam dei agentes ex animo
lectioni, predicationi et exortationi vigilanter insistant'*'*). Um
dieselbe Zeit, oder ein par Jahre früher, lehrte dort in der
Theologie nach dem Berichte des Generals Humbert und anderer
ein mag. Alexander, zu dem der hl. Dominicus mit 6 Genossen
gieng iectiones audire'*''). Allein erst 1229 kam der Gedanke
des Honorius vollständig zur Ausführung. Unter den Friedens-
bedingungen, welche Ludwig IX. dem Grafen Baymund YH. von
Toulouse am 12. April dieses Jahres vorschrieb*"), und die dann
«*) Ibid. p. 93.
^ Merkwflrdigerweise hat diese üulyersität noch keine Monographie
erhalten. Bodiöre berührt in seinen Recherches sur l'enseignement du droit
k Tolonse (Recneil de l'acad^mie de l^gislation ä Toulouse, IX. X. XV.) nur
die Rechtswissenschaft. Jourdain beschr&nkt sich in der Revue des soci^t^s
sayantes (1862 p. 314. 406) fast ausschliesslich auf eine spätere Epoche.
Gatien-Amonlt gab nur Fragmente einer dürftigen, jedoch yerdienstlichen
Histoire de l'universit^ de Toulouse heraus in M^moires de Pacad^mie des
Sciences, inscriptlons et beUes-lettres de Toulouse, 1857 p. 202; 1877 p. 455;
1878. 1879. 1881, überaU p. 1. Im £tude sur Porganisation de runiversit^ de
Toulouse in der Hist. de Languedoc ed. Privat VII, 1 p. 570 geht der Autor
(A. Molinier) eben nur auf die Organisation ein. So viel ich in Toulouse hörte,
soll M. Saint-Charies an einer Geschichte der üniversit&t arbeiten.
^ Reg. Tat. an. 1. ep. 190 Bl. 47 a. Original im Nat. Archiv sn
Paris. L 239 n. 20. Siegel fehlt.
*^ Bei Mamachi, Annal. Ord. Praed. I, append. p. 283. Vgl. im Werke
p. 852 Anm. 3.
*^) S. Reg. Vat. Greg. DL an. 12. 13. tom. 6. Bl. 81a. Bei Du Boulay III,
126 ist die betreffende SteUe fehlerhaft gedmckt| was auf die Darstellungen
von Savigny und Schulte von Einflnss war.
326 nr. Etttwiekelang der Hochschulen bis znm Ende des 14. Jhs.
in zwei Schreiben Raymonds von Toulouse, in zwei Ludwigs IX.
von Frankreich, und in einem der Cardinallegaten selbst wider*
holt wurden^"), befand sich auch der Artikel, dass der Graf
für 10 auf einander folgende Jahre ein Salarium von 4000 Mark
Silber fQr 14 Professoren auswerfe: nämlich fOr vier Magister
der Theologie je 50 jährlich, für zwei Decretisten je 30, flLr
sechs Artisten je 30 Mark und je 10 Mark fQr zwei Grammatiker.
Die leitende Seele bei diesem Vertrage war aber keineswegs der
König, sondern der Cardinallegat Roman, wie Gregor IX. aus-
drücklich betont. Die Universität selbst nannte ihn nächst Gott
und dem Papste ihren Beschützer und Gründer ^^^). Der Plan
kam bald zur Ausführung. Elias Guarin, Abt von Grand-Selve,
wurde vom Legaten, und auch wohl von Fulco, Bischof zu
Toulouse, beauftragt die Professoren zu berufen. Er wählte sie
aus der Pariser Universität, die sich gerade damals in Auflösung
befand ^^^). Auch Wilhelm de Pelisso und später Bemard
^ Reg. Vat. 1. c. p. 82 a und 84 a finden sich die Schreiben Raymnnds,
das erste mit Actum Parisins X. die April, yid. IIU. Idns egnsdem mensis
anno dorn. 1228; das andere mit XII mens. April, in coena Dom. Die beiden
Schreiben Ludwigs stehen Bl. 86 a (Actum Parisius anno dom. incamat. 1228
mense April, regni nostri anno 3.) und 88 a (1229 mense April, regni nostri
anno 3. — also nach Ostern). Diese Acte bringen alle Funkte der Garta
pacis, und unter ihnen auch jenen betreffs des Salarium Ton 4000 Mark.
Bei Teulet, Layettes du tr^sor des chartes II, 147 ff. n. 1992. 1993 sind je
ein Schreiben Baymnnds und Ludwigs publiciert, n. 1991 aber das des Oar*
dinallegaten. Die betreffende Stelle s. p. 149.
^ So liest man im Schreiben, das nicht lange darauf die üniversitas
magistrorum et scholarinm von Toulouse an die Magtstri und Scholaren der
Welt sandte, und das uns Jean de Garlande in seinem Werke De triumphis
ecclesiae aufbewahrt hat (s. weiter unten). Es heisst darin: erat enim Moyses
noster dominus cardinalis et legatus in regno Francie dux et protector et
antor post denm et dominum papam tam ardue incoationis, qui statuit, quod
omnes Tholose studentes et magistri et discipuli omninm peccaminnm suorum
plenariam indnlgentiam conseqnantur. n. 1225 nouv. acquis. lat. Paris (üb. 5)
p. 75. Man findet es auch ediert von Gatien-Amonlt L c. 1857. p. 209
und bei Wright p. 96, der das ganze Werk De triumphis ecclesiae (London
1856) herausgegeben hat
^^) Wir erfahren diese Umstände Ton Jean de Garlande, der in dem
eben citierten Werke (nach Cod. Paris.) p. 73 schreibt:
Mnlta novo studio dedit hie (Fulco) solacia, postqnam
Romanus Studium sanzit in urbe no?um.
d. Hochschalen mit päpstl. Stiftbriefen. Toalonse. 327
Guidonis sagen, dass damals von Paris ^multi magistri et scho-
lares Tolosam venerunt', und dort lehrten*"). Wahrscheinlich
haben die Vorlesungen noch 1229 begonnen. Jean de Garlande,
der ebenfalls einen Buf erhielt, war wohl sicher schon in diesem
Jahre zu Toulouse. Der Dominicaner Roland von Gremona konnte
aber höchstens Anfangs des Jahres 1230 seine Vorlesungen
über Theologie in Toulouse angefangen haben**'), denn vor 1229
hatte er noch nicht den Lehrstuhl zu Paris erhalten***).
Bei der EröfiEhung sandte die Universität ein Schreiben an die
anderwärts Studierenden**'), worin sie tlber das zu Toulouse neu
gegründete Studium aufklärt, und andere einladet dahin zu kommen.
Es erhellt, dass vor allem andern mit dem philosophischen Studium
Sed Grandis Silva pias abbas, dietas Helyas
Sab dace legato proxima frena capit.
Parisias doctos abbas elegit; at illos
Duxit legatas munera larga pluens.
^^^) Ersterer, ein Zeitgenosse, sagt in seinem Ghron. : Missi etiam fuerant
tuncTholosam quam plnrimi magistri deParisius et scolares, nt stndiam ge-
nerale ibi fieret, et fides doceretnr ibidem et omnes scientie liberales. £d.
Douais p. 84. Bemard Guidonis, der zugleich die Dispersion der Pariser
Universit&t erw&hnt, und von dem die oben citierten Worte herrühren,
spricht davon Catal. Pontif. Rom. ad an. 1229. Cod. Vat. 2043 BL 91b.
^^) Das Ghron. Guill. Pelissi berichtet: Legebat ibi tunc temporis
theologiam magister Rotlandus, qui venerat de Parisius, ubi fnerat factus
magister in theologia cathedralis. Ed. F. Molinier. Paris. 1880, p. 8., ed.
Douais, Paris 1881 p. 86. Dessen Erwähnung geschieht zum J. 1230. Viel
später kam er auch nicht nach Toulouse, denn er war mit Jean de Garlande
daselbst, welcher jedoch nur 3 Jahre dort weilte, und Rohmd selbst verliess
schon 1231—1232 wider die Stadt. Cfr. Ghron. ed. Douais p. 89.
^ Dies ergibt sich aus der Littera univers. vom J. 1254 bei Du
Boulay III, 255. Nach Stephan de Salanhaco war Roland primus licentiatus
Parisius de Ordine Predicatomm (Hs. des Generalarchivs der Dominicaner).
Was Qu^tif-Echard I, lOOff. darüber sagen, entbehrt jeder Begründung, wie
wir im 4. Bande sehen werden.
^ S. oben Anm. 440. Es trägt die üeberschrift: Epistola transmissa a
magistris Tholosanis ad univenalia stndia alibi florentia, und beginnt: Uni-
versis Christi fidelibus et precipuis magistris et scolaribns ubicunque terrarum
stodentibus presentes litteras inspecturis nniversitas magistrorum et scolarium
Tholose Studium in nova radice statuencinm, vite hone perseverantiam ezita
cum beato. L. c. p. 75.
328 m. Entwickelang der Hochschulen bis znm Ende des 14. Jhs.
der Anüang gemacht wurde ^^^. Aos verschiedenen Ursachen, be-
sonders aber, weil man in Toulouse in Bezug auf die Vorlesungen
und Disputationen mehr Ordnung halte als dies in Paris der Fall
wäre, kämen viele Scholaren dahin ^^0. Toulouse sei die 'terra
promissionis, fluens lac et mel', dort herrsche Friede, während
'toto Mars sevit in orbe'. Die Magistri Tholose legentes hätten
bereits die Schwierigkeiten entfernt 'Hie enim theologi disci-
pulos in Pulpitis et populos in compitis informant, logici libera-
libus in artibus tyrones Aristotilis erudeant, gramatici balbucien-
cium linguas in analogiam effigiant, organiste populäres aures
melliti guthuris organo demulcent, decretiste Justinianum extollunt,
et a latere medici predicant Galienum. Libros naturales, qui
fuerant Parisius prohibiti, poterunt illic audiri, qui volunt nature
sinum meduUitus perscrutari' ^^0. Es ist höchst interessant zu
beobachten, welche Fächer vertreten waren, mehr nämlich als wofQr
sich Graf Raymund verpflichtet hatte. Die Musik war nur in-
sofeme mit einbegriffen, als sie zum Quadrivium gehörte. Die
Medicin erscheint nicht in dem Verpflichtungsacte Raymunds.
Im Schreiben werden dann die Adressaten auf folgende für
das 13. Jh. höchst charakteristische Weise apostrophiert: ^Quid
deerit vobis igitur? Libertas scolastica? Nequaquam, quia
nullius habenis dediti propria gaudebitis libertate. An timetis
maliciam populi sevientis? vel tyrannidem principis injuriosi?
Ne timeatis, quia comitis Tholosani liberalitas nobis sufficientem
fecit securitatem et de salario nostro et de servientibus nostris
Tholosam venientibus et redeuntibus. Quodsi detrimentum rerum
suarum paciantur per manus predonum in dominio comitis, ma-
lefactores nostros ad satisfactionem tamquam pro Tholosanis
^^) Stabile fondamentum non invenit operacio, qne non est in Christo
sancte matris ecclesie fandamento firmiter coUocata. Nos igitur hoc atten-
dentes snmmo conamine nostro conati sumns in Christo Tholose stndii phi-
losophici fundamentum dorabile collocare, snperquodedificentnobiscam ceteri
quornm bona voluntas sit • . . spiritos sancti luminosis radiis illnstrata. L. c
^7) . . . propter continoitatem legendi disputandique, quam magistri
diligencius et crebrins exercent qoam exercaemnt Paridos, mnlti scolares
conflnont Tholosam. L. c.
**8) L. c. p. 76.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Toulouse. 329
ciyibus per vices Tholosani capitolii persequetur'. Wie andere
Landesfürsten so nahm also auch der Graf von Toulouse die
Scholaren in seinen Schutz. Im Schreiben heisst es ferner, es sei
ebenso wenig an der curialitas des Volkes zu zweifeln. ^Videtur
enim hie facecia curialis cum milicia simul et cum clero federa
pepegi88e\ Einen weitem Ansporn möge ihnen die Hoffnung geben,
dass der Legat ^ad aucmentationem studii' noch andere Theologen
und Decretisten berufen werde, ^tempusque determinabit, per quod
oporteat scolares Tholose propter indulgentiam commorari'.
Hinsichtlich der Billigkeit der Lebensmittel erinnert das Schreiben
an den Vers:
Pro parvo vinum, pro parvo panis habetur,
Pro parvo carnes, pro parvo piscis emetur**').
Jean de Oarlande lobt unter den Professoren am meisten
den Dominicaner Roland, der, wie bereits bemerkt, Theologie
vortrug*").
Allein das Studium stiess bald auf Schwierigkeiten. Theil-
weise hatten dieselben in den Reibungen zwischen den Consuln
der Stadt und den Dominicanern, resp. den Inquisitoren ihren
Grund, theilweise im Betragen der Häretiker gegenüber den
Professoren*"), theilweise und vorzüglich in dem Umstände, dass
der Graf sein Versprechen wegen Auszahlung des Salariums nicht
hielt*"). Jean de Garlande und mit ihm die ganze Universität
**») L. c.
450) ItaluB huc Teniens ad robora nostra magister
Rolandus, verbi claruit ense sacri;
Forti Roland 0 major, quia corpora stravit
lUe, sed hereticnm contadit ille nephas. Ibid. lib. 6. p. 78.
^^) Wilhelm de Pelisso berichtet 1. c, wo er von den Professoren und
Scholaren spricht, die von Paris kamen : Kec boc yalebat ad heresim extir-
pandam, immo heriticales bomines videntes eos (magistros) ex adverso et in-
solita. audientes ipsos multipliciter deridebant
*^*) Jean de Oarlande sagt in Bezug darauf:
Doctorum primo sunt certa salaria, donec
Cuncta negans livor cepit habere locum.
Florentis stndii panlatim turba recedit;
Hec ego qui scribo cuncta recedo prins.
L. c. p. 81.
330 ni* EntwickeluDg der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
hatten sich getäuscht. Nach und nach löste sich die Hoch-
schule auf*").
Nun griff der Papst, Gregor IX., unmittelbar ein. Am
27. April***) 1233 richtete er an die universitas magistromm
et scholarium von Toulouse ein Schreiben, worin er zuerst das-
jenige, was der Cardinallegat in Bezug auf die Gründung des
Studiums in Toulouse gethan hatte, bestätigt, ihnen die Privilegien
der Universität Paris ertheilt, für die Wohnungsmietbe sorgt,
die Studierenden von der Besidenzpflicht dispensiert, die Lehrer
und Schüler von der weltlichen Gerichtsbarkeit eximiert, den
Grafen und die Einwohner von Toulouse und die Barone des
Landes beauftragt die Universität zu schützen und deren Privi-
legien zu achten; speciell solle der Graf das versprochene
Salarium endlich bezahlen; wer in Toulouse geprüft und ap-
probiert sei, dürfe überall ohne neues Examen lehren. Am
30. April schrieb der Papst in demselben Sinne an den Grafen*").
Ist nun gleichwohl dieser Brief keine eigentliche Stiftungs-
urkunde, da das Studium bereits 1229 gegründet wurde, so vertritt
es doch eine solche, indem erst jetzt das Studium in völlige
Aufnahme kam, und vor dem Untergang bewahrt wurde. Am
3. April 1234 nahm Gregor den Pariser Magistern die Befürchtung,
als habe er durch seine Concessionen an das Tolosaner Studium
den Statuten desjenigen zu Paris Abbruch thun wollen*").
Wir finden in Toulouse nach einander die zwei Magister aus
dem Dominicanerorden Joh. de S. Aegydio und Laurentius Anglicus
Theologie vortragen**'), und Percin zufolge nach Laurentius
^^3) S. vorige Anmerkung.
*^) Nicht 3. kl. Mali, wie bei Du Boulay III, 149, Percin, Mon. conv.
Tolos. III, 152, Potthast n. 9173 steht, sondern 5. kal. Maii, wie die Reg.
Tat an. 7 ep. 72 BL 15b (s. anch Ball. Born. ed. Taur. III, 480) bieten.
In Eist, de Languedoc ed. Privat VII, Notes p. 434 ist das Schreiben, an
den Erzbischof von Narbonne nnd die Bischöfe von Tonlonse nnd Carcassone
gerichtet, 4. kl. Maii datiert.
«5) 8. Potthast n. 9176.
*56) s. oben S- 20.
457 j Joh. a S. Aegydio löste Roland ab und blieb bis 1235, dann kam
Laurenz. Ghron. OuiU. PeÜBsi ed. Douais p. 89. 105. ed. Molinier p. 12. 37.
Letzterer identificiert gedankenlos diesen Laurentius mit dem Gef&hrten des
3. Hochscbnlen mit päpstl. Stiftbriefen. Toulouse. 331
Anglicus den mag. Wilhelm a. s. Oaudentio aas demselben
Orden"»).
Allein auch jetzt kam momentane Stockung in das Studium,
und zwar vorzüglich aus zwei Gründen. Am 3. November 1235
wurden von den Gonsuln der Stadt aus Hass gegen die In-
quisition die Dominicaner, und mit ihnen Laurenz, ver-
trieben^^'). Der Hauptgrund aber war, dass der Graf Raymund
das Salarium nicht bezahlte. Der Papst beschwerte sich unter
anderm darüber am 28. April 1236 in mehreren Schreiben"®).
Er meint, der Cardinallegat habe in Toulouse 'ad haeresim
fortius confutandam sacre pagine ac aliarum artium Studium'
angeordnet; allein nun sei das Studium dissolutum, da der
Graf den Magistern das Salarium vorenthalte. Er droht dem-
selben mit dem Banne, wenn er die gegebenen Versprechungen
nicht erfülle. Dem apostol. Legaten, dem Erzbischof von Yienne,
schrieb er, hit dictum Studium in ipsa civitate reformans con-
firatemias et coUigationes alias ubique in eadem legatione om-
nino' auflösen solle. Der Graf gehorchte nicht, und er ver-
fiel dem Banne. Vom 17.— 19. Mai 1237 beklagte sich wider-
holt*") der Papst, und in Bezug auf unsern Punkt meint er,
dass wegen der Nachlässigkeit des Grafen das Studium ^irreparabiliter
hl. Domiuictts uud mit dem Gegner der Bettelmönche. Aucli Douais war
sich 1. c. nicht klar.
*M) L. c. IV, 196.
459) Ghron. GuiU. Pelissi ed. Donais p. 105 ff. Der Papst machte am
15. Mftrs 1236 dem Grafen darüber Vonrttrfe, and befahl ihm die Domini-
caner zorflckzurafen.
^ In Heg. Tat. Greg. IX. an. 10 ep. 58 Bl. 150 b findet sich das
Schreiben an den Grafen, dann sind bemerkt die Briefe an den Legaten,
an den König von Frankreich, an die Consnln von Toulouse, an P. de Celle-
medio. Potthast n. 10150. 10151 macht ans dem einen Schreiben an den
Grafen zwei. Du Boulay III, 156 excerpierte nur das Document, welches
bei Raynald ad an. 1236 n. 39 steht, wie bereits Molinier in Hist. de Lan-
gnedoc ed. Privat YI, 694 Anm. richtig Termnthete.
^) In Reg. Tat. Greg. IX. an. 11 ep. 101 Bl. 292* steht das Schreiben
Begi Francie. Femer sind angedeutet: Regine Francie, Episcopo Silvanecten.,
Archiepiseopis et episcopis Francie, Archiepiscopo Viennen., Gomiti Tolosan.,
Comiti Brittanie, Comiti Marchie, Civibus Marsilie.
332 ni« Entwickelang der Hochscholen bis zum Ende des 14. Jhs.
dissipatur'. Aber im nächsten Jahre bezahlte der Graf das ver-
sprochene Salarium, wenigstens theilweise, wie sich ans der
Petitio nuntii Gomitis an den Papst ergibt, in der zugleich
gebeten wird den Grafen eben deshalb von der Excommunication
loszusprechen^"). Am 13. Mai 1238 trägt Gregor IX. dem Bischöfe
von Palestrina auf, den Grafen, fände er es für gut, zu absol-
vieren^^'), am 5. Juni desselben Jahres aber schreibt er ihm, er
möge den König von Frankreich über die Absolution benach-
richtigen ^^0- ^ine Umkehr bemerkte man beim Grafen schon
im vorausgehenden Jahre, wie aus dem päpstlichen Schreiben vom
20. Juli 1237 hervorgeht*"), wo auch angeführt wird, der Graf
wolle Gesandte an den päpstlichen Stuhl senden, was, wie aus
dem Gesagten sich ergibt, in der That 1237 — 1238 geschah^**).
Das von fünf Magistern an den apostolischen Legaten Guido,
Bischof von Sora, gerichtete Schreiben vom 4. Februar 1239, wo-
rin sie mittheilen, sie hätten das Salarium vom Grafen erhalten*^'),
^ Es sind mehrere Suppliken, die im 6. Bande der Begesten Oregors IX.
Bl. 73* und 77^ stehen. Die auf das Studinm sich beziehende heisst:
Sopplicat (Sanctit Yestr.) ut transactionem saper facto salarii factam et
approbatam cum magistris Tolose commorantibus et prccnratoribus absentiom
in manus ve. patris . . Episcopi Tolosani vestra sanctitas faciat observari et
a sententiis excommonicationis cccasione salarii de facto latis contra enm
faciat eundem absolvi, cum idem comes paratus fnerit et est pecnniam ex
transactione conventam exclvere sine mora, et maxime cnm nniversitas ma-
gistrorum litteras snas patentes ad dominum Archiepiscopum Karbonen. et
episcopum Garcassonen. iudices a domino papa delegatos et alias ad domi-
num legatum destinaterit, nt absoWerent dictum comitem a sententüs, qnas
occasione salarii tulerant contra ipsnm, quia eis de salario ab eodem comite
fuerat satisfactum. Dies wird wörtlich 61. 77^ widerholt Die Suppliken
folgen am Schlüsse des 12. Jahres des Fontificates.
^^) Reg. Vat. an. 12. ep. 417. üeber andere spätere pftpstl. Aufträge
den Grafen Ton der Excommunication loszusprechen, s. Potthast n. 10598.
10641. 10644.
^^) Ibid. ep. 421. Eist de Languedoc ed. Pritat VI, 708 citiert einen
Brief desselben Inhaltes an den Bischof Ton Palestrina Tom 9. Juni, was
wohl ein Irrthum ist.
^5) Reg. Vat. an. 11 ep. 169 Bl. 809 b. Potthast n. 10422.
^) S. Bist de Languedoc ed. Privat VI, 707.
^7) Hist. de Languedoc ed. Privat YIII, 1022 f.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Toulouse. 333
kann sieb mithin nur auf die Zahlung eines Rückstandes von Seite
des Grafen beziehen ^^^). Seiner Verpflichtung war der Graf schon
1238 zum Theile nachgekommen.
Es ist gewiss klar, dass ohne Papst Gregor IX. die Universität
Toulouse ein todtgebomes Kind gewesen wäre. Konnte er sie
nicht vom Anfange an zur Blüthe bringen, so lag dies in den
Umständen. Aber was er that, war der Grund für das spätere
Gedeihen.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass in den letzten Jahren
Gregors IX. in Bezug auf das Salarium der Professoren eine
andere Ordnung der Dinge eintrat. Graf Raymund hatte sich nur
für 10 Jahre verpflichtet ein solches zu zahlen. Der Termin war
1239 abgelaufen. Wie es in der Zukunft ersetzt wurde, erfahren
wir nicht. Die Documente hierüber sind verloren gegangen ^*^).
Die ersten Schritte, die Innocenz IV. zu Gunsten der Univer-
sität Toulouse that, waren nur Bestätigungsacte der Bestim-
mungen Gregors IX. Am IL September 1245 erneuert er
Gregors IX. Schreiben vom 27. April 1233 ^^^). An diesem Tage
hatte Gregor IX. dem Grafen und der Stadt auch aufgetragen, dass
zur Zeit der Theuerung die Lebensmittel nicht aus der Stadt ge-
führt würden, ne pro ipsorum defectu, quod absit, Studium quod ad
honorem et utilitatem eiusdem civitatis ibidem plantatum dino-
scitur, dissolvi contingat^^'). Auch diese Verordnung widerholte
Innocenz IV. am 11. September des genannten Jahres ^^').
Uebrigens hatten sich nun die Verhältnisse günstiger gestaltet
^ Dieses Schreiben ist kaum identisch mit demjenigen, von welchem der
Nonüns des Orafen spricht, denn in diesem bat die Universitas magistrornm
den Legaten, *nt absolveret dictum comitem a sententiis' (s. Anm. 462), wfth*
rend in dem oben citierten davon keine Bede ist.
^ S. Gatien - Amoolt in den M^moires, 1S7S p. 3. Auf die Gon-
jectnren, die er und Gatel, M^moires de l'histoire du Languedoc p. 231 vor-
bringen, ist es besser nicht einzugehen.
^70) Beg. Vat. an. 3 ep. 155 BL 289 a. Berger, Les registres d'Inno-
Cent ly. n. 1515, der aber wie es scheint die BoUe Gregors IX. nicht kannte,
denn wie hätte er sonst noch einmal den ganzen Text abdrucken können.
«71) Reg. Vat. Greg. IX. an. 7. ep. 67. Bl. 14 b.
«73) Reg. Vat. Innoc. an. 3. ep. 154 BL 235 b. Berger n. 1514. Hist
de Langaedoc ed. Prirat YU, Notes p. 435.
334 in. Entwiekdiuig der Hocbschnlen bis zum Ende des 14. Jlis.
als früher. Am 19. September desselben Jahres dankt Innocenz
Gott, der die Cionsaln der Stadt bestimmt habe, das Stadium in
den Magistern und Scholaren zu fördern und zu beschützen*'*).
Der Hauptact Innocenz IV. war jedoch die Anwendung der Magna
Charta von Paris, nämlich Gregors Bulle Parens scimUarum^ auf
die Universität Toulouse. Es geschah dies 22. September 1245*'*).
Der Scholasticus wurde Universitätskanzler, der zugleich, ähnlich
wie in Paris, diesen Namen führen musste. Erst das genannte Datum
bezeichnet den Zeitpunkt, in welchem die Universität Toulouse
eine bestimmte Organisation erhielt. Hiermit berühren wir aber
einen neuen Gegenstand, der nicht mehr in diesen Band gehört*'*).
Kaum für eine andere Universität Frankreichs, jene von
Paris natürlich ausgenommen, sorgten die Päpste so sehr, als für
jene von Toulouse. Es wird sich dies zeigen, wenn wir auf die
Organisation zu sprechen kommen. Nur Orleans lässt sich
einigermassen damit vergleichen. Fast jeder Papst hat, wie sich
aus den Regesten ergibt, das Seinige beigetragen *'*).
Die Gründung geschah, wie wir sahen, dem Contrakte gemäss
ursprünglich nicht für alle Fächer. Er erscheinen weder Legisten,
noch Mediciner*"). Die Medicin hatte in Montpellier eine be-
«79) Bist, de Langnedoced. PriTat VIII, 1188. unter demselben Datam
trug er dem Orafen and den Gonsnln auf, die PriyUegien des Stadimns in
respectieren (Ibid. p. 1189), dem Bischöfe aber, dafür zn sorgen, dass die
nicht einheimischen armen Schüler in Toolouse gate Unterkunft fänden.
(Ibid. p. 1188f).
«74) Beg. Vat. an. 3. ep. 156 El. 236a. Eist de Langaedoc YIH, 1184.
Es scheint aber fast jedem entgangen za sein, dass Gregor IX. BnUe
Fairen» scientiarum die Grundlage war. Sayignj selbst galt (III, 406) der In-
halt des Schreibens Innocenz lY. als etwas ganz neues. Gatien-Arnonlt|
Mtooires 1878 p. 12 hat das Richtige erkannt
^7^) Bezeichnend ist, dass Hahn, Gesch. der Ketzer im Mittelalter I,
355 ff., wo er weitläufig alles in berichten weiss, was Ton Seite der Katlio*
liken gegen die Albigenser zu Toulouse während dieser Epoche gethan wurde,
ausser dem einen Punkte in dem Friedensyertrage nichts Tom Studium in
Toulouse« das doch ein Hort gegen die Häresie werden sollte, zn erzählen
hatte.
476j Ungenügend ist hier die Publicierung der Actenstficke in der Hist.
de Languedoc ed. Privat VII. Es fehlen mehr als die Hälfte.
^77) Savigny meint S. 407, für das Römische Recht sei nur keine Be*
3. Hochscliulen mit pftpstl. Stiftbriefen. Toulouse. 335
rühmte Vertretung. Doch wird authentisch zum J. 12.42 Lupus
Ispanus als regens apud Tolosam in medicina. erwähnt^'") und
wir wissen nun auch, dass der in dem von fünf Magistern an
den Legaten am 4. Februar 1239 gerichteten Schreiben genannte
magister Lupus Professor der Medicin war und bereits damals
dieselbe an der Universität lehrte. Dies stimmt zur Littera uni-
versitatis von J. 1229, in welcher auch die Medicin als Lehrfach
zu Toulouse erwähnt wird. Da keine Besoldung dafür ausgeworfen
war, konnte sich dieses Fach nicht halten. Ln Anfang des 14. Jhs.
scheint es aber wider vertreten gewesen zu sein, wenigstens befahl
Clemens V., quod nonnisi licenciati in arte medicine practicam
exerceant in civitate Tolosana^^Oi ^in Statut, das Johann XXII am
3. September 1329 erneuerte "°). Später war dies sicher der Fall.
In dem 1362 an Urban V. eingesendeten Rotulus wird Baimundus
Rubel, clericus Lodovensis als magister in medicina, qui legit ordi-
narie in studio Tholosano, erwähnt ^^'). Doch hat die Medicin nie-
mals geblüht Das jus civile wurde aber schon seit der Mitte des
13. Jhs. sicher in Toulouse gelehrt*"), und dort nicht viel
weniger als das jus canonicum gepflegt, wenngleich für jus
soldung bestimmt gewesen und Innocenz IV. weise 1245 deutlich genug dar-
auf hin, dass auch das Römische Recht vom Anfange an vertreten war, in-
dem er sage: De phisicis autem et artistis et aliis cancellarius bona fide
promittet etc. Allein Savigny entgieng es, dass diese Worte wie über-
haupt die Bulle der Magna Charta für Paris, d. i. der BuUe Farens scientia-
rum entnommen sind, und mithin ein Hinweis auf die Legisten durch 'et alii'
ausgeschlossen ist. Aber wahr ist, dass anfänglich Ganonisten das Komische
Becht erklärten, was Jean de Garlande berichtet. S. oben S. 328.
*78) Hist. de Languedoc ed. Privat VÜI, 1085.
^^ö) Reg. Vat. an. 1 p.l ep. U5 Bl. 45.
«0) Reg. Vat. an. 13. p 4 ep. 2918.
^1) Reg. Suppl. an. 1. p. 2 BI. 17b. Manchmal nimmt man an, als
habe an der Wende des 13. und 14. Jhs. Amaldo de Vilanova dort vorge-
tragen. Ich finde kein Fundament für diese Behauptung, und auch Menendez
Pelayo weiss in seiner Historia de los heterodoxos espanoles (I, Madrid 1880
p. 454 ff.) nichts davon.
^) S. den Kachweis bei Gatien-Arnoult , M^moires 1878 p. 22 ff. Im
J. 1274 hatte dort Jacob de Ravanis eine Disputation mit Franciscus Accursii.
S. Savigny V, 607. 311.
336 in. EntwickeluDg der Hochsclmlen bis snin Ende des 14. Jlis.
civile immerhin Orleans tmd Angers die Hauptstudienanstalten
Frankreichs blieben.
Eigenthümlicher Weise ivar das theologische Studium im
Rückstände, und doch richtete man auf dasselbe bei Orfbidung
der Universität das Hauptaugenmerk. Ja Innocenz lY. pries die
Theologie 1245 in höchster Weise*"). Zwar hörte die Vertretung der
theologischen Facultät niemals auf, was man auch ftlr das 14. Jh.
mit Sicherheit nachweisen kann, da in den Statuten immer
magistri in theologia erwähnt werden; allein sie war wenig fre-
quent, was die Universität selbst nicht unklar andeutet. Im J. 1290
bat sie nämlich den Provinzial der Dominicaner der Provincia
Provinciae um einen Lector der Theologie für die Hochschule***).
Die Theologie wurde eben von den Bettelorden gelehrt Von
den Weltpriestem las, soviel ich erschliessen kann, überhaupt
keiner Theologie. Zur Zeit Benedicts XH. und Clemens YL war
nicht einmal ein Theologus an der Gathedrale *^^). Yon den
Orden, die dort Studien hatten, nämlich den Minoriten, Gister-
ciensem, Augustinern und Carmeliten, werden aber Anfangs des
14. Jhs. fast immer nur die Minoriten nebst den Dominicanern
genannt. Sicher ist, dass bis zur Zeit Innocenz YL selten in
der Theologie die Grade ertheilt wurden*'*), man gieng zu
A83) Bist, de Langaedoc ed. Privat VIII, 1185.
^^) Dies geht hervor aus dem Antwortschreiben, das die Definitoren
des zu Pamiers im J. 1290 versammelten Provincialcapitels 'Viris yenerabilibns
ac dominis providis et discretis D. Tsamo de S. Paulo, venerabili canceUario,
rectoribus quoque dominis doctoribus ac magistris, ac universitati scolarium
studii Tholosani' sandten. Dieses Schreiben enthalten die Hss. mit den Acten
der Capitel der Tolosanerprovinz, z. B. Cod. 780 zu Bordeaux (Bl. 219 a);
Cod. Paris. 4348 BL 158a. S. auch Bist de Languedoc ed. Privat YU,
1. p. 593, und oben S. 130 Anm. 308.
^ Dies erhellt aus dem Schreiben Benedicts XII. vom 28. November 1337
an den Erzbischof, worin er sagt, quod plurimum decere conspicitnr, nt in
ecclesia vestra, que est nobiüs et famosa, in habende et tenendo ibidem
magistrum theologum, qui personas docibiles in paginadoceat8upradicta(8acra),
statutum ejusdem Concilii (Lateran.) inviolabiliter observetnr. Er trftgt ihm auf
'unum magistrum theologum ydoneum qui sacerdotes et alios ad hoc habiles
in predicta pagina doceat' zu bestellen. Bened. XII. Reg. (n. 123) ep. 384.
Vgl. Reg. Avenion. Clem. VL t. 26 (an. 3) Bl. 106; t 30 (an. 4) Bl. 206.
^ Dagegen spricht nicht der Beschluss des Gapitels der Franciscaner
8. Hochschulen mit pftpstl. Stiftbriefen. Tonlonse. 337
diesem Zwecke nach Paris, wie Rector et universitas studii
ac capitularii civitatis Tolos. in ihrer 1360 an den Papst ge-
sandten Supplik berichten. Stadt und Studium seien in lingua
Occitana soUempniora, und zu den in der Stadt sowie in der
ganzen Provinz bestehenden conventus soUennes ströme eine solche
Menge zusammen von 'in theologica facultate provecti', wie kaum
anderswo in Frankreich. Es sei aber misslich nach Paris zu gehen,
um promoviert zu werden, da dies nur selten 'propter preroga-
tivam quandam, quam inibi obtinet provincia Francie', gelinge.
Viele Fähige würden deshalb vom Studium der Theologie ab-
gehalten, trotzdem ein Generalstudium in derselben *in reformatione
pacis inter Romanam ecclesiam et comitem Tholosanum ordinante
legato sedis apostolice' erlaubt worden sei, wie dies hinsichtlich an-
derer Facultäten bisher der Fall gewesen sei. Der Papst möge also
ein Generalstudium in der Theologie gewähren, 'et quod Cancellarius
ecclesie Tholosane cum consilio magistrorum potestatem habeat
dandi licentiam et magisterii dignitatem\ Zuletzt führen sie
noch den interessanten Grund an, dass 'in regno Anglie, quod
modica insula respectu regni Francorum existit, duo sunt generalia
studia in facultate predicta'"'). Am l.October genannten Jahres
gestand der Papst in der That in einem Schreiben, das die
Supplik zum grossen Theil widerholt, ein Generalstudium und
die Promotionen in der Theologie zu*"). Es ist mithin falsch, wenn
die Quarta vita Urbani V. berichtet, dass erst Urban V. dem Stu-
dium die theologischen Grade zu ertheilen bewilligt habe*").
Im J. 1366 gaben sich die Theologen die ersten Statuten.
zu Barcelona 1313, 'at supposito privilegio concesso nniversitati Tolosae de
conferendis in omni facultate gradibus magisterii . . . propter nsum et con-
cnrrentiam aliarum religionum constituerentur per ministrum generalem in
conventn Tholosano baccalarei presentandi et promovendi ad magisteriam'
(De Gubematis, Orbis seraphicus III, 22). Denn einmal wurde dieses Statut
erst 1365 ausgeführt (ibid. p. 74 und Panfilo de Magliano, Storia di S. Fran-
cesco II| 542). Und dann kamen Fälle von Promotionen wirklich vor, z. 6.
im J. 1346, als der Augustiner Oalhardus de Acutis am 4. Juli die Erlaubniss
erhalten hatte, 'quod magistrari valeat'. Beg. Clem. VI. Aven. t. 34 Bi. 50 b.
«7) Reg. Suppl. Innocent. VI. an. 8 Bl. 301 a.
^ S. die Bulle in Eist, de Languedoc ed. Privat YII. Notes p. 551.
^) Bei Baluze, Vitae paparum Avenionen. (Paris. 1693) I, 420.
Balnze selbst hat p. 1058 und 1442 das Richtige getroffen.
Donifle, Die ünireraiaton L 22
338 I^I* Entwickelang der Hochschulen his zum Ende des 14. Jhs.
In dem 1362 an Urban V. eingesendeten Botolus suppli-
cationum universitatis studii Tholosani erscheinen je ein Doctor
resp. magister legum, decretorum, artium und medicine, und
2 magistri in grammatica, 2 licentiati in decretis, 7 baccalarei
in decretis, 8 in legibus und 3 in artibus^'^). Ein viel voll-
ständigeres Bild gewährt uns der im J. 1378 an den Gegen-
papst Clemens VIL eingesendete Rotulus^^'). Es finden sich darin
5 Magistri der Theologie, aus den verschiedenen Orden, 7 Doc-
tores in decretis und 3 in legibus ^^^*), 3 magistri in artibus
und 3 in grammatica, die zugleich Scholares oder Baccalarei in
decretis und einer in der Medicin waren. Dann werden 20 licentiati in
decretis, 8 in legibus und 3 in artibus genannt. Darauf kommen
die Baccalarei in decretis und legibus nach der Anzahl Jahre,
welche sie bereits im betreffenden Fache gelesen hatten. Von den
baccalarei juris can. im 6. Jahre 13, ebensoviele im 5., 11 im
4., 26 im 3., 35 im 2., 56 im 1. Jahre. Von den Baccalarei im
Jus civile erscheinen 5 im 7. Jahre, 7 im 6. und 5., 9 im 4.,
8 im 3., 15 im 2., und 11 im 1. Jahre. Von den Baccalarei
in artibus, die zugleich Scholaren im jus civile oder can.
waren, werden 47 genannt. Nun folgen die Scholaren im Jus
canonicum. Im 8. Jahre 6, 9 im 6., 29 im 5., 50 im 4., 56 im
3., 88 im 2. und 163 im 1. Jahre. Von den Scholares in legibus
werden für das 8. Jahr 2, 11 für das 7., 12 für das 6., 17 für
das 5., 10 für das 4., 15 für das 3., 33 für das 2. und 30 für
*90) Reg. Suppl. ürbani V. an. 1 p. 2 Bl. 17 a.
*9i) Clem. VIL Beg. SappL an. 1. p. 7 Bl 1—100. Interessante Botali
befinden sich auch Beg. Suppl. Clem. Yll. an. 16. BL 161a. 247 a, besonders
aber Beg. Suppl. Bened. XIII. an. 1. Bl. 121—194.
49U) Die Theologen waren: Bernaldus Tholosani, Peter Aldeberti, Arnaldos
Bernardi (alle drei Ord. Praed.), Guill Chathalani, 0. M., Arnaldus Bay-
mundi, 0. Cist; die Decretisten: Faul de Garrigia, Guill. Felicerii, Peter
Mercerii, Peter Banati, Pelegrin de Fabo, Chatardas Aycardi, 0. S. A.,
Peter Vitalis; die Legisten: Arnaldus Auriola, Joh. de Paluas (?), Guill. de
Podio. lieber die Bechtslehrer des 13. Jhs. s. Bodiäre L c. und Gatien-
Amoult, M^moires 1879. Der berahmteste jener, die aufgezählt werden, ist
Peter de Bellapertica. Allein während es sicher ist, dass er in Orleans, ehe
fQr dort das Corporationsrecht im J. 1306 gewährt wurde, seine Leetara in
Cod. yerfasst hatte, wie sich aus Tielen Stellen derselben ergibt, ist es nicht
so gewiss, dass er auch in Toulouse gelehrt habe.
3. Hochschulen mit p&pstL Stiftbriefen. Toulouse. 339
das'l. Jahr erwähnt. Als Scholaren in artibus erscheinen 244,
in grammatica 296. In Summa 1385. Und doch fehlen die
Schüler der Theologie und Medicin, sowie ja auch die Mitglieder
der angeführten Facultäten, wie überhaupt in jedem Rotulus
jener Zeit, unvollständig erwähnt werden. Das wird jedoch
klar, dass die Universität Toulouse nicht unbedeutend war.
CoUegien für arme Schüler erhielt Toulouse nicht spät.
Zu den ältesten gehören das Gollegium de Verdala, testamentarisch
5. December 1337 von Arnaldus de Verdala, dem spätem Bischöfe
von Maguelone, für 12 Scholaren errichtet, und bestätigt von
Clemens VI. am 25. August 1343; und das Colleg des Bürgers
Peter Berengarii, approbiert 29. Jänner 1344**'). Wichtiger wurde
das von Innocenz VI., der einst in Toulouse studiert und den Doctor-
gradinjure civili erhalten hatte, am 1. September 1359 gegründete
Colleg. Er gab dazu sein eigenes Haus in Toulouse mit allem Zuge-
hör und sämmtlichen Einkünften; darin haben 20 pauperes clerici
collegialiter zu leben; den Gottesdienst müssten vier Priester leiten.
Von den Scholaren sollen 10 Jus can. und 10 jus civile studieren;
zu ihrem fernem Unterhalte wies ihnen der Papst unter anderm
25000 Goldgulden 'manualiter' an und schrieb ihnen die Lebens-
ordnung vor*"). Das Collegium, nach dem hl. Martialis benannt,
erfreute sich der besondern Gunst dieses Papstes*'*), wie ja von
den Päpsten schon frühe für arme Schüler in Toulouse gesorgt wurde.
Bereits Innocenz IV. tmg 1245 dem Erzbischof von Toulouse
auf, die armen Scholaren, 'qui desiderio discipline a propriis
domibus longius recedentes, vigiliis et laboribus plurimis mace-
*«) Reg. Vat. Arenion. tom. 21 Bl. 257—267. Cod. Paris. 4223 Bl. 1.
Mittels (des inserierten) Testamentes vermacht Amald seine ans 144 Bftnden
bestehende Bibliothek dem GoHeg. Wegen des Petri Berengarii s. Bog.
Clem. VL Avenion. 1. c. Bl. 92. Beide CoUegien, sowie jene 8. Rjiy-
mnndi de Narbona, de Lamayyaderia, de Monte Lauduno befanden sich zu
ürbans Y. Zeit in angeordneten Verhältnissen. Reg. Aren. t. 10 Bl. 427.
«3) Reg. Vat. Arenion. tom. 21 Bl. 30 ff. Reg. Clemens VII. an. 1 Bl. 207 b.
<M) 8. die BuUen in Reg. Vat. Avenion. 1. cit. Bl. 28—80. 88. 34. t. 20
Bl. 70; t. 22 Bl. 27-30; t. 24 Bl. 317. 516; t. 26 Bl. 586; t. 27 BL 111. 523.
Cod. Paris. 4223 Bl. 25—107 enthält eine von Baluze veranstaltete Sammlung von
Actenstacken, welche sich auf das genannte Colleg beziehen. Nicht unin-
teressant sind die Notizen bei Jourdain über dieses und andere CoUegien
in der Revue des soci^t^s savantes, 1862, p. 406 ff.
22»
340 m* Entwickelang der Hochschalen bis sam Ende des 14. Jhs.
rantur, in hospitalibus de Tbolosa' aufzunehmen und dort fiir sie
zu sorgen"'), ein Gebot, das Johann XXII. am 3. September
1329 erneuerte"*). Rasch folgten auf die genannten CoUegien
die Gründung des CoUegiums Petragoricense durch Card. Talay-
rand (1360 resp. 1363)*")» des CoUegs de Maguelone durch
Audoyn Card, von Ostia (1363)*"), jenes des Johann card.
(S, Marci) von Nlmes (1367)*"), des CoUegiums s. Catharinae
(1382)"°) u. s. w.
Montpellier.
Montpellier, in jener Zeit, um die es sich hier handelt,
noch nicht zur französischen Krone gehörig, bereitet dem Forscher
mehr Schwierigkeit als andere Hochschulen. Um so grössere Ge-
nauigkeit erfordert die Untersuchung****). Zwei Wissenszweige
kommen hier vor Allem in Betracht, die Medicin und das Jus. Die
Artes waren, scheint es, nur anfanglich in Blüthe, und die Theologie
wurde erst von Martin V. am 17. December 1421 erlaubt.
495) Hist. de Languedoc ed. Privat YlII, 1188.
*9«) Reg. Vat. an. 13. p. 4. ep. 2917.
497) Cod. Paris. 4223 Bl. 108ff. Die Angabe Jonrdains 1. c. p. 412
Anm. 1 über einen Widerspruch zwischen dem Todesjahr des Gardinais and
dem Datum der Stiftung entbehrt der Begründung.
498) ibid. Bl. 135. Bei Jourdain p. 414 falsches Datnm.
499) Ibid. BL 146.
^ Ibid. Bl. 151 ff. Es wurde durch Peter de Monteruc, Bischof von
Pampelona gegründet.
501) Was Haeser, Lehrb. der Gesch. der Medicin, I, 654 ff. über die
Universität Montpellier sagt, ist wie alles im Buche h&chst unkritisch. H&tte
H&ser Germain's Hist. de la commune de Montpellier (Montpellier 1851)
III, 1 ff. gekannt, würde die Darstellung anders ausgefallen sein. Auf weitere
seither erschienene Schriften Germains komme ich noch zu sprechen. Aus älterer
Zeit bieten nunmehr nur Astruc, M^moires pour seryir ä l'histoire de
la facult^ de m^decine de Montpellier, Paris 1767 und Aigrefeuille, EQst
eccl6siastique de la yille de Montpellier (Montpellier 1739; die zweite Aus-
gabe, ni, 509 ff. bringt nichts Neues) II, 339 ff. Interesse und manche Quellen.
Völlig enttäuscht wird man durch die Schrift Dubouchet's, Les anciens
diplomes de P^cole de mMecine de Montpellier (Montpellier 1884), denn
während man dem Titel nach wirklich alte Diplome erwartet, findet man
darin nur solche aus dem 18. Jh. Jegliche Quellenangabe und zumeist die
Kritik fehlt bei Alexis Monteil, La m^decine en France par Pllenr (Paris 1873),
ein würdiges Seitenstück zu Häsers Geschichte.
3. Hochschalen mit päpstl. Stiftbriefen. Montpellier. 341
Wie weit das Stadium der Medicin in Montpellier zurück*
reicht ist nicht bekannt. Die älteste Nachricht von demselben
ist uns in der Vita Adelberti II von Mainz erhalten, der circa
1137 vor seiner Rückkehr nach Mainz die gelehrten Aerzte in
Montpellier hörte *°*), nachdem er früher in Reims und in Paris
sich den Studien gewidmet hatte. Von dieser Zeit an werden
die Nachrichten über die medicinische Schule in Montpellier
häufiger ^°^). Ein wichtiges Document bildet die Erklärung
Wilhelms VIIL, Herrn von Montpellier, vom Jänner 1181"*).
Er sprach sich gegen jede Monopolisierung der medicinischen
Wissenschaft durch Einzelne aus; alle, wer immer sie seien und
woher sie kämen, könnten die scolas de fisica in Montepessulano
leiten, sie hätten dazu volle Freiheit.
In grosser Blüthe traf diese Schule der Cardinal Conrad,
als er ihr am 17. August 1220 die ersten Statuten"*) gab,
d. i. um jene Zeit, in der Caesar v. Heisterbach Montpellier
'fons artis physice' nannte"'). Wir finden dort bereits eine
'Universitas medicorum, tam doctorum quam discipulorum', einen
'Cancellarius universitatis scolarium', der vom Bischof von Mague-
BW) s. Jaff6, Bibl. rer. germ. III, 592.
WS) s. Gennaln, Histoire etc. p. 73 f. und I, LXXVf., L'6cole de m6-
decine de Montpellier, Montpellier 1880 p. 7 f. Kürzere Notizen finden sich
auch in dessen La m^decine arabe et la m^decine grecque k Montpellier
(1879) p. 1 f. üebersehen wird in der Regel Alexander Neckam, De naturis
rernm ed. Wright, p. 811, wo Montpellier auf eine Linie mit Salerno ge-
stellt ist.
^ Es heisst : anno ab incarnatione . . . MGLXXX mense Januarii. Es
war also 1181 (nach unserer Rechnung), und nicht, wie man fast fort-
während widerholt, 1180. S. den oft reproducierten Text bei Gariel, Series
praesulum Magalonensium. Tolosae 1665, I, 229. Aigrefeuille 1. c. p. 342.
Qermain, Hist. de la commune etc. I, LXXVII und L'^cole de m^decine
etc. p. 8.
^^) Im Eingange desselben steht: Sane cum dudum medicinalis
scientie professio sub gloriosis profectuum titulis in Montepessulano claruerit,
flomerit et fructnum fecerit ubcrtatem multipliciter in diversis mundi par-
tibua salubrem, tanto ad conservationem medicinalis studii duximus statuen-
dum etc. Aigrefeuille 1. c. p. 343. Oermain, Hist de la commune etc. III,
418. L. T. Stein h< die Bestimmung des Gardinais, die er natürlich nie
zu Oesicht bekam, für eine päpstliche Bulle. L. c. 8. 284.
^) Dial. mirac. ed. Strange 1. 7. c. 25. Yerfasst 1221—1222.
342 11^- Entwickeluog der Hochschulen bis soin Ende des 14. Jhs.
lone und von drei von ihm beigezogenen Magistern gewählt und
eingesetzt wird; die Promotionen, die vor dem Bischöfe von Mague-
lone im Vereine mit den Regentes vorgenommen werden müssten,
und die Gerichtsbarkeit, die der Kanzler haben soll, werden
hier ebenfalls geordnet, u. s. w.^^^). Der apostolische Legat
Guido, Bischof von Sora, bestätigte am 15. Juni 1239 diese Sta-
tuten unter Beifügung der neuen Verordnung, Niemand dürfe
zur ärztlichen Praxis übergehen, ausser wenn er durch zwei, vom
Bischöfe von Maguelone de coUegio magistrorum gewählten Ma-
gistern geprüft und approbiert ist und sich mit einem darüber
vom Bischöfe und den Examinanten ausgestellten Zeugniss aus*
weisen kann; nur die Chirurgen brauchten keine Prüfung abzu-
legen"*). Es unterliegt keinem Zweifel, dass für diese Be-
stimmung das betreffende Statut des Gesetzbuches Friedrichs 11.
für Salerno vom J. 1231 das Vorbild war**'), nur mit dem
Unterschiede, dass sich in Montpellier vollends der geistliche
Charakter der Schule offenbart"®), während in Salerno im 13. Jh.
sich keine Spur mehr davon zeigt. Auch Alexander IV. bestätigte
am 28. Februar 1258 die Statuten vom J. 1220*")» Jacob I.
von Aragon aber im J. 1272 und Jacob II. im J. 1281 kamen
^<) Bei AigrefeuUle und Germain 1. c.
^S) Astruc 1. c. p. 40. Germain 1. c. p. 422.
509) S. oben 8. 235.
5^0) Es ist merkwürdig, dass Häser die frische und freie Richtung
der medicinischen Schule zu Montpellier and die grosse Bedentong der-
selben für die Geschichte des geistigen Lebens im Mittelalter, ja ihre Prae-
ponderanz Ober jene von Salerno im 13. Jh. der Unabhängigkeit von Rom
und den wahrscheinlich eben deshalb zu Montpellier in nicht geringer Zahl
studierenden jüdischen Gelehrten zuschreibt (I, 655). Nachdem man sich
jetzt fiberzeugt hat, dass die Seele der medicinischen Schule zu Montpellier
kirchliche Organe waren, wird man sich wohl der entgegengesetzten Be-
hauptung zuneigen, die Schale zu Montpellier sei in Fesseln geschlagen ge-
wesen, die Frische Salernos habe in Folge des Einflusses des geistlichen
Princips gemangelt und deshalb die Schule selbst tief unter jener von Salerno
gestanden. Denn das ist ja ein Dogma der Gegenwart, dass wo 'die Leiter der
Christi. Gemeinde im Spiele sind', sich 'keine freiere Menschlichkeit' ent-
falten könne (S. Grimm, Ueber Schule, Universit&t, Academie, in Kleinere
Schriften I, 218)
2^11) Die Bulle bei Astruc 1. c. p, 41.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Montpellier. 343
im Grunde auf die Verfügung des Bischofs von Sora, ohne ihn
jedoch zu nennen, zurück'^").
Im J. 1240"') entstand unter den Doctoren in Bezug auf
die Statuten vom J. 1220 eine Entzweiung, und sie bestellten
'consentiente Magalonensi episcopo' den Rector der Kirche Saint-
Firmin, Peter de Conchis, und den Franciscaner Hugo Mancii
als Schiedsrichter; was diese in Bezug auf jene Statuten fest*
setzten, corrigierten , änderten u. s. w., würden sie durchaus
annehmen. In Folge davon entwarfen die beiden Schiedsrichter
neue Bestimmungen die theils als Erklärung, theils als Er-
gänzung der alten Statuten anzusehen sind^^^). Diese Sta-
tuten sind um so interessanter, als sie uns die Universitas der
Mediciner vollständig organisiert, mit den verschiedenen Gra-
den, den lectiones ordinarie und cursorie, den Disputationen
u. s. w. zeigen. Nicht weniger Interesse bieten sie auch dadurch,
dass sie den geistlichen Charakter der Schule darlegen.
Wie steht es nun um die juristische Schule zu Montpellier?
Die erste Notiz über dieselbe reicht in die Zeit des Placentinus,
der Ende des 12. Jhs. dort zu widerholten Malen lehrte*"),
und daselbst auch im J. 1192 starb *^^). Als einen seiner Nach-
folger bezeichnete man Azo*^0» w^s jedoch von Sarti"*) und
Savigny***) bestritten wurde. Beide meinten, es sei dies eine
^1^) S. Astruc 1. c. p. 35. 36. und Gennain 1. c. p. 91 Anm. 1.
^13) Am 14. und 21. Jänner 1239, d. i. nach unserer Rechnung 1240.
^^^) Vollstftndig abgedruckt bei Germain 1. c. p. 424 ff.
^1*) S. Savigny, Gesch. des Rom. Rechts IV, 251 f. Die eine seiner
Summen trägt schon in den ältesten Hss. die üeberschrift : Incipiunt summe
institutionum a Placentino composite apud Montempessulanum. Hs. aus der
ersten Hälfte des 13. Jhs. n. 82 im Gapitelsarchiv zu Yich in Spanien. Die
andere, zum Codex, hat eine ähnliche üeberschrift a. a. 0. und im Cod. Paris.
4539. 14612. S. auch Savigoy 1. c. S. 270 f. 273. Placentin selbst kommt
auf seinen Aufenthalt und sein Lehramt zu Montpellier in der von ihm an-
gefangenen und yon Pilius fortgesetzten Summa trium librorum zu sprechen.
Cod. Vat. 2313.
^1^) S. Qermain 1. c. 1, LXXIII Anm. 1. und l^tude historique sur
l'ecole de droit de MontpeUier (MontpeUier 1877) p. 6.
*!') S. darüber Germain^ Histoire etc. III, 9. ]ßtude etc. p. 8.
^^^) De claris Archigymn. Bonon. profess. I, 93, wo sich auch der Nach-
weis findet, wie man auf die Verwechslung des Placentin mit Azo kam.
w») V, 4 Anm. 6.
344 U^- Entwickelang der Hochschalen bis zum Ende des 14« Jhs.
Verwechslung mit Placentinus. Schalte glaubte dagegen aus
einer Hs. den sichern Beweis gegen Savigny erbracht zu haben,
dass Azo wirklich in Montpellier gelehrt habe. Abbas antiquus
sage nämlich in seiner Lectura ad Decretales Gregorii"®): Do-
minus az. (Azo) aliquo tempore fuit in opinione Ja. bal(duini),
postmodum dum regeret in provincia contrarium tenuit^'^).
Allein Schulte ist seiner Ansicht wie immer zu gewiss. Er hat nur
die jüngere Hs. I. B. 4 des Böhm. Museums in Prag für sich.
Dagegen stehen aber elf alte Hss., die Schulte hiefQr nicht ein-
gesehen hat, in denen sich nicht ^az.\ sondern 'baz.' oder ^baci-
anus' findet, d. i. also, der Legist Johannes Bassianus^^'), eine
Leseart, die auch sonst bestätigt wird"'). Allerdings ist die
Stelle nicht so aufzufassen, als habe Johann Bassianus die An-
sicht dem Jacob Balduini entlehnt, denn dieser lebte später als
jener. Sie besagt vielmehr, dass Johann Bassianus, ehe er in
provincia las, dieselbe Ansicht vertrat wie nach ihm Jacob Balduini.
^20) ZvL c. Baymuiua (nicht Raynaldas, vie Schulte sagt) 16. X de test
et ult. Yolunt. (3, 26).
621) Sitz. Ber. d. kais. Aead. d. Wiss. phil. hist. Cl. LXVIII, 91 Anm.
Die Gesch. d. Quellen d. can. Rechts 11, 130 Anm. 1.
6^) In I. B. 3 des Böhm. Museums, und in I. 15 des Metropolitan-
kapitels zu Prag steht *baz' (Schulte gibt die falsche Signatur I. 14 an). Im
Cod. Burghes. 231 (13—14. Jh.) steht ausgeschrieben: dominus Bacianns,
im Cod. Tat. 2542 BI. 62 b, Codd. P. IL 8 u. 9 zu Bamberg : dominus baz. Im Cl.
monac. 6349 BI. 149: dominus bazian. (n. 6350 enthält nicht, wie Schulte irrthflm-
lich behauptet, den Abbas antiquus, sondern wie der Catalog richtig angibt Inno-
cenz lY. Im Cataloge wurde nur durch Versehen das Initium des Abbas antiquus
angegeben). Diplovatacius hatte ebenfalls dieselbe Leseart, wie die eben er-
wähnte, worauf Schulte selbst I, 154 Anm. 1 hinweist, was er aber im
2. Bande vergessen zu haben scheint. In den Codd. Paris. 4011 (BI. 64*),
4011b (BL 73"^), 4010 (BI. 95*), Cod. 61 BI. 170a in Admont steht durch-
gehends 'dom. Bacianus.' Schulte hat sich auch in Betreff der Hs. zu Leipzig
n. 1024 getäuscht. Kur der Beginn des Apparatus ist vom Abbas antiquus,
die Fortsetzung (incomplet) rflhrt meist von Petrus de Sampsone her.
523J Peter Jacob d'Aurilac, Professor des röm. Rechts zu Montpellier,
nennt 1311 als seine predecessores: Rotgerus, Placentinus et Johannes
(Paris, Nationalbibl. n. 2260 nouv. acquis. lat. BI. 1). Es wäre jedoch mög-
lich, dass Peter unter predecessores nicht die Vorgänger im Lehramte zu
Montpellier (denn dann wäre auch Roger dort gewesen), sondern die Vor-
gänger in Abfassung von Summen gemeint hat.
3. Hochschulen mit p&pstL Stiftbriefeo. Montpellier. 345
Eines ist sicher, dass nämlich nach Placentin noch ein
anderer grosser Bechtslehrer zu Montpellier las, denn unter
^proyincia' ist Montpellier gemeint, zu der damals selbst noch
Beziers gerechnet wurde"*); in der ganzen Provincia kann aber
nur Montpellier als Bechtsstudium in Betracht kommen "**). Wir
hören nun nichts mehr über die Bechtsschule bis 1230, in
welchem Jahre Ludwig IX. dem Bischof von Maguelone die
Vollmacht ertheilte, den Eid der Treue und des Gehorsams ^a
licentiandis et doctorandis in facultate canonica seu civili in
studio ville Montispessulani' abzunehmen"*). Dann herrscht wider
langes Schweigen bis zum J. 1268. König Jacob I. von Ara-
gon gab in diesem Jahre dem Bechtslehrer G. Seguerii"')
licentiam in Montepessulano iura docendi civilia. Der Bischof
von Maguelone excommunicierte letztern sowie jeden, der bei ihm
hören würde, worüber sich der König beim Papste Clemens IV.
beklagte *^^). Dieser nahm jedoch am 31. Mai desselben Jahres
den Bischof in Schutz mit der Bemerkung, a longissimis retro
temporibus habe der Bischof in andern Facultäten die Licenz ver-
liehen ; obgleich er es nun in dieser (nämlich im Givilrechte) nicht
zu thun gewohnt wäre, da die Licenz nicht verlangt worden sei,
indem sich dazu keine Gelegenheit geboten hätte, ^ubi nee studentium
vel docentium numerus exigebat\ so müsse doch auch hier der Usus
der andern Facultäten eingehalten werden. Er selbst habe dem
besondern Auftrage Urbans IV. gemäss 4n aula episcopi doc-
torum et scolarium multitudine convocata' die Licenz ertheilt
und das Buch übergeben, ^solita solemnitate conservata' "").
&'^) Nach Abbas antiquus war auch noch ein anderer Rechtslehrer in
Montpellier *per trienniam'. Zu 2, 2 c. Dilecti. Cod. Tat. 2542 Bl. 34.
&^) So sagt Wilh. Darantis, der in der Gegend von Beziers gebürtig
war: Nos autem provinciales etc. Speculum 1. 4 tit. de feudis n. 2.
5") S. Eist, de Languedoc ed. Privat, VIII, 927. Vgl. dazu VI, 661.
Baluze, Vitae paparum Avenion. (Parisiis 1693) I, 976. Call. Christ. VI, 764.
^^) In einem Schreiben des Erzbischofs Gasbert von Arles vom 12. Oct.
1339 wird ein Mag. Celestinus Sequerii clericus conjugatus de Montepessu-
lano excommnniciert (Arch. Vat. Instr. misc. an. 1339 n. 53), der wenngleich
verschieden vom obigen, doch auf dessen Kamen hinweist.
&37) Die Geschichte steht confus bei Gariel 1. c. I, 397, und daraus
bei Savigny III, 378.
ft») Reg. Vat. an. 4. (n. 35) ep. 503 Bl. 91 b. Reg. Vat. an. 4. (n. 33) ep 496
346 ni. Entwickelung der Hochschalen bis zam Ende des 14. Jhs.
Dieser 6. Seguerii war wohl kein anderer als der Wilhelm
Seguier, den der genannte Papst einige Zeit später, nämlich am
10. Juli desselben Jahres, erwähnt, und von dem ich bereits oben
gesprochen habe"'). Es ergibt sich daraus, dass er sich, nach-
dem er vom Bischöfe von Maguelone excommuniciert worden
war, an den hl. Stuhl gewandt hat, um dort die Licenz zu
erhalten. Als ihn der König anstellen wollte, war er mithin
noch nicht Doctor, wie ihm auch Clemens IV. in dem zuerst
angeführten Schreiben keinen Titel gibt Nach bestandener
Prüfung, bei der Berardus de Neapoli mit anderen Rechts-
lehrern Examinator war, empfahl ihn der Papst widerum den
Magistern zu Montpellier. Da es sich hier immer nur um einen
Rechtslehrer handelt, kann das Rechtsstudium zu Montpellier
kaum in Blüthe gestanden haben.
Aus dem Empfehlungsschreiben Clemens IV. vom 10. Juli
erfahren wir aber die interessante Thatsache, dass der Bischof
und die Doctoren das Statut gemacht und zur Befolgung des-
selben sich eidlich verpflichtet hatten, ^quod in Montepessulano
vel ejus suburbiis nullus presumat ordinarie regere, nisi alias
ibidem vel Bononie ordinarie rexerit, aut inibi coram eodem
episcopo vel illo, cui quoad hoc commiserit idem episcopus vices
suas, per doctores Montispessulani qui voluerint Interesse, seu
Bononie, fuerit examinatus et etiam approbatus'. Allein diese
Methode hatte doch ihren Haken. Von den Doctoren konnte
kommen, wer wollte. Was nun, wenn keiner beisitzen wollte?
Ein Schreiben des Cardinallegaten Johann vom 20. October 1285
an den Bischof von Maguelone, Berengar de Fredol, half diesem
Uebelstand ab; der Bischof wurde als derjenige, welcher die
Licenz in jure canonico et civili geben soll, bestellt, nachdem
die Candidaten der Prüfung der von ihm berufenen Doctoren sich
unterzogen hätten und approbiert worden seien. Die also Approbier-
ten dürften 'infra legationis terminum' das Lehramt ausüben*'®).
Bl. 78a bietet die Variante: nbi nee Studium yel docenünm nnmerns etc.
Gedruckt bei Martene, Thes. nov. anecd. II, 603. Bei Germain 1. c p.
II Anm. ist die Stelle verderbt Vgl. auch Gall. Christ VI, 773.
^) 8. oben S. 305.
^30) Der Text abgedruckt bei Germain, Hist de la commune etc. III, 395.
3. Hochschulen mit p&pstL Stiftbriefen. Montpellier. 347
Dieses Schreiben im Vereine mit dem Schreiben Clemens IV.
an König Jacob hebt die Schwierigkeit, die den Forschern hin-
sichtlich des Studiums zu Montpellier erwachsen ist. Die Schwierig-
keit ist nämlich diese. Die medicinische Schule zu Montpellier
war schon seit langem organisiert. Wie nur irgend eine Univer-
sität genoss sie alle Rechte einer solchen. Hatte sie auch keinen
Stiftbrief als Studium generale, so war sie es darum nicht
weniger per consuetudinem als die Schule zu Salerno. Auch das
juristische Studium wurde dort betrieben, und man ertheilte
wenigstens noch 1260 die Grade wie an andern Hochschulen.
Femer besassen die Artisten in Montpellier eine Schule.
Sie erhielten am 27. März 1242 Statuten vom Bischöfe von Mague-
lone, aus denen hervorgeht, dass sie zu einer 'universitas doc-
torum et discipulorum in artibus studentium' constituiert waren
und einen Bector besassen. Es wird ihnen geboten, ^quod incipientes
incipiant . . . ut consuetum est in locis ubi est Studium generale'.
Kurz sie waren fast ebenso organisiert wie die Mediciner"^).
Es scheint doch also sicher, dass das Studium zu Montpellier
in Bezug auf alle Facultäten, die Theologie ausgenommen, ein
Studium generale per consuetudinem war. Eine wichtige Be-
stätigung hiefür erhalten wir in einem bisher nicht bekannten
Schreiben Alexanders IV. vom 8. Februar 1256 an den Bischof
Peter von Maguelone, worin ihm der Papst die Erlaubniss
ertheilt, die Absolution den Scholaren, welche der Censur per in-
jectionem manuum verfallen waren, zu geben, was um so öfter
vorkomme, da nach dem Berichte des Biscliofes 'ad Montem-
pessulanum Magalonen. dioc. causa predicti studii, quod ibi
soUempniter regitur, ad auriendas sapientie aquas de fontibus
discipline scolarium copiosa confluat multitudo'*"). Der Ausdruck
Studium solcmne wurde damals noch häufig identisch mit Studium
generale genommen, nur ist dort der directe Gegenbegriflf 'das
gewöhnliche Studium', mithin das Particular Studium, hier 'das
Particularstudium', mithin das gewöhnliche Studium. Promiscue
•
631) S. den Text der Statuten bei Gariel, 1. c. p. 356 f. Germain 1. c. p.
449 ff. Es beruht auf dem gewöhnlichen Missyeratftndniss, wenn Haeser 1. c.
I, 655. 'die philosophische Facnlt&t' erst 1242 gegründet werden l&sst.
M2) Reg. Vat an. 2. ep. 113 Bl. 141b.
348 I^I^* Cntwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
finden sich beide Ausdrücke angewendet von demselben Papste
und in den Statuten der Generalcapitel des Dominicanerordens"*),
Eine Scheidung der Begriffe von Studium solemne und Studium
generale nahm man in der 2. Hälfte des 13. Jhs. zuerst im Do-
minicanerorden vor, so dass Studium solemne das Hauptstu-
dium einer Provinz bezeichnete "*). Aber ausserhalb des Ordens
hätte eine solche Scheidung keinen Sinn gehabt; beide Ausdrücke
wurden identificiert. Zur Zeit Alexanders IV. sah man also das
Studium zu Montpellier als Oeneralstudium an.
Diese Thatsache ergibt sich auch aus einer andern Beob-
achtung. Sowohl die Dominicaner als die Franciscaner und
Cistercienser hatten in jener Zeit die Gewohnheit, ihre eigenen
Generalstudien soweit thunlich in jene Städte zu verlegen, wo
eine Hochschule bestand. Nur in Deutschland machten sie eine Aus-
nahme, weil eben dort noch keine Hochschule existierte. So
verlegten die Dominicaner vom J. 1248 an ihre Generalstudien
nach Köln, Bologna, Montpellier und Oxford. Am frühesten von
diesen Generalstudien bestanden jene zu Köln, Bologna und Mont-
^33) S. oben S. 3. Alexander IV. gebrauchte 1255 in einem Schreiben
an den König von Gastilien in Bezug aaf Salamanca den Ausdruck Studium
generale, nachdem er vorher vom Studium soUempne et celebre gesprochen
hatte. Reg. Vat. an. 1. ep. 692 Bl. 101b. Im J. 1246 sagt das zu Paris
gehaltene Generalcapitel der Dominicaner: (Inchoamus) hanc (constitutionem)
ubi dicitur: tres fratres mittantur parisius ad studendum, addatur: iinorvero
provincie, sc. provincia, lonbardia, theotonia et anglia provideant semper in
aliquo conventu magis ydoneo, ubi sit generale Studium et solenne. Hs. der
Generalcapitel, die um die Mitte des 13. Jhs. angefangen wurde, und des-
halb viel älter ist als die allein bekannte Gollection des Bemard Goidonis
(Generalarchiv des Ordens). S. Martine, Thes. nov. anecd. IV, 1690.
Auf dem Generalcapitel zu Paris 1261 vurde bestimmt, dass die Proyin-
ciale, in quorum provinciis sunt studia soUempnia, sive in Francia, sive alibi,
de consensu lectoris seu lectorum et priorum conventuaUum die nicht Taug-
lichen *ad provincias suas' zuracksenden könnten. Ibid. Nur zu den Gene-
ralstudien durften aber ausserhalb der rerschiedenen Provinzen Studenten
geschickt werden.
^ So im J. 1259: Provideatur, qnod lector tenens aliquod soUempne
Studium habeat bacellarium, qui legat sub eo. S. auch Douais, Essai sur Tor-
ganisation des Stades dans l'ordre des fr^res Pr^chenrs (Toulouse— Paris 1884),
p. 126 f.
3. Hochschulen mit p&pstl Stiftbriefen. Montpellier. 34g
pellier. Um nur bei diesem letzten zu bleiben, so bestimmte
bereits das Provinzialcapitel der Provence zu Narbonne im J. 1250,
die verschiedenen Gonvente sollten die Unterstützung an Geld um
Weihnachten nach Montpellier senden, welcher Beschluss zwei Jahre
darauf zu Montpellier bestätigt wurde '^'^); zu Toulouse wurde 1254
der Zahlungstermin auf Ostern festgesetzt "*•). Die Cistercienser be-
schlossen 1252 ebenfalls in Montpellier ein CoUeg nach dem
Muster jenes von Paris zu errichten*"); es wurde in Valmagne
(der jetzigen Vorstadt Saint-Guillem) gegründet, und Jacob I. von
Aragon beschenkte es 7. Juni 1263 reichlich*"), Clemens IV.
aber gewährte 31. Juli 1265 den Mönchen, die in dem genannten
Hause ^ubi viget Studium scientie litteralis' dem Studium der
Theologie sich widmeten, alle den Tarisius studio facultatis predicte
insistentibus' bewilligten Privilegien*"). Diese Umstände zeugen
um so mehr dafür, dass das öflfentliche Studium in Montpellier
als Generalstudium angesehen wurde, als sowohl die Dominicaner
wie die Cistercienser ohne dem ihr Generalstudium für jene
Gegend gewiss nach Toulouse verlegt hätten. So aber gründeten
die Cistercienser erst 1281 ein solches in Toulouse*"), ohne
jenes zu Montpellier aufzugeben, und die Dominicaner im
J. 1304*"). Aus der Chronik der XXIV Generale des Francis-
canerordens muss man schliessen, dass auch dieser Orden zu Mont-
pellier in der 2. Hälfte des 13. Jhs. ein Studium gehabt hat.
M*) Cod. T0I08. D. 273 Bl. 285b. 287 a.
6M) Ibid. Bl. 289 b.
^37) Siehe den Gapitelsbeschlass bei Martine, Thes. noy. anecd. lY, 1398.
&S8j Aigrefeuille 1. c. II, 400. Germain, Hist. de la commune etc.
III, 413.
w») Reg. Vat. an. 1 ep. 191 Bl. 48b.
MO) Gapitelsbeschlass bei Martine 1, c. p. 1478. Im J. 1280 wurde
das Studium Generale zu Oxford angefangen (1. c. p. 1472). In Deutschland
gründeten sie alsbald nach Stiftung der ersten Hochschule, n&mlich jener zu
Prag, ebendort ihr Generalstudinm im J. 1850 (LibeUus nov. definit. dist.
9 c. 7 bei Paris, Komasticon cisterc. p. 644). Die Dominicaner errichteten
in demselben Jahre, als Karl I. in Rom die Hochschule stiften wollte, ein
Generalatudium daselbst, n&mlich 1265 (s. oben S. 308 Anm. 356), rerlegten es
aber 1303 auf Bitten Karls II. nach Neapel (Acten der Generalcapitel).
Ml) Cod. Tolos. 278 Bl. 390.
350 ni. Entwickelang der Hochschalen bis zam Ende des 14. Jhr.
Es lebten dort ein Fr. Bemardus quondam lector Montispessu-
lani*"), ein Fr. Bolega Doctor, ein Vitalis de Fumo***).
Trotzdem aber folgte am 26. October 1289"*) die Bulle
Nicolaus IV., in der es zwar heisst, dass der Ort Montpellier
'celebris plurimum et famosus, aptus yalde pro studio' sei,
die aber dennoch die Bestimmung enthält, ^ut in dicto loco
Sit deinceps Studium generale'"^). Erst jetzt scheint also das
Studium zu Montpellier als Generalstudium errichtet worden
zu sein.
Dieser Umstand machte den frühern und spätem Forsebern,
von denen wir allein sprechen, viel Schwierigkeit. Savigny, der
mit den eben aufgezählten Documenten nicht vertraut war, meinte
anfänglich"*), es sei nur die Absicht Nicolaus IV. gewesen die
neuere Anschauung, nach der eigentlich alle hohe Schulen vom
Papste bestätigt sein sollten, auch hier geltend zu machen, und sich
gleichsam im Besitze dieses Rechts zu befestigen. Wie grundlos
diese auf ganz irriger Voraussetzung beruhende Behauptung
ist, werden wir weiter unten sehen. Savigny selbst sah das
Missliche derselben ein, und er gelangte später"') zur entgegen-
gesetzten, dass nämlich erst 1289 eine Juristenschule mit wirk-
lichem Erfolg errichtet, und 5 Jahre später zum ersten Male
das Doctorat ertheilt worden sei"'). Allerdings sei früher
^3) In der Yita fr. Rugerii de Provincia der Chronik der XXIY Gene-
rale (Cod. 53 Leopold. Oadd. der Laurenz, in Florens. Nicht pa^niert).
^ Beide werden in der genannten Chronik genannt. Sie lebten noch
zu Anfang des 14. Jhs. Yitalia wurde 1307 wider Provincial ton Aqnitanien,
1312 Cardinal; Bemard starb 1306.
^^) Nicht 1298, wie Haeser a. a. 0. schreibt, wo er noch zudem behauptet,
in jenem Jahre sei die juristische Facult&t gegründet worden, was ihm
Stein, Die innere Verwaltung etc. S. 242, ohne ihn zu nennen, gläubig
ebenso nachschreibt, wie den eben Anm. 531 gerflgten Irrthum.
^^) Reg. Vat. an. 2. ep. 264. Ediert bei Gariel 1. a p. 410. Ger-
main 1. c. p. 452. Bei AigrefeuiUe II, 340 ist sie incomplet
M6) Gesch. des Hörn. Rechts III, 380.
W7) Ibid. VII, 79 f.
^) Auf Grund des Petit Thalamus, der zum J. 1293 sagt, der erste
Doctor, Guilhem de sant Amans, sei damals promoviert worden. Germain,
£tude historique etc. p. 9.
S. Hochschulen mit p&pstL Stiftbriefen. Montpellier. 351
das Recht dort gelehrt worden, allein die Erwartung, es werde
sich eine bleibende Schule bilden, sei unerfüllt geblieben^*').
Inwiefeme diese Ansicht ungenau ist und inwieferne sie das Richtige
trifft, wird sich sogleich ergeben. Germain ist anderer Meinung.
Ihm zufolge war die Rechtsschule zu Montpellier immer blühend;
sie bestand mit den Facultäten der Artisten und Mediciner, und
hatte bereits ihre Statuten als die Bulle Nicolaus IV. erschien,
die nichts anderes bezweckte, als dass die Gesammtheit der Schulen
zu einer Universität erhoben und der individuellen Leitung die
allgemeine substituiert würde "^). Diese Ansicht stützt sich auf
eine irrige Voraussetzung, welche ich bereits oben widerlegt
habe^^^); sie wird vollends unmöglich gemacht durch folgende
Darstellung der Verhältnisse.
Wäre die Rechtsschule in Montpellier auf einer Linie mit
der Mediciner- und Artistenschule (um die Mitte des 13. Jhs.)
gestanden, so würde die Bulle Nicolaus IV. wohl kaum erfolgt
sein; die Schulen zu Montpellier wären allgemein als Studium
generale anerkannt gewesen, zudem bereits damals ein allge-
meines Regime dort herrschte, nämlich das des Bischofes vonMaguc-
lone, welcher in allen Facultäten die Licenz ertheilte. Allein
die Rechtsschule war im starken Rückstande. Man machte oft
einen Anlauf sie zu heben, wie Savigny zuletzt richtig gesehen hat,
aber nicht mit viel Glück. Der Beweise hiefür gibt es mehrere.
Während die Mediciner und Artisten schon frühzeitig ihre
Statuten hatten, die auf einen wohlgeordneten Zustand derselben,
bei den Artisten wenigstens um die Mitte des Jhs., schliessen
lassen, entbehrten die Juristen fast*") bis 1339 derselben.
König Jacob von Aragon gab höchst wahrscheinlich deshalb im
M9) Aaf dasselbe kommt die Ansicht der Ilist. de Languedoc ed.
PriTat, VI, 909 hinaus.
^ Bist, de la commone etc. III, 2 f. 155 f. £tude historique etc. p.
101 Theilweise auch Do principe d6mocratiqae dans les anciennes ^colei
de MontpeUier (ISSl) p. 12.
»1) 8. 24.
^ Ich sage fast', weil Benedict XII. am 7. M&n 1889 auf einige
Statuten hinweist, die nicht lange ror den eigentlichen Statuten dieses
Jahres vom Bector und dem CoUegiom doctomm gemacht wurden. Ger»
nudn, £tade hist. etc. p. 76.
352 ni. EntWickelung der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
J. 1268 einem Lehrer des Givilrechts die Licenz in Montpellier
zu lehren, weil schon länger keiner mehr dort dociert hatte.
Das Schreiben des Papstes Clemens IV. bestätigt überdies, dass die
ganze Juristenschule sehr schwach besucht wurde. Er habe, meint
er, zur Zeitürbans IV. (1261—1264) 'de speciali mandato' dieses
Papstes dort die Licenz ertheilt. Wäre die Juristenschule ebenso
wie die zwei andern, besonders wie die medicinische organisiert
gewesen, so hätte es keines speciellen Auftrages von Seite des
Papstes bedurft. Clemens IV. sagt ferner, in Montpellier habe
überhaupt kein Grund vorgelegen, die Licenz im Rechte zu er-
bitten, ^bi nee studentium vel docentium numerus exigebat'.
Das ist doch klar gesprochen. Und waren gleichwohl nachher
einige Rechtslehrer dort, wie wir oben gesehen haben, so
brachten sie doch ihre Schule weder in Flor, noch zu all-
gemeiner Anerkennung, weshalb auch die von ihnen Doctorierten
nur innerhalb der Legation des Cardinallegaten ^ nicht aber
ubique das Lehramt ausüben durften. Sie standen also hierin
weit hinter den Medicinern zurück.
Im J. 1289 war der Zustand der Schulen zu Montpellier
ungefähr dieser: die medicinische Schule blühte; die juristische
unterlag beständigem Schwanken und befand sich wie immer in
Gefahr ganz aufzuhören; von den Artisten kann man gar nichts
sagen, well wir aus dieser Zeit nichts von ihnen hören"*).
Wie war dem abzuhelfen? Dadurch, dass das Studium zu
Montpellier förmlich das Privileg eines Studiums generale erhielt
und zu einem solchen officiell erklärt wurde. Nicht um der
medicinischen Schule willen, sondern zu Gunsten der juristischen
und wahrscheinlich auch der artistischen erliess Nicolaus IV.
seinen Stiftbrief, obgleich nun natürlich auch die medicinische
hinein gezogen werden musste. Der Stiftbrief bedeutet nicht so
sehr eine Neugründung als eine Erneuerung und öffentliche An-
erkennung des Studiums zu Montpellier, das mit Recht in der
Mitte des 13. Jhs., wie wir sahen, theil weise als Generalstudium
angesehen worden war. Einen Beweis hiefür besitzen wir in
^^3) Anch Germain ist ausser Stand in seiner Schrift La facnlt^ des
arts et l'ancien coUöge de Montpellier (1882) hierauf bezflgliche Notizen bei*
zubringen.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefeo. Montpellier. 353
dem Umstände, dass das Schreiben Nicolaus IV. an die Doc-
toren und Scholaren gerichtet ist, was bei eigentlichen Stift-
briefen bis 1400 auch nicht Einmal der Fall war. An diese
wandte sich der Papst immer erst nachdem er mittels einer
vorausgehenden Bulle das Generalstudium bereits gegründet
hatte, oder wenn er es als gegründet voraussetzte. Toulouse und
Cambridge bieten manchen Vergleichungspunkt mit Montpellier.
Das Schreiben Gregors IX. vom J. 1233 an die Universitas ma-
gistrorum et scolarium zu Toulouse war 4ein eigentlicher Stift-
brief des Generalstudiums, sondern es hatte den Zweck, dasselbe
zu erneuern und zu reorganisieren. War in Toulouse der un-
geordnete Zustand aller Facultäten davon die Ursache, so in
Montpellier die Verhältnisse der juristischen Facultät. Ein
ähnlicher Fall liegt auch, wie wir alsbald sehen werden, in
Bezug auf Cambridge vor, dessen Generalstudium scheinbar erst
am 9. Juni 1318 von Johann XXII. errichtet wurde, während
es doch als solches bereits seit der 1. Hälfte des 13. Jhs. exi-
stiert hat, aber wie die beiden oben genannten in beständigem
Schwanken war.
Wie für Toulouse und Cambridge so bedeutete für Montpellier
die päpstliche Bulle eine grosse Wohlthat. Erst jetzt hören
wir von eigentlichen Promotionen im Rechte. Am 28. April
1293 wurde Wilhelm de Sant Amans zum Doctor promoviert*").
Und bald stand die juristische Facultät nicht unansehnlich neben
der medicinischen da.
Soll nun der Act Nicolaus IV. als ein Act der Einmischung
in fremdes Recht angesehen werden? Aber wenn sich nicht
der Papst der Hochschule annahm, wer sollte sich um sie
kümmern? Eine Einmischung liegt hier ebenso ferne, wie
in dem Factum, dass Johann XXII. am 13. September 1317
die Abgesandten der Universität dem Könige von Frankreich
empfahl"*), oder Benedict XÜ. am 20. September 1336 dem
Bischöfe von Maguelone auftrug, dem ihm von der Universitas
scolarium utriusque juris studii generalis in Montepessulano ge-
^ GemudD, Hist. de la commane etc. III, 11 Anm.
^^) Reg. Tat. Beeret an. 2. ep. 370 BL 86 b.
Denifle, Die UniToniUtan I. 23
354 ni. Entwickelong der Hocbschnlen bis sum Ende des 14. Jhs.
klagten Unfug abzuhelfen, dass die Doctoren den zu Promo-
vierenden zum grossen Schaden des Studiums ^centum grossos
Turonenses argenti' abverlangten"*^).
Die theologische Facultät wurde in Montpellier erst am 17.Dec.
1421 durch eine Bulle Martins V. offiziell und förmlich er-
richtet"^). Doch längst vorher war dort Theologie vorgetragen und
in dersell an promoviert worden. Einen der Beweise hiefür bildet
einmal die grosse Bulle Urbans Y. vom 22. October 1364, mit
der er die Stiftung des Collegs de S. Ruf für 6 Artisten, 8 Gano-
nisten und 4 Theologen in Montpellier durch den Bischof von
Avignon Anglicus, den Bruder Urbans V. und späteren Cardinal,
bestätigt"*). Der Papst sagt, dass der 'splendor theologie ac
iuris canonici facultatum domini domum illuminat' und dass
nach dem Berichte des Abtes und des Conventes der regulierten
Ghorherrn von Saint^Kuf zu Montpellier 'generale etiam in pre-
fatis facultatibus Studium viget'. Von den 12 genannten Gano-
nikern sollten 4n studio generali Montispessulani octo in iure
can. et quatuor in sacra theologia' studieren. Wie im Jus can.
so dürften sie auch in der Theologie promoviert werden. Schon
vorher, nämlich 15. Jänner 1351, hatte König Johann von
Frankreich der theologischen Facultät ^ad supplicationem magi-
strorum, baccalariorum et scolarium facultatis theologiae univer-
sitatis Montispessulani' Privilegien ertheilt"®). Von den Studien
der verschiedenen Orden spreche ich natürlich gar nicht.
Dass das medicinische Studium zu Montpellier auch im
14. Jh. seinen alten Ruhm bewahrt hat, bedarf keines Beweises.
Doch ist die Bemerkung nicht überflüssig, dass es zur Zeit
Urbans V. schwach besucht war, was sich aus der Stiftungs-
urkunde seines GoUegs für 12 Mediciner ergibt. Aber auch das
juristische hat schöne Blätter im Buche seiner Geschichte; es wurde
im 14. Jh. nicht bloss von Franzosen, sondern auch von Spaniern,
Italienern (darunter Petrarca), und theilweise von Deutschen
6W) Reg. Vat. an. 2 part. 1 ep. 449.
^^7) Germain, Eist, de la commune etc. III, 416.
^) Reg. Yat. de Curia an. 1 Bl. 140 a.
^^9) Baluze, Yitae papanun A Yenion. II, 743. S. auch Germam, La
facultd de Theologie de Montpemer (1883) p. 7. Aigrefenille II, 385.
3. Hochschalen mit p&pstl. Stiftbriefen. Montpellier. 355
frequentiert. Indess war die Anzahl der Scholaren zu Zeiten nicht
gross. Die Universität der Juristen selbst deutete dieses in dem
1362 an Urban V. eingesendeten Rotulus universitatis studii Montis-
pessulani an. Sie sagt, 'quod adeo dictum Studium est lectoribus
et auditoribus destitutum, quod in eo, ubi consueverunt mille
studentes residere, vix hodie reperirentur ducenti'"°). Die Uni-
versität verlangt nun ad septennium die Dispens von der Residenz-
pflicht, und Beneficien für die Einzelnen, sowie wegen der
äussersten Armuth Nachlass der Taxen"'). Die Mediciner
schickten einen separaten Rotulus universitatis medicorum Montis.
pessulani ein, worin sie sich, wie jede Universität 'vestra devota
fiiia universitas medicorum' nennen*"). Die Gewährung der
Bitten erfolgte für diese am 26. November, für die Juristen am
24. November 1362.
Germain führt die zeitweilige Abnahme des juristischen
Studiums zu Montpellier vorzüglich auf die Gründung des Stu-
diums zu Perpignan im J. 1349 zurück*^*'). Allein, wie wir
weiter unten sehen werden, gab das Studium zu Perpignan die
ersten 3 Decennien kein Lebenszeichen von sich und konnte
also jenem zu Montpellier nicht Eintrag thun. Viel bedeutender
ist ein anderer von Germain angeführter Grund, nämlich die
Feindseligkeit der Gonsuln von Montpellier gegen die Universität
Doch die Universität selbst suchte, wie wir soeben zeigten, wo
anders die Ursache, nämlich in ihrer grossen Armuth. Später
kam das Rechtsstudium wider mehr zur Blüthe, wie sich auch
aus dem vom Gegenpapst Clemens VII. im J. 1378 gewährten
6«0) ürbani V. Reg. Suppl. an. 1 p. 1 Bl. 113 a.
561) «Et quia pater beatissime huiusmodi privilegia magnam quantitatem
pecunie consaeyerunt costare et propter obtenta similia privilegia a Dom.
Innocentio yirga bedeUi generalis et alia jocalia dicte vestre universitatis
adhac sunt pignori obligata, hamiliter supplicat dicta universitas, quatenus
ipsis . . . partem buUe et registri S. V. contingentem hac vice eis remittere
dignemini g[ratiose, cum ipsa universitas sit oppressa mazima paupertate.
Die Dispens von der Besidenzpflicht wurde ad triennium gew&hrt.
^^) Ibid. Bl. 186 a. Es werden darin 1 Magister in Medicina, 1 Li-
centiatus, 19 Baccalarei und 6 Scholaren aufgezählt. Alle waren in artibus
graduiert. Wegen der im Rotulus genannten Scholaren etc. deutscher Zunge
B. unten unter Köln S. 392 f.
^ Hist. de kl commune de Montpellier III, 50.
23*
356 ni. Entwickelnng der Hochschulen hia soiii Ende des 14. Jhs.
Rotulus stttdii Montispessulani ergibt"*). Darin werden zwei Doc-
toren in legibus, 5 in decretis, 11 Licentiati in legibus, 21 in
decretis, 57 Baccalarei in legibus, 80 in decretis aufgezählt,
von denen die Meisten als actu legentes erscheinen. Ausserdem
finden sich etwas über 200 Scholaren erwähnt***).
In Montpellier dachte man an Collegien für arme Scho-
laren fast aller Disciplinen. Für Mediciner aus der Diöcese
Mende stiftete im J. 1369 ürban V. ein (Tolleg. Es ist das
älteste für Mediciner in Montpellier*"). Zur Gründung
bewog den Papst die Nothwendigkeit der medicinischen Wissen-
schaft und der Umstand, dass 'pauci de presenti studentes exi-
stunt'. Er errichtet nun 'ad angmentationem huiusmodi studentium
et profectum . . . unum perpetuum coUegium duodecim scolarium
in predicta facultate medicine studentium', zu welchem Zwecke
er ein Hospiz ankaufte und dotierte. Es sollte CoUegium duo-
decim medicorum genannt werden **0- Von einem Colleg für
Studierende in artibus, jure canonico und in der Theologie, näm-
lich dem College de S. Ruf, haben wir bereits gesprochen **'). Inno-
56*) Reg. Suppl. an. 1 p. 7 Bl. 112 a— 144 b. Der Papst befahl 3. kl.
April, an. 2, ^quod Rotuli studiorum regni Francie, yid. Tholosani, Ande-
gaven., Montispessulani, Gaturcen., Avinionen. datam habeant, videlicet pro
doctoribns et licentiatis 14., pro baccalareis et magnis nobilibns ac magistris
in artibus 12., et pro scolaribus quibuscanque 8. kl. Decembris an. 1.' So
ibid. Bl. 144b. Die Decretisten waren: Poncius 0. S. A. und Salyator
Guillerin, 0. S. 6. s. Yict. Massil, Philippus Sicardi 0. S. B., Guillelmns
Botlini 0. S. A., Bemardus Andree 0. S. B. Massil.; die Legisten: Gaill.
Anthonii, Philipp de Belloforti.
^5) Ein Rotulus medicorum findet sich auch z. B. Reg. Suppl.
Clem. YII. |an. 1 p. 8 Bl. 141. 245; der Juristen: Reg. Suppl. Innoc. VI.
an. 1. p. 1 Bl. 61b. Die üniversitas Juristarum wandte sich oft an den
Papst, so in Reg. Suppl. Clem. VI. an. 2 p. 3 Bl. 39a, 50b; an. 5 p. 2 Bl.
134a, 147a; an. 6 p. 2 Bl. 134. 147; an. 7 p. 1 Bl. 261, 286. Ein kleiner
Rotulus artistamm auch in Reg. Suppl. Clem. YII. an. 1 p. 8 Bl. 145.
^ S. Astruc, M^moires etc. p. 48. 79 ff. Er nennt es 'nne p^pini^re
feconde en m^decins c^läbres, qui ont illustre le G6yaudan' etc.
^7) Reg. Vat Avenion. tom. 20 Bl. 497. Andere darauf bezflgliche
Schreiben ididem Bl. 497 b— 498. Sie sind s&mmtlich 7 kaL Oct. an. 7 (1369)
ausgestellt. S. auch Reg. Yat. Greg. XI. Ind. an. 2. Bl. 36. Das Colleg
hiess auch College de Mende, Grand College.
M8) S. auch Aigrefeuille II, 398 f.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Avignon. 357
cenz VI."*!) gestattete am 7. Februar 1353 Bernard Tricardo, Bischof
von Brescia, ein CoUeg für decem pauperes scolares zu gründen,
welchen gemäss der Verordnung ürbans V. auf Bitten der Consuln
von Montpellier nach Vollendung der niedern Studien noch sechs
Jahre hindurch canonisches und Givilrecht zu hören gestattet
war"°). Es hiess College de Bresse"*). Von den eigentlichen
Orden scoUegien kann hier natürlich keine Bede sein. Nur aus-
nahmsweise zog ich das College de S. Ruf, das für die Regular-
canoniker von St. Ruf bestimmt war, herbei.
Ayignon.
Nicht schlecht reiht sich an Montpellier die Hochschule zu
Avignon an.
Man würde sich täuschen, wollte man glauben, durch die
Bulle Bonifaz VIII. vom 1. Juli 1303 sei das Studium errichtet
worden; im Gegentheile hatte dort bereits vorher eine universitas
doctorum et scolarium bestanden, und gerade diese Thatsache hat
in neuerer und älterer Zeit den französischen Forschern nicht
geringe Schwierigkeiten bereitet und sie zu merkwürdigen
Lösungsversuchen verleitet.
Die Nachrichten über die frühern Schulen sind sehr dürftig.
Im J. 1226 wurde vom Cardinallegaten Roman, demselben, der
in Toulouse thätig war, um desgleichen Zweckes willen wie dort,
nämlich gegen die Haeresie der Albigenser, angeordnet, es sollte
in Avignon ein Doctor theologus, qui rerum divinarum scientiam
publice exponeret, bezahlt, und 12 arme Schüler, welche Theologie
zu hören hätten, unterstützt werden"^). Ein städtisches Statut
vom J. 1243 bestimmte, *quod quilibet possit libere in hac
civitate regere et teuere scolas artis grammatice' *"). Von einer
Blüthe der Schulen in Avignon kann erst Ende des 13. Jhs. die Rede
sein. Aus einem Schreiben Karls II. von Neapel, welcher zugleich
M0) Im Reg. Yat. Urbani V. Ind. an. 5 Bl. 10 b steht falsch Innocentius
quintns. Das Schreiben des Papstes Innocenz ist ediert von AigrefeuiUe II, 401.
^70) Reg. Yat. 1. c. Das Schreiben ist datiert vom 11. Februar 1367.
^71) S. Fantoni Gastrucci» Istoria deUa cittä d'AYignone Venetia 1676,
II, 99.
^7') Statuta reipablicae Ayenion. unter den Mss. Cambis^VeUeron in
der Bibliothek zu Avignon, Bl. 26.
358 11^- EntwickeluDg der Hochschulen bis znm Ende des 14. Jhs.
Graf von Provence war*"), vom 21. October 1302 erfahren wir,
die 'universitas hominum civitatis Avenionis coetusque doctorum
studii venerabilis ibidem' hätten ihn gebeten, er möge sein Verbot
auf Interessen Geld zu borgen, in Bezug auf Avignon aufheben,
da beim grossen Geldmangel vorzüglich die doctores et scholares
exteri et remoti ibi studentes in grosser Noth wären. Karl
gewährte dies und erlaubte, dass die doctores et scholares einen
Kaufmann wählen dürften , bei dem sie Geld leihen könnten,
indem er als Grund den Wunsch angab, dass das dortige
Studium immer mehr und mehr aufblühen möchte"*).
Einen viel klarern Einblick in die Verhältnisse an dem Studium
vor Erscheinen der Bulle Bonifaz VIII. erhalten wir durch das Pri-
vileg, das derselbe Karl II. am 5. Mai 1303 dem genannten Stu-
dium ertheilte. Er wurde dazu veranlasst durch die Bitten der
Commune und der 'universitas doctorum et scolarium studii
meraorati', die unter anderm den Mag. Bernard de Vallebona
decretorum doctorem an ihn sandten. Der Graf bestimmte,
'quod in lectura utriusque juris ordinaria baccalarii cum docto-
ribus in ipso studio non concurrant', dass also die Baccalaren
die lectiones extraordinariae lesen sollten. Die Wohnungen
müssten von drei, 'quorum unus per universitatem civitatis
ipsius, alius per universitatem doctorum et scolarium eorun-
dem, et tertius per nostram curiam statuantur', taxiert werden.
Er nimmt die Scholares, Stationarii und Scriptores eorum
gegenüber den Officialen der Curie und den Bürgern der Stadt
in Schutz, ladet 'ad idem Studium exceptis romane ecclesie et
^73) Seit 1290 gehörte Avignon den Grafen von Provence.
^7^) Nos ergo qui stadiam ipsum proficere cupimns et provehi succes-
sivis iugiter incrementis . . . concedimus, . . . ut mercator nnas quem ipsi
doctores et scholares elegerint in predicta civitate sit mutuans . . . Vestre
itaque fidelitati precipimus et mandamus, ut predictam nostre concessionia
gratiam doctorihus et scholaribus Avenionensis studii modo predicto servantes
etc. Das ActenstQck ediert bei Papon, Hist generale de Provence III,
Paris 1784 Preuves p. xhv n. 30. Da Herrn Bardinet, Universitstis Avenio-
nensis hist. adumbratio (Lemovicis 1880) dieses Docnment, weil Papons YTerk,
entgieng, so ist seine Darstellung p. 7 irrig. Ich begreife nicht, warum
Laval den Act im Cartulaire de Puniversit^ d'Avignon (Avignon 1884) nicht
wider abdrucken lie^s.
• «i I • •
3. Hochschulen mit p&pstl. Stiftbriefen. Avignon. 359
nostris hostibus universos scolares et singulos de partibus quibus-
cunque' ein, befreit sie von allen Abgaben und befiehlt, dass
der Yicarius Avenionensis beim Antritt seines Amtes einen
Eid auf die Heilighaltung der Privilegien leiste, der Subvicar
aber und Abgeordnete der Stadt sollen in die Hände des
Vicars beim Beginne des Studiums jedes Jahr 'presentibus
doctoribus et aliquibus ex scolaribus' denselben Schwur ablegen
und versprechen, die Doctoren und Scholaren in nichts zu be-
lästigen"*). Das Studium zu Avignon war also in jener Zeit
vorzüglich Rechtsschule, die organisiert war und an der bereits
eine Universitas doctorum et scholarium bestand.
Am 1. Juli 1303 erschien nun die oben genannte Bulle
Bonifaz YIII., in welcher er nach einer langen Einleitung über den
Nutzen der Wissenschaft, welche dann später von Clemens V. in
Bezug auf Coimbra benützt wurde®"), sagt: concedimus ut in
civitate prefata sit et habeatur de cetero litterarum Studium
generale ... in quavis .licita facultate, und dass in jure canonico
et civili, in medicina et liberalibus artibus examiniert und
promoviert werden könnte"^). Das Promotionsrecht habe der
Bischof von Avignon, eventuell der Propst des Capitels.
Castrucci, der das zweite oben angeführte Privileg Karls H.
kannte, schlug eine Correctur der Jahreszahl vor, und setzte
das Privileg in das Jahr 1304, indem es ihm unbegreiflich
schien, wie es der Bulle Bonifaz hätte vorangehen können"*).
Er fand neuestens einen Vertheidiger in Courtet"'), welcher be-
^7^) Zuerst gedruckt im Bullarium civit. Avenionen. Lagduni 1657 p.
59 n. 52. Nach dem Original bei Laval 1. c. p. 9 n. 2. Es ist nicht un-
schwer herauszufinden, dass für obiges Privileg die Bestimmungen Friedrichs II.
und seiner Nachfolger für Neapel und Philipp Augusts fOr Paris beeinflussend
waren.
5W) Reg. Vat. an. 3. ep. 384 Bl. 72b.
&77) Reg. Yat. an. 9. ep. 138 Bl. 337 b. Nach dem Original bei Laval
L c. p. 3 n. 1. S. Bull. Rom. ed. Taurin. IV, 168.
M8) Istoriaetc I, 32 f. Vgl. H, 121.
^79) De Petat ancien de Pinstruetion publique dans Vaucluse im Bulle-
tin historiqne et arch6ologique de Vaucluse. Avignon 1879 p. 453 Anm. 1.
In Bezug auf das frühere Document Karls yerschweigt er die Jahrzahl
p. 453 f.
^■^K^^'- •- - -
330 in. EntwickeluDg der Hochschulen his zum Ende des 14. Jhs.
hauptet, das 19. Jahr der Regierung correspondiere recht gut mit
dem J. 1304, da Karl II. im J. 1285 die Regierung ange-
treten habe. Letzteres ist allerdings richtig, denn Karl I.
starb am 7. Jänner 1285. Allein trotzdem fällt der 5. Mai
1303 in das 19. Regierungsjahr Karls II., der jedoch erst im
November 1288 aus der spanischen Haft, in die er durch
Peter in. von Aragon gekommen war, entlassen und am 29. Mai
1289 zum Könige von Sicilien gekrönt wurde. Zudem ist das
Datum 5. Mai 1303 dem Originale zufolge sicher ^^^). Lava],
der gegen Courtet das Jahr 1284 als das Jahr des Regierungs-
antrittes Karls IL ansetzt, schlägt einen andern Weg ein.
Er meint, da Bonifaz VIII. am Weihnachtsabend 1294 zum
Papste erwählt wurde, so sei das 9. Jahr des Pontificates, in
dem Bonifaz YIU. die Stiftungsbulle ausgab, das Jahr 1302,
weshalb diese immerhin vor den Privilegienbriefen Karls 11.
erlassen worden sei'^"'). Aus diesem Grunde nimmt in seinem
Cartulaire die Bulle den ersten Platz vor dem Privileg Karls U.
vom 5. Mai 1303 ein. Aber es genügt die Bemerkung, dass
Bonifaz vom Krönungstage an rechnete und das 9. Jahr des
Pontificats Bonifaz VUL, welches am 23. Jänner 1295, dem Krö-
nungstage, begann, das Jahr 1303 ist^"). Bardinet glaubte,
das Privileg Karls IL vom 5. Mai 1303 bedeute den Stiftbrief,
Karl sei 'primus Academiae parens', von Bonifaz VIII. habe sie
aber den Titel der Universität erhalten"'). Doch diese Be-
hauptung ist ebenso irrig als die frühern. Karls Schreiben ist
kein Stiftbrief, sondern es beschenkt die schon bestehende Schule
mit Privilegien ; Bonifaz VIII. erwähnt aber nicht mit einer Silbe
die Universität, während aus beiden Schreiben Karls, besonders
aus dem zweiten, hervorgeht, dass sie bereits existierte. Die
einfache Lösung ist diese: Das Studium zu Avignon war nicht
wie Orleans,' Angers und andere Generalstudien, die ex con-
^ Auch Ludwig XIY. sah die ^ettres patantes du cinquiesme de May
mil trois cent trois' Karls IL im J. 1650. Docum. 58 bei Laval I, 285.
^^) L c. I, 4 Anm., 10 Anm.
^^) S. unten unter Fermo. Es empfiehlt wenig einen Herausgeber eines
Gartulaires, wenn er bei so einfachen Dingen sich Blossen gibt.
583) L. C. p. Bf.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Avignon. 361
suetudine als solche bestanden, als Generalstudium anerkannt;
deshalb erhob es der Papst officiell zu einem solchen, gab ihm,
weil bis dahin einer festen Organisation entbehrend, neue Be-
stimmungen über die Promotionen, und theilte der Universität
die Privilegien anderer Hochschulen mit. Der eigentliche Gründer
des Generalstudiums war der Papst.
Die Ausführung Hess nicht lange auf sich warten. Noch im
J. 1303 verfasste der Bischof Bertrand ^de consilio et assensu
magistrorum et doctorum iuris canonici et civilis, in medicina
et in artibus in eodem studio commorantium' Statuten und Ver-
ordnungen *"). Einigen Eintrag that der Hochschule allerdings
die Verlegung der päpstlichen Curie von ßom nach Avignon, da
das Studium an der Curie sehr besucht war. Doch bestanden beide
Schulen neben einander fort. Im J. 1343 erwähnt Clemens VI.
das Studium Avinionense, quod tam ex privilegio apostolico
civitati Avinionen. dudum indulto, quam ratione romane curie in
dicta civitate presentialiter existentis generale regitur"*). Zehn
Jahre darauf sandte die 'universitas Avinionen.', d. i. die Stadt,
einen Kotulus an Innocenz VI. ab, worin sie auch für einige
Professoren der Hochschule bat"®). Stark litt die Universität in
den Pestjahren, so dass sie in dem 1361 an Innocenz VI. ge-
richteten Rotulus universitatis Avinionensis gestehen musste, dass
die universitas morte pestifera doctorum, licentiatorum, bacalario-
rum et scolarium desolata multitudine lecturis careat universis et
nonnulli de reliquiis ipsius studii, qui per acquisitionem sancte
canonice scientie multas noctes transiverint insomnes, guerrarum
voragine ... et paupertatis onere gravati sibi et aliis prodesse,
libros recuperare nequeunt vel ad gradus sibi debitos promo-
veri"^). Später, nämlich Ende des Jahrhunderts, war jedoch das
Studium eines der besuchtesten in ganz Frankreich, wie sich
aus dem 1395 an Benedict XIH. eingesendeten Rotulus ergibt.
Im Eingange schreibt die Universität, ^qui in eminentiori loco sunt
^^) Ms. in der Bibliothek Yon Avignon, Pikees relatives k l'universit^.
Objets di?. lY, 257 (Copie aus dem vor. Jh.).
^&) Reg, Vat. Avenion. tom. 8 Bl 167 a.
*8«) Reg. Suppl. Innoc. VI. an. 1. p. 1. Bl. 101.
M7) Beg. Suppl. Innoc. YL an. 9. p. 1. Bl 154a.
362 ni. Entwickeluog der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
collocati si digni reperiantur maiori ceteris gaudere debent pre-
rogativa commoditatis et honoris. Studium namque vestre civi-
tatis Avenionen. dicitur eminentius, prout ipsius facta atque
gesta non solum indigenis sed etiam adveuis ex diversis mundi
partibus ad V. S. confluentibus . . . clare demonstrant'. Im Ro-
tulus werden 10 legum doctores, 4 doctores decretorum und 4
utriusque juris erwähnt. Ausserdem erscheinen 53 licentiati
sowohl in decretis als auch und zwar meist in legibus, 359 baccalarei
in beiden Rechten. Speciell werden 'Nobiles' aufgefilhrt, und
zwar 40, theils Scholaren, theils Baccalarei in jure. Von
den Rechtsschtilern sind 466, von den Artisten 127 genannt*").
Die theologische Facultät wurde von Johann XXIIL am
6. September 1413 bewilligt"'). Urban V. und Gregor XI.
gewährten das Privileg der Dispens von der Residenzpflicht.
Nicht sehr frühe wurde in Avignon das erste Colleg für arme
Scholaren ins Leben gerufen. Das erste war für 12 Cluniacenser
bestimmt, welche Jus canonicum studieren sollten. Es wurde
vom Abte Jacob de Caussens im J. 1379 gestiftet und von
Clemens VII. bestätigt '^•*^). Wie das von Innocenz VI. in
Toulouse gegründete wurde es nach dem hl. Martialis benannt.
Weit mehr Bedeutung hatte das 1425 von Johann de Broniaco
errichtete weltliche Collegium Annessiacum für 24 Studierende
im Jus canonicum und civile.
Cahors.
Das Generalstudium zu Gabors, wo im 13. Jh. eine Gathe-
dralschule existierte, errichtete Johann XXII., welcher dort geboren
war, auf Bitten der Consuln der Stadt 4n qualibet licita facul-
^8) Reg. Suppl. Benedict XIII. an. 1 p. 1. Bl. 1. S. andere Rotali
in Reg. Suppl. Clem. YII. an. 16 Bl. 194b; Reg. Suppl. Bened. XIII. an. l.
p. 3 Bl. 156 b. Die Legisten hiessen: Raymundus de Boetenos, Petrus Poloni,
Nicolaus de Cayellis, der Spanier Alphons GundisaWi, der wahrscheinlich nicht
las, Johannes de Burgo, Petrus de S. Crnce, Joh. la Plön, Paulus de Sadone, Paul
de Paniceriis, Ferrarius Galborti. Die Decretisten: Franc. Benyomis, Symon
Cotumbi, Bertrand Raphaelis, Hugo de Genasio. Die Doctores utriusque: Goill
Benedict!, Jacob de Mansoguichardo, Hugo la Costa, Gervasius Bargen.
589) Laval 1. c. I, 39 n. 12.
^90) Cambis-Velleron, Annales d'Avignon II, 1 36. Von hier bis 141 beschreibt
er alle 7 Collegien, die in Avignon gegründet wurden. S. aach Bardinet, p. 74.
3. Hochschulen mit päpstl. StiftbriefeD. Gabors. 363
täte' am 7. Juni 1332*''*) mit allen Privilegien von Toulouse.
Am 23. Juli desselben Jahres gibt er in 2 Schreiben, von denen
eines an universi doctores, magistri ac scholares, das andere an
den Abt von Mareillac sur C616, den Archidiacon von Mont-
pezat und den Scholasticus der Kirche von Gabors, die er
zugleich als Gonservatoren bestellt, gerichtet ist, die Dispens
von der Residenzpflicht"*). Einige Monate darauf, den 24. Oc-
tober, bestimmte er nach dem Muster des Kanzlersamtes von
Toulouse den Scholasticus zum Kanzler der Universität, der wie
dort diesen Titel tragen sollte"^). Am 4. November desselben
Jahres wendet er die Magna Gharta der Pariser Universität,
die Bulle Parens scientiarum, auf Gabors an*'^). Auch
befiehlt er dem Gancellarius und der universitas doctorum,
magistrorum, licentiatorum , baccalariorum et scolarium studii
Tolosani, sie möchten auf Verlangen der Universität Gabors
dieser eine Gopie ihrer immunitates, privilegia et libertates
mittheilen*''*), und benachrichtigt hiervon den oben genannten
Abt, sowie den Archipresbyter von Montpezat und den Official
von Gabors"'). Hatte doch der Papst schon in seinem Stift-
briefe den Professoren und Schülern alle Privilegien von Tou-
louse zuertheilt. Fürstliche Privilegien, nicht aber fürstliche
Stiftbriefe, erhielt die Schule erst spät: im J. 1367 von König
Eduard III. von England, Herzog von Aquitanien, der die Schüler
von den Abgaben befreite und ihnen das Privilegium fori verlieh zu
»W) Reg. Vat. Comm. an. 16. part. 2 ep. 1166. Bei G. de la Croix,
Series et acta episcoporum Gadarcensium, Gadurci 1617 p. 221. Statuta
Academiae Gadarcensis. Tolosae (s. a.) p. 5. Bull. Rom. ed. Taur. IV, 324.
L'aniTersitö de Gahors im Bulletin de la 8oci6t6 des ^tudes du Lot (Gabors
1875), II, 141, jedoch hier mit dem falschen Datum 1331.
6W) Reg. Vat 1. c. ep. 1167. La Croix 1. c. p. 222. Bulletin p. 144.
693) Reg. Vat. an. 17. parte 1 ep. 1351. La Groix 1. c. p. 223. Statuta
1. c. p. 6. Nur ist hier wie auch im Bulletin p. 149 8 kal. Nov. statt 9. kal.
Nov. angegeben.
6«) Reg. Vat. 1. c. ep. 1547. La Groix p. 226; Statuta p. 7, Bulletin
p. 149, wider mit falscher Datierung. Es soll heisscn 2. Non. Nov. Dass die
Bulle Parens scientiarum zn Grunde liege, ist allen entgangen. Die Promovierten
(auch in theologia) durften ohne Examen flberall ausser in Paris lehren.
5ö*) Reg. Vat. 1. c. ep. 1548.
^^) Reg. Vat. 1. c ep. 1549. Beide Schreiben waren bisher unbekannt.
364 ^^I« Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
den andern Privilegien, welche Fürsten zu gewähren pflegten"').
Ihm folgte Herzog Ludwig im Jänner 1369*'®), der zugleich vier
Doctoren in jure canonico et civili und zwei Magistris in artibus
je 50 Lire anwies, ein Act, den König Karl von Frankreich
am 19. Juli des Jahres 1370 vidimierte"'').
Aus einem Vergleiche dieser zuletzt genannten Documente
mit dem nächst zu besprechenden, sowie aus einer Stelle in dem
Stiftbriefe des Gollegs de Rodez ergibt sich, dass die Hochschule
im Anfange viel besser bestellt war, nach vier Decennien aber zu
verfallen begann, obwohl sie bis in das 18. Jh. fortdauerte. 1343
baten Cancellarius Rector et universitas studii Gaturcen. Cle-
mens VI. für Professoren 'in eodem insistentibus' um Beneficien,
und es werden nicht weniger, denn 4 legum doctores, 2 juris
utriusque professores, 1 decretorum doctor, 1 licentiatus in
legibus, und 1 in decretis, 1 magister in artibus und 2 in
grammatica, im Ganzen also 12 erwähnt"®). Man ersieht ferner
daraus, dass die Hauptstärke im Römischen Recht lag, wenig-
stens in der Rechtswissenschaft, wie zugleich aus den kurzen an
Clemens VIL und Benedict XIII. eingesendeten Rotuli erhellt"*).
Uebrigens wurde in Gabors bereits im ersten Jahrhundert des
Bestandes der Hochschule auch Theologie gelehrt, worauf nicht
bloss die oben citierten Bullen Johanns XXH. schliessen lassen,
sondern am meisten die c. 1367 abgefassten Universitätssta-
tuten"'), in denen unter anderen von den theologi die Rede
ist. Dasselbe gilt von den Medicinern.
M7) Bei La Croix 1. c. p. 230. Bulletin p. 171.
598) Bulletin p. 176.
599) Ordonnances des roys de France, Y, 329. La Croix 1. c. p. 231.
Bulletin p. 168. Ein anderes Schreiben desselben Karl s. ibid. p. 180.
^ Reg. Suppl. Clem. VI. an. 2. p. 3 Bl 199a. Die Legisten waren
Foncius de Heremo, Gualhardus Alquerii, Peter Bugueto, Peter de Bruns,
aHe aus der Diöc. Gabors; die Doctores utriusque: Raymund Bernardi (aus
Agen), Peter Hugonis; der Decretist Peter deVerduno, beide ausder DiOc.Cahors.
«Ol) Reg. Suppl. Clem. VIL an. 1 p. 8 Bl. 161a; an. 2 p. 4. Bl. 67a.
Reg. Suppl. Bened. XIIL an. 1. p. 1 Bl. 195 a.
^ In den oben citierten Statuta aeademiae Gadurcensis p. 11, und im
Bulletin p. 156. Den Verfassern (Baudel und Malinowski) in Cahors des
Aufsatzes im genannten Bulletin entgieng g&nzlich die Schrift Statuta etc. und
sie glaubten a. a. 0. Anm. 1, die UniversUfttsstatuten seien nicht gedruckt.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Gr^noble. 365
Das erste CoUeg in Gabors gründete der Canonicus Raymond
de Päegry mittels Testamentes vom 10. August 1365 für 13
arme Scholaren, von denen fünf aus Cahors gebürtig sein
mussten. Zum Executor seines Willens bestellte er seinen
Bruder Hugo de P6legry, Archidiacon von P6rigueux, der später
die Einkünfte des CoUegs aus Eigenem vermehrte. König Eduard
von England bestätigte 9. Februar 1367 die Errichtung des Collegs
P6Iegry"»), was auch ürban V. 21. März 1367 that, dem Ar-
naldus Beraldi zugleich gewährend, dass er dem Colleg gewisse
Zehent- Abgaben zukommen lassen dürfe ^^^). Das GoUeg de Rodez
wurde am 16. April 1371 vom Erzbischofe in Neapel, Bemard, der
in Gabors geboren war, für eine unbestimmte Anzahl von ^pueri ha-
biles ad discendum grammaticam et logicam in studio Gaturcensf
gestiftet, und zwar um dem Studium selbst etwas aufzuhelfen,
'quod propter guerras in illis partibus vigentes valde est atte-
nuatum et quasi annichilatum' ^^'^).
Or^noble.
Das Generalstudium zu Gr6noble errichtete Benedict XXL
mit einem in der ersten Hälfte dem Stiftbriefe Bonifaz VHI.
für Pamiei's gleichlautenden Schreiben am 12. Mai 1339***^).
Die Veranlassung dazu waren hauptsächlich die Bitten des Delfins
Humbert H. wie sowohl der Papst im Stiftbriefe und in den
603) La Croix p. 271. Bulletin p. 174.
«W) Reg. Vat. Avenion. t. 16 Bl. 386. La Croix p. 272. BuUetin p. 175
606) Bulletin p. 182.
606) Reg. Tat. an. 5. ep. 420 Bl. 219 a. Es ist datiert 4. Id. Mali. So-
wohl Yalbonnais, Bist, de Dauphin^ et des princes qui ont port6 le nom de
Dauphins II, 411 als Berriat - Saint- Prix, Hist. de l'ancienne aniYersit^ de
Gr^noble 2. 6d. Yalence 1839, p. 6 kannten den Stiftbrief nicht, und man
begnfigte sich mit der Behauptung, die Universit&t sei vom Papste vor 1339
gegründet worden. Schulte sah die im Bull. Rom. lY, 460 publicierte Bulle
Yom 30. Sept. 1339 als den Stiftbrief an und behauptet, der Papst habe drei
Facult&ten 'wie in Yienne' genehmigt (Arch. f. kath. Kirchenr. XIX, 18),
wovon natflrlich weder in dieser noch in einer andern Bulle etwas vorkommt,
und dem ein ähnliches Missverst&ndniss au Grunde liegt, wie der S. 22 aus-
gesprochenen Behauptung, Löwen habe unter andern die Privilegien von
Passau und Merseburg erhalten. Bonnardidre gab endlich 1874 den Stift-
brief lückenhaft nach einem Yidimns vom J. 1345 heraus in der Revue
catholiqne des institutions et da droit III, 387 ff., mit dem irrigen Datum
3. Id. Mali.
366 ro. Entwickelang der Hochschulen bis znm Ende des 14. Jhs.
beiden andern Schreiben, als auch Hnmbert selbst in einer Urkunde
Yom 25. Juli desselben Jahres, womit er das neue Studium
privilegiert, aussprechen*®'). Der Papst gewährte ein General-
studium in jure canonico et civili et in medicina et artibus.
Am 27. Mai des nämlichen Jahres dispensierte er in einem an
die Magistri und Scholares studii Gratianopolitani gerichteten
Schreiben dieselben von der Residenzpflicht, was er auch den
Erzbischöfen von Ebredun und Vienne, sowie dem Bischöfe von
Valence anzeigte***). Am 30. September ordnete er die Pro-
motionen***); der Bischof von Gr^noble sollte sie leiten und die
licentia docendi ertheilen.
Das Studium gelangte nicht zur BlQthe, und Hess Oberhaupt im
14. und 15. Jh. wenig Spuren zurück. Anfangs lag die Schuld
daran wohl theils in den Zeitumständen, nämlich in der ver-
wickelten Stellung des Delfinats zum Kaiser, besonders aber zu
Frankreich*'*), theils darin, dass Humbert wegen seiner grossen
bereits von früher ererbten Schulden*") nicht in der Lage war,
den Professoren entsprechende Besoldungen anzuweisen. Jedoch
kam der Plan immerhin zur Ausführung und Humbert selbst bemühte
sich, das Studium in Stand zu halten. Am 13. Mai 1340 bestätigte
er neuerdings die Privilegien und übertrug dem rector studii die
Ueberwachung derselben *''). Am 2. October berief er Hugo de
Galbert als Professor der Decretalen*"). Im J. 1343 verwen-
dete sich die ^universitas studii generalis Gratianopolitani' bei
Clemens VI. für Laurentius Coticoti clericus Gratianop. dioc. in
artibus magistratus*'*). Es bezeugt diese Notiz doch jedesfalls,
dass man an dem Studium auch promoviert hat. Im J. 1345 am
^7) Bei Yalbonnais 1. c. p. 412. Der Delfin meint, der Papst habe
'sab indultis et privilegiis papalibas' bewilligt, dass in Gr^noble ^erpetao
generalia stndia in utriusque juris, medicine et artitim facultatibas* bestfinden.
öo») Reg. Vat. an. 5 ep. 651 Bl. 295 a.
«0») Reg Vat. an. 5 ep. 786 Bl. 343b. Bull. Rom. ed. Taur. IV, 460.
^^^) S. darfiber Winkelmann, Die Beziehungen Kaiser Karls IV. zum
Königreich Arelat. Strassburg 1882, S. 7 ff.
<^^i) S. Guiffrey, Bist, de la r^union du Dauphin^ k la France (Paris
1868) p. 24 ff.
«1«) Bei Valbonnais 1. c. p. 411.
«") Ibid. p. 424.
«!*) Reg. Suppl. an. 2 p. 3 Bl. 28b.
3. Hochschulen mit pftpstl. Stiftbriefen. Cambridge. 367
27. März ernannte Humbert Jacob Ruffo zum Professor des
römischen oder canonischen Rechts, je nach Gutdünken des
Rectors"*).
Obwohl von nun an bestimmtere Nachrichten fehlen, so ist
es doch sicher, dass die Schule nicht ganz verfiel'^®). Aber
ebenso gewiss ist es, dass sie Anfangs des 16. Jhs. als Hochschule
nicht mehr existierte, bis sie im J. 1542 auf Bitten des Stadtrathes
von Fran^ois de Bourbon reorganisiert und ihren alten Privilegien
bestätigt wurde**'). Wenige Jahre darauf, nämlich 1565, wurde
sie mit jener von Yalence vereinigt.
Cambridge.
Von England gehört Cambridge in diesen Zusammenhang,
obwohl diese Thatsache den Meisten auffallen mag.
Die Fabel von dem hohen Alter genannter Universität scheint
erst volle Wurzeln geschlagen zu haben, als ein Festredner in
Gegenwart der Königin Elisabeth, die 1564 dort auf Besuch
war und selbst coram universo academiae coetu eine Rede hielt,
das höhere Alter der Schule zu Cambridge vor jenem der Uni-
versität Oxford verfocht, worauf zwei Jahre später dieselbe Kö-
nigin bei ihrer Anwesenheit in Oxford das bei weitem höhere
Alter der Oxforder Hochschule preisen hörte. Die Folge war
ein zwischen beiden Schulen mehrere Decennien währender
Ahnenstreit.
Sind nun aber gleichwohl alle Privilegien König Arthurs
(531), Papst Honorius des L (625), König Cadwalladers (681),
u. s. w. Fictionen, so ist doch das Alter von Cambridges Universität
im Vergleich zu den meisten andern Hochschulen ein bedeutendes
zu nennen , wiewohl es hinter jenem von Bologna , Paris und
Oxford zurücksteht. Die Schule reicht kaum in das 12. Jh.
zurück, wie zwar Lappenberg, FuUer-Wright und (in BetreflF des
Zusammenhanges der Schule des 12. Jhs. mit der Universität
etwas reserviert) Huber, gestützt auf die Fortsetzung der Ingulf-
«15) Bei Yalbonnais U, 505.
0^«) S. Chorier, Histoire g^n^rale du Dauphin^ II, 453 f. Berriat-Saint-
Prix 1. c. p. 10.
617) Berriat-Saint-Prix 1. c. Bonnardiöre 1. c.
368 Ilf- EntwickeluDg der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
sehen Hist. Groyland. behaupten. In derselben wird nämlich be-
richtet, die Mönche, welche Abt Goisfred von Groyland in Gotten-
ham bei Gambridge angesiedelt, hätten in dem zuletztgenannten
Orte eine Schule 'ad formam Aurelianensis studii' und zwar für
alle damals entwickelten Zweige scholastischer Bildung gegrün-
det. Neben Aristoteles sollen auch des Averroes Isagoge und
Gommenta gelehrt worden sein. Da ich auf diesen Anachronis-
mus bereits oben^^") aufmerksam gemacht habe, brauche ich mich
nicht länger bei demselben aufzuhalten.
Die erste sichere Nachricht über Gambridges Schule reicht
in das Jahr 1209 zurück. Damals zogen viele von den 3000
Scholaren , die Oxford verliessen , auch nach Gambridge*").
Wahrscheinlich kam die Schule erst jetzt in Aufnahme. Die
ersten Urkunden sind aus dem Jahre 1231, dem 15. Re-
gierungsjahre Heinrichs III. Denn alles, was Füller ••*) aus
früherer Zeit anführt, ist aus höchst unlautern Quellen geschöpft
oder mit den Haaren herbeigezogen. Mit dem Jahre 1231 be-
ginnt aber ein förmliches Register von meist königlichen Schreiben
zu Gunsten der Universität Gambridge*'*). Aus den vier Docu-
<^i8) s. oben S. 7 Anm. 37. Ffir die Stelle war wohl der Bericht Or-
derichs Vitalis die Grundlage (s. a. a. 0.), welcher jedoch Gambridge nicht
erwilhnt, noch weniger aber von dort gegründeten Schulen spricht.
«1») S. oben S. 242.
^ The history of the university of Gambridge ed. Wright. Gam-
bridge 1840.
^^) Bei Dyer, The Privileges of the university of Gambridge. I. Lon-
don 1824, p. 5—53. Nur wenige Acte bringt er von p. 62 an in extenso. Die
Documents relating to the university and coUeges of Gambridge, London 1852
I, 1 — 62 enthalten nichts in extenso sondern lediglich ein Register, das zwar
den Inhalt genauer angibt, allein unvollständiger als bei Dyer ist. Beide
Begister beginnen mit dem J. 1229, d. h. mit dem Edikt, in welchem Heinrich III.
die Scholaren von Paris einlud nach England zu kommen, welcher Umstand
an sich mit Gambridge ebenso wenig als mit Oxford etwas zu thun hat Neben
diesen beiden Werken gebraucht man Füller wegen der dort vielfach in ex-
tenso gebrachten Docnmente, und Gooper, Annais of Gambridge (1842), mit
Nutzen. Völlig enttäuscht wird man durch MuUinger, The university of Gambridge
from the earliest times to the royal ii^junctions of 1635 (Gambridge 1873),
denn mehr als die H&lfte des Werkes ist nicht ad rem und unkritisch be-
arbeitet; Aber die Entwickelung der Hochschule erfährt man weniger als bei
Füller. Nur populäre Zwecke verfolgt Aogoata Dräne, Ghristian schools and
Bcholars (London 1881).
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Cambridge. 369
menten Heinrichs ni. aus diesem Jahre, alle vom 3. Mai, ergibt
sich, dass Cambridge einerseits bereits eine Universitas mit
einem Cancellarius besass, anderseits aber noch in ziemlicher
Unordnung sich befand. Der König freut sich in dem einen,
dass nach Cambridge 'studendi causa e diversis partibus tam cis-
marinis quam transmarinis scolarium confluit multitudo*, woraus
man indirect schliessen kann, dass Cambridge durch die Pariser
Auswanderung vom J. 1229 einen Zuwachs erhalten hatte*").
Der König nimmt die Scholaren gegen Bedrückungen von Seite
der Bürger in Schutz, und befiehlt, dass die Wohnungen 'secun-
dum consuetudinem universitatis' durch zwei Magister und zwei
Bürger taxiert würden"^). In drei andern Schreiben beklagt er
sich theils über die Scholaren, 'qui sub nullius magistri scolarum
sunt disciplina et tuitione', theils über die Insolenz mancher an-
derer Schüler, die sich vom Kanzler und den magistri scolarum
nicht bestrafen Hessen. Er verlangt die Verbannung oder Ein-
kerkerung derselben 'juxta discretionem Cancellarii et magistro-
rum'"*).
Da Cambridge mit einer Universität und einem Kanzler wie
mit einem Schlage dazustehen scheint, während doch zu gleicher
Zeit die Verhältnisse derselben so wenig geordnet sich darbieten,
so könnte den Leser mit Recht Misstrauen in die Äechtheit
dieser Documente beschleichen. Allein zwei Schreiben Gregors IX.
vom 14 und 15. Juni 1233, die sich in den Vatic. Regesten
finden"*), benehmen jeden Zweifel und machen es für immer
«2«) S. oben S. 246 f.
^) Shirley, Koyal and other historical letters illustrative of the reign
of Henry IIL London 1866. I, 398 n. 326. FuUer 1. c. p. 23 f. Auch bei
Dyer registriert, fehlt aber in den Documents. Dyer bringt p. 63 die Charta
desselben Königs vom 7. Febr. 1266, worin er sein eben citiertes Schreiben
bestätigt.
6*4) FuUer 1. c. p. 22. Dyer und Documents 1. c. Shirley hat 1. c. I,
396 n. 324 und 325 zwei publiciert; das erste, worin der König wider sagt
dass in Cambridge 'convenit multitudo studentium', fehlt bei FuUer, das an-
dere bringt auch er in extenso. Bei Dyer und in den Documents sind sie
jedoch s&mmtlich registriert. Vgl. dazu Cooper I, 42.
625 j jj^jxT das unwichtigere Schreiben vom 15. Juni an den Bischof war
bekannt, wenngleich noch nicht für die Geschichte benutzt. Shirley, Boyal
Denifle« Die Unirersitlten L 24
370 ni. Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
sicher, dass Cambridge schon damals eine Universität mit einem
Kanzler, dem Gerichtsbarkeit zukam, besass, wiewohl die Organi-
sation selbst noch nicht weit vorgeschritten war. In dem an den
Bischof von Ely am 15. Juni gerichteten Schreiben handelt es
sich um die Absolution der Scholaren wegen der injectio manu-
um*'*). In der andern weit wichtigern an den Cancellarius et
universitas scolarium am 14. Juni adressierten Bulle tritt der
Papst gegen die Scholaren, die mehr auf Streit als auf das Stu-
dium sinnen und die Studierenden unter nichtigen Vorwänden vor
auswärtige, ferne liegende Richter ziehen, auf**'). Beide Schreiben
and other historical letters of Henry III. I, 552. Luard» On the relations
between England and Rome. Cambridge 1877, p. 61.
^ Reg. Tat. an. 7. ep. 174. Bl. 52 b. Episcopo Ellen. Cum tanqnam
lucerna super candelabrum in ecclesia dei viri luceant litterati, per qnorum
doctrinam in semitam iustitie fideles populi diriguntur, merito proYidere yo-
lumus et debemus, ut illi qui scientie litterarum insistunt, impedimenti causa
si qua videtur inesse submota, studendi propositum libere prosequantur.
Eapropter dil. filiorum . . CanceUarii et scolarium Cantebrig. studentiam de*
YOtis supplicationibus inclinati . . . concedimus, ut eisdem scolaribus pro levi
iniectione manuum in seipsos vel alios clericos incidentibus in canonem sen-
tentie promulgate, ne veniendo pro absolutione ad sedem apostolicam Studium
intermittere conpellantur, possis juxta formam ecclesie in talibus consuetam
absolutionis beneficium impertiri. Presentibus post triennium minime yali-
turis. 17 kal. Julii.
^ Reg. Yat. an. 7. ep. 175 1. c: Gancellario et uniyersitati scolarium
Cantebrig. Ellen, dioc. Quo major ecclesie dei fructus ex viris provenit litte-
ratis, eo amplius convenit providere, ne litterali scientie insudantes malitiosia
inquietentur molestiis, unde Studium postponere conpellantur. Yestra nobis
Baue devotio intimavit, quod nonnulli clerici et alii qui simulata causa studii
in villa Cantabrig. convenire yobiscum plus seditioni quam scientie insistentes
studii vestri profectum graviter impediunt et perturbant. Asserentes namqae
se sustinuisse iniuriam a quibusdam vestrum, quos ipsi potius contomeliis
afficiunt ... ad judices remotos . . . eos faciunt ad iudicium malitiose yo-
cari, non ut causam habeant contra ipsos, sed ut tuam fili Cancellarie disci-
plinam eludant et illi fatigati laboribus et expensis cogantur affecti tedio
componere cum eisdem. Nos igitur yestris precibus inclinati volentee illo-
rum obviare malitiis et vestro dispendio precavere auctoritate vobis presen-
tium indalgemus, ne quis de cetero predictarum clausolarum pretextu qaen-
quam de universitate vestra, fllii scolares, paratum coram te fili CanceUarie
vel diocesano episcopo iustitiam de se conquirentibus exhibere trahere possit
ad iudicium extra dioc. Elien. . . . Presentibus post triennium minime vali-
tnris. 18. kal. Julii. Mullinger kannte beide Schreiben nicht
3. Hochschulen mit p&pstl. Stiftbriefen. Cambridge. 371
haben die Bitten des Kanzlers und der Universitas scolarium
veranlasst; sie machen die Ansicht, als sei die Universität erst
später entstanden, für immer unmöglich *"). Zugleich aber
ergibt sich aus beiden Schreiben, dass die Disciplin in Cambridge
keine glänzende war.
Doch dieser letzte Zustand dauerte dort über ein halbes
Jahrhundert an. Die meisten der ziemlich zahlreichen könig-
lichen Schreiben, nämlich solche aus den Jahren 1242, 1249,
1256, 1261, 1268 u. s. w., beziehen sich fast ausschliesslich
auf Einkerkerung oder Freilassung von Scholaren, auf Reibungen
und Zwietracht zwischen der Universität und den Bürgern, oder
dem Bischöfe von Ely, resp. seinem Archidiacon und andern
geistlichen Würdenträgern u. s. w.*"). Zur Abwechslung er-
fahren wir, der König habe 1. Febr. 1261 'occasione cujusdam
magne contentionis in villa Cantabrigiensi' den Studierenden
die Erlaubniss gegeben Cambridge zu verlassen und nach Nor-
thampton zu ziehen 'ad scholasticam disciplinam exercendam'®'^).
Drei Jahre darauf, 1. Febr. 1265, findet er es wider für gut, 'quod
universitas amoveatur a villa predicta', und nach Cambridge
628) Meiners II, 94 (und darnach theilweise Stein, Die innere Yerwaltang
etc. S. 291) nimmt das Jahr 1239 als das Gründungsjahr an. Aber längst
TOr ihm zweifelten Brian Twyne (Antiquit. acad. Oxoniensis Apologia. Oxo-
niae 1608, p. 280) und VSTood (Hist. univers. Oxon. I, HO; engl. Ausg. I,
261) an der Existenz einer Universität und eines approbierten Studiums zu
Cambridge um 1246, resp. 1260. Diese Zweifel sind für immer behoben.
««») Dyer, 1. c. p. 5—7; 62—67. Documents 1. c. p. 1—3. Diese
Documente erhalten auch eine Bestätigung durch Matth. Paris ad an. 1249
(ed. Luard V, 67), ad an. 1259 (V, 743 f.) etc.
630j Dyer 1. c, p. 6 n. 45. Documents 1. c. p. 2. Die zwei engl, in
Anm. 628 citierten Autoren bezogen dieses und das nächstfolgende Schreiben
auf die Universität Oxford. Allein gerade die Documents bringen Auszüge
ans den Originalien. Von einer gravissima discordia, die in Cambridge wie
in Oxford im J. 1259 statt hatte, berichtet auch Matthäus Paris. Chron.
mig. ed. Luard Y, 743 f. Doch bedarf es der Bemerkung, dass die alte
in den Documents citierte Nummer (Patent, 45 Hen. 3. m. 17) des
betreffenden Actenstückes , das in jener Zeit mit andern im Tower aufbe-
wahrt wurde, nicht zu der gleichlautenden Signatur im Public Record Office,
wo die öffentlichen Archive Londons vereinigt wurden, stimmt Dies gilt
auch von der Signatur des in der nächsten Anm. angeführten Documentes.
24*
372 ^^ EntwickeloBg der Hochschalen his zum Ende des 14. Jhs.
zurflckziehe*'^). Allein bald brach der Unfriede neaerdings los,
der ans der Unklarheit über die Abgränzung der Rechte des
Archidiacons des Bischofs von Ely nnd des Kanzlers der Universität
entstand, welche Rechte in Folge davon der Bischof von Ely im
J. 1276, dem 4. Regierungsjahre Eduards L, näher präcisierte*").
So bietet uns die Universität Cambridge der ersten Zeit
ein wenig erfreuliches Bild, und in einem gewissen Sinne hat
die Bemerkung bei Brian Twyne ihre volle Berechtigung: Canta-
brigiense Studium Henrici tertii temporibus valde fuit obscumm,
si uUum'"), während Oxford gerade während der Regierungszeit
des genannten Königs einen grossen Aufschwung nahm und sich
zu einer der ersten Hochschulen jener Zeit emporrang. Es ist
wohl wahr, dass auch an andern Hochschulen jener Zeit Un-
ordnungen vorkamen, und Oxford selbst, um nicht weiter zu
gehen, kann von derlei Dingen erzählen. Indessen kommt da-
zwischen doch immer eine ganz andere Geschichte zum Vorschein,
die zugleich für eine viel bestimmtere Organisation der Univer-
sität zeugt. In Cambridge dagegen waren die Unordnungen an
der Tagesordnung, und was sonst noch vorfiel, ist bald referiert.
Im J. 1240 wanderten viele Scholaren in Folge eines Streites
mit den Bürgern von Oxford aus und übersiedelten nach Cam-
bridge, wo sie der König vor den einheimischen Schülern privi-
legierte *"). 1255 nahm sich der König um die Privilegien und
631) Das Actenstück abgedruckt bei Füller 1. c. p. 31. Vgl. Dyer nnd
Documents 1. c , MulliDger p. 135.
632j s. das Document bei Füller p. 47. Vgl. Dyer 1. c.
693) Antiquit. acad. Oxoniensis Apologia p. 270. Habers Darstellung
1, 103 ff., jener Meiners gerade entgegengesetzt, muss ich als ganz verfehlt be-
zeichnen. Es war sehr bequem II, 574 f. ein scharfes Urtheil über Faller
und Dyer zu fällen. Was nützt es sich über die Armuth an Quellen bei
diesen Autoren beklagen, wenn man nicht einmal diese wenigen Quellen
(und viel mehr existieren schwerlich über die ältere Zeit) benützt?
634) Chron. maj. ed. Luard IV, 7: Tempore quoque eodem (1240) orta
est gravis dissensio inter scolares Oxoniae et cives; unde multi eorum ab
illa civitate usque ad Cantebruge mansionem transtulerunt , ubi quasdam li-
bertates a rege contra burgenses scolares sunt adepti et inde cartam regis
obtinuerunt. Diese Auswanderung steht, beiläug bemerkt, keineswegs wie
Meiners II, 39 f. meint, mit dem bekannten Tumulte gegen den Cardinallegaten
Otho im J. 1238 (nicht 1239), als er sich in der Abtei Osney aufhielt (cfr.
3. Hochschulen mit p&pstl. Stifthriefen. Cambridge. 373
Freiheiten der Schule an"*). Bald darauf erhielt die Hochschule
auch Statuten, denn der Bischof von Ely erwähnt im J. 1276
deren mehrere "*•). Auch waren dort wie in Oxford alle Facultäten
vertreten. Dies gilt besonders in Bezug auf die Theologie, über
welche wie in Oxford auch Dominicaner und Franciscaner lasen.
Schon die Vitas Fratrum nennen den Dominicaner Fr. Guillelmus
Lector in universitate Cantebrigie*'^). In den ersten Decennien
des 14. Jhs. wurde im Orden das der Universität einverleibte
Studium der Dominicaner als eines der vorzüglichsten betrachtet"^),
üeber die Franciscaner-Professoren existiert ein grosses Ver-
zeichniss, das bis in die Mitte des 13. Jhs. zurückreicht"'). Aus
einem Schreiben des Gancellarius universitatis Cantebrigiensis und
der Magistri ibidem regen tes ergibt sich ebenfalls, dass dort c. 1260
und vorher Theologie gelehrt wurde"'). Die Magistri in theo-
logica ceterisque facultatibus ibidem regentes werden in einer
Sentenz des Bischofes von Ely vom J. 1295 erwähnt "°). Ferner
hatte der Kanzler in Cambridge an der Wende des 13. Jhs.
Matth. Par. Ghron. maj. ed. Laard III, 481 ff.) in Verbindung, denn bei jener
Gelegenheit suchten viele Scholaren theils Northampton, theils Salisbury auf.
Vgl. Nie. Trivet2 bei D'Achery III, 191. VSTeber, üeber das Verbaltniss
Englands zu Rom S. 52 ff.
63») Bei Dyer p. 6 n. 39. Vgl. dazu einen Act Eduard I. bei FuUer
p. 24 no. 26.
es.*)») Die in Documents I, 308 gedruckten sind grossentheils aus 14. Jh.
«36) Parte V. c. 4 § 10.
637) So heisst es in den Acten des im J. 1320 zu Ronen abgehaltenen
Generalcapitels : Precipit magister ordinis de definitorum consilio et assensu
magistris et baccalarlis studiorum Parisien. Oxonien. et Cantabrigien., quod
aptiores tarn in scientia quam in vita de dictis provinciis ad legendum sen-
tentias debeant nominare. Cod. im Generalarchiv des Ordens Bl 216 b.
Während in anderen Provinzen die Sorge für die Studien die Provinciale
oder die Provincialcapitel über sich hatten, wurde dieselbe für die drei
Studien Paris, Oxford und Cambridge theilweise den dortigen Magistern über-
lassen, eben weil erstere so bedeutend waren. Es handelte sich um Anstel-
lung der Baccalarien, welche die Sentenzen lesen sollten.
63B) Mon. Francisc ed. Brewer I, 555 ff.
639) Shirley 1. c. II, 165 n. 543. Das an Heinrich III. gerichtete Schrei-
ben ist nicht datiert, stammt aber muthmasslich aus dem Jahre 1259—1260.
6*0) Bei Dyer 1. c. p. 10 n, 17. Im. J. 1318 berichtet Eduard IL, die Univer-
sität habe als 'fecunda mater' auch Gelehrte in der Theologie hervorgebracht.
''^ '" *'"''''*'^"«« <^' HoohsehaleB bl, .um Ende des 14. Jls.
'^''«tralos .,n.i K . *-*'"'>"<^^e die Eintheilung der Schfller in
«■"^•<le« bald rlf"? ''. *""^'^'^"* ^^^^«^ ^ J- 1261"'). Zudem
*rme Studiorom eH„iT« f. ''^' ^"^^^^ '^'^ ^«"««*"™ «»^
'»rächte aufän! ',. ^ ^ Balsham, Bischof von Hy (1257-1286)
unter, die !!f ? ''"* ^"'*^^ Scholaren im Hospital of St John
coguoiuiuantur " '*^"^*"' scolarium Oxonie qui de Herten
^ütci- des snif ,i' iK ''*'"^®''seDtur' , und von einem Theile der
öi« Spitals^Br^üder ?r '?*'"' *»« Eduard!. (1280) bestätigte «")•
^«t« Zusammeuleb ^ .^'^^*'''^*Don*er) störte jedoch mit der Zeit
deshalb letzteren ^^ ^^^ ^^^ Scholaren, und der Bischof übergab
<^'»urch, und statt t"* •^' ^^^* '^^^ hospicia' bei der St Peters
'^^'^ Ursprung de^ V*^ ™it gewissen Einkünften ans'"). Dies ist
'löherer Ausbildu ^^^^^^ College oder Peterhouse. Behufs
Stipendisten hies"^ durften einige der 'scholars of Ely', wie die
^och auch unt^"' ^^ ^^^^^^ studieren"*).
coDfirmierte, hört ?^'**rdl., der hauptsächlich Acte HeinrichsUI.
zwischen der u^!^ '^^f Unruhen nicht auf. So z. B. brach ein Streit
'anciscanern j^^j ^*"Sität einerseits, und den Dominicanern und
Koia aus entschi^^*'^®^*^ *'^^' '^*"' ^" Gunsten der letztem von
Pann^ sich eiu ^1^^ wurde'"). Zwei Jahre nachher (1305) ent-
LÖQig^*®^ zwischen den Scholaren und der Stadt*")-
0*1) o ^'duard II., der verhältnissmässig mehr als
'^•"""' S^Ä*'«« bore.,
64a\ . '^©n ^. *^«aies universitatis Cantabrig. werden in einem könig-
«*^oJariü5j ^"^^ ^^. B'^K^^ ^^^^^ erwähnt. Füller 1. c. p. 29f.
643) jv*^ ^^^df ^^^^ regelte Heinrich III. zu Gunsten der uniYersitas
^^« fivaog^,?^^^exit^^^^ Leben zu Cambridge. Dyer p. 63 f.
^4i sj *^*i (Oft»^^ ^^» L Baker-Mayor, History of the coUege of St. John
^ ^' *'uliel: ^i^ v'^'^Wge 1869) I, 22.
^«^beo du^. ^t^t A^^^^fl- Acte und das königl. Vidimus in DocumenU II,
Z^" ^ote^i '^^^ 15^*^ Qrttndung des Peterhouse, d. h. die Bewohnung des-
oiu''^^ io ^^^ ^/^^-Schüler, in das Jahr 1257, was Wright widerholt in
*^*" Hoti^j^ ^^b^* "^^^ *'0- 76 corrigiert. — Was bezüglich der Pythagoras
*^**^) B ^* 1>- »^^^ ^n^ Mr. Groses antiquitiea of England an Wales and
***^l ^* ^t^ 5^* Anm. 9 gesagt wird, beruht auf Einbildung.
**** j r»**^^^*- j ^^Uten in Documents II, 28 f.
^^^» r/i.^- P 78
^^eilera II tLondini I727\, 957. Andere Acte 8. p. 974. III, 142.
3. Hochschulen mit p&pstl. Stiftbriefen. Cambridge. 375
seine Vorgänger für das Studium in Cambridge that, lag um
dieses Zustandes willen daran ein päpstl. Privileg zu erhalten,
und er wandte sich am 18. März 1318 an Papst Johann XXn.
mit der Bitte, er möge 'universitatem perpetuare' und privile-
gieren"*). Der Papst leistete 9. Juni desselben Jahres Folge, in-
dem er in dem an die universitas magistrorum et scolarium studii
generalis Cantebrigie gerichteten Schreiben sagt, König Eduard
wünsche, dass ^apud Gantabrigiam vigere Studium generale, et
quod a doctoribus et docendis in posterum frequentetur' ; der-
selbe habe deshalb gebeten, ^ut Studium ab olim inibi ordinatum
et privilegia a Romanis Pontificibus . . . vel regibus Anglie qui
fuerunt pro tempore eidem concessa Apostolico curaremus muni-
mine roborari'. Und er fährt fort: 'Nos igitur . . . apostolica
authoritate statuimus, ut in predicto loco Cantebrigie sit de
cetero Studium generale illudque ibidem vigeat perpetuis fu-
turis temporibus in qualibet facultate, volentes authoritate pre-
dicta et etiam decernentes, quod coUegium magistrorum et sco-
larium ejusdem studii universitas sit censenda, et omnibus juri-
bus gaudeat, quibus gaudere potest et debet quelibet Universitas
legitime ordinata'. Darauf bestätigt er alle päpstlichen und
königlichen Privilegien"').
Es waltet hier ein ähnliches Verhältniss ob, wie in Bezug
auf Toulouse und Montpellier, wenngleich der Grund, warum die
öffentliche Anerkennung Cambridges als Generalstudium von
Seite des Papstes, wie sich aus der Darstellung von selbst er-
gibt, verschieden von jenem ist, warum dieselbe für Montpellier
und Toulouse erfolgte"").
Aus obigen Thatsachen wird es klar, dass Cambridge sich
in ganz anderer Weise entwickelt hat, bis es als geordnetes Gene-
ralstudium anerkannt war, als Oxford, trotzdem dass in der Or-
ganisation hier wie dort vielfach dieselben Momente zum Vor-
^ Bymer III, 698. Docaments etc. I, 6.
^ Ediert bei Faller 1. c. p. 80, und lange vorher in Gantalupi Eist,
de antiqnit. orig. Univers. Gantabrigien. ed. Hearne p. 256 als BaUe Johanns X.,
in Avignon am 10. Juli 915 ausgestellt! Das Datum ist flberall irrig und
der Text fehlerhaft. In den Reg. Vat Avenion. Johann. XXII. tom. 8
61. 217b steht: Y. Id. Junii an. 2. Twyne p. 110 f. hat den Act missverstanden.
•*»•) S. oben 8. 352 f.
378 in. Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
die in den päpstlichen Stiftbriefen sich oft widerholt. Clemens
bestimmt, dass dort ^generale Studium vigeat in qualibet licita
preterquam theologica facultate, et quod docentes et studentes
ibidem omnibus privilegiis . . . concessis doctoribus legentibus et
Scolaribus in studio generali commorantibus gaudeant'. Der abbas
saecularis ecclesiae B. Mariae erhält das Promotionsrecht. Valla-
dolid war damals noch kein Bischofssitz. Aus dem päpstlichen
Schreiben folgt aber auch, dass das bisherige Studium, obgleich sehr
blühend, doch nur als Studium particulare und nicht als generale
angesehen wurde, und dass mithin die oben aus einem Erlass
Ferdinands IV. citierten Worte auch nur in diesem Sinne auf-
gefasst werden dürfen. War es doch dessen Sohn, welcher sich
um die Bewilligung eines Generalstudiums an den Papst gewandt
hatte. Unter demselben Datum gewährte Clemens VI. auf Bitten
des Königs für sechs Jahre Dispens von der Residenzpflicht ••*).
Ebenso wichtig war aber ein anderes Privileg, das Clemens VI.
am 1. August ertheilte. König Alfons bat nämlich, der Papst
möge ^pro salariis doctorum et aliorum ordinarie in dicta villa
pro tempore actu legentium duas partes tertie decimarum reser-
vatas seu solitas reservari pro fabricis ecclesiarum civitatis et
dioc. Palentin., quas eidem regi in subsidium guerre contra per-
fidos Agarenos sedes apostolica interdum concedere gratiose con-
suevit, deputare'. Der Papst gewährt dies in dem an den Erz-
bischof von Toledo als dem Metropoliten gerichteten Schreiben
in der Absicht, *ut predictum Studium tanquam nova plantatio
congruis subsidiis foveatur . . . ac sperantes quod eiusdem studii
propagatio erit fidelibus illarum partium plurimum fructuosa\
und zwar vorläufig auf sechs Jahre"'). In der ersten Hälfte
des 13. Jhs. wurde, wie wir weiter unten sehen werden, in ähn-
licher Weise für das Salarium der Professoren an den Hoch-
schulen zu Palencia und Salamanca gesorgt. Valladolid gehörte
zur Diöcese Palencia. Der Modus, der früher in Bezug auf die
Hochschule zu Palencia angewendet wurde, kam, als diese schon
<Mi) Reg. Tat. Com. an. 5. lib. 2. p. 2. ep. 110 Bl. 85a.
^^) Reg. Yat. Com. an. 5. lib. 2. p. 2. ep. 151 Bl. 104 b. Im J. 1323
and Oberhaupt in jener Epoche hatte der Stadtrath fOr die Salariiemng der
Professoren, Conseryatoren und des Bedells des Studiums zu sorgen.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Yalladolid. 377
Dass der Ausdruck 'Studium generale' hier im uueigentlicfaen
Sinne genommen werde, wird sich alsbald zeigen. Die Magistri
waren aber bereits besoldet, wie sich auch aus einem Documente
Königs Alonsos XL vom 10. März 1323 ergibt*'").
Wir hören zudem, wenngleich nur Weniges, von solchen, die
diese Schule besucht haben.
Der Bischof P^rez de Pereira von Oporto deutet in dem
am 7. Jänner 1300 ausgefertigten Testament an, dass er einst
nicht bloss zu Salamanca, sondern auch zu Yalladolid studiert
habe**0- Auch wird 1312 ein *letor de cänones en Yalladolid'
(Sancho Garcia) erwähnt*").
Als Generalstudium wurde aber das Studium auf Bitten
Königs Alonsos XL von Castilien erst 31. Juli 1346 von Papst
Clemens YL erklärt"'). Der Papst sagt in dem Schreiben,
dass nach dem Berichte des Königs 'in ea (villa Yallisol.) Stu-
dium, licet particulare, ab antiquo viguit et viget multique ad
illam propter commoditates que reperiuntur ibidem concurrerunt
hactenus ac concurrunt, ac in ea viri valentissimi fuerunt in
scientia litterarum eflfecti'. Es ist dies der beste Beweis für die
eben ausgesprochene Behauptung, in Yalladolid habe ein Studium
bereits existiert Der Grund warum der Papst auf Bitten des
Königs nun ein Generalstudium gründet, ist, damit die Stadt in
Zukunft noch mehr mit den verschiedenen Wissenszweigen be-
reichert werde, ••°) 'ut vires producat maturitate conspicuos . . .
ac diversarum facultatum dignitatibus insignitos', eine Formel,
«^) Ibid. p 81. S. unten Anm. 662.
6ö7j Florez, Espana sagrada XXI, 108. Leider bringt er nicht den
Wortlaut des Testamentes.
6M) Flöranes 1. c. p. 81.
c«9)Beg. Yat. Com. an. 5 üb. 2. p. 2 op. 126 (II. kl. Aug.). Diese Stiftungs-
bulle wurde spftter von Clemens YII. am 26. Not. 1385 wider ediert (Reg.
Vat. Clem. VII. an. 7 [n. 296] Bl. 64 •) und zwar, wie es in der Einleitung
heisst, auf Wunsch der universitas studii Vallisoletani, da die 'originales
littere casnaliter' verloren gegangen seien. Nur in dieser Weise findet man
die Bulle Clemens VI. gedruckt im Anhange zu den Estatutos de la insigna
unirersidad real de Yalladolid. Yalladolid 1651, und bei Ortega 7 Rubio,
Historia de Yalladolid. Yalladolid 1881 I, 229.
660) (Yilla) huiusmodi scientiarum muneribus amplietur.
380 m* EntwickeluDg der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
von Gastilien und Leon ^Studium generale et universitatem theologice
facultatis' mit allen Vorrechten der theologischen Facultät zu Paris.
Wie vorher, so ertheilt auch jetzt der 'abbas secularis et collegiate
ecclesie b. Marie majoris', der hier Kanzler genannt wird, die
Licenz. Zugleich bestellt der Papst den Dominicaner Ludwig
von Valladolid als Prior und Decan der Facultät"*). Bereits
30. December 1417 erliess der Papst drei Schreiben zu Gunsten
der Universität. In dem einen richtet er sich gegen den Usus
des Königs und der Königin von Gastilien und Leon bei ihrem
Aufenthalte in Valladolid ihr Geleite theilweise in den Wohnun-
gen der Magistri und Scholaren unterzubringen*"). Die zwei
andern Schreiben wenden sich auf Bitten der Universität gegen
einige Verordnungen des Gegenpapstes Benedict XIIL, der den
^antiqua, laudabilia et utilia statuta canonice edita' seine für das
Studium zu Salamanca erlassenen Statuten und zwar unter
Strafe der Universität einen Theil der Subsidien zu entziehen
habe substituieren wollen"*). Bei Gründung der Universität
Alcalä wurde Valladolid mit Salamanca als Muster hingestellt**').
Die Universität nahm immermehr an Bedeutung zu, worauf unter
anderm auch ein Schreiben Leos X. vom 8. Dec. 1514 schliessen
lässt*^*). .
Heidelberg.
Von den fünf deutschen Universitäten, die bis 1400 entstan-
den, finden nicht weniger denn drei in diesem Abschnitt ihre
Stelle. Zuerst bietet sich uns Heidelberg dar.
Häufig nimmt man an, Kurfürst Ruprecht l. habe bereits
um 1346 'die erste Einrichtung zur Beförderung der Wissen-
schaften gemacht und so die erste Anlage zur Universität ge-
legt'*"). Trithemius verlegt die Stiftung in ein noch früheres
Beg. Martini V. im Archiv Yom Lateran, 1417. an. 1 üb. 1 Bl. 269 b.
667) Beg. Martini 1. c. Bl. 258 a.
•w) Reg. Martini 1. c. Bl. 112. 313.
669) S. nnten im 6. Paragraphen unter Alcalä.
67^) Archiv vom Lateran, Reg. Leon. X. n. 13 Bl. 17 b.
671) Dies ist die Ansicht von Hautz, Geschichte der UniyerBitftt HeideU
berg, ed. Reichlin - Meldegg I, 115 und mehrerer dort 112 f. citierten
Autoren.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Heidelberg. 381
Jahr, Dämlich in die Epoche unter Benedict XII."*). Was diese
Ansichten betrifft, so stützen sie sich auch nicht auf irgend ein
älteres Document. Sie sind auch in sich selbst haltlos. Ein
Stiftbrief Benedicts XII. existiert weder im Vaticanischen Archiv
noch in Heidelberg, und ebenso wenig ein solcher Ruprechts I.
aus so früher Zeit. Wir hören nur von der an der Wende
des 12. oder Anfangs des 13. Jhs. gegründeten Neckarschule,
welcher zwei Praebenden des Stiftes zum hl. Geist zu gute
kamen"'). Wir erfahren aber nicht einmal, inwieweit diese
Schule mit der nachmaligen Universität in Verbindung getreten
sei. Es wäre ein unhistorisches Verfahren, genannte Schola als die
frühere Universität anzusehen, zudem aus ersterer im Jahre 1386
kein einziger Professor, welcher im Vereine mit anderen den
Grund zur Hochschule gelegt hat, hervorgegangen ist.
Der Beweis hiefür ist sehr einfach; es bietet ihn der Bericht
des Marsilius von Inghen aus dem Jahre 1386. Der ge-
nannte Magister ist hier Autorität, da er ja die Seele des
ganzen Unternehmens gewesen war. Er sagt, dass am 19. Oc-
tober 1386 nur drei Professoren in Heidelberg waren, um die
Vorlesungen an der Hochschule zu beginnen, nämlich er selbst,
der vor nicht langer Zeit in Paris sich aufgehalten hatte"*).
672) Chron. Hirsaugiense ed. S. Galli (1690), II, 172. Allein zum
J. 1386 (p. 331) bringt er die richtige Ansicht, und es zeigt sich, dass er
froher nur die Perioden verwechselt hat. Ruprecht I. machte ihm überhaupt
Schwierigkeit. Vgl. Häusser, Gesch. der rheinischen Pfalz I, 155.
«73) S. Hautz, Geschichte der Neckarschule in Heidelberg (1849) S. 8.
Ueber die Elosterschnlen s. Gesch. der Universit&t Heidelberg I, 104ff.
674) Marsilius (Marceliu?, Mercelius, Mercilius) de Inghen incepit sub
magistro Willermo Unser in artibus am 28. September 1362« zu Paris
(Registr. nationis anglicanae im Universitätsarchiv zu Paris III, Bl. 46 a).
Im gleichen Jahre erscheint er schon als Magister in artibus in dem an
Urban Y. eingesendeten Rotulus, worin für ihn um eine Praebende bei St.
Severin zu Köln gebeten wird (Reg. Suppl. ürbaniV. an. 1 p. 1 Bl. 160b).
Er war unter anderm 1363, 1373, 1374 Procurator der natio anglicana (Reg.
nat. angl. ni, Bl. 49; lY, Bl. 35b 42b), und in den Jahren 1367 und 1371
Rector der Universität (Du Boulay lY, 414. 436) In Angelegenheit der
engl. Nation, resp. der Universität war er mehrere Male beim römischen
Stuhle, z. B. unter Urban Y. im J. 1368 als nuntius des Rotulus (Reg. nat.
angl. lY, Bl. 2 b), dann am Schlüsse des Pontificates Gregors XI. und dem
382 in* Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
dann Heilmann von Worms, der auch nicht früher nach Heidel-
berg kam, endlich der Gistercienser Reginald, welcher erst nach
ihnen anlangte""). Von einer Stiftung der Universität unter
Benedict XU. oder in der früheren Epoche Ruprechts kann keine
Rede sein. Warum berührt auch dieser in seinen 1386 ausge-
fertigten Diplomen jene nicht mit einer Silbe"^*).
Gehen wir also auf den eigentlichen Stiftbrief, das päpstliche
Schreiben vom 23. Oct. 1385, über. Er bietet zugleich eine Be-
stätigung des bereits Gesagten.
Nach der gewöhnlichen Einleitung erklärt Urban VI., der
Kurfürst wünsche sehr, ^fieri et ordinari per sedem apostolicam
Studium generale in qualibet licita facultate' in seiner Stadt
Heidelberg, und er, der Papst, bestimme deshalb, *ut in dicta
Villa de cetero fiat Studium generale ad instar studii Parisiensis,
illudque . . . vigeat tan; in theologie et iuris canonici, quam
alia qualibet licita facultate'. Er theilt den Studierenden die
Privilegien der Universität Paris mit und bezeichnet den Propst
der Cathedrale zu Worms, eventuell das dortige Capitel, als
denjenigen, der die Promotion zu leiten, die Licenz und das
Magisterium zu ertheilen habe. Die also Promovierten hätten
das Recht ubique docendi*"). Wenn hier das Jus civile nicht
Anfange jenes ürbans TL (ibid. Y, Bl. 17a. 20b, und daza Du Beul.
IV, 466). Als er in Heidelberg war, hatte er das Canonicat von St Andreas
za Köln inne.
67^) Bei Hantz, Gesch. der UniTers. Heidelberg II, 327 f. Im weitern
Verlaufe kamen noch zwei Prager Magister hinzu.
^70) Dass die Stiftung eine junge sei beweist auch die Chronik des
Zeitgenossen Engelhns, der sie, wenngleich irrig, Kaiser Ruprecht (III.)
zuschreibt. BeiLeibnitz, SS. rer. Brunsw. II, 1136. Hierin hatten Schwab, Qna-
tuor seculorum sy Ilabus rectorum (Heidelbergae 1786). p. 3 Anm. c, und H&usser
(l. c. 198) immerhin eine gesundere Ansicht als der jtkngere wortreiche
Hautz. Diese und obige Bemerkungen hatte ich bereits niedergeschrieben,
als mir die von Toepke musterhaft bearbeitete Matrikel der Uniyersitftt
Heidelberg (1884) zukam. S. 6 Annt 3 verweist er eine vor dem J. 1385
stattgehabte Stiftung der UniYersitftt mit Recht in das Keich der Fabeln.
Die irrige Hypothese wurde nach ihm im 15. Jh. zu dem Zwecke erfunden,
um Heidelberg als die älteste Universit&t auf deutschem Boden, bezw. ftlter
als Prag, hinzustellen.
<77) Bei HauU, a. a. 0. II, 814. In den pftpstl. Regesten fand ich für
3. Hochschuleii mit p&pstl. Stiftbriefen. Heidelberg. 333
genannt wird, sondern nur das Jus canon., so ist dies rein zu-
fallig und beweist keineswegs, dass der Papst nur Vorlesungen
über das canonische Recht gewünscht habe. Die Unterlassung
des jus civ. in der päpstlichen Bulle hat wohl nur darin seinen
Grund, dass der Kurfürst um die Bewilligung eines Generalstudiums
'ad instar Studii Parisiensis' gebeten hat"*), in Paris aber nicht
Jus civile, sondern wie bekannt nur jus canonicum vorgetragen
wurde. Der Kurfürst selbst nahm auch 'ad instar Studii Pari-
siensis' nicht buchstäblich, und so finden wir, dass in Heidelberg
wie in Köln, auf dessen Universität Urban VI. dieselbe Formel
anwendete, das Civilrecht nahezu vom Anfange an seine Vertre-
tung hatte •'•).
Man hat die Vermuthung ausgesprochen, die Hochschule habe
nicht bloss einen päpstlichen Stiftbrief, sondern auch eine kaiser-
liche Bestätigung erhalten. Zwar sei bisher eine Urkunde über
die Erwirkung der kaiserlichen authoritas nicht aufzufinden gewesen;
indess habe die kais. Bestätigung authoritas der Universität in keinem
Falle fehlen dürfen, da das Recht zur Ertheilung der Erlaubniss
zum Creieren von Doctoren von dem Kaiser als ein Reservat-
diese Zeit das Stadium zu Heidelberg nur einige Male erw&hnt, n&mlich in
den Reg. Bonif. IX. 1389 an. 1 lib. 13 BI. 134 b (im Archiv vom Lateran).
Am 9. November 1390 trägt der Papst dem Archidiacon von Hildesheim aaf,
dem Nicolaus Borgman, 'der. Treveren. dioc. bacaUarius in iure canon., qui
etiam ut asseritur magister in artibus existit et in studio loci de Heydelberg
Wormacien. dioc. in eisdem artibus regit', ein Canonicat von St. Paul in
Worms zu geben. Im lib. 6. Bl. 24 a wird Johannes Jungen de Aquis als
in studio loci de Heydelberch Scolaris in artibus erwähnt. Am 9. Nov. 1390
erhielt Heilmannus Wunnenberg canon. eccles. s. Ciriaci extra muros Wor-
matien. bacaUarius in sacra theologia und magister in artibus, einer der
zwei ersten Genossen des Marsilius, ein Canonicat in Speier. Ibid. BI. 9 a.
ürbans VI. Begesten bieten nichts; sie sind im Yat Archiv zu unvollständig.
Im Lateran beginnen die Regesten erst mit Bonifaz IX.
^7^) Dies ergibt sich nicht bloss indirect aus der päpstl. Bulle, sondern
direct aus dem gleichzeitigen Bericht des Marsilius von Inghen über den
Beginn der Hochschule. Bei Hautz 1. c. II, 326 f.
®79) Hautz, a. a. 0., I, 159 f. Der erste Doctor legum ist Matthaeus
Clementis. S. Toepke S. 24. Er wurde im 5. Rectorat, das am 16. December
1387 begann, eingetragen.
384 ^I* Entwickelang der Hochschulen his zum Ende des 14. Jhs.
Recht angesprochen worden sei "°). Allein diese Ansicht beruht
auf einem Missverständnisse. Der Kaiser hatte allerdings das
Recht Hochschulen zu gründen und die Erlaubniss zu den Pro-
motionen zu ertheilen. Allein gerade dieses letztere Recht war
theilweise durch das Gutdünken des Papstes bedingt, der Jamals
unumschränkt Hochschulen gründete und das Promotionsrecht ver-
lieh. Die päpstliche Autorität bedurfte damals keiner kaiserlichen
Bestätigung. Der Kaiser konnte seinerseits ebenfalls Privilegien-
briefe ausstellen, aber er hat es nicht immer gethan. Und
so sehen wir auch, dass in derselben Periode weder Köln noch
Erfurt einen kaiserlichen Stiftbrief erhielten"*).
Der päpstliche Stiftbrief gelangte erst 24. Juni 1386 in die
Hände des Kurfürsten'®*), und daraus erklärt es sich, warum
ein ganzes Jahr verstrich, bis Ruprecht endlich Ernst machte.
Am 26. Juni beschlossen die Pfalzgrafen, *quod juxta concessio-
nem apostolicam . . . dictum Studium in dicto oppido deberet
institui et per eosdem duces privilegiari' etc.**'); am 1. October
1386 erliess aber Ruprecht nicht weniger denn sechs Diplome.
In dem ersten bestimmt er, 'ut universitas studii Heidelbergensis
regatur, disponatur et reguletur modis et manieribus in Univer-
sitate Parisiensi solitis observari' "*). Mittels der nächstfolgen-
den Schreiben privilegierte er die Anstalt und die Studierenden.
Der Bischof von Worms ist der judex Ordinarius clericorura
studii; doch wird dessen Gewalt durch einzelne Bestimmun-
^ Ibid. S. 124 £ Auch in dem sehr sp&ten Verzeichnisse der
deutschen UuiversilAten im Cod. Yat. Reg. 850 erscheint ^Heidelbergensis in
Palatinatu anno 13S7' unter den 'academiae ab imperatore simul et Papa
privilegiatae.'
681) Im Abschnitte Aber das Verh<niss der geistlichen und weltlichen
Macht zur Gründung der Hochschulen komme ich auf diesen Punkt zu
sprechen. — Es ist auffallend, dass Hautz für seine Behauptung S. 125
keinen andern Beweis yorzubringen vermochte, als den, dass der Kanzler im
J. 1786 bei Ertheilung seiner Ermächtigung zur Vornahme der Ehrenpromo-
tionen neben der ^authoritas seüis apostolicae' auch auf die ^authoritas cae-
sareae majestatis' Bezug genommen habe. Allein, zwischen dieser Epoche
und dem Gründungsjahre liegen nicht weniger denn vier Jahrhunderte.
883) Hautz II, 327.
«8') Ibid. und Toepke L c.
«W) Hautz 1. c. II, 315.
8. Hochschulen mit p&pstl. Stiftbriefen. Heidelberg. 385
gen beschränkt Die Studierenden werden von den Abgaben be-
freit, und in Bezug auf den Einkauf privilegiert. Der Kurfürst
ordnet auch die Taxe f&r die Wohnungsmiethe u. s. w/"). That-
sächlich findet man in all diesen Schreiben keine anderen Bestim-
mungen, als solche, welche seit anderthalb hundert Jahren die-
jenigen Fürsten, welche sich mit den Hochschulen beschäftigt
hatten, zu erlassen gewohnt gewesen waren.
Eröfhet wurde die Schule am 19. October desselben
Jahres'^'), am 17. November fand die Rectorwahl statt, zu welcher
die drei Magistri artium, Marsilius, Heilmann und Dithmar de
Swerthe, der erst Anfangs November von Prag angekommen war,
erschienen. Marsilius gieng aus der Wahl hervor, die der Cüster-
denser und Theologie -Professor Reginald billigte*^'). Mehr als
vier Professoren waren damals noch nicht am Studium. Der
Decretorum doctor Johann van der Noyt (Noet) kam erst Ende
des Jahres oder Anfangs 1387 von der Hochschule zu Prag,
ohne welche die Heidelberger nicht hätte gedeihen können,
an"0.
Ich wüsste keine andere Universität zu nennen, die nach
einem so unansehnlichen Anfange so rasch sich entwickelt
hätte. Bis zum Ende des dritten Bectorats, d. i. bis zum
10. October 1387, wurden nicht weniger denn 482 immatricu-
liert, darunter zwei Magistri der Theologie, ein Doctor decre-
torum, ein Licentiat derselben, und einer der Medicin, der je-
doch nicht Lehrer wurde; 27 Magistri in artibus und Baccalarei
der obem Facultäten, 24 Baccalarei in artibus. Wer hätte am
19. October 1386 einen solchen Erfolg ahnen können? Die 6e-
sammtsumme der Intitulierten vom Beginne des Studiums bis zum
16. December 1387 beträgt 579"'). So mehrte sich das Lehr-
^ Ib. 8. 317 ff. Ruprechts Diplome werden im zweiten Bande ein-
gehendere Beracksichtigang finden.
^) S. den Bericht des Marsilius von Inghen bei Hautz 1. c. S. 328.
«87) Ibid. S. 329.
^) S. Toepke S. 8 Anm. 8.
«8^) Die Angäben bei Hautz sind irrig, wie sich nun jeder aus der tou
Toepke edierten Matrikel, der obige Zahlen entnommen sind, flberzeu-
gen kann. S. besonders S. 1. Anm.
D 0 ni n 6 , Die ViiiTeniat«ii I. 85
386 in. Entwickelong der Hochschulen bis ztim Ende des 14. Jhs.
personal schon unter den vier ersten Rectoren, wenngleich vorder-
hand nicht in allen Fächern. Da^ Givilrecht wurde noch nicht ge-
lehrt''®), ™d ^^^ Medicin fand erst von 1390 ab, in welchem
Jahre der Mediciner Hermann de Huxaria intituliert wurde, ihre
Vertretung*'^). Allerdings hielt dieses Wachsthum nicht an.
Bereits gegen Ende des Jahres 1388 verliessen fast alle Scho-
laren wegen der Fehden und der Epidemie die Universität, und
mehrere Professoren giengen nach Köln, wo eben die Grün-
dung der Hochschule beschlossen wurde*'*). Von den 21 Magistern,
welche das Kölner Studium anfiengen, kamen nicht weniger denn
sieben aus Heidelberg*'*). In der zweiten Hälfte des Jahres 1389
wurde die Frequenz an der Universität Heidelberg wider eine
grössere. Im J. 1407 aber traf die Hochschule das Unglück, dass
bis auf die lectio juris decretalium alle Vorlesungen der herrschen-
den Epidemie wegen eine Zeit lang eingestellt werden mussten*'*).
Die Universität erhielt ziemlich früh ein C!ollegium. Um
von dem 1389 errichteten Cistercierserhaus nicht zu sprechen, war
das erste und eigentliche das GoUegium in der Bursch, welches
den Dompropst zu Worms, Konrad von Gejlnhausen, der 1387
immatriculiert wurde und Kanzler der Universität war**'), zum
Stifter hatte. In seinem Testament vermachte er der Universität
seine Kostbarkeiten und Bücher, damit aus dem Ertrage ein
CoUegium nach dem Muster der Sorbonne erbaut würde, zu
dessen Ausführung man alsbald nach dem Tode des Stifters
(13. April 1390) schritt*'*). Das sogenannte Gollegium Arti-
Ei8t unter dem 5. Bector kam Matthaens Clemeniis, doctor legomi
an. S. oben Anm. 679. Das Civilrecht hatte auch im 15. Jh. nicht immer
seine Yertretong, wie sich unter anderm aas einem Antrage der UniTersit&t
Yom J. 1444 ergibt Bei Hantz I, 289. 300 Anm. 20.
^^) S. Toepke S. 5 Anm. 2.
^^) 8. die Bemerkung in der Matrikel bei Toepke 8. 34 und Anm. 4.
Marsilias Ton Inghen selbst spielt auf die 'erectio stndii Goloniensis' an.
^^) 8. unten anter Köln.
^) 8. Toepke, Matrikel 8. 105.
^^) Toepke 1. c. 8. 25. Er war Magister der Theologie.
«M) 8. Haats I, 187 f. Vgl. den Bericht der ünirersitat an den Kur-
fürsten aas 1410, ibid. II, 367.
3. Hochschulen mit pftpsü. Stiftbriefen. KOhi. 387
st4urum wurde im folgenden Jahre (1391) gegründet *''). Einen
gewissen Reichthum erhielt die Universität dadurch, dass ihr
Ruprecht ü. die Häuser und liegenden Oüter der von ihm ver-
triebenen Juden übergab. Diese Schenkungen bildeten den Grund
zu dem genannten CoUeg für Magistri*'^).
Von Bonifaz IX. erbat man unter anderm in einem bereits
1387 beabsichtigten, 1389 eingesendeten Rotulus zwölf Prae-
benden für Mitglieder der Universität*"). Förmliche Incorpo-
rationen folgten in den nächstfolgenden Jähren"''*).
Köhi.
Bedeutend mehr Interesse als Heidelberg bietet in ihren An-
fangen die Hochschule zu Köln. Längst ehe die Universität
gegründet wurde, befanden sich dort bedeutende Stifts- und
Klosterschulen. Allerdings sind uns über die meisten derselben
nur spärliche Notizen erhalten ^^®); allein dass das wissenschaft-
«»7) Ib. s. 190f.
^^) Ib. n, 360. Den beiden eben genannten GoUegien folgte im J. 1396
das CoUegiam Dionysianom. S. Haatz I, 196. II, 362 f.
699) Haatz II, 358. 8. dazu Toepke S. 27 Anm. 6; S. 38 Anm. 4.
Der Rotolas existiert nicht im Vat Archir, denn die Reg. Sappl., worin die
Rotnli sind, gehen nur yon Clemens VI. bis ürban V. an. 4. inclnsire.
Dann folgen noch die Beg* Sappl. Giemen. YII. nnd Benedicts XIII. Im
Archi? der Suppliken beginnen die Reg. Sappl. mit Martin Y.
^*) S. den Bericht der üniTersitftt aas 1410, Haatz n, 368.
700) s. darüber Bianco, Die alte Universität Köln I (Köln 1855),
8. 11 ff. Erg&nzende Notizen bei Ennen, Gesch. der Stadt Köln III, 833 ff.
In einem Sehreiben Goelestins IIL vom 20. Dec. 1191 wird aach ein magister
Bcolaram yon St Andreas erw&hnt (Pflagk-Harttang, Acta pont. roman. II,
397 n. 453), in einer Balle Honorias III. yom 31. Oct. 1217 der Scholasticus
▼on S. Oereon. Beg. Vat. an. 2. ep. 717. Nicht selten erscheint bei Aas-
fertigong ron Acten der Scholasticas, Magister scholaram (bei Gadenns, Cod.
diplom. I. n). Man lege jedoch aaf derartige Notizen nicht za grosses Ge-
wicht, so lange man ihnen nicht eine bestimmtere Grandlage geben kann.
Schon ZOT Zeit Roberts de Goar^n lasen yiele Magistri scholaram nicht
mehr nnd hielten sich nicht an die Residenzpflicht, obwohl sie 'in inTOSti«
tara talis dignitatis' daraaf einen Eidschwar abgelegt hatten; sie sabsti-
taierten sich andere, oder Hessen die Schale ganz fahren (Snmma, Codd.
Paris. 3258 BL 67 b. 14524 Bl. 47 b.) Wie die Praecentoria, so warde aach
das ^Magisteriam scholaram' and die 'Scholastria' schon frühzeitig eine
blosse Wflrde and Pfründe. Ein nicht aninteressantes Beispiel bietet ein
25*
388 ni. Entwickelnng der Hochschulen bis cum Ende des 14. Jhs.
liehe Leben in Köln wenigstens im 13. Jh. reger als in vielen
andern Städten Deutschlands war, schliesse ich schon daraus,
dass die Dominicaner um die Mitte desselben Jhs. ihr General-
studium f&r den Nord-Osten dorthin verlegt hatten, denen bald auch
die Franciscaner und andere Orden folgten. Dies war ein
Zeichen, dass in der betreffenden Stadt, wenn auch nicht
gerade eine Hochschule, so doch nicht unbedeutende Schulen
existierten ''^*).
Es ist indessen irrig mit Bianco anzunehmen, dass diese
Schulen zusammen schon lange, ehe in Köln die Universität
gestiftet worden war, 'ein Generalstudium gründeten'^"). Nicht
weniger schief ist die Annahme Ennens, am Generalstudium
der Dominicaner hätten 'die Zöglinge alle Studien machen und
auch die akademischen Grade der Theologie erlangen können' '^^.
Was einmal die Behauptung 'alle Studien machen' anbelangt,
so war im Dominicanerorden bis ungefähr 1259 das Studium in
den artes liberales sehr bedingt, und das Studium naturalium
erst seit 1262 theilweise eingeführt. Noch dürftiger sah es mit
dem Bechtsstudium aus^^^), um von der Medicin gar nicht zu
sprechen. Von der Erlangung akademischer Grade in der Theo-
logie kann aber deshalb keine Bede sein, weil selbst die
Mitglieder des Dominicanerordens dieselben bis in das 14. Jh.
nur an der Hochschule zu Paris, theilweise auch in Oxford, und
bloss ausnahmsweise an andern Orten nehmen konnten'^*). Fflr
Schreiben Innocenz lY. an den Magister scholamm zu Braga. Reg. Tat an.
2 ep. 608 B1.198a. Berger n. 1326. Immerhin aber war das einstige Offi-
cium fiOr die Würde die Qnmdlage.
701) S. oben S. 348.
7WJ A. a. 0. S. 11.
^M) A. a. 0. S. 835.
7<M) S. unten im yierten Hauptabschnitte.
705) Im Verlaufe des Werkes komme ich auf die weitere Darlegung
und Begründung zu sprechen. Hier erwfthne ich bloss, dass selbst in der
Tolosaner-Proyinz, die nach jener der Proyincia Franciae (Paris) in Bezug
auf das Studium am yorzflglichsten geordnet war, die Ordensgenossen nicht
am Generalstudium zu Montpellier, sondern in Paris promoyiert wurden. In-
teressant ist der zu Marseille 1260 erlassene Capitelsbeschlnss: NuUus mitta-
tur Parisius, antequam per duos yel tres annos audierit theologiam, et nt
3. Hochschulen mit pftpstl. Stifbbriefen. Köln. 389
Ennens Ansicht könnte man sich allerdings auf Quätif-Echard
berufen, welche von einem Magister -Verzeichnisse bis zum
J. 1368 sprechen, in dem wohl Johann von Dambach, aber
nicht Tauler als Magister erscheinen'^*). Haben nun die Au-
toren an der etwas dunkel stilisierten Stelle dieses Yerzeichniss
auf Köln bezogen, so lag dieser Behauptung nur ein Versehen
zu Grunde, denn Johann von Dambach steht nicht in einem
Verzeichnisse der Magister von Köln, sondern von Paris als
Magister'^'). Aus dieser letzten Liste erhellt auch, dass die
Dominicaner nur auf specielle Erlaubniss des Papstes hin
anderswo als in Paris promoviert wurden, so z. B. in Avignon,
Montpellier, Toulouse, Neapel, Prag u. s. w. Und so findet man
plares possint promoyeri, miasi Parisias non morentar ibidem ultra
bienniam. Cod. TolosaD. 273 Bl. 294 a. üebrigens ergibt sich diese That-
sache aus der Geschichte des Dominicanerstadioms zu Köln and zwar ge-
rade zur Zeit Alberte des Orossen. Thomas yon Aqain kam dorthin auf
das Studium c. 1248, wie ich anderw&rts nachweisen werde. Nachdem er
unter Albert die grössten Fortschritte gemacht hatte und reif fOr das Bacca-
lareat war, hielt ihn der Meister nicht in Köln zurflck, sondern 'persoasit
predicto magistro (ordinis), nt de fratre Thoma de Aquino pro baccalario
predicto studio (Parisiensi) proYideret describens ejus sufficientiam in scien-
tia et Tita' (Wilhelm de Toco in AA. SS. 7. Hart, t 1 p. 668. Ich habe
den fehlerhaften Text nach Cod. L YIL 27 der Bibl. nazion. in Florenz
corrigiert). Thomas reiste dann nach Paris.
706) Quötif-Echard meinen SS. Ord. Praed. I, 678, Tauler sei nicht in
academia Coloniensi laurea donatus worden, und als Grund scheint angefahrt
zu werden: neque nomen ejus in catalogo magistromm ad 1368 sat accurato
recensetur, ubi tarnen non fnisset omissum, si eo honore insignitus fnisset,
ut omissum non est condiscipnli ejus F. Joannis de Tambacho. Touren be-
hauptet in der That auf Grund der Aussage des Snrins, Tanler habe in
Köln promoTiert (Hist. des hommes illustres de l'ordre de S. Dominique H,
335). Ich selbst nahm in Tanlers Bekehrung kritisch untersucht (Strass-
bnrg 1879) S. 7 diesen Autoritäten folgend an, man habe in Köln promo-
vieren können. Allerdings wird nunm^ mein Beweis, dass Tanler nicht
Magister war, bedeutend yerstftrkt, ja apodictisch, denn Tauler erscheint nicht
im Magister-Verzeichniss yon Paris, mithin war er überhaupt nicht Magister.
707) So steht in dem Verzeichnisse der Magister zu Paris, resp. in der
Fortsetzung der ron Bemard Guidonis yerfassten Liste im Cod. Paris. 4348 BL
89 b: Fr. Johannes Tambac Tentonicns in Avenione per papam. Im Cod. L
lU. 16 der Uniyersitätsbibliothek zu Barcelona heisst es: Fr. Johannes
Tambach Teutoniens faetns per papam in Montepessulano anno hccczIyi.
390 m* Entwickelung der Hochsehalen bis znm Ende des 14. Jhs.
auch einen, der in Köln promovierte, nämlich den Fr. Johannes
dictus Badebent natione theutonicus in Colonia'^'). All dies
geschah aber erst seit c. 1313^^'). Erst viel später griff
im Orden eine andere Einrichtung Platz. Von einem Kölner
Magister -Verzeichnisse oder davon, dass man bereits unter
Albertus Magnus in Köln promoviert habe, kann also nie eine
Rede sein. Wie mit den Dominicanern so verhielt es sich auch
mit den Franciscanern. Noch im J. 1337 war es den Religiösen
nur erlaubt in Paris, Oxford und Cambridge das Magisterium
zu erwerben, obgleich sie ausserdem andere Generalstudien
besassen'*").
Wenn femer Ennen meint, 'das Studium generale hob sich
in Köln (unter Albertus Magnus) bald zu nie geahnter Blüthe
und die gewecktesten, strebsamsten Köpfe strömten aus allen
Gegenden nach Köln zusammen' u. s. w., so vergass er widerum,
dass jenes Generalstudium in erster Linie ein Ordensstudium
war, in Folge dessen das 'Zusammenströmen' von Jünglingen
gar sehr an Bedeutung verliert ^^'). Anstatt solche allgemeine
zum grossen Theile irrige Phrasen zu gebrauchen möge man,
soweit möglich, einmal die unmittelbar vor Gründung des
Generalstudiums an den verschiedenen Kirchen Kölns (mit Aus-
schluss der Klöster) exi3tierenden Schulen, deren es sicher
nicht wenige gegeben hat, mit Bestimmtheit nachweisen. Im
J. 1362 wird die Domschule erwähnt"*).
708) Im Cod. Paris. 4348 Bl. 82a.
709) In beiden Hss. liest man: Fr. GuiUelmus de Leos tholosaiias per
dorn, papam y. dementem inTholosa. Er findet sich unter solchen, die 1313
bis 1317 licentiiert worden.
710) 8. De Qubematis, Orbis seraphicns III, 33. Chronologia histor.
legalis FF. Min. I, 51. Im J. 1313 woUte man mit den Promotionen anch
in Tonioase anfangen; aUein es kam nicht inr AnsfUhrang. 8. oben Anm. 48€*
711) Ennen wnrde durch den unkritischen Petras de Pmasia yerfthrt
& 8. 835, Anm. Auch Trithemios, Chron. Hirs. ed. 8. QalU II» 290 spricht
m aUgemein, wenn er sagt, dass bei den Carmeliten and Dominicanern ^ec-
iiones publice legebantor*.
71^ In dem 1362 an ürban Y. eingesendeten Botahu magtstronuB,
Ucentlatornm, bacallariomm et peritornm wird Anioldas de AUendorpe
dericos Colon, dioec. mag. in artibns antiqaus, proYoctaa in medicina alt
Rector scolarom ecdesie Coloniensis erwihnt Urban. V. Reg. Sa^pl- an
3. Hochschulen ttit pftpatl. Stiftbriefen. Köln. 391
Die Kölner sowie die angränzenden Diöcesen schickten
seit langem, gewiss schon seit dem 13. Jh., viele ihrer fähigen
Köpfe zur Ausbildung nach Paris ^^'*), theilweise auch nach
Montpellier und Orleans. Nach Gründung der Hochschulen zu
Prag und Heidelberg finden wir sie auch dort^^'). Italien kommt
hier weniger in Betracht, da von den Professoren, die das Kölner
Studium anfiengen, kein einziger daselbst gebildet war, wie ja
überhaupt für den Beginn der deutschen Universitäten im 14. Jh.,
und nicht bloss für deren Organisation, nahezu ausschliesslich
Frankreich in Betracht kommt. Ich greife zum Nachweise für
Köln nur eine Epoche vor Gründung der Hochschule heraus.
Im Rotulus facultatis artium Paris., der 1362 nach Avignon
abgesendet wurde, stehen aus der natio anglicana 55 magistri
artium ^^^). Von diesen entfallen 27 auf die Utrechter Diöcese,
12 auf die Kölner, 5 auf die Lütticher, auf jene von Halber-
stadt und Mainz je 2, auf jene von Ermeland, Strassburg und
Gamin je ein Mitglied. Ausserdem erscheinen 3 Schotten und ein
Schwede. Wie man sieht gehört der Haupttheil der Utrechter,
Kölner und Lütticher Diöcese an. Ein ähnliches Yerhältniss ge-
wahren wir bei den Determinantes der natio anglicana zu Paris.
Als z. B. Jordanus de Cliyis, auf den ich alsbald zu sprechen
komme, am 10. Februar 1365 zu Paris determinierte, da thaten
dies mit ihm 39 Collegen aus der natio anglicana '^^). Wenn-
gleich nun im Begistrum nationis anglicanae zu Paris meist
die Angabe der Diöcese, und öfters auch die des Geburtsortes
1. p. 2 Bi. 176b. Ich halte es fflr sicher, dass gleichceitfg mehrere Stifts-
schulen existierten, da Bullinger zu seiner Zeit (1516—1522) nicht weniger
denn elf Schalen in Köln yorfand (Erafft, Aufzeichnungen des schweize-
rischen Reformators H. Bullinger Aber sein Studium in Emmerich und Köln.
Elberfeld 1870 S. 57), und da ja die EOlner gerade vor Gründung der Hoch-
schule eine so starke wissenschaftliche Rührigkeit entwickelten.
7^*) Aus dem Umstände, dass von Westdeutschland hauptsächlich Paris
als Studienort gewfthlt wurde, erkl&rt sich das öfters missyerstandene Wort
Jordans yon Osnabrück: studio unus locus principalis yid. Parisius sufficit.
Buch über das Rom. Reich ed. Waitz (Göttingen 1868) S. 71.
713) s. Hftusser, Geschichte der rheinischen Pfalz I, 208.
7U) 8. oben 8. 123 und Anm. 280.
Tift) iteg. nat. anglicanae zu Paris III, Bl. 74 b f. In Bezug auf die
einfachen Scholaren existieren keine Docnmente.
392 ni. Entwickelong der Hochschulen his znm Ende des 14. Jhs.
fehlt, so lägst sich doch so viel erschliessen, dass die meisten
der 40 Determinanten (mit Ausnahme von S—i) Deutschland
angehörten, und zwar vorzüglich dem westlichen, Holland und
Flandern mit einbegriffen. Bei vieren wird die Kölner Diöcese
angegeben, und Jordan selbst gehörte dieser ebenfalls an.
Andere waren sicher aus der Utrechter, Lütticher und Trierer
Diöcese. Dieselbe Beobachtung macht man im Registrum bis
1383'^'). Wenn die natio anglicana nach und nach natio Ale-
mannorum oder Alemanie wurde, welchen Namen sie in der
That 1400 "0 erhielt (und man strebte dies bereits 1378 an'"),
da die Natio in der 2. Hälfte des 14. Jhs. mit Ausnahme der
Schotten, hie und da eines Engländers, eines Dänen und
des einen oder andern Schweden fast nur mehr aus Deutschen
bestand)'"), so hat den Hauptantheil daran das westliche Deutsch-
land, und zwar vorzüglich der Niederrhein nebst Holland. Ich
sage den Hauptantheil, denn in der Natio war allerdings auch
das übrige Deutschland mit Böhmen, wenngleich schwächer, und
öfters auch Polen und Ungarn vertreten.
Auch in Montpellier finden wir Studierende aus den oben
genannten und andern deutschen Diöcesen. Von den 50 Deutschen,
die in dem eben citierten Botulus aufgeführt werden, erscheinen
drei auch in dem um dieselbe Zeit von der medicinischen Facultät
zu Montpellier an Urban Y. nach Avignon eingesandten, nämlich
Theodericus Hasselt, Henricus Mais de Goch und Jacobus Galcar''^).
716) Uebrigens gehörten nicht wenige Deutsche zur Picardischen Nation,
n&mlich alle, welche diesseits (von Frankreich aus gerechnet) der Mosel ge-
boren waren, wie die Nation noch 1357, gestützt auf alten Usus, behauptete
(Reg. nat. angL III, Bl. 35*). Wie viele aber bei jener Nation waren, Hast
sich nicht mehr nachweisen, da im UniTersit&tsarchiv zn Paris nur die
Jahre 1477—1484 und 1778—1792 des Registers jener Nation vorhanden sind.
717) Reg. nat. angL VI, Bl. 55 a. AUerdings wurde bis 1442 noch immer
die Bezeichnung natio anglicana angewendet. Budinszky, Die UnirerBitat
Paris und die Fremden an derselben (Berlin 1876) S. 32 Anm. 6 hat hierin
richtig gesehen.
718) S. unten unter Universität Wien«
71») S. oben S. 96 Anm. 183.
780) Beg. suppl. ürbani Y. an. 1. p. 1. BL 186a. Die beiden letzten
waren aus der Kölner Diöcese, der erste aus der Utrechter.
3. Hochschalen mit pftpstL Stiftbriefen. Köln. 393
Ausser diesen findet man in demselben 4 Graduierte aus der Utrechter
Diöcese^ je 3 aus den Diöcesen Gambrai und Gonstanz, 2 aus Köln
und Toumay, je 1 aus den Diöcesen Verdun, Münster, Breslau.
Das westliche Deutschland, und zwar zumeist südlich von
der Kölner Diöcese, ist stark vertreten in einem zu derselben
Epoche wie die frühem an Urban V. übermittelten Botulus
Oraduatorum de Provincia Maguntinensi"^). Von den darin auf-
gezählten Bewerbern um kirchliche Beneficien waren die meisten
Baccalarei, sei es in decretis oder in jure civili, oder in artibus
und medicina, wenige nur Magistri. Von ihnen gehörten 19 der
Mainzer Diöcese an, 4 der Constanzer, 3 der Würzburger, je 2 der
Wormser, je einer der Bremer, Lübecker, Halberstädter, Speierer,
Basler und Präger^''). In einem andern Botulus magistrorum,
licentiatorum , baccalariorum et peritorum Alamannie aus der-
selben Zeit erscheinen wider je 10 aus der ütrechter und Kölner
Diöcese, 9 aus der Lütticher, 3 aus der Constanzer, je 2 aus den
Diöcesen Osnabrück, Verdun, Münster und Mainz, je einer aus den
Diöcesen Namur, Paderborn, Bremen, Ermeland, Basel, Breslau,
Hildesheim, Prag"*). Allerdings werden einige der ütrechter
und Kölner auch in dem Botulus der Artistenfacultät zu Paris
(in der Natio anglicana) aufgeführt. Von all diesen waren viele
Magistri in artibus, andere licenciati oder baccalarei in jure
can., oder in legibus, in medicina, in artibus, theilweise auch
studentes in theologia, einer doctor decretorum. Es würde den
Bahmen des Werkes überschreiten, diesen Punkt noch weiter
7«) Ibid. an. 1. p. 2 Bl. 166 a.
^ Es geht nicht an, hier diese Rotali abiadrncken. Bringe ich einen,
80 mnss ich anch die andern mittheilen, und zwar YoUstftndig, denn sie sind
f&r die meisten L&nder interessant. Deshalb hier nur einige Beispiele zum
Erweise, wie die Deutschen heromgeworfen wurden. In dem zuletzt genannten
Botulus wird erwähnt Petrus Yoalperti (Wormser Diöcese) bacallarius anti-
quuB in decretis, qui per duos annos in Montepessulano et per tempus legit
in studio AYinionensi. In Montpellier las auch Ludovicus dictus Steideman
de Herfieldia aus der Mainzer Diöcese. Derselben Diöcese gehörten Ludolffus
Goppel an, Scolaris juris canonici Montispessulani, qui per decennium et
ultra ibidem studuit, bacallarius in decretis, und Henricus de Nanezen, mag.
in artibus, qui pluribus annis rexit Parisius et Scolaris in s. theologia. Der
Wormser Johannes Tilmann, bac. in decretis, war actu legens in Rom. curia.
733) Urbani Y. Reg. SuppL an. 1. p. 2 BL 175 a.
394 HL Entwiekelmig der Hochsduden bis mm Ende des 14. Jhs.
aaszaf&hren, obwohl ich recht gat dazu in der Lage wäre.
Mehr oder weniger gelangt man indess immer zu demselben
Resultate.
Erwägt man diese bisher nicht bekannten Thatsachen, so
bedarf es nicht viel Scharfsinn um zum Schlosse zu kommen,
dass, die Lage betrachtet, damals kaum eine andere Stadt West-
Deutschlands zu einem Generalstndium so geeignet erscheinen
musste wie Köln. War es wegen seiner Position wie heute ein
Mittelpunkt des materiellen Verkehres, so auch ein Gentrum
jener Diöcesen, die geistig am rührigsten waren. Durch die
Gründung eines Generalstudiums konnten die Studierenden der
angränzenden Eirchensprengel angezogen werden, so dass sie
nicht mehr Paris oder ein anderes fernes Studium aufzu-
suchen brauchten. Um aber die Hochschule zu erdffiien war nicht
nothwendig, ausländische Lehrkräfte zu wählen, da Kölns Söhne
bereits seit längerer Zeit auf auswärtigen Universitäten graduiert
worden waren und an denselben Lehrstühle bestiegen hatten.
Auf diesen letztem Punkt hat bereits Schmitz hingewiesen"*),
obwohl er obige Thatsachen noch nicht wissen konnte.
Man hüte sich jedoch zu glauben, dass diese Lehrkräfte
vor Errichtung des Generalstudiums bereits in Köln als solche
thätig gewesen seien. Dies könnte man nur behaupten, wenn
es sich auch wirklich erweisen Hesse. Paulsens Ansicht, es habe
sich in Köln ^bloss um eine Zusammenfassung der in verschiedenen
Klöstern und Stiften vorhandenen Kurse in eine universitas
studii Goloniensis mit dem Becht der Ertheilung akademischer
Grade gehandelt' "'), beruht auf einem argen Missverständnisse.
Kann man sich denn nicht einen Magister ohne Schule, und
einen Magister, der zugleich ein Ganonicat inne hat, ohne Stifts-
schule denken? Mussten etwa die 21 Magistri, welche das
Studium in Köln angefangen, unmittelbar vorher in den ver-
schiedenen Stiften und Klöstern Kölns vorgetragen haben, so
dass an der Kirche zu den Aposteln nicht weniger denn 5 Lehr-
stühle, bei Maria in GapitoHo 3, bei Maria ad Gradus und bei
St Andreas je 2 u. s. w. gewesen wären?
7M) In den MittheUongen ans Akten der üniYenitftt KOhi. Köln 1S78* & 3.
7<») In Sybeh Hitt Zsch. a. a. 0. S. 364 f.
3. Hochschulen mit p&pstl. Stiftbriefen. Eöhi. 395
Erscheint diese Behauptung schon an sich ungereimt, da es
so stark besetzte Stiftsschulen in einer und derselben Stadt
damals kaum gegeben hat, so ist sie auch ganz unbegrün-
det, indem über so blühende Stiftsschulen die Kölner Ge-
schichte schweigt. Im Gegentheile finden wir, dass viele der
genannten Magistri Canonicate an Kirchen von Köln schon inne
hatten, ehe sie dort waren, ja dass nicht wenige derselben erst
kurz vor Eröffnung der Universität nach Köln gekommen sind.
Zum ersten Male will ich die nöthigen Anhaltspunkte, soweit
es mir möglich ist, hiefür beibringen.
Gerardus de Kaikar war nicht vor Winter 1888 in Köta'").
Er hielt sich früher in Wien, und noch 1381 als actu regens in
artibus zu Paris auf ^"), wo er im J. 1371 das Canonicat in der
Apostelkirche zu Köln erhalten hatte''*). Theodoricus Distel de
Unna reichte bereits 1362, als er in Paris verweilte und die
Studien noch nicht vollendet hatte, um das Canonicat an der
Kirche des hl. Andreas ein'*'). Johannes de Ubach presb.
^) Er selbst sagt in seiner ersten Disputation am 6. Jänner 1889,
dass er wegen des Kölner Generalstndiams Wien verlassen habe. Schmitz
8. öf.
7^7) Registmm nationis anglicanae zn Paris V, Bl. 30 b. 32 a.
7^) Dies erhellt aas dem Schreiben Gregors XI. yom 27. J&nner 1371
an den Gantor eccles. Paris., der beauftragt wird, Gerhard, ^rpetaom ca-
peUanum in ecclesia s. Yictoris Xancten. Colonien. dioc magistrum in ar-
tibus, qoi at asseritur a qnatnor annis circa in eisdem artibas Parisius acta
rexit proat regit, et a totidem annis etiam in sacra theologia Scolaris extitit',
in das Canonicat einzafQhren. Reg. Yat Ayenion. tom. 5. Bl. 551a. Ger-
ardns Kypot de Kalker, wie er im Reg. nat. angl. 1. c. Bl. 17 a. heisst, war
also seit ongefilhr 1366—1367 Magister in artibas, and 1371 noch einfacher
scholaris der Theologie. Leider fehlen in dem Registram nationis anglicanae
za Paris gerade die Jahre 1365—1367 inclas. Im J. 1368 wird Gerhard dort
schon als acta regens in artibas aafgeführt (Reg. nat. angl. IV, Bl. 4^')>
Jani 1378 war er bereits baccallarias in theologia (Reg. nat V, Bl. 17*).
7^) ürbani Y. Reg. Sappl. an. 1. p. 1 Bl. 159. Damach war er 1362
Procorator nationis anglicanae, baccalareas in medicina, licenciatas in arti-
bas. Allein nach dem Reg. nat. anglicanae za Paris III, Bl. 41b. 42a war er
schon 1358 magister in artibas and erhielt damals das Licentiat (Bl. 27 a),
das Jahr daraaf ist er zam ersten Male procarator nationis (BL 43 a), za
welchem Amte er nachher öfters erwählt wnrde. In dem citierten Reg.
Sappl. heisst es femer, dass er früher 'soper defeeta nataliom, quem patitar
396 ni. EntwickeloDg der Hochschulen his nun Ende des 14. Jhs.
Colon, dioc. magister in artibus reflectierte ebenfalls 1362 auf
ein Canonicat in Köln, ^on obstante quod qaondam vica-
riam altaris in ecclesia s. Adelberti Aqüen. Leodien, dioa' inne
hatte"'). 1871 ist er in Paris'"). Lambertus de Euskirchen
war bereits 1380 Canonicos in Capitolio Coloniensi'")) ^387 als
Magister in artibns zu Frag'''), und wurde im selben Jahre zu
Heidelberg immatriculiert''^). Theodoricus Kerkering de Mona-
sterio promovierte erst 1384 zu Prag in artibus"*) und war 1387
bis 1388 in Heidelberg''^). Ck)nradus de Breydsthede oder Bret-
scheyde wird 1378 in die Artisten-Facultät zu Prag aufge-
nommen'"), und 1387 zu Heidelberg inscribiert'"). Johannes
Bersword de Tremonia war 1381 Procurator der englischen
Nation in Paris"'), und wurde 1387 in Heidelberg immatri-
culiert'^'). Dasselbe geschah mit HarÜenus de Marka, welcher
de presbytero genitus et soluta', dispensiert worden sei, am 'ad ordinem
minoram et beneficinm ecclesiasticum sine cora', nnd ebenso am 'ad ordinem
mtuoram et ad beneficiam ecclesiasticam etiamsi caram habeat animarom^
promoviert werden za können. Er hatte bereits das Canonicat and die
Praebende ecclesiae Mescheden. dicte diocesis, von deren EinkOnften er aber
nicht leben könne, 'cam valorem decem marcharam argenti non excedit'.
Dietrich Distel erscheint aach in den Beg. Yat Ayenion. ürbani Y. tom. 1
Bl. 610; tom. 2 BL 576. Oregorü XI. tom. 24 BL 319.
730) Beg. SappL ürbani V. an. 1. p. 2. Bl. 177 a. In diesem Botnlas
(S. oben S. 303. Anm. 723) ist nicht immer angegeben, wo sich die Betreffen-
den aafhielten. Allein aas dem Begistram nationis anglicanae la Paris er-
gibt sich, dass Johannes de Ubach za Paris verweUte. Er erhielt dort am
3. Mai 1358 das Licentiat in artibas and 'incepit' 24. Jani. HI, BL 38 b.
39a. S. n&chste Anm. Im Jahre 1352 determinierte ebenfalls ein Johannes
de Ubach. Ibid. Bl. 17 b.
731) Beg. nat. angl. IV, Bl. 22a.
733) S. Monumenta bist anivers. Prag. I, 1. p. 19.
7M) Ibid. p. 255.
734) Toepke, Die Matrikel der üniyersitftt Heidelberg I, 24.
735) Mon. bist. aniv. Prag. p. 221.
736) Toepke, Die Matrikel der üniTersiUt Heidelberg I, 25.
737) Toepke 1. c. 8. 8. 16.
738) Mon. bist 1. c. p. 182.
739) Beg. nat. angl Y, BL 32a. Er determinierte 1375 (lY, BL 44b),
and feierte seinen introitns erst 1378. Ibid. Y, BL IIb.
740) Toepke, Die Matrikel der UniYersit&t Heidelberg I, 8.
3. Hochschalen mit p&pstl. Stiftbriefen. Köln. 397
von Wien nach Heidelberg kam'^'), und mit Johann Bote de
Tekenborg, welcher gar erst im Frühjahr 1388 in Heidelberg
intituliert erscheint ^^'). Jordanus de Clivis, der seit einer
Reihe von Jahren von der englischen Nation zu Paris zu den
wichtigsten Aemtem verwendet wurde, hielt sich noch 1383,
d. h. bis zur Zeit, wo im Register eine Lücke bis 1392 eintritt,
als magister actu regens zu Paris auf ^^'). Herman de Aldenrode
erhielt dort erst 1377 das Licentiat'**), Theodericus de Nien-
borch aber determinierte in demselben Jahre ^^^'), Johann de Yenlo
war 1370 Procurator der Nation zu Paris'**). Arnoldus de
Gelario, der bereits ein Beneficium in der ütrechter Diöcese
inne hatte, bewarb sich 1365—1366 um eine prebenda sacer-
dotalis ecclesie Coloniensis '*^). Andere hatten vorher Beneficien
an ausserkölnischen Kirchen inne. Henricus Lupi de Wesalia
reichte von Montpellier aus im J. 1362 um ein Beneficium an
der Kirche des hl. Gervasius zu Mastricht ein'*')- I™ J* 1373
ist er m Paris, um die Stadt bald wider zu verlassen^**). Er ist
7*1) Ibid.
7") Ibid. S. 80.
7^) Reg. nat. angl. V, Bl. 41b. Er determinierte unter Marsilias von
Inghen am 10. Febr. 1365 (ib. III. Bl. 55 a), nnd war öfters Procorator. Er
heisst auch hier Jordannas Wanghe de Clivis. 1378 war er Bector der Uni-
yersität. Ib. Y, Bl. 9. 10.
7^) Reg. nat. angl Y, Bl. 7 b. Er bat darauf, man möge ihn, trotzdem
dass er jetit in die Heimat gehe, im Rotolus nicht y ergessen; er werde zn-
rQckkehrea Ibid. Bl. 8 a.
7*4«) Ibid. Bl. 5 b.
7^) Ibid. lY, Bl. 12a. Zwei Jahre vorher hatte er seinen introitus ge-
feiert Bl. 2 b.
7^) Mag. Amoldos de Gelario war 1366 procurator nationis anglicanae
SU Paris. Beg. Snppl ürb. Y. an. 3. p. 2 Bl. 107 b. Aach in Montpellier
wird 1362 ein Arnoldus de Gelario als magister in artibas Parisiensis ac
baccalariuB in medicina in Montepessnlano acta legens erwfthnt. ürban. Y.
Beg. Sappl. an. 1. p. 1. Bl. 186 b.
747) Er war damals Magister in artibas Parisiensis and Scolaris in me-
dicina. Beg. Sappl. ürbani Y. an. 1. p. 1 Bl. 187 b. 'Determinavit' in
artibas zu Paris am 10. Februar 1358 anter Heinrich Kaikar (Beg. nat an-
glic. in, BL 27 b) and erhielt das Jahr darauf das Licentiat. Ibid. Bl. 42 a.
748) Beg. nat. angl. lY, Bl. 34 b.
398 ni Entwickelang der Hochsclmlen bis snin Eade des 14. Jhs.
vielleicht identisch mit Heynricus de Wesalia, der 1387 in
Heidelberg immatriculiert wurde ^*').
Obgleich die Kölner und die angränzenden Diocesen viele
Doctoren und Magistri besassen, musste sich der Bath doch
erst um geeignete Lehrkräfte umsehen und sie berufen, wie
in der Matricula auch ausdrücklich erwähnt wird^^^). Davon,
dass es nur der Vereinigung bereits bestehender Schulen bedurft
hätte, hören wir nichts. Was es mit Faulsens Behauptung, die
mittelalterlichen Universitäten seien freier construierte CoUegiat-
stifte gewesen'"), für ein Bewandtniss habe, werden wir im
vierten Hauptabschnitte sehen. Noch irriger wird Paulsens Auf-
stellung, wenn er nicht bloss die Kölner Stiftsschulen, sondern
auch jene der Klöster herbeizieht. Gewiss gab es auch un-
mittelbar vor Errichtung des Generalstudiums in Köln dort
Klosterschulen. Allein nicht ein einziger jener 21 Magistri,
welche das Studium eröSheten, war ein Ordensmann.
Der Bath von Köln wandte sich durch Beligiosen aus den
Bettelorden"*) an ürban VI. mit der Bitte um Gewährung
einer Errichtungsbulle für ein Generalstudium. Am 21. Mai
1388 wurde dieselbe ausgefertigt Sie stimmt in ihrem ersten
Theile mit mehreren andern Stiftbriefen, z. B. mit jenen von Valla-
dolid, Wien, Fünfkirchen, Erfurt u. s. w. überein. Der Papst
gewährt ein Generalstudium 'ad instar studii Parisiensis in theo-
logie et juris canonici'''^') und 'in alia qualibet licita facultate'.
Das Promotionsrecht erhielt der Propst der Gathedrale oder
sein Delegierter, eventuell das Capitel"*). Am 22. December
7*ö) Toepke 1. c.
760) Bei Schmitz 1. c. 8. 4. Am 22. December 1388 sagten die Gon-
suln der Stadt, als sie die p&pstliche Stiftnngsbolle verlesen Hessen, 'qnod
ipsi jam providebant de solempnibns magistris et doctoribos ad inchoandnm
statim post instans festom Nativitatis Cbristi'.
761) A. a. 0. S. 283.
753) Diese Thatsache erfahren wir aus einer Kölner Chronik zum
J. 1388 (Die Chroniken der deutschen St&dte XIV, 728).
763) Warum hier nur jus canonicum genannt wird, hat in der Thatsache
seinen Grund, welche beim Heidelberger Stiftbriefe erw&hnt wurde. Dass es
alsbald Vorlesungen auch im Jus civUe gab, wird sich sogleich zeigen«
764) s. die BuUe bei Bianco 1. c. I, Anlagen S. 1. Besser bei Schmitz
L c. S. 41
3. Hochschalen mit p&pstl. Stiftbriefen. Köln. 399
desselben Jahres publicierte der Bath die Bulle mit der Be-
merkimg, dass er das Studium bereits acceptiert habe, das-
selbe erhalten wolle und die Absicht habe, die Magistri mit
Freiheiten auszustatten. Am 6. Jänner 1389 fanden die ersten
Disputationen statt ^^'^), am 8. incorporierten sich 21 Magistri, von
denen bereits die Bede war. Sie sind die eigentlichen Be-
gründer des Generalstudiums. Theils hatten sie in Paris, theils
in Montpellier, Prag und Wien promoviert, einer war Baccala-
reus in legibus von Orleans. Von ihnen sind: 1 Theologie-
Professor, 2 in theologia baccalarei formati, 1 magister in me-
dicina und 1 licentiatus, 1 baccalareus in legibus. Alle übrigen
wie die genannten selbst waren magistri in artibus. Am 9. Jänner
wurde der Bector (Hartlenus de Marka) gewählt Nach und
nach kamen noch mehr Magistri und andere Oraduierte und
Scholaren hinzu, 'alii ad legendum, alii ad audiendum in theo-
logie, juris canonici et civilis, medicine et artium facultatibus'.
Sie alle liessen sich der Universität incorporieren. Noch im
selben Jahre wurden der Universität einverleibt: 7 magistri in
theologia (Oerardus Ealkar eingerechnet), 2 doctores juris utri-
usque, 2 doctores decretorum, 2 magistri in medicina, 1 bacca-
lareus formatus in theologia, 3 licentiati in legibus, 1 in jure
can., 2 in medicina und eine Menge magistri artium und Bacca-
larei der verschiedenen Fächer. Die Matrikel desselben Jahres
weist nicht weniger denn 737 Mitglieder auf "•). Keine Universität
Deutschlands in unserer Periode, auch nicht Prag, hat einen so
glänzenden Anfang genommen. Dieser Umstand fällt um so mehr
7^) 8. Schmitz 1. c. S. 5 f. Der erste, welcher disputierte, war Gerhard
de Kaikar. Die Kölner Chronik sagt irrig, der erste Doctor, welcher (aber
die hl. Schrift) disputiert habe, sei 'ein doctor ran der universitete yan
Praga' gewesen (Ohroniken 1. c). Die Acta univers. Colon, in der National-
bibL zu Paris, nony. acquis. lat n. 2165 (s. unten Anm. 772) Bl. 13 setzen
die Eröffnung der üniyersität und die erste Disputation nicht auf den 6.
sondern auf den 5. J&nner: uniyersitas haec Colon, fundata est ab ürbano
60 Pontif. anno ab incam. dorn. 1388 et inchoata est anno sequenti 1389 in
profesto seu yigilia epiphaniae dorn., quo die prima lectio in domo capitulari
Coloniae facta est, sicut in libro alio yidere fuit
756) S. bei Schmitz, S. 6 ff. 9 ff.
400 ^- Entwickelung der Hochschnlen bis zum Ende des 14. Jha.
in die Wagschale, als vorher in kurzen Zwischenräumen drei
deutsche Hochschulen, nämlich Prag, Wien und Heidelberg, ge-
stiftet waren, die mithin, als die Kölner hinzukam, bereits eine
feste Position inne hatten.
Wie sich aus den gelegentlich angeführten Gitaten ergibt,
hatte in Köln selbst das Ciyilrecht keine sehr schwache Ver-
tretung, und die Universität besass auch in der Folge nicht
unbedeutende Juristen. Bereits im J. 1398 erliessen zwei legum
doctores actu Goloniae regentes ein Bechtsgutachten über die
Brüder und Schwestern des gemeinschaftlichen Lebens'*^).
Achtet man nun, um auf die Lnmatriculierungen des ersten
Jahres zurückzukommen, auf die Herkunft der einzelnen Inscri-
bierten, so findet man wider fast alle jene DiOcesen betheiligt,
in deren Mitte sich die Kölner Diöcese im J. 1362 zu Paris und
Montpellier befand; es besteht sogar nahezu dasselbe Yerhältniss,
nur tauschen jetzt naturgemäss die Kölner und Utrechter
Diöcese die Plätze, jene erscheint am zahlreichsten, ihr folgt
dann, und zwar unter sehr starker Vertretung, Utrecht, dann
Lüttich, endlich Gambrai, Mainz u. s. w. Zu ihnen kommen
auch andere nahe gelegene, besonders Münster und Trier. Köln
wurde in der That ein Mittelpunkt des geistigen Lebens der
westlichen Länder deutscher Zunge. Der Bath von Köln, der
seine Absichten bei Erö£Ehung des Generalstudiums den Nachbar-
gegenden mittheilen liess, hatte gut gerechnet
Am 12. Februar 1390 giengen drei Abgesandte der Uni-
versität mit einem Botulus zu Bonifaz IX. nach Bom, um
Gnaden und Begünstigungen sowohl für die Gesammtheit als
für die einzelnen Mitglieder zu erlangen '*'). Der Papst fertigte
drei Bullen aus, die auf den Krönungstag, den 9. November
1389, zurückdatiert wurden''^'). In der ersten gewährte er den
7^7) S. die Nachweise bei Mather, Geschichte der Bechtswissenscbaft
S. 98f. 245ff. Den besten Anfsclüass gewährt jedoch immer die MatrikeL
8. noch speciell Schmiti 8. 5. 8. 24.
7&8j Schmiti S. 8. 9. Diejenigen, welche den Botulas nach Rom ge-
bracht hatten, sagten nachher, derselbe sei im Registrnm sapplicationnm
eingetragen worden. 8. 1. c. 8. 20. Allein im Yat ArchiY existiert er nicht
mehr (s. die Bemerkung oben Anm. 699).
7^) Die Ballen wurden aasgestellt 5. Id. NoTemb. an. 1. Am 7. Oc-
3. Hochschulen mit p&pstL Stiftbriefen. Köln. 401
Studierenden die gewöhnliche Dispens von der Residenzpflichf ^);
mittels der andern bestellte er den Abt des Klosters zu S. Maiün
in Köln, sowie die Decane von S. Salvator in Utrecht und S. Paul
in Lüttich als Conservatoren dieses Privilegs, und dieselben
drei ernannte er auch zu Conservatoren, falls die Magistri und
Scholaren bedrückt würden ^^0. Warum die Conservatoren gerade
aus jenen 3 Orten gewählt wurden, hat wohl auch darin seinen
Grund, weil, wie wir soeben bemerkt haben, deren Diöcesen am
meisten am Generalstudium vertreten waren. Der Abt von
S. Martin in Köln, Theodericus de Gomu, besass noch besondere
Verdienste; er trug zur Errichtung der Universität nicht wenig
bei'").
Derselbe Papst gestattete am 23. August 1394 auf 10 Jahre,
wie er es auch für andere Generalstudien gewährte, dass 20
personae ecclesiasticae saeculares, selbst wenn sie Würden be-
Sassen, nach Wahl der Bectores und der Provisores studii die
Leges hören könnten'"). Am 16. September 1394 wurden von
Bonifaz IX. 11 Canonicate, eines in einem jeden Stifte, der
Universität einverleibt. Man hiess sie praebendae primae gra-
tober 1390 waren die drei Nnntii oder Abgesandten schon wider in Köln.
S. Schmits S. 20. Nun brachten sie aber die drei p&pstlichen Ballen mit,
wie dort ausdrücklich gesagt wird; das Datum kann also keineswegs 9. Nov.
1390 sein. Die Znrflckdatierung auf den Erönungstag oder wenigstens
anf frohere Jahre kam in jener Zeit, wenn es sich um Verleihung von
Beneficien und BegAnstigungen handelte, sehr h&ufig vor. Ich komme bei
den Universitäten Lissabon - Coimbra und Wien auf andere Beispiele ra
sprechen.
7M) Bianco S. 122.
761) Bei Bianco, Die alte Universität Eöhi I, Anlagen S. 119—122.
Derselbe in Versuch einer Gesch. der ehem. üniversit&t und der Gymnasien
der Stadt Köln (1833) S. 427. Alle drei Bullen werden auch in der Ma-
trikel bei Schmitz S. 20 erwähnt. S. noch die nächste Anm.
76t) 8. Kessel, Monum. hist. eccL Colon. (Colon. 1862) p. 149 und
p. 3 10 ff. die Bullen Bonifaz IX. In einem Gedichte auf den Abt p. 149
heisst es:
Tum Theodoricus de Comu nobilis ortu
Nobilior meritis summos excepit honores,
Erecti studii Primas sacrique licaei
Protector judexque a summa sede statutns.
763) Bei Bianco a. a. 0. S. 125.
DanifU, Die UniTenitAMn J. 26
402 ni. Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
tiae^**), denen im J. 1437 praebendae secundae gratiae folgten'**).
Am 20. November 1396 erhielten die Magistri und Scholaren
ein Privileg vom Herzog von Geldern'*'), die Stadt selbst aber
schenkte den Juristen und Artisten Häuser und besoldete aber-
dies mehrere Professoren.
So wurde also die Universität Köln lediglich vom Papste
gegründet, wenngleich auf Anregung der Stadt; obwohl zum
römischen Reiche gehörend, ertheilte ihr der römische Kaiser
keinen Stiftbrief, ja die Stadt und die Universität bewarben
sich nicht einmal um eine kaiserliche Bestätigung'*'). In dem
1577 an Gregor XHI. eingesandten Bericht über den Zustand
der Universität steht auch ausdrücklich, dass die 'universitas a
senatu sit impetrata, et a sancta sede apostolica instituta, privi-
legiis aucta, a nuUoque nisi a Romano Summe Pontifice tamquam
a fundatore pendeat'**). Semper haec academia Rom. ecdesia
curae fuit tamquam matri dilecta filia"**).
Die früheste in Köln gestiftete Burse (nicht GoUeg) wird
zum J. 1416 erwähnt"*). Ob die c. 1430 für 12 arme Scholaren
764) Bei Biftnco 1. c. S. 126.
765) Ibid. 8. 131. Sie wurden erst durch Nicolans V. im J. 1453 realisiert
766) Bianco S. 3. Er nimmt Bie nur in Schutz und befreit' sie Ton
ZöUen, Steuern und Abgaben. S. auch Schmitz. S. 42.
767) Ein kaiserliches Privileg erhielt Köln aUerdings am 4. August 1442
(von Friedrich III.); allein es geht in Bezug auf den Inhalt nicht über
jenen des Privilegs des Herzogs von Geldern hinaus. Im Cod. n. 2165 der
nouY. acquis. lat zu Paris El. 11. Bianco S. 4. Es ist sonderbary daas
Eaemmel, Gesch. des deutschen Schulwesens (Leipzig 1882) 8. 107 behaupten
kann, die üniversit&t sei 1388 'unter kaiserlicher' und p&pstlicher Zustim-
mung eingeweiht worden.
768) Archiv. Vat Arm. 61 n. 10 Bl. 40 a.
769) Ibid. Bl. 37 b.
770) s. Bianco I, 254. Jüngst fand Herr Oberlehrer Dr. Liessem am
Kaiser -Wilhelms -Gymnasium zu Köln in der Biancoschen Bibliothek einen
Auszug aus dem Decanatsbuche der Artisten -Facult&t zu Köln, der ftlr
1405 — 1426 vom Jesuiten Adam Easen (gest. 1. Juli 1653) herrührt, und
fELr 1426—1626 theils von ihm theils von Grotbauss fortgesetzt wurde. Zum
J. 1416 wird eine Burse erwähnt, und zwar die von M. Andreas de Werdena
und M. Arnold de Glotingen (s. Bianco L c). Der Excerpist macht hiesn
die Bemerkung: Haec prima quoad sciam mentio bursae est. Videntur
autem singuli magistri bnrsas id est parva collegia institulsse licat hi duo
3. Hochschulen mit p&pstL Stiftbriefen. Erfart. 403
mit einem Bector gestiftete Bursa coronanuQ ein eigentliches
Ciolleg gewesen ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Stipen-
diaten sollten Theologie oder Rechte studieren. Ein f&r alle
Male bemerke ich jedoch, dass die in Deutschland gegründeten
Bursen '") Ton den in den romanischen Ländern und in England
errichteten Collegien ftLr arme Scholaren bedeutend abweichen.
Im 2. Bande komme ich auf diesen Punkt ausführlicher zu
sprechen"').
Bzfort
Nicht weniger Interesse erregt die Universität Erfurt.
Schon die Vorgeschichte der verhältnissmässig spät gegründeten
Hochschule ist eine glänzende. Bereits im J. 1184 be-
stimmte der Mainzer Erzbischof Christian, 'ut quemadmodum
in aliis ecclesiis ita in prepositura B. Marie in Erford in con-
ventualibus tantum ecclesiis scolarum usus habeatur, hac utique
adiecta conditione, ut nuUa ecclesia nisi sue professionis pueros
scolares assumere debeat erudiendos' etc."'). In der ersten
Hälfte des 13. Jhs. müssen die verschiedenen Schulen Erfurts
nicht schwach besucht gewesen sein, denn das Chronicon des
i M. Andreas et M. Arnoldns Bünal habitarent; qnae postea desierint
eiectis celebrioribus borsia» Ich yerdanke diese Notis Herrn Dr. Liessem.
771) S. vorläufig über sie die richtigen Bemerkungen Paolsens in
Sybels Hist Zsch. Bd. 45 8. 4i0f.
77^ Znr VervoUständigong dieses Paragraphen fbhre ich an, dass die
Decanatsacten der Jaristen&cultät vom J. 1438—1530 in Köln (theilweise
im Original) erhalten sind; von den theologischen Facnltfttsacten ist das
erste Buch in Berlin (Ms. Boruss. n. 269 der Königl. Bibliothek). In der
Nationalbibl. zu Paris, nony. acqnis. lat. n. 2165 befinden sich die bereits
oben citierten Acta nniversitatis Colon, ab anno 1388—1750. Mit Ausnahme
Ton BL 93—103, deren Schrift aus dem 15. Jh. stammt, rQhrt die Hs. aus dem
16—18. Jh. her. Der Codex berieht sich auf die theologische Facult&t, und
Bl. 13 beginnt die Series decanorum ss. Facnltatis theol. Colon, ab anno
1898^1519. Zum J. 1893: Primus decanus facnltatis fuit M. Joannes de
Wasia. Der Codex bietet cum grossen Theile nur Excerpte , BL 28 sogar
aus Martine - Durand, Anecd. II, 1280. Im aweiten Bande komme ich auf
dieae Hss. zurttck. Einen Botulus vom J. 1403 s. bei Ennen III, 872.
77*) 8. Weissenbom, Hierana. Beitrftge zur Gesch. des Erfurtischen Ge-
lehrtenwesens, I. n. Erfurt 1870 S. 133.
26*
404 11^* Entwickelang der Hochschulen bis com Ende des 14. Jhs.
Nicolaus de Siegen, das für die Geschichte Erfurts selbst auch
in Bezug auf die ältere Zeit einen unläugbaren Werth bean-
sprucht, berichtet aus jener Epoche (c. 1239) über einen Auszug
von circa mille pueri aus Erfurt, die ausserhalb der Stadt ^con-
gregati coream fecerunt' ''*). Im Laufe der Erzählung werden
diese pueri mit scolares identificierf '). Auch in dem satyrischen
auf Magister Heinrich von Eirchberg verfassten Gedichte, dem
sogenannten Occultus Erfordensis^'*), wird die Zahl der Scho-
laren in Erfurt auf 1000 geschätzt ^'0. Vergleicht man jedoch
diese beiden ungefähr auf dieselbe Epoche sich beziehenden
Nachrichten mit einander, so folgt, dass an den Erfm1;er Schulen
wohl nur das jugendliche Alter vertreten war, und mithin der
Unterricht im Grossen und Ganzen schwerlich den Rahmen der
artistischen Studien überschritten hat Das war dort selbst
noch einige Zeit vor Gründung der Hochschule der FaU, wie
sich ergeben wird. Behauptungen wie diese, in Erfurt sei
bereits damals eine Art Universität gewesen, der nur der Rang
eines Generalstudiums gefehlt habe ''*), oder, es seien dort 'auch
höhere (Facultäts-)Studien' betrieben worden'"), entbehren für
das 13. Jh. jeder Grundlage. Wurden in Erfurt jene classischen
Autoren gelesen, welche der Dichter den Magister Heinrich
kennen lässt'"^), so würden die Erfurter Schulen ein Pendant
zu der gerade in diesem Wissenszweige ausgezeichneten Schule
774) Chron. eccles. ed. Wegele. Jena 18^ S. 354 f.
776) Ibid. p. 355: Factum «item fnit hoc negodom rire hec eorea in
feeto divisionis omninm apostolomm, cnm pneri siTe scolnreB canere in aeolis
aolent: In omnem temm exiTit sonns eonim. Dts Chronicon Sunpetrianm
(ed. Stübel) spricht nicht Ton diesem Ereignisse.
77«) Zuerst ediert ton Httfler in den Sitxgsber. der phiL bist GL der
kais. Aead. d. Wissensch. 37. Bd. (Wien 1861) 8. 183C; dann von
im 1. Bde. der GeschichtsqneUen der Provins gn^Ji«>^n. Halle 1370.
bisher flbersehene Hs. des Gedichtes ist Cod. Fari& 11345 vom
J. 1455.
777) Y. 1549 nach Hikflets, 1566 nach Fischers Zihlang. Vgl. data anch
die Bemerkung Fischers 8. 90 Anm. 4 (in der Separatansgabe).
778) Höfler a. a. 0. S. 187.
77») Mntber, Zur Gesch. der Bechtswissenschaft und der UnitersitfttMi
ia Dentschlaad 8. 47.
77»») y. 33 bei Fischer.
3. Hochscbulen mit p&pstl. Stiftbriefen. Erfurt. 405
in Orleans des 12. bis in die 2. Hälfte des 13. Jhs. bilden. Es wäre
dies kein geringes Lob für Erfurt Allein die Verse enthalten
nichts darüber, dass jene Autoren wirklich in den Erfurter
Schulen vorgetragen wurden; es heisst dort bloss, Heinrich
habe solche Fortschritte gemacht, dass er nachher mit allen jenen
Schriftstellern vertraut gewesen sei. Da das ganze Gedicht
eine Satyre auf Heinrich ist, so wird wohl auch diese Stelle
nur ironisch aufzufassen sein. Sie beweist allein noch nicht für
die vorgegebene Blüthe der Erfurter Schulen. Von der Anwesen-
heit nicht unbedeutender Gelehrten in allen Fächern zu Erfurt
zeugt jedoch eine andere Stelle im Gedichte"®).
Weitere Nachrichten über das Studium während des 13. Jhs.
bietet das Chronicon des Theodorich Engelhus, der im J. 1392
als 519. immatrikulierter Schüler der Universität Erfurt erscheint.
Zum J. 1293 berichtet derselbe über Statuten 'facta pro schola-
ribus et rectoribus Erfordiae per omnia ibi capitula', die durch
die Mainzer Richter bestätigt wurden"*). Diese Ausdrucks-
weise deutet allerdings auf ein etwas mehr einheitliches Studium
hin. Wenn aber Levold de Northof erzählt, dass er sich 1294
^ad Studium in Erford' begeben hat"'), so darf deshalb noch
nicht an ein Generalstudium gedacht werden, denn auch ein
Studium particulare wurde so genannt.
Leider verlieren sich die Nachrichten über die Schulen in
Erfurt in der ersten Hälfte des 14. Jhs., denn was Engelhus
anführt, Nicolaus de Lyra sage in der Postille über die Apoca-
lypse c. 13, er sei 1329 in studio Erfordensi gewesen"'), finde
ich wenigstens nicht bei de Lyra; sollte aber auch diese Stelle
einmal in einer Hs. entdeckt werden, so würde sie nichts für
die externen Schulen in Erfurt beweisen, um die es sich doch
hier handelt, sondern sie wäre auf die dortige Studien-
anstalt der Franciscaner zu beziehen. Es stünde dann fest,
dass Nicolaus de Lyra in seinem Kloster zu Erfurt gelehrt hätte,
denn in jener Zeit war er bereits Franciscaner, und einige Jahre
780) y. 1465 ff. nach Höflers Ansgabe, bei Fischer Y. 1485 ff.
7^) In Leibnitz, SS. rer. Bmnsyicens. II, 1123.
783) Bei Meibom, Ber. germ. I, 393 u. 394.
783) Bei Leibnitz L c. p. 1126.
406 ni. Entwickelnng der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
nachher, vielleicht schon damals, Schriftsteller. Nicht sehr viel
dienen Nachrichten, aus denen wir erfahren, dass an dieser oder
jener Kirche ein Rector oder Magister scholarum war. Wie
solche ftlr das 13. Jh. erwähnt werden'"^), so auch f&r 1445^*')-
Man weiss nicht immer, ob das Wort bloss einen Titel, oder
zugleich ein Amt bezeichnet'*"). Wären wir für Erfurt nur
auf solche Documente angewiesen, so würde der Schluss nicht
ungerechtfertigt sein, dass die Blüthe der Schulen im 14. Jh.
dahin war, was auch bisher angenommen wurde. Diese Ansicht
wird nicht erschüttert durch den Hinweis auf eine späte Chronik,
welche zum J. 1339 bemerkt, es hätten sich zuweilen Scholastici
und Canonici gefunden, welche der Jugend Deutsch, Lateinisch,
den Katechismus etc. gelehrt haben, und dies sei auch in Erfurt
im Stifte B. M. V. der Fall gewesen '*'), denn ein derartiger
Unterricht war bald irgendwo zu haben.
Trotz alledem besass aber Erfurt gerade im 14. Jh. und
zwar noch kurz vor dem Datum der ersten Stiftungsbulle eine
der bedeutendem Studienanstalten Deutschlands. Einige hdchst
kostbare Notizen, die ich im Yat Archiv fand, lassen keinen
Zweifel mehr aufsteigen, ja sie werfen helles Licht auf die
blühenden Schulen Erfurts vor Gründung der Universität In
dem 1362—1363 an Urban V. eingesendeten Rotulus magistrorum,
licentiatorum, baccalariorum et peritorum Alamannie wird ein
'Henricus dictus Totting clericus Osnaburgensis dioc. rector
superior studii generalis et solennioris Alamannie artium Erforden.'
genannt Er ist der letzte im Rotulus. Unmittelbar auf ihn
7M) S. Wflrdtwein, Dioc. Mognnt. comment. 11 p. 212 sqq. Vorzflglicii
wird der rector scholarum S. Severi genannt. Wardtweins Bemerkang p. 23,
es habe in Erfurt so viele Schalen, als Stifter und Klöster gegeben, ist wohl
flbertrieben.
7^) Vgl s. B. Gadenos, Sylloge Tarionim diplomatariomm (Fraaco-
forti 1728) p. 348 n. 13, wo aas einer Hs. ein Lector apnd S. Seyerom
zum J. 1343 genannt wird. Merkwürdigerweise hiessen die Rectores bei
St. Sever zumeist Heinrich.
7M) 8. oben S. 386 Anm. 700.
787) Bei Weissenbom, Hierana. I. II. p. 8 Anm. 15. £aemmel| Ge-
schichte des deatschen Scholwesens 8. 82 legt la yiel Gewicht auf diese
Notiz.
8. HochBchalen mit päpstl. Stiftbriefen. Erfiirt 407
folgt ^Hermannus dictus Balne clericas Coloniensis dioc. etiam
rector in studio supradicto' ^^^). Wie dieses za verstehen sei,
und inwiefern das Studium zu Erfurt bereits vor Errichtung
der Universität ^Studium generale' bezeichnet werden konnte, er-
fahren wir ziemlich genau aus einer Supplik Kaiser Karls IV.,
die er an den gleichen Papst einige Jahre später, nämlich 1366,
richtete.
Aus derselben geht hervor, dass Henricus dictus Totting
^Cursor in theologia et magister in artibus in universitate Pra-
gensi actu regens' war^^^). ^Aliqui suorum emulorum' behaupteten,
sagt der Kaiser, die Gratia, welche Heinrich früher (in der Supplik
vom J. 1362) erbeten habe, wäre ^subreptitia', da es in der Ein-
gabe heisse, er sei ^rector universitatis studii Erforden/, während
in Erfurt doch keine Universität existiere, und Heinrich selbst
in Prag lehre. Der Kaiser nimmt nun den genannten Lehrer
gegenüber den emuli in Schutz, indem er ausführt, Heinrich habe
durchaus geglaubt die Wahrheit zu sagen ^ex eo, quia in dicto
loco Erforden, secundum usitatam loquendi consuetudinem illius
patrie et aliarum circumiacentium dicebatur, prout adhuc dicitur,
esse Studium generale propter magnam studencium multitudinem,
qui ad prefatum locum plus quam ad aliquem alium locum tocius
Alamannie confluere consueverunt, et eciam ex eo, quia ibidem
sunt et fuerunt quatuor scole principales, in quibus philosophia
tarn naturalis quam moralis cum aliis libris arcium copiose lege-
batur, quarum scolarum superiorum prefatus Henricus rector
existebat, licet ibidem (zur Zeit der Einsendung des Botulus
vom J. 1362) non fuerit, nee adhuc sit universitas privilegiata\
7^) ürbani V. Reg. Suppl. an. 1. p. 2 Bl. 178 b. Für Heinrich wird
eine Praebende an der ecclesia major Hambargen. Bremen, dioc. erbeten, für
Hermann eine Praebende an der Kirche zu Minden. Der Rotalns wurde
in Arignon unterschrieben 16. kal. Febr. an. 1., für Balne 17. kal. Febr.
789) Er ist Heinrich Totting de Oytha, der bereits 1355 in Prag Ma-
gister war (Beg. Suppl. dem. VI. an. 11 Bl. 15 b, eine Eingabe an Inno-
cenx VI an. 3. enthaltend), nach 1367 noch dort (Mon. hist. nnivers.
Prag. I, 1 p« 133 ff.) und später in Wien war. Ich komme auf ihn unten im
Abschnitte über die üniyersit&t Prag zu sprechen. So weit man schliessen
kann, trat in Erfurt an seine SteUe Herman Balne, der ja auch rector in
studio genannt wird.
408 UI. Entwickelung der Hochschalen bis vom Ende des 14. Jhs.
Was die Behauptung betreffe, Heinricli hätte gesagt, er wäre
^rector universitatis studii Erforden.', so sei sie nicht wahr, da er
'de universitate non fecerit in supplicatione sua mentionem, prout
ex Registro Supplicationum Sanctitati Vestre constat evidenter* ; er
habe bloss geschrieben, er sei ^ector studii generalis arcium Er-
forden. Maguntin. dioc' Karl verwendet sich nun f&r ihn, 'qui
multis annis in dicta vestra universitate Prägen, et in dicto
Erforden, studio fideliter laboravit multos valentes clericos fiin-
dando in eisdem', um eine Würde in ecclesia Osnaburgen'*®).
Hier erfahren wir auf einmal, in wie grosser Blfithe die
Schulen Erfurts, ehe dort eine Universität gegründet wurde,
standen. Es waren daselbst ausser den niedem vier Haupt-
oder höhere Schulen, an denen Philosophie, und zwar wie die
Ausdrücke ^hilosophia tarn naturalis quam moralis' klar an den
Tag legen, vorzüglich die aristotelische, gelehrt wurde. Unter
allen Studienanstalten Alemanniens war jene zu Erfurt am be-
suchtesten und sie hiess auch deshalb abusive 'Studium generale\
Bereits vor Stiftung der Universität hatten die Schulen eine ge-
wisse Organisation, denn dies ergibt sich aus dem vom Kaiser
angezogenen Umstände, dass über die vier Hauptschulen ein
Rector gesetzt war.
Nun erst erhalten alle Notizen, die sich auf das Erfurter
Studium des 13. Jhs. beziehen, ihre wahre Bedeutung. Zwischen
einst und jetzt muss Gontinuität geherrscht haben. Der Kaiser
spricht, wie aus seinen Worten hervorgeht, nicht bloss von der
Gegenwart, sondern auch von der Vergangenheit Es scheint
nur, dass die Schulen im Laufe der Zeit allmählich einen
philosophischen Charakter angenommen hatten, und an ihnen
die Werke der Klassiker, sollten diese jemals vorgetragen wor-
den sein, durch jene des Aristoteles verdrängt wurden.
Jetzt besitzen wir auch die nothige Grundlage f&r die Be-
merkungen über die Rectores scholarum an den verschiedenen
Kirchen sowie f&r Berichte aus Chroniken, insoweit man ihnen
einen Werth beilegen kann, z. B. der Rath habe 1339 den Stu-
^ üriwni Y. Beg. SuppL an. 4. p. 1. BL 178a. Die Si^plik wwie
in ATignon &. kL Jon. an. i. bnrUligt, d. i. 37. Josi 1Z$S.
3. Hochschulen mit pftpstl. StiftbriefeiL Erfurt 409
deuten gegen die Steinmetzen und Wagner Schutz gewährt, und
1367 einen von ihm gekauften Hof an dieselben vermiethet^'^)«
Allerdings muss man sich hier vor üebertreihungen hüten.
Es bestand noch kein Generalstudium in Erfurt, und an den
dortigen Schulen kamen damals ebensowenig Promotionen vor,
wie meinetwegen in Magdeburg und Halberstadt, deren lang-
jähriger Bector studii doch noch immer beantragte nach Paris
auf das Studium zu gehen, und zwar wohl um promoviert zu
werden"'). Darauf deuten femer die Worte des Kaisers hin,
dass in Erfurt 'nee adhuc sit universitas privilegiata'.
Ich halte es indessen für wahrscheinlich, dass, wenn an den
Erfurter Schulen des 13. Jhs. auch die Rechtswissenschaft oder
die Theologie gelehrt worden wäre, sich daselbt ein Studium generale
ex consuetudine herausgebildet hätte. Aber selbst ohnedem bleibt
Erfurt immerhin der Buhm im 13. und 14. Jahrhundert eine
der berühmtesten Studienanstalten Deutschlands, ja selbst nach
der Gründung der Universität Prag, innerhalb seiner Mauern
geborgen zu haben""). Kein Wunder, dass sich Erfurt früher
als Heidelberg und Köln um ein Generalstudium im eigentlichen
Sinne beworben hat. Die Wege zu demselben waren geebnet.
Es ist rein accidentell, dass die Ausführung später als in jenen
zwei Städten zu Stande kam"^).
7^1) S. Weissenbom, Hierana 1. c. Falkenstein, Historia Ton Erffurth
(1739) S. 265.
^^ Ein clericas Rodolphus de Dorrete 'qni jam mnltis annis in artibas
stndait et per plarea annos in Saxonia Stadium rexit in civitatibns Magde-
borgen. et (im Texte <de') Halberstaden . . . . qui propter inopiam rernm
ad Stadium Parisiense, ubi se transferre desiderat, retardatur', hält bei
Clemens VI. um eine Kirche an. Clem. VI. Reg. Suppl. an. 2. p. 2 Bl. 227 b.
793) Durch obige Nachweise wird Eampschultes ürtheil (Die üni«
yersit&t Erfurt, Trier 1858, S. 7 Anm. 2) widerlegt, als lasse sich von
der Wirksamkeit der Schule in Erfurt bei der Gründung der Universit&t
keine Spur nachweisen.
7^) DöUinger hatte die ganse Entwickelung der Schulen Erfurts Tor
Errichtung der Uniyersit&t und deren blühenden Zustand im 15. Jh. ausser
Acht gelassen, als er in seiner Bede, Die Universitäten sonst und jetzt, S. 10
emphatisch bemerkte: 'Wollten doch selbst einzelne Städte wie Erfurt ihre
eigenen Universitäten besitzen'. Unverständig ist aber S. 12 der sehr wohl-
feile Witz, jede Stadt zweiten oder dritten Ranges und jedes Ländchen
410 in. Entwickelung der Hochschulen bis mm Ende des 14. Jhs.
Am 16. September 1379 erliess der ßegenpapst Clemens VIL
auf die Bitten der Stadt bin einen Stiftbrief, worin er bewilligte,
dass ein Generalstudium bestünde ^in grammatica, logica et
philosopbia necnon in juribus canonico et civili et etiam medicina
et qualibet alia licita facultate' '*^). Die Ordnung, in der hier
die verschiedenen Fächer aufgezählt werden, findet sich sonst in
keinem Stiftbriefe; man begann immer mit den hohem und
nicht mit den niedem Fächern. In diesem Falle scheint die um-
gekehrte Ordnung wegen des bereits bestehenden philosophischen
Studiums, worauf die Stadt vielleicht aufmerksam gemacht hatte,
gewählt worden zu sein. Am 1. October desselben Jahres folgte
eine zweite Bulle, in der Clemens erklärte, er habe fflr Erfurt ein
Generalstudium ^tam in sacra theologia, quam in jure canonico
et civili quam etiam quacunque alia facultate' bewilligt^'*). Am
1. Februar des nächsten Jahres dispensierte er die Studierenden
auf 5 Jahre von der Residenzpflicht '^O^ nachdem er schon dem
päpstlichen Legaten fär Deutschland am 18. December 1378
aufgetragen hatte, er möge die Vergünstigung allen an Hoch-
schulen Studierenden gewähren ^''). Das G^neralstudium wurde
aber noch nicht errichtet.
Zehn Jahre später wandte sich der Cardinallegat des recht-
mässigen Papstes Urban VI. im Verein mit dem Erzbischof von
Mainz und der Stadt an Urban mit der Bitte um Bewilligung
eines solchen. Die päpstliche Bulle erfolgte am 4. Mai 1389.
Sie beabsichtigte eine Neugründung, und nicht bloss eine Be-
hahe 'sein eigenes Uniyersit&tchen, gleichsam die Taschenausgabe einer Hoch*
schnle in Dnodezform zum Privatgebranche' besitzen wollen, was sor Folge
gehabt habe, ^dass Erfurt im J. 1805 noch 21 Studenten hatte'. Also, weU
nach vier Jahrhunderten des Bestandes die Universität Erfurt eingehen
musste, zu welchem Schicksale eine Menge Umstände zusammengewirkt hatten,
war die Grttndung selbst eine verfehlte, ja ein Nonsens 1
7»^) Reg. Yat. an. 1. (n. 291) Bl. 212a. Auch bei Motschmann, Er-
fordia literata (Erffurth 1729) I, 18 und Weissenbom L c. p. 1. In den Be-
gesten steht deutlich XYI kal. Oct. an. 1., so dass Motschmanns Vorschlag,
October in November umzuändern, an sich schon gedankenlos, ganz hin«
fällig wird.
''M) Bei Motschmann 1. c. p. 13.
7»7) s. Weissenborn L c. p. Xu.
7»8) Beg. Yat. an. 1 (n. 291) Bl. 18 b.
3. Hochschulen mit pftpstl. Stiftbriefen. Erfurt. 411
stätigung, wie Weissenborn will, weshalb der Papst auch nicht
mit einer Silbe die frühere Stiftung durch Clemens erwähnt.
Das Generalstudium soll In sacra theologia necnon in canonico
et civili juribus ac etiam in medicina, philosophia et qualibet
alia licita facultate' existieren. Als den bei den Promotionen
Functionierenden bestellte der Papst den Decan'''), eventuell
das Capitel der GoUegiatkirche B. Y. M. zu Mainz, während
Clemens VH dazu den Erzbischof von Mainz, eventuell dessen
Generalvicar oder wen sonst der Erzbischof, und bei seinem Ab-
gange der Propst, der Decan und das Capitel der Collegiatkirche
B. Mariae ad Gradus zu Mainz bevollmächtige. Aber auch nach
Erscheinen der Bulle ürbans VI. gieng man zeitweilig auf die
Bestimmung Clemens Vn. zurück, dass der Erzbischof von Mainz
Kanzler der Universität sei und eventuell einen andern an seiner
Statt designieren könne "®^).
Der erste Bector wurde erst nach dem 2. Sonntag nach
Ostern (28. April) 1392"'), also wahrscheinlich am 29. April
799) Die Ausdrucksweise ist auf den ersten Blick etwas dunkel, so dass
man im Unklaren darüber sein könnte, welcher Decan gemeint sei. Panlsen
scheint a. a. 0. S. 283 an den Decan der Artisten-Facultät denken zu wollen.
AUein davon ist keine Bede. Nach den späteren Statuten erweist sich der
Decan einer jeden Facultftt als deijenige, welcher die Promotionen überwachen
muss (s. bei Weissenborn 1. c. I, 6 Ruhr. 1 n. 2). Urban YI. hatte aber
keineswegs einen solchen Decan im Auge, sondern lediglich den des Gapitels.
Es ergiebt dies der Znsammenhang der betreffenden SteUe in der BuUe.
^ Das folgt unter anderm aus dem Schreiben des Conradus (Rhin-
graTins de Lapide) Electus Maguntin. vom J. 1419 an den Theologieprofessor
Johann Oranebom in Erfurt, worin er, cancellarius a sede apostolica spe-
cialiter deputatus, den Adressaten einstweilen zum Yicekanzler bestellt, damit
dieser die Promotionen yomehme und die Licenz ertheile. Oudenus, Cod.
diplom. lY, 126 n. 53. YgL auch Gudenus, Bist. Erfurtensis (Duderstadii
1675) p. 122 sq.
^^) Heinrich von Langenstein sagt in seiner Epistola ad Robertnm
Bayariae electorem, die er 1391 zu Wien geschrieben: Numquid non jam
apud Germanos luceme quatuor sapientie accense sunt, hoc est quatuor
generalia studia veritatis radiis coruscantia? Cod. Yindob. 4923 Bl. 67 b.
Erfurt rechnete er also noch nicht zu den Generalstudien, denn unter
den Tier Generalstudien Deutschlands können im J. 1391 nur Prag, Wien,
Heidelberg und Köln gemeint gewesen sein. Denis, Codd. mss. theol. I,
8237 schreibt irrig, es w&re hier ausser ron Köln, Heidelberg und Wien auch
Ton Erfurt die Rede.
412 ni. Entwiekelnng der Hoehsehnlen bis lom Ende des 14. Jhs.
erwählt ^^^). Im genannten Jahre (anter dem Bector Lad. Malner),
worden 523 immatricaliert. Diese Ziffer bleibt weit zurück hinter
der Anzahl Studenten, welche im 13. Jh. in Erfurt sich auf-
hielten. Hätten die Erfurter mit der Eröffnung des General-
studiums nicht so lange Zeit gezögert, so würden sie sicher eine
höhere Frequenz erzielt haben. Nun waren schon die Universi-
täten Heidelberg und Köln gegründet.
Unter den Immatriculierten des ersten Jahres befinden sich
22 Magistri in artibus, 1 Mediciner, je 2 Theologen und Juristen,
die vielen Baccalarei nicht mit eingerechnet. Im J. 1394 er-
scheinen schon wider drei neue Theologen. Eine grosse Be-
deutung gewann die Universität Erfurt im 15. Jh., die sie
theilweise der guten Vertretung der Bechtswissenschaft zu ver-
danken hatte "^'). Bereits vor der Mitte des Jahrhunderts war
die Hochschule die besuchteste in Deutschland.
CoUegien erhielt die Hochschule sehr frühe. Behauptete Erhard
mit Recht, dass die Statuten in dem Jahrzehnt vor Gründung der
Universität entworfen worden seien "*), dann würde sich ergeben,
dass zu Erfurt schon in dieser Epoche wenigstens Bursen be-
standen hätten, denn letztere werden bereits in jenen Statuten
erwähnt. Allein, eine solche Ansicht ist unhaltbar"*). Nichts-
destoweniger reicht das für Artisten gestiftete CoUegium majus
bis zum Beginne der Hochschule zurück. Sehr bekannt ist das
1412 gegründete CoUegium Amplonianum oder Porta coeli für
Juristen, das 1423 erneuert und 1433 für 15 Scholaren, Bacca-
larei und Magistri eingerichtet wurde*®*).
8<») S. Weissenbom 1. c. S. 36.
^ Eine nicht uninteressante Zosammenstellung der Recbtslehrer ans
der Matrikel machte Mather, Zur Gesch. der Bechtswissenschaft S. 207 ff.
80*) S. Weissenbom I, XXII; II, 1.
805) Dass die Statuten erst nach dem Tode ürbans YI. (15. Oct. 1389)
abgefasst worden sind, geht aas der Ruh. 2 herror. Dann werden Rab. 2. 19
die Consiliarii erw&hnt, die erst 1395 erw&hlt wnrden, worauf bereits Weissen-
bom hingewiesen hat. Es ist auch ganz irrig, nar von einem 'Entwurf
der Statuten zu sprechen; sie sind wirkliche Statuten, die aber unTollst&adig
auf uns gekommen sind.
806) Sinnhold, Erfordia liter. HI. St. 1 Sect 1. p. 49. Weissenbom^
Die Urkunden des Amplonias Ratingk. Erfurt 1879. Ders., Amplonius Ratingk
3. Hocilsdialen mit p&pstl. Stiftbriefen. Fünfkirchen. 413
Wie an allen deutschen Universitäten, so wurden auch an
der Erfurter Stifts -Praebenden fär die Dotation der Professoren
in Anspruch genommen. Hier waren es besonders Pfründen an
der Marienkirche und zu St. Sever'®').
Fünfkirohen.
Gleichwie in keinem Lande, so erwachte auch in Ungarn das
wissenschaftliche Leben nicht erst mit der Gründung der Uni-
versitäten. König Ladislaus III. sagt am 18. November 1276
in dem Schreiben, womit er das Studium zu Veszprim restauriert,
dass in dieser Stadt 'a tempore quo in Hungaria fides coepit
catholica, dei dono liberalium artium studia . . . prout Parisius
in Francia, doctrine docencium preeminencia et copiosa discen-
cium frequencia pre ceteris regni Hungarie ecclesiis . . . corus-
caviV ^^*). Mag dies auch übertrieben sein, so beweist die Stelle
doch immerhin, dass in Ungarn schon frühzeitig ein gei-
stiger Aufschwung statt hatte. Am meisten, so scheint es, wurde
die Rechtswissenschaft betrieben. Mehrere Urkunden lassen
darauf schliessen ^®'). Bereits frühe, seit dem Anfange des 13. Jhs.,
erscheinen Ungarn an italienischen Bechtsschulen, z. B. in Vicenza,
Bologna und Padua. Ein Jh. später, im J. 1309, wurde auf der
Synode zu Ofen bestimmt, dass an jeder Metropolitankirche ein
und seine Stiftung. Erfort 1878. Ondenns, Historia Erftirtensis hUt p. 128
die Amplonianische Stiftung fOr die erste. Das Epitheton Torta coeli' wurde
wohl dem gleichnamigen Cistercienserkloster bei Naumburg an der Saale
entiehnt.
^7) Die Einyerleibung geschiüi durch ürban VI und Bonifaz IX.
Zwei Praebenden zu St. Seyer waren für 'zwei Doctoren oder Licentiaten
der hL Schrift oder in den Rechten' bestimmt. S. Wflrdtwein, NoTasubsidia
diplom. IX p. XYI sqq. n. 25.
^ Eatona, Hist. crit. regum Hungariae stirpis miztae, YII. Praef. Fej^r,
Codex diplom. Hungariaei Y toL 2 p. 347 und dazu IX toL 5 p. Vllf. Vgl.
auch Abel Jenö, £gyetemeink a Eöz6pkorban (Die ungarischen Universitäten
im Mittelalter) Budapest 1881, S. 47.
^ S. Abel Jenö S. 49 Anm. 4. 5. Dass das Römische Recht da und
dort Torgetragen wurde, muss man aus dem Schreiben Innocenz lY. Tom
J. 1254 schliessen, worin nebst den Lftndem, wo das Rom. Recht nicht ge-
lehrt werden soll, auch Ungarn genannt wird. Matth. Paris ed. Luard
VI, 293.
414 in« Entwickelnng der Hochschulen his cnm Ende des 14. Jhs.
des canonischen Rechts Kundiger, an den übrigen Gathedralen
ein Magister in grammatica seu logica facultate, angestellt würden,
welche die Gleriker der betreffenden Kirche und die pauperes scolares
umsonst unterrichten sollten''^). Auch noch später finden sich
Notizen, obwohl die Wanderlust nicht mehr so gross war.
So z. B. wird erwähnt, dass ein Kaplan Ludwigs des Grossen
von Ungarn 1360 in Padua canonisches Becht studiere*"). Ein
anderer Ungar war als Rechtsschüler vor 1344 Rector in Bo-
logna"^'). Von einem Paulus Hungarus heisst es: ultra viginti
annos Bononiae in artibus rexit"^'). Dass auch das eine
oder andere Ordens-Oeneralstudium vor Gründung der ersten
Universität in Ungarn existiert hat, schliesse ich aus einer
Supplik König Ludwigs und der Königin Elisabeth von Ungarn
an Clemens VL, in der sie um die Bewilligung des Magisteriums
für den Augustiner-Eremiten Stephan de Insula, der M;am stu-
dendo Parisius quam legendo per diversa studia generalia in
regno Hungarie et Tolose' sich beschäftigt habe, bitten*'^).
Aus dieser Supplik geht aber zugleich hervor, dass das
Studium der Theologie damals und schon seit langem in Ungarn
arg darnieder lag, denn die beiden Bittsteller sagen, dass in jenem
Reiche, das wegen der vielen dort wohnenden Heiden, Häretiker
und Schismatiker mehr als ein anderes Land geschulter Theo-
logen bedürfe, nicht 6in Magister der Theologie zu finden
wäre'^0- Im Jahre 1353 war nach dem Geständnisse des Königs
810) Fej6r , Cod. dipl. VIÜ vol. 5 p. 49. Abel L c. Anm. 7.
811) Beg. Suppl Innoc. YL an. 8 Bl. 190b. Er hiess Benedieftiu Oeorgii
81^ Beg. Snppl. Clem. YI. an. 2. p. 3 Bl. 32 b. Dieser , Johannea
Dominici de üsa Vesprimien. dioc. lector Agnen., war Gaplan des Card, ron
S. Maria in Gosmedin, bacalarias in jure can., qoi etiam foit rector studü
Bononien. per annom.
8i3> Beg. Suppl. Clem. YI. an. 3 p. 1 Bl. 86b.
81«) Beg. Sappl. Clem. VI. an. 4. p. 1 Bl. 41. Die Sopplik wnide kL
Oct. bewilligt, also 1. October 1845.
815) Der König und die Königin schreiben in dieser Sapplik, sie bedürften
'peritia doctorum in sacra scienüa theologia in ipsonun et regni eonmdem
consilio', da sie von den Ungläubigen und Schismatikern umgeben seien, und
Ungarn tou denselben selbst bewohnt werde. Da aber 'tota commonitas deri
cuiu8(que) conditionis et Status regui predicti careat et camerit ab antiqao
3. Hochschalen mit päpstl. Stiftbriefen. FOnfkirchen. 415
in ganz Ungarn nur &in Magister der Theologie, nämlich der
Bischof von Neutra, welcher jedoch derselbe Stephan de Insula
war, für den der König 8 Jahre früher um das Magisterium
angehalten hatte. Nunmehr bekam das Reich zwei Theologen,
da der König neuerdings um die Ertheilung des Magisteriums an
einen Augustiner-Eremiten, Nicolaus mit Namen und einen ge-
bomen Ungar, bat"*). Zur Theologie hatten, wie es scheint, die
Ungarn keine Neigung und nirgends konnte es weniger auffallen
als in Ungarn, dass im päpstlichen Stiftbriefe für Fünfkirchen
die Theologie ausgeschlossen war^O«
Den ebengenannten Stiflbrief erliess Urban V. am 1. Sept.
1367 und zwar auf Betreiben desselben König Ludwigs, der schon
seither wie wir gesehen haben sich für das geistige Leben der
Nation interessierte. Das Bull. Born, schreibt die Bulle Urban VI.
2U, und setzt sie in das Jahr 1382. Allein die Vaticanischen Re-
gesten lassen uns hierüber nicht mehr im Zweifel*^*). Die Ansicht
honore magistrali theologice facultatis', so bitten sie für den oben genannten
Angnstiner-Eremiten, der fOr das Magisteriam in der Theologie reif sei, 'ad
landem de! ipsorumque et totias regni Hnngarie honorem ac in christiana
reiigione profectam' um die ^nsignia magistralis honoris*. Der Papst flber-
tmg dem Card. Tascolan. et SS. quatnor Coronat. das Examen.
^^^) Snpplicant, qnatenas cum regnam Hangarie mnltis paganis et
Bcismaticis inhabitatum literatis et emditis viris ad conversionem infidelinm
et hereticomm confatationem ac ad dilatationem fidei catholice plorimum
indigeat, nnllomqne pro nunc magistrum habeat theologie preter magistmm
Stephanum episcopnm Nitrien., qni, in eomm negociis plorimam occapatns,
prout necesse esset ad predicta solus non snfficit, in personam dil. capellani
et fuailiaris eomm Fr. Nicolai ord. Heremitamm s. Aug. de dicto
regno orinndi, Yaradien. dioc, lectoris Parisien, et in aliis stndiis exercitati
specialem gratiam facientes, nt post iam (]. postqaam) per ordinem diffinitos
immediate Parisius anctoritate Y. prout moris est sententias legere possit, de
benignitate ap. liberam concedere dignemini facultatem et quod gandeat gra-
tiifl • • . quibus bacalarii Paris, per ordinem diffllniti gaudent et fruuntnr etc.
Es wurde 31. October 1358 gewährt, 'si idoneus fuerit Parisius repertns'.
Eeg. Snppl. Innocent. YI. an. 1. p. 2. Bl. 124 a.
3i7j Doch, geschah dies damals auch noch für andere neu gegründete
Hochschulen. Zu yiel darf man in dem Factum nicht suchen. Ofen hatte
Bpftter eine theologische Facnlt&t.
81») ürbani Y. Reg. Yat. Indult an. 5. Bl. 69. Bereits Koller, Historia
episcopatus Quinquecclesiensis III (Posonii 1784) p. 78. 96 traf das Rieh-
416 in. Entwickelong der Hochschulen bis zam Ende des 14. Jhs.
*
Wallaszkys, der Stiftbrief rühre von Innocenz VL aus dem J. 1364
her^^'), braucht nur ausgesprochen zu werden, um sich als un-
möglich zu erweisen. Zwar versetzen auch solche, die in Bezug
auf Urban richtig sahen, die erste Gründung in das Jahr 1360,
nicht als sei sie damals vom Papste, sondern vom Könige
ausgegangen"®). Allein einen förmlichen Stiftbrief hat Ludwig
wohl nicht erlassen. Wie aus dem genannten Schreiben
Urbans V. hervorgeht, wählte der König nur den Ort, ertheilte
den Studierenden Privilegien und stellte darüber eine Urkunde
aus. Es scheint deshalb auch sicher, dass sich Ludwig schon
seit einiger Zeit mit dem Plane beschäftigt habe sich um die Be-
willigung eines Generalstudiums zu bewerben; aber weiter lässt
sich nichts sagen. Der Papst berichtet ja selbst, dass der
König 'plurimum desideret fieri et ordinari per sedem apostoli-
cam Studium generale'. Der König hatte mithin die Gründung
der Schule noch nicht angefangen. Urban V. bestimmt nun, ^t
in dicta civitate Quinquecclesiensi de cetero sit Studium gene-
rale . . . tam in juris canonici et civilis, quam alia qualibet
licita preterquam in theologica facultate'. Der Bischof wird als
der Leiter der Promotionen bezeichnet. Zum Schlüsse macht
der Papst die Ausführung der Bulle davon abhängig, dass der
König auf die Besoldung der Lehrer bedacht sei. Am darauf-
folgenden Tage schrieb ersterer dem Könige im wesentlichen
dasselbe wie im vorigen Briefe. Nur geht daraus hervor, dass
der König den Professoren und Scholaren bereits einen Privilegien*
brief gegeben hatte. Der Papst bittet auch den König, dass er
die von ihm gewährten Privilegien bestätige und in Ausführung
tige. Ihm folgten Eatona, Historia critica regam Hangariae stirpis mixtae HI
(Badae 1790) p. 412, 414. nnd sp&ter Fej^r, Codex diplom. Hangariae. Tom.
IX. vol. 4. (Badae 1834) p. 65| and neaestens Abel 1. c. 50. um so sonder-
barer ist es, dass Schulte im Archiv f. kath. Eirchenr. XIX, 22 noch den
alten verfehlten Standpunkt festhält, den er in der Gesch. der Qaellen and
Literatur des can. Rechtes 11, 286 noch nicht aufgegeben hat.
819) Tentamen historiae Htterarum sub rege gloriosissimo Hatbia Cor-
vino. Lipsiae 1769. p. 51.
820) S. z. B. Katona a. a. 0.
3. Hochschalen mit p&pstl. StiftbriefeD. Fanfkirchen. 417
bringe, eventuell noch weitere hinzufüge"*). Am 12. Sept.
desselben Jahres erthellte er auf 5 Jahre Dispens von der Residenz-
pflicht"'), welche Gregor XL am 16. Jänner 1376 auf fernere 5 Jahre
ausdehnte, wobei er den Bischof von Passau als Executor bestellte"').
Bonifaz IX. gestattete dem Bischof von Fünf kirchen ^singulis doctori-
bus juris canonici vel civilis pro tempore in studio Quinquecclesien.
legentibus' gewisse Propsteien seiner Diöcese zu verleihen"^).
Am 4. April 1369 beauftragte UrbanV. den Propst von Bacs, er
möge den praepositus Cibunen., Paulus mit Namen, der im canon.
Rechte grosse Fortschritte gemacht habe, nach vorhergegangenem
Examen in Fünfkirchen promovieren ^non obstantibus quibus-
cunque privilegiis ac statutis et consuetudine studii Quinque-
ecclesien.' etc."'). Bald darauf lehrte dort ein bedeutender
Ganonist, nämlich Galvanus de Bononia, der auf Betreiben des
Bischofes Wilhelm von Fünfkirchen vom König Ludwig aus
Padua berufen worden war"*). Er hatte ein Gehalt von 300 Mark
Silber, die auf das bischöfliche Mensalgut gelegt waren "0* Im
J. 1374 befand er sich jedoch schon wider in Bologna®").
8^) Beg. Tat. Indalt. an. 5 Bl. 68. Koller 1. c. p. 99. Fej6r 1. c. p. 69.
Abel 1. c. 51.
^) Reg. Vat. Avlgnon. tom. 15 Bl. 502 a.
^) Greg. Bull, divers, (n. 289) an. 6. p. 478 a. Koller 1. c. 142. 178. 181.
Beide Ballen sind auch, aus Koller genommeD, bei Katona 1. c. 418. 622.
Abel 1. c. 53.
^) Koller 1. c. p. 380 ygl. mit p. 333 und daiu Abel 1. c. 54 und
S. 13. S. dort die Bemerkungen. Das Document existiert weder im Vat.
Arch. noch im Lateran. Wenigstens war mein Sachen frachtlos.
^) Beg. Vat Avenionen. tom. 21 Bl. 541a.
886^ Dies erhellt aus dem Schreiben Gregors XI. an den Bischof vom
7. September 1371 (Heg. Vat. Secret. de Curia an. 1. Bl. lOSa. Fantuzzi,
Notizie degU scrittori Bologaesi IV, 37 Anm. 6). Aus dem Schreiben muss
man schliessen, dass Galvanus bereits in Fünfkirchen war. Es ist 7. Id.
Sept. datiert. Schulte macht aber irrig 3. August daraas. S. 286 Anm. 2.
^) Schreiben des Papstes vom 30. Sept. 1372 (Prid. kl. Oct. an. 2,
also nicht 1371, wie Celle, Storia deUo studio di Padova III, 47 meint).
Indult, et priv. an. 2. ep. 407 Bl. 122 a. Fantuzzi, 1. c. p. 38 Anm. 7;
Koller a. a. 0. p. 129. Schulte a. a. 0. S. 287. Letzterer sagt richtig, dass
300 Mark Silber « 600 Goldguldeu seien, während Fej^r 1. c. tom. IX. vol.
5 p. XXXIII and Abel S. 12. sie mit 7200 fl. identisch finden!
^ Dies erfährt man aus Gregors Schreiben vom 3. August des ge-
Denifl«» Die DniTenitftteii I. 27
418 ^- Entwickelung der Hochsdialen bis zam Ende des 14. Jhs.
Ich bin ausser Stand, über diese Hochschule anderes zu be-
richten. Die Ungarn selbst wissen nicht mehr über sie zu sagen •*•).
Mir scheint, dass sie kaum die Schwelle des 15. Jhs. erreicht
hat und durch jene zu Ofen ersetzt wurde. Es taucht zwar
gegen Ende des 15. Jhs. wider eine scola major Quinquecclesien.
auf®'®); allein diese darf nicht mit einer Hochschule verwechselt
werden. Scholae majores bestanden auch an Orten, wo keine Uni-
versität existierte, und der Ausdruck 'schola major' war nicht
der terminus technicus für Studium generale*").
Ofen.
Keine Hochschule bereitet dem Forscher mehr Verlegenheit
als jene zu Ofen. Doch kann ich immerhin auch über sie sicherere
Nachrichten geben, als man es bisher vermochte. Die Schwierig-
keit beginnt gleich mit der Stiftung. Bonifaz IX. soll die Hoch-
schule 1389 auf Bitten König Sigismunds errichtet und den Propst
von St. Peter in Alt-Ofen zum Kanzler bestellt haben*"). Nun
ist aber der Stiftbrief nie ediert worden, und man weiss jetzt
nicht mehr, wo er existiert. Nur auf guten Glauben war bisher
obige Behauptung hinzunehmen. Ich kann es aber doch für
immer sicher stellen , dass Bonifaz IX. einen Stiftbrief für
nannten Jahres (Ind. et privil. an. 4 p. 115 a). Er sagt aach, dass GalTanns
'in Paduano et Qainqaecclesien. studiis legit laudabiliter et ordinarie decre-
tales'. S. auch Fantnzzi 1. c. p. 39 Anm. 9.
829) 8. Abel S. 13 f.
830) s. Abel S. 55 Anm. 16. Die Berichte über den Zastand der
Schulen zu Fünfkirchen in der nächsten Epoche werden durchaus ohne Be-
weis Torgebracht. Zesler, Lochner, Szerdahelyi u. s. w. sprechen von 2000—
4000 Scholaren, die dort gewesen sein sollen.
831) Scholae magnae oder majores, zum Unterschiede Ton den scholae
parvae, gab es an mehreren Orten, wo keine üniversit&t war. Eines der
interessantesten Beispiele bietet ein Actenstück vom J. 1352, die scolae
magnae und parvae Ton Senlis betreffend (Gallia christiana X, Appendix
p. 494 n. 152). Aber die einen wie die anderen Schulen waren nur fdr die
Jugend (pueri) bestimmt.
832) Inchofer, Annales ecclesiastici regni Hungariae. Romae 1644 (nur
der 1. Bd. ist erschienen) p. 328. Die Sp&teren, wie Belins, Notitia Hun-
gariae noyae III, 201; Pray, Annal. Hungar. 11, 186; Wallaszky 1. c
p. 52; Abel S. 57 Anm. 19 schöpften, direct oder indirect, nur aus ihm.
3. HocbschnleD mit p&pstl. Stiftbriefen. Ofen. 419
die Hochschule za Ofen erlassen hat, obwohl auch ich nicht in
der Lage bin das Document vorzuführen. In den Indices, die 6a-
rampi im vorigen Jh. von den Regesten im Vat. Archiv und im
Archiv des Lateran anfertigte und die, wenngleich sie unvollkommen
und unvollständig sind, doch immerhin manche Behelfe bieten, fand
ich diese Bemerkung: Erectio universitatis studii generalis in
oppido veteris Budae Vesprimien. dioec. A B. Bonif. 9. XIV, 12
p. 127. Die Bezeichnung AB bezieht sich auf das Archiv im
Lateran, die römische Zahl gibt das Jahr, die arabische den
Band an. Mein Suchen im Archiv des Lateran war aber ver-
gebens. Soll sich nun Garampi getäuscht haben? Unmöglich.
Seine Notizen stimmen sonst immer. Er mag sich bei der An-
gabe des Jahres, des Bandes oder der Pagina verschrieben
haben, aber wie soll man annehmen, dass ein Italiener eine
Stadt in Ungarn statt einer andern ihm bekanntern gesetzt
hätte. Die Sache verhält sich vielmehr so. Als Anfangs dieses
Jhs. die päpstlichen Archive von Paris wider zurückgestellt
wurden, blieb manches in Paris oder auf der Reise hängen.
Thatsache ist, dass von den Registerbänden im Lateran ein
bedeutender Theil nicht zurückkam"*), und die Bände, welche
wider glücklich anlangten, der Einbanddecken beraubt waren,
so dass sie neuerdings gebunden werden mussten, in Folge dessen
die Nummerierung eine andere als zur Zeit Garampis wurde. Zu
den fehlenden Bänden scheint auch jener zu gehören, in dem die
Gründungsbulle flir die Hochschule zu Ofen stand. Aber sicher bleibt
nun, dass sie einmal von Bonifaz IX. ausgestellt wurde, und
Inchofers Notiz nicht aus der Luft gegriffen, sondern auf Grund
des Documentes gebracht worden war. Ein Zweifel bleibt nur
noch über das Datum bestehen. Inchofer setzt das Schreiben
in das erste Jahr des Pontificates und zwar in den Anfang (1389).
Nach Garampis Index müsste man schliessen, es sei im 14. Jahre
des Pontificates, also 1402 — 1403, ausgefertigt worden. Allein
das Jahr , welches Garampi angibt , bezieht sich nicht auf das
Datum des Schreibens, sondern auf dasjenige, welches auf dem
^^) Daher kommt es aach, dass z. B. jene B&nde fehlen, in denen die
Schreiben Bonifas IX. fOr die Universität Köln standen.
27*
420 ^n. EntwickelaDg der Hoehsclmleii bis sum finde des 14. Jhs.
Bücken des Bandes stand. Wahrscheinlich war es ein Miscellanband,
in dem zwar zumeist Bullen aus dem 14. Jahr sich be&nden, aber
auch solche aus frühem Jahren vorkamen"^), und es ist mithin
dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Bulle im 1. Jahre des
Pontificates gegeben wurde. Ob gerade im Anfange desselben,
ist eine andere Frage. Bis sich keine genaueren Notizen fixieren
lassen, nehme ich als das Datum des Stiftbriefes 1389 — 1390
an. Dass dasselbe kaum in eine andere Zeit fallen kann, er-
gibt sich auch aus dem folgenden.
Am 6. October 1395 erhob Bonifaz IX. den Propst von
S. Peter in Alt -Ofen, Lucas, zum Bischöfe von Csanäd, und
gestattete ihm, dass er zugleich die Propstei behalten dürfe ^et
officium cancellarie studii dicti oppidi Veteris Bude exercere',
^non obstante quod in aliqua facultate doctor non existat' ***).
Offenbar setzt dieses Schreiben jenes andere voraus, in dem der
Propst zum Kanzler des Studiums ernannt wurde, d. i. den
Stiftbrief, welchen wir oben erwähnt haben. Letzterer kann mit-
hin nicht in das 14. Jahr des Pontificates, sondern nur in die frühere
Epoche desselben gehören, wodurch Inchofers Bericht bestätigt
wird. Dafür sprechen auch andere Thatsachen. Bereits 1396
wurden an der Hochschule zu Ofen scholastische Acte und Pro-
motionen vorgenommen, wie Fraknöi eruiert hat^'^). Leider
handelt es sich in all diesen Documenten immer nur um die
facultas artium, und wir erfahren nichts über die andern Facul-
täten. Auf sie werden wir erst durch Nachrichten über das
Goncil zu Constanz aufmerksam gemacht. In die Zwischenzeit
fallt aber ein interessantes Ereigniss.
^ In demselben stand auch Bl. 131 das Schreiben Boni£u IX.
vom 6. Oct. 1395, womit er den Propst Ton St Peter in Alt-Ofen, den
Kanzler des Stadiums, zum Bisehof Ton Csanäd ernannte. S. die nächste Anm.
835) Fej6r, Cod. dipl. X vol. 2 p. 315. S. Abel S. 59 Anm. 23. Er
hiess Lucas Demetrius, wie aus einem Actenstflcke vom 18. J&nner 1395
hervorgeht, als er noch einfacher 'prepositos ecclesie s. Petri de Veteribada'
war. Archiv. Vat ürb. VI. Bonif. IX. Oblig. n. 590 Bl. 152 a. Vgl. daza
noch Bl. 164 a, n. 591 BL 64 a. und Reg. Vat. Bonifacii IX. lib. 4 (n. 315)
Bl. la (vom 4 Nov. 1395).
83<]j Magyarorszägi tan&rok ^s tannlök a b^csi egyetemen a 14. ^s 15.
sz&zadban. 1874, p. 14. Abel S. 60 Anm. 24 und S. 19.
3. Hochschalen mit p&pstl. Stifthriefen. Ofen. 421
Johaon XXIII. übertrug am I.August 1410 dem Bischof von
Piacenza, Brande, der sich in Angelegenheit der Kirche in Ungarn
aufhielt, sich ^super loco notabili, fertili, insigni et alias ac-
commodo et idoneo ad conservationem et exaltationem studii
in ipso Ungarie vel alio regno seu partibus regi subditis erigendi
et doctorum magistrorum scolarium et aliorum degere debentium
in eodem auctoritate nostra etiam cum consilio prefati regis' zu
informieren, und einen Bericht einzusenden, damit er ^ad erectionem
dicti studii et alia concedenda indulgenda privilegia' schreiten
könne ^''). Als Grund gibt der Papst deutlich an: ^volentes
Yotis regis (Sigismundi) in hac parte annuere regnumque ipsum
Ungarie vel alia dicto regi supposita decore generalis studii
illustrare\ Daraus geht denn doch hervor, dass damals das
Generalstudium zu Ofen bereits wider in Abnahme, oder ganz
ins Stocken geraten war. Darum sagt auch der Papst, es möge
ein tauglicher Ort nicht bloss 'ad exaltationem' sondern auch
'ad conservationem studif gesucht werden, d. h. einen Platz, wo
für das neu gegründete Studium zugleich Aussicht auf Fortdauer
sei. Allein Brande fand keine günstigere Stadt als Ofen, wo
kurz vorher das Generalstudium gewesen war, ja vielleicht
noch Ueberbleibsel desselben existierten, und der Papst erliess 1411
einen Stiftbrief für Ofen^^^). Thatsache ist, dass vom J. 1412
wider Berichte über die Hochschule zu Ofen vorliegen""), die
nun einige Decennien hindurch nicht ausbleiben. Unter den
auf das Goncil in Gonstanz Abgesandten erscheinen drei Magistri
der Theologie, zwei doctores decretorum und ein Mediciner"®).
887) Reg. Vat. Cur. an. 1. I. 3 Bl. 87 a. Theiner, Mon. Hang. II, 184
n. 343. Abel S. 57 Anm. 20.
83B) Garampi schrieb im Index: Erectio stadii generalis in oppido ?e-
teris Bndae Vesprimien. dioec. AB, JohannU 23. IL 1 p, 74. Also wideram
im Lateran Archiv; aber neuerdings wurde ich im Stich gelassen. Ich fand
den betreffenden Band nicht.
»9) Fraknöi 1. c. p. 15; Abel S. 60 Anm. 25, die aber begreiflicher
Weise den eigentlichen Sachverhalt nicht wissen konnten.
^ S. Abel 8. 61 Anm. 26. Palma, Spec. Herald, regni Hnngariae
p. 40 beschreibt das Universit&tssiegel, welches damals Ofen mit der üeber-
Schrift 'Academiae Badensis' gehabt haben soU (s. auch Abel S. 20. 58
Anm. 21). AUein dies ist eine Täuschung. DamiJs gebrauchte man noch
422 in. Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Daraus erhellt, dass an der Ofener Hochschule nicht wie in Fünf-
kirchen die Theologie ausgeschlossen war, ja dass sie sogar eine
gute Vertretung hatte. Wahrsciieinlich wurde dieses Fach schon
von Bonifaz IX. gestattet, der es auch den Universitäten Fer-
rara, Pavia, Erakau und Fermo gewährte.
Doch auch jetzt hatte die Hochschule zu Ofen oder zu
Sunden, wie man sie in dieser Periode daneben nannte, nicht
zu langen Bestand. Kein Document zeugt dafür, dass sie beim
Tode Sigismunds (1437) noch existiert hat^^^). Sie fand wohl schon
lange vorher ihren Untergang, wurde jedoch später ganz neu ins
Leben gerufen. Am 19. Mai 1465 erlaubte Paul H. in einem
an Vitez und Janus Pannonius gerichteten Schreiben, dass König
Mathias Gorvinus auf dessen Vorstellung hin, ^quod in regno
Hungarie, licet amplo et fertili, non viget aliquo modo Studium
generale', die Wissbegierigen aber durch die Schwierigkeiten
abgeschreckt würden auswärts ^ad loca in quibus studia generalia
vigent' zu gehen, ein Generalstudium ^ad instar studii Bononiensis'
irgendwo in seinem Reiche ^cum quibuscunque facultatibus etiam
cum cancellaria ac salarii deputatione inibi pro tempore legen-
tium, erigendi et constituendi' ^*') etc. Der Erklärung Wallaszkys,
der Ausdruck ^non vigere Studium generale' beziehe sich bloss
auf die ^studia altiora', liegt eine ganz schiefe Auffassung zu
Grunde, während die einzig richtige die ist, dass um die Mitte des
15. Jhs. Ungarn widerum von einer Hochschule entblösst war,
ein neuer Beweis dafür, dass auch Fünfkirchen nicht mehr be-
stand. Die neue von Mathias Gorvinus gegründete Hochschule
wurde im letzten Viertel des 15. Jhs. in Ofen errichtet"'); der
nirgends den Ausdruck 'Academia' fQr Hochschule, und ich zweifle sehr, ob
die Ungarn die ersten waren, welche diesen Ausdruck wider ins Leben riefen.
Das Siegel, soUte es in der That in der beschriebenen Weise existiert haben,
stammt aus sp&terer Zeit Peterffy, Sacra concilia in regno Hungariae cele-
brata (Viennae 1742) I, 288 spricht vom Siegel 'studii Bndensis', und es
scheint, dass Sp&tere dem ^Studium' aus Unkenntniss nur den ihnen ge-
läufigeren Ausdruck 'academia' untergeschoben haben.
^^) S. die verschiedenen ohne alle Beweise vorgebrachten Behauptun-
gen bei Abel S. 25 f.
^) Pray, Ann. Hung. III, 315. Wallaszky 1. c. p. 54. Abel, S. 64 Anm. 31.
843) Dieser lange Zeit strittige Punkt (s. Pray, Ann. Hung.III, 316.
3. Hochschulen mit päpstl. Stiftbriefen. Ofen. 423
König eröffnete dort ein 'universale gymnasium'. Etwas früher,
circa 1465, wurde die höhere Schule zu Pressburg gestiftet***). Es
sind dies Neu-Gründungen, und nicht Widerherstellungen frtlherer
Studienanstalten; weil sie in das 15. Jh. fallen, liegt ihre Be-
sprechung ausserhalb meiner Aufgabe.
Der äusserste Osten des civilisierten Europas im Mittelalter
lässt sich, was die Hochschulen anbelangt, nur mit dem äussersten
Westen und dem tiefsten Süden desselben einigermassen vergleichen.
In Ungarn wie in Portugal und in Neapel bemerken wir ein be-
ständiges Hin- und Herschwanken. Doch zeitigte der äusserste
Westen und der Süden, war gleichwohl dort das Schwanken äusser-
lich angesehen bedeutender als in Ungarn, immerhin ansehnlichere
Früchte als der äusserste Osten. Ungarn nimmt unter allen
Ländern, die im Mittelalter Universitäten besassen, in Bezug
auf die Universitäten den letzten Platz ein, woran, was nicht
tibersehen werden darf, der türkische Nachbar nicht wenig
Schuld trug.
Kaprinai, 1. c. p. 53) ist endlich in neuerer Zeit endgflltig festgestellt worden.
8. Abel, S. 37 ff.
8**) S. Abel S. 27 ff.
424 ni. Entwickeluog der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
4. Hoolisoliulen mit kaiserliolien oder landesherrliolien
Oründungsurkunden.
Gegenüber der so häufig widerholten Behauptung, nur
der Papst, oder ausser ihm nur der Komische Kaiser hätten
im Mittelalter das Universitätsprivileg verliehen, beansprucht
dieser Abschnitt ein besonderes Interesse. Die Auseinander-
setzung mit solchen Aufstellungen findet man unten im fünften
Hauptabschnitte. Die folgenden Untersuchungen bilden die beste
Einleitung zu demselben.
Arezzo.
Auch hier werden wir zuerst auf Italien hingewiesen.
Arezzo wurde schon 1215 von Roffred von Benevent aufgesucht,
um dort über Civilrecht zu lesen"*). Weiteres weiss man über
jene Schule im Beginne des 13. Jhs. nicht. Sie scheint aber
doch nach Roffred, der bereits 10. Mai 1218 von Honorius HI.
zum iudex Ordinarius in Benevent bestellt wurde*"), mithin
Arezzo nothwendig verlassen musste, nicht wider aufgehört zu
haben, da die Statuten der Schule vom J. 1255 eine für
8^5) S. oben S. 165 Anm. 411. Cod. Paris. 4545 (13. Jh.) Bl. 12la hat
die irrige Jahrzahl mccxIi.
^ Zwei Schreiben Honorius III. existieren darüber; das eine ist an
mag. Boffridus Epiphanii, civis Beneventanus, selbst gerichtet, das andre an
die rectores, judices etc. von Benevent. Reg. Vat. an. 2 ep. 1063. 1064
Bl. 251a. Sarti, De claris prof. I, 109 Anm. b, und Savigny, Geschichte
des Rdm. Bechts V, 190 konnten erst das Jahr 1219 als den Zeitpunkt nach-
weisen, in dem Roffred nicht mehr in Arezzo war. Nun wird auch der Titel
*doctor Epiphanides', mit dem Sarti nicht viel anzufangen wusste, mehr auf-
geklärt. Als Boffridus Epiphanii judex, juris civilis professor» ist er femer
mit andern cives Beneventani aufgeführt in den Reg. Vat. Greg. IX. an. 7 ep. 364
(27. Nov. 1233). Derselbe Papst citiert in einem Schreiben vom 30. M&rz 1235
ein Actenstfick vom J&nner desselben Jahres (indict. octava), in dem der
mag. Roffridus de Benevento als advocatus curiae Dom. papae genannt wird.
Reg. Vat an. 9 ep. 7 Bl. lOa. Ebenso erscheint er 1240 als testis. Greg. IX.
Reg. Yat. an. 14 ep. 23 Bl. 5. (Mon. Germ. bist. Epp. saec. XIII., I, 671 n.
771). Er ist wohl auch mit dem in Friedrichs IL Schreiben (Honorius Reg.
Vat. an. 7 ep. 41. 55. 64. 65. Mon. Germ. 1. c. n. 206. 215—217. Vgl noch
ibid. n. 290. 425) identisch. Gregor IX. citiert auch einen Roffred im J. 1228.
Reg. Vat. an. 1 ep. 180 (s. Sarti I, 122 Anm. c, Mon. Germ. 1. c. n. 371).
4. Hochschulen mit kaiserl. oder kOnigl. Stiftbriefen. Arezzo. 425
jene Zeit nicht ganz unbedeutende Blüthe derselben erkennen
lassen, und die Schule kaum mit einem Male sondern nur nach
und nach zu derselben gelangt sein konnte *^^). In den genannten
Statuten werden 7 Professoren, unter ihnen wenigstens vier Rechts-
lehrer (darunter der Civilist und Ganonist Martinus de Fano,
und der Canonist Bonaguida de Arezzo), die sich einen Rector
wählten und durch Aufstellung von Statuten das Aretinische
Schulwesen regelten, aufgezählt. Vertreten waren das Jus, die
artes und die Medicin"*).
Hätte die Schule in dieser Weise fortgedauert, so würde sich
in Arezzo wie in manchen andern italienischen Städten des 13. Jhs.
ein Studium generale ex consuetudine entwickelt und die Stadt
sich schwerlich um ein kaiserliches Privileg beworben haben,
zumal in der That das alte Studium als Studium generale gegen
die Mitte des 14. Jhs. von Karl IV. angesehen wurde"*). Allein
die Schule kam in Abnahme. Das einzig Nennenswerthe, was
ich bis zum J. 1338 fand, ist eine Verordnung des 1327 com-
pilierten Statuto di Arezzo in Bezug auf 'De salario doctorum
juris civilis et aliorum doctorum' '"). Aber auch aus dem Wort-
M7) Ich komme aaf die Statuten nattlrlich erst im 2. Bande za sprechen.
S. dieselben bei cavaL Gnazzesi, Dell'antico dominio del vescoTO di Arezzo
in Gortona (Pisa 1760) p. 107 Anm., und SaTigny III, 671. Bei dieser Ge-
legenheit bemerke ich dass Sezanne, Arezzo illustrata (Firenze 1S59) p. 220
nnbegreiflich das Studium nnr mit wenigen Worten erw&hnt. Etwas mehr
bringen die Stanze dell' abate G. Angelncci (Pisa 1816) p. 63ff. und Pasqui,
Nuova gnida di Arezzo (1882) p. 19.
^ Daas vier Rechtslehrer (theils des jus civile, theils des jus can.)
damals in Arezzo docierten, schliesse ich daraus, dass in den Statuten vier
Professoren der Titel Dominus beigelegt wird, während die abrigen drei nur
als Magistri bezeichnet werden. Aus dem ergibt sich mithin, dass fiber das
Jus gelesen wurde (davon abgesehen, daw die beiden oben genannten Pro-
fessoren sicher Bechtslehrer waren), obwohl in den Statuten nnr von der
Grammatik, Dialektik und Medicin die Bede ist.
MS) s. weiter unten die Stelle ans Karls Diplom.
^ Ad honorem comunis Aret et comodum ibi studere ▼olentiua
presenti statuto deererimus, quod quieunque de cintate Tel comitatu Aret.
Toluerit in ipsa eivitate legere in jure ciirili codicem Tel digestnm, deeretom
Tel decretales, et lectuiam eontinnare nsque ad eompletionem libri, Tel in
jure caaonico decretales et in mediciaa, et lecturam eontinnare ut dictum
426 in. Eotwickelung der Hochschnlen bis znm Ende des 14. Jhs.
laute und dem Zusammenhange dieses Documentes erhellt, dass
ein eigentliches Generalstudium damals nicht existierte, und dass
man sich mit einheimischen Doctoren begnügte, wenn forenses
nicht zu haben waren. Immerhin aber ersieht man, dass die
Commune den Studien nicht gleichgültig, gegenüber stand.
Ein Ereigniss des Jahres 1338, nämlich die Uebersiedlung
mehrerer Rechtslehrer von Bologna nach Arezzo, über welche die
Annales Aretini berichten"^), bringt uns die Schule von neuem
in Erinnerung. Ob jedoch die genannten Professoren ähnlich
wie in Pisa, wohin bei derselben Gelegenheit Professoren aus
Bologna zogen, den Grundstock des neuen Generalstudiums
bildeten, oder ob sie nach einiger Zeit wider nach Bologna
zurückkehrten, wie es jene Bechtslehrer machten, welche in
demselben Jahre nach Gastel S. Pietro, und im J. 1321 nach
Imola und Siena zogen, lässt sich nicht bestimmt sagen. Da
aber Karl IV. in seinem Briefe von einem zu Arezzo bestehen-
den Studium spricht, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass
wenigstens einige der Professoren zurückblieben. Auch wandte
sich die Stadt an den Kaiser nicht aus dem Grunde, als exi-
stierte dort kein Studium und als sollte erst ein solches er-
richtet werden, sondern um wider ein kaiserliches Privileg wegen
der Promotionen zu bekommen"').
est: habeat et habere debeat pro sno salario et mercede de pecnnia comanis
Ar et. ab ipso comnni in anno decem florenos de aoro, si talxs lector domam
habeat propriam in civitate Aretii, et si domum propriam non habeat,
habeat domum decentem ultra dictum salarium a comuni predicto
. . . Si Tero aliquis forensis legere Yolnerit in dictis facultatibas
(sowie in der Notariatsknnst) , provideatur ei secnndnm voluntatem de*
minomm defensorum. Der Einheimische, welcher 'Toluerit legere statuta vel
summam notarie', soU *pro quolibet dictorum libroram' j&hrlich 10 Lire er-
halten. Ich verdanke diesen Fund den Bemühungen des Archivars vom
Archiv, capitolare Can. Luigi Paci in Arezzo.
9^1) Suo tempore (des Podest& Raynerius de Adimaris de Florentia im
J. 1338) venerunt doctores Aretinm ad legendnm in jure canonico et civili,
et hoc qnia non poterant Btare Bononiae occasione excommunicationis D. Papae,
quando expnlserunt legatum de terra. Habnerunt salarium cc florenonim
auri. Bei Mnratori, SS. rer. ital. XXIV, 878. üeber die YeranlaBSung
dieser Uebersiedlung habe ich oben S. 319 gesprochen.
^^3) Guazzesi und nach ihm Savigny fassen zwar die Worte im Diplome:
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Arcz2o. 427
Karls Privileg erschien 5. Mai 1355"'), Dasselbe ist nicht,
wie sonst immer, in einem Diplom fQr sich enthalten, sondern
es bietet sich gleichsam eine Appendix zu vielen andern Privi-
legien, die der Kaiser in demselben Documente den Aretinern
am 5. Mai 1355 gewährte"*). Der betreffende Passus heisst:
'cum nostra majestas fidedigne perceperit, quod prefata civitas
Aretina consueverit ab antiquo habere Studium generale et auc-
toritatem doctorandi seu doctorari faciendi in iure canonico et
civili et qualibet alia facultate, et in eadem civitate longo tem-
pore Studium viguerit iuxta imperialia privilegia, que propter
civilium guerrarum discrimina dicuntur deperdita, nos . . . con-
cedimus et largimur, quod in ipsa civitate vigere possit et vigeat
Studium generale in jure canonico et civili et qualibet alia facul-
tate cum potestate et auctoritate plenaria doctorandi et doctores
faciendi in juribus et facultatibus quibuscunque'. Dass das Studium
eine Zeit lang fortdauerte, beweist ein Doctordiplom vom 3. Juni
1373"*).
Aus dem Privileg Karls IV. mtisste man schliessen, Arezzo
habe schon viel früher 'imperialia privilegia' erhalten. Von welchem
Kaiser und wann, wird nicht gesagt. Da die Aretiner schon um
die Mitte des 14. Jhs. nicht mehr im Besitze jener Privilegien
waren, so lässt sich natürlich heute kaum sicher feststellen,
was wahres daran sei. Mir scheint sich die Sache so zu ver-
halten. In jener Zeit verfochten bereits berühmte Rechtslehrer
'imperialia privilegia dicuntur deperdita' in dem Sinne auf, als habe das
Studium aufgehört. Allein davon ist keine Bede.
^3) Nicht erst Friedrich III. (im J. 1456) gewährte, wie Goppi, Le uni-
▼ersitä italiane p. 98, meint, ein Privileg.
8^) Das kais. Diplom ist ausgestellt Senis anno milles. trecent. quin-
quages. quinto, Indict. octava, III. Non. May regnorum nostrorum anno nono,
imperii vero primo. So in der 1356 angefertigten authentischen Copie im
Archiv, capitolare zu Arezzo n. 868 (der Serie Documenti riguardanti la
cathed. e suo capit.), nach der ich oben den Text corrigierte. Die Jahrzahl
1356 bei Burali, Vite de vescovi Ardini, Arezzo 1638 p. 84, Guazzesi 1. c.
p. 109, Savigny, S. 315, Pasqui 1. c. ist also irrig. Böhmer-Huber Beg. im-
perii YIII n. 2103 bieten das richtige Datum.
855) Qnazzesi p. 109 f. Der Wortlaut des Diploms ergibt, dass damals
mehrere 'Doctores iuris canonici et etiam civilis' in Arezzo waren.
428 in. Entwickelaog der Hochschulen bis zam Ende des U. Jhs.
den Satz, die civitates solennes dürften zwar Lehrstühle für die
Eechtswissenschaft besitzen, dass aber die ^potestas doctorandi
non permittitur nisi hoc Privilegium concedatur', und zwar in
der Weise, dass ^sine dignitate imperial! vel apostolica nemo ad
hanc dignitatem promovetur' ®'^*). Da nun im 13. Jh. in Arezzo
promoviert wurde, wie ja auch Karl IV. vom alten Studium sagt,
die Promotionen aber nach und nach wegen Abnahme des Studiums
aufgeh(^rt hatten, ein kaiserliches Privileg jedoch sich hiefür nicht
vorfand, so glaubte man dort um die Mitte des 14. Jhs., das
Studium müsse früher ein solches erhalten haben.
Nicht weniger bedarf das eben angeführte Doctordiplom
einer Bemerkung. Wenn nämlich in demselben gesagt wird, die
Licenz werde ^auctoritate apostolica concessa ecclesie et episcopo
Aretino^ ertheilt, so muss deshalb noch nicht ein päpstliches Pri-
vileg zu Grunde liegen, denn diese Worte erklären sich sehr
gut aus der damals nie angefochtenen Tradition, wonach eine
kirchliche Person die Promotionen vornahm. Ich fand wenigstens
im Vat. Archiv bisher nur ein einziges päpstliches Schreiben,
welches sich auf die Schule von Arezzo bezieht, und dieses eine
hatte nur einen Schüler daselbst im Auge^^'). Auch in Arezzo
existiert kein päpstliches Document, mit welchem die Schule
privilegiert worden wäre.
Seit 1373 verlieren sich die Spuren der Schule, die wohl
nach der im J. 1384 erfolgten Occupation Arezzos durch
Enguerrand VII. (den letzten des Hauses de Coucy) ***) und den
eingetretenen Wirren völlig ausser Acht gelassen wurde. Erst
das im J. 1456 ertheilte kaiserliche Privileg Friedrichs UL bringt
sie uns wider in Erinnerung"*), ohne dass durch dasselbe eine
bleibende Wirkung erzielt worden wäre. Bereits 14. November
1468 wurde sie neuerdings eröffnet, um bald ganz aufzuhören"*).
Baldus in 1. Dig. Baee autem tria^ n. 4.
^^7) Ghino Palliarini Primioli militis, scolariB Aretinus, wird saper de-
fectu natalium am 29. Febr. 1304 dispensiert. Benedicti XI. Reg. Vat
ep. 582. Bl. 134 b.
^ 8. die interessante Abhandlang La prise d'Arezso von Durriea in
der Biblioth^que de I'^cole des chartes XLI, 161 ff.
w») Vgl Gnazaesi p. 110.
^0) In dem Liber sutntorum Aretii (Florentiae 1580) ist Bl. Ib nur
4. Hochschalen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Siena. 429
Siena.
Unvergleichlich mehr Interesse als zu Arezzo bietet die Ent-
stehung der Hochschule zu Siena. Schon die Ereignisse, welche
die Geschichte derselben begleiten, sind von ganz besonderer
Art, und finden sich kaum anderswo, davon zu schweigen, dass
diese Universität schliesslich bleibende Gestalt gewann. Solche
Umstände, sowie der, dass man sowohl von dieser Hochschule
als deren Vorgeschichte bisher fast gar nichts wusste, veranlassen
mich bei der Darstellung derselben etwas ausführlicher zu sein.
Die Anfange des spätem Generalstudiums reichen schwerlich
weiter zurück als in das Ende der ersten Hälfte des 13. Jhs.
Ohne jeglichen Beweis wird behauptet, bereits 1203 seien in
Siena viele Doctoren und Scholaren gewesen"*). Die erste
sichere Notiz stammt aus dem J. 1241 (13. September), in dem
der mag. Tebaldus de Senis, professor grammatice und 'mag.
Johannes Mordentis de Faven^ia in arte medicine' genannt
werden'"). Noch mehr ist uns aus dem J. 1246 überliefert.
Die Commune bestimmte im September 'quinquaginta solidos
cuidam nuntio, qui ivit per civitates et castra Tuscie ad in-
vitandum scolares, ut deberent venire Senas ad studendum in
legibus cum dom. Pepone pro anno venturo'*"). In demselben
Jahre befanden sich Scholaren aus Siena noch in Bologna, die
aber zufolge eines Befehles Friedrichs IL das ihm feindliche
Bologna verlassen mussten"*). Vielleicht war dieser Umstand
für die Commune von Siena mit massgebend, dass sie an die
Erweiterung des eigenen Studiums dachte.
noch Ton den praeceptores Indi literarii et arithmetice die Rede. Zadem
ygl. noch Gaazzesi, der p. 110 (als letzte Notiz über das Studium) ein
Doctordiplom vom J. 1469 anführt.
^1) So z. B. von Goppi 1. c. p. 97. Mir scheint dies bei ihm nur auf
einem lüssyerst&ndnisse einer Stelle bei Oigli, Diario sanese II (Lucca 1723)
p. 350 zu beruhen. Uebrigens theilte diese Ansicht Tommasi, dagegen vgl.
Garpellini, SuUa origine nazionale e populäre deUe universitlk di studi in
ItaHa e particolarmente della uniTersitä di Siena (Siena 1861) p. 29 f.
^ Archiyio di stato in Siena. Diplomatico, Abtblg. Archiv, generale,
ad an. 1241. Der Act wurde ausgefertigt *Senis in scolis dicti mag. Tebaldi'.
M>) Arch. di stato in Siena. Libri della Bicchema ?ol. 6 61. 10 a.
8«) Ibid Bl. 9a.
430 ni. Entwickelang der Hochschulen bis znm Ende des 14. Jhs.
Dieses wurde wahrscheinlich 1247 eröffnet. Es existiert
keine Nachricht darüber. Allein im darauffolgenden Jahre finden
wir als Professoren neben Pepo erwähnt die beiden bereits citierten
Mag. Tebaldus und Johannes Mordentis, dann den Mediciner
Mag. Petrus Yspanus"*), und Mag. Johanninus. Zugleich trugen
Nuntii 4iteras comunis per Tusciam invitando, ut scolares veni-
rent ad Studium in civitate Senensi'*"). Im September 1249
wurden 50 solidos gegeben ^doctoribus morantibus Senis in fa-
cultatibus legum et grammatice et dialectice, quos dederunt
eorum nuntiis, quos ipsi miserunt per Tusciam ut moris est ad
requirendum scolares, utSenas venire debeant ad studendum'**').
Die Schule muss rasch gewachsen sein, denn am 29. November
1252 schrieb Innocenz IV. ^universitati magistrorum et doctornm
Senis regentium ac ipsorum scolarium ibidem degentium', dass sie
und ihre Bedelle von den Dienstleistungen und Lasten frei seien ^^%
^&) Darf nicht mit dem oben S. 278 Anm. 227 genannten Ganonisten
Terwechselt werden.
^) Ibid. YoL 8. Bl 29b. Carpellini p. 31 ff. kannte die drei letzten
Docomente; allein er bot einen defecten Text, und seine Gitiemngsmethode
erzeugt nicht weniger Verwirrung als jene bei De Angelis, Discorso storico
SU Puniversitä die Siena (Siena 1810) und noch neuestens bei Moriani, No-
tizie Bulla universitä dl Siena (Siena 1873). Unkritisch ist ügurgeri, Pompe
Sanesi (Pistoia 1649) I, 407 ff (Juristen), 500ff (Philosophen, Medicmer), doch
interessant wegen der für die deutsche Nation wichtigen Epitaphien II, 434 ff.
^^7) Libri della Bicchema vol. 9 Bl. 32 b. Darauf reflectierten bereits
De Angelis p. 12; Bepetti, Dizionario geograf. fis. stör, della Toscana Y, 371.
Blosses Missverst&ndniss ist es, wenn Goppi 1. c. behauptet, im J. 1249 habe
man einen 'catalogo dei professori' angefangen, wobei er sich auf ein Docu*
ment beruft, das in Wahrheit nicht existiert. Goppi hat wahrscheinlich
einmal von dem im 10. Bande der MiscelL des Benvoglienti enthaltenen
ProfessorenTerzeichnisse gehört, worfiber weiter unten.
^s) Reg. Vat. an. 10 ep. 247 Bl. 220 b. Yestra ferrenter ad hoc de-
sndat intentio, ut et vobis in scientie thesauro proficere et illius fluenta
possitis ad alios derivare. Quia vero huins oceupationis proprietas exigit, ut
Sit Yobis quies cordium et nullum vexationis indebite yos urgeat nocumen-
tum, nos propterea vestris supplicationibus annuentes, ut a qnibuslibet ser*
Titiis, talliis et coUetis ac omnibus et singuHs angariis personalibns et real!-
bns civitati Senensis unacum bedellis vestris sitis omnino liberi et immunes
nniversitatis vestre auctoritate presentinm indulgemus. Perusii 3 kL Decemb.
Den Bischof von Siena bestellte er als Gonsenrator. Schon vorher, am
13. August desselben Jahres, schrieb der Papst Preposito Florentino wegen
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stifthriefen Siena. 431
Durch dieses Document, das Carpellini nicht verstand, wird dessen
Ansicht widerlegt, als habe sich die Schule zu Siena so ganz
ohne päpstlichen Einfluss entwickelt. Es beweist aber auch
zugleich, dass dieselbe nicht sehr unbedeutend gewesen sein
kann. Circa 1262 nahm die Commune alle (mit Ausnahme
ihrer Feinde), welche nach Siena Studien halber kommen wollten,
sammt ihren Nuntii und der Habe in Schutz®'^') Im J. 1264
wird der mehrmals erwähnte mag. Tebaldus doctor artis gram-
matice aufgeführt*'"). Doch darf man sich nicht verhehlen, dass
bis 1275 nur obscure Namen von Professoren, die im Jus, be-
sonders aber in der Grammatik gelehrt haben, begegnen. Es
scheint überhaupt in der Art und Weise der Berufungen kein
eigentliches System geherrscht zu haben.
Das Jahr 1275 bezeichnet scheinbar einen Wendepunkt.
Am 18. Juli wurde beschlossen, den 36 Prioren, welche damals
die höchste Obrigkeit von Siena bildeten, ein Promemoria 'super
abendo, reducendo et fundando generali studio literarum in civi-
tate Senensi' zur Begutachtung zu unterbreiten. Ehe dies
geschah, wurde der Gegenstand in geheimer Beratung erwogen,
und die verschiedenen Ansichten darüber gehört"^). Am darauf-
ProTision von nonnnlli clerici et scolares civitatis et diocesis Senensis.
Ibid. ep. 51 Bl. 202 a. De Angelis kannte die zuerst genannte Bulle nach
einer Abschrift des 6aet. Marini. S. 1. c. p. 14. Vgl. auch Repetti 1. c. Ans
dem ergibt sich, dass, wenn Garpeilini, Risposta al Sig. L. Banchi (Siena
1862) p. 7 schreibt, Innocenz IV. Bulle 'non ha caratteri di autenticitä', dies nur
auf einem Irrthum beruhe.
^^) 'Et quicunque yenerit ad civitatem Senen. causa studendi, de-
beat Gustodiri in avere et persona et ipse et nuntii ejus et a nemine offen-
di, non ostante aliquo constituto, exceptis inimicis comnnis Senensis.' Con-
stit. communis Senensis, im Arch. di stato in Siena. Statuti del comnne di Siena
n. 2 Bl. 118 b. Es ist die älteste Statutensammlung, die im Archiv zu Siena
sich findet, und beginnt: Incipit constitutum communis Senensis. Das von
sp&terer Hand BL la angegebene Jahr 1260 ist nicht richtig. Die Redac-
tion der Statuten stammt keineswegs aus der Zeit vor 1262.
870) Libri della Biccherna vol. 31 Bl. 29 b. Auch hier wird wider gesagt,
dass die nuntii ivernnt per Tusciam invitando scolares ad Studium.
871) Die Actenstücke stehen in den Consigli dcUa campana vol. 20.
Bl. 75 a; fehlerhaft abgedruckt und mit irriger Gitierung bei Carpellini p. 65 f.
In der Beratung sagte Dominus Bartolomeus Saracini 'quod sit firmom, quod
432 ni. fintwickelnng der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
folgenden 20. Juli trat der Bath der Sechsundreissig zusammen.
Der Vorschlag gefiel, es wurden zwei Syndici gewählt, welche
mit den Rectoren, Magistern, Scholaren und Bücherverleihern die
diesen zu gewährenden Privilegien, das Salarium und was über-
haupt notwendig sei, abmachen sollten. Die Professoren müssten
8 Tage vor dem Feste des hl. Michael (29. September) an-
kommen und unausgesetzt in Siena ein Jahr lang bleiben ^^').
in civitate Senensi habeatur et reducator Studium generale. Et quod omnem
securitatem quam dare voluerint et viderint concedendam volentibus yenire
ad studendum et morari in studio, dari debeat et largiri. Et quod super
babendis magistris et ordinandis salariis et expensis propterea opportunis,
Yult quod sit remissum in Priores et xxxvj, Curiam, Gapitaneos, et Gon-
Bules; et yult quod super hiis sint dicti ordines largi et curiales pro hono-
re Comunis et Statu. Et quod certos habeant sapientes, quos yoluerint
super ordinandis securitatibus et super habendo dicto studio, et super Omni-
bus et singulis que super biis et circa predieta yiderint opportuna, et possint
plenarie ordinäre et yidere et firmare totum et quidquid yiderint ordinandum.
Dominus Grifolus Judex consulit et dixit super facto Studii litteramm gene-
ralis, quod plenarie dictum factum sit remissum in xxxyj, Gonsules, Game-
rarium et Guriam et habeant certos sapientes qui sentiant de facto studii,
et super predictis debeant ordinäre et yidere securitates, priyilegia et immu-
nitates concedendas magistris et rectoribus legum et aliarum professionum et
Scolaribus uniyersis, et ut bene sentiatur per ciyitatem, yult, quod per con-
silium generale et in consilio generali firmetur et dicatur: complacet sibi,
quod si expedierit firmare per statutum, yult quod firmetur et firmentur con-
tra costitutiones factas ab Imperatore super facto Studii generalis. Gonsilium
fuit in concordia cum dicto Domini Grifoli.' Das Datum ist *die joyis XVIII.
Julii' (MGGLXXY). Im weiteren Verlaufe wird auch noch die Indictio (III.)
angegeben. Wegen später anzuführender Actenstücke bemerke ich gleich hier,
dasB in Siena nicht der calculus Pisanus eingeführt war, wie in L'art de
y^rifier les dates I (Paris 1783), X und daraus (ohne dass die Quelle ge-
nannt würde) in Glorias Palftografie und Grotefends Handbuch der histor.
Ghronologie steht, sondern der Galcnlus Florentinus. Auch Prof. Ficker
in Innsbruck best&tigte mir dies, üebrigens kann sich jeder aus den yon ihm
im 4. Bd. der Forschungen zur Reichs- und Bechtsgeschichte Italiens edierten
Urkunden überzeugen. Man ygl. besonders n. 450. Schwierigkeiten bot mir
öfters die Indiction, die wenigstens nach meiner Beobachtung in einigen
Acten des 14. Jhs. um ein Jahr der gewöhnlichen yorans ist.
^^) Die zwei Syndici wurden beauftragt, 'ad faciendum conyentiones,
promissiones, obligationes et pacta rectoribus, dominis, magistris, scholaribus,
stac^oneriis, qui yenerint ad legendum, regendum et docendnm in ciyitate
Senensi, et ad concedendum ipsis et cuilibet eorum priyilegia et immnnitates
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Siena. 433
Diese Beschlüsse der Commune von Siena bilden ein einzig-
artiges Factum in der Geschichte der mittelalterlichen, speciell der
italienischen Universitäten. Es kam wohl anderwärts vor, dass
sich in einer Stadt ein Generalstudium ex consuetudine ent-
wickelte; auch Hessen es sich die Communen fast überall
angelegen sein in den Besitz einer Hochschule zu gelangen, wie
die von ihnen darüber gefassten Beschlüsse beweisen: allein
man findet sonst nirgends, dass sich eine Stadtobrigkeit für
mächtig genug gehalten hätte dieselben mit Umgehung der
päpstlichen oder kaiserlichen Autorität ins Werk zu setzen.
Wenn dies in Siena geschah, so ist der Grund darin zu suchen,
dass das Factum in eine Periode fällt, in welcher der Usus,
sich beim Papste oder beim Kaiser um ein Universitätsprivileg
zu bewerben, noch nicht ausgebildet war.
Uebrigens stellte sich die Commune von Siena die Sache
zu einfach vor. Ein Generalstudium im vollen Sinne konnte sie
allein niemals errichten. Wie sollte sie es auch anfangen, dass
dasselbe überall als solches anerkannt wurde? Woher nahm
sie das Recht, die Promotionen an der Lehranstalt einzuführen?
Für den Fall dass sie dort nicht seit langem bereits im Brauche
waren, lag es in der zweiten Hälfte des 13. Jhs. in Italien
ausserhalb der Möglichkeit ohne päpstliche oder kaiserliche
Autorität in den Besitz jenes Rechtes zu gelangen.
reales et personales, et ad promittendam eisdem et cuilibet eomm fendnm et
salarinm, sicat et qaaliter cum ipsis yel eornm aliqao concordaverint ipsi vel
alter eorum, et ad promittendam sibi solvere dicta fenda et salaria semel et
plnries, et ad cantiones et instrumenta ipsis facienda, quoties expedierit, et
ad promittendam predicta servare attendere et competere ad certam penam,
et ad obligandam dictum comune et bona dicti comunis, pignorandum, et
generaliter ad omnia et singula facienda, que in predictis et circa ea vide-
rint expedire; dantes et concedentes eisdem liberam et generalem admini«
strationem in predictis, et circa ea promittit ratnm et firmum habere, et
habebit dictum comune, sab obligatione bonorum dicti comunis, et ad reci-
piendum ab ipsis et quoübet eorum promissiones, obligationes et pacta et
etiam juramenta, qui venient ad civitatem Senensem ad legendum, docendum
et regendum, et quod erunt in ciyitate et stabunt continne per annum ipsi
et quiUbet eorum, vig diebus ante festum sancti Michaelis de mense sep-
tembris'. Gonsigli della campana 1. c. Bl. 76 b. Garpellini hat den Text viel-
ÜGtch missverstanden.
Deuifle, Die üniTeniaten. 1. 28
4S4 ^II* EntwickeluDg der Bochschtüen bis sam Ende des U. Jhs.
Wir staunen deshalb nicht, dass Siena mit seinem Stadium
kein besonderes Griück hatte, es auch nicht haben konnte, da
dasselbe nicht als solches betrachtet wurde, wie es ja auch in
Wahrheit keines repraesentierte"^'). Doch unterliess die Commune
nicht Yon Zeit zu Zeit Professoren für die verschiedenen Wissens-
zweige zu berufen. Der 1285 von Honorius IV. an der römischen
Curie bevorzugte Judex Bindus de Senis*^*) wird 1280—1281 in
Siena bezahlt, 'quia tenuit scolas et legit in legibus'^'*). In
demselben Jahre erhalten ferner ein Salarium ein magister dialeo-
tice, frater Guidottus mag. rectorice, mag. Alexander filius mag.
Tebaldi^^^). Und so finden wir bis 1321 in allen Wissensgebieten
bald diesen bald jenen Professor erwähnt*"). Man darf sich
aber hierin den bisherigen Resultaten nicht unbedingt an-
schliessen. Man traute zu viel der CoUection Benvoglientis *'*).
Einzelne Gelehrte lassen auch die Legisten Jacob de Belviso'^'),
Jacob de Arena "^) und Oldradus*") in Siena lesen. Ohne dass
878) Carpellini ist völlig im Unrechte, wenn er seit dieser Zeit dAS
Generalstudium datiert Dieser Irrthum entsprang aus einer fiedschen Vor-
stellung vom Begriffe eines Generalstudiums. Goppi hat obige Thatsachen
nicht gekannt.
8W) 8. oben 8. 305.
876) Arch. di stato in 8iena. libri della Bicchema vol. 72 Bl. 89 a.
876) Ibid. BL 53 b.
877) Das 8alarium war damals jedoch sehr gering, wie ans den Ubri
della Bicchema hervorgeht Vgl. z. B. zum J. 1311 vol. 84 Bl. 273.
878) Sie ist enthalten im 10. Bande der MiscelL Benvoglientis auf der
Bibliothek zu 8iena, und bietet eine ziemlich unkritische Zusammenstellong
der hauptsftchlichsten Lehrer, welche von 1249—1529 in Siena gelehrt haben.
Carpellini p. 38 ff. und Moriani p. 11 ff. liefern lediglich AnsiQge. Vgl. auch
Della Yalle, Lottere 8anesi (Roma 1782) I, 139. In des <em Benvoglie&tiB
interessanter, äusserst rarer (nicht paginierter) Schrift De nrbis Senae ori-
gine et incremento (Senis 1506) darf man natürUch nichts derartiges suchen.
879) 8. Savigny, Gesch. des Rom. Rechts VI, 62 aus Diplovataccina.
Nach Sarti (im zweiten Bande De claris archigymn. Bonon. Professoribas
p. 22 — s. oben S. 214 Anm. 595) w&re Jacob de Belviso bereits 1306 in
Siena gewesen, da Sarti in der irrigen Meinung war, schon in diesem Jahre
h&tte eine Auswanderung von Bologna nach Siena stattgefunden (was auch
PanziroluB, De claris legum interpretibus 1. 3 c. 23 behauptet), 8. Anm. 883.
880) S. Savigny V, 401.
8^1) Ibid. S. 55. Savigny setzt den Aufenthalt in Siena sowohl dieses
4. Hochscholen mit kaiserl. oder kOnigl. Stiftbriefen. Siena. 435
ich die Richtigkeit dieser Notizen zu bestreiten wage, bemerke ich,
dasB es mir nicht gelang eine Bestätigung derselben im Archiv zu
Siena zu ermitteln. Den Aufenthalt Jacobs de Belviso in Siena bringt
man mit der im J. 1306 vermeintlich stattgehabten Uebersiedlung
von Professoren und Scholaren von Bologna nach Siena in Ver-
bindung. Der berühmte Medi einer Dinus von Florenz spreche
von derselben, und dieser selbst habe im genannten Jahre Bologna
mit Siena vertauscht**'). Ist es nun auch wahr, dass im J. 1306
das Studium zu Bologna unterbrochen wurde, so doch keineswegs,
dass bereits damals die auswandernden Professoren und Scho-
laren von der Commune zu Siena engagiert wurden. Noch mehr
aber entbehrt die Annahme, Dinus habe 1306 in Siena gelehrt,
eines Beweises"').
als des in Anm. 879 citierten Rechtslehrers in eine frühere Zeit auf Grund
des Diplovataccins.
M>) S. Tiraboschi, Stör. deUa lett ital. V, 43. 215; Fantaszi U, 51 f.
^ Dinus spricht, soweit bisher bekannt, in zwei Werken ausführlicher
über seinen Aufenthalt zu Siena. Er commentierte nftmlich dort einmal
3. Fen 4. canonis Avicennae, an dem er bereits in Bologna gearbeitet
hatte. Am Schlüsse (nicht in der Einleitung) wie Tiraboschi schreibt) des
Gonunentars sagt er, im vierten Jahre seines Studiums sei er zu Bologna
doctoriert worden, dann habe er zwei Jahre lang gelesen. Tostmodum vero quia
privatum init Studium Bononie, coacti recessimus a studio illo et yenimus
ad dvitatem Senarum ad salarium vocati. Ibi vero ex rogamine quo-
rondam scolarium amicorum nostrorum reincepimus opus hoc . . .
et hoc opus perfecimus' (Cod. Vat. 24S5 Bl. 99 a). üeber seinen Auf-
enthalt in Siena schreibt Dinus auch im Commentar zum 2. Canon Avi*
eesnas; er setzt indess hier dasjenige, was er in der früheren Schrift von
der Uebersiedlung nach Siena gesagt hat, voraus, und berichtet, diesen
Commentar habe er begonnen, 'cum viguit Studium in civitate Senarum';
nach Auflösung desselben habe er ihn vollendet (Cod. Paris. 6935 Bl. 199 b.
S. unten S. 440). Da nun dies letztere, wie allgemein zugegeben wird und
sicher feststeht, in den ersten Jahren des dritten Decenniums des 14. Jhs.
statt hatte, so auch das erstere. Die Hauptbest&tigung gew&hren die Libri
deUa Biochema im Archiv zu Siena, die erst zum J. 1321 etc. das dem Dinus
gewfthrte Salarium und seine Berufung nach Siena erwfthnen; für die Jahre
1306 und 1307 aber gar keine Notiz über ihn enthalten. Eine grosse
Schwierigkeit entsteht allerdings dadurch, dass dem zufolge die Studienzeit
und die erste Th&tigkeit des Dinus in eine zu sp&te Periode fallen würde. Die
Schwierigkeit wuchst, weil die Hss. und Drucke in den Angaben von Jahr-
zahlen bedeutend di£ferieren. Tiraboschi liest m der Ausgabe des Diluci-
28*
436 UI' Entwickelimg der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Mehr als zweifelhaft ist auch, ob (1282) der Canonist Bic-
cardo Petroni Yon Siena, welcher später Vicekanzler der römischen
Kirche war und mit dem Erzbischofe Wilhelm Yon Embnm und
dem Bischof Berengar von Beziers den über sextos Bonifaz YIIL
zusammensetzte*'^), in Siena Jus. can. gelehrt hat*'^). Es
bleibt dahin gestellt, ob der 1280 dort docierende Canonist
judex Bonaguida**') mit dem 1255 in Arezzo lehrenden gleich*
namigen Ganonisten identisch ist
Am 9. Mai 1285 kam im Gonsilium generale die Frage wegen
Berufung you Professoren zur Sprache, und Dom. Benincasa de
Aritio doctor legum sagte, dass bereits froher 'secundum formam
statuti fuerit factum consilium generale super facto iUorum, qui
veniunt Tel yenerint ad civitatem Senensem ad docendum in
aliqua facultate vel scientia' und auch wegen eines erfahrenen
Arztes berathschlagt worden sei. In Bezug auf diesen letzten
Punkt Yerhandelte man mit mag. Ranucdus medicus peritus in
dariam, das Jahr 1311 sei das 6. Jahr der leetnra des Dinns geweseo. Im
Cod. Yat 24S4 steht aher nichts daTon; am Schiasse (Bl. 182 b) heisst es
jedoch: et completom est hoc opus anno christi MGCCXXYIllI mense no-
▼embris die XV. Dagegen spricht wider der Bericht des Giov. Yillani (Cro-
nica. Firenze 1823 Y, 56), der als Todesdatom 30. Sept 1527 angibt. Eben-
so wird im Cod. Yat 4464 Bl. 124 am Schlosse eines medicinischen Trae-
tates erwähnt: Ezplicinnt recollectiones snper libro de naiora fetas repor-
täte snb excellentissimo artinm doctore et scientie medicine mag. Diao de
Florentia per mag. Jalianum Bonon. de Prehnntis snb anno dorn. 1310 die
10. mensis oct Allerdings begreift man da schwer, wie des IMnas bertthmter
Sohn Thomas de Garbo noch 25. Oct. 1339 als Schfiler in der Matrikel der
UniTersit&t Pemgia erscheinen (Bossi im Giomale dl enidisione artistica Y,
180) nnd erst 1341 das Doctorat erhalten konnte (am Schlüsse eines Trac-
tates schreibt er: composni antem hoc opus in 2. anno mee lectore Bononie,
cum de mane ordinarie legere incepi currentibns annis dom. 1343 die
21. Jnlii. Cod. Yat. 2487 Bl. 245> Mögen Einseiforscher Aber diese Umstiade
mehr Licht verbreiten.
^^) S. die Bolle Sacromnctaej mit welcher der Liber sextos begleitet ist.
^^) Dies behanpten Carpellini p. 45 nnd die allemeoesten Stndi Senesi
nel circolo gioridico della r. oniversiti I (Siena 1884), 205, aber ohne aoch nor
einen Beleg fOr diese Behaoptong ansoffthren. Im Archiv so Siena fand ich
keinen Anfschloss.
m) Arch. di Siena, Libri della Bicchema vol. 72 Bl. 38 b. Er erhielt
salariom scolamm, qoas tenait hoc anno in decretalibns.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. StiftbriefeD. Siena. 437
alte 'Cilorgie'"^). Zum 18. Mai desselben Jahres liest man,
dass mag. Orlandus de Aritio in medicina professor intendat
regere in medicina in civit. Sen. et operari in arte predicta et
suam artem exercere. Ebenso erfährt man von einem mag. Baltramus
doctor in grammatica^^^). Die Hauptsache ist, dass auch die
städtischen Statuten sich mit den Professoren beschäftigten.
In den c. 1287 abgefassten Gonstituta comunis Senensis finden
sich in der vierten Distinction die Paragraphen : Quod qui docent
gramaticam, non vadant in exercitum. Quod scolares volentes
venire Senas ad Studium habeant securitatem. De salario statu-
endo venientibus ad civitatem Senensem pro docendo in aliqua
facultate. Quod quieunque docuerit leges vel decretales per
totum annum in civit. Senensi habeat a communi Sen. XXV
libr. den. Quod docentes pueros legere non vadant in exer-
citum **').
Unmittelbar vorher, ehe das Studium durch eine Auswande-
rung aus Bologna (im J. 1321) einen so bedeutenden Zuwachs
erhielt, lehrten sechs Professoren an demselben. Doch beschäftigte
sich die Mehrzahl nur mit der Grammatik und den niedern
Wissenszweigen ®'**).
Von epochemachender Bedeutung schien für die Schule zu
Siena das Jahr 1321 zu werden. Wie so häufig, sollte eine
Auswanderung von Professoren und Scholaren aus Bologna die
Veranlassung dazu bieten. In Folge der Hinrichtung eines Scho-
laren, der ein Mädchen entführt hatte, und der durch dieselbe
hervorgerufen Aufregung gegen den Podestä, vielleicht auch noch
wegen anderer Ursachen, verliessen eine Menge Professoren
und Schüler die Stadt Bologna^**) und zogen nach Imo-
^7) Gonsigli della campana vol. 29 Bl. 60 a.
888) Ibid. BI. 64 a
889) Statut! del comune di Siena (im Archiv, di Stato in Siena) n. 5.
Bl. 3 a der vierten Dist. Die 6. Bist wurde sp&ter redigiert.
890) S. das Document bei Banchi im Oiomale storico degli archivi To-
scani Y, 320. Nach der bisherigen Darstellung bedarf es keiner Erwähnang
mehr, dass die Ansicht Malavoltis (Historia de' fotti e guerre de Sanesi.
Yenezia 1599 BI. 82 b), das Studium von Siena habe mit dem J. 1321 be-
gonnen, irrig sei.
891) Es beruht auf einem Irrthume, resp. einer Yerwechselung mit 1306
438 I^^' Eotwiekelnng der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
la"''), wohin die deutsche Nation widerholt ihre Delegaten
schickte'^'). Diese Auswanderung gehört zu den berühmtesten, und
niemand erkannte besser als die Scholaren selbst, welche Bedeutung
dieselbe hatte, indem sie, wie wir weiter unten sehen werden,
nach erfolgter Aussöhnung mit der Stadt zum Gedächtniss an
diese Aussöhnung eine Kirche erbauten. Nach Imola und zum
Theil auch nach Bologna zu den Zurückgebliebenen sandte
Siena seine Gesandten, um die Professoren und Scholaren einzu-
laden in ihre Stadt zu kommen. Siena gieng mit denselben einen
Contrakt ein. Ausser der Zahlung des Salariums verpflichtete
sich die Commune die Bücher und alles dasjenige, was die
Studierenden zum Leben und zum Studium brauchten, nach Siena
überführen zu wollen. In Siena selbst sollten sie überdies recht
billig leben können '^0. Ob aber im Contrakt auch der Punkt
enthalten war, die Commune solle sich beim päpstlichen
Stuhle um die Bewilligung einer theologischen Lehrkanzel be-
werben*'^), möchte ich sehr bezweifeln. Dazu lag um so weniger
Grund und Bedürfhiss vor, als ja die Universität Bologna selbst
erst 1360 ein theologisches Studium erhielt, und von den nach
Imola Ausgewanderten kein einziger sich mit dem Studium der
Theologie in Bologna beschäftigt haben konnte.
Ende Mai 1321 ''*) war die Uebersiedlung eines Theiles der
oder 1338, wenn MoreUi in den Statuti deUa nniyersitjk e studio Fiorentino
(Firenze 1881) p. XXXIII and nach ihm Beumont, Lorenzo de* Medici
(2. Aufl.) I, 377 behaupten, in Folge des wegen Auflehnung gegen die pftpst-
liche Herrschaft aber Bologna yerh&ngten Bannes seien die Scholaren ausge-
zogen. Im Jahre 1321 ist weder von Auflehnung noch Tom Interdikt die
Bede. 8. Matth. de Griffonibus (Muratori, SS. rer. itaL XYIU, 140) und
Barthol. della Pugliola (ibid. p. 333), und dazu Banchi a. a. 0. p. 238 f.
Unbegreiflich vertritt Bondoni im Archi?. stör. ital. 14. p. 45 der ser. 4.
noch den alten Irrthum.
^^) Nicht unmittelbar nach Siena, wie ScarabeUi 1. c. p. 51 unrich-
tig sagt.
s^>) S. Malagola, Della vita e delle opere di Antonio Urceo p. 548.
^ S. die Documente bei Banchi im Giomale storico degli archiyi
Toscani Y, 309 ff. Einzelne, welche sich in den Libri della Bicchema be-
finden, sind noch nicht ediert.
895) Das ist die Ansicht Banchis p. 241.
»»«) GarpeUini p. 49 und Chiapelli, Vita di Cino da Pistoja (1881) p. 67
4. Hochschulen mit kaiserL oder königl. Stiftbriefen. Siena. 439
Professoren und Scholaren nach Siena im Grossen und Ganzen
beendet *^0- Zwischen Juli und December desselben Jahres
werden nicht weniger denn 22 Professoren, zu denen auch die
6 bereits dort anwesenden gehören, erwähnt, und zu ihnen
kamen auch nachher noch etliche hinzu. Unter den 1321 An-
gekommenen waren 7 Professoren des Römischen, und 5 des
canonischen Rechts, zwei Mediciner, zwei Philosophen, und ein
Professor der Notariatskunst"^). Es bedarf hier aber der Be-
täuschen sich, wenn sie die Auswanderung von Bologna und die Ueber-
siedlung nach Siena in das Jahr 1320 setzen. Sie übersahen überhaupt den
Jahresanfeuig der Sienesen zu rectificieren.
^7) s. dazu auch das 14. Document bei Banchi p. 330.
®^) S. die Liste bei Banchi p. 321 ff. Die Gi?ilisten waren Andreaade
Ciaffi da Pisa, Antonio Ansaldi da Gatalogna, Gino da Pistoja, Federico di
Branca de' Maconi, der schon früher in Siena war, Quglielmo di Giliano,
Paul Silimani, Guglielmo di Pusteria von Mailand. Die Ganonisten hiessen:
Federigo Petrucci yon Siena, Gregorius di Maestro Bonsignore, Paulus de
Liazarüs, Becupero (Riccovero) da S. Miniato, Messer arciprete di Ferrara.
Yon den übrigen Professoren waren die beiden Mediciner Dino da Firenze
und Braccino da Pistoja die berühmtesten. In Bezug auf Federicus de Senis
erlaube ich mir folgende Bemerkung. Im an. 2. p. 1 der Suppliken Clem. VI.
findet sich Bl. 264 a eine interessante Supplik des Federicus Petruccii de
Senis decretorum doctor, 'quod olim ipse in xiiij etatis sue anno constitutus
habitum carmelitarum assumpsit iUumque per annum et ultra portavit et
demum illo dimisso ad seculum fuit reversus et iuris canonici et ciTÜis stu-
dio insistens in iure canonico recepit doctoratus honorem et in eodem iure
in pluribus generalibus studiis per duodecim annos et ultra rexit, et medio
tempore canonicatum et prebendam ecclesie s. Ansanii Aretin. dioc. necnon
prioratum secularis ecclesie s. Andree de Senis, iUoque dimisso plebaniam s.
Johannis in Vescona et canonicatum et prebendam plebis de Saltu prefate
dioc. extitit alias canonice assecutus'. Er hat nun aber Gewissensscrupel
wegen seines Austrittes und bittet in den Benedictinerorden übertreten zu
dürfen. Aehnlioh doch weniger ausführlich Reg. Suppl. Glem. VI. an. 2
p, 3 Bl. 154. Die erstere Supplik wurde 16. kl. Nov. an. 2., die zweite
17 kl. Sept. an. 2. gewährt. Wenn dieser Federicus identisch mit dem un-
sem ist, so darf die Phrase 'per duodecim annos' nicht genau genommen
werden, der Nachdruck liegt mehr auf *et ultra'. Aus einer Bemerkung
des Federicus ergibt sich, dass er nach Fubliciemng der Glementinen (1317)
Doctor wurde. Eine im Drucke fehlende Quaestio (74.) tr> im Cod. Paris.
4277 Bl. 46 a die üeberschrift: Alegationes Federici quod novus possessor
etiam teneatur solvere decimas pro tempore preteriti possessionis in secun-
do anno doctoratus sui. Darin werden aber die 'glosse communes in Clem.'
440 ^* Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
merkung, dass nicht sämmtliche Professoren aus Bologna, resp.
aus Imola, nach Siena zogen, sondern dass einige derselben
auch anderswoher, wie z. B. Riccovero da S. Miniato und An-
dreas de Giaffi (beide aus Florenz) ^''), und Ginus (ans Gamerino),
berufen wurden. Ausserdem erhielt das Studium noch im J. 1322
einen Zuwachs.
Die Bezahlung war sehr ungleich. Bedeutend war sie bei
Paul de Liazariis (1555 Lire d. i. 4—500 Gulden), Dinus (1155
Lire), Ginus 220 Goldgulden; geringer ist jene Paul Silimannis
(660 Lire) und Riccoveros (742 Lire). Es sind hier auch die
Zulagen mitgerechnet. Die Gommune sparte nichts, um Pro-
fessoren und Scholaren zurückzuhalten. Sie befreite sie von den
Abgaben und wollte, dass sie während ihres Aufenthaltes in
Siena als Bürger behandelt würden ***).
Doch kaum drei Jahre hielt sich das Studium auf dieser
Höhe'®"). Dasselbe löste sich theilweise wider auf; circa 1324
waren die meisten Studierenden wider abgereist'"). Siena bietet
hierin mehr als einen Vergleichungspunkt mit der Universität
Piacenza; nur ist hier der terminus a quo Pavia. Der Mediciner
Dinus von Florenz schliesst seinen Gommentar zum zweiten Ganon
Avicennas mit dem Datum des 27. Octobers 1325 und be-
merkt, er habe ihn begonnen 'cum viguit Studium in civitate
Senarum . . . sed eam complevi cum Florentie redii propter
citiert. Dass die Abfassung derselben, d. h. des Apparates des Joh. Andreae,
mehrere Jahre vor 1326 (welches Jahr Schalte, Gesch. der Quellen II, 217
annimmt) fallen muss, wird sich weiter unten zeigen. Federicus ist wohl
kurz vor 1321 Doctor geworden. Wenn es in der 62. Quaestio des Druckes
heisst, er habe 'ante editionem Clem.' als scholaris eine Besponsio auf eine
Quaestio gegeben, so ist dies nach Cod. Paris. 4277 Bl. 42 a in 'ante aadiüo*
nem Clem.' zu corrigieren.
899j 8. anten unter Florenz.
^^) S. besonders das neunte Document bei Banchi p. 318.
901) Es ist zum wenigsten sehr ungenau gesprochen , wenn Luschin
(Oesterreicher an italienischen Universitäten S. 92) behauptet, Siena ver«
danke dem Exodus aus Bologna im J. 1321 das Aufbiflhen der Schale.
^) Nach Ghirardacci, Della historia di Bologna II, 40, war das
Studium schon M&rz 1323 in Unordnung, und es h&tten viele verlangt nach
Bologna zurückzukehren.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Siena. 441
illius studii divisionem et annichilationem'^"*). April 1323 war
er jedoch noch in Siena '°*).
Ich bin nicht der erste, welcher dem Grunde der theilweisen
Auflösung des Studiums zu Siena nachgeht. Bereits die Gronica
Sanese erzählt, die Gommune habe zwar den Scholaren grosse
Yortheile gewährt; trotzdem sei aber das Studium von kurzer
Dauer gewesen, 'imperocche '1 comune lo' promise di far lo'
avere e brivilegi del convento, e poi ne li potero avere, e per
questa cagione si partiro"^^). Auch Tiraboschi und Banchi
schreiben die Auflösung den ^difficoltä opposte dalla curia romana
nel concedere i privilegi all' accresciuto studio' zu'°*). Allein
Sicheres konnte ich den Acten in Siena nicht entnehmen. Gewiss
ist nur, dass in den Libri della Biccherna widerholt, und zwar
schon im J. 1321 von Gesandten die Rede ist, welche man an
die römische Curie schickte. In den weitläufigen Regesten Jo-
hanns XXII. auch in jenen der Avignonesischen Sammlung
im Yatican. Archiv fand ich jedoch nicht den geringsten Anhalts-
punkt zu irgend einem Schlüsse.
Den Hauptgrund für die so frühe und fast plötzliche Auf-
lösung des Studiums zu Siena scheint mir muss man wo anders
suchen, nämlich in der frühzeitigen Aussöhnung der theils in
Bologna, theils in Imola zurückgebliebenen Professoren und Scho-
laren mit der Stadt Bologna. Sie wurde bereits im Mai 1321
angebahnt. Die Scholaren schlössen mit der Commune einen für
erstere höchst günstigen Vertrag ab'°**). Im Namen der Stadt
verhandelte mit den in Imola verweilenden Scholaren der Rechts-
lehrer Butrigarius ^^'). Ihm besonders, sowie den Juristen Petrus
^S) Cod. Paris. 6935 Bl. 169 b. und dazu oben S. 437. Anm. 888.
^ 8. das Document bei Rossi, Documenti per la storia dell' univer-
BÜk di Perugia im Gioraale di erudizione artistica IV, 323 n. 47.
M5) Bei Mnratori XY, 63.
M6) Tirabosclii, 1. c, Banchi 1. e. p. 246. S. auch Schalte a. a. 0.
9^*) 8. Ghirardacci II, 6 and einen Auszog des Docnmentes bei Scara-
belli p. 51. Der Vertrag, den die Scholaren abfassten, betraf acht Pankte.
Die Stadt gieng, nm wider in den Besitz des Stadiums zu gelangen, auf
alle Forderungen ein.
^7) Sarti im 2. Bande de claris archigymnasii Bonon. professor. {s. oben
8. 214 Anm. 595) p. 28.
442 ^U. Entwickelnng der Hochschalen bis znm Ende des 14. Jhs.
de Cernitis, Macagnano de Azzognidis und Johann Andreae hat
man die Widerherstellung des Studiums zu Bologna zu ver-
danken'°^). Allerdings ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
dass man gerade von Bologna aus beim Papste die Gewährung
von Privilegien Mr Siena hintertrieben hat, um in Bologna
um so eher zum Ziele zu gelangen. Bald nach dem erwähn-
ten Veiirage, am 15. Juni, ersuchten die Scholaren Bolognas
den Senat, dass Jacob de Belviso von Perugia zurückberufen
würde, der auch Ende September oder Anfangs October 1321
von dort abreiste'®^), um das Schuljahr in Bologna zu be-
ginnen. Auch Petrus de Cernitis las dort bereits Novem-
ber"®). Allerdings fanden in diesem Jahre noch keine In-
scriptionen der Studenten deutscher Nation statt *^0i ^^ j& &uch
nicht zu viele Professoren am Studiutai sich aufhielten'^'). Am
2. März des nächsten Jahres wurde von den Scholaren Bolognas
zum Gedächtniss an die Aussöhnung mit der Stadt der Bau der
Kirche S. Maria della Pace in der via S. Mamolo in Angriflf ge-
nommen und am 30. April vollendet, wie der in ihr aufgestellte
Gedenkstein kundthat'^').
908) Ibid. p. 32.
909) 8. die Documente bei Rossi 1. c. p. 255. 282ff. Ghirardacci II, 10.
910) Ibid. noch mehr ausser Frage steht das Jahr 1322. Als nobe-
kannt führe ich hier an, dass sich in Ronen nach Mittheilnng des Herrn
Omont in Paris, der nun mehr den Handschriftencatalog von Ronen publiciert,
eine 'Questio disputata Bononie per D. Pynum de Accnrsinis de Bononia
decretorum doctorem anno dorn. MCGGXXIF findet. Dazn vgl. Anm. 913.
Dieser Ganonist erscheint in Docnmenten von Perugia als Finns de Artnsinis.
8. unten nnter Perugia.
911) Malagola 1. c.
912) Die Scholaren selbst sagten dies in der am 15. Juni eingesandten
Supplik. Ghirardacci 1. o.
913) Die Kirche existiert nicht mehr, wohl aber der Gedenkstein im
Mnseo civico su Bologna, sala XVI. Die Hauptfigur in der Mitte des Steines
ist die Madonna mit dem Kinde. Zu beiden Seiten kniean je drei Personen;
jene unmittelbar rechts und links von der Madonna sind die beiden Bectoren.
Die einseinen Personen tragen aber sich die Bezeichnungen. Rechts von der
Madonna: letrus Revorii de Burgondia, Jaroslaus de Polonia, Rector ultra-
montanorum. Links von der Madonna: Rector Citramontanomm, Ajnardus
de Montebello, Jacobus de Langvilla de Janua. Die Namen der beiden Reo*
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Sieoa. 443
Von selbst ergibt sich nun, dass viele Professoren und
Scholaren, welche in Siena weilten, sich nach Bologna zurück
sehnen mussten. Waren ja jetzt alle Differenzen zwischen ihnen
und der Stadt beigelegt. Zudem war Bologna immer die Mutter-
anstalt, besass andere Mittel als Siena, und hatte damals fort-
während noch einen Weltruf. Das Studium zu Siena hätte sich
sicher zum grossen Theile früher aufgelöst, wäre nicht der von
den Studierenden eingegangene Vertrag mit der Commune von
Siena im Wege gestanden.
Doch wurde das Studium zu Siena nicht in der Weise zer-
rüttet, als wäre es nun ganz von Professoren entblösst gewesen.
Ich will zwar kein Gewicht auf die von Schulte nach einer
fehlerhaften Quelle gebrachte Notiz legen, dass der Ganonist
Federicus de Senis noch 1326 in Siena gelehrt habe'^^), denn
sowohl nach Sieneser Acten als nach andern Hss. erweist sich
jenes Jahr als irrig '^^). Er verliess höchst wahrscheinlich
toren stehen in der Inschrift, die unter der Madonna den Platz einnimmt
und laatet: Anno Dom. MGCGXXII. die II. Marcii inceptnm et ultimo
Aprilis perfectum fuit pro reconciUacione studii huius ecclesie opus sub re-
gimine nobilium virorum dominorum Bartholomei Lamberti de Cipro cano-
nici Famag. (Famagustani) Ultramontanorum, et Bemardi Gatenacii canonici
8. Antonini de Flacentia Gitramontanorum rectorum, et sculptorum hie
IUI sapientum. Diese vier Savj sind eben die vier Personen, die mit den
2 Rectoren zu beiden Seiten der Madonna knieen. An den ?ier Ecken des
Steines befinden sich je zwei Wappenschilder. Bei Ghirardacci n, 29 ist
die Inschrift theils schlecht aufgelöst, theils defect und missverstanden.
^1^) Schulte n, 237 hatte den Druck der Quaestionen und Gonsilia des
Federicus von Siena vor sich, von denen die vierte Quaestio die Ueberschrift
trägt, Friedrich habe aber sie zu Siena disputiert *anno Dom. MGGGXXYI
die 26. Februarii, anno quo D. Joan. Andreae fecit vel publicavit apparatum
super Glementinis'. Diese Notiz ist auch in der Hs. 27 Heimst zu Wolfen«
bflttel, nur fehlt dort die Angabe des Monats.
9^^) Die genannte Quaestio fahrt in God. Paris. 4277 BI. 9 b die Jahr-
zahl 1821 die XX Februarii; God. Ye 72 fol. in Halle ebenso, ohne den
Monat In beiden fehlt auch die Bemerkung in Betreff der Publication des
Commentars des Johannes Andreae. Im God. I. 62 (bei Schulte falsch I. 72)
des Metropolitancapitels zu Prag findet sich zwar die betreffende Notiz, aUein
mit dem Znsatze: anno Dom. MGGGXXI die 20 Februarii. Hiemit
verliert auch Schuhes Ansicht (II, 217), der genannte Apparat des Jo-
hannes Andreae sei ?on diesem 1326 publiciert worden, allen Werth, was
sich ja schon daraus ergibt, dass die Hs. XVIII. D. f. 72 der Danziger
444 III« EntwickeluDg der Hochschulen bis zam Ende des 14. Jhs.
c. 1324 Siena. Allein der berühmte Rechtslehrer Cinus von
Pistoja war später sicher in Siena. Wie wir gesehen haben,
hielt er sich als Professor schon früher, nämlich von der Mitte
des Jahres 1321 bis Ende des Schuljahres 1322—1323 in Siena
auf, und empfieng als jährliches Salarium 210—220 Gulden''^).
Von da an bis zum Beginne des Schuljahres 1324 — 1325 findet
sich in Sieneser Acten keine Notiz von ihm, er scheint mit dem
Gros der Studierenden Siena verlassen zu haben, wie er auch
in der That im J. 1324 in Florenz sich aufhielt"'). Aber vom
Anfange des genannten Jahres an bis Sommer 1326, d. i. zwei
Jahre, lehrte er wider in Siena das Givilrecht Im letzten
Jahre wurden ihm 320 Goldgulden bezahlt'**).
Cinus war jedoch in Siena nur ein für den Augenblick
leuchtender Stern. Die Blüthe des Studiums war dahin, wenn-
gleich noch immer einzelne Professoren von der Commune be-
i-ufen und besoldet wurden. Die Lehranstalt besass keine andere
Bedeutung mehr, als sie vor 1321 gehabt hatte.
Die Commune verlor trotzdem nicht den Muth. Endlich
einmal wollte sie doch in den Besitz eines Generalstudiums ge-
langen, nicht zwar in der Weise wie im J, 1275, sondern auf
dem Wege, der damals von den meisten Städten, die in den
Besitz eines Generalstudiums zu kommen wünschten, eingeschlagen
wurde. Sie beschloss sich an den Papst zu wenden, um ein
Universitätsprivileg zu erhalten.
Stadtbibliothek im Jnli 1324, and der Apparat in der Hs. Cod. lat. Monac. 6347,
31. M&rz 1326 (beide sogar von Schulte Anm. 63 citiert) von den Schreibern
▼ollendet wurden. Ueber die in Frage stehende Quaestio ist also nach der
Mehrzahl der Hss. am 20. Februar 1322 in Siena von Federicus disputiert
worden; das Datum ist n&mlich nach der Sieneser Jahresberechnuog , die
mit der Florentinischen übereinstimmt, zu rectlfieieren.
^^^) S. die Documente bei Chiappelli, Vita e opere giuridiche di
Gino da Pistoja (Pistoja 1881) p. 89 und Anm. 1.
^7) s. unten unter Florenz. Chiappelli ist dies entgangen, und er l&sst
Cinus 1321—1326 ununterbrochen in Siena docieren.
9^8) S. die von Ciampi, Vita e memorie di Messer Cino (Pistoja 1826),
Savigny, Witte und anderen Schriftstellern übersehenen Documente bei Chiap-
pelli p. 90 aus den llbri della Bicchema zu Siena. Vgl. dazu Santini im
Archl?. stör. ital. ser. 4. t U p. 23f.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stifthriefen. Siena. 445
In dem Jahre, in welchem die Studien za Pisa und Arezzo
erneuert wurden, nämlich 1338, machte man auch in Siena
wider Anstrengungen, um der Stadt ein Generalstudium zu er-
werben. Es haben sich Acte nicht weniger Berathungen der Neun
^super facto generalis studii scientiarum et scolarium habendi
in civitate Senensi' vom 4. Jänner ab erhalten. Ich erwähne hier
nur die hauptsächlichsten derselben. Am 20. Jänner wurden
vier prudentes viri erwählt, 'qui faciant ordinamenta super facto
ipsius studii et super conducendis et habendis doctoribus et super
eorum salariis et super procurandis privilegiis predicti studii et
super tota predicta materia"*'). Bereits am 15. Jänner wurden
^pro parte scolarium existentium Senis preces interposite, quod
operetur et fiat per comune Senense, quod doctores procurentur
et conducentur in facultatibus et maxime Angelus filius ser
CoUetti ad legendum in philosophia et loyca'"°). In demselben
Monat (am 29.) beschloss die Regierung, ^quod pro habendis et
obtinendis dictis privilegiis a dom. summo pontifice pro studio
generali Senis habendo et pro procuratione ipsorum et eorum
occasione expendi possint de pecunia comunis Senensis usque in
quantitatem mille florenorum de auro"'^). Die Sache gieng nicht
recht vorwärts'"), und man kam am 26. Februar überein, die Inter-
vention König Roberts von Sicilien anzurufen und ihm vorzu-
stellen, ^quomodo in civitate Senensi firmatum debet esse Studium
generale in qualibet facultate, et quod in favorem comunis Se-
nensis de dicta materia dignetur scribere dom. pape, quod privi-
^^^) Libri dei Concistori im Archivio di stato in Siena, J&nner Fe-
bmar 1338 Bl. 24 a. Von dieser Abtheilung ist dies der früheste Band.
Durchweg steht indict. VIL, was das Jahr 1339 bezeichnen würde; allein
ein Vergleich mit den Gonsigli deUa campana l&sst mich Termathen, dass
die Notare sich geirrt haben. Doch vgl. Anm. 924.
^ Ibid. Bl. 16 a. Am 20. Febr. wurde mag. Thommasus Gorbacci
von Florenz, 'magister theoricus et praticus in arte gometrie et arismetrice',
für ein Jahr lang gedungen. Ib. Bl. 42 a.
^1) Erwähnt in GonsigU deUa campana vol. 122 Bl. 43 a. Der Do-
minicaner Heneas wurde gegen ein Salar von 10 Goldgulden per Monat zum
Abgesandten nach Avignon bestimmt. Goncistori 1. c. Bl. 6 a.
9^) Dies erhellt ans Beschlüssen vom 29. Jänner und 20. Febr. Gon-
cistori 1. c. Bl. 27 b. 43b.
446 m* Entwickelang der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
legia studii generalis dignetur concedere civitati Sen., et quod
circa dictam materiam componantur litter e\ In der That sandte
man auch an ihn einige nuntii'"). Erst am 29. Mai praesen-
tierte die Regierung die Beschlüsse dem Volksrath; sie that es
nicht früher, ^ut magis secrete procederetur in facto dicti studii
et impedimentum non posset recipere a malis convicinis invidis
dicti bonf. Der bei dieser Gelegenheit aus 181 Stimmen bestehende
Volksrath approbierte das Geschehene mit grosser Majorität"^).
Trotzdem erhielt die Commune die gewünschten Privilegien
nicht"^). Das Gubemium der Neun wusste in Folge dessen
keinen anderen Ausweg, als dass es jedem einheimischen Doctor
verbot ohne specielle Erlaubniss ausserhalb Sienas an einem
Studium zu lesen"*). Letzten December 1347 kam der Wunsch
die ^privilegia generalia concessa studüs generalibus vid. Bononie
et Perusio secundum generalem formam' neuerdings zur Sprache.
Zugleich hatte man vor, sich um das Privileg zu bewerben, dass die
clerici beneficiati von der Residenzpflicht dispensiert würden"^).
Doch erst im J. 1357 gelangte Siena in den Besitz eines
Universitätsprivilegs. Am 9. Juni genehmigte der Volksrath
die Vorschläge über das Studium generale"*), unter denen der
«») Concistori Bl. 53.
^) Gonsigli deUa campana yoI. 122 Bl. 43—44; Das Factum hatte
statt Freitag 29. Mai indict. VI. In der That fiel im J. 1338 der 29. Mai
auf einen Freitag, und die Indiction stimmt mit der gewöhnlichen flberein.
Dadurch wird meine oben Anm. 919 gemachte Bemerkung best&tigt Die aus
den Libri dei Concistori angeführten BeschlQsse sind die Grundlage fttr den
am 29. Mai desselben Jahres stattgehabten Volksrath. Doch ist keineswegs
ausgeschlossen, dass fOr letzteren solche Beratungen die Voraussetzung bil-
deten, welche nicht mehr auf uns gekommen sind, die aber gleichlaUa in den
Jänner 1338 fielen (s. oben Anm. 921), und dass in demselben Monat 1389
die Frage neuerdings yentiliert worden und in Concistori ad an. 1838 auf-
bewahrt ist.
^^) Weder in Siena noch im Vat Archiv entdeckte ich ein pftpstliches
(Benedicts XII.) Actenstück, das darüber Aufschlüsse bieten würde, wamm
die Sienesen beim Papste kein Gehör fanden.
^ Consigli della campana vol. 124 ad an. 1339 Bl. 13a. Doch kamen
anch auswärtige Professoren und Scholaren nach Siena; speciell werden
solche 29. Mai und 19. Juni 1339 erw&hnt Biccherna yol. 151 Bl. 76.
^) Concistori ad an. 1347 BL 80 b.
9^) Consigli della campana vol. 161 Bl. 47 a.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Siena. 447
vom 28. Juli die Summe von 2000 Goldgulden betraf, mittels
welcher man die zu berufenden Doctoren bezahlen wollte''').
Femer wandte sich die Stadt an Kaiser Karl IV. mit der
Bitte um ein Privileg. Dieses wurde auch 16. August 1357
von ihm gewährt, damit das Studium, ^quod ibidem hactenus
viguisse, sed bis temporibus permissu dei aliqualiter obscuratum
esse dignoscitur', zu neuem Lichte käme. Er verleiht 'studii
generalis Privilegium', und zwar 4n jure civili ac canonico et
medicina, philosophia, logica, grammatica et quavis alia facultate'.
Dem Bischof von Siena gibt er das Promotionsrecht und bestellt
ihn zugleich zum Conservator privilegiorum, die vorzüglich darin
bestanden, dass die Studierenden in den kaiserlichen Schutz
genommen und von den Lasten befreit wurden, wie dies auch
in andern kaiserlichen Diplomen der Fall war"').
Endlich war das Studium zu Siena im Besitze eines Privilegs,
wenn auch nicht eines päpstlichen, nach dem es beständig trachtete.
Am 19. October wurde jedem ^civis Senensis doctor seu licen*
ciatus publice vel private' und jedem ^juris peritus, qui ullo
tempore actenus tenuerit vel habuerit cathedram seu sedem ad
legendum in aliqua civitate, ubi tunc foret Studium generale'
^) Ibid. Yol 162 Bl. 7 b. Ansdrflcklich wird auf 'obtinendam et con-
seqoendom comodam et honorem, qai spenmtar ex studio generali yerisimi-
liier provenire,' hingewiesen. Wie von andern, so wurden noch jOngst auch
Yon den Verfassern eines Artikels in den Studi Senesi I, 95 obige Thatsachen
abersehen, und es wurde in Folge dessen das nun an besprechende kaiserl. Di-
plom in einem falschen Zusammenhang aufgefasst, gleich als wäre mit demselben
eine blühende Lehranstalt nur als eine kaiserliche Universit&t erkl&rt worden.
930) Original im Archiy. di State in Siena (unter Glas) mit Siegel.
Ediert bei UgheUi, Italia sacra III, 563 (Yenet. 1718) und Pecci, Storia del'
yescoYado della cittä di Siena, Lucca 1748 p. 275. Der Eingang ist einem
Schreiben Manfreds fOr Neapel nachgebildet S. unten S. 457 Anm. 976.
Karl sagt: Yeneranda yirtutum magistra . • . sacrarum legum et caoonum
ac liberalium artinm pretiosa scientia, quam pestUentis pridem mortalitatis
rabies per ampla orbis climata snffocayit, ipso sui silentio ad nos clamat et
inyocat tacite nomen nostrum, ut ad releyandum ipsius prostrate lapsum impe-
rialis ei dexteram potentie porrigamus. Während Karl auf die durch die
Pest beigebrachten Yerlnste hindeutet, hatte Manfred die Yerheerungen des
Krieges im Auge. Aehnlich mit diesem Anftmg beginnen die kaiserlichen
Stiftbriefe far Perugia, Payia, Lucca und Orange. Die Yarianten sind
geringfOgig.
448 11^' Kntwickelang der Hochschulen bU 211m Ende des 14. Jhs.
bei Strafe von 5000 Goldgulden verboten innerhalb fünf Jahre
ausserhalb Sienas zu lesen. Die scolares ciyes et comitativi
sollten aber von den anderen Studienanstalten bis 1. December
zurückkehren*")» ^^ ^^- November regelte man dann die Juris-
diction des Rectors mittels eines höchst interessanten Statutes.
Es wurde ihm ^plena, libera et absoluta potestas et omnimoda
iurisdictio regendi universitatem doctorum et scolarium studii
generalis civitatis Senensis tam civium quam forensium' gegeben**').
Doch auch jetzt setzten sich wider Hindemisse entgegen.
Wie anderwärts in Italien, so wurden zwar ebenso in Siena soge-
nannte Savj dello studio, die für das letztere sorgen sollten,
erwählt*"). Allein trotzdem gieng es nicht vorwärts; das Guber-
nium sah sich gewissermassen getäuscht, und es entliess am
28. April 1365 alle doctores et magistri forenses. Ohnedies trieb
man das nöthige Geld für das Salarium nicht auf***). So waren
also die Anstrengungen, welche man noch während der letzten
Jahre gemacht hatte, um das Studium im guten Stande zu er-
halten, fast nutzlos***). Allerdings geriet dasselbe nicht ganz
ins Stocken, und es kamen noch immer einzelne Berufungen von
^^) Gonsigli della campana vol. 162 Bl. 22 a. Della Yalle p. 40 seUt
das Document irrig in das Jahr 1377.
9^) Ibid. Bl. 30a. Der Beschlass beginnt: Daretnr nniyeraitati scola«
riam rector in vacnum et in cassnm, nisi eidem rectori tribaeretnr jurisdicto
et potestas.
^) 8. B. B. das SUtnt yom 1. Angnst 1862 in Libri eoncistoriali ad
an. 1862 Bl. 29 a.
»M) Ibid. ad an. 1864. 1865 (vol. 81) Bl. 58a. Kurs yorher beklagte
sich der Glerns von Siena, dass er swar bu den Spesen des Studiums bei-
tragen mflsse, an der ViTahl der Professoren aber keinen Antheil habe. Er
werde deshalb seine Beitr&ge einstellen. Gonsigli della campana yol. 174
Bl. 81.
M^) Noch am 19. Juli 1861 beschloss man im Hoehgeftthle, nnn im
Besitie der priyilegia imperialia sn sein, nach Bologna sa senden, um bertthmte
Professoren in beiden Rechten, in der Medicin und den artes sn berufen.
Bloss (iQr deren Salarinm bewilligte man eine jährliche Summe yon 3000
Goldgulden. Gonsigli della campana yol. 171 Bl. 4. Beilftufig bemerke
icb hier, dass 1858—1859 in Siena Gerretamus das canon. Recht yortmg,
ohne Doctor gewesen bu sein. Er wnrde nach Florens unter der Bedingung
berufen, dass er den Doctorgrad erwflrbe. Statuti della uniyersitä e studio
Fiorentino p. 290 f. 293.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Siena. 449
Professoren vot; eine grosse Bedeutung hatte jedoch die Schule
während der nächsten zwanzig Jahre nicht.
Am 23. Jänner 1386 (1387) wurde dem Volksrathe vorge-
stellt, dass die civitates, ubi generalia studia prefuere per longa
tempora, lata et pinguia comoda suscepisse, absque eo, quod sui
cives et incole famosi fiunt in studiis litterarum . . • gratum
quoque et suave civibus lucrum fit, quod per scolares forenses
affertur de longinquis partibus et extemis. Man solle deshalb nicht
zu sparsam sein. Bewürbe man sich mit einem geringen Salarium
nur um mediocres doctores et magistri, so würden die Scholaren
nicht in Siena bleiben. ^Expedit ergo ad solenne Studium haben-
dum . . . conducere doctores famosos ... in qualibet facultate, quos
scolares undique tanquam sagitta Signum suum queritent et sequan*
tur\ Behufs der Beformation des Studiums müssten sechs ange-
sehene Bürger gewählt werden, welche berühmte Professoren und
auch mehrere scolares forenses berufen sollten. 2500 Goldgulden
dürfe die Stadt jedes Jahr für das Salarium aufwenden. Das Schul-
jahr habe mit 18. October zu beginnen'**).
Es gieng nun mit der Universität einigermassen besser. So
las z. B. dort der Ganonist Peter de Ancharano**')) ui^d Ende des
Jhs. wurde sogar über Dante vorgetragen. Es fanden auch, wie
sich aus den Sieneser Acten ergibt, öfters Berufungen statt"*).
Eine der interessantesten Thatsachen dieser Periode ist wohl
die, dass Siena, als es dem Galeazzo Visconti weichen musste, ihn
im J. 1399 zur jährlichen Zahlung von 3000 Goldgulden für die
Instandhaltung des Studiums verpflichtete"').
^) Con8]gli della campana vol. 200 Bl. 115 a. S. Libri concistoriali
ad an. 1886 Bl. 24 b.
^ Vgt Schulte II, 279. In den Begesten Boni£az IX. geschieht anch
einige Male der Studierenden in Siena Enrfthnung. Im Archiy yom Lateran
1389 an. 1 üb. 7 Bl. 190a wird ein baccalareus in decretis; üb. 12 BL 168a
ein anderer Scolaris genannt.
^ Doch wurde dem Civilisten Thomas Bemardi de Govonibus aus
Florenz, der in Siena das Sehnljahr 1889—1890 beginnen wollte, die Lectur
und das Salarium verweigert. Statuti della universitä e studio Fiorent p. 354.
989j Continnazione delle Cronache di Siraa di Aldobrandini Domenico,
handschriftlich auf der Bibliothek zu Siena. Vgl. auch Muratori, SS. rer.
ItaL XIX, 416 (Annali Sanesi).
Deaifle, Die UniTOiBitAten I. 29
450 nr. EntinckeloBg der Hochschalen bis tum Ende des 14. Jha.
Neue Rührigkeit zeigte die Commune im Beginne des
15. Jhs. Am 21. November 1404 machte man den Anfang die
Casa della misericordia in ein GoUegium, die sogenannte Sapienza,
umzuwandeln'*®). Vom Papste Gregor XXL erhielt Siena am
7. Mai 1408 nicht weniger denn 8 Bullen, welche sich auf das
dortige Studium bezogen***). Mittels einer bestätigt er auf
Wunsch ^priorum, gubematorum et capitanei populi civitatis
Senensis' das Privileg Karls IV. und gewährt das theologische
Studium sowie die Promotion in dieser Facultät. Die Promovierten
sollten alle Privilegien wie die zu Bologna und Paris Promovierten
geniessen, und zum Gancellarius studii wird der Bischof von Siena
und dessen Nachfolger ernannt, ^prout etiam imperiali auctoritate
constitutus est, seu etiam ordinatus' '*'). In einem weitem
Schreiben bewilligt er den Studierenden die Dispens von der
Residenzpflicht'*'), in einem andern, dass alle jene, welchen es
sonst durch die apostolischen Decrete verboten ist, 'leges et
phisicam in studio dicte civitatis audire et in eis studere necnon
quoscunque scolasticos actus exercere ac gradus recipere vale-
ant"**). Endlich gestattet er ^universis doctoribus et scolaribus
in predicta civitate studentibus presentibus et futuris\ dass sie
^Omnibus et singulis privilegiis et indulgentiis doctoribus et
scolaribus Bononie et Parisius studentibus per sedem aposto-
licam concessis uti et gaudere valeant"*'). Die vier ttbrigen
MO) Consigli della campana toI. 206 Bl. 166a.
Ml) Sie finden sich in den Begesten Gregors XII. 1408 an. 2 IIb. 6 im
Archi? des Lateran. In Siena sind einige derselben im Original erhalten;
alle 8 jedoch in italienischer Uebersetinng in der Abthlg. Archiv, della
misericordia n. 1 (im Archi?. di stato in Siena) BL 59 a sqq.
MSj Beg. Greg. Bl. 192 b. Im Eingange sagt der Papst: ad ealibenter
intendimns, ut, que x>er seculares principe« locis in quibns stndia vigere
possant concessa sunt, illibata seryentar; et nt stndentes in stndiia ipsis
consuetudines bonas observent, privilegiis potioribas gaadeanty et provecti
cum rigore examinis ad altiora conscendant partes nostre solicitadinis adhi*
bemus. £d. bei üghelli 1. c p. 569. Pecci L c. p. 306. Vgl. aoch Mnra-
tori, SS. rer. ital. XY, 288.
^^) Beg. Greg. BL 193 a.
w*) Ibid. BL 193 b.
»*ö) Ibid. BL 194 a.
4. Hochschnlen mit kaiserl. oder könlgl Stiftbriefen. Siena. 451
päpstlichen Schreiben betreffen aber die Grflndnng eines Gol-
legs für 30 Scholaren. Die Stadt hatte, wie wir soeben ge-
sehen haben, bereits vor einigen Jahren in Anbetracht, dass
manche Stadlerende 'tarn cives quam forenses' wegen Armut
vom Studium abgehalten würden, beschlossen, ein kaum be-
wohntes Hospital, die sogenannte casa della misericordia, Stu-
denten, und zwar (im Anfange) dreissig an der Zahl, als Wohnung
anzuweisen, und dieselben mit den Einkünften der genannten
Casa zu versorgen. Das Haus solle ^domus sapientie civitatis
et studii Senensis', also wie in Perugia und später in Florenz,
genannt werden. Auf die Bitten der Stadt hin bewilligte nun
der Papst die Umwandlung mit der Bestimmung, dass die Stu-
denten in demselben nach Art und Weise des vom Gardinal-
bischof von Sabina Albomoz zu Bologna gestifteten spanischen
CoUegs leben sollten'**). Zwei andere Schreiben beschäftigen
sich mit Incorporierung der Einkünfte verschiedener in einigen
Städten liegender Hospize der Sapienza in Siena, und mit dem
Vorschlage der Stadt, in Siena und den andern Städten, die zu Siena
gehörten, eine Art Contribution bis zur Summe von 6000 Gold-
gulden anstellen zu dürfen, da die Mittel des Hospitals allein
nicht ausreichten **0* ^^ diesem Zwecke gewährte auch Gregor
allen jenen, welche dem genannten Hause etwas vermachen
oder sonst hülfreich beistehen würden, einen Ablass***).
Man sollte meinen, das Generalstudium zu Siena sei nun
für immer consolidiert gewesen. Allein schon im nächsten Jahre
beschloss man dort wegen des von den Kriegern Königs Ladislaus
Siena zugefügten Schadens und mit Rücksicht darauf, dass das Stu-
dium sich als nutzlos erweise und nur wenige Scholaren sich an
demselben aufhielten, die einheimischen Professoren zu entlassen,
und bloss die fremden um des mit denselben eingegangenen
Contraktes willen einstweilen zu behalten'*'). Erst zu Anfang des
zweiten Decenniums desselben Jhs. wurde eine glücklichere Pe-
M«) Ibid. Bl. 191a. S. oben 8. 214f.
M7) Ibid. BL 192b; 191a.
MS) Ibid. Bl. 198b.
M») Condgli della campana vol. 209 Bl. 14 b.
29*
452 in« Entwkkeliiiif der Hoehsolmleii bis warn Ende des 14. Jlis.
riode inauguriert'^®). Im J. 1433 bestätigte Kaiser Sigmund
Karls Privileg'^'). Plus II. aber, um von Martin V. und Nico-
laus y. zu schweigen, gab am 22. April 1459 den Studierenden
alle Rechte, welche die ^sequentes curiam' hinsichtlich der Er-
langung von Beneficien besassen, den Promovierten jedoch alle
Privilegien derjenigen, ^qui in romana curia aut studio urbis
Borne ad ipsos gradus promoventur"^').
Neapel.
Man hat die Hochschule zu Neapel eine 'Staats-Universität',
ja ^die erste von einem Staatsoberhaupte gegründete Universität'
genannt '*'). Beides ist unrichtig. Der Ausdruck 'S^aa^« -Univer-
sität' soll doch wohl denjenigen Begriff andeuten, den wir heute
mit der Bezeichnung verbinden. Allein im Mittelalter gab es noch
keinen Staat im modernen Sinn. Man kann auch deshalb noch
viel weniger von Staats -Universitäten sprechen, höchstens von
Reichs- oder Landes -Hochschulen. Aber selbst so ist es irrig
zu behaupten, Neapel sei die erste von einem Landesfürsten er-
richtete Universität gewesen, denn 12 Jahre vor Friedrichs II.
Stiftung legte Alonso YUI. von Gastilien den Grund zur Hoch-
schule von Palencia, wenngleich nicht mit jener Grossthuerei,
wie 'ein deutscher Kaiser'. Hatte Alonsos Werk nicht viel
Glück, so hatte Friedrichs Schöpfung nicht viel mehr. Ich finde
die Hauptbedeutung der Universität Neapel darin, dass Friedrichs
Act und die Reformbestrebungen seiner Nachfolger einigen andern
MO) Vgl. ConsigU della campana vol. 210 Bl. 185 b. Den Grand rar
Aofraffang bot der Qedanke, dass die Lehranstalten Italiens damiederiftgen.
9^1) Original im Arch. di State in Siena, Diplomatico.
9^) Ibid. Diplomatico, UniversitJi n. 79. und Reg. Vat tom. 82 Bl. 241 b.
Wie Francesco Filelfo (Yom Ende des Jahres 1434 an) in Siena lehrte (s.
Gomi, Franciscus Philelphus archigymnasio Ticinensi vindicatos, Tlcini 1783
p. 168; Voigt, Die Wiederbelebong des dass. Alterthoms I, 415)> so sta*
dierte dort etwas frtüier Enea Silvio, der spfttere Pias IL
9U) Winkehnann, üeber die ersten Staats- Universitäten. Akademische
Rede 1880, S. 12. Vgl. 8. 4. Wir haben bereits oben S. 236 bemerkt, dass
nach Winkelmann auch die UniverslUt Saleme im 18. Jh. eine ^Staatsschnle'
warde. Wie sich aas obigen Bemerknngen ergibt, ist der Titel der akade-
mischen Rede, weil er sich auf Salemo and Neapel im 18. Jh. besieht,
nicht latreffend.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Neapel. 453
Landesherren den Ansporn zu ähnlichen Stiftungen gaben, und dass
in den Schreiben Friedrichs und seiner Nachfolger den Königen
von Aragon und Kaiser Karl lY., wie sich unten zeigen wird,
willkommene Vorlagen und Formulare für ihre Stiftbriefe ge*
boten waren, deren Wirkung viel länger anhielt, als jene der
Originale.
Das Königreich beider Sicilien, so scheint es, war für eine
Hochschule kein günstiger Boden. Es fehlte dort die Tra-
dition, an die sonst fast jede andere Hochschule Italiens an-
knüpfen konnte. Vor Friedrich, schreibt Nicolaus de Jamsilla,
seien in regno Sicilie literati pauci vel nulli gewesen '^^). Damit
ist jedoch nicht gesagt, als habe es dort auch an Grammatical-
schulen gemangelt. Die Schreiben Friedrichs setzen diese voraus.
Nichtsdestoweniger war Neapel eine der geeignetsten Städte, die
bei der Wahl eines Ortes für ein Generalstudium im Königreich
Sicilien in Betracht kommen konnten, wollte Friedrich nicht von
vornherein statt eine neue Hochschule zu gründen nur das Stu-
dium in Salemo erweitem.
Friedrich erliess im Juli 1224 den Stiftbrief'") und that
im ganzen Reiche seinen Plan kund'^*), ein Act, von dem sich
9^) Historia bei Mnratori, SS. rer. ital. YHI, 495. Wenn Origlla,
Istoria dello studio di Napoli (Napoli 1753) I, 43 yon einer Utem Schale
Yor Friedricli II. spricht, so geschieht dies deshalb, weil er drei Briefe
bei Peter de Yineis, die in eine spfttere Periode gehören, Friedrich II. zu-
schreibt (s. oben S. 2 Anm. 3.; ähnlich Giannone, Istoria civile del regno
di Napoli, Milano 1823 Y, 271 f. Deutsche Ausg. II, 428); in jenen Schrei-
ben ist n&mlich Yon einer 'reformatio' des Studiums su Neapel die Bede.
Ihm folgte neuestens De Pompeis, Memorie storiche intomo al monastero
ed alle pittnre della Yecchia chiesa di Donnaregia (Napoli 1866) p. 145 ff.,
wo eine Abhandlung Dello studio generale fondato in Napoli sich findet.
Ygl. p. 161 ff. Der Autor will auch die Existenz von Schulen zur Normannen-
zeit darlegen. Es ist alles möglich, nur kann es De Pompeis nicht nach-
weisen. Hierin sah richtiger (Settembrini) Breve notizia della r. uniyerdtli
di Napoli (1878) p« 4; das ist aber auch alles, was man ans dieser Schrift
eitleren kann. Auf dem alten Standpunkte stehen die Notizie intomo alla ori-
gine, formazione e stato presente deUa r. uniyersitik di Napoli. Napoli 1884.
^^) Bei HuilL-Br^hoUes U, 450.
^ Richard de S. Oermano sagt: 1224 mense inlii pro ordinando stu-
dio Neapolitano Imperator ubique per regnum mittit litteias generales. Mon.
Qerm. SS. XIX, 344. . .
454 ni. Entwickelimg der Hodiadfanleii bis som Ende des 14. Jlis.
die Gewohnheit in italienischen Städten herschreibt, die ErSffirang
daselbst errichteter Schalen den Nachbargemeinden verkünden za
lassen. Der Kaiser wünscht, dass nunmehr in dem ESnigreich
Viele klug und weise würden ^per sdentiarum haustom et semi-
narium doctrinarum'. In Neapel sollten die artes gelehrt werden
*et cuiuscunque professionis yigere studia, ut jejuni et üamelid do-
ctrinarum in ipso regno inveniant, unde ipsorum ayiditati satisfiat,
neque compellantur ad investigandas sdentias peregrinas nationes
expetere, nee in alienis regionibus mendicare'. Die hier gebildet
würden, erwarte seine Huld. Neapel eigne sich in besonderer
Weise zum Studienort, wo die Schüler nebstdem so zu sagen
unter den Augen ihrer Eltern studieren könnten. Friedrich be-
stimmte überdies, ^quod in dvitate predicta doctores et magistri
erunt in qualibet focultate'. Er nannte auch einige derselben
in seinem Schreiben. Femer wollte er, dass die 'scolares unde-
cunque yenerint, secure yeniant morando, stando et redeondo,
tam in personis quam in rebus nullam sentientes in aliquo lesi-
onem\; Den Preis der Wohnungen hättten zwei Bürger im
Vereine mit zwei Scholaren abzuschätzen; derselbe dürfe aber
nicht höher als zwei Goldunzen sein. In Civilsachen sollten die
Scholaren den Gerichtsstand yor ihren Doctoren und Magistern
haben. Zweimal verbietet er in dem Schreiben bei Strafe den
Besuch ausländischer Schulen. Wer in irgend einer Wissenschaft
sich unterrichten lassen wolle, habe nach Neapel zu gehen; wer
jedoch bereits auswärts studiere, kehre bis Michaelis zurück**^).
Dies ist im wesentlichen der Inhalt des Stiftbriefes. Das Vorbild
fiür denselben lag in Friedrichs L Authentica Habüa.
Inwiefern das Studium zu Neapel in erster Linie eine Landes-
schule, dann aber auch ein Studium ftlr Auswärtige sein sollte,
haben wir bereits oben gesehen'**), und es ist nicht nöthighier
noch einmal darauf einzugehen. An der Hochschule sollten, wie
Friedrich im Stiftbriefe sagt, alle Fächer gelehrt. werden, mithin
nicht bloss beide Rechte und die Artes, sondern zugleich liieo-
logie***). Diese erwähnt er mit den andern Disdplinen auch
»7) 8. HoüL-Bräi. a a. 0.
9») S. 111 131
*») Im J. 1227—1338» wo die ThMemg in BologM var (cfr. Mattk*
i, Hochscliuleii mit kaiserl. oder kOnigl. Stiftbriefen. Neapel. 455
aosdrflcklich in dem 1234 erlassenen Schreiben, womit er die
Widerhersteilung des Studiums verspricht. Origlia mutmasst,
der Lehrstuhl für Theologie sei ungefähr 1230 den Dominicanern
übergeben worden'*^). Allein abgesehen davon, dass das Kloster
derselben erst im J. 1231 gegründet wurde '*^), kann vom J. 1230
keine Rede sein, da sich das Studium in Folge des Einfalles päpst-
licher Truppen in Apulien im J. 1229 aufgelöst hatte*"). Auch
die andere Bemerkung Origlias, vor den Dominicanern hätten die
Benedictiner von Monte Gasino die Theologie gelehrt*^'), ist nicht
erwiesen. Thatsache ist aber, dass nach 1234 die Mendicanten, und
zwar höchst wahrscheinlich die Dominicaner, bis zu ihrer Vertreibung
durch Friedrich, die Professoren in der Theologie waren*^^).
Die Medicin wurde anfänglich wohl auch zu Neapel gelehrt;
von 1231 an aber sicher nur mehr in Salemo**^).
de Griffonibus bei Maratori SS. rer. ital. XYIU, 110, Ghirardacci I, 146),
Iftsst Ouido Faba in seiner Summa dictaminis einen Scholaren in Neapel auf
die Anfrage eines andern Soholaren in Bologna bin, ob es in Neapel billiger
sei, antworten, in Neapel sei man 'in paradisi gaudia constitutus' und er möge
wissen, dass dort 'in omni scientia viget Studium et doctrina'. Cod. Paris.
8651 BL 41b.
^) Istoria dello studio di Napoli p. 90.
^>) OeneralarchiT des Dominicanerordens A. 402. S. Galvettis Chronica
capit. general. et provinc. provinciae utriusque Lombardiae in der Bibliot.
comunale su Bergamo J- 9. 22. Bl. 31 b. Einige Dominicaner waren aUer-
dings vor 1231 in Neapel.
MS) Böhmer-Ficker, Begesta Imperii Y. n. 1736 a. Richard y. S. Ger-
mano p. 372.
W8) L. c. p. 68.
^ Dies erheUt aus dem Schreiben, das nach Vertreibung der Men-
dicanten die üniversitas doctorum et scholarium Neapolitani studii dem
'Honestissimo et peritissimo viro magistro Herasmo monacho Gasinensi theo-
logie scientie professori* sandte, welches beginnt: Postquam fratres, qui' nos
pane divine mense reficiebant^ NeapoU recesserunt, clausus est nobis puteus
aquo vive, quoniam sacre scripture non est qui nobis modo aperiat mjsti-
cum inteUectum ... In defectu igitur theologie facultatis tanto nostrum
Studium sensit grayius detrimentum, quantö inter scientias ceteras scientia
theologica dignitatem obtinet altiorem. Origlia p. 102. Der Lehrstuhl wird
nun dem Erasmus angeboten. Winkelmann kümmerte sich um aU dies*
nicht.
M&) S. oben S. 235 f.
456 in* Entwickelnng der Hochachnleii bis warn Ende des 14. Jh9.
Die Hochschule wurde kurz nach ihrer Errichtung, wie ich schon
bemerkte, auf mehrere Jahre unterbrochen, nämlich 1229 — 1234.
In dem zuletzt genannten Jahre theilt aber Friedrich den
Schülern zu Bologna mit, dass er das von ihm zu Neapel errichtete
Studium wider herzustellen gedenke, Doctoren der Theologie,
Professoren beider Rechte und Magister der freien Künste dort-
hin berufen und alle frühem Privilegien erneuern wolle'''). Im
September wurde die Schule eröffnet'")- Allein schon 1239
befahl Friedrich ^propter presentis temporis qualitatem' die Auf-
lösimg derselben '*'), um jedoch am 14. November desselben
Jahres ihre Fortdauer neuerdings zu gestatten '*'). Er schloss
aber vom Besuche die Bebellen von Mailand, Brescia, Piacenza,
Alessandria, Bologna, Faenza, Bavenna und Treviso ans''®).
Bartholomeus Pignatellus von Brindisi bestellte er zum Professor
der Decretalen •")•
Die Schule fristete nun ihr Dasein bis vielleicht gegen die
Mitte des Jhs. In die Zwischenzeit fallt die Vertreibung der
Mendicanten, und dadurch die Störung in den Vorlesungen über
Theologie. Vor 1243 studierte in Neapel noch als saecularis
der hl. Thomas von Aquin, der in keinem Falle früher als in
dem genannten Jahre in den Orden getreten sein kann. Er
hörte in Neapel Grammatik und Logik bei dem Magister Martin,
Physik bei dem Magister Petrus de Hibemia'*').
966) Hom-Br^ IV, 497. Böbmer-Ficker n. 2044. Friedrich meint, er
berufe ^doctores theologos ac ntriiisqae juris professores ac magistros quamm-
libet ariiam liberaliam ad mstitaendom et foyendam qnammlibet profesaio-
nam et scientiamm in eadem ciritate gymnasia'.
967) Bichard y. S. Qermano 1. c. mid Winkelmann, Die ersten Staats-
oniyenit&ten S. 40 Anm. 26.
968) So sagt er selbst im Mandate an Gapit&n Andreas de Gicala^ Hoili.-
Br6h. y. 495.
969) Darauf beaehen sieb drei Schreiben. Eines an die Lehrer und
Schfiler wa Neapel, das andere an den Capit&n Andreas de Gicala, das dritta
an den QemSi die Barone, knn an aUe yon Neapel. HaiU.-Br6h. Y, 493 bis
496. Böhmer-Ficker 2556-^2558.
^<0 So im ersten Schreiben bei HnilL-Br^h. Y, 493 nnd Winkehnann,
Acta imperii inediU p. 649. a oben a 13 f.
911) HaflL-Br^ Y, 496.
9i>) *Unde paer de utriosqae parentis consilio Neapolim mittitnr et sab
4. Hochsclioleii mit kaiseri. oder königL Stiftbriefen. Neapel. 457
FriedriQhs Sohn, König Konrad II,, verlegte im Februar
1252 das ganze Stadium nach Salemo'^'). Ob aber dasselbe
bis zu diesem Zeitpunkte in Neapel auch wirklich fortbestanden
hat, möchte ich sehr bezweifeln. Konrad sagt nämlich in
einem Schreiben desselben Jahres, in welchem er seinen Ent-
schluss kundgibt, Salemo als den künftigen und einzigen Studien-
ort zu bestimmen, dass er es als nothwendig für sein Reich
erkannt habe, ^ut artium et scientiarum quarumlibet in eo
Studium reförmetur"'*). 'Reformare' bedeutet in all diesen
Schreiben immer 'widerherstellen'. Und so ist es mehr als wahr-
scheinlich, dass das Studium zu Neapel bereits vor 1252 in
Auflösung war, und seinen Gründer Friedrich n. wohl nicht
überlebt hat Konrad wollte also die Studien in seinem I(eiche
erneuern. Als Gentralpunkt wählte er Salerno. Er theilte diese
seine Intention, die er auch ausführte, den Justitiaren mit*^').
Neapel blieb nun ohne Schule, bis König Manfred sie in
der ersten Zeit seiner Regierung neu errichtete. Es geschah
1258—125.9. Die Philosophie, welche wegen der unablässigen
Kriege vom Königreiche Sicilien wie verbannt gewesen sei,
schreibt er, rufe gerade durch ihr Schweigen zu ihm'^'). Er
1 j ■■ ■
iiiiigi8tri Martini in grammaticalibus et logicalibuBi et magistri Petri de'Hi>
bemia studlis in naturalibus edocetor. In quorum scoliis tarn Incalenti ce-.
pit esse ingenii et inteUigentie perspicacitatis, nt altias. profondios et da;
rius aliiB andita repeteret, quam a suis doctoribus andiviuet.' Wilhelm
de Toco in den AA. SS. Mart. I, 660 n. 6, yerglichen mit Cod. I. TU. 27
der Nationalbibl. zu Florenz. Ueber die höchst yerwirrte Chronologie in der
Vita des hl. Thomas werde ich ein anderes Mal berichten. Der hier ge-
nannte Peter de Hibernia darf nicht mit dem Rechtslehrer Peter de Isemia,
der mit dem in den Epp. Petri de Yineis üb. 3 c. 10. 11 erw&hnten Peter de
Hibernia identisch ist, verwechselt werden. In den Epp. 7 und 8 des üb. 4»
wo Tom Tode zweier Grammatiker die Bede ist» werden die beiden ron
Wilhehoi Toco angefahrten nicht erwfthnt. Es ist jedoch nicht aosgesehlossen,
dasB Wilhelm falsche Namen angegeben hat.
^7^J S. oben S. 236. Konrads Statut lantet: Item statuimus, qnod Stu-
dium, qnod regebatur apnd Neapolim, regatur in. Salemo. Bei Orlando, ün
codice di leggi e diplomi Siciliani (Palermo 1357) p. 58.
97«) Bei Winkehnann, Acta imperii p. 411.
»75) 8. oben S. 236.
976) «Beyerenda genetriz et magistra Tirtutum philoeophia ... ad nos
458 IH. Entwickelang der Hochscliiilen bis warn Bnde des 14. Jhs.
wolle sie nun zu den alten Ehren bringen und stelle deshalb
die Schule zu Neapel mit allen frühem Privilegien wider her,
während er ausser den Grammatikschulen und der medidnischen
Schule zu Salemo keine andere im Königreiche erlaube. Er
ladet alle zum Besuche der Hochschule ein'^0- Aehnlich be-
richtet er einem Justitiar, den er zugleich beauftragt, das
königliche Mandat in den Städten und Orten seiner Jurisdiction
bekannt zu machen*'*). Einem Doctor decretorum befiehlt der
König nach Neapel zu gehen'^*). Später erklärt er in einem
Schreiben an den Justitiar von Terra di Lavoro , dass sein Verbot
der Particularschule sich nicht auf die Grammatikschulen beziehe,
und dass der Justitiar deshalb die Lehrer seines Bezirks nicht
hindern möge die Knaben in der Grammatik zu unterrichten*'^).
Wohl erst der Zeit Clemens IV. und Gregors X. gehört ein
päpstliches Schreiben an, worin dem Bischöfe die Vollmacht er-
theilt wird die scolares Neapoli commorantes auf deren Bitten
hin eventuell von der Excommunication loszusprecheUi ^ne con-
tingat ipsorum Studium interrumpi"*^).
Einigermassen zur Blflthe brachte es aber die Hochschule
in Neapel erst unter den Aqjou, nachdem Karl I. dieselbe re-
organisiert hatte. Am 24. October 1266 erliess er einen Privi-
ipso sUentio sao clamat et inyocat tacite nomen nostmm, qnod ad rele-
Yaodam ipsius tacentis Upsttm nostre sibi potentie dezteram poriganuft.'
Vgl. meine Bemerkung aber Karls lY. Stillbriefe oben 8. 447 Anm. 990.
^^ Bei Winkelmann , AcU imperii inedita p. 418. BOkmer-Ficker n.
4677—4679.
*^) Martöne - Durand, 88. ampL eolL II, 131& Schirnnacher L x.
8. 631 n. 30.
*7^) Martha 1. c. Sohirraacher n. 19. Dass diese Schreiben in das
Jahr 1358 oder nngefiUir in diese Zeit gehören, hat bereits Tirabosebi (8toria
della lett itaL IV, 60) bemerkt
M) Hnil].-Br^. II, 453. BiAmer-Ficker n. 468a Dass dieses Man-
dat nickt ^ick an&ngs erlassen wurde, ist sicker. Es setit ein Missrer-
stindniss oder eine Anfrage yon Seite des Justitiars yorans. Die Sacke wird
sick so Torkalten wie di^enige mit der üntersagong der Paricnlarstodien im
KiMkigreicke Aragon dnrck Jacob IL au Gonsten der Unirertitift LMda, der
dann einige Jakre später eine Sricttning an den Justitiar von Xatira« wekker
Jacobs Verbot missrerstand, iblgte* & unten im Abseknitte aber die Uni»
yeraitit Urida & 5031
Ml) lUr. 4e Sbolo Arck. Vat ep. 3343. 8. Anm. 983.
4. Hochschiilen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Neapel. 459
legienbrief, in dem er ankündiget, dass er das Studium zu
Neapel ^rovidit reformandnm'. Er regelt in demselben den
Gerichtsstand der Universität, den Verkauf der Lebensmittel
zu Ounsten der Universitätsangehörigen, und die Taxe der
Wohnungsmiethe. Er verbietet, dass die Mitglieder der Hoch-
schule 'ad angariam vel exactionem aliquam seu servitium
personale pro negotiis' seiner Curie und der Stadt gezogen
würden und befiehlt, dass das zu ihrem Unterhalte Nothwendige
steuerfrei in die Stadt gebracht werden solle. Schliesslich ver-
spricht er allen, welche Studien halber kommen würden, seinen
Schutz. Eine Ausnahme macht er nur in Hinsicht auf seine
Feinde und jene der Kirche'").
Es hat sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich, dass der ge-
nannte Privilegienbrief durch das päpstliche Schreiben veranlasst
wurde, welches zwar Potthast in die Zeit Gregors X. setzt, das
aber viel eher Clemens IV. zum Verfasser hat'"). Der Papst
schreibt dem Könige, dass unter andern italienischen Land-
strichen auch sein Reich gleich einem Brunnquell grosse Männer
hervorgebracht habe, besonders zur Zeit, ^cum in eodem regno
presertim apud Neapolim civitatem, cuius amoenitas scolares
alliciebat etiam a remotis, vigebat Studium generaliter'. Da nun
die Finstemiss dem Lichte Platz gemacht habe und jene Tage
vorüber seien, 4n quibus idem regnum floribus et fructibus stu-
diorum caruisse dinoscitur', so bitte er ihn 'in eodem regno
fadas et jubeas huiusmodi Studium reformari. Per hoc enim
deo gratum exhibebis obsequium, domum regiam fecundabis sobole
sapientum, et nonnullis ecclesüs de proborum copia, quorum
patiuntur inopiam, providebis, et etiam specialiter tui preeminentia
nominis ubique laudis humane preconiis extolletur\ Beweisen
9^>) S. das Actenstflck bei Del Giadice, Godice diplom. de! regno di
Carlo I., I, 250 n. 82. Origlia, Istoria dello stttdio di Napoli p. 131.
Weitere Docamente bietet Del Giadice 1. c. in der Anmerkung.
^) Bei Marmo de Ebolo, Archiv. Vat ep. 2844; in der Summa dicU-
minia Riccardi de PobIb, Cod. Paris. 14766 Bl. 251b; Mart^ne-Durand, SS.
ampL eoUectio II, 1273. Ueberall ohne Namen des Papstes und ohne Da-
tum. Die Vergl^chimg der Texte weist unmerkliche Varianten ani Tira-
boschi schreibt L c die Littera Clemens lY. lu.
460 OL. EmtwicJrelmig der.Hochichiileii bis siiiii Ende des 14. Jha.
nun auch diese Stellen, dass nach Manfred die Hochschule wider
in Verfall geraten war, so haben sie doch keinen rechten Sinn,
wenn das Schreiben von Gregor X. (1272 bis 1275) herrührt. In
dieser Epoche war das Studium bereits reformiert, und Karl
bemühte sich seit 1266 unablässig es in einen bessern Stand
zu bringen. Es geht nicht an zu behaupten, des Königs An-
strengungen seit 1266, die Hochschule zu reorganisieren, hätten
doch noch nicht völlig ihren Zweck erreicht. Das päpstliche
Schreiben fällt also höchst wahrscheinlich in die Zeit zwischen
6. Jänner 1266 (da Karl zum König von Neapel in Rom gekrönt
wurde) und 24. October desselben Jahres, unter welchem Datum
der König obigen Privilegienbrief ausfertigte. Es würde also
auf Clemens IV. hinweisen ''^).
An der reorganisierten Universität wurde trotz der Schule
zu Salemo auch Medicin gelehrt''^); ebenso fand dort wie schon
früher die Theologie ihre Vertretung. Docierte sie doch vorüber-
gehend auch Thomas von Aquin. Aber nichtsdestoweniger waren
die Promotionen in der Theologie sehr selten, wie man aus dem
Schreiben Johanns XXH. an den Erzbischof von Neapel vom
15. September 1332 schliessen muss, worin der Papst letzteren
beauftragt dem Franciscaner Andreas de Perusio in studio Neapo-
litano in der genannten Wissenschaft das Doctorat zu ertheilen,
'non obstante quod forsan in eodem studio magistri promoveri
non consueverunt in facultate iam dicta''").
Dies ist die Geschichte der Gründung der Hochschule zu
Neapel, lieber keiner von einem mächtigen Fürsten gestifteten
Universität waltete ein derartiger Unglücksstem, wie über jener
von Neapel. Hätten die Staufer noch länger regiert, so würde
sie zu existieren wohl ganz aufgehört haben. Es ist das Verdienst
der Aiyou, neues Leben in den so frühzeitig hinsiechenden
Körper gebracht zu haben. Erst in dieser neuen Periode ver-
mögen wir eine bestimmtere Organisation der Schule zu unter-
^ Bei der henseh^nden Uotkherheit schrieb ich es oben S. 16 go*
legenüich Gregor X. in.
^) S. oben S. 337 Ana. 76 nnd S. 319 Anm. 400a.
^) Beg. Vat in. 17 p. 2 ep. 1254.
4. HöchBchiileii mit kaiMrl. oder königl. Stiftbriefen. Treviso. 461
scheiden, ^ie sich im zweiten Bande ergeben wird. Beiläufig sei
hier noch bemerkt, dass Johann XXU. seine Constitutionen auch
nach Neapel sandte 'ad legendas in scolis et in eis partibus publi-
candas', wozu er den Erzbischof und den Inquisitor bestellte,
wie aus dem Schreiben an Geraldus de Valle vom 26. Jänner
1825 hervorgeht'").
Trevisa
Eine jetzt kaum mehr bekannte Hochschule war jene zu Tre-
viso. Und doch bietet dieselbe, so kurzes Leben sie hatte und
so unscheinbar sie dastand, ein nicht geringes Interesse. Wir
sind über die Bemühungen, welche man in Treviso machte, um
in den Besitz eines Generalstudiums zu gelangen, besser unter-
richtet, als über ähnliche Anstrengungen mancher anderer Städte.
Gerade die Einzelnheiten, die dabei in Betracht kommen, er-
wecken unsere Theilnahme.
Wie fast überall in Italien, so leiteten auch in Treviso Stadt-
schulen die Stiftung der Universität ein. In dem Statutenbuche,
das bald nach der Befreiung von Ezzelin (1259) compiliert wurde,
findet sich die Bubrik: Ad honorem dei . • . ordinamus, quod
potestas infra duos menses postquam in regimen potestarie Tar-
visii intraverit, teneatur et debeat consilium facere generale ad
utramque campanam coadunatum super studio scolarium in civi-
tate Tarvisii reducendo et perseverando in ea quantitate facul-
tatum, prout melius per ipsum consilium super eo fiierit firma-
tum'®'). Das Studium war damals allerdings nicht gross. Man
begnügte sich mit einigen Lehrern, wie sich aus einem spätem
Statute, daa jedoch noch dem 18. Jh. angehört, ergabt Man
M7) Beg. Tat. Secret an. 9 ep. 583 Bl. 79 b.
9^) Yerei, Storia deUa Marca TriTigiana e Yeronege (Yenezia 1786)
I, 107 Anm. 2. Ueber die Hochsclmle su Treviso veröffentUchte YianeUo
(Dell' aatico studio di legge e medieina in Treviso. Docnmento dd 1814^
Treviso 1868) eine Gelegenheitsschrift; allein sie ist sa geringfügig und ent-
hält ansserdem kein nenes Document. In n. 576 der Biblioteca comnnale zu
!h«?i«o befinden ndi littidsddiftlicli ^niie Seiten omfateeüde ood unvol-
lendet gebliebene Studien des Dominicaners Federici Aber die Univeftitil
von Treviso, die aber, wie alle Arbeiten dieses Geldirtent einer soliden
Qmndlage entbehren.
462 in. EatwicMu« der HockMkalcn big inm Ende des 14. Jhs.
solle einen ^edidne aitis peritom et phisices, qui non sit de
districtu Tarvisii, qni debeat legere et stadere in arte physice
et tenere scholas in civitate Tanrisii', berufen, und der Doctor
legum Buencontro habe eben&lls Dir Salarium *ad docendum
scolares in legibus' in Treviso sich aufzuhalten*").
Dass diese Statuten auch ausgeführt wurden, erhellt nicht
etwa bloss aus einem Documente vom 6. März 1271, worin von
Scholaren die Rede ist, ^qui tunc temporis stabant in Tarvisio
ad studendum'***), sondern weit mehr aus den Anstalten, die
im Anfange des 14. Jhs. die Commune traf^ um ein General-
studium zu begründen.
In grossem Masstabe sollte dasselbe eingerichtet werden. Die
Doctoren, welche ^tam ordinarie quam eztraordinarie tam in jure
civili quam in jure canonico quamque etiam in phisica sunt assu-
mendr, wttrden durchschnittlich je 'quadringentorum librarum dena-
riorum parvorum in anno' erhalten (in der Regel wurde jedoch
später das Salarium auf 500 erhöht). Mit nicht weniger denn 12
Professoren wollte die Stadt das Studium eröffnen, wie sich aus
dem Beschlüsse vom 9. August 1314 ergibt. Für die Ordinarii
in jure civili waren in Aussicht genommen: Paganinus de Tor-
coUis de Parma, Petrus de Suzara de Reggio, und Franciscus
de Fontana de Parma; für die Extraordinarii: Zeri (nicht identisch
mit dem Canonisten Riccovero) de Sto. Miniato, Belcharius de
Padua, Arpolinus de Mantua, der bereits in Treviso weilte. Für
das Jus canonicum traf die Wahl Zambonus de Matarello, Abla-
ticus de Mediolano und Ricobaldus monachus de Bononia. Für
die Medicin wurden berufen Petrus de Albano, der in Padüa dieses
Fach lehrte, Henzelerius de Montemartino, der schon in Treviso
gegenwärtig war, und Johann von Parma, Professor der Medicin
in Bologna'**).
Am 12. August 1814 sandte Treviso an die Communen und
Städte 'occasione studii generalis incepturi' das Einladungs*
M*) Yerei» L c. und Tinboaehi, Storia ddla letteratnra ital. lY,
70 Ami*
MO) Yerci II. Documenti p. 185 n. ISS.
^^) Yerci YII. Docamenti p. 89 d. 6S7.
4. Hoch8e]inle& mit kaiserl oder k6nigl. Stiftbriefen« Treviio. 468
schreiben, worin der Podestä, die Anzianen, kurz die Obrigkeit
mittheilen, sie wollten nicht bloss das Vaterland zu neuen Ehren
bringen, Werum etiam illius incolas non solum escis corporeis,
sed quidem omnis justitie deliciis alere et fovere nutuque ope-
rante Dei alitos conservare'. Sie hätten deshalb beschlossen,
dass in Zukunft zu Treviso ein Generalstudium sei, zu welchem
Zwecke sie ^doctores egregios juris videlicet utriusque et phisicos^
zu berufen und zu besolden beabsichtigten. Ordinarie und extra-
ordinarie würden die Lehrer um Michaelis zu lesen beginnen.
Wer der Einladung in Treviso zu studieren folge, dürfe während der
Reise und des Aufenthaltes des Schutzes versichert sein'"). Vier
Tage darnach richteten sie an Peter de Suzara, jur. civ. excell. pro-
fessorem, dom. Paganinus de Torcolis, dom. Belcharius de Padua,
dom. Arpulinus von Mantua, dom. Zambonus de Matarello und
den mag. Hengelerius Schreiben, mittels welcher sie dieselben
einluden in ihrer Stadt, wo ein 'Studium litterarum precipue iuris
canonici et civilis' begründet werden solle, durch 3 Jahre 'jura
civilia ordinariis lectionibus' gegen Salarium zu lehren''').
Die Commune war aber bei ihren Berufungen nicht besonders
vom Glücke begünstigt. Der schon am 9. August in Aussicht
genommene Bechtslehrer Franciscus de Lafontana hatte bereits
in Reggio zugesagt"^), und die meisten der übrigen Professoren
scheinen ebenfalls die Einladung zurückgewiesen zu haben, denn
am 15, October desselben Jahres wurde von neuem beschlossen
i;res famosos et sapientes doctores, qui esse debeant conventati'
za berufen. Die Wahl traf Riccardo de Malumbra, Bleoberisius
de Azzoguidis und Jacobus Butrigarius, die jedoch am 19. No-
vember schon wider renuncierten , so dass die Stadt einst-
weilen die Berufungen suspendieren musste''^. Am 25. Juli
1315 schritt sie zu einer Neuwahl. Aus ihr giengen hervor
Riccardo de Malumbra, Franciscus de Lafontana und Petrus de
Suzara, 'qui docere debeant in civitate Tarvisina omnes audire
volentes leges ordinarie\ und Andreas de Gamareno, Jacobus de
»«) Verci VII. Dociun. p. 43 n. 690.
»^ Ibid. p. 46. n. 692.
M) Ibid. p. 70 n. 709. Das Aetetistflck ist vom 1. Oetober 1814.
«M^) Verci I. c p. 71.
464 in. Eiitwiekeliuig der HöduclmkQ bis sam Ende dM 14. Jhs.
Bel^o und Carlinas de Cremona, *qm docere debent • . . leges
extraordinarie'***). Allein es wird nicht gesagt, dass die genannten
Professoren auch dem Rufe Folge geleistet hätten. Lafontana begab
sich im selben Jahre von Reggio nach Padua'*'). Doch hielten
sich in Treviso einige der bereits frflher gewählten Professoren,
die damals nicht abgelehnt hatten, auf; wenigstens verlangte Ge-
rardas von Modena, welcher doctor scientiae medicinae war,
am 29. October 1315 das Salarimn fOr das vergangene Jahr,
da er täglich gelehrt, und die Intention habe, auch in Zokonft
zu lesen**'). Am 2. August 1318 wurden widerum Berufungen
vorgenommen. Für die lectura ordinaria des Jus am Vormittag
wurden Ubertus Foliata de Cremona und Vigilius de Foscarinis,
beide damals Lehrer in Bologna, gewählt, für die lectura extra-
ordinaria nach der Nona Nicolaus de Rubels und Cinus von Pi-
stoja. Die Berufungen lauteten auf drei Jahre***). Nur von
übertus Foliata hat sich der Zusagebrief vom 13. August des-
selben Jahres erhalten ****).
Am 15. September traf endlich die Obrigkeit ernstliche Vor-
kehrungen, sich um ein Gteneralstudium in aller Form zu be-
werben. Beim Papste sollte um das Privileg nachgesucht werden,
dass eine kirchliche Person die licenz ^cuilibet volenti conventare
in qualibet scientia' ertheilen könne, 'et quod scolares preben«
dati cum residentia possint studere in dvitate Tarvisina'. Andere
Bestimmungen bezogen sich auf die Wohnungsmiethe, auf die
Bedelle und Petiarii, welche ^omnes petias tarn in textu quam
in glosis utriusque juris* haben sollten, ^qui teneantur de eis
facere copiam scolaribus recipiendo a quolibet volente facere
scribere ipsum sex denarios pro qualibet petia'. Den um-
M6) Ibid. p. 185 n. 756. Jacob de Belviso wurde von Bologna ans
berufen.
99TjS. dMB DoGoment bei Tacoli , Memorie storiohe della dtU di
Bflggio lUt 896. Yi^. dasn oben & 295 Anm. 896.
M8) Tiraboschi, Stoiia della lett. itaL V, 58 Anm.
^) Yerci VIII, Doemn. p. 142 n. 898.
1000) Ibid. p. 145 n. 900. Es ist derselbe» der in Floveatiner^ und
Pemginer-Acten Osbertus de Cremona genannt wird. So erscheint er auch
in den angetabrien Docomente. Er las rar Zeit der Berofong and Zusage
in Bologna. Es wurde ihm ein Salar von 225 Ooldgolden
4. Hochschulen mit kaiaerl. oder kOnigl. StiftbrielieiL Treflio. 465
liegenden Ortschaften Hessen sie durch die Boten , welche ip
denselben den Markt von Treviso verkündeten, mit Schreiben
kundmachen 'de studio generali, quod esse debet in civitate
Tarvisina in utroque jure a feste s. Luce in antea, et quod in
dictis litteris precentur dicti rectores et potestates, quod de
dicto studio in dictis suis civitatibus faciant proclamari' ^®®').
Da man sich erst jetzt um das Promotionsrecht bewarb, so
ergibt sich von selbst, dass das Studium vom J. 1314 ab nicht ein
eigentliches Generalstudium war. Im 14. Jh. konnte sich keine
Schule mehr zu einem Generalstudium ex consuetudine bilden.
Es war schon zu spät. Treviso hatte, so scheint es, während der
Jahre vor 1318 nur Versuche und Proben anstellen wollen, und
erst dann, als man überzeugt war, dass der Boden für ein
Generalstudium kein ungünstiger sei, und um zugleich dem Gan-
zen einen Halt und mehr Ansehen zu geben, beschlossen, sich
um das Promotionsrecht und die Dispens von der Besidenzpflicht
für die Scholaren zu bewerben, und die Errichtung der Hoch-
schule neuerdings den Nachbarstädten verkünden zu lassen.
Allein trotz des Beschlusses sich an den Papst zu wenden,
bat man nicht ihn um ein Privileg, sondern Friedrich den Schönen,
zu dem damals Treviso hielt und den es als Römischen König
anerkannte. Am 15. December 1318 gewährte dieser auch das-
selbe als 'Romanorum rex semper Augustus' der Stadt, 'que pro
debito fidelitatis proposito nostre celsitudini sicut debuit se suh-
jecit', und die er deshalb zum Danke belohnen wolle. Er ord-
net an, 'quod in ipsa civitate ütriusque juris traditiones et
scientia quelibet solemniter et generaliter legi possint et studeri'^
und verleiht den Studierenden alle Privilegien, 'quibus in aliis
generalibus studiis legentes. et studentes soliti sunt, gaudere'.
Den Bischof von Treviso bestimmt er als demjenigen, der die Candi-
daten 'prompte ad gratiam promoveat et ad honorem libenter
extollat', nachdem derselbe die Prüfung durch die Doctoren der
betreffenden Wissenschaft habe vornehmen lassen ***^*). Von einem
1001) Ibid. p. 147 n. 902.
100«] Yerd L c. Doeum. p. 155 n. 911. Dm Schreiben fehlt im Addi-
tftm. tert. ad. Begesta imper. ed. Böhmer.
DenifU, Die UniTmitAUn L 80
466 in. EtttwieMniig ier Hockaelmleii bis inm Ende des 14. As.
päpetUchen Pii?ileg findet sich weder in Treviso noch im Yat
Archiv eine Spur.
üeber die weitere Geschichte ist nichts mehr bekannt.
Boni&ccio behauptet, Venedig, in dessen Besitz Treviso im
J. 1839 gdLommen war, habe die Hochschule fortbestehen lassen;
erst nachdem im J. 1405 auch Padua unter die Botmässigkeit
Venedigs gelangt sei, habe man Trevisos Universität aufge-
hoben*^^')* Gewiss konnte diese nachher nicht mehr existieren,
denn am 29. April 1407 verbot der Senat von Venedig allen
Unterthanen, welche studieren wollten, vom 18. October an eine
andere Lehranstalt aufzusuchen, als jene zu Padua. Nur die
Grammatik dürfte anderswo gelehrt werden *®®*). Und wurde
auch wie zu Vicenza der Unterricht in andern Fächern z. B. in
den Leges und in der Medicin erlaubt, so gestattete Venedig
doch kein anderes Generalstudium als jenes zu Padua, wie deut-
lich aus der im J. 1410 den Vicentinem gegebenen Antwort
erhellt: quod existente ipsa civitate Padue tam proxima civitati
Vicentie, videtur nobis quod unum Studium pro alio occuparetur,
propterea quia et alie nostre communitates habere poterunt et
libenter hoc vellent, complacendo uni ex communitatibus
displaceremus aliis, quod non est intentionis nostre*^®').
Allein mir scheint, dass sich die Schule zu Treviso schon bald
nach 1318 auflöste, da dieselbe so gar keine Spuren ihrer
weitem Existenz zurückgelassen hat, während wir über die
Periode vor 1318 gut unterrichtet sind ''''')• ^^^^ Bestätigung
dieser Mutmassung erblicke ich auch darin, dass in jenen weit-
läufigen städtischen Statuten, welche zum grossen Theil in das
loosj Boniiaccio, Istoria di TrMgi (Yenezia 1746) p. 298.
1004) Facciolati, Gynm. Patay. p. 2. Tiraboachi, Storia della lett. ital.
Vn, 1 p. 69 Amn. Ab und zvl lehrten aUerdings aach in der Folge Pro-
fessoroD, gleichwie Collegia medicomm und judicnm noch sp&ter in TreTiao
existierten. Die Statuten des ersteren ans dem 15. Jh. sind in der Stadt-
bibL an TroTiso, Hs. n. 575.
^<^) 8. das Docoment bei Savi, Memorie antiche e moderne intomo
alle pabliche scnole di Vicenza p. 119 nnd oben S. 300.
1006) Thatsache ist, dass sich in Treviso keine Docamente Aber die
spätere Zeit finden.
4. Hocbsclmleii mit kaiaerl. oder ktaigl. Btiftbriefifin. Orange. 467
Jahr 1328 zurflckreichen^^®'), und denen der Doge von Venedig,
Francesco Dandolo, am 15. Juli 1339 Gesetzeskraft verlieh, auch
nicht die geringste Notiz über ein Studium oder über Professoren
in Treviso sich findet '^^'). Die Stadt scheint wohl deshalb um
das Studium gekommen zu sein, weil dasselbe den berufenen
Professoren zu unbedeutend war. In der That treffen wir z. B.
Ginus, sollte er auch 1318 zu Treviso gelehrt haben, im Septem-
ber des nächsten Jahres in seiner Vaterstadt Pistoja^^^*).
Orange.
Nur eine Hochschule Frankreichs gehört in diesen Abschnitt,
nämlich die zu Orange. Ueber die Esdstenz eines Studiums in
dieser Stadt im 13. Jh. gibt uns ein Schriftstück vom 1. Sept.
1268 Auischluss, in dem ein Uebereinkommen des Bischofes
Peter von Orange und Raimunds de Baux über die Leitung der
Schule enthalten ist^®^®). Obwohl nun für die nachfolgende Pe-
riode fast gar keine Notizen vorhanden sind, so erfahren wir
doch aus einem Schreiben Urbans V. vom 31. Jänner 1365, dass
das Studium im 14. Jh. nicht so gar unbedeutend gewesen sein
kann. In demselben geht nämlich der Papst auf die Vorstellung des
Prinzen und der Commune von Orange ein, 'quod a multis retro
temporibus in civitate Aurasicensi multi notabiles doctores et
licenciati in iure canonico et civil! jura ipsa legerunt' und dass
noch jetzt ein Doctor legum, ein Licentiatus in decretis sowie
mehrere Baccalarei die jura lehrten, nnd andere Magistri
Grammatik vortrügen. Der Papst bewilligte nun aus dem
Grunde, weil am genannten Studium 'omnes quasi actus studii
ioo7j xch habe die Statata provisionesque dacalis dvit TarriBÜ (Yene-
iiifl 1555) im Auge. Nur im dritten Backe (Yom Liber ducaliom proTlsionam
abgesehen) stehen auch Rabriken ans dem 15. Jh.
1006) 0er in den Statuten oft widerkehrende Ausdruck *BChok' hat
immer die alte Bedeutung von Zunft. Man vgl besonders die interessanten
Bestimmungen im 1. 1 tr. 18 rubr. 5—11. Nur vom CoUegium judicum (1
1 tr. 3 rubr. 10) und Aenten (ib. tr. 7 rubr. 35) ist darin die Bede.
^^ 8. die diesbesflglichen Belege bei Ghiapelli, Vita e opere giuri-
dkbe di Cino da Pistqja p. 85 ff. n. 8—4
1010) s. das Document bei MiUot, Notice sur l'unlTersit^ d'Oraiq^
ATignon 1878 p. 31.
30»
468 ni. EntwickeluDg der Hochschalen bis tarn Ende des 14. Jhs.
generalis, videlicet, repetitiones , sermones, ordinarie lectio-
nes' u. 8. w. im Brauehe seien, dass die Studierenden an jedem
beliebigen Generalstudium, natürlich aber nicht an der Schule
zu Orange, im Jus und in der Grammatik promoviert werden
könnten ^^^'). Das Studium zu Orange war eben noch kein
Generalstudium, mithin noch nicht eine Schule, an der man die
akademischen Grade hätte nehmen können. Nichtsdestoweniger
war es in jener Zeit ein aussergewöhnliches Privileg, dass die
an einem Particularstudium erworbenen Kenntnisse von den voll-
berechtigten Universitäten bei Erwerbung der Grade anerkannt
werden mussten **^*').
Allein noch in demselben Jahre sollte Orange, das zum
Begnum Arelatense, und mit diesem zum Imperium Bomanum
gehörte, das Universitäts- Privileg erhalten, und zwar durch
Kaiser Karl IV. während seiner Beise nach Arles zur Königs-
Krönung. Der Stiftbrief ist zuAvignon am 4. Juni^^'') 1365 aus-
gefertigt*^*^). Auf die Bitten des Prinzen von Orange Baymunds
lou) Beg. Yat Avenion. an. 3. p. 1 tom. 10 BL 464 b. Die charakte-
ristische SteUe lautet: Nos itaque haiasmodi supplicationibos inclinati imi-
versis et singolis scolaribus , qui in ciyitate predicta in prefatis joribos et
facnltate stadent et stndebunt pro tempore, nt tempora, quibus ibidem stu-
duerint actus et cursus solitos exercendo, ad recipiendum gradus in jnribus
et faonltate predictis in quibusconque aliis generalibus studiis (dummodo in
oivitate predicta nnUnm gradom recipiant et alias ad ipsos gradus reperiantnr
ydonei) qoibosonnqae statuüs et eonsuetadinibus studiomm ipsornm contra-
riis neenon privUegüs et litteris eisdem generalibas stndüs ab apöstolica sede
sab qaaconque Terbomm forma concessis [non obstantibus], possint et de-
beant compntari aactoritate apostoUca tenore presentiom indnlgemus. MiUot
gibt p. 85 einen sehr defeoten Text mit nnverständlicher Interponction.
i<tts) 8. oben & 21f.
iois) iimot sagt irrig: 6. Jnni.
1014) Der Stiftbrief OVirtutom magistraO stimmt mit jenem von Siena
und in der Einleitung auch mit den abrigen (s. oben 8. 447 Anm. 930) Ober-
ein. fir ist ausgesteUt Avenione anno domini miiledmo trecentesimo sexage-
timo qointo, indictione tertia, Pridie Nonas Jnnii, regnorom nostrorom anno
decimo nono, Imperii vero nndecimo. Gedruckt in Institntio, privilegiai
statuta almae univerdtatis et fruetifisri stu^ generalis Aransionenas. Arau-
lione 1718, p. 8, und bei Ifillot p. 87. Da Karl lY. am 4. Jnni in Arles
gekrönt (Reg. Imp. n. 4171a; Winkelmann, Die Betiehungen Kaiser
Karls lY. lum Königreich Arelat Strassburg 1883, 8. 58. 15S n. 13), die
4. Hochschalen mit kaiserl. oder kftnigl. Stiftbriefen* Orange. 469
de Baux (IV.) und des Syndicus der Stadt hin will er in der-
selben, 'quae sacri Imperii excellens et insigne membrom existit',
das Studium, ^quod ibidem hactenus viguisse, sed bis temporibus
dei permissu aliqualiter obscuratum esse dignoscitur, in lucem
exigere redivivam''^^^) und gewährt ^authoritate imperiali gene^
rale, perpetuum atque gratiosum studii generalis Privilegium . . .
decernentes et edicto imperiali presenti perpetuo vaüturo de
imperialis potestatis plenitudine statuentes, ut in ipsa civitate
Aureica Studium perpetuo sit et habeatur in jure canonico et
civili, medicina, philosophia, logica, grammatica et quavis alia
facultate' ^^''). Das Hauptgewicht legte Karl auf das Studium
des Rechts, besonders des römischen um so mehr, als er be-
kanntlich wie keiner seiner Vorgänger sich der römisch gebildeten
Juristen in Staatsgeschäften bediente ^®^'). Die Professoren sollten
vom Pr6v6t der Stadt berufen werden^®*'); ihnen, *per superiorem
ipsius studii evocandis', stehe die Prüfung und Promotion der
einzelnen Aspiranten zu. Unter superior studii will aber der
Kaiser in diesem Falle ^rectorem universitatis ejusdem studii'
verstanden wissen.
Urkunde aber an demselben Tage in Ayignon aasgestellt wnrde, so ist sie
entweder zurflck datiert worden, oder Karl war noch in der Frflhe desselben
Tages in Avignon, und ritt erst dann nach Arles. üeber Uinliche
Schwierigkeiten in Folge der Datierung königlicher oder kaiserlicher Docn-
mente s. Ficker, Beiträge zur Urknndenlehre II, 2§6ir. 444f. Obiges
Schreiben fehlt in den Begesta Imperii YIII von Böhmer-Huber. Das Ori-
ginal (Siegel fehlt) liegt im Stadtarchiv zu Orange.
lois) Diese Worte sind Karls Stiftbrief fOr Siena entlehnt
1016) Auf die Schwierigkeit, die die ErUnbniss in Bezug auf das jus
canonicum bereitet, komme ich alsbald zu sprechen.
1017) Im Schreiben sagt er: nos cunctarum urbium ac totius Imperii
coelitus nobis commissi decus et gloriam in personis providis diversarum
facultatum et presertim iuris utriusque noütia glöriosa preclaris cognos-
centes precipue reluoere.
1018) Im gedruckten Stiftbrief in Institutio etc. steht: potsintque omnes
et sioguli doctores et magistri per praepositum civitatis Aoreicae qui fnerint
per episcopum deputandi . . . ia memoratis facultatibus legere etc. Allein
der Gopist konnte die Abbreviatur nicht lesen, es gehört: ... qui (prepositns)
fiierit pro tempore, deputandi, wie im Originale steht und sich ans dem
Schreiben Clemens YIL ergibt Millot macht das Oanze durch schlechte
Interpunction unverständlich.
470 in. Entwidcelimg der Hocbfchalen bis smn Ende des H. Jh&
Alle, auch die Diener, sowie die Wohnungen nnd die
Schulen, nimmt er 4n suam et Romani Imperii protecüonem,
salvam gardiam, tutelam et defensionem', und er ertheilt den
Studierenden alle Privilegien, ^quibus aliorum generalium studi-
orum rectores, doctores, scolares ac studentes eorumque ministri,
domus et scole Imperatorum et regum Romanorum predecessorum
concessionibus frui et gaudere sunt soliti'. Er befreit sie zugleich
von allen Abgaben und bestellt den jedesmaligen Ptinzen von
Orange zum Gonservator der Privilegien. Am L August 1366
gewährte ürban V. universis doctoribus, magistris et scolaribus
studii Aurasicen. auf S Jahre Dispens von der Residenzpflicht,
und bestimmte den Bischof von Orange, sowie den Decan von
S. Agricola in Avignon und den Ofificial von Orange zu Gonser-
vatores'*").
Nicht weniger Interesse bietet das bisher nicht bekannte
Schreiben Qemens VIL vom 19. Mai 1379. Die Nobiles, der
Rath und die Commune von Orange hatten sich an ihn mit der
Bitte gewandt, er möge dem Privileg Karls IV., womit er der Stadt
ein Studium ^in jure dvili, medicina, philosophia, logica, grama-
tica et quavis alia licita facultate' bewilligt habe, 'robur confir-
maüonis a^jicere' und femer gestatten, ^quod ibidem de cetero
iuris canonici Studium generale existeret'. Daraus mflsste man
schliessen, als habe Karl das Oeneralstudium nur in jure civili,
und nicht auch in jure canonico erlaubt. Allein dem ist nicht
also. Die Sache verhält sich vielmehr so, dass das Studium
des canonischen Rechts in Orange bisher keine Vertretung
hatte'*'®), und nur das Römische Recht einigermassen ge-
pflegt wurde. Der Rath suchte nun um eine päpstliche Be-
im) Beg. Urbani V. Avign. an. 4 p. 1. tom. IS Bl. 450b. Ls Intti-
taüo, priviL etc. p. 4 und bei IfiUot p. 42 findet dch nur die BoUe an die
Magiitri and ScholaNn.
i*>^) Intcrewant ist, dagB 1583 Wilhelm von Nanan als Prina ?on Qmng«»
nnd 1607 Philipp Wühelni in ikien BestlUgangen anck nor 1a adenca des
loix, mMaeine et philoaophia ordonnöe par l^eaperear Gharies QnatriioM en
l'an 1S65' erwihnen. InsütnUo etc. p. 4. Ktaig Ludwig speeiaiisierte jedoch
5. Angost 1684 das Oanaa mehr, ond erwähnt droH dTfl et caaoniqQa.
Ibid. p. 5.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder kOnigL Stifthriefen. Palenoi«. 471
wUliguDg nach, dass das canonische Recht gelehrt werden dttrfe,
wobei er jedoch nicht ganz aufrichtig zu Werke gieng.
Clemens VII. fand Orange für ein Studium geeignet, hält
^omnia et singula supradicta per prefatum imperatorem statuta
ordinata et concessa rata et grata', indem er sie auctoritate
apostolica confirmiert ^supplentea omnem defectum si quis forsan
intervenerit in eisdem', und beschliesst, 'quod in civitate predicta
deinceps Studium in huiusmodi iuris canonici facultate existat
et perpetuis futuris temporibus vigeat generale'. In novitate
studii sollen für die genannte Wissenschaft solche Professoren
genommen werden, die in Paris oder Bologna oder an andern
Generalstudien graduiert worden sind. Den Doctoren und
Scholaren des can. Rechts bewilligt er alle Privilegien von
Paris und Bologna, und bestellt den Bischof, eventuell den
Capitelsvicar, als denjenigen, welcher in genannter Wissenschaft
nach vorausgegangener Prüfung von Seite der Professoren die
Idcenz ertheilen soU^^'^).
Zu grosser Bedeutung brachte es die Hochschule zu Orange
niemals, wenngleich sie, mannigfache Unterbrechungen abge-
rechnet, bis in das 18. Jahrhundert fortvegetiert hat^®"). Als
Grölnitz im 17. Jh. in Orange war, sollen sich, wie er berichtet,
damals nur selten Schüler dort aufgehalten haben, 'unde jocus ibi,
rectorem cum scriba et pedello academicum corpus repraesentare
juxta illud: tres faciunt coUegium' ^®"). Diesem Witze lag aller-
dings eine gewisse Wahrheit zu Grunde.
Palenoia.
Unter den Hochschulen Spaniens ist die erste jene zu
Palen cia. Bereits ehe das Generalstudium errichtet wurde,
gab es dort artistische Schulen, über welche uns einige Notizen
erhalten sind. Floranes will nachweisen, dass in Palencia schon
zur Zeit der Gothen ein Studium existierte '^'^). Ich läugne dies
im) Beg. Giern. VII. Avenion. an. 2. p. 14 tom. 20 Bl. 473 b. Das
Schi^eiben ist datiert apad Spelongam Guetan. dioc. 14 U. Ion. an. 1.
10S9) 8. Institatio etc. p. 4. 5. 7 ff. MUlot L c. Die Statuten in Insti-
tutio etc. p. 11 wurden erst im 18. Jh. abgefiust.
lots) Ulysses Belgico-GaUiens, Amsterodami 1655 p. 422.
^^) Origen de los estudios de Castilla especialmente los de Yalladolid,
472 ^* EatwiokeliiBg der Hochschulen bis zun Ende des 14. Jhs.
nicht, wenigstens kann man die Möglichkeit nicht bestreiten.
Allein Floranes' Hauptbeweis stützt sich auf eine von ihm miss-
verstandene Sentenz, die noch heute in Palencia vorgebracht und
unrichtig gedeutet wird. Lucas de Tuy soll nämlich in Bezug
auf Palencia sagen: ut antiquitas refert, semper ibi viguit scho-
lastica sapientia, viguit et militia^°'^). So bietet allerdings der
Druck '°''). Allein die älteste, wahrscheinlich dem Verfasser der
Chronica gleichzeitige Hs. hat die einzig richtige Leseart:
quia ut antiquitas refert, semper ubi uiguit scolastica sapiencia,
uiguit et milicia^^'O- ^^^ Stelle ist also ein altes Maxim, das
auch Alezander IV. in einem Schreiben an König Alfons von
Gastilien citiert^^''), und mit Palencia an sich nichts zu thun
hat. Lucas de Tuy fuhrt dasselbe an im Hinblick auf den
kriegerischen König Alfons VHI., der trotz seiner Waffenthaten
die Schulen nicht vergass und im Beginne des 13. Jhs. die
Hochschule errichtete. Die Stelle beweist also nicht im ge-
ringsten für die Existenz eines wissenschaftlicben Lebens zu
Palencia vor Alfons VIH.
Die sichersten Nachrichten über ein dortiges Studium vor
Gründung der Hochschule bieten sich uns Ende des 12. Jhs.,
und an der Wende desselben dar. Um die Mitte des 12. Jhs.
soll dort der hl. Julian, Bischof von Cuenca (gest 1207—1208)'"*)
Palencia y Salamanca in GoUecciön de documentos ineditos para la hisioria
de EspaSa XX, 147 ff. Zur Zeit der Maaren sei das Stadinm unterbrochen
(p. 150), circa 1035 jedoch wider erneuert worden (p. 151).
1015) Bei meinem 'Aufenthalte in Palencia machte man mich lum wider«
holten Male auf das Sprachwort aufinerksam: £n Palencia armas y cienda.
lOM) s. Hispania iUustrata IV, 109.
^<^) Hs. in der Oapitelsbihliothek S. Isidro su Leon. Lucas de Tay
war einmal Diacon in Leon* Er schrieb seine Chronik bis mm J. 1839
und starb Ende 1249. Die Historia Palentina (Hs. in der BibL de la real
Academia de la Historia zu Madrid. G. 171 Est. 25 gr. 7 a) BL 45 beäut
die richtige Leseart 'ubi', allein sie verkehrt die Gonstruction an Gunsten
Palencias: Idem vero Hdephonsus . . . Palentiae scholas constituity ubi semper
▼iguit scolastica disdpUna ete. Richtig Cod. Yat. 7004 BL 121 b.
i<^) Beg. Yat an. 1. ep. 692 Bl. 101b. Qaoniam'ablantiquo sdentta et
militia ooncomitari se solent, quia ubi erat strenuis et electa militia, ibi soUempae
ac celebre Studium habebatur etc. Das Schreiben ist Tom 19. Oct 1255.
*^) In AA. SS. Jan. U^ 895 findet sich nichts daraber.
4. Hocbsohulen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Palöncia. 473
studiert haben, gewiss aber gegen Ende desselben Jhs. der hl«
Dominicus. Von ihm bezeugen dies Jordan von Sachsen ^®^^) und
die ihm folgenden Chronisten '°'^). Gerade aus deren Berichten
geht hervor, dass in Palencia nicht bloss in den artes liberales,
sondern auch in der Theologie unterrichtet wurde. Die Haupt-
sache blieb jedoch immer das Studium der artes liberales, was
besonders aus dem Leben des Gonzalez de Fromista oder
Peter Gonzalez Telmo, der in Palencia Anfangs des 13. Jhs.
studierte, erhellt ^^"). Indess Pulgars Behauptung, Dominicus
habe in Palencia den Doctorgrad erhalten ^^^'), ist gänzlich
grundlos. Fanden doch in Palencia schwerlich nach Gründung
der Universität Promotionen statt, umsoweniger also in einer
Periode, in der kaum in Paris akademische Grade eingeführt
waren. Noch vor die Gründung der Hochschule fällt ein Streit
des magister scolarum von Palencia mit seinem Bischöfe ^^'').
i030) Im Liber principii Ord. FF. Praed. in AA. SS. Aag. I, 545 n. 2
scbrebt er: Postmodum autem missos Palentiam, ut in liberalibus formaretur
acientiis, quarum Studium yigebat ibidem, postquam eas nt sibi yidebatur
satis edidicit, relictis iis studiis tamqnam in qnibns temporis buius angnstias
minus fructuose yereretur expendere, ad tbeologie Studium convolavit
1031) s. oben S. 2 Anm. 3. Aucb Odo Yon Chäteauroux sagt yielleicbt
um dieselbe Zeit wie Constantin von Oryieto in dem Sermo s. Dominici:
Quid est quod b. Dominicus tarn parum fuit in studio s. scriptnre etc. per
quatuor annos tantum, et tarnen tantum profecit . . . veniens Palenciam, ubi
tune florebat Studium, a Tino abstinuit per illoa quatuor annos, quibus stu-
dnit et etiam per sex alios sequentes. Cod. Paris. 15947 61. 275b.
10S2J Espaüa sagrada XXIII, 245: In primaevo juyentutis suae flore pro-
moyente quodam ejus patruo, qui praefatae ciyitatis ecclesiae in pontiflcali
praeerat dignitate, liberalium artinm studiis decekiter eruditus yelnt alter
samson puer ingeniosns ... ad tautum infra paucomm annomm curricnla
literarum perductus est cumulum, ut ad quemcunque dignitatis ipsius eccle-
siae gradum . . . sufficiens haberetur. Theologie studierte er erst im Domi-
nicanerorden. Ib. p. 246.
1033) Teatro clerical apostolico y secular de las iglesias de Espaüa, parte
1 tom. 2. p. 208 f. Seine einzigen Stfitzen sind die späten Juan de Mono-
pol! (Franciscanerchronist) und Vincens Baro. Auch De los Bios, Historia
critica de la literatnra espaHola III, 228 Anm. 1, l&sst sich durch Palgar yer-
fübren.
to84) Comp. III. 5, 1; c. Cum dU. X. de calnmn. 5, 2. Vgl. auch ArsenalbibL
in Paris Hs. n. 394. Beg. Vat Innoc. m. an. 10 ep. 55 Bl. 14a (5. Id. Mail)
474 in. Entwickelnng der Hochsehnlen bis som Ende des 14. Jhs.
Palenda war also für ein Generalstudium einigermassen
vorbereitet. Die Gründung desselben liess auch nicht lange
aof sich warten. Diese Stadt hat den Ruhm, innerhalb
seiner Mauern nicht bloss das erste Generalstudium Spaniens,
sondern überhaupt die erste von einem Landesfttrsten gegründete
Universität besessen zu haben. Jene zu Neapel wurde erst
mehrere Jahre später von Friedrich IL gestiftet.
Alonso Vm. errichtete 1212—1214 ''*') die Hochschule, indem
er durch Vermittlung des Bischofes von Palencia, Tello, Pro-
fessoren der Theologie und der übrigen Fächer aus Frankreich
und Italien berief, und ihnen gute Besoldungen anwies'^**). Wie
sich von selbst versteht hat es nichts auf sich, dass kein f5rm-
licher Stiftbrief existiert Lässt die Beform des Studiums vom
J. 1220 einen Schluss auf den Ursprung zu, so waren in Palencia
Theologie, Jus canonicum, Logik, Grammatik mit der ars dicta*
minis vertreten.
1035) Da Alonso 1214 starb, Tello aber, der Rathgeber des Königs, erst
1212 Bischof Ton Palencia wurde (cfr. Palgar 1. c. p. 1. tom. 2 p. 261;
Boletin eccl^si&stico del obispado de Palencia [1866] p. 289), so mnss die
Orflndong der Hocbsehole 1212—1214 Men. Die Jahnahlen, die man sonst
in der Begel angibt (meist nach Mariana, Historia de EspaBa lib. 11 c. 22
[Madrid 1841 tom. 5 p. 29] 1208 oder 1209, so z. B. Clodolfo Pelaes Ortis,
El clero en ia historia de Palencia y la nniyersidad Palentina, Palencia 1881
p. 103) sind unrichtig. Nicht minder irrig ist die Jahnahl 1200, welche
man in einer Inschrift des üniTersit&ts-Claastrum su Salamanca liest
1036^ Mehrere Zeitgenossen erwfthnen dieses Factum, und zwar vor
allem Honorius III. in den swei unten citierten Schreiben. Dann der bereits
genannte Lucas de Tuy 1. c: *Eo tempore rex Adefonsus euocauit magistros
telogichos et aliarum arcium liberalium et Palencie scolas constituit procu-
rante reuerentissimo et nobilissimo niro Tellione eiusdem ciuitatis episcopo,
quia ut antiquitas refert, semper ubi uiguit scolastica sapiencia, uiguit et
milicia'. Bodrigo de Jimenec de Bada sagt De rebus Hispaniae: Sapientes
e Oallia et Italia convocarit, ut sapientie disdplina a regno suo nuuquam
abesset et magistros omnium fscultatum Palentie congregavit, quibus et
magna sUpendia est largitus, ut omni Studium cnpienti quasi manna in os
influeret sapientia cuiuslibet facultatis' (Nach Cod. 87 in der Bibliot. de ciu-
dad de Valladolid BL 70a. Hispania mustraU II, 128). Auch die unter
Alfonso el Sabio geschriebene Grönica general de EspaSa spricht von dieser
Thatsache (ed. Zamora 1541 Bl. 894a.)
4. Hoehscholeii mit kidserl. oder königl. Stiftbriefen. Palencia. 475
Doch nur karze Zeit sollte sich das Studium im Stande er-
halten. Der König starb 1214 und alsbald wurde dasselbe
unterbrochen. Alonsos Nachfolger Enrique I. war mindeijährig
und zu unerfahren, um sich ernstlich mit Aufrechterhaltung der
Schöpfung seines Vaters beschäftigen zu können, obwohl er kurz
vor seinem Tode, n&mlich 15. Februar 1217 daran dachte*®'^).
Erst sein Nachfolger Fernando ID., an dessen Namen sich nicht
bloss die Widervereinigung der beiden Königreiche Gastilien und
Leon knüpft, sondern auch die Erneuerung resp. Widerher-
stellung der Wissenschaften in jenen Ländern, gieng energisch
an das Werk.
Ln J. 1220 wandte er sich im Vereine mit jenem Bischöfe,
der schon bei Gründung der Hochschule dem König Alonso zur
Seite gestanden hatte, an Honorius IIL mit der Bitte, ihnen bei der
Erneuerung der Hochschule behülflich zu sein und zwar durch
Oew&hrung der Erlaubniss ein Viertel der Tertia ecclesiarum,
die in der Diöcese zur Instandhaltung der verschiedenen Kirchen
verbraucht wurde, als Salarium der Professoren auf fünf Jahre
benutzen zu dürfen'^"). Der Papst billigte diesen Vorschlag
um so lieber, als der Bischof Tello behufs Reform des Studiums
bereits je einen Theologen, Decretisten, Logiker und Gramma-
tiker berufen batte^®'*). Am 18. März des nächsten Jahres
1097) S. Godnlfo Pelaes Ortis, 1. c. p. 1 13.
1038) Wir erfahren dies ans dem Schreiben Honorins III. vom 30. Oc-
tober genannten Jahres, in welchem der Papst sagt: In litteris karissimi
in Christo filii nostri F. mnstris regis GasteUe ac venerabilis fratris nostri
. . Falentin. perspeximos contineri, qnod ipsi satagentes reformare stndinm
a clare memorie Aldefünso rege GasteUe in civitate Falentin. institatam or-
dinamnt, nt qnarta terciamm cninslibet ecclesie dioc Falentin. depotatamm
ad fabricam pro magistromm salario nsque ad qoinqae annos integre oonfe-
ratnr. Reg. Tat Honorii III. an. 5 ep. 153 Bl. 38a. Das Schreiben ist ge-
richtet Nobilibus yiris et omnibns conciliis per Falentin. dioc, constitntis.
^^ Ibid. 1. c Nos igitor eomm soUicitndinem eommendantes nniyer-
sitati vestre per apostolica scripta mandamns, qnatenns qnartam ipsam nsqne
ad terminnm snprascriptom in manibus iUonim qnos idem episeopos ad hoc
dnxerit depntandos sine difflcnltate qnalibet conferatis, nt ea per manne
ipsomm in magistromm salario proride distributa stndinm ipsnm, propter qnod
idem episcopns Teolognm, Decretistam, Logicnm et Anctoristam sicnt ez
litteris cjns aocepimns iam Tocarit, laodabiliter Taleat refonnarL
476 ni. Entwickelong der Hochachnleii bis sam Ende des 14. Jhs.
nahm der Papst auf die Fürsprache des Bischofs hin die Schulen der
Theologie, des can. Rechts und anderer Wissenschaften, sowie die
Magistri und Scholares in seinen Schutz^'*®). Ehe der vom
Papste am 30. Octoher 1 220 anberaumte Termin von fänf Jahren
abgelaufen war, gieng der Bischof personlich nach Rom, um das
damals gewährte Indult fOr weitere fünf Jahre zu erwirken, da
ein Studium wegen der grossen Unwissenheit des Landclerus in
jenen Gegenden durchaus nothwendig sei. Am 17. Jänner 1225
kam Honorius in. neuerdings der Bitte entgegen'®*'). Ein Sy-
nodalbeschluss in Valladolid vom J. 1228 gestattete, um dem
Studium aufzuhelfen, allen Lehrern und Hörern der Theologie
fOr fünf Jahre Dispens von der Residenzpflicht ^®*').
Die Hochschule bestand nun bis gegen die Mitte des 13. Jhs.
fort, denn Don Rodrigo, der seine Geschichte 1243 vollendet
hat, sagt: et licet hoc Studium fuerit aliquando ^'*') inter-
ruptum, tamen per dei gratiam adhuc durat'®**). Darauf aber
trat wider Stillstand ein«
1040) Beg. Vat an. 5 ep. 476 Bl. 94 b: Cum igitor sicut ex parte loa
fuit expositum coram nobis ad dandam salatis scientiam plebi tue ... in ci-
tate taa scolas theologie, sacromm canonum et aliaram facultatam provide
ordinaris: nos in hoc discretionis tue Studium non immerito commendantes
tnia precibus inclinati scolas ipsas neenon personas magistromm et soolarinm
snb b. Petri et nostro protectione suscipimus.
^^^) Reg. Hon. in. an. 9 ep. 227 Bl. 40 a. Nacbdem er auf den Inhalt
seines 1220 erlassenen Schreibens eingegangen, fUirt er fort: Nunc antem
idem episcopns in nostra presentia humiliter supplicavit, ut cum in hoc mo*
dicam graventur ecclesie, dum tres partes residue ad reparationem ecclesia-
rum ipsanun et aiia necessaria sufficere dinoscuntnr, et in partibus Ulis Stu-
dium Sit admodum necessarinm, cum pre aliis regionibns rurales ibidem cle-
rici habeantur inscii litterarum, providere super hoc ampliando terminom, de
quo modicum restare dignoscitur, dignaremur, presertim cum per factum
huiusmodi Palencie proponatur Studium plenius reformatum etc. Laterani
16 kl. Febr. an. 9.
^^ Item porque queremos tomar en so estado el estudio de Palencia,
otorgamos que todos aquellos que fueren hi maestros, et leieren de qualqsier
sciencia, et todos aquellos que oieren hi Theologia, que hayan bien et entre-
gamiente sos beneficios por cinco aSos aai como se serriesen 4 suas eglesias«
EspaBa sagrada XXXVI, 216.
1048) Dies beliebt sich wohl auf die Zeit tor 1220.
loM) Hispania illustrau l c.
4. Hochschaleo mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Palencia. 477
Hiermit schliesst auch die erste Periode des ersten General-
ßtttdiums in Si)anien. Der Gründe, warum es nicht gedieh, gibt
es mehrere. Als einen bezeichnete man bisher das Bestreben
Fernandos ni. (eines Sohnes Alonsos IX. von Leon, welcher mit
Berenguela, der Schwester Enriques I. von Gastilien, der rechtmässi-
gen Thronfolgerin in Gastilien, verheirathet war), der von seinem
Vater in Salamanca gegründeten Schule seine Fürsorge angedeihen
zu lassen. Allein dies ist nur theilweise wahr. So lange Fernando
König von Gastilien war, gieng ihn die Schule zu Salamanca nichts an,
wir sahen im Gegentheile, dass er sich des Studiums zu Palencia
eifrigst annahm, was man allerdings bisher nicht wusste. Als
er aber auch den Thron von Leon bestiegen (1230) und die Kronen
beider Reiche vereinigt hatte, mag er sich wohl mehr um das
Werk seines Vaters als um die Stiftung in Palencia gekümmert
haben, was jedoch, wie wir weiter unten sehen werden, nicht
vor 1243 der Fall gewesen sein kann, also zu einer Zeit, wo
die Schule zu Palencia ohnehin verfallen war. Der eigentliche
Grund, warum diese in einen solchen Zustand geriet, ist wo
anders zu suchen. Das Geld zur Besoldung der Professoren
wurde vom Zehent genommen; von der tertia pars desselben,
die für die Kirchen bestimmt war, kam nämlich ein Vierttheil
zur Verwendung. Allein bereits im J. 1225 beklagte sich der
Bischof von Palencia beim Papste, dass die ^nobiles' den Zehnten
nicht bezahlten, worauf am 7. October ein scharfes Schreiben
des Papstes erfolgte*®"), das aber nicht viel ausrichtete. Es
liegt auf der Hand, welche Störung dieser Zustand in das
Studium bringen musste. Eine Folge hiervon war der oben
citierte Synodalbeschluss von Valladolid, welcher jedoch nur
eine Wirkung gehabt hätte, wenn die Besoldung der Professoren
eine geordnete gewesen wäre. Zu all dem trat noch, dass
ganz in der Naiie Palencias die Schule von Valladolid zur
Blttthe gelangte. Als nun aber im J. 1246 der eifrigste Beförderer
des Studiums zu Palencia, nämlich Bischof Tello, starb, da
stockte das Leben der Hochschule vollends, denn niemand nahm
sich mehr derselben an.
^^) Beg. Vat an. 10 ep. 80.
478 HL Eifcwickeliiiig der Hochsclmleii bb iram Ende des 14. Jhs.
Die zweite Periode der Hochschule zu Palencia war noch
trauriger als die erste. Im J. 1263 wandte sich der Bischof
von Palencia an den Papst, einestheils ihm vorstellend, dass das
einst blühende Studium generale, durch das nicht bloss Palencia,
'sed tota solebat Hispania spiritalis et temporalis percipere
commoditatis 'augmentum\ nicht mehr existiere, anderentheils
ihn bittend, er möge seine hülfreiche Hand zur Widerherstellung
desselben bieten, und allen in Zukunft daselbst Studierenden
die Privilegien von Paris zuertheilen. Urban IV. zeigte sich
am 14. Mai des gleichen Jahres dazu bereit, da er nicht wolle,
'ut lucema tante claritatis in commune multorum dispendium
sie extincta remaneat' ^^^%
lieber den Erfolg ist nichts weiter bekannt. Sicher ist,
dass schon vor Ende des 13. Jhs. keine Hochschule mehr zu
Palencia existierte. Der Zeitpunkt, in dem sie sollte erneuert
werden, war viel ungünstiger, als der in dem sie gegründet
worden war. Damals war sie die einzige Hochschule in Spanien.
Jetzt aber besass die Diöcese bereits ein besuchtes und zugleich
privilegiertes Studium zu Valladolid, und nicht allzu weit ent-
fernt erhob sich das Generalstudium zu Salamanca, welches
zur Blüthe zu bringen Papst und König wetteiferten. Palencias
Stern war verblichen. Aber nichtsdestoweniger bleibt der ein-
stigen Hochschule für immer das ehrenvolle Epitheton: la pri-
mera Universidad espiAola.
Salamanoa.
Der Ruhm Spaniens durch fast fünf Jahrhunderte war die Uni-
versität zu Salamanca. Um so mehr ist es zu bedauern, dass
diese für das Land, später für ganz Europa so wichtige Univer-
sität noch keinen kritischen Geschichtschreiber gefunden hat.
Zwar existieren nicht wenige Monographien über dieselbe; allein
nicht eine entspricht gerechten Anforderungen '^^0- l>ocli bleibt
lOM) Reg. Tat an. 1. 2. tom. [1. ep. 103 Bl. S7b. BnU. Born. ed.
Taur. m, 695.
1047) loh wUl hier nur jene citieren, die ioli selbst eiDgesehen ludw.
Chaeon, Historia de la universidad de Salamanca (gesclir. 1569) im Semaaa-
rio emdito, tom. 18 (Madrid 1789). Er wosde 4ie Gmndli^ filr die sp&tenii
4. Hochschnlen mit kuBerl. oder kOnigL Stiftbriefen. Salamaiiea. 479
CShacons Bach immer eine sehr verdienstliche Arbeit. Viel-
leicht gelingt es mir im Folgenden eine sichere Grundlage her-
zustellen.
Wie an den meisten Gathedralen Spaniens, so gab es auch
an jener zu Salamanca schon im 12. Jh. einen magister sco-
lanim, maestrescuela, eine Bezeichnung, die sich bis heute in
manchen Capiteln Spaniens erhalten hat. Allein wie sonst in
der Regel, so war auch die Hochschule zu Salamanca nicht eine
blosse Erweiterung der Domschule, sondern eine Neuschöpfung.
Diese knUpft sich wie jöne von Palencia an den Namen Alonso;
war der Stifter der Universität zu Palencia Alonso VIIL von
Castilien, so jener von Salamanca Alonso IX. von Leon. Dieser
berief erfahrene Professoren nach Salamanca, gründete dort ein
Studium ^®^'), und ertheilte ihnen und den Schülern gewisse
Rechte ^®^'). Wann sich dies ereignet habe, lässt sich nicht
mid Tiel abgeschrieben, wovon die nicht wenigen Hss. in den Bibliotheken
Spaniens Zeogniss geben (auch in Bibl. Yat Ottob. 2189). Beseflto historiea
de k nniversidad de Salamanca (1849). Doncel y Ordas, La oniTersidad de
Salamanca en el tribonal de la historia, 2. ed. Salamanca 1881. Alejandro
Yidal 7 Dias, Memoria historiea de la oniTersidad de Salamanca (1869). Diese
ist die grOsste Monographie, steht aber in Bezug auf Kritik hinter Chacon.
Einen geschichtlichen üeberblick bieten auch die Einleitung lu den Consti-
tntiones apostolicas y estatutos de la may insigne nniversidad de Salamanca
(1625); Mendo, De jore academico, lib. 1 qu. 7 n. 138.; Gü Gonzalei B&yila,
Teatro ecclesiästico de la s. igles. de Salamanca p. 264; De la Fuente, Hist.
eccles. de Espana, 2. ed. lY, 282.; Annnario de la unirersidad de Salamanca
para el curso de 1859 & 1860 (1860), sowie Z&rate, De la instmcciön pfibliea
en EspaBa II, 180. Die deutschen Leistungen kommen gar nicht in Betracht
Sayigny (III, 409) kannte nur die Statuten rem J. 1422, andere wussten
noch weniger, woraus das oberflächliche Gerede bei Stein L c 8. 297 lu
erUftren ist Aas des Franzosen Graoz, L'nnirersit^ de Salamanqne in den
Notices bibliogn^hiqnes et autres articles (Paris 1884) ip. 817 lernt man
nnr den gegenwftrtigen Zostand der Schale resp. den vom J. 1875 kennen.
Gewiss haben wir eine ansgeseichnete Arbeit von Edaardo de Hinojosa, pro-
fesor de la escnela soperior de DiplomaÜca in Madrid, an erwarten.
1018) Lncas de Tay sagt: Hie salatari consüio evocafti magistroa peri-
tissimos in sacris scriptoris et constitnit scolas fieri Salamantice. Nach der
oben S. 472 Anm. 1027 dtierten Hs. an Leon. S. Hispania fflostrata lY, 118.
^0^) Dies erfthren wir ans dem Privileg Fernandos III. rom J. 1248,
anf das ich sogleich an sprechen komme. Es heisst darin: e qniero e mande^
480 ni. Entwickelang der Hochschnlen bis zum Ende des 14. Jhs.
sagen *^*^), denn es sind weder Nachrichten darüber vorhanden,
noch existiert ein Stiftbrief, Sicher geschah es vor 1230, in
welchem Jahre der König starb.
Diese erste Stiftung war, so scheint es, nicht vom GlUcke
begünstigt. Ich schliesse es nicht bloss daraus, dass man von
ihr so gar nichts hört, sondern noch mehr aus dem Umstände,
dass Fernando in. von der Schule seines Vaters in vergangener
Zeit spricht und deshalb mittels eines neuen Actes die Gründung
von Schulen in Salamanca anordnet. Nicht Alonsos IX. Stiftung,
sondern jene Fernandos in. hatte die Gontinuität, und so ist
eher Ferdinand der Heilige, denn sein Vater als der wirkliche
Begründer der Universität Salamanca zu betrachten.
Am 6. April 1 243 unterzeichnete er eine Urkunde, in welcher
der eigentliche Stiflbrief der Universität zu erblicken ist^"*). Von
der Erkenntniss geleitet, dass seinem Reiche die Wissenschaft förder-
lich sei, befiehlt er, dass in Salamanca Schulen errichtet würden
und dass alle, die an denselben lehrten, unbehelligt nach Sala-
manca reisen könnten. Er nimmt die Professoren und Schüler
sammt ihrer Habe unter seinen Schutz, und verfügt, dass die
Scholaren sämmtliche Rechte , welche sie einst unter seinem Vater
que aqnellas costambres e aqaellos fueros, qae ooieron los escoUreB en Sala-
manca en tiempo de myo padre quando establecio hy las escaelas, tan bien
en casas como en las otras cosas, qae essas costambres e essos fderos ayan.
loboj Im Universitäts-Glaastram zu Salamanca ist eine spftte Inschrift
(wohl aus 16. Jh.), in der die Gründung von Palencias Hochschule in das
Jahr 1200 gesetzt wird. Der König von Leon habe nun aus Nacheifemng
gegen König Alonso von CastiUen die üniYersit&t Salamanca errichtet AUein
da die Schule von Palencia erst 1212—1214 ins Leben trat, so ist auf die
Inschrift nicht gerade viel zu halten. Man hat ihr mehr Gewicht beigelegt,
als sie verdient
1061) Das Original, dem das Siegel fehlt, befindet sieh jetet in der üni-
versit&tscapelle auf der Epistelseite an der Wand unter Glas. Es ist nun-
mehr genan mit aUen Abrigen Documentos reales bis Ende des 14. Jhs.
des üntversitatsarchives ediert in Memoria sobre el estado de la instrucdto
«n esta (de Salamanca) universidad eorrespondiente al curso acad^nuco de
1881 i 1882 (Salamanca 1882) p. 12»— 152. Es wftre im InterasM der
hlzloriflchen WissenBchalt nur lu wfinschen gewesen, dass der Ardiivar Joife
M. de Onis mehr diplomatische Bemerkungen hiniugefilgt und wenigstens
angegeben hatte, ob die Siegel noch vorhanden sind oder fehlen.
4. Hochschaien mit kaiserl. oder kOnigl. StiftbriellBn. Salamanca. 4gl
besessen hätten, gemessen sollten. Unter Androhung einer Geld*
strafe wird jedem verboten ihnen irgend ein Unrecht zuzufügen;
die Studierenden selbst aber müssten den Frieden mit den Ein-
wohnern bewahren. Bei Streitigkeiten unter den Studierenden
oder zwischen ihnen und den Einwohnern dürften sie einen geist-
lichen Gerichtsstand besitzen'®^'). Kurz vor seinem Tode, 'den
12. März 1252, befreite er sie von den Abgaben, und ver-
fttgte noch einmal, dass sie innerhalb seines Reiches ohne die
geringste Schwierigkeit und Behelligung reisen könnten^®'*). Un-
bekannten Datums ist das Privileg, womach weder Christ noch
Jude die fttr Scholaren bestimmten Wohnungen miethen dürfe ^^^%
Doch erst nach dem Regierungsantritte seines Sohnes,
Alfonsos el Sabio, sollte das Studium zur Blüthe gelangen. Es
war eine der ersten Angelegenheiten dieses Königs sich des Werkes
seines Vaters anzunehmen. Am 9. November 1252 bestätigte
er alle von Fernando m. und Alonso IX. den Professoren und
Scholaren zu Salamanca gewährten Privilegien ***"). Am nächst-
folgenden Tage verbot er den Einwohnern Salamancas den Scho-
laren Waffen zu verschaffen, weil das Studium dadurch nur be-
einträchtigt würde ^•").
Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass Alfonso el Sabio
die Universität Salamanca nicht gegründet, sondern sie bloss als
Erbschaft von seinem Vater Fernando erhalten hatte. Seine Ab-
sicht konnte daher bloss sein, die Schule zu befestigen und immer
mehr empor zu bringen. Allein unter ihm brach eine neue
Epoche für sie an, welche mit dem Jahre 1254 begann. Am
8. Mai desselben erhielt nämlich das Studium so zu sagen die
Magna Charta durch den vom Könige zu Toledo unter dem genannten
i06>) Memoria L c. p. 127f. n. 1. Als Richter werden genannt der
Bischof, der Decan (des Capitels), die Vorsteher der Dominicaner nnd Fran-
dscaner, mehrere andere Personen ohne weitere Angabe ihres Charakters, ein
Canonicns von Leon und einer von Lamego.
^«W) Ibid. p. 128 n. 2.
lOM) Das Docoment ist nicht mehr erhalten; allein das FriTÜeg wird
erwähnt in einem Schreiben der Königin Donna Maria vom J. 1345. S. Me-
moria 1. c. p. 140 n. 11.
1«») Ibid. p. 181 n. 8.
low) Ibid. n. 4.
482 m* Entwickelnng der Hochschulen bis mm Ende des 14. Jhs.
Datum ausgefertigten Act. Die Veranlassung dazu war die Bitte
der Scholaren (escolares de la universidat del estudio de Sala-
manca), der König möge ihnen seine Huld und Gunst beweisen.
Er erklärt, wie viel ihm daran liege, dass die Lehranstalt immer
mehr aufblühe. Nach Einvernehmen seines Rathes und im Ein-
verständniss mit den Bischöfen, Archidiaconen und anderen aus-
erlesenen Clerikem seines Reiches verordne er nun, dass die
Scholaren nicht jene Wohnungen miethen dürften, welche bereits
von andern Scholaren besetzt seien. Femer sollten die CSonser-
vatoren des Studiums die Wohnungen der Stadt nach gerechtem
Preise abschätzen '^'^^), und zwar sowohl jene der Bürger, als
die der Canoniker und Gleriker, in keinem Falle jedoch dürfe
der Preis 17 maravedis übersteigen'^'^). Die vom Bischöfe von
Salamanca eventuell verhängte Excommunication müsse von den
Scholaren ebenso wie von den übrigen respectiert werden. Ohne
bischöfliche Genehmigung dürften die 'escolares de la universidat*
auch kein gemeinschaftliches Siegel besitzen. Weiter folgt eine
Verordnung über die Taxierung der Lebensmittel, sowie die
Mahnung, die Stadtobrigkeit möge 4os previllejos de la universidat*
achten. Kampflustige Scholaren sollten der Bischof und der
Magister scolarum einsperren, eventuell aus der Stadt weisen. Im
Falle, dass aber sonst jemand denselben ein Unrecht zufüge, müsse
der Beleidiger von der Stadtobrigkeit nach Recht und Gerechtig-
keit bestraft werden. Den wichtigsten und interessantesten Punkt
im Schreiben bilden die Bestimmungen über das Salarium der
1057J Die Absch&trang der Wohnungen geschah später ron einer ge«
mischten ans zwei Borgern nnd zwei Scholaren bestehenden Commission wie
in Neapel, nnd die Scholaren durften nicht selbst mit den EigenthOmem den
Preis festsetsen. Dies ergibt sich ans einem von der Königin Donna Maria
im J. 1345 erw&hnten Privileg Alfonsos. S. Memoria L c. p. 140 n. 11.
1058J Offenbar sind hier überall maravedis in Gold gemeint, was schon
daraus herrorgeht, dass Alfons in seinen Siete Partidas (p. 8 ley 14 tit 6; ley 5
tit. 7) die aurei der Pandekten mit seinen maravedis identifioiert Siehe daraber
Chacon p. 15. Alfonso el Sabio Hess gleich bei seinem Regierungsantritte
neue MOnaen prägen. 90 blancos burgaleses waren 1 maravedi de oro,
und 6 blancos burgaleses galten 1 sueldo burgal6B| so dass 15 sueldos
burgaleses 1 mararedi de oro machten. Heiss, Descripcion general de las
monedas hispano-cristianas I (Madrid 1865), 39—41.
4. Hoclischiüen mit kaiserl. oder königl. Btiftbriefon. SaUmapca, 488
Professoren, denn wir erhalten dadurch zugleich Aufschluss über
die Vertretung der verschiedenen' Wissenszweige an der Uni-
versität Salamanca während der ersten Periode.
Der König bestimmt, es solle in Salamanca ein Magister
legum (un maestro en leys) mit einem jährlichen Gehalte von
500 maravedfs angestellt sein, und dieser mUsse unter sich einen
Baccalareus, der Ganonicus sei (un bachiller canonigo), besitzen.
Auch das Decret soll durch einen Magister, der jährlich 300 mara-
vedfs Salarium erhalte, vertreten sein. Zwei Magistri mOssten
über die Decretalen lesen, und zwar beide mitsammen mit einem
jährlichen Salarium von 500 maravedfs. Zwei Magistri der
Logik, und ebenso viele Magistri der Grammatik und der Physik
(Medicin) beziehen jährlich je 200, d. h. jeder 100 maravedfs.
Ausserdem wünscht er einen Stationarius (Bücherverleiher), der
für gute und correcte Exemplare zu sorgen hat, mit einem jähr-
lichen Gehalte von 100 maravedfs, einen Magister für die Orgel
und einen Apotecario^®'^'), die mit je 50 maravedfs angestellt
werden. Zu Conservatoren des Studiums ernennt er den Decan
(des Capitels) von Salamanca und Amal de Sen^aque, die für
ihre Mühen 200 maravedfs bekommen. Dem Decan gewährt er
überdies noch 200 maravedfs wegen der Auslagen für das
Studium. Im Ganzen warf also der König die für jene Zeiten
enorme Summe von 2500 maravedfs aus, welche er den zwei Con-
servatoren übergab, damit sie dieselbe seinen Bestimmungen gemäss
ihrem Zwecke zukommen lassen sollten. Schliesslich ermahnt
er die Scholaren zum Frieden und fordert alle zur Beobachtung
seiner Verordnungen auf*®*'*).
Vor allem drängt sich einem jeden von selbst der Gedanke
auf, dass Alfonso X. sich immer mit denjenigen Studium be-
schäftigt, welches sein Vater Fernando m. in Salamanca ange-
ordnet hatte. Auf einzelne Bestimmungen scheint Friedrichs I.
Auth. Hahüa^ vielleicht auch Friedrichs n. Stiftbrief für Neapel
Einfluss gehabt zu haben. Der Influenz-Theorie darf man hier
i<^ Der Aosdnick bezeiolinet hier demjenigen, welcher entweder ehi
Depot Ten Lebensmitteln beeitsen oder defnr sorgen mnsste, dass an den
LebembedflrftilMen für die Btodierenden niemals ehi Mangel eintrat
^0^0) 8. das Docament in Memoria 1. c. p. 132 n. 5.
31»
484 ni. Entwickeltmg der Hochschulen bis sam Ende des 14. Jhs.
jedoch nicht zu sehr huldigen. Eine hervorragende Stellung
weist der KOnig dem Bischöfe, dem Decan und Maestrescuela
des Capitels an. An der Universität sollten alle Fächer mit
Ausnahme der Theologie vertreten sein. Die Hauptstärke lag
in der Rechtswissenschaft, und zwar vorzüglich im canonischen
Hechte. Dadurch wird die von Stein leichtfertig hingeworfene
Behauptung, in Spanien habe die Herrschaft der kirchlichen Lehre
und Lehrer in den freien Magistris jurisprudentiae et medicinae
kein Gegengewicht gefunden und die artes hätten sich nicht von
der Theologie zu einem mit eigenem Rechte begabten sodalitium
geschieden, fQr immer widerlegt ^^^^). Wie in Salamanca so stand
es bis zum Ende des 14. oder Beginne des 15. Jhs. an allen
Hochschulen Spaniens, und wie überhaupt, so bieten sie auch hierin
viel Aehnlichkeit mit den italienischen Universitäten. Palencia
allein, wenn man von Sevilla absieht, bildete eine Ausnahme.
Um dem Studium einen noch grossem Halt zu geben,
wandte sich der König an den Papst mit der Bitte um die
Bestätigung desselben. Dieser antwortete ihm am 6. April 1255,
'quod multitudo sapientium sanitas est regnorum, quodque non
minus prudentum consilio quam strenuitate vel fortitudine robu-
storum regnorum ipsorum moderamina disponantur'. Er bestätigt,
was der König de assensu episcopi et capituli in Betreff des
Studiums zu Salamanca gethan hat^®''). Man würde sich sehr
täuschen, wollte man in diesem Schreiben einen Stiftbrief er-
blicken. Dasselbe enthält nicht einmal ein Wort der Bestätigung
der Stiftung, sondern erwähnt nur die Bemühungen und Verord-
nungen Alfonsos für das Studium ^^*'). Am 15. Juli desselben
106^) Stein darf sich ja nicht damit entschuldigen, dass er die dtierte
Memoria nieht benutzen konnte, denn sowohl Chacon L c. p. 18, Akjandro
Vidal 7 Diaz 1. c. p. 18, De los Rios lU, 280, als anch wenngleich kon
De la Faente 1. c. bringen schon die charakteristischen Stellen aas Alfonsos
Schreiben. Dass die Jahreszahlen in der Begel irrig angegeben werden be-
rfihrt nicht im geringsten das Wesen der Sache.
10^) Reg. Vat. an. 1. 2. tom. 1. ep. 281 BL 41b. Original im üniver-
siUtsarchiT zu Salamanca (Siegel fehlt). S. BoU. Rom. ed. Taurin. m, 601.
Eine frohere p&pstliche BnUe existiert nicht. Ebenso ist es eine Fabel, dass
bereits das Goncil von Lyon (1245) die ünirersitat Salamanca erwftlmt habe.
1063) Die Behauptung Sohnltes, der Papst habe gestattet, dass das General-
4. BocliBohaleii mit baiserL oder kOnigl. Stiftbriefen. SaUmanca. 485
Jahres gewährte der Papst der universitas magistrorum rectorum
et scolarium auf deren Bitten hin das 'commune sigillum' ^^*^). Am
darauffolgenden 22. September ermächtigt er den Magister sco-
larum von Salamanca die Doctoren und Scholaren, welche 'propter
violentas manuum iniectiones in dericos' der Excommunication
yerfallen, loszusprechen^®*'^). Wahrscheinlich stellte der Papst
am selben Tage ein anderes an die universitas magistrorum et
scolarinm Salamant. gerichtetes Schreiben aus, in welchem er
auf deren und des Königs Vorstellung hin, dass denjenigen *qui
semel examinati et approbati in Salamantino studio in quacun-
que facultate, quamquam sint inventi idonei ad regendum, nisi
iteratum examen in eadem facultate subeant alibi legere mi-
nime permittatur', gestattet, dass in Salamanca die Approbierten
an jedem andern Generalstudium mit Ausnahme von Paris und
Bologna ohne neues Examen in jener Wissenschaft, für die sie
approbiert worden seien, lehren dürften^®**).
Ein interessantes Schreiben sandte der Papst am 19. October
desselben Jahres an den König, worin er zuerst erklärt, dass
Wissenschaft und Kriegskunst Hand in Hand giengen^^^O- Indem
er dann auf die Bestimmungen des Königs in Betreff des Sala-
riums übergeht, gewährt er zum Zwecke 'ut idem Studium optata
redpiat incrementa\ dass alle, welche dort studieren wollen, mit
Ausnahme der Regulären, 'in eadem civitate jura civilia per tri-
ennium proximo venturum audire valeant, constitutionibus contra-
riis non obstanübus'^®'*). Es ist dies eines der frühesten Bei-
stadlum Ton Doctoren und Lernenden besucht werden dflrfe (Archiv f. kath.
Kirchenr. XIX, 19) beruht auf einem MiBSverstAndniBse.
1064) Original im üniferrit&tsarchiT zu Salamanca, mit Siegel an
Seidenschnnr.
1065) Reg. Vat L c. ep. 688 BL 101.
^<^) Reg. Vat L c. 658 BL 97 b. Original im üniTerdtätsarchiT sn
Salamanca (Siegel an Hanfsehnnr). Hier steht X. kl. Oct, während in den
Vat Reg. kL Oct. sich findet.
1067) 8. oben 8. 472 Anm. 1028.
i<^) Reg. Vat. 1. c. ep. 692 Bl. 101 b. Sowohl diese als die in Anm. 1065.
citierte BuUe fand ich nicht im Universit&tsarchiy zu Salamanca. Eine
angebliche BuUe Alexanders IV. ist aber auszuscheiden. Bis heute behauptete
man nämlich in Spanieui der genannte Papst habe in einem Schreiben das
486 m* EntwickelttDg der Hochschalen bis sum Ende des 14. Jhs.
spiele, dass vom Verbote Honorius III. za Gunsten der an Hocb-
schnlen studierenden Priester dispensiert wurde.
So war die Universität Salamanca wenigstens fttr einige Zeit
befestigt. Noch war sie die einzige Spaniens, da die übrigen
noch nicht gegründet waren, resp. jene von Valencia nicht
zur Ausführung kam, Palencia aber zur Stunde nicht mehr bestand.
Die Sorge des Königs für das Studium nahm auch in den nächst*
folgenden Jahren nicht ab. Auf die Klage der Scholaren hin,
dass sie auf ihrer Reise nach Salamanca an manchen Orten
Zoll zahlen müssten, verbot er am 14. August 1267 neuerdings
den Behörden des Kelches, die Studierenden einer Kontrole zu
unterziehen'®*'). Einige Jahre nachher, im J. 1271, kam erder
Universität während der in Salamanca herrschenden Theuerung
zu Hilfe ^®^®), am 1. Jänner 1276 aber trug er den Gonservatoren
des Studiums auf, alle die königlichen Privilegien woU zu be^
achten^®").
In allen diesen Bestimmungen Alfonsos el Sabio tritt uns
derselbe Geist entgegen, der sich auch in seinen Siete Partidas
offenbart Was Alfonso Mher in Salamanca praktisch durch-
gefOhrt hatte, das sollte durch die Verordnungen und Aus*
fOhrungen über das Studium in dem 23. Juni 1256 begonnenen
und 1268 vollendeten Gesetzbuche niedergelegt werden. Wir
werden im zweiten Bande sehen, wie sidi diese Gesetze mit
der Organisation des Studiums zu Salamanca berühren.
Stadium za Salamanca 'onom ex qaataor orbis generalibos stadüs' geoannt.
So Ghacon L c. p. 16.; in der Einleitung zu den Estatutos; Mendo 1. c
Floranes und De la Fuente bezeichneten das Jahr 1255 als das Datum der
Bulle; De los Rios wusste sogar, dass sie am 89. April, und Alcjandro Yidal
y Diai, dass sie am 25. Min 1254(!) erlassen worden war. Allehi diesen Be-
hauptungen liegt eine unverzeihliche Yerwechselung zu Grunde. Qhacon ei-
tiert f&r den angeblichen Ausspruch Alezanders IV. die 31. Constitution.
Dieselbe rfihrt jedoch nicht ton Alezander IV. her, sondern Ton Martin Y. ans
dem J. 1422, wie wir weiter unten sehen werden (s. anch oben & 27
Anm. 114). Ohne weiters schrieben dann Spitere diesen Irrthom Ghacons
nach und fflgten noch neue IrrthOmer hinin. Es bedarf wohl kanm der
Yersieherung, dass sich eine solche BnUe Alexanders lY. weder im Uni-
Torsit&tsarehiv zu Salamanca noch in den Yatican. Begesten findet
1069) Memoria L c. p. 134 n. 6.
iwo) Ibid. p. 135 n. 7.
1071) Ihid. p. 186 n. S.
4. Hochschulen mit kaiserl. oder kOidgL Stiftbriefen. Salamanca. 487
Die erste Periode des Studiums zu Salamanca schliesst
noch nicht mit dem letzten Erlasse Alfonsos el Sabio ab. Sein
Sohn Sancho bestätigte als Infant und Thronerbe am 24. April
1282, also zwei Jahre vor dem Tode Alfonsos, alle Privilegien
die das Studium zu Salamanca von Alfonso IX., Fernando in.,
und seinem Vater erhalten hatte '^^'). Doch nahm er sich später
mehr Valladolids an und beschäftigte sich ernstlich damit in
Alcali eine Hochschule zu errichten.
Aber schon während der Begierungszeit Alfonsos drohte
dem Studium der Untergang. Die Klippe, an der dasselbe
nahezu gescheitert wäre, war die mangelhafte Organisation der
Besoldungen. Daraus entsprang Unregelmässigkeit und theilweise
Unterbleibung der Bezahlung des Salariums an die Magistri.
Da Sancho seinem Vater Alfonso ganz Leon und einen Theil
Gastiliens abwendig gemacht hatte, so war dieser nicht mehr in der
Lage seinem Versprechen nachzukommen; Sancho aber kümmerte
sich, so scheint es, nicht viel um das Salarium. Doch löste sich
das Studium anfänglich keineswegs völlig auf, wenngleich es in
Folge des wegen Sancho über Salamanca und die Diöcese ver-
hängten Interdictes auf kurze Zeit mag unterbrochen worden
sein '''''). Am 23. September 1298 übersandte Bonifaz Vm.
seine Decretalensammlung 'dil. fil. doctoribus et scolaribus uni*
versis Salamance commorantibus' ^^^^). Allein die Schule war in
Abnahme, und bald darauf folgte völliger Stillstand. Die Pro-
fessoren stellten ihre Vorlesungen ein, da ihnen das Salarium
nicht bezahlt wurde, obgleich die Scholaren noch immer in Sala-
manca sich aufhielten ^^'').
^072) Ibid. p. 137 n. 9.
1073) jeh schliease dies aas Beg. Yat. Nico!. lY. an. 1. 2. tom. 1 ep.
328. 329 Bl. 74 a.
io74j Original im Universit&tsarchiy zu Salamanca (Siegel an Hanf-
Bchnur). Der Liber seztas worde jedoch bereits am 3. Mftns veröffentlicht.
S. Potthast n. 24632. Schalte, Geschichte der Quellen H, 35 Anm. 5. In der
That wird er schon auf dem am 19. Mai 1298 abgehaltenen Generalcapitel
der Dominicaner zu Mets citiert. Originalcodex im Generalarchiv des Or-
dens Bl. 95 b.
1076) Fernando IV. sagt dies selbst in einem am 7. August 1300 er-
lassenen Schreiben. Memoria 1. c. p. 138.
488 m. Entwiekelnng der Hochscbnlen b» sam Ende des U. Jhs.
SanchoB Nachfolger Fernando IV. sachte diesem grossen
Uebelstande abzuhelfen. Schon seit langem zogen die Gastili*
anischen Könige die sogenannte Tertia ecclesiamm, mit und
ohne päpstliche Erlaubniss, an sich. Bonifaz Vm. gestattete
dies später, nämlich am 16. September 1301, ausdrücklich Fer-
nando IV., für drei Jahre ^®'^). Dieser König bestimmte, dass von
der Tertia ecclesiamm des Bisthums Salamanca das Salarium
für die Professoren genommen werde. Das Geld müsse in der
Schatzkammer der Gathedrale^^^') aufbewahrt werden, und zwar
in einer Kasse mit drei Schlüsseln, von denen einen der Decan
des Capitels statt des Bischofes, den andern die Rectoren, welche
die Schlüssel zur Kasse des Universitätssiegels hatten, den dritten
die Conservatoren des Studiums besitzen sollten. Die Gonser-
vatoren, welche schon einst von Alfonso el Sabio als die Zahl-
meister bestellt waren, müssten von der Tertia die Magistri und
alle nöthigen Auslagen bezahlen, und jedes Jahr dem Decan, den
Doctoren und den vom Bathe gewählten Männern Rechenschaft
über ihre Verwaltung ablegen"").
Mittels dieser Verordnung vom 7. August 1300 trat das
Studium zu Salamanca in eine neue Periode. Bis in die letzte
Zeit blieb die Tertia ecclesiamm die Grundlage der Besoldungen
an der Universität Salamanca.
Trotzdem war die Existenz des Studiums noch nicht ge-
sichert. Die Verwendung der Tertia ecdesiarum für dasselbe
hatte nämlich ihr Missliches. Viele Kirchen waren in schlechtem
Zustande oder ganz zerstört'*"); die Cathedrale selbst war alt
und baufällig, weshalb Clemens V. später am 11. März 1310
die Gläubigen aufforderte durch Beischaffnng von Cteidmittdn
zum Zwecke ihrer Restauration beizutragen^*^). Da nun jenes
Geld, welches ursprünglich fOr die Herstellung und Instand-
haltung der Kirchen seine Bestimmung hatte, von den Königen
i<^^) Dfts Selureiben ist ediert in den MemoriM de D. Fenaado lY. de
CasUUa U (Madrid 1860), 967.
lOH) £|| el tesoro de la see. 86 wird noch hentsntage in Portasal die
Calhedrale genannt ; in Spanien kam die Beaeichnvng See mehr anaaer Gehnmch.
1^^) Schreiben vom 7. Ang. 1300 in Memoria L c p. 138.
im) So die Chronik AUonaoa XL bei Ch«oon p. 19.
^^) Reg. Tat an. 6 ep. 645 (bis) BL 163.
4. Hochschnlen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Salamaaea. 489
in Beschlag genommen und in letzter Zeit theilweise auf das
Studium verbraucht worden war, so machte sich der genannte
Uebelstand immer mehr fühlbar, und der Gottesdienst selbst
musste darunter leiden. Clemens V. führte deshalb die Tertia
wider ihrem ursprOnglichen Zwecke zu^^'^); die dem Könige von
Bonifaz Ym. gegebene Erlaubniss war ohnehin, weil der Termin
bereits abgelaufen war, ausser Kraft. Dabei ahnte aber der
Papst, weil über die actuelle theilweise Anwendung der Tertia
für die Besoldung der Professoren nicht gehörig informiert (wie
aus seinen nächstfolgenden in dieser Angelegenheit erlassenen
Schreiben deutlich hervorgeht) nicht, dass in Folge seines Man-
dates das Studium zu Salamanca ein harter Schlag treffen
würde. Die Magistri stellten nämlich, weil nunme]^ ohne Be-
zahlung, ihre Lectionen widerum ein, blieben aber noch vorläufig
in der Stadt. Diese selbst war jedoch um das Studium sehr
besorgt, und hielt im J. 1306 mit dem Capitel Bath, wie man
wenigstens für ein Jahr die Summe von 2000 maravedls auf-
treiben könnte, um die Magistri zu besolden. Das Capitel gieng
auf den von der Stadt gemachten Vorschlag nicht ein, und so
gerieth das Studium ins Stocken ^^"'). Als am Concil von Vienne
(1311—1312) bestimmt wurde, es sollten am Studium der päpst-
lichen Curie, sowie an den Studien zu Paris, Oxford, Bologna
und Salamanca zwei Lehrstühle für arabische, hebräische und
chaldäische Sprache errichtet werden^®'*), da existierte, was man
bisher nicht berücksichtigte, das Studium zu Salamanca nicht
mehr und harrte noch der Widererweckung.
Ein an sich so günstiger Boden wie Salamanca konnte jedoch
unmöglich lange ohne ein Generalstudium bleiben. Einige Jahre
später, 1312—1313, wandte sich der Bischof (Peter V.) an
Gemens V., indem er ihm vorstellte, dass in SaJamanca zwar
ein von den Königen von Castilien gegründetes, von allen Seiten
her besuchtes Studium bestanden habe und dessen Professoren
1081^ Dies erbellt aus einem Docninente im GapitelsarchiTe Yon Sala-
manca, auf das ich JeUt zn sprechen komme. Vgl auch Aguirre, Coli. maz.
omn. ConciL Hispaniae (ed. 2, Romae 1755) Y, 234.
108S) Die hierflber ausgefertigte Urkunde ist im Capitelsarchiy su Sala-
manca and nunmehr ediert bei Alejandro Yidal y Dias p. 25 f.
i<^) Clement. De magistris 5, 1.
490 ni Entwickelnng der Hocbflclialen bis sam finde des 14. Jhs.
aus den Tertiae decimarum besoldet worden wären, dass aber in
Folge der Einstellung der Besoldung das Studium selbst zu
Grunde gegangen sei. Er bittet den Papst um Abhilfe und
um Schutz ^^'0- Clemens beauftragte den Erzbischof von Com-
postella als Metropoliten sich zu informieren, welchen Betrag
in Sqlamanca zwei Drittheile der Tertiae ecclesiarum jährlich
repraesentierten, wie hoch sich ein Drittheil belaufe, welche
Summe zur Instandhaltung der Kirchen genüge, wie viele Pro-
fessoren und in welchen Facultäten sie dort gelesen hätten und
welches Salarium ihnen bezahlt worden sei. Ueber all dies möge
er ihm Bericht erstatten ^^'"). Dieser Hess nicht lange auf sich
warten, und der Papst selbst hatte mit seiner Antwort Eile, die
am 14. October 1313 wider an den Erzbischof von Compostella
gerichtet wurde ; sie war fttr die Hochschule zu Salamanca epoche-
machend. Nachdem Clemens V. auf die Eingabe des Bischofs von
Salamanca zurückgekommen ist^®'*) und seinen Auftrag an den
1064) Clemens berichtet dies selbst in dem Schreiben an den Enbiaehof
▼on ComposteUa am 18. Mftn 1313, Reg. Vat. an. 8. ep. 210 BL 70a. £z-
posnit nobis t. f. n. . . Salamantin. episc. qaod licet ab olim per nonnoUos
Castelle reges sapientie zelatores ad decus ecclesiarum et illominationem fi-
delium eiosdem regni in civitate Salamantin. infra ipsios regni terminos
constitata ordinatnm fbisset stndinm generale et demom aoetoritate aedis
iqwstolice eonfirmatnm et ad bninsmodi studiom, qaod ibi per longa tempo-
mm spatia Tignisae dinoscitar propter aptitudinem loci et fertilitatem ric-
tualiom copiosamqoe babebator ibidem, de diversis mondi partibns magistro-
mm et scolarium moltitudo concorreret, postmodum tarnen dictis regibns
qni ex tertüs decimamm civitatis et districtns Salamantin. qnarom pereep-
tionem annnam eis dicte sedis anctoritas ad certom tempos dodom elapsom
concesserat gratiose magistria eisdem de certis salariis proridebant, ab ipeo-
nun salarionun solntione cessantibos prefatom stodinm dinoscitar deüsciiae.
Cbacon kannte diese BaUe nicht, natflrlicb ebenso wenig die Späteren.
10«) Reg. Vat L c.
1086) Beg. Yat. an. 8 ep. 670 Bl. 225 : Dadam oblata nobis t. 1 n.
Petri episcopi Salamantin. petitio oontinebat, qaod licet ab olim de tertiis
deeimarom civitatis et dioc. Salamantin. magistris et doctoribas, qui in di-
▼ersis üacnltatibas in civitate ipsa, abi tone vigebat stadiom generale, rege-
bant, certa ministrarentar salaria ad boc eis specialiter depatata, demom
tarnen qoia fderat ab baiasmodi salarii solatione cessatam nee aliqni babe-
bantnr redditos ex quibas dictis magistris baiasmodi possent salaria ministra-
ri, prebtam Stadium in civitate ipsa in non modicum totius patrie detrimen-
4. Hocilschiileii mit kaiserl. oder königl. StiftMefen. Salanaaca. 491
Erzbischof von Compostella und dessen Bericht erwähnt hat,
▼erordnet er, dass letzterer auf einem Provincialcondl ein Drit-
theil der Tertiae ecclesiarum 4n salaria magistromm et doctomm,
qnos in decretis, decretalibns, legibus, medicina, logiealibus et
grammaticalibus et musica regere ac docere pro tempore in
dicta dyitate contigerit usque ad beneplacitum sedis apostolice
convertendam' anweise. Von den Bischöfen mflssten verlässliche
Männer gewählt werden, welche ohne etwas für sich zurückzubehalten
den Professoren die bestimmte Summe exact auszahlen sollten*®*').
Die Universität Salamanca war nun fOr immer befestigt.
Hatten gleichwohl unter dem Gegenpapste Benedict Xm. und
unter Martin V. an derselben durchgreifende Reformen statt,
so wurde die Existenz derselben doch nie mehr unterbrochen.
Am 2. December 1333 verordnete Johann XXn. auf die Eingabe
'rectorum universitatis doctorum et scolarium studii civitatis
Salamantin. ac ipsius universitatis et consilii civitatis', dass
der Scholasticus eccles. Salamant die ^licentia regendi ubique
ac insignia huiusmodi et honorem' ertheilen solle ^®*'). Hier^
tum eztiterat derelictum. Ich citiere dies, weil Ghacon p. 20, und in Folge
davon Vidal y Diaz p. 27 einen fehlerhaften und unverständlichen Text an-
ftlhren. Beide wie auch Agnirre geben die falsche Jahrzahl 1312 an, nnd
setzen das oben zu erw&hnende Concil von Salamanca, wie auch Mansi XXY,
522 nnd Hefele VI, 494, ansUtt in das Jahr 1313 in das Jahr 1312.
1087) iteg. Tat. an. 8 ep. 670 1. c. Diese wichtige Bnlle theilte spater
am 7. Blai 1324 Johannes XXII. dem Erzbischof von ComposteUa noch ein-
mal mit| da dieser bemerkte, dass die Litterae Clemens Y. 'non possint in
Ulis partibus reperiri'. Reg. Tat. Comm. an. 8 p. 1 ep. 989 Bl. 323 b, wider-
holt in Reg. Yat. Secret an. 8. ep. 400 Bl. 87 a. Auch Benedict XIII. nnd
Martin Y. bestätigten Clemens Y. Bestimmungen. Interesse bietet es, dass
im p&pstlichen Schreiben wider alle jene Lehrfächer genannt werden, welche
einst der Magna Charta Alfonsos el Sabio zufolge in Salamanca ihre Yertre«
tnng haben sollten. Dies beweist, dass man von der ursprünglichen Organi-
sation nicht abgegangen war nnd auch nicht abgehen wollte.
1088J Beg. Yat Comm. an. 18 p. 1 ep. 248. Yidal y Diaz macht p. 29
ans dieser 6inen Bnlle zwei verschiedene SchreibeUi dnrch Miasverständnisi
des Textes bei Chacon p. 24. Obige Bulle auch im Universitätsarchiv in
Salamanca (Siegel an Hanfschnur). Am 30. Juni 1340 gewährte Benedict XII.
hnagistris et scolaribus studii Salamantin.' fflr 6 Jahre Dispens von der Be-
sidenzpflleht Reg. Avenion. tom. 7. Bl 243 b. Diese Privilegien wurden
von Zeit zu Zeit aufgefrischt, so z. B. von Clemens YL am 30. Juni 1347.
Beg. Avenion. tom. 43 Bl. 121.
492 ni. Entwickeliiiig der Hochschulen bis lam Ende des 14. Jhs.
mit wurde nicht nur die von Alexander IV. erlassene Be-
stimmung mehr praecisiert, sondern die Promovierten konnten
nun überall, also auch in Paris und Bologna, die Alexander IV.
noch ausgenommen hatte, ihr Lehramt ansahen. Die Theo*
logie, welche nicht im ursprünglichen Plane lag und deren
Vertreter im 16. und 17. Jh. Aller Augen nach Salamanca
lenkten ^^'^), wurde dort früher gelehrt, als man, ich will gar
nicht sagen, heute, sondern selbst im 16. Jh. in Salamanca ge-
wusst hat^®*®). Bereits im J. 1355 kommt ein Professor der Theo*
logie am Studium vor^^^Oi und noch unmittelbar vor Benedict Xm.
finden wir in Salamanca Studierende derselben^^*'). Allein, sie
war damals schwächer als andere Fächer vertreten. Erst Bene-
dict xm. hat das Studium derselben 16. März 1416 organisiert^''*'),
Martin V. aber 20. Febr. 1422 reorganisiert. Dieser Papst gal>
auch der Universität an dem gleichen Tag die lange Zeit hin-
1089) icii gage dies trotz Döllingen pessimistischer Ansicht Aber
Spanien. S. die Festrede am 85. Jali 1884 in der BeiL i. Allgem. Ztg,
1884 n. 210.
^^ Baoes i. B. meint in 2. 2. qn. 1. a. 7 DubUakur secundo: NoTimas
etiam ex narratione patnim, in schola Salamantina imo in tota Hispania
abhinc annos sexaginta minus peritos foisse scholasticos Theologos, donec
gloriosae memoriae f. Franciscus de Victoria, qni foit nostri ordinis insigeis
magister, scholasticam doctrinam viva voce velnt alter Socrates . . . mnstra-
▼it . . Ab hinc annos fere centom septuaginta nondom erant Salmanticae sa»
crae theologiae gymnasia dedicata. Quamyis enim sub rege Alfonso hi^us no-
minis nono anno Dom. 1234 hanc sacram uniyersitatem initiam haboisse no-
tam dt, tarnen nsque ad annum Domini 1416 in pnblicis scholis nondam erant
pro sacrae Theologiae praeceptoribas stipendia publica designata» donec som-
mns Pontifex Benedictns Xni primas instituit Theologiae cathedras. Bis
auf die letzte Zahl sind alle flbrigen falsch.
^^^) So in dem in diesem Jahre an Innoceni VI. eingegebenen Botu*
las (Beg. Snppl. an. 8 p. 2 Bl. 77> Der Professor heisst Fr. Didacos Lnpi
Ord. Hin., magister in Äeologia, regens cathedram theologicam ora prime
in dicto stndio. Die allgemeine Ansicht, die auch De la Fuente unter an-
derm in La ensellanza tomistica en Espaoa (Madrid 1874) p. 22 Torbreitete,
bedarf also der Gorrector.
^^ In dem 1898 an Clemens VII. eingegebenen Botnlns wird ein
studens in studio Salamantino in sacra theologia erwähnt.
i<ws) lieg. Tat (n. 828) Bl. 389 b. Original im üniyersit&tsarchi? sn
Salamanca (Siegel an Seidenschnnr). Der Papst errichtet 'qoataor cathedra,
in quibus de fitcnltate theologie cnrsni necessarios fiM^iendo legatur'.
4. HochBchnleii mit kalserl. oder königl. Stiftbriefen. Salamanca. 493
durch geltende Constitution und stellte derselben das Zeugniss
aus, dass sie als ^unum de quatuor orbis generalibus studiis ex
dispositione Apostolica in regione Ispanica celebri fama re-
splendet' ^^^O) n^it welchen Worten er auf die oben citierte Be-
stinunung des Concils von Yienne anspielte.
So waren die Gastilianischen Könige die Gründer der Uni-
versität Salamanca, die Päpste aber deren Beformatoren und
eifrigste Beschützer, wenngleich auch die Könige nicht unterliessen,
in die Fusstapfen ihrer Ahnen zu treten^"**). Nicht umsonst
führt das Universitätssiegel bis in die neueste Zeit das päpst-
liche Wappen. Nach den Universitäten Paris und Montpellier
wandte sich kaum eine andere so oft an die päpstliche Curie,
um für einzelne Mitglieder Begünstigungen zu erhalten ^®**). Der
im J. 1393—1394 an den Gegenpapst Clemens VII. eingesendete
Rotulus'®*0 z&hlt unter anderm 3 legum doctores und 3 decre-
torum doctores regentes auf, und überdies noch 2 decretorum
doctores, die nicht regentes waren, 2 licentiati in decretis als
regentes cathedram decretalium und einen als regens cathedram
decretorum, zwei, qui scolas grammaticales rexerunt, 20 bacca-
laurei theils in legibus theils in decretis, 73 Scholaren beider
Bechte, einen Theologie-Studierenden und mehrere Artisten. Voll-
ständiger und interessanter ist der 1355 an Innocenz VI. über-
schickte Botulus. Es werden genannt 1 Magister der Theo-
logie^®*'), 8 doctores decretorum, von denen zwei cathedram
i094j Original, prächtig erhalten, im Universit&tsarchiY lu Salamanca.
Im Dmcke wurde die Constitution in 38 Abschnitte eingetheilt, i. B. in den
Constitationes 1. c, in denen (Const 81) p. 56 obige SteUe sich findet.
i<^) S. die fernem königUohen Docomente in Memoria 1. c.
p. 139 £
1096) Ich win hier nnr einige Fftlle ans der Zeit Clemens VI. dtieren.
Beg. Soppl. an. 1. p. 2 BL 34b; an. 2 p. 1 BL 77 a (im iweiten Theil); p. 2.
Bl. 215. 228b; an. 4. p. 2. BL 81a. 127b. an. 5 p. 1. Bl. 123b; p. 3. Bl. IIa.
94b; an. 6 p. 1. Bl. 46 n. s. w. In der Begel werden die Suppliken mit
'Rectores doctores magistri totaque nniversitas scolariom* eingeleitet.
1097) £eg. Snppl. an. 16 Bl. 233. Die legnm doctores hiessen Fernando
ICartini, Lappos Roderici, Petras Femandi; die 8 Canonlsten: Johannes
Qunni, QundisalTO Sancii| Johannes Martini. Ein anderer kOnerer Rotnlas
steht im Reg. SuppL Clem. VII an. 14 p. 2. BL 250b.
1098) s. oben Anm. 1091.
494 HL Entwickelnng der Hodtfchideii bis goiii Ende def 14. Ab.
canonum (hora prime und hora yesperorum) rexenmt und einer
cathedram decretorum (hora prime); 2 doctoreß legam (einer
von ihnen war regens cathedram canonum hora vesperorum),
2 licentiati in legibus und 1 in jure can., 3 baccalaorei regentes
in decretis, und 1 in legibus (regens cathedram hora Tesperorum;
zur Primzeit las der Doctor), und überdies 10 baccalaurei in
decretis und 1 in legibus; zwei Baccalarei die in grammatica-
libus, und einen der in logicalibus las. Femer erscheinen 2
magistri in musica dicti studii, 179 Scholaren des Rechts, meist
des canonischen, und über 130 Scholaren in grammaticalibus,
logicalibus und andern Fächern. Den Botulus erOffliet Velasco
Sancii rector dicti studii nationis CasteUanorum studens per sex
annos in jure canonico '^*^). Ausnahmslos werden jedoch nur
Spanier und ein paar Portugiesen erwähnt.
Yerhältnissmässig spät, und später als in L6rida, dachte
man in Salamanca an die Stiftung eines Gollegs fOr arme Scho-
laren* Erst der Bischof von Salamanca und nachmalige Erzbischof
von Sevilla, Diego de Anaya Maldonado schritt Anfangs des
15. Jhs. (1401) zur GrOndung eines solchen. Es wurde colle-
gium 8. Bartholomei, und später, als die zahlreichen CoUegien
auf jenem fruchtbaren Boden entstanden waren, Golegio yiejo
oder auch Golegio major de S. Bartolom6 genannt Benedict XIII.
und Martin Y. (22. März 1418) anerkannten die Stiftung''''''').
Unter allen CoUegien Salamancas besass dieses, soweit ich in Er-
fahrung bringen konnte, die reichste Bibliothek an (meist theolo-
gischen und philosophischen) Hss.'^^^), die nunmehr fast voll-
ständig erhalten einen Hauptbestandtheil der Biblioteca del rey
n. SeSor (Priyatbibliothek des Königs) zu Madrid ausmachen.
1099) £eg. Soppl. Innocent. YL an. 3 p. 2 Bl. 77. Der Bector war
archidiaconus de Galdellis. Die decretorum doctores waren Martinas Garssie,
cantor Salamant, Johannes Sancii, Amaldos BonaldL Die legum doctores:
Bertrandns Bertrandi nnd Bodericus Alyari.
iw»*) 8. Reg. Vat. Mart. V. (n. 852) Bl. 104b.
^00) 8. den Catalog derselben (sowie die Geschichte des CJoüegs) bei Jos.
de Boxas j Gontreras, Historia del colegio viQJo de san Bartolom^, mayor de
la c^lebre unlTorsidad de Salamanca (Madrid 1766—1770, 3 Tol.) III, 808—341.
Im ersten Bande befindet sich die Ton Boiz de Yergara zn Madrid 1661
pablicierte Yida des Stifters. — Eine üebersicht der Terschiedenen CoUegien
Salamancas ?om An&nge des 15. Jhs an bietet Alcjandro Yidäl y Dias p. 289 ff.
4. Hoclischalen mit kaiserl. oder königl. Stiftbriefen. Sevilla. 495
Als Dependence zur Universität Salamanca ist das General-
studiom zu Sevilla zu betrachten. Allerdings datiert die spätere
Universität Sevilla erst aus dem Anfange des 16. Jhs., allein
längst vorher war dort ein in seiner Art einziges Generalstudium,
und zwar gestiftet von demselben König, der als der zweite
Gründer der Universität Salamanca angesehen werden muss,
nämlich von Alfonso el Sabio. Wenn ich sagte, dass dieses
Generalstudium einzig in seiner Art war, so ist dies in Bezug
auf den Zweck jenes Studiums und die dort gelehrten Fächer
zu verstehen. Es wurde nämlich nur fttr Latein und Arabisch
gegründet und verfolgte mehr Missions- als andere Zwecke.
Alfonsos Gedanke war nicht neu. Bereits vor 1254 hatten
die Dominicaner dieselbe Idee ins Werk gesetzt. Sie gieng von
Baymund von Penafort und vom Ordensgeneral aus, welche, um
die Ordensgenossen für die Missionen unter den Mauren und
Juden zu befähigen, Sprachenschulen errichteten ^^^^), und zwar
mit Unterstützung der Könige von Gastilien und Aragon ^^®').
Im J. 1250 wurde auf dem Provincialcapitel zu Toledo bestimmt:
volentes satisfacere mandato magistri et attendentes utilitatem
negotii in presenti et maxime in futurum . . . assignamus ad
Studium arabicum ...fr. Amaldum etc. (es werden 8 Brüder auf-
1101) Von Raymond von PeSafort berichtet dies Peter Marsilio in seinen
Cronice iUnstrissimi regis Aragonom Jacobi L, die von ihm 1314 in der
Kirche der Dominicaner lu Valencia Jacob IL überreicht werden. Die ein-
lige Hs. (soweit mir bekannt) ist in der Universit&tsbibl. eu Barcelona I. 2.
22. Leider ist der Schloss, und mit demselben das im Index angezeigte
c. 47 des 4. Buches (de felici obitu ven. fr. R. de Peüafort) weggerissen;
dasselbe ist uns aber in Diagos Historia de la vida di s. Baimondo de Pen«
nafort (Barcelona 1601) erhalten. Es heisst dort: Studia lingnanim pro fra-
tribos soi ordinis Tonicii et Morcie statoit, ad qae fratres Cathalanos elec-
tos destinari procnra?it — üngenflgend unterrichtet zeigt sich hier Donais,
Essai snr l'organisation des Stades dans l'ordre des frhren Prdcheors p. 135.
1109) So in der ältesten Vita Raymonds von PeSafort: Cnm licentia ma-
gistri ordinis et cum aoxilio D. regis Castille et D. regis Aragonnm Studium
lingne arabice iBeri procurayit, in quo Tiginti fratres Ord. Pred. Tel plores
in lingua illa per ipsins diligentiam sunt instructi. Hs. I. 3. 22 in der
Uniyersit&tsblbUoth. zu Barcelona (14. Jh.); ed. vonPeSa, Roma 1601 p. 59.
496 ni. Entwickelang der Hochsehalen bis snm Ende des 14. Jhs.
gezählt). Predictum autem fratrem Arnaldum assignamus aliis in
prelatam. Nameram aatem duodenarium complebimus quantocius
poterimas deo dante^^^'). Daraus geht herror, dass der Auftrag
vom Ordensgeneral (damals Johannes Teutonicus) herrührte.
Es blieb nicht bloss bei der Bestimmung, es wurde auch eine ara-
bische Schule errichtet. Der beste Beweis hiefOr ist Baymund Mar-
tini, der unter jenen 8 Brüdern genannt wird, welche für das Stu-
dium der arabischen Sprache bestimmt wurden, und der sowohl in
dieser als auch in der chaldäischen und hebräischen Sprache
enorme Fortschritte gemacht hatte ^^®^). Mehr Schwierigkeit bietet
die Frage, wo anfänglich jene Schule existiert hat Marsilio
zufolge wäre sie in Tunis und Murcia gewesen. Für die spätere
Epoche ist dies gewiss. Ob aber auch früher? Murcia wurde erst
1265 von König Jacob I. erobert. Aus dieser Zeit stammt auch
die erste Niederlassung der Dominicaner in jener Stadt ^'^*),
deren Convent in den Jahren 1270 und 1272 königliche Privi-
legien erhielt ^^°'). Gegen Tunis scheint die Thatsache zu
iios) Copie im GenezalarchiT des Ordens yon Chrisüaaopoli im J. 1750
für den 2. Band der Annalen in Spanien angefertigt (Tgl. aach Qa6tif-
Echard, SS. Ord. Praed. I, 396). Das Original lag im OrdensarchiT in Valencia,
das dann mit den übrigen Ordensarchiven in das Archiyo historico nacional
nach Madrid kam. Im Fascikel n. 211, wo obiges Docoment sich finden
mOsste, ist es jedoch nicht mehr.
^^) Graeti, Geschichte der Juden YIl, 136 Iftsst dem berühmten Do-
minicaner YoUe Gerechtigkeit widerfahren, und meint, er sei der erste Christ
geweseni der noch gründlicher als der hl. Hieronymos das Hebräische ver-
standen habe. Darüber, dass Baymund Martini arabisch konnte, was Benan,
Averroes et l'ATerroisme, 3. M. p. 247 Anm., dahin gesteUt sein Iftsst,
besteht kein Zweifel mehr, indem er ja (1250) zuerst in der arabischen
Sprache Unterricht genoss. Ueberdies sagt Peter Marsilio L c. lib. 4. c. 25
yon ihm • . . Erat frater iste dignos memoria fr. Raymondus Martini per*
sona multom dotata, clericos mnltom snfficiens in latino, philosophos in
arabico, magnns rabinns et magister in hebraico, et in lingua chaldüca
mnltum doctns, qoi de Sobiratis orinndns nednm regi, Temm a LndoTico
regi franoonun et illi bono regi Tnnicensi carissimns et fiuniliarissimng
habebatnr etc.
u<^) Nach Notiien im Generalarchiy des Ordens. Z&rate, De la in-
stmcciön pübUca en EspaSa Ü, 196, yerwechselt die spanische Aera mit dem
annus Christi
U06) CascaleSyDiscnrsoshistoricos deMnrciai snreino.Mnrcial621,BL268f.
4. Hochschulen mit kaiBcrl oder kOnigl. Stiftbriefen* SctüUl 4Q^
sprechen, dass erst 27. Juni 1256 der Qenerai der Dominicaner
von Alexander lY. beauftragt wurde, dorthin Brüder zu senden '^^').
Das Generalarchiv des Ordens liess mich hierüber im Stiche.
Mag es nun um den Ort was immer fOr ein Bewandtniss haben,
so ist doch das eine sicher, dass sich die Schule mitten unter
den Mauren befand, und dass diese anfänglich die Lehrmeister
der Brüder waren. Ersteres werden wir alsbald aus einem
Schreiben Humberts erfahren, letzteres wird durch die älteste
Vita Baymunds von Penafort gewiss"®*).
Eifrig um das Studium der orientalischen Sprachen besorgt
war der General der Dominicaner Humbert. In einem 1255
vom Generalcapitel zu Mailand aus an den Orden erlassenen
Schreiben spricht er von der Aufgabe desselben unter den Un-
gläubigen. Dieser Aufgabe stünden aber zwei Dinge im Wege,
^defectus linguarum, quibus addiscendis vix frater aliquis vult
vacare', und ^amor solis natalis'. Er fordert nun jene Brüder,
welche sich bereit erklären 'ad linguam arabicam, hebraicam,
grecam seu aliam barbaram addiscendam' und in die fremden
Länder zu gehen, auf, sich: bei ihm zu melden"®*). In einer
"W) RipoU, BuU. Ord. Praed. I, 309.
1106) Molti eorom (Sarazenomm) precipae sapientes dispositi sont ad
Biucipiendam fidei catholice veritatem et magistri fratrnm in liogna sc.
arabica fereomnes per ipsornm indastriam stmt conversi. Cod. cit in Bar-
celona. In PeSas Ausgabe ist gerade das entscheidende Wort 'fratnim' ans-
gelassen. Zu diesen Convertiten gehörte wohl Paul Christian]. Dass man
üngl&abige als Sprachlehrer nahm, war etwas ganz Gewöhnliches. Noch im
J. 1803 bestimmte das Capitel der Dominicaner der Proyinz Aragon zu Va-
lencia, nachdem es den fr. Peter Scarramati zum Lector der hebrftischen
Sprache erwfthlt hatte: Ordinamns insnper et mandamns priori Xatiyensi,
qnod conducat et habeat nnum jadenm qm etiam in arabico sit instmctus,
Tel aliqoem Sarracenam, at simnl cum dicto fr. Petro legat ibidem. Hs. YIU.
2. 45 in der ünirersitätsbibl zu Barcelona. In Xatira (nicht 'Zatina', wie
es bei Douais 1. c. p. 138 resp. Martine, Thes. nor. anecd. IV, 1849 heisst;
im Originaicodex des Generalarchivs des Ordens steht *Sati?a.' BL 88a)
wnrde n&mlich in Folge eines Beschlusses des Oeneralcapitels Tom J. 1291
für Catalonier ein Studium in hebraico et arabico errichtet. Bicoldus de
Montecrucis gieng nach Bagdad, um dort die arabische Sprache zu erlernen,
wie er in der Einleitung seiner Schrift gegen den Alcoran sagt. Hs. in der
CapitelsbibL zu Oriedo. S. auch oben S. 15.
1109) Bei Martine, Thes. noT. anecd. IV, 1708.
DtnifU, DU UniTtniateB L 32
498 ni. Entwickelnng der Hochsehalen bis mm Ende des 14. Jhs.
im nächsten Jahre vom Generalcapitel zu Paris an den Orden
gerichteten littera konnte er melden, dass viele seinem Wunsche
entsprochen hätten. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir die interes-
sante Thatsache, dass die Brüder in Spanien, ^qui jam mnltis
annis inter Sarracenos in arabico studuemnt, non solum lau-
dabiliter in hac lingua profecerunt, sed quod est laudabilios,
ipsis Sarracenis ad salutem cedit cohabitatio eonmdem'"^').
Diese Worte bieten nicht bloss eine Bestätigung dessen, was
wir bereits aus andern Quellen wissen, sondern zugleich einen
überraschenden Aufechluss über den Aufenthalt der Brüder zum
Zwecke der Erlernung der arabischen Sprache unter den
Mauren. In diesem Umstände sowie in der Schwierigkeit des
Erlemens der arabischen Sprache hat eine Bestimmung des
Provincialcapitels zu Saragossa vom J. 1257 ihren Grund, mittels
welcher die Brüder der Provinz ermahnt werden, ^quod habeant
negotium arabicum commendatum\ und die Prioren beauftragt
wurden, 'quod moneant fratres frequenter in capitulis orare pro
fratribus huic negotio assignatis' "").
Dies sind die Praecedentien von Alfonsos Stiftung in Sevilla,
wobei nicht bloss der König von Aragon, sondern auch der von
Gastilien auftreten, wie wir oben aus der Vita Baymunds von
Penafort ersahen. Die Vorgeschichte ist jedoch ruhmreicher als
Alfonsos Stiftung. Am 28. December 1254 erliess Alfonso ein
Schreiben, mit welchem er ein Generalstudium im Lateinischen
und Arabischen errichtet"^'). Allerdings gibt er ganz andere
Gründe für die Stiftung an, als jene die ich oben angeführt habe.
Er will eine der ersten Städte Spaniens, wo sein Vater Fer-
uio) Dieses Schreiben findet sich nicht in der von Bernard Goidonia
besorgten Recension der Generalcapitel des Dominicanerordens, und folglich
auch nicht bei Martdne-Durand. Es steht aber in der Tiel Altern Becension,
Ton der ich oben 8. HO Anm. 287 nnd 8. 348 Anm. 533 gesprochen habe,
Bl. 19.
i^^i) Gopie des Ghristianopoli. 8. oben Anm. 110.^
^^) Memorial histörico espaSol I (Madrid 1S51)| 54: Gtorgo qne aia
hl estndios 6 escaelas generales de latin 6 de arabigo. Vgl. aac)i Diago
Ortia de ZuBiga, Anales eclesiasticos y secolares de la mny noble cindad de
8eTUla I (Madrid 1795), 205 f. Er rerlegt das Schreiben irrig anf 18. De-
cember 1256. Es ist aasgestellt 28. Dec. 1292 der Aera.
4. Hochschalen mit kaiserl. oder königl. Stifthriefen. L^rida. 499
dinand begraben liege, heben nnd sie durch Gründung einer
Lehranstalt und den dadurch zu erwartenden Zusammenfluss yon
Studenten mehr bevölkern. Indess beziehen sich diese Motive
nur darauf, warum er gerade in Sevilla ein Generalstudium er-
richtet, nicht aber auf den Zweck, warum er dasselbe im Latei-
nischen und speciell im Arabischen anordnet. Und dieser war
nicht allein der, dass die Christen mit den Mauren leichter ver-
kehren konnten, sondern auch jener, fiir den bereits sein Vater oder
er selbst bei Gründung der arabischen Schulen der Dominicaner
gearbeitet hatte. Wie Alfonso es für Salamanca gethan hatte,
so bestimmte er nun auch für Sevilla, dass die Professoren und
Scholaren unbehelligt reisen könnten, frei von Abgaben und
gegen jede Gewaltthat geschützt seien. Am 21. Juni 1260 be-
willigte Alexander IV. für drei Jahre, dass die, welche am
^generale litterarum Studium* sich aufhielten, von der Besidenz-
pflicht dispensiert wären "'')• ^it Unrecht schliesst Zuniga daraus,
dass nun alle Wissenschaften in Sevilla gelehrt worden sind.
Das ist alles, was ich über dieses Generalstudium finden
konnte. Es musste um so mehr niedergehen, als Salamanca
selbst später dieselbe Gefahr drohte und mehrere Generalstudien
zu unterhalten den Königen zu kostspielig kam.
LMda.
In Gatalonien und überhaupt in Aragon war die erste wirklich
in Ausführung gekommene Universität jene zu L^rida. Sie ist in
mehr als einer Beziehung interessant, besonders wegen ihrer Sta-
tuten. Ueber keine andere spanische Universität sind wir, was
die Gründung anbelangt, so gut unterrichtet, als über L6rida,
obwohl man in Deutschland von dieser Universität kaum Notiz
genommen ^^^^), ja in der Regel nicht einmal den Namen ge-
nannt hat Ein Mangel ist allerdings der, dass keine Mono-
graphie über sie existiert"").
U13) Memorial histörico I, 163. 11. kaL Jal. an. 6.
uu) Den Herren Savigoy und Stein waren, so Bcheint es, alle Bpaniflehen
tJniferait&ten epanische Dörfer. Höchst ungenügend ist die DarsteUong Aber
Urid% in Schäfers Gesch. von Spanien III, 497. Liess er doch die Doca-
mente bei ViUanueva ganz nnberücksichtigt.
^^^) Rooo y Florejachs in L6rida schrieb eine preisgekrönte Memoria
82*
500 . nit Entwickelang der HochBchnlen bis zom Ende des 14. Jhs.
Im J. 1300 gab Jacob 11. von Aragon dem Papste Bo-
nifaz Yin. seine Absicht kund in irgend einer Stadt seines Kel-
ches ein Generalstudium zu gründen. Der Papst ivar einverstanden,
wie er in dem Schreiben vom 1. April genannten Jahres ihm
antwortete, und bestimmte, dass, im Falle sein Plan zur Ausführung
käme, die Universität der Doctoren und Scholaren alle Privilegien,
welche die Studierenden zu Toulouse besitzen, gemessen sollten' ^^').
Es ist klar, dass das päpstliche Schreiben kein Stiftbrief ist; die
darin gewährten Privilegien treten erst in Kraft, wenn das Sta-
dium gegründet ist. Dies zu vollführen überliess der Papst
dem König. Der königliche Stiftbrief erschien noch in dem-
selben Jahre am 1. September. Er ist gerichtet an die Paheres,
Prohombres und die ganze Stadt L6rida. Bei dessen Abfassung
lag dem König der Stiftbrief Friedrichs 11. für Neapel vor.
Die Einleitung des königlichen Gründungsbriefes ist nichts denn
eine Umschreibung und theilweise Beproducierung der Einleitung
aus dem Stiftbriefe für Neapel' '^0- ^^^ Friedrich so liegt es
auch Jacob am Herzen in seinem Beiche einsichtige Männer zu
wissen und allen im Lande die Nahrung der Wissenschaften
über diese ünirersit&t. Der Autor starb (vor zwei bis drei Jahren), ehe er da-
ran denken konnte sie zu veröffentlichen. Das Manoscript liegt nun wohl
verwahrt bei den Erben, wie ich w&hrend meines Aufenthaltes in L6rida im
Winter 1883 erfahr. Die Abhandlung Bofarrulls kenne ich nicht. Die Dar-
stellung bei Yillanueva ist zu kurz; um so werthvoUer sind jedoch die von
ihm mitgetheUten Docnmente, die durch jene der Espaaa sagrada erg&nzt
werden. Andere wichtige Documente bringe ich ans dem Tat Archiv.
ui6^ Document in EspaSa sagrada tom. 47 p. 340 n. 67 . . . cum itaqae
sicut ex regia relatione didicimus tu in aliqua civitate vel loco Insigni terre
tue, quem ad hoc magis aptum cognoveris, intendas literarum Studium insti-
tuere generale, nos attendentes uberes fructus qui ex hniusmodi studio m
provectione multorum in eo studentinm potenmt provenire et per hoc landa-
bile tuum in hac parte propositom prosequi condignis favoribns intendentes,
regiis supplicationibns inclinati volumus et presentium teuere decemimus,
nt postquam preüatum Studium in hniusmodi civitate vel loco fuerit institu-
tum, Universitas doctorum et scholarium eidem studio insistentium illis pri«
vüegiiSy indulgentüs, libertatibus et immunitatibus gaudeant, qne Tolose litte-
rarum studio immorantibus a sede apostolica hactenus sunt concessa. 11 erk-
wflrdig, dass den Herausgebern des Yillanneva die Documente in dem ein
Jahr froher gedruckten Bande der Espafla sagrada entgiengen.
1117) a das Document bei YiUanueva, Viage literario XVI, 196, ver-
glichen mit HoilL-Br^hoUes 11, 450 und oben S. 454
4. Hochschulen mit kaiserl. oder kOnigl. Stiftbriefen. LMda. 501
ZU bieten, damit sie nicht genötbigt wären, fremde Völker anf-
znsuchen oder in auswärtigen Ländern zu betteln. Jacob geht
sodann zu der päpstlichen Erlaubniss über, der zufolge in aliqua
civitate vel loco terre nostre insigni fundare vel ordinäre posse-
mus Studium generale*. Er, der König, habe L^rida gewählt
'yelut ortum fertilitatis et fecunditatis conclusum ac fontem deli-
ciarum'^"") und gleichsam 4nter medium terrarum ac regnorum
nostrorum'. Zudem habe ihn bei der Wahl die alte Treue der
Stadt geleitet. Kraft apostolischer und seiner eigenen Auctorität
gründe er also in Lärida ein Generalstudium ^tam in jure cano-
nico quam civili, medicina, philosophia et artibus ac quibuslibet fa-
cultatibus aliis et approbatis scientiis quibuscunque". An Friedrichs
Stiftbrief lehnt sich jener für L^rida wider an, wenn der König
bei Strafe verbietet, dass ausser in L^rida in keiner Stadt des
Reiches *jura canonica vel civilia aut libros medicine siye Philo-
sophie' den Scholaren vorgetragen werden, oder die Scholaren
diese Wissenschaften anderswo als inL^rida studieren dürften ^'^*).
Zum Schlüsse gewährt er kraft apostolischer Auctorität und der
eigenen den Studierenden alle zu Toulouse geltenden Privilegien.
Die Magna Charta erhielt das Studium vom König am darauf-
folgenden Tag am 2. September. Kein spanischer König hat
jemals einen so detaillierten Privilegienbrief einer Universität
zuertheilt. Im 13. Jh. kann überhaupt keine Universität eine
Constitution, die mit jener Jacobs den Vergleich bestünde, auf-
weisen; im 14. Jh. kommt ihr nur der Rudolfinische Stiftbrief
für Wien gleich. Der König beabsichtigte eine Hochschule ersten
Banges zu errichten. Die Einleitung des Diplomes ist bloss eine
Umschreibung seines Stiftbriefes. Das erste von ihm gewährte
Privileg gibt den Scholares forenses das Recht, einen Rector
mit Consiliarii zu wählen und Statuten zu machen. Vor der
Promotion müssten sich die Candidaten in Gegenwart des Rec-
tors einer Prüfung unterziehen und der Cancellarius studii, ein
Canonicus von L^rida, den der König ernenne, ertheile die Licenz.
Ein anderes , viel zu weit gehendes Privileg betraf alle und die
U18) Aehnl. Aasdrücke kommen hei den Nachfolgern Friedrichs in Be-
zug auf Neapel vor. Vgl. HniU.-Br6h. 11, 447. 449.
1119) S. ohM S. 454.
502 ni. Entwickelung der Hochschulen bis mm Ende des 14. Jhs.
einzelneii Mitglieder der Ümversität, die Buch- und Pergament-
händler mit eingerechnet. Wegen eines in ihrer Heimath be-
gangenen Vergehens oder wegen dort gemachter Schulden dürften
sie auf ihrer Reise nach L^rida oder während ihres Aufenthaltes
am Studium und auf der Heimreise nicht behelligt werden. Eine
Ausnahme bilde dasjenige Vergehen, welches die Todesstrafe
nach sich zieht, oder wenn der Process bereits eingeleitet worden
sei. Alle Universitätsmitglieder sind vom Heerdienste befreit
Bei den Doctoren und Scholaren dürfen nie Hausuntersuchungen
von Seite seiner Beamten vorkommen, ausgenommen, der dort Ver-
steckte sei des Todes schuldig, oder wenn der von den Beamten
Verfolgte in ihrer Gegenwart die Wohnungen der Doctoren
und Scholaren aufsucht. Aber auch in diesem Falle müsse
die Untersuchung 'curialiter, paucis personis adhibitis' geschehen
und ohne einen Schaden anzurichten. Damit die Studierenden
grossere Ruhe genössen, dürfe Niemand mit ihnen oder ihren
familiäres Streit anfangen, sie irgendwie belästigen oder ihnen
Widriges zufügen. Den detailliert aufgeführten Fällen entsprechen
die angedrohten Strafen, deren Erlass nur vom Könige selbst
abhänge. Zu Richtern können sich Magistri und Scholaren bei Ver-
gehen , die nicht die Todesstrafe oder Verstümmelung zur Folge
haben, entweder seine Curie zu L^rida, oder den Bischof oder den
Rector wählen. Waffen zu tragen wird den Scholaren innerhalb und
ausserhalb des Stadt-Rayons verboten. Ebenso wenig dürften sie sich
mit musikalischen Instrumenten blicken lassen. Sie brauchten keine
Abgaben zu zahlen, wenn sie Wein oder was immer, das sie nach
L^rida brachten, dort verkauften. Theilweise sind auch die
wenigen Eaufleute, Juden oder Christen, von den frei, welche
der Rector und die Gonsiliarii erwählen nnd die den Studierenden
auf Borg geben. Alle jene, welche Studien halber nach L^rida
reisen 'etiamsi de terris inimicorum nostrorum existant vel eorum,
qui guerram habent nobiscum^ nimmt er in seinen Schutz. Nur die
personae suspectae sind ausgenommen. Aber auch ihnen müsse so
viel Zeit gestattet werden, dass sie mit ihrer Habe, die sie zum
Zwecke des Studiums bei sich führten, sein Land verlassen
könnten^"®). Er verspricht den Scholaren alle von ihnen zum
u») Um wie viel grossmflthiger nnd weit herziger leigt dch hier der König
4. Hochsclinlen mit kftiserL oder königl. Stiftbriefen. L6rida. 503
Nutzen der Universität mit der Stadt eingegangenen Verträge zu
halten und darauf zu achten, dass sie gehalten würden. Er ladet die
Studierenden zu diesem 'soUempne convivium' ein^"^), und be-
auftragt alle seine Beamten und Untergebenen auf die Beob-
achtung seiner Privilegien und Verordnungen bedacht zu sein^'*').
Es liegt auf der Hand, dass so grosse Privilegien der Grund
zu mannigfachen Unordnungen werden mussten, wie dies auch in
der That später in L^rida der Fall war. Aber sie zeigen immer-
hin, welche Achtung und Hochschätzung Jacob H. vor der Wissen-
schaft hatte, und wie es ihm am Herzen lag in seinem Beiche
ein Gentrum derselben zu besitzen.
Am 5. September desselben Jahres empfahl er den Bischöfen
seines Beiches die Cleriker und Andere zu diesem Gastmahle
durch ihre Aufinunterung einzuladen, ihnen die Privilegien zur
Eenntniss zu bringen, sie von der Besidenzpflicht eventuell zu
dispensieren, und jenen, welche ausser dem Beiche studieren
wollten den Fruchtgenuss der Beneficien zu entziehen'^"). Zu
gleicher Zeit befahl er seinem Vicar zu Barcelona sein Mandat
anderswo als in L^rida über Jus, Median und Philosophie zu
lehren in seinem Districte zu publicieren^^'^). Dieses Verbot
widerholte er am 5. Juli 1311 und zwar auf Ersuchen des
Bischof es und der Stadt ^^"), erklärte aber, als der Justitia zu
Xativa (Jdtiva) die Grammatik- und Logikschulen verboten hatte,
am 30. April 1319, dass diese Art von Schulen nicht in seinem
Verbote mit einbegriffen sei"").
von Aragon als der stolze Staufer Friedrich II. (s. oben 8. 456), wenngleich
wir in einigen Funkten auch bei Jacob dieselbe Engherzigkeit bemerken.
iiai) Vgl. eine Ähnliche Phrase in Konrads Schreiben für Salemo oben
8. 236 Anm. 78.
11») Docament bei ViUanae?a 1. c. p. 200—207.
iiss) EspaSa sagrada, 1. c. p. 349 n. 71. In Hinsicht auf den letzten
Umstand sagt der König: omnibns clericis et beneficiatis Terstre diocesis ad
prefatum studiom venientibos ibiqne studentibos fructns beneficionim suomm
tanquam presentibos ab integro concedatis, et eis nichilominns fructus alio
querentibtts studia et qoi sibi non desnnt apud ezteras nationes mendicare
Tolentibns snbtrahatis.
UM) Bei Villanaera 1. c. p. 199.
lUfi) Espaffa sagrada p. 350 n. 72.
UM) Bei YiUaoneTa II, 98 Anm. De la Faente, Hiit eccles. de
504 m. EntwiekeloDg der Hoehfichiilen bis sum Ende des 14. Jhs.
Am Vorabend Yon Michaelis 1300 wurde das Studium mit
der Wahl des Rectors eröffnet Am selben Tage gab sich auch
die Universität die Statuten, die zu den ältesten und schönsten
gehören, welche wir besitzen, in Deutschland jedoch ganz unbe-
achtet geblieben sind"'^-
Wie es allen spanischen Universitäten Anfangs ergieng, so
auch jener von L6rida. Schon in den ersten Jahren wurde das
Studium auf kurze Zeit unterbrochen, was aus dem könig-
lichen Schreiben vom 5. Juli 1311 erhellt. Aber noch in dem
nämlichen Jahre kam es wider in Fluss und dauerte einige Jahr-
hunderte an. Den Statuten zufolge wurden die Doctoren von
den Paheres nach eingeholtem Bath des Rectors und der Gon-
siliarii gewählt Später jedoch versprach die Stadt dem Bischöfe
und dem Capitel jährlich durch 10 Jahre hindurch 2500 sueldos
jaqueses zu bezahlen; Bischof und Capitel sollten die Professoren
ernennen. Es brach jedoch ein Zwist aus zwischen dem Bischöfe
und der Stadt, und der König verordnete dann auf die Vorstellung
des erstem hin am 4. September 1313, dass in Zukunft die Stadt
für die Universität und die Professoren sorgen müsste ^salva juris-
dictione ecclesiastica eidem episcopo, ubi alias ei de jure com-
petit'. Der Bischof und das Capitel sollten aber während
8 Jahre 3000 sueldos jaqueses jährlich in zwei Raten der Stadt
zahlen und zugleich eine canonica portio einem Magister der
Medicin geben, die Commune hingegen müsse sich um die Doctoren
und Magistri umsehen'"'). Es scheint, dass Unregelmässigkeiten
noch immer vorkamen und das eingehende Geld nicht genügte,
denn der vom König bestimmte Termin war noch nicht ver-
strichen, als die Stadt schon auf ein anderes Mittel sann, um die
Professoren besolden zu können. Die Prohombres verordneten
ohne eingeholte königliche Erlaubniss für 30 Jahre eine Weinsteuer,
verfielen aber dadurch selbst der Strafe. Allein Jacobs Nach-
EspaBa, 2. ed. Y, 87 hat gar nicht darauf geachtet. 8. dazu oben 8. 458.
Anm. 980.
1^) Gedruckt bei Villanuera XYI, 207 ff. Ich habe sie im Laufe dieses
Werkes schon öfters herangeaogen, sie werden aber im 2. Bande ausflkhrliche
Besprechung erhalten.
1^) Espafla sagrada 1. c. p. 351 n. 73.
4. Hochsehnlen mit kaiserl. oder kOnigl. Stiftbriefen. L6rida. 505
folger Peter IV. erliess am 1. Juni 1347 nicht bloss die Strafe,
sondern gestattete überdies, dass die Prohombres nach den
30 Jahren, 'durante tarnen dicto studio in civitate predicta',
noch weitere 10 Jahre die Steuer erheben könnten "*•). Der-
selbe König bestätigte auch am 7. März 1336 alle Privilegien
des Studiums"").
Nicht weniger als die Könige nahmen sich um das Studium
die Päpste an. Zu widerholten Malen wurden die an demselben
Studierenden von der Residenzpflicht dispensiert""), ein Pri-
vileg, um das sich seit Honorius IH jede Universität in kurzen
Zwischenräumen bewarb.
Die eifrigste Fürsorge wendeten jedoch die Päpste dem von
Domingo Ponz""), Praecentor der Cathedrale zu L^rida, ge-
stifteten CoUeg zu"**), das zugleich das älteste an einem spa-
nischen Generalstudium ist. In einem an Gregor XL gerichteten
Schreiben sagt Domingo Ponz, dass in der Stadt L6rida, 4n
qua viget Studium generale^ ein ^coUegium duodecim pau-
perum clericorum' canonisch errichtet und ihnen zur Wohnung
ein von ihm erworbenes Hospiz und zum Unterhalte mehrere
Güter und Einkünfte angewiesen habe. Das GoUeg solle für
alle Zeiten *collegium b. Marie virginis' heissen""). Er bittet
nun den Papst, dass demselben ein ihm gehöriges simplex bene-
ficium incorporiert werde. Gregor XL befahl am 23. Februar
1372 dem Bischof von L^rida sich darüber zu informieren, und
eventuell die Incorporierung vorzunehmen""); am 12. October
des nächsten Jahres wünscht er aber durchaus die Durchführung
liad^bid. p. 353 n. 75.
1130) Ibid. p. 852 n. 74.
usi) So von Johann XXII. am 14. Oct. 1322 auf Bitten des Königs von
Aragon (Reg. Vat. Gomm. an. 7 p. 1. ep. 179); am 20 Mftrs 1333 (Ibid. an.
17 p. 1 ep. 1261). Von Clemens VI. am 22. Juni 1345 (Reg. Tat. Comm. an.
4. p. 1 Bl. 186 b), am 19. Oct 1350 (ibid. an. 9. lib. 2 p. 1 Bl. 257 a) a. s. w.
Die Dispens wurde wie sonst, h&ufig von 5 zu 5 Jahren gegeben.
1133) Ein aas L^rida gebürtiger Namensverwandter war über ein Jahr-
hundert früher Rechtslehrer in Bologna. S. Sarigny Y, 156.
u^) Sowohl YiUanaeva XVI, 45 als De la Faente, Hist. eccles. de
Espana, 2. ed. V, 87 waren über dieses CoUeg kaum anterrichtet
1134) Es wurde jedoch, später La Assomta genannt
1136) Reg. Vat. Indult an. 2 BL 33b.
506 jn* Entwickeloog der HochBclinlen bis zum Ende des 14. Jhs.
derselben""). Der Gegenpapst Clemens VIL verordnete am
4. April 1381 überdies, dass dem CoUeg noch der vierte Theil
des Zehents der Pfarrkirche Renanayre einverleibt werde, damit
in demselben ausserdem zwei baccalarii formati in artibus, welche
Theologie studieren sollten, erhalten werden könnten"*'). Ob letz-
tere dies in den dortigen Klöstern thun sollten, oder ob ein Magister
für die Theologie angestellt war, wird nicht gesagt. Dass letzteres
damals kaum der Fall gewesen sein wird, schliesse ich aus
der vom Inquisitor Nicolaus Eymerich im J. 1396 abgefassten
Schrift: Incantatio studii Ilerdensis super viginti articulis per
quendam Antonium Biera, studentem Valentinum, ut defertur
inibi seminatis "'^).
Ueberhaupt blieb die Universität hauptsächlich Rechtsstudium,
wie ja auch die Corporation nur von den Juristen constituiert
wurde""). In dem 1378—1379 an den Gegenpapst Clemens VE.
gesandten Botulus werden allerdings Theologie -Studierende auf-
gezählt ^^^^); allein, wie aus den Acten erhellt, hatte die Theolo-
gie an der Universität schwerlich vor 1430 eine ständige Ver-
tretung. Die Franciscaner besassen jedoch schon früher eine
theologische Schule "^°*). Die Artisten hingegen erscheinen in
kemer geringem Anzahl als die Juristen, und sie werden z. B.
"86) Ibid. an. 8 BL 142 b.
"87) Reg. Vat an. 3 BL 197 a.
1188) Cod. Paris. 3171 Bl. 120. Eymerich adressiert die Schrift 'utriiuqne
juris canonici et civilis doctoribns, ntriasqne facnltatis medicine et artiam
magistris, licentiatis, baccalariis et stadentibus cnnctis Ilerden'. Er erwähnt
also nicht Theologen, welche doch die h&retischen Gnindsätie des Antonias
Biera zunächst hätten interessieren mflssen. Nicolaos war damals Tom Papste
'delegatns in civitate eadem pro eztirpanda Lollistica heresis labe' Inquisitor.
Eine kurze Notiz fiber diesen Gegenstand selbst s. bei Menendez Pelayo,
Historia de los heterodozos espanoles I, 497 f.
^ S. oben & 178.
"^) Beg. Suppl. an. 1. p. 4. Hier werden nämlich Bl. 21b. 24b. 25b
26 a. 27 & 80 a stndentes in theologia genannt. Johannes de Peralta stu-
dierte bereits per Septem annos in sacra pagina.
1140«) 8. darttber YillanueTa p. 421 Dort auch ein interessanter FaU
aus dem J. 1411. Von 1430 an wurden mehrere theologische LehrstOhle er-
richtet So noch AnfongB des 16. Jhs. vom Bischöfe Jaime de Conchillos
(1512—1542). S. Antiquae coli, decret. ed. Ant AugnstinnSi Berdae 1576,
nach Bl. 229b| wo die Approbation zweier Theologen Ton L6rida steht
4. Hochsdlittlen mit kaiMrl. oder kOnlgl Stiftbriefen. Lörida. 507
in dem an Benedict XIH im J. 1394 abgeschickten Rotulus vor-
zugsweise neben den Juristen unter den 284 Baccalarii und Scho-
laren erwähnt"").
Aber auch die Medicin wurde in L6rida, und zwar mehr als
an anderen spanischen Universitäten gepflegt. Eine der inter-
essantesten Nachrichten hierüber stammt aus dem Jahre 1391.
Am 3. Juni dieses Jahres gewährte König Juan I. mit Rücksicht
auf das 1366"") den Medicinern zu Montpellier gegebene Pri-
vileg ihnen jährlich den Leichnam eines Hingerichteten für ana-
tomische Zwecke auszufolgen, dass die Stadtobrigkeit zu Lärida
dasselbe Verfahren den dortigen Medicinern gegenüber einhalten
solle, nur müsse ^pro dicta speriencia seu anathomia fienda' die
Todesstrafe an dem Verbrecher durch Untertauchen ins Wasser
vollzogen werden"**).
Wie an allen spanischen Universitäten, so waren auch an
jener zu L^rida nur Spanier vertreten. Zwar war die Univer-
sität, wie ja jede andere, dem ursprünglichen Plane gemäss
ebenso für Ausländer wie für Inländer berechnet. In der That
umfassten die 12 Nationen, in welche die Scholaren eingetheilt
werden sollten, alle civilisierten Länder""). Allein, schon in
den ersten Jahren ist nur mehr von zwei Nationen die Rede,
von den Catalanen und Aragonesen, wenngleich die übrigen
^^) Beg. Snppl. an. 1 p. 3 61. 1—22. Andere finden sich Reg. Suppl.
Clem. YII. an. 1 p. 4 61. 21a; an. 16 61. 181a. In dem ersten an Clemens
abgesandten werden unter andern Johann Qerdam von Saragossa als Bector,
Johann Perpiniani decretorum doctor, Glavarins stndii, Johannes Eximini
Ferrari! alias de Alüagemio decretorum doctor et bacc. in legibus erw&hnt,
im zweiten Petrus de B. demente (1399 el. episc. Ilerd.), diaconus, bacc. in
leg. canceUarius studii, Petrus de Cardona (1407 Bischof von L6rida. Beg.
Ayenion. 6en. XIII. t 4961. 106 b.) Bector, Baymundus Porta, legum doctor,
ordinarie legens hora doctorali ac bacc. in decretis, Dominicus Bam (1410 Bi-
schof von Huesca. Ib. t 58 61. 37 b.), in legibus approbatus, actu legens.
^^^ 8. Astruc, Trait6 des maladies des femmes. Paris 1765, Y, 215.
1143) Per König gibt dafür im Schreiben an die Mediciner (Espana sa-
grada 1. c. p. 354 n. 76) als Grund an: . . . quo ab hac luce modo et forma
predictis sublato per junctnras et partes ac arterias corporis pro videnda
membrorum occnltorum dispositione intercipiatur et incidatur ad vestre
omnimode libitum voluntatis, que incisio apud medicos anathomia nominatur.
Natürlich wusste Hftser nichts davon.
^M) S. die Statuten bei yülanueya p. 213.
508 ni Entwiekelang der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
Spanier immer vertreten waren, und die Scholaren von Valencia
um die Mitte des 14. Jhs. neuerdings eine rechtliche Stellung
neben den beiden genannten Nationen eroberten^^^'). Indess von
eigentlichen Ausländem ist keine Bede mehr.
Hnesoa.
Eine nicht minder verschollene Universität ist jene von
Huesca. Doch kennt man wenigstens noch den Namen und
weiss das Stiftungsjahr der Hochschule anzugeben.
In Huesca, dem alten Osca, stiftete bereits Sertorius eine
Schule für lateinische und griechische Litteratur für die edle
spanische Jugend, um sie an seine Sache zu ketten, nöthigenfalls
auch sie als Geissein in seiner Hand zu behalten "^^). Natürlich
hat diese Schule mit der spätem Universität nichts zu thun,
und das Unterfangen beide mit einander in Verbindung zu
bringen '^^^) bedarf noch weniger eine Berücksichtigung, als der
Versuch zwischen den in den Gonstitutiones Olonnenses^'*') er-
wähnten Studienorten und den später dort gegründeten Univer-
sitäten eine Beziehung herzustellen.
König Pedro IV. el Geremonioso war, wie sich nicht unklar
ergibt, für L^rida nicht sehr eingenommen. Er bestätigte zwar
die Freiheiten des dortigen Studiums und gab neue Privilegien,
allein er ertheilte diese nur ^durante dicto studio in civitate'
(Ilerdensi)^^*^). Was meinte er damit? Das Studium selbst bot in
jener Epoche zu dieser Phrase keinen Anlass. Gewiss nicht Allein
Pedro fasste schon bald nach der Vereinigung Roussillons mit
seiner Krone den Plan in Perpignan ein Generalstudium zu
gründen, den er auch 1349 ausführte. Mehrere Jahre später
errichtete er jenes zu Huesca in Aragon. Der Gedanke, dass
sich in Folge davon das Studium zu Lörida auflösen werde,
"*») S. Villanueva 1. c. p. 40 f.
iiM) S. PlaUrch, Yita Sertorii (opp. ed. Paris. 1624, I, 581).
1147) V7ie dies Aynsay, Fandacion, excelencias, grandezas j cosas me*
morables de la antiquissima cindad Hnesca (Haesca 1619) p. 613 ff. und
Bamon de Huesca, Teatro historico de las iglesias de reyno de Aragon YII
(Pamplona 1797) p. 159 ff. unternahmen.
11^) 8. oben 8. 13 Anm. 66.
u^) S. oben 8. 506.
4. Hochschulen mit kaiserL oder königl Stiftbriefen. Haesca. 509
muBSte sich ihm von selbst aufdrängen, und er kam in den
soeben angeführten Worten zum Ausdrucke. Allerdings hatte
sich der König getäuscht. Oerade die beiden neuen Lehranstalten
wollten anfänglich gar nicht aufkommen. Was speciell die
Hochschule zu Perpignan betrifft, so musste sie wider vom
Gegenpapste Clemens Vn. ins Leben gerufen werden; Huesca
aber begann erst nach der Mitte des 15. Jhs. und zwar Dank
des päpstlichen Einflusses eine segensreiche Thätigkeit zu ent-
falten.
Am 12. März 1354 erliess der König den Stiftbrief fQr die
Hochschule ^^'^). Als Vorlage bei Abfassung desselben diente
ihm der Stiftbrief Jacobs H. für L^rida, an den sich Pedro fast
sclavisch anlehnt Es genügt also die wesentlichen Punkte aus
demselben anzuführen. Der König will nicht, dass die Ara-
gonesen auswärts um Wissenschaft betteln. Darum erwählt er
Huesca kraft seiner Autorität zum Sitze eines Generalstudiums
'pre ceteris locis et ciyitatibus regni Aragonie', und bestimmt,
dass dort in Zukunft ein Generalstudium in der Theologie,
im jus can. und civile, in der Medicin, Philosophie und den
artes sowie in allen Wissenschaften existiere, und er verbietet,
dass diese Disciplinen in Aragon irgend wo anders als in Huesca
gelehrt und gelernt würden ^^"). Dem neuen Studium theilt
er alle vom hl. Stuhle den Studien zu Toulouse, Montpellier und
L6rida gegebenen Privilegien mit"").
1150) Zarita, Anales de la Corona de Aragon II, Bl. 255 b meint zwar
am 12. April; aUein Aynsay (L c. p. 624) und Ramon de Haesca (1. c. p.
434) hatten das OriginiJ vor sich.
1151) ^ie Jacob II. nnd mit denselben Worten Terbietet er, dass 'in
aliquo loco regni nostri Aragonie' die Wissenschaften gelehrt würden; es soUe
sich aber auch niemand unterstehen, intra regnum nostrum Aragoniae
alibi quam in nostro studio Oscen. sacre pagine, preterqoam in ecclesiis et
ordinibns quibus solitum est legi prefatam theologiam, juris canonici vel ci-
Tilis, scientie medicine seu Philosophie ex quacunque causa lectiones audire.
ii62j £r sagt in Bezug darauf: Libertates, gratias et indulgentias qua-
lescunque, que a sede apostolica Tholosano, Montispessul. et Ilerdensi Stu-
diis sunt concesse, ipsi eidem studio Oscen., doctoribns, magistris et scola-
ribus ididem studentibus et studere volentibus autoritate nostra de regie
Ubertatis beneficio concedimus et donamus ac etiam confirmamus. . • •
510 in. Efitwickelnng der HochBchnlen bis xnm Ende des 14. Jhs.
Höchst interessant ist es zu vernehmen, wie man in Haesca
das Geld zur Besoldung der Magistri herbeizuschaffen suchte.
Mit königlicher Bewilligung erhoben die Jurati der Stadt von
jedem Pfund Fleisch, das man in der Hauptfleischbank Huescas
kaufte, eine Steuer, und diese sollte mit zur Bezahlung der
Doctoren und Baccalarei verwendet werden. Allein es befand
sich noch eine andere Fleischbank 4a puerta de Alquibla' zu
Huesca, und die Einwohner giengen natürlich nun alle zu dieser,
obwohl sie von einem Mauren bedient war, weil man dort das
Fleisch nunmehr billiger kaufen konnte. Der König befahl
daher am 29. November 1356 den Jurati, dass die Steuer auch
auf die Fleischbank des Mauren ausgedehnt werde. Nur die Juden-
gemeinde könnte das Fleisch um den gewöhnlichen Preis er-
halten, da dieselbe bereits in anderer Weise dem Studium ihren
Tribut zahle ^'"). Wie aus einem noch nicht edierten Schreiben
des Königs vom 19. October 1358 hervorgeht, musste nämlich
die Judengemeinde ursprünglich mille solidos jaccenses, und jene
der Mauren quingentos solidos beitragen. Der König setzte wegen
des Krieges mit Castilien die Summe für die Juden auf 650 und
für die Mauren auf 350 solidos herab. Er befiehlt aber, dass
non obstantibuB quibusTis prinlegiis et gratüs stadio üerdensi concessifl. Bei
Aynsay and Ramon 1. c.
u&s) Cum V08 pro solTendis salariis doctornm et bacallariorom in sta-
dio per no8 fundato in dicta civitate imposaeritis de nostra licentia obalam
in qnalibet libra camiam qae vendnntar in macello majori ipsias civitatis, et
nunc nt relata fide dignomm percepimas aliqni malitiose recosent cames
emere in dicto macello, emendo dictas cames in maceUo sen cameoeria
dicte civitatis qae vocator 1a paerta de Alqaibla, in qoa jagolat et oeddlt
omnes cames qae ibi vendontor Sarasenns, ad hoc at non solvant dictum
obalam in diota cameceria majori, propter qaod dictas obalos dicti macelli
migoris qaasi ad nibü ascendit et ob boc ad solationem dictomm salarionun
safficere non possint; et cam congraom non ezistat, qaod predicti qai sie
maditiose emant cames in dicto maceUo de la paerta de Alqoibla valeant de
saa maUtia comodam reportare: idcirco volentes dare locam, at salaria et
pensiones diotoram doctornm et bacallarioram absqae nugoii incomodo dicte
civitatis ezsolvantar. . . (aach in Paerta de Alqaibla soU der Obolus erhoben wer-
den) camibas tarnen qae vendnntar aljame nostre dicte civitatis inde ezceptis,
cam jam certam quid in expensis dicti stadii secondnm provisiones et gabemato-
rem Regni Aragonam lactas solvere teneantor. Bei Bamon de Haesca YU, 487.
4. HocbsehiileB mit kaiserl. oder kOnigl. Stiftbriefen. Hnesea. 511
diese Snmmen jährlich pünktlich bezahlt werden müssten, da
ihm die Fortdauer und Erhaltung des Generalstudiums am Herzen
liege^^").
Doch als diese Verordnung erlassen wurde, existierte das
Studium zu Huesca gar nicht mehr, was der in Barcelona
anwesende König nicht wusste, und erst die Juden haben ihn
darüber aufgeklärt. Diese weigerten sich nämlich, die genannte
Summe zu zahlen, da ja die Lehranstalt nicht mehr bestehe und
von den Professoren nur der Baccalareus Dominicus Egidii Da-
vena zurückgeblieben sei, der über Römisches Recht lese, gleich-
wie schon vor Gründung des Generalstudiums die Stadt gewohnt
gewesen sei, einen Rechtslehrer zu dingen, der ihre Söhne
in der Rechtswissenschaft unterrichte. Diesem seien sie aber
nie verpflichtet gewesen. Der König beauftragt nun am 24. De-
cember desselben Jahres den Rechtskundigen Acenarius de s.
Cruce in Huesca bei der Stadtobrigkeit Erkundigung einzuholen
und im Falle, dass das Studium nicht mehr existiere, nach Recht
und Gerechtigkeit vorzugehen ^^^^).
u^) Das Document ist dem in der nächsten Anmerkung abgedruckten
inseriert.
11&6) Ich kann nicht umhin, dieses zu interessante Document ToUinhalt-
lich abdrucken zu lassen. Der König schreibt seinem getreuen Acena-
rius de s. Cruce jurisperito civitatis Osce: Pridem subscriptam moderacio-
nem seu mandatum et ordinacionem pro continuacione et conseryacione Stu-
dii generalis jamdicte Ciritatis fecisse recolimus cum littera nostra tenoris
sequentis. Petrus Dei gratia Rex Aragonum etc. dilecto consiliario nostro
Jordano Petri Durries gerenti vices Gubematoris generalis in Regno Ara-
gonum salutem et dUeccionem. Scire vos volumus, quod pro bono habemus
et nostro cordi insistit, ut Studium generale Civitatis Osce continuetur omni-
mode et etiam conservetur. Cumque nos attentis sumptibus et oneribus quos
et que Allamas judeorum et sarracenorum dicte Ciritatis opportuit subire
tarn pretextu guerre Castelle quam alias, pensionem, quam provideramus dari
et dabatur de nostri jussu per Aliamas ipsas lectoribus vel maioribus dicti
studü, subsequenti modo duxerimus moderandam, sciUcet, quod Aliama pre-
dicta dictorum judeorum que solvebat mille solidos jaccenses solvat deinde
anno quolibet durante dicta guerra sexcentos quinquaginta solidos , quodque
Aliama dictorum sarracenorum predicta que solvebat quingentos solidos sol-
vat annuatim dicta guerra durante trescentos quinquaginta solidos monete
jao^nsis predicte. Idcirco volumus vobisque dicimus et mandamns eipresse,
quatenus compellatis vel compelli faciatia Aliamas judeorum et sarxacenonun
512 in. Entwickelnng der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Das Studium wurde, wie aus der Eingabe der Juden an
den König klar hervorgeht, allerdings mit mehreren Professoren
predictoram fortiter et districte ad dandom et solyendam pensionem pre-
tactam juxtä dictam moderacionem per nos factam anno qaolibet Dominico
Egidii Davena bacallario in legibus legenti nunc in dicto studio vel cui to-
luerit loco sui, donec aliud super hoc circa conseryacionem et comodum dicti
studii duxerimus providendum, hocque mutare vel differre minime presuma-
tis, cum nos sie, non obstantibus quibusvis tatxacionibns prorisionibus vel
mandatis in contrarinm quomodolibet factis et faciendis, pro utilitate et con-
servacione studii prefati de certa scientia proridendum duxerimus seu etiam
ordinandum. Datum Barchinone XIX* die octobris anno infrascripto. Nunc
autem pro parte Aliame judeorum dicte Civitatis fuit coram nobis expositum
rever enter, quod dicta littera et in ea contenta sunt et fuerunt eidem Aliame
multum preiudiciales et in eorum dispendium emanate ex eo, quod tempore
dicte ordinacionis et nunc dictum Studium generale cessabat et cessat, et in
eodem aliquis doctor seu bacallariuB ex iUis qui in dicta civitate legebant et
dictam pensionem recipere consueverant non remanserat nee remansit, nee
ibi nunc aliquis eorum legit nisi solum jam dictus Dominicus Egidii Davena
bacallarius in legibus, quem ad legendum in dicta civitate homines univer-
sitatis ipsius de novo aduxerunt seu venire fecerunt , prent ante fnndacionem
ipsius studii homines jamdicti consuevenint teuere unnm bacallarium, qoi
eorum filiis in dicta civitate legebat, in cuius salario dicta Aliama aliqmd
exsolvere minime consuevit, quinimo ipsi homines prefato bacaUario in jamdicto
suo salario satisffacere consuevenint, quomm pretextu salarium doctomm et ba-
challariorum predictomm, qui in dicto stndio legere consuevemnt tempore funda-
cionis dicti studii, eis dari assignatum cessare debebat et debet et moderacio etiam
predicta ex eo sequuta, nee dicta Aliama dicta de causa ad aliqoid ezsol-
vendum compelli debebat. Qnare fuit nobis humiliter supplicatum, ut super
hiis de remedio justicie providere dignaremnr. Nos vero dicta supplicacione
ntpote justa benigne admissa vobis dicimus et mandamus, quatenns voeata
parte Civitatis predicte et aliis qui fuerint evocandi, si inveneritis in dicta
civitate memoratnm Studium non esse, ut fuerat ordinatum, et prout predicta
Aliama ad expensas predieti stndii pro parte ei contingente tenebatnr, eo
casu prefatam Aliamam et eins singolares non compellatis seu compelli per
quospiam permittatis ad solvendum partem integram in dicto salario eos exsol-
vere contingentem ; in casn vero, quo dictus bachallarius in dicta Civitate ie*
gens Bit salariatus radone dicti studii generalis, predictam Aliamam et >in-
gnlares ipsius secundum magis et minus, prout ante in predicto salario sol-
vebant, facietis et compellatis ad solvendum partem eisdem contingentem
in salario dicti legentis in studio snpradicto, prout jnstum fuerit, littera ro-
pra inserta quo ad hec minime obsistente. Nos enim vobis super hiis vicea
nostras plene comittimus cum presenti. Datum Cesaraugnste XXIIII« die de*
cembris anno a nativitate Domini M^CCC^'L^^YIII«. Archivo de la Corona
de Aragon, Begistro n. 1088 Bl. 70b.
4. Hochsclinlen mit kaiserl. oder k6nigl. Stiftbriefen. Huesea. 513
«
eröffnet; allein bald verliessien alle mit Ausnahme eines einzigen
wider die Stadt, so dass sich dasselbe auflöste. Wie so oft im
Mittelalter war daran auch in Huesca vorzüglich die Unregelmässig-
keit in der Bezahlung des Salariums Schuld. Der König selbst
mochte wenig Lust verspüren dem Uebelstande abzuhelfen, da
die Auslagen wegen der beständigen Kriege ohnehin sehr gross
waren. Dazu kam, dass die verhältnissmässig blühende und
bereits erprobte Universität Lörida nicht allzu weit entfernt lag.
So konnte sich die Hochschule zu Huesca nicht recht lebens-
fähig erweisen. Zwar ersteht sie wider; aber erst spät.
Wenigstens war es mir nicht möglich ausfindig zu machen, ob
der Nachfolger Peters, der Freund der catalanischen Dichtung
Juan I., etwas für das Studium gethan habe. Erst dessen Nach-
folger, sein Bruder Martin, soll die Gründung und die Privilegien
der Universität bestätigt haben""). Allein nur die unter
Juan n. und dem Papste Paul II. vorgenommene Widerher-
steilung der Universität brachte neues Leben in die Schule
und führte eine Wendung der Dinge herbei.
Kurz nachdem Paul IL den päpstlichen Stuhl bestiegen
hatte und nicht lange nach seinem eigenen Regierungsantritte
wandte sich Juan IL an den Papst, indem er ihm vorstellte,
dass Pedro lY. in Huesca ein Generalstudium in allen Fächern
gegründet habe und zwar im Einverständnisse mit dem aposto-
lischen Stuhle. Das Studium habe auch eine Zeit lang bestanden,
doch aus verschiedenen Gründen sei es untergegangen und die
Privilegien, besonders aber die päpstlichen, wären in Verlust
geraten. Da er nun durchaus die Erneuerung des Studiums wünsche,
habe er die königlichen Privilegien renoviert; der Papst möge
nun dasselbe in Bezug auf die päpstlichen Privilegien in der
Erwägung thun, dass im Königreich Aragon kein anderes General-
studium existiere"*').
1^) B. Ramon de Huesca 1. c. p. 215.
11^7) Paul n. führt in seinem am 19. October 1464 erlassenen Schrei-
ben (Aynsay 1. c. p. 632) die Bitte des Königs an. Dieser habe gesagt, dass
Hpsios studii erectio et ordinatio a sede apostolica, at asseritur, approbata
et confirmata ac etiam execntioni debite demandata extiterint, et Studium pre-
dictom per nonnnlla tempora in ipsa civitate viguerit: qoia tarnen labenti-
D e n i n e , Die UniTextiitten I. 33
514 lU- EntwiekeluDg der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Die Bemerkung, Pedros IV. Stiftung sei vom apostolischen
Stuhle bestätigt worden, ist unrichtig. Es wurde früher nie
ein päpstliches Privileg fQr Huesca gegeben. Dieser Umstand
macht es erklärlich, warum man zur Zeit Juans IL zwar wohl
die königlichen, nicht aber die päpstlichen Privilegien vorfand.
Auch in Rom wusste man nichts davon, und der Papst beauf-
tragte deshalb am 19. October 1464 den Abt des Klosters
S. Johannis de Pina und den Prior des Priorates b. Mariae de
Pilar in Saragossa über das Ganze Erkundigung einzuholen und
eventuell das Studium kraft apostol. Auctorität zu ordnen und
demselben die Privilegien von Toulouse, Montpellier und Lärida
mitzutheilen. Am 24. October ernannte er ftlr das ^universale
Studium litterarum quarumlibet licitarum facultatum' zu Huesca
^aliquamdiu hactenus intermissum' in der Person des Ferarius
Bam, Archidiacons ^camere in Oscen. Jaccen. invicem canonice
unitis ecclesiis' und Doctors der Decrete den Kanzler des Studiums,
und befahl dem Canonicus von Huesca, Benedict Mongon, ihn
^cum honoribus et oneribus et emolumentis consuetis ad instar
concellariorum aliorum generalium studiorum principatus Gatho-
lonie' in dieses Amt nach eingeholter Zustimmung der Magistri,
Doctoren und Scholaren universitatis studii einzusetzen^^"). Unter
demselben Datum nahm er 'universos doctores, magistros et sco-
larium universitatem studii Oscensis' gegen jede Belästigung
und Bedrückung von aussen in Schutz^^^*).
Die Dotierung geschah durch Einverleibung von Beneficien.
Das Schicksal der Universität war nunmehr bis zur Gründung
der Universität Saragossa (1541) ein günstigeres, obgleich es
nie ein glänzendes genannt werden kann.
bus annis propter guerrarum turbines, mortalitates atqne discrimina . . . tum
etiam quia civitas predicta aliquantulum depopulata fuit, Studium aliquandla
intermissum extitit ac nonnulla ipsius studii privilegia precipoe ab eadem
sede concessa deperdita et amissa fuere, prefatus Joannes Bez . . . Studium
generale predictum in eadem civitate summopere instaurari ac innovari de-
siderans, ipsius Petri regis . . . Privilegium eisdem ciritati, stndioque et
umversitati concessum regia autoritate predicta innoTavit approvabit ac etiam
confirmavit' etc.
1168) Archiv vom Lateran, Reg. Pauli II. 1464 an. 1. 1. 1 Bl. 55a.
1159) Aynsay 1. c. p. 632.
5. Hochschnlen mit pftpstL u. landesherrl StiftbriefeD. Perpignan. 515
6. Hoohsolmlen mit päpstliohen und landesherrllohen
oder kaiserlichen Stiftbriefen.
Es gehört nicht weniger zu den interessanten Thatsachen,
dass mehrere Hochschulen zwei Stifthriefe, einen von der geist-
lichen, den andern von der weltlichen Auctorität, aufweisen
können, als der Umstand, dass nicht wenige Hochschulen ohne
einen Stiftbrief bloss ex consuetudine als solche anerkannt worden
sind. Haben wir mit diesen die Uebersicht begonnen, so schliessen
wir mit jenen natürlich die Reihe der Universitäten bis 1400 ab.
Perpignan.
Im Anschluss an die im vorigen Paragraph an letzter
Stelle behandelten Lehranstalten erwähne ich das Oeneral-
studium im Rousdllon^ nämlich Perpignan. Wie so viele
andere figurierte auch diese Hochschule nicht mehr in den
Universitäten -Verzeichnissen.
Die Universität Perpignan ist ebenso ein Werk Pedros IV.
von Aragon, wie jene zu Huesca. Wäre eine Bemerkung in
den handschriftlichen Universitätsstatuten zu Perpignan richtig,
so hätte der Papst vor dem König den Stiftbrief erlassen, denn
der päpstliche Stiftbrief ist mit IV. kl. Decembris anno 2 datiert
und wird Clemens VI. zugeschrieben"*"). Derselbe wäre also
am 28. November 1343 ausgefertigt worden, während der König
den seinigen erst am 20. März 1349 ausstellte. Allein schon
der Inhalt der päpstlichen Bulle beweist die Unrichtigkeit der
alten Tradition. Der Papst sagt nämlich, Perpignan hänge vom
Aragonischen Könige ab"*'). Nun kam aber das Roussillon mit
Perpignan nicht vor 1344 endgültig an den König von Aragon''^*).
ii60j Hs. 6537 auf der Bibliothek zu Perpignan. Massot, Les coutumes
de Perpignan (MontpeUier 1848) p. 80 setzt das Schreiben, ich weiss nicht
wanun, in das Jahr 1349.
1161^ Perpignan liege 'in comitata Bossilionis ad car. in Christo t n.
Petnim regem Aragonum illostrem pertinente'.
11^) 8. Znrita, Anales de la Corona de Aragon II, 168. Henry, Histoire
de Bonssillon (Paris 1835) I, 269 ff. 291 ff. Es scheint, dass man dieses hi-
storische Factum nicht unbeachtet liess and deshalb den Brief in das Jahr
1344 verlegte. Allein, wenn derselbe von Clemens YI. herrührt, dann wurde er
28. November 1343 geschrieben, denn der Erönungstag war der 19. Mai 1342.
33*
516 ni. Entwickelung der Hochschnlen bis zum Ende des 14. Jhs.
Ferner schreibt der Papst, er sei vom Erstgebornen des Königs,
Don Juan, Herzog von Gerona, um die Errichtung des Studiums
gebeten worden. Allein dieser wurde erst 1350 geboren. Von
Clemens VI. kann also die Bulle nicht herrühren. In der That
steht sie im Yat. Archiv unter den Regesten des Oegenpapstes
Clemens VE.""), dem sie auch in Wahrheit zuzuschreiben ist
König Pedro gebrauchte als Formular für seinen Stiftbrief
vom 20. März 1349 die betreffenden Schreiben der Sicilianischen
Könige. Der König will nicht, dass seine Unterthanen auswärts
bei fremden Völkern die Wissenschaft suchen"**). Auf die
Bitten der Consuln und Prohombres der Stadt hin und um die
Grafschaft Roussillon zu neuem Glänze zu bringen, sei er also
gesinnt in Perpignan, ^quam localis amenitas, et marine trans-
vectionis vicinitas, et terre fertilitatis fecunditas, ac doctomm
inibi existentium scientie profunditas reddunt utiliter tanto negotio
competentem et docentibus et addiscentibus gratiosam\ ein Studium
universale zu gründen, und er bestimmt, 'inibi legi et doceri
sacram theologiam et jura canonica et civilia et etiam artes
cuiuscunque professionis inibi vigere generale Studium'"*^). Von
nun an solle Perpignan würdig sein 'domus universalis studii et
magistra* genannt zu werden"**). Es seien dort 'doctores et
magistri mirifice eruditi in facultate qualibet de villa ipsa ori-
undi et breviter etiam alii ibi erunt'"*'). Er ladet nun zu
diesem Gastmahle alle Doctoren und Scholaren ein, nimmt sie
auf der Hin- und Herreise sowie während ihres Aufenthaltes in
1163) Ihm wurde auch der Rotnlos Johannis primogeniti Aragonum da-
cis Gemnden. ans dem J. 1379—1380 eingesendet. Beg. Suppl. Clem. Tu.
an. 2 p. 3 Bl. 78 b.
11^) Er woUe Roussillon mit gelehrten Männern bereichem, 'nt fideles
nostri regnicole scientiarum fructus, quos indesinenter per peregrinos na-
tiones laboriosa investigatione coacte actenus expectabant, in regnia nostris
coUigere valeant et inibi invenire nt illorum aviditatibus 8ati8fiat\ S. oben
Eonrads Brief fftr Salemo S. 236. — Beilftufig bemerke ich, dass das Cartu-
laire von Perpignan im Cod. Paris 9995 nichts auf die Hochschule bexttg-
liches enthält.
"66) 8. oben 8. 237 und 454
"««) S. oben 236.
ii^'?) 8. oben S. 454; aus Friedrichs Stiftbrief entlehnt
5. Hochschulen mit pftpstl. u. landesherrL Stiftbriefen. Ferpignan. 517
seinen Schutz "•'), und theilt ihnen alle Freiheiten der Univer-
sität L^rida mit"^'). Die Consuln sollten einen geeigneten Platz
wählen, wo die Magister und Scholaren bequem wohnen könnten
und ihnen ^hospitia sub congruentibus salariis sive logateriis'
anweisen. Er beauftragt sie auch alle Privilegien zu achten^ ^^^).
Aus dem Schreiben muss man schliessen, dass in Perpignan
bereits einige Magistri und Doctoren ansässig waren, und dass
es mithin nur theilweise der Heranziehung auswärtiger Kräfte
bedurfte. Man erfährt aber nicht, ob in Perpignan wie in Huesca
vor Gründung der Hochschule der eine oder der andere Rechts-
lehrer auf Kosten der Stadt die Jura vorgetragen hat. Einer der
von den Gonsuln an den König Abgesandten war Bemard Olive,
legum doctor und Ganonicus von Eine.
Allein so viel die Vorbereitungen zu versprechen schienen, so
kam der Plan doch nicht sogleich zur Ausführung, oder wenigstens
kann diese nicht nachhaltig gewesen sein. Bis zu den Zeiten Gle-
mens VH. finden sich keine Notizen über die Universität Perpignan,
und der Umstand, dass Pedro IV. bei Gründung jener zu Huesca
Perpignan nicht nennt, obwohl er L^rida, Montpellier und
Toulouse erwähnt (deren Privilegien er dem neuen Studium mit-
theilt), ja vielleicht die Gründung der Universität Huesca selbst
findet hierin ihre Erklärung. Der Stiftbrief Clemens VH. setzt in-
haltlich keinen andern, also auch nicht jenen Pedros, voraus, und es
wird mittels des päpstlichen das Studium ganz neu errichtet,
ohne dass der Existenz einer frühem Lehranstalt Erwähnung
geschähe. Die eigentliche Stiftung der Hochschule zu Per-
pignan, die zugleich mit dauerndem Erfolg gekrönt war, datiert
also nicht aus dem Jahre 1349, sondern aus der Zeit Clemens VH.
Sein Stiftbrief vom 28. November 1379 ähnelt in der Ein-
leitung so vielen andern päpstlichen Stiftbriefen jener Zeit,
u^) Ad hoc igitor tarn salnbre convivinm doctores et magistros qaoa-
libet et scolares hilariter invitamas, Bicqne andecnnqne ▼oluerint secure ve-
niant sub noatre Bpeciali protectionis presidio coiijancti in veniendo, stände,
morando et redeundo cam omnibus bonis. S. oben S. 236 und 454.
U69) Diese finden sich auch in den handschriftl. Statuten p. 175 ff.
1170) Das Docnment ist in den (s. oben Anm. 1160) handschriftl. Statuten,
gedruckt bei Massot 1. o. p. 79.
518 ni. Entwickelang der Hochschnlen bis mm Ende des 14 Jhs.
z. B. jenen für Valladolid, Köln, Erfiirt u. s. w. und hat mit-
hin speciell fßr Perpignan wenig Bedeutung. Wie die kaiser-
lichen und königlichen so wurden auch die päpstlichen nach
Formularen angefertigt. Von Bedeutung ist aber, was Clemens
im Verlaufe anführt, dass ihn sowohl Juan, Herzog von Gerona,
als auch die Gonsuln der Stadt gebeten hätten ein Greneral-
Studium in Perpignan zu errichten. Ihrem Wunsche willfahrend
bestimmt er nun ^ut in eadem villa de cetero sit Studium generale
illudque perpetuis fiituris temporibus vigeat in juribus canonico
et civili, in artibus et etiam medicina et qualibet alia licita non
tamen theologica facultate'. Er gibt den Lehrenden und Lernen-
den alle Privilegien anderer Generalstudien. Und da, wie ver-
laute, der König das Studium schützen und mit Privilegien be-
schenken wolle, so erlaube er auch die Promotionen vor dem
Bischof von Eine oder dessen Generalvicar nach vorausgegangener
Prüfung ''^0- Der Stifter war also Clemens Vn. Die Universität
selbst deutete dies in zwei an ihn im J. 1393 eingesendeten
Suppliken unzweideutig an. Sie nennt sich: devota filia vestra
per vos in esse producta, und ihn selbst Spater et genitor' ^^^').
Der Stiftbrief kam sogleich in Ausführung. Beweis dessen
sind zwei uns erhaltene Doctordiplome, das eine vom 16. October
1388 und das andere vom 26. December 1389"^'). Die Stataten
selbst, die zumeist wörtlich jenen von Lärida entnommen sind,
wurden wohl bald nach Eröffnung des Studiums angefertigt"^*).
Im J. 1404 werden sie bereits 'antiqua' genannt"^').
Die Hochschule erfreute sich Ende des Jhs. einer verhält-
nissmässig grossen Frequenz. In dem vom Gegenpapste Bene-
dict XITT. auf 1394 zurückdatierten Rotulus werden neben dem
1171) Reg. Tat. Clem. YII. an. 2 BL 26 b.
1172) Beg. Suppl. Clem. YII. an. 16 BL 174 a. 190 b. Die Suppliken
wurden 5. Jd. August! an. 15 gewährt In dem letstem Rotulus wird Johann
de Pontonibus studens in decretis in qninto anno als Bector uniTersitataSy
und Wilhelm Nomays, mag. in artibus actu legens genannt, die abrigen sind
nur licentiati, baccalarei oder studentes.
U7S) In den handschriftl. Statuten (s. oben Anm. 1160) p. 97.
117*) Sie finden sich in der eben angefthrten Hs. der Statuten zu Per-
pignan.
1175) 8. die handschriftl. Statuten p. 107.
5. Hoehsch. m. p&pstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Lissabon-Coimbra. 519
Rector der im fünften Jahre studens in jure canonico war, 4 licen-
tiati in jore, 27 baccalarei in jure, von denen viele lasen, 2
magistri in artibus (einer von ihnen zugleich actu legens in medi-
cina), 2 baccalarei in medicina, 137 Scholaren in jure und 207 in
artibus aufgezählt"^*). Sie baten ausser um Beneficien für die
einzelnen um alle jene Privilegien und Vorzüge, welche Benedict
den Universitäten L^rida, Avignon und andern Generalstudien
im Gebiete des Königs von Aragon und in Frankreich ertheilt habe
und noch ertheilen werde. Die meisten der im Rotulus genannten
waren aus der Diöcese Eine, viele aus jenen von Gerona und
Urgel gebürtig. Nur ausnahmsweise finden sich einige aus
dem Süden Frankreichs z. B. aus den Diöcesen Perigueux,
Rodez, oder aus dem südlichen Spanien, z. B. der Diöcese Valencia.
Das Studium generale in theologica facultate ^ad instar
studii Tholosanr, das bereits Pedro IV. gewünscht, erlaubte Ni-
colaus V. am 21. Juli 1447 auf die Bitten Alfonsos V. von
Aragon und der Gonsuln der Stadt hin, die unter anderm bemerkten,
dass in Perpignan 'Studium in quacunque facultate excepta theo-
logie a multo tempore citra viguit generale'"")» Die interes-
santen Statuten der theologischen Facultät stammen aus dem
J. 1459"").
Lissabon-Coimbra.
Portugal besass bis in das 16. Jh. nur £ine Universität, die
aber ein paar Jahrhunderte beständig ihren Aufenthalt wechselte,
denn bald war sie in Lissabon, bald in Goimbra, bis sie
endlich in letzterer Stadt seit 1537 bestehen blieb. Trotz*
dem, dass über diese eine verhältnissmässig reichhaltige doch
weitschweifige Monographie existiert""), die man aber, wie ich
117«) Reg. Snppl. Bened. XIIL an. 1 p. 1 Bl 101. Andere Rotuli
sind enthalten in den Reg. Snppl. Clem. YII. an. 16 Bl. 174. 190b. Von dem
Blasias Campells wird hier unter anderm gesagt, er habe bereits in Per-
pignan, Toulouse, Paris und Orleans studiert, und sei nun licentiatus in
decretis.
1177) Archiv Tom Lateran, Reg. Nicol. Y. 1447 an. 1 tom. 2 BL 185.
Zugleich auch in den handschriftlichen Statuten zu Perpignan.
1178) In den handschriftl. Statuten p. 124-138.
1179) Leitao Ferreira, Noticias chronologicas da universidade de Goim-
520 HL Entwickelang der Hochschalen bis znm Ende des 14. Jhs.
sehe, bei uns nicht benützt hat^^"®), war man über dieselbe fast
gar nicht unterrichtet. War dies doch, wie wir sehen werden,
zum Theil in Portugal selbst der Fall. Um so mehr ist es ge-
boten, den richtigen Thatbestand darzulegen, und die Geschichte
wenigstens in den Hauptumrissen bis zu jenem Zeitpunkte, wo
die Universität bleibend ihren Sitz in Goimbra aufgeschlagen
hat, zu verfolgen. Es ist dies schon deshalb angezeigt, weil die
Lehranstalt gerade wegen ihres häufigen Ortswechsels ganz einzig
in der Geschichte der Universitäten des Mittelalters dasteht
Die Notizen über die Lehranstalten in Lissabon und Goimbra
vor Gründung der Hochschule sind sehr dürftige. Sicher ist, dass die
frühem Schulen das Niveau der gewöhnlichen Dom- und Eloster-
schulen jener Zeit nicht überschritten haben. Der sei. Aegydius
aus dem Dominicanerorden soll in Goimbra, wo damals literamm
studia vigebant, Philosophie und Medicin gehört haben ^^^^). Allein
diese Nachricht stammt erst aus dem 16. Jh., und wurde wahr-
scheinlich niedergeschrieben, als die Universität in Lissabon war.
bra. Lisboa 1729. Er geht nor bis zmn J. 1537. Nennenswert ist die im
Universit&tsarcliiy zu Goimbra handschriftlich vorhandene Arbeit des Fran-
cisco Cameiro de Figaeiroa: Memorias da nniversidade de Goimbra. Sie
bietet, obwohl nach dem Werke Ferreiras verfasst, nichts wesentlich Neues.
Es war bestimmt die Schrift im Annnario da nniversidade de Goimbra zu ver-
öffentlichen. Bei meinem Aufenthalte zu Goimbra im Frttlgahr 1883 wurde
ich jedoch wohl auf das Bfs. nicht aber auf das Annuario aufinerksam gemacht
So viel ich aus den letzten Bänden desselben ersehe, ist das Ms. noch nicht
publiciert. Oewissermassen einen Auszug aus beiden Werken bietet Yisconde de
Yilla-Maior in der Exposi^ao succincta da organisa^ao actual da nniversidade
de Goimbra, precedida de uma breve noticia historica d'este estabelecimento.
(Goimbra 1878), worin auch die Neuzeit behandelt wird. Aeusserst verwirrt
ist Ribeiro, Historia dos estabelecimentos scientificos litterarios e artisticos
de Portugal I (Lisboa 1871) p. 22 ff. Sousa, Provas da historia genealogica
da casa real portugneza I (Lisboa 1739) liefert nur mehrere Documente. Un-
brauchbar ist A. R. Gosta, A Instruccao nacional (1870).
^^) Y. Stein z. B. begnflgte sich bloss mit Bibeiro, den er aber wegen
der Schwierigkeit der portugiesischen Sprache nicht verstand (Die innere
Yerwaltung etc. S. 2971), in Folge dessen seine kurze DarsteUung noch
verworrener als jene bei Bibeiro ausfiel. Savigny kannte nur Sousa, nicht
Ferreira, und fertigt in kaum vier Zeilen die Geschichte der Universität ab.
^1^1) Siehe die Autoren Gardoso, Sousa und Andr6 de Besende (letz-
terer war Anfangs des 16. Jhs. in Lissabon Professor) bei Ferreira p. 1 f.
5. Hoclisoh. m. pftpstl. n. landesherrL Stiftbriefen. Lissabon-Coimbra. 521
Aegyd trat schon vor 1225 in den Orden ^^**), und da er bereits
vor dem Eintritt ein gelehrter Mediciner und zugleich Canonicus
an der Gathedrale zu Goimbra war''**), liess ihn der Chronist auf
dem Studium litterarum zu Goimbra in Philosophie und Medicin
unterrichtet werden. Allein es ist nach zeitgenössischen und
andern Quellen sicher, dass er in Paris studiert und mit dem
nachmaligen Ordensgeneral Humbert das Noviziat gemacht haf'^.
Der hl. Anton von Padua, oder wie man in Portugal sagt, von
Lissabon, war vor dem Eintritt in den Franciscanerorden regu-
lierter Chorherr"**), und zwar zuletzt in S. Cruz zu Goimbra. Die
älteste Vita berichtet von ihm, dass ihn die Eltern in der frühe-
sten Jugend in der Marienkirche zu Lissabon ^sacris litteris imbuen-
dum' übergeben hätten, und er auch später *non mediocri studio
semper colebat Ingenium''^**). Es ist auch nicht zu läugnen,
dass zu Lissabon nicht wenige Canonici und andere Clerici den
Grad in irgend einer Disciplin erlangt haben '^*0, und mit dem
1183) s. Qn^tif-Echard, SS. Ord. Praed. I, 241. Nach der YiU in den
AA. SS. Mai. III, 406 circa 1221. Y. Stein yersetzt 8. 298 Aegyd dem
ganzen Zusammenhange nach in den Anfang des 14. Jhs.l
1183) s. Cardoso, Agiologio Lusitano. Lisboa 1666, III, 251. Das Ea-
lendariom cathedralis ecclesie colimbr., worauf er sich beruft, entdeckte ich
nicht in Goimbra.
1184) s. Vitas Fratrum, part 4 c. 2 n. 4; p. 5 c. 3. n. 6. AA. SS. 1. c.
p. 405. Nach Qa6tif-£chard, I, 734 wurde im Dominicanerconvent au San*
tarem eine handschriftliche Vita des sei. Aegydins aufbewahrt, die gewiss
manchen AufiBchlnss geboten hätte. Ich kam aber derselben nicht auf die
Spar. Weder in der Nationalbibl. noch im Archiv Torre do Tombo an
Lissabon, wohin die Ueberreste ans den Klöstern gebracht wurden, fand
ich sie.
1185) y. Stein verwechselt die regulierten Chorherren mit den Augus-
tinereremiten.
1186) In den oben S. 282. Anm. 240 angefahrten Hss. und in den Portu-
gatiae mon. bist. I, 117. Ygl. auch Josa, Legenda s. Antonii de Padua (Bo*
niae 1883) p. 3. 5. Ebenso in der Ende des 13. Jhs. abgefassten Legende
des Heiligen ibid. p. 78 (um von den Bearbeitungen der ersten Yita hier
abausehen).
1187) Der Apostat Thomas Scotus, welcher 'coram multis scolaribus in
scolis decretalium* in Lissabon las, gehört jedoch erst dem nftehsten Jh. und
der Zeit des Alvaro Pelagio an. S. Ober ihn Menendei Pelayo, Heterodoxos
espanoles I, 504. 782 ff.
522 ni Entwickeloog der Hochschideii bU warn Ende des 14. Jhs.
Titel ^Magister' geschmückt worden sind^^*')- Doch mehr Licht
erhalten wir erst mit dem J. 1288.
Am 12. November genannten Jahres sandten der Abt von
Alcoba^ die Prioren von S. Cruz in C!oimbra, S. Yicente von
Lissabon, S. Maria de Alcagoya za Santarem, S. Maria in Goi-
maraens und noch viele andere Bectoren von Kirchen Portugals
eine Bittschrift an Nicolaus IV., in der sie auseinandersetzten,
sie hätten den König Diniz bestimmt ^construere et ordinäre
Studium generale apud nobilissimam civitatem suam Olyssiponen-
sem', indem die Unterthanen unmöglich lange und gefährliche
Reisen behufs der Studien unternehmen könnten^'**). Damit das
Studium zu Lissabon zu Stande käme, hätten sie sich auch
unter einander darttber geeinigt, wie viel zur Besoldung der Doctoren
und Magister von den Einkünften der einzelnen Klöster und
Kirchen bezahlt werden solle. Sie bitten nun den Papst, dass
er diese Bestimmung und das Werk selbst *ad servitium dei in*
tentum et ad decorem patrie' bestätigen wolle"*®).
ii88j So z. B. in den Reg. Honorins IIL an. 4. ep. 825; an. 10 ep. 135.
Gregorii IX. an. 5 ep. 165; an. 7. ep. 296; ep. 420; an. 8. ep. 165; an. 11
ep. 185; ep. 218; an. 14. ep. 176. Innooentii lY. an. 1 ep. 882; an 11.
ep. 598 n. 8. w. Anch ein magister scholarum wird erwähnt, Gregor K.
an. 8 ep. 233; an. 11. ep. 218; an. 15. ep. 97 etc. Doch darf man nicht
Tergessen, dass die blossen Titel nicht viel beweisen. Da wäre in jener Zeit,
die nns hier beschäftigt, keine andere Domschale Portagais so berühmt ge*
wesen als jene sa Braga. Ich nenne hier nur Honorins III. Reg. an. 1.
ep. 517; Innocentü lY. an. 2. ep. 608 (an. 5. ep. 211), in denen der Ma«
gister scholamm yon Braga begOnstigt, resp. pririlegiert wird.
1189) Gonsideramas valde expedire regnis snpradictis Tel scriptis et
habitatoribas in eisdem habere in qoalibet facaltate generale stadinm litera-
rnm, cam molti stadere yolentes et cnpientes adcribi ordini clericali propter
expensarnm defectam, Tiaram discrimina et pericola personanim non aadeant,
timeanty nee commode possint ad partes lonqoinqnas ratione stadii se trans-
ferre, et sie inviti efficiuntar laici et oportet eos recedera a sno bono pro-
posito snpradicto.
^^) Die Bittschrift wnrde in Montem6r-e-NoYO aasgestellt. 8. dieselbe
bei Ferreira 1. c. p. 9. Nan yergleiche man damit die Behanptung Steins,
1288 habe der Prior von S. Gnu eine Uniyersität in Portugal gegründet, in-
dem er den Professoren Gehalte answari Er citiert hierfttr iwar Ribeiro,
allein aus Unkenntniss des Portniesigschen hat er ihn nicht yerstandeo.
Ribeiro sagt p. 11, 'que ao prior do mosteiro de Santa Grni D. Looren^o
5. Hochsch. m. pftpstl. n. landesherrL Stiftbriefen. Lissabon-Coimbra. 523
Am 9. Augiist 1290 erschien eie von Nicolaus IV. an die uni-
versitas magistrorum et scolarium Ulixbonen. gerichtete Bulle,
in welcher er zuerst der Freude Ausdruck gibt, dass von König
Diniz 'cuiuslibet licite facultatis studia in civitate Ulixbon. sunt
de noYO plantata' und von Praelaten, Aebten, Prioren und Rec*
toren der Klöster und Kirchen ein Salarium für die Magistri
versprochen und festgesetzt worden sei. Er genehmigt das Vor-
haben, bittet den König durch zwei Scholaren und zwei Bttrger
die Wohnungen für die Scholaren taxieren zu lassen und den
zum Studium Beisenden volle Sicherheit zu garantieren. Er selbst
dispensiert dieselben von der Residenzpflicht, gewährt ihnen geist-
lichen Gerichtsstand und bestimmt, dass der Bischof von Lissa-
bon, eventuell dessen Vicar, die Licenz 4n artibus, iure canonico
et civili ac medicina' den Scholaren, *quos magistri reputabunt
idoneos', ertheilen solle. Die Approbierten hätten das Recht 4n
facultate quacunque, theologica dumtaxat excepta, ubique sine
alia examinatione regendi' ^"^).
So war das drittälteste Generalstudium (wenn man Sevilla
abrechnet) auf der Iberischen Halbinsel gegründet. Der Stifter
desselben war König Diniz; die päpstliche Bulle ist kein
eigentlicher Stiftbrief, wenngleich ihn Clemens V. für einen
solchen ansah '^^^). Die Universität gehört aber trotzdem in
Pires cabe a grande gloria de haver piomovido a crea^o de uma aniyersidade
em Portugal', und zwar durch Aussetzung von Gehalten. Der Prior hat
abo zur Grflndong viel beigetragen (s. Ferreira L c. p. 26), nicht aber die
Universit&t gegründet P. 12 zählt Ribeiro überdies die Mithelfer auf.
Uebrigens sind Ribeiro und mit ihm y. Stein im Irrthume, wenn sie den
Prior 'D. Looren^o Pires' nennen. Ferreira hat p. 28 gegen diesen alten Irr-
thnrn nachgewiesen, dass der damalige Prior von 8. Cruz D. Durando Paez
war. D. Looren^o Pires war Prior der Kirche von Leiria (p. 29. 39> Zur
Belehrung Steins diene noch» dass im Portugiesischen D. yor den Eigen-
namen *Dom' bedeutet (Stein fragt zweifelnd : 'dominus oder doctor'?).
1191) Heg. Yat an. 3 ep. 347 BL 68a. Leitao Ferreira p. 41. BuU.
Born. ed. Taur. III, 104.
119S) So in dem Schreiben, womit er die Verlegung der UniTersit&t nach
Goünbra anordnet (s. Anm. 1194). Er sagt darin: Sane pro parte ca«
rissimi in Christo filii nostri Dionisii regis Portugalie illustris porrecta nobis
nnper petitio continebat, quod cum ipse tanquam iostitie zelator desideraret
524 in. Entwickeluiig der Hochschulen bis znm Ende des U. Jhs.
diesen Abschnitt, da wenigstens die NeubegrOndung derselben
in Coimbra (auf Anregung des Königs) durch den Papst geschah,
und später Clemens YII. in der That einen Stiftbrief für Lissa-
bon erlassen hat. Die merkwürdige Ansicht v. Steins, aus der
1288 gegründeten kirchlichen Hochschule sei 1290 die von Lissar
bon hervorgegangen, bedarf nunmehr wohl keiner Widerlegung.
Jeder sieht, dass es sich vom Anfange an nur um die 6ine
Hochschule in Lissabon gehandelt hat
Dass man an die Ausführung dachte, beweist ein Auftrag
des Königs vom 4. September 1300^'"). Allein wie öfters, so
entstanden auch in Lissabon zwischen Bürgern und Scholaren
heftige Zwistigkeiten und Reibungen, so dass den Scholaren der
Aufenthalt in Lissabon unmöglich gemacht wurde. Der König
bat nun Clemens V. das Studium in die ruhigere Stadt Coimbra
zu verlegen und für die dort studierenden Professoren und Scho-
laren alle für Lissabon gegebenen Privilegien zu erneuern^'**).
Der Papst beauftragte in Folge dessen am 25. Februar 1308
den Erzbischof von Braga und den Bischof vom Coimbra sich
at in Regnis suis yigeret plenios scienUa literamm qae Tslde necessaria fore
dinoscitur ad lasticiam exercendam, fe. re. Nicolans papa nii. pred. noster
ad ipsios regis snpplicationis instantiam per soas snb certa fonna Utteras
statait ac etiam ordinaTit, at in civitate ülixbonen. foret ac esse posset de
cetero litteramm stadiam generale, tarn eidem studio quam regentibos et
studentibas in eodem certa privilegia et indnlgentias concedendo.
11») LeitiTo Ferreira p. 73.
UM) Schreiben Clemens Y. vom 5. kal. Mart anno 8 (S5. Febr. 1308)
in Reg. Yat. an. 3 ep. 384 Bl. 72 b: Cum propter grayes dissensiottes et
seandala exorta inter cives ciTitatis eiosdem (ülixbonen.) ex parte nna et
scolares ibidem stndentes ex altera nequiverit nee esse possit eomode in eadem
eiyitate Studium sapradietom» idem Rex nobis bnmiliter sapplicavit, vt sta-
diam ipsam ad dyitatem Colimbriensem, qae at asserit est loeas magis ac-
comodas et conyeniens, transferamns, eidem CoUmbriensi studio ac regentibos
et studentibas in eodem priyilegia et indnlgentias concedendo» qae predieto
Ulixbonensi studio et in ipso regentibus et studentibas predecessor con*
cesserat antedictus. Bisher war maa über diesen Punkt so gut wie nicht an^
gekl&rt Ferreira, der yon dem päpstlichen Sehreiben eine ganz nngenft*
gende Kenntniss besass, ist hier (p. 74 ff.) sehr eonfns und irrt zudem fort*
während bei Angabe der Zeitbestimmungen. Ebenso ansicher ist Yisconde
de Yilla-Maior p. 2], obwohl er p. SO den richtigen Orund gelegt hat.
5. Hocliach. m. p&pstl. u. landesherrl. Stütbriefen. Lissabon-Goimbra. 525
aber den Thatbestand zu informieren und eventuell die Bitte
des Königs in AusfOhning za bringen ^^*'). Unter demselben
Datum gewährte er mittels eines andern Schreibens dem König,
dass der üeberschuss der Einkünfte von sechs Pfarrkirchen,
sollte die Uebersiedlung bewerkstelligt werden, für das Salarium
benützt werde "*^). Hiemit wird die neuere Ansicht umgestossen,
als sei das Studium bereits 1307 nach Goimbra transferiert
worden"*'). Dies geschah vielmehr erst 1308—1309.
Am 15. Februar des zuletzt genannten Jahres veröffentlichte
König Diniz die Magna Charta. In civitate Colimbriensi, quam
preelegimus . . . fimdamus et plantamus irradicabiliter Studium
generale', schreibt er zuerst. Theologie solle in den Gonventen
der Dominicaner und Franciscaner gelehrt werden. Ferner be- «
stimmt er einen Doctor in decretis und einen Magister in decre-
talibus, einen professor in legibus, einen magister in medicina,
und doctores et magistros in facultatibus dialectice et gramma-
tice. Er ertheilt allen Mitgliedern der universitas studii reiche
Privilegien, nimmt alle Studierenden in seinen Schutz, warnt die
Bürger Coimbras ihnen irgend ein Leid zuzufügen, und bestellt
iAȧ) Reg. Vat. 1. c.
ii96j Porrecta naper nobis ex parte tue celsitadinis petitio continet, at
cum in partibus iUias Magistri sea Doctores in scientia litteraram sine sala-
rio inyeniri neqneant nee haberi, Yen. fratri nostro Archiep. Bracharensi
yel alicai alii antistiti daremos per nostras litteras in mandatis, ut ad sappor-
tanda onera studii litteraram, quod de Civitate ülizbonensi ad Civitatem Go-
limbriensem petivisti ex ea transferri, redditas et proventus sex ecclesiarnm
parrochialiom in qaibus insolidum ins obtines patronatns, statueret et de*
pataret ac etiam assignaret, reservata congma sustentatione perpetois vica-
rüs in ipsis ecclesiis senritaris. Cum igitnr negotium translationis dicti studii
eidem Archiep. et ven. fratri nostro . • Episc. Colimbriensi per alias nostras
sab certa forma litteras commictamus, si contingat translationem huiusmodi
fieri, per eosdem magnificentia regia procurare poterit apud illum vel illos
antistites, sab quorum iurisdictione huiusmodi consistunt ecclesie, quod ipsi
de redditibus et proventibus supradictis petita faciant et concedant, nam se-
dem ^»ost. in confirmatione eorum que ipsi super hoc facient excellentia
regia inveniet liberalem. Beg. Vat. an. 8. ep. 846 Bl. 65 a.
1197) So Ribeiro I, 425f. Yisconde de YiUa-Maior» p. 21. Ribeiro spricht
von einer carta de constitui^es des Studiams zu Goimbra vom 27. Jftnner
1807. Allein es ist dies eine Yerwechslung mit der carta vom 29. Jänner 1817.
526 ^« Entwickelang der Hochsciliilen bis mm Ende des 14. Jhs.
den Bischof, eventuell dessen Yicar, oder den Magister scolanun
*si hoc noscatnr ad suum officium pertinere' zu judices ordinarios,
mit der Glausel: 'per hoc tarnen legi dicenti, quod magistri in
suos scolares jus dicere valeant, non intendimus derogare sed
eam in sua firmitate perdurare volumus'. Nur in Ausnahms-
f&llen dürfe der Justitia die Scholaren ergreifen, und dann
müsse er sie dem geistl. Gericht ausliefern. Die Scholaren
könnten sich Rectoren, Gonsiliarii und alle Bedienstete wählen,
hätten das Recht, ein Siegel zu besitzen und alles zu thun, was
zum Yortheile des Studiums gereiche. Zwei Mitglieder seines
Rathes zu Goimbra und zwei Scholaren sollten jährlich die
Wohnungen taxieren. Er erlaubt den Scholaren in jenen
Wohnungen zu bleiben, die sie jetzt inne hätten, wenn anders
zwischen ihnen und den Hausherren in Bezug auf den Preis
Harmonie bestehe. Sie seien frei von allen Abgaben an seine
Kanzlei, sowie überhaupt von allen Abgaben, wenn sie zum
Studium kämen. Zu ihrem Unterhalte sollten die Lebens-
mittel von allen Orten seines Reiches steuerfrei nach Goimbra
gebracht werden können, und in ihren Wohnungen dürften nicht
Soldaten, Bewafhete, Fossenreisser etc. Quartier erhalten. Schliess-
lich bestellt er zwei Conservatoren seiner Privilegien ^^••).
Mir scheint, dass Diniz bei diesen Verordnungen durch
König Alfonsos el Sabio Magna Charta für Salamanca und durch
andere Bestimmungen desselben Königs beeinflusst wurde. Dies
wird durch das Document vom 18. Jänner 1323, auf das ich
alsbald zu sprechen komme, bestätigt.
Zur Blüthe brachte es die Universität aber auch in Goimbra
nicht. Doch unterliegt es keinem Zweifel, dass dort das Studium
in Au&ahme kam. Am 29. Jänner 1317 genehmigte der König
die üniversitätsstatuten"'^). Leider sind uns diese selbst nicht
erhalten. Vom 18. Jänner 1323 stammt ein anderes wichtiges
königliches Document. Wie wir oben gesehen haben assignierte
UM) Docament bei Ferreira p. 96. Soosa, Provas I, 75. Nur Stein
kannte es nicht und meint naiv genug, aus einem Acte Dom Pedros vom
J. 1489 müsse man abnehmen, dass schon frohe gewisse Privilegien der üni-
yersit&t yerliehen worden w&ren. S. 298.
1199) Ferreira p. 111. Yisconde de Yilla-Maior p. 24.
5. Hochsch. m. p&pstl. a. landesherrl. Stiftbriefen. Lissabon-Coimbra. 527
Clemens V. für das Salarium der Professoren die Einkünfte von
6 Kirchen. Der Bischof von Goimbra bestimmte innerhalb seiner
Didcese die beiden Kirchen von Soyre und Pombal. Da nun aber
der Ritterorden Christi den Fruchtgenuss von denselben hatte,
so verordnete der König in dem eben genannten Acte, dass er
jährlich dem Professor des Rom. Rechts (mestro das leys) in
zwei Raten 600 libras, dem der Decrete 500, dem Magister der
Medicin (fisica) und jenem der Grammatik je 200, dem Magister
der Logik 100, jenem der Musik 75 und den beiden Conseryatoren
je 40 zahlen solle ^'^^), und zwar die eine Rate zu St. Lucas, die
andere zu St. Johann dem Täufer ^'^0-
Wir erfahren hier, welche Fächer und wie stark dieselben
vertreten waren. Die Lehranstalt glich in diesen Anfangen jener
zu Salamanca zur Zeit Alfonsos el Sabio, als derselbe seinen Privi-
legienbrief ihr mittheilte. Auch in Coimbra war die Theologie,
obgleich über sie in den Klöstern gelesen wurde, nicht in dem
Universitäts- Lehrplan einbegriffen. Die Bestimmung resp. das
Verbot Clemens Y. hatte noch lange Geltung.
Nach dem am 7. Jänner 1325 erfolgten Tode Königs Diniz
bestieg dessen Sohn Alfons IV. den Thron. Er nahm sich auch
alsogleich des Studiums an, und erbat für die Studierenden bei
Johannes XXII. die Dispens von der Residenzpflicht, was dieser
am 24. August desselben Jahres auf 5 Jahre gewährte ^'^').
Francisco Brandao zufolge beschloss der König im J. 1338
die Universität nach Lissabon zurück zu verlegen"®'). Die
Motive dieses Wechsels sind sehr unklar. Sicher ist, dass
sie 1339 bereits in Lissabon war"®^). Yisconde de Yilla-Maior
befindet sich im Irrthume, wenn er behauptet, dass diese Trans-
lationen wenig begründet seien, indem sie dermassen geringe Spuren
zurückgelassen hätten, dass viele Schriftsteller sie gar nicht er-
isooj ßiue libra galt damals 36 r^is der jetzigen moeda. Fünf r6is gel-
ten bekanntlich 2^ Gent
1101) Document bei Ferreira p. lU.
1S02) Heg. Yat an. 9 p. 2 ep. 2184 Bl. 333b. In dem Schreiben sagt
er, dass in Coimbra 'in utroque iure et aUis scientiis viget studinm
generale'.
IM») Monarchia Lusitana, part. 5. 1. 16 Bl. 166b (Lisboa 1650>
»*>*) S. Ferreira p. UOf.
528 ni. Entwickelang der Hochschnlen bis znm Ende des 14. Jhs.
wähnten. Er citiert zum Erweise aus dem Registo das Provi-
soes ein Document, dem zufolge die üniversitfit zuerst in Lissa-
bon, dann in Coimbra war, und hier bis Joao L (1384) geblieben
sei, der sie dann erst für immer nach Lissabon transferiert habe^'^*).
Visconde de Villa- Maior hat, wenn er an der Thatsache so
häufiger Uebertragungen zweifelt, vorzüglich die eben genannte
vom J. 1338 und dann jene vom J. 1354-- 1355 im Auge. Er
fand eben keinen genügenden Anhaltspunkt in den Acten, und
ich gestehe gerne, dass in Lissabon und Coimbra sich kaum
Documente darüber erhalten haben. Allein unzweifelhaft werden
nunmehr die Thatsachen durch Acten aus dem Vaticanischen
Archiv gemacht
Im J. 1344 wendet sich König Alfonso an Clemens VI. mit
der Bitte, der Papst möge anordnen, dass kraft apostolischer
Autorität ^de fructibus, proventibus et redditibus ecclesiarum (in
quibus ipse rex dumtaxat ins obtinet patronatus) per eum vel
successores suos Portugalie . . . eligendarum usque ad summam
trium milium librarum Portugalen. monete nunc currentis pro
salariis doctoribus, magistris, baccalariis et aliis ad opus ipsius
studii necessariis annis singulis perpetuo persolvendis* assigniert
und durch eigens vom Papste dazu gewählte Personen ange-
wiesen würde. Das Studium sei 4n civitate Ulixbonen., in
qua in utriusque iuris et aliis scientiis viget Studium generale'.
Am 10. Jänner 1345 beauftragt Clemens VI. die Bischöfe von
Lissabon und Evora diesem Wunsche zu entsprechen, doch so, dass
darunter nicht der Gottesdienst leide ^'®*). Am 25. Jänner dis-
pensierte er auf Bitten des Königs universi doctores magistri
et scolares studii Ulixbonen. auf drei Jahre von der Residenz-
pflicht^'®'). Dazu kommt, dass sich im J. 1346 die rectores,
doctores, magistri totaque universitas studii civitatis Ulixbonen.
ito&) Exposi^ao snccincta etc. p. 26. Das Docnment, welches er lllr
seine Ansicht anführt, ist jungen Datums und verliert alle Bedentong gegen-
über den gleichseitigen Zeugnissen. Zudem enthält es den Irrthum, als sei
die Universität erst yon Joi^o L nach Lissabon flbertragen worden, worauf
ich alsbald lurflckkommen werde.
^0) Reg. Tat an. 8. lib. 2. p. 2 ep. 488 Bl. 155 b.
»»7) Reg. Vat. an. 3. lib. 3. ep. 564 Bl 279.
5. Hoclisch. m. p&psü. u. landesherrl Stiftbriefen. lissabon-Coimbra. 529
an Gemens VI. widerholt mit einer Supplik für Johannes Lau-
rentii, Ganonicus von Evora wandten ^'°').
Eine noch wichtigere Urkunde ist die päpstliche Bulle vom
13. September 1350. Clemens VI gestattet 'universis doctoribus
et magistris ac scolaribus studii Ulixbonen. in sacra pagina^'^*)
et in iure canonico et civili, in medicina et qualibet alia licita
facultate legentes ac studentes', dass sie 5 Jahre hindurch von der
Besidenzpflicht dispensiert seien ^'^^).
Diese Actenstücke erweisen doch zur Genüge, dass die
Universität sich nicht mehr in Goimbra, sondern in Lissabon
befand. Es bleibt aber die Möglichkeit bestehen, dass ein Stu-
dium in beiden Städten zu gleicher Zeit existiert hat Und
vielleicht ist dies die Meinung Yiscondes de Yilla-Maior, da er
ja die zuletzt citierte Bulle aus Leit£o Ferreira kennen musste"^^).
Allein auch diese Ansicht wird hinfällig durch die nächstfolgen-
den Documente.
Circa 1354 — 1355 wurde nämlich das Studium wider von
Lissabon nach Coimbra transferiert So komisch dies lautet
(und es ist noch nicht das letzte Mall), und so wenig sichere
Actenstücke man hiefÜr bisher beizubringen vermochte, so unter-
liegt diese Thatsache doch keinem Zweifel mehr, da sie durch
ein von Innocenz VI am 2. Mai 1355 an die Bischöfe von
Lissabon und Evora gerichtetes Schreiben bestätigt wird. Der
Papst führt zuerst aus, dass nach dem Berichte König Alfonsos IV.
Clemens VI ihm eine gewisse Summe von den Einkünften ver-
schiedener Kirchen zur Besoldung der Professoren und ^in favo-
rem generalis studii, quod tunc in civitate Ulixbonen. dictus
rex vigere dicebat' bewilligt und sie zu Executoren bestellt
habe. Der Bittschrift des Königs zufolge sei nun aber 'generale
Studium regni sui de civitate Ulixbonen. predicta ad civi-
law) Reg. Snppl. Clem. VI. an. 5. p. 8 Bl. 15 a. 170 b. Die erste Bitte
wurde 15. Sept 1346, die iweite 19. Dec. desselben Jahres gewfthrt
^*'^) Auf die Erwähnung der sacra pagina darf nicht zu viel Gewicht
gelegt werden, denn factisch wurde in ihr nicht gelehrt; auch wurde sie
später von Clemens YII. wider aasgenommen.
^^ Reg. Yat. an. 9. Üb. 8 p. 1 BL 201a.
Uli) L. c p. 144. Sie findet sich auch im Universit&tsarchiv m Coim-
bra (Gaveta 8 ma^ 8 n. 39).
DaalfU, Di« UniTaniUt«!! J. 34
530 ni. Entwickelang der Hochscholen bit snin Ende des 14. Jlu.
tatem Colimbrien. in dicto regno consiBtentem, in qua olim
generale Studium dicti regni esse consueverat, ex certis causis
rationabilibus lidte translatum', weshalb der Papst die Ueber-
tragung und die assignatio der Summe trium milium librarum
für das Studium bewilligen mOge. Der Papst beauftragt beide
Bischöfe, sie sollten nach eingeholter Information dem Wunsche
nachkommend'^'). Hier erfahren wir also, dass jüngst das Stu-
dium von Lissabon wider nach C!oimbra transferiert worden war,
und dass es in Goimbra schon früher einmal existiert habe.
Durch dieses authentische Zeugniss wird mithin die Richtigkeit
aller frühern Documente bewiesen und die Ansicht Yiscondes
de Villa-Maior widerlegt.
Es ist aber klar, dass dieser beständige Wohnungswechsel,
wenn ich so sagen darf, dem Studium in keinerlei Weise förderlich
sein konnte, und umgekehrt deuten diese fortwährenden Ueber-
tragungen darauf hin, dass dasselbe niemals blühend gewesen ist
Kein Wunder, dass es mehr und mehr erlahmte und so gar
keine Spuren seiner Thätigkeit zurückgelassen hat. Der Nieder-
gang war nicht mehr aufzuhalten. Unter den Königen Pedro I. und
Fernando sah es noch schlimmer aus als früher. Es half nichts,
dass sie die Privilegien der jetzt in Goimbra befindlichen Hoch-
schule bestätigten und neue hinzufügten'"'), und Urban Y. am
18. Februar 1367 auf drei Jahre Dispens von der Besidenzpflicht
gewährte''^*). Die Hochschule sank trotzdem so zu sagen zu
einem Particularstudium herunter, an dem wohl kaum mehr
Promotionen vorgenommen wurden.
Obschon man über diese Thatsache in Portugal heute nicht
mehr informiert ist, so wird sie doch durch zwei gleichzeitige
Documente, die ich sofort anführen werde, in helles licht gestellt
Fernando verlegte nämlich im J. 1377 das Studium von
Goimbra wider nach Lissabon ^"^). Er hoffte dadurch den völligen
. 1^) Reg. Tat. an. 3 Üb. 1 p. 2 Bl. 237 b.
^^) S. Ferreira p. 148 f. 181 f.
131«) Reg. Yat. ÄTenion. tom. 15 Bl. 286.
in&) S. die Acten bei Ferreira p. 190ff. Badarch wird das von Yisconde
de Villa-Maior heraDgesogene Zengniss (s. oben S. 528X wonach erst Joao I.
das Studium yon Goimbra nach Lissabon verlegt h&tte, entkräftet
5. Hochseh. m. p&psU. u. landeaherrl. Süfthriefen. LiasAbon-Goimbra. 531
Untergang der Schule aufhalten zu können ^'^^). Er gab zugleich
neue Privilegien und ordnete die seither vielfach unterbliebenen
Subventionen ^'^0. Doch sah er ein, dass mit diesen Massregeln
allein die Zukunft noch nicht gesichert sei. Er wandte sich
deshalb an den Qegenpapst Clemens Vn., dem Spanien und
Portugal anhiengen, und trug ihm vor, 'quod in Regno Portu«
galie generale Studium, quod in Ulis partibus summe foret
expediens, non habetur, quodque civitas Ulixbonen. ... ad
huiusmodi generale, cum particulare dudum in ea fuerit,
Studium accomoda multum eidsteret'. Clemens gestattet (statu-
imus et ordinamus) am 7. Juni 1380, 'ut in dicta civitate de
cetero Bit Studium generale illudque perpetuis temporibus inibi
vigeat tam in iure canonico et civili quam alia qualibet lidta
preterquam in theologica facultate'. Die Studierenden beschenkt
er mit allen Privilegien 4n corpore iuris inclusis' und mit den
anderer €reneralstudien. Der Bischof von Lissabon oder sein
Genendvicar etc. müssten die Licenz ertheilen, und die Promovierten
hätten das Becht fiberall zu lehren ^''0. Unter demselben Datum
theilt er dies dem Bischo|r^von Lissabon und dem Decan der
Kirche von Coimbra mit Femer erwähnt er die Bitte Fer-
nandos, dass er, der Papst, für eine neue Subvention sorgen
möge, obgleich schon früher vom Apostolischen Stuhle dem
Studium Einkünfte von Kirchen assigniert worden seien. Clemens
beauftragt nun beide Adressaten, ^taxandi, moderate tamen, de
fructibus, redditibus et proventibus Bracaren. et Ulixbonen. ac
aliarum cathedralium et colegiatarum ecclesiarum in dicto regno
existentium pensiones annuas', wovon die Doctoren und Magister
bezahlt werden könnten ^"0.
Durch diese bisher unbekimnten Documente erscheint die Sach-
lage mit einem Male im neuen Lichte. Sie bestätigen die von mir
oben ausgesprochene Behauptung, dass das Studium in Portugal zur
Zeit Fernandos auf ein Minimum reduciert gewesen seL Der
König mochte nun einerseits zweifeln, ob die Schule noch die päpst*
wi«) Ibid. p. 193.
laiT) Ibid. p. 196 E
1918) Reg. Yat Avenion. Clem. YIL an. 2. p. 4. tom. 80 Bl. 413 b.
^9) Beg. Tat. Avenion. 1. c. Bl. 414 a.
34»
532 m* Entwickelnng der Hochscbulen bis zum Ende des 14. Jhs.
liehen Privilegien besitze, andererseits sali er kein anderes Mittel,
Studierende nach Lissabon zu locken, als sich beim päpstlichen
Stuhle um ein neues Universitätsprivileg zu bewerben. Doch
dieses allein würde noch nicht auf eine NeugrOndung hin-
weisen, denn nicht jeder Stiftbrief hatte eine solche im Auge.
Indessen in diesem Falle wurde wirklich, wie sich aus den oben
mitgetheilten Stellen klar ergibt, ein neues Generalstudium geplant.
Mit dem Stiftbriefe Clemens VII. beginnt deshalb auch die zweite
Periode der Hochschule in Portugal""), die ungleich glorreicher
war als die erste. Auch blieb nun das Studium bis 1537 in
Lissabon, was vorzüglich dem Stiftbriefe Clemens YII. zu ver-
danken ist, da durch ihn das Generalstudium in jener Stadt
fixiert wurde.
Wohl erst nach Erlass desselben sandten der ^Rector stu-
dencium universitatis studii ülixbonen. ac universitas^ einen
Rotulus an Clemens VII."'^). Es werden darin 81 Scholaren
meist Juristen, und ein Baccal. in decretis, Fernando Martini
(der nicht mit dem gleichnamigen Legisten zu Salamanca ver-
wechselt werden darf), erwähnt. Kräftig kann natürlich die
junge Pflanze nicht gewesen sein. Allein sie versprach doch
unter guter Pflege emporzuwachsen und sich als lebensfähig
i»>) Yisconde de Yflla-lfftior rechnet die erste Periode von 1888 Ut
1537, die iweite von 1537—1773. Aber diese Einthdlnng ist ftlseh, sad
er hätte sicher eine andere gewählt, waren ihm obige Doconente iM^unt
gewesen.
^ Reg. Snppl. dem. YIL tom. nnic. Bl. 304 b. Der Botnlns wurde
iwir in der päpstl. Ktnslei mit XIT. U. nnd X. U. Dec. an. 1. datiert, doch
nur anf Wunsch der üniTersitlt, die BL 909b sagt: Cum usqiie anne
propter D. nostri regis iadüferentiam hob potaerimus & Y. aliqnaliter sop-
plicare et ideo in hoc non reperiamnr in colpa, pUceat 8. Y. signare rota*
lam sapra scriptum prent petitnr com data, qne in creatione pi^ stodiis
concedi consnevit Besonders von Clemens YII. wurden sehr riete Daten
der Suppliken und Botnli in das 1. Jahr lurflckreriegt, weshalb aach die
Suppliken des 1. Jahres nicht veniger denn 10 Folianten ftDen* In Folge
der ZnrQckrerlegong durften die Beneficien Tom AussteUuogs-Datua an be^
sogen werden. Sollte aber auch obiger Botulus ror dem Stiftbrief einge-
sendet worden sein, so thut dies nichts rar Sache, denn das Stodinm hatte
rieh ja schon yor ErscheiBeB des Stiftbriefes in Ussaboir befimdea, und war
auch jetit aieht ia yOüiger AuflOsoag, soadera aar stark surttckgegaBfea.
5. Hochsch. m. p&psü. o. landesherrl. Stiftbriefen. Li88abon-Goiinbr&. 533
fähig zu erweisen. An Pflege hat es in dieser Periode wahr-
haftig nicht gefehlt. Mit dem J. 1381 beginnt eine stattliche
Reihe von Documenten, welche sich auf die Universität zu Lissa-
bon beziehen, die theils Privilegien und deren Bestätigung,
theils Stiftungen, Geschenke etc. zu Gunsten der Universität
enthalten""). Die vorzüglichsten königlichen Beschützer und
Gönner des Studiums dieser Periode waren Joäo I. (1383, resp.
1385 — 1433); der Infant Henrique, Grossmeister des Christus-
Ordens (gest. 1460), unter dessen Protectorat lange Zeit die
Universität stand; Manuel (1495—1521). Aus einem Acte
Joaos I. vom 25. October 1400 erfahren wir, dass damals an
der Lehranstalt in Lissabon drei Professoren des Rom., und
drei des canon. Rechts, 4 in der Grammatik und 2 in der
Logik,, und je 1 in der Medicin und Theologie angestellt
waren""). Somit wäre an der Universität jetzt Theologie vor-
getragen worden, was nun auch in der Folge fortwährend
geschah. Joäo wandte sich femer mittels eines Schreibens an
Johann XXTTL, in welchem er auseinandersetzte, dass seine Vor-
fahren dafür gesorgt hatten, 'quod regnicole eorundem (regnorum)
pro scientiarum acquirendis fructibus, quos indesinenter esuriebant,
non per aliena mendicare suffragia coacti fuerunt, sed paratam
sibi de illis in regnis eisdem invenerant mensam propinatio-
nis'"**), also wider eine Copie von Konrads Brief für Salemo"").
Die frühere Begünstigung, die Einkünfte von 5 Pfarrkirchen 'ad
usum universitatis studii' verwenden zu dürfen, sei jetzt ohne
Werth, da dieselben durch die vielen Kriege arm geworden seien.
Der Papst reserviert nun am 21. März 1411 drei weitere Kirchen
für die Universität, damit das 'Studium de eisdem fructibus . . .
per continuum theologie exercitium ac sacrorum canonum discipli-
nam pre aliis scientiis sive facultatibus decoretur'^*"). Unter Manuel
uu) Sie befinden sich jetst im üniversitätsarehiv zu Goimbra, Gaveta
1. 2. Jüngst erschien auch ein Index daraber: Catalogo dos pergamenos do
Gartorio da nniversidade de Goimbra. Goimbra 1881. S. daselbst p. 19^24.
^^ Leitio Ferreira L c. p. 240.
^^ Der Text in den Begesten ist etwas incorrect
13») 8. oben S. 236. Wohl möglich, dass Joao diese and andere Phra-
sen dem Schreiben Pedros IV. für Perpignan entnahm.
1») Beg. Joh. XXm. im Archiv vom Lateran, 1410 an. 1 lib. 9 Bl. 54a.
534 Ol* Entwickelang der Hochschulen bis zam Ende des 14. Jhs*
fand eine Reorganisation der Universität statt und neue Statuten
worden von ihm für dieselbe zwischen 1499 und 1504 erlassen ^''^).
Im J. 1537 wurde die Universität wider nach Coimbra
verlegt^"'), um endlich für immer in jener Stadt zu bleiben,
wie sie dort auch heute noch, allerdings in ganz anderer Weise
denn im Mittelalter, als die einzige in Portugal besteht. Mit
dem J. 1537 beginnt die dritte Periode der Universität, im
J. 1772, in dem sie eine völlige Umwandlung erfuhr, trat sie in
die vierte.
Perugia.
Eine der bedeutendsten Universitäten Italiens im 14. Jh.
war jene von Perugia. Es gibt nicht leicht eine zweite, über
deren Anfänge sich so interessante Nachrichten erhalten hätten^''*).
1*^7) Sie sind noch im Universitatsarehi? sa Coimbra erhalten, nnd nrar
im 1. Bande des Li?ro das proyisoes da oniTersidade. S. auch Yisoonde
de YiUa-Maior p. 39 f.
1898) Viele Autoren verlegen die Transferierang in das Jahr 1534.
AUein Ferreira hat aus den Urkunden (I. a p. 516 ff. 5d6ff.) nachgewieseui dass
dieselbe erst im obigen Jahre stattfinden konnte.
^9) Sayigny, Gesch. d. BOm. Rechts III, 880 betrachtete Binis Memo-
rie istoriche della Perugina universitä (Pemgia 1816, toI. 1 in 3 Theflen;
der 2. Band erschien nicht) noch als ein 'grandliches Werk'. AUein Blni
verstand es nicht die Archive Perugias auszunützen, wie sich schon ans
Vermigliolis Bibliografia storico-Perugina (1823) und dessen Biografia degli
scrittori Perugini (Perugia 1829), noch mehr aber durch PadeUettis For*
schungen im Archivio giuridico vol. Y. VI. VIII. ergeben mnsste (PadeUettis
Untersuchungen sind auch separat unter dem Titel: Contributo alla storla
deUo studio di Perugia nei secoli 14. e. 15. Bologna 1872, heraosgekommen.
Meine Citate beziehen sich nicht auf die Separatausgabe, die mir lu spftt in«
kam, sondern auf das Archivio). Seitdem aber A. Rossis reiche Sammlung
der ^Documenti per la storia delP universitä di Perugia' erschienen ist, mnsi
man Binis Arbeit als antiquiert betrachten. Leider steht Bosds Samm«
lung in einer Zeitschrift, in der sie niemand sucht| nimlich im Giomale di
erudizione artistica, vol. lY— VI (Perugia 1875 sqq.), so dass sie selbst in
Italien bis heute nahezu unbekannt geblieben ist und von keinem, der Ikber Uni*
yersit&ten schrieb (natOrUch auch nicht von Coppi), enrfthnt wird. Die Kritik
Bossis und besonders die Inhaltsangaben bei jedem Document lassen aUer-
dings hie und da zu wflnschen übrig. Ebenso ist es zu bedanem, dass die
Sammlung nicht praemeditiert war, weshalb manche Unordnungen nicht in
5. Hochsehnlen mit pftpstl. a. landesberrl. Stiftbriefen. Peragia. 535
Die Hochschule ist um so wichtiger, als sie gleich nach ihrer
Begründung in Wetteifer mit jener von Bologna trat Stritt
sie Bologna nun auch nicht den Rang ab, da sie im Beginne
mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, so behauptete
sie besonders etwas später neben jener von Bologna und Padua
inmierhin eine ansehnliche Stellung, und zog die berühmtesten
Rechtslehrer des Jhs. an sich.
Die Wurzeln dieser Lehranstalt lagen wie sonst in Italien
in den von der Stadt unterhaltenen Schulen, und zwar vorzüg*
lieh im Boden des Rom. Rechts. Rechtskundige und Rechts-
gelehrte hielten sich in Perugia im ganzen 13. Jh. auf^"°),
wenngleich man unter ihnen nur obscuren Namen begegnet. Li
der zweiten Hälfte des Jhs. dachte die Commune ernstlich daran,
die Studien zu heben. Aus den Jahren 1266, 1276 und 1277
sind uns Beschlüsse der Obrigkeit erhalten, denen zufolge Boten in
die Nachbarorte geschickt werden sollten 'ad invitandum omnes
scolares venire volentes Perusium', wo über jus civile, artes
liberales und Medicin gelesen würde "*0« Für die Hin- und
Herreise sowie für den Aufenthalt in der Stadt wird ihnen Schutz
und Freiheit zugesichert, ein Versprechen, das die Commune auch
1275 gegeben hatte ^'"). Im J. 1296 las neben einem Legisten
ein Canonist"''). Das Augenmerk der Stadt gieng aber vor-
züglich auf das Civilrecht, und sie bemühte sich unausgesetzt,
dass wenigstens dasselbe vertreten wäre"'*). Allerdings ist es
vermeiden waren. Es ist nicht nothwendig im folgenden auf die Mängel bei
Bin! und die Incorrectheiten in den Yiten der einzelnen Rechtslehrer bei
SaTigny und Schalte jedesmal aufmerksam zu machen. Letzterer hätte
Boss! fllr den zweiten Band seiner Quellen unbedingt benützen sollen.
isso) Bini, Memorie istoriche della Perugina uni^ersitä I, 1 p. 10. 191
n. 1 (hier eine Art Yerzeichniss — lediglich von Bini zusammengestellt —
der Professoren vom J. 1287^1298), Bossi I. c. Y, 68. Nicht erst 1276
fend sich dort, wie Sayigny S. 881 meint, ein Bechtslehrer ein. Der Italiener
Goppi (Le uniYersitä italiane p. 98), welcher Perugia zu den Universitäten
nell' Italia settentrionale' rechnet, fällt in denselben Irrthum.
isn) Bin! L c. p. 14. Bossi bietet lY, 26 n. 1—4 mehr Acten.
1^ Bossi 1. c. p. 849.
1») Ibid. p. 29 n. 6.
1»«) Bini p. 21; Bossi p. 80 f. 849 n. 4.
536 ni. Entwickdiiiig der Hoehaelmleii bis som Ende des 14. Jhs.
ihr nicht imitier gelungen, Unterbrechungen des Stndioins za
verhindem. Im J. 1285 wurde beschlossen, während des Monates
Mai nach einem tüchtigen legum doctor auszuschauen^'"). Die
Stadt selbst spricht Ende Juni 1306 von den ^studiorum se-
pius inchoata principia"*'*). Allein sie raffte sich trotz wider-
holten Misserfolges jedes Mal wider aul
Eines darf man jedoch nicht vergessen, dass nämlich jene
Schulen noch keineswegs ein Generalstudium repraesentierten ^"').
Die Stadt war sich auch dessen wohl bewusst. Aber wie z. B. in
Orleans das Gleneralstudium früher existierte, als es dort eine Cor-
poration gab, so bildete sich umgekehrt in Perugia früher eine
Genossenschaft von Scholaren, als das Studium generale errichtet
wurde. Wenigstens war dies Ende des 13. oder Anfangs des
14. Jhs., wie wir alsbald sehen werden, der Fall.
Zu dieser Zeit entwickelte die Commune die grösste Rührig-
keit. Am 15. October 1304 bestimmte sie, dass die doctores
grammatice et loyce in derselben Weise gewählt würden, wie
die doctores juris canonici et civilis ^''^). Epochemachend fiOr
das Studium wurde jedoch erst ein 27 — 29. Juni 1306 abge&sster
Stadtbeschluss, der auch in der That zwei Jahre darauf das
Privileg eines Generalstudiums zur Folge hatte.
Den Unterbrechungen der Schulen wollte die Stadtobrigkeit
für die Zukunft vorbeugen. Sie fasste daher den Plan, sich um
das ebengenannte Privileg bei den Cardinälen und dem Papste
zu bewerben. Damit man aber dasselbe von Clemens V. um so
leichter erhalten könnte, fand man es für nothwendig, ^quod in
eadem civitate Perusii doctorum et magistrorum, qui moribus,
fama et scientia alios antecedant, copia non desit, imo suffidens
1»») Rossi 1. c.
1386) Rossi L c. p. 58 n. 3.
1387) v^enn die Breri annali (im Archivio stör. itaL aer. 1. tom. 16 p. 1
pag. 69) zum J. 1301 sagen: in questo mUlesiino si cominciö in Perngia lo
etndio generale, so ist dies auf die einige Jahre sp&ter erfolgte Stiftung zu
beziehen. Rossi Terwechselt p. 52 in der Nota za n. 1 studiam generale
mit 'aniversitas scholarium', die aUerdings, wie sich oben ergibt, Tor dem
Generalstudium in Penigia existiert hat.
1338) n^ij, p, 52 Q. 1, Roggi ]^(^ ^er Ueberschrift nach za schliessen,
das Document nicht richtig verstanden.
5. Hocbsebnlen mit pftpsU. u. landeaherrl. Stiftbriefen. Perngia. 537
numenis habeatur\ Es wurde einhellig anerkannt, dass man in den
Besitz eines ^Studium continanm' gelangen und vom Papste das ge-
nannte Privileg in iure canonico et civili et in qualibet alia
facultate' erbitten mUsse. Immer sollten ^quatuor doctores in iure
dvili, duo doctores in iure canonico, unus magister in medicinalibus,
unus magister in logicalibus et unus magister in grammaticalibus,
qui omnes sint in suis scientiis et facultatibus conventati", leseti.
Für den Augenblick genügten zwei Ganonisten und ein Legist. Sie
mflssten aber ^forenses' sein, ^de doctoribus forensibus iam electis
per scolares et rectores ipsorum scolarium\ Durch die forenses
doctores würde das Studium und die lectura besser in Stand gehalten
als durch die einheimischen. Die Commune hebt deshalb ein firüheres
Statut auf, wonach die rectores scolarium una cum sapientibus
scolarium auch einen Doctor, der Bürger Perugias war, wählen
konnten. Für jetzt liess sie jedoch den einheimischen dom. Fran-
ciscus Oddutii zu. Das Salarium sollte für einen jährlich 150,
nSthigenfälls auch 200 Goldgulden betragen.
Die Conmiune räumt zugleich den Scholaren das Recht ein,
hmiversitatem constituere et sibi rectores eligere, qui rectores
habeant illud officium et illam potestatem, quam habent re-
ctores in studüs generalibus'. Die scolares forenses hätten auch
das Privileg sich in Civilsachen drei judices zu wählen, wie sie die
Auth. HabUa gewähre. Sowohl die Doctoren als die Scholaren
sollten die Freiheiten der Bürger gemessen und während sie am
Studium verweilen in Bezug auf Verträge etc. auch als Bürger
betrachtet werden. Die Stadt verpflichtet sich ferner den zum Stu-
dium Beisenden oder den von demselben Heimkehrenden alles zu-
rückzuerstatten, dessen sie vielleicht beraubt würden. Man kam
auch überein, geeignete Männer zu ernennen, welche die nöthigen
Privilegien fiLr ein Oeneralstudium erbitten sollten. Der Pö'destä
aber und die Officialen müssten beim Amts -Antritte schwören
'conservare et manutenere Studium in dvitate Perusii, et presens
statutum sicut alia statuta populi Perusini'"'')-
i'^) Ibid. p. 53. n. 3. Dieses bisher nicht benatzte Statat ist eines
der interessantesten in der italienischen Universitätsgeschichte der ersten
Hälfte des 14. Jhs.
538 m. Entwiekelong der Hodiscbnlen bis iQm Ende dM 14. Jbs.
Zu allem andern erfahren wir hier, dass in Penigia die
Scholaren, bereits ehe dort ein Generalstndium existierte, eine
oder mehrere Gorporationen mit selbst gewählten Rectoren ge-
bildet hatten. Wie wir oben gesehen haben, schliesst das eine
das andere nicht ein"*®). Wir erkennen nun aber auch, wie
viel den Peruginen daran lag, ein grösseres Studium zu be-
sitzen.
Der päpstliche Stiftbrief war noch nicht erschienen, als man
sich daran machte, die nöthigen Professoren zu berufen. Im
J. 1308 las in Perugia Jacob de Belviso. Da ihn aber Bo-
logna zurück haben wollte, so beschloss man am 5. September
des genannten Jahres, dass die priores artium mit allen Mitteln
danach trachten sollten ihn zu bewegen in Perugia zu bleiben.
Femer wurde der legum doctor Johannes de Recanata berufen ^'^').
Hinsichtlich des Jacob de Belviso kam man am 9. September sogar
überein eine Gesandtschaft nach Bologna zu senden, um dort
zu erwirken, dass er in Perugia bleiben könne "^'). Er las und
blieb in Perugia bis September 1309 "^0- Mit ihm gab dort
im J. 1308 auch der doctor legum Johannes de Galdna ein
Consilium ab"**).
Der päpstliche Stiftbrief wurde am 8. September 1808 "*^)
ausgestellt. Clemens V. lobt in demselben zuerst die Treue der
Einwohner Perugias und bestimmt dann als Lohn für dieselbe, *ut
in civitate predicta sit generale Studium illudque ibidem perpe-
»«*0) 8. oben S. 25.
^^) Ibid. p. 57 n. 5. Jacob de BelTiso war schon Juli 1808 in Pem-
gia. S. dasa Bossi Y, 55 unter Joannes de Galcina.
i>«) Ibid. IV, 59 n. 6.
^ Ibid. p. 88 n. 11. Ich komme aof die näheren Umatinde alabaU
mrück.
»^) Bosd V, 55.
^^^) Dorcbg&ngig, i. B. im Bull. Born., Ton Bini, Sarigny, und jüngst
noch Ton PadeUetti und Bossi wnrde die BnUe In das Jahr 1307 gesetit
AUein mit Unrecht Sie wnrde ausgesteUt 6. Id. Sept an. 3. Da nun
Clemens Y. Ton seinem Krönnngstage (14. Not. 1305) an rechnete, trotidem
dass swischen diesem und dem V^ahltage (5. Jnni 1305) 5 Monate lagen, so
ist die BoUe am 8. September 1308 ausgefertigt
5« Hoehsehalen mit päpstl. a. landesherrl. Stiltbriefen. Perugia. 539
tois faturis temporibus vigeat in qualibet facultate' "^*). Dieser
Stiftbrief gehört noch der älteren Periode an, in der sehr häufig
die nähern Umstände nicht specialisiert wurden. In Perugia war
man auch deshalb, wie sich ergeben wird, nicht davon überzeugt,
dass die Lehranstalt das Promotionsrecht besitze.
Die Stadtobrigkeit schickte sich, ehe der Stiftbrief eintraf,
an, die Professorenzahl so weit wie mOglich, zu completieren.
Es handelte sich zunächst um einen Canonisten. Am 25. October
wurden fünf Doctoren ^in iure canonico per priores (artium) et
rectores scolarium' erwählt, nämlich Rainaldus Bartolutii, An-
dreas de Preitellis, Harrigus domini Manentis, Pitius Tome de
Eugubio und Egidius de Malalbertis^'^'). Auf welchen von diesen
die Wahl fiel (denn aus ihnen sollte nur einer angestellt werden),
wird nicht gesagt. Am 13. Juni des nächsten Jahres wurde
widerum eine Liste von vier Canonisten aufgesetzt, damit man
sich, wenn der erste die Einladung abschlage, an den zweiten
wenden könne, und so fort. Die Vorgeschlagenen waren Johannes
Andreae, Riccobaldus de Tectalasinis, Franciscus Jacobus und
Egidius de Malaibertis ^'^'). Wir erfahren aber wider nicht,
welcher von ihnen die Wahl angenommen hat. Indess las zu
dieser Zeit immer noch dort der berühmteste Bechtslehrer
jener Periode, Jacob de Belviso.
Am 14. August 1309 drohte jedoch Bernardin de Medicis
vicarius dom. potestatis, die Anzianen und die Gonsuln von
Bologna demselben in einem an ihn gerichteten Schreiben mit
seiner und der ganzen Familie Verbannung, Gonfiscation der
Güter u. s. w., wenn er nicht bei Beginn des Studiums in Bo-
logna eintreffe, denn sie müssten ihn dann ^pro proditore et
studii turbatore' halten. Die Commune von Perugia war in
grosser Verlegenheit und beschloss, den berühmten Legisten
1^) Beg. Yat an. 3 ep. 724 BnU. Rom. ed. Taur. lY, 192. Bbi I,
197 n. 6. Bossi lY, 56 n. 4 Das p&psüiche Schreiben traf in Pemgia erat
im nlchsten Jahre ein, and es erklärt sich daraus, wamm die Stadtbehörden
noch 25. Februar 1809 nach Rom senden konnten die Angelegenheit an be-
treiben. S. das Docnment bei Bossi p. 62 n. S.
1M7) Boss! p. 61 n. 7.
^ Ibid. p. 63. n. 9.
540 ni* Entwickelong der Hochschulen bis Bam Ende des 14, Jhs.
durch das Versprechen hinzuhalten, dass er in Perugia lebens-
länglich lehren könnte und sie ihm und seinen Nachkommen
das Bürgerrecht verleihen würden. Während seines ganzen
Lebens sollte er jährlich ein Salarium von 200 Goldgulden be-
ziehen. Er möge sich in Perugia ankaufen; den ZwischenfaU
mit Bologna werde die Commune zu schlichten suchen ^'^'). Jacob
de Belviso gieng aber nach Bologna. Am 19. October schloss er
mit Philipp de Pepulo einen Gontrakt ab ^de conducendis aedibus
ad aperiendam scholam' "^^).
Ein ganzes Jahr wartete man nun in Perugia, um auf die
Stelle des abgegangenen Bechtslehrers einen neuen zu berufen.
So mangelte also eine ziemliche Zeit ein doctor forensis in jure
civili, denn die beiden andern damals lehrenden Legisten, Lam-
bertus dom. Jannis und Franciscus Oddutii, waren einheimische.
Man gewann aber keinen forensis, und so wählte man 15. No*
yember 1310 Banerius Andrutii de Monte Vibiano; für das Jus
canonicum wurde der von den Scholaren designierte Henricus
(Harrigus) dom. Manentis approbiert. Franz Oddutii las, wie es
scheint, in diesem Jahre nicht "'^*). Doch schon das Jahr darauf
wollte Jacob de Belviso, der am 11. Juni nicht mehr in Bologna
war^'"), wider nach Perugia für ein Jahr gegen einen Oehalt
von 200 Goldgulden zurück, wie aus einer Berathung der Savj
und Priores artium vom 10. October 1311 erhellt""). Zwei
13*9) Ibid. p. 88 n. 11.
i>^) Sarti, De claris archigymnasii Bonon. profess. im 2. Bande
(s. oben S. 214. Anns. 593) p. 28. Diese Thatsache war Bini and Rossi nn-
bekannt.
1361) Bini p. 69 Anm. a. Das ToUsUndige Doenment bei Bossi p. 90
n. 12. Die flbrigen Notixen bei Bini p. 181 und Pellini, Dell' historia di
Penxgia I, 352 sind ungenau.
135S) Fantuui, Notiiie degli scrittori Bolognesi II, 58 Anm. 44 citiert
ein Document Tom 11. Juni 1311» dem zufolge sieh Jacob deBelfiso damals
Ton Bologna bereits absentiert hatte, *et publice dicatur ipsnm Teile legere
Scolaribus ipsum audire Tolentibus in provincia Bomandiole\
^M) Rossi p. 91 n. 13. PadeUetti l&sst im Arch. giurid. wihrend der Jahre
1311 und 1312 auch Federicus de Senis in Perugia lehren, da im Dmeka
seiner Consilia die 14. und 34. Quaestio darauf hinwiesen. Allein PadeUetti
wurde durch den fehlerhaften Druck irre gef&hrt. Den Hss. sufolgOy b. B.
nach Cod. Paris. 4277 Bl. 17 b trftgt die 14. Quaestio die üeberschrift :
5. Hbcbschalen mit p&p8tl. u. landesberrl. Stiftbriefen. PeragU. 541
Jahre nachher (1. October 1313) wurde Henricus dorn. Manentis
aus den von den Sayj und den Scholaren am 29. September
desselben Jahres aufgestellten 5 Ganonisten ^'*^) für ein Jahr
gewählt, Oisbertus (Osbertus) de Gremona aber für drei Jahre
aus den proponierten 6 Legisten "*'^). Bis diese kämen, sollten
die beiden einheimischen Franciscus Oddutii und Ranerius lesen "*').
Diese beiden wurden auch am 8. October wider angestellt. Für das
Jus canonicum schlug man die drei in Bologna docierenden
Doctoren Biccobardus de Tectalasinis, Pinus de Artusinis und
Bonandreas vor, damit, wenn der erste absage, der zweite, und
wenn dieser renunziere, der dritte genommen werden könnte ^'*0-
Seit 1308 ist unter den andern Disciplinen nur noch von der
Medicin die Bede. Bereits 1306 las dort Tebaldo d'Arezzo '"'),
der im Jahre 1311 mit einem jährlichen Salarium von 100 Gold-
gulden nach Orvieto berufen wurde, um in dieser Stadt Medicin
zu lehren und die ärztliche Praxis auszuüben '''^'). Wegen Geld-
mangels beschloss die Gommune von Perugia am 23. October 1312
einstweilen keinen Mediciner zu besolden^'*®). Doch schon zwei
Jahre darauf (8. October) wurden derselbe Tebaldus, der nun als
civis Perusinus erscheint, mit einem Salarium von 40 Goldgulden,
und Johannes Blundi als Mediciner bestellt^'*'). Am 25. August
Questio dispatftta per D. Federicum de Senis decret. doct. in stadio Peru-
sino anno dorn. miUes. oood (1340) mense aprilis. Die 34. Quaestio (resp.
die 33. Cod. Paris. Bl. 36 b): . . . anno dorn. Mooozh (1341) de mense Sep*
tembris. Man sieht, wie die irrigen Jahreszahlen entstehen konnten. S. dazu
oben S. 145 Anm. 342. Rossi hat Y, 308 Anm. 1 das Bichtige getroffen.
Uebrigens war Federicns im J. 1311 noch nicht Lehrer. S. oben S. 440
Anm. 898
»»*) Boss! IV, 93 n. 15.
^^^) Ibid. p. 95 n. 16. Baldus sagt Ton ihm, qnia ipse fnit de primis
fui rezent cathedram in civitate Perosii per priTÜegia Bonifacii (siel), sicut
andiri a migoribns meis. In Cod. 7, 73 n. 5.
i«W) Ib. p. 122 n. 17.
»»^ Ib. p. 123. n. 18.
MM) Ib. V, 59 Anm. 4.
UM) Fnmi, Codice diplomatico della cittii d'Oryteto (Firenze 1884)
p. 781 nota.
iMO) Rossi IV, 92 n. 14.
iMi) ibid; p. 123 n. 18.
542 IIL EDlwickeloiig der Hochscbnlen bis siim Ende des 14. Jhs.
geschieht auch der faenltates logicales et grammaticales imd
der ars notarie Erwähnung ''*').
Wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, war die Commune
von Perugia nicht im Stande, auch nur ein einziges Jahr den
1306 gefassten Beschluss, dass vier Doctoren das Civilrecht,
und zwei das canonische Recht vortragen und sie alle forenses sein
sollten, vollständig durchzuführen. Sie erneuerte deshalb am
31. August 1315 denselben, und änderte ihn unter andenn
dahin ab, dass nur drei Legisten angestellt würden. Davon
kam man aber nicht ab, dass sowohl diese, als die beiden Canonisten
und die Lehrer in medicinalibus, logicalibus und grammaticalibus
forenses sein müssten. Den Professores dves wurde von der
Conmiune kein Salarium zugesagt^'*'), wenngleich sie immer
eine Entschädigung erhielten, im Falle sie von der Conmiune
gebeten wurden, an Stelle der forenses zu lehren. Doch auch
jetzt blieb der Erfolg hinter der guten Absicht zurück, denn
am 22. October mussten die Sayj auf die Klagen der Scholaren
hin, dass kein Professor das Digestum novum und das Volumen
läse ^**% die beiden einheimischen Franciscus Oddutii und Bane-
rius Andrutii anstellen*"*).
Erst mit dem 27. Mai 1316 tritt das Studium zu Perugia
in eine neue, und zwar glänzende Periode. Jacob de Belviso
wurde für die lectura ordinaria in jure civili, Riccobardus für
die lectura ordinaria decretalium als Docent gewonnen, beide für
ein Salarium von 200 Groldgulden. Pinus musste (für 150 Gold-
gulden) die lectura decretorum, Franciscus Oddutii (für 70 Gold-
gulden) die lectura Infortiati und Digest! novi (extraordinarie), Ra-
nerius de Monte Vibiano (für 50 Ooldgulden) extraordinarie die
lectura voluminis übernehmen. Medicin lehrten Tebaldus de Aretio
und Johannes Blundi; Franciscus de Padua trug die Logik und
notarilis scientia vor '"*). Die Anstellung geschah auf drei Jahre.
iMt) Ibid. p. 126. n. 19. 20. Die ars notarilis las Maffeus Becatii Pera-
sinus. S. über ihn Boss! V, 56.
IMS) Bossi IT, 127 n. 20.
UM) Ibid. p. 158 n. 21.
»85) Ibid. p. 154 n. 22.
^ Ibid. p. 157 n. 25. In Berag auf die Medicin vgl nan dasn den
5. Hochschulen mit pftpsü. u. landeBherrl. Stifthriefen. Perugia. 543
Waren auch nicht alle unter den genannten Professoren forenses,
80 war nunmehr doch endlich einmal die beabsichtigte Zahl voll.
Wie ich bereits oben bemerkt habe, glaubte die Commune
von Perugia nicht, dass sie mit dem päpstlichen Stiftbrief auch
das Promotionsrecht erlangt habe. Am 25. November 1317
beschloss sie deshalb, sich um die ^privilegia studii et con-
ventus' zu bewerben, da sich gerade jemand bei den Priores
artium erboten hatte jene Privilegien ihnen gegen 1000 Gold-
gülden vom Papste zu verschaffen^'*^). Am 1. August 1318 er-
theilte in der That Johann XXII. das Promotionsrecht in iure
canonico et dvilL Der Bischof solle die Examina und die Pro-
motionen leiten. Der Gandidat des Givilrechts müsse dasselbe
wenigstens sechs Jahre, zwei von ihnen auf einem Generalstudium,
gehört, und das letzte Jahr in Perugia selbst gelehrt haben; für
das Jus canonicum genügten fünf Jahre Studium, von denen
mindestens zwei auf das Generalstudium zu Perugia entfallen
sollten ^'*^) u. s. w. Die Promotionen wurden nun in beiden
Rechten alsbald vorgenommen. Erst am 18. Februar 1321
erhielten die Mediciner und Artisten dieselbe Begünstigung.
Auch bei ihnen hat wider der Bischof das Promotionsrecht.
Indem ich die weiteren Bestimmungen übergehe, welche der
Papst über die Vorbereitung zum Doctorate gab, da sie in den
zweiten Band gehören, so erwähne ich bloss, dass Johann XXII.
zugleich befahl, während der nächsten drei oder vier Jahre
müssten für den Lehrstuhl der Medicin wenigstens zwei Pro-
fessoren gewählt werden, welche in Paris, Bologna oder an
einem andern berühmten Generalstudium das Doctorat erworben
hätten, für den Lehrstuhl der artes aber während vier oder
fünf Jahren zwei oder drei Professoren, die vom Kanzler
zu Notre Dame in Paris promoviert worden wären, und dort
selbst im geringsten Falle ein Jahr lang gelehrt hätten "••). Die
BescUuas vom 16. Juli 1316 (ibid. p. 160 n. 26). Wie ein Vergleich mit
den Acten Tom J. 1815 (ibid. p. 155 f.) ergibt, las damak nur Tebaldns von
ArezBo Medicin.
^f) Ibid. p. 186 n. 27.
^ Beg. Tat. Com. an. 2. p. 2 ep. 1590 BL 194 b. Bull. Born. ed.
Taur. lY, 273. Bini p. 198 n. 7. Bossi p. 186 n. 28.
»6^ Beg. Vat Com. an. 5. p. 1. ep. 394. Bl. 193b. Bull. Born. lY,
294. Bini p. 200 n. 8. Bosn p. 251 n. 83.
544 III. Entwickelong der Hoeliaohiilen bis sam Ende des 14. Jhs.
ersten Promotionen in der Medicin und Philosophie schdnen wohl
jene gewesen zu sein, die der Mediciner Dinus von Florenz (der daza
eigens von Siena berufen wurde) und der doctor in Philosophia
Mag. Gerardus de Parma (seit October 1322 in Perugia) an
Rieben Scholaren vornahmen, wofür sie am 5. April 1323 von
der Commune honoriert wurden"'^).
Das Generalstudium zu Perugia war nun consolidiert. Das
Hauptverdienst daran besass die Commune, die auch am 7. Febr.
1319 eingestand, sie habe ^pro studio querendo et privUegüs
ipsius retroactis temporibus pecuniam infinitam' bezahlt ^'''). Kaum
lag ihr eine andere Sorge so nahe alsdie, ihre Lehranstalt zu heben.
Die Priores artium waren unter Strafe, ja 4n vinculo juramenti*
verpflichtet darauf zu achten, dass das Studium nicht in Verfall
gerathe, dass es im Gegentheile immer mehr zunehme und in
gutem Stande erhalten bleibe^'"). Und da diese öfters wegen
öffentlicher Geschäfte verhindert waren, ihrer Pflicht nachzukom-
men, so kam man überein, dass sie zehn Sayj wählten, welche
an ihrer Stelle für das Studium sorgen sollten'"*). Die Priores
hatten die Vollmacht ^quascunque expensas quaruncunque quan-
titatum de quibuscunque bonis et pecuniis comunis Perusii semel
et pluries et quoties eis placuerit' zu dem Zwecke zu machen,
dass das Studium in jeder Wissenschaft erhalten werde und
mehr und mehr gedeihe'"^). Die Stadt sah den Besitz des-
selben für eine Ehrensache an'*'*); mangelte der eine oder der
andere Professor, so gab sie sogleich der Befürchtung Ausdruck,
das Studium könne in Abnahme kommen'*'^). Damit Professoren
und Schüler während des Unterrichtes nicht gestört würden,
entfernte sie bereits am 17. October 1308 jedes lärmende Hand-
werk aus der Nähe der Schulen, in denen vorgetragen wurde ^''^).
1^70) Rossi 1. c. p. 328 n. 47.
^^^) Bo88i p. 191 n. 30.
^ 8. TorsOglich das Docoment Tom 25. Sept 1321 bei Botti p. 238
n. 38. Vgl. p. 154 n. 22; 155 n. 23; 190 n. 30.
1^8) Ibid. p. 322 n. 47. Der Beschloss irt vom 18. Oct 1322.
1S74) Beschloss Tom 7. Oct. 1323. Bossi p. 326 n. 52.
im). Ibid. p. 284 H. 39.
U76) Z. B. 1221 bei Bossi p. 284 n. 39.
is77).8tataimas et ordinamos, qucdnullus caldarariusvelplAiieUAriiisMit
5. Hochschalen mit pftpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Perugia. 545
Das Ideal, welches die Commune anstrebte, war vornehmlich
'consuetudo et stilus et mos studii Bononiensis' *'^'). Darum
bemühte sie sich, die berühmtesten Professoren an sich zu ziehen,
und zwar vorzüglich jene der Rechtswissenschaft. Den grössten
Glanz verbreitete am Studium 1316—1321 Jacob de Belviso, was
der Schule zu Bologna keinen geringen Eintrag that. Am 15. Juni
des zuletzt genannten Jahres beklagten sich die Scholaren Bo-
lognas in einer an den Senat gerichteten Supplik über den Mangel
an berühmten Professoren am Studium ^'^'), so dass dieses von
andern Generalstudien übertroffen würde. Sie seien überzeugt,
^quod si D. Jacobus de Belviso legum professor eximius, cuius
fama ac scientia gubematur totum Studium Perusinum, revocare-
tur ad legendum in civitate Bononie, ipsum sequerentur omnes
scolares Perusii existentes, quinimo et alii multi ipsius occasione
venirenf ^"°). Der Senat willfahrte ihnen, was schon daraus her-
vorgeht, dass am 2. Juli desselben Jahres die Priores artium von
Perugia beschlossen, eine Gesandtschaft nach Bologna zu senden,
welche die dortige Commune bestimmen sollte, den Rechtslehrer
ihnen zu lassen ^'^'). Wurde auch nichts erreicht und kehrte Jacob
de Belviso aus Furcht vor der angedrohten Strafe"^') gleichwohl
zurück, so nahm das Studium in Perugia doch nicht ab. An
seine Stelle kamen andere Professoren, und es ist bezeichnend,
dass z. B. der für sechs Jahre von Bologna berufene Canonist
Riccobardus Tettalasini ungeachtet der über ihn von der Com-
mune Bolognas verhängten Strafe der Confiscation seiner Güter
die Lehranstalt zu Perugia vorzog, wo allerdings sowohl er als
seine Nachkommen das Bürgerrecht erhielten ^'^*).
faber andeat vel presumat condncere aliqnam domam ad pensionem occasione
eonun artis ezercende prope aliquas scolas doctoram comonis PeraBÜ in
iure canonico et civili Tel prope ad aliqaod palatiam potestatis, capitanei
et jndicis comonis Perasii . . . per decem domos prope ipsas scolas et pa-
latia ad penam XXY IIb. den. pro quolibet Rossi p. 351 n. 6 bis.
^78) Rossi p. 286 n. 41 (22. Dec. 1321); p. 319 n. 45 (17. Angnst 1322).
^7^) üeber den Gmnd dieser Erscheinung s. oben S. 437 ff.
^ S. das Schreiben bei Ghirardacci, Della historia di Bologna II, 10.
Weitere Notizen ans Documenten bei Fantozzi II, 55 f.
iwi) Rossi p. 255 n. 34.
^ N&mlich die Confiscation seiner Gflter. Rossi p. 282 n. 38.
^^) Boss! p. 285 n. 40. 41.
Deaifle, Dm üniTenittteD. L 35
546 m* Entwickelong der Hochschalen bis »um Ende des 14. Jhs.
Es überschritte den Rahmen meines Werkes, wenn ich weiter
auf die Berufungen von Professoren eingehen wollte. Es genflge
die Bemerkung, dass in Perugia die berühmtesten Givilisten und
Canonisten nach einander oder zu gleicher Zeit lehrten, wie z. B.
Cünus da Pistoja, Riccovero da S. Miniato, Paulus de Liazariis,
Federicus de Senis, Franciscus Tigrinis, Joh. Pagliarensis, Bartolo,
Angelus, Baldus u. s. w.^"^). Darum sagt auch Peter de Ancha-
rano, dass zur Zeit des Johannes An^eae besonders Perugia
^facundissimis professoribus' besucht gewesen sei'"*). Auch
die Medicin lehrten in Perugia schon in dieser Periode
nicht unbedeutende Grössen jener Zeit, z. R ausser dem ge-
nannten Tebaldus, Gentilis de Fulgineo, Thomas de Qarbo
Florentinus u. s. w. Ansehnlich wurde das medicinische Studium
in der zweiten Hälfte des 14. Jhs.
Die Anzahl der am Studium lehrenden Professoren schwankte
je nach den Umständen. Am 10. September 1826 gaben vier
legum doctores ein Rechtsgutachten ab^'*'). Mehr Einblick in
das Studium erhalten wir durch die wichtige ^matricula scolarium
et universitatis scolarium et doctorum studii Perusini* vom
25. October 1339. Es erscheinen darin vier Doctores juris
canonici, drei juris civilis, drei Doctores in medicina, und je
ein Doctor in philosophia und in logica. Ausserdem werden
119 Rechtsschüler und 23 Scholaren in der Medicin aufge-
führt'"'). Man darf jedoch daraus nicht schliessen, als hätten
^^) 8. die Listen der Professoren im 14. Jh. mit den nötigen Nach-
weisen bei Rossi Y, dOff. 804ff. VI, 237 ff. Vgl. auch Yermiglioli, BiUio-
grafia storico-Peragina p. 36. In Betreff des Cino di Pistoja bleibt wegen
seines Lehramtes 2u Perugia noch immer Giampi, Memorie della Tita di
Messer Cino da Pistoja (Pistoja 1826) p. 74. 188 wichtig» weil die Ton ihm
ausgezogenen Documente sich nicht mehr in Perugia finden. GhiappeUi,
Vita e opere giuridiche di Cino di Pistoja (Pistoja 1881) vermoehte p. 7a
90 überdies nachzuweisen, dass Cino erst Tom J. 1326 an (nicht 1328, wie
Sa?igny, Gesch. des Rom. Rechts VI, 82 schreibt) in Perugia gelehrt hat
(wegen des Jahres 1826 Tgl. auch Rossi Y, 121 ff. n. 56. 57). 8. dam oben
8 444.
»«») Prooem. in 6. Decret nach Cod. Vat. 2288 BL 14a.
^ Rossi V, 120 n. 54.
i»7) Die Matrikel wurde zuerst ediert Ton PadeUetti, Arch. Giurid. Y,
5. Hochschulen mit p&pstl a. landesherrl. Stiftbriefen. Perugia. 547
sich nicht mehr Professoren nnd Schttler in Perugia aufgehalten.
Es werden eben in der Matrikel wenigstens von den Scholaren
nur die forenses aufgezählt. Von den nicht italienischen SchUlem
sind die meisten Deutsche (ein Deutscher, nämlich Johannes
Theotonicus, war zudem Lehrer der loyca); dann finden sich auch
einige Böhmen (darunter zwei Benedictiner), Spanier, Franzosen
und ein Engländer.
Auf Vermehrung der Lehrkräfte drang ein städtisches Statut
vom 15. September 1342. Es wird bestimmt, dass 5 Rechtslehrer,
und zwar ^doctore frostiere', gegen Salarium von der Stadt dort
lesen sollten, nämlich drei das Civilrecht (einer ordinarie, und
2 eztraordinarie), und zwei das can. Recht (einer das Decret,
und der andere über die Decretalen). Ausserdem solle ein
Magister in medicina, und je einer Logik und Grammatik dort
lehren ^"^); für die Notariatskunst wurde auch ein Professor
gewonnen"*'). In den Jahren 1366 und 1389 stellte man das
Statut auf, es müssten wenigstens drei Ganonisten und drei
Cävilisten, sieben Mediciner, zu denen man auch den Philosophen
und Astrologen rechnete, filnf Grammatiker und einer die Nota«
riatskunst lesen "'°). Es handelt sich hier um die geringste
Zahl, denn thatsächlich finden wir z. B. in dem zuerst ge*
nannten Jahre fünf legum doctores, obwohl alle Peruginen, am
Studium"'^). Einen Höhepunkt bezeichnet das Jahr 1431.
Von den in Studio Perusino conducti doctores war einer sacro-
rum canonum doctor, einer decretorum doctor, 7 utriusque iuris
doctores, 13 legum doctores, 8 Mediciner, von denen einer ^ad
501; dum von Boasi Y, 175 n. 64. Ein Abdruck nach Padenetti findet rieh
auch bei Coppi, Le aniversiU italiane p. 126 Anm. 2. Die doctores juris
canonici waren: Symon de Yicentia, Federicas de Senis, Amaldas de Senis,
Archidiaconus yspanns. Die Doctores joris civilis: Joannes de PagliarensibttS,
Thomas de Azsognidis nnd Pinos de Gosedinis. Der berOhmteste Medidn-
Professor ist Gentilis de Folgineo, der an der Pest 134S starb (s. Bossi Y,
8091). Thomas de Garbo erscheint als Scholar. S. daia unten S. 557.
u») Bei PadeUetti im Arch. giurid. Yl, 108. Bossi Y, 180 n. 65.
I»») PadeUetti p. 111. Bossi p. 184.
1^) Bossi YI, 168 ü n. 148; p. 315 n. 240. Am 1. April des luletst
genannten Jahres wurde die Zahl der GiTllisten auf f&nf festgesetat. Ibid.
p. 869 n. 242.
i»»ij Ibid. p. 124 n. 140.
35*
548 ^n. Entwickelung der Hoehschnlen bis zum Ende des 14. Jhs.
reaptandmn ossa'; ein Astrologe, 3 magistri grammatice, ein
lector Philosophie, die ein magister theologie vortrug, einer f&r
die lectura practice "*'). Warum die Theologen nicht aufgezählt
werden, hat hier denselben Grund wie in Bologna^'").
Erst in der zweiten Hälfte des 14. Jhs., und zwar später
als zu Bologna und Padua, wurde in Perugia das Studium gene-
rale in der Theologie erlaubt Die nächste Veranlassung dazu
mag wohl das 1362 gestiftete CoUegium Gregorianum geboten
haben. Der Stifter bestimmte nämlich, dass sechs Alumnen des-
delben ^audiant theologiam a religiosis civitatis Perusii"*'^).
Es stellte sich natürlich bald auch die Nothwendigkeit ein, dass
sie in der Theologie promovieren dürften. Bereits im J. 1366
bat die Commune Urban V. um Dispens von der Residenzpflicht
für jene, ^qui in dicto studio in sacra pagina, in iure canonico
et civili' etc. studierten, und dass Tr. Urbanus de Perusio,
0. M., lector principalis conventus Minorum Perusii, ubi est
Studium generale, qui in dicto conventu . . . annis pluribus
sententias et sacram theologiam laudabiliter et sufficienter per-
legit', das Doctorat in der Theologie erhalten dürfe"**). Es
handelte sich zwar um ein blosses Ordensstudium, das jedoch
auch von Auswärtigen und gewiss von einigen der Stipendiaten
des CoUegs besucht wurde "'^). Am 11. October 1371 erschien
aber der bisher nicht bekannte Stiftbrief der theologischen Fa-
cultät an der Lehranstalt zu Perugia, mit welchem Gregor XI.
^ad supplicationem populi et communis civitatis Perus.^ das ^Stu-
dium generale theologice facultatis' gestattet, dem Bischöfe das
Promotionsrecht gewährt, und zugleich verfügt, dass 4n novitate
1M>) Arch. Tat. liart. Y. Divers, camer. lib. 9, n. 12 Bl. 146. Binis
Catalog. I, 2 p. 594 f. erweist dch dadurch als äusserst lückenhaft.
^^) 8. oben S. 209.
^*M) 8. weiter unten.
^^9t) Reg. 8uppl. Urbani Y. an. 4 p. 1 Bl. 170 a. Der Papst gewährte
die 8nppliken am 11. Mai genannten Jahres. Reg. Yat. ATcnion. ürb. Y.
tom. 18 Bl. 449 b.
^^^) Auch im Convente der Dominicaner bestand sowohl ein Theologie-
<ein Lector mit einem Baecalareus) als auch ein Philosophiestudium (mit einem
Lector), wie aus den Acten Tom J. 1344 herrorgeht Codex im Oeneralarchir
des Ordens.
5. Hochschulett mit pftpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Peragfia. 549
studii theologice facultatis' Magister aus Paris oder von anderen be-
rühmten Lehranstalten fDr die Vorlesungen genommen würden '"').
In den Acten der Commune aus dem 14. Jh. geschieht jedoch
der Theologie keine Erwähnung. Die Stadt überliess die Sorge
den Bettelorden.
Innerhalb des Zeitraumes, der die eben genannte Bulle von
deijenigen trennt, mittels welcher Johann XXn. den Medicinem
und Artisten die Erlaubniss ertheilte, in ihrer Wissenschaft promo-
viert werden zu können, erhielt die Lehranstalt alle jene Privi-
legien, welche von den Päpsten gewährt zu werden pflegten.
Johann XXIL bewilligte am 30. August 1322 communi et populo
Perusino für 10 Jahre, dass die Studierenden am Studium, zu
dem sie gehen könnten *absque licentia ordinariorum suorum seu
capitulorum ecdesiarum' (eine Formel, die bei ähnlicher Gelegen-
heit immer widerholt wird), von der Besidenzpflicht dispensiert
seien''**), ein Privileg, das er am 11. September 1331 auf
weitere 10 Jahre verlängerte^"*). Die Stadt bewarb sich bei
Clemens VI., als er kaum den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte,
um Erneuerung dieses Privilegs, die am 15. October 1342 fttr
fünf Jahre erfolgte ^'°°). Am 15. Juli des nächsten Jahres wurde
aber auf Bitten derselben Stadtgemeinde die Frist auf weitere
5 Jahre, also im ganzen auf ein Decennium, ausgedehnt'**').
Unter demselben Datum gewährte Clemens, dass in Abwesenheit des
Bischofs die vicarii der Cathedrale die Licenz ertheilen dürften'***),
was Innocenz VI. am 8. Mai 1354 bestätigte'***).
1S97) Beg. Yat. ATenion. tom. 1 Bl 461. Die Einleitang (Quasi lignam
▼ite) sowie Oberhaupt das Schreiben stimmt mit den betreffenden fftr Bo-
logna nnd Padna flberein. S. oben S. 207. Die Behauptung Binis jedoch
p. 57 f., schon froher h&tte ein CoUegium theologomm bestanden, entbehrt
jedes Grundes.
1^ Reg. Yat Com. an. 6. ep. 1 ep. 1392 BL 476 b. Bosd lY, 279
n. 36.
1199) Beg. Yat Com. an. 16. p. 1 ep. 256.
1800) Reg. Snppl. an. 1 p. 1 Bl. 265 a.
^^) Reg. Suppl. an. 2 p. 3 Bl. 101a. Reg. Yat an. 2. p. 4 Bl. 389 b.
Bini p. 208 n. 9.
1«») Reg. Suppl. 1. c. Reg. Yat an. 2 p. 3 ep. 1082. ' Bini l c
p. 205 n. 10.
isos) Beg. Suppl. an. 2 Bl. 105 b.
550 ^* Entwickelnng der Hoehschulen bis ram Ende des 14. Jhs.
Wie andere Universitäten so litt auch Perugia stark während
der Pestjahre ^'^0. Nach tiberstandener Heimsuchung lag der Stadt
daran, das Stadium zum frühem Glanz zu bringen und sie be-
mühte sich durch ihre Gesandten^ unter denen die beiden Rechts-
lehrer Ugolinus Pelloli und Bartolo waren, von Kaiser Karl IV.
ebenfalls ein Privileg zu erhalten. Dieses erschien am 19. Mai
1855. Der Kaiser erwähnt darin nach der stereotypen Einleitung,
dass Perugia zwar das Studium im Jus, in der Medicin und in
den artes liberales besitze, dass es aber theilweise in Verfall
geraten sei. Er gibt nun das Privileg eines Generalstudiums,
bezeichnet den Bischof als denjenigen, der die Licenz ertheilen solle,
und concediert dem Studium alle von den Römischen Kaisem
und Königen andern Studien gewährten Immunitäten'*^'). Unter
demselben Datum stellte der Kaiser noch ein anderes Privileg
aus. Von der Erkenntniss geleitet, dass ein grosser Theil der
Ehre und des Wohlstandes der respublica in viris litteratis con-
8istere\ und von dem Wunsche beseelt, dass das in Perugia
existierende Studium generale ^juris utriusque et aliarum facul-
tatum felida auspicia et continua susdpere incrementa ac longin-
quarum incolas regionum ad ipsius accessum' anziehen möge,
befreit er alle Doctoren und Scholaren, welche zum genannten
Studium gehen oder dasselbe verlassen, sammt ihrer Familie und
der Habe ^ab universis repressaliis, datüs, gabeüis, pedagiis,
vectigalibus, oneribus et collectis', und schärft dies unter An-
drohung seiner Indignation 'et imperialis banni' allen Obrigkeit^
ein. Damit jedoch kein Betrug dabei stattfinden könne, so solle
man den zum Studium Reisenden ihrer, allenfalls auch durch
einen Eidschwur bekräftigten, Versicherung Glauben schenken,
dass sie wirkliche Studierende seien; wenn sie aber die Stadt
1804) 8. Fellini, Dell historia di Perugia I (Yenetia 1664), 953. Die
Acten aus jener Zeit weiseü eben deshalb Lacken auf, und die Stadt be»
Bch&ftigte sich damals sowie die nächstfolgende Zeit natnrgemiss mekr mit
den Medicinem. 8. Rossi Y, 190 n. 69. p. 318ff. n. 71—76. Erst mit dem
Beginn des Schuljahres 1351—1352 finden wir wider Berufungen fttr die
BechtewiBsenachaft.
isoö) Bini p. 206 n. 11. Rossi Y, 374 n. 96. Wegen der Einleitung a,
oben S. 447 Anm. 930.
5. Hochschulen mit pftpstl. n. landesherrl. Stiftbriefen. Perugia. 551
yerliessen, müssten sie 'litteras testimoniales episcopi Perusini
Tel rectoris studü' vorweisen. Den Bischof bestellt er zum Gon-
seryator der Privilegien "°*).
Cardinal Niccolö Gapocci, Bischof von Perugia, stiftete im
J. 1362 das erste GoUeg (unter dem Patrocinium Gregors des
Grossen), und zwar für 40 arme Scholaren, von denen sechs,
welche Theologie studierten, der Bischof von Perugia, die übrigen
aber andere Bischöfe bestimmter DiOcesen wählen sollten^**').
Von diesen Alumnen, welche clerici sein müssten, dürften nur
vier oder sechs die Leges hören. Der Bischof hatte, obwohl er viel
Zeit auf das Studium juris civilis verwendet, in Erfahrung ge-
bracht, ^quod advocationis officium maxime in partibus Italie
dampnationis est anime'^'^^). Nach acht Jahren wurde die Zahl
der Stipendiaten auf 50 erhöht, und die Erlaubniss ertheilt, dass
zwanzig von ihnen leges studieren dürften^'*'). Das Golleg wurde
^domus Sapientiae' (später Sapienza vecchia) genannt, und die
Commune beschäftigte sich widerholt mit demselben, z. B. 1366,
als die Stipendiaten aller Privilegien der Studierenden der
Hochschule versichert wurden, wenn anders sie sich 4n matricula
scolarium dicti studii' einschreiben liessen'"^), und im J. 1389, in
dem man sie ^ab omni jurisdictione rectoris studii' befreite'"^).
Mit Befriedigung konnte die Commune von Perugia in dem
zuletzt genannten Jahre auf die Entwickelung des Studiums zurück-
blicken, und öffentlich aussprechen, dass zu demselben ^de uni-
verso orbe tam doctores scientia et fama preclari, quam etiam
scolares confluerunt, et multi et infiniti scolares viri eminentis
scientie effecti sunt et doctoralibus insignis insigniti, per quos
refloruit scientia, viguit justitia, per quam regna, provincie et
1^ BoBsi y, 376 n. 97. Das Schreiben beginnt: 'Gesaree fortune
fMtigfaua'. Es fehlt in den Reg. Imp. ed. Böhmer-Huber S. 172.
1807) Bini p. 146 ff. Yorsflglich Bosn VI, 52 ff. n. 101. Vgl. auch
PeUini l c. p. 998. Baluze, Yitae papamm Ayenion. 1, 388. 1015. D'Attichy»
Flores histor. s. coUegii Gardinalinm I, 400.
1308) Bosn 1. c. p. 53.
iw) Ibid. p. 59.
mo) Bo88i 1. c p. 164 n. 148.
1311) Ibid. p. 317 n. 240.
552 in. Entwickeinng der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
ciyitates reguntur et gubernantur, quod magnum decorem dicte
civitatis et reipublice pertinuit et pertinet""').
Florens.
Von der Vorgeschichte des Generalstudiums zu Florenz
ist nur sehr wenig bekannt Prezziner hat fast gar nichts
gewusst'*^'); Morelli nicht viel und in seiner Abhandlung finden
sich nicht einmal alle Documente benützt, denen sie vorgedruckt
ist^'^^). Die dürftigen Notizen können allerdings kurz zusalmmen-
gefasst werden.
Ob Buoncompagno und der Mediciner Bartolo, beide Floren-
tiner aus dem 13. Jh., auch in Florenz gelehrt haben, wird nicht
berichtet. Thatsache ist es jedoch, dass in den ersten zwei
Decennien des 14. Jhs. mehrere Rechtslehrer in Florenz sich
aufhielten, welche dort städtische Aemter bekleideten^*"). Sichere
Nachrichten über öffentliche Vorlesungen beginnen indessen erst
mit dem dritten Decennium des genannten Jahrhunderts. Ich
will kein Gewicht darauf legen, dass der Dominicaner Bemigio
Girolami von S. Maria Novella im Jahre 1318 an die Herstellung
einer Schule dachte, die nicht bloss Religiösen, sondern auch
"1») Ibid. p. 313.
isu) Storia del publice studio e delle societä scientifiche e letterarie di
Firenze I (Firenie 1810), 1 ff.
^*) Discorso del prof. G. Morelli in den Statuti della aniveniU e
stndio Fiorentino pabbl. da A. Oherardi. Firense 1881 p. XXY. üeber das
Florentiner - Stadium beginnt er p. XXXI su sprechen. Migliore, Firense
iUustrata (Firense 1684), besonders Gapponi, Storia della repubblica die Fi-
rense (Firense 1875) sind in Besag auf das Studium in Florens noch dttrf-
tiger. Letsterer beschäftigt sich mit demselben I, 325 in nur wenigen
Zeilen, und spricht p. 528 ff. allerdings ausfQhrlicher Aber die elastischen
Studien. Rondoni, Ordinamenti e Ticende principali delP antico stndio
Fiorentino (Archivio stör. ital. ser. 4. t. 14 1884) p. 41 ff. bietet wenig
Neues, kam hftufig nicht über MoreUi hinaus, und war nicht im Stande ein
ToUstftndiges Bild der Entwickelang der Hochschule su liefern. Merkwttrdig
Ist, dass Perrens, Histoire de Florence Y (1883), 420ff. sich noch mit Pressiner
begnflgt, und Gherardis Ausg. der StatnÜ nicht kennt
1M&) S. die Istoria Fiorentina di Marchionne di Coppo Stefani und an*
dere Docnmente heransgg. Ton Ildefonso da S. Luigi t. 10—11 (Firense ms\
susammengestellt Ton Santini im Archiv, stör. ital. ser. 4. t 14 p. 22
Anm. G<
5. Hochschulen mit pftpstl. a. landesherrl. Stiftbriefen. Floren«. 553
den Borgern dienen sollte '"'0, nnd dass er die Signorie um
Unterstützung bat. Es kommt hier zunächst darauf an, was
die Stadt fQr die Schulen gethan hat. Die frühesten Notizen,
dass sich diese des Studiums angenommen hat, stammen aus dem
J. 1320. Sie warf im August dieses Jahres ein Salarium aus
für den mag. Guiciardus de Bononia, der Vorlesungen über Gram-
matik, Logik und Philosophie halten sollte. Er war noch 1323
dort'"'). Zu gleicher Zeit und wohl schon früher trug Giovanni da
Strada Grammatik vor, dem dann 1335 sein Sohn Zanobi folgte '''^).
Im November 1320 wurde auch von der Stadt der ^excellens,
sapiens et expertus vir mag. Bartholomeus de Varagnana fisicus'
bestellt 'ad docendum artem fisice discere volentibus^'"'). Doch
war um jene Zeit der berühmte Mediciner Dinus von Florenz nur
gelegentlich seiner Reise von Bologna nach Siena in Florenz,
mithin in keinem Falle als Lehrer, in welcher Eigenschaft er
im J. 1321 nach Siena berufen wurde, wo er bis c. 1323 blieb
und nach Florenz zurückkehrte ^''®). Wir werden jedoch alsbald
sehen, dass sich damals andere berühmte Professoren in Florenz
aufgehalten haben, trotzdem in den Florentiner^Acten derselben
keine Erwähnung geschieht.
Allen Ernstes gieng die Republik im J. 1321 daran in den
Besitz eines Generalstudiums zu gelangen. Die Auflösung des
Studiums zu Bologna im März — April genannten Jahres liess den
Augenblick zu günstig erscheinen. Da in den königlichen Städten
die Rechte und andere Wissenschaften gelehrt werden sollten
1SI6) Fineschi, Memorie istoriehe degli nomini illustri del conyento di
S. Maria NoveUa (Firenze 1790) p. 178.
»17) 8. Statut! della nniversitä Fiorent p. 277—279.
1^8) Matteo Villani, Istorie, lib. 5. c. 26. Voigt, Die Wiederbelebung
des class. Alterth. I, 163 f. Dagegen bezieht sich Oio?anni Villanis Bericht
Aber die Yerschiedenen Orammatikal-Schulen in Florenz nicht auf die Epoche
Tor 1320. Cronica, lib. 11 c. 93. In einem Acte Tom J. 1346 ist von mehre-
ren Grammatikalschnlen die Bede. Statuti p. 282.
"«) Ibid. p. 278.
!<><>) Dass Dinus, ehe er nach Siena berufen wurde, in Florenz vorflber-
gehend sich aufhielt ergibt sich aus der ihm wegen des Transportes bezahlten
Bechnung in den Libri deUa Biccherna im Archiv zu SieniL 8. dazu oben
8. 437 if. und unten Anm. 1325.
554 ni. Entwickelnng der HochsclinleD bis zum Ende des 14. Jbs.
nnd es Florenz als einer königlichen Stadt zieme, ein (reneral-
stndinm zu besitzen, beschlossen die Priores artinm etc., *doc-
tores in iore canonico et civili et in medicina et in aliis scientiis
et bedellos et alios officiales ntiles ad stadinm generale* zn wählen
und zu dingen '*'0- Einer der ersteren müsse ordinarie, nnd ein
anderer extraordinarie Aber das Römische Recht, je einer über
das Decret nnd die 'Decretalen lesen. Wenigstens zwei Jahre
hatten sie am Stndinm zu bleiben"''). Diejenigen, welche zom
Studinm reisen wollten (mit Ausnahme der Rebellen nnd Ver-
bannten), worden in Schutz genommen. Es wurden Lehrsäle
gemiethet und man kam flberein sich an den Papst zu wenden, um
nicht bloss das Privilegium eines Generalstudiums zu erwerben,
sondern auch mit demselben ^privilegia maxima, que habebantur
Bononie, cum illis privilegiis, clansulis et modis, qui favorabiliores
possint haberi pro studere yolentibus, et maxime, ut clerid,
qui alias a jure prohibentur, studere possint in dicta civitate in
iure civili'. Zugleich sollte ihnen der Papst Dispens von der
Residenzpflicht gewähren. Die Studierenden würden in Florenz
gerade so gehalten werden wie in Bologna u. s. w."'*).
Erst 14 — 15. Mai traf man in Florenz diese Bestimmungen.
Unterdessen hatten aber die von Bologna nach Lnola ausge-
wanderten Scholaren, oder wenigstens ein grosser Theil derselben,
bereits mit Siena den Gontrakt abgeschlossen ^*''). Florenz hatte
zu spät an die Errichtung der Hochschule gedacht
Die Folge war, dass Florenz auch noch jene Professoren verlor,
die sich zur Zeit des eben erwähnten Beschlusses dort aufhielten.
So den Ganonisten Riccovero de S. Miniato, der durch einen
Nuntius eingeladen wurde, eine Professur in Siena zu über-
nehmen""), und den Gvilisten Andreas de Giaffi von Pisa,
1«) Ibid. p. 107.
u») Ibid. p. 478.
^ Ibid. p. lOSff.
^ 8. oben 8. 44$. Bandbi, Gionale stör, degli Arehivi Tom. Y, 88111
^^^) Es geachaJi Ton Florens aiu. 8o im toI 100 deUa Bioehenia
Bl. 184b im StaatMrehiT in Siena. Binchi 1. e. p. 888. Dam liediciimr
Dinu wurden leine HabiehaltoB swmr Ton Flormu naeh SIeaa aberfthrt;
•UbIb er kam von Bologm^, wie er am Seblnme ni 8. Fan das 4. Canons
Avicannas sagt (Cod. Yat 2485 BL 99a)L 8« dasn oben Anm. 1880.
5. Hochsehnlen mit pftpstl n. landesherrl. Stiftbriefen. Florens. 555
welcher ebenfalls gedungen wurde in Siena das Givilrecht zu
lehren, wo er ein ganzes Schuljahr blieb, worauf dann (yom
Herbste 1322 an) Guiglielmo da Ciliano seinen Lehrstuhl ein-
nahm''*^). Zwar wird in den Sieneser-Acten nicht gesagt, dass
dieser letztere Jurist von Florenz aus berufen wurde; aber es erhellt
dies aus einem Documente vom 16. September 1321 der Ciom-
mune von Perugia. Unter dem genannten Datum bezahlten
nämlich die Priores artium von Perugia einen Courier, dass
er nach Florenz gehe, und die beiden Professoren juris civilis
Osbertus von Gremona und Andreas de Giaffi (Zaffis), sowie den
Mediciner Odinus, 'nominatos per rectores scolarium in ciyitate
Perusii pro studio augmentando% einlade nach Perugia zu
kommen^"')' Am darauffolgenden 26. September wurden die
beiden Rechtslehrer formell gewählt^"'). Allerdings war Andreas
de Giaffi damals nicht in Florenz, sondern in Siena. Der Schluss
drängt sich aber von selbst auf, dass der genannte Professor
sich vor seiner Berufung nach Siena in Florenz aufgehalten
hat, die Priores artium in Perugia jedoch von seiner XTeber-
siedlung nach Siena keine Eenntniss hatten und noch immer
der XTeberzeugung lebten, er dociere mit Osbertus in Florenz *"•).
i»6) £r erhielt bereits vom Juli bis December 1821 in Siena die Bo-
sahlang. Vol. 103 della Biecherna Bl. G5 nnd 79 b. Banchi p. 321. Dar-
flber, dass er nur das Schtt^'ahr in Siena blieb, s. ibid. p. 324. Beilftafig
bemerke ich, dass der genannte Professor jnris cinlis in den Sieneser Acten
'de Ciaffi', in jenen von Florenz 'Giafferi', in jenen von Perugia 'de Zaffis'
ingenannt wird. Bartolo, welcher ihn hftnfig citiert, nennt ihn einfach An-
dreas de Pids. Banchi ist im Irrthnme mit der Meinung, derselbe sei von
Siena nach Perugia gegangen.
is^ S. das Docnment bei Bossi, Documenti per la storia dell' univer-
siti di Perugia im Qiomale di emdiaione artistica lY, 282 n. 87. Dem
OsbertDS oder Gisbertus sind wir bereits oben S. 464 nnd 541 begegnet Ehe
er in Florens las, war er in Treviso.
19S8) Bossi p. 184 n. 89.
i'^) Wenn ich oben bei diesem Qegenstande etwas länger verweilt
bis, 80 geschah es auch deshalb, weU sowohl Banchi als Bossi die Facta nur
isoUert auffsssten, Qherardi aber in seinen Statuti della universitä Fior. de
gans ignoriert hat Pancirohis (De claris legnm interpretibus 1. 2 c. 58)
nnd Fabroni (fiistor. actd. Pisaaae I, 44) sind im unrechte, wenn sie An«
dreae (ohne jeden Beweis) vor der Uebersiedlung nach Siena resp. vor seiner
Berufung nach Pelrugia in Pisa lehren lassen.
556 ni. Entwickelang der Hochsohnlen bis lam Ende des 14. Jhs.
Diese Docnmente beweisen aber zagleich, dass in Florenz
trotz des misslungenen Versacbes daselbst ein Oeneralstudimn zn
errichten, das Lehramt nicht vollständig ins Stocken geriet. Osbertns
gieng erst 1322 nach Perugia, nachdem man am 7. Aogust dort
denEntschluss gefasst hatte, ihn durch einen Nuntius zu berufen ^**^.
Aber auch noch im nächstfolgenden Jahre müssen in Florenz Pro-
fessoren dociert haben, denn die Commune von Perugia beschloss
am 1. October desselben Jahres *ad dyitatem Florentie et
Bonnonie' und anderswohin zu senden ^ad procurandum doctores'
für die verschiedenen Wissenszweige"")- Wahrscheinlich kamen
Andreas de Giafß im Herbste 1322 und Osbertus im J. 1328
wider nach Florenz zurück. Wenigstens werden beide im J. 1324
in den Floren tineracten als Professoren erwähnt""). Möglich
wäre auch, dass in dem eben genannten Jahre Gino da Pistoja in
Florenz über Gvilrecht las. Sicher war Cinus damals in Florenz,
wo er mit andern Jurisconsulti ein Gutachten abgab"").
13S0) 8. die interessanten Docnmente bei Boesi p. 288 n. 44; p. 880 n. 46.
Die Commune versprach ihm, sie werde nicht snlassen, dass in lectura ordi»
naria in jnre civili ein anderer Bechtslehrer mit ihm concurriere. Es kam
jedoch anders, so dass Osbert die Vorlesungen einstellte, bis die Commune
ihrer Verpflichtung nachkam. Am 80. Oct. 1825 wurde er wider in Perugia
gewählt. Rossi p. 827 n. 58.
iss^ Ibid. p. 826 a 51.
13SS) Stotuti della uniTorsitä Fiorent p. HO.
13S3) Dasselbe ist von Santini ediert im Archiv, stör. ital. ser. 4. 1 14
p. 80. Santini schUesst jedoch aus dem Docnmente su sicher, Cinus habe
im J. 1324 auch in Floren« gelehrt Zum Abgeben von Rechtsgutaehten
wurden die Juristen nicht selten von anderswo her berufen. So gab i. Bl
Petrus de Bellapertica im J. 1800 mit Hugo von Bisuneio ein Gutachten
Aber das OrOndungsprivileg von Elbing ab, und der Act wurde in Paris von
beiden unterseiehnet (Mon. bist Warmiensis I. Diplomata p. 184 n. 108);
allein Petrus war, weil Legist, nicht Professor in Paris, am allerwenigiteo
aber im J. 1800. Zur Annahme, dass Cinus im J. 1824 in Florens auch
dodert habe, kann nur die vom jungem Scipio Ammirato (Istorle florenUne,
Firenie 1647 I, 892) gebrachte Notis, Cinus habe mit Biccovero da Sammi-
niato im J. 1884 zu Florens gelesen, bestimmen, da dies, wie Santini p. 22
sqq. nachweist, im genannten Jahre nicht wohl möglich war, nuthin das
Lehramt viel eher in das Jahr 1824, als Cinus sicher in Floreni sich auf-
hielt, lu setien ist Ohnehin war eine Verwechslung des Jähret 1884 mit
1324 leicht möglich.
5. Hochschulen mit pftpstl. n. laadesherrl. Stiftbriefen. Florenc. 557
Mehr lässt sich vom Zustande des damaligen Stadiums zu
Florenz nicht sagen. Der Mediciner Thomas de Garbo kann,
wenn er überhaupt da war, nur vorübergehend im J. 1341 in
Florenz gelehrt haben ^''^), gleichwie wohl auch sein Vater
Dinus, der von berühmten Studienanstalten öfters nach Florenz
zurückgekehrt war, möglicher Weise dort, aber auch nur auf
kurze Zeit, dociert haben mag. Ein Generalstudium kam jedoch
in Florenz in jener Zeit nicht zu Stande, und man machte auch
bis zum J. 1348 keine Anstrengungen mehr, um, speciell vom
Papste, ein Universitätsprivileg zu erhalten^'").
Erst in diesem Jahre"'*) und noch unter dem Drucke der
verheerenden Pest beschlossen die Priores artium und überhaupt
das GonsUium ^quod in civitate Florehtie sit et esse debeat per-
petuo Studium generale in iure civili, canonico, in medicina,
philosophia et ceteris scientiis\ Sie wählten mehrere Männer,
die alle Vorbereitungen treffen, die Professoren berufen, die
Wohnungen für diese und die Scholaren bestellen, kurz alles in
Ausführung bringen sollten, was zu einem Generalstudium gehört.
In dieser Angelegenheit könnten sie auch an die Römische Curie
oder anderswohin und so oft es ihnen gefällt Abgesandte
schicken"'^). War man schon durch diese Bestimmungen vom
29. August dem Ziele etwas näher gekommen, so rückte man
demselben ganz nahe durch die Beschlüsse vom December genannten
Jahres. Es wurde nämlich nun auch die Summe von 2500 Gold-
gulden festgesetzt 'ad solvendum et pro solvendo salaria doctorum
dicti studif und die Art und Weise angeordnet, wie die Bezahlung
vor sich gehen solle. Zugleich verbot man bei hoher Geldstrafe
^^ Am Schlüsse eines medicinischen Tractates schreibt Thomas: Ego
Thomas olim Dini medici ümosi de florentia feci primo anno mee lectore
Florentie (Cod. Tat 2484 £1. 224 a). Vgl. dazu oben S. 486 Anm. 883.
1385) Die weitl&afigen Regesten Johann XXII., auch jene der Avignone-
sischen Sammlung, bieten nicht den geringsten Anhaltsponkt.
i396j Die Docomente aus den Jahren 1340 und 1341 in den Statuti
p. 280 f haben für diese Zeit mit dem Florentiner Studium nichts zu thun. Voigt
meint S. 343 wie Tiraboschi und Gapponi, die Eifersucht gegen das 1338 su
Pisa eröffnete Studium habe sn neuen Anstrengungen getrieben. Mag sein;
allein mir scheint, dass dann Florenz nicht 10 Jahre lang gewartet hfttte.
i»7) Statuti p. 1121
558 m* Bntwickelcuig der Hoehschnlen bis sum Ende des 14. Jhs.
jedem aus der Stadt und dem Districte den Besach auswärtiger
Hochschulen; wer bereits an einer solchen sei, mttsse zurftck-
kehren^***). Dies war in Italien und Spanien das gewöhnliche
Zwangsmittel, zu dem man in Florenz schon im J. 1321 grifft''*),
und nur eine Gopie der von den sicilianischen Königen erlassenen
Bestimmungen.
Nach Matteo Villani wurde das Generalstudium ^di catuna
scienzia e in legge canonica e civile e di teologia' am 6. November
1348 eröffnet ^'*^). Qanz richtig scheint mir diese Nachricht
nicht zu sein. Es mögen am genannten Tage irgend welche
Vorlesungen begonnen haben, wie ja auch in der That Thomas
de Gorsinis legum doctor 'ad legendum iura civilia' gew&hlt
worden war^**^). Aber wenigstens Theologie wurde noch nicht
vorgetragen, denn das Oeneralstudium trat erst im Jahre 1349
formell ins Leben. Die Art und Weise wie Clemens YL in seinem
Stiftbriefe vom 31. Mai 1349 davon spricht, Iftsst uns darüber
nicht im Zweifel
Nach der üblichen Einleitung verordnet der Papst, dass in
Florenz % sacra pagina, iure canonico et civili et in medicina
et qualibet alia licita facultate' ein Generalstudium seL Er be-
stimmt aber, dass 4n novitate huiusmodi studii ad docendum et
regendum' solche Professoren gewählt würden, *qui in Bononiensi
vel Parisiensi aut aliis famosis generalibus studiis honorem doc^
toratus vel magistratus receperint'. Diese Clausel spricht gegen
Yillanis Bericht Wie sonst in der Regel, so bestellte der Papst
auch für Florenz den Bischof, eventuell den Capitelsvicar dazu,
die Licenz zu ertheilen "^').
Das päpstliche Schreiben wurde in der Cathedrale während
der Feier der hl. Messe in Gegenwart des Qerus, des Volkes
1^) 8. das DocnmeBt in den Stotnti p. ll^fL Im Aonug bei
Pmsiner p. 284.
^ BUtnti p. 109.
iMO) istorie, Üb. 1 c 16.
^ Statnü p. 116.
^^) Beg. Yat an. 8 Üb. 4. p. 8. ep. 83 BL 58a. StaMiü p. 116. Pxw-
siner p. 887. Es ist ein Irrthnm mit Yoifft L c das päpsUiebe Schreiben
als 'neues' pipttliobes PriTÜegiam in beaeicbnen.
5. Hochschulen mit p&pstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Floren«. 559
und der Stadt-Obrigkeit feierlich verlesen ^'^'). In einem Berichte
darüber an den Papst bittet die Stadt am 11. September 1349
zugleich, dass die Cleriker und Religiösen, auch wenn sie in iure
ciyili studierten, von der Residenzpflicht dispensiert seien ^'^^).
Die Bitte scheint für den Augenblick keinen Erfolg gehabt zu haben.
Das Schicksal der Hochschule war ein wechselvolles, wenn-
gleich nicht in dem Grade, als dies in jüngster Zeit, besonders
von Voigt, behauptet worden ist. Man kann nunmehr bequem die
Geschichte derselben an der Hand der reichen Sammlung von Docu-
menten, die Gherardi publiciert hat^*^^), Voigt aber noch nicht
einsehen konnte, verfolgen. Aus diesen Acten ergibt sich, dass
das Dasein der Florentiner Hochschule an sich zwar nicht
glänzend, aber doch immer schöner war als jenes der Hochschule
zu Pisa während derselben Epoche. Das Hauptaugenmerk richtete
man in Florenz wie überall in Italien auf die Rechtswissen-
schaft, besonders auf das Römische Recht, dann erst auf die
Theologie und die übrigen Wissenszweige, wenngleich man später
für das classische Alterthum eine Vorliebe zeigte. Es ist wahr-
haft rührend zu sehen, wie sich Florenz, kurze Unterbrechungen
abgerechnet, unablässig bemüht hat für das Studium die ersten
wissenschaftlichen Grössen Italiens zu gewinnen. Gelang es nicht
immer, so ist dies nicht ganz auf Rechnung der Stadt zu setzen.
Der Anfang des Studiums war nicht viel versprechend. Die
1351 an Petrarca in Padua geschickte Einladung nach Florenz
zu kommen blieb ohne Erfolg ^'^^). Es mangelte auch sonst an
134») Statati p. 119.
iw*) Ibid.
1^ In den widerholt genannten Statati. Für wenige Uniyersit&ten
des Mittelalters liegt eine so reichhaltige Sammlung yor, wie jene, die uns
hier der noch jugendliche Heransgeber Oherardi f&r die Hochschule au
Florenz geboten hat. Es w&re nur zu wünschen, dasa dieses Beispiel ander-
wärts Nachahmung f&nde. Durch die Florentiner Sammlung werden nicht
wenige Notizen über die Zeit des Aufenthaltes von Bechtslehrem an ver-
schiedenen Generalstudien berichtigt und bereichert. Zu bedauern ist nur,
dass Gherardi bloss die in Florenz befindlichen Acten aufgenommen hat Auf
einige der aus diesem System nothwendig sich ergebenden Lücken habe ich
bereits aufinerksam gemacht.
1M6) s. das Schreiben der Priores artium in den Stotuti p. 293. Das
Antwortschreiben Tom 6. April p. 285. Vgl. über diese Angelegenheiten
Perrens 1. c. p. 423 if.
560 m. Entwickelang der Hochseholen bis som Ende des U. Jhs.
Lehrkräften. Im selben Jahre bewarb sich die Stadt beim Papste
um die Promotion in der Theologie für den Minoriten Bemardas
de Guasconibns, damit er am Stadium eine Lehrstelle in der
Theologie übernehmen könne "*0- Vom October 1349—1352
war für das Bömische Recht, wie es scheint, nur Thomas de
Gorsinis gedungen ^*^*). Wenigstens hört man von andern Pro-
fessoren nichts; und ebenso wenig von Lehrern in andern Fächern.
Es ist dies eine der uninteressantesten Perioden der Florentiner
Hochschule, welche endlich vollständig insStocken geriet^*^'). Wahr-
scheinlich hat Thomas de Gorsinis seinen Curs gar nicht vollendet
Die Gebäude, die man ftlr die Abhaltung der Vorlesungen auf-
führte, waren noch im J. 1354 theilweise unvollendet, und der
vollendete Theil stand unbenutzt da, so dass er schon im ge-
nannten Jahre nahezu eine Ruine war. Man nahm sich nicht
einmal die Mühe, zu Zeiten den Ort zu bewachen, so dass das
Baumaterial, das da und dort herumlag, zum Schaden der Com-
mune entwendet wurde "*^). Man müsste glauben, die Stadt
habe den Gedanken an ein Generalstudium gänzlich aufgegeben,
hätte sie nicht 1355 decretiert, es solle immerwährend ein
solches in Florenz existieren ^"0.
Aber erst zwei Jahre später gieng man ernstlich ans Werk
durch Beschaffung neuer Geldmittel ^'*') und durch Berufung von
Professoren das Studium zu neuem Leben zu erwecken. Dass
dasselbe bereits im Jahre 1357 widererOffhet wurde, schliesse
ich aus einem im Juni 1358 an den Rechtslehrer Argentinus
Domini Raynerii de Forlivio gerichteten Einladungsschreiben,
worin die Stadt ihren Wunsch ausdrückt, 'ut dictum gignasium
ad quod multorum honorabilium scolarium, provectorum etiam,
concursus habetur, floreaf etc.^'"). Zugleich mit dem ge-
i"T) Statnti p. 287.
"") Ibid. p. 124.
1M9) Dies wird sicher durch den Bericht des Matth. Villani, 1. 7 c. 90.
Erst 1357 'gli offisiaU . . . feciono . . . riconünciare lo studio.'
i»0) Ibid. p. 124 ff. n. 18. 14.
i»i) Ibid. p. 127.
^ Im August wurden 1500 Goldgulden, im October 2000 bewilligt
8. SUtuti p. 127 ff.
^3") Ibid. p. 287 n. 13. Dies ergibt sieh flbrigens auch ans einem
5. Hochschulen mit pftpstl. a. landesherrl. Stiftbriefen. Florene. 561
nannten Rechtslehrer wurden Johann de Pagliarensibns^*^^ ^^t
einem Salarium von 500 Goldgulden, Franciscus de Fabriano
mit einem solchen von 400 Gulden und Baldus berufen"'^'),
ohne dass die Einladung ausser bei Baldus Erfolg gehabt hätte.
Im August bis September gieng man an eine Neuberufung. Für
das canonische Kecht wählte .man Riccovero da S. Miniato (mit
300 Goldgulden), der schon einmal dort war, und Piero Corsini,
Sohn des Thomas (mit 100 Goldgulden); für das Givilrecht ausser
Baldus mit 250 Goldgulden für 9 Monate '*''') dieDoctoren Bartho-
lomeus von Rimini und Francesco Bichi (mit 200 Goldgulden).
Diese nahmen die Einladung an, wie aus einem Documente vom
17. April 1359 zu ersehen ist. Die Professorenzahl scheint 10
betragen zu haben. Denn ausser den erwähnten lasen noch der
Dominicaner Peter de Strozzis""), welcher Theologie vortrug,
und zwei Medianer sowie zwei Philosophen. Zu diesen 10 Pro»
fessoren kommen noch einige, und zwar Einheimische, welche
unentgeltlich lehrten, unter ihnen ragt hervor der Ganonist Lapo
de Castiglionchio.
Die Stadt entwickelte von nun an eine fieberhafte Thätigkeit.
Die Studierenden wurden den Bürgern gleichgestellt''""), und
man bat einige Cardinäle, sie möchten den Papst bewegen, dass
er die Dispens von der Residenzpflicht für die Studierenden
«rtheile und zugleich gestatte, dass die von Honorius IH
Ausgeschlossenen die Leges und Medicin studieren dürf-
ten'"''). Man wandte sich ferner an die verschiedenen Orden,
Acte Tom 26. April 1359, worin gesagt wird, dass die Miethe fVüt die Ge-
bftnde, in denen die Yoriesungen gehalten wflrden, vom vergangenen 15. Sept.
1857 ab gezahlt werden solle. Statut! p. 131 n. 21. Vgl. daia Anm. 1349.
iSM) S. oben & 546 Anm. 1287.
1S56) sututi L c.
iSM) 8. Statut! p. 288-293. Voigt meint, Baldo hätte 1364 Torflber-
gehend in Florenz gelesen. Nur ein Blick in Savigny YI, 219 h&tte ihn
Tor dieser Behauptung bewahrt.
1^7) Er wurde auf dem Provincialcapitel der röm. Provinz zu Bom im
J. 1324 mit zwei andern far das Studium in Paris assigniert. Cod. im Oe-
neralarchiv des Dominicanerordens BL 234 a.
1858) Statut! p. 130 V. 18. Febmar 1859.
1359) Ibid. p. 132 V. 22. Jon! 1359. Vgl. aaeh p. 136 n. 25. Die
DenifU, Die UniTeniaten L 36
5^2 ^11- fintwickelung der Hochschulen bis sam Ende des 14. Jh».
tun taug^che Theologie - Professoren zu erhalten"^®), be-
diente sich fast einer List den Rechtslehrer Nicolana Spindlus
Yon Bologna zu gewinnen ^'^^), ordnete zweckmässiger die Vor*
lesuBgen in den verschiedenen Fächern ^*^'), sorgte für tüchtige
Lehrkräfte^'") u. s. w. Im J. 1360 trat, durch Boccaccios Be*
mflhen, selbst ein Lehrer des Oriechiachen auf, nämlich der Gala*
brese Leonzio Pilato^'^^). Vom 6. November desselben Jahres bis
1. October 1361 wurde Francesco Bnini mit einem Salarium von
80 Gulden bestellt über Rhetorik zu lesen ^'^*), und im Herbste
1362 Baldus neuerdings berufen^"'). Am 9. December 1359
fand in der Kirche S. Reparata unter grosser Feierikhkeit die
erste Promotion in der Theologie statt, nämlich die des fr. Fran-
cesco di Biancozzo de' Nerli de' FratiRoinitani^*^^. Es ist dies
einer der ersten Fälle, dass in Italien an einer Hochschule,
wenn man von der der Rom. Curie absieht, in der Theologie
promoviert wurde.
Ani 2. Jänner 1364 erhielt das Studium von Karl IV. auch
das kaiserliche Privileg*'*^). Der Bischof von Florenz, Piero
Bitte wurde im Febr. 1365 widerholt. SUtnti p. 142 n. 32. Erst Bonlfax IX
dispensierte am 10. Dec. 1392 vom Verbote Honorins III. Statati p. 173 n. 74.
iMO) Ibid. p. 293 f. n. 17. 18; 295 n. 19 an den General der Domini-
eamer. Hier wird geaagt, dass bereits die Augastmer- Eremiten and die
Fransiseaner ihre Bitten gew&hrt hatten. Am 5. JaU 1363 gab Urban V.
dem Kanzler Ton Paris den Auftrag den Serviten Anton Manucii aas Flo-
renz SU promovieren 4n theologica facultate', da ihn der Orden in FloreuE
nothwendig brauche, 'cum in civitate Florentina vigeat Studium generale'.
Reg. Yat. Ind. an. 1 ep. 343 Bl. 96 b.
13<») Ibid. p. 295 n. 20.
1868) Ibid. p. 137 n. 26. Septemb. 1361.
IMS) Ibid. p. 29S£
1M4) Bocatius, Deorum libri XV, Üb. 15 c. 6. A. v. Reamont, Lorenio
de' Medici, I, 378. Voigt 1. c. S. 343.
1M6) Statati p. 297 n. 21.
isee) Statut! p. 808 n. 29 vgl. mit p. 302 n. 28. Savigny 1. c «nd
Bondoni p. 47 lassen Baldus unausgesetst von 1358^1364 in Florenz lehren
(daniaflh Schulte II, 275 Anm. 2) ; allein 1860—1862 war er wahneheinUch
in Perugia.
1867) iiatteo Yillano, Istorie L 9. o. 58.
>M8) SUtuti p. 139. Preiziner p. 281. Dieses Schreiben ist endlich
einmal von den Qbrigen Stiftbriefen Karls IV. ..etwas verschieden.
5. Hochachttlen mit pftpstl. a. landestaerrl. Stiftbrtefon. Floreni. 663
Gorsini, bat den Kaiser, er möge das Studium ^quod inibi viget,
etiam ad sacri splendorem Imperii auctoritate sacri imperii er!«
gere'. Der Kaiser bewilligt dies und bestimmt ^de imperatorie
potestatis plenitudine, ut in ipsa civitate Florentina Studium
Perpetuum sit et habeatur in sacra pagina, in iure civili et
canonico, ac mediana, philosophia, loica et gramatica ac quatis
alia licita facultate*; er gestattet die Promotion, gibt dem
Bischöfe eventuell dem Gapitel die Gewalt dieselbe vorzunehmen,
beschenkt die Studierenden mit den Privilegien anderer Oeneral-
Studien und nimmt sie in seinen Schutz ^'^').
Unter den berühmten Rechtslehrern, die in der nächsten
Zeit lasen, finden wir den Legisten Riccardus de Saliceto^"'*),
und den Ganonisten Lapo de Gastilionchio, der vom Herbst IS64
bis 1865 gegen Salarium docierte^*''). Mit ihnen lehrten noch
vier weitere doctores legum, ein doctor decretorum, nämlich
Gino da Pistoja^'^'), 5 magistri theologiae (welche den ver-
schiedenen Orden angehörten)^ '^'), 2 magistri artium und 2 Medi-
einer ^''*). Im J. 1365 bewarb sich Florenz neuerdings, und
zwar beim Papste, um die Rückkehr Petrarcas"'*), im April
1366 um Baldus, dem man 400 Goldgulden ^boni et puri auri, recti
ponderis et conii florentini' versprach "^^). Beide kamen jedoch
nicht "'^). Bis zum Jahre 1378 nahm aber dennoch das Studium
1369) Interessant ist es, dass Leo X.ain 81. J&nner 1516 nur das Prifileg
Karls IV. erw&hnt ond ausdrficklich anfährt, er habe 'de imperatorie potes-
tatis plenitudine' verfOgt, dass in Floren« 'in sacra pagina, in iure cano-
nico et civili' etc. ein Studium generale sein solle. Bei Pressiner L e. p. lU»4ff.
1370) statnti p. 300 n. 26; 305 o. 32. Vom Herbste 1864 ab.
1371) Statttü p. 807 n. 35. Also nicht erst 1367 wurde er, wie Schnlte
II, 270 f angibt, mit einem Gehalte angestellt. In den spateren Jahren las
der jflngere Lapo, und 1367 wider der ftltere.
1372) Dieser darf nicht mit dem Legisten Cino da Pistoja, der bereits
Ende des Jahres 1386 oder Anfangs 1887 (s. Ghii^peUi L c. p. 77) ge-
storben war, verwechselt werden. Perrens achtote wie es scheint p. 486
nidit darauf.
1378) Statnti 1. c.
1374) Statnti p. 809 n. 86.
1376) Ibid. p. 314.
137«) Ibid. p. 816 n. 44.
86»
564 ^11« Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14 Jhs.
seinen regelmässigen Fortgang ^'^^). In die Zwischenzeit, nämlich
in das Jahr 1373, fällt die Gründung eines Lehrstuhls für Vorlesun-
gen über Dante, die bis 1375 Boccaccio hielt, dem dann andere
Lehrer folgten'"*).
Eine kleine Unterbrechung erlitt das Stadium durch die
Eum P&belregimente von 1378 führenden Unruhen ^^^'). Allein
am 19. Juli 1383 dachte man wider daran 'sacrarum legum atque
liberalium artium Studium in civitate reducere'. Eine neue Norm
für die Fond3 und die Bezahlung des Salariums wurde am
14. Juli und 22. October 1385 aufgestellt '*''). Da man 'civilis
precipue iuris solemnissimos doctores' erwerben wollte, so richtete
man natürlich wider das Augenmerk auf Baldus^"'), den aber die
Peruginer nicht fortliessen. Ein interessanter Wettstreit entspann
sich zwischen Florenz und Bologna um den berühmten Rechts-
lehrer Angelus von Perugia. Er hatte sich den Florentinern
verpflichtet vom Herbste 1389 an bis zum Herbste 1391 über
Sfim. Recht zu lesen ^'*'). Währenddem schloss Bologna mit ihm
1377) Zwar legt Rondoni im Archiv, stör. ital. 1. c. p. 48 einen beson-
deren Nachdruck darauf, dass die 'Commissarii et officiales guerre communis
Florentie' am 22. December 1369 Yolle 20 Lire ausgaben 'pro expendendo
in faciendo fieri mangiatroias in studio occasione gentium ecclesie, marchio-
nia Ferrarie et domini Rodolfi^ (Statu ti p. 161 n. 56). Allein was soll darans
folgen, wenn man bei solchen Anlassen die ger&nmigeren Studiersftle Dar einen
oder mehrere Tage benütst? Etwa, dass das Stadium unterbrochen wurde?
Wie oft könnten dann in unsem Tagen die UniTorsitäten Ton Unterbrechun-
gen w&hrend der Eriegiseiten erzfthlen? Kaum macht es einen Unterschied,
ob man mit Rondoni *mangiatoie', oder anf Grund des Documentes 'mangia-
troie' schreibt.
WTO) 8. Perreas L c. p. 427 f.
1^7^) 8. Beumont 8. 878. In den Acten ist eine Lücke iwischen den
Jahren 1378 resp* 1879 und 1S88.
U80) Statut! p. 162 n. 58; p. 165 n. 61.
^1) SUtnti p. S49 n. 81.
^^ SaTigny sieht VI, 252 aas mehreren Gonsilia des Angelus den
Schlass, derselbe habe 1888 in Florens gelesen. Ans den Acten jedoch.könute
man mit Sicherheit schliessen, dass die Jahrsahl in den Drucken resp. Hss.
irrig sei. Am 10 Jänner 1891 sagen nftmlich die Beformatores Stadii, er
habe sich Florens fOr swei Jahre verpflichtet, und der Termin h6re mit
October desselben Jahres auf (Statuti p. 857 n. 91). Am 8. Sept 1890
sagen dieselben, der Contrakt dauere noch ein ganzes Jahr (ibid. p. 856
5. Hochschulen mit pftpstl. n. landesherrl. Stiftbriefen. Florens. 565
eioen Gontrakt ab, und wollte ihn vom Herbste 1390 am eigenen
Studiom besitzen. Florenz protestierte zuerst, sagte aber
dann unter der Bedingung zu, dass er 1391 zurückkehre, tun
seiner Verpflichtung das noch ausständige Jahr zu lesen nachzu-
kommen^'^'). Allein bald reute es die Reformatores studii und
sie hielten ihn zurück unter Angabe des Grundes: nimis foret
onerosum nobis, studio iam sicut cemitis mediato, talem docto-
rem absolvere*"*).
Das Generalstudium erhielt am 14. Februar 1388''*') die
Statuten, die in mehr als einer Beziehung interessant sind,
und uns im 2. Bande beschäftigen werden^'").
Die Hochschule blieb nun, Unterbrechungen wie die vor
1412 mehrere Jahre andauernde abgerechnet, bestehen bis zum
J. 1473'"'). Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der Zu-
D. 89). und doch mnss Angelas schon seit Herbst 1387 Professor in Florenz
gewesen sein, denn er war Febmar 1388 bei Abfassung der Statuten zuge-
gen (Statnti p. 4). Der Contrakt, den er also 1389 eingieng, war nur ein
neuer, und schliesst nicht aus, dass er bereits früher dort lehrte.
is^) Statnti p. 356 n. 90. Das Schreiben der Reformatores ist vom
10. Jänner.
13S4) Ibid. p. 357. Angelas gieng erst Herbst 1391 nach Bologna. Er
war aber 9. October noch in Florenz. Statnti p. 359 n. 93.
1M5) Durchweg sagt man (der Fehler findet sich auch bei Perrens 1. c.
p. 428), die Statuten seien vom Jahre 1387, TerfOhrt durch die Vorbemer-
kung: anno D. ab eins incamatione miUes. trecent. octuagesimo septimo,
indict. undecima, die decima qnarta mensis Febmarii. Allein dies ist nach
dem Florentiner Galcnlus, dem zufolge die Jahre der Incamation bekannt-
lich 2 Monate 25 Tage später als nach unserer Zeitrechnung anfiengen. Der
14. Februar 1387 ist nach unserer Rechnung 14. Februar 1888, was man
schon aus der Indictio hätte ersehen können. Morelli 1. c. p. XL hat die
richtige Ansicht. Trotzdem wurde Rondoni im Arch. stör. ital. 1. c. pp. 49.
64 nicht vorsichtiger gemacht, und er vergisst üherhaupt die Daten in die
heutigen umzusetzen.
198«) Sie sind nun Tollständig gedruckt in den Statnti p. 11—101.
^) Prezsiner 1. c. p. 69 und ihm folgend Perrens meinten, das Sta-
dium sei schon 1404 unterbrochen worden. Allein dem ist nicht also. Am
21. Jänner 1405 sendete die Universität einen, wenngleich kleinen, Rotulus
an Innocenz VII. ein (Statut! p. 383 n. 123), in dem 23 Studenten sei es in
iure canonico sei es in civili genannt werden. Am 17. Augast desselben
Jahres bewarb man sich um den berOhmten Ganonisten Franciscus de Za-
barellis (ibid. n. 124). Eine Lacke gewahren wir erst nach 1406.
566 ni. EnlwiclLehing der Hocbscbiilen bis zum Ende des 14. Jbs.
stand derselben in dieser Epoche ein besonders blühender gewesen
sei. Namentlich die Rechtswissenschaft fand immer weniger Ver-
tretnng« Es ist aber bezeichnend, dass man gerade jetzt an die
Stiftmig änes Collegs dachte. Im J. 1429 wurde nämlich ehi
^domus sapientie' für arme Scholaren gegründet^"').
Da diese Periode ausserhalb meiner Anfgabe liegt, so he^
merke ich nur, dass die Signorie noch am 29. Februar 1472
5 Bürger zu Ufficiali dello studio erwählte, welche, da dasselbe
in Abnahme sei, die Vollmacht haben sollten, ^di providere air
ordine d'uno hello et degno studio nella cittä di Firenze* ^''*).
Allein 18—22. December beschloss man, besonders auf Betreiben
Lorenzos de' Medici, die Hochschule nach Pisa zu yerpflanzen.
Man gestand, dass ^alla Signoria di Firenze di tutti e grandi
omamenti solo mancha havere uno degno et riputato studio
nelle sue terre', und dass Florenz nicht ein iuogo commodo per
studio' sei, ^come la experientia giä altre volte, quando ci s'e
facto studio, l'ha dimostro'. Pisa sei der geeignete Platz. Am
1. November 1478 solle das Oeneralstudium dort eröfihet werden,
so dass mit jenem Zeitpunkt die Gontrakte, welche man mit den
für Florenz salariierten Professoren eingegangen, als aufgelöst zu
betrachten seien, sollten dieselben auch für längere Zeit abgeschlossen
worden sein'"^). Dieser Bestimmung folgte dann die Ausführung,
wenngleich dies nicht so zu verstehen ist, als sei nun Florenz
der Schulen vollends beraubt worden"").
Piaoeniai
Es erübrigt noch zwei italienische Hochschulen, Piacenza
und Pavia, zu behandeln, deren Beschreibung schon deshalb zu-
sammengehört, weil sie in einer Periode stark ineinander griffen
und sie von einander entlehnten.
Gewiss ist, dass in Piacenza bereits Ende des 12. Jhs.
Rechtslehrer auftraten. Namentlich werden genannt Placentinus,
isw) Statuti p. 810 n. 117; 815 o. 318.
u^) Slatoti p. 272 n. 179.
^ Btaittti p. 278 n. 181.
it9ij 8, ^e loireffendea Bemerkungen Rondonis 1. c. p. 218ff.
5. Hochschulen mit p&pstl. u. laadesherrl. Siiftbriefeii. Placenita. 567
der widerbolt dort las'*"), und Garohis de Tocco""). Andere
Nachrichten bis anf die eine, dass dort eben aach eine Doin^
schule existierte, von der sich eine Notiz aus dem J. 1215 er*
halten hat^"^), sind unsicher. Als Honorius UL am 30. November
1225 verschiedenen Bischöfen, unter andern auch dem von
Piacenza auftrug, den Glerus von Pavia, der ^pro defensione
libertatis ecdesiastice' ins Exil habe wandern müssen, in ihreKii^chen
und Diöcesen zu vertheilen, ist nicht mit einer Silbe von einem
Studium die Rede^'"'^). Piacenza war aber nach Toulouse, und
in Italien überhaupt, die erste Stadt, welcher ein pftpistliehes
Privileg eines Generalstudiums zu Theil wurde. Am 6. Februat
1248 bewilligt Innocenz IV. nicht bloss um des Bischofes willen,
sondern auch ^ob ipsius civitatis augmentum generale inihi fieri
Studium', und er gewährt den Professoren und Scholaren In
quacunque facultate in predicta civitate studentibus^ alle Privi*
legien, welche sie in Paris, Bologna und an anderen General-
studien besitzen"'*).
lieber die Ausführung ist fast nichts bekannt. Ich finde
nur, dass derselbe Papst am 13. Juli 1250 dem Mag. Hugo
phisictts de Placentia, der in phisica et cirurgia peritus^ war,
erlaubte 'secundum artis traditiones et regulas' die Kunst aus*
zuüben, ohne dass er deshalb vom Empfange der Weihen ans*
geschlossen sei"'^). Am 10. October 1275 wird auch der
Rechtslehrer Guido de Suzaria als dort existierend erwähnt^'*'),
1399) s. Savigny, Gesch. des Rom. Rechts lY, 251 f.
i«M) Savigny IV, 199 f. V, 178. 207. Dort steht auch der Nachweis,
dass darch Irrtham dem Carolas de Tocco der gteiehceitige Reehts^
lehrer Roger substituiert wurde. Von Saviguy selbst geschah es noch III, dd8|
und es geschieht auch heute noch von allen, die nur Savignys Abschnitt
aber die Universitäten oder Altere Autoren lesen.
1^ Man findet sie bei Campi, Bist, univers. delle eose eccles. come
seculari di Piacensa II (Piacenaa 1659), 187 f. Poggiali, Memorie storiehe
di Piacenza V 221 f. hält sich mit Recht an keine Hypothesen.
1395) Beg. Vat. an. 10 ep. 111 Bl. 97 a.
1896) Campi 1. c. p. 399 n. 91. Poggiali, Meknorie storiche di Piacenza
y, 220. Bull Rom. ed. Taur. III, 536. S. auch die Ohroniken bei Mara*
tori, Rer. ital. SS. XYI, 464; XX, 988.
1^7) Reg. Vat. an. 8 ep. 12 BL 3 a.
1898) Campi 1. c. p. 189.
568 11^« EntwickeloDg der Hoehseholeii bis zum Ende des 14. Jhs.
nnd vier Jahre darauf ein gewisser Guglielmo de' Capponi^'**).
Vielleicht lehrte auch daselhst Wilhelm de Saliceto das eine oder
andere Mal die Medicin^^^®). Allein es sind dies nnr vereinzelte
Fälle, aus denen man nicht erschliessen kann, dass der Stiftbrief
in Kraft getreten ist Man darf sich deshalb nicht wundem,
dass man auch im 14. Jh. bis gegen das Ende desselben von
den Quellen so ziemlich im Stiche gelassen wird. Am 16. December
1308 erlaubt Benedict XL dem Francischinus de Ziliano ^Scolaris
Placentinus', dass er non obstante defectu natalium die Weihen
erhalten könne ^^^0- Sowohl Gampi als Poggiali vermögen fOr diese
Periode nur einige obscure Namen anzuführen, und dem Rechts-
lebrer Albert de Ripalta ist 1471 der Beweis nicht gelungen,
dass alle jene gelehrten Placentiner, die er aufzählt, auch in
Piacenza dociert haben, oder dass man nach dem Privüege Inno-
cenz IV. promoviert habe'"').
In der 2. Hälfte des 14. Jhs. war vorderhand an eine Neu-
belebung des Studiums gar nicht zu denken, denn Giovanni
Galeazzo verbot 1361 und noch 1392 den Studierenden seines
Gebietes sich anderswohin als nach Pavia Studien halber zu be-
geben'"'). Er dachte also ebensowenig an ein anderes Studium,
wie an die Salariierung von Professoren in Piacenza. Campi,
der dies nicht wusste, setzt in das Jahr 1386 die an den
Forsten gerichtete Klage des Gollegium judicum, ^licet magnas
expensas fieri fadatis pro salariis doctorum forensium nuper
augmentatis, tamen Studium quoüdie diminuitur. Hoc autem
contingit quia ipsi doctores non possunt insistere ad lecturam
et ad questiones et ad litigia, in quibus pro maiori parte insi-
stunt, cum satis eis esset dicte lecture in8istere\ Die Professoren
»«w) Ibid.
1400) 8. Poggiali, Memorie per U storia letteraria di Piacenza. Piacenia
1789, 1, lü
i^i) Beg. Vat an. 1. ep. 188. Bl. 85 a. S. Oran^jean, Les regittras de
Benoit XI n. 148.
1401) Bei Moratori, Ber. itaL 88. XX, 984. Scarabelli, DeUa mÜTer-
itta in Piacenza (Piacenza 1877) p. 5 erwfthnt anch eine Loealnotis Tom
J. 1819, ein Hans betreifend, *in qna regnntnr scbolae'.
1^') Memorie e documenti per la storia dell' onifersiti di Paria II
(Pavia 1877), 3 n. 2; 8 n. 7.
5. Hochschnleii mit p&pstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. PiaceDsa. 569
seien ausser Stand ^ad augmentationem studii' beizutragen ^^®^).
Diese Klage kann jedoch erst aus der Zeit stammen, als das
1398 gegründete Studium wider in Abnahme war, nämlich
c. 1402. Keinesfalls fällt sie in das Jahr 1386''''}. Hiermit
sind wir auch bei der Epoche angelangt, in welcher von einem
wirklichen Generalstudium zu Piacenza die Rede sein kann.
Am 1. Jänner 1398 erliess Graleazzo Visconti einen Stift-
brief, worin er zuerst seinen Willen kund gibt, in civitate Pla-
centie generale Studium instaurandum'. Kraft der Autorität, die
er als Herzog vom Römischen König Wenceslaus erhalten
habe, gewährt er den Bürgern ^ut in predicta civitate Placentie
generale Studium utriusque iuris, vid. tam canonici quam civilis
nee non Philosophie, medicine et artium liberalium ac quarum-
cunque scientiarum approbatarum erigant\ Allen Universitäts*
Mitgliedern gibt er die Privilegien von Paris, Padua, Bologna,
Oxford, Orlöans', Montpellier, Pavia, Perugia, bestimmt den
Bischof von Piacenza dazu die Licenz zu ertheilen, und nimmt
alle Professoren und Scholaren sammt ihrer Habe in
seinen Schutz'''^}. Am 8. Februar wurde das Privileg nach
Piacenza gebracht '0. Vollen Effect erhielt aber dasselbe erst
einige Monate später. Am 28. October desselben Jahres ver-
1^) Document bei Camp! p. 190.
1M&) In den Statuta antiqua Gomonis von Piacenza aus dem J. 1391
ist zwar wohl auch vom Salariam judicum die Rede, allein nicht hinsichtlich
der Schale. In dieser Beziehung wird nur die solutio magistrorum gramma-
tice erwähnt. Statuta varia civitatis Placentiae, Parmae 1860 p. 351.
^^^) Muratori 1. c. XX, 936. Gampi III, 307 n. 61. In Bezog auf das
Datum herrseht eine heillose Verwimmg. Campi III, 175 wie auch Poggiali
1. c. Vn, 60 schlagen das Jahr 1399 vor, weil diese Jahrzahl zunächst mit der
Indictio YII. stimmt, und Ripalta (bei Muratori 1. c. p. 938) ebenfalls so
lese. Allein diese Jahrzahl passt nicht zu den oben angefahrten Acten-
stficken. Zudem sagt der gleichzeitige De Mussis, das Privileg sei 8. Fe-
bruar 1397, die Annali Milanes! (Muratori 1. c. p. 832), es sei 8. Februar 1898
in Piacenza eingelangt. Dass das Jahr 1398 sich am wahrscheinlichsten er-
weise, wird sich oben ergeben. Das herzogliche Privileg wurde auch sonst
corrumpiert resp. interpoliert Der gegenwärtige Bischof von Piacenza wird
GuillelmuB de Gentueriis genannt; allein dieser war 1383— 1386 Bischof von
Piacenza; 1886^-1402 war er Bischof von Pavia (S. Poggiali 1. c. YII, 60).
"07) s. die vor. Anm.
570 in. £Dtwicke1ung der Hochscbnien bis zum Ende des 14. Jhs.
ordnete Giovanni Galeazzo, dass die Universität von Pavia nach
Piacenza verlegt werde, welcher Bestimmiing auch alsbald die
Ausführung folgte"'*).
Betrachtet man dieses Actenstück näher, so ergibt sich,
dass die Ansicht derjenigen, welche den oben genannten Stift-
brief in das Jahr 1399 setzen "'*), unhaltbar ist Denn in dem
Erlass vom 28. October wird das Studium zu Pavia noch als
bestehend angegeben, da der Herzog dem Studium von Piacenza
auch die Privilegien desjenigen von Pavia ertheilt Dasselbe
erhellt aus dem Stiftbriefe selbst, denn er beweist durch seinen
Inhalt, dass damals dem Herzog noch gar nicht in den Sinn
gekommen war, das Studium zu Piacenza durch die Transferienmg
der Schule von Pavia zu begründen, im Oegentheile sagt er, die
Bürger selbst sollten es errichten. Endlich wäre nach Verlegung
des Studiums kein Stiftbrief für Piacenza nöthig gewesen, zudem
der Herzog in dem betreffenden Acte vom 28. October 1998
ohnehin verfügt, es sollten in Zukunft alle, welche den Studien ob-
liegen wollten, nach Piacenza gehen.
Am 26. November 1398 wurde vom Vicare des Herzoges,
der bestellt war dasjenige, was nothwendig sei 'pro felici studio
inchoaturo in civitate Placentiae' zu ordnen ^^'®), eine Wohnung
für den Rechtslehrer Christoforus de Maletis gemiethet. Da hier
noch vom ^Studium inchoaturum' die Rede ist, so folgt, dass de
Mussis im Irrthum ist, wenn er den oben genannten Stiftbrief
in das Jahr 1397 setzt und das Studium am 4. December des-
selben Jahres beginnen lässt'^^^). Wir müssen vielmehr nun
schliessen, dass, wenn die Studien am 4. December angefangen
haben, dies nur im J. 1398 gewesen sein kann, was durch ein
gleichzeitiges Document vollends bestätigt wird"").
i40Sj Qatti, Histom gymnasii Tieinenais p. 188, ciUerft das
obwohl er glaubt, es sei nicht in YoUzug gebracht worden, gestatit auf die
irrige YoraassetBaDg, Boniftti IX. habe 1899 lllr Pft?ia den Süftbiief er-
lassen. S. nnter Pavia.
^409) S. Anm. 1406.
itio) 8. das Docament bei Gampi II, 190. Auch hier indet sich In*
dietio yn.
1«») Moratori XVI, 558. Tiraboachi ist mit De Mussis Ar 1897.
i4i2j Im Besitie ScarabeUis, der es in seiner Istoria dvile dei dacati
5. Hochschnlen mit pftpstl. u. landeslierrl. Stiftbriefen. Piacenza. 571
Die Hochschule zu Piacenza stand plötzlich in voller Blüthe da.
Bipalta hat uns die Namen der Professoren der verschiedenen
Fächer sammt dem Salarium, das sie empfiengen, hinterlassen^^'').
Es sind nicht weniger denn 71 resp. 67. Freilich lasen sie
nicht alle zugleich in dem ^inen Jahre 1399, wie man gewöhn«-
lieh annimmt, sondern sie waren sicher auf die Jahre 1898 — 1402
vertheilt. Die Anzahl bleibt aber immerhin eine enorme. 27 Pro-
fessoren des Römischen Rechts , unter ihnen Baldus , und
10 Professoren des canonischen sind vertreten. Unter den 22
Medicinem waren die berühmtesten Hugo Benzi und der Averroist
Marsilio di s. Sofia. Andere docierten Philosophie, Astrologie,
Grammatik, Rhetorik, Notariatskunst, Dante, Seneca, die Au-
etores, und einer Theologie. Baldus hatte als Besoldung im
Monat 164 Lire, Marsilio di s. Sofia 170 Lire. Von den übrigen
kam im Monat keiner auf 70 Lire.
So rasch aber das Studium gestiegen war, ebenso schnell
sank es wider. War es vielleicht schon vor dem Tode Gale-
azzos n. (3. September 1402) im Rückgang, da viele Studierende
anderswohin zogen, so geriet es nach dessen Tod vollends ins
Stocken. Es lasen zwar noch einzelne Professoren, und es blieb
ein GoUegium judicum*"*) sowie ein Gollegium medicorum dort be-
stehen"^*). Allein mit der Hochschule hatte es ein Ende. Wie
sich unten (unter Pavia) ergeben wird, existierte sie im J. 1404
sicher nicht mehr, im J. 1412 aber restaurierte Filippo M. Vis-
conti duca di Milano wider das Studium zu Pavia, und verbot
unter harter Strafe den Scholaren seines Gebietes irgendwo
di Parma, Piacenza e GnastaUa II, 218 Anm. anfahrt. Somit haben die
Annali Milanesi nnd Locati, De Placentinae urbis origine. Gremonae 1564
p. 188, wo ebenfalls das Jahr 1398 angegeben wird, am besten gesehen.
In der oben erwähnten Schrift über die Universität Piacenza fiberspringt der
fahrlässige Scarabelli nahezn das Factum. Man erfährt Ober jene allein
interessante Periode in der Geschichte der Universität Piacenza p. 6 f. nur,
dass 4. December 1898 das Studium von Pavia nach Piacenza verlegt worden
sei und es dort circa 4 Jahre bestanden habe.
1413) Bei Muratori XX, 939—941; Locati 1. c. p. 189. Campi H, 191 ff.
hat den Gatalog erläutert.
1414) Die Statuten vom J. 1485 sind gedruckt in den Statuta varia ci-
viUtis Placentiae, Parmae 1860, p. 467.
141&) S. die späten Statuten ibid. p. 559.
572 ni. Entwickelang der Hochschalen bis zum Ende des 14. Jhs.
anders als zu Pavia zu studieren ^^^*). Francesco Sforza ver-
pflichtete sich femer am 18. September 1447, in keiner andern
Stadt als zu Pavia ein Generalstudium zu dulden ^^^0* Unter
solchen Umständen hätte eine Hochschule in Piacenza sich nicht
mehr halten können, wenngleich fortwährend Schulen dort waren,
die den Anstrich einer Universität hatten'^**). Den Verlust
der Hochschule verschmerzten aber die Placentiner nicht so
leicht, und im J. 1471 sagte ihr StimmfQhrer Ripalta vor dem
Senate in Mailand: Videretur, patres optimi, ut posteaquam
civitas Papiae tam longo tempore studio fiiit impinguata et
urbs Piacentina reparatione indiget quammaxima, Studium gene-
rale residens Papiae ad nos transmitteretis^^'')-
Parat.
Unvergleichlich ruhmreicher als Piacenza steht Pavia da.
Ehe Bologna als eine Städte der Bechtswissenschaft genannt wurde,
besass Pavia eine Schule derselben**'^). Auch wurde die Stadt
in den Gonstitutiones Olonnenses als Sitz einer Gentralschule
bestimmt'*^'). Vorübergehend hört man später von Studierenden
in Pavia. So schreibt ein Scholar seinem Oheim 'me divina
misericordia Papie studio legum et dialectice alacrem et sanum
nocte dieque adherere^^"). Vor dem 12. Jh. genoss ein Lanfiranc
^^^^) Memorie per la storia dell' nniTersiU di PaTia II, 8 n. 8.
i"7) Ibid. p. 11 n. 12.
U18) Vgl. Scarabelli, Della nniversitä in Piacenza p. 7. AUerdings muss
man diesem Autor die Anachronismen Terzeihen; es würde sich ergeben dass
Paul III. schon 1435, also 100 Jahre frflher als in Wirklichkeit, re-
giert h&tte.
1^19) Mnratori 1. c. p. 935.
1^^) S. oben S. 44. Merkel, Die Geschichte des LangobardenrechU
(Berlin 1850) S. 13—16. Stark berichtigt werden die ResulUte dieses Autors
durch Ficker, Forschungen zur Beichs- und Bechtsgeschichte UI, 44 ff.
lAsi) S. oben S. 13 Anm. 66. Ein Document yom J. 1412 greift nicht
zu weit zurflck, wenn es Pavia bereits im 8. und 9. Jh. zum Sitze der Stu-
dien macht (s. Memorie e documenti per la storia dell' uni?ersitä di Paria
II n. 11), denn schon im 7. Jh. bestanden daselbst wenigstens Orammaticsl-
schulen. S. Oiesebrecht, De litterarum studiis apnd Italos p. 8.
1^) Cod. lat. mon. 19411 Bl. 65. S. auch Oflnthner, Gesch. der iit
Anstalten in Baiem I, 230.
5. Hochschulen mit p&pstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Pavia. 573
in Pavia bei den Richtern seiner Vaterstadt das höchste Ansehen
und blieb Sieger in den wissenschaftlichen Kämpfen, besonders
gegen den judex Bonusfilius und dessen Schule ^^''). Das lango*
bardische Becht stand in Pavia wie sonst nirgend in Blüthe, und
die Stadt war ein Sammelpunkt von vielen Juristen, deren Namen
uns sogar noch theilweise erhalten sind^^'^). Ende des 12. Jhs.
scheint in Pavia Lanfranc, der 1198 daselbst als Bischof starb und
nicht mit dem von Canterbury verwechselt werden darf, in den
artes und in der Theologie studiert und gelehrt zu haben ^^'^). Sehr
zweifelhaft ist jedoch, ob Bemardus Baibus oder Papiensis, der
Verfasser der Gompilatio prima, dort auch Lehrer war""). Stu-
diert hat er sicher in Bologna""). Notizen fdr die Existenz
von Schulen im 13. Jh. fehlen"^'). Die Behauptung, das Stu-
dium zu Vicenza habe im J. 1204 einer Auswanderung von
Professoren und Scholaren aus Pavia den Ursprung zu ver-
danken""), ist nicht weniger hinfällig, als jene andere auch
von Comi"") vertretene Ansicht, das Studium zu Vercelli habe
seinen Anfang infolge eines Exodus aus Pavia und Mailand ge-
nommen"'®).
i^^s) Merkel 1. c. S. 14. 45 identificiert ihn mit dem späteren Erzbischof
von Canterbury. Dagegen Tgl. Ficker S. 47 f. — Die Meinung der Tapien-
ses' wird noch Ende des 12. Jhs. angeführt. S. Merkel S. 47 Anm. 9.
1*83*) S. Ficker a. a. 0.
^^ S. das yon seinem Nachfolger im bischöflichen Amte Bemardus
Papiensis geschriebene Leben bei Ughellii Italia sac. I, 1093. AA. SS. Jun.
IV, 619.
1^85) Gomi, Franciscns Philelphus archigynwasio Ticinensi Tindicatos
(Ticini 1783) plaidiert zwar p. 75ff. dafflr.
1^) S. Schulte, Gesch. der Quellen und Lit. des can. Bechts I, 176 f.
Schulte begeht nur den Fehler, dass er aus Bemard Papiensis und Bemar-
dus Baibus swei verschiedene Schriftsteller macht. Der II, 368 citierte Glm.
7430 enthält eben des Bemardus Papiensis compilatio prima (allerdings mit
Eigenthflmlichkeiten).
i4»7j ^iie Yon Coiqi p^ 34 ff^ aufgezählten Belege zum Beweise Ton
Schulen in Pavia im 13. Jh. gehen über das Ziel hinaus.
^*^) Savi, Memorie antiche e moderne intomo alle publiche scuole in
Yicenza p. 14 verwirft mit Becht diese Ansicht.
1^^) L. c. p. 132. Gomi behauptet dies , ungeachtet er den Vertrag
Yercellis mit Padna kennt
i«0) s. oben unter Vercelli S. 291.
574 ni. Entwiekelang der Hochschalen bis sam Ende des 14. Jhs.
Eben deshalb, weil seit dem Ende des 12. Jhs. die Nach-
richten aber Schulen so spärlich sind, lässt sich kein Znsammen-
hang zwischen den zu Payia in froherer Zeit existierenden Lehr-
anstalten und dem im J. 1361 gegründeten Genendstudimn er-
mitteln.
Zwar ist Tiraboschi im Unrechte, wenn er bis zum Jahre
1361 durchaus Schulen in Pavia vermisst^^*'). Allein nicht
weniger irren Gatti""), Capsoni**"), Comi^*") und in neuerer
Zeit Nova^*"), wenn sie behaupten, Karls IV. Stiftbrief sei
nur zum Zwecke der Erneuerung eines bereits bestehenden
Generalstudiums zu Pavia erlassen worden ^^'*). Beweisen lässt
sich nur, dass in den ersten Decennien des 14. Jhs. von der
alten Zeit abgesehen Schulen in Payia vorhanden gewesen sind,
keineswegs aber kann man eine Oontinuität verfolgen.
1^31) Storia della lett. ital. lY, 69. Y, 65 ff. Seine Ansicht Tertrat aoch
Villa, De studiis literariis Ticinensium ante Galeatiam II. Ticini 1782.
S. besonders p. 115 f. Comi wendet sich mehr gegen ihn als gegen Tira-
boschi.
ii32j Qymnasii Ticinensis historia et vindieiae a saec. 5. nsqae ad finem
15. Mediolani 1704. Gasa ankritisch and von Tiraboschi mit Recht xa-
rechtgewiesen.
1^ Origine e pri?ilegi della chiesa Pavese. Payia 1796 p. XXXIX ff.
Dessen Memorie istoriche della regia cittü di Paria (Paria 1782—1788) er-
strecken sich nicht so weit, aber aas den Praefationen ersieht man, dass er
denselben Standpunkt einnahm.
ii94^ Franciscns Philelphas archigymnasio Ticinensi mdicatas, eine
reichhaltige, aber sehr seltene Schrift, die man, aasser in Pavia selbst, kanm
aufzatreiben vermag.
14S6) Universitk Discorso letto nella solenne inangarasione delP in-
segnamento universitario in Pavia il 20 novembre 1859 (in La Filosoffa, la
filosofla del diritto e Poniversitl^ Milano 1862, 47—247, speciell 141—218),
ein wahres Quid pro qno. Das Beste der Schrift ist Comi entnommen, das
Eigene redaciert sich auf Weniges.
i^M) Sangiorgio, Genni storici snlle dae oniversitlt di Pavia e di Milano
(Milano 183 1) bietet weder Aber das Generalstudiom noch Ober die frohere
Zeit etwas brauchbares. Von Interesse sind im Buche bloss die Gopien der
Inseriptionen and Epitaphien, welche sich jetst in den 8 HOfen der Univer-
sität beinden (p. 444—470). Nicht Ober das Gewöhnliche geht hinaas
(Gattaneo) Genno storico soUa r. aniversitji di Pavia. Pavia 1878 p. 1 ff.
5. Hochschulen mit p&psU. u. landesherrl. Stiftbriefen. Pavvi. 575
Gioyanni Mangano^^'^) berichtet in dem vor Eröffnung des
Generalstudiums geschriebenen Buche De laudibus Papie, es hielten
sich in Pavia viele Advocaten, judices, notarii auf. Mehrere von
ihnen seien erwählt worden ^ad aliarum regimina civitatum;
multi quorum illic magistri in sacra pagina aliisque scientiis
pervenerunt'""). Wurde aber in Pavia promoviert? Es scheint
nicht, denn der Autor sagt im Verlaufe: 'Multi sunt in civitate
(Papie) peritissimi medici, tarn physici quam chirurgici; nam
inter alias civitates illarum partium de ista plures mittuntur
ad scholas Bononiam, ... de qua veniunt periti et docti in
legibus, decretalibus et medicina et quidam in iis artibus con-
ventati. Multi quoque sunt ibi docti in theologia clerici, reli-
giosi et nonnuUi laici'^^'^). Schliesst auch diese letzte Stelle
nicht aus , dass in Pavia Schulen bestanden haben , so beweist
sie doch immerhin, dass man sowohl eine tiefere Kenntniss
der Wissenschaften als auch das Doctorat, und zwar ebenso
gut im Civilrechte, das in früherer Zeit in Pavia so ausnehmend
geblüht hat, als in andern Disciplinen, auswärts gesucht hat.
Noch weniger Auskunft über Schulen in Pavia gewinnen wir
durch den etwas jüngeren Azarius. Er berichtet die Gründung
i437j £r war nach Johann Bosisio (b. Gazzetta provinciale di Pavia
27. Juni 1857) der Ver&sser des Werkes De landibus Papiae, das dieser
1329-1230 geschrieben hat.
1^^) Bei Muratori, Rer. ital. SS. XI, 23.
1^9) Ibid. p. 26. Ein Missbrauch der Kritik Ist das Yerfiihren zu
nennen, das Gomi 1. c. p. 153 und Nora 1. c. 147 ff. einsehlagen, um diese
Stelle für ihre Ansichten herbeizuziehen. Aber unglaublich ist es, dass beide
dem Tiraboschi deshalb einen Vorwurf machen, weil er 'legibus' und *de-
cretalibus' durch ein Gomma geschieden hatte. Denn was soll die Yorge-
;schlagene Leseart Meges decretales* bedeuten? Nova behauptet: Decretales
regulas! Wozu jedoch eine so haarsträubende Exegese? um das Wörtchen
und den Begriff 4eges' abzuschwächen und dadurch die aus der Stelle sich
ergebende Schwierigkeit zu entfernen, dass die Payesen auch um das CiTÜ-
recht zu studieren fremde Stftdte aufgesucht h&tten, und in den ersten De-
cennien des 14. Jhs. nicht einmal mehr diese Wissenschaft in Pavia genü-
gend gelehrt worden sei. Gomi und Nova wollen deshalb trotz des so deut-
lichen Wortlautes zeigen, es sei nur vom jus canonicam die Bede. Dass
trotzdem auch in der ersten Hftlfte des 14. Jhs. in Pavia Givilrecht dociert
wurde, werden wir weiter unten aus Peter Ancharanus erftihren.
576 ni. Entwickelung der Hochschnlen bis zum Ende des 14. Jhs.
des Generalstudiums durch GaleazzoII. mit den Worten: ^curavit
habere universa studia in civitate Papiae, in qua antiquitas foisse
dicuntur. Et certo de jure bene stat; nam ipsa civitas et
domus sunt plerumque yacuae et inhabitatae et mercatum de
pensionibus domorum habebimus pro libito . . . Hisce consideravit
habere in universis scientiis doctores et privilegia et facultatem
conventandi in ipsis artibus' '^^^). Man braucht diese Stelle nur su
lesen, um sich zu überzeugen, dass vor 1361 wenigstens kein
Generalstudium in Pavia existiert hat Es sollen zwar vor Alters
Studien in Pavia gewesen sein; allein nun stünden die Häuser
leer u. s. w. Sauli****) und Nova"*') urgieren ganz be-
sonders den Satz : ^et certe de jure bene stat' und lassen Azarins
sagen : ^Es sollen einst in Pavia Studien gewesen sein, wenigstens
ist dies von den Rechtsstudien gewiss'. Wäre auch diese Inter-
pretation die richtige, so würde nur folgen, dass ^antiquitas'
Pavia eine Rechtsschule besessen hat. Dies wissen wir ja
ohnehin. Allein der Zusammenhang, in welchem die Stelle ist,
spricht weniger für eine solche Auffassung. Der einfache Sinn ist
nämlich dieser: Galeazzo verwendete sich um ein Generalstudium
in Pavia. Und mit Recht; denn die Häuser stehen dort leer u. s. w.
Aus diesen von den Gegnern Tiraboschis angeführten Haupt-
stellen erfahren wir also nicht einmal, ob im 14. Jh. wirklich
Schulen in Pavia vorhanden waren, von einem Generalstadium
gänzlich zu schweigen.
"" i**0) Bei Muratori L c. XVI, 406.
iMi) Sulla condizione degU studii nella monarchia di Savoja sino all'
eU di Emmaimele Füiberio (Torino lS4d) p. 101. Saoli seist p. 451 auch die
Grflndung der Uniyersit&t Yercelii in eine sa frühe Epoche. 8. oben 8. 290.
Gomi lieht Torsichtig genag den Satz nicht heran.
^^ L. c. p. 144. Aach alle abrigen von ihm p. 151 ff. gemachten
Interpretierangsrersnche sind hinflÜHg und verdienen keine BerQckdchtigang.
Nova war in der Terminologie des Mittelalters nicht sa Hause. Es heisst
femer dem Texte Gewalt anthon, wenn er p. 146 157 ff. mit Comi L c.
p. 159 fll die Phrase bei Asarias (Muratori L c p. 377): 'Sed nomqaid per e«
in Papia coepit frigesoere luxuria, nbi scolares (oder schola), abi picturae
Tironun et mnlierom?' als Beweis dafOr bringt, dass vor 1861 Schulen in
Pavia existiert hatten» Man brancht nur das Vorhergehende sa lesen, an
sofort sar Einsieht sa gelangen, dass Asarias ron Facten spricht, die sich
1861—1862 sogetragen haben, d. h. sur Zeit, als das Qeneralstndiam bereits
ins Leben gerufen worden war.
5. HochBcbttlen mit p&pstl. n. landesherrl. Stiftbriefen. Pavia. 577
Anders verhält es sich jedoch mit folgenden Nachrichten.
Mittels Testamentes vom 11. Juli 1344 gibt Magister Bartholo-
maeus de Lavolta den usasfructus seines Hauses und Wohnung
darin den Schülern von Lavolta ^tanto tempore, quanto iverint
ad scolas more scolastico ad ediscendum scientias . . . omnes
de progenie illorum de Lavolta, qui voluerint cum effectu ire ad
Studium liberalium artium, etiam aliarum scientiarum, debeant
habere usumfructum dicte domus mee ipsis existentihus scolaribus
et euntibus ad scolas et non aliter uno alten succedente' etc. ^^^*)
Btter erfahren wir also wirklich von Schulen in Pavia. Peter
de Ancharano deutet zudem an, dass auch Rechts-Professoren in
Pavia existiert hätten. Zur Zeit des Johannes Andreae, meint
er, ^studia Italic facundissimis et clarissimis doctoribus floruerunt,
nam hoc Bononiense Studium tunc habuit Ja. Butrigarium in legi-
bus . . . etiam alia studia, sc Paduanum, Papien. et Perusinum
facundissimis doctoribus claruerunt* etc."^*). Er spricht von der
ersten Hälfte des 14. Jhs. und zwar von der Zeit vor 1348, in
welchem Jahre Johannes Andreae und Jacob Butrigarius an der
Pest starben. In jedem Falle von der Epoche vor 1361"").
Pavia hätte also in der ersten Hälfte des 14. Jhs. thatsächlich
1*«) 8. Nova, p. 161.
1444) In YI. Decret. Prooem, nach Cod. Tat. 2238 BL Ua.
^^ Die Wirksamkeit der SchriftsteUer, die er anführt and die zar
Zeit des Johannes Andreae gelesen haben soUen, fiUIt in die Zeit yor der
genannten Epoche. Ton jenen, die in Perugia gelehrt haben (nnd die ich
bereits S. 546 citiert), abgesehen, gehören hierher Guillelmus de Monte
Laadano, Paulas de Liazariis, Stephanus Provincialis, Lapus, Matth&us Bo-
manus, Petras Bertrandus (die Nachweise s. bei Schulte, II.). Nur die
Th&Ugkeit des Job. Calderinus reicht noch ftber 1361 hinaus. Allein,
dass Peter de Ancharano die frühere Epoche im Auge hat, beweist die
Stelle, die daraaf folgt: post istos alii successerunt viri in iure famosissimi et
inter alios D. et preceptor mens D. Baldus etc. Baldus promovierte 1344
unter Bartolo. S. Savigny VI, 214. Es bleibt aber die grosse Schwierigkeit,
SU sagen , welche 'facundissimi doctores* in jener Epoche zu Pavia ge-
lehrt haben mögen. Auch Comi vermag p. 88 eigentlich nur den Domini-
caner Galvaneus Flamma und Ubertinus Papiensis zu nennen. Der erstere
hat jedoch bloss in seinem Kloster unterrichtet Zudem gehören beide nicht
zu den *&cundi8simi doctores^ Von den p. 143 ff. citierten legum doctores
Guido Scarcus, Franciscus Buttigella, Beccarins de Beccaria ist nicht bekannt,
ob sie in Pavia dociert haben.
D • n i f 1 e, Die UoiTeniUten I. 37
578 11^- Entwickelnng der Hochschulen bis sum Ende des 14. Jha.
eine Rechtsschule gehabt. Ganz irrig kann diese Nachricht
nicht sein, denn in drei Doctordiplomen aus dem Jahre 1374
(vom 28. Februar, 28. März und 20. Juli), in denen der Bischof von
Pavia sowohl in artibus als auch in legibus die Licenz ertheilt,
beruft sich derselbe nicht bloss auf das imperiale Privile-
gium', sondern auch auf die iongaeva et antiqua consuetudo",
auf die 'hactenus observata consuetudo ac per tanti temporis
spatium praescripta legiptime, quod ejus contrarii memoria non
extitit' u. s. w."**). Hätte Pavia erst 1361, das ist vor 11—13 Jahren,
Schulen und das Recht erhalten zu promovieren, so würden
die genannten Worte keinen Sinn geben. Allein wie soll man
diese Resultate mit dem oben gewonnenen in Einklang bringen?
Es ist dies nicht zu schwierig.
In Pavia scheinen allerdings in älterer Zeit Promotionen
nach damaligem Brauche vorgekommen zu sein. Da aber die
Schulen häufig Unterbrechungen erlitten, so wurde nach und nach
das Promotionsrecht nicht mehr ausgeübt. Die Worte des Bischofes
dürfen also nicht im streng buchstäblichen Sinne aufgefasst
werden. Gerade ehe das kaiserliche Privileg erschien, war es
schlimm um die Schulen bestellt, denn wie wir aus Azarius ersahen,
standen die Häuser leer, und man wusste nur vom Hörensagen,
dass in Pavia das Studium geblüht habe. Ja in jener Zeit war
man sogar der Meinung, die Stadt besitze gar nicht mehr das
Promotionsrecht, denn Azarius berichtet, Galeazzo habe sich auch um
die facultas conventandi in artibus (hier überhaupt für Wissen-
schaften genommen) beworben. Der Grund dieses Verfalls der
Studien zu Pavia liegt zunächst wohl darin, dass sich dort nicht
wie anderwärts in Italien die Commune um dieselben annahm,
und deshalb gerade die beiden in Italien vorzugsweise gepflegten
Fächer, das Givilrecht und die Medicin, nicht gediehen '**').
^^^) Capsoni hat in seiner oben genannten Schrift, Origine etc. p. LXIY
bis LXVII die Documente ediert. In dem zweiten Diplome werden ab
Examinatoren 10 Professoren, darunter solche des Rechtes (in legibos and in de-
cretis) erwähnt. Bei Ausfertigung des Actes war überdies anwesend Joannes
de Bemeris in sacra pagina magister, Ord. s. Aug. In dem dritten Diplome
erscheinen 6 Professoren in artibus als Examinatoren. Auch Comi kommt
p. 162 f. auf diese Diplome zu sprechen.
^"^^^J S. unten im vierten Hauptabschnitte, vierter Paragraph.
5. Hochscholeii mit pftpstl. n. landesherrl. Stiftbriefen. Pavia 579
Dem konnte nur dadurch abgeholfen werden, dass man sich
um ein Universitätsprivileg bewarb, und ein Generalstudium
systematisch gründete.
Am 13. April 1361 erliess Karl IV. den Stiftbrief für ein
^generale Studium utriusque iuris, vid. tam canonici quam civilis,
necnon Philosophie, mediane et artium liberalium*. Er gibt
den Studierenden die Privilegien von Paris, Bologna, Oxford,
Orleans und Montpellier, und nimmt sie unter seinen Schutz.
Der Bischof von Pavia hat die Promotionen zu leiten und die
Licenz zu ertheilen""). Galeazzo IL Visconti verbot am 27. Oc-
tober desselben Jahres allen Scholaren seines Gebietes anderswo
als in Pavia zu studieren. Er habe für das dortige Studium
die Vollmacht erhalten ^dandi conventum in decretalibus, legibus
et qualibet facultate' "*•). Am 7. September 1392 widerholte er
sein Verbot**"). Erst von Bonifaz IX. empfieng das Studium
am 16. November 1389"") ein päpstliches Privileg. Der Papst
sagt in dem betreffenden Schreiben, Galeazzo n. wünsche 'adesse
Studium auctoritate apostolica generale in qualibet licita facul-
tate'. Deshalb gewähre er auch dasselbe 4n sacra pagina, iure cano-
nico et civili, necnon in medicina et qualibet alia litteratoria licita
facultate\ und er erwähnt im besondem, dass die in sacra
pagina Studierenden die Privilegien von Bologna und Paris ge-
niessen sollten. Der Bischof ist auch hier der Leiter der Pro-
motionen""). Zugleich dispensierte der Papst die Studierenden
von der Residenzpflicht"").
So einfach diese Stiftung vor sich gieng, so glücklich erwies
sie sich in ihren Folgen. Unverdient ist die Geringschätzung,
1448) (Brambilla) Memorie e docnmenti per la storia dell' nniyersitä di
Paria II, 2 n. 2. Gatti 1. c. p. 129. Ueber die Einleitung des Schreibens
8. oben S. 447 Anm. 930.
>449) Memorie p. 3 n. 3. Gatti p. 134. Azarios bei Maratori,
XYI, 406.
14Ö0) Memorie p. 8 n. 7.
1451) Qi^tti, p. 139, sagt unrichtig 1399, und sieht dann daraas irrige
Schlosse.
1^3) Memorie p. 4. Gatti 1. c.
145S) Memorie p. 6.
37*
580 ^ Entwickelang der Hochscliulen bis zum Ende des 14. Jlis.
mit der Voigt auf die Hochschule zu Pavia herabblickt"**).
Weit richtiger ist es mit Savigny zu gestehen, dass Pavia mit
Perugia und Padua sowie später mit Pisa um den ersten Rang
als Rechtsschule wetteiferte, dass an diesen Universitäten und
nicht mehr in Bologna sich die berühmteren Lehrer gerade des
Römischen Rechts befanden""). Der neuestens zusammenge-
stellte Catalog der Professoren, die von 1362 resp. von 1370
an in Pisa lehrten, lässt darüber nicht mehr im Zweifel""). Aller-
dings hatte das Studium, bis eine andauernde Blüthe begann,
manche schwere Störung zu erleiden. Wie wir oben gesehen
haben, wurde die Hochschule 1398 auf einige Jahre nach Pia-
cenza verlegt""). Kehrten auch bald mehrere Professoren, wie
z. B. Baldus, der in Pavia starb, wider zurück, so that doch
der im J. 1402 erfolgte Tod Galeazzos IL nicht bloss der Hoch-
schule zu Piacenza, sondern auch der neu begründeten in Pavia
grossen Eintrag. Nach einem gleichzeitigen Documente za
schliessen, fanden um 1404 an beiden Orten nicht mehr Vor-
lesungen statt. Der Gegenpapst Benedict XIH. schreibt näm-
lich in dem am 27. October genannten Jahres ausgefertigten
Stiftbrief der Universität Turin, Ludwig von Savoien, Prinz von
Achaia, habe ihm berichtet, dass in Folge der beständigen
Kriege die Lectionen an den Generalstudien der Lombardei
eingestellt worden seien und einige Magistri der Theologie
beider Rechte, der Medicin und der artes, die früher in Pavia
i^M^ Die Wiederbelebang des class. Alterthums I, 519.
1^6) Gesch. des Rom. Rechts VI, 5.
1450) In (Corradi) Memorie e docnmenti I, 25—98 befindet sich die Liste
der Professoren der Rechtswissenschaft; p. 99— 145 jene der Mediciner, sa
jenen grossentheils anch die p. 147— 151 aufgezählten gehören; p. 153—183
stehen die Artisten und Philosophen, 185 — 198 die Theologen. Durch
Corradis Arbeit sind Parodi, Elenchus priTÜegiorum et actuum public! Ti-
cinensis studii (Papiae 1759) und Robolini, Notizie appartenenti alla storia
di Pavia V, 2 p. 27. 95. 160, wo Parodi erg&nzt wird, veraltet.
iA^7) S. oben S. 569f. Der am 16. Februar 1399 in Heidelberg intitu-
lierte Hermannus Poll de Wyenna, mag. artium et in medicina doctor studii
Papiensis (s. Toepke, Die Matrikel der Universit&t Heidelberg I, 68) scheint
einer derjenigen gewesen zu sein, welche anstatt nach Piacenza zu gehen
die Heimat aufgesucht haben.
5. Hochschulen mit päpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Pavia. 581
uDd Piacenza dociert, sich ihm angetragen hätten, in irgend
einer seiner Städte, z. B. in Turin, die Vorlesungen in den ge-
nannten Disciplinen wider aufzunehmen'*'^^). Darnach sind die
späteren Notizen in dem erwähnten Gataloge, denen zufolge für
das Jahr 1404 — 1405 nicht wenige Professoren in Pavia lasen,
nicht richtig. Das Studium zu Pavia hatte wenigstens von 1404
an bis 1412 nicht mehr bestanden. Für die Jahre unmittelbar
vor 1412 geht dies aus dem Gataloge selbst sowie aus den hier
zu citierenden Acten hervor.
Filippo Maria Visconti beschloss nämlich ^famosum olim et
laudabile Studium civitatis Papie in novum et statum pristinum
reformari, pro cuius restauratione per suas litteras vocat ad
eandem civitatem quamplures famosissimos doctores in quacunque
facultate'. Circa 18. October solle das Studium beginnen und
es sei bei schwerer Strafe verboten, sich anderswo als in Pavia
unterrichten zu lassen. Die Commune von Mailand Hess diesen
Befehl kraft eines Beschlusses vom 17. Juli 1412 in ihrer Stadt
an den gewohnten Orten verkünden""). Auch anderswo wurde
dieses Mandat ausgerufen, und dabei ausdrücklich erwähnt, dass
das Studium 'vacavit et vacat pluribus annis invalentibus bello-
rum dissidiis, quibus hec patria Lombardie diu premebatur' **••).
U58j Cum propter bellicas clades, qae in partibus Lombardie diatias
viguerant et vigent, in stadiis generalibus eariindem partium cessaverant et
cessent lectare et nonnnUi sacre theologie magistri, utriasque iuris doctores,
medicineque et artium magistri famosi, qui in Papien. et Placentin. stndÜB
legerunt temporibns retro actis, cnpiant, prout ipsi principi nunciari fecerunt,
in aliqna ciyitatum sen locorum aliorum eiusdem principis in suis huiusmodi
facultatibus exercere lectnras et presertim in civitate sua Taurinen. etc. Reg.
Arenionen. tom. 43 Bl. 425 a. Der Stiftbrief wird von den Statuta yener.
sacrique coli. Jurisconsultorum Aug. Taurinorum (Taur. 1614) p. 57 und Sa-
vigny III, 336 irrig in das Jahr 1405 gesetzt. Er wurde 6. kal. Novemb.
an. 11 ausgestellt. Wohl auf dieselben beiden Studienanstalten sowie auf jene
Yon Pisa beziehen sich die Worte in den Consigli della campana im Staats-
archiv zu Siena (voL 206 Bl. 166 a) zum 21. Nov. 1404, 'che di presente
quasi in tutte le citta, dove era lo studio, per le guerre et per l'altre dife-
rentie in tutto sono guasti et tolti via\
i«9) Memorie II, 8 n. 8.
1*60) Ibid. n. 11.
582 m. Entwickelnng der Hochschalen bis som Ende des 14. JhA.
Am 17. October bestimmte der Herzog, dass die Vorlesungen
am 20. anfangen sollten "•*)•
Nunmebr begann eine neue Periode und die andauernde
BlUthe der Universität Pavia. Bereits Sayigny hat darauf auf-
merksam gemacbt, dass unter den dortigen Lehrern sehr be-
rühmte Namen vorkommen und die Besoldungen denen d^
reichsten Universitäten keineswegs nachstehen ^^''). Unter den
italienischen Hochschulen wurde neben Padua gerade die m
Pavia im 15. Jh. von den Deutschen trotz der eigenen Uniyer-
sitäten im Lande am häufigsten aufgesucht, und zwar vorzüglich
wegen des Civilrechts. Aeneäs Sylvius hat dies in einem Schreiben
an den österreichischen Kanzler Johann Meier angedeutet Er
meint, wenn D. Marianus Sozinus nach Wien käme, ^multi re-
manebunt Wienne, qui nunc Paduam studii causa vel Papiam
pergunt' "").
Auch die Gründung eines GoUegiums für arme Scholaren liess
nicht lange auf sich warten ; es wurde mit Bewilligung Martins V.
hauptsächlich aus den Renten von Klöstern dotiert '^*^).
Prag.
Von den Hochschulen Deutschlands gehören die zwei ältesten
hieher, nämlich Prag und Wien.
In Prag existierte schon im 13. Jh., um nicht weiter zurück-
zugreifen, eine Schule. Als im J. 1248 Markgraf Otakar seinen
Vater König Wenzel bekämpfte und die Burg zu Prag besetzte,
gieng sie zu Grunde '*^^). Sie erhob sich wider unter Otakar U.,
i*«i) Ibid. n. 10.
1^) Gesch. des Rom. Bechts III, 335.
^^ Epp. Aeo. Sylvii in der Eobergerschen Ausgabe 1496. Ep. 40.
Omnis bavaria, suevia, franconia et bohemia ac etiam hungaria' wttrde
nach Wien kommen, um dort die Hechte zu stadieren.
^^ Dies gelangte selbst zu den Ohren des Thomas Qascoigne in
England, der in seinem Dict. theolog. (Loci e libro veritatam, p. 4) davon
spricht.
1465) Studiam Präge periit So in Annalium Fragens, pars I in Mon.
Germ. 88. IX, 172. Frühere Forscher haben zn viel in diesen Worten ge*
sacht. Unter 'stndinm' ist ein gewöhnliches Particularstadiam za ver*
stehen.
5. Hochschulen mit päpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Prag. 583
und als Eogelbert von Admont 1271 — 1274 an derselben stu-
dierte waren die Magister Ocko und Bohumil seine Lehrer in der
Grammatik und Logik, und der Scholasticus Mag. Gregor las
über die libri naturales des Aristoteles^^'*). Es ist aber irrig
diese Schule ein Generalstudium zu nennen ^*'0- Wenn der
Annalist sagt, dass der im J. 1271 verstorbene Decan der Dom-
kirche zu Prag nicht bloss ^scolaribus Pragensi ecclesie deser-
vientibus subveniebat, verum etiam in generali studio existenti-
bus . . . providebat' ""), so heisst dies nicht, dass er der Schüler,
welche in Prag am Generalstudium studierten, gedachte, sondern
dass er den Schülern aus Prag oder Böhmen, welche an irgend
einem Generalstudium sich aufhielten, ein Vermächtniss hinter-
liess. Das geschah ja sehr häufig, dass man die Schüler, welche
eine auswärtige Hochschule aufsuchten , subventionierte *^'*).
Der Ausdruck 4n studio generali existentes, legentes, studentes'
ist allgemein zu nehmen und bezieht sich nicht auf ein be-
stimmtes Generalstudium, wie sich aus vielen Beispielen ergibt'*^®).
1M6) Epistola ad mag. Ulricum schol. Vienn. in Pez, Thes. Anecd.
nov. I, 1 p. 429. Bis in die jüngste Zeit wurde behauptet, auch Volcmar
Abt XU Fflrstenfeld habe in jener Zeit zu Prag studiert, gestutzt auf Oefele,
Rer. Boic. SS. II, 525. Allein bereits im vorigen Jh. hat Lipowsky in (Ab-
handlungen der bair. Acad. X, 247 [1776]) nachgewiesen, dass die Chronik
De gestis principum, woraus Oefele die betreffende Stelle nahm, nicht Volc-
mar zum Verfasser hat S. auch Lorenz, Deutschi. Geschichtsquell. (2. Aufl.)
I, 164. Allerdings war der Autor der Schrift wie Volcmar ein Baier, und zur
Zeit des Todes Otakars (1278) mit anderen scolares pueriles in Prag (s.
Chronik De gestis principum bei Oefele, p. 532).
1467) Dudik, Mährens allgemeine Geschichte X, 431. Palacky, Gesch.
von Böhmen II, 1. S. 284 meint, es habe beim Prager Domcapitel 'ein so-
genanntes kleines Generalstudium (Studium generale minus)* bestanden.
Diese Bezeichnung wurde jedoch in jener und der nächstfolgenden Periode
nie gebraucht.
1^ Ann. Ottokar. in Mon. Germ. 1. c. p. 188.
i469j Viel Aehnlichkeit im Ausdrucke mit dem eben citierten Docu-
mente besitzt ein Beschluss der Stadtobrigkeit von Lucca aus dem J. 1372, dem
zufolge dem Scolaris civis und comitativus, *qui studuerint in jure canonico
vel civili vel in medicina in studio generali' eine Unterstützung gewährt
wurde. S. unten unter Lucca.
i470j So erhielten z. B. die in Fflnfkirchen Studierenden die Privilegien
der 4n studio generali commorantes'. Aehnlich in den päpstlichen Stift-
briefen fOr Valladolid, Prag, Wien u. s. w. Unzählbar sind die päpstlichen
584 in* Entvidwliiig der HochsehideD bis warn Bade des 14. Jhs.
Die Behauptung, es wären schon damals in Prag die Disdplineii
aller Tier Facultäten gelehrt nnd Ar die ganze Christenheit
gfiltige Magister* oder Doctorgrade ertheilt worden, wird ebenso
ohne Beweis vorgebracht, wie ihnliches von Köln gesagt wird'*").
Selbst wenn das erstere wahr wäre, so bliebe noch der zweite Theil
zu beweisen. Prag besass nur ein Particularstudium, wie Karl IV. in
seiner Bittschrift an Clemens VL deutlich genug sagt, und alle Anstren-
gungen ein Generalstudium zu errichten, blieben bis 1347 erfolglos.
Doch gebe ich zu, dass das Particularstudium in Prag zur
Zeit Otakars IL nicht unbedeutend war. Aus Engelberts von
Admont Bericht ersehen wir, dass dort ^scolares de Austria et
Stiria' sich aufgehalten haben '^^'), worauf man jedoch wider
nicht zu viel Nachdruck legen darf, da ja Steiermark und Oester-
reich damals unter der Herrschaft des Königs von Böhmen
standen. Ebenso mögen aus dem Nachbarlande Baiem etliche
Schüler in Prag gewesen sein'^^'). Auch aus anderer Quelle
erfahren wir, dass unter Otakar n. viele Studenten in Prag
lebten, und dort nicht bloss jene von Engelbert bezeichneten
Schulen existierten, sondern dass eine solche auch bei dem Capitel
auf dem Vysegrad bestand, wo Heinrich von Isemia Orammatik
und Notariatskunst vortrug**'*).
Indessen auch diesem schön begonnenen Particularstudium
drohte im J. 1274 der Untergang, als Rudolf von Habsburg zum
römischen König gewählt war und die Feindseligkeiten gegen Otakar
begonnen hatten. Die aus den von Rudolf überzogenen Ländern
gebürtigen Studenten verliessen Prag""). Vollends scheint je-
doch das Studium nicht untergegangen zu sein. Zur Zeit König Wen-
zels n. war im Prager Schlosse mag. Mathias rector scholarum '*").
Schreiben, mit denen Einzelne, welche am 'Studiom generale' sich aufhalten,
von der Residencpflicht dispensiert werden. Der Ort wird meist nicht an-
gegeben, da das PriTileg fflr jede beliebige Universität galt
MH) s. oben S. SS8f.
1*»: Bei Pe«, 1. c. p. 430.
i«7S) S. oben Anm. 1466.
i«74) s. Dadik 1. c. S. 488. Heinrichs Formelbuch hat für die mih-
rische Geschichte einige Wichtigkeit. 8. Dadik VIII, 38.
1475) s. Engelbert 1. c.
1476) Dobner, Mon. hist. fioemiae VI, 34S. Der Autor der Chronik De
5. Hochschulen mit p&patl. a. landesherrl. Stiftbriefen. Prag. 585
Ein solcher Magister wird auch noch im 14. Jh. am Vysegrad er-
wähnt**"). König Wenzel II., der den Wissenschaften günstig war,
und sich gern mit Gelehrten unterhielt, beschloss im J. 1294
'generale quarumlibetfacultatum Studium inPragensi civitate instau-
rare'**"). Allein dieser Plan scheiterte wie sein anderer, ein
geschriebenes Gesetzbuch einzuführen und der bisherigen Will-
kür ein Ende zu machen, an dem Widerstand des Adels, der in
der Verwirklichung der ersten Idee eine zu grosse Vermehrung
der Macht des Clerus besorgte^*'*), beim zweiten Vorhaben aber für
den Gewinn fürchtete, den er aus den alten Missbräuchen zog,
und dessen er nun voraussichtlich durch einen Gesetzescodex
beraubt worden wäre"'*). Um bei Anfertigung dieses letzteren
gut beraten zu sein, hatte der König auf Eingebung des Gardi-
nais Matthäus Orsini schon den italienischen Rechtslehrer Gozzo
von Orvieto'*") zu sich beschieden. Die Frucht beider Pläne
war jedoch nur die, dass Wenzel einen jungen Mann mit
Namen Konrad nach Orleans auf das Studium schickte, damit er
gestis princfpum berichtet, dass er und andere nach dem Tode Otakars als
Scholaren in Prag waren. S. oben Anm. 1466.
1^77) Tomek, Gesch. der Stadt Prag (1856) I, 519. Das castrnm Bra-
gense erwfthnt auch Engelbert von Admont 1. c.
U78) Chron. Aulae reg. ed. Loserth in den Fontes rer. austr. SS. VIII,
130. Es heisst nicht 'restaurare' , wie Dudik S. 436 Anm. 1 setzt, sondern
Hnstanrare*, ein Aasdrnck, der bei diesem Chronisten die primitive Bedeu-
tung von 'veranstalten', 'ins Werk setzen^ 'gründen' besitzt. Deutlich ergibt
sich dies aus c. 51 p. 129, wo gesagt wird, der König habe beschlossen 'in
regno suo scriptas leges instaurare', was hier nichts anderes bedeutet, als
'einen geschriebenen Gesetzcodex zu veranstalten oder einzuführen,' denn
die böhmischen Gesetze wurden früher nicht aufgezeichnet. Der Chronist
gebraucht mit 'Studium generale instaurare' gleichbedeutend '. . . informare'.
1*79) Chron. Aulae reg. p. 131.
1480) X)ie8 hebt ausdrücklich das Chron. Aulae reg. p. 130 hervor: studue-
runt, ne vid. si vigor scripti iuris per hunc modum invalesceret, fructus, quem de
abusivis eorum ad inventionibus hactenus consueverunt tollere, ipsis forsitan
deperiret. Spfttere böhmische Geschichtsschreiber schwächten die SteUe ab.
^*^) Mag. Gotzius de Urbe veteri, utriusque iuris tarn canonici quam
civilis Professor. Chron. Aulae reg. p. 129. Dudik sagt irrig: von Civita-
vecchia«
586 ni. EntwickeluDg der Hochschulen his zum Ende des 14. Jhs.
von dort unterrichtet in die Heimath zurückkehrte und ihm
zur Verwirklichung seiner Absichten behilflich sein könne**").
Prag, und überhaupt Deutschland, erhielt erst um die Mitte
des 14. Jhs. eine Hochschule. Im J. 1346—1347 stellte Karl IV.,
damals nur König von Böhmen und der Römer, und noch nicht
römischer Kaiser, dem Papste vor, dass in hereditario suo regno
Boemie multisque aliis eidem regno finitimis regionibus atque
terris generale Studium, quod in Ulis partibus summe foret ex-
pediens, non haberetur, quodque metropolica Pragensis civitas
in ipsius regni medio sita et a diversarum partium gentibus
frequentata ... ad huiusmodi generale Studium erigendum, cum
particulare dudum in ea fuerit, accomoda multum existeref '**').
Am 26. Jänner 1347 entsprach Clemens VI., der am 30. April
1344 das Prager Bisthum zum Erzbisthume erhoben hatte ^***),
dem Wunsche Karls durch die Bestimmung, dass in Prag ^gene-
rale Studium vigeat in qualibet licita facultate\ Er gestattet
den dort Studierenden alle den 4n generali studio commoran-
tibus^ gewährten Privilegien, und verordnet^ dass die Gandidaten
dem Erzbischofe, der die Licenz zu ertheilen habe, praesentiert
würden. An der sofortigen Ausführung scheint Karl verhindert
worden zu sein^^^*), wenigstens erliess er erst am 7. April des
nächsten Jahres auf dem von ihm einberufenen Landtage seinen
eigenen Stiftbrief. Er wurde widerholt als 'berühmt' bezeichnet""),
1489) Chroo. Aulae reg. 1. c.
1^) So im Stiftbriefe Clemens VI. yom 26. J&oner 1847. Reg. Vat
Avenion. tom. 33 Bl 309. Mon. hist oniv. Pragensis II (Pragae 1834X 219.
Bun. Rom. ed. Tanr. lY, 496. Aach das Ghron. Aulae reg. p. 589 erw&hnt
den päpstl. Stiftbrief.
1^) S. Frind, Die Kirchengeschichte Böhmens II (Prag 1866), 87 ff.
Das irrige Datum 1343 findet sich dort S. 415. 418.
1^ Zwar sagt der Chronist, der den Namen Benes fUschlich trftgt
(bei Dobner, Moa bist Bohem. IV, 23 ff., dazu ?gl. Potthast^Bibl. bist med,
aeyi p. 163), bereits 1347 sei der Augustiner -Eremit als 'primus magister in
Behemia s. theologiae' in Prag gewesen. Es mag sein ; aber auf diese Quelle
allein darf man sich nicht verlassen.
14S6) Den Anstoss dazu gab Tomek, Geschichte der Prager UniTersitftt.
Prag 1849 8. 4. Dieses Werk beruht, wie ich mich flberaengt habe, auf
Studium der Quellen , die aber leider nirgends citiert werden. Ich will
diesem Mangel für die hieher gehörige Partie abhelfen. Es bleibt eine
5. Hochschulen mit päpstl. a. landesherrl. Stifthriefen. Prag. 5g7
und Höfler "•^), Friedjung'*") sowie Paulsen"*') übersetzten
ihn theilweise , ohne dass es ihnen aufgefallen wäre, dass
das Diplom ziemlich ganz aus Stellen der Schreiben Friedrichs 11.
für Neapel"'®) und vorzüglich Konrads für Salerno"'*) zusammen-
gestoppelt ist, eine Kunst, die, wie wir oben gesehen haben,
auch die Könige von Aragon verstanden haben. Karls Eigen-
thum in seinem Stiftbriefe besteht fast nur darin, dass er den
Studierenden die Privilegien der Doctoren von Paris und Bologna
zuweist**'*).
Trotzdem, dass Karls Stiftbrief ein Conglomerat aus fremden
Bruchstücken ist, so erfahren wir aus ihm doch ebenso wie
aus einem an den Papst gerichteten Biitschreiben den vom
König bei Gründung der Prager Hochschule verfolgten Zweck.
DöUinger meint, es sei kein allgemeiner Drang gewesen, 'kein
aus dem Schosse der Nation laut gewordenes Verlangen, welches
diesen Erstling deutscher Hochschulen ins Leben treten Hess,
sondern bloss der zufällige Umstand, dass Kaiser Karl selbst in
Paris studiert hatte und nun in der Erinnerung an sein Studenten-
leben in der rue de fouarre ein Nachbild der dortigen hohen
Schule in seinem Erblande Böhmen zu besitzen wünschte'"").
Dies sind zum grossen Theile Phrasen ohne wahren Gehalt.
Wann und wo wurde jemals eine Hochschule durch 'allgemeinen'
Schande, dass die erste Hochschale Deutschlands bis jetzt noch keine wissen-
schaftliche Darstellung gefunden hat. Tomeks Deje university Prazsk^o ist
den Wenigsten verständlich.
1487) Magister Johannes Bus. Prag 1864. S. 97.
i^^) Kaiser Karl IV. u. sein AntheU am geist. Leben seiner Zeit (1876)
S. 12a
i^d) In Sybels Hist. Zschr. 45 Bd. S. 258 f.
M»0) Huül.-Br§h. II, 450 f. 452.
1491) HuilL-Br^h. II, 449. 447. Gerade die von den genannten drei
Autoren als beachtenswerth abersetzten Stellen sind mit andern diesen
Schreiben entnommen.
1^) S. den Stiftbrief in Mon. hist. uniy. Prag, II, 223. Die Abdrücke in
Regesta Imp. YIII ed. Hnber n. 655. Karls That erwfthnen unter andern
Chron. Aulae reg. p. 600. BeneS de Waitmuel bei Pelzel, SS. rer. Bohem. II,
349. Das spfttere Chron. unir. Prag, in H6flers Geschichtsschreiber der
hussitischen Bewegung I, 13.
1498) Die Universitäten sonst und jetzt S. 7.
588 ni. EntwickeluDg der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Drang, durch ein ^aus dem Schosse der Nation laut gewordenes
Verlangen' ins Leben gerufen? Weder eine Stadtobrigkeit, noch
der Landesfürst mit seinen Räthen sind die Nation oder der
Schoss der Nation. Ungenau ist ferner DöUingers Bemerkung,
dass die Hochschule zu Prag nur dem zufälligen Umstand, dass
Karl in der Erinnerung an sein Pariser Studentenleben ein
Nachbild der dortigen Universität in seinem Lande gewünscht
habe, ihr Entstehen verdankt. Benes de Waitmuel sagt nämlich,
Karl habe gewollt, dass das ^Studium Pragense ad modum et
consuetudinem studii Parisiensis, in quo olim ipse rex in pueri-
libus constitutus annis studuerat, in omntbus et per omnia diri-
geretur et regeretur' '*'0* Allein dies heisst nur, Karl hat
die von ihm gegründete Hochschule nach dem Muster jener zu
Paris, wo er einstens Student war, organisiert. Ueber den Zweck
des Königs bei Errichtung der Universität spricht sich der Autor
nicht aus. Wohl aber deutet ihn uns Karl selbst an, wenn er
sagt, er beabsichtige das Königreich zu heben und den ein-
heimischen Wissbegierigen die Mühe zu ersparen, auswärts die
Wissenschaft suchen zu müssen. In ihrem Lande sollten sie in
Zukunft finden, wodurch ihr Wissensdurst befriedigt würde. Es
ist derselbe Zweck, den damals mehr oder weniger die Lan-
desherren oder die Stadtobrigkeiten in allen Ländern bei Gründang
von Generalstudien verfolgt hatten'*"). Als Modell für die zu
stiftende Lehranstalt nahm Karl allerdings die Pariser Hoch-
schule. Ob deshalb, weil er selbst einmal in Paris studiert
hatte, oder aus einem anderen Grunde, ist gleichgültig. Wie wir
unten im ersten Paragraph des fünften Hauptabschnittes sehen
i«94) Bei Pelxel 1. c. p. 350.
1495) Aschbach, Gesch. der Wiener Universit&t S. 9, hat eine noch
schiefere Ansicht Aber den Zweck bei Grflndung der Prager Universit&t.
Karl habe durch dieselbe verhindern woUen, dass die in Paris herrschende
Doctrin für alle abendländischen Ländern massgebend werde; der Papst aber
sei dem Vorhaben nicht entgegen gewesen, weil es in seinem Interesse lag
der dominierenden Autorit&t der Pariser Uniyersitit dnrch Stiftungen von
neuen Hochschulen bei Zeiten ein Gegengewicht aufzustellen! Als Coriosum
sei dies erw&hnt, halte aber bexflglich des 2. Theiles der Behauptung die
Bemerkung nicht fOr überflflssig, dass Aschbach das 15. Jh. mit dem 14.
verwechselt
5. Hochschalen mit p&pstl. a. landesherrl. Stiftbriefen. Prag. 589
werden, verdankten ja fast alle Universitäten nur den beiden zu
Paris oder Bologna ihr Entstehen.
Der Papst gestattete das Studium in quavis licita facultate,
ohne die Facultäten einzeln aufzuzählen, was auch Karl in
seinem Stiftbriefe nicht thut. Wir wissen aber aus anderen
Quellen, dass bereits vom Beginne an die Theologie, das Jus
canonicum, die Medicin und die artes liberales, und zwar nur
diese Facultäten, ihre Vertretung gefunden haben. Das Civil-
recht wurde in der ersten Periode nicht gelehrt"'®). Das Chron.
Aulae regiae berichtet, der König habe ^de variis studiis aliarum
terrarum magistros et doctores' berufen. Fünf magistri theo-
logiae hätten gelesen; einer von ihnen an der Gathedrale, der
zugleich auch predigte, die andern vier in den verschiedenen
Klöstern, und, setzt der Chronist hinzu, ^huiuscemodi acta salu-
berrima in hac terra Boemiae numquam visa nee audita fiierunt'.
Das Jus canonicum lasen ein ^doctor decretorum de Bononia
vocatus', und Mag. Stephan, der Kanzler des Erzbischofs Amest,
letzterer an der Gathedrale. Der ^Magister Balthasar de
Tuscia"'') legit libros artis medicinae, alii vero magistri in
scolis suis artes legerunt liberales' "'*). Aehnlich schreibt Benes
de Waitmuel""), doch ohne bestimmte Personen zu nennen.
Wohl um dieselbe Zeit übergab Karl mittels eines Schreibens,
in dem er das Generalstudium als ^de gratia summi pontificis
1496) Selbst nach 1378 war dies einige Zeit hindurch die Regel; nur
vereinzelt kommen aach Legisten vor.
1497) Palacky nennt ihn 1. c. II, 2 S. 301 Balthasar von Taus. Tomek
8. 5 schrieb es nach. Soll denn die Stadt Taus in Böhmen, durch den dort
1318 geschlossenen Vertrag bekannt, lat. Tascia geheissen haben?
1498) Chron. Aulae reg. p. 600.
1^99) Bei Pelzel 1. c. p. 850. Vom Erzbischofe Amest sagt der Chro-
nist (1. c. p. 381), er habe *lectorem in theologia suis pecuniis' an der Pra-
ger Gathedrale angestellt, 'pro quo emit certos redditus in villa Zlatnik
prope Pragam, ut canonici et alii derlei ecclesie pabulo sacramm scriptura-
nun non careant' Dies ist wohl derselbe 'magister theologie', von dem
das Chron. Aulae reg., wie wir oben gesehen haben, spricht, und der an
der Cathedrale gelehrt und gepredigt hat. Nur geschah die Dotation auf
das Gut Zlatnik erst in sp&tem Jahren, während 1349 der Erzbischof
dem Magister Einkünfte auf seinen Patrimonialbesitsungen in Hi^min und
Wazitz anwies. Tomek S. 5.
590 I^I* Eatwickelang der Hochschalen bis Eum Ende des 14. Jbs.
ad nostre supplicationis instantiam stabilitum' bezeichnet, dem
Mag. Walther, ^artium liberal, professor', Baccalareus derselben und
Physicus war, das regimen scolarium an der Theiner Pfarrkirche,
wo er Medicin und die artes vortragen und Promotionen vor-
nehmen dürfe ^^^^). So musste die Hochschule alsbald in Aufiiahme
kommen, und Paulsens Behauptung, dies sei erst seit c. 1366—1367
geschehen ''^®^), entbehrt aller Grundlage. Im Gegentheile kann
man die Entwickelung von 1348 bis 1366 sogar bequem ver-
folgen, und ich will dies hier theil weise zum ersten Male thun.
Das Ghron. Aulae reg., das in der letzten hieher gehörigen
Partie 1353 geschrieben wurde, sagt: ceterum more generalium
Studiorum singulis annis electus fiiit rector universitatis et soUem-
pniter in ecclesia Pragensi approbatus^^^'). Dadurch wird klar,
dass das Studium wenigstens bis 1353 im Gange war. Für die
nächstfolgenden Jahre fand ich hauptsächlich Notizen im Y at Archiv,
durch die zugleich neues Licht auf die in Prag angestellten Pro-
fessoren geworfen wird, und die bisherigen Forschungen über
dieselben wesentlich ergänzt werden.
Bereits im J. 1 349 wandte sich Karl ^Romanorum et Boemie
rex' an Clemens VI. mit der Bitte, dass Albertus Bludovis Ord.
fr. min. lector in Praga, ^qui extra regnum Boemie in
diversis generalibus studiis multo tempore et demum in stu-
dio Parisien, duobus annis sacre pagine laudabiliter insu-
davit et postremo in diversis conventibus regni Boemie et speci-
aliter in conventu suo Pragensi eandem paginam legit in dispu-
tationibus et sermonibus continue laborando', zum Magisterium
promoviert und unter die päpstlichen Kapläne aufgenommen werden
möchte, was auch Clemens VL am 13. Juni genannten Jahres
bewilligte*"'). Hier haben wir also einen Theologen, der vom
löooj Document bei Mencken, SS. rer. germ. III, 2018.
iMi) sybels Bist. Zflchr. L c. 8. 260.
iw») Chron. 1. c.
1^) Reg. Sappl. Clem. VI. an. 8 p. 2 Bl. 26a. Die Bewilligung der
ersten Bitte lautet: Examinetur per archiepiscopum Bayentacen. et d nt
suflficiens licenciatur per eandem. Dieser Albert darf nicht Tenrechaelt
werden mit Albertos de Boemia de Praga, familiaris clericos serenisaimi
principis et dom. dom. Karoli Bomanomm regia semper AngusU et Boemie
regia (Reg. nat. anglicanae au Paris, III, Bl. 12 b u. 0.), der 1345 in Paria
5. Hochschulen mit pftpstl. a. landesherrl. Stiftbriefen. Prag. 591
Anfange an in Prag Theologie vortrug, und ^ir ersehen daraus,
dass das Ghron. Aulae reg. es mit dem Ausdruck ^magistri
theologie' nicht genau nahm. Als das Studium eröffnet wurde,
war Albert noch Lector.
Vom 12. Juni 1359 hat sich ein Doctordiplom erhalten.
Erzbischof Arnest bezeugt als ^universitatis studentium studii
Pragensis cancellarius', dass Henricus Joannes dictus Strubonius
de Libicz durch ^ss. Theologiae professores et magistros in
artium liberalium facultate peritos^ nach vorhergegangenem Examen
^decore magisterii septem artium liberalium' würdig befunden und
darauf in aula archiepiscopali ^solemniter magisterii huiusmodi
honore per consueta insignia cum debitis solemnitatibus in tali-
bus observari consuetis' decoriert worden sei. Der Erzbischof
gibt nun 'plenam ac liberam facultatem in cathedra magistrali
liberalium artium in studio Pragensi et alias ubique locorum
legendi et quoslibet actus faciendi et exercendi magistrales' ^ '^0.
Dieses Doctordiplom hat um so mehr Werth, als von den deutschen
Universitäten meines Wissens kein älteres existiert, obwohl es
nicht undeutlich darauf hinweist, dass in Prag schon früher Pro-
motionen üblich waren.
Das wichtigste Document für die Zwischenzeit von 1348 — 1366
ist eine Supplik, welche Karl IV. bereits als Boman. Imperator
semper augustus im J. 1355 an Innocenz VI. sandte, ^quatenus
sibi in personas dilectorum suorum doctorum, magistrorum, ba-
callariorum sue universitatis Pragensis et aliorum infrascriptorum'
besondere Gunst erwiesen werde"®'). Ich führe die vom Kaiser
in artibos determinierte (ib. II, Bl. 50b. 54a), das Jahr darauf das Licen-
tiat erhielt nnd lange Zeit darnach in Paris als magister acta regens in
artibus thfttig war.
iMij Bei Berghaaer, Protomartyr poenitentiae cjasque sigilli castos . . .
Jean, Nepom. (Aug. Vindel. 1736) 69. Frind, Kirchengesch. Böhmens II,
434. Das Document ist aasgefertigt 'sab nugori sigillo. D. Pragae a. D. 1359
die 12. Jonii'.
^^) Die Sapplik steht in Reg. Snppl. dem. VI. an. 11 Bl. 15 b
(zweiter Theil) unter vielen andern Suppliken und Rotuli Karls, des Erzbischofs
Amest und anderer, die besonders fflr die Adelsnamen höchst wichtig sind.
Unter den Rotali be&iden nch auch solche, die viele Graduierte und Scho-
laren Deutschlands, ^unc in Rom. curia existentes' aufzfthlen, von denen aber
leider nur ausnahmsweise angegeben wird, wo sie studiert haben. Alle
592 ni« Entwickelang der Hoehschnlen bis zum Ende des 14. Jhs.
fiberschickte Liste hier an wie sie in der Supplik steht, und
gebe in den Anmerkungen Nachweise aus der späteren Zeit, so
weit sie mir möglich sind.
Primo quatenus Ludovico d. s. Laurentio de Padua decre-
torum doctori actu in studio Prägen. ^^®*) etc. Item quatenus
dil. sibi"®') Ottoni de Werdere de utroque militari genere pro-
creato mag. in artibus, in s. theologia (studenti) etc.^^^'). Her-
manno de Winterswig mag. in artibus, in s. theologia stu-
denti etc."®'). Johanni de Parim dicto Wittepenningh, in artibus
et medicinis licentiato in unversitate etc."'®). Heinrico Johannis
de Lobschitz mag. in artibus in universitate Prägen, actu (le-
genti) etc.""). Heinrico Totting de Oytha mag. in artibus,
studenti in s. theologia in universitate etc.""). Frederico de
diese Listen sind sehr gekürzt durch 'etc'. Obige Supplik wnrde 20. Joni 1355
bewilligt.
1&06) Ol) dieser nicht derselbe ist, den das Ghron. Aalae reg. als doctor
decretorum de Bononia bezeichnet? Mir scheint auch, dass ihm das Schrei-
ben galt, das nnyolistftndig in Hoffmanns Sammlang ongedmckter Urkunden
II (1786), 16, publiciert ist, und das Karl an einen Ganonisten, der froher in
Bologna 'nunc autem Paduam irradians', gerichtet hatte.
1507^ So beginnen alle Späteren, und ich lasse deshalb in der Folge
diese Worte aus.
1608) Er ist eins mit dem mag. Otto, der im J. 1367 zu Prag lebte.
S. Registram ord. graduatorum in artibus vom J. .1367 ab in Mon. bist
univ. Prag. I, 1 p. 134. Er kommt auch im Botulus ?om J. 1363 (Reg.
SuppL Urbani V. an. 1 p. 2 Bl. 1) und 1366 (Beg. Suppl. Urb. V. tom. onic.
Bl. 264 a) Yor, und zwar 1366 zugleich als Baccalareus in theologia. (DiOcese
Merseburg.)
1609) Er wird 1367 mit mag. Otto genannt Mon. 1. c. 1376 promovierte
er in der Theol. ibid. p. 170. Er wird im Bot. vom J. 1362 (Beg. 1. c. Ib)
und 1366 (Reg. 1. c. Bl. 164 a) sowie hier auch als bacaUarios in theologia
aufgeführt. (DiOcese Breslau.)
1610) Im j. i3e2 wird er ebenfals erwähnt (Reg. Suppl. an. 1 BL Ib)
und 1366 wird er bacall. in theologia und mag. in artibus genannt Beg.
suppl. Bl. 264 b. (DiOcese Gamin.)
1611) Ein Johannes de Lobeschicz erscheint 1393 als Baccalareus Tor.
Mon. 1. c. p. 286.
^&^) 8. oben S. 406 f. und Anm. 789. Die bisherigen Angaben Ober
ihn bei Aschbach, Gesch. der Wiener Univ. 1, 402 f. Budinszky, Die üniTors.
Paris S. 134, Schulte II, 434, sind meist falsch. Heinrich Totting
(auch Tolting) de Oytha, war, ehe er nach Prag gieng, in Erfurt, von wo er
5. Hocbschnlen mit pftpstl. n. landeskerrl. Stiftbriefen. Prag. 593
Hetstede de militari progenito, bacallario in decretis etc.'"').
Johanni filio Amoldi de Momkedam bacallar. in artibus actu
legen ti etc. Heinrico dicto Ysenman de Gelwilre (Gebwilre?)
bacall. in artibus in univers. Prag. etc. Mattheo notario de
GracoYia bacall. in artibus in univers. Prägen, etc.'"^). Johanni
Westuali bacall. in artibus in univers. Prägen, actu legenti etc.^"^.
Michaeli Legenitz de Gubbin bacall. in artibus in univers.
Prag. etc.'*'*). Heinrico Swetzkow bacall in artibus in univers.
Prag, actu legenti etc. Dythero de Wydan de militaribus pro-
Yor 1355, aber keineswegs als tbeologiae magister, nach Prag kam. In
Prag studierte er als magister artiam zugleich Theologie, und war 1362 Cur-
sor derselben. Diesen Grad bekleidete er noch 1366 (Reg. 8nppl. ürbani Y.
an. 4. tom. unic. Bl. 264 a). 1370 hatte er noch nicht in der Theologie
promoviert (s. Mon. L c. p. 133 ff. 142). November 1377 weilte er zu Paris,
wie aus Reg. nat. angl. Y, Bl 9 a hervorgeht Bei dieser Gelegenheit er-
fahren wir, dass er nicht Pariser Magister war. In einer Yersammlung bat
nftmlich mag. Gerardus de Pelikem die Nation, 'quatenus natio admitteret
magistros Henricum de euta et Jacobum de krakovia, quia essent magistr
alibi et non Parisius, ad festnm et similiter cum aliis magistris'. Heinrich
wurde also anderswo als zu Paris magister in artibus. Dass dies in Prag
geschah (und zwar vor 1355), dahin deutet der Titel 'magister in Praga'
(am 22. April 1378 bat 'magister H. de euta magister in Praga' die Nation
in Paris, 'quatenns natio vellet ordinäre aliquos 'qui adirent facultatem theo-
logie et snpplicarent facultati, ut ipsa supplicaret in universitate pro eo, nt
posset poni ad rotulum sine tamen preindicio cuiuscnnque magistri Parisiensis
Cuius supplicatio fuit concessa'. (Reg. nat. anglicanae in Paris Y, 12b). Auch
am 5. J&nner des Jahres 1378 wird er als in Paris anwesend erwähnt. Ibid.
BL 9 b. Hier heisst er H. de Oyta. In Paris treffen wir ihn dann im Au-
gust 1380. Er bittet die Natio anglicana 'pro litteris supplieatoriis ad epis-
eopum, prepositnm, decanum et capitulnm civitatis Osnabmgensis (s. oben
S. 406), nt sibi distribuerent in dicns (?) probende sue sicut et aliis canoni-
eis et secundum quod debent etc. (Reg. nat anglic Y, Bl. 27 a). Nachher
ist er an der Hochschule zu Wien. Die Notiz bei Thomas de Haselbach
(Chron. aust. bei Pez, 83. rer. aust. II, 812), die Hartwig, Leben und Schrif-
ten Heinrichs v. Langenstein S. 65, 'durchaus unwahrscheinlich' findet, ist
also richtig.
i5i3j Er var noch 1366 bacall. in decretis. Reg. Suppl. L c. Bl. 264b.
(Diöcese Mainz).
i&i«) Er erhielt 1367 das Magisterium. Mon. p. 135.
1515) Er erscheint 1366 schon als mag. in artibus. Reg. Suppl. BL 264b,
wird aber 1368 als determinierend genannt. Mon. p. 138. (Diöcese Schwerin).
1516) gr wurde 1370 promoviert. Mon. p. 145.
Deaifle, Die UaiTnaiUtoa L 3g
594 ni. EntwicMoog der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
creato bacall. in art in univers. ctc.'^O* Theodorico Hombergh
de Cassele bacall. in art. in univers. Prägen. etcJ"'). Wilbemo
de Stadis bacall. in artibus in univers. Prag, actu legenti etc.'^'').
Henrico Woleri, bacall. in art. in univers. Prag, actu legenti etc."'").
Petro Henrici de Luna der. Prag. dioc. bacall in artibus in
univ. etc."''). Johanni de Leone iuniori bacall. in artibus in
univers. Prag, actu (legenti) etc.'"*). Tbome Pauli de Ungaria
can. eccles. Transilvanie non prebendato bacall. in artibus etc."*').
Nicholao Taler de militaribus progenito bacall. in art. in univ. etc.
Gerharde Berenhagen bacall. in artibus in univ. Prag."'*). Hen-
rico Bischoff de Homberg bacall. in art. in univ. Prag."''). Jacobe
Crutzebiter bacall. in art. in univ. Prag, actu (legenti) etc.
Nicholao de Pranestorp bacall. in art. in univ. Prag, actu
legenti etc. Theoderico de Hadeleria bacall. in art. clerico
Bremen, dioc. de beneficio etc. Nicholao Petri de Missen clerico
in iure canonico studii Prägen, actu studenti etc. Nicoiao Magni
studen. in artibus studii Prägen, de canonicatu sub expecta-
tione etc."'^). Theodorico Lenoldi de Luneborg in iure can.
studenti de dignitate vacante etc. Reynardo de Werdere de
utroque militari genere procreato, presbytero, perito (in artibus?).
Stephane Stephani perito in artibus ac studenti in medicinis,
canonico (de) minori prebenda etc. Johanni dicto Bredenbecker
1^17) In den Mon. p. 18 heisst er Dythems de Wydera. Er war 1S68
bereits magister, ibid. p. 136.
iMSj Im j. 137 X ^ird ein Thedericos de Honborg examiniert. Mon. p. 148.
1519) Im J. 1366 treffen wir ihn schon als mag. in artibus. Reg. Snppl.
BL 264 b., und er kommt dann sp&ter als solcher in Prag vor. Mon. p. 133.
135 ff n. 8. w. (DiOcese Bremen).
1^) BereiU 1368 wird er als Decan anfgeführt (Mon. p. 18. 37).
1&31) 1374 war er magister. Mon. p. 163.
1^) Im J. 1365 war er licentiatus in artibus. Beg. Suppl. Bl. 164 b.
(DiOcese Warzbnrg.)
i523j 1371 erscheint er als baccalareus, der zum Examen zugelassen
wurde. Mon. p. 147.
i&^) Er erhielt 1367 das Magisterium. Mon. p. 134.
iö85j Sr ist wohl nicht mit jenem Henricus de Homberg identisch, der
1881 zum Examen zugelassen wurde. Mon. p. 196.
i&M) In den Mon, kommen zwei Nicolai Magni vor (s. B. p. 198. 201);
allein ob sie mit obigem identisch sind?
' 5. Hoehsehnlen mit p&p tl. n. landesherrl. Stiftbriefen. Prag. 595
clerico Padebumen. dioc. de canonicatu sab expectatione etc.
Petro Czadelmanni de Tocbebus, bacall. in artibus acta legenti
et determinanti etc.
Daraus folgt, dass bis zum Jahre 1355 an der Universität
Prag Theologie, Jus canonicum, Medicin und die Artes gelehrt
wurden. Ein Vergleich mit den beiden in den Jahren 1362 und
1366 von Karl überschickten Rotuli ergibt nicht bloss die That-
sache, dass das Studium auch in Zukunft noch in derselben
Weise fortgedauert hat, sondern dass seit dem Beginne zugleich
promoviert worden ist, denn manche derjenigen, die im Rotulus
vom J. 1355 noch als studentes in irgend einer Wissenschaft
aufgezählt werden, erscheinen in den nächstfolgenden Rotuli
schon als baccalarei, licentiati oder magistri'*").
Im J. 1362 sandte nämlich Karl IV. wider eine Supplik an
den Papst (ürban V.) für (6) 'magistri artium liberalium facul-
tatum in universitate Pragensi filia vestra humillima, nostra
plantatione novella, actu regentes'. Ausser den drei (Hermann
de Winterswich, Otto und Johann de Parym) bereits angeführten,
werden aufgezählt: Martinus filius strenui militis Jesconis de
Wesselicz, mag. in artibus Parisien,, in sacra theologia studens,
der. Prag, dioc; Witboldus Stutte, der. Osnaburgen. dioc. mag.
in art.**"); Hinricus Bronekowe, mag. in art., der. Caminen. "'•).
In dem von Karl IV. 1366 an denselben Papst eingesendeten
Rotulus 'Pro studio Pragensi', in welchem er für 12 *magistris et
graduatis, qui in humili universitate studii Prägen, actu legunt
et laborant et a multis temporibus laboraverunt*, um Gnaden
bittet, werden ausser den 9, die ich bereits in den Anmerkungen
nachgewiesen habe, noch folgende erwähnt: Henricus de Etwat
i^37j Xq den vorhergehenden Anmerkungen habe ich bereits darauf
Racksicht genommen, und einen Vergleich zwischen den verschiedenen Bo-
tuti angesteHt, und es ist nicht nothwendig oben die betreffenden Studieren-
den noch einmal zu nennen.
»»«J Im Rotnlus vom J. 1366 (Reg. Suppl. Urb. V. tom. unicus Bl. 264 b)
heisst er Wigboldus dictus Stuete, Osnab. dioc. mag. in artibus et bacaU. in
medicina. Er steht auch in Mon. p. 185 ff. als Wyboldns.
'M») Die Supplik wurde am 28. Dec. 1362 bewilligt. Reg. Suppl. ürbani V.
an. 1. p. 2 Bl. 1.
88*
596 ni. Entwickelang der Hochschulen bis sum Ende des 14. Jhe.*
de Primislavia GamineD. dioc. rector universitatis Prägen. Scolaris
in iure can/'^^^). Petrus de Kothebuz, mag. in artibus, Misnen.
dioc.^*"). Bertoldus Fabri de Frankinfort der. Lubicen. dioc.
bacall. in artibus, Scolaris in iure can.'"'). Der ans bisher als
der erste Decan und Yicerector studii universitatis Prag, im
J. 1367 erhalten ist, Henricus de Nanexen (Embeck)""), war
schon 1355 magister in artibus und antiquus Scolaris in
theologia^'^^0, im J. 1356 ist er Procurator der natio anglicana
zu Paris ^^''^X und erscheint im J. 1362 dort zum letzten Male
in dem von Paris eingesendeten Botulus^^"^). Er kam also
zwischen 1362 und 1367 nach Prag.
Aus diesen Hinweisen ergibt sich, dass die Hochschule zu
Prag nicht bloss gleich vom Beginne an in Aufnahme karo'^*Oi
sondern dass sie sich schon damals einer ziemlichen Blüthe
erfreut hat. Gehen also gleichwohl die auf uns gekommenen Univer-
sitätsacten nicht weiter als bis zum J. 1367, in Bezug auf das
Jus can. gar nur bis 1372 zurück, so ist es nunmehr nichts
1630) Er kommt auch Reg. Suppl. Urb. V. an. 4. p. l Bl. 175 a vor.
iMi) 8. zum J. 1382 Mon. p. 205.
^^) Die Supplik wurde 25. Juli 1366 gewährt. Reg. Snppl. ürbani V.
tom. uuicuB Bl. 264.
IMS) s. Mon. p. 18. 133.
1534) In dem bereits oben citierten Rotulus 'in diversis scientiis in-
titnlatorum Alemanie, Tentonie necnon Germanie nationnm nunc in Rom.
curia degentium', den Karl lY. an Innocens VI. schickte. Reg Suppl. Clem.
VI, an. 11. Bl. 6 a. AUein, wie ich schon bemerkte, wird in demselben nie
ausser ausnahmsweise angegeben, wo die Betreffenden die Studien gemacht,
oder gelehrt haben, und darum liegt dieser sonst interessante Rotulos ausser-
halb unseres Zweckes. Nach dem Reg. nationis anglicanae HI, Bl. 30 de-
terminierte er, licentiatus est und incepit das Jahr darauf Märt und
April.
1535) i^g, nationis anglicanae zu Paris III, Bl. 33 a.
1636) iteg Suppl Urbani V. an. 1 p. 1 Bl. 161b. Die Bitte beaog sich
anf ein Ganonicat und eine Praebende an Unserer Frau au Erfurt.
1637) Karl IV. nennt im J. 1358 auch einen Reinbotus, artium libera-
lium et facultatis medicinalis magister et doctor medicus, famUiaris et com-
mensalis carissimus (Reg. Suppl. Innoc. VI. an. 5. p. 1 Bl. 296 b.), und ähn-
lich das Jahr darauf (an. 6 Bl. 111, wo Rembotus steht). AUcin man erfährt
nicht, ob er in Prag Vorlesungen hielt. Es scheint jedoch.
5. Hochschulen mit päpsU. u. landesherrl. SUftbriefen. Prag. 597
destoweniger sicher, dass man sich früher an der Hochschule ebenso
um die verschiedenen Grade bewerben konnte, wie in späterer Zeit.
Reichte doch auch in Köln das Decanatsbuch der artistischen
Facultät nicht weiter hinauf, als in das Jahr 1405—1406, mithin
in das 18. Jahr nach Gründung der Universität""); und trotz-
dem bedarf es keines Beweises mehr, dass die artistische Facultät
wie die Universität selbst seit der Gründung derselben in Thätig-
keit war und keine Unterbrechung erlitt.
So finden wir die Berichte der alten Chronisten bestätigt.
Es wäre doch auch zu merkwürdig, würde es sich anders ver-
halten, da ja in jener Zeit noch eine andere Universität weder
in Deutschland noch in den östlich gelegenen Ländern existierte,
mithin die Chancen für die Hochschule in Prag, wenn je, so
damals sehr günstig waren ^^''J|.
Karl IV. nahm sich aber seiner Stiftung nicht bloss in der
soeben erörterten Weise an. Am 14. Jänner 1349 ertheilte er der-
selben alle Rechte und Privilegien, welche andere Hochschulen
durch Römische Kaiser oder Könige empfangen haben '^^°). Er erliess
ein Einladungsschreiben an ein Capitel, in dem er es ersucht,
Ordensmitglieder nach- Prag auf das Studium zu senden, damit
sie dort in der Theologie promoviert würden, 'ut universitas
nostra eisdem successoribus gaudeat, quibus Parisiensis et Oxo-
niensis studia gloriantur', besonders da das genannte Prager
Studium vermöge der päpstlichen Privilegien keinem andern
ib38j Ich verdanke diese Notis Herrn Dr. Liessem in Köln. 8. aber
das genannte Decanatsbuch oben S. 402 Anm. 770.
1&39J Paulsen hätte übrigens auch aus der Verordnung des Ersbischofs
Amest vom J. 1360 (Mon. uni?. Prag. II, 229) ersehen können, dass seine
Ansicht hinfällig ist. Daau kommt noch, dass Konrad von Waldhausen, der
seit 1360 an der Theiner Pfarrkirche, früher an der GallUdrche, Prediger
war, und 1369 starb, eine Postilia studencium sacre Pragensis universitatis
edierte. Hs. XL 334 zu St. Florian. Nr. 179 in Admont (über den Autor
s. Palacky, Gesch. v. Böhmen IE, 1. S. 161). Die Postille umfasst die Sonn-
tage des Kirchex^jahres. Er schrieb sie 'studencium precibus', und gewiss
vor 1364. Nach Tomek S. 34. 347 begann auch die älteste bekannte Uni-
versitätsmatrikel mit dem J. 1358.
1540J Pelsel, Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrten III, Y.
Reg« Imp. VIII. ed. Huber u. 834. Karl handelte nicht mehr bloss als König
von Böhmen, sondern als römischer König.
598 m* Entwickelang der Hochachulen bis zum Ende des 14. Jhs.
nachstehe ^*^'). Selbstverständlich nahm Karl alle Studierenden
in seinen Schutz und drohte denjenigen, welche sie belästigten,
strenge Strafen an.
Wie bis zu jener Zeit fast überall, so waren auch in Prag
anfänglich die Dotierungsverhältnisse ziemlich primitiv. Im Jahre
1352 wurde mit Bewilligung des Erzbischofs Amest eine Contri-
bution von der Geistlichkeit erhoben, zu der die Klöster und
Capitel, besonders jenes zu Prag, in verschiedener Weise
beitrugen. Der Erzbischof, einer der grössten Gönner der Hoch-
schule, kaufte mit dem also gewonnenen Gelde gewisse Güter (deren
Ertrag zu den Besoldungen verwendet wurde)''*'), die dann der
König am 1. März 1358 von der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit
befreite*"').
Am 30. Juli 1366 stiftete und dotierte er das Collegium
Garolinum in dem Hause des Juden Lazar für 12 magistri artium;
zwei von ihnen sollten die Theologie vortragen (die hl. Schrift
und die Sentenzen) — sie mussten also schon baccalarei in theo-
logia sein — , die übrigen zehn in artibus lesen und zugleich
in der Rheologie studieren''''). Am 23. Juli 1367 erklärte er
das Golleg für steuerfrei*'''). Er gab demselben eine nicht
unbedeutende Bibliothek ^"^). Unter demselben Datum verfügte
iMij Docoment in Hoffmanns Sammlaug uogedrackter and zu den Qe«
schichten auch Staats- Lehn- und anderen Rechten des hL Rom. Reiches
gehöriger Nachrichten, Documeote und Urkunden II, 222. Das Schreiben
ist dunkel, und defeet ediert. Wahrscheinlich ist es an ein Ordenscapitel,
nicht an ein Stift gerichtet Dahin sielen die Worte ^certas idoneas perso-
nas de gremio religionis'.
1&4S) Beneb de Waitmael 1. c. p. 350. S. auch Tomek, D^e nniversity
Pra^sho 8. 14. Pelsel, Abbildungen böhm. und mahr. Gelehrter Uli YII.
1M8) Mon. nniT. Prag, n, 225.
1^) Mon. 1. c. p. 231. Im J. 1383 wurde das Golleg in das heutige
Karolingeb&ude in der N&he der St. Galiuskirche übertragen. 8. Mon. nniv.
Frag. p. 266. Urban VI. bestätigte 9. Dec 1384 die üebertragnng. Mon. L
c. p. 278. Vgl. p. 282.
iw») Mon. 1. c. p. 248.
1M6) Benes de Waitmnel spricht p. 351 von der GrOndung des Collegs,
und sagt, der König habe den Magistern ^bibliothekam' gegeben, *et libros
pro studio necessarios tribuit in habundantia'. Spater ad an. 1370 (p. 405)
berichtet er, der König habe f&r das Golleg 414 Volumina libronun s. theo-
5. Hochschulen mit pftpsti. u. landesherr]. Stiftbriefen. Prag. 599
er, dass in Zukunft die Mitglieder des Garolinums nach ihrem
Alter die Ganonikate und Praebenden der Collegiatkirche Aller-
heiligen erhalten sollten, so dass also immer derälteste Magister
des Karlscollegs in das Allerheiligen -Capitel einzutreten hatte;
nur für die Praepositur und das Decanat liess er es beim alten
Herkommen. Die also Präbendierten sollten dann in einem von
Karl geschenkten Hause, CoUegium bei Allerheiligen genannt,
wohnen*"^). Urban V. bestätigte 10. November und 15. December
desselben Jahres Karls Verordnungen mit Ausnahme von zwei
Glauseln, deren Aufstellung Karls Gewalt überschritt; bewilligte
sie aber dann aus apostolischer Machtvollkommenheit ^'^^^).
Rastlos bis zu seinem Tode sorgte Karl IV. für sein Schoss-
kind, die Hochschule. Im J. 1373 überliess er den Juristen, die
seit dem Jahre vorher sich als besondere Univei*sitat mit einem
eigenen Bector constituiert hatten '^^^), ein Haus, in dem bald
die ganze Juristenuniversität ihren Sitz nahm^"^). Karl schrieb
auch Ermunterungsbriefe an Professoren, in welchen er sie bat,
sich durch Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten nicht ab-
schrecken zu lassen ^^'^'). Unter allen Königen und Fürsten, die
logie et iuris can. ac aliarum artiam IIb.' aus dem Nachlasse des Abtes
Wilhelm von Vygegrad gekauft.
1547) MoD. 1. c. p. 236. Der König hatte das Praesentationsriecht. S.
auch Bene^ de Waitmuel, p. 405.
1^) Beide Schreiben in Reg. Vat. Avenion. tom. 16 Bl. 354; tom. 15
EL 317. Mon. univ. Prag. 1. c p. 241. 243.
1549) S. MoD. univers. Prag. II, 28. Das Ghronicon oniTers. Prag, (ed«
▼on Höfler in Geschichtschreiber der hnssitischen Bewegung I. Wien 1856
S. 13) setzt die Trennung der Juristen von der fibrigen Universität in das
Jahr 1371 nach den Ablauf des Rectorats des Nicolaus Eolpergk. S. jedoch
Tomck, Geschichte der Prager Universität S. 25. Vgl noch Bischoff, Oester-
reich. Stadtrechte (Wien 1857) S. 131, wo zum J. 1383 ein Rector theo-
lögorum, medicorum et artistarum, und ein Rector universitatis jurisfarum
erwähnt wird. £s ist daher aufiälUg, dass Maurer, Geschichte der Städte-
verfassung in Deutschland II, 300 noch im Zweifel sein konnte. Schon
Schnabel, Gesch. der jurid. Facultät in Prag (1827) I, 14 hatte auf die
Thatsache aufmerksam gemacht.
1550) Tomek 1. c. S. 26. Die Mediciner kamen erst später in den Be-
sitz eines Hauses. Die erste Erwähnung desselben geschieht 1405.
1551) In Hoffmanns Sammlung 1. e. S. 224. Vgl. auch S. 18.
600 ni. Entwickelung der Hochscbulen bis zum Ende des 14. Jlis.
sich im 13. und 14. Jh. mit Landes -Hochschulen beschäftigten,
kann ich Karl nur die englischen Könige und Alfonso el Sabio
an die Seite setzen. Ja Karl war mit seiner Präger Universität
bedeutend glücklicher als Alfonso mit jener zu Salamanca, und
Karls Bemühungen waren mit mehr Erfolg gekrönt als jene
Heinrichs HI. und Eduards L in Hinsicht auf Cambridge im
13. Jh.
Die Hochschule zu Prag blühte auf und zog viele Schüler
an. Der Zeitgenosse Benes de Waitmuel schreibt: ^et factum
est Studium tale in civitate Pragensi, cui nunquam fuit simile
in Omnibus partibus Alamanniae, et veniebant illuc de alienis
partibus, vid. de Anglia, de Francia, de Lombardia, de Ungaria,
de Polonia et de singulis circumiacentibus terris studentes, filii
nobilium et principum ac praelati ecclesiarum de diversis mundi
partibus. Et facta est civitas Pragensis ex studio huiusmodi
famosa et celebris in terris alienis valde, et propter multitu*
dinem scolarium tempora in eadem aliquantulum cariora fuere,
quia multitudo maxima eorum illuc confluebat' '"'). Ist auch
Manches in dieser Stelle übertrieben, so beweist sie doch
immer, dass nach Ansicht der Zeitgenossen das Studium sehr
gut besucht war. Darauf lässt auch die Zahl der Promotionen,
welche für die stärkste aller Facultäten, jene der Artisten, vom
J. 1367 an aufgezeichnet wurden, schliessen. Die Juristen bildeten,
wie bereits erwähnt, vom J. 1372 ab eine eigene universitas
juristarum mit Rector, und es wurden im genannten Jahre ihrer
natio Boemorum 37, jener Bavarorum 48, Polonorum 41, Saxo-
num 29 Mitglieder einverleibt^"'), im Ganzen also 155, eine
Zahl, die später fast in jedem Jahre manchmal ziemlich bedeutend,
überschritten wurde. Für die Theologen und Mediciner liegen
mir keine Berichte vor. Bis 1409, d. h. bis zum Zeitpunkte,
da die Nicht-Böhmen Prag verliessen, war die Hochschule in
stetem Wachsen begriffen, wenngleich bei weitem nicht in jenem
Masse, wie spätere Chronisten berichten"").
1&&2) Benes de Waitmnel 1. c. p. 350.
löK») Mon, uniY. Prag. D, 28f. Ö8f. 85f. 119f.
15M) 84000—36000 Studierende sollen c. 1409 immatricoliert gewesen,
und nach böhmischen Chronisten in einer Woche gegen 26000 abgesogen
5. Hoehschnlen mit pftpsü. u. laadesherrl. Stiftbriefen. Prag. gQl
Za diesem Wachsthume trugen theilweise auch die Privilegien,
welche die Päpste der Hochschule gewährten, bei. Am 10. Novem-
ber 1366 dispensierte Urban V. die Studierenden für 5 Jahre von
sein! S. die Chronisten bei Höfler, Mag. Job. Bus S. 249. 244. Höfler selbst
nimmt S. 247 Aber 20000 an. Vgl. aucb Frind 1. c. S. 337. Unglaublicb,
dass man solcbe Albernheiten annehmen konnte. Wohin haben sich denn die
Studierenden gewandt? Zumeist nach Erfurt und Leipzig. Nun weist aber
die Matrikel Erfurts vom J. 1409 nur 369 Immatriculierte auf, im näch-
sten Jahre bloss 230. Die Universität Leipzig wurde allerdings durch die
Ausgewanderten gegründet; aUein nur 368 wurden bis Ostern 1410 immatri-
culiert. Im Sommer 1410 finden wir 137 Inscriptionen, und Wintersemester
1410/11 nur 110. Leipzig und Erfurt zusammen erhielten also 1409 nicht
Tausend. Wohin ist nun das Heer der Studierenden? Etwa nach Heidel-
berg? Allein in den Jahren 1409 und 1410 kamen weniger Immatriculierungen
vor als unmittelbar vorher: vom Dec. 1408 bis April 1409 bloss 56, und
dann bis November 44; von Dec. 1409 bis Dec. 1410 finden sich aber nur
46 Aufnahmen. Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg I, 109 ~
113. Wie mir Herr Dir. W. Schmitz berichtet, wurden in Köln im J. 1408
bloss 55; dagegen 1409: 119; im J. 1410 aber wider nur 74 inscribiert,
Heidelberg erhielt also im J. 1409 keinen, Köln aber einen kaum nennens-
werthen Zuwachs. Die Wiener Matrikel ist verloren gegangen und ebenso
ist mir von den im J. 1409 stattgehabten Immatriculierungen in Krakau
nichts bekannt. Die oben gestellte Frage bleibt also immer noch offen. Nehmen
wir die höchst mögliche Zahl von Generalstudien an, deren es damals in
Europa gegeben hat, nämlich 40, und lassen wir die 26000 Studierende sich
gleichmäfisig auf allo 40 vertheilen, so kämen auf eines nicht weniger denn
650. Und ein solches Factum sollte uns die Geschichte der einzelnen Uni-
versitäten nicht aufbewahrt haben, da doch der Rath von Erfurt wegen ein
paar Hundert neu angekommener Studenten in Aengsten war (s. Falkenstein,
Hist von Erffurth, 1739, S. 290. Kampschulte, Die Universität Erfurt I, 12)?
Da nun aber das Ziel der Reise weder Spanien, noch der Sflden Italiens sein
konnte, so hätte jedes Generalstadium über 1000 Studierende Zuwachs er-
halten. Glaubt auch ein Verntlnftiger, dass von denselben Aber 20000 das
Ausland aufgesucht haben, während, wie wir soeben sahen, höchstens Tau-
send auf einheimischen Universitäten surflckgeblieben waren? Die Unmöglich-
keit bleibt immer dieselbe, sollte auch die Hälfte jenes Heeres die Rück-
kehr in die Heimat dem Universitätsleben vorgezogen haben. Paulsen hat in
Sybels Hist Zsch. Bd. 45 S. 290ff. in anderer Weise auf das Absurdum hin-
gewiesen. Dazu vgl. auch dessen treffende Bemerkungen gegen Höfler 8. 267
Anm. Die Möglichkeit will ich jedoch nicht bestreiten, dass sich in Prag
zur Zeit der höchsten Blüthe ein paar Tausend Studierende aufgehalten
haben; gerade vor 1409 war der Zudrang zu derselben ein nicht unbe-
deutender.
602 Ifl* £ntwickeluDg der Hochschalen bis sum Ende des 14. Jhs.
der Residenzpflicht ^^^'^). Unter demselben Datum erliess er
zwei weitere Schreiben. In dem einen ermahnte er die ^abbates,
priores . . . monasteriorum , prioratuum etc. ss. Benedicti et
Augustini, Gistercien. et Premonstraten. ordinum in regno Boemie
consistentium' von jenen Klöstern, die wenigstens 13 Mitglieder
besasscn, 'unum aptum ad Studium et in primitivis scientiis
eruditum pro fructu maioris scientie acquirendo ad prefatum
Pragense Studium ad studendum ibidem in ipsius theologie vel
canonum facultate mittere' und für sie zu sorgen*"*). Mittels
des andern Schreibens trug er den Provinzialen Minorum, Pre-
dicatorum, Heremitarum s. Augustini et s. Marie de monte Car-
meli in Böhmen auf, in ihren Häusern zu Prag 'sufficientes et
bonos in eadem (theologica) facultate magistros, qui ibidem in ea
regant et doceant iuxta morem aliorum generalium studiorum, habere
et teuere'""). Beide Schreiben wurden durch Karl veranlasst
Vor 1371 fertigte die Universitas studii Pragensis auch einen
Rotulus an, und sendete ihn nach Bom"'^'), wohl der erste
Rotulus, der von einer deutschen Universität an den Papst
abgeschickt wurde.
Der Gegenpapst Clemens YIL war der Universität keines-
wegs freundlich gesinnt. Der Grund lag darin, dass die Stadt
Prag sammt dem ganzen Adel, wie sich der Papst in einem
Schreiben vom 17. März 1380 ausdrückt, dem 'prophanus apo-
stata, perditionis filius et iniquitatis alumpnus Bartholomeus
1656) Beg. Vat. A?enionen. tom. 15. Bl. 496 b.
1556) Heg. Yat. ATenioneo. tom. 16. Bl. 349b.
i^&7) Ibid. Bl. 350a. Dieses Schreiben kannte anch Da Boulay, Hisi.
univ. Paris. 17, 396; der Text ist jedoch bei ihm wie gewöhnlich fehlerhaft
und mit falschem Datum. Aus obigen Schreiben erkennt man cur GenOgo,
bei welchen Orden damals in jenen Landen die Wissenschaft su Hause war.
1568) Dies ergibt sich aus dem Schreiben Gregors X!. an Wilhelm
Meynardi, canonicns Craco?. bacall. in decretis und magister in artibus vom
28. J&nner 1371, worin er ihm mittheilt, dass 'nisi tu in aniversitate stndii
Prägen, tempore, quo rotulus dicte uniTersitatis in quo presens gratia con-
tinetur fiebat, literamm studio insisteres, gratia huinsmodi nnllias sit roboria
Tel momenti'. Es kann dies nicht lange ?or 1371 gewesen sein. Reg.
Yat. Avenionen. tom. 7. Bl. 535. Leider ist der Rotulus selbst nicht erhal*
ten. 8. oben S. 387 Anm. 699.
5. Hochschulen mit p&pstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Prag. 603
olim archiepiscopus Baren.', d. i. dem rechtmässigen Papste
Urban VL anhange. Durch ein solches Benehmen, meint er,
^civitas generali studio se reddit indignam', und zur Strafe
gebietet er ^doctoribus, magistris, licentiatis et bacallariis ne
legere, ac scolaribus quibuscunque dicti studii in quacunque facul-
tate . . . ne audire, ipsique doctores et magistri aliquos in quacunque
facultate doctorare, licentiare vel ad gradum bacaUariatus admittere
nee aliquos alios actus scolasticos . . . exercere vel privilegiis
dicto studio concessis . . . gaudere presumant'^^^'). In einem
andern Schreiben überträgt er dem Bischof von Gesena,
dem Decan der Cathedrale und dem Official die Ausfährung
seines Mandates ''^^^). Allein die Stadt und die Hochschule
hielten trotzdem zum rechtmässigen Papste, der am 31. August
1383 die Universität gegen alle Bedrückungen in Schutz nahm
und die Pröpste zu Mainz und Worms und den Decan von
Allerheiligen in Prag zu conservatores und judices bestellte mit
dem Auftrage, die Professoren und Scholaren gegen jedermann zu
vertheidigen^^"). Diegrössten Privilegien empfieng die Universität
von Bonifaz IX., welcher unter anderm die Studierenden nicht
bloss am 11. Juli 1396 von der Besidenzpflicht auf 5 Jahre
dispensierte""), sondern sie auch am 21. December 1397 von
jeder Gerichtsbarkeit des Ordinarius, sollte er selbst legatus
natus des röm. Stuhles sein, befreite und sie an den jedes-
maligen Rector wies"*'). Dieser erhielt auch von Innocenz VII.
am 13. Jänner 1405 das Recht, bei Vacanz des erzbischöflichen
Stuhles oder bei gewissen näher bezeichneten Streitigkeiten das
Magisterium und die Licenz zu ertheilen"^^).
Die fernere Geschichte, soweit sie in den Rahmen dieses
Werkes gehört, und der Antheil Wenzels IV. an den Geschicken
der Universität ist untrennbar mit der Organisation derselben
verbunden und wird im 2. Bande ihre Darstellung finden.
i&6d) Reg. Yat. an. 2 (n. 292) Bl. 250b.
15«0) Ibid.
1061) Mon. uni?. Prag. L c. p. 271.
iwa) Ibid. p. 334.
iM3) ibicL p. 370.
^^) Ibid. p. 413.
604 ni. Entwickeluog der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Wien.
Die Hochschule zu Wien war keinesfalls so gut vorbereitet
wie jene zu Prag oder gar zu Erfurt. Dennoch steht sie nicht
ganz unvermittelt da. Es existieren verschiedene Nachrichten
über eine Schule bei St. Stephan in Wien. Im April 1237 be-
stimmte Friedrich EL., dass der von ihm und seinen Nachfolgern
über die bereits dort bestehende Schule gesetzte Magister nach
Rath sachverständiger Bürger noch andere Doctoren annehmen
soll, die zugleich ihrem Hörern gewachsen seien ''*^). Auch
in den Urkunden König Rudolfs I. vom 24. Juni 1278'"*),
besonders aber Herzog Albrechts I. vom 12. Februar 1296"*'),
ist von der Schule zu Wien ausführlich die Rede. Letzterer
überliess das bisher den Fürsten in Oesterreich eingeräumte
Recht, den Magister zu bestellen, der Stadt. Die Lehranstalt
wurde dadurch ganz eine Stadtschule, die auch von der Bürgerschaft
unterhalten wurde ^^^^). Einen Aufschwung erlebte dieselbe unter
dem Scholasticus Ulrich, der Ende des 13. und die ersten De-
cennien des 14. Jhs. die Schule leitete. Auf ihn wurde 1315
das Gedicht gemacht, worin Wien gepriesen wird, das einen
zahlreichen Glerus ^vario de climate mundi' in sich berge"**).
Wie es so häufig der Fall ist, so sind auch für Wien die Nach-
richten über die Schulen für die Epoche vor Gründung der
Hochschule am dürftigsten. Doch bestand die St. Stephanschule
1^) Der beste Text steht im Archiv f. Kunde Osterr. Geschichis-
quellen X, 125 f.
1566) Baach, SS. rer. austriac. III, 6.
1567) Sitzongsb. d. kais. Acad. d. Wissensch. hist phU. Gl XIII, 337,
wo sich auch der Vergleich mit der Urkunde Rudolfs findet. Vgl. überhaupt
Mayer, Geschichte der geistigen Cultur in Nieder -Oesterreich (Wien 1878)
I, 84.
1568) ])en Charakter einer Stadtschule bewahrte sie selbst nach der
Reorganisation der Universität im J. 1384, da die Magistri an der ersteren
auch nachher von der Stadt besoldet wurden. S. weiter unten.
1569) Bei Leyser, Hist. poetarum et poematum medii aevi p 2034 c. 11,
V. 647 ff. Dieser Ulrich ist kein anderer, als der dem Engelbert von Ad-
mont bekannte, dessen Zeugniss jedoch Max Bfldinger in den Sitsungsber.
1. c. S. 334 entgangen ist.
5. Hochschulen mit p&pstl. u. landesherrl. Stiftbriefeo. Wien. 605
in der 2. Hälfte des 14. Jhs., wie sich aus dem Freiheitsbriefe
Herzog Alberts vom J. 1384 ergibt "'").
Im Jahre 1364 wandte sich Herzog Rudolf IV. (der Stifter)
an Urban V. mit dem Wunsche 'generale Studium literarum
statui et ordinari per sedem apostolicam in villa seu oppido
Viennensi'. Der Papst beauftragte am 22. September desselben
Jahres den herzoglichen Kanzler, den Bischof Johann von Brixen,
sich persönlich 'de voluntate et consensu ducis' und der Stadt
sowie über die Privilegien, die man der künftigen Hochschule
geben wolle, zu informieren, und das Resultut ihm mitzu-
theilen^'^^). Der Bischof gieng mit dem päpstlichen Schreiben
nach Wien zu den Herzögen Rudolf, Albert und Leopold. Er
fand sowohl diese als die Stadt äusserst bereit zur Errichtung
und Privilegierung eines Generalstudiums, und auf sein Betreiben
hin wurde der Freiheitsbrief am 12. März 1365 von den drei
genannten Herzogen ausgestellt, ja er selbst arbeitete an dem-
selben und schickte am 17. März eine Abschrift dem Papste
zu"").
Der herzogliche ungemein wortreiche und breite Stiftbrief,
der mit keinem der sonst bekannten Urkunden formell eine
Aehnlichkeit hat, in Bezug auf die Ausdehnung der Privilegien
jedoch ein Pendant in jener Jacobs IL für L6rida besitzt,
erschien in lateinischer und in deutscher Sprache"^'). Wien
sollte nach dem Vorbilde von Athen, Rom und Paris ^scole
publice ac generale et privilegiatum Studium' erhalten, 4bique
legantur, doceantur et discantur divina scientia, quam theoloycam
vocamus, artes et sciencie naturales, morales et liberales, iura
canonica et civilia, medicina et alle facultates licite et permiSBe\
1670) s. in der ürkande bei Eink, Gesch. der kftis. ünivers. zu
Wien n, 63.
1^71) Beg. Vat Gomm. an. 2 Bl. 328. Dadurch ist die Aechtheit endlich
sicher gestellt. S. dazu Kink, Gesch. der kais. Universit&t 1, 2 S. 1, wo die
Bulle einem Schreiben des Bischofes ?om 17. M&rz 1365, und zwar nach
einer sp&ten Copie, inseriert ist, und Anrn. L
i&7a) s. den Bericht des Bischofes bei Eink 1. c.
1673) Den latein. Text s. bei Kink II, 1-24; den deutschen Text bei
Schlikenrieder 1. c. p. 35—59, und Hormayr, Wien, seine Geschicke und
Denkwürdigkeiten V. Urkundenbuch, S. LXYI.
g06 ni. Entwickelang der Hochschulen his sum Ende des 14. Jhs.
Der Universität wird ein eigenes Stadtviertel eingeräumt und
die Bürger, die dort oder in der Nähe wohnen, erhalten besondere
ganz überspannte Verordnungen, speciell in Bezug auf Ver-
niiethung der Wohnungen. Die Studierenden sowie deren Zu-
gehörige geniessen auf der Hin- und Herreise und während
ihres Aufenthaltes volle Steuer- und Zollfreiheit, sind sicher
an Leib und Gut, und bekommen einen privilegierten Gerichts-
stand. Der Propst zu Allerheiligen (St. Stephan) hat die oberste
Jurisdiction und er ist der Kanzler der Universität. Die Gesammt-
heit der Mitglieder wird in vier Nationen, jede unter einem Pro-
curator, eingetheilt. An der Spitze steht der Rector, der wie
die Procuratoren der artistischen Facultät angehören muss und
zugleich Haupt der drei übrigen Facultäten ist, von denen jede
einen Decan besitzt. Am 16. März wurde von Rudolf der Stift-
brief der Propstei zu Allerheiligen (St. Stephan), die auch unter
dem Namen CoUegium omnium Sanctorum vorkommt, erlassen.
Sowohl diese Stiftung als auch die andere *mit der grossen
schueir sollen 'ewigclich zu ainander in ainer Verpflichtung und
ainung beleiben""*).
Unterdessen war Rudolfs Urkunde auch in die Hände
Urbans V. gelangt. Am 18. Juni desselben Jahres erfolgte die
Ausfertigung des päpstlichen Stiftbriefes, der mit allen jener
Epoche übereinstimmt""). Der Papst gewährt, 'ut in dicta
Villa de cetero sit Studium generale illudque . . . vigeat tarn
in iuris canonici et civilis quam alia qualibet licita preterquam
theologica facultate'. Die Studierenden erhalten alle Privilegien
der an Generalstudien sich Aufhaltenden; der Propst von Aller-
heiligen, eventuell das Capitel, überwacht die Promotionen und
ertheilt die Licenz"'*). Am 19. Juli dispensierte er fttr 5 Jahre
von der Residenzpflicht"").
Man hat mehrere Erklärungen für den Ausschluss der
Theologie durch den Papst gegeben. Bereits im 15. Jh. meinte
1574) Bei Hormayr 1 c. o. 167. Sowohl Herzog Albrecht als Heinricli
▼on Langenstein nennen die Propstei 'collegium omninm sanctomm.'
»M») 8. oben 8. 398.
167«) Heg. Vat. Ind. an. 8 Bl. 84. Kink l c. 8. 26.
1577) Reg. Vat. Avenion. tom. 10. Bl. 865. Kink 1. c. 8. 29.
5. Hochschulen mit pftpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Wien. 607
Thomas von Haselbach, es hätte dies Karl IV. aus Rivalität
und Interesse für seine Hochschule zu Prag bewirkt"'®). Dieser
Grund hat immerhin etwas für sich. Andere meinten, dass der
an der Pariser theologischen Facultät überwuchernde Scholasti-
cismus, der zugleich Irrlehren im Gefolge gehabt habe, besondere
Vorsicht empfahl und deshalb das Verbot veranlasste'"'). Allein
diese Behauptung ist ganz und gar grundlos. Von den ver-
alteten Schlagwörtern 'spitzfindige Scholastik' und 'überwuchern-
der Scholasticismus' will ich ganz absehen. Ich frage nur, wie
sich die genannte Behauptung mit der Forderung, welche Inno-
cenz VI. bei Errichtung der theologischen Facultät zu Bologna
im J. 1360, Urban V. bei jener zu Padua im J. 1363, Gregor XI.
bei jener zu Perugia im J. 1371 stellten, dass im Beginne für
die theologischen Vorlesungen Magister von Paris genommen
würden, vereinigen lässt? Hätten die Forscher ausser der
Geschichte der Prager und Wiener auch die anderer Universitäten
gekannt, so würden sie gefunden haben, dass im 14. Jh. der
Unterricht in der Theologie an den Hochschulen in der Regel
ausgeschlossen wurde, und dass gerade die Avignonesischen
Päpste, obgleich nicht immer, dieser Methode gehuldigt haben.
Da ich weiter unten auf diesen Punkt zu sprechen komme"*"),
so brauche ich mich hier nicht weiter bei demselben aufzuhalten.
Sicher ist aber, dass man in obiger Thatsache, so weit sie sich
auf Wien bezieht, bisher zu viel gesucht hat
Am 6. Juni 1366 verfasste die Universität ein Statut über
die Eintheilung ihrer Angehörigen in vier Nationen "*0, am
1578) Bei Pez, 88. rer. aast. II, 805. Aber ganz gefehlt ist es mit
Aschbach, Gesch. der Wiener Universität S. 17 von 'peinlicher Verlegen-
heit' des Papstes gegenüber dem Kaiser zu sprechen.
1^7^) So Kiok I, 1. 8. 11 Anm. Aus ihm, ohne ihn zu nennen,
Wappler, Geschichte der theol. Facalt&t der k. k. Universität zu Wien
(1884), 8. 1 (hiemit habe ich diese Schrift zum ersten und letzten Male
citiert. Für die Periode, die hier von Interesse wäre, n&mlich die erste,
bietet sie lediglich Excerpte aus Kink und Aschbach; die spätere Epoche
gehört nicht hierher). Aehnlich schreibt Eaemmel, Gesch. des deutschen
Schulwesens 8. 105.
1^^) 8. unten im dritten Paragraphen des vierten Hauptabschnittes.
i»i) Bei Kink II, 32.
608 ^- Entwickelang der Hochschulen bis lum Ende des 14. Jhs.
8. August ein solches über die Functionen und die Gebühren
des Bedells^'^'). Am 17. Juli desselben Jahres incorporierten
die Herzoge Albrecht und Leopold die landesfürstliche Pfarre in
Laa der Universität*"').
Kink hat die Meinung ausgesprochen, dass vom Ende des
Jahres 1366 an, nachdem der erste Rector"") Albert von
Sachsen, der vorher lange Zeit in Paris gelehrt hatte ^'^''), zum
Bisthume von Halberstadt befördert worden war, die Hochschule
bis nach 1377 nur ein Scheinleben ohne Rector gefristet habe,
und ohne im Grunde etwas anderes gewesen zu sein, als eine
iMä») Ibid. S. 40.
1583) Die Urkunde ist dem Best&tigungsbrief des Bischofes von Pasian
vom 5. December 1383 inseriert. Kink 1. c. S. 34.
1^ S. Steyerer, Gommentarii pro historia Alberti II. (Lipsiae 1725)
p. 429. 453.
1586) j^m 7. M&n 1351 determinierte er in artibns su Paris 'sab. mag.
Alberto de Bohemia* (Reg. nat anglicanae III, Bl. 15 b) und erhielt das
Licentiat. Bl. 16 a. Allerdings wird er hier Albertus de Helmstede genannt,
aber es ist nicht glaublich, dass dieser ein anderer war als Albert ?on
Sachsen. ^Sachsen' war für jenen Landstrich die allgemeine Bezeichnung.
Doch steht scheinbar dagegen, dass Albert im Stiftbriefe vom J. 1366
(Kink II, 36) und auch in andern Urkunden Albertus Riggensdorf de Sazonia
oder Albertus de Rigmerstorp heisst. Allein Albertus de Biggensdorf
oder Bigmersdorf kommt im Beg. nat angl. nicht vor. So oft femer Alber-
tus de Saxonia aufgeführt wird, geschieht des Albertus de Helmstede nicht
mehr Erw&hnung, und umgekehrt. Die Schwierigkeit I68t sich einfiuh so,
dass Albert in Paris nach der seinem Geburtsorte nftchst gelegenen griVsse-
ren Stadt und nicht nach dem kleinen (jetst nicht mehr existierenden) Orte
Bigmersdorf eingeschrieben wurde. Ein mag. Johann Ricmestorp, mag. in
artibus, nuntius universitatis Parisius erhielt 8. Aug. 1365 das Arehidia-
conat zu Goslar. Arch. Vat. Rationes receptorum n. 7 Bl. 104. Wegen des
Geschlechts der Bigmersdorf a Schmidt in der Zsch. des Hanvereins XI,
418, wo auch mehr Notixen über das Leben Alberts. Irrig ist jedoch, er
sei 1360 nach Rom gegangen. 'In Tigilia b. Urbani Pape' (24. Mal) des
Jahres 1351 'incepit sub mag. Alberto de Bohemia' (ib. Bl. 16b). Nur kan
erscheint er noch als magister Albertus de Helmstede (ib. BL 17 a); denn
bereits 9. Febr. 1352 finden wir ihn als mag. Albertus de Saxonia be-
xeichnet (ib. Bl. 17 b), und so wird er im Reg. nat. anglic. bis san 18. No-
vember 1362 genannt (Bl. 45 b. Vgl. auch Bl. 46 b). In Paris brachte er es
bald in Anaehen. Schon im J. 1353 wnrde er sun Rector erwUüt. Reg.
nat angl. III, 20 b.
5. Hochscholen mit pftpstl. a. landesherrl. Stiftbriefan. Wien. 609
Artisten- und die bisherige Bürgerschule bei St. Stephan*"*).
Paulsen erweiterte dieses Urtheil mit der Bemerkung, bis 1384
habe die Universität kaum mehr als dem Namen nach bestanden
und Kink zeige, dass höchstens etwas wie eine artistische Facultät
vorhanden war u. s. w.*"^. Noch viel weiter gieng Hautz, dem
zufolge die Universität Heidelberg die erste Deutschlands ist,
da das Stiftungsjahr der Wiener Universität zweifelhaft sei**®*).
Diese letztere Behauptung verdient keine Widerlegung; sie hat
sich schon durch das Vorstehende als grundlos erwiesen und
wird durch das folgende als völlig unhaltbar gekennzeichnet***').
Ganz anders steht es mit Kinks Aufstellung. Sie hat in der
That etwas für sich.
Gewiss ist, dass die Hochschule von 1366 — 1377 auf schwachen
Füssen stand. Der Beweis hiefür liegt nicht darin, dass die Uni-
versitätsacten nicht weiter als bis zum J. 1377 zurückreichen"'^),
denn etwas ähnliches haben wir auch bei Prag bemerkt, trotzdem
dass dort die Hochschule seit ihrer Stiftung in Aufnahme ge-
kommen war; er besteht vielmehr in dem Umstände, dass die
Hochschule kaum ein Lebenszeichen von sich gab, und man sich
nur vereinzelt mit ihr beschäftigte. Ich selbst fand in den
päpstlichen Regesten Urbans V. (ausser den oben angeführten
Schreiben) und Gregors XI., und zwar in der grossen Avignone-
sischen Sammlung, auch nicht 6in Document, das sich auf die
Hochschule zu Wien bezieht*"*). Am 13. October 1370 machte
der Pfarrer von Gars eine Stiftung für 3 Sublectoren und
>M6) I, 1, 8. 12. 14.
1^7) Sybels Hist. Zschr. Bd. 45 S. 261.
1^) lo den Heidelberger JahrbQch. d. Literatur, 1852, o. 21 S. 821.
Ich weiss nicht, ob sich auf diese Behauptung die Phrase Heinzes in der
am 22. November 1883 zu Heidelberg gehaltenen Gedächtnissrede bezieht,
Heidelberg sei die ^erste und älteste (üniversit&t) im Deutschen Reiche'
(Beil. z. Allg. Ztg. 1884 n. 20).
IMS) V7enn gewisse Gelehrte nun darauf bestehen wollen, dass Heidel-
berg die erste und ftlteste Universität Deutschlands ist, dann mttssen
sie auch zugeben, dass man in Böhmen, Oesterreich, Polen und Ungarn
viel fraher das Bedarfniss nach Universitäten nnd nach höherer wissen-
Bchaftlicher Bildung im eigenen Lande ffthlte als in Deutschland.
1^ Jetzt sind sie ganz verloren. S. Kink I, 1, 8. 14 Anm 16.
^^^) Leider fehlen von den Suppliken Urbans V. gerade jene Jahre,
DenifU, Die DniToniUUn L 39
610 11^* £ot Wickelung der Hochschulen bis zum Ende d^s 14 Jhs.
einen Scholaren 'in der universitet und gefreyten schulen ze Wienn'.
Es sollen aber, heisst es in der Urkunde, andere Bestimmungen
mit der Stiftung getroffen werden, wenn 'die schul ze Wienn
und die universitet in der mazz abnem, das kein sublector da
wer'""). Diese Stelle legt einerseits dar, dass die Hochschule
in Abnahme war und man eine noch grössere befürchtete, anderer-
seits aber erhellt wider aus ihr, dass die Hochschule immer
noch als solche fortbestand.
Indess wird aus andern Umständen klar, dass Wien damals
nicht die St. Stephansschule allein besass. In der ersten Matrikel,
die in wenigen Bruchstücken erhalten ist'"*), geschieht vom
J. 1377—1383 ebenso der 'universitas studii Wijenn.' Erwähnung
wie später. Der 'rector universitatis studii' wird femer genau
vom 'rector scolarum s. Stephani' unterschieden. Da nun aber
von einer besonderen Reactivierung der Hochschule im J. 1377
keine Rede sein kann, indem alle Acten darüber schweigen"'*),
so muss man die angeführten Facta als eine Fortsetzung aus
früherer Zeit ansehen, nicht zwar insofeme, als in Bezug auf
die Rectorswahl keine Unterbrechung stattgefunden hätte, sondern
in der Weise, dass die Universität doch nicht bloss von der
St. Stephansschule gebildet wurde. Zu diesem Resultate werden
wir noch durch andere Thatsachen hingedrängt. So wird durch
die citierte Matrikel die Ansicht widerlegt, als sei vom An-
fange an nur die artistische Facultät ins Leben getreten. Schon
das Hauptargument für diese Behauptung, dass sich nämlich
die hier von Bedeutung wären (vom 5. Jahre an), und jene Gregors XL ganz.
S. oben S. 387 Anm. 699.
1^9'^) Hormayr, 1. c. S. CLXXIYffl Im Auszuge bei Kink I, 2 8. 7.
i593j Bei Steyerer, Commentarii pro historia Alberti II. p. 455.
1^^) Man erfährt nur, dass 1377 wider ein Bector gewählt wurde, nicht
aber dass irgendwie neue Lehrstühle errichtet worden w&ren. Wenn sich
Kink I, 1 p. 16 Anm. auf die vom Schottenabte Martin, welcher 1424 in
Wien studiert hat, gebrachte Notiz beruft, der zufolge 'Albertus III. fundavit
universitatem Wyennae anno dorn. 1377 vel prope' (Pez, SS. rer. aastr. II,
657), so ist darauf zu erwidern, dass Martin die von Herzog Albrecht im
J. 1384 unternommene Restaurierung der Universität, welche, wie wir weiter
unten sehen werden, von Zeitgenossen als eine Grflndung betrachtet wurde,
im Ange hatte, üebrigens beweist das beigcfflgte *vel prope', dass der
Autor selbst zugesteht, er sei über das Jahr nicht genau unterrichtet.
5. Hochschulen mit pftpstl. a. landesherri. Stiftbriefen. Wien. 611
1384 die artistische Facultät 'universitas artium' genannt hat^*^'^),
ist bedenklich, denn es beweist ebenso wenig für dieselbe, als
ähnliche Ausdrücke für die Aufstellung, die Universität Paris
sei aus der universitas artium hervorgegangen. Dazu kommt,
dass die uns erhaltenen ersten Immatriculierungen aus den
Jahren 1377 und 1378 gerade Studierende der Rechtswissen-
schaft betreffen'"*^).
Dass wir erst seit dem J. 1377 von Juristen hören, hat
aber lediglich in dem zufälligen Umstände seinen Grund, dass
im genannten Jahre nach Unterbrechung von 11 Jahren wider
ein Rector gewählt wurde und erst jetzt die Matrikel in Auf-
nahme kam. Der Rector Johannes Randek hat nicht die Juristen
berufen, sondern er hat die bereits in Wien an der Schule
obschon in geringer Anzahl vorhandenen in die Matrikel ein-
geschrieben""). Ist aber dem also, dann wurde die Universität
nicht bloss von der Stephansschule, wo nur die artes ver-
treten waren, gebildet, wenngleich Niemand läugnen wird, dass
diese Lehranstalt im Anfange den Hauptbestandtheil der Uni-
versität ausgemacht hat. Nun erklärt es sich auch, warum
Herzog Albrecht 1383-1384 an Urban VL schreiben konnte,
dass das von Rudolf gegründete 'Studium generale in predictis
facultatibus (Jus, Artes, Medicin) in eadem villa per dei gratiam
felicibus successibus usque ad moderna tempora semper de bono
in melius perseverans multipliciter auctum sit adeo, quod retro-
actis temporibus multi eximii in eisdem facultatibus provecti
inde prodierunt et prodeunt quotidie' '^^^). Das 4n melius' mag
sich auf die Zeit nach 1377 beziehen, in der auch nach Kink
und Aschbach ein Fortschritt gegen früher aufzuweisen ist.
1&9&) S. Kink, I, 1 S. 15 Anm. Aschbach, S. 24 Anm. 1 ; 25 Anm. 2.
1696) S. Steyerer, Gommentarii pro hist. Alberti II. ducis Anstr. p. 455.
Der Universit&tsrector Johannes Randek schrieb 1377 Studenten 4b jure'
ein. Sein Nachfolger Conrad Graf von Hohenberg im J. 1378 Hntitulavit
sabseqaentes studentes in jure canonico'. Im J. 1379 'intitulavit magistros
et scolares in artibus subsequentes' der Rector Colomann Kolb. Leider wird
nie ein Student mit Namen genannt.
1^7) Aschbach hat nicht darauf geachtet, als er S. 27 die Behauptung
anfsteHte, das Rechtsstndinm habe erst mit dem J. 1377 begonnen.
i&d») So Urban VI. im Schreiben vom 20. Febr. 1384 bei Kink II, 45.
39*
612 HL Entwickelnng der Hocbschnlen bis sam Ende des U Jhs.
Seit dieser Zeit begannen die Immatriculierungen und die regel-
mässigen Rectorswahlen. Und so werden Kinks und Paulsens
Behauptungen auf das rechte Mass zurückgeführt.
Wahr bleibt aber trotzdem immerhin, dass die Anfange
der so grossartig angelegten Wiener Universität unscheinbar
waren. Der Grund davon ist vor Allem in dem plötzlichen
Tode des Stifters Rudolf (27. Juli 1365) zu suchen. Die darauf
erfolgten erbitterten Kämpfe zwischen den beiden Brüdern
Albrecht lU. und Leopold III. über die Art der Theilung der Länder
waren natürlich der Stiftung nichts weniger als günstig. Ausser
dem noch von Rudolf berufenen Albert von Sachsen und einigen
andern wurde, wie es scheint, kein bedeutender Lehrer von
aussen herbeigezogen; die Interessen der beiden streitenden Her-
zoge waren auf etwas anderes gerichtet. Man begnügte sich mit
dem Lehrpersonal, das bereits in Wien war oder von selbst kam.
Da aber im Yerhältniss zu den Studierenden Westdeutschlands
nur wenige Oesterreicher auf auswärtigen Generalstudien sich
aufhielten und promovierten (wie ich mich beim Vergleiche der
verschiedenen Rotuli und des Registrum nationis anglicanae zu
Paris überzeugt habe), und sie eigentlich erst das Generalstudium
zu Prag benützten, so besass Oesterreich selbst zu wenig Ma-
gistri, die zudem nicht genug Anziehungskraft für auswärtige
Professoren und Scholaren besassen. Ganz anders wäre es ge-
wesen, hätte Wien die Position von Köln vor Errichtung der
dortigen Universität inne gehabt. Zudem war in Wien nicht
für die Besoldung der Magistri, die auch noch nach 1383 vieles
zu wünschen übrig liess , gesorgt. Eigentlich muss man
staunen, dass die Hochschule in dem Zeiträume bis 1383 nicht
ganz eingieng.
In diesem Jahre fiel dem Herzog Albrecht lU. das ganze
Herzogthum Oesterreich zu. Albrecht beschäftigte sich nun als-
bald auch mit der Hochschule. Durch ihn sollte neues Leben in die-
selbe kommen. Er dachte daran frische Lehrkräfte von aussen
für sie zu gewinnen, die theologische Facultät für dieselbe beim
Papste zu erbitten, und mittels einer neuen Urkunde die Universität
zu reorganisieren. Die hauptsächliche Stütze bei diesem Unternehmen
sollte Heinrich von Langenstein, ein Pariser Theologe, werden.
5. Hochschulen mit päpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Wien. 613
Für die erste Absicht war der Augenblick nicht ungünstig.
In Folge des ausgebrochenen päpstlichen Schismas waren, wie
die ganze Christenheit, so auch einzelne Genossenschaften in
derselben getheilt. Ebenso war es an der Universität Paris.
Anfanglich hielt sie zu Urban VI., an den sie einen Botulus
abzusenden gedachte, als dessen nuntius ad curiam von Seite
der natio anglicana Gerhard von Kaikar bestimmt wurde ^^'').
Bald aber entschloss sich die Universität für Neutralität und
erklärte am 8. Jänner 1379 in dieser Angelegenheit nichts thun
zu wollen, ^nisi ex unanimi facultatum et nationum consensu' '*^®).
Als aber König Karl V. in sie drang sich fQr Clemens YIL, zu
dem er selbst hielt, zu erklären, da trat Spaltung ein. Die
Universität entschied sich mit Ausnahme der natio Picardica
et Anglicana und mehrerer Professoren für Clemens VII. ^*®0?
die beiden genannten Nationen blieben neutral. In Folge davon
wurde man über die Absendung des Rotulus nicht einig. Nach
langem einige Jahre andauerndem Hin- und Herschwanken wurde
der Rotulus unter dem Rectorate des Aegydius de aspero monte
im Februar oder März 1383 an Clemens VII. abgeschickt *•"*).
Er ist in den Reg. Suppl. Clemens VII. noch vollständig erhalten**®').
Reg. nat. anglicanae zu Paris V, BI. 16 b. 17 a. Henricus de
Athenis und Marsilins von Inghen waren bereits Ende des Pontifioates Gre-
gors XL an der römischen Curie. Man vergl. oben, S. 381 Anm. 674 und
Beg. nat. angl. 17 a mit 20 b. Hartwigs oberflächliche Yermuthung (Leben
und Schriften Heinrichs von Langenstein I, 40, Anm. 1), welcher Schulte in
AUg. Deutsch. Biogr. YII, 672 und Aschbach I, 373 Beifall zollen, statt
*de Athenis' 'de Hassia' zu schreiben erweist sich nach Reg. 1. c. 17 a als
grundlos. Henricus de Athenis ist identisch mit dem im Register h&ufig
widerkehrenden Henricus de Thenis (in der Ltttticher Diöcese , Prov.
Brabant).
i«oo) S. Du Boulay IV, 565.
1601) Ibid. p. 566.
1603) pies erhellt aus dem Beschlüsse einer Oongregatio der natio an-
glic. vom 24. Februar 13^3. Reg. nat. anglic. zu Paris. Y, 42b (ich komme
darauf zurück). Du Boulay lY, 592 war sich nicht recht klar.
1^03) An. 1 p. 5 Bl. 127-185. Wie so viele Rotnli aus der Zeit
Clemens YII. und theilweise schon unter früheren F&psten wurde auch
dieser Rotulus in das erste Jahr des Pontificates, n&mlich in den Schlnss
von 1378, zurückdatiert.
614 in. Entwickeluog der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
Alle vier Facoltäten, darunter die artistische mit den vier
Nationen (auch der picardischen und englischen) werden auf-
geführt. Nur bei der englischen bemerken wir einen grossen
Unterschied gegenüber den Rotuli früherer Zeit. Während damals
im Rotulus der Natio anglicana die Deutschen bei weitem vor-
herrschten, finden wir nunmehr ausser Ulrich Keller von Constanz
und Conrad Puller von Entershofen aus der Strassburger Diocese,
nur noch Schotten und einen Normannen in demselben ^'®^). Die
Deutschen bewahrten der Mehrzahl nach die Neutralität
Doch stand die natio anglicana Clemens VII. keineswegs so
schroff gegenüber, als man bisher angenommen hat. Am 24. No-
vember 1382, also nur etliche Monate vor Absendung des Rotulus,
wurde in der congregatio nationis ad s. Mathurinum unter
anderm der Artikel vorgelegt ^super modo deliberando expediendi
rotulum communem, qui ex parte nationis ad D. papam de-
mentem esset destinandus. Pro cuius articuli tenore nacio deli-
beravit, eundem rotulum esse dirigendum in expensis particola-
ribus coUigendis magistrorum volencium scribi in eodem*^*®^*
Am 13. December desselben Jahres ^nacio deliberavit, suppli-
cationes non esse admittendas bacalariorum in facultate decre-
torum volencium rotulum particularem habuisse summo pontifici
destinandum' '*®^). Wie aus den ferneren Berathungen hervorgeht,
war die inrotulatio ganz frei. Am 3. Februar 1383 verlangte
in congregatione universitatis der Rector vom Procurator der
engl. Nation (Mag. Henricus Poelman de Arnhem Traject dioc),
'quatenus traderet determinationem nacionis eiusdem pro D. de-
mente ad habendum in Flandria pro determinando ibidem etiam
1604) Dass keine Engländer aufgeE&hlt werden, darf man nicht dem
Umstand anschreiben, dass England zu Urban VI hielt, sondern Tielmehr
der Thatsache, dass schon seit langem fast gar keine Engländer (Schotten
nicht mitbegriffen) der Artisten-Facultät angehörten, wie ans dem Begistrom
nat ang}. herrorgeht Vgl. oben S. 96 Anm. 183.
1605) Begtst nat anglicanae Y, Bl. 38 a. Am 12. October schien es noch
der natio *quod pro certo non expediebat facere sen mittere aliqoem rota-
Inm'. Die Decretisten verlangten *matnrius condliom'. Facultas theologie
et medicine meinten, *qnod simpliciter ezpediret &cere rotulum', und es
wurde beschlossen, einen solchen an Clemens au senden. Reg. 1. c. Bl. 36 a.
1606) Ibid. Bl. 39 a.
5. Hochschulen mit päpstl. u. landesherrl Stifthriefen. Wien. 615
pro demente et etiam pro mittendo ad Papam. Super quo deli-
beravit nacio sie, quod determinatio universitatis cum magno
sigillo merito sufficeret, et quod ad talia nacio nostra non speci-
aliter deberet astringi. Super acceleratione rotuli et eins sigilla-
tione placuit nationi, quod acceleraretur et sigillaretur' ^*^^'). Die
Determinationes in artibus der Deutschen giengen ihren ge-
wohnten Gang, wie sich aus dem Registrum ergibt. Von einem
Beschlüsse, auszuziehen, sollte der Rotulus abgesandt werden,
ist gar keine Rede, im Gegentheile, am 24. Februar 1383
antwortete die Natio sogar auf die Anfrage hin, ob sie hingehen
solle ^ad audiendum legere litteras de determinatione universi-
tatis ad dementem et ad audiendum iurare nuntios universitatis
rotuli', dass sie illas litteras haberet pro litteris et quod non
vellet contradicere nee contradiceret, et placuit nacioni quod
nuntii iurarent sicut est consuetum et quod rotulum secum ap-
portarent' **'°®). Auch nach dem Beginne des Streites, nämlich
am 12. Februar 1379, erklärte die Nation in der 'congregatia
omnium magistrorum nationis anglicane in domo capitulari s. Mat-
thurinr, 'quod dominus rex esset male informatus de nacione,
videlicet, quod ipsa impediret, quod rotulus non concluderetur
nee mitteretur Fundis (sie!) ad dementem'. Es sollten einige zum
König gehen 'ad excusationem nacionis anglicane et singulorum
eins suppositorum et quod super facto sibi imposito ipsa esset
totaliter innocens et immunis' ""').
Dies lautet allerdings ganz anders, als Marsilius von Inghen
berichtet ^"'^), der doch damals in Paris unter den Mitgliedern
war, sich aber in seinen Schriften hierüber als partheiisch und
nicht ganz zuverlässig erweist, und als die Geschichtsforschung
die Lage dieser Dinge häufig darzustellen gewohnt ist. Hiebei
denke ich lediglich an das Verhalten der natio anglicana. Eine
leere Behauptung ist es, wenn Hartwig meint, *der Theil der euro-
1607) Ibid. Bl. 41a.
1608) Ibid. Bl. 42 b.
1609) Reg. nat. anglic. V, Bl. 20b.
1610) «Bationes cur ürbano Pontifici electo adhaerendum' bei Hartwig
S. 39 Anm. 1.
616 m* Entwickelung der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
päischen Kulturvölker, welcher später zur Zeit der Reformation
für die Wahrheit zeugte, trat hier schon für die gerechte Sache
in die Schranken'""). Was der englischen resp. der deutschen
Nation damals in Paris mangelte, das war die Festigkeit, sie
befolgte lediglich eine Abstinenztheorie, und war in ihrem
Urtheile eher unschlüssig, als sicher und fest. Das beweisen obige
Stellen, und das legte sie auch am 20. Mai 1381 ^in solempni
congregatione universitatis' bei St. Bernhard an den Tag, als
die Universität sich für den von dem Rector vorgeschlagenen
Weg entschied und sich entschloss auf die Zustunmenberufmig
eines allgemeinen Concils hin zu wirken^®").
In allen bisherigen Darstellungen lief hier wie so häufig
eine Verwechselung unter: man schied nicht zwischen der natio
anglicana, resp. der deutschen Nation, und den deutschen Pro«
fessoren der theologischen Facultät. In letzterer war allerdings
die Festigkeit bedeutend grösser, die Stellungnahme der einen
zu Clemens YIL, der anderen, vorzüglich der deutschen, zu
Urban YL, eine entschiedene, und die Kluft viel weiter. Während
man aus den Acten darüber nicht ins Beine kommt, ob wegen
des Schisma ein bedeutender Theil der deutschen Angehörigen
aus der natio anglicana Paris den Bücken gekehrt hat^^'*), war
i^>i) S. 45. Es darf nicht Wunder nehmen, wenn man davon keine
Spur entdeckt, dass einige NationsmitgUeder bei jenen ^iqaoi millia' waren,
die in Folge der BedrQckung Ludwigs von Aiyou im Jahre 1380— IdSl nach
Rom geflachtet sein sollen (Du Boulay lY, 584), eine I&cherliche Behauptung
die Hartfng S. 48 harmlos nachschreibt.
1^^^) Reg. nat angl. Y, Bl 31b. Respondit tarnen nacio nostra ante
omnia protestando, quod non intenderet recedere a mandatis, jusrionibus
et obedientia superiorum suorum, sed eis firmiter insistere et obedire, pro
bono tarnen pacis et uuionis universalis ecclesie et honore buius alme uni-
versitatis via per D. rectorem proposita videtur ad presens fore tuta, sana
et expediens, et in eam consentiunt quantum in eis est, et nedum in bi^c,
sed in quancunque aliam rationabilem et iustam, per quam presens proh
dolor divisio posset de medio submoveri etc.
161 3 j j^us dem Registrum nat. angl. erfährt man gar nichts. Zu aUem
Ueberflusse ist der Theil des Registrums vom 24. April 1388 bis 5. April
1392 verloren gegangen. Der Schluss des früheren Registrums jedoch (Y)
und der Anfang des neuen (jetzt YI) lassen auf kein weiteres Yorkommniss
schliessen. In einem gegen den Kaniler in den Jahren 1385 und 1386 von
der Universität geführten Process werden aber folgende deatsche Artisttn
5. Hochschulen mit päpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Wien. 617
dieser Umstand bei Abreise mehrerer Theologen massgebend.
Wohl nicht bloss um der Deutschen, die Paris verlassen hatten,
sondern mehr um anderer Umstände willen sagte Heinrich von
Langenstein einige Jahre später, 'quod studia dissipantur Gallie,
sol sapientie ibi eclipsatur'^*^^). Auf den Abzug deutscher Pro-
fessoren mag es sich jedoch beziehen, wenn er hinzusetzt:
^recedit sapientia transiens ad gentem alteram' ^^^'^).
Zu den Theologen, die Paris verliessen, gehörte nun auch
Heinrich von Langenstein, der am 20. Mai 1363 bei St Gene-
vieve das Licentiat in artibus erhalten ^^^*), nachdem er kurz vorher
4uravit iui*amenta consueta determinantium' und auch deter-
miniert hatte ^^''). Im Mai 1375 finde ich ihn zum letzten Male
im Registrum nationis anglicanae als magister actu regens in
artibus aufgeführt '^^^). Am 24. September desselben Jahres
wird er als ^bachalarius formatus in s. theologia' genannt ^*^'),
der natio anglicana erwähnt: Johann de Brandebonrc, Johann de Austria,
Petras de Anstredam als procurator, Nicolans de Yandemonte flammingus,
Amaldus de Traiecto, Johann. Hoklem; als Examinator pro natione anglic.
wird genannt Johann Holzelem, etc. Arch. Yat. Avenion. Processus contra
cancell. Paris, n. 440 (früher 1299). Wenn von 1392 ab im Reg. nat. anglic.
bei weitem nicht mehr so viele Deutsche vorkommen wie frQher, so hat dies
zunächst darin seinen Grund, dass nunmehr die Deutschen grossentheils auf
ihren eigenen Universitäten studierten.
i6i4j Epistola informatoria super scismate. Cod. Yindob. 4923 Bl. 67 b.
^^^^) Ib. Er meint: nnmquid non jam apud Germanos luceme quatuor
sapientie accense sunt, hoc est, quatuor generalia studia veritatis radiis
choruscantia? Yon keiner Bedeutung ist das Schreiben des Kanzlers der
Universität Prag an das Collegium Carol., in welchem er mittheilt, dass die
Universität Paris den Wunsch ausgesprochen habe, sich nach Böhmen zu
verlegen u. b. w. Bei Höfler, Mag. Joh. Hus S. 121 Anm. 59. Dass 'die
Universität' jemals diesen Gedanken gehabt haben soll, ist eine lächerliche
Behauptung. In den Acten liegen auch nicht die geringsten Anhaltspunkte für
irgend eine Wahrscheinlichkeit vor. Dass aber König Wenzel und der Kanzler
im Wahne lebten, die Universität Paris könnte nach Prag transferiert wer-
den, und man bei Urban YI. Schritte that, ist allerdings wahr.
1616) Begist nat. anglic. III, Bl. 48b. 51a. Incepit 2. feria postpenthe-
costen sub magistro Hermanno Gonsul de Saxonia Ibid. Bl. 49 a.
1617) ii)id. Bl. 47 b. Zum ersten Male als magister actu regens erscheint
er im Begist. am 17. Jänner 1364. Bl. 51b.
1618) IV. Bl. 46 b.
i«i9) Ibid. Bl, 48a.
618 III. Entwickelong der Hochschulen bis zum Ende des 14. Jhs.
im Jahre 1376 (März oder Februar) feierte er das ^festom in-
ceptionis in theologia' '*'°). Die natio anglicana gebrauchte
ihn, trotzdem er von nun an nicht mehr stricte zu ihr ge-
hörte, zu wichtigen Geschäften. Am 5. Jänner 1378 'ad roga-
tionem nacionis acceptavit', beim Kaiser Karl IV. verschiedene
Bitten vorzubringen^"^). Bald darauf brach das Schisma aus,
zu welcher Zeit Heinrich einer der eifrigsten Gegner Clemens VII.
war, für den aber schliesslich die Universität eintrat. Um so
sonderbarer ist es, dass ihn Voigt den Tonangeber unter den
Pariser Theologen nennt ""). Gerade der Umstand, dass Heimich
unter seinen Collegen nicht zu viel Anklang fand, war f&r ihn
möglicher Weise einer der Gründe sich von Paris wegzuwenden.
Es hat viel Wahrscheinlichkeit für sich, und es mangeln
nicht die Belege hiefür'"^), dass Herzog Albrecht von Oester-
reich, die Spaltung an der Pariser Universität benützend, bereits
vor der Abreise Langensteins und anderer Professoren an die
deutschen Professoren in Paris die Einladung nach Wien zu
kommen gesandt hatte, so dass also diese AufiForderung für sie
mit ein Grund gewesen wäre, Paris zu verlassen. Verbürgt ist,
'«SO) Ibid. Bl. 49b. Dazu vergl. Du Boulay lY, 961.
i^>) Ibid. y, BL 9b: Prima de mutatione nominis nacionis angUcane
in nomen nacionis alemannorum. Secunda petitio erat, quatenus dignareinr
(Imperator) scribere pro nacione ad Dom. appostolicum, nt cessaret ilia op-
pressio ezaminis s. Genovefe, secundum qnod nostri vocarentnr secundom me-
rita personarum . . . Tertia erat de fundatione unius collegii.
«6») Enea SUvio de' Piccolomini I (BerUn 1856X 188.
1623) Dies berichtet einmal Thomas von Haselbach (Chron. aastr. bei
Pez, SS. rer. austr. II, 812), der unter den yon Albert aus Paris Berufenen,
Heinrich von Hessen, Heinrich von Oytha, Andreas (!) Kaikar und andere
nennt. Ebenso ergiebt sich dies aus des Zeitgenossen Peter Suchenwirt Ge-
dicht auf Albert:
In frompde knt und gen Pareis
Er zu den maistem sande,
Di in den chunsten warn weis
Di pracht man im zu lande.
Peter Suchenwirts Werke von Primisser (Wien 1827) 8. 15. Allerdings
folgte unter dieser Voraussetzung Heinrich von Langenstein nicht alsbald
der Einladung, da er anÜlDglich mit dem Plane umgieng in einem anderen
deutschen Orte eine Universität zu grflnden.
5. Hochschulen mit p&pstl. u. landesherrl. Stiltbriefen. Wien. 619
dass Heinrich circa 1383, d. i. in jener Epoche, in der auch
andere Professoren aus Paris in Oesterreichs Hauptstadt sich
einfanden, nach Wien kam'"*). Ja er erscheint dort frtiher als
einige seiner Gollegen, wenigstens als Gerhard von Kaikar, der
ihm von Paris aus zwei Verwandte, *ac alios studentes de Colo-
nia, quos ad Studium Wiennense alias' destiniert hatte, empfahU*'^).
Wie einige Jahre später Marsilius von Inghen die Seele der
Universität Heidelberg wurde, so Heinrich von Langenstein die
der Hochschule zu Wien. Allerdings war dieser viel bedeu-
tender als jener.
Albrecbt hatte sich zugleich an den Papst gewandt, um
fflr seine Hochschule die theologische Facultät zu erwirken.
Urbans VI. diesbezügliche Bulle erschien am 20. Februar 1384,
worin er gewährt, ^quod in eadem theologia sit Studium generale^
und dass die Studierenden die Privilegien der theologischen
Facultät von Paris und Bologna besitzen sollten. Wie für die
übrigen Fächer, so musste auch für die Theologie der Propst von
1624) Eigentlich ist nur einigermassen verbargt, dass Heinrich ca. 1383
Paris verlassen hat. Im Cod. Yindob. 4919 Bl. llOa steht n&mlich am
untern Rande der ersten Seite von dessen Epistola de futuris periculis ec-
clesie ex dictis Hildegardis: *Nota, quod prefatus Magister Heinricus haue
epistolam scripsit et destinavit circa annos D. mcccIxxxiii, quando recessit
a studio Parisiensi propter magnum scisma ecclesie, quod tunc cepit inter
papas\ Man darf jedoch das Wörtchen 'circa' , worauf bei solchen Zeitbe-
stimmungen immer viel ankommt, nicht übersehen. Doch glaube ich nicht, dass
diese Zeitangabe grosser Correctur bedarf, denn sie stimmt völlig zu den
Ereignissen in Paris; und dann kann Heinrich nicht viel sp&ter nach Wien
gekommen sein, denn er war dort frQher als Gerhard von Kaikar, wie sich
ergeben wird, letzterer aber hielt sich im Schuljahre 1384—1385 sicher schon
in Wien auf.
^^ S. Hartwig 1. c. S. 65 Anm. 1. Von den übrigen Professoren, die in
jener Epoche Paris verliessen und nach Wien kamen, sind die bekannten
Heinrich de Oytha und «Heinrich de Odendorp. Die Namen anderer s. bei
Aschbach S. 31. Ueber Heinrich von Oyta vgl. oben S. 592 Anm. 1512.
Heinrich de Odendorp erhielt 23. März 1375 das Licentiat in artibus zn
Paris. Reg. nat. anglic. lY, Bl. 45 a. In St. Florian, Hs. XI. 113 Bl. 1 findet
sich desselben Lectnra. super canonem (hmü toriuaquef an deren Schluss
(61. 64) steht: Ezplicit lectura unacnm questionibus rev. mag. Henrici de
Oedendorff reportata in studio wyennensi et finita anno 89. In der ersten
Kölner Matrikel erscheint ebenfalls dieser Henricns de Odendorp, mag. in
artibus und utriusque juris doctor. Bei Schmitz, S. 10.
620 ni« Entwickelang der Hochschulen bis znm Ende des 14. Jhs.
St. Stephan die Promotionen überwachen'^'*). Unter demselben
Datum erneuerte der Papst die Dispens von der Residenz-
pflicht "*0.
Auch seine dritte Absicht führte Albrecht aus. Er erlies
im J. 1384^*'*) einen neuen Privilegienbrief mit Ergänzungen
zum Rudolfinischen Stiftbrief ^*''). Hartwig und Aschbach waren
der Meinung, dass dazu Heinrich von Langenstein Veranlassung
gewesen sei, der in seiner Schrift Informatio Domini Alberti
ducis Austrie de complendo et stabiliendo studio Wiennensi*
dem Herzog über den verwahrlosten Zustand der Hochschule
klage, z. B., dass die Universität noch keine yom Rector geübte
Gerichtsbarkeit besitze, die Schul - LocaUtäten in schlechtem
Zustande und die Dotierung nicht geregelt seien u. s. w/"*).
Allein, hätten beide wirklich den Brief in der Hs. gelesen und
sich nicht bloss auf die unvollständigen Auszüge bei Denis ver-
lassen, so wäre ihr Urtheil wohl anders ausgefallen« Heinrich
erwähnt nämlich in der Informatio bereits das ^ducale GoUegiom',
1^) Bei Kink 11, 43. Paulsen nennt dieses Schreiben mit Unrecht
*eine neue p&pstliche Errichtnngsbulle'. Nur die theologische Facolt&t, nicht
aber das ganze Stndiam, wurde in demselben gew&hrt; dieses setzte der
Papst, wie wir oben sahen, als existierend voraus.
i6>7) Bei Kink S. 47.
1628) Monat und Tag der Ausstellung sind nicht bekannt
1629) Bei Kink S. 49. Auch dieser Brief wurde von Kink und den
Späteren mit Unrecht als Stiftbrief bezeichnet. Er enthält nebst einer Be-
stätigung des Alten nur eine Hinzufügung neuer Privilegien und Bestimmun-
gen. Wegen der Stiftung des CoUegium dncale allein darf er nicht Stift-
brief (der Hochschule) genannt werden.
'630) Im Cod. Yindob. 4610 Bl. 230b. Heinrich sagt, ehe er die
Schäden anfuhrt, unter anderm Bl. 231a: 'quid est ergo prinoeps illustrissime,
aut quid retardat perfici tarn salnbriter concepta et magnifice inchoata domino
inter cetera coUegium yidelicet omnium sanctorum et collegium universitatis
studencium? Cur utrumque tarn magnum ad gloriam dei opus non perficitur?'
Er ermahnt den Herzog Sorge zu tragen, dass das Oeneralstudium 'flrmetur
et feliciter perseveret' und zwar auch wegen der 'magna fama studii Wyenn.,
qne quasi subito in laudem et gloriam principum Austrie exivit fere in
omnem terram et jam nonnuUos etiam de extremis terre fama illa adduxit
huc'. Dann: 'multitudo iam in dicto studio in diversis facultatibus gradna-
torum, qui essent aliis derisioni, si Studium hoc aliquid desineret, aliquid
decrescendo vilesceret'.
5. Hochschalen mit pftpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Wien. 621
dessen ^completio' noch ausstehe, das keinen Platz ßlr die Bibli*
othek, keine geordnete Kapelle besitze ^''0 und wo grosse Räume
unbenutzt dastünden. Die meisten Klagen, die Aschbach und
Hartwig auf die Hochschule beziehen, betreffen dieses CoUeg.
Nun wurde aber das Collegium ducale, wie bekannt, nicht vom
Herzog Rudolf, sondern, vom Herzog Albrecht im J. 1384 mittels
seines Privilegienbriefes gegründet"**). Zudem ist es nicht richtig,
dass Heinrich von Langenstein dem Herzog klagt, der Rector
der Universität übe noch keine Gerichtsbarkeit. Im Gegen-
theile setzt er die bereits gewährte 'potestas judiciaria rectoris'
voraus und er will nur, dass sie in Zukunft ^fundetur ex aucto-
ritate episcopi ordinarii vel sedis apostolice' "**). Dieses letztere
Moment wird im Privilegienbriefe Albrechts noch nicht berührt;
1681) Ibid. BI. 231»» f.
i6S2j Ygi. ^en Albertinischen Privilegienbrief, dann Thomas von Hasel-
bach (Pez, SS. rer. austr. II, 812). Es existiert nicht die geringste An-
deutung dafür, dass das Coilegiam ducale vor 1384 gegründet worden w&re.
163S) Die Stelle, welche sich auf die Gerichtsbarkeit des Rectors so-
wie auf die möglichen Zwistigkeiten am Qeneralstudium bezieht, ist zu inter-
essant, als dass sie hier nicht ihren Platz finden sollte. Cod. Yindob. 4610
BL233': Sextum est, ut propter validiorem et efficaciorem correctionem et
disciplinacionem suppositorum uniuersitatis . . . potestas judiciaria rectoris
fundetnr ex auctoritate episcopi ordinarii uel sedis apostolice. Kec moveat
principem aut alium quemquam, . . . si inter tot aliqui studentium rixentur quan-
doque cum laycis uel inter se, cum sit de ratione studii generalis, ut ex omni na-
cione , que sub celo est, ibi conueniant, ubi tale Studium instituitur. Quid ergo
mirum si, ubi tanta morum dissimilitudinem esse oportet, audiantur quandoque
strepitus dissensionum? Iterum nil mirum, si dissensiones quedam contingant aut
contingerint maxime a principio, qnia adhuc populus iste non fnit instructus de
statu et moribus studentium nee utilitatem corporalem et spiritualem studii
litteramm posaunt rüdes experiri et sentire. Iterum in antiqnissimis et
optime regulatis studiis generalibus caveri non potest, quod quandoque aliqui
de stadentibns disceptent inter se et cum quibusdam laycis, in quo casn
consneverunt in locis studiorum his, qui rei sunt, stndentes et laycl, acriter
puniri, alio enim modo super hoc prouideri non potest. Item pmdens
princeps pensare debet, quod tarn ardna res sine occursu resistentie et mo-
lestie multiplicis institui et firmari non potest, cum malorum infinitus sit
numerus etc. Auch Bl. 234 a sagt Heinrich, der Fürst möge bestimmen, quod
rector habeat potestatem ab officiali, vel episcopo vel papa permittendo
punire stndentes uel quod officialis super hoc vigilet diligenter simul et rector,
ut fiat debita iusticia laycis de scolaribus.
622 m. Entwickelnng der Hochschulen bis sam Ende des 14. Jhs.
der Rector erhält vom Herzog nur 'potestatem judiciariam super
Scolaribus atque assumendi et constituendi sub se unum judicem
in causis civilibus' u. s. w."'*). Die Lobsprüche, welche Heinrich
dem Studium zu Wien ertheilf "), haben femer nur vollen
Sinn, wenn sie sich auf die durch Albrecht reorganisierte Hoch-
schule beziehen, zumal Heinrich, wie wir alsbald sehen werden,
diesen Herzog als Gründer derselben betrachtete.
Aus all dem ergibt sich, dass Heinrich den Albrechtschen
Privilegienbrief bereits vor sich gehabt hat und die Abfassung
seiner erwähnten Informatio in die Zeit nach Erlass desselben
fällt Es lässt sich sogar das Jahr bestimmen, in welchem
Heinrich seine Vorschläge abfasste, nämlich ungefähr 1388^*^*).
Und so betreifen dieselben nicht den Zustand der Hochschule
vor Erscheinen des Albrechtschen Privilegienbriefes, sondern
jenen seit 1384, d. i. seit der Reorganisierung der Hoch-
schule durch den Herzog. Gewiss macht dies einen grossen
Unterschied.
Der Albrechtsche Privilegienbrief, dessen Besprechung in
den zweiten Band gehört, jst nicht weniger interessant als der
Rudolfinische Stiftbrief. In ihm werden die Bestimmungen über
die Nationen und die Facultäten weit mehr praecisiert, theilweise
auch verändert, ein neues Statut über das Universitätssiegel und
die Schule von St. Stephan gegeben '°'^), die Studierenden widerum
1634) Bei Kink II, 65. Vgl. data a 52f.
1636) s. oben Anm. 1630.
1636) Heinrich sagt in der Informatio (Bl. 238 b): certos snm, qnod Do-
minuB mens dox iam in qoataor annis a principio huius stadii tantom dia-
tribuit in promptis pecuniia pro atipendiis magistromm collegU, qnod ipeum
collegium redditibas perpetnis sufficienter pro eadem peconia dotasset, et
ita faciet adkac in proximis qoataor vel qainque annis. Die Abluaung der
Informatio hatte also circa 1388 statt. Nor in dem Falle, dass Hersog
Albrecht 1379 mit der Boorganisation der Uaifersitftt und der Grflndong des
CoUegiom dncaie begonnen h&tte, was jedoch den Thatsachen widerspricht,
fiele sie in das Jahr 1384.
1637) Der Hersog bestimmt % antiqois scolis ad s. Stephanom artes
liberales eciam publice legi per qnatoor precipue magistros areium alios a
predicüs (d. h. von jenen verschieden, die in coUegio fiscultatis artium waren,
nnd Ton welchen er unmittelbar vorher gesprochen hatte; die Stelle bei
Kink I, 1 S. 26 ist missverstftndlich), eomndemque unum ibidem esse recto-
5. Hochschulen mit päpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Wien. 623
von den Lasten befreit und in den herzoglichen Schutz genommen.
Damit aber ein Universitätsangehöriger dieser Privilegien theil-
haftig werde, müsse er sich binnen Monatsfrist durch den Rector
in die Matrikel eintragen lassen. Ein wichtiger Punkt im Privi-
legienbriefe war die Uebergabe eines vom Herzoge gekauften
und dotierten neben den Dominicanern liegenden Hauses an die
Universität für 12 Magistri artium, von denen einer Baccalar
der Theologie sein musste, und für einen oder 2 Doctoren der
genannten Facultät "''*). Acht Canonicate von St. Stephan sollten
immer im Falle der Yacanz nur an die Magistri artium dieses
GoUegs, welches den Namen CoUegium ducale erhielt, vergeben
werden.
Es versteht sich nun aber von selbst, dass diese Art Do-
tierung gerade für den Anfang sehr precär war, denn es ist
kaum glaublich, dass auf einmal 8 Canonicate erledigt waren. Zu-
dem fragt es sich, welche Subsistenzmittel die übrigen 4—6 Magistri
hatten. Die Klage Heinrichs von Langenstein in seiner citierten
Informatio, dass das GoUeg nicht gehörig dotiert sei, war also
ganz am Platze.
Herzog Abrecht bestimmte auch in dem Privilegienbriefe,
dass jeder Herzog beim Regierungsantritte die Privilegien der
Universität auf deren Verlangen hin bestätigen, der Bürger-
meister von Wien aber bei jeder Neuwahl die Handhabung der-
rem pneromm'. Das Salariam soUten die vier ron der Stadt erhalten. Dem
Rector wurden manche Rechte einger&umt. Doch mussten sowohl er als die
Abrigen sowie die bei St. Stephan hörenden Scholaren sich in die Matrikel
einschreiben lassen, wollten sie 'de nniversitatis gremio' sein und an den
Privilegien der Universität theilhaben. Das Emennungsrecht der vier Ma-
gistri stand dem Bflrgermeister mit dem Stadtrathe zu; sie sollten sich aber
dabei mit dem Rector (der Universität) und den vier Procuratoren der Na-
tionen ins Einvernehmen setzen (Kink 11, 63 f).
1638) Aschbach S. 39. 43 behauptet, der Herzog habe der Universität
von Weihnachten 1384 an das von ihm als CoUegium bezeichnete Haus
flbergeben. AUein da waltet ein arges Missverstftndniss ob. Der Herzog
sagt n&mlich, er Qbergebe das Haus 'presenti anno, videlicet a nativitate
domini millesimo trecentesimo octuagesimo quarto' (bei Kink II, 62). 'A na-
tivitate domini' nahm nun Aschbach far Weihnachten 1384, w&hrend die
Bezeichnung der ganz gewöhnliche tcrminus a quo fOr die Angabe der
Jahre ist!
624 HL Entwickelong der Hochschulen bis snm Ende des 14. Jhs.
selben beschwören solle. Am 5. October des gleichen Jahres er-
theilte er der Universität das Recht Statuten zu machen'*'*),
worauf im Jahre 1385 in der That die allgemeinen Statuten er-
schienen, denen innerhalb eines Zeitraumes yon 4 Jahren jene
der einzelnen vier Facultäten folgten.
Dass die Hochschule auch jetzt noch, wenigstens während der
ersten vier Jahre, vieles zu wünschen übrig liess, beweist die
widerholt angezogene Informatio Heinrichs von Langenstein. Vor
allem andern räth er dem Herzog neben der Vollendung des alten
CoUegs, des collegium ducale, die Errichtung neuer Gollegien.
Von ihnen hänge der Fortbestand einer Hochschule ab und ihnen
habe Paris die Blüthe zu verdanken '*^^). Er erwähnt die Schäden,
die seit dem 'Beginne' der Schule, nämlich im Sinne Heinrichs
seit vier Jahren ^*^'), an derselben sich fänden. Dass Abhilfe
geschafft wurde, beweist die Geschichte der nächsten Zeit
So wurde die Hochschule zu Wien im Jahre 1365 gegründet
und 1384 reorganisiert. Erst in dieser Epoche und in Folge
von Heinrichs von Langenstein Mahnungen wandte man das
Augenmerk auch den entsprechenden Besoldungen zu. Die Reor-
ganisation hob sich dermassen von der eigentlichen Gründung
ab, dass man Herzog Albrecht sogar für den Stifter der Hoch-
schule ansah'®").
i6»9) Bei Kink ü, 72.
1640) Et precipae dominus dnx et sui magnates, n literarom Stadium
apnd se perse^erare volont, ad solidam fandationem collegiomm ocvlnm
habere debent, in qnibus simul vigeat Stadium et diviaus cultus, nt est Pa-
risius, quia taliter debite fondatis et institutis aliquibus coUegiis Studium
semper fiorebit . . . ncc deficere potent, quod sine coUegiis cito distrahetur,
ymmo nullius momenti erit. Nichil enim alind Paiisiense Studium inde-
fectibiliter firmavit et extulit, nisi ibidem solida tot coUegiorum fundatio.
Cod. Yind. 4610 Bl. 232.
i««i) 8. obeo 8. 622 Anm. 1636.
!««>) Peter Suchenwirts Werke 8. 16:
Daz nye chain fttrst hat ror bedacht,
Dai hat er wol verstanden,
Dai er di hohen schul her pracht
Hat sa deutschen landen
Gen Wienn in di werden stat,
Der man hat lob und ere.
5. Hochschulen mit p&patl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Krakan. 625
Zum Schiasse noch die Bemerkung, dass in Wien wie in
Prag das Civilrecht lange Zeit hindurch keine ständige Ver-
tretung hatte; kaum hie und da kommt in Wien bis 1494 ein
Legist vor"**).
Krakau.
Auch Polen sollte nicht einer Universität ermangeln. Der
Gedanke, in Krakau eine solche zu gründen, gieng von König
Kasimir dem Grossen aus, der bereits 1363 mit den Vorberei-
tungen zu diesem Unternehmen begann"**). Am 12. Mai 1364
erschien dessen Stiftungsurkunde, mittels welcher er ein General-
studium zu Krakau 'in qualibet licita facultate' anordnete; er
gibt den Studierenden und den Angehörigen der Universität die
Privilegien von Bologna und Padua, den Scholaren im Lande ZoU-
und Steuerfreiheit, gewährt ihnen Sicherheit der Person und Habe
und bestätigt die Privilegien, die er ihnen zugestanden. Bei einem
Juden durften die Scholaren auf Pfand hin Geld borgen, und diesem
war es nicht erlaubt, monatlich mehr denn einen Groschen von jeder
Mark Zinsen zu nehmen. Der Rector, der kein Doctor oder Magister
Auch Heinrich von Langenstein datiert das Trincipinm stndii' von Hersog
Albrecht (Cod. Yindob. 4610 Bl. 232 b). «Inchoavit Stadium'. (BI. 234 a). Und
der Schottenabt Martin sagt geradezu: fundavit universitatem Wyennae. S.
oben S. 610 Anm. 1594.
164S) Mather, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft S. 102, muss, trotz-
dem er nicht geneigt ist, dies doch zugestehen. Nachträglich mache ich noch
auf Tomascheks Geschieh tsquellen der Stadt Wien, wo s. B. im 1. Bd. der
1. Abthlg. die oben S. 604 citierten Urkunden stehen, und auf Mayers Mono-
graphie (44 S.), Die Bürgerschule zu St. Stephan in Wien (1880), aufmerksam.
1644) Nakielski, Miechovia p. 282. Ton einer frtlheren Stiftung kann
keine Rede sein. In der bisher kaum bekannten ältesten Tita des hl. Hya-
cinth (De rita et miraculis s. Jacchonis auct. Stanislao lectore Cracoviensi ed.
L. Cutiklinski, Lw6w 1884) p. 30 heisst es, der Bischof Yon Krakau habe ihn,
als er bereits canonicus war, vor 1216 'ad Studium generale' geschickt, 'ubi
mnltis annis persistens darum intellectum in sacra theologia ac jure cano-
nico conquisirit'. Der spätere Seweryn meinte, unter 'Studium generale'
werde hier Krakau, Prag und Bologna verstanden (s. ibid. Anm. b). Allein
von Krakau kann schon deshalb keine Rede sein, weil es alsbald heisst:
'deinde regressus de studio in Cracoviam'. In Bologna wurde damals noch
nicht Theologie gelehrt. Prag jedoch konnte in jener Zeit keine Anziehungs-
kraft ansahen, davon abgesehen, dass das Generalstudium dort erst aber ein
Jh. später errichtet wurde.
Danifla, Die UDiTeraiUUD I. 40
626 m* EntwickeluQg der Hocliscliuleii bis sum Ende des 14« Jhs.
sein solle, habe in Civil- und in leichten Criminalsacheii die
Gerichtsbarkeit über die Scholaren. Seinen Kanzler zu Krakan
bestellte er zur Ueberwachung der Promotionen. Zugleich wirft
der König Besoldungen aus für 3 Decretisten, 5 Legisten, 2 Phy-
siker und einen Magister artium ""). Unter demselben Datum ver-
sprachen die Consuln und Schöffen der Stadt dem Rector, den
Professoren und Scholaren sowie den übrigen Universitätsange-
hörigen ^omnia et singula statuta et pacta in studiis Bononiensi
et Paduano consueta, ac per eos rationabiliter statuenda obser-
vare'*"*). Obwohl der königliche Stiftbrief darüber schweigt,
so sagen sie doch in dem Schriftstücke, der König habe den
Entschluss, ein Studium zu errichten, ^ex benigna largitione ss.
in Christo patris . • . Urbani Papae V.' gefasst. Indess sind die
noch existierenden päpstlichen Bullen spätem Datums"*'). Wie
in Wien der Herzog so wandte sich also auch in Krakau der
König an den Papst, ehe er seinen Stiftbrief erliess, dem ebenso
wie in Wien eine vorläufige Erlaubniss von Seite des Papstes
vorausgegangen war.
Am 1. September 1364 stellte Urban V. auf die Vorstel-
lung des Königs hin, dass Krakau von den Generalstudien ra
weit entfernt liege, und es deshalb an einer hinreichenden
Anzahl 4uris peritorum et litteratarum personarum' mangle, zudem
die Reise zu den Generalstudien mit grossen Schwieri^eiten ver-
bunden sei, seinen Stiftbrief aus und ordnete an , dass in Krakao
Mn iuris canonici et civilis quam alia qualibet licita facultate
preterquam in theologica facultate' ein Generalstudium errichtet
werde. Die Studierenden erhalten die gewöhnlichen Privilegien,
und der Bischof von Krakau, eventuell der Vicar, hat die lioenz
zu ertheilen "**). Am 13. September ermahnt der Papst in ahn-
1645) Codex diplomaticus UDiversitatis studii generalis GracoYteogis. I
(CracoTiae 1870), 1—4. Die Dotationen sollten aus den Einkanften der
Salswerke von Wieliczka bestritten werden.
16*«) Ibid. p. 5.
'6^'^J Auch in der grossen Avignonesiaehen Sammlung findet sich keine
auf das Studium bezOgliche Bulle vor dem 1. September 1364.
16^) Reg. Vat Comm. an. 2 Bl. 354. Cod. diplom. p. 6. Caro, Qe-
schichte Polens II, 387 Anm. 2 meint, die Bulle gebrauche wOrtlich di«
Redewendungen der Einleitung des kasimirschen Or&ndungsstatuts* Daranf
5. Hochschulen mit päpsU. o. landeBherrl. Stiftbriefen. Krakao. 627
lieber Weise, vfie einige Jahre später König Ludwig von Ungarn
in Bezug auf Fünfkirchen, den König, die Privilegien, welche er
den Studierenden gegeben, und deren Wahrung die Consuln,
Schöffen etc. versprochen hätten, wie die darüber ausgefertigten
Urkunden bewiesen, zu bestätigen und in Ausführung zu bringen.
Nur den Paragraph der königlichen Urkunde, dass der königliche
cancellarius Gracoviensis die Examina überwachen und appro-
bieren solle, cassierte der Papst, da, wie er sagte, die Verordnung
darüber ihm zugehöre und er den Bischof, Vicar oder Offidal
dazu bestellt habe***').
Es ist zweifelhaft, ob und inwieweit unter Kasimir der Plan
zur Ausführung gekommen ist '**^). Sicher verfiel die Universität
ganz nach seinem Tod (1370)*"*). Der Hauptgrund dieser
Erscheinung ist wohl in den unsichem politischen Zuständen
Polens zu suchen. König Ludwigs von Ungarn Sorge gieng
mehr auf Ungarn; zudem war er fortwährend in Kriege ver-
wickelt. Noch weniger war zur Zeit des Interregnums (1382 — 1384),
der Königin Hedwig (1384—1386) sowie während der ersten Jahre
des Wladislaus Jagiello zu erwarten. Alle Acten, welche sich im
Cod. diplom. n. 5—14 (J. 1388—1395) inseriert finden, haben
fQr jene Zeit mit der Hochschule nichts zu thun**"); sie er-
ist lu erwidern, dass jene Redewendungen in den p&pstlichen Stiftbriefen seit
Bonifas YIII. (fOr Rom) stereotyp wurden und dass also umgekehrt
Kasimir wie später Wladislaus dieselben päpstlichen Stiftbriefen ent-
lehnt hat.
1^ . . . Nolumus sub huiusmodi concessione et confirmatione inde
facienda aliquatenus includi, cum hoc ad nos dumtaxat pertineat, qui exami-
naiionem et approbationem scolarium huiusmodi fieri per dictum episcopum,
Ticarinm sea officialem dnximus ut premittitur ordinandum. Reg. Yat. 1. c.
Bl. 353b. Cod. diplom. p. 8.
1660) Ftinf Baccalarei der freien Künste sollen promoriert worden sein.
Mnoikowski bei Garo 1. c. S. 337.
i<^i) Zwar sagt Bonifaz IX. in seinem Stiftbriefe der theologischen Fa-
cnlt&t Tom J. 1397, dass in Erakau 'ab olim fuerit et sit in utroque jure . .
Stadium generale'; allein der neue königliche Stiftbrief vom J. 1400 beweist,
dass diese Ausdrücke nicht wörtlich zu nehmen sind.
1^ Auch die weitläufigen Regesten Gregors XL in der Avignonesi«
gehen Sammlung enthalten nicht 6inen Anhaltspunkt für das Studium gene-
rale in Krakau; jene Urbans Y. bieten nur die zwei oben mitgetheilten
Sehreiben.
40*
028 in. Entwiekelasg der Hoducliolen bis inm Ende des ü. Jlis.
halten bloss durch das später gegrfindete GoUegiiim majus dne
Beziehung zu derselben.
Erst Ende des 14. Jhs. dachte man wider an die Hoch-
schule. Am 11. Jänner des Jahres 1397 erliess Bonifaz IX. auf
Bitten des Königs Wladislaus und der Königin Hedwig den
Stiftbrief für die theologische Facultät, und gewährt den
Studierenden die Privilegien jener zu Paris. Das Licentiat soll
in der Theologie wie sonst am Studium ertheilt werden'**').
Am 26. Juli 1400 erschien aber das Diplom, durch weldies der
König die Hochschule wider herstellt^**^). Seine Absicht ist,
ein Generalstudium in allen Facultäten zu ordnen und zu er-
richten, und 4onginquarum incolas regionum ad ejus (studii gene^
ralis) allicere accessum*. Das Beispiel anderer Länder spornte
ihn dazu an'*"). Wie Kasimir, so versprach auch er den
Mitgliedern der Universität die von ihm gewährten Privilegien
und Immunitäten zu halten. Diese waren aber hier wie überalL
Er ordnet femer das Salarium der Professoren, und bestimmt
den Bischof als den (Konservator der Privilegien, welcher auch
mit dem Rector das Salarium vertheilen müsse ^***).
Wladislaus ist als der eigentliche Gründer der Universität
Krakau anzusehen. Er selbst sagt dies in der Urkunde vom
15. Juni des nächsten Jahres '*^0* ^^ dem Stiftungsdiplome
kam auch das Unternehmen unverzüglich zur Ausführung. Die
series rectorum beginnt mit dem Jahre 1400. Unausgesetzt wurde
16&3J Cod. diplom. p. 24. n. 15. Der Papst gebraucht hiefflr die inter-
essanten Worte: 'ordinamus quod in ipsa civitate . . . sit ac esse valeat
etiam in eadem theologia huiusmodi Studium generale, cui praerit is, qui
eidem studio bactenus praefuit ab antiquo', nämlich der Bischof, welcher som
Kanzler bestellt wurde.
16M) Ibid. p. 34. n. 16.
i6t>6j «Videmus et ad oculnm experimur, qnaüter Parisius per eonvoca-
tionem et congregationem peritorum, scientifieorum et prudentom Franciam
irradiat et venustat; quomodo Bononia et Padwa Italiam fortiilcat et exomal;
qualiterque Praga Bohemiam illuminat et extollit, aut quomodo Uzonia tolam
fere Almaniam (I) clarificat et foecundat.' Aebnlich 15. Juni 1401. Ib. p. 35;
31. Sept. 1403. Ib. p. 54.
^0M) Auf die Sututen, welche der Stiftbrief enthalt, komme ich im t.
Bande au sprechen.
i«<»7) S. Cod. dipl. p. 35. Dadurcb erbftlt der Ausdruck Mnstanimre' ia
dem Stiftungsdiplome die Bedeutung Yon 'widerherstellen.'
5. Hochsehalen mit päpstl. u. landesherrl. Stiftbriefen. Krakftu. 629
eine umfassende Fürsorge fttr die Dotation der Professoren ge-
troffen. Die wichtigsten Incorporationen fallen in das Jahr 1401.
Von Bonifaz IX. erhielt die Universität am 10. Mai das Patro-
natsrecht der GoUegiatkirche zum hl. Aegyd. Am 15. Juni in-
corporierte der Bischof Peter Wysz der Universität zwei Prae-
benden an zwei Kirchen und zwei Ganonikate an der Gathedrale,
welche Incorporationen von Johann XXIII. am 28. September
1410 bestätigt wurden. Der König sorgte am selben Tage
durch Dotation fllr die Professoren der Theologie. Hiemit war
der Grund gelegt zu den Dotationen der nächsten Jahre.
Das erste Golleg reicht in das erste Jahr, nämlich 1400,
zurück'*"). Im J. 1409 stiftete der Professor der Theologie,
Johann Isser, eine Burse für die ^pauperes studentes", und zu
ihren Gunsten lautete sein Testament vom 22. März 1410"*").
Bonifaz IX. gestattete am 10. Mai 1401 den Gisterciensern,
an der Universität zu studieren und den Doctorgrad in der
Theologie zu erhalten '*'*). An denselben Papst wandte sich
der König mit der Bitte um die Bestätigung der Privilegien,
welche am 28. Juli 1410 von Johann XXIII. erfolgte, der am
21. desselben Monats drei Gonservatoren der Universitätsrechte
bestellte^***). Die Universität erstarkte binnen Kurzem in solcher
Weise, dass sie Ansehen genug besass, um am 12. August 1416 ein
Schreiben an das Goncil von Gonstanz zu richten, das 4n coUegio
Ulust. principis regis Waldislai' unterzeichnet wurde ^'*'). Grossen
Aufschwung nahm die Universität gegen Ende des Jhs. in Folge
der an ihr gepflegten astronomischen und humanistischen Studien.
i«68) Cod. diplom. p. 203. Wenn die Herausgeber dort sagen, die
frflhern Bectoren seien anbekannt, 'qnoniam scripta documenta iUoram anno-
rujn . . . iiyaria temporis periere', so erh< die Thatsache durcfi meine
obigen Bemerkungen ihre Erklärung.
iw») Cod. diplom. n. 17 p. 30.
i««0) Ib. p. 82 n. 45.
»wi) Ib. n. 20 p. 38.
1^ S. die Documente im Cod. diplom. n. 32. 47. 46.
IMS) Ibid. n. 58. Auch im Arch. Yat. Arm. 73. Die UniTersftät ge-
steht darin, dass sie 4n sua novitate sicut novelle oliyarum in campo fidei
. . . fructificat'. Dies stimmt zu meiner Darlegung über die Aufnahme der
Hochschule.
630 UI. EntwickeluDg der Hochschulen bis lom Ende des 14. Jhs.
6. HoohsoliiQen, die niolit ins Leben traten.
Die Forscher begiengen bisher einen grossen Fehler, dass sie
zwischen Stiftbriefen, die zur Ausführung gelangt sind, und solchen
ohne Wirkung nicht gehörig unterschieden. In Folge dessen
zählte man unter den Universitäten einerseits solche auf, welche
niemals bestanden haben, andererseits gab man einigen ein zu
hohes Alter, da man nicht beachtete, dass bei ihnen nicht der
in früherer Zeit einmal erlassene Stiftbrief einen Erfolg hatte,
sondern dass sie erst mittels eines neuen ins Leben gerufen
werden mussten. Naturgemäss schliesst sich die Erörterung über
diese Hochschulen, wenn ich sie so nennen darf, an die vorher-
gegangene Untersuchung an.
Forme.
In Bezug auf die Hochschule zu Fermo schlich "sich in die
Forschungen seit alter Zeit ein nicht geringer Irrthum ein, an
dem man bis auf die Gegenwart festhielt. Gewiss nahm es auch
manchen Wunder, dass ich diese Hochschule, welche man zu den
älteren Italiens gerechnet hat, in keine der obigen Rnbriken
eingereiht habe. Die allgemeine Ansicht war nämlich bisher,
dass Bonifaz VHL am 16. Jänner 1303 die genannte Hochschule
gegründet hat. Dieser Meinung sind auch die verschiedenen
Bullarien, und in Fermo selbst sieht man noch heute unter der
Büste Bonifaz VIH. die auf die Gründung der Universität sich
beziehenden Worte: Bonif. VHL Pont. Opt. Max. Institutor'"*).
Zugleich glaubte man, dass der Stiftbrief auch zur Ausführung
gelangt sei"**).
^^) S. auch Cari, L'univereitä degli stadi di Fermo. Ancona 1880,
p. 2 Anm. Dieser Autor, socio corrispondente della R. deputazione dl Btoria
patria, geht natürlich den breit getretenen Weg, ohne jemals einen Scmpei
zu empfinden. Er verlegt anch den Ursprung des Stadiums in die Zeit Lothtfs,
der in den Constitutiones Olonnenses Fermo zu einem Centralort für Schalen
machte.
1665) Cari gibt sich die Mähe, die Professoren des 14. Jhs. aofzuziblen
(p. 32 f.); er bringt es aber nur auf 8, und auch ?on diesen las die HUfte
bloss Ober Grammatik.
6. Hochschulen, die nicht ins Lehen traten. Fermo. 631
Der Stiftbrief, der zum widerholten Male gedruckt wurde,
rührt aber leider nicht von Bonifaz VIII., sondern von BonifazIX.
her, der denselben am 16. Jänner 1398 erlassen hat. Der
Beweis biefttr ist schlagend und zugleich sehr einfach. Be-
trachten wir einmal das Datum der Bulle. Sie ist ausgefertigt
Romae apud S. Petrum XVII. Cal. Februarii anno nono**").
Bonifaz VIII. wurde am 24. December 1294 erwählt, und, worauf
es hier ankommt, am 23. Jänner 1295 gekrönt ^^^0* Gleichwie
dieser Papst kein Schreiben vor dem Erönungstage erliess, so
rechnete er auch nicht vom Elections- sondern vom Krönungstage
an die Jahre ^^**). Nun ergibt aber das genannte Datum der Bulle
flir Bonifaz Vm. den 16. Jänner 1304 und nicht 1303. Allein
bereits am 11. October 1303 starb dieser Papst; am 22. Oct. 1303
wurde Benedict XI. erwählt. Die Bulle kann mithin nicht von
Bonifaz VIII. herrühren. Zu diesem Resultate führt auch
der Inhalt derselben. Der Papst bewilligt das Studium in
Fermo ^ad instar studii Bononiensis ... in theologia,
iure canonico ac civili et artibus' sowie ^alia qualibet licita facul-
tate', und gibt den Studierenden alle den ^magistris in theo-
logia ac doctoribus legen tibus et studentibus commorantibus
in studio Bononiensi' gewährten Privilegien. Nun erhielt
aber Bologna erst 1360 durch päpstliches Privileg die theo-
logische Facultät, wie wir oben gesehen haben. Mithin konnte
nicht Bonifaz VJII. sondern erst ein viel späterer Papst sagen,
*«W) Bull. Rom. ed. Taur. IV, 157. Curi 1. c. p. 130.
i067j Dies berichtet unter anderm der Zeitgenosse Bartholomeus Gotton,
Hist. anglicaua ed. Luard p. 258. Schon Papebroch, Propyl. m. Maii, Gonat
Ghronol. p. 2 pag. 67 traf das Richtige, n&mlich Sonntag den 23. J&nner.
Die liittera coronationis (Reg. Vat. an. 1 ep. 1. Vgl. Potthast n. 24020.
Thomas, Les registres de Boniface YIII n. 1) erschien erst am darauffolgen-
den Tage. Grotefend, Handbuch der historischen Chronologie S. 74 hat
noch das falsche Datum 16. J&nner; Brinckmeier, Praktisches Handbuch der
hist. Ghronologie Berlin 1882 S. 371 begnQgt sich mit der Bemerkung, Boni«
fas YIIL sei 'einige Tage sp&ter', n&mlich* nach dem 2. J&nner, gekrönt worden,
obwohl beiden i. B. Gregorovius und Reumont, zuletzt Potthast, das richtige
Datum geboten hfttten.
1668) Dies ergibt sich aus den Vat. Regesten. X. kl. Februarii des
Jahres 1296 (23. Jänner) zieht der Papst noch in das 1. Jahr hinein. Reg.
Vat. an. 1 Bl. 208 a. Von da an rechnet er das 2. Jahr.
632 ^11- Entwickelung der Hochschulen bis sum Ende des U. Jhs.
er errichte in Fermo ein Studium nach der Weise des Stadiums
zu Bologna in der Theologie, und er gewähre den Studieren-
den die Privilegien, welche die Magistri der Theologie in Bologna
besitzen ^^*'). Wer dieser spätere Papst und welcher Boni&u^ius
es war, sagt uns der Name des der Bulle unterfertigten
Secretärs. Er heisst F. de Montepolitiano. Dieser war Secretar
Bonifaz IX., wie sich aus den päpstlichen Regesten im Yatica-
nischen Archiv ergibt "'°). Mithin wurde der Stiftbrief der
Universität Fermo von Bonifaz IX. erlassen, und zwar, wie ich
bereits oben bemerkt habe, am 16. Jänner 1398^'^*). Zu Boni-
faz IX. stimmt auch der ganze Charakter der Bulle ^®^').
Der Irrthum ist sehr alt, denn schon Galixt III. wurde von
Fermo aus falsch informiert. In dem Privilegienbrief für die
Stadt vom 26. Juni 1455 bestätigt der Papst nämlich alle Pri-
vilegien seiner Vorgänger besonders jedoch dasjenige, welches
gegeben wurde durch ^Bonifacium papam VUI. etiam predecesso-
rem nostrum', und er gewährt in Folge desselben, ^ut Studium
1669) Auch Tiraboschi, Stör. lett. ital. V, 75, fflhlte die Grösse dieser
Schwierigkeit, Yennochte sie aber nicht zu lösen.
1670) £r hiess Franciscus de Montepolitiano, und kommt als Secret&r
Bonifaz IX. im Archi?. Yat. Tor z. B. an. 7 Bonif. IX. Bl. 183. 134; an.
8. Bl. 253; an. 9 Bl. 269. 276. 819. 320. 328. 331. 333. 349. 352. 353. Er wir
noch unter Johann XXIII. in diesem Amte, und wird de Curia an. 3—5. 1. 6 Bl.
24 Ib 6. Id. Aug. an. 4 vom Papste als secretarius familiaris aufgefiQlirt,
und erscheint in den Regesten dieses Papstes unzählige Male. Im Yati-
canischen Archiv Gastel S. Angelo arm. IX. caps. 1 n. 7 befindet sich
eine Oopie des 17. Jhs. der Bulle Bonifaz fdr Fermo; als Seriptor fungiert
dort N. Heyrilini (soll heissen Heynlini). AUein auch dieser war unter Bo*
nifaz IX. Vgl. Reg. Yat an. 9 Bl. 309. 320, wo zugleich F. de Montepolitiaao
als Secret&r genannt wird; ebenso Bl. 328 u. 8. w. Mit F. de MontepoU*
tiano darf nicht Joh. de Montepolitiano yerwechselt werden, der unter
Gregor XII. Secret&r war.
i<^70 Er wurde 2. Nov. 1389 erw&hlt, am 9. November gekrönt, und
starb 1. October 1404.
i67]i) Nunmehr wird man doch auch in Fermo zur Einsicht gelangen,
dass die Schriftzttge des Originals aus der Zeit Bonifaz IX stammen. Dieser
Papst war Oberhaupt ein Wohlth&ter der Stadt. Darauf deutet hin die im
Studiengeb&ude , der jetzigen Biblioteca comunale, befindliche Inschrift:
Bonifacio Villi. Tomacello Neapolitano Pontif. Opt Max. Bene&ctori
8. P. Q. F.
6. Hochschulen, die nicht ins Leben traten. Fermo. 633
generale in civitate vestra retinere valeatis' ^^''). Die Commune
bat eben auch um die Bestätigung des Privilegs, das sie von
Bonifaz VIIL erhalten zu haben vermeinte.
Dieser Umstand führt uns noch einen Schritt weiter. Schon
nach Verlauf eines halben Jahrhunderts seit Erlass des Stift-
briefes für das Generalstudium wusste man in Fermo nicht mehr,
welcher Papst der Gründer der Hochschule war, man ver-
wechselte Bonifaz VIII. mit Bonifaz IX. und setzte den Anfang
des Studiums fast um ein Jahrhundert zu früh an. Dies beweist,
dass der Stiftbrief nicht zur Ausführung gelangte. Nur so
ist es zu erklären, dass der eigentliche Gründer in Vergessen-
heit geriet, und zwar nach so kurzer Zeit^*^^^). Dahin weisen
auch die eben aus dem Schreiben Calixts III. citierten Worte. Die
Bewilligung, ^ut Studium generale in civitate vestra retinere
valeatis', hat nur einen Sinn, wenn das Studium nicht existierte;
denn hätte das Privileg Bonifaz IX. eine Wirkung gehabt, so
wäre es unbegreiflich, warum der Papst ausdrücklich gestattete,
das Studium zu behalten. Eben weil die Bulle nicht in Kraft
trat, entstand der Zweifel, ob sie noch fernerhin Geltung habe.
Daher kommt es auch, dass wir ausser wenigen Namen von
Lehrern im 14. und 15. Jh.'"*) nichts von einer Universität in
Fermo erfahren. Einige Lehrer gab es im Laufe eines Jahr-
hunderts, wie ich zu widerholten Malen bemerkte, in allen be-
deutenderen Städten Italiens, und zwar auch dort, wo keine
Universität bestand. Fermo war kein günstiger Boden für eine
Hochschule. Auch das Privileg Calixts IIL blieb ohne Wirkung'*'**).
Die Universität Fermo datiert erst vom 9. September 1585,
i«78) Reg. Vat. tom. 2 (n. 437) Bl. 42 a; Curi 1. c. p. 134.
1^74) Deshalb wohl sprechen auch die Gronache della cittä di Fermo
(publ. dal Gaetano de Minicis. FircDze 1870), auf die Curi keine Rttcksicht
nimmt, nicht vom Studium.
i«76) S. Curi p. 84.
1676) Siztos Y. sagt im Schreiben yom 9. Sept. 1585: licet Studium
generale huiusmodi in dicta civitate Firmana vigore dictarum litterarum ea-
tenns introductnm fuisse credatnr, tarnen temporum injuria . . . illud inter-
missum seu extinctum esse reperitur ad presens. Bei Curi p. 137; er schreibt
aber unrichtig '13. September'.
634 m* EniwickeloDg der Hochschulen hU lom Ende des 14. Jhs.
anter welchem Datum Sixtas Y. dieselbe mittels eines neaen
Stiftbriefes"") restaurierte.
V«romu
Zu den italienischen Hochschulen wird fortwährend auch
jene Veronas gezahlt In der That gewahrte Benedict XIL
ohne äussere Veranlassung, einfach ^profectibus publicis molti-
pliciter expedire credentes', am 22. September 1339, dass in
Verona in iure canonico et civili et in medidna et artibus per-
petuum Studium generale sei^'O- ^^^ ^i^de jedoch nichts dass
der Intention des Papstes in irgend einer Weise entsprochen
worden wäre"''). Maflfei berichtet von Schalen, die in Verona
bereits zu Beginn des 13. Jhs. existiert haben"*®), und er be-
hauptet, die päpstliche Bulle sei eigentlich nur eine Bestätigung
des bereits Bestehenden gewesen. Allein dem scheint der Wort-
laut der Bulle zu widersprechen. Femer liegt zwischen den
Schulen im Anfange des 13. Jhs. und der GrOndung der
Hochschule im J. 1339 ein so grosser Zeitabschnitt, dass wir
an einen Connex nicht denken können. Maflfei ist auch der
Beweis nicht gelungen, dass das Generalstudium des 14. Jhs.
sich als lebensfähig erwiesen habe. Uebrigens gieng es in
Verona über ein halbes Jh. später, als nämlich der Doge von
Venedig Michael Steno am 16. Juli 1405 die alte Verfassung
Veronas bestätigte und die Gründung einer hohem Schule be-
schlossen wurde, nicht besser"'^). Doch wird in den höchst
interessanten Statuten der Stadt Verona vom J. 1458 noch
immer befohlen, es möge je ein magister, resp. doctor in der
i«77) Bei Cor! p. 135. Vgl. Gatelani, De ecdesia Firmana (Finni 1783)
p. 196. 254.
1678) Reg. Tat an. 5. ep. 2S BI. 46. BaU. Rom. ed. Taar. IV, 459.
im) 0as Chron. bei Maratori, Rer. ital. SS. Till, 652 kennt nicht
einmal den GrQndungsbriel
1680) Verona illostrata. Verona 1782. Praef. in Part. 2. p. VIL Dass
Verona ids Sammelpunkt Ton Scholaren in den constitiit. Otoanoneases ge*
nannt wnrde, bedarf keiner Erwahnang.
1^) 8. Bomanin, Storia docam. di Venesia, IV (Veneiia 1865X 47. Fftr
die Artes, Canonisehes Recht, CiTilrecht und Medicin sollte je ein Lehrer
Ton der Commnne besoldet werden.
6. HochschuleDy die sieht ins Leben traten. Verona. Orvieto. 635
Grammatik und Rhetorik, in legibus, in iure canonico, in arti-
bus et medicina, in arithmetica angestellt und salariert werden.
Den Professoren wurde zugleich 4mmunitas ab omnibus oneribus
personalibus' , Befreiung vom Wachdienste aber auch den Scho-
laren zugesichert^^"). Diese Statuten bekunden einen grossen
Fortschritt gegenüber jenen im Liber juris civilis urbis Veronae
vom J. 1228, durch welche eigentlich nur für einen 'bonus ma-
gister visicae' vorgesorgt wurde*"').
Orrieto.
Bedeutend mehr vorbereitet war das Generalstudium in
Orvieto, wenngleich dasselbe auch hier nicht zur Ausführung
kam. Die Vorbereitungsgeschichte bietet manche Aehnlichkeit
mit jener, welche wir bei Darstellung der Universität Treviso
kennen gelernt haben.
Wie in so vielen Städten Italiens, so wurden auch in Orvieto
schon im 13. Jh. Rechtslehrer, und nicht bloss judices, besoldet.
Das früheste Document, welches man für diese Thatsache eitleren
kann, stammt aus dem J. 1280. Die doctores legum und decre-
torum sollen ein jährliches Salarium von 25 Lire erhalten, eine
Summe, die 1298 auf 25 Gulden erhöht, 1301 jedoch wider auf
den frühem Stand reduciert wurde **•*). Von den Legisten lehrten
1296 Conte di Buongiovanni""), im Anfange des 14. Jhs. Doctor
1^^) Statuta communitatis Veronae (Vicentiae 1475) lib. 1 n. 111 bis
118. Die Ausgabe ist nicht foliiert. Ueber Schalen in Verona im 15. Jh.
finden sich auch Notizen bei Ginliari, Della letteratura Veronese al cadere
del sec. XV. (^Bologna 1876) p. 7 ff.
1683) S. Liber jnris civilis nrbis Veronae ed. Gampagnola (Veronae 1728)
p. 142 (über das Alter dieser Statuten s. oben 8. 146 Anm. 346> Dass das
Statut ausgefohrt wurde unterliegt keinem Zweifel. Im J. 1275 las dort der
Mediciner Wilhelm Piacentini di Saliceto. 8. Verci, Storia della Marca Tri-
vigiana e Veronese I, 107.
1684) Die aus den Acten des Municipalarchives von Orvieto gezogenen
Nachweise findet man bei Fumi, Codice diplomatico della cittä d'Oryieto (in
den Documenti di storia italiana per le proyincie di Toscana, dell' Umbria
e delle Marche VIII. Firenze 1884), p. 781 nota. Dies gilt auch von den
meisten der abrigen oben anzufahrenden Daten. Ich habe mich bei meinem
Aufenthalte in Orvieto aberzeugt, dass sie im Grossen und Ganzen genau sind.
1685) Ibid. p. 355. Fumi sagt p. 781 irrig: 1295.
636 m* EntwickeluDg der HochschHlen bis zum Ende des 14. Jhs.
Petrus, Filippo Allerici, Vanne di Masseo de' Monaldeschi.
Grammatiker Werden im J. 1307, Mediciner 1311 erwähnt^*").
Logiker begegnen uns im J. 1313. In demselben Jahre jedoch
schloss man das Studium, schickte aber das Jahr darauf einen
Boten in die Nachbarorte um verkünden zu lassen, dass die
Stadt die Schule der Rechtswissenschaft nicht aufzuheben gedenke.
In der That machte man unter Pancello Orsini (1316) das Statut,
dass die legum doctores ^toto tempore ipsorum lecture habeant
immunitatem et sint immunes et liberi et absolut! ab omnibus
honeribus personalibus, etsi guibellini sunt, a confinibus dicte
civitatis, et quod ad confinia ire non teneantur, quando alii
guibellini vadunt ad confinium, et quod quilibet ipsorum doc-
torum habeat illud salarium pro sua lectura, quod erit ordina*
tum in consilio consulum artium et xF^^^O* ^^^^^^ scheinen
im J. 1318 keine Rechtslehrer in Orvieto gewesen zu sein, denn
die Scholaren baten die Stadtobrigkeit um einen derselben.
Letztere zeigte sich willfährig und gab ihnen Bartholomeus di
Pietro di Benevento und versprach den Scholaren Schatz, so
dass sie ungehindert nach Orvieto kommen könnten '***)•
Von nun an finden wir dort wider alle Wissenschaften bis
auf die Theologie vertreten. Die Rechtslehrer lasen theils um-
sonst, theils erhielten sie ein Salarium von 25 — 40 Goldgulden.
Im J. 1334 wurde bestimmt, dass die Legisten, Decretisten und
Mediciner jenes Salarium erhalten, und jene Freiheiten besitzen
sollen, die ihnen von den sieben Gonsuln zugesagt worden seien,
und letztere sollten darauf sehen, dass das Studium in den ge-
nannten Wissenschaften nicht ins Stocken gerate****). Im J. 1349
^ 8. oben 8. 541.
»«87) Cod. diplom. p. 799.
»««8) Ibid. p. 782 nota.
1689J Ibid. p. 780. Das Statut lautet also: Ut legum, decretonun ac
medicine Studium semper yigeat in civitate predicta, ordinamus, quod qoi-
conque doctor iuris civilis vel canonici seu medicine publice in dicta ein*
täte scolas teuere et in dictis studiis legere et docere Toluerit, habeat et
habere debeat illud salarium de pecunia et avere dicti Communis et illam
immunitatem, quod et quam ordinatum et decretum fuerit per oflflcinm dd.
Septem et Yexilliferum Populi, et quod predicti dd. Septem et Yezillifer
debeant ordinäre et proTidere, quod dicta studia in dictis scientiis fiant in
dvitate predicta. Fumi bemerkt mit Becht, dass dieses Statut höchst wahr-
6. Hochschulen, die nicht ins Leben traten, Orvieto. 637
waren nicht wenige Schüler in Orvieto, und es bestand wie
anderwärts ein GoUegium judicum und medicorum ^*'^). Für das
Jahr 1354 fand ich einen Legum doctor, Dominus Bonaventura
Bartutii, erwähnt ""O-
Als Orvieto unter den hl. Stuhl kam, bewarb man sich
endlich um das Privileg eines Generalstudiums. Gregor XI. er*
theilte dasselbe mit andern Privilegien am 7. October 1377 der
Stadt**"). Doch erst der Nachfolger, Urban VI., erliess am
12. Mai 1378 den eigentlichen Stiftbrief''"). Die Einleitung
zu demselben weicht von allen dieser Periode ab. Ein Haupt-
gewicht wird in derselben auf die Grammatik und die lateinische
Sprache gelegt '"0* I^er Papst errichtet dann 'in Sacra pagina,
jure canonico et civili et in medicina et qualibet alia licita facul-
tate' ein Generalstudium und bestimmt, dass fQr den Beginn
des Studiums solche Doctoren, welche in Paris oder Bologna
oder an andern berühmten Generalstudien promoviert hätten,
Bcheinlich schon in der Garta del Popolo vom J. 1323 geschrieben war. In
der Hs. derselben fehlen nftmlich gerade jene Blätter, yon denen eines das
Statut h&tte enthalten mftssen.
*e90) Ibid. p. 782 nota.
1691) seg. Guriae Patrimonii S. Petri in Tascia im Yat. Arch. Arm.
35 t. U. BL 101b. 102 b.
isssj Cod. diplom. p. 567: Ut aatem yestra fidelitas radicetur super
immobilis constantie fundamentum, petitiones vestras gratiose duximns ad-
mittendas dictam ciyitatem Stada generalis priyilegio decorando. Sowohl
diese als die nächstfolgende Bolle Urbans VI. befinden sich nicht im Yat.
ArchiT. Die Originale lagen einst in der Gancellaria Commonis Urbevetan.,
jetEt sind sie im Archivlo manicipale. AuszQge (von Qarampi angefertigt)
aas diesen wie aus andern Actensttlcken Toa Orrieto haben sich erhalten
im Arch. Yat. Adyersar. tom. III n. 135.
169S) Codice diplom. p. 571. Die Bulle beginnt: Primus homo quem
summns iUe opifex et creator rerum omnium ad suam simUitudinem et ima-
ginem ineffiabiliter ex limo terre formavit. PeUini, DeU' historia di Perugia
I (Yenetia 1664), 998 setzt die Stiftung irrig in das Jahr 1362.
iS94^ Ib.: 'Sicque dono dato divinitus plurium ydiomata nationom sub
diversanun linguarum varietate diffusa in unum couTeniunt loqnendi com*
merdnm latinitatis ordine liiterali. Sic prima grammaticorum scola est fun-
damentam pulcberrimum litterarum, mater gloriosa facundie, qne cogitare
novit ad laudem, loqui sine Titio . . . Grammalica magistra yerborum, hör«
tatrix humani generis . • . '
638 m. EntwickelttDg der Hochschulen bis warn Ende des 14. Jhs.
genommen würden **'^). Das Promotionsrecht erhielt der Bisehof,
eventuell der Capitelsvicar.
Man sollte nun meinen, die Stadt habe wirklich Ernst
gemacht, umsomebr, als sie zu Urban VI. eigene oratores ab*
gesandt hatte '*'*). Allein, im Grunde geschah nun weniger als
früher. Am 81. October 1378 wurde zwar der Grammatiker
und Rhetoriker Pietro dl Castiglione Aretino, der vom October
1365 an für 10 Jahre von Perugia gedungen war**"), mit 100
Gulden jährlichen Gehalts fOr drei Jahre (vom 10. November
ab) angestellt'*); weiter hört man jedoch nichts. Das Studium
erhob sich nicht über eine Grammatical- und artistische Schule '*").
Sicher kam der Stiftbrief ürbans VI. nie zur Ausführung.
Pamiert.
Wohl Niemanden f&llt es auf, dass ich erst jetzt von Pamiers
spreche, denn ausser den zwei Gelehrten Ourgaud und Lahondte
spricht heute Niemand mehr von einem Stiftbrief für Pamiers.
War er doch schon in früher 2Jeit verschollen *''***). Das ganze
Ereigniss ist auch in der That mit wenigen Worten abgethan.
Am 18. December 1295 erliess Bonifaz VllL den Stiftbrief für
1695) Yolumus tarnen, quod ad docendam et regendam in ipso studio
doctores, qai in Bononiensi Yel Parisiensi ant aliis ftmosis genenüibas stn»
diis honorem doctoratus vel magistrattis receperint et alias experti et ydonei,
in noTitate hniusmodi stadii assumantor. Fnmis Interpnnction p. 573
ist irrig.
1696) Es hat sieh noch ein Schreiben des orator Stefano di ser Ranoeeio
vom 24. M&rz 1378 an den Pi^st erhalten. Gedruckt bei Fnmi, Saggio di
Yolgari oryietani (Bologna 1881) p. 25.
1^7) Rossi, Docomenti per la storia deil' nniTersitÄ di Perogia im Gioi^
nale di enidizione artisUca VI, 256. Im J. 1385 erscheint er wider in Fe-
mgia. Ibid. 807 n. 230.
^«^) Cod. diplom. p. 781 noU.
1699) Dies mass man nnter anderm aas dem Wortlaute einer NoUs
sdhliessen, wonach am 2. Juli 1414 dem M. Mathias d'Orvieto 'scoks et
Studium regenti in ipsa civitate ad docendum et emdiendum scolares in libe-
ralibus artibns' die Besoldung gegeben wird. Cod. diplom. p. 659. Bs
scheint also, dass nur dieser Artist das Studium der Stadt geleitet hat.
1700) Soviel mir bekannt ist erw&hnen nur Giaoeoni ed. Oldoini (Bo-
mae 1677 II, 318) und Johannes Rubens (Boni&cius VIII. Romae 1651
p. 129) das von Bonifaz gegründete Studium.
6. Hochschulen, die nicht ins Leben traten. Pamiers. Dublin. 689
ein Stadium generale 'in quavis licita facultate', nachdem er
kurz vorher die Stadt selbst zur civitas erhoben hatte ''®*). Allein,
der Stiftbrief trat nie in Kraft Zunächst war daran wohl der
grosse Zwist zwischen Philipp dem Schönen von Frankreich und
dem Bischöfe der Stadt Schuld. Aber auch in späterer Zeit
war man nicht glücklicher. Die Stadt wollte nämlich, weil im
Besitze eines päpstlichen Privilegs, nicht der Ehre entbehren
eine Universität innerhalb ihrer Mauern zu beherbergen. Allein
die Anstrengungen, die sie 1429, 1526 und 1549 machte, waren
von keinem Erfolge gekrönt ^^^').
Dublin.
Es lässt sich darüber rechten, ob die Hochschule zu Dublin
hierher oder in den dritten Paragraph dieses Hauptab-
schnittes gehöre. Beim Mangel der nothwendigen Acten, die,
wie es scheint, beim Brande der Church of the holy Trinity zu
1701) Beg. Yat an. 1. ep. 658 Bl. 146 b . . . Cum igitar Appamiaram
civitas, qoam nuper suadentibus rationabilibtts canais inducti de fratrum
nostrorum consilio et assensu ac apostolice potestatis plenitudine in civitatem
ereximus et decoravimus yocabulo civitatis, propter ipsias commoditates et
conditiones quam plarimas apta non modicum hnius stadio censeatar, nos
profectibus pnbUcis mnltipliciter expediro credentes ut in ciyitate predieta
coltores sapientie inserantur fructam oberem largiente Domino in tempore
producturi, presentiom auctoritate statuimus, nt in ciyitate prefata sit dein-
ceps Studium generale, in quo Magistri doceant et scolares libere studeant
et audiant in quavis licita facultate. Auch bei Ourgaud, Notice snr la yille
et le pays de Pamiers (Paris 1865) p. 273. In französischer Uebersetzung
bei Lahondös, Annales de Pamiers (Pamiers 1882) p. 92. Den Herausgebern
der Begistres de Boni&ce YIII. (n. 658) entgiengen die Drucke.
i7<») S. Labendes p. 229. 404. 455. Vgl. dazu p. 496 n. 19. — In
diesen Kreis gehörte auch die Bechtsschule yon Alais in Sfld -Frankreich,
w&re sie in der That ein Studium generale gewesen. Allein nur ein
Canonist und ein Legist wurden von der Stadt gedungen von Michaelis 1291
an zu lesen (ygl. die 3 yon Roziöre edierten Documente in der Bibliothöque
de r^cole des chartes XXXI, 58 ff.). Erhellt nun daraus einerseits, dass diese
Lehranstalt sich nicht tlber das Niyeau gewöhnlicher Bechtsschulen erhobt
obwohl im 15. Jh. behauptet wurde, in Alais 'fuit fundata uniyersitas studii
generalis' (s. ibid. p. 58 n. 1), so bleibt man andererseits im Ungewissen, ob
die Schule auch wirklich ins Leben getreten ist. Lange hat sie jedesfaUs
ihr Dasein nicht gefristet. Vgl. auch Jourdain in Beyue des soci6t6s sayantes,
4. 86r. t. 10 p. 281.
640 m* Entwickelung der Hochschalen bis sam Ende des 14. Jhs.
Dublin grossentheils zu Grunde gegangen sind, wird man wohl
kaum jemals zur Klarheit gelangen. Die Gründe, weshalb ich
der Hochschule diesen Platz anweise, werde ich sofort ent-
wickeln.
Bald nachdem Jolin Lech den erzbisehöfliehai Stuhl von
Dublin bestiegen hatte, was im J. 1310 geschah, wandte er sich
an Clemens V., um von ihm das Privileg eines Generalstudiums
fttr die genannte Stadt zu erwirken. Er stellte ihm vor, dass
sich in Irland zwar ^nonnulli doctores seu baccalarii saltem in
theologica facultate aliique in grammatica sive artibus magistri
legentes' aufhielten, ohne dass jedoch in Irland und in den
nächst gelegenen Ländern Schottland, Man und Norwegen ^scolarium
universitas vel generale Studium' existierte. Die Folge davon
sei, 'quod pauci reperiuntur in terra ipsa viri decori scientia
litterarum\ Der Papst möge nun für Dublin ein Generalstudinm
bewilligen, 'cum de prefata terra Hibemie, quam Oceanum mare
circumdat, ad aliquod Studium generale, nisi eodem mare transacto,
absque gravi periculo patere non possit accessus". Clemens Y.
gestattet in der am 13. Juli 1312 ausgefertigten Bulle, in
welcher er die eben erwähnten Vorstellungen des Erzbischofes
anführt, dass, den Consens der Suffragane des Erzbischofes vor-
ausgesetzt, in Dublin 'sit scolarium universitas et in qualibet
scientia et facultate licita de cetero Studium generale ... in quo
magistri docere ac scolares in eisdem facultatibus audire libere
valeant et studere, et qui ad doctoratus honorem* fuerint assu-
mendi, in qualibet facultatum ipsarum licentiam obtinere''^^').
1703) Keg. Yat. an. 7 ep. 934 Bl. 169 b. Die Bulle wurde fehlerhaft
ediert Yon William Monck Mason, The history and antiquities of the colle-
giate and cathedral church of St. Patrick near Dablin (Dublin 1830) Im
Appendix n. 7 sect. 1. Sie wird dort fUschlich ins Jahr 1810, p. 100
jedoch ins Jahr 1311 gesetzt, wie früher Ton Ware-Harris, The history and
antiqoities of Ireland (Dublin 1764) p. 242 and nenestens von Brenan, An
ecclesiastical history of Ireland (Dublin 1864) p. 324. Allein das Schreiben
wurde 3. Id. JuL an. 7 ausgestellt Wegen der Berechnung der Regiemngs-
jahre Clemens Y. s. oben S. 538 Anm. 1245. Bzoyius stellt die Sachlage irrig
so dar, als habe sich der König und nicht der Erzbischof an den Papst gewendet
Ann. tom. XIY, 189. Beil&ufig bemerke ich hier, dass Warbarton etc.
History of the city of Dublin (London 1818) I, 536 f. ffkc die üniTersiUts-
geschichte der ersten Periode keinen Nutzen bringt
6. Hochschulen die nicht ins Leben traten. Dublin. 641
Der Tod des Erzbischofes (1313) verhinderte die Ausführung,
und diese musste hernach um so mehr hinausgeschoben werden,
als der erzbischöfliche Stuhl von Dublin über vier Jahre vacant
blieb. Erst am 9. October 1318 wurde der neue Erzbischof
Alexander de Bicknor inthronisiert. Dieser griff nun alsbald
den Gedanken seines Vorgängers auf, und erliess am 10. Februar
1320 'de consensu et assensu capitulorum nostrorum S. Trini-
tatis S. Patritii Dublin.' für die 'magistri et scolares univer-
sitatis nostre Dublin.' kurzgefasste Statuten ^^°*). Zugleich soll er bei
Johann XXII. um eine Bestätigung der Stiftung des Generalstudiums
nachgesucht haben. Indessen konnte ich bis heute der päpst-
lichen Bulle, die sich wenigstens nicht im Vat. Archiv findet,
nicht auf die Spur kommen.
Bei Abfassung der erwähnten Statuten waren die Verhält-
nisse an den englischen Universitäten beeinflussend. Die magistri
actu regentes werden ermächtigt einen Kanzler, der Doctor in
Sacra pagina seu jure canonico sein müsse, zu wählen. Vor-
zuziehen seien die Doctoren bei St Trinity und St. Patrick.
Der jedesmalige Kanzler hat dem Erzbischof, der ihn bestätigt,
den Eidschwur der Treue zu leisten. Auch zwei Procuratoren,
welche wenn möglich magistri actu regentes sein sollten, dürften
die genannten Magistri wählen. Der Kanzler besitze die juris-
dictio spiritualis 4n magistros et scolares, ubi actor et reus sunt
de universitate, et in eorum familiäres' ; ihm sowie den magistri
regentes müssten die Licentiandi und Baccalarei 'in facultate
quacunque' präsentiert werden; sie hätten über die Fähigkeit
der Einzelnen zu entscheiden. Der Kanzler erhielt ausserdem die
Vollmacht 'de consilio magistrorum regentium, et non regentium
si necesse fuerit' Universitätsstatuten zu entwerfen. Der Erz-
bischof behält sich und seinen Nachfolgern das Recht vor einen
Weltpriester oder Religiösen zu bestimmen, 'qui in ecclesia St Pa-
tritii actualiter legat in sacra pagina . . . eo non ostante, quod
scolas fratrum Predicatorum ac Minorum duximus canonizandas'.
^704} Sie worden Ton Ware (Waraeus), De Hibemia et antiqoitatibus
C|ja8>(Londmi 1658) p. 77 und Mason 1. c. App. n. 7 s. 2 TerCffentlicht. Das Docu-
ment, das in mehr als einer Beziehung Interesse bietet, nnd ans erst im 2. Bande
mehr interessieren wird, fond bisher kaum Beachtung.
Denifle, Die Unireniaten J. 41
642 ni. Entwickelnng der Hodisclitileii bis um Ende des 14. JIis.
Diese BestimmuBgeD erzielten anfangs allerdings einige Wir-
kung. Als Kanzler wird der Decan der Cathedrale William Rod-
yard, welcher Doctor des canonischen Rechts war, als Professoren
der Theologie der Dominicaner William Hardite, der Francis-
caner Henry Cogry, sowie der Dominicaner Edward Eermerdyn
genannt^'^0. Alle werden znm J. 1320 erwähnt. AUein darauf
tritt 'bis zam J. 1358 völliges Schweigen ein. Die Thatsache,
die uns aber ans diesem Jahre überliefert ist, bestärkt mich in
der Ansicht, dass die Bemühungen Alexanders de Bicknor nur
von einem augenblicklichen Erfolg gekrönt waren, und dass
damals in Dublin ein vollgültiges Generalstudium nie ins Leben
getreten ist, wofür auch die alte Tradition einsteht Die irlän-
dischen Scholaren stellten König Eduard IH die grossen Schwierig-
keiten vor, welche sie zu überwinden hätten, sollten sie genö-
thigt sein, über dem Meere in der Feme die Wissenschaften
zu erwerben. Sie wünschten deshalb, dass sie in Dublin das
Studium der Theologie, beider Rechte und anderer geistlicher
Wissenszweige fortsetzen dürften. Der König entsprach am 14. Aug.
1358 dem Wunsche derselben, und nahm sie sowie ihre Diener sammt
der Habe auf ihrer Hin- und Herreise und während ihres
Aufenthaltes am Studium in seinen Schutz ^^^*). Folgt daraus
einerseits, dass zu Dublin thatsächlich eine oder mehrere Schulen
bestanden, so ergibt sich doch wider andererseits, dass
dieselben ein eigentliches Generalstudium nicht repräsentiert
haben. Wäre die von Alexander de Bicknor intendierte Orga-
nisation der Universität zur Ausführung gelangt, welchen
Sinn hätte dann die Bitte der Scholaren gehabt, die sidi doch
fast so ausnimmt, wie die vom Erzbischofe John Lech an
Clemens Y. eingereichte Supplik wegen Gewährung eines Gene-
ralstudiums? Ich finde es deshalb begreiflich, dass J. H. New-
man den Scholaren geradezu die Worte in den Mund legen konnte,
sie seien nicht in der Lage im eigenen Lande eine Universität su
besuchen ^'^'). Die in Dublin vorhandene Lehranstalt überschritt
1706 j Diese Namen kannten schon die filteren Chronisten; die neueren
Schriftsteller Termochten sie auch nicht am einen za vermehren.
1706) 8. Ware-Haris p. 844 und Mason p. 101.
1707) Historical Sketches. Yol. 8. Bise and progress of nniTenities elc^
6. Hochschtüen die nicht ins Leben traten. Valencia. 643
schwerlich den Rahmen von Dom- und Elosterschulen. Kam es
doch auch nach 1358 bis 1591 zu keiner Hochschule. Und als im
J. 1465 das irische Parlament die Stiftung der Hochschule zu
Drogheda beschloss, die aber beiläufig bemerkt ebenfalls nicht
ins Leben trat, so geschah dies, 'pource que la terre d'Irlande
a nulle Universitfe ne Estude generale dans la mesme'^^®*).
Valencia.
Gelangten in den eben angegebenen Fällen päpstliche Stift«
briefe nicht zur Ausführung, so werden wir nun sehen, dass
dies auch bei landesherrlichen und kaiserlichen eintrat.
Im J. 1245 wollte König Jacob I. von Aragonien in Valencia
ein Generalstudium errichten. Der König wandte sich an den
Papst, jedoch nicht, damit dieser das Studium gründe, sondern
damit die an demselben Studierenden die Einkünfte ihrer Bene-
ficien fortbeziehen dürften. Dies erhellt aus zwei Schreiben Inno-
cenzs IV. an den König ^^^^), und aus einem an den Bischof von
Elne^^^®). Allein es ist klar, dass man unter dem Eroberer
London 1876, p. 2 10 f. Newman, der keine Quellen citiert, hatte wohl hanpt-
B&chlich nur Ware vor sich.
1708) Ware p. 82; Ware-Harris p. 245. Brenan verlegt p. 325 aus Versehen
die Stiftung in das Jahr 1865. Sie geschah im 5. Regiemngfiijahre Eduards IV.
Mason führt zum J. 1364 die Dotierung eines Augustiners, der bei der Gathedrale
zu Dublin Theologie vortrug, an. Diese Thatsache beweist nichts weniger
als die Existenz einer Hochschule, wie Mason 1. c. geneigt ist anzunehmen.
Noch weniger l&sst uns eine solche ein anderes vom J. 1496 von Mason
herbeigezogenes Factum erkennen. Dagegen spricht der oben aus dem
J. 1465 citierte Act des irischen Parlaments.
1709) Beg. Vat an. 3 ep. 7. 8. Bl. 213b. Ort! j Figuerola, Memorias
historicas de la fundacion y progressos de la insigna universidad^ de la Va-
lencia. Madrid 1730, p. 428, wo das erste Schreiben mit Dat Idus Julii
statt VI Idus Julii steht. Vgl. auch Berger 1. c. n. 1375. 1376 mit einem
unverständlichen Auszug. Der Papst sagt: Nos tuum in hac parte proposi-
tum multipliciter commendantes . . . regalis excellentie precibus inclinati,
ut magistri regnorum tuorum, qui in predicta civitate rezerint, suorum bene-
ficiorum proventus . . . integre percipere valeant • . . indulgemus. Das
zweite Schreiben bezieht sieh auf die Scholaren. Sonderbar genug hat
Sch&fer in der Geschichte von Spanien UI (Gotha 1861) S. 502 (Die Uni-
versität Valencia) die Schreiben Innocenzs IV. übersehen.
^710) Reg. Vat. an. 3 ep. 8. Berger n. 1377.
41*
g44 UI. Entwickelang der Hoeluchalen bis sum Ende des 14. Jhs.
Jacob, der immer mit den Mauren beschäftigt war, nicht über ein-
fache Grammatical- und artistische Schulen hinauskam, obgleich
der König Schulen für alle Wissenschaften wollte "^^). Daher
rührt es, dass der sonst so fleissige Historiker Diago nicht
einmal von den ersten Anstrengungen des Königs zu berichten
wusste"").
Am 30. März 1345 errichtete der Bischof Baymund G-aston
mit den Gapitularen nach dem Beispiele der Metropolitankirche
zu Tarragona an der Gathedrale eine öffentliche Schule ftbr
Theologie. Ein Lector aus dem Dominicanerorden sollte sie
4n ipsa sede canonicis, rectoribus et aliis clericis ac laicis'
gegen Salar vortragen""). Da nun aber für den Unterricht
der artes liberales kein stabiler Ort bestimmt war und die
Lehrer bald da bald dorthin giengen, so beschloss der Stadtrath
am 4. März 1373 aus öffentlichen Mitteln ein Haus zu kaufen,
damit in demselben die verschiedenen artistischen Studien ver-
einigt würden^"*). Als Pedro Costa, Baccalar der artes, bereits
zum Lehrer bestellt war, schritt der Bischof, der sich durch das
Vorgehen des Magistrates in seinen Rechten verletzt fohlte, ein.
Er verhängte über den Lehrer die Excommunication und liess
ihn einsperren. Der Stadtrath nahm sich seiner an und berief
sich am 18. September 1374 auf die von König Jaime I. gewährte
Freiheit des Unterrichts für die artes, die Medicin und die beiden
Rechte^'"). Doch erzielte der Stadtrath noch lange nicht ein
positives Resultat. Am 28. September 1389 kam er auf seine
frühere Idee zurück und übertrug zugleich zwei Juristen, zwei
Medicinem, vier Notaren und einigen Prohombres die Durchsicht
der von Pedro Figuerola, mag. in artibus et medicina, verfassten
1711) S. oben S. 5 Anm. 25.
1719) In seinen Anales del reyno de Valencia. Valencia 1613.
171S) Orti bringt 1. c p. 428 das interessante Docoment. Diago, Historia
de la proTincia de Aragon üb. 1. c. 21. VillanneTa, Viage liter. II, 103.
Vgl. auch Migael Velasco y Santos, BeseBa histörica de la oniTersidad de
Valencia. Valencia 1868 p. 13 f.
1714) Velasco j Santos p. 14 f.
171») s. das Document bei VillanneTa p. 105. Dam Velasco p. 15.
6. Hochschulen die nicht ins Leben traten. Valencia. 645
Statuten. Bis zum Jahre 1412 beschäftigte man sich mit diesen,
und es werden einige Neuredactionen derselben erwähnt ^^^^).
Erst am 7. October 1411 wurde die Vereinigung aller
Schulen im Hause des edlen Mosen Pedro Vilaragut bewerk-
stelligt; am 5. Jänner nächsten Jahres erhielten die neuen
Statuten nach vorausgegangener bischöflicher Bestätigung vom
Stadtrathe die Approbation^"^). Gerade die genannten Statuten
beweisen, auf wie niedriger Stufe die Studien zu Valencia
waren. In ihnen ist nur von den artes die Rede, kein Wort
über die höheren Wissenschaften. Auch erfährt man nichts über
Professoren oder deren Salarium. Wenn Alfonso V. im J. 1420
den einheimischen ^doctores et licentiati jureperiti et alii cives,
qui exercuerint vel exercent in futurum officia justitiatus crimi-
nalis, civilis, juratorum' etc. die insignia militaria verlieh""),
so hatte er dabei zunächst keineswegs 'Professoren' im Auge.
Sowohl Villanueva"") und Schäfer"**) als schon früher
Orti 7 Figuerola irren sich deshalb, wenn sie das im J. 1412
hergestellte Studium zu Valencia ein Studium generale oder
eine Hochschule nennen. Beschloss doch der Stadtrath erst im
April 1499 sich an den Papst zu wenden, um das Promotions-
recht und eine eigentliche Universität zu erhalten""), welchen
Beschluss er am 5. Mai des nächsten Jahres ausführte"").
Indessen gebrauchte der Bath bereits in dem zuerst genannten
Actenstücke, d. i. in den neuen Statuten vom J. 1499, wider-
holt die Bezeichnung ^studi' oder ^coUegi generaP. Die päpst-
liche Bulle, mittels welcher ein Studium generale ^in theologia
ac jure canonico et civil! necnon medicina et artibus liberalibus
ac latinis et grecis litteris' errichtet wurde, erschien erst am
1716) Yillanneva p. 107 f. Yelasco y Santos p. 16 &
1717) yiUanaeTa p. 109 f. Die Statuten sind p. 186—191 abgedmckt.
171^ Bei Orti p. 429. Vincente de la Fuente, Historia de las oniver-
sidades en Espana I (Madrid 1884), 328.
171») L. c. p. 186.
17S0) A. a. 0. S. 504. üeberhanpt l&sst Schftfers Darstellung viel zu
wünschen flbrig.
1791) Bei YiUanaeTa p. 211 n. 55.
17») Ibid. p. 212.
646 ni Entwiekelnng der HochBchalen bis zum Ende des 14. Jhs.
23. Jänner 1500 (1501)'"»). Mit Recht datiert auch Velasco y
Santos von diesem Zeitpunkte an die Universität^"*).
AloftlAi
Am 20. Mai 1293 wollte Sancho IV. von Castilien ein
Generalstudium in Alcalä de Henares gründen und gab von
Valladolid aus dem Erzbischof von Toledo, Gonzalo Oudiel, die
Vollmacht zur Ausführung ^"^). Allein diese liess auf sich
warten. Erst das 15. Jh. sah in Alcalä höhere Schulen ent-
stehen. Pius II. gewährte am 16. Juli 1459 auf Bitten des
Erzbischofes von Toledo Alfons Carillo die Errichtung einiger
Lehrstühle, damit ^certis diebus et horis statutis vel statuendis'
Grammatik und die Artes gelehrt würden. Natürlich hatten diese
Schulen noch keine besondere Bedeutung und wir staunen nicht,
dass unter jenen Theologen und Canonisten, welche im J. 1479
im Palaste des Erzbischofes von Toledo (der damals noch der
genannte Carillo war) zu AlcaU sich gegen die Irrthümer des
Theologie-Professors zu Salamanca, Pedro Martinez de Osma,
ausgesprochen haben ^"*), kein einziger als Lehrer in Alcalä
erwähnt wird. Es scheint, dass jene Grammaticalschulen auch
nur im Franciscanerconvent San Diego sich befanden.
Die Gründung der nachmals so berühmten Universität datiert
erst aus der Zeit des ErzbischoiGs Jimenez de Gisneros^''^. Noch
vor Ablauf des 15. Jhs. legte derselbe Alexander VL seinen Plan
vor, in Alcalä, wo bereits ^certe cathedre in aliquibus facultatibos
1798) Orti y Figaerola 1. c. p. 431 f. De la Fuente p. 347 ff. Ebenda-
selbst auch die PriTilegienbnlle desselben Datums.
'«*) L. c, p. 18. 27f.
i795j Der König sagt in dem Schreiben: tenemos poiL bien de hacer
estudio de escuelas generales en la tUU de AlcaUu T porqae los maestros y los
escholares bayan Tolontad de Tonir hi al estttdio, otorgimosles, qne bayam todas
aqueUas franqaesas qae ba el estodio de Yalladolid. Bei Floranes la Col-
lecciön de docomentos inMitos para la histona de E^ala XZ, 75 L Y^.
Sagrador, Histona de la ciudad de YaUadolid I, 192.
^7*^) S. Ober diese interessanten wenig bekannten Yerbaadlongeii Ma-
nendea Pelayo, Historia de los beterodozos espandes I, 548 fiL 8. 555 sl^t
in Folge eines Drackfeblers irrig 1497 sUtt 1479.
^^^ S. Qointanilla, Arebetypo de Tirtndes espezo da pieladoa d
reabU padre Franc Ximenes (Palenao 1653) p. 177.
6. Hochseholen die nicht ins Leben traten. Alcal6. 647
institute existant', ein ^coUegium scolarium, in quo theologie et
iuris canonici ac liberalium artium facultates legi possint ad
instar collegii scolarium per b. m. Didacum (de Anaya Maldo-
nado)^^") archiepiscopum Ispalen. in civitate Salamantina olim
fundati' zu errichten und auszustatten. Der Papst gewährte dies
am 13. April 1499, und ertheilte für den Fall, dass der Plan zur
Ausführung käme, dem CoUeg alle Privilegien des erwähnten
GoUegs zu Salamanca, so wie jene des vom Cardinalbischof von
Sabina Aegyd Albornoz in Bologna gestifteten^''^) und alle Pri-
vilegien der Professoren und Scholaren von Salamanca, Valla-
dolid und der übrigen Generalstudien*'"). Unter demselben
Datum bewilligte er dem GoUeg das Promotionsrecht in allen
genannten Facultäten, so dass diejenigen, welche im GoUeg den
Gurs durchgemacht, das Baccalareat von einem der Professoren, die
Licenz und das Magisterium vom Abte und in dessen Abwesen-
heit vom Thesaurarius der GoUegiatkirche Ss. Justi et Pastoris
erlangen könnten. Die Promovierten sollten alle Privilegien der
zu Yalladolid, Salamanca und Bologna sowie an andern Univer-
sitäten Doctorierten geniessen **'*). Das GoUeg (St. Ildefons)
wurde unterdessen gebaut. Am 14. November 1500 gab der
Papst dem Jimenez auf dessen Bitten hin die Vollmacht, die
vom Erzbischof Alfons Garillo, wie oben bemerkt, in Alcalä er-
richteten und dotierten Lehrstühle 'eidem erigendo coUegio abs-
que alicuius preiudicio perpetuo applicandi et aggregandi' *'").
Am 13. Mai des darauffolgenden Jahres befähigte er die Lectoren
und Scholaren des GoUegs, welche die Grade des Licentiates und
des Magisteriums erhalten hatten, zur Erlangung auch jener
Ganonicate und Präbenden, die in Gastilien und Leon an die
Bestinmiung gebunden waren, dass die Aspiranten 'in universitate
17«8) S. oben S. 494.
1739) S. oben S. 214 f.
1730) Beg. Alezandri VI. 1499 aD. 7. lib. 8 Bl. 100» im Archiv vom
Lateran.
1731) Reg. Alexandri VL L c. Bl. 102 a.
1732) Beg. Alezandri YL 1501 an. 9 lib. (nicht nummeriert) Bl. 64 a
im ArchiT vom Lateran, datiert Borne apnd S. Petrum 1500 18 kl. Dec.
anno 9.
648 ni. Entwiekelnng der HocliBchiileii bis zum Ende des 14. Jhs.
alicuius studii generalis dictomm regnorum* promoviert hatten *'•*).
Im J. 1505 waren bereits Beneficien mit dem ^coUegium scolarium'
vereinigt*"*); und am 22. Jänner 1510 publicierte der Erzbischof
die Statuten für das Colleg"").
Qenl
Kaiser Karl IV. errichtete am 2. Juni 1365 auf Bitten des
Grafen Amadeus von Savoien, in der seinem Vicariate unter-
worfenen Stadt Genf ein Studium generale^'"). Doch kam der
Plan des Grafen nicht zur Ausführung, und zwar wohl deshalb,
weil die Genfer aus der Urkunde ersehen mussten, dass die
Gründung der Hochschule nur ein Mittel sein sollte um die
Rechte des Grafen über die Stadt auszudehnen*"'). Der Kaiser
nun sagt unter anderm in dem interessanten Stiftbriefe: nos de
1733) Ibid. Bl. 61a. Am ]. September 1474 stiftete Sixtns lY. die so-
genannten praebendae theologales (prebendas doctoral y magistral) an den
Cathedralen von Castilien und Leon. Arch. Yat. arm. 32 t 27 Bl. 42. Am
L J&nner 1476 stellte er jedoch da^enige fest, worauf oben reflectiert wird,
dass nämlich mit den Praebenden 4Ui8 dumtaxat gradaatis proTideri possit,
qui in aliqna oniyersitate studii generalis regnornm Hispaniamm Serratia
seryandis juxta earundem universitatum statuta promoti pro tempore forent'
etc. Ibid. Bl. 45 a. Sowohl Innocenz YIII. als Leo X. kamen auf dieae
Bestimmungen zurflck. Ibid. Bl. 48a.
178*) Arch. Vat. Div. cam. arm. 29. t. 57 Bl. 164.
1735) Arch. Yat. Castello di S. Angelo arm. 12 caps. 5 n. 5. — Die
Forschungen Aber die Geschichte der üniversit&t Yon Alcalä liegen auch in
Deutschland sehr im Argen. Meiners und Savigny wussten aber den Ur-
sprung gar nichts zu sagen. Die Jahrzahlen sind auch bei Hefele und
Gams nicht ganz zuverlässig. In Spanien schrieb am besten hierflber Z&rate»
De U instrucciön publica en EspaBa II, 219f. Der Artikel Aber Alcalü,
welcher nicht vom Yerfasser sondern von Yinc de la Fuente herrOhrt, ist
deshalb der beste in diesem Werke.
1736) M6moires de l'institut Genev. XII, 43. M^moires et documents
de Genöve XYIII, 285. S. auch Böhmer-Huber YIII. n. 4171. Der Text
ist nach zwei in Turin liegenden Abschriftb&nden ediert; das Original ezi«
stiert nicht mehr.
1737) Ich glaube, dass dies der eigentliche Grund war, weshalb die
Errichtung einer Hochschule in Genf gescheitert ist, wenngleich der alte
Gegensatz zwischen dem Grafen und dem Bischöfe, wie Winkelmann, Die
Beziehungen Karls lY. zum Königreich Arelat (Strassburg 1882) S. 89 meint,
mit im Spiele gewesen sein mag.
6. Hochscholen die nicht ins Leben traten. Genf. Lueca 649
plenitudine imperialis majestatis dictam nostrametlmperiisacncivi-
tatem Gebennarum titulo, honore, prerogativa et libertate generalis
studii Septem artium liberalium, sacratissimarum professionum cano-
nice sapientie et civilis eloquentie et prudencie, sacre theologie pre-
hemencie, medicinalis professionis excellencie, aliammque quarum-
libet facultatum erudicionis exercicii, tenore presencium insigni-
mus, extoUimus et libertamus. Er verfügt, dass die Doctores und
Magistri in allen genannten Wissenschaften ^cathedras erigere . . .
publice legere, docere, disputare* u. s. w« könnten. Sie besitzen
auch ^plenariam auctoritatem ad cathedre dignitatem assumendi et
honore et privilegio doctoratus et magisterii decorandi' alle jene,
die sie im Examen approbiert haben. Wozu diese Bestimmungen
in dem kaiserlichen Stiftbriefe dienlich sind, wird sich im fünften
Hauptabschnitte ergeben. Beiläufig sei bemerkt, dass eine
päpstliche Stiftungsurkunde nicht existiert.
Als Ergänzung füge ich hinzu, dass der Zustand der Genfer
Schulen gerade um jene Zeit kein blühender gewesen zu sein
scheint. Ein Jahr vor Erscheinen des kaiserlichen Schreibens
klagte nämlich der Bischof von Genf dem Papste, dass der Gan-
tor seiner Cathedrale 'regimen scolarum civitatis et dioc. Gebennen.
plus offerenti concedit' und eine solche Summe verlange, dass
sich niemand anbiete, was zur Folge habe, ^quod scole ipse quasi
ad nichilum sunt redacte' '^"). Den Rahmen eines artistischen
Studiums überschritt die Schule auch in den nächstfolgenden
Jahren nicht ^"').
Lnooa.
Sonderbarer Weise gehört hieher ein Studium, zu dessen
Errichtung sogar zwei Stiftbriefe erlassen wurden, von denen
nss^ Urban Y. führt die Klage in seinem am 9. Juli 1364 an den
Bischof gerichteten Schreiben an. Reg. Yat. Comm. an. 2 (n. 251; dieser
Bd. gehört eigentlich zur Arignonesischen Sammlung) Bl. 351. Der Papst be-
fiehlt, der Cantor solle die Leitung der Schulen 'gratis' Andern überlassen.
1'^'^) S. die Notiz ans dem 6. Bande der päpst Formelsammlungen des
Staatsarchivs zu Hannover im Neuen Archiv X, 55: Facultas administratoris
ecclesie Gebennensis erigendi in Gebennis Studium in artibns. Ich zweifle
jedoch an der Richtigkeit der von Otto Meinardus beigefügten Jahrzahl 1368,
denn damals fungierte nicht ein blosser administrator ecclesie, sondern der
Bischof WUhelm Foumier (1366-1377>
650 ni. Entwickelang der Hochsclmlen bis snm Ende des 14. Jhs.
jedoch keiner in dieser Epoche mit Erfolg gekrönt war, nämlich
jenes zu Luc ca. Dass in dieser Stadt schon frühzeitig die
Stadien geblüht haben, unterliegt keinem Zweifel. Wir finden
in Lucca eine Domschule, und es haben sich über dieselbe
einige Nachrichten aus dem 13. Jh. erhalten ^'*^). Pfarrschulen
bestanden dort schon seit dem 12. Jh.^^^0* Uns interessieren
aber hier die Stadtschulen. Den besten Aufschluss über die-
selben bieten die städtischen Statuten vom J. 1342, in denen
die ^agistri doctores grammatice et paedagogi seu doctores
puerorum publice docentes habentes a viginti pueris supra^ vom
Kriegs- und Soldatendienste befreit werden. Die Commune
gibt den Lehrern, weil sie (zum grossen Schaden der Scho-
laren) nicht in Lucca bleiben wollten, manche Privilegien"").
Man könnte nun meinen, die von der Stadt unterhaltenen Schulen
hätten das Niveau von Grammaticalclassen nicht viel überstiegen;
dem ist jedoch nicht so. In denselben Statuten vom J. 1342
ist von Bcolares studentes cives in jure civil! seu canonico die
Rede, denen, waren sie auch noch nicht in coUegio seu matri-
cola judicum aufgenommen, öffentliche Geschäfte und Aemter
übertragen werden konnten, ^dum tamen studuerint quinque annis
^7^) S. Lucchesini, Della historia letteraria del ducato Lacchese in
den Memorie e docamenti per servire all' istoria del ducato di Lucca. Lucca
1825. IX, 18 ff. Viel Interesse bietet der p. 19. Anm. publicierte Act Tom J. 1299.
1741J Lucchesini 1. c. p. 20 f. Diese Bestimmang findet sich auch im
Volumen statutorum generalinm (Impressum in incUta civit. luc(ana). per me
magistrum Henricnm de Golonia. mccccIxxxx), welche ans dem J. 1446 her^
rühren (s. darüber Gigliotti in Memorie e documenti per 8er?ire aU' istoria
della cittä e stato di Lucca m, 2 p. 35), lib. 3 c. 12.
1749) Quia propter guerram et novitates quae adTeneront in civitate
Lacana, et propter multa onera, quae imponuntur magistris grammaticae
artis, timentes de praedictis recusant stare in civitate Lucana et quasi omnes
recesserunt et Tituperium et damnum esset Lucanae ci?itati, quod juTones
. . . Tolentes stndere in grammatica et non inTenientes magistrum in ciTitate
Lucana, morari cogantur extra civitatem Lucanam et ad alias partes ire
Btudendam . . . Dem Grammatiker Wilhelm de Yerrucola yerspricht sie deehalb
'pro pensione habiturii in quo tenet scolas' 40 Lire. Den fremden Gram-
matikern sowie den 'magistris artis notariae %t rectoricae' wird freie Wohnung
zugesichert , und sie seien immunes ab oneribus realibus et personaliboB
Lucanae ciTitatis'. Bei Lucchesini p. 23f.
6. Hochschulen die nicht ins Lehen traten. Lacca. 651
in jure civili vel canonico'*^**). Indessen gesteht Lucchesini selber,
dass man nicht 6inen Rechtslehrer von irgend welchem Ruf
nennen könne, der damals in Lucca dociert hätte.
Nachdem Lucca im J. 1369 mit Hilfe Karls IV. die Freiheit
erlangt hatte, bemühte sich die Stadt alsbald bei dem Kaiser um
das Privileg eines Generalstudiums. Dieser gewährte dasselbe
am 6. Juni genannten Jahres im Civil- und Canonischen Rechte,
in der Logik, Philosophie, Medicin, Astrologie, Notariatskunst
und allen artes liberales. Er gestattete überdies das Promotions-
recht, sowie dass die ^doctorati et magistri ubique locorum legere va-
leant', und der Bischof die Licenz zu ertheilen habe^^^^). Am
13. September 1387 kam auch noch das päpstliche von Urban YL
ausgestellte Privileg dazu, wodurch er auf die Bitte der Stadt hin (da
bereits KarllV. ein Generalstudium gestattet habe), das Generalstu-
dium nunmehr in den genannten Facultäten kraft apostolischer
Autorität zu errichten, ein solches in allen Wissenschaften mit
Ausnahme der Theologie anordnete und ebenfalls den Bischof als
jenen bezeichnete, welcher die Licenz zu geben haf ^').
Man müsste nun meinen, das Studium wäre, wenn schon
nicht nach dem kaiserlichen Privileg, so doch nach dem päpst-
lichen ins Leben getreten. Allein davon ist keine Rede. Lucca
schien für ein Generalstudium nicht geeignet; es war ja von
Generalstudien förmlich umlagert: in unmittelbarer Nähe von
jenen zu Florenz und Pisa, und nicht zu weit entfernt von jenen
Bolognas und Pavias. Die Stadt sah sich gezwungen, ihre Söhne
auf auswärtige Generalstudien zu senden. Drei Jahre nach Er-
scheinen des kaiserlichen Privilegs (1372) gewährte sie in
17^) Ibid. p. 24f. Die Statuten Yom J. 1446 enthalten, habe ich rich-
tig gesehen, nicht mehr diese Bemerkung. — Sp&rlich fliessen die Notizen
aber Mediciner als Lehrer (vgl. Lucchesini p. 25), wenngleich sich Aerzte
in Locca aufhielten, die auch in den Statuten lib. 3 c. 12 privilegiert
werden.
^7i4) Balnze, Miscell. ed. Mansi IV, 184. Das Privileg steht auch in
der Hs. 31 Bl. 124 des erzbischöfl. Archivs zu Lucca. Der Anfang desselben
ist mit dem anderer von Karl IV. erlassener Stifthriefe gleichlautend.
S. oben S. 447 Anm. 930.
"46) Baluze L c. p. 185.
652 in. Entwiekelnng der Hochsehalen bis sam Ende des 14. Jlis.
ihren Statuten jenen Scolares cives und comitativi von Lncca,
die (auswärts) 4n jure can. vel civili vel in mediana in studio
generali' studierten, jährlich während sechs Jahre eine Art Sti-
pendium von 10 Gulden, und jenen, welche auf dem General-
studium in der Grammatik/ Notariatskunst, Rhetorik, Logik
oder Philosophie studierten, ein solches von 5 Gulden ^^^*). Kam der-
artiges, wenngleich nicht in dieser Ausdehnung, zwar auch
an solchen Orten, an denen Generalstudien waren, verein-
zelt vor, so war diese Begünstigung speciell für Lucca ein
Zeichen, dass das Generalstudium nicht zur Ausführung gelangte.
Allerdings nahm dort der Unterricht in den artes liberales nie
ab, wie sich aus Documenten vom Jahre 1372 und der nächsten
Epoche ergibt ^^^0 9 allein zu einem Generalstudium brachte es
die Stadt nicht. Dazu fehlten damals wohl auch die Mittel.
Erst am 29. October 1455 beschloss der grössere Bath sechs
Senatoren zu wählen, welche die nöthigen Vorbereitungen zu
einem solchen treffen sowie Professoren berufen sollten, und
eventuell 4000 Gulden ausgeben dürften. Nach zwei Tagen
wurden die Senatoren gewählt; allein ein Effect ist nicht erzielt
worden. Nicht grösseren Erfolg hatte ein Beschluss vom
26. Februar 1477 ^^^*). Die Universität konnte nun um so weniger
zu Stande kommen, als jene zu Pisa sich 1473 wie ein Phönix
aus der Asche erhoben hatte '^^').
1746) Luochesini 1. c. p. 22 f. Diese Verordnung kommt schon in den
Statuten vom J. 1842 vor. S. daiu die Bemerkung Lucchesinis p. 23. Der
Paragraph war überichrieben: De proTisione fienda scolaribna einbns Laca-
nis Btttdentibus. Er ist nicht mehr in dem Anm. 1789 angeffthrten Volomen
stattttorum enthalten.
1747) Ibid. p. 36. Von Zeit in Zeit wurden Magistri berufen. Man
sehe die Namenliste bei Lucchesini p. 28 f.
"«) ibid, p, 36.
1749) Collegia judicum, notariorum und advocatorum blieben in Lucca
aUerdings fortwährend bestehen, wie die interessanten fiestimmungea in
den Statuten Tom J. 1446, lib. 5 c. 42—49, darlegen.
IV.
DIE UNIVEESITÄTEN IN IHREM VERHÄLTNISSE ZU DEN
FRÜHEREN SCHULEN,
Nach der im vorigen Hauptabschnitte gegebenen Uebersicht
über die Gründung der einzelnen Universitäten' werfen sich von
selbst die Fragen auf: In welchem Verhältnisse stehen die Univer-
sitäten zu dei^ vorhandenen Schulen? Sind erstere aus Dom-,
Stifts-, Kloster- oder Stadtschulen hervorgewachsen, oder muss
man sie vielleicht förmliche Neuschöpfungen nennen? Lässt
sich hier ein allgemeines Gesetz aufstellen?
Nach der verbreitetsten Ansicht, die in allen möglichen Varia-
tionen widerkehrt, sind die Universitäten aus Dom- und Kloster-
schulen hervorgegangen. Noch in der jüngsten Zeit fand sie ihre
Vertreter. Wenn Paulsen meint, die Universitäten (und zwar zu-
nächst in Deutschland) seien ihrem Ursprünge und ihrer Stellung
nach freier construierte CoUegiatstifte, nur mit dem Unterschiede,
dass bei diesen der Gottesdienst, bei jenen die Lehre über-
wiege^), so heisst dies denn doch vor allem, die (deutschen)
Universitäten hätten in den Stiftsschulen ihren Ursprung. Von Stein
behauptet, die Universität beginne in ganz Europa als Kloster-
und Cathedralschule durch die Entwickelung der artes neben
der Theologie, und dann 'bilde' sich neben beiden wider 'die
Fachbildung' in Jurisprudenz und Medicin'). Bourbon lässt die
^) In Sybels Bist. Zach. Bd. 45 S. 283 and in seiner Geschichte des
gelehrten Unterrichts anf den deutschen Schulen nnd üniTersitftten.
Leipiig 1885 S. 15.
>) Die innere Verwaltung II, 2 S. 299. Vgl. S. 215.
654 IV. Die üniversit&ten im Yerh<iiisse zu den firfliiereii Schulen.
Uniyersitäten sich aus dem Schosse der bischöflichen Schulen ent-
wickeln'). In letzter Zeit hat man die Behauptung in den prä-
gnanten Ausdruck gefasst: die alten Schulen haben sich zu Uni-
versitäten erweitert
Vereinzelt wurde eine der eben besprochenen gerade ent-
gegengesetzte These aufgestellt. Die Universitäten hätten ausser-
halb der kirchlichen Organisation gestanden und sich im Kampfe
wider die Prätensionen der Kirche entwickelt*), im Gegensatze
zu den alten Dom- und Klosterschulen').
Um über diese Frage zur Klarheit zu gelangen, ist zuvörderst
Scheidung zwischen den einzelnen Universitäten geboten. Nur
dadurch können wir Sicherheit darüber gewinnen, ob sich
hier ein allgemeines Princip aufstellen lässt oder nicht. Wir
untersuchen zunächst die Verhältnisse von Paris, denn die irrige
Auffassung derselben bildete einen Hauptstützpunkt für die oben
an erster Stelle angeführte Ansicht'). Sodann betrachten wir das
Verhältniss der ausseritalienischen Universitäten zu den Schulen,
und schliessen endlich mit den italienischen Lehranstalten.
3) Revue des questions historiques, 10. ann6e, 1876 p. 534. Der Autor
spricht daher nur von einer 'transformation' und dachte nicht daran, dass
eine 'viUe 6piscopaIe' noch nicht eine '6cole 6pi8Copale' in sich schliesse.
^) So Mttther, Aus dem üniversitats- und Gelehrtenleben im Zeitalter
der Reformation S. 25.
^) Diese Behauptung bek&mpft Huber, Die englischen Universitäten I,
16 und erschliesst sie ans Meiners U, 206, obwohl sie dieser, so weit ich
wenigstens sehe, keineswegs so scharf ausgesprochen hat. Vgl. auch I, 8 ff.
^) So sagt z. B. Paulsen: *Wie das Vorbild, die Pariser, so sind auch
mehrere deutsche Universitäten ans den vorhandenen Dom- und Kloster«
schulen geradezu hervorgegangen.' In Sybels Hist. Zsch. 1. c. S. 262. In
der Geschichte des gelehrten Unterrichts 3. 16 spricht er von einem 'An-
schluss' an die vorhandenen kirchlichen Schulen. Auf dasselbe hinaus l&uft
die in der Baltischen Monatsschrift (1861) S. 84 niedergelegte Ansicht.
1. St 6eneTid?e, Notre Dame, St. Victor a. die Hochschale za Paria. 655
L St. Gteneviöve, Notre Dame, St. Viotor, und die Hooli-
Bohule zu Paris.
Bis zum Ueberdrusse wurde seit langer Zeit widerholt, die
Pariser Universität habe sich aus der Vereinigung der Artisten-
schule zu St Geneviäve, der theologischen von Notre Dame und
allenfalls auch jener von St. Victor gebildet^); die Hochschule
zu Paris sei also aus einer Dom- und Klosterschule hervor-
gegangen. Folgende Untersuchung wird zeigen, was an dieser
Hypothese wahres ist. Meine Darlegung schliesst zugleich
dasjenige ab, was ich im zweiten Hauptabschnitte über die Ent-
stehung der Pariser Universität gesagt habe.
Von einer Vereinigung verschiedener Schulen sprechen hat
nur dann einen Sinn, wenn sich die an denselben docierenden
Professoren zu einer Corporation verbunden haben. Die Schulen
zu Paris müssten sich also Ende des 12 Jhs. vereinigt haben,
denn in diesen Zeitpunkt fällt die Bildung der verschiedenen
7) Obige Yon Da Boulay, ja schon yon BeUeforest, angeregte Ansicht
fand allgemeine Annahme. Ich citiere nur Grevier I, 122. 500 (er nimmt
die Vereinigung aller drei Schulen an), R^mnsat, Ab61ard (Paris 1845) I, 23;
Thurot, De l'organisation etc. p. 7 (nur Notre Dame und St. Genevi^ve),
Savigny HI, 339 und Faulsen, Bist. Zsch. Bd. 45 S. 252. 282 (alle
drei Schulen). Selbst der Hauptgegner Du Boulays, der Autor der Origo
Vera (p. 710), konnte sich yon dieser Behauptung ebenso wenig los machen,
wie in neuerer Zeit Bourbon in Reyue des questions historiques 1. c. p. 537.
Weiter als alle anderen gieng Michaud (in seinem, was die geschichtlichen
Partien betrifft, ziemlich unkritisch gearbeiteten Werke Guillaume de
Ghampeauz et les ^coles de Paris au XII. siöcle' p. 40) mit dem Satz, die
Schulen yon Notre Dame, Saint-Geneyiöye, Saint-Victor und Saint-Gemudn
des Pr^s, Saint-Germain TAuxerrois, Saint-Denis, du Petit-Pont und die von
der rue du Fouare h&tten im Anfange des 13. Jhs. durch ihre Vereinigung
<ce grand corps qui s'appella l'uniyersit^' gebildet. Auf die Schulen von St
Germain des Pr6s und TAuxerrois, sowie auf jene yon St Denys gehe ich
oben gar nicht ein, da sie zur Zeit, als die Uniyersit&t entstand, keine Be-
deutung hatten. Michaud yerwechselte die yerschiedenen Epochen. Ab
Coriosum mag gelten, dass Auzias-Turenne, L'uniyersitä de Paris (Paris 1880)
Pv 7 den Grundstock der Uniyersit&t in 'douze Cooles sous douse maltres
ind^pendants les uns des autres' erblickt Die Grundlage für diese Ansicht
wird wohl die misayerstandene Littera Uniyersitatis vom J. 1254 sein, in
der gesagt wird, im genannten Jahre wären 12 cathedrae theologie zu
Paris yorhanden gewesen. Da Boulay III, 256.
656 IV. Die üniyersit&ten im Yerh<nisse xa den fraheren Schulen.
Corporationen za Paris. War nun damals eine Vereinigang der
Schulen zu St. Genevifeve, Notre Dame und St Victor möglich?
Wer dies bejaht, gibt zunächst stillschweigend zu, dass von
der Zeit Abälards bis zum Ende des 12. Jhs. die Artistenfacultat
ununterbrochen zu St. Genevifeve war. Bei einer solchen Vor-
aussetzung übersieht man jedoch den ganzen Entwicklungsgang
von St. Oenevi^ve. Zum letzten Male hören wir unmittelbar
vor der im J. 1147 stattgefundenen Reform des Klosters von
daselbst docierenden Artisten, als nämlich Johann, von Salisbory
dort seine früheren GoUegen aufsuchte^). Seit jener Zeit findet
sich auch nicht mehr die geringste Spur von Artisten auf
St. Geneviive, wie sich noch weiter unten ergeben wird. Ganz
natürlich. Im genannten Jahre wurden die bisherigen Canonici
saeculares durch Gluniacenser, und bald darauf durch die regu-
lierten Chorherren von St. Victor ersetzt. Die Lebensweise der
Victoriner kehrte in St. Geneviöve ein und ein strenger Geist
verdrängte die dort früher herrschende weichliche Lebensweise*).
St. Genevi^ve entbehrte nunmehr zwar nicht einer Schule; aber
diese hatte keinen andern Charakter als jene von St Victor,
d. h. sie war ein theologisches Hausstudium. Dies erhellt aus
einigen Briefen Stephans von Toumay, die er als Abt von
St Genevifeve (1177 bis 1191) geschrieben hat Dem Erzbischof
von Lund berichtet er über dessen Clienten Salomon er lebe mit
ihnen in monte und sei eifrig in der Schule'^). Betreflfis eines
andern Clienten, Stephan, schreibt er aber, dass derselbe Theologie
studiere ' ^). Und in einer Predigt macht er seine Mitbrüder auf-
^) Ich lasse hier die Richtigkeit des betrefifenden Berichtes bei Johann
von Salisbnrj einstweilen noch dahingestellt, bemerke aber schon jetst, dass
derselbe nicht wenige Widerspräche mit sichern Thatsachen involviert, und
man bisher sa viel Gewicht auf denselben gelegt hat
9) Feret, L'abbaye de St. GeneviÖTe (Paris 1883) I, 101 fif. hat diesen
einen Ponkt, d. h. das Ereigniss der Beform von St Geneyi^ve, richtig
dargestellt.
10) Cod. Paris. 2928 Bl. 187b: sie litteranun stndiis intendit, nt a Tir-
tatnm semitis non recedit . • . Testimonium ei perhibemas commoranti no*
biscnm in monte, qoia in scolis assidans.
11) Petmm Testram . . . commonemns patnun Terbis et promoTemna
fratmm exemplis. Sacre pagine stndens scolas Teritatis in auditorio, scolas
▼irtntis fireqnentat in clanstro. Ed. Da Molinet, Paris. 1679 ep. 111.
1. St. GeneYtöve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschule s. Paris. 657
merksam auf die Gefahren, die den scolares und claustrales
durch den bösen Feind drohen; ^contra scolares movet heresim,
contra claustrales ypocrisim . . . nee tutum est discedere scola-
ribus ab auctoritatibus patrum, ne moveantur heresi'"), womit
er nur auf die Theologie anspielt. Dass diese Schule nicht
auswärts oder am Fusse von St. Geneviäve war, ergibt sich deutlich
aus einem Schreiben an den Erzbischof von Lund rücksichtlich
eines dienten desselben mit Namen Wilhelm. Der Erzbischof
Absalon war im Zweifel, ob er Wilhelm in St. Genevi^ve oder in
Paris studieren lassen solle. Stephan spricht sich aber gegen die
Tarisienses secularium scolas' aus; der Besuch derselben wider-
streite ihrer Institution. Wenn der Erzbischof ihn nicht 4n
monte' sondern in Paris studieren lassen und ihn, den Regular-Gano-
niker, saecularis machen wolle, so möge er eine andere Stadt zum
Studienorte für ihn wählen^'). Die Pariser Schulen waren dem
Abte vorzüglich wegen der an denselben herrschenden Lehr-
methode ein Dom im Auge, wie sich weiter unten aus einem
seiner Briefe an den Papst ergeben wird^O-
Die eben citierten Stellen belehren uns, dass die Schule
. in St. Genevifeve nur für die Regulär - Canoniker eingerichtet
war"), und nichts weniger als eine Berühmtheit besass "). Zu-
") Cod. Paris. U935 Bl. 42 b.
^') Cod. Paris. 2923 BL 115b; Qaod antem de ipso nobis per litteras
▼estras intimastis, vel in monte, vel ad Parisienses secolariam scolas et yen-
ditores verbonim mittende . . . non admittimus, quoniam institutioni repag-
nat et consnetudinii nee per ipsom presentibus fratribos noTam proponetor
spectaculiim, qaod fatoris pemiciosum trahator in exemplum. Habet in
clanstris sapientia regolas suas, habet et reguläres snos, erigens sibi scolas,
inde Teritatis, hinc rirtutis. Qaodsi forte consilium vestrum in hoc de-
clinaTerit, ut de regulär! secularem facere credatis, aliam quam Parisius ci-
Titatem in qua stadeat eligite etc. Der Text bei Molinet, ep. 80 ist ver-
derbt Brial corrigierte den Text: Tel Parisius ad saecularium scholas. Cod.
Paris. 11383 p. 119.
^^) S. unten den ersten Paragraph des fOnften Hauptabschnittes. Feret
war nicht im Stande eine allseitige und richtige Charakteristik des aUer-
dinge bedeutenden Abtes zu liefern.
^^) Selbst Du Boulay muss dies II, 480 zugestehen; seit dem J. 1148
h&tten die von St. GeneviöTe wohl Schule gehalten, *sed suis tantummodo
concanonicis*.
16) Es beruht auf MissTerständniss, wenn man Peter Lombardus an ihr
Denifle, Di« UniTenititon I. 42
658 IV. Die Universitäten im Verhältnisse zu den früheren Schulen.
gleich wird auch die Annahme ausgeschlossen, als wäre in St
Genevifeve neben der Klosterschule eine schola externa ge-
wesen")- Die Einrichtung von St. Gallen*«) neben der
schola claustri auch eine schola canonica, clericorum oder ex-
terna zu besitzen, findet sich zur Zeit Stephans von Tour-
nay weder in St. Victor, noch in St. Genevifeve '*), wie sie ja
überhaupt nur an dem einen oder andern Orte angenommen
worden ist'^). Fleury, Crevier, Maitre haben vergessen den Be-
weis zu bringen für die Behauptung, dass, als Stephan von
Tournay Abt des Klosters St. Genevifeve wurde (1176) und ^ er
lehren lässt. Lombardus wird im Obituaire von St. Victor (Cod. Paris. 14673
BL 217 a, wie auch sein Vater und seine Mutter, ibid. Bl. 202 b), nur als
W^ohlthäter, nicht als Ganonicus von St. Victor erwähnt.
17) Unbegreiflich haben Molinet und Feret (p. 129) die Stelle so ver-
standen, als sei hier von scholae eztemae und internae zu St. Genevi^ve die
Bede. Werden doch ausser der Klosterschule nur die Schulen in Paris
selbst erwähnt. Bloss die schola interna ist gemeint, wenn claustrales und
scholares genannt werden, denn unter den letztern werden die Brdder
als Studierende aufgeiasst So spricht ein anderer Victoriner *in ascen-
sione domini claustralibus et scolaribus' (Cod. Paris. 14525 Bl. 233 b),
und doch sind die einen wie die andern, wie sich aus der Predigt ergibt,
Victoriner. Ebenso ibid. Bl. 81b. Diese Eintheilung beruht auf Hugo von
S. Victor, De tribus generibus meditationum c. 82 (Cod* lat, Mon. 14166
Bl. 43 b). Aehnlich spricht Philipp Harveng ep. 18 (Migne, Patrol. lat. tom. 203
p. 159), der wie Stephan von Tournay die scholae saeculares oder forenses
in Laon und Paris der Schule in claustro entgegenstellt (ep. 7, Migne p. 58 f.).
18) Ekkeh. IV. Casus s. Galli ed. Meyer v. Enonau p. 10. 238. 317.
1^) Petrus Comestor, der in St. Victor eintrat und auch im Obituaire,
Cod. Paris. 14673 Bl. 259b als 'noster canonicus' bezeichnet wird, spricht
wie die flbrigen von den claustrales et scolares (s. Anm. 17) in seinen Pre-
digten (Arsenalbibl. zu Paris n. 548 Bl. 245 a. 234; St. Florian n. XI. 264
Bl. 54b. 56. Allein er meint nur die scolares *in claustro', denn in einer
andern Predigt sagt er: in claustro conventuum iig»' loca propriis depatan*
tur officiis: in latere claustrali id est occidentali est subjectio Scolaris, in eo
qui contingit ecclesiam lectio moralis, in ipsa ecclesia meditacio spiritalia, ad
orientem in capitulo correctio materialis. Cod. St Florian. BL 96 b.
^) Von Klöstern kann ich nur nennen das S. Hnberti (Andaginense im
D6p. Ardennes; s. Martine - Durand , Ampi. coli. IV, 924), und allenfalls
Lauterberg bei Halle. Mon. Germ. XXIII, 197. Die Behauptung, an den
meisten Klöstern seien scholae internae und eztemae gewesen, kann ich
nur einen grossen Irrthum nennen.
1. St. Geneyi^ve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschule z. Paris. 659
eine schola interna errichtete, bereits eine externa existiert
habe"). Nur Yorübergehend findet man einmal früher, und
zwar vor der Reformation des Klosters, eine Schule ausserhalb
desselben erwähnt, nämlich zur Zeit (c. 1140), als Ernald von
Brescia bei St. Hilaire armen, bettelnden Schülern über Theo-
logie vortrug").
Gerade während der Epoche des strengen Abtes Stephan
von Tournay hätte die Verschmelzung der Schulen von S. Gene-
vifeve und Notre Dame vor sich gehen müssen, denn in diese
Zeit, wenigstens nicht früher, fällt die Vereinigung der Profes-
soren von Paris zur Universitas. Wie kann man aber dies an-
nehmen, nachdem von einer Artistenschule in St. Genevifeve in
jener Epoche keine Rede sein kann — und gerade eine solche hätte
sich mit der theologischen von Notre Dame verbinden müssen
— und der Abt den Parisienses saecularium scolae feindlich ge-
sinnt war?
Obige Behauptung setzt femer voraus, dass St. Genevifeve
zur Zeit, als sich die Pariser Universität constituierte, innerhalb
der Stadt lag und zu dieser gehörte. Allein erst 1209—1211
kam St. Genevifeve durch die von Philipp August erbaute
Einfassungsmauer, die im J. 1211 vollendet wurde, innerhalb des
Stadtbezirkes**). Und wenngleich man darüber im Zweifel ist,
ob am linken Seineufer nicht bereits vor Philipp August eine
Ringmauer aufgeführt wurde, so ist es doch immerhin, sicher, dass
bis 1209—1211 St. Genevifeve ausserhalb der Stadt lag. 'Extra
») Fleury, Eist, ecclßsiast. (Paris 1711) XV, 625; Gravier, Hist. de
roniversit^ de Paris I, 217; Maitre, Les Cooles ^piscopales et monastiqaes
de roccident (Paris 1866) p. 144. Die Grundlage fQr diesen Irrthum bildet
derselbe Brief, der auch Da Molinet verleitet hat von zwei Schalen in St.
i^enevi^ve su sprechen. S. oben Anm. 17.
^) Dies berichtet Johann von Salisbary in der Hist. pontificalis (Mon.
Germ. XX, 537): Parisins manens in monte s. Genovefae divinas litteras
scolaribns ezponebat apud s. Hilarium, abi jam dietas Petras (Abaelardus)
hospitatas faerat. Sed aaditores non habuit nisi pauperes et qui ostiatim
elemosinas publice mendicabant. üeber die Kirche St. Hilaire s. Jaillot,
Recherches crit. sar la viUe de Paris IV. Qartier Saint-Benoit p. 104.
'^) 8. Bonnardot, Dissertations arch6ologiqaes sar les anciennes en-
ceintes de Paris (1853) p. 23ff. 37.
42*
660 1^' ^^® Univenitftten im YerfailltiiiaBe eu den froheren Schalen.
civitatem in monte S. Oenovefe scolarum nostrarum castra posui',
meint Abaelard'^), gerade wie St Victor, wollte man das That-
sächliche angeben, als 'extra urbem Parisiensem' bezeichnet
wurde"). Noch in dem Actenstücke vom J. 1202, worin unter
anderm erwähnt wird, St. Oeneviöve habe eine Kapelle oder
kleine Kirche der hl. Genovefa, 'sita in civitate Parisiensf, dem
Bischöfe abgetreten, wird der mons s. Genovefae der civitas Pa-
risiensis gegenübergestellt"), was ein Canoniker von St. Gene-
viäve jener Zeit, der über die im J. 1206 Paris verwüstende
Ueberschwemmung berichtet, ebenfalls thut"). St Genevi^re
gehörte wohl wie St. Victor und St Denys zum territorium Pa-
risiense (weshalb man sehr oft z. B. St Victor Parisiensis sagte),
aber nicht stricte zur Stadt Paris.
Diejenigen, welche die Behauptung von der Vereinigung der
Schulen St Genevi^ve, St Victor und Notre Dame aufgestellt
haben, bedachten nicht, dass ihre These also laute: 'Die Uni-
versität der Stadt Paris hat sich aus einer Schule innerhalb und
aus zwei Schulen ausserhalb derselben constituiert' *'). Das Gros
der Universität wäre mithin ausserhalb Paris gelegen gewesen.
Von dieser Ungereimtheit abgesehen bliebe es ausserdem immer-
hin merkwürdig, warum Philipp August in seinem Diplome vom
*^) Hist calamit. nach Cod. S02 Bl. 2 b. in Troyes. Ed. Cousin I, 6.
s») Vgl. Abaelard im Cod. S02 1. c. Bl. 1 b, ed. Coasin 1. c p. 5. ; Jacob
y. Yitry, Hist. oceid. c. 24; Robert de Monte, De immutatione ord. monaeh.
in Guiberti opp. ed. D'Achery (Paris. 1651 p. 813); Heinrich ▼. Gent, De
Tiris illostr. (Paris, nonv. acqnis. lat. 314 BL 76 f.). Stephan Ton Tonmay
sagt von den drei Abteien St. Denys, St Gennain und St. Genevidre (welche
er tres filias nennt), sie seien *circa et prope Parisiensem orbem'. Cod.
Paris. 2923 BL 155 a.
M) Cartalaire ron S. GeneTi&ye in der gleichnamigen Bibliothek iii
Paris, E. 1. 25 p. 114 f. Du Boolay passierte Hist. aniv. Paris. III, 22 das
Malhenr, die EapeUe, um die es sich handelt, als auf der Höhe von St Ge»
nevidve existierend ansunehmen und zugleich su glauben, die Kirche tob
St Genevi^ve sei noch nicht gebaut gewesen, üeber die Capelle von St.
Geneviöve, die auf der Insel unfern von Notre Dame lag, s. Lebeuf-Cocheria
II, 587.
^) Bei Labbe, Nova bibL mss. I (Paris 1657), 662; Du Boulay HI, 33.
^) Allerdings hat Crevier 1. c. p. 122 Anm. nichts gegen einen solchen
Nonsens.
1. St. Oen«vidve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschule z. Paris. 661
J. 1200 nur von den Scholaren in Paris, und nicht auch von
jenen zu St. Genevi^ve und St. Victor gesprochen hat
Ergibt sich schon aus dem Vorhergehenden, dass in St. Ge-
nevi^ve Ende des 12. und Anfangs des 13. Jhs. keine Artisten-
schule bestanden und die dortige Lehranstalt nicht zur Univer-
sität Paris gehört hat, so wird dieses Resultat durch ander-
weitige bestimmte Thatsachen für immer gesichert.
Haur^u denkt an eine Gontinuität der Schule Abaelards in
St. Genevi^ve bis in den Beginn des 13. Jhs., wenn er be-
hauptet, die Artisten am linken Seineufer, über die der Kanzler
von St. Genevi^ve die Jurisdiction ausgeübt habe, hätten sich
der im J. 1210 von mehreren Bischöfen erlassenen Verordnung,
dass gewisse philosophische Bücher Tarisius' weder öfifentlich
noch insgeheim vorgetragen werden dürften, nicht so vollkommen
unterworfen^*). Ich erlaube mir aber an Haur^au die Frage zu
stellen, woher er denn dies wisse? Wo sind die Döcumente? Ich
will auf keine Antwort warten, weil Haur^au ausser Stand wäre
eine andere zu geben als die, welche allen ähnlichen Behaup-
tungen zu Grunde liegt, dass nämlich den Abaelard nicht bloss
seine Schule, sondern auch sein Geist ein Jahrhundert lang
in St. Genevi^ve überlebt habe. Gerade diese Vorstellung gibt
mir Veranlassung den eigentlichen Sachverhalt bündig darzu-
legen.
Wo hatte Abaelard gelehrt? Auf der Höhe von St. Gene-
viäve, oder am Fusse, nur im Bezirke von St Geneviäve? Er
selbst sagt 4n monte s. Genovefae\ und der anonyme Autor der
Vita Gosvini erklärt den Ausdruck: in claustro s. Genovefae '^).
Eben dort fand Johann von Salisbury die artistische Schule'^).
Wo treffen wir denn dieselbe 2 — 3 Decennien nach dem Zeit-
punkte, in dem die Professoren sich zur Universitas constituiert
^) Bist, de la Philosophie scolastiqne^ II, i p. III. üebrigens ist die
ganse Daratelioog Hanr^aus Qber das Verbot der aristotelischen Bücher xa
Paris Töllig schief; sein a priori eingenommener Standpunkt gegenflber den
historischen Thatsachen erlaubte es ihm nicht ein nnbe&ngenes Urtheil aus-
zoBprechen, wie rieh im Verlaufe meines Werkes zeigen wird.
^) S. oben S. 660. Becueil des histor. des Gaules XIV, 442.
31) Metalogicus, 1. 2 c. 10 (ed. Giles p. 78).
662 IV« Die UniTenitftten im Verhältnisse zn den früheren Schnkn.
hatten? Nicht bloss nicht auf der Höhe von St. Geneyifeve,
sondern nicht einmal am Fasse der Anhöhe oder am linken
Seineufer. Der Beweis ist sehr einfach.
Sowohl im J. 1212 als 1213 beschäftigten sich der Papst
sowie der Bischof von Paris und der Decan von Troyes mit dem
Gancellarius Parisiensis und dessen Verhältniss zu den Scholaren
einer jeden Facultät in Bezug auf die Ertheilung der Licenz
und die Examina"). Der Kanzler von Paris ist kein anderer
als der von Notre Dame. Darüber besteht kein ZweifeL Als es in
St. Genevi^ve einen Kanzler gab, wurde derselbe nie ^cancellarius
Parisiensis' — dies war der terminus technicus für jenen von
Notre Dame") — genannt, sondern ^cancellarius s. 6enoYefae\
Die Macht des Kanzlers von Notre Dame erstreckte sich jedoch
hinsichtlich der Schule nicht auf das Gebiet am linken Seine-
ufer, in so weit dasselbe der Jurisdiction von St. GenevUsve
angehörte. Die Insel war das eigentliche Gebiet des Dom-
kanzlers, was man auch bisher wusste. Wie kommt es nun,
dass in den genannten Actenstücken nur vom Kanzler von Notre
Dame, nicht aber von einem in St. Genevi^ve die Rede ist,
mithin in denselben nur die Universität (im Besondem die
Artisten) auf der Seine-Insel und nicht die Scholaren (im Besondem
die Artisten) im Gebiete von St. Genevi&ve gemeint sind? Es gibt
nur eine Antwort, nämlich die, dass damals ausserhalb der
Insel keine Schule bestand, die zur Universität gehört hätte.
Oder wird man vielleicht behaupten, jener Umstand in den Acten-
stücken sei daraus zu erklären, dass nur zwischen dem Kanzler
von Notre Dame, nicht zwischen dem von St Genevi&ve und
den Scholaren Zwistigkeiten ausgebrochen waren? Allein auch
diese Ausflucht wird durch ein Document aus dem J. 1215 ab-
geschnitten.
In dem genannten Jahre war der Gardinallegat Robert von
Courgon in Paris, um die Angelegenheit der ganzen Universität
zu Paris, nicht etwa bloss eines Theiles derselben zu ordnen*^).
s') Jourdain, Index chronologicus n. 15.
3S) CanceUarius Parisiensis ist der künere Ausdrack für GaDceilariu
ecclesiae Parisiensis.
M) 8. das Actenstück bei Da Boolay III, Sl.
1. St. Geneviöve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschule z. Paris. 663
Seine Bestimmungen beziehen sieb yorzüglicb auf die theologische
und, worauf es hier ja besonders ankommt, auf die artistische
Facultät. Nennt nun vielleicht Robert den Cancellarius s. Geno-
vefae? Mit Nichten. Er erwähnt nur den cancellarius Pari-
siensis, d. h. den von Notre Dame. Und warum? Aus dem-
selben Grunde wie früher, weil nämlich auf dem Gebiete von
St. Genevifeve noch nicht eine Schule existierte, die mit der Uni-
versität vereinigt war, und es überflüssig war von einem Cancellarius
s. Genovefae, der die Licenz ertheilt und die Examina geleitet
hätte, zu sprechen. Diesen Zustand finden wir theilweise noch
am 11. Mai 1219, als Honorius III. scharf gegen den Bischof
und den Cancellarius Parisiensis vorgieng, da sich beide Vieles
gegen die universitas Parisiensis doctorum et discipulorum be-
sonders gegen die magistri liberalium artium zu Schulden kommen
Hessen •*).
Die Namen der berühmten Artisten - Magistri, die nach
Abaelards Tod lehrten, knüpfen sich ferner alle an die Insel.
Mehrere der Docenten hatten den Petit-Pont, welcher die Insel mit
der linken Seineseite verband, besetzt. Sie hiessen Parvipon-
tani'*), und zu ihnen gehörte nicht bloss der bekannte Adam
da Petit-Pont, sondern auch andere Lehrer der Philosophie, wie
z. B. Ethion "). Ungefähr um dieselbe Zeit lehrten in der Stadt,
d. i. auf der Insel, auch Mainerius"), Albericanus '^) und an-
s&) Das Docament bei Da Boalay III, 93.
36) So Gottfried von S. Victor, Föns Philosophiae, ed. Charma (Gaen
1868) p. 47.
37) Dies sagt Alexander Neckam, De naturis rerum ed. Wright p. 307.
Auch er spricht yon den Parvipontani.
^) Giraldus Cambrensis citiert ihn als Schüler Abaelards und als Rheto-
riker, nicht zu St. Genevid?e lehrend, sondern 4n auditorio scholae Parisius'.
Opp. ed. Brewer II, 349. lY, 7. Aach Walter Mapes fahrt denselben an
(Wright, The latin poems, London 1841 p. 29). Weder Wright noch Hau-
reaa (in M^moires de Tacadömie des inscript. et beUes lettres XXVIII, 2
p. 286) wussten mit diesem Kamen etwas anzufangen , da- ihnen die Stelle
aus Giraldus entgieng. Hanr^aa schlag die Aenderung in 'Mauritias' vor.
Die Sache ist nun geschlichtet.
^) Von ihm sagt Giraldus Cambrensis: Albericanus in urbe Parisiensi
liberalibas artibus a£fatim eruditus . . . multos habens auditores principaliter
in urbe legebat. Opp. II, 33. Ihn erw&hnt auch Gottfried Ton St. Victor
gg4 IV. Die üniYersit&ten im Verhältnisse zn den frflheren Schalen.
deren^®). Hauteville, auf den ich weiter unten zurückkomme, be*
schreibt das Treiben der Studierenden zu Paris in der zweiten HSlfte
des 12. Jhs., allein er spricht immer nur von jenen, die in der
Stadt und nicht die zu St. Geneviöve sind, obwohl er sich mit
diesem Kloster und der Umgebung eingehend beschäftigt Auch
die Literarhistoriker jener Zeit, wenn ich mich so ausdrücken
darf, zu denen man in Bezug auf diesen Punkt Oottfried von
St Victor, Alexander Neckam, Giraldus Gambrensis, Jacob von Vitry
und Aegydius Paris, rechnen muss, obwohl sie im Orunde keine eigent-
lichen Literarhistoriker waren, haben uns nicht einen einzigen
Namen eines Lehrers überliefert, der um jene Zeit, die uns gerade
interessiert, in St. Genevi^ve gelehrt hätte *^). Die Berichte des
Johann von Salisbury beziehen sich auf die frühere Epoche.
Von der zweiten Hälfte des 12. Jhs. bis zum zweiten Decenniom
des 13. Jhs. war das linke Seineufer entblSsst von Schulen, die
zur Universität gehört hätten.
Wie kam es nun aber doch dazu, dass das linke Seineofer
von Professoren aufgesucht wurde? Wie entstand das Kanzler-
amt von St. Genevifeve?
In den letzten Jahren Innocenzs ni. nahm der Kanzler von
Notre Dame (Johann de Candel) ^a volentibus scholas regere
ed. Ghanna p. 45. Der Heraiugeber verwechselt ihn in nota 2 irrig mit
Albericns, den Johann von Salisbary, Metalogiciu II, c 10 erwähnt
^) S. Alexander Neckam L c. p. 298. Und ans früherer Zeit die
Adalberti bei Jaff6, Bibl. rer. germ. III, 592.
^^) Gottfried von 8t. Victor sagt in Föns Philosophiae:
Herent saxi Tertice tnrbe robert . . .
Sazee dnritie vel adamant ^^
Qnos nee rigat plnvia neqne ros doctr
Yetant amnis aditmn scopolomm m
Ed. Charma p. 46. Der Heraasgeber meint (n. 1), nnter 'saxi verdce' sei
Me sommet du mont St. Genevi^ve' gemeint Allein, davon ist keine Rede.
Gottfried spricht hier rein bildlich, wie die 2. und 8. Zeile lehrt. Der ste*
reotype Aasdmck war immer ^ons\ wofQr sor Bezeichnung von mont St
Genevi^ve nicht Einmal 'saxnm' gebraucht wurde, üebrigens berichtet Gott*
fried, wenn er Oertlichkeiten beschreibt, genau und klar, wie bald daraui^
wo er sich Aber den Petit-Pont auslässt (p. 47). Nebenbei bemerkt hat man mit
8t GeneTiive einen wahren Unfug getrieben. Wenn ein Schriftsteller jener
Zeit den Beinamen 'de Monte' trftgt, Tersetst man ihn auf die Hftke tob
1. St GeneTiäve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschalen s. Paris. 665
juramentum fidelitatis vel obedientiae' ab. Dies war die Klage
der Scholaren vor dem Papste^'). Betrachtet man diese Worte
für sich allein, so weiss man nicht recht was damit anzufan-
gen ist. Hält man sie jedoch mit den Schreiben Honorins III.
vom 31. Mai 1222 und Gregors IX. vom 22. November 1227,
auf die ich alsbald zu sprechen komme, zusammen, so ergibt
sich, dass der Kanzler die Gandidaten sich deshalb eidlich ver-
bunden hatte, um sie auf der Insel zurückzuhalten, und zu ver-
hindern, dass sie nach ertheiltem Licentiat anderswo lehrten. Da
in den beiden Schreiben nur St. Geneviäve als Ort ausserhalb
der Insel erwähnt wird, so liegt der Schluss nahe, dass bereits die
letzten Jahre der Regierung Innocenzs IIL einige Professoren auf
dem linken Seineufer im Gebiete von St. Genevi^ve Schulen er-
öffiien wollten. Sicher war dies in den ersten Jahren unter
Honorius III. der Fall. Auf diesem Gebiete kamen die Profes-
soren unter die Jurisdiction des Abtes von St. Genevi^ve,
was zur Folge hatte, dass auch die von diesen für reif er-
klärten Candidaten nicht dem Kanzler von Notre Dame, son-
dern dem Abte von St. Grenevi^ve, praesentiert wurden, weil
eben der Abt die Licenz ertheilte*'). Am 31. Mai 1222
war dies vollendete Thatsache, denn unter diesem Datum be-
st Oeneviöve. Beispiele finden sich da und dort bei Du Boulay und in der
Bist, litt&raire de la France.
^) S. Joardain, Index chron. n. 15.
^) Es war Herkommen, dass sich die Gewalt der Magistri scolaram
nicht auf das Gebiet der Abteien erstreckte. Wir lernen dies z. B. aus
den Klagen des Abtes tob St. Remi in Beims bei Hadrian IV. and dem
Vorgehen des Abtes von St. Bertin zur Zeit Lucius III. Ein besonders
edatantes Beispiel bietet ein Schreiben Alexanders III. an den Erzbischof
von Reims in Sacben der Abtei St. Pierre-des-Monts, 'qnod magister scbo-
larum Catalaunensis ecclesiae in terra jam dicti abbatis sibi scolarum mar
gisterium vindicat et nullum per abbatem ibi regere scholas permittit . . .
Tarn abbati quam magistro scolarum precipias, ne aliquem probum et litte-
ratum virnm regere scolas in civitate et suburbiis, ubi voluerit, aliqua ra-
tione prohibeant. Non enim debet venale exponi . . . Verum licet idem
magister scolarum illud sibi forte in civitate ipsa obtentu prarae consuetu-
dinis Yindicet, hoc in terra abbatis non potest aliquatenns Tindicare. Ep.
960 (p. 840 in Mignes Patrol. lat t. 200). Auf dieses Jus beruft sich auch
der Abt von St. Geneviäve. S. Anm. 45.
666 I^- 1^10 Universit&ten im Verhältnisse zu den früheren Schalen.
fahl Honorius m. dem Bischöfe von Paris und dem Kanzler,
dass sie den vom Abte za St. Oeneviöve licentiierten nichts in
den Weg legten, dort ihre Vorlesungen zu beginnen, wo sie
wollten**).
Dass die Artisten -Magistri, und nicht die Theologen oder
Juristen, die ersten waren, welche die Seinebrücke überschritten
hatten, um auf dem Gebiete von St. Genevifeve die Schulen zu
eröffnen, erfahren wir aus einem Schreiben Gregors IX. vom
22. November 1227, in welchem er dem Kanzler von Paris auf-
trägt, er möge davon abstehen die Theologen und Decretisten
eidlich zu verpflichten, nicht ausserhalb der Insel zu lesen, so
dass auch diese nicht wagten im Gebiete von St. Genevi^ve
zu lehren, obwohl die Artisten bereits dort läsen*'). Unter
Innocenz lEL nahm der Kanzler das eidliche Versprechen
von den Licentiaten jeder Wissenschaft ab; dies ergibt sich
aus dem Verbote des Papstes. In Folge davon, dass der
Kanzler 1213 in diesem Punkte volle Freiheit versprach (woran
sich allerdings spätere Kanzler nicht hielten), scheinen die Ar-
tisten die Gelegenheit benutzt zu haben sich im Gebiete von St
Genevi^ve anzusiedeln, zudem dasselbe nunmehr zur Stadt ge-
*^) In dem gegen das Betragen des Bischofes und des Kanzlers gerichteten
Schreiben sagt der Papst unter anderm: nee episcopus et officialis ac can-
cellarias memorati licentiatos ab . . abbate s. Qenorefe, quin ubi consneve*
rint incipere valeant, interim molestabunt. Beg. Vat. an 6. ep. 411 BI 245 b.
Recneil des bist, des Gaoles XIX, 725. Notiees et extraite des manoscrita
XXI, 2 p. 187.
^) Cancellario Paris. Dilecti filii Abbas et GonTentas b. Qenovefe Pari-
•iensis nobis insinnare enranuit, qaod cum ad las eorum pertineai ut doc-
tores theologie ac decretorum ac liberalium artium de ipsonim licentia libere
regere valeant in parochia et terra eonim infra parisiens. maromm ambitnm
constitnta, theologiae decretornmqae doctores ad regendum inter daoe
pontes astringis vincolo inramentl, propter quod etsi doctores artium de U-
.centia ipsorum regant in predicta parochia, theologiae tarnen et decreionm
doctores non andent regere in eadem. Unde non solum honori, sed etiam ati-
litati monasterii sui plarimnm derogatnr. Volentes igitar eiusdem monaele-
rii honores et jnca illibata serrari, discretioni tue per apostolica scripta
mandamus, quatinos si premissis veritas suffragatnr, illos qai predictas aci-
entias in parochia et terra ipsa docere Yoluerint et ipsi ad id eos repa-
taverint idoneos, id facere sine contradictione permiitas. Vom 22. Not. Bei
Da Bonlay III, 124.
1. St. Geneviöve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschule z. Paris 667
hörte. Es war auch natürlich, dass gerade die Artisten die
Auswanderung von der Insel begannen. Sie waren ja die zahl-
reichsten und fortwährend im Wachsen begriffen^').
Erst seit dieser Zeit hören wir, dass im sogenannten Glos
de Garlande (Glos de Mauvoisin) am Fusse des mont St. Gene-
viäve, vom Kloster selbst aber, dem einstigen Sitze einer Philo-
sophenschule, für die damaligen Verhältnisse ziemlich entfernt,
scholae artistarum existierten. Jean de Garlande ist der erste,
welcher uns darüber Aufschluss gibt^O* Uebrigens war eine An-
siedelung im Glos de Garlande an sich schon nicht früher möglich,
da man daselbst erst nach 1202 jedoch vor 1225 zu bauen und
Strassen (unter ihnen die rue du Fouare) anzulegen anfieng^^*").
Dies sind die ersten Actenstücke, welche sich seit Gonsti-
tuierung der Universität auf Schulen innerhalb des Gebietes von
St Geneviäve beziehen ^^). Man würde sich jedoch täuschen,
wollte man glauben, es habe in St. Genevi^ve nun auch sofort
<«) S. oben S. 123 f.
^7) Terra Garlaodiae oder vicus (clos) Garhmdiae ist die alte Be-
seichnung. Bereits in einem Documente Ludwigs VI. (le Gros) Tom J. 1134
ist von der 'terra Stephani Garlandensis, in qua vineae habebantur' die
Bede. Gartal. de Notre Dame de Paris I, 268 n. 25. Ebenso wird im Car-
tnlaire Ton St. Genevi^ve ein Haus erw&hnt 'sita in Garlandia' (Hs. in der
Bibliothek sa St Genevilve E. 1. 25 fol. Bl. 61a). Der Ort, wo eine Ab-
theilung der artistischen Schalen war, trftgt im 13. Jh. fast ausschliesslich
diese Benennung. Der Engländer Johann de Garlandia, der dort Tor 1229
lehrte, nahm davon seinen Namen, wie er selbst in den Ezempla honestae
vitae (Cod. Paris. 10358 Bl. 284b) schreibt:
Parisius yici cum sit Garlandia nomen
Agnomen florens contuUt lila mihi.
Vgl. auch Haar6au in den Notices et extraits des manuscrits XXVII, 2
p. 75. Wilhelm de Toco erwähnt in der Vita s. Thomae die 'scolares Gar-
landie' (Hs. I. VIL 27 in der Bibl. nas. zu Florenz). Der Dominicaner Jo-
hann de 8. Benedicto sagt 1288, er und der Bischof tou Amiens wären
*bachalarii in Garlandia' gewesen. Cod. Paris. 3120 Bl. 35 a. Ticus Gar-
landie' ist auch noch im 14. Jh. im Registrum nationis anglicanae (z. B.
II, Bl. 59b. 65b) gebräuchlich, wenngleich seit dem Ende des 13. Jhs Ticus
straminum in Anwendung kam.
*7*) S. JaiUot 1. c. p. 65f. 62.
^) In der Hs. Q. 1. 2 in S^^ zu St. Geneviäve, worin die ActenstQcke
und die Juramenta Ton St. Geneviöve sich finden, ist nur das zweite päpst-
liche Schreiben, nämlich jenes Gregors IX., Terzeichnet.
668 IV- 1^8 Universitäten im Yerh<nisae zu den frUheren Schulen.
einen Kanzler gegeben. Die Wahrheit ist vielmehr, dass die
Studierenden nicht bloss bei ihrer üebersiedelnng in das Gebiet
von St. Genevieve dort keinen Kanzler angetroffen hatten, son-
dern dass ein solcher erst ziemlich spät eingesetzt wurde ^').
Denjenigen, welcher meiner Auseinandersetzung gefolgt ist, wird
es nicht Wunder nehmen. Für die neuen Verhältnisse war eben
nicht vorgesorgt; die Artisten fanden in St Grenevi^ve die in
Klöstern der Vorzeit übliche Gewohnheit, nach welcher der Abt
die Licenz ertheilte. Nur von ihm spricht auch deshalb Hono-
rius m. im J. 1222 *% Ja noch im J. 1231 ertheilte bloss der
Abt die Licenz, denn Gregor IX. gestattet im genannten Jahre,
dass jene Magistri artium, welche bei der Dispersion der Uni-
versität im J. 1229 Orleans und Angers aufgesucht hätten, in
Paris wider ohne Anstand ihre Vorlesungen beginnen könnten,
wenn sie vor der Auswanderung 'a cancellario Parisiensi vel
abbate s. Genofevae aut a magistris . . . examinati fuissent'*').
In jener Zeit war also in St. Geneviäve das Kanzleramt
behufs der Ertheilung des Licentiates noch nicht eingeführt,
was auch aus der Bulle Parens seientiarum erhellt, in welcher
Gregor IX. ausschliesslich vom cancellarius Parisiensis, d. i.
dem Kanzler von Notre Dame, spricht, obwohl die BttUe zum
grossen Tbeil nur über das Kanzleramt handelt und zwar gleich-
massig in Bezug auf alle vier Facultäten ^'). Die Ansiedelungen im
Gebiete von St. Genevieve waren eben noch zu unbedeutend.
Erst als sich diese gemehrt hatten und der Abt zu sehr in An-
spruch genommen wurde, dachte man daran auch in St. Genevieve
einen eigenen Kanzler einzusetzen. In welcher Weise dies vor
^*) Dies erkannte Thurot 1. c. p. 15 Anm. 2. Selbst Molinet, der mit
allen unmöglichen Gründen erweisen wollte, St. Qenevidve sei die Wieg«
der Universität gewesen, mnss in der Histoire de s. Genevieve et de son
eglise (Hs. H. f. 21 p. 594 auf der Bibliothek in St. GeneTiöve) gestehen,
dass seit der Reform im J. 1147 kein Kanzler mehr genannt werde. Fron«
teau, Historia cancellarii s. Genovefae (Hs. H. 1. 25 in fol. in St. Genevi^Te)
ermangelt jeder Kritik und ist gar nicht su lesen. Ich begreife, wmmin
die Mauriner in Bezug auf die Kempisfrage gegen beide Minner ein «o
leichtes Spiel hatten.
^) S. oben Anm. 44.
M) Du Boulay, III, 146.
&>) Reg. Yat. an. 5. ep. 23. fil 73 a.
]. St. Genevi^ve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschule s. Paris. 669
sich gieng, und ob es durch eine päpstliche Bulle geschah,
konnte ich nicht ermitteln. Wahrscheinlich genügte die Er-
mächtigung durch den Abt. Thatsacbe ist, dass noch in den
Schreiben Innocenzs IV. nur der Kanzler von Paris, niemals jener
von St. Genevifeve erwähnt wird"). Ja, obwohl der Papst sich
in Universitätsangelegenheiten an den Abt von St. Genevi^ve
wandte, so nannte er in den darauf bezüglichen Erlassen doch
nie den Kanzler'^). Dieselbe Beobachtung machen wir, wenn
wir auf die Ausdrücke der Schriftsteller jener Zeit achten").
Daher kommt es, dass gewisse Autoren, wie Robert de Sorbonne
und Hostiensis"), selbst noch in jener Epoche, in welcher sicher
der Kanzler von St. Genevi^ve seines Amtes gewaltet hat, nur
den cancellarius Parisiensis erwähnen, weil eben dieser in Folge
der historischen Entwickelung als der eigentliche betrachtet
wurde. Erst Alexander IV. richtete am 25. November 1255
^) So am 5. und 6. M&n 1245 (bei Du Bonlay lU, 195. 196). Und
doch handelte es sich hier nur um die Wohnungen der Scholaren, nicht,
wie am 30. Mai 1250 (Du Boalay p. 223) um die Ertheilung der Licenz in
der Theologie, welcher Umstand begreiflich machen konnte, warum der
Kanzler von St. Genevi^ve nicht genannt wird. Nur der Kanzler von Notre
Dame wird auch erw&hnt 6. Juni und 23. August 1252 (Du Boulay p. 243.
Jonrdain, Index n. 101).
M) Am 23. Mftrz 1249, als der Papst dem Abt von St. Genevi^ve be-
fiehlt einem Scholaren die Beneficien für drei Jahre zukommen zu lassen.
Potthast n. 13260. Berger n. 4590. Aufträge wie den vom 7. Juli 1245
(bei Jourdain n. 73 übereinstimmend mit Du Boulay p. 144) ziehe ich ab-
sichtlich nicht hieher. Mit dem angeführten Schreiben vom J. 1249 vgl. ein
Ähnliches Honorius III. bei Da Boulay lU, 97.
^) Der Ganonist Yincentins macht zur Comp. 1. Decret. lib. 5. tit. 4.
c. 3 QuarUo gaükana die Glosse: Hoc caput fuit impetratum contra cancel-
larium parisiensem, qui a quolibet docente marcam unam exigebat. Cod. 440
der Gapitelsbibl. zu Gordoba. Dasselbe widerholt er in seinem Apparat zu
Gregors Decretalen 5, 5 de Magistris. God. Paris. 3967. Nur den cancella-
rios parisiensis erw&hnt auch Gottfried de Trano (s. oben S. 148 Anm. 356)
und ebenso spricht der Kanzler Walter de Gh&tean-Thierry, gest als Bischof
Ton Paris 23. Sept. 1249, in seinen Quaestionen (Cod. 152 in der Bibl. S.
Antonio zu Padua Bl. 152b).
^ Robert ron Sorbonne in seinem Liber conscientiae. Cod. Paris. 15954
BL 330 sqq. Auch Hostiensis nennt in seiner Summa saper titulis decret« 5,
5 de Magistris neben dem archidiaconus Bononiensis und andern nur den
cancellarius parisiensis. Hs. in der UniTersit&tsbibl. zu Barcelona.
670 I^- I^ie Univenit&ten im Verhftltnisse tu den (rflfaeren Schnltn.
ein Schreiben zugleich an den Cancellarius Parisiensis und an
den von St. Geneviöve ^^), und Yon nun an erscheinen beide Kanzler
fast gleichmässig in der Geschichte der üniversit&t Paris.
Wir vermögen jetzt zu beurtheilen, welchen Werth die von
den drei Nationen der Picarden, Normannen und Engländer im
J. 1382 ausgesprochene Behauptung, in alter Zeit sei an der
Universität das Examen in artibus nur in St. Geneviäve vor-
genommen worden"^}, beanspruchen kann. Dieselbe wagten die
Artisten ein Jahrhundert früher im Anklageact gegen dän Kanzler
Philipp de Thori noch nicht zu vertheidigen , obwohl dies in
ihrem Interesse gelegen gewesen wäre. Im Oegentheile läugneten
sie nicht den Einwand des Pariser Kanzlers, dass ^a tempore a
quo non extat memoria, semper inceperunt bacallarii (in artibus)
in examine B. Mariae (d. i. zu Notre Dame) licentiati, sive
determinassent sive non'^*). Man sieht aber, wie die irrigen
Ansichten schon frühe in Paris Eingang fanden, bis sie in Da
Boulay ihren Culminationspunkt erreichten.
Aus der vorhergehenden Untersuchung ergibt sich nun;
1. dass eine Artistenschule auf der Höhe von St. Genevi^ve
im 12. Jb. nur vorübergehend und zwar zu einer Zeit dort be-
standen hat, wo von einer Universität Paris' noch gar keine
Rede sein konnte;
2. dass die Behauptung von einer Vereinigung der Schule
zu St Genevi^ve am Ende des 12. oder Anfang des 13. Jhs.
mit jener von Notre Dame gar keinen Sinn hat;
3. dass sich die Artisten-Magistri nach constituierter Uni*
versität unter Honorius III. von der Insel aus auf dem linken
Seineufer, im Gebiete von St Geneviöve, nach und nach niedef-
Hessen, und die Schulen im Glos de Garlande resp. in der me
du Fouare erst seit jener Zeit datieren;
4. dass sich das Kanzleramt von St Oenevifeve in Bezog
auf die Ertheilung der Licenz erst nach 1231 und vor 1255
^^) Nationftlarch. tu Paris L. S49. n. 56. 57. 0m an den Kanzler von
St. Geaevi^ve auch bei Du Boulay p. 293.
^ Bei Du Bottlay lY, 589.
^) Joordam p. 45.
1. St. Geneviöve, Notre Dame, St. Victor u. d. Hochschule 2. Paris. 671
entwickelt hat, als jenes von Notre Dame schon längst in Blüthe
dagestanden war.
Das sogenannte lateinische Viertel (Quartier latin) auf dem
linken Seineufer nahm also seinen Ursprung nicht von St. Gene-
vifeve, wie man bisher angenommen hat, sondern von der Insel.
St Genevi^ve war keineswegs, was man so oft sagt, ^le berceau
de l'universitö de Paris'. Wie wir jedoch sehen werden, verliert
deshalb Abaelard nichts an seinem Ruhme, und St. Genevi^ve
nicht das zufallige Verdienst vor Entstehung der Universität
eine Zeit lang ein Centrum geistreicher Köpfe gebildet zu haben.
Uebrigens verläugneten die Artisten selbst den angeblichen Ur-
sprung von St. Geneviöve. Am Feste der hl. Genovefa (3. Jänner)
hatten wohl die Theologen und Decretisten Ferien ,. nicht aber
die Artisten ''°). Mir scheint dies sehr bezeichnend zu sein.
Obiges Resultat wirft auch auf das sogenannte Pr6-aux-clers
(d. i. ein Feld auf der linken Seite der Seine, ungef&hr vom
heutigen Institut gegen St. Germain des Pr^s zu, welchem Kloster
auch der Grund gehörte) einiges Licht. Es diente den Scholaren
bereits Ende des 12. Jhs. zur Erholung. Wäre der grösste Theil
der Universität, d. h. die Artisten, auf der Höhe von St. Gene-
viäve gewesen, so hätten die Scholaren gewiss nicht einen Platz
gesucht, der von St. Geneviäve so weit entfernt lag (was selbst
Du Boulay zugesteht"), und zudem einen ganz fremden Eigen-
thümer hatte, mit dem sie fortwährend im Hader lagen, während
ihnen St. Geneviäve, dem ein grosses Gebiet auf jener Seite bis zur
Seine hinunter gehörte, einen ähnlichen Platz hätte einräumen
können. Ausserdem würde sich in St. Genevi^ve selbst nicht
diese Nothwendigkeit gezeigt haben, denn damals lag das Kloster
noch frei, eine Art . Thal trennte den Hügel von der Stadt, da-
zwischen waren Weinberge, Bäume und Gärten, und da und dort
Häuser und Gehöfte"). Ich glaube, die Scholaren hätten
Luft genug gehabt. Ganz anders auf der Insel, wo wie innerhalb
^) S. das Calendarinm bei Jonrdain p. 201.
61) Hist univ. Paris. I, 247 n. 2.
^) Der normannische Dichter Jean de Hanteville ans dem 12. Jh. be«
schreibt in solcher Weise St. Geneyl^ve und die umliegende Gegend. Ms.
Reg. 15 C. y im British Mtiseam. Vgl. auch Du Boulay II, 481 ff.
672 I^* Dio UnWersit&ten im Verhältnisse su den frflheren Schalen.
einer befestigten Stadt die Einwohner und noch mehr die Stu-
denten enge beisammen wohnen mussten, kaum ein Raum fOr
SchuUocalitäten war, und (nach mittelalterlicher Sitte) selbst
die Brücken mit Hausem besetzt waren. Allerdings war es den
Scholaren nicht verboten, jenseits des linken Seineufers Quartier
zu nehmen, nur Schule durften die in Notre Dame Licentiierten
nicht halten. Allein die Beschreibung der Beschaffenheit der Gegend
auf der linken Seineseite im 12. und Anfang des 13. Jhs. lässt
darauf schliessen, dass sich dort unmöglich viele Scholaren ein-
logiert haben können, und dass der grösste Theil doch auf der
Insel und vielleicht auch jenseits des rechten Seineufers war**).
Immerhin wohnten sie auf engem Räume beisammen *0 luid man
begreift, dass sie sich nach einem Platz umsahen, wo sie sich
gemächlich herumtummeln konnten.
Von einer Vereinigung der Schule zu St. Victor mit jener
von Notre Dame kann noch weniger die Rede sein als von der
^) Auf der rechten Seineseite standen schon seit dem Beginne des
12. Jhs. Hftaser, die sich mit der Zeit immer mehrten. Nicht oninteressante
AafschlQsse bieten die M6moires Sagers über seine Administration in den
Oeuvres complätes de Suger par Lecoy de la Marche. Paris 1868.
^) Man hat diesem Punkte bisher kaum ein Augenmerk zugewendet
und in Folge dessen eine SteUe bei Jacob de Yitry in einem in schlimmen
Sinne ausgelegt Dieser sagt n&mlich Hist occid. c. 7 (Diraci 1597, p. 278): In nna
autem et eadem domo scolae erant superius, prosUbula inferius. In parte
superiori magistri legebant, in inferiori meretrices officia turpitudinis exer-
cebant etc. Der Umstand, dass hie und da die meretrices in demselben
Hause wie die Professoren wohnten, erklärt sich nicht daraus, als seien die
erstem von den letztem mit Absicht aufgesucht worden, sondern ans der
Thatsache, dass in jener Zeit, von welcher Jacob de Yitry spricht, die Pro*
fessoren nur auf der Insel zwischen den beiden Bracken vortragen durften,
was zur Folge hatte, dass sie bei der Wahl des Quartieres sehr gebunden
waren. Auch Honorius IIL sagt in seiner BuUe Super $peada im Hinblicke
auf die Studierenden der Theologie zu Paris: coangustatum estiUic Stratum
et fere artns est locus ibidem filiis prophetarum. Diese YerhUtnisse tmgea
dazu bei, dass der Papst den Unterricht im Civilrechte für Paris verbot. Zudem
gab es in Paris zu viele magistri docentes. Ygl. Jacob de Yitry L c. Um
einer schiefen Bemerkung willen in Themistors Bildung und Erziehnag der
Geistlichen, Köln 1884 S. 53 (in welcher Schrift S. 34—59 eine DarsteUnng
4er mittelalterlichen Universit&t geliefert wird, die viel zu wünschen abrig
l&sst) sei hier erwähnt, dass Jacob de Yitry nicht von den Theologiebeflisaenes,
sondern ganz allgemein von den 'clerici' spricht.
1. St GeneTi^ve, Kotre Dame, St Victor o. die Hoclischiiie sn Paris. 673
ZU St. Genevi^ve. Manche der Gründe, die ich in Bezug auf
letztere angeführt habe, gelten zugleich für St. Victor, das übrigens
auch nach 1211 ausserhalb der Stadtmauern blieb. Rücksichtlich
dieses Klosters machte man sich eines groben Fehlers schuldig.
Weil es bis in die zweite Hälfte des 12. Jhs. angesehene Theo-
logen besass, glaubte man, es habe ununtierbrochen solche gehabt
Allein am Ende des 12. und zu Anfang des 13. Jhs. kann es nur
noch einige Canonisten, wie z. B. Bobertus Flameaburiensis,
Peter und Jacob von St Victor, den Mystiker Thomas von Ver-
celli (der aber im 3. Decennium des 13. Jhs. nach Vercelli ver-
setzt wurde) aufweisen. Die Theologie kam immer stärker in Ab-
nahme, so dass das Kloster schon längere Zeit vor 1237 nicht
einmal mehr einen Magister der Theologie besass, der den
Brüdern vorgetragen hätte, und diese sich deshalb an Gregor IX.
mit der Bitte wandten, ihnen einen solchen zu erlauben ''). Das
Studium war von jeher eher ein Hausstudium als eine öffentliche
Schule. Das Kloster wurde, wie aus dem Schreiben Gregors
hervorgeht, von den Scholaren zu Paris nur häufig 'pro reci-
pienda poenitentia' aufgesucht, wenngleich der Abt in Univer-
sitätsangelegenheiten öfters herbeigezogen wurde. Man übersah
übrigens, dass die Disciplin des Klosters bereits Ende des 12. Jhs.
etwas in Verfall war"). Es ist aber ein Erfahrungssatz, dass
in jenen Orden, deren Zweck auch auf die Wissenschaft gerichtet
ist, mit der Erschlaffung der Ordensdisciplin zugleich der Eifer
für die Studien abnimmt.
^^) So schrieb Gregor IX. am 26. J&nner des genannten Jahres dem
Abte und dem Convente, deren Bitte hätte gelautet, 'nt cum animarum ye-
strarum •et aliorum saluti expedlre credatis, quod debeatis in divina pagina
erudiri, quia per fratres vestros frequenter in parochialibus pabulum verbi
dei oportet neceasario ministrari, ad quos pro recipienda penitentia scolares
Btudentes Parisius sepe recummt . . . habendi magistram theolognm in pre-
fato monasterio, qui in theologica, doceat facultate vobis, quibus non est
tutum per civitates et vilias discurrere, licentiam concedere deberemus»
presertim cum statuta ordinis vestri permittant, ac predicti monasterii con-
suetudo licet aliquandiu extiterit intermissa requirat, ut sacre lectionis doctrine
in clanstro vacetis'. Reg. Vat. an. 10. ep. 330 Bl. 221b.
^) 8. darüber Beuter, Geschichte Alexanders III. Leipzig 1864.
UI, 450 £
OanlfU, Di« UniTenitttan L 43
674 ^' ^^ UniTenit&ten im Verhältnisse sn den froheren Schalen.
So sind also bei Constituiening der Universität Paris weder
St. Genevifeve noch St. Victor betheiligt gewesen. Dies stimmt zu
dem Berichte der Littera universitatis vom J. 1254, der zufolge die
Professoren, welche ein Corpus coUegii eingiengen, 'nee habita
nee professione diversi' waren*'), d. h. es befanden sich unter
ihnen keine Ordensleute, denn auch die Canonici von Notre
Dame waren nicht canonici reguläres, sondern saeculares. Der
erste Orden, von welchem Mitglieder an der Universität lasen,
war der der Dominicaner. Als aber diese kamen, war die Univer-
sität längst schon constituiert.
Ist also die Universität aus der Domschule von Notre Dame
hervorgegangen? Es scheint so. Und doch darf man diese Frage
nicht kurzweg bejahen. Fasst man sie so auf, als wären nur
jene Professoren, welche an der Cathedrale gelehrt haben, die
Verbindung eingegangen, so muss man sie verneinen. Schon in
der 2. Hälfte des 12. Jhs. docierten auf der Insel die Professoren
nicht bloss an der Schule zu Notre Dame, sondern auch an
anderen Orten, nämlich in Privathäusem, resp. in ihren Woh-
nungen, wie uns Jacob de Vitry berichtet, und wie bereits unsere
Untersuchung ergeben hat**). Man wäre im Irrthume, wollte
man glauben, dies sei den Professoren verwehrt gewesen. Der
Kanzler von Notre Dame verbot im 13. Jh. nur, dass sie ausser-
halb der Insel lehrten*'), und sich seiner Jurisdiction entzögen.
Auf der Insel blieben ihre Lehrstühle, wo immer dieselben auch
67) Du Boulay, HI, 255.
68) S. oben S. 672 Anm. 64 and S. 663 f. Zn hftufig wird dies aoaser
Acht gelassen. Man l&sst jeden Lehrer jener Zeit entweder in Notre
Dame, oder in St. Victor, oder in St. Genevi^re Schale halten. Allein St.
Victor fftlit weg, weil es immer nur eine Ton den Regolarcanonikem geleitete
Elosterschule besass; in St. Genevi^ve war dies seit der Mitte des 13. Jhs.
gleicher Weise der Fall; Notre Dame aber war auf der Insel nicht die einzige
Schale. Es ist deshalb irrig mit Preger, Gesch. der deatsch. Mystik I, 179,
Amalrich von Bena von vorneherein an einer der drei genannten Schulen
lehren zn lassen. Wie andere konnte dieser recht wohl in seinem Hanse
Vorlesungen gehalten haben. S. unten Anm. 91.
69) Das rechte Seineufer kommt ausser Betracht, obwohl fftr jene Seite
früher als fQr die linke von Philipp August die Einfassungsmauern angeordnet
waren, nämlich im J. 1190. S. Bonnardot 1. c. p. 27. S. dazu oben S. 678.
1. St. Geneviöve, Notre Dame, St. Victor n. die Hochschule zu ParlB. 675
waren, gewissermassen im Schatten von Notre Dame, und kein
Magister durfte ohne die Licenz des dortigen Kanzlers Vor-
lesungen halten.
Versteht man nun obige Frage in dem Sinne, dass die
Universität Paris von jenen Professoren gebildet wurde, welche
auf der Insel in Abhängigkeit vom Kanzler der Gathedrale ihr
Lehramt ausübten, so muss sie bejaht werden. Die Universität
nahm auf der Insel ihren Ursprung, und zwar wurde sie von
jenen Professoren begründet, welche das Zeugniss ihrer Lehr-
befahigung vom Kanzler in Notre Dame erhalten hatten, dessen
Stellung und Amt eben deshalb durch die Professoren -Verbindung
anfänglich auch nicht im geringsten alteriert wurde ^°).
Wenn also irgend eine Schule zu Paris das ehrenvolle Epi-
theton 'Wiege der Universität' verdient, so ist es diejenige,
welche recht eigentlich die Domäne des Kanzlers war, nämlich
die Schule von Notre Dame'*). Sie war auch seit einem Jahr-
hundert die Hauptanstalt, an der die Meisten gebildet wurden
und die Tüchtigsten gelehrt hatten. Es ist nicht zufällig, dass
die Canoniker von Notre Dame vom Beginne der Universität an
eine privilegierte Stellung innerhalb derselben einnahmen. Gerade
weil die Universität in Notre Dame gleichsam ihre Wiege hatte,
wurden auch anfänglich nur dort die Examina und Promotionen
der gesammten Universität vorgenommen; schlugen die Bücher-
verkäufer schon Anfang des 13. Jhs. ihren Sitz vor Notre Dame
auf"); wurde die 'archa universitatis' Ende des 14. Jhs. bei ihr
(apud nostram dominam) aufbewahrt) u. s. w.
7<^) Die weitere AnsfOhrang gehOrt nicht mehr hieher. Ich bezeichne
aber jetst schon die Behauptung als eine Fabel, im 13. Jh. hätte die Uni-
versitftt die unmittelbare Verbindung mit ihrer Mutteranstalt aufgehoben.
Springer, Paris im 13. Jh. (Leipzig 1856) S. 14.
71) Im 11. Livraison des GoUectiywerkes Taris ä traTers les ftges',
welches Le petit ch&telet et Puni versitz behandelt, fehlt gerade die Seine-
insel, d. h. der Ort, wo sich die üniTersit&t zuerst gebildet hatte. Wurde
die Insel auch in einem andern Hefte beschrieben, so hätte dieselbe doch
nicht im Plane 'L'universitö de Paris' ausgeschlossen werden sollen.
7^ S. Jean Garlande, Dictionarius in 66rand, Paris sous Philipp le Bei
p. 608. Ebenso um die Mitte des Jhs. S. Roman de la Rose 6d. M6on v. 12010ff.
79) Reg. nat anglicanae zu Paris Y, Bl. 29 f.
43*
676. IV. Die Univenit&ten im YerbftltniBse za den froheren Schulen.
Aber noch eine andere Thatsache erklärt sich jetzt, wie sie
andererseits das gewonnene Resultat erhärtet Wir haben oben '^)
gefunden, dass im 13. Jh. der Kanzler als Haupt der Hochschule
betrachtet wurde. Wäre die Universität aus der Schule von St. Gene-
vi^ve hervorgegangen und hätte sie sich unter einem Kanzler von
St. Genevieve entwickelt, so würde man auch fernerhin in dem
letzteren, nicht aber in dem Kanzler von Notre Dame, das Haupt der
Universität erblickt haben. Was sehen wir aber? Dass man so-
wohl um die Mitte als am Ende des 13. Jhs. nur den Kanzler von
Notre Dame als caput universitatis bezeichnet hat. Was das
Ende des 13. Jhs. betrifft, so wird das Factum von den Artisten
selbst bezeugt. Und obgleich sie dem Kanzler von Notre Dame
diese Ehre streitig machen wollten, so wagten sie es doch nicht,
dieselbe dem Kanzler von St. Geneviäve zuzuwenden '*). Um
die Mitte des 13. Jhs. lässt aber der Artisten-Professor Jean de
Garlande den Kanzler Petrus Parvus von Notre Dame 'die Zügel
des Studiums von Paris führen'^'). Diese Facta erhalten nur
dadurch ihre Erklärung, dass die Universität Paris in der Yer-
7*) S. oben S. 129 f.
75) S. oben S. 121.
76) So im Bache De misteriis ecclesie. Im Cod. 546 sa Brügge BL 54
steht der Vers mit der Glosse:
a magistro gubernacula ezistenUa in bono statn.
Parisins studii directas docit habenas.
In der Bibliothek St. GeneviÖTe zu Paris T. 1. 5 in 4. heisst die Glosse:
id est prndentiam et diligentiam. H6mer6 führt de academia Parisiensi
(Paris 1637) p. 124—125 den Kanzler Petms Panrus nicht «nter den Kaas-
lern anf. Auch im Cod. Paris. 16572, wo sich dieselbe Arbeit H6mer68
findet, jedoch mit handschriftlichen Zns&tzen, welche die eigentlichen Piöces
justificatives bilden, wird Petrus Parvus übergangen. Allein im genannten
Werke De misteriis ecclesie wird er ausdrQcklich drei Zeilen vor der ci-
tierten SteUe genannt, indem es heisst:
Ecce Yir electus tanquam campana sonora.
Darüber findet sich die Glosse: s. magister petrns panrus qni est electos.
Und am Bande wird speciell auf ihn als Kanzler hingewiesen: Hie fiM^it antor
(Job. de Garlandia) digressionem ad magistrum Petrnm parvum, qui ftiit can-
cellarius Parisius, cui recitatus fuit iste liber etc. Dieser Kanzler wird auch
erw&hnt im Cartul. de Notre Dame de Paris lY, 134. Er bekleidete das
Amt zwischen 1238 und 1244. Tgl. Haur^an in Notioes et eztraits XXYU,
2 p. 2 sqq.
1. st OeneTidye, Notre Dame, St. Victor u. die Hochschule za Paris. 677
einigung jener Magistri, die auf der Insel in Abhängigkeit vom
Kanzler von Notre Dame gelehrt haben, ihren Ursprung hat.
Sie bestätigen aber auch die früheren Ergebnisse, dass zur Zeit
der Entstehung der Universität Paris in St. Genevifeve keine
Schule bestand, die mit derselben in Verbindung getreten
wäre, und dass, wenn irgend eine Pariser Schule das Epitheton
* Wiege der Universität' verdient, diese Schule keine andere als
jene von Notre Dame ist.
Abaelard den Gründer der Universität und St. Geneviöve
die Wiege der Universität nennen, ist immer irrig. Allein Abae-
lard trug am meisten dazu bei, dass eine Menge Scholaren nach
St. Geneviäve oder nach Paris zog; er bildete zugleich eine
Schule, deren Sitz vorübergehend in St. Genevi^ve, theilweise
auch auf der Insel war, und die durch sie erzeugte Opposition
legte den Grund zu neuen Schulen^'). Indirect hat also Abae-
lard immerhin die spätere Universität vorbereitet, und in Folge
seiner Thätigkeit bezeichnet St. Genevifeve eine Uebergangsstufe
zu derselben. Wer mehr behauptet, übersieht die Thatsachen.
Fragen wir nun aber, wie sich denn die Ansicht bilden konnte,
dass die Universität Paris aus der Vereinigung der Schulen von
St Genevi^ve und Notre Dame, und allenfalls auch der von
St. Victor, entstanden sei, so ist die Antwort nicht so schwer.
Belleforest stellte im 16. Jh. die Behauptung auf, ^universit^
de Paris au commencement n^^tait que pour les arts, et les
autres sciences y sont survenues comme accessoires'. Der ei-
gentliche Kanzler sei von jeher der von St Genevifeve gewesen,
weil dort auch die Studien sich befunden hätten, und erst Bene-
dict XI. habe im J. 1304 den Kanzler von Notre Dame creiert und ihn
jenem von St. Genevifeve gleichgestellt'*). Diese Ansicht vertraten
auch Duchesne und Du Breul '*). Um Beweise künmierten sich diese
") S. oben S. 46.
78^ Des durch nnd durch unkritischen Belleforests Ansicht findet man
weitläufig dargelegt and mit desselben eigenen Worten angefahrt bei Du
Boulay I, 383 sqq. Ueber obigen Funct s. p. 390.
79) Duchesne spricht darüber in den Notae zu Abaelards Hist. Calamit.
(Opp. Abael. ed. Cousin I, 42). Cousin, welcher gerade diese betreffende
Notiz erg&nzte, hatte ^ein Wort des Tadels für Duchesnes schiefe Behaup-
tung. Du Breul entwickelte seine Ansicht in Le th^&tre des antiquit^s de
Paris (1612) p. 281. Vgl 595.
678 ^' 1^1® Üni?er8it&ten im Verhältnisse zu den Mheren Schnleo.
Autoren nicht. Der eine Theil der Hypothese, dass der Kanzler
von Notre Dame erst so spät zu seiner Würde gekommen sei,
schien selbst einem Du Boulay zu stark*®). Allein den andern
Theil, dass die Artisten die eigentliche Universität, die artes die
eigentliche Wissenschaft vorgestellt hätten, die übrigen Fächer nur
Accessorien gewesen wären, und der Kanzler von St Geneviäve
früher als jener von Notre Dame bestand, führte er des breiten aus.
Die Hypothese ist in der That ein Hauptpfeiler des Systems des
Autors. Ich gehe hier nicht auf die Widerlegung ein, um mei-
nem 3. Bande nicht vorzugreifen; es handelt sich für jetzt nur
darum zu erfahren, wie sich die Ansicht von der Vereinigung
der Schulen von St. Genevi^ve, St Victor und Notre Dame
herausgebildet hat
Du Boulay zufolge waren die Artisten, wie wir oben gesehen
haben, die ursprüngliche eigentliche Universität Nach den Ka-
rolingern, im 10—11. Jh., habe sich diese mit der Schule zu
St Geneviäve vereinigt, und darauf dort, wo (vorübergehend)
Hucbold von Liäge gelehrt, die Universität ihren Sitz ge-
habt**). Ungeachtet, dass nach und nach auch in Paris (auf der
Insel) Lehrer aufgetreten waren und die theologische Schule zu
Notre Dame sich entwickelt hatte, blieb doch die Universität,
wie Du Boulay meint, zu St Genevi^ve, denn c. 11 32 hätte ^tota
fere scholarium universitas, exceptis forte theologis, montem San-
Genovefianam' bewohnt^'). Von hier aus seien später einige
Artisten auf die Insel gegangen, um theils in Notre Dame,
theils an andern Orten der Stadt zu lehren. Daselbst wären sie
natürlich unter die Jurisdiction des Kanzlers von Notre Dame ge-
^) Hist aniv. Paris. I, 276. Er sah ein, dass die eben genannten
Autoren das Schreiben Benedicts XL vom 16. April 1304, mit welchem
er den Magistern die Facultas licentiandi wider zurQckgab, die ihnen Bonifiu
Vni. am 15. August 1303 entzogen hatte (s. Jourdain, Index chronol. n. 354.
358), ganz und gar missverstanden haben.
81) L. c. I, 249. 276. H6mer6, der sonst auch manche irrige Ansichten
▼ertheidigte, dachte in diesem Funkte doch viel richtiger als Du Boulay,
und l&sst einen Theil der Studierenden erst unter Louis le Gros, also zur
Zeit Abaelards, nach St. GeneyiÖYe gehen (De academia Paris, p. 3), gleich-
wie er auch fttr den Kanzler von Notre Dame ein höheres Alter annimmt
als fOr jenen von St. Geneviöve (p. 61). '
M) Ibid. n, 128. Vgl. Gallia Christ VH, 708.
1. St. GeneYlöve, Notre Dame, St. Victor u. die Hochschule zn Paris. 679
kommen, von dem bereits die Theologen an der dortigen Schule
abgehangen hätten. Im Laufe der Zeit seien auch, fährt er
fort, einige Theologen von Notre Dame nach St. Geneviöve ge-
gangen um dort zu lesen ^').
So wäre also das connubium zwischen St. Genevi^ve und
Notre Dame bewerkstelligt worden. Unter Wilhelm von Cham-
peaux wurde die theologische Schule zu St. Victor gegründet, die
nun ebenfalls ein Glied in der Universität gebildet habe*^).
Dass diese Behauptungen grosse Irrthümer in sich bergen,
liegt nun auf der Hand. Von Beweisen ist bei Du Boulay nir-
gends eine Bede. Seine Phantasie, die auch nicht vor den ge-
wagtesten ja unmöglichen Conjecturen zurückschreckte, half alle
zeitlichen Zwischenräume überbrücken. Die Palatinische Schule
verband sie mit jener zu St Genevifeve, als dort Hucbold 'in
brevi multos scolarium instruxit'^^); das Jahrhundert, welches
Abaelard von Hucbold trennt, galt ihr kaum einen Tag, wie
nicht weniger die Zeit von Abaelards Tod bis zum dritten De-
cennium des 13. Jhs.; die dem Systeme widersprechenden That-
sachen werden verschwiegen oder verdreht (beispielsweise jene
der Entstehung des Kanzleramtes zu Geneviäve), dafür aber neue
'Facta' vorgetischt. Ich erwähne hier nur eines derselben.
Cioelestin HI. schrieb vor, dass die causae clericorum, welche zu
Paris wohnten, nach dem canonischen Rechte geschlichtet würden ").
Nach Du Boulay wird hier von der Universität Paris gespro-
chen, denn die clerici Parisius commorantes seien eben die
Scholaren*^). Nun, es kann sein, obwohl keiner der alten Glos-
^) Ibid. I, 276. Er nennt speciell Peter Lombardas (II, 249), der wohl
an der Domschale, nicht jedoch in St. Geneyiöye gelehrt hat (ygl. oben
Anm. 16). Ihm folgt Feret im Contemporain, t 26 p. 397 f. Der dort do-
cierende Theologe Wilhelm de Monte war wohl Regolar-Ganoniker.
«*) Ibid. U, 26.
^^) Man citiert diese Stelle, meist nach Ortelii et Johannis Yiyiani
Itinerarium per nonnallas Galliae Belgiqae partes' (Lngd.Batay. 1667) p. 133
oder Do Breul, Le th6&tre etc. p. 281, immer irrig: in breyi multammsco-
lamm instructor foit. Obige Leseart ist in den Gesta Episc. Leodien. (Mon.
Germ. Tu, 205) enthalten.
M) Comp. II. c. 5 de foro competenti. C. 9 X de foro compet. 2, 2.
87) Bist nniy. Paris. I, 266. U, 498.
680 ^' ^® üniTenitAten im VerhältiUBse am den froheren Sehnten.
satoren die Stelle in diesem Sinne auslegt**). Wenn aber von
der Universität die Rede ist und diese zur Zeit Goelestins noch
vorzugsweise zu St. (reneviive war, vor wem sollen die Händel
der Studierenden ausgetragen werden? Du Boulay ist nicht ver-
legen. Er sagt, der Papst habe vorgeschrieben, ^causas pecunia-
rias scholarium Parisiensium decidi jure canonico apud episco-
pum aut abbat em S. Genovefae'**^). Und dies behauptet der
Autor, ungeachtet weder im päpstlichen Schreiben noch in den
dasselbe erläuternden alten Glossen und späteren Gommentaren
vom Abte zu St. Geneviäve ein Wort gesagt ist Allein die
Position, die sich Du Boulay selbst geschaffen hatte, ndthigte
ihn zu so unerhörter Exegese**).
^) Laurentios commentiert (1208 — 1212) die Worte 'clerici parisins':
et est hoc speciale FarisiaB, abi espiscopns gerit yicem comitis. Ünde et
preco bannnm ibi nuntiat nomine episcopi et regle, alias laSci snb secnlari
indice debent conreniri. Laurentins. Cod. 102 sn Troyes Bl. 116b; Cod.
Paris. 3931^ BL 89a. Cod. Yat 1377. Im Cod. Paris. 15398 erster
Theil BL 80b ist die Glosse erweitert Unter anderm heisst es: Qnia ergo
episcopns temporalem habet inrisdictionem snper laicos, precipit dom. papa,
ut coram eo clerici eos cooTeniant, yel die, qnod laici clericos coram epis-
copo convenientes etc. VgL auch Cod. Paris. 2932 BL76b. Der Cod. 394 der
Arsenaibibliothek (einer der ältesten Codices mit Glossen zu den Com*
pilationen) bietet Bl. 66a: Secnndo statnitur specialiter, ne derlei pa-
risienses conyeniant yel conyeniantnr nisi sab ecdesiastico (beilftnfig
bemerke ich, dass Cod. Paris. 15398 im zweiten Theile ein Bruch-
stück der 2. Compil. enth< mit der Variante 'si qnas scolares derid
parisins', statt 'secnlares'. Eine einfache Verschreibong; denn 'secolares'
bezieht sich anf 'cansas', nicht anf 'clerici', und wnrde in Gregors Deere-
talen in ^ecuniarias' umgeändert). Ich begreife nicht, wie Sayigny III, 356
Anm. f. behaupten konnte, schon eine alte Glosse erkl&re die Stelle Ton der
Pariser Uniyersit&t. Auch in den oben S. 107 Anm. 225. 226 citierten Hss.
kommt keine solche yor. Die gedruckte Glossa ord. ist interpoliert. Der
Hinweis auf die Pariser Scholaren geschieht erst nach der Mitte des 13. Jhs.
Abbas antiquus spricht yon einem 'Scolaris Parisiensis' (cod. Vat 2542 BL
33 a), Hostiensis überhaupt yon den scolares Parisienses (in Decret ad I.e.),
und 80 gelangte die Erklärung auch in den Apparat des Job. Andreae. Doch
ist natOrlich auch bei diesen Autoren nicht yon St. Geneyi^ye die Bede.
»«•) L. c.
^^) Es wird dies dexgenigen nicht mehr Wunder nehmen, der meinen
Ausführungen im zweiten Hauptabschnitte über die Uniyersit&t Paria ge-
folgt ist
1. 8t. Ocnevi^Te, Noire Dune, St Victor n. die Hochtohole m Paris. 681
Da Boulay sprach jedoch nicht, dies darf nicht vergessen
werden, von einer Vereinigung der Schulen von St. Genevieve,
Notre Dame und St. Victor im vollen Sinne des Wortes, so dass
das Resultat derselben die Universität Paris gewesen wäre, son-
dern nach ihm bestand bereits einige Jahrhunderte lang die
Universität, und zwar als Artistenschule, zumeist auf der Höhe
von St. Geneviäve. Im Laufe der Zeit wären dann allerdings
die Domschule und jene von St. Victor zu der alten Universität
hinzugekommen.
Neuere Forscher verwarfen Du Boulays Behauptung vom
hohen Alter der Universität Paris*^), und unter ihnen bemerkte
besonders Thurot, dass die Bildung der Corporationen nicht vor
Ende des 12. Jhs. vor sich gegangen sein könne. Man sah sich
also gezwungen, in Du Boulays Aufstellungen eine Aenderung
vorzunehmen. Anstatt jedoch die Frage von Grund aus zu stu-
dieren und die Resultate auf den Quellen, mit Umgehung von
Du Boulays System aufzubauen, beschnitt man einfach nur das
^) Hie und da wird jedoch noch immer der 'Ruf der Schalen von
Paris in eine zu frühe Epoche verlegt. So nftmenUich von Haur^au, der die
Schule sa Notre Dame, St. Germain des Pr^a and St. Oenevi^ve bereits
für das 9. Jh. als 'trös fröqaent^e' bezeichnet (Hist. de la phil. scolast. I,
201), nnd die Behauptung aufstellt: *Jl 6tait reconnu dans toute Tltalie m^me
au commencement du 11. siäcle, que, pour Stre inscrit au nombre des
maltres, il fallait avoir pass6 par les 6coles de Paris' (Singularit^ historiques
et litt^raires, Paris 1861 p. 189 Anm. 2). Eine nicht zu beweisende Be-
hauptung, die nur auf Grund nicht verstandener Stellen bei alten Schrift-
steilem ausgesprochen wurde. Da ich im 3. Bande darauf zurackkomme,
verweise ich für jetzt nur auf Dümmler, Anselm der Peripatetiker, Halle 1872
S. 9 Anm. 4 ; S. 11 Anm. 3. Haur^u fiel in den Fehler Du Boulays (Hist. univ.
Paris. II. 99), alsbald an Paris zu denken, wenn von einem alten Scholar
oder Lehrer berichtet wird, dass er 4n Galliam' oder 4n Franciam' gegan-
gen sei und dort gelehrt oder studiert habe. Allerdings wird Haur^u noch
von Laferriäre übertroffen, der die Worte Assers über Karl le Gros im 9. Jh.,
*eodem anno Earolus Francorum rex viam universitatis adiit' (Mon. hist.
Brit. I, 491), interpretiert: Asserius d^signe la cit6 parisienne, oü taut d'6-
coles ötaient d^& r^unies, sous le nom d'universit6 (S^ances et travauz
de Pacad^mie des sciences moral. et polit. XXIII, 142). Die einfache Um-
schreibung fQr 'viam universae camis abiit' scheint der Akademiker nicht
verstanden zu haben.
682 ^- ^i^ üniTenit&teii im Verh<iiiflse sa den firOheren Schuleii.
Alter der Schulen von St. Geneviäve und Notre Dame, liess sie
ohne weiteres zu Ende des 12. Jhs. sich vereinigen und gesellte
ihnen allesfalls noch jene von St. Victor zu. Wesentlich gieng man
also nicht von Du Boulay ab, sondern man verrückte lediglich
die Zeiten, und bezog das vom genannten Autor über die drei
Schulen, besonders jene von St Genevi^ve und Notre Dame,
Gesagte auf eine spätere Epoche. Daran dachte man allerdings
nicht, dass man nun die Vereinigung dieser Schulen in eine Zeit
verschoben habe, in der von einer Union von Notre Dame mit
St. Genevi^ve und St Victor keine Rede mehr sein konnte. So
kommt es, dass das von Du Boulay ausgedachte System in diesem
Punkte immerhin einen geringern Widerspruch involviert, als das
der modernen Forscher •*).
^1) Zar leichteren Annahme der Hypothese von der Vereinigang der
drei Schalen bestimmte wohl aach die irrige Yoraassetzang, die Professoren,
welche die Universität zaerst gebildet haben, h&tten schon damals in dazu
bestimmten Häasem ihr Lehramt ansgeübt. Die Hallen der Clanstra von Notre
Dame, St Geneviöve and St. Victor schienen gerade eine solche Ansicht m
begünstigen. Allein man vergisst, dass in jener Zeit die Professoren, gleich-
viel wo sie auf der Insel docierten (s. oben S. 674), zur Universität gehören
konnten, und der Usas, die HOrsäle in gemeinsame Versammlungsorte su
verlegen, sich erst nach and nach aasgebildet hat. Wie in Paris war es
aach z. B. in Oxford, wo 31 Magistri regentes im J. 1278 an den ver-
schiedensten Orten der Stadt ihre Vorlesungen hielten (s. Man. acad. Oxon.1, 38>
Man lasse sich ja nicht darch die Thatsache irre führen, dass die Professoren
desselben Faches sich mit der Zeit in denselben Strassen niederliessen, denn
diese Sitte hatte ihr Vorbild in der Gewohnheit deijenigen, welche dasselbe
Gewerbe trieben (man vgl. vorzüglich Le livre de la taille de Paris ans dem
J. 1292 bei G6raad, Paris soos Philipp-le-Bel p. 1 ff.). Wer die Entwickelongs-
geschichte der Universität Paris nicht aasser Acht lässt, sieht demnach ein,
dass man den Umstand, dass die Universität kein eigenes Haas besass, nicht
mit DöUinger (Die Universitäten S. 5) aaf die Armat der Universität znrück-
führen darf.
2. Notre Dame, St. Genevi^ve, und die Corporationen. 683
2. Die gelehrten Oorporationen zu Paris in ihrem Ver-
hältniss zu Notre Dame und St. Geneviöve.
Wir kommen hier auf jenen Punkt zurück, von dem wir
oben im zweiten Paragraph des zweiten Hauptabschnittes aus-
gegangen sind, nämlich auf die Bildung der Corporationen an
der Hochschule zu Paris, nur dass wir nun die Entstehung jener
Genossenschaften im Verhältniss zu St. Genevifeve und Notre
Dame betrachten. Das System, .welches ich dort bekämpft und
dem gegenüber ich den wahren Sachverhalt dargestellt habe,
hat weniger darin seinen Halt, dass in demselben der Ursprung der
Universität mit Karl dem Grossen in Verbindung gebracht wird
(dieser Zusammenhang wurde ja in neuerer Zeit fast ganz auf-
gegeben), als vielmehr in der Annahme, die Universität sei einst
in St. Genevieve gewesen und habe sich dort entwickelt, von
wo aus sie dann als fertige mit der Schule von Notre Dame in
Berührung getreten sei, sowie in der Behauptung, die Universität
sei unabhängig vom Kanzler von Notre Dame entstanden. Hiermit
steht und fallt das ganze System. Es verschlägt nichts, dass
Huber, Savigny und deren Ausschreiber sich dessen wahrscheinlich
gar nicht bewusst waren.
In dem genannten Systeme wurde die Universität von den
vier Nationen gebildet; an der Spitze der Universität stand der
aus ihrem Schosse gewählte Rector. Die Gewalt und die Aemter
besassen die Artisten; waren sie doch ursprünglich die Haupt-
Elemente der vier Nationen, denn, sagte man, ^universitatem
fundatam esse in artibus'. Erst c. 1260 seien die Theologen,
Decretisten und Mediciner, die seit der Berührung mit Notre
Dame in den Nationen eingeschlossen waren, aus diesen ausge-
treten, und hätten dann zu den Facultäten den Grund gelegt"').
Wo war ein solcher Ursprung und eine derartige Organi-
sation der Universität Paris möglich? Auf der Insel, oder zu
St. Genevifeve? Nur an letzterem Orte. Du Boulay verlegt
auch deshalb die eigentliche Entwickelung der Universität dorthin.
Auf der Insel, unter dem Schatten von Notre Dame, konnte er
W) 8. oben 8. 64. 77 f.
684 ^- ^^ UniTenit&teii im Yerhütnisse m den frAheren SehuleiL
die Universität nicht entstehen lassen, denn in diesem FaUe
wäre, wie sich sogleich ergeben wird, sein ganzes System zu-
sammengestürzt
Anf der Insel, angesichts des Kanzlers von Notre Dame,
war es unmöglich, dass eine Universität, eine Gesammtgenossen-
Schaft sich entwickelt hätte, deren Wesen die vier Nationen und im
eigentlichen Sinne die Artisten ausmachten, von denen ein gemein-
schaftliches Haupt, der Rector, gewählt wurde, zu welchem alle,
welche der Universität angehörten, die Theologen, Decretisten,
Mediciner, da sie in die vier Nationen mit einbegriffen waren,
ja selbst der Kanzler in einem Abhängigkeitsverhältniss standen.
Um die Unmöglichkeit einzusehen, brauchen wir nur zu unter-
suchen, welchen Platz man in Paris den artistischen Studien
anwies, und welche Rolle der Kanzler von Notre Diune gegen-
über den Studierenden im 12. Jh. gespielt hat.
Was die artistischen Studien betrifft, so bedarf es bloss der
Erinnerung an das bereits oben") darüber Gesagte. Hier inter-
essiert uns der eine Punkt, welche Auffassung man gerade in
Notre Dame, wo der Kanzler war, in der zweiten Hälfte des
12. Jhs. und Anfang des 13. von den artes liberales hatte. Sie ist
keine andere, als jene aller Gelehrten der damaligen Zeit
Petrus Gomestor, welcher nach 1164 Kanzler von Notre
Dame war, sagte einmal: Possunt hec eadem nobis aptari non
indecenter, qui lectioni et studio sacre scripture operam damus,
nos enim ex maxima parte figmenta poetarum, que ranis loqua-
cibus comparantur, pretermisimus, pretemavigavimus pallida so-
phistarum argumenta etc.'^). Peter Remensis, der 1184 Cantor
der Kirche von Paris und der Lehrer Roberts de Gour^on war**),
nennt die artes ^subsellia sacre scripture', durch welche ^repa-
ratur via sacre scripture"*). Robert de Cour^on, welcher das
Kanzleramt inne hatte, und, wie wir oben widerholt sahen, später als
M) 8. 98ff.
M) In einem seiner Sermone. Cod. in 8t. Florian XL 264. Bl. 44 a
8. auch oben 8. 100.
95) Er citiert Um widerholt in seiner Sonuna, and nennt ihn *nuigister
noster Cantor parisiensis'. Cod. Paris. 3258 Bl. 105 a
M) Cod. Paris. 14521 Bl. 78b.
2. Notre Dame, St. OeneTtöve, und die Corporatioiien. 685
Cardinallegat sich viel mit der Universität beschäftigte, be-
sitzt keinen hohen Begriff von den artes liberales. Einige der-
selben seien 'quasi quedam ydiomata in primis rudimentis, que
?endi possunt, ut informatio alfabeti, eruditio lingue'. Andere
beanspruchten einen etwas höheren Platz, 'que ad fidem et mores
pertinent, que tantum sunt gratis conferende'. lieber allen stehe
der Theologe und der Canonist, und darum 'ad cathedriun theo-
logie ?el sacrorum canonum (theologus) debet accedere mature
instructus"^).
Ehe wir die Schlüsse hieraus ziehen, wollen wir die andere
Frage beantworten, welche Stellung der Kanzler von Notre Dame
gegenüber den Studierenden im 12. Jh. eingenommen hat.
Um darüber ins Beine zu kommen, gibt es keinen andern
Weg als auf jene Documente zu achten, aus denen wir erfahren,
was der Kanzler im Laufe der ersten Decennien des 13. Jhs.
von seiner alten Macht eingebüsst hat. Nur so lernen wir diese
selbst kennen.
Es versteht sich, dass der Kanzler wie an anderen Orten
der Scholasticus oder der Magister scholarum die Licenz ertheilt
bat Vor 1212 existierte noch kein Statut darüber, dass sich der
Kanzler bei Vornahme dieses Actes eventuell an das Gutachten
der Magistri halten müsse. Es war Gonvenienz, wenn der Kanzler
auf dasselbe Rücksicht nahm; und wollte er bei Ertheilung der
Licenz gewissenhaft zu Werke gehen, so durfte er wohl die Mit-
wirkung der Professoren nicht umgehen. Anscheinend hielten
die verschiedenen Kanzler eine diverse Methode ein. Immerhin
konnte er aber wem er wollte, und ohne dass ein Magister
über die Qualification des Candidaten Zeugniss abgelegt hätte,
die Erlaubniss zum Lehren geben. Ein abusus war es, wenn er
^a volentibus scholas regere juramentum fidelitatis vel obedientie
ac interdum pecunie pretium' zu erpressen suchte oder die Scho-
laren ohne gerechten Grund einkerkerte. Er hatte aber das
97) Cod. Paris. 3258 Bl. 67 a. Bl. 70 a. Er geht auch auf einen Ein-
wurf ein, der eine gewisse culturhistorische Bedeutung hat: *Latina lingua
ydioma est quoddam. Ego possum inire tecnm pactum, ut doceas me gallicam
linguam et ut elimes dentes meos et doceas me alfabetum aut in caldeo aut
in alia lingua'.
686 IV. Die üniTersit&ten im YerhftltiiiBse %u den froheren Schalen.
Recht, einen Kerker zu halten, gleichwie er auch als Kanzler
eine Art ^judex' war, die Scholaren durch seine ministri citieren
und in gewissen Fällen die Excommunication über die Magistri
und Scholaren aussprechen konnte, von der sie nur vom Bischöfe
oder vom Abte von St. Victor losgesprochen werden durf-
ten. All dies bis auf den letzten Punkt '^) erfahren wir aus einem
Schreiben Innocenzs in. vom 20. Jänner 1212 und aus dem
zwischen dem Kanzler und der Universität im nächstfolgenden
Jahre abgeschlossenen Compromiss**). Erst jetzt verlor der
Kanzler einige seiner Rechte, noch mehr büsste er im Laufe des
nächsten Decenniums ein'®^).
So besass der Kanzler vor 1212, d. i. also in jener Epoche, in
welcher die Universität entstand, eine fast unumschränkte Macht.
Du Boulay selbst ist gezwungen dies zuzugestehen'®^). Die kurz
vor 1212 wachgerufenen Klagen und daraus entstehenden Revolte
der Studierenden hatten die Beschränkung der Machtbefugniss zum
Zwecke. Es wäre weit gefehlt, wollte man den Kanzler von Notre
Dame mit dem Scholasticus oder Magister scholarum irgend
einer Domschule auf gleiche Linie stellen. Vertrat doch der
Kanzler nicht so sehr die Stelle des Bischofes, als vielmehr die des
^) Dieser erhellt aus den Statuten des Cardinais Guala Yom J. 1204 bei
Da Bonlay III, 44.
^) Bei Jonrdain, Index chrono!, n. 18. 15. Er setEt jedooh das päpst-
liche Schreiben irrig in das Jahr 1210, d. h. 1211. Nebenbei gesagt be-
folgte Jonrdain die verfehlte Methode, die Daten der päpstlichen Ballen
nach altfraniOsischer Weise zu berechnen und dieselben, wenn sie in die
Zeit vom J&nner bis Ostern fiallen, um ein Jahr zurflckzu versetzen. Dieses
Verfahren w&re am Platze, wenn die päpstlichen Schreiben jener Zeit,
wie andere Acten, solche Daten getragen hätten.
100) Am 31. Mai 1222 entzog ihm Honorias III. das Beoht einen Kerker
zu besitzen: Demoliatnr praecise carcer a cancellario ipso conatmctos nee
aliqaem incarcerabit cancellarias memoratns. Gregor IX« bestätigte dies in
der Bulle Parem acientianan. Vorzüglich durch diese zwei Schreiben, sowie
durch jene Honorius III. vom SO. März und 11. Mai 1219 (Becueil des histo-
riens des Gaules XIX, 679. Du Boulay III, 93), Innocenzs III. vom 20.
Jänner 1212 nnd das Statut Roberts de Cour^on vom J. 1215 wurden in
der ersten Zeit die Rechte des Kanzlers beschränkt.
10^) Bist. nniv. Paris. III, 94: cum sine dubio canceUarins magnun jus
haberet in scholam eplscopalem seu ciaastralem eamque suae jurisdictioni et
imperio subditam haberet etc.
3. Notre Diane, 8t Oenevi^ye, und die Gorporfttionen. 687
Papstes. Es war in der ersten Hälfte des 13. Jhs. eine aus-
gemachte Sache, dass er im Namen des Papstes die licentia docendi
gebe^^'). Daher galt es damals noch immer als ein strittiger
Punkt, ob während der Vacanz des Kanzleramtes der Bischof
das Recht besitze, die Licenz zu ertheilen. Die Universität we-
nigstens erkannte es 1237 nicht an, als der Bischof nach dem Tode
des Kanzlers Philipp de Gr^ve mit Uebergehung aller Formalitäten
'magistris reclamantibus et invitis quibusdam scolaribus in de-
cretis regendi concessit licentiam' ^^'). Gregor IX. selbst schrieb
das Jahr darauf, der Bischof sei ^cancellaria parisiensi vacante in
possessione vel quasi licentiandi provectos ad officium magi-
stratus', und die Magistri widersetzten sich mit Unrecht der
Handlungsweise des Bischofes^^'). Doch gestand auch der Papst
dem Bischöfe nicht unumwunden das Recht zu, während der
Vacanz des Kanzleramtes die Licenz ertheilen zu können. In
keinem Falle besass es jedoch der Bischof bei Lebzeiten des
Kanzlers.
Diese zwei Hauptpunkte vorausgesetzt frage ich, wie es
möglich gewesen wäre, dass sich die Universität in der von Du
Boulay dargestellten Art und Weise auf der Insel hätte bilden
können? Fassen wir zunächst den wichtigsten Factor im
Systeme Du Boulays ins Auge, den allgemeinen Rector der Uni-
versität. Dieser soll in der Zeit vor 1212 gegen den Kanzler
von Notre Dame aufgestellt worden sein, ja ohne dass sich letz-
terer auch nur zum geringsten Widerspruch bewogen gefdhlt hätte?
Ein neues Universitätshaupt erhob sich, und jenes, das bisher
im Vollbesitze der Gewalt war, nämlich der Kanzler, liess dies
ruhig geschehen, ohne auch nur einmal zu protestieren, ungeachtet
^^) Der Kanzler Walter de Gh&teaa-Thierry citiert in seinen Quaes-
tionen das damals geltende Frincip: magistris commisse sunt claves scientie
a dorn, papa vel a cancellario parisiensi ex ordinatione D. pape ad aperien-
dam thesanram sapientie. Cod. Patavin. S. Anton. 152 Bl. 150 b.
^^) S. das Schreiben Gregors IX. Yom 5. August genannten Jahres im
Cod. Tat. Reg. 406 Bl. 12 a. Da Bonlay III, 160.
^^) Reg. Yat. an. 12 ep. 137 Bl. 27 a. S. die Stelle oben S. 82 Anns.
138. Dieses p&pstliche Schreiben klftrt ans über den Aasgang des damals
bestehenden Streites zwischen der Unirersit&t und dem Bischöfe auf, was
Yalois, Ouillaume d'Auvergne p. 62 noch nicht wissen konnte.
688 I^* I>ie ümTeniaten im Verhiltusfle sa den frOharoo Sdiolea.
er in andern unbedeutenderen Punkten sehr empfindlich war und
für seine Rechte eintrat?
Seit dem Anfiinge des 2. Decenniums des 13. Jhs. suchte
sich die Universität alle Gorporationsrechte zu erwerben und sich
auf freieren Fuss zu stellen. Nach 1210 ffthlten die Scholaren,
die durch das vom Kanzler bei Ertheilung des Licentiates ab-
genommene Versprechen am meisten verletzt waren ^^*), das Be-
dürfnisse sich durch einen Procurator vertreten zu lassen, was
der Papst um so mehr guthiess, als sie dies nach seinen Worten
Hie jure communi' thun konnten '®^). Nun erst wurde eine Art
Kampf, von dem wir zuerst 1212 hören, gegenüber dem Kanzler
aufgenommen. Dieser musste den Magistern einen Einfluss bei
den Promotionen resp. bei Ertheilung der Lioenz gestatten'*'),
und in Zukunft davon abstehen, von den Licentiaten das junir
mentum fidelitatis abzunehmen'*'). Es scheint, dass diese Er-
folge die Universität muthiger gemacht hatten, so dass bald dai^
auf innerhalb derselben mit Umgehung des Kanzlers bei ge-
wissen Vorfällen 'circa statum scolarium vel magistrorum' Gon-
spirationen und gegenseitige Verpflichtungen in Scene gesetzt
wurden, was schon Robert de Courgon im J. 1215 erlaubt hatte'*').
Ca. 1218 oder Anfangs 1219 ergriffen jedoch die Procuratoren
des Bischofs von Paris, Peters de Nemours (1208—1219), die
Partei des Kanzlers, welcher damals Philipp de Grfeve war'^*);
106) 8. oben S. 664.
i<M) 8. oben 8. 86 nnd Anm. 153. Dass die Decretale, die ich fibenü
undatiert fand, nicht in eine frühere Zeit, s. B. in das Jahr 1203, ftllt,
kann man auch daraas schliessen, dass in die Comp. 17., worin sie stehl^
fast nnr Schreiben Innocencs III. aus den Begierungijahren 12(0—1216 auf-
genommen wurden (s. Schulte, Gesch. der Quellen und litt, des Can.
BechU I, 89>
107) 8. oben S. 70.
108) 8. oben 8. 665.
109) S. sein Statut bei Du Boulay III, 82.
110) Du Boulay Usst m, 94 dem H6mer6, De academia Paris, p. 122,
folgend im J. 1219 Badulphus de Bemis das Kanaleramt verwalten. Ebeaa*
meint Albericus Trium Font (Mon. Germ. XXIII, 913), Philipp de Grftye sei
erst 1228 Kanzler geworden. Viel besser unterrichtet war der Autor der
Origo verm (p. 534). In der That handelte es sich 1219 nur um den Kaoaler
Philipp de Gröve, den auch der Papst wa sioh ciüerts und am 30. November
2. Notre Dune, St. Generi^ve, und die Gorporationen. 689
der Bischof selbst excommunicierte unter Berufung auf ein
angebliches Statut des Gardinallegaten Octavian, welches vor-
zuweisen er jedoch ausser Stand war"'), 'omnes illos, qui de
cetero sine consensu et autoritate ipsius vel Parisiensis ecclesie
circa statum scolarium vel magistrorum facerent aliquam con-
spirationem seu Constitutionen! aut Obligationen! quamlibet iura-
mento vel fide aut alia quacunque pena vallatam'^^'). Unter
constitutio verstand der Bischof nicht nur die illicita, sondern
auch die honesta.
Diese Thatsache beweist, wie eifersüchtig die Kirche von
Paris auf ihre Rechte war, und wie sie um jeden Preis ver-
hindern wollte, dass ihr Einfluss auf die Magister und Scholaren
vermindert würde und dieselben in grösserer Unabhängigkeit von ihr
kämen.. Die Universität sollte nicht bloss auf der Insel concentriert
bleiben , wie wir oben gesehen haben , sondern überhaupt
nichts ohne Bewilligung des Kanzlers ins Werk setzen können.
Das Factum verliert nichts an seiner Bedeutung durch den Um-
stand, dass die Kirche von Paris bei dieser Gelegenheit in Folge
des energischen Einschreitens Honorius ni., welcher sich der
Magister und Scholaren zu Paris nicht weniger als der Stu-
dentenverbindungen Bolognas annahm, den Kurzem zog"'). Zu-
genannten Jahres wider in Gnaden aufnahm. Beg. Yat. an. 4. ep. 615.
Hanr^aa in den Notices et eztraits XX!« 2 p. 1S5, wo jedoch irrig II. Non.
Dec statt II. kal. Dec. steht, gleichwie auch derselbe Autor p. 183 dem
Du Bonlay die richtige Ansicht unterschiebt.
1^1) S. dazu Jourdain, Index, Anm. 1 zu n. 7.
119) All dies erfahren wir aus den Schreiben Honorius III. vom 30. M&rz
und besonders vom 11. Mai 1219. Beg. Yat. an. 3 ep. 357. 445. Das erste ist
ediert in Becueil des hist. des Gaules XIX, 679; das zweite ibid. p. 685
und Du Boulay HI, 93.
1^3) Interessant ist der Eingang des p&pstl. Schreibens vom 11. Mai
1219: Si doctorum et discipulorum Farisiensium unirersitas perspicue sie
grayiter excessisset, ut eorum culpa nee palliari posset nee impunita relinqui,
tante tarnen et tarn Yenerabili multitudini decuisset in hoc saltem deferri, ut
ad penam non procederetur ipsorum, nisi apostolice sedis sententia requisita.
Die Procuratoren des Bischofs und des Kanzlers hätten sich aber unterfan-
gen 'Studium Parisiense, quod doctrine sue fluenta usquequaque diflfundens
uniyersalis ecclesie terram irrigat et fecundat in montes Gilboe, super quos
O e n i f 1 e , Die UmT«niaten I. 44
690 I^* ^^^ UniverBiatea im Verh<iiisse su den frflhereii Schalen.
dem bü8Ste der Kanzler noch keineswegs die Oberhoheits^Bechte
über die Universität ein.
Dies zeigte sich besonders einige Jahre später, als die Uni-
versität bereits in den Besitz eines eigenen Siegels gekonunen
war. Da dasselbe ^in praejudicium' der Kirche und des Kanzlers
von Paris angenommen worden, zerbrach es derCardinaQegatBoman
im J. 1225 auf Befehl des Kanzlers und des Capitels. Der da-
durch unter den Studierenden verursachte grosse Tumult konnte
nichts helfen; er hatte nur die Verhängung der Exconimunica*
tion über die Tumultuanten zur Folge. Dieselben, darunter
80 Magistri, waren gezwungen auf dem Cioncil von Bourges die
Lossprechung vom Legaten zu erbitten. Diese wurde ihnen ge-
währt, das Siegel erhielten sie aber erst nach zwei Decennien"*).
Diese Facta beweisen zur Genüge, wie irrig die Behauptong
ist, die Pariser Lehrer hätten durch die Gunst Innocenzs HL
(1212—1213) die f actische wenn auch nicht formelle Emanc^-
tion vom Kanzler erreicht ^^'^). So sehr auch seit 1212 die
Rechte des Kanzlers beschränkt worden waren, so befand er sich
doch der Universität gegenüber noch im J. 1225 in einem
solchen Autoritätsverhältniss, dass er die Universität eines der
wichtigsten Corporationsr echte, nämlich des Gebrauchs eines
eigenen Siegels, berauben konnte.
Es bedarf nun wohl keiner weiteren Begründung um zur
Einsicht zu gelangen, dass die Universität nicht bloss vor
1212, als der Kanzler noch im Vollbesitze der Gewalt war, son-
dern auch die erste Zeit nach dem genannten Jahre keinen Rector
hätte an ihre Spitze stellen können. Der geringste Versuch wäre
nee res eadit nee plavia, commntare impetiun flominis, qai ciTitatem dei
letificat, canum doctrine Tidelicet sistere'. Vgl. mit Reg. Yat an. 3
ep. 445.
^^*) S. die weitläufige Erz&hlang im Ghroo. Türen, bei Martöne-Dnrand,
Ampi. coli, y, 1065, and oben S. 78. Alberich Triam Font, erwähnt nicht
Bpeciell ein Siegel, sondern 'privilegiam qaoddam', and setzt das Factum in
das Jahr 1226. Mon. Germ. XXm, 917.
11!^) Paulsen in Sybels Bist. Zsch. Bd. 45 S. 253. Thnrot, De l'orga-
nisation etc. p. 10 sq. stellte das Ganze richtiger dar, obwohl Paolsen ihm
folgen wollte.
2. Notre Dame, 8t G«neTi^Te, and die CorporationeB. 691
ohne den heftigsten Kampf mit dem Kanzler nicht abgegangen,
und dies um so mehr, als der Rector im Systeme Du Boulays
schon gleich vom Beginne an aus und yon den Magistern der
niedrigsten Disciplin, nämlich denjenigen der artes, wäre ge-
wählt worden. Davon abgesehen, dass eine derartige Organi-
sation schon Angesichts der Professoren der höheren Disciplinen
bei Entstehung der Universität auf der Insel sich gar nicht hätte
bilden können, nahmen die Artisten dem Kanzler gegenüber die
niedrigste Stellung ein. Sie bekannten sich zu einem Fache, das
man nur um anderer Wissenschaften willen studierte und stan-
den zugleich meist noch im jugendlichen Alter. Dass man vor
21 Jahren nicht Magister in artibus werden könne, ist erst ein
Statut vom J. 1215 und wurde höchst wahrscheinlich dadurch
veranlasst, dass man früher in noch jüngerm Alter zu lehren
begann, was für das Ende des 12. Jhs. bezeugt ist^^*). Die Be-
hauptung, dass die Artisten Ende des 12. Jhs. auf der Insel das
Regime gehabt hätten, und die vier Nationen 4es premiers et
seules compagnies' gewesen seien ^*'), erscheint geradezu absurd.
Damit ist jedoch nicht gesagt, als hätten sich nicht Verbin-
dungen und Genossenschaften von Scholaren derselben Länder
bilden können. Dieselben hatten an sich weder mit dem Kanzler
noch mit dem Studium etwas zu thun. Ersterer konnte sich auch
recht wohl die spätere Eintheilung in die vier Nationen gefallen
lassen, denn wir sahen, dass dieselbe vornehmlich für die
Zwecke der Verwaltung und um der Disciplin willen geschah^'*).
Diese Bestimmung brachte es auch mit sich, dass die servientes com-
munes des Studiums von den vier Nationen gewählt wurden ^'^).
^10) Stephan von Toankay klagt Ende des 12. Jhs. dem Papste, und
wie sieh ans anderem ergibt, im Hinblicke auf die Pariser Schalen: F^oltates
qnaa liberales appeUant ammissa libertate pristina in tantam servitutem de-
▼ocantnr, ut eomatoli adolescentes eamm magisteria impudenter nsurpent et
in cathedra seniomm sedeant imberbes, et qui nondnm noront esse discipoli,
laborant nt nominentor magistri. £p. 241 ed. Molinet. Cod. Paris. 2923
Bl. 366.
U7) s. oben S. 77 Anm. 121.
US) 8. S. 95. 104.
US) S. das Schreiben Innocenss lY. vom 13. Mai 1245 bei Da Boa-
lay m, 202.
44*
692 r7. Die üniversit&ten im yerh<ni88e zu den froheren Schalen.
Ueberblicken wir diese allgemeinen Verhältnisse, so gewinnt
die oben ausgesprochene Vermuthung, die Procuratoren der Scho-
laren resp. der Artisten könnten früher bestanden haben, als der
Rector "®), immer mehr an Bedeutung. Was wir damals nicht recht
begriffen hätten, das finden wir nun leicht erklärlich, warum
nämlich die Procuratoren lange vorher, ehe der Rector genannt wird,
erwähnt werden ''*)• Auch die Thatsache, dass der Rector an-
fänglich nur eine Art Executivorgan ähnlich den Procuratoren
war "'), verliert jetzt alles Befremdende. Und obgleich der Ein-
fluss des Rectors, seitdem er nun einmal sich geltend gemacht
hatte, nothwendig in dem Masse wachsen musste, als der des
Kanzlers abnahm, so bleibt es trotzdem wahr, dass die Macht
des Rectors der Universität Paris niemals eine grosse gewesen
ist, wie wir im vierten Bande erläutern werden. Sie hält keinen
Vergleich aus mit jener der Rectoren mancher anderer Univer-
sitäten. Es erklärt sich dies nicht etwa bloss aus der oben
dargelegten Art und Weise, wie er nach und nach Haupt
der ganzen Universität geworden ist, so dass jede Facultat mit
Ausnahme jener der Artisten die grösstmögliche Autonomie be-
«0) 8. oben 8. 97.
^1) 8. die oben 8. 86 aus einem Schreiben Innocens m., besonders
aber 8. 105 aus einem solchen Honorios III. (vom J. 132S) angefahrten
Stellen. Im J. 1219 verpflichteten sich die Magistri liberaliom artinm und
ihre Schfller 'fide interposita ad servandum quod . . . a suis procaratoribos
contingeret ordinari'. 8o in dem oben 8. 105 Anm. 220 citierten päpstlichen
Schreiben. Dies that man in späterer Zeit dem Rector gegenüber. Wichtig
ist auch in dieser Beziehung ein Brief Gregors IX. an die Scholaren Ton
Paris Yom 8. Aug. 1237, in welchem gesagt wird, Johannes Goalfredo habe
schon zur Zeit Honorins III 'quatuor procuratoribns (ipsonnn) apud sedem
apostolicam constitutis pro quibnsdam negotUs procnrandis* Geld geliehen.
Joardain n. 52. Es war dies wahrscheinlich zur Zeit, als die Scholaren
gegen Bischof und Kanzler bei Honorins III., sei es 1219 oder 1228, Ter-
handelten. S. oben 8. 187 f. Indirect (nicht direct, s. oben S. lOSf.) wire
dies die erste Stelle, in der auf die vier Nationen hingedeutet wird.
Sicher haben sie damals schon bestanden. 8. oben 8. 106.
1») 8. oben 8. 119. Wie ans einem Beschlnsse der enf^hen Nation
Tom J. 1251 (1252) hervorgeht, war noch damals die Macht des Bectors und
der Procuratoren in rielem dieselbe. Ms. 283 des Coli. ooip. Christi zu
Oxford Bl. 155.
2. Notre Dame, St. Genevieye, und die Gorporationen. ' 693
wahren konnte, sondern auch, und vielleicht noch mehr, daraus,
dass das Rectorat gerade auf der Insel, gegenüber dem Kanzler
von Notre Dame, sich gebildet hat Der Rector der Univer-
sität Paris war und blieb immer etwas Ueberflüssiges.
Auf der Insel, Angesichts des Kanzlers von Notre Dame,
konnte wenigstens im 12. Jh. die Universität nur in jener
Weise entstehen, die uns die Littera Universitatis vom J. 1254
beschreibt*"), nämlich so, dass sich eine Genossenschaft der Ma-
gistri der vier Disciplinen zu dem einen Zwecke constituierte,
^ut liberius et tranquillius vacare possent studio litterali'. Die
Vereinigung durfte nicht eine Emancipation von Notre Dame oder
vom Kanzler beabsichtigen, und sie durfte auch nicht im Gegen-
satze zur Entwickelung der Pariser Schulen vor sich gehen.
Gerade die Function des Kanzlers war es, welche die nächste
Veranlassung zur Bildung der Universität gab. Er ertheilte allen,
welchen Wissenszweig sie auch pflegten, die Licentia do-
cendi; sie hiengen also insgesammt in gewisser Weise von ihm
ab, und standen zu ihm in derselben Beziehung. Andererseits
wirkten sie, nachdem sie Lehrer geworden, bei Ertbeilung der
Licentia docendi mit, indem der Kanzler, wollte er gewissen-
haft zu Werke gehen, zur Ermittelung der Tüchtigkeit der Kan-
didaten auch des Zeugnisses der Professoren bedurfte^''). Es
resultierten daraus für die Professoren gemeinsame Interessen
betreffs der Studien und Studierenden; gemeinsame Interessen
weisen aber von jeher die Interessenten auf Association hin.
133) 8. oben S. 67 f.
iM^ Huber and ich berühren uns hier (Huber, Die engl Universit&ten
I, 32), wenngleich nur theilweise, denn Haber irrt, wenn er sagt, in Paris
habe der Kanzler bei Entstehung der Universität die Ermittelung der
Tüchtigkeit der Kandidaten schon ganz den Lehrern aberlassen. Da-
Ton ist keine Bede. S. oben S. 685. Die von ihm weit ausge-
führte Behauptung, die Function des Kanzlers habe immer mehr den
Charakter einer Leistung für das Unterrichtswesen verloren (von Faul-
sen a. a. 0. nur nachgeschrieben), beruht, soweit sie die Anfiünge der Uni-
versität Paris im Auge hat, auf Phantasie und nicht auf Thatsachen. In
Paris stand der Kanzler noch in der ersten Hälfte des 13. Jhs. nicht ausser-
halb der Schule. Ich finde, dass seit Ende des 12. Jhs. noch ein jeder
Kanzler zugleich Professor wie ein anderer war. Es geht nicht an, die Ge-
schichte a priori zu oonstruieren.
694 I^* IMe üniTenititen im Verii<iiisse xa den froheren Sohnlen.
Man begreift nun, wie die Universität auf der Insel ent-
stehen konnte, ohne dass der Kanzler auch nur im geringsten
die Einbusse seiner Macht und seines Einflusses auf die Schule
zu besorgen brauchte. Sein VerhUtniss zu Schülern und Pro-
fessoren wurde durch die Bildung der Universit&t anfänglich in
nichts verändert. Dies geschah erst im weiteren Verlaufe, als
die Hochschule nach und nach der Bevormundung durch den
Kanzler sich zu entwinden suchte.
In St. Genevi^ve, wo die Universität keinem Kanzler gegen-
über gestanden wäre, hätte sie sich allerdings nach der von Du
Boulay ausgedachten Weise bilden können. Unfassbar wäre bei
einer solchen Voraussetzung nur, wie dann möglich wurde, dass
sie mit den unter dem Kanzler von Notre Dame stehenden Schulen
in Verbindung trat. Allein es ist überflüssig darüber ein Wort
zu verlieren, denn wie sich im ersten Paragraph gezeigt hat, ist
nicht St Oeneviöve sondern die Insel die Wiege der Universität.
Weil dem also ist, so verliert Du Boulays System, dem man seit
zwei Jahrhunderten gehuldigt hat, jeden Halt, während meine im
zweiten Hauptabschnitte gegebene Darstellung der Entwickelung
der Universität hier eine neue sichere Grundlage erhalten hat.
S. Die bestehenden Schalen n. die ftusseritalien. ünirenitaten. 695
3. Die Dom-, Stifts- und BlostersohiQen, tmd die auaser-
italienisohen Universitäten.
Die Behauptung, die Pariser Universität sei aus einer Ver-
einigung der Schulen von St. Geneviöve, Notre Dame und St.
Victor hervorgegangen, hat sich als irrig erwiesen. Doch ist
die Domschule, d. i. jene von Notre Dame, im gewissen Sinne
als die Wiege der Universität anzusehen. Wie verhält es sich
nun mit den ausseritalienischen Hochschulen? Giengen sie eben-
falls aus Dom- oder wenigstens Stiftsschulen hervor? Kommen
bei ihrer Entstehung auch die Klosterschulen in Betracht?
Vor allem möge man nicht übersehen, dass es schwer hält,
die Existenz von Schulen an den verschiedenen Domen und
Stiften nachzuweisen. Man würde sich täuschen, wollte man
glauben, die Goncilsbestimmungen seien überall zur Ausführung ge-
kommen. Wie wir weiter unten sehen werden, sagt der hl. Thomas
ausdrücklich, dass dies nicht an allen Orten der Fall war. Traten
sie aber auch häufig ins Leben, so fliessen doch die Notizen
darüber sehr spärlich. Dies hat seine guten Gründe. Der
docierende Magister ward kraft des Statutes des Lateran-Concils
mit einer Praebende versorgt. Der sie besass, hatte die Ver-
pflichtung vorzutragen oder wenigstens einen andern an seiner
Statt zu bestellen. So gieng es Jahr ein Jahr aus fort, und es
war nicht nothwendig, darüber etwas aufzuzeichnen. Ganz anders
an den italienischen Stadtschulen, für welche die Lehrer von
Zeit zu Zeit berufen werden mussten. Mit diesen schloss man
über die Grösse der Besoldung jedesmal einen Gontrakt ab, und
da das Honorar aus den Mitteln der Commune bezahlt wurde,
fand die Summe auch in den Rechnungsbüchem ihren Platz.
Wenn nicht irgend ein Ereigniss oder ein besonderer Umstand
die Veranlassung bot über eine da oder dort existierende Dom-
oder Stiftsschale oder die an ihr docierenden Lehrer etwas nieder-
zuschreiben, bleiben wir in der Regel über die Existenz und
Beschaffenheit solcher Schulen im Unsichem. Aus dem Mangel
der Notizen über sie darf man mithin durchaus nicht auf das
Fehlen derselben schliessen.
Weit besser sind wir über die Klosterschulen unterrichtet.
Dies gilt besonders von jenen, welche in die Periode, die uns
g96 I^' ^^® üniTenititen Im Verli<nisae ra den frOlier«ii Schnleo.
gerade beschäftigt, fallen. Von grosser Wichtigkeit sind hier
die Ordensstatuten. Doch wissen wir auch von den Dom- und
Stiftsschulen immerhin so viel, um auf die oben gestellten Fragen
mit ziemlicher Gewissheit antworten zu können.
Vorderhand wollen wir ermitteln, welches der bei allen
Hochschulen sich stets gleich bleibende Factor war, den wir
überall antreffen und ohne den man sich im Mittelalter kaum
eine höhere Lehranstalt denken konnte.
Ein gegenseitiger Vergleich der mittelalterlichen (ausser-
italienischen) Hochschulen lässt uns die Rechtswissenschaft
als jenes Fach erkennen, welches an allen gepflegt wurde.
Einige derselben, wie Orleans und Angers, waren eigentlich
nur Rechtsschulen. An den meisten wurde das Rechtsstudium
als ein wichtiges Glied im Organismus, dem man häufig die
erste und hauptsächlichste Sorgfalt zuwandte, betrachtet. Nur
an den beiden englischen Universitäten stand wie in Paris die
Theologie im Vordergrunde, und an den deutschen bildeten in
der ersten Zeit die artes liberales die Hauptstärke. Doch vrurde
auch an ihnen Jus canonicum, sowie (mit Ausnahme von Prag
und Wien) das Givilrecht eifrig gelehrt und studiert. Von
allen Hochschulen bleibt nur jene von Sevilla ausgeschlossen, weil
sie bloss fdr lateinische und arabische Sprache gegründet war.
Unserer Beobachtung drängt sich jedoch noch ein anderer
Umstand auf. An vielen Hochschulen behauptete das Römische
Recht geradezu den ersten Platz; so in Orleans, Angers, Avignon,
Gabors und Orange, theilweise auch in Toulouse, so zumeist an
den spanischen Universitäten. Die Päpste selbst untersagten
das Studium desselben ferner in keinem einzigen ihrer Stiftbriefe;
sie erlaubten es mit dem des canonischen Rechts immer "^),
^ Warom es Ar Heidelbexig uod Köln nicht genannt wurde, liaben
wir oben gesehen. Die Behaaptung, die Kirche habe sich seit dem 13. Jh.
der Atubreitong des römischen Rechts entgegengestellt, widerstreitet den That-
sachen. Höchstens kann man sagen, dass einzelne P&pste dem römischen
Rechte weniger geneigt waren als andere. Von den 28 P&psten des 13. and
14. Jhs. (Ton den firflheren darf hier keine Rede sein) kann ich aber nur
xwei anftohren, n&mlich Honorios III. and Innocena IT. Und selbst bei
diesen beiden steht es mit der Abneigung nicht so arg. Honorios IIL «mr
ein Haaptförderer Ton Bolognas Rechtsschale, and Innocens lY, liev an
8. Die bestehenden Sclialen a. die ausseritalien. Uniyersit&ten. 697
ja man hört von ihrer Seite nie einen Laut der Klage, wenn
an Universitäten das Civilrecht den Vorrang vor dem canonischen
hatte ^'*), während, wie sich weiter unten ergeben wird, der
seiner Curie das römische Recht neben dem canonischen lehren. Uebrigens
wnrde das Verbot Honorius III. schon von seinem Nachfolger Gregor IX.
insoferne modificiert, als er aussprach, 'quod illi, qui habent simplices cnras
animarum (i. e. ecclesias parochiales nisi sit plebania) non tenentur illa con-
stitutione' (Cod. I B. 4 des Böhmischen Museums. S. Schulte in den Sitz.
Ber. d. kais. Acad. d. Wiss. phil. bist. Cl. LV, 743). Ihm folgten Clemens IV.
und Bonifaz VIII. (in 6. c. 1 De clerici 3, 24). Wie oft von den P&psten
vom Verbote zu Qunsten der Priester an Universitäten dispensiert wurde,
ist uns im Verlaufe des Werkes aufgefallen. Alezander lY. that dies in
Bezug auf Salamanca (s. oben S. 485), von Honorius IV. an geschah dasselbe
widerholt an der p&pstl. Curie (s. oben S. 305 f.). Auch far Paris traten
manchmal Ausnahmsf&lle ein. So erlaubte z. B. Clemens Y. dem Decan an
der Kirche zu Paris, Roger de Arminiaco, in hospitio suo' bei einem oder
mehreren Doctoren ^leges audire vel ipse etiam duobus clericis suis docere'.
Reg. Vat. an. 2 ep. 226. Ist hier nicht eigentlich von der Universität selbst
die Rede, so doch in einem Documente aus der 2. Hälfte des 13. Jhs.,
nämlich in einer der Quaestiones disputate Andegavis (Cod. Paris. 11724
Bl. 102 a), in der es heisst: De consuetudine est Parisius, quod omnes ibi
leges legentes ezcommunicantur, nisi dispensatus fuerit cum aliquo.
Modo quidam impetravit ut posset Parisius legere leges. Cum necesse ha-
beret negoeiari extra villam, voluit substituere et sustituit. Sustitutus ibi
legens, quero, utrum sit ezcommunicatus? Nach Anfährung von pro und
contra wird die Lösung des Guillelmus de Ruis angefahrt, *quod non sit ez-
communicatus'. In einem Universitätsstatute vom J. 1251, also 32 Jahre
nach dem Verbote Honorius III., wird sogar für bachellarii leges legentes
und auditores legum vorgesehen. Du Boulay III, 240. Nur muss der von
ihm gebotene Tezt nach Cod. Vat Reg. 406 Bl. 48 b corrigiert werden.
S. oben S. 115 Anm. 251. ^ Sehr gewöhnlich wurden die Dispensen an-
fänglich für Einzelne, bald für ganze Universitäten im 14. Jh. In Betreff
Bolognas s. oben S. 209 f. S. tlberdies die Einleitung.
1^) Die Darstellung von der Entwickelung des canonischen Rechts
neben dem Civilrechte bei Stein S. 251 ff., welche nur auf Phantasie be-
ruht, ist deshalb irrig. Kein Wunder, dass er S. 253 zum Resultate kommt, die
katholische Kirche habe das römische Recht zwar nicht beseitigen können,
'aber es (was?) konnte dasselbe für die ganze Zeit auf die zweite Stelle der
enropftisehen Rechtsbildung herabdrücken; es (was? wohl das canonische
Recht?) gewann entschieden den 'ersten Rang'. Stein entschuldigt sich:
'die Schwierigkeit zu einem endgültigen Resultat im einzelnen zu gelangen
ist dadurch so gross, weil jede Universität wider ihre Qeschichte hat'!
698 I^* ^^^ Umyeraitäien im Verhältnisse za den früheren Schulen.
Unterricht in der Theologie an den Hochschalen sehr häufig
ausgenommen wurde.
Haben nun vielleicht die ausseritalienischen Hochschulen
die Rechtswissenschaft aus den vorhandenen Dom- und Stifts-
schulen herübergenommen? Nichts weniger als dies. An den
wenigsten Domschulen, die hier in Betracht kommen können,
wurde canonisches Recht gelehrt, um zuerst von diesem zu
sprechen Es bietet Schwierigkeiten für das 13. Jh. die Cathe-
^ dralen ausfindig zu machen, an denen dasselbe bestimmt docicrt
worden wäre. Im 14. Jh. kam dies häufiger vor. Indessen Iftsst
es sich kaum für eine Gathedrale eines Ortes, an dem später
ein Generalstudium gegründet wurde, mit Sicherheit nachweisen ^'').
Der Grund ist dieser, dass die bekannte Vorschrift des Laterancon-
cils nur rücksichtlich des Unterrichts in der Theologie, und zwar
nicht fQr alle Cathedralen, sondern für die Metropolitankirchen,
erlassen wurde. Kam nun gleichwohl das Studium des can.
Rechts an einigen Cathedralen nach und nach^") in Aufiaahme,
so sind uns doch nur von denjenigen Notizen erhalten, die eich
an Orten, wo keine Universität errichtet wurde, befanden "•).
Zudem besass keine Domschule als solche das Recht in der
Theologie oder in den Artes, geschweige denn im Jus zu gra-
duieren. Die Lehrer, die an solchen Lehranstalten lasen, hatten,
waren sie Doctoren, den Grad an irgend einem Generalstudimn
erhalten. Die Domschulen wurden mithin in Hinsicht auf das
1*7) Schulte sagt iwar ü, 464 Anm. 28, in Prag wftre an der Dom-
schule Tor ld48 canoniflches Recht gelehrt worden. AUein dies ist eine Ver^
wechslang mit der Zeit, in der das Oeneralstadiam errichtet wurde. Dammla
stellte allerdings Enbisehof Amest einen ICagister fQr canonisches Beeht
anch an der Gathedrale an. S. oben S. 589. Zudem darf nicht vorgeaMn
werden, dass die Kirche in Prag erst 1344 anr Metropolitaakirche erhoben
wurde. 8. oben 8. 586.
1*9) Bei weitem nicht so aUgemein, wie Schulte 8. 464 annimmt Im
Grossen und Oanien scheinen die canonischen Gesetse in der Zeit vor der
Universitatsperiode an den üomschulen eifriger studiert worden lu aem.
8. Giesebrecht im Mflnchener bist Jahrb. (1866) 8. 100.
^) In Wells s. B. wurde am 4. December 1885 bestimmt, daaa an der
Gathedrale der lector in scolis ad hoc ordinatis diebus legtbilibua in tlieo-
logia Tel in decretis' lesen sott. Beg. Glem. VI. an. 7 1. 3. K. 857 b. YgL
auch oben 8. 413i
8. Die beBtehenden Schulen n. die aasseritalien. Universitäten. 699
Jus can. vielmehr von den Universitäten, als diese von jenen
beeinflusst.
Die Frage nach dem Civilrechte f&llt ganz weg, denn dieses
wurde wenigstens seit Honorius m. und wohl auch früher,
niemals an einer Domschule gelehrt (obwohl nicht selten die
Canoniker auch legum doctores waren). Nur in Lyon mag
möglicherweise eine Ausnahme geherrscht haben"®).
Von den Stiftsschulen kommen in diesem Abschnitte, wie
wir weiter unten sehen werden, nur jene von Köln und Erfurt
in Betracht. Nun beschäftigte man sich, wie aus der obigen
Darstellung ihrer Geschichte hervorgeht, in Erfurt bloss mit den
artes oder der Philosophie; von den 21 Magistern jedoch, welche
in Köln das Studium begründeten, befand sich nur ein baccala-
reus in legibus (Bemardus Octyn); zudem scheint dieser vorher
nicht an irgend welchem Stifte Kölns Lehrer gewesen zu sein.
Dasselbe gilt von Mag. Tidericus de Nyenborg, Scolaris in
legibus.
Schlössen sich aber die Universitäten in Hinsicht auf die
Pflege der Rechtswissenschaft den Klosterschulen an? Gewiss
nicht betreffs des Cävilrechts, welches zu studieren den Religiösen
seit den ersten Decennien des 12. Jhs. verboten war. Es ver-
schlägt nichts, dass sich einzelne nicht an das Verbot gehalten
haben. Wie stand es aber mit dem Studium des canon. Rechts?
Da fällt uns vor allem die Thatsache auf, dass die wenigsten
Ordensmitglieder in jure graduiert waren. Was die Cistercienser
anbelangt, so wurde ihnen nur ausnahmsweise Gratians Gollection
der Decrete zu lesen erlaubt. Dieser im J. 1188 gefasste Gapitels-
^^) Wie ich bereits oben 8. 223 Anm. 10 bemerkte, schwebte im
J. 1290 zwischen dem Erzbischof von Lyon and dem Capitel ein Streit, wer
den Canonisten und Giyilisten die Licenz ertheilen könne. Der sechste Ar-
tikel des am 25. Juni genannten Jahres zwischen beiden Theilen abge*
schlossenen Concordates lautet nnn: archiepiscopos possit dare licentiam oni
doctori in legibus, alii in decretalibos , ac capitulum ani in legibus ac alii
in decretalibtts (Serertias, Chronologia hist. arehiantistitum Lugdunen. 2. ed.
Lngdnni 1628, I, 308). Es wird allerdings nicht gesagt, wo die Doctorierten
vortrugen. Die Möglichkeit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass dies an der
Cathedrale geschehen ist.
700 ^* I^i® Uniyersit&ten im Yerhftltiiisse su den frflheren Schulen.
beschlass wurde 1240 und 1289 im wesentlichen erneuert ^'^).
Wir finden es deshalb begreiflich, dass im J. 1289 selbst f&r
jene Orte, an denen Ordenslehranstalten der Cistercienser be-
standen, sowohl das Studium als der Unterricht in den Rechten
untersagt wurde'*'). Im J. 1350 erfolgte geradezu die Androhung
der Excommunication'"), nachdem bereits Benedict Xn. in seinen
im J. 1335 für den Orden erlassenen Constitutionen verboten hatte,
dass in den Studienhäusem desselben oder auswärts von den Ordens-
mitgliedern die jura canonica gelehrt oder studiert würden"^).
Da nicht wenige jener Schriftsteller, welche seit der Mitte
des 13. Jhs. über die Beichtpraxis geschrieben haben, den beiden
Mendicantenorden der Dominicaner und Franciscaner angehören,
könnte man auf den Gedanken konmien, dass bei ihnen das
juristische Studium stark gepflegt wurde, mithin die Möglichkeit
nicht ausgeschlossen sei, dass sich die Universitäten hie und da
hinsichtlich der canonistischen Wissenschaft an die Schulen der
beiden genannten Orden angeschlossen hätten. Allein die Sache
verhält sich anders, als man sie sich in der Regel vorstellt
Im Dominicanerorden waren in jener Zeit, die uns beschäftigt,
nur diejenigen in jure graduiert, die es bereits vor ihrer Auf-
1'^) Auf dem im J. 1188 abgehaltenen Generalcapitel wurde bestimmt:
Liber, qai dicitar canonom sive Decreta Gratiani, apad eos qui habaeiint
secretius custodiantar, at cum opus fnerit proferantur. In communi armario
non resideant propter yarios qui inde provenire possunt errores. Bei Mar-
tine, Thes. noY. anecd. IV, 1263 n. 5. S. die weiteren Belege bei PariSy
Nomasticon cisterciense (Paris. 1664) p. 277. 499.
1«) Paris 1. c p. 549.
^^) Paris 1. c. p. 648. Es ist hier von den 'jura canonica' die Bede.
Vgl auch F^libien, Histoire de Paris, Prenves I, 167. Yereinselt finden wir
allerdings eine andere Praxis, denn wir sehen, dass damals der Orden mehrere
Schriftsteller über canonisches Beoht zu den Seinen c&hlte. Auch haben
einzelne wirklich auswärts canonisches Becht gehört, z. B. der Abt Aimerich.
Beg. Vat. Clem. V. an. 4 ep. 75. Es bleibt aber immer eine ▼erleumdung,
wenn Matth. Paris (Bist. maj. ed. Lnard Y, 79) behauptet, die Cistercienser
h&tten in Paris ausser in theologia auch 4n decretis et legibtts* studiert.
Diesem Geschichtsehreiber waren die Cistercienser nicht weniger als die
Bettelorden ein Dom im Auge.
134) Heg. Yat. Comm. an. 1 p. 1 ep. 725. Paris p. 611. BnlL Bom. ed.
Taur. lY, 343.
8. Die bestehenden Schalen u. die ausseritalien. Universitäten. 701
nähme in den Orden geworden waren. Das juristische Studium wurde
im Orden nur ausnahmsweise, und da eben bloss als Gasuistik
getrieben"*). Wie später bei den Franciscanern so war schon
früher bei den Dominicanern das Hauptaugenmerk auf die Theo-
logie gerichtet, und die Mitglieder beider Orden promovierten
ausschliesslich in diesem Fache. Die Constitutionen der Fran-
ciscaner aus dem Ende des 13. Jhs. verboten, dass die ^jura et
philosophica in scolis theologie ab eodem lectore' dociert würden;
dies sollte ^alibi et alias ubi fuerit opportunum' geschehen,
und da müssten die saeculares ausgeschlossen bleiben '^^). Also
gerade von diesen beiden Orden, die, was die Wissenschaft
betrifft, im 13. und 14. Jh. den grössten Einfluss auf die Zeit
19&) In den Provincialcapiteln der frflhem Zeit der spanischen und der
Tolosaner-ProTinz kommt darüber nicht einmal eine Bestimmung vor. Auf
dem Generalcapitel vom J. 1259 wird nur verordnet, dass in jenen Gonventen,
in denen kein eigentliches Studium bestehe, 'prondeatur de aliquibus, qui
legant privatas lectiones, vel ystorias, vel summam de casibus, vel aliud
hninsmodi, ne fratres sint otiosi.' Unter Summa de casibus verstand man
damals in der Regel Raymunds Summe. Das Gapitel der römischen Pro-
▼ine zu Lncca statuiert im J. 1267, dass die Brüder studieren sollten 4n
biblia, in sententiis, in historiis et sanctornm scriptis, et summa de casibus
mazime juvenes et sacerdotes (Hs. im Generalarchiv, BL 140a. Aehnlich
sagt Humbert im Liber de officiis, cap. 12 de magistro studentium Hs. 1157
D. 9 Bl. 32 auf der Bibl. nazion. zu Florenz). Was speciell die Decretalen
betrüFt, so wurde wenigstens der Liber sextus den einzelnen Gonventen der
romischen Provinz auf dem Gapitel zu Pistoja im J. 1299 empfohlen, und
besonders jene Stücke *qne ad religiosos pertinent mendicantes', weil sie
vieles *que religiosos vires astringunt' enthielten. God. im Generalarchiv
des Ordens Bl. 163 a.
^^) Gonstitntiones antiquae im God. Yat. Ottob. 15 Bl. 48 a. Die Gon-
stitutionen von Narbonne aus dem J. 1260 (God. Yat. 7339; Bibl. gubernat.
zu Gremona, n. 15. 3. 22) bestimmen noch nichts darüber. Kein Wunder,
dass auch Benedict XII. in seiner grossen für den ganzen Orden im J. 1336
erlassenen Constitution mit keiner Silbe das Studium des canonischen Rechts
im Abschnitte über die Studien erwähnt. Reg. Yat. Gomm. an. 2 p. 1
ep. 19 Bl. 13. De Gubematis, Orbis seraphicus III, 32. Bull. Rom. ed.
Taurin. lY, 397. Dies hat um so mehr Bedeutung, ab das Jahr vorher
'jdiqui ministri provinciales et aliqui magistri in theologia' des Ordens zur
Gurie gerufen wurden 'pro reformatione regnle dicti ordinis' (denen die Reise-
kosten von der Gurie vergütet wurden, s. Bened. Xn. Intr. et ezit n. 146
Bl. 128a; n. 150 Bl. 162b), die also gewiss ihr Yotum abgegeben haben.
702 ly« I)i6 üniYersitftten im Yerhaltnisse lu den frflheren Bchnlen.
aasgeübt haben, wurde das canonische Recht, um natürlich vom
Giyürecht ganz zu schweigen, nur nebenbei, und da lediglich ein
gewisser Zweig desselben, nämlich die Beichtpraxis, gepflegt
Die Garmeliten kommen in Bezug auf die Rechtswissenschaft
für diese Epoche gar nicht in Betracht. Bloss die Benedictiner
und Yorzüglich die Augustiner*Chorherren nahmen auch die Grade
in jure canonico oder docierten dasselbe hie und da an Hoch-
schulen, besonders seit Benedict XIL Gesetze hierüber erlassen
hatte ^'^). Allein in den seltensten Fällen wurde, wie z. B. in
Treviso, bei Gründung eines Generalstudiums der eine oder
andere Ordenscanonist herbeigezogen^").
Uebrigens wird sich unten bei Erwähnung der artes liberales
zeigen, dass die Universitäten aus den Klosterschulen gar nicht
hervorgehen konnten.
Es ist nun klar, dass die Hochschulen des Mittelalters
gerade hinsichtlich des überall auftretenden Factors, der Rechts-
wissenschaft, nicht bloss nicht aus den vorhandenen Dom-, Stift»-
oder Elosterschulen hervorgewachsen sind, sondern dass sie sich
nicht einmal an sie angeschlossen haben.
187) Nftmlich in den fOr beide Orden (fülr jenen der Benedictiner im
J. 1886, für den der Chorherren im J. 1389) TorgeBchriebenen Gonstitationen.
S. jene der Benedictiner Beg. Yat. Bened. XII. Comm. an. 2 p. 3 ep. 1.
Bl. 8 b. BuU. Rom. ed. Taur. lY, 858. Jene der Chorherren Reg. Yat
Bened. XII. Comm. an. 5 ep. 18 Bl. 82. BaU. Rom. ed. Tanr. lY, 484. Eine
Erkl&mng Aber die snletzt genannten Statuten sandte der Papst iam 21. Mal
1889 an drei 'decretomm doctores' (Raymnndns Fomerii de BeUovicino,
QolU. Bastardi de Celsis, Robert de Mandagoto prepositns eccl. üticen.) der
Regnlarcanoniker. Ibid. ep. 466 Bl. 288. Dass die Ordennnitglieder aaeh
an den Hochschnlen Jns. can. tradiert haben, ergibt sieh anter anderm
ans den UniTersit&tsrotnli. Beispiele findet man oben S. 806 Anm. 845;
888 Anm. 491a; 856 Anm. 564.
138) Durch meine Darstellnng werden die allgemeinen theliweiae irrigen
Behauptungen Schultes II, 464 berichtigt. Dieser Autor gieng Ton falschen
Yoraussetzungen aus, nahm auf die Ordensstatnten keine Rttcksicht und
mengte die Terschiedenen Epochen durch einander. Ich finde es gani be-
greiflich, dass er die von ihm S. 466 angeführte Thatsache, dass kein Or*
densmann (mit wenigen Ausnahmen) als wirklich henrorragender Caaonist m
beseichnen sei, nicht erklären konnte. Er verlor eben die Zwecke aiu den
Augen, welche sich die einielnen Ordaisgenossenaehaften bei ihren Stadien
Torsetiten.
8l Die bestehenden Schulen n. die ausseritalien. Universitäten. 703
Wie steht es nun aber mit den übrigen Lehrfächern, mit
der Theologie, der Medicin und den artes liberales? Gelangen
wir in Rücksicht auf sie zu einem anderen Resultate?
Was zunächst die Medicin anbelangt, so wird doch jeder
zugeben, dass die Universitäten dieses Lehrfach keineswegs den
Dom-, Stifts- oder Klosterschulen entlehnt haben. Erscheinen
auch manchmal Ganoniker als Graduierte in der Medicin, wie
z. B. in Köln, so wird man auf einen Nachweis, dass auch an
den Stiftsschulen Medicin vorgetragen wurde, um so eher ver-
zichten, als dieses Fach an den ausseritalienischen Universitäten
bei deren Beginn zumeist schwach vertreten war, und Hono-
rius m. den Priestern nicht weniger das Studium der Medicin
als das des Givilrechts verboten hatte, was für die Religiösen
schon seit einem Jahrhundert der Fall war.
Wir haben also nur noch die Beziehungen der Universitäten
zur Theologie und zu den artes liberales an den vorhandenen
Schulen zu untersuchen.
Man hat die Theologie als den Schlusstein, ja als den Kern
mittelalterlicher Universitätsstudien bezeichnete^'), ohne welche
eine Universität in jener Zeit eine unvollkommene Einrichtung
war, der kein Gedeihen versprochen werden konnte ^^^). Allein
dem ist nicht also. Von den 46 Hochschulen, die bis 1400 in
Aufnahme gekommen sind, war bei der Gründung von ungefähr
28, d. i. nahezu bei zwei Drittheilen, der Unterricht in der
Theologie ausgeschlossenere). In solcher Ausdehnung kannte man
^ Aschbacb, Qesch. der Wiener Universii&t S. 9. Ennen, Gesch. der
Stadt Eöhi III, 887. Nach Hartwig war eine Universität ohne theologische
Facnltät *kein ToUständiges stodium generale'. Leben und Schriften Hein-
richs ▼. Laagenstein S. 64. Vgl. dasu oben S. 25.
IM) Garo, Geschichte Polens II, 385 Anm. 2. AUe übertrifft t. Stein
8. 214 ff. Aus seiner DarsteUung folgt mit Nothwendigkeit, dass die Theo-
logie von den ^Kathedralschnlen' aof die Universit&ten abertragen wurde. So
geht es, wenn man die Geschichte a priori constmiert. Uebrigens rechnet der
Autor S. 215 das c. 5 De magistris X. 5, 5 noch zn den Bestimmungen
des lY. Lateran- Goncüs, w&hrend es doch der BnUe Super ipecula Hono-
rios m. entnommen ist.
^^) Die Beweise hiefttr liegen in den Untersuchungen des vorigen
Hauptabschnittes. Vgl. noch oben S. 27. Die Universittt P^ipignan ist ebenfalls
704 IV. Die Univerait&ten im Yerh<msse in den frttherea Sduden.
bisher diese Thatsache nicht, und sie erregt mit Becht unser
Erstaunen. Man hat sie, so weit man sie beachtet hat, häufig
durch den Umstand erklären wollen, dass eben überall Kloster-
schulen, besonders solche der Dominicaner und Frandscaner,
existierten, an denen die Theologie gelehrt wurde ^*'). Allein
diese Erklärung genügt in keiner Weise. Die Elosterschul^i
wurden, wenn sie nicht in den Universitätsverband aufgenommeo
waren, von Auswärtigen entweder nur ausnahmsweise oder in
geringem Grade besucht, und die Religiösen selbst konnten die
Grade bloss an jenen Generalstudien des Ordens, welche mit
einer Universität in Verbindung standen und an den Priyilegiai
derselben theilnahmen, erwerben.
Der Gründe, warum verhältnissmässig an wenigen Hoch-
schulen Lehrstühle fQr Theologie errichtet, resp. erlaubt waren,
gibt es einige. Zunächst entstanden mehrere Universitäten ledig-
lich als juristische, etliche als medicinische Schulen, und es zeigte
sich an ihnen vorläufig kein Bedürfiiiss, die theologische Dis-
ciplin in den Universitäts- Lehrplan einzubeziehen. Wir haben
solche Studien in Italien, Frankreich und Spanien kennen lernen.
Dann wurde Paris theilweise schon seit dem 12. Jh. als die
Heimath und der natürliche Ort der Theologie angesehen. Hono-
rius HI. sprach dies im J. 1219 offen aus^^'), und seine Worte
in diesen Kreis hereinzonehmen. Zwar wnrde die Theologie in dem ertten
(königl.) Stiftbrief erlaubt, in dem zweiten (pftpstl.) aber ansgeBchlossen.
^^) Als Gariosum will ich hier anführen, wie protestantische Gelehrte
sich im vor. Jh. die Thatsache zu erklftren suchten Der Verfasser eines
Artikels 'Ueber die kaiserl. Privilegierung der Universitäten vor 1500* im
AUgem. literar. Anseiger n. 70 (1800) citiert und approbiert & 698 die An-
sieht J. D. Köhlers, der zufolge die Pftpste besorgten, *die Öffentlichen Lehrer
auf Universitäten würden sich das llaal nicht so binden lassen wie die
MOnche in den Klosterschulen, welchen durch das strenge Gelftbde des Ge-
horsams ein Beisskorb angelegt war, sondern sie würden als Magistri ia Sa-
cra pagina die grftsslichen Irrthflmer in der scholastischen Theologie ent-
decken und den Lenten die Schuppen von den Augen reissen.' Der Erfolg
habe auch bewiesen, dass der gewaltige Angriff auf das Papstthum von
herzhaften Professor der Theologie zu Wittenberg erfolgt sei.
1^) Klar geht dies aus der berühmten Bnlle Honorins in. S^per
vom J. 1219 hervor. Der Pi^st meint darin : Porro, cum argentom alibi habeat
venarum soarum priacipia quam unde femun feoUilor, et anro keaa ia qa»
3. Die bestehenden Schalen a. die ansseritalien. Univenit&ten. 705
hatten eine etliche Jahrhunderte fortdauernde Wirkung. Aller-
dings wurde in päpstlichen Stift- und Privilegienbriefen des
13. Jhs. der Unterricht in der Theologie noch nicht förmlich
für die Universitäten oder einige derselben verboten. Nur
in Montpellier und Lissabon gestattete Nicolaus IV. nicht die
Promotionen in der Theologie. Allein im 14. Jh., nämlich
zur Zeit, als die Päpste zu Avignon residierten und Paris vor-
zugsweise als ^romanae sedis Studium' bezeichnet wurde ^**),
kehrt in den päpstlichen Stiftbriefen, durch welche General-
studien errichtet werden, häufig die Formel wider: das Studium
werde in jeder ^excepta theologica facultate' "*) erlaubt. Die
Avignonesischen Päpste hatten fQr das Hauptstudium Frank-
reichs, das zugleich das erste der Christenheit war, begreiflicher
Weise ein besonderes Interesse, und es lag ihnen wie keinem
ihrer Vorgänger daran, dass es von ganz Europa aufgesucht
werde. Diesen Zweck konnten sie nur dadurch erreichen, dass
sie in Paris gerade jenes Lehrfach privilegierten, welchem die
Schule ihren Ruhm zu verdanken hatte. Und so finden wir in
der That, dass nur an neun der 18 Hochschulen (die nicht ins
Leben traten, mitgerechnet), welche von Avignonesischen Päpsten
confletnr sit iamdudam Parisias depatatas, abi tarris David cam sais pro-
pagnacnliB construi consuevit, ex qaa dependent non solam miUe clipei, sed
omnifl fere armatara fortiom, dam indesinenter exinde fortes ex fortissimis
prodeont tenentes gladios et ad bella doctissimi etc. Reg. Yat. an. 4 ep. 610
Bl. 143 b. Unter dem aurum versteht der Papst die Theologie. Dieser Um-
stand war ein Hauptgrund, weshalb er für Paris das Studium des Rom.
Rechts verbot; es sollte sich daselbst das Studium der Theologie ausbreiten,
und die Theologen nicht 'a matris pulchritudine ac sapidis uberibus abstra-
hantur', da ohnehin 'coangustatum est illic Stratum et fere arctus est locus
ibidem filiis prophetarum' (s. oben S. 672 Anm. 64). Auf die höchst seltsamen
Erklftrungsversuche dieser so einfachen Thatsache von Seite der Juristen
komme ich im 2. Bande zu sprechen. Beil&ufig bemerkt sieht auch Gre-
gor DL in der Einleitung eu seiner Bulle Farem aGientiarum den Vergleich
der Theologie mit dem Golde herbei. So war in Paris diese Disciplin
aUerdings der Sehlussstein des Studiums.
^^) S. den betreffenden Ausdruck Philipps des Schönen oben S. 261.
146) Frtther gebrauchte sie nur Nicolaus IV., als er den zu Lissabon
'in facultate quacunque theologica excepta' Promovierten die Licentia ubique
docendi ertheilte.
Denifle, DU UnirtxtitiftMi L 45
706 IV. Die üniversit&teii im YerbAltnisse sa den firflheren Sduden.
Stiftbriefe erhielten, der Unterricht in der Theologie erlaubt
wurde, und von diesen neun wurden an jener zu Perugia (wie
an der zu Born) nachträglich die Promotionen in der Theologie
ausgeschlossen, die zu Gahors Promoyierten mussten sich aber
in Paris, wollten sie dort lehren, einer neuen Prüfung unter-
ziehen. Damit steht im Zusammenhange, dass einige der ge-
nannten Päpste die Licenz eines Studium generale in der Theo-
logie zu Bologna, Padua und Perugia ^^^) an die Bedingung
knüpften, dass die zunächst zu berufenden Professoren der Theo-
logie in Paris oder an andern berühmten Schulen graduiert sein
müssten. Später machte sich ein anderes System geltend. Nur
vereinzelt finden sich nach der besprochenen Epoche noch Bei-
spiele, dass die Theologie namentlich vorbehalten worden wäre.
Huldigten doch auch die Avignonesischen Päpste (bis einschliess-
lich Clemens YU.) nicht durchaus nur einem Principe ^*^).
Fällt nun bei den meisten Hochschulen die Frage, ob sie
hinsichtlich der Theologie aus den Dom-, Stifts- oder Kloster-
schulen hervorgegangen sind, einfach weg, so doch nicht
allen. Wie verhält es sich also mit den übrigen? Auch bei
müssen wir eine Scheidung vornehmen. An einigen wurde die
Theologie erst erlaubt und vorgetragen, als die Lehranstalten
schon längst den Charakter von Generalstudien besassen. Hieher
gehören zunächst Bologna, Padua, Perugia, Pavia (um auch die
italienischen Universitäten für diesen Punkt heranzuziehen), und
ebenso Wien. Als in Erakau der Unterricht in der Theologie
bewilligt wurde, war die Universität neuerdings erstanden, ohne
1^) Manchmal wurde auch hinsichtlich anderer Fächer dieselbe Be-
dingung gestellt
^^7) Doch hatte es seinen guten Grund, der sich meist angeben liest»
wenn ein Ayignonesischer Papst hie und da bei Orflndong Ton UniTer«
sit&ten den Unterricht und die Promotionen in der Theologie erianbt hat
Dublin, Prag und Pisa waren Sitze eines Erzbischofes req>. Metropeltteii.
In Florenz durfte die Theologie wegen Pisa nicht ausgeschlossen werden.
FOr die Bewilligung der Theologie in Dublin lag zudem ein Moti? in der
Schwierigkeit, welche für die Irländer bestand, dieselbe au einem andern
Studium zu hOren. Dass Clemens VII. auch in Erfurt ein Stndina generale
in theologia errichtet hat, ist wohl dem Umstände zuzuschreiben,
Prag, das nicht zu ihm hielt, bestrafen wollte. S. oben & 608 L
8. Die bestehenden Schalen n. die aasseritelien. ümvenitftten. 707
dasB sie sich an vorhandene Schulen angelehnt hätte. Diese
Uniyersitäten &llen mithin ebenfalls nicht in den Bereich der
Frage.
Ausgeschlossen bleiben femer die Hochschulen zu Pisa,
Florenz, Ferrara und Fermo, da in Italien die Generalstudien
als solche (mit Ausnahme einiger) aus den Stadtschulen hervor-
giengen, wenngleich nicht in Hinsicht auf die Theologie, die
jedoch ebenso wenig in Folge eines CJonnexes mit Dom- oder
Stiftsschulen in den Organismus aufgenommen wurde, denn die
ersten Lehrer der Theologie waren regelmässig Magister aus
den Bettelorden. Uebrigens darf man nicht vergessen, dass in
Italien während der beiden Jahrhunderte, die uns beschäftigen
der Unterricht in der Theologie an jenen Universitäten, an denen
sie gelehrt wurde, bei dem Uebergewicht des juristischen Studiums
nur eine Zuthat gebildet hat. Zweifelhaft bleibt, ob der in Ver-
celli an der Universität lehrende Theologe mit jenem ah der
Domschule identisch war.
Gieng denn nun wenigstens an den noch in Betracht
kommenden Universitäten die theologische Facultät aus den ge-
nannten Schulen hervor? Um der Untersuchung eine sicherere
Grundlage zu geben, bedarf es vorerst einer nothwendigen Be-
merkung.
In der Regel hat man über diese Dinge ganz falsche An-
schauungen. Davon abgesehen, dass sehr häufig die Zeiten
nicht gehörig geschieden werden, sind die einen der Meinung,
seit dem Beginne des 18. Jhs. hätte an jeder Gathedrale ein
Theologus lehren müssen '^^), während doch das vierte Lateran-
Goncil diese Bestimmung nur für die Metropolitankirchen erlassen
hat, das dritte aber noch gar nichts über Theologie enthält^'*).
Erst das Goncil zu Basel dehnte 1438 in der 31. Sitzung den
Lateran-Beschluss auf alle Cathedralen aus. Andere (relehrte, und
wohl die meisten, sind der Ansicht, der Synodalbeschluss sei über-
all ausgeführt worden. Allein begreiflicher Weise kann dies nicht
1^ So B. B. Stein, Die innere Venraltong 8. 215. ünTerstftndiger
Weise nenat er S. 496 die Cathedralsclmlen ^Pftrochiabchnlen'; lie seien
in allen grösseren Städten gewesen. S. 499.
^^9) Irrelllhrend Wetser und Weites Eirchenlexkon' III, 1967.
46»
708 ^' ^^ UniTerdt&ten im YerbiltBisse sa den froheren Schalen.
gleich Anfangs der Fall gewesen sein. Es mangelte an Lehr-
kräften, und Honorias III. erliess deshalb in seiner Bnlle Super
specula auf die Entschuldigong hin, dass keine genügende Anzahl
Ton magistri theologiae vorhanden sei, um an den Metropolitan-
kirchen theologischen Unterricht zu ertheilen, die Bestimmung,
^ab ecclesiarum prelatis et capitulis ad theologice professionis
Studium aliqui docibiles destinentur', d. h. es möchten Taugliche
auf ein auswärtiges theologisches Studium behufs ihrer Aus^
bildung geschickt werden '^^). Nach ihrer Rückkunft sollten
sie dann an der Metropole lehren. Unter dieser auswärtigen
Lehranstalt konnte der Papst nur die theologische Schule zu
Paris verstehen, denn nur an ihr besass damals der Unterricht
in der Theologie einen Werth. Mit der Schule zu Paris hatte
sich der Papst, wie wir weiter oben gesehen haben, in derselben
Bulle in hervorragender Weise beschäftigt Honorius m. war
zudem um die gleiche Zeit, wie sich im vierten Bande er-
geben wird, der Begründer der Dominicanerschule zu Paris.
Kamen nun auch mehrere Metropolitankirchen den Vor-
schriften des Lateran -Concils und Honorius m. nach, so doch
bei weitem nicht alle, weshalb der hl Thomas von Aquin in einer
Periode, in der bekanntlich die Theologie ihre höchsten Triumphe
zu Paris feierte, zum Geständniss sich veranlasst gefühlt hat,
das Statut des Lateran-Concils sei wegen Mangel an Lehrkräften
unter den Weltpriestern noch nicht an den einzelnen Metropolitan-
kirchen in Wirksamkeit getreten^"). Dass dies auch später
nicht immer der Fall gewesen war, hat uns oben das Beispiel
160^ (Destinare' hat hier die Bedeotung von 'mittere', wie bereits der
Glossator der Comp. Y., Jacob de Albenga, richtig gesehen hat Er sagt
za destineniur: Isti, qai mittuntnr, at postmodom doceant, a capitalo eli-
guntur, et mitte ndi sant tales, qai bene possunt proficere . . . Aliis aatem
qui non mittuntur etc. Cod. 440 der Gapitelsbibl. an Cordoba.
IM) Opusc. contra impngnantes dei cnltum c. 4: . . . propter littera-
tomm inopiam nee adhuc per saecnlares potnerit obserTari statotnm Late-
ranensis concilii, ut in singnlis ecciesiis metropolitanis essent aliqui, qai
theologiam docerent, quod tarnen per religiöses dei gratia cemimaB mnlto
latius impletnm, quam etiam faerit statutnm. Ed, Nicolai t. SO p. 557. Der
hl. Thomas spricht so allgemein, dass man versucht sein konnte an glanben
das Statut sei kanm irgendwo befolgt worden.
3. Die bestehenden Schulen u. die ausseritalien. ünirersitäten. 709
von Toulouse gelehrt"*). Freilich darf auf der anderen Seite
nicht übersehen werden, dass ausnahmsweise auch einfache
Gathedralschulen, manchmal schon sehr frühzeitig^"), im Besitze
einer theologischen Schule waren.
Haben die Domschulen unter diesem Gesichtspunkt nicht
viele Chancen, so offenbart sich dies noch mehr, wenn wir die
Städte, an deren Hochschulen seit der Gründung derselben die
Theologie dociert wurde, näher betrachten. In Oxford, Cambridge,
Heidelberg und Erfurt bestanden keine Cathedralen. Ob an den
beiden ersten Orten Stiftsschulen die Voraussetzung gebildet haben,
müsste erst gezeigt werden, während es allerdings gewiss ist, dass
sich die dortigen Generalstudien unter einem bischöflichen Kanzler
entwickelten. Die Universität zu Heidelberg erweist sich als
eine völlige Neuschöpfung. Die Schulen, welche für das General-
studium zu Erfurt die Grundlage waren, besassen lediglich
philosophischen Charakter. Als Neugründungen müssen auch
die Universitäten zu Neapel, Toulouse, Cahors und das General-
studium an der päpstlichen Curie betrachtet werden. Dies ergiebt
sich aus der Geschichte derselben. Die früher"*) erwähnte
theologische Schule zu Toulouse trat mit der Universität nicht
in Verbindung, ja vielleicht hat erstere bei Gründung der letztern
nicht mehr existiert. Alle Professoren der Hochschule wurden
erst berufen.
Somit bleiben von allen Universitäten nur jene von Palencia,
Prag und Köln übrig. Die Universität zu Palencia mag sich
allerdings theilweise an die Domschule angeschlossen haben,
obwohl nicht vollends, da ja auswärtige Lehrkräfte genommen
wurden. In Prag docierte an der Cathedrale, soweit die Nach-
richten darüber einen Schluss gestatten, erst seit Errichtung
der Hochschule ein Theologe. In Köln hat vielleicht Arnoldus
de Celano, welcher Baccalareus formatus in theologia und cano-
nicus Coloniensis war, an der Domschule vorgetragen; der erste
IM) 8. 8. 386.
IM) 8. oben 8. 473 die Bemerkungen über die früheren Schulen in
Palencia.
»M) 8. 326.
710 ^' ^^ UniTenitJttflB ia YeiUlteun n den Mkmm Schal««.
wirkliche Professor der Theologie an der nraen Hodtachale,
Gerhard de Kaikar, kam jedoeh erst kurz vor ErDffining des
Stadimns nach Köhi, nnd jene Magistri in theologla, die ImM
darauf immatricnliert wurden, gehörten den yersGUedenen Orda
an. Inunerhin schdnt jedoch unter aUoi üniTersitftten his 1400
die Kölner am meisten einen Connez mit den Schulen am Dornt
und an einigen Stiftern gehabt zu haben.
Während also in Paris die Domschule ein integriereDdcs
Element in der Entwickelung der Hochschule war, flbtca die
Dom- und Stiftsschulen an anderen Orten betreffis d^ Theologie
kaum einen Einfluss auf die daselbst entstehenden Univeni-
täten aus.
Herrscht nun auch dasselbe Yerhältniss awisdum UniYerai*
täten und Klosterschulen? Keineswegs. Der Aufechwong dtt
Theologie im 13. und 14. Jh. ist wesentlich den Orden, und
zwar &st ausschliesslich den yi^ Bettdorden mit den (Sster*
ciensem, zu verdanken. Ans ihnen wurden aach zumeist die
Theologie-Professoren gewählt, ja sie stellten an mdireren
Universitäten nahezu das ganze Contingent derselben'**). Trots*
dem darf man nicht behaupten, die Universitäten, an denen
Theologie tradiert wurde, seien aus den Klosterschulen berror-
gegangen. Die graduierten Ordensmitglieder wurden wohl heran-
gezogen, damit sie das theologische Lehrfach übemähmen; der
Hinblick auf die in den Klöstern vorhandenen Lehrkräfte mochte
zuweilen die Absicht einer Behörde sich aach um ein studiom
generale in theologia zu bewerben, bei deigenigen, welche am
ein Universitätsprivileg baten, beeinflusst haben: aber ans den
Klosterschulen ist deshalb doch keine Universität hervoi^egangen.
Höchstens kann man sagen, die Klosterschulen hätten hie and
da Veranlassung geboten, dass die Theologie in den Universitäta*
Lehrplan eingereiht wurde.
^) Was Panlsen, Gesch. des gelehrten Unterrichts & 16 über die
Stelloog der Orden su den Universitäten sagt, ist, gelinde ansgedrAckt,
ftusserst ongenan nnd Terworren. Die wissenMhalUiche lliltigfceit der wnften
an den Hochschulen flUlt Penisen infolge vorsugswtiie in das 15. Jh. nach
den Beformationsbewegnngen der grossen Coneilien. Allein das 15. Jk iai
gerade die Periode des Niederganges.
8. Die bestehenden Schalen u. die aaBseritalien. ünivenitäten. 711
Fast möchte man jedoch glauben, dass die Sachlage in
einem neuen Lichte erscheine, sobald ^ir die Hochschulen in
Hinsicht auf die artes liberales betrachten. Die artistischen
Studien waren überall in Blüthe, und sie wurden an allen Uni*
versitaten, Seyilla ausgenommen, betrieben. An den meisten
derselben hatten die Artisten sogar das Uebergewicht über die
Lehrer und Hörer anderer Fächer.
Da bis zur Epoche, welche die ersten Universitäten ent-
stehen sah, die artes liberales gerade in den Klosterschulen
vorzüglich gepflegt wurden, und diese grossentheils zu existieren
aufhörten, als jene in Au&ahme kamen, so liegt der Schluss
nahe, die Hochschulen seien in Bezug auf die artes liberales
aus den Elosterschulen hervorgegangen. Allein, wie folgende Dar-
stellung zeigen wird, würde eine solche Behauptung höchst un-
bedacht ausgesprochen werden. Ich schicke jedoch die Bemerkung
voraus, dass ich hier noch nicht eine Darstellung der Klosterstudien
des Mittelalters zu liefern versuche. Es handelt sich vorläufig
bloss um den in Frage stehenden Punkt.
Zunächst kommen die Benedictinerschulen in Betracht
Diese erhielten sich in ihrer Berühmtheit kaum bis zur Mitte
des 12. Jhs. Ende desselben gab es mit wenigen Ausnahmen
keine blühenden Benedictinerschulen ; von den meisten , die
früher von sich reden machten, hört man um diese Zeit
nichts mehr. Was ist vor sich gegangen? Sind vielleicht die
alten Klosterschulen zu Universitäten erweitert worden? Aber
woher rührt es dann, dass nicht an einem einzigen Ort, wo
einstens eine berühmte oder einigermassen blühende Schule der
Benedictiner bestanden hat, eine Hochschule gegründet wurde?
Für Deutschland wird dies wohl jeder zugestehen. Auf Italien
komme ich im nächsten Paragraph zu sprechen. In Spanien
war eine der berühmteren Benedictinerschulen jene zu Irache
in Navarra. Allein abgesehen davon, dass man nicht weiss, wie
lange sie sich erhielt***), ist es sicher, dass in Navarra bis zum
16. Jh. keine Universität errichtet wurde. Zu keinem anderen
1^) Die wenigen Docomente, die Aber das Kloster im Archive histörico
oacional in Madrid, n. 122, aufbewahrt werden, geben keinen Aafschluss.
712 I^- I^>o ünivenit&ten im Yerhftltniase eu den froheren Schalen.
Resultate gelangen wir, wenn wir die Klosterschulen von Ripoll,
Silos und an anderen Orten ins Auge fassen^").
Dasselbe gilt auch von Frankreich, lieber das Yerhältniss
der Klosterschulen zur Universität Paris haben wir bereits ge-
sprochen. Die ersten Benedictiner, die, soweit mir bekannt, in
der Universitätsepoche als Studierende in Paris aufgefOhrt werden,
sind jene von Fleury, für welche der Abt Johann im J. 1247
eigene Statuten ausarbeitete und ihnen das Priorat Saint Benott-
siir- Seine anwies^''). Bald erfahren wir auch von den Mönchen
von Saint Denys^'^'). Allein sowohl diese als jene erscheinen
nicht als Lehrer, sondern als Schüler. Derjenige Benedictiner,
welcher zuerst als Professor in Paris erwähnt wird. Mag. Oalda-
ricus, war 1267 nicht Lehrer der Artes, sondern ^regens in
theologica facultate'^^^). Die Cluniacenser besassen schon 1269
ein Haus in Paris '^^), in welchem 1286 bereits 40 Mitglieder
studierten ^^'). Sie bereiteten sich aber an der Universität auf
i57j j)g8 GoUeginm za VaUadolid datiert ebenso ans späterer Zeit, wie
die CoUegien der Benedictiner in England, nnd es setst die Stütnng der
Hochschale yorans.
1^) Hs. des Dom Leroy in der Bibliothek za Orleans. Der Abt sagt
anter anderm: in usus stndeDtiam fratrnm assignavirnns praepositoram
nostram s. Benedicti snper Seqaanam, qnam in mann jam din tenoimos.
1^9) Am 6. Jnli 1266 erhalten die Dominicaner von St Jacob in Pftria
ein Haas 'sita ... ex opposito novi refectorii dietoram fratmm jaxta domum,
qae fuit qaondam scolariam s. Dyonisii, qne vocatar volta S. Qnintini'.
Nationalarchiv za Paris S. 4229 n. 50. Die Schenknng gieng ans von den
'Prepositas et scabini mercatornm aqne Parisias hansatoram'. S. auch
Qoicherat, La rae et le ch&teao Haatefeaille ä Paris (Paris 1882) p. 29 f.
Er ist nnr im Irrthame, dass er glanbt, die Yoüte St Qaentin habe bereits
damals den Dominicanern gehört Ich komme darauf in einem der nichsten
Bände za sprechen. Im December 1263 wohnten die Mönche von Saint-
Denys noch im genannten Hanse, wie sich aas einem anter demselben Datum
aasgefertigten Schenknngsbriefe Ludwigs IX. ergibt * . . • qnendam locum,
qui dicitar hospitale com pertinenciis suis, qui fnisse dicitur O. de s. Quin*
tino, situm in vico prope refectorium prioris et fratmm predicatoram jnxta
domum, in qua habitant quidam monachi de s. Dyonisio' etc. National-
arch. S. 6213 n. 52. Cod. Paris. 16069 Bl. 1.
i<^) S. Jourdain, Index chronol. p. 32.
i«i) S. Jourdain n. 221. S. auch Ziegelbauer, Eist rei iiter. 0. S. B.
Aug. Vind. 1754 I, 247 f.
»ö») Ibid. n. 282.
3. Die bestehenden Schalen u. die ausseritalien. üniversit&ten. 713
das Magisterium in der Theologie vor, in der als legens et
regens' in den Jahren 1281—1283 ein Albertus, roonachus Clu-
niacensis, genannt wird*^'). Bei solcher Sachlage ist die Be-
hauptung unmöglich, die Universität Paris habe an eine Bene-
dictinerschule angeknüpft. Das Gleiche ist aber auch von den
übrigen Universitäten Frankreichs zu sagen. Es existiert in der
Geschichte keiner einzigen derselben auch nur 6in Anhaltspunkt
für ein anderes Besultat.
Was England anbelangt, so könnte man zunächst auf Cam-
bridge hinweisen, das einem Berichte zufolge den ersten Anstoss
zu scholastischer Thätigkeit dem dreissig Meilen entfernten
Kloster Croyland zu verdanken gehabt habe. Die Mönche des
Klosters hätten in Cambridge selbst eine Schule errichtet"*).
Welche Glaubwürdigkeit diese Notiz beanspruche, habe ich bereits
dargelegt"*). Aber selbst ihre Aechtheit vorausgesetzt folgt
noch immer nicht, dass die von den Benedictinem gestiftete
Schule als der Keim anzusehen ist, aus dem sich später die
Universität entwickelt hat, was selbst Huber zugestanden hat "*).
In Oxford wurde das erste BenedictinercoUeg erst unter Eduard I.
im J. 1291 gegründet"^-
i«3) Cod. Paris. 14947. Vgl. Qu6tif-£chard, SS. Ord. Praed. I, 386.
i64j Peter Bles. Continaatio der Ingulfschen Chronik bei FeU, Rer.
Anglic. SS. Oxoniae 1684 p. 108.
^^) S. oben S. 7 Anm. 37 and S. 368. Dadurch dass man die Er-
wähnung des Averroes unterdrückt, wie dies in Dugdales Monasticon an-
glicanum II (1846), 100, und von Maiden, On the origin of universities
(London 1835) p. 92 geschehen ist, wird die QueUe nicht glaubwürdiger.
Doch entdeckte der zuletzt genannte Autor immerhin einen Anachronismus
in derselben, der aber durch seine eigene Schuld entstand, indem er *Au-
relianense Studium' mit 'university of Orleans' widergibt.
i<^) Die engl. Universitäten I, 104.
^^'') Reyner, Apostolatus Benedictinorum ed. Duaci 1626, App. p. 53
sqq. Ziegelbauer 1. c. p. 241. Was Wood, Hist. univ. Ozon. I, 12f., engl.
Ausg. I, 30 f., zum Erweise eines Connexes zwischen den alten Benedictiner-
schnlen und der Universit&t Oxford anführt, trägt einen mehr als zweifel-
haften Charakter und bezieht sich zumeist auf die voralfredsche Zeit, mit-
hin auf die Mythenperiode von Oxford. Wood wurde durch den in den
von ihm citierten Documenten stehenden Ausdruck Studium generale, der
erst dem 13. Jh. angehört, nicht vorsichtiger gemacht.
714 IV. IMe UaiTenit&teii im VeriiiltaisM sa den froheren Sehnlen.
Vietteicht ist es Manchem aufgefallen, dass ich als Beweispnnkt
nicht die angebliche Thatsache gebracht habe, dass sich die
Benedictiner nicht in den Städten, sondern ausserhalb derselben
angesiedelt hätten'**), durch welchen Umstand die Frage von selbst
wegfallen wttrde. Allein dieses Argument ist nicht anzuwenden,
da es im Benedictinerorden kein Statut darOber gab, wo man
sich niederlassen sollte^*'). Wir finden auch deshalb schon seit
den ältesten Zeiten Klöster 4n civitatibus', 4n suburbiis' mit
solchen 'non procul a civitate', *ante portam*, ^in vastissima
regione* erwähnt. Erst die Gistercienser hatten die Bestimmung,
dass sie sich ausserhalb der Ortschaften ansiedeln mflssten"*).
Aber auch sie giengen von derselben schon 1237 ab, in welchem
Jahre zum ersten Male ihres Hauses zu Paris Erwähnung ge-
schieht''0* Von der Wende des 13. Jhs. an finden wir in den
grossem Städten nicht wenige Häuser beider Orden.
168) paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts S. 15, meint, die
'abgelegenen' Benedictiner- and Gistercienserklöster seien im 15. Jh. nicht
mehr wie im 10. oder 12. Mittelpunkte des Gultarlebens gewesen; lIiiiTer^
sit&ten konnten natarlich nur in St&dten errichtet werden*. Nodi schärte
drückt dies Koch aus in Die frühesten Niederlassungen der Minoritea im
Rheingebiete (Leipzig 1881) S. 58 f.^ eine Schrift, deren 2. Theil beeser
unterdrückt worden wäre.
169) Man wehrte sich allerdings hie und da dagegen, dass das Kloster
in den Stadtbesirk ('intra muros civitatis') einbesogen würde. Ygl. s. B.
Vita S. Richardi Yirdun. Abb. in den Acta 0. S. B. VI, 1. p. 526.
170) Paris, Nomast cisterc. p. 246 f.
171) Eine gleichzeitige Aufiseichnung findet sich in der Biblioteca na«
cional zu Madrid, B. 166 (die ersten zwei Blfttter der Hs.). S. auch Mart^
Thes. noT. anecd. lY, 1365 n. 8. Die formelle Errichtung des CoUegs St.
Bernhard datiert erst aus dem J. 1244—1245. Am 6. J&nner des zuletzt
genannten Jahres gab Innocenz lY. seine Erlaubniss (s. die nicht bekannte
Bulle bei Jubainville, £tudes sur l'^tat Interieur des abbayea cisterejennea.
Paris 1858 p. 360), worauf dann der Capitelsbeschlnss erfolgte (Martine L
c. p. 1384). An dieses Golleg reihten sich bis 1289 rasch nach einander fie
CoUegien in Oxford, Montpellier, Toulouse und Estella bei Pamplona. 8.
Libellns antiquarum defin. bei Paris L c. p. 481. Winters Forschungen hier-
über in Die Cistersienser des norddstL Deutschknds (Gotha 1871) II, 147C
sind kaum branchbar. Ich komme auf diese CoUegien im 4. Bande n
sprechen.
$, Ut bestehenden Schulen n. die ansseritallen. UniTenitäten. 715
Der Umstand, dass seit dem 11 — 12. Jh. die Benedictiner-
schulen allmählich in Verfall gerieten, bis man endlich nicht
mehr von ihnen sprach, steht im Zusammenhange mit der Ab-
nahme der Disciplin des Ordens in jener Epoche. Während man
aber im 13. Jh. in verschiedenen Klöstern wider eine strengere
Zucht eingeführt hatte, geschah wenig für die Studien, und zwar
aus dem einfachen Grunde, weil diese kein wesentliches Element
in der Gesetzgebung des Ordens bildeten und früher nie
durch Statuten geregelt worden waren ^'^). Gassiodor legte den
Grund zur Tradition in Betreff der Erziehung und des Unter-
richts innerhalb des Ordens; auf den Stifter selbst sind die
ersten Benedictinerschulen, sei es zum Zwecke der Ausbildung
der Religiösen, sei es zur Erziehung der Kinder, theilweise
zurückzuführen^''). Diesen Thatsachen ist es zuzuschreiben, dass in
einige Gonsuetudines einzeber Klöster ausser Vorschriften hber
die Lectio und die Bücher auch ein Kapitel De educatione pue-
rorum aufgenommen wurde. Indess enthalten namentlich letztere
Bestimmungen fast nur eine Anleitung, wie der magister puerorum
oder magister scholae seine Zöglinge in Bezug auf das Officium
der Kirche, das Verhalten im Kloster und in der Schule unterrichten
i^*) Erst Benedict XII. erlieas im J. 1336 darüber Verordnongen, die
für den ganzen Orden bindend waren. Ich habe von ihnen kurz oben S. 702
Anm. 137 gehandelt.
173) 8. Reg. S. Benedict! c. 59. In Gregorii Magni Dial. lib. 2. c. 1
ist Ton 12 vom hl Benedict errichteten Klöstern die Rede, in denen 12 junge
Religiösen unter einem alten unterrichtet werden soUten. S. auch Haeftenns,
Monast. disquis., pars 2 (Antverp. 1664), 349. 361. Martine, De antiquis
ecclesiae ritibns IV (in 4.), 659. Ziegelbauer, Hist. rei lit. 0. S. B. I, 7 sqq.
Joly, Tratte historique des ^coles episcopales et ecclesiastiques (Paris 1678)
124. 146. Davon aber, dass in den Klöstern die artes liberales und Theo-
logie gelehrt werden soll, spricht die Regel nicht, obwohl Richard de S. An-
gelo dies in sie hinein interpretiert, indem er meint, unter der lectio (c. 48
Reg.) seien Grammatik und Theologie zu verstehen: videlicet ut monasterium
maxime illud quod convenienter facere potest, habeat duos magistros, ut
unus grammaticam et alius theologiam doceat, ut legitur de ecclesia Metro-
politana X de magistris. Cod. Casin. 441 (nicht paginiert), Cod. Paris. 13801
Bl. 57 a. Richard de S. Angele hat nur den Goncilsbeschluss auf die be-
treffenden Stellen der Regel angewendet
716 IV. Die üniyersit&ten im Verh<nisse zn den froheren Schulen.
soll*^^). Dies erklärt es auch, warum in den Reformations-
statuten des 13. Jhs. auf die Studien keine Rücksicht genommen
174) Ich z&hle hier nur einige der hanpts&chUchsten sp&teren Consoeta-
dines bis zum 13. Jh. auf. Lanfranc spricht in seinen Decreta pro ordine
S. B. c. 21 de disciplina puerorum (Migne, Fatrol. lat tom. 150 p. 506;
vgl. 443. 483); doch bloss liturgisch. In den Gonsnetudines Hirsangienaes,
die in zahlreichen Klöstern eingeführt waren, ist II, 22 wohl De juvenibiifl
et eorum cnstodibus die Rede (Migne t. 150 p. 978); aber in der Weise wie
bei Lanfranc (zwei fast gleichzeitige Hss. sind Cod. Lambac. XGIX and Cod.
Vat. Pal. 564; letzterer besitzt eine andere Eintheilong als der Dmck).
Die 'anciens usages' der Abtei Marmoutier, denen zufolge ein magister die
juvenes unterrichten und der Abt fttr die nöthigen Hilfsmittel sorgen mnsste,
enthielten wohl keine andere Bestimmung. Hist. litt, de la France IX, 92.
Die Disciplina Farvensis (Migne t. 150 p. 1104) und die Gonaaetadines ao-
nasterii Fructuariensis bringen nicht einmid solche Vorschriften. Cod.
Lambac. CVI (12. Jh.). Dasselbe gilt von den Consuetudines Stormii abb.
Fuldensis (Herrgott, Yet. discipl. monast Paris 1726), den Statuta antiqoa
monasterii S. Audoeni (St. Ouen). Cod. n. 218 Bl. 22 in Ronen, auch bei
Martine • Durand , Ampi. coli. I, 296. Allerdings gestattete Gregor IX. im
J. 1228, dass man dort die frühere Gewohnheit, 'certis diebus staüflqne horia'
theologische Vorlesungen zu halten, wider aufnehme. GaU. Christ. XI, 138. 147.
Allein, es handelte sich hier bloss um die Gewohnheit (mos), nicht um Ge-
setze, die für Studien erlassen worden w&ren. Ebenso wenig bieten auch
die Statuta antiqua abbatiae Gorbeiensis, bei D'Achery, Spicil.^ I, 586;
die Regula S. Dunstani (Apostolatus Benedict, in Anglia ed. Reyner, Appen*
dix p. 77). Die interessanten Consuetudines monasterii s. Cucuphatis (in
Spanien), in drei Theile getheilt, weisen im 3. den Abschnitt De officio magistri
scole auf; indessen zielen die Bestimmungen lediglich auf die Eniehnng,
nicht auf den Unterricht der Kinder ab. Unter anderm hebst es: Ipse
etiam debet pueris panem leschare (catalanisch ; lescha = ein grosses Stflck
Brod, leschare = Brod schneiden) . . . et ne vestimenta sua perdant debet
propensius custodire, et eosdem sepius esplugare (catalanisch. spluga » spe-
lunca, splugare = einsperren) n. s. w. Cod. 70 des 13. Jhs. der Abthlg. Ca-
cuphates im Archivo de la Corona de Aragon zu Barcelona (Bl. 148a. Die
Consuetudines des Klosters Ripoll, die Villanueva noch sah [Viage lit VIII,
52], sind leider verschwunden). Im Escorial, Q. III. 3, findet sich das
Ceremonienbuch des Klosters Montserrat [15. Jh], und Bl. 85 a die Regula
puerorum, die sich auf die 'antiqua consuetudo hnius monasterii' stQtit. Daa
einzige, was sich in derselben auf den Unterricht bezieht, ist in den Worten
enthalten: magister infantium . . . doceat eos legere, scribere et principia
artis grammatice. Die Antiquae consuetudines mon. 0. S. B. (Mabillon, Vet.
anal. IV, 458) sprechen nur von der lectio. Bloss Liturgisches and die Er*
Ziehung haben im Auge die Consuet. S. Benigni (Martine, De ant monach.
8. Die bestehenden Schalen n. die ausseritalien. UniverBitäten. 717
wird*"); die Statuten zielten nur auf die Bisciplin ab. Diese
glaubte man aber schon früher hie und da um so besser und
dauernder herstellen zu können, wenn man die Schulen fbr Aus-
wärtige geradezu schloss. Beispiele bieten die Viten des Abtes
Desiderius von Monte Gasino und Peters des Ehrw. von Cluny.
Es ergibt sich also von selbst, dass die Universitäten nicht
aus den Benedictinerschulen hervorgehen konnten.
Aber auch in Betreff der übrigen Klosterschulen kommen
wir zu keinem andern Resultate. Die Benedictiner wurden vor-
züglich von den Chorherren, sei es regulierten, sei es nicht
rit. p. 705 ff.) und Udalrici Consuetadines Gluniacensis monaaterii in dem Para-
graph De pueris et eornm magistris (Migne t. 149 p. 741). Die Statuta congre-
gationisGIuniac. von Peter Venerab. sprechen n. 56 und 66 von den parvi scholares
und Bcholares pueri (Marrier, Bibl. Cluniac. Paris 1614 p. 1369. 1372), die
auch in den Antiquae consuetudines mon. S. Yitoni Virdunen, erw&hnt wer-
den (Martene, De ant. ecci. rit IV, 852). Die Statuta Pontii abb. Cluniac
bieten nicht einmal diesen Punct (Migne t. 166 p. 839). Nur Liturgisches
zeigen die betreffenden Abschnitte in Bernardi Ordo Gluniacensis (Herr-
gott, Vet. discipl. monast. p. 134). Keine eigentliche Gesetzgebung Ober die
Studien finden wir auch in jenen Tractaten, die auf die genannten Consti-
tutionen mehr oder minder Einfluss gefibt haben, z. B. bei Babanus
Maurus im 3. Buche De clericorum institutione (Migne t. 107 p. 377).
Die Bestimmungen der Consuetudines Ober die Studien der Religiösen sind
ganz allgemein und bieten h&ufig wenig mehr, als was der hl. Benedict
über die Lectio sagt. Die ersten Statuten Aber Studien, welche ein EJoster
besass, sind, soweit meine Eenntniss reicht, jene des bereits oben (S. 712)
erw&hnten Klosters Fleury, und diese wurden nur fQr ein CoUegium gegeben.
^^ ) Wie schon die Disciplina Casinensis nichts Ober die Studien bringt
(Migne t. 173 p. 1135), so auch nicht die Statuta reformatoria und die Ca-
nones de ordine monast. Casin. aus dem 13. Jh. (Qattula, Hist. abbatiae
Cassinen. Venet. I, 445. Nur von der 'lectio quae aedificat' wird wie in der
Regel und sonst immer gehandelt). Die Statuta abbatum 0. 8. B. in pro-
yincia Narbonn. aus dem J. 1226 enthalten nur über die infantes eine ganz
kurze Notiz (D'Achery, Spicil.' I, 707. Vgl. n. 7). Nicht einmal dies bieten
die Gonstitutiones cap. gener. 0. S. B. apud Northampton im J. 1225 (Apost.
Benedict. App. p. 94), die Reformationsdecrete der Benedictiner in der Pro-
yinz Tarragona aus den Jahren 1227 und 1229 (Cod. 41 der Abthlg. Ripoll
iin Arch. de la Corona de Aragon — die ersten 2 Bl&tter), die Refonnations-
Btatuten des Cardinallegaten Otho für die Benedictiner- und Augustinerklöster
(Cod. B. X. 14 in Basel), die Statuten des im J. 1220 zu Angers abgehalte-
nen Generalcapitels der Benedictiner der Provinz Tours (in M^langes d'ar«
ch^logie et d'histoire. 4. ann6e, 1884, p. 350 Bqq.>
718 IV. Die Uniyerait&teii im Verhiltnisse in den Mberen Sehfüen.
regulierten, in Hinsicht auf den Unterricht abgelöst Was die
letztem betrifft, so fallen deren Schalen theilweise mit den
Dom- und Stiftsschulen zusammen. Von diesen will ich ab-
bald sprechen. Rücksichtlich der Regularcanoniker erw&hne
ich kurz, dass nach deren Zweck, dem Ghordienste und der
Seelsorge an ihren Kirchen, auch der Studienplan bestimmt war.
Die kirchlichen Wissenschaften bildeten in demselben die Haupt*
Sache. Unter den kirchlichen Wissenschaften verstand man aber
zunächst die theologischen^''), wenngleich die artistischen nicht
ausgeschlossen waren ^''). Trotzdem finden wir die Begolar*
Canoniker nicht Einmal bei Gründung einer Universität
DieCistercienser pflegten weniger die artes liberales und
was die Hauptsache ist, deren StudiencoUegien (denn nur auf
diese kommt es bei ihnen an) wurden entweder an Orten ge-
gründet, an denen bereits Universitäten existierten (z. B. Paris,
Oxford, Montpellier, Salamanca — von Estella dorthin übertragen,
— Bologna, Prag, Heidelberg), oder an solchen, an denen keine
Hochschulen errichtet wurden (z. B. Estella, Metz).
Von den übrigen Elosterschulen gehören zunächst die der
Dominicaner und Franciscaner hieher. Wie die Universitäten
^76) Was das Concil eu Aachen (S17) darüber bestimmt, ist fibergegangeB
in die erweiterte Regel Ghrodegangs (Amort, Tetas disciplina can. I, 26SX
in die Constitutiones Marbacenses (Martine, de antiquis eccL ritibns in
fol. III, App. 854; Amort, Vetns disciplina canon. I, 891 | 22. 23; y^. anch
p. 299), die Constitutiones Portuenses (Amort l. c. p. 850 § 18) und in die
Consnetudines can. reg. de Monteforti c. 25 (Holsten. Cod. regoL II, 135 ed.
Aug. Vindel. 1759).
177) Der Liber Ordinis Yon St. Victor in Paris (Cod. Paris. 14678)^
der in vielen Klöstern die Grundlage bildete, enth< nor in dem Abadinitte
Be officio armarii (ibid. Bl. 38 b) einige Worte aber die instmctio vel edi-
ficatio firatrom, zu welchem Zwecke Bacher bei der Hand sein soUten, von
denen genannt werden 'bibUotece (bibliae) et m^ores expositores et paasio-
narii et Titas patmm et omiliarii* (ibid. Bl. 40 b. Die von Ifart&ae De
ant. eccL rit. III [in fol.] App. 784 edierten Consnetadines antiqna« 8. Yle-
toris variieren vom Liber Ordinis). Die Institationes Praemonstrat. (MartJiae,
L c. App. 898; die bei Le Paige, BibL Praemonstr. p. 784 sind iptten
Datums) sprechen c. 9 nur von der lectio. Tgl. hieraber anch die Gonatita-
tiones Vallis scholarium (Voyage litt^r. de deux relig. Benedict p, 118. 122).
8. Di0 beBtehenden Schulen a. die ansseriUüien. üaiTersit&teii, 7X9
in Hinsicht auf die artes liberales an die Schulen der Dominicaner
sich angelehnt haben sollen, ist nicht recht ersichtlich. Diese
bezeichnen allerdings einen grossen Fortschritt gegenüber den
Orden der frühem Zeit, denn sie sind die ersten, welche in
ihren Statuten das Studienwesen für die ihrigen geregelt haben,
und zwar schon im J. 1228^^^). Allein, das Studium der artes
liberales war Anfangs nur ausnahmsweise erlaubt^''). Und als
betreffs derselben später eine andere Richtung eingeschlagen
wurde ^'"), nahmen die Religiösen doch nie das Magisterium in
178) Diese Statuten sind noch im Generalarchiv des Ordens vorhanden.
Sie erscheinen nächstens im Archiv für Litteratur- und Eirchengeschichte
des Mittelalters. Es ist bezeichnend für die Wissenschaftlichkeit E&mmels
(Gesch. des deutsch. Schulwesens S. 44), dass er erst bei den Augustiner-
Eremiten des 15. Jhs. die Einrichtung von Provinzstudien findet, als ob die
Dominicaner und Franciscaner nicht schon im 13. Jh. solche errichtet
hatten.
179) In libris gentilium et philosophomm non studeant, etsi ad horam
inspiciant; secnlares scientias non addiscant nee etiam artes quas liberales
vocant, nisi aliquando circa aliquos magister ordinis vel capitulum generale
voluerit aliter dispensare; sed tan tum libros tbeologicos tam juvenes quam
alii legant. Constitntiones vom J. 1228 p. 87. S. dazu das Gtenenücapitel
vom J. 1246 bei Martine, Thes. nov. IV, 1691. Mit Erlaubniss des Ordens-
genenJs wurden Taugliche zum Studium artium ausgew&hlt So heisst es
in einem Beschlüsse des Capitels der Tolosanerprovinz vom J. 1241 : studen-
tibas qui in presenti capitulo assumpti sunt ad studendum in artibus de
licentia magistri, quilibet conventus reservet primam bibliam vacantem. Cod.
Tolos. 273. Bl. 281a. Im J. 1250 gibt bereits das Provincialcapitel zu
Narbonne den Prioren die Erlaubniss, 'ut si aliquos habent ydoneos, quod
Üaciant eis legi de artibus in suis conuentibus'. Cod. cit. Bl. 285 b (Douais,
Essai sur l'organisat des ^tudes etc. p. 59 bietet die irrige Jahrzahl 1251>
S. dazu die n&chste Anm.
iBO) Xuf dem Capitel der römischen Provinz zu Born im J. 1244 wurde
verordnet: Quicunque preter lectores habet aliquos tractatos sive libros
pertinentes ad aliquas scientias seculares preter tractatus loycales et ea que
pertinent ad moralem phylosophiam, resignet priori suo. HSi der General-
nnd Provincialcapitel (der röm. Provinz) im Generalarchiv des Ordens. Vom
J. 1252 an finden wir in der Tolosanerprovinz die Assignation der Stu-
denten fax das Studium der artes mehr organisiert; sie wurden schon in
dazu bestimmte Convente geschickt: illi tarnen, qui sunt assignati ad artes,
bene indnti mittantur. Cod. Tolos. 273 Bl. 286b. Douais achtete p. 59 nicht
darauL Die dafür bezeichneten Convente werden vom J. 1256 ab genannt
720 I^* ^® UniTenit&teii im TerhiltniBse za den frflberen SchnleiL
artibas. Das Ordensstudiom hatte nicht die Philosophie, sondern
die Theologie zum Zwecke"^).
Dasselbe war auch im Franciscanerorden der Fall, als dort
die Studien in Aufnahme kamen. Diese sowie jene anderer Orden
wurden ja vielfach nach jenen der Dominicaner organisiert
Im Abschnitte der Ordensconstituüonen der Ffanciscaner aus
dem J. 1260 über die Studien'") werden die artes liberales
noch gar nicht erwähnt. Später griff im Orden eine ähnliche
Auffassung Platz, wie bei den Dominicanern. Die Constitutionen
der Augustiner-Eremiten aus dem Ende des 13. Jhs. gehen
noch nicht weitläufig auf das Studienwesen ein'*').
Es folgt mit Noth wendigkeit, dass sich die Universitäten
nicht aus den Elosterschulen der Dominicaner und Franciscaner
entwickelt haben. Dieselben Gesichtspunkte kehren wider, wenn
wir die Carmelitenschulen ins Auge fassen. Gegenüber
den Universitäten nahmen sie eine noch ungünstigere Po-
sition ein.
Uebrigens bedarf es noch der Bemerkung, dass in Paris
kein Religiöse, welchem Orden er auch angehören mochte, zum
Examen und der Promotion in artibus zugelassen wurde "^).
Cod. cit Bl 291a. Douais p. 177. In Spanien wurden bereits 1350 auf dem
Proyincialcapitel za Toledo die Gonvente Oporto und Zamora für das Stu-
dium der Logik bestimmt. Hs. des Ghristianopoli im Generalarchiv des
Ordens.
^^^) Ausführlicb werde ich dieses sp&ter nachweisen. Auf dem General-
capitel zu Montpellier im J. 1271 wurde die Mahnung gegeben: Monemus
studentes, quod studio Philosophie minus intendant et studio theologie In-
tendant diligenter lectiones ordinarias et sententiarum sollidte andiendo. Ori-
ginalcodex im Generalarchiv. Vgl Martine, Thes. nov. anec. HT, 1760. Um
dieselbe Zeit lehrte der hl. Thomas 2. 2. qu. 188 a. 5 ad. 8: religiosis com-
petit principaliter intendere studio litterarum pertinentium ad . . . pietatem
. . . aliis autem doctrinis intendere non pertinet ad religiosos, quorum tota
Tita divinis obsequils maneipatur, nisi inquantum ordinatur ad sacram doc-
trinam.
189) Die HsB. habe ich oben S. 701 Annt 136 citiert
^) P. Ehrle wird sie in unserm Archiv fftr Litteratur- und Kirchen-
geschichte des Mittelalters publicieren.
1^) Für die Baccalarei in artibus wurde im J. 1287 unter anderem
folgendes Juramentum vorgeschrieben: Item nuUum religiosum culutcnnque
3. Die bestehenden Schalen u. die wuseritalien. UniTersitäten« 721
Und so wird die Behauptung, die Universitäten seien in Bezug
auf das Studium der artes liberales aus den Elosterschulen
hervorgegangen, für immer unmöglich gemacht.
Wie steht es aber mit den Dom- und Stiftsschulen? Diese
scheinen allerdings viel bessere Chancen zu besitzen. Ich erwähne
hier nur jene Thatsachen, auf die man bereits in der ersten
Hälfte des 13. Jhs. hingewiesen hat. Eugen n. bestimmte im
J. 826, dass wenigstens 'in universis episcopiis subjectisque ple-
bibus . . . magistri et doctores constituantur, qui studia litte-
ramm liberaliumque artium habentes dogmata assidue doceant'^^^).
Das dritte Lateranconcil unter Alexander HI. vom J. 1179 machte
es den Gathedralen zur Pflicht, dem Lehrer, 'qui clericos eiusdem
ecdesiae et scholares pauperes gratis doceat', ein Beneficium zu
geben. Auch an andern Kirchen und in den Klöstern soll diese
Gewohnheit wider eingeführt werden, wenn sie früher dort ge-
herrscht hatte ^^*). Welcher Unterricht hier gemeint sei, erklärt
uns das vierte Lateranconcil. Es spricht vom Unterricht 'in
granunaticafacultate'^^'). Für dieselbe solle nicht bloss In qualibet
fnerit professionis recipietis in aliqua examinatione videlicet determinandorum
et licentiandornm nee intereritis suo principio nee sne determinationi. Cod.
Tat. Beg. 406 Bl. 4 a. Du Boulay, Bist. univ. ParlB. III, 483.
18&) Decret. Grat. can. 12 dist. 37 und Mansi, CoU. concil. XIY, 1008;
sie bieten jedoch einen defecten Text, der in Mon. Qerm. Leges IL B. 17
corrigiert ist. Nur auf diese Bestimmung beruft sich Peter Bemensis in
seiner Summa, dehnt sie aber auf jede Stadt aus: ut in unaquaque civitate
assignetur de communi ecclesie portio aliqua ad opus ejus, qui legat et in-
Btruat in liberalibus discipünis, ut ita preparetur via sacre scripture. Cod.
Paris. 14521 BL 78b.
IM) Parte 2. c. 17 n. 18 bei Mansi, Coli. conc. XXII, 228. C. 1 de magis-
tris X. 5, 5. Stein, Die innere Verwaltung S. 215 kannte diese Constitution nicht,
und meinte, erst 1215 sei die erste Schulgesetzgebung aufgestellt worden. Auch
Paulsen, Gesch. des gelehrten Unterrichts S. 12 hat sie vergessen. Ich
habe den Text nach der Comp. L im Cod. Burghes. 264 Terbessert.
i87j Dasselbe erklären auch Raymund von PeSafort (Summa de poenit. L 1.
De magistris) und Gottfried de Trano (in Decret. De magistris. Cod. Burghes.
254). Letzterer sagt: Est ergo sciendum, quod statutum fuit antiquitus
(Baymund: ab Eugenio papa), deinde ab Alexandre papa in Lateranensi
eoncilio innoratum, et postmodum ab Innocentio in concilio generali, quod
singnle ecclesie cathedrales singulos magistros liberalium artium habe-
rent etc.
DoBiflo, Die UmreniaUn L 46
722 rV. Die üniyenit&teii im YerhiltniBse sn den frtüiereii Schalen.
cathedrali eccleciia, sed etiam in aliis, qaamm sufficere potemnt
facaltates' ein Lehrer bestellt werden, und zwar ^a praeUto com
capitulo sea majori et saniori parte capitnli eligendos'. Dieses
Statut galt also nicht bloss fUr alle Gathedralen, sondern auch
für GoUegiatkirchen oder Stifter. Ich glaube nnn freilich,
dass die betreffenden Kirchen dieser Verpflichtung im 13. Jh.
mehr nachgekommen sind, als derjenigen, welche das Goncil
über den theologischen Unterricht festgesetzt hat. Das Grebot war
leichter zu erfüllen, obwohl es auch hier manchmal einer er-
neuten Einschärfung bedurfte''^). Schlössen sich also die Uni-
versitäten rücksichtlich der artes liberales vielleicht an Dom-
oder Stiftsschulen an?
Dass die Möglichkeit an sich nicht ausgeschlossen ist, liegt
auf der Hand. Und doch lässt sich nur bei äusserst wenigen
Hochschulen ein Connex zwischen ihnen und den bereits vor-
handenen Dom- oder Stiftsschulen nachweisen. Wichtiger als
diese waren öfters sogar die Stadtschulen, die, wenn man das
Verhältniss der Universitäten zu den ihnen vorangehenden
Schulen erörtert, in der Regel ausser Acht gelassen werden.
Um daher endlich zu einem Schlussresultate zu gelangen,
will ich die Antwort auf die im Beginne gestellte Frage auf Qrund
meiner im dritten Hauptabschnitte niedergelegten Forschungen
zu geben versuchen. Ich bemerke aber, dass es nicht möglich
ist, für die ausseritalienischen Universitäten ein allgemeines
Princip zu erhalten ^^')* Sicher ist jedoch das eine, dass
^88) So z. B. beauftragte Johann XXII. am 29. April 1824 den Bischof
und den Propst von Magnelone dieser Verpflichtung Folge au leisten und inner-
halb eines Monats einen Magister zu bestellen. Reg. Tat. Comm. an. 8 p.
2 ep. 1461. üngefUir in dieselbe Zeit (1322) fUlt das unter dem Vorsitze
des Cardinallegaten Wilhelm, Bischofs von Sabina, zu Valladolid abgehaltene
Provincialconcil , welches Paragraph 21 (De magistris) die Lateran -Be-
stimmung betreffs der magistri in grammatica und logica in Erinnerung
brachte Floranes in der CoUecciön de documentos in6dito8 etc. XX, 20.
iS9) Dies haben Meiners und besonders jene, welche sich epecieO
mit der Entstehung und Entwickelung der Universitäten beschäftigt haben,
z. B. Huber (Die englischen Universitäten I, Iff.), Maiden (On the originof
universities p. Iff.), KurU (Baltische Monatsschrift 1861 8. 84ff.) u. 8. w.
nicht beracksichtigt. Man findet in ihren Schriften hauptsftchlich Reflexionen,
die a priori gemacht wurden.
8. Die bestehenden Schalen a. die aasseritalien. Uniyersit&ten« 723
von ihnen höchstens die eine oder andere aus einer Stadtschule
förmlich hervorgegangen ist, keine einzige aber aus Dom- oder
Stiftsschulen, wenngleich diese bei einigen die Voraussetzung
gebildet haben. Dazu, dass eine Universität aus irgend einer
Schule hervorwachse, ist nothwendig, dass in letzterer die Keime
der ersteren liegen. Die vorhandenen Schulen müssen die un-
entwickelte, die Universität die entwickelte Form darstellen.
Nur bei wenigen städtischen Lehranstalten, aber bei keiner
einzigen Dom- und Stiftsschule, die hier in Betracht kommen
kann, war dies der Fall, denn hier mangelten gerade einige
Hauptfächer: Jus und Medicin. Dennoch konnte sich eine Uni-
versität an eine Dom- oder Stiftsschule anschliessen. Uebrigens
wird die folgende üebersicht ergeben, dass sehr häufig weder
eine Stadt- noch eine Dom- oder Stiftsschule der Universität den
Weg geebnet hat
1. An mehreren Orten waren die dort bereits exis-
tierenden Schulen eine Veranlassung, dass man sich
um ein Universitätsprivileg bewarb, oder dass ein
solches ertheilt wurde.
So mögen einige Dom- oder Stiftsschulen, wurden an
ihnen gleichwohl meist nur die artes liberales gelehrt, den
Wunsch rege gemacht haben, in den Besitz eines Oeneral-
studiums mit den höheren Wissenschaften zu gelangen. Dies war
wohl in Köln und hinsichtlich der Stiftschulen in Erfurt der
Fall. Auf zwei spanische Universitäten komme ich n. 4 zu sprechen.
Oefters hatten die Universitäten Stadtschulen zur Voraus-
setzung. Die nicht vom Glücke begünstigte Stiftung der Hoch-
schule zu Valencia im 13. Jh. bedeutete eine Neuschöpfung.
Für die des 15 — 16. Jhs. war eine Stadtschule die Grundlage.
Eine solche bestand auch in Valladolid, denn der ^concejo de
Valladolid' sorgte fSr das Salarium der Magister, das er mit
königlicher Erlaubniss bezahlte, wie aus dem Schreiben Alon-
sos XL vom 10. März 1323 hervorgeht, und erst in der Univer-
sitätsperiode wurde ein anderer Modus eingeführt ^•®). Es ist
sogar höchst wahrscheinlich, dass an der Stadtschule bereits alle
190) 8. oben S. 878 und Anm. 662.
46*
724 IV. Die UniTerait&ten im Veriiiltiiiase la den froheren BeholeiL
jene Fächer vertreten waren, die für die Hochschule gestattet
wurden. Ehe Huesca ein Uniyersit&tsprivileg erhielt, leitete
daselbst nur ein Legist auf Kosten der Stadt die Schule"^).
Die in Avignon der Hochschule unmittelbar vorhergehende
Lehranstalt war sicher eine städtische und in den Lehrplan
waren schon die juristischen Fächer einbezogen '*'). Zu keinem
anderen Resultate gelangen wir, wenn wir Orange betrachten^*').
Ein wie enger Zusammenhang zwischen der Bürgerschule bei
St. Stephan in Wien und der Universität bestand, bedarf keines
Beweises.
2. In einigen Städten entwickelten sich die Lehr-
anstalten zu einem Generalstudium unter einem bischöf-
lichen Kanzler oder Scholasticus, ohne dass erstere
Dom- oder Stiftsschulen im eigentlichen Sinne gewesen
wären. In diesen Kreis gehört vor allem Oxford. Der Kanzler
der Universität wird bereits sehr früh erwähnt ^'^), und er wurde
in der ersten Periode vom Bischöfe zu Lincoln ernannt ^'^), aber
wenigstens schon in der 2. Hälfte des 13. Jhs. von den Magistri
gewählt und dem Bischöfe praesentierf *). Immerhin finden wir
^91) S. oben S. 511.
1«) S. oben S. 857 f. *
19») S. oben S. 4671:
1»*) S. oben S. 244.
19&) So heisst es bereits in einem Actenstücke vom 1. Juli 1214 in
Bezog anf den Kanzler: quem episcopns Lincolniensis scolaribus ibidem pre-
fielet. Munimenta academica or Documenta iUustratiye of academioal lifo aod
studioB at Oxford I, 2. Dasselbe wird in einem Docmnente vom J. 1319
widerholt. Ibid. p. 5. In einem andern Actenstficke vom J. 1214 sprechen
die Barger von Oxford ebenfalls vom 'Cancellarius Bcholariom Oxon., quem
episcopns constituerit'. Wood, Hist et antiquit. univers. Oxoniensis I, 61.
19C) Im J. 1294 sagt der Bischof von Lincoln bei Gelegenheit der
Praesentation des neuen Kanzlers: quod cancellaril pro tempore existentes
non fnerunt electi sed tautummodo nominati, et episcopus adijecit, quod b.
Bobertus quondam Lincolniensis episcopns qui hoc officium gessit, dum in
universitate praedicta regebat, in principio creationis suae in episcopum
dixit, proximnm praedecessorem sunm episcopnm Lincoln, non permisisse
qnod idem Robertus yocaretur Cancellarius, sed magister scolarinm yel scho-
lamm. Wood I, 141. Schon ziemlich frQh wurde also dem Bischöfe Yon
Lincoln von den Magistern eine für das Kanzleramt geeignete PenAnliehkeit
8. Die bestehenden 8c]inlen n. die aaBseritaüen. Universitäten. 725
ihn in jener Zeit vom Bischöfe abhängig '*'). Dieser Kanzler nun
war dort das Haupt jener Lehranstalt, die sich zur Hochschule
entwickelte, und er blieb das Haupt derselben ^'^), wie wir im
2. Bande sehen werden, wo auch die weitere Geschichte des
Kanzleramtes zur Sprache kommen wird. Aehnlich verhielt es
sich auch in Cambridge'''); nur stand der dortige Kanzler in Ab-
hängigkeit vom Bischöfe von Ely. Die alten Schulen in Orleans
und Angers waren sicher geistliche Anstalten; sie wurden von
einem Scholasticus geleitet. Ist nun gleichwohl das in beiden Städten
im 13. Jh. zur Blüthe gelangte Generalstudium nicht aus jenen
Schulen hervorgegangen, wie wir oben gesehen haben'®'), so
entstand und entwickelte sich doch dasselbe unter demselben
Scholasticus, welcher der Vorsteher der alten Schule war.
zum Yorschlag gebracht. Aus einem Actenstacke yom J. 1290 geht jedoch
hervor, dass die Magistri bereits die Gepflogenheit hatten den Kanzler zu
wählen (nunquam solebant electnm suum extra Oxoniam mittere ad confir-
mandnm), und dass ihn dann der Bischof, nachdem er ihm von den Ma-
gistern praesentiert worden, bestätigte. War aber der Bischof zu weit von
Oxford entfernt, so geschah all dies beim Bischöfe in Folge eines Ueberein-
kommens durch die Procuratores. Vgl. Huber, Die englischen Uniyersit&ten
II, 253 Anm.; Wood, I, 131. 133. Im J. 1350 wird der Wahlusus Yom Erz-
bischof Yon Canterbury als eine Institution 'a tempore et per tempus cujus
initii hominum non existit memoria' dargestellt Munim. academ. I, 169.
197) j)ie8 mnss man selbst noch aus einem Actenstfick vom J. 1290 bei
Wood II, 398 schUessen. Die frflhere Zeit bietet keine Schwierigkeit. Im
J. 1231 machte der Kanzler in Folge des Siegelstreites dem Bischöfe kund:
et ad nutnm beneplaciti vestri cedat officio. Wood II, 390.
198) In den Statutes of the house of scholares of Merton in Maldon vom
J. 1264 heisst es geradezu: Gancellarius seu Rector universitatis. Statutes
of the Colleges of Oxford. Merton College (Oxford 1853), p. 6.
199) Den besten und bündigsten Aufschluss hierüber gew&hren die Sta-
tuta antiqua in den Documents relating to the university and Colleges of
Cambridge I, 309 ff. Vgl. auch Mullinger p. 140 ff., der jedoch den genann-
ten Statuten ein zu hohes Alter beilegt. Sie können keineswegs yor den An-
fang des 14. Jhs. gesetzt werden.
^ S. 252. 259f. 270. Die früheren Schulen waren, um einen allge»
meinen Ausdruck zu gebrauchen, artistische, w&hrend die beiden General-
studien fast ausschliesslich die Jurisprudenz pflegten, die früher keine Ver-
tretung hatte.
726 I^- I^ie UniyerBit&ten im Verh<nisfle zu den frflheren Schnleii.
3. Viele Generalstudien haben sich an gar keine
Schulen angelehnt, sondern sind als förmliche Neu*
Schöpfungen zu betrachten. Hieher sind zunächst die nicht
zur Ausführung gekommenen Alcali, Pamiers, Dublin und
Genf zu rechnen. Ihnen reihen sich Sevilla und Gränoble an.
Etwas ganz Neues war auch die Hochschule zu Toulouse.
Dass die Universit&t L^rida keine Schule zur Voraussetzung
gehabt hat, ergibt sich aus dem königlichen Stiftbriefe **0-
Dasselbe war wohl auch in Hinsicht auf die Uniyersitäten Per-
pignan'"), Gabors, Krakau, Heidelberg, Fünfkirchen
und Ofen der Fall. So sehr sich femer Ribeiro bemüht,
Klosterschulen als die Vorläufer der Universität Lissabon-
Goimbra nachzuweisen'^'), so ist ein Connex zwischen beiden
doch nicht im geringsten zu erkennen. Die Hochschule ist auch
hier eine NeuschOpfung. Dasselbe gilt vom Generalstudiom an
der Curie, um desselben hier zu erwähnen.
4. Es gibt aber auch Hochschulen, deren Anfänge
zusammengesetzter Natur sind. Zu ihnen gehören zunädist
Palencia und Salamanca, deren Universitäten einerseits eine
Domschule zur Grundlage zu haben scheinen oder mit denen
(wenigstens mit jener in Salamanca'**) alsbald der alte Scholaaticos
*^^) Wenn dort gesagt wird: ad cgns namqne refomnlioDem ae statmi
laadabilem tanto diligentias et specialins eperamna etc. (bei YiDanneTm XYI,
197), so ist 'ejus' nicht anf ^stadiom', sondern anf ^mtas Derdeasia' an be-
liehen, welche Jacob IL unmittelbar vorher als 'ortas fertilitatis et Cmob*
ditatis' n. s. w. preist Pedro lY. nahm diese Worte in aeiBeB Stiftbrief fftr
Hnesca nnr ans Jacobs Urkunde herüber. S. oben S. 509.
*^ Allerdings erwähnt Pedro IT. in seinem Stiftbriele die ^oetomm
inibi existentiam scientie profonditas\ aUein Yon einer Schule spricht er
nicht In Perfngnan haben sich eben solche, die den Doctorgrad in iifeod
einer Wissenschaft erworben hatten, aufgehalten, ohne dass sie das Lehnmt
ausgeübt h&tten. Beweis dessen bildet die Thatsache, dasi Pedros SUftof
im An&nge nicht gedieh, was unerkl&rlich wire, wenn sie ticli aa eine
Schule angeschlossen h&tte. S. oben S. 517.
^ ffistoria dos estabelecimentos scientificos litterarios h artistieot de
Portugal I, 7 ff.
*M) S. oben S. 49L In der BuUe nimlich, mit welcher JohaoB ZXÜ
den Scholasticus sum Kantler der Universität einsetat, sagt er: Cm pce-
dicta uniYersitas Jurisdiction! scholastid eedeaie Sakaant, qui est pn> lern«
8. Die bestehenden Schalen n. die aoBseritalien. UniTenit&ten. 727
in Berührnng trat, die aber andererseits doch als eine Neuschöpfung
zu betrachten sind. Einfachen Ursprungs ist ebenso wenig die
Hochschule zu Montpellier. Natürlich hatte diese keine Stifts-
schule zur Voraussetzung. Doch entwickelte sich die medicinische
Schule im 13. Jh. unter directem kirchlichen Einflüsse und
in Abhängigkeit vom Bischöfe in Maguelone, wenngleich im 12. Jh.
von einer solchen noch nicht die Rede ist und volle Lehrfreiheit
herrschte. Wie Ende des 12. und im Anfange des 13. Jhs. das
Yerhältniss der Juristen zum Bischöfe gestaltet war, lässt sich nicht
sagen. Vom J. 1230 an mussten sie ihm den Eid der Treue
leisten '°'^). Als im J. 1289 der Bischof gleichsam das Kanzler-
amt über die drei Facultäten (der Medicin, des Jus und der
artes) erhielt, wurde nur bereits Bestehendes confirmiert"*).
Theilweise städtisch, theilweise geistlich war wohl auch jenes
Particularstudium zu Prag, auf das £[arl IV. in seiner Bitt-
schrift an den Papst behufs der Errichtung einer Hochschule
hinwies. Diese selbst ist aber trotz des vorhandenen Particular-
studiums eine Neuschöpfiing zu nennen.
Zusammengesetzter Natur sind in gewisser Hinsicht auch die
Anfänge der unter n. 1 angeführten Hochschulen. Lehnten sie sich
nämlich einerseits an vorhandene Lehranstalten an, so sind sie
doch andererseits gerade rücksichtlich der an ersteren gelehrten
Hauptfächer und in Bezug auf alles, was ein Studium generale
mit sich brachte, als Neuschöpfungen anzusehen. Nur von den
Universitäten zu Valladolid, Avignon und Orange kann möglicher
Weise behauptet werden, sie hätten sich aus einer Stadtschule
pore, ab antiquo snbjecta est. Reg. Yat. Gomm. an. 18 p. 1 ep. 248. I>er
Scholasticas blieb aach fernerhin in diesem Amte und wurde canceUarins
stadii genannt. Benedict XIIL hat die alten Zustände im Auge, wenn er
am 26. Juli 1411 schreibt: Cum . . . dilecti filii aniversitatis studii Salamant.
iorisdictioni scolastici ecdesie Salamantin. pro tempore eristentis sint post
sedem apostolicam immediate subiecti idemque scolasticns officium cancel-
larie ipsius studii ex privilegiis apostolicis babeat exercere etc. Original im
Univendt&tsarchiy zu Salamanca. Siegel an Seidenschnur.
S05) s. oben S. 345.
^ Wie Clemens IV. in dem oben S. 345 Anm. 528 citierten Schreiben
sagt, war der Bischof von Maguelone seit alter Zeit im Besitze des Rechts
in jeder Facult&t die Licenz zu ertheilen, er war 'capud studii prindpale'.
728 !▼- 1^0 Uniyersit&ten im Veriiiltiiisae zu den firttkeren Sehnlea.
entwickelt, obwohl doch auch sie erst das Privileg eines
Studium generale erhalten mussten.
Fassen wir nun das in diesem Paragrapfae Erörterte am*
sammen, so ergibt sich als Resultat: Keine der ausseritalienischen
Universitäten ist aus einer Elosterschule hervorgegangen, und nur
einige Oeneralstudien, zwei deutsche und zwei spanische, haben
sich an Dom- resp. Stiftsschulen angeschlossen, ohne dass sie
aus ihnen hervorgewachsen wären '^'). Mehrere hatten eine
Stadtschule zur Voraussetzung, die meisten aber sind als Neu-
schöpfungen zu betrachten. An dieser Eigenschaft participieren
auch jene Universitäten, welche vorhandene Schulen zur Grund-
lage hatten. Eine Sonderstellung beanspruchen die unter einem
bischöflichen Kanzler oder Scholasticus zu einem Generalstudinm
fortgeschrittenen unter n. 2 aufgefilhrten Schulen.
Daraus ergibt sich, dass, obgleich man für die ausseritalie-
nischen Universitäten kein allgemeines Princip aufstellen kann,
es doch immerhin richtiger ist zu behaupten, sie seien zam
grossen Theile nach als aus den Schulen gekonmien.
Indem ich die weiteren Erörterungen auf den Schluss dieses
Bandes spare , gehe ich sofort auf die Untersuchung des Verhält-
nisses der italienischen Universitäten zu den ihnen vorher-
gehenden Schulen über.
^7) Wexm Paolsen in Sybels Hist. Zach. 1. c. 8. 2S3 mehrere dealache
Univenit&ten 'ans den vorhandenen Dom- und Klostenoholen geraden her-
vorgehen' l&88t, in seiner Geschichte des gelehrten Unterrichts 8. 16 aber
sagt, die Errichtung der Universitäten sei in Deutschland 4b der B^d im
Anschluss an die vorhandenen kirchlichen ünterrichtsorganisationeB in Dom*
und GoUegiatstiften' geschehen, so hat er die Auedrücke ond Begriffe voa
'hervorgehen* und 'anschliessen' nicht gehörig abgewogen und getehMea;
deun 'angeschlossen' haben sich in Deutschland aUerdings mehrere Univer-
siaten an Dom- und Stifts- (nicht Kloster-) Schulen, deshalb aliid aber
entere dennoch nicht aus letiteren 'hervorgegangen'.
4. Die Schalen Italiens nnd die üniyenit&ten. 729
4. Die Sohnlen Italiens und die Universitäten.
Wie es sich in den letzten Paragraphen nicht um den
Entwicklungsgang des europäischen Bildungswesens seit den
frühesten Zeiten gehandelt hat, sondern nur um das Yer-
hältniss, in dem die Universitäten sich zu den ihnen unmittelbar
vorhergehenden Schulen befunden haben, so fragen wir auch
jetzt nicht nach dem Bildungsprocess der Schulen und der Ge-
schichte der Rechtswissenschaft seit deren Anfangen in Italien,
sondern in welcher Weise gerade die Hochschulen entstanden
sind. Befolgt man hier ein anderes Verfahren, so verliert man
sich in allgemeine Betrachtungen, die an sich recht nützlich
sein können, aber nicht zur Sache gehören. So ergieng es Goppi,
welcher in der Einleitung zu seiner Schrift Le universitä italiane
nel medio evo weitläufig über die Entwicklung der Studien in
Italien sich ergeht '^^), schliesslich aber das eine Nothwendige
nur flüchtig berührt, die Frage nämlich, welche Beziehung die
Universitäten zu den früheren Schulen hatten, und wie geartet
diese letzteren waren.
Man hat die Behauptung aufgestellt, auch in Italien
seien einzelne Universitäten, so namentlich die zu Bologna, aus
Kloster- und Stiftsschulen hervorgewachsen"'). Ihr gegenüber
besitzt die gerade entgegengesetzte Ansicht, die Universitäten
hätten Laienschulen zur Voraussetzung gehabt '^^), doch ungleich
mehr Berechtigung, wenngleich sie, wie sich ergeben wird, zu
wenig praecisiert ist. Trachten wir also der Wahrheit auf den
Grund zu kommen.
In Bezug auf Salemo habe ich dem oben'^') ausgesprochenen
Resultate, dass wir im Unklaren sind, ob die Schule geistlichen
«>8) Vgl. p. 1-72.
^ So besonders Baumer, Oesch. der Hohenstanfen^ VI, 508: 'Die
Uniyersität Bologna ist höchst wahrscheinlich nach und nach ans den Kloster-
ond Stiftschnlen hervorgewachsen, wesshalb sich kein bestimmter Zeitpunkt
ihrer Gründung und Entstehung nachweisen l&sst'.
uo) S. Oianam, Des öcoles et de Pinstmction publique en Italie in
den Oeuvres oompUtes. La civilisation au dnquitee sidcle 11, 410 ff. Goppi
p. 27. Luschin, Oesterreicher an italienischen Universit&ten S. 91.
^) S. 284.
730 ^' ^^^ UmYemtiten im VtrhiltniaBe ni den frflberen Sclmleii.
oder weltlichen Ursprunges sei, nichts hinzuzofügen. Es bedarf
auch keines Beweises, dass jene Rechtslehrer, welche in Bologna
zu der nachher so berühmten Schule den Grund gelegt haben,
nicht an der Gathedrale oder an irgend einer Stifts- oder Kloster-
schule als Professoren angestellt waren. Ein Hinweis auf den
Camaldulenser Gratian wäre nicht am Platze, da von allem andern
abgesehen über ihn nur verlautet, dass er im Kloster S. Apol-
linare in Glasse bei Ravenna in den Orden getreten ist, im
Kloster S. Feiice zu Bologna gelebt und dort sein bekanntes
Werk verfasst hat"').
Die Hochschulen zu Vicenza, Padua und Arezzo (der ersten
Periode) verdankten ihren Ursprung einer Auswanderung von Pro-
fessoren und Scholaren aus Bologna, Vercelli einer solchen aus
Padua. Die früher an den genannten Orten existierenden Schulen
waren also nichts weniger als der Grundstock der künftigen Uni-
versität. So wird allerdings zum J. 1184 eine Domschule in Vicenza
aufgeführt, an der ein Lombarde Theologie dociert hat"*); nicht
unbedeutend scheinen sogar die geistlichen Schulen zu Vercelli
gewesen zu sein. Um von dem Statute Attos H. im 10. Jh.'^*)
zu schweigen, so wird in Acten des 12. Jhs. öfter auf Schulen
hingewiesen"'). Hauptsächlich geschieht der Domschule Er-
wähnung, und der Bischof Albert gründete vor Ablauf des Jhs.
eine theologische Lehrkanzel an derselben"*). Aehnliche Schulen
^) S. Sarti I, 260 ff. Was der Autor dort aasfahrt, erhilt durch dan
Umstand, dass nicht Johann de Columna des 13. Jhs. Verfasser des Werkes
De yiris illustribns ist (s. oben 8. 315 Anm. 391), worauf Sarti selbst p. 263
aufmerksam gemacht hat, noch mehr Beweiskraft Schalte, Gesch. der
Quellen I, 461 wusste nichts weiteres zu bemerken.
^') Savi, Memorie antiohe e moderne intomo alle publiche Bcaole in
Vicenza p. 12.
^^*) Attonis opera illustr. a G. Burontio del Signore (Vercellis 1768)
II, 282 can. 61.
^i&) S. den Nachweis bei MandeUi, II comune di Vercelli nel medio
evo III, 4 ff.
^6) Mandelli p. 6 f. Ob der bekannte Augastiner • Chorherr Thomas
Gallns, anter dem Namen Vercellensis bekannt, in seinem Kloster St. An-
dreas zu Vercelli, in dem er bereits 1224 Prior war (s. Frora, Goalae
Bicherii presb. card. vita et gesta, Mediolani 1767 p. 1361), aach dociert
habe, wird nicht gesagt. Sicher w&re dessen Lehramt erwiesen, durfte man
4. Die Schalen Italiens nnd die üniTenititen. 731
mag wohl auch Padua besessen haben '^'). Allein weil eben
die nachmalige Universität an diesen Orten nur einer Ueber-
siedlang von Professoren und Scholaren den Ursprung zu
verdanken hatte, kommen die daselbst vorhandenen Schulen gar
nicht in Betracht, und es fällt mithin die Frage weg, in welches
Verhältniss Schule und Universität zu einander getreten seien.
Nur in Bezug auf Vercelli lässt es sich nicht mit Sicherheit
bestimmen, in wieweit die bereits existierende Lehrkanzel der
Theologie auf den von der Stadt mit Padua abgeschlossenen
Gontrakt rücksichtlich der Besoldung eines Theologen Ein-
fluss ausübte '^^). Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die in
den Universitäts- Lehrplan aufgenommene theologische Disciplin
von dem schon in früherer Epoche angestellten Theologen gelehrt
wurde.
Die meisten der übrigen italienischen Universitäten
hatten in den Stadtschulen ihre Wurzeln. Die Gommunen
der verschiedenen Städte besoldeten, bereits ehe sie sich im Besitze
eines Universitätsprivilegs befanden, Lehrer jener Wissenschaften,
über welche später an ihren Hochschulen vorgetragen wurde, näm-
lich Docenten des Rechts, der Medicin und der artes liberales, und
die in diesen Fächern blühenden Schulen bildeten an vielen Orten
den Stamm der daselbst ins Leben gerufenen Generalstudien.
Diesem Umstände ist es zuzuschreiben, dass man die Vor-
geschichte der Hochschulen in keinem Lande so gut verfolgen
kann, wie in Italien. Die Städte resp. Republiken bedurften zu-
nächst für ihre mannigfachen Aemter, z. B. für die des Podesti, der
dem ankritischen Berichte der zweiten Vita des hl. Antonios im Cod. Pa*
tavin. S. Antonio n. 74 (Ausgabe von Josa p. 90), der Vita des hl. Anto-
nios in der Chronik der XXIV Generale, die mit der 2. in AA. SS. Jon. II,
124t identisch ist, und der Notia in der Antiqua legenda S. F. Francisci
(Cod. Vat. 4354 Bl. 65 b. Cod. Berolin. 4^ n. 196) Okuben schenken. Schon
Aasognidi» 8. Antonii Ulyssiponensis sermones in psalmos (Bononiae 1757)
p. XC hat darauf hingewiesen, dass Anton mit Thomas Gallus nur bekannt
gewesen sei. Letzterer war allerdings einst Lehrer in seinem Kloster St.
Victor an Paris, wie er in seinen Extractiones, De coel. hierarchia c. X
(Cod. Laurenz, ^lut. XVL dezt cod. 8 Bl. 59) bemerkt.
»7) Vgl. oben S. 277 Anm. 226.
^«) S. oben S. 279. 281. 290 Anm. 267. 277.
732 I^- ^le ünifenit&teli im Verhftltnisse lu den firfiheren Schalen.
Gonsuln, der Judices (Advocati) und Notare, geschulter Juristen.
Diese konnten sie femer nicht bei Entwerfong ihrer Statuten
entbehren. Folgt nun einerseits daraus, dass an den Schulen
Italiens das Studium des Civilrechts die erste Stelle behaupten
musste, so ergibt sich auch, dass die Sorge für den Unter-
richt in der genannten Disciplin den St&dten selbst an-
heimfiel. Um des Zusammenhanges willen mit der Jurisprudenz
fügte man auch zumeist das can. Recht dem Lehrplan ein.
Nicht minder liess sich die Stadt das Studium der Medicin an-
gelegen sein, denn dieses brachte ihr den Vortheil, zum Nutzen
der Einwohner Mediciner, die zugleich Vorlesungen hielten und
ihre Praxis ausübten, an sich zu ziehen. Hand in Hand mit
dem medicinischen Studium gieng damals das der artes liberales,
wie es bereits Friedrich H. in einem seiner Statuten ausgesprochen
haf '). Nicht umsonst wurden in Italien die Mediciner sehr
häufig als Artisten bezeichnet.
Auf die Pflege der genannten Wissenschaften, und unter
ihnen vorzüglich jene des röm. Rechts und der Medicin, nahmen non
vielfach die Städte in ihren Statuten seit dem 13. Jh. Rücksicht
Nicht selten begegnen wir in denselben einem oder mehreren
Paragraphen, welche Bestimmungen über die Ausdehnung der
Lehrfächer, die Anzahl der Professoren, welche dieselben vor*
tragen sollen, das von der Commune zu bezahlende Salarium,
die von ihr gewährten Freiheiten u. s. w. enthalten. Ich habe
oben bei Darstellung der einzelnen Universitäten widerholt auf
solche Statuten aufmerksam gemacht, und man hat bisher aus
derartigen Verfügungen, soweit solche bekannt waren, mit Un-
recht auf die Existenz eines Generalstudiums in dieser oder jener
Stadt geschlossen"^). Das Datum der Statuten lässt uns femer
3^^) Qaia nonqnam sciri potest scientia medicine, nisi de loyca prescia«
tor etc. Orlando, Un codice di leggi e diplomi Siciliani p. 42.
^ So wird gewöhnlich in den Universitätenverseichmssen nicht blom
die Stiftung der Univerdtäten Ferrara, Florenz, Perugia su frühe (erttere in
das Jahr 1264, Florenz 1321, Femgia 1276) angesetzt, sondern wegen solcher
städtischer Statuten hie and da eine Schale als Generalstadiom bezeichnet,
die doch nie eines gewesen ist. Coppi fällt p. 90 in Bezog auf KoTara,
p. 95 rücksichtlich Cremona in diesen Fehler. Der Umstand, dass z. B.
in Cremona eine nniversitas scolarinm bestand, beweist in keiner Weise
4. Die Schulen ItalienB und die UnlTenititen. 783
den Zeitpunkt erkennen, in welchem die Verordnungen wenigstens
theilweise zur Ausführung gelangt sind, es zeigt uns also, wann
in dieser oder jener Stadt eine Schule existierte.
Weit mehr werden wir jedoch über diesen Punkt durch
andere städtische Beschlüsse aufgeklärt. Wollten nämlich die
Städte ihren Zweck bei Gründung der Lehranstalten erreichen,
so mussten sie sich nach geeigneten Lehrkräften umsehen, sie
berufen und mit ihnen über das Gehalt contrahieren. Die städ-
tischen Lehranstalten waren ja nicht so geartet wie die Dom-
und Stiftsschulen, an denen der Leiter der Schule, der nur hie
und da berufen wurde, entweder selbst Unterricht ertheilte oder
ihn anderen, denen er die Licenz gab, überliess. Für deren Unter-
halt ward auch durch kirchliche Beneficien gesorgt. Die Stadt-
obrigkeit aber musste darüber Rath halten, wie viele Professoren
sie besolden könne, auf welche Summe das ihnen in Aussicht zu
stellende Honorar sich belaufen werde, und woher die Lehrer zu
bestellen seien. Wie andere Beschlüsse, welche die Commune
betrafen, fanden auch diese protocoUarische Aufiiahme, und
es wurden sodann die für die einzelnen Professoren, für Miethe
und Instandhaltung der Schullocalitäten, fi(ir Bedelle u. s. w.
ausgeworfenen Summen eingetragen. So kommt es, dass man
aus den alten BathsprotocoUen und Rechnungsbüchem, soweit
sie uns überliefert sind, die Existenz, Beschaffenheit und
Geschichte der italienischen Stadtschulen seit der 2. Hälfte des
13. Jhs. in einer Weise eruieren und verfolgen kann, wie dies
hinsichtlich der Lehranstalten ausserhalb Italien nicht möglich
ist. Zu gute kommt dem Forscher dabei, dass die Lehrer, be-
sonders jene des Rechts, nie zu lange an einem und demselben
Orte verweilten, was mit sich brachte, dass die Commune, wollte
sie das bereits bestehende Studium nicht eingehen lassen, widerum
Beschlüsse fassen und zu einer Neuberufung schreiten musste.
für die Existenz einer Hochschule. Im Irrthome befindet sich femer
Goppi, wenn er p. 94 aas einem Statute der Stadt Ferrara vom J. 1364 die
Worte 'nniversitas scolarium' heraosliest. Es ist das oben S. 332
Anm. 418 citierte. Goppi hat, so scheint es, 'oniversitas scolarium' mit *col-
legiom medicorum' Terwechselt, welch letateres allerdings in Ferrara bereits
im 18. Jh. bestand. S. Borsetti, Hist. Ferrariae Gynm. I, 11. Gngusi, Notiaie
storiche suUa u]iiyer8it& libera degli stadi di Ferrara p. 4.
784 IV. Die üniTerBit&ten im VerhftltniBBe sa den froheren Seholen.
Die reichste Ausbeute liefern hinsichtlich solcher Nachweise die
Archive von Perugia, Siena, Treviso für die in den genannten
Städten vor Eröffnung der Universität von den Gommunen unter-
haltenen Schulen. An anderen Orten ist allerdings sehr viel
verloren gegangen; doch lassen sich auch aus dem noch Vor-
handenen wenigstens fOr einzelne Perioden sichere Schlüsse ziehen.
Fast im Stiche gelassen wird man nur in Bezug auf Verona.
Aus solchen von den Ciommunen gepflegten Schulen entwickel-
ten sich in Italien zumeist die Hochschulen. Die Belege finden
sich gedrängt beisammen in der oben dargelegten Grflndungs-
geschichte der einzelnen Universitäten. Selbst dort, wo man nicht
über den Stiftungsbrief hinauskam, bildeten die Stadtschulen die
Ursache zum Beschlüsse, sich um einen solchen zu bewerben.
Eigentlich ergeben sich in unserer Periode, wenn man begreiflicher
Weise vom Studium an der Curie absieht, und Salemo und die
drei durch Auswanderung entstandenen Hochschulen ausser Acht
lässt, nur Neapel, Rom und theilweise Pavia als Ausnahmen'").
Diese Thatsache erklärt es, warum in Italien viele Hoch-
schulen, äusserlich betrachtet, so ziemlich dasselbe Aussehen wie
die zu ihnen führenden Lehranstalten besitzen, so dass sich die
erstem von letztem nur dadurch unterschieden, dass jene das
Promotionsrecht und hie und da mehr Lehrkräfte aufzuweisen
hatten. Nur ausnahmsweise wurde in Folge einer Goncession auch
ein neues Lehrfach, z. B. die Theologie, hinzugenommen. Zu jener
Zeit war in den Errichtungsurkunden die Formel 'Studium predictum
in Studium generale erigere' noch nicht im Brauche ; sie erscheint,
so weit mir bekannt ist, zuerst in dem am 13. December 1474
erlassenen päpstl. Stiftbrief für Saragossa, und dann in dem
Schreiben desselben Papstes vom 1. December 1476, mit welchem
er den Erzbischof von Saragossa zum Kanzler bestellte'*'). Allein
wenn irgendwo so hätte sie in mehreren Stiftbriefen für italienisdie
s>^) Die Schalen Bolognas des 13. Jbs. kOnnen allerdtags nur oneisent-
lich städtische gensnni werden; aher gewiss waren solche jene Arenos in
der iweiten Periode. In Einsicht anf Verona liest sich nichts sagen.
**>) Siztos lY. sagt im letiteren Schreihen: Stadium predictom in ar*
tibas damtaxat in Stadium generale in fscaltate artiam dnmtazat in dicta
civitate Cesaraagastan. com officio eaaeellarialas peipetni efezlBvs ac ala-
4. Die Schulen Italiens und. die UnlTenit&ten. 735
Hochschulen des 14. Jbs. einen Sinn gehabt. Ich nenne beispiels-
weise jene von Perugia, Treviso, Pisa (wo freilich auch die
Theologie hinzukam), Siena, Orvieto. Thatsächlich wurde nur
die bereits bestehende Schule zu einem Generalstudium erhoben.
Dass die Universität von Siena und besonders jene von Peru-
gia nachher immer mehr Bedeutung gewannen, schwächt die
Beweiskraft des Factums nicht ab.
Selbstverständlich lassen sich solche Nachweise bei jenen Hoch-
schulen, die ex consuetudine oder durch Auswanderung entstanden,
nicht führen. Allein nichts destoweniger verdankten auch sie
ihr Gredeihen zum grossen Theile den Gommunen. Dies ist ein
weiterer Punkt, den wir in Erwägung ziehen müssen.
Die Städte beschäftigten sich nämlich mit ihnen nicht
weniger, als mit den aus den Stadtschulen erwachsenen Univer-
sitäten. Die Stadt übernahm überall die Besoldung der Pro-
fessoren'"). War dies auch z. B. zu Bologna im 13. Jh. wegen
der eigenthümlichen Entwickelung jener Schule nur vereinzelt
der Fall, wie sich aus dem oben Angeführten ergibt und ich
des weiteren im 2. Bande darlegen werde, so griff doch auch
dort mit der Zeit das überall geltende System Platz'"*). Diese
Art und Weise der Besoldungen brachte es auch mit sich, dass,
gieng an manchen Hochschulen die Wahl der Professoren, soweit
wir Kenntniss davon haben, von den Scholaren aus"^), doch die
vorgenommene Wahl durch die Zusage der Stadt bedingt war, wie
für Padua ausdrücklich erwähnt wird'"), und die Geschichte der
Hochschule von Perugia bestätigt. Ueberall traten femer die
Universitäten in ein gewisses Abhängigkeitsverhältniss zu den
städtischen Communen in Hinsicht auf das Recht tiorporationen
einzugehen, auf Freiheiten und Privilegien, und zum Theil auch
rücksichtlich der Statuten. Ordneten ja nicht selten die Städte
taimns et ordinaTimas. Arch. Laterani Beg. Sixti lY. 1476 an. 6. L 1
Bl. 186a. Die eigentliche Universität Saragossa wurde jedoch erst 1541 von
Karl y. errichtet
^) Als Beispiel fahre ich unten Beilage I die städtischen Statuten
Padnas ans den Jahren 1259—1275 an.
«»•) S. oben S. 208 f. Savigny lü, 240ff.
»*) Vgl dazu oben S. 197 f. Wegen Perugia s. S. 537,
»») S. oben S. 197 Anm. 527. Vgl. dazu Beilage I.
736 IV* ^^ Unifenit&teii im Yeriiftltiiisse sa den frflheren Schalen.
selbst an, welche Fächer und in welcher Weise sie voi^tr&gen
werden, wie stark sie vertreten sein mflssten, wann die Kurse
beginnen sollten jl s. w. Dies war nicht bloss üast ausnahmslos
bei allen kleineren Hochschulen der Fall, sondern öfters auch bei
grossem. Die Communen liessen zudem die Errichtung der Schulen
den Nachbarorten durch ihre Ausrufer bekannt machen. Bei-
spiele sind uns erhalten von Vercelli, Perugia, Treviso, Pavia,
Siena, Orvieto, wie auch von Macerata, wo sich erst im 16. Jh.
eine Hochschule constituierte, und von Todi, wo nie eine entstand.
Dass in Italien die Generalstudien aus den Stadtschulen,
und nicht aus Dom- oder Stiftsschulen hervorgegangen sind, und
dass sie als Generalstudien recht eigentlich städtische Lehran-
stalten waren, erhellt auch aus der Thatsache, dass wir in
der Universitätsperiode nicht einmal einem Magister scholarum
oder einem Scholasticus begegnen, der, sei es unter dem alten
Namen, sei es mit dem Titel Gancellarius, sein bereits vor GrQndung
der Universität inne gehabtes Amt in neuer Weise fortgesetzt
hätte, oder bei Gewährung des Privilegs eines Generalstudiums
designiert worden wäre, die Licenz zu ertheilen. In Bologna
wurde erst von Honorius HI. im J. 1219 der Archidiacon bestellt
die Prüfungen zu überwachen und Licenz zu geben. In Padua
übertrugen die Scholaren oder die Rectoren selbst dem Bischöfe
das Recht, die beiden Aemter zu übernehmen. An nicht
weniger denn 13 Hochschulen, die einen Stiftbrief erhielten, wurden
dem Bischof die genannten Befugnisse übertragen. Es sind dies
Zeichen, dass in Italien die Hochschulen nicht mit Dom- oder
Stiftsschulen in Verbindung getreten waren, und dass letztere
dort, wo sie früher von sich reden machten, nicht f&r die Gene-
ralstudien die Voraussetzung gebildet haben*
Nun erklärt es sich auch, warum gerade in Italien die Scho-
larenverbindungen mit eigenen Rectoren enstanden sind und ent-
stehen konnten. Hätte sich die Schule Bolognas (und auf
diese kommt es natürlich zunächst an, da die übrigen Univer-
sitäten ihre Verfassung nur Bologna entlehnten) unter einem
Kanzler wie Paris, Oxford, Cambridge u. s. w. entwickelt, oder
hätte sie sich wie Orleans und Angers im Beginne sofort mit
einem Scholasticus in Verbindung gesetzt, so würden sich nicht
4. Die Schulen Italiens und die Uniyersit&ten. 737
bloss nicht Scholarenverbindungen mit der oben beschriebenen
Organisation gebildet haben, sondern auch die Entstehung eines
Rectorates, um nicht zu sagen das der Scholarencorporationen,
wäre erst möglich gewesen, nachdem der Kanzler an seiner Macht
bereits Einbusse erlitten hatte "^). Was ich oben im 2. Paragraph
dieses Abschnittes in Hinsicht auf Paris gesagt, hat auch hier
seine Geltung. Die bekannte Verfassung der Universität zu
Bologna war allein möglich, weil die Scholaren ausser den Pro-
fessoren nur der Stadt gegenüber standen, der es an sich gleich-
gültig sein musste, ob die Scholaren oder die Professoren Yer-
^ Allerdings wird man mir Savignys Behauptung entgegenhalten, dass
Bologna fCkr aUe alten französischen Universitäten das Master geworden ist.
Gesch. des röm. Rechts 111, 385. 157. Vgl. auch Tharot zu der Bibliothöque
de r^cole des chartes XXXII, 380. Die Schulen von Orleans und Angers
entwickelten sich aber unter dem Scholasticus. Dem gegenflber erwidere
ich, dass Savigny auf ganz falscher F&hrte war. Nur in Montpellier und
Perpignan (betrachten wir Frankreich in der heutigen Gestalt) erscheint die
Bologneser Verfassung als Muster. Auf alle abrigen Hochschulen Frank-
reichs wirkte diejenige von Paris ein. Im 2. Bande werde ich ausführlich
darauf zu sprechen kommen. Ich will hier nur mit wenigen Worten
eioige Punkte in Hinsicht auf Orleans und Angers berflhren. Cle-
mens y. gestattete im J. 1306 den Professoren und Scholaren von Orleans,
ein CoUegium nach Art jenes von Toulouse zu bilden (s. oben S. 257). In
Toulouse befanden sich aber die Professoren im Besitze der Gewalt; und eben
dieses war auch in Orleans der Fall. Der Hauptfactor war dort das Doctor-
collegium mit dem Rector; von ihnen giengen auch die Statuten aus. Allerdings
machte sich ein Einfluss von Bologna bei den Nationen und Procuratoren
geltend. Man darf aber nicht vergessen, dass in Orleans die genannten Yer-
h&Itnisse nicht aus einer spontanen Entwickelung resultierten (und von
dieser spreche ich oben), sondern von aussen geschaffen wurden. In Angers
war der Scholasticus bis 1398 Haupt des Studiums; ihm schuldeten alle Gehor-
sam. Erst im erw&hnten Jahre wurde in Folge eines Zerwürfnisses der
Scholaren mit ihm von zwei königlichen Commiss&ren beschlossen, die
Universität solle in Zukunft nach Art anderer Hochschulen von einem Bec-
tor, einem CoUegium doctorum und den Procuratoren regiert werden. S.
Rangeard I, 375 ff. 380. Savigny und Thurot gelangten nur deshalb zu ihren
Aufstellungen, weil sie die Geschichte der einzelnen Universitäten nicht
kannten. Sollte jemand auf die Hochschule Salamanca hindeuten, die un-
ter dem Domscholasticus entstandi und trotzdem die Bologneser Verfassung
aufweist, so Obersieht er, dass letztere entlehnt wurde und sich nicht in
Salamanca entwickelt hat.
D e n i f 1 • , Die UnireniMten I. 47
738 I^- ^i^ Uniyersit&ten im Verhältnisse su den froheren Schalen.
bindungen eingehen wollten, und in welcher Weise dieselben
organisiert wurden. Ihr kam es zunächst darauf an, dass recht
Viele von Bologna angezogen würden und der Ruf der Schule
andere Lehranstalten in Schatten stelle. Zur Erklärung des
Gegensatzes zwischen den Universitäten Paris und Bologna
rücksichtlich der Orundformen der Organisation dient viel eher
die Thatsache, dass erstere eine Domschule mit einem Kanzler
zur Voraussetzung gehabt, letztere aber sich frei entwickelt
hat, als die Annahme Savignys, der republikanische Geist Bo-
lognas habe sich leicht den Studierenden mitgetheilt, und die
Natur der Wissenschaften, um deren willen die Schulen zu
Paris und Bologna entstanden, sei von Einfluss gewesen "0.
Da in keiner italienischen Stadt, in welcher bis zum 15. Jh.
eine Hochschule entstand, eine Dom- oder Stiftsschule die Grund-
lage gebildet hat, so machte es auch keine Schwierigkeit, die an
der Universität Bologna geltende Verfassung anderswo einzu-
führen. Ja wir finden sie z. B. in Perugia und Pisa bereits
ehe daselbst ein eigentliches Generalstudium existierte.
Man hüte sich aber hier Cionsequenzen zu ziehen, wie sie
z. B. Coppi, der freilich mit obigen Thatsachen zu wenig vertraut
war, aufgestellt hat. Die 4struzione laica in Italia' bedeutet bei
ihm 4'independenza intellettuale dei popoli dair Influenza ec-
clesiastica''*'), oder 4a completa emancipazione delle scuole
laiche dall' Influenza ecclesiastica' *"). Solche Aufstellungen
entspringen nur aus den modernen Ideen und sind für die
Epoche, die uns beschäftigt, ein arger Anachronismus. Im 12.
bis 14. Jh. waren der Glaube und der christliche Geist noch
durchaus die herrschende Macht. Haben sich auch damals ein-
zelne von der geistlichen Autorität losgerissen, so that dies doch bei
weitem nicht ein bedeutender Theil oder die überwiegende Mino-
rität. Und selbst zugegeben, dass schon in jener Epoche das
Band, welches Geistliches und Weltliches, Kirche und Reich an ein-
ander geknüpft hatte, locker geworden war, so bleibt Coppis Aus-
M7) Ibid. S. 158.
^ Le universitli itahane p. 27. Auch p. 32 spricht er tob Teman-
cipazione inteUettnale dei laici'.
M») Ibid. p. 32.
4. Die Schalen Italiens und die Uniyenitäten. 739
Spruch trotzdem irrig; die Thatsachen führen gerade zu einer
demselben entgegengesetzten Anschauung.
Am 28. Juni 1219 verfügte Honorius III. in einem Schreiben
an den Archidiacon Gratia, zu Bologna sollte in Zukunft niemand
lehren dürfen ausser mit dessen Genehmigung und nach voraus-
gegangener Prüfung''^). Diese Verordnung hat zu manchen
Erklärungen Veranlassung gegeben. Savigny erblickt den Grund,
weshalb gerade der Archidiacon gewählt wurde, darin, dass er
die Aufsicht über die Domschule hatte und Gratia selbst grosses
Ansehen genoss"'). Mich nimmt es Wunder, dass Savigny als
Juristen die eigentliche Ursache entgieng. Diese ist nämlich
darin zu suchen, dass eben der Archidiacon in Folge einer
Verfügung Innocenzs III. in Hinsicht auf die neu anzustellenden
Beneficiaten bereits ein Amt inne hatte, das demjenigen ähnlich
war, welches er rücksichtlich der Promovendi in den Wissenschaften
von Honorius HI. erhielt. Innocenz HL bestimmte nämlich, dass die-
jenigen, 'qui beneficiis ecclesiasticis preficiendi fuerint, a suo
prius examinentur archidiacono, et per ipsum postmodum epi-
scopo presententur' "'). Es lag zu nahe, dass Honorius HI. in
einer Zeit, in der die Bestimmung seines Vorgängers noch ganz
frisch im Gedächtnisse war, das oben beschriebene Amt bezüg-
lich der in Bologna zu Doctorierenden ebenfalls dem Archi-
diacon übertrug. Das ist die natürlichste Erklärung"*).
^) Bei Sarü II, 59. SavioU II, 2 p. 408 n. 471.
Ml) L. c. S. 225.
^^) Epistolae Innocent. III. ed. Balaze I, 368. Das Schreiben steht in
der Comp. lY. 1, 3, und daraus in c. 7. de officio archidiaconi X. 1, 23.
Raymund von Penafort sagt in dem oben S. 15 citierten noch nicht be«
kannten Werke, das er vor Eintritt in den Orden geschrieben: Officium
examinandi exercebatur olim a sacerdotibus et aliis jurisprudentibus et in
divina lege peritis ab episcopo ad hoc delegatis. XXIIIL dist. guando (d. i. im
Decrete dist. 24 c. 5), et idem esset hodie, si archidiaconus esset absens.
Hodie autem de jure pertinet hoc ad officium archidiaconi. extra IUI. de
officio archidiaconi (n&mlich 1. c. in der genannten Comp. lY.). Cod. Bnrghes.
n. 261 aus der I. H&lfte des 13. Jhs.
*ssj Eichhorns irrige Ansicht s. bei Savigny 1. c. Anm. d. Woher
letaterer die Notia fiber die Domschule au Bologna nahm, ist mir unbekannt;
ich vermuthe aus seiner Phantasie. Ebenso willkürlich ist seine Behauptung,
dass eigentlich die RQcksicht auf das canon. Recht zur neuen Einrichtung
Yeranlassung gegeben habe. Die Ursache bildeten vielmehr die Unordnungen, die
47»
740 ^V. Die Universitäten im Verhältnisse zu den früheron Schulen.
Allein nicht diese interessiert uns hier, sondern vielmehr
die Frage, wie die päpstliche Verfügung von den Professoren
und Scholaren in Bologna aufgenommen wurde. Wäre Coppis
Ansicht richtig, so müssten wir von Conflicten lesen, die in
Folge der päpstlichen Bestimmungen zwischen dem Archidiacon
und den Lehrern entstanden sind. Allein davon ist keine
Rede"*). Savigny behauptete, aus dem persönlichen Ansehen
Gratias erkläre es sich, 'dass von einem Widerspruche der
übrigen Doctoren keine Erwähnung geschieht'. Allein Gratia
war nicht sehr lange in Bologna Archidiacon'"). Hatten seine
Nachfolger dasselbe Ansehen wie er? Hier gibt es nur eine
Erklärung, dass nämlich selbst die Professoren Bolognas, wo
doch wenn irgendwo das römische Recht alles in Fesseln ge-
schlagen hatte, von dem Bewusstsein erfüllt waren, der geist-
lichen Autorität, resp. der Kirche komme zunächst die Aufsicht
über die Schule zu"*). Dieselbe Ueberzeugung beherrschte die
Scholaren Paduas, als sie dem Bischöfe das Amt, das in Bologna
der Archidiacon hatte, übertrugen. Die gleiche Beobachtung
machen wir an den meisten übrigen italienischen Hochschulen.
Obwohl sie Stadt- nicht Domschulen zur Voraussetzung und sich
nicht unter einem bischöflichen Kanzler entwickelt hatten, fand
man es dennoch überall selbstverständlich, dass die Promotionen
sowohl in den päpstlichen als in den kaiserlichen Stiftbriefen
von der Licenz des Bischofes abhängig gemacht wurden. Nirgends
entstand eine Revolte. Waren es doch die verschiedenen Com-
munen, welche sich an den Papst wandten, sei es um Stiftungs-
schreiben, sei es um Privilegien für die Professoren und Scho-
bisher bei den Promotionen , sei es nun in dieser oder sei es in jener
Wissenschaft (der Papst spricht ganz allgemein) , vorgekommen varen, wie
auch Savigny wider zugesteht.
^^) Nur zum J. 1270 wird eine Differenz zwischen den Doctoren und
dem Archidiacon erw&hnt; sie wurde aber bald in Folge der Unterwerfung
der ersteren unter das Urtheil des Bischofes beigelegt. Sarti II, 41. 106.
^) Sarti II, 26. Im J. 1226 wurde von Honorius III. der allerdings
bedeutende Ganonist Tancred zum Archidiacon ernannt. Allein er starb
schon vor Ablauf eines Decenniums.
^^) Paulsen hat hierin viel richtiger als Savigny gcurtheilt. S. Sybels
Hist. Ztsch. 1. c. S. 257.
4. Die Schulen Italiens und die Universitäten. 74]
laren zu erhalten. Aber auch letztere bewiesen in ihren Streitig-
keiten mit der Stadt und den Professoren, wie sehr sie von der
Macht der geistlichen Autorität überzeugt waren'"). Zudem
hat Coppis Behauptung schon deshalb keinen Sinn, weil der
grössere Theil der Studierenden dem geistlichen Stande ange-
hört hat.
Warum erhob endlich die damalige Kirche nicht ein einziges
Mal ihre Stimme gegen derartige Schulen, wenn dieselben nichts an-
deres als 4'emancipazione intellettuale dall' influenza ecclesiastica'
bedeuteten oder wenigstens anbahnten? Finden wir nicht im
Gegentheil, dass sich die Päpste derselben kaum weniger ange-
nommen haben, als der Schulen, welche rein geistlichen Ursprungs
waren? Sie konnten dies um so eher thun, als sie ja öffentlich
aussprachen , dass das Studium des Givilrechts und der
Medicin nicht Sache der Priester und Religiösen sei. Und nur
um die genannten zwei Wissenschaften handelt es sich zuvörderst,
wenn man von den Laienschulen in Italien redet. Geradezu
eine Noth wendigkeit wurde es, dass sich Laien oder clerici, die
nicht Priester waren, mit obigen Fächern beschäftigten, seitdem
Honorius IIL das Studium derselben in seiner berühmten Bulle
Super specula den Priestern verboten hatte. Traten auch in
späterer Zeit häufig Dispense vom Verbote Honorius HI. ein,
so wurde durch dieselben doch immer nur ein Ausnahmszu-
stand geschaffen.
So wird nicht weniger Coppis Behauptung, als auch die
derjenigen hinfällig, welche annehmen, die Universitäten hätten
ausserhalb der kirchlichen Organisation gestanden und sich im
Kampfe wider die Praetensionen der Kirche entwickelt'").
In Italien hieng die Gründung der Universitäten mit dem
freien Städte wesen zusammen. Dieses war in der Epoche, die
uns hier angeht, nirgends so ausgebildet, und war dem Auf-
schwünge des wissenschaftlichen Lebens nicht weniger günstig,
als der Cultur der Künste und der Entstehung der verschiedenen
237) s. oben S. 187.
238) S. S. 654.
742 IV. Die Universitäteii im Verhältnisse zu den früheren Schnlen.
Kunstschulen. Im Besitze von vielen anderen Vorzügen wollten
die bedeutendsten Städte, und zwar zumeist zur Zeit^ als sie
ihre Freiheit noch nicht eingebüsst hatten und zum grossen
Theile ebenso viele Bepubliken repraesentierten, auch ein Gentrum
der Pflege mannigfacher Wissenschaften sein, weniger zwar aus
reiner Begeisterung für dieselben, die ja überhaupt selten vor-
kommt, als vielmehr aus gegenseitiger Nacheiferung, und um
ihren Glanz und ihre Würde zu erhöhen. Nur Salemo macht
begreiflicher Weise eine Ausnahme. Die Universität Neapel
aber ist fürstlichen Ursprungs; die Stadt hat zur Errichtung
der Hochschule nichts beigetragen. Im Uebrigen steht in Italien
das Universitätswesen mit der Entwickelung der Städte im Zu-
sammenhange.
Dem erwähnten Umstände ist es zuzuschreiben, dass dieses
Land seit dem Beginne des 13. Jhs. bis 1400 unter allen
Ländern hinsichtlich der Entstehung von Hochschulen das frucht-
barste war. In nicht weniger denn 22 Orten (Salemo und Neapel
mitgerechnet, von der römischen Curie aber abgesehen) machte
man Anstrengungen in den Besitz einer solchen zu gelangen,
und nur vier Communen sahen ihre Bemühungen nicht vom
Erfolge gekrönt. Die Thatsache verliert dadurch nicht an
Werth, dass verhältnissmässig nur wenige der italienischen
Universitäten eine grössere Bedeutung besassen.
V.
UESACHE DER ENTSTEHUNG DER MITTELALTERLICHEN
HOCHSCHULEN.
Im vorigen Abschnitte haben wir ermittelt, ob und in
welcher Weise die vorhandenen Lehranstalten den spätem Hoch-
schulen zu Grunde lagen. Darüber aber, wie sich die letztem
eigentlich entwickelt haben, sind wir uns noch nicht klar ge-
worden. Mehrere wichtige Fragen werfen sich uns da auf: Wo ist
zunächst die Ursache zu suchen , dass nach Begründung der Uni-
versitäten Paris und Bologna seit dem 13. Jh. der Reihe nach so
viele Hochschulen ins Leben traten? Wie konnten diese neben
jenen beiden entstehen? Warum haben sich mehrere so zu
sagen ohne äusseres Zuthun gebildet, während andere, selbst
wenn sie sich an vorhandene Schulen anschlössen, ja hie und
da aus diesen sogar hervorgiengen , geradezu Stiftungsacten,
die theils von der weltlichen, theils von der geistlichen Macht
erlassen wurden, ihre Existenz als Generalstudien zu verdanken
hatten?
Vergleichen wir ferner den Charakter der Universitäten mit
jenem der Schulen der vorhergehenden Epoche, oder mit jenem,
der sich uns im HI. und lY. Lateranconcil kennzeichnet, so gewahren
wir zwischen dem einen und dem andern einen gewaltigen
Unterschied. An den Universitäten erwarb man sich zunächst
allgemein gültige Grade. Nicht bloss das Wissensgebiet ist an
ihnen gegenüber der früheren Zeit erweitert, sondem auch die
verschiedenen Wissenszweige werden systematischer und nach einer
neuen Methode behandelt. Die Mitglieder der Hochschulen
finden wir überall mit bedeutenden und vielen Privilegien, von
744 ^' Ursache der EnUtehuDg der mittelalt. Hochschulen.
denen man in der vorausliegenden Periode keine Spar entdeckt^ !
ausgestattet, die Anzahl der Professoren wird immer grösser, i
und sowohl sie als die Schüler sehen wir an Hochschulen zu
I
einem CJorpus, der Universitas, vereinigt. Woher nun dieser
Unterschied zwischen der neuem und altern Zeit?
Die Antwort auf alle genannten Fragen versuche ich in den
beiden folgenden Paragraphen zu geben. Sie schliessen organisch
diesen Band ab. Ich bemerke jedoch, dass ich nicht schon hier
vom Verhältniss des Associationswesens an den Hochschulen zu
jenem an der Pariser und Bologneser Schule handeln kann.
Die Untersuchung darüber wird einen Hauptbestandtheil des
zweiten Bandes bilden. Nur vorübergehend wird uns jetzt die
Erörterung zu ihr hinführen.
1. Paris u. Bologna, und die mittelalterl. Hocbschnle. 745
1. Paris und Bologna, und die mittelalterliolie Hoch-
schule.
Vergleichen wir die Universitäten des 16. Jhs. mit jenen des
13. und 14. Jhs., so zeigt sich uns gewiss ein ziemlicher Abstand
zwischen beiden. Trotzdem weisen aber in beiden Perioden die
Hochschulen noch immer mehr übereinstimmende Punkte auf, als die
mittelalterliche Universität und die alten Schulen, zudem die
Unterschiede der neueren Universität sowie überhaupt der
damalige Zustand sich nur allmählich entwickelt hat, bei welchem
Processe das Alte durchweg nothwendige Voraussetzung für
das Neue war. Da ist kein Sprung, während im Mittelalter,
von einigen Ausnahmen, die wir hinsichtlich der italienischen Ver-
hältnisse kennen gelernt haben, abgesehen, der Gonnex zwischen
den Hochschulen und den frühern Lehranstalten in manchen
wesentlichen Punkten mangelt. Woher diese Erscheinung?
Die Antwort wird erst dann vollends einleuchten, wenn wir
die Organisation der verschiedenen Universitäten mit jener von
Paris und Bologna verglichen haben. Doch kann ich nicht
umhin des Zusammenhanges wegen diesen Punkt schon hier in
gedrängter Kürze zu behandeln, und dem zweiten Band so weit
nothwendig vorzugreifen.
Die Frage führt uns zum zweiten Hauptabschnitt zurück,
nämlich zur Erörterung über die Entstehung und Entwickelung
der beiden ältesten Universitäten Bologna und Paris. Die Unter-
schiede zwischen der älteren und neuern Zeit konnte man zuerst
an diesen Schulen beobachten. Sie besassen theilweise schon im
12. Jh., vollständig aber im Beginne des 13. Jhs., alle jene Eigen-
thümlichkeiten , welche die spätem Universitäten vor den vor-
handenen Lehranstalten auszeichneten und die den Begriff eines
Studium generale erschöpfen. An ihnen wurde jene Lehrmethode
ausgebildet, die einem Stephan von Toumay Ende des 12. Jhs.
veranlasste von seinem alten Standpunkte aus beim Papste Klage
zu führen über den Verfall der Wissenschaften*). An jenen
^) Epp. ed. Da Molinet n. 241 p. 366. Ausser bei Böhmer (Corp. jur. caa.
II, XXU) findet man den Brief kaum erwähnt. Stephan von Toumay wendet sich
Tonflglich gegen die dialektische Methode. Ich citiere den Text, der bei Da Molinet
746 ▼• ümde der Kititfh«^ der mätttUL HodwAalf .
goiossa Professoren und Schder zoerst ausser-
ordCTÜiche Privflegieii; dort treffen wir anch die fiHhesten Cor*
poraüonen an.
Um dieser VorzQge willen werden seit dem 12. Jh. nnd
ehe anderswo üniYersitäten gegrOndet wurden, fast nur mdir
diese beiden Schalen Ton den Studierenden aller Lander, die
sich gründlich unterrichten lassen wollten, au^s^sucht: Bologna
wegen der Bechts Wissenschaft, Paris wegen der Theologie und
der artes liberales, ^ur die medidnische Wissenschaft zu studieren
wanderte man theils nach Salemo, yorzOglich aber nach Mont-
pellier. Die Kirche selbst förderte diesen Brauch. Bereits im
J. 1173 beschloss Wilhelm de Honeliis, Bischof Ton Gerona,
mit seinem Gapitel, jenen Ganonikem, welche ausw&rts studieren
sehr TOrderbt ist, nach Cod. Paria. 8923 BL 1621». Der Aator sigt: Lapn
sunt apad nos in conlosioiiiB officinam Bacrarum Btndia litterarnm, dun
et discipnli solu nontatibas applaadnnt, et magistri glorie potias inTigilaat,
qnam doctrine. Novas recentesque summalas et commentaria finnantia mper
theologia passim conscribnnt, qaibus auditores suos denralceant, detineant, de-
cipiant, qnasi nondam sofiecerint Baoctonun opnscula patmm, qnos eoden
spiritu sacram scriptaram lesimiu exposnisse, quo eam composaiBse crediaoa
ApoBtolos et Prophetas. Ignota et peregrina connvüs suis apponunt farcula
. . . Dispatatnr publice contra sacras constitutiones de incomprehensibili
deitate, de incamatione Yerbi verbosa caro et sangnis irre?erenter litigat. In-
dividna trinitas in triTÜB secator et discerpitur, ut tot jam Bint errores
quot doctores, tot scandala qnot anditoria, tot blasphende qnot plalee.
BursaB 8i ventnm fuerit ad jndicia, que jure canonico Bont tractaada vel
a Tobifl comnuBBa Tel ab ordinariis judicibus cognoacenda, profertor a Yen-
ditoribna ineztricabilia silva decretalium epistolarum quaai aub nomine a. r.
Alezandri pape, et antiquiorea Bacri canonea objiciuntur, reapnuntur, eiqHi-
nntnr. Hoc inyolucro prolato in medium ea que a conciliia SS. Patmm aa-
Ittbriter inatituta aunt, nee formam conciliia, nee finem negotiia impoaont
prevalentibna epiatolia, quaa foraitan adTocati conduetitii aub nomine romano-
rum pontificum in apothecia aive cubiculia auia confingunt et conacribont.
Novum Volumen ex eia compactum et in acolis aolemniter legitur et in foro
Yenaliter ezponitur, applaudente caau notariorum, qui in conacribendia an-
apectia opuaculia et laborem auum gaudent imminui et mercedem augeri. Ye
duo predicta aunt, et ecce reatat tertium ye. Facultatea quaa liberalea
appellant amiaaa libertate priatina in tantam servitutem devocantur, nt co*
matuli adoleaoentes earum magisteria impudenter nsurpent et in cathedra
aeniomm aedeant imberbea; et qui nondnm norunt eaae diaeipuli, laborant at
1. Paris u. Bologna, und die mittelalterl. Hochschale. 747
wollten, Unterstützungen zukommen zu lassen '). Allgemein wur&e
der Usus, als Honorius UI. in seiner Bulle Super specula die Ver-
ordnung aufgestellt hatte, dass die Studierenden der Theologie
für fünf Jahre von der Residenzpflicht dispensiert sein sollten und
dass die Metropolitancapitel fähige Leute auf ein Studium schicken
müssten'). Seit der Mitte des 12. Jhs. und im 13. finden wir in
Paris und Bologna alle Nationen vertreten. Diese Universi-
täten waren die beiden grossen Emporien der Wissenschaft in
Europa, die beiden Leuchten, denen man damals nachwanderte.
Doch gestalteten sich allmählich neue Verhältnisse. Zunächst
bildeten sich in den ersten Decennien des 13 Jhs. Abzweigungen
nominentar magistri. Conscribont et ipsi sammnlas suas pluribns saliTis
efflnentes et madidas philosophomm sale nee conditas. Omissis reguUs ar«
tium abjectisqae libris aathenticis artificum muscas inanium verbalorum
sophismatibus suis tamqaam aranearum tendiculis includant. Clamat philo-
sophia Testes suas conscindi et disrumpi . . . Hec omnia pater correptionis
apostolice manum desiderant, ut informitas docendi, discendi, disputandi
auctoritate vestra certam redigatur ad formam etc. Stephan hat yorzOglich
die au Paris herrschende Lehrmethode im Auge. Wie wir bereits oben
S. 657 gesehen haben, war er auf die Pariser Schulen schlecht zu sprechen.
Der Hauptgrund dieser Erscheinung lag wohl darin, dass er sich, im stillen
Kloster erzogen, in die neue Bichtung nicht hineinfinden konnte. Er hatte
jedoch nicht in allem Unrecht.
') Espana sagrada XLIII, 437: Quicunque ex canonicis Gerundensis
ecclesiae causa discendi iter arripuit vel arripuerunt, habeat yel habeant ex
bonis canonicae de unoquoque mense unum ophinum aureum boni auri et
bene pensi annuatim, quandiu fuit vel fuerint in scolis. Praepositi autem
Genmdends canonicae similiter persoWant XII aureos cuilibet canonico Tel
quibnsUbet canonicis Gerundensis ecclesiae eunti Tel euntibus ad scolas in
principio itineris etc. Der Einzelne sollte so lange unterstatzt werden, bis
er zurückgekehrt w&re.
3) Jacob de Albenga sagt auch in der Glosse dazu in Bezug auf jene
'qui mittuntur*: 'Istis quidem providendum est de proTcntibus ecclesie, si
proprii proTcntus ecclesiastici non sufficiunt. Aliis autem, qui non mittuntur
nee eligontur a eapitulo ut doceant, sed proprio motu ad scolas accednnt ut
addiscant, tantum sui redditus assignantur*. Cod. 440 der Gapitelsbibl. zu
Cordoba. Das Capitel Ton Yich bestimmte im J. 1229 während drei Jahre eine
portio canonica jenen Canonikern zu geben, die in Frankreich oder in der
Lombardei studierten. YillanueTa YIII, 24. Solche Beispiele finden sich be-
sonders für Spanien nicht wenige. Den Gapiteln fiel dieser Usus manchmal
leichter, als die Anstellung eines magister scholarum.
748 ^- Ursache der Entstehang der mittelalt. Hochschalen.
v(fti den beiden genannten Universitäten, und zwar vor allem in
Italien, wo mehrere Rechtsschulen ans der Matterschale za
Bologna hervorgiengen. Auch die beiden französischen Rechts-
studien Orleans und Angers scheinen als solche ihr Dasein einer
Uebersiedelung von Pariser Juristen verdankt zu haben. Fast
gleichzeitig machte sich aber in den einzelnen Landern die be-
wusste Absicht geltend, Lehranstalten nach dem Muster jener
von Paris oder Bologna förmlich zu gründen. Man wollte auf
heimischem Boden besitzen, was man bisher mit Mühe und Be-
schwerde im Auslande gesucht hatte. Im 13. Jh. zeigte sich
dieses Streben nahezu bei keiner Stadtgemeinde. Nur Yercelli
und Siena sind hiervon eine Ausnahme. In der Regel ergriffen
damals weltliche Fürsten und kirchliche Personen die Initiative.
Erst im 14. Jh., als bereits da und dort Universitäten vorhanden
und errichtet waren und sich herausgestellt hatte, dass der
Besitz einer Hochschule in Folge des Herbeiströmens von Lehrern
und Schülern der Stadtgemeinde auch materiellen Gewinn bringe,
bemühten sich allerorts die städtischen Obrigkeiten ein Univer-
sitätsprivileg zu erhalten. Wir finden sogar, dass dies nicht
bloss an Orten geschah, in denen das Generalstudium von einer
Stadtschule eingeleitet wurde, sondern auch dort, wo wie in Köln
und Erfurt vorher Stiftsschulen bestanden hatten.
Zuerst wurden die romanischen Länder, denen ja auch die
beiden Universitäten Paris und Bologna angehörten, von der
neuen Bewegung ergriffen*). In Italien wurde sie durch jene
Schulen, die aus Bologna hervorgiengen, vorbereitet. Das Stu-
dium zu Bologna glich dem ins Wasser geworfenen Stein, der
einen mächtigen Wellenschlag zur Folge hat. Anfangs bildeten
sich die Kreise eng um Bologna herum, und im ganzen 13. Jh.
blieben sie auf Oberitalien beschränkt; nur ausnahmsweise be-
rührten sie das südliche Gebiet Im 14. Jh. erfuhr aber auch
dieser Theil die volle Wirkung von Bologna. In das 13. Jh.
fällt die Stiftung der Universität Neapel durch Friedrich IL, der
zur Gründung derselben zweifelsohne durch die Schule von Bo-
*) Anf die Auanalinestelloiig EngUoids konme ich am Schlaue ma
^rechen.
1. Paris u. Bologna, und die mittelalterl. Hochschole. 749
logna veranlasst wurde. Auch das zwar erfolglose Bemühen
der Stadtobrigkeit zu Siena im 13. Jh. wurde durch die Schule
in Bologna hervorgerufen. Der Beginn des 14. Jhs. ist zugleich
der Anfang der eigentlichen Gründungsperiode von Universitäten
in Italien. Rom und Perugia stehen hierin obenan. Das Ideal,
welches die Commune von Perugia anstrebte, war, wie wir oben
gesehen haben, 'consuetudo et stilus et mos studii Bononiensis' ^).
Rasch folgten auf einander die übrigen Hochschulen, die hin-
sichtlich des Hauptfaches, der Rechtswissenschaft, in directer
Abhängigkeit von Bologna standen, bezüglich der Theologie und
der Artes jedoch auf Paris blickten, und nur in Rücksicht
auf die Medicin von Salerno oder Montpellier vielleicht indirect
beeinflusst wurden. Doch darf man nicht vergessen, dass in
Bologna während des ganzen 13. und 14. Jhs. die Artes und die
Medicin gelehrt wurden, mithin Bologna auch in diesen Fächern
das Musterbild für andere italienische Universitäten sein konnte.
Für das theologische Fach war bis 1360 wohl immer Paris der
directe oder indirecte Ausgangspunkt.
Spanien ist eines jener Länder, welches am frühesten den
Einheimischen den Besuch auswärtiger Universitäten ersparen wollte.
Diese Thatsache verliert dadurch nicht an Bedeutung, dass die
ersten daselbst gemachten Anstrengungen keine grosse Wirkung
erzielt haben und sich im Studium zu Palencia gewissermassen
noch die alte und neue Zeit berühren. Die eigentliche Univer-
sitätsperiode beginnt dort mit der Stiftung der Hochschule zu
Salamanca; und an ihr wurden wie an den übrigen spanischen Uni-
versitäten durchweg die Verhältnisse von Bologna zum Vorbild
genommen. Auch die juristische Facultät zu Montpellier, in jener
Zeit unter der Herrschaft der aragonesischen Könige, hatte sich
nach Bologna gebildet^). Man weiss auch von bedeutend mehr
Spaniern zu berichten, welche Ende des 12. und im 13. Jh. zu Bo-
logna als zu Paris studiert haben. Den Zweck bei Errichtung
der Universitäten hatten am besten die aragonesischen Könige klar-
ö) S. S. 545.
^) Nur die medicinische Facult&t zu Montpellier and Sevillas Lehran-
stalt fQr Latein und Arabisch entstanden unabhängig von Paris oder Bologna.
750 ^' Ursache der Entstehmig der mittelalt. Hochschideii.
gelegt Sie wollten ihre Unterthanen der schweren Mühe entheben
bei fremden Völkern die Wissenschaft zu suchen; sie sollten
dieselbe nun in nächster Nähe finden.
Frankreich erfuhr die Rückwirkung seiner Universität
Paris sehr frühe. Die erste nach deren Muster daselbst ge-
stiftete Universität ist jene zu Toulouse (1229). Die Gene-
ralstudien zu Orleans und Angers waren als solche, wie sich
uns ergeben hat, wahrscheinlich Ableger der Universität Paris,
und in ihrer weiteren Entwickelung sowohl von letzterer als auch
von jener zu Bologna abhängig. Die Bemühungen, in Pamiers
eine Hochschule zu errichten, waren fruchtlos. Dass die Hoch-
schulen zu Avignon und Orange als einstige Particularstudien
unter dem Einflüsse von Paris und Bologna entstanden sind,
zeigt deren Entwickelung als Generalstudien. Jedesfalls wurden
sie solche erst durch die Stiftbriefe, und traten wie die Univer-
sität Gr^noble mit dem Besitze eines solchen in die Beihe
jener Hochschulen, welche an den Privilegien von Paris und Bo-
logna participierten. Die Universität Gabors wurde nach dem
Muster von Toulouse, also indirect nach jenem von Paris angelegt.
Noch vor Deutschland strebten Portugal und Irland darnach
auf heimischem Boden eine jener Lehranstalten anzusiedeln, die man
bisher nur im Auslande zu bewundem Gelegenheit gehabt hatte.
Während man in Portugal auf die Gefährlichkeit der Reisen nach
solchen Studienorten hinwies Oi und von König Jo£o ausdrücklich
erwähnt wird, dass man durch Gründung der Hochschule den
Unterthanen das bisher auswärts gesuchte Brod des Geistes im
Inlande zu bieten unternommen habe'), wird in der Bittschrift,
welche von Irland aus an den Papst gesandt wurde, auf die
Schwierigkeit des Verkehres mit anderen Ländern aufmerksam
gemacht Und so entstand im J. 1288 die Universität zu Lissa-
bon. Kein Glücksstern waltete jedoch über der 1312 bewilligten,
1320 eröflEoeten Hochschule zu Dublin.
Als in Deutschland die erste Hochschule gegründet wurde,
befanden sich ausserhalb Italiens bereits in 15 Städten Universitäten,
7) S. oben 8. 522.
8) 8. oben 8. 638.
1. Paris u. Bologna, and die mittelalterl. Hochschnle. 751
die mehr oder weniger auf Paris und Bologna als auf ihre Mutter-
anstalt zurückblickten, und an 5 anderen Orten waren wenigstens
Anstrengungen gemacht worden, in den Besitz eines General-
studiums zu gelangen. Italien aber hatte im Jahre 1347, als
nämlich der päpstliche Stiftbrief für die erste deutsche Univer-
sität ausgefertigt wurde, ebenfalls in 15 Städten (Bologna mit-
gerechnet) Hochschulen erstehen sehen, von denen nur zwei
im Beginne missglückten. Ausserdem existierte das General-
studium an der Curie. Es ist schwer zu sagen, warum die
Deutschen so lange gezögert haben. Sicher ist allerdings, dass
damals keine andere Nation eine so grosse Wanderlust besessen
hat als die deutsche. Das Leben in der Fremde mochte den
deutschen Studierenden um so mehr zugesagt haben, als ihre
Nation, der das römische Kaiserthum angehörte, schon frühe
gerade an den grossen Studienanstalten vor anderen ausge-
zeichnet wurde. Dies war vorzüglich in Bologna, Padua und
Orleans der Fall. Auch in Paris erhielten sie wenigstens in der natio
anglicana, deren Mitglieder sie waren, allmählich das entschiedene
Uebergewicht Sei dem aber wie ihm wolle, die fünf deutschen
Universitäten haben in Paris ihre Wurzeln und sie sind genauere
(obgleich bei weitem nicht vollkommene) Abbilder der dortigen
Hochschule als irgend eine der übrigen. In den ersten Urkunden
der Universitäten Heidelberg und Köln wird noch ausdrücklich
erwähnt, letztere seien errichtet 'ad instar studii Parisiensis\
Man sollte meinen, die Polen und Ungarn hätten sich am
frühesten um ein Generalstudium bewerben sollen, da sie von
den Gentren der Wissenschaften am weitesten entfernt waren.
In der That stehen sie jedoch mit ihren drei Universitäten
Krakau, Fünf kirchen und Ofen in letzter Reihe. Die polnische
nahm in der Gründungsepoche (1364) Bologna und Padua zum
Vorbilde, über die ungarischen lässt sich nichts bestimmtes sagen.
In dieselbe Zeit (1365) fällt noch des Grafen von Savoien
an Karl IV. gerichtete Bitte um Gewährung eines General-
studiums zu Genf. Allein, wie wir oben gesehen haben, kam
man dort nicht über den Stiftbrief hinaus.
Eine Ausnahmestellung beansprucht England. Ist zwar an
der Schule in Oxford, soweit wir über sie Nachrichten besitzen,
752 V. üraache der Entstehnng der mittelalt. Hochsclmlen.
bereits im 12. Jh. ein Einfluss von Paris (durch Robert Pallas)
und Bologna (durch Vacarius) zu bemerken, der sich im 13. Jh.,
als in Paris so viele Engländer studierten, noch weit mehr
offenbart*), so kann man doch weder Paris noch Bologna
als alleinige Ursache der Entstehung der Oxforder Schule oder
des dortigen Generalstudiums, zu dem die Schule fortschritt,
bezeichnen. Im zweiten Bande wird sich auch deshalb die
Verfassung der Oxforder Universität als eine Hauptform für
sich erweisen, wenngleich sie sich schliesslich in jene von
Paris auflösen lässt. Cambridge ist abhängig von Oxford.
So fallen also die englischen Universitäten gewissermassen ausser-
halb des Rahmens, und es bleibt mithin wahr, dass sich nicht
in den germanischen sondern in den romanischen Ländern zuerst
das Streben geltend gemacht hat, eine Universität nach dem
Muster von Paris oder Bologna zu besitzen.
Unser Resultat lautet also, dass sämmtliche Hochschalen
jenen zu Paris und Bologna ihren Ursprung zu verdanken haben.
Nur die medicinischen Schulen von Salemo und Montpellier, sowie
die linguistische zu Sevilla, zum Theil auch die englischen Universi-
täten machen eine Ausnahme. Letztere haben sich jedoch keines-
wegs unabhängig von der Universität Paris entwickelt. Im übrigen
weisen alle Hochschulen auf jene von Paris oder Bologna als auf
ihren Ursprung hin. Dem Streben in den Besitz eines General-
studiums zu gelangen lag schliesslich jedes Mal der Gedanke zu
Grunde eine Lehranstalt ähnlich jener in Paris oder Bologna,
oder wenigstens solcher, die sich nach denselben gebildet hatten,
zu erhalten. Und darum betrachtete man auch als Aafigabe der
^) Robert Grosseteste sagt auch in Hinsicht auf die in Oxford einin-
haltende LectionsordnuDg der Theologen: ne . . . a patram et nu^orani resti-
giis et coformitate regentiam Parisius manifeste recedatnr.
Robert! Qrosseteste epistolae ed. Loard p. 347 ep. 125. Aach hinsichtlidi
der Lehrer selbst schloss man sich in Oxford an Paris an. Kin beeoaden
interessantes Beispiel ist ans in einer Hs. za Assisi erhalten, in der
Qoaestiones dispatatae planum magistronun in conTentu firatnim Ozoa stehen,
von denen eine ein Magister hielt, welcher sich aaf eine Entseheidong der
Pariser Magister berief, bei welcher anter anderm Qerard von Ahberflle,
Johann Peckam, Thomas ▼. Aqain and aberhanpt gegen 84 Doctoras 4er
Theologie betheiligt waren.
1. Paris u. Bologna, und die mittelalterl Hochschule. 753
Universitäten mehr oder weniger die zu Paris oder Bologna ver-
tretenen Wissenschaften und zwar in der daselbst gebräuchlichen
Methode zu lehren ^^). Hierin hielten auch Oxford und Cambridge
mit den übrigen Hochschulen gleichen Schritt. Paris und Bologna
waren die Musteranstalten und Vorbilder, denen man nach-
eiferte").
Nun begreifen wir, warum die neuen Lehranstalten den
alten Schulen nicht mehr ähnlich sahen, ja nicht ähnlich sehen
konnten. Glichen doch erstere einer ausländischen Pflanze, die
in fremdes Erdreich versetzt wurde. Nur in Paris und Bologna
sowie in gewisser Beziehung in Oxford (um von den medicinischen
Schulen zu Salemo und Montpellier abzusehen) waren die
Verhältnisse das Resultat eines spontanen Entwickelungs-
processes auf einheimischem Boden. Was dagegen an anderen
Orten entstand, hatte sich nicht daselbst gebildet, sondern war
von auswärts entlehnt.
Diese Thatsachen zogen wichtige Folgen nach sich. Vieles
hätte sich in dem Entwickelungsgange der einzelnen Wissens-
zweige an den Universitäten der verschiedenen Länder anders ge-
lOj Diesen Qedanken hat Paulsen, Qeschichte des gelehrten Unter-
richts S. 14, richtig ausgesprochen, nur war er bei dessen Anwendung
weniger glflcklich. Die Dom- und Stiftsschulen h&tten neben den Universi-
tAten recht wohl bestehen können, denn beide y erfolgten verschiedene Zwecke.
Dies erkannte Paulsen nicht, weil er der Meinung war, die nächste Aufgabe
der üniyersit&ten sei gewesen 'den jungen Canonikem die theologischen und
kirchenrechtlichen Kurse darzubieten' Sybels Hist. Zsch. S. 383. Auch ist
Paulsen nicht consequent, wenn er die Universitäten doch wider aus den
Stiftsschulen hervorgehen l&sst. 8. dazu oben S. 654 Anm. 6 und unten
Anm. 25.
11) Dass Paris und Bologna in Bezug auf die Organisation und Ver-
fassung der übrigen Hochschulen die Typen gebildet haben, wurde seit Sa-
vigny ziemlich allgemein angenommen. Aber nur ganz obenhin betrachtete
man bisher den Einfluss, den beide genannten Universitäten auch auf die
Entstehung der anderen ausgeübt haben. Einen Beweis, dass man zur
Klarheit Aber diese Frage nicht gekommen ist, bildet die oft widerholte
Phrase, die alten Schulen hätten sich zu Universitäten erweitert Völlig im
Stiche gelassen wird man aber durch Meiners, der in seiner (beschichte der
Entstehung und Entwickelung der hohen Schulen die Frage nicht einmal
aufwirft, während sie dort weit mehr am Platze gewesen wäre, als die
Untersuchung 'Ueber den Einfluss der Erfindung des Lumpenpapiers' I, 170.
Denifle, Die UoiTeniUton J. 48
754 V. Ursache der Ekitotehnng der mittelalt. Hochschulen.
staltet, wäre der Ursprung der einzelnen Hochschulen nicht in der
genannten Weise bedingt gewesen. So war die Form bereits für
eine jede derselben gegeben. Am wenigsten darf auffallen, dass
das römische Recht auch an den Universitäten jener Gebiete
tradiert wurde, wo dasselbe kein gesetzliches Ansehen besass, ja
wo im Gegentheile in der Praxis und im Forum das einheimische
Recht in Anwendung war. Man gewöhnte sich in dem römi-
schen Recht als Eaiserrecht ein Weltrecht, ja das Givilrecht zu
erblicken, das kirchliche Anerkennung geniesse und das schon
insoferne alle Christen verbinde. Diese Auffassung entsprang der
Idee vom römischen Reiche^'). Wenigstens sah man in dem röm.
Rechte, seitdem man mit demselben in den italienischen Schulen
bekannt geworden war, eine Art geschriebenes Vernunftrecht, das
auf allgemeine Geltung Anspruch mache und in der Praxis so-
wie bei Anwendung der einheimischen Gesetze eine Erläuter-
ung biete. Dies wurde im Mittelalter bezeichnend genug nir-
gends deutlicher als in Frankreich, wo das römische Recht nicht
gesetzlichen Werth hatte, ausgesprochen'^). Da nun in wenigen
1^) Am prägnantesten erkl&rt sich hierüber wohl Huguccio in c. 12
dist. 1. Nachdem er den Satz aufgesteUt, dass 'qai sabsont romano im-
perio' durch das rOmische Recht 'astringontur', fragt er: Sed quid de
Francis et Anglicis et aliis uUramontanis, nimqaid ligantor legibus romanis
et tenentnr vivere secundum eas? Resp. utiqne, qnia snbsunt Tel snbetse de«
beut romano imperio, nam unus Imperator in orbe, ut YII. qn. 1. Er fahrt
dann noch weitere Gründe hiefflr an, und schliesst, dass 'omnes tenentnr
Tivere secundum leges romanas, saltem quas approbat ecclesia*. Dies be»
ziehe sich selbst auf die Glerici. 'Ideo in cansis ecclesiasticis locum habeat
leges seculares, que non obviant canonibns, alle antem repelluntur'. Cod.
Vat. 2280 Bl. 3 b. Cod. kt. mon. 10247. Ueberhaupt Tgl. Schulte, Gesch.
d. Quellen I, 98.
^>) Philipp der Schöne sagt in seinem im Juli 1312 für die Schule in
Orions erlassenen Schreiben (s. oben S. 261): super negotiis et cantis
forensibus, que spiritualitatem et fidei sacramenta non tangunt, regnum nottnun
consuetudine moribnsque precipue, non jure scripto, regitur, licet in parti-
bus ipsius regni quibusdam subjecti ex permissione primogenitorum nottrorum
et nostra juribus scriptis utantur pluribus, non ut juribus scxiptis regentnr,
sed consuetudine juncta juris scripti ezemplar moribus introducta. Tarnen
ut artium studia liberalinm ad theologie scientiam introducunt, sie legnm et
juris scripti dogmata proficiunt intellectni rationis, ad mores dirigunt, doctri-
nam prestant exequende juatitie et propriant ad ronsuetudinem intellectom.
Da nun dieses geschriebene Recht an verschiedenen Orten 'per aoolatUcot*
1. Paris n. Bologna, und die mittelalterl. Hochschule. 755
Ländern ein schwacher Anfang zu einer Wissenschaft der
Privatrechte gemacht worden war, während das römische
Recht schon längst in Bologna und an anderen italienischen
Rechtsschulen eine wissenschaftliche Behandlung erfahren hatte,
so schien auch einzig das römische Recht unter allen weltlichen
Gesetzbüchern für das Catheder geeignet, und zwar um so mehr,
als ja die Privatrechte nur innerhalb der Gränzen eines Landes
oder einer Stadt Anwendung hatten, die Generalstudien jedoch,
an denen 'generaliter sacra pagina, jura et artes doceantur' ^*),
ihrem Ausdrucke und ihrer Bestimmung nach nicht bloss für die
Studierenden eines Landes, sondern für die aller Länder errichtet
wurden. Von selbst und ohne dass man weiter reflectierte griff man
überall nach dem römischen Rechte. Auf die Idee an einer Uni-
versität das Landrecht zu tradieren konnte man wenigstens im 13 Jh.
nicht verfallen"), so sehr man auch einerseits auf die Beobach-
dociert würde, könne man doch nicht von der Reception desselben sprechen.
Der König approbiere 'legum etiam secularium scriptique juris (saWa parisiensis
studii provisione predicta) in locis egregiis regni nostri studia frequentari pre-
sertim ad doctrinam equitatis et rationis fovendam, per quas in causis foren-
sibus regni buius iudicari consuevit* etc. Cod. Yat. Reg. 405 Bl. 30 a; Ordon-
nances des roys de France I, 502 (die Texte variieren). Diese Bestimmungen
veranlassten Montesquieu zur richtigen Bemerkung, Philipp habe das römische
Recht 'comme raison 6crite' in seinen Ländern vortragen lassen. De l'esprit
des lois 1. 28 eh. 42 (Oeuvres compl. III, 442 ed. Aux Deux-Ponts 1784).
14) S. oben S. 17.
1^) Natarlich ist oben nur von Generalstudien die Rede, nicht von an-
deren Lehranstalten, an denen allerdings hie und da, z. B. in England, das
einheimische Recht gepflegt wurde. S. Schmidt, Die Reception des röm.
Rechts 8. 37. 144. Dieser Autor befindet sich aber im Irrthume mit der
Behauptung, an der Universit&t Gaen sei im J. 1433 die Lehre des rÖm.
Rechts wegen des einheimischen Rechtes untersagt worden (S. 135). Es entgieng
ihm, dass die von ihm citierteh Worte einem Proteste der Universit&t Paris
entnommen sind (s. Jourdain, Index chronol. I, 257 b nota 1), welcher aber
keine Wirkung erzielt hat. S. dazu Bourmont, La fondation de l'universit^
de Gaen (Gaen 1883) p. 29 ff. 36. 188. 147. 183 ff. (Documentej. — DöUinger
verkennt g&nzlich den mittelalterlichen Standpunkt bei Aussprechnng
des Gedankens (Die Universitäten sonst und jetzt S. 8), in Deutschland
hfttte sich mutmasslich vieles anders gestaltet, wenn es bereits im 13. Jh.
die eine oder andere Hochschule gehabt hfttte, n&mlich zur Zeit, als die
Rechtsbflcher, der Schwabenspiegel, der Sachsenspiegel entstanden und
48*
756 ^' Ursache der Entstehung der mittelalt. Hochschalen.
tuiig der Stadt« und Landrechte drang *^), andererseits jedoch
hie und da das Ungenügende des römischen Rechts erkannte.
Man vergegenwärtige sich nur, in welcher Weise Roger Baco
gegen die masslose Ausbreitung desselben sich ereifert. Er
findet es inconvenient, dass es die Cleriker Englands, Frankreichs,
Spaniens studierten, da dasselbe ihnen doch yiel weniger angepasst
sei, als die einheimischen Gesetze, nach denen gerichtlich ent-
schieden werde"). Aber was half dies? Hätte auch das römische
Recht durch ein anderes ersetzt werden können, so würde dies
doch schwerlich, und zwar gerade wegen des gewaltigen Einflusses,
den Bologna und die von Bologna abhängigen Schulen hierin
eine vollständigere nnd besser geordnete Darstellung des Rechts versucht
wurde. Es w&re dann doch wohl, schliesst er, zu einer deutschen Rechts-
wissenschaft, mindestens zu den Anfängen derselben, gekommen, nnd das
römische Recht würde nicht die Alleinherrschaft auf den Schulen erlangt
haben. Döllinger hat hier nicht bloss die Entwickelung sondern auch den
Charakter der mittelalterlichen Hochschulen als Generalstudien ausser Acht
gelassen. Zunächst gab es damals noch keine deutsche Rechtswissenschaft.
Was hatte femer ein Studium generale mit den Stadt- und Landrechten zn
thun, und zwar besonders im 13. Jh., wo sich gerade der Begriff eines solchen
vollständig ausgebildet hatte? üebrigens läugne ich nicht, dass sich auch in
Deutschland manches anders gestaltet haben würde, wenn sich dort unab-
hängig von fremden Einflüssen Hochschulen im 13. Jh. selbständig
entwickelt hätten. Indess der umstand allein, dass Deutschland ein Jh.
froher als thatsächlich Universitäten erhalten hätte, wtLrde in den genannten
Verhältnissen ebenso wenig eine Aenderung hervorgerufen haben, als dies in
jenen Ländern der Fall war, welche eigene Qesetze hatten, und bereits
im 13. Jh. im Besitze einer Hochschule waren.
^^) Aegydius Romanus besteht darauf, dass es sich den Fürsten zieme
'observare bonas consuetudines principatus et regni, et non innovare patrias
leges, nisi fuerint rectae rationi contrariae' (De reg principum Hb. 3
p. 2 c. 31).
1'^) In seinem Compendium studii sagt er im cap. 4. unter anderm:
omne regnum habet sua jura, quibus laici reguntur, ut jura Angliae et
Franciae, et ita fit justitia in aliis regnis per constitutiones quas habent,
sicut in Italia per suas. Quapropter cum jura Angliae non competant statni
clericorum, nee (jura) Franciae, nee Hispaniae, nee Alemanniae, similiter nee
jura Italiae conveniunt uUo modo. Quia si debeant clerici nti legibus patriae,
tunc minus est inconveniens, ut clerici Angliae utantnr legibus Angliae, et
clerici Franciae legibus Franciae et sie de aliis, quam clerici Angliae et
Franciae utantur legibus Italiae etc. Rogori Bacon Opp. quaedam hactenus
inedita ed. Brewer I, 419 f. Vgl. auch ibid Opus tertium c. 24 p. 84.
1. Paris u. Bologna, und die mittelalterl. Hochschule. 757
überallhin ausübten, geschehen sein. Selbst Paris war hinsicht-
lich des römischen Bechts frühzeitig von Bologna abhängig, und
als Honorius IIL die Vorlesung desselben in den Schulen von
Paris verboten hatte, entstanden alsbald in Orleans und Angers,
also wider in Gegenden, wo man nach eigenen Bechten und Ge-
wohnheiten praktisch entschied, römische Bechtsschulen. Ein
nicht weniger interessantes Beispiel bietet uns Aragon. In den
Consuetudines Berdenses wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass das römische Becht in foro, wenn je, an letzter Stelle Be-
rücksichtigung finden solle ^*). Und doch wurde es an der Uni-
versität L6rida nicht weniger als anderswo gepflegt, und die
dort bestehende Corporation war nur von Juristen gebildet.
Wenn es nach und nach dahin kam, dass auch in practischer Hin-
sicht die Parti cularrechte zurückgedrängt wurden und das römische
Becht an ihre Stelle trat, so ist die Hauptschuld daran der
Schule zuzuschreiben, die in Bologna ihren Ursprung hatte.
Der unbedingte Einfluss Bolognas hinsichtlich des röm.
Bechts machte sich allenthalben bei Behandlung des canoni-
schen Bechts geltend. Letzteres hat die wissenschaftliche Aus-
bildung geradezu dem röm. Bechte zu verdanken. Obwohl nun die
canonistische Wissenschaft als ein Theil der Theologie betrachtet,
ja promiscue für Theologie gebraucht wurde, so dass manchmal
unter jus divinum die Theologie, und unter dieser erstere ver-
standen werden muss: so war doch um des eben erwähnten Um-
standes willen zum Verständniss des canonischen Bechts das
Studium des römischen überall geradezu nothwendig.
Nicht minder machten sich die Folgen davon, dass die
Hochschulen in ihrem Ursprung an die von Paris und Bologna
anknüpften, auf andern Wissensgebieten fühlbar. Bis in den
Anfang des 13. Jhs. wurden an nicht wenigen Schulen die
18) De lege romana. Legibus quidem romanis pluribus utimur, plori-
bus non, ut cotidianis tractatibus causarum liqnere potest. In bis antem
Omnibus iste ordo servetur, quod consuetudines nostras scriptae et non
scriptas, cotos et bannos preferimus omnibus, et primo utimur iUis. Post
hoc yero servamus cartas nostras et privilegia principum, postea usaticos,
consequenter leges gotas, ultimo vero loco leges romanas. Bei Yiila-
nueva XVI, 194.
758 V. Ursache der Entstebang der mittelalt. Hochschulen.
Glassiker vorgetragen'^). Um hier nur solche zu erwähnen, die
später Universitäten Platz gemacht haben, so erinnere ich bloss
an Orleans und Erfurt. Durch die Gründung der Hochschulen
wurde aber das Studium der Glassiker fast ganz zurückgedrängt,
weil eben im Entwickelungsprocesse der artes liberales zu Paris
die Glassiker allmählich ausgeschieden wurden, und neben Pris*
cian, dem Doctrinale, Porphyr etc. nach und nach Aristoteles zur
Herrschaft gelangte. Die Dialektik sowie Aristoteles zogen mehr
an als die Grammatik und das Studium der Glassiker. Kein
Wunder, dass auch im Lehrplane um der dialektischen Uebungen
1^) Noch Anfangs des 18. Jhs. war wie im 12. Jh. die Schale Bemards
von Chartres (s. Johann y. Salisbury Metal. 1. 1 c. 24. Opp. ed. Giles Y, 57)
Orleans wegen des Stadiums der 'anctores* ebenso berOhmt, als Salemo
wegen der medicinischen Wissenschaft, Bologna in Bezag aaf das Recht and
Paris rücksichtlich der artes liberales. Gottfried Vinesauf schreibt:
In morbis sanat medici virtate Salernum
Aegros. In caasis Bononia legibus armat
Nudos. Parisius dispensat in artibas illos
Panes unde cibat robustes. Aurelianis
Edacat in canis aatorum lacte tenellos.
Leyser, Hist. poet. et poem. med. aevi p. 862. Dazu vgl. oben S. 252.
Jean de Garlande spricht in seinem Morale scolariam (Cod. 546 zu Brügge.
Bl. 6b) von Orleans, indem er auf die za seiner Zeit gegen die dortigen
Scholaren von Seite der Bürger aasgeübten blutigen Gewaltthaten (s. oben
S. 251 Anm. 135 u. S. 260 sowie Anm. 161) anspielt and dann fortfährt:
Florent aactores et ab illis floridiores
i. e. ad legendam et doctores fiant
Fiunt doctores et letteris atiliores.
Wegen ähnlicher Schalen za Erfart s. obea S. 404 f. 408. Die letzte Spar
von 'aactores' an Universitäten entdeckt man in der ersten von einem
Fürsten errichteten Universität, nämlich in jener von Palencia. S. oben
S. 475 Anm. 1039. Es ist aber wahrscheinlich, dass hier anter 'auctorista'
derjenige Lehrer gemeint ist, welcher jene metrisch geschriebenen gramma-
tischen Unterrichtsbücher erklärte, die 'actores' genannt wurden, von denen
Jacob de Vitry sagt, indem er sie von den Werken der alten Poeten anter-
scheidet: Licet autem utilis sit grammatica ad recte loquendam et recte
pronondandam , caias rei experientiam et ezercitium ex libris metrice
compositis, qui actores dicuntar, et ex carminibas poetaram nobls
conferamas, expedit tamen etc. Sermo ad scolares im Cod. Paris. 17509
Bl. 31b. So wird in dem handschriftlich sich sehr häufig findenden Mora»
1 ium dogma philosophoram 'actor' neben den Klassikern dtiert. Ich erwähne
Codd. Paris. 17811 Bl. 68; 16251 Bl. 177. Capitelsbibl. zu Cordoba n. Sil.
1. Paris a. Bologna, und die mittelalterl. Hochschale. 759
willen das Studium der Grammatik auf ein Minimum beschränkt
wurde. Beispiele, wie die alten Schulen in diesem Punkte zu
Grunde giengen, bieten gerade Orleans und Erfurt").
Der Einfluss der Universität Paris zeigte sich auch auf
theologischem Gebiete. Die Systematik und die dialektische
Methode schoben daselbst das Studium der Väter, wie es noch
im 11. und theilweise im 12. Jh. besonders in den Klosterschulen
betrieben worden war, mehr und mehr in den Hintergrund. Wir
haben oben gehOrt, wie sehr sich darüber Stephan von Toumay
beklagt, und keinen andern Sinn haben die Worte Gregors IX.,
welche er in seiner Bulle Farens scientiarum an die Pariser
Theologen richtet"). Dem Vorbilde von Paris folgte man an
allen jenen Universitäten, an denen der Unterricht in der Theo-
logie erlaubt wurde*').
^) Ich spreche natürlich nur voo der Schule, nicht vom Pri-
yatfleiss einzelner Personen. Denn dass die Klassiker auch zur Zeit, als
die üniversit&t zur Herrschaft gelangt war, hie und da (Cicero und Seneca
durchweg) von einzelnen gelesen wurden, heweist vonfiglich Yincenz von
Beauvais, trotzdem dass im Orden der Dominicaner, dem er angehörte, das
Lesen der heidnischen Autoren im Allgemeinen untersagt war. S. oben
S. 719 Anm. 179. Auch darf nicht vergessen werden, dass in der Schrift
De disciplina scholarium fQr den Schüler noch immer Seneca, Lucanus, Yergil,
Statins, Horaz , Persius, Marcianus Gapella und Ovid bestimmt werden. Wenn
aber Peter von Blois dem Radulf von Beauvais zuruft: Priscianus et TuUius,
Lucanas et Persius isti sunt dii vestri (Ep. 6. Migne, Patrol. lat. t. 207
p. 18), so hat dies nichts mit Paris zu thun.
^1) Magistri vero et scolares theologie in facultate quam profitentur se
studeant laudabiliter exercere, nee philosophos se ostentent, sed satagant
fieri theodocti ... de illis tantum in scolis questionibus disputent, que per
libros theologicos et sanctorum patrum tractatus valeant terminari. Nach
dem Original L. 242 n. 76 im Nationalarchiv zu Paris.
^) Auch hier ist nur von der Schule, nicht von einzelnen Theologen
die Rede. Gerade die Hauptscholastiker des 13. Jhs. und unter ihnen vor
allem Thomas von Aquin und Bonaventura, betrieben das Stadium der Y&ter
in grossartiger Weise; Sp&tere begnügten sich h&ufig, die Stellen aus den
Werken jener Scholastiker oder den Tabulae originalium zu citieren. Die V&ter*
handschriften verschwinden nach meiner Beobachtung in den Bibliotheken Eu-
ropas vom 13. Jh. ab gegenüber denHss.der theologischen Quaestionen, Tractate,
Qaolibeta u. s. w. Der Anfang des 13. Jhs. bezeichnet eigentlich die Grftnze.
Später finden sich allerdings mit Ausnahmen nur mehr kleinere Tractate. Der
Dominicanergeneral Humbert klagt in der leider vergessenen für das Goncil von
760 ^' Ursache der Entstehang der mittelalt. Hochschulen.
Es geht nicht an, schon hier diesen Gegenstand weiter zu
verfolgen. Auch so ergibt sich, dass die Universitäten auf
Paris und Bologna, direct oder indirect, hinweisen.
Nur hinsichtlich der medicini sehen Wissenschaft, die an
den Universitäten fast ausnahmslos neben den andern Fächern
gelehrt wurde, bilden für die italienischen Universitäten wenig-
stens im Beginne des 13. Jhs. Sa lerne, fQr die ausseritalie-
nischen hauptsächlich Montpellier den Ausgangspunkt. Zwar
nennt man in der Regel neben Paris und Bologna bloss Salemo.
Allein diese Schule hatte allerdings für Italien ihre Wichtigkeit;
für die ausseritalienischen Universitäten jedoch höchstens durch
die aus ihr hervorgegangenen Schriften.
Die angeführten Thatsachen erklären zur Genüge die
zwischen den Universitäten der einzelnen Länder herrschende
Gleichförmigkeit. Allerdings bieten sowohl die Vorbereitungen
als auch die Umstände, die da und dort den Beginn einer Uni-
versität eingeleitet haben sowie die Wechselfalle einer solchen
eine grosse Mannigfaltigkeit. Allein in Hinsicht auf das Wesen
der Hochschule kehrt mehr oder weniger immer derselbe Typus
wider. Selbst rücksichtlich der Verfassung besteht, wie wir im
2. Bande erörtern werden, nur eine geringe Variation. Es lassen
sich bloss vier Hauptformen nachweisen, und diese lösen sich
schliesslich in zwei Grundformen, in jene von Paris und Bologna
auf, so dass wir hier widerum auf die beiden Urtypen zurückge-
bracht werden. Hätten sich die Universitäten in den ver-
schiedenen Ländern spontan entwickelt, so würden zwar ein-
zelne Punkte überall gleich geblieben sein, allein es wäre da-
neben eine grosse Manigfaltigkeit zu Tage getreten, und die
Hochschulen hätten den Genius und die Individualität der ein-
zelnen Völker nicht weniger abgespiegelt und geoffenbart, als
Lyon (1274) bestimmteii Schrift Torsttglich, dass die griechischen Theologen
nicht abersetzt würden: Secondo necessaria videtnr copia libromm greco-
nun, nt sc. latini haberent onmia scripta eoium theologicomm exposttoram,
concilioruro, statutorum, officii ecclesiastici, hystoriarum. Yerisimile est enim,
multa ibi inTeniri pro nobis, qnia vero consonant omnia. Et cnratom est de
libris Philosophie et juris transferendis, non sie autem de theologicis, qui
snnt arma militie nostre. Cod. Yat. Pal 965 BL 284 b. Martine - Dnrmnd,
Ampi. coU. YII, 194.
1. Paris tt. Bologna, and die xnittelalterl. Hochschule. 761
dies zu derselben Zeit die verschiedenen Kunstschulen gethan
haben. Allerdings trug zu der ursprünglichen Gleichförmigkeit
einiges auch die überall identische Schul- und Schriftsprache,
nämlich die lateinische, bei. Indess darf man nicht vergessen,
dass dieselbe schon vor dem Entstehen der Universitäten allerorts
angewendet wurde, was aber nicht hinderte, dass damals die
einzelnen Schulen unter sich bedeutende Verschiedenheiten be-
sassen.
Unser Resultat wird dadurch nicht erschüttert, dass sich
mehrere Universitäten nicht bloss an vorhandene Schulen ange-
schlossen haben, sondern dass einige aus letzteren hervorgegangen
sind, so dass man sogar einen Uebergang von der Schule zum
Generalstudium nachweisen kann. Denn da hatte erstere schon
früher, direct oder indirect, eine Wirkung von Paris oder
Bologna erfahren; als das Generalstudium errichtet wurde oder
entstand, war die Schule, an welche es anknüpfte, schon von
der neuen Bewegung ergriffen.
Rücksichtlich der italienischen Universitäten bedarf diese
Thatsache nach dem im vierten Paragraphe des vorigen Haupt-
abschnittes Gesagten keiner neuen Erörterung mehr. Aber auch
bei jenen ausseritalienischen Schulen, welche für die dort im
dritten Paragraphe unter n. 1 aufgezählten Universitäten die
Grundlage gebildet haben"), war nicht die alte, sondern die
neue Lehranstalt die Voraussetzung, wurde gleichwohl zwischen
der alten und neuen Schule die Gontinuität nicht unterbrochen.
Eines der interessantesten Beispiele bietet die Schule in Erfurt
vor Errichtung des Generalstudiums. Innerhalb eines Jahrhun-
derts gieng an derselben die Umwandlung vor sich. Die Lehr-
anstalt des 13. Jhs. war eine Schule alten Stiles, an der mög-
licher Weise wie in Orleans über die alten Klassiker gelesen wurde,
und die sich jedesfalls als einen Ausläufer der Schulen der
früheren Zeit darstellt. In der zweiten Hälfte des 14. Jhs. ist
nur mehr von der philosophia naturalis et moralis und den libri
artium die Rede"). Gleichwie sich hier der Einfluss von Paris
offenbarte, so machte sich an den Schulen in Avignon, Orange
>8) S. oben S. 723 f.
2*) S. oben S. 404 f. 407. 408.
762 V. Ursache der Entstehung der mittelalt. Hochschalen.
and Valladolid, schon ehe dort die Generalstudien bestanden,
auch jener von Bologna bemerkbar. Dieselbe Beobachtung drängt
sich uns mehr oder weniger bei den übrigen Schulen**) auf. So
geartet waren auch jene Particularstudien, auf die in einigen Stift-
briefen, z. B. in jenen fOr die Hochschulen zu Valladolid, Prag,
Orange, hingewiesen wird. In Prag ist bereits im 13. Jh. der
Einfluss von Paris fQhlbar *% War also hie und da der Weg zu
einem Generalstudium geebnet, so ist der Grund davon wider
nur in Paris oder in Bologna zu suchen.
^^) Entgangen ist Paalsen diese Umwandlang der alten Schalen, wie
die von ihm in Sybels Bist. Zsch. S. 383 aufgestellte Behaaptang, der Lehr-
cursas der Uniyersit&ten weiche Ton dem der alten Stiftsschnlen nicht
weiter ab, als die entwickelte Form von der unentwickelten, beweist. Eben
dort stösst man auch auf die total irrige Anschauung, die Universitäten seien
freier construierte Collegiatstifte gewesen (s. oben S. 653 und 398). Da-
durch, dass man die Professoren mit kirchlichen Praebenden behoft ihres
Unterhaltes versah, wird doch die Universit&t selbst, an der sie lehrten,
nicht ein CoUegiatstift. Dies wäre auch dann nicht der Fall, wenn alle
Professoren an einer und derselben Stiftskirche Ganonikate inne gehabt h&tten.
Uebrigens sagt der hl. Thomas ausdrücklich, dass *co]legium scholasticum
(collegium studii) non sit collegium ecclesiasticum', wobei er 'collegium ec-
clesiasticum' vonsOglich im Sinne von Gapitel nimmt (Op. contra impu«
gnantes religionem c. 3 p. 548 t 20 ed. Nicolai), wie sich aus dem Con-
texte ergibt. Noch weiter als Paulsen geht v. Stein, wenn er S. 229
behauptet, die CoUegien lu Paris seien anfangs *ganz der mönchischen
Leitung Oberlassen' gewesen; 4n Oxford und Cambridge bestand geradezu
die ganze Universität nur aus der Gemeinschaft von lauter solchen coUe-
giis'; die alte Universität in England war ^eine Gemeinschaft von Paro«
chialcoUegien' u. s. w. Es fällt mir. nicht ein, so haarsträubende Behaop«
tungen zu widerlegen.
^) S. oben S. 583. Wie in Erfurt im 14. Jh. so wurde in Prag im
13. Jh. über die libri naturales des Aristoteles vorgetragen.
2. GeistL a. weltl. Macht im Verh<niss zum Generalstadium. 763
2. Die geistliohe und weltllohe Maoht In Ihrem Ver-
hältnisse zur Gründang des Generalstudiums.
Im vorigen Paragraph hat sich als Resultat unserer Unter-
suchung herausgestellt, dass die europäischen Universitäten des
Mittelalters im Grossen und Ganzen den beiden Hochschulen zu
Paris und Bologna ihren Ursprung zu verdanken haben, und
dass nur hinsichtlich des medicinischen Faches Salerno und
Montpellier den Ausgangspunkt bilden. Die Frage jedoch,
auf welche Weise die Universitäten ins Leben getreten sind,
bleibt uns noch zu beantworten. Sie fallt mit der anderen
zusammen: wer hat die Hochschulen gegründet? Wer konnte
sie ähnlich jenen zu Paris und Bologna ins Leben rufen?
Diese Fragen wurden bisher höchst ungenügend resp. irrig
beantwortet. Der Gründe für diese Erscheinung gibt es mehrere.
Fürs erste achtete man nicht auf die Entwickelung des Begriffes
eines Generalstudiums und auf das Wesen desselben. Dann
mangelte bis in die jüngste Zeit eine umfassende Kenntniss
der Stiftungen der einzelnen Universitäten. Kaum ein Fünftheil
der letzteren wurde bei Behandlung dieser Fragen zum Vergleiche
herangezogen. In Deutschland begnügte man sich sogar in der
Regel nur mit den deutschen Universitäten. Und doch kann
man hier zu einem richtigen Resultate lediglich nach einem
Vergleiche aller Universitäten gelangen, sonst baut man Schlüsse
auf mangelhafte Induction'O- Endlich besass man einen irrigen
oder wenigstens unklaren Begriff vom Charakter des christ-
lichen Mittelalters, von dem damals herrschenden Verhältnisse
der verschiedenen Gewalten zu einander.
Dass ich den Forschern nicht zu viel aufbürde, beweisen
die Behauptungen, die von ihnen hinsichtlich der Gründungen
der Universitäten ausgesprochen wurden. Sie leiten am besten die
^7) Ein interessantes Beispiel hiefür bietet ein Artikel in den Analecta
juris pontificii (Romae 1855), De Pinstruction publique. Der Autor argumen-
tiert nur aus den päpstlichen Schreiben, die im Bull. Rom. hinsichtlich der
Universitäten enthalten sind, und kommt dann p. 1770 folgerichtig zum
Schlüsse, dass nur die Päpste 4e pouToir de conf6rer les grades' ertheUt
hätten. Natürlich, im Bull. Rom. stehen eben nur päpstliche nicht landes-
herrL Stiftbriefe. Nicht anders verfuhr Schulte. S. unten Anm. 32.
764 ^- Ursache der Entstehaog der mittelalt. Hochschalen.
Darstellung des wahren Thatbestandes ein; gerade deren Unhalt-
barkeit wird die Nothwendigkeit ergeben einen neuen Weg bei
Behandlung dieses Gegenstandes einzuschlagen.
Hauptsächlich vertrat man die Ansicht, der Papst habe das
ausschliessliche Recht gehabt, Generalstudien zu errichten; der
Kirche habe das Generalstudium als solches angehört Dies sei
auch zumeist die Ueberzeugung des Mittelalters gewesen**).
Meiners sieht gerade deshalb in der Stiftung der Hochschule
zu Neapel durch Friedrich U. einen ungewöhnlichen Schritt, der
sich nur aus dessen offenbarer Feindschaft gegen den päpst-
lichen Stuhl erklären lasse. Seit langem sei es Grundsatz der
kathol. Kirche gewesen, dass Niemand auf einer hohen Schule
irgend eine Wissenschaft, am wenigsten Theologie und can.
Recht, lehren dürfe ohne Erlaubniss des sichtbaren Hauptes
der Kirche oder eines von demselben Bevollmächtigten. Beweis
dafür bilde das Beispiel Abaelards. Dessen Feinde hätten
gesagt, dass zu seiner Verdammung allein schon der Umstand
hinreiche, dass er ohne Einwilligung des Papstes und der Kirche
über eines seiner Bücher gelesen habe").
Meiners hat sich hier mehr Verstösse gegen historische
Thatsachen zu Schulden kommen lassen, als er Sätze nieder-
geschrieben hat. Von welcher Zeit an datiert denn Meiners die
Gründungen von Hochschulen, wenn er die Stiftung jener von
Neapel durch Friedrich einen ^ganz ungewöhnlichen' Schritt
nennt? Hat ferner nicht vor Friedrich bereits Alonso VIIL die
Hochschule zu Palencia gestiftet, ohne den Papst gefragt zu
haben? Wenn sich ferner das Vorgehen Friedrichs nur aus
seiner ^offenbaren Feindschaft' gegen die Kirche erklären lässt,
warum betrachtete Clemens IV. die von demselben errichtete
Schule als ein wirkliches Generalstudium? Warum bedauerte
er dessen Verfall und mahnt Karl von Anjou sie widerherzu-
stellen'°)? Noch schlimmer steht es mit Meiners' Beweis für die
^) Gonring, De antiqnitatibus academicis (Gottingae 1739) p. 137.
Patter, Specimen juris public! et geutium medii aevi (Goettingae 1784) p. 186.
^) Gesch. der Entstehung und Entwickelung der hohen Schulen I, 353.
^) S. oben S. 459. Das Schreiben zeugt immerhin von der Auffassung
an der r6m. Curie, sollte es auch nicht ausgegeben worden sein.
2. Geistl. n. weltl. Macht im Verhältniss zum Generalstadiam. 765
Behauptung, ohne Genehmigung des Papstes etc. habe Niemand
lehren dürfen, nämlich mit der Heranziehung einer Stelle aus
Abaelards Hist. calamitatum. Allerdings hat sie nicht bloss
Meiners, sondern fast jeder missverstanden, der sie bisher
citiert hat. Dies war auch nicht anders möglich, so lange man
sie nur aus fehlerhaften Drucken kannte und nicht die Hss. con-
sultierte. Diesen zufolge bezieht sich die Bewilligung des
Papstes nicht auf das Lehren an sich; gegen Abaelard wurde
eine Anklage erhoben, weil er eine von ihm verfasste Schrift vor-
zutragen sich angemasst hatte, ehe diese vom Papste oder der
Kirche gebilligt worden war").
Nach Meiners wurden die Universitäten bis zum Zeitalter
der Reformation von den Päpsten errichtet; wenigstens hätten
sie nach den Anschauungen des Mittelalters ohne päpstliche
Zustimmung nicht ins Leben treten können. Diese Ansicht
kehrt in verschiedenen Variationen bei anderen Forschern wider'*),
3i) Nach den beiden Hss. Cod. Paris. 2329 und Cod. Trecen. 802
B1. 10a sagt Abaelard: dicebant enim, ad dampnationem libelli satis hoc
esse debere, qnod nee romani pontificis nee ecciesie auctoritate enm (li-
belluro) commendatum legere publice presumpseram atque ad transcribendum
iam pluribus eam (libellum) ipse prestitissem. Die Ausgabe Ditchesnes (so-
wie jene Cousins opp. Abelardi I, 21) Hess das erste 'eum' aus; Du Boulay
(I, 284; II, 67. 669) und H§mer§ (De academia Parisiensi p. 73) änderten
dann folgerichtig 'commendatum* in 'commendatus'. Unter dem ^ibellus',
das noch nicht die Billigung der Kirche erbalten hatte, verstand man
Abaelards Tractat De unitate et trinitate divina. Opp. ed. Cousin I, 18.
Miss verstanden hat man auch eine andere ganz unverfängliche Stelle.
Abaelard meint, man habe ibm vorgeworfen, 'qnod sine magistro ad magiste-
rium divine lectionis accedere presumpsissem' (1, 18). Auch diese Worte deutete
man auf die licentia docendi (Hnber, Die engl. Universitäten I, 17. R^mnsat,
Ab^lard 1, 21), während dem ganzen Zusammenhange nach gemeint ist,
Abaelard habe Theologie tradiert, ehe er von einem Theologen Unterricht
in derselben genossen hatte. Nur ganz kurz studierte er unter Anselm die
Theologie, und die Schtller warfen ihm vor, 'qui nondum nisi in philosophi-
cis (nach Cod. Trecen. 802 Bl. 3 a) studuerat' (I, 8).
93) So z. B. bei Gersdorf, Beitrag zur Gesch. d. Univ. Leipzig in den
Mitthlg. d. deutschen Gesellsch. z. Erforschung vaterl. Spr. und Alterth.
y, 10 f. Paulsen hat Gersdorfs Aufstellung noch erweitert. Sybels Hist.
Zsch. Bd. 45 S. 394. Vgl. 284. 385. Die Ansicht beider l&sst sich in
die Worte zusammenfassen: das Studium generale habe der Kirche angehört;
766 ^« ünaehe der Entetehmig der mitteUIt HocksehideB.
welche aber die Entwickelungsgescbicbte der oben im 2. Para-
graphe des dritten Hauptabscbnittes behandelten Universitäten,
die gar keine Stiftbriefe aufweisen, sowie die mit nur kaiser-
lichen oder landesherrlichen Gründungsurkunden ausser Acht
gelassen haben.
Auf dieser irrigen Voraussetzung beruhen Muthers Ansichten
über die Anfänge der Hochschule zu Wittenberg, an der Luther
lehrte und die man so gerne zur Mutter der modernen deutschen
Universitäten machen möchte. 'Ein allgemeines kaiserl. Univer-
sitätsprivilegium' meint er, 'd. i. ein Privilegium, welches die
Errichtung der Universität gestattet und das Promotionsrecht in
allen Facultäten ertheilt, wird sich vor Maximilian I. schwerlich
nachweisen lassen^"). Dieser 'errichtete' nämlich aus 'könig-
licher Machtvollkommenheit* ein 'Studium generale' und zwar
zur GonstituieruDg der Universität als politischer Corporation sei die Aner-
kennung des Landesherren erforderlich gewesen. Y. Stein behauptet S. 216,
man habe das Recht der Päpste , die Gründungen aller Universitäten als
Ganzes zu bewilligen, aus c. 3 De magistris X. 5, 5 abgeleitet. Ick kann
Herrn ▼. Stein versichern, dass diese Decretale im ganzen Mittelalter nie be*
trefifs des in Frage stehenden Punktes citiert wurde. Der Vorwarf, den
Stein ebend. gegen Janssen erhebt, er besitze keine Vorstellung von der
Entstehung der Universitäten, trifft niemand mehr, als Stein selbst. Was
soll man auch auf den S. 494 gemachten Aassprach, erst die deatschen
Universitäten seien ^Grflndungsuniversitäten', erwidern, als dass hier vftUige
Ignoranz herrscht? — Far obige Ansicht steht auch ein der S. 763 Anm. 27
citierte Autor in den Analecta juris pontificii. Bobiano, De jure ecdesiae
in universitates studiorum (Lovanii 1864) p. 183, im Zusammenhange mit
der p. 193 ausgesprochenen Behauptung: major pars (universitatam) e scholis
cathedralium monasteriorumque exorta. Theilweise Phillips, Lehrbuch des
Kircbenrechts II, 1218. Rottecks and Welkers Staatslexicon' XIV, 78a
Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgescbichte^ (Göttingen 1835, n, 231).
Am weitesten geht Schulte, wenn er sagt: ^ein Studium generale setzt seit
dem Anfange des 18. Jhs. unzweifelhaft ein päpstl Privileg voraoz. Es
gibt seitdem kein Studium generale ohne ein solches'. Arclüv f. kath.
Kirchenrecht XIX, 24. Schulte schlug ein ähnliches Verfahren wie der
S. 763 Anm. 27 angeführte Aator ein: er begnOgte sich bei seinen Unter-
snchongen mit dem BuH. Rom. Walter, Lehrbuch des Kirchenreekts § 347
behauptet, seit dem 14. Jh. sei in dem Stiftangsbriefe des Landeskem
immer auch die Erriehtongsbulle des Papstes nachgesncbt worden.
SS) Gesch. der Rechtswissenschaft 8. 256 fr. Aehnlick tehon froher Meinen,
Gesch. der Entsteknng etc. I, 374.
2. Geistl a. weltl. Macht im Verh<niss zum Generalstudiom. 767
für alle FacultAten. 'Ein gewaltiges Zeichen der Zeit ist uns
diese Urkunde', ruft Muther aus, 'die Alleinherrschaft des Papstes
d. i. der Kirche auf geistigem Gebiet wird also nicht mehr an-
erkannt, der Kaiser, oder um es modern auszudrücken, der
Staat erkennt als eine seiner Aufgaben die Pflege der Wissen-
schaft und des Unterrichts an' u. s. w. Zamcke hatte mithin
Recht zu sagen: 'Die Gründung der Wittenberger Universität
(denn von ihr, 1502 von Maximilian I. errichtet, ist die Rede)
macht Epoche in der Geschichte unserer hohen Schulen'").
Solche Aufstellungen beweisen, wenn irgend etwas, das
eine, dass die genannten Forscher von keiner einzigen der oben
im 4. Paragraph des 3. Hauptabschnittes aufgeführten Univer-
sitäten Kenntniss gehabt, oder wenigstens dass sie nicht £inen
der kaiserlichen oder königlichen Stiftbriefe des 13. besonders
jedoch des 14. Jhs. gelesen haben. Muther legt betreffs Witten-
bergs darauf Gewicht, dass der kaiserliche Stiftbrief dem
päpstlichen vorhergegangen ist"^). Allein die eben angezogenen
Hochschulen erhielten nicht einmal eine päpstliche Gründungs-
urkunde. Zudem wurde auch für Pavia**) und Lucca*') die
kaiserliche* bedeutend früher ausgefertigt als die päpstliche.
Muther urgiert ferner, dass zugleich die Theologie und das
^) Die nrkundl. QaeUen z. Gesch. der Univ. Leipiig in den Abh. d.
phiL bist. Gl. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Ill, 527.
^) Mather lässt sich hier auch sonst Verstösse zu Schulden kommen. Der
Gardinallegat Raymond bestätigt 4. Non. Febr. 1502 die GrOndung der Uni-
versität, nimmt im Schreiben auf Maximilians Stiftungsurkunde, die Prid.
non. Jul. 1502 erschienen war, Rücksicht (Sueyus, Academia Wittebergensis,
Wittebergae 1655, nicht paginiert; Grohmann, Annales der Universit&t
Wittenberg, Meissen 1801, S. 14), und gedenkt in einer weiteren Littera
unter demselben Datum der Promotionen an der Universit&t, die aber am
18 Oct. 1502 eröffnet wurde. Muther zweifelt deshalb an der Richtigkeit
der Jahreszahl beider Schreiben des Gardinallegaten im Abdrucke. Darauf
ist zu erwidern, dass Alezander VI. sowie sein Legat nach dem Galculus
Florentinus das Jahr begannen, wie aus den Vat. Reg. erhellt Dies der
Grund, warum beide Schreiben in das Jahr 1503 fallen. Auch Paulsen war
deshalb in Verlegenheit, und ?ersuchte eine, wenngleich irrige, Lösung.
Sybels Hist. Zsch. S. 280.
3«j S. oben S. 579.
87) S. oben S. 651.
768 ▼• ümdie der Entstelmiig der aittelalt. Hocbscholen.
canonisctae Recht von Maximilian der kaiserlichen Obhut vindi-
eiert worden wären. Hat denn aber jemals ein Kaiser oder ein
König das canonische Recht in einem Stiftbriefe ausgeschlossen?
Wurde femer nicht von Karl IV. 'de plenitudine imperialis maje-
statis' das Studium generale zu Genf auch für Theologie errichtet
und die Promotion in derselben erlaubt?'^. Wenn dann Muther
behauptet, erst zur Zeit Maximilians habe der Kaiser die Pflege
der Wissenschaft und des Unterrichts als eine seiner Aufgaben
erkannt, so hat er alles übersehen, was seit dem Beginne des
13. Jhs. die Fürsten far die Schulen gethan haben, und dass
bereits die grossen Theologen des 13. Jhs. es als eine der
Pflichten der Regenten hingestellt haben, für ünterrichtsanstalten
zu sorgen").
Der eben entwickelten Ansicht ist die vorzüglich in Spanien
(wo die Hochschulen mit Ausnahme von Valladolid durch könig-
liche Stiftbriefe ins Leben traten) verfochtene Behauptung gerade-
zu entgegengesetzt, die Errichtung und Gründung der Univer-
sitäten sei rein politisch und allein Sache der weltlichen Fürsten.
Dies wäre seit dem 13. Jh. Princip gewesen. Ohhe Zustimmung
der Regenten habe keine Hochschule gestiftet werden können ^*).
^) S. oben S. 648 f. Ich komme weiter unten auf diesen Pankt forftck.
^) So sagt der hl. Thomas im opnsc. Contra impngn. relig. e. 8 : Cum
coHeginm studii generalis sit aliqna soeietas, ad eam aliqnit indaci polest
autoritate superioris cogente. Wer ist nnn diese autoritas snperioris? Er
erkl&rt im Verlaafe: Ordinäre de studio pertinet ad eam, qai praeest rei-
pnblicae. Im Opasc. De regimine princ. L 1 c. 13 schreibt er: Si regnna
institaendnm sit, oportet proTidere, qnis locus aptus sit . . . nbi constitaenda
sint stndia literaram. Aegydins Romanus lehrt De regim. princ. Üb. S p. 2
c. 8: Debet igitur rex solicitari, ut in suo regno vigeat Studium Uteramm
et ut ibi sint multi sapientes et industres; nam ubi tiget sapientxa et fons
scripturarum, oportet qnod inde tötus populus aüquam eruditionem accipiat
Ne ergo existentes in regno sint tenebris ignorantiae involuti, spectat ad
reges et principes valde esse solicitos de studio literarum. Immo, si domi-
nator regni non promoveat Studium et non felit sibi subditos esse scientes,
non est rex, sed tyrannus.
^) Diese Ansicht findet man entwickelt bei Alonso de Escobar j
Loaysa, De pontificia et regia jurisdictione in studiis generalibus (Matriti
1643) c. 21 n. 38ff. n. 90ff. Mendo, De jure academico (Matriti 1658; 2. ed Lug-
duni 1668) üb. 1 qu. 8 § 1. n. 232ff.: Erectio ac fundatto uniTersitatum est
2. Geistl. u. weltL Macht im Yerhältniss zam Qeneralstadium. 7g9
Erstere hätten auch die theologischen und canonistischen Lehr-
stühle errichtet ^^). Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, dass
diese Anschauungen, so ganz allgemein formuliert, weit irriger
als die der früher citierten Forscher sind. Sie lassen alle
im 3. Paragraphen des dritten Hauptabschnittes behandelten
Universitäten, um nur von diesen zu sprechen, ausser Acht.
Escobar und Mendo finden es daher convenient, ^ut pontificis in-
terveniat authoritas'. Dadurch würde das Studium ein 'Studium
generale, non solum respectu regni, sed respectu universae ec-
clesiae'*'). Ende des vor. Jhs. stellte Gärtner den Satz auf,
zur Errichtung der 'katholischen' Universitäten 'summi ponti-
ficis confirmationem non esse necessariam. Jus eas condendi
est jus supremae potestatis civilis'^'). Dass diese Behauptung mit
der eben berührten zusammenfalle, liegt auf der Hand.
Verwandt mit dieser These ist der in Hinsicht auf das Reich
ausgesprochene Grundsatz, Universitätsprivilegien zu verleihen
sei ein kaiserliches Reservatrecht gewesen. Wenn diese Ansicht
poUtica et ad principes saeculares spectaDS, qui jus habent erigendi eas in
suis regnis etiam absqae pontificis aactoritate; et absque ipsorum principum
facultate nequeunt illae erigi, ut docet D. Thomas in tractatu contra impug-
nantes religionem. Dass der hl. Thomas mit Unrecht herbeigezogen wird,
soU sich weiter unten zeigen. Für die These steht neuestens ein Y. De
la Fuente, Historia de las universidades , colegios y demas establecimentos
de ensenanza en Espana (Madrid 1884) I, 165 ff. Zärate aber behauptet:
Los estudios generales se erigian por la sola autoridad del principe, y las
uniTersidades necesitaban la concurrencia del Papa. De la instrucciön pu-
blica en Espana II, 171. S. dazu oben S. 33 Anm. 140. Die Formulierung
dieses Satzes ist also jener der Behauptung Gersdorfs und Panisens gerade
entgegengesetzt.
^1) Bei Mendo heisst es 1. c: licet ad ecciesiasticam potestatem per-
tineat thedogiae veritates definire et juris canonici decreta promulgare: at
erigere cathedras, in quibos hae scientiae edoceantur, principis potestatem
non excedit, et consequenter potest ipse injungere requisita et formam, qua
obtineantur. In wie weit Mendo hier das nichtige trifft, wird sich S. 783
ergeben. Ich kann mich nicht erinnern in der 2. Aufl. diese Stelle gelesen
zu haben. Vgl. jedoch Escobar 1. c. n. 145; c. 22 n. 11.
^) Vgl. ibid. n. 240. Er meint auch, der Fürst könne dies nicht
leisten, 'sie vero pontifex, qui in omnibus regnis christianis potestatem ac
jnrisdictionem habet'. Aehnlich Escobar c. 21 n. 106.
^) De jure smnmi pontificis in erectione academiaram Germaniae catho-
licarum. Programma, Salisburgi 1795, p. 5.
Denifle, Die UniTenitAten L 49
770 ^- Ursache der Entstehang der mittelatlerl. Hochschalen.
nur sagen will,- innerhalb des Imperiums hätten auch die mäch-
tigsten Reichsfärsten nicht aus eigener Machtvollkommenheit Uni-
versitäten gründen können oder wenigstens nicht das Recht
gehabt academische Würden zu ertheilen, ohne dass die kaiser-
liche (oder päpstliche) Autorität hinzutrat, so ist sie richtig,
obwohl dann die Ausdrucksweise höchst ungenau ist. Fasst
man sie aber in dem Sinne auf, den der Wortlaut ergibt, dass
die Erlaubniss zur Verleihung der academischen Grade immer
vom Kaiser ausgehen, oder zur Erlaubniss wenigstens die kaiser-
liche Bestätigung hinzukommen musste^^), so widerstreitet sie allen
historischen Thatsachen bis zum Ausgange des Mittelalters. Wir
haben oben im 3. Paragraphen des dritten Hauptabschnittes üi^-
versitäten des Reiches kennen lernen, die entweder lange Zeit
hindurch oder überhaupt nur päpstliche Stift- und Privilegien-
briefe besassen, und Niemand hat es gewagt die Rechtmässigkeit
der an denselben vorgenommenen Promotionen in Abrede zu
stellen.
Andere Forscher suchten einen Mittelweg einzuschlagen, der
jedoch nicht bei allen derselbe ist. Bardinet meint: Papae erat
theologiae et canonici juris Studium instituere; ad eundem (Cae-
sarem) pertinebat juris civilis promotio"). Aber warum dieser
Unterschied? Zur Zeit Honorius DI. sei zwischen den Doc-
toren ein grosser Zwist ausgebrochen. Viele hätten gelehrt,
kein Generalstudium 'praesertim circa jus canonicum' habe Geltung,
'nisi prius fuisset apostolica sede approbatum'. Unter Bonifaz VIIL
und Clemens V. sei der Streit aufs neue entbrannt, und um ihm
ein Ende zu machen, hätten in der Folge fast alle Universitäten
um ein päpstliches Privileg nachgesucht^^). Eine sehr naive
Interpretation. Welcher gleichzeitige Autor spricht denn von
enem Streit? Man weiss nur, welche Stellung Philipp der
Schöne zu Clemens V. in Betreff Orleans eingenommen hat
^) Dies drückt mit anderen Worten Haati aus. 8. oben 8. 383 f.
^^) üniverdtatis Ayenionensis bist, adumbratio p. 10 Anm. 2.
^0) Ibid. p. 10. Der Autor nahm diese Erklärung wörtlich ans Paol
de Cadecombe, De primaeva univ. Avenion. erectione (Ms. in der Bibliothek
zu ATignon, Pidces relatives h l'nniversit^ I, 32), den er auch citiert Mir
ist sie etwas ganz Neues, und es ist mir unerfindlich, was zu ihr Veran-
lassung geboten haben mag.
2. Geist), n. weltl. Macht im Verh&Itniss zum Generalstadium. 771
Aber auch da handelte es sich nicht um das Generalstudium,
sondern um die Gorporationsrechte.
Savigny glaubte die Ftage gelöst zu haben mit der Be-
merkung, weder die päpstliche noch die kaiserliche Autorität
sei bei Stiftung einer Hochschule nothwendig gewesen. Nur die
Ungewissheit, ob eine Lehranstalt auf den Rang einer hohen
Schule Anspruch machen dürfe, habe es den Lehrern einer solchen
Schule wünschenswerth erscheinen lassen, dass der Papst selbst
sie zum Generalstudium erkläre. Dieser sei seinerseits einem
derartigen Wunsche um so lieber entgegen gekommen, als ihm
da ein neues Mittel geboten war sein Ansehen in die Feme hin
geltend zu machen. Die kaiserliche Bestätigung habe einen
ähnlichen Vortheil wie die päpstliche gewährt*^). Allein nur
fttr die Universitäten im zweiten, für drei im dritten (Toulouse,
Montpellier, Cambridge) und für eine im fünften Paragraphen
(Lissabon) des dritten Hauptabschnittes passt theilweise Sa*
vignys Erklärung. Für die erste Reihe existiert kein Stift-
brief; für Toulouse, Montpellier, Cambridge und Lissabon wurden
die päpstlichen Bestätigungs- resp. Stiftbriefe an die universitas
magistrorum et scholarium gerichtet. Wäre aber Savigny im
Stande gewesen nachzuweisen, dass diese Schreiben von den
Lehrern veranlasst wurden? Wie verhält es sich femer mit
den übrigen im 3., 5. und 6. Paragraphen angeführten Univer-
sitäten? Wie mit jenen, die nur kaiserliche oder königliche
Stiftungsurkunden (letztere hat Savigny ganz übersehen) be-
sitzen ?
So ist keine der aufgestellten Behauptungen mit den That-
sachen in Einklang zu bringen, und wir müssen, um zu einem
sichern Resultate zu gelangen, einen neuen Weg einschlagen.
Dieser ist uns durch die Untersuchungen im dritten Hauptab-
schnitte bereits vorgezeichnet. Es handelt sich hier nur darum,
die bleibenden Momente und die verschiedenen Gesetze, nach
denen sich die einzelnen Facta vollzogen haben, zu fixieren und
sie mit der theoretischen Auffassung des Mittelalters zu ver-
gleichen.
«7) Gesch. des rOm. Rechts III, 415 ff.
49*
772 ^- Ursache der Entstehnng der mittelalterL Hochsclmlen.
Wir haben oben*') zwölf Universitäten (wenn man Paris,
Bologna und Arezzo der ersten Periode hinzurechnet) kennen
lernen, die ohne Stiftbriefe in das Leben getreten sind oder zu
Hochschulen sich gebildet haben. Ihnen müssen auch zwei bei-
gezählt werden, die in späterer Zeit aus guten Gründen Stiftongs-
urkunden empfiengen, nämlich Montpellier und mit Restrictionen
Cambridge. Mit Ausnahme der Lehranstalten zu Vercelli, Reg-
gio und Modena können alle Privilegien aufweisen. Als sie
aber diese empfiengen, wurde die Rechtmässigkeit ihres Bestandes
als Qeneralstudien sowie der Promotionen nicht in Zweifel ge-
zogen. Bei näherer Betrachtung finden wir nun, dass sie
bereits in den ersten Decennien des 13. Jhs. als General-
studien existierten, oder wenigstens von dort an als solche an-
gesehen wurden. Es gab also eine Zeit, in der die Stiftbriefe
noch keineswegs als nothwendig erachtet wurden, wenngleich
man auch in jener Periode solche kannte, wie jene für Palencia,
Neapel und, in der oben*^) dargelegten Weise, für Toulouse be-
weisen. Allein in der Folge entstand keine Hochschule mehr
ohne Gründungsurkunde, ja es kam sogar dazu, dass zwei von
jenen Universitäten, die sich spontan entwickelt hatten, inner-
halb der nächsten Periode in den Besitz von Stiftbriefen gelangten.
Woher nun diese Erscheinung?
Die Frage steht im Zusammenhang mit der Veränderung,
welche im Beginne des 13. Jhs. mit dem Werthe und der Wir-
kung der vom Kanzler, Scholasticus und von den Magistern an
einigen Schulen gewährten licentia docendi vor sich gieng.
Im 12. Jh. hatte die licentia docendi an sich bloss eine
locale Bedeutung. Auch in Paris ertheilte der Kanzler dieselbe
noch keineswegs mit der bewussten Absicht, dass die Erprobten
nun überall lehren dürften, sondern einfach nur, dass sie nun
zum Lehramt befähigt seien. Er handelte damals gleichsam als
Delegierter des Bischofs. Nicht 6in Act lässt auf das Gegentheil
schliessen. Doch besass Paris schon in jener Zeit ein univer-
^) S. den 2. Paragraphen des dritten Hauptabschnittes, and über Arezt o
S. 424f.
<») S. 330.
2. OeistL n. welü. Macht im Yerhftltiiiss zum Generalstudinm. 773
selles Ansehen. Die dortige Schule wurde um jener Gründe
willen, die ich oben entwickelt habe^^), von Studierenden aller
Länder aufgesucht. Von selbst ergab sich, dass die in Paris
erhaltene licentia docendi als eine allgemein gültige aufgefasst
wurde. Dies konnte keinem Zweifel mehr unterliegeb, als Ho«
norius DI. im J. 1219 die einzelnen Metropolitancapitel beauf«
tragt hatte, Fähige auswärts studieren zu lassen, damit sie in
die Heimath zurückgekehrt das Lehramt ausübten. Dass der
Papst unter den auswärtigen Schulen vorzüglich Paris verstand,
haben wir oben bemerkt ^^). So musste sich nach und nach die
Anschauung bilden, als erhalte man in Paris die Licentia do-
cendi für überall. Die Folge war, dass der daselbst Geprüfte
vielfach als Doctor universalis ecclesiae angesehen wurde, dem
der Kanzler nicht an Stelle des Bischofes, sondern als Delegierter
des Papstes die Licenz zum Lehren gebe"). Allerdings exi-
stiert kein päpstlicher Auftrag hiefür. Allein die Päpste leiste-
ten der genannten Anschauung Vorschub, da sie sich seit Inno-
cenz HI. in ganz besonderer Weise des Studiums in Paris an-
nahmen, dasselbe regelten, und die Hechte des Kanzlers näher
bestimmten.
Ungefähr um dieselbe Zeit machte die Bechtsschule zu Bo-
' W) 8. 45ff. 746.
W) S. 708.
ds) Der Kanzler Walter de Ch&teau-Thierry führt die Ansieht deijenigen
an, welche sagen, 'quod magister in theologia Parisius potest ubiqne predicare
non petita licentia diocesani episcopi. Et ratio eornm est, qnod de ordina-
tione D. pape, qui est capat totins ecclesic, positus est doctor non solnm
Parisiensis ecclesie, sed etiam universalis. In hoc etiam addont: D. papa
ordinat statum stodii et maxime qnoad statnm stndii theologie et magiste-
riom privilegiando, et confirmando Ordinationen!, vocandi magistros ad magiste-
rium, qnod est qaasi perfectum et consammatum magisteriom; dat auctori-
tatem magistro et quasi mittit eum ad executionem officii magistralis, quod
est triplex: legere, predicare, dispntare'. Den magistris seien die ^claves
scientie a D. papa vel a cancellario Parisiensi ex ordinatione pape ad ape-
riendum thesaumm sapientie' übergeben worden. Bei den Doctoren 'po-
testas quantum ad docendum non est limitata', obgleich sie nicht 'clavis
potestatis' besftssen. *£t sie quantum ad hoc, sc. ad docendum alios, migor
est (doctor) quam prelatus, unde cedit episcopus doctori theologie et docendo
et predicando, nisi et episcopus prius doctor fuerit'. Quaestiones im Cod.
Patavin. S. Antonii 152 Bl. 152 b.
774 V. Ursache der Entstehung der mittelalterl. Hochschulen.
logna dieselbe Entwickelung wie Paris durch. Ehe Honorios III.
den Archidiacon Gratia bestellt hatte die Examina zu leiten, thaten
dies daselbst die Magistri, wie sie ja auch nachher bei den
Examina die Hauptrolle spielten, während der Archidiacon eigent-
lich nur die Licentia docendi ertheilte. Diese erhielten aber
früher die Candidaten von den Magistri allein"). Auch in Bo-
logna dachte man im 12. Jh. noch nicht daran den Erprobten
ein allgemein gültiges Zeugniss der Lehrbefähigung auszufertigen.
Indess in ähnlicher Weise wie in Paris trugen die Studierenden
aller Länder, vorzüglich aber die von Italien, dazu bei, dass
seit Ende des 12. Jhs. aus der licentia docendi eine facultas
ubique docendi wurde ^*). Namentlich von den italienischen Com-
munen wurden schon damals Rechtslehrer aus Bologna gesucht.
Ausserdem erwarben sich einige italienische Lehranstalten ge-
rade deshalb allgemeines Ansehen, weil sie in Bologna ihre
Wurzeln hatten. So verhielt es sich auf kurze Zeit mit jener zu
Vicenza und dann mit der zu Padua. Modena, Reggio, Arezzo
^3) So legte man eine Stelle des Corpus jar. civ. (1. 10 t. 52 de ms-
gistris) aus. Es heisst dort: jnbeo, quisquis docere vnlt, non repente nee
temere prosiliat ad hoc munns, sed judicio ordinis probatus decretnm curia-
lium mereatur, optimorum conspirante consensu. Odofired sagt dazu: cnm
consensu et voluntate doctorum illius scientie, in qua vult esse magister.
Dass dieser Brauch in Bologna herrschte erhellt aus einem Acte des J. 1270,
in dem sich die Magistri dem Kanzler gegenüber auf die 'dudum obtenta
consuetudo' beriefen. Sarti II, 41. 106. Vgl Savigny III, 298 f. S. 212 ist
er im Unrechte, verfuhrt durch den fehlerhaften Druck des Gottfried de
Trano. S. dazu oben S. 148 Anm. 356.
^) Es ist der Wahrheit yöllig widersprechend, wenn Schulte behauptet,
ehe der Papst Bologna das Recht der Promotionen yerliehen habe, h&tten
diese daselbst nur locale Bedeutung gehabt; 'erst durch die pftpstlichen
Privilegien bildete sich der Charakter der studia generalia' u. s. w. Archiv
f. kath. Kirchenr. XIX, 25. Hflsste man Schulte Recht geben, so wttrde folgen,
dass Bologna erst im J. 1291 ein Studium generale geworden w&re und von
jenem Zeitpunkte an die dortigen Promotionen einen universalen Charakter
angenommen h&tten, denn erst Nicolaus lY. gestattete den Promovierten
in jure canonico et civili, dass sie 'ubique legere valeant et docere'. 8. oben
S. 211. Honorius III. ertheilte nicht das Recht der Promotionen, aondem er
bestellte nur fflr die Zukunft den Archidiacon als dei\jenigen, welcher die
licentia docendi gew&hren solle. Qui nimis probat, nihil probat.
2. Geist]. «• weltl. Macht im Yerh<Diss zum Generalstudium. 775
der ersten Periode waren mehr oder weniger unbedeutend, Ver-
celli fahrte aber fortwährend einen Kampf ums Dasein ^^).
Auch die Schule in Oxford gewann wahrscheinlich schon im
12., gewiss aber bei Beginn des 13. Jhs. Bedeutung für ganz Eng-
land und diese wurde in dem Masse grösser, als im Laufe der
Zeit die Schule von jener in Paris, wo sich viele Engländer auf-
hielten, beeinflusst wurde. Es war naturgemäss, dass sich die
Anschauung hinsichtlich der vom Kanzler ertheilten licentia do-
cendi allmählich in derselben Weise wie in Paris änderte. Die
Rechtsschulen zu Orleans und Angers, ~ und nur diese bildeten
sich zu Generalstudien aus, — verdankten höchst wahrscheinlich,
wie ich widerholt bemerkt habe, Paris ihren Ursprung. Sie
standen zu Paris gewissermassen in demselben Verhältnisse, wie
Vicenza und Padua zu Bologna. Zudem kamen sie sofort in
Abhängigkeit von jenem Scholasticus, der das Haupt der weit-
hin bekannten und anerkannten älteren Schulen war.
Salerno übertrifft alle Universitäten an Alter und erwarb
sich lange vor jenen zu Paris und Bologna allgemeine Aner-
kennung. Solche besass auch die medicinische Schule zu Mont-
pellier bereits im 12. Jh.
Es ist nun klar, dass sich in den ersten Decennien des 1*3.
Jhs. der Begriff einer neuen Klasse von Schulen bilden musste,
welche andern Schulen gegenüber als privilegiert erschienen, da
man sich an ihnen Kenntnisse verschaffen konnte, die überall an-
erkannt wurden und da die an denselben erhaltene licentia docendi
eine allgemein gültige war. Kurz , es ergab sich der Begriff eines
Studium generale und in Folge davon der Unterschied zwischen
letzterem und einem Particularstudium. Es ist nicht zufallig, dass
wir erst ziemlich spät, nämlich 1233—1234, dem Ausdrucke
'Studium generale' begegnen ^^), und sich um dieselbe Zeit zum ersten
Male der Ausdruck 'facultas ubique legendi' in Acten findet'^^).
Gerade damals, als das universelle Lehramt ausgebildet war,
hatte sich auch das Bedürfniss nach einer allgemeinen Seelsorge
^) Die Nachweise s. oben in den betreffenden Paragraphen des 3. Haupt-
abschnittes.
M) S. oben S. 2.
") 8. oben S. 20. Vgl. 8. 21 f.
776 ▼• ürMclie ier EnttCefcmg der vittebiterl. Hodiic&iilciL
rficksichtlich der Predigt und des Beichtstahles f&hlbar ge-
macht ••).
Wohl nicht viel frflher wurde der Begriff eines Stadium
generale fixiert. Er resultierte aus der Entwickelung der
licentia docendi an den Schulen zu Paris und Bologna, und
musHte alsbald eine juristische Bedeutung erhalten. Eine neue
Periode wurde durch ihn eingeleitet Es war von nun an
nicht mehr möglich, dass eine Schule aus sich selbst in den
Besitz der Eigenthümlichkeiten eines Greneralstudiums gelangte,
naturgemäss wurde man überall von der TJeberzeugung be-
herrscht, dass dieselben mitgetheilt werden müssten. So erklärt
es sich, warum erst von dieser Zeit an (in päpstlichen Schreiben)
die Formeln und gerade in solcher Fassung entstanden: die Stu-
dierenden einer Schule haben alle jene Privilegien, 'quibus gau-
dent in studio generali'^'), oder in ^studiis generalibus' *®), oder
Tarisius seu Bononie vel aliis studiis generalibus'^^); die Stu-
dierenden sollten sich an die Gewohnheiten eines Generalstu-
diums binden''); sie dürften sich mit der Zeit an einer dieser
Anstalten einer Prüfung in jener Wissenschaft, welche sie stu-
dieren, unterziehen, und das darauf in derselben erworbene
Magisterium müsse überall Geltung haben*') u. s. w.
^) Die beiden Bettelorden der Dominicaner und Franciseaner worden
zu demselben aasersehen. Soweit die Behandlung der Frage in dieses Werte
gehört, werde ich im 4. Bande darüber sprechen.
^0) S. oben S. 20 (seit Innocenz IT.).
^^) S. oben S. 4 Anm. 11 (seit demselben Papste).
0^) S. oben S. 567 (seit demselben Papste).
<)3) S. oben 8. 8 (seit 1242 hinsichtlich MontpelUer).
^») S. 22 (seit Gregor IX.). — Jedes Verständnisses fflr obige That-
Sachen bar ist gewiss v. Stein, der S. 499 rficksichtlich der deutschen üni-
versitftten schreibt: 'Die Kathedralschnlen sind es, welche durch einen be-
stimmten freilich bisher noch nicht allenthalben nachweisbaren Act in einen
Stadium generale, einer Landesschale erhoben warden\ FOre erste ist keine
einzige Kathedralschule zu einem Generalstadiom erhoben worden. Dann
ist der Act , durch den ein Generalstadiom ins Leben gerafen
wurde, immer nachweisbar. Drittens wird der Begriff eines Qeae*
ralstudiams durch den einer Landesschale nicht im enifemtetten eraehdpft
Kein Wunder, dass Herrn T.Stein, nach 8. 315 und 399 zu schUessen, nach
2. Geistl u. weltl. Macht im Yerhftltniss zum GeneraUtudium. 777
Dies die Erklärung dafür, weshalb ausser Paris und Bologna
im Beginne des 13. Jhs. eine Reihe von Hochschulen, von denen
wir im zweiten Paragraphen des dritten Hauptabschnittes ge-
sprochen haben, ohne Stiftbriefe entstehen konnte, während von
der Zeit vor der Mitte des 13. Jhs. an kein Generalstudium
mehr ohne Gründungsurkunde ins Leben getreten ist Es fällt
uns nicht auf, dass in dieser neuen Ordnung der Dinge der
Kanzler, welcher die Licenz zu ertheilen hatte, selbst an Orten,
wo ein Magister scholarum oder ein Scholasticus bereits
existierte, immer erst bestellt werden musste. Diese hatten ja
an sich nicht das Recht eine allgemein gültige Licentia den
Candidaten zu geben. Wurde nach wie vor dieselbe Persönlich-
keit genommen, so änderte sich naturgemäss deren Stellung.
Auch auf den vorigen Paragraphen werfen diese Erörterungen
ein neues Licht. Wir sahen, dass man nach und nach in allen
Ländern Lehranstalten ähnlich jenen zu Paris oder Bologna be-
sitzen wollte. Allein dies geschah erst in jener Epoche, als der
Begriff eines Studium generale wenigstens in seinen Hauptzügen
ausgebildet war und dieses sich bereits von einem Particular-
studium abhob. Palencia allein steht an der Wende der alten
und neuen Zeit. Wir begreifen femer, warum im 13., manch-
mal noch im 14. Jh. Paris und Bologna von den Päpsten
insofern privilegiert wurden, als letztere bei Gewährung des
Privilegs der facultas ubique docendi für neuerrichtete General-
studien in dem 'ubique' Paris und Bologna nicht eingeschlossen
wissen wollten. Die frühesten Beispiele bieten die Privilegien-
briefe für Toulouse") und Salamanca"). In Paris und Bologna
entstand eben die neue Ordnung der Dinge, auf sie blickten die
Lehranstalten wie zu ihrem Ursprung zurück, sie entstanden in
ganz eigenthümlicher Weise und verdienten eine privilegierte
Stellung. Es leuchtet nun ein, dass von diesem Zeitpunkte an
selbst jene Schulen, welche alle Vorbedingungen zu General-
studien zu haben schienen, wie z. B. viele italienische und die
die alten Lehranstalten als Hochschulen zu gelten scheinen, und mithin bei
ihm die oben dargelegte Entwickelung keinen Sinn haben würde.
W) S. oben S. 20.
W) S. oben S. 48ö.
778 ▼- Ursache der Entstelmiig der mittelidteii Hochscbolea
von Avignon, Valladolid und Orange, das Privileg eines Stadium
generale erst erhalten mnssten, ehe sie an den Rechten eines
solchen theilnehmen durften, ja dass der Fall eintreten konnte,
dass einigen Schulen der Charakter eines Studium generale in
späterer Zeit mitgetheilt wurde, obwohl sie sich anfinglich
spontan zu Generalstudien ausgebildet zu haben schienen. Hieher
gehören Montpellier, Arezzo und Cambridge.
So viel ergibt sich jetzt, dass seit ungefähr zwei Decennien
vor der Mitte des 13. Jhs. ein Generalstudium erst von einer
hohem Autorität errichtet werden musste, mit andern Worten,
dass ein Stiftbrief als Bedingung einer eigentlichen und recht-
mässigen Hochschule betrachtet wurde**). Dies machte sich im
Laufe der Zeit umsomehr geltend, als zu den Grundprivilegien
des Generalstudiums als solchen allmälich noch andere Privilegien
hinzukamen.
Wo fand sich aber im Mittelalter jene Autorität, welche
mächtig genug war, ein Generalstudium ins Leben zu rufen und
demselben allgemeine Anerkennung sowie den an ihm vorge-
nommenen Promotionen absolute Geltung zu verschaffen? Diese
Frage führt uns dorthin wider zurück, wo wir den Ausgangs-
punkt für die Untersuchungen in diesem Bande angesetzt haben *').
Die daselbst in Kürze gegebene Antwort erhält hier ihre Er-
klärung und weitere Ausführung.
Sehen wir vor allem, welche Ansicht man in jener Epoche,
in welcher die neue Anschauung bereits, wenn auch noch nicht
seit langem, Platz gegriffen hatte, vertrat, Alfonso el Sabio
sagt in seinen 1256 — 1263 ausgearbeiteten Siete Partidas, ein
Generalstudium müsse entweder auf Anordnung des Papstes,
oder des Kaisers oder des Königs errichtet sein««). Der hl.
6(^) Jeder sieht, dass ich zu einem ganz anderen Resultate gelangt bin
als Savigny S. 416. S. oben S. 771. Er fehlte darin, dass er von der Uteren
Zeit auf die Verhältnisse der neuem schloss. Kein Wunder, dass er aach
S. 155 nicht zu erkl&ren im Stande war, weshalb frOher Schulen gleichsam aiu
sich heraus entstanden sind, w&hrend spftter viele durch freien Entsdüiw
von Fürsten gestiftet wurden.
«7) S. oben S. 22.
^) *£ste estudio (general) deue ser establecido por mandado delPapa,
2. Oeistl. u. weltl. Macht im Verhältniss zum General Studium. 77 g
Thomas entwickelte ungefähr um dieselbe Zeit eine ähnliche
Lehre, nur wird die These bei ihm mehr praecisiert. Er stellt
zuerst das Princip auf: societas publica non potest constitui
nisi ex superioris authoritate. Unter 'societas publica' versteht
er dort auch 'collegium studii generalis'. Doch hat er dabei
nicht bloss die Universitas im Auge, sondern zugleich, wie seine
weitere Auseinandersetzung ergibt, die Schule selbst Er lehrt
aber: ordinäre de studio pertinet ad eum qui praeest rei-
publicae, et praecipue ad authoritatem apostolicae sedis, qua
universalis ecclesia gubernatur, cui per generale Studium provi-
detur**). Nach dem hl. Thomas fällt also die Sorge um ein
Generalstudium einer höheren Autorität anheim; in dieser hat
man aber den LandesfQrst zu suchen, vorzüglich jedoch das
Oberhaupt der allgemeinen Kirche, welcher durch das General-
studium gedient wird. Der hl. Thomas bezeichnet hiemit den
Kern der Sache. \
Ein Generalstudium zu errichten war vor allem ein Recht
des Papstes. Seine Autorität erstreckte sich auf alle christ-
lichen Länder und eben deshalb hatte die Ertheilung der Er-
laubniss ^ubique docendi' in keinem Munde eine solche Bedeutung
wie in jenem des Papstes. An sich schon musste es am natür-
lichsten erscheinen, dass die höchste kirchliche Macht und der
Lehrer der Christenheit eine Hochschule begründe, zudem die
Wissenschaften, die an einer solchen gelehrt wurden, schliesslich
der Kirche und der ganzen Christenheit dienen sollten. Die
meisten Gründe, die man dafür anzuführen gewohnt ist, warum
sich die weltlichen Obrigkeiten gerade um päpstliche Stiftbriefe
so häufig bewarben, z. B. weil nur der Papst gewisse Privilegien,
unter ihnen hauptsächlich das der Dispens von der Residenzpflicht,
ertheilen, und der Universität kirchliche Beneficien und Prae-
benden einverleiben konnte, treffen nicht den wesentlichen Punkt.
Solche besondere Begünstigungen wurden durch die Päpste ja
immer unabhängig von den Gründungsurkunden und deshalb
öfters auch im Falle, dass die Stiftung einer Universität eine
0 de Emperador, 0 del Hey'. Ein Particularstudium könne der 'perlado 0 con-
cejo de algun lugar' errichten. Las siete Partidas p. 2 tit. 31 ley 1.
^^j Op. contra impugn. relig. c. 3 ed. Nicolai tom. 20 p. 549.
780 V- Ursache der Entstehung der mittelalterL HochscholeD.
rein weltliche war, gewährt. Das eigentliche Motiv, welches die
Suppliken an den Papst um Bewilligung eines Generalstudiums
veranlasste, war die Ueberzeugung, dass der Papst die höchste
Autorität, und der Vater und Lehrer der Christenheit sei
Dem Kenner des Mittelalters kann es deshalb nicht auffallen,
dass von den 44 Universitäten, die bis 1400 durch Stift-
briefe ins Leben gerufen wurden, 21 (Toulouse, Montpellier und
Cambridge mitgerechnet) päpstliche Grüirdungsurkunden anfim-
weisen haben, und solche auch für weitere 10 Hochschulen«
welche ausserdem kaiserliche oder landesherrliche erhielten, ver-
langt wurden. Im Ganzen sind mithin für 31 von den 44 Uni-
versitäten päpstliche Stiftbriefe ertheilt worden.
Das Gros der Hochschulen ist also in unmittelbarer Abhängig-
keit von der Kirche entstanden. Es war aber nach dem Gesagten
eine Abhängigkeit, die nicht das Bestreben des Papstes, ^sein An-
sehen in die Feme hin geltend zu machen^ herbeiführte, wie Savigny
nur seiner Phantasie und nicht den Thatsachen folgend meint, son-
dern die aus der kirchlich-mittelalterlichen Anschauung von der
Autorität des Papstes und dem Verhältnisse der Christenheit zu der-
selben entsprang. Eben deshalb bedeutete auch der Erlass eines
päpstlichen Stiftbriefes keinen Act der Einmischung in Angelegen-
heiten, die den Papst nichts angiengen; niemals hätte eine
derartige Behauptung mehr Befremden erregt als im Mittelalter,
wo man überzeugt war, dass die Kirche ein unbezweifeltes , ja
das erste Recht bezüglich der Schulen und des Unterrichtes
besitze. Und sicher ist die Art, wie die Kirche dasselbe hand-
habte, um mit Huber zu sprechen ^^), eine der bedeutendsten
und keine der unrühmlichsten Seiten ihrer so vielseitigen und
schwierigen Thätigkeit.
Betrachten wir die päpstlichen Stiftbriefe, so erhellt, dass
mittels derselben ein Studium generale in allen Facultäten er-
richtet werden konnte. Es ist eine müssige Annahme Eich-
horns, dass in keinem derselben für deutsche Universitäten aas
der früheren Zeit die Berechtigung ausgesprochen werde, eine
Facultät von Lehrern der kaiserlichen Rechte zu besitzen, weshalb
man später kaiserliche Universitätsprivilegien zu erhalten gesucht
70) Die engUschen Universitäten I, 14.
2. Geist!, n. weltl. Macht im Yerh<niss zum Generalstudium. 781
habe^O- Eichhorn hat, wie es scheint, die päpstlichen Stiftbriefe
für Wien und Erfurt, um von jenen für ausserdeutsche Univer-
sitäten, in denen das Givilrecht immer neben dem canonischen
Recht genannt wird, zu schweigen, nicht zu Gesicht bekommen.
Der Grund für kaiserliche Gründungsurkunden liegt wo anders,
wie sich sofort ergeben wird.
Auch der römische Kaiser konnte nämlich eine Hochschule,
ein Generalstudium mit dem Privileg, die facultas ubique docendi
zu ertheilen, errichten. Der eben genannte Autor ist der
Meinung, seit der Mitte des 15. Jhs. seien (wenigstens in
Deutschland) kaiserliche Privilegien deshalb gesucht worden, um
Lehrer der kaiserlichen Rechte zu bestellen und Doctoren der
letzteren zu creieren. In Folge davon habe sich die Ansicht
entwickelt, kaiserliche Universitäts-Privilegien seien überhaupt
nöthig"). Allein der Kaiser hat denn doch von jeher nicht
bloss Facultäten des römischen Rechts, sondern solche aller
Wissenschaften gewährt. Das Recht dazu folgte aus der Idee
des römischen Kaiserthums. Der römische Kaiser galt als
der Schirmherr der ganzen Christenheit, weshalb ihm thatsächlich
die Oberhoheit, und wenn nicht diese, so doch der Vorrang über
die übrigen christlichen Fürsten zukam; das Imperium, das Reich
bedeutete aber der Idee nach so viel als Weltmonarchie").
Wurde auch diese Idee nie verwirklicht, so sprach man doch,
gleichwie nur von einer Christenheit, auch bloss von einem Im-
perium, und der Kaiser hat manche Acte vollführt, die voraus-
setzten, dass er nicht bloss der Idee sondern auch der Wirk-
lichkeit nach Weltherrscher war. Zu diesen Acten gehörte die
Errichtung von Generalstudien und die Ertheilung der Erlaub-
niss, dass die an denselben Graduierten überall, d. i. in der
ganzen Christenheit, ihr Lehramt ausüben dürften. Es war keine
leere Phrase, wenn der Kaiser sagte, er gewähre *deimperialis
(imperatorie) potestatis plenitudine' ein Generalstudium
71) Deutsche Staats- und Bechtsgeschichte III, 357.
") A. a. 0. S. 358. 360.
73) S. oben S. 754 Anm. 12 die Stelle aus Huguccio. Vgl. Andreas
de Isernia in Prael. feud.; Bartolo in Dig. nov. 1. 24 de captivis (49, 15>
(Electores) faciunt dominum cunctis per secula mundi, heisst es hinsichtlich der
Kaiserwahl am Schlüsse einer pftpstl. Taxrolle. Arch. Yat arm. 33 t.5 Bl. 61a.
782 y* Ursache der Entstehung der mittelalterl. Hochschnlen.
in dieser oder jener Stadt '^). Gleichwie er es als seine Aufgabe
erkannte ^universo mundo consulere' ''), da ihm 'totius orbis . . .
monarchia' übertragen sei^^), so konnte er den Studierenden
nicht bloss die Privilegien jener zu Paris, Oxford, Orleans,
Montpellier u. s. w. mittheilen ^'), sondern auch den von ihm
bestimmten Kanzler ermächtigen, den von demselben Promovierten
die Licentia 'regendi ubique locorum cathedram' zu geben ^•).
Somit kann es nichts Auffalliges mehr bieten, dass 5 Hoch-
schulen nur kaiserliche Stiftbriefe besitzen^'), dass für zwei, näm-
lich Pavia und Lucca , die kaiserliche Gründungsurkunde mehrere
Jahre vor der päpstlichen erschien, und andere zwei, nfimlicb
Florenz und Perugia, wenigstens ausser dem päpstlichen auch
einen kaiserlichen Stiftbrief erhielten'").
Ein Blick auf diese Diplome lehrt uns, dass der Kaiser
bei Gründung der Hochschulen immer selbständig, d. i. ohne vorher
eine päpstliche Erlaubniss eingeholt zu haben, vorgieng, und
dass er sich für vollkommen berechtigt hielt, den Unterricht
nicht bloss in dem römischen Rechte, in den Artes und in der
7^) So widerholt in den Stiftungsdiplomen Karls IV., nämlich in jenen
far Florenz, Siena, Pavia, Orange, Lucca und Perugia. Im Stiftbriefe für die
Hochschule zu Genf steht: de plenitudine imperialis m^jestatis.
7&) S. Karls Stiftbrief fflr die üniversit&t Pavia in den Memorie e de-
cumenti per la storia deir universitjk di Pavia II, 2.
76) So Karl im Stiftbrief fQr die Universität Perugia bei Bossi, Docu-
menti per la storia dell' universitä di Perugia im Oiomale di erodizione
artistica V, 374.
77) Dies that Karl IV. hinsichtlich der UniversiUt Pavia. 8. Me-
morie 1. c.
78) Karls Stiftbrief fflr die Universitftt Florenz in den SUtati della
universitik e studio Fiorentino p. 139. Aehnlich im Stiftbriefe für Lacca.
Baluze Mise. ed. Mansi IV, 184. Friedrich der SchOne gebraucht als rö-
mischer König fQr Treviso den einfachen Ausdruck 'ubique' legere. Verci,
Storia della Marca Trivigiana e Veronese YIII, 156.
79) Nftmlich Siena, Aretzo, Orange, Genf; den Stiftbrief für Treviso
erliess Friedrich der Schöne als römischer König.
^) S. dazu oben S. 767 f. Muthers oberfi&chliche Behauptungen ver-
lieren durch die genannten Thatsachen allen Halt MerkwOrdig, dass inck
Paulsen vor Kaiser Friedrich III. nur einen kaiserlichen Stifibrief zu kennen
scheint, nämlich jenen Karls lY. f&r Pavia. Sybels Hist Zsch. Bd. 4!^
S. S65 Anm. 2.
2. Oeistl. u. weltl. Macht im Verhältniss zum Generalstudium. 783
Medicin, sondern auch in der Theologie und im canonischen
Rechte zu gestatten. Das canonische Recht fehlt in keinem
kaiserlichen Stiftbriefe, ein Studium generale in theologica
facultate wird aber auch in den Stiftbriefen für Genf und
Florenz bewilligt. Es ist mir auch unmöglich zu verstehen,
wie eine derartige Erlaubniss kraft kaiserlicher Macht nicht
hätte ertheilt werden können, zumal wie wir sogleich sehen
werden, selbst die einfachen Könige mit ähnlichen Bewilli-
gungen die Gränzeu ihrer Befugniss nicht überschritten. Dem
Papste stand es allerdings frei ein Veto einzulegen, da er
eben immer die höchste Autorität war, und ausserdem die
Theologie sowie das canonische Recht zwei kirchliche Wissen-
schaften sind. Allein er hat es bezüglich des canon. Rechts nie
gethan, wenngleich einige Male hinsichtlich der von etlichen
Fürsten gestatteten Theologie, jedoch nicht aus dem Grunde,
als könnte der Landesherr nicht Lehrstühle derselben errichten,
sondern sicher bloss von den oben®*) besprochenen Motiven
geleitet. Ganz anders allerdings, hätten die weltlichen Herrscher
auch Verordnungen über die Lehrmethode und die Doctrin er-
lassen, oder eine weltliche Person bestellt, welche den Promo-
vierten die Licenz, Theologie oder Jus can. überall zu lehren
ertheilen sollte. Da wäre ein Conflict mit der Kirche unver-
meidlich gewesen, und die weltliche Macht würde den Kürzeren
gezogen haben. Hielt sich der Kaiser innerhalb der Gränzen seiner
Macht, wie dies bis 1400 thatsächlich der Fall war, so ärntete er
nur Beifall von Seite der höchsten kirchlichen Gewalt. Beispiele
bieten die späteren Schreiben Gregors XH. und Leos X.").
Dieser Zustand blieb bis unmittelbar vor der Reformation,
und ich wenigstens kann zwischen dem Beginn des 16. Jhs. und dem
14. hierin keinen wesentlichen Unterschied erblicken. Der italie-
81) s. 704f.
8«) S. oben S. 450. 563 Anm. 1369. So sagt auch ürban VI. in Rück-
sicht auf das von Karl IV. der Stadt I^ucca gewährte üniversit&tsprivileg:
Cum itaque . . . clarae memoriae Karolas Romanornm Imperator gratiose
indulxerit, qnod in eadem ciyitate sit perpetuum Studium generale in cano-
nico et civili juribus, necnon in artibns etc. Baluze Mise. ed. Mansi IV,
185. Man darf übrigens nie vergessen, dass der Kaiser auch immer das
Recht der Promotion in den erlaubten Wissenschaften gewährte.
784 V. Ursache der Entotehang der mittelalterl. Hochschulen.
nische Rechtslehrer Petrus Ravennas hat vor dem Eintritt der
grossen Kirchenspaltung das Resultat einer zweihundertjährigen
Tradition nur etwas scharf ausgedrückt: Universitäten könne der
Kaiser selbst für Theologie und canonisches Recht priyilegieren,
ohne dass die Zustimmung des Papstes erforderlich wäre"). Unter
diesem Gesichtspunkte macht die Gründung der Wittenberger
Universität keineswegs Epoche in der Geschichte unserer hohen
Schulen'^). Ja selbst jene Worte im Stiftbriefe Julius U., auf
die Muther Gewicht legt, der Papst heile alle etwaigen 'de-
fectus', die vielleicht in der kaiserlichen Urkunde unterge-
laufen seien"), eine Formel, die seit Alters bei Bestätigung von
Documenten angewendet wurde, finden sich mehr als ein
Jh. früher in einem Schreiben Clemens YII. betreffe der
kaiserlichen Bulle Karls IV. für Orange"). Diese Thatsachen
bleiben stehen und verlieren nicht im geringsten an Bedeutung
durch den Umstand, dass man im 15. und 16. Jh. da und dort im
Ungewissen war, ob ein kaiserlicher Stiftbrief allein genüge; denn
nicht darauf kommt es an, was Einzelne dachten, sondern welcherlei
Art die Rechtsverhältnisse waren.
Die Befugniss des Papstes und des römischen Kaisers oder
Königs Generalstudien zu errichten, unterliegt also keinem
Zweifel. Wie steht es aber mit dem Rechte eines einfachen
Königs oder eines Landesfürsten als solchen? Gewiss
konnte er auch nach mittelalterlicher Anschauung in seinem
Lande Schulen begründen, und wir haben oben'^) gesehen, dass
z. B. Aegydius Romanus dies sogar als Pflicht desselben hinstellt:
ein Fürst, der nicht für den Unterricht seiner Unterthanen
sorgt, gilt ihm als ein Tyrann. Es bedarf auch nur eines
^) Bei Mttther, Aas dem UnlTersit&ts- und Gelehrtenleben S. 75.
») S. oben S. 766 £
^) S. Mather, Zar Gesch. der Rechtswissenschaft S. 259.
^) S. oben S. 471. Dieselben Worte febranchte mch Urbaa Y. in
seinem Best&tigangsschreiben fOr das tob Karl lY. errichtete Colleg: sappleiites
omnem defectom aham (ausser denen von welchen der Papst anmittelbar vor-
her gesprochen hatte), si qais iaterrenerit. Beg. Yat Atcd. 1 15 BL 317 b.
^<) S. 768 Anm. 3d. Der hl. Thomas reprodaciert eigentlich bot die
Lehre des Aristoteles, der ia Eth. Nie a 1. 1094h. 28 TOBdentdUrtfEf sagt:
2. Geistl. n. weltl. Macht im Yerli<niss znm General Studium. 785
Hinweises auf Karl den Grossen, dem das Frankenreich die
Erneuerung der literarischen Cultur zu verdanken hat"), oder
auf seine unmittelbaren Nachfolger. Allein man darf nicht
übersehen, dass es sich bei unserer Frage nicht um blosse
Schulen, sondern um vollgültige Generalstudien handelt. Be-
fanden sich die Könige in dem gleichen Verhältnisse zu den-
selben, wie der Papst und der Kaiser?
Nach Alfonso el Sabio allerdings "), und wie es scheint auch
nach dem hl. Thomas, obwohl sein Ausspruch nicht undeutlich
erkennen lässt, dass nach ihm der Landesfürst nicht ein un-
bedingtes Recht besitzt, Generalstudien zu errichten. Er sagt,
die Sorge um ein Generalstudium gehöre dem Papste und dem
Landesfürsten zu, vorzüglich aber dem erstem, und zwar
deshalb, weil es sich um eine Schule handelt, die der ganzen,
allgemeinen Kirche dienen solle'®). Woher nahm nun aber ein
einfacher König die Macht, der von ihm gestifteten Schule den
Charakter einer Lehranstalt für die ganze Christenheit, d. i.
den eines Studium generale aufzuprägen? Seine Gewalt erstreckte
sich nicht über die Gränzen seines Reiches hinaus. Und doch*
wurden nicht wenige Generalstudien wirklich von Königen und
Landesfürsten gegründet. Die Thatsachen liegen offen zu Tage
und sind oben im 4., theilweise auch im 5. und 6. Paragraphen
des dritten Hauptabschnittes auseinandergesetzt.
Um zur Klarheit über diesen Punkt zu gelangen, ist es vor
allem nothwendig, mehrere Hochschulen von den 14, die hier in
Betracht zu ziehen sind, auszuscheiden. Die fürstlichen Stiftbriefe
für Wien und Krakau wurden erst nach eingeholter päpstlicher Er-
laubniss erlassen, und zu ihnen kamen alsbald auch päpstliche
Stiftbriefe hinzu. Fast ebenso verhält es sich mit der Hoch-
schule zu Prag, denn Karl erbat sich über ein Jahr vor Aus-
stellung seines Stiftbriefes, den er doch im Grunde genommen nur
als König von Böhmen erliess, eine Gründungsurkundc vom
88) S. die bündige Darstellung bei Ebert, Allgem. Gesch. der Lit des
Mittelalters II, 8 ff.
89) 8. oben S. 778.
90) S. 779.
Deuifle, Die UnirenitAten. L 50
786 ^' Ursache der Entstehung der mittelalterl. Hochschulen.
Papste ^^). Galeazzo IL Visconti errichtete das Studium zu
Piacenza kraft der Autorität, die er vom römischen König
empfangen hatte, davon zu schweigen, dass für dasselbe auch ein
päpstliches Schreiben existiert'*). In all diesen Fällen ersetzte
der Papst oder der römische Kaiser, was dem König allein allenfalls
mangeln mochte. Anders gestaltet sich die Sachlage bei den
übrigen 10 Hochschulen, welche sämmtlich, mit Ausnahme yon
Neapel, zu Spanien resp. Portugal gehörten.
Vor allem ist zu bemerken, dass die Könige durch die
Gründung ihrer Hochschulen zunächst für ihr Land oder ihr
Reich sorgen wollten. Ich habe darauf bereits oben**) auf-
merksam gemacht. Wir haben dort gesehen, dass das von
Friedrich IL zu Neapel angelegte Studium in erster Linie eine
Landes- oder Reichsschule war. Reine Landesschulen waren
ferner Palencia, Sevilla, Perpignan, Huesca; solche sollten auch
dem ursprünglichen Plane nach Valencia, Salamanca, Alcalä,
Lissabon-Goimbra sein, resp. werden. Gewiss überschritt der
König nicht seine Gewalt, wenn er ein solches Generalstudium
und zwar für alle Facultäten eröffnete, und dem von ihm ein-
gesetzten Kanzler das Promotionsrecht verlieh**). Eine also ge-
stiftete Hochschule war ein wirkliches Generalstudium, jedoch
nur in der ersten und ursprünglichen Bedeutung. Sie besass
nicht den vollen Rang eines solchen. Wie sollte sie diesen
erhalten? Wie erwarb sie sich allgemeine Anerkennung? Auch
hier geben uns die oben niedergelegten Thatsachen die beste
Antwort.
Jacob IL von Aragon wollte sein Reich durch die Gründung
der Hochschule zu L6rida mit einem vollgültigen Generalstudium
^1) Erst am 14. Jänner 1349 ertheilte Karl als römischer König dem
Studium Privilegien. S. oben S. 597.
^) Die Nachweise finden sich im vierten Paragraphe des dritten Haapt-
abschnittes.
93) 8. 12.
^) Pedro IV. von Aragon errichtete sowohl in Perpignan als anch in
Huesca Lehrstühle der Theologie. S. oben S. 515 f. 509. Das canonische
Recht kommt Oberhaupt in allen königlichen Stiftbriefen (mit Ausnahme in
jenem fOr Sevilla) vor. Die übrigen Wissenszweige machen keine 8chwie>
rigkeit.
2. Geistl. u. weltl. Macht im Verhftltniss zum Generalstudium. 787
zieren. Er benachrichtigte davon vorher den Papst, indem er
sich dessen Erlaubniss einholte; dieser aber gewährte der uni-
versitas magistrorum et scholarium, falls der königliche Plan
zur Ausführung käme, die Privilegien jener von Toulouse'*).
Einerseits erkannte also Bonifaz VIII. das Recht des Königs ein
Generalstudium zu errichten an, andererseits erhielt das Studium
doch erst durch das päpstliche Schreiben , das jedoch kein
Stiftbrief ist, eine über die Pyrenäen hinaus geltende Bedeutung.
Deshalb konnte dann Jacob sagen, er errichtete das Studium auf
Grund der apostolischen und der eigenen Autorität®^). Noch
klarer wird dies durch die Geschichte der Universität Salamanca.
Fernando III. hatte sicher nur eine Landesschule zu eröffnen
beabsichtigt. Alfonso el Sabio genügte eine solche nicht, denn
nachdem er sie reorganisiert hatte, informierte er über das Ge-
schehene den Papst, welcher seinerseits die vom Könige ausge-
gangene Stiftung voraussetzte, und dem Acte Alfonsos nur des-
halb apostolische Autoritätskraft verlieh, weil der König darum
bat, damit das Studium von Lehrern und Lernenden frequentiert
würde '0- D^^ König suchte also seine eigene Autorität durch
die päpstliche zu stützen. Und als man trotzdem an anderen
Generalstudien Schwierigkeiten machte die in Salamanca vorge-
nommenen Promotionen als gültig zu betrachten, da erwirkte der
König ein neues päpstliches Schreiben, welches diesem Mangel
abhalf'^). Da das Studium schon von Fernando in. gegründet
worden war, so enthält das zuerst angeführte päpstliche Schrei-
ben eigentlich nicht einmal eine Bestätigung der Stiftung des
Generalstudiums, sondern vielmehr der Bemühungen Alfonsos für
das Studium'*). Wohl aber folgte der Gründung der Universität
»») S. oben S. 500.
9«) S. oben S. 501.
9"^) Sane letanter accepimus et utique acceptamns, quod . . . generale
Studium a doctoribus et docendis in posterum frequentetur humiliter postu-
lasti, a nobis apostolico id munimine roborari. Schreiben vom 6. April 1255.
S. oben S. 485 und Anm. 1063, wo auf ein Missverständniss Schultes hin-
gewiesen wird.
98) S. oben S. 485.
99) Der Papst war der Meinung, die Stiftung sei von Alfonso ausge-
50*
788 ^- nrsache der Entstebimg der mittelalterl. Hocbschalen.
Lissabon - (Toimbra ein päpstliches Bestätigungsschreiben , in
welchem dieselbe auch das Recht erhielt allgemein gültige Grade
zu ertheilen *^°). Später trat auch noch ein päpstlicher Stift-
brief hinzu.
In Mitleidenschaft wurden die Päpste von den Königen
auch hinsichtlich der Schulen von Valencia, Palencia***),
und Sevilla *°') gezogen. Doch handelte es sich hier nur um
Dispens von der Residenzpflicht und um Regelung des Salarinms.
Ganz- anders jedoch verhält es sich mit den Hochschulen zu
Perpignan und Huesca. Beide wurden vom Könige kraft seiner
eigenen Autorität errichtet. Allein beide Stiftungen sind, so
lange nur der König dabei im Spiele war, nicht vom Glücke be-
günstigt gewesen. Erst als der Papst einschritt, erstanden beide zu
neuem Leben. Für Perpignan wurde ein päpstlicher Stiftbrief er-
lassen'°'), und nahezu keine andere Bedeutung hatte das päpst-
liche Schreiben für Huesca '°^). Gar nicht zur Ausführung kam
die bloss königliche Stiftung der Universität Alcalä, und in be-
ständigem Hin- und Herschwanken begriffen war anfanglich die
Hochschule zu Neapel, welche Friedrich H., obwohl römischer
Kaiser, doch nur als König von Sicilien gründete.
Vergleichen wir alle die einzelnen Facta begleitenden Um-
stände, so ergibt sich uns, dass der Papst die Rechtmässigkeit
einer königlichen Stiftung nie bestritten hat Er erkannte
selbst die vom kirchenfeindlichen Friedrich EL. herrührende Grün-
dung der Hochschule zu Neapel an, wie die in dem an Karl L
von Anjou gerichteten päpstlichen Schreiben niedergelegten Worte
deutlich ergeben *°^). Er bedauert in demselben nicht weniger den
Verfall der alten Schule, als z. B. Urban IV. den des Studium
generale zu Palencia"*), das König Alonso VIIL zum Stifter
gangen. Insoferne kann man allerdings sagen, Alexander IV. habe di<>
Stiftung der Hochschule sanctioniert. Vgl. dazu oben S. 484.
100) 8. oben 8. 523.
1«) 8. oben 8. 475 f
w«) S. oben 8. 499.
IM) s. oben 8. 517.
»04) 8. oben 8. 514.
105) S. oben 8. 459 und dazu 8. 764 Anm. 30.
106) s. oben 8. 478. Vgl. den Text im Ball. Rom. ed. Taor. III, 69.>f
2. Geisti. u. weltl. Macht im Yerhältniss zum GeneralBtudltim. 7g9
hatte. Und doch finden wir, dass, wenn eine königliche Stiftung
gedeihen, oder wenigstens über die Gränzen des betreffenden Lan-
des hinaus Bedeutung erlangen sollte, die päpstliche Mitwirkung
alsbald in Anspruch genommen wurde, nicht zwar insofern, als
man einen päpstlichen Stiftbrief verlangte, wohl aber, um ver-
möge eines andern päpstlichen Actes dem Studium allgemeine Gel-
tung zu verschaffen. Und so folgt, dass der König bei Gründung
von Universitäten nicht dieselbe Stellung wie der Papst und der
römische Kaiser einnahm. Der König konnte recht wohl eine
Landesschule, ein Generalstudium für sein Reich errichten; da-
mit aber die an seiner Hochschule erworbenen Grade überall an-
erkannt würden, bedurfte er bei seiner Stiftung eines Bundesge-
nossen, und dieser konnte zunächst kein anderer sein als der Papst.
Es war mithin nicht bloss schicklich, wie Mendo meint, sondern es
stellte sich gewissermassen als eine Nothwendigkeit heraus, *ut pon-
tificis interveniat authoritas', auf dass die vom König herrühreude
Schule ein 'Studium generale non solum respectu regni sed re-
spectu universae ecclesiae' würde ^°^). Deshalb wohl haben mehrere
Fürsten, ehe sie ihre eigenen Stiftbriefe erliessen, um eine päpst-
liche Errichtungsbulle nachgesucht, wie wir oben gesehen haben *°*).
Es ist nun von selbst klar, dass es in der Macht des Papstes
lag, in den landesfürstlichen Anordnungen manche Modificationen
anzubringen. So z. B. gestatteten weder Urban V. noch
Clemens VII. den Unterricht in der Theologie an den Universi-
täten Wien und Perpignan, der in den weltlichen Stiftbriefen er-
laubt war. Urban V. gab nicht zu, dass der Kanzler König
Kasimirs in Krakau die Promotionen leite; er designierte für
dieses Amt den Bischof *°®). Es bietet überhaupt nichts auffälliges,
dass Bonifaz VIII. den zur Gewährung der licentia docendi auto-
risierten Personen Frankreichs die Befugniss, dieselbe in der Theo-
logie und in beiden Rechten zu ertheilen, entzog, bis der König
zu besserer Einsicht zurückkomme^'®), oder dass Clemens IV.
i<>7) s. oben S. 769. Ganz übersehen hat diesen Punkt V. de la Fuente,
Historia de las universidades en Espana p. 165 ff.
10«) S. 785 ff.
109) S. die Nachweise oben S. 606 f. 518. 627.
i»o) Du Boulay, Hist. nniv. Paris. IV, 54.
790 ^' Ursache der Entstehung der mittelalterl. Hochschulen.
den Bischof von Maguelone gegenüber Jacob L von Aragon hin-
sichtlich der licentia docendi in Schutz nahm, und letztern zu-
rechtwies'*^). Der Papst war immer die höchste Auotrität, der
sich auch die gekrönten Häupter beugen mussten"*).
So konnten demnach der Papst, der römische Kaiser und
unter der dargelegten Einschränkung der Landesftlrst ein Gene-
ralstudium gründen.
War also seit der Mitte des 13. Jbs. für den rechtmässigen
Bestand einer Hochschule ein päpstlicher Stiftbrief nothwendig?
Nein. War ein kaiserlicher oder landesherrlicher erforderlich?
Auch dies nicht. Es war aber entweder ein päpstlicher, oder
ein kaiserlicher oder landesherrlicher die Vorbedingung eines
Generalstudiums. Was Alfonso el Sabio im 13. Jh. treffend aus-
gesprochen hat, wurde heutzutage völlig ausser Acht gelassen**').
Durch das Vorausgehende wird zugleich die Möglichkeit aus-
geschlossen, dass eine Stadtobrigkeit oder der Bischof einer
Diöcese ein Generalstudium zu errichten vermocht hätten. Deren
Gewalt war auf einen kleinen Umkreis beschränkt, und die von
ihnen eröffnete Schule hätte nie den Rahmen eines Particular-
studiums überschritten. Es findet sich nur 6in Beispiel, dass
seit der Mitte des 13. Jhs. eine städtische Commune aus eigener
Machtvollkommenheit ein Generalstudium gründen wollte, nämlich
11^) S. oben S. 345. Dass der weltliche Fürst racksichtlich der Ein-
verleibung von Canonicaten und kirchlichen Beneficien die Intervention des
Papstes anrufen musste, versteht sich von selbst. Dies war das Hauptmotiv,
weshalb man bei Errichtung von Collegien um eine päpstliche Bestätigungsbulle
nachsuchte. Auch Karl lY. that dies für sein Karlscolleg, das er, obwohl
römischer Kaiser, doch nur in der Eigenschaft eines böhmischen Königs,
wie der Papst in der Gonfirmationsbulle sagt (in den oben S. 590 Anm. 1548
citierten Schreiben), gestiftet hatte, ümsomehr stand es hier dem Papste
zu Beschränkungen eintreten zu lassen, wie dies in der That hie und da
vorkam, z. B. gerade in Bezug auf das Karlscolleg.
112) Ob und inwiefern obige Grundsätze auch hinsichtlich des Associa-
tionswesens an den Hochschulen Geltung hatten, kann uns erst im 2. Bande
beschäftigen.
113) So von Savignyj der aus den oben gegebenen Prämissen schloss:
es sei weder ein päpstlicher, noch ein kaiserlicher erforderlich gewesen.
2. GeisU. u. weltl. Macht im Verhältniss zum Generalstudium. 791
das von Siena*"); aber dieser eine Versuch ist raissglückt. Die
Initiative zur Errichtung eines Generalstudiums sowie die Vorbe-
reitungen giengen allerdings in der Regel von den Communen,
öfters auch von den Bischöfen aus, wie wir uns im Laufe der
Untersuchung widerholt überzeugt haben. Allein die von den-
selben gefassten Beschlüsse sich um ein Generalstudium zu be-
werben sowie die Bemühungen in den Besitz eines solchen zu
gelangen dürfen nicht mit der Stiftung selbst identificiert
werden. Indess war es keiner Stadt und keinem Bischöfe
benommen, ein Generalstudium zu eröffnen, ehe sie einen Stift-
brief erhalten hatten, denn in diesem Falle handelten sie mit
sogenannter licentia praesumpta und in der sichern Erwartung
bald einer Gründungsurkunde theilhaftig zu werden. Aehn-
lich geschah es z. B. in Treviso, Pisa, Florenz und in manchen
andern italienischen Städten. Eines der eclatantesten Beispiele
bildet die Gründung der Universität St. Andrews in Schottland
(die freilich erst in die nächste Periode fällt) durch den
Bischof Heinrich Wardlaw. In dem am 27. Februar 1412 aus-
gestellten an die doctores, magistri, baccalarei und scolares der
Stadt St. Andrews gerichteten Schreiben nennt der Bischof die
Universität 'universitas a nobis salva tarnen sedis apostolice
auctoritate de facto instituta et fundata', die bereits ihren
Anfang genommen habe"*^). Und doch erschien der päpstliche
Stiftbrief erst ein halbes Jahr später, den 28. August**®). Wäre
in solchen Fällen ein Errichtungsschreiben von Seite der
höheren Autorität nicht erfolgt, so würde damals die Hochschule,
obgleich schon eröffnet, keinen Fortgang gehabt haben, wie
wir aus der Geschichte der Universität Siena belehrt werden * ").
"*) 8. oben 8. 431 f.
^^^) Dieses Document ist einer Bnlle Benedicts XIII. vom 28. August
1412 inseriert. Reg. Yat. Avenion. Ben. XIII. t. 64 Bl. 608b. Das
bischöfliche Document ist 1411 'sec. cursum et computationem ecclesie Sco-
ciane, Indict. quinta', mithin 1412, ausgefertigt.
11«) Reg. Vat. Avenion. t. 64 Bl. 607 b.
117) Höchst ungenflgende Vorstellungen von diesen Verhältnissen besass
Voigt, der in seiner Wiederherstellung des classischen Alterthums I, 343 die
Bemühungen der Republik Florenz im J. 1321 eine Hochschule zu erhalten
792
Rückblick.
Die in diesem Bande niedergelegten historischen Unter-
suchungen haben uns belehrt, wo und in welcher Weise die
mittelalterlichen Universitäten entstanden sind. Die Geschieht«
der Gründungen der Universitäten kann man mit gutem Rechte
ein Geschichte der von dem bessern Theile der Völker gemachten
Anstrengungen nennen, um in den Besitz von Culturstätten zu
gelangen. Bis 1400 bedurfte es dazu noch nirgends einer
Mahnung, eines Druckes von oben. Die Hochschulen erwuchsen
aus den jeweiligen Bedürfnissen. Erst Maximilian I. fand es
geboten auf dem im J. 1495 zu Worms abgehaltenen Reichstage
an die Kurfürsten die Aufforderung ergehen zu lassen, dass sie
in ihren Landen Universitäten gründen sollten. Beim Beginne
des 15. Jhs. schloss die Peripherie, innerhalb welcher Hoch-
schulen bestanden, bereits die Mehrzahl der damals civilisierten
Völker ein, und sie wurde bis zum Anfange der Reformation derart
erweitert, dass sie nachher nicht sehr viel an Umfang gewonnen hat
Wurden auch nicht wenige Bestrebungen von keinem oder nur
geringem Erfolge gekrönt, woran zumeist die finanzielle Lajje
einzelner Städte und Länder Schuld trug, so war doch Emle
des 14. Jhs. den Wissensbeflissenen allerorts Gelegenheit geboten,
ohne den Beschwerden einer grossen Reise sich aussetzen zu
müssen, die damals vorgetragenen Wissenschaften sich anzueignen.
Auch die Armut sollte hierin soweit möglich kein Hinderniss
in den Weg stellen, denn die im Laufe der Zeit an den meisten
Hochschulen errichteten Collegien hatten gerade den Zweck,
armen Studierenden Unterkunft zu bieten, damit ihnen ebenso
wie den reichen die Vortheile der Bildung zugewendet würden.
Soweit man von Gründung der Universitäten sprechen kann,
ist dieselbe das Verdienst der Päpste und der Landesherren, des
Clerus und der Laien. Dass aber den Päpsten der Hauptantheil
zukomme, wird jeder zugestehen, welcher meiner nur auf Docu-
mit einem GrOndungsact verwechselt, und deshalb folgerichtig die im J
KU8— 1349 gemachten Anstreoguagen um in den Besits einer UoiTersitit n
gelangen nur als Bemühungen dieselbe widerhersustelleo ansieht
Verdienst der Päpste nm die Universit&ten. 793
menten ruhenden Darstellung gefolgt ist und die Geschichte mit
unbefangenem Blicke prüft. Nicht bloss wurde die Mehrzahl
der Hochschulen durch päpstliche Stiftbriefe ins Leben gerufen, son-
dern nahezu alle, gleichviel ob diese der geistlichen oder der welt-
lichen Macht ihr Dasein verdankten, oder ob sie sich in anderer
Weise entwickelt hatten, erhielten von den Päpsten mannigfache
Privilegien (unter denen nicht das geringste die den Studierenden
geistlichen Standes gewährte Dispens von der Residenzpflicht
war *"), und Magister und Scholaren wurden von ihnen jedesmal
in Schutz genommen und unterstützt, so oft sie die Curie um Hilfe
anriefen. Viele Universitäten wären todtgeborne Kinder gewesen,
hätten die Päpste nicht durch Incorporierung von Praebenden
und Pfründen für das Salarium der Professoren gesorgt. Dem
von Nicolaus IV., Bonifaz VHL und Clemens V. ausgesprochenen
Bestreben, dass die Studien vorzüglich in den zur Verbreitung
der Wissenschaft geeigneten Gegenden gedeihen"^), und die ein-
zelnen christlichen Länder eine genügende Anzahl wissenschaft-
lich gebildeter Männer besitzen möchten *"), wurden die Päpste in
ii8j Woher Maurer, Geschichte der Städte Verfassung in Deutschland II,
316, die Ansicht gekommen, die deutschen Universitäten hätten alle ihre
Privilegien vom Landesherrn, nicht vom Papste erhalten, weshalb es keine
Gonservatoren der päpstl. Privilegien gegeben habe, veiss ich nicht. Aus
den Acten keineswegs.
1^^) Dum soUicite considerationis indagine pcrscrutamur , quam sit
donum sapientie pretiosum quamque illius desiderabilis et gloriosa possessio,
per quam ignorantie tenebre profugantur ac erroris funditus eliminata caligine
mortalium curiosa solertia suos actus et opera disponit et ordinat in lumine
veritatis, magno utique desiderio ducimur, ut litterarum studia, in quibus
margarita scientie reperitur laudanda, ubilibet incrementa suscipiant, pro-
penains invalescant, in illis presertim locis, que ad multiplicanda doctrine
semina et germina salutaria producenda ydonea et accomoda dinoscuntur.
So Bonifaz VIII. in den Stiftbriefen für Pamiers und Avignon. Aehnlich
bereits Nicolaus IV. in dem oben S. 350 citierten Schreiben für Montpellier
und später Clemens V. im Privilegienbriefe für Coimbra (s. oben S. 524
Anm. 1194). Diese Einleitung wurde eine Formel.
^ Dies sagt Clemens V. in dem eben angeführten Schreiben: Expedit
enim singulis regionibua orthodoxis, nt in eis viri habeantur industres litte-
rarum decori scientiis et virtntibus presigniti, ut singula sie ipaomm con-
siliis providis et consulta Providentia dirigantur, quod eorum incole sub rectitu-
dinis observantia gloriosi vivant et regnent, et qoietis beatitudiai gratulentur.
794 Bestrebungen des Clenu, der Forsten nnd der GommimeiL
keiner Epoche untreu. Ihr Beispiel wirkte auf den Clems, der
nicht bloss das Gros der Studierenden bildete, sondern auch bei
Gründungen von Universitäten zumeist betheiligt war. Ihm ist
fast ausschliesslich die Stiftung der für arme Schüler bestimmten
Gollegien, welche, wie Heinrich von Langenstein mit Recht
bemerkt, zur Erhaltung und Blüthe der Universitäten wesentlich
beitrugen*"), zu verdanken.
Aber auch die weltlichen Fürsten haben sich den Dank der
Nachwelt verdient. Ich erinnere nur an die Bemühungen der
spanischen ^'^), englischen und sicilianischen Könige. Die fran-
zösischen Könige wandten den Hochschulen eine namhafte Sorgfalt
erst im 14. Jh. zu, d. i. in jener Epoche, in welcher bei den welt-
lichen Fürsten der Sinn für höhere Lehranstalten allerorts recht
eigentlich erwachte und sich in den Bestrebungen Kaiser Karls FV.
am schönsten kundgibt. Man muss jedoch gestehen, dass die
städtischen Communen wenigstens im 14. Jh. im Grossen und
Ganzen weit rühriger als die Fürsten waren und auch ausser-
halb Italiens sich die Förderung der Wissenschaften durch Er-
richtung und Erhaltung von Culturstätten , soweit dies in ihrer
Macht stand, angelegen sein Hessen.
Wägen wir die einzelnen Thatsachen, die sich uns bei den
verschiedenen Stiftungen aufgedrängt haben, ab und vergleichen
wir sie mit einander, so offenbart sich uns auf dem Gebiete der
lai) S. oben S. 624 Anm. 1640.
^ Nor in Sardinien leisteten die aragonesischen Könige hat nicbts fitr
die Stadien. Trotz des gaten Willens der Einheimischen wurde das erste
Generalstudiam daselbst and awar in Sassari erst 1562 errichtet S. Tola,
Notizie storiche della oniTersitJi degU stadi di Sassari Oenova 1866 p. 32 if.
41. Die zweite Hochschale, die zn Gagliari, datiert aas dem J. 1626. &
Nozioni storiche solla r. nniyersitii degli stadi di Gagliari. Gagliari 1865
p. 5. Mehr thaten die Könige Ton Aragon in Sicilien. Schon fan J. 1434
ertheilte Alfonso V. die Ebdaabniss in Gatania ein Cteneralstadiam an
errichten, das im J. 1444 einen pl^lichen and königlichen Stiftbrief
erhielt S. Belazione salla r. aniTorsitit di Gatania. Gatania 1872 (in der
Schrift sind öfters die Daten irrig). FOr Messina wurde im J. 1459 von
König Johann II. das Diplom gewährt nachdem bereits anter Alfonso V.
im J. 1434 Schritte daza gethan waren. S. Breri notizie storiche iatorao
alla r. uniTersiti degli stadi di Messina (Messina 1812) p. 3. Gallo, Annafi
di Messina (Mesaina 1756) I, 80.
Harmonie zwischen Qeistl. u. Weltl. auf dem Universitätsgebiete. 795
Gründungsgeschichte der mittelalterlichen Universitäten eine
wunderbare Harmonie zwischen Kirche und Reich, Geistlichem
und Weltlichem, und zwar selbst in jener Epoche, in der Europa
bereits von dem Höhepunkt seiner Blüthe herabgesunken war, und
auf anderen Gebieten von bedeutenden Dissonanzen zwischen
geistlicher und weltlicher Macht sprechen konnte, nämlich im
14. Jh/"). Die auf dem in den Universitätsverhältnissen zu Tage
tretende Eintracht beweist immerhin, wie mächtig damals noch der
christliche Geist, ohne den man überhaupt das Mittelalter nicht
verstehen kann, alles beherrschte; er hat jenes harmonische Ganze
geschaffen, in dem Kirche und Reich, Geistliches und Weltliches
ohne Schädigung der Selbständigkeit und Eigenthümlichkeiten der
einzelnen Theile in einander griffen. Daher kommt es, dass
sich uns die mittelalterlichen Universitäten bald als die höchsten
kirchlichen, bald als die höchsten weltlichen Lehranstalten dar-
bieten. Im Grunde sind sie Schöpfungen des christlichen Geistes,
der das Ganze durchdrang, in dem Papst und Fürst, Clerus und
Laien jeder seinen gebührenden und berechtigten Platz inne hatten.
Dies übersehen so häufig diejenigen, welche über das Ver-
hältniss der mittelalterlichen Universitäten zur Kirche urtheilen.
Finden sie eine Hochschule von weltlicher Seite gegründet oder
ohne die Grundlage von Dom- und Stiftsschulen, so wittern sie als-
bald den Anfang eines der Kirche entfremdeten weltlichen Schul-
wesens^**). Nach modernen Principien betrachten sie das Mittelalter,
und im Vorurtheile befangen, die Päpste hätten jedwede Selb-
ständigkeit und freiere Bewegung verhindert, entdecken sie gerade
in der im Mittelalter auf weltlicher Seite sich offenbarenden berech-
tigten Selbstständigkeit und freiem Bewegung eine Auflehnung
^^) Diesem Zusammenwirken der geistlichen und weltlichen Gewalt
verlieh Johann XXII. in einem Schreiben an Philipp le Long Ausdruck.
S. oben S. 266.
^) Nach Kaemmel, Geschichte des deutschen Schulwesens S. 96, be-
gann überhaupt mit der Gründung der Hochschulen die Emancipation der
Wissenschaft von der Bevormundung der Kirche. Kaemmel hatte auch sonst
vom mittelalterlichen Schulwesen keinen Begriff, Er spricht des langen und
breiten vom Verfall der klerikalen Schulen' zur Zeit der Entstehung der
Universitäten, und erkannte nicht, dass man die meisten der letzteren ebenso
gut clerical als laical nennen kann.
796 ^16 mittelalter]. Universit&t u. moderne Anschanimgen.
gegen die Kirche'"). Als Emancipationsgelüste vom kirchlichen
Einfluss gilt ihnen das Streben der Professoren und Schüler an
einigen Hochschulen (z. B. in Paris und Angers), der Macht des
Kanzlers, der fast überall ein kirchlicher Würdenträger war, sich
so weit möglich zu entziehen, indem man nicht beachtet, dass
der Papst selbst derartige Bestrebungen unterstützte""), und es
sich bei denselben, um ein treffendes Wort Paulsens zu ge-
brauchen*^^), nicht um Freiheit von der Kirche, sondern um
'Freiheiten' in der Kirche handelte. Die Wechselbeziehung
zwischen geistlicher und weltlicher Macht hinsichtlich der Uni-
versitäten wurde bis 1400 eigentlich nur einmal auf kurze Zeit
ernstlich gestört, nämlich durch das Vorgehen Philipps des
Schönen gegen die Bestimmungen Clemens V. hinsichtlich Or-
leans.
Was sollen wir aber vom Charakter der mittelalterlichen
Universität halten? Da sie von der modernen gar sehr absticht,
blickt man auf die mittelalterliche nur zu oft mit Gering-
schätzung herab. DöUinger behauptet z. B., dass von den 14
deutschen Hochschulen am Ende des 15. Jhs. 'nicht eine einzige
auch nur den bescheidensten Anforderungen, auch nach dem
damaligen Masse der Wissenschaft und ihrer Erfordernisse*,
entsprechen konnte. Als Beweis führt er an, dass Tübingen
und Leipzig (also bloss zwei der 14 Universitäten) anfanglich
nicht mehr als 2 Professoren der Medicin (mithin nur in einem
i25j Wie wenig die Kirche daran dachte bestehende Eigen thümlicb-
keiten und Gewohnheiten auf dem Universitätsgebiete zu unterdrücken , be*
weist ein Wort Clemens IV. rücksichtlich eines Rechtes, das ausscbUesslich
für sich in Anspruch zu nehmen die Kirche sehr wohl berechtigt gewesen
w&re, nämlich das der Ertheilung der Licenz. In dem oben S. 345 citierten
an Jacob I. gerichteten Schreiben sagt der Papst: De licentiandis quidem
doctoribus in scientiarum variis facultatibus aliud canonica iura diffiniuni,
aliud principum sanctiones, sed et ipse consuetndines pro diversitate
diocesis aut locorum in huiusmodi dandis licenciis Tariantar.
>26) Vgl. a. B. oben S. 686. 688 f.
187) In Sybels bist Zsch. Bd. 45 S. 284. In der Geschichte des
gelehrten Unterrichts wendet er sich S. 13 gegen die irriges Gonsequensen,
die man vielfach aus dem Vorkommen Ton Streitigkeiten zwischen dem Vor-
steher einer Dom- oder Stiftschule und dem Stadtrathe, der eine eigene
Schule errichtete, gezogen hat.
Nichts Vollkommenes unter der Sonne. 797
der 4 Fächer und zwar 'anfänglich') besassen*"). Die Hinfällig-
keit von Döllingers Behauptung liegt also schon in der Art und
Weise, wie sie erhärtet wird. Derartige Urtheile können uns
keinen Augenblick aufhalten, sie gehören in dieselbe Kategorie
wie ähnliche über die geistigen Produkte des Mittelalters ****).
Doch wird kein Vernünftiger läugnen, dass die mittelalterliche
Universität der modernen in vielem nachsteht, wenngleich sich
im Verlaufe des Werkes zeigen wird, dass es keineswegs in
allen Hauptpunkten der Fall ist. Einer nicht der geringsten
Mängel des mittelalterlichen Unterrichtswesens war, dass, wie
128) Die Universitäten sonst und jetzt S. 10.
139) Der Qmnd der schiefen Urtheile flher das Mittelalter liegt
sehr häufig in der Unkenntniss desselben, öfters auch im Mangel an guten
Willen den damaligen Erscheinungen gerecht zu werden. Zur Illustration
hier nur einige Beispiele. Bosiöres, Histoire de la soci6t6 fran^aise au moyen
äge (Paris 1880) n, 291 ff. will denWerth der alten geistlichen Bibliotheken
herunterdrücken; es gelingt ihm aber nur dadurch, dass er dasjenige, was
das Gegentheil beweist, verschweigt. Rosieres beruft sich auf mehrere Einzel-
heiten, und erhebt diese zu Allgemeinheiten, so dass man sich schliesslich
erstaunt fragt: aus welchen Bibliotheken stammen dann die vielen Väter-
und Classikerhss., die noch jetzt erhalten sind, wenn sie nicht von den alten
Kloster- und Stiftsbibliotheken herrühren? Bernhardy führt in seiner Rom.
Literatur^ S. 118 als Beleg der Barbarei des Mittelalters solche Murch ihre
Titel, wie Hollokot, Breikot, Gorra erschreckende, von Luther als Esels-
mist verworfene Nothbüchlein' an. Ich weiss nicht, ob die Berufung auf
Luther richtig ist. Ist aber dem also, dann hat letzterer ebenso wie Bern-
hardy seine Unwissenheit an den Tag gelegt. Die drei genannten Bezeich-
nungen sind nicht Titel von Büchern, sondern die Namen von drei Schrift-
steilem aus dem Dominicanerorden. Robert Holcot schrieb unter anderm
einen Commentar in die Sentenzen, Postillen in die hl. Schrift und wurde
auch aU Verfasser des berühmten Philobiblion des Richard de Bury, mit
dem er innig vertraut war, angesehen (s. Philobiblion ed. Cocheris p. XXI;
den daselbst citierten Hss. füge ich Escorial j. II. 25 bei, wo das Buch
ebenfaUs dem Robert zugeeignet wird). Nicolaus de Gorran ist besonders
durch seine Postillen in die hl. Schrift bekannt (s. Quetif-Ech. I, 437), Ni-
colans Byart durch seine Distinctiones (Qu^tif. 1, 123). Derselbe Bernhardy
findet in den Specula des Vincenz von Beauvais einen Beweis dafür, wie
'eingeschränkt die Eenntniss römischer Autoren war'. Er verrät uns aber
sogleich, dass er keines der Werke- Vinccuzs zu Gesicht bekommen hat,
denn er hält den Weltspiegel Woll von Auszügen aus Plinius und anderen
Sammelwerken' (Rom. Lit.^ S. 321).
798 l^ie mittelalterliche nnd die moderne Universit&t.
uns die Folge zur Genüge belehren mrd, das Verhältniss der
niederen Lehranstalten zu den höheren und umgekehrt kaum
geregelt war und in gewissem Sinne keine auf die Universität vor-
bereitende Schulen existierten, was selbstverständlich nicht wenij^e
Nachtheile im Gefolge hatte. Allein man soll nicht vergessen,
dass die Universität in einer Zeit entstand, in welcher die
Schulgesetzgebung in den Anfangen war, ja dass eigentlich
erst die Universität die Schulgesetzgebung hervorgerufen hat.
Unmöglich konnte man sich daher über alle Ziele der Schul-
bildung klar sein und zwar um so weniger, als man damals noch
des Nutzens entbehrte, den die folgenden Generationen aus einer
Jahrhunderte langen Erfahrung ziehen konnten und mussten.
Ist aber die Thatsache, dass die mittelalterliche Universität
in vieler Beziehung unvollkommen war, für spätere Geschlechter
ein Grund, sie mit Geringschätzung zu beurtheilen? Ziemt es
sich für einen gereiften Mann, der eine langjährige Erfahrung
hinter sich hat, über alle möglichen Mittel verfügt und sein
Urtheil nach manchen misslüngenen Versuchen geklärt, seine
Anschauungen geläutert hat, stolz hinzublicken auf die ernsten
Anstrengungen und Arbeiten eines Jünglings, der noch im Stadium
der Entwickelung begriffen ist, mit Schwierigkeiten aller Art zu
kämpfen hat, und, obwohl das Ziel stets im Auge behaltend, hei
der Wahl der ihm zu Gebote stehenden Mittel mitunter fehl-
greift? Uebrigens bedarf das Mittelalter wahrhaftig keiner Ent-
schuldigung, dass es nicht alles geleistet hat, da die Vollkommen-
heit auch heute nach 6 — 7 Jahrhunderten nicht erreicht wurde
und man gerade in der Gegenwart vielfach ratlos dasteht über
die einzuschlagenden Wege, die höheren Unterrichtsanstalten zu
reformieren, obwohl man durch Adoptierung eines im Mittelalter
spontan angewandten in neuerer Zeit leider zu oft aufgegebenen
Princips bald zu grösserer Klarheit gelangen würde, dass sich
nämlich das Neue auf das Alte stützen und letzteres im ersteren
lebendig bleiben soll.
Wenn man mit Recht bemerkt hat, dass jede Epoche in
der Geschichte des deutschen Geisteslebens durch das Aufkommen
neuer Universitäten bezeichnet wird ' '^), so haben die Entstehung
1^) Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts S. 424.
Li-'
Ir
Die mittelalterl. Universit&t hat sich den Dank der Nachwelt verdient. 799
und Gründung der ersten mittelalterlichen Universitäten eine der
Hauptepoehen in der Geschichte des europäischen Gulturlebens
und Bildungswesens eingeleitet. Sie waren damals fast noch
mehr als heute die Brennpunkte der geistigen Thätigkeit. Und
gleichviel, ob sie unseren Begriffen entsprechen oder nicht, so
genügten sie doch vollkommen für die Bedürfnisse des Mittelalters,
bereiteten die höheren Lehranstalten der späteren Zeit mit ihren
neuen Erfordernissen und Anschauungen vor, und wurden darum
die breite Grundlage selbst für die modernen Hochschulen.
Dankbar sollte daher die Nachwelt auf das 12. und 13. Jh.
blicken, da eben dort die Anfilnge der gelehrten Gesellschaften
und die Keime des gelehrten Unterrichts der spätem Epochen
liegen. Europa hat den mächtigsten geistigen Anstoss durch die
Universitäten erhalten, die sich im 12. und 13. Jh. in jugend-
licher Frische und Kraft erhoben, und dies mögen nicht bloss
die Juristen der neueren Zeit, deren Wissenschaft, um mit Savigny
zu reden, auf dem Grund der Schule von Bologna ruht'^*),
sondern überhaupt alle diejenigen nicht vergessen, welche die
Segnungen unserer Culturstätten gemessen.
131) Geschichte des röm. Rechts III, 1^6.
Beilagen.
Beilage I.
Die städtischen Statuten Padaas (Statnti dd Commie di
Padova dal secolo Xn alP anno 1285. Padora 1873, ed. von A. Gloria)
gehören hinsichtlich der Bestimmimgen flher die Professoren und Scho-
laren zu den interessantesten, die uns ans dem 13. Jh., und zwar ans
so frflher Zeit, nämlich ans den J. 1259 — 1275, erhalten sind. Sie lassen
uns die Ait nnd Weise der Sorgfalt, welche die italienischen Communen den
städtischen Lehranstalten zuwandten (s. oben S. 735 f.), fast noch mehr
erkennen, als die Statuten Bolognas sowohl ans derselben Epoche als der
früheren, die wir oben im 2. Hauptabschnitt kennen gelernt haben.
Paduas Verordnungen erweisen zugleich, dass die eigentliche Reactivierung
des dortigen Studiums im J. 1260 statt fand, wenngleich wenigstens das
Jahr vorher schon mehrere Bfagistri conventati daselbst gelehrt hatten.
Förmlich organisiert wurde das Studium nach längerer Unterbrechunsr,
von der ich oben S. 284 gesprochen habe, erst im J. 1260. Die
sUtdtische Commune leistete den Haupttheil an der Neubegrfindung.
De immunibus et salariatis^.
Potestate domino Matheo de Corrigio. Mülesimo ducentesimo qoiu-
quagcsimo nono. Magistri conventati et approbati in gramatica qui
nunc regunt in civitate padue vel de cetero regent, dum regent gau-
dcant immunitate secundum formam iuris.
Potestate domino Marco Quirino. Millesimo ducentesimo sexagesimo
primo. Medici omnes et cyrologi non teneantur solvere daciam et sab-
stinere honera civitatis padue.
1) Die Statuten sind in vier Bacher getheilt. Obiges ist das 20. Ka
pftcl des vierten Buches. Die drei Absätze haben bei Gloria die Nummern
1209-1211.
Beilage I. 801
Potestate domino Jacopino Rubeo. Millesimo ducentesimo sexage-
simo septimo. Forensis quilibet qui volet regere in civitate padue in
legibus siye in decretalibus vel decretis sine salario, sit civis paduanus
et tanqnam alii cives paduani tractetor, et juret alibi non regere.
Et quandocunque cessaverit regere, cesset citadinancia ipsius^).
De conditionibus scolarium et de facto studii padue^).
Potestate domino Marco Quirino. Millesimo ducentesimo sexagesimo.
Comune padue det hospicia omnia civitatis padue scolaribus,
exceptis domibus portarum et tribus aliis domibus per quarterium que
videbuntur potestati, ita quod pensio melioris hospicii non excedat summam
librarum quinquaginta denariorum parvorum; pro aliis autem hospiciis
fiat taxacio ab inde ultra arbitrio duorum civium et duorum scolarium.
Et scolares non possint facere aliquas expensas voluntarias, nisi utiles et
necessarias. Et si volumptarias vellent facere, faciant de suo proprio,
ita quod pensio d.mus non minuatur. Et predicta hospicia debeant
infra certum tempus aptari ad opus studii et vacuari arbitrio duorum
civium padue et duorum scolarium, et si discordes fuerint in predictis
vel aliquo predictorum, stetur arbitrio domini episcopi paduani tantum,
et medietas pensionis solvatur in festo omnium sanctorum et alia me-
dihtas in festo purificationis sancte marie^).
Potestate eodem et millesimo. Teneatur comune padue facere mu-
tunm Scolaribus secundum qualitatem scolarium f actis bonis securitatibus
et ydoneis seu precariis valentibus tercium plus quam sit debitum, iuran-
tes et promittentes, quod suo nomine et ad suam utilitatem pro suis ex-
pensis accipiant mutuum et non pro alio vel aliis, nee pro aliorum
utilitate.
Potestate eodem et millesimo. Extimacio pignorum dandorum
comuni padue et fideiussorum et precariorum debeat iieri arbitrio unius
Scolaris et unius civis iudicis qui boni sint et legales et iurati, eligen-
dorum civis per potestatem, et Scolaris per dominos et magistros.
Potestate eodem et millesimo. Compellere teneatur potestas fenera-
tores, ut non possint ultra sex denarios pro libra aliquo tempore a sco-
laribus exigere.
^) Ueber Aerzte sprechen auch andere Bestimmungen, die ich hier
übergehe.
3) Das 23. (letzte) Kapitel des vierten Buches der städtischen Statuten.
Die oben angefahrten tragen bei Gloria die Nummern 1221—1259.
^) Aus diesem Abschnitte ergibt sich hauptsächlich, dass das Studium
im J. 1260 reactiviert wurde.
Denifle, Die UnireTsititen L 51
802 Beilage I.
Potestate eodem et millesimo. Nullus debeat mutuare alicui Sco-
lari yel civi nee alicui persone nisi ad quatuor denarios pro libra tan-
tum et non ad plus in pena, quo continetur in statuto comunis padue. Kallas
Scolaris debeat pignorari vel conveniri pro aliquo nisi pro quo nominatun
Sit obligatus.
Potestate domino Bonifacio de Canossa. Millesimo ducentesimo
sexagesimo octavo. Eligat potestas padue singulis sex mensibus duos
mutuatores scolarium iudices vel laycos ad voluntatem rectoram
Scolari um, qui habeant pecuniam comunis mutuandam scolaribus, et
comuniter mutuent scolaribus secundum formam statutorum et condi
ciones scolarium ad omne suimi periculum ipsorum mutuatomm, ita
quod comune padue nuUum dampnum consequi possit. Et de hoc ipsi
mutuatores facere debeant ad canipam^) comunis bonam et ydoneam
securitatem.
Potestate domino Guidone de Monte. Millesimo ducentesimo sexa-
gesimo secundo^). Si possunt haben quatuor homines qui mutuent sco-
laribus quatuor millia librarum vel ultra pro quatuor denariis pro libra
minori, admitti debeant et gaudeant scolarium libertate, prestita eisdem
fideiussorum ydonea cautione, intelligendo quod sint immunes ab honen-
bus civitatis. Sed allegare priviUeium fori non possint, nee acdpere
domos more scolarium, et sint forenses.
Potestate eodem et millesimo. Pecunia comunis que deputata est
ad mutuum faciendum scolaribus taliter ordinetur, quod ille vel illi in
quorum manibus erit dicta pecunia, mutuare et dividere inter scoiares
de conscilio et expresso conscensu rectoris teneantur, ita quod contra-
ctus celebratus cum massario in comuni libro universitatis scribatur per
manum publici notarii ab universitate deputati, ut per viam istam fraus
et dolus tam super duplicatione coutractuum quam super ficta nomina
contrahencium totaliter excludatur. Et quando massarius reddet rationem,
quod aliqui sint presentes ex parte universitatis ibidem. Et quando so-
lucio fit, similiter fiat presente rectore.
Potestate eodem et millesimo. Infra terminum contractus non acci*
piantur precaria scolaribus causa pignorandi, nisi fuerit Scolaris suspectus.
Potestate domino Marco Quirino. Millesimo ducentesimo sexagesimo
primo. Teneatur potestas padue facere pervenire apud illum officiaiem,
qui preerit mutuo scolarium, omnes denarios, precaria, qui et que sunt
^) D. i. bei der st&dtischen Kasse.
^) Ghiido da Montefogliano di Beggio war Podestä von Padoa von
Mitte 1259 bis zum n&chsten Jahre, nicht aber 1262. S. die Liste der Po-
deste bei Muratori, SS. rer. ital. YIII, 377. 423. Ant. Ital. IT, 1142.
Beilage I. 803
penes aliquos, qui hinc retro fuerint officiaJes in diclo mutuo scolarium
infra unum mensem, postquam intraverit regimen; quod si non fecerit
solvat comuni libras centum.
Potestate eodem et millesimo. Si aliquis Scolaris vellet recedere
aliqua de causa, et venerit per terram et scolares publice preconizari,
quod post quindecim dies a die preconizacionis non audiatur aliquis
volens eura impedire, dummodo comuni vel aliis satisfecerit'').
Potestate eodem et millesimo. Et si Scolaris aliquis deberet baniri
pro aliqua causa, id quod primitus preconizetur per civitatem et scolas
singulas.
Potestate eodem et millesimo. Firmatum est in conscilio quadra-
ginta, quod scolares non capiantur personaUter, nee impediantur vel
molestentur in aliqua re pro aliqua re, pro aliquo debito contracto alibi,
quam in padua vel paduana.
Potestate eodem 'et millesimo. Tabellio scribens contractus scola-
rium non debeat recipere nee possit ultra tres grosses pro carta.
Potestate eodem et mülesimo. Dictus tabellio unicam tantum solu-
cionem accipiat pro uno contractu, et facta divisione mutui teneatur de-
lere contractum sine nova solucione.
Potestate domino Marco Quirino. Millesimo ducentesimo sexagesimo
primo. Omnia privilleia indulcta legibus vel cannonibus scolaribus ser-
ventur illesa nuUo Statute obstante, et maxime clericis.
Potestate eodem et millesimo. Scolares computentur cives
quantum ad comoda et non ad incomoda.
Potestate eodem et mülesimo. Universitatis nuncü plena gaudeant
übertäte, secundum quod aliquis doctor vel Scolaris gaudere potest.
Potestate domino Guidone 'de Monte. Mülesimo ducentesimo sexa-
gesimo secundo»). Scolares nuUum toUoneum solvere teneantur.
Potestate domino Marco Quirino. Millesimo ducentesimo sexagesimo
primo. Depredaria vel raubaria facta alicui Scolari vel eins nuncio in
paduano districtu ratio iiat secundum quod fit civibus padue.
Potestate eodem et millesimo. Intuitione et iusticie exhibicione:
ubicumque in padua et paduano districtu de utüitate scolarium tracta-
bitur, pro civibus babeantur salvis eorum privüleüs scolasticis.
Potestate eodem et mülesimo. Si scolares aliqui habentes inter se
aüquam rixam et discordiam, concordaverint inter se de dicta custodia
7) Vorausgesetzt dass Gloria richtig gelesen hat, ist die SteUe verderbt.
Dies gilt auch von dem folgenden Statut.
8) S. oben Anm. 6.
* Ol*
804 Beilage I.
sive rixa, nee potestas nee comune padne debeat sen possit se intro-
mittere, nee in iudicando nee in eognoscendo, et hoc si feceiint infra
decem dies coneordiam.
Potestate eodem. Si in aliqno negoeio immineret alicui Scolari ali-
qoa necessitas dandi fideiossores, possint dare de scolaribos, dommodo
sint ydonei.
Potestate eodem et millesimo. Si aliquis Scolaris timet de persona,
possit deferre arma ad sui defensionem, prestita cantione vel inramento
de aliqao non offendendo, dummodo non defferat arma fraudulenta, ti>
more approbato per potestatem.
Potestate eodem et millesimo. Familei sen servientes scolarium
possint ire per eivitatem in qualibet hora noctis, dummodo com lomiae
incedant et honeste, et etiam scolares secundam quod cives paduani Da-
ciunt et faeient.
Potestate eodem et millesimo. Si aliquod statntum fieret a rectore
scolarium cnm universitate scolarium, quod non vergat ad de-
trimentum potdBtatis vel comunis vel civium padue, quod illud teneatur
observare.
Potestate domino Johanne Badoario. Millesimo ducentesimo sexa-
gesimo secundo. Nulli forenses volentes apportare victualia ad hanc
civitatem occasione alicuius represalie impediantnr seu in aliquo mo-
lestentur.
Potestate eodem et millesimo. Rectores scolarium possint omni die
lune et veneris venire ad conseilium anzianorum, et ibi proponere omnia
que voluerint pro statu universitatis, et si ancianis et eorum conscilio
placuerit, proposita per ipsos rectores reducantur et ponantur ad consciüa.
Potestate domino Johanne Badoario. Millesimo ducentesimo sexa-
gesimo secundo. Doctores vocentur singulis annis per comune padue
de conscilio rectorum et tractatorum studii, scilicet unus in decretis,
duo in decretalibus, et duo in legibus^), et de hüs singulis
annis fiat nova ellectio. Potestate domino Roberto de Robertis. Mille-
simo ducentesimo septuagesimo sexto additum fuit: Et aliquis civis
padue nacione de cetero non eligatur ad aliquod salarium comunis
padue occasione studendi vel regendi seu legendi in civitate padue.
Potestate domino Marco Quirino. Millesimo ducentesimo sexagesimo
primo. Doctores singulis annis eligendi ad futurum annum eli-
gantur infra quindecim dies ante festum saneti petri. Et quod electi tenean-
tur esse in civitate padue in kalendis septembris. Item quilibet doctor in
») S. darüber oben S. 285.
BeUage I. 805
iure civili teneatur legere duos libros: unum ordinarium et alium
extraordinarium. Extraordinarium intelligimus digestum novum et infor-
ciatuxn, et secundum voluntatem scolarium. Item librum ordinarium et
extraordinarium in quantitate secundum voluntatem rectoris vel rectorum,
qui pro tempore fuerit. Et in eligendo procedat de eius vel eorum
voluntate, dum tamen faciant ad utilitatem scolarium et comunis padue.
Potestate domino Johanne Badoario. Millesimo ducentesimo sexa-
gesimo secundo. Tractatores studii possint constituere salarium
doctoribus legum usque ad summam tricentarum librarum et non
ultra; magistris decretorum et decretaUum librarum ducentarum et
non ultra. Et dicti tractatores possint providere de utilitate communis
super dictis salariis.
Potestate eodem et millesimo. Solucio debeat fieri doctoribus et
magistris percipientibus salaria a comuni hoc modo: scilicet medietas in
feste omnium sanctorum^^) et alia medietas in feste sancte marie de fe-
bruario"). Cum hiis terminis hospicia civibus persolvantur.
Potestate domino Marco Quirino. Millesimo ducentesimo sexagesi-
mo primo. Domini doctores et magistri percipientes salarium a comuni
non possint advocare in foro civili nisi pro scolaribus.
Potestate eodem et millesimo. Mutuum possit fieri scolaribus, et
magistris et dominis legum dari salaria et fieri condictiones secundum
quod generale conscilium ordinabit, ita tamen, quod potestas infra quin-
decim dies postquam intraverit regimen civitatis padue teneatur ponere
ad conscilium supradicta et secundum volimtatem maioris partis predicti
conscilii adimplere, non obstante aliquo Statute preciso vel non preciso,
et Sit precisum.
Potestate eodem et millesimo. Comune padue teneatur et debeat
habere unum vel duos stacionarios quihabeant apparatum tocius corpo-
ris iuris.
Potestate domino Matheo de Corrigio. Millesimo ducentesimo sexa-
gesimo quarto. Salarium consuetum librarum sexaginta pro anno detur
floriano exemplatori scolarium, sicut hactenus consuetumest habere, cum
absque exemplaribus scolarium universitas stare non posset, et ipse suis
laboribus habeat et teneat exemplaria in iure canonico et civili ad uti-
litatem et comodum omnium doctorum et scolarium ac universitatis studii
paduani.
Potestate domino Johanne Badoario. Millesimo ducentesimo sexa-
gesimo secundo. Quicumque erit causa destructionis vel turbacionis
1^) 1. November.
11) 2. Februar.
806 Beilage I.
studii paduani, et ab honoribüs et ntilitatibus studii perpetuo sit
privatus^^).
Potestate eodem et millesimo. Nullus creditor qnaternum nee pe-
ciam ausus sit recipere a scriptoribus vel scriptore; quod si fecerit, et
creditum et pignns amittat, et certam penam comuni padae solvere te-
neatur, cum per talem fraudem decipisuitur scolares qnotidie per scriptores.
Item in omnibus civilibus litibus pendentibus et futuris inter sco-
larem seu scolares ex una parte, et scriptorem et scriptores et eoniin
fideiussores ex altera, fiat scolaribus agentibus semper ratio in bunc mo-
dum, scilicet, quod prestito per scolarem et alterum corporaliter sacra-
mento coram potestate padue vel eins iudice yel quoram (coram) quo-
cumque alio iudice in officio existente, ellectione serrata Scolari, apud
quem debeat expediri, adhibeatur Scolari sine soUempnitate iudicii pleoa
iides. Et statim teneatur iudex coram quo fuerit prestitum sacramentum
ipsum scriptorem et fideiussorem personaliter detinere et pignorare et
capere usque ad plenam satisfacionem eins, quod Scolaris cum altere de-
claraverit, non obstante auxilio minoris etatis, nee quod sit filius famiüas
nee aliqua exceptione iuris et facti. Sed in fideiussoribus scolarium
filiis familias vel minoribus vigintiquinque annis boc loeum non babeat,
immo salvas babeant omnes suas exceptiones minoris etatis vel filii fami-
lias et omnes exceptiones iuris et facti.
Potestate domino Roberto de Robertis de regio. Millesimo ducente-
simo septuagesimo quinto. Salarium sexaginta librarum omni anno de-
tur per comune padue magistro petro quondam ordani exemplatori sco-
larium sive stacionario librorum et exemplatorum dandonim scolaribus
sicut hactenus eonsuetum est dari floriano, illis terminis, quibus dantur
salaria doctoribus, cum absque exemplaribus universitas scolarium stare
non possit, et ipse suis laboribus habeat et teneat exemplaria in iure
canonico et cirili ad utilitatem et comodum scolarium civitatis padue et
adbonorem comunis padue etuniversitatis et studii paduani, cum dictuspctrus
olectus sit in stacionarium per rectores et universitatem scolarium, ut eontine-
tur in carta electionis facta per gerardum notarium, qui fuit de lixario,
et contirmatus per traetatores scolarium studii padue, et cum securitatem
fecerit dicüs tractatoribus pro exemplaribus tenendis, et ipsi traetatores
fecerint ipsi magistro petro securitatem pro comuni padue de libris sexa-
ginta denariorum venetorum omni anno solvendis.
*^) Gloria meint, dieses Statut sei verstümmelt, 'sono ommesse le pene
principali contro coloro, cbe avessero distrutto o turbato lo studio pada&no\
Dom ist nicht also. Die Privatio *ab honoribüs et utüitatibns studii' war
doch wohl eine empfindliche Strafe.
Beilage II.
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Ergänzungen.
Paris. S. 64. Es war mir nicht möglich, üher die Hs. n. 876 in der Bibli-
othek des Thomas Philipps in England, welche 'Statuta universi-
tatis Paris.' enthält und aus der Carthäuserbibl. zu Dijon stammt,
Aufschluss zu bekommen. Alle meine Recherchen blieben resultatlos ;
was jeder begreifen wird, dem bekannt ist, wie schwierig es ist,
jene reiche Privatbibliothek zu benützen. ^(Die Schwierigkeit be-
steht selbst für englische Gelehrte, denn n. 3119, 'De adventu
fratnim minorum in Angliam', haben weder Brewer noch Howlett
herangezogen.) Ich vermuthe, dass der Codex (13. Jh. in 4°) den-
selben Inhalt wie Cod. Vat. Reg. 406 und Cod. n. 17304 Additional
Manuscripts im British Museum besitzt, und wahrscheinlich eine
Copie des Liber Rectoris ist.
S. 85. Die Worte König Heinrichs IL von England fuhrt der Erzbischof
Thomas Decket von Canterbury, um den es sich in der ganzen
Angelegenheit gehandelt hat, also an: 'paratum esse stare dicto
curiae dom. sui regis Francorum, vel judicio ecclesiae galli-
canae aut scholarium Parisiensium'. Schreiben an den Erz-
bischof Wilhelm von Sens in Recueil des historiens des Gaules XVI,
399. Wird durch diese erste Quelle klar, dass Heinrich H.
gerade die Pariser Scholaren zu Schiedsrichtern in seinem Streite
mit dem Erzbischof bestellt hat, so bleibt doch durch sie die
Deutung ausgeschlossen, welche Du Boulay und Jourdain der von
ilmen aus Radulph de Diceto (ed. Stubbs I, 387; vgl. auch Matth.
Paris Chron. maj. ed. Luard II, 263) genommenen Stelle, in der
von 'scholares diversarum provinciarum' die Rede ist,
geben, denn gerade die unterstrichenen Worte fehlen im Schreiben
des Erzbischofes.
S. 107. Der unterdessen dem Vat. Archiv einverleibte Registerbd.
Innocenzs HI. an. 10. 11. 12 (Sign. 7A) enthält das angezogene
812 Ergänzungen.
Schreiben Bl. 93b mit der Adresse: TJniversis doctoribus sacre
pagine, decretorum et liberalium artium Parisius commoranübas.
Meine Darlegung hinsichtlich der Bedeutung 'rectores' wird dadurch
von neuem bestätigt. Der Brief ermangelt auch hier des Datums;
er steht unter den undatierten Schreiben am Schlüsse des 11. Pon-
tificatsjahres (Bl. 90 a— 94 b). — Bei dieser Gelegenheit mache
ich aufmerksam, dass das von Baluze, Epist. Innocentii ÜT.
libri XI, II, 402 als ep. 180 (IV. Non. Jul. an. 12) edierte auch von
Du Boulay III, 52 benützte Schreiben Innocenzs an die Pariser
Doctoren im genannten Reg. Yat. sich natürlich nicht findet; es
gehört Innocenz IV. an, wie bereits Jourdain, Index chronol. zu
n. 11, richtig bemerkt hat.
S. 114. Es handelt sich dort nur darum , wann der Bector zuerst in
den Universitätsacten erwähnt wird. Aus der S. 170 AnnL 426
angeführten Glosse des Accurs, die jedoch nicht vor 1234 voll-
endet wurde, ist ersichtlich, dass das Rectorat bereits einige Zeit
vorher bestand, was im Texte vorausgesetzt wird.
Bologna. S. 136f. Um einem Missverständnisse vorzubeugen, bemerke
ich, dass wenigstens im 16. Jh. die Tuschi und Romani jede f&r
sich eine Nation bildeten. S. die Statuta Jurist. (Bononiae 1561)
Bl. 2b. IIa.
S. 157 Anm. 385. Sarti hat den Text aus Böhmers Ausgabe der Deere-
talen irrig citiert. Auch Böhmer kannte das Schreiben Gregors IX.,
womit dieser die Decretalensammlung nach Bologna schickte, nur
mit der Adresse: . . . dil. fil. doctoribus et scholaribus universis
Bononiae commorantibus. Corp. jur. can. n, XXIX. Für Sa-
vignys Hinweis lässt sich also rein gar nichts vorbrii^n.
Oxford. S. 237. Die jüngst angekündigte Schrift des Maxwell Lyte,
History of the university of Oxford from the earliest times, ist noch
nicht erschienen.
Orleans. S. 251. Es war mir nicht möglich über die Existenz von
CoUegien für arme Schüler in Orleans irgend welche Nach-
richten zu erhalten. Da ich mir dachte, ich hätte bei meinem
widerholtem Aufenthalte in Frankreich doch manches übersehen,
wandte ich mich an den Archivar Doinel in Orl6ans. Allein auch
er konnte mir keinen Aufschluss geben.
Römische Curie. S. 309 f. Unterdessen stiess ich in den Reg. Avenion.
Benedict! XIII tom. 54 Bl. 516 auf ein Schreiben vom 2. Nov. 1407,
in dem der Papst sagt, dass er ^propter ecclesiasticam unionem
procurandam ... per diversas discurrere provincias et sepe de
Ergänzungen. 813
loco ad locum transmigrare' gezwungen sei. Er bestimmt für die
^ Zukunft, dass die ihm folgenden ^Doctores in jure canonico vel
civiir an jedem Orte, an dem er sich aufhält, 'legere, regere ac
disputare ceterosque actus scolasticos exercere\ die Schüler aber
die Grade nehmen könnten. Er ertheilt dem Notar des apost.
Stuhles, Johannes Alfonsi, 'auctoritate apost. gradus huiusmodi
conferre, deficientibusque doctoribus legentibus doctores . . . pro
examinationibus faciendis eligere' u. s. w. Das Rechtsstudium
hatte also in der That am Hofe der Avignonesischen Päpste während
des Schismas abgenommen; doch bemühte man sich, dasselbe
einigermassen wider in die Höhe zu bringen.
Heidelberg. S. 380. Becker behandelte in seiner 1876 gehaltenen
Festrede die Geschichte der medicinischen Facultät in Heidelberg,
bringt aber begreiflicher Weise für unsere Epoche nichts neues.
Aus Anlass der im J. 1886 abzuhaltenden Säcularfeier der Uni-
versität wird Prof. Winkelmann das ürkundenbuch der Universität
edieren.
Köln. S. 402 Anm. 770. Den handschriftl. Auszug aus dem Decanats-
buche hat inzwischen Liessem selbst in dem Osterprogramm des
Kaiser -Wilhelm- Gymnasiums zu Köln (1885): Hermann van dem
Busche, S. 41 Anm. 2 beschrieben.
Sie na. S. 437. 442. Hinsichtlich des Factums der im J. 1321 statt-
gehabten Auswanderung von Bologna, sowie, dass im J. 1321 die
Universität sich doch schon widerum in Bologna constituiert hatte,
verweise ich auf S. 211f., wo ich päpstliche Bullen angeführt habe,
die auf beide Thatsachen ein Licht werfen.
Neapel. S. 455 Anm. 964. Das betreffende Schreiben wurde zuerst
von Angelus de Nuce, Chronica s. monast. Gasinensis (Paris 1 668)
p. 426 n. 1593 aus Cod. Casin. 342 ediert, in dem es heute noch
Bl. 220 a steht.
Salamanca. S. 494. Benedict XIH. erwähnt in einem Schreiben vom
5. Febr. 1417 ein kleines Colleg, das der Bischof von Oviedo
Gutierre de Toledo (1377—1389) für 6 pauperes scholares in jure
can. errichtet hatte. Reg. Vat. Aven. t. 72 Bl. 424 b. Vgl. Alejan-
dro Vidal y Diaz p. 300. In Salamanca und bei den Schriftstellern
vergessen ist das sub invocatione S. Angeli im J. 1457 von Johann
Cardinaldiacon S. Angeli gestiftete Colleg. Reg. Vat. Calixti ÜL
n. 450 Bl. 206 a.
Lörida. S. 505. Am 26. Jänner 1413 incorporierte Benedict XHI.
auf die Bitten der univcrsitas studii Herden, (da 'ad solvenda
814 Ergänzungen.
legentibus in eodem studio salaria consueta et alia per ipsam
Universitäten! onera supportanda eiusdem universitatis non snppetant
facultates') die Pfarre de Fraga dem Decanate der Cathednüe zu
L^rida, damit der Decan jährlich 100 aragonesische Goldgulden der
Universität zahle. Reg. Vat. Avenion. t. 64 Bl. 489.
Da über das zu L^rida gegründete GoUeg so wenig bekannt
ist, wie ich mich neuerdings aus Yinc. de la Fuente, Historia de
las universidades en Espana I (Madrid 1884), 250 überzeugt
habe, so trage ich hier nach, dass am 24. Nov. 1411 Dominicus
PonZy der unterdessen canonicus et archidiaconus nudor der Cathe-
drale zu Barcelona geworden war, in Folge entstandener Zweifel
Bestimmungen darüber erliess, welche Personen das Praesentations-
recht besässen, und von welcher Herkunft die Scholaren sein
müssten. Das GoUegium hatte einen Prior und einen ^procurator
et yconomus, qui maiordom coUegii studentium s. Marie virginis
potent nuncupari\ Benedict XIII. sanctionierte die Bestimmungen
am 21. März 1412. Reg. Vat. Avenion. t. 62 Bl. 619.
Pavia. S. 582. Später entdeckte ich im Vat. Archiv die ^Statuta
venerandi CoUegii Castilonei sub titulo s. Augusüni vulgariter
nuncupati', welche die päpstlichen Bestätigungsbullen und die Sta-
tuten des Collegs enthalten (Arm. 35 n. 145. Pergamenths. aus
der Zeit Eugens IV.). Sie beziehen sich auf dasselbe Golleg, von
dem Gascoigne spricht Es wurde von Cardinal Branda Castiglioni
für 24 pauperes scolares in studio Papien. in theologie ac iuris
canonici et civilis aliisque Ileitis facultatibus studentes circa 1429
gestiftet; am 19. März genannten Jahres genehmigte Martin Y.
das Vorhaben des Cardinais. In zwei Häusern zu Pavia, die
seinen Keffen gehörten, wurde es eingerichtet. Darüber, dass die
^superflua monasteriorum et redituum eorundem et bona plura
monasteriorum et hospitalitatum et cappellarum quae vocabantur
liberae capellae', wie Gascoigne schreibt, dem CoUeg gegeben
worden seien, ünden wir in diesen Documenten keinen Aufschluss.
Die ursprünglichen Statuten scheinen nicht mehr erhalten zu sein:
dieselben wurden am 4. Dec. 1437 vom Stifter modificiert, von
Eugen IV. am 17. Dec. des nämlichen Jahres bestätigt, und sind in
dieser Form in der genannten Sammlung auf uns gekommen.
Nach einer sehr späten incorrecten Gopie wurde in Pavia (1875)
ein Abdruck besorgt und unter dem Titel publiciert: Fondiaria del
coUegio Castiglioni 4. Decembre 1437 (s. 1. et a.) Dazu vgl. Me-
morie U, 65. Im Archiv vom Lateran befinden sich mehrere auf
das Golleg bezügliche Schreiben, unter andern auch die genannten.
Druckfehler.
Jene Druckfehler, die man auf den ersten Blick zu corrigieren vermag,
sind hier nicht aufgeführt, so z. B. Wegfall von Accenten, oder Verschiebung
von Buchstaben wie S. 522 Anm. 1190.
S. 6 Anm. 33 1. 10. Juli.
S. 64 Z. 6 V. 0. und S. 78 Anm. 121 1. Belleforest
S. 94 Anm. 181 1. 1356.
S. 149 Z. 7 V. 0. ist nach ^jener* : 'Zeit^ ausgefallen.
S. 156 Z. 11 V. 0. 1. 1475.
S. 160 Anm. 395 1. 'oben S. 135. 142'.
S. 173 Anm. 473 Z. 2 v. u. 1. Anm. 428.
S. 177 sind die beiden Anmerkungen zu umstellen.
S. 179 gehört Anm. 462 auf nächste Seite.
S. 191 Anm. 502 1. Jahrb. d. gem. d. Rechts.
S. 214 Anm. 593 1. Anm. 590.
S. 216 fehlt Z. 10 v. o. die Zahl 603 zur betreffenden Anm.
S. 232 Anm. 48 Z. 2 ist 4' zu streichen.
S. 268 Z. 14 V. 0. 1. 1334.
S. 284 Z. 17 V. 0. 1. 1237—1256.
S. 291 sind die Anmerkungen 270 und 270% S. 345 die Anm. 524« und 524
zu umstellen.
S. 383 Z. 3 V. u. ist 'authoritas' zu streichen.
S. 417 Z. 9 V. 0. 1. Cibinien.
S. 469 Z. 5 V. 0. 1. erigere.
S. 502 Z. 9 V. u. 1. von den Abgaben frei.
S. 506 Z. 3 V. 0. 1. Benanayre.
S. 533 Z. 1 V. 0. ist 'f&hig' zu streichen.
S. 664 Anm. 41 1. Z. ist nach 'trägt' ausgefallen 'oder berühmt ist'.
S. 672 Anm. 64 Z. 3 v. o. 1. Duaci.
Drack von W. Pormettcr in Berlin.