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Full text of "Die universitäten des mittelalters bis 1400"

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LA 


DIB 


UNIVERSITÄTEN 


DES 


MITTELALTERS  BIS  1400. 


VON 


P.  HEINRICH  DENIFLE, 

AUS  DEM  PRBDIOBRORDBM 
UNTBRARCHIVAR    DBS    HL.   STOHLBS. 


ERSTER  BAND. 

DIE  ENTSTEHUNG  DEE  UNIVEE8ITÄTEN  DES  MITTELALTEBS 

BIS  1400. 


BERLIN, 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 

1885. 


DIE  ENTSTEHUNG 


DER'  /  •<'  :-/  '^. 


UNIVERSITÄTEN 


DES 


MITTELALTERS  BIS  1400. 


VON 


/P?)HEINBICH  DENIFLE, 

AUS  DEM  PREDIOBRORDEN 
DNTBRAROHIYAR    DBS    HL.  STUHLBS. 


BERLIN, 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 

1885. 


LA 

rri 


IMPRIMATUR 
Fr.  Angnitiniia  Baata  O.  F.,  8.  F.  A.  Mag. 


^ 


\* 


-  SEINER  EMINENZ 


K 


DEM  HOCHWÜRDIQSTEN  HERRN 


JOSEPH  CARDINAL  HERGENRÖTHER 

PRAEFECTEN  DES  VATICANISCHEN  ARCHIVS 


IN 


TIEFSTER  VEREHRUNG  UND  DANKBARKEIT 


GEWIDMET. 


Vorwort  und  Einleitung. 


Ueber  das  Entstehen  dieses  Werkes  ftthle  ich  mich  um  so 
mehr  veranlasst  die  Leser  aufzuklären,  als  meine  Freunde  auf 
dem  germanistischen  Gebiete  mit  gutem  Rechte  eine  Ausein- 
andersetzung von  mir  verlangen  können. 

Während  ich  mit  der  Ausarbeitung  einer  Geschichte  der 
deutschen  Gottesfreunde  im  14.  Jh.  beschäftigt  war,  wurde  ich 
Herbst  1880  in  Ordensangelegenheiten  nach  Rom  berufen.  Bei 
Durchmusterung  der  römischen  Bibliotheken  und  Archive  wurde 
es  mir  sofort  klar,  dass  ich  an  eine  Vollendung  meiner  Arbeit, 
f&r  die  in  Rom  fast  alle  Materialien  fehlen,  vorderhand  nicht 
denken  dürfe,  wenngleich  ich  durchaus  nicht  gewillt  bin  auf 
diesem  Gebiete  einen  Mann,  dem  ich  gründliche  Quellenkenntniss 
and  wahres  Verständniss  für  die  Eigenart  germanischer  Mystik 
absprechen  muss,  nach  Herzenslust  schalten  und  walten  zu 
lassen.  Zunächst  war  ich  nur  bestrebt,  den  einen  Punkt  über 
die  Prophezeiungen  des  14.  Jhs.  bezüglich  bevorstehender  Kata- 
strophen aufzuhellen.  Die  genetische  Entwickelung  der  Frage 
führte  mich  auf  ähnliche  Erscheinungen  im  12.  und  13.  Jh. 
Meine  Beschäftigung  mit  Abt  Joachim  und  dem  Evangelium 
aetemum  sowie  mit  den  Schicksalen  des  letzteren  an  der  Uni- 
versität Paris  um  die  Mitte  des  13.  Jhs.  brachte  mich  zur 
Ueberzeugung,  dass  die  Forschungen  darüber  ganz  ungenügend 
sind.  Beim  weiteren  Studium  wurde  mir  klar ,  dass  auch  die 
bisher  bekannten  Resultate  über  den  Streit  der  Universität  mit 
den  Bettelorden  äusserst  problematischer  Natur  seien.  In 
Folge  dessen  dachte  ich  an  eine  Publication:  Die  Universität 
Paris  und   die  Bettelorden   in   der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs. 


Vm  Einleitang. 

mit  einem  Anhange  über  das  Evangelium  aeternum,  machte  aber 
im  Verlaufe  der  Arbeit  die  Beobachtung,  dass  Du  Boulay  uns 
alle  hinsichtlich  des  Entwickelungsganges  der  Universität  Paris 
in  die  Irre  geführt  hat.  Ich  liess  es  mich  nicht  verdriessen, 
noch  einmal  von  vorne  anzufangen,  um  eine  Geschichte  der 
Schulen  und  der  Universität  zu  Paris  bis  zum  Ende  des  13.  Jhs., 
in  der  naturgemäss  meine  bisherigen  Forschungen  verwertet  und 
die  bereits  studierten  Fragen  ihre  Stelle  finden  sollen,  zu  ver- 
fassen. Damit  jedoch  endlich  einmal  der  Grund  zu  einer  Ver- 
fassungsgeschichte  der  mittelalterlichen  Universitäten  gelegt  werde, 
unternahm  ich  es  um  Paris  die  übrigen  Hochschulen  bis  zum 
Ende  des  14.  Jhs.  zu  gruppieren. 

Die  beiden  ersten  Bände  beschäftigen  sich  überhaupt  mit 
den  mittelalterlichen  Universitäten,  drei  weitere  werden  aus- 
schliesslich der  Universität  Paris  gewidmet  sein. 

Dass  es  an  einer  quellenmässigen  und  kritischen  Forschung 
über  die  mittelalterlichen  Universitäten  mangle,  ist  die  oft 
widerholte  und  berechtigte  Klage.  Diesem  Umstände  mag  es 
wohl  zum  Theil  zuzuschreiben  sein,  dass  die  genannten  Univer- 
sitäten in  unsem  Handbüchern  der  Universal-  und  Kirchen- 
geschichte so  stiefmütterlich  behandelt  werden. 

Die  bisherige  Universitätslitteratur  bietet  uns  kein 
besonders  erfreuliches  Bild.  Die  älteren  Arbeiten,  die  sich 
zugleich  auf  die  spätere  Zeit  erstrecken,  sind  kaum  nennens- 
werth,  und  kommen  in  der  Regel  über  eine  nackte  Nomenclatur, 
die  zuweilen  mit  einiger  Litteratur angäbe  versehen  ist,  nicht 
hinaus^).     Dies    ist   um    so    sonderbarer,    als    die   Geschichte 


1)  Ich  erwähne  hier  nur  einselne  ?on  denjenigen,  die  man  noch  bis  jüngst 
hie  und  da  benfltst  hat,  and  sehe  ?on  den  Abhandlungen  in  encyclop&dischen 
Werken  ganc  ab.  Guolphgangus  Jnstus  Francophordianus,  Omninm  acade- 
miarum  et  quarumdam  iUnstrium  scholarum  totius  Europae  erectiones,  fun- 
dationes,  confirmationes.  Francoforü  1 554.  Middendorpius,  Academiarum 
orhis  christiani  libri  duo.  Coloniae  1572  (die  späteren  ?ennehrten  Ausgaben 
kenneich  nicht).  Paniirolus,  De  claris  legum  interpretibus.  Lipsiae  1721 
(2.  und  4.  Buch  c.  1— 8).  Immanuelis  Godofr.  Goeiii  Geographia  academica. 
Norimhergae  1789.  Etwas  mehr  gibt  Keuffel,  Historia  originis  ac  pro- 
gressus  scholarum  inter  christianos.  Helmstadii  1743.  Der  Autor  hatte 
Launoius,  De  scolis  celebrioribus  (Paris.  1672  in  12<>  und  Opp.  omn.  IV, 


Einleitimg.  IX 

einzelner  Hochschulen  bereits  bearbeitet  vorlag.  Erst  Mein  er  s 
schlug  ein  von  seinen  Vorgängern  verschiedenes  Verfahren  ein'). 
Doch  unterschreibe  ich  vollends  das  Urtheil,  welches  Savigny 
über  dessen  Leistung  fällte,  es  sei  mit  dieser  Geschichte  sehr 
wenig  gethan.  Ich  vermag  sie  nur  ein  Durcheinander  zu 
nennen.  Ueber  alles  Mögliche  wird  gesprochen,  jedoch  ohne 
Methode  und  ohne  dass  es  dem  Verfasser  gelungen  wäre,  das 
Material  zu  einem  übersichtlichen  Ganzen  zu  verarbeiten.  Es 
ist  nicht  möglich  sich  über  die  Entstehung  der  einzelnen  Hoch- 
schulen aus  diesem  Buche  klar  zu  werden.  Unbedeutend  ist 
Fr.  V.  Raumers  Abhandlung  über  die  Universitäten').  Neue 
Bahnen  brach  Savigny  durch  seine  Geschichte  des  römischen 
Rechts  im  Mittelalter*).  Die  Untersuchungen  führten  ihn  auch 
auf  die  Darstellung  der  mittelalterlichen  Universitäten,  wenigstens 
insofeme  sie  mit  dem  römischen  Rechte  in  Berührung  standen. 
Das  Hauptverdienst  Savignys  bleibt,  dass  er  sich  bestrebte,  die  Ge- 
schichte aus  den  Quellen  zu  studieren ,  dass  er  zuerst  bestimmt  auf 
den  Unterschied  in  einzelnen  Universitätsverfassungen  aufmerksam 
machte,  und  durch  seine  Forschungen  ungemein  anregend  wirkte. 
Indess  genügt  Savignys  Arbeit  keineswegs.  Einzelnen  Univer- 
sitäten, z.  B.  den  spanischen,  englischen,  vorzüglich  aber  den 

1  p.  lif.)  Tor  sich,  der  wie  Joly,  Trait^  historique  des  Cooles  ^piscopales 
et  ecd^iastiques  (Paris  167S)  seinen  Werth  beh&lt,  die  aber  ebenso  wenig 
als  Landriot,  Becherches  historiqaes  sar  les  6coles  litt^raires  du  christia- 
nisme  (Paris  1851)  und  Maitre,  Les  ^coles  ^piscopales  et  monastiques  de 
l'occident  (Paris  1866)  in  diesen  Kreis  gehören.  Eeuffel  behandelt  von  den 
UniTersitäten  nur  die  ältesten,  und  kommt  dabei  nicht  über  das  Gewöhnliche 
hinaus.  Nichts  bietet  Besolds  Nomenclatur  der  Academien  (im  Thesaurus 
practicas.  Ratisbonae  1740).  Dessen  Bissertatio  de  jure  academiarum  (in 
Juridico-politicae  dissertationes.  Argentorati  1624  p.  64,  187  ff.)  wird  wie 
andere  Ähnliche  z.  6.  Gonringius,  De  antiquitatibus  academicis  (Goettingae 
1739)  im  2.  Band  berücksichtigt  werden.  Die  dem  Conring  angeh&ngte 
Bibliotheca  historica  academica  von  Heu  mann  ist  nicht  zu  unterschätzen. 

>)  Geschichte  der  Entstehung  und  Entwickelnng  der  hohen  Schulen 
lUflers  Erdtheils.    Göttingen  1802—1805.    4  Bde.  S.  dazu  unten  S.  220. 

S)  Geschichte  der  Hohenstaufen  VI,  437  ff. 

^)  Im  dritten  Bandet  S.  152 ff.  An  Savigny  lehnt  sich  in  den  Haupt- 
punkten an  (Knrtz)  Die  Entstehung  und  Ausbildung  der  mittelalterlichen 
Universit&ten  nach  ihren  Hauptmomenten  in  der  Baltischen  Monatsschrift 
1861  S.  81  ff. 


X  Einleitang. 

deutschen  sammt  den  ungarischen  und  der  polnischen  widmete 
er  nicht  die  geringste  Aufmerksamkeit.  Andere,  namentlich  die 
französischen,  werden  zu  flüchtig  behandelt,  und  hinsichtlich  der 
Pariser  stützt  er  sich  fast  durchgehends  auf  Du  Boulay.  Was 
die  italienischen  Universitäten  anbelangt,  so  kam  bei  Savigny 
im  Grunde  nicht  das  13.  und  14.  Jh.  zur  Darstellung,  sondern, 
von  manchen  Einzelheiten  abgerechnet,  eine  spätere  Epoche. 
Dies  betrifft  besonders  seine  Auseinandersetzungen  über  die 
Organisation  der  Universitäten  Bologna  und  Padua.  Savignys 
Quellen  waren  hierin  grossentheils  die  gedruckten  Statuten  des 
16.  Jhs.  Ueber  die  Entstehungs-  und  Gründungsgeschichte  und 
über  viele  mit  ihnen  im  Zusammenhange  stehenden  Fragen  bleiben 
wir  fast  durchweg  im  Unklaren.  Savignys  Hauptaugenmerk  war 
auf  die  Rechtsgeschichte  und  die  Biographie  der  einzelnen  Rechts- 
lehrer sowie  die  Darstellung  ihrer  Werke  gerichtet;  was  er  hierin  ge- 
leistet hat,  behält  ebenso  wie  Sartis  epochemachende  Arbeiten,  die 
jedoch  für  Savignys  Untersuchungen  die  unentbehrliche  Grundlage 
waren,  dauernden  Wert,  mag  auch  das  Einzelne  mit  der  Zeit  noch 
so  sehr  ergänzt  und  berichtigt  werden.  Die  Universitäten  er- 
örterte indess  Savigny  nur  nebenbei;  seine  auf  sie  bezügliche 
Abhandlung  kann  sich  nicht  im  entferntesten  mit  seiner  eben 
genannten  Arbeit  messen. 

Grässe  will  ich  hier  nur  erwähnen,  weil  er  noch  häufig 
citiert  wird*).  Ueber  die  hieher  gehörige  Arbeit  v.  Steins*) 
hat  Paulsen  voll  Schonung  das  richtige  Urtheil  ausgesprochen: 
^Dem  Buche  von  Stein  fehlt  es  an  gründlichem  Studium  der 
Quellen,  wofür  die  breiten  allgemeinen  Erwägungen  nicht  ent- 
schädigen' 0-    V.  Stein  wollte  nur  philosophieren,  und  es  scheint, 


A)  In  seinem  Lehrbach  einer  aUg.  Literärgeschichte  IL  3.  Abthlg. 
2.  HUfte  (Dresden  1843)  geht  er  weitl&ufig  auf  die  Universitäten  ein.  Das 
Grandong^ahr  der  einielnen  ist  kaum  einmal  richtig  angegeben,  und  der 
Verfasser  unterscheidet  sich  Oberhaupt  Ton  den  Autoren  des  16.  Jhs.  fast  nur 
dadurch,  dass  er  eine  Menge  Litteratur  anfahrt,  die  er  aber,  weil  er  sie  kaum 
SU  Gesicht  bekam  und  wohl  theilweise  dem  Heumann  nachschrieb,  auch 
nicht  kritisch  sichten  konnte.   Zudem  fehlen  vielfach  gerade  die  Hauptwerke. 

^)  Die  innere  Verwaltung.  Zweites  Hauptgebiet  Das  Bildungswesen. 
IL    Das  Bildungswesen  des  Mittelalters.    2.  Aufl.    Stuttgart  1883. 

7)  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  an  den  deutschen  Schulen  und 


Einleitung.  XI 

dass  er  mit  Absicht  seine  Augen  vor  den  Thatsachen  geschlossen 
hat,  damit  er  durch  letztere  in  seinen  phantastischen  Träu- 
mereien nicht  gestört  werde*).  Kein  Wunder,  dass  eben  deshalb 
das  nach  einem  einigermassen  ähnlichen  Plane  gearbeitete  Werk 
der  geistreichen  Augusta  Theodosia  Dräne*)  für  viele  Partien 
weit  mehr  nützt,  als  das  des  Nationalöconomen  und  Profes- 
sors zu  Wien,  obwohl  begreiflicher  Weise  durch  Dranes  popu- 
läres Buch,  für  das  nur  ein  beschränktes  Material  herangezogen 
wurde,  der  Wissenschaft  kaum  etwas  gedient  ist. 

Im  Grossen  und  Ganzen  schöpft  man  aus  den  Publicationen, 
welche  sich  mit  den  Universitäten  einzelner  Länder  im  All- 
gemeinen  beschäftigen  —  die  specielle  Litteratur  werde  ich 
soweit  sie  Interesse  bietet  bei  jeder  Universität  verzeichnen  — 
bedeutend  mehr  Gewinn.  Auch  hier  will  ich  nur  die  haupt- 
sächlichsten erwähnen. 

Für  Italien  ist  vor  allem  Muratori  zu  nennen,  der  in 
einer  Dissertation  über  die  Wissenschaft  und  Schulen  in  Italien 
nach  1100  manche  wichtige  Documente  veröffentlicht,  den  Gegen- 


Uni?er8it&ten  vom  Ausgang  des  Mittelalters  bis  zur  Gegenwart.  Leipzig  1885 
S.  10  Anm.  1. 

9)  Da  ich  gerade  mit  der  Aosarbeitang  einer  Recension  ?on  Steins  Arbeit 
beschäftigt  bin  und  ich  in  meinem  Werke  öfters  auf  dieselbe  zu  sprechen 
komme,  kann  ich  fQglich  eine  weitere  Aaseinandersetzong  hier  umgehen. 
Nor  ein  Beispiel  möchte  ich  anfflhren,  um  zu  zeigen,  wie  ferne  dem 
Antor  die  Kritik  lag.  S.  77  fahrt  er  ein  'Tagebuch'  von  Walahfrid  Strabo 
an.  Es  'beginnt  mit  dem  J.  816  und  endet  mit  dem  J.  825.  Herausgegeben 
in  den  Berichten  der  Erziehungsanstalt  des  Benedictinerstifts  zu  Maria-Ein- 
siedeln  1856/7  ('Wie  man  vor  tausend  Jahren  lehrte  und  lernte')  hat  K. 
Schmidt  einen  Auszag  gegeben  (Gesch.  d.  P&dagogik^  II,  199 ff.)' (siel)*  Auch 
▼.  Stein  bringt  die  Gmndzflge  dieses  'Tagebuchs'.  Nun  ist  aber  dasselbe 
eine  Dichtung  des  noch  jetzt  lebenden  P.  Martin  Marty,  nunmehr  apost. 
Yicars  von  Dakota,  worauf  König  schon  im  J.  1868  (Freiburger  Diöcesan- 
Archiv  III,  360  Anm.,  and  jüngst  ibid.  XY,  185  ff.)  und  dann  Wattenbach, 
Deutschlands  Geschichtsquellen^  I,  229  Anm.  3  aufmerksam  gemacht  hstben. 
y.  Stein  scheute  auch  vor  ganz  gewöhnlichen  Plagiaten  nicht  zurück.  Was 
er  z.  B.  in  dem  1884  erschienenen  3.  Theil  S.  93  f.  über  das  üniversit&ts- 
wesen  seit  dem  16.  Jh.  in  Italien  sagt,  hat  er  nur,  ohne  die  Quelle  zu 
nennen,  der  Beilage  zur  AUgem.  Ztg.  1883  n.  326,  nachgeschrieben. 

^)  Christian  schools  and  scholars  or  Sketches  of  education  from  the 
Christian  era  to  the  cooncil  of  Trent  2.  edition.    London  1881. 


Xn  Einleitang. 

stand  aber  nicht  zusammenhängend  behandelt  hat'°).  Weit 
förderlicher  sind  Tiraboschis  Forschungen,  die  man  immer  mit 
Nutzen  gebrauchen  wird^').  Es  ist  unverzeihlich,  dass  Goppi 
aus  denselben  so  wenig  gelernt  hat^').  Das  Lob,  welches  4'impor- 
tante  lavoro'  Goppis  sowie  4'ingegno,  la  dottrina  e  la  pazienza' 
des  Autors  von  Goppino,  dem  jetzigen  italien.  Unterrichtsminister, 
erhalten  hat,  vermag  ich  nicht  zu  unterschreiben.  Goppi  war 
zunächst  mit  der  italienischen  Universitätslitteratur  viel  zu  wenig 
vertraut.  Dies  ist  ein  Mangel,  den  vollends  erst  ein  Ausländer 
empfindet,  der  sich  mit  demselben  Gegenstand  beschäftigt.  Auf 
die  Entwickelung  der  einzelnen  Universitäten  gieng  der  Verfasser 
fast  gar  nicht  ein^').  In  der  Darstellung  der  Organisation  der 
Universitäten  werden  alle  Zeiten  durch  einander  gemengt  und 
Einzelheiten  verallgemeinert.  Im  Wesentlichen  erhebt  sich  dabei 
der  Verfasser  nicht  über  Savigny**). 

Die  französisclien  Universitäten  untersuchte  zuerst  zusammen- 
hängend Pasquier,    wenngleich   zunächst  nur  in  Hinsicht  auf 


10)  Antiquit.  Italicae  III,  8S4ff.,  nämlich  die  44.  Dissertation,  während 
die  43.  den  Stand  der  Wissenschaft  in  Italien  vor  1100  behandelt. 

11)  Storia  della  letteratara  italiana.  In  den  tom.  4—6  (in  jedem  lib. 
1.  c.  3)  wird  das  13—15.  Jh.  behandelt. 

13)  Le  uniyersitä  italiane  nel  medio  evo.    Firense  1880. 

13)  Ich  begreife  nicht,  dass  Winkelmann  (lieber  die  ersten  Staatsoni- 
▼ersitäten.  Festrede  1880  S.  38  n.  10)  die  von  Coppi  p.  88ff.  gegebene 
Uebersicht  'gani  natslich'  finden  kann.  Hätte  Goppi  doch  wenigstens  nur 
Tiraboschi  ausgeschrieben! 

1^)  Die  unverständige  BrochOre  von  Garpellini,  Sulla  origine  naiio- 
nale  e  populäre  delle  universitä  di  studj  in  Italia  (Siena  1861)  hat  Banchi, 
Di  un  recente  opusculo  del  D.  G.  F.  Garpellini  (Siena  1861)  gehörig  be- 
leuchtet. Montefredinis  Schrift,  Le  piü  celebri  uniTorsitä  antiche  e  mo- 
derne, Torino  1888,  Terdient  fast  noch  weniger  Erwähnung  als  Garpellinis 
Elaborat.  S.  meine  Anzeige  in  Deutsche  Litteratuneitung  1883  n.  49 
Sp.  1734.  Bent  hat  in  The  british  Quarterly  Review  n.  159  (Juli  1884) 
p.  28  eine  Abhandlung,  'Italian  university  life  in  the  middle  ages',  Teröffent- 
licht  Sie  hat  mit  unserer  Aufgabe  nur  wenig  su  thun,  und  der  Autor  be> 
racksichtigt  zumeist  die  spätere  Zeit.  Anhangsweise  bemerke  ich  hier,  dass 
im  Oiornale  degli  eruditi  e  dei  curiosi  n.  55.  58.  59^60.  63.  64.  66 
(PadoTa  1884)  eine  recht  nflUliche  Rubrik  Bibliografia  deUe  uniTersitä  italiane 
zu  dem  Zwecke  eröffnet  wurde,  um  die  gedruckte  Litteratur  aber  die  italie- 
nischen UniTersitäten  wo  möglich  Tollständig  aufzufahren. 


Einleitiiiig.  XIII 

das  römische  Recht  ^^).  Dass  er  fOr  seine  Zeit  viel  geleistet  hat, 
wd  derjenige  nicht  bestreiten,  der  die  damaligen  Mittel  im 
Auge  behält.  Heute  ist  das  Werk  allerdings  veraltet.  Noch 
immer  brauchbar  sind  die  Litteratumach weise ,  welche  Lelong- 
Fevret  de  Fontette  bringen**).  Lebeuf  arbeitete  durch 
seine  Schrift:  L'^tat  des  sciences  en  France  depuis  la  mort  du 
Roy  Robert  jusqu'ä  celle  de  Philippe  le  BeV^)  ähnlichen  Ab- 
handlungen in  der  Histoire  litt^raire  de  la  France  vor. 
Das  13.  Jh.  nahm  sich  in  letzterer  Daunou  zum  Vorwurf  ^^);  er  be- 
schäftigte sich  auch  mit  den  französischen  Universitäten  *^).  Wer 
Daunous  Arbeiten  kennt,  die  von  Haur^au,  so  oft  sich  Gelegenheit 
bietet,  mit  Grund  berichtigt  werden,  wird  hier  nichts  suchen. 
In  der  That  bildet  für  den  Abschnitt  über  die  Universität  Paris 
fast  bloss  Du  Boulay  die  Quelle;  Toulouse,  Montpellier,  Orleans 
und  Angers  gehen  überhaupt  nahezu  leer  aus.  Ein  weit  ernsterer 
Forscher  war  V.  le  Clerc,  welcher  den  Discours  sur  r6tat  des 
lettres  en  France  au  14.  si^cle  schrieb '°).  Trotzdem  kann  ich 
nicht  sagen,  dass  die  in  demselben  den  Universitäten  geschenkte 
Aufmerksamkeit'*)  uns  um  einen  Schritt  weiter  gebracht  hätte. 
Vielfach  werden  die  alten  Irrthümer  widerholt,  neue  Hypothesen 
mit  der  grössten  Sicherheit  ausgesprochen  und  Einzelheiten  ver- 
allgemeinert Dabei  wird  alles  nur  obenhin  gestreift.  Dies 
gilt  besonders  von  den  Universitäten  ausser  Paris;  sie  erfahren 
lediglich  eine  stiefmütterliche  Behandlung'*).  Vallet  de  Viri- 
le) Becherches  de  la  France  (Paris.  1665)  liv.  9  (p.  763 ff.  843 ff.).  Die 
Universitäten  ausser  Paris  kommen  sehr  schlecht  weg.  Man  erhftlt  keinen 
genügenden  Begriff  von  ihnen. 

10)  Biblioth^ne  historiqne  de  la  France  tom.  1.  (1.  5)  n.  44548—45622. 

17)  Paris  1741.  Hauptsächlich  berücksichtigt  der  Verfasser  die  Uni- 
versität Paris. 

1^)  Tome  16  p.  1.  Discours  sur  l'^tat  des  lettres  en  France  au  13. 
siMa 

1»)  Ibid.  p.  39—59. 

«0  Bist  litt^r.  de  la  France  t  24. 

»)  Ibid.  p.  239—278. 

^  Ich  hfttte  es  nicht  für  möglich  gehalten,  dass  man  Le  Clercs 
Abhandlung  auf  guten  Glauben  hin  als  QueUe  für  die  Eenntniss  der  Pariser 
üniTersitftt  gebrauchen  würde,  h&tte  mich  DöUingers  Vortrag,  Die  Uni* 
Tersitftten  sonst   und  jetzt     (München   1867)   nicht    eines   andern    bf^lehrt. 


XIV  Einlditang. 

ville  kam  ebenfalls  auf  die  Universit&ten  zu  sprechen'*);  doch 
ist  seine  Forschung  nicht  selbständig.  Nur  die  Archaeologie  und 
die  Siegelkunde  haben  etwas  gewonnen'^). 

üeber  die  englischen  Universitäten  ist  noch  immer  Hubers 
Werk")  das  bekannteste.  Geistvolle  Auffassung  und  Darstellung 
wird  in  demselben  kein  Leser  vermissen.  Es  leidet  aber 
stark  an  jenen  Gebrechen,  die  in  historischen  Arbeiten  geist- 
reicher Männer  so  häufig  zu  Tage  kommen:  die  Einzelheiten 
treten  fast  ganz  zurück,  Grund  und  Zusammenhang  in  den  That- 
sachen  werden  fixiert,  ehe  letztere  genügend  eruiert  worden 
sind,  es  wird  mehr  philosophiert  als  geforscht  und  ein  System 
aufgebaut,  ehe  die  nöthige  Grundlage  geschaffen  wurde.  Die 
Wahrheit  meiner  Behauptung  wird  vorzüglich  in  meinem  zweiten 
Bande  ihre  Bestätigung  finden.     Für  einen  grösseren  Leserkreis 


Was  n&mlich  dort  S.  5.  6.  Aber  Paris  angeffthrt  wird,  ist  wörtlich  dem  Le 
Giere  entlehnt  (s.  p.  248.  247),  ohne  dass  jedoch  dieser  Gewährsmann  ci- 
tiert  worden  w&re.  Ans  Le  Giere  schöpfte  DöUinger  auch  die  irrige  Notis, 
in  Bologna  seien  im  J.  1262  gegen  20000  Studierende  gewesen.  Im  ganzen 
13.  Jh.  gibt  nur  6in  Aator  die  Anzahl  der  Studenten  in  Bologna  an,  nftmlich 
Odofred.  Dieser  sagt  jedoch,  zur  Zeit  Azos  (also  Anfangs  des  13.  Jhs.) 
h&tten  sich  10000  Scholaren  in  Bologna  aufgehalten  (s.  unten  S.  138  Anm. 
322).  MuUinger,  The  nniversity  of  Gambridge  from  the  earliest  times  p. 
129 ff.  entnahm  dieselben  SteUen  (in  ihrer  ganzen  Aasdehnong)  aus  Le  Giere; 
indess  gab  er  doch  seine  QueUe  an. 

^)  Histoire  de  l'instruction  publique  en  Europe  et  principalement  en 
France.  Paris  1849.  Literarhistorischen  Werth  beansprucht  Stallaert  et 
VanderHaeghen,  De  l'instruction  publique  an  moyen  äge  in  den  M^* 
moires  cour.  de  l'acadtoie  roy.  de  Belgique  (Brüssel  1850)  XXIII. 

**)  Nichts  möge  man  im  Gatalogue  de  l'histoire  de  France 
(Biblioth^ne  imperiale.  D^part.  des  imprimös)  tome  7  (Paris  1861),  2.  part 
suchen.  Die  sect.  14  §  2  'Histoire  de  l'uniTersit^  en  g6n6ral'  (p.  515)  ent« 
h&lt  die  Titel  Ton  12  Schriften,  welche  sich  auf  politische  Fragen  des  Unter- 
richts im  19.  Jh.  beziehen.  Eine  Ausnahme  macht  nur  A.  Li^vyns,  De 
l'universit^  depuis  sa  fondation  jusqu'lk  ce  jour  etc.  Paris  1831.  Die  sect 
15  §  4  'Histoire  de  PnniTersitö  en  g^n^rai'  (p.  518—520)  bringt  die  Titel 
Ton  51  Büchern,  die  sich  fast  nur  mit  modernen  Fragen  beichftftigen.  Ala 
Ausnahme  können  die  unbedeutenden  Piecen:  Un  mot  sur  les  unirersit^s, 
Paris,  Ellian  1828;  Hilmagrand,  Origine  de  raniTersitö,  Paris  1845,  be- 
trachtet werden. 

^)  Die  englischen  UniTersIt&ten.    Gassd  1839.  1840. 


( 


Einleitiing.  XV 

berechnet  ist  J.  H.  Newmans  Rise  and  progress  of  nniver- 
sitiCB  etc.").  Das  Buch  beruht  auf  Quellen;  aber  leider  wird 
nie  eine  eitler t.  Durchaus  veraltet  ist  Maiden,  On  the 
origin  of  universities  and  academical  degrees*''),  in  welcher 
Schrift  ausser  den  englischen  und  schottischen  Universitäten 
auch  die  von  Paris,  Bologna  und  Salerno  kurz  behandelt  werden. 
Trotzdem,  dass  diese  Publication  so  ziemlich  nichtssagend  ist, 
entlehnte  ihr  doch  nicht  wenig  Mullinger,  The  university  of 
Cambridge  from  the  earliest  times  to  the  royal  unjunctions  of 
1535  *•).  Der  Autor  geht  in  diesem  Werke  dem  Beispiele  des 
eben  genannten  Verfassers  folgend  ausser  auf  die  Universitäten 
Cambridge  und  Oxford  auch  auf  die  Universitäten  Paris,  Bologna 
ein;  es  mangelt  ihm  aber  an  Methode,  Selbständigkeit  und 
Kritik;  selbst  für  die  Geschichte  der  Hochschule  zu  Cambridge 
ist  in  dem  grossen  Bande  weit  weniger  geleistet,  als  man  erwarten 
soUte"). 

Der  erste,  welcher  in  neuerer  Zeit  die  Universitäten  Spaniens 
zusammenhängend  bearbeitet  hat,  war  Z  ä.  r  a  t  e  '*').  Für  die  Wissen- 
schaft ist  aber  dessen  Leistung  unbrauchbar,  da  der  Autor  nie 
angibt,  woraus  er  geschöpft  hat '^).  Er  gieng  auch  von  ganz  irrigen 
Voraussetzungen  aus,  was  besonders  im  Abschnitte  Consideraciones 

^  In  Historical  sketches  vol.  III  (London  1876).  Der  Autor  spricht  von 
Cimbridge  nur  gelegentlich,  dafflr  aber  ausführlicher  von  Paris,  Oxford 
and  Dublin.  Der  erste  Theil  der  Schrift  (p.  1—251)  erschien  bereits  1856 
(London)  anter  dem  Titel:  Office  and  werk  of  universities.  S.  unten  S.  65  Anm. 

ST)  London  1835. 

»)  Cambridge  1873. 

^)  Weit  besser  gearbeitet  ist  desselben  Verfassers  The  uniTersity  of 
Cambridge  from  the  royal  injunctions  of  1535  to  the  accession  of  Charles 
the  first.  Cambridge  1884.  Der  Autor  bleibt  in  diesem  Werke  mehr  bei 
der  Sache.  Ich  sage  'mehr',  denn  nach  meinem  BegrifPe  gef&llt  er  sich  auch 
hier  zn  sehr  darin,  allerlei  bunt  durcheinander  vorzufahren. 

^  De  la  instrucciön  publica  en  Espafia  (Madrid  1855)  II,  162—293. 

^)  Der  Verfasser  erscheint  öfter  wie  ein  gewöhnlicher  Plagiator,  in* 
dem  er  als  seine  Ansicht  und  als  sein  ürtheil  die  Worte  Anderer  ausgibt. 
So  z.  B  p.  183:  &  mio  jnlcio  etc.  Vgl.  dazu  Floranes  in  der  unten  zu  ci- 
tierenden  Abhandlung  p.  201.  Z&rate  p.  196:  opino  etc.  Vgl.  damit  Flo- 
ranes p.  62.  Wie  der  Autor  far  Falencia  und  Valladolid  die  erw&hnte 
Quelle  ohne  sie  zu  nennen  benutzte,  so  für  Salamanca  in  derselben  Weise 
Mendo,  De  jure  academico  IIb.  1  qn.  7  n.  188. 


XVI  Einleitong. 

sobre  la  organizacion,  gobierno  y  ensenanza  de  las  antiguas  univer- 
sidades'')  hervortritt.  Alles  ist  unbestimmt  und  ungenau.  Kein 
Wunder,  dass  Zärates  Arbeit  auch  in  Spanien  kein  Ansehen 
geniesst.  Derselben  gegenüber  bildet  die  Geschichte  des  be- 
kannten Vincente  de  la  Fuente'^)  einen  sehr  bedeutenden 
Fortschritt.  Nicht  bloss  dass  dieser  Verfasser  die  Leser  fast 
durchweg  gewissenhaft  auf  seine  Quellen  verweist,  hat  er  es 
auch  verstanden  aus  einem  viel  reicheren,  theilweise  hand- 
schriftlichem Material  zu  schöpfen.  Der  Anhang  von  Docu- 
menten  (40  Nummern)  muss  werthvoU  genannt  werden.  Für  die 
Entstehungsgeschichte  der  spanischen  Universitäten  hat  De  la 
Fuente  immerhin  unvergleichlich  mehr  geleistet,  als  Goppi  für  die 
der  italienischen.  Indess  herrscht  in  diesem  letzten  Werke  De  la 
Fuentes  nahezu  eine  noch  grössere  Unordnung,  als  in  seiner  Historia 
ecclesiästica  de  Espana.  Der  Autor  arbeitete,  wie  es  scheint,  nicht 
nach  einem  praemeditierten  Plane,  weshalb  ihm  der  Blick  auf  das 
Ganze  fehlte.  Zudem  hatte  der  Verfasser  keinen  richtigen  Begriff 
von  der  Organisation  der  Universitäten  im  Allgemeinen,  jener  der 
italienischen  und  spanischen  im  Besondem;  es  konnte  ihm  deshalb 
gar  nicht  in  den  Sinn  kommen,  zwischen  den  beiden  letzteren 
einen  Vergleich  anzustellen  und  die  Verfassung  der  spanischen 
Universitäten  auf  die  der  italienischen  zurückzuführen.  Im  Ein- 
zelnen mangelt  es  zugleich  dem  Autor  an  kritischem  Verständniss. 
Und  so  sehr  man  für  den  Quellenapparat  dankbar  sein  muss, 
so  kann  ich  doch  nicht  umhin  zu  gestehen,  dass  De  la  Fuente 
noch  mehr  hätte  leisten  sollen  '^).  War  es  doch  mir  bei  einem  ver- 

»)  8.  p.  263  ff. 

'9)  Historia  de  las  uniTersidades,  colegios  y  demas  establecimientos  de 
ensenanxa  en  Espana.  I  (Madrid  1884).  Das  Werk  kam  mir  (dnrch  die 
Qate  des  Herrn  Prof.  Edaardo  de  Hinojosa  in  Madrid)  erst  zn,  als  der 
Druck  meiner  Arbeit  schon  sehr  weit  vorgeschritten  war.  Der  Band  Ter- 
breitet  sich  fiber  die  Universitäten  bis  cur  Begienmg  der  katholischen 
Könige  U75. 

^)  üeber  die  UniTersit&ten  Lissabon-Coimbra,  Palencia,  Perpignan  Ter- 
mochte  De  la  Fnente  fast  gar  nichts  beizubringen.  Hinsichtlich  der  am 
10.  September  U15  von  Benedict  XIII.  gegrOndeten  Universität  von  Cala- 
tayod  entgieng  ihm  die  Stiftbnlle  (Reg.  Tat.  Avenion.  Ben.  XIII.  t.  70 
Bl.  654  b)  and  sah  ein  anderes  bei  ihm  mangelhaft  datiertes  Schreiben  fdr 
dieselbe  an  (Historia  p.   160  and  321  n.  23;  vgl.  dasa  Reg.  Yat.  Avenion 


Einleitung.  XVII 

häitDissmässig  kurzen  Aufenthalt  in  Spanien  und  Portugal  möglich 
ein  reicheres  Material  auszunützen.  Allen  Forschem  über  spa- 
nische Universitäten  hat  der  wackere  Floranes  im  vergangenen 
Jh.  einigermassen  vorgearbeitet").  Der  Autor  hat  auf  mehrere 
nicht  unwichtige  Quellen  aufmerksam  gemacht  und  einige  Fabeln 
hinsichtlich  des  Ursprungs  der  Universitäten  Salamanca,  Palencia 
und  Yalladolid  für  immer  widerlegt,  wenngleich  er  selbst  manche 
unhaltbare  Ansichten  aufgestellt  hat^^). 

Ueber  die  portugiesischen  Unterrichtsanstalten  existiert  ein 
bändereiches  Werk  von  Ribeiro")-  Die  Abschnitte,  welche 
in  unsere  Geschichte  einschlagen,  sind  sehr  verwirrt;  es  geht 
dem  Verfasser  genügendes  Quellenstudium  und  Kritik  ab. 

Als  die  verdienstvollste  Arbeit  hinsichtlich  der  mittelalter- 
lichen Universitäten  Deutschlands  muss  die  Pauls ens^^)  ange- 
sehen werden,  durch  welche  die  ältere  anders  durchgeführte 
Schrift  K.  v.  Raumers")  überholt  ist*®).    Paulsen  verstand  es 

].c.  Bl.  584.  Weitere  Docamente  ibid.  B].595b;  1 64  El.  586  b;  t.  71  El.  499). 
Ich  kann  mich  nicht  enthalten  wenigstens  auf  einen  Irrthum  bei  De  la 
Faente  hinzuweisen,  da  man  aus  ihm  sonst  leicht  gegen  mich  ein  Argument 
formieren  könnte.  Der  Autor  l&sst  p.  187  bereits  Innocenz  IV.  eine  Bulle  für 
Salamanca  ausfertigen;  thats&chlich  ist  aber  dieses  angebliche  Schreiben  die 
Bulle  Alexanders  IV.  Tom  6.  April  1255  (s.  unten  S.  484). 

^)  Origen  de  los  estndios  de  Gastilla  in  GoUecciön  de  documentos 
in^ditos  para  la  historia  de  Espana  XX  (Madrid  1852). 

^)  Auf  die  spanischen  Universitäten  kommt  auch  De  los  Bios  im 
3.  Bande  seiner  Historia  critica*  de  la  literatura  espanola  (Madrid  1863)  zu 
sprechen.  Doch  ist  aus  den  gelegentlichen  Bemerkungen  nicht  viel  zu  lernen. 
Noch  mehr  gilt  dies  von  Don  Modesto  Lafuente,  Historia  g^neral  de 
£spana  (Barcelona  1877.  1879).  Das  Werk  ist  eben  fQr  das  grosse  Publicum 
berechnet.  Etwas  mehr  bietet  fiber  einige  Universitftten  Schäfers  Ge- 
schichte von  Spanien  III  (Ootha  1861). 

^)  Historia  dos  estabelecimentos  scientificos  literarios  e  artisticos  de 
Portugal  nos  sucesiTos  reinados  da  monarchia.    Lisboa  1871  n.  ff. 

^)  Die  Gründung  der  deutschen  Universitäten  im  Mittelalter.  Organi- 
sation und  Lebensordnungen  der  deutschen  Universitäten  im  Mittelalter,  In 
Sybels  Histor.  Zeitschrift  Bd.  45  (1881)  S.  251-311,  385--440. 

39)  Die  deutochen  Universitätea    Stuttgart  1854. 

^)  Zarncke,  Die  deutschen  Universitäten  im  Mittelalter,  Leipzig  1857, 
bietet  nicht,  was  der  Titel  verspricht.  —  Unglaublich  schlecht  sind  die  'Ge- 
schichtlichen Notizen'  und  die  'Literatur'  im  Deutschen  akademischen 
Jahrbuch  (Leipzig  1875)  bearbeitet. 

Denifle,  Die  UniTeniUlteii  L  B 


XVm  Einleitung. 

in  besonnener  und  anschaulicher  Weise  die  Resultate  einer  ernsten 
und  gediegenen  Untersuchung  vorzufahren,  und  er  hat  manche 
schiefe  Aufstellungen  neuerer  Gelehrte  mit  Glück  bekämpft.  Aller- 
dings musste  ich  ihm  in  mehreren  Hauptpunkten  widersprechen. 
Ich  bin  jedoch  der  Meinung,  dass,  hätte  er  sich,  um  hier  nur 
einen  derselben  zu  erwähnen,  bei  Darstellung  der  Organisation 
der  Universität  Paris  in  grösserer  Unabhängigkeit  von  den 
frühem  Forschungen  gehalten  und  handschriftliches  Material 
ausgebeutet,  er  zu  meinen  Ergebnissen  gelangt  wäre^'). 

Die  Geschichte  der  ungarischen  Universitäten  des  Mittel- 
alters fand  einen  sorgsamen  Bearbeiter  in  Abel  Jenö^').  Der 
Autor  hat  mit  grossem  Fleisse  das  auf  dieselben  bezügliche 
Material  gesanmielt  und  zumeist  in  extenso  mitgetheilt 

Hätte  ich  mich  bei  meinen  Untersuchungen  nur  auf  die 
genannten  Autoren  und  überhaupt  auf  die  gedruckte  Literatur 
verlassen,  so  wäre  ich  wesentlich  nicht  weiter  gekommen.  Die 
Entstehungs-  und  Entwickelungsgeschichte  wurde  durch  die  bis- 
herigen Forscher  nicht  besonders  aufgehellt.  Lassen  sie  uns 
doch  häufig  über  die  einfachsten  Dinge,  z.  B.  das  Gründungsjabr 
im  Unsichern.  Nicht  viel  Gewinn  und  kein  bedeutender  Fort- 
schritt war  auch  zu  erwarten,  wollte  ich  bloss  die  specielle 
Litteratur  für  die  einzelnen  Universitäten,  die  ich  jedesmal  am 
betreffenden  Orte  angegeben  habe,  benützen  und  den  bereits  vor- 
handenen Vorrat  methodisch  sichten.  Ich  zog  es  schon  meiner 
Natur  nach  vor,  von  vorne  anzufangen  und  meine  Forschung 
lediglich  auf  die  Documente,  die   zum  Theil  gedruckt  vorlagen, 

^1)  In  Paulsens  bedentendem  Werk  Qeschiclite  des  gelehrten  Unterrichts 
auf  den  deutschen  Schulen  und  UniversitAten  vom  Ausgange  des  Mittelalters 
bis  cur  Gegenwart  (Leipzig  1885)  werden  die  UniTersitäten  nebst  den  an- 
deren Qelehrtenschulen  seit  dem  Ausgange  des  Mittelalters  unter  einem  andern 
Gesichtspunkte  als  die  mittelalterlichen  in  Sybels  Zsch.  behandelt  Wenige 
Notiien  Ober  letztere  finden  sich  auch  im  genannten  Werke  S.  10  ff.  Die 
Abhandlungen  und  Erörterungen  fiber  die  deutschen  Universitäten  Ton 
Muther,  Maurer,  Eaemmel  n.  s.  w.  werde  ich  im  Werke  gelegentlich 
besprechen.  Die  soeben  erschienene  preisgekrönte  Arbeit  Spechts:  Ge- 
schichte des  Unterrichtswesens  in  Deutschland  Ton  den  Utesten  Zeiten  bis 
zur  Mitte  des  dreizehnten  Jhs.  (Stuttgart  1885)  fällt  natOrlicher  Weise 
grossentheils  ausserhalb  der  Behandlung  unseres  Gegenstandes. 

^')  Egyetemeink  a  köz^pkorban.    Budapest  1881. 


Einleitung.  XIX 

zum  Theil  erst  aus  den  Bibliotheken  und  Archiven  hervorgesucht 
werden  mussten,  zu  basieren.  Die  wissenschaftlichen  Beisen,  die 
ich  seit  fünf  Jahren  nach  den  verschiedenen  Ländern  Europas 
machen  konnte,  förderten  natürlich  durchweg ,  meine  Arbeit, 
wenngleich  in  Bezug  auf  einige  Universitäten  die  Ausbeute  gering 
war.  Doch  auch  das  Besultat,  dass  hinsichtlich  etlicher  wenige 
Nachrichten  uns  überliefert  sind,  ist  ein  Gewinn  zu  nennen*'). 
Nehmen  betreffs  der  Pariser  Universität  die  Bibliotheken 
und  Archive  von  Paris  immerhin  die  erste  Stelle  ein,  so  bean- 

^)  Allerdings  stOnde  es  am  unsere  Eenntniss  einer  jeden  mittelalter- 
lichen Universität  schlimm,   hätte   es  mit  dem  jüngst  von  Döllinger  ausge- 
sprochenen Worte  seine  Bichtigkeit,  im   ganzen  Mittelalter  habe  niemand 
daran  gedacht,  auch  nur  Materialien  fOr  die  Geschichte  einer  Universität  zu 
compilieren.    Bei  Bndolf  Heinze,  Heidelberger  Universität^ubil&en.    Acade- 
mische  Bede.    Heidelberg  1884  S.  26  n.  9.    Döllinger  hat,   wie  es  scheint, 
nie  etwas  gehört  von  den  Compilationen  der  Actenstücke,  Statuten,  Privile- 
gien, Joramenta,  die  man  seit  dem  13.  Jh.  an  verschiedenen  Universitäten 
gemacht  und  chronologisch  geordnet  hat.    Ich  erwähne  speciell  die  ältesten, 
n&mUch  jene  von  Paris,  Oxford  und  Orlöans.    Ich  erinnere  hier  hinsichtlich 
Paris  nur  an  die  handschriftlichen  Compendien,  die  ich  widerholt  citiert 
habe    (vgl.   dazu   unten  S.  811);   in  Bezug  auf  Orleans   verweise    ich   auf 
die    unten   S.   257   Anm.    151    erwähnten  Hss.     Die    Libri    cancellarii   et 
procuratorum  von  Oxford  wurden  in  den  Munimenta  academ.  Oxon.  (Oxford 
1868)  ediert.    Hätten  die  Alten  nicht  die  Materialien  in  solcher  Weise  ge- 
sammelt, 80  blieben  wir  Ober  vieles  im  Ungewissen.    Es  ist  einerlei,  ob  sie 
diese    Compilationen  zum  Zwecke  einer  Geschichte  der  Universität  ange- 
fertigt haben  oder  nicht.    Jedesfalls  sind  sie  ein  Zeugniss  dafür,  dass  das 
Mittelalter  doch  nicht  so  ganz  ohne  ^historischen  Sinn'  war,  wie  Döllinger 
trftamty  dem  zudem  unbekannt  blieb,  dass  z.  B.  der  Ursprung  der  Universität 
P&ris  noch  'in  katholischer  Zeit',  d.  i.  vor  der  Beformation  beschrieben  wurde 
and  gedruckt  erschien.     Die  äusserst  seltene  Publication,  die   ich  unten 
mehrere  Male  angeführt  habe  und  die  sich  in  der  Kationalbibliothek  zu  Paris 
befindet,  rflhrt  vonGoulet  her,  und  tr&gt  den  Titel:  Compendium  recenter 
editnm  de  multipUci  Parisiensis  universitatis  magnificentia ,  dignitate  et  ex- 
cellentia,  cgns  fnndatione  mirificoque  suorum   suppositorum  ac  officiariorum 
et  collegioram  nomine  .  .  .  Impressum  in  alma  Parisiorum  universitate  pro 
TooBsano  Denis  librario  1517  (stammt  aus  dem  J.  1516).    Der  Autor  hatte 
über  die  ursprüngliche  Zusammensetzung  der  Universit&t  resp.  das  Yerhältniss 
der  Facnlt&ten  lu  den  Nationen  die  richtigere  Ansicht,  als  sie  heute  in 
Deutschland  vertreten  wird.   Englische  Autoren  (z.  B.  Twyne,  Antiquit.  acad. 
Oxon.  apol.  p.  12;  Tanner,  Bibliotheca  brit.  hibem.  p.  648)  eitleren  auch 
die  Schrift  De  antiquitate  academiarum  Britannicarum  von  Bossus  (gest.  1491). 

B» 


XX  Einleitnng. 

spracht  doch  das  Yaticanische  Archiv,  in  das  ich  am  1.  December 
1883  ohne  mein  Zuthun  durch  die  Huld  seiner  Heiligkeit  Leos  XIU. 
auf  Vorschlag  seiner  Eminenz  des  Card.  Hergenröther  als  Unter- 
archivar  berufen  wurde,  racksichtlich  der  gesammten  mittel- 
alterlichen Universitäten  den  vorzüglichsten  Platz.  Trotzdem 
bin  ich  der  erste,  der  es  für  diesen  Zweck  ausgebeutet  hat. 
Nur  Sarti  und  Fantuzzi  haben  es  für  die  Viten  der  Bologneser 
Bechtslehrer,  Benazzi  für  seine  Geschichte  der  Hochschule  zu 
Rom  benützt.  Die  Entwickelungsphasen  einzelner  Lehranstalten 
und  Universitäten,  z.  B.  der  zu  Orleans,  Lissabon -Coimbra, 
Palencia,  Prag,  Erfurt,  um  von  denen  Roms  und  der  Römischen 
Curie  zu  schweigen,  werden  erst  durch  Acten  des  Vat.  Archivs 
aufgehellt.  Durch  diese  wird  auch  für  immer  das  relativ  hohe 
Alter  der  Schule  zu  Cambridge  erwiesen.  Neue  Aufschlüsse 
erhält  man  fast  über  jede  Hochschule.  Nur  hinsichtlich  einiger, 
z.  B.  Wien,  Heidelberg  und  der  kleinem  italienischen,  zieht  man 
aus  dem  Vat.  Archiv  für  jene  Epoche,  die  uns  in  diesem  Bande 
beschäftigt,  wenig  Nutzen. 

Von  eminenter  Bedeutung  sind  ausser  den  Regesta  buUarum 
und  andern  Documenten  des  Vat.  Archivs  die  Regesta  suppli- 
cationum  et  expeditionum^*).     In  ihnen  sind  uns  nämlich  eine 

^)  Sie  beginnen  mit  Clemens  VI.  Bereits  Eur  Zeit  des  GardinaUegaten 
Octavius  Aqnayiva  fanden  sich  im  ArchiTe  des  pftpstlichen  Palastes  ca 
Avignon  ausser  einem  Fragmentum  Regestri  suppUcationum  anni  primi  Cle- 
mentis  Y.  (von  denen  ich  nichts  mehr  entdeckte)  keine  früheren,  wie  aus 
dem  Index  librorum  manuscriptorum  qui  in  archivio  Falatii  Avenionensis  re- 
perti  sunt  tempore  legationis  111°^^  et  BeT»i  Dni  Dm  Octavii  Gardinalis  de 
Aquaviva  anno  domini  1594  (Archi?.  Vat.  Arm.  56  n.  88)  ersichtlich  ist  Von 
Clemens  VI.  existieren  über  aUe  11  Jahre  22  Bftnde  (an.  1. — 2;  an.  2.-3;  an« 
3. — 2;  an. 4.-2;  an.  5.-3;  an.  6.— 2;  an.  7. — 3;  an.  8.-2;  an.  9.—  1;  an.  10.^1; 
an.  11.— 1),  von  Innocens  VI.  13  B&nde  (an.  1.— 2;  an.  2—1;  an.  3.-3; 
an.  4  fehlt;  an.  5.-2;  an.  6.— 1;  an.  7.-1;  an.  8.-1;  an.  9.-2).  Das 
Tierte  Jahr  fehlte  ebenso  zur  Zeit  des  erw&hnten  GardinaUegaten.  Von  Urban 
V.  sind  10  Bände  erhalten  (an.  1.— 5;  an.  2.-2;  an.  3.-*l;  an  4.-2;  aus 
iwei  Serien).  Auch  im  J.  1594  erstreckten  sich  die  Register  nur  bis  an.  4. 
inclusive.  Wie  schon  damals,  so  fehlen  auch  jetst  die  Supplikregister  Gre- 
gors XI.  Dagegen  sind  81  Ton  Clemens  YIL  erhalten  (an.  1. — 9,  darunter 
einer  aus  einer  andern  Serie;  einmal  waren  im  Gänsen  10;  an.  2.^4;  an. 
8.— 1;  an.  4.-2;  an.  5  fehlt;  an.  6.— 1;  an.  7.  8.-2;  an.  9.-4;  an.  10.— 1; 
an.  11.—2;   an.  12.-2;  an.  13.  14.— -2;  an.  15.— 1;  an.  16 — 1).    Ausserdem 


Einleitung.  XXI 

grosse  Anzahl  Rotuli  und  Suppliken  aufbewahrt,  welche  theils 
verschiedene,  namentlich  französische,  spanische  und  englische 
Universitäten,  theils  hochgestellte  Persönlichkeiten,  unter  ihnen 
vorzüglich  Kaiser  Karl  IV.,  für  die  Universitäten  oder  einzelne 
Mitglieder  derselben  an  die  päpstliche  Curie  eingesandt  haben. 
Durch  solche  Rotuli  und  Suppliken  wird  zuweilen  die  Existenz 
einer  Hochschule  erwiesen,  wir  gewinnen  einen  annähernden 
Begriff  von  der  Frequenz  an  den  Universitäten,  werden  über  die 
Namen  vieler  Professoren  und  Schüler,  über  manche  unbekannte 
Ereignisse  u.  s.  w.  aufgeklärt.  Der  Zweck  meiner  Arbeit  erlaubte 
es  nicht  aus  den  Supplikregistem  mehr  auszuziehen,  als  that- 
sächlich  unten  vorliegt  und  im  zweiten  Bande  noch  erscheinen 
wird.  Ich  behalte  mir  aber  vor,  später  speciell  die  Pariser 
Rotuli  zu  bearbeiten. 

Im  Yat  Archiv  ist  hinsichtlich  unserer  Zeit  bloss  das  Ponti- 
ficat  Urbans  VI.  schlecht  vertreten.  Es  sind  nur  3%  Register- 
bände auf  uns  gekommen  ^^).  Zwar  weisen  auch  die  Ponti- 
ficate  der  nächstfolgenden  römischen  Päpste  bis  Sixtus  IV.  be- 
deutende Lücken  auf;  allein  man  wird  überreich  entschädigt  durch 
das  Archiv  der  Bullen  im  Lateran,  welches  ipit  Bonifaz  IX. 
beginnt,  und  von  Alters  her  der  Dataria  apostolica  gehörte, 
wenngleich  die  Sammlung  an  sich  einen  Bestandtheil  der  Vati- 
canischen  bildet,  oder,  wenn  man  will,  umgekehrt ^^).  Doch  darf 
ich  nicht  verschweigen,  dass  sich  der  Inhalt  der  Registerbände 
im  Lateran  grossentheils  auf  Provisionen  bezieht.     Sehr  wichtig 

existieren  Fragmente  einzelner  Jahre.  Der  5.  Band  fehlte  anch  1594;  der 
6.  wurde  damals  nicht  verzeichnet.  Von  Benedict  XIII.  besitzen  wir  23 
Bände  (an.  l.~9  ans  einer  Serie;  3  ans  einer  andern;  an.  2.^2;  8  erstrecken 
sich  auf  die  Jahre  9—15,  und  1  auf  die  Jahre  13—25).  Im  Ganzen  sind  im 
Vat.  Archiv  99  Papierregisterbände  von  Suppliken  in  Grossfolio  und  mehrere 
Fragmente  derselben.    S.  dazu  noch  die  Notiz  unten  S.  387  Anm.  699. 

^^)  Die  Mnf  Bände  Oblig.  sowie  die  Sammlung  von  Actenstflcken,  welche 
'De  schismate  Urbani  VI.'  betitelt  ist  nnd  sich  auf  den  Anfang  des  Schismas 
besieht  (Arm.  54  n.  14—39),  waren  meinen  Zwecken  nicht  dienlich. 

^)  Ich  werde  über  diese  CoUection  später  im  Archiv  für  Litteratur- 
und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  berichten.  S.  einstweilen  unten 
S.  419  und  Überhaupt  Über  die  Schicksale  der  päpstl.  Archive  anfangs 
dieses  Jhs.  Marinis  Memorie  storiche  im  Plegestum  Clementis  V.  cura  et 
studio  monachorum  0.  S.  B.,  Romae  1885,  p.  GGXXVIII  sqq. 


XXn  Einleitang. 

sind  sie  hinsichtlich  der  Bischofsernennungen,  und  sie  bieten 
hierin  selbst  für  jene  Epoche  grössere  Ausbeute,  in  der  das 
Vatic.  Archiv  wider  reicher  ist. 

Die  GoUectoriae ,  unter  ihnen  namentlich  die  ^Introitus  et 
exitus  camerae  apostolicae'  ergaben  mir  wesentliches  nur  für  das 
Studium  an  der  römischen  Curie. 

Nicht  unbedeutende  Schwierigkeiten  stellten  sich  mir  ent- 
gegen, um  zur  Kenntniss  und  Einsichtnahme  der  gedruckten 
Litteratur  zu  gelangen.  Und  doch  musste  ich  vom  Anfange  an 
darnach  streben,  mich  in  Bezug  auf  die  Universitäten  aller  Länder 
genau  zu  informieren.  In  Rom  hält  es  schwer  vorzüglich  die 
neueren  Publicationen  aufzutreiben,  was  jeder  zugeben  wird, 
der  einmal  dort  gearbeitet  hat.  Dies  gilt  sogar  hinsichtlich  der 
italienischen.  Hätte  ich  es  mir  so  leicht  gemacht  wie  Goppi, 
um  Montefredini  gar  nicht  zu  erwähnen,  so  wäre  die  Mühe 
nicht  sehr  gross  gewesen.  Allein  mir  lag  daran,  etwas  mehr  zu 
leisten  als  diese. 

Zunächst  wollten  die  Italien.  Städte-Statuten,  die  in  die 
Universitätsperiode  fallen,  durchgesehen  sein.  Wer  sich  mit  den- 
selben beschäftigt  hat,  wird  wissen,  was  es  kostet,  gerade  die 
altern  aufzufinden^')-  Die  Drucke  sind  äusserst  selten,  und  Hss. 
stehen  nicht  immer  zu  Gebote.  Erst  spät  wurde  mir  meine 
Arbeit  erleichtert,  als  ich  auf  die  an  italienischer  Litteratur 
reiche  Biblioteca  del  Senate  del  Regno  zu  Born  aufmerksam 
gemacht  wurde  und  mir  deren  Bibliothecar  Menozzi  freundlichst 
Zutritt  gewährte.  So  weit  meine  Kenntniss  reicht,  existiert  keine 
Statutensammlung,  welche  mit  der  in  der  genannten  Bibliothek 
einen  Vergleich  aushielte.  Blätterte  ich  auch  manche  Bände 
umsonst  durch  und  war  der  Ertrag  für  meinen  Zweck  verhältniss- 
mässig  gering,  so  kann  ich  doch  nicht  umhin  die  Forscher, 
welche  sich  mit  der  italienischen  Geschichte  befassen,  auf  diese 
Bibliothek  und  deren  Statutensammlung  hinzuweisen. 

^^)  Ich  will  jedoch  nicht  undankbar  verschweigen,  welchen  Nutzen  da- 
bei Bonainis  Alcuni  appunti  per  servire  ad  una  bibliografia  degli  statuti 
italiani  in  den  Annali  delle  universitä  Toscane  II  (Pisa  1851),  141—234; 
III  (1854),  5-42  bieten,  Forschungen,  die  durch  Manzoni,  Bibliografia  degli 
statuti,  ordini  e  leggi  dei  municipii  italiani  (Bologna  1876.  1879)  überholt 
wurden. 


Einleitung.  XXIII 

Merkwürdig  mag  es  scheinen,  dass  man  die  ältere  italienische 
Universitätslitteratur  leichter  ausfindig  macht,  als  die  neuere. 
Der  Grund  liegt  darin,  dass  eben  die  letztere  vielfach  gar  nicht 
in  den  Buchhandel  gekommen  ist  und  zumeist  auch  in  den 
grösseren  Bibliotheken  mangelt  Ist  man  dann  endlich  so  glück- 
lich in  ihren  Besitz  zu  gelangen,  so  reut  einen  zumeist  die 
Mühe,  die  man  darauf  verwendet  hat,  ihrer  habhaft  zu  werden. 
Dies  gilt  namentlich  von  den  Schriften,  die  für  die  Wiener 
Weltausstellung  im  J.  1873  verfasst  wurden.  Sehr  richtig  ist 
diesbezüglich  Banchis  Urtheil,  sie  seien  in  Eile  geschrieben 
worden,  'e  perciö  senza  alcun  interesse  di  novitä'^^).  Natürlich 
bezieht  sich  dies  nicht  auf  alle  neuem  Arbeiten,  am  wenigsten 
aber  auf  die  höchst  verdienstvollen  und  wichtigen  Documenten- 
sammlungen,  wie  jene  für  Florenz,  Pavia,  Perugia. 

Die  von  mir  eingeschlagene  Methode  ist  dieselbe,  welcher 
ich  bei  meinen  Untersuchungen  über  die  deutschen  Mystiker 
gefolgt  bin,  nämlich  die  analytische.  Meiner  Ueberzeugung  nach 
gewinnt  man  mit  der  synthetischen  auf  einem  Gebiete,  wo  es 
noch  so  viel  zu  thun  gibt  und  die  einzelnen  Thatsachen  erst 
eruiert  werden  müssen,  keine  unanfechtbaren  Besultate.  Man 
lauft  Gefahr  Einzelheiten  zu  Allgemeinheiten  zu  erheben, 
Schlüsse  auf  mangelhafte  Induction  zu  bauen  *^),  manchmal 
gerade  umgekehrt  überall  vorkonunende  Erscheinungen  als  Eigen- 
thflmlichkeiten  zu  betrachten  und  endlich  die  verschiedenen 
Zeiten  durch  einander  zu  mengen.  Folgerungen,  wie  der:  so 
war  es  an  diesem  Orte  oder  in  diesem  Jahrhundert,  darum  wird 
es  wohl  auch  anderswo  und  in  dem  früheren  und  späteren 
Jahrhundert  so  gewesen  sein,  bin  ich  abhold.  Es  ist  der  histo- 
rischen Wissenschaft  weit  mehr  gedient,  wenn  man  sich  ledig- 
lich auf  den  Boden  der  Thatsachen  stellt  und  sich  das  Terrain 
Schritt  für  Schritt  erobert  und  sichert,  als  wenn  man  ^den 
Standpunkt  hoch  genug  nimmt,  um  in  einer  weit  ausgreifenden 


^)  ArchiT.  8tor.  ital.  ser.  3  t.  21  p.  145. 

^)  Ein  abschreckendes  Beispiel  bietet  EUingers  Schrift:  Das  Yerh&lt- 
nias  der  öffentlichen  Meinung  zu  Wahrheit  und  LOge  im  10,  11.  und  12.  Jh. 
(Berlin  1884),  zudem  darin  die  einzelnen  Thatsachen  oft  nach  Art  des 
Flacitts  niyricus  aufgefasst  und  dargelegt  werden. 


XXIV  Einleitung. 

Umschau  die  Blicke  streifen  zu  lassen  über  Völker  und  über 
Jahrhunderte',  und  sich  trotz  alles  Pochens  auf  den  historischen 
Sinn  keinen  Scrupel  macht,  die  Geschichte  so  darzustellen,  wie 
man  sie  eben  haben  will  und  braucht,  und  nicht  so,  wie  sie 
thatsächlich  ist.  Die  Poesie  ist  Sache  der  Poeten  und  nicht  der 
Historiker. 

Die  analytische  Methode  ist  der  einzige  Weg,  der  uns  zu 
den  wahren  Gesetzen  führt;  sie  bewahrt  uns  vor  dem  Missgrifife, 
den  man  so  häufig  macht,  für  vorgefasste  Ideen  und  Behaup- 
tungen Beweise  zu  suchen,  wobei  man  in  der  Begel  das  richtige 
Säizlein  übersieht:  Qui  nimis  probat,  nihil  probat.  So  ergieng 
es,  um  ein  hieher  gehöriges  Beispiel  zu  bringen,  jenen,  welche 
die  These  erhärten  wollten,  die  mittelalterliche  Kirche  sei  dem 
römischen  Bechte  feindlich  gegenüber  gestanden,  sie  habe  es 
unterdrücken  wollen.  Es  ist  gang  und  gäbe  hiefür  zunächst  die 
Concilsbescblüsse  aus  den  Jahren  1131,  1139  (beide  gleich- 
lautend) und  1163^^),  sowie  die  Decretale  Alexanders  IIL  vom 
J.  1180 '*)  zu  eitleren.  Honorius  III.,  sagt  man  dann  weiter, 
habe  das  in  den  genannten  Beschlüssen  enthaltene  Verbot  im 
J.  1219  auf  alle  Priester  ausgedehnt").  Beweisen  jedoch  die 
genannten  Beschlüsse,  dass,  wie  Schmidt  will,  ^die  Kirche  alles 
that,  was  in  ihren  Kräften  stand,  um  das  römische  Recht  zu 
unterdrücken'?  Wenn  ja,  dann  muss  man  auch  zugeben,  dass 
die  Kirche  alles  gethan  hat,  um  die  Medicin  zu  unterdrücken, 
denn  in  den  erwähnten  Beschlüssen  wird  den  Mönchen  und 
Ganonikem  nicht  weniger  verboten,  auswärts  die  Medicin  zu 
studieren,  als  die  leges  temporales  oder  mundanae.  Allein  dies 
wagt  doch  niemand  zu  behaupten,  weil  der  Wortlaut  der  Acten 
zu  deutlich  offenbart,  dass  die  Kirche  das  Verbot  nur  für  die 
Mönche,  Honorius  III.  auch  für  die  Priester,  nicht  aber  an 
sich  erlassen  hat.   Warum  übersieht  man  nun  dies,  wenn  es  sich 


M)  Mansi,  Coacil.  coli.  XXI,  459.  528.  1179.  Aehnliche  Bestimmongen 
wurden  frflher  (x.  B.  1130)  und  später  erlassen. 

AI)  c.  3.  X  ne  clerici  3,50. 

^)  Ibid.  c.  10.  —  G.  A.  Schmidt,  Die  Reception  des  römischen  Rechts 
in  Deutschland  (Rostock  1868)  S.  lUf.  wurde  bis  heute  recht  eigentlich 
als  der  Gewährsmann  fOr  obige  Ansicht  betrachtet. 


Einleitung.  XXV 

am  das  kirchliche  Verbot  des  Stadiums  der  leges  saeculares 
handelt?  Weil  man  eben  fQr  die  These,  die  Kirche  sei  dem 
röm.  Rechte  feindlich  gegenüber  getreten,  eines  Argumentes 
bedarf.  Nicht  viel  besser  steht  es  mit  dem  Schlüsse,  den  man 
aus  dem  Verbote  des  Cüvilrechtes  für  Paris  und  Umgebung  durch 
Honorius  IIL  zieht.  Dass  dasselbe  rein  local  und  in  Rücksicht 
auf  die  Pariser  Verhältnisse  gegeben  wurde,  wird  nunmehr  un- 
zweifelhaft durch  die  bisher  nicht  bekannte  von  mir  unten 
S.  252  f.  verwertete  Bulle  Gregors  IX.,  mittels  welcher  der  Papst 
das  Studium  des  Givilrechts  in  Orleans  ohne  weiteres  erlaubte  ^°). 
Nur  ein  Schreiben  Innocenzs  IV.  vom  J.  1254  hat  einige  Beweis- 
kraft^^). Inwiefern  dies  der  Fall  sei,  wird  im  zweiten  Bande 
untersucht  werden,  wo  ich  die  Frage  im  Zusammenhange  be- 
handele^^). Das  Angeführte  genügt  zum  Erweise  der  Noth- 
wendigkeit,  ohne  vorgefasste  Meinungen  in  seinen  Forschungen 
vorzugeben  und  die  einzelnen  Facta  in  ihrem  wahren  Werthe 
abzuwägen,  um  dann  erst  wenn  möglich  Gesetze  aufzustellen. 

Der  Plan  des  Werkes  tritt,  täusche  ich  mich  nicht,  in 
demselben  selbst  zu  Tage.  Der  vorliegende  Band  beschäftigt 
sich  mit  der  Entstehungs-  und  Gründungsgeschichte  der  mittel- 
alterlichen Universitäten  bis  1400,  der  zweite  wird  einen  Grund- 
riss  der  Organisation  und  Verfassung  der  mittelalterlichen  Univer- 
sitäten und  CoUegien  enthalten.  In  letzterem  werden  auch  manche 
Fragen  ihre  Erörterung  finden,  die  ich  schon  in  dem  gegenwärtigen 
Bande  berühren  musste,  die  aber  zu  innig  mit  der  ganzen  Orga- 
nisation verknüpft  sind,  als  dass  sie  von  der  Besprechung  der- 
selben losgelöst  werden  könnten.    Dahin  rechne  ich  namentlich 


^)  Natürlich  galten  bisher  die  Professoren  von  Orleans  als  'aufgekl&rte' 
Männer,  die  sich  dem  Verbote  Honorius  IIL  widersetzten,  und  Le  Giere 
sagt  geradezu:  Les  professeurs  d'Orl^ans,  pour  acquerir  ce  renom,  avaient 
dft  r6sister  aux  bnUes  d*Honorius  III  (Le  Giere  wusste  nicht  einmal,  dass  es 
sich  bloss  um  6ine  Bulle  handelt),  qui  interdisaient  en  France  les  chaires  de 
droit  romain.  Bist.  litt,  de  la  France  XXIY,  254.  Auch  Schmidt,  Die  Re- 
ception  des  römischen  Rechts  S.  135,  theilte,  weil  ihm  der  eigentliche  Sach- 
verhalt entgieng,  eine  irrige  Auffassung. 

M)  Bei  Matth.  Paris,  Ghron.  mi^.  ed.  Luard  VI,  293. 

^)  S.  einstweilen  unten  S.  696  f.  und  S.  754  ff. 


XXVI  Einleitung. 

die  Untersuchung  über  das  eben  gestreifte  Verhältniss  der  Kirche 
zum  römischen  Rechte  sowie  über  die  Entwickelung  des  Kanzler- 
amtes und  der  Licentia  docendi. 

Weshalb  ich  mir  das  Jahr  1400  als  Gränze  festgesetzt 
habe,  über  welche  hinaus  die  Universitäten  keine  Besprechung 
erhalten,  hat  darin  seinen  Grund,  dass  eben  das  15.  Jh.  überall 
neue  Verhältnisse  aufweist.  Allerdings  kommen  diese  nicht 
gerade  mit  dem  J.  1400  zum  Vorschein.  Hätte  ich  z.  B.  bloss 
die  deutschen  Universitäten  berücksichtigt,  so  würde  ich  ungefähr 
mit  der  Mitte  des  15.  Jhs.  geschlossen  haben,  während  ich  die 
italienischen  nicht  weit  über  die  Mitte  des  14.  Jhs.  hinaus  in 
Betracht  gezogen  hätte.  Da  sich  jedoch  meine  Untersuchungen 
auf  die  Universitäten  aller  Länder  erstrecken,  so  war  ich  genöthigt 
eine  bestimmte  Jahrzahl  als  terminus  zu  wählen,  die  so  ziemlich  in 
der  Mitte  liegt.  Ich  fand  keine  andere  als  eben  1400.  Wer 
sich  damit  nicht  einverstanden  erklärt  und  mehr  wünscht,  möge 
die  Forschungen  weiterführen. 

Obwohl  der  Geschichte  der  Universität  Paris  mehrere  Bände 
vorbehalten  sind,  so  musste  ich  ihr  doch  schon  in  diesem  meine 
Aufmerksamkeit  schenken.  Die  Geschichte  der  andern  Hoch- 
schulen ist  unverständlich  ohne  jene  der  Pariser.  Sowohl  diese 
wie  die  zu  Bologna  haben  sich  am  frühesten  und  ungefähr  um 
dieselbe  Zeit  durch  Bildung  von  Gorporationen  als  Universitäten 
constituiert.  Ich  konnte  eben  deshalb  schon  jetzt  die  Darlegung 
des  Corporationswesens  an  beiden  genannten  Schulen  nicht  um- 
gehen. Was  ich  hier  darüber  gesagt  habe,  bildet  eine  Vorarbeit 
für  die  nächstfolgenden  Bände. 

Hinsichtlich  der  übrigen  Hochschulen  beschränkte  ich  mich 
in  diesem  Bande  darauf  lediglich  deren  Entstehungs-  und 
Gründungsgeschichte  und  den  Zustand  der  Lehranstalt  als  solcher 
darzustellen.  Ich  verfolgte  wo  möglich  die  Entwickelung  so 
weit,  bis  die  Verfassung  klar  zu  Tage  tritt  und  erstere  ohne 
letztere  nicht  behandelt  werden  kann.  Daher  kommt  es,  dass 
ich  bei  Beschreibung  der  grösseren  Universitäten,  wie  Oxford, 
Padua,  Toulouse,  Montpellier,  Orleans  u.  s.  w.  früher  abbrechen 
musste  als  in  der  Regel  bei  den  kleinern,  von  denen  zudem 
einige  sich  nicht  recht  lebensfähig  erwiesen,  und  deren  Geschichte 


Einleitung.  XXVII 

ich  deshalb  wenigstens  in  den  Hauptzügen  bis  zu  ihrer  Auf- 
lösung fortsetzte.  Wie  verfehlt  es  ist,  die  Entstehungsgeschichte 
nicht  von  der  der  Verfassung  zu  trennen,  zeigen  uns  besonders 
die  einschlägigen  Arbeiten  von  Meiners  und  Savigny,  in  denen 
wir  über  erstere  fast  nichts  erfahren,  während  bei  Behandlung 
der  letztem  in  der  Regel  zu  spät  angesetzt  wird,  eben  weil  sich 
die  beiden  Autoren  über  die  Anfänge  nicht  klar  waren. 

Nicht  umgehen  durfte  ich  jene  Momente,  die  flir  die  ein- 
zelnen Schulen  als  solche  von  Bedeutung  sind.  Selbstverständ- 
lich gehören  hieher  zunächst  die  Fragen,  welche  Lehrftcher  an 
ihnen  und  wann  dieselben  in  Au&ahme  kamen  und  wie  stark 
die  einzelnen  vertreten  waren.  Letzteres  liess  sich  nicht  immer 
eruieren,  hie  und  da  musste  ich  mich  mit  den  mangelhaften 
Angaben  der  an  den  Papst  geschickten  oft  späten  Universitäts- 
rotuli begnügen.  Nicht  ohne  Wichtigkeit  schien  mir  in  Erfahrung 
zu  bringen,  wann  da  und  dort  das  erste  GoUeg  für  arme  Schüler 
gestiftet  wurde.  Welchen  Werth  man  auf  solche  CoUegien  im 
Mittelalter  legte,  hat  uns  am  besten  Heinrich  v.  Langenstein 
gesagt  (s.  unten  S.  624  Anm.  1640).  Die  Pariser  CoUegien 
musste  ich  natürlich  noch  ausschliessen.  Auffallend  ist,  dass  in 
Deutschland  die  eigentlichen  CoUegien,  wie  sie  in  den  romani- 
schen Ländern  und  in  England  bestanden,  kaum  in  Aufnahme 
kamen. 

Ich  habe  unten  S.  220  bemerkt,  warum  ich  die  Universi- 
täten nicht  chronologisch  oder  nach  den  verschiedenen  Ländern 
gruppiert  habe.  Das  im  zweiten  Paragraph  des  fünften  Haupt- 
abschnittes über  die  Entstehung  der  Universitäten  Gesagte  (s.  be- 
sonders S.  772  ff.)  bringt  es  durchaus  mit  sich,  zwischen  solchen 
Universitäten,  welche  gewissermassen  aus  sich  selbst  oder  durch 
Auswanderung  entstanden  sind,  und  solchen,  die  Stiftbriefen 
ihre  Existenz  verdanken,  zu  unterscheiden.  Die  Sonderung  in 
diese  zwei  Gruppen  ist  nichts  weniger  als  äusserlich,  im  Gegen- 
theile  gründet  sie  sich  auf  die  historische  Entwickelung  des 
Generalstudiums,  der  man  aber  bisher  kaum  eine  Aufinerksamkeit 
geschenkt  hat.  War  es  nun  nothwendig  zwischen  Universitäten 
ohne  Gründungsurkunden  und  Universitäten  mit  solchen  zu 
unterscheiden,    so   musste  ich   letztere,    wollte  ich   consequent 


XXVm  Einleitimg. 

bleiben,  nach  der  verschiedenen  Art  der  Stiftbriefe,  welche  sie 
erhielten,  classificieren ,  obgleich  ich  zugestehe,  dass  es  sehr 
häufig  ganz  accidentell  war,  wenn  dieser  Hochschule  ein  päpst- 
licher, und  nicht  ein  landesfiirstlicher  oder  kaiserlicher  zu  Theil 
wurde,  und  umgekehrt.  Meine  Disposition  erleichtert  zugleich  den 
Einblick  in  das  Yerhältniss  der  geistlichen  und  weltlichen  Gewalt 
zur  Errichtung  der  Universitäten  des  Mittelalters  und  macht 
manche  Erörterungen  darüber  und  eine  weiter  ausgesponnene 
Polemik  gegen  die  herrschenden  Ansichten  überflüssig.  Die 
bisher  beliebte  Eintheilung  nach  Ländern  wäre  am  Platze,  wenn 
die  Gründung  der  Hochschulen  mit  dem  Nationalbewusstsein  in 
den  einzelnen  Ländern  einen  directen  Zusammenhang  gehabt 
hätte. 

Es  bedarf  wohl  nicht  der  Versicherung,  dass  ich  mich,  so 
weit  es  in  meinen  Kräften  stand,  der  Genauigkeit  befliss.  Inso- 
ferne  es  mir  möglich  war,  verglich  ich  auch  die  bereits  ge- 
druckten Quellen  mit  den  Originalen  und  Handschriften,  nament- 
lich wenn  es  sich  um  Stellen  handelte,  die  Beweiskraft  haben 
sollten.  Besonders  den  älteren  Drucken  ist  nicht  zu  trauen. 
Den  päpstlichen  Schreiben  fügte  ich  in  der  Kegel  auch  dann  die 
Nummer  des  betreffenden  Briefes  in  den  Yaticanischen  Regesten 
bei,  wenn  erstere  bereits  publiciert  waren.  Ich  halte  es  nicht  für 
nothwendig,  die  Nützlichkeit  dieses  Verfahrens  weiter  darzulegen. 

Unzählige  Male  bot  sich  mir  Gelegenheit,  mich  mit  land- 
läufigen Behauptungen  auseinanderzusetzen.  Man  sei  aber  über- 
zeugt, dass  ich  bemüht  war,  die  Warnung  des  ersten  Glossators 
der  Sentenzen  des  Peter  Lombardus,  Peters  von  Poitiers,  nie  aus 
den  Augen  zu  verlieren:  Teritati  non  intellectae  obloqui  teme- 
raria  praesumptio  est;  intellectae  sed  offendenti  contraire  obsti- 
nata  praesumptio  est;  et  hoc  vitio  praecipue  Magistri  laborant, 
quos  saepe  veritas  intellecta  offendit,  —  offenditur  autem  unus, 
quando  alius  bene  dicit.  Unde  licet  reclamante  conscientia 
statim  ei  contradicit'  (Ck)d.  Paris.  14423  Bl.  41b).  Ich  bin 
jedem  dankbar,  der  mich  auf  Irrthümer,  Fehler  und  Lücken 
aufinerksam  macht  und  von  mir  übersehene  Documente,  welche 
in  meine  Zeit  reichen,  zu  Tage  fördert.  Soweit  es  möglich 
ist,   werde  ich  allen  Wünschen  Rechnung  tragen.     Sollte  aber 


Kmleitun«.  XXIX 

ich  keinen  Natzen  mehr  aus  solchen  Winken  nnd  Nachträgen 
ziehen  können,  so  werden  sie  gewiss  einem  künftigen  Bearbeiter 
der  Universitätsgeschichte  zu  gute  kommen,  dem  mein  Werk 
doch  immerhin  manche  schwere  Mühe  ersparen  wird,  der  ich 
mich  nothgedrungen  unterziehen  musste  und  von  der  ich  nicht 
weiter  reden  will. 

Ein  ausführliches  Register  folgt  mit  dem  zweiten  Bande, 
der  mit  dem  ersten  ein  Ganzes  bildet. 

Bei  meinen  Arbeiten  wurde  mir  überall  Unterstützung  zu  Theil. 
Namentlich  muss  ich  meinen  verbindlichsten  Dank  aussprechen 
der  Direction  der  Nationalbibiiothek ,  des  Nationalarchives  und 
der  Uniyersitätsbibliothek  zu  Paris,  den  Bibliotheksvorständen 
der  Staatsbibliothek  zu  München,  der  Universitätsbibliotheken 
zu  Leipzig  und  Erlangen,  sowie  speciell  Mons.  Ciccolini  und 
P.  Bollig  an  der  Yaticanischen  Bibliothek,  meinen  beiden  Freunden 
P.  Jeiler  in  Quaracchi  bei  Florenz  und  P.  Ehrle  in  Rom,  den 
Herren  Omont  und  E.  Chatelain  in  Paris,  Herrn  W.  Meyer  in 
München,  Hofrath  Ficker  in  Innsbruck,  Herrn  Sindaco  und 
Archiworstand  Banchi  in  Siena,  Prof.  A.  Corradi  in  Pavia,  Prof. 
Hinojosa  in  Madrid.  Gute  Aufnahme  fand  ich  an  allen  Biblio- 
theken und  Archiven,  an  denen  ich  arbeitete  und  deren  es  nicht 
wenige  sind,  und  Auskunft  gab  mir  jeder  so  gut  er  konnte,  an 
den  ich  mich  wandte.  Schlimm  erdeng  es  mir  nur  in  Padua; 
ich  würde  jedoch  darüber  schweigen,  müsste  ich  mich  nicht 
deshalb  rechtfertigen,  dass  ich  das  dortige  Museo  civico  nicht 
benützt  habe.  Als  ich  mich  im  Juli  vergangenen  Jahres  daselbst 
aufhielt,  um  meine  Notizen  über  die  Universität  Padua  zu  er- 
gänzen, und  ich  mit  A«  Gloria,  dem  Vorstände  des  Museo  civico, 
sprechen  wollte,  Hess  er  mir  sagen,  dass  ich  alle  Documente, 
welche  sich  auf  die  Geschichte  der  Universität  Padua  bis  1318 
beziehen,  in  seinen  demnächst  erscheinenden  Monumenti  lesen 
könne.  Dieses  sonderbare  Benehmen  sticht  sehr  ab  gegen  das 
des  Bibliothekars  an  der  Bibliothek  S.  Antonio,  P.  Josa  0.  Min., 
der  mir  bei  Untersuchung  der  dortigen  Hss.  jedesmal  treu  zur 
Seite  stand.  Es  blieb  mir  daher  nichts  anderes  übrig,  als  auf  die 
Publication  Glorias  zu  warten,  die  aber  bis  jetzt  nicht  erschienen 
ist  und   vor  Juli   oder  August  nicht  ausgegeben  werden   wird. 


XXX  Einleitung. 

Unter  diesen  Umständen  wäre  ich  schon  froh  gewesen,  hätte 
man  mich  am  Museo  civico  wenigstens  auf  die  gedruckte  neuere 
Litteratur  aufinerksam  gemacht. 

Am  meisten  verfiichtet  fahle  ich  mich  meinem  Freunde 
Herrn  Prot  £.  Steinmeyer  in  Erlangen,  der  mit  grtester  Bereit- 
willigkeit und  Aufopferung  die  Durchsicht  der  Correcturbogen 
übernahm.  Die  Fehler,  welche  stehen  geblieben  sind,  fallen 
nicht  ihm  zur  Last 

Vielleicht  ist  es  mir  gelungen,  eine  neue  richtigere  Auf- 
fassung eines  der  wichtigsten  Theile  der  Culturgeschichte  des 
Mittelalters  wenigstens  Yorzubereiten  und  die  Ueberzeugung  zu 
befestigen,  dass  wir  es  nicht  mit  einer  finstem,  sondern  mit 
einer  sehr  lichten  Periode  zu  thun  haben,  die  sich  vor  unserer 
Zeit  trotz  alles  Fortschrittes  auf  den  verschiedenen  Gebieten 
nicht  zu  schämen  braucht 

Rom,  10.  Mai  1885. 

P.  Heinrich  Denllle. 


Inhalt. 


Seite 

L  Beieielinniigr  und  Befn^iff  der  mittelalterlicben  UniTersitftt« 

1.  StndlniiL    Studium  generale 1 

Alter  des  Ausdrackes  Studium  generale  2.  —  Anwendung  der  Be- 
zeichnung Studium  5.  —  Scholae  9.  —  Begriff  des  Ausdruckes 
Studium  generale  11.  —  Landesschule  12.  —  Lehranstalt  fttr  Alle 

14.  —  Unterricht  fQr  Alle  17.  —  Studium  priTilegiatum  19.  -- 
mit  der  facultas  ubique  docendi  21.  —  Abweichende  Ansichten  23. 
—  Nicht  Vertretung  aller  Wissenschaften  25.  —  Man  strebte  sie 
an  28. 

2.  Unlyersltas.    Aoademia.    Qymnasium 29 

Uniyersitas  im  Mittelalter  29.  —  Ahna  mater  33.  —  Academia  36. 

^  Gymnasium  37. 
n»  Entstelimiiir  md  Entwickelung  der  beiden  ftttesten  Unirer- 
sit&ten. 

1  Entwlokelung  der  Schulen  in  Paris  und  Bologna  im  All- 
gemeinen   40 

Wie  sind  die  Utesten  üniyersitftten  entstanden?  40.  —  Neue  Me- 
thode in  der  Doctrin  45.  —  Privilegien  48.  -—  Authentica 
Habüa  48.  —  Friedrich  I.  Tor  Bologna  49.  ~  Auseinander- 
setsung  mit  Giesebrecht  50.  —  Die  Hss.  der  Authentica  52.  — 
Ob  zu  Roncalia  erlassen?  54.  ~  Wem  kam  die  Authentica  zu 
gute?  55.  —  Bedeutung  des  PriTÜegs  fftr  Bologna  59.  -VTriTÜeg 
Philipp  Augusts  für  Paris  60.  —  üebergang  zu  den  n&chstfol- 
genden  Paragraphen  62. 
2.  Die  Bildung   der  Oorporationen  an  der  Hoobeohule    seu 


64 


Bisheriger  Irrthum  hinsichtlich  der  Bildung  der  üniyersit&t  Paris 
64.  —  Statsen  des  Irrthnms  65. 

a.  Bildung  der  üniversitftt  und  der  Facult&ten 67 

Die  Magister  der  Terschiedenen  Disciplinen  constituierten  die  Uni- 
Tersitftt  67.  —  Der  Ausdruck  facultas  71.  —  Bildung  der  Facult&ten 
72.  —  Handlungen  der  Vertreter  der  einzelnen  Wissenschaften  als 
Faenlt&ten  73.  —  Die  Uniyersit&t  nicht  identisch  mit  den  yier 


XXXII  li^alt. 

Soiia 

Nationeu  77.  —  Die  Artisten  ursprünglich  kaum  identisch  mit  den 
vier  Nationen  SO.  -*  Irriger  Bericht  des  Johann  von  St.  Victor  82. 

b.  Alter    und     Character    der    Nationeneintheilung    in 

Paria 84 

Gemischte  Scholarenverbindung  84.  —  Im  12.  Jh.  bestand  noch 
nicht  die  Eintheilung  in  vier  Nationen  85.  —  Nicht  die  Artisten 
bildeten  die  alte  Universität  87.  —  Das  Privileg  Philipp  Augusts 
^  _  IjVie  entstanden  die  vier  Nationen  ?  91.  —  Unterschied 
2wischen  der  früheren  und  späteren  Zeit  92.  —  Interessante  Botuli 
93.  —  Die  Eintheilung  in  vi6r  Nationen  hat  sich  nicht  spontan 
entwickelt,  sondern  ist  geschaffen  worden  94.  —  Grund  der  Ein- 
theilung 95.  —  Procuratoren  der  Nationen  97.  —  Welche  Ele- 
mente schlössen  die  Nationen  in  sich?  97.  ~~  Stellung  der  Artisten 
sur  Universität  98,  —  zu  den  vier  Nationen  102.  —  Kein  Gegen- 
sats  zwischen  Nationen  und  Facultäten  103.  —  Wann  erfolgte 
die  Nationeneintheilung?  105. 

c.  Stellung  des  Bectors  innerhalb  der  Universität  .   .  .    106 
Bisherige  Meinungen  106.  —  Die  Bectoren  in  den  päpstlichen 
Schreiben  107.  —  Bector  scholarum  108.  —  Es  gab  anfiknglich 
noch  nicht  einen  Bector  an  der  Spitze  der  Universität  109.  —  Wann 

in  den  Universitätsacten  der  Bector  zuerst  erwähnt  wird  1 14.  —  Der 
Bector  in  der  ersten  Periode  115.  —  Wahl  des  Bectors  118.  — 
Wie  der  Bector  nach  und  nach  Haupt  der  ganzen  Universität 
wurde  119.  —  Es  geschah  nur  durch  Vergewaltigung  von  Seite 
der  Artisten.  Unverhältniasmässige  Ueberzahl  der  Magistri  ar- 
tium  123.  —  Es  war  unnatürlich,  dass  der  Bector  der  Artisten 
Vorstand  der  Universität  wurde  125.  —  Losung  der  Schwierig- 
keiten 127.  —  Theorien  des  Mittelalters  über  die  Nothwendigkeit 
eines  Corporatioiifihaaptes  128.  ~  Uebersicht  130. 

8.  Kntwiokeltmg  der  Ctorporationen  an    den  Sdhnlen  Bolo- 

gnae 132 

Beine  and  gemischte  Scholarenverbindung  132.  —  Friedrichs  I. 
Auth.  Ilabiia  im  Verhältniss  zu  den  Gorporationen  133. 

a. Das  Wesen  der  Scholarenverbindungen 135 

Sie  waren  fireie  Genossenschaften  auf  fremdem  Boden  135.  —  Es 
gab  anfänglich  mehr  als  zwei  Scholarenverbindungen  zu  Bolo- 
gna 186.  —  Gliedening  der  einzelnen  Verbindongen  139.  —  Letztere 
entstanden  nicht  zu  gleicher  Zeit  140.  ^  Von  welcher  Nation  der 
Gedanke  Verbindungen  zu  schliessen  herrühren  mag  141.  —  Motive 
zur  Eingehung  von  Genossenschaften  142.  —  Die  Scholarenverbin- 
dungen und  die  städtischen  gewerblichen  Zünfte  Italiens  145.  — 
Bector  scholarum,  Bector  scholarium  147.  •—  Wie  die  Scholaren 
zum  GenossenschafUrecht  gelangten,  da  sie  keine  Profession  aus- 


In»»»»»-  xxxin 

Seit« 

übten  151.  —  Eigenart  der  Studierenden  153.  —  Schlossresiiltat 
153.  —  Mehrere  Gorporationen,  jede  mit  einem  Bector  154.  — 
EigenthOmlichkeiten  der  ScholarenTerbindongen  Bolognas  156.  — 
Irrige  Ansichten  157. 

b.  Zeit  der  Entstehung  der  Scholarenverbindangen     .  .   158 

a  Verh&ltniss  der  Scholarenyerbindnngen  Bolognas  zur 

Stadtgemeinde  und  zu  den  Professoren 160 

Woher  kam  die  Missgnnst  der  Stadt  gegen  die  Scholarenverbin- 
düngen?  160.  —  Eintreten  Honorius  III.  fOr  die  Scholaren  161.  — 
Neue  Differenzen  162.  —  Die  Stadt  war  nicht  an  sich  den  Ver- 
bindungen feindlich  163.  —  Widerholtes  Einschreiten  des  Papstes 
166.  —  Die  Stadt  will  das  Rectorat  unterdrücken  168.  —  Die 
Professoren  dabei  im  Spiele  169.  —  Grund  dieser  Erscheinung 
171.  ^  Ausgang  des  Streites  zu  Gunsten  der  Scholaren  175. 

d.  Der  einheimische  Rechtsschfller,  und  die   Scholaren 
der  Übrigen  Wissenschaften      177 

e.  Der  Rector,  und  seine  Stellung  innerhalb  der  Gorpo- 
rationen      181 

Sayignys  irrige  Methode.  Die  Juristen-Statuten  181.  —  Beschaf- 
fenheit der  Bectoren  184.  —  Uebergang  191. 

f.  Yerh&ltnisB  der  Scholarenverbindungen  zur  Lehran- 

anstalt  und  umgekehrt     192 

Yerhftltniss  der  Professoren  zu  den  ScholareuTerbindungen  192. 

—  Die  Professoren  und  die  Stadt  193.  —  Erklftrung  des  Ab- 
hftngigkeitsTerhftltnisses  der  Professoren  tou  den  Scholaren  196. 

—  Es  war  Folge  des  Entwickelungsprocesses,  dass  die  Scholaren 
die  Administration  der  Studienangelegenheiten  in  die  H&nde  be- 
kamen 200.  —  Stellung  der  Lehranstalt  zu  den  ScholarenTerbin- 
dongen 201.  —  Die  Professoren  waren  die  Begenten  des  Stu- 
diums 204. 

g.  Kurzer  üeberblick  Aber  die  Studien-Verhftltnisse  der 

Hochschule 205 

Die  Lehrfächer  in  Bologna  205.  —  Zahl  der  Professoren  im  14.  Jh. 
208.  —  Privilegien  von  Seite  der  P&pste  209.  -^  GoUegien  212. 

m.  Eiitfltelinng  und  Entwiekelung  der  übrigen  Hochschulen  Eu- 
ropas biB  1400. 

Bis   1400  entotanden  55  Hochschulen  219.  —  Methode  bei  der 
Darstellnng  220. 
1.  Die  f&lsoblioh  als  Uniyersltaten  bezelohneten  Schalen  .  .  221 
Macerata  221.  —  Lyon  223.  —  Breacia,  Messina,  Palermo,  Yienne 
924.  —  Palma,  Beims  225.  —  Todi  227.  —  Die  Particularstudien 
228.  —  Pistoja  229.  —  Mantua,  Parma  230. 

D«Bifle,  IMo  UniTenit&tan  I.  G 


XXXIV  In'««'"»- 

Seite 

2.  Die  Hoobsohulexi  oline  Errlohtnngsbriefe 231 

Stndienanstalten  ex  consuetadine  nnd  ex  priTÜegio  231. 

Salerno 232 

Ansichten  Aber  den  ürsprnng,  ob  laical  oder  clerical  232.  —  Wie 
weit  die  Nachrichten  znrackreichen  234.  —  Salerno  unter  den 
Staufem  235. 

Oxford 237 

Die  Fabel  von  der  Alfredschen  Stiftung  237.  —  Oxford  wird  erst 
912  urkundlich  erwähnt  238.  —  Fälschungen  239.  —  Die  Schule 
bestand  im  12.  Jh.  241.  —  Irrthum  derjenigen,  die  sie  erst  1229  ge- 
gründet sein  lassen  241.  —  Stand  der  Schule  Ende  des  12.  und 
Anfang  des  13.  Jhs.  242.  —  Erlitt  keine  Unterbrechung  mehr  244.  — 
Der  eigentliche  Ursprung  unklar  247.  — Warum  die  Mitte  des  13.  Jhs. 
consolidiert.  Frequenz  248.  —  Das  erste  Colleg  249.  —  Paris 
theilweise  Vorbild  Oxfords  250.  —  Rotuli  der  Universität  251. 

Orleans 251 

Wurde  nicht  erst  von  Clemens  Y.  gegründet  251.  —  Die  frühesten 
Schulen.  Die  ersten  Actenstücke  für  eine  Bechtsschule  im  13.  Jh. 
Gregor  IX.  252.  —  Clemens  Y.  ertheilte  nur  das  Corporations- 
recht  256.  —  Das  juristische  Studium  hatte  wahrscheinlich  in 
Paris  seinen  Ursprung.  Zusammenhang  mit  der  Bulle  Super  spe- 
eula  258.  —  Philipp  der  SchGne  und  die  Universität  260.  —  Un- 
geschick der  französischen  Könige  262.  —  Uebersiedelung  der 
Universität  nach  Nevers  264.  —  Widerherstellung  der  Univer- 
sität in  Orleans  durch  Johann  XXII.  265.  —  Namen  von  Pro- 
fessoren.   Stand  der  Universität  Ende  des   14.  Jhs.  268—269 

Angers 270 

Wie  weit  die  juristische  Lehranstalt  surfickreicht  270.  — 
Blühend  Mitte  des  13.  Jhs.  Professoren  271.  ^  Bischof  Wilhelm 
le  Maire  272.  —  Durch  die  päpstl.  und  fürstlichen  Schreiben 
wurde  die  Schule  und  die  Universität  nur  privilegiert,  nicht  ge- 
gründet 274.  —  Frequens  der  Universität  in  der  2.  Hälfte  des 
14.  Jhs.  276.  "  Collegien  277. 

Padua 277 

Entstand  1222  durch  Auswanderung  aus  Bologna  277.  —  Contrakt 
mit  Yercelli  im  J.  1228  278.  ~  Schlüsse  aus  diesem  Contrakte 
auf  Padua  selbst  280.  —  Das  dortige  Studium  existierte  noch 
unmittelbar  nach  1228  281.  —  Zur  Zeit  der  Tyrannei  Eszelins 
(1237—1256)  Stillstand  des  Studiums  284.  —  Reactivierung  des- 
selben im  J.  1260.  Lehrfächer.  Bischof  v.  Padua  285.  — 
Schnelle  Blüthe  der  Hochschule.    Der  Papst  und  die  Scholaren 

286.  —  Kritischer  Zustand  im  vorletzten  Decennium  des  13.  Jhs. 

287.  ~   Annähernde    Angabe    des    Personals tandes   bis    1318 

288.  "  Collegien  289. 


Inhalt  XXXV 

Seite 

Vercelli 290 

Entstand  1228  darch  Auswanderung  aus  Padua  290.  —  Guter 
Anfang  291.  —  Ubertns  de  Bobio.  Ubertus  de  Bonacurso  291. 
293.  —  Von  der  Mitte  des  13.  Jhs.  ab  beständiges  Schwan- 
ken 293. 

Beggio 294 

Frühe  Rechtsschule,  die  aber  nur  wenig  ihrer  schnell  Torüber- 
gehenden  BlQthe  zeigt  294.  —  Professoren.  Doctordiplom  295.  — 
YerfaU  im  14.  Jh.  295. 

Modena 296 

Ruf  der  Schule  £nde  des  12.  Jhs.  Pilius  296.  —  Guido  de  Snza- 
ria.  Die  Lehranstalt  ohne  grosse  Bedeutung  297.  —  Trauriger 
Zustand  im  14.  Jh.  298. 

Vicenaa 298 

Bedeutend  Anfangs  des  13.  Jhs.  und  entstanden  durch  Auswan- 
derung aus  Bologna,  aber  nur  von  kurzer  Dauer  298.  —  In  der 
2.  Hälfte  des  13.  Jhs.  ReactiTierung  299.  —  Im  14.  und  15  Jh. 
Niedergang.    Fortbestand  you  Schulen.    Venedigs  Verbot  300. 

3.  Hoohsdhiilen  mit  nur  päpstUohen  Errlohtungsbriefen    .   .   301 

Römische  Curie 301 

Das  Generalstudium  an  der  röm.  Curie  von  Innocenz  IV.  gegrün- 
det 301.  —  Honorius  III.  nicht  der  Stifter  302.  -^  Nicht  bloss 
Rechtsschule,  sondern  auch  theologische  Lehranstalt  302.  — 
Eifrige  Pflege  des  Civilrechts  304.  -  Widerholte  Dispens  vom 
Verbote  Honorius  III.  305.  —  Studium  der  orientalischen  Sprachen 
306.  —  Mit  dem  Studium  an  der  Curie  nicht  zu  verwechseln 
die  Schule  in  Trets  308.  —  Zur  Zeit  des  Schismas  besassen 
die  römischen  und  die  avignonesischen  Päpste  eine  Lehranstalt 
309.  —  Päpstliche  Palastschule  und  die  Hofschule  Karls  des 
Grossen  310. 

Rom 310 

Karl  I.  von  Aqjou  —  Bonifaz  VIII.  310.  —  Matthaeus  Romanus. 
Lehrfächer  311.  —  Das  Studium  in  der  Periode  der  Päpste  zu 
Avignon  311.  —  Allmählicher  Verfall.  Restaurierung  durch  Eugen 
IV.  312.  —  Neue  Bestimmungen  Eugens  IV.  313.  —  Wechsel- 
fälle der  Hochschule.  Mehr  Professoren  als  Schüler  unter 
Leo  X.  315.  —  Das  erste  CoUeg  316. 

Pisa • 317 

Rechtskundige  zu  Pisa  seit  dem  12.  Jh.  317.  —  Erhält  erst  vor 
der  Mitte  des  14.  Jhs.  die  nothwendigen  Vorbedingungen  zu 
einem  Generalstudium.  Clemens  VI.  319.  —  Keine  andauernde 
Blüthe  320.  —  Löste  sich  nach  und  nach  auf.    Restaurierung 

im  J.  1473  321. 

C* 


XXXVI  Intal»- 

Ferrara 322 

Die  froheren  Schalen.  Markgraf  Alberto  t.  Este  und  Bonifaz  IX. 
322.  —  WechselTolles  Dasein  der  Schale  323.  —  Endliche  Gon- 
Bolidiemng  im  15.  Jh.  324. 

Tonlonse 325 

Stiftang  der  Schale  durch  den  Gardinallegaten  Roman  im  J.  1229 
325.  —  Das  Tom  Grafen  Baymand  aasgeworfene  Salariam  326. 
^  Jean  de  Garlande  and  Boland  von  Cremooa  327.  —  Schrei- 
ben der  üniversit&t  an  die  aaswftrts  Stadierenden  327.  — 
Stillstand  329.  —  Gregor  IX.  im  J.  1233.  —  Der  Papst  and  der 
Graf  wegen  des  Salariams  331.  —  Innocenz  IV.  333.  —  Sorge 
der  Päpste  Ar  das  Stndiam  334.  —  Lehrfächer  334.  —  Schick- 
sale des  theologischen  Lehrfaches  336.  —  Enorme  Freqaens 
der  Universität  im  14.  Jh.    Rotali    Namen  von  Professoren  338. 

—  Die  GoUegien  339. 

Montpellier «^  .   340 

Alte  medicinische  Schale  340.  —  Kirchlicher  Einflass  342.  — 
Die  jaristische  Schale.    Placentin  343.  —  Azo  oder  Bassianos? 

344.  —  Differens  zwischen  Jacob  I.  von  Aragon  and  Glemens  lY. 

345.  —  Begelang  der  Promotionen  im  J.  1285  364.  —  Artisten 
in  Montpellier  347.  —  Solempne  Stndiam  in  Montpellier  am  die 
Mitte  des   13.  Jhs.  347.   — -   Es  war  ein   Generalstadium  348. 

—  Trotzdem  erliess  Nicolaas  lY.  einen  Stiftbrief  350.  —  Er- 
klärnng  dieser  Thatsache  350.  —  Die  theologische  Facaltät  354. 

—  Zustand  des  medicinischen  und  jnristischen  Stadiums  im  14.  Jh. 
354.  —  Namen  von  Juristen  im  14.  Jh.  356.  —  Gollegien  356. 

Avignon 357 

Schulen  im  13.  Jh.  357.  —  Gutes  Gedeihen  des  Studiums  bei  Be- 
ginn des  14.  Jhs.  358.  —  Stiftbrief  Bonifazs  YIIL  358.  —  Yer- 
hältniss  desselben  zu  den  vorausgehenden  Schreiben  Karls  11. 
Irrige  Anschauungen  modemer  Gelehrten  359.  —  WechselfäUe 
der  Anstalt  im  14.  Jh.  361.  —  Frequenz.  Juristen.  Golle- 
gien 362. 

Gabors 362 

GegrOndet  von  Johann  XXII.  362.  —  Toulouse  das  Yorbild  363. 
'  Schwierige  Existenz  364.  —  Lehrpersonal  Mitte  des  14.  Jhs. 
364.  —  Gollegien  365. 

Gr6noble 365 

Benedicts  XII.  Stiftbrief  365.  —  Guter  Wille  Hamberts,  trotz- 
dem schneller  Yerfall  der  Lehranstalt  366. 

Gambridge 867 

Gambridge  und  Oxford  im  Wettstreit  hinsichtlich  des  hohen  Alters. 
Die  Schule  reicht  kaum  ins  12.  Jh.    Fortsetzung  der  Ingulf- 


Inhalt  xxxvn 

Seit« 

sehen  Chronik  367.  —  Die  erste  sichere  Nachricht  aas  dem 
J.  1209  368.  —  Wichtige  Schreiben  Heinrichs  III.  und  Gre- 
gors IX.  369.  ~  Ungeordneter  Zustand  der  Universit&t  bis  ins 
14.  Jh.  37  i.  —  Die  theologische  Facultät  373.  —  Das  erste  Cd- 
leginm  374.  —  Veranlassung  cum  Stiftbriefe  Johanns  XXII.  375. 

Valladolid 376 

Die  Schule  des  13.  Jhs.  376.  —  Das  Generalstudium  errichtet 
Ton  Clemens  VI.  377.  —  Wichtiges  Privileg  desselben  Papstes 
bezfiglich  des  Salariums  378.  —  Botulns  der  Universität  379. 
— .  Aufschwung  des  Studiums  unter  Martin  V.  379.  —  Theolo- 
gische Facult&t  380. 

Heidelberg 380 

Nicht  c.  1346  gegründet  880.  —  Bericht  des  Marsilius  von  Ing- 
hen  381.  —  Urbans  VI.  Stiftbrief  382.  —  Ohne  kaiserliche 
Grandungsurkunde  383.  —  Die  Diplome  des  KurfOrsten  Buprecht 
384.  —  Eröffnung  der  Schule.  Kleiner  Anfang;  plötzlicher  Zu- 
wachs 385.  —  Lehrfächer.    Collegium  386. 

Köln 387 

Die  froheren  Stifts-  und  Klosterschulen  387.  ~  Sie  bildeten  kein 
Generalstudium;  man  bewarb  sich  an  ihnen  nicht  um  academische 
Grade  388.  —  Ungemein  günstige  Lage  Kölns  fOr  ein  General- 
studium. Wissenschaftliche  Rdhrigkeit  in  der  Kölner  Provinz  391. 

—  Behauptung  Panlsens  hinsichtlich  der  Entstehung  der  Hoch- 
schule 394.  —  Die  ersten  Professoren  kamen  grossentheils  erst 
kurz  vor  Gründung  der  Universität  nach  Köln  395.  —  Die  Errich- 
tungsbnlle  Urbans  VI.  398.  —  Eröffnung  der  Hochschule.  Ma- 
trikel 399.  —  Civilrecht  400.  401.  —  Päpstliche  Privilegien. 
Dotierung  400.  401.  —  Bursen  402. 

Erfurt '. 403 

Die  blähenden  Schulen  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  Saty- 
risches Gedicht  des  Nicolaos  de  Bibera  403.  —  Weitere  Nach- 
richten über  die  Schulen  bis  zur  l^itte  des  14.  Jhs.  405.  — 
Heinrich  von  Oytha  um  die  Mitte  des  Jhs.  Bector  in  Erfurt 
406.  —  Wichtige  Supplik  Kaiser  Karls  IV.  Vor  Gründung  der  Uni- 
versität war  Erfurt  im  Besitze  einer  der  besuchtesten  Lehranstalten 
Deutschlands.  Vier  Hauptschulen  407.  —  Stiftbrief  des  Gegen- 
papstes Clemens  VII.  Bulle  Urbans  VL  410.  —  Stand  der 
Schule  411.  —  Collegien  412.  —  Dotierung  413. 

Fünfkirchen 413 

Studienverhältnisse  in  Ungarn  im  18.  und  14.  Jh.  Veszprim  413. 

—  Um  die  Mitte  des  14.  Jhs.  nur  6in  Doctor  der  Theologie  in 
Ungarn  414.  ^  Urbans  V.  Stiftbrief  für  Fünfkirchen  415.  — 
Galvanus  de  Bononia  417.  —  Baldiger  Verfall  der  Hochschule  418. 


XXXVm  la^^alt 

Seite 

Ofen 418 

Der  Stiftbrief  Bonifazs  IX.  Schwierigkeit  das  Datum  desselben 
zu  fixieren  418  —  Schwaches  Leben  der  Schule  420.  —  Reacti- 
Vierung  im  15.  Jh.  Kurzer  Bestand  421.  —  Mathias  Gorvinus 
und  die  neuen  Hochschulen  422. 

4.  Hoolisoliulen  mit  kaiserliohen  oder  landesherrUolien  Qrün- 
dungsnrlnmden 424 

Arezzo 424 

Auswanderung  aus  Bologna  1215.  Ro£fridus  Epiphanii  424.  — 
Zustand  der  Schule  Mitte  des  13.  Jhs.  425.  —  Rückgang  in  der 
folgenden  Epoche.  Notizen  aus  der  1.  H&lfte  des  14.  Jhs.  425. 
—  Karls  IV.  Stiftbrief  427.  —  Verfall  der  Schule.  Friedrich  III. 
Widereröffnung  and  völliger  Niedergang  428. 

Siena 429 

Die  Schulen  am  die  Mitte  des  13.  Jhs.  429.  —  Innocenz  IV. 
430.  —  Versuch  der  Commune  1275  ein  Generalstudium  zu  er- 
richten. Scheitern  desselben  431.  —  Die  Schalen  bis  1321.  Jacob 
de  Belviso,  Jacob  de  Arena,  Oldradus  434.  —  Der  Mediciner  Dinus 
435.  —  Riccardo  Petroni  436.  —  Epochemachendes  Ereigniss 
in  Bologna  1321.  Auswanderung  von  Professoren  und  Scholaren 
437.  _  Uebersiedlung  nach  Siena  438.  —  Professoren.  Fede- 
rigo  Petrucci.  Salarium.  489.  —  Baldige  Auflösung  des  Studiums 
zu  Siena  440.  —  Wideraufnahme  der  Vorlesungen  in  Bologna 
441.  —  Cinus  von  Pistoja  in  Siena  443.  —  Neue  Anstrengungen 
der  Sienesen  444.  —  Privileg  Karls  IV.  446.  —  Trauriger  Za-. 
stand  des  Studiums  448.  —  Neue  Rührigkeit  Ende  des  14.  Jhs. 
449.  —  Gregor  XII.  450.  —  Gollegium  451.  —  Endliche  Con- 
solidierung  451. 

Neapel 452 

Neapel  nicht  die  erste  von  einem  Landesfürsten  gegründete  Uni- 
versität 452.  —  Friedrichs  II.  Stiftbrief.  Scheidang  der  Briefe 
bei  Peter  de  Vineis  453.  —  Lehrstuhl  der  Theologie  455.  —  Unter- 
brechang  and  Wideraufnahme  der  Schule.    Thomas  von  Aquin 

456.  —  Verlegang  des  Studiums  nach  Salemo  unter  Konrad  II. 

457.  —  König  Manfred  als  Restaurator  der  Schale  in  Neapel  457.  — 
Th&tigkeit  Karls  I.  von  Aqjou.  Clemens IV.  458.  —  Lehracher460. 

Treviso 461 

Die  Stadtschule  des  13.  Jhs.  461.  —  Beschluss  der  Commune  im 
J.  1314  ein  Generalstudium  zu  errichten  462.  —  Berufungen  von 
Juristen  463.  —  Neue  Anstrengungen  im  J.  1318  464.  —  Privi- 
leg Friedrichs  des  Schönen  465.  ~  Plötzlicher  Verfall  der 
Schale  466. 

Orange 467 


Inhalt.  XXXK 

8«ito 

Die  Lehranstalt  im  13.  Jh.    Privileg  ürbana  V.  im  J.  1365  467. 

—  Stiftbrief  Karls  IV.  468.  -—  Gegenpapst  Clemens  YII.  er- 
richtet den  Lehrstuhl  fQr  das  canonische  Recht  470.  —  Geringe 
Bedeutung  der  Schule  In  der  folgenden  Periode  47 L 

Palencia 471 

Irrige  Anschauungen  hinsichtlich  der  alten  Schulen  471.  —  Die 
Lehranstalt  zu  Beginn  des  13.  Jhs.  472.  —  Errichtung  des 
Generalstudiums  durch  Alonso  YIIL  474.  —  Baldiger  Rück- 
gang.   Reactivierung  durch  Fernando  III.  und  Bischof  Tello  475. 

—  Stillstand  seit  Mitte  des  13.  Jhs.  476.  •—  Wiederherstellung 
durch  Urban  lY.  Yerfall  478. 

Salamanca 478 

Alonsos  IX.  Th&tigkeit  479.  —  Stiftbrief  Fernandos  III.  480.  — 
Aufschwung  unter  Alfonso  el  Sabio  481.  —  Salarium  der  Pro- 
fessoren 483.  —  Alexanders  lY.  Privilegien  484.  —  Sorgfalt  Al- 
fonsos  el  Sabio  486.  —  Kritische  Lage  des  Studiums  Ende  des 
13.  Jhs.  487.  —  üebelst&nde  betreffs  der  Besoldung  488.  — 
Verdienst  Clemens  Y.  um  die  Widerherherstellung  der  Lehran- 
stalt 489.  —  Glücklicher  Erfolg  491.  —  Errichtung  der  theolo- 
gischen Lehrkanzeln  492.  —  Zustand  der  Universität  Mitte  und 
Ende  des  14.  Jhs.  495.  —  Das  erste  grössere  Colleg  494. 

Sevilla 495 

Eigenthümlichkeit  dieser  Schule  495.  —  Sie  war  vorbereitet 
durch  die  Lehranstalten  der  Dominicaner  für  die  orientalischen 
Sprachen  495.  —  Raymund  Martini  496.  —  Die  Mauren  Lehr- 
meister der  Brüder  497.  —  Alfonsos  el  Sabio  Stiftbrief  498.  — 
Privileg  Alexanders  lY.  499.  —  Stillstand  499. 

Lerida 499 

Jacobs  II.  Stiftbrief.  Bonifazs  YIII.  Antheil  509.  —  Die  Magna 
Charta  501.  —  Yerdicnste  Jacobs  II.  um  die  Lehranstalt  503.  ^ 
Kurze   Unterbrechung.    Reactivierung  504.  —  Das  erste  Colleg 

505.  —  Die  Lehrf)U:her.    Gründung  der  theologischen  Lehrstühle 

506.  —  Medicin  507.  —  Nationen  507. 

Huesca 508 

Pedros  lY.  Stellung  zu  den  verschiedenen  Lehranstalten  508.  — 
Pedros  Stiftbrief  509.  —  Das  Salarium  der  Professoren  500.  — 
Stocken  des  Studiums.  Affaire  mit  den  Juden  511.  —  Unter- 
brechung des  Studiums  bis  Paul  II.  513.  —  Reactivierung  514. 

6.  Hoohsohulen  mit  päpstliohen  and  landesherrlioheii  oder 

kaiserUohen  Stiftbrlefen      515 

Perpignan 515 

Bisheriger  Irrthum  hinsichtlich  des  Ausstellers  des  päpstlichen 
Stiftbriefes  515.  —  Pedros  lY.  Gründung  516.  —  Misserfolg  517.  — 


XL  Inhalt. 

Seit« 

Stifibrief  des  Oegenpapstes  Clemens  YII.  517.  ^  Freqaenz  der 
neuen  Hochschule  518.  —  Die  theologische  Facultät  519. 

Lissabon-Goimbra 519 

Merkwürdiges  Geschick  des  Qeneralstudinms  in  Portugal  519.  — 
Die  früheren  Schulen  in  Lissabon  und  Coimbra  520.  —  Bemü- 
hungen geistlicher  Würdenträger  Portugals  um  eine  Hochschule 
in  Lissabon.  König  Diniz  522.  —  Nicolans  IV.  PriTÜegienbrief 
523.  —  Clemens  Y.  Verlegung  des  Studiums  nach  Coimbra  Anf. 
des  14.  Jhs.  524.  —  Die  Magna  Charta.  Lehrf&cher  525.  —  Sa- 
larium  526.  —  Uebersiedelung  nach  Lissabon  527«  -—  Verdienste 
Clemens  VL  528.  —  Bückverlegung  nach  Coimbra  529.  —  Ge- 
fährdeter Zustand  der  Schule.  Abermalige  Transferierung  nach 
Lissabon  530.  —  Stiftbrief  des  Gegenpapstes  Clemens  VIL  531. 
—  Botulus  582.  —  Eifrige  Pflege  der  Umyersität  Ton  Seite  der 
Könige  533.  —  Endliche  Fixierung  der  Uniyersität  in  Coimbra  534. 

Perugia 534 

Die  Rechtslehrer  daselbst  im  13.  Jh.  Sorge  der  Stadt  für  Schu- 
len 535.  —  Grosse  Rührigkeit  der  Commune  Anf.  des  14.  Jhs. 
Plan  sich  um  ein  Universit&tspriTÜeg  zu  bewerben  536.  —  Corpo- 
rationen  537.  —  Jacob  de  Belviso  538.  —  Stiftbrief  Clemens  V. 
538.  —  Berufung  Ton  Juristen  539.  —  Mediciner  541.  —  Neue 
Periode.  Jacob  de  BeWiso  542.  —  Bewilligung  der  Promotionen 
durch  Johann  XXII.  543.  —  Bemühungen  der  Stadt,  um  das  Stu- 
dium in  gutem  Stande  zu  erhalten  544.  —  Matrikel  546.  — 
Lehrpersonal  547.  —  Die  theologisohe  Lehrkanzel  548.  —  P&pstL 
Privilegien  549.  —  Stift-  und  Privilegienbrief  Kaiser  Karls  IV. 
550.  —  Das  erste  Colleg  551. 

Florenz 552 

Vorgeschichte  552.  —  Beschluss  der  Republik  im  J.  1321,  in  den 
Besitz  eines  Generalstudiums  zu  gelangen  553.  — -  Misserfolg  zur 
Zeit,  als  in  Florenz  mehrere  Professoren  lehrten  554.  —  Ein- 
zelne Lehrer  in  der  n&chsten  Periode  556.  —  Neuer  Beschluss 
der  Stadt  557.  —  Stiftbrief  Clemens  VI.  55&  —  Wechselvolles 
Schicksal  der  Schule  559.  —  Neue  Geldmittel  Berühmte  Pro- 
fessoren 560.  —  Grossartige  Th&tigkeit  der  Stadt  561.  —  Stift- 
brief Karls  rv.  562.  —  Lehrpersonal  563.  —  Neue  Anstrengungen 
564.  —  Statuten  565.  —  Wechselvolles  Schicksal.  Colleg  565.  — 
Verlegung  des  Studiums  nach  Pisa  566. 

Piacenza 566 

Das  12.  Jh.  Placentln.  Carolus  de  Tocco  566.  —  Stiftbrief  Inno- 
cenz  IV.  567.  —  Schwache  Wirkung  desselben  567.  —  Stiftbrief 
Galeazzo  Viscontis  569.  -—  Verlegung  des  Studiums  von  Pavia 
nach  Piacenza  570.  —  Plötzliche  Blüthe  und  schneller  Verfall 
der  Universität  571. 


Inhalt  XLI 

Seite 

Pavia 572 

Die  Rechtsschale  Pavias  in  früherer  Zeit  472.  —  Ansichten  der 
Forscher  Ober  die  Schalen  des  13.  and  14.  Jhs.  574.  —  Verfall 
derselben  in  der  Epoche  yor  OrUndaug  der  Universität  577.  — 
Stiftbrief  Karls  IV.  Päpstlicher  Stiftbrief  579.  —  Unterbrechang 
580.  —  Widerherstellung  durch  Filippo  Maria  Visconti.  Glück- 
licher Erfolg  581.  ~  Erstes  GoUeg  582. 

Prag 582 

Die  Schulen  des  13.  Jhs.  Ihre  wechsehollen  Schicksale  582.  — 
König  Wenzels  II.  Bemühungen  585.  —  Stiftbrief  Clemens  VI. 
58$.  —  Karls  Stiftbrief  586.  587.  —  Motive  Karls  588.  —  Fa- 
coltftten  589.  —  Das  Studium  kam  alsbald  in  Aufnahme  590.  — 
Doctordiplom  aus  dem  J.  1359.  Supplik  Karls  aus  dem  J.  1355 
für  die  Professoren  und  mehrere  Schüler  591.  —  Heinrich  von 
Ojrtha  592.  —  Supplik  Karls  aus  dem  J.  1362  595.  —  Karls  Be- 
mühungen um  die  Schule  597.  —  Gollegium  Garolinum  598.  •— 
Haus  für  die  Juristen  599.  -~  Frequenz  der  Universität  600.  — 
Päpstliche  Privilegien  601.  —  Feindselige  Gesinnung  des  Gegen- 
papstes Glemens  VU.  602.  —  Schutz  der  Päpste  Bonifazs  IX.  und 
Innocenzs  VII.  603. 

Wien 604 

Die  Bürgerschule  bei  St.  Stephan  im  13.  Jh.  604.  —  Rudolf  der 
Stifter  und  Urban  V.  605.  —  Stiftbrief  Rudolfs  605.  —  Ur- 
bans  V.  Stiftbrief.  Warum  die  theologische  Facultät  nicht  er- 
laubt wurde  606.  —  Erste  Statuten.    Albert  von  Sachsen  607. 

—  Schwaches  Leben  der  Universität.  Doch  bestand  nicht  bloss 
die  Bürgerschule  608.  —  Matrikel  610.  —  Thätigkeit  Albrechto  UI. 
Günstiger  Augenblick  für  Wien  612.  —  Das  Schisma.  Spaltung 
der  Pariser  Universität  613.  —  Verhalten  der  natio  anglicana; 
sie  stand  Glemens  VII.  nicht  schroff  gegenüber.  Rotulus.  Un- 
entschiedenheit  614.  —  Parteiischer  Bericht  des  Marsilius  von 
Inghen  615.  —  Die  deutschen  Theologen  entschieden  auf  Seite 
Urbans  VI.  616.  —  Heinrich  von  Langenstein  617.  —  Mehrere 
Deutsche  kommen  von  Paris  nach  Wien  618.  —  Errichtung  der 
theologischen  Facultät  zu  Wien  durch  Urban  VI.  —  Privilegien- 
brief Albrechts,  nicht  von  Heinrich  von  Langenstein  veranlasst 
620.  —  Bestimmungen  Albrechts  622.  —  Gollegium  ducale  623. 

—  Albrecht  wird  als  Stifter  der  Hochschule  betrachtet  624. 
Krakau 625 

Stiftungsbrief  Kasimirs  des  Grossen  625«  —  Stiftbrief  Urbans  V. 
626.  ~  Stand  der  Schule  nach  Kasimirs  Tod  627.  —  Erneue- 
rung durch  Wladislaus.  Bonifaz  IX.  Bewilligung  der  theol. 
Facultät  628.  —  Incorporationen  629.  —  Erstes  Golleg.  Päpstl. 
Privilegien  629. 


XLn  Inhalt. 

Seite 

6.  Hoohsolmlen  die  niolit  Ins  Leben  traten 630 

Fermo 630 

Bißherigor  Irrthum  hinsichtlich  der  Gründung  der  Schule  630. 
—  Nicht  Bonifftz  YIII.,  sondern  Bonifaz  IX.  erliess  den  Stift- 
brief 631.  —  Er  hatte  keine  Wirkung.  Die  Universität  datiert 
erst  seit  Siztus  V.  633. 

Verona 634 

Schulen  in  früherer  Zeit.  Stiftbrief  Benedicts  XII.  Die  Uni- 
versität trat  nicht  ins  Leben  634. 

Orvieto 635 

Nicht  unbedeutende  Schulen  des  13.  Jhs.  635.  —  Lehrfächer 
636.  —  Gregor  XL  und  Urban  VI.  637.  —  Man  hört  seit  £r- 
theilung  des  Stiftbriefes  nur  von  Qrammaticalschulen  638. 

Pamiers     638 

Gründungsbrief  Boni&zs  VIII.  ohne  Wirkung  638.  —  Die  Rechts- 
schnle  von  Alais  639. 

Dublin 639 

John  Lech  und  der  Stiftbrief  Clemens  Y.  640.  —  Alexanders  de 
Bicknor  Thätigkeit.  Statuten  641.  —  In  wieweit  die  Bemühungen 
von  Erfolg  gekrönt  waren  642. 

Valencia 643 

König  Jacob  I.  und  Innocenz  IV.  Der  Erfolg  entsprach  nicht 
der  Intention  643.  —  Die  Schulen  des  14.  Jhs.  Anstrengungen 
des  Stadtrathes  644.  —  Die  Universität  datiert  erst  seit  Ale- 
zander VI.  645. 

Alcalä • • 646 

Sanchos  IV.  Absicht  blieb  unausgeführt.  646.  —  Zur  berühm- 
ten Universität  legte  Jimenez  de  Cisneros  den  Grund.  Ale- 
xander VI.  647. 

Genf 648 

Karls  IV.  Stiftbrief  ohne  Erfolg  648.  —  Zustand  der  Schulen  um 
jene  Zeit  649. 

Lucca 649 

Bemühungen  der  Commune  im  14.  Jh.  650.  ^  Karls  IV.  und 
Urbans  VI.  Stiftbriefe  651.  —  Luccas  Missgeschick  651.  —  Kein 
Erfolg  auch  im  15.  Jh.  652. 

IV.  Die  Universitäten  in  ihrem  Verhältnisse  zn   den  früheren 
Schulen. 

Bisherige  Ansichten  653.  —  Uebergang  654. 

1.  St.  Qenevihve,  Notre  Dame,    St.  Viotor,  und  die  Hooli- 

sobnle  zn  Paris 655 

Die  Behauptung  von  der  Vereinigung  der  drei  oben  genannten 
Schulen  655.  —  Die  Schulen  in  St.  Genevieve  vor  und  nach 


Inhalt.  XLni 

Seite 

der  Reform  des  Klosters  656.  —  Scholae  internae  und  ex- 
ternae.  St.  Oallen.  St.  Hubert  in  den  Ardennen  658.  —  St.  6e- 
oevi^fe  hat  sich  nicht  mit  Notre  Dame  Tereinigt  659.  —  Die 
Artisten  in  St.  OeneviÖTe  zu  Abälards  Zeit  661.  —  Wo  waren  sie 
in  der  sp&teren  Epoche  ?  662.  —  Wann  kamen  sie  auf  das  linke 
Seinenfer?  664.  —  Glos  de  Garlande.  Rne  du  Fouare  667.  — 
Das  Kanzleramt  von  St.  GeneTiöve  668.  —  Resultate  670.  —  Ur- 
sprung des  lateinischen  Viertels  671.  ^  St.  Victor  konnte  sich 
ebenfalls  nicht  mit  Notre  Dame  vereinigen  672.  —  Besass  seit 
dem  Ende  des  12.  Jhs.  keine  Berühmtheit.  Nach  Beginn  des 
13.  Jhs.  ohne  einen  Theologen  673.  —  Bedeutung  von  Notre 
Dame  674.  —  Wiege  der  Universität.  In  welchem  Sinne  1  675. 
—  Wie  die  irrige  Ansicht  entstand  677.  —  Du  Boulays  Luft- 
gebilde  678.  —  Die  modernen  Aufstellungen  681. 

2.  Die  gelehrten  Corporatdonen  zn  Paris  in  ihrem  Verhält- 

ni88  zn  Notre  Dame  und  St.  Gtoneviäve 683 

Stand  der  Frage  683.  —  Zusammenhang  mit  den  Untersuchungen 

im  2.  Hauptabschnitt  684.  —  Stellung  des  Kanzlers  685.  —  Als 
dieser  die  volle  Macht  besass,  konnte  sich  die  Universität  nicht 
in  der  von  Du  Boulay  vorgetragenen  Weise  auf  der  Insel  ent- 
wickeln 687.  —  Gonsequenzen  692.  —  Schlussresultate  693. 

3.  Die  Dom-,  Stifts-  nnd  Klostersohnlen,  nnd  die  ansserita- 

lienisohen  Universitäten 695 

Schwierigkeit   hinsichtlich   der  Dom-  und  Stiftsschulen  695.  — 

Der  bei  allen  Hochschulen  gleich  bleibende  Factor  war  die 
Rechtswissenschaft  696.  —  Diese  nahmen  die  Universitäten 
nicht  aus  den  Dom-  und  Stiftsschulen  698.  —  Bestimmungen 
der  Orden  699.  —  Das  medicinische  Fach  entlehnten  die 
Universitäten  nicht  von  den  genannten  Schulen  703.  —  Das 
theologische  Lehrfach  mangelte  an  vielen  Universitäten.  Grund 
dieser  Erscheinung  703.  —  Die  Universitäten  mit  der  theologi- 
schen Lehrkanzel  706.  —  Das  vierte  Lateranconcil  und  Hono- 
rius  III.  707.  —  Deren  Vorschriften  wurden  vielfach  vernach- 
lässigt 708.  —  Die  Universitäten  lehnten  sich  hinsichtlich 
der  Theologie  nicht  an  die  Dom-  und  Stiftsschulen  an  709.  — 
Ebenso  wenig  an  die  Klosterschulen  710.  —  Die  artes  liberales. 
Die  Benedictinerschulen.  Letztere  waren  in  Verfall  711.  —  Die 
Studien  bildeten  kein  wesentliches  Element  in  der  Gesetzgebung 
des  Ordens.  Die  Consuetudines  715.  —  Die  Chorherren.  Die  Oister- 
cienser  717.  *-  Die  Dominicaner  718.  —  Franciscaner,  Augustiner, 
Carmeliter  720.  —  Die  Universitäten  giengen  nicht  aus  den  Kloster- 
schulen hervor  720.  —  Untersuchung  hinsichtlich  der  Dom-  und 
Stiftsschulen.  Kirchliche  Bestimmungen  721.  —  Lösung  der  Frage 


XLIV  Inlu^lt 

Smto 

bezfiglich  des  AiiBcliliuses  der  üiuTerritifteii  mn  firllhere  Sduden. 
Scheidung  in  Tier  Hiuiptgnippen  7i3.  —  Schlosvesnltai  728. 

4.  Die  Sclralen  Italiens  imd  die  UniTersit&keii 729 

Irrige  Behanptnngen  729.  —  Die  frtthesten  Schulen  und  jene 
die  durch  Auswanderungen  entstanden  723  —731.  —  Die  meistoi  ita- 
lienischen Universitäten  hatten  in  den  Stadtschulen  ihre  Wurzeln  73 1 . 
—  Die  Hanptfilcher  732.  —  Die  Thiti^eit  der  italienischen  Com- 
munen  733.  —  Viele  Hochschulen  hatten  siemlich  dasselbe  Aus- 
sehen wie  die  de  Torbereitenden  Lehranstalten  734.  —  Pflege 
der  Hochschulen  durch  die  Communen  735.  —  Consequenzen. 
Das  Rectorat  der  Scholaren?erbindungen  736.  —  Coppis  Aus- 
spruch 4'independenza  intellettuale  dei  popoli  dall'  influenxa  eccle- 
siastica'  738.  —  Die  Universit&ten  und  das  italienische  Stftdte- 
wesen  741. 

Y.  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalterUehen  Hochsehulea. 

Character  der  früheren  Schulen  und  der  Uni?ersitäten.    Frage- 
pnnkt  748. 

1.  Paris  und  Bologna,  und  die  mittelalterliolie  Hoohsohnle  745 
Die  Unterschiede  zwischen  der  älteren  und  neueren  Zeit  konnte 
man  zuerst  an  Paris  und  Bologna  beobachten  745.  —  Diese  beiden 
Schulen  wurden  seit  dem  12.  Jh.  Ton  Studierenden  aller  Länder 
aufgesucht  746.  —  Honorius  III.  leistete  Vorschub  747.  —  Nene 
Wendung  der  Dinge.  Nach  und  nach  bestrebten  sich  die  ein- 
zelnen Länder  ähnliche  Lehranstalten  zu  erhalten  747.  ->  Zu- 
erst die  romanischen,  dann  die  tlbrigen  Völker  748.  —  Ausnahme- 
stellung Englands  751.  —  Die  Hochschulen  verdanken  Paris  und 
Bologna  ihren  Ursprung  752.  —  Die  Universitäten  trugen  einen 
fremdländischen  Charakter  753.  ^  Folgen  davon  hinsichtlich  des 
Studiums  der  Landrechte  754  —  des  canonischen  Rechts  757  —  der 
Classiker  758  —  der  Theologie  759.  —  Nur  in  Bezug  auf  die 
medicinische  Wissenschaft  waren  Salemo  und  Montpellier  die 
Ausgangspunkte  760.  —  Gleichförmigkeit  760.  —  Umwandlung 

der  alten  Schulen  761. 

2.  Die  geistliclie  und  weltliche  Maoht  in  ihrem  Verhältnisse 

ZOT  Gründnng  des  Gheneralstndinms 763 

Widerstreitende  Ansichten  der  Forscher  tlber  das  genannte  Ver- 
hältniss  763.  —  Wittenberg  766.  —  Scheidung  der  Universitäten 
in  solche  ohne,  und  solche  mit  Stiftbriefen  771.  —  Entwicke- 
Inng  derLicentia  docendi  zur  Licentia  ubiqne  docendi  772.  — 
Nene  Klasse  von  Schulen.  Zusammenhang  mit  dem  BegriffSe 
eines  Studium  generale  775.  —  Seit  der  Fixierung  dieses  Be- 
griffes konnte  kein  Oeneralstndium  mehr  ohne  Gründungs- 
nrkunde    ins   Leben   treten   776.   —   Ansicht   des  Mittelalters 


Inhalt.  XLV 

S«ite 

darftber  778.  —  Das  Recht  des  Papstes  779  -^  des  römischen 
Kaisers  781  —  des  Königs  oder  Landesf&rsten  784.  •—  Seit  der 
Mitte  des  13.  Jhs.  war  entweder  ein  päpstlicher,  oder  ein  kaiser- 
licher oder  landesherrlicher  Stiftbrief  die  Vorbedingung  eines 
Generalstndinms  790.  —  Stellung  der  Gommunen  und  des  Bi- 
schofes  zur  Errichtung  Ton  Hochschulen  790. 

Rückblick 792 

Oeistige  Th&tigkeit  des  Mittelalters  792.  —  Das  Verdienst  der 
P&pste,  des  Clems,  der  weltlichen  Fürsten  und  der  Gommunen 
792—794.  —  Die  aragonesischen  Könige  in  Sardinien  und  Sici- 
lien  794.  —  Harmonie  zwischen  Geistlichem  und  Weltlichem  auf 
dem  Universitätsgebiete  795.  —  Die  mittelalterliche  Uni?ersität 
und  die  modernen  Anschauungen  795.  —  Charakter  der  mittel- 
alterl.  üniversit&t.  Vorzüge  und  Fehler  797.  —  Sie  Terdient 
unsere  Achtung  und  unseren  Dank  798. 


Beilage  I.  Die  st&dtischen  Statuten  Paduas,  für  die  Studierenden 
in  den  Jahren  1259—1275  erlassen 800 

Beilage  H.  Uebersichtstabelle  der  Uni?ersit&ten  nach  der  heutigen 
L&ndereintheilung 807 

Ergänzungen 811 


DIE  ENTSTEHUNG 
DER 


UNIVERSITÄTEN 

DES 

MITTELALTERS  BIS  1400. 


I. 

BEZEICHNUNG  UND  BEGRIFF  DER  MITTELALTERLICHEN 

UNIVERSITÄT. 


Ehe  wir  unsere  Untersuchungen  über  die  Universitäten  ^)  des 
Mittelalters  beginnen,  ist  es  durchaus  nothwendig,  darüber  ins 
Reine  zu  kommen,  mit  welchen  Ausdrücken  sie  bezeichnet  wurden, 
welche  Begriffe  denselben  zu  Grunde  lagen  und  wann  die  Ausdrücke 
in  allgemeinen  Gebrauch  kamen.  Dies  ist  um  so  nothwendiger, 
als  einige  derselben  bis  heute  noch  von  Verschiedenen  verschieden 
erklärt  werden,  davon  zu  schweigen,  dass  man  noch  nicht  den 
Versuch  gemacht  hat  nachzuweisen,  wann  gerade  der  haupt- 
sächlichste derselben  zuerst  in  Aufnahme  gekommen  ist,  wann  er 
stereotyp  wurde.  Diese  Untersuchung  erhält  um  so  grösseres 
Interesse,  als  wir  aus  den  verschiedenen  einander  folgenden 
Benennungen  der  mittelalterlichen  Universität  auch  ein  Bild  von 
dem  Entwicklungsprocesse  des  mittelalterlichen  Studienwesens 
gewinnen. 

1.  Stadium.    Studium  generale. 

Keine  Bezeichnung  war  für  die  Universität  im  Mittelalter 
gebräuchlicher  als  Studium  generale.  Wie  alt  ist  aber  dieser 
Ausdruck,  und  welchen  Begriff  verband  man  mit  demselben? 

Was  das  Alter  des  Ausdruckes  'Studium  generale'  betrifft, 
so  kann  ich  natürlich  nicht  nachweisen,   wann  man  denselben 


<)  < Universität'  gebrauche  ich  hier  in  dem  jetzt  üblichen  Sinne  für 
Hochschale;  weiter  unten  komme  ich  auf  die  mittelalterliche  Bedeutung  zu 
sprechen. 

D«Bifle,  Die  UniTeraitAteii  l  1 


2  I.   Bezeichnung  der  mittelalterlichen  Universität. 

zuerst  anwendete,  sondern  nur,  wann  er  zuerst  in  den  Urkunden 
erscheint.  Die  Anwendung  selbst  ist  immer  früher  als  das  Vor- 
kommen in  den  Documenten. 

Zum  ersten  Male  finde  ich  die  Schule  von  Vercelli  mit  dem 
Ausdrucke  'Studium  generale'  bezeichnet,  und  zwar  in  den 
Statuten  gegen  die  Ketzer,  welche  hauptsächlich  der  Franciscaner 
Heinrich  von  Mailand  in  dem  Jahre  1233  —  1234  aufgestellt 
hatte*).  Aus  früherer  Zeit  kann  ich  wenigstens  kein  Document 
nachweisen').  Nur  dem  synonymen  Ausdruck:  'Studium  universale' 
begegnen  wir  um  einige  Jahre  früher,  nämlich  in  dem  von  der 
Universität  Toulouse  im  Jahre  1229 — 1230  erlassenen  Sendschreiben 
'ad  universalia  studia  alibi  florentia'*),  auf  das  ich  im  Abschnitt 


^)  Hist.  patriae  mon.  XYI,  1237 ;  Statuti  e  monomenti  Btorici  del  commone 
di  Vercelli  Torino  1877,  p.  272  §  387.  Die  Commune  von  Vercelli  beschliesst, 
qnod  remanente  studio  generali  Vercellis  et  permanentibos  condicionibas  qae 
sunt  inter  Commune  Vercellarum  et  Scolarcs,  cum  aliorum  doctornm  fit 
electio,  prima  de  Theologo  nno  fiat. 

')  Dass  auf  viel  früher  gegründete  Stndienanstalten  der  Ausdruck  von 
Bp&teren  Schriftstellern  angewendet  wurde,  tut  nichts  aur  Sache.  So  meinen 
z.  B.  Constantin  Ton  Orvieto  in  seiner  Vita  des  hL  Dominicus  (Paris  Natio- 
nalbibl.  n.  18324  Bl.  226  und  bei  Quetif-Echard,  SS.  Ord.  Pr.  I,  26)  und  dar- 
nach Humbert  (Original  im  Besitze  des  Dominicanerordens;  s.  auch  Quetif- 
Ech.  1.  c.\  dass  zur  Zeit,  als  Dominicus  in  Palcncia  studiert  habe  (Ende  des 
12.  Jhs.),  dort  'generale  florebat  Studium'.  So  bezeichnet  auch  Ant  Godi  das 
Studium  zu  Vicenza  (1204—1209)  als  Studium  generale  (Chron.  bei  Muratori, 
Script,  rer.  itaL  VIII,  75).  Allein  dieser  Ausdruck  wurde  nur  Ton  den  ge- 
nannten  Autoren  selbst,  weil  zu  ihrer  Zeit  gebräuchlich,  jenen  Studienanstalten 
beigelegt.  Man  könnte  sich  auch  auf  ein  Schreiben  Peters  de  Yineis  (Epp.  3, 13; 
HuiU.-Br6holl.  Hist  diplom.  II,  1.  p.  453),  das  man  bis  in  die  letzte  Zeit 
Friedrich  II.  zuschrieb  und  dem  Jahre  1224  zuwies,  berufen,  worin  der  Ans- 
druck  auf  das  Studium  in  Neapel  angewendet  wird.  Allein  sowohl  dieser  Brief, 
als  zwei  andere,  die  man  in  diese  Zeit  setzte  (epp.  10  und  12;  HuiU.  L  Ci 
447.  449),  sind  sp&teren  Datums;  der  erste  gehört  König  Manfred  (s.  Böhmers 
Begesta  Imperii  V.  ed.  Ficker  n.  1537.  4680),  die  zwei  andern  König  Konrad 
(L  c.  4601.  4572).  Den  Kachweis  findet  man  bündig  bei  Ficker  a.  a.  0.  Noch 
Morelli  fiel  in  den  Statuti  della  universitii  e  studio  Fiorentino  (Firenze  1881) 
p.  XXX  in  den  alten  Irrthum. 

^)  Bei  Jean  de  Qarlande,  De  triumphis  ecclesie  im  cod.  n.  1225  nony. 
acquis.  lat.  zu  Paris  p.  75.  Ed.  Wright  (1856)  p.  96.  Nach  Edmund,  Sketch 
of  the  life  of  Walter  de  Morton  (Oxford  1859)  p.  14  müsste  man  schliesseni 


1.  Stadium.    Stadium  generale.  3 

über  die  Universität  Toulouse  zu  sprechen  komme.  Dass  der 
Aasdruck  ^Studium  generale'  damals  noch  keineswegs  allgemein 
gebräuchlich  war,  muss  man  auch  daraus  schliessen,  dass  man 
für  jene  Zeit  geradezu  nach  ihm  suchen  muss.  Erst  1242  taucht 
er  wider  auf,  und  zwar  in  den  Statuten  der  Artisten  von  Mont- 
pellier^), während  er  in  den  medicinischen  vom  Jahre  1220,  die 
jenen  ziemlich  ähnlich  sind°),  noch  nicht  erscheint.  In  den 
vom  J.  1240  wird  die  Bezeichnung  'locus  famosus'  gebraucht^). 
Im  J.  1246  finden  wir  den  Ausdruck  'Studium  generale'  zum 
ersten  Male  in  den  Acten  der  Generalkapitel  der  Dominicaner*), 
angewendet  auf  die  Hauptordensstudien,  und  zugleich  mit  dem 
correlativen  Ausdruck  'Studium  solenne'.  Letzteren  gebraucht 
auch  Card.  Odo  von  Ch&teauroux  im  J.  1247'),  und  einige 
Jahre  später  Alexander  IV.  in  Bezug  auf  Montpellier  ^°).  Die 
ersten  päpstlichen  Actenstücke,  in  denen  sich  der  Ausdruck  'Stu- 
dium generale'  findet,  datieren  aus  dem  J.  1244—1245,  vom 
15.  Mai  1247  und  6.  Februar  1248,  alle  von  Innocenz  IV. 'O-    Die 


es  w&re  ia  England  bereits  circa  1175  'generale  Studium'  gesagt  worden. 
Allein  in  Dogdales  Monasticon  Auglicanum  II  (Londini  1661),  854,  worauf  dort 
Bezug  genommen  wird,  kommt  natürlich  nichts  derartiges  vor. 

^)  Bei  Oariel,  Series  Praesulum  Magalonensium.  Tolosae  1G65,  I,  357. 
Germain,  Hist.  de  la  Commune  de  Montpellier.  III,  450:  incipientes  incipient, 
. . .  ut  consnetum  est  in  locis  ubi  est  Studium  generale. 

^)  Bei  Germain  1.  c.  p.  418. 

7)  Ib.  p.  425. 

^)  Martine,  Thes.  nov.  anecd.  IV,  1690.  Ich  komme  weiter  unten  darauf 
zurftck.  Um  dieselbe  Zeit  verfasste  Constantin  von  Orvieto  die  Legende  des 
bl.  Dominions  (s.  Qu^tif-Echard,  SS.  Ord.  Praed.  I,  153),  worin  derselbe  Aus- 
druck vorkommt    S.  oben  S.  2  Anm.  3. 

9)  Bei  D'Argentr^,  Coli.  jud.  I,  158:  ubicunque  solenne  viget  Studium. 

^^)  Beg.  Yat  an.  2  ep.  113  Bl.  141b:  ad  Montem  Pessulanum  Studium 
soUempniter  regltnr.    Schreiben  vom  8.  Februar  1256. 

^^)  Mittelst  des  ersten  Actenstflckes  errichtet  er  das  Studium  an  der 
Corie:  VolumuB  et  statnimus,  ut  studentes  in  scolis  ipsis  ...  talibus  privile- 
giis  ...  gaudeant  qnibus  gandent  studentes  in  scolis,  ubi  generale  regitur 
Studium.  In  6.  de  privil.  tit.  7  c.  2.  Bisher  wnsste  man  nicht,  wann  diese 
Besümmung  statt  hatte.  Noch  Friedberg  setzt  die  Decretale  in  die  Jahre 
1243 — 1253,  gestützt  auf  Potthast.  AUein  der  Begleiter  des  Papstes,  Nicolö 
da  Cnrbio,  sagt  in  der  Vita  Innocentii :  et  nt  de  plenitudine  gratiae  gaudeant 


4  I.  Bezeichnung  der  mittelalterlichen  Universität. 

Bezeichnung  wird  nunmehr  allgemein.  6.  April  1255  wendet  sie 
Alexander  IV.  auf  Salamanca  an'*),  15.  Nov.  1256  auf  die  Uni- 
versität Paris").  König  Alfonso  el  Sabio  gebraucht  sie  in  dem- 
selben Jahre  von  den  von  ihm  in  Sevilla  errichteten  Schulen**), 
und  nahm  sie  um  dieselbe  Zeit  in  sein  Gesetzbuch  auf^*).  Es 
wäre  ein  höchst  unnützes  Unternehmen,  nach  dieser  Periode  noch 
den  Ausdruck  verfolgen  zu  wollen.  Er  begegnet  uns  überall, 
und  es  existiert  von  nun  an  keine  Stiftungsurkunde  irgend  einer 
Universität,  worin  er  nicht  vorkäme. 

Der  Ausdruck  ^Studium  generale'  ist  also  verhältnissmässig 
jungen  Datums,  und  es  ist  nichts  als  eine  leere  Behauptung, 
wenn  Danou  meint,  gegen  Ende  des  12.  Jhs.  sei  die  Universität 
Paris  'Studium  generale'  genannt  worden*®).  Aber  noch  weit 
ferner  von  der  Wahrheit  ist  Lorenz  v.  Stein  mit  seiner  An- 
sicht, der  Ausdruck  finde  sich  zuerst  in  den  Statuten  der  Uni- 
versität Pisa^Oi  ^Iso  erst  im  14. — 15.  Jahrhundert. 


nniversi,  secnndo  anno  sui  pontificatus  apudLugdunnm  in  saa  enria 
generale  Studium  ordinavit  tarn  de  theologia,  quam  de  decrctis,  decretalibus 
pariter  et  legibus.  Bei  Baluze,  Miscell.  ed.  Mansi,  I,  198.  Maratori,  Rer. 
ital.  SS.  V,  692  c.  16.  Der  Brief  fehlt  bei  Berger,  Registres  d'Innocent  IV.  — 
Im  2.  Briefe  gewährt  der  Papst  den  Studierenden  am  Studium  zu  Narhonne 
die  Privilegien  der  Scholares  Mn  studiis  gencralibus.*  Arch.  Yat.  an.  4  ep. 
719  BI.  d93h.  Berger  1.  c.  n.  2717.  Mittelst  des  dritten  Briefes  errichtete 
der  Papst  das  Studium  zu  Piazenza.    Bull.  Rom.  ed.  Taur.  III,  356. 

1^)  Original  (Seidenschnur,  Siegel  fehlt)  im  UniTersitfttsarchiv  zu  Sa- 
lamanca.   S.  auch  BuU.  Rom.  III,  601. 

^3)  Du  Boulay  Bist.  univ.  Paris.  III,  332.  Ebenso  28.  März  1257.  Bull. 
Ord.  Praed.  ed.  RipoU.  I,  333.  Thnrot,  De  l'organisation  de  Tenseignement 
dans  l'universitd  de  Paris  p.  11  konnte  erst  das  Jahr  1259  nachweisen.  Das 
2.  Schreiben  fehlt  bei  Du  Boulay  und  Jourdain ,  Index  chronologicus. 
Paris.  1862. 

^^)  Im  Memorial  histörico  espanol  I,  54.  Madrid  1851.  Alfonso  spricht 
darin  von  den  ^estudios  6  escuelas  generales'. 

1^)  Las  Biete  Partidas  del  sabio  rey  Don  Alfonso  el  IX  (es  war  jedoch 
derX.),  Barcelona  1843.  P.  II.  tit.  31,  ley  1,  wo  er  den  Begriff  vom  'estudio 
general'  erörtert. 

.     1«)  Hist.  litt,  de  la  France  XYI,  46.  Vgl.  auch  Grevier,  Eist,  de  Tuni- 
versit^  de  Paris  YII,  115  Anm. 

17)  Die  innere  Verwaltung.    Zweites  Hauptgeb.  II.    2.  Aufl.  S.  107. 


1.  Studium.    Studium  generale.  5 

Aber  welche  Bezeichnung  hatte  man  früher?  Man  gebrauchte 
einmal  den  einfachen  Ausdruck  'Studium'.    Dieser  wurde  selbst 
dann,  als  die  Benennung  'Studium  generale'    bereits   in  Anwen- 
dung war,   viel  häufiger  gewählt.    Peter  de  Vineis  spricht  vom 
Neapolitanum  Studium**),  Friedrich  IL  im  J.  1227  vom  Studium 
Bononie*'),    ebenso  1234  vom  Studium,   das    er   aput  Neapolim 
gegründet '^°),   und  1239   gebraucht  er  wie  Peter  den  Ausdruck 
Neapolitanum    Studium**).     Der   einfache  Ausdruck  wird  ferner 
im  Contrakte   der   Stadt  Vercelli  mit  den  Scholaren  von  Padua 
gewählt:  Studium  Vercellarum,  Studium  Padue"),  ihn  wendet  im 
selben  Jahre   das  Provincialconcil   von  Valladolid    auf  Palencia 
an"),    wo    1212—1214  ein  Studium  generale  im  spätem  Sinne 
von  Alfonso  VIIL  gegründet  wurde.   Von  demselben  Studium  sagt 
c.  1243  Don  Rodrigo  Jimeuez  de  Rada:     et   licet  hoc  Studium 
fuerit  aliquando  interruptum,   tamen  per  dei  gratiam  adhuc  du- 
rat'*).     König  Jacob  el  conquistador  gebraucht   denselben  Aus- 
druck in  Bezug  auf  die  Schule  von  Valencia  '*).  Ebenso  wenden  Hono- 
riusIII.  und  Gregor  IX.  noch  nicht,  auch  nicht  in  6inem  Schreiben, 
den  Ausdruck  'Studium  generale'  an.    Ersterer  spricht  vom  'stu- 


1»)  Epp.  Petri  de  Vineis  1.  4  ep.  8. 

19)  Reg.Vat.  Honor.  III.  an.  11  ep.444  Bl.  157  und  Winkelmann,  Acta 
imperii  inedita,  p.  263.    Hum.-Breholl.  II,  712. 

«0)  HuiU.-Br6hoU.  IV,  497. 

21)  Winkelmann  1.  c.  p.  649,  und  widerholt  bei  HuilL-Br^hoU.  V,  495  f. 
Auch  Richard  de  S.  Germano  gebraucht  die  Phrase.  Mon.  Germ.  SS.  XIX, 
344.     Vgl  372. 

^)  Der  Contrakt  wurde  neuerdings  mit  der  alten  Orthographie  ediert 
von  Balliano,  Della  universitä  degli  studi  di  Vercelli.  Vercelli  1868  p.  38  ff. 

'3)  Item  porqne  queremos  tornar  en  so  estado  el  estudio  de  Palencia, 
ostorgamos  etc.    Espana  sagrada  ed.  Bisco,  XXXVI,  218. 

2^)  De  rebus  Hispaniae  lib.  7  c.  34  in  Hispania  iilustrata  II,  128.  Vom 
«estudio  de  Palencia'  ohne  das  Epitheton  general  spricht  auch  die  zur  Zeit 
Alfonsos  el  Sabio  verfasste  Grönica  general  de  Espana.  Ed.  Zamora  1541 
Bl.  394  a. 

^)  Fueros  de  Valencia  y  su  Beino  lib.  9  tit.  De  Metges,  Apothecaris  6 
Speciers,  rub  32  n.  17:  Atorgam  que  tot  clergue  6  altre  hom  puzque  fran- 
cament  6  sens  tot  8er?i  e  tribut  tenir  Studi  de  gramdtica  e  de  totes  altres 
arts,  ^  de  flsica  6  de  dret  civil  e  canonich  en  tot  loch  per  tota  la  ciutat 
(Valencia).    Vgl.  auch  ViUanueva,  Viage  literario  II,  96. 


g  I.  Bezeichnung  der  mittelalterlichen  Universität 

dium  Bononie"^),  Studium  Palentie");  letzterer  vom  Studium 
Parisiense^^).  In  Bezug  auf  das  Generalstudium  von  Toulouse 
sagt  er  27.  April  1233:  (Apost.  sedis  legatus)  duxit  provide  sta- 
tuendum,  ut  in  Tolosana  civitate  cuiuslibet  licite  facultatis  studia 
plantarentur '0?  gleichwie  Friedrich  11.  im  J.  1224  wollte,  dass 
'apud  Neapolim  .  .  .  cuiuscunque  professionis  vigere  studia""). 
Hat  zwar  der  Ausdruck  ' Studium'  an  diesen  beiden  Stellen  den 
alten  Sinn,  und  nicht  genau  den  von  Lehranstalt,  so  gehören  sie 
nichtsdestoweniger  hieher,  weil  in  der  nächsten  Zeit  der  Ausdruck 
'Studium'  in  dieser  Phrase  stets  mit  der  Bezeichnung  'generale' 
erscheint.  Die  einfache  Benennung  gebraucht  derselbe  Papst 
auch  später  in  Bezug  auf  dasselbe  Studium^');  sie  wendet 
auch  Innocenz  IV.  auf  die  Universität  Paris")  sowie  auf  jene 
von  Valencia '*'*),  auf  Oxford")  u.  s.  w.  an.     Studium  war  über- 


In  dem  Schreiben  vom  5.  Jan.  1227   an  die  Rectores  Lombardiae. 
Mon.  Genn.  bist.  Epistolae  saec.  XIII.  I,  247. 

27)  Reg.  Vat.  an.  5  ep.  153  Bl.  32  a. 

2^)  In  der  Bulle  Parens  scientiarum  vom  13.  Apr.  1231  bei  Du 
Boulay  III,  141  f.  Und  so  in  allen  Schreiben,  die  sich  auf  die  Lehranstalt 
in  Paris  beziehen. 

2^)  Percin,  Monnmenta  conv.  Tolosani  Ord.  Praed.  Tolosae  1693  III, 
152.  Du  Boulay  III,  149.  Der  Delfin  Hnmbert  II.  sagte  sp&ter  in  Bezug 
auf  Orenoble :  studia  generalia.  S.  weiter  unten  im  3.  Paragraph.  Innocenz  lY. 
widerholte  II.  September  1245  dieselbe  Phrase  Gregors.   Berger  1.  c.  n.  1515. 

80)  Huill.-Br6holl.  II,  450. 

8i)  So  schrieb  er  28.  April  1236  an  den  Grafen  von  Toulouse:  Card. 
Legatus  ...  ad  heresim  fortius  confutandam  Tolose  sacre  pagine  et  aliarum 
artium  Studium  ordinavit.  Beg.  Vat.  an.  10  ep.  58  Bl.  150  b.  Und  28.  April 
1233  an  die  Stadt:  victualia  tempore  caristie  de  civitate  per  fluTinm  non 
extrahantur  prefata,  ne  pro  ipsorum  defectu  quod  absit  Studium  . . .  dissol?! 
contingat.  Beg.  Vat.  an.  7  ep.  67  Bl.  14  b.  Und  so  auch  in  Bezug  auf 
Paris. 

82)  Histoire  de  Languedoc  ed.  Privat  VII,  435  (in  den  Notes),  11.  Sept. 
1245;  VIII,  1188  ff.  drei  Schreiben  vom  19.  Sept.  desselben  Jahres. 

88)  Orti,  Memorias  historicas  de  la  fundacion  y  progressos  de  la.insigna 
universidad  de  Valencia.  Madrid  1730  p.  428.  Das  Breve  ist  vom  13.  April 
1245  datiert. 

8^)  So  im  Schreiben  an  Bischof  v.  Lincoln  v.  20.  Mai  1246:  apudOzo- 
niam,  ubi  Studium  vigere  dinoscitur.  ViTood,  The  history  and  antiquities  of 
the  univ.  of  Oxford  ed.  Gutch  I  (1792)  p.  236.    Berger  1.  c.  n.  1859. 


1.  Stadium.    Studium  generale.  7 

baupt  die  gewöhnliche  Benennung  und  blieb  es  im  ganzen  13.  Jh. 
und  noch  später,  um  unter  anderm  die  Lehranstalt  einer  Stadt 
oder  alle  Schulen  derselben  zusammengenommen  unter  einem 
Aasdruck  kurzweg  zu  bezeichnen.  Man  sagte  Studium  Bono- 
niense,  Parisiense,  Oxoniense,  Aurelianense  etc.,  oder  Studium  in 
civitate  •  .  .  Studium  apud  .  .  .  u.  s.  w.  Beispiele  finden  sich 
überall,  und  werden  gelegentlich  von  mir  angeführt  werden.  Der 
Ausdruck  wurde  aber  in  dieser  Bedeutung  nicht  bloss  von  Gene- 
ralstudien, sondern  auch  von  Particularstudien  gebraucht,  die  wie 
z.  B.  Erfurt  erst  später  zu  Generalstudien  erhoben  wurden.  Das 
früheste  Actenstück,  in  dem  'Studium'  in  obigem  Sinne  auf  die 
Universität  Paris  angewendet  erscheint,  ist  ein  Schreiben  Hono- 
riusm.  vom  11.  Mai  .1219"). 

Doch  kommt  der  einfache  Ausdruck  'Studium'  in  der  Bedeu- 
tung von  Lehranstalt  nicht  vor  dem  13.  Jh.  vor.  Man  könnte  sich 
zwar  auf  das  Privileg  Philipp  August  vom  J.  1200  berufen,  da  es 
dort  nach  Du  Boulay  heisst:  Gapitale  Parisiensis  Studii  scola- 
rium.  Allein  im  Originale  steht:  Gapitale  Parisiensium  scola- 
rium  *').  Auch  mit  einer  Berufung  auf  das  Schreiben  Nicolaus  I. 
an  Karl  den  Kahlen  stünde  es  nicht  besser:  sollte  nämlich  wirk- 
lich diese  Bulle  existieren,  so  wäre  sie  gefälscht,  denn  die  Phrase: 
Tarisiis  in  studio  cujus  capital',  erweist  sich  als  ein  späteres 
EinfÜgsel,  wie  ich  im  Verlaufe  nachweisen  werde.  Eine  unan- 
fechtbare Stelle  für  den  Ausdruck  'Studium'  im  Sinne  von  Lehr- 
anstalt vor  dem  13.  Jh.  lässt  sich  nicht  nachweisen'^). 


^)  Bei  Da  Boulay  III,  93:  Studium  Parisiense,  qnod  doctrinae  snae 
flnenta  asqaeqaaqne  diffandens  etc. 

^  Original  im  Nat.  Arch.  zu  Paris  M.  GG^  n.  1.  Von  mir  otmmehr 
herausgegeben  in  den  M6moires  de  la  soci^te  de  Thistoire  de  Paris  X,  247. 
Vgl.  p.  250.  So  haben  auch  alle  Vidimus  der  nächstfolgenden  Könige,  wie 
ich  1.  c.  angemerkt  habe.   Nur  Du  Boulay  bietet  III,  3  die  falsche  Leseart. 

^'')  Man  könnte  sich  auf  einen  Brief  Peters  v.  Blois  berufen,  nämlich 
ep.  174  bei  Migne,  Patrol.  lat.  207  p.  468,  wo  es  heisst  'Neapolitanum  stu- 
diam\  AUein  sowol  dieser  als  der  nächstfolgende  Brief  gehören  dem  Peter 
de  Vineis  (Epp.  lib.  lY.  ep.  8.  7)  "Ebenso  könnte  man  desselben  Peters 
Continuatio  der  Ingulfschen  Hist.  Groyland.  (bei  Fell,  Ber.  Anglic.  script 
Yet  Oxoniae  1684  p.  108  ff.)  heranziehen,  wo  er  von  der  *  forma  Aurelia- 
nensis  studii'   spricht.    Allein  die   ganze  Stelle  ist  nichts  als  eine  spätere 


g  I.  Bezeichnang  der  mittelalterlicheii  Universität. 

Auch  die  grammatischen  Glossatoren  des  12.  Jhs.  kennen 
diese  Bedeutung  noch  nicht.  Papias  erklärt  ^Studium'  einfach  als 
'honestarum  artium  doctrina,  littere,  scientia,  eruditio'"),  nach 
dem  Vorgange  von  Ansileubi  glossarium '®)  und  Isidor  Ethymol. 
Huguccio  nennt  beim  Worte  *studere,  Studium'  nur  die  klassische 
Bedeutung:  operam  dare,  vacare  discipline  und  ähnlich*^).  Klarer 
jedoch  ergibt  sich  aus  seinem  Artikel:  gignas,  gignasium * ^),  dass 
er  die  oben  entwickelte  Bedeutung  von  'studium'  nicht  kenne.  Nach- 

Umarbeitung.  Es  heisst  unter  anderem  darin,  man  habe  Anfang  des  12.  Jhs. 
im  Kloster  Croyland  neben  Aristoteles  auch  des  'Averroes  isagoge  et  com- 
menta'  benützt.  Wenn  Huber  (Die  engUschen  Universitäten  I,  103  Anm.) 
meint,  Petrus Bles.,  als  Zeitgenosse  desBuhmes  des  arabischen  Philosophen,  habe 
Averroes  sehr  unschuldig  als  sich  von  selbst  verstehend  mit  aufführen  kOnnen, 
80  ist  darauf  zu  erwidern,  dass  Peter  Bles.  früher  starb,  ehe  der  Buhm  des 
Averroes  durch  dessen  Schriften  zu  den  Christen  und  zu  Petrus  Blescnsis 
gelangen  konnte.  Köstlich  ist,  wenn  Hugonin,  Essu  sur  la  fondation  de 
Tecole  de  S.  Victor  (bei  Migne,  Patrol.  lat.  175  p.  4  XXIV)  die  ganze  SteUe 
als  Bericht  des  Orderich  Vitalis  ausgibt,  der  die  Begebenheit  (Hist.  eccles. 
part.  2  IIb.  4  p.  366  bei  Migne  Patr.  lat.  188)  doch  ganz  anders  berichtet.  — 
Bei  Du  Gange  -  Henschel  VI,  395  wird  aus  Ulgers  Epitaph  auf  den  Bischof 
Marbod  (11 — 12  Jh.)  die  Stelle  citiert:  Curans  ut  fieret  virtutem  quod 
redoleret,  Transtulit  huc  Studium,  transtulit  Ingenium.  *  Studium'  soU 
hier  im  Sinne  von  academia  genommen  sein.  Allein  dies  beruht  auf 
einem  Missverständniss,  wie  sich  jeder  aus  dem  Zusammenhange  des  Epi- 
taphiums, das  voUständig  bei  Launoius,  Opp.  IV,  parte  I  p.  56;  Bangeard, 
Histoire  de  Funiversit^  d' Angers,  publ.  p.  Lemarchand,  Angers  1872  II,  166  f. 
vorliegt,  Überzeugen  kann.  'Studium'  wird  hier,  correlativ  mit  Ingenium', 
im  klassischen  Sinne  von  'Streben'  genommen.  —  In  der  Vita  S.  Norbcrti, 
Mon.  Germ.  XII,  678  heisst  es:  Florebat  tunc  Lauduni  Studium  magistrorum 
Anselmi  et  Rodolfi  fratris  ejus.  Aber  , Studium'  hat  hier  wohl  kaum  die 
Bedeutung  von  Lehranstalt.  Im  Irrthum  ist  auch  Luschin,  Oesterreicher  an 
italienischen  Universitäten.  Wien  1882  S.  93,  wenn  er  meint,  Bologna  sei 
bereits  1158  (von  Friedrich  I.)  mit  dem  Titel  'Studium'  ausgezeichnet  wor- 
den.   Die  Auth.  HMta  spricht  nicht  davon. 

98)  Rudimentum  im  Cod.  Vat.  Reg.  1448  Bl.  257. 

39)  Cod.  Vat.  Pal.  1773  Bl.  310a.  S.  darüber  Uscner,  Rhein.  Mus. 
XXIV,  384. 

*0)  Liber  derivationum  Cod.  Vat.  Pal.  1777  Bl.  277  b.  So  auch  noch 
in  der  Summa  Britonis  aus  der  1.  Ilätfte  des  13.  Jhs.  (unter  studere.  Cod. 
Burghes.  in  Rom  n.  349),  was  sich  daraus  erklärt,  dass  Brito  vielfach  nur 
Huguccio  ausschrieb. 

*»)  L.  c.  Bl.  131a. 


1.  Studium.    Studium  generale.  9 

dem  er  dort  die  eigentliche  Anwendung  des  Wortes  gignas  (pu- 
gna,  luctus)  und  gignasium  (locus  in  quo  fiebat)  erörtert  hat, 
kommt  er  auf  den  übertragenen  Sinn:  Studium  scolarium  et  ma- 
gistrorum  dicitur  gignas  et  locus  studii  dicitur  gignasium  et 
quandoque  ipsum  Studium,  quia  sicut  in  palestra  corpus,  ita  in 
studio  exercetur  animus.  Aber  das  eine,  wie  das  andere  Mal, 
nimmt  er  'Studium'  im  Sinne  von  wissenschaftlicher  Uebung,  denn 
er  fahrt  fort:  'et  hinc  accidit,  ut  oranium  proprio  artium  exer- 
citium,  vel  locus  exercitii  gignasium  dicitur  ut  scola',  wobei  er 
selbst  'scola'  nicht  im  Sinne  von  Lehranstalt  gebraucht").  Os- 
bem  V.  Gloucester*^),  der  vor  Huguccio  und  nach  Papias  schrieb, 
führt  uns  zu  keinem  andern  Resultate**). 

Noch  Ende  des  12.  und  im  Anfange  des  13.  Jhs.  gebrauchte 
man  für  Lehranstalt,  wie  für  die  SchuUocalitäten  und  Hörsäle 
den  Ausdruck  'scolae'  und  zwar  fast  stereotyp  im  Plural,  So 
sagt  Petrus  Bles.,  um  nur  einige  Beispiele  zu  bringen,  von  Gal- 
fridus  Peronensis:  'quem  in  scolis  Parisius  vidi'**).  Stephan  von 
Tournay  spricht  von  den  'Parisienses  secularium  scole'*^), 
wie  selbst  noch  Robert  de  Courgon  im  J.  1215  in  seinem 
Statut  für  die  Universität  Paris:  'status  Parisiensium  scola- 
rum'*Oi  tind  noch  später  Ferdinand  der  Heilige  in  Bezug  auf 
das  Generalstudium  zu  Salamanca*®),   Lucas  de  Tuy   für  jenes 


^^)  Das  Glossarium  Aoaileubi  und  Papias  haben  noch  weniger  darüber. 

^3)  Card.  Mai  gab  dessen  Yocabul.  als  Thesaurus  noYus  latinitatis 
heraus  (Classic.  Autor,  tom.  8  Romae  1836).  Vgl.  nun  darüber  V^Tilmanns  im 
Rhein.  Museum  XXIX,  179  ff. 

^)  Ueber  ^Studium'  findet  sich  gar  nichts;  zu  gymnasium  aber  ledig- 
lich die  Erklärung:  id  est  Studium;  unde  gymnasiolum,  id  est  paryum  Stu- 
dium (l.  c.  p.  249),  wobei  gymnasium  und  Studium  im  Sinne  von  exercitatio 
und  resp.  pugna  genommen  wird.    Vgl.  auch  p.  261. 

*^)  Ep.  240  p.  546  (ed.  Migne) ;  ygL  ep.  19  p.  69.  AehnUche  Phrasen 
begegnen  dem  Leser  fortwährend. 

««)  Ep.  80  ed.  Du  Molinet.  Paris  1682.  Ich  habe  die  Stelle  nach 
Cod.  Paris.  2923  El.  115  b  corrigiert. 

*7)  Bei  Du  Boulay  III,  81. 

^^jPorque  entiendo  que  es  pro  de  myo  regno  e  de  mi  tierra  otorgo  e 
mando  que  aya  escuelas  en  Salamanca.  So  im  Original  (das  Siegel  fehlt)  in 
der  Universitätscapelle  zu  Salamanca  auf  der  Epistelseite.  Copie  in  der  dor- 


10  !•  Bezeichnung  der  mittelalterlichen  Universität. 

von  Palencia")  und  Clemens  IV,  für  das  Generalstudium  zu 
Toulouse*"). 

Wie  kam  man  aber  dann  dazu,  'Studium*  für  'scolae'  im  Sinne 
von  Lehr-  oder  Unterrichtsanstalt  zu  gebrauchen?  Die  Erklärung 
ist  nicht  so  schwierig.  Neben  'scolas  regere'  gebrauchte  man 
im  12.  Jh.  auch  die  Ausdrucksweise  ' Studium,  studia  litterarum 
regere',  so  sagt  Abaelard  *scolas  regere'")  und  'Studium  dialec- 
tice  regere' ").  Alexander  III.  stellt  in  einer  und  derselben  De- 
cretale  beide  Ausdrücke  gegenüber:  ut  quicunque  viri  idonei  et 
litterati  regere  voluerint  studia  litterarum,  sine  molestia . . .  scho- 
las  regere  permittantur").  In  der  Eidesformel  des  Bologneser 
Rechtslehrers  Lothar  v.  Cremona  v.  J.  1189  begegnet  uns  das- 
selbe: 'regere  Studium  in  civitate  Bononiensi',  und  'regere  scolas 
legum'  ")• 

'Studium'  wird  hier  noch  in  der  Bedeutung  von  Unterricht  ge- 
nommen. Es  ist  aber  begreiflich,  dass  nach  und  nach  der  Usus  ent- 
stehen konnte,  'Studium'  gerade  wie  Schule  im  Sinne  von  Unter- 
richts- oder  Lehranstalt  anzuwenden '^'^).    Gleichwie  ja  auch  nach 

tigen  Bibliothek  Ms.  1,  3,  24.  Nunmohr  correct  publiciert  in  Memoria  sobre 
el  estado  de  la  instruccion  en  esta  üniversidad.  Salamanca  1882,  p.  1291 
S.  auch  Alejandro  Vidal  y  Diaz,  Memoria  historica  de  la  üniversidad  de  Sa- 
lamanca.   Salamanca  1869,  p.  15. 

^^)  Eo  tempore  rex  Adefonsus  evocavit  magistros  telogichos  et  aliarum 
arcium  liberalium  et  palencie  scolas  constituit  procurante  reverentissimo  et 
nobilissimo  uiro  tellione  eiusdem  civitatis  episcopo.  Chron.  (in  Hispania  11- 
lustrata  IV,  109).  Ich  verglich  die  älteste  Hs.,  n&mlich  zu  Leon,  Gapit.  S. 
Isidori  aus  der  Mitte  des  13.  Jhs. 

fiO)  Bist  de  Languedoc  ed.  Privat  YII,  Notes  440,  8.  J&nner  1266: 
rectores  scolarum  civitatis  Tholosane  etc. 

^^)  Bist,  calam.  inter.  Opp.  Abaelardi  ed.  Cousin  I,  18. 

^^)  Ib.  p.  6.  Der  Ausdruck  'scolas  regere'  war  der  im  12.  Jh.  ge- 
bräuchliche und  findet  sich  Oberall.  Im  Verlaufe  werden  wir  öfters  darauf 
zurückkommen.  Bereits  vor  Abaelard  findet  sich  auch:  praepositus  studii. 
So  Balderich  von  Dol  in  seinem  Gedichte  an  Godefrid.  Romania  I,  37. 

^)  Epp.  ed.  Migue,  Patrol.  lat.  200,  ep.  807  p.  741.   Beeret.  V,  5  c.  3 

^)  Sarti,  De  claris  archigymnasii  Bononiensis  Professoribus.  Bononiae 
1769,  II,  64. 

^^)  Eine  Glosse  zu  Johannes  de  Garlandia  De  misteriis  ecclesie  be- 
zeichnet 'Studium'  als  'con^egatio  clericorum'.  Ms.  zu  S.  Genevi^ve  in 
Paris  Y.  1.  5.    4».    18  Jh. 


1.  Stndinm.    Stndiam  generale.  11 

Hugnccio  gignasium  für  4ocus  studii'  und  'Studium'  im  Sinne  von 
Unterricht  oder  wissenschaftlicher  Uebung  gebraucht  wurde,  wo- 
raus sich  dann  naturgemäss  ergeben  musste,  'Studium'  auch  für 
'locus  studii'  zu  nehmen. 

So  fieng  man  im  13.  Jh.  an  den  Ausdruck  'Studium'  in  der 
Bedeutung  von  Lehranstalt  zu  gebrauchen. 

Wozu  aber  dann  noch  die  nähere  Bezeichnung  'generale'? 
Man  sprach  bis  heute  viel  über  die  Bestimmung  des  Begriffes 
'Studium  generale',  und  mancher  verzweifelte  fast  zu  einem  sicheren 
Resultate  gelangen  zu  können.  So  schrieb  Delisle  noch  1870:  titre 
honorifique,  dont  il  serait  difficile  de  pr^ciser  la  signification 
l^ale^^).  Und  ich  muss  gestehen,  dass  Delisle  viel  richtiger 
nrtheilte  als  viele  andere,  welche  wähnten  endlich  den  wahren 
Sinn  gefunden  zu  haben.  Um  zur  Klarheit  zu  gelangen  ist  es 
hier  wie  anderwärts  nothwendig  die  Dinge  zu  scheiden,  und  nicht 
die  Zeiten  durch  einander  zu  mengen. 

Man  muss  hier  unterscheiden  zwischen  den  Schulen,  denen 
der  Ausdruck  schon  seit  langem  xa%'  i^ox^jy  zukam,  obwohl  er 
thatsächlich  noch  nicht  von  ihnen  gebraucht  wurde,  und  den 
Schulen,  die  erst  im  13.  Jh.  ins  Leben  gerufen  wurden,  die  aber 
höchst  wahrscheinlich  die  nächste  Veranlassung  zum  Gebrauche 
jenes  Ausdruckes  boten.  Wir  beschäftigen  uns  hier  zunächst  mit 
den  letztem. 

Wichtige  Documente  hiefür  bieten  die  Schreiben  Friedrichs  II. 
in  Bezug  auf  Neapel.  Im  J.  1239  sagt  er:  in  urbe  nostra  Nea- 
polis  . . .  ipsius  (studii)  sedem  locavimus  et  cultum  indiximus  ge- 
neralem'^^).  Er  gebraucht  hier  eine  Phrase,  die  identisch  ist  mit 
der  gewöhnlichen:  Studium  generale,  oder  mit  dem  Ausdruck 
'scholae  generales',  den  er  in  demselben  Jahre  anwendet '^^) 
und  der,  wie  wir  sehen  werden,  später  öfters  gebraucht  wurde; 
uns  ist  obige  Phrase  Friedrichs  viel  bezeichnender.  Was  meinte 
er  aber  mit  derselben?    Das  sagt  uns  der  Gründungsbrief  vom 


56)  Biblioth^ae  de  l'ecole  de  chartes  1870  p.  52. 

57)  Winkelmann,  Acta  imperii,  p.  649.  In  einem  andern  Schreiben  bei 
HaiU.-Br6holl.  Y,  496  spricht  er  ähnlich. 

M)  HuiU.-Br6holL  V,  495. 


12  I*  Bezeichnung  der  mittelalterlichen  Universität. 

J.  1224.  Friedrich  erklärt  in  demselben,  er  habe  das  Studium  für 
alle  Wissenschaften  in  Neapel  gegründet,  damit  die  Wissens- 
dürstenden 4n  ipso  regno  inveniant,  unde  ipsorum  aviditati  satis- 
fiat,  neque  compellantur  ad  investigandas  scientias  peregrinas 
nationes  expetere  nee  in  alienis  regionibus  mendicare'.  Sie 
könnten  sich  jetzt  fast  unter  den  Augen  ihrer  Eltern  aufhalten; 
er  befreie  sie  a  multis  laboribus,  a  longis  itineribus  et  quasi 
peregrinis.  Dafür  gebietet  er  aber  auch,  ut  nuUus  Scolaris  le- 
gendi causa  exire  audeat  alibi  vel  docere,  et  qui  de  regno  sunt 
extra  regnum  in  scolis,  sub  pena  . . .  usque  ad  festum  S.  Mi- 
chaelis nunc  proximi  revertantur  *").  Ausserdem  dürfe  innerhalb 
des  Königreichs  niemand  sich  unterstehen  addiscere  alibi  vel  do- 
cere *°).  Es  ist  nun  klar,  dass  Friedrich  mit  der  Phrase  studii 
sedes  et  cultus  generalis,  d.  h.  Studium  generale  zunächst  eine 
Reichs-  oder  Centralschule  bezeichnen  wollte,  an  der  allein 
für  seine  Unterthanen**)  gelehrt  werden  durfte,  und  zu  der  alle 
Schüler  des  Reiches  kommen  mussten,  wollten  sie  überhaupt  un- 
terrichtet werden.  Durch  das  Verbot,  dass  fortan  nirgends  sonst 
in  seinem  Reiche  gelehrt  und  gelernt  werden  dürfe,  hebt  er 
gerade  den  Unterschied  zwischen  dieser  Reichsschule  und  den 
übrigen,  sogenannten  Particularstudien,  recht  hervor.  Ähnlich 
stellt  später  auch  Heinrich  de  Segusio  (Ilostiensis)  das  Studium 
generale  dem  ^Studium  speciale  alicuius  castri  vel  ville'  gegen- 
über^'). Auf  dasselbe  kommt  eine  Erklärung  Alfonsos  el  Sabio 
hinaus").  So  waren  auch  in  der  That  viele  der  später  gegrün- 
deten Generalstudien  zunächst  nur  Reichsschulen,  die  in  erster 
Linie  den  wissenschaftlichen  Bedürfnissen  der  Unterthanen  eines 
Reiches  dienen  sollten**). 

W)  HuU!.-Br6hoU.  II,  450  f.,  452  f. 

60)  Huillard-Br^hoUes  1.  c. 

61)  Darum  erw&hnt  er  1239  vor  AUem  die  regnicolae,  denen  ad  nomi« 
natum  Studium  licitus  sit  accessus  et  mora.  Uuill.  -  Breholl.  494.  Winkel- 
mann 1.  c. 

6>)  Summa  super  tit.  decret  De  magistris.  Hs.  der  Universitätsbibl. 
in  Barcelona. 

69)  Las  siete  Partidas  L  c.    Wir  kommen  alsbald  darauf  zurück. 

6^)  Im  dritten  Abschnitt  wird  sich  dies  bei  den  einzelnen  Universi- 
täten zeigen. 


1.  Studium.    Studium  generale.  13 

Dieser  Begriff  eines  'Studium  generale'  steht  in  der  Ge- 
schichte nicht  ohne  jede  Analogie  da.  Was  waren  denn  die 
Rechtsschulen  in  Berytus  und  in  andern  königlichen  Städten,  von 
denen  Kaiser  Justinian  in  der  Const.  Omnem  spricht,  anders,  als 
derartige  Reichsschulen,  an  denen  innerhalb  des  Reiches  allein 
das  Recht  gelehrt  werden  und  die  ^Schüler  studieren  durften? 
Alle  Schüler  mussten  an  eine  dieser  Lehranstalten  wandern  um 
die  *tria  volumina'  zu  studieren").  Einige  Analogie  bietet  auch 
eine  Verordnung  Kaisers  Lothar!,  für  Italien  vom  J.  825,  der 
zufolge  in  gewissen  Städten  Italiens  Gentralschulen  errichtet 
werden  sollten,  zu  denen  die  Schüler  der  umliegenden,  ja  oft 
der  entfernten  Städte  und  Distrikte  kommen  mussten  ^^). 

Doch  war  auch  bei  Friedrich  II.  der  Begriff  einer  Reichs- 
schule nicht  der  volle  Begriff  für  den  Ausdruck  'Studium  gene- 
rale'. Er  dachte  auch  an  die  Auswärtigen,  die  zum  Studium 
kommen  sollten.  Bereits  1224  sagt  er:  Omnes  igitur  amodo  qui 
studere  voluerint  in  aliqua  facultate  vadant  Neapolim^^).  Noch 
deutlicher  erhellt  dies  aus  Kundgebungen  der  spätem  Jahre. 
1226  versuchte  er  die  in  der  Lombardei,  besonders  zu  Bologna 
bestehenden  Schulen  aufzuheben  und  lud  die  Scholaren  ein  nach 
Neapel  auf  das  Studium  zu  gehen").  Ebenso  suchte  er  die 
Scholaren  Bolognas  im  J.  1234  zum  Besuche  des  Neapolitanischen 
Studiums  zu  bewegen**).  Dass  es  in  seinem  ursprünglichen  Plane 
lag  am  Studium  zu  Neapel  alle  auswärtigen  Schüler  zuzulassen, 
erhellt  endlich  aus  einem  Schreiben  vom  J.  1239,  womit  er  aus 


^^)  S.  besonders  §  7  der  genannten  Constitution  in  Praef.  in  Digestum. 

^)  Gonstit.  Olonnenses  in  Mon.  Germ.  Leg.  I,  249.  Solche  Gentral- 
schulen waren  Pavia,  Turin,  Gremona,  Florenz,  Fenno,  Verona,  Yicenza, 
Cividale  (Forum  Julii).  Nach  Pavia  z.  6.  mussten  die  Schüler  de  Mediolano, 
de  Brixia,  de  Laude,  de  Bergamo,  de  Novaria,  de  YerceUiSy  de  Tertona,  de 
Aquis,  de  Janua,  de  Aste,  de  Guma  kommen,  nach  Florenz  alle  aus  Toscana, 
o.  8.  w. 

«7)  HniU.-Br6holL  H,  452. 

^)  HuiU.-Br^hoU.  II,  646.  Math,  de  Griffonibus  bei  Muratori,  Ber. 
ItaL  SS.  XVIII,  109. 

^9)  Haill.  •  Br^holl.  IV,  497.  S.  dazu  Reg.  Imp.  ed.  Böhmer  -  Ficker 
IL  2044. 


14  !•  Bezeichnnng  der  mittelalterlichen  üniTernt&t 

Gründen  und  im  ausdrücklichen  Unterschiede  von  früher  die  un- 
bedingte Zulassung  auswärtiger  Scholaren  aufhebt  und  ausser 
jenen  seiner  beiden  Königreiche  Sicilien  und  Jerusalem  und  jenen 
jenseits  der  Alpen  nur  solchen  Italienern  den  Besuch  gewährt, 
deren  Mutterorte  zu  ihm  hielten  ^^).  Gewiss,  war  auch  das  Stu- 
dium zu  Neapel  in  erster^Linie  eine  Reichsschule  und  zunächst 
nur  für  die  Bewohner  des  Königreiches,  so  sollte  es  doch  anfäng- 
lich alle  Schüler,  woher  sie  nun  kamen,  au&ehmen.  Die  Aus- 
drücke 'studii  sedes  ac  cultus  generalis'  oder  ^scolae  generales' 
galten  ihm  als  Lehranstalt  für  Alle. 

Diesen  letztem  Sinn  hat  der  Ausdruck  'Studium  generale'  in 
den  oben  angeführten  Actenstücken ,  er  wurde  eine  der  Grund- 
bedeutungen desselben.  Klar  tritt  uns  diese  Bedeutung  in  einem 
bereits  angezogenen  Schreiben  Innocenz  IV.  entgegen.  Er  meint, 
weil  von  den  verschiedenen  Theilen  der  Welt  viele  zum  Aposto- 
lischen Stuhle  kämen,  habe  er  für  sie  dort  ein  Studium  errichtet, 
und  die  Studierenden  sollten  alle  Privilegien  eines  Generalstu- 
diums gemessen^').  Noch  deutlicher  spricht  Alexander  IV.  in 
Bezug  auf  Paris:  Ad  id  in  civitate  ipsa  generalis  studii  funda- 
menta  •  • .  stabilita  esse  noscuntur,  quod  ex  omnibus  gentibus 
illuc  pro  acquirendis  magnis  scientie  opibus  confluat  continue 
multitudo").  In  den  Statuten  der  Universität  Wien  vom  J.  1385, 
um  ein  Beispiel  aus  dem  nächsten  Jahrhundert  zu  nehmen,  wird 
geradezu  auf  den  concursus  generalis  scholarium  hingewiesen''), 
und  Erfurt  wurde  lange,  ehe  es  eine  Hochschule  erhielt,  eben 
deshalb  abusive  Studium  generale  genannt'*).  In  ähnlicher  Weise 
sprechen  Clemens  VL  und  VIL  und  Urban  VI.  sowie  andere  Päpste 
in  ihren  Stiftungsbriefen  von  den  Generalstudien. 

Es  ergibt  sich  nun  von  selbst,  dass  sich  das  Epitheton  'ge- 


W)  Httm..Br6hoU.  V,  493  ff.  Winkehnann  1.  c. 

^»)  In  6  De  priviL  7,  2. 

7«)  Bei  Du  BouUy  III,  332. 

^•)  Kink,  Gesch.  der  kais.  ünivers.  wa  Wien.    II,  75. 

'^^)  S.  unten  unter  Erfart. 

7&)  Fabroni,  Historia  academiae  Pisanae.  Pisis  1791  I,  404.  Weis- 
senbom,  Acten  der  Erfurter  ünirersit&t.  I,  2.  4.  Aebnlich  in  frOhem  und 
sp&tem  p&pstlichen  Stiftangsbriefon. 


1.  Studiam.    Studium  generale.  15 

nerale'  nicht  auf  'Studium',  sondern  auf  die  an  dem  Studium 
Studierenden  beziehe.  Analoga  dazu  bieten  die  Bezeichnungen 
concilium  generale,  capitulum  generale  etc.,  in  denen  das  Epi- 
theton *  generale'  dieselbe  Stellung  hat.  Darauf  hin  zielt  auch 
die  mittelalterliche  Eintheilung  der  Privilegien.  'Aliud  est  gene- 
rale', sagte  man,  'aliud  speciale.  Generale  est,  quod  est  indul- 
tum  tot!  coUegio  clericorum'.  Das  speciale  beziehe  sich  nur  auf 
eine  Person  oder  eine  Kirche").  Und  so  ist  es  gar  nicht  auf- 
fällig, wenn  wir  den  Ausdruck  Studium  generale  in  obiger  Be- 
deutung auch  auf  Schulen  ausserhalb  der  Christenheit  angewendet 
sehen.  Der  Dominicaner  Bicoldus  de  Montecrucis  schreibt  an 
der  Wende  des  13.  und  14.  Jhs.  in  seinem  Werke  gegen  den 
Alchoran,  er  sei  zu  den  Sarazenen  nach  Bagdad  gereist,  'ubi 
generale  ipsorum  soUempne  habetur  Studium'").  Wie  im  Occi- 
dent  der  Ausdruck  Studium  generale  im  Sinne  von  Lehranstalt 
für  die  Studierenden  der  ganzen  Christenheit  genommen  wurde, 
so  wendete  der  Dominicaner  denselben  für  das  Hauptstudium 
der  Sarazenen  an. 

Zutreffend  gebrauchten  damit  identisch  Heinrich  de  Segusio 
und  Bernardus  Parmensis  den  Ausdruck  'commune  Studium'"); 
Jean  de  Garlande  wendet  in  demselben  Sinne  die  Benennung 
'Studium  universale'  an"),  wie  1252  König  Konrad  in  Bezug  auf 
Salemo^®),   das   er  auch  mit  'commune  Studium'  bezeichnet"). 

'^^)  So  Raymund  Ton  Penafort  in  einer  noch  nicht  bekannten  und  edierten 
canonistischen  Schrift  aus  der  Zeit  vor  seinem  Eintritt  in  den  Orden  (c.  1222). 
Bibl.  Bnrghes.    n.  261  in  Rom. 

7^)  Hs.  in  der  Eapitelsbibl.  zu  Oviedo  in  Spanien.  Vgl.  auch  Qu6tif- 
Echard,  Script.  Ord.  Praed.  I,  504. 

78)  Lectura  in  Beeret.  Prooem.  —  Glosse  zu  Bex  pacificus.  Der  Papst 
habe  die  Decretalen  nach  Bologna  gesandt,  'propter  Studium,  quod  est  Bo- 
nonie  commnnius  et  generalius  precipue  in  utroque  jure,  et  ibi  quasi  de  Om- 
nibus partibus  mundi  sunt  stndentes*.    Cod.  Burghes.  257. 

79)  De  misterüs  ecclesie.  Hs.  in  S.  Geneyidve  zu  Paris.  Y  l.  5  in 
4<^.    (13.  Jh.):  i.  e.  Studium  universale  Parisius. 

Floret  Alexandro  locus  hie  dedit  Anglia  florem. 
Im  Cod.  543  zu  Brügge  Bl.  52b  heisst  diese  Interlinearglosse:  studii  uniyer« 
saUa  80.  parisius.    S.  oben  S.  2. 

«>)  HailL-Br6h.  II,  448. 

«1)  Ibid.  p,  449. 


16  I.  Bezeichnung  der  mittelalterlichen  Universität. 

König  Konrad  ahmten  nach  In  Bezug  auf  ^Studium  universale^ 
Peter  IV.  von  Aragonien*'),  und  Andere®').  Jeden  Zweifel  an 
obiger  Grundbedeutung  benimmt  eine  Phrase  Gregors  X.  'apud 
Neapolitan.  civitatem  vigebat  Studium  generaliter' **).  Auch  die 
öfters  gebrauchte  Bezeichnung  *scolae  generales'®*^)  erklärt  die 
genannte  Bedeutung  nicht  weniger  deutlich. 

Wenn  ich  oben  sagte,  dass  manchen  Schulen  schon  seit 
langem  der  Ausdruck  'Studium  generale'  xar'  i^oxi^y  zukam,  ob- 
wohl er  thatsächlich  nicht  auf  sie  angewendet  wurde,  so  muss 
man  den  Ausdruck  in  dem  zuletzt  entwickelten  Sinne  von  'Lehr- 
anstalt für  Alle'  nehmen.  In  der  That,  längst  als  die  Bezeich- 
nung 'Studium  generale'  in  Anwendung  war,  hatten  Bologna  und 
Paris  den  Begrifif  derselben,  sie  waren  an  der  Wende  des  12.  Jhs. 
die  eigentlichen  Generalstudien.  Aber  bereits  vor  diesen  beiden 
besassen  Lüttich,  Reims,  Laon  und  andere  Lehranstalten  diese 
Bedeutung,  und  ich  zweifle  keinen  Augenblick,  dass,  wenn  diese 
Schulen  das  12.  Jh.  in  ihrer  einstigen  Blüthe  so  wie  Bologna  und 
Paris  überlebt  hätten,  ihnen  ebenso  auch  der  später  entstandene 
Ausdruck  'Studium  generale'  wäre  beigelegt  worden. 

Gleichwie  aber  der  einfache  Ausdruck  'Studium'  für  sich 
allein  genommen  früher  den  Sinn  von  'Unterricht'  als  den  von 


^2)  So  sagt  er  in  seinem  Stiftungsbriefe  der  üniversit&t  Perpignan  von 
Saragossa  aas  im  J.  1349.  Hs.  des  Statutenbaches  auf  der  Bibliothek  za 
Perpignan  n.  6537.  (Die  Drucke  and  Hss.  sind  in  der  Nummcrirang  durch- 
einandergemengt; daher  die  hohe  Nummer  der  Hs.). 

S3)  Z.  B.  von  Kaiser  Karl  lY.  in  Bezug  auf  die  Hochschule  von 
Lucca.  Baluze  Miscel.  ed.  Mansi  lY,  184.  Im  15.  und  16.  Jh.  kommt 
dieser  Ausdruck  häufiger  als  früher  vor,  nimmt  aber  schon  eine  andere 
Bedeutung  an. 

^)  Bei  Marino  de  Ebolo.  Arch.  Yat.  Arm.  31  n.  72  ep.  2344.  In  der 
Hs.  117  G.  des  Archivs  zu  S.  Peter  steht  'Studium  generale',  wie  auch  bei 
Martöne-Durand,  SS.  ampl.  coli.  II,  1275. 

^^)  So  Friedrich  II.  in  einer  Urkunde  vom  J.  1239  bei  HuilL-Br^holles 
Y,  1  p.  495.  Alfonso  el  Sabio  verbindet  beide  Ausdrücke:  estadios  6  escuelas 
generales.  Im  Memorial  histörico  espanio),  I,  54.  Sancho  lY  sagt  ebenfalls: 
estndio  de  escuelas  generales.  Bei  Floranes,  Origen  de  los  estadios  de  Ga- 
Btilla  (Golleccion  de  documentos  in^ditos  para  la  historia  de  Espaäa.  XX 
76.    Madrid  1852). 


1.  Studium.    Studium  generale.  17 

^ Unterrichtsanstalt'  hatte,  so  blieb  ihm  auch  später  mit  dem 
Epitheton  'generale'  nicht  selten  diese  Bedeutung,  was  man  bis- 
her ganz  ausser  Acht  gelassen  hatte.  Auch  dieser  Begriff  findet 
sich  in  dem  eben  angezogenen  Schreiben  Innocenz  IV.,  worin 
er  das  Studium  an  der  Curie  errichtet.  Es  heisst  dort  nämlich 
in  Bezug  auf  die  an  demselben  Studierenden,  sie  sollten  alle 
Privilegien  gemessen,  'quibus  studentes  in  scholis  ubi  generale 
regitur  Studium  sunt  muniti'.  An  den  Schulen  oder  an  der  Lehr- 
anstalt ist  mithin  ein  Generalstudium.  Letzterer  Ausdruck  kann 
hier  nur  soviel  wie  'generalis  disciplina',  d.  i.  Unterricht  für 
Alle  bedeuten.  In  diesem  Sinne  finden  wir  den  Ausdruck  bei 
Paul  de  Liazariis  in  der  1.  Hälfte  des  14.  Jhs.  erklärt:  Que  stu- 
dia  autem  dicantur  generalia  relinquitur  arbitrio  iudicis,  ut  vi- 
deat  si  generaliter  sacra  pagina,  iura  et  artes  ibi  docean- 
tur^*).  Und  so  sagt  auch  Matthaeus  Paris  ad  an.  1229,  der 
grössere  Theil  der  Pariser  Magister  habe  Angers  bei  der  Aus- 
wanderung gewählt  'ad  doctrinam  universalem'  *^).  Alexander  IV. 
gebraucht  1257  den  Ausdruck:  'ubi  generalis  in  ea  (sacra  pagina) 
viget  scolastici  studii  disciplina'  ^^).  In  derselben  Weise  muss  der 
Ausdruck:  'litterarum  Studium  generale'  in  einigen  päpstlichen 
Privilegienbriefen ^')  aufgefasst  werden,  denn  wie  im  12.  Jh.  die 
Phrase  'studia  litterarum  regere'  nichts  anderes  besagt,  als 
'den  Unterricht  in  den  Wissenschaften  leiten',  so  hat  auch  hier 
'Studium'  mit  dem  Epitheton  'generale'  keine  andere  Bedeu- 
tung. Derselbe  BegriflF  lag  wohl  ursprünglich  der  oft  wider- 
kehrenden Formel  der  Errichtungsbriefe  zu  Grunde:  ut  sit  Stu- 
dium generale  in  sacra  pagina,  in  iure  canonico  etc.,    oder  ein- 


^  In  Clement.  De  sepultwis.  Dudum.  Hs.  n.  62  der  Bibliothek  Bipoll 
im  ArcliiTO  de  la  Corona  de  Aragon  zu  Barcelona. 

87)  Chron.  mig.  ed.  Luard.  III,  168. 

88)  Beg.  Yat.  an.  3  ep.  225  BL  30  b. 

^)  So  z.  B.  im  Schreiben  Alexanders  IV.  y.  29.  Juni  1260  für  Sevilla 
(Memorial  histörico  espaSol.  I,  163).  Aehnlich  Clemens  Y.  in  Bezug  auf  Bo- 
logna 1310.  Heg.  Yat.  an.  5  ep.  169,  und  sonst  öfters.  Ygl.  auch  das 
Schreiben  der  kirchl.  H&upter  Portugals  Tom  12.  Nov.  1288  an  Papst  Nico- 
laoB  lY.  (Leitao,  Noticias  chronoL  da  universidade  de  Coimbra  L  Lisboa 
1729  p.  9). 

DaaifU,  Die  UaiTanititen  L  2 


lg  I.  Bezeichnang  der  mittelalterlichen  Universität. 

fach:  in  quavis  licita  facultate,  und  sie  findet  ihren  Pendant  in 
einer  Wendung  bei  Friedrich  IL :  Disponimus  apud  Neapolim  do- 
ceri  artes  cuiuscunque  professionis  et  vigere  studia  (cuiuscun- 
que  professionis '°).  Hat  der  Ausdruck  'Studium  generale'  in 
solchen  Verbindungen  nicht  den  Sinn  von  'Unterricht  für  Alle', 
dann  muss  die  ganze  Phrase  als  Kürzung  der  vollständigen  Formel, 
wie  sie  noch  im  13.  Jh.  in  päpstlichen  Errichtungsbriefen  vor- 
kommt, betrachtet  werden :  ut  in  dicto  loco  sit  Studium  generale 
(in  quo  magistri  doceant  et  scholares  libere  studeant  et  audiant) 
in  quavis  licita  facultate  etc.'^).  In  den  gewöhnlichen  Formeln 
fehlen  meist  die  hier  eingeklammerten  Worte.  Allein  andere 
Male  kann  die  Phrase:  ut  sit  Studium  generale  in  sacra  pagina 
etc.  nicht  als  Kürzung  der  eben  erwähnten  aufgefasst  werden, 
und  dies  führt  uns  einen  Schritt  weiter  in  der  Erörterung  über 
den  Begriff  'Studium  generale'. 

Einige  Male  begegnet  uns  die  Phrase:  ut  in  civitate  pre- 
fata  sit  in  iure  canonico  et  civili  etc.  perpetuum  Studium  gene- 
rale, in  quo  magistri  doceant  et  scolares  libere  studeant  in  fa- 
cultatibus  prelibatis'').  Es  ist  doch  klar,  dass  der  Ausdruck 
'Studium  generale'  in  Bezug  auf  das  zweite  Glied  für  Unterrichts- 
anstalt genommen  wird,  trotzdem  dass  diese  Bedeutung  für  das 
erste  Glied  nicht  wohl  passend  ist  Einem  ähnlichen  Falle  be- 
gegnen wir  in  einem  Schreiben  Clemens  Y.  für  Goimbra  vom 
25.  Febr.  1308:  Nicolaus  papa  nu  ...  ordinavit,  ut  in  civitate 
Ulisbonensi  .  .  .  esse  posset  de  cetero  litterarum  Studium  gene- 
rale, tam  eidem  studio  quam  regentibus  et  studentibus  . . .  certa 


90)  Bei  Ham.-Br6hoU.  L  c.  n,  450. 

91)  So  im  Errichtnngsbriefe  Nicolaus  IV.  vom  26.  October  1289  für 
MontpeUier  bei  d'AigrefeniUe,  Bist,  de  la  viUe  de  MontpeUier  II,  840.  Ger- 
main,  Hist.  de  la  commune  de  Montpellier  III,  453.  Dann  in  der  Gründungs - 
buUe  Bonifaz  YIIL  fOr  Pamiers  vom  18.  Dec.  1295.  Reg.  Yat  an.  1  ep.  658 
Bl.  146b;  im  Stiftbriefe  desselben  Papstes  für  Ayignon  vom  I.Juli  1303  im 
Gartulaire  de  l'universit^  d'Avignon  par  Laval  I,  6. 

^  In  den  Errichtungsbriefen  Benedicts  XII.  fftr  Grenoble  vom  12.  Mai 
1339  (Reg.  Yat.  an.  5  ep.  420  Bl.  219  a)  und  vom  22.  Sept.  desselben  Jahres 
für  Verona  (Bull.  Rom.  ed.  Taur.  IV,  459).  Aehnlich  Clemens  Y.  13.  Juli 
1312  für  Dublin  (Reg.  Yat  an.  7  ep.  934  Bl.  196  b). 


1.  Studiam.    Studiom  generale.  19 

privilegia  et  indulgentias  concedendo ").  An  sich  möchte  man 
meinen,  ^litteranun  Studium  generale'  werde  wie  in  früherer  Zeit 
ftr  ^Unterricht'  genommen.  Allein,  die  nähere  Bestimmung  'tam 
eidem  studio'  schliesst  diesen  Sinn  aus,  und  lässt  nur  jenen  von 
Lehranstalt'  zu.  Wir  lernen  daraus,  dass  sich  die  Bedeutung 
,Lehranstalt  für  Alle'  allmählich  vollständig  in  den  Vordergrund 
drängte  und  die  Formel  'Studium  generale  in  sacra  pagina,  iure 
canonico'  etc.  stereotyp  wurde,  ohne  dass  man  noch  über  die 
Bedeutung  des  Ausdruckes  nachdachte. 

Indessen  die  Bedeutung  'Lehranstalt',  'Unterricht  für  Alle'  war 
nichts  weniger  als  der  letzte,  volle  Begrifif  des  Ausdruckes  'Stu- 
dium generale'.  Gerade  die  zwei  ältesten  und  grössten  General- 
studien, Bologna  und  Paris,  waren  privilegierte  Studienanstalten. 
Keine  neue  Lehranstalt  konnte  neben  ihnen  aufkommen,  wenn 
sie  nicht  etwa  an  den  Privilegien  derselben  Theil  hatte.  Das 
Studium  generale  wurde  ein  Studium  privilegiatum  zum 
Unterschiede  von  Particularstudien ,  die  die  Privilegien  an  sich 
nicht  besassen'^).  Die  'Lehranstalt  für  Alle'  ist  zugleich  mit 
Privilegien  für  Lehrer  und  Schüler  versehen. 


93)  Beg.  Yat.  an.  3.  ep.  384  Bl.  72  b. 

^)  Heinrich  de  Segusio  (Hostiensis)  sagt  z.  B.  in  Bezog  auf  das  Pri- 
TÜeg,  die  Benefizien  ferne  von  der  Kirche  am  Studiam  generale  beziehen 
za  können,  in  der  Summa  sup.  tit.  decret.:  Si  cui  indultum  fuerit,  ut  in 
studio  fiructus  suamm  percipiat  prebendarum,  de  studio  generali  intelligen- 
dom  est,  non  de  studio  speciali  alicuins  castri  yel  ville,  cum  hoc  in  fraude 
fiat.  Summa  super  tit.  decret.  De  magütris.  Barcelona»  UniversitätsbibL  Doch 
ist  dabei  nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  Particularstudien  unter  Umständen 
und  ausnahmsweise  ähnliche  Privilegien  erhalten  konnten.  So  erlangten  die 
am  Studium  in  Narbonne  Studierenden  von  Innocenz  lY.  am  13.  Mai  1247 
alle  Privilegien  der  Generalstudien  (Beg.  Yat.  an.  4  ep.  719  Bl.  393  b>  Der- 
selbe Papst  gewährte  auf  Bitten  der  Herzogin  von  Djjon  (Aliz  de  Yergy) 
6.  Februar  1245  den  Klerikern  der  Provinz  Lyon  am  theol.  Studium  der 
Domicaner  in  Dijon,  das  nicht  einmal  für  den  Orden  ein  Generalstudium 
war,  den  Genuss  ihrer  Benefizien  (Archiv,  d^part.  in  Dgon  H.  932.  Original. 
YgL  auch  Ripoll,  Bull.  Ord.  Praed.  I,  147  n.  81).  Für  die  dortigen  Schulen 
der  Franciscaner  bewilligte  dasselbe  der  nämliche  Papst  22.  Juni  1246  (Sba- 
ralea,  BnO.  Ord.  Min.  I,  416  n.  137),  26.  März  1249  aber  für  ihre  theol. 
Schulen  in  der  Provinz  Bologna  (Sbaralea  I,  529  n.  300).  So  hatte  auch  das 
Studiam  in  Yalladolid,  ehe  es  Generalstudium  war,  Privilegieui  denn  König 

2* 


20  ^  Bezeichnung  der  mittelalterlichen  üniyersit&t. 

So  sehen  wir  auch,  dass  von  jenem  Zeitpunkte  an,  wo  Ge- 
neralstudien sei  es  von  den  Päpsten,  sei  es  von  den  Landes- 
fOrsten  gegründet  wurden  oder  ex  consuetudine  bestanden,  die 
neue  Studienanstalt  gleichzeitig  in  den  Besitz  der  Privilegien 
bereits  existierender  Generalstudien  gelangte.  Die  in  den  Er- 
richtungsbriefen hiefllr  gebrauchten  Worte  werden,  mutatis  mu- 
tandis,  ebenso  stereotyp,  wie  die  Formel  für  die  Errichtung  selbst. 
Die  erste  päpstliche  Bulle  zu  Gunsten  eines  eben  gegründeten 
Generalstudiums  ist  jene  Gregors  IX.  v.  27.  April  1233  für  Tou- 
louse, wo  das  Generalstudium  1229  von  dem  Cardinallegaten 
ins  Leben  gerufen  wurde,  und  der  Papst  stellt  sofort  das  neue 
Studium  jenem  zu  Paris  in  den  Privilegien  gleich  mittelst  der 
Formel:  ut  eadem  libertate  gaudeant,  qua  gaudent  Parisienses 
scolares  .  . .  ut  quicunque  magister  ibi  examinatus  et  approbatus 
fuerit  in  qualibet  facultate,  ubique  sine  alia  examinatione  legendi 
liberam  habeat  facultatem'*).  Diese  Formel  wird  nunmehr  in 
allen  Stiftungsbriefen  dem  Wesen  nach  widerholt;  fast  durchweg 
begegnen  wir  ihr  in  dieser  Fassung:  ut  studentes  talibus  privi- 
legiis,  libertatibus  et  inmiunitatibus  gaudeant,  quibus  gaudent 
studentes  in  scholis,  ubi  generale  regitur  Studium  (so  bereits  In- 
nocenz  IV.  für  das  Studium  an  der  Curie  1244— 1245  ••),  oder 
einfach:  quibus  gaudent  studentes  in  studio  generali,  u.  s.  w.  Es 
wird  hiemit  das  neue  Studium  den  bereits  existierenden  General- 
studien gleichgestellt 

Zur  Zeit  Gregors  IX.  war  dies  etwas  Neues,  und  die  Pariser 
Universität  beschwerte  sich  beim  Papste  und  klagte  über  Eingriff 
in  ihre  Rechte  wegen  des  dem  Studium  zu  Toulouse  gewährten 
Privilegs,  dass  die  dort  creierten  Magistri  überall  sollten  aner- 
kannt werden,  also  auch  in  Paris.  Der  Papst  antwortete  3.  April 
1234,  dass  er  durch  das  dem  Tolosaner  Studium  gegebene  Pri- 
vileg durchaus  nicht  den  Gewohnheiten  und  Statuten  des  Pariser 


Bancho  lY.  wollte  den  von  ihm  projectierten  'escnelaa  generales'  sa  AlcalA 
un  J.  1293  fdle  jene  Freiheiten  gehen,  'que  ha  el  estudio  de  Yalladolid.' 
(Bei  Floranes,  Origen  de  los  estudios  de  Gastilla  in  derCoUeccion  de  docn- 
mentoa  in^itos  para  la  historia  de  Espaiia  XX,  76). 

^)  Percin  und  Du  Boulay  1.  c. 

M)  S.  oben  8.  17. 


1.  Stadium.    Stüdinm  generale.  21 

Studiums  Abbruch  thun  wolle;  für  dasselbe  bleibe  es  wie  bisher 'O- 
Allerdings  konnte  auch  Paris  nicht  allzu  lange  die  Ausnahme 
bilden,  nur  einige  Male  noch  wird  Paris,  Bologna  oder  auch  Ox- 
ford ausgenommen. 

Fragen  wir  nun  aber,  worin  vor  allem  die  Privilegien  eines 
Generalstudiums  bestanden,  so  werden  wir  auf  den  letzten  Be- 
griff eines  Studium  generale  gewiesen,  der  im  Wesen  nur  eine 
Gonsequenz  aus  den  Grundbegriffen  eines  Generalstudiums  ist. 
Zugleich  wird  der  Unterschied  desselben  von  einem  Particular- 
studium  vollends  klar. 

Am  Generalstudium  konnte  sich  jeder  ohne  Unterschied  der 
Nation  die  Kenntnisse  erwerben,  welche  ihn  berechtigten  die  acade- 
mischen  Grade  an  demselben  zu  erlangen.  Nicht  die  an  einem 
Particularstudium  erworbenen  Kenntnisse  befähigten  einen  zur 
Ablegung  der  Prüfung  an  einem  Generalstudium  und  zur  Erlan- 
gung der  Grade.  Kam  dies  manchmal  vor,  so  geschah  es  nur 
nach  ausdrücklicher  Dispens  von  Seite  des  päpstlichen  Stuhles^*). 
Und  nur  mit  solcher  Dispens  oder  in  Folge  hergebrachter  Ge- 
wohnheit, wie  z.  B.  in  Lyon,  hatte  hie  und  da  ein  Particular- 
studium das  Promotionsrecht. 

Der  Begriff  des  Generalstudiums  brachte  es  aber  auch  mit 
sich,  dass  die  Kenntnisse,  welche  man  sich  an  einem  General- 
stadium erwarb,  auch  an  jedem  andern  anerkannt  werden  mussten. 
Wenn  dies  Paris,  Bologna  und  Oxford  in  der  ersten  Zeit  nicht 
zugestanden,  so  geschah  es  in  Folge  hergebrachten  Usus,  der 
sich  jedoch  fUr  immer  nicht  erhalten  konnte. 

Aus  dieser  Vorbedingung  ergab  sich  als  Gonsequenz,  dass 
auch  die  an  einem  Generalstudium  erworbene  Lehrbefahigung  an 
allen  Generalstudien  ohne  neues  Examen  anerkannt  werden  musste. 
Die  facultas  ubique  docendi  war  schon  im  Keime  im  Be- 
griffe eines  Generalstudiums  enthalten.    Es  bedurfte  nur,   dass 


97)  Das  Actenstflck  findet  sich  Reg.  Yat.  Greg.  an.  8  ep.  13  Bl.  171b; 
Dich  einer  Abschrift  pnbliciert  beiValois,  OaiUaame  d'AuTergne.  Paris  1880 
p.  3e3  n.  49. 

^  8.  unten  im  Abschnitte  über  die  üniyersit&t  Orange.  Dieser  FaU 
ist  höchst  lehrreich  nnd  bestätigt  die  Regel.  Im  einxehien  erscheint  er  auch 
sonst  noch  Oftery  allein  immer  als  Ausnahme. 


22  I*  Bezeichnnng  der  mittelalterlichen  Uniyersit&t. 

dies  auch  förmlich  ausgesprochen  wurde,  und  Gregor  IX.  that 
das  zuerst  in  Bezug  auf  Toulouse'*).  Die  dortige  Hochschule 
macht  hierin  Epoche  in  der  Geschichte  der  Universitäten.  Die 
Ausnahme  in  Bezug  auf  Paris,  Bologna  und  theilweise  auch  Ox- 
ford und  später  Orleans,  welche  lange  Zeit  nur  jene  bei  ihnen 
vorgenommenen  Promotionen  in  jenen  Fächern,  die  sie  vorzüglich 
pflegten,  anerkannten,  und  die  anderwärts  Promovierten  einem 
neuen  Examen  unterzogen,  gründete  sich  auf  den  eigenthümlichen 
Entwicklungsgang  dieser  Hochschulen  und  auf  spezielle  Gesetze 
derselben,  und  bestätigt  gerade  dadurch  die  Regel,  dass  das 
Privileg  der  facultas  ubique  docendi  eine  characteristische  Eigen- 
thümlichkeit  der  Generalstudien  war.  Wir  finden  sie  deshalb 
fast  in  allen  Stiftbriefen  nebst  jener  eben  besprochenen,  dass  die 
an  diesem  oder  jenem  Generalstudium  Studierenden  mit  der  Zeit 
sich  an  demselben  der  Prüfung  unterziehen  und  die  Grade  d.  i. 
die  Lehrbefähigung  in  der  betreffenden  Wissenschaft  erwerben 
könnten,  erwähnt"*). 

Gerade  dieses  Privileg  der  Generalstudien  setzte  aber  vor- 
aus, dass  das  Generalstudium  allgemein  auch  als  solches  an- 
erkannt war.  Dies  bedarf  wohl  keiner  Erklärung.  Wer  sollte 
aber  diese  Bedingung  setzen,  wenn  nicht  der  allgemeine  Vater 
der  Christenheit,  nämlich  der  Papst,  in  zweiter  Linie  der  römi- 
sche Kaiser,  und  bedingungsweise  die  Landesfürsten  ?  Hierin  liegt 
nicht  die  letzte  Bedeutung  der  päpstlichen  und  kaiserlichen  Stift- 
briefe, auf  die  ich  weiter  unten  ausführlich  zu  sprechen  komme. 
Stiftbriefe  fielen  nur  in  der  ersten  Zeit  bei  jenen  Generalstudien 
weg,  die  bereits  allgemein  als  solche  anerkannt  waren  sei  es  ex 
consuetudine  sei  es  aus  irgend  einem  andern  Umstände. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  an  den  Generalstudien 
Promovierten  auch  aller  andern  Privilegien,  welche  die  Lehrer  an 
einem  Generalstudium  besassen,  theilhaftig  wurden,  wie  ja  über- 
haupt,  sobald  jemand   an   einem  Generalstudium  aufgenommen 


99)  S.  oben  8.  20. 

100)  Eg  ist  deshalb  nicht  nothwendig,  dass  ich  bei  DarsteUnng  der  ein- 
seinen Hochschulen  daraof  wider  snrackkomme. 


1.   Stadium.    Stadium  generale.  23 

war,  er  alsbald  an  den  Privilegien  desselben  Theil  nahm,  wie 
die  Stiftbriefe  fortwährend  widerholen. 

Hiemit  ist  die  Bedeutung  des  Ausdruckes  Studium  generale 
fOr  unsere  Zeit  erschöpft.  Das  Erfordemiss,  dass  an  einem 
Generalstudium  eine  grössere  Anzahl  Lehrer  sein  und  wenigstens 
eines  der  hohem  Fächer,  nicht  bloss  die  artes  liberales,  vorge- 
tragen werden  musste,  brachte  wohl  das  Generalstudium  mit  sich, 
allein  es  war  keine  Eigenthümlichkeit,  denn  auch  an  Particular- 
studien  kam  dies  nicht  selten  vor,  ohne  dass  es  dazu  einer  Dis- 
pens bedurft  hätte. 

Im  16.  Jh.  hatte  man  die  Bedeutung  des  mittelalterlichen 
Generalstudiums  noch  besser  erkannt  als  vielfach  heute.  Petrus 
Gregorius  sagt  z.  B. :  Studia  generalia  hodie  seu  publica  dicuntur 
scholae,  in  quibus  publice  ex  privilegio  pontificis  summi  vel  prin- 
cipis  vel  antiqua  consuetudine,  cujus  initium  non  exstat  memoria, 
Studium  est  privilegiatum  et  permissa  societas  et  concursus  scho- 
lasticorum  et  docentium,  continens  pro  contento^^^).  Damals  gehörte 
nur  noch,  wie  schon  theilweise  seit  der  Mitte  des  14.  Jhs.,  zum 
Begriffe  eines  Studium  generale  oder  einer  Hochschule  auch  die 
Vereinigung  der  Lehrer  und  Schüler  oder  des  einen  Theiles  zu 
einem  Corpus,  zu  einer  Universität,  d.  i.  das  Privileg  des  Uni- 
versitätsrechtes. Der  Begriff,  das  Studium  generale  sei  ein  pri- 
vilegiertes Studium,  tritt  manchmal  ganz  in  den  Vordergrund,  da 
die  Grundbedeutung  von  ^Studienanstalt  für  Alle'  sich  von  selbst 
ergab.    So  z.  B.  im  15.  Jh.  in  einem  Actenstücke  Martins  V.^°'). 

Von  selbst  erledigen  sich  nun  die  abweichenden  Ansichten. 
Eine  Entwicklung  der  Bedeutung  vermisse  ich  bei  allen.  Ziem- 
lich nahe  steht  Savigny  der  Wahrheit^®').    Thurot  hat  ihn  nicht 


101)  De  repablica  üb.  18  c.  1  p.  1200  ed.  Paltheniana  1597. 

IM)  Er  g^^t  in  semer  Constitution  für  die  üniversit&t  Salamanca  yom 
20.  Febr.  1422,  dass  das  Verbot  der  Mendicantenobern,  ne  fratres  ipsorum 
ordinom  ad  stadiom  Salamantinam  pro  studendo  et  gradus  lectoriatus,  licen* 
tiae  et  magisterii  in  Tbeologia  recipiendo  accedere  anderent,  de  directo  est 
contra  natoram  generalinm  stadiomm.  Original  im  UniTersit&tsarchi?  tu 
Salamanca.  Gedruckt  in  Constitutiones  apostolicas  y  estatatos  de  la  mny 
insigne  uniTersidad  de  Salamanca.    Salamanca  1625  p.  61. 

103)  Geschichte   des  Böm.  Rechts,  III,  4l4.    Auf  dessen  verwirrende 


24  I-  Bezeichnong  der  mittelalterlichen  üaiversit&t. 

verstanden,  wenn  er  meint,  Savigny  zufolge  beziehe  sich  das 
Epitheton  'generale'  bei  Studium  nur  auf  das  'docere  hie  et  ubi- 
que'  *®*).  Thurot  fallt  aber  selbst  in  den  Irrthum,  indem  er  sagt, 
der  Ausdruck  'Studium  generale'  habe  nur  die  Bedeutung  wie 
bei  den  Dominicanern,  und  beziehe  sich  auf  die  verschiedenen 
Nationen,  die  in  Paris  vertreten  waren.  Die  Dominicaner  wendeten 
ja  nur  den  bereits  bestehenden  Ausdruck  auf  jene  Ordenslehran- 
stalten an,  die  vom  Generalkapitel  als  die  Gentra  für  auserlesene 
Schüler  der  verschiedenen  Provinzen  bestimmt  waren.  Das  Stu- 
dium generale  der*  Dominicaner  und  anderer  Orden  erschöpft  den 
Begriff,  wie  sich  aus  Obigem  ergibt,  nicht  im  entferntesten.  Es 
fOhrt  zu  ganz  falschen  Anschauungen,  mit  Lorenz  v.  Stein  den 
späten  Ausdruck  ^Studium  sublimius'  oder  vielmehr  'sublimius 
Gymnasium'  mit  dem  von  'Studium  generale'  zu  identificieren '***). 
Studium  generale  wurde  damals  noch  nicht  als  'Hochschule'  be- 
zeichnet; 'hohe  schuole'  wurde  in  Deutschland  bis  zur  Mitte  des 
14.  Jhs.  wohl  nur  Paris,  genannt.  Aber  selbst  darnach  gebrauchte 
man  den  Ausdruck  'hohe  schuole' '^^)  noch  nicht  im  Sinne  des  spätem 
Ausdruckes  'sublimius  Gymnasium'.  Eine  andere  Ansicht  vertritt 
Germain.  Ihm  ist  die  Vereinigung  der  drei  Schulen  in  Montpel- 
lier: des  Rechts,  der  Medicin  und  der  Artes  'zur  Universität' 
und  deren  Verbindung  durch  ein  gemeinschaftliches  Band  gleich- 
bedeutend  mit   der  Gonstituierung   eines   Studium   generale  ^^'^). 


Ansichten  in  Betreff  der  Stiftbriefe  komme  ich  weiter  unten  zu  sprechen. 
Was  die  Entwicklung  der  Bedeutung  des  Ausdrucks  anbelangt,  so  kam 
Schulte  im  Archiv  fOr  kath.  Eirchenrecht  XIX,  24,  viele  Verstösse  abge- 
rechnet, der  Wahrheit  am  nächsten. 

^M)  De  l'organisation  de  Tuniversit^  de  Paris  p.  11  n.  4. 

105)  Die  innere  Verwaltung  II.  2,  107.  501.  Nur  Meiners  und  Hauts- 
Reicblin  waren  seine  Quellen. 

1^)  Im  Jahre  1365  erscheint  zum  wi.derholten  Male  in  den  deutschen 
Actenstacken  die  Wiener  Universität  betreffend  'hohe  Schule';  aber  wie  sich 
aus  einem  Vergleiche  derselben  mit  den  lateinischen  Originalien  ergibt,  nicht 
als  eigentliche  Widergabe  von  ' Studium  generale'.  So  viel  ich  urtheilen 
kann,  entstand  der  deutsche  Ausdruck  ganz  selbständig  und  unabhängig 
vom  lat  'Studium  generale',  wofür  man  'gemeine  schnol'  sagte. 

107)  jfetude  historique  sur  l'6cole  de  droit  de  Montpellier  (1877)  p.  11. 
Vgl.  auch  dessen  Eist  de  la  commune  de  Montpellier,  III,  2.  159. 


1.  Studinm.    Stadium  generale.  25 

Allein  durch  Vereinigung  mehrerer  Schulen  zu  einer  Schule  er- 
halten wir  noch  keineswegs  den  vollen  Begriff  eines  Studium  ge- 
nerale. Zudem  würde  aus  Germains  Behauptung  folgen,  die  C!on- 
stituierung  einer  Ciorporation  von  Lehrern  und  Schülern  mehrerer 
Schulen  sei  zugleich  die  Gonstituierung  eines  Studium  generale, 
während  wir  besonders  aus  dem  Beispiele  von  Orleans  lernen, 
dass  mit  dem  Begriffe  eines  Studium  generale  noch  nicht  der 
einer  Corporation  gegeben  war"*).  Die  stets  widerkehrenden 
Ausdrücke:  universitas  studii,  Studium  universitatis,  auf  die  ich 
sogleich  aufmerksam  machen  werde,  erweisen  dieselbe  Thatsache. 
Einen  bedeutend  grossem  Irrthum  schliesst  die  Behauptung 
in  sich,  'Studium  generale'  habe  die  Vertretung  aller  Wissen- 
schaften bezeichnet.  Sie  wurde  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  aus- 
gesprochen "'),  trotzdem  schon  Savigny  gegen  sie  polemisierte.  Man 
wäre  nie  auf  sie  verfallen,  hätte  man  den  Ausdruck  genetisch 
entwickelt  und  darauf  geachtet,  dass  wenigstens  den  Begriff  schon 
die  Rechtsschule  zu  Berytus  verdiente  und  dass  er  in  vollem 
Masse  auf  die  Rechtsschule  zu  Bologna  übergieng.  Gleichviel, 
ob  in  dem  Ausdrucke  das  Wort  'Studium'  für  'Unterricht'  oder 
für  'Lehranstalt'  genommen  wird:  er  war  nicht  von  der  Anzahl 
der  wissenschaftlichen  Fächer  bedingt.  So  finden  wir,  dass  Al- 
fonso  el  Sabio  in  seinen  Siete  Partidas  als  die  Fächer  eines 
Generalstadiums  die  artes  (die  er  noch  specialisiert)  und  das 
geistliche  und  weltliche  Recht  aufzählt"®);  er  übergeht  aber  die 

108)  So  sagt  z.  B.  Philipp  der  Schöne  in  Bezug  auf  die  üniyersit&t: 
nee  placeat  nohis  . . .  quod  doctores  et  scolares  studii  Aurelian.  nniversitatem 
habeant  nee  statu  universitatis  utantur,  ymmo  sicut  ah  olim  ihidem  extitit 
obserratum  tamquam  singulares  persone  morihus  et  scientia  laudahiliter  im- 
bnentnr,  nosque  pro  eorum  utilitate  et  dicti  studii  reformatione  gratias  et 
privilegia  etc.  Statutenbuch  im  Cod.  Yat.  Reg.  405  BL  31b  (J.  1312> 
ISRchi  das  Studium  generale  war  ihm  ein  Dom  im  Auge,  sondern  die  üni- 
Tersit&t  an  demselben,  diese  woUte  er  aufgehoben  wissen. 

109)  So  yertritt  sie  noch  Lusehin,  Oesterreicher  an  italienischen  üni- 
yersit&ten.  Wien  1882  S.  93.  Die  allgemeine  Quelle,  woraus  man  diesen 
Irrthum  schöpfte,  war  wie  immer  Meiners,  Gesch.  d.  Entstehung  etc.  lY, 
389.  Hartwig,  Aschbach,  Ennen  und  andere  widerholen  im  Grunde  nur  den- 
selben Irrthum,  worüber  unten  im  Abschnitte  über  das  Yerh&ltniss  der  üni- 
yersitftt  zu  den  Klosterschulen. 

110)  Las  siete  Partidas,  n.  tit.  31  ley  1. 


26  I-  Bezeiclmung  der  mittelalterlichen  Universität. 

Medicin  und  die  Theologie.  Dieselbe  Beobachtung  macht  man 
in  den  Stiftungsbriefen  der  einzelnen  Generalstudien.  Dort  be- 
gegnet uns  fortwährend  die  Phrase  in  der  einen  oder  andern 
Weise:  ut  in  eadem  villa  sit  Studium  generale  in  jure  cano* 
nico  et  civili,  in  artibus,  et  etiam  medicina  et  qualibet  alia  lici- 
ta  facultate,  oft  mi^  dem  Zusatz:  non  tarnen  theologia,  d.  h.  in 
dieser  Stadt  soll  ein  Generalstudium  in  jeder  Facultät,  oder 
im  Jus,  in  den  Artes,  in  der  Medicin  u.  s.  w.  sein"^).  Also  für 
jede  Facultät,  für  jede  Wissenschaft  konnte  ein  G^neralstudium 
gegründet  werden.  Darum  heisst  es  auch:  et  vigeat  Studium  ge- 
nerale in  theologica  facultate  ^*^).  Denselben  Sinn  haben  die 
Worte  in  dem  Schreiben  Urbans  IV.  v.  J.  1263,  womit  er  der 
Universität  Palen cia  zu  Hilfe  kommt:  scientiarum  Studium  gene- 
rale"*), d.  i.  ein  Generalstudium  für  die  Wissenschaften.  Wer 
sich  nur  immer  den  Begriif  eines  Generalstudiums,  wie  wir  ihn 


ui)  So  in  der  BuUe  fQr  Montpellier  y.  J.  1289:  indalgemus  ut  in 
dicto  loco  Bit  deinceps  Stadium  generale,  in  quo  magistri  doceant  et  scolares 
libere  Btudeant  et  audiant  in  quavis  licita  facultate.  13.  Nov.  1288  bitten 
die  H&upter  Portugals  den  hl.  Stuhl  um  ein  generale  Studium  literarum  in 
qualibet  facultate  in  Lissabon.  Fr.  Leitao,  Noticias  chronologicas  da  uniyer- 
sidade  de  Goimbra.  Lisboa  1729  p.  9.  So  heisst  es  auch  im  Statutenbuch 
der  Universität  Lerida  v.  J.  1300:  (Rex  Jacobus)  in  utroque  jure  canonico 
et  civili,  medicina,  philosophia  et  artibus  ac  aliis  approbatis  scientiis  quibus- 
cumque  Studium  in  dicta  civitate  Ilerdensi  instituit  generale.  YiUanueva, 
Yiage  literario  a  las  Iglesias  de  EspaBa.  XYI.  Madrid  1851  p.  207  f. 
Delfin  Humbert  11.  sagt  25.  Juli  1339,  Benedict  XII.  habe  erlaubt,  dass 
zu  Grenoble  essent  perpetuo  generalia  studia  in  utriusque  juris,  medicinae 
et  artium  facultatibus.  (Valbonnais)  Hist.  de  Dauphin6.  II.  Gen^ve  1722 
p.  412.  Clemens  YII.  sagt  28.  Nov.  1379  in  Bezug  auf  Perpignan,  dass  dort 
In  juribus  canonico  et  civili,  in  artibus  et  etiam  medicina  et  qualibet  alia 
licita  non  tamen  theologia  ein  Studium  generale  sei.  Aehnlich  auch  König 
Peter  v.  Aragonien  in  Bezug  auf  dasselbe  Studium.  Ms.  6537  zu  Perpignan. 
Ich  habe  hier  nur  seltenere  Actenstacke  angeführt.  Im  dritten  Abschnitte 
finden  sich  Beispiele  bei  jeder  Universität. 

^i>)  So  sagt  InnocenzYI.  21.  Juni  1360  in  Bezug  auf  Bologna,  ürbanY. 
14.  April  1363  in  Bezug  auf  Padua  (BuUen  im  BuU.  magn.  Rom.),  Martin  Y. 
17.  Dec.  1421  in  Bezug  auf  Montpellier  (bei  Germain,  Histoire  de  la  com- 
mune etc.  III,  p.  416),  Nicolaus  Y.  1447  in  Bezug  auf  Perpignan  (Mb.  1.  c.) 
n.  8.  w. 

113)  BulL  Born.  ed.  Taurin.  UI,  296. 


1.  Stndiam.    Studium  generale.  27 

oben  entwickelt  haben,  gegenwärtig  hält,  wird  dies  begreiflich 
finden. 

Ans  der  gegentheiligen  Ansicht  würde  übrigens  folgen,  dass 
es  im  Mittelalter  bis  zur  zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs.  nur  wenige 
Generalstudien  gab,  und  von  den  vier  Weltstudien*"),  Paris,  Bo- 
logna, Oxford  und  Salamanca  höchstens  Oxford  diesen  Namen 
verdiente.  Bis  zur  2.  Hälfte  des  14.  Jhs.  und  noch  länger  war 
nämlich  von  den  meisten  Hochschulen  die  Theologie  ausgeschlossen, 
wie  sich  im  Verlaufe  des  Werkes  ergeben  wird.  Bologna  aber  hatte 
bis  1360,  Salamanca  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs.  keine  Theologie, 
Paris  aber  ermangelte  von  1219  bis  in  das  17.  Jh.  des  Studiums 
des  weltlichen  Rechts.  Und  trotzdem  war  jede  jener  Lehran- 
stalten ein  Generalstudium  im  vollen  Sinne  des  Mittelalters,  und 
es  fiel  niemand  bei  daran  zu  zweifeln.  Wenn  daher  Döllinger 
sagt:  ^Und  doch  war  auch  Paris  keine  Universität  im  vollen,  im 
jetzigen  deutschen  Sinne'"*),  und  die  übrigen  Schulen  Frank- 
reichs nur  Specialschulen  nennt"*),  so  ist  allerdings  wahr,  dass 
weder  Paris  noch  die  meisten  der  mittelalterlichen  Generalstudien 
Universitäten  nach  jetzigem  deutschem  Begriffe  waren,  aber  es  ist 
falsch  zu  behaupten,  sie  seien  keine  Universitäten  oder  vielmehr 
Generalstndien  im  vollen  Sinne  gewesen,  denn  sie  waren  dies  in 
jenem  des  Mittelalters.  Später  griff  eine  andere  Auffassung  Platz  "^). 


1^^)  Auf  dem  Goncil  von  Yienne  wurden  für  das  Stadium  an  der  Curie 
(nicht  flir  das  Generalstudium  in  Rom,  wie  so  häufig  gesagt  wird),  in  Paris, 
Oxford,  Bologna  und  Salamanca  Lehrkanzeln  für  die  orientalischen  Sprachen 
Torgeschrieben,  dem.  V,  1.  In  Folge  davon  betrachtete  man  die  vier  zu- 
letzt genannten  Studien  als  Weltstudien,  wie  aus  Martins  Y.  Constitution  für 
Salamanca  vom  J.  1422  hervorgeht  (nos  ob  id  Studium  Salamantinum,  quod 
unnm  de  quatuor  orbis  generalibus  studiis  ex  dispositione  apostolica  in  re- 
gione  ispanica  eelebri  fama  resplendet  etc.).    Original  im  Univers.-Archiv  zu 

u&)  Die  Universitäten  sonst  und  jetzt.    München  1867.    S.  6. 
u«)  Ibid.  a  11. 

u^  Zwei  Jahrhunderte  vor  uns  urtheilte  man  viel  richtiger.  Bebuff  z.  B. 
sagt:  Non  minus  dicitur  universitas,  etiamsi  omnes  facultates  non  sint  con- 
cessae  ibidem.  Tract  varii  in  tract  Nominat.  qu.  6  n.  13  p.  118  ed.  Lugd. 
1600.  Petrus  Oregorius  aber  meint :  Neque  ideo  minus  studia  generalia  dicentur 
antUniversitates,  quod  non  onmes  scientiae  ibisedcertae  tantum  tractentur 


28  I-  Bezeicliniing  der  mittelalterlichen  üniyersit&t 

Aufgabe  des  Forschers  ist  es  daher,  sich  zuerst  über  die  Begriffe 
klar  zu  werden  ^^')  und  die  Zeiten  und  Jahrhunderte  zu  scheiden. 
Ein  umstand  darf  jedoch  hier  nicht  übersehen  werden,  dass 
man  nämlich  auch  im  Mittelalter  häufig  darnach  strebte  an  einer 
Lehranstalt  alle  Wissenschaften  vertreten  zu  sehen.  Die  Aeusse- 
rung  Savignys,  die  Gesammtheit  der  Wissenschaften  habe  man 
im  Mittelalter  nicht  als  die  Hauptsache  bei  einer  Hochschule  be- 
trachtet^^'), ist  irreführend.  Man  hat  sie  allerdings  nicht  als 
die  Hauptsache,  wohl  aber  sehr  oft  als  einen  wünschenswerthen 
Factor  angestrebt.  Bereits  Friedrich  H.  wollte  1224,  dass  am 
Studium  in  Neapel  doctores  et  magistri  in  qualibet  facultate 
seien,  denn  es  sollten  dort  'cuiuscunque  professionis  vigere  stu- 
dia\  damit  die  Wissbegierigen  4n  ipso  regno  inveniant,  unde  ip- 
sorum  aviditati  satisfiat  neque  compellantur  ad  investigandas 
scientias  peregrinas  nationes  expetere'  ^'^).  Auch  Alfonso  el  Sabio 
wünschte  für  das  Generalstudium  Lehrer  in  jeder  Wissenschaft, 
trotzdem  er  dies  nicht  zum  Begriffe  derselben  für  nothwendig 
hält,  wie  wir  gesehen  haben,  und  nur  für  den  Fall,  als  dies  nicht 
geschehen  könne,  sollten  immer  wenigstens  Lehrer  der  Gramma- 
tik, Logik,  Rhetorik  und  der  Rechtswissenschaft  angestellt  sein^'^). 
Was  offenbart  femer  die  in  den  Stiftungsbriefen  sich  fortwährend 


et  doceantor,  namque  generalitas  ad  üniTersitatem  non  pertinet  sed  ad  pnbli- 
cam  causam  docendi.  L.  c.  Tom4s  Franco  aber  schreibt  in  der  tasserst 
seltenen  Schrift:  Defensa  por  la  oniversidad  de  santo  Tom&s  de  Sevilla  (nur 
20  Blätter)  Bl.  16:  Qne  hay  mnchas  y  muy  graves  nniversidades,  en  qne  no 
se  16en  todas  las  facoltades  referidas  en  la  ley  de  Parttda  (des  Alfonso  el 
Sabio),  und  er  zählt  auf  Alcal4  de  Henares,  SigQenza,  Ebora,  Braga.  Yom 
Studium  zu  Paris  aber  meint  er:  qne  es  tan  nombrado  y  universidad  tan 
iUustre  no  se  16en  leyes.    Die  Schrift  erschien  Sevilla  1656. 

11^)  Und  dass  sich  Döllinger  aber  den  Begriff  eines  'Studium  generale' 
nicht  klar  war,  das  beweist  eine  Phrase  ib.  S.  5:  Die  Pariser  Hochschule 
wuchs  anfangs  als  Studium  generale ,  dann  als  Universitas  zu  der  mächtig- 
sten aUer  Corporationen  empor.  D.  h.  die  Pariser  Hochschule  wuchs  als 
Lehranstalt,  später  als  Corporation  zur  mächtigsten  Corporation  empor.  So 
geht  es,  wenn  man  über  Dinge  schreibt,  deren  Begriffe  man  nicht  kennt. 

W9)  A.  a.  0.  S.  414. 

iw)  Huill.-Br6holl.  H.  450. 

1»)  Las  siete  Partidas  II,  üt.  31  ley  3. 


2.  üniversitas.    Gymnasium.  29 

widerholende  Phrase,  das  Studium  generale  sei  erlaubt  ^in  qua- 
yis  licita  facultate'^''),  anders,  als  die  Erlaubniss  ein  Studium 
fOr  jede  Wissenschaft  einrichten  zu  können?  Dies  war  auch  sehr 
häufig  der  Wunsch  derjenigen,  welche  sich  um  Bewilligung  eines 
Generalstudiums  an  den  Papst  oder  an  den  Fürsten  wandten. 
Von  der  Mitte  des  14.  Jhs.  ab  wird  dies  gang  und  gäbe.  Den 
modernen  Begriff  einer  Hochschule  oder  Universität  hat  also  das 
Mittelalter  eingeleitet.  Hüten  muss  man  sich  jedoch,  in  dem 
mittelalterlichen  Begriffe  eines  Studium  generale  die  Vertretung 
aller  Wissenschaften  zu  suchen"*). 

2.  Üniversitas.    Aoademia.    Gymnasium. 

Der  landläufige  Ausdruck  für  Hochschule  ist  heutzutage 
^Universität'.  Nicht  weniger  häufig  begegnen  wir  demselben  im 
Mittelalter.  Und  doch  verband  man  damals  mit  ihm  einen  von 
dem  heutigen  ganz  verschiedenen  Begriff.  Dem  mittelalterlichen 
Begriffe  liegt  der  des  Ciorpus  juris  civilis  zu  Grunde,  wonach 
'üniversitas'  ähnlich  wie  'corpus'  im  Sinne  von  corporativer  Ver- 
bandseinheit gebraucht  wurde"*).  Weiter  ausgebildet  wurde 
dieser  Begriff  durch  die  Glossatoren,  die  zumeist  in  demselben 
Sinne  wie  üniversitas  und  corpus  die  Ausdrücke  coUegium  und 
societas  nahmen.     Am  bekanntesten   wurde   die  Definition  des 


^  Die  'illicita'  facultas  oder  Wissenschaft,  z.  B.  Ma^e,  Astrologie 
IL  8.  w.  wurde  in  p&pstlichen  Stiftbriefen  immer  ausgeschlossen. 

^^)  Allerdings  darf  man  sich  hierin  widerum  nicht  auf  L.  v.  Stein  ver- 
lassen,  der  aus  Friedrichs  IL  Stiftungsbrief  (1)  der  ersten  Wiener  Kathedral- 
schnle  yom  J.  1237  die  Worte  anführt,  er  errichte  nicht  'aliquod  Studium 
generale  omnium  facultatum'  (1.  c.  S.  498),  woraus  folgen  würde,  dass  be- 
reits in  der  1.  Hälfte  des  13.  Jhs.  die  Vertretung  aller  Wissenschaften  in 
dem  Begriffe  'Studium  generale'  eingeschlossen  war.  Die  Worte  kommen 
aber  nicht  im  PriTÜegienbriefe  vor,  sondern  sie  gebraucht  im  17.  Jh. 
Lambecins,  den  Schlikenrieder,  Chronologia  Diplom,  celeb.  et  antiquiss.  üni- 
Ters.  (Yindobon.  Vienna  1753)  p.  166  anführt  Stein  verwechselte  bloss 
Lambecins  mit  Kaiser  Friedrich  IL  Dieser  jedoch  sagt  nur:  Yolentes  et 
commodo  studio  provideri,  per  quod  prudentia  docetur  in  populis  . . .  po- 
teatatem  damus  etc.    L.  c.  p.  4.    S.  Httill.-Br6hoU.  Y,  57. 

^  S.  OierkOi  Das  deutsche  Genossenschaftsrecht  III,  142. 


80  ^'  Bezeichnimg  der  mittelalterlichen  üniyersit&t. 

Hugolinas:  universitas  est  plurium  corporum  coUectio  inter  se 
distantium  uno  nomine  specialiter  eis  deputato^'^). 

Nun  ist  es  doch  klar,  dass  der  Ausdruck  ^universitas'  nichts 
weniger  denn  eine  Lehranstalt  oder  Hochschule,  sondern  über- 
haupt jeden  organisierten  menschlichen  Verband  bezeichnete.  Die 
universitas  magistrorum  oder  scholarium,  d.  h.  die  corporative 
Verbandseinheit  der  Professoren  und  Scholaren  ist  nur  eine  Spe- 
cies  des  allgemeinen  Gattungsbegriffes. 

So  erklärt  sich  der  durch  das  Mittelalter  herrschende  Sprach- 
gebrauch und  die  Ausdrucksweise  'universitas  studii\  Die  Uni- 
versität war  an  der  Schule  oder  dem  Generalstudium.  Schon 
Alfonso  el  Sabio  sagte:  universidad  del  estudio  de  Salamanca "*). 
Dieser  Sprachgebrauch  hatte  sich  an  allen  Hochschulen,  wo  Cor- 
porationen  bestanden,  eingebürgert.  Beispiele  bietet  der  Verlauf 
des  Werkes  in  Menge'").  Daneben  erscheint  mehrere  Male  die 
Bezeichnung  'Studium  universitatis',  am  frühesten  bei  Johann  de 
Garlande  "'),  und  noch  spät  bei  König  Ludwig  v.  Frankreich  im 
J.  1369  für  das  Generalstudium  zu  Gabors  und  in  einem  Schreiben 
des  Gegenpapstes  Benedict  XHI.  für  Salamanca  ^'*).  Mit  der 
ersteren  Bezeichnung  fällt  zusammen  'Studium  ac  ejus  universi- 
tas''••). 

1*^)  Samma  digest.  3,  4  in  summa  Azonis,  Venetiis  1581  p.  1156.  Diese 
Frage  wird  überhaupt  yon  den  Glossatoren  und  den  spätem  Legisten  eu 
Dig.  3,  4  (Quod  eutto^u«  wntverntatü)  erörtert.  S.  auch  Gierke  L  c.  S.  193, 
wo  die  Materie  grftndlich  erschöpft  wird.  Die  Ganonisten  des  13.  Jhs.  hatten 
keine  andere  Auffassung.    S.  Gierke  S.  247  f. 

i>6^  In  Memoria  sobre  el  estado  de  la  instruccion  en  esta  (Salamanca) 
nniyersidad  1882  p.  132. 

^^)  um  so  auffallender  ist  es,  wenn  Meiners,  IV,  388,  Hautz,  Gesch.  der 
üniv.  Heidelberg,  I,  101,  Muther,  Zur  Gesch.  der  Rechtswissenschaft  S.  280 
behaupten,  erst  seit  Ende  des  14.  Jhs.  sei  obige  Phrase  entstanden  und  be- 
deute die  universitas  magistrorum. 

IM)  De  misteriis  ecclesie.    Im  Cod.  546   zu  Brfigge  findet  sich  der 

Text  mit  Glosse  : 

universitatis 

conscripsere  manus  Studium  quo  tempore  mortem. 

iW)  Ordonnances  des  roys  de  France,  Y,  329.  Benedicts  XIII.  Schreiben 
vom  16.  März  1416  im  Universit&tsarchiT  zu  Salamanca. 

1^)  Z.  B.  in  Schreiben  Johann  XXIL  f&r  Gahon  in  den  Statuta  acade- 
miae  Cadurcensis  (s.  a.)  p.  6. 


2.  üniversitas.    Gymnasiiim.  31 

Gleichwie  die  Schulen  von  Paris  und  Bologna  am  frühesten 
Gorporationen  erhielten,  so  begegnet  man  auch  am  frühesten  in 
den  Urkunden  jener  Schulen  der  Bezeichnung  ^üniversitas',  me 
der  zweite  Paragraph  lehren  wird.  Es  ist  gerechtfertigt  den 
Bestand  beider  Hochschulen  seit  jener  Zeit  zu  datieren,  in  welcher 
sie  ^universitates'  erhielten,  wenngleich  bereits  vorher  blühende 
Schulen  dort  existierten. 

Üniversitas,  corpus,  coUegium,  societas,  communio,  consor- 
tium  begegnen  uns  in  den  Universitätsacten  so  ziemlich  in  dem- 
selben Sinne.  Allein  in  Acten,  welche  sich  auf  die  Universität 
Paris  beziehen,  findet  sich  nicht  selten  'üniversitas'  noch  verstärkt 
oder  näher  präcisiert.  So  sagen  die  Professoren  in  der  Littera 
vom  J.  1254,  ihre  Vorfahren  hätten  ab  utroque  principe  ein  'cor- 
pus coUegii  sive  universitatis'  erlangt^").  Das  Moment  der  Ein- 
heit sollte  dadurch  mehr  hervorgehoben  werden.  Andere  Male 
finden  sich  die  Bezeichnungen  'universitatis  consortium'  ^^'),  'uni- 
versitatis coUegium'  ^").  Der  Ausdruck  'üniversitas'  schien  manch- 
mal abgeschwächt,  und  man  verstärkte  ihn  auf  die  eben  genannte 
Weise.  Auch  wurde  dadurch  der  'Universitätsverband'  viel  besser 
bezeichnet  als  durch  den  einfachen  Ausdruck  'üniversitas'.  Lmo- 
cenz  m.  gebrauchte  auch  hiefür  'communionis  vestrae  consor- 
tium' "^).  'CoUegium'  nahm  daneben  sehr  häufig  die  Bedeutung  einer 
Verbindung  für  sich  innerhalb  der  Universität  an,  so  z.  B.  in 
Bezug  auf  die  GoUegia  magistrorum  an  den  verschiedenen  Hoch- 
schulen, wenngleich  der  Ausdruck  meist  identisch  mit  'üniversi- 
tas' gebraucht  wurde.  Die  Bedeutung  von  'simul  cohabitantes' 
nahm  er  an  bei  den  GoUegia  pauperum  scholarium,  und  bei  den 


131)  Bei  Du  Boulay  IH,  255. 

13^  So  widerholt  in  Schreiben  Innocenz  lY.  S.  die  Schreiben  von 
mir  ediert  in  den  M^moires  de  la  societ^  de  l'histoire  de  Paris  X,  254  ff. 
Alezander  lY.  bei  Du  Boulay  lü,  283. 

1»)  Alezander  lY.  gebrauchte  in  der  Streitfrage  um  die  Wideraufoahme 
der  Dominicaner  in  den  UniTersit&tsverband  fast  durchgehends  obige  Phrase. 
Man  Tgl.  hier  nur  M6moires  etc.  p.  266.  Ebenso  Humbert  (Archives  de 
Dgon.  H.  221).  Weitere  Beispiele  für  beide  Bezeichnungen  folgen  unten  im 
Abschnitte  über  die  Gorporationen. 

134)  Bei  Du  Boulay  III,  61. 


32  I-  Bezeichnnng  der  mittelalterlichen  Universit&t. 

in  einem  Hause  zusammenlebenden  studierenden  Ordensmitgliedern 
an  einer  Universität*"). 

Der  Ausdruck  'universitas'  wurde  nicht  bloss  auf  die  Ge- 
sammtheit  der  Magister  und  Scholaren,  oder  auf  die  einen  oder 
andern  allein  angewendet,  sondern  auch  auf  die  Mitglieder  einer 
einzigen  Facultät.  In  Paris  werden  die  Artisten  so  unter  einem 
Gesichtspunkt  aufgefasst,  und  nicht  weniger  auch  die  Theologen. 
Das  eigentliche  Moment  im  Begriffe  von  'universitas'  blieb  aber 
immer  das,  die  Gesammtheit  der  Magister  und  Scholaren  an  einer 
Hochschule  zu  bezeichnen,  und  darum  wurde  er  ebenso  in  Bo- 
logna, wo  anfänglich  nur  Scholarenverbindungen  bestanden,  wie 
in  Paris,  wo  die  Magistri  die  Verbindung  eingiengen,  gebraucht 
Hier  wie  dort  finden  wir  die  Bezeichnung  'universitas  magistro- 
rum  et  scholarium'*").  Treffend  bezeichnete  dies  Alexander  IV. 
mit  den  Worten,  er  verstehe  'universitatis  nomine . . .  omnes  ma- 
gistros  et  scholares  commorantes  Parisius,  cuiuscunque  societatis 
seu  congregationis  existant' "').  Die  Phrase  *universitas  magis- 
trorum  et  scholarium'  für  sich  allein  genommen  erklärt  uns  eben- 
so wenig  die  Verfassung  einer  Hochschule  wie  die  Bezeichnung 
*universitas  scholarium'  allein.  Die  erstere  wurde  auch  dort  an- 
gewendet, wo  nur  universitates  scholarium  bestanden,  die  letztere, 
wo  die  Macht  bei  den  Magistri  lag.  Die  Verfassung  muss  man 
aus  andern  Momenten  erschliessen  "*). 

Nach  dem  Gesagten  bedarf  es  keines  Beweises  mehr  dafür, 
dass  der  Ausdruck  'universitas'  im  Mittelalter  niemals  die  Ge- 
sammtheit der  Wissenschaften  bezeichnete,  wie  manchmal  behauptet 


is5^  Gierke  1.  c.  S.  193  nennt  freilich  diese  Unterscheidung  willkOrUch; 
aUein  es  handelt  sich  hier  um  das  Thats&chliche,  nicht  darum,  ob  man  Recht 
hatte  solche  Unterscheidungen  aufzusteUen. 

i36j  In  Bezug  auf  Paris  begegnen  wir  fortwährend  dieser  Phrase;  in 
Bezug  auf  Bologna  bringe  ich  weiter  unten  Belege. 

IST)  BipoU,  BuU.  Ord.  Praed.  I,  291. 

188)  Ganz  irrig  ist  es  deshalb  mit  Prantl,  Gesch.  der  Ludwigs-Mazimi- 
lians-Universitftt  I,  26  zu  behaupten,  ursprünglich  habe  die  ganze  Richtung 
zur  uniyersitas  doctorum  et  scholarium,  d.  h.  zur  Vereinigung  der  Nationen 
und  Facult&ten  hingedrängt;  der  Entwicklungsgang  habe  folgerichtig  zur 
uniyersitas  doctorum,  d.  h.  zum  Facultätensystem  gefOhrt.  Prantl  war  sich 
über  die  Begriffe  der  einzelnen  Ausdrücke  und  Bezeichnungen  nicht  klar. 


2.  üniversitas.    Gymnasium.  33 

wurde"').  Diese  Bedeutung  wäre  auch  dann  ausgeschlossen,  wenn 
'aniyersitas'  die  Lehranstalt  bezeichnet  hätte.  Solche  Deutungen 
sind  nur  bei  gänzlicher  Unkenntniss  des  mittelalterlichen  Sprach- 
gebrauches möglich"^). 

Das  Epitheton  'alma'  bei  Universitas  (alma  universitas)  fand 
ich  nicht  vor  dem  14.  Jh.  ^^^).  Diese  Ausdrucksweise  stammt 
ebenfalls  aus  dem  politischen  Leben  '^').  Die  Bezeichnung  ^mater 
universitas'  begegnet  uns  schon  früher.  Wenigstens  findet  sich 
circa  1300  in  einer  Ordinatio  der  Oxforder  Magistri  die  Stelle: 
huiusmodi  igitur  damnis  et  gravaminibus  volens  mater  Univer- 
sitas consultius  ocurrere  ...  ordinavit  etc."').  Ohne  Zweifel 
wurde  diese  Bezeichnung  schon  früher  angewendet.  Abgesehen 
davon,  dass  sowohl  in  Oxford  als  in  Cambridge  das  Buch,  in  das 
die  Namen  der  Schüler  eingeschrieben  wurden,  dem  anderwärts 


^^)  So  sagt  z.  B.  Dulaure  in  Histoire  de  Paris  1834  III,  6,  unter 
Ludwig  XI.  hätten  die  Schalen  zu  Paris  den  Titel  üniversit&t  erhalten,  'mot 
qai  flignifiait  l'oniyersalit^  des  sciences  enseign^es  dans  ces  6coles.'  Solche 
Aufstellungen  bekämpfte  bereits  Sayigny  III,  413. 

^^0)  Auf  ähnlicher  Unkenntniss  des  mittelalterlichen  Sprachgebrauches 
beruht  die  Behauptung  Hubers  (Die  engl,  ünivers.  I,  24),  die  mittel- 
alterliche Universität  sei  in  jener  Zeit  universitas  lüeraria  genannt  worden, 
was  ebenso  irrig  ist,  als  seine  andere,  sie  habe  den  Namen  Academia  erhalten. 
Weit  schlimmer  steht  es  aber  mit  Zärate,  der  (De  la  instruccidn  publica  en 
Espana.  Madrid  1855  II,  184.  Anm.  2)  es  auffallend  findet,  dass  Alexander  lY. 
für  Salamanca  zwar  den  Ausdruck  'Studium  generale',  nicht  aber  'el  nombre 
de  universidad'  gebrauche. 

^^)  1337  findet  es  sich  auf  Orleans  angewendet.  Statutenb.  Cod.  Yat. 
Beg.  405  Bl.  45  b.  Ebenso  in  den  Acten  der  Univers.  Heidelberg  i.  J.  1386. 
Haatz-Beichlin  1.  c.  II,  330.  In  Oxford  im  J.  1407.  Munimenta  acad.  Oxon.  I, 
237.  239.  In  einem  Actenstacke  v.  27.  Juni  1292  wird  die  Universität 
Paris  'venerabilis'  genannt.    Du  Boul.  III^  503. 

^^)  So  wird  z.  B.  die  Gemeinde  Lubecensis  widerholt:  alma  nostra 
nnivenitas,  genannt  Ms.  260  Bodl.  Laud.  Mise.  14.  Jh.  'Alma  urbs'  war 
schon  längst  von  Justinian  im  Cod.  De  novo  cod.  fac,f  De  JusUnianeo  cod. 
Joe  and  Dig.  vet  Const.  Ontna»  §  10  u.  s.  w.  gebraucht.  Diese  Anwen- 
dung des  Epitheton  ist  die  ursprflngliche,  die  Anwendung  desselben  auf  die 
Corporationen  und  Gemeinden  aber  erst  übertragen. 

1^)  Munimenta  academica  1.  c.  p.  77.  Dieses  Epitheton  erhält  1369 
auch  die  Universität  Paris  von  den  Mönchen  von  S.  Germain*des-Pr6s.  Du 
Boulay,  M6m.  bist  sur  le  Pr6-aux-Glercs  p.  136  1 

DeaifU,  Dl«  Unironititeii  I.  3 


34  I-  BezeichBnng  der  mittelalterlichen  UniTersitAt. 

herrschenden  alten  usus  zufolge  bereits  in  der  2.  Hälfte  des 
13.  Jhs.  mit  matricula  bezeichnet  wurde  ^^O«  nannte  InnocenzIV. 
schon  früher  die  'communio'  der  Magistri  und  Scholaren  zu  Ox- 
ford ^foecunda  mater',  die  ^de  utero  suo  filios  producit  ad  justi- 
tiam  eruditos'  ^*^).  Ein  Jh.  später,  im  J.  1342,  betrachtete  König 
Eduard  III.  von  England  die  Universitas  Cantebrigiae  als  mater 
et  propagatrix  studentium  peritorum^^*).  So  entstand  nach  und 
nach  die  Bezeichnung:  Alma  Mater.  In  den  Statuten  von  Wien 
vom  J.  1389  wird  die  Pariser  Universität  so  genannt**'),  und  in 
jenen  der  Universität  Köln  v.  J.  1392  heisst  es:  ut  alma  mater 
nostra  Universitas  studii  Goloniensis  suos  veros  filios  ab  adulte- 
rinis  valeat  discemere  etc.*").  In  einem  Statute  der  Oxforder 
Artisten  v.  J.  1408:  nostra  mater  Oxoniae  Universitas  et  prae- 
cipue  ipsa  artium  facultas^").  Und  in  einem  Statute  v.  J.  1411: 
coram  D.  Cancellario  hujus  almae  Universitatis  matris  nostrae*^**). 
Universitas  wird  an  keiner  dieser  Stellen  für  Hochschule  genommen, 
sondern  für  Lehrkörper,  was  besonders  aus  dem  Kölner  und  dem 
nächstfolgenden  Oxforder  Statut  erhellt,  so  dass  also  wie  schon 
in  dem  oben  angezogenen  Schreiben  Innocenz  IV.  die  Corporation 


IM)  In  Bezug  auf  Oxford  sagt  dies  Rishanger,  De  bellis  Lewes  etEves- 
ham  ed.  Halliwell.  London  1840  p.  22  zum  J.  1264,  als  die  Universität  nach 
Korthampton  auszog:  Erat  enim  clericomm  numerus  quorum  nomina  scripta 
fnerunt  in  matriculis  rectomm  excedens  XYM.  In  Bezug  auf  Cambridge 
kommt  dies  in  einem  Schreiben  des  Bischofs  Hugo  Ton  Ely  t.  J.  1276  vor. 
FuUer,  The  history  of  the  university  of  Cambridge  ed.  Wright.  Cambridge 
1840  p.  50. 

^^)  Munimenta  academica  I,  27.  Das  Schreiben  ist  TOn  2.  Non.  Octo* 
bris  anno  12,  also  Tom  6.  Oct.  1254.  Komisch  genug  macht  der  Heraus- 
geber Anstey  wie  hier  so  auch  bei  andern  Schreiben  desselben  Jahres  ein 
Fragezeichen  zu  1254. 

U6)  Dyer,  The  Priyileges  of  the  university  of  Cambridge.  London  1824 
I,  74.  Auch  Kurfürst  Ruprecht  I.  nannte  1386  die  universitas  omnium  fa- 
cultatum  'mater'.    Bei  Hautz-Reichlin  1.  c.  II,  315. 

i«7)  Bei  Kink  II,  93. 

1^)  Bei  Bianco,  Die  alte  üniversit&t  KOln.  1856.  L  Anlagen  S.  8. 
Schmitz,  Mittheilungen  aus  Akten  der  üniversit&t  Cöln.  Programm  des 
Kaiser  Wilhelm-Gymnasiums  1879.  S.  25. 

148)  Munimenta  academica  I,  241. 

iw)  L.  c.  260. 


2.  Univenitas.    Gymnasinm.  35 

als  mater  bezeichnet  wurde '^^).  Dann  scheint  sich  noch  hie  und 
da  ^ahna'  nicht  auf  ^mater\  sondern  auf  Universitas,  z.  B.  im 
Kölner  Statute  (alma,  mater  nostra,  Universitas) ,  bezogen  zu 
haben.  Später  verband  man  'alma'  durchaus  mit  'mater',  da  ja 
der  Ausdruck  'alma  mater'  aus  der  Liturgie  und  dem  can.  Becht 
bekannt  war^'^'),  und  bezog  ihn  auf  die  Universität  als  Lehran- 
stalt. Dies  der  Ursprung  unserer  Bezeichnung  'alma  mater'"*»). 
Fragt  man  nun,  wie  es  kam,  dass  später  'universitas'  im 
Sinne  von  Hochschule  oder  der  Gesammtheit  verschiedener  Fa- 
cultäten  genommen  wurde,  so  ist  es  nicht  so  schwer  darauf  zu 
antworten.  Bereits  im  13.  Jh.  begegnet  der  Ausdruck  'universitas' 
öfters  in  einer  Satzverbindung,  in  der  man  bisher  nur  'Stu- 
dium' im  Sinne  von  Lehranstalt  gebrauchte,  z.  B.  'existens  in 
universitate"'^^.  Dies  hieng  damit  zusammen,  dass  man  schon 
früher  promiscue  z.  B.  'Universitas  Oxoniensis'  mit  'Studium 
Oxoniense'  anwendete  ^'^O.  Manchmal  werden  scheinbar  beide 
Bezeichnungen  geradezu  identificiert"^),  wenngleich  sich  ihre  Be- 
griffe noch  keineswegs  deckten.  Am  auffälligsten  ist  dies  in 
Phrasen  wie  'delicta  in  universitate  Oxoniae  perpetrata' *")  oder 
'in  universitate  cursus  legere',  'in  universitate  Oxoniae  studere'  *"). 
Es   ist   nicht  zufallig,   dass  in  Oxford  'universitas'  ebenso  wie 


1^^)  So  sagte  man  auch:  Matricula  nniversitatis  studii.  Vgl.  die  Erfurter 
Matrikel  bei  Weissenbom  1.  c.  S.  32.  Matricula  scolarium  et  universitatis 
Bcolarinm,  in  Perugia  vom  J.  1339,  s.  Padelletti,  Archiv,  giurid.  Y,  501. 

^^')  Wer  kannte  nicht  z.  B.  die  Antiphon:  Alma  redemptoris  mater? 
Oder  den  Hymnus:  Ave  maris  Stella,  Dei  mater  alma?  Hieher  gehört  auch 
die  3.  Antiph.  zur  Landes  am  Feste  des  hl.  Thomas  v.  Aquin  aus  der 
1.  HUfte  des  14.  Jhs.:  Alma  mater  ecclesia.  So  beginnt  aber  auch  eineDe- 
cretale  Boni£u  YIII.  (in  YL  5,  11). 

1^**)  Der  Ausdruck  wird  falsch  entwickelt  von  Zamcke  (Urkundliche 
Quellen  S.  515),  wenn  er  meint,  die  Artistenfacultät  sei,  weil  fnndamentum, 
'alma  mater'  gewesen. 

i^s)  z.  B.  Mun.  acad.  Oxon.  I,  57. 

IM)  Ibid.  p.  25. 

1^)  So  sagt  Clemens  Y.  am  13.  Juli  1312  für  Dublin,  der  Erzbischof 
habe  berichtet,  in  jenen  Gegenden  sei  keine  'scolarium  universitas  vel  Stu- 
dium generale'.    Reg.  Yat.  an.  7  ep.  934  Bl.  196  b. 

^  Aus  dem  J.  1279  in  Mun.  acad.  I,  39. 

1^7)  Aus  dem  J.  1306  und  1311.    Ibid.  p.  87.  88  u.  s.  w. 

3* 


36  I*   Bezeichnung  der  mittelalterlichen  üniTersit&t. 

'Studium'  die  Präcisierung  'generalis'  erhielt"').  In  Deutschland 
herrschte  vom  Anfange  an  dieser  Gebrauch.  Karl  IV.  gebrauchte 
1355  in  einem  und  demselben  Actenstücke  'in  studio  Pragensi 
actu  legere'  und  'in  universitate  Pragensi  actu  legere'"'), 
ja  man  findet  bei  ihm  beide  Ausdrücke  schon  identificiert"^). 
Man  setzte  also  den  einen  Ausdruck  für  den  andern,  bis  endlich 
in  der  Auffassung  sich  auch  die  Begriffe  deckten,  was  Ende  des 
14.  und  Anfangs  des  15.  Jhs.  bereits  vollendete  Thatsache  war. 
'Universitas'  im  heutigen  Sinne  von  'Studium  generale'  oder  'Gre- 
sammtheit  der  Facultäten'  ist  nicht  romanischen,  sondern  ger- 
manischen Ursprungs.  In  Italien,  Frankreich  und  Spanien  war 
der  ursprüngliche  Begriff  von  'universitas'  immer  zu  lebendig, 
wogegen  nichts  verschlägt,  dass  man  sehr  frühe  z.  B.  'universitas 
Parisiensis'  sagte,  wobei  ja  immer  der  ursprüngliche  Sinn  durch- 
leuchtete. 

Thujrot  meint ^•*),  die  Pariser  Universität  sei  auch  Acade- 
mia  Parisiensis  genannt  worden,  und  zwar  in  einem  Schreiben 
Alexanders  IV.  v.  J.  1256.  Diese  Behauptung  wurde  schon  früher 
aufgestellt"*),  und  bis  in  die  neueste  Zeit  nachgeschrieben"*). 
Indess  wurden  alle  durch  Du  Boulay  irre  geführt.  Allerdings 
heisst  es  in  der  erwähnten  Bulle  bei  ihm:  convenit  quidem,  ut 
ad  ipsius  Universitatis  conservationem  . . .  totius  diligentiae  Stu- 
dium impendamus,  quatenus  Academia  Parisiensis  apostolica  so- 


1^)  Reg.  Suppl.  Clem.  VI.  an.  1  p.  2  Bl.  164  b  in  der  Supplik  der  Anla 
Balioly  heisst  es,  dass  zu  Oxford  <  universitas  scolarium  viget  generalis'. 

1^9)  Beg.  Suppl.  Giern.  VI.  an.  11.  Bl.  15  b  (im  zweiten  Theil,  wo  Sup- 
pliken aus  dem  3.  Jahre  Innocenz  VI.).    8.  unten  unter  Universität  Prag. 

i60j  In  einem  Schreiben  an  ein  Capitel  sagt  er:  . . .  ut  universitas 
nostra  (Pragensis)  eisdem  successoribus  gaudeat,  quibus  Parisiensis  etOxo- 
niensis  studia  gloriantur,  presertim  cum  idem  nostrum  Pragense  Stu- 
dium adeo  ...  privilegiatum  existat  etc.  Hoffmanns  Sammlung  ungedruckter 
Urkunden  II,  222. 

*6i)  De  l'organisation  de  l'universit^  de  Paris  1.  c. 
162)  So  von  Huber,  Die  englischen  Universitäten  I,  24. 

i63j  Paalscn,  in  Sybels  Hist  Zsch.  1881.  S.  386.  Meiners  und  seine 
Qopisten  hatten  hier  die  richtigere  Ansicht,  wohl  nur  deshalb,  weil  ihnen 
die  Stelle  bei  Du  Boulay  entgieng. 


2.  üniyersitas.    Gymnasium.  37 

licitudine  . . .  solida  permaneat  ^^*).  Doch  der  Ausdruck  ^aca- 
demia  Parisiensis'  wurde  von  Du  Boulay  selbst  eigenmächtig  zur 
Verdetttlichung  von  'universitas'  eingefügt*").  Es  wäre  doch 
auch  merkwürdig  genug,  dass  der  Pariser  Universität  einmal  diese 
Bezeichnung  sollte  beigelegt  worden  sein,  um  dann  schnell  wider 
nicht  bloss  in  Bezug  auf  Paris,  sondern  auf  alle  übrigen  Uni- 
versitäten des  Mittelalters  zu  verschwinden,  bis  sie  dann  in  der 
Humanisten-Zeit  auftauchen  konnte.  Man  kannte  allerdings  den 
Ausdruck  'academia',  vorzüglich  aus  den  Schriften  des  hl.  Augus- 
tin, aus  dem  Prologe  des  hl.  Hieronymus  zur  Genesis  und  aus 
den  Glossatoren^^*).  Aber  er  kam  für  die  damaligen  Schulen 
nicht  zur  Anwendung  ^*^). 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Bezeichnung  Gymnasium. 
Alexander  lY.  nennt  Paris  in  dem  eben  citierten  Schreiben :  po- 


1«*)  Eist  Univ.  Paris.  III,  332. 

1^)  So  fehlt  der  Ausdruck  in  dem  Apograph  des  Schreibens  im  6e- 
neralarchi?  des  Dominicanerordens  (vgl.  auch  Bull.  Ord.  Praed.  I,  322).  Ebenso 
fehlte  er  in  dem  Originale,  das  im  grossen  Franciscanerconvente  zu  Paris 
aafbewahrt,  nnd  in  den  Firmamenta  trium  ordinum  b.  P.  N.  Francisci  (Pa- 
risias  1512)  parte  2  tr.  2  Bl.  63  a  abgedruckt  wurde.  Vgl  auch  Wadding, 
Ann.  ed.  2.  IV,  34 ;  Sbaralea,  Bnllarium  Francisc.  II,  170.  —  Desgleichen  hat 
auch  nur  Du  Bonlay  selbst  den  Namen  'academicus'  für  die  Pariser  Magistri 
des  13.  Jhs.  eingefOhrt.    C£r.  III,  287. 

i66j  Von  Brito  wird  er  in  dem  Commentare  zu  Hieronymus  erkl&rt  (Hs. 
LI  Bl.  3  a.  13.  Jh.  in  der  Marciana).  Ebenso  in  einem  Gorrect.  Bibl.  eben- 
da«, n.  L.  Bl.  122  a.  AUein  schon  vor  Brito  interpretieren  den  Ausdruck,  ge- 
stützt auf  Isidor,  das  Glossarium  Ansileubi  (Cod.  Yat.  Pal.  1773  Bl.  23  a), 
Papias  (Cod.  Yat.  Beg.  1448  Bl.  2  a)  und  Huguccio  (Cod.  Yat.  Palat.  1777 
BL  5b),  und  zwar  tlbereinstimmend  als  'villa  Piatonis'. 

1^7)  Oanz  vereinzelt  kommt  der  Ausdruck  'academia'  auf  die  Schule 
zu  Tours  im  11.  Jh.  in  dem  Briefe  Oozechins  angewendet  vor:  Yide  siplacet, 
quam  sanae  doctrinae  . . .  theologi  de  Turonensi  emergant  academia,  'cui 
praesidet  iüe  apostolus  satanae  Berengarius.  Bei  Mabillon,  Yet.  Anal.  Paris 
1723  p.  443.  Yincentius  Auria,  La  Sicilia  inventrice,  Palermo  1704  p.  30  f. 
und  ihm  folgend  Mongitore,  Divertimenti  geniali,  ibid.  p.  149  f.  Quadrio, 
Della  storia  e  deUa  ragione  d'ogni  poesia.  Bologna  1739  I,  87,  und  andere 
berichten,  Friedrich  II.  habe  c.  1233  eine  'Academic  der  ital.  Poesie'  in 
Palermo  errichtet.  Allein  sie  stützen  sich  nur  auf  eine  vage  Tradition,  der 
im  Wesen  nur  das  eine  Kömchen  Wahrheit  zu  Grunde  liegt,  dass  Friedrich 
in  seiner  Umgebung  Dichter  hatte  und  die  Poesie  förderte. 


38  I*  Bezeichnuog  der  mittelalterlichen  Universität. 

tissimum  gymnasiom  studiorum.  Wilhelm  de  S.  Amore  wendet 
auf  Paris  denselben  Ausdruck  an  ^*^),  und  das  Schreiben  der  Uni- 
versität y.  J.  1254,  gerichtet  an  alle  Bischöfe  etc.,  beginnt:  Ex- 
celsi  dextera  .  .  .  olym  plantavit  parisius  venerandum  gignasium 
litterarum ^'').  Und  später:  Huic  venerando  et  salubri  gignasio 
quondam  prefiiere  magistri  nostri  etc."**).  Diese  Bezeichnung 
kam  nicht  mehr  ausser  Uebung.  Um  wenigstens  6in  Beispiel 
aus  der  nächsten  Zeit  zu  bringen,  so  schrieb  Anf.  des  14.  Jhs. 
die  Universitas  magistrorum  et  scolarium  dem  Papste,  der  Vic- 
toriner  Magister  G.  verweile  unter  ihnen  regendo  Parisius  in 
sacre  doctrine  gimnasio  a  duodecim  annis  citra"^).  Auf  die 
Pariser  Schulen  wurde  dieser  durch  das  ganze  Mittelalter  be- 
kannte und  auch  von  Friedrich  IL  gebrauchte"*)  Ausdruck  schon 
längst  angewendet.  Philipp  Harveng  sagt  in  dieser  Beziehung: 
scolare  gymnasium*").  Giraldus  Cambrensis  gebraucht  bei  Er- 
zählung seines  Studienganges  zu  Paris  die  Worte:  egressus  ita- 
que  tenore  sub  isto  de  scolarum  tunc  gymnasio"*).  Abaelard 
selbst  wird  noch  früher  in  einem  Epitaphium  ^gymnasii  fax'  ge- 
nannt "'^).    Selbst  die  Erinnerung  an  die  alte  Bedeutung  war  im 


168)  In  De  pericnlis  noviss.  temp.  ed.  Gonstant  1632  p.  18. 
16»)  Du  Boulay  III,  255,  verglichen  mit  Cod.  Yat.  406  Bl.  50  b. 

170)  ii)id.  Um  80  bezeichnender  ist  es,  wenn  in  Ersch  und  Gmber  AUg. 
Encydop&die,  1.  Sect.  98.  Th.  (Leipzig  1880)  S.  305  behauptet  wird,  das 
Mittelalter  habe  nur  den  Namen  schola  gekannt  und  erst  mit  der  Benaissance 
sei  auch  der  Name  gymnasium  wider  aufgetreten.  S.  dagegen  die  früheren 
und  die  nächsten  Anmerkungen. 

171)  Schreiben  der  Universit&t  unter  der  Sammlung  des  Mag.  Berardus 
de  Neapoli  im  Archiv.  Yat.  n.  29  A  ep.  30. 

175)  Ad  instituendum  quarumlibet  scientiarum  gymnasia  in  civitate 
Neapel.     So  im  J.  1234.    HuiU.-Br6hoU.  lY,  497. 

178)  Ep.  4  p.  34  (ed.  Migne,  Patrol.  lat.  203).    YgL  ep.  3  p.  27. 
174)  Opp.  ed.  Brewer,  I,  410. 

176)  Ms.  a.  XI.  5  (12.  Jh.)  zu  S.  Peter  in  Salzburg.  Das  *Epytaphium 
Petri  Abaelardi'  befindet  sich  auf  dem  Yorderblatte  eines  Prachtexemplares 
der  Sentenzen  des  Lombarden.  Ediert  von  Pez,  Thes.  anecd.  III,  XXII.  — 
Dass  Huguccio  und  Brito  in  ihren  Yocabularien  ebenfalls  auf  den  Begriff 
von  Gymnasium  eingehen,  findet  sich  auch  von  Du  Gange  unter  'gignasium' 
erwähnt,  obwohl  man  sonst  sowohl  bei  diesem  Artikel,  als  auch  bei  '  univer- 
sitas', besonders  jedoch  bei  < Studium'  von  ihm  so  gut  wie  im  Stiche  gelassen 


2.  Universitas.    Gymnasium.  39 

Mittelalter  noch  nicht  verwischt,  man  sprach  von  jenen,  ^qui  in 
scolis  militant'^'*). 

Von  allen  Bezeichnungen  der  mittelalterlichen  Universität 
als  Lehranstalt  ist  ^Studium  generale'  oder  auch  'Studium'  allein 
die  eigentlich  gebräuchliche  und  officielle. 


wird.  YorzOgUch  beim  letzten  Artikel  sind  die  Nachweise  für  jene  Bedeu- 
tung, die  in  unsere  Untersuchung  gehört,  theils  falsch,  theils  zu  spät  und 
zu  spärlich;  nur  für  die  gebräuchlichere  sind  sie  früher. 

176)  Hugo  V.  S.  Gher  sagt,  auf  die  Glossatoren  des  12.  Jhs.  gestützt,  in 
der  Erklärung  des  Prologs  des  hl.  Hieronymus  zur  Genesis  c.  1 :  Gymnasium 
dicitur  a  gymnas  .  .  quod  est  lucta  .  . .  inde  dictum  est  Studium,  quia  ibi 
fit  collnctatio  mentalis.  Die  Bezeichnung  kommt  auch  sonst  noch  öfter  vor. 
Konrad  lY.  und  Manfred  von  Sicilien  gebrauchen  sie  z.  B.  für  die  Schulen 
zu  Salemo  und  Neapel.  Winkelmann,  Acta  Imperii  inedita,  p.  411.  414. 
Peter  Damian  wendet  sie  im  11.  Jh.  auf  Kavenna  an.  De  parentelae  gra- 
dibus  c.  8  (Opp.  ed.  Bassani  1783  III,  188),  u.  s.  w.  Durch  obige  Nachweise 
ist  die  Behauptung  von  Hautz-Reichlin,  Gesch.  der  Univ.  Heidelberg  I,  102 
widerlegt,  man  habe  erst  gegen  Ende  des  15.  Jhs.  das  Wort  'Gymnasium* 
von  den  Hochschulen  gebraucht.  Ygl.  Paulsen  1.  c.  Wie  immer  so  wurde 
auch  hier  nur  Meiners,  Gesch.  der  Entstehung  etc.  lY,  391  copiert.  S.  auch 
oben  Anm.  170. 


n. 

ENTSTEHUNG  UND  ENTWICKLUNG  DER  ZWEI 
ÄLTESTEN  UNIVERSITÄTEN. 


Der  Entwicklungsgang  der  Schulen  zu  Paris  und  Bologna 
verdient  eine  viel  sorgsamere  Behandlung  als  der  der  übrigen 
Hochschulen.  Sie  hatten  im  Mittelalter  nicht  bloss  unvergleich- 
lich mehr  Bedeutung  als  die  späteren,  sondern  sie  waren  fär 
deren  Entstehung  und  Verfassung  geradezu  eine  nothwendige 
Voraussetzung.  Dies  ist  der  Grund,  warum  ich  hier  auch  die 
Schule  zu  Paris,  so  weit  nothwendig  und  in  gedrängter  Ettrze, 
hereinziehen  werde;  ohnedem  hebt  sich  Bologna  nicht  gehörig 
ab,  und  die  übrigen  Hochschulen  sind  zum  grossen  Theil  und 
in  mehrfacher  Beziehung  unverständlich.  Die  älteste  Hochschule, 
jene  von  Salemo,  bleibt  hier  ausgeschlossen,  denn  gerade  zur 
Zeit  ihrer  höchsten  Blüthe  hat  sie  kaum  einen  Einfluss  auf  die 
Entstehung  und  Verfassung  anderer  Hochschulen  ausgeübt;  es 
lässt  sich  nicht  einmal  ein  solcher  auf  die  medicinische  Schale  zu 
Montpellier  nachweisen.  Die  Schule  zu  Salemo  findet  eben  des- 
halb ihre  Behandlung  mit  den  übrigen  Hochschulen  im  3.  Ab- 
schnitte. 

Paris  und  Bologna  haben  in  ihrer  Entstehung  einige  gemein- 
same Factoren.  Diese  wollen  wir  zuerst  ins  Auge  fassen,  um 
dann  auf  die  Verschiedenheiten  überzugehen. 

1.  Entwidldiing  der  Soholen  za  Paris  und  Bologna 

im  Allgemeinen. 

Savigny  schliefst  dort,  wo  er  die  Entstehung  der  zwei 
ältesten  Universitäten  erörtert,  jeden  äussern  Einfluss  auf  sie 
aas,  und  stellt  sich  die  Sache  also  vor:   *Wenn   ein  Mann   Ton 


1.  Paris  und  Bologna  im  Allgemeinen.  41 

höherem  Lehrtriebe  erregt,  eine  Anzahl  lernbegieriger  Schüler 
um  sich  yersammelt  hatte,  so  entstand  leicht  eine  Reihefolge  von 
Lehrern,  der  Kreis  der  Zuhörer  erweiterte  sich,  und  so  war  ganz 
durch  inneres  Bedür&iss  eine  bleibende  Schule  gegründet.  Später- 
hin, als  das  innere  Leben  abnahm,  wurden  ganze  Universitäten 
durch  freien  Entschluss  von  Fürsten  neu  gestiftet.  Aber,  was 
damals  auf  diesem  Wege  entstand,  war  mit  den  aus  innerem 
Trieb  entstandenen  Schulen  nicht  zu  vergleichen'  ^).  Diese  ideale 
Anschauung  ist  der  Hauptsache  nach  eine  Modificierung  eines 
Schleiermacherschen  Gedankens,  dem  zufolge  in  dem  Bedürfnisse 
der  Wissenschaft  auch  das  des  wissenschaftlichen  Vereines  liegt. 
Der  blosse  Trieb  nach  Erkenntniss  führe  nothwendig  auf  Mit- 
theilung und  Gemeinschaft  aller  Art,  und  alle  öffentlichen  An- 
stalten, welche  dazu  gehören,  entständen  aus  freier  Neigung. 
Erst  in  ihrer  weiteren  Ausbildung  bedürften  diese  Anstalten  des 
Staates,  um  von  ihm  geschützt  und  begünstigt  zu  werden ').  Sa- 
vigny  modificierte  diesen  Gedanken  dahin,  dass  dies  wohl  in  Be- 
zug auf  die  ersten  Universitäten,  nicht  aber  auf  die  spätem 
gelte  *),  und  er  ergänzte  ihn  noch  überdies.  Allein  auch  in  Bezug 
auf  die  Ergänzung  war  Savigny  nicht  originell,  sondern  er  ent- 
lehnte sie  frei  aus  Meiners  ^). 

Diese  Ergänzung  ist  es,  an  welcher  wir  zuerst  Kritik  üben 
woUen,  da  sie  bei  den  Forschern  bis  heute  ihr  Glück  machte. 
Savigny,  und  theilweise  schon  Meiners,  glaubten  also,  durch  einen 
berühmten  Lehrer,  um  den  sich  eine  grosse  Jüngerzahl  sammle. 


1)  GesclL  des  Rom.  Bechts.  III,  155.  Diese  Behaaptung,  die  Savigny 
öfters  widerholt,  wnrde  fortwährend  nachgeschrieben.  Beines  Plagiat  ist  die 
DazBtellnng  bei  Hautz-Beichlin,  Qesch.  d.  Univ.  Heidelberg  I,  35. 

*)  Gelegentliche  Gedanken  Aber  Universitäten  in  deutschem  Sinn. 
Beriin  1808  S.  2ff. 

^  In  den  Vermischten  Schriften  lY,  257.  259  aus  den  Heidelberger 
Jahrb.  fflr  Philologie.    Jhg.  I.  1808. 

^)  Geschichte  der  hohen  Schalen  unseres  Erdballs.  Göttingen  1803. 
n,  306.  —  Auf  die  Ausfflhrungen  L.  v.  Steins  (Die  innere  Yerwaltnng  IL  2 
S.  201  ff.  205  ff.)  einzngehen  wird  mir  jeder  erlassen,  der  dessen  ungesnndes 
Gctatesprodnct  gelesen  hat.  Uebrigens,  so  origineU  er  sich  auch  ausgeben 
mag,  konnte  er  es  doch  nicht  verbergen,  dass  er  im  Grunde  nur  den  oben 
aalgesprochenen  Gedanken  Savignys  widerholt.    S.  S.  206  f. 


42  IL   Entstehung  der  Ältesten  Universitäten. 

entstände  leicht  eine  gelehrte  Nachkommenschaft,  und  schliesslich 
eine  bleibende  Schule'^).  Diese  Ansicht  hat  insofern  etwas  Be- 
stechendes, als  sie  sich,  weil  auf  der  Oberfläche  liegend,  einem 
jeden  von  selbst  beim  ersten  Nachdenken  darbietet  Allein  sie 
reicht  als  Erklärung  nicht  bloss  nicht  im  entferntesten  hin,  son- 
dern sie  ist  mit  den  Thatsachen  im  Widerspruch.  Dadurch  allein, 
dass  ein  berühmter  Lehrer  eine  Anzahl  lernbegieriger  Schüler 
um  sich  versammelt,  entsteht  keineswegs  so  leicht  eine  Reihefolge 
von  Lehrern  mit  einem  zahlreichen  Schülerkreise,  so  dass  dann 
das  Endresultat  eine  bleibende  Schule  wäre.  Ist  kein  anderer 
Factor  im  Spiele,  so  bildet  sich  höchstens  eine  vorübergehende 
Schule,  die  durch  einige  Zeit  ihr  Dasein  fristet,  aber  nichts 
weniger  als  eine  bleibende.  Und  gesetzt,  es  hätte  sich  eine  blei- 
bende gebildet,  ist  diese  schon  identisch  mit  einem  Generalstudium? 
Dass  Savignys  Erklärung  ungenügend  ist,  dafür  bietet  die  Ge- 
schichte Beispiele  in  Menge.  Um  die  Mitte  des  11.  Jhs.  war 
Lanfranc  der  berühmteste  Lehrer  Frankreichs.  Durch  ihn,  meint 
Guitmund^),  habe  Gott  die  im  Verfall  gerathenen  artes  liberales 
wider  hergestellt.  Er  war  der  Gründer  der  berühmten  Schule 
im  Kloster  Bec,  zu  der,  auch  nachdem  der  hl.  Anselm  Vorsteher  ge- 
worden war,  zahlreiche  Schüler  aus  allen  Gegenden  strömten^).  Aber 
wie  lange  dauerte  diese  Schule?  Einer  der  berühmtesten  Schüler 
Lanfrancs  war  Anselm  v.  Laon.  Er  wurde  der  Mittelpunkt  einer 
Schule  der  genannten  Stadt,  die  ihn  unter  seinen  Nachfolgern 
Radulf  und  Lodulf  mehrere  Jahre  überlebte  und  eine  Menge 
Schüler   aller  Nationen   anzog  *).    Aber  was  ist  aus  dieser  be- 


^)  Noch  mehr  ver&llgemeinert  wurde  diese  Behauptung  z.  B.  von  Mon- 
tefredini,  Le  piü  celebri  universitä  antiche  e  moderne.  Torino  1883.  Sa- 
vigny  sagt  wenigstens:  'es  entstand  leicht  eine  Reihefolge'.  Nach  Monte- 
fredini  p.  5  war  dies,  wie  sich  ans  dessen  Redeweise  ergiebt,  jedes  Mal  der  FaU. 

«)  In  Biblioth.  max.  Fat.  XVni,  441. 

7)  Vita  Lanfranci  anct.  Milone  Crispino  in  AA.  SS.  Mai.  VI,  834  n.  7. 
Ordericas  Vital,  bei  Migne,  Patr.  lat.  188  p.  327. 

^)  Rupert  de  Tuy  sagt,  dass  sowohl  zu  ihm  als  zu  Wilhelm  v.  Cham- 
peaux  <de  cunctis  fere  provineiis  ezamina  discipulorum  festinabant'.  In  reg. 
s.  Benedicti  1.  1.  Opp.  Yenet.  1749.  lY,  294.  Damit  stimmt  das  Epitaphium 
Marbods  auf  Anselm  (bei  Migne,  PatroL  lat.  171  p.  1722).  Weitere  Belege 
folgen  im  3.  Bande. 


1.  Paris  und  Bologna  im  Allgememen.  43 

rühmten  Schule  geworden?  Wohl  den  längsten  Bestand  hatte  in 
jener  Zeit  die  Schule  zu  Reims.  Vom  Erzbischof  Fulco  Ende  des 
10.  Jhs.  hergestellt  erhielt  sie  Remigius  von  Auxerre  und  Huc- 
bald  von  S.  Amand  zu  ihren  ersten  Vorstehern'),  und  wir  finden 
die  Schule  noch  anderthalb  Jh.  später  in  einer  gewissen  Blüthe 
dastehend  ^^).  Aber  in  dem  Masse  als  die  Pariser  Schulen  an 
Glanz  zunahmen,  verblich  der  Ruhm  der  erstem,  bis  man  end- 
lich kaum  mehr  von  ihr  sprach.  Dies  war  auch  das  Schicksal 
der  Schulen  in  LOttich"),  Tours"),  Chartres'')  und  so  vieler 
anderer ^^),  die  alle  einen  schönen  Anfang  nahmen,  um  deren 
Gründer  sich  immer  eine  Anzahl  lernbegieriger  Schüler  versam- 
melt hatte,  welche  Gründer  sogar  in  einer  Reihenfolge  von  Lehrern 
noch  fortlebten;  und  doch  hatten  diese  Schulen  keinen  bleibenden 
Bestand,  sie  giengen  oft  schon  unter,  ehe  sie  von  den  Schulen  in 
Bologna  und  Paris  erdrückt  werden  konnten. 

Und  diese  beiden  Schulen   selbst,   wie  sind  sie  entstanden? 
Ist  es  nur  einem  Zufall  zuzuschreiben,    dass  die  Reihefolge  der 


9)  Flodoardi  Bist  Bern,  eccles.  lib.  4  c.  9  in  Mon.  Genn.  SS.  XIU, 
574  und  bei  Migne^  Patrol.  lat.  135  p.  289.  Ademari  HiBtor.  III,  5  in  Mon. 
Germ.  lY,  119,  wo  gesagt  wird,  Heiricum  Eemigium  et  Ucbaldtun  calvurn 
monachoB  haeredes  phUosophiae  reliqoit. 

10)  S.  besonders  die  Vita  Adelberti  II.  bei  Jaif^,  Bibl.  rer.  germ.  III, 
583  £  Dann  ep.  815  Alexandri  III.  (geschrieben  1170—1172)  über  die 
Reimser  Scholaren  (Migne,  Patr.  lat.  200  p.  746). 

11)  Darüber  wird  im  3.  Bande  ausführlicher  die  Bede  sein. 

^)  Das  Zasammenströmen  der  Schüler  aus  allen  Weltgegenden  zu  der 
Schale  Odos  v.  Orl6an8  in  Tours  im  11.  Jh.  wird  in  ähnlicher  Weise  ge- 
schildert, wie  ein  halbes  Jh.  später  von  Fulco  das  Zusammenströmen  zu 
Abaelards  Lehrstuhl  S.  Abbates  S.  Martini  Tomac.  in  D'Achery  SpiciL^ 
II,  889. 

1^)  Die  Schule  von  Ghartres,  welche  Torzüglich  dem  Bischof  Fulbert 
im  11.  Jh.  die  Blüthe  verdankte,  stand  noch  in  der  Mitte  des  12.  Jhs.  mit 
Böhm  da.  S.  darüber  Schaarschmidt,  Joh.  Saresberiensis,  Leipzig  1862 
S.  73  ff.  und  Barach,  Bemardi  Silvestris  De  mundi  universitate.  Innsbruck 
1876  S.  VIU  ff. 

1^)  S.  L.  Maitre,  Les  6coles  episcopales  et  monastiques  de  l'occident. 
Paris  1866.  Bedarf  dieses  Werk  auch  in  vielen  einzelnen  Punkten  der  Be- 
richtigung und  Erweiterung,  so  thut  dies  doch  dem  hier  in  Betracht  kom- 
menden Gegenstand  keinen  Eintrag. 


44  U.  Entatehuiig  der  ältesten  UniTernt&ten. 

Lehrer  nicht  ins  Stocken  geriet,  der  Kreis  der  Zuhörer  sich  immer 
mehr  erweiterte,  und  in  Folge  dessen  eine  bleibende  Schule  von 
selbst  gegründet  war?  Nichts  weniger  als  dies.  Wir  sehen  viel- 
mehr, dass  es  in  Bologna  und  Paris  bis  zu  einem  gewissen  Zeit- 
punkte ebenso  gieng  wie  überaU.  Seit  dem  10.  Jh.  traten  in  Paris 
berühmte  Lehrer  auf,  wie  wir  im  3.  Bande  sehen  werden,  und 
keinem  einzigen  von  ihnen  ist  es  gelungen  eine  bleibende  Schule 
dort  zu  gründen.  Diese  datiert  erst  aus  dem  Anfange  des  12.  Jhs. 
Vor  dieser  Zeit  waren  fast  alle  übrigen  Schulen  Westeuropas 
glücklicher  als  die  Pariser  Schulen  ^^).  Ebenso  ist  es  sicher,  dass 
bereits  vor  Imerius  in  Bologna  theils  Rechtskundige  waren,  theils 
der  eine  oder  andere  Rechtslehrer  auftrat  Odofred  nennt  na- 
mentlich einen  Pepo^*).  Ja  lange,  ehe  der  Ruf  der  Schule 
von  Bologna  ein  begründeter  war,  gab  es  in  Italien  an  andern 
Orten  Rechtsschulen,  so  in  Pavia*'),  Verona^*),  Nonantula"), 
vorzüglich  aber  in  Ravenna*^).  Und  doch  wird  mit  dem  Auftreten 


1^)  Der  3.  Band  beschäftigt  sich  im  1.  Theile  aasschliesslich  damit. 

16)  In  Dig.  vet  lib.  1.  De  justitia  et  jnre  Jua  civüe  ett:  Gam  stadiam 
esset  destrnctnm  Romae,  libri  legales  fnerant  deportati  ad  dvitatem  Ravenne 
et  de  Ravenna  ad  civitatem  istam  (Bononiae):  qaidam  dominus  Pepo  cepit 
autoritate  sua  legere  in  legibus;  tarnen  qaicqaid  faerit  de  scientia  soa  nul- 
lius nominis  fuit;  sed  dominus  Imerius  etc.  S.  darflber  auch  Sarti,  De  claris 
Archigymn.  Bonon.  Profess.  I,  2  ff.  7.  13.  24.  Savigny,  Qesch.  des  Rom. 
Rechts  lY,  6  ff.  Del  Yecchio,  Di  Imerio  e  della  sua  scuola.  Pisa  1869  p.  13  f. 
Ficker,  Forschungen  III,  133.  Dass  Pepos  Th&tigkeit  in  das  11.  Jh.  falle, 
ist  nunmehr  erwiesen.  —  Rechtskundige  sind  fCkr  die  Jahre  1067  und  1076 
sicher  gestellt.    S.  Ficker  a.  a.  0.  S.  136. 

17)  S.  Ficker  a.  a.  0.  S.  44  ff. 
1«)  Ficker  S.  54  ff.  66  ff 

19)  Ficker  S.  127  ff.  Doch  muss  hier  bemerkt  werden,  dass  in  Bezug 
aufNonantula  Ficker  nur  Rechtskundige,  aber  nicht  eine  Rechtsschule  nach- 
zuweisen im  Stande  war. 

SO)  Sarti  a.  a.  0.  S.  2.  SaviguylV,  Iff.  Ficker  S.  110  ff.  Er  bringt 
8. 112  ff.  ausser  dem  stereotypen  Kachweis  aus  Peter  Damian  neue  Zeugnisse.  — 
Far  das  Studium  der  Rechtswissenschaft  in  Italien  im  11.  Jh.  zeugt  auch 
Wippos  Tetralogus,  worin  Heinrich  III.  der  Rath  gegeben  wird,  die  Grossen 
anzuhalten  ihre  Söhne  nach  Italiens  Sitte  in  die  Schule  zu  schicken,  damit 
sie  Recht  und  Gesetze  kennen  lernten.  S.  Giesebrecht,  De  literarnm  studüs 
apud  Italos.    Berolini  1845,  p.  19.  21. 


1.  Paris  und  Bologna.    Neue  Methode.  45 

des  Irnerius  in  Bologna  die  Sachlage  verändert.  Zwar  knüpfen 
sich  an  seinen  Namen  nicht  die  Anfänge  der  Rechtsschule  in 
Bologna,  wie  Savigny  will'^),  aber  die  bleibende  Rechtsschule, 
die  zugleich  jene  von  Ravenna,  um  von  den  übrigen  zu  schweigen, 
in  Schatten  stellte,  und  lange  Zeit  hindurch  das  Muster  für  die 
nenentstehenden  Rechtsschulen  inner-  und  ausserhalb  Italien  wurde, 
verdankt  wohl  nur  Irnerius  ihren  Ursprung"). 

Wie  nun  diese  Thatsachen  erklären?  Es  geht  nicht  mehr  an 
zu  sagen,  bloss  durch  den  Ruhm  eines  Lehrers  und  durch  die 
Lembegierde  der  Schüler  seien  bleibende  Schulen  entstanden. 
Es  müssen  hier  vielmehr  andere  Factoren  thätig  gewesen  sein. 

Neue  Maihoda  in  dar  Doctrin. 

Um  nicht  fehl  zu  gehen,  muss  man  hier  zwischen  dem  ersten 
Aufblühen  dieser  Schulen  und  der  bleibenden  Blüthe  derselben 
unterscheiden.  Paris  und  Bologna  nahmen  deshalb  vor  allen 
übrigen  Schulen  fast  um  dieselbe  Zeit  (Anf.  des  12.  Jhs.)  einen 
so  ungeahnten  fast  plötzlichen  Aufschwung,  weil  allein  dort 
gerade  damals  ein  bestimmter  Wissenszweig  in  einer  neuen  den 
Bedürfnissen  der  Zeit  entsprechenden  aber  den  Zeitgenossen  bis- 
her nicht  oder  ungenügend  bekannten  Methode  von  einem  oder 
mehreren  Lehrein  behandelt  und  dadurch  eine  neue  Aera  der 
wissenschaftlichen  Forschung  eingeleitet  wurde.  t)iese  neue  Me- 
thode besass  die  Zugkraft  für  Lehrer  und  Schüler  verschiedener 
Länder,  welch  letztere  oft  halb  Europa  durchwandert  hatten  zu  dem 
Zwecke,  um  sich  einem  ihnen  zusagenden  Lehrer  anzuschliessen  "). 


^)  '  Als  hier  durch  den  Bnhm  eines  Lehrers  und  durch  die  Lembegierde 
der  Schüler  eine  Bechtsschnle  entstand',  Savigny  III,  168.  Mit  Recht  ge- 
nfigt Ficker  a.  a.  0.  S.  143  diese  Erklärung  nicht. 

>^)  Allerdings  meint  Ficker  8.  144,  der  Baf  der  Schule  von  Bologna 
mflsse  schon  vor  Imerias  ein  fester  begrOndeter  gewesen  sein;  die  Anfänge 
der  Bologneser  Schule  seien  mehr  in  den  longobardischen  Gränzgegenden 
(er  meint  die  eben  aufgezählten  Bechtsschulen)  als  in  Bologna  selbst  zu 
suchen.  Letzteres  ist  auch  meine  Ansicht;  ersteres  w&re  aber  zu  beweisen. 
Ffir  des  Irnerius  epochemachende  Bedeutung  sprechen  die  alten  Zeugnisse, 
wie  Ficker  selbst  nicht  umhin  kann  einzur&nmen. 

^)  Aach  hierflber  wird  der  3.  Band  Aufschluss  geben.  Savigny  selbst 
gesteht  dies  ni,  155  mit  Anwendung  auf  Paris  und  Bologna  zu. 


46  n.   Entstehnng  der  ältesten  üniversit&ten. 

Auf  diese  Weise  wurde  in  Paris  und  Bologna  der  Grundstein  zu 
bleibenden  Stätten  der  Wissenschaft  gelegt.  Die  immer  mehr 
wachsende  Zahl  der  Schüler  brachte  die  Vermehrung  der  Lehr- 
kräfte mit  sich'^),  der  wissenschaftliche  Ehrgeiz  beider  wurde 
geweckt,  und  dies  sowohl,  als  der  gegenseitige  Ideenaustausch 
in  den  Disputationen,  die  erst  jetzt  in  Folge  der  neuen  Methode 
in  den  Schulen  eigentlich  heimisch  werden,  waren  gute  Elemente, 
um  die  Forschung  vor  Stagnation  und  die  Schulen  selbst  gegen 
Verfall  zu  bewahren. 

In  Paris  war  es  die  Ausbildung  der  Dialektik,  vorzüglich 
aber  die  neue  Methode  in  der  Theologie,  welche,  theilweise  schon 
von  Wilhelm  von  Champeaux  angebahnt,  vorzüglich  aber  von 
Abaelard  und  andern  Doctoren  in  verschiedener  Weise  ausgebil- 
det, von  den  Gleichzeitigen  und  ihren  Nachfolgern  weiter  fort- 
geführt und  in  Bezug  auf  jene  Abaelard's  in  die  richtige  Bahn 
geleitet,  den  Umschwung  der  Pariser  Schulen  herbeiführte.  Die 
Wurzeln  des  im  13.  Jh.  grossartig  entfalteten  Systems  der 
Theologie  liegen  im  12.  Jh.,  und  alle  Summen  der  Theologie, 
deren  es  eine  beträchtliche  Anzahl  nicht  bloss  vor  Alexander 
Alensis  sondern  auch  vor  und  zur  Zeit  des  Peter  Lombardus  gab 
und  die  sich  grossentheils  noch  handschriftlich  in  den  Bibliotheken 
befinden,  worauf  ich  im  3.  Bande  ausführlich  zu  sprechen  komme, 
weisen  direct  oder  indirect  auf  Paris  zurück.  Allerdings  waren 
die  Pariser  Schulen  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jhs.  keineswegs 
die  spätere  Hochschule,  noch  bildeten  die  Professoren  derselben 
eine  Universität.  Allein  es  war  nun  der  Grund  dazu  gelegt,  dass 
keine  Stagnation  mehr  eintrat,  die  Professoren  und  Schulen  sich 
nach  und  nach  vermehrten,  bis  endlich  der  Zeitpunkt  eintrat,  in 
dem  die  Magistri  spontan  eine  Corporation  eingiengen  und  also 
die  Universität  Paris  gegründet  war"). 

In  Bezug   auf  die  Schule  von  Bologna  hat  Savigny  selbst 
theilweise  richtig  angedeutet,  dass  sie  den  Ruhm  der  von  ihr  im 


^^)  Deutlich  sagt  dies  in  Bezug  auf  Paris  die  Littera  univers.  ▼.  4.  Fe- 
bruar 1254:  qui  (magistri)  processn  temporis  crescente  numero  auditonun 
sicut  oportuit  ampliati,  ut  liberius  et  tranquillins  etc.    Du  Boul.  III,  255. 

*^)  Wie  dies  letztere  vor  sich  gieng,  werden  wir  weiter  unten  sehen. 


1.  Paris  nnd  Bologna.    Nene  Methode.  47 

Anf«  des  12.  Jhs.  ausgeheDden  Ernenerung  der  Rechtswissenschaft 
za  yerdanken  habe.  Diese  Erneuerung  knüpft  sich  allerdings  an 
den  Namen  des  Irnerius**).  Wie  einstens  Berytus  Justinian  zufolge 
legnm  natrix'  genannt  wurde 'Oi  so  erhielt  nun  auch  Bologna 
als  ein  neues  Berytus,  worin  Justinians  Intentionen  noch  mehr 
als  in  dem  alten  verwirklicht  wurden,  dieses  ehrenvolle  Epithe- 
ton'"). Um  die  Mitte  des  Jhs.  wurden  dort  auch  dem  canonischen 
Rechte  durch  Gratian  neue  Bahnen  angewiesen '"),  das  sich  bald 


^)  S.  Savigny  a.  a.  0.  S.  83  ff.  Nicht  umsonst  wurde  Irnerius  scien- 
tiae  legalis  illuminator  genannt.  Vgl.  Sarti,  De  claris  archigymn.  Bonon. 
profess.  n,  262;  I,  13.  25.  Odofred  sagt  von  ihm»  er  habe  in  Bologna  zu- 
erst die  artes  vorgetragen,  dann  die  leges:  et  ipse  fnit  maximi  nominis  et 
fnit  primuB  illuminator  scientiae  nostrae,  et  quia  primus  fuit  qui  fecit  glosas 
in  libris  nostris  vocamus  eum  lucemam  juris.  In  Dig.  vet.  I.  c.  Vgl.  auch 
Sayigny  lY,  13  ff.  Selbst  Ficker,  welcher  den  Ruf  der  Schule  von  Bologna 
als  einen  vor  Irnerius  fest  begründeten  betrachtet,  zweifelt  nicht  daran, 
das8  dieser  der  erste  war,  welcher  die  auf  dem  Gebiete  des  longobardischen 
Rechts  schon  länger  angewandte  Methode  auch  auf  die  Behandlung  der  B5m. 
Rechtsqaellen  übertrug,  sie  vieUeicht  vielfach  eigenthümlich  weiter  ent- 
wickelte nnd  dass  mit  ihm  die  schriftstellerische  Th&tigkeit  begann.  A.  a.  0. 
S.  143.  AUes,  was  man  über  Irnerius  weiss,  findet  sich  zusammengetragen 
bei  Del  Yecchio  1.  c.  p.  16  ff.  Die  Gelegenheitsschrift  bietet  jedoch  nichts 
Neues. 

*^  Gonst.  Omnem  §  7:  In  Berytinensium  pulcherrima  civitate  quam  et 
legnm  nntricem  bene  qnis  appellat. 

^)  So  in  den  Statuten  von  Lerida  vom  Jahre  1300:  Non  sine  causa 
Bononie,  quam  legum  nntricem  recte  vocamus,  statutum  esse  comperimus  etc. 
Bei  Villanneva  XYI,  220.  In  den  gedruckten  Statuten  der  Juristenfacult&t 
Bononiae  1561,  p.  1  findet  sich  dieselbe  Phrase.  Aber  längst  vorher  sagte 
Pilios  in  der  Summa  trium  librorum,  1.  11  tit.  18  (de  studiis):  Gum  impe- 
rinm  modemis  temporibus  scissuram  senserit,  isteque  civitates  due  (Bom  und 
Constantinopel)  dominationem  perdiderint,  ceperunt  jura  quovis  loco  tradi 
et  Bononie  maxime,  que  legalium  studlorum  monarchiam  tenuit,  nee  non 
Mntine,  in  qua  juris  prudentie  archana  reseramus.  God.  Yat.  2313  Bl.  373  a. 
Diese  SteUe  ist  in  Bezug  auf  den  ersten  Theil  auch  von  Accurs  in  seine 
Glossen  zum  betreffenden  Text  aufgenommen  worden  (God.  Yat.  1434 
Bl.  181b),  in  Bezug  auf  Modena  hätte  sie  bei  ihm  keinen  Sinn  gehabt,  und 
wäre  mit  seiner  zu  Dig.  lib.  27  de  excusat,  tert.  angeführten  Glosse,  auf 
die  ich  zurückkomme,  im  Widerspruche  gewesen. 

^)  S.  darüber  Schulte,  Geschichte  der  QneUen  und  Litteratur  des  can. 
Hechts.    Stuttgart  1875.    I,  46  ff.  109  ff. 


48  n.  Entstehung  der  ftltesten  üniversit&ten. 

als  selbständige  Disciplin  entwickelte'^).  Dass  Bologna  schon 
damals  eine  ziemliche  Anzahl  von  Professoren  besass,  muss  man 
aus  einem  Schreiben  Alexanders  ni.  vom  J.  1159  schliessen "). 

Dadurch,  dass  die  neue  Methode  auch  in  andern  Schalen 
Eingang  fand,  wurden  die  Grundlagen  der  Mutterschule  nur  immer 
stärker.  Der  Ruhm  der  letztem  stieg  indem  er  verbreitet  wurde, 
und  man  beeilte  sich  umsomehr  die  Mutterschule  aufzusuchen. 

Privilegien. 

Bald  traten  noch  weitere  Factoren  hinzu,  die  der  Blüthe 
dieser  Schulen  die  Zukunft  sicherten.  Es  waren  einmal  die  Pri- 
vilegien. Savigny  meint,  Gunst  und  Ungunst  der  mächtigsten 
Herrscher  jener  Zeit  hätten  auf  die  Blüthe  der  Schulen  wenig  Ein- 
fluss  gehabt"' ).  Ich  kann  diese  Auffassung  nur  als  ganz  irrig 
ansehen,  weil  sie  mit  den  Thatsachen  selbst  im  Widerspruche 
ist.  Sie  beruht  auf  einer  zu  idealen  Anschauung  des  Mittelalters, 
als  hätten  sich  dort  die  gelehrten  Schulen  nicht  allein  von 
innen  heraus  entwickelt,  sondern  auch.  Dank  diesem  innemLebens- 
principe,  ohne  jede  äussere  Hilfe  erhalten.  Man  bedachte  nicht, 
dass  gerade  die  mittelalterliche  Hochschule  mit  der  an  ihr  exis- 
tierenden freien  selbständigen  Körperschaft  mehr  des  Schutzes 
durch  Privilegien  bedurfte,  als  die  spätem  vom  Staate  abhängigen 
Schulen.  Weit  entfernt,  dass  die  Privilegien  auf  die  Blüthe  der 
Schulen  wenig  Einfluss  ausgeübt  haben,  waren  sie  gerade  mit 
die  Grundlage  für  dieselben  und  förderten  wesentlich  die  Freiheit 
des  Unterrichts,  sowohl  des  Lehrens  als  des  Lernens.  Auch  hier 
treten  die  geschichtlichen  Thatsachen  beweisend  ein. 

Von  selbst  werden  wir  zuerst  auf  das  Privileg  Friedrichs  L, 
die  sogenannte  Authentica  Habiia^  geführt.    Man  nennt  es  nicht 


^)  S.  daia  Maassen,  Paaoapalea  S.  7. 

'1)  Es  ist  gerichtet  ad  Gerardnm  episcopam,  canonicos  et  legis  doe- 
tores  caeterosqae  nagistros  Bononiae  commorantes.  Migne,  Patrol.  lat. 
ton.  200  ep«  9  p.  73.  Der  P^Mt,  8en>8t  frtlher  als  Bolandns  Lehrer  in  Bo- 
logna, leigt  darin  seine  Wahl  an.  Dass  viele  Legisten  Ton  Imerins  an  bis  ram 
Ende  des  12.  Jhs.  sich  in  Bologna  aufhielten,  erheUt  anch  ans  den  Torachie- 
denen  Arbeiten  Aber  einielne  Theile  des  C.  J.  C,  welche  Sarigny  im  4.  Bd. 
der  Geschichte  des  RAnt  Rechts  ans  jener  Zeit  nadiweist 

»)  A.  a.  0.  S.  89. 


1.  Paris  und  Bologna.    Privilegien.  49 

selten  das  erste  Universitätsprivileg.  Allein  mit  Unrecht  Da- 
mals  als  es  erlassen  wurde,  gab  es  noch  nicht  Universitäten,  d.  h. 
(Korporationen  an  Schalen,  es  gab  nur  Schulen.  Es  ist  eines  der 
wichtigsten  Privilegien  für  dieselben,  und  wurde  später  allerdings 
ein  Universitätsprivileg.  Aber  für  welche  Schulen  wurde  das  Pri- 
vileg gegeben?  Fast  allgemein  behauptete  man,  es  sei  nur  der 
Schule  in  Bologna  ertheilt  worden*').  Diese  Ansicht  scheint 
durch  ein  jüngst  aufgefundenes  historisches  Gedicht  auf  Friedrich!, 
von  einem  Zeitgenossen  verfasst'^),  eine  Stütze  zu  erhalten.  Es 
wird  nämlich  darin  erzählt,  dass,  als  der  Kaiser  um  Pfingsten 
1155  vor  Bologna  lagerte,  nebst  den  Bürgern  auch  die  Doctoren 
und  Scholaren  der  Stadt  hinauszogen  um  den  Kaiser  zu  sehen. 
Dieser  erkundigte  sich,  warum  sie  Bologna  zum  Studienorte  ge- 
wählt hätten,  und  wie  sie  von  den  Bürgern  behandelt  würden. 
Ein  Doctor  antwortete  auf  die  letztere  Frage,  dass  sie  im  Ganzen 
zufrieden  seien,  nur  müssten  sie  Klage  erheben,  dass  die  Bürger 
Schulden  der  Nachbarn  von  ihnen  zurückforderten.  Diese  verkehrte 
Art  möge  er  bessern,  damit  die  Studierenden  hier  sicher  sein 
könnten.  Friedrich  verkündete  dann,  nachdem  er  die  Fürsten 
der  Reihe  nach  um  Bath  gefragt  hatte,  das  Gesetz,  womit  er  die 
Studenten  sowohl  beim  Kommen,  als  beim  Verweilen  und  Zurück- 
kehren, in  seinen  Schutz  nahm. 

Hätten  wir  es  hier  wirklich  mit  einer  historischen  Thatsache 
zu  thun,  dann  würde  das  Privileg  nicht  bloss  der  Schule  zu  Bo- 
logna das  Entstehen  zu  verdanken  haben,  sondern  es  wäre  ge- 
radezu für  dieselbe  erlassen  worden.    Als  historische  Thatsache 


^)  Savigny  HL,  168  f.  Ihm  schrieben  es  nach  Coppi,  Le  universiU 
italiane,  p.  75,  Stobbe,  Gesch.  der  deutschen  Rechtsquellen  I,  616;  Luschin 
a.  a.  0.  S.91,  Stein  a.  a.  0.  S.257;  Montefredini  a.  a.  0.  S.  lOf.»  der  übri- 
gens aus  der  ganzen  Auth.  nur  die  bei  Savigny  S.  170  angefahrten  3  Zeilen 
kennt,  in  der  Meinung,  sie  seien  Me  parole  del  privilegio  agli  studenti'; 
Mnther,  Zur  Qesch.  d.  Bechtswissenschaft  S.  257  Anm.  1. 

M)  Herausgegeben  von  Giesebrecht  nach  Cod.  Ottob.  1463  in  den 
Sitsungsber.  d.  bair.  Akad.  d.  Wissensch.  PML-hist.  Klasse  1879.  Bd.  U, 
285  f.  Vgl.  auch  Giesebrecht,  Gesch.  der  deutschen  Kaiserzeit  Y,  1  S.  51ff. 
Bezeichnend  genug  hat  ausser  Winkelmann  (in  seiner  akadem.  Bede,  Ueber 
die  ersten  Staats-Uniyersit&ten.  Heidelberg  1880  S.  7)  sonst  jeder,  soviel 
Ich  sehe,  das  Gedicht  flbersehen. 

Denifle,  Die  Unirenltittii  L  4 


50  II-  Entstehiiiig  der  Utesten  UnireraitAten. 

nehmen  Giesebrecht")  und  Winkelmann'')  obige  Erzählung  hin, 
und  ersterer  sieht  in  derselben  eine  sehr  wicbtige  Bereicbening 
unserer  historischen  Litteratur  und  schreibt  ihr  eine  grosse  Be- 
deutoDg  für  die  Geschichte  des  juristischen  Studiums  und  des 
gesammten  Universitätswesens  zu*').  Nun,  letzteres  ist  vCllig 
übertrieben  selbst  im  Falle,  dasa  hier  historische  Thatsachen  vor- 
ägen.  Zudem  hätte  Giesebrecht  wissen  sollen,  dass  es  sich  zur 
Zeit  Friedrichs  I.  noch  nicht  um  'Universitätswesen'  handelte. 
Aber  wie  steht  es  mit  dem  Factum?  Giesebrecht,  und  ihm  folgend 
Winkelmann,  nehmen  an,  das  Privileg  sei  in  der  That  1155  fflr 
Bologna  ertheilt,  November  1158  auf  dem  Reichstag  zu  Roncalia 
aber  in  erweiterter  Gestalt  und  für  alle  Schulen  verallgemeinert 
aofs  neue  verbrieft  und  in  Form  eines  Reichsgesetzes,  der  soge- 
nannten Authentica  Habila,  erlassen  und  auf  Friedrichs  Befehl 
in  das  Corpus  J.  C.  aufgenommen  worden").  Sie  konnten  eben 
nicht  läugnen,  dass  der  Wortlaut  der  Auth.,  wie  sie  im  Corpus 
juris  civ.  steht,  keineswegs  fOr  Bologna  allein,  das  ja  gar  nicht 
einmal  genannt  wird,  spricht,  sondern  fOr  alle  Schulen.  Und 
doch  geht  aus  obiger  Erzählung  hervor,  dass  das  Privileg  nur 
fttr  Bologna  ertheilt  wurde").    Zweifelsohne  müsste  also  im  Ge- 


«»)  B.  a.  8.  0.  8.  387. 

'«)  Ueber  die  ersten  Staats -Univenititen  B.  7  f. 

'^)  Aach  Winkelmann  meint,  dass  die  Stelle  venchiedene  Seiten  des 
Btudeutischeu  Lebens  damaliger  Zeit  berobre.  Allein  ich  finde  nichts  darin, 
WBB  man  nicht  bisher  anch  sonst  gewnsst  h&tte,  als  den  Passus  'Nocte  die 
■tndüs  intenta  mente  Tacamos',  der  in  ähnlicher  Weise  noch  einmal  wider- 
holt wird.  Aber  gerade  dies  ist  eine  höchst  noglanhwflrdige  Seite  des  sts- 
dentiichen  Lebens,  wie  sich  ans  der  Geschichte  Bolognas  ergibt 

^)  Cod.  Ke  filins  pro  patre  (4,  18).  Der  Text  in  den  gedmckten  Aus- 
gaben,  anch  in  dem  von  Perts  nach  der  Wienerhs.  2094  besorgtem  Dnicke 
hl  den  Mon.  Germ.  Leges  II,  114  ist  sehr  fehlerhaft.  Am  weitesten  weicht 
von  demselben  die,  soweit  nach  meiner  Forachong  ich  achliessen  kann,  Uteste 
Becension  im  Cod.  Vit  1427  BL  68a  ab.    Der  Text  des  Cod.  gehCrt  dem 

12.  Jh.  BD,  die  Auth.  aber,  welche  im  3    !'  '  .  i  <  rx  lu  leeren 

Bbtte  steht,  der  1.  HUfte  des  13.  Jhs.  Ai...[<  i:. m:  iun.  i:,  von  den 
Dmcken  nod  der  erwähnten  Hb.  Terschie<lt  [i,  .ibcr  ilein  Drucke  sieb  mehr 
nähernd  bieten  Cod.  84A  im  Archiv  in  8t.  l'i:U>r  .tus  dem  13.  Jb.  (imtWM 
Ton  4,  13),  und  die  3.  52  Anm.  42  Gitterten  Iha. 

»)  Der  Doctor  sagt  ja  som  Kaiser: 


1.  Paris  und  Bologna.    PriTilegien.  51 

setze  vom  J.  1155  die  Schule  von  Bologna  genannt  Bein,  was 
auch  Giesebrecht  nicht  bestreiten  wird.  Nun  ist  es  aber  höchst 
auffallend,  dass  die  Rechtslehrer  Bolognas  bei  Anführung  oder 
Erklärung  des  kaiserl  Privilegs  kein  anderes,  früheres  kennen, 
als  das  im  Corpus  J.  G.  enthaltene,  d.  h.  1158  für  alle  Schulen 
ertheilte.  Dazu  kommt  noch,  dass,  waren  die  Rechtslehrer  Bo- 
lognas im  Wahne,  ein  Privileg  sei  Bologna  ganz  im  besondem 
verliehen  worden,  sie  nicht  ermangeln  dies  zu  erwähnen  und  da- 
rauf aufmerksam  zu  machen.  Seit  Joh.  Bassianus  und  Azo  be- 
riefen sie  sich  z.  B.  auf  das  vermeintliche  Privileg  eine  Rechts- 
schule besitzen  zu  dürfen,  da  E.  Theodosius  die  Stadt  gegründet 
habe,  wie  dies  in  der  Legende  der  hh.  Ambrosius  und  Petronius 
erwähnt  werde,  unter  ausdrücklicher  Bemerkung,  dass  mithin  die 
Lehrer  zu  Reggio  und  Modena  nicht  das  vom  Rom.  Recht  den 
in  königl,  Städten  Lehrenden  gewährte  Privileg  besitzen").    Zu- 


perversum  corrige  morem 

Lege  tua  liceat  tntos  hie  esse  legentes. 
Unmittelbar  daran  schliesst  sich: 

Tunc  rez  principibos  consoltis  ordine  cunctis 

Legem  promulgat  que  sit  tutela  legentum. 
Dass  dies  alles  vor  und  fflr  Bologna  geschah,  beweisen  noch  die  letzten 
Verse: 

In  de  rogat  cives  ut  honorent  urbe  scolares 

Hospita  iura  dolis  seryent  iUesa  remotis. 

Postqne  dies  p  an  cos  reparatis  viribus  inde 

Castra  movens  ductor  Tuscorum  visitat  nrbes. 
Den  oft  widerkehrenden  Ausdmck  *  legentes'  erklärt  Giesebrecht  dahin,  dass 
er  die  Studierenden  d«  h.  die  Scholaren,  nicht  die  Doctoren  bedeute.    Aber 
wie  beweist  er  dies? 

^)  Auf  Joh.  und  Azo  beruft  sich  ausdrflcklich  Odofred  ad  1.  7  Dig. 
de  ezcus.  tut.  (27.  1),  und  sagt  dann:  igitur  doctores  qui  docent  ultra  Aposam 
(s.  daraber  Sarti  I,  94)  non  debent  habere  immunitatem  . . .  Scholares  volue- 
runt  quod  dominus  Azo  legeret  in  platea  s.  Stephani,  dicebant  enim,  Bononia 
est  regia  civitas,  ut  innuitur  in  legenda  S.  Ambrosii  et  S.  Petronii,  et  Bononia 
est  ab  Aposa  citra.  Unde  dicebant  ipsi:  si  nos  docemus  in  regia  civitate, 
debemus  habere  immunitatem,  si  citra  Aposam;  si  ultra,  non  ....  non  qui 
docent  Regii  vel  Mutinae,  imo  est  una  proditio.  Aehnlich,  wenngleich  kürzer, 
Accurs,  und  er  nimmt  ad  1.  c.  ebenfalls  Beggio  und  Modena  zu  Gunsten  Bo- 
lognas ans. 

4* 


52  ^^'  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

dem  sagen  andere  Rechtslehrer  des  13.  Jhs.,  die  Auth.  Habita 
gelte  für  alle  Schüler,  an  welche  Orte  sie  auch  giengen^^).  Dass 
nun  ein  für  Bologna  so  wichtiges  Document,  wie  die  erste  Aus- 
fertigung der  Auth.,  das  der  Kaiser  der  Erzählung  nach  ja  nur 
auf  Bitten  der  Lehrer  und  Schüler  hin  ausgestellt  hatte  und 
diese  gerade  in  der  nächsten  Zeit  wie  nur  irgend  etwas  im 
höchsten  Grade  interessieren  musste,  sobald  in  Verlust  gerathen 
sein,  und  die  Erinnerung  an  das  Document  und  die  nähern  um- 
stände bei  Ausfertigung  desselben  sich  nur  beim  Verfasser  jenes 
Gedichtes  erhalten  haben  soll,  ist  bei  näherer  Betrachtung  kaum 
anzunehmen. 

Da  drängt  sich  vielmehr  die  begründete  Vermuthung  auf, 
der  Verfasser  habe  durch  jenes  Zwiegespräch  zwischen  Kaiser 
und  Studierenden  nur  die  Entstehung  der  Authent  Habita  erklären 
wollen.  Er  kannte  diese  und  wusste  dass  sie  in  Bologna,  dessen 
Schule  allein  damals  einen  Ruhm  in  Italien  besass,  in  Anwendung 
war.  Er  glaubte  nun,  sie  habe  auch  der  dortigen  Schule  ihr 
Entstehen  zu  verdanken.  Der  Aufenthalt  des  Kaisers  vor  Bologna 
1155  bot  ihm  den  Anhaltspunkt  die  Entstehung  des  Gesetzes  zu 
erklären,  und  er  konnte  um  so  sicherer  ein  früheres  Jahr  wählen 
als  die  alten  Recensionen  der  Auth.  keine  Datierung  haben  ^'),  \md 


^1)  Hier  sei  bes.  Heinrich  de  Segnsio  erw&hnt,  welcher  in  seiner  Somma 
snper  tit  Decret  (Hs.  zu  Barcelona,  Uniyersit&tsbibl.,  Cod.  112C  im  Archiv 
zu  St.  Peter),  De  Magistris,  sagt:  In  summa  notandum  omnes  scolares  ad 
qnencnnqae  locom  veniant  causa  addiscendi,  hoc  imperial!  privilegio  gandere. 

^^)  So  im  ältesten  aller  25  Godd.,  die  ich  eingesehen  habe,  nämlich  im 
Cod.  Yat  1427.  Dann  im  Cod.  Yindobon.  2094  (Mon.  Qerm.  Leg.  II,  114), 
13—14.  Jh.;  Cod.  34 A  im  Archiv  zu  St.  Peter,  13.  Jh.;  Cod.  Burghes.  224, 
13.  Jh.;  Codd.  Yat.  1428  (13.  Jh.);  1429  (14.  Jh.);  1430  (14.  Jh.);  Codd. 
Yat.  Palat.  761.  763.  758  (aUe  aus  13.  Jh.);  757.  759.  760  (14.  Jh.).  Cod. 
Yat  Reg.  1120  (14.  Jh.).  In  den  Codd.  der  Yatic.  aas  13.  Jh.  ist  dieAath. 
durchweg  am  Bande.  Die  Auth.  steht  femer  ohne  Datum  in  den  Codd. 
Paris.  14347  (13.  Jh.,  am  Bande),  4519  Bl.  72a  (13.  Jh.  am  Bande),  4521 
und  4521 A  (14.  Jh.  am  Bande),  4521 B  (ebenso),  4522  (14.  Jh.  am  Bande), 
4523  (13.  Jh.  am  Bande  mit  der  XJeberschrift:  Imperator  Fredericas  regni 
sai  fidelibas>  14342  und  16912  (14.  Jh.).  Im  Cod.  Paris.  14347  ist  dabei 
BL  90  b  die  Ueberschrift:  In  novellis  constitutionibns  Federici  imperatoria. 
In  den  Codd.  lat  Monac  22  (auf  einem  besonders  eingehefteten  Zettel  des 


1.  Paris  und  Bologna.    PriWlegien.  53 

einzelne  wie  Cod.  Vat.  1427  nur  die  Ueberschrift  tragen:  Consti- 
tutio  Friderici  consilio  procerum  promulgata.  Dieses  Gonsilium 
fand  dem  Verfasser  zufolge  vor  Bologna  statt,  die  Unterredung 
bUdet  dazu  die  Staffage.  Dass  der  Verfasser  selbst  kein  anderes 
Gesetz  als  das  1158  auf  dem  Reichstag  zu  Roncalia  promulgierte 
kenne,  beweist  er  selbst,  indem  der  Inhalt  des  seinigen  ebenso 
allgemein  ist  als  der  der  Auth.*"),  während  er  doch  seinen  Worten 
und  der  ganzen  Erzählung  zufolge  nur  für  Bologna  passen  müsste. 
Wenn  Oiesebrecht  meint,  der  Kaiser  selbst  scheine  in  der  Auth. 
hinzuweisen,  dass  ihm  Klagen  der  Scholaren  über  die  Haftung 
fOr  Schulden  ihrer  Landsleute  schon  früher  zu  Ohren  gekommen 
seien:  quod  aliquando  ex  perversa  consuetudine  fieri  audivimus, 
so  möchte  ich  vorerst  fragen,  ob  denn  ^aliquando'  auf  'audivimus' 
zu  beziehen  sei?  Nach  Odofreds  Umschreibung  ist  aliquando 
örtlich  zu  nehmen ^^).  Und  dann  versteht  sich  von  selbst,  dass 
Friedrich  Klagen  zu  Ohren  gekommen  sein  werden,  denn  ein  Grund 
zur  Erlassung  des  Gesetzes  musste  vorliegen.  Aber  damit  ist 
noch  nichts  für  obige  Erzählung  erwiesen.  Giesebrecht  beruft 
sich  auch  darauf,  dass  die  Auth.  Sacramenta  puberum,  gleich 
der  Auth.  Habita  1158  erlassen,  ebenfalls  einige  Jahre  früher, 
vielleicht  1155,  existierte,  wie  man  nach  alten  Rechtslehrem 
schliessen  müsse*  ^).  Allein,  dieses  Beispiel  dient  nur  zur  Erhärtung 
meiner  Bedenken.  Die  Rechtslehrer  des  13.  Jhs.  wussten  genau 
die  nahem  Umstände,  bei  welcher  Gelegenheit  die  Auth.  Sacra- 


13.  Jhs.)  and  14010  (am  Bande)  fehlt  ebenMs  die  Datiemog.    Godd.  1501. 
3880.  3884.  13013  besitzen  die  Glosse  ohne  die  Auth. 
^)  Legem  promulgat  qua  sit  tutela  legentam, 

Sdlicet  at  nemo  Studium  exercere  volentes 
Impediat  stantes  nee  enntes  nee  redenntes, 
Kec  pro  Ticino  qoi  nollo  jure  tenetor 
Solvere  cogator,  qaod  non  debere  probatur. 
Nor  durch  seine  eigenen  Worte,  die  der  Yerf.  diesem  Gesetze  nachschickt  und 
durch  die  Worte,  die  er  dem  Doctor  in  den  Mund  legt,  erhalt  das  Gesetz 
Beziehung  auf  Bologna.    8.  oben  Anm.  39. 

^)  In  Auth.:  non  obstante  aliqna  contraria  et  perversa  consuetudine, 
quam  audiTimus  qaod  (in)  qaibusdam  locis  habet  locum,  nach  Cod.  Paris. 
4561  Bl.  209  b. 

**)  Savigny  IV,  186. 


54  n.  Entstehung  der  ältesten  UniTersitftten. 

menta  pub.  erlassen  wurde,  anzugeben;  zwei  bezeichnen  sogar 
den  Ort,  wo  dies  geschehen  sei^').  Nur  über  die  Auth.  Habita 
referieren  sie  einfach,  wohl  weil  sie  ebenso  wie  manche  andere 
Gesetze  nur  zu  Boncalia  entstanden  ist^^). 

Ich  bin  weit  entfernt  die  Möglichkeit  des  vom  Bergomasken 
Erzählten  zu  bestreiten;  meine  Auseinandersetzung  zielt  nur  da- 
hin darzuthun,  dass  die  Bedenken  gegen  die  Erzählung  noch  weit 
grösser  sind  als  die  Möglichkeit,  und  es  angezeigter  ist  die  Erzählung 
vorderhand  mit  Misstrauen  aufzunehmen.  Ein  historisches  Factum 
kann  ich  bis  jetzt  noch  nicht  darin  erblicken. 

Eines  beweist  jedoch  die  Erzählung  immerhin,  dass  nämlich 
Friedrichs  Privileg  zuerst  für  Bologna  in  Anspruch  genommen 
ward,  wenngleich  es  nicht  ausdrücklich  für  die  dortige  Schule 
sondern  für  alle  Schulen  (Italiens),  zu  denen  Studierende  ziehen, 
ertheilt  wurde*').  Und  in  dieser  Beziehung  spricht  die  Erzählung 
durchaus  gegen  Savignys  Aufstellung.     Denn  wenn  Gunst  oder 


^  N&mlich  Gnizzardinns  und  höchst  wahrscheinlich  anch  Hngolinns 
(s.  Savigny  S.  188).    Sie  bezeichnen  Reni  insola  als  den  Ort. 

^7)  Da  gerade  die  altern  Hss.  der  Auth.  Babüa  keine  Datiemng  ent- 
halten, könnte  sich  der  Zweifel  aufdrängen,  ob  denn  dieselbe  wirklich  anf 
dem  Beichstag  zu  Boncalia  erlassen  und  das  Datum  nicht  erst  später 
zugef&gt  worden  sei.  AUein  folgende  Erwägungen,  die  ich  Prof.  Ficker  in 
Innsbruck  verdanke,  machen  die  Entstehung  zu  Roncalia  wahrscheinlich.  In 
der  sicher  zu  Roncalia  erlassenen  Gonstitutio  de  feudis,  Feud.  n,  55,  heisst 
es:  Habito  consilio  episcoporum,  ducum,  marchionum,  comitum,  simul  etiam 
palatinorum  iudicum  et  aliorum  procerum  hac  edictali  lege  perpetuo  Talitura 
saneimns  etc.  Fast  dieselben  Ausdrücke  finden  sich  an  zwei  Stellen  der 
Auth.  Biabita  wider.  Das  ist  sicher  keine  zufällige  Uebereinstimmnng.  Denn 
insbesondere  die  Aufführung  der  Judices  und  Proceres  entspricht  dem  son- 
stigen Kanzleistil  nicht.  In  Feud.  II,  55  ist  die  Fassung  dadurch  veranlasst, 
dass  die  ähnliche  Fassung  in  der  Gonstitutio  Lothars  von  1136,  Feud.  II, 
52,  sichtlich  massgebend  war.  In  der  Auth.  Habita  ist  die  auffallende  Auf- 
führung wohl  nur  daraus  zu  erklären,  dass  jene  gleichzeitig  mit  der  Gonsti- 
tutio de  feudis  entstand  und  dass  die  Fassung  dieser  anf  sie  einwirkte. 

^s)  So  heisst  es:  omnibus  qui  causa  studiorum  peregrinantur  scolaribus 
.  . .  ut  ad  loca,  in  qua  veniunt,  inhabitant  et  studia  exeroent,  tarn  ipsi  quam 
eonun  nnntii  securi  sint  So  God.  Yat.  1427.  ~  God.  34  A  im  Archiv  zu  8.  Peter: 
ut  ad  loca  in  quibus  h'terarum  exercentur  studia  tarn  ipsi  quam  nuntii  eorum 
veniant  et  habitent  cum  eis  secure.  Im  Drucke:  ...  et  in  eis  secore  ha- 
bitent. 


1.  Paris  und  Bologna.    Privilegien.  #  55 

Ungunst  auf  die  Blüthe  der  Schulen  wenig  Einfluss  auszuüben 
im  Stande  waren,  warum  griff  Bologna  dann  so  schnell  nach  dem 
kaiserl.  PrivUeg")? 

Dasselbe  ist  zu  wichtig,  als  dass  wir  es  nicht  näher  betrachten 
sollten.  Der  Grundgedanke  des  Privilegs  ist,  dass  diejenigen, 
welche  zu  einer  Studienanstalt  behufs  ihrer  wissenschaftlichen 
Ausbildung  reisen,  in  den  kaiserlichen  Schutz  genommen  werden. 
Unbehelligt  sollen  sie  reisen  und  an  dem  Ziele  ihrer  Reise  sich 
aufhalten  können.  Wer  ihnen  ein  Unrecht  zufüge  oder  sie  wegen 
Vergehen  ihrer  Landsleute  schädigen  wolle,  habe  schwere  Strafe 
zu  gewärtigen.  Im  Falle  sie  verklagt  würden,  sollten  sie  die 
Wahl  haben  entweder  vor  ihren  Professoren  oder  vor  dem  Bi- 
schöfe der  Stadt  gerichtet  zu  werden'^). 

Vorerst  werfen  wir  die  Frage  auf,  wem  denn  eigentlich  das 
Privileg  zu  gute  kam,  den  Professoren  oder  den  Schülern?  Und 


*^)  Es  gehört  mit  za  den  Guriosit&ten  in  der  Gesch.  der  Entstehung 
nnd  Entwickelang  der  höh.  Schul,  unseres  Erdtheiles  v.  Meiners,  wenn  der 
Verf.  U,  54  schreibt,  die  Auth.  habe  man  mit  einem  so  tiefen  Stillschweigen 
übergangen,  als  wenn  sie  nie  existiert  hätte. 

^)  Im  Cod.  Vat.  1427  heisst  es:  ...  hnins  rei  optione  data  scolaribus, 
nt  coram  domino  ant  magistro  suo  Tel  civitatis  episcopo  secnndum  hanc 
iurisdictionem  conneniant.  Im  Cod.  34A  des  Archivs  zu  S.  Peter:  .  .  .  eos 
coram  domino  vel  magistro  suo  vel  ipsius  civitatis  episcopo  quibus  hanc  iu- 
risdictionem dedimns  conveniat  Der  Schlussatz  ist  in  beiden  gleich  und 
entschieden  der  unverständlichen  übrigens  ziemlich  alten  Leseart  des  Druckes 
vorzuziehen.  Es  muss  heissen:  Qui  vero  ad  alium  iudicem  trahere  eos 
temptaverit,  a  causa,  etiamsi  iustissima  fuerit,  pro  tali  conamine  cadat.  ~ 
Auch  Hostiensis,  Summa  super  tit.  Decret.  De  Magistris,  liest  also.  Dass 
die  Scholares  auch  die  Stadtobrigkeit  wählen  konnten  ist  klar.  Schon  Ac- 
cnrs,  CoU.  9  tit.  15.  C.  21  §  2  (vgl.  Savigny  III,  177  Anm.  6)  und  Odofred 
in  Auth.  sagen  dies,  und  vor  ihnen  Damasus:  Bononie  habent  scolares  (ju- 
dices)  episcopum,  magistrum  et  potestatem,  et  habent  potestatem  eligendi 
ex  illis  quem  voluerint,  et  si  consentiant  in  unum  illorum  ante  litem  con- 
testatam,  non  poterunt  resilire.  Questiones  II,  De  judiciia  im  Cod.  14320 
Bl.  177  b  der  Nationalbibl.  zu  Paris  (Bei  Schulte,  Sitzungsber.  der  phil.  bist. 
GL  der  kais.  Akad.  LXVI,  149  ist  ein  ganz  missverstandener  Text  mitge- 
theilt).  Rolandinus  sagt  aber  im  Tractatus  notularum  (Cod.  Paris.  13688 
Bl.  121):  Scolaris  qui  Bononie  moratur  subiectus  est  de  iure  communi  iudici 
Bononiensi  . . .  sed  per  Privilegium  potest  declinare  et  dicere,  quod  velit 
coram  suo  doctore  conveniri. 


5S  II.  Entsteliang  der  ftitesien  ünivenit&teiL 

woun  letxtern,  ob  den  Schülern  der  Rechtswissenschaft,  octer  ohne 
t'ntorsehied  allen  SchtUem?  Sayigny  meint,  die  jnristia<Aen  Pro- 
fessor eu  würden  nicht  bloss  rühmlich  erwähnt,  sondern  gerade 
fttr  die  berühmten  Professoren  Ton  Bologna  sei  das  Privileg  ge- 
geben woi-den^^.  Er  hat  die  Stelle  im  Ange:  'omnibiis,  qm 
causa  stadiorum  peregrinantnr,  scolaribns  et  maxime  diTinamm 
atque  sacrarum  legnm  professoribns' ").  Allein,  wo  ist  denn  hier 
von  den  berühmten  Professoren  zu  Bologna  die  Rede?  Dies  ist 
so  wenig  der  Fall,  dass  Accnrs  nnd  ihm  folgend  Jac.  Butrigarins 
das  ^maxime'  sammt  dem  ganzen  Begriff  zn  den  Scholaren  her- 
überziehen, behauptend,  das  Privileg  sei  vorzüglich  den  Rechts- 
schülern ertheilt  worden,  wenngleich  auch  andern  Schülern"). 
Einige  haben  die  Worte  ^divinanim  atque  sacr.  legnm  professores' 
geradezu  auf  die  Schüler  angewendet'^).  In  der  That  legen  die 
älteren  Glossatoren  der  Authentica  Habiia  das  Privileg  nur  für 
die  Scholares  aus^^).  Erst  Baldus  lässt  es  auch  von  den  Pro- 
fessoren gelten'*).  Man  könnte  allerdings  dagegen  einwenden, 
dass  in  demselben  von  jenen  die  Rede  ist,  ^quorum  scienüa  mundus 
illuminatur'  etc.,  eine  Phrase  die  weniger  für  die  Schüler  passt 


w)  L.  c.  8.  169. 

^^)  Savigny  wurde  wohl  anf  obige  Ansicht  geführt,  weil  auf  dem  Seidu- 
tage  zu  Roncalia  die  vier  Rerhtslehrer  aus  Bologna:  Bulganu,  Martinas, 
Jacob  und  Hugo  zugegen  waren.  Otto  Morena,  Hist.  rer.  Landen,  bei  Mu- 
ratori,  Rer.  ital.  SS.  VI,  1016  f. 

&3)  Beide  in  Cod.  ad  Autb«  Hablta,  Bcotarilm. 

M)  So  verstehe  ich  weoigHtans  ('Inus  in  Cod.  8,  18  IMniquium^  wenn 
er  die  Ansicht  einiger  'moderni'  anführt,  denen  zufolge  die  Scholares  einen 
Judex  erw&hlen  könnten,  'quia  rxorcent  profcRsionem,  ut  in  Auth.  BMta^ 
(Cod.  Yat.  2592).  Nun  kann  abnr  In  dpr  ganzen  Auth.  nur  die  oben  citierte 
Phrase  hieher  bezogen  worden.    Dariolo  spricht  Ahnlich  wie  Cinus  ad  1.  c 

^^)  So  Accurs,  Odofrod,  (hildo  de  Huiaria  (Cod.  Paris.  4489  El.  47a), 
Jac.  Butrigarius  ad  Auth.  Um  lo  londnrbarer  ist  es,  wenn  h&nfig,  und 
neuestens  von  Giesebrocht,  Qosclilchto  der  doutnrhcn  Kaiserzeit  Y,  1  S.  181 
Anm.,  gesagt  wird,  unter  den  Scholaren  soion  auch  die  Professoren  mit  ein- 
begriffen, 'wie  ausdrücklich  hervorgehoben  wird*. 

^)  Privilegia  huius  Auth.  concoduntur  otiam  professoribus,  id  est  ma- 
gistris  fiive  doctoribus . . .  lam  ergo  non  est  dubium,  quod  doctores  forenses 
habent  Privilegium  huius  authentice  otc.  Doch  stellt  er  diese  Ansicht  nur  als 
Meinung  hin  unter  Berufung  auf  Nicolaus  Matarello  an  der  Wende  des  18.  Jhs. 


1.  Paris  und  Bologna.    Privilegien.  57 

Allein  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  ihr  folgen  die  Worte: 
quis  enim  eorum*')  non  misereatur,  qui*^)  amore  scientie  facti 
sunt  exules,  eine  Stelle,  die  in  der  älteren  Zeit  nur  auf  die 
Scholares  ausgelegt  wurde '^*).  Und  so  besagen  auch  die  früheren 
Worte  nichts  anderes,  als  dass  die  Schüler  an  jenen  Studienan- 
stalten, zu  denen  sie  reisen,  zu  Männern  gebildet  werden,  durch 
deren  Wissenschaft  die  ganze  Welt  erleuchtet  wird,  ganz  in  lieber- 
einstimmung  mit  Justinians  Const.  Omnem^  die  doch  für  die  Auth. 
Habita  die  Grundlage  war,  in  der  für  die  Schüler  ein  derartiger 
Unterricht  gefordert  wird,  'ut  ex  hoc  optimi  atque  eruditissimi 
eCficiantur,  quatenus  fiant  optimi  justitiae  et  reipublicae  mini- 
stri'«*^). 

Dasselbe  erhellt  auch  aus  dem  ganzen  Zusammenhange  der 
Autbentica.  Trotzdem  der  Kaiser  im  Anfange  auch  von  den 
Professoren  spricht,  so  nimmt  er  doch  in  der  Folge  namentlich 
nur  die  Scholaren  in  Schutz.  Am  deutlichsten  zeigt  sich  dies  an 
der  Stelle,  wo  er  ihnen  das  Privileg  der  Wahl  des  Gerichts^ 
Standes  ertheilt.  Hier  wird  der  letzte  Halt  für  die  Behauptung, 
als  habe  Friedrich  unter  den  Scholaren  vielleicht  auch  die  Mar 
gistri  verstanden,  genommen,  denn  dieselben  Scholaren,  von 
denen  früher  die  Rede  war,  werden  hier  ausdrücklich  von  den 
Domini  und  Magistri  unterschieden.  Savigny  selbst  ist  gezwungen 
etwas  später  zu  bekennen,  das  Privileg  sei  eigentlich  nur  den 
Schfilem  zu  Theil  geworden  ^^). 

Welchen  Zweck  hat  aber  dann  im  Anfange  der  Auth.  die 
ehrenvolle  Erwähnung  der  ^divinarum  atque  sacrarum  legum  pro- 
fessores*?  Sie  werden  dort  geradezu  'maxime'  berücksichtigt. 
Ziehen  wir  aus  dem  ganzen  Zusammenhange  der  Autbentica  auf 
diese  Stelle  einen  Schluss,  so  ergibt  sich,  dass  die  Professoren 
der  Rechtswissenschaft  eigentlich  nur  um  der  Scholaren  willen 
erwähnt  werden,  was,  wenngleich  mit  andern  Worten,  auch  Accurs 


67)  Cod.  Yat.  1437  fehlt  eanmu 

^)  Ibid.  cum  statt  ^'. 

^  So  s.  R  von  Odofred  ad  Auth.  Bointa. 

«0)  PraeC  und  §  IL 

ö)  A.  a.  0.  S.  170. 


58  n.  Entstehiuig  der  ältesten  UniTersit&ten. 

und  Jac.  Butrigarios  sagen,  wie  wir  gesehen  haben.  Da  ge- 
rade die  Professoren  der  Rechtswissenschaft  an  jenem  Orte,  wo 
von  den  Scholaren,  qui  causa  studionim  ad  loca,  in  quibus  lite- 
rarum  exercentur  studia,  peregrinantur ,  die  Rede  ist,  genannt 
werden,  so  ergibt  sich,  dass  Friedrich  das  Privilegium,  wenngleich 
allen  Schülern"),  so  doch  vorzüglich  jenen  der  Rechtswissenschaft 
ertheilen  wollte.  Zu  einem  ähnlichen  Schlüsse  werden  wir  durch 
die  Stelle,  wo  von  der  Wahl  des  Grerichtsstandes  gesprochen 
wird,  gedrängt.  Bereits  in  der  angezogenen  Constitution  Omnem 
Justinians  erhalten  vorzüglich  die  Professoren  der  Rechtswissen- 
schaft nebst  dem  Bischöfe  die  Gerichtsbarkeit  So^*)  verhält  es 
sich  auch  in  Friedrichs  Authentica.  Die  Phrase:  ut  (scolares) 
coram  domino  vel  magistro  suo . . .  conveniat,  bezieht  sich  zuerst 
auf  die  Lehrer  der  Rechtswissenschaft  (dominus),  wie  bereits 
Odofred  sagt^*),  und  auch  Savigny  richtig  gesehen  hat^^),  und 
dann  auf  die  Lehrer  der  anderen  Wissenschaften").  Gilt  dies 
in  Bezug  auf  die  Professoren,  so  auch  in  Bezug  auf  die  Scho- 
laren, denn  der  Schüler  musste  seinen  Lehrer  wählen,  d.h.  den 
Lehrer  jener  Wissenschaft,  welche  er  studierte.  Den  Schülern  der 
Rechtswissenschaft  kam  also  das  Privileg  in  erster  Linie  zu  gute. 
Und  dass  dem  also  war,  dafür  zeugt  die  Geschichte  der  Schule 
Bolognas. 


^')  80  macht  auch  Accnrs  zu  'peregrinantur  seolanbui*  die  Glosse: 
eoinslibet  facnltatis.    Cod.  34  A  im  Archiv  von  S.  Peter. 

63)  Schon  Accurs  (Cod.  34  A  im  Archiv  zu  S.  Peter)  und  die  Interlinear- 
glosse im  Cod.  Yat  1427  bringen  beide  Constitutionen  in  Bezug  auf  diesen 
Punkt  in  Verbindung. 

^)  In  Dig.  vet.  Const  1.    lUud  vero. 

«)  A.  a.  O.  S,  171. 

<^)  Bereits  Accnrs  setzt  lu  damkio  legum  hinzu,  lu  magiüro  alterius 
facultatis.  Cod.  34  A  im  Archiv  zu  S.  Peter.  Aehnlich  die  Interlinearglosse 
im  Cod.  Yat  1427.  Es  geht  nicht  an  mit  Savigny  zu  sagen,  'vel  magistro 
suo'  sei  um  der  Deutlichkeit  willen  zu  'domino'  gesetzt  worden.  Geradezu 
absurd  ist  Steins  Behauptung  (L  c.  S.  247),  dominus  bedeute  soviel  als  Haus- 
herr, d.  h.  dominus  im  eigenen  Hausei  Der  professores  werde  nicht  er- 
wähnt. Solche  Sonderbarkeiten  bedürfen  keiner  Widerlegung.  Uebrigens 
erU&rt  Accurs  1.  c.  das  Wort  dominus:  qui  alias  preceptor  appellatur  .  .  . 
alias  magister. 


1.  Paris  und  Bologna.    Privilegien.  59 

Dass  dieses  Privileg  Friedrichs  wesentlich  zur  Blüthe  Bo- 
lognas beitrug,  bedarf  keines  Beweises,  denn  direct  oder  indirect 
nehmen  dies  fast  alle  an.  Ja  man  überschätzt  sogar  die  Bedeutung 
desselben.  Eine  Ueberschätzung  muss  ich  es  nennen,  wenn  man 
behauptet,  durch  jenes  Privileg  sei  die  Recbtsschule  von  Bologna 
zu  einer  staatlich  anerkannten  Corporation,  zu  einer  'universitas 
personarum'  erhoben  worden  ^^);  und  noch  immer  zu  hoch  gehalten 
wird  es,  wenn  man  meint,  es  habe  mit  c.  3  Decret.  5,  5  das 
Becht  der  entstehenden  Universitäten  begründet  ^^).  Indessen 
solche  Aeusserungen  beweisen  die  zu  Tage  liegende  Wichtigkeit 
dieses  Privilegiums  für  die  Schulen,  resp.  für  Bologna,  und  die 
Unrichtigkeit  der  Behauptung,  Gunst  oder  Ungunst  der  mächtig- 
sten Herrscher  hätten  wenig  Einfluss  auf  die  Blüthe  der  Schulen 
ausgeübt*'). 

Friedrichs  Privileg  erhielt  die  grösste  Bedeutung  dadurch, 
dass  es  sei  es  unmittelbar  oder  mittelbar  die  Grundlage  wurde 
für  die  Privilegienbriefe,  welche  die  Kaiser  und  Landesherren  den 
Universitäten  gaben.  Durch  alle  Privilegienbriefe  zieht  sich  die 
eine  Bestimmung  hindurch,  dass  die  Studierenden  beim  Reisen 
und  während  des  Aufenthaltes  unbehelligt  sein  und  in  den  kaiser- 
lichen oder  landesherrlichen  Schutz  genommen  werden  sollen. 
Selbst  die  Städte  Italiens  haben  diesen  Punkt  für  ihre  klemen 


07)  Laschin  a.  a.  0.  S.  91.    Dies  ist  eine  ziemlich  verbreitete  Ansicht 

^)  Stein  a.  a.  0.  S.  248. 

0^)  Auch  der  andere  Theil  der  Behanptong,  die  Ungunst  der  mächtig- 
sten Herrscher  hätte  wenig  Einfluss  gehabt,  ist  nicht  minder  unrichtig. 
Savigny  citiert  namentlich  die  yon  Friedrich  II.  1226  verfügte  Aufhebung 
der  Schule  zu  Bologna,  die  ohne  Erfolg  gewesen  sei.  S.  89  u.  178.  Allein 
warum  bemflhte  sich  dann  Honorius  IIL  so  angelegentlich,  dass  Friedrich  IL 
'specialiter  constitutionem  factam  de  studio  et  studentibusBononie'  zurück- 
nehme? So  5.  Januar  1227  an  die  Lombarden  (Mon.  Germ,  bist  Epist. 
saec.  XHL  I,  247),  und  in  dem  Ton  ihm  ausgehenden  Entwurf  der  vom 
Kaiser  zu  'vollziehenden  Friedensurkunden  (bei  Winkelmann,  Acta  Imperii 
inedita  p.  263  f.),  welche  Worte  dann  Friedrich  auch  gebrauchte.  Bei  Huill- 
Br^lL  II,  712.  Uebrigens  gebe  ich  zu,  dass  die  Ungunst  des  Kaisers  weit 
weniger  schadete,  als  seine  Gunst  nützte,  weil  die  Schule  im  ersten  FaUe 
immerhin  in  einem  noch  m&chtigeren  Herrscher,  n&mlich  im  Papste,  einen 
Beschützer  fand. 


gO  II.  Entstehang  der  ältesten  Universitftten. 

Republiken  nie  umgangen.  Die  Grundlage  hierfür  bildete  die 
Auth.  Habita^  die  bereits  im  Keime  das  später  nie  fehlende  Pri- 
vileg enthielt,  dass  die  Scholaren  von  den  Abgaben  befreit  sein 
sollten.  Die  Authentica  gieng  in  diesen  Grundzfigen  zuerst  in 
den  Stiftbrief  Friedrichs  n.  für  Neapel,  und  dann,  zumeist  durch 
diesen,  in  andere  Stiftbriefe  über.  Ein  Unterschied  ist  nur 
darin  zu  bemerken,  dass,  während  Friedrichs  I.  Privileg  den 
Scholaren  und  zwar  vorzugsweise  jenen  der  Rechtswissenschaft 
galt,  in  den  Stiftbriefen  das  Privileg  anfänglich  auf  alle  Studie- 
rende, später  auf  alle  Universitätsangehörige  ausgedehnt  wurde. 
Vielfach  wurde  die  Auth.  auch  die  Grundlage  für  die  Wahl  des 
Gerichtsstandes  durch  die  Scholaren. 

Die  Schulen  von  Paris  waren  schon  frühzeitig  im  Genüsse 
von  Privilegien.  Als  der  erste  König,  welcher  solche  ertheilte, 
wird  Ludwig  YII.  genannt '®).  Leider  hat  sich  kein  Actenstück 
erhalten.  Ein  solches  existiert  aber  von  seinem  Sohne  und  Nach- 
folger Philipp  August  V.  J.  1200.  Da  dieses  Privileg  sowie  die 
übrigen  Privilegien  später  Gegenstand  der  Untersuchung  sein 
werden,  so  kann  ich  sie  hier  füglich  übergehen'^  0-  I^^s  ^^^^  P^* 
vilegien  zum  Glänze  der  Schule  viel  beigetragen  haben,  sagt  uns 
der  Chronist  Wilhelm  Aremoricus  ad  an.  1209.  Er  meint  der 
grosse  Zudrang  zu  den  Schulen  in  Paris  sei  nicht  bloss  auf 
Rechnung  der  Bequemlichkeit  des  Ortes  zu  setzen,  ^sed  etiam 
propter  libertatem  et  specialem  praerogativam  defensionis,  quam 
Philippus  rex  et  pater  ejus  ante  ipsum  ipsis  scolaribus  impen- 
debant^  '0.  Und  wie  in  Bologna,  so  finden  wir  auch  in  Paris  eine 
eifersüchtige  Hochhaltung  der  Privilegien,  deren  Verletzung  nur 


70)  Dies  sagt  Wilhelm  Aremoricns,  der  es  wohl  wissen  konnte,  in  der 
Fortsetzung  der  Qesta  Philippi  Augusti.    S.  Anm.  71. 

7<^*)  8.  das  Privüeg  Philipp  August  nach  dem  Originale  von  mir  heraus« 
gegeben  in  den  M6moires  de  la  soci6t6  de  l'liistoire  de  Paris  X,  247.  Y^ 
auch  Du  Bonlay  ni,  2. 

71)  Gesta  Philipp!  Augusti  in  RecueU  des  historiens  des  Gaules  XVII, 
88.  So  sagt  auch  Philipp  der  Schöne  in  Besng  auf  Orleans  1312:  ceterum, 
ut  doctores,  magistri  et  scolares  libentius  ad  Studium  ipsum  declinent  et 
taato  lerventiuB  ibidem  studentes  proficiant,  quanto  plus  honorari  se  sentiaut, 
illnd  privüegüs,  henefidis  et  libertatibua  munientes  etc. 


1.  Paris  und  Bologna.    Privilegien.  gl 

ZU  oft  die  Schliessung  der  Vorlesungen,  ja  selbst  die  Auswande- 
rung aus  der  Stadt  zur  Folge  hatte.  Wären,  um  nur  6in  Bei- 
spiel zu  nennen,  1229  bis  1231  der  Universität  Paris  nicht  ihre 
alten  Rechte,  die  sie  vom  Könige  und  von  den  Päpsten  besass, 
unverkürzt  zurückgegeben  worden,  sie  hätte  aufgehört  zu  exi- 
stieren, wie  Gregor  IX.  deutlich  genug  ausspricht"),  trotzdem 
dass  sie  sich  so  glanzvoll  entwickelt  hatte  und  so  blühend  bisher 
dagestanden  war.  Darum  ermahnt  derselbe  Papst  zwei  Jahre 
später  den  König,  er  möge  das  Privileg  des  Philipp  August  den 
Scholaren  erneuem  und  auf  dessen  Beobachtung  dringen,  damit 
das  Studium  in  statum  pristinum  reformetur'  ^').  Wie  nothwendig 
zum  Bestände  einer  Schule  die  Privilegien,  die  sich  ja  keine 
Schule  oder  Universität  selbst  geben  konnte,  waren,  beweist 
der  sich  seit  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  ausbildende  Usus, 
Conservatoren  der  Privilegien  jener  Schulen  aufzustellen. 

Savignys  Ansicht  kann  ich  mir  nur  daraus  erklären,  dass  er 
zwischen  Schule  und  Schule  nicht  gehörig  schied.  Auf  die  geistige 
Schule,  wenn  ich  so  sagen  darf,  nämlich  auf  die  Entwicklung  undFort- 
pflanzung  der  Ideen  hatte  allerdings  die  Gunst  oder  Ungunst  der 
hohem  Autorität  keinen  directen  Einfluss'^).  Aber  für  die  Schule, 
an  der  diese  Ideen  entwickelt  und  fortgepflanzt  wurden,  besonders 
aber  für  den  Bestand  dieser  Schule,  bildeten  die  Privilegien  jener 
Autorität,  mit  der  man  rechnen  musste,  fast  noch  festere  Grund- 
pfeiler als  die  Organisation  derselben.  Baute  sich  doch  diese 
zum  grossen  Theile  auf  jenen  auf.  Daher  die  Erscheinung,  dass 
die  Professoren  oder  Schüler  einer  Schule,  in  den  Besitz  von  Pri- 
vilegien einmal  gelangt,  oft  viel  zäher  an  denselben  hiengen,  und 
zwar  selbst  jenen  gegenüber,  von  denen  sie  dieselben  empfangen 


7S)  Im  Schreiben  an  den  Bischof  t.  Paris  vom  23.  Not.  1229.  Beg.  Yat 
an.  3  ep.  88  BL  144a,  nach  einer  Abschrift  nunmehr  ediert  von  Yalois, 
GniUanme  d'Auvergne,  p.  343  n.  18.  Aebnlich  lauten  die  Schreiben  an  die 
Bischöfe  Ton  Le  Maus  und  Senlis  und  den  Archidiacon  von  Ghalons  (Beg. 
Yat.  an.  3  ep.  89),  sowie  an  den  König  und  seine  Mutter  (ibid.  ep.  95.  Du 
BouL  m,  135). 

75)  Beg.  Yat.  an.  5  ep.  34  Bl.  81a.    Du  Boul.  III,  143. 

7*)  Theüwcise  spricht  auch  Savigny  a.  a.  0.  S.  89  von  dieser  Schule, 
springt  aber  alsbald  auf  den  andern  Begriff  der  Schule  über. 


g2  n.  Entstehung  der  ältesten  Universit&ten. 

hatten,  als  an  manchen  Punkten  der  Verfassung.  Hatte  einmal 
eine  Schule  Privilegien  erhalten,  so  sahen  Professoren  und  Schüler 
den  Genuss  derselben  als  ein  unveräusserliches  Recht  an  ^^).  In- 
sofern kamen  die  Privilegien  gewiss  auch  der  geistigen  Schule 
zu  gute. 


So  entwickelten  sich  die  Schulen  zu  Paris  und  Bologna  aller- 
dings spontan  und  von  innen  heraus;  allein  blühende  und 
bleibende  Schulen  wurden  sie  nicht  ohne  die  neue  Methode  in 
der  Doctrin  an  denselben  und  ohne  die  Privilegien.  Und  doch 
waren  diese  zwei  Factoren  allein  noch  nicht  genügend  um  die 
Schulen  vor  baldigem  Verfalle  zu  schützen.  Es  musste  noch  ein 
dritter  Factor  hinzutreten,  der  gerade  für  diese  zwei  Schulen  von 
epochemachender  Bedeutung  war,  der  sie  zu  dem  machte  was 
sie  waren,  die  Universität  zu  Paris  und  die  Universität  von 
Bologna. 

Bis  in  die  2.  Hälfte  des  12.  Jhs.  hatten  alle  grossem  Schulen 
mehr  oder  weniger  dasselbe  äussere  Gepräge.  Unterschieden  sich 
auch  Paris  und  Bologna  durch  die  zwei  eben  genannten  Factoren 
von  den  übrigen  Schulen  und  besassen  auch  beide  eine  grössere 
Anzahl  von  Lehrern  und  Schülern,  so  bildeten  doch  weder  hier 
noch  dort  Lehrer  und  Schüler  ein  moralisches  und  juridisches 
Ganze,  sie  hatten  sich  noch  nicht  zu  Genossenschaften  vereinigt. 
Bis  dieser  Moment  eintrat,  verstrich  in  Paris  und  Bologna,  selbst 
nachdem  beide  Schulen  die  unbestrittene  Hegemonie  über  alle 
übrigen  erhalten  hatten,  eine  geraume  Zeit.  Der  Grund  davon 
ist  einleuchtend.  Einmal  bezeichnet  überhaupt  erst  die  2.  Hälfte 


71^)  Job.  Kone  zu  Leipzig  sagte  im  J.  1445  in  6ffentlicber  Yersammlang, 
in  die  PrivUegien  und  Freiheiten  der  Universität  habe  sich  kein  König  and 
kein  Kanzler  einzumischen.  Bei  Zamcke,  Die  nrkandl.  Quellen  zur  Gesch. 
der  Univ.  Leipzig.  Abh.  der  k.  s&chs.  OeseUsch.  d.  Wissensch.  III«  723. 
Gerade  als  hätte  sich  die  Universit&t  selbst  die  Privilegien  und  Freiheiten 
ausgestellt!  Der  Ausspruch  ist  nur  im  obigen  Sinne  richtig.  Es  führt  zu  Miss- 
verständnissen,  solche  Stellen  ohne  Erklärung  zum  Erweise  der  Freiheit  der 
mittelalterL  Universitäten  anzuführea 


1.  Paris  und  Bologna.    PriTÜegien.  63 

des  12.  Jhs.  den  Zeitpunkt,  in  dem  das  Genossenschaftswesen 
überall  einen  neuen  Aufschwung  nahm.  Und  dann  mangelte  spe- 
ciell  in  diesem  Falle  ein  Vorbild  für  Genossenschaften  an  Schulen'^). 
Erst  eine  Zeit  mit  veränderten  Verhältnissen  konnte  auch  an  den 
Schulen  das  Bedürfiiiss  nach  Vereinigung  zu  Genossenschaften 
wecken,  diese  konnten  sich  daher  nur  spontan  und  nach  und 
nach  entwickeln.  Die  Vorbedingungen  hiefür  existierten  aber 
damals  bloss  in  Paris  und  Bologna,  denn  wohl  nur  sie  besassen 
neben  einer  grossen  Schttlerzahl  verschiedener  Nationen  eine 
hmreichende  Anzahl  von  Lehrern. 

Man  kann  sowohl  in  Bezug  auf  Paris  als  auch  auf  Bologna  von 
der  Entstehung,  oder  wenn  man  lieber  sagen  will,  Gründung  der 
Hochschule  nicht  sprechen,  ohne  den  Entwicklungsgang  der  Cor- 
porationen  darzulegen.  Das,  was  wir  Universität  Paris  oder 
Hochschule  von  Bologna  nennen,  sind  nicht  die  Schulen  vor  der 
Bildung  der  (3orporationen  an  denselben,  sondern  die  Schulen 
von  jenem  Momente  ab,  wo  der  Bildungsprocess  von  Genossen- 
schaften vor  sich  gegangen  war.  Erst  die  Genossenschaften 
drückten  diesen  Schulen  ein  bleibendes  Siegel  auf,  sie  sind  ein 
wesentlicher  Factor  im  Entwicklungsgange  dieser  zwei  Schulen. 
Dies  ist  der  Grund,  warum  ich  hier  die  Bildung  der  Corpora- 
tionen  an  den  Schulen  zu  Paris  und  Bologna  darstellen  muss. 
Paris  und  Bologna  gehen  hier  weit  auseinander;  nur  wenige 
gemeinsame  Factoren  lassen  sich  noch  unterscheiden. 


76)  Nur  durch  g&nzliches  Missverstehen  des  Briefes  Gozechins  (bei  Ma- 
biUon,  Yet.  Anal.  Paris.  1723  p.  439)  konnte  Laferriöre  ans  demselben  eine 
den  spfttem  Qeneralstndien  nicht  ganz  unähnliche  Organisation  der  Lütticher 
Schule  im  11.  Jh.  herauslesen.  S^ances  et  trarauz  de  Tacad^mie  des  sciences 
mor.  et  polit  XXY  (Paris  1855)  p.  10  f. 


64  n.  Entstehong  der  ftltesten  ümvenit&ten. 

2.   Die  Bildoxig  der  Corporationen  an  der  HoohBolmle 

zu  Paris. 
In  Bezug  auf  die  Bildung  und  das  Wesen  der  Universität 
zu  Paris  hat  sich  ein  grosser  folgenschwerer  Irrthum  seit  mehr 
denn  zwei  Jahrhunderten  bis  auf  den  heutigen  Tag  fortgepflanzt 
Seit  Du  Boulay,  dem  theilweise  Belforest  vorausgieng,  nahm  man 
an,  die  Universität  Paris  als  Corporation  sei  aus  einer  Vereinigung 
der  sogenannten  vier  Nationen  hervorgegangen,  diese  zusammen 
hätten  eine  Gesammtgenossenschaft,  die  Universität,  gebildet. 
Die  Nationen  hätten  aus  den  Scholaren  und  Professoren  bestanden; 
Facultäten  habe  es  noch  nicht  gegeben.  An  der  Spitze  der 
Gesammtgenossenschaft  oder  der  Universität  sei  der  Bector 
gewesen,  dem  die  Procuratoren  der  vier  Nationen  als  Vertreter 
ihrer  Landsleute,  als  Consiliarii  zur  Seite  waren.  Seit  der  Mitte 
des  13.  Jhs.  habe  sich  dies  alles  geändert.  In  Folge  des  Aus- 
ganges der  lange  Zeit  hindurch  währenden  Streitigkeiten  der 
Universität  mit  den  Bettelmönchen,  welche  Lehrstellen  an  der 
Hochschule  beanspruchten  und  erhielten,  seien  zuerst  sämmtliche 
Doctoren  der  Theologie,  zu  denen  eben  auch  die  Professoren  aus 
den  Bettelorden  gehörten,  aus  den  Nationen  ausgetreten,  und 
hätten  ein  besonderes  GoUegium,  nämlich  die  theologische  Fa« 
cultät  gebildet;  ihrem  Beispiele  seien  die  Lehrer  des  canonischen 
Rechts,  und  später  auch  jene  der  Medicin  gefolgt.  Seit  dieser 
Zeit,  sagte  man,  habe  die  Universität  aus  sieben  ungleichartigen 
Theilen  bestanden,  den  drei  eben  genannten  Facultäten,  von 
denen  jede  ihren  Decan  besass,  und  den  vier  Nationen.  Diese 
letztern  wären  die  alte  Universität  gewesen  und  sie  hätten  den 
Namen  der  Universität  geführt  Die  vier  Nationen  seien  im  Be- 
sitze des  Rectorats  und  der  Gerichtsbarkeit  geblieben,  zu  ihnen 
hätten  auch  die  Scholaren  der  8  Facultäten  gehört,  denn  nur 
die  Doctoren  bildeten  die  Facultäten  der  Theologie,  des  Jus  und 
der  Medicin.  Diese  Metamorphose  habe  die  Universität  c.  1260 
begonnen '0- 

77)  Die  wahre  Quelle  für  obige  Behaaptnngen  war  weniger  Pasqoier 
in  seinen  Recherches  de  la  France ,  1.  9,  da  er  im  eh.  6  den  eigentlichen 
Fragepnnkt  gar  nicht  kennt,  obwohl  er  eh.  9  auf  die  Facultäten  eingeht,  von 
denen  er  nur  2  annimmt,  sondern  Du  Boulay,  bes.  m,  349  f.  562  ff.,  und 


2.  Bildung  der  Corporatlonen  an  der  Hochschule  eu  Paris.         65 

Diese  Behauptungen  sind  im  Wesen  total  irrig;  nur  da  und 
dort  ist  ein  Körnchen  Wahrheit  zu  finden.  Vor  allem  mögen 
die  Leser  überzeugt  sein,  dass  ein  Document  oder  ein  gleichzeitiger 
Bericht  darüber,  dass  1259—1260  oder  etwas  später  eine  Um- 
wandlung in  Bezug  auf  die  Organisation  der  Universität  statt- 
gefunden habe,  absolut  nicht  existiert.  Alle  meine  Recherchen 
im  Universitätsarchiv  an  der  Sorbonne,  in  der  Arsenal-  und  Ma- 
dessen Copist  Crevier  I,  466  f.  Der  Ganal  in  neaerer  Zeit ,  durch  den  diese 
Behauptoogen  weiter  geleitet  wurden,  war  für  Deutschland  ausser  Meiners  I, 
81  ff.  fast  ausschliesslich  Savigny,  Gesch.  des  Böm.  Rechts  III,  349  ff.  Sa- 
?igny  f&llte  S.  338  ein  hartes  Urtheil  über  Du  Boulay;  er  fand  dessen 
Werk  *ohne  Kritik'.  Um  so  auffälliger  ist  es,  dass  er  dem  Du  Boulay 
ausser  der  Fabel  über  den  Ursprung  der  Hochschule  fkst  aUes  nachschreibt. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  Huber,  Die  engl  Universitäten  I,  30  f.  40  ff.  44  ff. 
In  Deutschland  wurde  keine  andere  Ansicht  vertreten.  Neue  Ganäle  haben 
sich  wie  es  scheint  inMaurer's  Geschichte  der  Städteverfassung  in  Deutsch- 
land (II,  288  ff.)  und  in  Sybels  Hist.  Ztsch.  1881  S.  254  f.  eröffoet,  die  aber 
nur  das  alte  Wasser  fortleiten.  Die  Einleitungen  zu  der  Geschichte  ein- 
zelner Universitäten  in  Deutschland  bieten  keine  andern  Ansichten.  Es  lohnt 
sich  nicht  der  Mühe  sie  aufzuzählen.  In  Italien  begnügte  man  sich  Savigny 
zu  übersetzen.  In  Spanien  sprach  so  weit  mir  bekannt  nur  Zärate,  De  la 
instruccion  publica  en  EspaSa  II,  177  f.  etwas  ausführlicher  darüber,  aber 
lediglich  wie  Du  Boulay.  Die  Engländer  besassen  zunächst  nur  Newman,  Tbe 
Office  and  work  of  nniversities  (London  1856)  und  die  Uebersetzung  von 
Habers  Werk.  In  Frankreich  arbeitete  man  besser  als  anderswo.  Der  anonyme 
Autor  der  Origo  vera,  auf  den  ich  alsbald  zu  sprechen  komme,  bekämpfte 
glücklich  Du  Boulays  System,  das  jedoch  Tillemont  in  seiner  Yie  de  S.  Louis 
(par  OanUe.  Paris  1851)  VI,  217  wider  auf&ischte.  In  neuester  Zeit  wich 
Thurot,  De  l'organisation  de  l'enseignement  dans  l'universit6  de  Paris  (Paris  1850 
p.  3  £  13  ff.)  von  Du  Boulay  ab,  ohne  ihn  gerade  zu  bekämpfen  und  die 
Schwierigkeiten  zu  lösen.  Doch  gelang  es  ihm  nicht  sich  vollständig  von 
Du  Boulay  zu  emancipieren  (s.  p.  18).  Aus  gelegentlichen  Bemerkungen,  die 
Jourdain  in  den  Noten  zu  seinem  Index  chronologicus  macht,  schliesse  icb, 
dass  auch  er  von  Du  Boulay,  wenigstens  in  Bezug  auf  die  Stellung  des 
Rectors  in  der  Universität,  abweiche.  Andere  Autoren,  wie  Dubarle,  La- 
ferriöre,  Halmagrand,  Dezmas  u.  a.  giengen  aUerdings  den  bequemem  be- 
tretenen Weg.  Vor  Du  Boulay  urtheilte  theilweise  richtiger  Goulet,  der  in 
der  (höchst  seltenen)  Schrift  Compendium  recenter  editum  de  multiplici  pa- 
risienais  universitatis  magnificentia  etc.  (Parisiis  1516)  Bl.  1  den  Ursprung 
zwar  auf  Karl  den  Grossen  zurückführt,  Bl.  3  b  die  'arcium  facultas  omnium 
aliamm  basis,  mater  et  nutriz'  nennt,  allein  doch  Bl.  2b  die  Zusammen- 
setzung aus  den  vier  Facultäten  als  die  ursprüngliche  ansieht. 

Denifl«,  Die  ÜDiTenititeo  I.  5 


6g  IL  Entstehung  der  ältesten  UniTersitäten. 

Zarinbibliothek,  an  den  Archives  nationales,  wo  doch  so  viele 
Originalien,  darunter  nicht  wenige  Inedita,  welche  Jourdain  nicht 
kannte^'),  liegen,  an  der  Nationalbibliothek  zu  Paris,  im  British 
Museum,  im  Yaticanischen  Archiv  blieben  fruchtlos.  Und  auch 
Du  Boulay  konnte  keine  Documente  beibringen;  die  er  citiert, 
handeln  von  etwas  ganz  anderm.  Das  erste  das  er  anfuhrt,  eine 
Bulle  Alexanders  IV.  vom  5.  April  1259"),  ist  gegen  jene 
Magister  und  Scholaren  gerichtet,  welche  wegen  der  Angelegenheit 
Wilhelms  von  S.  Amour  sich  von  den  Religiösen  trennen  und 
diese  von  ihrer  Gemeinschaft  ausschliessen  wollten.  Wäre  diese 
Absicht  nicht  vereitelt  worden,  so  hätte  nicht  die  von  Du  Boulay 
ausgedachte  Organisation  Platz  gegriffen,  sondern  die  Auf- 
lösung der  Universität,  was  die  Magistri  einige  Jahre  vorher, 
wie  sich  weiter  unten  ergeben  wird,  offen  anstrebten.  Davon, 
dass  zuerst  die  Theologen,  dann  die  Ganonisten  und  Mediciner 
aus  den  Nationen  ausgetreten  seien,  findet  sich  nirgends  eine 
Spur;  es  handelt  sich  vielmehr  immer  nur  darum,  dass  gewisse 
Magistri,  besonders  jene  der  Ai-tistenfacultät '®) ,  keine  Gemein- 
schaft mit  den  Mendicanten  haben  wollten.  Dank  der  mächtigen 
Stütze  in  Alexander  IV.  hatten  diese  Anschläge  für  die  Mendi- 
canten keine  üblen  Folgen.  Unter  demselben  Datum  schrieb  der 
Papst  dem  Bischof  von  Paris,  er  möge  in  Gegenwart  der  Magi- 
stri alle  seine  bisherigen  auf  das  Studium  in  Paris  bezüglichen 
Actenstücke  vorlesen  und  die  Magistri  aufinerksam  machen, 
welchen  Strafen  sie  sich  aussetzten,  namentlich,  wenn  sie  irgend 
eine  Trennung  anstrebten,  ^cum  intelligamus  et  velimus  intelligi 
huiusmodi  separationem,  quocunque  nomine  appelletur  et  quavis 
arte  vel  ingenio  fiat,  contra  ordinationem ,  sententias,  statuta  et 
litteras  nostras  fieri  et  tcmere  attemptarf  **).  Die  Franciscaner 
von  Paris  crmahnt  er  24.  Juni  desselben  Jahres,  ^ut  essent  intre- 
pidi  et  ferventer   in  pace  conservanda  atque  studio,  seque  sua 

^)  Im  Index  chronologicoB  chartanun  pertinentiam  ad  hiatoriam  nni- 
▼enitatis  Paris.    Parisiis  1862. 

«)III,  348. 

»0)  S.  ibid.  p.  351 1 

^1)  Im  Nationalarchiv  su  Paris.  L.  353  a  244.  Von  mir  ediert  in 
dea  Hemoires  de  Phistoire  de  Paris  X,  2G3  t 


2.  Pari^    BildoBg  der  üniversitftt  und  der  Facnlt&ten.  67 

scripta  dirigere  contra  turbatores  pacis  et  studii  eorundem' ^^). 
Andere  Bullen,  die  auf  dasselbe  hinzielten,  kannte  bereits  Du 
Boulay.  So  wird  es  begreiflich,  warum  1260  in  Paris  wider  alles 
ruhig  war. 

Das  andere  Document,  worauf  sich  Du  Boulay  beruft,  sein 
eigentliches  Steckenpferd,  worin  der  Rector  et  universitas  magi- 
strorum  et  scholarium  den  Dominicanern  den  Platz  anweisen  ^^), 
gehört  nicht  in  diese  Zeit,  sondern  über  ein  Jahrhundert  später 
in  die  Epoche,  als  die  Universität  wegen  des  Dominicaners  Jo- 
hannes de  Montesono  verhandelte.  Die  Jahrzahl  1259  wurde  von 
Du  Boulay  eigenmächtig  hinzugesetzt,  wie  bereits  der  anonyme 
Autor  der  Origo  vera,  ein  Zeitgenosse  Du  Boulays,  nachwies  ^^). 

Ich  trete  nun  den  Nachweis  an,  dass  obige  Behauptungen  auf 
ähnlichem  Irrthume  und  gedankenlosen  Schlüssen  beruhen.  Was 
sich  hier  nur  kurz  ausführen  lässt,  erhält  im  3.  Bande  seine  weitere 
Begründung. 

a.    Bildung  der  Universität  und  der  Facultäten. 

Den  wahren  Sachverhalt  über  diese  Frage  erhalten  wir  aus 
nicht  wenigen  gleichzeitigen  Quellen.  Vor  allem  bietet  sich  uns 
die  Littera  Universitatis  magistrorum  et  scholarium  Parisius  stu- 
dentium  vom  J.  1254  dar.    Es  heisst  darin,   dass  sich  die  ^sa- 


^  Registriert  im  Repertorium  seu  inventariam  eorum  quae  in  ballis 
sammomm  pontificam  in  favorem  totias  Ordinis  et  potissimnm  hujns  conventns 
(Parisiensis)  concesBis  continentur.  Nationalarchiv  zn  Paris  L.  941  n.  1.  Die 
Balle  selbst  konnte  ich  nirgends  auffinden.  Sie  begann:  Quantum  sitanobis 
pro  quiete  vestra.    Anagnie  8.  Kai.  Jul.  an.  5. 

^)  Bei  Du  Boulay  p.  356.  Jourdain,  Index  chron.  n.  183.  Ich  kann 
mich  nicht  enthalten  hier  ein  interessantes  Beispiel  anzuführen  zum  Erweise, 
wie  oberflächlich  Manche  arbeiten.  L.  Stein,  der  Nationalöconom,  macht 
ans  obigem  Beschlüsse  der  Universität  an  drei  SteUen  seines  Werkes  (Die 
innere  Verwaltung  1.  c.  S.  278.  279.  282)  'ein  pftpstliches  Breye  vom  J.  1259', 
und  an  den  beiden  letzten  Stellen  schreibt  er  es  Alexander  III.  zu! 

^)  Der  Titel  heisst:  Universitatis  Parisiensis  ejusque  facultatum  qua- 
tuor  origo  vera.  Der  anonyme  Autor  ist  ganz  gegen  Du  Boulay,  den  er  mit 
Recht  fabulator'  nennt,  gerichtet.  Zwei  Hss.  existieren:  NationalbibL  9943  und 
Univers.  bibL  in  Paris  Ms.  U.  1.  1.  Ich  citiere  nach  letzterer  Hs.  Obiger 
Nachweis  findet  sich  p.  726  iL  Auch  Jourdain  n.  183  Hess  sich  durch  Du 
Boulay  verfahren. 

5* 


68  n.  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

pientiae  fons'  zu  Paris  4ii  quatuor  facultates  vid.  theologiam, 
jurisperitiam,  medicinam,  necnon  rationalem,  naturalem,  moralem 
philosophiam  quasi  in  quatuor  paradisi  flumina'  theile.  Die  Pro- 
fessoren dieser  Facultäten,  die  wegen  der  wachsenden  Schalerzahl 
vermehrt  werden  mussten,  'ut  liberius  et  tranquillius  vacare  pos- 
sent  studio  litterali,  si  quodam  essent  juris  speciali  vinculo  so- 
ciati,  corpus  coUegii  sive  universitatis  cum  multis  privilegiis  et 
indultis  ab  utroque  principe  sunt  adepti'^^).  Die  Universität 
gieng  also  ihrem  eigenen  Gestandnisse  zufolge  aus  der  Vereini- 
gung der  Magistri  der  vier  Disciplinen  (facultatum)  hervor.  Von 
einer  Vereinigung  der  Nationen,  oder  davon,  dass  diese  die  Uni- 
versität gebildet  hätten,  spricht  die  Littera  nicht. 

Dieser  Bericht  wirft  ein  helles  Licht  auf  andere  Thatsachen 
in  der  Geschichte  der  Universität  Paris,  die  widerum  umgekehrt 
jenen  erhärten.  Aus  obigem  Berichte  ergibt  sich  nämlich,  dass 
den  eigentlichen  Grundstock  der  Pariser  Universität  die  Pro- 
fessoren der  verschiedenen  Disciplinen  bildeten,  dass  das  ursprüng- 
liche Bildungselement  der  Universität  das  Gonsortium  magistrorum 
war.  Es  gewährt  Interesse,  dass  uns  die  Universität  gerade  in 
dieser  Gestalt  am  frühesten  entgegen  tritt.  Thomas  Walsingham 
erzählt  im  Leben  des  21.  Abtes  von  S.  Alban  Johann!  (1195 — 
1214):  Hie  in  juventute  scolarum  parisiensium  frequentator  as- 
siduus  ad  electorum  consortium  magistrorum  meruit  attingere  *^). 
Dass  zu  diesem  Consortium  die  Magistri  aller  Facultäten  ge- 
hörten, erfahren  wir  aus  einem  Schreiben  Innocenz  III.  v.  J.  1209 
an  die  Professoren  der  Theologie,  Decretorum  et  liberalium  ar- 
tium,  worin  er  ihnen  befiehlt,  einen  Magister  artium,  den  sie 
'beneficio  societatis  eorum  in  magistralibus'  beraubt  und  dem 
sie  verboten  hatten  sich  in  Zukunft  'universitati  magistrorum'  zu 
widersetzen,  widerum  ^communioni  magistrorjim'  zu  restituieren 
und  zum  ^consortium  in  magistralibus'  zuzulassen^').  Solche 
Stellen  bedürfen  keiner  weitem  Erklärung.  Von  nun  an  begegnen 

^)  Nach  Cod.  Yat.  Reg.  406  (14.  Jh.)  Bl.  50  b.  Da  Boolay  III,  255. 

^)  Gesta  abbatnm  monasterii  S.  Albani  ed.  Riley,  I,  217. 

87)  Bei  Da  Boolay  III,  60  f.  Wir  kommen  weiter  nnten  auf  dieses 
Schreiben  noch  zu  sprechen.  Haber,  Die  engl  ünivers.  I,  42  Anm.,  hat 
dasselbe  gar  nicht  verstanden. 


2.  Paris.    Bildung  der  üniTersität  und  der  Facnltäten.  69 

wir  in  den  päpstlichen  Schreiben  Honorius  in.,  Innocenz  IV.  und 
Alexanders  IV.  oft  den  Bezeichnungen  ^universitas  doctorum', 
^magistrorum  coUegium',  ^magistrorum  consortium'  etc.  Albert 
der  Grosse  aber  sagt  von  sich:  ^Dico  igitor  quod  me  existente 
Venetiis  cum  essem  juvenis  .  .  .  post  autem  longo  tempore  cum 
essem  Parisius  de  numero  doctorum  et  grege'  etc.'*). 

Man  denke  nun  aber  ja  nicht,  dass  dieses  Consortium  ma- 
gistrorum  dem  Doctoren-GoUegium  zu  Bologna  oder  an  manchen 
andern  italienischen  Universitäten  ähnlich  war,  an  denen  eben  das 
GoUegium  doctorum  ausserhalb  und  gegenüber  der  eigentlichen  Uni- 
versität entstand,  so  dass  sich  auch  in  Paris  das  genannte  GoUegium 
nur  der  eigentlichen  Universität,  den  vier  Nationen,  gegenüber  ge- 
bildet hätte.  Abgesehen  davon,  dass  selbst  in  diesem  Falle  die 
gegentheilige  Ansicht  unhaltbar  wäre,  indem  sich  auch  daraus  er- 
geben würde,  dass  die  Professoren  nicht  innerhalb  der  Nationen  waren, 
so  erweist  sich  eine  solche  Annahme  als  irrig.  Hätte  sich  nämlich 
das  GoUegium  gegenüber  den  vier  Nationen  gebUdet,  so  würden 
die  Magistri  der  Artisten  nie  zu  demselben  gehört  haben,  da 
sie,  wie  sich  ergeben  wird,  zugleich  den  vier  Nationen  beigezählt 
waren.  Das  GoUegium  doctorum  ist  vielmehr  der  eigentliche 
Grundstock  der  Universität  Paris,  nicht  aber  die  vier  Nationen. 

Aber  in  welcher  Weise  war  dieses  GoUegium  zusammenge- 
setzt? BUdeten  die  vier  Facultäten  als  Körperschaften  und 
Vereine  der  Magistri  der  vier  Disciplinen  die  Elemente  desselben, 
oder  nur  die  Magistri  der  verschiedenen  Schulen,  die  zugleich 
die  Vertreter  der  vier  DiscipUnen  waren?  Wer  die  erste  Frage 
bejaht,  müsste  zugestehen,  dass  bereits  beim  Entstehen  der  Uni- 
versität die  vier  Facultäten  bestanden  hätten,  was  den  geschicht- 
lichen Thatsachen  vollends  widerspricht.  Die  Bildungselemente 
der  Universität  waren  ursprünglich  nur  die  Magistri  der  ver- 
schiedenen Schulen,  oder  wenn  man  wiU,  die  Magistri  von  vier 
Disciplinen;  die  Facultäten  als  solche  bUdeten  sich  erst  später. 
Aber  auch  die  Behauptung  Du  Boulays  und  besonders  Hubers, 
bis  ungefähr  1231  habe  zwischen  den  einzelnen  Disciplinen,  be- 


De  mineralibus  1.  2  tr.  8  c.  1  nach  Cod.  Amplon.  in  4.  n.  273  Bl.  71a 
(13.  Jb.). 


70  n.  Entstehang  der  ftltesten  Univenit&ten. 

sonders  den  theologischen  und  artistischen,  keine  bestimmte 
Gränze  stattgefunden,  beruht  auf  Irrthum.  Die  weitere  Ent- 
wicklung gehört  in  den  3.  Bd. ;  hier  werde  ich  nur  kurz  darlegen, 
wie  die  Facultäten  entstanden  sind. 

Die  eigentliche  Universität  bildeten  die  Doctoren  der  vier 
Disciplinen,  wie  uns  die  Universität  selbst  sagt.  Es  ist  nun 
nicht  weniger  natürlich,  dass  sich  innerhalb  der  Universität  die 
Lehrer  einer  gemeinsamen  Disciplin  unter  sich  vereinigten,  als 
dass  im  fremden  Lande  die  Landsleute  sich  zusammenthaten  und 
Genossenschaften  bildeten.  Und  gerade  der  Umstand,  dass  die 
Magistri  der  vier  Disciplinen  unter  einander  verbunden  waren, 
musste  umsomehr  zur  Facultätenbildung  hindrängen.  Die  Ar- 
tisten hatten  sowohl  für  sich  als  für  ihre  Schüler  ganz  andere 
Interessen  und  Bedürfnisse,  als  die  Theologen,  und  diese  andere 
als  die  Artisten  und  Juristen  u.  s.  w.  Nichts  war  natürlicher, 
als  dass  sich  die  Magistri  einer  gemeinsamen  Disciplin  nach  und 
nach  vereinigten,  um  die  Angelegenheiten,  die  sie  und  ihre  Schüler 
gleichmässig  betrafen,  gemeinsam  zu  regeln.  Interessant  ist  nun, 
dass  bereits  im  J.  1213  die  Magistri  der  vier  Disciplinen  ihre 
Rechte  bei  Promotionen  der  Gandidaten  dem  Kanzler  gegenüber 
geltend  machten,  und  zwar  die  Theologen  in  anderer  Weise  als 
die  Artisten  u.  s.  w. ").  Die  Promotionsfrage  war  in  Paris  der 
erste  Schritt  zur  Facultätenbildung.  Zwei  Jahre  darauf  machte 
der  päpstliche  Legat  Robert  de  Gour<;^n  für  die  Artisten  in  Paris 
eigene  Statuten,  die  verschieden  von  jenen  von  ihm  für  den 
^Status  theologorum'  aufgestellten  waren '^).  Natürlich  geschieht 
keine  Erwähnung  von  den  Nationen.  Nun  beachte  man  aber, 
dass   die  Artisten  eigene  Statuten   hatten   und  sich  nicht  nach 

^9)  Bei  Jourdain,  Index  chrono!,  n.  15. 

^)  Unifersitätsarchiv  zu  Paris  Ms.  th.  VII.  Original  mit  Siegel  an 
Seidenschnnr.  Ein  schlechter  Abdruck  bei  Du  Boulay  III,  81  f.  Qleich 
im  Beginne  befindet  sieh  ein  crasser  Druckfehler:  NuUus  legat  Parisius  de 
artibus  citra  12.  aetatis  suae  annum.  Den  genialen  Kirchenhistoriker  Kurtz 
bcschlich  auch  nicht  ^in  Zweifel  an  der  Richtigkeit  dieser  Leseart,  und  er 
ruft  aus:  'A^o  EwOllQ&hrige  Docenten  der  Philosophie!  Die  Worte  lauten 
so  klar  und  bestimmt,  dass  eine  andere  Deutung  nicht  möglich  ist\  Baltische 
Monatsschrift  L  c.  S.  111  Anm.  Schade,  dass  das  Original  sagt:  . . .  citra 
vicesimum  primum  etatis  sue  annum. 


2.  Paris.    Bildung  der  üniTersit&t  und  der  Facultäten.  71 

jenen  der  Theologen  richten,  und  umgekehrt  die  Theo- 
logen die  ihrigen  besassen,  und  nicht  jene  der  Artisten  befolgen 
durften.  Eines  muss  hier  jeder  zugeben,  dass  nämlich  bereits 
in  jener  Zeit  innerhalb  der  Universität  die  Magistri  je  nach  ihrer 
gemeinsamen  Disciplin  unter  einander  durch  dieselben  Statuten 
verbunden  und  gegenüber  den  Magistern  einer  andern  Disciplin 
abgegränzt  waren.  Ist  das  nicht  der  Anfang  zur  Facultäten- 
bildung? 

In  jene  Zeit  fällt  nun  für  Paris  die  Gewohnheit  den  Ausdruck 
^facultas'  im  Sinne  einer  gemeinsamen  scientia  oder  Disciplin 
anzuwenden'*).  Zuerst  finde  ich  ihn  in  dieser  Bedeutung  von 
Honorius  III.  am  18.  Februar  1219  gebraucht  in  einem  Schreiben 
an  die  Scholaren  von  Paris,  in  dem  er  unter  anderm  sagt,  der 
Scholar,  der  einmal  examiniert  worden  sei  und  die  Licenz  er- 
halten habe,  könne  libere  in  ea  de  qua  licentiam  obtinuit  regere 
facultate' '').  Im  selben  Jahre  am  3.  Mai  erscheint  er  widerum 
in  einem  päpstlichen  Schreiben:  4n  omni  facultate  Parisius  silet 
vox  doctrine"*).  Auf  eine  bestimmte  Wissenschaft  wurde  er 
22.  Nov.  desselben  Jahres  in  der  Bulle  Super  specula  bezogen: 
docentes  vero  in  theologica  facultate '*)•  Und  nunmehr  erscheint 
er  diirchgebends  so.  Am  1.  April  1222  wurde  er  in  diesem  Sinne 
widerholt  schon  von  der  Universität  selbst  gebraucht'*).  Allein  im 
Jahre  1255  trifft  sich  der  Ausdruck  bereits  in  einer  neuen  Bedeutung. 
Die  Artisten  sagen :  Nos  .  . .  magistri  artium  . .  .  propter  novum 


^1)  Ich  sage  'fUr  Paris',  denn  vereinzelt  kommt  die  Anwendung  obigen 
Ausdruckes  in  der  genannten  Bedeutung  schon  früher  Tor,  z.  B.  bei  Peter 
Bles.  ep.  93  p.  292  (Migne  Patrol.  lat.  tom.  207).  Bisher  war  man  gewohnt 
auf  Heumann,  Praef.  ad  Gering.  Antiqu.  aead.  p.  XIY  zu  verweisen.  Allein 
damit  ist  wenig  gedient.  Ausser  dem  Citate  aus  Peter  Bles.  ist  dort  nichts 
zu  gebrauchen.  Die  Stelle  aus  Friedrich  I.  ist  von  Friedrich  II.,  die  Beru- 
fung auf  Innocenz  lY.  führt  irre,  da  schon  seit  mehr  denn  20  Jahren  der 
Ausdruck  in  obiger  Bedeutung  in  Anwendung  war.  Und  darüber,  wann  die 
Bezeichnung  im  Sinne  von  Collegium  zuerst  gebraucht  wurde,  findet  man  bei 
Heamann  gar  keine  AnfOhlung. 

9S)  Reg.  Yat.  an.  3  ep.  308  Bl.  64  b. 

»^)  Ibid.  ep.  445.    Du  Boulay  III,  94. 

9*)  Beg.  Yat.  an.  4  ep.  610  Bl.  143  a. 

9^)  Bei  Du  Boulay  p.  106. 


72  n.  Entstehung  der  ftltesten  ünifersit&ten. 

et  inestimabile  periculum  quod  in  facultate  nostra  imminebat'^). 
Im  Jänner  1259  schreiben  sie  aber:  Gonsiderantes,  nostram  facul- 
tatem  .  .  .  frequenter  subjacere  periculis  .  .  .  jurent  coram  tota 
facultate^').  Es  ist  doch  klar,  dass  hier  facultas  nicht  mehr  im 
Sinne  von  Wissenschaft  sondern  in  der  Bedeutung  von  Consortium  der 
Magistri  einer  gemeinsamen  Disciplin  d.  h.  im  Sinne  von  Facultät 
in  unserer  Auffassung  angewendet  wird"^).  Aber  nicht  weniger 
sicher  ist  es,  dass  der  Ausdruck  nicht  erst  jetzt  in  dieser  Bedeutung 
genommen  wurde,  sondern  schon  früher,  und  zwar  nicht  bloss 
von  den  Artisten,  sondern  auch  von  den  übrigen;  denn  die  Ar- 
tisten sagen  ^nostra  facultas'  zum  Unterschiede  von  den  andern 
Facultäten.  Und  nun  erst  erhält  eine  Stelle  in  einem  Schreiben 
des  Cardinallegaten  Otho  vom  J.  1247  in  Bezug  auf  Paris  ihren 
Werth:  Hortamur,  quatenus  universi  et  singuli  terminis  antiquis 
scientiarum  et  facultatum  quas  posuerunt  patres  nostri  (sint) 
contenti'"). 

Daraus  ergibt  sich  nun  mit  Bestimmtheit,  dass  bereits  vor  1260 
der  Ausdruck  ^facultas'  (zuerst  auf  eine  gemeinsame  Disciplin 
angewendet)  von  dem  Consortium  der  Magistri  einer  gemeinsamen 
Wissenschaft  gebraucht  wurde,  dass  mithin  die  Facultätenbildung 
bereits  vor  1260  vor  sich  gegangen  war.  Aber  was  hat  sich  denn 
seit  1215  ereignet? 

Die  Magistri  der  einzelnen  Disciplinen  fiengen  seit  jener 
Zeit  an  gemeinschaftliche  Statuten  zu  machen,  Versammlungen 
zu  halten;  sie  setzten  fort,  was  sie  schon  früher  gethan:  in  ihrer 
Disciplin  gemeinschaftlich  zu  prüfen,  zu  promovieren,  die  Pro- 
movierten in  ihre  Gemeinschaft  aufzunehmen,  Mitglieder  auszu- 
schlicssen  u.  s.  w.  Eine  neue  Grundlage  hiefür  wurde  die  im 
J.  1231  von  Gregor  IX.  erlassene  Bulle  Parens  scientiarum,  die 
als  die  Magna  Charta  der  Universität  angesehen  werden  muss. 

^)  Cod.  Tat.  Beg.  406  BL  56  b.    Da  Boulay  p.  280. 

37)  Cod.  Vat.  Beg.  406  BL  71  a. 

^)  Man  kann  nun  Savignys  Behauptung  beorUieilen:  'Der  Name  fiBicultas 
für  ein  Collegium  von  Lehrern  desselben  Fachs  ist  ziemlich  neu'.  Oesch. 
des  Bdm.  Bechts  III,  233  Anm.  b.  Nur  auf  Savigny  beruft  sich  Ducange- 
Henschel  unter  'facultas'. 

^)  Bei  D'Argentr^,  Coli.  jud.  I,  1  p.  159. 


2.  Paris.    Bildung  der  Universit&t  und  der  Facultäten.  73 

In  ihr  werden  alle  Facultäten  einzeln  für  sich  behandelt  und 
ihnen  schliesslich  die  Vollmacht  ertheilt  ^constitutiones  seu  ordi- 
nationes  providas  faciendi  de  modo  et  hora  legendi  et  dispu- 
tandi,  de  habitu  ordinato,  de  mortuorum  exequiis,  nee  non  de 
baccalariis  . . .  hospitiomm  taxatione,  seu  etiam  interdicto  et  re- 
belies ipsis  constitutionibus  vel  ordinationibus  per  subtractionem 
societatis  congrue  castigandi' ^^^).  Dass  sich  diese  Vollmacht 
nicht  bloss  auf  die  ganze  Universität,  sondern  auch  auf  die  Ma- 
gistri  der  einzelnen  Disciplinen  erstreckte,  haben  besonders  die 
Artisten  und  Theologen  klar  an  den  Tag  gelegt. 

Im  J.  1252  sagen  die  ^Doctores  Parisienses  actualiter  in 
theologia  regentes',  dass  sie  'concorditer  ordinaverunt',  dass  in 
Zukunft  'religiosus  aliquis  non  habens  coUegium  ...  ad  eorum 
societatem  nullatenus  admittatur'.  Ferner,  ^ut  singula  religiöser  um 
coUegia  singulis  magistris  actu  regentibus  et  unica  scola  sint 
contenta\  Schon  früher  (alias)  sei  inter  doctores  theologicos 
verhandelt,  und  von  ihnen  concorditer  verboten  worden,  ^ne  ali- 
quis baccalareus  in  theologica  facultate  promoveatur  ad  cathe- 
dram  nisi  .  . .  saltem  aliquos  libros  glossatos  .  . .  legendo'  etc. 
Würde  Jemand  zuwider  handeln,  ^ei  societatem  suam  tam  in 
principiis  quam  aliis  penitus  denegabunt',  und  jeder  wider spän- 
stige  Baccalaureus  ^a  consortio  magistrorum  excludetur' ^°^).  Im 
Jahre  1253  beschliesst  die  ganze  Universität,  *ut  de  cetero  nullus 
in  quacunque  facultate  magister  ad  collegium  magistrorum  vel 
consortium  universitatis  admittatur,  nisi  prius  in  plena  congrc- 
gatione  magistrorum  vel  saltem  coram  tribus  magistris  sue  fa- 
cultatis  ad  hoc  specialiter  deputatis  juraverit,  statuta  nostra  .  . . 
se  observaturum' ^®*).  Die  plena  oder  generalis  congregatio  ma- 
gistrorum hat  zum  Gegenbegriflf  die  Congregatio  der  Magistri 
einer  einzelnen  Facultät  oder  einer  Nation.  Solche  Versanmi- 
lungen  hielt  die   theologische  Facultät  bis  1260  nicht  wenige. 


100)  Im  Nationalarchiv  zu  Paris  sind  zwei  Originale,  L.  242  n.  76  (Blei- 
siegel an  Seidenschnur)  und  M.  257  c  n.  5  (Siegel  fehlt).  Reg.  Vat.  Qreg. 
IX.  an.  5  ep.  23  BL  73  a. 

101)  Cod.  Vat.  Beg.  406  BL  54a.    Bei  Boulay  p.  245. 

los)  Cod.  Tat  Reg.  406  BL  56a.  Du  Boulay  p.  252.  Das  Original  ist 
im  UniversitätsarchiT  zu  Paris,  Ms.  th.  YIL 


74  n.  Entstehuog  der  ältesten  UniTersit&ten. 

Von  einigen  war  soeben  die  Rede.  Im  J.  1241  verdammte  der 
Bischof  V.  Paris  'convocato  concilio  omnium  magistrorum  theo- 
logie  tunc  Parisius  regentium'  10  Irrthümer^®').  An  der  Talmud- 
Untersuchung  und  Verdammung  nahmen  1248  'omnes  magistri 
theologie  et  iuris  canonici'  Theil^^*);  an  den  berühmten  Ver- 
sammlungen und  Disputen  über  die  Pluralitas  beneficiorum  in  den 
Jahren  1235  und  1238  aber  nur  wider  die  Theologen  mit  dem 
Bischöfe^®*).  Im  J.  1247  bediente  sich  der  Bischof  bei  Ver- 
dammung des  Johannes  de  Brescia  und  des  Mag.  Raymund  eben- 
falls des  'consilium  magistrorum  theologiae' ^*^*).  Im  Jahre  1253 
hielten  die  Theologen  eine  Zusammenkunft,  um  über  einen  Beicht- 


^os)  Diese  Irrthümer  mit  obiger  Phrase  findet  man  handschriftlich  oft, 
zumeist  in  Hss.  der  Sentenzen  des  Peter  Lombardus  oder  der  Summe  des 
hl.  Thomas,  verzeichnet.  Ich  notiere  hier  nur  Cod.  Burghes.  296.  UniTcr- 
sitatsbibl.  zu  Valencia  (in  Spanien)  am  Schlüsse  der  1.  pars  Summae  S.  Tho- 
mae.  Eben  dort  in  der  Hs.  T.  I.  15  im  Escorial.  In  Leipzig,  UniT.  Bibl. 
n.  416   steht:   Anno  dorn.  mccxIiii  subscripti  sunt  articuli  in  presentia  nni- 

versitatis  magistrorum  theologie  parisiens Aehnl.   in  Rouen,  A.  263. 

Auch  Matth.  Paris  hat  die  Jahrzahl  1243  (Chron.  mal.  ed.  Lnard,  IV,  280). 
Das  Factum  erwähnt  ebenfalls  der  hL  Bonaventura  in  2.  sent.  dist.  23  n.  2  qu.  3, 
wo  es  hcisst :  ab  universitate  magistrorum  Parisiensium.  In  den  meisten  Hss. 
z.  B.  Burgo  de  Osma  (13.  Jh.  nicht  numeriert),  Archiv  de  la  Corona  de  Aragon 
unter  den  Hss.  von  RipoU  n.  33  fehlt  hier  die  Jahrzahl,  allein  in  der  Nationalbibl. 
zu  Neapel  (YII.  c.  12)  steht  die  gewöhnliche  uccxl  in  octava  Epiphanie,  d.  i. 
also  nach  damaliger  Rechnung  1241.  'De  consilio  magistrorum  tunc  existen- 
tium  Parisius'  bietet  Wilhelm  de  Falgar  in  seinen  Quaestionen  (Arsenalbibl.  in 
Paris  n.  457  BI.  24a).  In  dem  zu  Avignon  1256  abgehaltenen  Capitel  der 
Dominicaner  der  Provence  heisst  es :  Isti  sunt  errores  condempnati  Parysius 
ab  cpiscopo  paris.  et  magistris  theologie  regentibus  Parysius  uccxl.  God. 
273  zu  Toulouse  Bl.  291a.    S.  noch  D'Argentr^.    Coli.  jnd.  I,  1  p.  158.  186. 

^^)  Cod.  Paris.  16558  Bl.  234  f.  D'Argentr6  1.  c.  p.  155.  Dort  findet 
mau  auch  ihre  Namen  aufgezählt.  Vgl.  auch  Quetif-Echard,  SS.  Ord.  Pracd.  I, 
166.  Dies  war  jedoch  nicht  bloss  1248,  sondern  schon  früher,  n&mlich  unter 
Gregor  IX.,  der  Fall,  wie  aus  dem  Schreiben  des  Cardinallegaten  (Quetif-Echard, 
p.  128)  und  aus  der  Bulle  Innocenz  lY.  vom  9.  Mai  1244  (Reg.  Tat  an.  1 
ep.  681)  hervorgeht. 

105)  So  Thomas  de  Cantimpre,  De  apibus  Üb.  1  c.  19  §  5.  Ich  verglich 
die  Stelle  mit  dem  Cod.  Vat.  4846  Bl.  17a.  Univers.  Bibl.  in  Bologna  n.  1674 
Bl.  14  a;  Cod.  Paris.  3585  Bl.  14b.  Im  zuerst  genannten  Jahre  waren  *onmes 
magistri  theologie'  zugegen,  im  J.  1238  'quam  plures  magistri  theologie'. 

10«)  D'Argentr6,  1.  c.  p.  159. 


2.  Paris.    Bildung  der  Universität  and  der  Facult&ten.  75 

casus ^^'),  im  J.  1259,  um  über  das  Beichtprivileg  der  Mendicanten 
zu  berathen^®*). 

Wie  mit  den  Theologen  so  verhält  es  sich  auch  mit  den 
Artisten.  Im  J.  1244  machten  sie  gemeinsam  Statuten  über  die 
Lectionsordnung^^').  Im  J.  1254  fasste  die  universitas  magi- 
strorum  artium  ein  Statut  ab  gegen  Jene,  welche  nicht  beitragen 
wollen  die  gemeinsamen  Auslagen  zu  bestreiten  ^^^).  Im  darauf 
folgenden  Jahre  bestimmten  omnes  et  singuli  magistri  artium  de 
communi  assensu,  was  und  in  welcher  Ordnung  in  ihren  Schulen 
vorgelesen  werden  sollte  ^^).  Weitere  Statuten  folgten  *de  com- 
muni assensu  magistrorum  nostre  facultatis'  im  J.  1259^"). 

Von  den  zwei  übrigen  Facultäten,  den  Decretisten  und  Me- 
dicinern,  weil  damals  noch  ohne  jene  Wichtigkeit  wie  die  Theo- 
logen und  Artisten,  ist  weniger  bekannt. 

Interessant  ist  ferner,  dass  sich  eine  Facultät  nicht  in  die 
inneren  Angelegenheiten  einer  andern  mischen  durfte.  Klar  erhellt 
dies  aus  einem  Schreiben  Alexanders  IV.  vom  19.  Juli  1259  an 
den  Bischof  von  Paris,  worin  er  ihm  aufträgt  den  Artisten  unter 
Excommunication  zu  verbieten  sich  ^de  faciendis  et  corrigendis 
sermonibus  et  licentiandis  iis  qui  incipiunt  in  theologica  facul- 
tate'  einzumischen,  da  sie  doch  früher  nicht  gewohnt  waren  es 


W7)  Quetif-Echard,  SS.  Ord.  Praed.  I,  109.  Dort  citiert  er  auch  hiefür 
Hannibald  de  Hannibaldis  in  4.  Sent.  für  diese  Ansicht,  wo  zugleich  stehe,  dass 
nebst  den  Theologen  auch  die  Juristen  zugegen  waren,  und  'omnes  predicti 
magistri  apposuemnt  sigilla  sua  uno  ezcepto'.  Allein  die  Stelle  fand  ich 
nicht  im  genannten  Commentar,  und  dürfte  von  einem  andern  alten  Commen- 
tator  sein. 

108)  Dies  berichtet  der  Dominicaner  Johannes  de  S.  Benedicto  in  einem 
1288  gehaltenen  Sermon:  Super  isto  casu  quidam  congregavit  magistros  in 
theologia  Parisius,  inter  quos  fuit  fr.  Thomas  de  Aquino,  et  indicaverunt 
hanc  dogmatizationem  (dass  nämlich  die  Mendicanten  die  Erlaubniss  a  sa- 
cerdote  parochiali  einholen  müssten)  erroneam  et  miserunt  pro  hac  ad  cu- 
riam  tempore  Alexandri  IIII.  En  sagt  es  sei  im  5.  Pontificatsjahre  geschehen. 
Cod.  Paris.  3120  Bl.  36  & 

i<»)  Cod.  Vat.  Reg.  406  Bl.  53  a.    Bei  Du  Boulay  p.  194. 

ii<^)  Jonrdain  1.  c.  n.  108. 

^  Cod.  Tat.  Beg.  406  Bl.  56  b.    Du  Boulay  p.  280. 

ii<)  Cod.  Vat.  Beg.  406  Bl.  70  b.    Bei  Du  Boulay  p.  347.  350. 


76  n.  Entstohong  der  ältesten  Universit&ten. 

zu  thun,  und  sie  möchten  'de  talibus  tanquam  de  rebus  ad  se 
non  pertinentibus'  abstehen"'). 

Zudem  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  von  den  Statuten 
der  einzelnen  Facultäten  die  Statuten  der  ganzen  üniversitas 
magistrorum  et  scholarium,  die  für  alle  Facultäten  bindend  waren, 
genau  unterschieden  werden.  Ein  solches  Statut  erwähnt  im 
J.  1209  in  einem  Schreiben  Innocenz  HI."*).  Am  27.  März  1229 
bestimmte  die  ganze  Universität,  dass  wenn  ihr  nicht  innerhalb 
eines  Monats  Gcnugthuung  widerfahre,  sie  die  Stadt  verlasse 
und  es  keinem  Magister  und  Scholar  erlaubt  sein  solle,  sich  causa 
studii  in  Paris  aufzuhalten"^).  Allgemeine  Statuten  datieren  auch 
aus  den  Jahren  1245,  1251  und  noch  mehr  aus  den  spätem"*). 
In  den  Jahren  1247  und  1254  bestätigte  Innocenz  IV.  die  Sta- 
tuten, die  einige  von  der  Universität  dazu  Deputierte  gemacht 
hatten"^).  Ausserdem  wurden  schon  damals  die  Facta  der  ein- 
zelnen Facultät  als  Facta  der  ganzen  Universität  angesehen,  was 
sich  besonders  deutlich  beim  Streite  der  Theologen  mit  den  Men- 
dicanten  zeigte"^).  Der  Ausschluss  der  zwei  Magister  des  Do- 
minicanerordens aus  der  theologischen  Facultät  wurde  als  Aus- 
schluss aus  der  ganzen  Universität  angesehen. 

Bei  solcher  Sachlage  nimmt  es  nicht  Wunder,  wenn  nach 
und  nach  die  Bezeichnung  eines  wissenschaftlichen  Faches  auf 
die  Gesammtheit  der  Lehrer  jener  gemeinsamen  Disciplin  über- 
tragen ward,  ähnlich  wie  früher  der  Ausdruck  'Studium'  mit  der 
Zeit  auf  den  Ort  des  Studiums  angewendet  wurde.  Dass  sich 
aber  innerhalb  der  Universität  solche  Consortien  von  Lehrern, 


11^  Nationalarchiv  zu  Paris  L.  253  n.  245.  Yen  mir  ediert  in  den 
Memoires  etc.  p.  264  f.  Schon  1247  ermahnte  der  Cardinallegat  Otho  die 
UniTersit&t,  *qaatinus  unifersi  et  singuli  terminis  antiqais  scientiarum  et  fa- 
cultatum  quos  posueront  patres  nostri  (sint)  content!.    S.  o.  S.  72. 

"«)  Bei  Du  Boolay  III,  60. 

11&)  Unifersit&tsarcliiv  zu  Paris.    Ms.  th.  lY.    S.  Jourdain  n.  30. 

116)  Bei  Da  Boulay  p.  195.  240.  Es  ist  hier  nicht  nothwendig,  die  spä- 
tem aufiBuz&hlen. 

117)  Jourdain  n.  78  (Berger,  Begistres  etc.  n.  2455);  Jourdain  n.  110. 
HS)  So  bestätigte  z.  B.  1252  die  Üniversitas  ansdracklich  das  Statut 

der  Theologen  desselben  Jahres.    S.  bei  Du  Boulay  p.  245;  unten  Ann.  133. 


2.  Paris.    Bildang  der  Universität  und  der  Facnltäten.  77 

d.  h.  Facultäten,  gebildet  hatten,  und  zwar  lange  vor  1260,  kann 
jetzt  nicht  mehr  geläugnet  werden,  denn  wir  finden  die  Gesammt- 
heit  der  Magister  einzelner  Disciplinen  mit  den  autonomen  Rechten 
von  Genossenschaften  ausgestattet,  sie  halten  unabhängig  von 
andern  gemeinschaftliche  Versammlungen ,  machen  selbständig 
Statuten  u.  s.  w.  Allerdings  vermisst  Du  Boulay  bei  ihnen  den 
Besitz  von  Decanen  und  eines  eigenen  Siegels"®).  Was  nun  den 
Decan  betrifft,  so  konmien  wir  weiter  unten  darauf  zu  sprechen. 
In  Bezug  auf  das  Siegel  genügt  aber  die  Bemerkung,  dass  auch 
die  Universität  lange  Zeit  kein  Siegel  hatte,  und  nachdem  sie 
endlich  (1225)  1—2  Jahre  im  Besitze  eines  solchen  gewesen  war, 
entbehrte  sie  desselben  wider  über  20  Jahre  und  erhielt  es  dann 
Dur  mit  Bewilligung  des  Papstes"®).  Und  doch  kann  nur  der- 
jenige, der  mit  geschlossenen  Augen  die  Geschichte  betrachtet, 
läugnen,  dass  die  Universität  in  Wahrheit  eine  Genossenschaft 
war.  Du  Boulay  hat  es  wie  viele  moderne  Forscher  nicht  ver- 
standen, das  Mittelalter  aus  sich  heraus  aufzufassen  und  sich  zu 
hüten,  moderne  Anschauungen  in  dasselbe  hineinzutragen.  Uebrigens 
sehlägt  sich  Du  Boulay  selbst  fortwährend.  Ihm  zufolge  sollen 
die  Theologen  erst  c  1260,  jedoch  früher  als  die  Decretisten  und 
Mediciner,  eine  Facultät  gebildet  haben.  Nun  kamen  aber  die 
Theologen  erst  nach  diesen  in  den  Besitz  eines  Siegels.  Wie 
stimmt  dies  zu  Du  Boulays  Behauptung? 

Doch  war  nicht  am  Ende  die  Universität  identisch  mit  den 
vier  Nationen,  die  vielleicht  die  integrierenden  Theile  jener  ge- 
bildet haben,  so  dass  auch  die  Facultätenbildung  nur  innerhalb 
der  vier  Nationen  statt  hatte,  zu^^nen  eben  auch  die  Magistri 
gehört  hätten? 

Von  einer  Identität  der  vier  Nationen  mit  der  Universität 
kann  schon  deshalb  keine  Rede  sein,  weil  in  diesem  Falle  die 
Gewalt  bei  den  Nationen  gelegen  wäre,  also  bei  den  Scholaren 
und  den. Magistri   artium.    Allerdings  sagt  dies  Du  Boulay"^); 


119)  SteiD,  Die  innere  Yenraltang  etc.  S.  278  schreibt  alle  diese  Miss- 
Verständnisse  ab. 

^^)  S.  in  den  M^moires  etc.  p.  253  f. 

1^)  So  besonders  in  seinem  Abr6g6  de  l'histoire  de  l'aniversit^  de  Paris 


78  II.  EntstehoDg  der  ältesten  UniTerdtäten. 

allein  dagegen  sprechen  alle  bisher  aufgeführten  Thatsachen. 
Ihnen  zufolge  lag  die  Gewalt  bei  den  Magistri,  resp.  bei  den 
Facultäten.  Dadurch  schon  wird  die  Behauptung,  die  Artisten  hätten 
die  alte  Universität  gebildet,  und  der  willkürliche  Satz,  'universi- 
tatem  fundatam  esse  in  artibus',  der  im  ganzen  Mittelalter  nicht 
ausgesprochen  wurde,  widerlegt. 

Auch  dieser  Ausweg,  dass  die  Gesammtheit  der  Magistri  zu 
den  Nationen  gehört  hätten,  hilft  nichts,  wie  ich  apodictisch 
nachweisen  will. 

In  dem  Acte,  den  einige  Bischöfe  über  das  Uebereinkommen 
zwischen  der  Universität  und  den  Dominicanern  am  L.  März  1256 
aufsetzten,  wird  die  Universität  von  den  Nationen  universorum 
scholarium  strenge  geschieden"').  Dass  dies  kein  Uebersehen, 
sondera  in  der  Natur  der  Sache  begründet  war,  wird  durch 
folgenden  Beweis  klar.  Im  Jahre  1225  hatte  die  Universität 
bereits  ein  Siegel;  denn  in  diesem  Jahre  zerbrach  es  der  Cardi- 
nallegat  Roman"').  Sie  erhielt  nachher  erst  30.  October  1246 
von  Innocenz  lY.  wider  die  Erlaubniss  auf  sieben  Jahre  ein  solches 
zu  führen"*).  In  der  Petition  gab  die  Universität  als  Grund 
an,  dass,  wie  Innocenz  IV.  sie  anredet,  ^pro  (sigilli)  defectu  di- 
versa  incommoda  sepissime  sustinetis,  dum  privata  et  ardua  vestra 
negotia  cum  queritis  alieni  sigilli  remedium  veniunt  in  notitiam 
aliorum'.  Der  Papst  ermahnt  sie  aber,  dass  ^sine  vestre  univer- 
sitatis  aut  maioris  partis  regentium  magistrorum  assensu  nulle 
littere  sigillentur\  Am  30.  Mai  1252  erneuert  der  Papst  diese 
Erlaubniss  mit  denselben  Worten  auf  weitere  10  Jahre"*).  Die 
Universität  als  solche  besass  jilso  ein  Siegel;  jedes  andere  galt 


p.  31  ff.:  4es  nations  sont  les  premiers  et  seales  compagnies,  qui  ont  goa- 
Tcni6  l'uni versitz  jusques  ä  1260  ou  environ'.  Aehnlich  Defense  des  droits 
de  l'aniTersit^  de  Paris,  de  son  recteur  et  de  ses  qoatre  natlons.  Paris  1657. 
Bezeichnend  ist,  dass  die  Autoren  für  ihre  Ansicht  eigentlich  nur  eine  Auto- 
rität, den  sp&ten  Belferest,  besitzen,  der  die  Frage  gar  nicht  studiert  hatte. 

i>S)  Bei  Da  Boolay  p.  296. 

i>')  ChroD.  Taren,  bei  Martine  -  Durand,  Ampi.  coli.  V,  1067.  Vgl. 
auch  Ann.  de  Danstapl.  ed.  Lnard,  p.  68. 

"*)  S.  Anm.  120. 

1*^)  S.  Mömoires  etc.  p.  245  n.  lY.  und  Joordain  a  94. 


2.  Paris.    Bildung  der  UniTersität  und  der  Facult&ten.  79 

ihr  als  'alienum',  und  sie  fürchtete  bei  Gebrauch  eines  solchen 
für  die  Offenbarung  ihrer  geheimen  Angelegenheiten.  Nun  besass 
aber  auch  jede  der  vier  Nationen  wenigstens  schon  1249  ein 
eigenes  Siegel"*).  Waren  nun  die  Siegel  der  vier  Nationen 
identisch  mit  jenem  der  Universität?  Wenn  die  Ansicht  die  ich  be- 
kämpfe, im  Rechte  ist,  dann  waren  das  Siegel  der  Universität  und 
jenes  der  vier  Nationen  eins  und  dasselbe.  Allein  dem  widerspricht 
einmal  der  Wortlaut:  die  Universität  erhielt  6in  Siegel,  während 
die  vier  Nationen  vier  Siegel  hatten"').  Dem  widerstreitet  die 
Geschichte;  denn  in  der  That  ist  das  üuiversitätssiegel  verschieden 
von  jenen  der  vier  Nationen"*).  Endlich  lehrt  uns  dies  die 
Universität  selbst.  Im  Jahre  1255  löste  sich  nämlich  dieselbe 
der  Dominicaner  wegen  auf.  Die  ^singuli  magistri  et  scholares 
omnium  facultatum'  sagen  nun  im  Schreiben  an  den  Papst,  dass 
sie  alle  aus  der  communio  et  societas  ausgetreten  seien,  4psius 
universitatis  beneficiis  et  privilegiis  renunciantes  expresse  .  .  . 
renunciando  jure  nostro'"®).  Auch  der  Dominicaner-General 
Humbert  sagt,  die  Magistri  hätten  sich  'ab  ipsius  universitatis 
coUegio'  geschieden,  und  'novam  quandam  societatem,  nomine 
universitatis  verbotenus  extincto,  pariter  inierunt' ^").  Dasselbe 
wird  durch  die  Worte  Alexanders  IV,  bestätigt"^).    Das  Acten- 

1*6)  Das  im  obigen  Jahre  ausgefertigte  Actenstück  aber  die  Rectors- 
wahl  wurde  gesiegelt  'quatnor  sigillis  nationnm'.  Cod.  Vat.  406  Bl.  16.  Du 
Bonlay  p.  222.  In  der  Begel  lautet  sonst  die  Phrase:  sigillis  quatuor  na- 
tioQBm. 

127 j  YfiQ  oben,  so  war  auch  im  J.  1225  nur  von  6inem  Universitäts- 
siegel die  Bede:  üniversitas  ...  sigillo  universitatis  negotia  sigillaret.  Ghron. 
Turon.  1.  c.  Von  den  vier  Nationen  hatte  aber  jede  ein  Siegel.  An  der 
Urkunde  vom  J.  1253  (1254)  bei  Jourdain  n.  108  sieht  man  noch  jetzt  (Uni- 
Tersit&tsarch.  Ms.  th.  IV.  18)  die  vier  Stellen,  an  denen  die  Siegel  der  vier 
Nationen  Mengen. 

^^)  S.  den  Abdruck  der  Siegel  der  Universität  und  der  vier  Nationen  bei 
Yallet  de  Yiriville,  Histoire  de  Finstruction  publique  en  Europe  (Paris  1849) 
p.  129  ff.    S.  auch  DouSt  D'Arcq,  Collection  de  sceaux,  I,  2  n.  8015  ff. 

«»)  Cod.  Vat.  Beg.  406  Bl.  44  ff.    Bei  Du  Boulay  p.  288  ff. 

iso^  So  in  dem  noch  nicht  pnblicierten  Schreiben  Humberts  aus  dem 
Jahre  1256  im  Archiv  zu  Dijon,  H.  221,  dort  falsch  dem  Qeneral  Johann 
von  Vercelli  zugeschrieben. 

1^)  In  seiner  am  10.  December  1255  erlassenen  Bulle  kommt  er  auf 


80  II*  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

stück  unterschrieben  die  Magistri  aber  so:  Nos  autem  magistri 
et  auditores  omniain  facultatum  magistris  fratribus  et  eorum  au- 
ditoribus  dumtaxat  exceptis,  quoniam  sigillum  commune  uon 
habemus  utpote  ab  universitatis  coUegio  separati,  sigillis  quatuor 
nationum  ab  antiquo  Parisius  distinctarum  in  hac  littera  usi  su- 
mus^").  Die  Magistri  sagen  also,  sie  könnten  das  Universitäts- 
siegel, weil  aus  der  Universität  ausgetreten,  nicht  mehr  benützen, 
und  sie  bedienten  sich  daher  der  Siegel  der  vier  Nationen.  Als 
die  Magistri  als  Universität  handelten,  gebrauchten  sie  nicht  die 
Siegel  der  vier  Nationen,  sondern  das  Universitätssiegel,  wie  offen 
aus  den  Documenten  vom  J.  1252  und  1254  hervorgeht"**).  Es 
ist  also  klar,  dass  das  Universitätssiegel  verschieden  war  von 
jenen  der  vier  Nationen,  und  in  Consequenz  waren  diese  nicht 
die  integrierenden  Theile  der  Universität.  Ja  während  letzere  sich 
auflöste,  existierten  die  vier  Nationen  als  solche  noch  fort.  Es 
ist  geradezu  unbegreiflich,  dass  man  so  wichtige  Documente  nicht 
beachtet  oder  nur  oberflächlich  gelesen  hat. 

Aber  auch  die  Artisten  waren  ursprünglich  als  Facultät  nicht 
identisch  mit  den  vier  Nationen.  Sie  waren  einmal  bei  Ausferti- 
gung des  eben  genannten  Actenstückes  zugegen.  Humbert  er- 
wähnt sie  namentlich.  Als  im  J.  1255  diese  Facultät  ihre  Stu- 
dienordnung publicierte,  gebrauchte  sie  die  Siegel  der  vier  Nationen 
'consensu  earundem' "*).  Sie  waren  also  nichts  weniger  als  iden- 
tisch mit  den  vier  Nationen.  Das  Jahr  vorher  siegelte  dieselbe 
Universitas  magistrorum  artium  ein  anderes  Document  mit  den 


das  Factum  zu  sprechen,  bemerkt  aber,  dass  die  Magister  ihren  Zweck  doch 
nicht  erreichten,  'cum  universitatis  nomine  .  .  .  intelligamus  et  velimus  in- 
teUigi  omnes  magistros  et  scolares  commorantes  Parisius  cuinscunqne  socie- 
tatis  seu  congregationis  ezistant*.  Original  im  Qeneralarchiv  des  Domicaner- 
ordens.  S.  Bull.  Ord.  Praed.  I,  291  n.  51,  und  Nationalarchiv  zu  Paris, 
L.  249  n.  59. 

^^)  S.  bei  Du  Boulay  p.  292. 

^^)  In  dem  ersten  heisst  es:  Hanc  autem  ordinationem  Universitas  ap- 
probavit  et  sigilli  sui  munimine  roboravit  (Du  Beul.  p.  245).  In  dem  andern: 
Hanc  autem  ordinationem  .  .  .  sub  nostri  sigilli  munimine  fccimus  roborari 
(Du  Boul.  p.  253). 

IM)  Bei  Du  Boulay  p.  281.    Selbst  er  musste  dies  a.  a.  0.  zugestehen. 


2.  Paris.    Bildung  der  Universität  und  der  FacuUäten.  gl 

Siegeln  der  vier  Nationen^")-  Damals  hatte  eben  noch  keine 
Facultät  ein  eigenes  Siegel.  Allein  das  Factum  erweist,  dass  die 
Artisten  als  Facultät  zwar  innerhalb  der  Nationen,  aber  nicht 
identisch  mit  denselben  waren. 

Dass  die  Universität  verschieden  von  den  Nationen  war,  er- 
gibt sich  auch  aus  dem  Schenkungsacte  der  ganzen  Universität 
vom  J.  1222  an  die  Dominicaner  von  S.  Jacob  in  Paris.  In 
diesem  Acte  führt  sich  die  Universität  zum  ersten  Male  als  Nos 
universitas  magistrorum  et  scholarium  ein.  Die  Universität  tritt 
an  die  junge  DominicanergrQndung  alle  Bechte  ab,  die  sie  auf 
den  Platz  von  S.  Jacob  vor  der  Kirche  S.  Etienne  hatte.  Wenn 
irgendwo,  so  hätten  in  einem  solchen  Acte  die  vier  Nationen 
genannt  werden  müssen,  wären  diese  die  Universität  gewesen, 
hätten  sie  dieselbe  constituiert.  Aber  von  den  Nationen  keine 
Silbe,  während  die  von  der  Universität  den  Dominicanern  aufer- 
legten Verpflichtungen  nur  ^magistris  et  scolaribus',  besonders 
aber  den  ^magistris  cuiuscunque  facultatis'  zu  Gute  kommen 
sollen.  Stirbt  ein  Magister  irgend  einer  Facultät,  ^qui  in  officio 
regendi  decesserit  Parisius',  so  sollen  die  Brüder  für  dessen  Seele 
dieselben  Verpflichtungen  haben  wie  für  die  eines  verstorbenen  Mit- 
bmders.  Erwählt  aber  ein  Magister  bei  ihnen  den  Begräbniss- 
platz, dann  ^si  fuerit  theologus,  sepelient  eum  in  capitulo  suo, 
si  autem  alterius  facultatis,  in  claustro'. 

Aber  wird  dieser  Schenkungsact  der  Universität  nicht  wenig- 
stens mit  den  Siegeln  der  vier  Nationen  versehen?  Nein,  'pre- 
sentem  paginam  sigillis  magistrorum  theologie  fecimus  roborari'. 
Noch  heute  sieht  man  am  Originale  drei  Pergamentstreifen,  an  denen 
die  Siegel  gehangen  haben  ^'*).  Die  Universität  hatte  eben  damals 
noch  kein  gemeinschaftliches  Siegel,  und  beauftragte  daher  die  Ma- 


^  Bei  Jourdain  n.  108.  Allerdings  sagt  der  Act  gegen  den  Kanzler 
Philipp  de  Thor!  vom  J.  1283<-1284,  die  Artisten  h&tten  seit  undenklichen 
Zeiten  das  Siegel  der  Nationen  gebraucht.  Was  aber  von  diesem  Acte  zu 
halten  sei,  werden  wir  bald  sehen. 

^)  üniversitätsarchiT  zu  Paris,  Ms.  th.  VI.  Nur  6in  Siegel  ist  theil- 
webe  erhalten.  Jourdain  ist  zu  n.  23  ungenau.  Den  Text  s.  bei  Du  Boulay 
p.  105 1  Die  Reflexionen  Du  Bonlays  p.  106  beweisen,  auf  welch  schwachen 
Füssen  seine  Behauptung  beruht. 

Deoifle,  Dm  UnirenitAten.    L  6 


32  II-   Entstehnng  der  iltesten  ümYersititen. 

gistri  der  ersten  Facoltät,  der  theologischen,  ihre  Privatsiegel  zu 
gebrauchen.  Aber  warom  nahm  denn  die  Uniyersität  nicht 
die  Siegel  der  yier  Nationen?  Weil  diese  nicht  die  Universität 
waren.  Oder  wird  man  sagen,  die  vier  Nationen  seien  eben 
auch  noch  nicht  im  Besitze  ihrer  Siegel  gewesen?  Allein,  damit 
wäre  nichts  gewonnen,  denn  die  Universität  erhielt  bald  darauf  ihr 
Siegel,  sonst  hätte  es  nicht  schon  1225  auf  Betreiben  des  Kanzlers, 
der  sich  in  seinen  Rechten  verletzt  sah,  durch  den  Cardinallegaten 
Roman  zerbrochen  werden  können.  Die  Universität  als  solche  hätte 
also  früher  als  die  vier  Nationen  ihr  Siegel  erhalten.  In  dem 
einen  wie  in  dem  andern  Falle  ergibt  sich,  dass  die  vier  Nationen 
nicht  die  Universität  waren. 

Wurden  femer  Mitglieder  aus  der  Universität  ausgeschlossen, 
so  handelten  dabei  niemals  die  Nationen,  sondern  nur  die  Ma- 
gistri.  So  geschah  es  bereits  im  J.  1209^''),  so  im  J.  1238,  wie 
wir  aus  einem  bisher  nicht  bekannten  Schreiben  Gregors  IX.  vom 

4.  Juni  jenes  Jahres  erfahren.  Die  Magistri  schlössen  jene  aus, 
welche  sie  wollten.  Der  Papst  rügt  nur  ihre  Willkür,  und  dass 
sie  theilweise  in  die  Rechte  des  Bischofs  eingegriSien  hätten^'*). 
Nicht  weniger  erhellt  diese  Thatsache  aus  dem  Universitätsstreite 
mit  den  Mendicanten,  wie  wir  im  weitem  Verlaufe  des  Werkes 
sehen  werden. 

Von   selbst   richtet   sich   nun  ein  Bericht  des  Johann  von 

5.  Victor    in   seinem  Memoriale   historiarum"'),   auf  den   sich 


137)  Du  Boulay  III,  60  f. 

^®)  Reg.  Vat.  an.  12  ep.  137  Bl.  27  a:  Parisiensis  episc.  conqaestio 
continebat,  qnod  magistri  et  scolares  Parisienses  pretextu  cuiasdam  in- 
dalgentie  quam  a  sede  apostolica  se  obtinnisse  proponant  (s.  oben  S.  73) 
ut  vid.  priTare  possint  beneficio  societatis  sne  eos  qui  rationabilibas  consti- 
tutionibus  et  ordinationibus  suis  presumpserint  contraire  . . .  Preterea  cum 
idem  (episcopus)  cancellaria  parisicnsi  vacante  sit  in  possessione  vel  quasi 
licentiandi  provectos  ad  officium  magistratus,  prefati  magistri  ei  super  hoc 
se  indcbite  opponentes  quosdam  scolares  rationabiliter  licentiatos  ab  ipso  ad 
docendum  pro  sue  voluntatis  arbitrio  non  admittunt,  scolares  suos  subtra- 
hentes  eisdem,  ac  insuper  scolares  ipsos  et  magistros,  sub  quibus  licentiari 
ittceperunt  predicti,  a  societate  sua  exdudunt  etc. 

139)  Cod.  Paria.  4948  Bl.  269a. 


2.   Paris.    Bildang  der  Universität  und  der  Facultäten.  g3 

Du  Boulay  beruft""),  wonach  1231  *tota  universitas  quatuor 
nationum  decrevit,  quod  a  lectionibus  cessarent'.  Ich  kann  sogar 
nachweisen,  wie  dieser  Bericht  des  100  Jahre  später  lebenden 
und  hier  nicht  verlässlichen  Autors"^)  entstanden  ist  In  dem 
oben"')  citierten  Actenstiicke  vom  27.  März  1229  bestimmen  die 
*Provisore8  ab  universitate',  dass  eventuell  die  Vorlesungen  all- 
gemein eingestellt  werden  sollen.  Johann  von  S.  Victor  ver- 
wechselte nun  die  Provisores  mit  den  Procuratores  der  vier 
Nationen,  und  glaubte  daher,  der  Beschluss  sei  von  den  vier 
Nationen  ausgegangen.  Allein  hätten  hier  die  vier  Procuratores 
der  Nationen  gehandelt,  so  wäre  das  Actenstnck  nur  mit  den 
vier  Siegeln  der  vier  Nationen  gesiegelt  worden.  An  demselben 
sieht  man  aber  heute  noch  13  Pergamentstreifen,  welche  die  Siegel 
der  Provisores  trugen"'),  ein  Zeichen  dass  letztere  von  den  Pro- 
curatoren  der  vier  Nationen  gänzlich  verschieden  waren"*). 


140)  Eist.  uniy.  Paris.  III,  563  f. 

^*^)  So  sagt  er  unter  anderm:  Decretum  qnoque  est  ab  omnibns,  nt 
stadiam  in  Britanniam  apud  Nannetum  transferretur;  comes  enim  Britanoie 
promittebat  omyersitati  xnultas  curialitates  et  plnra  beneficia  quam  Parisius 
se  facturum.  Rex  autem  francorum  hoc  comperto,  habito  consilio  cum  bonis^ 
fecit  emendari  bene  et  sufficienter  a  civibus  quod  fuerat  forefactum,  et  sie 
lectiones  sunt  resumpte.  Cod.  Paris.  1.  c.  Nach  Johann  von  8.  Victor  wäre 
also  das  Stadium  kaum  unterbrochen  worden,  während  doch  nahezu  zwei 
Jahre  ein  grosser  Theil  der  Professoren  abwesend  war.  Auch  handelte  es 
sich  nicht  um  Nantes,  wohin  man  ziehen  wollte  oder  hinzog,  sondern,  wie 
wir  weiter  unten  sehen  werden,  vorzüglich  um  Angers  und  Orleans.  Nantes 
wird  nie  genannt.  Ferner  war  damals  der  König  resp.  die  Königin  nichts 
weniger  als  geneigt  die  Ordnung  widerherzustellen.  Endlich  Wlt  das  Factum 
nicht  in  das  Jahr  1231,  sondern  1229. 

1^)  S.  oben  Anm.  115. 

^^)  Das  Docoment  trug  21  Siegel,  an  8  Stellen  sind  die  Pergament- 
streifen verschwunden.  Von  den  Siegeln  selbst  existieren  nur  an  einzelnen 
Streifen  noch  üeberbleibsel.    Jourdains  Bemerkung  zu  n.  30  ist  ungenau. 

1^)  Du   Boulay   scheute    auch   nicht    vor   Erfindungen   zurück   seine 

These  zu  beweisen.    Zum  J.  1281   (p.  456  f.)  berichtet  er  von  dem  damals 

Msgebrochenen  Streite  zwischen  den  Picarden.nnd  Engländern,  und  bei  dieser 

Gelegenheit  erdichtet  er  ein  vollständiges  Zwiegespräch  zwischen  beiden,  worin 

oatfirlich  aach  die  Phrase  *de  prima  academiae  Parisiensis  fundatione  et  com- 

positione  ex  nationibus'  nicht  fehlen  durfte. 

6* 


84  n.   Entstehang  der  ältesten  Uni?er8it&ten. 

Der  nächste  Abschnitt  wird  jedoch  hoffentlich  diese  Frage 
in  ihrem  Wesen  für  immer  abschliessen. 

b.  Alter  und  Charakter  der  Hationeneintheilnng  in  Paris. 

Sind  denn  aber  die  vier  Nationen  an  der  Hochschule  zu  Paris 
so  alt?  Datiert  die  Gruppierung  in  die  vier  Nationen  Gallicorum, 
Picardorum,  Normannorum  und  Anglicorum  aus  so  früher  Zeit? 
Was  waren  denn  eigentlich  diese  Nationen,  wie  haben  sie  sich 
gebildet,  und  wie  verhalten  sie  sich  zu  den  vier  Facultäten? 

Die  vier  Nationen  treten  zum  ersten  Male  in  der  Form 
einer  gemischten  Scholarenverbindung  auf,  zu  der  die  Scholaren 
und  die  Magistri  artium  gehörten.  So  lernen  wir  sie  im  J.  1249 
kennen.  Für  die  Zeit  vor  diesem  Jahre  lassen  sich  nur  aus 
andern  Thatsachen  Schlüsse  ziehen.  Klärende  Documente  für 
jene  Epoche  existieren  absolut  nicht.  Das  angebliche  Concordat 
der  vier  Nationen  über  die  Wahl  des  Rectors  vom  J.  1206, 
dessen  Du  Boulay  erwähnt^^'),  ist  identisch  mit  jenem  vom  J.  1266, 
wie  bereits  der  Autor  der  Origo  vera  nachgewiesen  hat"*).  Seit 
zwei  Jahren  Hess  ich  diesen  Punkt  nicht  aus  den  Augen;  allein 
es  war  mir  unmöglich  für  die  frühere  Epoche  ein  Document 
irgendwo  aufzutreiben.  Sehen  wir  also,  ob  wir  sonst  zu  einiger 
Klarheit  über  die  Entwicklung  der  Pariser  Scholarenverbindung 
gelangen. 

Es  ist  möglich,  ja  wahrscheinlich,  dass  sich  ursprünglich  die 
Scholaren  nach  ihren  verschiedenen  Nationalitäten  gruppierten, 
ohne  dass  daran  die  Professoren  sich  betheiligt  hätten.  An  sich 
ist  es  schon  natürlicher,  dass  die  Gruppierung  nach  Landsmann- 
schaften zuerst  unter  den  Scholaren  sich  vollzog.  Sie  waren 
am  zahlreichsten  und  am  fremden  Orte  zugleich  am  meisten 
des  gegenseitigen  Schutzes  bedürftig.  So  finden  wir  in  der 
That,  dass  sich,  soweit  wir  Kunde  davon  haben,  auch  an  andern 
Universitäten  die  Scholaren  und  nicht  die  Professoren  nach  Na- 


^^)  Hist.  ani?.  Paris.  II,  662;  in,  31.  Sarigny  nnd  die  meisten  andern 
haben  es  Du  Boulay  harmlos  Dachgeschrieben. 

^M)  Selbst  GreTier  hielt  es  fOr  sicherer  sich  nicht  aaf  dasselbe  in  be- 
rufen.   Hist  de  Vuniyersit^  de  Paris,  l,  294  Anm.  YII,  117. 


2.  Paria.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilimg.  85 

tionen  schieden,  z.  B.  in  Bologna,  Vicenza,  Padua,  Vercelli,  Le- 
rida  u.  8.  w. 

Davon  aber,  inwieweit  und  wie  die  Scholaren  in  Paris  in 
jener  Zeit  organisiert  sein  mochten,  findet  sich  nicht  die  geringste 
Spur.  Mit  Bestimmtheit  lässt  sich  bloss  sagen,  dass  sie  an  der 
Wende  des  12.  Jhs.  noch  keineswegs  in  vier  Nationen  abgetheilt 
waren.  Heinrich  II.  von  England  spricht  im  J.  1 1 69  auf  Grund 
einer  Zusammenkunft  mit  dem  Könige  von  Frankreich  von  ^galli- 
cana  ecclesia  partes  suas  interponente  seu  scolaribus  diversarum 
provinciarum  aequa  lance  examinantibus'^^^).  Ist  es  einerseits 
ungewiss,  ob  hier  bloss  die  Scholaren  von  Paris  verstanden 
wurden,  so  ist  es  andererseits  gewiss,  dass,  selbst  wenn  von 
den  Pariser  Scholaren  die  Bede  ist,  in  der  Stelle  auch  nicht  der 
geringste  Anhaltspunkt  fOr  eine  Eintheilung  derselben  in  vier 
Nationen  sich  findet.  Ich  begreife  nicht,  wie  Jourdain  auf  Grund 
dieser  Stelle  behaupten  konnte:  perantiqua  est  scholarium  dis- 
tribntio  in  quatuor  nationes^^').  Wenn  er  sodann  diese  Ein- 
theilung in  der  menschlichen  Natur  begründet  findet,  so  antworte 
ich,  dass  es  wohl  natürlich  war,  dass  sich  die  Scholaren  nach 
ihren  verschiedenen  Nationen  und  Provinzen  gruppierten,  nicht 
im  geringsten  aber,  dass  sie  sich  gerade  in  vier  Nationen  ab- 
theilten. Und  nur  darum  handelt  es  sich  hier.  Philipp  August  ^^^) 
and  Roger  von  Hoveden  wissen  auch  noch  nichts  von  vier  Nationen, 
obgleich,  wie  wir  sogleich  sehen  werden,  den  Worten  des  letztem 
zufolge  wenigstens  die  clerici  teutonici  in  irgend  einer  Weise 
zusammenhielten.    Jacob  de  Yitry  gruppiert  die  Scholaren  nach 


H7)  Bei  Da  Boalay  II,  364. 

i4B^  Index  chronologicas  p.  lY. 

^^  Stein,  Die  innere  Verwaltang  etc.  S.  258  sieht  in  dem  Acte  Phi- 
lipp Angosts  Yom  J.  1200  nicht  bloss  Nationen  erw&hnt,  sondern  auch  den 
Beschloss  des  Königs  'ans  den  nationes,  die  sich  zu  Genossenschaften  schon 
froher  vereinigt  hatten,  jetzt  rechtsprechende  Körperschaften  zn  machen, 
indem  dieselben  autorisiert  wurden,  sich  jetzt  ihre  Anwälte,  die  Procuratores, 
selbst  zn  w&hlen,  das  Haupt  derselben,  den  Bector,  einzusetzen'  u.  s.  w.  Ein 
prftchtiges  Beispiel  Yon  modemer  Geschichtsbehandlung  t  Nicht  6in  Jota  findet 
sich  im  königlichen  Acte.  S.  das  Document  in  den  M^moires  de  l'histoire 
de  Paris  X,  247. 


gg  IL  Entstehung  der  ftltesten  üniTenitäten. 

12  verschiedenen  Nationen,  und,  ^as  bezeichnend  ist,  nennt 
nicht  die  Picarden,  die  doch  nach  der  Eintheilung  in  vier  Na- 
tionen einer  derselben  den  Namen  gaben*").  Dies  ist  ein  neuer 
Punkt  in  der  ganzen  Frage.  Bereits  Fauchet  hat  bemerkt,  dass 
die  Bezeichnung  Ticardia'  ziemlich  jung  sei  ^"),  was  der  Special- 
forscher über  die  Picardie,  der  Mauriner  Dom  Grenier*"),  be- 
stätigt. Erst  im  13.  Jh.  habe  man  angefangen  sie  öfters  zu 
gebrauchen. 

Folgerichtig  erfährt  man  auch  nichts  von  vier  Procuratoren 
der  vier  Nationen,  im  Gegentheile  kann  man  mit  Bestimmtheit 
nachweisen,  dass  Anfangs  des  13.  Jhs.  solche  noch  nicht  exi- 
stierten. Als  der  Streit  zwischen  den  Scholaren  und  dem  Kanzler 
ausgebrochen  war,  wandten  sich  erstere  an  Innocenz  lU.  mit  der 
Bitte  einen  Procurator  haben  zu  dürfen,  was  der  Papst  gewährte"'). 
Dies  beweist  einmal,  dass  sich  die  Scholaren  noch  keineswegs 
als  Corporation  oder  Corporationen  constituiert  hielten.  Aus- 
drücklich bestätigt  dies  der  Zeitgenosse  Johannes  Teutonicus, 
die  päpstliche  Decretale  commentierend:  Dubitationis  causa  hec 
fuit,  quia  scolares  non  videntur  constituere  universitatem,  cum 
jus  universitatis  non  sint  a  principe  consecuü^O*    Wären  die 


ifiO)  Bist,  occid.  ed.  Duaci  1597  c.  7  p.  279. 

1^1)  De  la  milice  et  armes.  Paris  1610  f.  350b:  Le  mot  de  Picardie 
n'est  pas  ancien,  ains  se  trouYe  seulement  depuis  400  ans.  Et  Pierre  de 
Bloii  en  ses  epitres  sexnble  estre  le  premier  qui  en  face  mention,  si  j'ay  en- 
cores  bonne  memoire.  Er  schrieb  das  Werk  1600.  Ich  muss  aber  gestehen, 
dass  ich  das  Wort  nicht  bei  Peter  Bles.  gefunden  habe.  Ich  mag  mich  ge- 
täuscht haben.    S.  nächste  Anm. 

159)  Notice  historiqae  de  Picardie  (Nationalbibl  bu  Paris.  D.  Qrenier 
GLX  pag.  20  art.  2  f.  60  b):  Si  la  lettre  de  Pierre  de  Blois]  .  .  .  citee  par 
Fonchet  est  vraie,  c'est  le  premier  monument  qui  cn  fasse  mention.  Aehn- 
lich  art.  3  A  f .  la.  Grenier  konnte  auch  nicht  den  Brief  Peters  von  Blois 
namhaft  machen.  Bumet,  Histoire  de  Picardie  (Cod.  Paris  12888)  geht 
Bl.  8  wohl  auf  die  Etymologie  des  Namens,  nicht  aber  auf  das  Alter  des- 
selben ein. 

1&3)  Comp.  lY.  Decret.  1,  16.  De  procurat.  c.  2.  Die  Decretale  stammt 
nicht  aus  dem  J.  1203,  wie  man  allgemein  annimmt,  sondern  sie  steht  in  Ver- 
bindung mit  den  Streitigkeiten,  die  1210—1211  mit  dem  Kanzler  begannen. 

1^)  Cod.  Paris.  3931 A.   Cod.  Vat.  2509.    Der  jüngere  Zeitgenosse  Vin* 


2.   Paris.    Alter  und  Charakter  der  Natioueneintheilung.  87 

Scholaren  schon  damals  in  vier  autonome  Corporationen  mit  vier 
Procuratoren  an  der  Spitze  derselben  gegliedert  gewesen,  wie 
hätten  sie  da  noch  anfragen  können,  ob  sie  einen  Procurator 
haben  dürften?  Erst  jetzt  wurden  Anfänge  zu  selbständigen 
Scholarenverbindungen  in  Paris  gemacht,  denn  nicht  eher  fühlten 
die  Scholaren  das  Bedürfhiss  sich  gemeinschaftlich  nach  aussen 
vertreten  zu  lassen,  trotzdem  dass  schon  seit  100  Jahren  Zwistig- 
keiten  vorgekommen  waren.  Bei  derartigen  Fällen  mussten  aber 
früher  die  einzelnen  Scholaren  die  Sache  für  sich  abmachen,  eben 
weil  sie  noch  keine  Körperschaft  bildeten  ^'^'^). 

Ebenso  grundlos  ist  die  Behauptung,  die  Artisten  hätten 
schon  lange  eine  Universität  gebildet,  und  das  sei  die  alte  Uni- 
versität gewesen.  Diese  Ansicht,  die  man  fortwährend  nach* 
schreibt"'),  ist  lediglich  in  der  Phantasie  Du  Boulays  entstanden. 
Abgesehen  davon,  dass  weder  in  einem  Documente  noch  in  einer 
gleichzeitigen  Chronik  davon  auch  nur  die  geringste  Spur  zu 
entdecken  ist,  wird  die  Behauptung  durch  die  oben  citierte  Lit- 
tera  vom  J.  1254  widerlegt,  derzufolge  sich  die  Artisten  mit  den 
Professoren  der  übrigen  Fächer  zur  einen  Universität  verbanden. 
Vorher  waren  sie  ebenso  einzeln  stehend,  wie  die  andern,  und 
nachher  gehörten  sie  wie  diese  zum  grossen  Corpus  universitatis 
und  bildeten  sich  wie  sie  zu  Facultäten.  Alle  Professoren  waren 
damals  in  derselben  Position.  Im  3.  Bande,  in  dem  wir  von  der 
Entwicklung  der  Pariser  Schulen  sprechen  werden,  komme  ich 
darauf  zurück.  Ebenso  wenig  erfahren  wir  natürlich,  dass  die 
Artisten  nach  Nationen  gegliedert  gewesen  wären  oder  solchen 
vorgestanden  hätten.  Im  Gegentheile  werden  die  Scholaren, 
wenn  sie  als  Gesammtheit  aufgefasst  werden,  immer  nur  allein 
erwähnt.  So  spricht  Odo  von  Paris  im  J.  1207  von  der  commu- 
nitas  scolarium "'),  Innocenz  HI.  in  der  eben  citierten  Decretale 

centius  Hispanus  schreibt  in  seinem  Apparat  zu  Gregors  Decretalen  in  dieser 
Frage  nur  Johannes  Teut.  ab.    Cod.  Paris.  3967  Bl.  96  b. 

1^)  Der  Ausweg,  den  Da  Boulay  hier  p.  23  sucht,  es  habe  sich  nur 
am  einen  procurator  ad  lites  gehandelt,  ist  hiemit  abgeschnitten. 

i56j  Der  neueste  Hauptyertreter  derselben  war  Huber  in  der  Gesch.  der 
engl.  Universitäten  I,  40  ff. 

1*7)  Original  im  Nationalarchiv  zu  Paris  M.  257  c  n.  2.  N.  3  einVidi- 
mas  des  Actes.    Du  Boulay  p.  36. 


gg  II.   Entstehang  der  ältesten  Universitäten. 

von  der  universitas  scolarium,  ähnlich  Job.  Teutonicus  in  der 
genannten  Glosse.  Als  diese  niedergeschrieben  wurde  (c.  1218), 
zweifelte  doch  kein  Mensch  daran,  dass  die  Magistri  eine  Ge- 
nossenschaft eingehen  könnten.  Wenn  er  also  vom  Dubiom 
spricht,  ob  die  Scholaren  eine  Genossenschaft  bilden,  so  meinte 
er  nur  die  Scholaren,  und  nicht  die  Magistri.  Zur  selben  De- 
cretale  sagt  eine  anonyme  Glosse  jener  Zeit:  conceditur  universi- 
tati  scolarium  paris.  facere  procuratorem  "*). 

Aber  hatten  nicht  die  Ai*tisten  oder  wenigstens  die  Scholaren 
bereits  beim  Beginne  des  13.  Jhs.  einen  Rector,  der  zugleich 
Rector  der  vier  Nationen  war?  Fast  allgemein  berief  man  sich 
bisher  auf  eine  Stelle  im  Acte  Philipp  Augusts  vom  J.  1200:  ad 
hec  in  capitale  parisiensium  scolarium  pro  nullo  forifacto  iusti- 
cia  nostra  manum  mittet  ^'^').  H^mer6  und  Du  Boulay  sehen  hier 
die  erste  Erwähnung  eines  Rectors**®).  Der  anonyme  Autor  der 
Origo  Vera  war  sich  über  den  Begriff  'capitale  scolarium'  nicht 
ganz  im  Klaren  ^^^).  In  neuerer  Zeit  verstanden  jedoch  franzö- 
sische Forscher  darunter  im  Gegensatz  zu  der  allgemeinen  An- 
nahme, gestützt  auf  den  Anklageact  der  Artisten  gegen  den 
Kanzler  Philipp  de  Thori  vom  J.  1283—1284"'),  einen  magister 
regens  in  irgend  einer  Facultät"').    Darin  wird  nämlich  'capi- 


^^)  Arsenalbibl.  n.  394.  Die  Glossen  oder  vielmehr  Notabilia  var 
4.  Coxnpil.  folgen  unmittelbar  auf  die  Notabilia  des  Paulas  Ungarns  zur 
2.  nnd  3.  Comp.  Diese  Parthie  der  Hs.  ist  aas  der  1.  H&lfte  des  13.  Jhs. 
Da  die  Notabilia  znr  4.  Compil.  noch  nicht  bekannt  sind,  will  ich  den  Anfang 
hierher  setzen :  In  prima  parte  dicitur,  quod  credere  debemos  et  confiteri  onom 
deum  et  incommutabilem. 

1^^)  M^moires  de  Phistoire  de  Paris  X,  250.  Die  älteste  Copie  ist  wohl 
jene  im  Cod.  Vat.  Ottob.  2796  Bl.  29  a.  —  lieber  die  F&lschang,  die  Da 
Boulay  hier  darch  Einschiebung  von  'stndü'  vorgenommen,  habe  ich  bereits 
oben  gesprochen.    S.  S.  7. 

1^0)  H^mer^,  De  academia  Paris,  p.  95.  Da  Boulay  p.  4.  Savigny  and 
andere  folgten  Du  Boolay. 

^^^)  P.  693  neigt  er  sich  mehr  dahin  den  Aasdruck  im  Sinne  von  ma- 
gister regens  zu  nehmen. 

^^)  Bei  Jourdain  n.  274. 

^^)  So  besonders  Jourdain  p.  47  a  Anm.  1  and  p.  66  b  Anm.  1,  and 
Thurot  l  c.  p.  16  Anm.  2. 


2.  Paris.    Alter  and  Charakter  der  Nationeneintheilnng.  g9 

tale  scolarium'  mit  einem  magister  regens  identificiert^**).  Die 
Frage  nach  der  Richtigkeit  dieser  Ansicht  vorläufig  bei  Seite 
hissend,  bemerke  ich,  dass  es  nicht  angezeigt  ist  bei  zu  erweisenden 
Stellen  sich  von  vorneherein  auf  jenen  Act  zu  berufen.  Die  Ar- 
tisten stellten  darin  die  Thatsachen  gerade  so  dar,  wie  sie  sie 
fttr  den  Augenblick  brauchten,  und  scheuten  auch  vor  Fälschungen 
nicht  zurück  ^'^).  Dasselbe  könnte  ebenso  gut  an  dieser  Stelle 
der  Fall  gewesen  sein. 

Allein  trotzdem  ist  die  eben  genannte  Ansicht  die  richtige.  Der 
Zeitgenosse  Roger  von  Hoveden  erzählt  uns  die  Veranlassung  zum 
Acte  Philipps.  Ein  Diener  eines  vornehmen  deutschen  Scholaren 
wurde  in  einer  Weinschenke  geschlagen.  Darauf  entstand  ein  ^con- 
cursus  clericorum  teutonicorum',  es  kam  zu  einem  blutigen  Con- 
flikt  zwischen  ihnen  und  den  Bürgern,  die  dann  4n  hospitium 
clericorum  teutonicorum'  bewaffnet  einbrachen  und  jenen  Deut- 
schen mit  einigen  seiner  Landsleute  ums  Leben  brachten.  Die 
'magistri  scholarum'  nahmen  sich  der  Scholaren  an  und  klagten 
beim  Könige,  der  dann  aus  Furcht,  'quod  magistri  scholarum  et 
scholares  a  civitate  sua  recederent'  jenen^Act  erliess^*').  Aus 
diesem  Berichte  erfahren  wir  einmal,  dass  die  Scholaren  derselben 
Gegenden  zusammenhielten;  wenigstens  wird  es  hier  ausdrücklich 
von  den  Deutschen  gesagt.  Wir  erfahren  ferner,  dass  es  sich 
nur  um  Scholaren  und  magistri  scolarum  handelte.    Man  liest 


^^)  S.  Jonrdain  p.  47  a. 

1^^)  Hier  nur  ein  Beispiel.  Gegen  den  Kanzler  wollen  die  Artisten  be- 
weisen, dass  die  Magister  das  Recht  zu  examinieren  haben,  und  zwar  in  Folge 
der  Balle  Farens  scieniiarum,  Gregor  IX.  sage  nämlich  darin:  De  fisicis  autem 
et  artistis  cancellarius  bona  fide  permittet  examinare  magistros  etc.  Jourdain 
p.  48  a.  Im  Originalacte  (üniversitätsarchi?  Ms.  th.  V.)  steht  in  der  That 
permittet.  Non  sagt  aber  Gregor  IX.  nicht  j>ermittet,  sondern  promittet,  was 
einen  ganz  andern  Sinn  gibt.  In  den  zwei  oben  S.  73  Anm.  100  citierten 
Originalien  ist  *promittet'  sogar  ausgeschrieben;  im  Archiv  Vat  1.  c.  steht  die 
AbkArzang  fQr  'pro'.  Da  den  Artisten  das  'promittere*  im  Wege  stand, 
machten  sie  'permittere*  daraus,  um  so  die  Leser  zu  dapieren.  Dass  die  Rö- 
mische Curie  diesen  Act  yerwerfen  musste,  yersteht  sich  von  selbst  S.  Jonr- 
dain n.  276.  Das  Original  der  päpstl.  Bulle  im  Nationalarchiv  zn  Paris, 
M.  67  n.  10. 

1^)  Chronica  mag.  Bogen  de  Honedene  ed.  Stubbs  IV,  120. 


90  ^I*  Entstehung  der  ältesten  üniyersitftten. 

nicht,  dass  ein  Biector,  oder  die  Natio  anglorum,  zu  denen  spSter 
die  Deutschen  gehörten,  sich  der  gekränkten  Scholaren  annahmen, 
nein,  lediglich  die  Professoren  standen  filr  sie  ein.  Da  nun  der 
König  den  Act  aus  Furcht  erliess,  dass  die  Professoren  und 
Scholaren  die  Stadt  verliessen,  musste  er  in  demselben  ebenso 
die  erstem  wie  die  letztem  fOr  die  Zukunft  schützen.  In  dem 
ganzen  Acte  kann  aber  nur  der  Ausdmck  'capitale  scolarium' 
auf  den  magister  regens  bezogen  werden,  und  so  finden  wir  in 
der  That  die  Erklämng  in  dem  eben  citierten  Anklageacte  vom 
J.  1283—1284  bestätigt 

Eine  weitere  Erhärtung  erhält  diese  Thatsache  durch  eine 
Bemerkung  in  Philipps  Document  in  Bezug  auf  die  Canonici  in  Paris. 
Der  König  sagt: .  . .  nolumus  ut  canonici  parisienses  et  eorum  ser- 
vientes  in  hoc  privilegio  contineantur,  sed  volumus  ut  servien- 
tes  canonicoram  parisiensium  et  eiusdem  Tille  canonici  ean- 
dem  libertatem  habeant,  quam  eis  predecessores  nostri  observare 
debuemnt  et  nos  eisdem  observare  debemus  '*^).  Warum  erwähnt 
hier  Philipp  August  auch  die  Canonici  von  Notre  Dame?  Weil 
eben  auch  sie  magistri  regentes  waren.  Er  nimmt  sie  aber  aus, 
weil  sie  bereits  alte  Privilegien  hatten,  in  Folge  deren  sie  auch 
in  der  Universität  einer  Ausnahmsstellung  sich  erfreuten,  gleichwie 
auch  Gregor  IX.  in  seiner  Bulle  Parens  scientiarum  die  Ca* 
noniker  in  ihren  alten  Freiheiten  beliess^^O- 

Wenn  aber  im  Acte  Philipp  Augusts  noch  nicht  der  Rector 
genannt  wird,  wann  erscheint  er  dann  zum  ersten  Male?  Wie 
wir  alsbald  sehen  werden  erst  im  J.  1244.  Ist  aber  dem  also, 
wie  kann  man  dann  noch  behaupten,  die  Artisten  oder  die  Scho- 
laren hätten  von  jeher  einen  Rector  gehabt? 


167)  Du  Boolay  p.  3  hat  hier  wider  eben  völlig  defecten  Text  Statt 
^DolumuB'  hat  er  'volamus^  statt  'canoDicoram  parisiensiom':  'tantum  Pari- 
sias'.  Obige  Stelle  eitlere  ich  nach  dem  Original  in  den  Memoires  etc.  p.  251. 
Ganz  gleich  schreibt  die  alte  Copie  im  Cod.  Ottob.  2796  Bl.  29  b. 

16^)  Auch  hier  besitzt  Du  Boulay  p.  141  einen  wie  absichtlich  defecten 
Text,  der  den  Sinn  gibt:  der  Kanzler  soll  den  Ganonikem  nicht  die  eon- 
silia  magistromm  mittheilen,  w&hrend  nach  dem  Originale  'Parisiensibns  ca- 
nonicis  libertate  ac  jure  in  incipiendo  habitis  in  sua  manentibos  firmitate' 
ein  selbständiger  Satz  ist.  ^ationidarchiv  zu  Paris  L.  242  n.  76;  M.  257  c  n.5. 


2.  Paris.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilung.  91 

Fassen  ^ir  unsere  Resultate  zusammen,  so  ergibt  sich,  dass 
die  Gruppierung  in  vier  Nationen  noch  keineswegs  im  Anfange 
des  13.  Jhs.  vor  sich  gegangen  war,  wenngleich  die  Scholaren 
derselben  Länder  naturgemäss  zusammenhielten.  Aber  diese  in 
solcher  Weise  entstandenen  Consortia  hatten  in  keiner  Weise 
autonome  Rechte,  am  wenigsten  war  ihnen  oder  der  Gesammt- 
heit  ein  aus  ihrer  Wahl  hervorgeganger  Rector  oder  ein  Haupt 
vorgesetzt.  Hiemit  fällt  natürlich  die  Ansicht,  als  hätten  die 
Artisten  Ende  des  12.  oder  anfangs  des  13.  Jhs.  zu  den  Nationen 
gehört,  oder  als  hätte  es  von  Alters  her  eine  Universität  der 
Artisten  gegeben. 

Nun  erscheint  aber  der  ganze  erste  Paragraph  nur  mehr  als 
Consequenz  dieser  Ausführungen.  Wenn  Anfangs  des  13.  Jhs. 
noch  nicht  die  vier  Nationen  bestanden,  so  versteht  es  sich  von 
selbst,  dass  diese  nicht  identisch  sind  mit  der  Universität,  die 
der  oben  citierten  Littera  vom  J.  1254  nach  zu  schliessen  bereits 
Ende  des  12.  Jhs.  bestand,  oder  wenigstens  entstanden  ist.  Wir 
finden  es  nun  begreiflich,  warum  sich  die  Artisten- Magistri 
ebenso  wie  die  Professoren  der  übrigen  Fächer  zur  Facultät 
bilden  konnten,  und  wir  haben  nunmehr  auf  einem  andern  Wege 
das  oben  ausgesprochene  Resultat  gefunden,  dass  die  Artisten- 
Facultät  nicht  identisch  war  mit  den  Nationen.  Der  Satz  bleibt 
für  immer  bestehen:  'Der  Grundstock  der  Universität  war  die 
Vereinigung  der  Lehrer  der  verschiedenen  Disciplinen,  die  sich 
dann  nach  und  nach  in  die  vier  Facultäten  schieden.  Weit  ent- 
fernt, dass  die  vier  Nationen  die  Universität  bildeten,  ist  es  mehr 
als  wahrscheinlich,  dass  sie  zur  Zeit  der  Entstehung  der  Uni- 
versität noch  gar  nicht  als  solche  existierten'. 

Aber  wie  haben  sich  dann  die  vier  Nationen  gebildet,  und 
wie  kamen  die  Artisten  mit  ihnen  in  Verbindung?  Wie  ich  be- 
reits Eingangs  bemerkte,  treten  uns  die  vier  Nationen  zuerst  im 
J.  1249,  und  zwar  als  existierend,  entgegen  ^^').  Damals  gehörten 
auch  bereits  die  Magistri  artium  zu  ihnen.  Wie  kam  es  nun 
dazu?  Da  kein  einziges  Document  darüber  vorhanden  ist,  lassen 
sich  nur  Vermuthungen  aufstellen. 


1/ 


w 


169)  S.  das  Actenstück  bei  Da  Boulay  p.  222. 


92  II*  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

Vergleicht  man  die  Pariser  EintheiluBg  in  vier  Nationen  mit 
ähnlichen  Erscheinungen  in  Italien,  so  findet  man,  dass  jene  Ein- 
theilung  sich  nichts  weniger  denn  von  innen  heraus  und  spontan 
ergeben  hat.  Bei  einer  spontanen  Entwicklung  hätten  sich  ganz 
andere  Gruppen  bilden  müssen.  Paris  war  vielleicht  mehr  der 
Sammelplatz  der  Schüler  aller  Nationen,  wie  Bologna.  Nun  sehen 
wir  aber  in  Bologna  Hauptgruppen  entstehen,  die  so  ziemlich 
das  ganze  civilisierte  Europa  umfassten:  Tuschen,  Lombarden, 
Catalanen,  Francigenae,  Deutsche  resp.  Engländer.  In  diese 
Hauptgruppen  reihten  sich  spontan  oder  wenigstens  leicht  die 
angränzenden  oder  verwandten  Nationen.  Ganz  anders  in  Paris. 
Die  vier  Gruppen  umfassten  eigentlich  nur  Frankreich  und  Eng- 
land, alle  übrigen  Nationen  mussten  sich,  ohne  dass  sie  auch  die 
geringste  Beziehung  zu  einer  der  vier  Nationen  gehabt  hätten, 
einfach  einschachteln  lassen.  Drei  Hauptgruppen  liegen  innerhalb 
von  Frankreich  und  Belgien  (Gallicorum,  Picardorum,  Normannorum), 
und  nur  die  vierte  ausserhalb  (Anglicorum).  Also  vom  ganzen 
Süden,  von  Spanien,  von  Italien,  um  von  Deutschland,  dessen 
Söhne  nicht  weniger  eifrig  als  die  anderer  Länder  Paris  auf- 
suchten ^^'*) ,  nicht  zu  sprechen,  ist  keine  Bede.  Hätten  sich 
wohl  die  Gruppen  in  solcher  Weise  gebildet,  wenn  sie  das  Re- 
sultat einer  naturgemässen  Entwicklung  gewesen  wären?  Dies 
ist  mehr  als  zweifelhaft 

Bei  einer  naturgemässen  Entwicklung  wären  zudem  die  Unter- 
abtheilungen ebenso  organisch  gegliedert  gewesen,  wie  in  Bologna. 
Allein  in  Paris  war  nur  6ine  Nation  abgetheilt.  Die  Verzeichnisse 
hierüber  bei  Goulet*'"),  DuBreul''*)  und  Du  Boulay'")  sind  aus 
später  Epoche.  Es  ergibt  sich  vielmehr,  dass  noch  im  ganzen 
14.  Jh.  die  Unterabtheilungen  sehr  lückenhaft  waren.  Man  findet 
nämlich  in  den  Botuli,  welche  die  Facultas  artium  in  den  Jahren 


i69a^  Arnold  von  Lübeck  sagt  im  Beginne  des  13.  Jhs.,  dass  dieD&nen, 
'nsam  Teatonicorom  imitantes'  ihre  ▼omehmeren  Söhne  nach  Paris  schickten, 
wo  sie  ausser  Theologie  und  artes  4n  negotiis  ecclesiasticis  tractandis  boni 
decretiste  sive  legiste  comprobantur.'   Bei  Leibnitz,  SS.  rer.  BronsY.  II,  657. 

170)  Compendinm  recenter  editam  etc.  Bl.  3  b  ff. 

171)  Du  Brenl,  Th^atre  des  antiquit^s  de  Paris.    Paris  1639  p.  456. 
17S)  Du  Boulay  p.  558  ff. 


2.   Paris.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilung.  93 

1348'^'),  1362'^')  und  später  an  den  Papst  sandte,  dass  einzig 
nur  die  natio  gallicana  in  Provinzen,  nämlich  in  die  provincia 
Parisien.,  Senonen.,  Bemen.,  Turonen.,  Bituricensis  eingetheilt 
war,  und  eine  Bemerkung  in  der  Einleitung  zu  den  Rotuli  lässt 
darauf  schliessen,  dass  damals,  und  mitbin  auch  früher,  nur  die 
natio  gallicorum  Unterabtheilungen  besass,  nicht  aber  die  andern 
3  Nationen^''),  wenngleich  zu  ihnen,  und  zwar  hauptsächlich  zur 
natio  anglicana,  verschiedene  Länder  oder  wenigstens  Landstriche 
gehörten.  Und  gerade  die  Art  und  Weise,  wie  dieses  berichtet 
wird,  bestätigt  unsere  Ansicht  ^^^),  so  dass  auch  über  diesen  Punkt 


^73)  Reg.  Snppl.  Clemens  VI.  an.  8  p.  2  Bl.  183. 

iw)  Reg.  Suppl.  ürbani  V.  an.  1  p.  1  Bl.  135  a. 

17^)  Im  Rotulas  vom  J.  1348  heisst  es  gleich  Eingangs:  cum  dicta  fa- 
cnltaa  arciom  in  hoc  rotnlo  sit  divisa  in  quatuor  naciones,  quarum  prima  est 
nacio  gallicana,  secunda  picardorum,  tercia  Normannornm  et  qaarta  Angli- 
coram,  et  in  nacione  gallicorum  sint  quinqae  pro7incie,  qaamm  prima  est 
Parisien.,  secanda  Senonen.,  tercia  Bemen.,  quarta  Turonen ,  et  quinta  Bitu- 
ricen.  etc.  Ebenso  im  Rotulus  vom  J.  1362,  Heg.  Suppl.  ürbani  Y.  an.  1 
p.  1  Bl.  135  a.  Wären  auch  die  übrigen  Nationen  in  Provinzen  getheilt 
gewesen,  so  h&tten  sie  ebenso  genannt  werden  müssen,  denn  es  war 
kein  Grand  yorhanden  hier  dies  zu  yerschweigen.  —  Es  folgt  darauf  die  Pe- 
titio  der  natio  gallicana  für  den  Procurator,  dann  die  Nomina  magistrorum 
der  einzelnen  Provinzen  und  ihre  Bitten  von  einander  getrennt. 

^7^)  Sowohl  bei  dem  Rotulus  nationis  Picardorum,  als  bei  jenem  Nor- 
mannorum wird  weiter  keine  ünterabtheilung  angegeben.  Beim  Rotulus  na- 
tionis anglicanae  vom  J.  1362  (Bl.  159a)  heisst  es  aber  im  Eingange:  Sanctitati 
vestre  supplicat  insuper  devota  filia  yestra  universitas  Paris,  pro  omnibus  et 
singnlis  magistris  actu  regentibns  in  arcium  facultate  anglicane  nacionis,  sub 
qua  nacione  continentur  et  reducuntur  omnes  ad  Studium  Paris,  venientes  de 
Imperio  fere  omnis  alamannie,  et  alii  de  aliis  que  in  circuitu  sunt  regnis, 
videlicet  üngarie,  Bohemie,  Polonie,  Suecie,  Dacie,  Norwegie,  Scocie,  Anglie, 
Tbemie  etc.  Wie  bei  den  zwei  vorhergehenden  Nationen,  so  werden  bei 
dieser  dann  alle  Magister  nur  unter  der  einen  Nacio  anglicana  aufgeführt, 
so  dass  also  auch  diese  nicht  in  Provinzen  abgetheilt  war.  Die  Natio  Nor- 
mannornm wurde  überhaupt  nie  weiter  getheilt,  was  selbst  Du  Boulay  wusste. 
Auch  in  dem  viel  kleinem  Rotulus  artistarum  Paris.,  der  1365  eingesendet 
und  in  Avignon  16  El.  Jul.  an.  3  unterschrieben  wurde  (Reg.  Suppl.  ürb.V.  an.  3 
p.  3  Bl.  101  a),  erscheint  nur  die  natio  gallicana,  nicht  die  übrigen  Nationen 
in  Provinzen  getheilt.  In  der  Vorbemerkung  zur  natio  anglicana  heisst  es 
nur,  sie  enthalte  XI  regna.  Bl.  107  b.    Selbst  noch  in  den  1383  und  1387 


94  U*  Entstehiiog  der  idtesten  üniTenittleii. 

alle  bisherigen  Angaben  nnr  auf  Irrthnm  beroht  haben  ^^'). 
Die .  Eintheilung  dieser  Nationen  in  Provinzen  datiert  also  ans 
späterer  Zeit.  Nur  in  Bezng  auf  die  natio  anglicana  exi- 
stierte vor  1321  (1322)  der  Usus,  sie  in  provincia  anglicana  nnd 
provincia  non  anglicana  zu  gliedern.  Im  genannten  Jahre  brach 
nämlich  eine  Zwistigkeit  inter  provinciam  aoglicanam  et  un- 
decim  regna  ipsius  nationis,  qne  vocabantur  provincia  non  angli- 
cana' wegen  der  Wahl  des  Rectors,  Procurators,  Bedells,  der 
Examinatoren  u.  s.  w.  ans.  Sie  wurde  geschlichtet,  und  der  dar- 
über ausgefertigte  Act  1333  von  der  ganzen  Universität  be- 
stätigt*^*). Seit  dieser  Zeit  verlor  sich  die  Unterscheidung  in 
provincia  anglicana  und  non  anglicana  ^^');  man  gebrauchte  aber 
vereinzelt  den  Ausdruck  provincia  Alemannye'*®),  ohne  dass  von 
andern  Provinzen  eine  Bede  wäre.  Man  stritt  sich  jedoch  hie 
und  da  um  die  Diöcesen**^). 

Um  so  auffälliger  und  unnatürlicher  erscheint  aber  gerade 
deshalb  die  Eintheilung  in  obige  vier  Gruppen.  Denn  hätten 
diese  mehrere  Provinzen  unter  sich  gehabt,  so  wäre  noch  immer- 
hin eine  spontane  Entwicklung  voraussetzbar,  obwohl  selbst  in 
diesem  Falle  die  nähere  Betrachtung  der  Unterabtheilungen  der 
Natio  Gallicorum  dagegen  sprechen  würde.  Zur  Provinz  Bourges 
z.  B.  gehörte  später  ganz  Spanien  und  Italien,  vom  Oriente 
gar  nicht  zu  reden. 

Wir  mögen  die  vier  Nationen  von  welch  immer  fttr  einer  Seite 
betrachten,   so  ergibt  sich:    Die  Nationeintheilung  in  Paris 


an  den  Gegenpapst  Clemens  VIL  eingesendeten  RotuU  ist  nur  die  natio  gal- 
licana  in  Provinsen  getheilt.  Beg.  Snppl.  dem.  VIL  an.  1  p.  5  Bl.  127. 
an.  9  p.  2  Bl.  9a. 

^77)  So  besonders  die  Angaben  bei  Da  Boulay  1.  c.  and  V,  S64 1  Bich- 
tiger  Tharot  p.  21  f. 

^7^)  Im  Universitätsarclii?  za  Paris  existiert  der  Originalact  Garton  14, 
Nation  d^Allemagne,  2e  Hasse,  and  bei  Joardain,  Index  chronol.  n.  526. 

179)  Thurot  sagt  p.  20,  die  Unterscheidung  sei  1331  abgeschafft  worden. 
Davon  kommt  jedoch  im  Acte  selbst  nichts  vor.  Von  den  12  regna,  wie  nan 
gesagt  wurde,  sollte  nur  kein  einziges  ein  Praerogati?  yor  den  Qbrigen  besitzen. 

^^)  Reg.  nat.  anglicanae  (Universitätsarchi?  zu  Paris)  III,  Bl.  49  zum 
J.  1363.    Vgl.  jedoch  ibid.  Bl.  6  a. 

»»!)  Z.  B.  1346.    Ib.  Bl.  31  b. 


2.  Paris.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilung.  95 

gründet  sich  nicht  auf  eine  spontane  Entwicklung,  sondern  sie 
ist  künstlich,  sie  ist  gemacht  worden,  und  zwar  ebenso 
wie  später  an  den  Universitäten  Prag,  Wien  und  Leipzig.  Höchst 
wahrscheinlich  ist  sie  in  Bezug  auf  die  Zahl  eine  Nachahmung 
ähnlicher  Verhältnisse  an  italienischen  Universitäten  in  den  ersten 
Decennien  des  13.  Jhs.,  in  Betreff  der  Benennung  aber  achtete 
man  nur  darauf,  welche  Nationen  am  zahlreichsten  vertreten 
waren.  Da  nun  in  den  ersten  Decennien  des  13.  Jhs.  die  Fran- 
zosen, Picarden,  Normannen  und  Engländer  das  grösste  Gontin- 
gent  lieferten,  wurden  auch  die  vier  Gruppen  nach  ihnen  benannt, 
und  weil  man  nicht  von  der  Vierzahl  abgieng,  fiel  jede  andere 
Gruppe  aus^").  Wie  sich  im  weitem  Verlaufe  ergeben  wird, 
war  Italien  hierin  viel  glücklicher.  Dank  der  organischen  Ent- 
wicklung in  Bologna,  in  Folge  welcher  auch  die  Nachahmungen 
an  italienischen  Universitäten  der  ersten  Zeit  ganz  anders  aus- 
fielen. Und  selbst  die  dortige  spätere  Beducierung  auf  zwei  Corpora- 
tionen  war  weit  vortheilhafter,  obgleich  man  natürlich  nicht  ver- 
gessen darf,  dass  die  Corporationen  in  Italien  in  mancher  Be- 
ziehung etwas  anderes  waren,  als  die  Nationen  in  Paris. 

Aus  dieser  Art  und  Weise  der  Eintheilung  in  Nationen  er- 
gibt sich  aber,  dass  die  Anfangs  des  13.  Jhs.  bereits  existierenden 
Associationen  unter  den  Scholaren,  von  denen  Jacob  de  Vitry 
spricht,  und  auf  die  der  Bericht  Rogers  von  Hoveden  schliessen 
lässt,  obgleich  sie  sich  naturgemäss  bildeten,  ohne  Einfluss  auf 
die  Nationeneintheilung  geblieben  sind. 

Fragt  man  nun  aber  nach  dem  Grunde  der  Gliederung  in 
Nationen,  so  stimme  ich  Paulsen  vollständig  bei,  dass  sie  vor- 
nehmlich für  die  Zwecke  der  Verwaltung  geschah;  setze  aber 
hinzu,  dass  sie  nicht  weniger  die  allgemeine  Disciplin  im  Auge 
hatte.  Die  Eintheilung  wurde  nämlich  in  erster  Linie  wegen  der 
Scholaren  vorgenommen,  die  in  ungemein  grosser  Anzahl  zu  Paris 


1^)  Die  Behauptung,  welche  Paulsen  jüngst  ausgesprochen  hat,  aus 
dem  Universitätsorte  als  Mittelpunkt  sei  die  ganze  Christenheit  in  vier  Quar- 
tiere eingetheilt  worden,  ?erdient  keine  BerücksichtigUDg  (s.  Sybels  Hist. 
Zach.  1881  S.  387).  Ich  glaube  denn  doch,  dass  in  diesem  FaUe  die  vier 
Quartiere  etwas  anders  ansgefalien  w&ren  und  man  nicht  den  Osten  und  Saden 
▼ergessen  h&tte. 


96  n.  Entstehung  der  Utesten  Univeraitäten. 

sich  aufhielten'^').  In  dieses  Chaos  konnte  nur  durch  Scheidung 
Ordnung  gebracht  werden.  Sie  hatte  zur  Folge,  dass  jede  einzelne 
Gruppe,  resp.  Nation,  für  die  derselben  angehörenden  Mitglieder 
sorgte,  da  jede  dieser  Nationen  eine  Genossenschaft  für  sich 
bildete.  Während  alle  Nationen  untereinander  vorzüglich  in  dem 
einen  von  ihnen  gemeinschaftlich  gewählten  Rector  zusammenhien- 
gen,  stand  an  der  Spitze  jeder  einzelnen  Nation  ein  von  ihr  ge- 
wählter Procurator. 

Ein  nicht  ganz  unähnliches  System  hatten  die  Franciscaner 
für  ihre  sehr  zahlreichen  Schüler  in  Paris  im  13.  Jh.  einge- 
führt. Der  hl.  Bonaventura  verordnete  nämlich  als  General 
c.  1268  ^pro  studentibus  illuc  (in  Paris)  de  toto  ordine  acceden- 
tibus,  quod  secundum  quatuor  octonaria  provinciarum  videlicet 
Hispanorum,  Alemannorum,  Lumbardorum  et  Romanorum  essent 


i83j  Thurots  Behauptungen,  De  l'orgftnisation  de  l'enseignement  dans 
runiversitö  de  Paris  p.  33  n.  1  and  ib.  Gorrections  p.  3  f.,  in  Betreff  der  Ansahl 
Studierender  werden  nicht  bloss  durch  die  von  ihm  Gorrections  p.  4  aufgeüQhr- 
ten  Zeugnisse  widerlegt,  was  selbst  Schwab,  Johannes  Gerson  S.  78  einsah, 
sondern  auch  durch  die  oben  citierten  Rotuli,  auf  die  ich  in  Bezug  auf  diesen 
Funkt  alsbald  inrOckkommen  werde.  Die  yonThurot  angegebene  Zahl  1500 
resp.  1700  erreichte  nahezu  in  einem  Rotulns,  in  dem  die  wenigsten  Schola- 
ren aufgeführt  werden,  allein  die  Universit&t  Toulouse,  wie  wir  unten  sehen 
werden.  Uebrigens  darf  man  nicht  vergessen,  dass  wenn  in  Paris  die  Ma- 
gistri  vom  13.  bis  lum  14.  Jh.  in  Zunahme  waren,  die  Scholaren  wegen  der 
neu  entstandenen  oder  mehr  zur  Blüthe  gekommenen  Uniyersit&ten  in  Ab- 
nahme waren.  In  jener  Zeit,  von  der  ich  oben  spreche,  war  Paris  neben  Bo- 
logna Alles.  Und  wilhrend  damals  die  Engl&nder  so  stark  an  der  üniyersit&t 
yertreten  waren,  dass  nach  ihnen  eine  der  vier  Nationen  benannt  wurde, 
finden  wir  sie  im  14.  Jh.  selten  mehr  an  derselben,  wie  sich  ans  dem  Re- 
gistrum nationis  angUcanae  ergibt.  Am  zahlreichsten  erscheinen  noch  im  J.  1345 
(II,  Bl.  51a).  Sie  wurden  an  ihren  einheimischen  Universitäten  zurück- 
gehalten. Ebenso  waren  die  Schweden  und  Dänen  gegen  früher  in  Abnahme, 
and  es  geschah  dies  immer  mehr,  wie  ein  Vergleich  der  2.  Hftlfte  des  14.  Jhs. 
mit  der  ersten  H&lfte  im  Reg.  nationis  anglicanae  ergibt.  Nur  die  Schotten 
waren  immer  in  ziemlich  gleicher  Anzahl  vorhanden,  w&hrend  allerdings  die 
Deutschen  besonders  seit  Mitte  des  14.  Jhs.  zunahmen.  Böhmen,  Ungarn, 
Polen  und  andere  Völker  können  hierin  natürlich  mit  den  Deutschen  keinen 
Vergleich  aushalten.  So  kam  es,  dass  die  Natio  anglicana  im  14.  Jh.  im  Ver- 
haltniss  za  jeder  der  übrigen  8  Nationen  nnverhftltnissmftssig  klein  war. 


2.  Paria.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilang.  97 

ibi  quatuor  assistentes,  qui  pro  studentibus  utilia  proponerent  et 
humillter  procurarent'  "*). 

Es  ist  klar,  dass  durch  die  Nationeneintheilung  die  Ver- 
waltung und  Beaufsichtigung  vereinfacht  ward.  Deshalb  wurde 
auch  die  grösste  Gruppe,  nämlich  die  natio  Gallicorum,  noch  in 
fBnf  weitere  Provinzen  abgetheilt.  Dass  aber  diese  Eintheilung 
in  erster  Linie  zu  Zwecken  der  Verwaltung  geschah,  beweist  der 
soeben  bemerkte  Umstand,  dass  jede  der  Gruppen  einen  Procu- 
rator  an  der  Spitze  hatte,  weshalb  man  jedoch  die  Procuratoren  der 
vier  Nationen  zu  Paris,  Savigny  folgend,  nicht  mit  den  Consiliarii 
an  den  italienischen  und  spanischen  Universitäten  durchweg  ver- 
wechseln darf.  An  den  letztern  waren  die  Consiliarii,  wie  ja 
aach  der  Name  andeutet,  in  erster  Linie  die  Räthe  des  Rectors, 
der  auch  von  ihnen  gewählt  wurde;  in  Paris  waren  die  Procu- 
ratores  vor  Allem  wirkliche  Procuratoren  der  Nationen,  die  an- 
fänglich, wie  sich  schliessen  lässt,  mit  dem  Rector  nicht  in  di- 
recter  Berührung  standen,  wenigstens  wählten  bis  zum  J.  1249 
nicht  sie  den  Rector,  wie  sich  aus  einem  Actenstücke  dieses  Jahres 
ergibt^").  Es  kann  sogar  sein,  dass  sie  früher  bestanden  als 
der  Rector. 

Welche  Elemente  schlössen  aber  diese  vier  Nationen  in  sich? 
Wie  bereits  oben  bemerkt  wurde,  treten  sie  uns  im  J.  1249  als 
gemischte  Scholarenverbindung  entgegen.  Nicht  bloss  die  Scho- 
laren, sondern  auch  die  Magistri  artium  mit  ihnen  waren  in  vier 
Nationen  abgetheilt.  Warum  dies?  Einmal  waren  die  Artisten 
schon  in  den  ersten  Decennien  des  13.  Jhs.  zahlreicher  als  die 
übrigen  Professoren.  Jedoch  dieser  Umstand  allein  hätte  nie 
den  Ausschlag  gegeben,  die  Magistri  der  Artisten  den  Scholaren 
beizuzählen.  Der  eigentliche  Grund  dieser  Erscheinung  ist  viel- 
mehr dieser,  dass  nach  der  Anschauung  des  Mittelalters  und  be- 
sonders des  12.  und  13.  Jhs.  das  Studium  der  Artes  nur  Vor- 
bereitung zu  dem  Studium  der  übrigen  Wissenschaften  war,  so 
dass   der  Grundsatz  galt,   man  dürfe  in  den  artes  nicht  ruhen. 


IM)  So  in  der  handschriftlichen  Chronik  der  XXIV  Generäle.   Cod.  53 
Leopold  Gadd.  der  Laurenz,  in  Florenz  (Nicht  paginiert). 
1^)  Bei  Da  Bonlay  p.  222. 

D«aifU,  Di«  UoiT«nitAt«n  1  7 


98  n.  Entstehung  der  ältesten  üniversit&ten. 

In  Folge  davon  blieben  im  Grunde  genommen  die  Artisten,  auch 
wenn  sie  das  Magisterium  erhalten  hatten,  Scholaren,  wenigstens 
in  Bezug  auf  die  hohem  Wissenschaften,  und  sie  wurden  in  dieser 
Hinsicht  auch  als  solche  behandelt.  Sie  theilten  demnach  auch 
noch  in  Zukunft  alle  Bedingungen  der  Scholaren,  bis  sie  mit  dem 
Magisterium  in  einer  andern  Wissenschaft  das  Niveau  des  Scho- 
larenthums  überschritten  hatten.  In  Folge  davon  traten  sie  aus 
den  vier  Nationen  aus. 

Da  dieser  Punkt,  so  wichtig  er  auch  ist,  bisher  zu  wenig 
Berücksichtigung  gefunden  und  man  ihn,  wenn  man  ihm  Beach- 
tung zu  Theil  werden  liess"®),  doch  nie  für  diese  Frage  ver- 
werthet  hat,  so  lohnt  es  sich  der  Mühe  etwas  länger  bei  ihm  zu 
verweilen.  Es  wird  sich  ergeben,  wie  grundlos  Hubers  Behaup- 
tung ist,  die  'facultas  artium'  sei  ursprünglich  die  angesehenste 
Facultät  gewesen*"). 

Dass  die  Philosophie  nur  vorbereitend,  und  das  eigent- 
liche Ziel  die  Theologie  sei,  hat  bereits  Abaelard  ausge- 
sprochen*^^), um  hier  nicht  auf  die  frühere  Zeit  einzugehen. 
Sowohl  in  der  Abaelardschen  Schule  als  ausserhalb  derselben 
war  dies  ein  bekannter  Grundsatz.  Eines  der  interessantesten 
Beispiele  bietet  uns  die  theologische  Summe  ^Omiies  sitientes'. 
Walter  von  S.  Victor  bezeichnete  sie  Ende  des  12.  Jhs.  als  'Sen- 
tentie  divinitatis'  voll  von  Haeresien,  und  er  schrieb  sie  Abae- 
lard zu*®').  Seit  6—7  Jahrhunderten  sprach  man  entweder  nicht 
mehr  von  dieser  Summe,  oder  machte,  weil  sie  nicht  mehr 
kennend,  falsche  Combinationen.  Man  wusste  von  ihr  nur  aus 
Walter,   da  es  nicht  gelang  sie  wider  aufzufinden.    Ich  war  so 


^8«)  So  bei  Vischer,  Gesch.  der  Universit&t  Basel.  Basel  1860.  8. 157. 
SybelB  Hist.  Zsch.  1881  S.  398. 

i87j  Die  engl.  Universitäten  I,  44. 

1^)  So  gleich  im  Beginne  seiner  Theologie  oder  Sacrae  conditionis 
summa,  die  in  ansern  Aasgaben  den  verfehlten  Titel  'Introductio  ad  theolo- 
giam*  führt.    Opp.  ed.  Cousin  II,  2  f. 

18^)  De  quatnor  Labyrinthis  im  Originalcodex  n*379  der  Anenalbibl. 
zu  Paris,  Bl.  43a.  Er  sagt:  Fertor  etiam  hie  liber  Petri  Abailardi  faisse 
aut  ex  libris  eins  exceptus.  £r  bringt  auch  aus  demselben  Excerpte.  Da 
Boulay  bat  II,  629  flf.  aus  Walter  solche  mit  andern  abgedruckt 


2.  Paris.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilung.  9g 

glflcklich  sie  in  2  Münchner  Hss.  (n.  18918  und  16063)  zu  ent- 
decken, von  denen  die  erstere  den  reinern  Text  bietet.  Mir  er- 
gab sich,  dass  sie  nicht  Abaelard  zum  Verfasser  hat^^^),  wohl 
aber  einen  Schüler,  der  jedoch  oft  vom  Meister  abwich'").  In 
der  Einleitung  nun  erörtert  der  Autor  weitläufig,  dass  man  weder 
in  den  Philosophen  noch  in  den  Artes  ruhen,  sondern  sie  nur 
a  liminibus  begrüssen  dürfe,  denn  sie  hätten  ein  unsicheres  Fun- 
dament. Sie  dienten  nur  als  Weg  zur  Theologie,  die  eine  sichere 
Onindlage  habe  u.  s.  w. '"').  Johann  von  Salisbury  schildert  eben- 
falls das  Fruchtlose,  falls  man  nur  in  der  Dialektik  ruhe'^^),  und 
Peter  von  Blois  schreibt  ihm  denselben  Gedanken  nach'"^). 
Giraldus  Cambrensis  spricht  ähnlich'®*);  er  selbst  wolle  'super 
arüum  et  literature  fimdamentum  legum  et  canonum  parietes  in 
altum  engere,  et  sacrum  scripture  theologice  tectum  a  superiori 
concludere' ''*).  Nach  Robert  von  Melun  sind  die  Artes  nur  in- 
stromentum  veritatis.    'Eam  quippe  solam  artes  liberales  habent 


190)  Rheinwald,  Petri  Abaelardi  Epitome  Theologiae  christianae,  Vorrede 
p.  Xni  hielt  sie,  obwohl  sie  nicht  keDnend,  mit  Recht  für  verschieden  von 
den  Ton  ihm  herausgegebenen  Sentenzen,  wogegen  Deutsch,  Peter  Abaelard, 
Leipzig  1883,  es  fdr  möglich  hUt,  dass  sie  identisch  seien  (S.  453  f.). 

1^1)  Der  Kachweis  folgt  in  der  von  mir  und  Ehrle  herausgegebenen 
Zsch.  Archiv  fdr  Literatur-  und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters. 

i92j  Cod.  lat.  Mon.  18918  Bl  81a:  Gannina  poetarum  et  philosophorum 
dicta  non  propter  se  sed  propter  aliud  debent  legi,  sc.  ut  erudicius  et  fa- 
cundins  divinae  paginae  studeamus,  primitias  inquam  offerendae  sunt,  quia 
non  debemuB  in  eis  consenescere,  sed  potius  a  liminibus  salutare  .  .  .  Non 
est  autem  consenescendum  in  artibus,  sed  a  liminibus  sunt  salutandae,  de 
ipsis  tranBenndum  est  ad  sacram  paginam  propter  quam  in  eis  ad  tempus 
studendum  est.  Ideo  propter  se  non  est  appetendum  verum  illnd  rationis, 
quod  est  et  inqoiritur  in  artibus,  quoniam  debile  et  instabile  habet  funda- 
mentnm  . . .  Artes  sine  divinitate  cassae  sunt  . . .  quibus  velnt  semitis  ad 
ea  quaa  sunt  in  divina  scriptura  debemus  attoUi.  Ebenso  Cod.  1.  Mon. 
16068  Bl.  3. 

1^)  Metal.  II  c.  9  p.  866  (Migne,  Patrol.  lat.  199):  Neque  enim  magnum 
est  . . .  fli  in  Ulis  duntaxat  versetur,.  que  nee  domi,  nee  militiae,  nee  in  foro, 
nee  in  claustro,  nee  in  curia,  nee  in  ecclesia,  imo  nnsquam  nisi  in  schola 
proeont.    Vgl.  auch  c.  7. 

^)  Ep.  101  p.  312  (Migne,  Patrol.  1.  207). 

^  Opp.  ed.  firewer  II,  350  f. 

1«)  Opp.  I,  43.  410.    Vgl.  IV,  9. 

7* 


100  !!•  Entstehung  der  Utesten  ünivenitäten. 

dominam,  ei  subiectionis  debito  famulantur'  '*').  Nach  Gregor  IX. 
dienen  alle  Wissenschaften  der  Theologie^*');  speciell  die  artes 
liberales  sind  eine  Vorbereitung  zu  derselben.  Er  sagt:  Trius 
equidem  iuniores,  ut  fiant  docibiles  in  conflatorio  liberalium,  cu- 
dunt  malleis  indefessi  exercitii  et  preparant  yasa  sua,  quibus 
aquas  auriant  sapientie  salutaris' ^**).  Er  lehrt  dies  speciell  in 
Bezug  auf  Paris.  Auch  Petrus  Comestor  sieht  in  den  artes  nur 
ein  Fundament '^°),  und  Jacob  de  Vitry  erlaubt  das  Studium  in 
der  Grammatik,  Dialektik  und  Rhetorik,  weil  sie  ^preparant  adi- 
tum  ad  scientias  pietatis';  nicht  so  aber  die  quadruvales '^'). 
Man  nannte  deshalb  die  Artes  'scientiae  adminiculantes  ad  theo- 
logiam'"*).  Odo  von  Ch&teauroux  spricht  einen  ähnlichen  Ge- 
danken aus,  und  sieht  die  artes  als  Fundament  an,  beifügend, 
man  solle  die  artes  nur  als  ^via'  und  'adminiculantes'  be- 
trachten, nicht  aber  als  'terminus'  und  'finis'"').  In  der  Summa 
dictaminis  des  ProvenQalen  Pontius  begegnen  wir  keinen  andern 

Ideen"*). 

Diese  übereinstimmenden  Gedanken,  die  man  um  viele  ver- 
mehren könnte,  erhärten  zur  Genüge  meine  Behauptung.  Sie 
wurden  in  Paris  schon  frühzeitig  praktisch  umgesetzt  Der  Car- 
dinallegat  Robert  de  Gour^on  bestimmte  1215  für  die  Theologen, 
'quod  nuUus  Parisius  legat  citra  trigesimum  quintum  aetatis  suae 
annum  et  nisi  studuerit  per  octo  annos  ad  minus,  et  libros  fide- 
liter  et  in  scholis  audiverit,  et  quinque  annos  audiat  theologiam. 


1^7)  So  in  seinen  Sentenzen.    Cod.  191  za  Brügge. 

198)  Reg.  Yat.  an.  5  ep.  58  Bl.  90b:  Cum  sapientie  sacre  pagine  relique 
scientie  debeant  famulari  etc. 

1^)  Ibid.  an.  6  ep.  346  Bl.  99  b.  Das  Schreiben,  an  sich  höchst  inter- 
essant, ist  an  den  König  gerichtet  in  Bezug  auf  den  Kanzler  Philipp. 

^  In  dem  Sermo  de  S.  Augustino.    Cod.  Paris.  14589  Bl.  40a. 

3^^)  So  im  Sermo  coram  scolaribus.  Cod.  Paris.  17509  Bl  32a.  Aehn- 
lich  spricht  in  Bezug  auf  die  Artes  Peter  Cantor.   Cod.  Paris.  14521  BL78b. 

^  So  Robert  de  Sorbonne  im  Sermo  ad  scolares  in  der  Predigtsamm- 
lung des  Peter  von  Limoges.  Cod.  Paris.  15971  Bl.  198  a.  Aach  ihm  ist 
es  klar,  dass  die  artes  allein  nicht  genflgen. 

^)  Sermo  3.  dorn.  II.  post  Pentecost.  Cod.  Paris.  15948  BL  18  a.  18  b. 

^  Cod.  190  in  der  Abthlg.  Ripoll  im  Archivo  de  la  Corona  de  Aragon 
zu  Barcelona  (Bl.  19b;  21b). 


3.  Paris.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilung.         101 

antequam  privatas  lectiones  legat  publice"^'^).  Thurot  und  mit 
ihm  andere  haben  diese  Worte  so  verstanden,  als  bezögen 
sich  die  acht  Jahre  Studiums  auf  die  Theologie'^').  Dies  ist 
jedoch  irrig.  Es  heisst  zuerst  ganz  allgemein,  der  künftige 
Lehrer  der  Theologie  müsse  8  Jahre  studiert  haben.  Von  diesen 
8  Jahren  müssen  aber  5  auf  das  Studium  der  Theologie  ver- 
wendet werden.  Wozu  aber  dann  die  übrigen  3  Jahre? 
Während  dieser  Zeit  sollten  eben  die  Artes  studiert  werden. 
Allerdings  war  damals  noch  nicht  das  Magisterium  in  artibus 
Ar  die  Theologen  vorgeschrieben.  Allein  trotzdem  finden  wir, 
dass  schon  seit  langem  viele  Scholaren  der  Rechte,  besonders 
aber  der  Theologie  Magistri  in  artibus  waren.  So  z.  B.  Stephan 
Langten"'),  Simon  von  Tournay"*),  Clarus  de  Sesto,  Roland 
von  Gremona,  Jordan  von  Sachsen'^'),  Humbert  von  Romans, 
Laurentius  de  Filgeriis""),  Wilhelm  von  S.  Amour*"),  Odo  von 


^)  Bei  Du  Boohy  p.  82. 

^  De  l'orgamsation  etc.  p.  110. 

^7)  Heinrich  von  Gent,  De  viris  illustribus.  Cod.  Paris.  314.  lat.  nouv. 
acqa.  Bl.  77  a. 

a»)  Ibid.  BL  76b. 

^  Dass  Jordan  magister  in  artibus  war,  lässt  sich  ziemlich  bestimmt 
nachweisen.  Bereits  in  dem  Gatalog  der  Scripta  Magistrorum  sive  baccalar. 
Ord.  Praed.  (Gisterc.  Biblioth.  zu  Stams  in  Tirol  Cod.  1  am  Schiasse  des 
Bandes),  dessen  Abfassungszeit  in  die  Begierongsjahre  des  Generals  Stephanus 
Borg.  (1292— 1295) Mt  (dieCopieist  sp&ter),  heisst  es  von  ihm:  scripsit... 
saper  Priscianum  minorem.  In  Leipzig,  Univers.  Bibl.  n.  1291  Bl.  92  a  fand 
ich  auch:  Notula  magistri  Jordani  super  Priscianum  minorem.  Ob.  aber 
Jordan  mit  Jordanus  Nemorarins  dem  Mathematiker  identisch  sei  (cfr.  AUg. 
Deutsche  Biogr.  XIV,  501  f.)  ist  mehr  als  zweifelhaft.  Sicher  aber  war  er 
kurz  vor  Eintritt  in  den  Orden  Baccahirius  in  theologia.  Yitas  Fratr. 
part.  3  c.  4. 

»0)  Ueber  die  letzten  5  findet  man  die  Nachweise  bei  Quetif-Echard,  SS. 
Ord.  Praed.  I.  unter  den  betreffenden  Namen,  wo  auch  die  ältesten  Docu- 
mente  verzeichnet  sind. 

^1)  Am  27.  Not.  1238  schreibt  ihm  Gregor  IX.  'quod  in  artibus  et 
iure  canonico  cathedram  magistralem  Parisius  ascendere  meruisti'.  Reg.  Yat. 
an.  12  ep.  344  Bl.  64b.  Es  ist  dies  die  früheste  Urkunde,  worin  Wilhelm 
von  8.  Amour  genannt  wird.  Wahrscheinlich  gehört  ihm  und  schrieb  er  in 
jener  Zeit  die  Glosse  tocius  libri  posteriorum  G.  de  sancto  Amore  in  n.  109 
der  Abthlg.  Eipoll  im  Arch.  de  la  Corona  de  Aragon  zu  Barcelona.  Aus  dem 


Vr 


102  Q-  Entstehang  der  ältesten  Universitftten. 

Douai*"),  u.  s.  w.  Von  den  Medidnern  sind  es  wenige,  die  nicht 
magistri  in  artibus  waren,  wie  sich  aus  den  verschiedenen  Botuli 
ergibt.  Nichtsdestoweniger  werden  die  magistri  artium,  wenn  sie 
zugleich  in  einer  hohem  Wissenschaft  studierten,  nur  als  Scho- 
laren bezeichnete^').  Und  so  bezeichnet  das  Magisterium 
in  artibus  nur  einen  Abschluss  im  artistischen  Stu- 
dium, nicht  aber  einen  Abschluss  im  Scholarenthum. 
Das  Magisterium  in  artibus  offenbarte  an  sich  nur  in  Bezug  auf 
die  artistischen  Scholaren  einen  hohem  Grad,  nicht  so  sehr  aber 
überhaupt  oder  in  Bezug  auf  die  Scholaren  der  übrigen  Fächer, 
eben  weil  das  artistische  Studium  nur  als  Uebergangsstadium 
zum  Studium  der  andem  Wissenschaften  angesehen  vnirde. 

Daraus  ergibt  sich  nun  als  Consequenz,  dass,  wenn  die  Scho- 
laren in  vier  Nationen  eingetheilt  waren,  eo  ipso  auch  die  Ma- 
gistri artium  zu  ihnen  gehören,  und  unter  derselben  Eintheilung 
mit  begriffen  sein  konnten.  In  der  That  bildeten  die  vier  Nationen 
seit  ihrer  künstlichen  Gliedemng  eine  gemischte  Scholarenver- 
bindung. In  ihr  nahmen  die  einfachen  Scholaren  der  Artes,  die 
noch  nicht  Magistri  waren,  den  niedersten  Platz  ein,  und  es  war 
deshalb  nicht  minder  Consequenz,  wenn  sie  bei  der  Wahl  zu 
Aemtem  innerhalb  der  Nationen  weder  active  noch  passive 
Stimme  hatten.  Das  Magisterium  in  artibus  war  dazu  erfordert 
Jedoch  genügte  auch  dieses  allein  nicht  zu  allen  Stellen,  da  ja 
wie  wir  gesehen,  dasselbe  nur  in  Bezug  auf  die  artistischen 
Scholaren  einen  hohem  Grad  bezeichnete,  nicht  aber  in  Hinsicht 


Schreiben  Innocenz  IV.  yom  3.  Sept.  1247  an  den  Magister  Johannes  geht 
hervor,  dass  Wilhelm  damals  Hheologie  studio  insistens'  war.  Uebrigens 
stimmen  diese  Facta  dem  Wesen  nach  mit  dem  Berichte  des  Matth.  Paris 
in  Chron.  maj.  ed.  Luard.  V,  598  f.  überein. 

^  So  berichtet  Matth.  Paris  1.  c,  der  dort  auch  in  derselben  Weise 
Christian  Canonicus  von  Beauvais  und  Nicolaus  de  Barro  erwähnt. 

^^)  In  einer  Ordenschronik  der  Dominicaner  aus  der  Mitte  des  13.  Jhs. 
(bei  Mamachi,  Ann.  Ord.  Praed.  I.  Append.  p.  302  n.  12)  heisst  es  z.  B.  von 
Jordan:  'hie  cum  esset  Scolaris  Parisius  et  probus  in  theologia'.  Er  wird 
einfach  als  Scholaris  bezeichnet,  obwohl  er  bereits  Magister  in  artibus  war  und 
Theologie  studierte.  Noch  zur  Zeit  des  Ancharanus  galt  als  'Scolaris'  jeder 
einschliesslich  der  Licentiaten.  In  YI.  Decret.  Prooem.  p.  3a;  Ancharan. 
nahm  es  ans  Baldus. 


'2.  Paris.    Alter  und  Charakter  der  Nationeneintheilung.  103 

auf  die  Scholaren  überhaupt.  Und  darum  war  wenigstens  zur 
Erlangung  des  Bectorats  nothwendig,  dass  sowohl  die  Wähler  als 
der  Gewählte  ausserdem  noch  Baccalaurei  in  der  Theologie,  als 
dem  Schlussteine  des  dortigen  Studiums,  wären,  oder  dass  sie  cur- 
sorisch dieselbe  gelesen,  bei  Abgang  dieser  Eigenschaft  aber 
wenigstens  6  Jahre  als  Magistri  artium  gelehrt  hätten"^).  Die 
Procuratoren  mussten  ebenfalls  Magistri  artium  sein  und  konnten 
nur  Yon  solchen  der  einzelnen  Nation  gewählt  werden. 

Bei  dieser  Sachlage  versteht  man  sehr  leicht,  warum  schon 
vom  Anfange  an  die  Mitglieder  der  Nationen  geradezu  als  Ar- 
tisten aufgefasst  werden,  und  man  begreift  wie  es  dazu  kommen 
konnte,  dass  nach  und  nach  die  vier  Nationen  als  Nationes  Ar- 
tistanim  bezeichnet  wurden.  Das  gemeinsame  Band  fQr  alle  Mit- 
glieder der  vier  Nationen  war  eben  das  artistische  Studium,  mit 
dem  sich  die  einen  beschäftigten,  die  andern  beschäftigt,  theil- 
weise  einen  Grad  in  artibus  erlangt  hatten.  Das  artistische  Stu- 
dium war  das  Gebiet,  auf  dem  sich  alle  begegneten. 

Ebenso  wenig  Schwierigkeit  liegt  aber  darin,  dass  die  Ma- 
gistri regentes  in  artibus  als  Lehrkörper  mit  den  Magistri  der 
drei  übrigen  Facultäten  das  Gonsortium  und  die  Universitas  ma- 
gistrorum  bilden  konnten.  Unter  einem  Gesichtspunkte  gehörten 
sie  zu  den  vier  Nationen,  unter  einem  andern  zu  der  Universitas 
magistrorum,  wenngleich  sie  trotzdem  immer  innerhalb  der  Nationen 
blieben.  Und  dieses  Verhältniss  blieb  auch  dann  fortbestehen, 
als  nach  einigen  Decennien  die  Facultas  artistarum  mit  den  vier 
Nationen  identificiert  wurde. 

Man  kann  nun  beurtheilen,  was  es  mit  dem  so  oft  betonten 
^Gegensatz'  zwischen  den  Nationen  und  den  Facultäten  für  ein 
Bewandtniss  habe.  Die  Frage  fallt  für  unsere  Periode  ganz  weg, 


^^)  In  dem  Concordate  Tom  J.  1266  heisst  es,  'dudum'  sei  das  Statut 
erlassen  und  'a  nonntülis  annis'  beobachtet  worden,  'qaod  nuUus  potest  eli- 
gere,  qui  non  potest  eligi,  quia  intrantes  iarati  qui  eligunt  rectorem  debent 
liabere  Yocem  activam  et  passivam,  et  quod  nnllus  de  magistris  habet  vocem 
passivam  ad  electionem  rectoris,  nisi  sit  bachalarens  in  theologia  vel  legerit 
cnrsorie,  vel  rexerit  per  sex  annos  continue  in  Grammaticis,  licet  ad  eligen- 
dun  intrantem  sen  electorem  rectoris  omnes  acta  regentes  Parisius  habeant 
Yocem  activam'.    Bei  Da  Boalay  p.  380. 


I 

104  ^^'  EntstehuDg  der  Utesten  UmyersiUten.  , 

weil  die  Nationeneintheilung  einen  ganz  andern  Zweck  hatte  als 
die  Scheidung  in  Facultäten.  Beide  konnten  sehr  woU  neben 
einander  bestehen.  In  Deutschland  sprach  man  von  einem  solchen 
Gegensatze  auf  Grund  der  Einrichtungen  an  den  ersten  deutschen 
Universitäten,  besonders  an  jener  von  Prag,  und  verlegte  dann  diesen 
dort  gefundenen  Gegensatz  auch  nach  Paris,  indem  man  von 
vorneherein  annahm,  die  ersten  deutschen  Universitäten  seien 
'gedankenlose  Nachahmungen'  von  Paris  gewesen*'*).  Die  Wahr- 
heit ist  vielmehr,  dass  solche  Behauptungen  gedankenlos  nieder- 
geschrieben werden.  In  Prag  und  in  Wien  z.  B.  gehörten  alle 
Professoren  der  verschiedenen  Facultäten  ebenso  zu  den  Nationen, 
wie  die  Schüler.  Die  Professoren  und  Schüler  wurden  ohne  Aus- 
nahme in  vier  Nationen  eingetheilt,  und  ausserdem  existierte 
noch  die  Eintheilung  in  Facultäten.  In  Paris  gehörten  aber 
weder  früher  noch  zur  Zeit  als  die  ersten  deutschen  Universitäten 
gegründet  wurden  die  Professoren  der  drei  Facultäten  der  Theo- 
logie, des  Jus  und  der  Medicin  strenge  zu  den  vier  Nationen,  son- 
dern nur  die  artistischen  Professoren.  Hätte  in  Prag  eine  ähnliche 
Organisation  bestanden,  so  wäre  die  Nationalitätenfrage  und  der 
Zwist  zwischen  den  einzelnen  Nationen  vielleicht  lange  oder  für 
immer  dahin  gehalten  worden.  Doch  darauf  komme  ich  am 
betreffenden  Orte  zu  sprechen. 

Das  Yerhältniss  der  Nationen  zu  den  Facultäten  und  umge- 
kehrt in  Paris  wird  einem  nur  klar,  wenn  man  die  Zwecke  bei- 
der nicht  aus  dem  Auge  verliert.  Die  Nationen  waren  zu 
Zwecken  der  Verwaltung  und  der  allgemeinen  Disciplin  consti- 
tuiert,  und  unter  diesem  Gesichtspunkte  standen  alle  Angehörigen 
derselben  unter  ihren  Procuratoren  und  dem  Rector.  Die  Fa- 
cultäten entstanden  in  Bezug  auf  jene  Wissenschaften,  nach 
denen   sie   sich   schieden,   sie  repräsentierten  die  verschiedenen 


2i^)  So  z.  B.  Maurer,  Geschichte  der  deutschen  St^dteverfassung  n, 
296.  Gans  sonderbar  nimmt  sich  Höfler  aus.  In  seinem  Magister  Has 
S.  ^7  f.  sagt  er,  dass  in  Paris  die  vier  Nationen  die  philosophische  Facultat 
gebildet  hätten,  von  der  die  drei  übrigen  Facultäten  geschieden  waren;  in 
einem  Athemsuge  aber  lässt  er  die  Prager  Universität  *  gleich  der  Pariser 
aus  vier  Nationen  constituiert'  sein  (S.  99).  Wenigstens  etwas  richtiger 
Muther,  Zur  Gesch.  der  Rechtswissenschaft  S.  277  f. 


2.  Paris.    Alter  and  Charakter  der  NationeneintheilaDg.         105 

Lehrkörper,  und  hatten  als  solche  nur  Beziehung  zur  Schule. 
Die  Folge  war,  dass  während  die  Scholaren  in  Hinsicht  auf  die 
Verwaltung  und  die  allgemeine  Disciplin  den  Nationen  ange- 
hörten, sie  in  Bezug  auf  die  Schule  und  auf  das  was  mit  ihr 
zusammenhieng  von  ihren  Professoren  resp.  den  Facultäten  ab- 
hiengen.  Nur  die  artistischen  Scholaren  blieben  auch  hierin  in 
ihrer  Nation,  da  die  artistische  Facultät  seit  der  Nationenbildung 
innerhalb  der  Nationen  war.  Im  nächsten  Paragraphen  werden  wir 
stringente  Beweise  hierfür  beibringen. 

Es  erübrigt  noch  die  eine  Frage,  wann  die  Nationenein- 
theilung  vor  sich  gegangen  sei.  Ich  habe  bereits  oben*^^)  be- 
merkt, dass  vor  dem  J.  1249  keine  Erwähnung  der  vier  Nationen 
geschieht,  und  dass  dieselben  als  solche  Anfangs  des  13.  Jhs. 
noch  nicht  bestanden.  Was  es  mit  dem  angeblichen  Concordat 
vom  J.  1206  auf  sich  habe,  sahen  wir;  ebenso  führten  wir  den 
späten  Bericht  des  Johann  von  S.  Victor  auf  seine  Quelle  zurück '^^). 
In  der  Bulle  Parens  scientiarum  vom  J.  1231  heisst  es  aber,  der 
Kanzler  solle  bei  Ertheilung  der  Licenz  ^personarum  et  nationum 
acceptione  submota'  vorgehen;  doch  diese  Phrase,  weit  entfernt 
eine  Eintheilung  in  vier  Nationen  zu  bezeichnen,  hat  den  ein- 
fachen Sinn,  der  Kanzler  solle  ohne  Bücksicht  auf  die  Person 
und  Abkunft  des  Gandidaten  vorgehen'*^).  Indess  schon  11.  Mai 
1219  werden  von  Honorius  III.  Trocuratores'  der  Magistri  libera- 
lium  artium'"),  31.  Mai  1222  auch  Nationen  erwähnt"").  Bieten 
zwar  diese  Stellen  keineswegs  einen  stricten  Beweis  für  die  Existenz 
der  vier  Nationen  in  jener  Epoche,  so  können  sie  sich  doch  schwerlich 
später  constituiert  haben.  Im  J.  1255  gebrauchten  die  aus  dem  Uni- 
versitätsverbande ausgetretenen  Magistri  die  Siegel  'quatuor  na- 
tionum   ab   antiquo   Parisius   distinctarum ,  eine   Phrase,   die 

216)  s.  84.  91. 

»^)  S.  84.  82  f. 
'  218)  pasB  sich  Dn  Boulay  p.  143.  564  trotzdem  auf  die  Stelle  beruft, 
darf  Datflrlich  nicht  mehr  Wunder  nehmen.   Bringt  er  doch  S.  157  auch  die 
Wiener  Universit&t  als  Beweis,  da  sie  bereits  1237  nach  dem  Muster  von 
Paris  in  vier  Kationen  eingetheilt  gewesen  sein  soll! 

21»)  Bei  Da  Boulay  p.  94. 

220)  Nee  Bcohires  Interim  secundum  nationes  suas  sibi  quenquam  prefi- 
cient  ad  iniurias  ulciscendas.    Reg.  Yat.  an.  6  ep.  411  Bl.  246  a. 


10g  II.  Entstehung  der  Utesten  üniTersitftten. 

1267  widerholt  wurde"*).  Was  vom  Ausdrucke  'ab  antiquo' 
in  Pariser  Universitätsacten  zu  halten  sei,  lehrt  das  mehrmals 
citierte  Actenstück  der  Artisten  gegen  den  Kanzler  Philipp  de 
Thori  vom  J.  1283—1284,  worin  Statuten  und  Grebräucbe  er- 
wähnt werden  mit  der  stereotypen  Formel  sie  bestünden  'a  tem- 
pore a  quo  non  extat  memoria  \  Und  doch  lässt  sich  bei  nicht 
wenigen  nachweisen,  dass  sie  erst  30—40  Jahre  früher  entstan- 
den sind.  Keinen  viel  grössern  Zeitraum  bezeichnet  auch  der 
Ausdruck  'ab  antiquo  \  Meiner  Ansicht  nach  wurden  die  vier 
Nationen  innerhalb  der  ersten  2  Decennien  des  13.  Jhs.  formiert 
Sie  hatten  aber  bei  ihrer  Gonstituierung  noch  fast  gar  keine 
Bedeutung,  und  fristeten  ein  ruhiges  Dasein,  da  man  weder  von 
dem  Ereignisse  selbst,  noch  von  Statuten,  die  die  einzelnen 
Nationen  gemacht  hatten,  noch  von  der  damaligen  Organisation 
etwas  hört'"),  während  wir  über  all  dies  in  Bezug  auf  die  Uni- 
versität selbst  unterrichtet  sind.  Erst  in  Folge  innerer  Reibungen 
kommen  die  Nationen  1249  zum  Vorschein. 

c.   Stellang  des  Bectors  innerhalb  ddr  TTniveriitftt 

Dass  der  Bector  das  Haupt  der  ganzen  Universität  war, 
und  zwar  vom  Augenblicke  der  CSonstituierung  an,  war  bis  heute 
fast  die  allgemeine  Ansicht  Bei  Du  Boulay  ist  diese  Ansicht 
eine  Gonsequenz  aus  der  irrigen  Annahme,  dass  die  Universität 
vom  Anfange  an  nichts  anderes  als  die  vier  Nationen  gewesen  ist 
Indem  der  Bector  das  Haupt  der  vier  Nationen  war,  folgte  für 
Boulay  mit  Nothwendigkeit,  dass  er  auch  Haupt  der  Universität 
war.  Da  er  aber  die  Gonstituierung  der  vier  Nationen  in  das 
9—10  Jh.  verlegte,  datierte  er  ganz  logisch  den  Ursprung  des 
Rectorats  in  Paris   aus  jener  Epoche.     Spätere  Forscher  ver- 


^1)  S.  oben  S.  80,  und  Jourdain  n.  216. 

9^)  Es  ist  ein  wahrer  Hohn  aaf  die  Geschichte,  wenn  Du  Bonlay  p.  563 
schreibt:  in  privilegiis  papalibas  et  regalibus,  in  *8tatatis  et  constitationibas 
ipsius  universitatis  non  alias  cemimus  partes  sea  classes  quam  Nationes, 
neque  alios  praefectos  et  gubematores  quam  rectorem  et  proenratores  usqne 
ad  annom  1260.  Warum  hat  er  die  Documente  in  seiner  Historia  nicht  citiert? 
Warum  besonders  kein  anderes  königliches  Privileg,  ausser  dem  Philipp 
Augusts,  das  die  späteren  Könige  nur  Tidimierten? 


2.  Paris.    Stellang  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.  107 

warfen  zwar  zumeist  den  fabelhaften  Ursprung  der  Pariser  Uni- 
versität; aber  indem  sie  sich  von  der  Auffassung  Du  Boulays  in 
Betreff  der  Nationen  und  der  Universität  nicht  loszumachen  ver- 
mochten, nahmen  sie  doch  fast  alle  Consequenzen  bei  Du  Bou- 
lay  auf  Treu  und  Glauben  an,  und  unter  anderen  auch  diese, 
der  Bector  sei  stets  das  Haupt  der  Universität  gewesen.  In 
Deutschland  verdienen  vornehmlich  Meiners,  Savigny  und  Huber 
genannt  zu  werden;  andere  haben  diese  nur  ausgeschrieben.  Einige 
französische  Forscher  der  neueren  Zeit  waren  viel  vernünftiger, 
nachdem  bereits  der  Autor  der  Origo  vera  in  Du  Boulays  Sy- 
stem eine  arge  Bresche  geschossen  hatte.  Doch  gelang  es  auch 
den  Modernen  nicht  zur  völligen  Klarheit  zu  gelangen,  nament- 
lich gilt  dies  von  Thurot. 

Die  Resultate,  zu  denen  wir  in  den  zwei  vorhergehenden 
Paragraphen  gelangt  sind,  machen  eigentlich  die  Frage  schon  un- 
möglich. Wenn  der  Bector  nur  Haupt  der  Nationen  war,  und 
diese  nicht  mit  der  Universität  identisch  sind,  so  folgt  von 
selbst,  dass  der  Bector  nicht  Haupt  der  Universität  war.  Trotz- 
dem will  ich  hier  die  Frage  erörtern,  da  uns  die  Untersuchung 
auch  noch  zu  neuen  Besultaten  führen  und  die  alten  bestätigen 
wird. 

Vor  allem  ist  es  Thatsache,  dass  kein  einziges  päpstliches 
Schreiben  bis  in  die  Mitte  des  14.  Jhs.  an  den  Bector  allein, 
oder  an  den  Bector  mit  der  Universität  gerichtet  wurde.  Du 
Boulay  sagt  zwar,  nach  Bicher  Senonensis  seien  die  Päpste  ge- 
wohnt gewesen  ihre  Schreiben  ^ad  rectorem  scholarium'  zurichten"^). 
Allein  dies  ist  eine  gewissenlose  Verdrehung  des  Textes.  Bicher 
sagt  nämlich,  die  Glerici  zu  Paris  hätten  behauptet,  ^se  antiqui- 
tus  magistros  et  deffinitores  habuisse,  qui  scolarum  et  scolarium 
rectores  extiterunt,  quos  etiam  D.  Papa  eis  scribendo  rectores  sco- 
larum eos  s^pellasse  comprobatur'  "^).  Bicher  hat  hier  die  Bulle 
Innocenz  UI.  vom  J.  1209  im  Auge,  welche  die  Adresse  trägt:  Tni- 
versis  rectoribus  sacre  pagine,  decretorum  et  liberalium  artium 
magistris  Parisiüs  commorantibus' '").  Allein  mit  'Bectores  sacre 

»)  Eist  univ.  Paris.  III,  564. 

3M)  Mon.  Germ.  BS.  XXY,  328. 

22»)  S.  Potthast  D.  3570.   In  den  Codd.  Yat.  2509  Bl.  198a.  Paris,  nouv. 


108  IL  Entstehung  der  ältesten  üniversitftten. 

pagine'  etc.  werden  nicht  der  Rector  der  UniYer8ität,  sondern  die 
Magistri  regentes  in  der  Theologie  etc.  bezeichnet.  In  der  1210 
vom  Papste  selbst  veranlassten  Comp.  in.  trägt  deshalb  die  be- 
treffende Decretale  in  nicht  wenigen  Hss.  den  einfachen  Titel: 
Universis  doctoribus  Parisius  commorantibus"*),  was  dann  ebenfalls 
auf  den  Titel  in  Gregors  Decretalen  übergieng.  Tancreds  Glosse 
identificiert  auch,  wie  natürlich,  die  Bezeichnungen  'rectores'  und 
^doctores'.  und  wenn  Richer  selbst  sagt,  der  Papst  habe  die 
Magistri:  rectores  scolarum  genannt,  so  nimmt  er  ja  auch  beide 
für  gleichbedeutend"^).   Sollte  sich  aber  auch  einmal  eine  Chronik 

acquis.  2127  BL  127b.  2,  15  c.  12  steht:  *Idem  rectoribus  universis  sacre  pa- 
gine  decretorum  et  liberalinm  artiom  Parisius  commorantibns',  was  wohl  die 
richtigere  Leseart  ist.    So  auch  in  den  Codd.  Paris.  3926.  3927. 

^)  So  in  den  Codd.  Paris.  3928.  3930.  3931 A.  3932.  Cod.  lat  Mon. 
3879.  Cod.  Borghes.  n.  264.  Cod.  Admont.  22,  und,  habe  ich  recht  notiert,  Codd. 
n.  440  der  Capitelsbibl.  zu  Cordoba;  n.  305,  Alcoba^a  in  derNaUBibl.  sn  Lissabon 
(nebenbei  bemerkt  enthalten  die  drei  zuletzt  genannten  Hss.  auch  die 
Comp.  Y.  mit  den  Glossen  des  Jac.  de  Albenga ;  bisher  kannte  man  nur  6ine 
Hs.,  n.  462  zu  Chartres).  Der  Cod.  1835  zu  Troyes  (Ezceptiones  decretalium 
trium  compilationnm)  hat:  magistris  parisiensibus;  Cod.  Paris.  3929:  uniTorsis 
magistris  Parisius  commorantibus. 

^7)  Rector  scolarum  bezeichnete  Überhaupt  den  Chef  der  Schule.  So  wurde 
bereits  Abaelard  genannt  (Chron.  Morigniac.  in  Recueil  des  hist  des  Gh&ules  XII, 
80).  Correlativ  hiemit  war  die  Bezeichnung:  Magister  scolarum.  Die  Grund- 
form lag  in  dem  Ausdrucke:  scholas,  Studium  regere.  Daher  auch:  schola- 
rum  regimen.  So  kommt  es,  dass  der  Name  *  Rector'  in  Bezug  auf  jede 
Schale»  besonders  aber  der  Theologie  angewendet  wurde.  Adam  Wal- 
lensis  nannte  sich  'prepositus  olim  scolarum'  des  Peter  Lombardus  (Walter 
y.  S.  Victor  im  Cod.  379  BL  89  a  in  der  Arsenalbibl.  zu  Paris  —  theilweise 
Original).  Thomas  de  Cantimpr6  spricht  von  einem  gewissen  BonifMins 
'tunc  rector  in  theologia  Parisius'  (De  apibus  I,  25  nach  der  Hs.  4457—58 
in  Brüssel).  Heinrich  von  Gent  gebraucht  in  seinem  Catalogus  de  viris 
illustribus  widerholt  das  Epitheton:  theologice  scole  rector  oder  presidens 
(nach  Cod.  314  der  nouv.  acqu.  lat  der  Nationalbibl.  zu  Paris,  Bl.  75  b  bis 
77  b).  In  der  Geschichte  der  Universität  Paris  werde  ich  darauf  zurflck- 
kommen.  Wurde  doch  schon  einige  Jahrhunderte  früher  der  Ausdruek 
'doctor'  mit  der  Bezeichnung  'rector'  identificiert  So  in  den  2  Hss.  214 
und  443  aus  dem  11.  Jh.  zu  Monte  Gasino.  S.  auch  Bibl.  Casin.  lY,  347. 
Identisch  mit  'pastor'  in  der  Reg.  past.  des  h.  Gregor.  Du  Boulay,  dem  all 
dies  wie  es  scheint,  entgieng,  gibt  p.  61  eine  ganz  absurde  Erklärung, 
die  darauf  hinausläuft,  dass  der  Ausdruck  Rector  immer  das  Haupt  der  Uni- 
versität bedeutet  habe. 


2.  Paris.    Stellung  des  Bectors  innerhalb  der  Universität.  109 

finden,  auf  die  man  sich  mit  Du  Boulay  berufen  könnte,  so  hätte 
dies  keine  Bedeutung,  denn  nicht  auf  Chroniken,  sondern  auf  die 
Actenstücke  kommt  es  hier  an,  von  diesen  aber,  deren  ich 
wenigstens  so  viele  als  Du  Boulay  kenne,  ist  kein  einziges  an 
den  Rector  gerichtet.  Und  der  Rector  sollte  das  allgemeine  Haupt 
der  Universität  gewesen  sein? 

Im  ganzen  13.  Jh.  legte  man  ferner  nicht  in  die  Hände  des 
Rectors  den  Eid  auf  die  Befolgung  der  Statuten  ab"^).  Nur  die 
Artisten  machten,  wie  wir  sehen  werden,  eine  Ausnahme.  Und 
doch  geschah  dies  sonst  an  allen  Universitäten,  wo  ein  Rector  war. 

Es  darf  daher  nicht  Wunder  nehmen,  dass  die  Universität 
selbst  in  ihren  gemeinschaftlich  ausgefertigten  Acten  bis  in  das 
14.  Jh.  hinein  niemals  den  Namen  des  Rectors  voranstellte,  ja  ihn 
in  solchen  Acten  bis  zum  Jahre  1338  nicht  einmal  nannte.  Die  ste- 
reotype Phrase  lautete  Eingangs  der  von  der  ganzen  Universität  aus- 
gestellten Documente:  (Nos)  universitas  magistrorum  et  scholarium 
Parisias  studentium,  oder  ähnlich'").  Die  Formel:  (Nos)  rector 
et  universitas  magistrorum  et  scolarium  etc.  datiert  erst  aus 
jener  Epoche,  in  der  der  Rector,  wie  sich  aus  andern  Anzeichen 
ergibt,  das  Haupt  der  ganzen  Universität  geworden  war.  Zum 
ersten  Male  erscheint  sie  im  J.  1341"°),  und  dann  fortwährend, 
nachdem  sie  bereits  in  den  unmittelbar  vorhergehenden  Jahren 
vorbereitet  war**').  Nun  sehen  wir  aber,  dass  an  jenen  Hoch- 
schulen, an  denen  in  jener  Zeit  der  Universität  definitiv  ein  Haupt 
vorgesetzt  war,  dieses  auch  in  den  von  der  Universität  ausgefertig- 
ten Actenstücken  vorangestellt  wurde.  So  finden  wir  z.  B.  in 
Toulouse  im  J.  1314  den  ^Rector  studii  Tolosani  una  cum  aliis 


>K)  Ein  interessantes  Statat  findet  sich  hierüber  oben  S.  73. 

^  Man  ?ergl.  die  oben  8.  76  Anm.  115  f.  citierten  Stellen  bei  Du 
Boulay.  Obige  Phrase  wendete  die  Universität  bereits  1222  an  (Du  Boulay 
p.  105);  sie  erscheint  dann  ebenso  in  den  Jahren  1266  (Du  Boul.  p.  383), 
1275  (ibid.  p.  419),  1276,  1277  (ibid.  430.  432),  1281  (ibid.  p.  456  und  Jourd. 
n.  269),  1289  (Du  Boul.  M^moires  historiqnes  sur  les  b^n^fices  p.  133),  1291 
(Du  Bonl.  Hist.  univers.  III,  499),  1296  (Jourd.  n.  343).  Und  so  war  es  noch 
im  14.  Jh.  bis  cum  J.  1888  incl.  (Jourdain  n.  555> 

»0)  Bei  Jourdain  n.  579. 

»)  S.  Jourdain  n.  551  (J.  1336);  Du  BouUy  lY,  261  (J.  1339). 


110  n.  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

doctoribus  et  magistris  regentibus  in  studio  supradicto'  die  Statuten 
machen"*).  In  Oxford  wurde  bereits  c.  1250  der  Kanzler,  der 
dort  das  Haupt  des  Studiums  war,  den  Magistern  übergeordnet*"), 
wie  in  Angers  der  Scholasticus"*).  Von  Bologna  und  den  ita- 
lienischen Universitäten  will  ich  gar  nicht  sprechen,  denn  es  ver- 
steht sich  dort  von  selbst  Dasselbe  war  1302  in  Lerida  der  Fall"*), 
1307  in  Orleans  "•).  Und  wir  brauchen  gar  nicht  auswärtige 
Universitäten  zum  Vergleiche  heranzuziehen,  da  uns  Paris  selbst 
als  Beispiel  dient  Im  J.  1274  begann  der  Bector,  als  er  nicht 
mehr  bloss  Haupt  der  vier  Nationen,  sondern  der  Artisten-Facultät 
war,  seinen  Namen,  wenngleich  noch  nicht  immer,  den  gemeinschaft- 
lichen Acten  des  ArtistencoUegiums  vorzusetzen.  Es  hiess:  Bector 
üniversitatis  et  procuratores  (quatuor  nationum)  ceterique  magistri 
Parisius  actu  regentes  in  artibus"^),  oder:  Bector  üniversitatis 
Parisiensis  et  omnes  et  singuli  magistri  facultatis  artium'")etc. 
Wäre  der  Bector  das  Haupt  der  ganzen  Universität  gewesen,  so 
würde  er  Eingangs  der  Actenstücke  der  ganzen  Universität  eben- 
so erschienen  sein,  wenigstens  das  eine  oder  andere  Mal,  wie  in 
jenen  der  Artistenfacultät    Aber  nicht  Einmal  geschieht  das"'). 


^)  Bist  de  Languedoc  ed.  Privat  VU.    Notes  p.  479. 

^)  Monim.  Academ.  I,  18.    Vgl.  dann  p.  30.  39.  52.  62  n.  8.  w. 

^^)  So  heisst  es  in  dem  1362—1363  eingesandten  Botolus  studii  An- 
degaven.:  Scolasticas  et  universitas  stndii  vestri  Andegaven.  Arch.  Tat 
Urban.  Y.  Reg.  Snp.  an.  1  p.  2  Bl.  120a 

236)  Bei  ViUanneva,  Viage  literario  XYI,  233. 

^)  Statntenbnch  im  Cod.  Vat.  Heg.  405  Bl.  24b. 

^7)  So  in  dem  Schreiben,  das  die  Artistenfacolt&t  an  das  Generalcapitel  der 
Dominicaner  za  Lyon  im  genannten  Jahre  sendete.  Die  Uteste  fast  gleich- 
zeitige Copie  findet  sich  unter  der  Sammlung  der  Generalcapitel  des  Ordens 
Bl.  60  a,  die  von  der  Mitte  des  13.  Jhs.  ab  gleichzeitig  mit  den  jeweUigen 
Generalcapiteln,  mithin  unabhängig  yon  der  sp&tem  des  Bernhard  Guidonis, 
gemacht  wurde.  Hs.  im  Generalarchiv  des  Ordens.  Man  t&uschte  sich  darin, 
dass  man  genanntes  Schreiben,  auch  ediert  bei  Du  Beul.  p.  408,  als  Schreiben 
der  ganzen  Universität  ansah.  Obige  Phrase  findet  sich  auch  im  J.  1279 
bei  Du  Beul.  p.  447,  im  J.  1292  bei  Du  Boul.  p.  501. 

^)  So  im  J.  1279  bei  Du  Boul.  p.  449. 

239)  Dass  der  von  Du  Boulay  zum  J.  1259  (p.  356)  citierte  Act  in  das 
Ende  des  14.  Jhs.  gehöre ,  habe  ich  bereits  oben  S.  67  angedeutet.  Es  ist 
unbegreiflich,  dass  niemand  die  Anachronismen  bemerkte,  die  in  diesem 


2.  Paris.    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.  m 

Wir  finden  sogar,  dass  bei  Aufzählungen  der  Rector  erst  nach 
den  Theologen  und  den  Decanen  der  Decretisten  und  Mediciner 
unmittelbar  vor  den  Procuratoren  und  den  Artisten  genannt 
wurde,  eben  weil  er  nur  zu  diesen  letztem  gehörte"").  Dies 
war  der  Fall,  bis  die  Decretisten  und  Mediciner  dem  Bector 
unterworfen  wurden. 

WenA  der  Bector  stets  das  allgemeine  Haupt  der  Universität 
war,  wie  kommt  es  denn,  dass  er  in  der  Organisation  der  Uni- 
versität während  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  niemals  hervortritt? 
Man  hört  nichts  von  ihm  bis  um  die  Mitte  des  13.  Jhs.  Und 
doch  trugen  sich  innerhalb  dieser  Zeit  wichtige,  die  Universität 
vielfach  aufregende  Ereignisse  zu,  so  dass,  wenn  der  Bector  das 
Haupt  der  ganzen  Universität  gewesen  wäre,  er  doch  endlich  einmal 
hätte  genannt  werden  müssen.  Aber  nichts  davon.  Er  erscheint 
nicht  im  Acte  Philipp  Augusts;    er  kommt  nicht  zum  Vorschein 

Schreiben,  würde  es  in  das  Jahr  1259  (1260)  fallen,  za  Tage  treten.  Ich  wiU 
hier  nur  auf  einen  aufmerksam  machen.  Der  Platz  der  Praesentati  aus 
dem  Dominicanerorden  soll  hinter  den  aliorum  ordinum,  sc.  Minorum,  Car- 
melitarum,  Angustinensium,  Cisterciensium  etc.  sein.  Nun  kamen  aber  die 
Carmeliten  erst  gegen  1259—1260  nach  Paris,  und  zwar  in  der  kleinen  An- 
zahl Ton  sechs  Personen.  Der  Schenkungsact  ist  vom  Febr.  1259  (1260) 
datiert  (Nationalarchiv  zu  Paris,  L.  927.  s.  Felibien,  Eist,  de  Paris,  III,  215). 
Der  erste  Carmelit,  der  in  Paris  die  Doctorwflrde  erhielt,  Gerhard  v.  Bo- 
logna, war  erst  später  dort.  Selbst  der  classische  Autor  Jaillot,  Recherches 
crit.  snr  la  ville  de  Paris  IV.  Quartier  S.  Benoit  p.  26,  Hess  sich  durch 
Da  Boulay  beeinflussen.  Ebenso  erhielten  auch  die  Augustiner  erst  im  Dec. 
1259  eine  Schenkung  in  Paris  (Nationalarchiv,  L.  921)  und  ebenso  kam  auch 
ihr  erster  Doctor,  Aegyd  ▼.  Rom,  erst  mehrere  Jahre  später  nach  Paris.  Ob- 
wohl JaiUot  (1.  c.  y.  Quartier  S.  Andr6-des-Arc8  p.  26  ff.)  das  Ganze  richtig 
darstellte,  konnte  er  sich  trotzdem  nicht  von  Du  Boulay  losmachen  (cfr.  p.  28). 
Zum  Schlüsse  noch  die  Bemerkung:  Der  Universit&tsstreit  hatte  fOr  die 
Dominicaner  kraft  der  p&pstl.  Yermittelung  einen  höchst  günstigen  Ausgang. 
Und  nun  kommt  auf  einmal  ein  Actenstfick,  worin  den  Domicanern  der  letzte 
Platz  angewiesen  wird,  wozu  Papst  und  Dominicaner  'ja'  sagen.  Warum 
kam  denn  keinem  der  Forscher  bis  heute  ein  Zweifel  an  der  Aechtheit  der 
Datierung? 

^  So  im  J.  1264  in  der  Bulle  Clemens  IV.  ad  proYisorem  pauperum 
magistrorum  in  vico  ante  palatium  de  Thermis  (Reg.  Yat.  an.  5  ep.  16  Bl.  220  b 
8.  Da  Boulay  p«  236).  Aehnlich  in  einem  Actenstficke  der  Universität 
▼om  J.  1267  bei  Jourdain  n.  216. 


112  ^'  Cntsteliimg  der  Ältesten  üniversit&ten. 

beim  Compromiss  zwischen  dem  Kanzler  nnd  der  Universität  im 
J.  1213;  er  wird  nicht  erwähnt  in  dem  Statute  Roberts  de  CJour- 
<^n  im  J.  1215,  nicht  in  den  langwierigen  Verhandlungen  zwischen 
der  Universität  und  dem  Bischöfe  in  den  nächsten  Jahren;  er 
ist  unsichtbar,  als  1225  der  Gardinallegat  das  Siegel  zerbrach, 
und  man  hört  nichts  von  ihm  bei  der  1229  stattgehabten  Aus- 
wanderung der  Universität  Auch  in  den  Verhandlungen,  die 
1229 — 1231  in  Folge  dessen  zwischen  dem  Papste  und  der  Uni- 
versität, sowie  dem  Papste  und  dem  Könige  und  Bischöfe  statt 
hatten,  kommt  nicht  einmal  der  Name  Rector  vor.  Oregor  IX. 
nennt  ihn  auch  nicht  in  der  Magna  Charta  der  Universität,  in 
der  Bulle  Parens  acietUiarum^  durch  welche  doch  die  Universität 
reorganisiert  wurde.  Wer  glaubt  Angesichts  solcher  Thatsachen  an 
die  Existenz  eines  allgemeinen  Rectors  der  Universität?  Wenn 
es  wirklich  einen  gegeben  hat,  welches  war  denn  bei  solcher 
Sachlage  seine  Function? 

Uebrigens  staunen  wir  nicht  mehr  über  derartige  Erschei- 
nungen, da  wir  nunmehr  aus  dem  vorigen  Abschnitt  wissen,  dass 
bei  all  diesen  Gelegenheiten  auch  von  den  vier  Nationen  keine 
Rede  ist,  und  dass  dieselben,  wenngleich  sie  bereits  in  ihren  An- 
fängen existierten,  ein  höchst  geräuschloses  Dasein  führten.  Eben 
weil  der  Rector  nur  den  vier  Nationen,  nicht  aber  der  Univer- 
sität angehörte,  decken  sich  hier  die  Thatsachen. 

Im  Jahre  1237  kommt  der  Name  Rector  vor^^O-  Allein  in 
keiner  andern  Bedeutung  als  in  dem  erwähnten  Schreiben  Inno- 
cenz  lU.  vom  J.  1209.  Oregor  IX.  sagt  nämlich,  *ut  nullus  in 
universitatem  magistrorum  vel  scholarium  seu  rectorum  vel  pro- 
curatorem  eorum'  die  Excommunication  promulgieren  dürfe*  ^'). 
Du  Boulay's  verderbter  Text  lautet:  seu  rectorem  vel  procuratores 
eorum'  und  er  meint,  es  sei  hier  von  den  Procuratores  nationum 
die  Rede,  sowie  auch  vom  Rector  der  ganzen  Universität.  Allein 
wie  nun  jeder  sieht  ist  diese  Interpretation  durch  den  ächten 
Text  ausgeschlossen.  Der  Plural  Rectores  in  der  Verbindung 
^universitas  rectorum'  bezieht  sich  auf  die  Magistri  regentes  der 


^^  Bei  Du  BonUy  findet  sich  p.  157  das  betreffende  «p&pstl.  Schreiben. 
M>)  Qreg.  IX.  Reg.  an.  5  ep.  66  El.  94  a. 


2.  Paris.    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.         HS 

einzelnen  Facultäten,  und  der  Singular  Procurator  bezeichnet  eben 
den  Procurator  der  ganzen  Universität"*).  Bestätigt  wird  dies 
durch  eine  ähnliche  Bulle  Innocenz  IV.  vom  J.  1246,  worin  es 
heisst:  ^ut  nuUus  in  Universitäten)  vertram  magistrorum  aut  sco- 
larium,  aut  procuratorem  eorum,  vel  rectorem  cuiuscumque 
facultatis'  die  Excommunication  promulgiere"*).  Hierdurch  ist 
ebenfalls  ausgeschlossen,  dass  Rector  das  Haupt  der  Universität 
bedeutet,  denn  ^rector  cuiuscunque  facultatis'  bezeichnet  den  Ma- 
gister regens  in  irgend  einer  Facultät,  so  dass  der  Sinn  ist:  die 
Excommunication  darf  weder  gegen  die  Gesammtheit  der  Magister 
und  Scholaren,  noch  gegen  einen  einzelnen  Magister,  noch  gegen 
den  Procurator  der  Universität  ausgesprochen  werden.  Du  Boulay 
kannte  diese  Bulle,  wie  sich  aus  einer  Stelle  ergibt"**),  wo  er  sie  ins 
Jahr  1245  setzt;  allein,  weil  gegen  seine  Auffassung,  unterliess  er 
es  den  Text  zu  bringen.  Dieselbe  Bedeutung  hätte  der  Ausdruck 
*rector'  in  der  Bulle  Innocenz  IV.  vom  9.  Mai  1244,  wenn  er 
wirklich  darin  stünde,  wie  Du  Boulay  vorgibt'").  Allein  es  heisst 
dort  nicht:  Gancellarius  Parisiensis  et  rector  es  ac  regentes  Parisius 
in  Sacra  pagina,  sondern:  Cancell.  Paris,  et  doctores  regentes 
Parisius  etc."').  Du  Boulays  Leseart  würde  aber  eine  Tauto- 
logie enthalten. 

Unter  den  mehr  denn  140  päpstlichen  Bullen,  die  seit  Be- 
ginn des  13.  Jhs.  bis  1260  sich  auf  die  Universität  Paris  be- 
ziehen^*')? giW  GS  nur  eine  einzige,  auf  die  man  sich  wegen  des 
Rectors  berufen  kann,   nämlich  jene  Innocenz  IV.  vom  1.  Juni 


243 j  In  derselben  Weise  war  Wilhelm  von  S.  Amonr  'procnrator  scho- 
lariam  vel  rector  de  coUegio  eorum.'    Opp.  ed.  Gonstantiae  1632  p.  94. 

***)  Jourdain  n.  76. 

»*«»)  Bist.  univ.  Paris.  HI,  Ö64. 

^)  ffist.  univ.  Paris.  III,  192.    Vgl.  564. 

^  Reg.  Vat.  an.  1  ep.  681  Bl.  105b.  Anch  das  Bull.  Rom.,  worauf 
sich  Da  Boulay  beruft,  bietet  die  Leseart  der  Regesten,  so  dass  hier  widerum 
ein  Konststfickchen  Du  Boulays  vorliegt.  S.  Bull.  Rom.  ed.  Gherubini,  das 
doch  Du  Boulay  nur  gebrauchte.  Raynald  ad  ann.  1244  d.  42  hat  die  falsche 
Leseart:  rectores  regentes  in  sacra  pagina,  jedoch  immerhin  die  bessere  als 
jene  Du  Boulays. 

M7)  Mehr  denn  30  derselben  waren  bisher  nicht  bekannt.  Alle  andern 
Universitäten  susammengenommen  weisen  im  13.  Jh.  nicht  mehr  p&pstliche 

D«nifU,  Die  üniTwrsitMen  I.  8 


in  IL    Entstehung  der  Ältesten  Universitäten. 

1252'").  Sie  betrifft  wie  jene  vom  J.  1246  ebenfalls  das  Privileg, 
dass  die  Universität  etc.  nicht  excommuniciert  werden  könne. 
Darin  finden  sich  nun  die  Phrasen:  'ut  nuUus  in  üniversitatem 
vestram  magistrorum  et  scolarium  aut  rectorem  vel  procuratores 
vestros  cuiuscunque  aut  quaruncunque  facultatum  . .  .  excommu- 
nicationis  sententiam  audeat  promulgare'.  In  der  Conservatio 
privilegii  steht  aber:  'quatenus  prefatos  magistros  et  scolares, 
eorumque  rectorem  vel  procuratores  non  pennittas  molestari'. 
Eines  geht  aus  dem  Wortlaute  mit  Bestimmtheit  hervor,  dass 
seit  den  Jahren  1237  und  1246  eine  Umwandlung  und  Verände- 
rung vor  sich  gegangen  sein  muss.  Ich  sage  dies  besonders  wegen  der 
an  zweiter  Stelle  angeführten  Phrase.  Ich  bin  ganz  gegen  die 
Methode  des  anonymen  Verfassers  der  Origo  vera,  welcher  bei 
solchen  Stellen  von  vornherein  theils  Fälschung  wittert,  theils  die 
Identität  des  Rectors  mit  Procurator  in  den  Act  hinein  interpre- 
tiert. Aufgabe  des  Forschers  ist  es  vielmehr  zu  untersuchen, 
welche  Thatsachen  obigen  Worten  zu  Grunde  liegen  und  ob  nicht 
anderweitige  Actenstücke  uns  über  den  Bector  und  dessen  Stel- 
lung innerhalb  der  Universität  Aufschluss  geben.  Hiermit  sind 
wir  bei  dem  positiven  Nachweis  angelangt,  dass  der  Bector  in 
der  ersten  Zeit  keineswegs  das  Haupt  der  ganzen  Univer- 
sität war. 

Der  Bector  wird  zum  ersten  Male  in  einem  Beschlüsse  der 
Artistenfacultät  vom  J.  1244  erwähnt.  Wer  sich  den  Beschlüssen 
der  Universitas  artistarum  widersetzt,  >vird  von  ihr  ausgeschlossen 
und  bleibt  es  so  lange,  bis  'rectori  et  procuratori  pro  universi- 
tate  fuerit  ad  plenum  et  pro  ipsorum  voluntate  satisfactum^'*'). 

Schreiben  auf,  als  Paris  allein  innerhalb  von  60  Jahren.  Allerdings  f&llt 
nahezu  die  H&lfte  (60—70)  in  die  Epoche  des  Universit&tsstreites  mit  den 
Mendicanten. 

^^)  Du  Boulay  p.  242.  Jourdain  meinte  1.  c.  p.  11  Anm.  1,  der  Text 
sei  von  Du  Boulay  eigenmächtig  verändert  worden,  und  p.  14  Anm.  2,  die 
von  Du  Boulay  gebrachte  Bulle  sei  im  Grunde  identisch  mit  der  von  ihm 
selbst  n.  93  abgedruckten.  Allein  dem  ist  nicht  also.  Der  von  Du  Boulay 
gedruckte  Text  findet  sich  wörtlich  sammt  der  conservatio  privilegii  im  Cod. 
Vat.  Reg.  406  Bl.  16  (Anfang  des  14.  Jhs.),  und  Jourdain  hätte  diese  Bulle 
ebenso  wie  die  übrigen  notieren  sollen. 

349)  Cod.  Vat  Reg.  406  Bl.  53  b.    Du  Boulay  p.  195. 


2.  Paris.    Stellang  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.         115 

Der  Rector  erscheint  also  hier  in  der  Gesellschaft  der  Artisten. 
In  demselben  Jahre  machte  die  ganze  Universität  ein  Statut  über 
Hörsäle  und  Wohnungsmiethe.  Im  ersten  Theile  werden  Be- 
stimmungen für  die  Magistri  gegeben,  im  zweiten  für  die  Scho- 
laren, und  da  heisst  es,  dass  jene  derselben,  'qui  domum  inter- 
dictam  receperint  .  .  .  quam  cito  moniti  fuerint  per  rectorem 
vel  servientem  ab  eo  missum  vel  procuratores  similiter  vel  nun- 
tium  ab  eis  missum,  beneficiis  scolarum  et  universitatis  pri- 
ventur'  *'*).  Hier  erfahren  wir  also  von  einem  Amte  des  Bectors, 
das  jedoch  kein  anderes  als  das  der  Procuratoren  ist:  auf  die 
Scholaren  in  gewissen  Punkten  ein  wachsames  Auge  zu  halten. 
Handelte  es  sich  aber  hier  um  die  Scholaren,  insofern  sie  zu- 
gleich zu  den  Nationen  gehörten  (und  deshalb  hatten  die  Procu- 
ratoren und  der  Rector  mit  ihnen  zu  thun),  so  einige  Jahre  später, 
1251,  um  die  Scholaren,  insofern  sie  den  einzelnen  Facultäten 
angehörten.  Das  Document  ist  für  unsere  Frage  eines  der  wich- 
tigsten. 

Die  ganze  Universität  erklärt,  ^qui  debent  dici  scolares,  et 
qui  sint  repetendi  si  capiantur,  et  a  quibus'.  In  Bezug  auf  diesen 
letzten  Punkt  wird  bestimmt:  Modus  autem  repetendi  scolares 
captos  talis  erit  äpud  magistros  artium,  quod  magister  Scolaris 
capti  cum  duobus  magistris  regentibus,  quibus  constat  quod  sit 
Scolaris,  accedet  ad  prepositum,  et  scolarem  suum  repetet;  qui 
si  reddere  denegaverit,  dictus  magister  significabit  rectori  univer- 
sitatis, et  tunc  rector  eum  nomine  universitatis  repetet,  et  si  pre- 
positus  eum  reddere  noluerit  rectori,  tunc  recurret  rector  ad 
cancellarium ,  et  postremo  ad  episcopum  vel  officialem  eiusdem. 
In  aliis  autem  facultatibus  unusquisque  magister  scolarem  suum 
repetet  per  se,  si  necesse  fuerit"^).   Dieses  Statut  hat  nur  einen 


360)  Cod.  Yat  Reg.  4Q6  BL  49  a.    Du  Boolay  1.  c. 

>&i)  Cod.  Yat.  Reg.  406  El.  48  b.  Da  Boalay  III,  240  bietet  hier  wider 
einen  ganz  defecten  Text,  der  sogar  einen  yerkehrten  Sinn  gibt  Ich  glaube 
nicht,  dass  er  denselben  absichtlich  gefälscht  hat,  denn  die  Leseart  ist  ebenso 
defect  an  Stellen,  die  nicht  zu  dieser  Frage  gehören,  und  aas  deren  Erkl&- 
nmg  dorch  Da  Boalay  hervorgeht,  dass  ihm  nicht  bloss  der  richtige  Text 
Torlag,  sondern  dass  er  ihn  auch  richtig  copieren  wollte.  So  steht  im  ge- 
nannten Cod.:  Bachelhurii  vero  decretales  et  legea  legentes  . . .  qoi  etiam  audi- 

8* 


11g  II.   Entstehang  der  ältesten  Üni?er8it&ten. 

Sinn,  wenn  die  Universität  aus  den  vier  Facultäten  und  nicht 
aus  den  Nationen  bestanden  hat,  und  der  Bector  lediglich  Vorstand 
der  letztern  war.  Wäre  die  Universität  identisch  mit  den  vier 
Nationen  gewesen,  dann  hätte  der  Rectorj  weil  Haupt  der  Na- 
tionen, alle  Scholaren  vom  Pr6vöt  fordern  können.  Nun  aber 
darf  er  nur  die  Scholaren  der  Artisten,  und  zwar  auch  dann 
erst,  wenn  die  Magistri  sie  fruchtlos  zurückgefordert  hatten,  nie 
aber  jene  der  Theologie,  der  Juristen  und  der  Mediciner  zurück- 
verlangen. Aus  welchem  Grunde?  Weil  es  sich  hier  nicht  um 
die  Scholaren  als  solche,  wie  in  dem  unmittelbar  vorher  be- 
sprochenen Statute,  sondern  um  die  Scholaren,  insofern  sie  den 
verschiedenen  Facultäten  angehören,  handelt,  und  der  Rector  da- 
mals mit  den  Facultäten  als  solchen,  vorzüglich  aber  mit  den 
drei  eben  genannten  nichts  zu  thun  hatte  und  mithin  nicht  Rector 
der  Universität  war.  In  Betreff  der  Wohnungsfrage  trat  der 
Scholar  weder  mit  seinem  Magister  noch  mit  den  verschiedenen 
Facultäten  an  sich  in  Berührung,  das  gehörte  zur  Competenz  der  Na- 
tionen. Anders  gestaltete  sich  aber  die  Sachlage  in  Bezug  auf 
Schule.  Hier  gehörte  der  Scholar  seinem  Magister  und  der  Fa- 
cultät  dieses  Magisters  an**^*).  Denn  als  Scholar  wurde  nur  der- 
jenige angesehen  und  nur  jener  hatte  Anrecht  darauf  von 
seinem  Magister  im  Falle  der  Gefangennahme  reclamiert  zu  wer- 
den, der  zum  wenigsten  zweimal  die  Woche  das  Colleg  besuchte'*'), 
und  die  lectiones  ordinariae  hörte;  die  lectiones  cursoriae 
kamen   hier  ganz  ausser  Betracht'*').    Die  lectiones  ordinariae 


tores  Ugum  et  decretaliam.  Die  cnrsiv  gedruckten  Worte  fehlen  im  Texte 
bei  Du  Bonlay,  während  die  Erklärung  p.  241  dieselben  voraassetzt.  Der 
anonyme  Autor  der  Origo  vera  p.  787  war  glacklicher  als  Du  Bonlay. 

»"•)  8.  oben  S.  104  f. 

3^3)  So  wird  in  dem  in  Frage  stehenden  Statut  bestimmt.  Cod.  Vat 
Reg.  406  1.  c.  Du  Boulay  p.  240.  Auch  Robert  de  Sorbonne  sagt  in  seinem 
Liber  conscientie:  Nota  quod  non  habetur  pro  Scolari  Parisius,  qui  ad  minus 
non  yadit  bis  in  ebdomada  ad  scolas.  Cod.  Paris.  15954  El.  838  b.  S.  auch 
Du  Boulay  p.  231.  Thurot  übersetzt  *bis'  mit  'une  foisM  (De  l'organisation 
etc.  p.  110). 

'^)  Robert  de  Sorbonne  sagt  1.  c.  Preterea  non  repntatnr  aliquis  Sco- 
laris propter  lectiones  cursorias,  si  non  andiat  ordinarias,  nee  repetitur  a  ma- 
gistro  aliquoy  si  capiatur  aliqno  de  casu  a  preposito  et  ponatttr  in  casteUo. 


2.  Paris.    Stellung  des  Recton  innerhalb  der  Universit&t.         117 

hielten  eben  nur  die  Magistri.  Es  var  hier  derselbe  Grundsatz 
massgebend,  der  in  dem  Streite  gegen  das  Beichtprivileg  der 
Mendicanten  so  oft  ausgesprochen  wurde.  Der  Gläubige,  hiess 
es,  muss  bei  seinem  Pfarrer  beichten,  denn  dieser  ist  der  Hirte; 
dieser  muss  seine  Schafe  kennen  lernen ,  damit  er  für  sie 
Rechenschaft  ablegen  könne.  Und  so  galt  auch  hier  das 
Prinzip:  Der  Scholar  muss  die  Schule  seines  Magisters  be- 
suchen, damit  jener  von  diesem  gekannt  werde  und  letzterer  für 
ihn  eventuell  einstehen  könne"*). 

In  Bezug  auf  die  Schule  waren  also  die  Magistri  Alles,  und 
die  Scholaren  standen  unter  deren  und  des  Kanzlers  Jurisdiction 
and  Botmässigkeit.  Der  Rector  hatte  damals  mit  den  Facultäten 
und  den  Scholaren,  insofern  diese  mit  jenen  in  Berührung  kamen, 
an  sich  nichts  zu  thun.  Darum  mussten  selbst  bei  den  Artisten 
die  magistri  regentes  die  Initiative  betreffs  der  Zurückforderung 
ihrer  Scholaren  ergreifen ;  erst  wenn  dies  nichts  fruchtete,  wandten 
sie  sich  an  den  Rector,  damit  er  unterhandle,  und  sich  even- 
tuell an  den  Kanzler,  in  letzter  Instanz  an  den  Bischof  oder 
dessen  Official  wende.  Bei  den  übrigen  Facultäten  sollten  die 
Magistri  nicht  bloss  die  Initiative  nehmen,  sondern  eventuell 
sich  selbst  an  den  Kanzler,  resp.  an  den  Bischof  wenden,  wie  sich 
aus  dem  Zusammenhange  des  Actes  ergibt.  Warum  musste  aber  der 
Rector  von  den  Artisten  angerufen  werden?  Wir  werden  hiermit 
auf  ein  anderes  nicht  weniger  wichtiges  Document  gewiesen. 

Im  Jahre  1249  entspann  sich  ein  Streit  inter  magistros  regentes 
in  artibus,  sc.  inter  nationem  Gallicorum  ex  una  parte,  et  alias  tres 
nationes  ex  alia  de  rectore  eligendo  et  de  modo  eligendi'.  Die 
drei  Nationen  verboten  sogar  ^suis  compatriotis ,  ne  scolas  ma- 
gistrorum  nationis  Gallicane  causa  discipline  introirent'.  Es  gab 
damals  in  Folge  eines  Zwistes  einen  rector  nationis  Gallicanae, 


Da  Boulays  Text  ist  corrupt,  und  Thnrot  Hess  sich  p.  65  Anm.  5  durch  ihn 
tAaschen,  indem  er  meint,  man  habe  statt  lectiones  cursoriae  auch  Hransito- 
riae'  gesagt. 

^  So  sagt,  eine  andere  Hs.  des  Liber  conscientie  (Cod.  Paris.  3218 
Bl.  165  b):  Item  Scolaris  debet  frequentare  scolas,  ut  cogooscatur  a  magistro 
Buo,  quod  si  accipiator  a  cnstodibus  ville,  qnod  requiratnr  a  magistro  suo, 
qnod  non  &ceret,  si  eum  non  cognosceret. 


113  II'  Entstehung  der  ältesten  üniversit&ten. 

und  einen  aliarum  trium  nationum.  Gemeinschaftlich  wurde  nun 
der  Zwist  beigelegt  und  die  Wahlordnung  für  die  Zukunft  gere- 
gelt. Das  darüber  ausgestellte  Actenstück  schliesst  mit  den 
Worten:  Antequam  vero  ista  forma  pacis  publicetur,  revocabitur 
a  tribus  nationibus  per  singulas  scolas  Artistarum  inhibitio,  quam 
fecerant  suis  compatriotis,  ne  scolas  magistrorum  Gallicane  na- 
tionis  causa  discipline  introirent,  et  fruerentur  scolares  introeundi 
scolas  magistri  cuiuslibet  solita  libertate^^^).  Aus  dieser  Urkunde 
erhalten  wir  zunächst  eine  Bestätigung  unseres  Resultates,  dass  die 
Magistri  der  übrigen  Facultäten  nicht  zu  den  vier  Nationen  ge- 
hörten. Stünde  nur  der  Satz  hier,  die  drei  Nationen  hätten  ihren 
Landsleuten  verboten  die  Schulen  der  Magister  der  natio  gallicana 
zu  besuchen,  so  würden  Du  Boulay  und  dessen  Ausschreiber  die  Be- 
hauptung nicht  unterlassen  haben,  magistros  theologicae  et  canoni- 
cae  facultatis  adhuc  in  nationibus  fuisse  sub  procuratoribus,  wie  Du 
Boulay  oft  widerholt.  Allein  hier  konnte  er  diese  Phrase  nicht 
anwenden,  wenigstens  ist  er  wie  beim  vorher  besprochenen  Acten- 
stück ganz  still.  Denn  wenn  die  drei  Nationen  ihr  Verbot 
^per  singulas  scolas  artistarum'  aufheben  mussten,  so  ist  doch 
klar,  dass  nur  die  Artisten,  nicht  aber  die  übrigen  Magistri  zu 
den  Nationen  gehört,  und  mithin  nicht  die  vier  Nationen  die 
Universität  zusammengesetzt  haben. 

Ferner  ergibt  sich,  dass  die  Artisten -Magistri  nicht  bloss 
zu  den  vier  Nationen  gehörten,  sondern  dass  sie  auch  als 
Facultät  innerhalb  derselben,  wenngleich  nicht  mit  ihnen  iden- 
tisch, waren,  und  aus  ihnen  die  Vorstände  der  Nationen  gewählt 
wurden  —  Resultate,  zu  denen  wir  bereits  in  den  frühem  Ab- 
schnitten gelangt  sind.  Eben  deshalb  musste  der  Rector  von 
den  Artisten  eventuell  angerufen  werden,  wie  uns  das  unmittelbar 
vorher  besprochene  Actenstück  zeigt 

Für  die  Zukunft  wurde  die  Rectorswahl  in  der  Weise  ge- 
regelt, dass  die  von  den  Artisten-Magistern  gewählten  vier  Pro- 
curatoren  der  vier  Nationen  den  Rector  wählen  sollten.  Der 
Rector  gieng  also  aus  den  Artisten  hervor  und  gehörte  den  Na- 
tionen an.    Da  nun  aber  die  drei  übrigen  Facultäten,   wie   wir 


3^)  Cod.  Yat.  Reg.  406  Bl.  1  b.    Du  Boulay  p.  222. 


2.  Paris.    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.         HQ 

oben  nachgewiesen  haben  und  wie  sich  aus  diesem  Actenstücke  neuer- 
dings ergibt,  nicht  zu  den  vier  Nationen  gehörten  und  nicht  inner- 
halb derselben  waren,  wie  kann  man  noch  behaupten,  der  Bector 
sei  Haupt  der  ganzen  Universität  gewesen?  So  erklärt  es  sich, 
warum  der  Rector  bei  Zurückforderung  der  Scholaren  vom  Pr6v6t 
nicht  von  den  Magistern  der  andern  Facultäten  angerufen  wurde. 
Er  hatte  nichts  mit  ihnen,  und  sie  nichts  mit  ihm  zu  thun. 

Halten  wir  diese  Urkunde  mit  den  zwei  vorher  citierten  zu- 
sammen ,  so  kommen  wir  zum  Schlüsse,  dass  der  Rector  damals  auch 
noch  nicht  eigentliches  Haupt  der  Artisten  als  Facultät,  son- 
dern nur  der  Nationen  war,  zu  denen  die  Artisten  gehörten  und 
innerhalb  deren  sie  als  Facultät  existierten,  und  dass  man  durch- 
aus nicht  sagen  kann,  die  Artistenfacultät  sei  aus  den  vier  Na- 
tionen zusammengesetzt  gewesen.  Zu  diesem  Resultate  sind  wir 
gelegentlich  schon  oben  gelangt*").  Wir  begreifen  nunmehr, 
warum  der  Rector  bei  Beschlüssen  der  artistischen  Facultät  nie 
als  solcher  sich  zeigt,  nie  als  anwesendes  Mitglied  erscheint, 
warum  sich  die  Facultät  noch  nicht  wie  später  einführt:  Rector  et 
universitas  artistarum,  und  ähnlich,  sondern  von  1244  bis 
1274  die  Phrase:  Nos  magistri  artium  de  communi  consensu  ar- 
tistarum Parisius  regentium,  oder  eine  ähnliche  gebraucht '^^). 
Erst  1274  erscheint  der  Rector  an  der  Spitze  des  Schreibens  der 
Artisten'"),  nachdem  bereits  im  J.  1271  die  Gewohnheit  bestanden 
hatte  in  seine  Hand  zu  schwören'*').  Auch  früher  musste  zwar  der 
Rector  die  Beschlüsse  bekannt  geben ;  allein  er  erscheint  wie  die 
Procoratoren  nur  als  ein  Executivorgan"").  Es  kam  aber  endlich 
nach   und  nach   dazu,   dass   der   Rector   auch   Haupt   der  Ar- 


25«)  8.  8.  80. 

»7)  s.  Jourdain  n.  108  (26.  Febr.  1254);  Du  Boulay  p.  280  (19.  M&rz 
1255);  Du  BouL  p.  347  (J&nner  1259);  p.  350  (5.  Mai  1259);  p.  361  (April 
1260);  p.  398  (1.  April  1271). 

SS8)  s.  oben  S.  110. 

259)  s.  Du  Boalay  p.  399.  Schon  1252  musste  der  Artisten- Baccalar 
dare  fidem,  sowohl  'quod  observabit  statuta  universitatis  prent  expressa  sunt 
ei  a  rectore',  als  'quod  obediet  rectori'.  Oxford,  Colleg.  corp.  Christi  283 
BL  150*. 

960)  ^}s  solches  haben  wir  ihn  soeben  kennen  lernen,  nnd  als  solches 
erscheint  er  auch  in  den  Actenstücken  bei  Du  Boulay  p.  347.  361.  S.  vor.  Anm. 


120  II*  Entstehung  der  ältesten  Universit&ten. 

tisten-Facultät  wurde,  da  diese  innerhalb  der  Nationen  war,  sie 
schliesslich  immer  an  den  Bector  recurrieren  musste,  und 
endlich  dieser  selbst  aus  ihrer  Mitte  gewählt  war.  Von  der  Zeit 
an,  wo  der  Bector  thatsächliches  Haupt  der  Artisten  -  Facultät 
wurde,  betrachtete  man  auch  die  vier  Nationen  quasi  identisch 
mit  derselben. 

Die  drei  übrigen  Facultäten  kamen  erst  später  unter  die 
Botmässigkeit  des  Bectors.  Am  27.  August  1266  werden  vom 
Cardinallegaten  zur  Beilegung  von  vorgekommenen  und  vorkom- 
menden Zerwür&iissen  innerhalb  der  Nationen,  sollten  sie  von 
diesen  selbst  nicht  geschlichtet  werden  können,  'tres  antiquiores  ma- 
gistri  theologicae  facultatis  et  quatuor  Decretistae  tunc  Parisius 
existentes  regen tes  actu'  als  Schiedsrichter  bestellt'^').  Scheint 
schon  daraus  hervor  zu  gehen,  dass  die  übrigen  Facultäten  ausser- 
halb standen,  so  wird  dies  gewiss  durch  die  Worte  desselben 
Legaten  vom  J.  1275.  Er  verordnet,  ut  facultas  artium  magi- 
strorum  Parisiensium  per  callidi  hostis  astutiam  propter  dissen- 
siones  huiusmodi  olim  divisa  ...  ad  debitam  redeat  unionem,  ne 
.  . .  se  lugeat  desolatam,  unius  tantum  rectoris  sit  contenta  re- 
gimine,  ut  unum  fiat  .  . .  corpus  unius  capitis  regimine  guber- 
nandum,  quatuor  procuratores  et  quatuor  bedellos  habeat  . .  • 
juxta  consuetudinem  facultatis  etc.'").  Aus  diesen  Worten  er- 
gibt sich  von  selbst,  dass  noch  damals  der  Bector  nur  den  Ar- 
tisten angehörte,  nur  den  vier  Nationen  vorstand.  Das  Regime 
des  Bectors  bezieht  sich  bloss  auf  die  Artisten,  und  der  Schaden 
aus  dem  Zwiespalt  trifft  nur  die  Artistenfacultät,  nicht  die  ganze 
Universität. 

Ganz  anders  einige  Jahre  später.  Nachdem  ein  Streit  ^inter 
magistros  artium  ex  una  parte  et  magistros  in  decretis  et  medi- 
cinis  ex  altera'  über  die  Einladung  zu  den  congregationes  gene- 
rales  ausgebrochen  war,  und  die  letztem  sich  bereits  nachgiebig 
gezeigt  hatten,  bestimmte  der  Cardinallegat  im  J.  1279,  in  Zu- 
kunft solle  die  Einladung  vom  Bector  ausgehen,  der  die  Decane 
der  beiden  Facultäten  entweder  selbst,  oder  durch  einen  Artisten- 


Mi)  Da  BonUj  p.  379. 

^)  Joardain  n.  258.    Da  Boal.  p.  415. 


2.  Paris.    Stellang  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.  121 

Magister,  oder  schriftlich  benachrichtigen  müsse"*).  Und  nun 
finden  wir,  dass  der  Bector  bei  Aufzählungen  vor  den  Decanen 
der  einzelnen  Facultäten  aufgeführt  wird,  z.  B.  im  Jahre  1289'"), 
während  er  früher  ihnen  nachgestellt  wurde***).  Aber  trotzdem 
wurde  der  Rector  noch  nicht  als  Haupt  der  ganzen  Universität 
betrachtet.  Als  der  Kanzler  im  J.  1283—1284  behauptete,  er 
sei  Caput  universitatis,  da  bestritten  dies  die  Artisten,  sagten 
aber  nicht,  ihr  Rector  sei  das  Haupt,  sondern  der  Papst"*). 

Standen  nun  gleichwohl  die  Decretisten  und  Mediciner  dem 
Rector  nach,  so  hatte  dieser  doch  noch  lange  Zeit  hindurch  keine 
Gewalt  über  die  Theologen.  Zwar  sagt  Du  Boulay,  es  sei  zwischen 
ihnen  und  den  Artisten  ein  ähnlicher  Streit  wie  der  eben  erwähnte 
ausgebrochen,  und  aus  dem  Eide,  den  die  Gandidaten  der  Artisten 
zu  S.  Genevi^ve  hätten  ablegen  müssen,  gehe  hervor,  dass  der 
Rector  die  Theologen  ebenso  wie  die  Decane  der  Decretisten  und 
Mediciner  zu  den  Versammlungen  eingeladen  habe"0-  Allein 
nichts  widerspricht  mehr  der  Wahrheit  als  diese  Behauptung. 
Einmal  ist  von  einem  Streite,  der  in  Beziehung  auf  diese  Frage 
zwischen  den  Artisten  und  Theologen  damals  ausgebrochen  sein 
soll,  nirgends  die  Rede.  Und  dann  datiert  der  Eid,  auf  den  sich 
Du  Boulay  bezieht,  erst  aus  dem  Jahre  1341"*).  In  der  Eides- 
formel, die  1289  eingeführt  wurde,  heisst  es  unter  anderm  bloss: 
Item  (jurabitis),  quod  vos  observabitis  ordinationem  nuper  factam 
de  modo  congregationes  denuntiandi  generales  decano  decretorum 
et  decano  medicorum  "•),  was  sowohl  Du  Boulay,  als  Thurot  und 


383)  Da  Beul.  p.  445  f. 

^  Dies  ist  der  Fall  in  zwei  Docnmenten  des  genannten  Jahres  vom 
7.  Joni  and  3.  No?ember  (Nationalarchiy  zu  Paris,  M.  67  n.  27.  28.  Vgl. 
auch  Da  Beul.  M^moires  historiqnes  sur  les  b^n^fices  p.  133).  Es  heisst: 
ünirersis  presentes  litteras  inspecturis  Universitas  magistrorum  et  scolarium 
. . .  Notom  Sit  nos  rectorem,  decanos  facultatum,  procuratores  nationum  nee 
non  et  magistros  qaataor  facoltatum  etc.  Aehnlich  im  Augast.   M.  67  n.  29. 

»^)  S.  oben  S.  109. 

^  So  im  Acte  gegen  Philipp  de  Thori  bei  Joordain  p.  49  a. 

%7)  Du  Boulay,  Bist.  univ.  III,  446. 

»8)  Ibid.  IV,  275. 

389)  Cod.  Vat  Reg.  406  Bl.  4  a.  Diese  Jaramenta  tragen  kein  Datum, 
folgen  aber  anf  das  Docoment,  worin  von  dem  Eide  der  W&hler  des  Rectors 


122  ^I*   Entstehung  der  ältestea  Universitäten. 

Jourdain  entgieng.  Ebenso  war  damals  noch  nicht  wie  im  J.  1341 
die  Alinea  in  der  Eidesformel:  Item  jurabitis,  quod  statutum 
factum  et  ordinatum  per  facultatem  artium  de  prepositione  rec- 
toris  in  actibus  communibus  universitatis  inviolabiliter  obser- 
vabitis,  ad  quemcunque  statum  deveneritis. 

Dass  die  Theologen  noch  nicht  vom  Rector  abhiengen,  ergibt 
sich  aus  einem  Documente  vom  7.  März  1297.  Der  Archi- 
diacon  Brie,  Decan  der  theologischen  Facultät,  antwortete  dem 
ihn  zur  Versammlung  einladenden  Rector,  'quod  magistri  in  theo- 
logica  facultate  regentes  per  rectorem  universitatis,  quin  potius 
per  bedellum,  ad  congregationem  aliquatenus  vocarentur,  nunquam 
Visum  fuitParisius  nee  auditum'"°).  Dass  in  Bezug  auf  die  Ma- 
gistri in  theologia  ein  anderer  modus  eingehalten  wurde  folgt 
auch  aus  dem  Acte  der  Artisten  gegen  den  Kanzler  Philipp 
de  Thori  c.  1283—1284*'^).  Es  ist  also  nur  zu  klar,  dass  die 
theologische  Facultät  in  einer  ganz  andern  Position  als  die  zwei 
Facultäten  der  Decretisten  und  Mediciner  sich  befand.  Der 
Decan  der  theologischen  Facultät  hatte  auch  bis  in  das  erste  De- 
cennium  des  zweiten  Drittels  des  14.  Jh.  in  allen  Versammlungen 
den  ersten  Platz  vor  dem  Rector'^'),  und  erst  20.  April  1341 
wurde  die  Frage  betreffs  der  Einladung  zu  den  Versammlungen 
in  einem  für  die  Theologen  ungünstigen  Sinne  ausgetragen '''). 
Dieses  Jahr  haben  wir  bereits  oben  als  jenen  Zeitpunkt  kennen 
lernen,  in  dem  zum  ersten  Male  die  Acten  der  Universität  mit  der 


vom  genannten  Jahre  und  den  Juramenta  examinatornm  S.  Genovefae  (s.  Du 
Boulay  p.  484)  die  Rede  ist.  Die  Phrase  'nuper  factam'  in  obiger  Formel 
deutet  auf  die  1279  gemachte  Verordnung  wegen  Einladung  der  Decretisten 
und  Mediciner  hin.  Sie  kommt  noch  in  den  'Articuli,  qnos  tenentar  iurare 
bachelarii  in  artibus  incepturi  quando  venerint  ad  rectorem'  Tor  im  Reg. 
nationis  anglic.  III,  BL  57  b. 

^70)  Bei  Jourdain  n.  327.  Du  Boulay  entgieng  dieses  Actenstück. 
Grevier  gibt  II,  85  eine  ganz  falsche  Erkl&mng  obiger  Worte,  und  Jourdain 
hätte  besser  gethan  ihn  nicht  zu  eitleren.  Crevier,  praeoccupiert  durch  Du 
Boulays  irrige  Ansichten,  verstand  nicht  die  einfache  Gonstruction  mit  'quin 
potius'. 

>7i)  Bei  Jourdain  p.  49  b. 

«7«)  S.  Origo  Vera  p.  756. 

»")  8.  bei  Du  Boulay  IV,  267  f. 


2.  Paris.    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.         123 

von  nun  an  feststehenden  Formel  eingeleitet  werden:  (Nos)  Rector 
et  universitas  magistrorum  et  scholarium"*).  Der  Rector  der 
Artisten  war  nunmehr  definitiv  Rector  und  Haupt  der  ganzen 
Universität. 

Es  geschah  nur  durch  Vergewaltigung  von  Seite  der  Artisten, 
dass  der  Rector  der  Artisten  nach  und  nach  Haupt  der  ganzen 
Universität  wurde,  wenngleich  es  wahr  ist,  dass  es  endlich  dazu 
kommen  musste.  Die  drei  übrigen  Facultäten  verschwanden  quan- 
titativ gegenüber  den  Artisten.  Nicht  wenig  Aufschluss  hierüber 
gewähren  uns  die  an  die  päpstliche  Curie  eingesendeten  Univer- 
sitäts-Rotuli.  Denn  wenngleich  in  denselben  nicht  alle  Professoren 
aufgezählt  werden,  sondern  nur  eine  bestimmte  Anzahl,  so  bleibt 
doch  das  Verhältniss  zwischen  den  Rotuli  der  einzelnen  Facultäten 
auf  allen  Seiten  dasselbe.  In  den  1348  eingesendeten  Rotuli  der 
vier  Facultäten  bemerken  wir  folgendes  Verhältniss.  Magistri 
regentes  der  Theologie  werden  32'"),  Doctores  regentes  des 
can.  Rechts  18"*),  Magistri  in  medicina  46"^),  und  514  Magi- 
stri artium  actu  regentes  aufgezählt '^^).  Aus  dem  Rotulus  facul- 
tatis  artium  Paris.,  der  1362"')  an  Urban  V.  geschickt  wurde, 
erfahren  wir,  dass  damals  wenigstens  441  Artisten-Magister  in 
Paris  waren "°).  In  demselben  Jahre  werden  aber  in  dem  Ro- 
tulus magistrorum  theologiae  Paris,  regentium  nur  25  Theologie- 
Professoren"'),  im  Rotulus  facultatis  .decretorum  11  Juristen'®'), 


274)  S.  oben  S.  109. 

275)  Beg.  SoppL  Clem.  VI.  an.  8  p.  2  Bl.  91a. 
27«)  Ibid.  Bl.  96. 

277)  Ibid.  Bl.  123. 

278)  Ibid.  Bl  183.  Zur  natio  gallicana  gehörten  165,  zu  jener  Norman- 
nomm  153,  Picardomm  158,  zur  anglicana  38.  Von  ihnen  waren  ^aliqui  bacal- 
larii  corsores  Tel  boni  scolares  in  theologia  vel  in  decretis  vel  in  medicina', 
die  ansdrflcklich  BL  199  b  genannt  werden. 

279)  Jener  der  Artisten  wurde  im  Sept.  1362  aufgesetzt  (s.  Du  Boulay 
IV,  902),  und  in  ÄTignon  5.  Eal.  Dec.  an.  1  bewilligt. 

280)  Die  natio  gallicana  z&hlt  104  auf,  jene  Picardomm  184,  Norman* 
norum  98,  Anglicana  55.  Bei  der  letztem  wird  ausdrücklich  erw&hnt,  dass 
die  Magistri  actu  regentes  waren.  UrbaniV.  Reg.  Supp.  an.  1  p.  1  Bl.  135  a. 

281)  20  Weltpriester  und  5  Ordensgeistliche.    Ibid.  Bl.  77  b. 

282)  Ibid.  Bl.  76  a. 


]24  II*  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

imBotulusmagistrorum  facultatis  medicinae  25  Magister^^')  erwähnt 
Vergleicht  man  die  Anzahl  der  Artisten  mit  jener  circa  1283, 
wo  ungefähr  120  waren '^*),  so  ergibt  sich,  dass  wie  auch  die 
übrigen  Facultäten,  so  besonders  die  Artisten  in  steter  Zunahme 
sich  befanden,  und  dass  sie  quantitativ  immer  die  Praeponderanz 
besassen '^^).  Es  musste  dazu  kommen,  dass  die  übrigen  Facul- 
täten von  den  Artisten  wie  erdrückt  wurden,  und  dies  um  so 
mehr,  als  die  Magistri  artium  nicht  bloss  das  Regime  in  den 
vier  Nationen  hatten,  sondern  zugleich  zu  der  Universitas  magi- 
strorum  gehörten. 

Zu  all  dem  kommt,  dass  die  Artisten  schon  frühe  anfiengen 
in  die  Hand  des  Bectors  zu  schwören'").  Für  unsere  Frage 
Ausschlag  gebend  ist  aber,  dass  die  Incipientes  in  artibus  vom 
J.  1289  an,  ^quando  veniunt  ad  rectorem  fide  prestita  corporair 
unter  anderm  schwören  mussten :  Item  stabitis  cum  magistris  se- 
cularibus  et  deffendetis  statum,  statuta  et  privilegia  eorundem 
toto  tempore  vite  vestre  ad  quemcunque  statum  deveneritis  •  .  . 
Item  jurabitis,  quod  libertates  singulas  facultatis  et  consuetudines, 
facultatis  honestas  et  tocius  universitatis  privilegia  deffendetis  ad 
quemcunque  statum  deveneritis'^').  Da  nun  seit  der  Mitte  des 
13.  Jhs.  alle,  welche  zur  Theologie  übergiengen,  von  den  zwei 
übrigen  Facultäten    die  meisten,    den   artistischen  Curs   früher 


^3)  Ibid.  Bl.  189  a.  Sowohl  hier  als  in  dem  obigen  Rotulus  sind  die 
Baccalarei  nicht  erwähnt. 

^  So  im  Acte  gegen  den  Eansler  Philipp  de  Thori  bei  Jourdain 
p.  45  a. 

^^)  Dass  die  Artisten  nicht  erst  in  der  2.  H&lfte  des  18.  Jhs.  die  sahl- 
reichste  Gruppe  bildeten  (s.  Sybels  Hist.  Zsch.  1881  S.  254),  sondern  bereits 
Anfangs  jenes  Jhs.,  erhellt  ans  dem  Gontracte  vom  J.  1213  (bei  Jonrdain 
n.  15).  W&hrend  es  in  Bezog  anf  die  Magistri  der  übrigen  Facultäten  ein* 
fach  heisst,  die  Migorität  solle  entscheiden,  wurde  in  Beziehung  auf  die  Ar- 
tisten bestimmt,  dass  aus  ihnen  drei  Magistri  Ton  den  Artisten  selbst,  und 
drei  Tom  Kanzler  erwählt  würden,  und  die  Migorität  dieser  sechs  soUte  ent- 
scheiden. Dies  geschah  deshalb,  weil  die  Anzahl  der  Artisten-Magistri  zu  gross 
war.  Man  vergleiche  dazu,  um  Missyerständnisse  zu  rermeiden,  oben 
S.  96  Anm.  183. 

^)  S.  oben  S.  119  u.  Anm.  259. 

387)  Cod.  Tat.  Reg.  406  Bl.  4  a. 


2.  Paris.    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  UniTersität.         125 

durchgemacht  und  das  Magisterium  erhalten  hatten,  so  ist  klar,  dass 
dieselben  auch  später,  wenn  sieMagistri  in  einer  andern  Facultät  ge- 
worden waren,  den  Artisten  gewissermassen  verbunden  blieben.  So 
schlössen  die  Artisten  im  J.  1341  den  Decan  der  theol.  Facultät 
von  ihrem  Gonsortium  aus.  Sie  konnten  dies  ihm  gegenüber  als 
einem  juratus  dictae  facultatis  artium  thun^^*).  Das  war  ein 
Zustand,  der  endlich  dorthin  fuhren  musste,  wo  er  auch  endigte, 
zur  Unterordnung  aller  Facultäten  unter  den  einen  Rector  der 
Artisten. 

Dieses  endgültige  Resultat  war  ein  ganz  unnatürliches.  Ge- 
rade jene  Facultät  war  von  nun  an  im  ausschliesslichen  Besitze 
des  Rectorats  über  die  ganze  Universität,  deren  Disciplin  immer  und 
besonders  im  12. — 13.  Jh.,  wie  wir  bereits  oben  gesehen  haben  und 
im  3.  Bande  noch  mehr  erhärten  werden,  als  blosse  Vorbereitung 
zu  den  hohem  Wissenschaften  angesehen  wurde.  Das  Studium  in 
artibus  galt  nur  als  ein  Uebergang.  Man  begreift  aber  eben 
deshalb,  warum  die  Kämpfe  zwischen  den  Theologen  und  Ar- 
tisten, die  besonders  heftig  nach  1341  ausbrachen,  bis  zur 
Zeit  Du  Boulays  nicht  mehr  aufhörten,  ja  damals  ihren  Höhe- 
punkt erreichten,  worüber  ich  im  4.  Bande  referieren  werde.  Fast 
hat  es  den  Anschein,  als  habe  die  Unterwerfung  des  Decans  der 
Theologen  im  J.  1341  mehr  einen  persönlichen  Charakter  besessen'"). 
Der  Widerstand  der  Theologen  gegen  die  Artisten  machte  sich 
am  meisten  bemerkbar,  als  man  daran  arbeitete  erstere,  unter  den 
Rector  zu  bringen.  So  z.  B.  im  J.  1339 ,  als  es  sich  um  eine  allge- 
meine Contribution  handelte"").  Später,  im  J.  1347,  lehnten  sich 
5  Magistri  der  Theologie  offen  gegen  die  facultas  artium  auf"*). 
In   demselben  Jahre   wurden   ^ad  instanciam   theologorum'    der 


s^)  Bei  Du  Boolay  IV,  268.  Die  Artisten  berufen  sich  ausdracklich 
auf  das  Jaramentnm  des  Decans  dictae  facultati  artium  olim  praestitam. 
Im  Reg.  nationis  angl.  II,  El.  41  a  heisst  es,  dass  in  vigilia  Paschae  des  ge- 
nannten Jahres  'reconciliatus  fnit  magister  Symon  de  MineUys  decanus  in 
theologia  et  rennitus  facultati  ad  gratiam,  si  privatio  eins  fuerit  iusta,  et  ad 
institiam,  si  faerit  ininsta'. 

^9)  Dies  erhellt  aus  dem  eben  citierten  Documente  bei  Du  Boulay. 

^)  Reg.  nat.  angUeanae,  II,  Bl.  36b. 

291)  Ibid.  in,  Bl.  3  b. 


126  II*   Entstehang  der  ältesten  üniversit&ten. 

Bector,  die  vier  Procuratoren  und  die  ganze  artistische  Facultät 
zur  römischen  Curie  citiert,  und  die  englische  Nation  wählte  zum 
Nuntius  ad  curiam  ad  litigandum  contra  dominos  theologos  den 
Magister  Konrad  von  Schweden"').  Auf  andere  wichtige  Docu- 
mente  dieser  Zeit,  die  bereits  der  Autor  der  Origo  vera  heran- 
gezogen hat,  komme  ich  im  4.  Bande  zu  sprechen.  Ein  ähnlicher 
Dissens  machte  sich  auch  bei  andern  Facultäten  geltend.  So 
z.  B.  scheute  sich  der  Decan  der  Decretisten  nicht  im  J.  1365 
dem  Bector  in  der  Versammlung  die  Worte  entgegen  zu  schleu- 
dern: non  curo  de  praeceptis  vestris  plus  quam  de  uno  obolo"'). 

Dass  die  Centralisation  nicht  im  Geiste  der  Pariser  Univer- 
sität lag,  machte  sich  eben  noch  lange  fühlbar.  Nicht  die  ganze 
Universität  in  Vereinigung,  sondern  jede  Facultät  für  sich  expe- 
dierte noch  nach  1341  ihre  Botuli  an  den  Papst,  wenngleich 
man  über  einzelne  Puncte  gemeinschaftlich  beriet"'*),  und  die 
Botuli  gleichzeitig  abgesendet  wurden.  Erst  der  1383  an  Cle- 
mens VII.  überschickte  zeigt  eine  Aehnlichkeit  mit  den  Botuli 
der  übrigen  Universitäten,  d.  h.  er  erscheint  als  ein  Ganzes. 
Paris  kommt  in  der  frühern  Zeit  mit  Montpellier  überein,  wo, 
den  Hader  abgerechnet,  zum  Theile  ähnliche  Verhältnisse  be- 
standen, indem  die  medicinische  Facultät,  weil  früher  bestehend, 
auch  später  nur  lose  mit  der  juristischen  verbunden  war,  so  dass 
jede  Facultät  für  sich  ihre  Botuli  nicht  bloss  abfasste  sondern 
auch  absendete. 

Allerdings  trugen  an  dem  schliesslichen  Ausgang  in  Paris  die 
drei  Facultäten  selbst  theilweise  die  Schuld.  Seit  der  Mitte  des 
13.  Jhs.  benützte  die  ganze  Universität  zur  Ausführung  von  Ge- 
schäften, die  die  Scholaren  angiengen,  nicht  selten  den  Bector, 
als  Haupt  der  Nationen,  zu  denen  die  Scholaren  gehörten.  Das 
beste  Beispiel  gewährt  uns  die  Littera  Universitatis  vom  J.  1254. 
Die  Universität  liess  zuerst  durch  die  Bedelle  den  Schülern  in 
den  Schulen  der  Dominicaner  ankündigen,  dass  zwei  Magistri 
derselben  von  der  Universität  ausgeschlossen  seien,  und  die  Scho- 

s»)  Ibid.  BL  4  a. 
s»S)  Bei  Da  Bonlay  IV,  387. 

*M*)  Dies  ergibt  sich  fflr  die  frühere  Zeit  besonders  aas  dem  J.  1348. 
Reg.  nat  angl.  III,  BL  5  b. 


2.  Paris.    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.         127 

laren  deshalb  deren  Vorlesungen  nicht  besuchen  dürften.  Darauf 
gieng  der  Rector  mit  drei  Magistern  der  Artisten  hin,  um 
den  Auftrag  zu  vollführen'^*).  Wie  sich  schon  oben  zeigte, 
SD  erscheint  auch  hier  der  Rector  als  eine  Art  Executivorgan 
der  Universität,  und  zwar  gerade  wegen  der  Scholaren.  Wie  die 
Servientes  'servientes  universitatis'  hiessen,  so  nannte  man  auch 
den  Rector  eben  deshalb  'rector  universitatis',  und  bereits  im 
J.  1261  'rector  universitatis  magistrorum  et  scholarium' "''^).  Der 
Ausdruck  hatte  später  eine  andere  Bedeutung  als  früher.  In  der 
frühem  nahm  ihn  Innocenz  IV.  in  der  oben"*)  citierten  Stelle, 
zudem  man  nicht  vergessen  darf,  dass  der  Ausdruck  'universitas'  nicht 
selten  bloss  die  artistische  Facultät  (wie  er  ja  auch  auf  die  Theo- 
logen allein  angewendet  wurde)  oder  die  vier  Nationen  bezeichnete. 
Vielleicht  wendet  man  ein,  dass  auf  diese  Weise  weder  die 
ganze  Universität  früher  ein  gemeinschaftliches  Haupt,  noch  jede 
der  drei  Facultäten  einen  Decan  gehabt  hätten,  was  doch  gegen 
den  Begriflf  einer  Corporation  Verstösse.  In  der  That  besteht 
auch  das  stereotype  Argument  Du  Boulays  in  dem  Satze:  Bis  1260 
zeigt  sich  nirgends  eine  Spur  von  Decanen,  mithin  waren  die 
Facultäten  noch  innerhalb  der  Nationen  eingeschlossen.  Er  fühlte 
aber  nicht,  dass  er  sich  selbst  damit  schlage.  Ihm  zufolge  traten 
die  Theologen  circa  1260  zuerst  aus  den  Nationen  aus,  und 
bildeten  eine  Facultät  mit  einem  eigenen  Decan.  Ihrem  Beispiele 
seien  dann  die  Decretisten  und  Mediciner  gefolgt "0-  Was  be- 
zeugen aber  die  Thatsachen?  Dass  die  Decretisten  und  Mediciner 
vor  den  Theologen  Decane  besassen.  Die  Decane  der  Decretisten 
und  Mediciner  werden  zum  ersten  Male  in  dem  Actenstücke  vom 
7.  Juli  1267  erwähnt"').  Von  einem  Decan  der  Theologen, 
die  dort  ebenfalls  aufgeführt  werden,  ist  keine  Rede.  Noch 
deutlicher  erhellt  dies  aus  der  Bulle  Clemens  IV.  vom  23.  März 
1269.  Zum  Provisor  pauperum  magistrorum  in  vico  ad  portas 
ante  palatium  de  Thermis  solle  niemand  anderer  bestellt  werden, 

»*)  8.  Do  Boulay  lU,  257. 

395)  8.  Jonrdain  n.  184. 

»«)  S.  114. 

«W)  8.  S49.  564f. 

^  Jonrdain  n.  216.    Du  Bonlay  p.  387  f.  hat  einen  sehr  defecten  Text. 


]  28  n.  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

ausser  wen  4oci  archidiaconus,  Gancellarius  Parisiensis  ac  magistri 
actu  regentes  in  theologica  facultate,  nee  non  decretistarum  et 
medicorum  decani,  rector  universitatis  Parisiensis  et  procuratores 
quatuor  nationum'  bezeichnen"').  Wäre  den  Theologen  damals 
einDecan  vorgestanden,  so  hätte  er  müssen  genannt  werden,  denn  es 
ist  nicht  abzusehen,  warum  hier  gerade  die  Decane  der  Decretisten 
und  Mediciner,  sowie  der  Rector  der  Artisten,  nicht  aber  der 
Decan  der  Theologen  angeführt  werden,  hätten  diese  einen  be- 
sessen, da  sie  doch  alle  hier  in  derselben  Position  sind. 
Erst  im  J.  1289  scheinen  die  Theologen  bereits  einen  gehabt 
zu  haben,  denn  es  wird  in  einem  Document  desselben  Jahres  all- 
gemein von  den  'decani  facultatum'  gesprochen'"*).  Im  J.  1297 
ist  aber  ausdrücklich  vom  Decanus  facultatis  theologicae  die 
Rede'*').  Da  nun  nach  Du  Boulays  Behauptung  die  Theologen 
zuerst  aus  den  Nationen  ausgetreten  waren  um  eine  Facultät  zu 
bilden,  so  folgt  sogar  nach  Du  Boulays  Ansicht,  dass  die  theo- 
logische Facultät  einige  Decennien  ohne  Decan  existiert  hat. 
Man  sieht,  auf  wie  schwachen  Füssen  das  ganze  System  dieses 
Geschichtsschreibers  ruht. 

Aber  musste  denn  nach  damaligen  Begriffen  eine  Corporation 
ein  besonderes  Haupt  besitzen  ?  Vor  allem  diene  als  Antwort,  dass 
es  sich  hier  nicht  um  die  Theorien  des  Mittelalters,  sondem  um 
die  Thatsachen  handelt,  die  sich  nicht  nach  Doctrinen,  sondem  nach 
den  Bedürfnissen  und  von  innen  heraus  entwickelten.  So  finden 
wir  Genossenschaften,  an  deren  Spitze  sogar  sechs  Rectoren,  und 
überhaupt  eine  grössere  Anzahl  von  Consuln  standen'*'),  wir 
treffen  Genossenschaften  mit  einem  einzigen  Haupte,  wir  finden 
aber  auch  solche  ohne  besonderes  Haupt,  in  denen  jedoch 
die  Majorität  die  Stelle  desselben  vertrat.  Ich  weiss  nicht 
welches  System  unsern  Begriffen  mehr  widerspricht,  das  erste, 


^)  Bei  Du  Boulay  p.  235. 

300)  s.  oben  S.  121  Anm.  264. 

^1)  Jourdain  n.  327.  Aach  Grevier,  II,  85,  sieht  diesen  Act  als  den 
ersten  an,  worin  vom  Decan  der  Theologen  ausdrückliche  Erw&hnnng 
geschieht 

30^)  Ich  komme  darauf  im  Abschnitte  aber  die  Universität  Bologna 
sarack.  S.  unten  Anm.  349. 


2.  Paris.    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.         129 

wonach  einer  Genossenschaft  eine  Mehrzahl  von  Häuptern  vor- 
gesetzt ist,  oder  das  letzte,  wonach  dieselbe  ein  corpus  acepha- 
lum  zu  sein  scheint.    Ich  glaube  wohl  das  erstere. 

Uebrigens  machte  eine  Genossenschaft  ohne  gemeinschaftliches 
Haupt  den  Theoretikern  keine  besondere  Schwierigkeit.  Die  Glossa- 
toren allerdings  sahen  es  als  selbstverständlich  an,  dass  jede  univer- 
sitas  ein  Oberhaupt,  einen  rector,  besitzen  müsse'®').  Diese  Ansicht 
war  sehr  verbreitet.  Innocenz  IV.  dagegen,  also  gerade  derjenige, 
welcher  die  Universität  Paris  wie  nur  irgend  einer  kannte  und 
zwar  in  einer  Periode,  wo  weder  sie  ein  gemeinschaftliches  Haupt, 
noch  deren  Facultäten  einen  Decan  besassen,  sagt:  Ad  esse  col- 
legii  non  exigitur,  quod  ibi  sit  praelatus  *°*).  Ebenso  betrachteten 
auch  Spätere  das  Vorhandensein  eines  besonderen  Hauptes  für  den 
Bestand  einer  Corporation  als  etwas  Unwesentliches.  So  meint 
z.  B.  Bartolo  unter  Berufung  auf  Innocenz:  De  esse  collegii  non 
est,  quod  habeat  rectorem,  potest  enim  esse  sine  rectore  seu 
praelato  .  .  .  Tarnen  si  volunt,  possunt  sibi  invicem  rectorem  fa- 
cere'"*).  Baldus  praecisiert  diese  Lehre  etwas  mehr,  indem  er 
sagt:  major  pars  universitatis  est  princeps  et  caput,  ita  quod 
non  cadit  in  intellectu,  quod  aliqua  universitas  possit  omnino 
esse  sine  capite'"®).  D.  h.  in  Genossenschaften  ohne  Haupt  ver- 
tritt die  Majorität  die  Stelle  desselben,  so  dass  die  Genossen- 
Schaft  zwar  wohl  ohne  ein  besonderes  Haupt,  nicht  aber  durchaus 
ohne  ein  solches  gedacht  werden  kann. 

Uebrigens  waren  die  Facultäten  und  die  Universität  Paris 
nicht  ganz  ohne  Vorstand.  Es  war  der  Abschluss  einer  organischen 
Entwicklung  aus  früherer  Zeit,  wenn  der  Kanzler  von  Notre  Dame 
lange  Zeit  gewissermassen  als  caput  generale  der  Facultäten  und 
in  Consequenz  der  Universität  angesehen  wurde.    Er  selbst  be- 


^^  S.  Gierke,  Das  deutsche  Genossenschaftsrecht  III,  224  f. 

3^)  In  Decret.  3.    De  praebend.    Oum  ecdesia. 

30^)  In  Big.  47  De  coneg.  illic.  1.  4.  S.  andere  Belege  und  die  Ent- 
wickelnng  dieser  Lehre  bei  Gierke  1.  c.  S.  396  f. 

30^)  In  Auth.  Edbüa  n.  78.  Doch  neigt  sich  dieser  Rechtslehrer  mehr 
der  Ansicht  zu,  dass  ein  rector  specialis  wenn  nicht  actu  so  doch  potentia 
nothwendig  vorhanden  sein  müsse.  Mit  ihm  ebenso  andere  Rechtslehrer. 
S.  Gierke,  1.  c.  S.  480  f. 

DanifU,  Die  ümyanitatoii  L  9 


130  ^  Entstehung  der  ältesten  üniTersit&ten. 

trachtete  sich  als  solches  noch  gegen  Ende  des  13.  Jhs.'^O?  trotz- 
dem er  seit  den  ersten  Decennien  desselben  nicht  wenig,  wenn- 
gleich nicht  so  viel,  als  man  bisher  annahm,  von  seiner  alten 
Macht  eingebüsst  hatte.  Auch  schrieben  die  Päpste  nicht  minder 
oft  an  den  Kanzler  als  an  die  Universität  selbst. 

Es  kann  nun  nicht  mehr  auffallen,  dass  wir  in  Toulouse,  wo 
die  Universität  nach  jener  von  Paris  gebildet  wurde,  im  13.  Jh. 
dieselbe  Beobachtung  machen,  wie  die  eben  gethane.  Die 
dortige  Universität  hatte  damals  ebenso  wenig  einen  Bector  als 
die  Pariser;  der  Kanzler  war  das  Haupt  derselben  *°'),  eine  That- 
sache,  die  sich  in  Bezug  auf  das  Studium  auch  in  Orleans  und  in 
Angers  widerholt  Erst  im  14.  Jh.  finden  wir  an  der  Spitze  dieser 
Hochschulen,  in  Angers  erst  zu  Ende  desselben,  einen  Bector '°'). 


Eines  hat  sich  nun  vor  allem  ergeben,  dass  die  Uni- 
versität Paris  im  13.  Jh.,  besonders  in  der  ersten  Hälfte  des- 
selben in  unaufhörlichem  Werden  begriffen  war,  und  dass  ein 
gewisser  Abschluss,  wenngleich  kein  natürlicher,  doch  erst  in 
der  Mitte  des  14.  Jhs.  erreicht  wurde.    Unter  allen  Facultäten 


307)  Dies  erhellt  aus  dem  Acte  gegen  den  Kanzler  Philipp  de  ThorL 
S.  oben  S.  121.  Vor  Martin  IV.  widerholte  dieser  Kanzler  aosdracklicb, 
dass  die  Universität  gegen  ihn  'licet  oniTersitatis  capud  existeret  nee  in  eum 
potestatem  haberet  sicut  nee  inferior  in  snperiorem'  sich  verfehlt  habe.  So 
im  Schreiben  Honoriiis  IV.  vom  1.  Februar  1286.    Reg.  Vat.  an.  1  ep.  263. 

308)  Koch  1290  schrieb  Bertrandns  de  Trilia  (der  doch  im  Convente 
der  Dominicaner  zu  Toulouse  1276  und  1277  und  überhaupt  in  der  Tolosaner- 
provinz  Lector  war,  mithin  Aber  den  Stand  der  üniversit&t  unterrichtet  sein 
musste)  sowie  die  Definitoren  des  Provincialcapitels  'viris  venerabilibns  ac 
dominis  providis  et  discretis  D.  Tsamo  de  s.  Paulo,  venerabili  cancellario, 
rectoribus  qnoque  dominis  doctoribus  ac  magistris,  ac  Universität!  stadii  Tho- 
losani  etc.  Cod.  Paris.  4348  Bl.  158  a.  Douais,  Essai  sur  Forganisation  des 
6tudes  dans  Tordre  des  fr^res  prScheurs,  Paris  1884  p.  148  hat  eine  irrige  Inter- 
pnnction.  Rectores  sind  hier  wie  in  den  oben  S.  108  bezeichneten  Fällen 
die  magistri  regentes. 

309)  Im  zireiten  Bande  wird  davon  ausfohrlich  die  Bede  sein.  Uebri- 
gens  vgl.  wegen  Orleans  unten  den  Abschnitt.  Wenn  ich  oben  nicht  auf  die 
englischen  Universitäten  hingewiesen  habe,  so  geschah  es,  weil  sie  sich  doch 
nur  theilweise  nach  der  Universität  Paris  gebildet  hatten. 


2.  Paris?    Stellung  des  Rectors  innerhalb  der  Universität.         131 

machte  aber  die  artistische  die  meisten  und  bedeutendsten 
Wandlungen  durch,  in  welche  die  andern  an  sich  schon  in  Bewegung 
begriffenen  Facultäten  mit  hinein  gerissen  wurden.  Einen  einiger- 
massen  ruhigen  Punkt  bilden  eigentlich  die  vier  Nationen,  denn 
die  Bewegung,  die  man  in  denselben  wahrnimmt,  ist  in  erster 
Linie  die  Bewegung  der  artistischen  Facultät.  Aufgabe  des 
Forschers  ist  es  in  der  jeweiligen  Entwickelung  der  einzelnen  Zeit- 
abschnitte die  sichern  Punkte  zu  fixieren  und  sich  zu  hüten,  die 
verschiedenen  Epochen  durch  Aufstellung  von  allgemeinen  Ge- 
setzen auszugleichen  und  zu  verwischen.  Dieses  Werden  von 
den  einfachen  Schulen  an  bis  zur  vollen  Blüthe  der  Universität 
wird  uns  in  spätem  Bänden,  z.  Th.  schon  unten  im  vierten  Ab- 
schnitte, beschäftigen. 

Fassen  wir  nun  kurz  die  Hauptresultate  zusammen,  so  er- 
geben sich  folgende: 

1.  Die  Universität  Paris  constituierte  sich  Ende  des  12.  Jhs. 
aus  der  Vereinigung  der  Lehrer  der  vier  Disciplinen:  der  Theo- 
logie, des  Jus,  der  Medicin  und  der  Artes. 

2.  Die  vier  Facultäten  bildeten  sich  erst  nach  und  nach 
innerhalb  der  Universität  durch  engere  Verbindung  der  Lehrer 
desselben  Fachs,  und  erst  allmählich  nahm  der  Ausdruck  ^facultas', 
der  ursprünglich  eine  Disciplin  bedeutete,  den  Begriff  eines  Col- 
legiums  von  Professoren  derselben  Disciplin  an. 

3.  Wenngleich  sich  anfanglich  die  Scholaren  derselben  Nation 
naturgemäss  vereinigten,  so  haben  sich  doch  gerade  die  vier 
Nationen  nicht  organisch  entwickelt,  sondern  die  Eintheilung  in 
dieselben  ist  künstlich,  und  sie  wurde  erst  nach  Constituierung 
der  Universität  in  den  ersten  Decennien  des  13.  Jhs.  gemacht. 

4«  Die  Elemente  der  Nationen  waren  alle  Scholaren  ein- 
schliesslich der  Licentiaten,  sowie  die  Magistri  artium. 

5.  Die  Magistri  artium  gehörten  also  einerseits  zu  dem  con- 
sortium  magistrorum,  welches  die  Universität  bildete,  anderer- 
seits zu  den  vier  Nationen. 

6.  Der  Rector  war  ursprünglich  Haupt  der  vier  Nationen, 
bald  aber  der  Artistenfacultät.  Anfänglich  hatten  ebenso  wenig 
die  ganze  Universität  als  die  einzelnen  Facultäten  einen  gemein- 
schaftlichen Vorsteher. 

9* 


132  n.  Entstehung  der  ältesten  üniTersit&ten* 

7.  Erst  gegen  die  Mitte  des  14.  Jhs.  wurde  der  Rector  der 
vier  Nationen,  resp.  der  Artistenfacultät ,  Vorsteher  der  ganzen 
Universität,  nachdem  ihm  gegen  Ende  des  13.  Jhs.  die  Decre- 
tisten  und  Mediciner,  vor  der  Mitt«  des  14.  Jhs.  auch  die  Theo- 
logen unterworfen  worden  waren. 

3.  Entwicklung  der  Oorporationen  an  den  Sohulen 

Bolognas. 

Wie  steht  es  aber  um  Bologna?  Bildete  sich  auch  dort 
eine  Corporation?  Hat  sie  sich  ebenso  entwickelt  wie  in  Paris? 
Die  Antwort  auf  diese  Fragen  ist  um  so  wichtiger,  als  Bologna 
in  diesem  Punkte  fast  mehr  Einfluss  auf  die  übrigen  Universi- 
täten bis  1400  ausgeübt  hat,  wie  Paris,  und  die  Forschung 
hierüber  bis  heute  nicht  sehr  weit  gediehen  ist.  Nur  schritt- 
weise wollen  wir  also  in  unserer  Untersuchung  vorwärts  gehen 
und  unsere  Schlüsse  nur  in  soweit  ziehen,  als  sie  wo  möglich 
auf  Thatsachen  der  ersten  Epoche  gestützt  sind. 

Vor  allem  müssen  wir  zwischen  reinen  und  gemischten 
Scholarenverbindungen  unterscheiden.  Die  reine  Scholaren- 
verbindung bestand  nur  aus  den  Scholaren  mit  Einschluss  der 
Baccalarei,  theilweise  auch  der  Licentiati.  Sie  wählten  in  der 
weitern  Ausbildung  aus  ihrer  Mitte  das  Haupt,  den  Bector,  dem 
alle  Gehorsam  schuldig  waren.  Die  gemischte  Scholarenverbindung 
enthielt  ausser  den  Scholaren  auch  Magistri,  und  diese  waren  in 
ihr  das  Ausschlag  gebende  Element.  Die  letztere  haben  wir 
bereits  kennen  lernen.  Bei  der  gegenwärtigen  Untersuchung  fällt 
sie  jedoch  weg,  denn  hier  beschäftigt  uns  nur  die  reine  Scholaren- 
verbindung;  bloss  von  ihr  ist  die  Bede,  wenn  man  von  der  Uni- 
versität zu  Bologna  spricht. 

Man  hat  verschiedene  Erklärungen  des  Ursprungs  der  Scho- 
larenverbindungen in  Bologna  gegeben.  Ich  berücksichtige  einst- 
weilen nur  jene,  die  mich  zu  meiner  eigenen  Ansicht  hinüber- 
führen. Luschin  bringt  den  Ursprung  der  Universität  mit  den 
Laienschulen  in   Italien  in  Verbindung"®).     Aber  wo  existiert 


Mö)  A.  a.  0.  8.  90. 


3.  Entwicklang  der  Gorporati onen  an  den  Schalen  Bolognas.       133 

hier  ein  Zusammenhang?  Laschin  corrigiert  sich  eine  Seite  später 
indem  er  meint,  Friedrich  I.  habe  als  Ausdruck  persönlicher  Gunst 
gegen  die  vier  berühmten  Bologneser  Rechtslehrer  seiner  Zeit, 
Bulgarus,  Martin,  Jacob  und  Hugo,  1158  die  Auth.  Habita  er- 
lassen, durch  welche  die  Bechtsschule  von  Bologna  zu  einer  staat- 
lich anerkannten  Corporation,  zu  einer  'universitas  personarum' 
erhoben  wurde.  Allein  fürs  erste  kommt  in  dem  Actenstücke 
nichts  von  Bologneser  Rechtslehrern  vor,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  und  dann  müsste,  wäre  dies  der  Fall  gewesen,  viel  eher 
eine  Lehrer-  als  eine  Scholarenverbindung  entstanden  sein.  Nach 
L.  v.  Stein  wurde  durch  die  genannte  Auth.  das  Recht  der  ent- 
stehenden Universitäten  begründet'*^).  Aber  in  der  Auth.  steht 
nicht  eine  Silbe  von  einer  Universitas.  Eine  solche  Erklärung 
ohne  nähere  Begründung  dient  zu  nichts.  Uebrigens  haben  diese 
Forscher  übersehen,  dass  Friedrich  L  in  seiner  im  J.  1158  er- 
lassenen Gonstitutio  pacis  alle  Gonventikel  und  Verbindungen  in 
den  italienischen  Städten  verbot®^'),  und  mithin  weit  entfernt 
sein  musste  mittelst  der  um  dieselbe  Zeit  erlassenen  Auth.  Habita 
das  Recht  der  Verbindungen  an  Hochschulen  in  den  italienischen 
Städten  zu  begründen. 

Aber  leistete  Friedrichs  Authentica  Habita  in  keinerlei  Weise 
einer  Scholarenverbindung  Vorschub?  Zwar  nicht  direct,  wohl 
aber  indirect.  Auf  Grund  von  Friedrichs  Privileg  hätten  sich 
auch  die  Magistri  vereinigen  können.  Denn  wenn  in  späterer 
Zeit  die  Examina  vor  den  Promotionen  nicht  ohne  Einfluss  auf 
die  Bildung  von  Doctorencollegien  waren,  warum  hätte  nicht 
auch  der  Umstand,  dass  den  Magistri  die  Jurisdiction  über  die 
Schüler  verliehen  wurde,  einem  ähnlichen  GoUegium  günstig  sein 
können?  Werden  doch  gerade  aus  diesem  Grunde  die  Professoren 
juris  civilis  von  Odofred  magistratus  genannt"').  Ja  man  sollte 
meinen,  dass  dieser  Umstand  wenigstens  der  Bildung  von  Gorpo- 
rationen,  die  wie  eine  Familie  von  den  Doctoren  regiert  werden, 
hätte  förderlich  sein  sollen.    Sahen  doch  die  Rechtsstudierenden 


3H)  Die  innere  Verwaltung  1.  c.  S.  248. 

«2)  In  Mon.  Germ.  IV,  112. 

31^)  In  Gonst  1.  Dig.  vet.  Illud  vero  n.  23. 


134  ^I*  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

in  jedem  ihrer  Lehrer  zugleich  ihren  Dominus.  Hostiensis  ver- 
gleicht deshalb  recht  zutreffend  den  Familienvater  mit  dem  ma- 
gister:  Dominus  potest  habere  jurisdictionem  super  suam  familiam 
sicut  magister  super  discipulos  .  .  .  quilibet  dominus  habet  fami- 
liam suam  regere '^^).  Dass  die  Magister  mit  den  Schülern  eine 
einzige  Körperschaft,  6ine  Familie  bilden  sollten,  wurde  als  das 
natürlichste  angesehen.  Doch  Friedrichs  Privileg  hatte  nicht 
diese  Wirkung. 

War  es  also  vielleicht  einer  Scholarenverbindung  günstiger? 
Wenigstens  insofern,  als  es  vorzüglich  den  Scholaren  zu  gute 
kam,  und  als  sich  in  dem  Privileg  den  Scholaren  einige  Anhalts- 
punkte boten  Corporationen  einzugehen.  Es  wurde  einmal  haupt- 
sächlich den  Scholares  forenses  (qui  causa  studiorum  peregri- 
nantur)  ertheilt,  wie  Odofred  sagt"*);  sie  werden  in  kaiserlichen 
Schutz  genommen,  auf  dass  sie  sicher  reisen  und  am  Studien« 
orte  unbehelligt  verweilen  könnten,  von  der  örtlichen  Gerichtsbar- 
keit befreit,  und  es  wird  ihnen  die  Wahl  des  Gerichtsstandes 
überlassen.  Der  Gedanke  eine  Verbindung  einzugehen  lag  in 
Folge  dessen  für  die  Scholaren  allerdings  nahe,  um  in  der- 
selben einen  bessern  Schutz  nach  aussen  zu  haben  und  die 
Privilegien  um  so  sicherer  geniessen  zu  können.  Wir  werden 
weiter  unten  sehen,  auf  welche  Weise  dies  für  die  Scholarenverbiu- 
düngen  in  Bologna  zutrifft.  Ferner  galt,  wie  wir  oben  bemerkt 
haben,  das  Privileg  zwar  allen  Schülern,  jedoch  in  besonderer 
Weise  denen  der  Rechtswissenschaft'"**).  Auch  in  Betreff  dieses 
Punktes  werden  wir  finden,  dass  sich  in  Bologna  gerade  die  scho- 
lares forenses  der  Rechtswissenschaft  zuerst  verbanden. 

Das  ist  alles,  was  man  aus  Friedrichs  Privileg,  für  sich  allein 
betrachtet,   zu  Gunsten   der   Scholarenverbindungen  vorbringen 


*!*)  Lectura  in  Decret.  2.  De  foro  competenti.  Cum  eontingai, 
31&)  Ad  Anth.  ffabüa:  Item  signori  notate,  quod  per  hoc  qnod  dielt 
constitatio  ista  'omnibus  Bcholaribus  qui  causa  studiorum  peregrinantur'  dico, 
quod  hec  constitutio  non  tangit  dominos  scholares  Bononienses  qui  sunt  rives, 
quia  ipsi  non  peregrinantur,  immo  in  domibus  suis  propriis  dcgunt,  unde 
cessante  causa  cessat  Privilegium.  Nach  Cod.  Paris.  4561  Bl.  210a.  Aehnl. 
Baldus  zur  Stelle. 

315«)  S.  oben  S.  55  ff. 


3.  Bologna.    Wesen  der  ScholarenTerbindungen.  135 

kann.    Ein   'Recht'    der  entstehenden  Universitäten  hat  es  also 
sicher  nicht  begründet 

Wie  ist  nun  also  der  Ursprung  der  Scholarenverbindungen 
in  Bologna  zu  erklären?  Bei  Beantwortung  dieser  Frage  ist  es 
nothwendig  einen  andern  Weg  einzuschlagen  als  die  frühem 
Forscher  gethan  haben,  und  als  Grundprincip  festzuhalten:  alles 
zu  scheiden  und  nichts  durch  einander  zu  mengen. 

a.  Das  Wesen  der  Scholarenverbindongen. 

Der  ursprüngliche  Charakter  der  Scholarenverbindungen  Bo- 
lognas war  der  der  freien  Genossenschaften  auf  fremdem 
Boden.  Dies  ist  eine  der  wichtigsten,  wenngleich  bisher  vielfach 
misskannten  Thatsachen  in  der  Universitätsgeschichte  des  13.  Jhs., 
geeignet  nicht  bloss  viele  Seiten  in  der  Organisation  der  Universität 
Bolognas,  sondern  auch  indirect  nicht  wenige  in  der  Organisation 
anderer  Universitäten  aufzudecken.  Man  hat  in  letzter  Zeit  diesem 
Punkte  fast  gar  keine  Aufinerksamkeit  geschenkt,  während  man 
versucht  hat  die  Nationeneintheilung  der  Pariser  Universität  und 
der  von  ihr  in  mancher  Hinsicht  abhängigen  deutschen  Universi- 
täten durch  einen  Vergleich  mit  den  Zünften  jener  Zeit  zu  er- 
klären. Allein  es  ist  nicht  gelungen  und  konnte  nicht  gelingen. 
Die  Pariser  Nationeneintheilung  wird  uns  in  einem  Stadium  be- 
kannt, in  dem  sie  wenige  Vergleichungspunkte  mit  den  Innungen 
aufweist,  am  wenigsten  aber  in  Bezug  auf  die  spontane  Entwick- 
lung derselben.  In  Bologna  dagegen,  wo  wir  die  Verbindungen, 
wenngleich  nicht  bis  zu  ihrem  Ursprung,  doch  weit  genug  zu- 
rück verfolgen  können,  um  sichere  Schlüsse  auf  ihr  Wesen  ziehen 
zu  können,  gestaltet  sich  die  Sachlage  ganz  anders.  Sie  haben 
nicht  weniger  ihre  Geschichte,  als  die  Innungen  Bolognas,  von 
denen  bereits  1211  mehrere  dort  existiert  haben'**),  und  die 
bis  zum  J.  1228  zu  20  Gewerbeinnungen  und  22  Waffengesell- 
schaften angewachsen  waren  ^^0«    I^och  entschlage  man  sich  von 


n«)  Dies  ergibt  sich  aus  einer  Urkunde  dieses  Jahres,  in  der  unter  anderm 
von  den  sacramenta  societatum  armomm  et  artium  facta  ad  honorem  et  uti- 
fitatem  Commnn.  Bonon.  die  Bed<^  ^t.    Savioli,  Annali  Bolognesi  II,  2  p.  464. 

917)  Savioli  III,  1  p.  54  ff.  58  Anm.  G,  wo  sie  aufges&hlt  werden.  Eben- 
so bei  Savisny  UI,  148  f. 


136  ^*  Entstehang  der  ältesten  Universitäten. 

vorneherein  des  Gedankens,  als  wären  die  städtischen  Innungen 
Bolognas  der  Beweggrund  für  die  Scholaren  zum  Eingehen  von 
Genossenschaften  gewesen.  Das  Motiv  zur  Bildung  von  Scho- 
larenverbindungen war  vielmehr,  wie  sich  aus  dem  Verlaufe  der 
Untersuchung  ergeben  wird,  dem  Wesen  nach  dasselbe,  welches 
z.  B.  die  deutschen  Kaufleute  in  fremden  Ländern  und  Städten 
zur  Bildung  von  Genossenschaften  ihrer  Nationalität  bestimmte. 
Dass  aber  die  Organisation  der  Scholarencorporationen  von 
italienischen,  besonders  Bologneser  Verhältnissen  beeinflusst  war, 
brachte  die  Natur  der  Sache  mit  sich.  Die  Scholarenverbindungen 
Bolognas  bilden  eine  Klasse  für  sich  unter  den  freien  Genossen- 
schaften des  12.  und  13.  Jhs.,  die  weder  mit  den  Gilden,  noch 
mit  den  gewerblichen  Zünften  allein  vollends  übereinstimmen. 

Diefolgende  Untersuchungbringt  denBeweis  für  meine  eben  aus- 
gesprochenen Behauptungen.  Die  Anordnung  der  Argumente  und  die 
ganze  Darstellung  ist  durch  die  Beschaffenheit  der  Quellen  bedingt 

Im  Anfange  des  13.  und  zu  Ende  des  12.  Jhs.  waren  die  Scho- 
laren Bolognas  noch  nicht  in  zwei  Corporationen,  der  Gitramon- 
tani  und  Ultramontani,  getheilt,  es  bestanden  damals  mehr  denn 
zwei  Corporationen.  Bereits  Savigny  war  zu  diesem  Schlüsse 
geneigt,  da  auch  in  Vicenza,  dessen  Studium  1204  durch  Aus- 
wanderung aus  Bologna  ins  Leben  gerufen  war,  und  in  Ver- 
celli,  1228  von  Padua,  indirect  also  von  Bologna  aus  gegründet, 
vier  Corporationen  existierten"').  Diese  Vermuthung  erhält  durch 
folgende  Erwägung  volle  Sicherheit. 

Am  27.  Mai  1217  schreibt  Honorius  HI.  'Scolaribus  universis 
de  Urbe,  Campania  et  de  Tuscia  Bononie  commorantibus'***). 
Wie  aus  dem  Schreiben  hervorgeht,  bildeten  diese  Scholaren 
unter  einander  eine  Genossenschaft,  denn  der  Papst  beginnt  also: 
Etsi  multam  honestatem  immo  necessitatem  sicut  asseritis  causa 


«18)  Sayigny  III,  178  Anm.  a;  277.  307.  309  f. 

319)  Bei  Sarti  1.  c.  II,  58.  Da  Savigny  auf  diese  Ueberschrift,  die  in 
der  That  Ausschlag  gebend  ist,  gar  nicht  achtete,  glaubte  ich  anfftngUch,  sie 
sei  verdächtig  und  finde  sich  vieHeicht  nicht  in  den  Vatic.  Regesten.  AUein 
dem  ist  nicht  so,  denn  wie  ich  sie  ohen  gegeben,  steht  sie  an.  1  ep.  453. 
Bl.  UOb.  Dass  Späteren  dies  entgieng,  darf  nicht  Wunder  nehmen;  im 
besten  Falle  haben  sie  nur  Savigny  excerpiert. 


3.  Bologna.    Wesen  der  SchoIarenTerbindnngen.  137 

contineat,  que  vos  ad  contrahendam  societatem  induxitetc.  Aus 
dieser  Stelle  ergibt  sich  einmal,  dass  die  Italiener,  weil  die 
Scholaren  aus  Tuscien,  der  Campagna  und  Rom  eine  Genossen- 
schaft bildeten,  noch  keineswegs  unter  einander  eine  einzige  Uni- 
versitas  unter  dem  Namen  Citramontani  constituiert  hatten,  sondern 
zum  allerwenigsten  zwei,  die  eben  angeführte,  und  dann  allenfalls 
die  Oberitaliens.  Eine  Erhärtung  erhält  diese  Beobachtung  durch 
Accurs  Glosse  in  Dig.  Quod  cuiusgue  universitaiis  1.  1,  wo  er  auf- 
zahlt, welche  Genossenschaften  erlaubt  seien.  Zu  ihnen  rechnet 
er  auch  die  congregatio  scolarium  Tuscorum"°).  Diese  Glosse 
ist  unzweifelhaft  in  Verbindung  mit  dem  eben  citierten  Schreiben 
Honorius  III.  Wir  wissen  nun  auch,  welche  Benennung  die  eine 
italienische  Genossenschaft  gehabt  hatte,  nämlich  Tuschi  oder 
Toschi.  Eben  dasselbe  muss  man  aus  einer  Stelle  Odofreds  in 
Cod.  schliessen,  wo  er  vom  Streite  inter  Lombardes  et  Tuscos 
zur   Zeit  Azos   spricht'").     Die   oberitalienische  Scholaren ver- 

^^)  y.  cdumun:  Item  qnelibet  congregatio  pro  insticia  conservanda  ut 
scolarium  tnscorum  vel  universitas  totius,  ut  c.  De  iurisd.  omn.  iud.  etc. 
Nach  Cod.  31 A.  im  Archiv  von  S.  Peter.  Tniversitas  totius'  bezeichnet  die 
Gesammtheit  der  Lehrer  und  Schüler.  Bartolo  in  Dig.  de  coli,  illic.  1.  4  n.  18. 

^^)  In  Auth.  Habiia,  Die  Professoren  hätten  zur  Zeit  Azos  das  Pri- 
vileg der  Criminaljarisdiction  ttber  die  Scholaren  der  Stadtobrigkeit  über- 
lassen und  zwar  aus  dem  Qrunde:  quia  inter  Lombardes  et  Tuscos  fuit 
maxima  discordia  et  maximum  bellum,  ita  quod  domini  doctores  non  poterant 
86  intromittere  in  puniendo  eos,  unde  dixerunt,  quod  potestas  huius  civitatis 
intromitteret  se  in  criminali  causa  . . .  sed  hodie  reversum  est  ad  pristinum 
statum;  tamen  deus  velit  quod  non  faciant  sibi  male  ad  invicem,  nam  per 
doctores  male  pnnientar  illa  maleficia.  Diese  Stelle  Odofreds  macht  es  wahr- 
scheinlich, dass  sich  in  Bologna  die  zwei  italienischen  Scholarenverbindnngen 
unter  den  Namen  der  Lombardi  und  Tuschi,  zu  denen  auch  die  Scholaren 
von  Rom  and  der  Campagna  gehörten,  nach  dem  Vorbilde  der  beiden  Waifen- 
gesellschaften,  der  societates  Lombardorum  und  der  Toschi,  die  bereits  1174 
erwähnt  werden,  gebildet  haben.  Muratori,  Rer.  ital.  SS.  XVIII,  243.  8a- 
violi,  Annali  Bolognesi  U,  1  p.  40.  42  f.  Savioli  bezieht  1.  c.  p.  350  354 
Odofreds  Worte  auf  einen  Krieg  zwischen  diesen  beiden  Waffengesellschaften. 
AUein  Odofred  spricht  ja  nur  Ton  den  Scholaren ;  seine  Worte  geben  keinen 
andern  Sinn,  so  dass  man,  selbst  die  Richtigkeit  von  Saviolis  Erklärung  vor- 
ausgesetzt, annehmen  mflsste,  die  Scholaren  seien  auch  Mitglieder  der  Waffen- 
gesellschaften gewesen.  Odofred  sagt  noch  ausdrücklich  in  Bezug  auf  die 
renunciatio :  habuit  locum  in  scolaribus  non  clericis  etc. 


138  I^  Entstehung  der  ältesten  UniTersit&ten. 

bindung  wurde  also  mit  Lombardi  bezeichnet.  Somit  gab  es  im 
Beginne  des  13.  Jhs.  in  Bologna  wenigstens  zwei  Genossenschaften 
italienischer  Studenten:  die  Toschi  und  Lombardi.  Eine  Scheidung 
innerhalb  der  Italiener  finden  wir  auch  in  Vercelli,  und  zwar 
werden  hier  ebenfalls  speciell  die  Lombardi  genannt,  wie  wir 
unter  Vercelli  sehen  werden. 

Gab  es  aber  damals  noch  nicht  die  vereinigte  Universitas 
der  Gitramontani,  so  natürlich  auch  nicht  jene  der  Ultramontani, 
denn  dieser  Name  hat  hier  nur  in  (Korrelation  mit  dem  erstem 
einen  Sinn.  Es  versteht  sich  doch  zudem  von  selbst,  dass,  wenn 
die  Italiener  nicht  unter  sich  geeinigt  waren,  dies  noch  weniger 
bei  den  übrigen  Nationen  der  Fall  sein  konnte.  Von  den  vielen 
Tausenden  der  Scholaren,  die  damals  in  Bologna  studierten'"), 
gehörte  ein  grosser  Theil  dem  Auslande  an. 

Nun  erst  begreift  man,  warum  an  den  Studienanstalten, 
welche  von  Bologna  aus  mittelbar  oder  unmittelbar  durch  Aus- 
wanderung gegründet  wurden,  ebenfalls  mehrere  Corporationen 
bestanden.  In  Vicenza  gab  es  ausser  der  Universitas  der  Ita- 
liener auch  eine  der  Engländer,  der  ProvenQalen  und  der  Deut- 
schen"'). Ebenso  finden  wir  in  Padua  im  J.  1228  wenigstens 
drei  Corporationen,  die  der  Italiener,  der  Francigena^  und  der 
Provinciales"*).  In  Vercelli  waren  in  demselben  Jahre  vier 
geplant,  und  zwar  in  derselben  Weise  wie  in  Vicenza,  nur 
mit  dem  Unterschiede,  dass  dort  statt  der  Engländer  die  Franci- 
genae  erscheinen''^).  Da  nun  an  allen  diesen  Studienanstalten  die 


^  Odofred  sagt  I.  c.  als  Angenieoge:  'et  erant  hie  (Bononie)  tnnc 
temporis  X  milia  scolares'  (nach  Cod.  Paris.  4561  Bl.  210  a),  d.  L  zur  Zeit 
Azo8  im  Anfange  des  13.  Jhs. 

^  Am  deutlichsten  erhellt  dies  aus  einer  Urkunde  vom  J.  1205  bei 
Mittarelli,  Annales  camaldulenses  IV,  Append.  p.  260,  verglichen  mit  einer 
Urkunde  vom  J.  1206,  ibid.  p.  262. 

^)  Diese  drei  Corporationen  waren  theils  durch  die  Rectoren,  theils 
durch  einen  Procurator  beim  Contrakte  mit  der  Stadt  Vercelli  ver- 
treten. 8.  das  Document  bei  Balliano,  Della  universiti  degli  studi  di  Ver- 
celli p.  Sa.  Nur  obige  drei  Corporationen  werden  genannt;  gewiss  existierte 
aber  noch  eine  vierte,  n&mlich  die  der  Deutschen,  die  ja  mit  dei\.  andern  in 
Vercelli  eingefOhrt  werden  soUte.   Sie  war  beim  Contrakte  nur  nicht  vertreten. 

»&)  Bei  Balliano  p.  40. 


3.  Bologna.    Wesen  der  Scholarenverbindungen.  139 

Italiener  zu  6iner  Corporation  vereinigt  waren,  nicht  so  aber  in 
Bologna,  wo  die  Italiener  wenigstens  zwei  Genossenschaften  bildeten; 
da  femer  an  den  genannten  Orten  ausser  der  Corporation  der 
Italiener  noch  drei  der  Scholaren  der  übrigen  Länder  existierten : 
so  ist  der  Schluss  gerechtfertigt,  dass  in  Bologna  ursprünglich 
im  Ganzen  nicht  bloss  mehr  denn  zwei,  sondern  mehr  denn  vier 
Scholarenverbindungen  oder  universitates,  societates  scholarium 
bestanden  "•). 

Diese  Scholarenverbindungen  waren  aber  schon  frühzeitig 
gegliedert,  d.  h.  die  einzelne  Corporation  umfasste  nicht  bloss 
die  Scholaren  einer  einzigen  Gegend,  sondern  die  mehrerer  an 
einander  gränzender  Provinzen.  So  waren  z.  B.  die  Römer  und 
die  Scholaren  der  Campagna  und  Tusciens  zu  öiner  Corporation 
vereinigt  Wichtiger  war  dies  in  Bezug  auf  die  Schüler  jenseits 
der  Alpen 9  indem  nicht  jede  Nation  stark  genug  vertreten  war 
um  eine  Corporation  zu  bilden  und  sie  deshalb  genöthigt  war 
sich  den  ihr. näher  liegenden  Nationen  anzuschliessen.  Wir  finden 
deshalb,  dass  Scholaren  nicht  bloss  verschiedener  Provinzen, 
sondern  verschiedener  Nationen  und  Länder  zu  Genossenschaften 
zusammengetreten  waren.  So  gehörten  bereits  1228  in  Padua 
zu  den  Francigenae  die  Anglici  und  Normanni;  zu  den  Provin- 
ciales die  Spani  et  Catalani'^').  Nach  der  an  Mitgliedern  reichsten 
Nation  wurde  die  Corporation  benannt,  von  der  jene  jedoch 
ebenso  wie  die  übrigen  Nationen  ein  Glied  ausmachte. 

Möglich  ist,  dass  ursprünglich  die  eine  oder  andere  Nation 
für  sich  eine  Corporation  bildete,  und  dass  erst  mit  der  Zeit  meh- 


^  Behaaptttngen,  wie  die,  bereits  im  12.  Jh.  hätten  sich  in  Bologna 
die  Studierenden  inCitramontani  undUltramontani  geschieden,  sind  nicht  mehr 
haltbar.  Diese  Behauptung  hatte  bis  in  die  jOngste  Zeit  ihre  Vertreter.  Man 
▼ergl.  Gersdorf  in  den  Mittheilungen  der  deutschen  Gesellsch.  z.  Erforsch, 
vaterl.  Spr.  u.  Alterth.  Y,  9.  Paulsen  in  Sybels  Hist.  Zsch.  1881  S.  256. 
Scarabelli,  Costituzionl ,  discipline  e  riforme  delP  antico  studio  Bolognese 
(Piacenza  1876),  p.  18.  Einzig  steht  dieser  da  mit  der  Behauptung,  bis  1265 
bitten  beide  Genossenschaften  zusammen  nur  einen  Rector  gehabt  (p.  39). 
Der  Autor  hat  überhaupt  Tom  Entwicklungsgange  der  Corporation en  zu 
Bologna  keinen  Begriff,  und  spricht  in  wenigen  Sätzen  Qber  denselben. 

^)  Bei  BaUiano,  1.  c. 


240  ^^'  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

rere  zu  einander  traten.  Allein  mit  Bestimmtheit  kann  dies  nicht 
mehr  behauptet  werden. 

Aus  dem  päpstlichen  Schreiben  vom  J.  1217  wird  aber  auch 
klar,  dass  die  Scholarenverbindungen  sich  nicht  auf  einmal  und 
zugleich,  sondern  nach  und  nach,  die  eine  nach  der  andern,  ge- 
bildet haben.  Aus  den  Worten  des  Papstes  muss  man  nämlich 
schliessen,  dass  die  Corporation  der  Scholaren  von  Rom,  der 
Campagna  und  Tusciens  im  J.  1217  noch  ganz  jung  war;  der  Papst 
redet  zu  denjenigen,  die  zu  derselben  zusammengetreten  waren. 
Nun  gab  es  aber  bereits  Ende  des  12.  Jhs.,  zur  Zeit  des  Joh. 
Bassianus,  solche  Verbindungen,  denn  dieser  bestreitet  den  Scholaren 
das  Recht  consules  eligere,  was  nur  einen  Sinn  hat,  wenn  schon 
damals  eine  oder  mehrere  Scholarenverbindungen  existierten'"). 

Der  Wortlaut  des  pästlichen  Schreibens  führt  uns  aber  auch 
zum  Schlüsse,  dass  solche  Verbindungen  freie  Innungen  waren. 
Denn  welchen  Sinn  sollen  sonst  die  Worte  besitzen :  que  vos  ad 
contrahendam  societatem  induxit?  Die  Scholaren  giengen  einen 
wechselseitigen  Vertrag  ein.  Dies  wird  durch  die  weitern  Worte 
des  Papstes  noch  mehr  klar.  Sie  sollten,  meint  derselbe,  eher 
die  Stadt  verlassen,  als  die  Corporation  auflösen  oder  in  ihre 
Statuten  ein  von  dem  Podestä  ihnen  aufgedrängtes  ihrer  Freiheit 
schädliches  Statut  aufnehmen,  da  sie  sowohl  das  eine  wie  das 
andere  zu  thun  durch  ein  von  ihnen  eidlich  geleistetes  Versprechen 
verhindert  seien"').  Von  dieser  einen  Corporation  ist  aber  der 
Schluss  auf  die  andern  gerechtfertigt. 

Die  letzten  Beobachtungen  führen  uns  um  einen  Schritt 
weiter.  Die  Scholarenverbindungen  waren  freie  Genossenschaften, 
die  nach  und  nach  sich  bildeten;  die  jüngste  derselben  war  jene  der 


338)  Ich  komme  alsbald  darauf  znrflck. 

339)  Universitatem  yestram  monemus  . .  .  qaatenus  in  actibns  (Sarti 
falsch:  artibus)  vestris  eam  de  cetero  modestiam  observetis,  ut  et  Infamie 
notam  et  reram  dispendium  omnino  vitetis,  de  civitate  exire  quam  periurii 
reatum  incurrere  pocius  eligentes,  si  ad  altemm  predictorum  per  potestatem 
contingeret  tos  arctari,  vos  enim  societatem  dissoWere  ant  statutum  iUud 
contra  libertatem  scolarium  vestris  statntis  inserere  non  potestis,  qni  ntramque 
(Sarti:  utnimque)  servare  et  quam  potestis  diligencius  procnrare  fide  inter- 
posita  promisistis.    Sarti  L  c.  und  Reg.  Yat,  1.  c. 


3.  Bologna.    Wesen  der  Scholarenverbindangen.  141 

Toschen,  aus  Rom,  der  Campagna  und  Tuscien  recrutiert.  Nach 
ihr  hat  sich  keine  neue  mehr  entwickelt,  im  Gegentheile  haben  sich 
bald  darauf  die  bereits  bestehenden,  wie  wir  sogleich  sehen  werden, 
mehr  concentriert.  Der  Gedanke,  zu  Genossenschaften  zusammenzu- 
treten, gieng  also  wahrscheinlich  nicht  von  den  Scholaren  italienischer 
Nation  aus,  sondern  von  denen  fremder  Nationen.  Ich  sage  'wahr- 
scheinlich', denn  mit  völliger  Sicherheit  kann  dies  nicht  gesagt 
werden,  weil  jede  Nachricht  über  die  Scholarenverbindung  der 
Norditaliener  fehlt.  Aber  abgesehen  davon,  dass  der  Ursprung  der 
einzelnen  italienischen  Genossenschaften  nicht  allzu  weit  aus  einander 
liegen  konnte,  ist  es  schon  in  der  Natur  der  Sache  begründet, 
dass  sich  zuerst  die  nichtitalienischen  Scholaren  auf  fremdem 
Boden,  nämlich  in  Italien,  nach  Nationalitäten  vereinigten,  und 
dann  erst  die  Italiener,  die  in  Bologna  ja  auch  fremde 
waren,  während  die  Scholares  cives  von  Bologna  niemals  eine 
Verbindung  eingiengen.  Dass  sich  gerade  die  Fremden  einigten, 
war  ebenso  ein  Bedürfniss,  als  dass  sich  z.  B.  die  deutschen 
Eaufleute  in  der  Levante,  in  Italien  oder  in  England  unter  ein- 
ander verbanden.  Schon  an  sich  ist  es  natürlich  und  durch  die 
Erfahrung  bestätigt,  dass  die  Landsleute  in  der  Fremde  zusam- 
menhalten. Die  Scholaren  des  Mittelalters  hatten  keine  andere 
Gewohnheit.  Robert  de  Sorbonne  bezeichnet  es  als  eine  gute 
Sitte  der  Pariser  Schüler,  dass  sie  mehr  die  Schulen  von  Lehrern, 
die  ihre  Landsleute  sind,  besuchen,  als  die  anderer "°).  Und  in 
der  That  findet  man  im  Registrum  nationis  anglicanae  zu  Paris"*) 
des  14.  Jhs.,  dass  z.  B.  die  Deutschen  fast  regelmässig  unter  einem 
deutschen  Professor  das  Licentiat  in  artibus  nahmen  und  anfien- 
gen.    Bestanden  auch  in  Bologna  in  Bezug  auf  das  Licentiat  und 


^^)  Liber  conscientie  im  Cod.  Paris.  15954  BI.  335  ar  Item  nota  quod 
boni  scolares  parisius  libencius  audiunt  a  magistris  compatriotis  suis  et  magis 
notis  et  magis  familiaribas  sibi,  maxime  si  sint  eqae  boni  yel  meliores,  quam 
ab  aliis.  Immo  erabescont  maxime  audire  ab  extraneis  etc.  Bei  anderer 
Gelegenheit  (in  einer  Predigt  der  Sammlung  des  Peter  t.  Limoges,  Cod.  Paris. 
15971  Bl.  146b)  rflgt  er  allerdings  die  Scolares,  'qui  vadont  solum  ad  ma- 
gistros  compatriotas  yel  notos',  was  auch  die  Ansicht  des  hl.  Thomas  in  einer 
Collatio  ist  (Cod.  Paris.  15034  Bl.  50a);  aUein  es  beweist  immerhin  die  That- 
Bache,  dass  die  Scolaren  ihre  Landsleute  aufsuchten. 

^)  Im  Universit&tsarchiT  zu  Paris. 


142  n*  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

überhaupt  die  Studien  andere  Verhältnisse  als  in  Paris,  so  blieben 
diese  doch  dieselben  betreffs  des  Principes  der  gegenseitigen  Ver- 
bindung der  Scholaren  einer  und  derselben  Nation. 

Allein  hier  liegt  noch  ein  tieferer  Grund  vor,  nämlich  der 
des  gegenseitigen  Schutzes  und  der  Unterstützung,  deren  vor 
Allem  die  Fremden  bedürftig  waren.  Dies  war  ein  Grundprincip 
bei  Gründung  einer  jeden  freien  Genossenschaft  jener  Zeit'")« 
Ein  städtisches  Statut  Bolognas  vom  J.  1211  weist  sehr  deut- 
lich darauf  hin.  Der  Podestä  Wilhelm  de  Pusteria,  der  in  den 
Streitigkeiten  der  Stadt  mit  den  Scholaren  öfters  genannt  wird, 
verordnete  nämlich  im  genannten  Jahre,  'quod  nuUus  de  civitate 
Bonon.  vel  districtu  vel  aliunde  amodo  in  antea  se  astringat 
per  promissionem  vel  securitatem  vel  sacramentum  sub  aliquo 
ingenio  de  adjuvando  unus  alium,  nee  ab  aliquo,  qui  sit  de  di- 
strictu Bononie  vel  aliunde,  promissionem  vel  sacramentum  vel  se- 
curitatem'") de  se  adjuvando  recipiat,  salvis  sacramentis  socie- 
tatum  armorum  et  artium  factis  ad  honorem  et  utilitatem  Com- 
munis Bononie\  Jeder  soll  innerhalb  40  Tage  alle  jene  'qui  sunt 
sibi  astricti'  in  genannter  Weise,  von  dem  Schwüre  und  den  Ver- 
pflichtungen entbinden.  Jeder  Bürger  wird  angehalten,  die  zu- 
wider Handelnden  anzuklagen,  wofür  ihm  die  Hälfte  der  den- 
selben auferlegten  Geldstrafe  versprochen  wird.  —  Wenn  schon 
Einheimische  sich  verbindlich  machten  sich  gegenseitig  zu  unter- 
stützen (und  von  den  Einheimischen  ist  an  der  eben  citierten 
Stelle  vor  allem  die  Rede),  um  wie  viel  mehr  Grund  dazu  hatten 
die  Fremden.    Interessant  ist,  dass  dieses  Statut  gerade  in  jene 


^  Sehr  gut  drflckt  dies  die  Synode  von  Ronen  v.  J.  1189  aus: 
Sunt  qoidam  tarn  clerici  quam  laici  huinsmodi  societatem  ineuntes,  ut  de 
cetero  in  qniboslibet  causis  vel  negotiis  mntnmn  sibi  prestent  anxilium,  cer- 
tam  in  eos  poenam  statuentes,  qoi  contra  huiusmodi  veninnt  constitutum. 
Die  Synode  verbietet  solche  societates  sea  fraterias.  Mansi,  Coli.  Concil. 
XXn,  585  n.  25. 

^  Savioli,  der  II,  2  p.  466  dieses  Docninent  anfahrt,  hat  hier  einen 
▼erderbten  Text.  Ich  habe  ihn  im  obigen  wider  hergestellt  Diese  Verord- 
nnng  kommt  in  den  Statuta  popnli  Bononiensis  vom  J.  1250,  die  Loigi  Frati 
mit  den  Statuten  der  nftchstfolgenden  Jahre  ediert  hat  (Statntl  di  Bologna, 
Bologna  1869—1877),  nicht  mehr  vor. 


3.  Bologna.    Wesen  der  ScholarenTerbindangen.  143 

Zeit  fällt,  da  die  Spannung  zwischen  der  Stadt  und  den  Scho- 
larenverbindungen  bereits  begonnen  hatte. 

Die  Sorge  fiir  gemeinsame  Geselligkeit  und  gemeinsamen 
Rechtsschutz  waren  wohl  vor  allem  das  treibende  Motiv  für  die 
fremden  Scholaren  zu  Bologna  Verbindungen  unter  sich  einzu- 
gehen. Dies  macht  es  erklärlich,  warum  wir  in  der  Folge  immer 
die  Gesammtbeit  einer  Genossenschaft  die  Parthei  eines  einzelnen 
Mitgliedes  gegenüber  fremder  Bedrückung  ergreifen  sehen ;  warum 
bei  empfangenem  Unrecht  von  Seite  der  Stadt  die  Auswanderung 
der  Scholaren  von  Bologna  seit  der  Wende  des  12.  Jhs.  nie  mehr 
vereinzelt,  sondern  immer  in  Gorporationen  und  Verbindungen 
statt  hatte;  warum  sich  nach  und  nach  innerhalb  der  einzelnen 
Genossenschaften  ein  vollständiger  Gerichtsstand  ausbildete. 

Gegenseitiger  Unterstützung  waren  die  Scholaren  vorzüglich 
bei  der  Wohnungsmiethe  am  fremden  Orte  und  bei  dem 
Abkommen  mit  den  Hausbesitzern  bedürftig.  Die  in  Bologna 
ansässigen  Scholaren  hatten  nicht  nöthig  sich  um  Wohnungen 
umzusehen  *^^);  nur  die  Fremden  kamen  in  diese  Lage.  Es  war 
dies  eine  der  Hauptangelegenheiten  der  Scholaren  des  Mittel- 
alters, für  die  sich  besonders  die  Päpste  interessierten.  In 
Bologna  galt  schon  Ende  des  12.  Jhs.  das  Gesetz,  dass  ein  'scho- 
laris  conducens  hospitium,  in  quo  est  alius  scholaris  apud  Bono- 
niam\  excommuniciert  sei*").  Von  keiner  andern  Universität 
gibt  es  hierüber  so  frühe  Nachrichten.  Hätte  nur  der  ein- 
zelne Scholar  für  sich  allein  mit  dem  Hausherrn  zu  verhandeln 
gehabt,  so  würde  er  immer  den  Kürzern  gezogen  haben;  als  Mit- 
glied der  Corporation  war  er  aber  so  stark  wie  diese  selbst,  denn 
nicht  mehr  der  einzelne,  sondern  die  Genossenschaft  verhandelte 
durch  Abgeordnete  mit  den  Hausherren.    Darum  begegnen  wir 


3M)  YgL  oben  S.  134  Anm.  815  Odofreds  Worte. 

^  So  im  Cod.  €7  in  Dijon  aus  dem  ersten  Drittel  des  13.  Jhs. ,  wo 
die  Stette  mit  mehreren  andern  unter  Briefen  Alexanders  III.  steht.  Die 
Gnmdlage  hierfür  bietet  eine  Verordnung  Clemens  III.  (1137— 1191)  in  der 
2.  CompU.  Decret.  (die  gekürzt  in  den  Decret.  Greg.  3  De  loc.  c.  7  sich 
findetX  rosp.  die  Constitution  des  Cardinallegaten  Wilhelm  vom  J.  1176  bis 
1177.  S.  Sarti  I,  XXIII  sq.  Aso  beruft  sich  im  Comment  et  magn.  appar. 
ad  sing.  leg.  C.    De  loc.  (4,  65)  1.  32  auf  Clemens. 


144  n.  Entsteliimg  der  ältesten  üniversit&ten. 

Bestimmungen  über  Taxation  der  Wohnungen  nur  an  jenen 
Schulen,  an  denen  Corporationen  bestanden.  Eines  der  trefflich- 
sten Beispiele  bietet  Orleans"*). 

So  kam  es,  dass  die  Scholarenyerbindungen  Bolognas  nur 
aus  Fremden,  sei  es  Italienern  oder  Nichtitalienem ,  bestanden. 
Das  Motiv  zur  Eingehung  derselben  brachte  dies  mit  sich.  Schon 
in  Friedrichs  Auth.  Habita  erhielten  nur  die  scholares  forenses 
die  Privilegien ''^).  In  Bologna  war  dies  so  stark  ausgebildet, 
dass  dort  der  fremde  Schüler  xa%'  i^x^^  scholaris  hiess"'). 
So  glichen  die  Scholarenyerbindungen  Bolognas  den  Scholen  der 
Fremden,  die  einstens  in  Rom  waren  ^^'),  und  nicht  weniger  auch 
den  kaufimännischen  Genossenschaften,  die  in  Folge  von  Nieder- 
lassungen in  fremden  Städten  sich  nach  den  verschiedenen  Natio- 
nalitäten bildeten. 

Doch  wurden  sie  Ende  des  12.  und  Anfangs  des  13.  Jhs. 
nicht  mit  den  Hansen  verglichen,  sondern  vielmehr  mit  den 
städtischen  gewerblichen  Zünften  von  Bologna  und  Umgebung,  und 
zwar  wohl  vor  allem  deshalb,  weil  sie  in  der  Organisation  mit 
denselben  vielfach  übereinkamen.  An  jener  Stelle,  wo  Azo  das 
Recht  der  Scholaren  bestreitet  sich  Consuln  zu  wählen,  gibt  er 
als  Grund  an,  dass  dies  auch  nicht  die  discipuli  pellipariorum 
vel  fabrorum  aut  similium  corporum  thäten;  dies  sei  das  Amt 


336)  Obwohl  dort  beinahe  das  ganze  13.  Jh.  ein  Gencralstudinm  bestand, 
wurden  doch  erst  1306,  d.  h.  in  dem  Jahre,  als  die  Corporation  von  Lehrern 
und  Schalem  erlaubt  wurde,  Bestimmungen  Aber  die  Wohnungsmiethc  ge- 
geben.   Clem.  y.  Reg.  Tat.  an.  1  ep.  327  Bl.  64. 

337)  S.  oben  S.  134. 

33S)  Dies  geht  aus  Stellen  hervor,  wie  s.  B.  die  in  den  städtischen  Sta- 
tuten: nuUuB  civis  civitatis  Bononie  vel  districtus  Bononie  debeat  jurare  sub 
aliquo  rectore  scolarium  vel  sub  aliquo  alio  Scolari.  Ed.  Frati  II,  29.  Unter 
dem  'civis'  ist  hier  etwa  nicht  jedweder  Borger  Bolognas  lu  verstehen,  denn 
dies  hätte  keinen  Sinn,  sondern  der  Scolaris  civis.  Unter  dem  'Scolaris'  aber 
wird  der  fremde  Schüler  verstanden«  Aehnlich  auch  in  den  Statuten  1.  c. 
II,  23.  Was  von  Stein  a.  a.  0.  S.  256  f.  über  den  'scholaris'  und  'studens' 
sagt,  verdient  keine  Berücksichtigung. 

339)  Sie  hiessen  Scholae  peregrinorum,  und  es  werden  genannt  Scholae 
Francorum,  Frisonum,  Saxonum  atque  Langobardorum.  Vita  Leonis  III. 
n.  372.    Migne,  Fatrol.  lat.  tom.  128  p.  1215. 


3.  Bologna.    Wesen  der  Scbolarenverblndongen.  145 

der  Meister  •").  D.  h.  gerade  weil  die  Scholarenverbindungen  den 
gewerblichen  Innungen  glichen,  sollten  sich  jene  ebenso  wie 
diese  ihre  Consuln  von  ihren  Meistern,  nämlich  den  Professoren, 
vorsetzen  lassen.  Wie  wir  sehen  werden,  war  dies  auch  die  An- 
sicht der  Nachfolger  Azos. 

Dieser  Umstand  veranlasst  uns  die  Scholarenverbindungen 
von  einer  andern  Seite,  nämlich  der  ihrer  Uebereinstimmung  mit 
den  städtischen  Innungen  Italiens,  zu  betrachten.  Die  Haupt- 
umrisse der  Organisation  sowohl  auf  Seite  der  städtischen  In- 
nungen als  auf  jener  der  Scholarenverbindungen  decken  sich  so 
ziemlich.  Erwägen  wir  vor  Allem  die  äussern  Momente,  und 
zuerst  die  Benennung  der  Vorsteher  der  einzelnen  Genossen- 
schaften. Das  Haupt  der  einzelnen  Scholarenverbindungen  war 
keineswegs  'Rector  studii',  wie  später  in  Spanien,  in  Frankreich 
und  an  den  italienischen  Universitäten  des  14.  Jhs.,  sondern  ledig- 
lich Rector  societatis  oder  universitatis  scholarium.  Der  letzte 
Ausdruck  wird  bereits  in  einer  oben  citierten  Urkunde  vom 
J.  1206,  die  Schule  von  Vicenza  betreflfend,  erwähnt'*').  Gewiss 
sagte  man  schon  damals  auch  ^rector  scholarium"*').  Später 
wenigstens  werden  beide  Bezeichnungen  abwechselnd  gebraucht, 
die  immer  dasselbe  bedeuten :  den  Vorsteher  der  Genossenschaft. 
Diese  Benennung  wurde  nur  den  bereits  existierenden  Innungen  Bo- 
lognas und  anderer  Städte  Italiens  entlehnt.  Schon  im  J.  1194  finden 
wir  in  Bologna  Guido  de  terrafagolis  als  Rector  societatum,  als 
Haupt  der  Innungen'*'),  in  Pistoja  um  dieselbe  Zeit  die  Rectores 


340)  Comment.  et  magn.  apparatus  ad  sing.  leg.  Cod.  Lugd.  1596  zu 
8,  13  p.  286. 

^^)  a  die  oben  S.  188  Anm.  323  citierte  Qaelle. 

M9)  Wollte  man  sich  auf  Sarioli,  Annali  Bolognesi  II,  2  p.  465  and 
Sarti  II,  224  yerlassen,  so  wäre  nachweisbar  das  J.  1214  das  erste  Jahr,  in 
dem  der  Aosdrack  'rector  scolarinm'  yorkommt.  Allein  beide  haben  die 
Jahnahl  in  einem  st&dtischen  Statut  fiUsch  gelesen.  In  den  Statuten  Bo- 
lognas Tom  J.  1250  heisst  es,  die  Stadt  habe  im  J.  mcozIf  (1245)  das  Statut 
gemacht,  dass  kein  civis  'sub  aliquo  rectore  scolarium'  . . .  schwören  dflrfe. 
Ed«  Frati  II,  29.  Ich  sah  selbst  die  Hs.  in  der  Biblioteca  municipale  ein, 
and  kann  rersichem,  dass  Frati  richtig  geschrieben  hat.  Sarioli  und  Sarti 
nachten  daraus  mccziih,  d.  i.  mccxif. 

^)  Savioli  Annali  Bolognesi  II,  2  p.  177.  Vgl.  dazu  U,  1  p.  202  Nota  F. 

DcnifU,  Die  ünireMiMton  L  10 


146  II-  Entotehong  der  ältesten  UniTersit&ten. 

artium  ^^*) ,  d.  h.  die  Vorsteher  der  einzelnen  Zünfte ;  dieselben 
werden  auch  1223  als  in  Perugia^**),  1228  in  Verona'")  exi- 
stierend erwähnt,  und  sie  erscheinen  nun  im  13.  Jh.  durchweg  ab- 
wechselnd mit  den  andern  Ausdrücken:  Priores,  Capita  oder  Ca- 
pitudines  etc.,  während  in  Deutschland  da  und  dort  die  Be- 
zeichnung 'Meister'  oder  'magister'^^^),  in  Frankreich  capita, 
maitres,  gardes,  prud'  hommes,  consules  etc.'")  für  den  Zunft* 
vorstand  die  gewöhnlichere  war.  Der  Ausdruck  Rector  wurde 
in  obiger  Anwendung  im  allgemeinen  da  gebraucht,  wo  an  der 
Spitze  einer  Genossenschaft  nicht  eine  Mehrzahl  von  Consuln, 
sondern  nur  die  eine  oder  andere  Person  stand,  wenngleich  dies 
nicht  immer  zutrifft'").    Für  diese  Organisation  der  Genossen- 


^)  8tat.  Fistor.  §§  52  und  152  bei  Muratori,  AnUqn.  iul  lY,  ^27  ff. 
Dass  diese  Statuten  aus  dem  Ende  des  12.  Jhs.  stammen,  vergl  Hegel,  Ge- 
schichte der  St&dteverfetssung  von  Italien  II,  246. 

^^)  BftiliTi,  Consules,  Rectores  vel  Priores  fratemitatum,  societatum,  ü^ 
miliarum  seu  quarumlibet  artium.  Theiner,  Cod.  diplom.  dom.  temp.  s.  Sedis  I, 
77  n.  127.   S.  auch  Gregorovius,  Gesch.  d.  Stadt  Rom,  2.  Aufl.  V,  303  f. 

^  Im  Liber  juris  ciyUis  urbis  Yeronae  Script  1228  ed.  Campagnola 
1728  heisst  es  p.  147:  Prohibebo,  quod  nuUnm  misterium  (ministerium)  de 
ciTitate  seu  districtu  Yeronae  habeat  Tel  habere  possit  gastaldionem  rel 
rectorem,  nisi  qui  sit  de  suo  misterio  et  qui  exerceat  illud  misterium,  ex* 
ceptis  molendinariis  et  walcariis,  qui  possint  habere  gastaldionem  quem  to- 
luerint  de  dominis  molendinorum  et  fuUonum  sive  walcatorum.  Prof.  Ficker 
macht  mich  aufmerksam,  dass  eben  nur  die  erhaltene  Niederschrift  der  Sta- 
tuten vom  J.  1228  ist,  während  die  Statuten  selbst  wohl  grossentheils  noch 
dem  12.  Jh.  angehören. 

^7)  Dieser  Ausdruck  wird  schon  1157  auf  den  Zunftvorstand  der  Schuh- 
macher Ton  Magdeburg  angewendet.  Maurer,  Geschichte  der  St&dteverfassung 
in  Deutschland  11,  330.  370,  wo  sich  die  Belege  für  die  sp&tere  Zeit  finden. 

^  S.  Schaeffner,  Gesch.  der  Rechtsverfassung  Frankreichs,  2.  Ausg.  II, 
599  t  Fagniez,  £tudes  sur  Pindustrie  et  la  classe  industrielle  ä  Paris  an 
13.  et  au  14.  si^cle,  p.  121  ff.  27  ff.  Rosiöres,  Hist  de  la  ioci6t6  fran^aise 
1.  ed.  II,  464.  Troi  omes'  kommt  bereits  in  einem  Documente  vom  J.  1168 
in  Betreff  Albys  vor.  S.  Auriac,  Hist.  de  Pancienne  cath6diale  et  des  ör^ues 
d'Alby.    Paris  1858  p.  199  n.  6. 

^^)  So  werden  bei  Muratori,  Antiqu.  Italiae  lY,  638  sex  rectores  pro- 
cerum  et  valTassomm  Mutinae  genannt,  und  in  einem  pftpetlichen  Schrt iben 
Tom  26.  Oct.  1232  rectores  fratemitatis  urbis  erw&hnt.  Bull  Boman.  ed. 
Taur.  UI,  474. 


8.  Bologna»    Wesen  der  ScholArenverbindangen.  147 

Schäften  bildete  die  italienische  Städteverfassung  das  Vorbild. 
Das  Amt  des  städtischen  Podeste  oder  Bectors  war  früher  da  als 
die  Bezeichnung,  die  wenigstens  in  Bezug  auf  'Bector'  in  Italien 
nicht  vor  der  Mitte  des  12.  Jhs.  in  allgemeinen  Gebrauch  kam"^), 
und  in  der  Anwendung  auf  das  städtische  Haupt  wohl  dem  er- 
neuten Studium  des  römischen  Bechts  und  Alterthums  ihr  Ent- 
stehen resp.  die  Wideraufhahme  zu  verdanken  hat"^).  Eben 
deshalb  dürfte  sie  in  dieser  Anwendung  aus  Bologna  stammen. 
Man  hüte  sich  also  die  Benennung  Bector  scolarium  mit 
der  'Bector  scolarum'  zu  verwechseln,  oder  beide  zuj  einander 
in  irgend  eine  Beziehung  zu  bringen'").  Fürs  erste  sind 
die  Begriffe  beider  wesentlich  von  einander  verschieden;  die 
Bezeichnung  Bector  scolarium  hat  mit  der  andern  Magister  oder 
Bector  scolarum  gar  nichts  zu  thun.  Die  letztere  bedeutet 
den  Lehrer,  welcher  die  Schule  und  den  Unterricht  leitet,  da- 
her scholas,  Studium  regere,  woraus  dann  der  Titel  'ma- 
gistri  regentes'  entstand^").  Und  auch  hier  darf  man  'schola' 
durchaus  nicht  im  Sinne  der  Innungen  der  frühem  Jahrhunderte 
nehmen***),  denn  vor  Ende  des  12.  Jhs.  bildeten  weder  die 
Lehrer  noch  die  Schüler  irgendwo  eine  Genossenschaft.  Der 
andere  Ausdruck:  Bector  scholarium  bedeutete,  wie  der 
vollere  Titel  ^Bector  universitatis  scholarium'  von  selbst  andeutet, 
lediglich  den  Vorsteher,  das  Haupt  der  Scholarenverbindung,  ohne 
dass  diese  Benennung  zur  Schule  zunächst  in  einer  Beziehung 
gestanden  hätte.  Ausdruck  und  Begriff  waren  ursprünglich  rein 
zünftig,  eine  Thatsache,  die  dadurch  ihre  weitere  Bestätigung 
erhält,  dass  die  Bezeichnung  ^Bector  scolarium'  vor  dem  Ende 
des  12.  Jhs.,  d.  i.  vor  jener  Epoche,  in  der  sowohl  Bolognas 
Scholarenverbindungen  entstanden,  als  auch  die  übrigen  städtischen 
Zünfte  eine  bestimmtere,  autonome  Organisation  annahmen,  nicht 


^  8.  Fieker,  Forsch,  zur  Reichs-  u.  Bechtsgesch.  Italiens  ü,  182  f. 
111,438  1 

SU)  Hegel,  a.  a.  0.  S.  S47. 

3M)  Hober,  Die  engl  UniTersitäten  I,  80  bringt  beide  Bezeichnungen 
in  einen  fiitftlen  ZoBammenhang. 

3»)  S.  oben  8.  108  Anm.  227. 

SM)  8.  Gregorofins,  Gesch.  der  Stadt  Born  2.  Aufl.  II,  415  ff. 

10* 


148  II*  Entstehung  der  ältesten  üniversit&ten. 

Bachgewiesen  werden  kann,  worauf  man  allerdings  bisher  nicht 
achtete.  Man  verlasse  sich  ja  nicht  auf  die  Drucke  oder  späte 
Hss.  In  der  Folge  ^  als  die  Bezeichnung  Rector  scholarium  all- 
gemeiner wurde  und  man  an  den  Universitäten  anfieng  den  Rector 
auch  Rector  studii  zu  nennen,  findet  man  allerdings  die  Titel  Rector 
scolarium  und  Rector  scholarum  promiscue  gebraucht;  man  setzt« 
nicht  selten  den  erstem  für  den  letztem,  wo  man  früher  nur 
Rector  scholarum  oder  vielmehr  Magister  scholarum  angewendet 
hätte '").  Die  Ausdrücke  wurden  häufig  nicht  mehr  strenge  geschieden, 
was  zur  Folge  hatte,  dass  man  auch  ^Magister  scholarium'  statt 
'Rector  scolarium'  gebrauchte  und  für  magister  scolarum 
anwendete.    Dies  geschah  theilweise  schon  früher"^). 


^^)  Gleichwie  andere  so  achtete  auch  Molverstedt,  Beitr&ge  zur 
Kunde   des  Schulwesens  im  Mittelalter  (Magdeburg  1875)  nicht  darauf. 

3^)  Wie  flberall,  so  darf  man  sich  bei  solchen  Nachweisen  ja  nicht  auf 
spätere  Hss.  oder  gar  die  Drucke  verlassen.  In  einer  Hs.  der  Summa 
Decret.  de  Bern.  Fapiensis  (Vat.  Arch.  Mitte  des  13.  Jhs.)  findet  sich  5  De 
Magistris:  ille  qui  magister  scolarium  dicitur,  während  in  der  Ausgabe  des 
Laspeyres  (Ratisbonae  1860)  nach  8  Hss.  die  richtige  Leseart  magister  sco- 
larum enthalten  ist.  In  einer  Urkunde  Heinrichs  HI.  v.  England  vom  J.  1231 
steht  bei  Füller,  The  history  of  the  university  of  Cambridge  ed.  Wright  p.  22: 
magistri  scolarium,  während  das  Original  nach  Shirley,  Royal  and  other 
historical  Icttres  illustr.  of  the  reign  of  Henry  lU.  I,  398,  und  ein  anderer 
Act  p.  396  richtig  magistri  scolarum  besitzt.  Ich  zweifle  auch  deshalb,  ob  die 
Leseart  bei  Wood,  Hist.  univ.  Oxon.  I^  141  für  die  frohere  Epoche  Roberts 
Grosset^te  'magister  scolarium',  richtig  sei,  wenngleich  nicht  zu  längnen  ist, 
dass  in  England  seit  dem  Beginne  des  13.  Jhs.  der  Ausdruck  Cancellarins 
scolarium  gebraucht  wurde.  —  Ich  will  noch  andere  Belege  bringen.  Savigny 
citiert  aus  der  Summa  Godefredi  de  Trano  5  De  magistris  n.  1 :  nunc  autem 
queritur  de  GanceUario  Paris,  et  de  Archidiac.  Bonon.  et  de  magUtro  scolarium, 
AUein  die  ältesten  Hss,  bieten:  de  magittrU  seolanm.  So  nn.  12.  252.  254. 
286.  288  in  der  Bibl.  Burghes.  zu  Rom.  n.  113  G  im  Arch.  zu  S.  Peter, 
nn.  15411.  15412  der  Nat.  Bibl.  zu  Paris  u.  s.  w.  Auf  Gottfried  stAtzt  sich 
gänzlich  die  Summa  titulorum  Balduini,  n.  XYIII.  A.  fol.  51,  zu  Danzig,  der 
so  wie  jener  schreibt  (s.  Schulte,  Quellen  II,  502  Anm.  34).  Die 
Gasus  long!  Bemardi  Parm.  (Bibl.  Burgh.  n.  77.  245),  Job.  de  Deo,  Summa 
super  casibus  Decret.  (God.  Vat.  2343;  Bibl.  Burghes.  a  94  und  145)  haben 
ebenso.  Ein  Beispiel  jedoch,  wie  man  bereits  im  13.  Jh.  beide  Bezeich- 
nungen mit  einander  zu  verwechseln  anfieng,  bieten  die  Hss«  der  Summa 
S  Raymundi  Gib.  1  de  magist)  Godd.  Vat.  nn.  2300.  2302.  2674.  2708. 
Reg.  851.    Arch.  zu  S.  Peter  26  G  bieten  'magistri  scolarum'.    Vat  2301. 


3.  Bologna.    Wesen  der  Scholarenrerbindangen.  149 

Doch  beruht  keineswegs  auf  einer  solchen  Verwechslung  der 
Gebrauch  die  Bezeichnung  ^Rector  scholarum'  statt  ^Magister 
scholarum'  zu  schreiben,  denn  'Rector  scholarum'  entstand  ganz 
natürlich  aus  der  alten  Phrase  ^scholas'  oder  ^Studium  regere'*^^). 
Indess  war  der  technische  Ausdruck  für  den  Leiter  der  Schule 
vor  dem  13.  Jh.  'magister  scholarum'  und  nicht  ^rector  scholarum'. 
Er  erscheint  fast  ausnahmslos  in  kirchlichen  Actenstttcken  jener 
und  in  päpstlichen  Documenten  begegnen  wir  kaum  einer 
andern  Bezeichnung  als  ^magister  scholarum'"^). 

Einen  weitern  Zusammenhang  der  Scholarenverbindungen 
Bolognas  mit  den  städtischen  Innungen  in  Italien  erweist  femer 
das  Institut  der  Consiliarii.  Die  Consiliarii  der  Rectoren 
werden  bereits  im  Jahre  1224  erwähnt"').  Jede  Nation  hatte 
zur  Zeit,  als  2  Gorporationen  bestanden,  wenigstens  einen,  wie 
aus  einer  Urkunde  vom  J.  1265  hervorgeht ''^),  und  durch  die 
städtischen  Statuten  vom  J.  1289  bestätigt  wird^''),    eine  Er- 


4294.  Reg.  170.  Pal.  703.  704.  Barghes.  n.  78  aber  'scolarium'.  Die  erstere 
ist  die  richtige  Leseart.  —  Frühere  Beispiele  dafflr,  dass  magister  scola- 
riam  statt  scolarum  gesagt  wurde,  finden  sich  z.  B.  bei  Gh.  Schmidt,  Hist.  de 
chapitre  de  S.  Thomas  p.  11  (J.  1182)  im  Cod.  Paris.  16558  Bl  234  a  (aUer- 
dings  nur  im  Codex,  der  mit  dem  Factum  selbst  jedoch  fast  gleichzeitig  ist), 
wo  der  bei  der  TalmudTordammung  1248  anwesende  Magister  scolarium  An- 
degaven.  genannt  wird. 

»T)  s.  oben  S.  108  Anm.  227. 

^  Dass  der  Ausdruck  'Rector'  in  anderer  Verbindung  in  p&pstlichen 
ActenstOcken  vorkomme^  haben  wir  oben  S.  108  gelegentlich  gesehen.  Nach 
Fechter,  Geschichte  des  Schulwesens  in  Basel  bis  zum  Jahre  1589  (Basel) 
8.  7  wäre  dort  der  Ausdruck  'rector  puerorum  s.  scholarum'  schon  lange 
vor  dem  13.  Jh.  in  Anwendung  gewesen.  Allein  mit  Aufstellungen  ohne  Be- 
weise aus  Documenten  ist  nichts  gedient.  Mir  scheint,  dass  Fechter  den 
Ausdruck  nur  dem  von  ihm  S.  11  citierten  Gapitclsbeschluss  rom  J.  1460 
entnommen  hat. 

^^)  Savioli  IT,  2  p.  466.   Savigny  III,  199  findet  sie  erst  1265  erwähnt. 

^^)  Sarti  II,  61.  Die  beiden  Nationen  der  Pictaviensium  und  Vasco- 
nnm  wurden  vereinigt  zur  natio  Pictaviensium;  doch  durfte  diese  dann  zwei 
Consiliarii  haben. 

^^)  Ibid.  227.  In  dem  städtischen  Statute  dieses  Jahres  ist  nämlich 
bei  gewissen  Vorfällen  von  dem  scholaris  denuntians  die  Rede,  Ober  dessen 
Leumund  der  Rector  und  der  Consiliarius  sne  (Sarti  falsch:  sive)  nationis 
einen  Eidschwur  ablegen  müssen. 


150  II*  Entstehung  der  ältesten  üniversitftten. 

scheinung,  die  auf  andern  nach  dem  Muster  Bolognas  gegründeten 
Hochschulen  sich  widerholt,  z.  B.  in  Padua,  L^rida,  Montpellier. 
Sie  bildeten  als  Vertreter  der  Nationen  den  Bath  des  Rectors. 
Diese  Einrichtung,  die  man,  weil  man  ihren  Ursprung  nicht  kannte, 
nicht  selten  als  Eigenthümlichkeit  aufgefasst  hat,  oder  deren 
Ursprung  man  in  Paris  suchte'"),  obwohl  zwischen  Paris  und 
Bologna  ein  Unterschied  obwaltet  *^'),  wurde  im  allgemeinen  nur 
den  städtischen  Innungen  entlehnt,  und  diese  widerum  nahmen 
die  städtische  Verfassung  zum  Vorbilde.  Dem  Podestä  oder 
Rector  stand  ein  Bath  zur  Seite,  den  z.  B.  in  Pistoja  14  con- 
siliarii  bildeten;  dies  war  der  engere  Rath.  Der  weitere  bestand 
unter  anderm  aus  100  gewählten  Bürgern,  25  von  jedem  Thor- 
bezirk''^).  Nach  Odofred  hatte  Bologna  später  ausser  den 
Doctoren  2000  consiliarii '^^).  Ein  gutes  Beispiel  für  diese 
Einrichtung  bei  Zünften  bildet  die  Kaufinannsgilde  zu  Rom,  welche 
unter  jährlich  gewählten  vier  Cionsuln  stand,  denen  12  Gonsi- 
liarii'")  zur  Seite  waren. 

Noch  ein  Punkt  kommt  hier  in  Betracht,  der  zwar  nur  eine 
theilweise  Uebereinstimmung  der  Scholarenyerbindungen  mit  den 
italienischen  Zünften  aufweist,  uns  aber  um  so  mehr  überzeugt, 
dass  dieselben  freie  Genossenschaften  waren. 

Bereits  Azo  vergleicht  die  Rectoren  der  Scholarenyerbindungen 

mit  den  Gonsuln  der  städtischen  Genossenschaften '*0-  ^^^  ^^^' 
Steher  dieser  letztem  wurden  nämlich  damals  wegen  der  ihnen 
übertragenen  Gerichtsbarkeit  und  der  Rom.  Auffassung  entsprechend 
viel  öfter  mit  dem  Ausdrucke   consules  als  rectores  bezeichnet 


^  Was  T.  Stein,  Die  innere  Yerwaltong  etc.  S.  258  f.  darüber  sagt, 
beruht  geradem  auf  Unverstand.  Er  hat  anch  keinen  Begriff  über  das  Ter* 
haltniss  von  Paris  su  Bologna  und  umgekehrt 

»«)  8.  oben  8.  97. 

^)  Stat.  Pist  bei  Mnratori,  Antiqu.  Ital.  lY,  527  ff.  §§  52.  151 1  Hegel 
a.  a.  0.  S.  248  f. 

^  Dig.  vet  De  just  et  jure,  jm  muem. 

^  GregoroTius  Y,  806  bietet  einen  defecten  Text  Es  heisst  im  Statat: 
XII  consiliarii,  YIII  de  talgiarolis  (Schnittwaarenhftndler)  et  lY  de  franciaro- 
lis  (Fransenmacher).    Statnti  dei  mercanti  di  Roma  ed.  Gatti  p.  3. 

»7)  s.  oben  &  144. 


3.  Bologna.    Wesen  der  Scholarenverbindangen.  151 

Da  nun  die  Rectoren  innerhalb  ihrer  Genossenschaft  ebenfalls 
die  Gerichtsbarkeit  ausübten,  so  boten  natürlich  die  Consuln  der 
städtischen  Innungen  einen  Vergleichungspunkt  dar.  Doch  hiemit 
sind  wir  mit  dem  Vergleiche  zu  Ende,  denn  die  Gerichtsbarkeit 
innerhalb  der  Scholarenverbindungen  hat  sich  schwerlich  nach 
dem  Muster  der  genossenschaftlichen  der  italienischen  Innun- 
gen jener  Zeit  entwickelt.  Die  Genossenschaften  der  Kaufleute 
und  Gewerbetreibenden  hatten  den  Glossatoren  zufolge  hierin 
im  C!od.  J.  G.  einen  Rückhalf®).  Da  aber  die  Scholaren 
keine  Profession  ausübten,  vielmehr  nur  Schüler  der  Ausüben- 
den waren,  so  schien  das  Corpus  J.  G.  der  Gerichtsbarkeit  inner- 
halb der  Scholarenverbindungen  vielmehr  entgegen  als  günstig  zu 
sein ;  dieselbe  entwickelte  sich  deshalb  auch  nicht  nach  dem  Muster 
der  städtischen  Innungen  Italiens.  Wie  wir  weiter  unten  sehen 
werden,  war  dies  die  Ansicht  der  Legisten. 

Wie  gelangten  nun  aber  dann  die  Scholaren  doch  zum  Ge- 
nossenschaftsrecht  und  zur  genossenschaftlichen  Gerichtsbarkeit? 

Vor  allem  entschlage  man  sich  der  Vorstellung,  als  seien 
die  Scholaren  Bolognas  ähnlich  den  Schülern  unserer  Hochschulen, 
oder,  um  im  Mittelalter  zu  bleiben,  dem  Gros  der  Schüler  zu 
Paris  gewesen.  Gerade  zur  Zeit,  als  die  Scholarenverbindungen 
entstanden,  wurde  in  Bologna  fast  nur  über  Jus  civile  und  Jus 
canonicum  gelesen.  Diese  Wissenschaften  zogen  nur  solche  an, 
welche  im  reifern  Alter  waren,  und  im  Heimathlande  entweder 
schon  eine  Stellung  hatten,  oder  zu  einer  solchen  gelangen  wollten. 
Wir  finden  unter  den  Scholaren  Bolognas  Archidiacone,  Praepo- 
siti.  Canonici  u.  s.  w.  "•).  Schon  Friedrich  I.  setzte  in  seiner 
Auth.  Habiia  Scholaren  dieser  Art  voraus,  denn  wenn  er  in  der- 
selben den  Scholaren  freie  Wahl  des  Gerichtsstandes  zugestand, 


^  D.  3,  4  werden  nur  GoUegia  von  Gewerbetreibenden  erwfthnt.  In 
dem  Ton  den  Crlossatoren  oft  angerufenen  1.  7  (IMni^im)  C.  de  jurisdict 
onn.  3,  18  ist  dasselbe  der  Fidl.  Auf  Grund  desselben  sagt  Hngolinns, 
Summa  Dig.  8,  13  n.  3,  nicht  bloss  die  societates  civitatum  et  vicorom  etc. 
seien  erlaubt,  sondern  auch  *onmes  societates  professionum,  item  negotiationum'. 

^  Man  vgl.  unter  andern  den  Slenchus  der  Scholaren  seit  1265  bei 
Strti  n,  834  ff.  In  froherer  Zeit  war  dies  noch  mehr  der  Fall,  und  diese 
Erscheinung  kehrt  an  allen  Bechtsschulen  wider. 


152  ^  Enstehung  der  UtesteD  Universitäten. 

SO  machte  er  sie  dadurch  gewissermassen  sui  juris,  was  doch 
sicher  grosse  Reife  der  Scholaren  voraussetzte.  Diese  Thatsache 
beweist  aber  zugleich,  dass  die  Scholaren  in  ihrer  Heimath 
freie  Männer  waren,  welche  Bologna  nur  um  der  Wissen- 
schaft willen  anfeuchten.  Ihre  alte  Freiheit  büssten  sie  in  Bologna 
nicht  ein  und  wollten  sie  auch  nicht  preisgeben.  Es  ist  nicht 
zufallig,  dass  in  Bologna  die  Scholaren  ebenso  wie  die  Rechts* 
lehrer  selbst  mit  'Domini'  tituliert  wurden,  eine  Sitte,  die  theil- 
weise  auch  auf  andere  Universitäten  mit  ähnlichen  Einrichtungen 
übergieng'^®),  für  Paris  aber,  wo  eben  verschiedene  Verhältnisse 
waren,  für  das  13.  Jh.  nicht  nachgewiesen  werden  kann'^O*  Roffred 
von  Benevent  und  Albert  Galeottus  nannten  ihre  Rechtsschüler 
im  acht  mittelalterlichen  Sinne  'socii'  "*). 


S7<>)  So  werden  1209  die  Scholares  in  Yicenza  durchaus  Domini 
tituliert.  MittareUi,  Annal.  Camaldul  lY,  213  f.  Ebenso  spricht  sie  1229 
Guido  Faba  in  Bologna  an  (Summa  dict.  Cod.  Paris.  8652  Bl.  72),  und  Odo- 
fred  gibt  in  der  Mitte  des  13.  Jhs.  den  Bechtsschfllem  denselben  Titel  (Ad 
Auth.  Eabita),  gleichwie  er  auch  in  der  Anrede  fortwährend  die  Formel  ge- 
braucht: Or  signori.  Man  vgl.  auch  Sarti  a.  &  0.  So  erhalten  auch  in  Sie* 
neser  Acten  vom  J.  1321  die  Scholares  aus  Bologna  immer  den  Titel  Do- 
mini (Banchi,  Alcuni  documenti  che  concemano  la  venuta  in  Siena  neu 
anno  1321  dei  lettori  e  degli  Scolari  dello  studio  Bolognese  in  Oiomale  sto- 
rico  degli  archiri  Toscani  V,  309  f.  312  f.  u.  s.  w.).  Dasselbe  ist  der  Fall 
in  Bezug  auf  die  Rechtsschaler  von  Rom  im  J.  1319  (Renazzi,  Storia  delP 
universitA  degli  studi  di  Roma,  I,  262)  und  Ton  Perugia  in  der  Matricula 
v.J.  1339  (PadeUetti  im  Archivio  giurid.Y,  501  ff.).  Im  J.  1388  erscheinen 
in  Florenz  die  Scholares  des  Jus  als  Domini,  jene  der  Medicin  als  Magistri 
(Statut!  della  universitik  e  studio  Fiorentino.    Firenze  1881,  p.  llf.). 

97^)  Im  Registrum  nationis  anglicanae  (Universit&tsarchi?  zu  Paris) 
werden  im  14.  Jh.  die  Licentiierten  ebenfalls  Domini  tituliert 

37>)  Quest.  sabbat.  Prooem. :  Cum  . . .  ego  cogitarem  quid  utile  et  fruc- 
tuosum  possem  sociis  de  legum  scientia  ministrare  etc.  Cod.  Burghes.  249. 
Der  Ausdruck  kommt  in  dieser  Anwendung  nicht  selten  vor.  Roffred 
spricht  die  Schüler  1.  c.  an:  Accipite  ergo  Studiosi  socii  et  Studium  et  soUi- 
citudinem  attendite  offerentis  .  .  .  quidam  de  meis  sociis  tyrones  in  legibus 
non  poterant  panem  durum  dentibus  mandncare.  Aber  auch  die  Doctores 
nennt  er  der  damaligen  Sitte  gemäss  socii.  S.  Prooem.  De  ordine  judi- 
ciorum  (Cod.  Burghes.  248),  welches  Werk  er  'ad  instantiam  socionim 
nobilium  de  partibus  curie,  cum  essem  in  civitate  curialissima  et  nobill  Are- 
tina'  schrieb.  Yon  Albert  .Galeottus  citiert  Diplovataccius  eine  Uinliche 
Phrase  (mit  Anwendung  auf  die  Scholaren  bei  Sarti  II,  253;  I,  117). 


3.  Bologna.    Wesen  der  Scholarenverbindnngen.  153 

Als  solche  freie  Männer  vereinigten  sich  die  Scholaren  nach 
ihren  Nationalitäten  auf  fremdem  Boden.  Und  waren  nun  gleich* 
wohl  die  also  entstandenen  Genossenschaften  der  gewöhnlichen 
Annahme  zufolge  nichts  weniger  als  im  Sinne  des  Rom.  Rechts'^'), 
so  bildeten  sie  sich  doch  um  so  mehr  aus  dem  Drange  der 
Umstände,  sie  waren  in  der  Natur  der  Verhältnisse  begründet '^Oi 
und  wenn  je,  so  waren  die  also  entstandenen  Genossenschaften 
freie  Genossenschaften  im  eigentlichen  Sinne,  die,  wenn  nicht 
das  Römische,  so  doch  ein  nationales  Recht  für  sich  haben  konnten. 

Hier  kommen  wir  wider  zu  jenem  Punkt,  von  dem  wir  ausge- 
gangen sind.  Ich  habe  oben  bemerkt,  dass  die  Scholarenverbindung 
der  Toschen  die  zuletzt  entstandene  war,  und  dass  überhaupt  die 
der  Gorporationen  unter  den  Italienern  wahrscheinlich  erstnach  den 
übrigen  Gorporationen  sich  entwickelt  hatten.  Hier  drängt  sich 
derselbe  Gedanke  aul  Die  Anregung  solche  Genossenschaften 
zu  bilden  konnte  weniger  von  jenen  Scholaren  ausgehen,  die  von 
Haus  aus  mit  dem  Rom.  Rechte  in  Berührung  getreten  waren, 
als  vielmehr  von  solchen,  deren  nationales  Recht  und  nationale 
Gewohnheiten  der  Bildung  ähnlicher  Genossenschaften  günstiger 
waren.  Und  da  kommen  vor  Allem  die  Deutschen,  die  Franzosen 
und  Engländer,  und  so  viel  ich  schliessen  darf,  die  Provengalen 
und  Catalonier  in  Betracht.  Unter  ihnen  beanspruchen  die  Deut- 
schen einen  der  ersten  Plätze,  denn  das  Genossenschaftsrecht  war 
bei  ihnen  an  der  Wende  des  12.  Jhs.  und  im  Anfange  des  13.  in 
voller  Ausbildung  begriffen.  Möglich,  dass  sie  auch  bei  Bildung 
der  Scholarenverbindungen  in  Bologna  den  Ausschlag  gegeben 
haben  und  sie  zu  den  ersten  gehörten,  welche  sich  zu  einer  Ge* 
nossenschaft  constituierten.  Ist  es  doch  interessant,  dass  die 
Deutschen  in  jener  Zeit,  als  die  verschiedenen  Scholarenver- 
bindungen auf  die  zwei  der  Ultramontani  und  Citramontani  re- 
duciert  waren,  die  einzig  privilegierten  unter  allen  Nationen 
erscheinen.    Wenngleich  in  den  städtischen  Statuten  vom  J.  1250 


37<^  S.  oben  S.  151  Anm.  36S.  Das  Rom.  Recht  erkennt  auch  nur  die* 
jenigen  Genossenachaften  an,  die  legibus  et  senatus  consultis  et  principalibus 
constittttionibus  approbiert  sind. 

974)  8.  oben  8.  140  ff. 


154  II*   Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

verboten  wurde  'facere  aliquod  mutunin  alicui  persone  de  Alla- 
mania*,  so  war  doch  die  Clausel  dabei:  nisi  esset  Scolaris *^0- 
Trotzdem,  dass  im  J.  1265  die  Ultramontani  13  Nationen  um- 
fassten,  wurde  dennoch  bestimmt,  dass  alle  5  Jahre  der  Rector  der 
Ultramontani  aus  der  deutschen  Nation  genommen  würde '^*). 
im  J.  1273  wurde  es  von  der  in  der  Kirche  S.  Proculo  versammelten 
universitas  Ultramontanorum  als  altes  Privileg  bezeichnet,  'quod 
nobiles  de  Alamania  non  teneantur  jurare  rectori'"').  Der 
Grund  dieser  Bestimmungen  lag  allerdings  auch  in'  dem  Bewusst- 
sein,  dass  das  Imperium  translatum  est  ad  Alemannos,  et  ideo 
fons  nobilitatis  pollet  in  Germanis"'').  Allein  mir  scheint  er 
noch  mehr  darin  gesucht  werden  zu  müssen,  dass  eben  bei  der 
Bildung  der  einstigen  Scholarenverbindungen  die  deutsche  Nation 
eine  hervorragende  Bolle  gespielt  hatte,  was  um  so  mehr  ihr  zu- 
kommen konnte,  als  ihre  Mitglieder  zahlreich  waren.  Der  Platz  den 
sie  damals  einnahm,  sollte  ihr  auch  in  Zukunft  so  weit  möglich  be- 
wahrt bleiben.  Mit  Rücksicht  darauf,  dass  seit  der  Reducie- 
rung  aller  Genossenschaften  auf  nur  zwei  doch  öfter  ein  nicht- 
deutscher als  ein  deutscher  Rector  an  die  Reihe  kam,  sollten  die 
Nobiles  de  Alamania  überhaupt  von  der  eidlichen  Verpflichtung 
gegen  den  Rector  entbunden  sein,  was  vielleicht  nie  der  Fall  ge- 
wesen wäre,  hätten  die  Deutschen  in  der  Weise  wie  wohl  ursprüng- 
lich eine  Genossenschaft  für  sich  mit  eigenem  Rector  gebildet. 

Unser  Resultat  lautet,  dass  die  Scholarenverbindungen  Bo- 
lognas freie  Genossenschaften  bildeten,  die  in  derselben  Weise  wie 
die  kau&nännischen  Genossenschaften  auf  fremdem  Boden  sich 
entwickelten,  in  ihrer  Organisation  aber  nicht  unabhängig  von  jener 
der  italienischen  Zünfte  waren,  wenngleich  sich  der  Kern  nicht 
als  italienisch  erweist 

Nun  erklärt  sich  die  bisher  nicht  verstandene  Erscheinung 
mehrerer  Corporationen ,  eine  jede  mit  eigenem  Rector,  an  dem 
^inen  Studium.     Sie  bietet  nichts   auffälliges  mehr.    Nur  hüte 


S75)  stataU  die  Bologna  ed.  Frati  II,  254. 
876)  Bei  Sarti  II,  61. 

'77)  Bei  Malagola,  Della  Tita  e  deUe  opere  di  Antonio  Urceo  detto 
Godro.    Bologna  1878  p.  537. 

'78)  Baldos  in  prooem.  Dig.  n.  32. 


IL  Bologna.    Wesen  der  Scholarenverbindungen.  155 

man  sich  die  Phrase  zu  gebrauchen,  in  Bologna  seien  mehrerere 
Universitäten  gewesen.  Da  wir  jetzt  mit  dem  Ausdruck  Univer- 
sität den  Begriff  einer  Hochschule  verbinden,  so  entstünde  leicht 
der  falsche  Begriff:  in  Bologna  hätten  mehrere  Hochschulen  exi- 
stiert Und  doch  war  dort  nur  6ine  Schule,  an  ihr  aber  mehrere 
Scholarenverbindungen.  Diese,  weil  ursprünglich  nur  Genossen- 
schaften in  dem  eben  entwickelten  Sinne,  hatten  zunächst  keine 
directe  Beziehung  zum  Studium,  und  ihre  Rectoren  waren  keines- 
wegs Bectores  stndii.  Hätten  die  Scholarenverbindungen  Bolognas 
ursprünglich  eine  directe  Beziehung  zum  Studium  und  zur  Schule 
gehabt,  dann  würde  sich  nur  eine  einzige  grosse  Genossenschaft 
mit  einem  Rector  an  der  Spitze,  der  zugleich  Rector  studii  war,  ge- 
bildet haben,  wie  wir  dies  an  vielen  der  spätem  Universitäten  sehen, 
und  diese  üne  Körperschaft  wäre  in  mehrere  Nationen  getheilt 
gewesen.  Den  Beweis  liefert  Bologna  selbst.  Je  mehr  nämlich 
die  Professoren,  die  eigentlichen  Leiter,  Regenten  des  Studiums, 
in  Abhängigkeit  von  den  Scholaren  kamen,  desto  directer  wurde 
die  Beziehung  der  Rectoren  der  Scholarenverbindungen  zum  Stu- 
dium, und  desto  mehr  stellte  sich  die  Nothwendigkeit  heraus  die 
verschiedenen  Corporationen  zu  reducieren.  In  Bologna  wurde 
in  jener  Zeit  noch  nichts  ^gemacht',  alles  entwickelte  sich  spontan. 
Die  Verschmelzung  zu  nur  zwei  Corporationen  geschah  noch  vor 
der  Mitte  des  13.  Jhs.,  denn  in  den  Statuten  der  Stadt  Bologna 
vom  J.  1250  werden  bereits  der  rector  Ultramontanorum  (Johannes 
de  Yaranis)  und  der  Citramontanorum  (Pantaleon  de  Venetiis) 
erwähnt"*).  Die  zwei  Corporationen  (Universitates)  wurden  näm- 
Uch  dann  Gitramontani  und  Ultramontani  genannt,  von  denen  jede 
in  mehrere  Nationen  getheilt  war,  oder  vielmehr  mehrere  Nationen 
omfasste.    Im  Jahre  1265  zählte  die  Corporation  der  Ultramon- 


S7»)  Statut!  di  Bologna  ed.  Luigi  Frati,  I,  366  f.  Die  zwei  üniversitftten 
werden  unter  dem  gemeinsamen  Gesichtspunkt  'nniversitas'  genommen  (nni- 
▼ersitas  scolarium).  S.  dazu  unten  S.  156  und  Anm.  385.  So  beginnt  auch  das 
Schreiben  Innocenz  IV.  vom  J.  1253,  womit  er  die  Statuten  der  Universität 
bestätigt  D.  f.  rectores  et  universitas  scolarium  Bononien.  quedam  dicuntur 
edidisse  statuta  salubria  et  honesta,  que  ad  utilitatem  et  bonum  statum  ipso- 
mm  rednndare  noscuntur.    Reg.  Tat.  an.  10  ep.  398.    Bl.  229.  Sarti  II,  124. 


156  n«  Entstehang  der  ältesten  ünirersit&ten. 

tani  13  Nationen,  während  sie  unmittelbar  vorher  14  hatte '^^). 
Für  den  Augenblick  wurde  keine  Neubildung  irgend  einer  Nation 
zugelassen,  sondern  der  von  auswärts  kommende  Scholar  musste 
sich  in  eine  der  genannten  Nationen,  die  seinem  Lande  am  nächsten 
stand,  nach  dem  Gutdünken  des  Rectors  und  der  Gonsiliarii  ein- 
reihen'"0.  Jede  der  zwei  Gorporationen  hatte  einen  eigenen 
Rector;  im  Jahre  1250  finden  wir  zum  ersten  Male  dieRectoren 
beider  Genossenschaften  erwähnt'"). 

Die  Reducierung  auf  eine  einzige  Corporation  war  wohl  in 
Folge  der  eigenartigen  Entstehung  der  Scholarenverbindungen 
nicht  so  leicht  möglich  wie  in  Padua,  wo  seit  1473  die  Juristen 
.nur  mehr  6ine  Universität  bildeten,  der  abwechselnd  ein  Rector 
der  Gisalpiner  und  Transalpiner  vorstand'").  Der  Noth wendig- 
keit, nur  6inen  Rector  zu  besitzen,  konnte  sich  aber  auch  Bo- 
logna mit  der  Zeit  nicht  verschliessen,  und  so  finden  wir  dort 
seit  dem  Anf.  des  16.  Jhs.  nur  6inen  Rector  über  beide  Gorpo- 
rationen gesetzt  "0-  War  man  doch  schon  seit  dem  13.  Jh.,  d.  i. 
seit  der  Zeit,  wo  die  Gorporationen  in  directer  Beziehung  zum 
Studium  standen,  gewohnt,  sie,  wenngleich  von  einander  getrennt, 
unter  6inem  Gesichtspunkt  zu  betrachten  und  als  universitas 
scholarium  zu  bezeichnen.  Und  es  bedurfte  nur  mehr  eines  Schrittes, 
um  bei  der  engen  Zusammengehörigkeit  der  Scholaren  und  Pro- 

^  Sie  hiessen:  Gallici,  Picardi,  BurgandioneB,  Pictavienses  et  Yascones 
(▼or  1265  waren  beide  getheilt),  TuroneDses  et  Cenomanenses  (wahrachein- 
lieh  waren  anch  diese  frflher  getheilt),  Normanni,  Gatelani,  üngari,  Poloni, 
Theotonici,  Tspani,  Prorinciales,  Anglici.  Bei  Sarti  II,  61.  Die  Böhmen 
und  Mähren  bildeten  also  damals  noch  nicht  eine  Nation  fftr  sich,  wie 
Dndik,  Mährens  allgem.  Gesch.  X,  434  irrig  meint.  Richtig  Malagola,  I  libri 
della  nazione  tedescha  presse  lo  studio  Bologn.  (Modena  1884)  p.  5.  Savigny 
III,  187,  sich  anf  die  späten  Statuten  stfltzend,  lässt  die  Ultramontani  aus 
18  Nationen  bestehen.  Ihm  folgten  alle  spätem  Schriftsteller.  —  Leider  fehlt 
ein  Actenstück  der  altern  Zeit  fQr  die  Citramontani,  d.  i.  die  Italiener. 

^1)  Sarti  a.  a.  0.  Erst  in  späterer  Zeit  wurden  dem  Bedflrfhiss  ent- 
sprechend die  Nationen  vermehrt. 

^  S.  8.  155.  In  Padua  finden  wir  1261  einen  Rector  transalpinus  und 
einen  cisalpinus  erwfthnt.    Stat.  almae  univers.  Jurist.  Patav.  gymn.  1551  J,  1. 

^)  Facciolati,  Fast!  gymnasii  Patavini,  Patavii  1757  II,  5.  Stat.  almae 
unirers.  Jurist  J,  4. 

SM)  SUtuta  et  privil.  univ.  Jurist.  Bonon.    1561  p.  14.  102.  107. 


3.  Bologna.    Wesen  der  Scholarenverbindungen.  157 

fessoren  beide  als  magistrorum  et  scholarinm  universitas  aufzu- 
fassen *•'). 

Durch  obige  Darstellung  sind  Behauptungen  wie:  die  Hoch- 
schule zu  Bologna  sei  demokratisch  organisiert  gewesen  ****), 
von  selbst  widerlegt  Da  es  sich  im  Beginne  nicht  um  die 
Schule  sondern  um  die  Scholaren  verbin  dun  gen  handelte,  so 
sind  solche  Behauptungen  gegenstandslos. 

Aber  noch  ein  anderer  Umstand  erhält  nun  seine  Erklärung, 
dass  nämlich  auch  damals,  als  die  verschiedenen  Verbindungen 
auf  zwei  reduciert  waren,  nur  die  scolaYes  forenses,  d.  h.  die 
nicht  in  Bologna  oder  dessen  Distrikt  einheimischen,  eigentliche 
Mitglieder  der  einen  der  zwei  Corporationen  waren.  Es  konnte 
wohl  vorkommen,  dass  sich  Einheimische,  cives,  den  C!orporationes 
forensium  anschlössen;   allein   sie  waren  keineswegs  eigentliche 


3S5)  So  thut  dies  Clemens  Y.  10.  März  1310  (Reg.  Vat.  an.  5  ep.  158 
BI.  43a)  und  Johannes  XXII  am  11.  Juli  1326  (Reg.  Vat.  an.  10  parte  2 
ep.  2705)  und  in  dieser  V^eisennzählige  Male.  S  obenS.32. 137  Anm.320.  Auch 
Savigny  meinte  S.  413  Anm.  b  auf  eine  hierher  gehörige  Steile  bei  Sarti  I, 
258  hinweisen  2u  können.  Allein  Sarti  sagt,  die  Adresse:  Universitati  Ma- 
gistrorum et  scholarinm  Bononie  commorantium  der  Bulle  Bex  paeißcuSf  wo- 
mit Gregor  IX.  die  Decretalen  nach  Bologna  sandte,  komme  in  keiner  Hs., 
die  er  eingesehen,  vor,  und  finde  sich  nur  in  Böhmers  Ausgabe  der  Decre- 
talen. Immer  stehe  sonst:  Doctoribus  et  scholaribus  universis  etc.  Ich  kann 
ans  meiner  Erfahrung  Sarti's  Urtheil  nur  bestätigen. 

s^)  Sie  hat  in  einer  Aeusserung  Savignys  S.  158  ihren  Grund,  nach 
der  die  Organisation  der  Schule  zu  Bologna  theilweise  auf  den  republikani- 
schen Geist  Bolognas  zorflckzufflhren  wäre.  Nackt  wie  sie  oben  dasteht  findet 
sie  sich  ausgesprochen  in  einem  Artikel  (zum  grossen  Theil  Plagiat  von  Sa- 
rigny  und  Huber)  der  Baltischen  Monatsschrift  (IV,  89.  105)  vom  Historiker 
Kurtz  verfasst,  und  bei  Hauts-Reichlin,  Gesch.  der  Univ.  Heidelberg,  I,  102. 
—  Eine  im  Wesen  richtige  Auffassung  fand  ich  bei  Bouthors  (Bim- 
benet,  Hist.  de  Puniversit^  d^Orleans  p.  72  f.),  allerdings  mit  der  fal- 
schen Anwendung  auf  die  Universität  Orleans.  Nachträglich  habe  ich 
gesehen,  dass  auch  Maurer,  Gesch.  der  Städteverfassung  in  Deutschland  II, 
282  f.  diese  Auffassung  theilt,  jedoch  ebenfalls  ohne  die  eigentliche  Entwick- 
tmg  dieser  Art  von  Genossenschaften  zu  kennen,  was  schon  daraus  hervor- 
geht, dass  er  Bologna  ganz  ausser  Acht  lässt,  während  er  Paris  als  Muster 
nimmt,  ungeachtet  in  Paris,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  andere  Verhält- 
nisse obwalteten.    Noch   mehr  gilt  dies  von  den  deutschen  Universitäten. 


158  II*  Entstehang  der  ftUesten  UBiTersitftten. 

Mitglieder.  Sie  bildeten  ja  früher  keine  Corporation,  und  blieben 
deshalb  auch  ausserhalb,  als  alle  Genossenschaften  auf  zwei  redu- 
ciert  worden  waren.  Wer  sich  über  das  eben  dargelegte  Wesen  und 
die  Art  und  Weise  der  Entstehung  der  Scholarenverbindungen 
im  Klaren  ist,  dem  leuchtet  dieser  Umstand,  weil  nur  eine  (Tonsequenz, 
von  selbst  und  ohne  weiteres  ein.  Doch  wird  sich  weiter  unten 
Gelegenheit  bieten  darauf  zurückzukommen. 

b.  Zeit  der  Entstehung  der  Scholarenverbindungen. 

Meiners  glaubte,  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jhs. 
hätten  die  Scholaren  Bolognas  Genossenschaften  gebildet'").  Auf 
die  Entstehungszeit  der  Auth.  Habita  führen  sie  viele  Forscher 
zurück'").  Savigny  war  sich  im  Unklaren "•).  Es  ist  auch 
schwer  darüber  etwas  Bestimmtes  zu  sagen,  da  alle  Quellen 
fehlen.  Jedoch  lässt  sich  der  Schluss  aus  verschiedenen  Um- 
ständen ziehen,  dass  die  ersten  Scholarenverbindungen  Bolognas 
höchst  wahrscheinlich  nicht  lange  vor  Ende  des  12.  Jhs.  entstanden 
sind.  Vor  Job.  Bassianus  machte,  so  weit  bekannt,  niemand  eine 
Erwähnung  von  den  Scholarenverbindungen.  Indem  dieser  den 
Scholaren  das  Recht  bestritt  Rectoren  zu  wählen "°),  setzte  er 
die  Existenz  der  Verbindungen  voraus.  Ende  des  12.  Jhs.  exi- 
stierte also  wenigstens  die  eine  oder  andere  Scholarenverbindung. 
Aber  datiert  der  Ursprung  derselben  aus  einer  viel  frühem  Zeit? 
Thatsache  ist,  dass  in  den  Summen  Rogers,  Placentins  und 
Pilius  auch  nicht  6ine  Andeutung  von  der  Existenz  der  einen 
oder  andern   Scholarenverbindung    in   Bologna    sich   findet'")* 


^7)  Oesch.  der  Entstehung  und  Entwickelung  der  hohen  Schulen,  U  54  f. 

388)  S.  oben  8.  133. 

S89)  Gesch.  des  Rom.  Rechts  III,  472. 

890)  Die  Nachweise  folgen  im  Abschnitte  c. 

8^^)  In  der  Summa  Bogers  (Frogerii),  welche  die  erste  über  den  Codex 
geschriebene  Summe  ist,  kommt  speciell  im  IIb.  3,  18  (De  jurisdictione  om* 
nium  judicum)  der  Abschnitt  'Feriniquum',  wo  die  Spätem  die  Frage  be- 
handeln, weder  in  der  Hs.  zu  Tübingen  (Mc.  14),  noch  zu  Vieh  in  Spanien 
(Capitelsbibl.  n.  82  nach  den  Summen  Placentins),  noch  in  dem  bisher  nicht 
bekannten  Cod.  Paris.  18280  (wo  Bl.  44  a  die  Summa  codicis  ohne  Bogers 
Name  ist),  der  mit  Cod.  78  des  Spanischen  Collegs  in  Bologna  abereinstimmt, 
noch  im  Cod.  der  Laurenz.  (Plut.  5  sin.  cod.  10),  vor.    In  dem  ?on  Tfi- 


3.  Bologna.    Zeit  der  Entstehung  der  Scholarenyerbindnngen.      159 

Allerdings  ist  dieser  Beweis  allein  nicht  stringent,  da  z.  B.  der 
spätere  Guido  de  Suzaria  die  Scholarenyerbindungen  ebenfalls 
nicht  erwähnt "').  Die  Auth.  Habita  übergeht  femer  den  Rector 
mit  Stillschweigen,  obwohl  sie  ihn  doch  beim  Passus  über  den 
Gerichtsstand  der  Scholaren  hätte  erwähnen  müssen,  wenn  irgend- 
wo in  der  Lombardei  Scholarenverbindungen  mit  Rectoren  be- 
standen hätten.  Auch  der  Bergomaske,  der  uns  über  den  Ur- 
sprung der  genannten  Auth.  berichtet  ^''),  weiss  weder  von  Scho- 
lareuTerbindungen  noch  von  Rectoren  zu  erzählen.  Von  der 
Genossenschaft  der  loschen  wissen  wir,  dass  sie  erst  ziemlich 
spät,  in  keinem  Falle  vordem  Pontificatinnocenz  m,  entstand''^). 
Es  ist  nicht  glaublich,  dass  der  Ursprung  der  übrigen  Verbin- 
dungen von  jenem  der  süditalienischen  durch  einen  sehr  grossen 
Zeitraum  getrennt  war.  Dies  liesse  sich  erklären  bei  Verbindungen, 
die  an  verschiedenen  Orten  und  unter  verschiedenen  Verhältnissen 
entstanden,  nicht  aber  bei  den  Scholaren  in  der  einen  Stadt  Bo- 
logna. Zu  all  dem  kommt  noch,  dass  auch  die  übrigen  Genossen- 
schaften und  Zünfte,  sollte  selbst  ihr  Ursprung  weiter  zurück 
datieren,  sich  erst  in  der  2.  Hälfte  des  12.  Jhs.  bestimmter 
organisiert  haben.  Ja  die  meisten  aus  ihnen  entstanden  erst 
damals.  In  Bologna  selbst  geschieht  die  erste  Erwähnung  der 
dort  existierenden  Gesellschaften  im  J.  1174'^'),  also  verhältniss- 
mässig  spät. 


biogen  (nicht  in  den  andern  Hss.)  ist  am  Rande,  vie  mir  Herr  Repetent  Dr.  J. 
Schmid  berichtet,  nur  angemerkt,  dass,  wer  studiorum  causa  sich  zehn  Jahre 
irgendwo  aufhalte,  Domicil  erhalte.  Lib.  4  tit.  13  fehlt  aberail  g&nzlich. 
Ebenao  wenig  enth&lt  die  Summe  Placentins  aber  den  Codex  z.  B.  im  Cod. 
Yindob.  2126  Bl.  73  und  im  Drucke  (Moguntiae  1536)  p.  103,  wo  De  jnrisd. 
onuL  jud.,  und  Bl.  88  b,  Druck  p.  146,  wo  Ne  filius  pro  patre  ohne  die 
Auth.  Eabiia  ist.  Piüus  hfttte  in  der  Summa  trium  librorum  zum  widerholten 
Male  Gelegenheit  gehabt  aber  obige  Frage  zu  sprechen,  z.  B.  Cod.  Vat.  2313 
^ich  nach  dem  Prooemium  Bl.  361,  vo  er  Ober  das  domicilium  causa  stu- 
diorum im  Sinne  der  Randbemerkung  von  Rogers  Summe  in  Tübingen  handelt; 
BL  363  b,  wo  de  coUegiis  die  Rede  ist;  372b,  wo  die  Auslegung  De  studüs  folgt. 

3»)  In  cod.  1.  c.  im  Cod.  Paris.  4489  Bl.  43  a. 

9»)  8.  oben  8.  49  f. 

SM)  S.  oben  S.  140. 

^^)  Sayioli  1.  c.  IL  1  p.  40£f.    Im  genannten  Jahre  existierte  nämlich 


160  n.  Entstehung  der  Utesten  Universit&ten. 

Die  genannten  Erwägungen  bestimmen  mich  zur  Annahme, 
dass  die  ersten  Scholarenverbindungen  Bolognas  sich  nicht  vor 
den  letzten  Decennien  des  12.  Jhs.  gebildet  haben.  Aus  diesem 
Umstände  erklärt  es  sich,  dass  man  auch  erst  Ende  des  12.  Jhs. 
anfieng  den  Scholaren  das  Recht  zu  bestreiten  Rectoren  zu  wählen. 
Der  dem  Rechtsgefühle  der  Bologneser  Juristen  so  wider- 
sprechende Usus  der  Scholaren  sich  Rectoren  zu  wählen  musste 
gerade  beim  Entstehen,  da  er  ganz  neu  und  deshalb  um  so 
sonderbarer  war,  den  grössten  Widerspruch  erwecken.  Vor  Joh. 
Bassianus  hört  mau  aber  keinen  Laut  darüber.  Die  Entstehung  der 
Scholarenverbindungen  fallt  deshalb  wohl  nicht  in  eine  frühere  Zeit. 

Somit  liegen  die  Anfange  der  Scholarenverbindungen  Bolognas 
in  derselben  Epoche,  wie  die  Vereinigung  der  Magistri  der  ver- 
schiedenen Wissenszweige  zu  einer  Corporation  in  Paris.  Aber 
auch  die  Scholaren  von  Paris  hatten  sich  um  jene  Zeit  nach 
Landsmannschaften  vereinigt,  wie  wir  oben  gesehen  hatten,  nur 
waren  erstere  damals  ebenso  wenig  in  die  vier  Nationen  getheilt, 
wie  die  Scholaren  Bolognas  in  zwei  Corporationen. 

c.  Yerhältniss  der  Scholarenverbindongen  Bolognas  zur  Stadtgemeinde 

und  zu  den  Professoren. 

Zur  Zeit  als  die  Scholarenverbindungen  Bolognas  entstanden, 
war  die  eigentliche  Concessionslehre  in  Betreff  der  Corporationen 
und  CoUegien  noch  nicht  ausgebildet.  Zwar  berief  man  sich 
schon  ziemlich  frühe  auf  das  Privilegium  principis''');  allein  es 
geschah  noch  keineswegs  in  jener  schroffen  und  allgemeinen 
Weise,  wie  dies  in  der  Mitte  des  13.  Jhs.  inauguriert  und  an 
der  Wende  desselben  weiter  ausgebildet  wurde  "^).     Trotzdem 


bereits  die  Waffengesellschaft  (societas  armorum)  der  Lombarden ;  wahrschein- 
lich jedoch  auch  andere  Genossenschaften.    S.  überdies  oben  S.  82.  36. 

SM)  S.  Joh.  Teuton.  oben  8.  86.  Roffred,  Quest.  sabb.  28.  im  Cod. 
Burghes.  249. 

S97)  s.  Gierke  III,  288.  368.  Am  weitesten  gieng  damals  wohl  Petras 
de  Bellapertica,  der  in  seiner  Lectura  in  Cod.  3,  13  (Parrhisiis  1519)  sagt: 
Quodconqae  collegiom  approbatum,  dico  expresse  (approbatum),  nam  qnod* 
conque  collegium  non  est  expresse  approbatum,  est  reprobatum.  Und  in 
IIb.  1  Cod.  De  sac.  san.  eccles.  et  privil.  earum,  Bl.  3a  fahrt  er  die  Er- 


3.  Bologna.  SchoIarenTerbindungen  gegenfib.  d.  Stadt  a.  d.  Professoren.   161 

mussten  auch  bereits  Ende  des  12.  Jhs.  alle  Corporationen ,  die 
im  Corpus  juris  civ.  nicht  als  coUegia  licita  erwähnt  waren,  in 
der  Entstehung  mit  der  nächsten  Obrigkeit  rechnen.  Mehr  noch 
galt  dies  von  den  Scholarenverbindungen.  Denn  betrachtete  man 
schon  an  sich  das  freie  Associationswesen  mit  grosser  Missgunst, 
so  noch  mehr  jene  Verbindungen,  die  scheinbar  geradezu  gegen 
den  Geist  des  Römischen  Rechts  entstanden.  Zu  diesen  letztern 
gehörten  eben  Bolognas  Scholarenverbindungen,  die  es  also 
deshalb  nicht  bloss  mit  der  Stadtgemeinde,  sondern  auch  mit  den 
Rechtslehrem  zu  thun  hatten,  und  es  half  nichts,  dass  sie  in 
einer  jener  lombardischen  Städte  sich  entwickelten,  in  denen  nach 
den  Worten  des  Hostiensis  Corporationen  existierten,  die  zwar  einen 
Herrn  hatten,  ihn  aber  nicht  gebührend  anerkannten^'^),  und 
sich,  wie  es  scheint,  Körperschaften  organisierten,  ehe  ihre 
Vorrechte  genehmigt  waren. 

Aus  dem  bereits  oben  citierten  päpstlichen  Schreiben  vom 
27.  Mai  1217  an  die  Scholaren  Roms,  Tusciens  und  der  Cam- 
pagna  geht  hervor,  dass  diese  bei  Constituierung  ihrer  Genossen- 
schaft sich  eidlich  das  Versprechen  gegeben  hatten  dieselbe 
weder  jemals  aufzulösen  noch  auch  zuzulassen,  dass  ihre  Freiheit 
je  beeinträchtigt  werde*").  Die  Commune  Bolognas  mit  dem 
Podestä  wollte  nun,  sie  sollten  einen  Paragraphen  in  ihre  Statuten 
aufiiehmen,  der  gerade  ihre  Freiheit  beschränkte,  und  den  die 
Stadt  selbst  ihren  eigenen  Statuten  einverleibte  und  welchen  in 
Vollzug  zu  bringen  sich  der  Podestä  unter  einem  Eidschwure 
verpflichten  musste.  Dies  letztere  erhellt  aus  dem  Schreiben  des 
Papstes  an  den  Podestä  unter  demselben  Datum *°°),  Man  er- 
fährt jedoch  aus  beiden  Schreiben  nicht,  was  dies  für  ein  Paragraph 
war.  Zum  Glück  ist  er  uns  als  städtisches  Statut  vom  J.  1217 
und  in  einem  spätem  päpstlichen  Schreiben  erhalten.  Das  Statut 
droht  einem  jeden,  nicht  allein  den  Scholaren,  mit  immerwährender 


laabtheit  eines  CoUegs  auf  die  Approbation  des  Fürsten   oder  des  Papstes 
nrttck. 

<M)  Bei  Gierke  lU,  290. 

^)  S.  oben  S.  140. 

*w)  Bei  Sarti  II,  58.    Reg.  Vat  an.  1  ep.  454. 

Oenifle,  Die  Unirertiitieo  L  U 


162  II-   Entstehung  der  ältesten  üniTersititen. 

Verbannung  und  Confiscation  der  Güter,  wenn  er  auf  einer  Con- 
spiration,  die  die  Verlegung  des  Studiums  zum  Zwecke  hat,  er- 
tappt werde.  Dieselbe  Strafe  gewärtigt  jeden  Scholaris  (nicht  bloss 
jene  Roms,  Tusciens  und  der  Gampagna)  oder  irgend  einen  andern, 
wenn  er  einen  Scholaren  sich  dermassen  kann  verbindlich  machen, 
dass  er  ihm  gebieten  könne  Studien  halber  die  Stadt  zu  verlassen*  *0. 
Es  ergibt  sich  daraus,  dass  das  Statut  alle  Scholaren  angieng, 
wenngleich  sich  nur  die  der  drei  genannten  Provinzen  an  den 
Papst  gewandt  hatten. 

Die  Verwendung  des  Papstes  für  die  Scholaren  war  aber 
für  den  Augenblick  ohne  Wirkung,  was  wir  aus  den  Schreiben, 
welche  Honorius  III.  im  Jahre  1220  erliess,  und  von  denen  eines 
vom  6.  April  an  die  Stadt,  zwei  andere  vom  13.  Mai  je  an  den 
Podest4,  sowie  den  Bischof  von  Parma  und  den  Archipresbyter 
von  Reggio  gerichtet  waren"'),  erfahren.  Um  von  den  zwei  letzten 
einstweilen  abzusehen,  so  geht  aus  dem  ersten  hervor,  dass  es 
sich  nicht  etwa  bloss  um  eine  einzige  Scholarenverbindung,  sondern 
um  alle  handelte,  wie  sich  dies  schon  aus  dem  eben  citierten 
städtischen  Statut  ergibt  Es  erhellt  aber  auch,  dass  dieses  von 
der  Stadt  nicht  bloss  aufrecht  erhalten  wurde,  sondern  dass  es 
noch  den  Zusatz  erhielt,  die  Scholaren  hätten  kein  Genossen- 
schaftsrecht mehr,  noch  dürften  sie  Rectoren  besitzen,  wenn 
nicht  in  die  Eidesformel  der  Rectores  der  Passus  aufgenonunen 
würde,  sie  würden  nicht  Veranlassung  geben,  dass  das  Studium 


^^i)  Sarioli,  Annali  Bolognesi  II,  2  p.  465:  Si  quis  inventus  fuerit  fe- 
cisse  yel  facere  sectam  vel  conspirationem  pro  studio  transferendo  a  civitate 
Bonon.  ad  alium  locum,  perpetuo  banniatur  et  omnia  ejns  bona  pnblicentur 
quoram  medietas  accusanti  detur.  Item  si  quis  Scolaris  vel  alius  aliquem 
alium  scolarem  aliquo  modo  vel  ingenio  astrinxerit  ut  possit  ei  precipere  de 
ducendo  de  civitate  isla  causa  studii,  banniatur  et  ejus  bona  que  babuerit 
Bononie  Tel  in  ejus  districtu  publicentur  quomm  medietas  sit  accosantis. 
S.  Statuti  di  Bologna  ed.  Frati  II,  25. 

402j  pm  zweite  dieser  Schreiben  fehlt  bei  Sarti  und  Savioli,  findet  sich 
aber  in  Reg.  Vat  an.  4  ep.  729  BL  I79b.  Es  hat  denselben  Inhalt  wie  das 
dritte  und  beginnt  ebenfalls:  Statutis  ciritatis.  Das  erste  steht  auch  im  Bull. 
Rom.  ed.  Taur.  III,  367.  Schultes  Bemerkung  im  Archir  f.  kath.  Kirchen- 
recht XIX,  9  gegen  Savigny  ist  also  sehr  massig.  Schulte  hat  eben  damals 
Sarti  nicht  benatatt 


3.  Bologna.  ScholarenrerbinduDgen  gpgenflb.  d.  Stadt  u.  d.  Professoren.   163 

anderswohin  verlegt  werde  oder  ein  Scholaris  ausser  in  Bologna 
studiere  ^®^).  Zudem  wurde  der  Podesti  verpflichtet  innerhalb 
zweier  Monate  seit  seinem  Amtsantritte  a  rectoribus  scolarium, 
und  wurden  diese  neu  gewählt,  innerhalb  der  ersten  15  Tage 
nach  deren  Wahl,  den  Eid  hierüber  von  ihnen  abzunehmen.  Er 
musste  auch  darauf  achten,  dass  diese  Verordnung  in  die  Statuten 
der  Scholarenverbindungen  aufgenommen  wurde  ^°^). 

Diese  Umstände  erweisen  doch  deutlich,  dass  die  Scholaren 
bei  Constituierung  ihrer  Corporationen  mit  der  Stadtobrigkeit 
gar  nicht  verhandelt  hatten,  und  dass  sie  mit  dieser  erst  in 
Folge  ihres  feindlichen  Vorgehens  in  Berührung  kamen.  Die 
Scholaren  waren  jetzt,  wie  der  Papst  bereits  1217  sagte,  vor 
die  Alternative  gestellt,  entweder  die  Stadt  zu  verlassen,  oder 
sich  eines  Meineides  schuldig  zu  machen  ^°'^). 

Man  hüte  sich  jedoch  hier  voreilige  Schlüsse  zu  ziehen,  als 
wäre  z.  B.  die  Stadtobrigkeit  den  Scholarenverbindungen  an 
sich  und  von  vorneherein  feindlich  gegenüber  gestanden.  Denn 
wenn  auch  letztere  ohne  eingeholte  Erlaubniss  der  ersteren  ein- 
gegangen wurden,  so  liess  man  dieses  damals  ohne  weiteres  ge- 
schehen und  beanstandete  dieselben  nicht.    Es  geht  dies  einmal 


MS)  Bei  Sarti  II,  57  ff.  Reg.Vat.  ann.  4  ep.  738. 739  Bl.  179  f.  Das  Schreiben 
an  den  Bischof  t.  Parma  etc.  findet  sich  anter  den  Briefen  des  9.  Jahres 
ep.  47  Bl.  9b.  Der  Papst  sagt  in  dem  oben  zuerst  citierten  Schreiben: 
Btatoistis,  ut  si  quis  inventns  fuerit  sectam,  pactionem  vel  conspirationem 
pro  studio  a  civitate  Bononiensi  ad  locum  alium  transferendo,  facere  vel  fe- 
cisse,  et  si  Scolaris  quispiam  vel  alius  quemquam  scolarem  astrinxerit  modo 
qnolibet  quo  precipere  possit  ei,  ut  causa  studii  eandem  exeat  civitatcm: 
perpetao  banniatur  et  omnia  bona  eins  que  Bononie  vel  in  ejus  districtu 
habuerit  publicentur,  et  eorum  tribuatur  medietas  accusanti.  Freterea  so- 
cietatem  yel  rectores  scolares  non  permittantur  habere  nisi  hoc  capitnlum 
in  eorom  (rectomm)  joramento  ponatur,  videlicet  quod  non  dabunt  operam, 
ut  Stadium  ad  locum  alium  transferatur,  nee  cuiquam  Scolari  precipiant,  ut 
gratia  Stada  abscedat  a  civitate  predicta.  Bei  Sarti  1.  c.  ist  der  Text 
fehlerhaft. 

^^)  Potestas  .  .  .  teneatur  predictum  capitnlum  iurari  facere  a  recto« 

riboB   scolarium  ...   et  in  societatum  scolarium  scriptis  poni.    Sarti  1.  c. 

Beg.  Yat.  1.  c.  Bl.  179b.   Ebd.  vird  bemerkt,  der  Podesta  habe  'pro  quorum 

obsairatione'  den  Eid  abgelegt 

«06)  8.  oben  S.  140  Anm.  329. 

11* 


164  n.   Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

aus  einem  spätem  städtischen  Statute  hervor,  in  dem  die  Scholaren 
die  Zusage  erhielten,  sie  könnten  in  der  Stadt  unbehelligt  wohnen 
'sicut  poterant  ante  statutum  conditum  inter  eos  de  rectoribus 
non  habendis'^^^).  Und  dann  meint  Honorius  in.  am  6.  April 
1220,  die  Scholaren  hätten  früher  volle  Freiheit  gehabt*"').  Am 
5.  Oct.  1224  erinnert  er  die  Stadtobrigkeit  ausdrücklich  an  ihre 
Vorfahren *°^),  die  um  den  Ruhm  Bolognas  so  eifrig  besorgt 
gewesen  seien.  Aus  dem  Zusammenhange  der  verschiedenen 
päpstlichen  Schreiben  ergibt  sich  aber,  dass  der  Papst  hier 
keinen  andern  Ruhm  im  Auge  habe,  als  den  durch  die  Anwesen- 
heit der  Scholaren  in  ihrer  Stadt  erworbenen  *"*).  Anfänglich 
stand  also  die  Stadtobrigkeit  nichts  weniger  als  feindlich  den 
Scholarenverbindungen  gegenüber. 

Aber  auch  in  jener  Epoche,  die  uns  gerade  beschäftigt,  kann 
von  Feindschaft  nur  insofern  gesprochen  werden,  als  die  Stadt- 
obrigkeit mit  ihren  Statuten  den  Scholaren  bloss  die  Freiheit 
nehmen  wollte,  anderswo  als  in  Bologna  zu  studieren,  nicht  aber, 
als  wäre  sie  überhaupt  den  Verbindungen  und  deren  Rectoren 
abhold  gewesen.  Dies  ergibt  sich  aus  dem  ganzen  Verlaufe.  Die 
Stadt  machte  nämlich  seit  Ende  des  12.  Jhs.  die  unangenehme 
Erfahrung,  dass  von  Zeit  zu  Zeit  sowohl  Professoren,  worauf  ich 
noch  zu  sprechen  konmie,  als  Scholaren  die  Stadt  verliessen,  um 
sich  anderswo  Studien  halber  anzusiedeln.  Die  Stadt  sah  sich 
natürlich  beeinträchtigt  und  wollte  solchen  Vorfällen  durch  Sta- 
tuten vorbeugen,  die  sich  jedoch  anfänglich  nur  auf  die  Bürger 


^)  Statuti  di  Bologna  ed.  Fiati  II,  SarioU  U,  2  p.  466. 

^7)  Er  sagt  nftmlich  von  den  in  Frage  stehenden  städtischen  Statuten, 
sie  seien  mehr  'destituta  contra  libertatem  antiquam  (scolarium)  et  habitam 
hactenas\ 

^8)  Bei  Savioli  1.  c.  lU,  2  p.  52  (bei  Sarti  fehlt  das  Schreiben)  steht: 
predecessores  nostri.  Nach  den  Heg.  Yat  ann.  9  ep.  46  BL  9b,  aus  denen 
Savioli  doch  das  Schreiben  edierte,  gehört  jedoch  predecessores  t  es  tri. 
Savioli  setzt  auch  das  falsche  Datum:  8.  Oct.  Allein  3.  Non.  Oct.  ist  der 
5.  October. 

409)  So  schreibt  der  Papst  6.  Aprü  1220  der  Stadt:  .  . .  attendentes, 
quod  ipsi  (scolares)  gratoito  ad  stndendom  vestram  preelegerint  civitatem, 
qae  cum  prius  esset  hnmilis,  per  eosibidem  congregatos  divitiis 
fere  supergrcssa  est  civitates  proviucie  universas. 


3.  Bologna.  ScholarenTerbindangen  gegenflb.  d.  Stadt  n.  d.  Professoren.   165 

resp.  die  einheimischen  Scholaren  bezogen.  So  verbot  sie  ihnen 
1203  bis  1204,  wo  gerade  die  Auswanderung  nach  Vicenza 
stattfand,  unter  Androhung  der  Verbannung  und  Conficiscierung 
der  Güter  mit  den  abziehenden  fremden  Scholaren  zu  gehen  oder 
dieselben  sei  es  selbst  oder  durch  andere  an  den  Ort  der  Studien 
za  führen^").  1215  hatte  eine  Auswanderung  nach  Arezzo  statt*"). 
Die  Stadt  sah  sich  veranlasst  die  Statuten  zu  verschärfen,  und 
sie  that  dies  1217.  Die  in  diesem  Jahre  gegebenen  beziehen 
sich,  wie  wir  gesehen  haben,  auch  auf  die  auswärtigen  Scholaren. 
Die  Bectoren  werden  zwar  noch  nicht  offen  genannt;  aber  sie 
sind  vorzugsweise  durch  den  Passus  bezeichnet:  si  quis  Scolaris 
.  .  .  alium  scolarem  aliquo  modo  . . .  astrinxerit,  ut  possit  ei  pre- 
cipere  etc.*").  Scheint  auch  aus  dieser  Stelle  hervorzugehen, 
die  Stadt  sei  überhaupt  gegen  das  Rectorat  gewesen,  so  zeigt 
sieb  doch  aus  dem  Statut  vom  J.  1220,  wo  offen  von  den  Rectoren 
die  Rede  ist,  dass  das  Rectorat  nur  in  dem  Falle  in  Frage  ge- 
stellt sein  sollte,  wenn  der  jedesmalige  Rector  sich  nicht  eidlich 
verpflichte,  keine  Veranlassung  zur  Verlegung  des  Studiums  zu 
geben. 

Wie  sich  nun  von  selbst  versteht,  so  kam  die  Stadt  nur  nach 
und  nach  zu  jener  im  J.  1220  gegen  die  Scholaren  und  Rectoren 
eingenonunenen  Stellung,  die  keineswegs  an  sich,  sondern  nur 
per  acddens  feindlich  war.    War  auch  jede  folgende  Massregel 


^^^)  Bei  Savioli  II,  2  p.  462:  statuimus,  qaod  nullas  ciris  habitator 
Imitts  civitatis  vadat  post  scolares,  qui  de  civitate  recesserint  pro  studio  aliqao 
faciendo  yel  pro  abitando,  et  nuUns  civis  vel  aliquis  alius  ducat  scolares 
aliqaos  per  se  yel  alium  aliquo  ingenio  vel  det  operam  de  ducendo  causa 
stadii  alibi  exercendi  vel  habitandi,  et  si  quis  contrafecerit  amodo  in  antea 
nee  ipse  nee  sui  liberi  sint  habitatores  hu  ms  civitatis  et  ipso  jure  sint  publi- 
cata  in  commnni  bona  eorum,  et  etiam  persone  eorum  sint  in  banno  commu- 
nitatis  Bonon.  Et  boc  statutum  habeat  locnm  "  tempore  domini  GniUelmi 
de  Pasteria  citra  ann.  1204.    S.  auch  Statuti  di  .  ologna  ed.  Frati  II,  23. 

^11)  Roffred  von  Benevent  sagt:  Cum  essem  Aw  tii,  ibique  (Cod.  Burghes. 
249:  abi)  in  cathedra  residerem  post  transmigrationem  Bononie,  ego  Ron- 
fredas  Beneventanus  juris  civilis  professor  anno  D.  MCCXV  (Cod.  Burghes. 
249:  MGCXYI)  mense  Octobris  etc.  Prooem.  in  Quest.  Sabbatin.  Cod. 
Borgfaes.  n.  135  (c  Mitte  des  13.  Jhs.). 

419)  s.  oben  S.  162. 


Igg  II.   Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

schärfer  als  die  vorhergehende,  so  hatte  doch  jede  von  ihnen 
nur  den  6inen  Zweck  zu  verhüten,  dass  die  Scholaren  die  Stadt 
verlassen  und  anderswo  studieren.  Die  Stadt  war  also  an  sich 
gewiss  für  die  Scholaren,  deren  Verbindungen  und  Rectoren,  und 
wären  dieselben  niemals  ausgezogen,  so  hätte  sie  wenigstens 
jetzt  noch  nicht  Veranlassung  genommen  gegen  sie  aufzutreten, 
ja  sie  würde  vielleicht  dem  tacitus  consensus  zur  Gorporations- 
bildung  einen  consensus  expressus  haben  folgen  lassen. 

Zu  diesem  Resultate  fähren  uns  noch  andere  Umstände,  und 
zwar  vorerst  das  päpstliche  Schreiben  vom  13.  Mai  1220  an  den 
Podesta  und  die  Stadt.  Nachdem  nämlich  Honorius  III.  dieselben 
aufgefordert  hatte  die  Statuten  zurückzuziehen,  gibt  er  als  Motiv 
an :  attendentes,  quod  scholares  ipsos  benignitate  retinere  potestis 
melius  quam  duritia,  que  facit,  ut  multi  etiam  natalis  soll  dulce- 
dinem  derelinquant  .  . .  scholares  ipsos  honorificentiis  consuetis 
et  bonis  conditionibus,  que  via  erit  potior  et  potentior,  curetis 
ad  terre  vestre  gloriam  et  commodum  retinere*").  Der  Papst 
will  sagen:  4hr  wollt  die  Scholaren  an  euere  Stadt  fesseln? 
Da  wendet  ihr  gerade  die  entgegengesetzten  Mittel  an.  Strenge 
und  Zwang  statt  Milde  und  Gewährung  der  Freiheit'.  Auf  den 
6inen  Zweck,  die  Scholaren  zurückzuhalten,  läuft  auch  eine 
städtische  Verordnung  hinaus,  die  wir  in  dem  päpstlichen 
Schreiben  vom  6.  April  1220  kennen  lernen:  nee  permittat  (po- 
testas)  Bononiensem  aliquem  vel  extraneum,  nisi  primo  jura- 
verit  quod  non  leget  alibi,  extraordinariam  aliquam  legere 
lectionem*^*).  Es  sind  hier  nicht  die  Doctoren  gemeint,  sondern 
jene  Scholaren,  die  bereits  extraordinarie  lesen  durften.  Und 
schliesslich  verlangte  die  Stadt  bereits  seit  dem  Ende  des  12.  Jhs., 
wie  wir  sehen  werden,  auch  von  den  Doctoren  die  Eidesleistung, 
dass  sie  nirgends  als  nur  in  Bologna  lehren  würden.  Allerdings 
wurde  die  Stadt  zu  diesem  Gesetze  noch  durch  andere  Umstände 
veranlasst,  aber  doch  leuchtet  auch  hier  dasselbe  Motiv  durch. 
Sie  wollte  im  Besitze,   ja  im  alleinigen  Besitze  des  Studiums 


^13)  Beg.  Vat  ann.  4  ep.  729  Bl.  179b.    Dies  schrieb  er  auch  dem 
Bischof  von  Parma  und  dem  Archipresbyter  von  Reggio.   S.  Sarti  II,  59. 
4M)  Bei  Sarti  1.  c.  p.  57. 


3.  Bologna.  Scholarenverbindangen  gegenfib.  d.  Stadt  u.  d.  Professoren.   ]  g7 

bleiben.  Noch  1250  verbot  sie  aus  diesem  Grunde  den  Bürgern, 
irgend  einem  ausserhalb  der  Stadt  und  dem  Districte  von  Bologna 
wohnenden  Scholaren  etwas  auf  Borg  zti  geben"*). 

Aus  all  dem  geht  hervor,  dass  die  Stadt  keineswegs  das 
Becht  der  Scholarenverbindungen  sowie  Rectoren  zu  besitzen 
bestritt,  sondern  dass  sie  r.  :i  die  fernere  Existenz  derselben  von 
Bedingungen  abhängig  machte"^),  die  unter  den  gegebenen  Um- 
standen hart  waren.  Denn  die  Scholaren  wählten,  wie  auch  der 
Papst  erwähnt *^^),  freiwillig,  ohne  eingegangene  Verpflichtung 
mit  der  Stadt,  Bologna  als  den  Ort  ihrer  Studien;  es  musste 
ihnen  also  auch  freistehen  Bologna  wider  zu  verlassen.  Die 
städtischen  Verordnungen  waren  um  so  härter,  als  jedem  Kläger 
die  Hälfte  der  Güter  versprochen  wurde  *^*),  ein  Versprechen, 
das  eine  Fülle  von  Denunciationen  zur  Folge  haben  musste. 

Man  begreift,  warum  sich  die  Scholaren  im  J.  1220  wider  an 
den  Papst  wandten,  bei  dem  sie  sich  durch  zwei  Abgesandte, 
unter  denen  ein  Canonist  war,  vertreten  Hessen.  Aber  auch 
die  Stadt  wendete  sich  diesmal  an  Honorius  III.  und  liess  sich 
sowohl  durch  einen  Rechtslehrer  als  einen  andern  Rechts- 
kundigen vertheidigen.  Letztere  suchten  zuerst  die  erwähnten 
Statuten  abzuschwächen  und  zu  entschuldigen,  und  zwar  wohl 
deshalb,  wie  aus  dem  Zusammenhange  des  Documentes  ersichtlich 
ist,  um  die  Scholaren  in  der  Stadt  zurückzuhalten.  Endlich 
opferten  sie  das  Statut,  soweit  es  die  Rectoren  und  die  lectiones 
ordinarie  betraf,  und  überliessen  das  Uebrige  der  päpstlichen  Ent- 
scheidung. Allein  der  Papst  verwarf  alle  Statuten,  befahl  sie  aus 
dem  städtischen  Capitularium  zu  entfernen  und  bestellte  den  Bischof 


«1»)  Statuti  di  Bologna  ed.  Frati  II,  194. 

^1^)  Sarti  hat  sich  znr  Bebanptung  rerleiten  lassen:  primo  scholaribus 
edictum  est,  ne  in  corpus  coirent  et  rectores  crearent,  qui  Universum  corpus 
moderarentur.  I,  120.  Savigny  hat  die  frühern  Acten  kaum  mehr  als  in 
Bezog  auf  das  Datum  verglichen,  und  deshalb  auch  den  letzten,  von  dem  nun 
die  Rede  sein  wird,  nicht  im  Zusammenhange  a'<^i!ofas8t  und  darum  diesen 
wie  die  frflhem  missverstanden.  Spätere  haben  Svignys  Behauptungen  als 
Actenstficke  benfitzt. 

«7)  S.  oben  8.  164  Anm.  409. 

«^  S.  oben  8.  162  Anm.  401.  403. 


Igg  II.   Entstehang  der  ältesten  UniyerBit&ten. 

von  Parma  und  den  Archipresbyter  von  Reggio  als  die  Exe- 
cutoren,  die  eventuell  mit  den  kirchlichen  Strafen  eingreifen 
sollten"'). 

In  der  That  zog  nun  die  Stadt,  sind  wir  anders  gehörig  unter- 
richtet, im  selben  Jahre  das  Statut  in  Betreff  der  Scholaren  zu- 
rück und  milderte  jenes  in  Bezug  auf  die  Rectoren*"). 

Sei  dem  aber  wie  ihm  wolle,  der  Hader  zwischen  der  Stadt 
und  den  Scholaren  hatte  noch  kein  Ende,  im  Gegentheile  wurde 
die  Spannung  zwischen  beiden  bald  grösser  als  je,  es  kam  zum 
offenen  Bruche,  und  die  Stadt  verjagte  schliesslich  die  Rectoren 
der  Scholaren  sammt  den  Consiliarii  auf  Eingebung  der  Professoren 
des  Rom.  Rechts  hin,  welche  für  die  Stadt  Partei  ergriffen 
hatten.  Wir  erfahren  den  Hergang  kurz  aus  dem  Schreiben  Hono- 
rius  ni.  vom  5.  Oct.  1224,  an  den  sich  die  Scholaren  wider, 
seit  1217  zum  dritten  Male,  mit  der  Bitte  um  Schutz  gegenüber 
den  Forderungen  der  Stadt  gewandt  hatten. 

Der  Papst  kommt  in  demselben  zuerst  auf  die  frühem  Ver- 
handlungen zurück,  die,  wie  er  meint,  doch  volle  Nachgiebigkeit 
der  Stadt  zur  Folge  hätten  haben  sollen.  Allein,  es  stehe  nun 
schlimmer  als  je,  denn  sie  habe  neuerdings  harte  Verord- 
nungen gegen  die  Freiheit  der  Scholaren  erlassen,  sie  dulde  nicht 
mehr  die  Rectoren  und  die  Consiliarii,  ja  habe  dieselben  gleich 
Verbannten  gezwungen  Bologna  zu  verlassen,  hierin  beeinflusst 


^1^)  AU  dies  erhellt  aus  den  ivei  Schreiben  Yom  13.  Mai  1220.  Sarti 
und  Sayioli  haben  statt  Uectiones'  unrichtig  ^ectores'. 

^^)  Bei  Sayioli  II,  2  p.  466:  Pro  honore  et  commodo  et  utilitate  Gomm. 
Bonon.  .  .  .  statutum  est,  quod  scolares  causa  studii  BoDonie  accedentes  in 
ciyitate  Bonon.  possint  libere  commorari  sicut  poterant  ante  statutum  con- 
ditum  inter  eos  de  rectoribns  non  habendis,  ita  tarnen,  quod  si  contigerit  iiles 
habere,  quod  jurent  ipsi  rectores  in  sacramento  rectorie,  quod  non  dabunt 
operam  aliquo  modo  vel  ingenio  de  studio  Bonon.  transferendo,  nee  aliquem 
scolarem  cogant  de  civitate  Bonon.  exire.  Nisi  primo  fuerit  (Sayioli:  fecerit) 
Potestati  liquidum  rectores  tale  facere  sacraroentum,  scolares  habere  rectores 
non  possunt.  (Der  Text  bei  Sayioli  ist  yerderbt;  ich  habe  ihn  theilweise 
nach  jenem  der  Statuten  yom  J.  1250  ed.  Frati  II,  27  corrigiert).  Ich  kann 
hier  nicht  den  Zweifel  unterdrücken,  ob  Sayioli  das  richtige  Datum  ange- 
geben habe.  Der  Inhalt  des  Statuts  passt  für  die  Zeit  nach  1224,  wie  sich 
aus  S.  176  ergeben  wird.    Sayioli  muthmasste  bloss  wie  es  scheint. 


3.  Bologna.  Scholarenverbindangen  gegenflb.  d.  Stadt  u.  d.  Professoren.  Igg 

von  den  Lehrern  des  Böm.  Rechts,  die,  ihre  Pflicht  vergessend, 
sich  der  Entscheidung  der  Rectoren  nicht  gefügt  hätten  ^^'). 

Nun  erst  kann  man  sagen,  die  Stadt  habe  das  Rectorat 
unterdrücken,  oder  vielmehr  die  Scholarenverbindungen  in  der- 
selben Weise  wie  andere  Innungen  von  sich  abhängig  machen 
wollen.  Es  war  der  äusserste  Schritt  gegen  die  Scholaren, 
höchst  wahrscheinlich  durch  die  grosse  Auswanderung  derselben 
im  J.  1222  nach  Padua  veranlasst^").  An  ihr  scheinen  vor 
allem  die  Rectoren  Schuld  gewesen  zu  sein,  welche  einen  Theil 
der  Scholaren  verpflichteten  anderswohin  zu  gehen.  Die  Zu- 
rückgebliebenen, welche  sich  wider  ihre  Rectoren  wählten,  er- 
fuhren nun  die  Rache  der  erzürnten  Stadt.  Diese  sah  nunmehr 
weniger  in  den  Scholarenverbindungen  als  solchen,  als  vielmehr 
in  den  Rectoren,  den  Rädelsführern  darartiger  Auswanderungen,  das 
Unheil.  Die  Folge  war  das  besprochene  Statut,  wodurch  sie 
ähnlichen  Vorfallen  für  die  Zukunft  vorbeugen  wollte. 

Ehe  wir  den  Ausgang  dieses  langwierigen  Streites  ins  Auge 
fassen,  müssen  wir  die  Ansicht  der  Rathgeber  der  Stadt,  die 
nach  den  Worten  des  Papstes  keine  andern  als  die  Professoren 
des  Rom.  Rechts  waren,  und  von  denen  1220  einer,  nämlich 
Hugo,  legum  doctor,  als  ihr  Vertheidiger  beim  Papste  auftrat*"), 
einer  kurzen  Erörterung  unterziehen. 

War  die  Stadt  noch  im  J.  1220  nur  per  accidens  den 
Rectoren  der  Scholarenverbindungen  feindlich,  so  nahmen  die 
Professoren  des  Rom.  Rechts  an  sich  eine  oppositionelle  Stellung 
gegen  sie  ein,  und  zwar  theilweise  schon  in  einer  Zeit,  in 
der  die  Stadt  gegen  die  Rectoren  überhaupt  noch  nichts  ver- 


*^)  Unde  non  sine  caasa  miramar,  qnod,  sicut  universitas  scolarium  trans- 
missa  nobis  coqaestione  monstravity  vos  libertatem  eorum  infringere  molientes 
dura  contra  eam  statuta  noviter  edidistis,  nee  ipsos  rectores  Tel  consiliarios 
sastinentes  habere  iUos,  qaos  ad  hoc  prefecerant,  tanquam  bannitos  civitatcm 
Testram  compulsistis  exire  snggerentibus  id  legum  doctoribus,  qui  non  com- 
mnnia  commoda  sed  priTata  querentes  stare,  ut  tenebantnr,  sententie  rectorum 
scolarium  contempsemnt.    Beg.  Yat.  1.  c.  SaTioli  1.  c. 

^  S.  darflber  im  Abschnitte  unter  Padua. 

^  Mit  einem  Rechtskundigen,  0.  de  tortinengo.  Dies  sagt  uns  Hono- 
rus  III  in  den  beiden  Schreiben  Tom  13.  Mai  1220. 


170  ^^'   Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

lauten  Hess.  Als  der  erste,  der  den  Scholaren  das  Recht  bestritt 
Bectoren  zu  wählen,  vrird  Job.  Bassianus  genannt  ^'^)  am  Ende  des 
12.  Jbs.  Ihm  folgten  Azo*"),  Accurs*"),  und  der  mehr  gemässigtere 
Odofred*").  Ja  noch  in  den  ersten  Jahren  des  14.  Jhs.  vertraten 

424^  Die  betreffende  Stelle  steht  nicht  unter  den  Glossen  des  Joh.  Bas- 
sianus zum  Codex  im  Cod.  Paris.  4536,  noch  im  Clm.  22.  Aus  den  Vor- 
lesungen zum  Codex  oder  aus  der  Summa  kann  sie  nicht  nachgewiesen  wer- 
den, weil  diese  verloren  sind  (Sayigny  lY,  307  f.).  AUein  Odofred  führt  Bassian 
mit  Azo  als  Gewährsmann  für  obige  Ansicht  an.  S.  Anm.  427.  Aus  demselben 
Grunde  wie  bei  Johann  Bassianus  kann  man  nichts  aus  Hugolins  Summe 
zum  Codex  berichten.  In  seiner  Summe  zu  den  Digesten  (s.  Sayigny  Y,  55) 
kommt  er  auf  die  Frage  nicht  zu  sprechen.  So  in  den  Codd.  Burghes.  n.  265 
und  278  nach  Azos  Summa. 

425^  So  heisst  seine  Glosse  in  Cod.  3,  13  Periniqunm  .  .  .  jprofe$$UmeB: 
ergo  scolares,  quia  non  exercent  professionem  sed  sub  exercentibos  sunt  dis- 
cipuli,  non  possunt  eligere  consules,  sicut  nee  discipuli  peUipariorum.  Ma- 
gistri  ergo  possunt  eligere  consules,  quia  ipsi  exercent  professiones.  Clm.  22 
Bl.  51b.  Cod.  Paris.  4518  Bl.  47a.  Diese  Stelle  hatten  Aceurs  undOdofred 
vor  sich.  Erweitert  findet  sie  sich  in  Azos  Comm.  et  magnus  Appar.  ad 
sing.  leg.  Cod.  ad  1.  c,  und  nur  diese  kannte  Sayigny  III,  174  Anm.  a  wie 
man  überhaupt  bisher  die  reine  Glosse  Azos  übersah.  Unrichtig  steht  im 
Drucke  und  consequent  bei  Savigny:  sub  exercentibus  fiunt  discipuli. 

426^  Quid  ergo  in  scolarium  universitate?  an  possint  habere  rectores? 
Yidetur  quod  non,  und  er  gibt  dann  unter  Berufung  auf  Azo  den  Grund  wie 
dieser  an  und  schliesst:  magistri  ergo  possunt  eligere,  quia  ipsi  exercent  pro- 
fessionem, et  sie  fit  Parisius.  Cod.  Burghes.  224  ad  1.  c.  Cod.  34  A  im 
Archiv  v.  8.  Feter.  Dadurch  werden  die  etwas  vagen  Bemerkungen  bei 
Gierke  III,  208  Anm.  60  prftcisiert. 

^^)  Er  macht  zur  selben  Stelle  wie  die  frühem  die  Glosse:  ünde  est 
articulus,  quod  qui  exercent  professionem,  quod  ipsi  eligunt  judices.  Sed 
discipuli  non  exercent,  unde  ipsi  non  eligunt  Sic  ergo  dicimus,  quod  scho- 
lares  cum  faciant  quasi  universitatem  et  corpus,  quod  possunt  creare  et  ha- 
bere rectores;  verum  tamen  dicimus,  quod  de  jure  scholares  non  possunt 
eligere  rectores,  quia  isti  sunt  discipuli  doctorum,  unde  ipsi  doctores,  qui 
exercent  professionem,  debent  eligere  rectores,  et  ita  scripsit  hie  Johannes 
et  Azo.  Et  ita  dicitur  quod  est  Parisius,  quod  doctores  eligunt  rectores,  et 
non  scholares.  (Im  Cod.  Paris.  4561  Bl.  155  ist  der  Text  defect.  In  seinen 
Repetitiones  geht  er  auf  diese  Frage  nicht  ein.  Cod.  Paris.  1545).  Es  ist 
klar,  dass  sich  Odofred  nicht  so  schroff  gegen  das  Recht  der  Scholaren 
Rectores  zu  wählen  stellt,  wie  seine  Yorfahren.  Er  lehrt,  sie  könnten  dieses 
Recht  ausüben,  nur  aber  nicht  de  jure.  Zu  ihrer  Rechtfertigung  sagt  er: 
per  legem  mnnicipalem  huius  civitatis  scolares  creant  rectores.  Auf  diese 
Stelle  werde  ich  sogleich  zurückkommen. 


3.  Bologna.  ScholarenverbindaDgen  gegenüb.  d.  Stadt  a.  d.  Professoren.   ]  7 1 

Petrus  de  Bellapertica,  Jac.  Batrigarias  und  Cinus  ^'')  die  Ansicht 
der  eben  erwähnten  Rechtslehrer.  Nach  Petrus  de  Ancharano, 
auf  den  ich  sogleich  zu  sprechen  komme,  muss  man  schliessen, 
dass  die  genannten  Juristen  den  Scholaren  nicht  bloss  das  Recht, 
Rectoren  zu  w&hlen,  bestritten,  sondern  auch  Verbindungen  einzu- 
gehen. Einer  solchen  Auffassung  liegt  die  Theorie  zu  Grunde, 
der  zufolge  die  Versagung  des  jus  eligendi  rectorum  gleichbedeutend 
mit  der  Versagung  der  Corporationsrechte  sei"').  Diese  Theorie 
ist  auch  allein  consequent,  und  so  hat  es  sehr  viel  für  sich,  dass 
dies  auch  die  Ansicht  des  Joh.  Bassianus  und  Azos  gewesen  war. 
Allein  sicher  kann  dies  nicht  von  Accurs  und  Odofred  behauptet 
werden.  Denn  wenn  Accurs  fragt:  Quid  ergo  in  scolarium  uni- 
versitate?  an  possint  habere  rectores?  so  setzt  er  doch  die  sco- 
larium universitas  voraus,  denn  er  fragt  ja,  ob  diese  Rectoren 
besitzen  dürfe,  obgleich  er  mit  Azos  Worten  antwortet.  Odofred 
sagt  zwar  nicht  unumwunden,  dass  die  Scholaren  eine  Uni- 
versitas bilden,  er  lässt  sie  aber  doch  ^ quasi  universitatem 
facere'""). 

Es  ist  nicht  schwer  zu  sagen,  warum  die  Legisten  das  Recht 
der  Scholaren  sich  Rectoren  zu  wählen  bestritten.  Sie  standen 
lediglich  auf  dem  Standpunkte  des  Corpus  jur.  civ.,  dem  zufolge 
sich  nur  diejenigen,  qui  professionem  exercere  noscuntur,  die 
eigenen  Richter  wählen  durften"^).  Dieser  beschränkte  Gedanken- 
kreis brachte  es  mit  sich,  dass  sie  für  Genossenschaften  wie  die 
Scholarenverbindungen  nicht  bloss  beim  Beginne  des  Entstehens 
derselben,  sondern  auch  später  kein  Verständniss  hatten.    Dieser 


428)  Petrus  de  Bellapertica  beruft  sich  ad  1.  c.  auf  die  Glosse  (Accurs) 
und  löst  die  Frage  kurz  wie  diese.  Jac.  Butrigarius  sagt  überdies,  dass  die 
Wahl  durch  die  Scholaren  de  consuetudine  usurpatum  sei  (ad  Auth. 
HMia).  Cinus  in  Cod.  3,  13  (nach  Cod.  Yat.  2592)  fragt:  Numquid  scolares 
possnnt  eligere  iudicem?  Die  quod  non,  quia  scolares  non  exercent  profes- 
sionem, sed  magistri,  qui  docent.  Quidam  modcrni  dicunt  contrarium,  quia 
scolares  exercent  professionem,  ut  in  Auth.  Habita,  vel  quia  eorum  univer- 
sitas est  licita,  et  sie  possunt  dare  iurisdictionem,  ut  in  Dig.  quod  cuius^ae 
wnivernUxtU. 

^)  Ueber  diese  Theorie  s«  Oierke  III,  481. 

^30)  8.  die  betreffenden  SteUen  oben  in  den  Anmerkungen. 

^1)  S.  oben  8.  151. 


172  II«  Entstehung  der  Ältesten  üniTenitftten. 

Standpunkt  beherrschte  sie  so  sehr,  dass  einige  von  ihnen, 
welche  eine  Erklärung  für  die  Erscheinung,  dass  die  Scholaren 
sich  ihren  judex  wählten,  suchten,  die  Auth.  Hahiia  herbeizogen 
mit  der  Bemerkung,  in  ihr  sei  ausgedrückt,  dass  sie  professionem 
exercent*").  Hätte  sich  Honorius  III.  auch  auf  den  Standpunkt 
des  Rom.  Rechts  gestellt,  dann  wäre  es  um  eine  der  schönsten 
Erscheinungen  in  der  ganzen  Universitätsgeschichte  des  13.  Jhs. 
geschehen  gewesen.  Der  Papst  hatte  aber  einen  weiteren  Blick 
als  die  Legisten. 

Auch  die  Canonisten  nahmen  bei  Erörterung  dieser  Streit- 
frage nur  den  Standpunkt  des  Rom.  Rechts  ein,  obgleich  die 
jüngeren  wie  auch  spätere  Legisten  dieselbe  im  Sinne  der 
Scholaren  lösten.  Die  frühem  Canonisten,  z.  B.  Johannes  Teu- 
tonicus^")  und  Abbas  antiquus^'*),  sowie  nachher  Johannes  An- 
dreae^'*^)  sind  consequenter  als  Accurs  und  Odofred,  und  sie 
behaupten,  dass  das  Recht  Verbindungen  einzugehen  ^de  jure^ 
nicht  den  Scholaren  sondern  den  Professoren  zukonune.  Ich 
sage,  dies  sei  consequenter.  Denn  erkannte  man  an,  dass  die 
Scholaren  eine  Universität  bilden,  dass  diese  mithin  licita  sei,  so 
war  ja  selbst  auf  Grund  des  Corpus  jur.  civ.  das  Recht  zur  Wahl 
von  Consuln  oder  Judices  gegeben*"),  was  im  Princip  auch  Accurs 


^  S.  oben  S.  56  und  unten  Anmerkung  439. 

^  In  seinem  Apparat  zur  Comp.  lY.  zu  1,  16  (De  procurat)  sagt  er: 
scolares  non  videntur  constituere  uniTersitatem,  cum  ins  uniyersitatis  non 
sint  a  principe  consecuti,  und  er  beruft  sich  wie  alle  auf  das  Rom.  Recht. 
Cod.  Paris.  3931 A. 

^  In  seiner  Lectura  zu  den  Decret  commentiert  er  Prooem.  Rex  pa- 
cificus  dodort»',  qui  faciunt  universitatem.  Ausserdem  sagt  er  1  De  constit. 
Ex  litteria:  nota  magistros  facere  universitatem,  ut  in  principio  huius  libri 
notatur.    Cod.  Burghes.  231.    Cod.  Tat.  2542. 

^  In  seiner  Novella  in  Decret.  Greg.  IX.  finden  sich  die  in  Anm.  8 
citierten  Stellen  der  Decret.  in  der  Weise  des  Abbas  ant.  erkl&rt.  Seine 
Erkl&rung  wurde  dann  die  Grundlage  für  Sp&tere,  z.  B.  fOr  Joh.  de  Lignaao 
(In  Decret  Cod.  lat  Monac.  8786),  Joh.  von  Imola  (ed.  Yenet  1575)  u.  s.  w. 
Petrus  de  Ancharano  hatte  dieselbe  Quelle,  nur  schied  er  viel  deutlicher, 
wie  wir  sehen  werden. 

^  Cod.  3,  13  De  jurisdict.:  Periniquum  et  temerarium  esse  perspi- 
cimus  eos,  qui  professiones  aliquas  seu  negotiationes  ezercere  noscuntnr,  ju- 


2.  Bologna.  ScholarenverbiDdangen  gegenüb.  d.  Stadt  u.  d.  Professoren.  173 

und  Odofred  annehmen  ^'^).  Wer  den  Scholaren  das  Recht  bestritt 
sich  Rectoren  zu  wählen,  der  musste  ihnen  das  Recht  bestreiten 
Verbindungen  einzugehen,  wer  ihnen  aber  die  Rectorswahl 
zugestand,  musste  das  rechtliche  Bestehen  der  Scholaren  als 
universitas  voraussetzen,  und  umgekehrt,  wollte  er  anders  folge- 
richtig denken.  Ich  kann  es  einerseits  nur  als  einen  Fortschritt 
bezeichnen,  wenn  gegen  die  Mitte  des  14.  Jhs.  Bartolo  das  Recht 
der  Scholaren  sich  Rectoren  zu  wählen  aus  dem  Jus  commune 
ableitet,  ^quia  ita  scholares  sicut  quelibet  alia  universitas  possunt 
sibi  facere  rectorem'*").    Allein  weder  er*"),  noch  Baldus*"), 

dicum,  ad  quos  earundem  professionum  seu  negotiationum  cura  pertinet,  Ju- 
risdictionen! et  preceptionem  declinare  conari.  Nach  Cod.  Vat.  1427  und 
Cod.  Borghes.  273  aus  dem  12.  Jh. 

^^)  Accors  macht  zwar  zu  pertinet  obiger  Stelle  die  Glosse:  ex  electura 
eomm  qni  exercent  (professionem).  Sic  ergo  dant  ordinariam  jurisdictionem 
iUi  de  illa  professione,  ut  etiam  declinari  non  possit  (Cod.  Burghes.  224- 
Cod.  34 A  Archiv  zu  S.  Peter.  Cod.  Palat.  762).  Da  er  Iftugnet,  dass  die 
Scholares  professionem  exercent,  so  scheint  die  Bestreitung  des  Rechtes  der 
Rectorswahl  also  ganz  consequent  zu  sein.  Allein  kurz  vorher  macht  er  zu 
Brivaiorum  consensus  non  facit  judicem  die  Glosse:  puta  duorum  vel  trium 
Tel  etiam  decem,  nam  secus  in  consensu  alicuius  collegii,  puta  cerdonum, 
pellipariorum  et  similium  . . .  item  secus  in  consensu  universitatis  . . . 
statim  facta  electione  habet  jurisdictionem,  sed  (ohne  höhere  Bestätigung) 
non  effectum  iurisdictionis  (nach  den  citierten  Hss.).  Bereits  vor  Accurs 
hatte  diese  Stelle  die  Glosse  (Azos):  collegii  consensus  bene  facit  indicem 
(Cod.  Palat.  763).  Odofred  widerholt  ad  1.  c.  die  von  Accurs  gebrauchten 
Worte.  Dass  aber  die  Scholares  eine  Universitas  bilden,  sagt  er  ausdrück- 
lich an  der  Anm.  427  citierten  SteUe.  Und  doch  bestreitet  er  ebd.,  dass  die 
Scholares  'de  jure'  wie  eine  andere  Universit&t  Rectores  wählen  könnten. 
Auch  Petras  de  Bellapertica  sagt  an  der  oben  Anm.  6  cit.  Stelle:  omnes  de 
coUegio  debent  respondere  coram  judice  sue  professionis. 

«»)  Ad  Anth.  BMul 

*^)  In  Cod.  3,  13  IMmguum:  Querit  glossa  (Accnrsii)  utrum  univer* 
Bitas  scolarium  possit  habere  rectorem.  Glossa  videtur  dicere  quod  non,  und 
Bartolo  fahrt  non  die  BegrOndung  derselben  an.  Dagegen  nun  schliesst  er: 
Doctores  dicont,  qnod  universitas  scolarinm  sit  approbata  et  possit  habere 
rectorem  per  Auth.  BMta,  et  ita  observat  consuetudo.  Bartolo  ist  zwar  mit 
dar  Bemfung  auf  die  Auth.  oder  vielmehr  auf  die  Doctoren  im  Irrthume, 
denn*jene  sagt  gar  nichts  darüber  (s.  oben  S.  56  Anm.  54),  wie  früher  schon 
Jac.  Batrigarias  ad  Auth.  erklärte:  hec  lex  non  loqoitar  de  rectore  sed  de 
doctore.    Vgl.  Bartolo  noch  In  Dig.  47  De  coUeg.  iUicit.  1.  4  n.  7. 

^^)  Ad  1.  c.  Cod.  vertheidigt  er,  ohne  gerade  von  der  universitas  scho- 


174  I^'    Entstehung  der  ftltesten  UniTerBit&ten. 

weil  lediglich  auf  dem  Standpunkte  des  Corpus  jur.  civ.  stehend, 
vermochten  andererseits  die  Streitfrage  genügend  zu  lösen.  Ihre 
Ansichten  trugen  immer  nur  das  Gepräge  von  blossen  Concessionen 
an  die  Scholaren. 

Petrus  de  Ancharano,  der  sich  überhaupt  viel  mit  dem 
CoUegium  der  Doctoren  und  der  Universitas  scolarium  beschäftigt, 
versucht  mehr  Licht  in  diese  Sache  zu  bringen.  Er  stellt  einmal 
als  sicheres  Princip  auf,  dass  die  Doctoren  de  jure  eine  Uni- 
versität bilden  könnten.  ^Cura  enim  studii  legum  professoribus 
est  commissa  quasi  studii  gubematoribus'.  Man  könnte  daher 
schliessen,  quod  doctores  tantum  ineant  universitatem*^').  Also 
nicht  die  Scholaren?  Dies  sei  eine  Streitfrage.  Aber,  meint  er, 
^quidquid  sit  de  jure,  de  facto  videmus,  quod  scholares  de  per 
se  faciunt  universitatem,  et  doctores  de  per  sc  collegium  sepa- 
ratum'*").  An  einem  andern  Orte  sagt  er  geradezu,  die  Scho- 
laren constituierten  de  jure  eine  Universität**').  Er  bekämpft 
unter  Berufung  auf  Baldus  die  Gründe  der  Gegner  (Joh.  Bas- 
sianus,  Azo,  Accurs  etc.),  die  sich  eigentlich  auf  den  6inen  re* 
ducierten,  dass  die  Scholaren  ebenso  wenig  eine  Verbindung  ein- 
gehen könnten  wie  die  discipuli  pellipariorum  et  similium  cor- 
porum.  Der  Vergleich  entspreche  nicht  der  wirklichen  Sachlage.  Das 
Recht  zur  Schliessung  einer  Verbindung,  meint  er,  ^non  extenditur 
ad  discipulos  ipsarum  (artium),  quia  illi  sunt  subalterni  arti  vilissime, 
sicut  famuli  scholarium;  scolares  autem  subalternantur  doctoribus 
et  scientie'  ***).  In  Folge  davon  setzt  er  das  Recht  der  Scholaren 

larium  su  sprechen,  dasselbe  Princip.  Ausdrücklich  tritt  er  fflr  dieselbe  ein 
ad  Auth.  Eabita  n.  80,  wenngleich  er  in  Prooem.  Digest.  Haee  autem  tria  n.  1 1 
gesteht,  die  electio  rectoris  gehöre  den  Doctores  za  'sed  consuetudo  servat 
ad  oniTersitatem  scholarium',  obgleich  dies  nicht  das  Katflrlichste  sei,  denn 
'istud  non  est  rationabile  et  natura  non  vult,  quod  membra  sint  supra  capat 
et  sint  super  verticem  patris*.  An  sich  und  de  jure  sollte  die  Wahl  'ad  ani* 
versitatem  stadenUam,  id  est  doctorum  et  scholarium,  id  est  ad  capnt  cum 
membris'  gehören. 

^^)  Super  6.  Decret  prooem.  p.  6. 

^  In  Decret.  1  De  consuet.  cum  dilectus.  BL 117  ed.  Bononiae  1581. 

^  In  6  prooem.  p.  6. 

***)  L.  c.  in  6. 


3.  Bologna.  Scholarenverbindungen  gegenüb.  d.  Stadt  u.  d.  Professoren.   175 

Rectoren  zu  wählen  als  sich  von  selbst  verstehend  voraus.  Höher 
konnte  sich  ein  Rechtslehrer  wohl  nicht  mehr  erschwingen. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich,  dass  bis  tief  ins  14.  Jh. 
hinein  die  Natur  der  Scholarenverbindungen  und  deren  Rechte 
den  Juristen  grosse  Schwierigkeiten  bereiteten,  und  dass  selbst 
im  Falle,  als  man  eine  günstigere  Lösung  gab,  diese  doch 
nicht  den  Kern  traf.  Allerdings  sind  die  jüngeren  Rechts- 
lehrer, die  aber  naturgemäss  die  mildern  waren,  dadurch  zu 
entschuldigen,  dass  zu  ihrer  Zeit  die  Scholaren  Verbindungen 
eine  andere  Stellung  auch  gegenüber  den  Professoren  einnahmen, 
als  anfänglich.  Den  frühesten  Legisten  muss  man  es  aber 
deshalb  nachsehen,  weil  in  jener  Epoche  der  Usus  sowohl  der 
Scholaren  als  mancher  anderer  Genossenschaften,  sich  Consuln 
zu  wählen,  noch  nicht  allgemein  als  rechtsgültig  anerkannt  war, 
was  ich  wenigstens  aus  Roffred  von  Benevent  schliesse***).  In 
jener  ganzen  Zeit  gab  es  nur  einen  Einzigen,  der  für  die  Scho- 
larenverbindungen das  richtige  Verständniss  hatte,  nämlich  den 
Papst.  Er  fasste  sie  gerade  als  das  auf,  was  sie  waren,  nämlich 
als  freie  Genossenschaften,  und  daraus  leitete  er  ihr  Existenz- 
recht ab. 

Der  Ausgang  des  Streites  war  für  die  Scholaren  günstig. 
Sie  verdankten  aber  dies  lediglich  der  Festigkeit  und  Einsicht 
ihres  einzigen  Vertheidigers,  nämlich  Honorius  III.  Er  misbilligte 
am  5.0ctober  1224  ebenso  das  Vorgehen  der  Stadt  wie  das  Betragen 
der  Professoren,  erinnerte  erstere  an  die  bisher  nicht  gestörte  Frei- 
heit der  Scholaren,  und  mahnte  sie  das  gegen  dieselben  er- 
lassene Statut  aufzuheben  und  die  Rectoren  sowie  die  Consiliarii 
zurückkommen  zu  lassen.  Kurz,  der  Papst  trat  ein  für  das  her- 
gebrachte Recht  der  Scholaren.  Er  droht  der  Stadt  über  sie 
den  Bann  durch  die  Conservatoren  aussprechen  zu  wollen,  sollte 
sie  nicht  Folge  leisten  oder  den  Schaden  gut  machen,  die  Scholaren 
in  dem  Besitze  der  Rectoren  und  Consiliarii  wie  bisher  ungestört 
lassen  und  sich  ihren  gerechten  Statuten  widersetzen  ^^^). 


^6)  So  sagt  er  in  der  Lectura  in  Cod.  (cod.  Paris.  4.54.6  Bl.  44a.  3,  13 
Penni^uum):  non  enim  credimus  mercatores  vel  alios  vulgares  et  mechanicas 
artes  ezercentes  posse  iudicem  constitaere.  Von  den  Scholaren  spricht  er  nicht. 

^^)  Bei  Savioli  III,  2  p.  56:  Universitäten!  vestram  monemus  . .  .  qua- 


176  II'   Entstehung  der  ältesten  Üniversi täten. 

Jetzt  erst  scheint  die  Stadt  jenes  Statut  erlassen  zu  haben, 
das  Savioli  mit  dem  Datum  1220  herausgab  ^^^),  worin  sie  den 
Scholaren  freien  Aufenthalt  in  der  Stadt  gewährt,  ^sicut  poterant 
ante  statutum  conditum  inter  eos  de  rectoribus  non  habendis', 
denn  erst  c.  1224  duldete  sie  nicht  mehr  die  Rectoren**').  Doch 
wurde  auch  nachher  noch  immer  ein  Eid  von  diesen  auf  das 
Versprechen,  an  der  Verlegung  des  Studiums  nicht  Schuld  zu  sein, 
abverlangt,  widrigenfalls  den  Scholaren  der  Besitz  derRectoren  nicht 
gestattet  würde.  Dieses  Gebot  erscheint  noch  im  Statutenbuch 
vom  J.  1259**'),  ja  noch  1267*"),  und  ich  finde  es  erst  in  jenem 
vom  J.  1288  ganz  ausgemerzt*").     Der  Sieg  der  Scholaren  war 


tenus  statutum  editum  contra  scolares  irritantes  omnino  bannum,  cni  rectores 
et  consiliarios  subjecistis,  penitus  relazetis  nee  impedientes  eos,  quo  minus  sicut 
hactenus  habeant  consiliarios  et  rectores.  Quin  etiam  si  que  de  bonis  it>80- 
rum  occasione  banni  occupata  fuerint,  ea  sine  difficultate  quaUbet  restitut 
faciatis  eisdem  .  .  .  Alioquin  Abbati  S.  Frosperi  Reginensis  ...  et  predictis 
Arcbidiacono  et  Archipresbyt.  (die  bereits  erwähnt  wurden  und  1220  den  Auf- 
trag erhielten)  nostris  damus  litteris  in  mandatis,  ut  . . .  tos  ad  ea  que  man- 
damus  per  censuras  ecclesiasticas  . . .  compellant.  Es  gehörte  die  ganxe 
Oberflächlichkeit  Raumers  dazu,  um  die  Behauptung  aufzustellen,  Honorius  III. 
habe  1216  die  nach  Landsmannschaften  gebildeten  Vereine  der  Studenten 
untersagt.  Geschichte  der  Hohenstaufen.  3.  Aufl.  VI,  344.  Dabei  beruft 
er  sich  unglaublicher  Weise  gerade  auf  jene  zwei  päpstlichen  Schreiben  Tom 
J.  1217  (woraus  er  1216  macht),  die  ich  oben  citiert  habe  (Reg.  Vat.  an.  1 
ep.  453.  454),  und  in  denen  Honorius  III.  die  Scholarenverbindungen  ver- 
theidigtl  Zwei  Seiten  weiter  jedoch  lässt  Raumer  den  Studenten  wider  die  Unter- 
stützung Honorius  III.  angedeihen,  allein  er  verstand  eigentlich  nicht,  worum 
es  sich  handelte. 

M7)  S.  oben  S.  168  Anm.  420. 

^  Dieses  zu  Qunsten  der  Scholaren  erlassene  Statut  hatte  wohl  Ode- 
fred  gemeint,  wenn  er  sagt:  per  legem  municipalem  huius  civitatis  scolares 
creant  rectores.    S.  oben  S.  170  Anm.  427. 

^9)  Bei  Sarti  II,  223. 

^)  S.  SUtuti  di  Bologna  ed.  Frati  II,  27,  Varianten. 

^1)  Im  Cod.  Vat.  2669  finden  sich  die  städtischen  Statuten  vom  ge- 
nannten Jahre,  die  mit  den  von  Sarti  II,  225  in  das  Jahr  1289  geaetsten 
fibereinstimmen.  Sie  tragen  das  Datum  21.  Sept.  1288  Indict.  prima.  Im 
8.  Buche  derselben  stehen  die  auf  das  Studium  bezfiglichen  Verordnungen, 
üebrigens  existiert  der  von  Sarti  citierte  Codex  noch  in  Bibl.  mtuiicip.  sa  Bo- 
logna. Er  trägt  keine  Jahrzahl,  allein  das  von  Sarti  angegebene  Jahr  er- 
gibt sich  aus  dem  damaligen  Podestä. 


3.  Bologna.    Der  einheimische  Rechtsschfller.  177 

nicht  mit  Einern  Male  ein  yollständiger ,  sondern  nur  nach  und 
nach.  Das  Jahr  1224  inaugurierte  denselben  in  Folge  des  ener- 
gischen Einschreitens  des  Papstes. 

üebrigens  geht  aus  diesem  ganzen  geschichtlichen  Verlaufe 
hervor,  dass  die  Scholarencorporationen  in  Bologna  nicht  weniger 
des  Schutzes  der  höchsten  Autoritäten  bedurften,  um  sich  immer  mehr 
und  mehr  als  Genossenschaften  zu  consolidieren,  als  die  Magister- 
corporation  und  die  gemischte  Scholarenverbindung  in  Paris*"'), 
wenngleich  auch  in  Bologna  die  Anregung  zu  den  jeweiligen 
Acten  immer  von  den  Gorporationen  selbst  erfolgte. 

d.   D«r  einheiniiiohe  Beohtisohftler,  und  die  Scholaren  der  übrigen 

Wissenichaften. 

Ich  habe  bereits  oben  bemerkt,  dass  die  eigenthümliche 
Entstehungsweise  der  nach  dem  Muster  der  Hansen  gebildeten 
Scbolarenverbindungen  es  mit  sich  brachte,  dass  der  einheimische 
Bechtsschüler  Bolognas  nicht  eigentliches  Mitglied  der  spätem 
zwei  Gorporationen,  der  Citramontani  und  Ultramontani ,  sein 
durfte.  Dieser  Umstand  hatte  mehrere  Consequenzen  im  Ge- 
folge. Die  Scholares  cives  konnten  sich  einmal  von  Rechts- 
wegen nicht  an  der  Wahl  des  Rectors  betheiligen,  noch  konnten 
sie  selbst  zu  Rectoren  gewählt  werden.  Sie  bildeten  ja  selbst 
nie  eine  Genossenschaft,  noch  gehörten  sie  einer  solchen  an.  Sie 
standen  mithin  auch  ausserhalb  der  beiden  Gorporationen  der  Gitra- 
montani  und  Ultramontani,  die  nur  die  Vereinigungen  der  ein- 
stigen Genossenschaften  waren.  Ebenso  wenig  durften  sie 
natflrlich  auch  Gonsiliarii  werden  oder  irgend  ein  anderes  Amt, 
das  den  Gorporationen  zukam,  übernehmen.  Bereits  Savigny  er- 
kannte, dass  nur  die  scolares  forenses  und  nicht  die  einheimischen 
die  eigentliche  Universitas  bildeten,  und  die  cives  weder  in  der  Ver- 
sammlung stimmen  noch  Aemter  der  Universität  bekleiden  konn- 
ten*"). Folgerichtig  brauchten  aber  auch  die  einheimischen  dem 
Bector  nicht  den  Eid  auf  die  Beobachtung  der  Statuten  abzu- 
legen (wenngleich  sie  sich  denselben  zu  unterwerfen  hatten), 
was  nicht  aidSiallen  darf,  da  in  Bologna  nicht  einmal  die  nobiles 

^)  Gesch.  des  R6m.  Rechts  m,  182  f. 

^^^)  S.  darüber  unten  im  vierten  Hauptabschnitte. 

0««ifU,  DS«  UnlTttntftiMi  I.  12 


178  ^  Eotttahiuig  der  iltesten  üniTersititeiL 

de  Alamania  gehalten  waren  ^jnrare  rectori' ***).  Die  Stadt 
handelte  ganz  consequent  nnd  im  Geiste  der  Entwicklung  der 
Scholarenverbindungen,  wenn  sie  1245  jedem  (Scolaris)  dvis  ver- 
bot ^jurare  sab  aliqno  rectore  scolarinm  vel  sab  aliquo  alio  Sco- 
lari aliquo  modo  Tel  ingenio' **^).  Dieses  Statat  zeugt  um  so 
weniger  Ton  einer  Feindseligkeit  gegen  die  scholares  forenses, 
als  die  Stadt  fast  um  dieselbe  Zeit  die  Güter  derselben  von  den 
Steuern,  denen  sonst  die  bona  forensium  unterworfen  waren,  be- 
freite^"). Wer  sich  auf  die  gedruckten  Juristen  -  Statuten  von 
Bologna  verlässt,  geht  allerdings  irre,  denn  in  späterer  Zeit 
mussten  alle  Schüler,  gleichviel,  ob  cives  oder  forenses,  den  Eid 
leisten.  Allein  im  13.  und  theilweise  noch  im  14.  Jh.  war  dies 
in  Bezug  auf  die  cives  noch  nicht  der  Fall,  weshalb  wir  auch  an 
einigen  Studienanstalten,  die  Bologna  zum  Vorbilde  genommen 
hatten,  dieselbe  Entdeckung  machen,  z.  B.  in  Lörida^**).  In  den 
dortigen  Statuten  wird  ausdrücklich  erklärt,  dass  die  scolares 
cives  civitatis  necnon  physici  et  artistae  nicht  de  stricto  corpore 
universitatis  studii  quantum  ad  ordinationes  sive  statuta  condenda 
seien,  obgleich  sie  dieselben,  dum  scolares  fuerint,  befolgen 
müssten^'^).  Auf  Grund  der  altern  Statuten  wird  in  jenen  vom 
J.  1457  der  Universität  Perugia  bestimmt:  quod  scolares  cives 
perusini  vel  comitatenses  non  intelligantur  esse  nee  sint  de  uni- 
versitate   nostra,   nee  in  ea  aliquid  habeant  participium,  nee  in 

^)  S.  oben  8.  154. 

^)  Statuti  di  Bologna  ed.  Frati  II,  29.    S.  oben  8. 144  Anm.  888. 

^)  So  in  einem  Sutute  vom  J.  1250  in  den  SUtati  II,  101. 

^  In  den  Juristenstatuten  ▼om  J.  1300heis8t  es:  cum  te  dicas  cirem 
Ilerdae,  jurare  non  cogens  universitatis  statuta,  licet  dum  in  hoc  studio  fneris 
ad  eorum  observantiam  tenearis.  Bei  Villanueya  XVI,  229.  Diejenigen  jedoch, 
welche  lehren  woUten,  mussten  natürlich,  ob  dieselben  nun  cives  oder  ex- 
teri  waren,  den  Eid  ablegen.  Ib.  p.  220.  Dass  das  Gesets  nicht  in  L6rida 
luerst  gemacht  sondern  aus  den  Bologneser  Statuten  copiert  wurde,  ergibt 
sich,  abgesehen  davon,  dass  Bologna  dort  als  Musterschule  betrachtet  md, 
daraus,  dass  es  nur  einen  Sinn  innerhalb  der  Entwicklung  der  Bologneser 
Verfassung  hat  und  nach  1800  von  den  meisten  Universitäten  aufgegeben 
wurde. 

**T)  Bei  Villanueva  XVI,  226  f. 


3.  Bologna.    Der  einheimische  Rechtsschfller.  179 

aliqaa  congregatione  umyersitatis  interesse  possint,  nisi  per  rec- 
torem  et  consiliarios  essent  yocati^*'). 

Der  einheimische  Scholaris  erscheint  wahrhaftig  nur  als  ein 
Stiefkind,  um  nicht  zu  sagen  als  ein  Zwitterding.  Wie  dies  erklären? 
Soll  man  mit  Savigny,  der  eine  ungenügende  Eenntniss  dieser 
Thatsachen  besass,  den  Grund  in  der  Abhängigkeit  der  einheimischen 
Scholaren  von  der  Stadtobrigkeit  suchen^*^^)?  Allein  warum  haben 
dann  andere  Universitäten,  die  ebenfalls  Universitates  scolarium 
waren,  wie  z.  B.  Montpellier  und  Florenz,  diese  Unterschiede  auf- 
gegeben^*®)? Und  sollte  man  nicht  meinen,  dass  gerade  die 
grössere  Abhängigkeit  von  der  Stadt  mit  ein  Grund  hätte  sein 
mflssen,  die  einheimischen  Scholaren  fester  an  die  Universität  zu 
knüpfen?  Auf  einem  noch  grossem  Missverständnisse  beruht  die 
Ansicht  Höflers,  die  Bologneser  hätten  dem  Wunsche,  ihre  Uni- 
versität als  Weltuniversität,  ihre  Stadt  als  Mittelpunkt  eines 
Znsammenströmens  von  Studierenden  aus  allen  Ländern  zu  sehen, 
die  eigenen  Ansprüche  und  Rechte  geopfert  ^*^).  Obige  That- 
sachen sind  vielmehr  nichts  denn  Gonsequenzen,  die  die  ursprüng- 
liche Art  und  Weise  der  Entstehung  der  Scholarenverbindungen 
und  deren  allmähliche  Weiter-  und  Ausbildung  mit  sich  bringen 
musste.  Bloss  die  scholares  forenses  giengen  in  Bologna  Genossen- 


458)  Padelletti  im  Archiv,  giurid.  VI,  104  Anm.  3. 

^^)  Sayignys  irrige  Ansicht  hat  die  Baltische  Monatsschrift  IV,  106 
noch  mehr  breit  getreten  mit  den  Worten:  'Der  Grand  dieser  auffallenden 
Zarftcksetzong  ist  in  den  hest&ndigen  Competenxstreitigkeiten  der  üniversit&t 
mit  der  Stadt  xa  suchen'.  Was  sowohl  Ton  Savigny  als  auch  in  dieser 
Zsehr.  gesagt  wird,  *die  Universität'  habe  von  ihren  stimmberechtigten  Mit- 
gliedem  das  eidliche  Gelübde  gegenüber  den  Statuten  und  dem  Rector  gefor- 
dert, die  Stadt  aber  aUe  ihre  Angehörigen,  welche  diesen  Eid  leisten  würden, 
mit  Bann  bedroht,  ist  nnr  Missverstftndniss  jener  Thatsachen,  die  ich  oben 
dargestellt  habe. 

^  In  Floren*  war  zwar  allerdings  geboten,  der  Rector  müsse  em  fo- 
lensis  sein  (so  im  J.  1321,  Statuti  etc.  p.  109;  im  J.  1366,  ib.  p.  149),  wie 
sp&ter  auch  in  Pisa  im  J.  1478  bestimmt  wurde  (Fabroni,  Hist.  acad.  Pi- 
sanae  I,  440  ff.),  allein  die  üniversit&t  selbst  sollten  die  Einheimischen  mit 
den  forenses  'qni  reperientar  in  civitate  Florentiae'  bilden  (Statuti  etc.  p.  109). 

^^)  Mag.  Joh.  Has  und  der  Abzug  der  deutschen  Professoren  und  Stu- 
denten aas  Prag.    Prag  1864  S.  98. 

««>)  Darüber  alsbald  mehr. 

13* 


IgO  ^-  Entstebang  der  iltesten  üniTerntiten. 

Schäften  ein.  Mithin  standen  die  scholares  dres  ausserhalb  der- 
selben. Die  einen  wie  die  andern  waren  aber  Studenten  an 
demselben  Stadium,  das  die  Professoren  leiteten ^*^.  Als  jedoch 
die  ursprQngliche  Stellung  der  Scholarencorporationen  besonders 
durch  die  wichtiger  werdende  Position  der  Rectoren  allm&hlich 
sich  veränderte,  die  Rechte  der  Genossenschaften  immer  grosser, 
und  Ton  ihnen  nach  und  nach  die  äussern  Studienangelegenheiten 
gänzlich  abhängig  wurden,  da  war  die  Folge,  dass  die  scolares  ciyes, 
obwohl  sie  immer  noch  ausserhalb  der  Gorporationen  standen, 
denselben  nicht  mehr  gleichgültig  gegenüber  bleiben  konnten  und 
durften.  Einerseits  entbehrten  sie,  weil  nicht  Mitglieder,  der 
eigentlichen  Corporationsrechte,  andererseits  schuldeten  sie  den 
Corporationsstatuten ,  weil  die  (xenossenschaften  nunmehr  in 
directer  Beziehung  zum  Studium  standen ,  Gehorsam,  wollten  sie 
die  Privilegien  der  Studienanstalt  geniessen. 

Dies  allein  die  richtige  Erklärung  einer  Erscheinung,  die 
für  sich  allein  betrachtet  komisch  genug  ist,  genetisch  entwickelt 
aber  alles  Seltsame  verliert.  Merkwürdig  bleibt  nur,  dass  solche 
Bestimmungen,  die  einzig  in  Bologna  einen  Sinn  hatten,  in  späterer 
Zeit  an  einigen  Universitäten  noch  Aufnahme  fanden,  während 
sie  mit  Recht  an  andern  unterdrückt  wurden.  Selbst  in  Bologna 
wurde  der  einstige  Unterschied  zwischen  den  scholares  forenses 
und  cives  mit  der  Zeit  mehr  und  mehr  abgeschwächt,  wenngleich 
er  fortwährend  bestehen  blieb,  und  die  Namen  der  scholares  fo- 
renses und  cives,  welche  dem  Rector  den  Eid  geleistet  hatten, 
in  getrennte  Matrikeln  geschrieben  werden  mussten^**). 

Die  eigenthümliche  Entstehungsweise  und  weitere  Ausbildung 
der  Scholarencorporationen  Bolognas  erklärt  es  auch,  warum  ihnen 
gegenüber  nachher  die  Artisten  und  Mediciner,  sowie  in  späterer 
Zeit  die  Theologen,  ihre  Schwierigkeiten  hatten,  wenngleich  dabei, 
wie  wir  an  seinem  Orte  sehen  werden,  noch  ein  anderer  Grund  mit 
im  Spiele  war.  Es  ist  einfach  Consequenz,  wenn  die  Statuten  von 
L^rida  sie  ebenso  wie  die  scolares  cives  vom  strictum  corpus 
universitatisa  usschliessen^*^).    Doch  hatte  dies  mehr  in  Bologna, 


^)  SUtQta  et  privil.  almae  anirers.  Jurist.  Hb.  3  p.  50. 
*«*)  8.  oben  8. 178. 


3.  Bologna.    Der  Bector  innerhalb  der  Gorporati onen.  Igl 

als  in  L^rida  einen  Sinn.  Bloss  die  Rechtsschttler  giengen 
nämlich  in  Bologna  ursprünglich  Verbindungen  ein ;  Artisten  und 
Mediciner  gab  es  damals  dort  nur  wenige  ^'^).  Als  jedoch  diese 
erstarkt  waren,  hatten  die  Juristen  bereits  die  äussern  Studien- 
angelegenheiten in  Händen,  und  es  hieng  gänzlich  von  ihnen  ab, 
ob  die  Artisten  und  Mediciner  auch  eine  Verbindung  schliessen 
konnten,  wenngleich  es  doch  endlich  dazu  kam.  Im  J.  1360, 
als  Innocenz  VI.  in  Bologna  die  theologische  Schule  gegründet 
hatte  *••),  verbanden  sich  die  Magister  in  der  Theologie  zu 
einer  Universitas,  während  die  Theologiestudierenden  zur  Uni- 
Tersitas  Artistarum  gehörten.  Gleichwie  schon  die  Art  und  Weise 
der  Entstehung  dieser  zwei  Verbindungen  eine  von  jener  der 
juristischen  Scholarenverbindungen  ganz  verschiedene  war,  so 
auch  die  Organisation  derselben.  Sie  beschäftigt  uns  hier  nicht 
weiter  mehr,  und  wir  kehren  zu  den  Scholarenverbindungen 
zurück. 

\^  6.   Der  Beotor,  und  Beine  Stellung  innerhalb  der  Corporationen. 

Von  selbst  werden  wir  nun  auf  den  wichtigsten  Punkt  in  der 
i  Scholarenverbindung,  auf  den  Charakter  und  die  Stellung  des 
Rectors  in  derselben,  hingeleitet.  Den  Meisten  mag  die  Dar- 
stellung dieser  Verhältnisse  sehr  einfach  und  leicht  vorkommen,  da 
die  Statuten  darüber  Aufschluss  geben  und  klar  über  die  Be- 
ziehungen des  Bectors  zur  Universität  und  zum  Studium  und  um- 
gekehrt sprechen.  In  der  That  hat  auch  Savigny  hier,  wie  auch 
sonst  zumeist,  nur  die  gedruckten  Statuten  zur  Hand  genommen. 
Er  war  der  Meinung,  die  meisten  und  wichtigsten  derselben,  die 
1432  redigiert  wurden  und  weiter  umgearbeitet  in  dem  Drucke  von 
'1561  (den  er  benützte  und  der  auch  mir  vorliegt)  enthalten  sind, 
rührten  aus  der  Zeit  der  ersten  bestimmteren  Einrichtung  der 
Universität  her"0-     Zwei  Gründe  bewogen  ihn  zu  dieser  An- 


^  Was  Haeser,  Lehrb.  der  Gesch.  der  Medicin,  3.  Bearb.  I,  653  da- 
rQber  sagt,  ist  falsch;  er  hat  die  vagen  Behauptungen  bei  Sarti  I,  433 f.  nur 
noch  mehr  erweitert. 

^^  Weiter  onten  komme  ich  darauf  zurflck. 

^7)  Gesch.  des  Böm.  Bechts  HI,  163. 


Xg2  II*  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

sieht.  Einmal  die  sichere  Nachricht,  dass  bereits  1253  Sta- 
tuten der  Universität  existierten"®).  Allein,  Savigny  macht 
sich  hier  einer  petitio  principii  schuldig.  Sind  denn  die  1253 
von  Innocenz  IV.  bestätigten  Statuten  identisch  mit  denen  von 
1432?  Dieselben  waren  weder  Savigny  bekannt,  noch  kann  ich 
sagen,  wie  sie  ausgesehen  haben.  Dann,  meint  ei*,  beweise  für 
seine  Ansicht  besonders  der  in  den  gedruckten  Statuten  mitgetheilte 
Katalog  der  Bücherverleiher,  denn  er  enthalte  fast  durchaus 
Werke  aus  dem  12.  und  13.  Jh.  Allein  daraus  folgt  bloss,  dass 
der  Katalog  alt  ist,  nicht  aber  ist  jener  Umstand  fQr  das  Alter 
der  Statuten  beweisend,  zwischen  denen  er  steht.  Der  einmal 
angefertigte  Katalog  wurde  eben  immer  wider  dem  jeweiligen 
Corpus  der  Constitutionen  beigegeben.  Einen  schlagenden 
Beweis  bilden  die  Statuten  von  Florenz  vom  J.  1388,  in  die  der- 
selbe Katalog  buchstäblich  gleichlautend  ohne  neue  Zuthat  und 
mit  unmerklichen  Varianten  aufgenommen  wurde"*). 

Uebrigens  sprechen  wichtige  Gründe  gegen  Savignys  Ansicht. 
Die  Statuten,  wie  sie  vorliegen,  sind  einmal  viel  zu  umfangreich, 
als  dass  sie  auch  nur  dem  Haupttheile  nach  aus  dem  13.  Jh. 
stammen  könnten.  Man  vergleiche  doch  mit  ihnen  jene  von 
Arezzo,  L^rida,  Toulouse  aus  einer  Zeit,  wo  Bolognas  Statuten 
bereits  vorlagen  und  z.  B.  in  jenen  L6ridas,  wie  man  mit  Bestimmt- 
heit sagen  kann,  benützt  wurden.  Wie  bescheiden  treten  diese  auf 
gegenüber  den  Statuten  Bolognas  aus  dem  16.  Jh.^*'*)  Dann  beweist 
die  Geschichte  der  Umarbeitungen  der  Statuten  an  den  verschie- 
denen Hochschulen  gegen  Savignys  Behauptung.  Der  spätere  Corpus 
statutorum  sieht  dem  frühem  zumeist  nur  in  einigen  Hauptpunkten 
ähnlich,   und   selbst  diese  sind  verändert.    Beispiele  bieten  die 

^  InuocenE  IV.  bestätigte  nämlich  solche  in  jenem  Jahre.  Sarti  II, 
124.  8.  oben  8. 155  Anm.  379.  Wie  ans  den  Annalen  der  Deutschen  Nation 
hervorgeht,  machte  diese  Nation,  somit  auch  jede  andere,  ihre  eigenen  be- 
sondem  Statuten.  Solche  existierten  bereits  1289.  S.  Malagola,  Urceo 
Codro  p.  538.   Diese  Statuten  sind  natürlich  von  den  allgemeinen  verschieden. 

^^)  Statati  della  nniversitä  e  studio  Fiorentino,  p.  44  ff.  Der  Katalog 
findet  sich  in  der  Ausgabe  der  Bologneser  Statuten  vom  J.  1561  üb.  1  p.27; 
bei  Sarti  II,  214  ff  Neu  abgedruckt  bei  Savigny  S.  649,  die  canonistischen 
Schriften  daraus  bei  Schulte,  Geschichte  der  Quellen  d.  Oan.  Rechts  II,  554. 

469a)  Dazu  vgl.  die  Bemerkung  in  den  Statuta  Jurist,  v.  Padua  Bl.  la. 


3.  Bologna.    Der  Rector  innerhalb  der  Gorporationen.  Igg 

theologischen  Statuten  von  Paris  aus  dem  14.  und  15.  Jh. ,  die 
Universitätsstatuten  von  Angers  aus  dem  Ende  des  14.  Jhs.  u.  s.  w. 
Dasselbe  musste  in  Bologna  mehr  als  anderswo,  wenn  man  Paris 
ausnimmt,  der  Fall  sein,  da  man  dort  ursprünglich  keine  bereits 
durch  lange  Erfahrung  erprobte  Statuten  copieren  konnte;  die 
Constitutionen  musste  erst  das  jeweilige  Bedürfhiss  schaffen,  sie 
wuchsen  aus  den  Verhältnissen,  die  mit  den  verschiedenen 
Epochen  andere  wurden,  hervor.  Dies  brachte  nothwendig  theil- 
weise  Umarbeitung  der  alten  und  Aufnahme  neuer  mit  sich.  Mit 
den  allgemeinen  Vorschriften  gieng  es  hierin  ebenso,  wie  z.  B. 
mit  den  Statuten  der  Deutschen  Nation,  die  widerholt  und 
in  kurzen  Zwischenräumen  theils  erneuert,  theils  vermehrt  oder 
corrigiert  wurden  ^'^).  Aehnlich  war  es  ja  auch  mit  den  Statuten 
der  Ordensgesellschaften  ^'0.  Ich  läugne  gewiss  nicht,  dass  uns 
in  den  Statuten  des  16.  Jhs.  manche  wichtige  Hauptpunkte  aus 
früherer  Zeit  erhalten  sind.  Aber  dieselben  kann  nur  ein  Vergleich 
mit  sichern  Documenten  aus  früherer  Zeit  feststellen,  mit  nichten 
kann  man  sie  a  priori  erschliessen,  oder  gar  den  Schluss  auf  ^das 
meiste  und  wichtigste'  in  den  Statuten  ausdehnen.  Ebendeshalb 
ist  Savignys  Darstellung  nur  mit  Vorsicht  zu  gebrauchen.  Die 
verschiedenen  Zeiten  sind  dort  durch  einander  gemengt 

Ganz  irre  würde  man  gehen,  wollte  man  ohne  weiters  durch 
die  genannten  Statuten  zur  Klarheit  über  die  Stellung  der  Rectoren 
in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  gelangen.  Später  waren  nur 
mehr  zwei  Gorporationen  und  Anfangs  des  16.  Jhs.  nur  6in  Rector*^*). 
Die  Verhältnisse  hatten  sich  mithin  geändert,  und  auf  diese  verän- 
derten Verhältnisse  beziehen  sich  die  Statuten.  Wir  müssen  also 
einen  andern  Weg  einschlagen,  ohne  dass  wir  deshalb  dieselben 
aus  dem  Auge  verloren. 


^''^)  So  werden,  am  nur  das  14.  Jh.  za  erw&hnen,  für  die  Jahre  1343, 
1348,  1367,  1896  die  nova  oder  corrigierien  statata  erwähnt    8.  Malagola, 

L  c.  p.  538. 

^71)  Allerdings  begehen  hier  die  Forscher  denselben  Fehler,  wie  Sa- 
Tigny  in  Besug  auf  die  Universit&tsstatnten  Bolognas,  indem  sie  aus  den 
bei  Holstein  gedruckten  Ordensstataten    Schlüsse  aaf  das  12.  and  13.  Jh. 

liehen. 

479)  S.  oben  S.  156. 


Ig4  II.  Entstehnng  der  ftltesten  XJniTenitftten. 

Tbatsache  ist  zunächst,  dass  die  Scholaren  jeder  Corporation 
den  Rector  ihrer  Genossenschaft  wählten. '  Hierzu  bedurfte  es  keines 
Gesetzes  von  Seite  der  Gorporationen ;  dies  war  dadurch,  dass 
dieselben  existierten,  eo  ipso  gegeben^'').  Ebenso  verstand  es 
sich  von  selbst,  dass  der  Rector  forensis  sein  musste,  da  ja  die 
Verbindungen  nur  aus  forenses  gebildet  waren*'*).  Vorschriften 
hierüber  erwiesen  sich  erst  dann  als  nothwendig,  als  man  den 
Entwicklungsgang  der  Scholarenverbindungen  aus  dem  Gedächtniss 
verloren  hatte,  sowie  an  den  übrigen  nach  dem  Muster  von  Bo- 
logna eingerichteten  Universitäten.  In  diesem  Punkt  kamen  wohl 
alle  Scholarenverbindungen  in  Bologna  mit  einander  überein. 

Ob  aber  der  zu  wählende  Rector  ein  scholaris  sein  musste, 
oder  ob  er  auch  Doctor  sein  konnte,  war  anfänglich  gewiss  nicht 
bestimmt.  Es  scheint,  dass  ursprünglich  jede  Corporation  nach 
Gutdünken  gewählt  hat.  Einen  Beweis  hiefür  bieten  uns  die 
Scholarenverbindungen  vonVicenza  aus  den  Jahren  1204 — 1209. 
Im  Jahre  1205  waren  von  den  vier  Rectoren  der  vier  Gorporationen 
drei  Scholaren  und  einer  Magister;  ebenso  war  im  J.  1206  sicher 
auch  einer  Magister*'').  Gewiss  ist,  dass,  sollten  die  Scholaren 
früher   manchmal   einen  Professor   zum  Rector   gewählt  haben, 

*w)  s.  oben  S.  172  f. 

^74)  S.  oben  8.  144.  Selbst  wenn  die  Gorporationen  einen  Doctor  sum 
Rector  sollten  gewählt  haben,  war  derselbe  ein  forensis. 

^7^)  Bei  Miltarelli,  Ann.  Camald.  IV.  Appendix  p.  260  werden  lom 
J.  1205  erwähnt:  Magister  Robertus  de  AngUa  et  Quilelmos  Cancelinos  de 
Proyincia  et  Guamerius  de  Alemannia  et  Manfredus  de  Gremona  rectores 
pro  universitate  scolarium.  Im  Laufe  des  Docnmentes  wird  der  Magister  ab 
solcher  von  den  drei  übrigen  Rectoren  scharf  geschieden.  Der  Archidiaeon 
migoris  Yicentinae  ecclesiae  sagt:  Eapropter  dilecti  in  christo  fratres  magislef 
et  TOS  tres  ad  hoc  rectores  prenominatL  Man  könnte  nur  iweifeln,  ob  der 
Magister  Robertos  de  Anglia  also  wirklich  Rector  war.  Daraof  antwortet  ein 
Docnment  vom  nächsten  Jahre  (ibid.  p.  262):  Ibiqne  magister  Robertos  de 
Anglia  et  dominos  War(nerias)  de  Alamannia  rectores  oniTereitatis  scolarioai 
eto.  Wie  bereits  SaTigny  S.  308  Anm.  bemerkte,  wird  dadnrcb  klar,  dass 
Robert  zoglelch  Lehrer  war,  die  übrigen  aber  Schüler.  Dass  in  dem  sweiten 
Actenstflcke  Oamerios  mit  Dominos  beseichnet  wird,  beweist  nicht,  dass  er 
Lehrer  war,  er  war  Tielmehr  Schüler.  Im  Docnmente  Tom  J.  1209,  das  Sa* 
Tigny  entgieng  (bei  ICttarelli  im  eigentl.  Theil  des  Bandes  p.  213)  weiden 
die  Profeuoren  zoiaeist  mit  magister  (aoch  magister  kgom),  die  Sdralares 
aber  mit  Domini  tltoliert.    S.  oben  S.  152  AnsL  370. 


3.  Bologna.    Der  Rector  innerhalb  der  Gorporationen.  185 

dies  ebenso  wenig  gegen  das  Princip  der  Scholarenverbindungen 
Verstössen  haben  würde,  als  die  Thatsache,  dass  hie  und  da  an  deut- 
schen Universitäten,  an  denen  die  Macht  doch  bei  den  Professoren 
lag,  ein  Scholaris  das  Amt  eines  Rectors  bekleidete  ^^^),  gegen  den 
Geist  der  Magister-Gollegien  spricht.  Das  Charakteristicuni  bestand 
ja  nicht  in  der  Beschaffenheit  des  gewählten  Bectors,  sondern 
darin,  von  wem  die  Wahl  des  Rectors  ausgieng.  Zudem  wissen  wir, 
dass  jene  Professoren,  von  denen  oben  die  Rede  war^^^),  nur  das 
Wahlrecht  der  Scholaren  angriffen,  sich  aber  nicht  gegen  die 
Aufstellung  eines  Scholaris  als  Rector  kehrten,  was  sie,  so  sollte 
es  wenigstens  scheinen,  nicht  unterlassen  hätten,  wäre  es  con- 
sequent  der  Fall  gewesen,  obgleich  sie  hierin  ebenso  Unrecht 
gehabt  hätten  wie  in  Bezug  auf  den  andern  Punkt.  Einen 
Beweis  fär  diese  Yermuthung  könnte  man  in  der  Organisation 
Paduas  vom  J.  1228  erblicken,  wo  ein  Dominus  Adam  de  Ganocho 
als  Rector  Francigenarum,  Anglicorum,  Normannorum,  ein  Dominus 
Gaufredus  provincialis  als  Rector  provincialium  et  Spanorum  et 
Gatellanorum  genannt  wird^'^).  Da  hier  jedoch  Alle  mit  Do- 
minus tituliert  werden,  fehlt  der  Masstab,  den  wir  in  Bezug  auf 
Vicenza  hatten,   und   wir  wissen  deshalb  nicht  sicher,  ob  hier 


^7^)  Dies  geschali  öfters  z.  B.  in  Prag,  Erfurt,  Leipzig,  Ingolstadt. 
Gersdorf,  Beitrag  zur  Geseh.  der  Universität  Leipzig  (Mitth.  d.  d.  GeseU- 
scbaft  z.  Erforsch.  TaterL  Sprache  and  Alterth.  Y,  15)  meint,  der  erste  Stu- 
dent, der  auf  einer  deutschen  Universität  zum  Rector  erwählt  wurde,  sei  der 
in  Leipzig  1471  inscribierte  und  1475  zum  Rector  erwählte  Adolph  Fürst 
zo  Anhalt.  Allein  Gersdorf  irrte  um  mehr  als  ein  Jahrhundert.  Der  erste 
Student,  der  auf  einer  deutschen  Universität  zum  Rector  gewählt  wurde, 
war  HenricuB  de  Etwat  de  Primislavia,  der  1366  von  Karl  ly.  als  rector 
universitatis  Pragensis  und  Scolaris  in  jure  canonico  erwähnt  wird.  Reg. 
Snppl.  Drbani  V.  tom.  unic.  Bl.  264,  und  an.  4  p.  1  Bl.  175a.  Ebenso  fungieren 
in  Erfurt  lange  vor  1475  Scholaren  als  Rector en.  So  in  den  Jahren  1398. 
1399.  1400.  1401.  1405.  1434.  1449  u.  s.  w.  (Vgl.  Weissenbom,  Acten 
der  Erfurter  Universität  I,  52.  56.  59  f.  74.  160.  221). 

^77)  S.  S.  170.  Allerdings  setzen  Azo  und  Accurs  die  Gerichtsbarkeit 
der  Rectoren  voraus.  AUein  nicht  jen6  griffen  sie  an,  sondern  dass  die 
Scholaren  selbst  sich  die  Bectoren  wählten,  was  ein  Privileg  der  Doc- 
toren  sei. 

«7S)  Bei  Balliano  1.  c.  S.  38  f.  Savigny  schreibt  S.  311  Anm.  c.  falsch 
nach  Zacharia:  rectoriae  provincialium. 


]g6  n.  Entstehnng  der  ältesten  üniTenit&ten. 

Professoren  gemeint  seien  (was  immerhin  einige  Wahrschein- 
lichkeit für  sich  hat)  oder  bloss  Scholaren. 

Eben  deshalb  lässt  sich  darüber  für  die  erste  Periode  nichts 
sicheres  behaupten.  Festhalten  muss  man  bloss  das  eine,  dass 
die  Scholaren  ebenso  wohl  Professoren  als  Schüler  zu  Rectoren 
wählen  konnten,  indem  dies  ganz  von  der  Freiheit  derselben 
abhieng,  und  das  erstere  ebenso  wenig  als  das  letztere  der  Ver- 
fassung widersprach. 

Um  die  Mitte  des  13.  Jhs.,  als  die  Scholarenverbindungen 
bereits  eine  feste  Organisation  erhalten  hatten  und  sie  auf  die 
zwei  grossen  Gorporationen  der  Ultramontani  und  Citramontani 
reduciert  worden  waren,  wurden  nicht  bloss  beide  Gorporationen 
gleichmässiger  organisiert,  sondern  Ton  jener  Zeit  ab  wurde  auch 
der  Rector  nicht  nur  von  den  Scholaren  sondern  auch  ans 
den  Scholaren  gewählt.  Ein  Vergleich  mit  andern  Universitäten^ 
für  die  Bologna  Muster  war,  ergibt  dies  am  besten,  obgleich  die 
städtischen  Statuten  Bolognas  vom  J.  1250  noch  nicht  darauf 
schliessen  lassen  ^").  In  Padua  erscheinen  nämlich  ebenfalls  in  den 
Jahren  1260  und  1261  nur  Scholaren  als  Rectoren  ^*®).  In  L6rida 
wurde  1300  Torgeschrieben,  dieScholares  forenses  sollten  den  Rector 
und  die  Consiliarii  ^ex  se  ipsis'  wählen^'').  Die  Juristenstatuten 
T.  J.  1339  in  Montpellier  bestimmen  nichts,  ob  der  Rector  Scolaris 
sein  müsse;  allein  bereits  im  J.  1351  wird  es  ausdrücklich  vor- 
ausgesetzt^"). Die  Statuten  von  Florenz  aus  dem  J.  1388  sagen 
schon:  Geterum  eligatur  iuratus  scholaris  de  nostre  Universitatis 

479^  Mit  dem  Epitheton  Dominus  werden  im  genannten  Jahre  Johannes  de 
Yaranis  als  rector  Dltramontanomm  and  Pantaleon  de  Venetiis  als  rector 
Citramontanomm  bezeichnet.    Statut!  ed.  Frati  I,  866. 

^  In  den  Statuta  speetab.  et  almae  nnivers.  Iitfistanun  Patar. 
Gymn.  1561,  Bl  1  werden  Gosaldus  (wohl  Gonsalms)  Hispafias  ffir  das  J.  1860, 
dann  für  das  n&chste  Jahr  der  Transalpinus  Henricus  de  8.  Petrooella  pre- 
positus  frisensis  nnd  der  Gisalpinus  Franciscus  de  Nofaria  Ganoniciis  Padnanos 
erwihnt.   Wegen  der  Jahressahlen  s.  unten  unter  Padoa. 

«»)  Bei  Villanueva  XVI,  211. 

^  Das  Statut  lautet  dahin,  dass  eine  neue  Beetorswahl  Torgeniunmen 
werden  mflsste,  soUte  der  Rector  w&hrend  seines  Amtes  ad  honorem  docto- 
ratus  aufgenommen  werden.  Bei  Germain,  £tude  historique  bot  l'^ole  de 
droit  de  Montpellier  p.  110. 


3.  Bologna.    Der  Rector  innerhalb  der  Gorporationen.  Ig7 

corpore**')-  Ist  aus  diesen  und  den  oben  angeführten  Facten 
ein  Schlnss  gestattet,  so  folgt,  dass  wenigstens  seit  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jhs.  in  Bologna  der  Usus  bestand,  die  Rectoren 
aus  den  Scholaren  selbst  zu  wählen,  obwohl  ein  deutlich 
formuliertes  Gesetz  erst  im  14.  Jh.  in  die  Statuten  aufgenom- 
men wurde,  das  in  den  gedruckten  also  lautet:  Ad  Recto- 
ratus  igitur  officium  eligatur  Scolaris  nostrae  universitatis^^^). 
Dieser  Schluss  wird  durch  ein  Document  vom  J.  1265  erhärtet, 
worin  noch  mit  ganz  allgemeinen  Worten  von  der  Wahl  des 
Rectors  die  Rede  ist,  wenngleich  in  derselben  Weise  wie  später 
in  L6rida,  darauf  hingewiesen  wird,  dass  der  Rector  ein  Scholaris 
sein  solle.  Den  Nationen  wird  nämlich  vorgeschrieben,  quod 
eligent  bonum  et  idoneum ...  de  aliqua  ipsarum  nationum*^^). 
Ebensowenig  war  wohl  im  Anfange  festgesetzt,  ob  die  Rectoren 
Laien  oder  Glerici  sein  müssten.  Auf  eine  bestimmte  Norm  kam 
man  erst  durch  das  Bedürfhiss.  Dieses  stellte  sich  aber  bald 
ein.  Der  Rector  besass  schon  seit  der  ersten  Hälfte  des  1 3.  Jhs. 
wenigstens  eine  theil weise  Gerichtsbarkeit  über  die  Scholaren  jener 
Corporation,  die  ihn  gewählt  hatte,  wie  wir  alsbald  sehen  werden. 
War  nun  der  Rector  ein  Laie,  so  konnte  er  über  den  grössten 
oder  wenigstens  grossen  Theil  der  Scholaren  dieses  Amt  nicht 
ausüben.  Ein  wesentlicher  Theil  derselben  gehörte  nämlich  dem 
geistlichen  Stande  an.  Schon  die  Glosse  in  die  Decretalen  sagt, 
und  zwar,  wie  aus  dem  Zusammenhange  sich  ergibt,  in  Bezug  auf 
Bologna,  von  den  scolares:  qui  clerici  sunt  pro  majori  parte*"). 
Die  Glosse  ist  geschrieben  nach  dem  Verbote  des  Studiums 
des  Civilrechts,  das  sich  nicht  auf  alle  Gleriker,  sondern  nur 
auf  die  Presbyteri  und  clericos  personatus  haben tes  bezieht*")- 
Zudem  waren  die  Schüler  des  canon.  Rechts  wohl  in  nicht  viel 
geringerer  Menge  vorhanden ;  das  Verbot  Honorius  IH.  erstreckte 


^)  Statati  etc.  p.  15. 

^  Savigny  ist  S.  190  im  Irrthume,  wenn  er  anter  Scolaris  auch  die 
ProfeMoren  mit  einbegriffen  wissen  will.  Es  verschlägt  doch  nichts,  wenn 
einmal  eine  Ausnahme  von  der  Regel  gemacht  wurde. 

^)  Bei  Sarti  II,  61. 

486)  De  loc.  3,  19.    Nach  Cod.  Bm^ghes.  237. 

«7)  c.  10.  X.  ne  clerici  (3,  50J. 


Igg  n.  EntsteliuDg  der  ftltesten  ünirersit&ten. 

sich  aber  nur  auf  das  Rom.  Becht.  Darum  konnte  im  nächsten  Jahrh. 
Baldus  unter  Berufung  auf  die  genannte  Glosse  recht  wohl  das- 
selbe wie  sie  widerholen"').  Nun  durfte  aber  der  Cleriker  nicht  von 
einem  Laien  gerichtet  werden,  und  dies  galt,  wie  Joh.  Hispanus 
sagt,  ebenso  yon  den  scolares  clerici^^.  Allerdings  war  ihr  Judex 
der  Bischof;  allein  der  Rector  besass  nun  einmal  ebenfalls  Gerichts- 
barkeit, und  da  musste  sich  die  Nothwendigkeit  herausstellen 
einen  clericus  zum  Rector  zu  wählen,  denn  sonst  hätte  er  nur 
über  den  einen,  und  zwar  den  geringem,  Theil  der  Scholaren 
Gerichtsbarkeit  ausüben  können.  Dass  dies  der  Grund  war,  darf 
man  mit  Recht  aus  Bartolo  schliessen,  der,  nachdem  er  von  der 
Gerichtsbarkeit  innerhalb  gewisser  Congregationen  gesprochen, 
fortfährt:  et  idem  dico  in  universitate  scolarium,  quorum  rector 
esse  non  potest  nisi  clericus  sit^'^).  Noch  deutlicher  erklärt  sich 
Baldus,  der  die  Frage  verneint :  numquid  rector  scolarium  potest 
esse  laicus?  und  zwar,  quia  scolares  pro  majori  parte  sunt  cle- 
rici,  über  die  er  also  nicht  Richter  sein  könnte.  Der  Rector 
müsse  aber  universalis,  und  nicht  bloss  Rector  des  einen  oder 
andern  Theiles  sein*")- 

Wohl  herrschte  auch  in  Bezug  auf  diesen  Punkt  wahrschein- 
lich lange  Zeit  nur  der  Usus,  ehe  ein  bestimmtes  Statut  formu- 


^)  Ad.  AuÜL  Habita  n.  84. 

«89)  In  Decret.  De  foro  competenti  im  Cod.  Tat.  2343  BL  161b.  Er 
sagt  vom  clericus:  qui  non  potest  nisi  coram  ecclesiastico  iudice  conreniri... 
nee  huic  priyilegio  potest  clericus  abrenunciare  .  .  .  Videtur  tarnen,  qnod 
in  casn  possit  clericus  coram  seculari  conreniri,  nt  est  videndom  in  scola- 
ribus,  qui  habent  tres  indices,  ut  habetur  in  privilegio  federici  . . .  sed  ego 
non  admitto  illud  in  scolaribus  clericis,  quos  de  necessitate  dico  coram  epi- 
scopo  conveniendos,  quia  Privilegium  imperiale  non  potest  constitntionem 
apostolicam  immutare.  Auf  dasselbe  kommt  eine  Glosse  des  Accnrs  ad  Auth. 
HMta  verb.  «t  lüem  hinaus.    Cod.  34  A  im  Archiv  zu  8.  Peter. 

«90)  In  Dig.  De  rebus  dnb.  (84,  5)  und  Dig.  47  De  coUeg.  illicit  1. 4  o.  13. 

«91)  Ad  Auth.  HfJlnta  n.  84.  85.  Pet.  de  Ancharano  lehrt  in  Beiag  da- 
rauf in  VI.  prooem. :  ut  sie  (rector)  non  in  parte  sed  in  omnibns  Jurisdiction 
nem  habeat  Baldus  sagt  auch  in  prooem.  Dig.  Haec  mOan  tna  n.  12,  der 
Bector  mtlsse  ein  clericus  sein,  ein  Laie  sei  nicht  capax.  Dies  galt  nattirlich 
nur  dort,  wo  der  grössere  Theil  der  Scholaren,  wie  in  Bologna,  ans  Glerikem 
bestand. 


3  Bologna.    Der  Bector  innerhalb  der  Corporationen.  Igg 

lieft  wurde.  In  Padua  waren  1261  beide  Rectoren  Clerici*"), 
es  ist  aber  wohl  zweifelhaft,  ob  damals  bereits  ein  Gesetz  darüber 
bestand.  In  L4ridas  Statuten  ist  auch  noch  nichts  bestimmt;  allein 
der  erste  Rector  war  Archidiacon  von  L^rida,  der  zweite  Archi- 
diacon  von  Valencia*").  In  den  Statuten  von  Montpellier  vom 
J.  1339  wird  schon  der  Clericat  ausdrücklich  von  dem  Rector 
und  den  Consiliarii  gefordert*^*).  Ganz  deutlich  sprechen  darüber 
die  Statuten  von  Florenz  vom  J.  1388*"),  womit  jene  Perugias 
vom  J.  1457  wesentlich  übereinkommen*").  Es  scheint  somit, 
dass  nicht  vor  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jhs.  das  Gesetz  über  den 
Clericat  des  Rectors  in  die  Statuten  Bolognas  aufgenommen  wurde, 
und  vielleicht  um  dieselbe  Zeit  in  jene  Paduas*'^).  Der  be- 
treffende Passus  in  den  Statuten  von  Florenz  und  Perugia  gleicht 
nur  einer  Explication  der  Vorschrift  in  Bologna  und  setzt  diese 
voraus,  während  L^rida  dieselbe  noch  nicht  vor  sich  hatte, 
sondern  nur  die  Praxis  kannte.  In  den  gedruckten  Statuten 
Bolognas  heisst  es:  Item  sit  clericus  non  conjugatus,  habitum 
deferens  clericalem,  ac  nullius  religionis  appareat. 

Auch  hier  fordert  Savigny  zum  Widerspruche  auf.  Er 
meint:  'Clericus  möchte  hier  vielleicht  einen  Studierenden 
oder  Literaten  bezeichnen,  nicht  einen  Geistlichen'*'^).    Allein, 


49S)  S.  oben  S.  186  Anm.  480. 

^3)  Bei  Villanueva  XYI,  202.  233.  Der  zuerst  genannte  Rector  wurde 
1300,  der  andere  1302  erw&hlt. 

^^)  Kan  liest  widerholt:  Sint  . . .  consiliarii  clerici  . .  .  rector  autem 
semper  clericus  existat  . .  .  qni  etiam  rector  et  consiliarii  clerici,  ut  premit- 
titnr,  existentes  etc.    Bei  Germain  1.  c.  p.  90  f. 

^  Rubr.  6:  Prohibemus  ad  officium  rectoratus  aspirare  posse  aliquem 
qni  vigesimum  annum  non  adimpleverit  . . .  item  professum  cuiuscunque  re- 
ligionis, Qxoratum  .  .  .  Talis  quoque  electus  existat  clericus  secularis 
saltem  in  minor ibus  constitutus,  habitum  quoque  deferat  clericalem. 
Statuti  etc.  p.  15. 

^^)  Sit  secularis  clericus,  nee  sit  coigugatus  et  qui  nullius  religionis 
profesBus  existat,  exceptis  canonicis  regularibus,  quos  eligi  possumus  in  rec- 
tores.    Bei  PadeUetti  im  Archiyio  giurid.  VIII,  143. 

^7)  Statuta  etc.    Bl.  7a,  ähnlich  wie  das  Statut  in  Bologna. 

«M)  8.  190  und  ScarabeUi  L  c.  p.  40.  Köstlich,  wie  Prantl  eine  fthnliche 
Bestimmung  in  den  Ingolstftdter  Statuten  erkl&rt:  'ausser  den  Klostergeist- 
lichen waren  gmnds&talich  alle  Ungebildeten  Tom  Rectorate  ausgeschlossen, 


190  II-  Entstehung  der  Ältesten  üniTersit&ten. 

diese  Behauptung  ist  nunmehr  hinfällig,  besonders  wenn  man 
Bolognas  Statut  mit  jenem  yon  Florenz  und  Perugia  vergleicht. 
Uebrigens  hat  diese  Aufstellung  eine  äusserst  schwache  Basis. 
Savigny  meint  nämlich,  die  in  den  Statuten  der  Juristen  Bo- 
lognas dem  Rector  ertheilte  Befugniss  Waffen  zu  tragen  passe  nicht 
zum  geistlichen  Stand.  Allein  dasselbe  Recht  hatte  auch  der 
Rector  in  Florenz  und  Perugia^"'),  obwohl  dort  ausdrücklich, 
wie  wir  gesehen  haben,  der  Glericat  vom  Rector  gefordert  wurde. 
Zudem  geht  aus  den  städtischen  Statuten  Bolognas  vom  J.  1288 
hervor,  dass  vor  dem  J.  1286  die  Cleriker  Bolognas  ziemlich 
häufig  Waffen  trugen,  was  allerdings  in  diesem  Jahre  verboten 
wurde.  Der  Bischof  erlaubte  es  aber  auch  jetzt  noch  den  Qe- 
rikem,  wenn  eine  causa  rationabilis  et  legitima  vorhanden  war**^). 
Die  rationabilis  et  legitima  causa  bildete  eben  in  unserm  Falle  das 
Ansehen  des  Rectors.  Savignys  Berufung  auf  die  Analogie  mit 
der  Pariser  Universität  ist  de  subjecto  non  supponente*^^). 
Schliesslich  meint  er,  dass,  wenn  der  Ausdruck  clericus  den  geist- 
lichen Stand  bezeichne,  er  ^auf  eine  gedankenlose  Weise  in  die 
Statuten  gekommen  und  stets  ohne  Einfiuss  geblieben  sei',  da  1508 
in  Padua  ein  verheiratheter  Rector  vorkomme.  Allein  mir  scheint 
vielmehr  Savignys  Schluss  gedankenlos  zu  sein.  Wie  kann  man 
daraus,  dass  in  sehr  später  Zeit  einmal  in  Padua  eine  Aus- 
nahme gemacht  wurde,  folgern,  dass  die  Bestimmung  der 
Statuten  Bolognas  über  den  Clericat  des  Rectors  stets  ohne 
Einfiuss  geblieben  sei?  Maassen  wollte  Savignys  Behauptung 
durch  eine  von  ihm  aufgefundene  alte  Glosse  erhärten,  in  der 
nämlich  dem  Ausdruck  Scolaris  der  Auth.  Habüa  jener  von  de- 


und  die  Gebildeten  konnten  den  ihnen  etwa  anklebenden  Mangel  der  Kle- 
riker-Eigenschaft sehr  leicht  durch  eine  blosse  Formalität,  d.  h.  durch  An- 
nahme einer  niederen  Weihe,  ergftnsen'.  Qesch.  der  Ludwig-MaximiL-UniTer- 
sit&t  I,  37. 

^^)  Bahr.  19:  Laudabilem  consuetudinem  in  Bononiensi,  Paduano,  Pe- 
msino  et  aliis  generalibus  Studiis  diutius  obseryatam  volentes  in  hoc  nostro 
studio  in  omnihus  observare,  statuimus  ut  rector  et  ipsias  duo  socii  . . .  arma 
defensibilia  et  offensibilia  portare  Taleant  lidte,  Ubere  et  impune.  Statut! 
della  universiti  Fiorent  p.  28. 

^)  So  in  den  handschrifü.  Statuten  lib.  4  im  Cod.  Vat.  2669. 

Ml)  Darüber  im  4.  Bande. 


3.  Bologna.    Der  Rector  innerhalb  der  Gorporationen.  191 

ricas  substituiert  wird  *®').  Allein,  dafür,  dass  Scolaris  und  clericus 
oft  promiscue  gebraucht  wurden,  bedurfte  es  wahrhaftig  nicht  der 
Bestätigung  durch  jene  Glosse.  Hier  handelt  es  sich  aber  darum, 
ob  auch  in  dem  genannten  Statute  der  Ausdruck  clericus  identisch 
sei  mit  Scolaris.  Savigny  und  Maassen  hätten  schon  aus  dem 
Zusammenhange  auf  das  Gegentheil  schliessen  müssen.  Zuerst 
heisst  es:  Ad  Rectoratus  officium  eligatur  Scolaris  nostre  uni- 
Tersitatis.  Als  die  erste  Eigenschaft  des  Rectors  wird  mithin  be- 
stimmt, dass  er  Scolaris  der  Bologneser  Universität  sein  müsse. 
Nun  folgt  die  zweite:  Item  sit  clericus  non  conjugatus  habitum 
deferens  clericalem.  Wenn  nun  clericus  identisch  mit  Scolaris 
ist,  dann  liegt  hier  eine  crasse  Tautologie  Yor.  Und  die  Bestim- 
mung wird  in  den  Statuten  an  zwei  Orten  widerholt  ^^').  Uebrigens 
passt  auch  die  nähere  Bezeichnung  ^non  conjugatus'  nur  für  einen 
wirklichen  Gleriker*®^),  um  yon  der  andern  ^habitum  deferens 
clericalem'  gar  nicht  zu  sprechen^®*). 

Wir  haben  bereits  zum  widerholten  Male  bemerkt,  dass  der 
Rector  Gerichtsbarkeit  über  die  Scholares  ausübte.  Sie  war  auf 
das  Gorporationsverhältniss  gegründet  *^^),  und  erscheint  deshalb 
schon  frühe,  wie  aus  dem  Vergleiche,  den  Azo  zwischen  den 
Bectoren  und  den  ministeriales  anderer  Gorporationen,  sub  qui- 


^  In  den  Jahrb.  d.  germ.  Rechts  Yon  Bekker  und  Muther  II,  239. 
Bereits  PadeUetti  hat  sich  I.  c.  gegen  diese  Erklärung  oder  yielmehr  An- 
wendung gerichtet.    Ihm  folgte  Goppi,  Le  universitä  italiane,  p.  145. 

^)  So  in  den  Statuta  üb.  1  p.  1  und  3. 

^  Zu  allem  Ueberflusse  erkl&rt  auch  dies  Baldus  ad  Auth.  n.  S5, 
nachdem  er  gesagt,  ein  Laie  könne,  wenn  der  grössere  Theil  der  Scholaren 
Cleriker  sei,  nicht  Bector  sein:  Idem  dico  de  clerico  uxorato  non  deferente 
habitum  et  tonsuram. 

^  Als  Curiosum  mag  hier  angeführt  werden,  dass  Montefredini, 
Le  piü  eelebri  aniTerdtä  antiche  et  moderne,  p.  14  den  Ausdruck  <  nullius 
religionis  appareat'  mit  <non  ecclesiastico'  widergibt.  Warum  denn  aber  nicht 
gleich  mit  ^n«a  reUgione'? 

W6)  Diesen  Punkt  habe  ich  bereits  oben  kurz  erörtert.  Innocenz  IV. 
sagt  in  Decret.  De  constit,  quod  rectores  assumpti  ab  universitatibus  habent 
jnriadiotionem.  Hostiensis  spricht  in  seinem  Gomment.  ad  1.  c.  noch  genauer: 
qnod  rectores  assumpti  ab  unirersitate  jurisdictionem  habente  habent  exer- 
dtinm  jnrisdictionis. 


192  n.  Entstehung  der  ftitesten  UniTenit&ten. 

bus  posaunt  conveniri,  anstellt^^^,  sowie  aus  dem  oben*®*) 
dargelegten  Verhältnisse  der  Scholarenverbindungen  za  den  ge- 
werblichen Zünften  hervorgeht.  Es  ergibt  sich  auch  daraus,  daas 
sich  die  Scholaren  schon  frühzeitig  demRector  eidlich  verbanden'®*). 
Doch  war  das  Wesen  der  Gerichtsbarkeit  anfänglich  bis  zur 
Mitte  des  13  Jhs.  gewiss  noch  nicht  so  bestimmt,  wie  in  der 
2.  Hälfte  des  1«S.  Jhs.  oder  gar  im  14.  Jh.,  was  man  schon  aus 
dem  Umstände  schliessen  muss,  dass  in  jener  ganzen  Zeit  keine 
Frage  über  die  Ausdehnung  der  Gerichtsbarkeit  der  Rectoren  auf- 
geworfen wurde,  während  von  der  2.  Hälfte  des  Jhs.  an  sich 
die  Rechtslehrer  eifrigst  damit  beschäftigten. 

Doch  interessiert  uns  hier  nicht  die  Thatsache,  dass  die  Rec- 
toren über  die  Scholaren  (rerichtsbarkeit  ausübten  —  dies  war  ja 
selbstverständlich  — ,  sondern  die  merkwürdige  Erscheinung,  dass 
auch  die  Professoren  unter  der  Gerichtsbarkeit  der  Rectoren 
standen.  Waren  sie  doch  schon  frühe  zum  Gehorsam  gegen  letztere 
verpflichtet"*). 


der  Soholarenverbindnngen  lor  Lehranitatt  und 
umgekehrt 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  das  eben  berührte  Factum 
nicht  erklärt  werden  kann,  wenn  nicht  die  Professoren,  auch  ohne 
dass  Scholaren  Verbindungen  mit  Rectoren  existierten,  zu  den 
Scholaren  in  einem  gewissen  Abhängigkeitsverhältniss  standen, 
denn  weder  die  Verbindungen  noch  die  von  ihnen  gewählten 
Rectoren  konnten  an  sich  dasselbe  zur  Folge  haben,  wenn  es 
nicht  bereits  vorhanden  war. 

Vor  allem  darf  man  nicht  übersehen,  dass  die  Professoren 
ebenso  wie  die  scolares  cives  ausserhalb  der  Corporationen  sich  be- 
fanden. Diese  bildeten  ja  nur  die  Scholaren,  und  zwar  die  Scho- 
lares  forenses  der  Rechtswissenschaft.    Es  war  mithin  nur  Gon- 


607j  Comment.  et  magn.  apparat.  in  Cod.  De  jorisdiet.  (8,  18). 

«»)  8.  8.  144  f.  147  ff. 

w»)  8.  oben  8.  165. 

&iOj  HoQorius  III.  sagte  ja  1224  Ton  den  Doctoren  des  B6m.  Rechts: 
qui  non  commonia  commoda  sed  privata  querentes  Stare  at  tenebantnr  sen* 
tentie  rectorum  scolariam  contemsenmt    8.  oben  8.  169  Anm.  421. 


3.  Bologna.    Die  ScholarenTerbindungen  und  die  Lehranstalt.     193 

Sequenz,  dass  die  Professoren  in  den  Versammlungen  der  Cor- 
porationen  weder  Sitz  noch  Stimme  hatten,  gerade  wie  die  ein- 
heimischen Schüler.  Dies  sind  die  ursprünglichen  Verhältnisse, 
hervorgegangen  aus  der  Art  der  Entwickelung  dieser  Corporationen. 
Und  nur  denjenigen  werden  dieselben  überraschen,  der  von  der 
Entstehung  der  Scholaren  Verbindungen  irrige  Begriffe  hat**^). 
Im  Laufe  der  Zeit  wurden  diese  Zustände  allerdings  theilweise 
modificiert,  z.  B.  jene  in  Bezug  auf  die  einheimischen  Schüler; 
aber  niemals  konnte  der  eigenthümliche  Ursprung  verläugnet 
werden. 

Ein  weiterer,  sicherer  Punkt  ist,  dass  die  Lehrthätigkeit  der 
Professoren  in  gewissem  Grade  an  den  Ort,  wo  sich  die  Studenten 
aufhielten,  gebunden  war.  Honorius  IIL  spricht  von  den  Scho- 
laren Bolognas  in  einer  Weise,  als  stamme  der  Ruhm  des  dor- 
tigen Studiums  nicht  so  sehr  von  den  berühmten  dort  lehrenden 
Professoren,  die  durch  ihre  neue  Lehrmethode  die  Schüler  an- 
zogen, als  vielmehr  von  den  dort  studierenden  Scholaren.  Ja, 
seine  Worte  führen  auf  den  Gedanken,  als  habe  Bologna  es  diesen 
zu  verdanken  gehabt,  dass  es  Sitz  der  berühmten  Studien 
wurde  oder  es  wenigstens  geblieben  ist.  Aus  freien  Stücken  hätten 
sie  Bologna  gewählt,  dessen  Name  nunmehr  überall  als  ein  an- 
deres Betlehem,  das  Haus  des  Brodes,  verkündet  werde,  während 
die  Stadt  früher  unbeachtet  gewesen  sei"*).  Einer  um  so  grössern 
Achtung   seien   sie  würdig,    denn   reine  Gnade  von  ihrer  Seite, 


^^1)  So  Savigny  S.  185.  Kortz,  Verfasser  des  Aufsatzes  'Die  Entstehung 
und  Ausbildung  der  mittelalterl.  Universitäten'  in  der  Baltischen  Monats- 
schrift IV,  107,  Hrant  seinen  Augen  nicht',  wenn  er  solche  Bestimmungen 
wie  die  eben  erörterten  in  den  Statuten  liest.  S.  auch  Paulsen  in  Sybels 
Bist.  Ztsch.  1881  Bd.  45  S.  256. 

^^)  Sane  cum  ex  studio  literarum  preter  infinita  commoda,  que  sentitift 
ex  eo,  Testra  civitas  inter  alias  sit  famosa  et  in  universo  mundo  nomen  an- 
nuntietur  ipsins  factaque  sit  altera  Betlehem,  domus  videlicet  panis,  qui 
parrulis  frangitnr  in  eadem,  ex  qua  exeunt  duces,  .  . .  quoniam  in  studio 
eruditi  assumuntur  ad  regimen  animarum:  non  solum  debitis  a  scolarium 
gravaminibus  conquiescere ,  verum  etiam  illos  honoribus  prevenire,  atten- 
dentes  quod  ipsi  gratuito  ad  studendum  vestram  preelegerint  civitatem,  que 
cum  prios  esset  humüis,  per  eos  ibidem  congregatis  divitiis  fere  supergressa 
est  civitates  provincie  universas.    S.  oben  S.  162.  164.     Sarti  II,  57. 

Denifl«,  Die  UniTenitAten.    L  13 


194  n.  Entstehung  der  Ältesten  UnWersit&ten. 

nicht  Pflicht,  sei  es,  dass  sie  Bologna  erwählt  hätten;  ihre  Frei- 
heit dürfe  also  von  der  Stadt  nicht  in  Knechtschaft  umgewandelt 
werden***). 

Honorius  m.  schrieb  so  im  J.  1220  an  die  Stadt  Bologna, 
also  zu  einer  Zeit,  wo  die  alten  Erinnerungen  noch  frisch  sein 
mussten.  Wie  nun  dies  erklären?  Denn  thatsächlich  -fahrten 
doch  die  berühmten  Professoren  den  Ruhm  der  Studienanstalt 
herbei.  Nur  sie  scheinen  die  Scholaren  aus  verschiedenen  Ländern 
angezogen  zu  haben.  Gewiss.  Allein  nichts  desto  weniger  mussten 
die  Professoren  Bolognas  in  einem  bestimmten  Abhängigkeitsver- 
hältnisse von  den  Scholaren  sich  befunden  haben  und  in  einer  Be- 
ziehung, welche  die  Professoren  an  den  Ort,  wo  sich  die  Scho- 
laren aufhalten  wollten,  knüpfte.  Dies  folgt  mit  Nothwendigkeit 
aus  den  Worten  des  Papstes.  Dieselbe  Beobachtung  machen 
wir,  wenn  wir  gewisse  städtische  Verordnungen  und  Statuten 
in  Bezug  auf  die  Professoren  beachten. 

Seit  Ende  des  12.  Jhs.  nöthigte  die  Stadt  den  Professoren 
des  Römischen  Rechts  den  Eid  ab,  nicht  ausserhalb  Bologna 
über  dasselbe  zu  lesen.  Pilius  erzählt,  dass,  als  er  von  Bologna 
(vor  1182)  nach  Modena  gegangen  sei  und  diese  Stadt  ihm  einen 
Rechtsstuhl  angetragen  hatte,  Bologna,  um  seine  Uebersiedlung  zu 
verhüten,  alle  Rechtslehrer  zusammengerufen  und  sie  zum  Eid 
gezwungen  habe,  innerhalb  zweier  Jahre  nicht  ausserhalb  Bo- 
logna den  Schülern  Cävilrecht  zu  lesen  **^).  In  der  Folge  ent- 
wickelte sich  allmählich***)  ein  Usus.  Im  Jahre  1189  legte  Lothar 
V.  Cremona  den  Eid  auf  das  Versprechen  ab,  überhaupt  nicht 
(nicht  bloss  innerhalb  zweier  Jahre)  irgendwo  anders,  als  zu  Bologna 
zu  lehren**').    Im  J.  1198  leisteten  wider  zwei  Bechtslehrer  den- 


613)  Vos  . . .  debitnm  non  habentes  respectum  gratiam  ipsorom  in  de- 
bitnm,  et  libertatem  in  servitutem  molientes  reducere  statnistis  etc.  Bei 
Sarti  L  e. 

614)  So  in  seiner  Summa  trium  librornm  (Cod.  Vat.  2313  Bl.  860b)  De 
monicipibos  et  origin.  (10,  38).  Die  legales  professores'  schwuren,  'ne  per 
continuum  biennium  extra  civitatem  Bononie  discipulis  jura  civilia  traderemus'. 

^^^)  Keineswegs,  wie  Savigny  S.  218  meint,  alsbald  als  bleibende  Form. 

^^^)  Jnro  ego  D.  Lotbarins,  quod  ab  hac  die  in  antea  non  regam  scolas 
legum  in  aliquo  loco  nisi  Bononie,  nee  ero  in  consilio,  ut  Studium  huius  ci- 
vitatis ndnuatur.    Sarti  II,  64. 


3.  Bologna.     Die  ScholarenverbindaDgen  and  die  Lehranstalt.       195 

selben  Eid;  zugleich  geht  aus  dem  ihn  enthaltenden  Documente 
hervor,  dass  seit  Lothar  kein  weiterer  Fall  vorgekommen  sei'^^). 
Zum  darauffolgenden  Jahre  notiert  Sarti  wider  3  Fälle  ^^^).  Im  13.  Jh. 
mehren  sich  aber  dieselben.  Im  J.  1213  finden  sich  deren  nicht  we- 
niger denn  5"'),  drei  Jahre  später  wieder  einer"®),  und  nach  Sa- 
violi  wurde  dieser  Eid  im  J.  1217  ausdrücklich  in  den  Statuten 
der  Stadt  vorgeschrieben;  sicher  war  er  bereits  vor  1250  gesetz- 
lich eingeführt"  0 ,  so  dass  später  kein  Rechtslehrer  das  Lehr- 
amt antreten  konnte,  er  hätte  sich  denn  eidlich  vor  dem  Podestä 
verpflichtet,  ausserhalb  Bologna  den  Scholaren  nicht  zu  lesen"'). 

^1*^)  Die  beiden  Rechtslehrer  waren  Bandinus  und  Johanninus.  Es  heisst 
beim  ersten:  D.  Bandinns  Familiatas  eodem  modo  et  eodem  tenore  juravit 
obseryare,  qaemadmodam  D.  Lotharias  Doctor  iegam  observare  juravit 
(Sarti  II,  65).  Da  Lothar  als  Beispiel  genommen  wird,  so  massen  seit  jener 
Zeit  kanm  andere  F&ile  vorgekommen  sein,  als  höchstens  der  des  Johanninus 
(Sarti  II,  101),  der  einige  Monate  früher  den  Eid  ablegte.  Dieser  selbst 
chwnr:  quod  de  cetero  in  aliqua  alia  terra  non  leget  scientiam  legum  sco- 
laribus  nisi  in  Bononia,  et  quod  non  dabit  operam  .  . .  quod  scolares  in  alia 
civitate  debeant  morari  etc.   Sarti  II,  101.    Bei  Sarti  ist  der  Text  schlecht. 

BIS)  L.  c.  p.  90.  Vgl.  auch  Savioli  II,  2  n.  327.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit sei  jedoch  bemerkt,  dass  nicht  alle  Fälle  verzeichnet  oder  auf  uns  ge- 
kommen sind. 

B^^)  Bei  Sarti  II,  71.  Die  Eidesformel  war  dieselbe  wie  bei  Johanninus 
im  J.  U98. 

^  Bei  Sarti  II,  70.  Widerum  dieselbe  Eidesformel  wie  bei  Johanninus. 

B^^)  Savigny  sagt  S.  220,  der  Eid  sei  in  den  Statuten  der  Stadt  von 
1259  ausdrücklich  vorgeschrieben  worden.  Allein  schon  Sarti  notiert  Va- 
rianten aus  dem  Statute  vom  J.  1249  (II,  222),  abgesehen  davon,  dass  in 
den  Eidesformeln  der  Jahre  1220  und  1221  bereits  auf  das  städtische  Statut 
hingewiesen  wird :  juravit  secundum  formam  statuti,  quod  non  legat  etc.  (Sarti 
n,  68);  ut  in  statutis  de  dominis  legum  continetur  (ibid.  p.  75);  sicuti  in 
statuto  Communis  Bonon.  continetur  de  dominis  legum  (ibid.  p.  68).  Dadurch 
wird  Saviolis  Bemerkung  bestätigt  (Annali  Bolognesi  II,  2  p.  465  f.).  In  den 
Statuten  vom  J.  1250  ed.  Frati  II,  22  f.  findet  sich  ebenfalls  die  Vorschrift. 

^^)  Statuimus,  quod  quilibet  volens  regere  Studium  legum  Bononie 
postquam  ezaminatus  fuerit  et  approbatus  ut  regat,  non  sinatur  regimen  in- 
choare,  nee  aliquis  doctor  legum  det  ei  librum  suum  (sine  licentia),  nisi  primo 
juret  ut  hactenns  juravenmt,  quod  de  cetero  in  aliqua  alia  terra  non  leget 
scolaribus  scientiam  legalem  nisi  Bononie,  et  juret  ita  legere,  et  Potestas  te- 
neatar  dare  operam  quod,  hec  juramenta  predicto  modo  fiant  coram  se  vel 
uno  ex  judidbus  suis.  Savioli  1.  c.  Der  Eid  wurde  nicht  bloss  vor  der 
feierlichen  Promotion   der    Approbierten  abgenommen ,   wie  Savigny   meint, 

13* 


196  IL  Entstehung  der  ftltesten  Universit&ten. 

Es  ist  nun  richtig,  dass  es  sich  bei  diesem  Eid  anfanglich 
nur  um  die  Professoren  handelte,  und  derselbe  schwerlich  der 
Scholaren  wegen  abverlangt  wurde.  Bei  Lothar  scheint  das 
Ganze  überhaupt  nur  persönliche  Sache  gewesen  zu  sein,  die 
Stadt  nöthigte  ihn  nicht  einmal  wie  Pilius  und  Genossen  zum 
Eidschwur"').  Dasselbe  war  vielleicht  noch  im  J.  1198  der  Fall. 
Wenigstens  muss  man  dies  aus  dem  Hinweis  auf  Lothar  schliessen. 
Darum  kommen  auch  nicht  zu  viele  Fälle  vor.  Im  13.  Jh.  wird 
es  anders.  Die  Stadt  scheint  nunmehr  den  Eid  vorzüglich  um 
der  Scholaren  willen  von  den  Professoren  abgenommen  zu  haben, 
denn  sie  wollte  verhindern,  dass  den  ausziehenden  Scholaren 
die  Professoren  folgten,  und  dadurch  die  Schüler  selbst  an 
Bologna  bannen.  Was  sollten  diese  an  einem  andern  Orte 
ohne  Professoren  thun?  Der  Ausdruck  'non  leget  scolaribus 
scientiam  legalem  in  aliqua  alia  terra'  bezieht  sich  im  Sta- 
tute in  erster  Linie  nicht  auf  Scholaren,  die  an  einem  andern 
Orte  schon  ansässig  waren,  sondern  auf  jene  Bolognas,  die  even- 
tuell die  Stadt  verlassen  würden.  Das  erhellt  aus  dem  Zusam- 
menhange in  den  Eidesformeln  vom  J.  1198  ab"*). 

Diese  Momente  deuten  darauf  hin,  dass  bisher  bei  Aus- 
wanderungen der  Scholaren  die  Professoren  denselben  folgten, 
gleichwie  in  der  That  1204  nach  Vicenza  und  1215  nach  Arezzo 
nicht  bloss  Scholaren,  sondern  auch  Professoren  zogen.  Der 
Grund  war  wohl  dieser,  dass  eben  die  letzteren  den  ersteren 
irgendwie  verbunden  waren  und  zu  ihnen  in  einem  Abhängig- 
keitsverhältnisse standen.  Uebrigens  fragt  es  sich  auch  hier, 
was  die  Professoren  ohne  Schüler  in  Bologna  thun  wollten. 


sondern  Oberhaupt  von  jenen,  qoi  incipiont  de  noYO  regere  studinm  legale 
(bei  Sarti  II,  68),  abgelegt.  In  den  Statuten  vom  J.  1288  wurde  derselbe 
auch  für  die  Ganonisten  vorgeschrieben  (Cod.  Yat.  2669  im  8.  Bache  der 
Statuten.  Sarti  II,  225),  im  J.  1312  aber  überhaupt  abgeschafft  Cfr.  Ghirar- 
dacci,  Della  historia  di  Bologna  I,  560  f. 

5S9)  Die  stftdtischen  Gonsuln  versprachen,  quod  neque  ipsi  neque  aliquis 
snccessor  eomm  cogent  predictum  Lotharium  aliquod  sacramentum  facere, 
per  quod  magis  sit  districtus  Gommuni  neque  eum  prohibebunt  vel  cogent 
regere  Stadium  in  civitate  Bononie.    Sarti  II,  64. 

^)  S.  oben  S.  195  Anm.  517  ff. 


3.  Bologna.    Die  SchoIareDverbindungen  und  die  Lehranstalt.       197 

Dieses  Abhängigkeitsverhältniss  konnte  ursprünglich  wohl 
schwerlich  in  etwas  anderm  bestanden  haben,  als  dass  die  Aus- 
übung des  Lehramtes  wenigstens  der  auswärtigen  Professoren 
an  die  Wahl  und  das  Lehrgeld  der  Scholaren  gebunden  war, 
und  in  Bezug  darauf  eine  Art  Contract  zwischen  diesen  und 
den  Professoren  existierte.  Dass  letztere  von  den  Scholaren 
gewählt  wurden,  ist  schon  frühzeitig  beurkundet,  obgleich 
zwar  nicht  direct  für  Bologna,  doch  aber  für  Studien-Anstalten, 
die  auf  Bologna  zurückweisen.  So  sollten  jene  Professoren, 
die  die  Commune  von  Vercelli  besolden  musste,  yon  den  yier 
Rectoren  der  Scholaren  berufen  werden;  sie  hatten  auch  das 
Recht  beim  Abgange  des  einen  oder  des  andern  Professors 
neue  zu  substituieren"^).  Dass  auch  in  Padua  dasselbe  System 
in  Betreflf  der  Wahl  der  Rechtslehrer  herrschte,  ergibt  sich  schon 
daraus,  dass  eben  die  Paduaner  Scholaren  es  waren,  welche  jene 
Forderung  im  J.  1228  an  Vercelli  stellten.  Im  J.  1267  wurde 
dieses  Statut  für  Padua  selbst  nur  erneuert  oder  erweitert,  nicht 
aber  erst  erlassen**^),  denn  Nicolaus  IV.  erwähnt  im  J.  1288  den 
Usus  der  Scholaren  die  Legisten  vorzuschlagen  bereits  als  con- 
suetudo  ^' ').  Auch  in  L^rida  wurden  1 300  die  Professoren  ^ad  commune 
dvitatis  salarium  lecturi',  wenngleich  per  paciarios  civitatis,  doch 
consilio  rectoris  et  consiliariorum  suorum  gewählt  und  berufen*"). 
Kann  man  schon  daraus  schliessen,  dass  es  in  Bologna,  wenigstens 
hinsichtlich  der  Rechtslehrer,  welche  nicht  Bürger  waren,  kaum 


^5)  Bei  Balliano  I.  c.  p.  40:  dicti  domini  et  magistri  qni  debent  sala- 
rium percipere  a  Communi  Vercellarum  eligantur  a  qnatuor  rectoribns  .  .  . 
et  subBtitnent  eis  alios  meliores  usque  ad  certum  gradnm  etc. 

^  Statuta  spectab.  et  almae  univ.  Jurist.  I,  1.  So  massen  die  Phrase, 
der  Praepositus  Johannes  habe  die  üniTersität  unter  anderm  mit  dem  Privileg 
de  eligendis  doctoribns  beschenkt,  aufgefasst  werden. 

^^)  Reg.  Yat  an.  1  ep.  61  Bl.  16  a:  Petitio  d.  f.  communis  civitatis 
Paduane  nobis  exhibita  continebat,  quod  in  civitate  ipsa  de  consuetudine  ob- 
tinetnr,  quod  doctores  ibidem  in  civili  iure  regentes  pro  tempore  a  scolaribus 
in  predicta  civitate  insistendo  studio  litterarumcommuniter  eliguntur,  et  huius* 
modi  eorum  electio  per  ipsius  communis  consilium  approbatur. 

^  Bei  Ylllanaeva  XYI,  214.  In  Perugia  wurden  die  Bechtslehrer  be- 
reits vor  1806  ebenfalls  von  den  Savi  und  den  Bectores  Scholarium  vor- 
geschlagen.   S.  unten  unter  Perugia. 


198  II*  Entstehung  der  ältesten  Universit&ten. 

anders  gewesen  sein  wird,  so  wird  dies  noch  durch  geschichtliche 
Thatsachen  bestätigt. 

Am  13.  September  1282  drohten  die  Scholaren  der  Commune 
von  Bologna  mit  der  Auswanderung,  falls  sie  ihre  Privilegien  nicht 
wahren  würde.  Namentlich  beriefen  sie  sich  darauf,  'quod  Potestas 
vel  Gapitaneus  seu  aliquis  vices  eorum  gerens  non  possit  Bononiense 
Studium  impedire  prohibendo  doctoribus  ne  legant  vel  precipiendo 
ut  legant  contra  voluntatem  scolarium"^).  Einerseits 
ersieht  man  daraus,  wie  sich  das  einstige  Yerhältniss  der  Scho- 
laren zum  Studium  umgestaltet  hatte,  andererseits  erkennt  man, 
dass  die  Ausübung  des  Lehramtes  vom  Willen  der  Scholaren 
schon  seit  langem  abhängig  sein  musste.  Denselben  Aufschluss  geben 
uns  in  anderer  Form  weitere  Thatsachen.  Es  hat  sich  ein  Äcten- 
stück  vom  J.  1279  erhalten,  dem  zufolge  die  Scholaren  mit  Guido 
de  Suzaria  einen  Vertrag  abschlössen,  ihm  300  Lire  zu  geben, 
wenn  er  nach  Bologna  käme  und  ihnen  ein  Jahr  lang  extra- 
ordinarie  das  Digestum  novum  läse^'^).  Man  ist  im  Irrthum 
mit  Schulte  anzunehmen,  vor  diesem  Jahre  sei  nichts  ähnliches 
vorgekommen"^).  Sowohl  die  Art  und  Weise  wie  das  Document 
darüber  abgefasst  ist"'),  als  auch  der  Umstand,  dass  dieser  Modus 
des  Gontractes  nur  eine  andere  Form  des  bereits  bestehenden 
Usus  war,  den  Professoren  ein  Lehrgeld  zu  geben,  was  Savigny 
sehr  wohl  einsah"'),  sprechen  dagegen.  Diese  Gewohnheit  war  sehr 
alt  ^^^),  und  sie  bestand  unter  der  Phrase  coUectam  facere  oder  sa- 

^^)  So  Martin  IV.  in  dem  Schreiben  desselben  Datums.   Sarti  ü,  106. 

^0)  Bei  Sarti  II,  83.  Der  Procarator  des  Guido  de  Snsaria  Tersprach 
in  dessen  Namen,  quod  dictus  D.  Quido  yeniet  ad  Giyit.  Bononie  infra  qoiii- 
decim  dies  post  festum  b.  Michaelis  et  leget  Digestum  novum  extraordinarium, 
et  complebit  librum  et  hoc  pro  precio  trecentarum  librarum  Bonon.  promis- 
sarum  predicto  preceptori  per  scholares  etc. 

^91)  Die  Gesch.  der  Quellen  undLiteraturdes  canon.  Rechts  II, 409  Anm.  530. 

M«)  S.  Anm.  530. 

533)  in,  254  f. 

^  So  heisst  es  auch  in  der  ältesten  Vita  des  hl.  Raymnnd  von  PelKafort: 
Bononienses  cives  diligendus  attendentes,  quod  tantus  magister  a  suis  audi- 
toribus  salarium  non  petebat,  sed  quod  gratis  a  deo  acceperat  gratis  dabat, 
ordinaverunt  ipso  magistro  penitus  ignorante,  quod  sibi  a  communitate  annis 
singulis  copioium  subsidium  preberetur,  ut  predicta  civitas  tarn  gratioso  ma* 
gistro  minime  privaretur.    Hs.  aus  der  1.  HUfte  des  14.  Jhs.  der  UnlTersitäts- 


3.  Bologna.    Die  Scbolarenverbindungen  und  die  Lehranstalt.        199 

lariuin  petere.  Zahlten  nun  zwar  die  Scholaren  das  Lehrgeld 
ex  justitiae  debito,  so  hieng  dies  andererseits  doch  wider  vom 
Willen  derselben  ab.  Dies  wird  nicht  bloss  von  Odofred  bestätigt, 
dem  zufolge  die  Doctoren  zwei  Scholaren  wählten,  ^ut  scrutentur 
Yoluntates  scolarium',  durch  welche  zwei  sie  dann  den  Gontract 
abschlössen'^''),  sondern  auch  durch  ein  bisher  niclft  bekanntes 
Document,  das  uns  auch  sonst  noch  manche  wünschenswerthe 
Au&chlüsse  gibt:  es  ist  ein,  wenngleich  vielleicht  nicht  ausge- 
fertigtes, päpstliches  Schreiben,  das  vor  den  zwei  letzten  De- 
cennien  des  13.  Jhs.  geschrieben  wurde. 

Der  Papst  macht  den  Rectoren  und  Scholaren  ^Bononie  in 
scientia  legali  studentibus'  Vorwürfe,  dass  sie  aus  Missgunst  gegen 
die  Legisten  denselben  das  gebührende  Salarium  verweigert 
hätten,  in  Folge  dessen  dieselben  gezwungen  wären  die  Stadt  zu 
verlassen.  Er  ermahnt  sie  die  den  Rechtslehrem  feindlichen  Statuten 
zurückzuziehen,  jene  wider  in  ihre  alten  Ehren  und  den  frühem 
Stand  aufzunehmen,  und  ihnen  das  Salarium  zukommen  zu  lassen^'*). 


bibliothek  sa  Barcelona.  Das  Factum  fftUt  sicher  vor  1219.  Ich  berufe 
mich  auf  dasselbe  trotz  Schuhes  Bemerkung  a.  a.  0.,  wo  der  Autor  noch  in- 
dem das  Salarium  der  Scholaren  mit  einer  öffentlichen  AnsteUung  verwech- 
selt. —  Die  GoUegiengelder  waren  schon  zur  Zeit  des  Bulgartis  im  Branche, 
wie  Savigny  III,  255  Anm.  e.  ans  Odofred  anfahrt.  Aach  Roff^ed,  Libelli 
jor.  civ.,  de  off.  jnd.  quo  petunt  salaria  rectores  liberal,  artium  weiss  da- 
von. Nachdem  er  die  Ansicht  ausgesprochen,  die  Philosophi  und  legum 
doctores  soUten  eigentlich  nicht  salaria  petere,  sagt  er:  Set  videtur,  quod  legum 
doctoribtts  salaria  promissa  peti  possnnt . . .  hodie  tarnen  ita  usus  est,  ut  sa- 
laria promissa  a  scolaribus  doctores  exigant  et  libros  scolarinm  pro  coUectis 
capinnt,  ut  tutius  Bit  eis  pignori  incumbere,  quam  in  personam  agere.  Cod. 
Borghes.  135. 

^)  In  Dig.  noT.  1.  79  de  verb.  obL    Vgl.  Savigny  III,  254  Anm.  c. 

536)  Ecce  enim  cum  dilecti  filii  . .  cives  Bononienses  legum  doctores 
com  ob  devotionem  ad  nos  ab  eis  habitam,  qne  sumpsit  exordinm  ex  fami- 
liaritafte  contracta  nobiscum  diu  anteqnam  conscenderemus  speculum  aposto- 
licl  cuhninis  . . .  pro  salutari  consilio  super  quibusdam  casibus  eorom  gra- 
vantibus  conscientiam  consequendo  ad  apost.  sedem  accesserint:  vos  prepo- 
nentes  rationis  indicium  et  sequentes  vestramm  arbitrinm  voluntatom  de  sub- 
trahendis  salariis  debitis  doetoribus  memoratis  et  de  quibnsdam  aliis  articulis 
nonnnUa  statuta  doetoribus  ipüs  et  eorum  honori  contraria,  quamquam  snb- 
sütutos  sibi  dimiserint  prout  asseritur,  motu  proprio  edidistis  .  .  .  Nonne 
redundat  in  aupradicti  studii  dampnum  maximnm  et  tocius  civitatis  Bonon. 


200  n.  Entstehong  der  ältesten  Uniyersitaten. 

So  konnte  man  nur  sprechen,  wenn  zwischen  den  Professoren 
und  Scholaren  ein  Contract  bestand,  bei  dem  die  letztern  die 
eigentlichen  Herren  spielten  und  von  denen  die  Berufung  zum 
Lehramte,  wenigstens  in  Bezug  auf  die  fremden  Professoren, 
ausgieng.  Es  war  nur  Consequenz,  wenn  die  Scholaren  schliesslich 
auch  bestimmten,  was  vorgelesen  werden  sollte,  ein  Umstand, 
der  sich  aus  der  Art  und  Weise,  wie  solche  Verträge  oft  ab- 
geschlossen wurden,  von  selbst  ergibt 

Aus  diesen  Verhältnissen  erklärt  es  sich,  wie  nach  und  nach 
die  Administration  der  Studienangelegenheiten  in  die  Hände  der 
Scholaren  gelangen  musste^'^),  und  man  begreift,  wenn  die  Pro- 
fessoren rücksichtlich  dieser  äussern  Studienangelegenheiten  dem 
Rector  der  Scholaren,  die  demselben  durch  die  Wahl  die  Juris- 
diction übertrugen,  ebenso  wie  die  Scholaren  sich  zum  Gehorsam 
verpflichten  mussten.  Ohne  Zweifel  bildete  sich  dieser  Zustand 
anfänglich  in  Bezug  auf  die  fremden  und  nicht  die  einheimischen 
Rechtslehrer. 

So  steht  es  mit  einem  Hauptpunkte  in  der  Organisation 
zu  Bologna,  der  bisher,  wie  es  scheint,  jeder  Erklärung  spot- 
tete*"*), was   um    so   weniger   Wunder  nehmen  darf,  als  man 

vestrique  statas  detrimentum  quantalibet  doctornm  ipsonun  translatio  sen 
qualiscunque  absentia  tarn  illustrium  personarum?  . . .  UniYersitatem  vestram 
rogandam  duximns  et  adhortandam,  .  .  .  qnatenns  considerantes  provide  quod 
salaria  doctoribus  Don  censentur  gratis  tribui,  sed  ex  iastitie  debito  exhiberi, 
maxime  cum  ipsa  Yelint  iura  ciyilia. . .,  snpradicta  et  qnelibet  alia  statuta  in  doctornm 
ipsorum  preiudicium  . .  .  penitus  revocetis  ac  doctores  ipsos  ad  honores  et  Status 
pristinos  liberaliter  admittentes  necnon  solita  benevolentiaetcoudigna  reverentia 
prosequentes  eis  provideatis  de  consuetis  salariis  et  proyideri  ab  eornm  au- 
ditoribus  libere  permittatis.  Das  Schreiben  beginnt:  Bononieme  studhan.  In 
der  Sammlung  des  Marino  de  Ebolo.  Archiv.  Vat.  ep.  2350  coUationiert  mit  117  C 
im  Archiv  zu  S.  Peter.  Durch  dieses  Schreiben  wird  die  Ansicht  Savignys  wider- 
legt, als  hätten  die  Besoldungen,  das  Salarium  mit  darunter  verstanden, 
keinen  bedeutenden  Einfluss  auf  das  Bestehen  der  Bechtsschule  gehabt 

^7)  Es  ist  reines  Missverst&ndniss,  wenn  Luschin  a.  a.  0.  S.  93  sagt, 
'die  Leitung  der  Korporationsangelegenheiten'  sei  endlich  in  die  Hftnde 
der  Studierenden  gekommen.  Ja  waren  denn  diese  jemals  wo  anders  als  in 
den  B&nden  der  Scholaren?  Bildeten  nicht  diese  die  Gorporadonen?  Es  ist 
ein  Unterschied  zwischen  Studien  -  und  Corporationsangelegenheiten. 

^7a)  In    einem  andern  Zusammenhange  wird  dieser  Punkt  unten  im 
vierten  Hauptabschnitt  nochmals  zur  Sprache  kommen. 


3.  Bologna.    Die  ScholarenTerbioduogen  und  die  Lehranstalt.      201 

bereits  im  14.  Jh.  das  Abhängigkeitsyerhältniss  der  Professoren 
von  dem  Rector  nicht  mehr  verstand  und  nur  auf  die  hergebrachte 
Gewohnheit  zurückführte"^).  Allerdings  konnte  man  sich  damals 
die  Thatsache  deshalb  so  schwer  erklären,  weil  die  Verhältnisse 
sich  seit  der  1.  Hälfte  des  13.  Jhs.  anders  gestaltet  hatten,  sei 
es  durch  die  DoctorencoUegien,  sei  es  durch  den  Umstand,  dass 
die  Studienstädte  überall  einen  bedeutenden  Einfluss  auf  die 
Administration  der  Studienangelegenheiten  mittels  der  von  ihr 
gewährleisteten  Besoldung  gewannen.  Aber  nur  derjenige  wird 
Bolognas  Verhältnisse  sonderbar  finden,  der,  wie  bisher  die 
Meisten,  nur  die  fertigen  Zustände  ins  Auge  fasst  und  sich  gegen 
die  allmählige  Entwicklung  derselben  verschliesst.  Weder  in  Bo- 
logna noch  in  Paris  wurde  die  Organisation  mit  einem  Male  ins 
Leben  gerufen,  sie  gestaltete  sich  nach  und  nach. 

Nun  erst  verstehen  wir  die  oben  citierten  Worte  Honorius  in. 
Sie  beweisen  nur  zu  sehr,  dass  bereits  zu  seiner  Zeit  die  Ad- 
ministration der  Studienangelegenheiten  in  den  Händen  der  Scho- 
laren lag,  gleichwie  sich  auch  zugleich  aus  denselben  ergibt, 
dass  sich  schon  damals  die  Professoren  den  Rectoren  verpflichtet 
hatten"').  Gewiss,  Bologna  verdankte  zum  grossen  Theil  seinen 
Ruhm  den  Scholaren. 

Aber  steht  dieses  Resultat  nicht  mit  der  Thatsache  im 
Widerspruche,  dass  der  Ruhm  der  Schule  zu  Bologna  sich  an 
die  Erneuerung  der  Rechtswissenschaft  geknüpft  hat?'^^^)  Die 
Beantwortung  dieser  Frage  führt  uns  zur  Auseinandersetzung  eines 
andern  wichtigen  Punktes,  nämlich  zur  Erörterung  der  Stellung 
der  Lehranstalt  zu  den  Scholarenverbindungen. 

Es  ist  durchaus  irrig  anzunehmen,  dass  in  Bologna  der 
Rector  der  Scholaren  auch  Rector  studii  gewesen  sei,  und  die 
Professoren  vollends  in  die  Abhängigkeit  der  Scholaren  geraten 


^  So  fragt  fialdas:  numqoid  doctores  sobsint  universitati?  Breviter 
dicendnm  est  quod  non,  nisi  ex  praerogativa  consnetudinis,  vel  juramento, 
qnia  juraTenint  obedire  rectori.  Ad.  Auth.  Babüa  n.  14.  Aebnlich  spricht 
Peter  de  Ancharano  in  Decret.  I.  De  Gonsuet.  p.  118.  Er  nennt  die  For- 
derung des  Gehorsams  Ton  den  Professoren  eine  antiquata  ezactio. 

»9)  S.  oben  8.  169  Ann.  421. 

^)  8.  oben  8.  46  f. 


202  Enstehang  der  ältesleft  UniTenit&ten. 

.seien.  Der  Hauptvertreter  dieser  Ansieht  ist  Huber'*^),  der 
überdies  hinzusetzt,  die  nationeile  Organisation  habe  das  un- 
bedingte Uebergewicht  über  die  wissenschaftliche  behauptet.  Diese 
Ansicht  beweist,  dass  man  die  Verhältnisse  Bolognas  auch 
gar  nicht  kenne.  Die  Bectores  studii  waren  in  Bologna  ebenso 
wie  in  Paris  die  Professoren  und  nicht  die  Bectores  scholariunt 
Der  Ausdruck  Rector  studii  wurde  allerdings  in  Italien  später 
üblich;  allein  soweit  ich  die  Docnmente  kenne,  ist  er  auf 
den  liector  der  Scholaren  bezogen  nicht  italienischen  sondern 
eher  »panischen  Ursprungs.  Wenigstens  gebraucht  ihn  Alfonso 
el  Sabio  zuerst  in  diesem  Sinne  in  seinen  Siete  Partidas '^').  In 
Bezug  auf  Bologna  existiert  bisher  für  das  13.  Jh.  nicht  ein  Do- 
cumenta und  es  kann  kaum  existieren,  da  die  Entwicklung  nir- 
gends so  consequent  vor  sich  gieng  wie  in  Bologna,  und  die  An- 
wendung des  Ausdrucks  Bector  studii  auf  den  Bector  der  Scholaren- 
corporationen  dem  Geiste  jener  Entwicklung  widersprochen  hätte. 
Spätere  Gewohnheiten  stossen  diese  Thatsache  nicht  um.  Es  ist 
kein  Widerspruch,  sondern  ein  im  Wesen  der  Verhältnisse  be- 
gründetes Factum,  wenn  seit  dem  Ende  des  12.  Jhs.,  also  zu 
einer  Zeit,  wo  die  Scholarenverbindungen  im  ausgesprochenen 
Besitze  der  Bectoren  mit  Jurisdiction  waren,  nur  auf  die  Pro- 
fessoren, nie  auf  die  Bectores  scholarium  die  Phrase  angewendet 
wurde:  ^regere  Studium  Bononie\  oder  ^regere  scholas  legum'. 
In  den  städtischen  Statuten  wird  das  Wort  ^regere'  in  Bezug 
auf  das  Studium  in  derselben  Weise  angewendet,  wie  in  den 
Phrasen  ^regere  civitatem',  ^regere  terram  medicine'  etc.^**).    Das 


Ml)  Die  engUHchen  Universitäten  I,  31  f. 

M9)  Las  siete  Partidas  II,  tit.  31  ley  6. 

M8)  In  den  städtischen  Statuten  vom  J.  1250,  1259  nnd  12SS  erscheint 
der  Ausdruck  'regere'  in  Besug  auf  das  Stadium  noch  ebenso,  wie  2.  B.  I1S9 
in  der  Eidesformel  des  Lothar,  oder  1317  in  dem  allgemeinen  Statute  Ober 
die  Eidesleistung  der  Professoren.  Regere  in  jare  eanonico  oder  dvili,  regere 
studiom  legam  etc.  war  ja  überhaupt  der  ganz  gewöhnliche  Ausdruck,  der 
keines  Beleges  bedarf.  Etwas  fraher,  als  die  erste  Eidesformel  den  Pro- 
fessoren Yorgeschrieben  wurde,  sagt  Pilius  in  Besag  auf  seinen  Weggang  tob 
Bologna:  Idonea  igitur  securitate  deinde  promissis  acoepta,  omni  pactione 
nunc  et  in  posterum  regendis  scolis  cessante,  com  ea  receaa  ete.  Suauna 
irlum  librorum  im  Cod.  Vat  2313  Bl.  360b.    Jordan  von  Sachsen,  der  mit 


3.  Bologna.    Die  Scholarenverbindnngen  und  die  Lehranstalt.     203 

meinte  ich,  wenn  ich  oben  bemerkte  "*),  der  Ausdruck  Rector  schola- 
rium  stehe  in  keiner  Beziehung  zum  Begriffe  Rector  oder  Magister 
scholarum.  Die  erste  Bezeichnung  bezog  sich  auf  das  Haupt  der 
Corporation,  die  letztere  wie  in  Paris  auf  jenes  der  Schule"*). 
Und  nachdem  der  Papst  dem  Archidiacon  das  Amt  übertragen 
hatte,  die  zu  Promovierenden  zu  prüfen,  da  sah  man  wohl  auch 
in  ihm  das  Haupt  oder  den  Rector  des  Studiums  *^^),  wenngleich 
die  Professoren  deshalb  ebensowenig  aufhörten  Regentes  zu  sein, 
wie  jene  zu  Paris  wegen  des  dortigen  Kanzlers.  Sowohl 
der  nächste  Zweck  des  damaligen  Studiums,  die  Promotion  und 
Doctorierung  der  fähigen  Scholaren,  als  auch  die  Vorbedingung 
zu  derselben,  nämlich  das  Examen,  schloss  jegliche  Einmischung 
sei  es  der  Universitas  scholarium,  sei  es  der  Rectoren,  aus.  Noch 
Baldus  würde  im  14.  Jh.  eine  solche  Einmischung  als  'mittere 
faicem  in  messem  alienam'  betrachtet  haben,  und  er  sagt  aufs 
bestimmteste  vom  Rector:  non  potest  doctoribus  claudere  viam 
pnblicam  nee  disponere  de  jure  superioris^O*  I)o<^h  findet 
er  es  convenient,  dass  der  zu  Promovierende  dem  Rector  prä- 
sentiert werde.  Zudem  konnten  sich  weder  die  Scholaren  noch 
der  Rector  selbst  dem  Examen  entziehen,  das  vor  1219  die 
Magistri"^),  nachher  vorzüglich  die  Archidiacone  mit  den  Ma- 


den Einrichtnngen  der  italienischen  Universit&ten  wie  nur  irgend  einer 
Tertraut  war,  da  er  häufig  vor  den  Scholaren  derselben  predigte  und  eine 
Menge  in  seinen  Orden  aufnahm,  nennt  den  von  ihm  in  Padua  c.  1231  aofge- 
nommenen  Archidiacon  mag.  Jacob  zu  Ravenna  'juris  rector'  (Lettres  du 
b.  Jonrdain  de  Saze  ed.  Bayonne,  Paris  1865  p.  134),  obwohl  er  sehr  gut 
den  Begriff  rector  scholarium  kannte  (s.  ibid.  p.  114). 

»**)  8.  8.  147. 

^  8.  oben  8.  108.  besonders  Anm.  227. 

^  Bonifaz  VUI.  sagte  im  J.  1301:  Cum  in  ciyitate  Bon oniensi  Studium 
per  dei  gratiam  Tigeat  generale,  cui  Archidiaconi  Bononienses«  qui  sunt  pro 
tempore,  preesse  noscantur  ac  in  eodem  studio  consistentes,  qui  licentiantnr 
in  aliqua  facultate  supradictis  etc.    Sarti  II,  168. 

M7)  Ad.  Auth.  EMta  n.  16. 

^  Da  es  im  st&dtischen  Statute  vom  J.  1217,  worin  die  Eidesformel 
f(ir  die  Professoren  vorgeschrieben  wird,  heisst:  'quilibet  .  .  .  postquam  exa- 
minatus  fuerit  et  approbatus  est  regat',  der  Archidiacon  aber  erst  1219  von 
Honorius  in.  als  Examinator  aufgesteUt  wurde  (Sarti  II,  59),  so  ist  klar, 
dass  froher  die  Magistri  allein  examinierten. 


o^ 


204  ^'  Entstehung  der  ältesten  Universitäten. 

gistri  vornahmen.  Allerdings  gestalteten  sich  später  die  Ver- 
hältnisse insofern  anders,  als  der  Gandidat  demRector  drei  Eide 
schwören  musste"'),  was  ich  für  unsere  Periode  nicht  nachweisen 
kann.  Allein  auch  dann  bezogen  sich  dieselben  nicht  so  sehr  auf  das 
Studium  selbst,  als  vielmehr  auf  die  äussern  Studienverhältnisse. 

Die  Thatsache,  dass  die  Professoren  die  Regenten  des  Sta- 
diums waren,  macht  es  begreiflich,  warum  sich  in  Bologna  seit 
ungefähr  der  2.  Hälfte  des  13.  Jhs.  DoctorencoUegien  constituieren 
konnten.  Ausserdem,  dass  sie  einem  Bedürfhisse  ihren  Ursprung 
verdankten,  bildeten  sie  zugleich  einen  Damm  gegen  die  wachsende 
Macht  der  Scholarenverbindungen,  sie  waren  ein  Schutz,  dass 
die  Professoren  nicht  vollends  unter  die  Botmässigkeit  der  Rec- 
toren  gelangten.  Dadurch,  dass  sich  die  Doctores  legentes  zu 
GoUegien  vereinigten,  entzogen  sie  sich  soweit  möglich  der  Juris- 
diction der  Rectores  scholarium.  So  fragt  Peter  de  Ancharano, 
an  universitas  scholarium  possit  per  statuta  sua  ligare  doctores. 
Er  antwortet  in  Bezug  auf  die  doctores  legentes  verneinend,  quia 
Corpora  sunt  distincta  de  consuetudine.  Und  er  macht  die  Bemer- 
kung :  et  adverte,  quia  doctores  se  subjiciunt  sicut  singuli  et  non  ut 
collegium  doctorum"®).  So  kam  es,  dass  z.  B.  in  Turin,  wo 
ebenfalls  eine  Universitas  scholarium  im  15.  Jh.  existierte,  daneben 
aber  sich  ein  Doctorencollegium  gebildet  hatte,  letzteres  sich  dagegen 
verwahrte  als  seien  die  Doctoren  in  aliquo  jurisdictioni  rectoris 
unterworfen,  und  es  wurde  bestimmt,  quod  nuUus  doctor  juret  ser- 
vare  statuta  universitatis  et  obedire  rectori,  nisi  si  jurare  vult 
juret  et  salvis  statutis  GoUegii*"). 

Die  Schule  und  die  Innern  Studienangelegenheiten  zu  Bologna 
leiteten  also  die  Professoren,  nicht  aber  der  Rector  oder  die 
Scholaren.  Diese  hatten  natürlich  die  Gorporations-  und  äussern 
Studienangelegenheiten  unter  sich.  Die  Rectoren  zu  Bologna 
waren  nicht  rectores  studii,  sondern  rectores  scholarium  oder 
universitatum   scholarium,   unter   deren  Botmässigkeit  die  Pro- 


M9)  Statuta  et  pri?il.  univ.  Jurist.  Bonon.  p.  40  f.  Vgl  auch  Sarigny 
217,  der  jedoch  auf  die  Entwicklung  nicht  achtete. 

&50)  In  Decret.  De  consuet.  p.  118. 

^^)  Stat  ven.  sacrique  coUegii  Jnrisconsult.  Aug.  Taurin.  Tanr. 
1614  p.  21  ff. 


3.  Bologna.    Die  StadienTerh&ltnisse  der  Hochschule.  205 

fessoren  als  die  eigentlichen  rectores  studii  keineswegs  vol- 
lends standen,  im  Gegentheile  reduplicative  als  Professoren, 
um  mich  hier  eines  scholastischen  Ausdrucks  zu  bedienen,  ausser- 
halb derselben  sich  befanden. 

Inwieweit  die  übrigen  nach  dem  Muster  von  Bologna  ge- 
bildeten Universitäten  hierin  von  der  Mutteranstalt  abwichen,  kann 
uns  erst  im  zweiten  Bande  beschäftigen,  wo  überhaupt  von  der 
Verfassung  der  Universitäten  die  Bede  sein  und  die  Verfassung 
der  Universität  Bologna  im  13.  Jh.  in  allen  ihren  Theilen  zur  Dar- 
stellung kommen  wird,  was  nicht  früher  möglich  ist,  als 
der  erste  der  Registerbände  der  deutschen  Nation  zu  Bologna 
publiciert  sein  wird.  Im  2.  Bande  lässt  sich  auch  erst  ein  voller 
Vergleich  zwischen  den  Scholarenverbindungen  Bolognas  und 
ihrer  Verfassung  und  den  Nationen  in  Paris  anstellen,  der, 
nebenbei  gesagt,  zu  Gunsten  der  erstem  ausfällt. 

Hier  müssen  wir  nunmehr  dasjenige  nachtragen,  was  auf 
die  Schule  zu  Bologna  als  solche  Bezug  hat. 

g.   Karzer  TJeberblick  über  die  Studien- Verhältnisse  der  Hochschule. 

Die  Hochschule  zu  Bologna  entwickelte  sich  allerdings  vor- 
zugsweise, ja  ursprünglich  nur  als  Rechtsschule.  Allein 
nach  und  nach  wurden  an  derselben  auch  andere  Fächer  gelehrt, 
ohne  dass  jedoch  anfänglich  die  Vertreter  derselben  zur  Univer- 
sitas  scholarium  gehört  oder  eine  Universität  für  sich  gebildet 
hätten.  Am  frühesten  finden  wir  dort  Lehrer  der  Medicin  und 
der  artes  liberales.  Professoren  der  Medicin  kommen  seit  dem 
13.  Jh.  vor.  Die  ersten  sichern  Nachrichten  stammen  aus  den 
Jahren  1213  und  1222*").  Nach  den  Statuten  von  Bologna  vom 
J.  1250  waren  nicht  bloss  die  Domini  legum  frei  vom  Heeres- 
dienste, sondern  auch  die  ^magistri  gramatice,  dialetice  et  fisice 
qui  regant  vel  regent'*").  Einen  Ruhm  erwarb  Thadaeus 
Alderottus,  dem  die  Stadt  Bologna  in  den  Statuten  besondere 
Privilegien  bewilligte"*).  Unter  ihm  machte  jener  Wilhelm  von 

^^*)  S.  Sarti  I,  438.  Dagegen ,  dass  bereits  1156  ein  collegium  medi- 
corum  in  Bologna  bestanden  habe,  spricht  er  sich  mit  Recht  aus. 

&^)  Statuti  di  Bologna  ed.  Frati,  I,  497.  In  späteren  Statuten  wird 
noch  beigefOgt:  notarie  et  dictatorie  (dietaminis)  facaltatis. 

»*)  Sarti,  II,  227. 


206  II*   Entstehung  der  ältesten  Unirersitftteo. 

Brescia  das  Doctorat,  den  Engelbert  von  Admont  vorher  in  der 
Philosophie  zu  Padua  gehört  hatte  "'^).  Von  dieser  Zeit,  d.  i. 
von  circa  1280  ab,  wuchs  die  medicinische  Schule  immer  mehr, 
und  wir  werden  sehen,  dass  sie  nach  der  Mitte  des  14.  Jhs. 
bedeutender  war  als  die  philosophische'"). 

Professoren  der  artes  liberales  und  der  Notariatskunst 
finden  sich  in  Bologna  ebenfalls  seit  dem  Beginne  des  13.  Jhs., 
in  Bezug  auf  die  erstem  vereinzelt  schon  früher"').  Doch  kamen 
die  artes  liberales  bis  in  das  14.  Jh.  nicht  sehr  zur  Blüthe,  und  sie 
blieben  im  Rückstande  hinter  der  medicinischen  Disciplin.  Als  sich 
in  Bologna  neben  den  zwei  juristischen  Scholarenverbindungen  im 
Anfange  des  14.  Jhs.  eine  andere,  neue  gebildet  hatte,  da  waren  es 
zwar  die  Mediciner  und  Artisten  mitsammen,  vorzüglich  aber  die 
erstem,  welche  dieselbe  veranlassten  "•). 

Was  die  Theologie  anbelangt,  so  wurde  sie  hin  und  wider 
bereits  im  12.  Jh."'),  seit  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  in  den 
Klöstem  vorgetragen,  ohne  dass  man  jedoch  in  denselben,  weil  sie 
der  Hochschule  nicht  incorporiert  waren,  promoviert  hätte.  An 
dem  Generalstudium  der  Dominicaner  nahmen  auch  Auswärtige 
Theil;  Engelbert  von  Admont  berichtet  selbst,  dass  er  dort 
Theologie  studiert  habe*").    Als  der  Hochschule  die  Theologie 

^^^)  Epist.  ad  Ulricnm  scholasticom,  bei  Pez,  Thes.  anecd.  nov.  I,  1  p. 
429.  Er  sagt:  'conventam  soscepit  in  medicinis  Bononiae  sab  mag.  Tatheo, 
medico  praecipao'. 

^^)  Bei  Sarti,  I,  489—484  findet  man  Nachrichten  über  einselne  Pro- 
fessoren der  Medicin  zn  Bologna  im  13.  Jh.  Aoszuscheiden  ist  p.  447  Roland 
Ton  Cremona.  Sarti  beruft  sich  auf  die  Vitas  Fratrum,  worin  stehe  (part. 
1  c.  5  n.  1):  cujus  fama  celebris  ...  in  phisicis  habebatur.  AUein  die  Lesart 
der  Hss.  variiert.  Dass  'philosophicis'  zu  lesen  sei ,  ergibt  sich  auch  ans 
Stephan  de  Salanhaco,  der  sagt:  'in  seculo  magnus  philosophus'.  S.  Belege 
bei  Molinier,  De  fr.  Gnill.  Pelisso,  Paris  1880,  p.  8  Anm.  4. 

^^^)  S.  Sarti,  I,  485.  503.  S.  dazu  Anm.  553.  Magistri  puerorom 
werden  auch  in  den  Statuten  Yom  J.  1250  erwfthnt    Ed.  Frati,  II,  102. 

^^)  Ghirardacci,  Della  historia  di  Bologna  I,  329,  aas  dem  Jahre  1295, 
wo  ihnen  das  Unterfangen  von  den  Juristen  verwehrt  wird;  p.  451,  554,  589, 
wo  bereits  eine  nniversitas  phisiconim  erwfthnt  wird.  Savigny  III,  179  hat 
das  Ganze  verwirrt  dargestellt 

^^)  Nach  Hngnccio  war  Rolandus,  der  nachmalige  Papst  Alexander  III.^ 
residens  in  cathedra  magistrali  in  divina  pagina.  S.  Schalte  II,  115  Anm.  8. 

^)  Bei  Pez  1.  c. 


3.  Bologna.    Die  Studienverh&ltnisse  der  Hochschule.  207 

erlaubt  wurde,  erhielten  die  Klöster  der  vier  Bettelorden  formlich 
das  Oeffentlichkeitsrecht;  die  Mitglieder  derselben  waren  es, 
welche  die  Theologie  lasen.  Bisher  war  man  darüber  im 
Zweifel,  ob  lunocenz  VI.  im  Jahre  1360  oder  1362  ein  Studium 
generale  in  der  Theologie  gewährt  habe.  Für  das  erste  Jahr 
steht  ein  das  Bull.  Rom.'^"),  für  das  Jahr  1362  sprechen  das  von 
Ghirardacci  publicierte  Schreiben  ^^')  und  die  gedruckten  Statuten, 
denen  dann  Sarti,  Savigny,  Paulsen  u.  a.  folgten.  Die  Frage 
wird  nunmehr  durch  die  Vaticanischen  Regesten  entschieden. 
Dort  trägt  die  betreffende  Bulle  Innocenz  VI.  das  Datum 
2.  kal.  Jul.  an.  8.,  das  ist,  30.  Juni  1360"»). 

Dieses  Schreiben  wurde  das  Formular  für  die  Stiftbriefe  der 
theologischen  Facultät  zu  Padua  und  Perugia.  Der  Papst  rühmt 
in  der  Einleitung  die  disciplina  facultatis  theologice  als  den 
Lebensbaum  im  Paradiese  und  als  eine  glänzende  Leuchte  im  Hause 
des  Herrn.  In  Bologna  hätten  das  Jus  can.  und  civile  und  die 
artes  liberales  längst  schon  ihre  Früchte  hervorgebracht;  auf  die 
Bitten  der  Stadt  hin  bestimme  er  nun,  dass  dort  in  Zukunft  auch 
ein  ^Studium  generale  in  eadem  theologica  facultate  existat'. 
Er  gibt  den  Studierenden  die  Privilegien,  welche  sie  an  ähnlichen 
Studienanstalten  geniessen,  will  aber,  dass  (für  den  Anfang)  solche 
Professoren  genommen  würden,  welche  in  Paris  oder  an  andern 
grossen  Schulen  promoviert  hätten.  Die  Licentia  docendi  er- 
theilt  der  Bischof,  resp.  der  Vicesgerens,  dem  die  Candidaten 
präsentiert  werden  müssten.  Diese  sollen  von  Professoren  der- 
selben Facultät  examiniert  werden.  Die  Approbierten  haben  das 
Recht,  an  allen  Generalstudien  in  dieser  Facultät  ohne  neue  Appro- 
bation zu  lehren. 

Die  frühesten  Fälle  von  Promotionen  in  der  theologischen 
Facultät  scheinen  in  das  erste  Jahr  Urbans  V.  zu  fallen,  der  in 
studio  Bononiensi  den  Augustiner-Eremiten  Jacobus  Sanctus  de 


^^)  Ball.  Born.  ed.  Tanr.  lY,  517.    Es  steht  irrig  XI.  kal.  Jnl.  statt 
n.  kal.  Jul.   Man  sieht  wie  die  Yerwechsliing  entstehen  konnte. 
MS)  DeUa  historU  di  Bologna  II,  262. 
^)  Reg  Yat.  Avenionen.  tom.  24  BI.  516. 


208  II'  Entstehung  der  ältesten  IJniversit&ten. 

Venetiis  und   den   General   der   Serviten  Nicolaus   de  Yenetiis 
examinieren,  eventuell  promovieren  liess***). 

Betrachten  wir  die  Hochschulen  jener  Zeit,  in  der  die  meisten 
derselben,  die  uns  in  diesem  Bande  beschäftigen,  bereits  gegründet 
waren,  und  vergleichen  wir  sie  mit  jener  von  Bologna,  so 
finden  wir,  dass  Bologna  damals  noch  alle  in  der  Rechtswissen- 
schaft überragte,  in  der  Medicin  aber  nicht  zu  weit  zurückstand. 
Der  Gardinallegat  Anglicus  hat  uns  eine  Beschreibung  des  Zu- 
Standes  von  Bologna  im  J.  1371  hinterlassen^*^).  Er  kommt 
darin  auch  auf  die  Professoren  zu  sprechen,  welche  dort  im 
genannten  Jahre  gegen  städtisches  Salarium  docierten.  Das 
Jus  canonicum  lehrten  6  Professoren,  das  Givilrecht  aber  nicht 
weniger  denn  12'*^).    Man  denke  jedoch  nicht,  dass  nicht  mehr 


664)  Reg.  Vat.  Ind.  an.  1.  ep.  450  Bl.  111b;  ep.  541  Bl.  174b. 

6^6)  Sie  beginnt:  In  Christi  nomine  Amen.  Anno  natiyitatis  eiusdem  miUe- 
simo  trecentesimo  septuagesimo  primo,  indictione  nona,  de  mense  Octobris, 
pontificatus  ss.  in  Christo  patris  et  D.  N.  D  Gregorii  div.  proT.  pape  nndecimi 
an.  primo.  In  presenti  quatemo  fit  memoria  de  condictionibas  et  statu  ci- 
vitatis Bonon.,castrorum  et  fortiliciorum  existentium  in  ipsa  ciyitate  ac  castromm 
fortilicioram,  yillarum  et  terranim  existentiam  in  comitatu  et  districtu  de  ciyi- 
tate, et  quoruncunque  introituum  ipsorum  ciyitatis,  comitatus,  territorii  et 
districtus  ac  ezpensamm  hodie  occurentium  et  que  solyuntur  in  civitate  pre- 
dicta.  Archiv.  Yat.  Cast.  S.  Angelo,  arm.  3  caps.  2  n.  SS.  Dem  Card.  Ang- 
licns  wurde  1.  März  1368  das  regimen  civit.  Bonon.  von  Urban  Y.  flbertra- 
gen.    Reg.  Yat.  Com.  an.  6.  Bl.  14. 

^^)  P.  7  werden  die  Doctores  legentes  in  studio  dicte  civitatis  Bonon. 
erwähnt.  In  iure  canonieo.  D.  Johannes  de  Lignano  legit  librum  decretalium 
ordinarie  de  mane  cum  salario  in  anno  flor.  cccc.  D.  Gaspar  domini  Johannis 
Calderini  legit  librum  decretalium  ordinarie  de  mane  cum  sah  in  an.  lib.  c. 
D.  Jeronimus  domini  Federici  olim  domini  Johannis  Andree  legit  librum  de- 
creti  ordinarie  de  mane  cum  sal.  lib.  gl.  in  an.  D.  Laurentius  de  Pinu  legit 
librum  decretalium  ordinarie  cum  sal.  in  an.  lib.  l.  D.  Hugucio  deXienisde- 
Yicencia,  auditor  domini  card.  legit  librum  YI.  et  Clement,  cum  sal.  in  an. 
tam  pro  lectura  quam  pro  audientia  flor.  ccc.  D.  Bartholomeus  de  Ma^ 
nathis  legit  librum  YI.  et  Clem.  cum  sal.  in  an.  lib.  I.  D.  Petrus  Ravati 
legit  lecturam  decreti  extraordinarie  cum  salar.  in  an.  lib.c.  /n  iure  dvili, 
D.  Ricardus  de  Saliceto  legit  librum  cod.  ordinarie  de  mane  cum  sal.  in  anno 
flor.  cccc.  et  pro  addictione  sibi  facta  per  D.  N.  Papam  flor.  cc.  D.  Antbo- 
nius  de  Presbiteris  legit  librum  cod.  ordinarie  de  mane  cum  sal.  in  anno  lib. 
<'.  hon.    D.  Sanctus  de  Daynisiis  (Santo  Dainesi)  legit  libr.  cod.  ord.  de  mane 


3.   Bologna.    Die  Stadienverhältnisse  der  Hochschale.  209 

dort  lasen,  denn,  wie  bemerkt,  kommen  nur  die  Salariierten  in 
Betracht.  Drei  Magistri  trugen  die  Medicin,  ebenso  viele  die  Prac- 
tica medicine,  und  einer  die  Chirurgie  vor.  Ausserdem  war  die 
Astrologie,  Rhetorik  und  Notariatskunst  mit  je  einem  Professor  ver- 
treten, die  Logik  mit  2  Professoren'").  Die  Theologen,  weil 
Ordensleute  und  deshalb  in  Bologna  schwerlich  von  der  Stadt 
besoldet,  werden  leider  nicht  aufgezählt.  Einige  Jahre  später, 
nämlich  1388,  finden  wir,  die  Theologen  nicht  mitgerechnet,  70  Pro- 
fessoren (darunter  zwei  Scholaren)  angestellt,  von  denen  27  Legisten, 
12Canonisten,  HMediciner,  15  Artisten,  Grammatiker  und  Magistri 
der  Notariatskunst  waren.  Die  Stadt  zahlte  ein  Salarium  von 
11417  Lire'"). 

Die  Studierenden  des  Jus  canonicum  bedurften  keiner  anderen 
Privilegien  von  Seite  des  Papstes,  als  jene,  die  für  alle 
übrigen  gegeben  wurden,  wohl  aber  jene  Geistlichen,  welche 
das  Civilrecht  und  die  Medicin  hören  wollten,  da  sie  dies  wegen 
des  bestehenden  Verbotes  nicht  thun  durften"').  Clemens  V. 
gewährte  am  10.  März  1310  auf  10  Jahre,  dass  die  'persone 
ecclesiastice,  quibus  audire  leges  vel  physicam  prohibent  canonice 


cum  sal.  in  an.  Üb.  6.  D.  Bartholomeas  de  Boninchamnis  legit  l.  cod.  ordi- 
narie  de  mane  cum  sal.  in  an.  lib.  c.  D.  Thomas  de  AngeleUo  1.  lib.  cod.  or- 
dinarie  He  mane  c.  s.  i.  a.  lib.  c.  D.  Gregorius  de  A^ognidis  1.  lib.  inforciati 
c.  s.  1.  a.  lib.  c.  D.  Franciscus  de  Ramponibus  1.  librum  inforciati  c.  s.  i.  a. 
lib.  c.  D.  Nicolaus  de  Zapolino  1  lib.  infortiati  c.  s.  i.  a.  lib.  c.  D.  Bene  de 
Florentia,  D.  Johannes  de  Yalentia  legerant  lib.  voluminis  c.  s.  i.  a.  inter 
ambos  lib.  c.  D.  Johannes  de  Bonsignoribus  1.  lib.  Tolnminis  c.  s.  i.  a.  lib.  c. 
D.  Baldasar  domini  Johannis  Calderini  1.  extraordinarie  (lib.)  cod  c.  s.  i.  a.  lib.  c. 

M*^  Ibid.  Sie  werden  unter  dem  gemeinschaftlichen  Titel:  In  medici- 
na  et  artibns,  aufgezählt.  Der  Mediciner  Johannes  de  Mediolano  legit  me- 
dicinam  in  nonis  et  philosophiam  in  vesperis.  Das  Salar  für  diese  betrag 
50  Gulden  oder  Lire.     Der  Astrologe  war  Martinus  de  Alamannia. 

ftdSj  Archivio  notarile  zu  Bologna.  Provisiones  in  Gapreto  A.  Scara- 
beUi  p.  70. 

^^)  Seit  1131(Concil  von  Reims)  fieng  man  an  das  Studium  des  Civil- 
rechts  und  der  Medicin  den  Mönchen  zu  yerbieten  (Mansi,  Coli,  concil.  XXI, 
459).  Alexander  III.  that  dies  auf  dem  Concil  von  Tours,  und  seine  Yer- 
ordnong  kam  in  die  Decretalen  (c.  3  Ne  clerici,  3.  50);  Hororius  III.  dehnte 
endlich  das  Verbot  1219  in  dem  berühmten  Schreiben  Super  tpecula  auf  alle 
Priester  aus  (c.  10  Ne  clerici  3.  50). 

D«Difl0,  nie  ÜDirersititen  I.  14 


210  1^-   EntsU'liaDg  der  ältesten  UDiversitäten. 

sanctiones,  electis  in  episcopis  confirmatis  ac  religiosis  personis 
et  aliis  in  sacerdotio  constitutis  dumtaxat  exceptis,  huiusmodi 
leges  ac  physica  audire  et  illis  libere  studere  in  civitate  nostra 
(Bonon.)  valeant;  jedoch  nicht  über  7  Jahre  lang  dürften  die 
Einzelnen  ihre  Beneficien  fort  beziehen"**).  Der  Grund,  den  der 
Papst  hierfür  vorbringt,  war,  dass  das  Studium  in  jener  Zeit  ^multe 
diminutionis  susceperit  detrimenta'  und  er  durch  sein  Privileg 
beitragen  wolle,  dass  es  'statum  resumat  pulchritudinis  primitive'. 

Es  bildete  sich  nunmehr  eine  Gewohnheit.  Johann  XXII. 
bewilligte  am  19.  Jänner  1317  auf  Bitten  der  Stadt  für  weitere 
10  Jahre  vom  Ablauf  des  durch  Clemens  gewährten  Decenniums, 
also  von  1320  an,  dasselbe  Privileg*"').  Er  erneuerte  es  am 
22.  November  1330  wider  auf  10  Jahre*").  Im  J.  1343-1344 
wandten  sich  die  Rectores  univ/ersitatis  et  ipsa  universitas  sco- 
larium  studii  Bononien.  an  Clemens  YI.  mit  der  Bitte  um  Er- 
neuerung des  Privilegs  auf  unbestimmte  Zeit  (sine  temporis 
prefinitione).  Sie  verlangten  zu  viel,  und  erhielten  nichts.  Nur 
der  Fruchtgenuss  wurde  am  21.  Jänner  1344  auf  5  Jahre 
mit  der  Bemerkung  gewährt:  etiam  universitati  Parisius  in  theo- 
logia  studentibus  noluimus  concedere  que  petuntur*^').  Erst 
Innocenz  VI.  erneuerte  am  30.  Juni  1360  wider  das  frühere 
Privileg  auf  ein  Decennium*^^),  nachdem  die  ambaxiatores  Bonon. 
^pro  honore  et  augmento  dicte  civitatis  et  studii  generalis'  darum 
gebeten  hatten*'*). 

Auf  alle  Studierenden  bezog  sich  das  Privileg,  die  Beneficien 
auch  ferne  von  der  Kirche  am  Studium  zu  Bologna  geniessen  zu 
können.  Kaum  eine  andere  Universität  hat  hiefür  so  viele 
päpstliche  Bullen  aufzuweisen  als  Bologna.  Von  Clehiens  V.  bis 
ans  Ende  des  14.  Jhs.  findet  sich  kaum  ein  Papst,  der  das 
Seinige  nicht  dazu  beigetragen  hätte *'^). 

*70)  Reg.  Vat.  an.  5.  ep.  170. 
"1)  Reg.  Vat.  Comm.  an.  1  p.  2  ep.  1798. 
*     573)  Beg.  Vat  Comm.  an  15  p.  3  ep.  1950. 

673)  Reg.  Supplic.  an.  2  p.  1.  Bi.  144  (im  2.  Theil). 

674)  Reg.  Vat.  Ayenion.  tom.  24  Bl.  517. 

67&)  Reg.  Suppl.  Innoc.  VI.  an  58  Bl.  139.  Hier  ist  das  Datam  5.  kl.  Jiü. 

^76)  Reg.  Vat.  Clem.  an.  5  ep.  169.  Bl.  45  a;  Joh.  XXII.  Comm.  an.  1.  p. 

2.  ep.  1799;  an.  6  ep.  1064  Bl  368;  an.   15  p   4  ep.  257.  258.    Clem.  VI. 


3.    Bologna.     Die  Studien  Verhältnisse  der  Hochschale.  211 

Schwerer  wiegend  war  der  Schutz,  den  die  Päpste  in  anderer 
Weise  dem  Studium  zu  Bologna  angedeihen  liessen,  selbst  als  sie 
in  Avignon  residierten.  Am  10.  März  1310  gewährt  Clemens  V,. 
was  einst  Nicolaus  IV.  am  18.  August  1291  formell  ausgesprochen 
hatte "^),  dass  die  in  Bologna  'in  jure  canonico  et  civili'  Gra- 
duierten 'ubique  legere  valeant  et  docere'^^').  Unter  demselben 
Datum  bewilligt  er,  dass  die  Universität  'per  nuUum  apost.  sedis 
legatum  etiam  de  ipsius  sedis  latere  missum  nee  alias  nisi  per 
summum  Pontificem  vel  de  ipsius  speciali  mandato  de  dicta  civitate 
Bonon.  amoveri  valeat  vel  etiam  interdici'"').  Den  Bischöfen 
von  Ravenna,  Ferrara  und  Parma  trägt  er  aber  auf  die  'acce- 
dentes  ad  Studium  predictum'  zu  beschützen  ®®°).  Mit  nicht  ge- 
ringerem Eifer  begünstigte  Johann  XXII.  die  Schule  zu  Bologna. 
Am  23.  November  1321  nimmt  er  die  Universität  auf  deren 
Klagen  hin  in  Schutz  und  gebietet  dem  Bischöfe  die  Buhe- 
störer  mit  kirchlichen  Strafen  zu  belangen^"),  den  Erzbischöfen 
und  Bischöfen  Italiens  befiehlt  er  aber  am  letzten  Jänner  des 
nächsten  Jahres,  gegen  jene  Städte,  Obrigkeiten  und  Bürger 
Italiens  Stellung  zu  nehmen,  die  'directe  et  indirecte  impedire 
dicuntur,  ne  ad  predictum  Studium  (scolares)  valeant  declinare 
contra  apostolica  et  imperialia  privilegia  a  longis  retro  tempori- 
bus  concessa  studio  mcmorato' "'),  Es  war  dies  gerade  nach  jener 
Zeit,  in  der  sich  die  Universität  theilweisc  aufgelöst  und  andere 
Wohnsitze  aufgesucht  hatte.  Die  Schuld  trug  der  Podestä.  Klar 
genug  erhellt  dies  auch  aus  der  Klage  der  Commune  und 
der  Universität,  'quod  nonnuUi  potestates  et  capitanei  dicte 
civitatis  per  tempora  presidentes  privilegia  universitati  magi- 
< 

Reg.  Suppl.  an.  2  p.  1  BI.  144.    Innocent.  VI.   Comm.  an.  7  BI.  231a.    Ur- 
bani  Y.  Comm.  an.  2  BI.  164.  u.  s.  w. 

^'^^)  Sarti  11,  59.  Diese  Balle  beweist  jedoch  ebenso  wenig  dafür,  dass 
die  Doctoren  von  Bologna  erst  jetzt  die  licentia  ubique  docendi  erhalten 
hätten,  als  die  fast  gleichlautende  desselben  Papstes  für  die  Doctoren  von 
Paris  vom  23.  M&rz  1292.    Reg.  Yat.  an.  5  ep.  30  BI.  193b. 

578)  Reg.  Vat.  an.  5  ep.  159. 

579)  Ibid.  ep.  158. 

580)  Ibid.  ep.  156. 

581)  Reg.  Vat.  Comm.  an.  6  ep.  438. 

582)  Ibid.  ep.  439. 

14* 


212  II-   Entstehang  der  Ältesten  üoiTersititen. 

fttrorum  et  scolarium  in  civitate  ipsa  degentium  ab  apostolica 
sede  concessa,  per  qne  prelibatum  re^tar  Studium,  non  obser- 
vant,  sed  rigores  in  suis  regiminibus  insequentes  privilegia 
ipsa  frequenter  infringunt,  propter  quod  prefato  studio  sepius 
perturbato  magistri  et  scolares  predicti  presidium  aliud  non 
habentes  cessant  a  studio  prelibato  in  detrimentum  ipsorum  et 
gravem  dictorum  communis  displicentiam  et  tedium  animorum'^^'). 
Der  Papst  setzte  nun  den  Bischof  von  Bologna,  eventuell  dessen 
Metropoliten,  den  Erzbischof  von  Ravenna,  als  Conservator  und 
Schutzherm  der  Universität  ein*"). 

Als  der  Podestä  mehrere  Jahre  später  das  juramentum  ^de 
observandis  statutis  eiusdem  studii  factis  et  faciendis'  nicht  leisten 
wollte,  wandten  sich  der  Rector  und  die  Scholaren  an  Benedict  XII., 
der  am  9.  Februar  1341  dem  Podestä  befahl,  den  Eid  abzulegen*"). 
An  Urban  V.  sandte  die  'universitas  Bononie'  im  ersten  Jahre 
seines  Pontificates  einen  Rotulus*^^). 

Die  Collegien  nahmen  in  Bologna  scheinbar  ziemlich  früh 
ihren  Anfang.  Und  doch  muss  man  bis  in  das  14.  Jh.  hinab- 
gehen, um  endlich  ein  Gollegium  im  vollen  Sinne  des  Wortes 
zu  entdecken.  Dadurch  rechtfertigt  sich  die  grössere  Ausführ- 
lichkeit meiner  Darstellung. 

In  Bologna  begegnen  die  Collegien  lange  Zeit  hindurch  gleich- 
sam als  Institute  für  auswärtige  Nationen  oder  wenigstens  Nicht- 
Bolognesen.  Dies  lag  für  dort  ganz  und  gar  in  der  Natur  der 
Sache.  Mit  der  Sorbonne  in  Paris  kamen  sie  bloss  darin  überein, 
dass  sie,  hier  wie  dort,  nur  für  arme  Studierende  gestiftet  wurden. 
Der  wesentliche  Unterschied  besteht  aber  darin,  dass  die  Bologne- 
sischen  Collegien  anfanglich  nicht  organisiert  waren. 

In  der  ersten  Phase  finden  wir  noch  nicht,  dass  die  Dotierten 
in  einem  eigenen  Hause  beisammen  gewohnt  hätten;  es  wurde 

^  Johann  XXII.  fahrt  diese  Expositio  im  Schreiben  vom  11.  Juli 
1326  an.    Reg.  Yat.  Com.  an.  10  p.  2  ep.  2705. 

^  Wir  werden  weiter  unten  Gelegenheit  haben,  auf  dieses  wichtige 
Schreiben  zarückzakommen. 

w&)  Reg.  Tat.  Secret.  an.  7.  ep.  13  Bl.  8  b. 

^  Reg.  Suppl  an.  1.  p.  4.  Bl.  61.  Andere  Suppliken,  theils  der 
Commune,  theils  der  Universität,  sind  enthalten  in  Reg.  Suppl.  Innoc.  VI.  an. 
7  Bl.  120;  an.  8  Bl.  139. 


3.   Bologna.    Die  StadienYerh&ltnisse  der  Hochschule.  213 

nur  eine  bestimmte  Summe  zum  Unterhalte  einer  Anzahl  von 
Scholaren  irgend  einer  Nation  ausgeworfen.  Auf  diesen  Gedanken 
kam  Zoen,  ein  Bolognese,  der  einst  Archipresbyter  in  Bologna, 
und  darauf  Bischof  in  Avignon  war.  Mittels  Testamentes  vom 
12.  Februar  1 257  "^),  d.  i.  also  gerade  in  demselben  Jahre  und  dem- 
selben Monat,  in  dem  König  Ludwig  IX.  dem  Robert  von  Sorbonne 
in  Paris  das  Haus  abtrat,  welches  den  Anfang  für  das  Gollegium 
Sorbonnicum  bildete^"),  bestimmte  er,  der  jedesmalige  Bischof  von 
Avignon  solle  aus  seinen  Liegenschaften  bei  Bologna  8  Scholaren 
der  Provinz  Avignon,  darunter  drei  Canoniker  der  Kirche  selbst, 
am  Studium  in  Bologna  unterhalten,  eventuell  Scholaren  aus  der 
Provinz  Arles.  Jeder  aus  ihnen  müsse  24  Bologn.  Lire  jähr- 
lich 5  Jahre  hindurch  erhalten;  nach  Abgang  eines  derselben 
soll  ein  anderer  an  dessen  Stelle  gewählt  werden.  Hört  das 
Studium  in  Bologna  auf,  oder  ist  man  nachlässig  in  Ausführung 
seines  Willens,  so  dass  sie  auf  ein  anderes  Generalstudium 
anstatt  nach  Bologna  geschickt  würden,  so  sollen  die  Liegen- 
schaften verkauft  werden,  wozu  er  die  Dominicaner  und  Francis- 
caner  in  Avignon  als  Commissäre  ernannte.  Das  Testament  des 
Biscbofes  wurde  bis  1 306  ausgeführt.  Im  genannten  Jahr  wurde 
die  Stadt  vom  Gardinallegaten  Napoleon  Orsini  mit  Interdikt 
belegt  und  des  Studiums  beraubt '^^^),  und  der  Guardian  der 
Franciscaner  und  der  Prior  der  Dominicaner  Hessen  die  Liegen- 
schaften durch  Paulus  Teucarari  verkaufen,  der  die  Summe  bei 
den  genannten  Ordensobern  hinterlegte,  die  dieselbe  später  bei 
Kaufleuten  deponierten"^).    Johann  XXII.  Hess  auf  die  Klagen 


^7)  Das  Testament  ist  im  Arch.  Vat  Instr.  misc.  an.  1257  n.  14.  Nach 
einer  Abschrift  ediert  yon  Sarti  II,  118. 

^^)  Das  Ton  mir  aufgefundene  seit  einem  Jahrhundert  verloren  ge- 
glaubte Original,  den  eigentlichen  Gründungsact  der  Sorbonne,  habe  ich  ediert 
in  den  M^moires  de  la  societ^  de  Paris  X,  252.  Das  bisher  zumeist  ange- 
gebene Datum  1250  ist  irrig.  Der  Act  wurde  mense  Febmarii  1256  (1257) 
erlassen.  S.  p.  244.  Das  so  genaue  Zusammentreffen  des  Datums  der  Sor- 
bonne, des  ersten  weltlichen  Uniyersit&tscollegs  in  Paris,  mit  dem  der  ersten 
Stiftung  in  Bologna  ist  gewiss  höchst  interessant  und  merkwürdig. 

^9)  s.  Ghirardacci  I,  488. 

^)  Ein  Recurs  hierüber  bei  Sarti  II,  122  —  an  ganz  falscher  Stelle, 
und  p.  231  mit  der  Jahreszahl  1256  bezeichnet  —  und  in  den  Actenstücken 


214  I'*   EntstehnDg  der  ältesten  UniTersit&ten. 

der  Scholaren  aus  der  Provence  im  J.  1318  eine  Untersocbung 
anstellen*'*),  wies  die  Religiösen  zurecht"*),  und  gab  am  7.  Sept 
1322  den  Bischöfen  von  Bologna  und  Ferrara  den  Auftrag  dafär 
zo  sorgen,  dass  das  Geld  durch  die  Dominicaner  und  Francis- 
caner  den  Käufern  zurückerstattet  werde,  die  hinwiederum  die 
Liegenschaften  restituieren  sollten,  da  er  weder  das  Unrecht, 
noch  ^tanta  dictorum  pauperum  scolarium  detrimenta'  ertragen 
könne*'*).  Aber  erst  1330  kam  dies  zur  Ausführung.  Die  Ein- 
künfte wurden  dann  vergrössert,  so  dass  sie  für  30  Scholaren 
genügten.  Die  Stipendiaten  sollten  nun  auch  in  einem  Hause  bei- 
sammen wohnen,  und  Johann  XXII.  trug  seinem  Legaten  auf  dahin 
zu  trachten,  dass  die  Plätze  auf  50  vermehrt  würden*'*). 

Das  sogenannte  CoUegio  Bresciano  wurde  1326  von 
Wilhelm  von  Brescia,  Archidiacon  von  Bologna,  für  arme  aus- 
wärtige Scholaren  jeder  beliebigen  Nation  gegründet.  Man  weiss 
nur,  dass  es  1434  noch  bestanden  hat*'*). 

Die  Blüthezeit  der  Gollegien  beginnt  jedoch  erst  mit  der 
2.  Hälfte  des  14.  Jhs.  Circa  13G2— 1363  wurde  vom  Nachlasse 
des  Guido  Ferrarini  das  Collegio  Reggiano  für  arme  Scholaren 
aus  Reggio  gestiftet.    Das  CoUeg  wird  noch   1471   erwähnt*®*). 

Von  grosser  Bedeutung  war  das  spanische  CoUeg,  welches 
der  Cardinallegat  Aegyd  Albornoz  mittels  Testamentes  vom  29.  Sept. 
1364  gründete.     Der  Bau  desselben  wurde  im  nächstfolgenden 


Johannes  XXII.  S.  die  nächstfolgenden  Anmerkungen.  Unverständlich  und 
die  Chronologie  verwirrend  Scarabelli,  Costituzioni,  discipline  e  riforme  deir 
antico  studio  Bolognese,  p.  5G  f. 

&»i)  Reg.  Vat.  Corara.  an.  2  p.  1  Bl.  309  a. 

6i«)  Ibid.  Bl.  309 b. 

^^)  Ibid.  an.  7  p.  1  ep.  229.  Wie  der  Papst  in  diesem  Schreiben  sagt 
appellierten  die  Dominicaner  und  Franciscaner  kurz  vorher  an  ihn.  Diese 
Appellation  wird  auch  in  dem  Berichte  bei  Sarti  (s.  Anm.  2)  erwähnt.  Der- 
selbe ftllt  also  zwischen  1318  und  1322;  in  ihm  wird  aber  die  Sache  etwas 
anders  dargestellt. 

6W)  8.  Scarabelli  1.  c.  p.  57. 

696^  Sarti,  im  2.  Bande  De  claris  Archigymnas.  Bon.  Professoribus  (nur 
in  wenigen  Exemplaren  vorhanden,  defect,  40  Seiten  Text  und  54  Seiten 
Appendix  umfassend)  p.  25.  Fantuzzi,  Notizie  degli  scrittori  Bolognesi 
HI,  185. 

b»6)  Fantuzzi  III,  184. 


3.    Bologna.     Die  Studien  Verhältnisse  der  Hochschule.  215 

Jahre  begonnen.  Es  war  für  24  Spanier  mit  2  Kaplänen  bestimmt'*^). 
Papst  Gregor  XI.,  obwohl  selbst  mit  der  Stiftung  eines  CoUegs 
beschäftigt,  fährte  am  21.  September  1371  auf  Bitten  der  Testa- 
mentsexecutoren  das  Colleg  der  vom  Stifter  gewollten  Bestimmung 
zu,  dass  nur  Spanier  dort  Aufnahme  fänden '^^).  Auf  die  Supplik 
der  rectores  et  scolares  des  CoUegs  hin  befahl  er  am  7.  Jänner 
1375  dem  Bischof  von  Cuenca,  die  Statuten  des  Collegs  zu  refor- 
mieren***). Wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  wurde  dieses 
Colleg  in  Siena  und  Alcalä  als  eines  der  Muster  für  die  dortigen 
CoUegien  genommen.  Dasselbe  hat  sich  bis  heute  im  alten  Zu- 
stande, wenngleich  äusserst  schwach  besetzt,  aus  dem  Mittelalter 
erhalten:  ein  einziges  Beispiel  auf  dem  Continent! 

Viel  umfassender  war  der  Plan  Urbans  V.,  und  doch  kann 
dessen  Stiftung  kein  eigentliches  Colleg  genannt  werden.  Das  von 
ihm  bestimmte  Haus  sollte  ^certum  scolarium  numerum  de  di- 
versis  partibus  in  Bononiensi  studio'  enthalten"®).  Ersetzteam 
13.  August  1364  drei  *gubernatores  et  rectores  eorundem  scola- 
rium ac  domus  .  .  .  necnon  dispensatores  et  administratores  pe- 
eunie,  victualium  ac  rerum  et  bonorum  ipsis  scolaribus  deputan- 
dorum'  ein,  deren  hauptsächlichster  Bernard  Guidonis  Prior 
des  Benedictinerklosters  Marmanda  war.  Die  Scholaren  sollten 
jedoch  'rectori  studii  Bononien.  qui  est  pro  tempore'  unterworfen 

sein'^0. 

Es    ist    staunenswerth ,    welche    Summen    der    Papst    für 

diese  Stiftung  verwendete.    Am  15.  September  1368  trug  er  Zono 

Abadinghi,  ^factori  Albertorum  antiquorum  de  Florentia   et  aliis 

camere  apost  in  civitate  Bonon.  depositariis  presentibus  et  fu- 

turis'  auf,  dem  Provisor  ^domus  scolarium,  quos  in  studio  Bonon. 

dudum    expensis  nostris  ordiuavimus  retineri',   nämlich  Bernard 

Guidonis,  jedes  Jahr  'quatuor  milia  ducatorum  auri'  zu  assignieren, 

da   eben    zum    Unterhalte    der   Scholaren    ^magnis   pecuniarum 

6»^)  Eine  Copie  des  Testamentes  im  Arch.  Vat.  arm.  32  n.  21  Bl.  147. 
S.  ausserdem  Almanacco  stat  arch.  Bologn.  an.  4.  (Bologna  1833)  p.  89.  96. 
114.    Ghirardacci  11,  288.    Fantuzzi  III,  185. 

»»8)  Reg.  Vat.  Ind.  an.  1.  Bl.  171b. 

^99)  Ibid.  an.  5  Bl.  8  b. 

«00)  Reg.  Vat.  Urb.  V.     De  Curia  (n.  263)  an.  2  Bl.  113. 

601)  Ibid. 


216  II-    EntstehuDg  der  ältesten  Universitäten. 

summis'  nothwendig  seien  ^^').  Vom  16.  Juni  1367  an  bis  zum 
15.  Juni  1368  hatten  die  drei  Provisoren  'quinque  milia  novin- 
gentos  octo  (5908)  flor.  auri,  undecim  solides  et  obolum  monete 
Bonon. ,  ac  frumenti  corbes  centum  quinquaginta  tres,  quartas 
tres,  et  salis  corbes  decem'  von  verschiedenen  Officialen  und 
Schuldnern  der  apostolischen  Kammer  erhalten,  und  davon  '4366 
flor.  auri,  et  solides  tres  et  denar.  undecim  et  obolum  monete 
Bonon.,  ac  totum  dictum  frumentum  et  quinque  corbes  dicte 
salis'  für  die  Scholaren  bezahlt,  denen  sie  ausserdem  noch  1296 
flor.  auri  und  27  Sold,  zu  Borg  gegeben  hatten.  Dem  Ca- 
nonisten  Johannes  de  Lignano  schenkte  der  Papst  die  Einnahmen 
aus  einer  Fähre  im  Gebiete  von  Ferrara  am  20.  Jänner  1370, 
jedoch  unter  der  Bedingung,  sie  in  den  ersten  zwei  Jahren  'sco- 
laribus  pauperibus  quos  in  Bononiensi  studio  ad  uostras  (Papae) 
expensas  tenemus'  zuzuwenden ^^^).  Innerhalb  des  Zeitraumes  vom 
18.  December  1364  bis  31.  Dec.  1368  wurden  unter  andern  in 
libris  et  ornamentis  capelle  assignatis  studentibus  Bononie  de  man- 
dato  D.  N.  Pape  flor.  543'  gespendet**^*).  Ausserdem  trug  dieser 
23.  April  1365  dem  apostolischen  Nuntius  Wilhelm  de  Lordato  auf, 
alle  Bücher  juris  canonici  et  civilis,  die  er  bereits  besitze  oder 
innerhalb  dreier  Jahre  aus  dem  dem  apostol.  Stuhle  reservierten 
Nachlasse  der  Praelaten  und  Cleriker  erhalte,  nach  Bologna  für 
das  Haus  'pauperum  scolarium'  zu  senden  "°^). 

Die  Scholaren  konnten  in  jeder  licita  facultas'  promovieren, 
und  Urbau  verbot  am  31.  Jänner  1370  den  Doctoren  und  Ma- 
gistri  von  Bologna  strenge  in  Zukunft  'pecunias  et  res  alias'  von 
ihnen  wegen  Ertheilung  der  Liceuz  zu  verlangen  •*')• 


^)  Reg.  Yat.  Secret.  an.  6  Bl  117  b.  Siehe  einen  ähnlichen  Auftrag 
▼om  6.  October  ibid.  Bl.  179b. 

«»)  Ibid.  Bl.  173  b. 

«0«)  Ibid.  Indult,  an.  8  ep.  160.  Fantaxzi,  Notisie  degli  scriUori 
Bolognesi  Y,  30.  Anm.  6.  Ein  ähnliches  Schreiben  in  Being  auf  einen  andern 
Fall  findet  sich  Reg.  Yat  Secret.  an.  6  Bl.  77a  yom  16.  Febr.  1368. 

«0*)  Arch.  Yat.  Instrum,  misc.  1370  n.  4. 

^  Archiy.  Yat.  Instrum.  misc.  1365  n.  18. 

^7)  Reg.  Yat  Ind.  an.  8.  ep.  155.  Ueber  das  CoUeg  finden  sich  noch 
Notiaen  im  Instrum.  misc.  n.  37.  Tom  J.  1365;  Arm.  52.  tom.  9  p.  145. 


3.    Bol{>gDa.     Die  Studi«'M Verhältnisse  der  flochschule.  217 

Doch  alles  frühere  überragte  Gregors  XL  Stiftung.  Urban  V. 
wies  seinem  Hause  noch  keine  Einkünfte  zu;  von  Jahr  zu  Jahr  wurde 
dem  Provisor  das  Nöthige  zur  Verfügung  gestellt.  Auch  waren 
die  Studenten  nicht  durch  Statuten  unter  einander  verbunden. 
Das  Ganze  konnte  also  keinen  Bestand  haben  und  den  Stifter  nicht 
lange  überleben.  Erst  sein  Nachfolger  legte  Hand  an  das  Werk, 
an  Urbans  Stiftung  zugleich  anknüpfend,  und  sie  in  grossartiger 
Weise  vollendend.  Am  23.  Februar  1371,  also  kaum  V^  Monat 
nach  seiner  Krönung,  theilte  er  dem  Cardinal  Anglicus  seinen 
Plan  mit,  in  Bologna  'quoddam  perpetuum  CoUegium  scolarium 
ordinäre  et  instituere'  und  demselben  Einkünfte  zuzuweisen.  Er 
möge  von  den  Gütern  der  Rom.  Kirche  im  Districte  von  Bologna, 
der  Romagna  und  der  Marken  ^pro  necessitatibus  et  sustentatione 
scolarium  dicti  collegii'  jährlich  für  die  Zukunft  1500  Ducaten  an- 
weisen lassen.  Als  Wohnung  habe  er  'quoddam  hospitium  here- 
dum  quondam  Johannis  de  Pepolis  in  civitate  Bonon.  cousistens' 
in  Aussicht  genommen.  Zum  Ankaufe  möge  der  Cardinal  4000, 
behufs  nöthiger  Reparaturen  500  Goldducaten  dem  Bernard 
Guidonis  und  Johann  de  Senis  geben  ®°®).  Dem  Bischöfe  von 
Cesena,  Lucius,  trägt  er  auf,  Bernard  Guidonis  zur  Sustentation 
der  Scholaren  für  das  mit  16.  Juni  beginnende  nächste  Jahr 
4000  Goldgulden  zu  übermitteln*"^).  Unter  demselben  Datum 
setzt  er  Bernard  Guidonis  zum  Gubernator  und  Rector  der 
Häuser  ein;  er  betont  ausdrücklich,  dass  seine  Stiftung  an  jene 
ürbans  V.  anknüpfe.  Ihn  und  Johann  de  Senis  bevollmächtigt 
er,  das  genannte  Haus  mit  allem  Zugehör  anzukaufen*^").  Am 
18.  December  1372  erliess  er  weitläufige  Statuten*"),  aus 
denen  ich  für  jetzt  nur  das  eine  entnehme,  dass  das  Colleg  für 
30  Scholaren  gegründet  war,  von  denen  die  eine  Hälfte  Jus  canon., 
die  andere  Jus  civile  studieren  sollte.  Zwanzig  von  ihnen  müssten 
aus  den  Diöcesen  Limoges  und  Toul  sein,  die  übrigen  10  aus  Italien, 


«08)  Reg.  Vat.  Cam.  an.  1  Bl.  8.    Zwei  Schreiben. 

609)  Ibid.  Bl.  9. 

610)  Ibid.  Bl.  9b,  10.    Ghirardacci  II,   302  f.    Ebendaselbst  ein  anderes 
pftpstliches  Privileg. 

«")  Reg.  Vat.  Ind.  an.  2  Bl.  239b.  Ghirardacci  II,  308. 


218  IL   Entstehung  der  ältesten  UniTersit&ten. 

jedoch  nicht  von  Bologna**').  Das  CoUegium  hat  in  Zukunft 
den  Namen  ^Gregorianum  coUegium'  zu  führen.  Auf  dieses  CoUeg, 
gleichsam  den  Augapfel  Gregors  XL,  beziehen  sich  viele  päpst^ 
liehe  Schreiben*"),  von  denen  mehrere  im  2.  Bande  besprochen 
werden***). 


^^'^)  Scarabelli  p.  58,  meint,  der  Papst  habe  die  Bolognesen  ans  Miss- 
guoBt  gegen  Bologna  ausgeschlossen.  Aber  nichts  widerspricht  mehr  der 
Wahrheit.  In  einem  Schreiben  vom  1.  Jänner  1372  sagt  Johann  ausdrücklich: 
cum  Studium  civitatis  nostre  Bononien.  geramus  in  visceribus  caritatis  et 
propierca  Studium  ipsum  in  studentibus  ampliari  et  augmentari  velimus  et 
iuibi  quoddam  collegium  studentium  in  facultatibus  iuris  canonici  et  civilis 
.  .  .  duxerimus  ordinandum  etc.  Reg.  Tat.  Secret.  de  Cur.  an.  2  Bl.  190b. 
Der  Grund,  warum  die  Bolognesen  ausgeschlossen  wurden,  war  die  Intention 
des  Stifters,  'prefatum  Collegium  pro  scolaribus  pauperibus,  qui  parentum 
opibuB  vel  sufficientibus  proveutibus  ecclesiasticis  in  studio  sustentari  non 
possint,  vel  eis  ad  prosequenda  studia  facultates  proprie  non  suppetunt,  in- 
stituere  et  dotare'.  So  in  den  Statuten,  Reg.  Yat.  Ind.  an.  2  Bl.  240  b.  Es 
ist  doch  klar,  dass  die  Bolognesen,  die  unter  den  Augen  ihrer  Eltern 
studierten,  weniger  bedürftig  waren,  als  die  Fremden.  Scarabelli  war  immer 
unffthig;  allein  die  Hauptschnitzer  machte  er  gerade  in  Folge  seiner  Gesin- 
nung gogen  das  Papstthum. 

^^^)  So  in  Rog.  Vat.  Secret.  de  cur.  an.  2.  61.  190- 194b;  Secret.  an. 
2.  Bl.  134.  136.    Ind.  an.  2.  Bl.  238.  an.  4.  Bl.  18.  39.  95.  an.  5.  Bl.  53b. 

^^*)  Der  Verkauf  der  Güter  dieses  Collegs  durch  den  am  Concil  von 
Constaui  abgesetzten  Johann  XXIII.  bildete  einen  der  70  (72)  Elagepunkte 
dos  Concils  von  Constanz  gegen  ihn  am  16.  Mai  1415.  S.  H.  v.  d.  Hardt, 
Magnum  concil.  Const.  IV  (Fraucoforti  1699),  203  n.  45.  Hefele,  Concilien- 
gescb.  VII,  129.  Doch  hatte  das  CoUeg  mit  jenem  Verkaufe,  der  ja  rückgängig 
gemacht  wurde,  nicht  sein  Ende.  Es  wird  noch  später  erwähnt.  S.  Fan- 
tuzzi  l.  c.  p.  188. 


III. 

ENTSTEHUNG  UND  ENTWIOKELUNG  DER  ÜBRIGEN  HOCH- 

SCHULEN  EUROPAS  BIS  1400. 


Es  hat  einen  besonderen  Reiz,  dem  Ursprünge  jener  Hoch- 
schulen, welche  die  breite  Grundlage  für  die  Universitäten  der 
nächsten  Jahrhunderte  gebildet  hatten,  nachzuspüren.  Das  13.  und 
14.  Jh.  bieten  ein  eigenthtimliches  Schauspiel.  Papst  und  Kaiser, 
Städte  und  Landesherren  wetteiferten  in  der  Errrichtung  von 
Culturstätten,  die  zu  den  schönsten  und  grossartigsten  Erscheinungen 
des  Mittelalters  gehören.  Wären  alle  Intentionen  realisiert  worden, 
so  würde  Europa  bis  1400  im  Besitze  von  nicht  weniger  denn 
55  Hochschulen,  Paris  und  Bologna  mitgerechnet,  gewesen  sein. 
Allein,  von  neun  existieren  nur  die  Stiftbriefe,  die  eben  nicht  zur 
Ausführung  gekommen  sind.  Es  bleiben  jedoch  immerhin  46  Hoch- 
schulen übrig,  von  denen  an  der  Wende  des  14.  Jhs.  nachweisbar 
noch  37 — 39  bestanden  haben,  eine  erkleckliche  Anzahl,  von  der 
man  bisher  keine  Ahnung  hatte. 

Die  bisherigen  Forschungen  über  die  Hochschulen  des  Mittel- 
alters, im  besondern  über  den  Ursprung  und  die  Gründung  der- 
selben, liegen,  wie  ich  bereits  in  der  Einleitung  hervorgehoben 
habe,  im  Argen.  Ich  erhielt  den  Eindruck,  als  habe  man  gerade 
den  wichtigsten  Theil  der  Culturgeschichte  des  Mittelalters  mit 
besonderer  Nachlässigkeit  und  Oberflächlichkeit  behandelt.  Nur 
wenige  Hochschulen  jener  Epoche,  die  wir  im  Auge  haben,  be- 
sitzen eine  Beschreibung,  die  den  Anforderungen  der  Wissenschaft 
genügt,  völlig  unbrauchbar  sind  aber  die  allgemeinen  Dar- 
stellungen von  Meiners  und  Grässe,  äusserst  lückenhaft  und  im 


220     UI.  EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Einzelnen  häufig  irrig  jene  von  Savigny*).  Dieser  Forscher 
hat  aber  richtig  erkannt,  dass  man  bei  einer  umfassenden  Arbeit 
Hochschule  für  Hochschule,  weil  durchstudieren,  so  auch  be- 
handeln müsse,  während  Meiners  einem  solchen  Systeme  den 
Begriff  einer  Geschichte  abspricht,  gestützt  auf  das  aufrichtige 
Bekenntniss,  dass  von  vielen  Universitäten  gar  nichts  oder  doch 
nicht  so  viel  gedruckt  sei,  dass  man  daraus  eine  Geschichte  der- 
selben zu  Stande  bringen  könnte^).  Selbst  zu  forschen  fiel  ihm 
nicht  ein,  und  so  liefert  auch  sein  Werk  alles  andere,  nur  nicht 
dasjenige,  was  der  Titel  verspricht. 

Verschiedene  Methoden  bieten  sich  bei  Behandlung  dieses 
Gegenstandes  dar.  Die  Meisten  würden  dafür  sein,  ich  sollte  die 
Universitäten  nach  den  verschiedenen  Ländern  gruppieren.  Aber 
abgesehen  davon,  dass  ich  in  diesen  Fragen  Bedenken  trage  mit 
der  Majorität  zu  gehen,  so  wird  die  Reihe  der  Universitäten 
ohnehin  ein  Abschnitt  beschliessen,  in  dem  die  Universitäten  in 
Beziehung  zu  den  einzelnen  Ländern  und  umgekehrt  aufgefasst 
werden.  Dieses  Verfahren  setzt  jedoch  die  Kenntniss  der  einzelnen 
voraus.  Eine  andere  Methode  wäre,  die  Hochschulen  chronologisch 
darzustellen.  Allein  dafür  genügt,  später  ein  chronologisches  Ver- 
zeichniss  anzufertigen.  Viel  mehr  hätte  die  andere  für  sich, 
die  Universitäten  genetisch  zu  behandeln,  d.  i.  in  wie  ferne  die 
eine  von  der  andern  im  Entstehen  abhängig  war.  Allein  so 
schön  dieser  Gedanke  ist,  so  lässt  er  sich  in  Bezug  auf  die 
Entstehungsgeschichte  nicht  immer  durchführen.  Diese  Methode 
ist  ganz  am  Platze  in  Betreff  der  Organisation  der  einzelnen 
Universitäten,  und  ich  werde  sie  auch  deshalb  im  zweiten  Bande 
anwenden.  Diejenige,  welche  ich  hier  wählte,  bot  sich  mir  von 
selbst  dar.  Einmal  wurde  ich  zu  ihr  durch  Bekämpfung  gewisser 
Ansichten,  auf  die  ich  weiter  unten  zu  sprechen  komme,  gedrängt. 
Und  dann  musste  ich,  welche  Methode  ich  auch  wählen  mochte, 
einmal  jene  Generalstudien  ausscheiden,  die,  obwohl  ohne  Stiftungs- 
brief, trotzdem  als  wahre  Generalstudien  angesehen  wurden. 
Ferner  mussten  die  ächten  Hochschulen  von  jenen  abgetrennt  werden, 


>)  S.  darober  die  Einleitung. 

>)  Geschichte  der  Entstehung  und  Entwickelung  der  hohen  Schulen  I, 


8.  IV. 


1.  Die  flllschlich  als  Universitäten  bezeichneten  Schulen.  221 

deren  Stiftbriefe  nicht  zur  Ausführung  gekommen  sind.  Dadurch 
war  die  Methode  für  die  Behandlung  auch  der  übrigen  Hochschulen 
Yorgezeichnet. 

Was  nun  den  Zeitraum  anbelangt,  den  ich  bei  Behandlung 
einer  jeden  Universität  ins  Auge  fasse,  so  wird  er  durch  den 
Titel  bestimmt.  Ich  gebe  eine  Geschichte  der  Gründungen,  und 
behandle  jede  einzelne  Hochschule  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  in  dem  sie 
consolidiert  dastand;  nicht  selten  werde  ich  deshalb  die  Schwelle 
des  15.  Jhs.  überschreiten  müssen.  Die  fernere  Geschichte  ist 
auch  meist  so  innig  mit  der  Organisation  verwebt,  dass  die  eine 
ohne  die  andere  nicht  wohl  dargestellt  werden  kann,  und  sie 
mithin  in  den  zweiten  Band  gehört.  Aber  auch  dort  wird  sich 
die  Geschichte  nur  innerhalb  des  Ramens  des  Mittelalters  halten. 
Hat  sich  eine  Universität  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs.  aufgelöst,  so 
verfolge  ich  ihre  Geschichte  bis  zu  diesem  Zeitpunkte,  damit  man 
sich  klar  werde,  welche  der  mittelalterlichen  Hochschulen  am 
Ausgange  des  14.  Jhs.,  d.  i.  als  eine  neue  Zeit  anbrach,  noch 
existierten.  Zu  diesem  Behufe  werde  ich  auch,  so  weit  es  mir 
möglich  ist,  den  Anhaltspunkten  zu  ungefährer  Bestimmung  der 
Frequenz  derselben  nachforschen.  Um  das  Bild  zu  vervollständigen, 
lag  es  mir  daran,  das  Gründungsjahr  der  ersten  weltlichen  Collc- 
gien  für  Scholaren  an  den  Hochschulen  innerhalb  dieser  Epoche, 
soweit  an  ihnen  solche  existierten  und  es  mir  möglich  war  Sicheres 
darüber  zu  ermitteln,  anzugeben. 

1.  Die  fälsohlich  als  Universitäten  bezeichneten  Sohulen. 

In  diesem  Paragraph  handelt  es  sich  nicht  bloss  darum  jene 
Schulen  auszuscheiden,  die  irrig  als  Generalstudien  betrachtet 
wurden  oder  die  erst  später  dazu  erwuchsen,  sondern  auch  zu  zeigen, 
dass  man  durch  einige  Aehnlichkeiten,  die  zwischen  den  General- 
und  Particularstudien  existieren,  sich  nicht  verführen  lassen  dürfe. 
Dabei  setze  ich  dasjenige,  was  ich  oben  über  den  Begriff  der 
Generalstudien  gesagt  habe,  voraus,  ohne  dasselbe  nochmals  zu 
widerholen.  Der  erste  Hauptabschnitt  bildet  in  Bezug  auf  den 
genannten  zweiten  Punkt  die  Directive. 

Nach  einer  ziemlich  verbreiteten  Ansicht  ist  die  Universität 
Macerata  bereits  im  13.  Jh.  gegründet  worden.    Nicolaus  IV. 


222    11^-    Entwicklung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

habe  sie  mittels  einer  Bulle  vom  J.  1290  ins  Leben  gerufen'). 
Allein,  noch  Niemand  war  im  Stande  dieses  Schreiben  vorzu- 
zeigen, das  in  der  That  weder  im  Archive  zu  Macerata,  noch 
im  Vaticanischen  sich  findet.  Die  Behauptung  selbst  erweist 
sich  auch  aus  andern  Gründen  hinfällig,  wie  Foglietti  gut  dar- 
gelegt hat*).  Wahr  ist  nur,  dass  in  Macerata  schon  frühzeitig 
ein  Collegium  advocatorum  et  procuratorum  existierte  und  im 
J.  1290  eine  Rechtsschule  erwähnt  wird.  Im  genannten  Jahre 
sandte  nämlich  die  Commune  von  Macerata  an  die  Municipien 
der  Provinz  Schreiben,  mittels  welcher  sie  eingeladen  werden 
durch  ihre  öffentlichen  Ausrufer  verkünden  zu  lassen,  dass,  wer 
Leges  studieren  wolle,  nach  Macerata  kommen  möge,  wo  Dominus 
Guliosus  de  Monte  Granarii  vom  18.  October  an  über  dieselben 
lesen  werde*).    Wie  überhaupt  in  Italien,  und  namentlich  auch 

3)  Der  erste,  welcher  diese  Behauptung  aufstellte,  scheint  UghelH  ge- 
wesen zu  sein.  Italia  sacra  II  (Yenet.  1717),  730.  Sie  wurde  nachgeschrieben 
von  Compagnoni,  Regia  Picena  (Macerata  1601)  p.  150,  und  neuestens  von 
Yalenti  in  Memoria  intorno  Tunivcrsitä  di  Macerata  (Macerata  p.  1868)  p.  3  sqq. 
und  Tartufari,  Discorso  pronnnziato  sui  diritti  dell'  universitä  di  Macerata  (Roma 
1884).  Letzterer  behauptete  sogar  p.  4,  er  habe  dafür  'documenti  storici 
in  mano',  und  er  erwähnt  überdies  die  Tradition,  der  zufolge  die  Universität 
Macerata  gleichzeitig  mit  den  Hochschulen  Bologna,  Padua,  Neapel  und 
Perugia  entstanden  sei.  Dies  alles  in  einem  Athemzugl  Anrispa,  De  ini> 
tiis  plurium  Italiae  acadcmiarum  et  maxime  in  nostra  Piceni  provincia  (Prae- 
lectio  amplissimo  Macerat.  scnatui  dicata  anno  1777,  Macerata  1778  p.  21) 
datiert  ebenfalls  vom  J.  1290  den  Beginn  der  Universität. 

4)  Cenni  storici  sulP  univcrsitä  di  Macerata  1878  p.  5  ff.  Schon  Tira- 
boschi,  Storia  della  lettcratura  italiana  lY,  65  hat  die  Aufstellung  bekämpft.  In 
Fogliettis  Darstellung  haben  sich  nur  einige  Irrthümer  eingeschlicheD,  z.  B. 
im  13.  Jh.  hätte  man  noch  nicht  den  Ausdruck  'studium  generale'  gebraucht 
(p.  16),  die  universitas  magistrorum  oder  scholarium  sei  bei  einer  Hochschule 
damals  etwas  Kothwcndiges  gewesen  (p.  18)  u.  s.  w.  Ähnliche  Fehler  bei 
Yalenti  p.  4. 

^)  Solche  öffentliche  Kundmachungen  haben  sich  von  den  Ortschaften 
Sanseverino,  Fabriano,  Ascoli,  Monte  San  Martino  und  Sassoferrato  erhalten, 
gedruckt  bei  Yalenti  p.  17—19.  Sie  sind  in  Bezug  auf  diesen  Punkt  fast  gleich- 
lautend. Die  von  San  Martino  lautet:  Quod  quicunque  vult  ire  ad  Studium 
Legis,  vadat  ad  Dominum  Guliosum  de  Monte  Granarii,  qui  permanet  ad 
dictam  Maceratam,  quia  ibi  retinebit  scolam,  qui  intendit  incipere  in  festo 
b.  Luce  proxime  venturo,  quia  ibi  invenient  copiam  maximam  omnium  rerum 
comestibilinro.    In  der  Kundmachung  von  Sanseverino  heisst  es  am  Schlüsse: 


1.  Die  fälschlich  als  Universitäten  bezeichneten  Schulen.  223 

in  den  Marken  die  Eechtswissenschaft  gepflegt  wurde,  worüber 
uns  Bartolo  belehrt®),  so  auch  in  Macerata,  und  zwar  ehe  dort 
eine  Universität  gegründet  wurde.  Diese  verdankt  erst  Paul  III. 
am  1.  Juli  1540  ihr  Entstehen').  Natürlich  geschieht  im  Stift- 
briefe nicht  eines  bereits  früher  in  Macerata  gegründeten  Gene- 
ralstudiums Erwähnung^). 

In  den  Universitäten- Verzeichnissen,  die  gang  und  gäbe  sind, 
wird  auch  Lyon  genannt,  wo  nach  Meyssonnier  'long  temps 
avant  la  venue  de  nostre  SeigneurV)  nach  den.  Vernünftigem, 
mit  denen  ich  es  allein  zu  thun  haben  will,  c.  1300  eine  Uni- 
versität, resp.  ein  Generalstudium  gegründet  worden  sein  soll. 
Allein  mit  Unrecht.  Lyon  besass  wohl  abwechselnd  und  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  Schulen  in  den  artes,  in  der  Theologie,  beson- 
ders aber  in  der  Medicin  und  im  Rechte,  in  welchem  auch  promo- 
viert wurde  *°),  allein  es  bestand  dort  kein  eigentliches  General- 


ibi   namque  inveniet  Studium  Optimum  et  victualia  rerum.    Vgl.  auch   Fo- 
glietti  p.  14. 

^)  In  Dig.  vet.  const.  Omnem  verb.  Haec  autem  tria  sagt  er:  Plus  dicunt  qui- 
dam  moderni,  ut  Richardus  Malombra,  quod  possint  haec  jura  hodie  doceri 
in  qualibet  civitate  vel  castro,  ut  Mutinae,  Rhegii,  Parmae,  Yercellis  et  in 
castris,  ut  vidimus,  roaxime  in  provincia  Marchiae  Anconitanae. 

7)  Bull.  Rom.  ed.  Taur.  VI,  283.  Arch.  Vat.  Castel  S.  Angelo  arm.  9. 
Caps.  1  n.  24  (Copie).  Im  Bull.  Rom.  und  bei  Yalenti  p.  22  steht  kal.  Junii. 
Ueber  die  nähere  Veranlassung  des  Schreibens  vgl.  Foglietti  p.  37  f. 

B)  Nebenbei  bemerke  ich  hier,  dass  Fiorgentili,  Degli  studi  universi- 
tär! di  Camerino  (Camerino  1864),  widerholt  (z.  B.  p.  30.  38)  Camcrino 
als  'aede  degli  stndi  generali'  vom  13.  Jh.  ab  bezeichnet,  obwohl  das  Studium 
erst  im  vor.  Jh.  von  Benedict  XIII.  *il  nome  di  universitä'  erhalten  habe. 
Allein  der  Autor  ist  hiermit  ebenso  im  Irrthume,  wie  mit  der  Behauptung 
(a.  p.  29),  die  Studienanstalt  zu  Camerino  habe  vor  Benedict  XIII.  das  Pro- 
motionsrecht gehabt. 

9)  Histoire  de  Tuniversit^  de  Lyon  et  du  College  de  m6decine,  Lyon 
1644  p.  1. 

^^)  Im  J.  1290  schwebte  zwischen  dem  dortigen  Erzbischof  und  dem  Capitel 
ein  Streit  darüber,  wer  den  Canonisten  und  Legisten  die  Licenz  ertheilen 
könne.  Launoi,  De  scholis  celebrior.  Opp.  lY,  part.  1.  p.  14.  Die  Stadt 
berief  dch  auch  1302  auf  das  Recht  4n  iure  civil!  et  canonico  ad  docendum- 
que  artes  alias  liberales'  ein  'Studium  scolarium  et  regentinm'  besitzen  zu  dürfen. 
S.  Cartulaire  municipale  de  la  ville  de  Lyon  ed.  Guigue.  Lyon  1876  p.  29. 
Vgl.  p.  87.    S.  auch  Hüffer,  Die  Stadt  Lyon.    Münster  1878  S.  93. 


224     m«  Entwickolung  der  Hochschulen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

Studium,  wie  sich  auch  in  den  dortigen  Archiven  nichts  darüber 
findet")-  Auch  in  Brescia  soll  Ende  des  14.  Jhs.  ein  General- 
studium existiert  haben").  Allein  es  ist  ein  Irrthum.  Brescia 
besass  im  Mittelalter  nie  eine  Hochschule,  und  es  darf  nicht 
Wunder  nehmen,  wenn  man  weder  im  dortigen  noch  im  Vatica- 
nischen  Archiv  etwas  über  sie  findet.  In  den  Universitäten- 
Verzeichnissen  findet  man  auch  öfters  Messina,  wo  1224, 
und  Palermo*'),  wo  1394  Hochschulen  gegründet  sein  sollen, 
was  jedoch  nicht  weniger  auf  Irrthum  beruht.  Die  erste  Hoch- 
schule in  Sicilicn  ist  jene  von  Catania,  mittels  Bulle  Eugens  IV. 
vom  18.  April  1444  gestiftet.  Was  speciell  Palermo  betrifft, 
so  erhielt  diese  Stadt  eine  eigentliche  Hochschule  erst  1779,  mit 
dem  kurzen  Dasein  bis  1805**).  Da  bei  Tanhäuser  vorkommt: 
'Vienne  hat  Legisten  vil'"),  so  schloss  Savigny,  in  Vienne 
im  Dauphin6  sei  im  13.  Jh.  eine  blühende  Rechtsschule 
gewesen**);  allein  keine  Spur  ist  von  derselben  zu  finden*^).    Der 

11)  Das  von  Innocenz  IV.  bei  seiner  Anwesenheit  in  Lyon  errichtete 
Gencralstudium  war  das  Stadium  an  der  Curie,  wie  wir  unten  sehen  werden, 
nicht  eine  Hochschule  fflr  die  Stadt  selbst.     S.  Überdies  oben  S.  3  Anm.  11. 

1'"^)  Dies  berichtet  der  Stadtchronist  Jacob  Malvezzi  bei  Muratori,  Rer. 
ital.  SS.  XYI,  921:  Genitoris  mei  assertione  hoc  loco  diebus  suis  generale 
Studium  in  sacra  pagina  et  philosophia  statutum  erat.  Alidosi,  Li  dottori 
forestieri,  che  in  Bologna  hanno  letto  teologia,  filosofia  etc.  (Bologna  1623) 
fahrt  p.  28  Johann  Ton  Parma  auf,  der  c.  1309  in  Brescia  Lector  war  gegen 
Salarium  von  400  Lire  und  dann  nach  Bologna  berufen  wurde. 

^^)  Nach  Höfler,  Mag.  Hus  S.  99  wäre  Palermo  bereits  unter  Friedrich  II. 
gegrflndet  gewesen.  Er  beruft  sich  sogar  auf  die  Epist.  Petri  de  Vineis  11 1 
n.  2.    Allein  Höfler  verwechselt,  fatal  genug,  Palermo  mit  Salemo. 

1^)  S.  darüber  Is.  Carini,  L'universit^  di  Palermo  nelP  anno  primo  del 
corrente  secolo.    Palermo  1874. 

1^)  Vienne  hat  legisten  vil,  Der  kunst  astr6n6mie  se  D61et  (Toledo)  ich 
niht  lernen  wil  Von  der  nigrömanzfe:  niht  guot  ist  souberie.  Bodmer,  Aus- 
gabe des  Manesseschen  Codex  II,  63  b.  Vd  Hagens  Minnesinger  II,  88. 

i<^)  Geschichte  des  Rom.  Rechts  III,  409. 

*')  Weder  bei  Lelidvre,  Hist.  de  Tantiquite  de  la  ville  de  Vienne  (Vienne 
1623),  noch  bei  Drouet,  Hist.  de  Teglise  de  Vienne  (Lyon  1708.  Suppl^m. 
1769),  Gharvet,  Hist.  de  P^glise  de  Vienne  (Lyon  1761),  CoUombet  (ders.  Titel 
Vienne  1847);  Chevalier,  Cartulaire  de  Tabbaye  de  S.  Andre  (Vienne  1869); 
Actes  Capitulaires  de  P^gtise  Saint  Maurice  (Vienne  1875)  u.  s.  w.  findet  sich 
ein  Anhaltspunkt. 


1.    Die  Alschlich  als  Uniyersit&ten  bezeichneten  Schalen.         225 

grösste  Kenner  der  Geschichte  des  Dauphin^,  Abb£  Chevalier,  ver- 
sicherte mich,  dass  jene  Stelle  auf  einem  Missverständnisse  beruhen 
müsse.  Und  sollten  wirklich  viele  Legisten  in  Vienne  gewesen  sein, 
so  bewiese  eine  solche  Thatsache  noch  nicht  für  eine  ^blühende 
Rechtsschule',  denn  auch  die  Rechtsgelehrten  oder  Jurisperiti 
waren  Legisten:  deren  gab  es  z.  B.  in  Mailand  im  13.  Jh. 
gegen  200,  und  trotzdem  bestanden  dort  ausser  Schulen  für 
Kinder  und  die  Jugend  keine  Lehranstalten^'). 

Spanische  Schriftsteller  verlegen  den  Ursprung  der  Univer- 
sität Palma  auf  der  Insel  Mallorca  in  die  Zeit  des  Raymund 
Lttllus,  und  glauben,  das  spätere  ^estudio  general  y  Luliano'  habe 
Raymund  zum  Gründer.  Allein  dem  ist  nicht  also.  Auf  Betrei- 
ben desselben  wurde  allerdings  von  König  Jacob  L  in  Miramar 
ein  CoUeg  für  13  Franciscaner  dotiert,  welche  die  arabische 
Sprache  lernen  sollten,  ein  Institut,  das  von  Johann  XXI.  am 
16.  Sept.  1276  gutgeheissen  wurde '^);  Raymund  mag  auch  selbst 
hier  Sprachen  oder  Philosophie  vorgetragen  haben,  wie  viel- 
leicht früher  in  Randa  '°):  allein  mehr  lässt  sich  nicht  schliessen, 
zudem  das  GoUeg  der  Franciscaner  in  Miramar  noch  zu  Leb- 
zeiten Raymunds  sich  aufgelöst  hat'^).  Thatsache  ist,  dass  die 
Universität  zu  Palma  erst  31.  August  1483  von  Ferdinand  dem 
Katholischen  gegründet  und  mit  den  Privilegien  von  L6rida  aus- 
gestattet wurde"). 

Aus  einem  Schreiben  Alexanders  IV.  vom  15.  März  1257  an 
den  Decan  und  das  Capitel  von  Reims  könnte  man  schliessen, 
dass  auch  hier  im  13.  Jh.  ein  Generalstudium  war.  Der  Papst 
sagt  darin,  dass  der  Cantor  'Remis  adeo  utiliter  sicut  et  alibi  in 
dicta  (sacra)  pagina  studere  si  velit  valeat,  et  eidem  ecclesie  de- 


^^j  S.  GaWanens  Flamma  bei  Mnratori,  SS.  rer.  ital.  XI,  712  und  dazu 
die  gesunden  Bemerkungen  Tiraboschis  in  Storia  della  lett  ital.  IV,  69. 

19)  Die  BnUe  ist  ausgefertigt  16.  kl  Oct.  an.  1.  Da  erst  am  20.  Sept. 
1276  der  Erönungstag  war,  und  Johann  20.  Mai  1277  starb,  so  wurde  sie  vor 
dem  Krönungstag  ausgesteUt.  Gedruckt  in  Historia  general  del  reino  de 
MaUorca  escrita  por  los  cronistas  Don  Juan  Dameto  etc.  2.  ed.  III.  Palma 
1841  p.  47. 

M)  S.  Historia  general  L  c.  p.  44. 

«)  Ibid.  p.  48. 

^)  Ibid.  p.  449.  Zdrate,  De  la  instruccion  publica  en  Espana  11,  246 f. 

Doniflo,  Die  UairenittMn  I.  15 


226    ^^*    Entwickelang  der  Hochschulen  bis  sam  Ende  dea  14.  Jhs. 

servire\  Die  Adressaten  sollten  eben  deshalb  die  fructus  bene- 
ficiorum  'eidem  cantori  nisi  Remis  in  predicta  pagina  studenti 
Yel  alibi  ubi  generalis  in  ea  viget  scolasüci  studii  disciplina\ 
nicht  gewähren").  Man  könnte  nun  meinen,  dass  wegen  der 
Verbindung  der  Generalstudien  mit  dem  Studium  zu  Reims 
daselbst  auch  ein  Generalstudium  existiert  habe.  In  der  That 
behauptet  man,  ein  solches  sei  bereits  von  Eugen  III.  bei 
seiner  Anwesenheit  in  jener  Stadt  im  J.  1148  gegründet  worden. 
Allein  für  diese  Ansicht  findet  sich  auch  nicht  6in  Fundament**). 
Die  früher  so  berühmte  Schule  existierte  allerdings  noch  unter 
Eugen  in.  Gab  sie  doch  noch  unter  Alexander  IIL  Lebens- 
zeichen von  sich'^);  allein  sie  bestand  nicht  mehr  in  ihrer  Be- 
rühmtheit. In  späterer  Zeit  erhielt  Reims  einen  Zuwachs  durch 
die  im  J.  1229  stattgehabte  Auswanderung  aus  Paris'*),  ohne 
dass  sie  jedoch  bedeutende  Spuren  zurückgelassen  hätte.  Am  aller- 
wenigsten dürfte  man  sich  hiefÜr  auf  obiges  Schreiben  Alexan- 
ders IV.  berufen,  denn  der  Papst  meint  nur,  der  Cantor  könnte. 


»)  Reg.  Yat.  an.  3  ep.  225  BI.  30b. 

^)  Marlot  schweigt  in  seiner  MetropoUs  Remensis  historia  (Remis  1679) 
n,  352  ff.  daraber,  in  seiner  Histoire  de  la  ville,  cit6  et  nniTersit^  de  Reims 
(Reims  1S46)  IV,  313  weist  er  aber  nach,  dass  die  Universit&t  erst  9.  Jianer 
1547  von  Paol  III.  gegründet  wurde.  Eugen  III.  habe  zwar  dea  Plan  ge* 
fasst  öffentliche  Schulen  in  den  angesehensten  St&dten  des  Reiches  lu  er- 
richten; der  Plan  sei  jedoch  nicht  zur  Ausftlhrung  gekommen.  Kein  Wunder, 
dass  auch  Gousset,  Les  actes  de  la  pronnce  ecc]6siastique  de  Reims  II,  229 
nur  die  Canones  des  GoncUs  von  Reims  unter  Eugen  III.  bringt  und  dass 
ebenso  wenig  in  Bulle  d'erection  de  rnniversit^  de  Reims  (1717)  und  in 
Titres,  chartres,  lettres  patentes  des  roys  de  France  et  autres  enseigne- 
ments  concemant  Tetablissement  et  erection  ...  de  PuniTersitö  de  Reims 
(1718)  eine  Bulle  vor  Paul  III.  vorkommt 

2^)  8.  Alezandri  III.  epp.  in  Migne  Patrol.  lat  t  200  ep.  815  p.  746. 
Mansi  ColL  conc.  XXI,  1081.  Auf  jene  Zeit  bezieht  sich  wohl  auch  das 
Zeugniss  Caesars  von  Heisterbach  im  Liber  memorab.  II  c.  16  ed.  Strange 
I,  84.    Andere  Belege  werde  ich  qAter  bringen. 

K)  Dies  berichtet  das   Chron.  Clun.  im  Cod.  Yat.  R^.  507  Bl  21b 
alii  quidem  Remis,  alii  Andegavis,  alii  Aurelianis,  alii  vero  in  AngUam  et 
alii  in  Italiam  vel  in  Ispaniam  sive  in  alias  provincias  mnndi  caaaa  studii 
sunt  profecti.    Ebenso  Bernard  Quidonis  in  dem  Cat.  Pontif.  Rom.  ad  an. 
1229  im  Cod.  Yat.  2043  Bl.  91b. 


1.  Die  ftlschltch  als  UniTersitftteii  bezeichneten  Schulen.  227 

weil  ein  Stadium  der  Theologie  in  Reims  existiere,  dort  sich 
ebenso  wie  anderswo  unterrichten  lassen.  Sollte  derselbe  aber 
ein  anderes  Studium  aufsuchen,  so  müsse  es  ein  Generalstudium 
sein.  Mir  ist  von  einer  Universität  in  Reims  sonst  nichts  be- 
kannt. Uebrigens  ist  in  Actenstücken  unter  dem  theologischen 
Stodiom  zu  Reims  manchmal  ein  Ordensstudium  zu  verstehen. 
Urban  Y.  beauftragt  den  Kanzler  zu  Paris,  den  Johannes  de 
Spamato  Gustos  der  Franciscaner  zu  Reims,  ^qui.  licet  in  Re- 
menfii  studio,  quod  in  sacra  theologia  soUemne  post  Parisiense 
Stadium  reputatur,  principalis  sententiarum  et  Biblie  lector  per 
sesK  continuos  annos  fuit,  ad  legendum  sententias  in  dicto  Pari- 
siensi  studio  pro  primo  cursu  debito  provincie  Francie,  de  qua 
fore  dinoscitur,  per  .  .  .  capitulum  provinciale  fratrum  dicti 
ordinis  ....  approbatus  extiterit,'  zur  Professur  und  zum  Examen 
zuzulassen*^).  Daraus  geht  aber  hervor,  dass  dieses  Studium 
der  Theologie  ein  Ordensstudium,  nicht  eine  öffentliche  Schule 
war,  obgleich  sie  von  Auswärtigen  besucht  worden  zu  sein 
scheint. 

Andere  Male  wird  die  Bezeichnung  'Studium  generale'  auf  ein 
Stadium  missbräuchlich  angewendet.  So  versendete  die  C!ommune 
von  Todi  im  J.  1290  die  Litterae  'studii  generalis'  in  die  um- 
liegende Gegend  'pro  parte  mag.  Fidantiae',  Lehrers  der  Gram- 
matik'*). Aehnlich  wurde  auch  das  Erfurter  Studium,  ehe  es 
ein  eigentliches  Generalstudium  war,  also  genannt,  wie  wir  unten 
sehen  werden.  Solche  Schulen,  sogenannte  Particularstudien, 
waren  überall  zerstreut  Hie  und  da  konnten  dieselben  sogar 
eine  päpstliche  Stiftungsbulle  aufweisen.  So  wurde  z.  B.  von 
Johann  XXn.  am  1.  Februar  1329  4n  villa  Galliaci  Albien.  dioc' 
(Gaillac)  ein  Studium  errichtet  mit  der  Bestimmung,  ^ut  in  villa 
prefata  sit  in  facultate  liberalium  artium  Studium,  in  quo  magistri 
libere  doceant  ac  scolares  studeant  et  audiant  in  scientia  memo- 
rata'").    Ein  Greneralstudium  im  eigentlichen  Sinne  kann  man 


^)  Reg.  Tat  Indult,  ei  com.  an.  1  ep.  270  Bl.  80  a. 

^  Ich  entnehme  diese  Notia  den  Schriften  Garampis  im  Vat  Archiv. 
Oben  genannter  Magister  lehrte  1278  an  Neapel.  S.  Origlia,  Istoria  dello 
stodlo  di  Ni^^U  p.  UO.  U2. 

^  Reg.  Vat  Com.  an.  13  p.  2  ep.  1169  Bl.  63  a. 

15* 


228     ni.  Entwickelang  der  Hochschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

dieses  um  so  weniger  nennen,  als  die  grössere  Lehranstalt  des  nahen 
Alby,  wo  bereits  im  13.  Jh.  ein  Studium  war'®),  und  nach  den 
Worten  des  Papstes  im  genannten  Schreiben  ein  'rector  et  ma- 
gistrorum  universitas  studii  Albien.'  existierte,  durchaus  nicht 
diesen  Namen  verdiente'^).  Von  andern  denn  päpstlichen  Stiftungs- 
briefen für  Particularstudien  will  ich  gar  nicht  sprechen,  sie  sind 
häufig"). 

Manchmal  besassen  diese  Particularstudien  auch  Privilegien, 
z.  B.  Valladolid,  als  die  dortige  Schule  noch  reines  Parti- 
cularstudium  war**)  Ebenso  wurde  Narbonne,  wo  an  der 
Cathedrale  im  13.  Jh.  ein  theologisches  Studium  bestand,  das 
noch  im  14.  Jh.  fortexistierte'*),  schon  frühzeitig  privilegiert**). 
Das  Interessanteste  jedoch  ist,  dass  an  Orten,  wo  keine  Höch- 


st)) Im  J.  1285  wurde  der  Dominicaner  Petrus  de  Petra  lata  als  lector 
^rope  p.  episcopum'  erwählt.    Hs.  su  Toulouse  273  Bl.  340. 

31)  Deutlich  erhellt  dies  aus  Reg.  Suppl.  Clem.  VI.  (an.  1.  p.  1  Bl. 
210  b),  wo  Stephanus  de  Sonheto  für  die  Zeit  seines  Aufenthaltes  'in  quo- 
cunque  studio  generali,  vel  Albie,  licet  generale  non  sit',  um  Dis- 
pens von  Besidenzpflicht  anh&lt.  So  erklftrt  es  sich  auch,  warum  in  dem 
weitläufigen  Testamente  des  Bischofs  von  Alby  Peters  de  la  Yie  vom  J.  1337 
weder  das  Studium  in  Alby  noch  Angehörige  desselben  bedacht  werden, 
wfthrend  der  Bischof  doch  Legate  anweist,  'de  quibns  duo  derlei  vel  pres- 
byteri  possunt  Tivere  in  studio  Tholose,  et  alii  duo  in  studio  Montispessulani, 
et  alii  duo  in  studio  Caturci',  und  aller  möglichen  Personen  und  Genossen- 
schaften von  Alby  gedenkt  (Arch.  Yat.  Rationes  Spolii  episcopi  Albien. 
1337  n.  2). 

^)  Eines  der  interessanteren  Beispiele  bietet  ein  Act  im  Arch.  Yat. 
Cast  s.  Angelo  arm.  12  caps.  5  n.  10.  Der  Card.  s.  Marcelti,  Petrus,  stiftet 
*8Colam  liberalium  artium  in  civitate  Amalfitana  regendam,  ubi  scolares  tarn 
clerici  quam  laici  Amalfi  et  Atrani  .  .  .  doctrine  fructns  et  grattam  solo 
studio  valeant  comparare*.    Das  Original  ist  ausgestellt  20.  Oct.  1209. 

'^)  Im  Abschnitte  über  die  Universit&t  Yalladolid  wird  davon  die 
Bede  sein. 

^)  Dies  ergibt  sich  unter  Anderem  aus  einem  Schreiben  Johanns  XXII. 
▼om  10.  Oct.  1330  an  Raymund  Mauri,  Canonicus  in  Narbonne  (R«'g.  Yat.  an. 
14  p.  1.  ep.  577)  und  aus  dem  1383  von  der  Universität  Paris  an  Clemens 
YII.  eingesendeten  Rotulas,  in  dem  Johann  Keroullay,  mag  hi  art  und  in 
Tbeologia  actn  regens  Parisius  erw&hnt  wird,  welcher  war  Segens  theologiam 
in  Karbona  multis  annis  in  societate  b.  m.  Dom.  Petri  qnondam  archiepiscopi 
Narbonnen.  postea  card.*   (Reg.  Suppl.  Clem.  YII  an.  1  p.  5.  BL  129b). 

'^)  S.  oben  S.  3  Anm.  11. 


1.  Die  ftlschlicli  als  UniTersit&ten  bezeichneten  Schalen.  229 

schulen  waren,  hie  und  da  auch  CoUegien  für  arme  Scholaren 
gegründet  wurden.  Das  in  Puketoft  vom  Bischöfe  zu  Ripen, 
Christian,  fQr  20  arme  Scholaren  gegründete  reicht  sogar  in 
das  Ende  des  13.  oder  den  Anfang  des  14.  Jhs.  zurück,  dessen 
Dotation  von  Benedict  XL  1303  bestätigt  wurde  ^').  So  existierten 
ja  auch  manchmal  in  der  einen  oder  andern  Stadt  lange  vorher, 
ehe  dort  eine  Hochschule  gestiftet  wurde,  CoUegien  von  Juristen 
und  Medicinern,  wie  z.  B.  in  Genua'^^),  Macerata,  und  solche 
CoUegien  blieben  manchmal  bestehen,  als  das  Generalstudium 
aufgehört  hatte  z.  B.  in  Treviso,  Piacenza. 

ZuweUen  studierten  an  Particularstudien  auch  auswärtige 
Studenten,  die  als  scolares  forenses  die  gewöhnlichen  Privilegien 
von  solchen  besassen.  So  findet  sich  z.  B.  in  einem  Statute  von 
Viterbo  vom  J.  1251  die  Bestimmung,  'quod  omnes  scolares 
forenses  in  causis  civilibus  coram  suis  doctoribus  et  magistris 
debeant  conveniri,  et  ab  omnibus  exactionibus,  exercitibus,  anga- 
riis  et  parangariis  sint  exempti'  ^^). 

Nicht  hierher  gehören  auch  Schulen,  an  denen  nur  der  eine 
oder  der  andere  Magister,  sei  er  auch  noch  so  berühmt  gewesen, 
gelehrt  hat.  Es  ist  ganz  irrig,  mit  Coppi ")  deshalb  von  einer  Uni- 
versität zu  Pistoja  zu  sprechen,  weU  dort  der  berühmte  Dinus 
von  1279  an  fünf  Jahre  über  Civilrecht  gelesen  hatte  *°).  Ein  Pro- 
fessor, mag  er  auch  gross  gewesen  sein,  macht  ebensowenig  ein 
Generalstudium,  als  eine  Schwalbe  den  FrühUng^').     Gerade  in 

^)  Reg  Yat  ep.  53.  Grandjean  n.  53.  Nur  schreibt  der  genannte 
Herausgeber  falsch  'Castiarnns'  statt  'Cristiamus'.  In  den  Reg.  Yat.  Clem.  Y. 
an.  5  ep.  471  heisst  dieser  Bischof  'Cristianas'. 

37)  S.  Isnardi,  Storia  della  universitä  di  Genova  I  (Genova  1861),  15  ff. 

^)  Ediert  in  den  Gronache  e  statnti  della  citt&  di  Yiterbo  da  J.  Ciampi. 
Firenae  1873  p.  519.  Dort  and  p.  518  werden  noch  andere  Privilegien  er- 
wähnt Es  ist  sonderbar,  dass  Manzoni,  Bibliografla  degli  statuti,  ordini 
e  leggi  dei  municipii  italiani  (Bologna  1876)  I,  563  das  Statuto  vom  J.  1251 
im  Archivio  comnnitatiTO  za  Yiterbo  noch  als  anediert  betrachtet  und  sich 
mit  einer  Notiz  Bonainis  ans  dem  J.  1851  begnügt. 

^)  Le  universitli  italiane  p.  98. 

^)  Sarti  1.  c.  I,  233  Anm.  f. 

^)  Es  ist  eine  ganz  mfissige  Annahme  Schnltes,  der  zudem  Pistoja  zu 
den  ^Universitäten'  rechnet,  wenn  er  auch  Roffred  dort  als  Lehrer  auftreten 
Isst.  Gesch.  der  Quellen  und  Litter.  des  can.  Rechts  II,  76.  537.   Er  war  1218 


230    m*  EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  Bum  Ende  des  14.  Jhs. 

Italien  gab  es  vom  Ende  des  12.  bis  zum  14,  Jh.  kaum  eine 
bedeutendere  Stadt,  in  der  nicht  zn  Zeiten  irgend  ein  Rechts- 
lebrer  über  Römisches  Recht  gelesen  hätte.  Ich  erwähne  hier 
namentlich  noch  Man  tu  a,  wo  Ende  des  12.  Jhs.  Placentinus  und 
vielleicht  auch  Joh.  Bassianus^^)  und  einige  andere^')  als  Lehrer 
aufgetreten  waren.  Ebenso  lehrten  1272  in  Parma  Gilio  Milidoxii 
und  Albert  Galeottus^O-  Parma  gestand  jedoch  im  14.  Jh.  selbst 
zu,  dass  es  kein  Generalstudium  besitze,  indem  Sitdi  die  Stadt 
im  J.  1328  an  Johannes  XXn.  um  die  Gewährung  eines  solchen 
wandte,  der  es  jedoch  nur  unter  der  Bedingung  erlauben  woUte, 
dass  Bologna  dadurch  keinen  Schaden  litte  ^*).  Parma  war  auch 
im  15.  Jh.  mit  seinen  Bemühungen  um  ein  Generalstudium  nicht 
glücklicher. 


nicht  mehr  Professor  nnd  1219  in  Pisto^ja  nur  anwesend,  um  zwischen  dieser 
Stadt  nnd  Bologna  Frieden  schliessen  lu  helfen.  8.  nnten  anter  Aresso. 
Beiläufig  bemerke  ich  hier,  dass  Schulte  auch  Langres  in  Frankreich  in  den 
Universitäten  des  14.  Jhs.  rechnet  (II,  540),  allerdings  auf  Grund  efaies  kOst* 
liehen  Beweises.  Samson  de  Galvo  monte  sagt  nftmlich:  ego  Sampeon  de 
GalTomonte  in  Basyneio  legum  professor  lingon.  dioec.  d.  h.:  ich  .  .  .  ge- 
gebOrtig  ans  Ghaumont  en  Bassigny,  in  der  Diöcese  Langrea  Wo  er  Pro- 
fessor war,  sagt  Samson  nicht.  Viel  schlimmer  ist  es  jedoch,  dass  Schalte 
1.  c.  S.  536 ff.  dreimal  aus  Pavia  und  Ticino  swei  getrennte  üniYersitaten 
macht!  Der  von  ihm  citierte  Rochus  Gurtius,  oder  vielmehr  Gorti  Bocoo, 
der  in  Ticino  als  Professor  lehrte,  war  eben  aus  Pavia  gebürtig  and  lehrte 
dort  von  1494  ab.  S.  Memorie  e  documenti  per  la  storia  deU'  onivenita 
di  Pavia  I,  69.  Dass  Studium  Ticinense  Studium  von  Pavia  sei,  wusste 
Schulte  nicht!  Er  hat  jedoch  einen  Genossen  in  Grftsse,  der  im  Lehrbuch  einer 
allg.  Liter&rgeschichte  (II.  3.  Abtheilung  2.  Hilfte)  a  922.  926  Angers  and 
Aigou  als  zwei  Universitäten  anftkhrt;  die  Grttndung  der  erstem  sei  unsicher, 
Aigou  datiere  von  1348. 

«)  8.  Savigny  IV,  250.  292. 

^3)  S.  Bettinelli,  Delle  lettere  e  deDe  arti  Mantovane  (Mantova  1774) 
p.  5  f. 

^)  Tacoli,  Memorie  storiche  della  ciUk  di  Beggio  di  Lombardia  I 
(Reggio  1742),  358.  Affb,  Memorie  degli  scrittori  e  lett  Parmigiani,  I  (Pinna 
1789)  82.  112.  Vgl.  auch  Savigny  Y,  143.  529,  der  ans  ASb  aach  übertos 
de  Bobio  citiert. 

*^)  S.  die  Bulle  bei  Affb  1.  c.  p.  XXVI. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.  231 

2.  Die  Hoohsohulen  ohne  Errlohtungsbriefe. 

Es  gibt  nicht  wenige  Hochschulen  oder  Generalstudien,  die 
gar  keinen  Errichtungsbrief  aufweisen,  sondern  die  auf  irgend 
eine  andere  Weise  ins  Leben  getreten  sind,  und  später,  als  sie 
privilegiert  wurden  oder  als  die  an  denselben  existierenden  Ma- 
gister und  Scholaren  das  Corporationsrecht  erhielten,  als  rechtlich 
bestehende  Generalstudien  vorausgesetzt  wurden.  Wie  sich  von 
selbst  versteht,  bieten  diese  mehr  Schwierigkeit  als  die  Hoch- 
schulen mit  Stiftbriefen.  Kann  man  bei  den  letztem  mit  Sicher- 
heit angeben,  wann  sie  wenigstens  officiell  als  Generalstudien 
betrachtet  wurden,  so  ist  dies  bei  den  erstem  nicht  der  Fall; 
wir  müssen  uns  begnügen,  wenn  uns  die  Untersuchung  zeigt, 
wie  weit  eine  sichere  Erinnemng  zurückreicht  Wie  wir  sehen 
werden,  geht  diese  bei  allen  hieher  gehörigen  Generalstudien  in 
das  12.  oder  in  die  erste  Hälfte  des  13.  Jhs.  und  ausnahmsweise 
in  eine  noch  frühere  Epoche  zurück. 

Bereits  vom  13.  Jh.  ab  machte  man  den  Unterschied  zwischen 
Studienanstalten,  die  ex  consuetudine  existierten,  und  solchen  die 
ex  privilegio  beständen  *'^).  Die  erstem  sind  die  Hochschulen 
ohne  Errichtungsbriefe.  Diese  allein  interessieren  uns  in  diesem 
Abschnitte.  Ihr  Yerhältniss  zu  den  Hochschulen  mit  Stiftbriefen 
kann  erst  erörtert  werden,  wenn  wir  die  Gründung  aller  General- 
stadien besprochen  haben. 


<^)  Jaeohas  de  Arena  sagt  Prooem.  Dig.  Tet.:  Quid  ergo  si  civitas  hoc 
priTilegio  (ImperaUnris)  careat  (quod  jora  ibi  possint  doceri),  sed  in  ea  stadiom 
juris  est  habitum  tanto  tempore,  cnios  initii  non  existit  memoria,  at  est 
BoDonie  etPadne?  Respon.  licite  potaerant  jura  doceri  ibidem,  cum  ex  tanti 
temporis  patientia  princeps  remisisse  prohibitionem  soam  et  permisisse  fin- 
gatnr  .  .  .  Item  talis  consaetndo  similis  est  privilegio  et  facit  licitom  sieut 
et  pririlegiom.  Bl.  61b  ed.  Paris.  1541.  Bartolo  schreibt  nachher,  sich  auf 
Jacob  de  Arena  berufend,  ähnlich  in  Dig.  vet.  Const.  Omnem,  sab  Terb.  ffec 
muem  tria,  nur  restringiert  er  das  Qanze  auf  Padaa,  während  er  fflr  Bologna 
sogleich  die  consuetudo  nnd  das  Privileg  Lothars  angibt.  Peter  de  An* 
charanOi  Prooem.  in  YI.  Beeret,  beruft  sich  ebenfalls  fOr  Padaa  aaf  die 
coBsaatiido.  Joh.  Andreae  schreibt  anter  Beaiehang  aof  Hostiensis  wenig- 
stens hinsichtlich  der  collatio  magistgrii  in  dem.  De  magistris,  cum  tU  nimU: 
aliqai  eonferont  aactoritate  apostol.  .  .  .  aliqai  de  consuetudine,  aliqui  de 
iore  commnnL 


232     m*  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhrs. 

Salemo. 

Zuerst  bietet  sich  Uns  die  älteste  aller  Hochschulen  dar, 
nämlich  die  medicinische  Schule  zu  Salerno.  Wann  und  wie 
sie  entstanden  ist,  weiss  man  bis  heute  nicht,  trotzdem,  dass 
die  Forschungen  über  sie  seit  Savigny  wesentlich  weiter  vorge- 
schritten sind^O-  I^i^  Anfänge  bleiben  noch  immer  in  Dunkel 
gehüllt.  Und  ich  kann  nicht  umhin  zu  gestehen,  dass  man  nicht 
einmal  darüber  ins  Reine  gekommen  ist,  ob  der  Ursprung  geistlich 
oder  weltlich  war.  Diejenigen,  welche  für  den  weltlichen  Ursprung 
sind,  konnten  nicht  6in  Zeugniss  oder  einen  stringenten  Beweis 
hiefür  anführen,  was  De  Renzi  aufrichtig  genug  zugesteht ^^), 
während  ihn  Häser  schon  als  'unzweifelhafte'  Wahrheit  hinstellt, 
trotz  des  Geständnisses,  dass  der  Ursprung  der  Schule  In  sagen- 
haftes Dunkel  gehüllt'  sei^').  Häser  bemerkte  nicht  den  cir- 
culuB  yitiosus,  in  dem  er  sich  bewegte.  Er  strengt  sich  allerdings 
an,  etliche  Beweise  zu  geben.  Einmal,  dass  die  Lehrer  uud 
Schüler  Besoldungen  und  Stipendien  bezogen  und  Steuerfreiheit 
genossen  hätten,  und  mehrere  Vorsteher  Triores'  (Dekane)  nicht 
,Aebte',  verheirathet  gewesen  wären  *°).  Dagegen  frage  ich  zuerst: 
auf  welche  Epoche  bezieht  sich  dies?  Auf  die  Anfange  der  Schule, 
oder  auf  einen  etliche  Jahrhunderte  später  ausgebildeten  Zustand? 
'Die  Anfänge  der  Schule  von  Salerno  sind  in  sagenhaftes  Dunkel 
gehüllt'  gesteht  Häser.  Also  bezieht  sich  sein  Argument  auf  die 
spätere  Zeit,  nicht  auf  den  Ursprung  der  Schule,  was  in  Bezug 
auf  dessen  Beweise  in  einer  frühem  Schrift  ^0  bereits  Renzi 
angedeutet  hat").     Steht  ferner  der  Möglichkeit,  dass  der  Ur- 

^^  Es  ist  aber  bezeichnend,  wenn  Montefredini,  Le  piü  celebri  nniver- 
sitii  p.  6  im  J.  1883  nur  SaTignys  Urtheil  (III,  156)  za  reproducieren  weiss, 
während  doch  gerade  italienische  Gelehrte,  bes.  De  Renzi,  neue  Aufschlllsse 
Ober  jene  Schule  geliefert  haben. 

^)  Storia  docamentata  della  scuola  medica  di  Salerno.  2.  ed.  NapoU 
1857  p.  145:  4  le  prove  positive  mancano  e  tutti  docamenti,  che  si  posBono 
citare'  rignardano  tempi  lontani  daUa  primitiva  fondazione. 

*^)  Lehrbuch  der  Geschichte  der  Medicin.   3.  Bearb.  Jena  1875, 1,  646. 

^)  A.  a.  0.  S.  650 f.  Dort  finden  wir  auch  die  nftchstfolgenden  'Be- 
weise'. 

51)  Ueber  die  medicinische  Schule  zu  Salemo.   Gotha  1851. 

^>)  Storia  etc.  p.  146. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Salerno.  233 

Sprung  geistlich  war,  im  Wege,  dass  am  Studium  verheirathete  Pro- 
fessoren lasen?  Das  Studium  an  der  Rom.  Curie,  um  nur  dieses 
eine  zu  erwähnen,  war  doch  gewiss  wie  nur  irgend  eines  geist- 
lichen, ja  kirchlichen  Ursprungs,  und  doch  lehrten  an  demselben, 
wie  wir  unten  sehen  werden,  verheirathete,  besoldete  Professoren 
über  Civilrecbt  Der  sonderbare  Hinweis  auf  diä  Bezeichnung 
'Priores'  nicht  'Aebte'  verdient  keine  Berücksichtigung.  Für 
Häser  genüge  die  Bemerkung,  dass  auch  die  Benedictiner  'Priores' 
besassen,  dass  aber  diese  Benennung,  die  sowohl  bei  weltlichen 
als  geistlichen  CoUegien  an  den  Hochschulen  des  Mittelalters 
vorkam,  weder  für  den  geistlichen  noch  weltlichen  Ursprung  der 
Schule  zeugt.  Häser  meint  femer,  für  den  weltlichen  Charakter 
der  Schule  liefere  die  Thatsache  den  schlagendsten  Beweis, 
dass  sich  unter  den  Lehrern  der  Heilkunde  Frauen,  Töchter  und 
Gattinnen  der  Professoren  befanden.  Allein  Häser  ist  es  ent- 
gangen, dass  Manegold,  welcher  in  der  2.  Hälfte  des  11.  Jhs. 
in  Paris  Theologie  vortrug,  verheirathet  war,  und  dass  seine 
Töchter  ebenfalls  Unterricht  über  die  hl.  Schrift  ertheilten "), 
Und  somit  sind  wir  am  Schlüsse  der  'Beweise'  Häsers  angelangt, 
die  allerdings  klar  darlegen,  wie  fatal  es  ist,  über  eine  Schule 
des  Mittelalters   zu  schreiben,    wenn  man  die  übrigen  Schulen 

nicht  kennt**)« 

Mit  den  Beweisen  Renzis  für  den  weltlichen  Ursprung  der 
Schule  zu  Salerno  steht  es  nicht  viel  besser.  Lediglich  Hypothesen, 
denen  immer  der  eine  Gedanke  zu  Grunde  liegt:  die  Schule  war 
im  11.  und  12.  Jh.  laical,  mithin  war  sie  auch  im  Ursprünge, 
von  dem  wir  jedoch  nichts  A^issen,  laical.     Angesichts  solcher 


^^)  Hi&t.  litt,  de  la  France  IX,  281.  Giesebrecht  hat  in  den  Sitzungs- 
Ber.  der  k.  bair.  Acad.  d.  Wissensch.  1868  II.  S.  308  nachgewiesen,  dass 
dieser  Manegold  nicht  jener  Ton  Lautenbach  war. 

^)  Dies  hat  H&ser  in  seinem  Werke  auch  sonst  vollends  an  den  Tag 
gelegt.  Hier  nur  einige  Beispiele  zu  den  oben  noch  anzuführenden.  In 
Amalfi  wurde  die  erste  Hs.  der  Pandecten  aufgefunden  (I,  646  —  eine  l&ngst 
widerlegte  Fabel.  S.  Saviguylll,  94  ff.).  Friedrich  II.  gründete  oder  befestigte 
Salerno,  Neapel,  Bologna  (S.  643 f.).  In  Bologna  bestand  wahrscheinlich 
schon  im  J.  1156  eine  'medicinische  Facult&t\  In  Padua  war  eine  gelehrte 
Schule  schon  zur  Zeit  Karls  des  Grossen;  die  Uni?er8it&t  wurde  von  Frie- 
drich IL   gegründet  (653).     Messina  and  Pavia  erhielten    1224  und  1250 


234    in*    Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Beweise  ^^)  hat  die  von  Puccinotti  vertretene  Ansicht,  die  Schale 
von  Salemo  sei  ursprünglich  eine  geistliche  von  den  Benedictinem 
von  Monte  Cassino  gegründete  Anstalt  gewesen,  die  später  ge- 
mischt, im  13.  Jh.  aber  laical  wurde  ^^),  wenigstens  ebenso  viel  für 
sich,  als  die  gegentheilige ^0.  Das  beste  ist  jedoch  zu  gestehen: 
wir  wissen  es  nicht.  Immerhin  ist  es  aber  gewiss,  dass  die  Schule 
keinen  Stiftbrief  besass. 

Reichen  auch  die  Nachrichten  über  Salemitanische  Aerzte 
weiter  als  ins  11.  Jh.  zurück  ^^),  so  kann  man  doch  erst  seit 
dieser  Zeit  von  einem  grossen  Ruhme  der  Schule  von  Salemo 
sprechen.    Erst  dieser  Epoche  gehört  das  interessante  Gedicht 


Hochschnlen  (ibid.).  Im  J.  802  stiftete  Karl  der  Grosse  bei  der  Kirche 
N6tre-Dame  in  Paris  eine  Cathedralschule ;  die  Annalen  der  üniyerBit&t 
reichen  bis  1107  zurück  (S.  656).  Die  medicinische  Schule  befand  sich 
gleich  denen  der  übrigen  Fächer  in  der  Abtei  St.  Victor,  welche  nach  ihrer 
Gründung  mit  der  Universit&t  in  Verbindung  trat  (S.  657).  König  Alphons 
VIII.  von  Spanien  errichtete  1199  zu  Valenzia  eine  höhere  Lehranstalt 
(Häser  verwechselte  Valencia  mit  Palencia,  wo  1212—1214  das  Generalstn* 
dium  gegründet  wurde).  1243  stiftete  Alphons  IX.  (bekanntlich  1230  ge- 
storben) die  Universit&t  Salamanca,  und  Alezander  IV.  erhob  sie  1254  zu 
einem  der  quatuor  studia  generalia  orbis  (ibid.  S.  657  —  letzteres  sagte  erst 
Martin y.)  BonifazVIII.  hatte  1325  (sie!)  die  Leichenöffnungen  verboten,  u.  s.  w. 
Was  soll  man  von  einem  Autor  halten,  der  sich  innerhalb  weniger  Zeilen 
solche  Blossen  gibt  Mein  Rath  geht  dahin,  Häsers  Werk  mit  tasserster 
Vorsicht  zu  gebrauchen.  Auf  manche  andere  Irrthümer  werde  ich  gelegent- 
lich aufmerksam  machen. 

^)  S.  besonders  1.  c.  p.  146  f. 

^)  Storia  della  medicina  I  Napoli  1860,  p.  317  ff.  326  ff. 

^'*)  L&cherlich  ist  es  sich  mit  H&ser  und  nachher  mit  Stein  (Die  innere 
Verwaltung  1.  c.  S.  241)  auf  Huber,  Die  englischen  Universitftten  I,  15  lu 
berufen,  da  doch  Haber  kein  kompetentes  Urtheil  besass,  indem  er  ja  selbst 
gesteht,  er  habe  weder  Ackermanns  Schrift  'noch  sonst  etwas  Specielles  tlber 
die  Salemitanische  Schule'  bei  der  Hand  gehabt.  Zudem  leugnet  Huber 
eigentlich  doch  nur  den  'kirchlichen'  Ursprung  Salernos,  was  auch  meine 
Ansicht  ist,  denn  'kirchlich'  und  'geistlich'  macht  einen  Unterschied. 

^)  8.  De  Benzi  p.  148.  Sowohl  hier  (p.  157)  als  in  seiner  CoUectio 
Salemitaiia  III,  325  ftthrt  er  das  Verseichniss  der  Aente  bis  ins  9.  Jh.  (848) 
Burfick.  Er  citiert  zwei,  Josep  und  Josan.  Dann  folgen  wenige  aas  jener 
Zeit.    Erst  das  11.  Jh.  ist  reich  vertreten. 


2.  Hoehsehiileii  ohne  Sftiftbriefe.    Salerno.  285 

FloB  medicmae  scholae  Salerni  an'*),  ans  dessen  Indpit  nicht 
nndeuüich  hervorgeht,  dass  die  Schule  bereits  damals  organi- 
siert war*^).  Es  ist  aber  falsch,  mit  Häser  anzunehmen,  neben 
der  ärztlichen  Schule  habe  schon  sehr  frflhe  eine  die  Philosophie 
und  die  Rechtswissenschaft  umfassende  Lehranstalt  bestanden*^). 
Der  *alte  Geschichtschreiber'  J.  A.  de  Nigris,  auf  den  er  sich 
hiebei  beruft,  ist  jungen  Datums.  Ebenso  grundlos  ist  Häsers 
Behauptung,  Friedrich  IL  habe  1213  die  Lehranstalt  fbr  die 
drei  Wissenschaften  der  Medicin,  der  Philosophie  und  des  Jus  zur 
'Staatsanstalt'  erhoben*').  Bis  zum  J.  1231  hat  sich  kein  Fürst  mit 
der  Schule  von  Salemo  als  solcher  beschäftigt  Selbst  die  circa 
1140  gegebene  Bestimmung  König  Rogers,  die  EänfOhrung  einer 
Prüfung  fbr  Aerzte  betreffend,  erwähnt  nicht  mit  einer  Silbe 
Salemos;  es  werden  darin  Yerwaltungs-  und  richterliche  Be- 
amte als  Examinatoren  bestellt*').  Friedrich  n.  kam  aber,  so 
weit  bis  jetzt  bekannt,  vor  1231  mit  der  Schule  von  Salerno 
nur  insofern  in  Berührung,  als  seine  Unterdrückung  aller  ge- 
lehrten Schulen  seines  Königreiches  zu  Gunsten  des  General- 
studiums zu  Neapel  höchst  wahrscheinlich  auch  die  Schule  von 
Salemo  getroffen  hat**). 

Erst  in  dem  1231  abgefassten  Gesetzbuch  fbr  das  Königreich 
Sidlien  finden  sich  auch  Verordnungen,  welche  sich  auf  die  Schule 
▼on  Salemo  beziehen.  Niemand  dürfe  Medicin  oder  Chirargie 
vortragen  als  in  Salemo,  und  Niemand  sich  Magister  dieser 
Wissenschaften  nennen,  der  nicht  von  den  Magistem  geprüft 
sei**).  Zur  ärztlichen  Praxis  könne  der  Geprüfte  erst  nach 
einem  von  der  Facultät  ausgestellten  Zeugnisse  und  mit  Erlaubniss 


^  Ediert  in  der  CoUectio  Salernii.  V,  If. 

^  AngloTom  regt  leribit  scola  tote  Salerni. 

<i)  A.  a.  0.  8.  S49. 

«)  A.  a.  0. 

^  Hiiin.-Br6lion.  IV,  149.  Undenbrog,  Cod.  Legom  aatiquarnm.  Fnn- 
ooftvt.  1618  pi  806. 

M)  8.  Winkelniami,  Ueber  die  ersten  StaatsoniTersiaten.  Acadealtcke 
Bede,  Heidelberg  18S0,  8.  15. 

»)  Ck>n8t.  3  tit  47  und  45  bei  Hoi]l.-Br^oll.  lY,  151.  150.  Vgl.  dam 
Böhmer-Ficker  n.  1888  a. 


236    IIL  Entwickeloog  der  HochscholeB  bü  xoa  Eade  d€t  14.  As. 

der  R^eruDg  abergehen**).  Indem  Friedrich  in  dra  ange- 
gebenen Bestimmongen  za^eich  die  Gegenwart  seiner  Beamten 
bei  der  Prüfling  verordnete  und  die  licenz  zor  Praxis  von  der 
Erlaubniss  der  Begiemog  nach  Torhergegangener  Erkimdigong 
über  die  politische  Unverdächtigkeit  des  Geprüften  abhängig  machte, 
wurde  Salemo  nach  Winkelmann  eine  Staatsschale  im  heaügen 
Sinne*^).  Im  J.  1240  wurde  der  Stadiengang  vorgeschrieben **)• 
Ein  neuer  Wendepunkt  trat  mit  dem  Jahre  1252  ein.  Das 
Studium  zu  Neapel  war  in  Auflösung*'),  jenes  zu  Salemo  gerade 
damals  gewiss  nicht  in  grosser  Blüthe,  da  König  Konrad  fort- 
während von  der  reformatio  studii  Salemitani'?)  spricht  Er  be- 
schloss  nun  1252  in  Salemo  ein  gemeinsames  Studium  und  eine 
Centralschule  zu  errichten,  so  dass  auch  jene  Wissenszweige,  die 
früher  in  Neapel  gelehrt  wurden,  nun  ausschliesslich  in  Salemo 
ihre  Vertretung  fänden^').  Er  theilte  diese  Intention  den  Ju- 
stitiaren mit^'),  indem  er  die  Nothwendigkeit  betonte,  'ut  fideles 
nostri  regnicole  scientiarum  fructus,  quos  indesinenter  esuriunt, 
per  aliena  mendicare  suffragia  non  coacti,  paratam  in  regno 
sibi  mensam  propinationis  inveniant'.  Er  nennt  Salemo  *antiqua 
mater  et  domns  studii',  und  ladet  alle  Magistri  und  Scholaren 
zu  dem  nun  bereiten  Gastmahl  ein^').    Im  August  des  nächsten 

^)  Const.  3  tit.  45.  HailÜ-Br^h.  lY,  150.  Der  Geprüfte  masste  in  con- 
yentu  publico  magistroram  jadicio  comprobatas  sein,  cam  tesUmonialibos 
litcris  de  fide  et  sufficienti  scientia  tarn  magistrorum  qaam  ordinatoram  dos« 
trorom. 

*7)  s.  Winkelmann  S.  16.    S.  darüber  unten  anter  Neapel. 

^  Conai  8  tit.  46.  Haill  -Br6h.  lY,  285.  S.  daxa  Winkehnann  S.  41 
n.  86.    BObmer-Ficker  n.  2959  b. 

<^)  8.  darfiber  anten  im  Abschnitte  über  die  Hochschule  an  Neapel. 

7^)  Z.  B.  Unifersale  Stadium  in  ciritate  nostra  Salerni  . .  .  proTxdimus 
reformandnm.  HuilL-Br^h.  II,  448. 

71)  S.  Orlando,  Un  codiee  di  leggi  e  diplomi  Siciliani  (Palermo  1857) 
p.  58.  Forsch,  cur  deutschen  Gesch.  YI,  686.  Winkelmann,  Acta  imperii 
inedita,  p.  411.  BOhmer-Ficker  n.  4571-4578. 

7>)  Huill.-Br6h.  II,  447.  Doch  ist  es  nicht  sicher,  dass  dieses  Schreiben 
gerade  in  das  Jahr  1252  faUe.  Es  kann  ebenso  gut  in  das  nächste  Jahr  ge* 
hdren,  so  dass  es  gleichseitig  mit  jenem  an  Petrus  de  Casoli,  mit  dem  es 
vielfach  übereinstimmt,  ausgegeben  wurde. 

7')  Ad  hoc  igitur  tam  salabre  confi? iam  magistros  quoslibet  et  seolares 
hilariter  infitamus. 


S.   Hochschalen  ohne  Stiftbriefe.    Oxford.  ^37 

Jahres  berichtet  er  dies  dem  Petras  de  Gasoli,  indem  er  ihn 
auffordert  nach  Salerho  zu  kommen,  das  'tam  marine  yicinitatis 
habilitas  quam  terrene  fertilitatis  fecunditas  reddant  utiliter  tanto 
negotio  congruentem\  Das  Studium  werde  reformiert,  damit  es 
unter  andern  'docentibus  et  addiscentibus  se  prebeat  gratiosam'  '^). 
Doch  nicht  lange  dauerte  dieser  Zustand  an.  König  Manfred 
restaurierte  1258  wider  das  Studium  in  Neapel,  so  dass  in  Sa- 
lemo  nur  mehr  die  medicinische  Schule  zurückblieb  ^*),  die  jedoch 
nimmer  ihre  einstige  Blüthe  erreichte,  ja  gar  nicht  erreicheu 
konnte,  da  das  nahe  Neapel  ebenfalls  eine  besuchte  medicinische 
Schule  besass'^).  Allein,  dass  Salemo  auch  noch  zur  Zeit  der 
Anjous  einen  der  ersten  Plätze  unter  den  medicinischen  Schulen 
Europas  und  den  ersten  in  Italien  selbst  einnahm,  beweisen  die 
Documente  '^). 

Oxford. 

Weniger,  obwohl  noch  immer  genug  der  Schwierigkeiten,  bot 
bisher  dem  Forscher  die  Universität  Oxford.  Wären  die  alten 
Ansichten  über  den  Ursprung  dieser  Hochschule  richtig,  so  ge- 
hörte sie  gar  nicht  in  diesen  Abschnitt,  denn  bis  zum  heutigen  Tage 
halten  manche  auch  in  Deutschland  die  Alfredsche  Stiftung  oder 
Restauration  vielfach  aufrecht,  und  dies  um  so  mehr,  als  Huber, 
von  dessen  Fusstapfen  abzuweichen  einige  nicht  wagen,  sie  mit 
allem  Aufwand  von  Combinationen  zu  vertheidigen  gesucht  hat^^). 

7^)  Haill.-Br^h.  II,  449.  Schirrmacher,  Gescb.  der  letzten  HohensUufeo 
(Göttingen  1871)  S.  590.    Böhmer-Ficker  n.  4601. 

7^)  S   die  Nachweise  im  Abschnitte  Aber  die  Hochschule  cn  Neapel. 

7^)  Nicht  wenige  bisher  unbekannte  Docamente  finden  sich  in  den  an- 
geordneten Schriften  von  Minieri  Riccio,  Stndii  storici  fatti  sopra  84  registri 
Angioni  dell'  archivio  di  stato  di  Napoli.  Napoli  1876,  und  besonders  in  Della 
dominazione  Angioina  nel  reame  di  Sicilia,  und  Nuovi  stodii  riguardanti  la 
dominazione  Angioina.  Beide  Napoli  1876.  Vereinzelt  kommen  die  Notizen 
auch  in  dessen  Schrift  II  regno  di  Carlo  I.  d'Angiö  (dall'  Archivio  storico 
italiano  XXYI  anno  1877)  Firenze  1877,  z.  B  p.  48  (vom  J.  1278)  vor. 

77)  S.  De  Renzi,  Storia  p.  551.  554  ff.  Was  er  jedoch  dort  vom  hl. 
Thomas  sagt,  ist  irrig. 

78)  Die  englischen  üniTersitftten  I,  558  ff.  II,  55  ff.  Nnr  die  voralfre- 
dische  Existent  von  Schulen  in  Oxford  bestreitet  er  II,  564.  In  der  letzten 
Zeit  haben  in  Deutschland  vorzdglich  Pauli  im  Programme  Robert  Grosset^te 


288   m*  Entwickeliug  der  Hoeluehiiltti  bis  min  Bade  des  14.  Jhs. 

Ternere  Zweifel  an  der  BegrOndiing  seholarischer  Anstalteii  durch 
Alfred  solle  man  anf  das  Gebiet  unhistoriBcher^  onerspriesslieher 
Skeptik  und  Negation  verweisen  nnd  nnberflclraichtigt  lassen' ^'X 
war  sein  Scblnssresultat. 

Und  doch  ist  die  Alfredsche  Stiftung  in  das  Reich  der  Fabeln 
zu  verweisen«  James  Parker  wies  nach,  dass  die  Stadt  Oxford 
912  zum  ersten  Male  urkundlich  erwähnt  werde,  während  Alfred 
schon  901  starb.  In  Hyde  Abbey  Chronicle  steht  das  Testament 
KSnig  Alfreds;  50  Orte  werden  darin  erwähnt,  währ«d  Oxibrd, 
das  nach  Huber  doch  wie  kein  anderer  Ort  f&r  die  Begründung 
irgend  eines  wichtigen  Instituts  christlicher  Givilisation  so  sehr 
der  Weisheit  eines  Alfred  wOrdig  erscheinen  musste,  darin  fehlt 
Kein  Schriftsteller  bis  zum  14.  Jh.  weiss  etwas  von  einer  der- 
artigen Stiftung,  am  wenigsten  die  der  Zeit  Alfreds  am  nächsten 
Stehenden,  wie  Asser,  der  das  Leben  und  die  Thaten  Alfreds 
schrieb.  Das  Ganze  ist  eine  Fiction  des  14.  und  15.  Jhs. 
Und  seit  diese  Fabel  zur  Zeit  Richards  n.  als  Basis  in  einer 
Streitsache  vorgebracht  wurde,  fand  sie  ihren  Weg  selbst  in  Par- 
lamentsacten'^).  Im  15.  Jh.  wusste  man  sogar,  dass  in  Oidord 
nur  die  ^doctores  sacrae  theologiae  et  juris  canonici  doctores  et 


und  Adam  Ton  Manb,  Tflbingen  1864;  Weiss,  Gesch.  Alfreds  des  Orossen, 
Schaffliaassii  1852,  S.  849ff  und  Wetser  nnd  Weite  Kirchenlexicon*  I, 
540  ernsten  Zweifel  an  der  Wahrheit  der  Alfredschen  Stifbong  erhoben. 
Pauli  trat  vorher  in  seinem  König  Aelfred  und  seine  Stellimg  in  der  Qesch. 
Englands,  Berlin  1851,  S.  207  ff  noch  weit  schärfer  gegen  eine  Beaiehong  Al- 
freds sur  Schule  in  Oxford  auf.  Es  beweist  den  höchsten  Orad  Ton  ün* 
kenntniss,  wenn  Stein  (Die  innere  Terwaltong  etc.  S.  232)  König  Alfred  in 
Oxford,  wo  nie  eine  Cathedrale  war,  eine  KiSathedralkirche  mit  Internat'  er- 
öffioen  Iftsst. 

7')  A.  a.  0.  I,  66.  n,  568  meint  er,  vom  Standponkte  der  gesunden 
bist.  Kritik  ans  könnten  keine  erhebliche  Zweifel  gegen  den  Alfredschen 
Ursprung  Torgebracht  werden. 

^)  Parker,  On  the  history  of  Oxford  dnring  the  tenth  and  ekfenth  cen- 
taries.  (912-1100).  Oxford  1871.  TgL  S.  51  14f.  Warum  Stein  diese  Schrift 
entgieng,  kann  wohl  nicht  Wunder  nehmen.  S.  Die  innere  Yerwaltnag  iL  a. 
0.  S.  232.  Dass  man  in  Oxford  auch  jetst  noch  nicht  an  einem  andern  Be- 
saltate  ak  su  jenem  Parkers  gelangt  ist,  beweist  der  Umstand,  dass  jttngrt 
The  Oxford  historical  Society  den  Neudruck  seiner  Schrift  beschlossen  hat 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Oxford.  2-^9 

in  mediciBis  et  legibus  doctores  . .  .  a  principio  fundationis  (uni- 
versitatis)  per  regem  Alfredum'  runde  Hüte  gebraucht  hätten^*). 
Es  ist  unglaublich,  welche  Fälschungen,  mitunter  sehr  plumpe, 
man  sich  zu  Schulden  kommen  Hess,  um  Alfred  zum  Stifter  der 
Oxforder  Universität  zu  machen.  So  wurde  unter  anderm  Assers 
Vita  Alfredi  durch  einen  grossen  Passus  über  den  Streit,  den 
Grimboldus  im  J.  886  mit  den  veteres  scholastici  zu  Oxford 
gehabt  habe,  und  den  zu  schlichten  Alfred  selbst  herbeigeeilt 
sei,  interpoliert^').  Wilhelm  von  Malmesbury  liess  man  femer 
in  seinen  Antiquitates  Glaston.  ecclesie  sagen,  König  Alfred 
habe  auf  Rath  des  Abtes  Neot  die  Schule  gegründet,  und  in  Rom 
beim  Papste  Martin  II.  durch  Abgesandte  die  Bestätigung  der- 
selben eingeholt.'  Der  Papst  habe  nicht  bloss  diese  ertheilt, 
sondern  die  Schule  auch  mit  mannigfachen  Privilegien  beschenkt  ^^). 
Allein  erstens  liest  man  in  dem  genannten  Werke  Wilhelms 
gar  nichts  davon;  der  Autor  erwähnt  den  König  nur  beiläufig ^0. 
Ferner  müsste  das  ganze  Factum  in  das  Jahr  883—884  fallen, 
denn  Martin  II.,  d.  i.  Marinus  I.  regierte  nur  von  Ende  882—884. 
Und  in  der  That  nimmt  man  auch  das  Jahr  883  als  das  Grün- 
dungsjahr der  Universität  an.  Nun  starb  aber  Neot  schon  877—878, 
was  Mabillon  sehr  gut  einsah"^),  weshalb  er  Miene  machte,  das 
Gründungsjahr  zu  verlegen.  Man  kann  es  ja  anstellen  wie  man  will. 
Die  weitere  Bemerkung,  König  Alfred  habe  um  die  Bestätigung 


^1)  Gascoigne,  Dictionariam  theologicam  in  Loci  e  libro  veritatum. 
V^ith  an  introdnction  hy  James  E.  Thorold  Rogers  (Oxford  1881),  p.  178. 

^)  Bereits  Spelman  hat  in  seiner  Tita  Alfredi  niagni  Oxonii  1678  p. 
140 ff.  144 ff.  die  Interpolierung  der  Vita,  wahrscheinlich  durch  Gamdenas 
(im  J.  1600  und  1603),  nachgewiesen,  nachdem  man  bereits  1622  Arg- 
wohn geschöpft,  und  Usser  in  seinen  Primordia  ed.  1693  p  342  die  ganze 
eingeschobene  Clausel  verworfen  hatte.  S.  über  die  Geschichte  dieser  Inter- 
polation und  der  Aufdeckung  derselben  Mon.  bist.  Brit.  I,  489  Anm.;  Pauli, 
König  Aelfred  S.  4  ff.  207;  Lappenberg,  Gesch.  Englands  I,  XLVIII.  339  f. 
Die  Yertheidigung  der  Aechtheit  der  Stelle  durch  Huber  U,  557  ff.  muss  als 
eine  missglückte  bezeichnet  werden.  Selbst  Lingard,  Gesch.  von  England, 
übers,  von  Salis  I,  219  Anm.  3  war  hier  kritischer. 

^)  Wood,  Hist.  univ.  Oxon.  I,  16;  The  history  and  antiquities  of  the 
nnivers.  of  Oxford  ed.  Gutch  I,  43.  Du  Boulay  I,  223. 

M)  S.  Migne  Patrol.  lat.  179  p.  1712. 

»&)  Ann.  Bened.  III,  241  f. 


240     ni.  Entwickelang  der  Hochschalen  his  sam  Ende  des  H.  Jhs. 

der  von  ihm  errichteten  Schule  beim  Papste  angehalten  ^^),  ist 
ebenso  ein  krasser  Anachronismus,  wie  der  Passus  in  einem  von 
Wood  mitgetheilten  Gedichte  ^^),  der  König  habe  ^an  uniyersite 
for  Clerks'  gegründet  (wo  also  der  Ausdruck  Universitas  im  Sinne 
von  Lehranstalt  genommen  wird,  was  vor  der  2.  Hälfte  des 
14.  Jhs.  nicht  der  Fall  war),  oder  die  Fabel,  Johann  Scotus  habe 
in  den  Tagen  König  Alfreds  die  Logik  des  Aristoteles  und  Ave- 
roes  (!)  zu  Oxford  vorgetragen^").  «Durch  so  plumpe  Dichtungen 
hat  man  nur  bewiesen,  auf  welch  schwachen  Füssen  die  Be- 
hauptung von  der  Alfredschen  Stiftung  ruhe. 

Um  aber  auf  Wilhelm  von  Malmesbury  zurückzukommen, 
so  spricht  er  in  seinem  Werke  De  rebus  gestis  regum  Anglorum^'j 
weitläufig  (theilweise  nach  Asser)  von  Alfreds  Klosterstiftungen, 
von  seinem  wissenschaftlichen  Wirken  und  wie  durch  ihn  die 
Studien  wider  gehoben  worden  seien.  Allein  von  einer  Schule 
in  Oxford  weiss  er  nichts.  Zu  alledem  bliebe  es  immerhin  ein 
Räthsel,  dass  der  genannte  Schriftsteller  und  vor  ihm  seit  dem  10. 
bis  12.  Jh.  andere,  z.  B.  Asser,  Florentius  von  Worcester  im  Ghron. 
Chronicarum '°) ,  die  Annales  anglo-saxon.'^)  u.  s.  w.,  so  kleine 
Umstände  in  den  Beziehungen  des  Papstes  Marinus  zu  König 
Alfred  und  umgekehrt  zu  erzählen  wissen ,  wie  z.  B.  dass  der  Papst 
auf  Bitten  desselben  *scholam  Saxonum  in  Roma  morantium 
ab  omni  tributo  et  talento  teloneo'  befreit,  dass  er  dem  König 
mit  andern  Geschenken  eine  Kreuzpartikel  gesandt  habe  u.  s.  w., 
dass  sie  aber  die  Stiftung  der  Schule  zu  Oxford  und  die  da- 
bei stattgehabte  Relation  mit  dem  päpstlichen  Stuhl  constant 
mit  Stillschweigen  übergehen  '*).    Doch  würde  man  sich  täuschen, 


^)  Aaf  diese  *8omnia'  hat  bereits  Smith  in  dem  höchst  seltenen  Werke : 
Ann.  nniyers.  Collegii,  demonstrantes,  Gailhelmam  Darham  fdisse  Terom  fan« 
datorem  (Novocast  1728)  aufmerksam  gemacht. 

W)  Wood  a  a.  0. 

^j  Dies  stehe  sogar  in  einem  Exemplar  Ton  Assers  Vita  Alfiredit  Twyne, 
Apologia  antiqnit.  acad.  Ozoniensis  1.  3  n.  2S7.    Wood,  engl.  Ansg.  I,  280. 

89)  Lib.  2  n.  122.  123  (ed.  Migne  p.  1082  sqq ). 

90)  In  den  Mon.  Germ.  SS.  XUI,  124. 
W)  Ibid.  p.  105. 

9>)  Aach  in  den  Gesta  pontif.  Anglor.  (ed.  Hamilton)  spricht  Wilhelm 
Ton  Malmesbury  yon  Oxford  widerholt  (p.  315  l&sst  er  es  lange  Tor  Alfred 


2.   Hochschalen  ohne  Stiftbriefe.   Oxford.  241 

wollte  man  glauben,  der  Ursprung  von  der  Fabel  der  Alfredschen 
Stiftung  sei  im  16.— 17.  Jh.  zu  suchen;  er  datiert  vielmehr,  wie 
ich  bereits  oben  bemerkt  habe,  aus  den  frühem  Jahrhunderten. 
Die  Alfredsche  Stiftung  nahmen  selbst  solche  an,  die  wie 
Schaarschmidt  läugnen,  dass^  in  Oxford  im  12.  Jh.  eine  Hoch- 
schule existiert  habe.  Nach  fast  Jahrhunderte  langer  Unter- 
brechung wäre  sie  erst  1229  in  Folge  einer  Auswanderung  Pariser 
Scholastiker  wider  in  Aufnahme  gekommen,  und  dies  sei  die  ältere 
und  wohlbegründete  Tradition,  gegen  welche  nichts  Wesentliches 
aufzubringen  sei'*).  Eine  derartige  allen  geschichtlichen  Thatsachen 
zuwiderlaufende  Behauptung  nimmt  sich  sonderbar  im  Munde  eines 
Mannes  aus,  der  Andere  der  Kritiklosigkeit  zeiht.  Während 
Schaarschmidt  vorgibt,  viele  Zeugnisse  dafür  zu  kennen,  dass 
in  Oxford  zur  älteren  angelsächsischen  Zeit  eine  berühmte  Schule 
war'*),  übersieht  er  die  sichern  Belege  für  die  Existenz  einer 
besuchten  Lehranstalt  in  Oxford  im  12.  Jh.  bis  1229.  Er  nennt  nur 
ein  Document,  nämlich  das  des  Gervasius  Dorobomensis  oder  von 
Ganterbury,  welcher  sagt:  Vacarius  sei  zur  Zeit  König  Hein- 
richs I.  nach  England  berufen  worden,  und  habe  in  Oxford 
die  Rechtswissenschaft  gelehrt").  Allein  dieses  Zeugniss  beweise 
nichts,  denn  der  Chronist  habe,  wie  in  hundert  andern  Fällen 
zu  bemerken  ist,  die  Oxforder  ^Universität*  zurückdatiert,  und  die 
Nachricht,  Tacarius'  hätte,  in  England  römisches  Recht  gelesen, 
fiUschlich  so  gedeutet,   als  sei  dies  in  Oxford  geschehen,    indem 

bestehen),  sowie  von  Grimbold  (p.  173)  and  den  verschiedenen  Arbeiten  Alfreds 
(p.  177.  332  f.  392  ff.  n.  s.  w.);  jedoch  von  einer  Schale  zu  Oxford  weiss  er 
nichts. 

M)  Joannes  Saresberiensis.    Leipzig  1862  8.  17  ff. 

M)  Es  w&re  za  wünschen,  dass  Schaarschmidt  diese  Zeugnisse  einmal 
pablicieren  möchte.  Bis  dahin  halte  ich  seine  Erörtenmgen  fftr  eitles  Ge- 
rede nnd  bin  der  Ansicht,  dass  aas  der  Litteratar  der  Angelsachsen  irrig 
auf  das  Vorhandensein  einer  Hochschule  der  Angelsachsen  zu  Oxford  ge- 
schlossen ist. 

^)  Actas  pontificum  Cantuariens.  in  Histor.  Anglicanae  Script.  Londini 
1652  II,  1665  und  ed.  Stubbs  II,  384.  Die  Art  nnd  Weise  wie  Schaar- 
schmidt citiert,  beweist,  dass  er  die  Stelle  nicht  dem  Werke  selbst,  son- 
dern Andern  entnommen  hat.  Oenrasius  sagt:  Tone  leges  et  causidici 
in  Angliam  primo  Tocati  sunt,  quorum  primus  erat  magister  Vacarius.  Hie 
in  Oxonefordia  legem  docuit. 

D«iiiru,  Jhb  Uiii?«nittl«B  L  16 


242    ni.   EntwickeliiBg  der  Hochschulen  his  nun  Ende  des  14.  Jhs. 

ihm  Oxford  als  vornehmster  Stadiensitz  galf ).  Aber  wenn  die 
Oxforder  Schule  erst  1229  in  Aufnahme  kam,  Gervasius  aber  da- 
mals nicht  mehr  lebte,  welchen  Sinn  kann  da  noch  Schaarschmidts 
voreilige  Behauptung  haben? 

Man  mag  die  Sache  wenden  wie  man  will,  eines  folgt  immer, 
dass  nämlich  Oxford  bereits  im  12.  Jh.  eine  Schule  besass.  Und 
dass  sie  schon  damals  gut  besucht  war,  ergibt  sich  aus  einer  Stelle 
in  der  Chronik  des  Matthaeus  Paris,  oder  vielmehr  des  Roger 
Wendover,  in  der  es  heisst,  im  J.  1209  'recesserunt  ab  Oxonia 
ad  tria  millia  clericorum  tam  magistri  quam  discipuli,  ita  quod 
nee  unus  ex  omni  universitate  remansit,  quorum  quidam  apud 
Gantabrigiam,  quidam  vero  apud  Radingum  liberalibus  studiis 
vacantes  villam  Oxoniae  vacuam  reliquerunt''^).  Der  Grund,  warum 
die  Auswanderung  geschah,  war  folgender.  Ein  Scholar  tödtete 
unvorsätzlich  ein  Weib;  die  Bürger  kamen  herbei,  ergriffen  und 
knüpften,  vom  König  Johannes,  der  sich  in  Woodstock  aufhielt, 
dazu  ermächtigt,  etliche  Genossen  des  Thäters  auf,  während  dieser 
selbst  entkam.  Magister  und  Scholaren  stellten  nun  ihre  Studien 
ein  und  wanderten  nach  Cambridge,  Maidstone  und  Reading. 
lieber  die  Stadt  selbst  wurde  das  Interdict  verhängt,  das  nach 
der  Zurückkunft  der  Magister  und  Scholaren  (1214)  vom  Car- 
dinallegaten  Nicolaus  für  drei  Jahre  auch  auf  solche  Magister 
gelegt  wurde,  welche  in  der  Zwischenzeit  dort  gelehrt  hatten''). 
Die  Rückkehr  der  Magister  und  Scfiolaren  erfolgte  erst  1214 
und  zwar  durch  Vermittlung  des  genannten  Cardinallegaten. 
Die  Stadt  musste  eidliche  Bürgschaft  gegen  Widerholung  ähnlicher 
Vorkommnisse  leisten  und  sich  zu  Bedingungen  verpflichten,  welche 


•«)  A.  a.  0.  8.  18. 

*7)  Roger  de  WendoTcr,  Flores  histor.  ed.  Coxe.  Ich  konnte  nur  die 
englische  Uehersetinng  von  Giles,  Roger  of  Wendover*«  Flowers  of  history 
(IT,  249  f.)  henütsen.   8.  Matth.  Paris,  Ghron.  majora  ed.  Loard  II,  526. 

M)  Dies  erheUt  ans  der  vom  CardinaUegaien  Nioolans  im  J.  1214  ans- 
gefertigten  Urkunde.  Muniaenta  academioa  or  dociments  iUostratiTe  off 
aeademical  life  and  stndies  at  Oxford  I,  8:  Magistri  yero,  qoi  post  scho- 
larinm  recessom  irreferenter  legerant  Oxomae,  sospeadMitar  per  trienniun 
ah  officio  legendi  ibidem. 


3.  HoohichuleD  ohne  Slifibriefe.   Oxford.  243 

« 

den  Scholaren  günstig  waren'').  Um  Michaeli  dieses  Jahres 
nahmen  die  Magister  ihre  Vorlesungen  wider  auf. 

Die  Ereignisse  von  1209  und  1214  sind  die  ersten  Kundgebungen 
des  Studiums  zu  Oxford.  Sie  beweisen,  dass  dasselbe  bereits  im 
12.  Jh.  dort  existiert  hat,  denn  es  wäre  nicht  abzusehen,  wie 
dasselbe  sonst  im  An£  des  13.  Jhs.  eine  nicht  unbedeutende 
Blüthe  hätte  aufweisen  können.  Auf  einmal  können  nicht  gegen 
3000  Scholaren  hingekommen  sein,  die  dann  bei  der  Aus^ 
Wanderung  behufs  Unterkunft  drei  verschiedene  Städte  aufzu- 
suchen gezwungen  waren.  Dass  die  von  Roger  Wendover  und 
Matthaeus  Paris  genannte  Zahl  der  Scholaren  nicht  allzusehr 
übertrieben  sei,  ergibt  sich  gerade  aus  den  vom  Gardinallegaten 
und  der  Stadt  ausgefertigten  Documenten  des  J.  1214,  denn  diese 
beweisen  einmal,  welche  Schwierigkeiten  den  Scholaren  bereits 
vor  ihrem  Wegzuge  die  Wohnungsmiethe  gemacht  hat;  sie  zeigen 
uns  dann  die  Fürsorge  des  Gardinallegaten  für  die  vielen  pauperes 
scholares,  von  denen  ausserdem  nicht  weniger  denn  hundert  am 
Nicolaitage  auf  Kosten  der  Stadt  Speisung  erhalten  sollten. 
Sie  deuten  femer  auf  eine  nicht  geringe  in  Oxford  anwesende 
Zahl  von  Professoren  hin.  Denn  wenn  mehreren  Magistern  auf  drei 
Jahre  die  Vorlesungen  untersagt  werden  konnten,  so  folgt  denn 
doch,  dass  kein  Mangel  an  Professoren  herrschte. 

Durch  diese  sicheren  Thatsachen  gewinnt  ein  von  Wood  ad  an. 
1 200  angeführter  Ausspruch  des  Senatus  Bravonius  seine  Wichtigkeit : 
^Urbs  illa  erat  firequens  scolis,  magistra  in  disciplinis,  quod  et 
vobis  praepono  propter  adjacentem  urbem,  in  qua  abundant  pru- 
dentes  eloquii  mistici,  ponderantes  verba  legis,  proferentes  omni 
poscenti  de  thesauro  suo  nova  et  vetera'"**).  Dass  diese  Nach- 
richt auf  Wahrheit  beruhe,  geht  unumstösslich  aus  einem  Be- 


^)  Dies  ist  in  zwei  Documenten  auf  ans  gekommen,  Ton  denen  eines 
Yom  Cardinallegalen  ausgefertigt  ist  (s.  Anm.  98),  das  andere  von  der 
Stadt  selbst  herrflhrt  (bei  Wood,  Hist.  Univers.  Oxon.  I,  61.  Vgl.  dessel- 
ben The  lustory  and  antiqoities  of  the  onifersity  of  Oxford  ed.  Gatch. 
Oxford  1792  I,  186).  Dass  die  Borger  den  Gardinallegaten  um  Absolution 
baten,  berichtet  Matthaeus  Paris  ad  an.  1213  (L  c.  p.  569). 

looj  xhe  history  and  antiquities  of  the  university  of  Oxford  I,  177. 

Hist  üniTen.  Oxon.  L  58. 

16* 


244      ni.   Entwidcdoag  der  Hoefcsdmlen  Ins  tarn  Eade  des  14.  As. 


lichte  des  Giraldns  Cambrensis  herror.  Dieser  erzihU  nimBch, 
das9  er  seine  Topographia  Cambriae  (c.  1186)  m  Qsfoid,  iibi 
clems  in  Aoglia  magis  vigebat  et  clericata  preceUebat,  ...  in 
tanta  aadientia  recitare  disposait".  Zum  Glücke  eridiri  er 
selbst,  was  er  unter  clems  verstehe.  Da  das  Werk  drei  Thefle 
besitze,  berichtet  er,  habe  er  beschlossen  es  in  drei  Tagen  YomH 
lesen«  Trimoque  die  panperes  omnes  oppidi  totins  ad  hoc  oon- 
Tocatos  hospitio  suscepit  et  exhiboit.  In  crastino  vero  doctores 
diyersarum  facultatum  omnes  et  discipulos  famae  ma- 
joris  et  noticiae.  Tertio  die  reliqaos  scolares  com  mili- 
tibus  oppidanis  et  burgensibus  maltis"®0«  Nicht  bloss  waren 
also  schon  viele  Doctoren  nnd  Scholaren  in  Oxford,  sondern  ver- 
schiedene Wissenszweige  hatten  bereits  ihre  Vertreter. 

Dadurch  erhalten  andere  alte  Docomente  ihre  volle  Bedentong. 
In  einem  derselben  aus  der  Zeit  König  Stephans  wird  von  mehreren 
Hospitia  clericorum  (scholarium)  gesprochen'®').  In  einem  an- 
dern vom  Jahre  1201  wird  der  'Cancellarius  universitatis  Oxo- 
niensis  cum  coetu  magistrorum  ejusdem'  erwähnt'**).  Nun  ist 
aber  interessant,  dass  der  Ausdruck  ^coetus'  gerade  in  Oxford 
gerne  gebraucht  und  noch  in  später  Zeit  angewendet  wurde,  um 
das  Collegium  der  Magistri  zu  bezeichnen '*'*).  Der  Terminus 
weist  also  auf  eine  Corporation  hin,  die  bereits  Anfangs  des  13. 
Jhs.  unter  den  Magistern  in  Oxford  bestand. 

Dass  nun  das  Studium  von  1214  bis  1229  nicht  mehr 
unterbrochen  worden  ist,  ergibt  sich  theils  aus  Acten '*^),  theils 


loij  De  rebus  a  se  gestis  11,  c.  16.  Opp.  ed.  Brewer  I,  72f.  W«nua 
ist  denn  dieseB  Werk,  von  dem  gerade  der  betreffende  Bd.  bereits  1861  er- 
schienen ist,  Schaarschmidt  entgangen? 

*W)  Wood,  Eist.  uniy.  Oxon.  I,  51. 

w«)  Ibid.  II,  388. 

^^)  So  im  13.  Jb.  (Mun.  acad.  I,  62.  64.)  wie  aacb  im  14  Jh.  (ibid. 
p.  82).  1348—1344  wenden  sich  der  CanceUarins  et  cetus  onanimis  magistro- 
ram  universitatis  Oxonie  an  Clemens  VI.  Reg.  SappL  an.  2.  p.  8  BL  74a. 
Dieselbe  Bezeichnung  findet  sich  in  dem  1362  an  Urban  T.  eingesendeten 
Rotulns  magistroram  oniv.  Oxonie.  Reg.  Snppl.  an.  1.  p.  1  BL  207  a  n.  &  w. 

104^  Im  J.  1216  schrieb  der  Gardinallegat  Qoala  omnibos  magistria  et 
scolaribns  Oxonie  commorantibus  in  Bezug  auf  die  vom  frOhem  Cardinal- 
legaten  verfügten  Bestimmungen.    Wood,  The  histoiy  etc.  p.  188.    Eine  an- 


2.  Hochscbnlen  ohne  Stiftbriefe.    Oxford.  245 

und  besonders  aus  der  Geschichte  der  zwei  Bettelorden ,  der 
Dominicaner  und  Franciscaner.  Denn  beide  Orden  recrutierten 
sich  in  England  unter  andern  auch  aus  solchen,  welche  schon 
vor  1229  in  Oxford  Professoren  oder  Baccalarei  waren.  Im 
Jahre  1230  war  der  General  der  Dominicaner,  Jordan  von 
Sachsen,  in  England,  und  er  schrieb  von  dort:  'Apud  Studium 
Oxoniense,  ubi  ad  presens  eram,  spem  bone  capture  Dominus 
nobis  dedit'^^*).  Es  trat  nämlich  Robert  Bacon  in  den  Orden, 
der  vor  seinem  Eintritt  in  Oxford  'regens  in  theologia'  und  zu- 
gleich socius  in  scola  des  sei.  Edmund  war,  welcher  4.  April 
1234  Erzbischof  von  Ganterbury  wurde,  nachdem  er  lange  vorher 
^doctor  theologiae  factus  Oxoniae' ^^'^).  Robert  setzte  nach  dem 
Eintritte  in  den  Orden  4ectiones  suas  in  scholis  s.  Eduardi',  d.  i.  bei 
den  Dominicanern,  fort^''^).  Die  Franciscaner  giengen  1225  nach 
Oxford  und  mietheten  sich  im  nächsten  Jahre  dort  ein  Haus  ^^"), 
das  sie  nur  kurze  Zeit  bewohnten,  denn  Anfangs  der  dreissiger 
Jahre  finden  wir  sie  schon  in  einem  andern  Domicil,  in  dem  sie 
dann  beständig  blieben'^').  In  dem  ersten  Hause  nun  4ntra- 
vemnt  ordinem  multi  probi  baccalaurei  et  multi  nobiles' ^^°). 
Um  jene  Zeit  war  in  Oxford  Robert  Grosset^te  Kanzler  der 
Universität,  der  wie  Jean  de  Garlande  zum  grossen  Theil  da- 
selbst  ausgebildet  wurde,    und   lange   vor  1229   das   Magiste- 


dere  Urknode  vom  J.  1219  siehe  in  Mun.  acad.  I,  4fi  Einen  mag.  Wilhelm 
Scotus  doctor  decretorum  apud  Oxonium  erwähnt  Honorins  III.  31.  Ang 
1217.  Reg.  Tat.  an.  2  ep.  607. 

i<^)  Lettres  du  h.  Joordain  de  Saze  ed.  Bayonne.  Paris  1865  p.  134. 
Der  Originalcodez,  einst  in  8.  Agnese  zn  Bologna,  befindet  sich  jetzt  in 
Privatbesitz;  eine  Abschrift  existiert  in  der  Biblioth.  Gasanat.  zn  Rom  (D. 
ly.  24).  Ich  komme  anf  diese  interessante  Briefsammlong  noch  öfters  znrUck. 

106)  Trifet  bei  D'Achery,  SpidL^  IIl,  192.  Qn6tif-Echard  lassen  Robert 
schon  1228  Dominicaner  werden  (SS.  Ord.  Praed.  I,  118),  was  zu  früh  ist. 

i«7)  TriTOt  1.  c. 

loS)  Dies  ergibt  sich  aus  Eccleston,  De  adventn  Minorum  in  An- 
gliam  in  den  Monnmenta  Franciscana  ed.  Brewer  I,  9  f.  11.  ed.  Howlett,  p.  9. 

109)  Ans  einem  Vergleich  der  Stellen  in  Mon.  Francisc.  I,  9.  17.  37 
mnss  man  dies  erschliessen. 

110)  L.  c  p.  17.  Thomas  Eecleston  nennt  p.  37  Oxford  den  Ort,  *nbi 
principale  stndiom  florebat  in  Anglia  et  ubi  aniversitas  scholarinm  convenire 
consneverat'. 


246     in.  Entwickelang  der  Hochsehalen  bis  nun  Ende  des  14.  Jlis. 

riom  der  Theologie  erhalten  hatte  "^),  während  Johann  de  Gktrlan- 
dia  bereits  c.  1212  dort  Johann  von  London  als  Professor  der 
Philosophie  gehört  hat'").  Zu  allem  Ueberflass  berichten  noch  die 
Ann.  de  Dunstaplia,  im  J.  1228^^*)  sei  apud  Oxoniam  inter 
scolares  et  populnm  eine  dissensio  ausgebrochen,  und  das  Volk 
habe  sich  schliesslich  ^arbitrio  quatuor  magistrorum  qui  tone  essait 
precipui'  gefügt. 

Es  hiesse  Eulen  nach  Athen  tragen,  sich  länger  bei  Er- 
härtung dieser  Thatsache  und  bei  der  Widerlegung  einer  Behauptung 
aufzuhalten,  die  nur  in  jener  bekannten  Art  und  Weise,  mit  der 
man  Geschichte  zu  machen  gewohnt  ist,  ihre  Erklärung  findet 
Das  Höchste,  was  man  behaupten  kann,  ist,  dass  Oxford  im  J. 
1229  durch  die  Auswanderung  aus  Paris  einen  Zuwachs  erhalten 
habe,  wiewohl  selbst  dies  nicht  direct  bewiesen  werd^  kann. 
Matthaeus  Paris,  obschon  Zeitgenosse  jener  UebersiedeloDg,  weiss 
nichts  davon,  und  er  lässt  den  grössten  Theil  nach  Angers 
ziehen '^^).  Und  doch,  sollte  man  meinen,  hätte  er  ein  solches 
Ereigniss  nicht  umgehen  können,  um  so  mehr,  als  er  mehrere 
englische  Professoren  aufzählt,  die  bei  jener  Gelegenheit  Paris 
verliessen,  und  die  wie  es  scheint  ebenfalls  Angers  au&uchten. 
Spätere  Schriftsteller  z.  B.  Paul  Aemilius^'^)  wissen  allerdings 
davon  zu  erzählen.  Ja  auch  König  Heinrich  HL  hat  am  16. 
Juli  desselben  Jahres  den  Magistern  und  Scholaren  von  Paris 
'civitates,  burgos  vel  villas  quascunque'  Englands  angeboten,  ohne 


^^)  Dass  OrosseUte  Ozforder  Magister  war,  berichtet  Oaacoifiie  nach 
Einsicht  in  ein  Antograph  Roberts.  Dictionar.  theoL  in  Lod  e  libro  veri- 
tatnm,  p.  176.  Vgl.  auch  Roberti  Grosseteste  epist.  ed.  Lnard,  p.  XZXI  sqq. 
Lechler,  Job.  Wiclif  I,  179.  —  Job.  de  Oarlande  spridit  Ton  sich  darftber 
in  De  trinmphis  ecclesiae  (n.  1325  nonv.  acqois.  lat  Nati<ni.  Bibl.  sn 
Paris  p.  42.    Wrights  Ausgabe,  London  IS56,  p.  58). 

^")  ▼sl*  dain  die  richtigen  Bemerkungen  Hanrteis  in  Notices  et  ex- 
traits  des  mannscrits  XXVII.  2  p.  72. 

US)  Ed.  Lnard  p.  109. 

11«)  Chron.  miooi^  ed.  Lnard  m,  168  ad  an.  1229.  Aneh  die  Annalea 
de  Dnnstaplia  ed.  Lnard  p.  117  berichten  in  Ähnlicher  Weise. 

11^)  De  rebns  gestis  Fnuicormn  (Lntet.  1550)  n.  142a.  Das  Chron. 
Cluniaoense  oiid  Bemard  Guidonis  sagen,  einige  seien  unter  aaderoi  nach 
*in  Angliaa'  gegangen.    S.  oben  S.  226.  Anm.  26. 


8.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.  Oxford.  247 

speciell  Oxford  zu  erwähnen^').  Allein  indirect  lässt  sich  schliessen, 
dass  Oxford  wie  Cambridge  in  dem  betreffenden  Jahre  mehr  fre- 
quentiert wurden,  da  der  genannte  König  im  J.  1231  sagt,  Oxford 
werde  aseholaribus  tarn  cismarinis  quam  transmarinis  aufgesuchte^'). 
Eines  steht  nun  fest,  dass  nämlich  Oxford  seit  dem  12.  Jh. 
ein  nicht  unbedeutendes  Studium  besass,  wenngleich  es  dahingestellt 
bleibt,  ob  es  mit  Yacarius  seinen  Anfang  nahm,  und  die  Thätigkeit 
des  Robert  Pullus  bei  Erneuerung  der  Theologie  daselbst  im 
Spiele  war^^").  Dass  seit  der  Mitte  des  12.  Jhs.  dort  sicher  eine 
Schule  existierte,  die  immer  mehr  an  Bedeutung  und  an  Fre- 
quenz zunahm  und  nicht  mehr  ausser  1209  bis  1214  unterbrochen 
wurde,  kann  nur  deijenige  läugnen,  welcher  sich  überhaupt  gegen 
alle  geschichtlichen  Thatsachen  verschliesst.  Die  eigentliche 
Blflthe  der  Hochschule  fällt  allerdings  weder  in  das  12.  noch 
in  die  erste  Hälfte  des  13.  Jhs.  (obwohl  dieselbe  bereits  in 
der  letztem  Epoche  keine  geringe  war):  sie  fällt  in  die  Zeit, 
als  die  beiden  Bettelorden  der  Franciscaner  und  Dominicaner 
ihre  beständige  ununterbrochene  Vertretung  an  der  Hochschule 


^^  8.  Galendarinm  rotolomm  patent  in  torri  Lond.  (1S03)  p.  14. 

1^7)  Bei  Shirley,  Royal  and  other  historical  lettors  iUnstrative  of  the 
reign  of  Henry  III.  I,  398  n.  326.  Dieses  Docoment  berieht  sich  zwar  auf 
Cambridge;  aUein  p.  399  findet  sich  die  Bemerkung,  dass  mutatis  mntandis 
gana  gleiche  Acte  fOr  Oxford  aasgefertigt  wurden. 

^^)  Dass  Robert  PuUus  von  Ezeter  nach  Oxford  gieng  und  dort  5  Jahre 
lang  die  Theologie  tradierte,  sagt  eine  anonyme  Gontinuatio  des  Ghron. 
Bedaa  bei  Wood,  Eist.  Univ.  Oxon.  I,  49  und  engl.  Ausg.  I,  142.  Schaar- 
achmidt  meint  8.  21,  ein  solcher  Versuch  Roberts  kOnne  keinesfialls  in  die 
Zeit  KOnig  Stephans  Men,  da  er  da  keinen  Sinn  h&tte.  Darauf  ist  an  er- 
widern, dass  Stephan  (1135—1154)  doch  nur  die  Romischen  Rechtsstudien 
verboten  hat  ( Joh.  Saresber.  Policrat.  L  8  ed.  Giles  p.  357).  Wenn  also  der  KOnig 
dem  Yacarius  Schweigen  auflegte  und  Vorlesungen  über  das  ROm.  Recht  Ton 
seinem  Reiche  verbannt  wissen  woUte,  so  folgt  noch  nicht,  dass  deshalb  die 
Schule  in  Oxford  au  existieren  aufgehört  habe,  oder  dass  an  derselben  der 
Unterricht  in  der  Theologie  unmOglidi  gewesen  sei  Schaarschmidt  findet  femer 
darin  eine  Schwierigkeit,  dass  Robert  bis  au  seiner  Erhebung  cum  Gardinalate 
nur  'ein  einfacher  Schiülehrer*  war,  den  Ausdruck  'doctor  soholasticus'  des 
Joh.  Saresber.  in  jener  Weise  widergebend.  Darauf  kann  ich  nur  entgegnen, 
Sfbaarschmidt  möge  uch  vorher  mit  dem  mittelalterl.  Sprachgebrauch  ver- 
traut nacheni  ehe  er  sich  unterflUigt  aber  das  Mittelalter  au  schreiben. 


248      ni.    EDtwickelniig  der  Hochsdmlen  bis  zm  Ende  des  14.  Jha. 

hatten"*).  Wohl  schon  nm  die  Mitte  des  13.  Jhs.  entstand  der 
Gebranch,  die  'Sennones  examinatorii  omninm  baccalariomm  tarn 
secnlarinm  qnam  religiosonmi'  in  dem  einen  der  beiden  Ordeoa- 
hänser  zn  halten'**).  Ln  J.  1257  wnrde  die  Hochschnle  die 
zweite  Schule  nnd  ein  Fundament  der  Kirche,  nnd  ftnf  Jahre 
firfiher  ^Oxonialis  nniyersitas  aemnia  Parisiensis'  genannt  **0- 
Nach  gleichzeitigen  Nachrichten  sollen  im  J.  1264  dort  nicht 
weniger  denn  gegen  15000  immatricnlierte  Schfiler,  nnd  Anfangs 
des  14.  Jhs.  gar  30000  gewesen  sein'**).    Allerdings  höchst nn- 


»9)  Selbst  Haber,  a.  a.  0.  8.  76  und  Pauli,  Programm  S.  3Sf  erkennen 
dies  an. 

1*^  Dies  gebt  ans  dem  Scbreiben  Clemens  Y.  vom  24.  April  1313 
an  den  Bischof  von  London  etc.  hervor  (Beg.  Vat  an.  8.  ep.  294  Bl.  dSb)^ 
worin  er  den  Bericht  der  Dominicaner  bringt,  dass  jene  sermones,  'qni  finnt 
anteqnam  baccalarii  in  facnltate  tbeologica  magistrentnr  . . .  a  tempore  cnins 
non  eztat  memoria'  in  den  betreffenden  Hinsem  gehalten  wflrden. 

^)  Chron.  maj.  ed.  Lnard  Y,  618:  Die  üniversitas  Ozomensis  sei 
scola  seennda  ecciesie,  immo  ecclesie  fnndamentnm.    Femer  ibid.  Y,  353. 

139)  üeber  das  J.  1264  s.  oben  S.  34  Anm.  144.    Für  den  Anfang  des 
14.  Jhs.  sind  die  Quelle  Richard  von  Armagh  (Cod.  Yat  Beg.  449  61. 37a,  Brown, 
Append.  ad  Fascicnl.frer.  n,  473),  der  vor  Innocenz  YI.  im  J.  1357  sagte, 
jetzt  seien  keine  6000  Studenten   mehr  in  Oxford,  während  frflher  (1333 
war   er  Kanzler)  30000  sich  dort  aufgehalten  hätten,    und  Thomas  Gas- 
coigne  (Dictionarium  theoL  in  Loci  e  libro  veritatum,  p.  202),  der  diese  Ziffer 
als  Kanzler  'in  rotulis  antiquomm  cancellariorum  Ozoniae'  gefunden  hat  Die 
Zahl  sowie  die  näheren  umstände  haben  ihre  Geschichte.    Huber,  Die  engl, 
ünffersit.  1, 114  f.  schreibt,  'eine  ziemlich  gut  Terbflrgte  Nachricht  schlägt  die 
Frequenz  von  Oxford  um  die  Mitte  des  13.  Jhs.  auf  etwa  30000  an*.  Er  wider« 
holt   dies   S.  225  Anm.,  yertheidigt  hier  wie  dort  diese  Ziffer,  und  meint, 
im  14.  Jh.  sei  sie  auf  4—5000  gesunken.    Ibid.  II,  250  sah  er  seinen  Irrthum 
ein  und  sagt,  jene  Nachricht  von  der  grossen  Frequenz  beziehe  sich  auf  die 
ersten  Jahrzehnte   des    14.  Jhs.   Pauli  kannte  Gascoigne  noch  nicht,  las 
ebenso    wenig    Richard    von   Armagh,   Hubers    Werk   aber   nicht   ganz, 
denn  in  seinem  Programm  S.  21  steht  er  gerade  mit  Berufung  auf  Huber 
ffXr  dessen  irrige  Angabe  ein.    Dieselbe  vertrat  jOngst  wider  Weber,  Üeber 
das  Yerhältniss  Englands  zu  Rom  (Berlin  1883)  S.  53  Anm.  1,  da  er  weder 
Richard,  noch  Gascoigne,   noch  Huber,  sondern  nur  Pauli  gelesen  hatte. 
Noch  kostlicher  nimmt  sich  yon  Stein  ans.    Er  hält  'mit  den  gesunden  Be- 
merkungen Hubers  alle  Angaben  Aber  die  Zahl  von  10,  20,  ja  40000  Zn- 
hOrem  für  absolut  werthlos;  die  höchste  nachweisbare  Ziffer  war  wohl  4400' 
(die    innere  Yerwaltung  l  c.  S.   256).     Dieser   hat  also  bei   Huber  gar 


2.   Hochschulen  ohne  Stifthriefe.   Oxford.  249 

glaublich,  denn  Oxford  hätte  damals  nicht  so  viele  nnd  grosse 
Räumlichkeiten  gehabt,  um  eine  solche  Menge  von  Scholaren  auf- 
zunehmen. Allein  sicher  ist,  dass  die  Schülerzahl  in  stetem 
Wachsen  begriffen  war,  was  sich  schon  daraus  schliessen  lässt,  dass 
in  Paris  die  Engländer,  die  dort  im  13.  Jh.  in  grosser  Anzahl 
studiert  hatten,  im  14.  Jh.  kaum  mehr  vertreten  waren  ^**),  weil 
sie  eben  zumeist  Oxford  aufsuchten. 

Die  Anfänge  des  ersten  Gollegs  in  Oxford,  und  überhaupt 
des  ersten  auf  englischem  Boden,  reichen  in  die  Zeit  vor  1264 
zurück.  Nach  Edmund,  Bischof  von  Nelson,  war  die  durch 
Walter  de  Merton  im  J.  1264  in  Maiden  vorgenommene  Grün- 
dung nur  die  Entwicklung  einer  frühem  Stiftung  unbekannten 
Datums  ^'^).  Der  ökonomische  und  geistliche  Theil  habe  in 
Maiden  gelebt,  während  die  Stipendiaten,  nämlich  20  Scholaren, 
sich  dort  aufhielten,  wo  sie  ihrer  Bestimmung  gemäss  studieren 
konnten,  also  zunächst  in  Oxford,  obwohl  sie  nicht  an  dieses 
Studium  gebunden  waren.  Gewiss  seien  die  Scholaren  schon  seit 
1264  in  Oxford  in  einer  Aula  beisammen  gewesen,  was  sich 
daraus  schliessen  lasse,  dass  sich  seit  jenem  Jahre  fast  alle  Er- 
werbungen auf  den  Ort,  wo  das  spätere  Merton-CoUeg  lag,  be- 
ziehen. Im  J.  1267  war  Walter  Besitzer  von  einem  grossen 
Areale,  das  am  3.  September  ein  königliches  Privileg  erhielt. 
Im  J.  1274  fand  die  Verschmelzung  der  verschiedenen  Zweige 
des  öconomisch- geistlichen  Theils  mit  dem  academischen  in  Ox- 
ford statt.  Erst  in  diesem  Jahre  stand  die  Stiftung  in  ihrer  Voll- 
endung da"*)- 

Oxford  war  eine  der  wenigen  Hochschulen,  an  der  im  13. 
Jh.    alle   Disciplinen,   welche   für   damals  in  Betracht  kommen 


nichts  gesehen,  ausser  die  NuHenl  Panlsen  echreiht  wie  Panli.  SyhelgHist. 
Zsch.  Bd.  45  S.  299.  Der  Heransgeher  Gascoignes  kannte  nur  Gascoigne, 
nicht  Richard,  nnd  sieht  ersteren  als  die  eigentliche  QneUe  an.   L.  c.  p.  234. 

1^  S.  oben  S.  96  Anm.  183. 

^)  S.  Edmund,  Bishop  of  Nelson,  Sketch  of  the  life  of  Walter  de 
Merton,  Oxford  and  London  1859,  p.  9  ff. 

i>^)  Ibid.  p.  16  ff.  Im  J.  1274  hest&tigte  der  EOnig  alle  Geschenke  an 
L&ndereien,  bescheinigte  die  Statuten  und  überträgt  den  Sitz  des  'domus' 
Ton  Maiden  nach  Oxford  ^bi  perpetuo  scholares  meos  moraturos  esse  de- 
cemo'.    Ibid.  p.  18. 


250    m*  Eotwickeloog  der  Hochscliideii  Iris  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

können,  und  zwar  auch  die  Theologie  gelehrt  worden.  Das  Jus 
ciyile  scheint  jedoch  anch  noch  im  An&nge  des  14.  Jhs.f  wie 
überhaupt  in  England,  so  auch  zu  Oxford  schwach  vertreten  ge- 
wesen zu  sein"*). 

Aber  im  Orunde  ist  die  Hochschule  der  2.  Hälfte  des  13.  Jhs. 
dieselbe  mit  jener  der  1.  Hälfte,  in  der  ihr  ebenso  wie  nachher 
der  Gancellarius  vorstand"'). 

Trotzdem  kann  diese  Schule  weder  eine  königliche  noch 
eine  päpstliche  Urkunde  aufweisen.  Als  man  sich  anderwärts 
um  derartige  Stiftungsbriefe  bewarb,  bestand  das  Studium  zu  Oxford 
bereits  ex  consuetudine.  Das  Schreiben  des  Cardinallegaten  Otho 
vom  J.  1238  setzt  den  Charakter  der  Schule  als  Studium  generale 
und  die  ^Universitas  magistrorum  et  scholarium'  als  existierend 
voraus  "*).  Wahrscheinlich,  dass  diese  letztere  seit  langem,  etwa 
seit  Ende  des  12.  Jhs.,  bestand,  denn  sowohl  ein  oben  dtiertes 
Document"*),  als  auch  das  von  Seite  der  Scholaren  mit  der  Stadt 
abgemachte  Uebereinkommen  wegen  der  Wohnungsmiethe  "*),  und 
der  gemeinschaftliche  Auszug  im  J.  1209  lassen  darauf  schliessen. 
Noch  mehr  aber  war  all  dies  eine  vollendete  Thatsache,  als  der 
Bischof  von  Lincoln  die  Magister  von  Oxford  hinsichtlich  der 
Lectionsordnung  auf  Paris  hinwies,  'ne  .  •  .  a  patrum  et  majorum 
vestigiis  et  conformitate  regentium  Parisius  theologorum  manifeste 
recedatur' "^),  oder  als  Innocenz  IV.  am  20.  Mai  1246  demselben 
Bischöfe  auftrug,  dafOr  zu  sorgen,  dass  in  Oxford  niemand  das 
Lehramt  in  irgend  einer  Facultät  ausübe,    'nisi  qui  secundum 


^)  Dies  sagt  Oascoigne  I.  c,  wo  er  Ton  den  80000  Scholaren  spridit- 

^)  S.  oben  S.  344.  So  heisst  es  anch  in  den  Docnmenten  vom  J. 
1214:  Gancellarins  scholariam  Oxon.  quem  episcopos  constitnerit  Mnn. 
academ.  I.  2;  Wood,  Hist.  unWers.  Oxon.  I,  61. 

^M)  S.  Munim.  academ.  I,  6  ff. 

^^)  8.  oben  S.  244. 

^^)  Dass  bereits  Tor  1209  die  Taxation  der  Wohnongen  eommnni  oon- 
BÜio  clericorom  and  der  Stadt  Torgenommen  wnrde,  ergibt  sich  ans  dem 
Documente  des  Cardinallegaten  yom  J.  1214  (Man.  academ.  1, 1).  Nor  moss 
es  dort  in  dem  Satze:  'taxatae  commoni  consilio  clericorom  et  nostro  ante 
recessom  scholarium'  statt  'nostro'  *Testro'  heissen. 

^^)  Boberti  Grosseteste  epistolae  ed.  Luard  p.  347  ep.  188. 


2.   Hoohflclialen  ohne  Stiftbriefe.  Orltens.  251 

morem  Parisiensem  .  .  .  examinatos  fuerit'^").  Und  als  er 
spater,  im  J.  1254,  alle  der  Universität  von  wem  immer  er- 
iheilten  4mmunitates,  libertates  et  laudabiles  antiquas  rationabiles 
consuetudines*  bestätigte,  erkannte  er  wenigstens  stillschweigend 
den  rechtmässigen  Bestand  der  Schale  und  deren  Universität  an"'). 
Man  war  bisher  gewohnt  Oxford  und  Cambridge  unter  6inem 
Gesichtspunkte  zu  betrachten.  Es  geht  dies  an,  wenn  man  die 
Verfassung  beider  Schulen  vergleicht,  nicht  aber  in  Hinsicht  auf 
deren  Entwicklung.    Cambridge  gehört  nicht  in  diesen  Abschnitt. 

Orleans. 

Über  das  Studium  zu  Orleans  waren  die  bisherigen  For- 
schungen theils  höchst  ungenügend,  theils  irreführend,  und  zwar 
sowohl  betreffs  der  Entstehung  des  Generalstudiums,  als  auch 
der  Organisation  desselben.  Uns  beschäftigt  hier  vorläufig 
nur  die  Frage  nach  der  Entstehung. 

Wären  die  bisherigen  Forscher  im  Hechte,  so  dürfte  dieses 
Studium  noch  weniger  in  diesem  Abschnitt  behandelt  werden,  als  das 
zu  Cambridge.  Ziemlich  allgemein  nahm  man  nämlich  an,  es  sei 
erst  (1306)  von  Clemens  V.  als  Generalstudium  erklärt  oder  ge- 
gründet worden"^),  wenngleich  man  dann  hie  und  da  zugestand, 
dass  bereits  früher  ein  Bechtsstudium  dort  existiert  habe  ^"^),  zu 

IS')  Reg.  Yat.  an.  8.  ep.  520  61.  284.  Wood  engl.  Ausg.  I,  236. 
Berger  n.  1S59,  dem  jedoch  ebenso  wie  Potthast  der  Druck  bei  Wood  entgieng. 

1»)  Reg.  Yat.  an.  12.  ep.  251.  252  61.  180a.  Mnn.  acad.  I,  26.  27 ff. 
Beiläufig  bemerke  ich  hier,  dass  sich  Ton  der  üniversit&t  Oxford  einige  in- 
teressante Rotuli  und  Suppliken  im  Yat.  ArchiT  erhalten  haben.  Reg.  Suppl. 
dem.  YI.  aa.  1.  p.  2BL  164b;  an.  7  p.  3  Bl.  199a;  Innocenz  YI.  an.  8  p,  8 
BL  66b;    ürbani  Y.  an.  1  p.  8  Bl.  7;  p.  1  Bl.  207;  an.  4  p.  l  Bl.  61. 

^  8o  bereits  Pasqnier,  Reoherches  de  la  France  I,  989  und  Du 
Bonlay  lY,  101 ;  Bimbenet  Histoire  de  Tuni^ersit^  de  lois  d'Orl^ans  (1858)  p.  6 ; 
SaTigny  III,  401  (*der  EOnig  genehmigte  diese  Stiftung'  des  Papstes);  Jour- 
dain,  Index  chronol.  chartar«  uniTors.  Paris,  n.  868;  Budinssky,  Die  üniTor- 
•iUt  Paris  (Berlin  1876)  S.  51.  Le  Maire,  Histoire  de  la  ^me  et  duch« 
d'Orltens,  Orlöans  1648,  I,  886  hatte  eine  etwas  richtigere  Ansieht  Neuestens 
vertrat  die  falsche  LaTsJ,  Cartnlaire  de  l'nniTersitö  d'Ayignon  (1884)  I, 
lY;  er  behauptet,  Orleans  sei  nach  dem  Muster  Ton  ATignon  gegrflndet 
worden.    In  der  Regel  bringen  auch  Alle  das  irrige  Datum  1305. 

lU)  So  sagt  Savigny  S.  400:  ^Schon  frühe  war  hier  eine  berühmte 
Schule  und  awar  wahracheinlieh  eine  Rechtsschule'.    Bonderbar  iii  der  Be* 


252      in.   Entwickelang  der  Hochschalen  bis  mm  Ende  des  14  Jhs. 

welcher  Annahme  es  übrigens  nicht  viel  Scharfsinnes  bedurfte, 
da  ja  Clemens  in  mehreren  Schreiben  sagt:  es  habe  dort  'ab 
antiquo'  ein  Bechtsstudium  geblüht.  Allein  obige  Ansicht  ist 
unrichtig.  Clemens  V.  setzte  das  Generalstudium  als  bereits 
existierend  voraus,  er  gründete  es  weder,  noch  erklärte  er  es  zu 
einem  solchen,  sondern  er  gab  den  Magistern  lediglich  das  Corpo- 
rationsrecht ,  machte  Bestimmungen  behufs  Beorganisierung  der 
Anstalt  und  beschenkte  sie  mit  Privilegien. 

Da  das  Generalstudium  des  14.  Jhs.  in  Orleans  eine  Bechts- 
schule  war,  welche  für  die  andern  Facultäten  kaum  mehr  Platz 
Hess,  so  muss  das  Generalstudium  auch  für  die  frühere  Zeit  als 
Bechtsschule  nachgewiesen  werden.  Delisle  hat  in  einem  dankens- 
werthen  Artikel  die  Existenz  einer  Schule  für  Briefstil  und 
lateinische  Poesie  in  Orleans  während  des  12.  und  13.  Jhs.  dar- 
gethan^'').  Allein,  man  wäre  im  Irrthum  zu  glauben,  aus  dieser 
Schule  habe  sich  das  Generalstudium,  um  das  es  sich  handelt, 
nach  und  nach  entwickelt.  Im  Gegentheile,  je  mehr  dieses  in 
Aufnahme  kam,  desto  mehr  trat  die  ältere  Schule  in  den  Hinter- 
grund. Dass  dies  bereits  vor  Ende  des  13.  Jhs.  der  Fall  war, 
und  es  mithin  unrichtig  ist  ganz  allgemein  zu  sagen:  im  12.  und 
im  13.  Jh.  hätte  das  Studium  des  Briefstiles  etc.  die  Jugend 
nach  Orleans  gezogen,  wird  sich  ergeben. 

Die  ersten  Actenstücke  für  eine  Bechtsschule,  und  zwar  speciell 
für  eine  Schule  des  Böm.  Bechts  in  Orleans  sind  zwei  bisher 
unbekannte  Schreiben  Gregors  IX.  vom  17.  Jänner  1235  an  Philipp 
Berruier,  Bischof  von  Orleans.  Aus  dem  ersten,  dem  eigentlich  be- 
weisenden, ergibt  sich,  dass  der  Bischof  Bedenken  trug,  ob  die 
Legisten,  die  bereits  in  grösserer  Anzahl  zu  Orions  in  Mitten 
eines  Schülerkreises  lehrten,  das  Bömische  Becht  vortragen  dürften, 


weis:  1286  hätten  die  Scholaren  mit  denBflrgem  einen  Streit  gehabt,  wobei 
mehrere  der  erstem  erschlagen  worden  seien.  Gfr.  Matth.  Paris,  Chron.  mi^ora 
ed.  Lnardin,  370.  Matthaeus  spricht  aber  norTon'scolares  juvenes  iUnstrissimi 
et  genere  preclari'.  Die  Existenz  eines  Rechtsstudioms  im  18.  Jh.  gibt  auch 
Thurot,  Docnments  relatift  a  l'aniversitö  d'Orl^ans  in  der  Bibl.  de  Pteole 
des  chartes  XXXII  (1871),  380  in,  ohne  sie  jedoch  nachweisen  sa  können. 

^^)  Les  ^les  d'Orlöans  an  donxi^me  et  an  treiridme  siMe,  im  Annn- 
aire-Bolletin  de  la  bociM  de  lliistoire  de  Franoe  YII,  289  ff. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Orleans.  253 

da  dies  doch  in  Paris  verboten  sei.  Der  Papst  antwortet  auf 
seine  Anfrage  bejahend;  er  macht  jedoch  in  Hinsicht  auf  die 
Geistlichen  mit  Seelsorge  sowie  die  Archidiacone,  Decane  und 
Erzpriester  eme  Ausnahme^'').  Das  zweite  Schreiben  bezieht 
sich  zwar  nicht  direct  auf  das  Rechtsstudium,  aber  da  es  unter 
demselben  Datum  und  in  Verbindung  mit  dem  ersteren  ausgestellt 
ist,  so  steht  es  doch  indirect  zu  demselben  in  Beziehung.  Der 
Bischof  erbittet  für  die  Scholaren,  die  fortwährend  in  grosser 
Menge  nach  Orleans  strömten,  propter  injectionem  manuum  Ab- 
solution, die  später  gewährt  wurde  ^'^).  Auf  eine  ziemliche  Anzahl 
von  Studenten  lässt  auch  der  Bericht  des  Matth.  Paris  zum 
J.  1251  über  die  Anwesenheit  der  sogenannten  ^pastores'  in  Orleans 
Bchliessen  "•). 

Im  Jahre  1266  muss  der  Buf  der  Schule  schon  bedeutend  ge- 
wesen sein,  denn  König  Karl  I.  von  Neapel  richtete  in  diesem  Jahre 
ebenso  an  die  Professoren  und  Scholaren  von  Orleans  wie  an 
die  von  Paris  ein  Schreiben,  um  sie  für  das  von  ihm  reorgani- 
sierte Studium  zu  Neapel  zu  gewinnen;  zugleich  berief  er  auch 
von  dort  Professoren'").  In  jener  Epoche  war  auch  das  artisti- 
sche Studium  noch  stark  in  Orleans  vertreten  und  rivalisierte  mit 
dem  von  Paris"').  Aber  zur  Zeit,  als  Philipp  IV.  (im  J.  1297) 
seinen  Untergebenen  befahl,  die  Professoren  und  Scholaren  von 


137)  Aorelianensi  Episcopo.  Nobis  taa  fraternitas  postalaTit,  at  com 
prohibitom  sit  ne  leges  legantar  Parisias,  et  in  Anrelianensi  civitate  plures 
legnm  doctores  et  scolares  etiam  commorentur,  utrum  id  tolerare  valeas  per 
DOStras  te  litteras  edocere  benignins  dignaremnr:  nos  igitar  taam  snper  hoc 
pnidentiam  commendantes  magistros  quam  scolares  prefaots,  archidiaconis, 
decanis,  archipresbyteris  et  aliis  personis  ecclesiasticis  curam  animarom 
habentibuB  damtaxat  ezceptis,  libere  leges  ibidem  aadire  ac  docere  permittas. 
Reg.  Vat.  an.  8  ep.  420  Bl.  252b. 

^  £z  parte  toa  foit  a  nobis  hamiliter  postnlatum,  at  cum  mnltitado 
scolarinm  ad  ciTitatem  et  diocesim  taam  confioxerit  et  confiuat  incessanter 
etc.   Reg.  Yat.  an.  8  ep.  421. 

199)  Ghron.  mBj.  ed.  Lnard  V,  249.  Matth.  Paris  spricht  von  der 
hrniversitas  scolariam',  was  jedoch  hier  nicht  wörtlich  genommen  werden  darf. 

1^0)  Del  Gindice,  Cod.  diplomat.  del  regno  di  Carlo  1.  e  IL,  I,  250. 
Note. 

1^1)  S.  Ratebenf  ed.  Jnbinal  (Paris  1838)  II,  415. 


254    ^I*  Entwickalling  der  Hochschulen  bis  «mm  Ende  des  14.  Jhs. 

Paris  und  OrUans  während  des  Krieges  nicht  zu  belästigend^'), 
da  war  das  Studium  wohl  hauptsächlich  Bechtsschule.  Das  wich- 
tigste Document  hierüber  ist  ein  bisher  unbekanntes  Schreiben 
Bonifaz  Ym.  vom  1.  März  1301  an  den  Bischof  von  Auxerre, 
Peter  de  Momay,  gerichtet.  Folgende  Thatsachen  erhellen  aus 
demselben.  Bereits  als  der  Adressat  Bischof  von  Orleans  (1288— 
1296)  war,  kamen  zum  dortigen  Studium  so  viele  Rechtslehrer, 
dass  nicht  ein  jeder  derselben  eine  hinreichende  Schülerzahl  er- 
halten konnte,  weshalb  der  Vorstand  des  Studiums,  nämlich  der 
Scholasticus  der  Gathedrale,  mit  den  Doctoren,  dem  Capitel  und 
dem  Bischof  bestimmte,  dass  in  Zukunft  dort  2  Decretisten, 
3  Decretalisten  und  5  Givilisten  ordinarie  lesen  sollten  ^^').  Ist 
schon  diese  Anzahl  von  Bechtslehrem  pine  erkleckliche,  so  folgt, 
dass  sie  früher  noch  grösser  gewesen.  Man  sieht  aber  auch,  dass  ge- 
rade das  Studium  des  Köm.  Bechts  am  stärksten  betrieben  wurde. 
Einem  der  Nachfolger  des  Adressaten  auf  dem  bischöflichen  Stuhle 
in  Orleans,  Berthold  (1300—1307),  genügten  indessen  5  Givilisten 
nicht,  er  stellte  eigenmächtig  noch  einen  sechsten  an,  nämlich 
einen  gewissen  Magister  Alanus,  obwohl  Bertholds  unmittelbarer  Vor- 
gänger, Ferricus  (1296-1299),  das  frühere  Statut  bestätigt  hatte. 
Auf  die  Vorstellungen  der  Doctoren  hin  antwortete  Berthold,  er 
werde  nicht  bloss  einen,  sondern  vier  oder  filnf  weitere  anstellen, 


1^)  Bei  Du  Bonlay,  Hist  oniv.  Paris.  V,  790. 

1^)  Yen.  fr.  episc  AnUsiodorenai.  Significant  nobia  BColMdciis  ecdene 
ftfC  dociores  stadii  Aarelian.,  qaod  cnm  oUm  ad  dictnin  atadium,  qnod  in  di* 
Toraia  florere  acientiia  preaertim  in  ntroqae  jure  ab  aaüqoia  temporibna  con- 
aaeTit,  taatadoctommcoiiciirret  (aicl)  mnltitado,  quodeonun  aingulia  haben 
neqaeoiitibiia  decentem  andienüiuii  comittTam,  erat  ipd  atiidio  multitBdo 
keioa  idarimiiaa  oneroaa  ac  eonim  doctomm  aactoritaa  et  doctrina  propter 
ipaomm  nmeroaitatem  nimiain  quodammodo  rileacebat:  prefatoa  ecolaaticui 
ad  qnem  einsdem  atadii  gnbematio  et  diapoaitio  ab  antiqna  ^»probata  et 
haelenoa  pacifice  obaerrata  ooBaaetodine  pertinet,  habito  aaper  hiis  tarn  coan 
doctoriboa  taue  in  atudio  predicto  legentiboa,  quam  com  capitnlo  dicte 
eccleaie  tractatn,  de  ipaomm  aaaenan  et  Tolnntate,  intenreniente  inaaper 
anctoritate  tna,  qai  tone  AoreL  eccleaie  preaidebaa,  certam  haina  doctomm 
nomerom  ordinarie  in  atodio  j^redicto  legentinm,  daonun  fidelicet  in  deeretia, 
trinm  in  decratalibna  et  qoinqne  in  jore  ciTili,  dnxit  deliberatione  proTida 
atatnendnm,  aatringendo  ae  ad  hninamodi  nunemm  in  eodem  atndio  per- 
petnia  tea^Mriboa  obaarrandnaa.    Rag.  Tat  an.  7  ep.  86  BL  Sla. 


3.  Hochtchnleii  ohne  Stiftbriefe.   Orl^aiu.  255 

würden  sie  sich  nicht  fügen.  Um  ihnen  die  facultas  appellandi 
zu  nehmen,  heisst  es  im  genannten  päpstlichen  Schreiben,  4nhi- 
buit  Omnibus  et  singulis  doctoribus,  bachalariis  et  scolaribus 
universis  eiusdem  studii,  ne  pro  huius  negotii  prosecutione  aut 
alia  quacunque  de  causa  congregationem  aliquam  facerent  seu 
super  aliquibus  communem  tractatum  haberent  absque  sua  licentia 
specialis  in  singulos  contrafacientes  excommunicationis  sententiam 
promulgando'.  Der  Scholasticus  und  die  Doctores  ipsius  studii, 
die  darin  einen  grossen  Schaden  für  dasselbe  erblickten,  appel- 
lierten an  den  Papst,  und  dieser  bestellte  den  Adressaten,  einen 
früheren  Doctor  am  genannten  Studium,  zum  Schiedsrichter.  Er 
möge  sich  nach  Orleans  begeben  und  dort  in  Gegenwart  beider  Theile 
^pro  tranquillitate  et  statu  salubri  tam  studii  quam  in  eo  le- 
gentium  et  studentium  predictorum'  kraft  apostolischer  Auetoritat 
die  nöthigen  Beschlüsse  fassen  ^^*). 

Die  Blüthe  der  Bechtsschule  zu  Orleans  in  jener  Zeit  ist 
noch  aus  andern  Documenten  ersichtlich.  Der  Bischof  von  Amiens, 
Wilhelm,  sagte  in  einer  Bede  mit  Bezug  auf  das  Beichtprivileg 
der  Mendicanten,  deren  heftiger  Gegner  er  war,  ca.  1288:  Post- 
modum  dum  essemus  in  domo  nostra  prope  Aurelianis,  visum  fiiit 
nobis  ezpediens,  quod  negotium  et  privilegia  exponerentur  magistris 
et  Scolaribus  Aurelianensibus,  qui  sunt  peritiores  in  iure 
quam  Parisienses  et  melius  intelligentes^^').  Die  Rechts- 
schule von  Orleans  war  also  in  der  2.  Hälfte  des  13.  Jhs.  berühmter 
als  die  Rechtsfacultät  zu  Paris,  und  es  ist  mithin  sehr  zweifel- 
haft, ob  die  Behauptung  Thaners,  die  französische  Scholastik  des 
canon.  Rechtes  habe  an  der  Universität  Paris  ihren  nationalen 
Mittelpunkt  gehabt,  richtig  ist'^').   Hatte  doch  Orleans  vor  Paris 


1**)  Beg.  Vat.  L  c. 

145)  Cod.  Paris.  3120  Bl.  32  b.  Dieser  wichtige  Codex  wurde,  scheint  es, 
seit  Balose  (Yitae  pap.  Avenion.  I.  Notes  p.  578)  and  Qa6tif-£chard  (SS.  Ord. 
Praed.  I,  295. 404)  nicht  mehr  hervorgezogen,  resp.  benutzt  Der  grösste  Wider- 
part des  Bischofs  war  der  Dominicaner  Johannes  de  S.  Benedicto.  Beide 
studierten  einst  zusammen  die  Artes  za  Paris  'in  Garlandia',  wo  eben  die 
Artistenschale  war.    Ueber  den  Bischof  s.  GalL^christ.  X,  1190. 

1^)  Zwei  anonyme  Glossen  znr  Samme  Stephan!  Tomacensis.  Wien 
1876.    8.  25. 


256      m*  Entwickelnng  der  Hochschulen  his  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

den  Vorzug,  dass  mit  dem  canon.  Recht  auch  das  röm.  tradiert 
wurde.  Dass  Orleans  als  Rechtsstudium  Ende  des  13.  Jhs.  bereits 
einen  Weltruf  erlangt  hatte,  schliesse  ich  auch  daraus,  dass 
König  Wenzel  n.  von  Böhmen  einen  jungen  Mann  keineswegs 
nach  Bologna,  sondern  dorthin  schickte.  Römisches  Recht  zu 
hören,  damit  er  in  die  Heimath  zurückgekehrt  nach  dem  Plane 
des  Königs  die  einheimischen  Gesetze  auf  Grund  des  Römischen 
Rechts  umgestalte  '^0-  Wie  anderen  Generalstudien  z.  B.  Bologna, 
Toulouse,  Padua,  Salamanca  und  dem  der  Röm.  Curie,  übersandte 
Bonifaz  YIU.  im  J.  1298  seine  Decretalen  auch  den  Doctoren 
und  Scholaren  von  Orleans*"). 

Als  nun  am  27.  Jänner  1306  Clemens  V.,  der  an  diesem  Studium 
im  Röm.  Rechte  promoviert  hatte,  sein  erstes  Schreiben  dorthin  rich- 
tete, handelte  es  sich  nicht  mehr  um  Gründung  oder  Bestätigung  des 
Generalstudiums.  Die  Unordnungen,  welche  in  den  letzten  Jahren 
dort  vorkamen  und  von  denen  die  oben  erwähnten  nur  einen  Theil 
bildeten,  machten  es  nur  wünschenswerth,  dass  die  Professoren  und 
Schüler  des  Studiums  selbständiger  und  mehr  consolidiert 
würden,  und  dass  ein  Theil  der  Rechte,  welche  der  Scho- 
lasticus  bisher  besass,  an  die  Professoren  abgetreten  werde. 
Kurz,  es  stellte  sich  die  Nothwendigkeit  heraus,  dass  die  Pro- 
fessoren und  Scholaren  Corporationsrechte  erhielten.  Zu  diesem 
Zwecke  giengen  die  Professoren  Johannes  de  Unistinga  utriusque 
juris,  Michael  Macondit'^')  et  Stephanus  de  Momeio  legum  pro- 
fessores  nach  Lyon  zum  Papste,  um  ^pro  universis  doctoribus  et  sco- 
laribus  predicto  immorantibus  et  immoraturis  studio  nonnuUa 
privilegia,  immunitates  et  gratias  cum  instantia  suppliciter'  zu 
erbitten,  wie  Clemens  Y.  unter  demselben  Datum  schreibt^"). 


^^7)  Adolescentem  qnempiam,  Conradum  nomine,  Aarelianis  ad  stadiom 
deitinavit,  qnatenns  ipse  in  legam  scientia  ibidem  stndendo  proficeret  et 
qnandoqne  roTenns  ipsanim  legum  tenorem  prout  rex  conceperat  in  regno 
Bohemie  instaararet   Gron.  Anlae  regiae  in  Fontes  rer.  anstriac.  SS.  VIII,  130. 

^^)  8.  Friedbergs  Ausg.  S.  934  Anm. 

1^9)  In  Reg.  Yat.  an.  4  ep.  372  Bl.  80  b  heisst  er  Maloondicios. 

^^)  Reg.  Yat  an.  1  ep.  325  BL  68  b.  Er  Terordnet,  dass  die  genannten 
Professoren  von  den  Scholaren  in  Orleans  für  ihre  Mflhen  and  Strapazen  ent- 
ichlidigt  würden. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Orleans.  257 

Nur  die  Unordnungen  der  letzten  Jahre,  welche  daran  Schuld 
waren,  dass  die  aus  der  Lehranstalt  Hervorgegangenen  bei  weitem 
nicht  mehr  den  frühern,  die  mit  Recht  Säulen  der  Kirche  genannt 
werden  konnten,  glichen,  bestimmten  den  Papst  zu  seinem  Vor- 
gehen, nicht  aber  der  Gedanke,  das  Studium  zu  Orleans  sei  noch 
kein  Generalstudium.  Dies  lernen  wir  aus  einem  von  ihm 
22.  April  1309  an  die  Doctoren  und  Scholaren  gerichteten 
Schreiben  ^'^').  Was  das  Studium  selbst  anbelangt,  so  wollte  er 
dasselbe  nur  auf  den  frühern  Stand  zurückführen^");  das  Neue 
betraf  die  Professoren  und  Scholaren  an  dem  Studium,  denen  er 
am  27.  Jänner  1306  die  Erlaubniss  gegeben,  in  Zukunft  eine  Cor- 
poration und  ein  CoUegium  zu  bilden,  das  nach  Art  des  GoUegiums 
am  Generalstudium  zu  Toulouse  regiert  werden  sollte.  Die  Doctores 
erhalten  nun  das  Becht  Statuten  in  Bezug  auf  alles,  was  sie  und 
ihr  Verhältniss  zum  Studium  und  den  Schülern  angeht,  zu  machen, 
und  er  ertheilt  ihnen  die  Vollmacht,  wenn  ihnen  auf  zugefügtes 
Unrecht  nicht  Genugthuung  widerfahre,  die  Vorlesungen  einzustellen. 
Er  gab  ihnen  die  Privilegien  der  Doctoren  und  Scholaren  von 

1^^)  Inter  cetera  studia  iuris  canonici  et  civilis  Aurelianense  stndium  et 
doctorum  peritia  et  scolarium  disciplina  preclarum  velut  singulare  sidus  immo 
nt  alternm  in  terris  celum  sydereum  jam  pridem  emicuit  .  . .  quodque  pre- 
clarum tune  fuerat,  nunc  nt  accepimus  obscuratum  est  celum.  Nam  moderne 
stelle  prioribuB  impares  non  manentes  in  suo  ordine  a  cursu  solito  deviantes 
no?is  quorondam  adinventionibus  succedentibus  splendorem  solitum  retraze- 
mnt.  ...  ad  nostram  reducimus  memoriam,  quod  de  ipso  studio  yelut  de 
quibnsdam  lapidicinis  in  firmo  positis  olim  non  minus  recte  quam  solide 
excidebantnr  colnmpne  dei,  ecclesiam  in  statum  boni  regiminis  supportantes, 
eo  quod  tnnc  ipsnm  Studium  sub  quibusdam  multiplicabatur  libertatibus  et 
obserTantiis  regebatur,  quibus  ut  asseritur  nunc  quorundam  machinationibus 
destitntnm  Servitute  premitur  et  ad  multa  deductus  devia  prioribus  absimiles 
discipulos  parit  Reg.  Vat.  an.  4  ep.  372  Bl.  80 a.  Diese  Briefe  Clemens 
Y.  finden  sich  auch  im  Statutenbuch  der  üniyersitftt  Orleans,  Cod.  Tat.  Reg. 
405  und  Cod.  August,  n.  78.  8  zu  Wolfenbüttel.  Beide  Hss.  sind  sehr  gut.  Einen 
stark  verderbten  Text  enth&lt  Cod.  Paris.  4223\  Ich  eitlere  nach  Cod.  Yat. 
Reg.  aus  dem  14.  Jh. 

^^)  Ibid.  sagt  er:  Eapropter  ad  antlquas  consuetudines  et  observantias 
perquam  utiles  volenübus  in  eodem  studio  proficere  idem  Studium  paterne 
BoUicitndinis  studio  ordinavimus  reducendum,  und  bringt  nun  die  Statuten 
Aber  die  ganze  Ordnung  der  Vorlesungen,  welche  zu  dem  Zwecke  Peter, 
Bischof  von  Palestrina,  entworfen  hatte. 

D  o  B  i  n  e ,  Die  UniTenitftton  L  1 7 


258    in.  Entwickeluog  der  Hochschnlni  bis  zum  Eode  des  14.  Jhs. 

Toulouse'**).  Der  Bevormundung  durch  den  Scholasticus  wurden 
sie  nun  so  weit  möglich  entzogen  und  auf  eigene  FOsse  ge- 
stellt»*)- 

Es  ist  klar,  dass  das  Studium  in  Orleans  seit  der  1.  Hälfte 

des  13.  Jhs.  vorzüglich  als  Rechtsstudium  florierte.  Bonifaz  VIIL 
sagt  zwar  in  seinem  Schreiben,  früher  seien  die  verschiedenen 
Wissenschaften  dort  betrieben  worden;  allein  für  seine  Zeit  spricht 
er  nur  vom  Jus.  Ebenso  beziehen  sich  die  Verordnungen 
Clemens  V.  ausschliesslich  auf  die  Rechtswissenschaft,  von  einem 
Studium  der  lateinischen  Poesie  etc.  ist  keine  Rede  mehr;  ja  der 
Papst  sagt  widerholt,  in  Orleans  habe  litterarum  Studium  in 
utroque  jure  ac  presertim  civili  laudabiliter  ab  antiquo 
geblüht"*). 

Daraus  folgt  zugleich,  dass  gerade  das  Studium  des  Rom. 
Rechts  eifrig  gepflegt  wurde,  was  durch  oben  angeführte  Do- 
cumente  bestätigt  wird^*^),  und  was  sich  noch  weiter  unten  er- 
geben wird.  Nun  erhält  der  an  erster  Stelle  herangezogene 
Act  seine  Bedeutung.  1235  oder  noch  1234  ergeht  nämlich  an 
den  Papst   die  Anfrage,    ob   in   Orleans  Vorlesungen   über  das 

i&3j  Quin  igitar  in  Aarelianensi  cifitate  litterarnm  stndiam  in  ntroqne 
jure  ac  presertim  civili  laudabiliter  vigaerit  ab  antiqno  .  .  .  nos  ipsam  .  .  . 
▼olentes  opportunis  confovere  favoribus  et  presidiis  commanire  .  .  .  presen* 
tiom  aactoritate  concedimus,  ut  doctores  et  scolares  in  dicto  Aarelianensi 
studio  nunc  et  in  posterum  immorantes  habeant  universitatem  et  coUegium 
regendum  et  gubernandum  ad  modum  universitatis  et  collegii  generalis  stodii 
Tholosani.  Dicti  quoque  doctores  condendi  seu  faciendi  constitutiones,  ordi- 
nationes  et  statuta  provida  .  .  .  super  modo  eligendi  rectorem,  qui  predlctntn 
collegium  et  universitatem  regat  .  .  .  liberam  habeant  facaltatem  •  .  .  Cete- 
rum  ut  doctores  et  scolares  predicti  eo  liberius  valeant  intendere  studio  et 
proficere  in  eodem,  quo  magis  se  munitos  aguoverint  gratia  et  favore,  ancto- 
ritate  apost  indulgemus  eisdem,  ut  .  .  .  omnibus  privilegiis,  libertatibas 
et  immunitatibuS  concessis  doctoribus  et  scolaribus  in  Tholos.  studio  commo- 
rantibus  gaudeant  et  utantur.  Reg.  Vat.  an.  1  ep.  326  Bl.  64.  Cod.  Yat 
Reg.  405  BL  15a.    Vgl.  dazu  Bl.  18—21. 

^^)  So  im  angeführten  Schreiben  und  ep.  292  Bl.  58a,  sowie  Cod.  Yat. 
Beg.  405  Bl.  16a.  Am  30.  Juni  1307  verfasste  die  UniveniUt  das  Statut 
'de  rectore  eligendo  et  procuratoribus  nationum'.    Ibid.  BL  24*"* 

1^^)  So  in  vier  Schreiben  vom  27.  Jänner  1306.  Vgl.  anch  oben  Anm. 
153  und  S.  257  Anm.  151. 

»^)  S.  oben  S.  252  ff. 


2.   Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Orleans.  259 

Römische  Becht  erlaubt  seien,  da  sie  in  Paris  verboten  wären. 
Der  Papst  findet  keine  Schwierigkeit  darin  und  ertheilt  die  Er- 
laubniss.  Soweit  der  Wortlaut  jenes  Documentes  einen  Schluss 
zulässt,  scheinen  damals  noch  nicht  zu  viele  Eechtslehrer  und 
Rechtsschüler  in  Orleans  gewesen  zu  sein**'^),  was  wohl  darauf 
hindeutet,  dass  die  Legis tenschule  zu  Orleans  noch  in  den  An- 
fangen war.    Wie  kamen  nun  die  Legisten  dorthin? 

Am  16.  November  1219^*®)  wurde  von  Honorius  III.  das 
Schreiben  nach  Paris  gesandt,  worin  er  für  Paris  und  die  um- 
liegenden Städte  alle  Vorlesungen  über  das  Rom.  Recht  ver- 
bietet. Die  Legisten,  die  sicher  nicht  in  grosser  Anzahl  in  Paris 
waren  ^"),  mussten  also  bald  darauf  die  Stadt  verlassen.  Ich  kann 
mich  da  nicht  des  Gedankens  erwehren,  dass  sie  sämmtlich  oder 
mehrere  von  ihnen  nach  Orleans  gezogen  sind  und  dort  ihre  Vor- 
lesungen in  den  nächsten  Jahren  über  das  Rom.  Recht  wider  auf- 
genommen haben.  Orleans  war  zudem  1 229  mit  Angers  und  Tou- 
louse einer  der  Orte,  den  die  Pariser  Magister  und  Scholaren  bei 
ihrer  Auswanderung  vorzüglich  aufsuchten.  So  würde  es  sich  auch 
erklären,  warum  von  jener  Zeit  an  die  Hauptstärke  am  Studium 
zu  Orleans  im  Rom.  Rechte  lag.  Sollte  man  darin  eine  Schwierig- 
keit finden,  dass  erst  1234—1235  vom  Bischof  von  Orleans 
wegen  der  Zulässigkeit  eine  Anfrage  geschah,  so  löst  sich  dieselbe 
dadurch,  dass  gerade  im  J.  1234  ein  neuer  Bischof  den  dortigen 

167)  Oben  S   253  Anm.  137. 

1^)  So  im  Cod.  263  der  Biblioteca  Alcobaga  (in  Biblioteca  nacional  zu 
Lissabon)  aus  der  Mitte  des  13.  Jhs.  (nach  den  Briefen  des  Peter  Bles.)  Das 
päpstliche  Schreiben  ist  adressiert  Dilectis  filiis  capitulo  paris.  et  ceteris 
ecclesiarum  prelatis  et  capitulis  in  civitate  ac  diocesi  Paris,  constitntis  .  .  . 
Super  tpelunca  (1.  «pecuto).  Dat.  Yiterb.  XYI  kal.  Decemb.  an.  4^.  Savigny 
meint,  in  der  Wiener  Hs.  j.  civ.  173  (jetzt  7219)  sei  dieselbe  Bulle  und 
mit  derselben  Adresse  datiert  Y.  Id.  Maii  an.  3.  (Yermischte  Schrift.  III, 
413  f.).  Allein  Sarigny  wurde  falsch  benachrichtigt.  Die  Bulle  Super  apecula 
findet  sich  nicht  im  Codes;  die  Ton  ihm  genannte  ist  jene  bei  Potthast 
n.  6061.  In  den  Reg.  Yat.  Hon.  an.  4.  ep.  610  Bl.  143  b  ist  die  Const.  Yen. 
frat . .  Patriarche  Antiochen.  et  nniversis  archiepiscopis  et  episcopis  ac  dil.  f. 
ceteris  ecclesiarum  prelatis  in  patriarchatu  Antiochen.  constitntis  adressiert 
mit  Dat.  X.  kal.  Dec. 

^^)  Darauf  scheint  mir  auch  der  Umstand  hinzudeuten,  dass  Innocenz  III. 
im  J.  1209  in  der  Adresse  nur  die  rectores  decretorum  erwähnt.  S.  oben  S.  107. 

17* 


260    ni.  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Bischofstuhl  bestieg'^®),  und  dieser  eben  bedeutend  skrupulöser 
war  als  sein  Vorgänger.  Eine  Schwierigkeit  entstünde  nur  dann, 
wenn  von  1219  oder  1220  an  bis  1235  immer  derselbe  Bischof 
gewesen  wäre. 

Eines  ist  aber  sicher,  dass  das  Generalstudium  zu  Orleans 
weder  einen  päpstlichen  noch  einen  königlichen  Stiftungsbrief 
aufweist.  Als  im  Anfange  des  14.  Jhs.,  nämlich  1306,  die  Ma- 
gister sich  dort  zu  einer  Corporation  verbanden,  bestand  bereits 
das  Generalstudium,  als  solches  war  es  wenigstens  seit  der 
1.  Hälfte  des  13.  Jhs.  anerkannt,  und  wird  im  Anfang  des 
14.  Jhs.  bei  allen  päpstlichen  und  königlichen  Bestimmungen 
vorausgesetzt. 

Der  Zeitpunkt  jedoch,  in  dem  die  Hochschule  reorganisiert 
wurde  und  wie  andere  Generalstudien  eine  Universitas  magi* 
strorum  et  scholarium  erhielt,  war  zugleich  der  Moment,  in  dem 
dem  ganzen  Studium  zu  Orleans  der  Untergang  drohte.  Die 
Veranlassung  dazu  gaben  König  Philipp  IV.  und  die  Stadt,  welche 
die  der  Schule  gewährten  Freiheiten  nicht  begriffen. 

Der  Stadt  waren  die  den  Professoren  und  Scholaren  ertheilten 
päpstlichen  Privilegien  ein  Dom  im  Auge.  Während  im  J.  1311 
dieselben  eines  Tages  vor  den  im  Kloster  der  Dominicaner 
versammelten  Professoren  und  Scholaren  zur  Verlesung  kamen, 
brachen  mehrere  Bürger  dort  ein,  erlaubten  sich  Gewaltthaten 
und  Drohungen  um  die  Publicierung  zu  verhindern,  und  einige 
von  ihnen  sprachen  offen  aus,  ^quod  dicti  scolares  pacem  cum 
ipsis  civibus  in  perpetuum  non  haberent,  nisi  rcnuntiarent  eorum 
privilegiis  habitis  et  habendis'.  Andere  flössten  den  Scholaren  mit 
den  Worten  Furcht  ein :  ^quod  non  erant  nisi  sexaginta  novem  anni, 
quod  eorum  antecessores  interfecerant  scolares  et  iverant  ultra 
mare,  qui  postea  redeuntes  habuerunt  pacem  suam,  et  quod 
nunc,  hora  veniat  quod  ita  fecerint\  Allerdings  bestrafte  der 
König  am  29.  März  (1311)  die  schuldigen  Bürger,  wie  aus  einem 
Schreiben  desselben  vom  genannten  Tage,  worin  obige  Thatsachen 
angeführt  werden,  hervorgeht  "0-    Allein  die  Erbitterung  musste 

isoj  Er  hiess  Philipp  (IL);  sein  Vorgänger,  deBselben  Namens,  war 
1221-12S4  Bischof.  S.  Oall.  Christ  YIII,  U64,  1462. 

161)  Cod.  Yat.  Reg.  405  Bl.  83h.    Das  Schreiben  ist  aasgefertigt  Die 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Orleans.  261 

doch  auf  beiden  Seiten  wachsen.  Dem  König  lag  daran,  die- 
selbe zu  beben  mit  der  Absicht,  beide  Theile  zu  befriedigen. 
Aber  abgesehen  davon,  dass  sein  Experiment  zum  momentanen 
Untergang  der  Universität  führte,  bewies  er  mit  demselben,  dass 
er  von  dem  Wesen  der  Universitäten  und  der  academischen 
Freiheit  keinen  Begriff  hatte. 

Im  Juli  1312  erliess  er  ein  Schreiben,  das  seiner  Intention 
nach  wohl  die  Magna  Charta  der  Hochschule  werden  sollte. 
Nach  einer  Einleitung  über  das  Pariser  Studium  und  die  An- 
wendung des  Böm.  Hechts  in  Frankreich  kommt  der  König  auf 
den  eigentlichen  Gegenstand.  In  dem  vom  Papste  den  Doctoren 
und  Scholaren  von  Orleans  gewährten  Privileg,  eine  autonome 
Universität  bilden  zu  dürfen,  sah  er  die  Quelle  alles  Uebels 
und  den  Grund  aller  Störungen,  deren,  wie  man  nothwendig 
schliessen  muss,  ausser  der  genannten  in  jüngster  Zeit  nicht 
wenige  auch  unter  den  Doctoren  und  Scholaren  selbst  vor- 
gekommen waren.  Er  erklärt  deshalb  das  päpstliche  Privileg 
für  nichtig.  Die  Doctoren  und  Scholaren  dürften  keine  Universität, 
die  ohnehin  nicht  seine  Autorisation  besitze,  bilden,  noch 
als  solche  handeln;  sie  sollten  singulare  Personen  bleiben 
wie  vor  Empfang  des  päpstlichen  Privilegs '").  Doch  will  er,  dass 
in  Orleans  das  Generalstudium,  vorzüglich  im  Jus  canon.  und 
civile,  fortexistiere,  nur  verbot  er,  dass  Theologiae  Magistri  creiert 
würden,  ^ne  detrahatur  privilegiis  Romane  sedis  studio  con- 
cessis  Parisius\  In  einem  Schreiben  vom  17.  Juli  desselben 
Jahres  hob   er   folgerichtig   auch  die  nationum  divisionem  auf, 


lone  post  festam  anntmciationis  dominice  anno  dorn.  1310.  Beiläufig  sei 
bemerkt,  dass  der  Behauptung  der  Bflrger  gemäss,  vor  69  Jahren  hätten 
ihre  Vorfahren  mehrere  Scholaren  erschlagen,  dieses  Factum  in  das  Jahr 
1241—1242,  und  nicht  mit  Matth.  Paris  (s.  oben  S.  252  Anm.  135)  in  das  J. 
1236  zu  setzen  wäre. 

^^^)  Ibid.  Bl.  30  b:  inter  doctores  et  scolares  iuris  canonici  et  civilis 
ibi  Btndentes  cemimus  grave  nuper  scandalum  snscitatnm,  videntes  ex  eo 
Stadium  illnd  turbatum  et  impeditum  enormiter,  ac  nisi  celeriter  occnrratur, 
proTBOS  quod  absit  in  futurum  posse  destitni:  universitatem  huiusmodi,  que 
causam  huic  prestabat  scandalo  nee  fuerat  auetoritate  nostra  subnixa,  tolli 
decreTimus.  Quod  enim  hie  favore  studii  fuerat  dispositum,  manifeste  ten- 
debat  ad  noxium.    S.  auch  Ordonnances  des  roys  de  France  I,  502. 


262    lU*  Entwickeluog  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

und  zwar  weil  sie  Anlass  zu  Zwist  biete,  und  viele  berühmte 
Generalstudien  deshalb  zu  Grunde  gegangen  seien  ^*').  Eine  seiner 
schlimmsten  Verordnungen  erfolgte  im  December  desselben  Jahres. 
Der  König  kommt  darin  auf  die  durch  ihn  erfolgte  Aufhebung  der 
Universität  zurück,  dann  aber  stellt  er  die  Doctoren  und  Scholaren 
unter  Polizeiaufsicht.  Den  Pr6v6t  macht  er  zum  Conservator 
der  königlichen  Privilegien,  welche  die  Doctoren  und  Scholaren  so 
lange  geniessen  sollten,  ^quamdiu  ipsi  ut  persone  singulares 
secundum  antiquum  modum  in  dicto  studio  se  habebunt\  Da  nun 
aber  jüngst  die  Doctoren  beider  Rechte  sich  Studierende  durch  einen 
Eidschwur  besonders  auf  die  Beobachtung  der  von  ihnen  ver- 
fassten  Statuten  verpflichtet  hätten,  durch  diese  Handlungsweise 
aber  seinem  Willen  entgegen  gehandelt  würde,  ^cum  per  hoc 
indirecte  statu  universitatis  eos  appareat  uti  velle',  so  verbietet 
er  dies  für  die  Zukunft,  indem  er  die  Bailliven  und  den  Pr^vöt 
von  Orleans  beauftragt,  darauf  zu  achten,  dass  von  den  Doctoren 
nie  mehr  etwas  ähnliches  unternommen  werde.  Eventuell  dürften 
sie  auch  die  Doctoren  vor  ihr  Gericht  ziehen^**). 

Dass  diese  königlichen  Bestimmungen  nicht  dazu  angethan 
waren  die  erregten  Gemüther  zu  beruhigen,  versteht  sich  von 
selbst.  Hatte  es  der  König  doch  gerade  auf  die  Professoren 
beider  Rechte  abgesehen,  deren  Privilegien  er  auf  alle  Magistri 
et  scholares  in  theologia,  grammatica  ac  logica  legentes  et  stu* 
dentes  Aurelianis  ausdehnte  '^^).  Offenbar  wollte  der  König  durch 
diese  Verordnung  Lehrer  und  Schüler  aller  Fächer  nach  Orleans 
ziehen,  um  für  die  Doctoren  beider  Rechte  ein  Gegengewicht 
zu  schaffen.  Die  Thatsache,  dass  der  König  der  Schule  doch 
viele  Privilegien  gab,  wurde  nun  nicht  mehr  beachtet.  Diese 
schienen  viel  geringer  zu  sein  als  jenes,  das  ihnen  genommen 
wurde.     Welche  Befriedigung  sollte  den  Professoren  der  ihnen 

i63j  Cod.  Vat.  Reg.  405  Bl.  34  b.  Ceterum  nationum  diviaionem  sea 
distinctionem  propter  pericula  discordie,  cedum  et  valnernm,  que  facile  con- 
tiogere  solent  in  studiis  nationum  divislonnm  casum  prestantiomy  cum  con- 
gregantur  frequenter  vel  etiam  convocantur,  penitns  prohibemns  in  atadio 
memorato.  Studia  namque  plura  celebria  pront  accepimos  ex  hüs  prorsus 
disaipata  fnisse  noscnntor. 

1«^)  Ibid.  Bl.  81b. 

1«)  L.  c- 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Orleans.  263 

versprochene  königliche  Schutz  auf  ihrer  Reise  nach  Orleans,  beim 
dortigen  Aufenthalte  und  der  Rückkehr,  sowie  die  Befreiung  von 
den  Abgaben ^^^)  gewähren,  wenn  sie  nicht  einmal  gesellschaft- 
lich vereint  mit  einander  leben  durften  und  jede  gegen- 
theilige  Regung  denunciert  und  bestraft  wurde?  Was  half  es, 
dass  die  Bailliven  und  der  Pr^vöt  sowohl  die  Doctoren  und 
Scholaren  als  auch  die  denselben  gewährten  Privilegien  gegen 
die  Stadt  schützen  sollten,  wenn  jene  Conservatoren  der  Privi- 
legien den  Doctoren  und  Scholaren  gegenüber  doch  wider  die 
Stellung  von  Polizisten  einnahmen? 

Die  Privilegien  waren  auch  theilweise  im  Widerspruch  mit 
dem  Verbote  der  Universität.  In  dem  ersten  Schreiben  gewährt  der 
König  den  Doctoren,  dass  sie  Statuten  machen  dürften,  und  dass 
der  älteste  Doctor  die  Stelle  des  Decans  vertreten  solle  ^*^). 
Allein  um  Statuten  zu  verfassen,  mussten  die  Doctoren  Versamm- 
lungen halten,  und  die  Statuten  selbst  konnten  nur  den 
Zweck  haben,  dass  sie  für  Alle  bindend  waren.  In  diesem  Um- 
stände lagen  jedoch  alle  Keime  zur  Bildung  einer  Genossenschaft, 
und  hätten  die  Doctoren  und  Scholaren  es  auch  mit  bestem 
Willen  verhüten  wollen,  so  wären  sie  doch  immer  zum  Eingehen 
einer  Genossenschaft  oder  Universität  gedrängt  worden.  Und 
gerade  dies  verbot  der  König  in  derselben  Constitution. 

So  unheimliche  Zustände  Hesse  man  sich  dann  nicht  gefallen, 
wenn  man  den  Polizeistock  mehr  gewohnt  ist,  nicht  aber  im 
Mittelalter,  wo  alle  Schichten  ein  frisches  freies  Leben  durch- 
drang. Philipp  des  Schönen  Verordnungen  für  die  Schule  von 
Orleans  bekunden  nicht  bloss  den  Geist  des  Despotismus  — 
dies  wäre  nichts  Neues;  Friedrich  II.  offenbarte  in  Bezug 
auf  Neapel  einen  ähnlichen  — ,  sie  zeugen  noch  viel  mehr  für 
die  Thatsache,  dass  der  König  die  Idee  der  mittelalterlichen 
Universität  nicht  begriff.  Mit  seiner  plumpen  Handlungsweise 
steht  Philipp  der  Schöne  einzig  in  der  Universitätsgeschichte 
des  Mittelalters  da.  Eine  hundertjährige  Erfahrung  gieng  an 
ihm  spurlos  vorüber.    Stellten  sich  einstens  die  Stadt  Bologna  und 

1^^)  L.  c.  BI.  29b  des  oben  zuerst  angeführten  Schreibens,  das  ich  die 
Magna  Charta  der  Schale  nannte. 
167)  L.  c. 


264    in.  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

die  Professoren  den  Scholarenverbindungen  scbroff  gegenüber, 
so  handelte  es  sich  damals  um  etivas  ganz  Neues,  um  Scholaren- 
Verbindungen  und  nicht  um  Genossenschaften  überhaupt.  Philipp 
der  Schöne  verbot  ein  aller  Orten  bekanntes  Institut,  nämlich 
die  Genossenschaft  der  Lehrer  und  Lernenden. 

Sein  Nachfolger  Ludwig  le  Hutin  wandte  keine  radicale 
Kur  an.  Er  bemühte  sich  zwar  am  10.  Juni  1315,  dass  das 
von  Philipp  im  J.  1311  gegen  einige  Bürger  von  Orleans  erlassene 
Strafurtheil,  wovon  oben  die  Rede  war,  in  Vollzug  käme*"), 
und  verfügte  schon  11.  Februar  1315  auf  die  Klage  der  Doctoren 
und  Scholaren,  der  Pr6v6t  'comminari  frequenter  non  veretur, 
quod  ipsos  (tam  scolares  quam  alios  clericos)  si  deliquerint 
puniet  ac  banniet  et  expellat  de  civitate  Aurel,  sicuti  foret  Or- 
dinarius clericorum  ipsorum,  propter  quod  dicti  clerici  valde 
timent  in  dicto  studio  morarf,  dass  sich  die  Bestimmungen 
Philipps  ^ad  laicos  äolum  et  non  ad  clericos'  zu  beziehen  haben. 
Die  Studierenden  könnten  den  apostolischen  Constitutionen  gemäss 
in  Bezug  auf  die  persone  ecclesiastice  den  geistlichen  Gerichts- 
stand haben '^*).  Allein  im  Wesen  blieben  doch  Philipp  des 
Schönen  Verordnungen  in  Kraft. 

Die  Doctoren  und  Scholaren  hatten  nichts  mehr  in  Orions 
zu  suchen.  Sie  beschlossen  die  Stadt  zu  verlassen.  Vor  Ostern 
(11.  April)  1316  verpflichteten  sie  sich  gegenseitig  durch  einen 
Eid,  nach  dem  Fest  keinen  scholastischen  Act  mehr  in  Orions 
und  dessen  Vorstadt  vorzunehmen,  wenn  bis  dahin  ihre  dem  Könige 
Ludwig  vorgelegten  Wünsche  nicht  erfüllt,  und  der  gegenwärtige 
Pr^vöt  von  Orleans  für  immer  entfernt  wäre,  Bürger  und  König 
ihnen  das  Genossenschaftsrecht  erlaubt  und  der  letztere  alle 
bisherigen  den  päpstlichen  Privilegien  entgegenstehenden  Ver- 
ordnungen aufgehoben  hätte.  Eventuell  würden  sie,  soweit  sie 
könnten,  verhindern,  dass  Orleans  künftighin  Studien  halber 
aufgesucht  werde.  Wer  dieser  Verordnung  zuwiderhandle  oder 
nicht  schwören  wolle,  habe  ihre  Verachtung  zu  fürchten'^®). 


>68)  Ibid.  Bl.  34  b. 

169)  Ibid.  Bl.  35a.    Ein  Schreiben  darin  widerholt  Bl.  41b. 
^'^)  Die  Juramenta  enr&hnt  Johannes  XXII.  in  einem  Sehreiben  vom  15. 
Nov.  1319:  Ego  inro,  qnod  nisi  nobis  fiat  iosticia  super  articnlia  in  inqnesta 


2.  Hochschalen  ohne  Stiftbriefe.    Orleans.  265 

Wäre  der  päpstliche  Stuhl  nicht  seit  dem  Tode  Clemens  V. 
längere  Zeit  erledigt  gewesen,  so  hätten  sich  die  Professoren  und 
Scholaren  an  den  Papst  wenden  können,  und  es  würde  in  Or- 
leans nicht  auf  das  Aeusserste  gekommen  sein.  So  aber  waren 
sie  jedes  Schutzes  beraubt.  Am  27.  Mai  schlössen  daher 
Rector,  doctores  ac  universitas  studii  Aurelian.  mit  der  Commune 
von  Nevers  einen  Contrakt  ab,  dem  zufolge  sie  Orleans  ver- 
lassen und  nach  Nevers  überziehen  sollten"^).  Ende  Juli  1316 
war  die  Schule  zu  Orleans  bereits  aufgelöst  und  befand  sich  in 
Nevers.  Dies  erhellt  aus  dem  Schreiben  Philipps  le  Long  (der 
erst  zur  Regierung  gelangt  war)  vom  letzten  Juli  genannten 
Jahres,  worin  er  die  'ruina  Aurelian.  studii,  quod  suo  tempore 
inter  cetera  iuris  civilis  studia  poUens  noscitur  claruisse  et  pene 
cuncta  huius  orbis  climata  radiis  illustrasse  sue  doctrine'  beklagt. 
Er  wünscht  die  Widerhersteilung,  verspricht  allen  die  in  Orleans 
studieren  wollten  seinen  Schutz,  bestätigt  alle  von  Philipp  ge- 
währten Privilegien,  und  befiehlt  dem  Bailliv  von  femern  Feind- 
seligkeiten abzustehend^').  Allein  mittels  solcher  Verordnungen  traf 
Philipp  ebenso  wenig  als  sein  Vorgänger  den  Kern  der  Sache. 

Die  Widerhersteilung  der  Universität  zu  Orleans  ist  gerade  so 
ein  Werk  Johannes  XXII.,  als  die  Gewährung  des  Universitäts- 
privilegs selbst  ausschliesslich  Clemens  V.  zuzuschreiben  ist 
Die  Zurückführung  der  Universität  von  Nevers  nach  Orleans  war 
eine  der  ersten  Sorgen  Johannes  XXII.  nach  seiner  Besteigung  des 
päpstlichen  Stuhles.  Wäre  das  Avignonesische  Papstthum  in  der 
Weise  von  der  französischen  Krone  abhängig  gewesen,  als  man 
bisher  gewöhnlich  behauptet  hat,  so  würde  die  ganze  Sache  einen 


contentis  et  propositis  coram  rege;  item  nisi  prepositns  qui  nunc  est  amo- 
▼eatur  perpetno  ab  omni  officio  in  BaUiva  Anrelianen.;  item  nisi  bnrgenses 
consentiant  et  rex  permittat  nos  libere  uti  nniversitate,  id  est,  quod  rex 
amoteat  perpetno  omnia  impedimenta  tam  per  predecessorem  snnm,  quam 
per  ipsnm  apposita  contra  privilegia  nostro  stndio  a  summo  pontifice 
concessa:  me  de  cetero  post  Pascha  et  in  perpetuum  nullum  actnm  scolasti- 
cnm  Aurelianis  nee  in  snburbio  Anrelian.  exercere  legende  vel  andiendo  tan- 
qnam  doctor,  bacaUariuB  vel  Scolaris  publice  vel  occulte,  donec  predicta  nobis 
foerint  penitns  adimpleta  etc.  Reg.  Yat.  Secret.  tom.  2.  ep.  616. 

171)  Das  Docnment  beiChoppin,  De  domanioFranciae  (Parisüs  1605)  p.  690. 

173)  Cod.  Yat.  Reg.  405  Bl  35b. 


266    ni.  Ent wickelang  der  Hochscbolen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

ungünstigen  Verlauf  genommen   haben.     Zum  Glücke  steht  es 
jedoch  anders. 

Am  7.  Juli  des  Jahres  1317  beauftragte  der  Papst  den  Erz- 
bischof Raynaud  von  Bourges  und  den  Mag.  Johann  Ghercemont 
Ganonicus  von  Paris  sich  mit  dem  Bischöfe,  den  Procuratoren  des 
Gapitels  von  Orleans,  mehreren  Bürgern,  Magistern  und  Scholaren 
sowie  Vertretern  des  Königs  über  die  Mittel  und  Wege,  das  Stu- 
dium wider  nach  Orleans  zu  verlegen,  so  eilig  wie  möglich  zu  be- 
rathen  und  ihm  darüber  zu  berichten*^').  Unterdessen  wandte 
sich  der  König  an  den  Papst  mit  der  Bitte  um  dessen  Unter- 
stützung. Er  sandte  durch  den  Ärchidiacon  von  Orleans  Amisius 
ein  Schreiben  an  ihn,  worin  er  ihn  bat,  die  Universität  aufzuheben 
und  die  Scholaren  wegen  des  Eidschwures  zu  dispensieren.  Dies 
war  in  Berücksichtigung  der  Lage  der  Umstände  eine  sehr  ein- 
fältige Bitte,  deren  Gewährung  nichts  weniger  als  den  gewünschten 
Zweck  erreicht  hätte. 

Der  Papst  sah  klarer  und  weiter  als  der  König  und  ant- 
wortete ihm  am  6.  Juni  1318^,  dass  er  seinem  Wunsche  in 
Betreff  der  Aufhebung  der  Universität,  d.  h.  dass  die  Magistri 
und  Scholaren  keine  Genossenschaft  bilden  dürften,  nicht  nach- 
kommen könne;  er  wolle  jedoch  einige  Modificationen  anbringen. 
Der  Hauptpunkt  derselben  bestand  darin,  dass  sich  die  Universität 
und  deren  Mitglieder  um  die  Handlungen  der  einzelnen  nicht 
im  Namen  der  Universität  annehmen  dürften,  ausgenommen,  ein 
Bürger  belange  einen  Doctor  oder  Scholar  in  einer  Sache,  welche 
die  ganze  Universität  angehe.  Jeder  Rector  müsse  bei  seinem 
Antritte  auf  diesen  Punkt  einen  Eid  ablegen.  Der  Papst  ermahnt 
den  König,  auf  seine  Vorschläge  einzugehen,  hält  ihm  das  Beispiel 
König  Ludwigs  des  Heiligen  und  überhaupt  seiner  Vorfahren  vor, 
^qui  concessiones  universitatum  per  Romanos  pontifices  in  regne 
Francie  plerisque  factas  studiis  non  reputarunt  ad  honus,  nullam 
super  illis  curarunt  ingerere  novitatem'.  Bisher  seien  unter 
deren  glücklichen  Regierung  die  Studienanstalten  im  freien  und 
ruhigen  Genüsse  der  Universitäten  gewesen*^*),  mit  einziger  Aus- 
las) Reg.  Vat.  Sccret.  an.  1.  2.  tom.  1  ep.  304.  tom.  2.  ep.  123.  Commun. 
an.  1.  p.  1.  ep.  1390  Bl.  397. 

1''^)  Immo  8ub  eornm  et  tue  felici  regimine  usqne  in  hodiemum  diem 
studia  ipsa  universitatibus  ipsis  libere  ac  pacifice  petita  fuerunt. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.     Orleans.  267 

nähme  des  Studiums  zu  Orleans,  'cuius  dissipatio  quantum  incomo- 
ditatis  attulerit,  tuis  ut  credimus  sensibus  non  ignotum  existit'  ^^^). 
Dem  König  gefielen  diese  Vorschläge,  wie  er  dem  Papste 
durch  Johannes  Mandeville  juris  civilis  professor  berichten  liess,  und 
er  bat  ihn,  bestimmt  durch  die  Vorstellungen  des  Bischofes,  Decans, 
Capitels  und  der  verschiedenen  Orden,  dass  in  Folge  des  Weg- 
ganges der  Studierenden  ^eorum  ecclesie  ceciderant  in  ruinam 
et  divinum  propter  hoc  diminuebatur  officium  in  eisdem',  er 
möge  dafür  sorgen,  dass  nunmehr  seine  Bestimmungen  und 
Modificationen  zur  Ausführung  kämen.  Der  Papst  beauftragte 
damit  den  Gardinallegat  Gaucelin  am  15.  November  1319  und 
ertheilte  ihm  nebst  den  nöthigen  Instructionen  die  Vollmacht, 
die  Studierenden  von  ihrem  Eid  zu  lösen  und  ihnen  die  Er- 
laubniss  zu  geben  nach  Orleans  zurückzukehren.  Zugleich  hält 
er  alle  Privilegien  aufrecht,  welche  der  Universität  Clemens  V.  und 
seine  früheren  Vorgänger  ertheilt  hatten  ^'^).  In  zwei  weitern 
Schreiben  befiehlt  er  ihm  die  Scholaren  von  der  Excommunication, 
in  die  sie  möglicher  Weise  verfallen  wären,  loszusprechen"'). 
Nun  erst,  nämlich  im  April  1320,  erliess  auch  der  König  ein  Edict, 
worin  er  seinen  Willen  ausspricht,  quod  Aurelianis  sit  Studium 

175)  Reg.  Vat.  Secret.  an.  1.  2.  tom.  1.  ep.  817  Bl.  223b,  tom.  2.  ep. 
233:  quod  universitas  ipsa,  rector,  doctores  aut  scolares  iUius,  de  factis  sin- 
gularium  scolarium  et  doctoram  universitatis  nomine  se  nuUatenns  intro- 
mittant  nee  factnm  persone  singularis  alicnius  de  unitersitate  iam  dicta 
tamquam  nniversitas  prosequantur,  nisi  doctor  Tel  Scolaris  contra  doctorem 
aut  scolarem  actionem  aliquam  civilem  yel  criminalem  forsitan  intentarent,  que 
totam  universitatem  tangeret  manifeste.  Et  hoc  quUibet  rector  seu  decanus 
universitatis  ipsius  in  novitate  creationis  sue  proprio  firmare  tenebitur  iura- 
mento.  Set  et  quilibet  canonicus  civis  vel  incola  civitatis  Aurelianen.  contra 
fiingnlos  doctores,  baccalarios  seu  scolares  studii  memorati  in  singulis  eorum 
caasia  Ipsos  singnlariter  contingentibus  habere  poterit  consiliarios  seu  ad- 
vocatos  de  universitate  predicta,  dummodo  placeat  consiliariis  vel  advocatis 
elsdem  etc.  Die  Taxierung  der  Wohnungen  überlässt  er  dem  König.  Wer 
nicht  Scholar  ist,  kann  nicht  vor  dem  Bector  oder  den  Decanen  und  Gon- 
servatoren  zu  Qericht  gezogen  werden,  sondern  nur  vor  dem  eigenen  Richter. 
Das  Waffentragen  ist  den  Scholaren  durch  die  Stadt  verboten. 

176)  Reg.  Tat.  Secret  tom.  2.  ep.  616.  Hier  auch  das  Schreiben  an 
den  König  inseriert 

177)  Ibid.  ep.  615.  617.  Dieselbe  Vollmacht  erhielt  am  1.  Februar  1321 
der  Bischof  von  Orleans.    Beg.  Vat.  Com.  an.  5.  p.  1  ep.  380  Bl.  189. 


268    in.  EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

generale,  und  die  Bedingungen  aufstellt,  unter  denen  die  Doctoren 
und  Scholaren  dort  studieren  könnten.  Diese  sind  buchstäblich 
identisch  mit  jenen,  die  der  Papst  am  6.  Juni  1318  ihm  vorge- 
schlagen und  deren  Approbation  der  König  im  nächstfolgenden 
Jahre  nachgesucht  hatte  ^^•).  Nach  einem  Schreiben  des  Papstes 
an  den  Cardinallegaten  Gaucelin  vom  7.  Juni  1320  zu  schliessen 
waren  damals  die  Studierenden  von  Nevers,  wo  es  ihnen  ohnehin 
nicht  gut  gieng'^'),  bereits  zurückgekehrt*").  Schon  24.  August 
1320  statuierten  die  Juristen  in  Orleans  eine  Lectionsordnung"'). 
Am  3.  Jänner  des  nächsten  Jahres  beauftragte  der  König  den 
Bailliv  einen  Eid  auf  die  Beobachtung  der  vom  König  und  dessen 
Vorfahren  den  Doctoren  und  Scholaren  gewährten  Privilegien  in 
deren  Gegenwart  abzulegen  und  dieselben  zu  beschützen'").  Der 
Papst  aber  dispensierte  am  7.  Mai  1339  die  Studierenden  auf 
5  Jahre  von  der  Residenzpflicht  *"). 

Aehnlich  wie  gerade  ein  Jahrhundert  vorher  die  Scholaren 
von  Bologna  konnten  sich  jetzt  gewiss  auch  die  Magister  und 
Scholaren  von  Orleans  zu  dem  von  ihnen  errungenen  Sieg 
Glück  wünschen.  Eine  neue  Epoche  brach  nun  für  die  Schule 
an,  die  glänzendste  während  ihrer  langen  Existenz***).    Die  Sta- 


"8)  Cod.  Vat.  Reg.  405  Bl.  29a. 

i79j  s.  CoqoiUe,  Histoire  du  pays  et  duch^  de  Nivemois,  Paris  1612, 
p.  373.  Als  Grand  des  Auszuges  der  Studenten  ton  Orleans  gibt  aber  der 
Autor  irrig  an,  Johann  XXII.  habe  die  Stadt  mit  dem  Interdict  belegt  S. 
p.  372.  Defrasnay,  Essai  sur  Phistoire  du  Nivernois  im  Mercnre  de  France, 
Septembre  1738  —  AYril  1739  geht  nicht  so  weit 

WO)  Reg.  Vat  Secret  tom.  2  ep.  670. 

181)  Cod.  Vat  Reg.  405  Bl.  40  a.  Die  Professoren  heissen:  Stephanos 
Bellicognati  (rector  anivers.),  Johann  Vehein,  Jordan  Galofre,  Wilhelm  Ri- 
chelinei  Johann  Gastelli,  Radulph  Nigri,  Ito  Canonici,  Peter  de  Cappis,  Gne- 
rin  Cordelle,  Huris  clTilis  professores  Aurelianis  ordinarie  acta  regentes'. 

189)  Cod.  Vat  Reg.  1.  c.  Bl.  42a. 

W')  Reg.  Vat  Job.  XXII.  Comm.  an.  18  p.  1.  ep.  624. 

IM)  Der  Umstand,  dass  man  Aber  die  erste  so  interessante  Periode 
dieser  wichtigen  üniTersit&t  bisher  wenig  wasste,  veranlasste  mich  ausführlicher 
SU  sein.  Le  Maire  1.  e.  p.  832  ff.  338  ff.  372  f.  Termengt  Falsches  mit  Wahrem 
und  citiert  nie  die  Quellen,  die  er  kannte.  Bimbenet's  Histoire  ist  in  Besug 
auf  die  Geschichte  der  Unitersit&t  gani  unbrauchbar.  Saviguy  wasste  eigent* 
lieh  gar  nichts. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Orleans.  269 

tuten"*)  und  die   ganze  Organisation   sind  nicht  weniger  inter- 
essant als  die  Geschichte  der  Entstehung. 

Die  Universität  schickte  öfters  ihre  Rotuli  an  den  heiligen 
Stuhl  ein,  von  denen  mehrere  im  Vat.  Archiv  existieren*"). 
Einer  der  vollständigem  ist  jener  vom  J.  1394,  an  den  Gegen- 
papst Benedict  XIII."^).  Es  werden  darin  4  legum  professores 
und  3  Canonisten  erwähnt.  Von  den  licentiati  presentes  sind 
59  in  legibus  und  23  in  jure  can.,  ausserdem  werden  13  licen- 
tiati in  utroque  jure  genannt.  Absentes  werden  125  erwähnt. 
Von  den  Baccalaurei  presentes  sind  in  5.  anno  lecture  8  in  le- 
gibus und  1  resp.  3  in  jure  can.;  in  4.  anno  22  in  legibus  und 
4  in  jure  can.;  in  3.  anno  40  in  legibus  und  4  in  jure  can.;  in 
2.  anno  39  in  legibus  und  5  in  jure  can.;  im  1.  Jahre  36  in 
legibus  und  22  in  jure  can.  Baccalaurei  absentes  werden  73 
aufgezählt  In  den  5  Jahrgängen  ^^^)  haben  nicht  weniger  denn 
368  einfache  Scholaren  beider  Rechte  um  Gnaden  und  Beneficien 
bei  Benedict  XIII.  angehalten;  allein  auf  das  1.  Jahr  entfallen 
141  Scholaren.  Im  J.  1343  waren  in  Orleans  wenigstens  8  legum 
doctores,  3  doctores  utriusque  und  2  decretorum  *^*). 

185^  ZvL  ihnen  gehören  auch  mehrere  Verordnongen  Clemens  Y.  nnd 
Philipps  des  Schönen,  die  ehenso  wie  die  ganze  Organisation  im  zweiten 
Bande  zur  Sprache  kommen  werden. 

186  j  Suppliken  kommen  schon  frühzeitig  vor,  z.  B.  in  Clemens  VI.  Reg.  SnppL 
an.  1.  p.  1.  Bl.  99a;  p.  2  Bl.  73a.  81h;  an.  3.  p.  1  Bl.  79a;  p.  2  Bl.  50b;  an.  4.  p. 
1  Bl.  50b;an.5p.3Bl.  9b.  UrbanV.an.  1  p.  2B1.  12;  an  3p.  2B1.  189a.  Die 
fast  st&ndige  Phrase  lautet:  Bector  et  coUegiam  aniversitatis  studii  Anrelianen- 
sis.  Rotali  finden  sich  unter  anderm  in  Reg.  Suppl.  Clem.  VI.  an.  8.  p.  2.  Bl.  18. 
Hier  werden  5  legum  doctores  erw&hnt.  Urbani  Y.  Reg.  Suppl.  an.  1.  p.  2. 
BL  12.  an.  3  p.  2  Bl.  189.  Reg.  Suppl.  Clem.  YII.  an.  14.  Bl.  186.  Dann  Clem.  YII. 
mit  Signatur  'tomus  unicus'  aus  dem  1.  Jahre ;  der  Rotulus  ist  sehr  bedeutend. 

187)  Reg.  Suppl.  Bened.  XIII.  an.  1  p.  6  Bl.  121-209a. 

1^)  In  Reg.  Suppl.  Clem.  YII.  tom.  nnic.  werden  sowohl  die  Baccalaurei 
als  die  Scholaren  vom  G.Jahre  an  gerechnet.  Bei  erstem  heisst  es:  Baccal- 
larii  in  sexto  volumine  sue  lecture  existentes;  bei  letztem:  Scolares  in  sexto 
Tolumine  sue  auditionis  existentes. 

i89j  Heg.  Suppl.  Clem.  YI.  an.  2.  p.  3  Bl.  170a.  Die  legum  doctores 
hiessen:  Beraard  de  Coulasone,  PhU.  de  Tribus  montibus,  Anselm  ds  Sal- 
nas(?),  Sancius  Liberge,  Guigo  de  Godeto,  Andraeas  Rnffi,  Peter  de  Serrone, 
Phil,  de  Tienvilla.  Die  doctores  utriusque:  Stephan  Bellicognati,  Matthaeus 
Colheta,  Stephan  Rogerii.  Die  doctores  decret.:  Johann  Caneti,  Robert  de 
Chanuleya,  0.  S.  B. 


270    ^*  Entwickelung  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Angers. 

An  Orleans  reiht  sich  unmittelbar  Angers  an.  Wie  dort 
so  war  auch  hier  das  frühere  Studium  verschieden  von  dem 
spätem.  Das  eigentliche  Studium  generale  war  eine  Rechtsschule, 
während  die  alte  Schule  von  Angers  nichts  weniger  als  der  Rechts- 
wissenschaft ihren  Ruhm  zu  verdanken  hat.  Wann  begann  nun 
aber  die  Rechtsschule,  d.  h.  das  Studium  generale? 

Der  gewöhnlichen  Angabe  zu  folgen,  dasselbe  sei  zu  Angers 
1364  gegründet  worden,  geht  nicht  an,  denn  wie  wir  sehen 
werden,  sind  alle  Privilegienbriefe  jener  Epoche  keine  Stift- 
briefe; im  Gegentheile  setzen  sie  die  Stiftung  voraus.  Zudem 
wird  das  Studium  schon  1337  vom  Bischöfe  Fulco  ganz  un- 
gesucht als  Studium  generale  bezeichnet,  dem  als  caput  studii 
der  Scholasticus  Andegavensis  vorstehe  ^'*^). 

Wie  weit  zurück  das  Rechtsstudium  zu  Angers  datiere,  kann 
nicht  mit  Bestimmtheit  gesagt  werden.  Die  Statuten  vom  J.  1373 
berufen  sich  auf  einen  vom  Bischöfe  ülger  eingeführten  Usus, 
wonach  die  Bedelle  des  Studiums  bei  Gelegenheit  der  Promotionen 
auf  Kosten  des  Bischofs  gespeist  werden  sollten*''),  ülger  war 
vom  J.  1124  bis  1148  oder  1149  Bischof  von  Angers.  Lässt 
man  nun  auch  dahin  gestellt,  ob  sich  die  Universität  nicht  im 
J.  1373  geirrt  habe,  so  würde  es  sich  noch  immer  fragen,  ob 
denn  zur  Zeit  Ulgers  Promotionen  im  Rechte  vorkamen.  Dies 
muss  um  so  mehr  verneint  werden,  als  in  jener  Zeit  überhaupt 
noch  keine  förmliche  Promotionen,  das  Examen  abgerechnet,  an 
irgend  einer  Schule  statthatten.  Was  nun  das  Rechtsstudium 
zu  Angers  anbelangt,  so  finde  ich  wenigstens  bis  in  die  erste 
Hälfte  des  13.  Jhs.  keinen  Anhaltspunkt  zum  Schlüsse,  dass  in 
Angers  ein  solches  existiert  hätte,  wenngleich  für  die  Artes  dort 
seit  langem  ein  Studium  blühte. 

^^0)  S.  das  Document  bei  Kangeard,  Histoire  de  raniversit^  d' Angers, 
publ.  par  Lemarchand.  Angers  1872,  II.  p.  196  ff.  Dieses  Werk  im  vor.  Jh. 
▼erfasst,  übertrifft  bei  weitem  die  meisten  Monographien  über  einzelne 
Universitäten  an  GrQndlichkeit  and  Verst&ndniss.  Ich  glaube  aber  in  Deutsch- 
land der  erste  zu  sein,  der  es  citiert.  Durch  dieses  Werk  wird  die  ältere 
Dissertation  in  Privileges  de  l'universit^  d' Angers  (1736),  obgleich  sie  manches 
Wahre  und  NQtzliche  enthält,  überflüssig  gemacht. 

191)  S.  Rangeard  II,  223;  I,  100  ff. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Angers.  271 

Im  J.  1236  bestimmte  die  Synode  von  Tours,  dass  die  Ad- 
vocaten,  welche  oft  unwissend  seien,  drei  Jahre,  die  Officiales  aber 
fünf  Jahre  Jus  studiert  haben  müssten,  ehe  sie  angestellt  werden 
könnten*'*).  Es  mag  sein,  dass  in  Folge  dieses  Beschlusses  das 
Rechtsstudium  zu  Angers,  das  zur  Kirchenprovinz  Tours  gehörte, 
in  Aufnahme  kam.  Wahrscheinlich  befanden  sich  dort  bereits 
Rechtslehrer,  die  sich  sei  es  im  J.  1219  - 1220,  sei  es  im  J.  1229 
von  Paris,  sei  es  überhaupt  von  Bologna  aus,  angesiedelt  hatten. 
Sicher  ist,  dass  Angers  bei  der  Pariser  Auswanderung  im 
J.  1229  die  grösste  Zugkraft  ausübte,  was  sich  nicht  bloss  aus 
Matth.  Paris,  sondern  auch  aus  gleichzeitigen  päpstlichen  Schreiben 
und  andern  Quellen  ergibt**').  Ueber  die  Rechtslehrer  jedoch, 
die  in  diesem  Falle  nur  Canonisten  hätten  sein  können,  lässt 
sich  beim  Mangel  an  Urkunden  nichts  Bestimmtes  behaupten*"**). 

Thatsache  ist  aber,  dass  im  weitern  Verlaufe  des  13.  Jhs. 
das  Rechtsstudium  zu  Angers  ziemlich  blühend  gewesen  sein 
muss.  Ich  will  kein  Gewicht  legen  auf  die  Anwesenheit  des 
Otho  de  Fontana  juris  civilis  professor  docens  Andegavi  im 
J.  1243*").  Viel  bedeutender  ist  der  Umstand,  dass  im  Cod. 
Paris,  11724  bei  den  Questiones  disputate  Andegavis  nicht  weniger 
denn  sieben  Rechtslehrer  genannt  werden  *'®).  Ungefähr  in  derselben 

193)  Mansi,  SS.  Concil.  coli.  XXIII,  412  n.  2.  4. 

i93j  Wegen  Matth.  Paris  s.  oben  S.  246.  Am  10.  Mai  1230  schrieb 
Gregor  IX.  ^magistris  et  scolaribus  Parisius  et  Andegavis  commorantibufi'  in 
Sachen  der  Anflösung  der  Pariser  üniTersität  (Reg.  Yat.  an.  4.  ep.  19  Bl.  13a); 
am  5.  Mai  des  nächsten  Jahres  handelt  es  sich  in  einem  päpstlichen  Schreiben 
nur  um  Magistri  artium  et  phisice,  die  in  Paris  die  Licenz  erhielten,  und 
nunmehr  nach  der  Auswanderung  sich  in  Angers  und  Orleans  aufhielten. 
Da  Bottlay  III,  146.  Auch  Albert  von  Stade  (Mon.  Germ.  SS.  XVI,  360) 
und  Vincenz  von  Beauvais  (Spec.  bist.  1.  30  c.  137)  erwähnen  nur  Angers. 
Das  zuerst  citierte  päpstl.  Schreiben  findet  sich  auch  bei  Balnze  Mise.  ed. 
Mansi  III,  392  und  Potthast  n.  8551. 

1^)  Auch  das  Yatican.  Archiv  Hess  mich  hier  im  Stiche. 

i»5)  S.  Rangeard  1.  c.  II,  178. 

^^)  YonBl.  101  b  an.  G.  de  Rothomago,  Rufinus  Lumbardus,  Gervasius 
de  Clisant,  Guillelmus  de  Ruis,  Simon  le  Lormier,  Ricardus  de  Piris,  B.  de 
Brulia.  Die  Quaestionen  beginnen:  Incipiunt  questiones  disputate  Andegavis. 
In  der  Regel  werden  sie  von  dem  betreffenden  Professor  eingeleitet,  z.  B. 
Ista  questio  fuit  a  Dom.  G.  de  Rotomago  terminata.    Oder:   Magister  Ru- 


272    ^-  Entwickelang  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Epoche  waren  auch  die  Scholaren  sehr  zahlreich,  und  bildeten 
vielleicht  mit  den  Professoren  eine  Corporation.  Im  J.  1279 
wandten  sie  sich  nämlich  im  Vereine  mit  den  Bürgern  an 
Karl  L  von  Neapel,  um  mehrere  Privilegien  zu  ihren  Gunsten 
zu  erhalten,  die  sich  auf  die  Stadtpolizei  bezogen,  was  der 
König,  oder  vielmehr  der  Graf  von  Anjou,  gewährte**').  Wie 
sich  aus  dem  Vidimus  Karls  ü.  vom  J.  1289  ergibt,  gieng  die 
Bitte  vorzüglich  von  den  Fremden,  die  sich  in  der  Stadt  auf- 
hielten, sowie  von  den  Scholaren  aus*").  Einen  grossen  Auf- 
schwung nahmen  die  Studien  zu  Angers  unter  dem  Bischof 
Wilhelm  le  Maire,  1291—1314,  dem  eben  die  Sorge  für  die- 
selben eine  Herzenssache  war.  War  er  es  doch*"),  welcher  auf 
dem  Concil  von  Yienne  im  J.  1311  es  heftig  beklagte,  dass 
viele  oft  unfähige  Geistliche  mehrere  Beneficien,  manchmal  so 
gute,  dass  sie  damit  fünfzig  oder  sechzig  arbeitsame,  gelehrte 
Personen  zur  Genüge  unterstützen  könnten,  inne  hätten.  Die 
Folge  davon  sei  die  ^enervatio  et  dissipatio  studiorum,  que  mo- 
demis  temporibus  ubique  terrarum  depereunt  propter  hoc,  quod 
bonis  Scolaribus  exercitatum  Ingenium  habentibus  provideri  non 
potest  per  prelatos' '°^).     Zu  seiner  Zeit  war  der  Scholasticus 


finns  Lambardns  terminavit  istam  qnestionem  etc.  Von  den  genannten  Pro- 
fessoren waren  einige  CiYilisten,  andere  Canonisten.  Die  Schrift  dieser  Ab- 
theilnng  des  Codex  ist  aus  der  2.  Hftlfte  des  13.  Jhs. 

197)  Es  ist  nur  das  Vidimus  Karls  II.  bei  Bangeard  II,  180  ff.  erhalten. 
Im  J.  1329  bestätigte  Philipp  VI.  von  Frankreich  den  Act.  Ibid.  p.  194. 

198)  Der  König  sagt  n&mlich:  Nous,  attendanz  . . .  sasditc  statuti  estre 
honorables  a  nons  et  proufitables  a  nostre  cite  d'Angers  dessasdite  et  aalx 
escolliers  et  aulx  aultres  estrangiers  demenrans  en  iceUe  etc.     L.  c.  p   182. 

199)  Raynald,  der  in  seinen  Ann.  ad  an.  1311  n.  54ff.  einen  grossen 
Theil  jener  Klage  ans  dem  Cod.  Yat.  4177  ediert  hat,  wusste  nicht  den  Ver- 
fasser anxngeben.  Noch  weniger  natflrlich  Haur^u  in  der  Gall.  Christ. 
XIV,  577.  Rangeard  wurde  bereits  im  vor.  Jh.  anf  den  wahren  Autor, 
n&mlich  den  oben  genannten  Bischof,  geführt  durch  die  handschriftlich  vor- 
handenen Acten  desselben.  S.  1, 197  f.  II,  129.  D'Achery  publicierte  in  seinem 
Spicil^  I,  785  einen  Theil  der  Acten  dieses  Bischofs. 

MO)  Rayoald  1.  c.  n.  61.  God.  Vat  4177  Bl.  4b.  Die  Rede  hielt,  wie 
ee  scheint,  der  Bischof  in  der  1.  Sessio,  Octob.  1311.  S.  ibid.  BL  la. 


2.   Hochscbulen   ohne  Stiftbriefe.   Angers.  273 

das  Haupt  des  Studiums,  bereits  ein  Doctor  der  Rechte.  Um 
den  Streit  mit  den  Officialen  Karls  von  Valois  zu  schlichten, 
bestellte  der  Bischof  nicht  weniger  denn  sieben  Rechtslehrer  des 
genannten  Studiums"').  Von  diesem  Zeitpunkte  an  werden  die 
Documente  in  Bezug  auf  das  Rechtsstudium  zahlreicher.  Aus 
dem  J.  1316  existiert  ein  Mandatum  officialis  Andegav.  unter 
andern  doctoribus  ordinarie  Andegavi  regentibus  tarn  in  jure 
canonico  quam  civili  adressiert*"*).  Im  Jahre  1337  finden  wir 
das  erste  Mal  das  Studium  mit  dem  Ausdrucke  Studium  generale 
bezeichnet,  und  es  erhellt  aus  dem  Actenstücke,  dass  die  Schule 
von  jeher  sich  in  einem  guten  Zustande  erhielt"').  Dank  der 
Sorge  des  Scholasticus,  dessen  Amt  es  sei  ^Studium  ordinäre,  et 
errata  corrigere  in  eodem  quantum  spectat  ad  actus  scolasticos 
et  scolasticam  disciplinam'. 

Aus  den  Suppliken,  die  von  Angers  im  J.  1342  an  Clemens  VI. 
eingesendet  wurden,  und  in  denen  'Robertus  Surdi,  doctor  legum 
necnon  in  jure  can.  licentiatus'  erscheint,  muss  man  schliessen 
es  sei  dort  schon  lange  promoviert  worden*®*).  Der  Scholasticus 
et  Studium  Andegavense  wandten  sich  auch  im  2.  Jahre  des 
Pontificats  Clemens  VI.  mit  einer  Supplik*"*)  an  ihn,  und  1350 
wird    von  den  Promotionen  im  Jus  wie  von  einer  längst  her- 


»>i)  Rangeard  I,  187. 

909)  Ib.  II,  192.    Vgl  auch  ein  Document  aas  dem  J.  1317  ibid.  p.  194. 

^  Bischof  Fulco  sagt  n&mlich  unter  anderm:  In  mente  revolyimus 
statum  honorabilem  et  antiquum  Andegavensis  studii  generalis,  de  cujus 
lactis  dulcedine  tot  boni  juvenes  educati  fuerunt,  et  in  quo  tot  boni  Tiri, 
ducnm,  comitum,  et  aliorum  principum  et  baronum  fratres,  filii  et  nepotes 
et  alto  sanguine  derivati  retroactis  temporibus  studuerunt  et  Student  etiam 
bis  diebus.  Rangeard  II,  197. 

90*)  Reg.  Suppl.  an.  1.  p.  1.  Bl.  271.  Der  genannte  Professor  las  *per 
continunm  septennium  in  legibus  ordinarie  in  Andegavensi  studio'.  Ein  an- 
derer wird  als  licentiatus  in  legibus  und  Scolaris  in  jure  can.  erwähnt,  u.  s.  w. 
S.  auch  Reg.  Tat.  Avenion.  Clem.  VI.  (an.  4.)  tom.  30  Bl.  165  a.  Wenn 
flbrigens  Gabriel  de  la  Roche  Maillet  im  Th^atre  g^ographique  du  royaume 
de  France  (Paris  1632)  versichert,  Clemens  VI.  habe  1350  die  Privilegien 
des  Studiums  bestätigt,  so  kann  ich  fQr  gewiss  hinstellen,  dass  sich  eine 
solche  Balle  weder  in  Angers  noch  im  Vaticanischen  Archiv  findet  8.  auch 
die  oben  citierte  Dissertation  p.  13. 

306)  Reg.  Suppl.  an.  2.  p.  1.  Bl.  121  (im  2.  Theil). 

Donifle,  Die  UnirertiUten  I.  18 


274     in.    Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

gebrachten  Sache  gesprochen"*).  Wegen  der  Pest  war  jedoch 
damals  das  Studium  wie  überall  in  Abnahme.  Doch  1356  be» 
stätigt  König  Johann  von  Frankreich  den  Scholasticus,  doctores, 
licentiatos  et  bachalarios  ac  omnes  et  singulos  scolares  studii 
Andegavensis  in  allen  Privilegien  und  Freiheiten,  die  sie  und 
ihre  Vorfahren  ab  antiquo  hatten '^0-  I^  J-  1361  gründet 
Wilhelm  Georges,  clericus  Andegavensis,  quatuor  bursas  quatuor 
scolarium  perpetuas,  die  in  einem  von  ihm  erbauten  Hause 
wohnen  sollten.  Sie  müssten  habiles  sein  ad  studendum  et  pro- 
ficiendum  in  facultate  legali  vel  canonica'^'').  Das  Jahr  darauf 
wandte  sich  der  Scholasticus  et  universitas  studii  Andegavensis 
an  ürban  V.  mit  der  Bitte,  er  möge  eidem  studio  gewähren, 
^ut  in  eodem  studio  studentes  fructus  quoscunque  beneficiorum 
possint  percipere'  als  würden  sie  residieren,  und  zwar  auf  drei 
Jahre.  Ausserdem  baten  Genannte  um  Beneficien  für  Mitglieder  der 
Universität"®).  In  dem  natürlich  nur  einen  geringen  Theil  der 
Universitätsmitglieder  umfassenden  Rotulus  werden  ein  Legum 
doctor,  6  licentiati  in  utroque  jure,  12  licentiati  in  legibus  (von 
denen  viele  in  artibus  graduiert  waren),  5  licentiati  in  decretis, 
13  baccalarei  in  legibus  und  6  in  decretis  genannt.  In  einem 
Nachtrage  sind  noch  ein  licent.  in  legibus,  und  je  drei  bacca- 
larei in  legibus  und  in  jure  can.  erwähnt'**^). 

Am  25.  Jänner  1363***)  gewährte  Urban  V.  omnibus  et  sin- 
gulis  personis  ecclesiasticis,  que  in  dicto  studio  et  civitate 
Andegav.  in  quacunque  facultate  licita  studebunt  et  legent, 
auf  drei  Jahre  das  Privileg,  abwesend  von  ihren  Kirchen  ihre 
Beneficien  behalten  zu  dürfen'*'),  was  er  im  J.  1366  auf  weitere 


S06)  lUngeard  II,  199  ff. 

»7)  Ibid.  II,  204. 

»>8)  Ibid.  II,  205  ff. 

S09)  Urbani  Y.  Reg.  Soppl.  an.  1.  p.  2  Bl.  120a.  Hier  findet  sich  n&m- 
Hch  der  Botolas  studii  Andegavensis. 

»W)  Ibid-  Bl.  67  a. 

»1)  Nicht  1362,  wie  Raogeardll,  208  and  I,  241  meint  Das  Schreiben 
ist  8.  kal.  Febr.  an.  1  ausgestellt,  wie  sich  auch  aus  dem  oben  angeführten 
Rotulus  ergibt. 

ns)  Bei  Rangeai^  II,  208. 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Angers.  275 

drei  Jahre  ausdehnte'^').  Es  ist  dies,  soweit  bekannt,  das  erste 
der  Universität  gewährte  päpstliche  Privileg.  Daraus  ergibt  sich 
zugleich,  dass  der  Papst  indirect  das  Studium  des  röm.  Rechts 
den  Priestern  erlaubte,  denn  in  jener  Zeit  war  Angers  fast  aus- 
schliesslich eine  Rechtsschule.  Unter  den  im  Rotulus  vom 
J.  1362  notierten  44  Universitätsmitgliedem  war  nur  ein  ein- 
ziger magister  in  artibus  et  in  medicina,  alle  übrigen  licentiati 
oder  baccalarei  in  legibus  oder  in  jure  canonico  ausser  einem 
actu  regens  in  legibus.  Jedoch  ein  Actenstück  des  Jahres  1339 
lässt  noch  einen  viel  weitem  Schluss  zu.  Das  Capitel  der 
Kirche  von  Angers  erlaubte  den  jungen  Canonikem  die  täg- 
lichen Distributionen  fortzubeziehen ,  sollten  sie  auch  zur  Zeit 
des  pflichtmässigen  Chores  in  der  Schule  sein^^^).  Die  täg- 
lichen Distributiojaen  waren  sonst  immer  ausgenommen,  und  das 
Capitel  konnte  überhaupt  eine  Erlaubniss  sowohl  in  Betreff  der- 
selben als  für  das  Rechtsstudium  nur  geben,  wenn  es  vom  Papste 
ermächtigt  war.  Gregor  XI.  bewilligte  am  22.  April  1371  uni- 
versis  doctoribus  et  magistris  et  scolaribus  studii  Andegav.  das 
Privilegium  fori,  d.  i.  non  trahi  extra  civitatem  Andegaven'**), 
am  21.  Jänner  1377  aber  nahm  er  ihre  Privilegien  und  Frei- 
heiten, die  sie  ^tam  ab  homine  quam  a  jure'  erhalten  hätten, 
in  denen  sie  aber  oft  gedrückt  würden,  in  Schutz*").  Während 
des  gleichen  Zeitraumes,  nämlich  im  Juli  1364,  ertheilte  König 
Karl  von  Frankreich  auf  Bitten  Ludwigs  I.,  Herzogs  von  Anjou, 
der  Universität  Angers  alle  Privilegien,  welche  die  Könige  der 
Universität  Orleans  gegeben  hatten  **0- 

Aus  dieser  Darlegung  ergibt  sich,  dass  sich  die  Rechtsschule 
zu  Angers  als  Generalstudium  seit  ungefähr  vor  Mitte  des  13.  Jhs. 
ohne  jeden  päpstlichen  oder  landesherrlichen  Stiftbrief  entwickelt 
hat.     Es  ist  falsch,   mit  Du  Boulay"^)  den  zuletzt  genannten 

aw)  Ibid.  p.  214. 

^*)  Rangeard  I,  217  f.  Dies  wurde  im  J.  1368  nur  widerholt.  S.  ibid. 
II,  215. 

21»)  Reg.  Vat.  Ind.  et  Privil.  an.  1.  ep.  610  BL  154a. 

2^6)  Reg.  Vat.  Bull,  divers,  an.  6  (n.  288)  Bl.  146  a. 

2^7)  Bei  Rangeard  II,  2 10  ff.  I,  250  ff.  findet  sich  eine  genaue  Ausein- 
andersetzung derselben. 

'1^)  Hist.  nniy.  Paris.  IV,  381.    AUerdings  muss  man  aus  dem  Index 

IS« 


276    m*  Entwickelang  der  Hochschulen  his  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

Act  des  Königs  von  Frankreich  als  Gründungsact  der  Universität 
anzusehen,  denn  davon  ist  im  Docnmente  keine  Rede.  Das  Stu- 
dium selbst  wird  durch  jenen  Act  nicht  im  geringsten  berührt. 
Der  König  ertheilt  die  Privilegien  nur  deshalb,  damit  die  ^stu- 
dentes  ibidem  ab  omni  adversitate  liberi  et  ab  omni  perturbatione 
securi  liberius  et  utilius  studere  valeant  inconcussi"^*).  Durch 
die  Grewährung  solcher  Privilegien  wurde  ebenso  wenig  Angers 
als  Orleans  oder  ein  anderes  Studium  zum  Generalstudium  er- 
hoben. Avignon  war  1303  als  Generalstudium  gegründet,  und 
doch  gab  demselben  erst  Johann  XXIII.  im  J.  1413  alle  Pri- 
vilegien der  Universitäten  von  Toulouse  und  Orleans**").  Mont- 
pellier erhielt  1289  das  päpstliche  Privileg;  allein  nicht  vor 
17.  December  1421  wurden  der  Universität  alle  Privilegien  der 
zwei  Universitäten  Toulouse  und  Orleans  von  Martin  V.  er- 
theilt"^). So  existierte  das  Studium  zu  Angers,  als  es  die 
Privilegien  erhielt,  bereits  ex  consuetudine  als  Generalstudium, 
die  consuetudo  hatte  dann  die  Privilegien  zur  Folge. 

Aehnlich  wie  Orleans  bestand  also  Angers,  wenn  auch  nicht 
in  gleicher  Blüthe,  ungefähr  seit  der  1.  Hälfte  des  13.  Jhs.  als 
Rechtsschule,  und  zwar  speciell  als  Schule  des  röm.  Rechts,  so 
dass  die  andern  Fächer  immer  mehr  in  den  Hintergrund  traten. 
Darauf  sowie  auf  die  nicht  geringe  Blüthe  des  Studiums  lässt 
auch  ein  im  J.  1378  an  den  Gegenpapst  Clemens  VE.  einge- 
sendeter Rotulus  schliessen.  In  diesem  erscheinen  nebst  dem 
Scholasticus,  der  decretorum  doctor  ist,  8  professores  juris 
utriusque,  2  legum,  und  ebenso  viele  decretorum  docto- 
res"*).  Ausserdem  72  licentiati,  284  baccalarei,  sei  es  in 
legibus,  oder  in  decretis,  und  190  Scholaren.  Von  gerade 
damals  Abwesenden  werden   ein   professor  juris  utriusque  und 

(Univers.  Andegav.)  verglichen  mit  p.  319.  320  wider  schliessen,  dass  er  1350 
als  Grflndnng^ahr  annehmen  will;  das  ist  aber  ebenso  grandlos. 

S19)  S.  bei  Rangeard  II,  213. 

2^)  Laval,  Cartulaire  de  Puniversitö  d' Avignon  (Avignon  1884)  I,  41.  44. 

^^)  S.  Germain,  Bist,  de  la  commnne  de  Montpellier  III,  391  Anm.  2. 

^^)  Scholasticus  war  seit  12  Jahren  Petrus  Bertrandi.     Die  doctores 

J.  U.  hiessen:  Ganfrid  Gnillopni,  Radalph  de  Garadonc,  Johann  de  Escherbeyo, 

Peter  de  Corceyo,  Gaufrid  le  Boateiller,  Stephan  Diglier,  Johann  de  Yarenis, 

'Hngo  de  Keroulay.    Die  legum  doctores:  Johann  Flandini,  Briencius  Prions. 

Decretorum  doctores:  Johann  de  Benayo,  Guido  de  Meduana. 


2.    Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Padua.  277 

ein  decretonim  doctor,  sowie  20  licentiati  in  legibus  und  10  in 
decretis,  15  in  utroque  und  30  baccalarei  genannt"'). 

Ziemlich  spät,  wenn  man  von  der  oben  genannten  durch 
Wilhelm  Georges  gegründeten  Burse  absieht,  erhielt  Angers 
Gollegien  für  arme  Scholaren.  Das  erste  ist  das  1408  von 
Johann  Yerrier  für  nur  vier  Studierende  des  Jus  civile  gestiftete. 
Es  hiess  Gollöge  de  la  Fromagerie"^). 

Padua, 

In  diesen  Zusammenhang  gehören  auch  mehrere  italienische 
Universitäten,  von  denen  einige  ihren  Ursprung  einer  Aus- 
wanderung von  einer  anderen  Schule  zu  verdanken  haben.  Vor  allen 
Padua.  Alte  Schriftsteller  berichten,  im  J.  1222  sei  das  Studium 
der  Scholaren  von  Bologna  nach  Padua  transferiert  worden"').  Un- 
richtig ist  in  dieser  Notiz  nur,  dass  'das  Studium',  d.  i.  also  das 
ganze  Studium  transferiert  worden  sei.  In  Bologna  blieb  immer- 
hin noch  ein  grosser  Theil  der  Scholaren  zurück,  die,  wie  wir 
oben  gesehen  haben,  im  J.  1224  an  Honorius  III.  gegen  die  Stadt 
appellierten.  Nicht  weniger  irrig  ist  die  Meinung,  Friedrich  IL 
habe  1241  oder  früher  das  Studium  von  Bologna  nach  Padua  verlegt, 
eine  Ansicht,  die  heute  wohl  keine  Vertretung  mehr  findet"^*). 

Aus  der  ersten  Zeit  der  Hochschule  sind  uns  nicht  bloss 
einige  Namen  von  Professoren  aufbewahrt  —  dies  wäre  nicht 
viel,  denn  solche  finden  sich  schon  aus  früherer  Epoche"*)  — , 

»3)  Giern.  VII.  Reg.  Sappl.  ao.  1.  p.  7.  Bl.  152  a  193  b.  Ein  nicht  nn- 
bedeatender  Rotnlus  ibid.  an.  14.  p.  2  Bl.  201. 

^  Rangeard  I,  430.  II,  273,  wo  die  Grandungsnrkande,  p.  279,  wo  die 
Bestimmang  des  Bischofs  Hardain  vom  J.  1412  Aber  die  Capelle  des  GoUegs 
sich  findet. 

M5)  So  anonyme  Chroniken  bei  Muratori,  Rer.  ital.  SS.  Till,  371.  421. 
459.  736.  Sonderbar  genag  l&sst  Meiners  I,  63  die  Hochschule  tu  Padna 
einerseits  ans  sich  selbst  entstehen,  andererseits  durch  Auswanderung  aus 
Bologna  gegründet  werden.  Engelberts  von  Admont  Behauptung,  erst  c. 
1274  sei  das  Studium  tou  Bologna  nach  Padua  verlegt  worden  (bei  Pez, 
Thes.  anecd.  nov.  I,  430),  hat  bereits  Tiraboschi,  Storia  della  lett.  ital.  IV, 
56  gehörig  beleuchtet. 

'^)  Vgl.  jedoch  Cenni  storici  suHa  r.  universitli  di  Padova  (1873)  p.  8. 

SM)  Bereits  im  J.  1165  wird  ein  Rechtslehrer,  Gerardus  Pomadellus 
Marosticensis  genannt,  der  *regebat  in  legibus  in  domo  Martini  de  Gosso 
juxta  majorem  ecclesiam  Padnanam'.    Facciolati,  De  gymnasio  Patavino  synt. 


278     in.    Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

sondern  wir  wissen  aus  sichern  Nachrichten,  dass  nicht  wenige 
Professoren  beider  Rechte  und  anderer  Fächer  sich  dort  in 
Mitte  einer  grossen  Schülerzahl  aufgehalten  haben'").  Ein  Er- 
eigniss  des  Jahres  1228  zeigt  uns  aber  die  Hochschule  in  voller 
Blüthe. 

Im  genannten  Jahre  schlössen  Abgeordnete  der  Stadt  Vercelli 
mit  den  Rectoren  resp.  Procuratoren  der  Scholaren  zu  Padua 
einen  Contrakt  auf  acht  Jahre  ab,  wonach  die  Stadt  den  Scho* 
laren  und  der  Universität  500  der  besten  Wohnungen  versprach, 
deren  Miethpreise  zwei  Scholaren  und  zwei  Bürger  bestimmen 


XII.  (PaUv.  1752)  p.  9.  Er  war  1169  schon  Bischof  von  Padua,  und  sein  Vor- 
gänger Cazo  wird  ebenfalls  sacroruro  canonum  doctor  genannt.  Ich  begreife  nicht, 
warum  Savigny  III,  276  Anm.  a  besonders  zu  betonen  sich  veranlasst  fühlt, 
dass  die  Vorlesungen  nur  eine  vorübergehende  Unternehmung  ohne  bleibende 
Folge  waren.  Wenn  bis  1222  ununterbrochen  Rechtslehrer  in  Padua  ge- 
lehrt h&tten,  80  wären  deshalb  noch  nicht  ein  Qeneralstudium  dort  gewesen,  es 
hätte  erst  mit  der  Auswanderung  aus  Bologna  begonnen. 

^7)  Buoncompagnos  Summa,  die  1215  vollendet  wurde  und  am  26.  April 
desselben  Jahres  die  Approbation  der  Universität  Bologna  erhielt,  kam 
am  31.  März  1226  'Padue  in  maiori  ecclesia'  Mn  presentia  professorum  iuris 
civilis  et  canonici  et  omnium  doctorum  et  scolarium  Padne  commorantium' 
zur  Einführung.  Cod.  Paris.  7731  Bl.  83  b.  Cod.  tat.  Mon.  23499  Bl.  58. 
S.  Thurot  in  Notices  et  eztraits  XXII,  36.  Rockinger,  Briefsteller  und 
Formelbücher  des  11  —  14.  Jhs.  I,  119.  Guido  Faba  lässt  in  seiner  Summa 
dictaminis  den  mag.  E.  Castellanus  doctor  decretorum  Padue  dem  mag.  Pe- 
trus Hispanus  doctor  decret.  Bononie  schreiben,  er  möge  an  seiner  Statt 
die  Schule  in  Padua  übernehmen,  wo  'multittfdinem  habebitis  auditorum'; 
er  sei  auf  einen  Bischofssitz  berufen.  Cod.  Paris.  8652  Bl.  47  b.  Die  Summa 
schrieb  Faba  1229,  als  Aliprando  Faba  Podestä  in  Bologna  war  (s.  Bl.  27a,  da- 
zu Qhirardacci  I,  148)  und  Johann  Corrado  zum  Bischof  von  Padua  erwählt 
wurde  (Bl.  45  a).  Sarti,  und  ihm  folgend  Tiraboschi,  setzen  das  Schreiben 
ohne  jeglichen  Qrund  ungefähr  in  das  Jahr  1223.  Es  kann  sogar  dem  J.  1228 
oder  1229  angehören,  so  dass  es  zum  Beweise  angeführt  werden  könnte, 
dass  das  Studium  1228  nicht  ganz  nach  Vercelli  transferiert  wurde. 
Uebrigens  heisst  der  Rechtslehrer  im  genanten  Cod.  and  im  Cod.  Paris. 
8650  Bl.  31b.  E.  Castellanus,  Cod.  8653  Bl.  54  b  R.magister  CasteU.  doctor  Padue 
comorans,  nicht,  wie  Sarti  in  seinem  Codex  liest,  Wilhelm  Guasco,  oder  nach 
Cod.  Casin.  281  p.  56:  G.Guascus.  —  Jordan  von  Sachsen  predigte  bereits  1223 
'scholaribus  apud  Paduam',  wo  er  33  Brüder  aufnahm,  von  denen  mit  Ausnahme 
von  zweien  alle  'competentis  litteraturae  et  quam  plures  inter  eos  satis  nobiles' 
waren.    Lettres  du  b.  Jonrdain  de  Saxe  ed.  Bayonne.  Paris  1865,  p.  8.  12. 


2.    Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Padua.  279 

müssen.  Im  Falle  der  UneiDigkeit  wäre  der  Bischof  oder  ein 
Gapitnlar  beizuziehen.  Die  theuerste  dürfe  den  Preis  von 
19  Lire  von  Pavia  nicht  übersteigen.  Nur  die  Wohnungen, 
welche  bei  Märkten  für  die  Aufnahme  der  Gäste  dienen,  könne 
man  nicht  in  Beschlag  nehmen.  Die  Commune  von  Vercelli 
erbot  sich  auch  zu  einem  Vorschuss  von  10000  Lire  für  die 
Scholaren,  die  in  den  ersten  zwei  Jahren  mit  zwei  Denaren,  in 
den  folgenden  mit  3  für  jede  Lire  verzinst  werden  sollten.  Sie 
werde  verbieten,  die  Lebensmittel  aus  dem  Districte  führen  zu 
lassen.  Das  Getreide  würden  die  Scholaren  um  den  Einkaufs- 
preis erhalten.  Die  Stadt  versprach  ferner  ein  Salarium  für 
die  Professoren  auszuwerfen,  welche  von  den  vier  Rectoren  der 
Nationen  der  Franzosen,  Italiener,  Deutschen  und  Provencjalen 
gewählt  werden  sollten,  und  zwar  für  einen  Theologen,  drei  Civi- 
listen,  vier  Canonisten  (zwei  in  decretis  und  zwei  in  decretalibus), 
zwei  Mediciner,  zwei  Dialektiker  und  zwei  Grammatiker,  im 
ganzen  also  für  14.  Ausserdem  machte  sich  die  Commune  anheischig, 
zwei  Bedelle  und  zwei  exemplatores,  die  für  correcten  Text 
sorgen  müssten,  zu  halten.  In  Civilsachen  sollen  die  Scholaren 
unter  den  Bectoren,  in  Criminalsachen  unter  der  Stadtobrigkeit 
stehen.  Aller  mögliche  Schutz  und  die  grösste  Begünstigung 
wird  ihnen  in  Aussicht  gestellt,  und  sie  würden  gehalten  werden 
wie  die  Bürger.  Die  Commune  werde  es  in  ganz  Italien  publi- 
cieren  lassen,  dass  das  Studium  in  Vercelli  existiere.  Die  Bectoren 
und  Scholaren  versprachen  aber  sich  zu  bemühen,  *quod  tot 
scolares  venient  Vercellis  et  morentur  ibi  in  studio,  qui  sint 
sufficientes  ad  praedicta  quingenta  hospitia  conducenda,  et  quod 
Universum  Studium  Padue  veniet  Vercellis  et  moretur  ibi  usque 
ad  octo  annos.  Si  tamen  facere  non  poterint,  non  teneantur'  "*). 
Das  sind  die  hauptsächlichsten  Punkte,  welche  hier  in  Betracht 
kommen.  Der  Act,  der  in  der  Regel  citiert  wird,  wenn  man  vom 
Studium  in  Vercelli  spricht,  gehört  recht  eigentlich  in  die  Ge- 
schichte der  Hochschule  zu  Padua,  weil  er  uns  nicht  so  sehr 
über  den  Zustand  der  Schule  zu  Vercelli,  als  vielmehr  über  den 


^  Balliano,  DeHa  universitä  degli  studi  di  Vercelli,  p.  38  ff.    Andere 
Abdrücke  sind  unter  Vercelli  verieichnet. 


280     ^^^*    Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  U.  Jlis. 

der  Schule  zu  Padua  in  den  ersten  Jahren  ihres  Daseins  .als 
Hochschule  einigermassen  aufklärt.  Er  beweist  nämlich  nicht  nur, 
dass  Padua  vier  Scholarenverbindungen,  jede  unter  einem  eigenen 
Rector  gehabt  habe,  worauf  ich  bereits  oben  aufmerksam  machte, 
sondern  dass  auch  das  Lehrpersonal  für  jene  Zeit  ziemlich 
stark,  und  die  Anzahl  der  Scholaren  verhältnissmässig  gross 
gewesen  sein  müsse,  denn  500  Wohnungen  werden  nicht  mit 
500  Scholaren  besetzt.  Doch  hüte  man  sich  hier  vor  voreili- 
gen Schlüssen.  Man  darf  nicht  von  vorneherein  annehmen, 
dass  in  Padua  neben  der  Rechtswissenschaft  auch  Theologie, 
Philosophie  und  Medicin  gelehrt  wurden,  weil  diese  Lehrgegen- 
stande auch  für  Vercelli  verlangt  werden.  Wie  sich  von  selbst 
versteht  und  es  die  Art  und  Weise  des  Ursprungs  mit  sich 
brachte,  war  die  Rechtswissenschaft  das  Leben  der  Hochschule. 
Darüber  ist  kein  Zweifel.  Auf  die  artes  liberales  komme  ich 
alsbald  zu  sprechen.  Theologie  wurde  jedoch  nicht  öffentlich 
gelehrt,  und  schwerlich  schon  damals  Medicin"^).  Was  die 
Theologie  betrifft,  so  lässt  sich  ihr  Betrieb  nicht  einmal  für 
die  in  Padua  existierenden  Klöster  nachweisen,  und  ich  zweifle 
sehr,  ob  man  im  Gonvente  der  Dominicaner  in  jenen  Jahren  Theo- 
logie vorgetragen  hat.  Wenigstens  wurde  erst  am  28.  October  1226 
der  Grundstein  zur  Kirche  gelegt ''°),  obwohl  bereits  früher  mehrere 
Dominicaner  in  Padua  waren.  Dass  Albert  der  Grosse  1228  dort 
Theologie    dociert    habe,    ist    noch    weniger   erwiesen '*'))    ^^ 


3^)  S.  Gloria  in  den  Atti  del  r.  istituto  Yeneto  di  scienze,  lettere  ed 
arti,  tom.  6.  ser.  5.  (Veneria  1879—80)  p.  1028. 

S36^  GeneralarchiT  des  Dominicanerordens.  Pio,  DeUa  nobile  et  gene- 
rosa  progenie  del  P.  Domenico  in  Italia  (Bologna  1615)  p.  355  f.  aas  Muscheta, 
B.  Joannis  cognomento  Vicentii  praeclara  gesta  (Patavii  1590)  Bl.  13  b.  Nur 
sagen  beide  5.  October.  Ebenso  in  Muschetas  Schrift  De  augustissimo  templo 
D.  Augustini  prope  flumen.    Hs.  in  der  Marciana,  L.  IX.  84  61.  5  b. 

^1)  Gloria  führt  nur  ^in  Zeugniss  hierfür  an,  n&mlich  das  des  Domi- 
nicaners D.  Maria  Federici  aus  dem  Ende  des  vor.  Jhs.  1.  c.  1038.  Fede* 
riet  citierte  Echard  und  die  Monum.  conyentus.  Echard  I,  164  sagt,  Albert 
habe  vor  Eintritt  in  den  Orden  in  Padua  Philosophie  (was  Gloria  1.  c.  für 
jene  Zeit  nicht  hingehen  lassen  will),  und  dann  dort  oder  in  Bologna  Theologie 
studiert.  Alles  blosse  Vermuthangen,  für  die  nicht  das  winsigste  Document 
existiert.    Davon,  dass  Albert  in  Padua  die  Theologie  gelehrt  habe,  weiss 


2.   Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Padua.  281 

dass  er  daselbst  1222—1223  in  den  Orden  von  Jordan  von  Sachsen 
aufgenommen  worden  sei"^).  Ueber  die  Schulen  in  den  übrigen 
Klöstern  hört  man  nichts.  Was  nun  die  artes  liberales  betrifft, 
so  meint  Gloria,  vor  1234  seien  sie  (die  Philosophie)  nicht  ge- 
lehrt worden,  sondern  nur  die  Grammatik'"').  Allein  dagegen 
spricht  der  gleichzeitige  Brief  Jordans  von  Sachsen,  der  c.  1231 
in  Padua  einen  Ungarn  aufnahm  'optime  institutus  in  artibus'^'O- 

Sicher  ist  jedoch,  dass,  wenn  die  Commune  von  Vercelli 
auch  Lehrstellen  für  Theologie  und  Medicin  errichtet  haben  wollte, 
dies  keineswegs  beweist,  diese  Fächer  seien  in  Padua  gelehrt 
worden,  sondern  dass  dies  vielmehr  daraufhindeutet,  dass  die  Com- 
mune von  einem  andern  Gesichtspunkte  aus  zu  jenem  Beschlüsse 
kam.  Mir  scheint,  dass  hier  das  Studium  zu  Neapel,  resp.  der  Stift- 
brief Friedrichs  II.,  mit  dem  der  Contrakt  in  einigen  Punkten 
übereinstimmt,  von  Einfluss  war.  Vercelli  wollte  eine  Lehranstalt 
ähnlich  jener  zu  Neapel  in  allen  Fächern  besitzen. 

Man  sollte  nun  meinen,  dass  jetzt  das  Studium  zu  Padua 
wenigstens  auf  mehrere  Jahre  unterbrochen  worden  sei.  Dies  war 
auch    die    Ansicht    einiger    Schriftsteller"*)?    während    andere 


auch  Echard  nichts.  Berichteten  dies  aber  vielleicht  die  Monum.  conventus? 
Und  welche  Antorit&t  haben  diese?  Gloria  selbst  ist  hier  viel  zu  leicht- 
gläubig. 

^  Nicht  eine  einzige  alte  Notiz  existiert  hierüber.  Man  hat  nur  eine 
SteUe  in  den  Vitas  Fratrum  auf  Albert  bezogen  (part.  4  c.  10.  s.  Echard 
I.  c.  p.  163),  um  doch  auch  etwas  aber  Alberts  Jugend  berichten  zu  können. 
Die  Sache  ist  also  sehr  problematisch.  Sicher  ist  nur,  dass  Albert  wirklich 
einmal  in  Padua  war.  Ob  als  juvenis,  wie  Echard  1.  c.  meint,  oder  später, 
das  sagt  er  nicht.  Als  juyenis  war  er  einmal  in  Venedig.  S.  oben  S.  69 
und  Echard  p.  163  n.  4. 
•      «83)  L.  c. 

«84)  S.  Anm.  238.  Dass  ausser  den  Rechtslehrern  auch  andere  Doctoren 
damals  in  Padua  sich  aufhielten,  erfahren  wir  Überdies  aus  der  oben  citierten 
SteUe  in  der  Summa  Buoncompagnos.    S.  S.  278  Anm.  227. 

«86)  Facciolati  wusste  noch  nichts  yom  Gontrakte;  aUein  trotzdem  be- 
ginnt er  nach  dem  Vorgange  Papadopolis  (Bist.  gymn.  Patavini,  1726  p.  2) 
seine  Fasti  gymnasii  Patayini  (Patavii  1757)  I,  1  mit  dem  J  1260;  in  seinen 
Syntagm.  spricht  er  zwar  wie  wir  gesehen  haben  von  frühern  Professoren, 
allein  er  lässt  doch  erst  um  die  genannte  Zeit  das  Gymnasium  Patavinum 
rite  recteque  constitutum  sein.    Tiraboschi  jedoch,  Storia  della  letter.  ital. 


282     ni.    Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

glaubten,  der  Contrakt  sei  gar  nicht  ausgeführt  worden"').  Weder 
die  eine  noch  die  andere  Ansicht  ist  richtig.  Auf  die  letztere 
komme  ich  im  nächsten  Paragraphen  zurück.  Gegen  die  erstere 
sprechen  nicht  wenige  Thatsachen. 

Im  Jahre  1229  predigte  der  General  der  Dominicaner  Jordan 
von  Sachsen  in  Padua.  Er  schreibt  der  Diana  und  den  übrigen 
Klosterfrauen  von  St.  Agnese  in  Bologna,  ihre  Bitten  in  Betreff  der 
Scholaren  von  Padua  seien  erhört  worden,  ubi  bene  viginti  et 
probi  postea  intraverunt'").  Um  1231  nahm  er  dort  den 
Archidiacon  Jacob  von  Ravenna  und  mit  ihm  einen  juvenis 
magni  ingenii  optime  institutus  in  artibus  aus  Ungarn,  ebenfalls 
Archidiacon,  und  circa  triginta  novitios  probos,  litteratos  et  no- 
biles,  et  plures  in  eorum  numero  sunt  magistri  "*)  in  den  Orden. 
Das  Jahr  darauf  dankt  er  Gott,  ^eo  quod  jam  plures  de  schola- 
ribus  Paduanis  probos  et  idoneos  nobis  dedit'"').  Dass  nach 
1228  die  Anzahl  der  Studierenden  keine  geringe  gewesen  sein 
könne,  lernen  wir  aus  einem  andern  fast  gleichzeitigen  Berichte. 

In  der  ältesten  Vita  des  heiligen  Antonius  von  Padua '^^), 

IV,  51.  54,  nimmt  eine  Unterhrechnng  des  Studiums  von  1226—1260  an, 
weil  man  keine  Erwähnung  desselben  innerhalb  dieser  Zeit  finde,  und  er  be- 
trachtet den  Contrakt  von  Vercelli  mit  Padua  als  eine  erwünschte  Bestäti- 
gung fflr  seine  Ansicht.  Er  fand  einen  'Gegner  in  Colle,  Storia  dello  studio 
die  Padova,  Padova  1824,  1,  61  ff. 

3M)  S.  darflber  im  Abschnitte  über  Vercelli. 

^7)  Lettres  du  b.  Jourdaln  ed.  Bayonne  p.  100. 

^  Lettres  p.  134:  Magister  Jacobus  Archidiaconus  Ravennas,  prepo- 
situs  Bobiensis,  qui  episcopatum  ante  introitum  etiam  rogatus  accipere  re- 
futavit,  cui  in  Lombardia  non  est  melier  juris  rector,  assumpsit  habitum. 
Dass  dies  in  Padua  der  Fall  war,  erfahren  wir  aus  einem  Briefe  desselben 
Inhalts,  den  Jordan  nach  St.  Jacob  in  Paris  schrieb  (Cod.  Paris.  10621 
Bl.  178).  Im  erzbischOfl.  Archiv  zu  Ravenna  geschieht  dieses  Archidia- 
cons  öfters  Erwähnung.  Caps.  C  n.  898  v.  J.  1213:  Dominus  Jacobus  Archi- 
diaconus; Caps.  III  n.  1:  magister  Jacobus  Archidiaconus.  Und  so  öfters. 
Zuletzt  in  Caps.  F  n.  1922  v.  J.  1228:  Dominus  magister  Jacobus  Archi* 
diaconus  Ravennas.  Im  J.  1233  (Caps.  F  n.  2338)  wird  bereits  Johannes  Archi- 
diaconus erw&hnt.  Also  auch  aus  diesen  Documenten  ergibt  sich,  dass  der 
Archidiacon  nach  1228  und  vor  1233  in  den  Orden  getreten  ist. 

SM)  Ibid.  p.  166. 

^  Sie  finden  sich  in  fünf  Hss.,  die  ich  eingesehen  habe.  In  der  Bibl. 
acionale  (Abthlg.  Alcoba^a)  zu  Lissabon  n.  286  (nicht  paginiert);  Cod.  Paris. 


2.    Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.   Fadua.  283 

die  zum  Theil  auf  eigener  Anschauung,  zum  Theil  auf  dem 
Bericht  von  Augenzeugen,  besonders  des  Bischofs  Soeiro  Viegas  II. 
von  Lissabon,  der  29.  Jänner  1232  starb  und  kurz  vorher  beim 
Papste  in  Italien  war'"),  beruht"*),  ist  im  10.  Capitel  des 
2.  Theiles  von  den  Processionen  die  Bede,  die  nach  dem  Tode  des 
Heiligen  (13.  Juni  1331)  statt  hatten.  Der  Autor  zählt  auf,  wer 
bei  denselben  zugegen  war,  und  unterlässt  nicht  die  4ittera- 
torum  turma  scolarium,  quorum  non  mediocri  copia  viget  civi- 
tas  Paduana'  zu  erwähnen.  Wollte  man  auch  auf  diese  Stelle 
allein  noch  nicht  allzu  viel  Gewicht  legen,  da  unter  den  *litterati' 
nicht  gerade  Universitätsstudierende  verstanden  werden  müssen,  so 
benimmt  uns  doch  eine  andere  Stelle  jeden  Zweifel.  Aus  ihr  geht 
hervor,  dass  die  litterati  als  Universität  existierten.  Als  man 
sich  nämlich  im  nächsten  Jahre  beim  Papste  um  die  Ganonisation 
des  Antonius,  die  am  1.  Juni  erfolgte,  bemühte,  da  war  es  die 
'favore    digna   magistrorum    atque   scolarium   universitas   tota', 


1436S  (61.  186a);  14365  (Bl.  362a);  St.  Florian  in  Oberösterreich  XI.  264 
Bl.  164a     Die  Lissaboner  Hs.  ist   die  älteste  Yon  allen  und  vor  Ende  des 

13.  Jbs.  geschrieben.  Die  Herausgeber  derselben  in  den  Portugaliae  monu- 
menta  historica,  Script ores  I  (Olispone  1856)  p.  116  setzen  sie  zu  sp&t  an.  Die 
drei  andern  Hss.  sind  ebenfalls  aus  dem  13.  Jh.  In  der  Bibl.  di  S.  Antonio  zu 
Padua  enthält  Cod.  74  von  Bl.  112-^165  zwei  Yiten  des  hl.  Antonius;  die 
erstere,  nach  1293  verfasst,  reicht  bis  127  b;  die  2.  von  128—165.  Diese 
zweite  nun  ist  die  eben  angegebene,  steht  aber  doch  den  vier  citierten  Hss. 
nach,  da  sie  bereits*  spätere  Znsfttse  enthält.   Die  Hs  selbst  stammt  aus  dem 

14.  Jh.  (Beide  Viten  nunmehr  ediert  von  A.  M.  Josa,  Bononiae  1884,  er 
wusste  aber  leider  nicht,  dass  die  zweite  Vita  schon  gedruckt  war).  Die  Vita  in 
den  eben  citierten  5  Hss.  wurde  meist  die  Grundlage  für  spätere  Bearbei- 
tungen. Jene  in  den  AA.  SS.  Jun.  II  p  705  ist  eine  Kürzung,  jene  bei 
Suria8(Jani  p.  728  ed.  Colon.  1589  tom.  8)  eine  Erweiterung  derselben.  Hier- 
nach müssen  meine  Bemerkungen  in  der  Zsch.  f.  kath.  Theol.  6.  Jhg.  S.  713 
berichtigt  werden.  Der  Verfasser  dieser  ältesten  Vita  nahm  sich  die  erste 
Yita  S.  Francisci  von  Thomas  de  Celano  als  Vorbild,  und  entlehnte  ihr  nicht 
wenige  Phrasen. 

^^)  S.  Cunha,  Historia  ecclesiastica  da  igreia  de  Lisboa  (Lisboa  1642) 
Bl.  109b.  129b. 

>^)  Der  Autor  sagt  in  der  Einleitung:  Deniqne  nonnuUa  scribo,  que 
ocnlis  ipse  non  vidi,  Domino  tamen  Sugerio  II.  Ulizbonensi  episcopo  et 
aliis  viris  catholicis  referentibus  ipsa  cognovi.  In  der  Einleitung  zum  2. 
Theile,  der  den  Bericht  seit  dem  Hingänge  des  hl.  Antonius  enthält,  meint 


284    If'*    Entwickelnog  der  Hochscholen  bis  lam  Ende  des  14.  Jhs. 

welche  an  die  Römische  Curie  schrieb*^').  Dieses  Zeagniss  hat 
am  80  mehr  BedeataDg,  als  die  Vita  vor  Restauratioii  der  Uni- 
versität  im  J.  1260 — 1261  geschrieben  wnrde'^^),  mud  als  man 
daher  nicht  sagen  kann,  der  Aator  habe  den  Zostand  der  Uni- 
versität während  der  spätem  Zeit  in  die  frühere  hineingetragen. 
Ans  diesen  Zeugnissen  ergibt  sich,  dass  der  Contrakt  mit 
Vercelli  nnr  theilweise  ansgefilhrt  wurde,  und  dass  immerhin 
noch  eine  grössere  Anzahl  von  Professoren  und  Scholaren  in 
Padua  zurückblieb.  Andere  Belege,  die  Colle  f&r  die  Jahre 
1245  und  1249  anführt'^'^),  beweisen  nicht  für  ein  förmliches 
Studium.  Vielleicht  bringt  Gloria  in  seinen  Monumenti  della 
universitä  di  Padova,  die  er  bereits  vor  dem  Erscheinen  mehr 
als  gebührend  erhoben  hat'^*),  weitere  Documente.  Allein  es  wird 
nie  gelingen  nachzuweisen,  dass  das  Studium  zu  Padua  vor  dem 
2.  Decennium  der  2.  Hälfte  des  13.  Jhs.  in  Blüthe  stand.  Ich 
glaube  vielmehr,  dass  es  bis  zu  jenem  Zeitpunkte,  und  zwar 
wegen  der  grausamen  Tyrannei  Ezzelins  (1237 — 1260)  in  Padua, 
inmier  mehr  in  Verfall  geriet.  Vielleicht  ist  es  daraus  zu  er- 
klären, dass  Albert  der  Grosse  zur  Zeit,  als  er  den  Tractat  De 
natura  locorum  schrieb,  in  einer  Weise  vom  Studium  zu  Padua 
spricht,  als  hätte  es  damals  kaum  mehr  existiert '^^). 


er:  Mira  vero  que  circa  eam  et  per  eum  dens  mflgestatis  operari  dignatas 
est  a  die  obitns  sui  et  deinceps,  vironim  nobis  fide  dignomm  relatione  relata 
sequenti  oposcnlo  dnximas  inserenda.  Portagaüae  Mon.  1.  c.  p.  120. 

2*3)  Portug.  Mon.  1.  c.  124. 

3^)  Josa  weist  p.  VI  ff.  sehr  gut  nach,  dass  die  Vita  in  der  1.  Hftlfte 
des  13.  Jhs.  verfasst  worden  sein  müsse.  Meiner  Ansicht  nach  datiert  sie 
aus  den  ersten  Jahren  nach  der  Heiligsprechung,  was  ich  aus  den  Quellen 
der  Legende  und  aus  dem  Umstände,  dass  die  erste  Yita  des  hl.  Franciscus 
von  Thomas  de  Celano  noch  ganz  frisch  im  Ged&chtnisae  des  Verfiissers 
war,  schliesse. 

246)  Storia  dello  studio  di  PadoYa  I,  63  f. 

246)  In  den  Atti  del  r.  istituto  Veneto,  tom.  1.  ser.  6.  p.  1257.  1267. 
Gloria  meint  fast,  Yor  ihm  habe  niemand  etwas  Yom  Studium  zu  Padua, 
niemand  etwas  von  Palaeographie  gewusst.  Wenn  er  aber  gar  so  viel  weiss, 
warum  schreibt  er  dann  nicht  eine  förmliche  Geschichte,  und  Yerspricht 
nur  eine  zusammenfassende  Notisensammlung  mit  einem  Apparat  Ton  Docu- 
menten? 

947)  Im  Tractate   De  natura  locorum  (tr.  3  c.  2.  ed.  Lugdun.  tom.  5) 


2.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Padua.  285 

Nach   vier  Jahren   seit   erlangter   Freiheit,   nämlich  1260, 
hatte  die  Reactivierung  der  Universität  Padua  statt'*'),  obschon 

1259  wenigstens  Grammatiker  daselbst  docierten.  Die  Commune 
entwickelte  eine  ungewöhnliche  Thätigkeit  und  erliess  besonders 

1 260  und  während  der  nächsten  Jahre  Bestimmungen  hinsichtlich 
der  Wohnungen,  der  Rechte  und  Privilegien  der  Scholaren,  der 
Anzahl  der  zu  berufenden  Juristen  (2  Legisten,  3  Ganonisten), 
der  vorzulesenden  Bücher,  der  Stationarii  u.  s.  w.  Das  Salarium 
der  Legisten  soll  nicht  300  Lire,  das  der  Ganonisten  nicht  200 
übersteigen.  Die  Doctoren  seien  jährlich  zu  berufen  'per  comune 
Padue  de  consilio  rectorum  et  tractatorum  studii'"').  Im  J.  1262 
wurde  Rolands  Ghronik  'coram  doctoribus  et  magistris  presente 
etiam  societate  laudabili  baccalariorum  et  scholarium  liberalium 
artium  de  studio  Paduano'  vorgelesen ;  von  diesen  werden  3  pro- 
fundi  et  periti  doctores  in  physica  (Medicin)  et  scientia  naturali, 
einer  in  der  Logik,  und  6  in  der  Grammatik  und  Rhetorik  ge- 
nannt'"). Die  Rectoren  der  Universität  bestimmten  um  jene 
Zeit,  dass  der  Bischof  von  Padua  das  Examen  vornehmen  und 
die  Licenz  ertheilen  sollte.  Urban  IV.  bestätigte  am  9.  Jänner 
1263  diesen  eingeführten  Usus"^)  und  spricht  von  der  'univer- 
sitas  magistrorum  et  scolarium  Padue'  als  von  einer  bereits 
anerkannten.    Die  Hochschule  war  schon  consolidiert  und  schwang 


sagt  er:  Patavium,  qoae  nunc  Padua  vocatar,  in  qua  multo  tempore  viguit 
Studium  literarum. 

^  Richtig  Facciolati  L  c.  und  Synt.  p.  10.  Statuta  spectab.  et  almae 
univers.  Juristarum  Patav.  gymn.  1551.  Bl.  1.     Irrig  die  Genni  storici  p.  8. 

s^9)  S.  genannte  Statuten  mit  den  näheren  Nachweisen  unten  Beilage  1. 

200)  Muratori,  Her.  ital.  SS.  VIII,  360.  Mon.  Germ,  SS.  XIX,  147. 

^^)  Im  Vat  Archiv  fand  ich  das  Schreiben  in  den  Reg.  Vat.  Avenion. 
dem.  VI.  t.  34  Bl.  83  b;  Beg.  Suppl.  Clem.  VI.  an.  5  p.  2  Bl.  45a,  wo  die 
BuUe  einer  Supplik  des  Bischofs  von  Padua  Hildebrand  (1319—1352)  inseriert 
ist.  Ürbans  Schreiben  bei  Riccoboni,  De  gymnasio  Patav.  in  Graevii  Thes. 
antiqu.  et  hist.  Italiae  VI.  par.  4  p.  4;  Tomasini,  Gymn.  Patav.  (1654)  p.  9. 
Im  J.  1362  ordnete  Innocenz  VI.  an,  dass,  wenn  der  Bischof  gestorben  sei, 
in  der  Zwischenzeit  bis  zur  Neuwahl  der  Abbas  monasterii  de  Canaria  0. 
S.  B.  die  Promotionen  vorzunehmen  habe.  Da  die  Ausstellung  des  Schreibens 
hierflber  durch  den  Tod  des  Papstes  verhindert  wurde,  that  dies  Urban  V. 
am  8.  Nov.  1362.    Reg.  Vat.  Ind.  an.  1  ep.  579  Bl.  158  b. 


286    '^''   Entwickelofif  d^r  Hochscbalen  bis  tnm  Ende  des  14.  JhB. 

sich  bald  zu  einer  der  ersten  in  Italien  empor.  Im  J.  1374 
sandte  Gregor  X.  seine  auf  dem  Goncil  zu  Lyon  erlassenen  Gon- 
Htitutionen  nicht  bloss  nach  Bologna  nnd  Paris'"),  sondern  tat 
1.  November  auch  nach  Padua'^').  Es  ist  dies  der  erste  Fall, 
dass  ein  Papst  seine  Constitutionen  oder  Decretalen  an  andere 
Hochschulen  als  die  zwei  zuerst  genannten  geschickt  hatte. 

Aus  der  nächstfolgenden  Periode,  deren  Besprechung  schon 
in  den  2.  Band  gehört,  seien  bloss  folgende  Facta  erwähnt 
Die  Hochschule  war  für  die  Bepublik  Padua  eine  Lebensfrage, 
und  es  wurde  wie  auch  anderwärts  zugleich  fQr  den  Papst  eine 
Handhabe,  um  die  Stadtobrigkeit  in  Schranken  und  in  Gehorsam 
7M  erhalten.  Im  J.  1288  wandte  sich  die  Commune  von  Padua 
an  Nicolaus  IV.  wegen  eines  Zwistes  zwischen  ihr  und  den 
Scholares  ultramontani.  Die  Ultramontani  waren  mit  der  Wahl 
des  Rechtölehrers  Jacob  von  Arena,  welche  die  Commune  be- 
stätigt hatte,  nicht  einverstanden  und  hatten  sich  im  October 
1287  durch  einen  Eidschwur  verpflichtet,  die  Stadt  zu  verlassen 
und  zu  ihr  binnen  10  Jahren  nicht  zurückzukehren,  falls  bis 
Weihnachten  Jacob  von  Arena  ^a  lectura  ordinaria  librorum 
legalium*  nicht  entfernt  worden  sei.  Sie  machten  jedoch  damit 
nicht  Ernst,  und  die  Commune  bat  nun  den  Papst,  die  Ultra- 
montanen vom  geleisteten  Eide  zu  lösen,  da  ^ex  discessu  predic- 
torum  ultramontanorum  scolarium,  si  fieret,  de  civitate  ipsa  nos- 
catur  tam  communl  quam  civitati  predictis  grave  dispendium 
imminere,  preserüm  cum  ex  hoc  facile  sequi  possit  dissolutio 
studii  Paduani,  quam  non  esset  dubium  in  non  modicum  detri- 
meutum  reipublice  redundare\  Der  Papst  gewährte  die  Bitte 
am  1,  Juni'**), 


*'^^)  8.  Schulte  11,  ai. 

^^)  Campi,  llist.  ecclei,  di  Piacensa  (1651)  II,  458  hat  eine  solche  an 
^univ^rsia  doctoribue  et  scolaribus  Padannis*  gerichtete  Bolle  pnbliciert. 
Auch  berichtet  ea  Snn^lbert  von  Admont  L  c.»  and  Schalte  II,  558  hat  im 
CVa.  Viudob.  2084  Bl  iO^  ebenüalls  die  an  Padoa  adressierte  Buüe  gefonden. 
Engelbert  irrt  nur  darin,  dass  er,  wie  ich  bereits  bemerkt  habe*  glaabte,  das 
Studium  »ei  erat  damals  von  Bologna  nach  Padua  veriegt  worden ;  der  F^»st 
habe  auch  blo:ts  nach  Padua,  nicht  nach  Bologna  die  Constitutionen  gesandt 

^^)  Reg.  Yat  an.  1  ep.  61  BL  16a.  Das  Schreiben  ist  nunmehr  ediert 
in  d«n  Melanges  d'ArcheoIogie  et  d'histoire.  4.  anaee  1884,  p.  55. 


2.    HochschuleD  ohne  Stiftbriefe.    Padua.  287 

Allein  durch  eigene  Schuld  hätte  die  Commune  bald  ihr 
Studium  verloren.  Die  Stadt  erliess  1282''^'^)  ^nonnulla  statuta, 
nedum  iniqua,  quinnimo  nefanda  et  horrenda  quam  plurimum 
crudelibus  studii  quorum  pretextu  clerus  civitatis  et  dioc.  Pa- 
duan.  multimodi  offensis  impetitur,  läcessitur  iniuriis,  af&citur 
contumeliis  "•)•  Am  1.  October  1288  erklärte  sich  Nicolaus  IV, 
gegen  diese  Statuten  und  drohte  dem  Podestä,  den  Anzianen, 
dem  Rathe  und  der  Commune,  sie  durch  seinen  Legaten  den 
Erzbischof  von  Ragusa  excommunicieren  zu  lassen  und  unter 
anderm  ^civitatem  predictam  studii  dignitate,  privilegiis  et  in- 
dulgentiis  omnibus  vobis  et  eidem  civitati  super  studio  ipso  ab 
apostolica  sede  concessis'  zu  berauben,  ^universos  magistros  et 
scolares  alienigenas  de  civitate  predicta  prorsus  expellere\  so 
dass  sie  'ad  eam  absque  speciali  sedis  predicte  licentia  nuUa- 
tenus  revertantur',  widrigenfalls  diese  aller  Benefizien  verlustig 
und  solche  zu  erlangen  für  die  Zukunft  unfähig  wären:  sollten 
der  Podesti,  die  Anzianen  etc.  nicht  innerhalb  von  15  Tagen  nach 
Empfang  des  Schreibens  die  genannten  Statuten  cassieren'^^). 
Am  27.  Mai  des  nächsten  Jahres  belegte  auch  Bonaventura, 
Erzbischof  von  Ragusa,  von  Monselice  aus  in  der  That  Padua 
mit  dem  Interdicte'^^).  Am  2.  August  1290  aber  erliess  Nico- 
laus IV.  ein  Schreiben,  woraus  wir  erfahren,  dass  zwischen  dem 
Podest^  etc.  und  dem  Clerus  der  Stadt  ein  Uebereinkommen 
getroffen  war,  in  Folge  dessen  der  Papst  den  Cardinal  Peter 
de  Colonna  beauftragte,  'sententias  latas  contra  Studium  civi- 
tatis predicte'  aufzuheben'"*). 

^^)  S.  Gennari,  DeU'  antico  corso  de'  fiami  in  Padova  (Padova  1776) 
p.  112;  Annali  della  cittä  di  Padova  (Bassano  1804)  III,  36;  Informazione 
iaiorica  deUa  cittü  di  Padova  (Bassano  1796)  p.  LXIII.  Bereits  1265  und 
1274  wurden  solche  Statuten  erlassen. 

^  Cavacio,  Hist.  coenob.  Justinae  Patavinae  (Patarii  1696)  p.  125 
meint,  bereits  Martin  lY.  habe  sieh  (1282)  gegen  die  Statuten  aasgesprochen 
nnd  Padua  mit  dem  Interdict  belegt,  das  erst  Nicolaas  lY.  im  J.  1289  auf- 
gehoben habe.    AUein  ganz  mit  Unrecht  und  ohne  Beweis. 

SS7)  Beg.  Vat  an.  1.  ep.  212  Bl.  50  b.  £p.  213  ist  der  Auftrag  an  den 
Ersbischof  von  Bagusa  unter  demselben  Datum.  Bei  GoUe,  L  e.  I,  70  sind 
die  Daten  nicht  richtig. 

958^  Qennari,  DeU'  antico  corso  de'  fiumi  in  Padova  L  c. 

^^^)  So  in  dem  Anm.  259  citierten  Schreiben. 


288     ^^'   Entwickelnng  der  Hochscholen  bis  zam  Ende  des  14.  Jlis. 

Wirklich  nahm  dieser  alles  zurück,  was  vom  Erzbischof 
^contra  Studium  memorate  civitatis,  magistros  et  scolares  eiusdem 
studii'  geschehen  war  und  setzte  die  Punkte  der  Vereinbarung 
zwischen  dem  Glerus  und  der  Gemeinde  auf,  die  dann  die 
päpstliche  Bestätigung  erhielten,  doch  unter  erneuerter  Andro- 
hung aller  bereits  verhängten  Strafen,  sollte  der  Podestä  und 
die  übrigen  noch  einmal  die  genannten  Statuten  aufstellen. 
In  diesem  Falle  müssten  die  Magistri  und  Scholaren  binnen 
8  Tagen  den  Podestä,  die  Anzianen  und  den  Rath  durch  ihre 
Rectoren  ermahnen,  jene  Statuten  zurückzunehmen.  Würden  sie 
dies  unterlassen,  oder  wagten  sie,  nachdem  die  Commune  inner- 
halb eines  Monats  die  Statuten  nicht  zurückgenommen  hat,  noch 
in  der  Stadt  zu  bleiben  oder  in  dieselbe  ohne  ausdrückliche  Er- 
laubniss  des  apostol.  Stuhles  studii  causa  zurückzukehren,  so 
sollten  sie  allen  vom  Erzbischofe  früher  angedrohten  Strafen 
verfallen"*). 

Man  sieht  hieraus,  welche  Macht  damals  schon  das  Studium 
zu  Padua  war.  Und  eine  solche  blieb  es  auch  in  der  nächstfolgen- 
den Zeit  trotz  einiger  geringfügiger  Unterbrechungen '•®).  Die 
Hochschule  zu  Padua  erhielt  wie  Bologna  einen  Weltruf,  beide 
waren  die  Leuchten  der  Rechtswissenschaft,  Bologna  voraus,  dann 
Padua,  bis  im  15.  Jh.  die  Hochschule  zu  Padua  jener  zu  Bo- 
logna den  Vorrang  abgewann.  Gloria  kann  bis  1318  zwar  nur 
55  Legisten,  28  Canonisten,  38  Artisten,  Physiker  u.  s.  w.  nach- 
weisen *'0;  allein  nimmt  man  sie  als  Schriftsteller,  so  ist  die 
Zahl  nicht  so  geriug.  Im  J.  1344  konnte  der  Bischof  von 
Padua  an  Clemens  VI.  schreiben,  dass  zu  Padua  'viget  in  iure 
canonico  et  civili  aliisque  facultatibus  preter  sacram  theologiam 
Studium  generale,  sicut  per  totam  Italiam  et  in  nonnullis  aliis 
mundi  partibus  est  notorie  manifestum"").  Aber  auch  die 
Theologie   sollte   die  Hochschule   erhalten,   und   zwar  nur  drei 


»W)  Reg.  Vat  Nie.  IV.  an.  3  ep.  854  Bl.  69  b. 

^*>)  8.  Celle  I.  c.  p.  71  £  Die  Ansicht  Tomasinis,  Qymn.  PaUv.  p.  10, 
das  Oeneralstudittm  sei  von  Nicolaus  lY.  an  bis  1800  onterbrochen  gewesen, 
ist  jedoch  irrig. 

^1)  Atti  del  r.  istitnto  Veneto,  tom.  1   ser.  6  p.  1268. 

^)  Beg.  Suppl  Clem.  VI  an.  5  p.  3  Bl  45  a.   8.  oben  S.  285  Ann.  251. 


2.  Hocbschalen  ohne  Stiftbriefe.    Padua.  289 

Jahre  später  als  Bologna.  Am  14.  April  1363  bestimmt  Urban  V., 
dass  an  der  Hochschule  zu  Padua,  die  4ongis  temporibus  in  se 
ipso  sicut  prefulgida  Stella  emicuit  ...  in  iure  canonico  et  civili 
et  liberalibus  artibus  tamquam  ager  plenus  cui  Dominus  bene- 
dicit',  auch  ^Studium  generale  in  theologica  facultate  existat'.  Wie 
Innocenz  VI.  für  Bologna,  so  verordnete  Urban  V.  für  Padua,  dass 
die  zunächst  zu  berufenden  theologischen  Professoren  in  Paris  oder 
an  andern  berQhmten  Schulen  graduiert  sein  müssten.  Wie  dort 
so  wurde  auch  hier  der  Bischof  oder  der  von  ihm  Designierte 
und  bei  Sedisvacanz  der  Capitelsvicar  beauftragt  die  Promotionen 
zu  überwachen  und  die  licentia  ubique  docendi  zu  ertheilen'^*). 

Erst  in  jener  Zeit,  also  sehr  spät,  erhielt  Padua  das  erste 
CoUeg  für  arme  Scholaren.  Die  Anfänge  des  frühesten,  nämlich 
des  CoUegium  Tornacense,  so  genannt,  weil  es  unter  dem  Schutze 
S.  Mariae  de  Tornaco  gestellt  war,  und  gegründet  von  dem  Laien 
Petrus  de  Boateriis,  reichen  in  das  Jahr  1363  zurück.  Es  war 
für  je  zwei  Scholaren  aus  Padua,  Treviso  und  Ferrara  gestiftet. 
Mit  dem  Jahre  1366  kam  es  in  Aufnahme '*0*  Aber  erst  1390 
beginnt  die  Epoche  der  weiteren  GoUegien'^'). 

Padua  und  Yicenza  sind  Hochschulen,  deren  Entstehung 
mit  dem  sofortigen  Auftreten  von  Scholarenverbindungen  zusam- 
mentrifft, ohne  dass  erstere  jedoch  der  Natur  der  Sache  nach  Pai*is 
oder  Bologna  glichen.  Die  Art  und  Weise,  wie  sie  ins  Leben 
traten,  brachte  dies  mit  sich.  Beide  Hochschulen  entstanden  zu- 
gleich mit  vier  Scholarenverbindungen.  Während  aber  die  Schule 
zu  Yicenza  sich  bald  auflöste  und  in  Folge  dessen  von  Scho- 
larenverbindungen keine  Rede  mehr  sein  kann,  erscheinen  in 
Padua  bei  der  Restauration  der  Hochschule  im  J.  1260 — 1261 
nur  mehr  zwei  Genossenschaften  der  Juristen,  jede  mit  eigenem 
Rector.  Im  zweiten  Bande  werden  wir  Gelegenheit  haben,  die 
ganze  Verfassung  näher  kennen  zu  lernen. 


^  Reg.  Vat.  an.  1.  lib.  1.  BL  64a.  Im  Ball.  Rom.  ed.  Taar.  IV»  519 
ist  der  mit  dem  fOr  Bologna  gegebenen  Privileg  gleichlautende  Eingang 
weggelassen. 

^)  S.  Facciolati,  Syntagm.  p.  120  t    Fasti  gymn.  Fat.  p.  XYIII. 

M5)  Ibid.  p.  124  ff. 

Doniflo,  Die  UniTanititon  f  19 


290    11^*   Entwickelang  der  Hochschulen  bis  srnn  Ende  des  14.  Jhs. 

yeroellL 

Von  selbst  bietet  sich  ans  nach  Padua  das  Studium  zu 
Vercelli  dar.  Wir  haben  bereits  im  vorigen  Paragraph  den 
Contrakt  kennen  gelernt,  den  im  J.  1228  die  Commune  von 
Vercelli  mit  den  Scholaren  von  Padua  abgeschlossen  hat,  und 
dem  zufolge  das  Studium  auf  8  Jahre  nach  Vercelli  verlegt 
werden  sollte.  Noch  bis  in  die  jüngste  Zeit  nahm  man  in  Italien 
häufig  an,  dass  das  Generalstudium  in  Vercelli  bereits  1220  ge- 
gründet, und  1228  nur  auf  weitere  8  Jahre  prolongiert  worden 
sei'*').  Allein  nur  durch  ein  Uebersehen  kam  man  auf 
diesen  Irrthum.  In  den  Statut!  antichi  Vercellesi  im  Archivio 
civico  zu  Vercelli  findet  sich  nämlich  Bl.  55  b  das  Beeret  Frie- 
drichs IL  gegen  die  Häretiker;  Bl.  56a  steht  das  Datum 
März  1224  Ind.  XII.,  darauf  folgen  die  Statuten  von  Vercelli 
gegen  die  Ketzer,  in  denen  vom  Studium  generale  zu  Vercelli 
die  Bede  ist'*^.  In  unverzeihlicher  Flüchtigkeit  bezog  man  das 
Datum  sowohl  auf  Friedrichs  Decret  als  auf  die  nachfolgenden 
Statuten'*"),  die  mit  anderen  vom  Franciscaner  Heinrich  von 
Mailand  aufgestellt  erst  in  das  Jahr  1233  oder  1234  fallen"*). 


SM)  Um  von  dem  &ltern  Dnrandi  und  de  Gregory  nicht  zu  sprechen,  so 
gehören  hierher  Saoli,  SoUa  condizione  degli  stndii  nella  monarchia  di  Savoia 
Tonne  1S43,  p.  451;  Cibrario,  Storia  della  monarchia  di  Saroia.  Torino 
1841,  II,  262;  Cantü,  Storia  universale.  Torino  1842  tom.  10.  p.  527;  Yallaori, 
Storia  delle  oniTerdtä  degli  stadi  del  Piemonte.  Torino  1845  I,  17 ff.;  und 
neuestens  noch  Coppi,  Le  universit^  itaiiane  nel  medio  evo  p.  88  f.  Die 
irrige  Ansicht  vertrat  bereits  Aprati  in  seiner  handschriftl.  Memoria  intomo 
aU'  universitä  di  Vercelli  im  Arch.  civico  zu  YerceUL 

^'^  Es  kann  sich  davon  jeder  selbst  flberzeugen  in  den  Statut!  e  mona- 
menti  storici  del  Commune  di  VerceUi.  Torino  1877  p.  267.  269.  Monnm. 
patriae,  tom.  16  leg.  mnnicip.  II,  1234f.  Die  Stelle  Ober  das  Studium  heisst 
p.  1237:  Item  statuit  et  ordinat,  quod  remanente  studio  generali  Vercellis  et 
permanentibus  conditionibus,  qae  sunt  inter  Commune  Vercellarum  et  sco« 
lares,  quando  aliorum  doctorum  fit  electio,  prima  de  theologo  uno  fiat,  qni 
particeps  sit  salarii  sicut  et  ceteri  doctores,  nee  obstet  quod  non  nominetur 
theologus  in  conditionibus  Ulis. 

^  Sehr  gut  hat  schon  Mandelli,  U  commune  di  Vercelli  nd  medio  evo, 
Vercelli  1858,  III,  8  ff.  darauf  aufinerksam  gemacht. 

^  Ficker  in  den  Mittheilungen  des  Instituts  f.  öst.  (Geschichtsforschung  I, 
208  ist  für  das  Jahr  1238;  Mandelli  1.  c.  p.  24  tritt  für  das  Jahr  1284  bis  1235  ein, 
da  sie  von  Gregor  IX.  am  30.  April  1235  als  nuper  edita  bezeichnet  werden. 


?.  Hochschulen  ohne  Stiftbriefe.    Vercelll.  291 

Dass  Tor  1228  inVercelli  dennoch  Schalen  existierten,  wird  sich 
unten  zeigen,' dies  war  jedoch  auch  an  anderen  Orten  der  Fall, 
trotzdem  erst  später  das  Oeneralstudium  gegründet  wurde  ''^^).  Aber 
ob  sich  auf  die  Zeit  Tor  1228  das  städtische  Statut  ^De  studio  scola* 
rium  habende'  in  den  Mon.  Patriae  XYI,  1215  so  sicher  beziehe, 
als  dort  die  Herausgeber  behaupten'^®),  möchte  ich  sehr  bezweifeln. 
Die  Ansicht  einiger  alten  Franciscaner-Ghroniken,  das  Studium 
sei  Yon  Mailand  und  Pavia  nach  Vercelli  transferiert  worden"^), 
bedarf  keiner  Widerlegung,  da  ja  dem  Gontrakte  gemäss  das 
Studium  von  Padua  nach  Vercelli  verlegt  werden  sollte'"). 

Savigny  war  im  Zweifel,  ob  der  Gontrakt  ausgeführt  worden 
sei'^')-  Und  in  der  That  liegt  ein  solcher  Zweifel  nahe,  da,  wie 
wir  gesehen,  in  Padua  das  Studium  fortexistierte.  Allein  er 
wird  durch  folgende  Thatsachen  gehoben.  Jordan  von  Sachsen 
nahm  1229  in  Vercelli  in  den  Orden  auf  ^tres  theutonicos 
meliores  qui  erant  in  civitate,  quatuor  Provinciales  optimos  et 
tres  Lombardes  probos  vel  quatuor'  '^*).  Speciell  erwähnt  er  den 
Magister  Valterus  theutonicus,  regens  in  logica,  peritissimus  artis 
suae,  qui  etiam  inter  majores  magistros  Parisius  habebatur. 
Ferner  den  'optimus  et  probus  theutonicus  magister  Godescalcus, 
canonicus  Traiectensis',  einen  andern  theutonicus,  Ganonicus  Spi- 
rensis  studens  in  jure  canonico,  qui  rector  erat  theutonicorum 
Bcolarium  Vercellis,  zwei  'Baccallarii,  parati  ambo  protinus  ad 

^^)  Wie  schon  vorher  Mandelli  und  Balliano.  Das  Statut  soll  swiscben 
1205— 1S08  erlassen  worden  sein.    Aber  wo  ist  der  Beweis? 

no^)  Möglich,  dass  Ubertus  de  Bobio  vor  1228  in  Vercelli  lehrte. 

*7^)  So  in  der  Antiqn«  legenda  ss.  Patris  Francisci.  Cod.  Yat.  4354 
Bl.  65b  f.;  dann  in  der  Chronik  der  XXIY  Generale.  Cod.  Laurenz.  53 
Leopold.  Oadd.  Ueber  die  andern  UnzokömmUchkeiten  dieser  Qaellen  s. 
meine  Bemerkongen  in  der  Ztsch.  l  kath.  Theol.  VI,  7 12  ff. 

^>)  Dieses  Docnment  wurde  seit  Zacharia',  Iter  litterar.  per  Italiam, 
Yenet  1762,  p.  142  sqq.  Öfters  gedruckt.  So  yon  Yallaari  a.  a.  0.  I,  215  ff. 
SavigDy  in»  666  ff.,  Dnboin,  Baccolta  deUe  leggi  e  decreti  emanati  dai  so- 
Tfani  della  r.  casa  di  Savoia,  XIY.  Torino  1847.  p.  1.  Zuletzt  noch,  mit 
dem  eorrectesten  Text,  von  Balliano,  Della  nniversitä  degli  stndi  di  Yercelli 
p.  88ff.  Das  Original  ist  Terloren;  aUein  es  existieren  2  sehr  alte  Copien  in 
den  Codd.  dei  Biscioni  I,  895;  lY,  455  (im  Archi?  zu  Yercelli). 

«8)  L.  c.  S.  277.  812. 

*7«)  Lettres  da  b.  Jourdain  de  Saxe  p.  102.    S.  dazu  oben  S.  138. 

19* 


292     ni.  Entwickelong  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

regendum,  unus  Provincialis,  alter  Lombardus',  zwei  andere  Pro- 
yeii(alen,  von  denen  einer  in  Decretis,  der  andere  in  Legibus, 
4egebat  in  cathedra  pro  magistris',  im  Ganzen  zwölf  bis  dreizehn 
Magistri  und  Baccalarei'^*).  Im  Jahre  1231  gieng  er  wider 
mit  octo  novitiis  bonis  et  idoneis  von  Vercelli  weg"*).  Für 
die  Existenz  des  Studiums  zu  Vercelli  im  J.  1234  zeugen  femer 
das  Testament  des  Jacob  de  Garnario"^)  sowie  die  oben  citierten 
Statuten  des  Franciscaners  Heinrich  von  Mailand.  Nimmt  man 
all  diese  Documente  zusanmien,  so  ergibt  sich,  dass  in  Vercelli 
in  der  That  alle  Fächer  vertreten  waren.  Hieher  gehören  auch 
zwei  bisher  kaum  bekannte  Schreiben  Gregors  IX.  Aus  dem  einen, 
vom  25.  Februar  1231,  erfahren  wir  von  einem  Scholaris  von 
Vercelli,  der  fOr  einen  Magister  und  mehrere  Scholaren  aus 
Frankreich  gutstand"*);  in  dem  andern,  vom  18.  Februar  1238, 
trägt  der  Papst  dem  Bischof  von  Novara  unter  anderm  auf,  nicht 
zu  dulden,  dass  fernerhin  noch  die  Scholaren  in  Vercelli  weilten, 
wenn  die  Vercellesen  nicht  die  kirchenfeindlichen  Statuten 
zurücknähmen"*).    Da  diese  Verordnung  eine  ebenso  empfind- 

S7^)  Lettres  du  b.  Jourdain,  p.  lU.  In  den  Vitas  Fratrom  p.  4  e.  10 
n.  3.  4.  ist  ebenfalls  Tom  mag.  Qalteras  Theutonicns,  regens  in  artibns,  et 
in  medicina  valde  peritus,  qui  conductos  erat  magno  salario  ad  legendam', 
▼on  einem  'magnas  clericas  et  in  jare  peritus'  uid  von  andern  Scholaren  die 
Rede,  die  Jordan  in  Vercelli  aufnahm. 

>7«)  Ibid.  p.  146. 

^^)  Dieses  höchst  interessante  Testament,  worin  fttr  Scholaren  in  Ver- 
celli ebenfalls  gesorgt  wird,  findet  sich  bei  J.  A.  Irici,  Bemm  patriae  libri 
III.  Mediolani  1745.  p.  81  ff.  Ein  Theil  soll  In  usus  paoperom  et  mazime 
scolarinm  audientinm  sacram  paginam'  verwendet  werden  und  Jacob  de  Car* 
nario  bestimmt  dass  wenigstens  *tres  scolares  panperes  audientes  theologiam, 
si  doctor  in  theologia  Vercellis  fuerit',  an  Sonntagen  ernfthrt  würden  (p.  84). 
Der  llagister  'qui  Vercellis  de  theologia  doceret'  soll  auch  seine  den 
Dominicanern  vermachten  Bflcher  benfltzen  darfen.  'Libri  antem  physice  et 
artiom  distriboantor  paaperibos  scolaribns  VerceUen.'    (p.  85  f.). 

^^)  Willermo  de  Gamoto  clerico  Scolari  Vercellen.  accepimns  conque* 
rente,  qaod  com  idem  pro  magistro  G.  de  Salomonis  Tilla  eanonico  Botho- 
magensi  et  qoibasdam  aliis  clericis  de  regno  Francie  tone  in  Lombardia 
causa  stndil  commorantibns  apnd  qnosdam  ereditores  Bononien«  Senen.  et  Farmen, 
in  quadam  fideiosserit  peconie  qoantitate  de  ipsa  certo  termino  dictis  credi- 
toribns  persoWenda  etc.    Beg.  Vat  an.  4.  ep.  109  BL  51a. 

^^)  Der  Papst  schreibt  nAmlich  dem  Bischof  Ton  NoTara,  er  solle,  wenn 
die  Vercellesen  die  gegen  die  kirchliche  Freiheit  erlassenen  Statuten  nicht 


2.  Hochscbolen  ohne  Siiftbriefe.    YercelU.  293 

liehe  Strafe  für  die  Yercellesen  sein  sollte  wie  das  Verbot  der 
Abhaltung  von  Märkten  und  des  Verkehrs  mit  andern  Städten, 
so  lässt  sich  daraus  schliessen,  dass  die  Schülerzahl  nicht  un- 
bedeutend gewesen  sein  kann.  Ungefähr  um  dieselbe  Zeit 
sandte  Friedrich  n.  den  Professor  des  Givilrechts  Magister  V. 
pro  edocendis  scolaribus  dorthin"').  Auch  noch  andere  Docu- 
mente  sprechen  für  die  Ausführung  des  Vertrages'");  allein 
die  obigen  genügen  zum  Erweise  der  Thatsache.  Zu  grosser 
Blüthe  kam  das  Studium  niemals,  und  es  scheint,  dass  man 
bereits  im  J.  1234  eine  Auflösung  oder  Abnahme  desselben  be- 
fürchtete, wie  es  auch  nach  1242  unterbrochen  wurde'*').  Aller- 
dings  kam  es  dann  wider  in  Aufnahme'*'),  konnte  es  jedoch 
nicht  zu  fortdauernder  Existenz  bringen'"").  Eines  ist  indessen 
klar,  dass  es  für  die  Zeit  der  Existenz  keinen  Stiftbrief  auf- 
weisen kann,  und  dass  trotzdem  der  Papst  niemals  die  Recht- 
mässigkeit desselben  bestritt,  obgleich  die  Statuten  vom  J.  1341 


zurflckzögen,  bewirken  'eos  tanqnam  ezcommunicatos  ab  omnibus  artias 
evitari,  eisdem  comercia  aliorum'  antersagen,  'et  ne  qnis  ipsorum  in  potestatem 
▼el  reetorem  assnmeretnr  alicabi  nuUasque  ad  nundinas  accederet  YerceUen. 
neve  scolares  in  ciTitate  ipsa  nlterius  morarentnr'.  Reg.  Yat.  an.  11 
ep.  392  Bl.  358b.    Vgl  dazu  Mandelli  I,  193. 

^)  S.  HnilL-Br^hoU.  lY,  498  und  dazu  Böbmer-Ficker  n.  2314.  Dass 
1240  übertns  de  Bonacurso  inVercelli  lebrte,  ist  gewiss.   S.  Mandelli  III,  27. 

SSI)  8.  MandeUi  a.  a.  0.  p.  23  H.    Balliano  I.  c.  p.  21  f.  ist  zu  poetisch. 

^  Dies  ergibt  sich  ans  der  Art  nnd  Weise,  wie  Jacob  de  Gamario 
Tom  Magister  in  theologia  (s.  oben  S.  292.  Anm.  277)  nnd  die  oben  S.  290 
Amn.  267.  dtierten  Statuten  yom  Studium  sprechen.  Die  Vitas  Fratrum 
part.  4.  c.  10  n.  3  sagen  aber  um  die  Mitte  des  13.  Jhs.  (c.  1260):  'Tempore 
quo  b.  memorie  Mag.  Jordanus  predicabat  Yercellis,  nam  tnnc  Studium  ibi 
erat'  etc.  Auch  MandeUi  kann  zwischen  1242  und  1266  kein  Actenstfick 
nachweisen,  was  ihm  jedoch  f&r  die  sp&tere  Epoche  gelingt.    S.  p.  29  ff. 

^  In  den  städtischen  Statuten  yom  J.  1341  heisst  es  unter  anderm: 
Statatnm  est  inviolabiliter  et  perpetno  observandum,  quod  in  civitate  Yer- 
cellarum  ...  in  qua  etiam  ab  antiquo  Studium  esse  consuevit,  sit  et  esse 
debeat  semper  et  in  perpetnum  Studium  generale.  Statuta  Communis  Yercell. 
(YerceUis  1541)  Bl.  61.   Yier  Legisten,  2  Ganonisten,  1  Mediciner  sollten  lesen. 

2^)  Nach  Mandelli  III,  44  hOrte  das  Studium  c.  1372  zu  existieren 
auf,  wenngleich  sich  sp&ter  noch  GoUegien  von  Jndices  und  Medicinem  er- 
hielten. Schon  froher  scheint  es  1270  und  1810—1338  unterbrochen  gewesen 
zu  sein.    S.  p.  32.  35  f. 


294     m.  Entwickelang  der  Hocbschalen  bis  zum  Ende  des  U.  Jhs. 

bestimmen:   ^quilibet   possit  doctorari   in   civitate  Vercell.'   im 
Rechte  und  in  der  Medicin. 

Seggio. 
Das  Generalstudium  zu  Reggio  in  der  Aemilia  war  Rechts- 
schule und  theilweise  blühender  als  das  Studium  zu  Vercelli.  Fulvo 
Azzari,  in  seinen  Chroniche  di  Reggio  Lepido  originate  secondo 
le  vite  de'  suoi  vescovi  "*)»  ist  im  Unsicheren,  wann  das  Studium 
seinen  Anfang  genommen  habe;  er  meint  jedoch  nicht  lange 
nach  widererlangter  Freiheit"*),  also  nicht  vor  1188'").  Aus 
diesem  Jahre  konnte  Tacoli  eine  Urkunde  beibringen,  in  der 
Jacob  da  Mandra  verspricht,  von  Michaelis  an  auf  ein  Jahr  nach 
Reggio  zu  kommen  ^cum  scolaribus  causa  scolam  tenendi',  und 
innerhalb  dieser  Zeit  nirgends  sonst  scolam  teuere'").  1215  bis 
1216  erwähnt  Innocenz  III.  einen  Ganonicus  von  Cremona,  der  zu 
Reggio  studierte'").  Jordan  von  Sachsen  predigte  auch  dort 
den  Scholaren  circa  1232'").  Allein,  etwas  ausserordentliches  kann 
damals  diese  Schule  nicht  gewesen  sein,  wenngleich  nichts  beweist, 
dass  Innocenz  IV.  noch  im  J.  1243  an  einen  einfachen  Magister 
scolarum  von  Reggio  sein  Schreiben  richtet"®).  Eine  grössereBiathe 
datiert  aus  den  nächsten  Jahren.  Ein  Statut  des  Jahres  1268  ver- 
ordnete, dass  die  'doctores  legum  et  scolares'  nicht  zum  Consilium 
zu  kommen  brauchten  ^cum  erunt  in  scolis',  es  sei  denn  der  Po- 
desti  sende  ausdrücklich  nach  ihnen"').    Schon  vorher  las  dort 

SM)  Handschriftlich  (17. --18.  Jh.)  in  der  BibL  mnndp.  xu  Beggio  in 
2  Bänden.  Tacoli,  Memorie  storiche  della  cittä  dl  Beggio  di  Lombardia 
(I.  Beggio  1742;  II.  Parma  1748;  III.  Garpi  1769)  statit  sich  oft  auf  AaiarL 
Tacolis  Werk  wurde  nur  in  100  Exemplaren  gedruckt  In  demselben  herrscht 
eine  beispiellose  Verwirrung.    Yon  einer  Uebersicht  ist  keine  Bede. 

>8&)  Memorie  I,  602.  TacoU  III,  828  bringt  diese  Ansieht  lum  J.  Uda 
Azzaris  Gompendio  deU'  historia  della  citta  di  Beggio  (Beggio  1623)  bietet  nur 
einige  Kamen  im  Abschnitt:  Dottori  lamosi  iniegge  (die  Schrift  ist  nicht  paginiert). 

SM)  In  diesem  Jahre  wurde  wenigstens  der  Friede  wider  hergestellt. 
TacoU  I,  412  f. 

M7)  Tacoli  1.  c.  m,  227. 

388)  Comp.  IV.  c.  2  De  electione  (1, 8)  God.  Vat.  1404.  Das  Gapitel  in 
Gremona  rief  H.  canonicum  suum  Begii  disciplinis  scolasUds  insistentem  inrtick. 

M»)  a  unter  Modena. 

^)  8.  Berger,  Begistres  d*Innocent  IV.  n.  77. 

Mi)  Tacoli  1.  c  p.  756. 


2.  Hochschulen  ohne  Btiftbriefe.    Reggio.  295 

Accurs  Reginas"'),  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  früheren  be- 
rühmten Rechtslehrer  dieses  Namens.  Im  J.  1270  schloss  der 
bekannte  Rechtslehrer  Guido  de  Suzaria  mit  der  Commune  einen 
Gontrakt  ab,  in  Reggio  und  nirgend  anders  zu  lehren'*').  Das 
wichtigste  Document  ist  ein  Doctordiplom  aus  dem  J.  1276,  in 
dem  als  Lehrer  des  Rom.  Rechts  Guido  de  Suzaria  und  Johannes 
de  Bondeno,  als  Decretisten  Pangratinus  und  Guido  de  Baysio, 
und  ausserdem  noch  multi  alii  tarn  juris  civilis  quam  canonici 
Domini  et  Magistri  mit  der  Universitas  scolarium  Civitatis  Regii 
erscheinen"^).  Der  Bischof  ist  es,  der  dem  Petrus  Amadeus 
Kiginkolius  das  Doctorat  ertheilt.  Dass  das  Studium  zu  dieser  Zeit 
als  Generalstudium  betrachtet  wurde,  ergibt  sich  aus  einer  Bitt- 
schrift von  17  Scholaren,  die  der  Commune  im  J.  1313  vor- 
stellen, dass  sie  nicht  studieren  könnten,  da  kein  Professor  in 
Reggio  lehre,  und  die  Stadt  für  die  Besoldung  von  Lehrern  nicht 
mehr  sorge,  ^ut  antiquitus  fieri  consuevit  et  maxime  tempore  boni 
Status  civitatis  predicte,  imo  priusquam  generale  Studium 
vigere  consueverat  in  civitate  predicta'"^).  Die  Stadt 
erhörte  ihre  Bitten.  Der  Professor  juris  utriusque  Franciscus  de 
Lafontana  las  dort  im  J.  1314"'),  und  später  Peter  de  Suzara. 
Allein  bald  darauf  verlieren  sich  die  Spuren  eines  förmlichen 
Studiums. 

Weder  dieses  Studium  noch  das  weiter  zu  besprechende  in 
Modena  scheinen  durch  eine  Auswanderung  von  Bologna  aus  ent- 
standen zu  sein;  es  liegt  kein  Grund  vor  zu  dieser  Annahme. 

^  8.  Tiraboschi,  Biblioteca  Modenese  I,  79. 

^)  TacoU  J,  373.  In  Beggio  yerfasste  er  auch  seine  Glossen  in  Cod. 
wie  ans  Cod.  Paris  4489  widerholt  heryorgeht.  8.  auch  Pancirolii  Berum 
hist.  patriae  snae  libri  octo  (Begii  1847)  p.  175. 

SM)  Ibid.  III,  215f.    Aach  ediert  von  8aYigny  m,  712f. 

995)  TacoU  III,  225. 

^  Er  wurde  Yom  Podestä  und  der  Commune  Yon  Treyiso  im  ge- 
nannten Jahre  gebeten  'ad  docendnm  in  ciritate  (Tarvisii)  in  jure  civili'.  Er 
antwortete:  'quia  communi  Regii,  cui  me  ante  repetitionem  yestramm  litte- 
ramm  promisi  anno  presenti  ordinarie  in  jure  etiam  ciyili  docere  scolaribus 
cintatis  cjusdem,  nobilitatem  Testram  humiliter  deprecor,  quatenus  . .  .  me 
eicnsatum  habere  dignemini.'  Yerci,  8toria  della  marca  Tri?igiana  YII, 
Documenti,  p.  70  n.  709.  Nach  Lafontanas  Abreise  im  J.  1315  wurde  der 
Legist  ThomaxiuB  de  Cartariis  yon  Padua  berufen.    TacoU  1.  c.  p.  226. 


296    m.   Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Die  Uebersiedlung  des  Pilius  nach  Modena  war  persönliche  Sache. 
Es  mögen  ihm  Scholaren  gefolgt  sein,  aber  aus  seinen  Worten 
muss  man,  wie  wir  sehen  werden,  schliessen,  dass  dort  bereits 
ein  Studium  existierte. 

Modena. 

Ueber  die  Schule  zu  Modena  finde  ich  kein  Document, 
in  dem  dieselbe  jemals  Generalstudium  genannt  worden  wäre. 
Ob  hier  Promotionen  vorgenommen  wurden,  ist  zweifelhaft.  Doch 
glaube  ich  nicht,  dass  das  Studium  jenem  von  Reggio  weit  nach- 
gestanden ist.  Bereits  Ende  des  12.  Jhs.  wird  die  Stadt  als 
Gönnerin  der  Studierenden  des  Rechts  von  Pilius  gerühmt*"); 
er  nahm  einen  Antrag  derselben,  dort  zu  lehren,  an,  und 
gieng  vor  1182  von  Bologna  weg"').  Um  jene  Zeit  scheint 
wohl  der  Glanz  jener  Schule  am  grössten  gewesen  zu  sein. 
Pilius  stellt  sie  fast  auf  eine  Linie  mit  Bologna'*').  Dessen 
hieher  gehöriger  Ausspruch  wurde  nur  zu  seinerzeit  widerholt ■•*^), 
später  aber  nie  mehr  citiert.  Durch  das  ganze  18.  Jh.  hindurch 
lehrten  jedoch  berühmte  Rechtslehrer  dort'*^),  um  die  nicht  bloss 

297)  So  in  seiner  Summa  trium  librorum  (Cod.  Tat.  2313  Bl  360).  De 
municipibus  et  origin.  (10,  38):  Mutina,  que  juris  alumnoB  semper  diligere 
consuevit.  Es  bestand  also  bereits  ein  Studium,  wenngleich  es  nicht  wahr 
ist,  dass  bereits  vor  Pilius  Placentinus  dort  gelehrt  habe.    8.  Anm.  801. 

^S)  Er  erzfthlt  selbst  a.  a.  0.  die  interessante  Yeranlassong.  8.  auch 
oben  S.  194  Anm.  2.    Vgl.  Sayigny  IV,  319  f.,  wo  Sarti  berichtigt  wird. 

399)  s.  oben  S.  47  Anm.  28. 

300)  Wörtlich  kommt  die  Stelle  in  Rolands  Summa  in  tres  posteriores 
libros  Cod.  Tor  (Cod.  Casin.  n.  58  p.  64).  Die  Kotiien  Ober  diesen  Codex 
und  den  Verfasser  der  Summe  in  der  Bibliotheca  Casinensls  II,  130  sq.  sind 
ganz  irrig.  Der  Codex  gehört  nicht  dem  14.  sondern  der  Mitte  des  13. 
Jhs.  an.  Die  dort  p.  544  geschriebene  Jahrsahl  1301  steht  in  einem  yiel 
sp&tem  Stücke  am  Bande.  Boland  selbst  nennt  sich  judex,  und  entlehnte  sehr 
Vieles  dem  Pilius,  unter  anderm  obige  Stelle  (wo,  wie  auch  anderw&rts,  sogar 
die  Sigle  Py  steht),  und  z.  B.  p.  69:  nuper  bolonie  concessit  Imperator 
heinricns  (s.  Pileus  1.  c.  De  jure  reipubl.  11,  29),  so  dass  alle  Consequensen 
und  Vermuthungen  der  Bibl.  Casin.  fallen.  Der  Autor,  yerschieden  von 
Rolandus  Bandinellus,  lebte  wohl  nicht  lu  lange  nach  Placentin  and  PilioB, 
▼ielleioht  war  er  deren  jOngerer  Zeitgenosse.  Cfr.  die  Einleitung  lur  Somne 
in  der  Bibl  Casio.  1.  c.  p.  131. 

Ml)  s.  Tiraboschi,  Bibliotheca  Modenese  I,  4Sif.    Sailgsy  ist  Jedoch 


3.  Hochsehalen  ohne  Stiftbriefe.    Modena.  297 

einheimische,  sondern  auch  auswärtige  Scholaren  sich  sammelten  ^^'). 
Dies  letztere  kann  man  auch  aus  einem  Schreiben  Honorius  III. 
vom  J.  1225  an  den  Bischof  von  Modena  gerichtet,  schliessen ''*'), 
sowie  aus  dem  Contrakte  des  Guido  de  Suzaria,  von  dem  sogleich 
die  Rede  sein  wird.  Zwischen  1225  und  1232  scheint  das  Stu- 
dium auf  kurze  Zeit  unterbrochen  gewesen  zu  sein,  denn  in  einer 
Chronik  heisst  es  zum  letztgenannten  Jahre:  dicto  tempore  re- 
cnperatum  fiiit  Studium  scolarium  Mutine  per  dictam  potestatem  *®^). 
Jordan  von  Sachsen  predigte  dort  circa  1232,  war  aber  nicht 
vom  Glücke  begünstigt,  denn  nach  achttägiger  Aussaat  ämtete 
er  wenig,  wie  er  selbst  sich  ausdrückt,  während  er  in  Reggio 
einen  guten  Fang  gemacht  hatte '®'^).  Um  die  Mitte  des  Jhs. 
lehrten  dort  Martinus  de  Fano,  Wilhelm  Durantis,  Albertus 
Galeottus.  Im  Jahre  1260  verpflichtete  sich  Guido  de  Suzaria 
gegen  Besoldung  in  Modena  über  Recht  zu  lesen  und  dare 
operam  efficacem  in  studio  scolarium  augmentando  et  Mutine 
retinendo  ...  et  quod  nuUo  tempore  alibi  reget  nisi  in  civitate 
Mutine  et  quod  non  prestabit  patrocinium  in  civitate  Mutine 
nisi  pro  suis  scolaribus  forensibus '^^).  Im  Jahre  1279  erscheint 
dort  Nicolaus  Matarellus '^^).  Vom  Anfange  des  14.  Jhs.  an 
kam  das  Studium  ins  Stocken  trotz  mancher  Anstrengungen  der 

III,  383  im  Irrthnme,  wenn  er  auch  Placentin  in  Modena  lehren  l&sst. 
Offenbar  yerwecliBelt  er  hier  Modena  mit  Mantua,  wfthrend  er  lY,  250  das 
Richtige  trifft 

^)  Nach  einer  Chronik  bei  Muratori,  Rer.  ital.  88.  IX,  771  zum  J. 
1247  wurden  yon  der  Friedrich  11.  freundlichen  Partei  zu  Modena  nebst 
den  8oldaten  aus  Parma  auch  omnes  scolares  de  Parma,  qui  tunc  erant 
Mutinae  ad  studendum,  gefangen  genommen. 

^  SiUingardi,  Gatalogus  omnium  episcop.  Mutin.  Mutinae  1606  p.  91. 
Honorius  III.  gew&hrte  n&mlich  facultatem  absolvendi  scholares  studentes 
Mutinae,  qui  se  leviter  et  sine  livore  percusserint.  8olche  Vorkommnisse 
lassen  immer  auf  das  Yorhandensein  von  8cholaren  aus  yerschiedenen  Ge- 
genden Bchüessen. 

^  Muratori,  Her.  ital.  88.  XY,  560.  Doch  erscheinen  auch  zwischen 
1225  und  1232  dort  Bechtsiehrer,  n&mlich  Albertus  Papiensis,  und  Ubertus 
de  Bonacurso.   8.  SiUingardi  I.  c.  p.  90.    Tiraboschi  1.  c.  p.  49. 

^  Lettres  p.  140.  144:  De  his,  qui  apud  Begium  intrayerunt,  credo 
quod  satia  audbtis  etc. 

>M)  Muratori,  Ant.  Ital.  med,  aeyi  m,  905—907. 

^)  8.  Sayigny  Y,  430. 


298    ^*  EntwickeloDg  der  Hochschulen  bis  xam  Ende  des  14.  Jhs. 

Commune  in  den  Jahren  1306  bis  1328'®').  Nachdem  die 
Stadt  bereits  im  J.  1327  bestimmt  hatte,  dass  dort  ein 
stationarius  'omnia  et  singula  exempla  in  jure  civili  et  canonico 
tarn  in  testu  quam  in  apparatu  bona  et  bene  correcta  cum  addi- 
tionibus  omnibus  et  singulis'  besitzen  solle'®'),  erliess  sie  im 
nächstfolgenden  Jahre  das  Statut  'De  studio  habende',  in  welchem 
sie  sich  zuerst  beklagt,  dass  ihre  Söhne  unwissend  seien,  und 
zwar  aus  Mangel  eines  eigenen  einheimischen  Studiums,  das 
in  der  Rechtswissenschaft,  Medicin  und  Notariatskunst  zu  unter- 
halten die  Commune  wegen  der  beständigen  Kriege  ausser  Stand 
gewesen  sei.  Es  wäre  ihr  auch  schwer  gefallen,  die  studierende 
Jugend  auf  dem  Generalstudium  zu  Bologna  unterrichten  zu 
lassen.  Sie  ermächtigt  nun  den  Podestä,  die  Anzianen  u.  s.  w., 
jedes  Jahr  einen  Legisten,  einen  Mediciner  und  einen  Magister 
der  Notariatskunst  zu  berufen  und  zu  besolden.  Den  Scholaren 
stellt  sie  Befreiung  vom  Kriegsdienste  in  Aussicht'^'). 

Yioenia. 

Ein   wechselvoUes    Dasein   fahrte   das   Generalstudium    zu 

Vicenza.    Der  Chronist  Gherardus  Maurisius  sagt:  Sub  isto'^') 

venit  Studium  scholarium  in  civitate  Vicentiae  et  duravit  usque  ad 

potestariam  D.  Drudi'"),  gewiss  also  von  1204  bis  ungefähr  1210. 

9M)  8.  Tiraboscbi  L  c  p.  53  ff. 

><^)  In  Monomenti  di  storia  patri*  deUe  pro?hicie  ModenesL  8ta- 
tnti  I  (Panna  1864),  162  nibr.  168. 

910)  Ibid.  p.  168  Anm.  Moratori,  Antiqn.  Ital.  III,  908*  Auch  in  8p&- 
leren  Bt&dtisclien  Stataten  trifft  dch  wider  der  Paragraph  'De  studio  habende' 
(i.  B.  in  Libri  qoinqne  Btatntorom  inclytae  civitatis  Mutinae,  1547,  lib.  1 
mbr.  98),  aUein  er  bat  dort  einen  anderen  Inhalt.  Campori,  Informasione 
deUa  r.  uniyersitlk  di  Modena  (Modena  1861),  Notizie  storiche  circa  PoniTersit^ 
di  Modena  e  il  sno  patrimonio  in  den  Opuscoli  religiosi,  letterarj  e  morali 
(Modena  1863,  Lnglio  e  Agosto  p.  81)  und  Genno  storico  deUa  r.  nniversitä 
di  Modena  e  delle  sne  dipendense  (Modena  1872)  p.  3  bringen  für  unsere 
Epoche  nicht  viel  Nntien.  Luigi  Cerretti,  Modenese  notiiie  (5  Binde, 
Reggio  1833  ff.)  bietet  nnr  eine  Fortsetrang  yon  Tiraboschi  und  beschftftigt 
sich  mit  Schriftsteliem  des  jetiigen  und  Yorigen  Jahrhunderts. 

^^)  Ntalich  Bemardus  Yexillifer  Papiensis. 

SU)  Bei  Moratori,  Ber.  ital.  BS.  YIII,  15.  Anton  Oodi  sagt  eben£Uls 
cum  J.  1204:  Suecedente  .  .  Domino  Bemardo  .  .  Studium  generale  ftüt  in 
ciTitate  Yicentiae,  doctoresque  in  contrata  s.  Yiti  manebant,  ut  etiam  hodie 
apud  Priorem  s.  Yiti  apparent  priTÜegia  collatioiiis  studii.  Moratori  1.  e.  p.  75. 


2,  Hoebsebalen  ohne  Stiftbriefe.    Vicenza.  299 

Es  gibt  mehrere  Documente,  welche  von  der  Existenz  einer  blühenden 
Schale,  an  der  vier  Scholarenverbindungen  mit  eigenen  Rectoren  be- 
standen, Zeugniss  ablegen  "*).  Besonders  ans  dem  Actenstücke 
vom  25.  Juli  1209  erhellt,  dass  unter  den  Scholaren  alle  Nationen 
vertreten  waren.  Sarti  macht  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  das 
Studium  durch  eine  Auswanderung  aus  Bologna  entstanden  sei '^^). 
Auch  nach  1210  taucht  wider  ein  Studium  in  Vicenza 
aa£.  Am  14.  August  1261  erkennt  der  Stadtrath  'in  sala  epis- 
copatus  Vicentiae',  'quod  si  Studium  scolarium  civitatis  Vicentie 
reformetur,  multa  eidem  civitati  Vicentie  commoda  poterunt 
pervenire',  und  er  wirft  eine  Besoldung  von  500  libras  dena- 
riorum  Venet.  fQr  den  decretalium  doctor  magister  Arnoldus 
aus  'pro  salario  unius  anni,  ita  quod  dictus  magister  Arnoldus 
teneatur  ad  minus  habere  viginti  scolares  Vicentie  in  scolis  suis 
et  in  jure  canonico  ibidem  legere  a  feste  b.  Michaelis  ad  unum 
annum'.  Ein  paar  Monate  (14.  Oct.)  später  versprach  die  Stadt  'dare 
et  solvere  magistro  Johanni  Hispano  in  decretis  ducentas  libras 
denariorum  V.  pro  legere  librum  decretorum  in  scolis  in  medio 
civitatis  Vicentie  omnibus  volentibus  exaudire\  Und  mehrere 
Wochen  darauf  sicherte  sie  dem  Mag.  Aldebrandus  de  Ulciporzis 
von  Bergamo  zu  420  libras  denariorum  V.  qui  hie  Vicentie  legit 
et  lectums  est  librum  Infortiati  legalem'.  Am  Schluss  des  Jahres 
setzte  sie  dem  Magister  Baulus  Phisicus  450  libras  denariorum  V. 
pro  docere  artem  phisice  omnibus  volentibus  exaudire'  aus'^^). 

>^>)  Miitarelli,  Ann.  camaldul.  bringt  im  4.  Bde.  yier  Documente,  welcbe 
sieb  auf  das  Stadium  in  Vicenza  bezieben,  ans  den  Jabren  1205.  1206  Append. 
p.  260—263  und  eines  yom  7.  exeont.  Julii  1209  (Text  p.  213).  Das  wicbtigste 
ist  das  letzte,  worin  Scholaren  aus  Böbmen,  Deatscbland,  Ungarn,  Frankreicb, 
Bnrgnnd,  Polen,  Spanien,  Italien  anfgez&blt  werden.  Dass  in  Vicenza  vier 
ScholarenYerbindnngen  bestanden,  haben  wir  oben  S.  138  gesehen.  Sayi, 
Memorie  antiebe  e  moderne  intorno  alle  pablicbe  scuole  in  Vicenza  (Vicenza 
1815)  p.  1101  kannte  den  ersten  and  letzten  Act;  Marzari,  La  bistoria  di 
Vicenza  (Vicenza  1604)  p.  87  nar  den  letzten.  Obne  Beweis  l&sst  dieser 
das  Stadium  bis  1224  fortdauern.  AUein  das  letzte  Docoment  für  ein  Stndiam 
in  Vicenza  in  dieser  Periode  ist  ein  von  Innocenz  III.  'scolaribus  Vicentie 
commorantibas'  am  25.  November  1209  adressiertes  Scbreiben.  Bei  Savi 
p.  113.  Einzelne  Becbtslebrer  und  Grammatiker  traten  allerdings  fortwährend 
aof;  eine  Liste  vom  J.  1229  an  bei  Savi  p.  18  £ 

*^)  De  daris  arcbigymn.  Bon.  Profess.  I,  806. 

>i&)  Storia  della  llarca  Trivigiana  e  Veroneae  di  Giamb.  Verei.  Venezia 
1786.  U,  Doeomenti  p.  49  n.  112.    Savi  p.  115. 


300    ni.  Entwickelang  der  Hocbscbalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jbs. 

Es  darf  also  nicht  angenommen  werden,  als  seien  die 
Studien  in  Vicenza  nach  1210  gänzlich  damiedergelegen.  Dies 
war  im  13.  und  14.  Jh.  kaum  in  einer  der  italienischen  Städte 
der  Fall,  waren  sie  auch  in  ihrem  Bestreben,  ein  General- 
studium in  Stand  zu  halten,  nicht  immer  vom  GlQcke  begünstigt. 
Davon  abgesehen,  dass  auch  im  J.  1264  zu  Vicenza  wider  do- 
cierende  Professoren  des  Givilrechts,  der  Medicin,  Grammatik  und 
Dialektik  erwähnt  werden  und  im  J.  1811  die  städtischen  Gonsuln 
den  Auftrag  erhalten,  auf  die  Klagen  der  Scholaren  zu  hören, 
so  liest  man  in  den  Statuten  vom  J.  1339,  dass  die  in  Vicenza 
lehrenden  Professoren  des  Givilrechts  nicht  die  Advocatur  aus- 
üben sollten,  damit  eben  die  Schule  keinen  Schaden  erlitte ''**). 
Wurde  auch  unter  der  Herrschaft  Venedigs  die  von  den  Vicentinem 
an  den  Dogen  im  J.  1410  gerichtete  Bitte,  dass  sie  sich  an 
Johann  XXIIL  um  ein  ^generale  Privilegium  studii'  wenden  dürften, 
^cum  alias  fuerit  Studium  in  civitate  Vicentie'  und  in  Anbetracht, 
dass  'scientia  est  illa,  qua  totus  mundus  gubernatnr',  am  13.  Juli 
genannten  Jahres  abgeschlagen,  so  erhielten  sie  doch  bereits 
17.  Mai  1404  die  Erlaubniss  'conducere  et  salariare  doctores 
legum  et  grammatice  ac  medicos  physicos  et  ciroycos'  "*^).  Und  so 
wird  in  den  im  J.  1426  redigierten  städtischen  Statuten  bestimmt, 
dass  die  ^doctores  juris  sive  iudices  de  collegio  judicum',  sowie 
die  'doctores  artium  et  medicinae,  sive  medici  quam  chirurgid,  et 
professores  sive  magistri  grammaticae  docentes  in  civitate  Vin- 
centiae  de  caetero  ab  omnibus'  oneribus  personalibus  dumtaxat 
communis  Vincentiae  sint  immunes'"*).  Behufs  höherer  Ausbil- 
dung suchten  die  Vicentiner  allerdings  auswärtige  Lehranstalten 
auf,  was  die  Commune  nicht  bloss  gestattete,  sondern  auch  durch 
Gewährung  von  Freiheiten  förderte '^0- 

'^ft«)  S.  Savi  p.  17.  Im  J.  1339  hatte  auch  die  Neabemfniig  zwei  neuer 
Legisten  und  eines  Mediciners  statt,  and  die  Scholaren  wurden  ?on  den 
Abgaben  befreit 

iibh)  8.  die  Documente  bei  Sayi  p.  117—119. 

310)  StataU  Vincentina  (Yenetiis  1499)  Bl.  92b.  Die  Yerordnong  datiert 
ohne  Zweifel  ans  einer  frühem  Zeit  als  dem  J.  1426. 

317)  Ibid.:  scholares  tarn  ei?e8  quam  forensea  eontea  ad  aliena  loca  sta- 
dionuB  causa  non  teneantor  ad  solntionem  alioniui  dalii  sen  gabeUae  com- 
munis Yineent.  pro  personis,  Ubris,  eqois  et  aliis  rebus. 


8.  Hocbschulen  mit  pApstl.  Stiftbriefen.    ROm.  Curie.  801 

3.  Hoohsolmlen  mit  nur  päpstUohen  ErrioMungsbriefen. 

Die  Bezeichnung  ^Errichtungsbrief  nehme  ich  hier  sowie  in 
den  nächstfolgenden  Paragraphen  im  weitem  Sinne.  Die  genaue 
Praecisierung  derselben  ergibt  sich  sowohl  aus  der  folgenden 
Entstehungsgeschichte  der  einzelnen  Hochschulen,  als  auch  aus 
einer  daran  sich  schliessenden  Untersuchung. 

Um  der  Darstellung  mehr  Uebersichtlichkeit  zu  geben,  werde 
ich  hier  und  in  den  nächsten  Abschnitten  wie  theilweise  schon 
früher  die  einzelnen  Hochschulen  nach  den  Ländern  classifizieren. 


Bömische  Curie. 

Italien.  Obgleich  das  Studium  an  der  päpstlichen  Curie 
nicht  stricte  zu  Italien  gehört,  so  muss  ich  wegen  des  General- 
studiums zu  Bom  und  weil  sich  die  päpstliche  Curie  doch  auch 
in  Italien  aufhielt,  dennoch  hier  von  demselben  sprechen.  Ich 
habe  bereits  oben"')  bemerkt,  dass  dieses  Studium  von  Inno- 
cenz  IV.  zwischen  1244  und  1245"')  im  zweiten  Jahre  seines 
Pontificats  während  seines  Aufenthaltes  zu  Lyon  gegründet 
wurde.  Dieses  Studium  ist  ganz  verschieden  vom  Generalstudium 
zu  Bom,  mit  dem  es  häufig  verwechselt  wird"^).  Wenn  es 
jedoch  heisst,  das  Studium  habe  sich  an  der  Curie  oder  apud 
sedem  befunden,  so  ist  damit  nicht  gemeint,  dass  es  sich  noth- 
wendig  im  päpstlichen  Palaste  habe  befinden  müssen,  sondern  in 
der  Stadt  und  an  dem  Orte,  wo  sich  die  Curie  aufhielt''^). 


>i^  8.  oben  8.  3  Anm.  11. 

^)  Nicht  1243,  wie  Carafa,  De  Gymnasio  Romano  (Borna  1751)  I, 
131  nnd  nach  ihm  Beamont,  Gesch.  der  Stadt  Bom  II,  680  behaupten. 

s^  So  T.  SaTigtty  in  der  1.  Aufl.  seiner  Gesch.  des  r6m.  Hechts;  in 
der  2.  hatte  er  sich  corrigiert,  obwohl  er  S.  865  widemm  das  Studinm  an  der 
Curie  mit  der  'Bömischen  Bechtsschole'  verwechselt  Tiraboschis  Forschun- 
gen in  der  Storia  della  lett.  ital.  lY,  64;  Y,  75  sind  sowohl  ttber  dieses  als 
aber  das  Bömische  Studium  mangelhaft,  resp.  irrig.  Baumer  hält  natOrUch 
in  allen  drei  Auflagen  seiner  Hohenstaufen  den  Standpunkt  der  1*  Aufl. 
Sarignys  fest 

^  AusdrQcidieh  sagt  dies  Joh.  Andreae  in  YI.  De  priril.  c  2.  Auch 
erhellt  dies  aus  der  Thatsache,  dass,  wie  wir  sogleich  sehen  werden,  HOrsftle 


802    ^'    Entwickelosg  der  Hockschnleii  bis  so»  Sode  des  14.  Jhs. 

Dieses  Stadium  war  ein  wirkliches  Greneralstadinm*")  und 
wurde  von  Innocenz  IV.  aus  dem  Grunde  errichtet,  weil,  wie 
er  in  dem  Stiftbriefe  sagt,  von  der  ganzen  Christenheit  Personen 
zum  hl.  Stuhle  kämen,  die  nun  dort  auch  in  Bezug  auf  ihre 
wissenschaftlichen  Bedürfhisse  Befriedigung  finden  sollten'"). 
Nicht  Honorius  III.,  sondern  lediglich  Innocenz  IV.  ist  der  Stifter 

dieses  Generalstudiums  *'0- 

Bisher  glaubte  man,  dieses  Studium  sei  ausschliesslich  eine 
Rechtsschule  gewesen,  verfahrt  durch  den  Text  in  den  Decretalen 
Bonifaz  Vm.'").  Allein  man  hat  hier  ausser  Acht  gelassen, 
dass  dieser  Papst  die  genannte  Bulle  Innocenz  IV.  wie  andere 
Bullen  seiner  Vorgänger,  die  er  in  seine  Decretalensammlung  auf- 
nahm, veränderte  und  verkürzte.  Aus  dem  unverkürzten  Text,  der 
noch  erhalten  ist,  ergibt  sich  aber,  dass  Innocenz  IV.  das  Studium 
an  der  Curie  nicht  bloss  für  Jus  can.  und  civile,  sondern  auch 
für  die  Theologie  gegründet  hat"*).    Eine  weitere  Bestätigung 


hie  and  da  gemietbet  warden.  Vgl.  noch  Benani,  Storia  deli'  «dttrsltä 
degli  studi  di  Roma  I,  30.  Oefters,  besonders  unter  Innocens  lY.,  war  das 
Stadinm,  nach  dem  Wortlante  bei  Niccolö  de  Corbio  an  sehliessen,  allerdings 
im  Paläste.    8.  Anm.  326. 

^*)  Bereits  Niccolö  de  Corbio  nennt  es  'generale  Stadium*.  Balase, 
Miseell.  ed.  Mansi  I,  198. 

89S)  Garn  de  diyersis  mondl  partibas  mnlti  conflaaat  ad  seden  ^posto- 
Ueam  qaasi  matrem,  nos  ad  commonem  tarn  ipsoram  qoam  allonun  omniam 
apad  sedem  commorantiam  commodam  et  profectnm  patema  sollicitadine  in- 
tendentes  nt  sit  eis  mora  huiosmodi  firactaosa  providimos,  qnod  ibidem 
de  cetero  regatur  stndiam  litteramm,  qoatinos  inter  alia  ipsius  benefida 
qoibas  reficinntnr  assidne  ipsios  scientie  sue  nberibos  spiritoaliter  satientar. 
Nach  Cod.  72  sa  Grenoble.  Gekflrst  in  YI.  Decret.  5  De  prifU.  c.  2. 
Schulte  hat  in  seinem  Iter  gallicnm  in  den  Bits. -Her.  d.  kais.  Akad.  LIX. 
Bd.  8.  382  einen  an  twei  SteUen  ▼erderbten  Text 

<M)  Beaassi  bringt  die  angeUiehe  Thltigkeit  Honorias  III.  lum 
Generalstndiam  in  eine  fhlsche  Beaiehnng.  Die  Documente  schweigen.. 
8.  unten  Anm.  391. 

^  Dort  hoisst  es  nlmlich  1.  c.  proTidimus,  quod  ibidem  de  cetero 
regatar  et  Tigeat  Stadium  iuris  diyiai  et  honani,  canonici  Tidelicet  et  ciTÜis. 
Mit  Safigny  ▼ertritt  die  üUsohe  Ansicht  unter  andern  Qregorofins,  Gcsoh. 
der  Stadt  Born  Y,  597  f. 

"M)  In  iien  Anm.  823  genannten  Codex  heisst  es  nadi  HMtieator':  ünde 
cam  tarn  in  theolo|^  fiicnltate  quam  in  utroque  jare  canonioo  et  citili  eertis 


8.   Hocbschnlen  mit  pftpstl.  Stiftbriefen.    Rom.  Curie.  808 

bietet  ein  späteres  Schreiben  desselben  Papstes,  worin  er  sich 
auf  das  frühere  beruff  0.  Widerholt  nennt  er  auch  den 
Archidiaconus  Dnnelmen.  am  23.  November  1252  apad  sed.  apost. 
in  theologica  facultate  docentem"*),  gleichwie  er  am  9.  Februar 
desselben  Jahres  den  Dominicaner  Bartholomäus  de  Breganza 
als  regens  in  curia  nostra  in  theologie  facultate  bezeichnet '**). 
Dann  darf  man  nicht  vergessen,  dass  auch  unter  dem  Ausdruck 
^Studium  juris  divini'  die  Theologie  verstanden  wurde.  Der  Nach- 
folger Bonifaz  VUI.,  Benedict  XI.,  gebraucht  am  15.  Februar  1804 
das  Wort  der  angezogenen  Decretale  'Studium  juris  divini' 
im  Sinne  von  Studium  theologice  facultatis,  das  an  der  Curie 
existiere'").  In  ähnlicher  Weise  erklären  den  Ausdruck  Jo- 
hannes XXH  und  Clemens  VI."')*  Ebenso  versteht  auch  Job. 
Andreae  in  seiner  Olosse  dieselbe  Bezeichnung  'proprio  de  sacra 
pagina'. 


•d  hoc  statnÜB  acolis  ordinarie  ibi  (apad  b.  sedem)  doceatnr,  Yolamni  et 
statnimoB,  ut  studentes  in  scolis  ipsis  penes  sedem  eandem  talibus  privile- 
gÜ8  omnino,  libertatibus,  et  immonitatibas  sint  muniti,  qnibus  gandent  sta* 
dentes  in  scolis,  nbi  generale  regitur  Stadium,  percipientes  integre  proTentas 
saoB  ecclesiasticos  sicot  aliL  Kars  sagt  ans  dasselbe  aach  der  Begleiter 
des  Papstes,  Kiccolö  de  Garbio,  indem  er  meint:  In  saa  caria  generale  sta- 
diom  ordinayit  tarn  de  theologia,  qaam  in  decretis,  deeretalibos  pariter  et 
legibas.  Baluse,  Miscell.  ed.  Mansi  I,  198.  Von  der  Zeit,  in  der  anter  Inno- 
cens  lY.  die  Carie  in  Neapel  war,  nftmlich  1254,  sprechend  sagt  er:  ge- 
nerale Bladiam  theologie,  decretaliam,  decretoram  atqne  legom  in  palatio 
BQO,  sieat  nbiqae  fecerat,  ordinavit.   Balnze  1.  c.  p.  205. 

BIT)  Garn  olim  dazerimns  stataendam  nt  omnes  apad  sedem  apost  tam 
in  theologica  facultate  quam  in  utroque  jure  can.  et  ciyili  studentes  bene- 
fieiomm  saorum  proventus  integre  percipiant  etc.  Marino  de  Ebolo  im  Arch. 
Tat.  Arm.  Sl  n.  78  ep.  1864. 

»8)  Bog.  Tat.  an.  10  ep.  245  Bl.  220a. 

^)  Beg.  Tat  an.  9  ep.  111  BL  128  b. 

^  Beg.  Tat  an.  1  ep.  867  Bl.  S6b. 

^)  So  sagt  Johann  XXII.  1317  Ton  ehiem  GanonicuB  von  ürgel,  'qnod 
ipie  studio  dlTinl  juris,  theologice  Tidelicet  fiseultatis,  qnod  de  mandato 
nostro  apud  i^kmI  sedem  regitur,  immoratur'.  Beg.  Tat  Gommun.  an.  1.  p. 
3  ep.  2144.  EbenBO  1819  in  Beiug  auf  den  Gaator  JohannoB  de  Faliano, 
und  anBdrflcUiflh  wird  erwUint,  Innocena  lY.  habe  in  dicta  fiicultate  stu- 
dentes  apud  sedem  eandem  pririlegiert.   Beg.  Yat  Gomm.  an.  3  ep.  860.    In 


304    ni.   Entwickelong  der  HochBchiilen  bis  züm  Ende  des  14.  Jhs. 

Daza  kommt  der  usus  in  allen  Epochen.  Wie  wir 
nämlich  in  einem  spätem  Bande  sehen  werden,  trugen  seit 
Innocenz  IV.  jene  Magistri  der  verschiedenen  Orden,  die  an  der 
Curie  lasen,  am  Studium  zumeist  nur  Theologie  vor.  In  den 
Ausgaben  der  römischen  Curie  ist  femer  fast  ausschliesslich  nur 
von  den  'scholae  in  theologia'  oder  dem  Magister  theologie  die 
Rede,  nicht  von  den  andern.  Bald  wird  die  Reparatur  der  theo- 
logischen Hörsäle  bezahlt'"),  bald  wird  angeordnet,  das  Salarium 
^pro  hospitio  scolarum  theologie'  auszufolgen "'),  bald  die  Hörsäle 
zu  vergrössem  "^).  Daselbst  wird  auch  regelmässig  die  Besoldung 
des  Magisters  der  Theologie  erwähnt.  Durchschnittlich  bekam 
er  für  8  Wochen  36,  für  das  Schuljahr  circa  252  Goldgulden. 
Ausserdem  wurden  ihm  die  Reisekosten,  der  Transport  der 
Bücher  vergütet,  für  Kleider  gesorgt  u.  s.  w.,  wovon  sich  nicht 
wenige  Beispiele  erhalten  haben"*). 

Nicht  weniger  eifrig  wurde  allerdings  an  dem  Studium  der 
Curie  das  Jus  gepflegt  und  zwar  vorzüglich  das  Jus  civile"*), 


derselben  Weise  widerholt  er  diese  Erkl&riingen  im  J.  1329  in  Bezug  aof 
Johannes  Vincentius  (Beg.  Yat  Gomm.  an.  14  p.  1  ep.  150)  and  Johannes 
Martini  (1.  c.  ep.  239.  Vgl.  auch  ep.  721),  im  J.  1331  in  Bezug  auf  Geral- 
dus  de  Galinier.  (Beg.  Yat.  Gomm.  an.  15.  p.  3  ep.  1137).  Ganz  dieselben 
Phrasen  gebrauchte  Clemens  YI.  in  seinem  Schreiben.  Beg.  Yat.  Gomm.  an. 
4  IIb.  4  p.  2  ep.  351  und  an.  9.  lib.  2  p.  2  ep.  1503. 

• 

^)  Bonif.  YIIL  Introitus  et  exitus  n.  5  Bl.  61a;  Giern.  Y.  Intr.  et 
exit  n.  10  Bl.  29b.  Joann.  XXII.  n.  13  Bl.  60b;  n.  30  BL  47a;  n.  32 
Bl.  84  b. 

sss)  Beg.  Yat.  Avenion.  Giern.  YI.  tom.  18  BL  419a;  Joann.  XXII. 
Intr.  et  exit.  n.  32  BL  91.  Im  J.  1332,  von  dem  hier  die  Bede  ist,  musste 
das  Salarium  far  die  vergangenen  14  Jahre  bezahlt  werden.  YgL  noch  n. 
53  BL  2  b. 

33«)  Joann.  XXII.  Intr.  et  ezit  L  e.  BL  61b. 

335)  Bonif.  Yni.  Intr.  et  ezit.  n.  5  BL  35  b.  39  b.  41.  Giern.  Y.  Intr. 
et  ezit  n.  10  BL  19.  20.  34;  n.  8  BL  16b.  Joann.  XXIL  Intr.  et  ezit  n. 
18  BL  21;  n.  16  BL  58  n.  s.  w. 

336)  Joh.  Andreae  in  YI  ad  L  c:  et  vide  mirabile»  qaod  in  Bomana 
curia  ins  dvile  legi  potest  et  non  Pandas  (im  Drucke,  ans  dem  nuneiat 
nachgeschrieben  wird,  nnriditig  Temsii')  et  locis  vkinis. 


8.  Hochschnlen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    R6m.  Gnrie.  305 

Über  das  dort  auch  berühmte  Rechtslehrer,  wie  z.  B.  Dinus, 
lasen  •").  Dass  darin  schon  frühzeitig  promoviert  wurde,  erhellt 
aus  zwei  päpstlichen  Schreiben  Clemens  IV.  vom  10.  Juli  1268*"), 
worin  den  Doctoren  zu  Montpellier  und  Bologna  kundgemacht 
wird,  jene  in  Montpellier  möchten  den  Mag.  Wilhelm  Seguier  de 
Montepessulano  als  doctor  in  jure  civili  aufnehmen,  da  er  vom 
Mag.  Berardus  de  Neapoli  regelrecht  an  der  Curie  examiniert  und 
promoviert  worden  sei  *").  Zu  Gunsten  von  Legisten,  die  an  der 
Rom.  Curie  lasen,  wurden  die  Priester  schon  sehr  frühe  vom 
Verbote  Honorius  III.  dispensiert.  Als  Bindus  von  Siena  am 
Studium  der  Curie  über  Civilrecht  docierte,  erlaubte  Honorius  IV. 
am  18.  Oct.1285  allen  Geistlichen,  mit  Ausnahme  der  Bischöfe,  Aebte 
und  Religiösen,  bei  ihm  zu  hören  '^^).  Dasselbe  that  Nicolaus  IV. 
den  25.  October  1290  in  Hinsicht  auf  den  Legisten  Comes  de 


s»"^)  Vgl  Savigny  V,  450. 

338)  Bei  Marino  de  Ebolo  ep.  2337.  2338  im  Arch.  YaU  Wie  immer 
fehlt  der  Name  des  Papstes.  In  der  Briefsammlung  des  Berardus  da  Napoli 
zu  Bordeaux  sind  uns  dieselben  Schreiben  erhalten  (in  jener  des  Arch.  Vat. 
fehlen  sie)  und  zwar  mit  Namen  und  Datum.  Von  Delisle  ediert  in  Notices 
et  eztraits  des  mss.  XXYII,  2  p.  115  f. 

^^)  Mag.  Guillelmus  Seguier  de  Montepessulano  ...  ad  magisterii  gra- 
dum  aspirans,  quem  idem  Bononie  propter  dissensionem  inter  d.  t  archidia- 
conum  Bonon.  ex  parte  una  et  scolares  inibi  studentes  ex  alia  super  creatione 
Doctorum  exortam  non  poterat  obtinere,  ad  nos  recursum  habens  super  hoc 
proyisionis  nostre  remedium  .  .  .  postulavit.  Nos  itaque  ipsius  voto  favo- 
rabili  pia  benignitate  faventes,  d.  f.  Magistro  Berardo  de  Neapoli  subdia- 
cono  et  notario  nostro  iuris  civilis  professori  commisimus,  at  eum  iuxta 
formam  in  talibus  consuetam  diligenter  examinans  si  ad  hoc  ipsum  idoneum 
inveniret  sibi  licentiam  in  eodem  iure  ubique  docendi  auctoritate  nostra 
concederet  .  .  .  Dictns  yero  notarius  primo  pluribus  doctoribus  postea  tarn 
iUis  quam  aliis  jurisperitis  de  nostra  curia  convocatis  exacte  tam  private 
quam  publice  ipsum  examinans  sibi  eorundem  conspirante  consensu  licentiam 
in  eadem  civili  sapientia  docendi  ubique  ac  postmodum  librum  iuxta  morem 
in  hiis  hactenus  observatam  tradita  sibi  a  nobis  auctoritate  concessit.  Des- 
halb möchten  sie  ihn  nun  als  juris  civilis  professor  aufnehmen«    Ibid. 

3M)  Beg.  Vat.  an.  1.  ep.  164  BL  46a.  Vgl.  dazu  auch  Lettera  deU'Ab. 
Gaet  Marini.  Borna  1797  p.  85,  und  Benazzi,  Storia  deU'  nniverdtti  degli 
Btudi  di  Roma  I,  245. 

Denifle,  Die  UoiTenitlteD.    L  20 


306    ni.  Entwickelang  der  Hochschnlen  bis  xam  Ende  des  14.  Jhs. 

ürbeveteri"')-  Dieselbe  Erlaubniss  ertheilte  Bonifaz  VIII.  mit 
ähnlichen  Worten  wie  Honorius  IV.  am  1.  März  1297,  als  Johann 
Meruguliesi  von  Pistoja  an  der  Curie  las'^"^).  Am  13.  Februar 
1302,  als  dort  Mag.  Gabriel  de  Patientibus  von  Mailand  über 
Jus  ciyile  lehren  wollte,  sagt  der  Papst  noch  überdies,  dass  die 
Eenntniss  des  Jus  civile  ^ecclesiaticis  tam  circa  curam  temporalium 
quam  administrationem  spiritualium  est  admodum  utilis  et  etiam 
opportuna',  und  deshalb  wolle  er,  *ut  persone  ipse  pro  acquirenda 
scientia  supradicta  eo  libentius  et  ferventius  predicto  juris  studio 
immorentur,  quo  potioris  favoris  presidio  per  eandem  sedem  (apo- 
stolicam)  in  hac  parte  se  noverint  confoveri' "').  Derselbe  Papst 
übersandte  1298  seine  Decretalensammlung  wie  den  Profes- 
soren und  Scholaren  anderer  Hochschulen,  so  auch  Doctoribus 
et  Scolaribus  universis  in  Romana  curia  commorantibus '^^).  Im 
Jahre  1343  richtete  das  GoUegium  doctorum  in  generali  studio 
Romane  Curie  .  .  .  actu  et  ordinarie  legentium  Jus  canonicum 
et  civile  eine  Supplik  an  Clemens  VL,  aus  der  hervorgeht,  dass 
damals  zwei  Doctoren  über  das  Decret,  zwei  über  die  Decretalen 
und  zwei  über  das  Civilrecht  lasen"*). 

Dieses  Studium  wurde  mit  jenen  zu  Paris,  Bologna,  Oxford 
und  Salamanca  auf  dem  Concil  von  Vienne  bestimmt,  damit  dort 
ein  Lehrstuhl  für  arabische,  chaldäische  und  hebräische  Sprache  er- 


^^)  Reg.  Vat.  an.  3  ep.  481  Bi.  98  b.  'Apad  sedem  eandem  tantnm' 
dfirfe  es  geschehen,  und  nur  in  Bezug  auf  dessen  Zuhörer  oder  auf  jene 
des  Substituten. 

^)  Reg.  Vat.  an.  3  ep.  14  Bl.  198  a.  Der  Papst  dispensiert  ihn  vom 
geleisteten  Eide,  'qnod  nonnisi  in  civitate  Bonon.  in  jure  regeret'. 

343)  Reg.  Tat.  an.  8.  ep.  16  Bl.  151a.    S.  dazu  Renazzi  L  c.  p.  245. 

3M)  So  im  Cod.  Burghes.  n.  7.  Vgl.  auch  Friedbergs  Ausgabe  der 
Decretalen. 

345)  Die  Supplik  beginnt:  Suplicant  8.  Y.  humiles  et  deroti  filii  ac 
seduli  oratores  vestri  Gollegium  doctorum  in  yestro  generali  studio  Romane 
Curie  etc.  Das  Collegium  bittet  um  Gnaden  fflr  die  einzelnen  Mitglieder. 
Es  werden  genannt:  Johannes  Scherlati,  der  während  7  Jahre  die  Decretalen  las; 
Jacob  Gaufridi,  conjugatus,  legum  doctor;  Bernardus  Rastaeii,  legum  doctor 
and  canonicus;  Guilhelmns  Baralhi,  canonicus,  Ord.  S.  Aug.,  der  Aber  das 
Decret  las;  Aymerigns  Biga,  Ord.  S.  Aug.,  decretorum  doctor,  ttber  die  De- 
cretalen lesend;  Arnaldus  Terroni,  decretorum  doctor  und  darin  auch  Pro* 
fessor.    Arch.  Vat.  Clem.  VI.  Reg.  Supplic.  an.  1  par.  2  Bl.  67  a. 


8.  Hochschulen  mit  p&psU.  Stiftbriefen.    Rom.  Carie.  307 

richtet  werde,  und  es  ist  keineswegs  eine  geringe  Ehre,  dass 
die  Goncilsbestimmung  wenigstens  in  Bezug  auf  die  eine  oder  andere 
der  Sprachen  zuerst  an  demselben  in  Ausführung  kam.  Das 
Verdienst  gebührt  Johannes  XXII.,  der  sich  bemühte,  dass  das 
Statut  auch  an  den  andern  genannten  Generalstudien  Erfolg  habe. 
So  schrieb  er  24.  Februar  1319  dem  Bischöfe  von  Paris,  er 
möge  dem  vom  Judeuthum  zum  Christenthum  bekehrten  Johannes 
Savalti  de  Noyavilla,  der  in  der  hebräischen  und  chaldäischen 
Sprache  unterrichtet  sei  ^et  desideret  libros  earundem  linguarum 
in  latinum  transferre  ac  alios  Christifideles  in  eisdem  Unguis 
Parisius  erudire,  in  studio  Parisiensi  linguas  ipsas  seu  alteram 
earum  docenti  in  stipendiis  competentibus  et  sumptibus  .  .  .  juxta 
teuerem  constitutionis  fe.  re.  Clementis  Pape  V.  super  hoc  edite' 
vorsehen*").  Ob  dieser  Auftrag  ausgeführt  wurde,  konnte  ich 
nicht  finden,  während  dies  in  Bezug  auf  das  Studium  an  der 
römischen  Curie  der  Fall  ist.  Vom  19.  November  1317  au  wird 
dem  Magister  linguarum  ebenso  wie  dem  Magister  theologiae 
und  den  übrigen  Angestellten  das  Salarium  bezahlt.  Am  ge- 
nannten Tage  wird  nämlich  fr.  Gonradus  electus  Effesinus  magister 
linguarum  in  Guria  genannt**^),  welcher  17.  December  bereits  als 
Archiepiscopus  magister  linguarum  aufgeführt  wird '").  Er  blieb 
in  diesem  Amte  bis  8.  April  1318'**),  an  welchem  Tage  fr. 
Bonifacius  magister  linguarum  de  novo  deputatus  per  dominum 
nostrum  erscheint***^).  Dieser  blieb  nun  ziemlich  lange.  Er 
wird  erwähnt  H.  November  1321  und  widerholt  im  J.  1322 
und  1328'").  sowie  in  den  Jahren  1324—1327»").  Zu  gleicher 
Zeit  waren  für  die  Sprachen  noch  andere  angestellt  und 
besoldet  Im  September  1321  bekommen  Raynerius  de  Go- 
stansa  presbyter   et  Alexander  Petiti  clericus  nuntii  regis  Er- 


s^)  Reg.  Com.  an.  3  ep.  408  El.  131  b. 

347)  Joannis  XXII.  Intr.  et  exit.  C.  A.  n.  16  El.  I36a;  n.  17  El.  44a. 
M8)  Ibid.  n.  16  Bl.  137  a;  n.  17  El.  45  b. 
«»)  Ibid.  n.  16  Bl.  138  a- 140a. 
350)  Ibid.  El.  141  a. 

361)  Ibid.  n.  47  Ei.  118b,  120a;  121a  n.  a.  w.  n.  54  BL  126a  etc.  Id2a. 
36>)  Ibid.  n.  57  El.  llOff.  n.  81  Bl.  70b  (hier  steht  irnhOmlich  magister 
lignornm);  n.  84  Bl.  78  b  u.  s.  w. 

20* 


808    in.  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

menie,  qui  debent  docere  in  curia  linguas  eorum,  eine  Besoldung"*), 
und  sie  sind  wenigstens  noch  bis  28.  Mai  1323  im  Amte'**). 

Ich  kann  hier  diesen  interessanten  bisher  kaum  beachteten 
Gegenstand  nicht  weiter  verfolgen'").  Das  Angeführte  genügt, 
um  einigen  Begriff  von  der  Ausdehnung  der  Studien  an  der 
päpstlichen  Curie  zu  erhalten.  Dass  auch  das  medicinische  Studium 
gepflegt  wurde,  ergibt  sich  aus  den  Besoldungen,  die  um  dieselbe 
Zeit  den  Thysikern'  an  der  päpstlichen  Curie  gewährt  wurden. 
Doch  erhielt  dasselbe  erst  im  15.  Jh.  mehr  Bedeutung. 

Auf  Irrthum  beruht  aber  die  Ansicht  des  Gregorovius,  im 
13.  Jh.  sei  am  Studium  der  Curie  bereits  Aristoteles  erkläit 
worden  *^^).  Ich  wenigstens  finde  keinen  Anhaltspunkt  für  diese 
Behauptung.  Scheint  doch  überhaupt  das  artistische  Studium  an 
der  Rom.  Curie  spätem  Datums  zu  sein. 

Mit  dem  Generalstudium  an  der  Curie  ist  nicht  zu  ver- 
wechseln das  Studium,  welches  Urban  V.  zu  Trets  gründete 
und  das  ebenfalls  Studium  D.  nostri  Pape  hiess.  Dieser  Papst 
unterstützte  nämlich  fast  noch  mehr  als  seine  Vorgänger  arme 
Studierende.   Er  unterhielt  während  seines  Pontificates  fortwährend 


^  Ibid.  n.  47  Bl.  118b;  120a.  Die  Besoldung  des  magister  lingaamm 
betrug  in  der  Regel  12  Gulden  fQr  8  Wochen. 

8W)  Ibid.  n.  47.  Bl.  121b-  124.  n.  54  Bl.  126-131  a. 

355j  Voigts  Bemerkungen  in  seiner  Wiederbelebung  des  classischen  Alter- 
thums  2.  Aufl.  II,  359,  die  Concilsbestimmung  von  Vienne  sei  nirgend  ins 
Leben  getreten,  wird  dadurch  wohl  für  immer  .widerlegt. 

^  Gregorovius  meint  V,  600f.,  der  hl.  Thomas  sei  1261  nach  Rom  berufen 
worden,  um  an  der  Palastschule  die  Schriften  des  Aristoteles  zu  erklären, 
dort  habe  er  Philosophie  und  Moral  Yorgetragen  bis  1269.  Alles  theüs  un- 
genau, theils  falsch.  Der  Ausdruck  'teuere  Studium  Romae'  bezieht  sich 
nicht  auf  das  Studium  an  der  Curie,  sondern  auf  das  im  Orden.  Im  J.  1265  be- 
stimmte z.  B.  das  ProYincialcapitel  der  Rom.  Provinz  der  Dominicaner  zu 
Anagni:  Fratri  Thome  de  Aquino  iniungimus  in  remissionem  peccatornm,  quod 
teneat  itudium  Rome,  et  volumus  quod  fratribus  qui  staut  secum  ad  studen- 
dum  provideatur  in  necessariis  etc.  (Originalcodex  der  G^neralcapitel  und 
der  Capitel  der  Rom.  Provinz  im  Generalarchiv,  Bl.  189  a).  Im  J.  1272  be- 
schloss  ein  anderes  Capitel  (zu  Florenz):  Studium  generale  theologie  quan- 
tnm  ad  lectiones  et  personas,  et  numerum  studentium  comittimns  plenarie 
fratri  Thome  de  Aquino  (Ibid.  Bl.  143  b).  Mehr  darftber  im  3.  n.  4  Bande. 
Die  Nutzanwendungen  des  Gregorovius  fallen  hiemit. 


3.  Hochschulen  mit  päpsti.  Stiftbriefen.    Rom.  Curie.  309 

1000  Scholaren  an  verschiedenen  Studienanstalten'");  er  errichtete 
ein  GoUeg  in  Bologna"'),  ein  anderes  in  Montpellier  für  Mediciner*"), 
und  ebenso  ein  Studium,  das  bereits  November  1363  in  Trets 
war,  und  dort  bis  zum  3.  Juni  1365  blieb,  wo  es  nach  Manosque 
übertragen  wurde.  Im  J.  1364  waren  180  Schüler  an  diesem 
Studium,  von  denen  155  auf  Kosten  des  Papstes  erhalten  wurden. 
Sie  waren  aus  den  Diöcesen  Aix,  zu  der  Trets  gehörte,  Marseille, 
Toulon,  Fr6jus,  Grasse,  Vence,  Riez,  Digne,  Apt,  Sisteron,  Sen^s, 
Carpentras,  Nizza,  Gavaillon,  Gland&ve  und  Avignon.  Ausser  dem 
Bector  studii  werden  7  Magistri  und  das  übrige  zum  Unterhalte 
der  Studenten  nothwendige  Personal  aufgeführt  unter  dem  Ge- 
sammttitel:  Servitores  continui  scolarium  studii  dicti  Domini 
nostri.  Als  das  Studium  nach  Manosque  transferiert  wurde,  be- 
stand das  gesammte  Personal  mit  den  Studenten  aus  110  In- 
dividuen "•). 

Wenn  wir  bedenken,  dass  die  Päpste  ohnehin  das  General- 
studium an  der  Curie  zum  grossen  Theil  unterhielten,  und  in 
Folge  davon  Jahr  für  Jahr  ziemliche  Ausgaben  machen  mussten, 
so  staunen  wir,  dass  z.  B.  Urban  V.  neben  dem  Generalstudium 
noch  ein  anderes  Studium  der  Hauptsache  nach  versehen, 
und  überdies  auch  andere  GoUegien  erhalten  und  unterstützen 
wollte. 

Zur  Zeit  des  grossen  Schismas  hatten  sowohl  die  Bömischen 
Päpste  als  die  Gegenpäpste  ein  Studium  s.  Palatii.  Doch  scheint 
an  jenem  der  letzteren  später  nur  mehr  Theologie  vorgetragen 
worden  zu  sein;  wenigstens  schliesse  ich  dies  aus  dem  Botulus, 


967)  So  die  Prima  vita  Urbani  Y.  bei  Balaze,  Yitae  Paparum  Avenion. 
(Parisiis  1693)  I,  395. 

968)  s.  oben  S.  215. 

8^)  S.  Balaze  1.  c.  Er  liess  12  Scholaren  in  MootpeUier  'ad  artem 
medicine  addiscendam'  in  einem  von  ihm  erbauten  Collegiam  ernähren.  Arch. 
Yat  Reg.  litt,  camer.  apost.  1366  o.  346  Bl.  36  a. 

3^)  Obige  Notizen,  die  bisher  ganz  unbekannt  waren,  sind  den  Rationes 
scholanim  de  Tritis  1364.  1366  (n.  253)  im  Yaticao.  Archiv  entnommen.  Sie 
hat  der  Rector  des  Stndiams,  Deodatns  Jordani,  niedergeschrieben.  Ehe 
man  nach  Manosque  übersiedelte,  untersuchte  der  Rector  studii  auf  Geheiss 
des  Papstes,  ob  Pertuis  oder  St.  Remy  geeignetere  Orte  fttr  die  Anstalt 
wären. 


glO    IIL  Eatwiekelmig  der  Hoebsebalea  Ins  sn  Ende  da  14.  Jlift. 

den  die  scolares  8.  palatii  an  Benedict  XIIL  im  ersten  Jahre  seines 
Pontifieates  eioHandten,  und  der  sich  nnr  auf  die  nu^istri  et 
Htudentes  in  tacnltate  theologie  bezieht^'),  während  an  jenem 
der  Bdmischen  Päpste  nebst  der  Theologie  noch  immer  Jos  ear 
nonicum  und  civile  vorgetragen  wurde'*'). 

Das  Studium  an  der  Curie  war  nicht  stabil.  Gleichwie 
nämlich  der  päpstliche  Hof  nicht  fix  war,  so  hatte  auch  die 
Schule  an  demselben  keinen  bleibenden  Sitz,  sondern  folgte  der 
Curie  überall  hin'*').  Sie  glich  hierin  vollends  der  Hofschule 
Karls  des  Grossen  und  seiner  Nachfolger.  Die  Könige  und  Kaiser 
hörten  schon  seit  langem  auf  eine  Palastschule  zu  unterhalten^ 
dafttr  aber  besassen  die  Päpste  eine  solche,  jedoch  in  viel 
grösserm  Umfange,  als  jene. 

Som. 

Die  Hochschule  zu  Rom  dankt  Bonifaz  VUI.  ihr  Dasein. 
Der  Stiftungsbrief  ist  vom  6.  Juni  1303  datiert"*).  Zwar  be- 
schloss  Karl  I.  von  Neapel  aus  Erkenntlichkeit  gegen  die  Stadt, 
die  ihn  zum  Senator  erwählt  hatte,  am  14.  October  1265  in 
Rom  ein  ^generale  Studium  tam  utriusque  juris  quam  artium^ 
zu  gründen"*);  allein  es  blieb  nur  beim  guten  Willen,  so  dass  ' 
Bonifaz  VHI.  diese  Stiftung  nicht  einmal  zu  erwähnen  brauchte, 
und  nicht  erwähnte.  Der  Beweggrund  bei  Stiftung  dieser  Hoch- 
schule von  Seite  des  Papstes  war  ähnlich  jenem  bei  Stiftung 
der  Schule  an  der  Curie.  Nach  Rom  als  dem  Sitze  des  Papst* 
thumes  kommen  von  allen  Gegenden  die  Fremden.  In  ihrem 
Interesse,   aber   auch   im   wissenschaftlichen  Interesse  der  Ein* 


361)  Ben.  XIII.  Reg.  ezpectationum  an.  1.  p.  7.  Bl.  lS6a. 

^^)  Als  Beweis  möge  hier  dienen,  dass  in  Schreiben  Bonifas  IX.  Scho- 
laren des  Can.  und  Rom.  Rechts  Mn  Romana  caria  stndentes'  erw&hnt  wer* 
den.  Z.  B.  Reg.  im  Archiv  Tom  Lateran,  1389,  an.  1  lib.  6  Bl.  98;  lih.  7 
BL  846. 

s*')  Bonifai  de  Yitalinis  sagt  lur  oben  genannten  Decretale  in  dem.: 
Notandum,  quod  Romana  curia  ubicnnque  sit,  habet  Stadium  generale. 
Oomment.  in  Clem.  Const  ed.  Yenet  1574.  Bl.  181a. 

^)  Renaui  1.  o.  p.  258  n.  81.  BoU.  Rom.  ed.  Taurin.  lY,  166. 

M)  Bei  Del  Qiudice,  Cod.  diplom.  del  regno  di  Carlo  L  e  IL,  I, 
68,  n.  94. 


3.   Hochschulen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Rom.  311 

heimischen,  wird  das  Studium  errichtet.  Der  Papst  schloss  keine 
Wissenschaft  aus^^').  Johann  XXII.  beschränkte  jedoch  am 
1.  August  1318  das  Recht  der  Promotionen,  die  der  Vicar  zu 
Rom  zu  leiten  hatte,  auf  das  jus  canonicum  et  civile'^'),  woraus 
man  jedoch  nicht  mit  Renazzi  und  Savigny'^^)  schliessen  darf, 
als  habe  erst  jetzt  die  Hochschule  das  Recht  der  Promotionen  er- 
halten. Beim  Examen  müssten  wenigstens  vier  Magistri  zugegen 
sein.  Der  Gandidat  für  das  Doctorat  in  jure  civili  sollte 
wenigstens  sechs  Jahre  studiert  und  zwei  Jahre  (eines  davon  in 
Rom)  gelesen  haben.  Der  Canonist  in  jure  can.  musste  fünf 
Jahre  gehört  und  zwei  Jahre  (von  ihnen  eines  in  Rom)  gelehrt 
haben.  Bereits  26.  Februar  1317  ertheilte  der  Papst  Dispens 
von  der  Residenzpflicht'"'). 

Trotz  des  Aufenthaltes  der  Päpste  zu  Avignon  blieb  das  General- 
studium zu  Rom  fortbestehen,  und  es  ist  völlig  der  Wahrheit 
widersprechend  mit  Voigt  zu  behaupten,  während  jener  70  Jahre 
sei  das  Studium  zu  Rom  fast  vergessen  gewesen '*').  Papst 
Johann  XXII.  wollte  Anfangs  des  Jahres  1324,  dass  seine  Con- 
stitution über  die  Armuth  Christi  Cum  inter  nonnullos  durch 
seinen  Vicar  in  Rom  4n  studio  urbis'  publiciert  werde*'®).  Aus 
einem  Actenstücke  vom  J.  1334  lernen  wir  den  Auftrag  kennen, 
'doctoribus  Romani  studii  tam  in  jure  quam  in  fisica  ...  de 
florenis  aureis  quadringentis  vel  circa  anno  quolibet  juxta  solitum 
et  sicut  fuit  opportunum  exhiberi'  "*).  Weitere,  meist  päpstliche 
Documente  aus  den  Jahren  1325,  1330,  1350,  1354  und  1369, 
welche  sich  auf  die  Universitas   studii  oder  das  Studium  Urbis 


^  'Generale  vigeret  Stadium  in  qualibet  facaltate'.    Ibid. 
s«7)  Benaizi  1.  c.  p.  266.    BuU.  Rom.  ed.  Taar.  IV,  275. 
M8)  Ibid.  p.  60.    Sayigny  III,  321. 
^^)  Renazzi  1.  c.  p.  260. 
8^9)  Die  V^iederherst.  des  class.  Alterth.  II,  44.  Savigny  ist  sich  unklar. 

370)  Reg.  Yat  Secret.  an.  8.  ep.  4  Bl.  1  b.  Der  Schluss  des  Breves  mit 
dem  Datnm  fehlt;  es  gehört  aber  in  den  Anfang  des  Jabres,  nicbt  in  die 
spätem  Monate.  Am  15.  Oct.  1319  wnrde  der  Canonist  Matthaeus  Romanns 
ad  lectnram  decretalinm  erw&blt.    S.  das  Docnment  bei  Renazzi  p.  261  n.  25. 

371)  Ant.  Vitale,  Storia  diplom.  de'  Senatori  di  Roma,  Roma  1791  I, 
243  bat  das  Schreiben  König  Roberts  von  Neapel  an  Peter  Rayano  nnd 
Tancred  vom  11.  M&rz  1334  pabliciert,  worin  oben  genannter  Auftrag  vor- 
kommt.   8.  p.  245. 


312      ni.  Eniwiekieliiiig  der  Hoduehnlen  bis  nun  Ende  des  14.  Jlis. 

beziehen,  und  in  denen  dasselbe  fortwährend  als  bestehend  voraus- 
gesetzt wird,  wurden  bereits  von  Renazzi  publiciert'").  Aus 
ihnen  ergibt  sich,  dass  noch  bis  1369  fortgesetzt  das  Doctorat 
in  jnre  civili  ertheilt  wurde''*).  Dadurch  ist  natfirlich  nicht 
ausgeschlossen,  dass  in  der  letzten  Zeit  das  Studium  im  Verfalle 
war.  Es  trat  theilweise  sogar  Stillstand  ein.  Die  nicht  vor 
1363  reformierten  Statuten  der  Stadt  beschUessen  in  einem 
eigenen  Paragraph  die  Reformatio  der  Schule  und  die  Berufung 
und  Dotierung  von  Professoren*'*). 

Die  Erneuerung  hielt  nie  lange  an;  das  Studium  verfiel 
auch  gegen  Ende  des  Jhs.,  um  endlich  unter  Eugen  IV.  ernstlich 
reorganisiert  zu  werden'"),  nachdem  der  Plan  Innocenz  VIL 
im  J.  1406  das  Generalstudium  herzustellen  nicht  vom  Glücke 
begünstigt  war"*). 

Es  war  höchste  Zeit,  dass  der  Papst  an  die  Neugründung 
der  Hochschule  zu  Bom  dachte,  deren  Einwohner  seit  mehr  als 
einem  Jahrhundert  die  drangsalvollsten  Tage  durchlebt  hatten.  Ein 
erschütterndes  Ereigniss  löste  dort  das  andere  ab :  die  Verlegung 
des  päpstlichen  Stuhles  nach  Avignon,  innere  Zwietracht,  Occu- 
pation  durch  Ludwig  den  Baier,  Erdbeben,  Revolution  Golas  de 


S79)  L.  c.  p.  263.  268  n.  26.  29—32.  Die  genannten  Doeamente  be- 
finden sich  alle  im  Yat.  Archiv. 

378)  Arch.  Yat.  Regestum  litterarum  camer.  et  thesanrarii  Apost.  1364. 
1368.  1369.  Bl.  136  a  befindet  sich  der  Auftrag,  dass  Laurentius  de  Ibstock, 
bacalarius  in  legibus  4n  generali  studio  alme  urbis  Rome  in  facultate  juris 
civilis  ad  doctoratus  honorem'  promoviert  werde  (28.  J&nner  1369);  151a 
steht  derselbe  Auftrag  hinsichtlich  des  Johannes  Segini  (9.  Februar)-,  169b  in 
Bezug  auf  Matthäus  Clementis  baccallarius  in  legibus  decanus  Oscen.  (2.  M&rz). 
Dabei  werden  immer  die  legum  doctores  erw&hnt,  welche  anwesend  waren. 

>74)  Statut!  della  cittji  di  Roma  del  saec.  U.  pnbl.  da  Camillo  Re. 
Roma  1883  p.  144.  Nach  dem  Codex  im  Arch.  Yat.  Mise.  Arm.  6  n.  96 
tr&gt  der  Paragraph  Bl.  177  b  die  Aufschrift:  De  studiis  generalibus  nrbis 
Romae.  Nach  Cod.  Yat  Ottob.  1880  und  Yat.  7308:  Quod  doctores  in  alma 
urbe  sint  forenses  medici  magistri  salariati  et  de  eorum  salario.  Es  heisst 
im  Beginne,  dass  das  Studium  generale  privilegiatnm  .  .  .  per  defectnm  ibi- 
dem legentium  iam  coUapsum  per  sufficientem  doctomm  facundiam  sublevetur. 

87»)  Renazzi  1.  c.  p.  106.  116.  274. 

87^)  Reg.  Yat  Innoc.  YU.  De  curia  an.  2.  lib.  2  61.  181  a«  Cfr.  Re- 
naisl  1.  c.  p.  109  f.  273. 


3.  Hochschalen  mit  p&psü.  Stiftbriefeo.    Rom.  313 

Rienzi  u.  s.  w.     Wurde  auch  der  päpstliche  Stuhl  wider  nach 
Rom  zurückverlegt,  so  schlug  doch  das  sofort  eingetretene  grosse 
Schisma  neue  Wunden.   War  es  hei  solcher  Sachlage  kein  Wunder, 
dass  die  römische  Universität  nicht  zu  gedeihen  vermochte  und 
allen  Widerhelehungsversuchen  spottete,  so  verstand  es  sich  auch 
von  selbst,  dass  die  Unwissenheit  immer  mehr  zunehmen  musste. 
Gleichwie  es  das  Verdienst  Bonifaz  VIII.  bleibt  die  Hoch- 
schule ins  Leben  gerufen  zu  haben,  so  ziert  es  das  Andenken 
Eugens  IV.  mit  bleibendem  Ruhme,  dass  er  die  Widerhersteilung 
derselben  in  Angriff  genommen  hat.    Mit  seinem  Schreiben  vom 
10.  October  1431  beginnt  eine  neue  Epoche  in  der  Geschichte 
der  Universität.    Und  darum  kommen  spätere  Päpste  auf  Eugens 
Verordnungen  ebenso  zurück,  wie  auf  den  Stiftbrief  Bonifaz  VIII. 
Gab  Eugen  in  seinem  Schreiben  einerseits  Bestimmungen  über 
die  Taxation  der  Wohnungen  und  den  Gerichtsstand,  und  gewährte 
er  den  Universitätsmitgliedern  die  gewöhnlichen  Freiheiten  und 
Immunitäten,  so  regelte  er  andererseits  die  Subsidien  zum  Unter- 
halte der  Universität.  In  der  ersten  Zeit  ihres  Bestandes  nahm  man 
sie  aus  den  Renten  von  Tivoli  und  Rispampano;  Eugen  erhöhte 
die  auf  den  importierten  Wein  gelegte  Steuer,  damit  der  Ueber- 
schuss    zu   Zwecken    des   Studiums   verwendet   würde''').     Am 
7.  Februar  1433   gab   er   dem  Rector   ein  Gonsilium  von  vier 
Reformatoren  zur  Seite,  die  aus  zwölf  der  angesehensten  Bürger, 
von  denen  einige  in  jure  can.  vel  civili  doctores  sein  sollten,  gewählt 
werden,  ein  Jahr  lang  im  Amte  bleiben  und  über  ihr  Gebahren 
Rechenschaft  ablegen  müssten.  Durch  diese  Verordnung  wollte  der 
Papst  verhüten,  dass  die  Renten  zu  einem  andern  als  zu  dem 
von  ihm  bestimmten  Zwecke  verwendet  würden  "*).    In  demselben 


377)  ut  in  gabellam  Tini  forensis,  quod  in  tabemis  Tenditar,  pro  qua 
yenditores  huiasmodi  yini  sex  denarios  pro  qualibet  libra  camere  dicte  urbia 
solvere  tenentur,  addantur  etiam  pro  libra  tres  Bolidi  cum  dimidio,  que 
additio  exigi  et  conseryari  debeat.  Reg.  Vat.  De  cur.  an.  1. 2.  lib  12  Bl.  115  b; 
De  offic.  L  1.  Bl.  67  a.  Renaszi  1.  c.  Auftrage  hierüber  finden  ßichim  Arch. 
Vat.  Diy.  Camer.  t  17.  Bl.  203  b;  244  a.  Von  den  »pftteren  Pftpsten,  welche 
darauf  reflectierten,  citiere  ich  Nicolaus  V.  De  cur.  1.  c.  t.  22  Bl.  14b; 
SiztuB  rV.  Diy.  Cam.  t.  38  BL  246a;  Innocenz  Vni.  Ibid.  t  46  Bl.  210a. 
Leo  IL  in  der  oben  anzuführenden  Bulle. 

"8)  Reg.  Vat.  De  cur.  an.  2.  3.  1.  13  BL  147  a.  Im  zweiten  Bande 
komme  ich  darauf  zurück. 


314      ni.  Entwickelnng  der  Hochschnleii  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Schreiben,  worin  er  diese  Verfügungen  trifft,  gibt  er  auch  den 
Auftrag  ^coUegium  pro  pauperibus  inibi  collocandis  scolaribos  et 
studentibus  constitui  et  ediiicari  possessionesque  et  domos  vel 
alia  immobilia  bona  ad  ipsius  domus  seu  coUegii  opus  emere'. 
Sowohl  diese  als  die  frühere  Bestimmung  erneuerte  der  Papst 
am  1,  November  desselben  Jahres*^®).  Allein  nur  die  erstere,  nicht 
jene  hinsichtlich  des  CoUegs  kam  zur  Ausführung.  Am  25.  Mai 
1438  veröffentlichte  er  neuerdings  sein  Schreiben  vom  10.  October 
1431  mit  Hinzufügung  weiterer  Aufträge"®). 

In  der  Zwischenzeit  sah  man  sich  auch  um  geeignete  Lehr- 
kräfte um.  Für  das  jus  civile  werden  die  legum  doctores  Gaspar 
de  Battarellis"*)  und  Ludovico  Pontano"')  genannt;  für  die 
lectura  ordinaria  decretalium  der  doctor  utriusque  Anton  de 
Bosellis"*);  für  jene  decretorum  Yvo  de  Coppulis,  welcher 
von  Perugia  kam"*).  Am  wenigsten  Fortschritte  machte  die 
Theologie"*).  Der  Grund  davon  lag  wohl  darin,  dass  sie  am  Stu- 
dium der  päpstlichen  Curie  eine  stärkere  Vertretung  hatte. 

Die  Hochschule  war  zwar  auch  nach  Eugens  Tod  manchen 
Wechselfällen  ausgesetzt,  ja  unter  Sixtus  IV.  hätte  ihr  bald 
wider  der  Untergang  gedroht"*),  allein  sie  blieb  nunmehr  doch 
fortbestehen.  Alexander  VI.  sorgte  für  neue  Schullocalitäten. 
Unter  Eugen  wurden  alle  Schulen  bei  S.  Eustachio  vereinigt"'); 
Alexander  begann  in  der  Nähe  den  heutigen  Bau  der  Sapienza*"), 

379)  Reg.  Vat.  de  Cur.  an.  2.  3.  1.  13  Bl.  251b. 
»80)  Reg.  Vat.  de  Cur.  an.  5-8  1.  15  Bl.  272b. 

381)  Div.  Cam.  t.  18  Bl.  2  b.   Benazzi  p.  276  n.  3. 

382)  Benazzi  p.  129  f. 

383)  Div.  Cam.  t.  17.  Bl.  216a. 

384)  Ibid.  Bl.  55  b.   Renazzi  p.  279  n.  5. 

386)  Vgl.  Renazzi  p.  165.  Card.  Dominions  Capranica,  aaf  den  ich  als* 
bald  zu  sprechen  komme,  sagt  in  den  fQr  sein  Golleg  bestimmten  Constita* 
tionen:  qoia  in  Urbe  Studium  theologiae  non  multum  Tiget,  volumns,  quod 
Sit  in  ipso  collegio  aliquis  notabilis  doctus  magister  theologiae'  etc.  Alm! 
coUegii  Capranicensis  Const.  c.  23,  ed.  Rom.  1879  p.  22. 

386)  a  Renazzi  p.  195. 

387)  Ibid.  p.  125  f.  Vgl.  p.  280  n.  10. 

388)  Ibid.  p.  281  n.  11.  12.  Das  erste  Actenstack,  mit  dem  der  Papst 
1000  Dncaten  anweisen  Hess,  ist  vom  17.  Dec.  1497,  das  andere,  in  dem  ein 
gleicher  Auftrag  erfolgte,  vom  16.  Nov.  1498. 


3.  Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Rom.  315 

den  Leo  X.  erweiterte  und  Alexander  YII.  vollendete.  Scheinbar 
brachte  es  die  Hochschule  nunmehr  sogar  zu  grosser  Blüthe, 
denn  nach  dem  von  Marini  herausgegebenen  Verzeichniss  der 
Lehrer  vom  J.  1514  waren  von  den  88  Professoren  nicht 
weniger  denn  vier  Theologen,  11  Ganonisten,  20  Legisten,  15  Me- 
dianer, die  übrigen  aber  Philosophen,  Mathematiker,  Rhetoriker 
und  Grammatiker "').  Allein  es  ist  nur  Schein.  Leo  X.  führt  am 
5.  November  1513  die  Klage  seines  Vicars  und  der  Reformatoren 
des  Studiums  an,  dass  an  der  Universität,  welche  4nter  ceteras 
studiorum  generalium  in  Italia  universitates  frequens  et  celebris 
esse  deberet,  a  pluribus  citra  annis  adeo  scolarium  copia  defe- 
cit,  ut  quandoque  plures  sint  qui  legant,  quam  qui  audiant'. 
Der  Grund  davon  sei,  dass  die  von  Eugen  gewährten  Privilegien 
nicht  beobachtet  würden  und  die  Professoren  sich  in  andere 
Geschäfte  mengten,  und  deshalb  ihre  Verlesungen  unterliessen '®®). 
Die  damals  enorme  Professorenzahl  deutet  also  nichts  weniger 
als  auf  eine  grosse  Ausdehnung  und  einen  blühenden  Zustand 
der  Lehranstalt  hin.  Auch  gewährte  der  römischen  Hochschule 
keinen  Vortheil,  dass  ungefähr  um  jene  Zeit  das  Studium  an  der 
Curie  aufgehoben  wurde"°').  Ob  Leo  X.  dies  bewerkstelligt  habe, 
und  ob  das  Studium  mit  der  Hochschule  vereinigt  wurde,  konnte 
ich  aus  den  Acten  nicht  ermitteln  ^'^). 

^^)  Marini,  Lettera  nella  qnale  s'illustra  il  rnolo  de'professori  dell 
archiginnasio  Romano  per  Tanne  MDXIV.  Roma  1797,  p.  11—16.  Ansser 
den  88  Professoren  werden  noch  Grammatiker  der  verschiedenen  Stadttheile, 
der  Rector,  die  Reformatoren  und  der  Bedell  aufgeführt.  Der  Autor  der 
unten  Anm.  391  anzuführenden  Relazione  hat  den  Catalog  wohl  nie  zu  Gesicht 
bekommen,  und  deshalb  missverstanden. 

»»0)  Reg.  Vat.  Leon  X.  Bull.  l.  26  (n.  1016)  Bl.  209.  Im  Bull.  Rom.  z.  B. 
ed.  Taurin.  Y,  568  fehlt  gerade  die  oben  herbeigezogene  entscheidende  Stelle, 
da  die  Herausgeber  der  irrigen  Meinung  waren,  sie  gehöre  dem  Schreiben 
Bonifaz  YIII.  an,  während  doch  Leo  nur  das  Schreiben  Eugens  IV.  vom 
10.  October  1431  widerholt,  und  darauf  obige  Klage  anführt. 

>^  Noch  ein  Jh.  nach  Leo  X.  hört  man  die  Klage,  dass  die  Schüler- 
zahl Ton  Dreissig  selten  erreicht  werde.     Cod.  Yat.  7400  Bl.  54b. 

Sdi)  üeber  das  Studium  zu  Rom  existiert  ansser  der  citierten  Lettera 
Marinis,  in  der  p.  90  sqq.  mehrere  Acten  von  Eugen  lY.  an  abgedruckt 
sind,  und  dem  oft  erwähnten  Tortrefflichen,  wenngleich  nicht  ^durchweg 
kritischen  Werke  Renazzis  und  jenem  Garafas  ein  nicht  zu  unterschätzender 
Artikel   (zum  grossen  Theile  Auszug  aus  Renazzi)  in  Moronis  Dizionario 


316      m   EntwiGkelang  der  Hoc]i8chiilen  bis  tarn  Ende  des  U.  Jhs. 

Die  Geschichte  der  römischen  Hochschule  macht  es  begreif- 
lich, warum  an  derselben  erst  spät  ein  CoUeg  für  arme  Scholaren 
gegründet  wurde.  Da  das  von  Eugen  IV.  geplante  nicht  zur 
Ausführung  kam,  so  ist  das  erste  der  nachher  so  zahlreichen 
GoUegien  Roms,  die  alsbald  unvergleichlich  mehr  Bedeutung  ge- 
wannen, als  die  Hochschule  selbst,  ja  von  denen  sogar  einzelne 
gleichsam  eine  Universität  für  sich  repräsentierten,  das  vom 
Cardinal  Domenico  Capranica  im  J.  1458  gestiftete  CoUegium 
pauperum  scholarium  sapientiae  Firmanae''')  oder  kurzweg  Gol- 

Tol.  84  p.  282—323;  yoI.  85  p.  3—208.  Arm  ist  Relazione  e  notisie  intomo 
alla  r.  nniversitä  di  Roma.  Borna  1873.  Moroni  fällt  aUerdings  in  den  all- 
gemeinen Fehler,  die  angeblich  von  Honorius  III.  and  dann  die  von  Innocenz  lY. 
gestiftete  Schale  mit  der  Gründung  der  Universit&t  in  Yerbindong  sa  bringen. 
Allein  die  von  Innocenz  ins  Leben  gerafene  Lehranstalt  ist  das  Studium  an 
der  Curie,  von  dem  ich  im  vo«.  Paragraph  gesprochen  habe;  die  Gründung 
einer  Schule  jedoch  durch  Honorius  III.,  die  auch  Eenazzi  gestützt  auf 
etliche  Autoren  erwähnt,  ist  sehr  problematisch.  Man  glaubte  einen  Schrift- 
steller des  13.  Jhs.  für  diese  Behauptung  citieren  zu  können,  n&mlich  Job. 
de  Golumna,  welcher  1255  Erzbischof  von  Messina  wurde  und  1280—1290 
starb  (s.  Qu6tif-Ech.  I,  418).  Diesem  schrieb  man  ein  Werk  De  Tiris 
illustribus  zu,  worin  der  Autor  von  einer  Yon  Honorius  III.  gestifteten 
Palastschule  spricht.  Doch  dieses  Werk  gehört  nicht  jenem  Johann  de  Go- 
lumna des  13.  Jhs.,  sondern  es  hat  einen  Johann  de  Golumna  des  14.  Jhs. 
zum  Verfasser.  Ich  kenne  nun  drei  Hss.,  n.  142  in  der  Bibl.  Barberini; 
n.  XX.  VI.  34  in  der  Bibl.  Gasanat.  zu  Rom;  cod.  lat.  cl.  X.  n.  58  in  der 
Marciana  zu  Venedig.  Sind  auch  diese  drei  Hss.  insofern  von  einander  ver- 
schieden, als  die  zwei  letztern  die  ethnici  und  christiani  getrennt  von  ein* 
ander  aufführen,  w&hrend  in  der  erstem  alle  durcheinander  gemengt  alpha- 
betisch behandelt  werden,  so  stimmen  sie  doch  darin  überein,  dass  im  An- 
hang zu  Innocenz  III.  der  Tod  des  Dominicaners  Joannes  de  Gomite  auf 
Gypern  im  J.  1322,  und  im  Abschnitte  Thomas  v.  Aqnin  dessen  Heilig- 
sprechung durch  Johann  XXH.  (1323)  erw&hnt  werden.  Demselben  Autor 
wurde  auch  das  Mare  historiarum  beigelegt  Allein  Waitz  hat  in  den  Mon. 
Germ.  SS.  XXIV,  266  nachgewiesen,  dass  es  nicht  vor  1340  geschrieben 
sein  könne.  Der  Autor  beider  Werke  mag  also  ein  Johann  de  Golumna 
gewesen  sein,  aber  keineswegs  der  berühmte  des  13.  sondern  ein  anderer 
des  14.  Jhs.  Dadurch  verliert  dasjenige,  was  er  über  das  13.  Jh.  besonders 
die  ersten  Decennien  desselben  erzählt,  wesentlich  an  Werth.  Ich  konnte 
mich  nicht  entschliessen,  oben  bei  Behandlung  des  Studiums  an  der  Gurte 
auf  Honorius  lU.  zurückzugehen. 

^  S.  Gatalani,  De  vita  et  scriptis  Dominici  Gapranica  card.  commenta- 
riuB  (Fermi  1793)  p.  130.  155. 


8.  HochBchnlen  mit  papstL  Stiftbriefen.    Pisa.  317 

legio  Capranica.  Es  hiess  Tirmanae'  nicht  als  wäre  es  nur  für  Scho- 
laren aus  Fermo  bestimmt  gewesen,  sondern  weil  der  Stifter  Bischof 
von  Fermo  war.  Der  Cardinal  gründete  es  für  31  Scholaren, 
wie  er  selbst  in  seinen  Constitutionen  sagt'^').  Er  bestimmte 
in  denselben,  von  welchen  Persönlichkeiten  die  Alumnen  prä- 
sentiert werden,  und  inwieweit  sie  ihrer  Abkunft  nach  theils 
Yon  Rom  theUs  von  einigen  andern  Orten  Italiens  sein  sollten''^). 
Sechzehn  von  ihnen  müssten  Theologie  und  die  artes  studieren, 
die  übrigen  in  jure  canonico.  Der  Stifter  baute  noch  kein  be- 
sonderes Haus  für  sie,  sondern  nahm  sie  im  J.  1458  in  seinen 
eigenen  Palaste  auf,  wo  er  ihnen  eine  Bibliothek  einrichtete. 
Nachdem  er  jedoch  14.  August  desselben  Jahres  gestorben  war 
und  dem  Colleg  ein  reiches  Erbe  hinterlassen  hatte,  erbaute 
sein  Bruder  Card.  Angelus  Capranica  ein  Haus  neben  dem 
Palaste,  in  welchem  die  Scholaren  1460  untergebracht  wurden*'*), 
und  in  dem  auch  heute  noch  das  CoUegio  Capranica  besteht 

Pisa. 

Das  Studium  generale  zu  Pisa  wurde  von  Clemens  VI.  am 
3.  September  1343  errichtet  "•).  Hiemit  ist  natürlich  nicht 
gesagt,  dass  erst  jetzt  das  dortige  Studium  begonnen  habe.  Wie 
es  in  Italien  und  theilweise  auch  in  Spanien  der  Brauch  war, 
dass  sich  die  Städte  den  einen  oder  andern  Rechtslehrer  hielten, 
dessen  Vorlesungen,  in  Italien  meist  über  Köm.  Becht,  auch  von 
Auswärtigen  besucht  waren,  so  geschah  dies  auch  in  Pisa,  ehe 
dort  ein  Oeneralstudium  bestanden  hatte.    Diese  Stadt  war  schon 


'98)  Cap.  14  ed.  Rom.  1879  p.  12;  c.  16  p.  16. 

»W)  Ibid. 

^  Gonst.  c.  9  p.  8  Piazza,  EuseTologio  romano  (Roma  1698)  p.  216. 

n  I,  152.  Vgl.  auch  Yenuti,  Accarata  e  Buccincta  descrizione  to- 
pografica  e  istorica  die  Roma  modema  (Roma  1766)  p.  135.  Die  Idee  ein 
Colleg  zu  grOnden  fasste  Card.  Domenico  allerdings  nicht  erst  im  J.  1458, 
de  war  ziemlich  alt,  und  wahrscheinlich  durch  eine  ähnliche  Idee  Engens  lY., 
von  der  ich  oben  gesprochen  habe,  yeranlasst. 

^  Reg.  Yat  Gommun.  an.  2.  tom.  3  ep.  1132.  Fabroni  Hist.  acad. 
Pisaiiae,  I,  404.  Nicht  1344,  wie  Savigny  III,  303  nnd  Schalte,  Arch.  f. 
kath.  Kirchenr.  XIX|  11  annehmen. 


818     UI.  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

seit  dem  12.  Jh.  sehr  reich  an  Rechtskundigen,  unter  denen 
nicht  wenige  Bechtslehrer  genannt  werden^*').  In  Pisa  war 
auch  jene  Pandektenhs,  welche  zu  Justinians  Zeit  von  Gonstantinopel 
nach  dem  Abendlande  gebracht  worden  sein  soll*'*).  Das  wich- 
tigste Document  für  die  Existenz  einer  Rechtsschule  zu  Pisa  vor 
1343  datiert  aus  der  Zeit  circa  1213,  als  sich  ein  Mönch  von 
Marseille  nach  Pisa  begab  ^ad  exercendum  ibi  Studium'  und  zwar, 
wie  aus  dem  Zusammenhange  erhellt,  das  Rechtsstudium'**). 
Andere  Documente  sind  uns  aus  den  Jahren  1194,  1316,  1319 
aufbewahrt ^^^).     Dass  auch  Medicin  vorgetragen  wurde,   ergibt 

8»7j  Einen  minutiösen  Nachweis  hat  Flam.  dal  Borgo  in  seiner  Disser- 
tazione  epistolare  suU'origine  deUa  universit^  di  Pisa  (Pisa  1765)  p.  83  sqq. 
besonders  85—132  geliefert.  Der  Autor  ist  hierin  viel  sorgsamer  als  der 
frühere  Fabrucci  (Calogerä,  Raccolta  d'opascali  scientifici  e  filologici  tom. 
21 — 25)  und  der  spätere  Fabroni.  Savigny  hat  die  'wenig  bedeutende' 
Dissertation  (111,  301)  wohl  nicht  gesehen.  Dal  Borgo  ist  nur  im  Irrthume, 
dass  er  mit  jener  Arbeit  gegen  Fabrucci  die  Gründung  der  Hochschule  vor 
dem  14.  Jh.  nachweisen  wiU.  Konnte  er  doch  nicht  die  Existenz  einer 
andauernden  Schule  apodiktisch  erweisen.  S.  die  Bemerkungen  Tiraboschis, 
Storia  della  lett.  ital.  lY,  70  f.  Nur  die  Professoren  hat  im  Auge  Buonamici, 
Della  scuola  Pisana  del  diritto  romano  in  Annali  delle  universitj^  Toscane, 
Pisa  1874  p.  Iff.  Die  vom  Rom.  Rechte  beeinflussten  Statut!  della  cüA 
di  Pisa  (ed.  Bonaini.  Firenze  1854—1870)  geben  keinen  Aufschluss  darüber. 

89S)  Dies  sagt  Odofred  in  Dig.  De  rei  vendic.  In  rem  aeHo,  und  Bartolo 
in  rubr.  Dig.  Soluio  matrimonio.  Nach  der  Einnahme  Pisas  durch  die  Floren- 
tiner im  J.  1406  kam  die  Hs.  nach  Florenz. 

s^)  Der  Brief  des  Mönches  B.  von  S.  Victor  in  Marseille  an  seinen 
Abt  K  wurde  von  Martene- Durand  in  Coli,  ampliss.  I,  469  ediert  Sowohl 
das  J.  1065  als  1127  und  1213  passen  für  die  Anfangsbuchstaben  des  Abtes 
und  des  Religiösen.  S.  Orandi,  Epistola  de  Pandectis  p.  13.  16.  Borgo  1.  c. 
p.  18  ff.  und  Fabroni  I,  14.  Das  Jahr  1213  empfiehlt  sich  am  besten,  denn 
in  der  That  waren  in  der  ersten  H&lfte  des  13.  Jhs.  viele  Proven^en  in  Italien 
Römisches  Recht  zu  studieren  —  und  der  Mönch  erwähnt,  dass  'per  totam 
fere  Italiam  scolares  et  mazime  provinciales'  sich  aufhielten  um  Römisches 
Recht  zu  hören.  In  den  Jahren  1127  und  besonders  1065  war  in  Italien 
das  Rechtsstudium  noch  nicht  in  der  Weise  organisiert,  dass  es  viele  Ans* 
w&rtige  angezogen  h&tte.  Die  Mönche  studierten  trotz  des  Verbotes  des 
Lateran.  Concils  vom  J.  1139  h&ufig  Civilrecht. 

^^)  Im  zuerst  genannten  Jahr  wurde  in  Pisa  ein  Dig.  nov.  durch  Vi- 
Tianus  nuncius  Pisanorum  scolarium  verkauft  Fabroni  I,  401.  Im  J.  1316 
lagegen  erlaubt  ein  Bischof  einem  Canonicus  am  Studium  in  Pisa  den  Fmcht- 
genuss  seines  Canonicates ,  als  würde  er  an  einem  Oeneralstndiam  studieren. 


3.  Hochschulen  mit  pi^stl.  Stifthriefen.    Pisa.  319 

sich  unter  anderm  aus  einem  Documente  aus  der  Zeit  unmittelbar 
nach  Gregor  X.,  und  aus  einem  Acte  vom  J.  ]340"°'). 

Die  nothwendigen  Vorbedingungen  zu  einem  Generalstudium 
erhielt  Pisa  jedoch  erst  1338,  in  welchem  Jahre  von  Bologna 
aus  wider  eine  Auswanderung  stattfand.  Benedict  XII.  ver- 
hängte nämlich  2.  März  bis  21.  October  dieses  Jahres  das  Inter- 
dict  über  Bologna*^').  Das  Studium  wurde  unterbrochen,  und 
Lehrer  und  Schüler  zogen  nach  verschiedenen  Orten.  Einige 
giengen  nach  Gastel  S.  Pietro  bei  Imola,  darunter  Rayner  von 
Forli,  um  dann  bald  nach  Pisa  zu  wandern  ^^'),  wohin  1339  auch 
Bartolo  zog"®);  wider  andere  suchten  Arezzo  auf"*).  Im  J.  1340 
wird  ein  Rector  Gitramontanus  studii  Pisani  erwähnt"'^).  Auf 
Bitten  der  Stadt  errichtete  Clemens  VI.  in  dem  oben  genannten 
Jahre  ein  Studium  generale  in  allen  Facultäten"^).    Allem  An- 

Ihid.  p.  402.  Wegen  1319  s.  Baonamici  p.  7.  Bei  Stein,  Die  innere  Yerwaltung 
L  c.  8.  290  liest  man  folgende  Behauptung:  'So  ward  in  Pisa  eine  freie 
römische  Rechtsschule  ohne  eine  schola  artium  schon  1316  gegründet;  erst 
1472  tritt  eine  solche  unter  dem  Namen  des  Studium  generale  auf! 

^^^)  Berardus  da  Napoli  hat  uns  ein  päpstliches  Schreiben 
(Martins  IV.)  aufbewahrt,  worin  Magister  Toringus  losgesprochen  wird, 
der  'pridem  dum  Neapoli  medicine  vacaret  studio  et  scolas  regeret  in  eadem 
Tocatns  per  eos  ad  quos  id  spectare  dinoscitur  ad  regimen  parochialis 
ecclesie  s.  Christine  Pisan.'  und  dort  'rector  canonice  institutns'  war,  'scolas 
proseqnens  docendo  ut  antea'  sein  Leben  fortführte.  Arch.  Tat.  n.  29  a  ep. 
486.  Es  w&re  jedoch  möglich,  dass  er  in  Neapel  zurückblieb.  Wegen  des 
Jahres  1340  s.  Fabroni  p.  54. 

Ml)  Ghron.  di  Bologna  bei  Mnratori  XYIII,  876.  378.  Ghirardacci, 
Della  bist  di  Bologna  11,  138. 

40Sj  pies  bezeugt  er  von  sich  selbst:  Dum  ego  recessi  de  studio  Bonon. 
per  Papam  Benedictum  tunc  temporis  interdicto  et  transtuli  me  ad  legendum 
in  jure  civili  ad  felicem  et  triumphalem  civitatem  Pisan.  In  dig.  Qu.  de 
jnstitia  et  jure  Ovmea  populi.  Vgl.  Savigny  VI,  501.  S.  auch  die  cit.  Chron. 
sowie  Matth.  de  Qriffonibus  bei  Muratori  1.  c.  p.  163.  Ghirardacci  l.  c.  Sarti 
im  2.  Bande  De  claris  archigymn.  Profess.  (s.  oben  S.  214.  Anm.  595)  p.  36. 

*03)  S.  Fabroni  p.  48  f.   Savigny,  VI,  147. 

^)  Annales  Aretini  bei  Muratori  XXIV,  878. 

*^)  Fabroni  p.  60.     Baonamici  p.  X  n.  39. 

^  Communis  et  populi  dicte  civitatis  devotis  in  hac  parte  snpplica- 
tionibus  inclinati  auctoritate  apostolica  presentium  tenore  statuimus  et  etiam 
ordinamos  at  in  civitate  ipsa  de  cetero  sit  Studium  generale  ...  in  sacra 
pagina,  iure  canonico  et  civili  et  in  medicina  et  qualibet  alia  licita  facol* 
täte.    S.  die  QueUe  oben  Anm.  396. 


820    ni.  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

scheine  nach  wollte  die  Stadt,  die  sich  seit  1338  im  Besitze  von  nicht 
wenigen  Professoren,  besonders  des  Rechts,  sah,  einmal  die  Existenz 
des  Studiums  für  die  Zukunft  sichern,  und  erwirkte  eben  deshalb 
das  päpstliche  Privileg,  das  sich  auch  auf  die  Theologie  bezog. 
Und  dann  musste  das  Studium  erst  das  Promotionsrecht  erhalten, 
das  dasselbe  bisher  nicht  besass.  Denn  obgleich  viele  Pro- 
fessoren und  Scholaren  von  Bologna  kamen,  so  brachten  sie 
dennoch  nicht  Bolognas  Privilegien  mit*®^).  Die  Promotionen 
hatte  der  Bischof  vorzunehmen,  und  er  musste  die  Licentia 
docendi  ertheilen. 

Am  2.  December  desselben  Jahres  gewährte  derselbe  Papst 
den  Magistern  und  Scholaren  des  Studiums,  dass  die  Studierenden 
in  allen  Facultäten,  mithin  auch  im  Jus  civile,  von  der  Residenz- 
pflicht dispensiert  seien  ^^*).  Eine  kaiserliche  Urkunde  kann  Pisa 
nicht  aufweisen"*). 

Von  nun  an  lasen  einige  grosse  Legisten  in  Pisa^'®);  allein 
die  Blüthe  dauerte  nicht  an.  Im  J.  1359,  nachdem  Baldus  das 
Jahr  vorher  dort  gelesen  hatte,  beschloss  die  Stadt  sogar  die 
Professoren  wegen  Geldmangel  zu  entlassen,  was  sie  auch  aus- 
führte^*^). Einige  Jahre  später  fieng  man  jedoch  neuerdings  an, 
und  im  J.  1364  wandte  sich  die  Stadt  wider  an  den  Papst,  auf 
dass  er  das  Generalstudium  bestätige.  Urban  Y.  erfüllte  die 
Wünsche  und  vidimierte  am  10.  November  desselben  Jahres  den 

^7)  Dies  sagt  Ancharanus  inProoem.  VI.  Decretal.  (p.  3  b)  in  Bezug  auf 
die  1321  stattgehabte  Auswanderimg  resp.  Uebersiedlung  yon  Professoren 
ans  Bologna  nach  Siena. 

^)  Reg.  Tat  Common,  an.  2  tom.  8  ep.  819  BL  125  b  wo  die  Littera 
nnWersis  doctoribns  et  magistris  ac  scolaribus  stndii  Pisani  steht;  dann 
folgt  knrs  jene  Archiepiscopo  Pisano,  die  sich  anch  bei  Fabroni  p.  406  findet 

^09)  Was  Fabroni  p.  80  ff.  und  Bnonamid  darüber  sagen,  ist  nichts  als 
grandiose  Yermathnng.    S.  daiu  Tiraboschi,  Storia  della  letteratura  itaL  Y,  68. 

^^^)  Die  hauptsächlichsten  waren  Bartolö,  Franciscus  de  Tigrinis  and 
Baldus.  8.  darüber  Fabrucci  in  den  genannten  Opusc.  vol.  23  p.  20ffl  Fa- 
broni p.  50  ff.  Wegen  Bartolo  s.  besonders  Buonamici  p.  9;  wegen  De  Ti- 
grinis  vgl.  Memorie  istoriche  de  piü  nomini  iUnstri  Pisani  (Pisa  1790)  I,  205  ff. 
Rossi  im  Giomale  di  emdiiione  artistica  V  (Perogia  1876),  188  n.  68;  p. 
868  n.  92.  95.    Wegen  Baldaa  s.  Baonamid  p.  10  f. 

^^)  8.  das  Yeraeichniss  der  5  Professoren,  die  damals  entUssen  war* 
den,  bei  Fabrncci  1.  c.  tom.  25  p.  Xlff.  Fü>roni,  p.  71  Anm.  1. 


3.  Hochschalen  mit  p&pstl.  Stiftbiiefen.    Pisa.  321 

Stiftbrief  Clemens  VI.*").  Das  Jahr  darauf  beklagte  sich  jedoch 
die  Stadt  beim  Papste,  dass,  obgleich  von  ihm  die  'privilegia 
studii  generalis  concessi  per  D.  dementem  papam  VI.'  erneuert 
worden  seien,  die  Kanzlei  die  Gittere  renovationis  super  percep- 
tione  fhictuum  beneficiorum  insistentium  in  dicto  studio'  nicht 
ausfolgen  wolle.  Der  Papst  bewilligt  in  Folge  dessen  die  Supplik 
auf  ein  Triennium  am  11.  Mai  des  genannten  Jahres*'^). 

Das  Studium  fristete  nun  noch  fortwährend  sein  Dasein. 
Promotionen  in  der  theologischen  Facultät  fand  ich  verzeichnet 
für  die  Jahre  1367"*)  und  1369*").  Ebenso  wurden  auch  Vor- 
lesungen über  andere  Wissenschaften,  namentlich  über  Jus  und 
Medicin,  gehalten,  wie  sich  aus  Daten  bis  zum  J.  1400  ergibt**^). 
Das  bekannte  traurige  Schicksal  der  Stadt  im  J.  1406  theilte 
jedoch  ebenso  das  Studium  derselben,  es  gieng  ein  und  wurde  erst 
später,  vorzüglich  auf  Veranlassung  Lorenzos  de'  Medici,  im 
J.  1473*'^)  durch  Auflassung  der  Hochschule  zu  Florenz  wider 
hergestellt,  wenngleich  in  der  Zwischenzeit  noch  immer  mehrere 
Bechtslehrer  auftraten. 

Das  Generalstudium  zu  Pisa  des  14.  Jhs.  rechnet  man 
häufig  zu  den  'berühmten'  Universitäten.  Allein  ich  finde  nichts, 
was  diese  Ansicht  rechtfertigen  würde.  Dass  dort  mitunter 
grosse  Bechtslehrer  lasen,  beweist  nichts,  denn  diese  Mengen 
damals  meist  von  der  Art  und  Weise  der  Besoldung  ab.  Ungleich 
bedeutender  wurde  die  restaurierte  Universität  des  15.  Jhs., 
wiewohl  sie  keinen  Bartolo  oder  Baldus  mehr  besass. 


^  Reg.  Yat.  Indult,  an.  3  p.  94.  Das  Schreiben  ist  gerichtet  an  Dil  fil. 
nobili  Yiro  Johanni  de  AgneUo  duci  ac  .  .  ancianis,  consilio  et  commnni 
civit.  Pisan.  .  .  Sancte  devotionis  affectns  quem  ad  nos  et  Bomanam  geritis 
eccleaiam  nos  indacont,  nt  petitionibos  vestris  quantom  cum  deo  poBSumos 
fayorabiliter  annuamus  etc. 

*")  Rep.  Suppl.  Urb.  V.  an.  3  p.  2  Bl.  44  b. 

^^)  Beg.  Yat.  Urbani  V.  Avenion.  tom.  16  Bl  429  a. 

^<»)  Ibid.  tom.  20  Bl.  515. 

««)  Fabmcci,  vol.  25  p.  XVn  ff.  vol.  29  p.  263  ff.    Fabroni  p.  72. 

^^7)  Nicht  1472,  wie  conseqnent  behauptet  wird.  8.  unten  im  Abschnitt 
über  Florenz. 

Dentfla,  Di«  UBiTeraititen  I.  21 


822    ni.  Eutwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jbs. 

Fonrarft« 
Auch  inFerrara  waren  längst  vorher,  ehe  Bonifaz  IX.  das 
Generalstudiom  errichtete,  Schulen  und  zwar  für  alle  Fächer 
mit  Ausnahme  der  Theologie  ^^^).  Die  artistischen  Schulen  befanden 
sich  bis  1297  im  Convent  der  Dominicaner^^').  Di6  Ansicht  ist  aber 
irrig,  als  hätten  diese  Schulen  eine  Hochschule  gebildet  oder  als 
sei  diese  von  Friedrich  II.  gegründet  worden*"),  und  ich  brauche 
mich  nicht  weiter  bei  ihr  aufzuhalten,  da  sie  bereits  gründlich 
widerlegt  wurde  *'^).  Von  einem  Generalstudium  kann  man  erst 
seit  1391  sprechen.    Am  8.  Febr.  gieng  Markgraf  Alberto  von  Este 


4i8j  Dies  erheUt  ans  einem  von  Mnratori,  Ant.  med.  aevi  III,  910  pn- 
blicierten  stadtischen  Statute  vom  J.  1264,  in  welchem  die  'docentes  in  scientia 
legum  et  medicinae  et  in  artibus  grammaticae  et  dialecticae'  Yom  Kriegs- 
dienste ausgenommen  werden.  YgL  auch  Borsetti,  Eist  gymn.  Ferrariens. 
gymnasii  (Ferrara  1735)  I,  11.  Solche  Bestimungen  wurden  von  italienischen 
Republiken  und  Gommunen,  wie  wir  im  Verlaufe  sehen  werden,  häufig  er- 
lassen, und  zwar  schon  ehe  sie  an  die  GrAndung  einer  Hochschule  dachten. 
r-a  Was  die  Litteratur  Aber  die  Schule  in  Ferrara  betrifft,  so  bemerke  ich, 
dass  Frizzi,  Memorie  per  la  storia  di  Ferrara  im  toL  3.  (Ferrara  1793)  auch 
in  der  Ausgabe  Laderchis  (Ferrara  1850)  kaum  Aber  Borsetti  hinausgeht. 
Goppi  behauptet  p.  8.  94  Anm.  2 ,  ausser  Borsetti  habe  auch  Rufo  eine 
Hist.  Ferrar.  gymnasii  (1811)  geschrieben.  Im  Laufe  seines  Buches  ci- 
tiert  Goppi  demgemäss  durchgehends  Rufo  als  den  neueren,  und  nicht 
Borsetti.  Ich  suchte  lange  Zeit  und  Aberall  auch  in  Ferrara  nach  Rofos 
Werk,  aber  natArlich  vergebens,  denn  es  existiert  nicht.  Goppi  hat  ein- 
fach den  Gard.  Tommaso  Rufo,  welchem  Borsetti  seine  Geschichte  gewidmet 
hat,  wie  auf  dem  Titel  derselben  zu  lesen  ist,  mit  dem  eigentlichen  Autor 
▼erwechselt,  und  die  Herausgabe  des  Werkes  Borsettis  aus  mir  unbekannten 
GrAnden  in  das  Jahr  1811  gesetzt.  DafAr  entgiengen  Jedoch  Goppi  mehrere 
seit  Borsetti  Torfasste  und  in  Ferrara  erschienene  Schriften,  aus  denen  er 
allerdings  nicht  viel  gelernt  hätte,  z.  B.  Leati,  Sulla  universitä  degli  studi  di 
Ferrara  (1860);  Gugnsi,  Notizie  storiche  sulla  universitä  libera  degH  studi  di 
Ferrara  (1873);  Gennari,  La  universitä  di  Ferrara  (1879). 

♦19)  Borsetti  p.  13. 

♦20)  Yertheidigt  von  Borsetti  p.  9  ff. 

♦21)  Theil weise  von  Hieron.  Baruffaldi  unter  dem  Namen  Jac.  Quarini, 
Ad  Ferrar.  gymnas.  hist  supplem.  et  animadvers.  Bononiae  1740  p.  10  ff.  und 
von  Tiraboschi,  Storia  della  letteratura  ital.  lY,  62  f.  Y,  79.  Guarinus  sagt 
p.  17  mit  Recht,  dass  erst  vom  J.  1391  ab  'epocha  rationabüis,  firma  et  in- 
dubitata  desumenda  est  uniyersitatis  Ferrariensis'.    Ygl.  auch  Frizzi  III,  119. 


S.  Hochsehalen  mit  päpsU.  Stiftbriefen.    Ferrara.  $23 

nach  Rom  und  erwirkte  das  Privileg  eines  solchen  von  Boni- 
faz  IX.  ^").  Am  4.  März  erschien  die  Bulle,  und  das  Studium 
generale  wurde  in  allen  Facultäten,  auch  in  der  Theologie,  mit 
denselben  Worten,  wie  fQr  Pisa,  gewährt  "•)•  Nur  bestimmte 
der  Papst,  dass  bei  Sedis-Vacanz  der  Archipresbyter  und  das 
Capitel  die  Promotionen  leiten  sollten.  Man  gewann  gegen  Sala- 
rium  für  das  Jus  civile  Barth,  de  Saliceto,  der  sich  damals  in 
Ferrara  aufhielt,  und  Ziliolus  von  Cremona,  sowie  andere  Pro- 
fessoren fQr  die  übrigen  Facultäten,  und  eröffnete  das  Studium 
am  Feste  de&hl.  Lucas  im  nämlichen  Jahre  1391  ^'^).  Aber  schon 
nach  3  Jahren  wurde  es  als  zu  kostspielig  auf  Bitten  der 
Stadt,  die  die  Professoren  nicht  glaubte  besolden  zu  können, 
unterbrochen"*). 

Doch  bereits  unter  Niccolö  III.  erstand  es  im  J.  1402  von 
Neuem.  Ausser  den  einheimischen  Professoren  wurden  auch 
fremde  berufen:  ffir  das  Rom.  Becht  Peter  de  Ancharano  und 
Johann  von  Imola,  für  das  can.  Recht  Anton  de  Butrio"^). 
Erst  später  las  dort  über  Medicin  Hugo  Benzi"').  Allerdings 
kam  das  Studium  auch  jetzt  nicht  zur  Blüthe,  ja  es  schlummerte 
fast  wider  ein,  wie  sich  aus  Acten  vom  J.  1429  und  1480 
nicht   undeutlich  ergibt ^'^).     Zwar  hielten  etliche  Grammatiker 

^)  Im  Ghronicon  Estense  bei  Mnratori,  Rev.  ital.  SS.  XY,  524  heisst 
es:  Dominus  Albertus  Estensis  volens  arbem  Ferrsriae  insigni  et  nunquam 
bactenns  babito  bonore  magnificare,  cum  a  ss.  D.  N.  Papa  Bonifacio  IX.  de 
studio  generali  constituendo  in  civitate  ipsa  graUam  et  Privilegium  appor- 
tasset,  Studium  ipsum  in  omni  facultate  scientiarum  .  .  .  incboari  atque  per- 
fid decrevit.    S.  über  die  n&beren  Umst&nde  Gennari  p.  27  if. 

^)  Bei  Borsetti  I.  c.  p.  18.  BuU.  Rom.  ed.  Tanrin.  lY,  610.  Yoigt, 
IHe  Wiederbelebung  des  clasa  Altertb.  I,  549  seUt  die  Stiftung  Olscblicb 
ins  Jahr  1392. 

^  Ghronicon  Estense  1.  c.  p.  524. 

^^)  Jacob  Delayto  bei  Muratori,  Rer.  ital.  SS.  XYIII,  909. 

*^)  Jacob  Delayto  bei  Muratori  1.  c.  p.  973.  Sie  blieben  nicbt  Aber 
1406  in  Ferrara. 

tt7)  s.  MazzucbeUi,  Gli  scrittori  d'Italia  11,  p.  2  p.  790.  YgL  aucb 
Borsetti  II,  20. 

*^)  Bei  Borsetti  1.  c.  p.  28  ff.  Die  Stadt  spricbt  unverboblen  aus,  Fran- 
cesco de  Gampanea  babe,  ibre  Notb  bemerkend,  sieb  gleichsam  ihrer  erbarmt 
und  beschlossen,  in  Ferrara  gegen  massiges  SaJarium  Grammatik  zu  lehren. 
Giovanni  de  Finoti  versprach  von  Bologna  mit  vielen  Schalem  su  kommen. 

21* 


324    ni.  Eotwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

wie  Francesco  de  Campanea  und  Giovanni  de  Finoti  Schule, 
auch  waren  dort  die  zwei  berühmten  Humanisten  Guarino  von 
Verona  und  Giovanni  Aurispa,  von  denen  ersterer  nicht  bloss 
den  Prinzen  Lionello  unterrichtete,  sondern  auch  gegen  Honorar 
über  Poesie  las^").  Allein  von  andern  Professoren  ist  kaum 
mehr  die  Rede. 

Die  Stadtbehörde  gestand  später  offen  ein,  dass  in  Ferrara 
keine  Hochschule  mehr  existiere.  Im  Jahre  1442  bat  nämlich  der 
Magistrat  den  Markgraf  Lionello,  er  möge  das  Generalstudium 
widerherstellen.  Dieser  überliess  die  Sache  dem  Judex  Giovanni 
Gualengo  und  den  12  Sayj,  d.  i.  der  eigentlichen  Stadtobrig- 
keit, welche  nach  Aufwerfung  der  Frage,  'an  generale  Studium 
hac  in  civitate  fieri  debeat  et  an  civitati  conducat',  dieselbe 
bejahten,  die  Yortheile  eines  Generalstudiums  darstellend,  welch 
materiellen  und  geistigen  Gewinn  Ferrara  und  dessen  Söhne  aus 
einem  solchen  ziehen  würden  u.  s.  w.  Auf  Erfolg  sei  um  so 
mehr  zu  rechnen,  als  andere  Generalstudien  in  Folge  der  vielen 
Kriege  darniederlägen  ^^°).  Es  wurde  beschlossen  'ut  generale 
Studium  hac  in  civitate  fiat\  In  der  That  kam  es  auch  zur 
Eröffnung,  bei  welcher  Gelegenheit  Guarino  die  Rede  hielt  ^"). 
Im  nächsten  Jahre  klagte  die  Obrigkeit  nur  über  den  schlimmen 
Zustand  der  Grammaticalclassen.  Den  12  Sayj  lag  ob,  strenge 
über  die  Lehrer  bonarum  litterarum  zu  wachen^"). 

Die  Bemühungen  der  Stadt  waren  mit  grösserm  Erfolge 
gekrönt,  als  sie  ahnen  konnte.  Die  Hochschule  zu  Ferrara 
wurde  eine  der  berühmteren  in  ganz  Italien.  War  schon  um 
die  Mitte  des  15.  Jhs.  die  Zahl  der  Professoren  eine  ansehn- 
liche^"), so  noch  mehr  im  J.  1474,  in  dem  nicht  weniger  denn 
51  Professoren,  die  Scholares  legentes  mitgerechnet,  dort  dodierten, 
für  welche  1473—1474  die  Summe  von  11047  Lire  ausgeworfen 
wurde,  also  keine  geringere,  als  ein  Jahrhundert  vorher  Bologna 
für  die  Professoren  bezahlt  hatte.    Von  den  Rechtslehrem  lasen 


"»)  S.  über  beide  Voigt  1.  c.  S.  551  ff.  560ff. 
^)  Bei  Bonetü  1.  c.  p.  47. 
«1)  Ibid.  p.  49. 
*w)  Ibid.  p.  50. 
*W)  Ibid.  p.  56. 


3.  Hocbschnlen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Toulouse.  325 

9  über  das  canonische  Recht  und  14  über  das  Komische;  die 
übrigen  waren  Artisten,  Philosophen,  Mediciner,  Sprachlehrer 
(zwei  der  griechischen  Sprache)*"). 

Tonlouse. 

Betrachten  wir  Frankreich  (in  seiner  heutigen  Gestalt),  so 
bietet  sich  uns  vor  allem  Toulouse  dar*").  Die  Idee,  dort 
gegenüber  der  um  sich  greifenden  Häresie  ein  Studium  zu 
gründen  datiert  schon  aus  der  Zeit  Honorius  m.  Dieser  Papst 
bat  am  19.  Jänner  1217  die  Magistri  und  Scholares  von  Paris, 
^quatinus  illuc  aliqui  accedant,  qui  causam  dei  agentes  ex  animo 
lectioni,  predicationi  et  exortationi  vigilanter  insistant'*'*).  Um 
dieselbe  Zeit,  oder  ein  par  Jahre  früher,  lehrte  dort  in  der 
Theologie  nach  dem  Berichte  des  Generals  Humbert  und  anderer 
ein  mag.  Alexander,  zu  dem  der  hl.  Dominicus  mit  6  Genossen 
gieng  iectiones  audire'*'').  Allein  erst  1229  kam  der  Gedanke 
des  Honorius  vollständig  zur  Ausführung.  Unter  den  Friedens- 
bedingungen, welche  Ludwig  IX.  dem  Grafen  Baymund  YH.  von 
Toulouse  am  12.  April  dieses  Jahres  vorschrieb*"),  und  die  dann 


«*)  Ibid.  p.  93. 

^  Merkwflrdigerweise  hat  diese  üulyersität  noch  keine  Monographie 
erhalten.  Bodiöre  berührt  in  seinen  Recherches  sur  l'enseignement  du  droit 
k  Tolonse  (Recneil  de  l'acad^mie  de  l^gislation  ä  Toulouse,  IX.  X.  XV.)  nur 
die  Rechtswissenschaft.  Jourdain  beschr&nkt  sich  in  der  Revue  des  soci^t^s 
sayantes  (1862  p.  314.  406)  fast  ausschliesslich  auf  eine  spätere  Epoche. 
Gatien-Amonlt  gab  nur  Fragmente  einer  dürftigen,  jedoch  yerdienstlichen 
Histoire  de  l'universit^  de  Toulouse  heraus  in  M^moires  de  Pacad^mie  des 
Sciences,  inscriptlons  et  beUes-lettres  de  Toulouse,  1857  p.  202;  1877  p.  455; 
1878.  1879.  1881,  überaU  p.  1.  Im  £tude  sur  Porganisation  de  runiversit^  de 
Toulouse  in  der  Hist.  de  Languedoc  ed.  Privat  VII,  1  p.  570  geht  der  Autor 
(A.  Molinier)  eben  nur  auf  die  Organisation  ein.  So  viel  ich  in  Toulouse  hörte, 
soll  M.  Saint-Charies  an  einer  Geschichte  der  üniversit&t  arbeiten. 

^  Reg.  Tat.  an.  1.  ep.  190  Bl.  47  a.  Original  im  Nat.  Archiv  sn 
Paris.  L  239  n.  20.   Siegel  fehlt. 

*^  Bei  Mamachi,  Annal.  Ord.  Praed.  I,  append.  p.  283.    Vgl.  im  Werke 
p.  852  Anm.  3. 

*^)  S.  Reg.  Vat.  Greg.  DL  an.  12. 13.  tom.  6.  Bl.  81a.  Bei  Du  Boulay  III, 
126  ist  die  betreffende  SteUe  fehlerhaft  gedmckt|  was  auf  die  Darstellungen 
von  Savigny  und  Schulte  von  Einflnss  war. 


326    nr.  Etttwiekelang  der  Hochschulen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

in  zwei  Schreiben  Raymonds  von  Toulouse,  in  zwei  Ludwigs  IX. 
von  Frankreich,  und  in  einem  der  Cardinallegaten  selbst  wider* 
holt  wurden^"),  befand  sich  auch  der  Artikel,  dass  der  Graf 
für  10  auf  einander  folgende  Jahre  ein  Salarium  von  4000  Mark 
Silber  fQr  14  Professoren  auswerfe:  nämlich  fOr  vier  Magister 
der  Theologie  je  50  jährlich,  für  zwei  Decretisten  je  30,  flLr 
sechs  Artisten  je  30  Mark  und  je  10  Mark  fQr  zwei  Grammatiker. 
Die  leitende  Seele  bei  diesem  Vertrage  war  aber  keineswegs  der 
König,  sondern  der  Cardinallegat  Roman,  wie  Gregor  IX.  aus- 
drücklich betont.  Die  Universität  selbst  nannte  ihn  nächst  Gott 
und  dem  Papste  ihren  Beschützer  und  Gründer ^^^).  Der  Plan 
kam  bald  zur  Ausführung.  Elias  Guarin,  Abt  von  Grand-Selve, 
wurde  vom  Legaten,  und  auch  wohl  von  Fulco,  Bischof  zu 
Toulouse,  beauftragt  die  Professoren  zu  berufen.  Er  wählte  sie 
aus  der  Pariser  Universität,  die  sich  gerade  damals  in  Auflösung 
befand  ^^^).      Auch    Wilhelm    de    Pelisso    und    später    Bemard 

^  Reg.  Vat.  1.  c.  p.  82  a  und  84  a  finden  sich  die  Schreiben  Raymnnds, 
das  erste  mit  Actum  Parisins  X.  die  April,  yid.  IIU.  Idns  egnsdem  mensis 
anno  dorn.  1228;  das  andere  mit  XII  mens.  April,  in  coena  Dom.  Die  beiden 
Schreiben  Ludwigs  stehen  Bl.  86  a  (Actum  Parisius  anno  dom.  incamat.  1228 
mense  April,  regni  nostri  anno  3.)  und  88  a  (1229  mense  April,  regni  nostri 
anno  3.  —  also  nach  Ostern).  Diese  Acte  bringen  alle  Funkte  der  Garta 
pacis,  und  unter  ihnen  auch  jenen  betreffs  des  Salarium  Ton  4000  Mark. 
Bei  Teulet,  Layettes  du  tr^sor  des  chartes  II,  147  ff.  n.  1992.  1993  sind  je 
ein  Schreiben  Baymnnds  und  Ludwigs  publiciert,  n.  1991  aber  das  des  Oar* 
dinallegaten.    Die  betreffende  Stelle  s.  p.  149. 

^  So  liest  man  im  Schreiben,  das  nicht  lange  darauf  die  üniversitas 
magistrorum  et  scholarinm  von  Toulouse  an  die  Magtstri  und  Scholaren  der 
Welt  sandte,  und  das  uns  Jean  de  Garlande  in  seinem  Werke  De  triumphis 
ecclesiae  aufbewahrt  hat  (s.  weiter  unten).  Es  heisst  darin:  erat  enim  Moyses 
noster  dominus  cardinalis  et  legatus  in  regno  Francie  dux  et  protector  et 
antor  post  denm  et  dominum  papam  tam  ardue  incoationis,  qui  statuit,  quod 
omnes  Tholose  studentes  et  magistri  et  discipuli  omninm  peccaminnm  suorum 
plenariam  indnlgentiam  conseqnantur.  n.  1225  nouv.  acquis.  lat.  Paris  (üb.  5) 
p.  75.  Man  findet  es  auch  ediert  von  Gatien-Amonlt  L  c.  1857.  p.  209 
und  bei  Wright  p.  96,  der  das  ganze  Werk  De  triumphis  ecclesiae  (London 
1856)  herausgegeben  hat 

^^)  Wir  erfahren  diese  Umstände  Ton  Jean  de  Garlande,  der  in  dem 
eben  citierten  Werke  (nach  Cod.  Paris.)  p.  73  schreibt: 

Mnlta  novo  studio  dedit  hie  (Fulco)  solacia,  postqnam 
Romanus  Studium  sanzit  in  urbe  no?um. 


d.  Hochschalen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Toalonse.  327 

Guidonis  sagen,  dass  damals  von  Paris  ^multi  magistri  et  scho- 
lares  Tolosam  venerunt',  und  dort  lehrten*").  Wahrscheinlich 
haben  die  Vorlesungen  noch  1229  begonnen.  Jean  de  Garlande, 
der  ebenfalls  einen  Buf  erhielt,  war  wohl  sicher  schon  in  diesem 
Jahre  zu  Toulouse.  Der  Dominicaner  Roland  von  Gremona  konnte 
aber  höchstens  Anfangs  des  Jahres  1230  seine  Vorlesungen 
über  Theologie  in  Toulouse  angefangen  haben**'),  denn  vor  1229 
hatte  er  noch  nicht  den  Lehrstuhl  zu  Paris  erhalten***). 

Bei  der  EröfiEhung  sandte  die  Universität  ein  Schreiben  an  die 
anderwärts  Studierenden**'),  worin  sie  tlber  das  zu  Toulouse  neu 
gegründete  Studium  aufklärt,  und  andere  einladet  dahin  zu  kommen. 
Es  erhellt,  dass  vor  allem  andern  mit  dem  philosophischen  Studium 


Sed  Grandis  Silva  pias  abbas,  dietas  Helyas 
Sab  dace  legato  proxima  frena  capit. 
Parisias  doctos  abbas  elegit;  at  illos 
Duxit  legatas  munera  larga  pluens. 

^^^)  Ersterer,  ein  Zeitgenosse,  sagt  in  seinem  Ghron. :  Missi  etiam  fuerant 
tuncTholosam  quam  plnrimi  magistri  deParisius  et  scolares,  nt  stndiam  ge- 
nerale ibi  fieret,  et  fides  doceretnr  ibidem  et  omnes  scientie  liberales.  £d. 
Douais  p.  84.  Bemard  Guidonis,  der  zugleich  die  Dispersion  der  Pariser 
Universit&t  erw&hnt,  und  von  dem  die  oben  citierten  Worte  herrühren, 
spricht  davon  Catal.  Pontif.  Rom.  ad  an.  1229.  Cod.  Vat.  2043  BL  91b. 

^^)  Das  Ghron.  Guill.  Pelissi  berichtet:  Legebat  ibi  tunc  temporis 
theologiam  magister  Rotlandus,  qui  venerat  de  Parisius,  ubi  fnerat  factus 
magister  in  theologia  cathedralis.  Ed.  F.  Molinier.  Paris.  1880,  p.  8.,  ed. 
Douais,  Paris  1881  p.  86.  Dessen  Erwähnung  geschieht  zum  J.  1230.  Viel 
später  kam  er  auch  nicht  nach  Toulouse,  denn  er  war  mit  Jean  de  Garlande 
daselbst,  welcher  jedoch  nur  3  Jahre  dort  weilte,  und  Rohmd  selbst  verliess 
schon  1231—1232  wider  die  Stadt.    Cfr.  Ghron.  ed.  Douais  p.  89. 

^  Dies  ergibt  sich  aus  der  Littera  univers.  vom  J.  1254  bei  Du 
Boulay  III,  255.  Nach  Stephan  de  Salanhaco  war  Roland  primus  licentiatus 
Parisius  de  Ordine  Predicatomm  (Hs.  des  Generalarchivs  der  Dominicaner). 
Was  Qu^tif-Echard  I,  lOOff.  darüber  sagen,  entbehrt  jeder  Begründung,  wie 
wir  im  4.  Bande  sehen  werden. 

^  S.  oben  Anm.  440.  Es  trägt  die  üeberschrift:  Epistola  transmissa  a 
magistris  Tholosanis  ad  univenalia  stndia  alibi  florentia,  und  beginnt:  Uni- 
versis  Christi  fidelibus  et  precipuis  magistris  et  scolaribns  ubicunque  terrarum 
stodentibus  presentes  litteras  inspecturis  nniversitas  magistrorum  et  scolarium 
Tholose  Studium  in  nova  radice  statuencinm,  vite  hone  perseverantiam  ezita 
cum  beato.  L.  c.  p.  75. 


328    m.  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

der  Anüang  gemacht  wurde  ^^^.  Aos  verschiedenen  Ursachen,  be- 
sonders aber,  weil  man  in  Toulouse  in  Bezug  auf  die  Vorlesungen 
und  Disputationen  mehr  Ordnung  halte  als  dies  in  Paris  der  Fall 
wäre,  kämen  viele  Scholaren  dahin  ^^0.  Toulouse  sei  die  'terra 
promissionis,  fluens  lac  et  mel',  dort  herrsche  Friede,  während 
'toto  Mars  sevit  in  orbe'.  Die  Magistri  Tholose  legentes  hätten 
bereits  die  Schwierigkeiten  entfernt  'Hie  enim  theologi  disci- 
pulos  in  Pulpitis  et  populos  in  compitis  informant,  logici  libera- 
libus  in  artibus  tyrones  Aristotilis  erudeant,  gramatici  balbucien- 
cium  linguas  in  analogiam  effigiant,  organiste  populäres  aures 
melliti  guthuris  organo  demulcent,  decretiste  Justinianum  extollunt, 
et  a  latere  medici  predicant  Galienum.  Libros  naturales,  qui 
fuerant  Parisius  prohibiti,  poterunt  illic  audiri,  qui  volunt  nature 
sinum  meduUitus  perscrutari' ^^0.  Es  ist  höchst  interessant  zu 
beobachten,  welche  Fächer  vertreten  waren,  mehr  nämlich  als  wofQr 
sich  Graf  Raymund  verpflichtet  hatte.  Die  Musik  war  nur  in- 
sofeme  mit  einbegriffen,  als  sie  zum  Quadrivium  gehörte.  Die 
Medicin  erscheint  nicht  in  dem  Verpflichtungsacte  Raymunds. 

Im  Schreiben  werden  dann  die  Adressaten  auf  folgende  für 
das  13.  Jh.  höchst  charakteristische  Weise  apostrophiert:  ^Quid 
deerit  vobis  igitur?  Libertas  scolastica?  Nequaquam,  quia 
nullius  habenis  dediti  propria  gaudebitis  libertate.  An  timetis 
maliciam  populi  sevientis?  vel  tyrannidem  principis  injuriosi? 
Ne  timeatis,  quia  comitis  Tholosani  liberalitas  nobis  sufficientem 
fecit  securitatem  et  de  salario  nostro  et  de  servientibus  nostris 
Tholosam  venientibus  et  redeuntibus.  Quodsi  detrimentum  rerum 
suarum  paciantur  per  manus  predonum  in  dominio  comitis,  ma- 
lefactores   nostros    ad   satisfactionem   tamquam   pro   Tholosanis 


^^)  Stabile  fondamentum  non  invenit  operacio,  qne  non  est  in  Christo 
sancte  matris  ecclesie  fandamento  firmiter  coUocata.  Nos  igitur  hoc  atten- 
dentes  snmmo  conamine  nostro  conati  sumns  in  Christo  Tholose  stndii  phi- 
losophici  fundamentum  dorabile  collocare,  snperquodedificentnobiscam  ceteri 
quornm  bona  voluntas  sit  • . .  spiritos  sancti  luminosis  radiis  illnstrata.  L.  c 

^7)  .  .  .  propter  continoitatem  legendi  disputandique,  quam  magistri 
diligencius  et  crebrins  exercent  qoam  exercaemnt  Paridos,  mnlti  scolares 
conflnont  Tholosam.    L.  c. 

**8)  L.  c.  p.  76. 


3.  Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Toulouse.  329 

ciyibus  per  vices  Tholosani  capitolii  persequetur'.  Wie  andere 
Landesfürsten  so  nahm  also  auch  der  Graf  von  Toulouse  die 
Scholaren  in  seinen  Schutz.  Im  Schreiben  heisst  es  ferner,  es  sei 
ebenso  wenig  an  der  curialitas  des  Volkes  zu  zweifeln.  ^Videtur 
enim  hie  facecia  curialis  cum  milicia  simul  et  cum  clero  federa 
pepegi88e\  Einen  weitem  Ansporn  möge  ihnen  die  Hoffnung  geben, 
dass  der  Legat  ^ad  aucmentationem  studii'  noch  andere  Theologen 
und  Decretisten  berufen  werde,  ^tempusque  determinabit,  per  quod 
oporteat  scolares  Tholose  propter  indulgentiam  commorari'. 
Hinsichtlich  der  Billigkeit  der  Lebensmittel  erinnert  das  Schreiben 
an  den  Vers: 

Pro  parvo  vinum,  pro  parvo  panis  habetur, 
Pro  parvo  carnes,  pro  parvo  piscis  emetur**'). 

Jean  de  Oarlande  lobt  unter  den  Professoren  am  meisten 
den  Dominicaner  Roland,  der,  wie  bereits  bemerkt,  Theologie 
vortrug*"). 

Allein  das  Studium  stiess  bald  auf  Schwierigkeiten.  Theil- 
weise  hatten  dieselben  in  den  Reibungen  zwischen  den  Consuln 
der  Stadt  und  den  Dominicanern,  resp.  den  Inquisitoren  ihren 
Grund,  theilweise  im  Betragen  der  Häretiker  gegenüber  den 
Professoren*"),  theilweise  und  vorzüglich  in  dem  Umstände,  dass 
der  Graf  sein  Versprechen  wegen  Auszahlung  des  Salariums  nicht 
hielt*").    Jean  de  Garlande  und  mit  ihm  die  ganze  Universität 


**»)  L.  c. 

450)  ItaluB  huc  Teniens  ad  robora  nostra  magister 
Rolandus,  verbi  claruit  ense  sacri; 
Forti  Roland 0  major,  quia  corpora  stravit 
lUe,  sed  hereticnm  contadit  ille  nephas.   Ibid.  lib.  6.  p.  78. 

^^)  Wilhelm  de  Pelisso  berichtet  1.  c,  wo  er  von  den  Professoren  und 
Scholaren  spricht,  die  von  Paris  kamen :  Kec  boc  yalebat  ad  heresim  extir- 
pandam,  immo  heriticales  bomines  videntes  eos  (magistros)  ex  adverso  et  in- 
solita.  audientes  ipsos  multipliciter  deridebant 

*^*)  Jean  de  Oarlande  sagt  in  Bezug  darauf: 

Doctorum  primo  sunt  certa  salaria,  donec 
Cuncta  negans  livor  cepit  habere  locum. 
Florentis  stndii  panlatim  turba  recedit; 
Hec  ego  qui  scribo  cuncta  recedo  prins. 
L.  c.  p.  81. 


330    ni*  EntwickeluDg  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

hatten  sich  getäuscht.  Nach  und  nach  löste  sich  die  Hoch- 
schule auf*"). 

Nun  griff  der  Papst,  Gregor  IX.,  unmittelbar  ein.  Am 
27.  April***)  1233  richtete  er  an  die  universitas  magistromm 
et  scholarium  von  Toulouse  ein  Schreiben,  worin  er  zuerst  das- 
jenige, was  der  Cardinallegat  in  Bezug  auf  die  Gründung  des 
Studiums  in  Toulouse  gethan  hatte,  bestätigt,  ihnen  die  Privilegien 
der  Universität  Paris  ertheilt,  für  die  Wohnungsmietbe  sorgt, 
die  Studierenden  von  der  Besidenzpflicht  dispensiert,  die  Lehrer 
und  Schüler  von  der  weltlichen  Gerichtsbarkeit  eximiert,  den 
Grafen  und  die  Einwohner  von  Toulouse  und  die  Barone  des 
Landes  beauftragt  die  Universität  zu  schützen  und  deren  Privi- 
legien zu  achten;  speciell  solle  der  Graf  das  versprochene 
Salarium  endlich  bezahlen;  wer  in  Toulouse  geprüft  und  ap- 
probiert sei,  dürfe  überall  ohne  neues  Examen  lehren.  Am 
30.  April  schrieb  der  Papst  in  demselben  Sinne  an  den  Grafen*"). 
Ist  nun  gleichwohl  dieser  Brief  keine  eigentliche  Stiftungs- 
urkunde, da  das  Studium  bereits  1229  gegründet  wurde,  so  vertritt 
es  doch  eine  solche,  indem  erst  jetzt  das  Studium  in  völlige 
Aufnahme  kam,  und  vor  dem  Untergang  bewahrt  wurde.  Am 
3.  April  1234  nahm  Gregor  den  Pariser  Magistern  die  Befürchtung, 
als  habe  er  durch  seine  Concessionen  an  das  Tolosaner  Studium 
den  Statuten  desjenigen  zu  Paris  Abbruch  thun  wollen*"). 

Wir  finden  in  Toulouse  nach  einander  die  zwei  Magister  aus 
dem  Dominicanerorden  Joh.  de  S.  Aegydio  und  Laurentius  Anglicus 
Theologie   vortragen**'),    und  Percin    zufolge   nach  Laurentius 


^^3)  S.  vorige  Anmerkung. 

*^)  Nicht  3.  kl.  Mali,  wie  bei  Du  Boulay  III,  149,  Percin,  Mon.  conv. 
Tolos.  III,  152,  Potthast  n.  9173  steht,  sondern  5.  kal.  Maii,  wie  die  Reg. 
Tat  an.  7  ep.  72  BL  15b  (s.  anch  Ball.  Born.  ed.  Taur.  III,  480)  bieten. 
In  Eist,  de  Languedoc  ed.  Privat  VII,  Notes  p.  434  ist  das  Schreiben,  an 
den  Erzbischof  von  Narbonne  nnd  die  Bischöfe  von  Tonlonse  nnd  Carcassone 
gerichtet,  4.  kl.  Maii  datiert. 

«5)  8.  Potthast  n.  9176. 

*56)  s.  oben  S-  20. 

457 j  Joh.  a  S.  Aegydio  löste  Roland  ab  und  blieb  bis  1235,  dann  kam 
Laurenz.  Ghron.  OuiU.  PeÜBsi  ed.  Douais  p.  89.  105.  ed.  Molinier  p.  12.  37. 
Letzterer  identificiert  gedankenlos  diesen  Laurentius  mit  dem  Gef&hrten  des 


3.   Hochscbnlen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Toulouse.  331 

Anglicus    den   mag.  Wilhelm   a.   s.    Oaudentio    aas   demselben 
Orden"»). 

Allein  auch  jetzt  kam  momentane  Stockung  in  das  Studium, 
und  zwar  vorzüglich  aus  zwei  Gründen.  Am  3.  November  1235 
wurden  von  den  Gonsuln  der  Stadt  aus  Hass  gegen  die  In- 
quisition die  Dominicaner,  und  mit  ihnen  Laurenz,  ver- 
trieben^^'). Der  Hauptgrund  aber  war,  dass  der  Graf  Raymund 
das  Salarium  nicht  bezahlte.  Der  Papst  beschwerte  sich  unter 
anderm  darüber  am  28.  April  1236  in  mehreren  Schreiben"®). 
Er  meint,  der  Cardinallegat  habe  in  Toulouse  'ad  haeresim 
fortius  confutandam  sacre  pagine  ac  aliarum  artium  Studium' 
angeordnet;  allein  nun  sei  das  Studium  dissolutum,  da  der 
Graf  den  Magistern  das  Salarium  vorenthalte.  Er  droht  dem- 
selben mit  dem  Banne,  wenn  er  die  gegebenen  Versprechungen 
nicht  erfülle.  Dem  apostol.  Legaten,  dem  Erzbischof  von  Yienne, 
schrieb  er,  hit  dictum  Studium  in  ipsa  civitate  reformans  con- 
firatemias  et  coUigationes  alias  ubique  in  eadem  legatione  om- 
nino'  auflösen  solle.  Der  Graf  gehorchte  nicht,  und  er  ver- 
fiel dem  Banne.  Vom  17.— 19.  Mai  1237  beklagte  sich  wider- 
holt*") der  Papst,  und  in  Bezug  auf  unsern  Punkt  meint  er, 
dass  wegen  der  Nachlässigkeit  des  Grafen  das  Studium  ^irreparabiliter 


hl.  Domiuictts  uud  mit  dem  Gegner  der  Bettelmönche.  Aucli  Douais  war 
sich  1.  c.  nicht  klar. 

*M)  L.  c.  IV,  196. 

459)  Ghron.  GuiU.  Pelissi  ed.  Donais  p.  105 ff.  Der  Papst  machte  am 
15.  Mftrs  1236  dem  Grafen  darüber  Vonrttrfe,  and  befahl  ihm  die  Domini- 
caner zorflckzurafen. 

^  In  Heg.  Tat.  Greg.  IX.  an.  10  ep.  58  Bl.  150  b  findet  sich  das 
Schreiben  an  den  Grafen,  dann  sind  bemerkt  die  Briefe  an  den  Legaten, 
an  den  König  von  Frankreich,  an  die  Consnln  von  Toulouse,  an  P.  de  Celle- 
medio.  Potthast  n.  10150.  10151  macht  ans  dem  einen  Schreiben  an  den 
Grafen  zwei.  Du  Boulay  III,  156  excerpierte  nur  das  Document,  welches 
bei  Raynald  ad  an.  1236  n.  39  steht,  wie  bereits  Molinier  in  Hist.  de  Lan- 
gnedoc  ed.  Privat  YI,  694  Anm.  richtig  Termnthete. 

^)  In  Reg.  Tat.  Greg.  IX.  an.  11  ep.  101  Bl.  292*  steht  das  Schreiben 
Begi  Francie.  Femer  sind  angedeutet:  Regine  Francie,  Episcopo  Silvanecten., 
Archiepiseopis  et  episcopis  Francie,  Archiepiscopo  Viennen.,  Gomiti  Tolosan., 
Comiti  Brittanie,  Comiti  Marchie,  Civibus  Marsilie. 


332    ni«   Entwickelang  der  Hochscholen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

dissipatur'.  Aber  im  nächsten  Jahre  bezahlte  der  Graf  das  ver- 
sprochene Salarium,  wenigstens  theilweise,  wie  sich  ans  der 
Petitio  nuntii  Gomitis  an  den  Papst  ergibt,  in  der  zugleich 
gebeten  wird  den  Grafen  eben  deshalb  von  der  Excommunication 
loszusprechen^").  Am  13. Mai  1238  trägt  Gregor  IX.  dem  Bischöfe 
von  Palestrina  auf,  den  Grafen,  fände  er  es  für  gut,  zu  absol- 
vieren^^'), am  5.  Juni  desselben  Jahres  aber  schreibt  er  ihm,  er 
möge  den  König  von  Frankreich  über  die  Absolution  benach- 
richtigen ^^0-  ^ine  Umkehr  bemerkte  man  beim  Grafen  schon 
im  vorausgehenden  Jahre,  wie  aus  dem  päpstlichen  Schreiben  vom 
20.  Juli  1237  hervorgeht*"),  wo  auch  angeführt  wird,  der  Graf 
wolle  Gesandte  an  den  päpstlichen  Stuhl  senden,  was,  wie  aus 
dem  Gesagten  sich  ergibt,  in  der  That  1237 — 1238  geschah^**). 
Das  von  fünf  Magistern  an  den  apostolischen  Legaten  Guido, 
Bischof  von  Sora,  gerichtete  Schreiben  vom  4.  Februar  1239,  wo- 
rin sie  mittheilen,  sie  hätten  das  Salarium  vom  Grafen  erhalten*^'), 


^  Es  sind  mehrere  Suppliken,  die  im  6.  Bande  der  Begesten  Oregors  IX. 
Bl.  73*  und  77^  stehen.  Die  auf  das  Studinm  sich  beziehende  heisst: 
Sopplicat  (Sanctit  Yestr.)  ut  transactionem  saper  facto  salarii  factam  et 
approbatam  cum  magistris  Tolose  commorantibus  et  prccnratoribus  absentiom 
in  manus  ve.  patris  .  .  Episcopi  Tolosani  vestra  sanctitas  faciat  observari  et 
a  sententiis  excommonicationis  cccasione  salarii  de  facto  latis  contra  enm 
faciat  eundem  absolvi,  cum  idem  comes  paratus  fnerit  et  est  pecnniam  ex 
transactione  conventam  exclvere  sine  mora,  et  maxime  cnm  nniversitas  ma- 
gistrorum  litteras  snas  patentes  ad  dominum  Archiepiscopum  Karbonen.  et 
episcopum  Garcassonen.  iudices  a  domino  papa  delegatos  et  alias  ad  domi- 
num legatum  destinaterit,  nt  absoWerent  dictum  comitem  a  sententüs,  qnas 
occasione  salarii  tulerant  contra  ipsnm,  quia  eis  de  salario  ab  eodem  comite 
fuerat  satisfactum.  Dies  wird  wörtlich  61.  77^  widerholt  Die  Suppliken 
folgen  am  Schlüsse  des  12.  Jahres  des  Fontificates. 

^^)  Reg.  Vat.  an.  12.  ep.  417.  üeber  andere  spätere  pftpstl.  Aufträge 
den  Grafen  Ton  der  Excommunication  loszusprechen,  s.  Potthast  n.  10598. 
10641.  10644. 

^^)  Ibid.  ep.  421.  Eist  de  Languedoc  ed.  Pritat  VI,  708  citiert  einen 
Brief  desselben  Inhaltes  an  den  Bischof  Ton  Palestrina  Tom  9.  Juni,  was 
wohl  ein  Irrthum  ist. 

^5)  Reg.  Vat.  an.  11  ep.  169  Bl.  809  b.    Potthast  n.  10422. 

^)  S.  Bist  de  Languedoc  ed.  Privat  VI,  707. 

^7)  Hist.  de  Languedoc  ed.  Privat  YIII,  1022  f. 


3.   Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Toulouse.  333 

kann  sieb  mithin  nur  auf  die  Zahlung  eines  Rückstandes  von  Seite 
des  Grafen  beziehen  ^^^).    Seiner  Verpflichtung  war  der  Graf  schon 

1238  zum  Theile  nachgekommen. 

Es  ist  gewiss  klar,  dass  ohne  Papst  Gregor  IX.  die  Universität 
Toulouse  ein  todtgebomes  Kind  gewesen  wäre.  Konnte  er  sie 
nicht  vom  Anfange  an  zur  Blüthe  bringen,  so  lag  dies  in  den 
Umständen.  Aber  was  er  that,  war  der  Grund  für  das  spätere 
Gedeihen. 

Man  darf  jedoch  nicht  vergessen,  dass  in  den  letzten  Jahren 
Gregors  IX.  in  Bezug  auf  das  Salarium  der  Professoren  eine 
andere  Ordnung  der  Dinge  eintrat.  Graf  Raymund  hatte  sich  nur 
für  10  Jahre  verpflichtet  ein  solches  zu  zahlen.    Der  Termin  war 

1239  abgelaufen.    Wie  es  in  der  Zukunft  ersetzt  wurde,  erfahren 
wir  nicht.    Die  Documente  hierüber  sind  verloren  gegangen  ^*^). 

Die  ersten  Schritte,  die  Innocenz  IV.  zu  Gunsten  der  Univer- 
sität Toulouse  that,  waren  nur  Bestätigungsacte  der  Bestim- 
mungen Gregors  IX.  Am  IL  September  1245  erneuert  er 
Gregors  IX.  Schreiben  vom  27.  April  1233  ^^^).  An  diesem  Tage 
hatte  Gregor  IX.  dem  Grafen  und  der  Stadt  auch  aufgetragen,  dass 
zur  Zeit  der  Theuerung  die  Lebensmittel  nicht  aus  der  Stadt  ge- 
führt würden,  ne  pro  ipsorum  defectu,  quod  absit,  Studium  quod  ad 
honorem  et  utilitatem  eiusdem  civitatis  ibidem  plantatum  dino- 
scitur,  dissolvi  contingat^^').  Auch  diese  Verordnung  widerholte 
Innocenz  IV.  am  11.  September  des  genannten  Jahres  ^^'). 
Uebrigens  hatten  sich  nun  die  Verhältnisse  günstiger  gestaltet 


^  Dieses  Schreiben  ist  kaum  identisch  mit  demjenigen,  von  welchem  der 
Nonüns  des  Orafen  spricht,  denn  in  diesem  bat  die  Universitas  magistrornm 
den  Legaten,  *nt  absolveret  dictum  comitem  a  sententiis'  (s.  Anm.  462),  wfth* 
rend  in  dem  oben  citierten  davon  keine  Bede  ist. 

^  S.  Gatien  -  Amoolt  in  den  M^moires,  1S7S  p.  3.  Auf  die  Gon- 
jectnren,  die  er  und  Gatel,  M^moires  de  l'histoire  du  Languedoc  p.  231  vor- 
bringen, ist  es  besser  nicht  einzugehen. 

^70)  Beg.  Vat.  an.  3  ep.  155  BL  289  a.  Berger,  Les  registres  d'Inno- 
Cent  ly.  n.  1515,  der  aber  wie  es  scheint  die  BoUe  Gregors  IX.  nicht  kannte, 
denn  wie  hätte  er  sonst  noch  einmal  den  ganzen  Text  abdrucken  können. 

«71)  Reg.  Vat.  Greg.  IX.  an.  7.  ep.  67.  Bl.  14  b. 

«73)  Reg.  Vat.  Innoc.  an.  3.  ep.  154  BL  235  b.  Berger  n.  1514.  Hist 
de  Langaedoc  ed.  Prirat  YU,  Notes  p.  435. 


334    in.   Entwiekdiuig  der  Hocbschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jlis. 

als  früher.  Am  19.  September  desselben  Jahres  dankt  Innocenz 
Gott,  der  die  Cionsaln  der  Stadt  bestimmt  habe,  das  Stadium  in 
den  Magistern  und  Scholaren  zu  fördern  und  zu  beschützen*'*). 
Der  Hauptact  Innocenz  IV.  war  jedoch  die  Anwendung  der  Magna 
Charta  von  Paris,  nämlich  Gregors  Bulle  Parens  scimUarum^  auf 
die  Universität  Toulouse.  Es  geschah  dies  22.  September  1245*'*). 
Der  Scholasticus  wurde  Universitätskanzler,  der  zugleich,  ähnlich 
wie  in  Paris,  diesen  Namen  führen  musste.  Erst  das  genannte  Datum 
bezeichnet  den  Zeitpunkt,  in  welchem  die  Universität  Toulouse 
eine  bestimmte  Organisation  erhielt.  Hiermit  berühren  wir  aber 
einen  neuen  Gegenstand,  der  nicht  mehr  in  diesen  Band  gehört*'*). 

Kaum  für  eine  andere  Universität  Frankreichs,  jene  von 
Paris  natürlich  ausgenommen,  sorgten  die  Päpste  so  sehr,  als  für 
jene  von  Toulouse.  Es  wird  sich  dies  zeigen,  wenn  wir  auf  die 
Organisation  zu  sprechen  kommen.  Nur  Orleans  lässt  sich 
einigermassen  damit  vergleichen.  Fast  jeder  Papst  hat,  wie  sich 
aus  den  Regesten  ergibt,  das  Seinige  beigetragen  *'*). 

Die  Gründung  geschah,  wie  wir  sahen,  dem  Contrakte  gemäss 
ursprünglich  nicht  für  alle  Fächer.  Er  erscheinen  weder  Legisten, 
noch  Mediciner*").    Die  Medicin  hatte  in  Montpellier  eine  be- 


«79)  Bist,  de  Langnedoced.  PriTat  VIII,  1188.  unter  demselben  Datam 
trug  er  dem  Orafen  and  den  Gonsnln  auf,  die  PriyUegien  des  Stadimns  in 
respectieren  (Ibid.  p.  1189),  dem  Bischöfe  aber,  dafür  zn  sorgen,  dass  die 
nicht  einheimischen  armen  Schüler  in  Toolouse  gate  Unterkunft  fänden. 
(Ibid.  p.  1188f). 

«74)  Beg.  Vat.  an.  3.  ep.  156  El.  236a.  Eist  de  Langaedoc  YIH,  1184. 
Es  scheint  aber  fast  jedem  entgangen  za  sein,  dass  Gregor  IX.  BnUe 
Fairen»  scientiarum  die  Grundlage  war.  Sayignj  selbst  galt  (III,  406)  der  In- 
halt des  Schreibens  Innocenz  lY.  als  etwas  ganz  neues.  Gatien-Arnonlt| 
Mtooires  1878  p.  12  hat  das  Richtige  erkannt 

^7^)  Bezeichnend  ist,  dass  Hahn,  Gesch.  der  Ketzer  im  Mittelalter  I, 
355 ff.,  wo  er  weitläufig  alles  in  berichten  weiss,  was  Ton  Seite  der  Katlio* 
liken  gegen  die  Albigenser  zu  Toulouse  während  dieser  Epoche  gethan  wurde, 
ausser  dem  einen  Punkte  in  dem  Friedensyertrage  nichts  Tom  Studium  in 
Toulouse«  das  doch  ein  Hort  gegen  die  Häresie  werden  sollte,  zn  erzählen 
hatte. 

476j  Ungenügend  ist  hier  die  Publicierung  der  Actenstficke  in  der  Hist. 
de  Languedoc  ed.  Privat  VII.    Es  fehlen  mehr  als  die  Hälfte. 

^77)  Savigny  meint  S.  407,  für  das  Römische  Recht  sei  nur  keine  Be* 


3.  Hochscliulen  mit  pftpstl.  Stiftbriefen.    Toulouse.  335 

rühmte  Vertretung.  Doch  wird  authentisch  zum  J.  12.42  Lupus 
Ispanus  als  regens  apud  Tolosam  in  medicina.  erwähnt^'")  und 
wir  wissen  nun  auch,  dass  der  in  dem  von  fünf  Magistern  an 
den  Legaten  am  4.  Februar  1239  gerichteten  Schreiben  genannte 
magister  Lupus  Professor  der  Medicin  war  und  bereits  damals 
dieselbe  an  der  Universität  lehrte.  Dies  stimmt  zur  Littera  uni- 
versitatis  von  J.  1229,  in  welcher  auch  die  Medicin  als  Lehrfach 
zu  Toulouse  erwähnt  wird.  Da  keine  Besoldung  dafür  ausgeworfen 
war,  konnte  sich  dieses  Fach  nicht  halten.  Ln  Anfang  des  14.  Jhs. 
scheint  es  aber  wider  vertreten  gewesen  zu  sein,  wenigstens  befahl 
Clemens  V.,  quod  nonnisi  licenciati  in  arte  medicine  practicam 
exerceant  in  civitate  Tolosana^^Oi  ^in  Statut,  das  Johann  XXII  am 
3.  September  1329  erneuerte "°).  Später  war  dies  sicher  der  Fall. 
In  dem  1362  an  Urban  V.  eingesendeten  Rotulus  wird  Baimundus 
Rubel,  clericus  Lodovensis  als  magister  in  medicina,  qui  legit  ordi- 
narie  in  studio  Tholosano,  erwähnt  ^^').  Doch  hat  die  Medicin  nie- 
mals geblüht  Das  jus  civile  wurde  aber  schon  seit  der  Mitte  des 
13.  Jhs.  sicher  in  Toulouse  gelehrt*"),  und  dort  nicht  viel 
weniger   als   das  jus   canonicum   gepflegt,    wenngleich   für  jus 


soldung  bestimmt  gewesen  und  Innocenz  IV.  weise  1245  deutlich  genug  dar- 
auf hin,  dass  auch  das  Römische  Recht  vom  Anfange  an  vertreten  war,  in- 
dem er  sage:  De  phisicis  autem  et  artistis  et  aliis  cancellarius  bona  fide 
promittet  etc.  Allein  Savigny  entgieng  es,  dass  diese  Worte  wie  über- 
haupt die  Bulle  der  Magna  Charta  für  Paris,  d.  i.  der  BuUe  Farens  scientia- 
rum  entnommen  sind,  und  mithin  ein  Hinweis  auf  die  Legisten  durch  'et  alii' 
ausgeschlossen  ist.  Aber  wahr  ist,  dass  anfänglich  Ganonisten  das  Komische 
Becht  erklärten,  was  Jean  de  Garlande  berichtet.    S.  oben  S.  328. 

*78)  Hist.  de  Languedoc  ed.  Privat  VÜI,  1085. 

^^ö)  Reg.  Vat.  an.  1  p.l  ep.  U5  Bl.  45. 

«0)  Reg.  Vat.  an.  13.  p  4  ep.  2918. 

^1)  Reg.  Suppl.  an.  1.  p.  2  BI.  17b.  Manchmal  nimmt  man  an,  als 
habe  an  der  Wende  des  13.  und  14.  Jhs.  Amaldo  de  Vilanova  dort  vorge- 
tragen. Ich  finde  kein  Fundament  für  diese  Behauptung,  und  auch  Menendez 
Pelayo  weiss  in  seiner  Historia  de  los  heterodoxos  espanoles  (I,  Madrid  1880 
p.  454  ff.)  nichts  davon. 

^)  S.  den  Kachweis  bei  Gatien-Arnoult ,  M^moires  1878  p.  22  ff.  Im 
J.  1274  hatte  dort  Jacob  de  Ravanis  eine  Disputation  mit  Franciscus  Accursii. 
S.  Savigny  V,  607.  311. 


336    in.    EntwickeluDg  der  Hochsclmlen  bis  snin  Ende  des  14.  Jlis. 

civile   immerhin  Orleans  tmd  Angers  die  Hauptstudienanstalten 
Frankreichs  blieben. 

Eigenthümlicher  Weise  ivar  das  theologische  Studium  im 
Rückstände,  und  doch  richtete  man  auf  dasselbe  bei  Orfbidung 
der  Universität  das  Hauptaugenmerk.  Ja  Innocenz  lY.  pries  die 
Theologie  1245  in  höchster  Weise*").  Zwar  hörte  die  Vertretung  der 
theologischen  Facultät  niemals  auf,  was  man  auch  ftlr  das  14.  Jh. 
mit  Sicherheit  nachweisen  kann,  da  in  den  Statuten  immer 
magistri  in  theologia  erwähnt  werden;  allein  sie  war  wenig  fre- 
quent,  was  die  Universität  selbst  nicht  unklar  andeutet.  Im  J.  1290 
bat  sie  nämlich  den  Provinzial  der  Dominicaner  der  Provincia 
Provinciae  um  einen  Lector  der  Theologie  für  die  Hochschule***). 
Die  Theologie  wurde  eben  von  den  Bettelorden  gelehrt  Von 
den  Weltpriestem  las,  soviel  ich  erschliessen  kann,  überhaupt 
keiner  Theologie.  Zur  Zeit  Benedicts  XH.  und  Clemens  YL  war 
nicht  einmal  ein  Theologus  an  der  Gathedrale  *^^).  Yon  den 
Orden,  die  dort  Studien  hatten,  nämlich  den  Minoriten,  Gister- 
ciensem,  Augustinern  und  Carmeliten,  werden  aber  Anfangs  des 
14.  Jhs.  fast  immer  nur  die  Minoriten  nebst  den  Dominicanern 
genannt.  Sicher  ist,  dass  bis  zur  Zeit  Innocenz  YL  selten  in 
der   Theologie    die   Grade   ertheilt   wurden*'*),   man   gieng  zu 


A83)  Bist,  de  Langaedoc  ed.  Privat  VIII,  1185. 

^^)  Dies  geht  hervor  aus  dem  Antwortschreiben,  das  die  Definitoren 
des  zu  Pamiers  im  J.  1290  versammelten  Provincialcapitels  'Viris  yenerabilibns 
ac  dominis  providis  et  discretis  D.  Tsamo  de  S.  Paulo,  venerabili  canceUario, 
rectoribus  quoque  dominis  doctoribus  ac  magistris,  ac  universitati  scolarium 
studii  Tholosani'  sandten.  Dieses  Schreiben  enthalten  die  Hss.  mit  den  Acten 
der  Capitel  der  Tolosanerprovinz,  z.  B.  Cod.  780  zu  Bordeaux  (Bl.  219  a); 
Cod.  Paris.  4348  BL  158a.  S.  auch  Bist  de  Languedoc  ed.  Privat  YU, 
1.  p.  593,  und  oben  S.  130  Anm.  308. 

^  Dies  erhellt  aus  dem  Schreiben  Benedicts  XII.  vom  28.  November  1337 
an  den  Erzbischof,  worin  er  sagt,  quod  plurimum  decere  conspicitnr,  nt  in 
ecclesia  vestra,  que  est  nobiüs  et  famosa,  in  habende  et  tenendo  ibidem 
magistrum  theologum,  qui  personas  docibiles  in  paginadoceat8upradicta(8acra), 
statutum  ejusdem  Concilii  (Lateran.)  inviolabiliter  observetnr.  Er  trftgt  ihm  auf 
'unum  magistrum  theologum  ydoneum  qui  sacerdotes  et  alios  ad  hoc  habiles 
in  predicta  pagina  doceat'  zu  bestellen.  Bened.  XII.  Reg.  (n.  123)  ep.  384. 
Vgl.  Reg.  Avenion.  Clem.  VL  t.  26  (an.  3)  Bl.  106;  t  30  (an.  4)  Bl.  206. 

^  Dagegen  spricht  nicht  der  Beschluss  des  Gapitels  der  Franciscaner 


8.    Hochschulen  mit  pftpstl.  Stiftbriefen.   Tonlonse.  337 

diesem  Zwecke  nach  Paris,  wie  Rector  et  universitas  studii 
ac  capitularii  civitatis  Tolos.  in  ihrer  1360  an  den  Papst  ge- 
sandten Supplik  berichten.  Stadt  und  Studium  seien  in  lingua 
Occitana  soUempniora,  und  zu  den  in  der  Stadt  sowie  in  der 
ganzen  Provinz  bestehenden  conventus  soUennes  ströme  eine  solche 
Menge  zusammen  von  'in  theologica  facultate  provecti',  wie  kaum 
anderswo  in  Frankreich.  Es  sei  aber  misslich  nach  Paris  zu  gehen, 
um  promoviert  zu  werden,  da  dies  nur  selten  'propter  preroga- 
tivam  quandam,  quam  inibi  obtinet  provincia  Francie',  gelinge. 
Viele  Fähige  würden  deshalb  vom  Studium  der  Theologie  ab- 
gehalten, trotzdem  ein  Generalstudium  in  derselben  *in  reformatione 
pacis  inter  Romanam  ecclesiam  et  comitem  Tholosanum  ordinante 
legato  sedis  apostolice'  erlaubt  worden  sei,  wie  dies  hinsichtlich  an- 
derer Facultäten  bisher  der  Fall  gewesen  sei.  Der  Papst  möge  also 
ein  Generalstudium  in  der  Theologie  gewähren,  'et  quod  Cancellarius 
ecclesie  Tholosane  cum  consilio  magistrorum  potestatem  habeat 
dandi  licentiam  et  magisterii  dignitatem\  Zuletzt  führen  sie 
noch  den  interessanten  Grund  an,  dass  'in  regno  Anglie,  quod 
modica  insula  respectu  regni  Francorum  existit,  duo  sunt  generalia 
studia  in  facultate  predicta'"').  Am  l.October  genannten  Jahres 
gestand  der  Papst  in  der  That  in  einem  Schreiben,  das  die 
Supplik  zum  grossen  Theil  widerholt,  ein  Generalstudium  und 
die  Promotionen  in  der  Theologie  zu*").  Es  ist  mithin  falsch,  wenn 
die  Quarta  vita  Urbani  V.  berichtet,  dass  erst  Urban  V.  dem  Stu- 
dium die  theologischen  Grade  zu  ertheilen  bewilligt  habe*"). 
Im  J.  1366  gaben  sich  die  Theologen  die  ersten  Statuten. 

zu  Barcelona  1313,  'at  supposito  privilegio  concesso  nniversitati  Tolosae  de 
conferendis  in  omni  facultate  gradibus  magisterii  .  .  .  propter  nsum  et  con- 
cnrrentiam  aliarum  religionum  constituerentur  per  ministrum  generalem  in 
conventn  Tholosano  baccalarei  presentandi  et  promovendi  ad  magisteriam' 
(De  Gubematis,  Orbis  seraphicus  III,  22).  Denn  einmal  wurde  dieses  Statut 
erst  1365  ausgeführt  (ibid.  p.  74  und  Panfilo  de  Magliano,  Storia  di  S.  Fran- 
cesco II|  542).  Und  dann  kamen  Fälle  von  Promotionen  wirklich  vor,  z.  6. 
im  J.  1346,  als  der  Augustiner  Oalhardus  de  Acutis  am  4.  Juli  die  Erlaubniss 
erhalten  hatte,  'quod  magistrari  valeat'.    Beg.  Clem.  VI.  Aven.  t.  34  Bi.  50  b. 

«7)  Reg.  Suppl.  Innocent.  VI.  an.  8  Bl.  301  a. 

^  S.  die  Bulle  in  Eist,  de  Languedoc  ed.  Privat  YII.  Notes  p.  551. 

^)  Bei  Baluze,  Vitae  paparum  Avenionen.  (Paris.  1693)  I,  420. 
Balnze  selbst  hat  p.  1058  und  1442  das  Richtige  getroffen. 

Donifle,  Die  ünireraiaton  L  22 


338    I^I*  Entwickelang  der  Hochschulen  his  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

In  dem  1362  an  Urban  V.  eingesendeten  Botolus  suppli- 
cationum  universitatis  studii  Tholosani  erscheinen  je  ein  Doctor 
resp.  magister  legum,  decretorum,  artium  und  medicine,  und 
2  magistri  in  grammatica,  2  licentiati  in  decretis,  7  baccalarei 
in  decretis,  8  in  legibus  und  3  in  artibus^'^).  Ein  viel  voll- 
ständigeres Bild  gewährt  uns  der  im  J.  1378  an  den  Gegen- 
papst Clemens  VIL  eingesendete  Rotulus^^').  Es  finden  sich  darin 
5  Magistri  der  Theologie,  aus  den  verschiedenen  Orden,  7  Doc- 
tores  in  decretis  und  3  in  legibus ^^^*),  3  magistri  in  artibus 
und  3  in  grammatica,  die  zugleich  Scholares  oder  Baccalarei  in 
decretis  und  einer  in  der  Medicin  waren.  Dann  werden  20  licentiati  in 
decretis,  8  in  legibus  und  3  in  artibus  genannt.  Darauf  kommen 
die  Baccalarei  in  decretis  und  legibus  nach  der  Anzahl  Jahre, 
welche  sie  bereits  im  betreffenden  Fache  gelesen  hatten.  Von  den 
baccalarei  juris  can.  im  6.  Jahre  13,  ebensoviele  im  5.,  11  im 
4.,  26  im  3.,  35  im  2.,  56  im  1.  Jahre.  Von  den  Baccalarei  im 
Jus  civile  erscheinen  5  im  7.  Jahre,  7  im  6.  und  5.,  9  im  4., 
8  im  3.,  15  im  2.,  und  11  im  1.  Jahre.  Von  den  Baccalarei 
in  artibus,  die  zugleich  Scholaren  im  jus  civile  oder  can. 
waren,  werden  47  genannt.  Nun  folgen  die  Scholaren  im  Jus 
canonicum.  Im  8.  Jahre  6,  9  im  6.,  29  im  5.,  50  im  4.,  56  im 
3.,  88  im  2.  und  163  im  1.  Jahre.  Von  den  Scholares  in  legibus 
werden  für  das  8.  Jahr  2,  11  für  das  7.,  12  für  das  6.,  17  für 
das  5.,   10  für  das  4.,  15  für  das  3.,  33  für  das  2.  und  30  für 

*90)  Reg.  Suppl.  ürbani  V.  an.  1  p.  2  Bl.  17  a. 

*9i)  Clem.  VIL  Beg.  SappL  an.  1.  p.  7  Bl  1—100.  Interessante  Botali 
befinden  sich  auch  Beg.  Suppl.  Clem.  Yll.  an.  16.  BL  161a.  247  a,  besonders 
aber  Beg.  Suppl.  Bened.  XIII.  an.  1.  Bl.  121—194. 

49U)  Die  Theologen  waren:  Bernaldus  Tholosani,  Peter  Aldeberti,  Arnaldos 
Bernardi  (alle  drei  Ord.  Praed.),  Guill  Chathalani,  0.  M.,  Arnaldus  Bay- 
mundi,  0.  Cist;  die  Decretisten:  Faul  de  Garrigia,  Guill.  Felicerii,  Peter 
Mercerii,  Peter  Banati,  Pelegrin  de  Fabo,  Chatardas  Aycardi,  0.  S.  A., 
Peter  Vitalis;  die  Legisten:  Arnaldus  Auriola,  Joh.  de  Paluas  (?),  Guill.  de 
Podio.  lieber  die  Bechtslehrer  des  13.  Jhs.  s.  Bodiäre  L  c.  und  Gatien- 
Amoult,  M^moires  1879.  Der  berahmteste  jener,  die  aufgezählt  werden,  ist 
Peter  de  Bellapertica.  Allein  während  es  sicher  ist,  dass  er  in  Orleans,  ehe 
fQr  dort  das  Corporationsrecht  im  J.  1306  gewährt  wurde,  seine  Leetara  in 
Cod.  yerfasst  hatte,  wie  sich  aus  Tielen  Stellen  derselben  ergibt,  ist  es  nicht 
so  gewiss,  dass  er  auch  in  Toulouse  gelehrt  habe. 


3.    Hochschulen  mit  p&pstL  Stiftbriefen.    Toulouse.  339 

das'l.  Jahr  erwähnt.  Als  Scholaren  in  artibus  erscheinen  244, 
in  grammatica  296.  In  Summa  1385.  Und  doch  fehlen  die 
Schüler  der  Theologie  und  Medicin,  sowie  ja  auch  die  Mitglieder 
der  angeführten  Facultäten,  wie  überhaupt  in  jedem  Rotulus 
jener  Zeit,  unvollständig  erwähnt  werden.  Das  wird  jedoch 
klar,  dass  die  Universität  Toulouse  nicht  unbedeutend  war. 
CoUegien  für  arme  Schüler  erhielt  Toulouse  nicht  spät. 
Zu  den  ältesten  gehören  das  Gollegium  de  Verdala,  testamentarisch 
5.  December  1337  von  Arnaldus  de  Verdala,  dem  spätem  Bischöfe 
von  Maguelone,  für  12  Scholaren  errichtet,  und  bestätigt  von 
Clemens  VI.  am  25.  August  1343;  und  das  Colleg  des  Bürgers 
Peter  Berengarii,  approbiert  29.  Jänner  1344**').  Wichtiger  wurde 
das  von  Innocenz  VI.,  der  einst  in  Toulouse  studiert  und  den  Doctor- 
gradinjure  civili  erhalten  hatte,  am  1.  September  1359  gegründete 
Colleg.  Er  gab  dazu  sein  eigenes  Haus  in  Toulouse  mit  allem  Zuge- 
hör  und  sämmtlichen  Einkünften;  darin  haben  20  pauperes  clerici 
collegialiter  zu  leben;  den  Gottesdienst  müssten  vier  Priester  leiten. 
Von  den  Scholaren  sollen  10  Jus  can.  und  10  jus  civile  studieren; 
zu  ihrem  fernem  Unterhalte  wies  ihnen  der  Papst  unter  anderm 
25000  Goldgulden  'manualiter'  an  und  schrieb  ihnen  die  Lebens- 
ordnung vor*").  Das  Collegium,  nach  dem  hl.  Martialis  benannt, 
erfreute  sich  der  besondern  Gunst  dieses  Papstes*'*),  wie  ja  von 
den  Päpsten  schon  frühe  für  arme  Schüler  in  Toulouse  gesorgt  wurde. 
Bereits  Innocenz  IV.  tmg  1245  dem  Erzbischof  von  Toulouse 
auf,  die  armen  Scholaren,  'qui  desiderio  discipline  a  propriis 
domibus  longius  recedentes,  vigiliis  et  laboribus  plurimis  mace- 

*«)  Reg.  Vat.  Arenion.  tom.  21  Bl.  257—267.  Cod.  Paris.  4223  Bl.  1. 
Mittels  (des  inserierten)  Testamentes  vermacht  Amald  seine  ans  144  Bftnden 
bestehende  Bibliothek  dem  GoHeg.  Wegen  des  Petri  Berengarii  s.  Bog. 
Clem.  VL  Avenion.  1.  c.  Bl.  92.  Beide  CoUegien,  sowie  jene  8.  Rjiy- 
mnndi  de  Narbona,  de  Lamayyaderia,  de  Monte  Lauduno  befanden  sich  zu 
ürbans  Y.  Zeit  in  angeordneten  Verhältnissen.   Reg.  Aren.  t.  10  Bl.  427. 

«3)  Reg.  Vat.  Arenion.  tom.  21  Bl.  30  ff.  Reg.  Clemens  VII.  an.  1  Bl.  207  b. 

<M)  8.  die  BuUen  in  Reg.  Vat.  Avenion.  1.  cit.  Bl.  28—80.  88.  34.  t.  20 
Bl.  70;  t.  22  Bl.  27-30;  t.  24  Bl.  317.  516;  t.  26  Bl.  586;  t.  27  BL  111.  523. 
Cod.  Paris.  4223  Bl.  25—107  enthält  eine  von  Baluze  veranstaltete  Sammlung  von 
Actenstacken,  welche  sich  auf  das  genannte  Colleg  beziehen.  Nicht  unin- 
teressant sind  die  Notizen  bei  Jourdain  über  dieses  und  andere  CoUegien 

in  der  Revue  des  soci^t^s  savantes,  1862,  p.  406  ff. 

22» 


340     m*    Entwickelang  der  Hochschalen  bis  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

rantur,  in  hospitalibus  de  Tbolosa'  aufzunehmen  und  dort  fiir  sie 
zu  sorgen"'),  ein  Gebot,  das  Johann  XXII.  am  3.  September 
1329  erneuerte"*).  Rasch  folgten  auf  die  genannten  CoUegien 
die  Gründung  des  CoUegiums  Petragoricense  durch  Card.  Talay- 
rand  (1360  resp.  1363)*")»  des  CoUegs  de  Maguelone  durch 
Audoyn  Card,  von  Ostia  (1363)*"),  jenes  des  Johann  card. 
(S,  Marci)  von  Nlmes  (1367)*"),  des  CoUegiums  s.  Catharinae 
(1382)"°)  u.  s.  w. 

Montpellier. 
Montpellier,  in  jener  Zeit,  um  die  es  sich  hier  handelt, 
noch  nicht  zur  französischen  Krone  gehörig,  bereitet  dem  Forscher 
mehr  Schwierigkeit  als  andere  Hochschulen.  Um  so  grössere  Ge- 
nauigkeit erfordert  die  Untersuchung****).  Zwei  Wissenszweige 
kommen  hier  vor  Allem  in  Betracht,  die  Medicin  und  das  Jus.  Die 
Artes  waren,  scheint  es,  nur  anfanglich  in  Blüthe,  und  die  Theologie 
wurde  erst  von  Martin  V.   am  17.  December  1421  erlaubt. 


495)  Hist.  de  Languedoc  ed.  Privat  YlII,  1188. 
*9«)  Reg.  Vat.  an.  13.  p.  4.  ep.  2917. 

497)  Cod.  Paris.  4223  Bl.  108ff.  Die  Angabe  Jonrdains  1.  c.  p.  412 
Anm.  1  über  einen  Widerspruch  zwischen  dem  Todesjahr  des  Gardinais  and 
dem  Datum  der  Stiftung  entbehrt  der  Begründung. 

498)  ibid.  Bl.  135.    Bei  Jourdain  p.  414  falsches  Datnm. 

499)  Ibid.  BL  146. 

^  Ibid.  Bl.  151  ff.  Es  wurde  durch  Peter  de  Monteruc,  Bischof  von 
Pampelona  gegründet. 

501)  Was  Haeser,  Lehrb.  der  Gesch.  der  Medicin,  I,  654  ff.  über  die 
Universität  Montpellier  sagt,  ist  wie  alles  im  Buche  h&chst  unkritisch.  H&tte 
H&ser  Germain's  Hist.  de  la  commune  de  Montpellier  (Montpellier  1851) 
III,  1  ff.  gekannt,  würde  die  Darstellung  anders  ausgefallen  sein.  Auf  weitere 
seither  erschienene  Schriften  Germains  komme  ich  noch  zu  sprechen.  Aus  älterer 
Zeit  bieten  nunmehr  nur  Astruc,  M^moires  pour  seryir  ä  l'histoire  de 
la  facult^  de  m^decine  de  Montpellier,  Paris  1767  und  Aigrefeuille,  EQst 
eccl6siastique  de  la  yille  de  Montpellier  (Montpellier  1739;  die  zweite  Aus- 
gabe, ni,  509  ff.  bringt  nichts  Neues)  II,  339  ff.  Interesse  und  manche  Quellen. 
Völlig  enttäuscht  wird  man  durch  die  Schrift  Dubouchet's,  Les  anciens 
diplomes  de  P^cole  de  mMecine  de  Montpellier  (Montpellier  1884),  denn 
während  man  dem  Titel  nach  wirklich  alte  Diplome  erwartet,  findet  man 
darin  nur  solche  aus  dem  18.  Jh.  Jegliche  Quellenangabe  und  zumeist  die 
Kritik  fehlt  bei  Alexis  Monteil,  La  m^decine  en  France  par  Pllenr  (Paris  1873), 
ein  würdiges  Seitenstück  zu  Häsers  Geschichte. 


3.    Hochschalen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Montpellier.  341 

Wie  weit  das  Stadium  der  Medicin  in  Montpellier  zurück* 
reicht  ist  nicht  bekannt.  Die  älteste  Nachricht  von  demselben 
ist  uns  in  der  Vita  Adelberti  II  von  Mainz  erhalten,  der  circa 
1137  vor  seiner  Rückkehr  nach  Mainz  die  gelehrten  Aerzte  in 
Montpellier  hörte  *°*),  nachdem  er  früher  in  Reims  und  in  Paris 
sich  den  Studien  gewidmet  hatte.  Von  dieser  Zeit  an  werden 
die  Nachrichten  über  die  medicinische  Schule  in  Montpellier 
häufiger  ^°^).  Ein  wichtiges  Document  bildet  die  Erklärung 
Wilhelms  VIIL,  Herrn  von  Montpellier,  vom  Jänner  1181"*). 
Er  sprach  sich  gegen  jede  Monopolisierung  der  medicinischen 
Wissenschaft  durch  Einzelne  aus;  alle,  wer  immer  sie  seien  und 
woher  sie  kämen,  könnten  die  scolas  de  fisica  in  Montepessulano 
leiten,  sie  hätten  dazu  volle  Freiheit. 

In  grosser  Blüthe  traf  diese  Schule  der  Cardinal  Conrad, 
als  er  ihr  am  17.  August  1220  die  ersten  Statuten"*)  gab, 
d.  i.  um  jene  Zeit,  in  der  Caesar  v.  Heisterbach  Montpellier 
'fons  artis  physice'  nannte"').  Wir  finden  dort  bereits  eine 
'Universitas  medicorum,  tam  doctorum  quam  discipulorum',  einen 
'Cancellarius  universitatis  scolarium',  der  vom  Bischof  von  Mague- 

BW)  s.  Jaff6,  Bibl.  rer.  germ.  III,  592. 

WS)  s.  Gennaln,  Histoire  etc.  p.  73  f.  und  I,  LXXVf.,  L'6cole  de  m6- 
decine  de  Montpellier,  Montpellier  1880  p.  7  f.  Kürzere  Notizen  finden  sich 
auch  in  dessen  La  m^decine  arabe  et  la  m^decine  grecque  k  Montpellier 
(1879)  p.  1  f.  üebersehen  wird  in  der  Regel  Alexander  Neckam,  De  naturis 
rernm  ed.  Wright,  p.  811,  wo  Montpellier  auf  eine  Linie  mit  Salerno  ge- 
stellt ist. 

^  Es  heisst :  anno  ab  incarnatione  .  . .  MGLXXX  mense  Januarii.  Es 
war  also  1181  (nach  unserer  Rechnung),  und  nicht,  wie  man  fast  fort- 
während widerholt,  1180.  S.  den  oft  reproducierten  Text  bei  Gariel,  Series 
praesulum  Magalonensium.  Tolosae  1665,  I,  229.  Aigrefeuille  1.  c.  p.  342. 
Qermain,  Hist.  de  la  commune  etc.  I,  LXXVII  und  L'^cole  de  m^decine 
etc.  p.  8. 

^^)  Im  Eingange  desselben  steht:  Sane  cum  dudum  medicinalis 
scientie  professio  sub  gloriosis  profectuum  titulis  in  Montepessulano  claruerit, 
flomerit  et  fructnum  fecerit  ubcrtatem  multipliciter  in  diversis  mundi  par- 
tibua  salubrem,  tanto  ad  conservationem  medicinalis  studii  duximus  statuen- 
dum  etc.  Aigrefeuille  1.  c.  p.  343.  Oermain,  Hist  de  la  commune  etc.  III, 
418.  L.  T.  Stein  h&lt  die  Bestimmung  des  Gardinais,  die  er  natürlich  nie 
zu  Oesicht  bekam,  für  eine  päpstliche  Bulle.    L.  c.  8.  284. 

^)  Dial.  mirac.  ed.  Strange  1.  7.  c.  25.    Yerfasst  1221—1222. 


342    11^-   Entwickeluog  der  Hochschulen  bis  soin  Ende  des  14.  Jhs. 

lone  und  von  drei  von  ihm  beigezogenen  Magistern  gewählt  und 
eingesetzt  wird;  die  Promotionen,  die  vor  dem  Bischöfe  von  Mague- 
lone  im  Vereine  mit  den  Regentes  vorgenommen  werden  müssten, 
und  die  Gerichtsbarkeit,  die  der  Kanzler  haben  soll,  werden 
hier  ebenfalls  geordnet,  u.  s.  w.^^^).  Der  apostolische  Legat 
Guido,  Bischof  von  Sora,  bestätigte  am  15.  Juni  1239  diese  Sta- 
tuten unter  Beifügung  der  neuen  Verordnung,  Niemand  dürfe 
zur  ärztlichen  Praxis  übergehen,  ausser  wenn  er  durch  zwei,  vom 
Bischöfe  von  Maguelone  de  coUegio  magistrorum  gewählten  Ma- 
gistern geprüft  und  approbiert  ist  und  sich  mit  einem  darüber 
vom  Bischöfe  und  den  Examinanten  ausgestellten  Zeugniss  aus* 
weisen  kann;  nur  die  Chirurgen  brauchten  keine  Prüfung  abzu- 
legen"*). Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  für  diese  Be- 
stimmung das  betreffende  Statut  des  Gesetzbuches  Friedrichs  11. 
für  Salerno  vom  J.  1231  das  Vorbild  war**'),  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dass  sich  in  Montpellier  vollends  der  geistliche 
Charakter  der  Schule  offenbart"®),  während  in  Salerno  im  13.  Jh. 
sich  keine  Spur  mehr  davon  zeigt.  Auch  Alexander  IV.  bestätigte 
am  28.  Februar  1258  die  Statuten  vom  J.  1220*")»  Jacob  I. 
von  Aragon  aber  im  J.  1272  und  Jacob  II.  im  J.  1281  kamen 


^<)  Bei  AigrefeuUle  und  Germain  1.  c. 

^S)  Astruc  1.  c.  p.  40.    Germain  1.  c.  p.  422. 

509)  S.  oben  8.  235. 

5^0)  Es  ist  merkwürdig,  dass  Häser  die  frische  und  freie  Richtung 
der  medicinischen  Schule  zu  Montpellier  and  die  grosse  Bedentong  der- 
selben für  die  Geschichte  des  geistigen  Lebens  im  Mittelalter,  ja  ihre  Prae- 
ponderanz  Ober  jene  von  Salerno  im  13.  Jh.  der  Unabhängigkeit  von  Rom 
und  den  wahrscheinlich  eben  deshalb  zu  Montpellier  in  nicht  geringer  Zahl 
studierenden  jüdischen  Gelehrten  zuschreibt  (I,  655).  Nachdem  man  sich 
jetzt  fiberzeugt  hat,  dass  die  Seele  der  medicinischen  Schule  zu  Montpellier 
kirchliche  Organe  waren,  wird  man  sich  wohl  der  entgegengesetzten  Be- 
hauptung zuneigen,  die  Schale  zu  Montpellier  sei  in  Fesseln  geschlagen  ge- 
wesen, die  Frische  Salernos  habe  in  Folge  des  Einflusses  des  geistlichen 
Princips  gemangelt  und  deshalb  die  Schule  selbst  tief  unter  jener  von  Salerno 
gestanden.  Denn  das  ist  ja  ein  Dogma  der  Gegenwart,  dass  wo  'die  Leiter  der 
Christi.  Gemeinde  im  Spiele  sind',  sich  'keine  freiere  Menschlichkeit'  ent- 
falten könne  (S.  Grimm,  Ueber  Schule,  Universit&t,  Academie,  in  Kleinere 
Schriften  I,  218) 

2^11)  Die  Bulle  bei  Astruc  1.  c.  p,  41. 


3.    Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Montpellier.  343 

im  Grunde  auf  die  Verfügung  des  Bischofs  von  Sora,  ohne  ihn 
jedoch  zu  nennen,  zurück'^"). 

Im  J.  1240"')  entstand  unter  den  Doctoren  in  Bezug  auf 
die  Statuten  vom  J.  1220  eine  Entzweiung,  und  sie  bestellten 
'consentiente  Magalonensi  episcopo'  den  Rector  der  Kirche  Saint- 
Firmin,  Peter  de  Conchis,  und  den  Franciscaner  Hugo  Mancii 
als  Schiedsrichter;  was  diese  in  Bezug  auf  jene  Statuten  fest* 
setzten,  corrigierten ,  änderten  u.  s.  w.,  würden  sie  durchaus 
annehmen.  In  Folge  davon  entwarfen  die  beiden  Schiedsrichter 
neue  Bestimmungen  die  theils  als  Erklärung,  theils  als  Er- 
gänzung der  alten  Statuten  anzusehen  sind^^^).  Diese  Sta- 
tuten sind  um  so  interessanter,  als  sie  uns  die  Universitas  der 
Mediciner  vollständig  organisiert,  mit  den  verschiedenen  Gra- 
den, den  lectiones  ordinarie  und  cursorie,  den  Disputationen 
u.  s.  w.  zeigen.  Nicht  weniger  Interesse  bieten  sie  auch  dadurch, 
dass  sie  den  geistlichen  Charakter  der  Schule  darlegen. 

Wie  steht  es  nun  um  die  juristische  Schule  zu  Montpellier? 
Die  erste  Notiz  über  dieselbe  reicht  in  die  Zeit  des  Placentinus, 
der  Ende  des  12.  Jhs.  dort  zu  widerholten  Malen  lehrte*"), 
und  daselbst  auch  im  J.  1192  starb  *^^).  Als  einen  seiner  Nach- 
folger bezeichnete  man  Azo*^0»  w^s  jedoch  von  Sarti"*)  und 
Savigny***)  bestritten  wurde.    Beide  meinten,  es  sei  dies  eine 

^1^)  S.  Astruc  1.  c.  p.  35.  36.  und  Gennain  1.  c.  p.  91  Anm.  1. 

^13)  Am   14.  und  21.  Jänner  1239,  d.  i.  nach  unserer  Rechnung  1240. 

^^^)  Vollstftndig  abgedruckt  bei  Germain  1.  c.  p.  424  ff. 

^1*)  S.  Savigny,  Gesch.  des  Rom.  Rechts  IV,  251  f.  Die  eine  seiner 
Summen  trägt  schon  in  den  ältesten  Hss.  die  üeberschrift :  Incipiunt  summe 
institutionum  a  Placentino  composite  apud  Montempessulanum.  Hs.  aus  der 
ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  n.  82  im  Gapitelsarchiv  zu  Yich  in  Spanien.  Die 
andere,  zum  Codex,  hat  eine  ähnliche  üeberschrift  a.  a.  0.  und  im  Cod.  Paris. 
4539.  14612.  S.  auch  Savigoy  1.  c.  S.  270  f.  273.  Placentin  selbst  kommt 
auf  seinen  Aufenthalt  und  sein  Lehramt  zu  Montpellier  in  der  von  ihm  an- 
gefangenen und  yon  Pilius  fortgesetzten  Summa  trium  librorum  zu  sprechen. 
Cod.  Vat.  2313. 

^1^)  S.  Qermain  1.  c.  1,  LXXIII  Anm.  1.  und  l^tude  historique  sur 
l'ecole  de  droit  de  MontpeUier  (MontpeUier  1877)  p.  6. 

*!')  S.  darüber  Germain^  Histoire  etc.  III,  9.    ]ßtude  etc.  p.  8. 

^^^)  De  claris  Archigymn.  Bonon.  profess.  I,  93,  wo  sich  auch  der  Nach- 
weis findet,  wie  man  auf  die  Verwechslung  des  Placentin  mit  Azo  kam. 

w»)  V,  4  Anm.  6. 


344     U^-  Entwickelang  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14«  Jhs. 

Verwechslung  mit  Placentinus.  Schalte  glaubte  dagegen  aus 
einer  Hs.  den  sichern  Beweis  gegen  Savigny  erbracht  zu  haben, 
dass  Azo  wirklich  in  Montpellier  gelehrt  habe.  Abbas  antiquus 
sage  nämlich  in  seiner  Lectura  ad  Decretales  Gregorii"®):  Do- 
minus az.  (Azo)  aliquo  tempore  fuit  in  opinione  Ja.  bal(duini), 
postmodum  dum  regeret  in  provincia  contrarium  tenuit^'^). 
Allein  Schulte  ist  seiner  Ansicht  wie  immer  zu  gewiss.  Er  hat  nur 
die  jüngere  Hs.  I.  B.  4  des  Böhm.  Museums  in  Prag  für  sich. 
Dagegen  stehen  aber  elf  alte  Hss.,  die  Schulte  hiefQr  nicht  ein- 
gesehen hat,  in  denen  sich  nicht  ^az.\  sondern  'baz.'  oder  ^baci- 
anus'  findet,  d.  i.  also,  der  Legist  Johannes  Bassianus^^'),  eine 
Leseart,  die  auch  sonst  bestätigt  wird"').  Allerdings  ist  die 
Stelle  nicht  so  aufzufassen,  als  habe  Johann  Bassianus  die  An- 
sicht dem  Jacob  Balduini  entlehnt,  denn  dieser  lebte  später  als 
jener.  Sie  besagt  vielmehr,  dass  Johann  Bassianus,  ehe  er  in 
provincia  las,  dieselbe  Ansicht  vertrat  wie  nach  ihm  Jacob  Balduini. 


^20)  ZvL  c.  Baymuiua  (nicht  Raynaldas,  vie  Schulte  sagt)  16.  X  de  test 
et  ult.  Yolunt.  (3,  26). 

621)  Sitz.  Ber.  d.  kais.  Aead.  d.  Wiss.  phil.  hist.  Cl.  LXVIII,  91  Anm. 
Die  Gesch.  d.  Quellen  d.  can.  Rechts  11,  130  Anm.  1. 

6^)  In  I.  B.  3  des  Böhm.  Museums,  und  in  I.  15  des  Metropolitan- 
kapitels  zu  Prag  steht  *baz'  (Schulte  gibt  die  falsche  Signatur  I.  14  an).  Im 
Cod.  Burghes.  231  (13—14.  Jh.)  steht  ausgeschrieben:  dominus  Bacianns, 
im  Cod.  Tat.  2542  BI.  62  b,  Codd.  P.  IL  8  u.  9  zu  Bamberg :  dominus  baz.  Im  Cl. 
monac.  6349  BI.  149:  dominus  bazian.  (n.  6350  enthält  nicht,  wie  Schulte  irrthflm- 
lich  behauptet,  den  Abbas  antiquus,  sondern  wie  der  Catalog  richtig  angibt  Inno- 
cenz  lY.  Im  Cataloge  wurde  nur  durch  Versehen  das  Initium  des  Abbas  antiquus 
angegeben).  Diplovatacius  hatte  ebenfalls  dieselbe  Leseart,  wie  die  eben  er- 
wähnte, worauf  Schulte  selbst  I,  154  Anm.  1  hinweist,  was  er  aber  im 
2.  Bande  vergessen  zu  haben  scheint.  In  den  Codd.  Paris.  4011  (BI.  64*), 
4011b  (BL  73"^),  4010  (BI.  95*),  Cod.  61  BI.  170a  in  Admont  steht  durch- 
gehends  'dom.  Bacianus.'  Schulte  hat  sich  auch  in  Betreff  der  Hs.  zu  Leipzig 
n.  1024  getäuscht.  Kur  der  Beginn  des  Apparatus  ist  vom  Abbas  antiquus, 
die  Fortsetzung  (incomplet)  rflhrt  meist  von  Petrus  de  Sampsone  her. 

523J  Peter  Jacob  d'Aurilac,  Professor  des  röm.  Rechts  zu  Montpellier, 
nennt  1311  als  seine  predecessores:  Rotgerus,  Placentinus  et  Johannes 
(Paris,  Nationalbibl.  n.  2260  nouv.  acquis.  lat.  BI.  1).  Es  wäre  jedoch  mög- 
lich, dass  Peter  unter  predecessores  nicht  die  Vorgänger  im  Lehramte  zu 
Montpellier  (denn  dann  wäre  auch  Roger  dort  gewesen),  sondern  die  Vor- 
gänger in  Abfassung  von  Summen  gemeint  hat. 


3.    Hochschulen  mit  p&pstL  Stiftbriefeo.    Montpellier.  345 

Eines  ist  sicher,  dass  nämlich  nach  Placentin  noch  ein 
anderer  grosser  Bechtslehrer  zu  Montpellier  las,  denn  unter 
^proyincia'  ist  Montpellier  gemeint,  zu  der  damals  selbst  noch 
Beziers  gerechnet  wurde"*);  in  der  ganzen  Provincia  kann  aber 
nur  Montpellier  als  Bechtsstudium  in  Betracht  kommen  "**).  Wir 
hören  nun  nichts  mehr  über  die  Bechtsschule  bis  1230,  in 
welchem  Jahre  Ludwig  IX.  dem  Bischof  von  Maguelone  die 
Vollmacht  ertheilte,  den  Eid  der  Treue  und  des  Gehorsams  ^a 
licentiandis  et  doctorandis  in  facultate  canonica  seu  civili  in 
studio  ville  Montispessulani'  abzunehmen"*).  Dann  herrscht  wider 
langes  Schweigen  bis  zum  J.  1268.  König  Jacob  I.  von  Ara- 
gon gab  in  diesem  Jahre  dem  Bechtslehrer  G.  Seguerii"') 
licentiam  in  Montepessulano  iura  docendi  civilia.  Der  Bischof 
von  Maguelone  excommunicierte  letztern  sowie  jeden,  der  bei  ihm 
hören  würde,  worüber  sich  der  König  beim  Papste  Clemens  IV. 
beklagte  *^^).  Dieser  nahm  jedoch  am  31.  Mai  desselben  Jahres 
den  Bischof  in  Schutz  mit  der  Bemerkung,  a  longissimis  retro 
temporibus  habe  der  Bischof  in  andern  Facultäten  die  Licenz  ver- 
liehen ;  obgleich  er  es  nun  in  dieser  (nämlich  im  Givilrechte)  nicht 
zu  thun  gewohnt  wäre,  da  die  Licenz  nicht  verlangt  worden  sei, 
indem  sich  dazu  keine  Gelegenheit  geboten  hätte,  ^ubi  nee  studentium 
vel  docentium  numerus  exigebat\  so  müsse  doch  auch  hier  der  Usus 
der  andern  Facultäten  eingehalten  werden.  Er  selbst  habe  dem 
besondern  Auftrage  Urbans  IV.  gemäss  4n  aula  episcopi  doc- 
torum  et  scolarium  multitudine  convocata'  die  Licenz  ertheilt 
und    das   Buch    übergeben,    ^solita   solemnitate   conservata' ""). 

&'^)  Nach  Abbas  antiquus  war  auch  noch  ein  anderer  Rechtslehrer  in 
Montpellier  *per  trienniam'.    Zu  2,  2  c.  Dilecti.  Cod.  Tat.  2542  Bl.  34. 

&^)  So  sagt  Wilh.  Darantis,  der  in  der  Gegend  von  Beziers  gebürtig 
war:  Nos  autem  provinciales  etc.  Speculum  1.  4  tit.  de  feudis  n.  2. 

5")  S.  Eist,  de  Languedoc  ed.  Privat,  VIII,  927.  Vgl.  dazu  VI,  661. 
Baluze,  Vitae  paparum  Avenion.  (Parisiis  1693)  I,  976.  Call.  Christ.  VI,  764. 

^^)  In  einem  Schreiben  des  Erzbischofs  Gasbert  von  Arles  vom  12.  Oct. 
1339  wird  ein  Mag.  Celestinus  Sequerii  clericus  conjugatus  de  Montepessu- 
lano excommnniciert  (Arch.  Vat.  Instr.  misc.  an.  1339  n.  53),  der  wenngleich 
verschieden  vom  obigen,  doch  auf  dessen  Kamen  hinweist. 

&37)  Die  Geschichte  steht  confus  bei  Gariel  1.  c.  I,  397,  und  daraus 
bei  Savigny  III,  378. 

ft»)  Reg.  Vat.  an.  4.  (n.  35)  ep.  503  Bl.  91  b.  Reg.  Vat.  an.  4.  (n.  33)  ep  496 


346     ni.    Entwickelung  der  Hochschalen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

Dieser  6.  Seguerii  war  wohl  kein  anderer  als  der  Wilhelm 
Seguier,  den  der  genannte  Papst  einige  Zeit  später,  nämlich  am 
10.  Juli  desselben  Jahres,  erwähnt,  und  von  dem  ich  bereits  oben 
gesprochen  habe"').  Es  ergibt  sich  daraus,  dass  er  sich,  nach- 
dem er  vom  Bischöfe  von  Maguelone  excommuniciert  worden 
war,  an  den  hl.  Stuhl  gewandt  hat,  um  dort  die  Licenz  zu 
erhalten.  Als  ihn  der  König  anstellen  wollte,  war  er  mithin 
noch  nicht  Doctor,  wie  ihm  auch  Clemens  IV.  in  dem  zuerst 
angeführten  Schreiben  keinen  Titel  gibt  Nach  bestandener 
Prüfung,  bei  der  Berardus  de  Neapoli  mit  anderen  Rechts- 
lehrern Examinator  war,  empfahl  ihn  der  Papst  widerum  den 
Magistern  zu  Montpellier.  Da  es  sich  hier  immer  nur  um  einen 
Rechtslehrer  handelt,  kann  das  Rechtsstudium  zu  Montpellier 
kaum  in  Blüthe  gestanden  haben. 

Aus  dem  Empfehlungsschreiben  Clemens  IV.  vom  10.  Juli 
erfahren  wir  aber  die  interessante  Thatsache,  dass  der  Bischof 
und  die  Doctoren  das  Statut  gemacht  und  zur  Befolgung  des- 
selben sich  eidlich  verpflichtet  hatten,  ^quod  in  Montepessulano 
vel  ejus  suburbiis  nullus  presumat  ordinarie  regere,  nisi  alias 
ibidem  vel  Bononie  ordinarie  rexerit,  aut  inibi  coram  eodem 
episcopo  vel  illo,  cui  quoad  hoc  commiserit  idem  episcopus  vices 
suas,  per  doctores  Montispessulani  qui  voluerint  Interesse,  seu 
Bononie,  fuerit  examinatus  et  etiam  approbatus'.  Allein  diese 
Methode  hatte  doch  ihren  Haken.  Von  den  Doctoren  konnte 
kommen,  wer  wollte.  Was  nun,  wenn  keiner  beisitzen  wollte? 
Ein  Schreiben  des  Cardinallegaten  Johann  vom  20.  October  1285 
an  den  Bischof  von  Maguelone,  Berengar  de  Fredol,  half  diesem 
Uebelstand  ab;  der  Bischof  wurde  als  derjenige,  welcher  die 
Licenz  in  jure  canonico  et  civili  geben  soll,  bestellt,  nachdem 
die  Candidaten  der  Prüfung  der  von  ihm  berufenen  Doctoren  sich 
unterzogen  hätten  und  approbiert  worden  seien.  Die  also  Approbier- 
ten  dürften  'infra  legationis  terminum'  das  Lehramt  ausüben*'®). 

Bl.  78a  bietet  die  Variante:  nbi  nee  Studium  yel  docenünm  nnmerns  etc. 
Gedruckt  bei  Martene,  Thes.  nov.  anecd.  II,  603.  Bei  Germain  1.  c  p. 
II  Anm.  ist  die  Stelle  verderbt    Vgl.  auch  Gall.  Christ  VI,  773. 

^)  8.  oben  S.  305. 

^30)  Der  Text  abgedruckt  bei  Germain,  Hist  de  la  commune  etc.  III,  395. 


3.   Hochschulen  mit  p&pstL  Stiftbriefen.    Montpellier.  347 

Dieses  Schreiben  im  Vereine  mit  dem  Schreiben  Clemens  IV. 
an  König  Jacob  hebt  die  Schwierigkeit,  die  den  Forschern  hin- 
sichtlich des  Studiums  zu  Montpellier  erwachsen  ist.  Die  Schwierig- 
keit ist  nämlich  diese.  Die  medicinische  Schule  zu  Montpellier 
war  schon  seit  langem  organisiert.  Wie  nur  irgend  eine  Univer- 
sität genoss  sie  alle  Rechte  einer  solchen.  Hatte  sie  auch  keinen 
Stiftbrief  als  Studium  generale,  so  war  sie  es  darum  nicht 
weniger  per  consuetudinem  als  die  Schule  zu  Salerno.  Auch  das 
juristische  Studium  wurde  dort  betrieben,  und  man  ertheilte 
wenigstens  noch  1260  die  Grade  wie  an  andern  Hochschulen. 

Femer  besassen  die  Artisten  in  Montpellier  eine  Schule. 
Sie  erhielten  am  27.  März  1242  Statuten  vom  Bischöfe  von  Mague- 
lone,  aus  denen  hervorgeht,  dass  sie  zu  einer  'universitas  doc- 
torum  et  discipulorum  in  artibus  studentium'  constituiert  waren 
und  einen  Bector  besassen.  Es  wird  ihnen  geboten,  ^quod  incipientes 
incipiant  .  .  .  ut  consuetum  est  in  locis  ubi  est  Studium  generale'. 
Kurz  sie  waren  fast  ebenso  organisiert  wie  die  Mediciner"^). 

Es  scheint  doch  also  sicher,  dass  das  Studium  zu  Montpellier 
in  Bezug  auf  alle  Facultäten,  die  Theologie  ausgenommen,  ein 
Studium  generale  per  consuetudinem  war.  Eine  wichtige  Be- 
stätigung hiefür  erhalten  wir  in  einem  bisher  nicht  bekannten 
Schreiben  Alexanders  IV.  vom  8.  Februar  1256  an  den  Bischof 
Peter  von  Maguelone,  worin  ihm  der  Papst  die  Erlaubniss 
ertheilt,  die  Absolution  den  Scholaren,  welche  der  Censur  per  in- 
jectionem  manuum  verfallen  waren,  zu  geben,  was  um  so  öfter 
vorkomme,  da  nach  dem  Berichte  des  Biscliofes  'ad  Montem- 
pessulanum  Magalonen.  dioc.  causa  predicti  studii,  quod  ibi 
soUempniter  regitur,  ad  auriendas  sapientie  aquas  de  fontibus 
discipline  scolarium  copiosa  confluat  multitudo'*").  Der  Ausdruck 
Studium  solcmne  wurde  damals  noch  häufig  identisch  mit  Studium 
generale  genommen,  nur  ist  dort  der  directe  Gegenbegriflf  'das 
gewöhnliche  Studium',  mithin  das  Particular Studium,  hier  'das 
Particularstudium',  mithin  das  gewöhnliche  Studium.    Promiscue 

• 

631)  S.  den  Text  der  Statuten  bei  Gariel,  1.  c.  p.  356  f.  Germain  1.  c.  p. 
449 ff.  Es  beruht  auf  dem  gewöhnlichen  Missyeratftndniss,  wenn  Haeser  1.  c. 
I,  655.  'die  philosophische  Facnlt&t'  erst  1242  gegründet  werden  l&sst. 

M2)  Reg.  Vat  an.  2.  ep.  113  Bl.  141b. 


348    I^I^*   Cntwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

finden  sich  beide  Ausdrücke  angewendet  von  demselben  Papste 
und  in  den  Statuten  der  Generalcapitel  des  Dominicanerordens"*), 
Eine  Scheidung  der  Begriffe  von  Studium  solemne  und  Studium 
generale  nahm  man  in  der  2.  Hälfte  des  13.  Jhs.  zuerst  im  Do- 
minicanerorden vor,  so  dass  Studium  solemne  das  Hauptstu- 
dium einer  Provinz  bezeichnete  "*).  Aber  ausserhalb  des  Ordens 
hätte  eine  solche  Scheidung  keinen  Sinn  gehabt;  beide  Ausdrücke 
wurden  identificiert.  Zur  Zeit  Alexanders  IV.  sah  man  also  das 
Studium  zu  Montpellier  als  Oeneralstudium  an. 

Diese  Thatsache  ergibt  sich  auch  aus  einer  andern  Beob- 
achtung. Sowohl  die  Dominicaner  als  die  Franciscaner  und 
Cistercienser  hatten  in  jener  Zeit  die  Gewohnheit,  ihre  eigenen 
Generalstudien  soweit  thunlich  in  jene  Städte  zu  verlegen,  wo 
eine  Hochschule  bestand.  Nur  in  Deutschland  machten  sie  eine  Aus- 
nahme, weil  eben  dort  noch  keine  Hochschule  existierte.  So 
verlegten  die  Dominicaner  vom  J.  1248  an  ihre  Generalstudien 
nach  Köln,  Bologna,  Montpellier  und  Oxford.  Am  frühesten  von 
diesen  Generalstudien  bestanden  jene  zu  Köln,  Bologna  und  Mont- 


^33)  S.  oben  S.  3.  Alexander  IV.  gebrauchte  1255  in  einem  Schreiben 
an  den  König  von  Gastilien  in  Bezug  aaf  Salamanca  den  Ausdruck  Studium 
generale,  nachdem  er  vorher  vom  Studium  soUempne  et  celebre  gesprochen 
hatte.  Reg.  Vat.  an.  1.  ep.  692  Bl.  101b.  Im  J.  1246  sagt  das  zu  Paris 
gehaltene  Generalcapitel  der  Dominicaner:  (Inchoamus)  hanc  (constitutionem) 
ubi  dicitur:  tres  fratres  mittantur  parisius  ad  studendum,  addatur:  iinorvero 
provincie,  sc.  provincia,  lonbardia,  theotonia  et  anglia  provideant  semper  in 
aliquo  conventu  magis  ydoneo,  ubi  sit  generale  Studium  et  solenne.  Hs.  der 
Generalcapitel,  die  um  die  Mitte  des  13.  Jhs.  angefangen  wurde,  und  des- 
halb viel  älter  ist  als  die  allein  bekannte  Gollection  des  Bemard  Goidonis 
(Generalarchiv  des  Ordens).  S.  Martine,  Thes.  nov.  anecd.  IV,  1690. 
Auf  dem  Generalcapitel  zu  Paris  1261  vurde  bestimmt,  dass  die  Proyin- 
ciale,  in  quorum  provinciis  sunt  studia  soUempnia,  sive  in  Francia,  sive  alibi, 
de  consensu  lectoris  seu  lectorum  et  priorum  conventuaUum  die  nicht  Taug- 
lichen *ad  provincias  suas'  zuracksenden  könnten.  Ibid.  Nur  zu  den  Gene- 
ralstudien durften  aber  ausserhalb  der  rerschiedenen  Provinzen  Studenten 
geschickt  werden. 

^  So  im  J.  1259:  Provideatur,  qnod  lector  tenens  aliquod  soUempne 
Studium  habeat  bacellarium,  qui  legat  sub  eo.  S.  auch  Douais,  Essai  sur  Tor- 
ganisation  des  Stades  dans  l'ordre  des  fr^res  Pr^chenrs  (Toulouse— Paris  1884), 
p.  126  f. 


3.    Hochschulen  mit  p&pstl  Stiftbriefen.    Montpellier.  34g 

pellier.  Um  nur  bei  diesem  letzten  zu  bleiben,  so  bestimmte 
bereits  das  Provinzialcapitel  der  Provence  zu  Narbonne  im  J.  1250, 
die  verschiedenen  Gonvente  sollten  die  Unterstützung  an  Geld  um 
Weihnachten  nach  Montpellier  senden,  welcher  Beschluss  zwei  Jahre 
darauf  zu  Montpellier  bestätigt  wurde '^'^);  zu  Toulouse  wurde  1254 
der  Zahlungstermin  auf  Ostern  festgesetzt  "*•).  Die  Cistercienser  be- 
schlossen 1252  ebenfalls  in  Montpellier  ein  CoUeg  nach  dem 
Muster  jenes  von  Paris  zu  errichten*");  es  wurde  in  Valmagne 
(der  jetzigen  Vorstadt  Saint-Guillem)  gegründet,  und  Jacob  I.  von 
Aragon  beschenkte  es  7.  Juni  1263  reichlich*"),  Clemens  IV. 
aber  gewährte  31.  Juli  1265  den  Mönchen,  die  in  dem  genannten 
Hause  ^ubi  viget  Studium  scientie  litteralis'  dem  Studium  der 
Theologie  sich  widmeten,  alle  den  Tarisius  studio  facultatis  predicte 
insistentibus'  bewilligten  Privilegien*").  Diese  Umstände  zeugen 
um  so  mehr  dafür,  dass  das  öflfentliche  Studium  in  Montpellier 
als  Generalstudium  angesehen  wurde,  als  sowohl  die  Dominicaner 
wie  die  Cistercienser  ohne  dem  ihr  Generalstudium  für  jene 
Gegend  gewiss  nach  Toulouse  verlegt  hätten.  So  aber  gründeten 
die  Cistercienser  erst  1281  ein  solches  in  Toulouse*"),  ohne 
jenes  zu  Montpellier  aufzugeben,  und  die  Dominicaner  im 
J.  1304*").  Aus  der  Chronik  der  XXIV  Generale  des  Francis- 
canerordens  muss  man  schliessen,  dass  auch  dieser  Orden  zu  Mont- 
pellier in  der  2.  Hälfte  des   13.  Jhs.  ein  Studium   gehabt  hat. 


M*)  Cod.  T0I08.  D.  273  Bl.  285b.  287  a. 

6M)  Ibid.  Bl.  289  b. 

^37)  Siehe  den  Gapitelsbeschlass  bei  Martine,  Thes.  noy.  anecd.  lY,  1398. 

&S8j  Aigrefeuille  1.  c.  II,  400.  Germain,  Hist.  de  la  commune  etc. 
III,  413. 

w»)  Reg.  Vat.  an.  1  ep.  191  Bl.  48b. 

MO)  Gapitelsbeschlass  bei  Martine  1,  c.  p.  1478.  Im  J.  1280  wurde 
das  Studium  Generale  zu  Oxford  angefangen  (1.  c.  p.  1472).  In  Deutschland 
gründeten  sie  alsbald  nach  Stiftung  der  ersten  Hochschule,  n&mlich  jener  zu 
Prag,  ebendort  ihr  Generalstudinm  im  J.  1850  (LibeUus  nov.  definit.  dist. 
9  c.  7  bei  Paris,  Komasticon  cisterc.  p.  644).  Die  Dominicaner  errichteten 
in  demselben  Jahre,  als  Karl  I.  in  Rom  die  Hochschule  stiften  wollte,  ein 
Generalatudium  daselbst,  n&mlich  1265  (s.  oben  S.  308  Anm.  356),  rerlegten  es 
aber  1303  auf  Bitten  Karls  II.  nach  Neapel  (Acten  der  Generalcapitel). 

Ml)  Cod.  Tolos.  278  Bl.  390. 


350    ni.   Entwickelang  der  Hochschalen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhr. 

Es  lebten  dort  ein  Fr.  Bemardus  quondam  lector  Montispessu- 
lani*"),  ein  Fr.  Bolega  Doctor,  ein  Vitalis  de  Fumo***). 

Trotzdem  aber  folgte  am  26.  October  1289"*)  die  Bulle 
Nicolaus  IV.,  in  der  es  zwar  heisst,  dass  der  Ort  Montpellier 
'celebris  plurimum  et  famosus,  aptus  yalde  pro  studio'  sei, 
die  aber  dennoch  die  Bestimmung  enthält,  ^ut  in  dicto  loco 
Sit  deinceps  Studium  generale'"^).  Erst  jetzt  scheint  also  das 
Studium  zu  Montpellier  als  Generalstudium  errichtet  worden 
zu  sein. 

Dieser  Umstand  machte  den  frühern  und  spätem  Forsebern, 
von  denen  wir  allein  sprechen,  viel  Schwierigkeit.  Savigny,  der 
mit  den  eben  aufgezählten  Documenten  nicht  vertraut  war,  meinte 
anfänglich"*),  es  sei  nur  die  Absicht  Nicolaus  IV.  gewesen  die 
neuere  Anschauung,  nach  der  eigentlich  alle  hohe  Schulen  vom 
Papste  bestätigt  sein  sollten,  auch  hier  geltend  zu  machen,  und  sich 
gleichsam  im  Besitze  dieses  Rechts  zu  befestigen.  Wie  grundlos 
diese  auf  ganz  irriger  Voraussetzung  beruhende  Behauptung 
ist,  werden  wir  weiter  unten  sehen.  Savigny  selbst  sah  das 
Missliche  derselben  ein,  und  er  gelangte  später"')  zur  entgegen- 
gesetzten, dass  nämlich  erst  1289  eine  Juristenschule  mit  wirk- 
lichem Erfolg  errichtet,  und  5  Jahre  später  zum  ersten  Male 
das    Doctorat    ertheilt    worden   sei"').     Allerdings   sei   früher 


^3)  In  der  Yita  fr.  Rugerii  de  Provincia  der  Chronik  der  XXIY  Gene- 
rale (Cod.  53  Leopold.   Oadd.  der  Laurenz,  in  Florens.    Nicht  pa^niert). 

^  Beide  werden  in  der  genannten  Chronik  genannt.  Sie  lebten  noch 
zu  Anfang  des  14.  Jhs.  Yitalia  wurde  1307  wider  Provincial  ton  Aqnitanien, 
1312  Cardinal;  Bemard  starb  1306. 

^^)  Nicht  1298,  wie  Haeser  a.  a.  0.  schreibt,  wo  er  noch  zudem  behauptet, 
in  jenem  Jahre  sei  die  juristische  Facult&t  gegründet  worden,  was  ihm 
Stein,  Die  innere  Verwaltung  etc.  S.  242,  ohne  ihn  zu  nennen,  gläubig 
ebenso  nachschreibt,  wie  den  eben  Anm.  531  gerflgten  Irrthum. 

^^)  Reg.  Vat.  an.  2.  ep.  264.  Ediert  bei  Gariel  1.  a  p.  410.  Ger- 
main  1.  c.  p.  452.    Bei  AigrefeuiUe  II,  340  ist  sie  incomplet 

M6)  Gesch.  des  Hörn.  Rechts  III,  380. 

W7)  Ibid.  VII,  79  f. 

^)  Auf  Grund  des  Petit  Thalamus,  der  zum  J.  1293  sagt,  der  erste 
Doctor,  Guilhem  de  sant  Amans,  sei  damals  promoviert  worden.  Germain, 
£tude  historique  etc.  p.  9. 


S.    Hochschulen  mit  p&pstL  Stiftbriefen.    Montpellier.  351 

das  Recht  dort  gelehrt  worden,  allein  die  Erwartung,  es  werde 
sich  eine  bleibende  Schule  bilden,  sei  unerfüllt  geblieben^*'). 
Inwiefeme  diese  Ansicht  ungenau  ist  und  inwieferne  sie  das  Richtige 
trifft,  wird  sich  sogleich  ergeben.  Germain  ist  anderer  Meinung. 
Ihm  zufolge  war  die  Rechtsschule  zu  Montpellier  immer  blühend; 
sie  bestand  mit  den  Facultäten  der  Artisten  und  Mediciner,  und 
hatte  bereits  ihre  Statuten  als  die  Bulle  Nicolaus  IV.  erschien, 
die  nichts  anderes  bezweckte,  als  dass  die  Gesammtheit  der  Schulen 
zu  einer  Universität  erhoben  und  der  individuellen  Leitung  die 
allgemeine  substituiert  würde  "^).  Diese  Ansicht  stützt  sich  auf 
eine  irrige  Voraussetzung,  welche  ich  bereits  oben  widerlegt 
habe^^^);  sie  wird  vollends  unmöglich  gemacht  durch  folgende 
Darstellung  der  Verhältnisse. 

Wäre  die  Rechtsschule  in  Montpellier  auf  einer  Linie  mit 
der  Mediciner-  und  Artistenschule  (um  die  Mitte  des  13.  Jhs.) 
gestanden,  so  würde  die  Bulle  Nicolaus  IV.  wohl  kaum  erfolgt 
sein;  die  Schulen  zu  Montpellier  wären  allgemein  als  Studium 
generale  anerkannt  gewesen,  zudem  bereits  damals  ein  allge- 
meines Regime  dort  herrschte,  nämlich  das  des  Bischofes  vonMaguc- 
lone,  welcher  in  allen  Facultäten  die  Licenz  ertheilte.  Allein 
die  Rechtsschule  war  im  starken  Rückstande.  Man  machte  oft 
einen  Anlauf  sie  zu  heben,  wie  Savigny  zuletzt  richtig  gesehen  hat, 
aber  nicht  mit  viel  Glück.  Der  Beweise  hiefür  gibt  es  mehrere. 
Während  die  Mediciner  und  Artisten  schon  frühzeitig  ihre 
Statuten  hatten,  die  auf  einen  wohlgeordneten  Zustand  derselben, 
bei  den  Artisten  wenigstens  um  die  Mitte  des  Jhs.,  schliessen 
lassen,  entbehrten  die  Juristen  fast*")  bis  1339  derselben. 
König  Jacob  von  Aragon  gab  höchst  wahrscheinlich  deshalb  im 

M9)  Aaf  dasselbe  kommt  die  Ansicht  der  Ilist.  de  Languedoc  ed. 
PriTat,  VI,  909  hinaus. 

^  Bist,  de  la  commone  etc.  III,  2  f.  155  f.  £tude  historique  etc.  p. 
101  Theilweise  auch  Do  principe  d6mocratiqae  dans  les  anciennes  ^colei 
de  MontpeUier  (ISSl)  p.  12. 

»1)  8.  24. 

^  Ich  sage  fast',  weil  Benedict  XII.  am  7.  M&n  1889  auf  einige 
Statuten  hinweist,  die  nicht  lange  ror  den  eigentlichen  Statuten  dieses 
Jahres  vom  Bector  und  dem  CoUegiom  doctomm  gemacht  wurden.  Ger» 
nudn,  £tade  hist.  etc.  p.  76. 


352      ni.    EntWickelung  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

J.  1268  einem  Lehrer  des  Givilrechts  die  Licenz  in  Montpellier 
zu  lehren,  weil  schon  länger  keiner  mehr  dort  dociert  hatte. 
Das  Schreiben  des  Papstes  Clemens  IV.  bestätigt  überdies,  dass  die 
ganze  Juristenschule  sehr  schwach  besucht  wurde.  Er  habe,  meint 
er,  zur  Zeitürbans  IV.  (1261—1264)  'de  speciali  mandato'  dieses 
Papstes  dort  die  Licenz  ertheilt.  Wäre  die  Juristenschule  ebenso 
wie  die  zwei  andern,  besonders  wie  die  medicinische  organisiert 
gewesen,  so  hätte  es  keines  speciellen  Auftrages  von  Seite  des 
Papstes  bedurft.  Clemens  IV.  sagt  ferner,  in  Montpellier  habe 
überhaupt  kein  Grund  vorgelegen,  die  Licenz  im  Rechte  zu  er- 
bitten, ^bi  nee  studentium  vel  docentium  numerus  exigebat'. 
Das  ist  doch  klar  gesprochen.  Und  waren  gleichwohl  nachher 
einige  Rechtslehrer  dort,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  so 
brachten  sie  doch  ihre  Schule  weder  in  Flor,  noch  zu  all- 
gemeiner Anerkennung,  weshalb  auch  die  von  ihnen  Doctorierten 
nur  innerhalb  der  Legation  des  Cardinallegaten  ^  nicht  aber 
ubique  das  Lehramt  ausüben  durften.  Sie  standen  also  hierin 
weit  hinter  den  Medicinern  zurück. 

Im  J.  1289  war  der  Zustand  der  Schulen  zu  Montpellier 
ungefähr  dieser:  die  medicinische  Schule  blühte;  die  juristische 
unterlag  beständigem  Schwanken  und  befand  sich  wie  immer  in 
Gefahr  ganz  aufzuhören;  von  den  Artisten  kann  man  gar  nichts 
sagen,  well  wir  aus  dieser  Zeit  nichts  von  ihnen  hören"*). 

Wie  war  dem  abzuhelfen?  Dadurch,  dass  das  Studium  zu 
Montpellier  förmlich  das  Privileg  eines  Studiums  generale  erhielt 
und  zu  einem  solchen  officiell  erklärt  wurde.  Nicht  um  der 
medicinischen  Schule  willen,  sondern  zu  Gunsten  der  juristischen 
und  wahrscheinlich  auch  der  artistischen  erliess  Nicolaus  IV. 
seinen  Stiftbrief,  obgleich  nun  natürlich  auch  die  medicinische 
hinein  gezogen  werden  musste.  Der  Stiftbrief  bedeutet  nicht  so 
sehr  eine  Neugründung  als  eine  Erneuerung  und  öffentliche  An- 
erkennung des  Studiums  zu  Montpellier,  das  mit  Recht  in  der 
Mitte  des  13.  Jhs.,  wie  wir  sahen,  theil weise  als  Generalstudium 
angesehen   worden   war.    Einen  Beweis   hiefür   besitzen   wir  in 

^^3)  Anch  Germain  ist  ausser  Stand  in  seiner  Schrift  La  facnlt^  des 
arts  et  l'ancien  coUöge  de  Montpellier  (1882)  hierauf  bezflgliche  Notizen  bei* 
zubringen. 


3.   Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefeo.    Montpellier.  353 

dem  Umstände,  dass  das  Schreiben  Nicolaus  IV.  an  die  Doc- 
toren  und  Scholaren  gerichtet  ist,  was  bei  eigentlichen  Stift- 
briefen bis  1400  auch  nicht  Einmal  der  Fall  war.  An  diese 
wandte  sich  der  Papst  immer  erst  nachdem  er  mittels  einer 
vorausgehenden  Bulle  das  Generalstudium  bereits  gegründet 
hatte,  oder  wenn  er  es  als  gegründet  voraussetzte.  Toulouse  und 
Cambridge  bieten  manchen  Vergleichungspunkt  mit  Montpellier. 
Das  Schreiben  Gregors  IX.  vom  J.  1233  an  die  Universitas  ma- 
gistrorum  et  scolarium  zu  Toulouse  war  4ein  eigentlicher  Stift- 
brief des  Generalstudiums,  sondern  es  hatte  den  Zweck,  dasselbe 
zu  erneuern  und  zu  reorganisieren.  War  in  Toulouse  der  un- 
geordnete Zustand  aller  Facultäten  davon  die  Ursache,  so  in 
Montpellier  die  Verhältnisse  der  juristischen  Facultät.  Ein 
ähnlicher  Fall  liegt  auch,  wie  wir  alsbald  sehen  werden,  in 
Bezug  auf  Cambridge  vor,  dessen  Generalstudium  scheinbar  erst 
am  9.  Juni  1318  von  Johann  XXII.  errichtet  wurde,  während 
es  doch  als  solches  bereits  seit  der  1.  Hälfte  des  13.  Jhs.  exi- 
stiert hat,  aber  wie  die  beiden  oben  genannten  in  beständigem 
Schwanken  war. 

Wie  für  Toulouse  und  Cambridge  so  bedeutete  für  Montpellier 
die  päpstliche  Bulle  eine  grosse  Wohlthat.  Erst  jetzt  hören 
wir  von  eigentlichen  Promotionen  im  Rechte.  Am  28.  April 
1293  wurde  Wilhelm  de  Sant  Amans  zum  Doctor  promoviert*"). 
Und  bald  stand  die  juristische  Facultät  nicht  unansehnlich  neben 
der  medicinischen  da. 

Soll  nun  der  Act  Nicolaus  IV.  als  ein  Act  der  Einmischung 
in  fremdes  Recht  angesehen  werden?  Aber  wenn  sich  nicht 
der  Papst  der  Hochschule  annahm,  wer  sollte  sich  um  sie 
kümmern?  Eine  Einmischung  liegt  hier  ebenso  ferne,  wie 
in  dem  Factum,  dass  Johann  XXII.  am  13.  September  1317 
die  Abgesandten  der  Universität  dem  Könige  von  Frankreich 
empfahl"*),  oder  Benedict  XÜ.  am  20.  September  1336  dem 
Bischöfe  von  Maguelone  auftrug,  dem  ihm  von  der  Universitas 
scolarium  utriusque  juris  studii  generalis  in  Montepessulano  ge- 


^  GemudD,  Hist.  de  la  commane  etc.  III,  11  Anm. 
^^)  Reg.  Tat.  Beeret  an.  2.  ep.  370  BL  86  b. 

Denifle,  Die  UniToniUtan  I.  23 


354     ni.  Entwickelong  der  Hocbschnlen  bis  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

klagten  Unfug  abzuhelfen,  dass  die  Doctoren  den  zu  Promo- 
vierenden zum  grossen  Schaden  des  Studiums  ^centum  grossos 
Turonenses  argenti'  abverlangten"*^). 

Die  theologische  Facultät  wurde  in  Montpellier  erst  am  17.Dec. 
1421  durch  eine  Bulle  Martins  V.  offiziell  und  förmlich  er- 
richtet"^). Doch  längst  vorher  war  dort  Theologie  vorgetragen  und 
in  dersell  an  promoviert  worden.  Einen  der  Beweise  hiefür  bildet 
einmal  die  grosse  Bulle  Urbans  Y.  vom  22.  October  1364,  mit 
der  er  die  Stiftung  des  Collegs  de  S.  Ruf  für  6  Artisten,  8  Gano- 
nisten  und  4  Theologen  in  Montpellier  durch  den  Bischof  von 
Avignon  Anglicus,  den  Bruder  Urbans  V.  und  späteren  Cardinal, 
bestätigt"*).  Der  Papst  sagt,  dass  der  'splendor  theologie  ac 
iuris  canonici  facultatum  domini  domum  illuminat'  und  dass 
nach  dem  Berichte  des  Abtes  und  des  Conventes  der  regulierten 
Ghorherrn  von  Saint^Kuf  zu  Montpellier  'generale  etiam  in  pre- 
fatis  facultatibus  Studium  viget'.  Von  den  12  genannten  Gano- 
nikern  sollten  4n  studio  generali  Montispessulani  octo  in  iure 
can.  et  quatuor  in  sacra  theologia'  studieren.  Wie  im  Jus  can. 
so  dürften  sie  auch  in  der  Theologie  promoviert  werden.  Schon 
vorher,  nämlich  15.  Jänner  1351,  hatte  König  Johann  von 
Frankreich  der  theologischen  Facultät  ^ad  supplicationem  magi- 
strorum,  baccalariorum  et  scolarium  facultatis  theologiae  univer- 
sitatis  Montispessulani'  Privilegien  ertheilt"®).  Von  den  Studien 
der  verschiedenen  Orden  spreche  ich  natürlich  gar  nicht. 

Dass  das  medicinische  Studium  zu  Montpellier  auch  im 
14.  Jh.  seinen  alten  Ruhm  bewahrt  hat,  bedarf  keines  Beweises. 
Doch  ist  die  Bemerkung  nicht  überflüssig,  dass  es  zur  Zeit 
Urbans  V.  schwach  besucht  war,  was  sich  aus  der  Stiftungs- 
urkunde seines  GoUegs  für  12  Mediciner  ergibt.  Aber  auch  das 
juristische  hat  schöne  Blätter  im  Buche  seiner  Geschichte;  es  wurde 
im  14.  Jh.  nicht  bloss  von  Franzosen,  sondern  auch  von  Spaniern, 
Italienern   (darunter   Petrarca),   und    theilweise   von   Deutschen 


6W)  Reg.  Vat.  an.  2  part.  1  ep.  449. 
^^7)  Germain,  Eist,  de  la  commune  etc.  III,  416. 
^)  Reg.  Yat.  de  Curia  an.  1  Bl.  140  a. 

^^9)  Baluze,  Yitae  papanun  A Yenion.  II,  743.    S.  auch  Germam,  La 
facultd  de  Theologie  de  Montpemer  (1883)  p.  7.  Aigrefenille  II,  385. 


3.  Hochschalen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Montpellier.  355 

frequentiert.  Indess  war  die  Anzahl  der  Scholaren  zu  Zeiten  nicht 
gross.  Die  Universität  der  Juristen  selbst  deutete  dieses  in  dem 
1362  an  Urban  V.  eingesendeten  Rotulus  universitatis  studii  Montis- 
pessulani  an.  Sie  sagt,  'quod  adeo  dictum  Studium  est  lectoribus 
et  auditoribus  destitutum,  quod  in  eo,  ubi  consueverunt  mille 
studentes  residere,  vix  hodie  reperirentur  ducenti'"°).  Die  Uni- 
versität verlangt  nun  ad  septennium  die  Dispens  von  der  Residenz- 
pflicht, und  Beneficien  für  die  Einzelnen,  sowie  wegen  der 
äussersten  Armuth  Nachlass  der  Taxen"').  Die  Mediciner 
schickten  einen  separaten  Rotulus  universitatis  medicorum  Montis. 
pessulani  ein,  worin  sie  sich,  wie  jede  Universität  'vestra  devota 
fiiia  universitas  medicorum'  nennen*").  Die  Gewährung  der 
Bitten  erfolgte  für  diese  am  26.  November,  für  die  Juristen  am 
24.  November  1362. 

Germain  führt  die  zeitweilige  Abnahme  des  juristischen 
Studiums  zu  Montpellier  vorzüglich  auf  die  Gründung  des  Stu- 
diums zu  Perpignan  im  J.  1349  zurück*^*').  Allein,  wie  wir 
weiter  unten  sehen  werden,  gab  das  Studium  zu  Perpignan  die 
ersten  3  Decennien  kein  Lebenszeichen  von  sich  und  konnte 
also  jenem  zu  Montpellier  nicht  Eintrag  thun.  Viel  bedeutender 
ist  ein  anderer  von  Germain  angeführter  Grund,  nämlich  die 
Feindseligkeit  der  Gonsuln  von  Montpellier  gegen  die  Universität 
Doch  die  Universität  selbst  suchte,  wie  wir  soeben  zeigten,  wo 
anders  die  Ursache,  nämlich  in  ihrer  grossen  Armuth.  Später 
kam  das  Rechtsstudium  wider  mehr  zur  Blüthe,  wie  sich  auch 
aus  dem  vom  Gegenpapst  Clemens  VII.   im  J.  1378  gewährten 

6«0)  ürbani  V.  Reg.  Suppl.  an.  1  p.  1  Bl.  113  a. 

561)  «Et  quia  pater  beatissime  huiusmodi  privilegia  magnam  quantitatem 
pecunie  consaeyerunt  costare  et  propter  obtenta  similia  privilegia  a  Dom. 
Innocentio  yirga  bedeUi  generalis  et  alia  jocalia  dicte  vestre  universitatis 
adhac  sunt  pignori  obligata,  hamiliter  supplicat  dicta  universitas,  quatenus 
ipsis  .  .  .  partem  buUe  et  registri  S.  V.  contingentem  hac  vice  eis  remittere 
dignemini  g[ratiose,  cum  ipsa  universitas  sit  oppressa  mazima  paupertate. 
Die  Dispens  von  der  Besidenzpflicht  wurde  ad  triennium  gew&hrt. 

^^)  Ibid.  Bl.  186  a.    Es   werden   darin   1  Magister  in  Medicina,  1  Li- 

centiatus,  19  Baccalarei  und  6  Scholaren  aufgezählt.    Alle  waren  in  artibus 

graduiert.    Wegen  der  im  Rotulus  genannten  Scholaren  etc.  deutscher  Zunge 

B.  unten  unter  Köln  S.  392  f. 

^  Hist.  de  kl  commune  de  Montpellier  III,  50. 

23* 


356    ni.   Entwickelnng  der  Hochschulen  hia  soiii  Ende  des  14.  Jhs. 

Rotulus  stttdii  Montispessulani  ergibt"*).  Darin  werden  zwei  Doc- 
toren  in  legibus,  5  in  decretis,  11  Licentiati  in  legibus,  21  in 
decretis,  57  Baccalarei  in  legibus,  80  in  decretis  aufgezählt, 
von  denen  die  Meisten  als  actu  legentes  erscheinen.  Ausserdem 
finden  sich  etwas  über  200  Scholaren  erwähnt***). 

In  Montpellier  dachte  man  an  Collegien  für  arme  Scho- 
laren fast  aller  Disciplinen.  Für  Mediciner  aus  der  Diöcese 
Mende  stiftete  im  J.  1369  ürban  V.  ein  (Tolleg.  Es  ist  das 
älteste  für  Mediciner  in  Montpellier*").  Zur  Gründung 
bewog  den  Papst  die  Nothwendigkeit  der  medicinischen  Wissen- 
schaft und  der  Umstand,  dass  'pauci  de  presenti  studentes  exi- 
stunt'.  Er  errichtet  nun  'ad  angmentationem  huiusmodi  studentium 
et  profectum  .  . .  unum  perpetuum  coUegium  duodecim  scolarium 
in  predicta  facultate  medicine  studentium',  zu  welchem  Zwecke 
er  ein  Hospiz  ankaufte  und  dotierte.  Es  sollte  CoUegium  duo- 
decim medicorum  genannt  werden  **0-  Von  einem  Colleg  für 
Studierende  in  artibus,  jure  canonico  und  in  der  Theologie,  näm- 
lich dem  College  de  S.  Ruf,  haben  wir  bereits  gesprochen  **').  Inno- 

56*)  Reg.  Suppl.  an.  1  p.  7  Bl.  112  a— 144  b.  Der  Papst  befahl  3.  kl. 
April,  an.  2,  ^quod  Rotuli  studiorum  regni  Francie,  yid.  Tholosani,  Ande- 
gaven.,  Montispessulani,  Gaturcen.,  Avinionen.  datam  habeant,  videlicet  pro 
doctoribns  et  licentiatis  14.,  pro  baccalareis  et  magnis  nobilibns  ac  magistris 
in  artibus  12.,  et  pro  scolaribus  quibuscanque  8.  kl.  Decembris  an.  1.'  So 
ibid.  Bl.  144b.  Die  Decretisten  waren:  Poncius  0.  S.  A.  und  Salyator 
Guillerin,  0.  S.  6.  s.  Yict.  Massil,  Philippus  Sicardi  0.  S.  B.,  Guillelmns 
Botlini  0.  S.  A.,  Bemardus  Andree  0.  S.  B.  Massil.;  die  Legisten:  Gaill. 
Anthonii,  Philipp  de  Belloforti. 

^5)  Ein  Rotulus  medicorum  findet  sich  auch  z.  B.  Reg.  Suppl. 
Clem.  YII.  |an.  1  p.  8  Bl.  141.  245;  der  Juristen:  Reg.  Suppl.  Innoc.  VI. 
an.  1.  p.  1  Bl.  61b.  Die  üniversitas  Juristarum  wandte  sich  oft  an  den 
Papst,  so  in  Reg.  Suppl.  Clem.  VI.  an.  2  p.  3  Bl.  39a,  50b;  an.  5  p.  2  Bl. 
134a,  147a;  an.  6  p.  2  Bl.  134.  147;  an.  7  p.  1  Bl.  261,  286.  Ein  kleiner 
Rotulus  artistamm  auch  in  Reg.  Suppl.  Clem.  YII.  an.  1  p.  8  Bl.  145. 

^  S.  Astruc,  M^moires  etc.  p.  48.  79  ff.  Er  nennt  es  'nne  p^pini^re 
feconde  en  m^decins  c^läbres,  qui  ont  illustre  le  G6yaudan'  etc. 

^7)  Reg.  Vat  Avenion.  tom.  20  Bl.  497.  Andere  darauf  bezflgliche 
Schreiben  ididem  Bl.  497  b— 498.  Sie  sind  s&mmtlich  7  kaL  Oct.  an.  7  (1369) 
ausgestellt.  S.  auch  Reg.  Yat.  Greg.  XI.  Ind.  an.  2.  Bl.  36.  Das  Colleg 
hiess  auch  College  de  Mende,  Grand  College. 

M8)  S.  auch  Aigrefeuille  II,  398  f. 


3.  Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Avignon.  357 

cenz  VI."*!)  gestattete  am  7.  Februar  1353  Bernard  Tricardo,  Bischof 
von  Brescia,  ein  CoUeg  für  decem  pauperes  scolares  zu  gründen, 
welchen  gemäss  der  Verordnung  ürbans  V.  auf  Bitten  der  Consuln 
von  Montpellier  nach  Vollendung  der  niedern  Studien  noch  sechs 
Jahre  hindurch  canonisches  und  Givilrecht  zu  hören  gestattet 
war"°).  Es  hiess  College  de  Bresse"*).  Von  den  eigentlichen 
Orden scoUegien  kann  hier  natürlich  keine  Bede  sein.  Nur  aus- 
nahmsweise zog  ich  das  College  de  S.  Ruf,  das  für  die  Regular- 
canoniker  von  St.  Ruf  bestimmt  war,  herbei. 

Ayignon. 

Nicht  schlecht  reiht  sich  an  Montpellier  die  Hochschule  zu 
Avignon  an. 

Man  würde  sich  täuschen,  wollte  man  glauben,  durch  die 
Bulle  Bonifaz  VIII.  vom  1.  Juli  1303  sei  das  Studium  errichtet 
worden;  im  Gegentheile  hatte  dort  bereits  vorher  eine  universitas 
doctorum  et  scolarium  bestanden,  und  gerade  diese  Thatsache  hat 
in  neuerer  und  älterer  Zeit  den  französischen  Forschern  nicht 
geringe  Schwierigkeiten  bereitet  und  sie  zu  merkwürdigen 
Lösungsversuchen  verleitet. 

Die  Nachrichten  über  die  frühern  Schulen  sind  sehr  dürftig. 
Im  J.  1226  wurde  vom  Cardinallegaten  Roman,  demselben,  der 
in  Toulouse  thätig  war,  um  desgleichen  Zweckes  willen  wie  dort, 
nämlich  gegen  die  Haeresie  der  Albigenser,  angeordnet,  es  sollte 
in  Avignon  ein  Doctor  theologus,  qui  rerum  divinarum  scientiam 
publice  exponeret,  bezahlt,  und  12  arme  Schüler,  welche  Theologie 
zu  hören  hätten,  unterstützt  werden"^).  Ein  städtisches  Statut 
vom  J.  1243  bestimmte,  *quod  quilibet  possit  libere  in  hac 
civitate  regere  et  teuere  scolas  artis  grammatice'  *").  Von  einer 
Blüthe  der  Schulen  in  Avignon  kann  erst  Ende  des  13.  Jhs.  die  Rede 
sein.    Aus  einem  Schreiben  Karls  II.  von  Neapel,  welcher  zugleich 

M0)  Im  Reg.  Yat.  Urbani  V.  Ind.  an.  5  Bl.  10  b  steht  falsch  Innocentius 
quintns.  Das  Schreiben  des  Papstes  Innocenz  ist  ediert  von  AigrefeuiUe  II,  401. 

^70)  Reg.  Yat.  1.  c.     Das  Schreiben  ist  datiert  vom  11.  Februar  1367. 

^71)  S.  Fantoni  Gastrucci»  Istoria  deUa  cittä  d'AYignone  Venetia  1676, 
II,  99. 

^7')  Statuta  reipablicae  Ayenion.  unter  den  Mss.  Cambis^VeUeron  in 
der  Bibliothek  zu  Avignon,  Bl.  26. 


358    11^-   EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

Graf  von  Provence  war*"),  vom  21.  October  1302  erfahren  wir, 
die  'universitas  hominum  civitatis  Avenionis  coetusque  doctorum 
studii  venerabilis  ibidem'  hätten  ihn  gebeten,  er  möge  sein  Verbot 
auf  Interessen  Geld  zu  borgen,  in  Bezug  auf  Avignon  aufheben, 
da  beim  grossen  Geldmangel  vorzüglich  die  doctores  et  scholares 
exteri  et  remoti  ibi  studentes  in  grosser  Noth  wären.  Karl 
gewährte  dies  und  erlaubte,  dass  die  doctores  et  scholares  einen 
Kaufmann  wählen  dürften ,  bei  dem  sie  Geld  leihen  könnten, 
indem  er  als  Grund  den  Wunsch  angab,  dass  das  dortige 
Studium  immer  mehr  und  mehr  aufblühen  möchte"*). 

Einen  viel  klarern  Einblick  in  die  Verhältnisse  an  dem  Studium 
vor  Erscheinen  der  Bulle  Bonifaz  VIII.  erhalten  wir  durch  das  Pri- 
vileg, das  derselbe  Karl  II.  am  5.  Mai  1303  dem  genannten  Stu- 
dium ertheilte.  Er  wurde  dazu  veranlasst  durch  die  Bitten  der 
Commune  und  der  'universitas  doctorum  et  scolarium  studii 
meraorati',  die  unter  anderm  den  Mag.  Bernard  de  Vallebona 
decretorum  doctorem  an  ihn  sandten.  Der  Graf  bestimmte, 
'quod  in  lectura  utriusque  juris  ordinaria  baccalarii  cum  docto- 
ribus  in  ipso  studio  non  concurrant',  dass  also  die  Baccalaren 
die  lectiones  extraordinariae  lesen  sollten.  Die  Wohnungen 
müssten  von  drei,  'quorum  unus  per  universitatem  civitatis 
ipsius,  alius  per  universitatem  doctorum  et  scolarium  eorun- 
dem,  et  tertius  per  nostram  curiam  statuantur',  taxiert  werden. 
Er  nimmt  die  Scholares,  Stationarii  und  Scriptores  eorum 
gegenüber  den  Officialen  der  Curie  und  den  Bürgern  der  Stadt 
in  Schutz,  ladet  'ad  idem  Studium  exceptis  romane  ecclesie  et 


^73)  Seit  1290  gehörte  Avignon  den  Grafen  von  Provence. 

^7^)  Nos  ergo  qui  stadiam  ipsum  proficere  cupimns  et  provehi  succes- 
sivis  iugiter  incrementis  .  .  .  concedimus,  .  .  .  ut  mercator  nnas  quem  ipsi 
doctores  et  scholares  elegerint  in  predicta  civitate  sit  mutuans  .  .  .  Vestre 
itaque  fidelitati  precipimus  et  mandamus,  ut  predictam  nostre  concessionia 
gratiam  doctorihus  et  scholaribus  Avenionensis  studii  modo  predicto  servantes 
etc.  Das  ActenstQck  ediert  bei  Papon,  Hist  generale  de  Provence  III, 
Paris  1784  Preuves  p.  xhv  n.  30.  Da  Herrn  Bardinet,  Universitstis  Avenio- 
nensis  hist.  adumbratio  (Lemovicis  1880)  dieses  Docnment,  weil  Papons  YTerk, 
entgieng,  so  ist  seine  Darstellung  p.  7  irrig.  Ich  begreife  nicht,  warum 
Laval  den  Act  im  Cartulaire  de  Puniversit^  d'Avignon  (Avignon  1884)  nicht 
wider  abdrucken  lie^s. 


•  «i      I  •  • 


3.  Hochschulen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Avignon.  359 

nostris  hostibus  universos  scolares  et  singulos  de  partibus  quibus- 
cunque'  ein,  befreit  sie  von  allen  Abgaben  und  befiehlt,  dass 
der  Yicarius  Avenionensis  beim  Antritt  seines  Amtes  einen 
Eid  auf  die  Heilighaltung  der  Privilegien  leiste,  der  Subvicar 
aber  und  Abgeordnete  der  Stadt  sollen  in  die  Hände  des 
Vicars  beim  Beginne  des  Studiums  jedes  Jahr  'presentibus 
doctoribus  et  aliquibus  ex  scolaribus'  denselben  Schwur  ablegen 
und  versprechen,  die  Doctoren  und  Scholaren  in  nichts  zu  be- 
lästigen"*). Das  Studium  zu  Avignon  war  also  in  jener  Zeit 
vorzüglich  Rechtsschule,  die  organisiert  war  und  an  der  bereits 
eine  Universitas  doctorum  et  scholarium  bestand. 

Am  1.  Juli  1303  erschien  nun  die  oben  genannte  Bulle 
Bonifaz  YIII.,  in  welcher  er  nach  einer  langen  Einleitung  über  den 
Nutzen  der  Wissenschaft,  welche  dann  später  von  Clemens  V.  in 
Bezug  auf  Coimbra  benützt  wurde®"),  sagt:  concedimus  ut  in 
civitate  prefata  sit  et  habeatur  de  cetero  litterarum  Studium 
generale  ...  in  quavis  .licita  facultate,  und  dass  in  jure  canonico 
et  civili,  in  medicina  et  liberalibus  artibus  examiniert  und 
promoviert  werden  könnte"^).  Das  Promotionsrecht  habe  der 
Bischof  von  Avignon,  eventuell  der  Propst  des  Capitels. 

Castrucci,  der  das  zweite  oben  angeführte  Privileg  Karls  H. 
kannte,  schlug  eine  Correctur  der  Jahreszahl  vor,  und  setzte 
das  Privileg  in  das  Jahr  1304,  indem  es  ihm  unbegreiflich 
schien,  wie  es  der  Bulle  Bonifaz  hätte  vorangehen  können"*). 
Er  fand  neuestens  einen  Vertheidiger  in  Courtet"'),  welcher  be- 


^7^)  Zuerst  gedruckt  im  Bullarium  civit.  Avenionen.  Lagduni  1657  p. 
59  n.  52.  Nach  dem  Original  bei  Laval  1.  c.  p.  9  n.  2.  Es  ist  nicht  un- 
schwer herauszufinden,  dass  für  obiges  Privileg  die  Bestimmungen  Friedrichs  II. 
und  seiner  Nachfolger  für  Neapel  und  Philipp  Augusts  fOr  Paris  beeinflussend 
waren. 

5W)  Reg.  Vat.  an.  3.  ep.  384  Bl.  72b. 

&77)  Reg.  Yat.  an.  9.  ep.  138  Bl.  337  b.  Nach  dem  Original  bei  Laval 
L  c.  p.  3  n.  1.    S.  Bull.  Rom.  ed.  Taurin.  IV,  168. 

M8)  Istoriaetc  I,  32  f.  Vgl.  H,  121. 

^79)  De  Petat  ancien  de  Pinstruetion  publique  dans  Vaucluse  im  Bulle- 
tin historiqne  et  arch6ologique  de  Vaucluse.  Avignon  1879  p.  453  Anm.  1. 
In  Bezug  auf  das  frühere  Document  Karls  yerschweigt  er  die  Jahrzahl 
p.  453  f. 


^■^K^^'-  •-  -    - 


330   in.   EntwickeluDg  der  Hochschulen  his  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

hauptet,  das  19.  Jahr  der  Regierung  correspondiere  recht  gut  mit 
dem  J.  1304,  da  Karl  II.  im  J.  1285  die  Regierung  ange- 
treten habe.  Letzteres  ist  allerdings  richtig,  denn  Karl  I. 
starb  am  7.  Jänner  1285.  Allein  trotzdem  fällt  der  5.  Mai 
1303  in  das  19.  Regierungsjahr  Karls  II.,  der  jedoch  erst  im 
November  1288  aus  der  spanischen  Haft,  in  die  er  durch 
Peter  in.  von  Aragon  gekommen  war,  entlassen  und  am  29.  Mai 
1289  zum  Könige  von  Sicilien  gekrönt  wurde.  Zudem  ist  das 
Datum  5.  Mai  1303  dem  Originale  zufolge  sicher  ^^^).  Lava], 
der  gegen  Courtet  das  Jahr  1284  als  das  Jahr  des  Regierungs- 
antrittes Karls  IL  ansetzt,  schlägt  einen  andern  Weg  ein. 
Er  meint,  da  Bonifaz  VIII.  am  Weihnachtsabend  1294  zum 
Papste  erwählt  wurde,  so  sei  das  9.  Jahr  des  Pontificates,  in 
dem  Bonifaz  YIU.  die  Stiftungsbulle  ausgab,  das  Jahr  1302, 
weshalb  diese  immerhin  vor  den  Privilegienbriefen  Karls  11. 
erlassen  worden  sei'^"').  Aus  diesem  Grunde  nimmt  in  seinem 
Cartulaire  die  Bulle  den  ersten  Platz  vor  dem  Privileg  Karls  U. 
vom  5.  Mai  1303  ein.  Aber  es  genügt  die  Bemerkung,  dass 
Bonifaz  vom  Krönungstage  an  rechnete  und  das  9.  Jahr  des 
Pontificats  Bonifaz  VUL,  welches  am  23.  Jänner  1295,  dem  Krö- 
nungstage, begann,  das  Jahr  1303  ist^").  Bardinet  glaubte, 
das  Privileg  Karls  IL  vom  5.  Mai  1303  bedeute  den  Stiftbrief, 
Karl  sei  'primus  Academiae  parens',  von  Bonifaz  VIII.  habe  sie 
aber  den  Titel  der  Universität  erhalten"').  Doch  diese  Be- 
hauptung ist  ebenso  irrig  als  die  frühern.  Karls  Schreiben  ist 
kein  Stiftbrief,  sondern  es  beschenkt  die  schon  bestehende  Schule 
mit  Privilegien ;  Bonifaz  VIII.  erwähnt  aber  nicht  mit  einer  Silbe 
die  Universität,  während  aus  beiden  Schreiben  Karls,  besonders 
aus  dem  zweiten,  hervorgeht,  dass  sie  bereits  existierte.  Die 
einfache  Lösung  ist  diese:  Das  Studium  zu  Avignon  war  nicht 
wie  Orleans,'   Angers   und   andere  Generalstudien,    die  ex  con- 


^  Auch  Ludwig  XIY.  sah  die  ^ettres  patantes  du  cinquiesme  de  May 
mil  trois  cent  trois'  Karls  IL  im  J.  1650.    Docum.  58  bei  Laval  I,  285. 

^^)  L  c.  I,  4  Anm.,  10  Anm. 

^^)  S.  unten  unter  Fermo.  Es  empfiehlt  wenig  einen  Herausgeber  eines 
Gartulaires,  wenn  er  bei  so  einfachen  Dingen  sich  Blossen  gibt. 

583)   L.   C.    p.   Bf. 


3.   Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Avignon.  361 

suetudine  als  solche  bestanden,  als  Generalstudium  anerkannt; 
deshalb  erhob  es  der  Papst  officiell  zu  einem  solchen,  gab  ihm, 
weil  bis  dahin  einer  festen  Organisation  entbehrend,  neue  Be- 
stimmungen über  die  Promotionen,  und  theilte  der  Universität 
die  Privilegien  anderer  Hochschulen  mit.  Der  eigentliche  Gründer 
des  Generalstudiums  war  der  Papst. 

Die  Ausführung  Hess  nicht  lange  auf  sich  warten.  Noch  im 
J.  1303  verfasste  der  Bischof  Bertrand  ^de  consilio  et  assensu 
magistrorum  et  doctorum  iuris  canonici  et  civilis,  in  medicina 
et  in  artibus  in  eodem  studio  commorantium'  Statuten  und  Ver- 
ordnungen *").  Einigen  Eintrag  that  der  Hochschule  allerdings 
die  Verlegung  der  päpstlichen  Curie  von  ßom  nach  Avignon,  da 
das  Studium  an  der  Curie  sehr  besucht  war.  Doch  bestanden  beide 
Schulen  neben  einander  fort.  Im  J.  1343  erwähnt  Clemens  VI. 
das  Studium  Avinionense,  quod  tam  ex  privilegio  apostolico 
civitati  Avinionen.  dudum  indulto,  quam  ratione  romane  curie  in 
dicta  civitate  presentialiter  existentis  generale  regitur"*).  Zehn 
Jahre  darauf  sandte  die  'universitas  Avinionen.',  d.  i.  die  Stadt, 
einen  Kotulus  an  Innocenz  VI.  ab,  worin  sie  auch  für  einige 
Professoren  der  Hochschule  bat"®).  Stark  litt  die  Universität  in 
den  Pestjahren,  so  dass  sie  in  dem  1361  an  Innocenz  VI.  ge- 
richteten Rotulus  universitatis  Avinionensis  gestehen  musste,  dass 
die  universitas  morte  pestifera  doctorum,  licentiatorum,  bacalario- 
rum  et  scolarium  desolata  multitudine  lecturis  careat  universis  et 
nonnulli  de  reliquiis  ipsius  studii,  qui  per  acquisitionem  sancte 
canonice  scientie  multas  noctes  transiverint  insomnes,  guerrarum 
voragine  ...  et  paupertatis  onere  gravati  sibi  et  aliis  prodesse, 
libros  recuperare  nequeunt  vel  ad  gradus  sibi  debitos  promo- 
veri"^).  Später,  nämlich  Ende  des  Jahrhunderts,  war  jedoch  das 
Studium  eines  der  besuchtesten  in  ganz  Frankreich,  wie  sich 
aus  dem  1395  an  Benedict  XIH.  eingesendeten  Rotulus  ergibt. 
Im  Eingange  schreibt  die  Universität,  ^qui  in  eminentiori  loco  sunt 


^^)  Ms.  in  der  Bibliothek  Yon  Avignon,  Pikees  relatives  k  l'universit^. 
Objets  di?.  lY,  257  (Copie  aus  dem  vor.  Jh.). 
^&)  Reg,  Vat.  Avenion.  tom.  8  Bl  167  a. 
*8«)  Reg.  Suppl.  Innoc.  VI.  an.  1.  p.  1.  Bl.  101. 
M7)  Beg.  Suppl.  Innoc.  YL  an.  9.  p.  1.  Bl    154a. 


362     ni.  Entwickeluog  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

collocati  si  digni  reperiantur  maiori  ceteris  gaudere  debent  pre- 
rogativa  commoditatis  et  honoris.  Studium  namque  vestre  civi- 
tatis Avenionen.  dicitur  eminentius,  prout  ipsius  facta  atque 
gesta  non  solum  indigenis  sed  etiam  adveuis  ex  diversis  mundi 
partibus  ad  V.  S.  confluentibus  .  .  .  clare  demonstrant'.  Im  Ro- 
tulus  werden  10  legum  doctores,  4  doctores  decretorum  und  4 
utriusque  juris  erwähnt.  Ausserdem  erscheinen  53  licentiati 
sowohl  in  decretis  als  auch  und  zwar  meist  in  legibus,  359  baccalarei 
in  beiden  Rechten.  Speciell  werden  'Nobiles'  aufgefilhrt,  und 
zwar  40,  theils  Scholaren,  theils  Baccalarei  in  jure.  Von 
den  Rechtsschtilern  sind  466,  von  den  Artisten  127  genannt*"). 

Die  theologische  Facultät  wurde  von  Johann  XXIIL  am 
6.  September  1413  bewilligt"').  Urban  V.  und  Gregor  XI. 
gewährten  das  Privileg  der  Dispens  von  der  Residenzpflicht. 

Nicht  sehr  frühe  wurde  in  Avignon  das  erste  Colleg  für  arme 
Scholaren  ins  Leben  gerufen.  Das  erste  war  für  12  Cluniacenser 
bestimmt,  welche  Jus  canonicum  studieren  sollten.  Es  wurde 
vom  Abte  Jacob  de  Caussens  im  J.  1379  gestiftet  und  von 
Clemens  VII.  bestätigt '^•*^).  Wie  das  von  Innocenz  VI.  in 
Toulouse  gegründete  wurde  es  nach  dem  hl.  Martialis  benannt. 
Weit  mehr  Bedeutung  hatte  das  1425  von  Johann  de  Broniaco 
errichtete  weltliche  Collegium  Annessiacum  für  24  Studierende 
im  Jus  canonicum  und  civile. 

Cahors. 
Das  Generalstudium  zu  Gabors,  wo  im  13.  Jh.  eine  Gathe- 
dralschule  existierte,  errichtete  Johann  XXII.,  welcher  dort  geboren 
war,  auf  Bitten  der  Consuln  der  Stadt  4n  qualibet  licita  facul- 

^8)  Reg.  Suppl.  Benedict  XIII.  an.  1  p.  1.  Bl.  1.  S.  andere  Rotali 
in  Reg.  Suppl.  Clem.  YII.  an.  16  Bl.  194b;  Reg.  Suppl.  Bened.  XIII.  an.  l. 
p.  3  Bl.  156  b.  Die  Legisten  hiessen:  Raymundus  de  Boetenos,  Petrus  Poloni, 
Nicolaus  de  Cayellis,  der  Spanier  Alphons  GundisaWi,  der  wahrscheinlich  nicht 
las,  Johannes  de  Burgo,  Petrus  de  S.  Crnce,  Joh.  la  Plön,  Paulus  de  Sadone,  Paul 
de  Paniceriis,  Ferrarius  Galborti.  Die  Decretisten:  Franc.  Benyomis,  Symon 
Cotumbi,  Bertrand  Raphaelis,  Hugo  de  Genasio.  Die  Doctores  utriusque:  Goill 
Benedict!,  Jacob  de  Mansoguichardo,  Hugo  la  Costa,  Gervasius  Bargen. 

589)  Laval  1.  c.  I,  39  n.  12. 

^90)  Cambis-Velleron,  Annales  d'Avignon  II,  1 36.  Von  hier  bis  141  beschreibt 
er  alle  7  Collegien,  die  in  Avignon  gegründet  wurden.   S.  aach  Bardinet,  p.  74. 


3.   Hochschulen  mit  päpstl.  StiftbriefeD.    Gabors.  363 

täte'  am  7.  Juni  1332*''*)  mit  allen  Privilegien  von  Toulouse. 
Am  23.  Juli  desselben  Jahres  gibt  er  in  2  Schreiben,  von  denen 
eines  an  universi  doctores,  magistri  ac  scholares,  das  andere  an 
den  Abt  von  Mareillac  sur  C616,  den  Archidiacon  von  Mont- 
pezat  und  den  Scholasticus  der  Kirche  von  Gabors,  die  er 
zugleich  als  Gonservatoren  bestellt,  gerichtet  ist,  die  Dispens 
von  der  Residenzpflicht"*).  Einige  Monate  darauf,  den  24.  Oc- 
tober,  bestimmte  er  nach  dem  Muster  des  Kanzlersamtes  von 
Toulouse  den  Scholasticus  zum  Kanzler  der  Universität,  der  wie 
dort  diesen  Titel  tragen  sollte"^).  Am  4.  November  desselben 
Jahres  wendet  er  die  Magna  Gharta  der  Pariser  Universität, 
die  Bulle  Parens  scientiarum,  auf  Gabors  an*'^).  Auch 
befiehlt  er  dem  Gancellarius  und  der  universitas  doctorum, 
magistrorum,  licentiatorum ,  baccalariorum  et  scolarium  studii 
Tolosani,  sie  möchten  auf  Verlangen  der  Universität  Gabors 
dieser  eine  Gopie  ihrer  immunitates,  privilegia  et  libertates 
mittheilen*''*),  und  benachrichtigt  hiervon  den  oben  genannten 
Abt,  sowie  den  Archipresbyter  von  Montpezat  und  den  Official 
von  Gabors"').  Hatte  doch  der  Papst  schon  in  seinem  Stift- 
briefe den  Professoren  und  Schülern  alle  Privilegien  von  Tou- 
louse zuertheilt.  Fürstliche  Privilegien,  nicht  aber  fürstliche 
Stiftbriefe,  erhielt  die  Schule  erst  spät:  im  J.  1367  von  König 
Eduard  III.  von  England,  Herzog  von  Aquitanien,  der  die  Schüler 
von  den  Abgaben  befreite  und  ihnen  das  Privilegium  fori  verlieh  zu 

»W)  Reg.  Vat.  Comm.  an.  16.  part.  2  ep.  1166.  Bei  G.  de  la  Croix, 
Series  et  acta  episcoporum  Gadarcensium,  Gadurci  1617  p.  221.  Statuta 
Academiae  Gadarcensis.  Tolosae  (s.  a.)  p.  5.  Bull.  Rom.  ed.  Taur.  IV,  324. 
L'aniTersitö  de  Gahors  im  Bulletin  de  la  8oci6t6  des  ^tudes  du  Lot  (Gabors 
1875),  II,  141,  jedoch  hier  mit  dem  falschen  Datum  1331. 

6W)  Reg.  Vat  1.  c.  ep.  1167.     La  Croix  1.  c.   p.  222.  Bulletin  p.  144. 

693)  Reg.  Vat.  an.  17.  parte  1  ep.  1351.  La  Groix  1.  c.  p.  223.  Statuta 
1.  c.  p.  6.  Nur  ist  hier  wie  auch  im  Bulletin  p.  149  8  kal.  Nov.  statt  9.  kal. 
Nov.  angegeben. 

6«)  Reg.  Vat.  1.  c.  ep.  1547.  La  Groix  p.  226;  Statuta  p.  7,  Bulletin 
p.  149,  wider  mit  falscher  Datierung.  Es  soll  heisscn  2.  Non.  Nov.  Dass  die 
Bulle  Parens  scientiarum  zn  Grunde  liege,  ist  allen  entgangen.  Die  Promovierten 
(auch  in  theologia)  durften  ohne  Examen  flberall  ausser  in  Paris  lehren. 

5ö*)  Reg.  Vat.  1.  c.  ep.  1548. 

^^)  Reg.  Vat.  1.  c  ep.  1549.   Beide  Schreiben  waren  bisher  unbekannt. 


364    ^^I«    Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

den  andern  Privilegien,  welche  Fürsten  zu  gewähren  pflegten"'). 
Ihm  folgte  Herzog  Ludwig  im  Jänner  1369*'®),  der  zugleich  vier 
Doctoren  in  jure  canonico  et  civili  und  zwei  Magistris  in  artibus 
je  50  Lire  anwies,  ein  Act,  den  König  Karl  von  Frankreich 
am  19.  Juli  des  Jahres  1370  vidimierte"''). 

Aus  einem  Vergleiche  dieser  zuletzt  genannten  Documente 
mit  dem  nächst  zu  besprechenden,  sowie  aus  einer  Stelle  in  dem 
Stiftbriefe  des  Gollegs  de  Rodez  ergibt  sich,  dass  die  Hochschule 
im  Anfange  viel  besser  bestellt  war,  nach  vier  Decennien  aber  zu 
verfallen  begann,  obwohl  sie  bis  in  das  18.  Jh.  fortdauerte.  1343 
baten  Cancellarius  Rector  et  universitas  studii  Gaturcen.  Cle- 
mens VI.  für  Professoren  'in  eodem  insistentibus'  um  Beneficien, 
und  es  werden  nicht  weniger,  denn  4  legum  doctores,  2  juris 
utriusque  professores,  1  decretorum  doctor,  1  licentiatus  in 
legibus,  und  1  in  decretis,  1  magister  in  artibus  und  2  in 
grammatica,  im  Ganzen  also  12  erwähnt"®).  Man  ersieht  ferner 
daraus,  dass  die  Hauptstärke  im  Römischen  Recht  lag,  wenig- 
stens in  der  Rechtswissenschaft,  wie  zugleich  aus  den  kurzen  an 
Clemens  VIL  und  Benedict  XIII.  eingesendeten  Rotuli  erhellt"*). 
Uebrigens  wurde  in  Gabors  bereits  im  ersten  Jahrhundert  des 
Bestandes  der  Hochschule  auch  Theologie  gelehrt,  worauf  nicht 
bloss  die  oben  citierten  Bullen  Johanns  XXH.  schliessen  lassen, 
sondern  am  meisten  die  c.  1367  abgefassten  Universitätssta- 
tuten"'), in  denen  unter  anderen  von  den  theologi  die  Rede 
ist.    Dasselbe  gilt  von  den  Medicinern. 

M7)  Bei  La  Croix  1.  c.  p.  230.    Bulletin  p.  171. 

598)  Bulletin  p.  176. 

599)  Ordonnances  des  roys  de  France,  Y,  329.  La  Croix  1.  c.  p.  231. 
Bulletin  p.  168.    Ein  anderes  Schreiben  desselben  Karl  s.  ibid.  p.  180. 

^  Reg.  Suppl.  Clem.  VI.  an.  2.  p.  3  Bl  199a.  Die  Legisten  waren 
Foncius  de  Heremo,  Gualhardus  Alquerii,  Peter  Bugueto,  Peter  de  Bruns, 
aHe  aus  der  Diöc.  Gabors;  die  Doctores  utriusque:  Raymund  Bernardi  (aus 
Agen),  Peter Hugonis;  der  Decretist Peter  deVerduno,  beide  ausder  DiOc.Cahors. 

«Ol)  Reg.  Suppl.  Clem.  VIL  an.  1  p.  8  Bl.  161a;  an.  2  p.  4.  Bl.  67a. 
Reg.  Suppl.  Bened.  XIIL  an.  1.  p.  1  Bl.  195  a. 

^  In  den  oben  citierten  Statuta  aeademiae  Gadurcensis  p.  11,  und  im 
Bulletin  p.  156.  Den  Verfassern  (Baudel  und  Malinowski)  in  Cahors  des 
Aufsatzes  im  genannten  Bulletin  entgieng  g&nzlich  die  Schrift  Statuta  etc.  und 
sie  glaubten  a.  a.  0.  Anm.  1,  die  UniversUfttsstatuten  seien  nicht   gedruckt. 


3.   Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Gr^noble.  365 

Das  erste  CoUeg  in  Gabors  gründete  der  Canonicus  Raymond 
de  Päegry  mittels  Testamentes  vom  10.  August  1365  für  13 
arme  Scholaren,  von  denen  fünf  aus  Cahors  gebürtig  sein 
mussten.  Zum  Executor  seines  Willens  bestellte  er  seinen 
Bruder  Hugo  de  P6legry,  Archidiacon  von  P6rigueux,  der  später 
die  Einkünfte  des  CoUegs  aus  Eigenem  vermehrte.  König  Eduard 
von  England  bestätigte  9.  Februar  1367  die  Errichtung  des  Collegs 
P6Iegry"»),  was  auch  ürban  V.  21.  März  1367  that,  dem  Ar- 
naldus  Beraldi  zugleich  gewährend,  dass  er  dem  Colleg  gewisse 
Zehent- Abgaben  zukommen  lassen  dürfe  ^^^).  Das  GoUeg  de  Rodez 
wurde  am  16.  April  1371  vom  Erzbischofe  in  Neapel,  Bemard,  der 
in  Gabors  geboren  war,  für  eine  unbestimmte  Anzahl  von  ^pueri  ha- 
biles  ad  discendum  grammaticam  et  logicam  in  studio  Gaturcensf 
gestiftet,  und  zwar  um  dem  Studium  selbst  etwas  aufzuhelfen, 
'quod  propter  guerras  in  illis  partibus  vigentes  valde  est  atte- 
nuatum  et  quasi  annichilatum' ^^'^). 

Or^noble. 
Das  Generalstudium  zu  Gr6noble  errichtete  Benedict  XXL 
mit  einem  in  der  ersten  Hälfte  dem  Stiftbriefe  Bonifaz  VHI. 
für  Pamiei's  gleichlautenden  Schreiben  am  12.  Mai  1339***^). 
Die  Veranlassung  dazu  waren  hauptsächlich  die  Bitten  des  Delfins 
Humbert  H.  wie   sowohl  der  Papst   im  Stiftbriefe   und  in  den 

603)  La  Croix  p.  271.    Bulletin  p.  174. 

«W)  Reg.  Vat.  Avenion.  t.  16  Bl.  386.    La  Croix  p.  272.    BuUetin  p.  175 

606)  Bulletin  p.  182. 

606)  Reg.  Tat.  an.  5.  ep.  420  Bl.  219  a.  Es  ist  datiert  4.  Id.  Mali.  So- 
wohl Yalbonnais,  Bist,  de  Dauphin^  et  des  princes  qui  ont  port6  le  nom  de 
Dauphins  II,  411  als  Berriat  -  Saint- Prix,  Hist.  de  l'ancienne  aniYersit^  de 
Gr^noble  2.  6d.  Yalence  1839,  p.  6  kannten  den  Stiftbrief  nicht,  und  man 
begnfigte  sich  mit  der  Behauptung,  die  Universit&t  sei  vom  Papste  vor  1339 
gegründet  worden.  Schulte  sah  die  im  Bull.  Rom.  lY,  460  publicierte  Bulle 
Yom  30.  Sept.  1339  als  den  Stiftbrief  an  und  behauptet,  der  Papst  habe  drei 
Facult&ten  'wie  in  Yienne'  genehmigt  (Arch.  f.  kath.  Kirchenr.  XIX,  18), 
wovon  natflrlich  weder  in  dieser  noch  in  einer  andern  Bulle  etwas  vorkommt, 
und  dem  ein  ähnliches  Missverst&ndniss  au  Grunde  liegt,  wie  der  S.  22  aus- 
gesprochenen Behauptung,  Löwen  habe  unter  andern  die  Privilegien  von 
Passau  und  Merseburg  erhalten.  Bonnardidre  gab  endlich  1874  den  Stift- 
brief lückenhaft  nach  einem  Yidimns  vom  J.  1345  heraus  in  der  Revue 
catholiqne  des  institutions  et  da  droit  III,  387  ff.,  mit  dem  irrigen  Datum 
3.  Id.  Mali. 


366    ro.  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

beiden  andern  Schreiben,  als  auch  Hnmbert  selbst  in  einer  Urkunde 
Yom  25.  Juli  desselben  Jahres,  womit  er  das  neue  Studium 
privilegiert,  aussprechen*®').  Der  Papst  gewährte  ein  General- 
studium in  jure  canonico  et  civili  et  in  medicina  et  artibus. 
Am  27.  Mai  des  nämlichen  Jahres  dispensierte  er  in  einem  an 
die  Magistri  und  Scholares  studii  Gratianopolitani  gerichteten 
Schreiben  dieselben  von  der  Residenzpflicht,  was  er  auch  den 
Erzbischöfen  von  Ebredun  und  Vienne,  sowie  dem  Bischöfe  von 
Valence  anzeigte***).  Am  30.  September  ordnete  er  die  Pro- 
motionen***); der  Bischof  von  Gr^noble  sollte  sie  leiten  und  die 
licentia  docendi  ertheilen. 

Das  Studium  gelangte  nicht  zur  BlQthe,  und  Hess  Oberhaupt  im 
14.  und  15.  Jh.  wenig  Spuren  zurück.  Anfangs  lag  die  Schuld 
daran  wohl  theils  in  den  Zeitumständen,  nämlich  in  der  ver- 
wickelten Stellung  des  Delfinats  zum  Kaiser,  besonders  aber  zu 
Frankreich*'*),  theils  darin,  dass  Humbert  wegen  seiner  grossen 
bereits  von  früher  ererbten  Schulden*")  nicht  in  der  Lage  war, 
den  Professoren  entsprechende  Besoldungen  anzuweisen.  Jedoch 
kam  der  Plan  immerhin  zur  Ausführung  und  Humbert  selbst  bemühte 
sich,  das  Studium  in  Stand  zu  halten.  Am  13.  Mai  1340  bestätigte 
er  neuerdings  die  Privilegien  und  übertrug  dem  rector  studii  die 
Ueberwachung  derselben  *'').  Am  2.  October  berief  er  Hugo  de 
Galbert  als  Professor  der  Decretalen*").  Im  J.  1343  verwen- 
dete sich  die  ^universitas  studii  generalis  Gratianopolitani'  bei 
Clemens  VI.  für  Laurentius  Coticoti  clericus  Gratianop.  dioc.  in 
artibus  magistratus*'*).  Es  bezeugt  diese  Notiz  doch  jedesfalls, 
dass  man  an  dem  Studium  auch  promoviert  hat.    Im  J.  1345  am 

^7)  Bei  Yalbonnais  1.  c.  p.  412.  Der  Delfin  meint,  der  Papst  habe 
'sab  indultis  et  privilegiis  papalibas'  bewilligt,  dass  in  Gr^noble  ^erpetao 
generalia  stndia  in  utriusque  juris,  medicine  et  artitim  facultatibas*  bestfinden. 

öo»)  Reg.  Vat.  an.  5  ep.  651  Bl.  295  a. 

«0»)  Reg  Vat.  an.  5  ep.  786  Bl.  343b.    Bull.  Rom.  ed.  Taur.  IV,  460. 

^^^)  S.  darfiber  Winkelmann,  Die  Beziehungen  Kaiser  Karls  IV.  zum 
Königreich  Arelat.  Strassburg  1882,  S.  7  ff. 

<^^i)  S.  Guiffrey,  Bist,  de  la  r^union  du  Dauphin^  k  la  France  (Paris 
1868)  p.  24  ff. 

«1«)  Bei  Valbonnais  1.  c.  p.  411. 

«")  Ibid.  p.  424. 

«!*)  Reg.  Suppl.  an.  2  p.  3  Bl.  28b. 


3.   Hochschulen  mit  pftpstl.  Stiftbriefen.    Cambridge.  367 

27.  März  ernannte  Humbert  Jacob  Ruffo  zum  Professor  des 
römischen  oder  canonischen  Rechts,  je  nach  Gutdünken  des 
Rectors"*). 

Obwohl  von  nun  an  bestimmtere  Nachrichten  fehlen,  so  ist 
es  doch  sicher,  dass  die  Schule  nicht  ganz  verfiel'^®).  Aber 
ebenso  gewiss  ist  es,  dass  sie  Anfangs  des  16.  Jhs.  als  Hochschule 
nicht  mehr  existierte,  bis  sie  im  J.  1542  auf  Bitten  des  Stadtrathes 
von  Fran^ois  de  Bourbon  reorganisiert  und  ihren  alten  Privilegien 
bestätigt  wurde**').  Wenige  Jahre  darauf,  nämlich  1565,  wurde 
sie  mit  jener  von  Yalence  vereinigt. 

Cambridge. 

Von  England  gehört  Cambridge  in  diesen  Zusammenhang, 
obwohl  diese  Thatsache  den  Meisten  auffallen  mag. 

Die  Fabel  von  dem  hohen  Alter  genannter  Universität  scheint 
erst  volle  Wurzeln  geschlagen  zu  haben,  als  ein  Festredner  in 
Gegenwart  der  Königin  Elisabeth,  die  1564  dort  auf  Besuch 
war  und  selbst  coram  universo  academiae  coetu  eine  Rede  hielt, 
das  höhere  Alter  der  Schule  zu  Cambridge  vor  jenem  der  Uni- 
versität Oxford  verfocht,  worauf  zwei  Jahre  später  dieselbe  Kö- 
nigin bei  ihrer  Anwesenheit  in  Oxford  das  bei  weitem  höhere 
Alter  der  Oxforder  Hochschule  preisen  hörte.  Die  Folge  war 
ein  zwischen  beiden  Schulen  mehrere  Decennien  währender 
Ahnenstreit. 

Sind  nun  aber  gleichwohl  alle  Privilegien  König  Arthurs 
(531),  Papst  Honorius  des  L  (625),  König  Cadwalladers  (681), 
u.  s.  w.  Fictionen,  so  ist  doch  das  Alter  von  Cambridges  Universität 
im  Vergleich  zu  den  meisten  andern  Hochschulen  ein  bedeutendes 
zu  nennen ,  wiewohl  es  hinter  jenem  von  Bologna ,  Paris  und 
Oxford  zurücksteht.  Die  Schule  reicht  kaum  in  das  12.  Jh. 
zurück,  wie  zwar  Lappenberg,  FuUer-Wright  und  (in  BetreflF  des 
Zusammenhanges  der  Schule  des  12.  Jhs.  mit  der  Universität 
etwas  reserviert)  Huber,  gestützt  auf  die  Fortsetzung  der  Ingulf- 


«15)  Bei  Yalbonnais  U,  505. 

0^«)  S.  Chorier,  Histoire  g^n^rale  du  Dauphin^  II,  453  f.   Berriat-Saint- 
Prix  1.  c.  p.  10. 

617)  Berriat-Saint-Prix  1.  c.    Bonnardiöre  1.  c. 


368    Ilf-  EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

sehen  Hist.  Groyland.  behaupten.  In  derselben  wird  nämlich  be- 
richtet, die  Mönche,  welche  Abt  Goisfred  von  Groyland  in  Gotten- 
ham  bei  Gambridge  angesiedelt,  hätten  in  dem  zuletztgenannten 
Orte  eine  Schule  'ad  formam  Aurelianensis  studii'  und  zwar  für 
alle  damals  entwickelten  Zweige  scholastischer  Bildung  gegrün- 
det. Neben  Aristoteles  sollen  auch  des  Averroes  Isagoge  und 
Gommenta  gelehrt  worden  sein.  Da  ich  auf  diesen  Anachronis- 
mus bereits  oben^^")  aufmerksam  gemacht  habe,  brauche  ich  mich 
nicht  länger  bei  demselben  aufzuhalten. 

Die  erste  sichere  Nachricht  über  Gambridges  Schule  reicht 
in  das  Jahr  1209  zurück.  Damals  zogen  viele  von  den  3000 
Scholaren ,  die  Oxford  verliessen ,  auch  nach  Gambridge*"). 
Wahrscheinlich  kam  die  Schule  erst  jetzt  in  Aufnahme.  Die 
ersten  Urkunden  sind  aus  dem  Jahre  1231,  dem  15.  Re- 
gierungsjahre Heinrichs  III.  Denn  alles,  was  Füller ••*)  aus 
früherer  Zeit  anführt,  ist  aus  höchst  unlautern  Quellen  geschöpft 
oder  mit  den  Haaren  herbeigezogen.  Mit  dem  Jahre  1231  be- 
ginnt aber  ein  förmliches  Register  von  meist  königlichen  Schreiben 
zu  Gunsten  der  Universität  Gambridge*'*).    Aus  den  vier  Docu- 

<^i8)  s.  oben  S.  7  Anm.  37.  Ffir  die  Stelle  war  wohl  der  Bericht  Or- 
derichs Vitalis  die  Grundlage  (s.  a.  a.  0.),  welcher  jedoch  Gambridge  nicht 
erwilhnt,  noch  weniger  aber  von  dort  gegründeten  Schulen  spricht. 

«1»)  S.  oben  S.  242. 

^  The  history  of  the  university  of  Gambridge  ed.  Wright.  Gam- 
bridge 1840. 

^^)  Bei  Dyer,  The  Privileges  of  the  university  of  Gambridge.  I.  Lon- 
don 1824,  p.  5—53.  Nur  wenige  Acte  bringt  er  von  p.  62  an  in  extenso.  Die 
Documents  relating  to  the  university  and  coUeges  of  Gambridge,  London  1852 
I,  1  —  62  enthalten  nichts  in  extenso  sondern  lediglich  ein  Register,  das  zwar 
den  Inhalt  genauer  angibt,  allein  unvollständiger  als  bei  Dyer  ist.  Beide 
Begister  beginnen  mit  dem  J.  1229,  d.  h.  mit  dem  Edikt,  in  welchem  Heinrich  III. 
die  Scholaren  von  Paris  einlud  nach  England  zu  kommen,  welcher  Umstand 
an  sich  mit  Gambridge  ebenso  wenig  als  mit  Oxford  etwas  zu  thun  hat  Neben 
diesen  beiden  Werken  gebraucht  man  Füller  wegen  der  dort  vielfach  in  ex- 
tenso gebrachten  Docnmente,  und  Gooper,  Annais  of  Gambridge  (1842),  mit 
Nutzen.  Völlig  enttäuscht  wird  man  durch  MuUinger,  The  university  of  Gambridge 
from  the  earliest  times  to  the  royal  ii^junctions  of  1635  (Gambridge  1873), 
denn  mehr  als  die  H&lfte  des  Werkes  ist  nicht  ad  rem  und  unkritisch  be- 
arbeitet; Aber  die  Entwickelung  der  Hochschule  erfährt  man  weniger  als  bei 
Füller.  Nur  populäre  Zwecke  verfolgt  Aogoata  Dräne,  Ghristian  schools  and 
Bcholars  (London  1881). 


3.    Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Cambridge.  369 

menten  Heinrichs  ni.  aus  diesem  Jahre,  alle  vom  3.  Mai,  ergibt 
sich,  dass  Cambridge  einerseits  bereits  eine  Universitas  mit 
einem  Cancellarius  besass,  anderseits  aber  noch  in  ziemlicher 
Unordnung  sich  befand.  Der  König  freut  sich  in  dem  einen, 
dass  nach  Cambridge  'studendi  causa  e  diversis  partibus  tam  cis- 
marinis  quam  transmarinis  scolarium  confluit  multitudo*,  woraus 
man  indirect  schliessen  kann,  dass  Cambridge  durch  die  Pariser 
Auswanderung  vom  J.  1229  einen  Zuwachs  erhalten  hatte*"). 
Der  König  nimmt  die  Scholaren  gegen  Bedrückungen  von  Seite 
der  Bürger  in  Schutz,  und  befiehlt,  dass  die  Wohnungen  'secun- 
dum  consuetudinem  universitatis'  durch  zwei  Magister  und  zwei 
Bürger  taxiert  würden"^).  In  drei  andern  Schreiben  beklagt  er 
sich  theils  über  die  Scholaren,  'qui  sub  nullius  magistri  scolarum 
sunt  disciplina  et  tuitione',  theils  über  die  Insolenz  mancher  an- 
derer Schüler,  die  sich  vom  Kanzler  und  den  magistri  scolarum 
nicht  bestrafen  Hessen.  Er  verlangt  die  Verbannung  oder  Ein- 
kerkerung derselben  'juxta  discretionem  Cancellarii  et  magistro- 
rum'"*). 

Da  Cambridge  mit  einer  Universität  und  einem  Kanzler  wie 
mit  einem  Schlage  dazustehen  scheint,  während  doch  zu  gleicher 
Zeit  die  Verhältnisse  derselben  so  wenig  geordnet  sich  darbieten, 
so  könnte  den  Leser  mit  Recht  Misstrauen  in  die  Äechtheit 
dieser  Documente  beschleichen.  Allein  zwei  Schreiben  Gregors  IX. 
vom  14  und  15.  Juni  1233,  die  sich  in  den  Vatic.  Regesten 
finden"*),   benehmen  jeden  Zweifel  und  machen  es  für  immer 


«2«)  S.  oben  S.  246  f. 

^)  Shirley,  Koyal  and  other  historical  letters  illustrative  of  the  reign 
of  Henry  IIL  London  1866.  I,  398  n.  326.  FuUer  1.  c.  p.  23  f.  Auch  bei 
Dyer  registriert,  fehlt  aber  in  den  Documents.  Dyer  bringt  p.  63  die  Charta 
desselben  Königs  vom  7.  Febr.  1266,  worin  er  sein  eben  citiertes  Schreiben 
bestätigt. 

6*4)  FuUer  1.  c.  p.  22.  Dyer  und  Documents  1.  c.  Shirley  hat  1.  c.  I, 
396  n.  324  und  325  zwei  publiciert;  das  erste,  worin  der  König  wider  sagt 
dass  in  Cambridge  'convenit  multitudo  studentium',  fehlt  bei  FuUer,  das  an- 
dere bringt  auch  er  in  extenso.  Bei  Dyer  und  in  den  Documents  sind  sie 
jedoch  s&mmtlich  registriert.    Vgl.  dazu  Cooper  I,  42. 

625 j  jj^jxT  das  unwichtigere  Schreiben  vom  15.  Juni  an  den  Bischof  war 
bekannt,  wenngleich  noch  nicht  für  die  Geschichte  benutzt.    Shirley,  Boyal 

Denifle«  Die  Unirersitlten  L  24 


370     ni.  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

sicher,  dass  Cambridge  schon  damals  eine  Universität  mit  einem 
Kanzler,  dem  Gerichtsbarkeit  zukam,  besass,  wiewohl  die  Organi- 
sation selbst  noch  nicht  weit  vorgeschritten  war.  In  dem  an  den 
Bischof  von  Ely  am  15.  Juni  gerichteten  Schreiben  handelt  es 
sich  um  die  Absolution  der  Scholaren  wegen  der  injectio  manu- 
um*'*).  In  der  andern  weit  wichtigern  an  den  Cancellarius  et 
universitas  scolarium  am  14.  Juni  adressierten  Bulle  tritt  der 
Papst  gegen  die  Scholaren,  die  mehr  auf  Streit  als  auf  das  Stu- 
dium sinnen  und  die  Studierenden  unter  nichtigen  Vorwänden  vor 
auswärtige,  ferne  liegende  Richter  ziehen,  auf**').   Beide  Schreiben 

and  other  historical  letters  of  Henry  III.  I,  552.  Luard»  On  the  relations 
between  England  and  Rome.    Cambridge  1877,  p.  61. 

^  Reg.  Tat.  an.  7.  ep.  174.  Bl.  52  b.  Episcopo  Ellen.  Cum  tanqnam 
lucerna  super  candelabrum  in  ecclesia  dei  viri  luceant  litterati,  per  qnorum 
doctrinam  in  semitam  iustitie  fideles  populi  diriguntur,  merito  proYidere  yo- 
lumus  et  debemus,  ut  illi  qui  scientie  litterarum  insistunt,  impedimenti  causa 
si  qua  videtur  inesse  submota,  studendi  propositum  libere  prosequantur. 
Eapropter  dil.  filiorum  . .  CanceUarii  et  scolarium  Cantebrig.  studentiam  de* 
YOtis  supplicationibus  inclinati .  .  .  concedimus,  ut  eisdem  scolaribus  pro  levi 
iniectione  manuum  in  seipsos  vel  alios  clericos  incidentibus  in  canonem  sen- 
tentie  promulgate,  ne  veniendo  pro  absolutione  ad  sedem  apostolicam  Studium 
intermittere  conpellantur,  possis  juxta  formam  ecclesie  in  talibus  consuetam 
absolutionis  beneficium  impertiri.  Presentibus  post  triennium  minime  yali- 
turis.  17  kal.  Julii. 

^  Reg.  Yat.  an.  7.  ep.  175  1.  c:  Gancellario  et  uniyersitati  scolarium 
Cantebrig.  Ellen,  dioc.  Quo  major  ecclesie  dei  fructus  ex  viris  provenit  litte- 
ratis,  eo  amplius  convenit  providere,  ne  litterali  scientie  insudantes  malitiosia 
inquietentur  molestiis,  unde  Studium  postponere  conpellantur.  Yestra  nobis 
Baue  devotio  intimavit,  quod  nonnulli  clerici  et  alii  qui  simulata  causa  studii 
in  villa  Cantabrig.  convenire  yobiscum  plus  seditioni  quam  scientie  insistentes 
studii  vestri  profectum  graviter  impediunt  et  perturbant.  Asserentes  namqae 
se  sustinuisse  iniuriam  a  quibusdam  vestrum,  quos  ipsi  potius  contomeliis 
afficiunt  ...  ad  judices  remotos  .  .  .  eos  faciunt  ad  iudicium  malitiose  yo- 
cari,  non  ut  causam  habeant  contra  ipsos,  sed  ut  tuam  fili  Cancellarie  disci- 
plinam  eludant  et  illi  fatigati  laboribus  et  expensis  cogantur  affecti  tedio 
componere  cum  eisdem.  Nos  igitur  yestris  precibus  inclinati  volentee  illo- 
rum  obviare  malitiis  et  vestro  dispendio  precavere  auctoritate  vobis  presen- 
tium  indalgemus,  ne  quis  de  cetero  predictarum  clausolarum  pretextu  qaen- 
quam  de  universitate  vestra,  fllii  scolares,  paratum  coram  te  fili  CanceUarie 
vel  diocesano  episcopo  iustitiam  de  se  conquirentibus  exhibere  trahere  possit 
ad  iudicium  extra  dioc.  Elien.  .  .  .  Presentibus  post  triennium  minime  vali- 
tnris.    18.  kal.  Julii.    Mullinger  kannte  beide  Schreiben  nicht 


3.   Hochschulen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Cambridge.  371 

haben  die  Bitten  des  Kanzlers  und  der  Universitas  scolarium 
veranlasst;  sie  machen  die  Ansicht,  als  sei  die  Universität  erst 
später  entstanden,  für  immer  unmöglich *").  Zugleich  aber 
ergibt  sich  aus  beiden  Schreiben,  dass  die  Disciplin  in  Cambridge 
keine  glänzende  war. 

Doch  dieser  letzte  Zustand  dauerte  dort  über  ein  halbes 
Jahrhundert  an.  Die  meisten  der  ziemlich  zahlreichen  könig- 
lichen Schreiben,  nämlich  solche  aus  den  Jahren  1242,  1249, 
1256,  1261,  1268  u.  s.  w.,  beziehen  sich  fast  ausschliesslich 
auf  Einkerkerung  oder  Freilassung  von  Scholaren,  auf  Reibungen 
und  Zwietracht  zwischen  der  Universität  und  den  Bürgern,  oder 
dem  Bischöfe  von  Ely,  resp.  seinem  Archidiacon  und  andern 
geistlichen  Würdenträgern  u.  s.  w.*").  Zur  Abwechslung  er- 
fahren wir,  der  König  habe  1.  Febr.  1261  'occasione  cujusdam 
magne  contentionis  in  villa  Cantabrigiensi'  den  Studierenden 
die  Erlaubniss  gegeben  Cambridge  zu  verlassen  und  nach  Nor- 
thampton  zu  ziehen  'ad  scholasticam  disciplinam  exercendam'®'^). 
Drei  Jahre  darauf,  1.  Febr.  1265,  findet  er  es  wider  für  gut,  'quod 
universitas   amoveatur    a  villa   predicta',    und   nach   Cambridge 


628)  Meiners  II,  94  (und  darnach  theilweise  Stein,  Die  innere  Yerwaltang 
etc.  S.  291)  nimmt  das  Jahr  1239  als  das  Gründungsjahr  an.  Aber  längst 
TOr  ihm  zweifelten  Brian  Twyne  (Antiquit.  acad.  Oxoniensis  Apologia.  Oxo- 
niae  1608,  p.  280)  und  VSTood  (Hist.  univers.  Oxon.  I,  HO;  engl.  Ausg.  I, 
261)  an  der  Existenz  einer  Universität  und  eines  approbierten  Studiums  zu 
Cambridge  um  1246,  resp.  1260.     Diese  Zweifel  sind  für  immer  behoben. 

««»)  Dyer,  1.  c.  p.  5—7;  62—67.  Documents  1.  c.  p.  1—3.  Diese 
Documente  erhalten  auch  eine  Bestätigung  durch  Matth.  Paris  ad  an.  1249 
(ed.  Luard  V,  67),  ad  an.  1259  (V,  743 f.)  etc. 

630j  Dyer  1.  c,  p.  6  n.  45.  Documents  1.  c.  p.  2.  Die  zwei  engl,  in 
Anm.  628  citierten  Autoren  bezogen  dieses  und  das  nächstfolgende  Schreiben 
auf  die  Universität  Oxford.  Allein  gerade  die  Documents  bringen  Auszüge 
ans  den  Originalien.  Von  einer  gravissima  discordia,  die  in  Cambridge  wie 
in  Oxford  im  J.  1259  statt  hatte,  berichtet  auch  Matthäus  Paris.  Chron. 
mig.  ed.  Luard  Y,  743  f.  Doch  bedarf  es  der  Bemerkung,  dass  die  alte 
in  den  Documents  citierte  Nummer  (Patent,  45  Hen.  3.  m.  17)  des 
betreffenden  Actenstückes ,  das  in  jener  Zeit  mit  andern  im  Tower  aufbe- 
wahrt wurde,  nicht  zu  der  gleichlautenden  Signatur  im  Public  Record  Office, 
wo  die  öffentlichen  Archive  Londons  vereinigt  wurden,  stimmt  Dies  gilt 
auch  von  der  Signatur  des  in  der  nächsten  Anm.  angeführten  Documentes. 

24* 


372    ^^   EntwickeloBg  der  Hochschalen  his  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

zurflckziehe*'^).  Allein  bald  brach  der  Unfriede  neaerdings  los, 
der  ans  der  Unklarheit  über  die  Abgränzung  der  Rechte  des 
Archidiacons  des  Bischofs  von  Ely  nnd  des  Kanzlers  der  Universität 
entstand,  welche  Rechte  in  Folge  davon  der  Bischof  von  Ely  im 
J.  1276,  dem  4.  Regierungsjahre  Eduards  L,  näher  präcisierte*"). 

So  bietet  uns  die  Universität  Cambridge  der  ersten  Zeit 
ein  wenig  erfreuliches  Bild,  und  in  einem  gewissen  Sinne  hat 
die  Bemerkung  bei  Brian  Twyne  ihre  volle  Berechtigung:  Canta- 
brigiense  Studium  Henrici  tertii  temporibus  valde  fuit  obscumm, 
si  uUum'"),  während  Oxford  gerade  während  der  Regierungszeit 
des  genannten  Königs  einen  grossen  Aufschwung  nahm  und  sich 
zu  einer  der  ersten  Hochschulen  jener  Zeit  emporrang.  Es  ist 
wohl  wahr,  dass  auch  an  andern  Hochschulen  jener  Zeit  Un- 
ordnungen vorkamen,  und  Oxford  selbst,  um  nicht  weiter  zu 
gehen,  kann  von  derlei  Dingen  erzählen.  Indessen  kommt  da- 
zwischen doch  immer  eine  ganz  andere  Geschichte  zum  Vorschein, 
die  zugleich  für  eine  viel  bestimmtere  Organisation  der  Univer- 
sität zeugt.  In  Cambridge  dagegen  waren  die  Unordnungen  an 
der  Tagesordnung,  und  was  sonst  noch  vorfiel,  ist  bald  referiert. 

Im  J.  1240  wanderten  viele  Scholaren  in  Folge  eines  Streites 
mit  den  Bürgern  von  Oxford  aus  und  übersiedelten  nach  Cam- 
bridge, wo  sie  der  König  vor  den  einheimischen  Schülern  privi- 
legierte *").     1255  nahm  sich  der  König  um  die  Privilegien  und 

631)  Das  Actenstück  abgedruckt  bei  Füller  1.  c.  p.  31.  Vgl.  Dyer  nnd 
Documents  1.  c ,  MulliDger  p.  135. 

632j  s.  das  Document  bei  Füller  p.  47.    Vgl.  Dyer  1.  c. 

693)  Antiquit.  acad.  Oxoniensis  Apologia  p.  270.  Habers  Darstellung 
1, 103 ff.,  jener  Meiners  gerade  entgegengesetzt,  muss  ich  als  ganz  verfehlt  be- 
zeichnen. Es  war  sehr  bequem  II,  574  f.  ein  scharfes  Urtheil  über  Faller 
und  Dyer  zu  fällen.  Was  nützt  es  sich  über  die  Armuth  an  Quellen  bei 
diesen  Autoren  beklagen,  wenn  man  nicht  einmal  diese  wenigen  Quellen 
(und  viel  mehr  existieren  schwerlich  über  die  ältere  Zeit)  benützt? 

634)  Chron.  maj.  ed.  Luard  IV,  7:  Tempore  quoque  eodem  (1240)  orta 
est  gravis  dissensio  inter  scolares  Oxoniae  et  cives;  unde  multi  eorum  ab 
illa  civitate  usque  ad  Cantebruge  mansionem  transtulerunt ,  ubi  quasdam  li- 
bertates  a  rege  contra  burgenses  scolares  sunt  adepti  et  inde  cartam  regis 
obtinuerunt.  Diese  Auswanderung  steht,  beiläug  bemerkt,  keineswegs  wie 
Meiners  II,  39  f.  meint,  mit  dem  bekannten  Tumulte  gegen  den  Cardinallegaten 
Otho  im  J.  1238  (nicht  1239),  als  er  sich  in  der  Abtei  Osney  aufhielt  (cfr. 


3.   Hochschulen  mit  p&pstl.  Stifthriefen.    Cambridge.  373 

Freiheiten  der  Schule  an"*).  Bald  darauf  erhielt  die  Hochschule 
auch  Statuten,  denn  der  Bischof  von  Ely  erwähnt  im  J.  1276 
deren  mehrere  "*•).  Auch  waren  dort  wie  in  Oxford  alle  Facultäten 
vertreten.  Dies  gilt  besonders  in  Bezug  auf  die  Theologie,  über 
welche  wie  in  Oxford  auch  Dominicaner  und  Franciscaner  lasen. 
Schon  die  Vitas  Fratrum  nennen  den  Dominicaner  Fr.  Guillelmus 
Lector  in  universitate  Cantebrigie*'^).  In  den  ersten  Decennien 
des  14.  Jhs.  wurde  im  Orden  das  der  Universität  einverleibte 
Studium  der  Dominicaner  als  eines  der  vorzüglichsten  betrachtet"^), 
üeber  die  Franciscaner-Professoren  existiert  ein  grosses  Ver- 
zeichniss,  das  bis  in  die  Mitte  des  13.  Jhs.  zurückreicht"').  Aus 
einem  Schreiben  des  Gancellarius  universitatis  Cantebrigiensis  und 
der  Magistri  ibidem  regen tes  ergibt  sich  ebenfalls,  dass  dort  c.  1260 
und  vorher  Theologie  gelehrt  wurde"').  Die  Magistri  in  theo- 
logica  ceterisque  facultatibus  ibidem  regentes  werden  in  einer 
Sentenz  des  Bischofes  von  Ely  vom  J.  1295  erwähnt "°).  Ferner 
hatte   der  Kanzler   in  Cambridge   an   der  Wende   des  13.  Jhs. 


Matth.  Par.  Ghron.  maj.  ed.  Laard  III,  481  ff.)  in  Verbindung,  denn  bei  jener 
Gelegenheit  suchten  viele  Scholaren  theils  Northampton,  theils  Salisbury  auf. 
Vgl.  Nie.  Trivet2  bei  D'Achery  III,  191.  VSTeber,  üeber  das  Verbaltniss 
Englands  zu  Rom  S.  52  ff. 

63»)  Bei  Dyer  p.  6  n.  39.  Vgl.  dazu  einen  Act  Eduard  I.  bei  FuUer 
p.  24  no.  26. 

es.*)»)  Die  in  Documents  I,  308  gedruckten  sind  grossentheils  aus  14.  Jh. 

«36)  Parte  V.  c.  4  §  10. 

637)  So  heisst  es  in  den  Acten  des  im  J.  1320  zu  Ronen  abgehaltenen 
Generalcapitels :  Precipit  magister  ordinis  de  definitorum  consilio  et  assensu 
magistris  et  baccalarlis  studiorum  Parisien.  Oxonien.  et  Cantabrigien.,  quod 
aptiores  tarn  in  scientia  quam  in  vita  de  dictis  provinciis  ad  legendum  sen- 
tentias  debeant  nominare.  Cod.  im  Generalarchiv  des  Ordens  Bl  216  b. 
Während  in  anderen  Provinzen  die  Sorge  für  die  Studien  die  Provinciale 
oder  die  Provincialcapitel  über  sich  hatten,  wurde  dieselbe  für  die  drei 
Studien  Paris,  Oxford  und  Cambridge  theilweise  den  dortigen  Magistern  über- 
lassen, eben  weil  erstere  so  bedeutend  waren.  Es  handelte  sich  um  Anstel- 
lung der  Baccalarien,  welche  die  Sentenzen  lesen  sollten. 

63B)  Mon.  Francisc  ed.  Brewer  I,  555  ff. 

639)  Shirley  1.  c.  II,  165  n.  543.  Das  an  Heinrich  III.  gerichtete  Schrei- 
ben ist  nicht  datiert,  stammt  aber  muthmasslich  aus  dem  Jahre  1259—1260. 

6*0)  Bei  Dyer  1.  c.  p.  10  n,  17.  Im.  J.  1318  berichtet  Eduard  IL,  die  Univer- 
sität habe  als  'fecunda  mater'  auch  Gelehrte  in  der  Theologie  hervorgebracht. 


''^    '"    *'"''''*'^"««  <^' HoohsehaleB  bl,  .um  Ende  des  14.  Jls. 

'^''«tralos  .,n.i  K       .  *-*'"'>"<^^e   die  Eintheilung  der  Schfller  in 
«■"^•<le«  bald  rlf"?  ''.  *""^'^'^"*  ^^^^«^  ^  J-  1261"').    Zudem 

*rme  Studiorom  eH„iT«  f.  ''^'   ^"^^^^   '^'^  ^«"««*"™   «»^ 
'»rächte  aufän!    ',.      ^    ^  Balsham,  Bischof  von  Hy  (1257-1286) 

unter,  die   !!f    ?  ''"*  ^"'*^^  Scholaren  im  Hospital  of  St  John 

coguoiuiuantur         "  '*^"^*"'  scolarium  Oxonie  qui  de  Herten 

^ütci- des  snif  ,i'  iK    ''*'"^®''seDtur' ,  und  von   einem  Theile  der 

öi«  Spitals^Br^üder  ?r  '?*'"'  *»«  Eduard!.  (1280)  bestätigte «")• 

^«t«  Zusammeuleb     ^    .^'^^*'''^*Don*er)  störte  jedoch  mit  der  Zeit 

deshalb  letzteren  ^^  ^^^  ^^^  Scholaren,  und  der  Bischof  übergab 

<^'»urch,  und  statt  t"*  •^'  ^^^*    '^^^  hospicia'  bei  der  St  Peters 

'^^'^  Ursprung  de^  V*^  ™it  gewissen  Einkünften  ans'").  Dies  ist 

'löherer  Ausbildu  ^^^^^^  College  oder  Peterhouse.     Behufs 

Stipendisten  hies"^  durften  einige  der  'scholars  of  Ely',  wie  die 

^och  auch  unt^"'  ^^  ^^^^^^  studieren"*). 

coDfirmierte,  hört        ?^'**rdl.,  der  hauptsächlich  Acte  HeinrichsUI. 

zwischen   der   u^!^ '^^f  Unruhen  nicht  auf.  So  z.  B.  brach  ein  Streit 

'anciscanern  j^^j  ^*"Sität  einerseits,  und  den  Dominicanern  und 

Koia  aus   entschi^^*'^®^*^  *'^^'  '^*"'  ^"  Gunsten  der  letztem  von 

Pann^  sich  eiu  ^1^^  wurde'").    Zwei  Jahre  nachher  (1305)  ent- 

LÖQig^*®^  zwischen  den  Scholaren  und  der  Stadt*")- 

0*1)  o  ^'duard  II.,   der   verhältnissmässig   mehr  als 

'^•"""'  S^Ä*'««  bore., 

64a\    .    '^©n   ^.     *^«aies  universitatis  Cantabrig.  werden  in  einem  könig- 

«*^oJariü5j  ^"^^  ^^.  B'^K^^  ^^^^^  erwähnt.     Füller  1.  c.  p.  29f. 

643)  jv*^   ^^^df         ^^^^  regelte  Heinrich  III.  zu  Gunsten  der  uniYersitas 
^^«  fivaog^,?^^^exit^^^^  Leben  zu  Cambridge.    Dyer  p.  63  f. 

^4i  sj  *^*i    (Oft»^^  ^^»  L    Baker-Mayor,  History  of  the  coUege  of  St.  John 
^  ^'     *'uliel:    ^i^    v'^'^Wge  1869)  I,  22. 

^«^beo  du^.   ^t^t    A^^^^fl-  Acte  und  das  königl.  Vidimus  in  DocumenU  II, 

Z^"    ^ote^i        '^^^    15^*^  Qrttndung  des  Peterhouse,  d.  h.  die  Bewohnung  des- 

oiu''^^    io    ^^^    ^/^^-Schüler,  in  das  Jahr  1257,  was  Wright   widerholt  in 

*^*"  Hoti^j^  ^^b^*    "^^^   *'0-  76  corrigiert.  —   Was  bezüglich  der  Pythagoras 

*^**^)   B  ^*   1>-    »^^^    ^n^  Mr.   Groses  antiquitiea  of  England  an  Wales  and 

***^l    ^*    ^t^    5^*    Anm.  9  gesagt  wird,  beruht  auf  Einbildung. 

****  j    r»**^^^*-   j  ^^Uten  in  Documents  II,  28 f. 

^^^»  r/i.^-  P   78 

^^eilera  II  tLondini  I727\,  957.  Andere  Acte  8.  p.  974.  III,  142. 


3.    Hochschulen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Cambridge.  375 

seine  Vorgänger  für  das  Studium  in  Cambridge  that,  lag  um 
dieses  Zustandes  willen  daran  ein  päpstl.  Privileg  zu  erhalten, 
und  er  wandte  sich  am  18.  März  1318  an  Papst  Johann  XXn. 
mit  der  Bitte,  er  möge  'universitatem  perpetuare'  und  privile- 
gieren"*).  Der  Papst  leistete  9.  Juni  desselben  Jahres  Folge,  in- 
dem er  in  dem  an  die  universitas  magistrorum  et  scolarium  studii 
generalis  Cantebrigie  gerichteten  Schreiben  sagt,  König  Eduard 
wünsche,  dass  ^apud  Gantabrigiam  vigere  Studium  generale,  et 
quod  a  doctoribus  et  docendis  in  posterum  frequentetur' ;  der- 
selbe habe  deshalb  gebeten,  ^ut  Studium  ab  olim  inibi  ordinatum 
et  privilegia  a  Romanis  Pontificibus  .  .  .  vel  regibus  Anglie  qui 
fuerunt  pro  tempore  eidem  concessa  Apostolico  curaremus  muni- 
mine  roborari'.  Und  er  fährt  fort:  'Nos  igitur  .  .  .  apostolica 
authoritate  statuimus,  ut  in  predicto  loco  Cantebrigie  sit  de 
cetero  Studium  generale  illudque  ibidem  vigeat  perpetuis  fu- 
turis  temporibus  in  qualibet  facultate,  volentes  authoritate  pre- 
dicta  et  etiam  decernentes,  quod  coUegium  magistrorum  et  sco- 
larium ejusdem  studii  universitas  sit  censenda,  et  omnibus  juri- 
bus  gaudeat,  quibus  gaudere  potest  et  debet  quelibet  Universitas 
legitime  ordinata'.  Darauf  bestätigt  er  alle  päpstlichen  und 
königlichen  Privilegien"'). 

Es  waltet  hier  ein  ähnliches  Verhältniss  ob,  wie  in  Bezug 
auf  Toulouse  und  Montpellier,  wenngleich  der  Grund,  warum  die 
öffentliche  Anerkennung  Cambridges  als  Generalstudium  von 
Seite  des  Papstes,  wie  sich  aus  der  Darstellung  von  selbst  er- 
gibt, verschieden  von  jenem  ist,  warum  dieselbe  für  Montpellier 
und  Toulouse  erfolgte""). 

Aus  obigen  Thatsachen  wird  es  klar,  dass  Cambridge  sich 
in  ganz  anderer  Weise  entwickelt  hat,  bis  es  als  geordnetes  Gene- 
ralstudium anerkannt  war,  als  Oxford,  trotzdem  dass  in  der  Or- 
ganisation  hier   wie  dort  vielfach  dieselben  Momente  zum  Vor- 

^  Bymer  III,  698.  Docaments  etc.  I,  6. 

^  Ediert  bei  Faller  1.  c.  p.  80,  und  lange  vorher  in  Gantalupi  Eist, 
de  antiqnit.  orig.  Univers.  Gantabrigien.  ed.  Hearne  p.  256  als  BaUe  Johanns  X., 
in  Avignon  am  10.  Juli  915  ausgestellt!  Das  Datum  ist  flberall  irrig  und 
der  Text  fehlerhaft.  In  den  Reg.  Vat  Avenion.  Johann.  XXII.  tom.  8 
61. 217b  steht:  Y.  Id.  Junii  an.  2.  Twyne  p.  110 f.  hat  den  Act  missverstanden. 
•*»•)  S.  oben  8.  352  f. 


378    in.    Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

die  in  den  päpstlichen  Stiftbriefen  sich  oft  widerholt.  Clemens 
bestimmt,  dass  dort  ^generale  Studium  vigeat  in  qualibet  licita 
preterquam  theologica  facultate,  et  quod  docentes  et  studentes 
ibidem  omnibus  privilegiis  .  .  .  concessis  doctoribus  legentibus  et 
Scolaribus  in  studio  generali  commorantibus  gaudeant'.  Der  abbas 
saecularis  ecclesiae  B.  Mariae  erhält  das  Promotionsrecht.  Valla- 
dolid  war  damals  noch  kein  Bischofssitz.  Aus  dem  päpstlichen 
Schreiben  folgt  aber  auch,  dass  das  bisherige  Studium,  obgleich  sehr 
blühend,  doch  nur  als  Studium  particulare  und  nicht  als  generale 
angesehen  wurde,  und  dass  mithin  die  oben  aus  einem  Erlass 
Ferdinands  IV.  citierten  Worte  auch  nur  in  diesem  Sinne  auf- 
gefasst  werden  dürfen.  War  es  doch  dessen  Sohn,  welcher  sich 
um  die  Bewilligung  eines  Generalstudiums  an  den  Papst  gewandt 
hatte.  Unter  demselben  Datum  gewährte  Clemens  VI.  auf  Bitten 
des  Königs  für  sechs  Jahre  Dispens  von  der  Residenzpflicht  ••*). 
Ebenso  wichtig  war  aber  ein  anderes  Privileg,  das  Clemens  VI. 
am  1.  August  ertheilte.  König  Alfons  bat  nämlich,  der  Papst 
möge  ^pro  salariis  doctorum  et  aliorum  ordinarie  in  dicta  villa 
pro  tempore  actu  legentium  duas  partes  tertie  decimarum  reser- 
vatas  seu  solitas  reservari  pro  fabricis  ecclesiarum  civitatis  et 
dioc.  Palentin.,  quas  eidem  regi  in  subsidium  guerre  contra  per- 
fidos  Agarenos  sedes  apostolica  interdum  concedere  gratiose  con- 
suevit,  deputare'.  Der  Papst  gewährt  dies  in  dem  an  den  Erz- 
bischof von  Toledo  als  dem  Metropoliten  gerichteten  Schreiben 
in  der  Absicht,  *ut  predictum  Studium  tanquam  nova  plantatio 
congruis  subsidiis  foveatur  .  . .  ac  sperantes  quod  eiusdem  studii 
propagatio  erit  fidelibus  illarum  partium  plurimum  fructuosa\ 
und  zwar  vorläufig  auf  sechs  Jahre"').  In  der  ersten  Hälfte 
des  13.  Jhs.  wurde,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  in  ähn- 
licher Weise  für  das  Salarium  der  Professoren  an  den  Hoch- 
schulen zu  Palencia  und  Salamanca  gesorgt.  Valladolid  gehörte 
zur  Diöcese  Palencia.  Der  Modus,  der  früher  in  Bezug  auf  die 
Hochschule  zu  Palencia  angewendet  wurde,  kam,  als  diese  schon 

<Mi)  Reg.  Tat.  Com.  an.  5.  lib.  2.  p.  2.  ep.  110  Bl.  85a. 

^^)  Reg.  Yat.  Com.  an.  5.  lib.  2.  p.  2.  ep.  151  Bl.  104  b.  Im  J.  1323 
and  Oberhaupt  in  jener  Epoche  hatte  der  Stadtrath  fOr  die  Salariiemng  der 
Professoren,  Conseryatoren  und  des  Bedells  des  Studiums  zu  sorgen. 


3.    Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Yalladolid.  377 

Dass  der  Ausdruck  'Studium  generale'  hier  im  uueigentlicfaen 
Sinne  genommen  werde,  wird  sich  alsbald  zeigen.  Die  Magistri 
waren  aber  bereits  besoldet,  wie  sich  auch  aus  einem  Documente 
Königs  Alonsos  XL  vom  10.  März  1323  ergibt*'"). 

Wir  hören  zudem,  wenngleich  nur  Weniges,  von  solchen,  die 
diese  Schule  besucht  haben. 

Der  Bischof  P^rez  de  Pereira  von  Oporto  deutet  in  dem 
am  7.  Jänner  1300  ausgefertigten  Testament  an,  dass  er  einst 
nicht  bloss  zu  Salamanca,  sondern  auch  zu  Yalladolid  studiert 
habe**0-  Auch  wird  1312  ein  *letor  de  cänones  en  Yalladolid' 
(Sancho  Garcia)  erwähnt*"). 

Als  Generalstudium  wurde  aber  das  Studium  auf  Bitten 
Königs  Alonsos  XL  von  Castilien  erst  31.  Juli  1346  von  Papst 
Clemens  YL  erklärt"').  Der  Papst  sagt  in  dem  Schreiben, 
dass  nach  dem  Berichte  des  Königs  'in  ea  (villa  Yallisol.)  Stu- 
dium, licet  particulare,  ab  antiquo  viguit  et  viget  multique  ad 
illam  propter  commoditates  que  reperiuntur  ibidem  concurrerunt 
hactenus  ac  concurrunt,  ac  in  ea  viri  valentissimi  fuerunt  in 
scientia  litterarum  eflfecti'.  Es  ist  dies  der  beste  Beweis  für  die 
eben  ausgesprochene  Behauptung,  in  Yalladolid  habe  ein  Studium 
bereits  existiert  Der  Grund  warum  der  Papst  auf  Bitten  des 
Königs  nun  ein  Generalstudium  gründet,  ist,  damit  die  Stadt  in 
Zukunft  noch  mehr  mit  den  verschiedenen  Wissenszweigen  be- 
reichert werde,  ••°)  'ut  vires  producat  maturitate  conspicuos  .  .  . 
ac  diversarum    facultatum  dignitatibus  insignitos',    eine  Formel, 


«^)  Ibid.  p  81.     S.  unten  Anm.  662. 

6ö7j  Florez,  Espana  sagrada  XXI,  108.  Leider  bringt  er  nicht  den 
Wortlaut  des  Testamentes. 

6M)  Flöranes  1.  c.  p.  81. 

c«9)Beg.  Yat.  Com.  an.  5  üb.  2.  p.  2  op.  126  (II.  kl.  Aug.).  Diese  Stiftungs- 
bulle wurde  spftter  von  Clemens  YII.  am  26.  Not.  1385  wider  ediert  (Reg. 
Vat.  Clem.  VII.  an.  7  [n.  296]  Bl.  64  •)  und  zwar,  wie  es  in  der  Einleitung 
heisst,  auf  Wunsch  der  universitas  studii  Vallisoletani,  da  die  'originales 
littere  casnaliter'  verloren  gegangen  seien.  Nur  in  dieser  Weise  findet  man 
die  Bulle  Clemens  VI.  gedruckt  im  Anhange  zu  den  Estatutos  de  la  insigna 
unirersidad  real  de  Yalladolid.  Yalladolid  1651,  und  bei  Ortega  7  Rubio, 
Historia  de  Yalladolid.  Yalladolid  1881  I,  229. 

660)  (Yilla)  huiusmodi  scientiarum  muneribus  amplietur. 


380     m*    EntwickeluDg  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

von  Gastilien  und  Leon  ^Studium  generale  et  universitatem  theologice 
facultatis'  mit  allen  Vorrechten  der  theologischen  Facultät  zu  Paris. 
Wie  vorher,  so  ertheilt  auch  jetzt  der  'abbas  secularis  et  collegiate 
ecclesie  b.  Marie  majoris',  der  hier  Kanzler  genannt  wird,  die 
Licenz.  Zugleich  bestellt  der  Papst  den  Dominicaner  Ludwig 
von  Valladolid  als  Prior  und  Decan  der  Facultät"*).  Bereits 
30.  December  1417  erliess  der  Papst  drei  Schreiben  zu  Gunsten 
der  Universität.  In  dem  einen  richtet  er  sich  gegen  den  Usus 
des  Königs  und  der  Königin  von  Gastilien  und  Leon  bei  ihrem 
Aufenthalte  in  Valladolid  ihr  Geleite  theilweise  in  den  Wohnun- 
gen der  Magistri  und  Scholaren  unterzubringen*").  Die  zwei 
andern  Schreiben  wenden  sich  auf  Bitten  der  Universität  gegen 
einige  Verordnungen  des  Gegenpapstes  Benedict  XIIL,  der  den 
^antiqua,  laudabilia  et  utilia  statuta  canonice  edita'  seine  für  das 
Studium  zu  Salamanca  erlassenen  Statuten  und  zwar  unter 
Strafe  der  Universität  einen  Theil  der  Subsidien  zu  entziehen 
habe  substituieren  wollen"*).  Bei  Gründung  der  Universität 
Alcalä  wurde  Valladolid  mit  Salamanca  als  Muster  hingestellt**'). 
Die  Universität  nahm  immermehr  an  Bedeutung  zu,  worauf  unter 
anderm  auch  ein  Schreiben  Leos  X.  vom  8.  Dec.  1514  schliessen 
lässt*^*).    . 

Heidelberg. 

Von  den  fünf  deutschen  Universitäten,  die  bis  1400  entstan- 
den, finden  nicht  weniger  denn  drei  in  diesem  Abschnitt  ihre 
Stelle.    Zuerst  bietet  sich  uns  Heidelberg  dar. 

Häufig  nimmt  man  an,  Kurfürst  Ruprecht  l.  habe  bereits 
um  1346  'die  erste  Einrichtung  zur  Beförderung  der  Wissen- 
schaften gemacht  und  so  die  erste  Anlage  zur  Universität  ge- 
legt'*").    Trithemius  verlegt  die  Stiftung   in  ein  noch  früheres 


Beg.  Martini  V.  im  Archiv  Yom  Lateran,  1417.  an.  1  üb.  1  Bl.  269  b. 

667)  Beg.  Martini  1.  c.  Bl.  258  a. 

•w)  Reg.  Martini  1.  c.  Bl.  112.  313. 

669)  S.  nnten  im  6.  Paragraphen  unter  Alcalä. 

67^)  Archiv  vom  Lateran,  Reg.  Leon.  X.  n.  13  Bl.  17  b. 

671)  Dies  ist  die  Ansicht  von  Hautz,  Geschichte  der  UniyerBitftt  HeideU 
berg,  ed.  Reichlin  -  Meldegg  I,  115  und  mehrerer  dort  112  f.  citierten 
Autoren. 


3.    Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Heidelberg.  381 

Jahr,  Dämlich  in  die  Epoche  unter  Benedict  XII."*).  Was  diese 
Ansichten  betrifft,  so  stützen  sie  sich  auch  nicht  auf  irgend  ein 
älteres  Document.  Sie  sind  auch  in  sich  selbst  haltlos.  Ein 
Stiftbrief  Benedicts  XII.  existiert  weder  im  Vaticanischen  Archiv 
noch  in  Heidelberg,  und  ebenso  wenig  ein  solcher  Ruprechts  I. 
aus  so  früher  Zeit.  Wir  hören  nur  von  der  an  der  Wende 
des  12.  oder  Anfangs  des  13.  Jhs.  gegründeten  Neckarschule, 
welcher  zwei  Praebenden  des  Stiftes  zum  hl.  Geist  zu  gute 
kamen"').  Wir  erfahren  aber  nicht  einmal,  inwieweit  diese 
Schule  mit  der  nachmaligen  Universität  in  Verbindung  getreten 
sei.  Es  wäre  ein  unhistorisches  Verfahren,  genannte  Schola  als  die 
frühere  Universität  anzusehen,  zudem  aus  ersterer  im  Jahre  1386 
kein  einziger  Professor,  welcher  im  Vereine  mit  anderen  den 
Grund  zur  Hochschule  gelegt  hat,  hervorgegangen  ist. 

Der  Beweis  hiefür  ist  sehr  einfach;  es  bietet  ihn  der  Bericht 
des  Marsilius  von  Inghen  aus  dem  Jahre  1386.  Der  ge- 
nannte Magister  ist  hier  Autorität,  da  er  ja  die  Seele  des 
ganzen  Unternehmens  gewesen  war.  Er  sagt,  dass  am  19.  Oc- 
tober  1386  nur  drei  Professoren  in  Heidelberg  waren,  um  die 
Vorlesungen  an  der  Hochschule  zu  beginnen,  nämlich  er  selbst, 
der   vor   nicht  langer  Zeit  in  Paris  sich  aufgehalten  hatte"*). 


672)  Chron.  Hirsaugiense  ed.  S.  Galli  (1690),  II,  172.  Allein  zum 
J.  1386  (p.  331)  bringt  er  die  richtige  Ansicht,  und  es  zeigt  sich,  dass  er 
froher  nur  die  Perioden  verwechselt  hat.  Ruprecht  I.  machte  ihm  überhaupt 
Schwierigkeit.  Vgl.  Häusser,  Gesch.  der  rheinischen  Pfalz  I,  155. 

«73)  S.  Hautz,  Geschichte  der  Neckarschule  in  Heidelberg  (1849)  S.  8. 
Ueber  die  Elosterschnlen  s.  Gesch.  der  Universit&t  Heidelberg  I,  104ff. 

674)  Marsilius  (Marceliu?,  Mercelius,  Mercilius)  de  Inghen  incepit  sub 
magistro  Willermo  Unser  in  artibus  am  28.  September  1362«  zu  Paris 
(Registr.  nationis  anglicanae  im  Universitätsarchiv  zu  Paris  III,  Bl.  46  a). 
Im  gleichen  Jahre  erscheint  er  schon  als  Magister  in  artibus  in  dem  an 
Urban  Y.  eingesendeten  Rotulus,  worin  für  ihn  um  eine  Praebende  bei  St. 
Severin  zu  Köln  gebeten  wird  (Reg.  Suppl.  ürbaniV.  an.  1  p.  1  Bl.  160b). 
Er  war  unter  anderm  1363,  1373,  1374  Procurator  der  natio  anglicana  (Reg. 
nat.  angl.  ni,  Bl.  49;  lY,  Bl.  35b  42b),  und  in  den  Jahren  1367  und  1371 
Rector  der  Universität  (Du  Boulay  lY,  414.  436)  In  Angelegenheit  der 
engl.  Nation,  resp.  der  Universität  war  er  mehrere  Male  beim  römischen 
Stuhle,  z.  B.  unter  Urban  Y.  im  J.  1368  als  nuntius  des  Rotulus  (Reg.  nat. 
angl.  lY,  Bl.  2  b),  dann  am  Schlüsse   des  Pontificates  Gregors  XI.  und  dem 


382    in*   Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

dann  Heilmann  von  Worms,  der  auch  nicht  früher  nach  Heidel- 
berg kam,  endlich  der  Gistercienser  Reginald,  welcher  erst  nach 
ihnen  anlangte"").  Von  einer  Stiftung  der  Universität  unter 
Benedict  XU.  oder  in  der  früheren  Epoche  Ruprechts  kann  keine 
Rede  sein.  Warum  berührt  auch  dieser  in  seinen  1386  ausge- 
fertigten Diplomen  jene  nicht  mit  einer  Silbe"^*). 

Gehen  wir  also  auf  den  eigentlichen  Stiftbrief,  das  päpstliche 
Schreiben  vom  23.  Oct.  1385,  über.  Er  bietet  zugleich  eine  Be- 
stätigung des  bereits  Gesagten. 

Nach  der  gewöhnlichen  Einleitung  erklärt  Urban  VI.,  der 
Kurfürst  wünsche  sehr,  ^fieri  et  ordinari  per  sedem  apostolicam 
Studium  generale  in  qualibet  licita  facultate'  in  seiner  Stadt 
Heidelberg,  und  er,  der  Papst,  bestimme  deshalb,  *ut  in  dicta 
Villa  de  cetero  fiat  Studium  generale  ad  instar  studii  Parisiensis, 
illudque  .  .  .  vigeat  tan;  in  theologie  et  iuris  canonici,  quam 
alia  qualibet  licita  facultate'.  Er  theilt  den  Studierenden  die 
Privilegien  der  Universität  Paris  mit  und  bezeichnet  den  Propst 
der  Cathedrale  zu  Worms,  eventuell  das  dortige  Capitel,  als 
denjenigen,  der  die  Promotion  zu  leiten,  die  Licenz  und  das 
Magisterium  zu  ertheilen  habe.  Die  also  Promovierten  hätten 
das  Recht  ubique  docendi*").    Wenn   hier  das  Jus  civile  nicht 


Anfange  jenes  ürbans  TL  (ibid.  Y,  Bl.  17a.  20b,  und  daza  Du  Beul. 
IV,  466).  Als  er  in  Heidelberg  war,  hatte  er  das  Canonicat  von  St  Andreas 
za  Köln  inne. 

67^)  Bei  Hantz,  Gesch.  der  UniTers.  Heidelberg  II,  327  f.  Im  weitern 
Verlaufe  kamen  noch  zwei  Prager  Magister  hinzu. 

^70)  Dass  die  Stiftung  eine  junge  sei  beweist  auch  die  Chronik  des 
Zeitgenossen  Engelhns,  der  sie,  wenngleich  irrig,  Kaiser  Ruprecht  (III.) 
zuschreibt.  BeiLeibnitz,  SS.  rer.  Brunsw.  II,  1136.  Hierin  hatten  Schwab,  Qna- 
tuor  seculorum  sy Ilabus  rectorum  (Heidelbergae  1786).  p.  3  Anm.  c,  und  H&usser 
(l.  c.  198)  immerhin  eine  gesundere  Ansicht  als  der  jtkngere  wortreiche 
Hautz.  Diese  und  obige  Bemerkungen  hatte  ich  bereits  niedergeschrieben, 
als  mir  die  von  Toepke  musterhaft  bearbeitete  Matrikel  der  Uniyersitftt 
Heidelberg  (1884)  zukam.  S.  6  Annt  3  verweist  er  eine  vor  dem  J.  1385 
stattgehabte  Stiftung  der  UniYersitftt  mit  Recht  in  das  Keich  der  Fabeln. 
Die  irrige  Hypothese  wurde  nach  ihm  im  15.  Jh.  zu  dem  Zwecke  erfunden, 
um  Heidelberg  als  die  älteste  Universit&t  auf  deutschem  Boden,  bezw.  ftlter 
als  Prag,  hinzustellen. 

<77)  Bei  HauU,  a.  a.  0.  II,  814.    In  den  pftpstl.  Regesten  fand  ich  für 


3.   Hochschuleii  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.   Heidelberg.  333 

genannt  wird,  sondern  nur  das  Jus  canon.,  so  ist  dies  rein  zu- 
fallig und  beweist  keineswegs,  dass  der  Papst  nur  Vorlesungen 
über  das  canonische  Recht  gewünscht  habe.  Die  Unterlassung 
des  jus  civ.  in  der  päpstlichen  Bulle  hat  wohl  nur  darin  seinen 
Grund,  dass  der  Kurfürst  um  die  Bewilligung  eines  Generalstudiums 
'ad  instar  Studii  Parisiensis'  gebeten  hat"*),  in  Paris  aber  nicht 
Jus  civile,  sondern  wie  bekannt  nur  jus  canonicum  vorgetragen 
wurde.  Der  Kurfürst  selbst  nahm  auch  'ad  instar  Studii  Pari- 
siensis' nicht  buchstäblich,  und  so  finden  wir,  dass  in  Heidelberg 
wie  in  Köln,  auf  dessen  Universität  Urban  VI.  dieselbe  Formel 
anwendete,  das  Civilrecht  nahezu  vom  Anfange  an  seine  Vertre- 
tung hatte  •'•). 

Man  hat  die  Vermuthung  ausgesprochen,  die  Hochschule  habe 
nicht  bloss  einen  päpstlichen  Stiftbrief,  sondern  auch  eine  kaiser- 
liche Bestätigung  erhalten.  Zwar  sei  bisher  eine  Urkunde  über 
die  Erwirkung  der  kaiserlichen  authoritas  nicht  aufzufinden  gewesen; 
indess  habe  die  kais.  Bestätigung  authoritas  der  Universität  in  keinem 
Falle  fehlen  dürfen,  da  das  Recht  zur  Ertheilung  der  Erlaubniss 
zum  Creieren  von  Doctoren   von   dem  Kaiser   als  ein  Reservat- 


diese  Zeit  das  Stadium  zu  Heidelberg  nur  einige  Male  erw&hnt,  n&mlich  in 
den  Reg.  Bonif.  IX.  1389  an.  1  lib.  13  BI.  134  b  (im  Archiv  vom  Lateran). 
Am  9.  November  1390  trägt  der  Papst  dem  Archidiacon  von  Hildesheim  aaf, 
dem  Nicolaus  Borgman,  'der.  Treveren.  dioc.  bacaUarius  in  iure  canon.,  qui 
etiam  ut  asseritur  magister  in  artibus  existit  et  in  studio  loci  de  Heydelberg 
Wormacien.  dioc.  in  eisdem  artibus  regit',  ein  Canonicat  von  St.  Paul  in 
Worms  zu  geben.  Im  lib.  6.  Bl.  24  a  wird  Johannes  Jungen  de  Aquis  als 
in  studio  loci  de  Heydelberch  Scolaris  in  artibus  erwähnt.  Am  9.  Nov.  1390 
erhielt  Heilmannus  Wunnenberg  canon.  eccles.  s.  Ciriaci  extra  muros  Wor- 
matien.  bacaUarius  in  sacra  theologia  und  magister  in  artibus,  einer  der 
zwei  ersten  Genossen  des  Marsilius,  ein  Canonicat  in  Speier.  Ibid.  BI.  9  a. 
ürbans  VI.  Begesten  bieten  nichts;  sie  sind  im  Yat  Archiv  zu  unvollständig. 
Im  Lateran  beginnen  die  Regesten  erst  mit  Bonifaz  IX. 

^7^)  Dies  ergibt  sich  nicht  bloss  indirect  aus  der  päpstl.  Bulle,  sondern 
direct  aus  dem  gleichzeitigen  Bericht  des  Marsilius  von  Inghen  über  den 
Beginn  der  Hochschule.    Bei  Hautz  1.  c.  II,  326  f. 

®79)  Hautz,  a.  a.  0.,  I,  159 f.  Der  erste  Doctor  legum  ist  Matthaeus 
Clementis.  S.  Toepke  S.  24.  Er  wurde  im  5.  Rectorat,  das  am  16.  December 
1387  begann,  eingetragen. 


384    ^I*   Entwickelang  der  Hochschulen  his  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Recht  angesprochen  worden  sei "°).  Allein  diese  Ansicht  beruht 
auf  einem  Missverständnisse.  Der  Kaiser  hatte  allerdings  das 
Recht  Hochschulen  zu  gründen  und  die  Erlaubniss  zu  den  Pro- 
motionen zu  ertheilen.  Allein  gerade  dieses  letztere  Recht  war 
theilweise  durch  das  Gutdünken  des  Papstes  bedingt,  der  Jamals 
unumschränkt  Hochschulen  gründete  und  das  Promotionsrecht  ver- 
lieh. Die  päpstliche  Autorität  bedurfte  damals  keiner  kaiserlichen 
Bestätigung.  Der  Kaiser  konnte  seinerseits  ebenfalls  Privilegien- 
briefe ausstellen,  aber  er  hat  es  nicht  immer  gethan.  Und 
so  sehen  wir  auch,  dass  in  derselben  Periode  weder  Köln  noch 
Erfurt  einen  kaiserlichen  Stiftbrief  erhielten"*). 

Der  päpstliche  Stiftbrief  gelangte  erst  24.  Juni  1386  in  die 
Hände  des  Kurfürsten'®*),  und  daraus  erklärt  es  sich,  warum 
ein  ganzes  Jahr  verstrich,  bis  Ruprecht  endlich  Ernst  machte. 
Am  26.  Juni  beschlossen  die  Pfalzgrafen,  *quod  juxta  concessio- 
nem  apostolicam  .  .  .  dictum  Studium  in  dicto  oppido  deberet 
institui  et  per  eosdem  duces  privilegiari'  etc.**');  am  1.  October 
1386  erliess  aber  Ruprecht  nicht  weniger  denn  sechs  Diplome. 
In  dem  ersten  bestimmt  er,  'ut  universitas  studii  Heidelbergensis 
regatur,  disponatur  et  reguletur  modis  et  manieribus  in  Univer- 
sitate  Parisiensi  solitis  observari' "*).  Mittels  der  nächstfolgen- 
den Schreiben  privilegierte  er  die  Anstalt  und  die  Studierenden. 
Der  Bischof  von  Worms  ist  der  judex  Ordinarius  clericorura 
studii;    doch   wird   dessen    Gewalt    durch  einzelne    Bestimmun- 


^  Ibid.  S.  124  £  Auch  in  dem  sehr  sp&ten  Verzeichnisse  der 
deutschen  UuiversilAten  im  Cod.  Yat.  Reg.  850  erscheint  ^Heidelbergensis  in 
Palatinatu  anno  13S7'  unter  den  'academiae  ab  imperatore  simul  et  Papa 
privilegiatae.' 

681)  Im  Abschnitte  Aber  das  Verh&ltniss  der  geistlichen  und  weltlichen 
Macht  zur  Gründung  der  Hochschulen  komme  ich  auf  diesen  Punkt  zu 
sprechen.  —  Es  ist  auffallend,  dass  Hautz  für  seine  Behauptung  S.  125 
keinen  andern  Beweis  yorzubringen  vermochte,  als  den,  dass  der  Kanzler  im 
J.  1786  bei  Ertheilung  seiner  Ermächtigung  zur  Vornahme  der  Ehrenpromo- 
tionen neben  der  ^authoritas  seüis  apostolicae'  auch  auf  die  ^authoritas  cae- 
sareae  majestatis'  Bezug  genommen  habe.  Allein,  zwischen  dieser  Epoche 
und  dem  Gründungsjahre  liegen  nicht  weniger  denn  vier  Jahrhunderte. 

883)  Hautz  II,  327. 

«8')  Ibid.  und  Toepke  L  c. 

«W)  Hautz  1.  c.  II,  315. 


8.  Hochschulen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Heidelberg.  385 

gen  beschränkt  Die  Studierenden  werden  von  den  Abgaben  be- 
freit, und  in  Bezug  auf  den  Einkauf  privilegiert.  Der  Kurfürst 
ordnet  auch  die  Taxe  f&r  die  Wohnungsmiethe  u.  s.  w/").  That- 
sächlich  findet  man  in  all  diesen  Schreiben  keine  anderen  Bestim- 
mungen, als  solche,  welche  seit  anderthalb  hundert  Jahren  die- 
jenigen Fürsten,  welche  sich  mit  den  Hochschulen  beschäftigt 
hatten,  zu  erlassen  gewohnt  gewesen  waren. 

Eröfhet  wurde  die  Schule  am  19.  October  desselben 
Jahres'^'),  am  17.  November  fand  die  Rectorwahl  statt,  zu  welcher 
die  drei  Magistri  artium,  Marsilius,  Heilmann  und  Dithmar  de 
Swerthe,  der  erst  Anfangs  November  von  Prag  angekommen  war, 
erschienen.  Marsilius  gieng  aus  der  Wahl  hervor,  die  der  Cüster- 
denser  und  Theologie -Professor  Reginald  billigte*^').  Mehr  als 
vier  Professoren  waren  damals  noch  nicht  am  Studium.  Der 
Decretorum  doctor  Johann  van  der  Noyt  (Noet)  kam  erst  Ende 
des  Jahres  oder  Anfangs  1387  von  der  Hochschule  zu  Prag, 
ohne  welche  die  Heidelberger   nicht    hätte    gedeihen  können, 

an"0. 

Ich  wüsste  keine  andere  Universität  zu  nennen,   die  nach 

einem  so  unansehnlichen  Anfange  so  rasch  sich  entwickelt 
hätte.  Bis  zum  Ende  des  dritten  Bectorats,  d.  i.  bis  zum 
10.  October  1387,  wurden  nicht  weniger  denn  482  immatricu- 
liert,  darunter  zwei  Magistri  der  Theologie,  ein  Doctor  decre- 
torum, ein  Licentiat  derselben,  und  einer  der  Medicin,  der  je- 
doch nicht  Lehrer  wurde;  27  Magistri  in  artibus  und  Baccalarei 
der  obem  Facultäten,  24  Baccalarei  in  artibus.  Wer  hätte  am 
19.  October  1386  einen  solchen  Erfolg  ahnen  können?  Die  6e- 
sammtsumme  der  Intitulierten  vom  Beginne  des  Studiums  bis  zum 
16.  December  1387  beträgt  579"').    So  mehrte  sich  das  Lehr- 


^  Ib.  8.  317  ff.  Ruprechts  Diplome  werden  im  zweiten  Bande  ein- 
gehendere Beracksichtigang  finden. 

^)  S.  den  Bericht  des  Marsilius  von  Inghen  bei  Hautz  1.  c.  S.  328. 

«87)  Ibid.  S.  329. 

^)  S.  Toepke  S.  8  Anm.  8. 

«8^)  Die  Angäben  bei  Hautz  sind  irrig,  wie  sich  nun  jeder  aus  der  tou 
Toepke  edierten  Matrikel,  der  obige  Zahlen  entnommen  sind,  flberzeu- 
gen  kann.    S.  besonders  S.  1.  Anm. 

D 0 ni n  6 ,  Die  ViiiTeniat«ii  I.  85 


386    in.  Entwickelong  der  Hochschulen  bis  ztim  Ende  des  14.  Jhs. 

personal  schon  unter  den  vier  ersten  Rectoren,  wenngleich  vorder- 
hand nicht  in  allen  Fächern.  Da^  Givilrecht  wurde  noch  nicht  ge- 
lehrt''®), ™d  ^^^  Medicin  fand  erst  von  1390  ab,  in  welchem 
Jahre  der  Mediciner  Hermann  de  Huxaria  intituliert  wurde,  ihre 
Vertretung*'^).  Allerdings  hielt  dieses  Wachsthum  nicht  an. 
Bereits  gegen  Ende  des  Jahres  1388  verliessen  fast  alle  Scho- 
laren wegen  der  Fehden  und  der  Epidemie  die  Universität,  und 
mehrere  Professoren  giengen  nach  Köln,  wo  eben  die  Grün- 
dung der  Hochschule  beschlossen  wurde*'*).  Von  den  21  Magistern, 
welche  das  Kölner  Studium  anfiengen,  kamen  nicht  weniger  denn 
sieben  aus  Heidelberg*'*).  In  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1389 
wurde  die  Frequenz  an  der  Universität  Heidelberg  wider  eine 
grössere.  Im  J.  1407  aber  traf  die  Hochschule  das  Unglück,  dass 
bis  auf  die  lectio  juris  decretalium  alle  Vorlesungen  der  herrschen- 
den Epidemie  wegen  eine  Zeit  lang  eingestellt  werden  mussten*'*). 
Die  Universität  erhielt  ziemlich  früh  ein  C!ollegium.  Um 
von  dem  1389  errichteten  Cistercierserhaus  nicht  zu  sprechen,  war 
das  erste  und  eigentliche  das  GoUegium  in  der  Bursch,  welches 
den  Dompropst  zu  Worms,  Konrad  von  Gejlnhausen,  der  1387 
immatriculiert  wurde  und  Kanzler  der  Universität  war**'),  zum 
Stifter  hatte.  In  seinem  Testament  vermachte  er  der  Universität 
seine  Kostbarkeiten  und  Bücher,  damit  aus  dem  Ertrage  ein 
CoUegium  nach  dem  Muster  der  Sorbonne  erbaut  würde,  zu 
dessen  Ausführung  man  alsbald  nach  dem  Tode  des  Stifters 
(13.  April  1390)  schritt*'*).     Das   sogenannte  Gollegium  Arti- 


Ei8t  unter  dem  5.  Bector  kam  Matthaens  Clemeniis,  doctor  legomi 
an.  S.  oben  Anm.  679.  Das  Civilrecht  hatte  auch  im  15.  Jh.  nicht  immer 
seine  Yertretong,  wie  sich  unter  anderm  aas  einem  Antrage  der  UniTersit&t 
Yom  J.  1444  ergibt    Bei  Hantz  I,  289.  300  Anm.  20. 

^^)  S.  Toepke  S.  5  Anm.  2. 

^^)  8.  die  Bemerkung  in  der  Matrikel  bei  Toepke  8.  34  und  Anm.  4. 
Marsilias  Ton  Inghen  selbst  spielt  auf  die  'erectio  stndii  Goloniensis'  an. 

^^)  8.  unten  anter  Köln. 

^)  8.  Toepke,  Matrikel  8.  105. 

^^)  Toepke  1.  c.  8.  25.    Er  war  Magister  der  Theologie. 

«M)  8.  Haats  I,  187  f.    Vgl.  den  Bericht  der  ünirersitat  an  den  Kur- 
fürsten aas  1410,  ibid.  II,  367. 


3.  Hochschulen  mit  pftpsü.  Stiftbriefen.    KOhi.  387 

st4urum  wurde  im  folgenden  Jahre  (1391)  gegründet  *'').  Einen 
gewissen  Reichthum  erhielt  die  Universität  dadurch,  dass  ihr 
Ruprecht  ü.  die  Häuser  und  liegenden  Oüter  der  von  ihm  ver- 
triebenen Juden  übergab.  Diese  Schenkungen  bildeten  den  Grund 
zu  dem  genannten  CoUeg  für  Magistri*'^). 

Von  Bonifaz  IX.  erbat  man  unter  anderm  in  einem  bereits 
1387  beabsichtigten,  1389  eingesendeten  Rotulus  zwölf  Prae- 
benden  für  Mitglieder  der  Universität*").  Förmliche  Incorpo- 
rationen  folgten  in  den  nächstfolgenden  Jähren"''*). 

Köhi. 
Bedeutend  mehr  Interesse  als  Heidelberg  bietet  in  ihren  An- 
fangen die  Hochschule  zu  Köln.  Längst  ehe  die  Universität 
gegründet  wurde,  befanden  sich  dort  bedeutende  Stifts-  und 
Klosterschulen.  Allerdings  sind  uns  über  die  meisten  derselben 
nur  spärliche  Notizen  erhalten  ^^®);  allein  dass  das  wissenschaft- 

«»7)  Ib.  s.  190f. 

^^)  Ib.  n,  360.  Den  beiden  eben  genannten  GoUegien  folgte  im  J.  1396 
das  CoUegiam  Dionysianom.    S.  Haatz  I,  196.  II,  362  f. 

699)  Haatz  II,  358.  8.  dazu  Toepke  S.  27  Anm.  6;  S.  38  Anm.  4. 
Der  Rotolas  existiert  nicht  im  Vat  Archir,  denn  die  Reg.  Sappl.,  worin  die 
Rotnli  sind,  gehen  nur  yon  Clemens  VI.  bis  ürban  V.  an.  4.  inclnsire. 
Dann  folgen  noch  die  Beg*  Sappl.  Giemen.  YII.  nnd  Benedicts  XIII.  Im 
Archi?  der  Suppliken  beginnen  die  Reg.  Sappl.  mit  Martin  Y. 

^*)  S.  den  Bericht  der  üniTersitftt  aas  1410,  Haatz  n,  368. 

700)  s.  darüber  Bianco,  Die  alte  Universität  Köln  I  (Köln  1855), 
8.  11  ff.  Erg&nzende  Notizen  bei  Ennen,  Gesch.  der  Stadt  Köln  III,  833  ff. 
In  einem  Sehreiben  Goelestins  IIL  vom  20.  Dec.  1191  wird  aach  ein  magister 
Bcolaram  yon  St  Andreas  erw&hnt  (Pflagk-Harttang,  Acta  pont.  roman.  II, 
397  n.  453),  in  einer  Balle  Honorias  III.  yom  31.  Oct.  1217  der  Scholasticus 
▼on  S.  Oereon.  Beg.  Vat.  an.  2.  ep.  717.  Nicht  selten  erscheint  bei  Aas- 
fertigong  ron  Acten  der  Scholasticas,  Magister  scholaram  (bei  Gadenns,  Cod. 
diplom.  I.  n).  Man  lege  jedoch  aaf  derartige  Notizen  nicht  za  grosses  Ge- 
wicht, so  lange  man  ihnen  nicht  eine  bestimmtere  Grandlage  geben  kann. 
Schon  ZOT  Zeit  Roberts  de  Goar^n  lasen  yiele  Magistri  scholaram  nicht 
mehr  nnd  hielten  sich  nicht  an  die  Residenzpflicht,  obwohl  sie  'in  inTOSti« 
tara  talis  dignitatis'  daraaf  einen  Eidschwar  abgelegt  hatten;  sie  sabsti- 
taierten  sich  andere,  oder  Hessen  die  Schale  ganz  fahren  (Snmma,  Codd. 
Paris.  3258  BL  67  b.  14524  Bl.  47  b.)  Wie  die  Praecentoria,  so  warde  aach 
das  ^Magisteriam  scholaram'  and  die  'Scholastria'  schon  frühzeitig  eine 
blosse  Wflrde  and  Pfründe.    Ein  nicht  aninteressantes  Beispiel  bietet  ein 

25* 


388    ni.  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  cum  Ende  des  14.  Jhs. 

liehe  Leben  in  Köln  wenigstens  im  13.  Jh.  reger  als  in  vielen 
andern  Städten  Deutschlands  war,  schliesse  ich  schon  daraus, 
dass  die  Dominicaner  um  die  Mitte  desselben  Jhs.  ihr  General- 
studium f&r  den  Nord-Osten  dorthin  verlegt  hatten,  denen  bald  auch 
die  Franciscaner  und  andere  Orden  folgten.  Dies  war  ein 
Zeichen,  dass  in  der  betreffenden  Stadt,  wenn  auch  nicht 
gerade  eine  Hochschule,  so  doch  nicht  unbedeutende  Schulen 
existierten ''^*). 

Es  ist  indessen  irrig  mit  Bianco  anzunehmen,  dass  diese 
Schulen  zusammen  schon  lange,  ehe  in  Köln  die  Universität 
gestiftet  worden  war,  'ein  Generalstudium  gründeten'^").  Nicht 
weniger  schief  ist  die  Annahme  Ennens,  am  Generalstudium 
der  Dominicaner  hätten  'die  Zöglinge  alle  Studien  machen  und 
auch  die  akademischen  Grade  der  Theologie  erlangen  können'  '^^. 
Was  einmal  die  Behauptung  'alle  Studien  machen'  anbelangt, 
so  war  im  Dominicanerorden  bis  ungefähr  1259  das  Studium  in 
den  artes  liberales  sehr  bedingt,  und  das  Studium  naturalium 
erst  seit  1262  theilweise  eingeführt.  Noch  dürftiger  sah  es  mit 
dem  Bechtsstudium  aus^^^),  um  von  der  Medicin  gar  nicht  zu 
sprechen.  Von  der  Erlangung  akademischer  Grade  in  der  Theo- 
logie kann  aber  deshalb  keine  Bede  sein,  weil  selbst  die 
Mitglieder  des  Dominicanerordens  dieselben  bis  in  das  14.  Jh. 
nur  an  der  Hochschule  zu  Paris,  theilweise  auch  in  Oxford,  und 
bloss  ausnahmsweise  an  andern  Orten  nehmen  konnten'^*).    Fflr 


Schreiben  Innocenz  lY.  an  den  Magister  scholamm  zu  Braga.  Reg.  Tat  an. 
2  ep.  608  B1.198a.  Berger  n.  1326.  Immerhin  aber  war  das  einstige  Offi- 
cium fiOr  die  Würde  die  Qnmdlage. 

701)  S.  oben  S.  348. 

7WJ  A.  a.  0.  S.  11. 

^M)  A.  a.  0.  S.  835. 

7<M)  S.  unten  im  yierten  Hauptabschnitte. 

705)  Im  Verlaufe  des  Werkes  komme  ich  auf  die  weitere  Darlegung 
und  Begründung  zu  sprechen.  Hier  erwfthne  ich  bloss,  dass  selbst  in  der 
Tolosaner-Proyinz,  die  nach  jener  der  Proyincia  Franciae  (Paris)  in  Bezug 
auf  das  Studium  am  yorzflglichsten  geordnet  war,  die  Ordensgenossen  nicht 
am  Generalstudium  zu  Montpellier,  sondern  in  Paris  promoyiert  wurden.  In- 
teressant ist  der  zu  Marseille  1260  erlassene  Capitelsbeschlnss:  NuUus  mitta- 
tur  Parisius,  antequam  per  duos  yel  tres  annos  audierit  theologiam,  et  nt 


3.  Hochschulen  mit  pftpstl.  Stifbbriefen.    Köln.  389 

Ennens  Ansicht  könnte  man  sich  allerdings  auf  Quätif-Echard 
berufen,  welche  von  einem  Magister -Verzeichnisse  bis  zum 
J.  1368  sprechen,  in  dem  wohl  Johann  von  Dambach,  aber 
nicht  Tauler  als  Magister  erscheinen'^*).  Haben  nun  die  Au- 
toren an  der  etwas  dunkel  stilisierten  Stelle  dieses  Yerzeichniss 
auf  Köln  bezogen,  so  lag  dieser  Behauptung  nur  ein  Versehen 
zu  Grunde,  denn  Johann  von  Dambach  steht  nicht  in  einem 
Verzeichnisse  der  Magister  von  Köln,  sondern  von  Paris  als 
Magister'^').  Aus  dieser  letzten  Liste  erhellt  auch,  dass  die 
Dominicaner  nur  auf  specielle  Erlaubniss  des  Papstes  hin 
anderswo  als  in  Paris  promoviert  wurden,  so  z.  B.  in  Avignon, 
Montpellier,  Toulouse,  Neapel,  Prag  u.  s.  w.    Und  so  findet  man 


plares  possint  promoyeri,  miasi  Parisias  non  morentar  ibidem  ultra 
bienniam.  Cod.  TolosaD.  273  Bl.  294  a.  üebrigens  ergibt  sich  diese  That- 
sache  aus  der  Geschichte  des  Dominicanerstadioms  zu  Köln  and  zwar  ge- 
rade zur  Zeit  Alberte  des  Orossen.  Thomas  yon  Aqain  kam  dorthin  auf 
das  Studium  c.  1248,  wie  ich  anderw&rts  nachweisen  werde.  Nachdem  er 
unter  Albert  die  grössten  Fortschritte  gemacht  hatte  und  reif  fOr  das  Bacca- 
lareat  war,  hielt  ihn  der  Meister  nicht  in  Köln  zurflck,  sondern  'persoasit 
predicto  magistro  (ordinis),  nt  de  fratre  Thoma  de  Aquino  pro  baccalario 
predicto  studio  (Parisiensi)  proYideret  describens  ejus  sufficientiam  in  scien- 
tia  et  Tita'  (Wilhelm  de  Toco  in  AA.  SS.  7.  Hart,  t  1  p.  668.  Ich  habe 
den  fehlerhaften  Text  nach  Cod.  L  YIL  27  der  Bibl.  nazion.  in  Florenz 
corrigiert).    Thomas  reiste  dann  nach  Paris. 

706)  Quötif-Echard  meinen  SS.  Ord.  Praed.  I,  678,  Tauler  sei  nicht  in 
academia  Coloniensi  laurea  donatus  worden,  und  als  Grund  scheint  angefahrt 
zu  werden:  neque  nomen  ejus  in  catalogo  magistromm  ad  1368  sat  accurato 
recensetur,  ubi  tarnen  non  fnisset  omissum,  si  eo  honore  insignitus  fnisset, 
ut  omissum  non  est  condiscipnli  ejus  F.  Joannis  de  Tambacho.  Touren  be- 
hauptet in  der  That  auf  Grund  der  Aussage  des  Snrins,  Tanler  habe  in 
Köln  promoTiert  (Hist.  des  hommes  illustres  de  l'ordre  de  S.  Dominique  H, 
335).  Ich  selbst  nahm  in  Tanlers  Bekehrung  kritisch  untersucht  (Strass- 
bnrg  1879)  S.  7  diesen  Autoritäten  folgend  an,  man  habe  in  Köln  promo- 
vieren können.  Allerdings  wird  nunm^  mein  Beweis,  dass  Tanler  nicht 
Magister  war,  bedeutend  yerstftrkt,  ja  apodictisch,  denn  Tauler  erscheint  nicht 
im  Magister-Verzeichniss  yon  Paris,  mithin  war  er  überhaupt  nicht  Magister. 

707)  So  steht  in  dem  Verzeichnisse  der  Magister  zu  Paris,  resp.  in  der 
Fortsetzung  der  ron  Bemard  Guidonis  yerfassten  Liste  im  Cod.  Paris.  4348  BL 
89  b:  Fr.  Johannes  Tambac  Tentonicns  in  Avenione  per  papam.  Im  Cod.  L 
lU.  16  der  Uniyersitätsbibliothek  zu  Barcelona  heisst  es:  Fr.  Johannes 
Tambach  Teutoniens  faetns  per  papam  in  Montepessulano  anno  hccczIyi. 


390      m*  Entwickelung  der  Hochsehalen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

auch  einen,  der  in  Köln  promovierte,  nämlich  den  Fr.  Johannes 
dictus  Badebent  natione  theutonicus  in  Colonia'^').  All  dies 
geschah  aber  erst  seit  c.  1313^^').  Erst  viel  später  griff 
im  Orden  eine  andere  Einrichtung  Platz.  Von  einem  Kölner 
Magister -Verzeichnisse  oder  davon,  dass  man  bereits  unter 
Albertus  Magnus  in  Köln  promoviert  habe,  kann  also  nie  eine 
Rede  sein.  Wie  mit  den  Dominicanern  so  verhielt  es  sich  auch 
mit  den  Franciscanern.  Noch  im  J.  1337  war  es  den  Religiösen 
nur  erlaubt  in  Paris,  Oxford  und  Cambridge  das  Magisterium 
zu  erwerben,  obgleich  sie  ausserdem  andere  Generalstudien 
besassen'*"). 

Wenn  femer  Ennen  meint,  'das  Studium  generale  hob  sich 
in  Köln  (unter  Albertus  Magnus)  bald  zu  nie  geahnter  Blüthe 
und  die  gewecktesten,  strebsamsten  Köpfe  strömten  aus  allen 
Gegenden  nach  Köln  zusammen'  u.  s.  w.,  so  vergass  er  widerum, 
dass  jenes  Generalstudium  in  erster  Linie  ein  Ordensstudium 
war,  in  Folge  dessen  das  'Zusammenströmen'  von  Jünglingen 
gar  sehr  an  Bedeutung  verliert  ^^').  Anstatt  solche  allgemeine 
zum  grossen  Theile  irrige  Phrasen  zu  gebrauchen  möge  man, 
soweit  möglich,  einmal  die  unmittelbar  vor  Gründung  des 
Generalstudiums  an  den  verschiedenen  Kirchen  Kölns  (mit  Aus- 
schluss der  Klöster)  exi3tierenden  Schulen,  deren  es  sicher 
nicht  wenige  gegeben  hat,  mit  Bestimmtheit  nachweisen.  Im 
J.  1362  wird  die  Domschule  erwähnt"*). 

708)  Im  Cod.  Paris.  4348  Bl.  82a. 

709)  In  beiden  Hss.  liest  man:  Fr.  GuiUelmus  de  Leos  tholosaiias  per 
dorn,  papam  y.  dementem  inTholosa.  Er  findet  sich  unter  solchen,  die  1313 
bis  1317  licentiiert  worden. 

710)  8.  De  Qubematis,  Orbis  seraphicns  III,  33.  Chronologia  histor. 
legalis  FF.  Min.  I,  51.  Im  J.  1313  woUte  man  mit  den  Promotionen  anch 
in  Tonioase  anfangen;  aUein  es  kam  nicht  inr  AnsfUhrang.    8.  oben  Anm.  48€* 

711)  Ennen  wnrde  durch  den  unkritischen  Petras  de  Pmasia  yerfthrt 
&  8.  835,  Anm.  Auch  Trithemios,  Chron.  Hirs.  ed.  8.  QalU  II»  290  spricht 
m  aUgemein,  wenn  er  sagt,  dass  bei  den  Carmeliten  and  Dominicanern  ^ec- 
iiones  publice  legebantor*. 

71^  In  dem  1362  an  ürban  Y.  eingesendeten  Botahu  magtstronuB, 
Ucentlatornm,  bacallariomm  et  peritornm  wird  Anioldas  de  AUendorpe 
dericos  Colon,  dioec.  mag.  in  artibns  antiqaus,  proYoctaa  in  medicina  alt 
Rector  scolarom  ecdesie  Coloniensis  erwihnt    Urban.  V.  Reg.  Sa^pl-  an 


3.  Hochschulen  ttit  pftpatl.  Stiftbriefen.    Köln.  391 

Die  Kölner  sowie  die  angränzenden  Diöcesen  schickten 
seit  langem,  gewiss  schon  seit  dem  13.  Jh.,  viele  ihrer  fähigen 
Köpfe  zur  Ausbildung  nach  Paris  ^^'*),  theilweise  auch  nach 
Montpellier  und  Orleans.  Nach  Gründung  der  Hochschulen  zu 
Prag  und  Heidelberg  finden  wir  sie  auch  dort^^').  Italien  kommt 
hier  weniger  in  Betracht,  da  von  den  Professoren,  die  das  Kölner 
Studium  anfiengen,  kein  einziger  daselbst  gebildet  war,  wie  ja 
überhaupt  für  den  Beginn  der  deutschen  Universitäten  im  14.  Jh., 
und  nicht  bloss  für  deren  Organisation,  nahezu  ausschliesslich 
Frankreich  in  Betracht  kommt.  Ich  greife  zum  Nachweise  für 
Köln  nur  eine  Epoche  vor  Gründung  der  Hochschule  heraus. 

Im  Rotulus  facultatis  artium  Paris.,  der  1362  nach  Avignon 
abgesendet  wurde,  stehen  aus  der  natio  anglicana  55  magistri 
artium  ^^^).  Von  diesen  entfallen  27  auf  die  Utrechter  Diöcese, 
12  auf  die  Kölner,  5  auf  die  Lütticher,  auf  jene  von  Halber- 
stadt und  Mainz  je  2,  auf  jene  von  Ermeland,  Strassburg  und 
Gamin  je  ein  Mitglied.  Ausserdem  erscheinen  3  Schotten  und  ein 
Schwede.  Wie  man  sieht  gehört  der  Haupttheil  der  Utrechter, 
Kölner  und  Lütticher  Diöcese  an.  Ein  ähnliches  Yerhältniss  ge- 
wahren wir  bei  den  Determinantes  der  natio  anglicana  zu  Paris. 
Als  z.  B.  Jordanus  de  Cliyis,  auf  den  ich  alsbald  zu  sprechen 
komme,  am  10.  Februar  1365  zu  Paris  determinierte,  da  thaten 
dies  mit  ihm  39  Collegen  aus  der  natio  anglicana '^^).  Wenn- 
gleich nun  im  Begistrum  nationis  anglicanae  zu  Paris  meist 
die  Angabe  der  Diöcese,  und  öfters  auch  die  des  Geburtsortes 

1.  p.  2  Bi.  176b.  Ich  halte  es  fflr  sicher,  dass  gleichceitfg  mehrere  Stifts- 
schulen  existierten,  da  Bullinger  zu  seiner  Zeit  (1516—1522)  nicht  weniger 
denn  elf  Schalen  in  Köln  yorfand  (Erafft,  Aufzeichnungen  des  schweize- 
rischen Reformators  H.  Bullinger  Aber  sein  Studium  in  Emmerich  und  Köln. 
Elberfeld  1870  S.  57),  und  da  ja  die  EOlner  gerade  vor  Gründung  der  Hoch- 
schule eine  so  starke  wissenschaftliche  Rührigkeit  entwickelten. 

7^*)  Aus  dem  Umstände,  dass  von  Westdeutschland  hauptsächlich  Paris 
als  Studienort  gewfthlt  wurde,  erkl&rt  sich  das  öfters  missyerstandene  Wort 
Jordans  yon  Osnabrück:  studio  unus  locus  principalis  yid.  Parisius  sufficit. 
Buch  über  das  Rom.  Reich  ed.  Waitz  (Göttingen  1868)  S.  71. 

713)  s.  Hftusser,  Geschichte  der  rheinischen  Pfalz  I,  208. 

7U)  8.  oben  8.  123  und  Anm.  280. 

Tift)  iteg.  nat.  anglicanae  zu  Paris  III,  Bl.  74  b  f.  In  Bezug  auf  die 
einfachen  Scholaren  existieren  keine  Docnmente. 


392    ni.  Entwickelong  der  Hochschulen  his  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

fehlt,  so  lägst  sich  doch  so  viel  erschliessen,  dass  die  meisten 
der  40  Determinanten  (mit  Ausnahme  von  S—i)  Deutschland 
angehörten,  und  zwar  vorzüglich  dem  westlichen,  Holland  und 
Flandern  mit  einbegriffen.  Bei  vieren  wird  die  Kölner  Diöcese 
angegeben,  und  Jordan  selbst  gehörte  dieser  ebenfalls  an. 
Andere  waren  sicher  aus  der  Utrechter,  Lütticher  und  Trierer 
Diöcese.  Dieselbe  Beobachtung  macht  man  im  Registrum  bis 
1383'^').  Wenn  die  natio  anglicana  nach  und  nach  natio  Ale- 
mannorum  oder  Alemanie  wurde,  welchen  Namen  sie  in  der 
That  1400 "0  erhielt  (und  man  strebte  dies  bereits  1378  an'"), 
da  die  Natio  in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jhs.  mit  Ausnahme  der 
Schotten,  hie  und  da  eines  Engländers,  eines  Dänen  und 
des  einen  oder  andern  Schweden  fast  nur  mehr  aus  Deutschen 
bestand)'"),  so  hat  den  Hauptantheil  daran  das  westliche  Deutsch- 
land, und  zwar  vorzüglich  der  Niederrhein  nebst  Holland.  Ich 
sage  den  Hauptantheil,  denn  in  der  Natio  war  allerdings  auch 
das  übrige  Deutschland  mit  Böhmen,  wenngleich  schwächer,  und 
öfters  auch  Polen  und  Ungarn  vertreten. 

Auch  in  Montpellier  finden  wir  Studierende  aus  den  oben 
genannten  und  andern  deutschen  Diöcesen.  Von  den  50  Deutschen, 
die  in  dem  eben  citierten  Botulus  aufgeführt  werden,  erscheinen 
drei  auch  in  dem  um  dieselbe  Zeit  von  der  medicinischen  Facultät 
zu  Montpellier  an  Urban  Y.  nach  Avignon  eingesandten,  nämlich 
Theodericus  Hasselt,  Henricus  Mais  de  Goch  und  Jacobus  Galcar''^). 


716)  Uebrigens  gehörten  nicht  wenige  Deutsche  zur  Picardischen  Nation, 
n&mlich  alle,  welche  diesseits  (von  Frankreich  aus  gerechnet)  der  Mosel  ge- 
boren waren,  wie  die  Nation  noch  1357,  gestützt  auf  alten  Usus,  behauptete 
(Reg.  nat.  angL  III,  Bl.  35*).  Wie  viele  aber  bei  jener  Nation  waren,  Hast 
sich  nicht  mehr  nachweisen,  da  im  UniTersit&tsarchiv  zn  Paris  nur  die 
Jahre  1477—1484  und  1778—1792  des  Registers  jener  Nation  vorhanden  sind. 

717)  Reg.  nat.  angL  VI,  Bl.  55  a.  AUerdings  wurde  bis  1442  noch  immer 
die  Bezeichnung  natio  anglicana  angewendet.  Budinszky,  Die  UnirerBitat 
Paris  und  die  Fremden  an  derselben  (Berlin  1876)  S.  32  Anm.  6  hat  hierin 
richtig  gesehen. 

718)  S.  unten  unter  Universität  Wien« 
71»)  S.  oben  S.  96  Anm.  183. 

780)  Beg.  suppl.  ürbani  Y.  an.  1.  p.  1.  BL  186a.  Die  beiden  letzten 
waren  aus  der  Kölner  Diöcese,  der  erste  aus  der  Utrechter. 


3.   Hochschalen  mit  pftpstL  Stiftbriefen.    Köln.  393 

Ausser  diesen  findet  man  in  demselben  4  Graduierte  aus  der  Utrechter 
Diöcese^  je  3  aus  den  Diöcesen  Gambrai  und  Gonstanz,  2  aus  Köln 
und  Toumay,  je  1  aus  den  Diöcesen  Verdun,  Münster,  Breslau. 
Das  westliche  Deutschland,  und  zwar  zumeist  südlich  von 
der  Kölner  Diöcese,  ist  stark  vertreten  in  einem  zu  derselben 
Epoche  wie  die  frühem  an  Urban  V.  übermittelten  Botulus 
Oraduatorum  de  Provincia  Maguntinensi"^).  Von  den  darin  auf- 
gezählten Bewerbern  um  kirchliche  Beneficien  waren  die  meisten 
Baccalarei,  sei  es  in  decretis  oder  in  jure  civili,  oder  in  artibus 
und  medicina,  wenige  nur  Magistri.  Von  ihnen  gehörten  19  der 
Mainzer  Diöcese  an,  4  der  Constanzer,  3  der  Würzburger,  je  2  der 
Wormser,  je  einer  der  Bremer,  Lübecker,  Halberstädter,  Speierer, 
Basler  und  Präger^'').  In  einem  andern  Botulus  magistrorum, 
licentiatorum ,  baccalariorum  et  peritorum  Alamannie  aus  der- 
selben Zeit  erscheinen  wider  je  10  aus  der  ütrechter  und  Kölner 
Diöcese,  9  aus  der  Lütticher,  3  aus  der  Constanzer,  je  2  aus  den 
Diöcesen  Osnabrück,  Verdun,  Münster  und  Mainz,  je  einer  aus  den 
Diöcesen  Namur,  Paderborn,  Bremen,  Ermeland,  Basel,  Breslau, 
Hildesheim,  Prag"*).  Allerdings  werden  einige  der  ütrechter 
und  Kölner  auch  in  dem  Botulus  der  Artistenfacultät  zu  Paris 
(in  der  Natio  anglicana)  aufgeführt.  Von  all  diesen  waren  viele 
Magistri  in  artibus,  andere  licenciati  oder  baccalarei  in  jure 
can.,  oder  in  legibus,  in  medicina,  in  artibus,  theilweise  auch 
studentes  in  theologia,  einer  doctor  decretorum.  Es  würde  den 
Bahmen  des  Werkes  überschreiten,   diesen  Punkt  noch  weiter 

7«)  Ibid.  an.  1.  p.  2  Bl.  166  a. 

^  Es  geht  nicht  an,  hier  diese  Rotali  abiadrncken.  Bringe  ich  einen, 
80  mnss  ich  anch  die  andern  mittheilen,  und  zwar  YoUstftndig,  denn  sie  sind 
f&r  die  meisten  L&nder  interessant.  Deshalb  hier  nur  einige  Beispiele  zum 
Erweise,  wie  die  Deutschen  heromgeworfen  wurden.  In  dem  zuletzt  genannten 
Botulus  wird  erwähnt  Petrus  Yoalperti  (Wormser  Diöcese)  bacallarius  anti- 
quuB  in  decretis,  qui  per  duos  annos  in  Montepessulano  et  per  tempus  legit 
in  studio  AYinionensi.  In  Montpellier  las  auch  Ludovicus  dictus  Steideman 
de  Herfieldia  aus  der  Mainzer  Diöcese.  Derselben  Diöcese  gehörten  Ludolffus 
Goppel  an,  Scolaris  juris  canonici  Montispessulani,  qui  per  decennium  et 
ultra  ibidem  studuit,  bacallarius  in  decretis,  und  Henricus  de  Nanezen,  mag. 
in  artibus,  qui  pluribus  annis  rexit  Parisius  et  Scolaris  in  s.  theologia.  Der 
Wormser  Johannes  Tilmann,  bac.  in  decretis,  war  actu  legens  in  Rom.  curia. 

733)  Urbani  Y.  Reg.  SuppL  an.  1.  p.  2  BL  175  a. 


394    HL  Entwiekelmig  der  Hochsduden  bis  mm  Ende  des  14.  Jhs. 

aaszaf&hren,  obwohl  ich  recht  gat  dazu  in  der  Lage  wäre. 
Mehr  oder  weniger  gelangt  man  indess  immer  zu  demselben 
Resultate. 

Erwägt  man  diese  bisher  nicht  bekannten  Thatsachen,  so 
bedarf  es  nicht  viel  Scharfsinn  um  zum  Schlosse  zu  kommen, 
dass,  die  Lage  betrachtet,  damals  kaum  eine  andere  Stadt  West- 
Deutschlands  zu  einem  Generalstndium  so  geeignet  erscheinen 
musste  wie  Köln.  War  es  wegen  seiner  Position  wie  heute  ein 
Mittelpunkt  des  materiellen  Verkehres,  so  auch  ein  Gentrum 
jener  Diöcesen,  die  geistig  am  rührigsten  waren.  Durch  die 
Gründung  eines  Generalstudiums  konnten  die  Studierenden  der 
angränzenden  Eirchensprengel  angezogen  werden,  so  dass  sie 
nicht  mehr  Paris  oder  ein  anderes  fernes  Studium  aufzu- 
suchen brauchten.  Um  aber  die  Hochschule  zu  erdffiien  war  nicht 
nothwendig,  ausländische  Lehrkräfte  zu  wählen,  da  Kölns  Söhne 
bereits  seit  längerer  Zeit  auf  auswärtigen  Universitäten  graduiert 
worden  waren  und  an  denselben  Lehrstühle  bestiegen  hatten. 
Auf  diesen  letztem  Punkt  hat  bereits  Schmitz  hingewiesen"*), 
obwohl  er  obige  Thatsachen  noch  nicht  wissen  konnte. 

Man  hüte  sich  jedoch  zu  glauben,  dass  diese  Lehrkräfte 
vor  Errichtung  des  Generalstudiums  bereits  in  Köln  als  solche 
thätig  gewesen  seien.  Dies  könnte  man  nur  behaupten,  wenn 
es  sich  auch  wirklich  erweisen  Hesse.  Paulsens  Ansicht,  es  habe 
sich  in  Köln  ^bloss  um  eine  Zusammenfassung  der  in  verschiedenen 
Klöstern  und  Stiften  vorhandenen  Kurse  in  eine  universitas 
studii  Goloniensis  mit  dem  Becht  der  Ertheilung  akademischer 
Grade  gehandelt' "'),  beruht  auf  einem  argen  Missverständnisse. 
Kann  man  sich  denn  nicht  einen  Magister  ohne  Schule,  und 
einen  Magister,  der  zugleich  ein  Ganonicat  inne  hat,  ohne  Stifts- 
schule denken?  Mussten  etwa  die  21  Magistri,  welche  das 
Studium  in  Köln  angefangen,  unmittelbar  vorher  in  den  ver- 
schiedenen Stiften  und  Klöstern  Kölns  vorgetragen  haben,  so 
dass  an  der  Kirche  zu  den  Aposteln  nicht  weniger  denn  5  Lehr- 
stühle, bei  Maria  in  GapitoHo  3,  bei  Maria  ad  Gradus  und  bei 
St  Andreas  je  2  u.  s.  w.  gewesen  wären? 

7M)  In  den  MittheUongen  ans  Akten  der  üniYenitftt  KOhi.  Köln  1S78*  &  3. 
7<»)  In  Sybeh  Hitt  Zsch.  a.  a.  0.  S.  364  f. 


3.   Hochschulen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Eöhi.  395 

Erscheint  diese  Behauptung  schon  an  sich  ungereimt,  da  es 
so  stark  besetzte  Stiftsschulen  in  einer  und  derselben  Stadt 
damals  kaum  gegeben  hat,  so  ist  sie  auch  ganz  unbegrün- 
det, indem  über  so  blühende  Stiftsschulen  die  Kölner  Ge- 
schichte schweigt.  Im  Gegentheile  finden  wir,  dass  viele  der 
genannten  Magistri  Canonicate  an  Kirchen  von  Köln  schon  inne 
hatten,  ehe  sie  dort  waren,  ja  dass  nicht  wenige  derselben  erst 
kurz  vor  Eröffnung  der  Universität  nach  Köln  gekommen  sind. 
Zum  ersten  Male  will  ich  die  nöthigen  Anhaltspunkte,  soweit 
es  mir  möglich  ist,  hiefür  beibringen. 

Gerardus  de  Kaikar  war  nicht  vor  Winter  1888  in  Köta'"). 
Er  hielt  sich  früher  in  Wien,  und  noch  1381  als  actu  regens  in 
artibus  zu  Paris  auf  ^"),  wo  er  im  J.  1371  das  Canonicat  in  der 
Apostelkirche  zu  Köln  erhalten  hatte''*).  Theodoricus  Distel  de 
Unna  reichte  bereits  1362,  als  er  in  Paris  verweilte  und  die 
Studien  noch  nicht  vollendet  hatte,  um  das  Canonicat  an  der 
Kirche    des    hl.   Andreas  ein'*').     Johannes   de  Ubach  presb. 


^)  Er  selbst  sagt  in  seiner  ersten  Disputation  am  6.  Jänner  1889, 
dass  er  wegen  des  Kölner  Generalstndiams  Wien  verlassen  habe.  Schmitz 
8.  öf. 

7^7)  Registmm  nationis  anglicanae  zn  Paris  V,  Bl.  30  b.  32  a. 

7^)  Dies  erhellt  aas  dem  Schreiben  Gregors  XI.  yom  27.  J&nner  1371 
an  den  Gantor  eccles.  Paris.,  der  beauftragt  wird,  Gerhard,  ^rpetaom  ca- 
peUanum  in  ecclesia  s.  Yictoris  Xancten.  Colonien.  dioc  magistrum  in  ar- 
tibus, qoi  at  asseritur  a  qnatnor  annis  circa  in  eisdem  artibas  Parisius  acta 
rexit  proat  regit,  et  a  totidem  annis  etiam  in  sacra  theologia  Scolaris  extitit', 
in  das  Canonicat  einzafQhren.  Reg.  Yat  Ayenion.  tom.  5.  Bl.  551a.  Ger- 
ardns  Kypot  de  Kalker,  wie  er  im  Reg.  nat.  angl.  1.  c.  Bl.  17  a.  heisst,  war 
also  seit  ongefilhr  1366—1367  Magister  in  artibas,  and  1371  noch  einfacher 
scholaris  der  Theologie.  Leider  fehlen  in  dem  Registram  nationis  anglicanae 
za  Paris  gerade  die  Jahre  1365—1367  inclas.  Im  J.  1368  wird  Gerhard  dort 
schon  als  acta  regens  in  artibas  aafgeführt  (Reg.  nat.  angl.  IV,  Bl.  4^')> 
Jani  1378  war  er  bereits  baccallarias  in  theologia  (Reg.  nat  V,  Bl.  17*). 

7^)  ürbani  Y.  Reg.  Sappl.  an.  1.  p.  1  Bl.  159.  Damach  war  er  1362 
Procorator  nationis  anglicanae,  baccalareas  in  medicina,  licenciatas  in  arti- 
bas. Allein  nach  dem  Reg.  nat.  anglicanae  za  Paris  III,  Bl.  41b.  42a  war  er 
schon  1358  magister  in  artibas  and  erhielt  damals  das  Licentiat  (Bl.  27  a), 
das  Jahr  daraaf  ist  er  zam  ersten  Male  procarator  nationis  (BL  43  a),  za 
welchem  Amte  er  nachher  öfters  erwählt  wnrde.  In  dem  citierten  Reg. 
Sappl.  heisst  es  femer,  dass  er  früher  'soper  defeeta  nataliom,  quem  patitar 


396    ni.  EntwickeloDg  der  Hochschulen  his  nun  Ende  des  14.  Jhs. 

Colon,  dioc.  magister  in  artibus  reflectierte  ebenfalls  1362  auf 
ein  Canonicat  in  Köln,  ^on  obstante  quod  qaondam  vica- 
riam  altaris  in  ecclesia  s.  Adelberti  Aqüen.  Leodien,  dioa'  inne 
hatte"').  1871  ist  er  in  Paris'").  Lambertus  de  Euskirchen 
war  bereits  1380  Canonicos  in  Capitolio  Coloniensi'"))  ^387  als 
Magister  in  artibns  zu  Frag'''),  und  wurde  im  selben  Jahre  zu 
Heidelberg  immatriculiert''^).  Theodoricus  Kerkering  de  Mona- 
sterio  promovierte  erst  1384  zu  Prag  in  artibus"*)  und  war  1387 
bis  1388  in  Heidelberg''^).  Ck)nradus  de  Breydsthede  oder  Bret- 
scheyde  wird  1378  in  die  Artisten-Facultät  zu  Prag  aufge- 
nommen'"), und  1387  zu  Heidelberg  inscribiert'").  Johannes 
Bersword  de  Tremonia  war  1381  Procurator  der  englischen 
Nation  in  Paris"'),  und  wurde  1387  in  Heidelberg  immatri- 
culiert'^').    Dasselbe  geschah  mit  HarÜenus  de  Marka,  welcher 


de  presbytero  genitus  et  soluta',  dispensiert  worden  sei,  am  'ad  ordinem 
minoram  et  beneficinm  ecclesiasticum  sine  cora',  nnd  ebenso  am  'ad  ordinem 
mtuoram  et  ad  beneficiam  ecclesiasticam  etiamsi  caram  habeat  animarom^ 
promoviert  werden  za  können.  Er  hatte  bereits  das  Canonicat  and  die 
Praebende  ecclesiae  Mescheden.  dicte  diocesis,  von  deren  EinkOnften  er  aber 
nicht  leben  könne,  'cam  valorem  decem  marcharam  argenti  non  excedit'. 
Dietrich  Distel  erscheint  aach  in  den  Beg.  Yat  Ayenion.  ürbani  Y.  tom.  1 
Bl.  610;  tom.  2  BL  576.    Oregorü  XI.  tom.  24  BL  319. 

730)  Beg.  SappL  ürbani  V.  an.  1.  p.  2.  Bl.  177  a.  In  diesem  Botnlas 
(S.  oben  S.  303.  Anm.  723)  ist  nicht  immer  angegeben,  wo  sich  die  Betreffen- 
den aafhielten.  Allein  aas  dem  Begistram  nationis  anglicanae  la  Paris  er- 
gibt sich,  dass  Johannes  de  Ubach  za  Paris  verweUte.  Er  erhielt  dort  am 
3.  Mai  1358  das  Licentiat  in  artibas  and  'incepit'  24.  Jani.  HI,  BL  38  b. 
39a.  S.  n&chste  Anm.  Im  Jahre  1352  determinierte  ebenfalls  ein  Johannes 
de  Ubach.    Ibid.  Bl.  17  b. 

731)  Beg.  nat.  angl.  IV,  Bl.  22a. 

733)  S.  Monumenta  bist  anivers.  Prag.  I,  1.  p.  19. 
7M)  Ibid.  p.  255. 

734)  Toepke,  Die  Matrikel  der  üniyersitftt  Heidelberg  I,  24. 

735)  Mon.  bist.  aniv.  Prag.  p.  221. 

736)  Toepke,  Die  Matrikel  der  üniTersiUt  Heidelberg  I,  25. 

737)  Toepke  1.  c.  8.  8.  16. 

738)  Mon.  bist  1.  c.  p.  182. 

739)  Beg.  nat.  angl  Y,  BL  32a.  Er  determinierte  1375  (lY,  BL  44b), 
and  feierte  seinen  introitns  erst  1378.  Ibid.  Y,  BL  IIb. 

740)  Toepke,  Die  Matrikel  der  UniYersit&t  Heidelberg  I,  8. 


3.  Hochschalen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Köln.  397 

von  Wien  nach  Heidelberg  kam'^'),  und  mit  Johann  Bote  de 
Tekenborg,  welcher  gar  erst  im  Frühjahr  1388  in  Heidelberg 
intituliert  erscheint  ^^').  Jordanus  de  Clivis,  der  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  von  der  englischen  Nation  zu  Paris  zu  den 
wichtigsten  Aemtem  verwendet  wurde,  hielt  sich  noch  1383, 
d.  h.  bis  zur  Zeit,  wo  im  Register  eine  Lücke  bis  1392  eintritt, 
als  magister  actu  regens  zu  Paris  auf  ^^').  Herman  de  Aldenrode 
erhielt  dort  erst  1377  das  Licentiat'**),  Theodericus  de  Nien- 
borch  aber  determinierte  in  demselben  Jahre  ^^^'),  Johann  de  Yenlo 
war  1370  Procurator  der  Nation  zu  Paris'**).  Arnoldus  de 
Gelario,  der  bereits  ein  Beneficium  in  der  ütrechter  Diöcese 
inne  hatte,  bewarb  sich  1365—1366  um  eine  prebenda  sacer- 
dotalis  ecclesie  Coloniensis '*^).  Andere  hatten  vorher  Beneficien 
an  ausserkölnischen  Kirchen  inne.  Henricus  Lupi  de  Wesalia 
reichte  von  Montpellier  aus  im  J.  1362  um  ein  Beneficium  an 
der  Kirche  des  hl.  Gervasius  zu  Mastricht  ein'*')-  I™  J*  1373 
ist  er  m  Paris,  um  die  Stadt  bald  wider  zu  verlassen^**).    Er  ist 


7*1)  Ibid. 

7")  Ibid.  S.  80. 

7^)  Reg.  nat.  angl.  V,  Bl.  41b.  Er  determinierte  unter  Marsilias  von 
Inghen  am  10.  Febr.  1365  (ib.  III.  Bl.  55  a),  nnd  war  öfters  Procorator.  Er 
heisst  auch  hier  Jordannas  Wanghe  de  Clivis.  1378  war  er  Bector  der  Uni- 
yersität.    Ib.  Y,  Bl.  9.  10. 

7^)  Reg.  nat.  angl  Y,  Bl.  7  b.  Er  bat  darauf,  man  möge  ihn,  trotzdem 
dass  er  jetit  in  die  Heimat  gehe,  im  Rotolus  nicht  y ergessen;  er  werde  zn- 
rQckkehrea   Ibid.  Bl.  8  a. 

7*4«)  Ibid.  Bl.  5  b. 

7^)  Ibid.  lY,  Bl.  12a.  Zwei  Jahre  vorher  hatte  er  seinen  introitus  ge- 
feiert   Bl.  2  b. 

7^)  Mag.  Amoldos  de  Gelario  war  1366  procurator  nationis  anglicanae 
SU  Paris.  Beg.  Snppl  ürb.  Y.  an.  3.  p.  2  Bl.  107  b.  Aach  in  Montpellier 
wird  1362  ein  Arnoldus  de  Gelario  als  magister  in  artibas  Parisiensis  ac 
baccalariuB  in  medicina  in  Montepessnlano  acta  legens  erwfthnt.  ürban.  Y. 
Beg.  Sappl.  an.  1.  p.  1.  Bl.  186  b. 

747)  Er  war  damals  Magister  in  artibas  Parisiensis  and  Scolaris  in  me- 
dicina. Beg.  Sappl.  ürbani  Y.  an.  1.  p.  1  Bl.  187  b.  'Determinavit'  in 
artibas  zu  Paris  am  10.  Februar  1358  anter  Heinrich  Kaikar  (Beg.  nat  an- 
glic.  in,  BL  27  b)  and  erhielt  das  Jahr  darauf  das  Licentiat.  Ibid.  Bl.  42  a. 

748)  Beg.  nat.  angl.  lY,  Bl.  34  b. 


398      ni   Entwickelang  der  Hochsclmlen  bis  snin  Eade  des  14.  Jhs. 

vielleicht  identisch  mit  Heynricus  de  Wesalia,  der  1387  in 
Heidelberg  immatriculiert  wurde  ^*'). 

Obgleich  die  Kölner  und  die  angränzenden  Diocesen  viele 
Doctoren  und  Magistri  besassen,  musste  sich  der  Bath  doch 
erst  um  geeignete  Lehrkräfte  umsehen  und  sie  berufen,  wie 
in  der  Matricula  auch  ausdrücklich  erwähnt  wird^^^).  Davon, 
dass  es  nur  der  Vereinigung  bereits  bestehender  Schulen  bedurft 
hätte,  hören  wir  nichts.  Was  es  mit  Faulsens  Behauptung,  die 
mittelalterlichen  Universitäten  seien  freier  construierte  CoUegiat- 
stifte  gewesen'"),  für  ein  Bewandtniss  habe,  werden  wir  im 
vierten  Hauptabschnitte  sehen.  Noch  irriger  wird  Paulsens  Auf- 
stellung, wenn  er  nicht  bloss  die  Kölner  Stiftsschulen,  sondern 
auch  jene  der  Klöster  herbeizieht.  Gewiss  gab  es  auch  un- 
mittelbar vor  Errichtung  des  Generalstudiums  in  Köln  dort 
Klosterschulen.  Allein  nicht  ein  einziger  jener  21  Magistri, 
welche  das  Studium  eröSheten,  war  ein  Ordensmann. 

Der  Bath  von  Köln  wandte  sich  durch  Beligiosen  aus  den 
Bettelorden"*)  an  ürban  VI.  mit  der  Bitte  um  Gewährung 
einer  Errichtungsbulle  für  ein  Generalstudium.  Am  21.  Mai 
1388  wurde  dieselbe  ausgefertigt  Sie  stimmt  in  ihrem  ersten 
Theile  mit  mehreren  andern  Stiftbriefen,  z.  B.  mit  jenen  von  Valla- 
dolid,  Wien,  Fünfkirchen,  Erfurt  u.  s.  w.  überein.  Der  Papst 
gewährt  ein  Generalstudium  'ad  instar  studii  Parisiensis  in  theo- 
logie  et  juris  canonici'''^')  und  'in  alia  qualibet  licita  facultate'. 
Das  Promotionsrecht  erhielt  der  Propst  der  Gathedrale  oder 
sein   Delegierter,   eventuell  das  Capitel"*).     Am  22.  December 

7*ö)  Toepke  1.  c. 

760)  Bei  Schmitz  1.  c.  8.  4.  Am  22.  December  1388  sagten  die  Gon- 
suln  der  Stadt,  als  sie  die  p&pstliche  Stiftnngsbolle  verlesen  Hessen,  'qnod 
ipsi  jam  providebant  de  solempnibns  magistris  et  doctoribos  ad  inchoandnm 
statim  post  instans  festom  Nativitatis  Cbristi'. 

761)  A.  a.  0.  S.  283. 

753)  Diese  Thatsache  erfahren  wir  aus  einer  Kölner  Chronik  zum 
J.  1388  (Die  Chroniken  der  deutschen  St&dte  XIV,  728). 

763)  Warum  hier  nur  jus  canonicum  genannt  wird,  hat  in  der  Thatsache 
seinen  Grund,  welche  beim  Heidelberger  Stiftbriefe  erw&hnt  wurde.  Dass  es 
alsbald  Vorlesungen  auch  im  Jus  civUe  gab,  wird  sich  sogleich  zeigen« 

764)  s.  die  BuUe  bei  Bianco  1.  c.  I,  Anlagen  S.  1.  Besser  bei  Schmitz 
L  c.  S.  41 


3.  Hochschalen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Köln.  399 

desselben  Jahres  publicierte  der  Bath  die  Bulle  mit  der  Be- 
merkimg, dass  er  das  Studium  bereits  acceptiert  habe,  das- 
selbe erhalten  wolle  und  die  Absicht  habe,  die  Magistri  mit 
Freiheiten  auszustatten.  Am  6.  Jänner  1389  fanden  die  ersten 
Disputationen  statt  ^^'^),  am  8.  incorporierten  sich  21  Magistri,  von 
denen  bereits  die  Bede  war.  Sie  sind  die  eigentlichen  Be- 
gründer des  Generalstudiums.  Theils  hatten  sie  in  Paris,  theils 
in  Montpellier,  Prag  und  Wien  promoviert,  einer  war  Baccala- 
reus  in  legibus  von  Orleans.  Von  ihnen  sind:  1  Theologie- 
Professor,  2  in  theologia  baccalarei  formati,  1  magister  in  me- 
dicina  und  1  licentiatus,  1  baccalareus  in  legibus.  Alle  übrigen 
wie  die  genannten  selbst  waren  magistri  in  artibus.  Am  9.  Jänner 
wurde  der  Bector  (Hartlenus  de  Marka)  gewählt  Nach  und 
nach  kamen  noch  mehr  Magistri  und  andere  Oraduierte  und 
Scholaren  hinzu,  'alii  ad  legendum,  alii  ad  audiendum  in  theo- 
logie,  juris  canonici  et  civilis,  medicine  et  artium  facultatibus'. 
Sie  alle  liessen  sich  der  Universität  incorporieren.  Noch  im 
selben  Jahre  wurden  der  Universität  einverleibt:  7  magistri  in 
theologia  (Oerardus  Ealkar  eingerechnet),  2  doctores  juris  utri- 
usque,  2  doctores  decretorum,  2  magistri  in  medicina,  1  bacca- 
lareus formatus  in  theologia,  3  licentiati  in  legibus,  1  in  jure 
can.,  2  in  medicina  und  eine  Menge  magistri  artium  und  Bacca- 
larei der  verschiedenen  Fächer.  Die  Matrikel  desselben  Jahres 
weist  nicht  weniger  denn  737  Mitglieder  auf  "•).  Keine  Universität 
Deutschlands  in  unserer  Periode,  auch  nicht  Prag,  hat  einen  so 
glänzenden  Anfang  genommen.    Dieser  Umstand  fällt  um  so  mehr 


7^)  8.  Schmitz  1.  c.  S.  5  f.  Der  erste,  welcher  disputierte,  war  Gerhard 
de  Kaikar.  Die  Kölner  Chronik  sagt  irrig,  der  erste  Doctor,  welcher  (aber 
die  hl.  Schrift)  disputiert  habe,  sei  'ein  doctor  ran  der  universitete  yan 
Praga'  gewesen  (Ohroniken  1.  c).  Die  Acta  univers.  Colon,  in  der  National- 
bibL  zu  Paris,  nony.  acquis.  lat  n.  2165  (s.  unten  Anm.  772)  Bl.  13  setzen 
die  Eröffnung  der  üniyersität  und  die  erste  Disputation  nicht  auf  den  6. 
sondern  auf  den  5.  J&nner:  uniyersitas  haec  Colon,  fundata  est  ab  ürbano 
60  Pontif.  anno  ab  incam.  dorn.  1388  et  inchoata  est  anno  sequenti  1389  in 
profesto  seu  yigilia  epiphaniae  dorn.,  quo  die  prima  lectio  in  domo  capitulari 
Coloniae  facta  est,  sicut  in  libro  alio  yidere  fuit 

756)  S.  bei  Schmitz,  S.  6  ff.  9  ff. 


400      ^-   Entwickelung  der  Hochschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jha. 

in  die  Wagschale,  als  vorher  in  kurzen  Zwischenräumen  drei 
deutsche  Hochschulen,  nämlich  Prag,  Wien  und  Heidelberg,  ge- 
stiftet waren,  die  mithin,  als  die  Kölner  hinzukam,  bereits  eine 
feste  Position  inne  hatten. 

Wie  sich  aus  den  gelegentlich  angeführten  Gitaten  ergibt, 
hatte  in  Köln  selbst  das  Ciyilrecht  keine  sehr  schwache  Ver- 
tretung, und  die  Universität  besass  auch  in  der  Folge  nicht 
unbedeutende  Juristen.  Bereits  im  J.  1398  erliessen  zwei  legum 
doctores  actu  Goloniae  regentes  ein  Bechtsgutachten  über  die 
Brüder  und  Schwestern  des  gemeinschaftlichen  Lebens'*^). 

Achtet  man  nun,  um  auf  die  Lnmatriculierungen  des  ersten 
Jahres  zurückzukommen,  auf  die  Herkunft  der  einzelnen  Inscri- 
bierten,  so  findet  man  wider  fast  alle  jene  DiOcesen  betheiligt, 
in  deren  Mitte  sich  die  Kölner  Diöcese  im  J.  1362  zu  Paris  und 
Montpellier  befand;  es  besteht  sogar  nahezu  dasselbe  Yerhältniss, 
nur  tauschen  jetzt  naturgemäss  die  Kölner  und  Utrechter 
Diöcese  die  Plätze,  jene  erscheint  am  zahlreichsten,  ihr  folgt 
dann,  und  zwar  unter  sehr  starker  Vertretung,  Utrecht,  dann 
Lüttich,  endlich  Gambrai,  Mainz  u.  s.  w.  Zu  ihnen  kommen 
auch  andere  nahe  gelegene,  besonders  Münster  und  Trier.  Köln 
wurde  in  der  That  ein  Mittelpunkt  des  geistigen  Lebens  der 
westlichen  Länder  deutscher  Zunge.  Der  Bath  von  Köln,  der 
seine  Absichten  bei  Erö£Ehung  des  Generalstudiums  den  Nachbar- 
gegenden mittheilen  liess,  hatte  gut  gerechnet 

Am  12.  Februar  1390  giengen  drei  Abgesandte  der  Uni- 
versität mit  einem  Botulus  zu  Bonifaz  IX.  nach  Bom,  um 
Gnaden  und  Begünstigungen  sowohl  für  die  Gesammtheit  als 
für  die  einzelnen  Mitglieder  zu  erlangen  '*').  Der  Papst  fertigte 
drei  Bullen  aus,  die  auf  den  Krönungstag,  den  9.  November 
1389,  zurückdatiert  wurden''^').     In  der  ersten  gewährte  er  den 

7^7)  S.  die  Nachweise  bei  Mather,  Geschichte  der  Bechtswissenscbaft 
S.  98f.  245ff.  Den  besten  Anfsclüass  gewährt  jedoch  immer  die  MatrikeL 
8.  noch  speciell  Schmiti  8.  5.  8.  24. 

7&8j  Schmiti  S.  8.  9.  Diejenigen,  welche  den  Botulas  nach  Rom  ge- 
bracht hatten,  sagten  nachher,  derselbe  sei  im  Registrnm  sapplicationnm 
eingetragen  worden.  8.  1.  c.  8.  20.  Allein  im  Yat  ArchiY  existiert  er  nicht 
mehr  (s.  die  Bemerkung  oben  Anm.  699). 

7^)  Die  Ballen  wurden  aasgestellt  5.  Id.  NoTemb.  an.  1.   Am  7.  Oc- 


3.   Hochschulen  mit  p&pstL  Stiftbriefen.   Köln.  401 

Studierenden  die  gewöhnliche  Dispens  von  der  Residenzpflichf  ^); 
mittels  der  andern  bestellte  er  den  Abt  des  Klosters  zu  S.  Maiün 
in  Köln,  sowie  die  Decane  von  S.  Salvator  in  Utrecht  und  S.  Paul 
in  Lüttich  als  Conservatoren  dieses  Privilegs,  und  dieselben 
drei  ernannte  er  auch  zu  Conservatoren,  falls  die  Magistri  und 
Scholaren  bedrückt  würden  ^^0.  Warum  die  Conservatoren  gerade 
aus  jenen  3  Orten  gewählt  wurden,  hat  wohl  auch  darin  seinen 
Grund,  weil,  wie  wir  soeben  bemerkt  haben,  deren  Diöcesen  am 
meisten  am  Generalstudium  vertreten  waren.  Der  Abt  von 
S.  Martin  in  Köln,  Theodericus  de  Gomu,  besass  noch  besondere 
Verdienste;  er  trug  zur  Errichtung  der  Universität  nicht  wenig 
bei'"). 

Derselbe  Papst  gestattete  am  23.  August  1394  auf  10  Jahre, 
wie  er  es  auch  für  andere  Generalstudien  gewährte,  dass  20 
personae  ecclesiasticae  saeculares,  selbst  wenn  sie  Würden  be- 
Sassen,  nach  Wahl  der  Bectores  und  der  Provisores  studii  die 
Leges  hören  könnten'").  Am  16.  September  1394  wurden  von 
Bonifaz  IX.  11  Canonicate,  eines  in  einem  jeden  Stifte,  der 
Universität  einverleibt.  Man  hiess  sie  praebendae  primae  gra- 
tober 1390  waren  die  drei  Nnntii  oder  Abgesandten  schon  wider  in  Köln. 
S.  Schmits  S.  20.  Nun  brachten  sie  aber  die  drei  p&pstlichen  Ballen  mit, 
wie  dort  ausdrücklich  gesagt  wird;  das  Datum  kann  also  keineswegs  9.  Nov. 
1390  sein.  Die  Znrflckdatierung  auf  den  Erönungstag  oder  wenigstens 
anf  frohere  Jahre  kam  in  jener  Zeit,  wenn  es  sich  um  Verleihung  von 
Beneficien  und  BegAnstigungen  handelte,  sehr  h&ufig  vor.  Ich  komme  bei 
den  Universitäten  Lissabon  -  Coimbra  und  Wien  auf  andere  Beispiele  ra 
sprechen. 

7M)  Bianco  S.  122. 

761)  Bei  Bianco,  Die  alte  Universität  Eöhi  I,  Anlagen  S.  119—122. 
Derselbe  in  Versuch  einer  Gesch.  der  ehem.  üniversit&t  und  der  Gymnasien 
der  Stadt  Köln  (1833)  S.  427.  Alle  drei  Bullen  werden  auch  in  der  Ma- 
trikel bei  Schmitz  S.  20  erwähnt.    S.  noch  die  nächste  Anm. 

76t)  8.  Kessel,  Monum.  hist.  eccL  Colon.  (Colon.  1862)  p.  149  und 
p.  3 10  ff.  die  Bullen  Bonifaz  IX.  In  einem  Gedichte  auf  den  Abt  p.  149 
heisst  es: 

Tum  Theodoricus  de  Comu  nobilis  ortu 
Nobilior  meritis  summos  excepit  honores, 
Erecti  studii  Primas  sacrique  licaei 
Protector  judexque  a  summa  sede  statutns. 

763)  Bei  Bianco  a.  a.  0.  S.  125. 

DanifU,  Die  UniTenitAMn  J.  26 


402     ni.  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

tiae^**),  denen  im  J.  1437  praebendae  secundae  gratiae  folgten'**). 
Am  20.  November  1396  erhielten  die  Magistri  und  Scholaren 
ein  Privileg  vom  Herzog  von  Geldern'*'),  die  Stadt  selbst  aber 
schenkte  den  Juristen  und  Artisten  Häuser  und  besoldete  aber- 
dies  mehrere  Professoren. 

So  wurde  also  die  Universität  Köln  lediglich  vom  Papste 
gegründet,  wenngleich  auf  Anregung  der  Stadt;  obwohl  zum 
römischen  Reiche  gehörend,  ertheilte  ihr  der  römische  Kaiser 
keinen  Stiftbrief,  ja  die  Stadt  und  die  Universität  bewarben 
sich  nicht  einmal  um  eine  kaiserliche  Bestätigung'*').  In  dem 
1577  an  Gregor  XHI.  eingesandten  Bericht  über  den  Zustand 
der  Universität  steht  auch  ausdrücklich,  dass  die  'universitas  a 
senatu  sit  impetrata,  et  a  sancta  sede  apostolica  instituta,  privi- 
legiis  aucta,  a  nuUoque  nisi  a  Romano  Summe  Pontifice  tamquam 
a  fundatore  pendeat'**).  Semper  haec  academia  Rom.  ecdesia 
curae  fuit  tamquam  matri  dilecta  filia"**). 

Die  früheste  in  Köln  gestiftete  Burse  (nicht  GoUeg)  wird 
zum  J.  1416  erwähnt"*).    Ob  die  c.  1430  für  12  arme  Scholaren 


764)  Bei  Biftnco  1.  c.  S.  126. 

765)  Ibid.  8. 131.  Sie  wurden  erst  durch  Nicolans  V.  im  J.  1453  realisiert 

766)  Bianco  S.  3.  Er  nimmt  Bie  nur  in  Schutz  und  befreit'  sie  Ton 
ZöUen,  Steuern  und  Abgaben.    S.  auch  Schmitz.  S.  42. 

767)  Ein  kaiserliches  Privileg  erhielt  Köln  aUerdings  am  4.  August  1442 
(von  Friedrich  III.);  allein  es  geht  in  Bezug  auf  den  Inhalt  nicht  über 
jenen  des  Privilegs  des  Herzogs  von  Geldern  hinaus.  Im  Cod.  n.  2165  der 
nouY.  acquis.  lat  zu  Paris  El.  11.  Bianco  S.  4.  Es  ist  sonderbary  daas 
Eaemmel,  Gesch.  des  deutschen  Schulwesens  (Leipzig  1882)  8.  107  behaupten 
kann,  die  üniversit&t  sei  1388  'unter  kaiserlicher'  und  p&pstlicher  Zustim- 
mung eingeweiht  worden. 

768)  Archiv.  Vat  Arm.  61  n.  10  Bl.  40  a. 

769)  Ibid.  Bl.  37  b. 

770)  s.  Bianco  I,  254.  Jüngst  fand  Herr  Oberlehrer  Dr.  Liessem  am 
Kaiser -Wilhelms -Gymnasium  zu  Köln  in  der  Biancoschen  Bibliothek  einen 
Auszug  aus  dem  Decanatsbuche  der  Artisten -Facult&t  zu  Köln,  der  ftlr 
1405 — 1426  vom  Jesuiten  Adam  Easen  (gest.  1.  Juli  1653)  herrührt,  und 
fELr  1426—1626  theils  von  ihm  theils  von  Grotbauss  fortgesetzt  wurde.  Zum 
J.  1416  wird  eine  Burse  erwähnt,  und  zwar  die  von  M.  Andreas  de  Werdena 
und  M.  Arnold  de  Glotingen  (s.  Bianco  L  c).  Der  Excerpist  macht  hiesn 
die  Bemerkung:  Haec  prima  quoad  sciam  mentio  bursae  est.  Videntur 
autem  singuli  magistri  bnrsas  id  est  parva  collegia  institulsse  licat  hi  duo 


3.   Hochschulen  mit  p&pstL  Stiftbriefen.    Erfart.  403 

mit  einem  Bector  gestiftete  Bursa  coronanuQ  ein  eigentliches 
Ciolleg  gewesen  ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Die  Stipen- 
diaten sollten  Theologie  oder  Rechte  studieren.  Ein  f&r  alle 
Male  bemerke  ich  jedoch,  dass  die  in  Deutschland  gegründeten 
Bursen '")  Ton  den  in  den  romanischen  Ländern  und  in  England 
errichteten  Collegien  ftLr  arme  Scholaren  bedeutend  abweichen. 
Im  2.  Bande  komme  ich  auf  diesen  Punkt  ausführlicher  zu 
sprechen"'). 

Bzfort 
Nicht  weniger  Interesse  erregt  die  Universität  Erfurt. 
Schon  die  Vorgeschichte  der  verhältnissmässig  spät  gegründeten 
Hochschule  ist  eine  glänzende.  Bereits  im  J.  1184  be- 
stimmte der  Mainzer  Erzbischof  Christian,  'ut  quemadmodum 
in  aliis  ecclesiis  ita  in  prepositura  B.  Marie  in  Erford  in  con- 
ventualibus  tantum  ecclesiis  scolarum  usus  habeatur,  hac  utique 
adiecta  conditione,  ut  nuUa  ecclesia  nisi  sue  professionis  pueros 
scolares  assumere  debeat  erudiendos'  etc."').  In  der  ersten 
Hälfte  des  13.  Jhs.  müssen  die  verschiedenen  Schulen  Erfurts 
nicht   schwach  besucht  gewesen  sein,   denn  das  Chronicon  des 


i  M.  Andreas  et  M.  Arnoldns  Bünal  habitarent;  qnae  postea  desierint 
eiectis  celebrioribus  borsia»    Ich  yerdanke  diese  Notis  Herrn  Dr.  Liessem. 

771)  S.  vorläufig  über  sie  die  richtigen  Bemerkungen  Paolsens  in 
Sybels  Hist  Zsch.  Bd.  45  8.  4i0f. 

77^  Znr  VervoUständigong  dieses  Paragraphen  fbhre  ich  an,  dass  die 
Decanatsacten  der  Jaristen&cultät  vom  J.  1438—1530  in  Köln  (theilweise 
im  Original)  erhalten  sind;  von  den  theologischen  Facnltfttsacten  ist  das 
erste  Buch  in  Berlin  (Ms.  Boruss.  n.  269  der  Königl.  Bibliothek).  In  der 
Nationalbibl.  zu  Paris,  nony.  acqnis.  lat.  n.  2165  befinden  sich  die  bereits 
oben  citierten  Acta  nniversitatis  Colon,  ab  anno  1388—1750.  Mit  Ausnahme 
Ton  BL  93—103,  deren  Schrift  aus  dem  15.  Jh.  stammt,  rQhrt  die  Hs.  aus  dem 
16—18.  Jh.  her.  Der  Codex  berieht  sich  auf  die  theologische  Facult&t,  und 
Bl.  13  beginnt  die  Series  decanorum  ss.  Facnltatis  theol.  Colon,  ab  anno 
1898^1519.  Zum  J.  1893:  Primus  decanus  facnltatis  fuit  M.  Joannes  de 
Wasia.  Der  Codex  bietet  cum  grossen  Theile  nur  Excerpte ,  BL  28  sogar 
aus  Martine  -  Durand,  Anecd.  II,  1280.  Im  aweiten  Bande  komme  ich  auf 
dieae  Hss.  zurttck.   Einen  Botulus  vom  J.  1403  s.  bei  Ennen  III,  872. 

77*)  8.  Weissenbom,  Hierana.   Beitrftge  zur  Gesch.  des  Erfurtischen  Ge- 
lehrtenwesens, I.  n.    Erfurt  1870  S.  133. 

26* 


404    11^*   Entwickelang  der  Hochschulen  bis  com  Ende  des  14.  Jhs. 

Nicolaus  de  Siegen,  das  für  die  Geschichte  Erfurts  selbst  auch 
in  Bezug  auf  die  ältere  Zeit  einen  unläugbaren  Werth  bean- 
sprucht, berichtet  aus  jener  Epoche  (c.  1239)  über  einen  Auszug 
von  circa  mille  pueri  aus  Erfurt,  die  ausserhalb  der  Stadt  ^con- 
gregati  coream  fecerunt' ''*).  Im  Laufe  der  Erzählung  werden 
diese  pueri  mit  scolares  identificierf ').  Auch  in  dem  satyrischen 
auf  Magister  Heinrich  von  Eirchberg  verfassten  Gedichte,  dem 
sogenannten  Occultus  Erfordensis^'*),  wird  die  Zahl  der  Scho- 
laren in  Erfurt  auf  1000  geschätzt ^'0.  Vergleicht  man  jedoch 
diese  beiden  ungefähr  auf  dieselbe  Epoche  sich  beziehenden 
Nachrichten  mit  einander,  so  folgt,  dass  an  den  Erfm1;er  Schulen 
wohl  nur  das  jugendliche  Alter  vertreten  war,  und  mithin  der 
Unterricht  im  Grossen  und  Ganzen  schwerlich  den  Rahmen  der 
artistischen  Studien  überschritten  hat  Das  war  dort  selbst 
noch  einige  Zeit  vor  Gründung  der  Hochschule  der  FaU,  wie 
sich  ergeben  wird.  Behauptungen  wie  diese,  in  Erfurt  sei 
bereits  damals  eine  Art  Universität  gewesen,  der  nur  der  Rang 
eines  Generalstudiums  gefehlt  habe  ''*),  oder,  es  seien  dort  'auch 
höhere  (Facultäts-)Studien'  betrieben  worden'"),  entbehren  für 
das  13.  Jh.  jeder  Grundlage.  Wurden  in  Erfurt  jene  classischen 
Autoren  gelesen,  welche  der  Dichter  den  Magister  Heinrich 
kennen  lässt'"^),  so  würden  die  Erfurter  Schulen  ein  Pendant 
zu  der  gerade  in  diesem  Wissenszweige  ausgezeichneten  Schule 

774)  Chron.  eccles.  ed.  Wegele.    Jena  18^  S.  354  f. 

776)  Ibid.  p.  355:  Factum  «item  fnit  hoc  negodom  rire  hec  eorea  in 
feeto  divisionis  omninm  apostolomm,  cnm  pneri  siTe  scolnreB  canere  in  aeolis 
aolent:  In  omnem  temm  exiTit  sonns  eonim.  Dts  Chronicon  Sunpetrianm 
(ed.  Stübel)  spricht  nicht  Ton  diesem  Ereignisse. 

77«)  Zuerst  ediert  ton  Httfler  in  den  Sitxgsber.  der  phiL  bist  GL  der 
kais.  Aead.  d.  Wissensch.  37.  Bd.  (Wien  1861)  8.  183C;  dann  von 
im  1.  Bde.  der  GeschichtsqneUen  der  Provins  gn^Ji«>^n.    Halle  1370. 

bisher  flbersehene  Hs.  des  Gedichtes  ist  Cod.  Fari&  11345  vom 
J.  1455. 

777)  Y.  1549  nach  Hikflets,  1566  nach  Fischers  Zihlang.  Vgl.  data  anch 
die  Bemerkung  Fischers  8.  90  Anm.  4  (in  der  Separatansgabe). 

778)  Höfler  a.  a.  0.  S.  187. 

77»)  Mntber,  Zur  Gesch.  der  Bechtswissenschaft  und  der  UnitersitfttMi 
ia  Dentschlaad  8.  47. 

77»»)  y.  33  bei  Fischer. 


3.  Hochscbulen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Erfurt.  405 

in  Orleans  des  12.  bis  in  die  2.  Hälfte  des  13.  Jhs.  bilden.  Es  wäre 
dies  kein  geringes  Lob  für  Erfurt  Allein  die  Verse  enthalten 
nichts  darüber,  dass  jene  Autoren  wirklich  in  den  Erfurter 
Schulen  vorgetragen  wurden;  es  heisst  dort  bloss,  Heinrich 
habe  solche  Fortschritte  gemacht,  dass  er  nachher  mit  allen  jenen 
Schriftstellern  vertraut  gewesen  sei.  Da  das  ganze  Gedicht 
eine  Satyre  auf  Heinrich  ist,  so  wird  wohl  auch  diese  Stelle 
nur  ironisch  aufzufassen  sein.  Sie  beweist  allein  noch  nicht  für 
die  vorgegebene  Blüthe  der  Erfurter  Schulen.  Von  der  Anwesen- 
heit nicht  unbedeutender  Gelehrten  in  allen  Fächern  zu  Erfurt 
zeugt  jedoch  eine  andere  Stelle  im  Gedichte"®). 

Weitere  Nachrichten  über  das  Studium  während  des  13.  Jhs. 
bietet  das  Chronicon  des  Theodorich  Engelhus,  der  im  J.  1392 
als  519.  immatrikulierter  Schüler  der  Universität  Erfurt  erscheint. 
Zum  J.  1293  berichtet  derselbe  über  Statuten  'facta  pro  schola- 
ribus  et  rectoribus  Erfordiae  per  omnia  ibi  capitula',  die  durch 
die  Mainzer  Richter  bestätigt  wurden"*).  Diese  Ausdrucks- 
weise deutet  allerdings  auf  ein  etwas  mehr  einheitliches  Studium 
hin.  Wenn  aber  Levold  de  Northof  erzählt,  dass  er  sich  1294 
^ad  Studium  in  Erford'  begeben  hat"'),  so  darf  deshalb  noch 
nicht  an  ein  Generalstudium  gedacht  werden,  denn  auch  ein 
Studium  particulare  wurde  so  genannt. 

Leider  verlieren  sich  die  Nachrichten  über  die  Schulen  in 
Erfurt  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jhs.,  denn  was  Engelhus 
anführt,  Nicolaus  de  Lyra  sage  in  der  Postille  über  die  Apoca- 
lypse  c.  13,  er  sei  1329  in  studio  Erfordensi  gewesen"'),  finde 
ich  wenigstens  nicht  bei  de  Lyra;  sollte  aber  auch  diese  Stelle 
einmal  in  einer  Hs.  entdeckt  werden,  so  würde  sie  nichts  für 
die  externen  Schulen  in  Erfurt  beweisen,  um  die  es  sich  doch 
hier  handelt,  sondern  sie  wäre  auf  die  dortige  Studien- 
anstalt der  Franciscaner  zu  beziehen.  Es  stünde  dann  fest, 
dass  Nicolaus  de  Lyra  in  seinem  Kloster  zu  Erfurt  gelehrt  hätte, 
denn  in  jener  Zeit  war  er  bereits  Franciscaner,  und  einige  Jahre 


780)  y.  1465  ff.  nach  Höflers  Ansgabe,  bei  Fischer  Y.  1485  ff. 
7^)  In  Leibnitz,  SS.  rer.  Bmnsyicens.  II,  1123. 
783)  Bei  Meibom,  Ber.  germ.  I,  393  u.  394. 
783)  Bei  Leibnitz  L  c.  p.  1126. 


406    ni.  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

nachher,  vielleicht  schon  damals,  Schriftsteller.  Nicht  sehr  viel 
dienen  Nachrichten,  aus  denen  wir  erfahren,  dass  an  dieser  oder 
jener  Kirche  ein  Rector  oder  Magister  scholarum  war.  Wie 
solche  ftlr  das  13.  Jh.  erwähnt  werden'"^),  so  auch  f&r  1445^*')- 
Man  weiss  nicht  immer,  ob  das  Wort  bloss  einen  Titel,  oder 
zugleich  ein  Amt  bezeichnet'*").  Wären  wir  für  Erfurt  nur 
auf  solche  Documente  angewiesen,  so  würde  der  Schluss  nicht 
ungerechtfertigt  sein,  dass  die  Blüthe  der  Schulen  im  14.  Jh. 
dahin  war,  was  auch  bisher  angenommen  wurde.  Diese  Ansicht 
wird  nicht  erschüttert  durch  den  Hinweis  auf  eine  späte  Chronik, 
welche  zum  J.  1339  bemerkt,  es  hätten  sich  zuweilen  Scholastici 
und  Canonici  gefunden,  welche  der  Jugend  Deutsch,  Lateinisch, 
den  Katechismus  etc.  gelehrt  haben,  und  dies  sei  auch  in  Erfurt 
im  Stifte  B.  M.  V.  der  Fall  gewesen '*'),  denn  ein  derartiger 
Unterricht  war  bald  irgendwo  zu  haben. 

Trotz  alledem  besass  aber  Erfurt  gerade  im  14.  Jh.  und 
zwar  noch  kurz  vor  dem  Datum  der  ersten  Stiftungsbulle  eine 
der  bedeutendem  Studienanstalten  Deutschlands.  Einige  hdchst 
kostbare  Notizen,  die  ich  im  Yat  Archiv  fand,  lassen  keinen 
Zweifel  mehr  aufsteigen,  ja  sie  werfen  helles  Licht  auf  die 
blühenden  Schulen  Erfurts  vor  Gründung  der  Universität  In 
dem  1362—1363  an  Urban  V.  eingesendeten  Rotulus  magistrorum, 
licentiatorum,  baccalariorum  et  peritorum  Alamannie  wird  ein 
'Henricus  dictus  Totting  clericus  Osnaburgensis  dioc.  rector 
superior  studii  generalis  et  solennioris  Alamannie  artium  Erforden.' 
genannt     Er  ist  der  letzte  im  Rotulus.     Unmittelbar  auf  ihn 


7M)  S.  Wflrdtwein,  Dioc.  Mognnt.  comment.  11  p.  212  sqq.  Vorzflglicii 
wird  der  rector  scholarum  S.  Severi  genannt.  Wardtweins  Bemerkang  p.  23, 
es  habe  in  Erfurt  so  viele  Schalen,  als  Stifter  und  Klöster  gegeben,  ist  wohl 
flbertrieben. 

7^)  Vgl  s.  B.  Gadenos,  Sylloge  Tarionim  diplomatariomm  (Fraaco- 
forti  1728)  p.  348  n.  13,  wo  aas  einer  Hs.  ein  Lector  apnd  S.  Seyerom 
zum  J.  1343  genannt  wird.  Merkwürdigerweise  hiessen  die  Rectores  bei 
St.  Sever  zumeist  Heinrich. 

7M)  8.  oben  S.  386  Anm.  700. 

787)  Bei  Weissenbom,  Hierana.  I.  II.  p.  8  Anm.  15.  £aemmel|  Ge- 
schichte  des  deatschen  Scholwesens  8.  82  legt  la  yiel  Gewicht  auf  diese 
Notiz. 


8.  HochBchalen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Erfiirt  407 

folgt  ^Hermannus  dictus  Balne  clericas  Coloniensis  dioc.  etiam 
rector  in  studio  supradicto'  ^^^).  Wie  dieses  za  verstehen  sei, 
und  inwiefern  das  Studium  zu  Erfurt  bereits  vor  Errichtung 
der  Universität  ^Studium  generale'  bezeichnet  werden  konnte,  er- 
fahren wir  ziemlich  genau  aus  einer  Supplik  Kaiser  Karls  IV., 
die  er  an  den  gleichen  Papst  einige  Jahre  später,  nämlich  1366, 
richtete. 

Aus  derselben  geht  hervor,  dass  Henricus  dictus  Totting 
^Cursor  in  theologia  et  magister  in  artibus  in  universitate  Pra- 
gensi  actu  regens'  war^^^).  ^Aliqui  suorum  emulorum'  behaupteten, 
sagt  der  Kaiser,  die  Gratia,  welche  Heinrich  früher  (in  der  Supplik 
vom  J.  1362)  erbeten  habe,  wäre  ^subreptitia',  da  es  in  der  Ein- 
gabe heisse,  er  sei  ^rector  universitatis  studii  Erforden/,  während 
in  Erfurt  doch  keine  Universität  existiere,  und  Heinrich  selbst 
in  Prag  lehre.  Der  Kaiser  nimmt  nun  den  genannten  Lehrer 
gegenüber  den  emuli  in  Schutz,  indem  er  ausführt,  Heinrich  habe 
durchaus  geglaubt  die  Wahrheit  zu  sagen  ^ex  eo,  quia  in  dicto 
loco  Erforden,  secundum  usitatam  loquendi  consuetudinem  illius 
patrie  et  aliarum  circumiacentium  dicebatur,  prout  adhuc  dicitur, 
esse  Studium  generale  propter  magnam  studencium  multitudinem, 
qui  ad  prefatum  locum  plus  quam  ad  aliquem  alium  locum  tocius 
Alamannie  confluere  consueverunt,  et  eciam  ex  eo,  quia  ibidem 
sunt  et  fuerunt  quatuor  scole  principales,  in  quibus  philosophia 
tarn  naturalis  quam  moralis  cum  aliis  libris  arcium  copiose  lege- 
batur,  quarum  scolarum  superiorum  prefatus  Henricus  rector 
existebat,  licet  ibidem  (zur  Zeit  der  Einsendung  des  Botulus 
vom  J.  1362)  non  fuerit,  nee  adhuc  sit  universitas  privilegiata\ 


7^)  ürbani  V.  Reg.  Suppl.  an.  1.  p.  2  Bl.  178  b.  Für  Heinrich  wird 
eine  Praebende  an  der  ecclesia  major  Hambargen.  Bremen,  dioc.  erbeten,  für 
Hermann  eine  Praebende  an  der  Kirche  zu  Minden.  Der  Rotalns  wurde 
in  Arignon  unterschrieben    16.  kal.  Febr.  an.   1.,  für  Balne  17.  kal.  Febr. 

789)  Er  ist  Heinrich  Totting  de  Oytha,  der  bereits  1355  in  Prag  Ma- 
gister war  (Beg.  Suppl.  dem.  VI.  an.  11  Bl.  15  b,  eine  Eingabe  an  Inno- 
cenx  VI  an.  3.  enthaltend),  nach  1367  noch  dort  (Mon.  hist.  nnivers. 
Prag.  I,  1  p«  133  ff.)  und  später  in  Wien  war.  Ich  komme  auf  ihn  unten  im 
Abschnitte  über  die  üniyersit&t  Prag  zu  sprechen.  So  weit  man  schliessen 
kann,  trat  in  Erfurt  an  seine  SteUe  Herman  Balne,  der  ja  auch  rector  in 
studio  genannt  wird. 


408    UI.  Entwickelung  der  Hochschalen  bis  vom  Ende  des  14.  Jhs. 

Was  die  Behauptung  betreffe,  Heinricli  hätte  gesagt,  er  wäre 
^rector  universitatis  studii  Erforden.',  so  sei  sie  nicht  wahr,  da  er 
'de  universitate  non  fecerit  in  supplicatione  sua  mentionem,  prout 
ex  Registro  Supplicationum  Sanctitati  Vestre  constat  evidenter* ;  er 
habe  bloss  geschrieben,  er  sei  ^ector  studii  generalis  arcium  Er- 
forden. Maguntin.  dioc'  Karl  verwendet  sich  nun  f&r  ihn,  'qui 
multis  annis  in  dicta  vestra  universitate  Prägen,  et  in  dicto 
Erforden,  studio  fideliter  laboravit  multos  valentes  clericos  fiin- 
dando  in  eisdem',  um  eine  Würde  in  ecclesia  Osnaburgen'*®). 

Hier  erfahren  wir  auf  einmal,  in  wie  grosser  Blfithe  die 
Schulen  Erfurts,  ehe  dort  eine  Universität  gegründet  wurde, 
standen.  Es  waren  daselbst  ausser  den  niedem  vier  Haupt- 
oder höhere  Schulen,  an  denen  Philosophie,  und  zwar  wie  die 
Ausdrücke  ^hilosophia  tarn  naturalis  quam  moralis'  klar  an  den 
Tag  legen,  vorzüglich  die  aristotelische,  gelehrt  wurde.  Unter 
allen  Studienanstalten  Alemanniens  war  jene  zu  Erfurt  am  be- 
suchtesten und  sie  hiess  auch  deshalb  abusive  'Studium  generale\ 
Bereits  vor  Stiftung  der  Universität  hatten  die  Schulen  eine  ge- 
wisse Organisation,  denn  dies  ergibt  sich  aus  dem  vom  Kaiser 
angezogenen  Umstände,  dass  über  die  vier  Hauptschulen  ein 
Rector  gesetzt  war. 

Nun  erst  erhalten  alle  Notizen,  die  sich  auf  das  Erfurter 
Studium  des  13.  Jhs.  beziehen,  ihre  wahre  Bedeutung.  Zwischen 
einst  und  jetzt  muss  Gontinuität  geherrscht  haben.  Der  Kaiser 
spricht,  wie  aus  seinen  Worten  hervorgeht,  nicht  bloss  von  der 
Gegenwart,  sondern  auch  von  der  Vergangenheit  Es  scheint 
nur,  dass  die  Schulen  im  Laufe  der  Zeit  allmählich  einen 
philosophischen  Charakter  angenommen  hatten,  und  an  ihnen 
die  Werke  der  Klassiker,  sollten  diese  jemals  vorgetragen  wor- 
den sein,  durch  jene  des  Aristoteles  verdrängt  wurden. 

Jetzt  besitzen  wir  auch  die  nothige  Grundlage  f&r  die  Be- 
merkungen über  die  Rectores  scholarum  an  den  verschiedenen 
Kirchen  sowie  f&r  Berichte  aus  Chroniken,  insoweit  man  ihnen 
einen  Werth  beilegen  kann,  z.  B.  der  Rath  habe  1339  den  Stu- 


^  üriwni  Y.  Beg.  SuppL  an.  4.  p.  1.  BL  178a.    Die  Si^plik  wwie 
in  ATignon  &.  kL  Jon.  an.  i.  bnrUligt,  d.  i.  37.  Josi  1Z$S. 


3.  Hochschulen  mit  pftpstl.  StiftbriefeiL    Erfurt  409 

deuten  gegen  die  Steinmetzen  und  Wagner  Schutz  gewährt,  und 
1367  einen  von  ihm  gekauften  Hof  an  dieselben  vermiethet^'^)« 

Allerdings  muss  man  sich  hier  vor  üebertreihungen  hüten. 
Es  bestand  noch  kein  Generalstudium  in  Erfurt,  und  an  den 
dortigen  Schulen  kamen  damals  ebensowenig  Promotionen  vor, 
wie  meinetwegen  in  Magdeburg  und  Halberstadt,  deren  lang- 
jähriger Bector  studii  doch  noch  immer  beantragte  nach  Paris 
auf  das  Studium  zu  gehen,  und  zwar  wohl  um  promoviert  zu 
werden"').  Darauf  deuten  femer  die  Worte  des  Kaisers  hin, 
dass  in  Erfurt  'nee  adhuc  sit  universitas  privilegiata'. 

Ich  halte  es  indessen  für  wahrscheinlich,  dass,  wenn  an  den 
Erfurter  Schulen  des  13.  Jhs.  auch  die  Rechtswissenschaft  oder 
die  Theologie  gelehrt  worden  wäre,  sich  daselbt  ein  Studium  generale 
ex  consuetudine  herausgebildet  hätte.  Aber  selbst  ohnedem  bleibt 
Erfurt  immerhin  der  Buhm  im  13.  und  14.  Jahrhundert  eine 
der  berühmtesten  Studienanstalten  Deutschlands,  ja  selbst  nach 
der  Gründung  der  Universität  Prag,  innerhalb  seiner  Mauern 
geborgen  zu  haben"").  Kein  Wunder,  dass  sich  Erfurt  früher 
als  Heidelberg  und  Köln  um  ein  Generalstudium  im  eigentlichen 
Sinne  beworben  hat.  Die  Wege  zu  demselben  waren  geebnet. 
Es  ist  rein  accidentell,  dass  die  Ausführung  später  als  in  jenen 
zwei  Städten  zu  Stande  kam"^). 

7^1)  S.  Weissenbom,  Hierana  1.  c.  Falkenstein,  Historia  Ton  Erffurth 
(1739)  S.  265. 

^^  Ein  clericas  Rodolphus  de  Dorrete  'qni  jam  mnltis  annis  in  artibas 
stndait  et  per  plarea  annos  in  Saxonia  Stadium  rexit  in  civitatibns  Magde- 
borgen.  et  (im  Texte  <de')  Halberstaden  .  .  .  .  qui  propter  inopiam  rernm 
ad  Stadium  Parisiense,  ubi  se  transferre  desiderat,  retardatur',  hält  bei 
Clemens  VI.  um  eine  Kirche  an.   Clem.  VI.  Reg.  Suppl.  an.  2.  p.  2  Bl.  227  b. 

793)  Durch  obige  Nachweise  wird  Eampschultes  ürtheil  (Die  üni« 
yersit&t  Erfurt,  Trier  1858,  S.  7  Anm.  2)  widerlegt,  als  lasse  sich  von 
der  Wirksamkeit  der  Schule  in  Erfurt  bei  der  Gründung  der  Universit&t 
keine  Spur  nachweisen. 

7^)  DöUinger  hatte  die  ganse  Entwickelung  der  Schulen  Erfurts  Tor 
Errichtung  der  Uniyersit&t  und  deren  blühenden  Zustand  im  15.  Jh.  ausser 
Acht  gelassen,  als  er  in  seiner  Bede,  Die  Universitäten  sonst  und  jetzt,  S.  10 
emphatisch  bemerkte:  'Wollten  doch  selbst  einzelne  Städte  wie  Erfurt  ihre 
eigenen  Universitäten  besitzen'.  Unverständig  ist  aber  S.  12  der  sehr  wohl- 
feile Witz,  jede  Stadt  zweiten  oder  dritten  Ranges  und  jedes  Ländchen 


410    in.  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  mm  Ende  des  14.  Jhs. 

Am  16.  September  1379  erliess  der  ßegenpapst  Clemens  VIL 
auf  die  Bitten  der  Stadt  bin  einen  Stiftbrief,  worin  er  bewilligte, 
dass  ein  Generalstudium  bestünde  ^in  grammatica,  logica  et 
philosopbia  necnon  in  juribus  canonico  et  civili  et  etiam  medicina 
et  qualibet  alia  licita  facultate' '*^).  Die  Ordnung,  in  der  hier 
die  verschiedenen  Fächer  aufgezählt  werden,  findet  sich  sonst  in 
keinem  Stiftbriefe;  man  begann  immer  mit  den  hohem  und 
nicht  mit  den  niedem  Fächern.  In  diesem  Falle  scheint  die  um- 
gekehrte Ordnung  wegen  des  bereits  bestehenden  philosophischen 
Studiums,  worauf  die  Stadt  vielleicht  aufmerksam  gemacht  hatte, 
gewählt  worden  zu  sein.  Am  1.  October  desselben  Jahres  folgte 
eine  zweite  Bulle,  in  der  Clemens  erklärte,  er  habe  fflr  Erfurt  ein 
Generalstudium  ^tam  in  sacra  theologia,  quam  in  jure  canonico 
et  civili  quam  etiam  quacunque  alia  facultate'  bewilligt^'*).  Am 
1.  Februar  des  nächsten  Jahres  dispensierte  er  die  Studierenden 
auf  5  Jahre  von  der  Residenzpflicht '^O^  nachdem  er  schon  dem 
päpstlichen  Legaten  fär  Deutschland  am  18.  December  1378 
aufgetragen  hatte,  er  möge  die  Vergünstigung  allen  an  Hoch- 
schulen Studierenden  gewähren  ^'').  Das  G^neralstudium  wurde 
aber  noch  nicht  errichtet. 

Zehn  Jahre  später  wandte  sich  der  Cardinallegat  des  recht- 
mässigen Papstes  Urban  VI.  im  Verein  mit  dem  Erzbischof  von 
Mainz  und  der  Stadt  an  Urban  mit  der  Bitte  um  Bewilligung 
eines  solchen.  Die  päpstliche  Bulle  erfolgte  am  4.  Mai  1389. 
Sie  beabsichtigte  eine  Neugründung,  und  nicht  bloss  eine  Be- 

hahe  'sein  eigenes  Uniyersit&tchen,  gleichsam  die  Taschenausgabe  einer  Hoch* 
schnle  in  Dnodezform  zum  Privatgebranche'  besitzen  wollen,  was  sor  Folge 
gehabt  habe,  ^dass  Erfurt  im  J.  1805  noch  21  Studenten  hatte'.  Also,  weU 
nach  vier  Jahrhunderten  des  Bestandes  die  Universität  Erfurt  eingehen 
musste,  zu  welchem  Schicksale  eine  Menge  Umstände  zusammengewirkt  hatten, 
war  die  Grttndung  selbst  eine  verfehlte,  ja  ein  Nonsens  1 

7»^)  Reg.  Yat.  an.  1.  (n.  291)  Bl.  212a.  Auch  bei  Motschmann,  Er- 
fordia  literata  (Erffurth  1729)  I,  18  und  Weissenbom  L  c.  p.  1.  In  den  Be- 
gesten  steht  deutlich  XYI  kal.  Oct.  an.  1.,  so  dass  Motschmanns  Vorschlag, 
October  in  November  umzuändern,  an  sich  schon  gedankenlos,  ganz  hin« 
fällig  wird. 

''M)  Bei  Motschmann  1.  c.  p.  13. 

7»7)  s.  Weissenborn  L  c.  p.  Xu. 

7»8)  Beg.  Yat.  an.  1  (n.  291)  Bl.  18  b. 


3.  Hochschulen  mit  pftpstl.  Stiftbriefen.    Erfurt.  411 

stätigung,  wie  Weissenborn  will,  weshalb  der  Papst  auch  nicht 
mit  einer  Silbe  die  frühere  Stiftung  durch  Clemens  erwähnt. 
Das  Generalstudium  soll  In  sacra  theologia  necnon  in  canonico 
et  civili  juribus  ac  etiam  in  medicina,  philosophia  et  qualibet 
alia  licita  facultate'  existieren.  Als  den  bei  den  Promotionen 
Functionierenden  bestellte  der  Papst  den  Decan'''),  eventuell 
das  Capitel  der  GoUegiatkirche  B.  Y.  M.  zu  Mainz,  während 
Clemens  VH  dazu  den  Erzbischof  von  Mainz,  eventuell  dessen 
Generalvicar  oder  wen  sonst  der  Erzbischof,  und  bei  seinem  Ab- 
gange der  Propst,  der  Decan  und  das  Capitel  der  Collegiatkirche 
B.  Mariae  ad  Gradus  zu  Mainz  bevollmächtige.  Aber  auch  nach 
Erscheinen  der  Bulle  ürbans  VI.  gieng  man  zeitweilig  auf  die 
Bestimmung  Clemens  Vn.  zurück,  dass  der  Erzbischof  von  Mainz 
Kanzler  der  Universität  sei  und  eventuell  einen  andern  an  seiner 
Statt  designieren  könne  "®^). 

Der  erste  Bector  wurde  erst  nach  dem  2.  Sonntag  nach 
Ostern   (28.  April)  1392"'),   also  wahrscheinlich  am  29.  April 

799)  Die  Ausdrucksweise  ist  auf  den  ersten  Blick  etwas  dunkel,  so  dass 
man  im  Unklaren  darüber  sein  könnte,  welcher  Decan  gemeint  sei.  Panlsen 
scheint  a.  a.  0.  S.  283  an  den  Decan  der  Artisten-Facultät  denken  zu  wollen. 
AUein  davon  ist  keine  Bede.  Nach  den  späteren  Statuten  erweist  sich  der 
Decan  einer  jeden  Facultftt  als  deijenige,  welcher  die  Promotionen  überwachen 
muss  (s.  bei  Weissenborn  1.  c.  I,  6  Ruhr.  1  n.  2).  Urban  YI.  hatte  aber 
keineswegs  einen  solchen  Decan  im  Auge,  sondern  lediglich  den  des  Gapitels. 
Es  ergiebt  dies  der  Znsammenhang  der  betreffenden  SteUe  in  der  BuUe. 

^  Das  folgt  unter  anderm  aus  dem  Schreiben  des  Conradus  (Rhin- 
graTins  de  Lapide)  Electus  Maguntin.  vom  J.  1419  an  den  Theologieprofessor 
Johann  Oranebom  in  Erfurt,  worin  er,  cancellarius  a  sede  apostolica  spe- 
cialiter  deputatus,  den  Adressaten  einstweilen  zum  Yicekanzler  bestellt,  damit 
dieser  die  Promotionen  yomehme  und  die  Licenz  ertheile.  Oudenus,  Cod. 
diplom.  lY,  126  n.  53.  YgL  auch  Gudenus,  Bist.  Erfurtensis  (Duderstadii 
1675)  p.  122  sq. 

^^)  Heinrich  von  Langenstein  sagt  in  seiner  Epistola  ad  Robertnm 
Bayariae  electorem,  die  er  1391  zu  Wien  geschrieben:  Numquid  non  jam 
apud  Germanos  luceme  quatuor  sapientie  accense  sunt,  hoc  est  quatuor 
generalia  studia  veritatis  radiis  coruscantia?  Cod.  Yindob.  4923  Bl.  67  b. 
Erfurt  rechnete  er  also  noch  nicht  zu  den  Generalstudien,  denn  unter 
den  Tier  Generalstudien  Deutschlands  können  im  J.  1391  nur  Prag,  Wien, 
Heidelberg  und  Köln  gemeint  gewesen  sein.  Denis,  Codd.  mss.  theol.  I, 
8237  schreibt  irrig,  es  w&re  hier  ausser  ron  Köln,  Heidelberg  und  Wien  auch 
Ton  Erfurt  die  Rede. 


412    ni.  Entwiekelnng  der  Hoehsehnlen  bis  lom  Ende  des  14.  Jhs. 

erwählt  ^^^).  Im  genannten  Jahre  (anter  dem  Bector  Lad.  Malner), 
worden  523  immatricaliert.  Diese  Ziffer  bleibt  weit  zurück  hinter 
der  Anzahl  Studenten,  welche  im  13.  Jh.  in  Erfurt  sich  auf- 
hielten. Hätten  die  Erfurter  mit  der  Eröffnung  des  General- 
studiums nicht  so  lange  Zeit  gezögert,  so  würden  sie  sicher  eine 
höhere  Frequenz  erzielt  haben.  Nun  waren  schon  die  Universi- 
täten Heidelberg  und  Köln  gegründet. 

Unter  den  Immatriculierten  des  ersten  Jahres  befinden  sich 
22  Magistri  in  artibus,  1  Mediciner,  je  2  Theologen  und  Juristen, 
die  vielen  Baccalarei  nicht  mit  eingerechnet.  Im  J.  1394  er- 
scheinen schon  wider  drei  neue  Theologen.  Eine  grosse  Be- 
deutung gewann  die  Universität  Erfurt  im  15.  Jh.,  die  sie 
theilweise  der  guten  Vertretung  der  Bechtswissenschaft  zu  ver- 
danken hatte  "^').  Bereits  vor  der  Mitte  des  Jahrhunderts  war 
die  Hochschule  die  besuchteste  in  Deutschland. 

CoUegien  erhielt  die  Hochschule  sehr  frühe.  Behauptete  Erhard 
mit  Recht,  dass  die  Statuten  in  dem  Jahrzehnt  vor  Gründung  der 
Universität  entworfen  worden  seien  "*),  dann  würde  sich  ergeben, 
dass  zu  Erfurt  schon  in  dieser  Epoche  wenigstens  Bursen  be- 
standen hätten,  denn  letztere  werden  bereits  in  jenen  Statuten 
erwähnt.  Allein,  eine  solche  Ansicht  ist  unhaltbar"*).  Nichts- 
destoweniger reicht  das  für  Artisten  gestiftete  CoUegium  majus 
bis  zum  Beginne  der  Hochschule  zurück.  Sehr  bekannt  ist  das 
1412  gegründete  CoUegium  Amplonianum  oder  Porta  coeli  für 
Juristen,  das  1423  erneuert  und  1433  für  15  Scholaren,  Bacca- 
larei und  Magistri  eingerichtet  wurde*®*). 


8<»)  S.  Weissenbom  1.  c.  S.  36. 

^  Eine  nicht  uninteressante  Zosammenstellung  der  Recbtslehrer  ans 
der  Matrikel  machte  Mather,  Zur  Gesch.  der  Bechtswissenschaft  S.  207  ff. 
80*)  S.  Weissenbom  I,  XXII;  II,  1. 

805)  Dass  die  Statuten  erst  nach  dem  Tode  ürbans  YI.  (15.  Oct.  1389) 
abgefasst  worden  sind,  geht  aas  der  Ruh.  2  herror.  Dann  werden  Rab.  2.  19 
die  Consiliarii  erw&hnt,  die  erst  1395  erw&hlt  wnrden,  worauf  bereits  Weissen- 
bom hingewiesen  hat.  Es  ist  auch  ganz  irrig,  nar  von  einem  'Entwurf 
der  Statuten  zu  sprechen;  sie  sind  wirkliche  Statuten,  die  aber  unTollst&adig 
auf  uns  gekommen  sind. 

806)  Sinnhold,  Erfordia  liter.  HI.  St.  1  Sect  1.  p.  49.  Weissenbom^ 
Die  Urkunden  des  Amplonias  Ratingk.  Erfurt  1879.  Ders.,  Amplonius  Ratingk 


3.  Hocilsdialen  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.    Fünfkirchen.  413 

Wie  an  allen  deutschen  Universitäten,  so  wurden  auch  an 
der  Erfurter  Stifts -Praebenden  fär  die  Dotation  der  Professoren 
in  Anspruch  genommen.  Hier  waren  es  besonders  Pfründen  an 
der  Marienkirche  und  zu  St.  Sever'®'). 

Fünfkirohen. 
Gleichwie  in  keinem  Lande,  so  erwachte  auch  in  Ungarn  das 
wissenschaftliche  Leben  nicht  erst  mit  der  Gründung  der  Uni- 
versitäten. König  Ladislaus  III.  sagt  am  18.  November  1276 
in  dem  Schreiben,  womit  er  das  Studium  zu  Veszprim  restauriert, 
dass  in  dieser  Stadt  'a  tempore  quo  in  Hungaria  fides  coepit 
catholica,  dei  dono  liberalium  artium  studia  .  .  .  prout  Parisius 
in  Francia,  doctrine  docencium  preeminencia  et  copiosa  discen- 
cium  frequencia  pre  ceteris  regni  Hungarie  ecclesiis  .  .  .  corus- 
caviV  ^^*).  Mag  dies  auch  übertrieben  sein,  so  beweist  die  Stelle 
doch  immerhin,  dass  in  Ungarn  schon  frühzeitig  ein  gei- 
stiger Aufschwung  statt  hatte.  Am  meisten,  so  scheint  es,  wurde 
die  Rechtswissenschaft  betrieben.  Mehrere  Urkunden  lassen 
darauf  schliessen  ^®').  Bereits  frühe,  seit  dem  Anfange  des  13.  Jhs., 
erscheinen  Ungarn  an  italienischen  Bechtsschulen,  z.  B.  in  Vicenza, 
Bologna  und  Padua.  Ein  Jh.  später,  im  J.  1309,  wurde  auf  der 
Synode  zu  Ofen  bestimmt,  dass  an  jeder  Metropolitankirche  ein 


und  seine  Stiftung.  Erfort  1878.  Ondenns,  Historia  Erftirtensis  hUt  p.  128 
die  Amplonianische  Stiftung  fOr  die  erste.  Das  Epitheton  Torta  coeli'  wurde 
wohl  dem  gleichnamigen  Cistercienserkloster  bei  Naumburg  an  der  Saale 
entiehnt. 

^7)  Die  Einyerleibung  geschiüi  durch  ürban  VI  und  Bonifaz  IX. 
Zwei  Praebenden  zu  St.  Seyer  waren  für  'zwei  Doctoren  oder  Licentiaten 
der  hL  Schrift  oder  in  den  Rechten'  bestimmt.  S.  Wflrdtwein,  NoTasubsidia 
diplom.  IX  p.  XYI  sqq.  n.  25. 

^  Eatona,  Hist.  crit.  regum  Hungariae  stirpis  miztae,  YII.  Praef.  Fej^r, 
Codex  diplom.  Hungariaei  Y  toL  2  p.  347  und  dazu  IX  toL  5  p.  Vllf.  Vgl. 
auch  Abel  Jenö,  £gyetemeink  a  Eöz6pkorban  (Die  ungarischen  Universitäten 
im  Mittelalter)  Budapest  1881,  S.  47. 

^  S.  Abel  Jenö  S.  49  Anm.  4.  5.  Dass  das  Römische  Recht  da  und 
dort  Torgetragen  wurde,  muss  man  aus  dem  Schreiben  Innocenz  lY.  Tom 
J.  1254  schliessen,  worin  nebst  den  Lftndem,  wo  das  Rom.  Recht  nicht  ge- 
lehrt werden  soll,  auch  Ungarn  genannt  wird.  Matth.  Paris  ed.  Luard 
VI,  293. 


414    in«  Entwickelnng  der  Hochschulen  his  cnm  Ende  des  14.  Jhs. 

des  canonischen  Rechts  Kundiger,  an  den  übrigen  Gathedralen 
ein  Magister  in  grammatica  seu  logica  facultate,  angestellt  würden, 
welche  die  Gleriker  der  betreffenden  Kirche  und  die  pauperes  scolares 
umsonst  unterrichten  sollten''^).  Auch  noch  später  finden  sich 
Notizen,  obwohl  die  Wanderlust  nicht  mehr  so  gross  war. 
So  z.  B.  wird  erwähnt,  dass  ein  Kaplan  Ludwigs  des  Grossen 
von  Ungarn  1360  in  Padua  canonisches  Becht  studiere*").  Ein 
anderer  Ungar  war  als  Rechtsschüler  vor  1344  Rector  in  Bo- 
logna"^'). Von  einem  Paulus  Hungarus  heisst  es:  ultra  viginti 
annos  Bononiae  in  artibus  rexit"^').  Dass  auch  das  eine 
oder  andere  Ordens-Oeneralstudium  vor  Gründung  der  ersten 
Universität  in  Ungarn  existiert  hat,  schliesse  ich  aus  einer 
Supplik  König  Ludwigs  und  der  Königin  Elisabeth  von  Ungarn 
an  Clemens  VL,  in  der  sie  um  die  Bewilligung  des  Magisteriums 
für  den  Augustiner-Eremiten  Stephan  de  Insula,  der  M;am  stu- 
dendo  Parisius  quam  legendo  per  diversa  studia  generalia  in 
regno  Hungarie  et  Tolose'  sich  beschäftigt  habe,  bitten*'^). 

Aus  dieser  Supplik  geht  aber  zugleich  hervor,  dass  das 
Studium  der  Theologie  damals  und  schon  seit  langem  in  Ungarn 
arg  darnieder  lag,  denn  die  beiden  Bittsteller  sagen,  dass  in  jenem 
Reiche,  das  wegen  der  vielen  dort  wohnenden  Heiden,  Häretiker 
und  Schismatiker  mehr  als  ein  anderes  Land  geschulter  Theo- 
logen bedürfe,  nicht  6in  Magister  der  Theologie  zu  finden 
wäre'^0-    Im  Jahre  1353  war  nach  dem  Geständnisse  des  Königs 


810)  Fej6r ,  Cod.  dipl.  VIÜ  vol.  5  p.  49.   Abel  L  c.  Anm.  7. 

811)  Beg.  Suppl  Innoc.  YL  an.  8  Bl.  190b.  Er  hiess  Benedieftiu  Oeorgii 
81^  Beg.   Snppl.  Clem.  YI.  an.  2.  p.  3  Bl.  32  b.     Dieser ,  Johannea 

Dominici  de  üsa  Vesprimien.  dioc.  lector  Agnen.,  war  Gaplan  des  Card,  ron 
S.  Maria  in  Gosmedin,  bacalarias  in  jure  can.,  qoi  etiam  foit  rector  studü 
Bononien.  per  annom. 

8i3>  Beg.  Suppl.  Clem.  YI.  an.  3  p.  1  Bl.  86b. 

81«)  Beg.  Sappl.  Clem.  VI.  an.  4.  p.  1  Bl.  41.  Die  Sopplik  wnide  kL 
Oct.  bewilligt,  also  1.  October  1845. 

815)  Der  König  und  die  Königin  schreiben  in  dieser  Sapplik,  sie  bedürften 
'peritia  doctorum  in  sacra  scienüa  theologia  in  ipsonun  et  regni  eonmdem 
consilio',  da  sie  von  den  Ungläubigen  und  Schismatikern  umgeben  seien,  und 
Ungarn  tou  denselben  selbst  bewohnt  werde.  Da  aber  'tota  commonitas  deri 
cuiu8(que)  conditionis  et  Status  regui  predicti  careat  et  camerit  ab  antiqao 


3.    Hochschalen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.  FOnfkirchen.  415 

in  ganz  Ungarn  nur  &in  Magister  der  Theologie,   nämlich  der 

Bischof  von  Neutra,  welcher  jedoch  derselbe  Stephan  de  Insula 

war,   für   den  der  König  8  Jahre  früher  um  das  Magisterium 

angehalten  hatte.     Nunmehr  bekam  das  Reich  zwei  Theologen, 

da  der  König  neuerdings  um  die  Ertheilung  des  Magisteriums  an 

einen  Augustiner-Eremiten,  Nicolaus  mit  Namen  und  einen  ge- 

bomen  Ungar,  bat"*).    Zur  Theologie  hatten,  wie  es  scheint,  die 
Ungarn  keine  Neigung  und  nirgends  konnte  es  weniger  auffallen 

als  in  Ungarn,  dass  im  päpstlichen  Stiftbriefe  für  Fünfkirchen 
die  Theologie  ausgeschlossen  war^O« 

Den  ebengenannten  Stiflbrief  erliess  Urban  V.  am  1.  Sept. 
1367  und  zwar  auf  Betreiben  desselben  König  Ludwigs,  der  schon 
seither  wie  wir  gesehen  haben  sich  für  das  geistige  Leben  der 
Nation  interessierte.  Das  Bull.  Born,  schreibt  die  Bulle  Urban  VI. 
2U,  und  setzt  sie  in  das  Jahr  1382.  Allein  die  Vaticanischen  Re- 
gesten lassen  uns  hierüber  nicht  mehr  im  Zweifel*^*).    Die  Ansicht 


honore  magistrali  theologice  facultatis',  so  bitten  sie  für  den  oben  genannten 
Angnstiner-Eremiten,  der  fOr  das  Magisteriam  in  der  Theologie  reif  sei,  'ad 
landem  de!  ipsorumque  et  totias  regni  Hnngarie  honorem  ac  in  christiana 
reiigione  profectam'  um  die  ^nsignia  magistralis  honoris*.  Der  Papst  flber- 
tmg  dem  Card.  Tascolan.  et  SS.  quatnor  Coronat.  das  Examen. 

^^^)  Snpplicant,  qnatenas  cum  regnam  Hangarie  mnltis  paganis  et 
Bcismaticis  inhabitatum  literatis  et  emditis  viris  ad  conversionem  infidelinm 
et  hereticomm  confatationem  ac  ad  dilatationem  fidei  catholice  plorimum 
indigeat,  nnllomqne  pro  nunc  magistrum  habeat  theologie  preter  magistmm 
Stephanum  episcopnm  Nitrien.,  qni,  in  eomm  negociis  plorimam  occapatns, 
prout  necesse  esset  ad  predicta  solus  non  snfficit,  in  personam  dil.  capellani 
et  fuailiaris  eomm  Fr.  Nicolai  ord.  Heremitamm  s.  Aug.  de  dicto 
regno  orinndi,  Yaradien.  dioc,  lectoris  Parisien,  et  in  aliis  stndiis  exercitati 
specialem  gratiam  facientes,  nt  post  iam  (].  postqaam)  per  ordinem  diffinitos 
immediate  Parisius  anctoritate  Y.  prout  moris  est  sententias  legere  possit,  de 
benignitate  ap.  liberam  concedere  dignemini  facultatem  et  quod  gandeat  gra- 
tiifl  •  •  .  quibus  bacalarii  Paris,  per  ordinem  diffllniti  gaudent  et  fruuntnr  etc. 
Es  wurde  31.  October  1358  gewährt,  'si  idoneus  fuerit  Parisius  repertns'. 
Eeg.  Snppl.  Innocent.  YI.  an.  1.  p.  2.  Bl.  124  a. 

3i7j  Doch,  geschah  dies  damals  auch  noch  für  andere  neu  gegründete 
Hochschulen.  Zu  yiel  darf  man  in  dem  Factum  nicht  suchen.  Ofen  hatte 
Bpftter  eine  theologische  Facnlt&t. 

81»)  ürbani  Y.  Reg.  Yat.  Indult  an.  5.  Bl.  69.   Bereits  Koller,  Historia 
episcopatus   Quinquecclesiensis  III  (Posonii  1784)  p.  78.  96  traf  das  Rieh- 


416    in.  Entwickelong  der  Hochschulen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

*  

Wallaszkys,  der  Stiftbrief  rühre  von  Innocenz  VL  aus  dem  J.  1364 
her^^'),  braucht  nur  ausgesprochen  zu  werden,  um  sich  als  un- 
möglich zu  erweisen.  Zwar  versetzen  auch  solche,  die  in  Bezug 
auf  Urban  richtig  sahen,  die  erste  Gründung  in  das  Jahr  1360, 
nicht  als  sei  sie  damals  vom  Papste,  sondern  vom  Könige 
ausgegangen"®).  Allein  einen  förmlichen  Stiftbrief  hat  Ludwig 
wohl  nicht  erlassen.  Wie  aus  dem  genannten  Schreiben 
Urbans  V.  hervorgeht,  wählte  der  König  nur  den  Ort,  ertheilte 
den  Studierenden  Privilegien  und  stellte  darüber  eine  Urkunde 
aus.  Es  scheint  deshalb  auch  sicher,  dass  sich  Ludwig  schon 
seit  einiger  Zeit  mit  dem  Plane  beschäftigt  habe  sich  um  die  Be- 
willigung eines  Generalstudiums  zu  bewerben;  aber  weiter  lässt 
sich  nichts  sagen.  Der  Papst  berichtet  ja  selbst,  dass  der 
König  'plurimum  desideret  fieri  et  ordinari  per  sedem  apostoli- 
cam  Studium  generale'.  Der  König  hatte  mithin  die  Gründung 
der  Schule  noch  nicht  angefangen.  Urban  V.  bestimmt  nun,  ^t 
in  dicta  civitate  Quinquecclesiensi  de  cetero  sit  Studium  gene- 
rale .  .  .  tam  in  juris  canonici  et  civilis,  quam  alia  qualibet 
licita  preterquam  in  theologica  facultate'.  Der  Bischof  wird  als 
der  Leiter  der  Promotionen  bezeichnet.  Zum  Schlüsse  macht 
der  Papst  die  Ausführung  der  Bulle  davon  abhängig,  dass  der 
König  auf  die  Besoldung  der  Lehrer  bedacht  sei.  Am  darauf- 
folgenden Tage  schrieb  ersterer  dem  Könige  im  wesentlichen 
dasselbe  wie  im  vorigen  Briefe.  Nur  geht  daraus  hervor,  dass 
der  König  den  Professoren  und  Scholaren  bereits  einen  Privilegien* 
brief  gegeben  hatte.  Der  Papst  bittet  auch  den  König,  dass  er 
die  von  ihm  gewährten  Privilegien  bestätige  und  in  Ausführung 


tige.  Ihm  folgten  Eatona,  Historia  critica  regam  Hangariae  stirpis  mixtae  HI 
(Badae  1790)  p.  412,  414.  nnd  sp&ter  Fej^r,  Codex  diplom.  Hangariae.  Tom. 
IX.  vol.  4.  (Badae  1834)  p.  65|  and  neaestens  Abel  1.  c.  50.  um  so  sonder- 
barer ist  es,  dass  Schulte  im  Archiv  f.  kath.  Eirchenr.  XIX,  22  noch  den 
alten  verfehlten  Standpunkt  festhält,  den  er  in  der  Gesch.  der  Qaellen  and 
Literatur  des  can.  Rechtes  11,  286  noch  nicht  aufgegeben  hat. 

819)  Tentamen  historiae  Htterarum  sub  rege  gloriosissimo  Hatbia  Cor- 
vino.    Lipsiae  1769.  p.  51. 

820)  S.  z.  B.  Katona  a.  a.  0. 


3.  Hochschalen  mit  p&pstl.  StiftbriefeD.    Fanfkirchen.  417 

bringe,  eventuell  noch  weitere  hinzufüge"*).  Am  12.  Sept. 
desselben  Jahres  erthellte  er  auf  5  Jahre  Dispens  von  der  Residenz- 
pflicht"'), welche  Gregor  XL  am  16.  Jänner  1376  auf  fernere  5  Jahre 
ausdehnte,  wobei  er  den  Bischof  von  Passau  als  Executor  bestellte"'). 
Bonifaz  IX.  gestattete  dem  Bischof  von  Fünf  kirchen  ^singulis  doctori- 
bus  juris  canonici  vel  civilis  pro  tempore  in  studio  Quinquecclesien. 
legentibus'  gewisse  Propsteien  seiner  Diöcese  zu  verleihen"^). 

Am  4.  April  1369  beauftragte  UrbanV.  den  Propst  von  Bacs,  er 
möge  den  praepositus  Cibunen.,  Paulus  mit  Namen,  der  im  canon. 
Rechte  grosse  Fortschritte  gemacht  habe,  nach  vorhergegangenem 
Examen  in  Fünfkirchen  promovieren  ^non  obstantibus  quibus- 
cunque  privilegiis  ac  statutis  et  consuetudine  studii  Quinque- 
ecclesien.'  etc."').  Bald  darauf  lehrte  dort  ein  bedeutender 
Ganonist,  nämlich  Galvanus  de  Bononia,  der  auf  Betreiben  des 
Bischofes  Wilhelm  von  Fünfkirchen  vom  König  Ludwig  aus 
Padua  berufen  worden  war"*).  Er  hatte  ein  Gehalt  von  300  Mark 
Silber,  die  auf  das  bischöfliche  Mensalgut  gelegt  waren "0*  Im 
J.  1374  befand  er  sich  jedoch  schon  wider  in  Bologna®"). 

8^)  Beg.  Tat.  Indalt.  an.  5  Bl.  68.  Koller  1.  c.  p.  99.  Fej6r  1.  c.  p.  69. 
Abel  1.  c.  51. 

^)  Reg.  Vat.  Avlgnon.  tom.  15  Bl.  502  a. 

^)  Greg.  Bull,  divers,  (n.  289)  an.  6.  p.  478  a.  Koller  1.  c.  142.  178.  181. 
Beide  Ballen  sind  auch,  aus  Koller  genommeD,  bei  Katona  1.  c.  418.  622. 
Abel  1.  c.  53. 

^)  Koller  1.  c.  p.  380  ygl.  mit  p.  333  und  daiu  Abel  1.  c.  54  und 
S.  13.  S.  dort  die  Bemerkungen.  Das  Document  existiert  weder  im  Vat. 
Arch.  noch  im  Lateran.   Wenigstens  war  mein  Sachen  frachtlos. 

^)  Beg.  Vat  Avenionen.  tom.  21  Bl.  541a. 

886^  Dies  erhellt  aus  dem  Schreiben  Gregors  XI.  an  den  Bischof  vom 
7.  September  1371  (Heg.  Vat.  Secret.  de  Curia  an.  1.  Bl.  lOSa.  Fantuzzi, 
Notizie  degU  scrittori  Bologaesi  IV,  37  Anm.  6).  Aus  dem  Schreiben  muss 
man  schliessen,  dass  Galvanus  bereits  in  Fünfkirchen  war.  Es  ist  7.  Id. 
Sept.  datiert.     Schulte  macht  aber  irrig  3.  August  daraas.  S.  286  Anm.  2. 

^)  Schreiben  des  Papstes  vom  30.  Sept.  1372  (Prid.  kl.  Oct.  an.  2, 
also  nicht  1371,  wie  Celle,  Storia  deUo  studio  di  Padova  III,  47  meint). 
Indult,  et  priv.  an.  2.  ep.  407  Bl.  122  a.  Fantuzzi,  1.  c.  p.  38  Anm.  7; 
Koller  a.  a.  0.  p.  129.  Schulte  a.  a.  0.  S.  287.  Letzterer  sagt  richtig,  dass 
300  Mark  Silber  «  600  Goldguldeu  seien,  während  Fej^r  1.  c.  tom.  IX.  vol. 
5  p.  XXXIII  and  Abel  S.  12.  sie  mit  7200  fl.  identisch  finden! 

^  Dies  erfährt  man  aus  Gregors  Schreiben  vom  3.  August  des  ge- 

Denifl«»  Die  DniTenitftteii  I.  27 


418    ^-  Entwickelung  der  Hochsdialen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

Ich  bin  ausser  Stand,  über  diese  Hochschule  anderes  zu  be- 
richten. Die  Ungarn  selbst  wissen  nicht  mehr  über  sie  zu  sagen •*•). 
Mir  scheint,  dass  sie  kaum  die  Schwelle  des  15.  Jhs.  erreicht 
hat  und  durch  jene  zu  Ofen  ersetzt  wurde.  Es  taucht  zwar 
gegen  Ende  des  15.  Jhs.  wider  eine  scola  major  Quinquecclesien. 
auf®'®);  allein  diese  darf  nicht  mit  einer  Hochschule  verwechselt 
werden.  Scholae  majores  bestanden  auch  an  Orten,  wo  keine  Uni- 
versität existierte,  und  der  Ausdruck  'schola  major'  war  nicht 
der  terminus  technicus  für  Studium  generale*"). 

Ofen. 

Keine  Hochschule  bereitet  dem  Forscher  mehr  Verlegenheit 
als  jene  zu  Ofen.  Doch  kann  ich  immerhin  auch  über  sie  sicherere 
Nachrichten  geben,  als  man  es  bisher  vermochte.  Die  Schwierig- 
keit beginnt  gleich  mit  der  Stiftung.  Bonifaz  IX.  soll  die  Hoch- 
schule 1389  auf  Bitten  König  Sigismunds  errichtet  und  den  Propst 
von  St.  Peter  in  Alt-Ofen  zum  Kanzler  bestellt  haben*").  Nun 
ist  aber  der  Stiftbrief  nie  ediert  worden,  und  man  weiss  jetzt 
nicht  mehr,  wo  er  existiert.  Nur  auf  guten  Glauben  war  bisher 
obige  Behauptung  hinzunehmen.  Ich  kann  es  aber  doch  für 
immer    sicher   stellen ,    dass  Bonifaz   IX.    einen    Stiftbrief    für 


nannten  Jahres  (Ind.  et  privil.  an.  4  p.  115  a).  Er  sagt  aach,  dass  GalTanns 
'in  Paduano  et  Qainqaecclesien.  studiis  legit  laudabiliter  et  ordinarie  decre- 
tales'.    S.  auch  Fantnzzi  1.  c.  p.  39  Anm.  9. 

829)  8.   Abel  S.  13  f. 

830)  s.  Abel  S.  55  Anm.  16.  Die  Berichte  über  den  Zastand  der 
Schulen  zu  Fünfkirchen  in  der  nächsten  Epoche  werden  durchaus  ohne  Be- 
weis Torgebracht.  Zesler,  Lochner,  Szerdahelyi  u.  s.  w.  sprechen  von  2000— 
4000  Scholaren,  die  dort  gewesen  sein  sollen. 

831)  Scholae  magnae  oder  majores,  zum  Unterschiede  Ton  den  scholae 
parvae,  gab  es  an  mehreren  Orten,  wo  keine  üniversit&t  war.  Eines  der 
interessantesten  Beispiele  bietet  ein  Actenstück  vom  J.  1352,  die  scolae 
magnae  und  parvae  Ton  Senlis  betreffend  (Gallia  christiana  X,  Appendix 
p.  494  n.  152).  Aber  die  einen  wie  die  anderen  Schulen  waren  nur  fdr  die 
Jugend  (pueri)  bestimmt. 

832)  Inchofer,  Annales  ecclesiastici  regni  Hungariae.  Romae  1644  (nur 
der  1.  Bd.  ist  erschienen)  p.  328.  Die  Sp&teren,  wie  Belins,  Notitia  Hun- 
gariae noyae  III,  201;  Pray,  Annal.  Hungar.  11,  186;  Wallaszky  1.  c 
p.  52;  Abel  S.  57  Anm.  19  schöpften,  direct  oder  indirect,  nur  aus  ihm. 


3.  HocbschnleD  mit  p&pstl.  Stiftbriefen.   Ofen.  419 

die  Hochschule  za  Ofen  erlassen  hat,  obwohl  auch  ich  nicht  in 
der  Lage  bin  das  Document  vorzuführen.    In  den  Indices,  die  6a- 
rampi  im  vorigen  Jh.  von  den  Regesten  im  Vat.  Archiv  und  im 
Archiv  des  Lateran  anfertigte  und  die,  wenngleich  sie  unvollkommen 
und  unvollständig  sind,  doch  immerhin  manche  Behelfe  bieten,  fand 
ich   diese  Bemerkung:   Erectio   universitatis  studii  generalis  in 
oppido  veteris  Budae  Vesprimien.  dioec.  A  B.  Bonif.  9.  XIV,  12 
p.  127.    Die  Bezeichnung  AB  bezieht  sich  auf  das  Archiv  im 
Lateran,    die   römische  Zahl  gibt  das  Jahr,   die  arabische  den 
Band  an.     Mein  Suchen  im  Archiv  des  Lateran  war  aber  ver- 
gebens.    Soll  sich  nun   Garampi  getäuscht  haben?    Unmöglich. 
Seine  Notizen  stimmen  sonst  immer.     Er  mag  sich  bei  der  An- 
gabe  des   Jahres,   des    Bandes   oder  der    Pagina   verschrieben 
haben,   aber   wie   soll  man   annehmen,    dass  ein  Italiener  eine 
Stadt   in  Ungarn   statt   einer   andern   ihm   bekanntern   gesetzt 
hätte.    Die  Sache  verhält  sich  vielmehr  so.    Als  Anfangs  dieses 
Jhs.    die   päpstlichen   Archive    von   Paris   wider   zurückgestellt 
wurden,   blieb  manches   in  Paris  oder   auf  der  Reise   hängen. 
Thatsache    ist,    dass   von    den  Registerbänden   im  Lateran   ein 
bedeutender  Theil  nicht  zurückkam"*),    und   die  Bände,  welche 
wider   glücklich   anlangten,    der  Einbanddecken   beraubt  waren, 
so  dass  sie  neuerdings  gebunden  werden  mussten,  in  Folge  dessen 
die  Nummerierung  eine  andere  als  zur  Zeit  Garampis  wurde.    Zu 
den  fehlenden  Bänden  scheint  auch  jener  zu  gehören,  in  dem  die 
Gründungsbulle  flir  die  Hochschule  zu  Ofen  stand.  Aber  sicher  bleibt 
nun,   dass  sie   einmal  von  Bonifaz  IX.  ausgestellt  wurde,   und 
Inchofers  Notiz  nicht  aus  der  Luft  gegriffen,  sondern  auf  Grund 
des  Documentes   gebracht   worden  war.     Ein  Zweifel  bleibt  nur 
noch  über  das  Datum  bestehen.     Inchofer  setzt  das  Schreiben 
in  das  erste  Jahr  des  Pontificates  und  zwar  in  den  Anfang  (1389). 
Nach  Garampis  Index  müsste  man  schliessen,  es  sei  im  14.  Jahre 
des  Pontificates,  also  1402 — 1403,  ausgefertigt  worden.    Allein 
das  Jahr ,    welches  Garampi  angibt ,   bezieht  sich  nicht  auf  das 
Datum  des  Schreibens,  sondern  auf  dasjenige,  welches  auf  dem 


^^)  Daher  kommt  es  aach,  dass  z.  B.  jene  B&nde  fehlen,  in  denen  die 
Schreiben  Bonifas  IX.  fOr  die  Universität  Köln  standen. 

27* 


420     ^n.  EntwickelaDg  der  Hoehsclmleii  bis  sum  finde  des  14.  Jhs. 

Bücken  des  Bandes  stand.  Wahrscheinlich  war  es  ein  Miscellanband, 
in  dem  zwar  zumeist  Bullen  aus  dem  14.  Jahr  sich  be&nden,  aber 
auch  solche  aus  frühem  Jahren  vorkamen"^),  und  es  ist  mithin 
dadurch  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  Bulle  im  1.  Jahre  des 
Pontificates  gegeben  wurde.  Ob  gerade  im  Anfange  desselben, 
ist  eine  andere  Frage.  Bis  sich  keine  genaueren  Notizen  fixieren 
lassen,  nehme  ich  als  das  Datum  des  Stiftbriefes  1389 — 1390 
an.  Dass  dasselbe  kaum  in  eine  andere  Zeit  fallen  kann,  er- 
gibt sich  auch  aus  dem  folgenden. 

Am  6.  October  1395  erhob  Bonifaz  IX.  den  Propst  von 
S.  Peter  in  Alt -Ofen,  Lucas,  zum  Bischöfe  von  Csanäd,  und 
gestattete  ihm,  dass  er  zugleich  die  Propstei  behalten  dürfe  ^et 
officium  cancellarie  studii  dicti  oppidi  Veteris  Bude  exercere', 
^non  obstante  quod  in  aliqua  facultate  doctor  non  existat' ***). 
Offenbar  setzt  dieses  Schreiben  jenes  andere  voraus,  in  dem  der 
Propst  zum  Kanzler  des  Studiums  ernannt  wurde,  d.  i.  den 
Stiftbrief,  welchen  wir  oben  erwähnt  haben.  Letzterer  kann  mit- 
hin nicht  in  das  14.  Jahr  des  Pontificates,  sondern  nur  in  die  frühere 
Epoche  desselben  gehören,  wodurch  Inchofers  Bericht  bestätigt 
wird.  Dafür  sprechen  auch  andere  Thatsachen.  Bereits  1396 
wurden  an  der  Hochschule  zu  Ofen  scholastische  Acte  und  Pro- 
motionen vorgenommen,  wie  Fraknöi  eruiert  hat^'^).  Leider 
handelt  es  sich  in  all  diesen  Documenten  immer  nur  um  die 
facultas  artium,  und  wir  erfahren  nichts  über  die  andern  Facul- 
täten.  Auf  sie  werden  wir  erst  durch  Nachrichten  über  das 
Goncil  zu  Constanz  aufmerksam  gemacht.  In  die  Zwischenzeit 
fallt  aber  ein  interessantes  Ereigniss. 


^  In  demselben  stand  auch  Bl.  131  das  Schreiben  Boni£u  IX. 
vom  6.  Oct.  1395,  womit  er  den  Propst  Ton  St  Peter  in  Alt-Ofen,  den 
Kanzler  des  Stadiums,  zum  Bisehof  Ton  Csanäd  ernannte.   S.  die  nächste  Anm. 

835)  Fej6r,  Cod.  dipl.  X  vol.  2  p.  315.  S.  Abel  S.  59  Anm.  23.  Er 
hiess  Lucas  Demetrius,  wie  aus  einem  Actenstflcke  vom  18.  J&nner  1395 
hervorgeht,  als  er  noch  einfacher  'prepositos  ecclesie  s.  Petri  de  Veteribada' 
war.  Archiv.  Vat  ürb.  VI.  Bonif.  IX.  Oblig.  n.  590  Bl.  152  a.  Vgl.  daza 
noch  Bl.  164  a,  n.  591  BL  64  a.  und  Reg.  Vat.  Bonifacii  IX.  lib.  4  (n.  315) 
Bl.  la  (vom  4  Nov.  1395). 

83<]j  Magyarorszägi  tan&rok  ^s  tannlök  a  b^csi  egyetemen  a  14.  ^s  15. 
sz&zadban.  1874,  p.  14.  Abel  S.  60  Anm.  24  und  S.  19. 


3.  Hochschalen  mit  p&pstl.  Stifthriefen.    Ofen.  421 

Johaon  XXIII.  übertrug  am  I.August  1410  dem  Bischof  von 
Piacenza,  Brande,  der  sich  in  Angelegenheit  der  Kirche  in  Ungarn 
aufhielt,  sich  ^super  loco  notabili,  fertili,  insigni  et  alias  ac- 
commodo  et  idoneo  ad  conservationem  et  exaltationem  studii 
in  ipso  Ungarie  vel  alio  regno  seu  partibus  regi  subditis  erigendi 
et  doctorum  magistrorum  scolarium  et  aliorum  degere  debentium 
in  eodem  auctoritate  nostra  etiam  cum  consilio  prefati  regis'  zu 
informieren,  und  einen  Bericht  einzusenden,  damit  er  ^ad  erectionem 
dicti  studii  et  alia  concedenda  indulgenda  privilegia'  schreiten 
könne ^'').  Als  Grund  gibt  der  Papst  deutlich  an:  ^volentes 
Yotis  regis  (Sigismundi)  in  hac  parte  annuere  regnumque  ipsum 
Ungarie  vel  alia  dicto  regi  supposita  decore  generalis  studii 
illustrare\  Daraus  geht  denn  doch  hervor,  dass  damals  das 
Generalstudium  zu  Ofen  bereits  wider  in  Abnahme,  oder  ganz 
ins  Stocken  geraten  war.  Darum  sagt  auch  der  Papst,  es  möge 
ein  tauglicher  Ort  nicht  bloss  'ad  exaltationem'  sondern  auch 
'ad  conservationem  studif  gesucht  werden,  d.  h.  einen  Platz,  wo 
für  das  neu  gegründete  Studium  zugleich  Aussicht  auf  Fortdauer 
sei.  Allein  Brande  fand  keine  günstigere  Stadt  als  Ofen,  wo 
kurz  vorher  das  Generalstudium  gewesen  war,  ja  vielleicht 
noch  Ueberbleibsel  desselben  existierten,  und  der  Papst  erliess  1411 
einen  Stiftbrief  für  Ofen^^^).  Thatsache  ist,  dass  vom  J.  1412 
wider  Berichte  über  die  Hochschule  zu  Ofen  vorliegen""),  die 
nun  einige  Decennien  hindurch  nicht  ausbleiben.  Unter  den 
auf  das  Goncil  in  Gonstanz  Abgesandten  erscheinen  drei  Magistri 
der  Theologie,  zwei  doctores  decretorum  und  ein  Mediciner"®). 


887)  Reg.  Vat.  Cur.  an.  1.  I.  3  Bl.  87  a.  Theiner,  Mon.  Hang.  II,  184 
n.  343.   Abel  S.  57  Anm.  20. 

83B)  Garampi  schrieb  im  Index:  Erectio  stadii  generalis  in  oppido  ?e- 
teris  Bndae  Vesprimien.  dioec.  AB,  JohannU  23.  IL  1  p,  74.  Also  wideram 
im  Lateran  Archiv;  aber  neuerdings  wurde  ich  im  Stich  gelassen.  Ich  fand 
den  betreffenden  Band  nicht. 

»9)  Fraknöi  1.  c.  p.  15;  Abel  S.  60  Anm.  25,  die  aber  begreiflicher 
Weise  den  eigentlichen  Sachverhalt  nicht  wissen  konnten. 

^  S.  Abel  8.  61  Anm.  26.  Palma,  Spec.  Herald,  regni  Hnngariae 
p.  40  beschreibt  das  Universit&tssiegel,  welches  damals  Ofen  mit  der  üeber- 
Schrift  'Academiae  Badensis'  gehabt  haben  soU  (s.  auch  Abel  S.  20.  58 
Anm.  21).   AUein  dies  ist  eine  Täuschung.     DamiJs  gebrauchte  man  noch 


422     in.  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Daraus  erhellt,  dass  an  der  Ofener  Hochschule  nicht  wie  in  Fünf- 
kirchen die  Theologie  ausgeschlossen  war,  ja  dass  sie  sogar  eine 
gute  Vertretung  hatte.  Wahrsciieinlich  wurde  dieses  Fach  schon 
von  Bonifaz  IX.  gestattet,  der  es  auch  den  Universitäten  Fer- 
rara,  Pavia,  Erakau  und  Fermo  gewährte. 

Doch  auch  jetzt  hatte  die  Hochschule  zu  Ofen  oder  zu 
Sunden,  wie  man  sie  in  dieser  Periode  daneben  nannte,  nicht 
zu  langen  Bestand.  Kein  Document  zeugt  dafür,  dass  sie  beim 
Tode  Sigismunds  (1437)  noch  existiert  hat^^^).  Sie  fand  wohl  schon 
lange  vorher  ihren  Untergang,  wurde  jedoch  später  ganz  neu  ins 
Leben  gerufen.  Am  19.  Mai  1465  erlaubte  Paul  H.  in  einem 
an  Vitez  und  Janus  Pannonius  gerichteten  Schreiben,  dass  König 
Mathias  Gorvinus  auf  dessen  Vorstellung  hin,  ^quod  in  regno 
Hungarie,  licet  amplo  et  fertili,  non  viget  aliquo  modo  Studium 
generale',  die  Wissbegierigen  aber  durch  die  Schwierigkeiten 
abgeschreckt  würden  auswärts  ^ad  loca  in  quibus  studia  generalia 
vigent'  zu  gehen,  ein  Generalstudium  ^ad  instar  studii  Bononiensis' 
irgendwo  in  seinem  Reiche  ^cum  quibuscunque  facultatibus  etiam 
cum  cancellaria  ac  salarii  deputatione  inibi  pro  tempore  legen- 
tium,  erigendi  et  constituendi'  ^*')  etc.  Der  Erklärung  Wallaszkys, 
der  Ausdruck  ^non  vigere  Studium  generale'  beziehe  sich  bloss 
auf  die  ^studia  altiora',  liegt  eine  ganz  schiefe  Auffassung  zu 
Grunde,  während  die  einzig  richtige  die  ist,  dass  um  die  Mitte  des 
15.  Jhs.  Ungarn  widerum  von  einer  Hochschule  entblösst  war, 
ein  neuer  Beweis  dafür,  dass  auch  Fünfkirchen  nicht  mehr  be- 
stand. Die  neue  von  Mathias  Gorvinus  gegründete  Hochschule 
wurde  im  letzten  Viertel  des  15.  Jhs.  in  Ofen  errichtet"');  der 


nirgends  den  Ausdruck  'Academia'  fQr  Hochschule,  und  ich  zweifle  sehr,  ob 
die  Ungarn  die  ersten  waren,  welche  diesen  Ausdruck  wider  ins  Leben  riefen. 
Das  Siegel,  soUte  es  in  der  That  in  der  beschriebenen  Weise  existiert  haben, 
stammt  aus  sp&terer  Zeit  Peterffy,  Sacra  concilia  in  regno  Hungariae  cele- 
brata  (Viennae  1742)  I,  288  spricht  vom  Siegel  'studii  Bndensis',  und  es 
scheint,  dass  Sp&tere  dem  ^Studium'  aus  Unkenntniss  nur  den  ihnen  ge- 
läufigeren Ausdruck  'academia'  untergeschoben  haben. 

^^)  S.  die  verschiedenen  ohne  alle  Beweise  vorgebrachten  Behauptun- 
gen bei  Abel  S.  25  f. 

^)  Pray,  Ann.  Hung.  III,  315.  Wallaszky  1.  c.  p.  54.  Abel,  S.  64  Anm.  31. 

843)  Dieser   lange  Zeit   strittige  Punkt  (s.  Pray,  Ann.  Hung.III,  316. 


3.  Hochschulen  mit  päpstl.  Stiftbriefen.    Ofen.  423 

König  eröffnete  dort  ein  'universale  gymnasium'.  Etwas  früher, 
circa  1465,  wurde  die  höhere  Schule  zu  Pressburg  gestiftet***).  Es 
sind  dies  Neu-Gründungen,  und  nicht  Widerherstellungen  frtlherer 
Studienanstalten;  weil  sie  in  das  15.  Jh.  fallen,  liegt  ihre  Be- 
sprechung ausserhalb  meiner  Aufgabe. 

Der  äusserste  Osten  des  civilisierten  Europas  im  Mittelalter 
lässt  sich,  was  die  Hochschulen  anbelangt,  nur  mit  dem  äussersten 
Westen  und  dem  tiefsten  Süden  desselben  einigermassen  vergleichen. 
In  Ungarn  wie  in  Portugal  und  in  Neapel  bemerken  wir  ein  be- 
ständiges Hin-  und  Herschwanken.  Doch  zeitigte  der  äusserste 
Westen  und  der  Süden,  war  gleichwohl  dort  das  Schwanken  äusser- 
lich  angesehen  bedeutender  als  in  Ungarn,  immerhin  ansehnlichere 
Früchte  als  der  äusserste  Osten.  Ungarn  nimmt  unter  allen 
Ländern,  die  im  Mittelalter  Universitäten  besassen,  in  Bezug 
auf  die  Universitäten  den  letzten  Platz  ein,  woran,  was  nicht 
tibersehen  werden  darf,  der  türkische  Nachbar  nicht  wenig 
Schuld  trug. 


Kaprinai,  1.  c.  p.  53)  ist  endlich  in  neuerer  Zeit  endgflltig  festgestellt  worden. 
8.  Abel,  S.  37  ff. 

8**)  S.  Abel  S.  27  ff. 


424    ni.  Entwickeluog  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

4.  Hoolisoliulen  mit  kaiserliolien  oder  landesherrliolien 

Oründungsurkunden. 

Gegenüber  der  so  häufig  widerholten  Behauptung,  nur 
der  Papst,  oder  ausser  ihm  nur  der  Komische  Kaiser  hätten 
im  Mittelalter  das  Universitätsprivileg  verliehen,  beansprucht 
dieser  Abschnitt  ein  besonderes  Interesse.  Die  Auseinander- 
setzung mit  solchen  Aufstellungen  findet  man  unten  im  fünften 
Hauptabschnitte.  Die  folgenden  Untersuchungen  bilden  die  beste 
Einleitung  zu  demselben. 

Arezzo. 

Auch  hier  werden  wir  zuerst  auf  Italien  hingewiesen. 
Arezzo  wurde  schon  1215  von  Roffred  von  Benevent  aufgesucht, 
um  dort  über  Civilrecht  zu  lesen"*).  Weiteres  weiss  man  über 
jene  Schule  im  Beginne  des  13.  Jhs.  nicht.  Sie  scheint  aber 
doch  nach  Roffred,  der  bereits  10.  Mai  1218  von  Honorius  HI. 
zum  iudex  Ordinarius  in  Benevent  bestellt  wurde*"),  mithin 
Arezzo  nothwendig  verlassen  musste,  nicht  wider  aufgehört  zu 
haben,    da    die   Statuten   der   Schule    vom   J.  1255  eine    für 


8^5)  S.  oben  S.  165  Anm.  411.  Cod.  Paris.  4545  (13.  Jh.)  Bl.  12la  hat 
die  irrige  Jahrzahl  mccxIi. 

^  Zwei  Schreiben  Honorius  III.  existieren  darüber;  das  eine  ist  an 
mag.  Boffridus  Epiphanii,  civis  Beneventanus,  selbst  gerichtet,  das  andre  an 
die  rectores,  judices  etc.  von  Benevent.  Reg.  Vat.  an.  2  ep.  1063.  1064 
Bl.  251a.  Sarti,  De  claris  prof.  I,  109  Anm.  b,  und  Savigny,  Geschichte 
des  Rdm.  Bechts  V,  190  konnten  erst  das  Jahr  1219  als  den  Zeitpunkt  nach- 
weisen, in  dem  Roffred  nicht  mehr  in  Arezzo  war.  Nun  wird  auch  der  Titel 
*doctor  Epiphanides',  mit  dem  Sarti  nicht  viel  anzufangen  wusste,  mehr  auf- 
geklärt. Als  Boffridus  Epiphanii  judex,  juris  civilis  professor»  ist  er  femer 
mit  andern  cives  Beneventani  aufgeführt  in  den  Reg.  Vat.  Greg.  IX.  an.  7  ep.  364 
(27.  Nov.  1233).  Derselbe  Papst  citiert  in  einem  Schreiben  vom  30.  M&rz  1235 
ein  Actenstfick  vom  J&nner  desselben  Jahres  (indict.  octava),  in  dem  der 
mag.  Roffridus  de  Benevento  als  advocatus  curiae  Dom.  papae  genannt  wird. 
Reg.  Vat  an.  9  ep.  7  Bl.  lOa.  Ebenso  erscheint  er  1240  als  testis.  Greg.  IX. 
Reg.  Yat.  an.  14  ep.  23  Bl.  5.  (Mon.  Germ.  bist.  Epp.  saec.  XIII.,  I,  671  n. 
771).  Er  ist  wohl  auch  mit  dem  in  Friedrichs  IL  Schreiben  (Honorius  Reg. 
Vat.  an.  7  ep.  41.  55.  64.  65.  Mon.  Germ.  1.  c.  n.  206.  215—217.  Vgl  noch 
ibid.  n.  290.  425)  identisch.  Gregor  IX.  citiert  auch  einen  Roffred  im  J.  1228. 
Reg.  Vat.  an.  1  ep.  180  (s.  Sarti  I,   122  Anm.  c,  Mon.  Germ.  1.  c.  n.  371). 


4.  Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  kOnigl.  Stiftbriefen.   Arezzo.     425 

jene  Zeit  nicht  ganz  unbedeutende  Blüthe  derselben  erkennen 
lassen,  und  die  Schule  kaum  mit  einem  Male  sondern  nur  nach 
und  nach  zu  derselben  gelangt  sein  konnte  *^^).  In  den  genannten 
Statuten  werden  7  Professoren,  unter  ihnen  wenigstens  vier  Rechts- 
lehrer (darunter  der  Civilist  und  Ganonist  Martinus  de  Fano, 
und  der  Canonist  Bonaguida  de  Arezzo),  die  sich  einen  Rector 
wählten  und  durch  Aufstellung  von  Statuten  das  Aretinische 
Schulwesen  regelten,  aufgezählt.  Vertreten  waren  das  Jus,  die 
artes  und  die  Medicin"*). 

Hätte  die  Schule  in  dieser  Weise  fortgedauert,  so  würde  sich 
in  Arezzo  wie  in  manchen  andern  italienischen  Städten  des  13.  Jhs. 
ein  Studium  generale  ex  consuetudine  entwickelt  und  die  Stadt 
sich  schwerlich  um  ein  kaiserliches  Privileg  beworben  haben, 
zumal  in  der  That  das  alte  Studium  als  Studium  generale  gegen 
die  Mitte  des  14.  Jhs.  von  Karl  IV.  angesehen  wurde"*).  Allein 
die  Schule  kam  in  Abnahme.  Das  einzig  Nennenswerthe,  was 
ich  bis  zum  J.  1338  fand,  ist  eine  Verordnung  des  1327  com- 
pilierten  Statuto  di  Arezzo  in  Bezug  auf  'De  salario  doctorum 
juris  civilis  et  aliorum  doctorum' '").    Aber  auch  aus  dem  Wort- 


M7)  Ich  komme  aaf  die  Statuten  nattlrlich  erst  im  2.  Bande  za  sprechen. 
S.  dieselben  bei  cavaL  Gnazzesi,  Dell'antico  dominio  del  vescoTO  di  Arezzo 
in  Gortona  (Pisa  1760)  p.  107  Anm.,  und  SaTigny  III,  671.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit bemerke  ich  dass  Sezanne,  Arezzo  illustrata  (Firenze  1S59)  p.  220 
nnbegreiflich  das  Studium  nnr  mit  wenigen  Worten  erw&hnt.  Etwas  mehr 
bringen  die  Stanze  dell'  abate  G.  Angelncci  (Pisa  1816)  p.  63ff.  und  Pasqui, 
Nuova  gnida  di  Arezzo  (1882)  p.  19. 

^  Daas  vier  Rechtslehrer  (theils  des  jus  civile,  theils  des  jus  can.) 
damals  in  Arezzo  docierten,  schliesse  ich  daraus,  dass  in  den  Statuten  vier 
Professoren  der  Titel  Dominus  beigelegt  wird,  während  die  abrigen  drei  nur 
als  Magistri  bezeichnet  werden.  Aus  dem  ergibt  sich  mithin,  dass  fiber  das 
Jus  gelesen  wurde  (davon  abgesehen,  daw  die  beiden  oben  genannten  Pro- 
fessoren sicher  Bechtslehrer  waren),  obwohl  in  den  Statuten  nnr  von  der 
Grammatik,  Dialektik  und  Medicin  die  Bede  ist. 

MS)  s.  weiter  unten  die  Stelle  ans  Karls  Diplom. 

^  Ad  honorem  comunis  Aret  et  comodum  ibi  studere  ▼olentiua 
presenti  statuto  deererimus,  quod  quieunque  de  cintate  Tel  comitatu  Aret. 
Toluerit  in  ipsa  eivitate  legere  in  jure  ciirili  codicem  Tel  digestnm,  deeretom 
Tel  decretales,  et  lectuiam  eontinnare  nsque  ad  eompletionem  libri,  Tel  in 
jure  caaonico  decretales  et  in  mediciaa,  et  lecturam  eontinnare  ut  dictum 


426   in.   Eotwickelung  der  Hochschnlen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

laute  und  dem  Zusammenhange  dieses  Documentes  erhellt,  dass 
ein  eigentliches  Generalstudium  damals  nicht  existierte,  und  dass 
man  sich  mit  einheimischen  Doctoren  begnügte,  wenn  forenses 
nicht  zu  haben  waren.  Immerhin  aber  ersieht  man,  dass  die 
Commune  den  Studien  nicht  gleichgültig,  gegenüber  stand. 

Ein  Ereigniss  des  Jahres  1338,  nämlich  die  Uebersiedlung 
mehrerer  Rechtslehrer  von  Bologna  nach  Arezzo,  über  welche  die 
Annales  Aretini  berichten"^),  bringt  uns  die  Schule  von  neuem 
in  Erinnerung.  Ob  jedoch  die  genannten  Professoren  ähnlich 
wie  in  Pisa,  wohin  bei  derselben  Gelegenheit  Professoren  aus 
Bologna  zogen,  den  Grundstock  des  neuen  Generalstudiums 
bildeten,  oder  ob  sie  nach  einiger  Zeit  wider  nach  Bologna 
zurückkehrten,  wie  es  jene  Bechtslehrer  machten,  welche  in 
demselben  Jahre  nach  Gastel  S.  Pietro,  und  im  J.  1321  nach 
Imola  und  Siena  zogen,  lässt  sich  nicht  bestimmt  sagen.  Da 
aber  Karl  IV.  in  seinem  Briefe  von  einem  zu  Arezzo  bestehen- 
den Studium  spricht,  so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
wenigstens  einige  der  Professoren  zurückblieben.  Auch  wandte 
sich  die  Stadt  an  den  Kaiser  nicht  aus  dem  Grunde,  als  exi- 
stierte dort  kein  Studium  und  als  sollte  erst  ein  solches  er- 
richtet werden,  sondern  um  wider  ein  kaiserliches  Privileg  wegen 
der  Promotionen  zu  bekommen"'). 


est:  habeat  et  habere  debeat  pro  sno  salario  et  mercede  de  pecnnia  comanis 
Ar  et.  ab  ipso  comnni  in  anno  decem  florenos  de  aoro,  si  talxs  lector  domam 
habeat  propriam  in  civitate  Aretii,  et  si  domum  propriam  non  habeat, 
habeat  domum  decentem  ultra  dictum  salarium  a  comuni  predicto 
.  .  .  Si  Tero  aliquis  forensis  legere  Yolnerit  in  dictis  facultatibas 
(sowie  in  der  Notariatsknnst) ,  provideatur  ei  secnndnm  voluntatem  de* 
minomm  defensorum.  Der  Einheimische,  welcher  'Toluerit  legere  statuta  vel 
summam  notarie',  soU  *pro  quolibet  dictorum  libroram'  j&hrlich  10  Lire  er- 
halten. Ich  verdanke  diesen  Fund  den  Bemühungen  des  Archivars  vom 
Archiv,  capitolare  Can.  Luigi  Paci  in  Arezzo. 

9^1)  Suo  tempore  (des  Podest&  Raynerius  de  Adimaris  de  Florentia  im 
J.  1338)  venerunt  doctores  Aretinm  ad  legendnm  in  jure  canonico  et  civili, 
et  hoc  qnia  non  poterant  Btare  Bononiae  occasione  excommunicationis  D.  Papae, 
quando  expnlserunt  legatum  de  terra.  Habnerunt  salarium  cc  florenonim 
auri.  Bei  Mnratori,  SS.  rer.  ital.  XXIV,  878.  üeber  die  YeranlaBSung 
dieser  Uebersiedlung  habe  ich  oben  S.  319  gesprochen. 

^^3)  Guazzesi  und  nach  ihm  Savigny  fassen  zwar  die  Worte  im  Diplome: 


4.   Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.   Arcz2o.     427 

Karls  Privileg  erschien  5.  Mai  1355"'),  Dasselbe  ist  nicht, 
wie  sonst  immer,  in  einem  Diplom  fQr  sich  enthalten,  sondern 
es  bietet  sich  gleichsam  eine  Appendix  zu  vielen  andern  Privi- 
legien, die  der  Kaiser  in  demselben  Documente  den  Aretinern 
am  5.  Mai  1355  gewährte"*).  Der  betreffende  Passus  heisst: 
'cum  nostra  majestas  fidedigne  perceperit,  quod  prefata  civitas 
Aretina  consueverit  ab  antiquo  habere  Studium  generale  et  auc- 
toritatem  doctorandi  seu  doctorari  faciendi  in  iure  canonico  et 
civili  et  qualibet  alia  facultate,  et  in  eadem  civitate  longo  tem- 
pore Studium  viguerit  iuxta  imperialia  privilegia,  que  propter 
civilium  guerrarum  discrimina  dicuntur  deperdita,  nos  .  .  .  con- 
cedimus  et  largimur,  quod  in  ipsa  civitate  vigere  possit  et  vigeat 
Studium  generale  in  jure  canonico  et  civili  et  qualibet  alia  facul- 
tate cum  potestate  et  auctoritate  plenaria  doctorandi  et  doctores 
faciendi  in  juribus  et  facultatibus  quibuscunque'.  Dass  das  Studium 
eine  Zeit  lang  fortdauerte,  beweist  ein  Doctordiplom  vom  3.  Juni 
1373"*). 

Aus  dem  Privileg  Karls  IV.  mtisste  man  schliessen,  Arezzo 
habe  schon  viel  früher  'imperialia  privilegia'  erhalten.  Von  welchem 
Kaiser  und  wann,  wird  nicht  gesagt.  Da  die  Aretiner  schon  um 
die  Mitte  des  14.  Jhs.  nicht  mehr  im  Besitze  jener  Privilegien 
waren,  so  lässt  sich  natürlich  heute  kaum  sicher  feststellen, 
was  wahres  daran  sei.  Mir  scheint  sich  die  Sache  so  zu  ver- 
halten.   In  jener  Zeit  verfochten  bereits  berühmte  Rechtslehrer 


'imperialia  privilegia  dicuntur  deperdita'  in  dem  Sinne  auf,  als  habe  das 
Studium  aufgehört.    Allein  davon  ist  keine  Bede. 

^3)  Nicht  erst  Friedrich  III.  (im  J.  1456)  gewährte,  wie  Goppi,  Le  uni- 
▼ersitä  italiane  p.  98,  meint,  ein  Privileg. 

8^)  Das  kais.  Diplom  ist  ausgestellt  Senis  anno  milles.  trecent.  quin- 
quages.  quinto,  Indict.  octava,  III.  Non.  May  regnorum  nostrorum  anno  nono, 
imperii  vero  primo.  So  in  der  1356  angefertigten  authentischen  Copie  im 
Archiv,  capitolare  zu  Arezzo  n.  868  (der  Serie  Documenti  riguardanti  la 
cathed.  e  suo  capit.),  nach  der  ich  oben  den  Text  corrigierte.  Die  Jahrzahl 
1356  bei  Burali,  Vite  de  vescovi  Ardini,  Arezzo  1638  p.  84,  Guazzesi  1.  c. 
p.  109,  Savigny,  S.  315,  Pasqui  1.  c.  ist  also  irrig.  Böhmer-Huber  Beg.  im- 
perii YIII  n.  2103  bieten  das  richtige  Datum. 

855)  Qnazzesi  p.  109 f.  Der  Wortlaut  des  Diploms  ergibt,  dass  damals 
mehrere  'Doctores  iuris  canonici  et  etiam  civilis'  in  Arezzo  waren. 


428     in.  Entwickelaog  der  Hochschulen  bis  zam  Ende  des  U.  Jhs. 

den  Satz,  die  civitates  solennes  dürften  zwar  Lehrstühle  für  die 
Eechtswissenschaft  besitzen,  dass  aber  die  ^potestas  doctorandi 
non  permittitur  nisi  hoc  Privilegium  concedatur',  und  zwar  in 
der  Weise,  dass  ^sine  dignitate  imperial!  vel  apostolica  nemo  ad 
hanc  dignitatem  promovetur' ®'^*).  Da  nun  im  13.  Jh.  in  Arezzo 
promoviert  wurde,  wie  ja  auch  Karl  IV.  vom  alten  Studium  sagt, 
die  Promotionen  aber  nach  und  nach  wegen  Abnahme  des  Studiums 
aufgeh(^rt  hatten,  ein  kaiserliches  Privileg  jedoch  sich  hiefür  nicht 
vorfand,  so  glaubte  man  dort  um  die  Mitte  des  14.  Jhs.,  das 
Studium  müsse  früher  ein  solches  erhalten  haben. 

Nicht  weniger  bedarf  das  eben  angeführte  Doctordiplom 
einer  Bemerkung.  Wenn  nämlich  in  demselben  gesagt  wird,  die 
Licenz  werde  ^auctoritate  apostolica  concessa  ecclesie  et  episcopo 
Aretino^  ertheilt,  so  muss  deshalb  noch  nicht  ein  päpstliches  Pri- 
vileg zu  Grunde  liegen,  denn  diese  Worte  erklären  sich  sehr 
gut  aus  der  damals  nie  angefochtenen  Tradition,  wonach  eine 
kirchliche  Person  die  Promotionen  vornahm.  Ich  fand  wenigstens 
im  Vat.  Archiv  bisher  nur  ein  einziges  päpstliches  Schreiben, 
welches  sich  auf  die  Schule  von  Arezzo  bezieht,  und  dieses  eine 
hatte  nur  einen  Schüler  daselbst  im  Auge^^').  Auch  in  Arezzo 
existiert  kein  päpstliches  Document,  mit  welchem  die  Schule 
privilegiert  worden  wäre. 

Seit  1373  verlieren  sich  die  Spuren  der  Schule,  die  wohl 
nach  der  im  J.  1384  erfolgten  Occupation  Arezzos  durch 
Enguerrand  VII.  (den  letzten  des  Hauses  de  Coucy)  ***)  und  den 
eingetretenen  Wirren  völlig  ausser  Acht  gelassen  wurde.  Erst 
das  im  J.  1456  ertheilte  kaiserliche  Privileg  Friedrichs  UL  bringt 
sie  uns  wider  in  Erinnerung"*),  ohne  dass  durch  dasselbe  eine 
bleibende  Wirkung  erzielt  worden  wäre.  Bereits  14.  November 
1468  wurde  sie  neuerdings  eröffnet,  um  bald  ganz  aufzuhören"*). 


Baldus  in  1.  Dig.  Baee  autem  tria^  n.  4. 

^^7)  Ghino  Palliarini  Primioli  militis,  scolariB  Aretinus,  wird  saper  de- 
fectu  natalium  am  29.  Febr.  1304  dispensiert.  Benedicti  XI.  Reg.  Vat 
ep.  582.  Bl.  134  b. 

^  8.  die  interessante  Abhandlang  La  prise  d'Arezso  von  Durriea  in 
der  Biblioth^que  de  I'^cole  des  chartes  XLI,  161  ff. 

w»)  Vgl  Gnazaesi  p.  110. 

^0)  In  dem  Liber  sutntorum  Aretii  (Florentiae  1580)  ist  Bl.  Ib  nur 


4.   Hochschalen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.   Siena.       429 

Siena. 

Unvergleichlich  mehr  Interesse  als  zu  Arezzo  bietet  die  Ent- 
stehung der  Hochschule  zu  Siena.  Schon  die  Ereignisse,  welche 
die  Geschichte  derselben  begleiten,  sind  von  ganz  besonderer 
Art,  und  finden  sich  kaum  anderswo,  davon  zu  schweigen,  dass 
diese  Universität  schliesslich  bleibende  Gestalt  gewann.  Solche 
Umstände,  sowie  der,  dass  man  sowohl  von  dieser  Hochschule 
als  deren  Vorgeschichte  bisher  fast  gar  nichts  wusste,  veranlassen 
mich  bei  der  Darstellung  derselben  etwas  ausführlicher  zu  sein. 

Die  Anfange  des  spätem  Generalstudiums  reichen  schwerlich 
weiter  zurück  als  in  das  Ende  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs. 
Ohne  jeglichen  Beweis  wird  behauptet,  bereits  1203  seien  in 
Siena  viele  Doctoren  und  Scholaren  gewesen"*).  Die  erste 
sichere  Notiz  stammt  aus  dem  J.  1241  (13.  September),  in  dem 
der  mag.  Tebaldus  de  Senis,  professor  grammatice  und  'mag. 
Johannes  Mordentis  de  Faven^ia  in  arte  medicine'  genannt 
werden'").  Noch  mehr  ist  uns  aus  dem  J.  1246  überliefert. 
Die  Commune  bestimmte  im  September  'quinquaginta  solidos 
cuidam  nuntio,  qui  ivit  per  civitates  et  castra  Tuscie  ad  in- 
vitandum  scolares,  ut  deberent  venire  Senas  ad  studendum  in 
legibus  cum  dom.  Pepone  pro  anno  venturo'*").  In  demselben 
Jahre  befanden  sich  Scholaren  aus  Siena  noch  in  Bologna,  die 
aber  zufolge  eines  Befehles  Friedrichs  IL  das  ihm  feindliche 
Bologna  verlassen  mussten"*).  Vielleicht  war  dieser  Umstand 
für  die  Commune  von  Siena  mit  massgebend,  dass  sie  an  die 
Erweiterung  des  eigenen  Studiums  dachte. 


noch  Ton  den  praeceptores  Indi  literarii  et  arithmetice  die  Rede.  Zadem 
ygl.  noch  Gaazzesi,  der  p.  110  (als  letzte  Notiz  über  das  Studium)  ein 
Doctordiplom  vom  J.  1469  anführt. 

^1)  So  z.  B.  von  Goppi  1.  c.  p.  97.  Mir  scheint  dies  bei  ihm  nur  auf 
einem  lüssyerst&ndnisse  einer  Stelle  bei  Oigli,  Diario  sanese  II  (Lucca  1723) 
p.  350  zu  beruhen.  Uebrigens  theilte  diese  Ansicht  Tommasi,  dagegen  vgl. 
Garpellini,  SuUa  origine  nazionale  e  populäre  deUe  universitlk  di  studi  in 
ItaHa  e  particolarmente  della  uniTersitä  di  Siena  (Siena  1861)  p.  29  f. 

^  Archiyio  di  stato  in  Siena.  Diplomatico,  Abtblg.  Archiv,  generale, 
ad  an.  1241.    Der  Act  wurde  ausgefertigt  *Senis  in  scolis  dicti  mag.  Tebaldi'. 

M>)  Arch.  di  stato  in  Siena.  Libri  della  Bicchema  ?ol.  6  61.  10  a. 

8«)  Ibid  Bl.  9a. 


430     ni.  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

Dieses  wurde  wahrscheinlich  1247  eröffnet.  Es  existiert 
keine  Nachricht  darüber.  Allein  im  darauffolgenden  Jahre  finden 
wir  als  Professoren  neben  Pepo  erwähnt  die  beiden  bereits  citierten 
Mag.  Tebaldus  und  Johannes  Mordentis,  dann  den  Mediciner 
Mag.  Petrus  Yspanus"*),  und  Mag.  Johanninus.  Zugleich  trugen 
Nuntii  4iteras  comunis  per  Tusciam  invitando,  ut  scolares  veni- 
rent  ad  Studium  in  civitate  Senensi'*").  Im  September  1249 
wurden  50  solidos  gegeben  ^doctoribus  morantibus  Senis  in  fa- 
cultatibus  legum  et  grammatice  et  dialectice,  quos  dederunt 
eorum  nuntiis,  quos  ipsi  miserunt  per  Tusciam  ut  moris  est  ad 
requirendum  scolares,  utSenas  venire  debeant  ad  studendum'**'). 
Die  Schule  muss  rasch  gewachsen  sein,  denn  am  29.  November 
1252  schrieb  Innocenz  IV.  ^universitati  magistrorum  et  doctornm 
Senis  regentium  ac  ipsorum  scolarium  ibidem  degentium',  dass  sie 
und  ihre  Bedelle  von  den  Dienstleistungen  und  Lasten  frei  seien  ^^% 

^&)  Darf  nicht  mit  dem  oben  S.  278  Anm.  227  genannten  Ganonisten 
Terwechselt  werden. 

^)  Ibid.  YoL  8.  Bl  29b.  Carpellini  p.  31  ff.  kannte  die  drei  letzten 
Docomente;  allein  er  bot  einen  defecten  Text,  und  seine  Gitiemngsmethode 
erzeugt  nicht  weniger  Verwirrung  als  jene  bei  De  Angelis,  Discorso  storico 
SU  Puniversitä  die  Siena  (Siena  1810)  und  noch  neuestens  bei  Moriani,  No- 
tizie  Bulla  universitä  dl  Siena  (Siena  1873).  Unkritisch  ist  ügurgeri,  Pompe 
Sanesi  (Pistoia  1649)  I,  407  ff  (Juristen),  500ff  (Philosophen,  Medicmer),  doch 
interessant  wegen  der  für  die  deutsche  Nation  wichtigen  Epitaphien  II,  434  ff. 

^^7)  Libri  della  Bicchema  vol.  9  Bl.  32  b.  Darauf  reflectierten  bereits 
De  Angelis  p.  12;  Bepetti,  Dizionario  geograf.  fis.  stör,  della  Toscana  Y,  371. 
Blosses  Missverst&ndniss  ist  es,  wenn  Goppi  1.  c.  behauptet,  im  J.  1249  habe 
man  einen  'catalogo  dei  professori'  angefangen,  wobei  er  sich  auf  ein  Docu* 
ment  beruft,  das  in  Wahrheit  nicht  existiert.  Goppi  hat  wahrscheinlich 
einmal  von  dem  im  10.  Bande  der  MiscelL  des  Benvoglienti  enthaltenen 
ProfessorenTerzeichnisse  gehört,  worfiber  weiter  unten. 

^s)  Reg.  Vat.  an.  10  ep.  247  Bl.  220  b.  Yestra  ferrenter  ad  hoc  de- 
sndat  intentio,  ut  et  vobis  in  scientie  thesauro  proficere  et  illius  fluenta 
possitis  ad  alios  derivare.  Quia  vero  huins  oceupationis  proprietas  exigit,  ut 
Sit  Yobis  quies  cordium  et  nullum  vexationis  indebite  yos  urgeat  nocumen- 
tum,  nos  propterea  vestris  supplicationibus  annuentes,  ut  a  qnibuslibet  ser* 
Titiis,  talliis  et  coUetis  ac  omnibus  et  singuHs  angariis  personalibns  et  real!- 
bns  civitati  Senensis  unacum  bedellis  vestris  sitis  omnino  liberi  et  immunes 
nniversitatis  vestre  auctoritate  presentinm  indulgemus.  Perusii  3  kL  Decemb. 
Den  Bischof  von  Siena  bestellte  er  als  Gonsenrator.  Schon  vorher,  am 
13.  August  desselben  Jahres,  schrieb  der  Papst  Preposito  Florentino  wegen 


4.   Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stifthriefen    Siena.       431 

Durch  dieses  Document,  das  Carpellini  nicht  verstand,  wird  dessen 
Ansicht  widerlegt,  als  habe  sich  die  Schule  zu  Siena  so  ganz 
ohne  päpstlichen  Einfluss  entwickelt.  Es  beweist  aber  auch 
zugleich,  dass  dieselbe  nicht  sehr  unbedeutend  gewesen  sein 
kann.  Circa  1262  nahm  die  Commune  alle  (mit  Ausnahme 
ihrer  Feinde),  welche  nach  Siena  Studien  halber  kommen  wollten, 
sammt  ihren  Nuntii  und  der  Habe  in  Schutz®'^')  Im  J.  1264 
wird  der  mehrmals  erwähnte  mag.  Tebaldus  doctor  artis  gram- 
matice  aufgeführt*'").  Doch  darf  man  sich  nicht  verhehlen,  dass 
bis  1275  nur  obscure  Namen  von  Professoren,  die  im  Jus,  be- 
sonders aber  in  der  Grammatik  gelehrt  haben,  begegnen.  Es 
scheint  überhaupt  in  der  Art  und  Weise  der  Berufungen  kein 
eigentliches  System  geherrscht  zu  haben. 

Das  Jahr  1275  bezeichnet  scheinbar  einen  Wendepunkt. 
Am  18.  Juli  wurde  beschlossen,  den  36  Prioren,  welche  damals 
die  höchste  Obrigkeit  von  Siena  bildeten,  ein  Promemoria  'super 
abendo,  reducendo  et  fundando  generali  studio  literarum  in  civi- 
tate  Senensi'  zur  Begutachtung  zu  unterbreiten.  Ehe  dies 
geschah,  wurde  der  Gegenstand  in  geheimer  Beratung  erwogen, 
und  die  verschiedenen  Ansichten  darüber  gehört"^).    Am  darauf- 


ProTision  von  nonnnlli  clerici  et  scolares  civitatis  et  diocesis  Senensis. 
Ibid.  ep.  51  Bl.  202  a.  De  Angelis  kannte  die  zuerst  genannte  Bulle  nach 
einer  Abschrift  des  6aet.  Marini.  S.  1.  c.  p.  14.  Vgl.  auch  Repetti  1.  c.  Ans 
dem  ergibt  sich,  dass,  wenn  Garpeilini,  Risposta  al  Sig.  L.  Banchi  (Siena 
1862)  p.  7  schreibt,  Innocenz  IV.  Bulle  'non  ha  caratteri  di  autenticitä',  dies  nur 
auf  einem  Irrthum  beruhe. 

^^)  'Et  quicunque  yenerit  ad  civitatem  Senen.  causa  studendi,  de- 
beat  Gustodiri  in  avere  et  persona  et  ipse  et  nuntii  ejus  et  a  nemine  offen- 
di,  non  ostante  aliquo  constituto,  exceptis  inimicis  comnnis  Senensis.'  Con- 
stit.  communis  Senensis,  im  Arch.  di  stato  in  Siena.  Statuti  del  comnne  di  Siena 
n.  2  Bl.  118  b.  Es  ist  die  älteste  Statutensammlung,  die  im  Archiv  zu  Siena 
sich  findet,  und  beginnt:  Incipit  constitutum  communis  Senensis.  Das  von 
sp&terer  Hand  BL  la  angegebene  Jahr  1260  ist  nicht  richtig.  Die  Redac- 
tion  der  Statuten  stammt  keineswegs  aus  der  Zeit  vor  1262. 

870)  Libri  della  Biccherna  vol.  31  Bl.  29  b.  Auch  hier  wird  wider  gesagt, 
dass  die  nuntii  ivernnt  per  Tusciam  invitando  scolares  ad  Studium. 

871)  Die  Actenstücke  stehen  in  den  Consigli  dcUa  campana  vol.  20. 
Bl.  75  a;  fehlerhaft  abgedruckt  und  mit  irriger  Gitierung  bei  Carpellini  p.  65  f. 
In  der  Beratung  sagte  Dominus  Bartolomeus  Saracini  'quod  sit  firmom,  quod 


432    ni.   fintwickelnng  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

folgenden  20.  Juli  trat  der  Bath  der  Sechsundreissig  zusammen. 
Der  Vorschlag  gefiel,  es  wurden  zwei  Syndici  gewählt,  welche 
mit  den  Rectoren,  Magistern,  Scholaren  und  Bücherverleihern  die 
diesen  zu  gewährenden  Privilegien,  das  Salarium  und  was  über- 
haupt notwendig  sei,  abmachen  sollten.  Die  Professoren  müssten 
8  Tage  vor  dem  Feste  des  hl.  Michael  (29.  September)  an- 
kommen und  unausgesetzt  in  Siena  ein  Jahr  lang  bleiben  ^^'). 


in  civitate  Senensi  habeatur  et  reducator  Studium  generale.  Et  quod  omnem 
securitatem  quam  dare  voluerint  et  viderint  concedendam  volentibus  yenire 
ad  studendum  et  morari  in  studio,  dari  debeat  et  largiri.  Et  quod  super 
babendis  magistris  et  ordinandis  salariis  et  expensis  propterea  opportunis, 
Yult  quod  sit  remissum  in  Priores  et  xxxvj,  Curiam,  Gapitaneos,  et  Gon- 
Bules;  et  yult  quod  super  hiis  sint  dicti  ordines  largi  et  curiales  pro  hono- 
re  Comunis  et  Statu.  Et  quod  certos  habeant  sapientes,  quos  yoluerint 
super  ordinandis  securitatibus  et  super  habendo  dicto  studio,  et  super  Omni- 
bus et  singulis  que  super  biis  et  circa  predieta  yiderint  opportuna,  et  possint 
plenarie  ordinäre  et  yidere  et  firmare  totum  et  quidquid  yiderint  ordinandum. 
Dominus  Grifolus  Judex  consulit  et  dixit  super  facto  Studii  litteramm  gene- 
ralis, quod  plenarie  dictum  factum  sit  remissum  in  xxxyj,  Gonsules,  Game- 
rarium  et  Guriam  et  habeant  certos  sapientes  qui  sentiant  de  facto  studii, 
et  super  predictis  debeant  ordinäre  et  yidere  securitates,  priyilegia  et  immu- 
nitates  concedendas  magistris  et  rectoribus  legum  et  aliarum  professionum  et 
Scolaribus  uniyersis,  et  ut  bene  sentiatur  per  ciyitatem,  yult,  quod  per  con- 
silium  generale  et  in  consilio  generali  firmetur  et  dicatur:  complacet  sibi, 
quod  si  expedierit  firmare  per  statutum,  yult  quod  firmetur  et  firmentur  con- 
tra costitutiones  factas  ab  Imperatore  super  facto  Studii  generalis.  Gonsilium 
fuit  in  concordia  cum  dicto  Domini  Grifoli.'  Das  Datum  ist  *die  joyis  XVIII. 
Julii'  (MGGLXXY).  Im  weiteren  Verlaufe  wird  auch  noch  die  Indictio  (III.) 
angegeben.  Wegen  später  anzuführender  Actenstücke  bemerke  ich  gleich  hier, 
dasB  in  Siena  nicht  der  calculus  Pisanus  eingeführt  war,  wie  in  L'art  de 
y^rifier  les  dates  I  (Paris  1783),  X  und  daraus  (ohne  dass  die  Quelle  ge- 
nannt würde)  in  Glorias  Palftografie  und  Grotefends  Handbuch  der  histor. 
Ghronologie  steht,  sondern  der  Galcnlus  Florentinus.  Auch  Prof.  Ficker 
in  Innsbruck  best&tigte  mir  dies,  üebrigens  kann  sich  jeder  aus  den  yon  ihm 
im  4.  Bd.  der  Forschungen  zur  Reichs-  und  Bechtsgeschichte  Italiens  edierten 
Urkunden  überzeugen.  Man  ygl.  besonders  n.  450.  Schwierigkeiten  bot  mir 
öfters  die  Indiction,  die  wenigstens  nach  meiner  Beobachtung  in  einigen 
Acten  des  14.  Jhs.  um  ein  Jahr  der  gewöhnlichen  yorans  ist. 

^^)  Die  zwei  Syndici  wurden  beauftragt,  'ad  faciendum  conyentiones, 
promissiones,  obligationes  et  pacta  rectoribus,  dominis,  magistris,  scholaribus, 
stac^oneriis,  qui  yenerint  ad  legendum,  regendum  et  docendnm  in  ciyitate 
Senensi,  et  ad  concedendum  ipsis  et  cuilibet  eorum  priyilegia  et  immnnitates 


4.    Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.    Siena.       433 

Diese  Beschlüsse  der  Commune  von  Siena  bilden  ein  einzig- 
artiges Factum  in  der  Geschichte  der  mittelalterlichen,  speciell  der 
italienischen  Universitäten.  Es  kam  wohl  anderwärts  vor,  dass 
sich  in  einer  Stadt  ein  Generalstudium  ex  consuetudine  ent- 
wickelte; auch  Hessen  es  sich  die  Communen  fast  überall 
angelegen  sein  in  den  Besitz  einer  Hochschule  zu  gelangen,  wie 
die  von  ihnen  darüber  gefassten  Beschlüsse  beweisen:  allein 
man  findet  sonst  nirgends,  dass  sich  eine  Stadtobrigkeit  für 
mächtig  genug  gehalten  hätte  dieselben  mit  Umgehung  der 
päpstlichen  oder  kaiserlichen  Autorität  ins  Werk  zu  setzen. 
Wenn  dies  in  Siena  geschah,  so  ist  der  Grund  darin  zu  suchen, 
dass  das  Factum  in  eine  Periode  fällt,  in  welcher  der  Usus, 
sich  beim  Papste  oder  beim  Kaiser  um  ein  Universitätsprivileg 
zu  bewerben,  noch  nicht  ausgebildet  war. 

Uebrigens  stellte  sich  die  Commune  von  Siena  die  Sache 
zu  einfach  vor.  Ein  Generalstudium  im  vollen  Sinne  konnte  sie 
allein  niemals  errichten.  Wie  sollte  sie  es  auch  anfangen,  dass 
dasselbe  überall  als  solches  anerkannt  wurde?  Woher  nahm 
sie  das  Recht,  die  Promotionen  an  der  Lehranstalt  einzuführen? 
Für  den  Fall  dass  sie  dort  nicht  seit  langem  bereits  im  Brauche 
waren,  lag  es  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jhs.  in  Italien 
ausserhalb  der  Möglichkeit  ohne  päpstliche  oder  kaiserliche 
Autorität  in  den  Besitz  jenes  Rechtes  zu  gelangen. 

reales  et  personales,  et  ad  promittendam  eisdem  et  cuilibet  eomm  fendnm  et 
salarinm,  sicat  et  qaaliter  cum  ipsis  yel  eornm  aliqao  concordaverint  ipsi  vel 
alter  eorum,  et  ad  promittendam  sibi  solvere  dicta  fenda  et  salaria  semel  et 
plnries,  et  ad  cantiones  et  instrumenta  ipsis  facienda,  quoties  expedierit,  et 
ad  promittendam  predicta  servare  attendere  et  competere  ad  certam  penam, 
et  ad  obligandam  dictum  comune  et  bona  dicti  comunis,  pignorandum,  et 
generaliter  ad  omnia  et  singula  facienda,  que  in  predictis  et  circa  ea  vide- 
rint  expedire;  dantes  et  concedentes  eisdem  liberam  et  generalem  admini« 
strationem  in  predictis,  et  circa  ea  promittit  ratnm  et  firmum  habere,  et 
habebit  dictum  comune,  sab  obligatione  bonorum  dicti  comunis,  et  ad  reci- 
piendum  ab  ipsis  et  quoübet  eorum  promissiones,  obligationes  et  pacta  et 
etiam  juramenta,  qui  venient  ad  civitatem  Senensem  ad  legendum,  docendum 
et  regendum,  et  quod  erunt  in  ciyitate  et  stabunt  continne  per  annum  ipsi 
et  quiUbet  eorum,  vig  diebus  ante  festum  sancti  Michaelis  de  mense  sep- 
tembris'.  Gonsigli  della  campana  1.  c.  Bl.  76  b.  Garpellini  hat  den  Text  viel- 
ÜGtch  missverstanden. 

Deuifle,  Die  üniTeniaten.    1.  28 


4S4    ^II*   EntwickeluDg  der  Bochschtüen  bis  sam  Ende  des  U.  Jhs. 

Wir  staunen  deshalb  nicht,  dass  Siena  mit  seinem  Stadium 
kein  besonderes  Griück  hatte,  es  auch  nicht  haben  konnte,  da 
dasselbe  nicht  als  solches  betrachtet  wurde,  wie  es  ja  auch  in 
Wahrheit  keines  repraesentierte"^').  Doch  unterliess  die  Commune 
nicht  Yon  Zeit  zu  Zeit  Professoren  für  die  verschiedenen  Wissens- 
zweige zu  berufen.  Der  1285  von  Honorius  IV.  an  der  römischen 
Curie  bevorzugte  Judex  Bindus  de  Senis*^*)  wird  1280—1281  in 
Siena  bezahlt,  'quia  tenuit  scolas  et  legit  in  legibus'^'*).  In 
demselben  Jahre  erhalten  ferner  ein  Salarium  ein  magister  dialeo- 
tice,  frater  Guidottus  mag.  rectorice,  mag.  Alexander  filius  mag. 
Tebaldi^^^).  Und  so  finden  wir  bis  1321  in  allen  Wissensgebieten 
bald  diesen  bald  jenen  Professor  erwähnt*").  Man  darf  sich 
aber  hierin  den  bisherigen  Resultaten  nicht  unbedingt  an- 
schliessen.  Man  traute  zu  viel  der  CoUection  Benvoglientis  *'*). 
Einzelne  Gelehrte  lassen  auch  die  Legisten  Jacob  de  Belviso'^'), 
Jacob  de  Arena  "^)  und  Oldradus*")  in  Siena  lesen.    Ohne  dass 


878)  Carpellini  ist  völlig  im  Unrechte,  wenn  er  seit  dieser  Zeit  dAS 
Generalstudium  datiert  Dieser  Irrthum  entsprang  aus  einer  fiedschen  Vor- 
stellung vom  Begriffe  eines  Generalstudiums.  Goppi  hat  obige  Thatsachen 
nicht  gekannt. 

8W)  8.  oben  8.  305. 

876)  Arch.  di  stato  in  8iena.    libri  della  Bicchema  vol.  72  Bl.  89  a. 

876)  Ibid.  BL  53  b. 

877)  Das  8alarium  war  damals  jedoch  sehr  gering,  wie  ans  den  Ubri 
della  Bicchema  hervorgeht    Vgl.  z.  B.  zum  J.  1311  vol.  84  Bl.  273. 

878)  Sie  ist  enthalten  im  10.  Bande  der  MiscelL  Benvoglientis  auf  der 
Bibliothek  zu  8iena,  und  bietet  eine  ziemlich  unkritische  Zusammenstellong 
der  hauptsftchlichsten  Lehrer,  welche  von  1249—1529  in  Siena  gelehrt  haben. 
Carpellini  p.  38  ff.  und  Moriani  p.  11  ff.  liefern  lediglich  AnsiQge.  Vgl.  auch 
Della  Yalle,  Lottere  8anesi  (Roma  1782)  I,  139.  In  des  &ltem  Benvoglie&tiB 
interessanter,  äusserst  rarer  (nicht  paginierter)  Schrift  De  nrbis  Senae  ori- 
gine  et  incremento  (Senis  1506)  darf  man  natürUch  nichts  derartiges  suchen. 

879)  8.  Savigny,  Gesch.  des  Rom.  Rechts  VI,  62  aus  Diplovataccina. 
Nach  Sarti  (im  zweiten  Bande  De  claris  archigymn.  Bonon.  Professoribas 
p.  22  —  s.  oben  S.  214  Anm.  595)  w&re  Jacob  de  Belviso  bereits  1306  in 
Siena  gewesen,  da  Sarti  in  der  irrigen  Meinung  war,  schon  in  diesem  Jahre 
h&tte  eine  Auswanderung  von  Bologna  nach  Siena  stattgefunden  (was  auch 
PanziroluB,  De  claris  legum  interpretibus  1.  3  c.  23  behauptet),  8.  Anm.  883. 

880)  S.  Savigny  V,  401. 

8^1)  Ibid.  S.  55.    Savigny  setzt  den  Aufenthalt  in  Siena  sowohl  dieses 


4.   Hochscholen  mit  kaiserl.  oder  kOnigl.  Stiftbriefen.    Siena.      435 

ich  die  Richtigkeit  dieser  Notizen  zu  bestreiten  wage,  bemerke  ich, 
dasB  es  mir  nicht  gelang  eine  Bestätigung  derselben  im  Archiv  zu 
Siena  zu  ermitteln.  Den  Aufenthalt  Jacobs  de  Belviso  in  Siena  bringt 
man  mit  der  im  J.  1306  vermeintlich  stattgehabten  Uebersiedlung 
von  Professoren  und  Scholaren  von  Bologna  nach  Siena  in  Ver- 
bindung. Der  berühmte  Medi  einer  Dinus  von  Florenz  spreche 
von  derselben,  und  dieser  selbst  habe  im  genannten  Jahre  Bologna 
mit  Siena  vertauscht**').  Ist  es  nun  auch  wahr,  dass  im  J.  1306 
das  Studium  zu  Bologna  unterbrochen  wurde,  so  doch  keineswegs, 
dass  bereits  damals  die  auswandernden  Professoren  und  Scho- 
laren von  der  Commune  zu  Siena  engagiert  wurden.  Noch  mehr 
aber  entbehrt  die  Annahme,  Dinus  habe  1306  in  Siena  gelehrt, 
eines  Beweises"'). 


als  des  in  Anm.  879  citierten  Rechtslehrers  in  eine  frühere  Zeit  auf  Grund 
des  Diplovataccins. 

M>)  S.  Tiraboschi,  Stör.  deUa  lett  ital.  V,  43.  215;  Fantaszi  U,  51  f. 

^  Dinus  spricht,  soweit  bisher  bekannt,  in  zwei  Werken  ausführlicher 
über  seinen  Aufenthalt  zu  Siena.  Er  commentierte  nftmlich  dort  einmal 
3.  Fen  4.  canonis  Avicennae,  an  dem  er  bereits  in  Bologna  gearbeitet 
hatte.  Am  Schlüsse  (nicht  in  der  Einleitung)  wie  Tiraboschi  schreibt)  des 
Gonunentars  sagt  er,  im  vierten  Jahre  seines  Studiums  sei  er  zu  Bologna 
doctoriert  worden,  dann  habe  er  zwei  Jahre  lang  gelesen.  Tostmodum  vero  quia 
privatum  init  Studium  Bononie,  coacti  recessimus  a  studio  illo  et  yenimus 
ad  dvitatem  Senarum  ad  salarium  vocati.  Ibi  vero  ex  rogamine  quo- 
rondam  scolarium  amicorum  nostrorum  reincepimus  opus  hoc  .  .  . 
et  hoc  opus  perfecimus'  (Cod.  Vat.  24S5  Bl.  99  a).  üeber  seinen  Auf- 
enthalt in  Siena  schreibt  Dinus  auch  im  Commentar  zum  2.  Canon  Avi* 
eesnas;  er  setzt  indess  hier  dasjenige,  was  er  in  der  früheren  Schrift  von 
der  Uebersiedlung  nach  Siena  gesagt  hat,  voraus,  und  berichtet,  diesen 
Commentar  habe  er  begonnen,  'cum  viguit  Studium  in  civitate  Senarum'; 
nach  Auflösung  desselben  habe  er  ihn  vollendet  (Cod.  Paris.  6935  Bl.  199  b. 
S.  unten  S.  440).  Da  nun  dies  letztere,  wie  allgemein  zugegeben  wird  und 
sicher  feststeht,  in  den  ersten  Jahren  des  dritten  Decenniums  des  14.  Jhs. 
statt  hatte,  so  auch  das  erstere.  Die  Hauptbest&tigung  gew&hren  die  Libri 
deUa  Biochema  im  Archiv  zu  Siena,  die  erst  zum  J.  1321  etc.  das  dem  Dinus 
gewfthrte  Salarium  und  seine  Berufung  nach  Siena  erwfthnen;  für  die  Jahre 
1306  und  1307  aber  gar  keine  Notiz  über  ihn  enthalten.  Eine  grosse 
Schwierigkeit  entsteht  allerdings  dadurch,  dass  dem  zufolge  die  Studienzeit 
und  die  erste  Th&tigkeit  des  Dinus  in  eine  zu  sp&te  Periode  fallen  würde.  Die 
Schwierigkeit  wuchst,  weil  die  Hss.  und  Drucke  in  den  Angaben  von  Jahr- 
zahlen bedeutend   di£ferieren.    Tiraboschi  liest  m  der  Ausgabe  des  Diluci- 

28* 


436    UI'    Entwickelimg  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Mehr  als  zweifelhaft  ist  auch,  ob  (1282)  der  Canonist  Bic- 
cardo  Petroni  Yon  Siena,  welcher  später  Vicekanzler  der  römischen 
Kirche  war  und  mit  dem  Erzbischofe  Wilhelm  Yon  Embnm  und 
dem  Bischof  Berengar  von  Beziers  den  über  sextos  Bonifaz  YIIL 
zusammensetzte*'^),  in  Siena  Jus.  can.  gelehrt  hat*'^).  Es 
bleibt  dahin  gestellt,  ob  der  1280  dort  docierende  Canonist 
judex  Bonaguida**')  mit  dem  1255  in  Arezzo  lehrenden  gleich* 
namigen  Ganonisten  identisch  ist 

Am  9.  Mai  1285  kam  im  Gonsilium  generale  die  Frage  wegen 
Berufung  you  Professoren  zur  Sprache,  und  Dom.  Benincasa  de 
Aritio  doctor  legum  sagte,  dass  bereits  froher  'secundum  formam 
statuti  fuerit  factum  consilium  generale  super  facto  iUorum,  qui 
veniunt  Tel  yenerint  ad  civitatem  Senensem  ad  docendum  in 
aliqua  facultate  vel  scientia'  und  auch  wegen  eines  erfahrenen 
Arztes  berathschlagt  worden  sei.  In  Bezug  auf  diesen  letzten 
Punkt  Yerhandelte  man  mit  mag.  Ranucdus  medicus  peritus  in 


dariam,  das  Jahr  1311  sei  das  6.  Jahr  der  leetnra  des  Dinns  geweseo.  Im 
Cod.  Yat  24S4  steht  aher  nichts  daTon;  am  Schiasse  (Bl.  182  b)  heisst  es 
jedoch:  et  completom  est  hoc  opus  anno  christi  MGCCXXYIllI  mense  no- 
▼embris  die  XV.  Dagegen  spricht  wider  der  Bericht  des  Giov.  Yillani  (Cro- 
nica.  Firenze  1823  Y,  56),  der  als  Todesdatom  30.  Sept  1527  angibt.  Eben- 
so wird  im  Cod.  Yat  4464  Bl.  124  am  Schlosse  eines  medicinischen  Trae- 
tates  erwähnt:  Ezplicinnt  recollectiones  snper  libro  de  naiora  fetas  repor- 
täte  snb  excellentissimo  artinm  doctore  et  scientie  medicine  mag.  Diao  de 
Florentia  per  mag.  Jalianum  Bonon.  de  Prehnntis  snb  anno  dorn.  1310  die 
10.  mensis  oct  Allerdings  begreift  man  da  schwer,  wie  des  IMnas  bertthmter 
Sohn  Thomas  de  Garbo  noch  25.  Oct.  1339  als  Schfiler  in  der  Matrikel  der 
UniTersit&t  Pemgia  erscheinen  (Bossi  im  Giomale  dl  enidisione  artistica  Y, 
180)  nnd  erst  1341  das  Doctorat  erhalten  konnte  (am  Schlüsse  eines  Trac- 
tates  schreibt  er:  composni  antem  hoc  opus  in  2.  anno  mee  lectore  Bononie, 
cum  de  mane  ordinarie  legere  incepi  currentibns  annis  dom.  1343  die 
21.  Jnlii.  Cod.  Yat.  2487  Bl.  245>  Mögen  Einseiforscher  Aber  diese  Umstiade 
mehr  Licht  verbreiten. 

^^)  S.  die  Bolle  Sacromnctaej  mit  welcher  der  Liber  sextos  begleitet  ist. 

^^)  Dies  behanpten  Carpellini  p.  45  nnd  die  allemeoesten  Stndi  Senesi 
nel  circolo  gioridico  della  r.  oniversiti  I  (Siena  1884),  205,  aber  ohne  aoch  nor 
einen  Beleg  fOr  diese  Behaoptong  ansoffthren.  Im  Archiv  so  Siena  fand  ich 
keinen  Anfschloss. 

m)  Arch.  di  Siena,  Libri  della  Bicchema  vol.  72  Bl.  38  b.  Er  erhielt 
salariom  scolamm,  qoas  tenait  hoc  anno  in  decretalibns. 


4.    Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  StiftbriefeD.    Siena.      437 

alte  'Cilorgie'"^).  Zum  18.  Mai  desselben  Jahres  liest  man, 
dass  mag.  Orlandus  de  Aritio  in  medicina  professor  intendat 
regere  in  medicina  in  civit.  Sen.  et  operari  in  arte  predicta  et 
suam  artem  exercere.  Ebenso  erfährt  man  von  einem  mag.  Baltramus 
doctor  in  grammatica^^^).  Die  Hauptsache  ist,  dass  auch  die 
städtischen  Statuten  sich  mit  den  Professoren  beschäftigten. 
In  den  c.  1287  abgefassten  Gonstituta  comunis  Senensis  finden 
sich  in  der  vierten  Distinction  die  Paragraphen :  Quod  qui  docent 
gramaticam,  non  vadant  in  exercitum.  Quod  scolares  volentes 
venire  Senas  ad  Studium  habeant  securitatem.  De  salario  statu- 
endo  venientibus  ad  civitatem  Senensem  pro  docendo  in  aliqua 
facultate.  Quod  quieunque  docuerit  leges  vel  decretales  per 
totum  annum  in  civit.  Senensi  habeat  a  communi  Sen.  XXV 
libr.  den.  Quod  docentes  pueros  legere  non  vadant  in  exer- 
citum **'). 

Unmittelbar  vorher,  ehe  das  Studium  durch  eine  Auswande- 
rung aus  Bologna  (im  J.  1321)  einen  so  bedeutenden  Zuwachs 
erhielt,  lehrten  sechs  Professoren  an  demselben.  Doch  beschäftigte 
sich  die  Mehrzahl  nur  mit  der  Grammatik  und  den  niedern 
Wissenszweigen  ®'**). 

Von  epochemachender  Bedeutung  schien  für  die  Schule  zu 
Siena  das  Jahr  1321  zu  werden.  Wie  so  häufig,  sollte  eine 
Auswanderung  von  Professoren  und  Scholaren  aus  Bologna  die 
Veranlassung  dazu  bieten.  In  Folge  der  Hinrichtung  eines  Scho- 
laren, der  ein  Mädchen  entführt  hatte,  und  der  durch  dieselbe 
hervorgerufen  Aufregung  gegen  den  Podestä,  vielleicht  auch  noch 
wegen  anderer  Ursachen,  verliessen  eine  Menge  Professoren 
und    Schüler    die     Stadt    Bologna^**)    und    zogen    nach    Imo- 


^7)  Gonsigli  della  campana  vol.  29  Bl.  60  a. 

888)  Ibid.  BI.  64  a 

889)  Statut!  del  comune  di  Siena  (im  Archiv,  di  Stato  in  Siena)  n.  5. 
Bl.  3  a  der  vierten  Dist.    Die  6.  Bist  wurde  sp&ter  redigiert. 

890)  S.  das  Document  bei  Banchi  im  Oiomale  storico  degli  archivi  To- 
scani  Y,  320.  Nach  der  bisherigen  Darstellung  bedarf  es  keiner  Erwähnang 
mehr,  dass  die  Ansicht  Malavoltis  (Historia  de'  fotti  e  guerre  de  Sanesi. 
Yenezia  1599  BI.  82  b),  das  Studium  von  Siena  habe  mit  dem  J.  1321  be- 
gonnen, irrig  sei. 

891)  Es  beruht  auf  einem  Irrthume,  resp.  einer  Yerwechselung  mit  1306 


438    I^^'   Eotwiekelnng  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

la"''),  wohin  die  deutsche  Nation  widerholt  ihre  Delegaten 
schickte'^').  Diese  Auswanderung  gehört  zu  den  berühmtesten,  und 
niemand  erkannte  besser  als  die  Scholaren  selbst,  welche  Bedeutung 
dieselbe  hatte,  indem  sie,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden, 
nach  erfolgter  Aussöhnung  mit  der  Stadt  zum  Gedächtniss  an 
diese  Aussöhnung  eine  Kirche  erbauten.  Nach  Imola  und  zum 
Theil  auch  nach  Bologna  zu  den  Zurückgebliebenen  sandte 
Siena  seine  Gesandten,  um  die  Professoren  und  Scholaren  einzu- 
laden in  ihre  Stadt  zu  kommen.  Siena  gieng  mit  denselben  einen 
Contrakt  ein.  Ausser  der  Zahlung  des  Salariums  verpflichtete 
sich  die  Commune  die  Bücher  und  alles  dasjenige,  was  die 
Studierenden  zum  Leben  und  zum  Studium  brauchten,  nach  Siena 
überführen  zu  wollen.  In  Siena  selbst  sollten  sie  überdies  recht 
billig  leben  können '^0.  Ob  aber  im  Contrakt  auch  der  Punkt 
enthalten  war,  die  Commune  solle  sich  beim  päpstlichen 
Stuhle  um  die  Bewilligung  einer  theologischen  Lehrkanzel  be- 
werben*'^), möchte  ich  sehr  bezweifeln.  Dazu  lag  um  so  weniger 
Grund  und  Bedürfhiss  vor,  als  ja  die  Universität  Bologna  selbst 
erst  1360  ein  theologisches  Studium  erhielt,  und  von  den  nach 
Imola  Ausgewanderten  kein  einziger  sich  mit  dem  Studium  der 
Theologie  in  Bologna  beschäftigt  haben  konnte. 

Ende  Mai  1321 ''*)  war  die  Uebersiedlung  eines  Theiles  der 

oder  1338,  wenn  MoreUi  in  den  Statuti  deUa  nniyersitjk  e  studio  Fiorentino 
(Firenze  1881)  p.  XXXIII  and  nach  ihm  Beumont,  Lorenzo  de*  Medici 
(2.  Aufl.)  I,  377  behaupten,  in  Folge  des  wegen  Auflehnung  gegen  die  pftpst- 
liche  Herrschaft  aber  Bologna  yerh&ngten  Bannes  seien  die  Scholaren  ausge- 
zogen. Im  Jahre  1321  ist  weder  von  Auflehnung  noch  Tom  Interdikt  die 
Bede.  8.  Matth.  de  Griffonibus  (Muratori,  SS.  rer.  itaL  XYIU,  140)  und 
Barthol.  della  Pugliola  (ibid.  p.  333),  und  dazu  Banchi  a.  a.  0.  p.  238  f. 
Unbegreiflich  vertritt  Bondoni  im  Archi?.  stör.  ital.  14.  p.  45  der  ser.  4. 
noch  den  alten  Irrthum. 

^^)  Nicht  unmittelbar  nach  Siena,  wie  ScarabeUi  1.  c.  p.  51  unrich- 
tig sagt. 

s^>)  S.  Malagola,  Della  vita  e  delle  opere  di  Antonio  Urceo  p.  548. 

^  S.  die  Documente  bei  Banchi  im  Giomale  storico  degli  archiyi 
Toscani  Y,  309  ff.  Einzelne,  welche  sich  in  den  Libri  della  Bicchema  be- 
finden, sind  noch  nicht  ediert. 

895)  Das  ist  die  Ansicht  Banchis  p.  241. 

»»«)  GarpeUini  p.  49  und  Chiapelli,  Vita  di  Cino  da  Pistoja  (1881)  p.  67 


4.    Hochschulen  mit  kaiserL  oder  königl.  Stiftbriefen.    Siena.      439 

Professoren  und  Scholaren  nach  Siena  im  Grossen  und  Ganzen 
beendet  *^0-  Zwischen  Juli  und  December  desselben  Jahres 
werden  nicht  weniger  denn  22  Professoren,  zu  denen  auch  die 
6  bereits  dort  anwesenden  gehören,  erwähnt,  und  zu  ihnen 
kamen  auch  nachher  noch  etliche  hinzu.  Unter  den  1321  An- 
gekommenen waren  7  Professoren  des  Römischen,  und  5  des 
canonischen  Rechts,  zwei  Mediciner,  zwei  Philosophen,  und  ein 
Professor  der  Notariatskunst"^).    Es  bedarf  hier  aber  der  Be- 


täuschen  sich,  wenn  sie  die  Auswanderung  von  Bologna  und  die  Ueber- 
siedlung  nach  Siena  in  das  Jahr  1320  setzen.  Sie  übersahen  überhaupt  den 
Jahresanfeuig  der  Sienesen  zu  rectificieren. 

^7)  s.  dazu  auch  das  14.  Document  bei  Banchi  p.  330. 

®^)  S.  die  Liste  bei  Banchi  p.  321  ff.  Die  Gi?ilisten  waren  Andreaade 
Ciaffi  da  Pisa,  Antonio  Ansaldi  da  Gatalogna,  Gino  da  Pistoja,  Federico  di 
Branca  de'  Maconi,  der  schon  früher  in  Siena  war,  Quglielmo  di  Giliano, 
Paul  Silimani,  Guglielmo  di  Pusteria  von  Mailand.  Die  Ganonisten  hiessen: 
Federigo  Petrucci  yon  Siena,  Gregorius  di  Maestro  Bonsignore,  Paulus  de 
Liazarüs,  Becupero  (Riccovero)  da  S.  Miniato,  Messer  arciprete  di  Ferrara. 
Yon  den  übrigen  Professoren  waren  die  beiden  Mediciner  Dino  da  Firenze 
und  Braccino  da  Pistoja  die  berühmtesten.  In  Bezug  auf  Federicus  de  Senis 
erlaube  ich  mir  folgende  Bemerkung.  Im  an.  2.  p.  1  der  Suppliken  Clem.  VI. 
findet  sich  Bl.  264  a  eine  interessante  Supplik  des  Federicus  Petruccii  de 
Senis  decretorum  doctor,  'quod  olim  ipse  in  xiiij  etatis  sue  anno  constitutus 
habitum  carmelitarum  assumpsit  iUumque  per  annum  et  ultra  portavit  et 
demum  illo  dimisso  ad  seculum  fuit  reversus  et  iuris  canonici  et  ciTÜis  stu- 
dio insistens  in  iure  canonico  recepit  doctoratus  honorem  et  in  eodem  iure 
in  pluribus  generalibus  studiis  per  duodecim  annos  et  ultra  rexit,  et  medio 
tempore  canonicatum  et  prebendam  ecclesie  s.  Ansanii  Aretin.  dioc.  necnon 
prioratum  secularis  ecclesie  s.  Andree  de  Senis,  iUoque  dimisso  plebaniam  s. 
Johannis  in  Vescona  et  canonicatum  et  prebendam  plebis  de  Saltu  prefate 
dioc.  extitit  alias  canonice  assecutus'.  Er  hat  nun  aber  Gewissensscrupel 
wegen  seines  Austrittes  und  bittet  in  den  Benedictinerorden  übertreten  zu 
dürfen.  Aehnlioh  doch  weniger  ausführlich  Reg.  Suppl.  Glem.  VI.  an.  2 
p,  3  Bl.  154.  Die  erstere  Supplik  wurde  16.  kl.  Nov.  an.  2.,  die  zweite 
17  kl.  Sept.  an.  2.  gewährt.  Wenn  dieser  Federicus  identisch  mit  dem  un- 
sem  ist,  so  darf  die  Phrase  'per  duodecim  annos'  nicht  genau  genommen 
werden,  der  Nachdruck  liegt  mehr  auf  *et  ultra'.  Aus  einer  Bemerkung 
des  Federicus  ergibt  sich,  dass  er  nach  Fubliciemng  der  Glementinen  (1317) 
Doctor  wurde.  Eine  im  Drucke  fehlende  Quaestio  (74.)  tr&gt  im  Cod.  Paris. 
4277  Bl.  46  a  die  üeberschrift:  Alegationes  Federici  quod  novus  possessor 
etiam  teneatur  solvere  decimas  pro  tempore  preteriti  possessionis  in  secun- 
do  anno  doctoratus  sui.    Darin  werden  aber  die  'glosse  communes  in  Clem.' 


440    ^*   Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

merkung,  dass  nicht  sämmtliche  Professoren  aus  Bologna,  resp. 
aus  Imola,  nach  Siena  zogen,  sondern  dass  einige  derselben 
auch  anderswoher,  wie  z.  B.  Riccovero  da  S.  Miniato  und  An- 
dreas de  Giaffi  (beide  aus  Florenz)  ^''),  und  Ginus  (ans  Gamerino), 
berufen  wurden.  Ausserdem  erhielt  das  Studium  noch  im  J.  1322 
einen  Zuwachs. 

Die  Bezahlung  war  sehr  ungleich.  Bedeutend  war  sie  bei 
Paul  de  Liazariis  (1555  Lire  d.  i.  4—500  Gulden),  Dinus  (1155 
Lire),  Ginus  220  Goldgulden;  geringer  ist  jene  Paul  Silimannis 
(660  Lire)  und  Riccoveros  (742  Lire).  Es  sind  hier  auch  die 
Zulagen  mitgerechnet.  Die  Gommune  sparte  nichts,  um  Pro- 
fessoren und  Scholaren  zurückzuhalten.  Sie  befreite  sie  von  den 
Abgaben  und  wollte,  dass  sie  während  ihres  Aufenthaltes  in 
Siena  als  Bürger  behandelt  würden  ***). 

Doch  kaum  drei  Jahre  hielt  sich  das  Studium  auf  dieser 
Höhe'®").  Dasselbe  löste  sich  theilweise  wider  auf;  circa  1324 
waren  die  meisten  Studierenden  wider  abgereist'").  Siena  bietet 
hierin  mehr  als  einen  Vergleichungspunkt  mit  der  Universität 
Piacenza;  nur  ist  hier  der  terminus  a  quo  Pavia.  Der  Mediciner 
Dinus  von  Florenz  schliesst  seinen  Gommentar  zum  zweiten  Ganon 
Avicennas  mit  dem  Datum  des  27.  Octobers  1325  und  be- 
merkt, er  habe  ihn  begonnen  'cum  viguit  Studium  in  civitate 
Senarum  .  .  .  sed   eam   complevi   cum  Florentie  redii  propter 


citiert.  Dass  die  Abfassung  derselben,  d.  h.  des  Apparates  des  Joh.  Andreae, 
mehrere  Jahre  vor  1326  (welches  Jahr  Schalte,  Gesch.  der  Quellen  II,  217 
annimmt)  fallen  muss,  wird  sich  weiter  unten  zeigen.  Federicus  ist  wohl 
kurz  vor  1321  Doctor  geworden.  Wenn  es  in  der  62.  Quaestio  des  Druckes 
heisst,  er  habe  'ante  editionem  Clem.'  als  scholaris  eine  Besponsio  auf  eine 
Quaestio  gegeben,  so  ist  dies  nach  Cod.  Paris.  4277  Bl.  42  a  in  'ante  aadiüo* 
nem  Clem.'  zu  corrigieren. 

899j  8.  anten  unter  Florenz. 

^^)  S.  besonders  das  neunte  Document  bei  Banchi  p.  318. 

901)  Es  ist  zum  wenigsten  sehr  ungenau  gesprochen ,  wenn  Luschin 
(Oesterreicher  an  italienischen  Universitäten  S.  92)  behauptet,  Siena  ver« 
danke  dem  Exodus  aus  Bologna  im  J.  1321  das  Aufbiflhen  der  Schale. 

^)  Nach  Ghirardacci,  Della  historia  di  Bologna  II,  40,  war  das 
Studium  schon  M&rz  1323  in  Unordnung,  und  es  h&tten  viele  verlangt  nach 
Bologna  zurückzukehren. 


4.   Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.    Siena.      441 

illius  studii  divisionem  et  annichilationem'^"*).  April  1323  war 
er  jedoch  noch  in  Siena '°*). 

Ich  bin  nicht  der  erste,  welcher  dem  Grunde  der  theilweisen 
Auflösung  des  Studiums  zu  Siena  nachgeht.  Bereits  die  Gronica 
Sanese  erzählt,  die  Gommune  habe  zwar  den  Scholaren  grosse 
Yortheile  gewährt;  trotzdem  sei  aber  das  Studium  von  kurzer 
Dauer  gewesen,  'imperocche  '1  comune  lo'  promise  di  far  lo' 
avere  e  brivilegi  del  convento,  e  poi  ne  li  potero  avere,  e  per 
questa  cagione  si  partiro"^^).  Auch  Tiraboschi  und  Banchi 
schreiben  die  Auflösung  den  ^difficoltä  opposte  dalla  curia  romana 
nel  concedere  i  privilegi  all'  accresciuto  studio'  zu'°*).  Allein 
Sicheres  konnte  ich  den  Acten  in  Siena  nicht  entnehmen.  Gewiss 
ist  nur,  dass  in  den  Libri  della  Biccherna  widerholt,  und  zwar 
schon  im  J.  1321  von  Gesandten  die  Rede  ist,  welche  man  an 
die  römische  Curie  schickte.  In  den  weitläufigen  Regesten  Jo- 
hanns XXII.  auch  in  jenen  der  Avignonesischen  Sammlung 
im  Yatican.  Archiv  fand  ich  jedoch  nicht  den  geringsten  Anhalts- 
punkt zu  irgend  einem  Schlüsse. 

Den  Hauptgrund  für  die  so  frühe  und  fast  plötzliche  Auf- 
lösung des  Studiums  zu  Siena  scheint  mir  muss  man  wo  anders 
suchen,  nämlich  in  der  frühzeitigen  Aussöhnung  der  theils  in 
Bologna,  theils  in  Imola  zurückgebliebenen  Professoren  und  Scho- 
laren mit  der  Stadt  Bologna.  Sie  wurde  bereits  im  Mai  1321 
angebahnt.  Die  Scholaren  schlössen  mit  der  Commune  einen  für 
erstere  höchst  günstigen  Vertrag  ab'°**).  Im  Namen  der  Stadt 
verhandelte  mit  den  in  Imola  verweilenden  Scholaren  der  Rechts- 
lehrer Butrigarius  ^^').    Ihm  besonders,  sowie  den  Juristen  Petrus 


^S)  Cod.  Paris.  6935  Bl.  169  b.  und  dazu  oben  S.  437.  Anm.  888. 

^  8.  das  Document  bei  Rossi,  Documenti  per  la  storia  dell'  univer- 
BÜk  di  Perugia  im  Gioraale  di  erudizione  artistica  IV,  323  n.  47. 

M5)  Bei  Mnratori  XY,  63. 

M6)  Tirabosclii,  1.  c,  Banchi  1.  e.  p.  246.    S.  auch  Schalte  a.  a.  0. 

9^*)  8.  Ghirardacci  II,  6  and  einen  Auszog  des  Docnmentes  bei  Scara- 
belli  p.  51.  Der  Vertrag,  den  die  Scholaren  abfassten,  betraf  acht  Pankte. 
Die  Stadt  gieng,  nm  wider  in  den  Besitz  des  Stadiums  zu  gelangen,  auf 
alle  Forderungen  ein. 

^7)  Sarti  im  2.  Bande  de  claris  archigymnasii  Bonon.  professor.  {s.  oben 
8.  214  Anm.  595)  p.  28. 


442    ^U.   Entwickelnng  der  Hochschalen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

de  Cernitis,  Macagnano  de  Azzognidis  und  Johann  Andreae  hat 
man  die  Widerherstellung  des  Studiums  zu  Bologna  zu  ver- 
danken'°^).  Allerdings  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen, 
dass  man  gerade  von  Bologna  aus  beim  Papste  die  Gewährung 
von  Privilegien  Mr  Siena  hintertrieben  hat,  um  in  Bologna 
um  so  eher  zum  Ziele  zu  gelangen.  Bald  nach  dem  erwähn- 
ten Veiirage,  am  15.  Juni,  ersuchten  die  Scholaren  Bolognas 
den  Senat,  dass  Jacob  de  Belviso  von  Perugia  zurückberufen 
würde,  der  auch  Ende  September  oder  Anfangs  October  1321 
von  dort  abreiste'®^),  um  das  Schuljahr  in  Bologna  zu  be- 
ginnen. Auch  Petrus  de  Cernitis  las  dort  bereits  Novem- 
ber"®). Allerdings  fanden  in  diesem  Jahre  noch  keine  In- 
scriptionen  der  Studenten  deutscher  Nation  statt  *^0i  ^^  j&  &uch 
nicht  zu  viele  Professoren  am  Studiutai  sich  aufhielten'^').  Am 
2.  März  des  nächsten  Jahres  wurde  von  den  Scholaren  Bolognas 
zum  Gedächtniss  an  die  Aussöhnung  mit  der  Stadt  der  Bau  der 
Kirche  S.  Maria  della  Pace  in  der  via  S.  Mamolo  in  Angriflf  ge- 
nommen und  am  30.  April  vollendet,  wie  der  in  ihr  aufgestellte 
Gedenkstein  kundthat'^'). 


908)  Ibid.  p.  32. 

909)  8.  die  Documente  bei  Rossi  1.  c.  p.  255.  282ff.    Ghirardacci  II,  10. 

910)  Ibid.  noch  mehr  ausser  Frage  steht  das  Jahr  1322.  Als  nobe- 
kannt  führe  ich  hier  an,  dass  sich  in  Ronen  nach  Mittheilnng  des  Herrn 
Omont  in  Paris,  der  nun  mehr  den  Handschriftencatalog  von  Ronen  publiciert, 
eine  'Questio  disputata  Bononie  per  D.  Pynum  de  Accnrsinis  de  Bononia 
decretorum  doctorem  anno  dorn.  MCGGXXIF  findet.  Dazn  vgl.  Anm.  913. 
Dieser  Ganonist  erscheint  in  Docnmenten  von  Perugia  als  Finns  de  Artnsinis. 
8.  unten  nnter  Perugia. 

911)  Malagola  1.  c. 

912)  Die  Scholaren  selbst  sagten  dies  in  der  am  15.  Juni  eingesandten 
Supplik.  Ghirardacci  1.  o. 

913)  Die  Kirche  existiert  nicht  mehr,  wohl  aber  der  Gedenkstein  im 
Mnseo  civico  su  Bologna,  sala  XVI.  Die  Hauptfigur  in  der  Mitte  des  Steines 
ist  die  Madonna  mit  dem  Kinde.  Zu  beiden  Seiten  kniean  je  drei  Personen; 
jene  unmittelbar  rechts  und  links  von  der  Madonna  sind  die  beiden  Bectoren. 
Die  einseinen  Personen  tragen  aber  sich  die  Bezeichnungen.  Rechts  von  der 
Madonna:  letrus  Revorii  de  Burgondia,  Jaroslaus  de  Polonia,  Rector  ultra- 
montanorum.  Links  von  der  Madonna:  Rector  Citramontanomm,  Ajnardus 
de  Montebello,  Jacobus  de  Langvilla  de  Janua.  Die  Namen  der  beiden  Reo* 


4.    Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.    Sieoa.      443 

Von  selbst  ergibt  sich  nun,  dass  viele  Professoren  und 
Scholaren,  welche  in  Siena  weilten,  sich  nach  Bologna  zurück 
sehnen  mussten.  Waren  ja  jetzt  alle  Differenzen  zwischen  ihnen 
und  der  Stadt  beigelegt.  Zudem  war  Bologna  immer  die  Mutter- 
anstalt, besass  andere  Mittel  als  Siena,  und  hatte  damals  fort- 
während noch  einen  Weltruf.  Das  Studium  zu  Siena  hätte  sich 
sicher  zum  grossen  Theile  früher  aufgelöst,  wäre  nicht  der  von 
den  Studierenden  eingegangene  Vertrag  mit  der  Commune  von 
Siena  im  Wege  gestanden. 

Doch  wurde  das  Studium  zu  Siena  nicht  in  der  Weise  zer- 
rüttet, als  wäre  es  nun  ganz  von  Professoren  entblösst  gewesen. 
Ich  will  zwar  kein  Gewicht  auf  die  von  Schulte  nach  einer 
fehlerhaften  Quelle  gebrachte  Notiz  legen,  dass  der  Ganonist 
Federicus  de  Senis  noch  1326  in  Siena  gelehrt  habe'^^),  denn 
sowohl  nach  Sieneser  Acten  als  nach  andern  Hss.  erweist  sich 
jenes   Jahr    als    irrig '^^).      Er    verliess    höchst    wahrscheinlich 

toren  stehen  in  der  Inschrift,  die  unter  der  Madonna  den  Platz  einnimmt 
und  laatet:  Anno  Dom.  MGCGXXII.  die  II.  Marcii  inceptnm  et  ultimo 
Aprilis  perfectum  fuit  pro  reconciUacione  studii  huius  ecclesie  opus  sub  re- 
gimine  nobilium  virorum  dominorum  Bartholomei  Lamberti  de  Cipro  cano- 
nici Famag.  (Famagustani)  Ultramontanorum,  et  Bemardi  Gatenacii  canonici 
8.  Antonini  de  Flacentia  Gitramontanorum  rectorum,  et  sculptorum  hie 
IUI  sapientum.  Diese  vier  Savj  sind  eben  die  vier  Personen,  die  mit  den 
2  Rectoren  zu  beiden  Seiten  der  Madonna  knieen.  An  den  ?ier  Ecken  des 
Steines  befinden  sich  je  zwei  Wappenschilder.  Bei  Ghirardacci  n,  29  ist 
die  Inschrift  theils  schlecht  aufgelöst,  theils  defect  und  missverstanden. 

^1^)  Schulte  n,  237  hatte  den  Druck  der  Quaestionen  und  Gonsilia  des 
Federicus  von  Siena  vor  sich,  von  denen  die  vierte  Quaestio  die  Ueberschrift 
trägt,  Friedrich  habe  aber  sie  zu  Siena  disputiert  *anno  Dom.  MGGGXXYI 
die  26.  Februarii,  anno  quo  D.  Joan.  Andreae  fecit  vel  publicavit  apparatum 
super  Glementinis'.  Diese  Notiz  ist  auch  in  der  Hs.  27  Heimst  zu  Wolfen« 
bflttel,  nur  fehlt  dort  die  Angabe  des  Monats. 

9^^)  Die  genannte  Quaestio  fahrt  in  God.  Paris.  4277  BI.  9  b  die  Jahr- 
zahl 1821  die  XX  Februarii;  God.  Ye  72  fol.  in  Halle  ebenso,  ohne  den 
Monat  In  beiden  fehlt  auch  die  Bemerkung  in  Betreff  der  Publication  des 
Commentars  des  Johannes  Andreae.  Im  God.  I.  62  (bei  Schulte  falsch  I.  72) 
des  Metropolitancapitels  zu  Prag  findet  sich  zwar  die  betreffende  Notiz,  aUein 
mit  dem  Znsatze:  anno  Dom.  MGGGXXI  die  20  Februarii.  Hiemit 
verliert  auch  Schuhes  Ansicht  (II,  217),  der  genannte  Apparat  des  Jo- 
hannes Andreae  sei  ?on  diesem  1326  publiciert  worden,  allen  Werth,  was 
sich  ja  schon  daraus  ergibt,  dass  die  Hs.  XVIII.  D.  f.  72  der  Danziger 


444    III«  EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs. 

c.  1324  Siena.  Allein  der  berühmte  Rechtslehrer  Cinus  von 
Pistoja  war  später  sicher  in  Siena.  Wie  wir  gesehen  haben, 
hielt  er  sich  als  Professor  schon  früher,  nämlich  von  der  Mitte 
des  Jahres  1321  bis  Ende  des  Schuljahres  1322—1323  in  Siena 
auf,  und  empfieng  als  jährliches  Salarium  210—220  Gulden''^). 
Von  da  an  bis  zum  Beginne  des  Schuljahres  1324 — 1325  findet 
sich  in  Sieneser  Acten  keine  Notiz  von  ihm,  er  scheint  mit  dem 
Gros  der  Studierenden  Siena  verlassen  zu  haben,  wie  er  auch 
in  der  That  im  J.  1324  in  Florenz  sich  aufhielt"').  Aber  vom 
Anfange  des  genannten  Jahres  an  bis  Sommer  1326,  d.  i.  zwei 
Jahre,  lehrte  er  wider  in  Siena  das  Givilrecht  Im  letzten 
Jahre  wurden  ihm  320  Goldgulden  bezahlt'**). 

Cinus  war  jedoch  in  Siena  nur  ein  für  den  Augenblick 
leuchtender  Stern.  Die  Blüthe  des  Studiums  war  dahin,  wenn- 
gleich  noch  immer  einzelne  Professoren  von  der  Commune  be- 
i-ufen  und  besoldet  wurden.  Die  Lehranstalt  besass  keine  andere 
Bedeutung  mehr,  als  sie  vor  1321  gehabt  hatte. 

Die  Commune  verlor  trotzdem  nicht  den  Muth.  Endlich 
einmal  wollte  sie  doch  in  den  Besitz  eines  Generalstudiums  ge- 
langen, nicht  zwar  in  der  Weise  wie  im  J,  1275,  sondern  auf 
dem  Wege,  der  damals  von  den  meisten  Städten,  die  in  den 
Besitz  eines  Generalstudiums  zu  kommen  wünschten,  eingeschlagen 
wurde.  Sie  beschloss  sich  an  den  Papst  zu  wenden,  um  ein 
Universitätsprivileg  zu  erhalten. 


Stadtbibliothek  im  Jnli  1324,  and  der  Apparat  in  der  Hs.  Cod.  lat.  Monac.  6347, 
31.  M&rz  1326  (beide  sogar  von  Schulte  Anm.  63  citiert)  von  den  Schreibern 
▼ollendet  wurden.  Ueber  die  in  Frage  stehende  Quaestio  ist  also  nach  der 
Mehrzahl  der  Hss.  am  20.  Februar  1322  in  Siena  von  Federicus  disputiert 
worden;  das  Datum  ist  n&mlich  nach  der  Sieneser  Jahresberechnuog ,  die 
mit  der  Florentinischen  übereinstimmt,  zu  rectlfieieren. 

^^^)  S.  die  Documente  bei  Chiappelli,  Vita  e  opere  giuridiche  di 
Gino  da  Pistoja  (Pistoja  1881)  p.  89  und  Anm.  1. 

^7)  s.  unten  unter  Florenz.  Chiappelli  ist  dies  entgangen,  und  er  l&sst 
Cinus  1321—1326  ununterbrochen  in  Siena  docieren. 

9^8)  S.  die  von  Ciampi,  Vita  e  memorie  di  Messer  Cino  (Pistoja  1826), 
Savigny,  Witte  und  anderen  Schriftstellern  übersehenen  Documente  bei  Chiap- 
pelli p.  90  aus  den  llbri  della  Bicchema  zu  Siena.  Vgl.  dazu  Santini  im 
Archl?.  stör.  ital.  ser.  4.  t  U  p.  23f. 


4.    Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stifthriefen.    Siena.      445 

In  dem  Jahre,  in  welchem  die  Studien  za  Pisa  und  Arezzo 
erneuert  wurden,  nämlich  1338,  machte  man  auch  in  Siena 
wider  Anstrengungen,  um  der  Stadt  ein  Generalstudium  zu  er- 
werben. Es  haben  sich  Acte  nicht  weniger  Berathungen  der  Neun 
^super  facto  generalis  studii  scientiarum  et  scolarium  habendi 
in  civitate  Senensi'  vom  4.  Jänner  ab  erhalten.  Ich  erwähne  hier 
nur  die  hauptsächlichsten  derselben.  Am  20.  Jänner  wurden 
vier  prudentes  viri  erwählt,  'qui  faciant  ordinamenta  super  facto 
ipsius  studii  et  super  conducendis  et  habendis  doctoribus  et  super 
eorum  salariis  et  super  procurandis  privilegiis  predicti  studii  et 
super  tota  predicta  materia"*').  Bereits  am  15.  Jänner  wurden 
^pro  parte  scolarium  existentium  Senis  preces  interposite,  quod 
operetur  et  fiat  per  comune  Senense,  quod  doctores  procurentur 
et  conducentur  in  facultatibus  et  maxime  Angelus  filius  ser 
CoUetti  ad  legendum  in  philosophia  et  loyca'"°).  In  demselben 
Monat  (am  29.)  beschloss  die  Regierung,  ^quod  pro  habendis  et 
obtinendis  dictis  privilegiis  a  dom.  summo  pontifice  pro  studio 
generali  Senis  habendo  et  pro  procuratione  ipsorum  et  eorum 
occasione  expendi  possint  de  pecunia  comunis  Senensis  usque  in 
quantitatem  mille  florenorum  de  auro"'^).  Die  Sache  gieng  nicht 
recht  vorwärts'"),  und  man  kam  am  26.  Februar  überein,  die  Inter- 
vention König  Roberts  von  Sicilien  anzurufen  und  ihm  vorzu- 
stellen, ^quomodo  in  civitate  Senensi  firmatum  debet  esse  Studium 
generale  in  qualibet  facultate,  et  quod  in  favorem  comunis  Se- 
nensis de  dicta  materia  dignetur  scribere  dom.  pape,  quod  privi- 


^^^)  Libri  dei  Concistori  im  Archivio  di  stato  in  Siena,  J&nner  Fe- 
bmar  1338  Bl.  24  a.  Von  dieser  Abtheilung  ist  dies  der  früheste  Band. 
Durchweg  steht  indict.  VIL,  was  das  Jahr  1339  bezeichnen  würde;  allein 
ein  Vergleich  mit  den  Gonsigli  deUa  campana  l&sst  mich  Termathen,  dass 
die  Notare  sich  geirrt  haben.    Doch  vgl.  Anm.  924. 

^  Ibid.  Bl.  16  a.  Am  20.  Febr.  wurde  mag.  Thommasus  Gorbacci 
von  Florenz,  'magister  theoricus  et  praticus  in  arte  gometrie  et  arismetrice', 
für  ein  Jahr  lang  gedungen.    Ib.  Bl.  42  a. 

^1)  Erwähnt  in  GonsigU  deUa  campana  vol.  122  Bl.  43  a.  Der  Do- 
minicaner Heneas  wurde  gegen  ein  Salar  von  10  Goldgulden  per  Monat  zum 
Abgesandten  nach  Avignon  bestimmt.    Goncistori  1.  c.  Bl.  6  a. 

9^)  Dies  erhellt  ans  Beschlüssen  vom  29.  Jänner  und  20.  Febr.  Gon- 
cistori 1.  c.  Bl.  27  b.  43b. 


446     m*    Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

legia  studii  generalis  dignetur  concedere  civitati  Sen.,  et  quod 
circa  dictam  materiam  componantur  litter e\  In  der  That  sandte 
man  auch  an  ihn  einige  nuntii'").  Erst  am  29.  Mai  praesen- 
tierte  die  Regierung  die  Beschlüsse  dem  Volksrath;  sie  that  es 
nicht  früher,  ^ut  magis  secrete  procederetur  in  facto  dicti  studii 
et  impedimentum  non  posset  recipere  a  malis  convicinis  invidis 
dicti  bonf.  Der  bei  dieser  Gelegenheit  aus  181  Stimmen  bestehende 
Volksrath  approbierte  das  Geschehene  mit  grosser  Majorität"^). 

Trotzdem  erhielt  die  Commune  die  gewünschten  Privilegien 
nicht"^).  Das  Gubemium  der  Neun  wusste  in  Folge  dessen 
keinen  anderen  Ausweg,  als  dass  es  jedem  einheimischen  Doctor 
verbot  ohne  specielle  Erlaubniss  ausserhalb  Sienas  an  einem 
Studium  zu  lesen"*).  Letzten  December  1347  kam  der  Wunsch 
die  ^privilegia  generalia  concessa  studüs  generalibus  vid.  Bononie 
et  Perusio  secundum  generalem  formam'  neuerdings  zur  Sprache. 
Zugleich  hatte  man  vor,  sich  um  das  Privileg  zu  bewerben,  dass  die 
clerici  beneficiati  von  der  Residenzpflicht  dispensiert  würden"^). 

Doch  erst  im  J.  1357  gelangte  Siena  in  den  Besitz  eines 
Universitätsprivilegs.  Am  9.  Juni  genehmigte  der  Volksrath 
die  Vorschläge  über  das  Studium  generale"*),  unter  denen  der 

«»)  Concistori  Bl.  53. 

^)  Gonsigli  deUa  campana  yoI.  122  Bl.  43—44;  Das  Factum  hatte 
statt  Freitag  29.  Mai  indict.  VI.  In  der  That  fiel  im  J.  1338  der  29.  Mai 
auf  einen  Freitag,  und  die  Indiction  stimmt  mit  der  gewöhnlichen  flberein. 
Dadurch  wird  meine  oben  Anm.  919  gemachte  Bemerkung  best&tigt  Die  aus 
den  Libri  dei  Concistori  angeführten  BeschlQsse  sind  die  Grundlage  fttr  den 
am  29.  Mai  desselben  Jahres  stattgehabten  Volksrath.  Doch  ist  keineswegs 
ausgeschlossen,  dass  fOr  letzteren  solche  Beratungen  die  Voraussetzung  bil- 
deten, welche  nicht  mehr  auf  uns  gekommen  sind,  die  aber  gleichlaUa  in  den 
Jänner  1338  fielen  (s.  oben  Anm.  921),  und  dass  in  demselben  Monat  1389 
die  Frage  neuerdings  yentiliert  worden  und  in  Concistori  ad  an.  1838  auf- 
bewahrt ist. 

^^)  Weder  in  Siena  noch  im  Vat  Archiv  entdeckte  ich  ein  pftpstliches 
(Benedicts  XII.)  Actenstück,  das  darüber  Aufschlüsse  bieten  würde,  wamm 
die  Sienesen  beim  Papste  kein  Gehör  fanden. 

^  Consigli  della  campana  vol.  124  ad  an.  1339  Bl.  13a.  Doch  kamen 
anch  auswärtige  Professoren  und  Scholaren  nach  Siena;  speciell  werden 
solche  29.  Mai  und  19.  Juni  1339  erw&hnt    Biccherna  yol.  151  Bl.  76. 

^)  Concistori  ad  an.  1347  BL  80  b. 

9^)  Consigli  della  campana  vol.  161  Bl.  47  a. 


4.   Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.    Siena.      447 

vom  28.  Juli  die  Summe  von  2000  Goldgulden  betraf,  mittels 
welcher  man  die  zu  berufenden  Doctoren  bezahlen  wollte'''). 
Femer  wandte  sich  die  Stadt  an  Kaiser  Karl  IV.  mit  der 
Bitte  um  ein  Privileg.  Dieses  wurde  auch  16.  August  1357 
von  ihm  gewährt,  damit  das  Studium,  ^quod  ibidem  hactenus 
viguisse,  sed  bis  temporibus  permissu  dei  aliqualiter  obscuratum 
esse  dignoscitur',  zu  neuem  Lichte  käme.  Er  verleiht  'studii 
generalis  Privilegium',  und  zwar  4n  jure  civili  ac  canonico  et 
medicina,  philosophia,  logica,  grammatica  et  quavis  alia  facultate'. 
Dem  Bischof  von  Siena  gibt  er  das  Promotionsrecht  und  bestellt 
ihn  zugleich  zum  Conservator  privilegiorum,  die  vorzüglich  darin 
bestanden,  dass  die  Studierenden  in  den  kaiserlichen  Schutz 
genommen  und  von  den  Lasten  befreit  wurden,  wie  dies  auch 
in  andern  kaiserlichen  Diplomen  der  Fall  war"'). 

Endlich  war  das  Studium  zu  Siena  im  Besitze  eines  Privilegs, 
wenn  auch  nicht  eines  päpstlichen,  nach  dem  es  beständig  trachtete. 
Am  19.  October  wurde  jedem  ^civis  Senensis  doctor  seu  licen* 
ciatus  publice  vel  private'  und  jedem  ^juris  peritus,  qui  ullo 
tempore  actenus  tenuerit  vel  habuerit  cathedram  seu  sedem  ad 
legendum  in  aliqua  civitate,   ubi  tunc  foret  Studium  generale' 

^)  Ibid.  Yol  162  Bl.  7  b.  Ansdrflcklich  wird  auf  'obtinendam  et  con- 
seqoendom  comodam  et  honorem,  qai  spenmtar  ex  studio  generali  yerisimi- 
liier  provenire,'  hingewiesen.  Wie  von  andern,  so  wurden  noch  jOngst  auch 
Yon  den  Verfassern  eines  Artikels  in  den  Studi  Senesi  I,  95  obige  Thatsachen 
abersehen,  und  es  wurde  in  Folge  dessen  das  nun  an  besprechende  kaiserl.  Di- 
plom in  einem  falschen  Zusammenhang  aufgefasst,  gleich  als  wäre  mit  demselben 
eine  blühende  Lehranstalt  nur  als  eine  kaiserliche  Universit&t  erkl&rt  worden. 

930)  Original  im  Archiy.  di  State  in  Siena  (unter  Glas)  mit  Siegel. 
Ediert  bei  UgheUi,  Italia  sacra  III,  563  (Yenet.  1718)  und  Pecci,  Storia  del' 
yescoYado  della  cittä  di  Siena,  Lucca  1748  p.  275.  Der  Eingang  ist  einem 
Schreiben  Manfreds  fOr  Neapel  nachgebildet  S.  unten  S.  457  Anm.  976. 
Karl  sagt:  Yeneranda  yirtutum  magistra  .  •  .  sacrarum  legum  et  caoonum 
ac  liberalium  artinm  pretiosa  scientia,  quam  pestUentis  pridem  mortalitatis 
rabies  per  ampla  orbis  climata  snffocayit,  ipso  sui  silentio  ad  nos  clamat  et 
inyocat  tacite  nomen  nostrum,  ut  ad  releyandum  ipsius  prostrate  lapsum  impe- 
rialis  ei  dexteram  potentie  porrigamus.  Während  Karl  auf  die  durch  die 
Pest  beigebrachten  Yerlnste  hindeutet,  hatte  Manfred  die  Yerheerungen  des 
Krieges  im  Auge.  Aehnlich  mit  diesem  Anftmg  beginnen  die  kaiserlichen 
Stiftbriefe  far  Perugia,  Payia,  Lucca  und  Orange.  Die  Yarianten  sind 
geringfOgig. 


448    11^'   Kntwickelang  der  Hochschulen  bU  211m  Ende  des  14.  Jhs. 

bei  Strafe  von  5000  Goldgulden  verboten  innerhalb  fünf  Jahre 
ausserhalb  Sienas  zu  lesen.  Die  scolares  ciyes  et  comitativi 
sollten  aber  von  den  anderen  Studienanstalten  bis  1.  December 
zurückkehren*")»  ^^  ^^-  November  regelte  man  dann  die  Juris- 
diction des  Rectors  mittels  eines  höchst  interessanten  Statutes. 
Es  wurde  ihm  ^plena,  libera  et  absoluta  potestas  et  omnimoda 
iurisdictio  regendi  universitatem  doctorum  et  scolarium  studii 
generalis  civitatis  Senensis  tam  civium  quam  forensium'  gegeben**'). 
Doch  auch  jetzt  setzten  sich  wider  Hindemisse  entgegen. 
Wie  anderwärts  in  Italien,  so  wurden  zwar  ebenso  in  Siena  soge- 
nannte Savj  dello  studio,  die  für  das  letztere  sorgen  sollten, 
erwählt*").  Allein  trotzdem  gieng  es  nicht  vorwärts;  das  Guber- 
nium  sah  sich  gewissermassen  getäuscht,  und  es  entliess  am 
28.  April  1365  alle  doctores  et  magistri  forenses.  Ohnedies  trieb 
man  das  nöthige  Geld  für  das  Salarium  nicht  auf***).  So  waren 
also  die  Anstrengungen,  welche  man  noch  während  der  letzten 
Jahre  gemacht  hatte,  um  das  Studium  im  guten  Stande  zu  er- 
halten, fast  nutzlos***).  Allerdings  geriet  dasselbe  nicht  ganz 
ins  Stocken,  und  es  kamen  noch  immer  einzelne  Berufungen  von 

^^)  Gonsigli  della  campana  vol.  162  Bl.  22  a.  Della  Yalle  p.  40  seUt 
das  Document  irrig  in  das  Jahr  1377. 

9^)  Ibid.  Bl.  30a.  Der  Beschlass  beginnt:  Daretnr  nniyeraitati  scola« 
riam  rector  in  vacnum  et  in  cassnm,  nisi  eidem  rectori  tribaeretnr  jurisdicto 
et  potestas. 

^)  8.  B.  B.  das  SUtnt  yom  1.  Angnst  1862  in  Libri  eoncistoriali  ad 
an.  1862  Bl.  29  a. 

»M)  Ibid.  ad  an.  1864.  1865  (vol.  81)  Bl.  58a.  Kurs  yorher  beklagte 
sich  der  Glerns  von  Siena,  dass  er  swar  bu  den  Spesen  des  Studiums  bei- 
tragen mflsse,  an  der  ViTahl  der  Professoren  aber  keinen  Antheil  habe.  Er 
werde  deshalb  seine  Beitr&ge  einstellen.  Gonsigli  della  campana  yol.  174 
Bl.  81. 

M^)  Noch  am  19.  Juli  1861  beschloss  man  im  Hoehgeftthle,  nnn  im 
Besitie  der  priyilegia  imperialia  sn  sein,  nach  Bologna  sa  senden,  um  bertthmte 
Professoren  in  beiden  Rechten,  in  der  Medicin  und  den  artes  sn  berufen. 
Bloss  (iQr  deren  Salarinm  bewilligte  man  eine  jährliche  Summe  yon  3000 
Goldgulden.  Gonsigli  della  campana  yol.  171  Bl.  4.  Beilftufig  bemerke 
icb  hier,  dass  1858—1859  in  Siena  Gerretamus  das  canon.  Recht  yortmg, 
ohne  Doctor  gewesen  bu  sein.  Er  wnrde  nach  Florens  unter  der  Bedingung 
berufen,  dass  er  den  Doctorgrad  erwflrbe.  Statuti  della  uniyersitä  e  studio 
Fiorentino  p.  290  f.  293. 


4.  Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.    Siena.      449 

Professoren  vot;  eine  grosse  Bedeutung  hatte  jedoch  die  Schule 
während  der  nächsten  zwanzig  Jahre  nicht. 

Am  23.  Jänner  1386  (1387)  wurde  dem  Volksrathe  vorge- 
stellt, dass  die  civitates,  ubi  generalia  studia  prefuere  per  longa 
tempora,  lata  et  pinguia  comoda  suscepisse,  absque  eo,  quod  sui 
cives  et  incole  famosi  fiunt  in  studiis  litterarum  .  .  •  gratum 
quoque  et  suave  civibus  lucrum  fit,  quod  per  scolares  forenses 
affertur  de  longinquis  partibus  et  extemis.  Man  solle  deshalb  nicht 
zu  sparsam  sein.  Bewürbe  man  sich  mit  einem  geringen  Salarium 
nur  um  mediocres  doctores  et  magistri,  so  würden  die  Scholaren 
nicht  in  Siena  bleiben.  ^Expedit  ergo  ad  solenne  Studium  haben- 
dum  . . .  conducere  doctores  famosos  ...  in  qualibet  facultate,  quos 
scolares  undique  tanquam  sagitta  Signum  suum  queritent  et  sequan* 
tur\  Behufs  der  Beformation  des  Studiums  müssten  sechs  ange- 
sehene Bürger  gewählt  werden,  welche  berühmte  Professoren  und 
auch  mehrere  scolares  forenses  berufen  sollten.  2500  Goldgulden 
dürfe  die  Stadt  jedes  Jahr  für  das  Salarium  aufwenden.  Das  Schul- 
jahr habe  mit  18.  October  zu  beginnen'**). 

Es  gieng  nun  mit  der  Universität  einigermassen  besser.  So 
las  z.  B.  dort  der  Ganonist  Peter  de  Ancharano**'))  ui^d  Ende  des 
Jhs.  wurde  sogar  über  Dante  vorgetragen.  Es  fanden  auch,  wie 
sich  aus  den  Sieneser  Acten  ergibt,  öfters  Berufungen  statt"*). 
Eine  der  interessantesten  Thatsachen  dieser  Periode  ist  wohl 
die,  dass  Siena,  als  es  dem  Galeazzo  Visconti  weichen  musste,  ihn 
im  J.  1399  zur  jährlichen  Zahlung  von  3000  Goldgulden  für  die 
Instandhaltung  des  Studiums  verpflichtete"'). 


^)  Con8]gli  della  campana  vol.  200  Bl.  115  a.  S.  Libri  concistoriali 
ad  an.  1886  Bl.  24  b. 

^  Vgt  Schulte  II,  279.  In  den  Begesten  Boni£az  IX.  geschieht  anch 
einige  Male  der  Studierenden  in  Siena  Enrfthnung.  Im  Archiy  yom  Lateran 
1389  an.  1  üb.  7  Bl.  190a  wird  ein  baccalareus  in  decretis;  üb.  12  BL  168a 
ein  anderer  Scolaris  genannt. 

^  Doch  wurde  dem  Civilisten  Thomas  Bemardi  de  Govonibus  aus 
Florenz,  der  in  Siena  das  Sehnljahr  1889—1890  beginnen  wollte,  die  Lectur 
und  das  Salarium  verweigert.   Statuti  della  universitä  e  studio  Fiorent  p.  354. 

989j  Continnazione  delle  Cronache  di  Siraa  di  Aldobrandini  Domenico, 
handschriftlich  auf  der  Bibliothek  zu  Siena.  Vgl.  auch  Muratori,  SS.  rer. 
ItaL  XIX,  416  (Annali  Sanesi). 

Deaifle,  Die  UniTOiBitAten  I.  29 


450    nr.   EntinckeloBg  der  Hochschalen  bis  tum  Ende  des  14.  Jha. 

Neue  Rührigkeit  zeigte  die  Commune  im  Beginne  des 
15.  Jhs.  Am  21.  November  1404  machte  man  den  Anfang  die 
Casa  della  misericordia  in  ein  GoUegium,  die  sogenannte  Sapienza, 
umzuwandeln'*®).  Vom  Papste  Gregor  XXL  erhielt  Siena  am 
7.  Mai  1408  nicht  weniger  denn  8  Bullen,  welche  sich  auf  das 
dortige  Studium  bezogen***).  Mittels  einer  bestätigt  er  auf 
Wunsch  ^priorum,  gubematorum  et  capitanei  populi  civitatis 
Senensis'  das  Privileg  Karls  IV.  und  gewährt  das  theologische 
Studium  sowie  die  Promotion  in  dieser  Facultät.  Die  Promovierten 
sollten  alle  Privilegien  wie  die  zu  Bologna  und  Paris  Promovierten 
geniessen,  und  zum  Gancellarius  studii  wird  der  Bischof  von  Siena 
und  dessen  Nachfolger  ernannt,  ^prout  etiam  imperiali  auctoritate 
constitutus  est,  seu  etiam  ordinatus' '*').  In  einem  weitem 
Schreiben  bewilligt  er  den  Studierenden  die  Dispens  von  der 
Residenzpflicht'*'),  in  einem  andern,  dass  alle  jene,  welchen  es 
sonst  durch  die  apostolischen  Decrete  verboten  ist,  'leges  et 
phisicam  in  studio  dicte  civitatis  audire  et  in  eis  studere  necnon 
quoscunque  scolasticos  actus  exercere  ac  gradus  recipere  vale- 
ant"**).  Endlich  gestattet  er  ^universis  doctoribus  et  scolaribus 
in  predicta  civitate  studentibus  presentibus  et  futuris\  dass  sie 
^Omnibus  et  singulis  privilegiis  et  indulgentiis  doctoribus  et 
scolaribus  Bononie  et  Parisius  studentibus  per  sedem  aposto- 
licam   concessis  uti  et   gaudere  valeant"*').    Die  vier  ttbrigen 


MO)  Consigli  della  campana  toI.  206  Bl.  166a. 

Ml)  Sie  finden  sich  in  den  Begesten  Gregors  XII.  1408  an.  2  IIb.  6  im 
Archi?  des  Lateran.  In  Siena  sind  einige  derselben  im  Original  erhalten; 
alle  8  jedoch  in  italienischer  Uebersetinng  in  der  Abthlg.  Archiv,  della 
misericordia  n.  1  (im  Archi?.  di  stato  in  Siena)  BL  59  a  sqq. 

MSj  Beg.  Greg.  Bl.  192  b.  Im  Eingange  sagt  der  Papst:  ad  ealibenter 
intendimns,  ut,  que  x>er  seculares  principe«  locis  in  quibns  stndia  vigere 
possant  concessa  sunt,  illibata  seryentar;  et  nt  stndentes  in  stndiia  ipsis 
consuetudines  bonas  observent,  privilegiis  potioribas  gaadeanty  et  provecti 
cum  rigore  examinis  ad  altiora  conscendant  partes  nostre  solicitadinis  adhi* 
bemus.  £d.  bei  üghelli  1.  c  p.  569.  Pecci  L  c.  p.  306.  Vgl.  aoch  Mnra- 
tori,  SS.  rer.  ital.  XY,  288. 

^^)  Beg.  Greg.  BL  193  a. 

w*)  Ibid.  BL  193  b. 

»*ö)  Ibid.  BL  194  a. 


4.  Hochschnlen  mit  kaiserl.  oder  könlgl  Stiftbriefen.    Siena.      451 

päpstlichen  Schreiben  betreffen  aber  die  Grflndnng  eines  Gol- 
legs  für  30  Scholaren.  Die  Stadt  hatte,  wie  wir  soeben  ge- 
sehen haben,  bereits  vor  einigen  Jahren  in  Anbetracht,  dass 
manche  Stadlerende  'tarn  cives  quam  forenses'  wegen  Armut 
vom  Studium  abgehalten  würden,  beschlossen,  ein  kaum  be- 
wohntes Hospital,  die  sogenannte  casa  della  misericordia,  Stu- 
denten, und  zwar  (im  Anfange)  dreissig  an  der  Zahl,  als  Wohnung 
anzuweisen,  und  dieselben  mit  den  Einkünften  der  genannten 
Casa  zu  versorgen.  Das  Haus  solle  ^domus  sapientie  civitatis 
et  studii  Senensis',  also  wie  in  Perugia  und  später  in  Florenz, 
genannt  werden.  Auf  die  Bitten  der  Stadt  hin  bewilligte  nun 
der  Papst  die  Umwandlung  mit  der  Bestimmung,  dass  die  Stu- 
denten in  demselben  nach  Art  und  Weise  des  vom  Gardinal- 
bischof  von  Sabina  Albomoz  zu  Bologna  gestifteten  spanischen 
CoUegs  leben  sollten'**).  Zwei  andere  Schreiben  beschäftigen 
sich  mit  Incorporierung  der  Einkünfte  verschiedener  in  einigen 
Städten  liegender  Hospize  der  Sapienza  in  Siena,  und  mit  dem 
Vorschlage  der  Stadt,  in  Siena  und  den  andern  Städten,  die  zu  Siena 
gehörten,  eine  Art  Contribution  bis  zur  Summe  von  6000  Gold- 
gulden anstellen  zu  dürfen,  da  die  Mittel  des  Hospitals  allein 
nicht  ausreichten  **0*  ^^  diesem  Zwecke  gewährte  auch  Gregor 
allen  jenen,  welche  dem  genannten  Hause  etwas  vermachen 
oder  sonst  hülfreich  beistehen  würden,  einen  Ablass***). 

Man  sollte  meinen,  das  Generalstudium  zu  Siena  sei  nun 
für  immer  consolidiert  gewesen.  Allein  schon  im  nächsten  Jahre 
beschloss  man  dort  wegen  des  von  den  Kriegern  Königs  Ladislaus 
Siena  zugefügten  Schadens  und  mit  Rücksicht  darauf,  dass  das  Stu- 
dium sich  als  nutzlos  erweise  und  nur  wenige  Scholaren  sich  an 
demselben  aufhielten,  die  einheimischen  Professoren  zu  entlassen, 
und  bloss  die  fremden  um  des  mit  denselben  eingegangenen 
Contraktes  willen  einstweilen  zu  behalten'*').  Erst  zu  Anfang  des 
zweiten  Decenniums  desselben  Jhs.  wurde  eine  glücklichere  Pe- 


M«)  Ibid.  Bl.  191a.    S.  oben  8.  214f. 

M7)  Ibid.  BL  192b;  191a. 

MS)  Ibid.  Bl.  198b. 

M»)  Condgli  della  campana  vol.  209  Bl.  14  b. 

29* 


452    in«  Entwkkeliiiif  der  Hoehsolmleii  bis  warn  Ende  des  14.  Jlis. 

riode  inauguriert'^®).  Im  J.  1433  bestätigte  Kaiser  Sigmund 
Karls  Privileg'^').  Plus  II.  aber,  um  von  Martin  V.  und  Nico- 
laus y.  zu  schweigen,  gab  am  22.  April  1459  den  Studierenden 
alle  Rechte,  welche  die  ^sequentes  curiam'  hinsichtlich  der  Er- 
langung von  Beneficien  besassen,  den  Promovierten  jedoch  alle 
Privilegien  derjenigen,  ^qui  in  romana  curia  aut  studio  urbis 
Borne  ad  ipsos  gradus  promoventur"^'). 

Neapel. 
Man  hat  die  Hochschule  zu  Neapel  eine  'Staats-Universität', 
ja  ^die  erste  von  einem  Staatsoberhaupte  gegründete  Universität' 
genannt '*').  Beides  ist  unrichtig.  Der  Ausdruck  'S^aa^« -Univer- 
sität' soll  doch  wohl  denjenigen  Begriff  andeuten,  den  wir  heute 
mit  der  Bezeichnung  verbinden.  Allein  im  Mittelalter  gab  es  noch 
keinen  Staat  im  modernen  Sinn.  Man  kann  auch  deshalb  noch 
viel  weniger  von  Staats -Universitäten  sprechen,  höchstens  von 
Reichs-  oder  Landes -Hochschulen.  Aber  selbst  so  ist  es  irrig 
zu  behaupten,  Neapel  sei  die  erste  von  einem  Landesfürsten  er- 
richtete Universität  gewesen,  denn  12  Jahre  vor  Friedrichs  II. 
Stiftung  legte  Alonso  YUI.  von  Gastilien  den  Grund  zur  Hoch- 
schule von  Palencia,  wenngleich  nicht  mit  jener  Grossthuerei, 
wie  'ein  deutscher  Kaiser'.  Hatte  Alonsos  Werk  nicht  viel 
Glück,  so  hatte  Friedrichs  Schöpfung  nicht  viel  mehr.  Ich  finde 
die  Hauptbedeutung  der  Universität  Neapel  darin,  dass  Friedrichs 
Act  und  die  Reformbestrebungen  seiner  Nachfolger  einigen  andern 

MO)  Vgl.  ConsigU  della  campana  vol.  210  Bl.  185  b.  Den  Grand  rar 
Aofraffang  bot  der  Qedanke,  dass  die  Lehranstalten  Italiens  damiederiftgen. 

9^1)  Original  im  Arch.  di  State  in  Siena,  Diplomatico. 

9^)  Ibid.  Diplomatico,  UniversitJi  n.  79.  und  Reg.  Vat  tom.  82  Bl.  241  b. 
Wie  Francesco  Filelfo  (Yom  Ende  des  Jahres  1434  an)  in  Siena  lehrte  (s. 
Gomi,  Franciscus  Philelphus  archigymnasio  Ticinensi  vindicatos,  Tlcini  1783 
p.  168;  Voigt,  Die  Wiederbelebong  des  dass.  Alterthoms  I,  415)>  so  sta* 
dierte  dort  etwas  frtüier  Enea  Silvio,  der  spfttere  Pias  IL 

9U)  Winkehnann,  üeber  die  ersten  Staats- Universitäten.  Akademische 
Rede  1880,  S.  12.  Vgl.  8.  4.  Wir  haben  bereits  oben  S.  236  bemerkt,  dass 
nach  Winkelmann  auch  die  UniverslUt  Saleme  im  18.  Jh.  eine  ^Staatsschnle' 
warde.  Wie  sich  aas  obigen  Bemerknngen  ergibt,  ist  der  Titel  der  akade- 
mischen Rede,  weil  er  sich  auf  Salemo  and  Neapel  im  18.  Jh.  besieht, 
nicht  latreffend. 


4.  Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.    Neapel.     453 

Landesherren  den  Ansporn  zu  ähnlichen  Stiftungen  gaben,  und  dass 
in  den  Schreiben  Friedrichs  und  seiner  Nachfolger  den  Königen 
von  Aragon  und  Kaiser  Karl  lY.,  wie  sich  unten  zeigen  wird, 
willkommene  Vorlagen  und  Formulare  für  ihre  Stiftbriefe  ge* 
boten  waren,  deren  Wirkung  viel  länger  anhielt,  als  jene  der 
Originale. 

Das  Königreich  beider  Sicilien,  so  scheint  es,  war  für  eine 
Hochschule  kein  günstiger  Boden.  Es  fehlte  dort  die  Tra- 
dition, an  die  sonst  fast  jede  andere  Hochschule  Italiens  an- 
knüpfen konnte.  Vor  Friedrich,  schreibt  Nicolaus  de  Jamsilla, 
seien  in  regno  Sicilie  literati  pauci  vel  nulli  gewesen '^^).  Damit 
ist  jedoch  nicht  gesagt,  als  habe  es  dort  auch  an  Grammatical- 
schulen  gemangelt.  Die  Schreiben  Friedrichs  setzen  diese  voraus. 
Nichtsdestoweniger  war  Neapel  eine  der  geeignetsten  Städte,  die 
bei  der  Wahl  eines  Ortes  für  ein  Generalstudium  im  Königreich 
Sicilien  in  Betracht  kommen  konnten,  wollte  Friedrich  nicht  von 
vornherein  statt  eine  neue  Hochschule  zu  gründen  nur  das  Stu- 
dium in  Salemo  erweitem. 

Friedrich  erliess  im  Juli  1224  den  Stiftbrief'")  und  that 
im  ganzen  Reiche  seinen  Plan  kund'^*),  ein  Act,  von  dem  sich 

9^)  Historia  bei  Mnratori,  SS.  rer.  ital.  YHI,  495.  Wenn  Origlla, 
Istoria  dello  studio  di  Napoli  (Napoli  1753)  I,  43  yon  einer  Utem  Schale 
Yor  Friedricli  II.  spricht,  so  geschieht  dies  deshalb,  weil  er  drei  Briefe 
bei  Peter  de  Yineis,  die  in  eine  spfttere  Periode  gehören,  Friedrich  II.  zu- 
schreibt (s.  oben  S.  2  Anm.  3.;  ähnlich  Giannone,  Istoria  civile  del  regno 
di  Napoli,  Milano  1823  Y,  271  f.  Deutsche  Ausg.  II,  428);  in  jenen  Schrei- 
ben ist  n&mlich  Yon  einer  'reformatio'  des  Studiums  su  Neapel  die  Bede. 
Ihm  folgte  neuestens  De  Pompeis,  Memorie  storiche  intomo  al  monastero 
ed  alle  pittnre  della  Yecchia  chiesa  di  Donnaregia  (Napoli  1866)  p.  145  ff., 
wo  eine  Abhandlung  Dello  studio  generale  fondato  in  Napoli  sich  findet. 
Ygl.  p.  161  ff.  Der  Autor  will  auch  die  Existenz  von  Schulen  zur  Normannen- 
zeit darlegen.  Es  ist  alles  möglich,  nur  kann  es  De  Pompeis  nicht  nach- 
weisen. Hierin  sah  richtiger  (Settembrini)  Breve  notizia  della  r.  uniyerdtli 
di  Napoli  (1878)  p«  4;  das  ist  aber  auch  alles,  was  man  ans  dieser  Schrift 
eitleren  kann.  Auf  dem  alten  Standpunkte  stehen  die  Notizie  intomo  alla  ori- 
gine,  formazione  e  stato  presente  deUa  r.  uniyersitik  di  Napoli.  Napoli  1884. 

^^)  Bei  HuilL-Br^hoUes  U,  450. 

^  Richard  de  S.  Oermano  sagt:  1224  mense  inlii  pro  ordinando  stu- 
dio Neapolitano  Imperator  ubique  per  regnum  mittit  litteias  generales.  Mon. 
Qerm.  SS.  XIX,  344.       .    . 


454    ni.  Entwickelimg  der  Hodiadfanleii  bis  som  Ende  des  14.  Jlis. 

die  Gewohnheit  in  italienischen  Städten  herschreibt,  die  ErSffirang 
daselbst  errichteter  Schalen  den  Nachbargemeinden  verkünden  za 
lassen.  Der  Kaiser  wünscht,  dass  nunmehr  in  dem  ESnigreich 
Viele  klug  und  weise  würden  ^per  sdentiarum  haustom  et  semi- 
narium  doctrinarum'.  In  Neapel  sollten  die  artes  gelehrt  werden 
*et  cuiuscunque  professionis  yigere  studia,  ut  jejuni  et  üamelid  do- 
ctrinarum in  ipso  regno  inveniant,  unde  ipsorum  ayiditati  satisfiat, 
neque  compellantur  ad  investigandas  sdentias  peregrinas  nationes 
expetere,  nee  in  alienis  regionibus  mendicare'.  Die  hier  gebildet 
würden,  erwarte  seine  Huld.  Neapel  eigne  sich  in  besonderer 
Weise  zum  Studienort,  wo  die  Schüler  nebstdem  so  zu  sagen 
unter  den  Augen  ihrer  Eltern  studieren  könnten.  Friedrich  be- 
stimmte überdies,  ^quod  in  dvitate  predicta  doctores  et  magistri 
erunt  in  qualibet  focultate'.  Er  nannte  auch  einige  derselben 
in  seinem  Schreiben.  Femer  wollte  er,  dass  die  'scolares  unde- 
cunque  yenerint,  secure  yeniant  morando,  stando  et  redeondo, 
tam  in  personis  quam  in  rebus  nullam  sentientes  in  aliquo  lesi- 
onem\;  Den  Preis  der  Wohnungen  hättten  zwei  Bürger  im 
Vereine  mit  zwei  Scholaren  abzuschätzen;  derselbe  dürfe  aber 
nicht  höher  als  zwei  Goldunzen  sein.  In  Civilsachen  sollten  die 
Scholaren  den  Gerichtsstand  yor  ihren  Doctoren  und  Magistern 
haben.  Zweimal  verbietet  er  in  dem  Schreiben  bei  Strafe  den 
Besuch  ausländischer  Schulen.  Wer  in  irgend  einer  Wissenschaft 
sich  unterrichten  lassen  wolle,  habe  nach  Neapel  zu  gehen;  wer 
jedoch  bereits  auswärts  studiere,  kehre  bis  Michaelis  zurück**^). 
Dies  ist  im  wesentlichen  der  Inhalt  des  Stiftbriefes.  Das  Vorbild 
fiür  denselben  lag  in  Friedrichs  L  Authentica  Habüa. 

Inwiefern  das  Studium  zu  Neapel  in  erster  Linie  eine  Landes- 
schule, dann  aber  auch  ein  Studium  ftlr  Auswärtige  sein  sollte, 
haben  wir  bereits  oben  gesehen'**),  und  es  ist  nicht  nöthighier 
noch  einmal  darauf  einzugehen.  An  der  Hochschule  sollten,  wie 
Friedrich  im  Stiftbriefe  sagt,  alle  Fächer  gelehrt. werden,  mithin 
nicht  bloss  beide  Rechte  und  die  Artes,  sondern  zugleich  liieo- 
logie***).     Diese   erwähnt  er  mit  den  andern  Disdplinen  auch 

»7)  8.  HoüL-Bräi.  a  a.  0. 

9»)  S.  111  131 

*»)  Im  J.  1227—1338»  wo  die  ThMemg  in  BologM  var  (cfr.  Mattk* 


i,  Hochscliuleii  mit  kaiserl.  oder  kOnigl.  Stiftbriefen.   Neapel.     455 

aosdrflcklich  in  dem  1234  erlassenen  Schreiben,  womit  er  die 
Widerhersteilung  des  Studiums  verspricht.  Origlia  mutmasst, 
der  Lehrstuhl  für  Theologie  sei  ungefähr  1230  den  Dominicanern 
übergeben  worden'*^).  Allein  abgesehen  davon,  dass  das  Kloster 
derselben  erst  im  J.  1231  gegründet  wurde '*^),  kann  vom  J.  1230 
keine  Rede  sein,  da  sich  das  Studium  in  Folge  des  Einfalles  päpst- 
licher Truppen  in  Apulien  im  J.  1229  aufgelöst  hatte*").  Auch 
die  andere  Bemerkung  Origlias,  vor  den  Dominicanern  hätten  die 
Benedictiner  von  Monte  Gasino  die  Theologie  gelehrt*^'),  ist  nicht 
erwiesen.  Thatsache  ist  aber,  dass  nach  1234  die  Mendicanten,  und 
zwar  höchst  wahrscheinlich  die  Dominicaner,  bis  zu  ihrer  Vertreibung 
durch  Friedrich,  die  Professoren  in  der  Theologie  waren*^^). 
Die  Medicin  wurde  anfänglich  wohl  auch  zu  Neapel  gelehrt; 
von  1231  an  aber  sicher  nur  mehr  in  Salemo**^). 


de  Griffonibus  bei  Maratori  SS.  rer.  ital.  XYIU,  110,  Ghirardacci  I,  146), 
Iftsst  Ouido  Faba  in  seiner  Summa  dictaminis  einen  Scholaren  in  Neapel  auf 
die  Anfrage  eines  andern  Soholaren  in  Bologna  bin,  ob  es  in  Neapel  billiger 
sei,  antworten,  in  Neapel  sei  man  'in  paradisi  gaudia  constitutus'  und  er  möge 
wissen,  dass  dort  'in  omni  scientia  viget  Studium  et  doctrina'.  Cod.  Paris. 
8651  BL  41b. 

^)  Istoria  dello  studio  di  Napoli  p.  90. 

^>)  OeneralarchiT  des  Dominicanerordens  A.  402.  S.  Galvettis  Chronica 
capit.  general.  et  provinc.  provinciae  utriusque  Lombardiae  in  der  Bibliot. 
comunale  su  Bergamo  J-  9.  22.  Bl.  31  b.  Einige  Dominicaner  waren  aUer- 
dings  vor  1231  in  Neapel. 

MS)  Böhmer-Ficker,  Begesta  Imperii  Y.  n.  1736  a.  Richard  y.  S.  Ger- 
mano  p.  372. 

W8)  L.  c.  p.  68. 

^  Dies  erheUt  aus  dem  Schreiben,  das  nach  Vertreibung  der  Men- 
dicanten die  üniversitas  doctorum  et  scholarium  Neapolitani  studii  dem 
'Honestissimo  et  peritissimo  viro  magistro  Herasmo  monacho  Gasinensi  theo- 
logie  scientie  professori*  sandte,  welches  beginnt:  Postquam  fratres,  qui'  nos 
pane  divine  mense  reficiebant^  NeapoU  recesserunt,  clausus  est  nobis  puteus 
aquo  vive,  quoniam  sacre  scripture  non  est  qui  nobis  modo  aperiat  mjsti- 
cum  inteUectum  ...  In  defectu  igitur  theologie  facultatis  tanto  nostrum 
Studium  sensit  grayius  detrimentum,  quantö  inter  scientias  ceteras  scientia 
theologica  dignitatem  obtinet  altiorem.  Origlia  p.  102.  Der  Lehrstuhl  wird 
nun  dem  Erasmus  angeboten.     Winkelmann  kümmerte  sich  um  aU  dies* 

nicht. 

M&)  S.  oben  S.  235  f. 


456    in*  Entwickelnng  der  Hochachnleii  bis  warn  Ende  des  14.  Jh9. 

Die  Hochschule  wurde  kurz  nach  ihrer  Errichtung,  wie  ich  schon 
bemerkte,  auf  mehrere  Jahre  unterbrochen,  nämlich  1229 — 1234. 
In  dem  zuletzt  genannten  Jahre  theilt  aber  Friedrich  den 
Schülern  zu  Bologna  mit,  dass  er  das  von  ihm  zu  Neapel  errichtete 
Studium  wider  herzustellen  gedenke,  Doctoren  der  Theologie, 
Professoren  beider  Rechte  und  Magister  der  freien  Künste  dort- 
hin berufen  und  alle  frühem  Privilegien  erneuern  wolle''').  Im 
September  wurde  die  Schule  eröffnet'")-  Allein  schon  1239 
befahl  Friedrich  ^propter  presentis  temporis  qualitatem'  die  Auf- 
lösimg derselben '*'),  um  jedoch  am  14.  November  desselben 
Jahres  ihre  Fortdauer  neuerdings  zu  gestatten '*').  Er  schloss 
aber  vom  Besuche  die  Bebellen  von  Mailand,  Brescia,  Piacenza, 
Alessandria,  Bologna,  Faenza,  Bavenna  und  Treviso  ans''®). 
Bartholomeus  Pignatellus  von  Brindisi  bestellte  er  zum  Professor 

der  Decretalen  •")• 

Die  Schule  fristete  nun  ihr  Dasein  bis  vielleicht  gegen  die 
Mitte  des  Jhs.  In  die  Zwischenzeit  fallt  die  Vertreibung  der 
Mendicanten,  und  dadurch  die  Störung  in  den  Vorlesungen  über 
Theologie.  Vor  1243  studierte  in  Neapel  noch  als  saecularis 
der  hl.  Thomas  von  Aquin,  der  in  keinem  Falle  früher  als  in 
dem  genannten  Jahre  in  den  Orden  getreten  sein  kann.  Er 
hörte  in  Neapel  Grammatik  und  Logik  bei  dem  Magister  Martin, 
Physik  bei  dem  Magister  Petrus  de  Hibemia'*'). 

966)  Hom-Br^  IV,  497.  Böbmer-Ficker  n.  2044.  Friedrich  meint,  er 
berufe  ^doctores  theologos  ac  ntriiisqae  juris  professores  ac  magistros  quamm- 
libet  ariiam  liberaliam  ad  mstitaendom  et  foyendam  qnammlibet  profesaio- 
nam  et  scientiamm  in  eadem  ciritate  gymnasia'. 

967)  Bichard  y.  S.  Qermano  1.  c.  mid  Winkelmann,  Die  ersten  Staats- 
oniyenit&ten  S.  40  Anm.  26. 

968)  So  sagt  er  selbst  im  Mandate  an  Gapit&n  Andreas  de  Gicala^  Hoili.- 
Br6h.  y.  495. 

969)  Darauf  beaehen  sieb  drei  Schreiben.  Eines  an  die  Lehrer  und 
Schfiler  wa  Neapel,  das  andere  an  den  Capit&n  Andreas  de  Gicala,  das  dritta 
an  den  QemSi  die  Barone,  knn  an  aUe  yon  Neapel.  HaiU.-Br6h.  Y,  493  bis 
496.    Böhmer-Ficker  2556-^2558. 

^<0  So  im  ersten  Schreiben  bei  HnilL-Br^h.  Y,  493  nnd  Winkehnann, 
Acta  imperii  inediU  p.  649.    a  oben  a  13  f. 
911)  HaflL-Br^  Y,  496. 
9i>)  *Unde  paer  de  utriosqae  parentis  consilio  Neapolim  mittitnr  et  sab 


4.  Hochsclioleii  mit  kaiseri.  oder  königL  Stiftbriefen.  Neapel.     457 

FriedriQhs  Sohn,  König  Konrad  II,,  verlegte  im  Februar 
1252  das  ganze  Stadium  nach  Salemo'^').  Ob  aber  dasselbe 
bis  zu  diesem  Zeitpunkte  in  Neapel  auch  wirklich  fortbestanden 
hat,  möchte  ich  sehr  bezweifeln.  Konrad  sagt  nämlich  in 
einem  Schreiben  desselben  Jahres,  in  welchem  er  seinen  Ent- 
schluss  kundgibt,  Salemo  als  den  künftigen  und  einzigen  Studien- 
ort zu  bestimmen,  dass  er  es  als  nothwendig  für  sein  Reich 
erkannt  habe,  ^ut  artium  et  scientiarum  quarumlibet  in  eo 
Studium  reförmetur"'*).  'Reformare'  bedeutet  in  all  diesen 
Schreiben  immer  'widerherstellen'.  Und  so  ist  es  mehr  als  wahr- 
scheinlich, dass  das  Studium  zu  Neapel  bereits  vor  1252  in 
Auflösung  war,  und  seinen  Gründer  Friedrich  n.  wohl  nicht 
überlebt  hat  Konrad  wollte  also  die  Studien  in  seinem  I(eiche 
erneuern.  Als  Gentralpunkt  wählte  er  Salerno.  Er  theilte  diese 
seine  Intention,  die  er  auch  ausführte,  den  Justitiaren  mit*^'). 

Neapel  blieb  nun  ohne  Schule,  bis  König  Manfred  sie  in 
der  ersten  Zeit  seiner  Regierung  neu  errichtete.  Es  geschah 
1258—125.9.  Die  Philosophie,  welche  wegen  der  unablässigen 
Kriege  vom  Königreiche  Sicilien  wie  verbannt  gewesen  sei, 
schreibt  er,  rufe  gerade  durch  ihr  Schweigen  zu  ihm'^').    Er 


1  j  ■■  ■ 


iiiiigi8tri  Martini  in  grammaticalibus  et  logicalibuBi  et  magistri  Petri  de'Hi> 
bemia  studlis  in  naturalibus  edocetor.  In  quorum  scoliis  tarn  Incalenti  ce-. 
pit  esse  ingenii  et  inteUigentie  perspicacitatis,  nt  altias.  profondios  et  da; 
rius  aliiB  andita  repeteret,  quam  a  suis  doctoribus  andiviuet.'  Wilhelm 
de  Toco  in  den  AA.  SS.  Mart.  I,  660  n.  6,  yerglichen  mit  Cod.  I.  TU.  27 
der  Nationalbibl.  zu  Florenz.  Ueber  die  höchst  yerwirrte  Chronologie  in  der 
Vita  des  hl.  Thomas  werde  ich  ein  anderes  Mal  berichten.  Der  hier  ge- 
nannte Peter  de  Hibernia  darf  nicht  mit  dem  Rechtslehrer  Peter  de  Isemia, 
der  mit  dem  in  den  Epp.  Petri  de  Yineis  üb.  3  c.  10. 11  erw&hnten  Peter  de 
Hibernia  identisch  ist,  verwechselt  werden.  In  den  Epp.  7  und  8  des  üb.  4» 
wo  Tom  Tode  zweier  Grammatiker  die  Bede  ist»  werden  die  beiden  ron 
Wilhehoi  Toco  angefahrten  nicht  erwfthnt.  Es  ist  jedoch  nicht  aosgesehlossen, 
dasB  Wilhelm  falsche  Namen  angegeben  hat. 

^7^J  S.  oben  S.  236.  Konrads  Statut  lantet:  Item  statuimus,  qnod  Stu- 
dium, qnod  regebatur  apnd  Neapolim,  regatur  in.  Salemo.  Bei  Orlando,  ün 
codice  di  leggi  e  diplomi  Siciliani  (Palermo  1357)  p.  58. 

97«)  Bei  Winkehnann,  Acta  imperii  p.  411. 

»75)  8.  oben  S.  236. 

976)  «Beyerenda  genetriz  et  magistra  Tirtutum  philoeophia  ...  ad  nos 


458    IH.  Entwickelang  der  Hochscliiilen  bis  warn  Bnde  des  14.  Jhs. 

wolle  sie  nun  zu  den  alten  Ehren  bringen  und  stelle  deshalb 
die  Schule  zu  Neapel  mit  allen  frühem  Privilegien  wider  her, 
während  er  ausser  den  Grammatikschulen  und  der  medidnischen 
Schule  zu  Salemo  keine  andere  im  Königreiche  erlaube.  Er 
ladet  alle  zum  Besuche  der  Hochschule  ein'^0-  Aehnlich  be- 
richtet er  einem  Justitiar,  den  er  zugleich  beauftragt,  das 
königliche  Mandat  in  den  Städten  und  Orten  seiner  Jurisdiction 
bekannt  zu  machen*'*).  Einem  Doctor  decretorum  befiehlt  der 
König  nach  Neapel  zu  gehen'^*).  Später  erklärt  er  in  einem 
Schreiben  an  den  Justitiar  von  Terra  di  Lavoro ,  dass  sein  Verbot 
der  Particularschule  sich  nicht  auf  die  Grammatikschulen  beziehe, 
und  dass  der  Justitiar  deshalb  die  Lehrer  seines  Bezirks  nicht 
hindern  möge  die  Knaben  in  der  Grammatik  zu  unterrichten*'^). 
Wohl  erst  der  Zeit  Clemens  IV.  und  Gregors  X.  gehört  ein 
päpstliches  Schreiben  an,  worin  dem  Bischöfe  die  Vollmacht  er- 
theilt  wird  die  scolares  Neapoli  commorantes  auf  deren  Bitten 
hin  eventuell  von  der  Excommunication  loszusprecheUi  ^ne  con- 
tingat  ipsorum  Studium  interrumpi"*^). 

Einigermassen  zur  Blflthe  brachte  es  aber  die  Hochschule 
in  Neapel  erst  unter  den  Aqjou,  nachdem  Karl  I.  dieselbe  re- 
organisiert hatte.    Am  24.  October  1266  erliess  er  einen  Privi- 

ipso  sUentio  sao  clamat  et  inyocat  tacite  nomen  nostmm,  qnod  ad  rele- 
Yaodam  ipsius  tacentis  Upsttm  nostre  sibi  potentie  dezteram  poriganuft.' 
Vgl.  meine  Bemerkung  aber  Karls  lY.  Stillbriefe  oben  8.  447  Anm.  990. 

^^  Bei  Winkelmann ,  AcU  imperii  inedita  p.  418.  BOkmer-Ficker  n. 
4677—4679. 

*^)  Martöne  -  Durand,  88.  ampL  eolL  II,  131&  Schirnnacher  L  x. 
8.  631  n.  30. 

*7^)  Martha  1.  c.  Sohirraacher  n.  19.  Dass  diese  Schreiben  in  das 
Jahr  1358  oder  nngefiUir  in  diese  Zeit  gehören,  hat  bereits  Tirabosebi  (8toria 
della  lett  itaL  IV,  60)  bemerkt 

M)  Hnil].-Br^.  II,  453.  BiAmer-Ficker  n.  468a  Dass  dieses  Man- 
dat nickt  ^ick  an&ngs  erlassen  wurde,  ist  sicker.  Es  setit  ein  Missrer- 
stindniss  oder  eine  Anfrage  yon  Seite  des  Justitiars  yorans.  Die  Sacke  wird 
sick  so  Torkalten  wie  di^enige  mit  der  üntersagong  der  Paricnlarstodien  im 
KiMkigreicke  Aragon  dnrck  Jacob  IL  au  Gonsten  der  Unirertitift  LMda,  der 
dann  einige  Jakre  später  eine  Sricttning  an  den  Justitiar  von  Xatira«  wekker 
Jacobs  Verbot  missrerstand,  iblgte*  &  unten  im  Abseknitte  aber  die  Uni» 
yeraitit  Urida  &  5031 

Ml)  lUr.  4e  Sbolo  Arck.  Vat  ep.  3343.    8.  Anm.  983. 


4.  Hochschiilen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.    Neapel.    459 

legienbrief,  in  dem  er  ankündiget,  dass  er  das  Studium  zu 
Neapel  ^rovidit  reformandnm'.  Er  regelt  in  demselben  den 
Gerichtsstand  der  Universität,  den  Verkauf  der  Lebensmittel 
zu  Ounsten  der  Universitätsangehörigen,  und  die  Taxe  der 
Wohnungsmiethe.  Er  verbietet,  dass  die  Mitglieder  der  Hoch- 
schule 'ad  angariam  vel  exactionem  aliquam  seu  servitium 
personale  pro  negotiis'  seiner  Curie  und  der  Stadt  gezogen 
würden  und  befiehlt,  dass  das  zu  ihrem  Unterhalte  Nothwendige 
steuerfrei  in  die  Stadt  gebracht  werden  solle.  Schliesslich  ver- 
spricht er  allen,  welche  Studien  halber  kommen  würden,  seinen 
Schutz.  Eine  Ausnahme  macht  er  nur  in  Hinsicht  auf  seine 
Feinde  und  jene  der  Kirche'"). 

Es  hat  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dass  der  ge- 
nannte Privilegienbrief  durch  das  päpstliche  Schreiben  veranlasst 
wurde,  welches  zwar  Potthast  in  die  Zeit  Gregors  X.  setzt,  das 
aber  viel  eher  Clemens  IV.  zum  Verfasser  hat'").  Der  Papst 
schreibt  dem  Könige,  dass  unter  andern  italienischen  Land- 
strichen auch  sein  Reich  gleich  einem  Brunnquell  grosse  Männer 
hervorgebracht  habe,  besonders  zur  Zeit,  ^cum  in  eodem  regno 
presertim  apud  Neapolim  civitatem,  cuius  amoenitas  scolares 
alliciebat  etiam  a  remotis,  vigebat  Studium  generaliter'.  Da  nun 
die  Finstemiss  dem  Lichte  Platz  gemacht  habe  und  jene  Tage 
vorüber  seien,  4n  quibus  idem  regnum  floribus  et  fructibus  stu- 
diorum  caruisse  dinoscitur',  so  bitte  er  ihn  'in  eodem  regno 
fadas  et  jubeas  huiusmodi  Studium  reformari.  Per  hoc  enim 
deo  gratum  exhibebis  obsequium,  domum  regiam  fecundabis  sobole 
sapientum,  et  nonnullis  ecclesüs  de  proborum  copia,  quorum 
patiuntur  inopiam,  providebis,  et  etiam  specialiter  tui  preeminentia 
nominis  ubique  laudis  humane  preconiis  extolletur\    Beweisen 


9^>)  S.  das  Actenstflck  bei  Del  Giadice,  Godice  diplom.  de!  regno  di 
Carlo  I.,  I,  250  n.  82.  Origlia,  Istoria  dello  stttdio  di  Napoli  p.  131. 
Weitere  Docamente  bietet  Del  Giadice  1.  c.  in  der  Anmerkung. 

^)  Bei  Marmo  de  Ebolo,  Archiv.  Vat  ep.  2844;  in  der  Summa  dicU- 
minia  Riccardi  de  PobIb,  Cod.  Paris.  14766  Bl.  251b;  Mart^ne-Durand,  SS. 
ampL  eoUectio  II,  1273.  Ueberall  ohne  Namen  des  Papstes  und  ohne  Da- 
tum. Die  Vergl^chimg  der  Texte  weist  unmerkliche  Varianten  ani  Tira- 
boschi  schreibt  L  c  die  Littera  Clemens  lY.  lu. 


460  OL.  EmtwicJrelmig  der.Hochichiileii  bis  siiiii  Ende  des  14.  Jha. 

nun  auch  diese  Stellen,  dass  nach  Manfred  die  Hochschule  wider 
in  Verfall  geraten  war,  so  haben  sie  doch  keinen  rechten  Sinn, 
wenn  das  Schreiben  von  Gregor  X.  (1272  bis  1275)  herrührt.  In 
dieser  Epoche  war  das  Studium  bereits  reformiert,  und  Karl 
bemühte  sich  seit  1266  unablässig  es  in  einen  bessern  Stand 
zu  bringen.  Es  geht  nicht  an  zu  behaupten,  des  Königs  An- 
strengungen seit  1266,  die  Hochschule  zu  reorganisieren,  hätten 
doch  noch  nicht  völlig  ihren  Zweck  erreicht.  Das  päpstliche 
Schreiben  fällt  also  höchst  wahrscheinlich  in  die  Zeit  zwischen 
6.  Jänner  1266  (da  Karl  zum  König  von  Neapel  in  Rom  gekrönt 
wurde)  und  24.  October  desselben  Jahres,  unter  welchem  Datum 
der  König  obigen  Privilegienbrief  ausfertigte.  Es  würde  also 
auf  Clemens  IV.  hinweisen ''^). 

An  der  reorganisierten  Universität  wurde  trotz  der  Schule 
zu  Salemo  auch  Medicin  gelehrt''^);  ebenso  fand  dort  wie  schon 
früher  die  Theologie  ihre  Vertretung.  Docierte  sie  doch  vorüber- 
gehend auch  Thomas  von  Aquin.  Aber  nichtsdestoweniger  waren 
die  Promotionen  in  der  Theologie  sehr  selten,  wie  man  aus  dem 
Schreiben  Johanns  XXH.  an  den  Erzbischof  von  Neapel  vom 
15.  September  1332  schliessen  muss,  worin  der  Papst  letzteren 
beauftragt  dem  Franciscaner  Andreas  de  Perusio  in  studio  Neapo- 
litano  in  der  genannten  Wissenschaft  das  Doctorat  zu  ertheilen, 
'non  obstante  quod  forsan  in  eodem  studio  magistri  promoveri 
non  consueverunt  in  facultate  iam  dicta''"). 

Dies  ist  die  Geschichte  der  Gründung  der  Hochschule  zu 
Neapel,  lieber  keiner  von  einem  mächtigen  Fürsten  gestifteten 
Universität  waltete  ein  derartiger  Unglücksstem,  wie  über  jener 
von  Neapel.  Hätten  die  Staufer  noch  länger  regiert,  so  würde 
sie  zu  existieren  wohl  ganz  aufgehört  haben.  Es  ist  das  Verdienst 
der  Aiyou,  neues  Leben  in  den  so  frühzeitig  hinsiechenden 
Körper  gebracht  zu  haben.  Erst  in  dieser  neuen  Periode  ver- 
mögen wir  eine  bestimmtere  Organisation  der  Schule  zu  unter- 


^  Bei  der  henseh^nden  Uotkherheit  schrieb  ich  es  oben  S.  16  go* 
legenüich  Gregor  X.  in. 

^)  S.  oben  S.  337  Ana.  76  nnd  S.  319  Anm.  400a. 
^)  Beg.  Vat  in.  17  p.  2  ep.  1254. 


4.   HöchBchiileii  mit  kaiMrl.  oder  königl.  Stiftbriefen.   Treviso.    461 

scheiden,  ^ie  sich  im  zweiten  Bande  ergeben  wird.  Beiläufig  sei 
hier  noch  bemerkt,  dass  Johann  XXU.  seine  Constitutionen  auch 
nach  Neapel  sandte  'ad  legendas  in  scolis  et  in  eis  partibus  publi- 
candas',  wozu  er  den  Erzbischof  und  den  Inquisitor  bestellte, 
wie  aus  dem  Schreiben  an  Geraldus  de  Valle  vom  26.  Jänner 
1825  hervorgeht'"). 

Trevisa 

Eine  jetzt  kaum  mehr  bekannte  Hochschule  war  jene  zu  Tre- 
viso.  Und  doch  bietet  dieselbe,  so  kurzes  Leben  sie  hatte  und 
so  unscheinbar  sie  dastand,  ein  nicht  geringes  Interesse.  Wir 
sind  über  die  Bemühungen,  welche  man  in  Treviso  machte,  um 
in  den  Besitz  eines  Generalstudiums  zu  gelangen,  besser  unter- 
richtet, als  über  ähnliche  Anstrengungen  mancher  anderer  Städte. 
Gerade  die  Einzelnheiten,  die  dabei  in  Betracht  kommen,  er- 
wecken unsere  Theilnahme. 

Wie  fast  überall  in  Italien,  so  leiteten  auch  in  Treviso  Stadt- 
schulen die  Stiftung  der  Universität  ein.  In  dem  Statutenbuche, 
das  bald  nach  der  Befreiung  von  Ezzelin  (1259)  compiliert  wurde, 
findet  sich  die  Bubrik:  Ad  honorem  dei  .  •  .  ordinamus,  quod 
potestas  infra  duos  menses  postquam  in  regimen  potestarie  Tar- 
visii  intraverit,  teneatur  et  debeat  consilium  facere  generale  ad 
utramque  campanam  coadunatum  super  studio  scolarium  in  civi- 
tate  Tarvisii  reducendo  et  perseverando  in  ea  quantitate  facul- 
tatum,  prout  melius  per  ipsum  consilium  super  eo  fiierit  firma- 
tum'®').  Das  Studium  war  damals  allerdings  nicht  gross.  Man 
begnügte  sich  mit  einigen  Lehrern,  wie  sich  aus  einem  spätem 
Statute,  daa  jedoch  noch  dem  18.  Jh.  angehört,  ergabt    Man 


M7)  Beg.  Tat.  Secret  an.  9  ep.  583  Bl.  79  b. 

9^)  Yerei,  Storia  deUa  Marca  TriTigiana  e  Yeronege  (Yenezia  1786) 
I,  107  Anm.  2.  Ueber  die  Hochsclmle  su  Treviso  veröffentUchte  YianeUo 
(Dell'  aatico  studio  di  legge  e  medieina  in  Treviso.  Docnmento  dd  1814^ 
Treviso  1868)  eine  Gelegenheitsschrift;  allein  sie  ist  sa  geringfügig  und  ent- 
hält ansserdem  kein  nenes  Document.  In  n.  576  der  Biblioteca  comnnale  zu 
!h«?i«o  befinden  ndi  littidsddiftlicli  ^niie  Seiten  omfateeüde  ood  unvol- 
lendet gebliebene  Studien  des  Dominicaners  Federici  Aber  die  Univeftitil 
von  Treviso,  die  aber,  wie  alle  Arbeiten  dieses  Geldirtent  einer  soliden 
Qmndlage  entbehren. 


462    in.  EatwicMu«  der  HockMkalcn  big  inm  Ende  des  14.  Jhs. 

solle  einen  ^edidne  aitis  peritom  et  phisices,  qui  non  sit  de 
districtu  Tarvisii,  qni  debeat  legere  et  stadere  in  arte  physice 
et  tenere  scholas  in  civitate  Tanrisii',  berufen,  und  der  Doctor 
legum  Buencontro  habe  eben&lls  Dir  Salarium  *ad  docendum 
scolares  in  legibus'  in  Treviso  sich  aufzuhalten*"). 

Dass  diese  Statuten  auch  ausgeführt  wurden,  erhellt  nicht 
etwa  bloss  aus  einem  Documente  vom  6.  März  1271,  worin  von 
Scholaren  die  Rede  ist,  ^qui  tunc  temporis  stabant  in  Tarvisio 
ad  studendum'***),  sondern  weit  mehr  aus  den  Anstalten,  die 
im  Anfange  des  14.  Jhs.  die  Commune  traf^  um  ein  General- 
studium zu  begründen. 

In  grossem  Masstabe  sollte  dasselbe  eingerichtet  werden.  Die 
Doctoren,  welche  ^tam  ordinarie  quam  eztraordinarie  tam  in  jure 
civili  quam  in  jure  canonico  quamque  etiam  in  phisica  sunt  assu- 
mendr,  wttrden  durchschnittlich  je  'quadringentorum  librarum  dena- 
riorum  parvorum  in  anno'  erhalten  (in  der  Regel  wurde  jedoch 
später  das  Salarium  auf  500  erhöht).  Mit  nicht  weniger  denn  12 
Professoren  wollte  die  Stadt  das  Studium  eröffnen,  wie  sich  aus 
dem  Beschlüsse  vom  9.  August  1314  ergibt.  Für  die  Ordinarii 
in  jure  civili  waren  in  Aussicht  genommen:  Paganinus  de  Tor- 
coUis  de  Parma,  Petrus  de  Suzara  de  Reggio,  und  Franciscus 
de  Fontana  de  Parma;  für  die  Extraordinarii:  Zeri  (nicht  identisch 
mit  dem  Canonisten  Riccovero)  de  Sto.  Miniato,  Belcharius  de 
Padua,  Arpolinus  de  Mantua,  der  bereits  in  Treviso  weilte.  Für 
das  Jus  canonicum  traf  die  Wahl  Zambonus  de  Matarello,  Abla- 
ticus  de  Mediolano  und  Ricobaldus  monachus  de  Bononia.  Für 
die  Medicin  wurden  berufen  Petrus  de  Albano,  der  in  Padüa  dieses 
Fach  lehrte,  Henzelerius  de  Montemartino,  der  schon  in  Treviso 
gegenwärtig  war,  und  Johann  von  Parma,  Professor  der  Medicin 
in  Bologna'**). 

Am  12.  August  1814  sandte  Treviso  an  die  Communen  und 
Städte   'occasione   studii   generalis   incepturi'    das  Einladungs* 


M*)  Yerei»  L  c.  und  Tinboaehi,   Storia  ddla  letteratnra  ital.  lY, 
70  Ami* 

MO)  Yerci  II.  Documenti  p.  185  n.  ISS. 
^^)  Yerci  YII.  Docamenti  p.  89  d.  6S7. 


4.  Hoch8e]inle&  mit  kaiserl  oder  k6nigl.  Stiftbriefen«    Treviio.     468 

schreiben,  worin  der  Podestä,  die  Anzianen,  kurz  die  Obrigkeit 
mittheilen,  sie  wollten  nicht  bloss  das  Vaterland  zu  neuen  Ehren 
bringen,  Werum  etiam  illius  incolas  non  solum  escis  corporeis, 
sed  quidem  omnis  justitie  deliciis  alere  et  fovere  nutuque  ope- 
rante  Dei  alitos  conservare'.  Sie  hätten  deshalb  beschlossen, 
dass  in  Zukunft  zu  Treviso  ein  Generalstudium  sei,  zu  welchem 
Zwecke  sie  ^doctores  egregios  juris  videlicet  utriusque  et  phisicos^ 
zu  berufen  und  zu  besolden  beabsichtigten.  Ordinarie  und  extra- 
ordinarie  würden  die  Lehrer  um  Michaelis  zu  lesen  beginnen. 
Wer  der  Einladung  in  Treviso  zu  studieren  folge,  dürfe  während  der 
Reise  und  des  Aufenthaltes  des  Schutzes  versichert  sein'").  Vier 
Tage  darnach  richteten  sie  an  Peter  de  Suzara,  jur.  civ.  excell.  pro- 
fessorem,  dom.  Paganinus  de  Torcolis,  dom.  Belcharius  de  Padua, 
dom.  Arpulinus  von  Mantua,  dom.  Zambonus  de  Matarello  und 
den  mag.  Hengelerius  Schreiben,  mittels  welcher  sie  dieselben 
einluden  in  ihrer  Stadt,  wo  ein  'Studium  litterarum  precipue  iuris 
canonici  et  civilis'  begründet  werden  solle,  durch  3  Jahre  'jura 
civilia  ordinariis  lectionibus'  gegen  Salarium  zu  lehren'''). 

Die  Commune  war  aber  bei  ihren  Berufungen  nicht  besonders 
vom  Glücke  begünstigt.  Der  schon  am  9.  August  in  Aussicht 
genommene  Bechtslehrer  Franciscus  de  Lafontana  hatte  bereits 
in  Reggio  zugesagt"^),  und  die  meisten  der  übrigen  Professoren 
scheinen  ebenfalls  die  Einladung  zurückgewiesen  zu  haben,  denn 
am  15,  October  desselben  Jahres  wurde  von  neuem  beschlossen 
i;res  famosos  et  sapientes  doctores,  qui  esse  debeant  conventati' 
za  berufen.  Die  Wahl  traf  Riccardo  de  Malumbra,  Bleoberisius 
de  Azzoguidis  und  Jacobus  Butrigarius,  die  jedoch  am  19.  No- 
vember schon  wider  renuncierten ,  so  dass  die  Stadt  einst- 
weilen die  Berufungen  suspendieren  musste''^.  Am  25.  Juli 
1315  schritt  sie  zu  einer  Neuwahl.  Aus  ihr  giengen  hervor 
Riccardo  de  Malumbra,  Franciscus  de  Lafontana  und  Petrus  de 
Suzara,  'qui  docere  debeant  in  civitate  Tarvisina  omnes  audire 
volentes  leges  ordinarie\  und  Andreas  de  Gamareno,  Jacobus  de 

»«)  Verci  VII.  Dociun.  p.  43  n.  690. 

»^  Ibid.  p.  46.  n.  692. 

M)  Ibid.  p.  70  n.  709.    Das  Aetetistflck  ist  vom  1.  Oetober  1814. 

«M^)  Verci  I.  c  p.  71. 


464    in.  Eiitwiekeliuig  der  HöduclmkQ  bis  sam  Ende  dM  14.  Jhs. 

Bel^o  und  Carlinas  de  Cremona,  *qm  docere  debent  •  . .  leges 
extraordinarie'***).  Allein  es  wird  nicht  gesagt,  dass  die  genannten 
Professoren  auch  dem  Rufe  Folge  geleistet  hätten.  Lafontana  begab 
sich  im  selben  Jahre  von  Reggio  nach  Padua'*').  Doch  hielten 
sich  in  Treviso  einige  der  bereits  frflher  gewählten  Professoren, 
die  damals  nicht  abgelehnt  hatten,  auf;  wenigstens  verlangte  Ge- 
rardas  von  Modena,  welcher  doctor  scientiae  medicinae  war, 
am  29.  October  1315  das  Salarimn  fOr  das  vergangene  Jahr, 
da  er  täglich  gelehrt,  und  die  Intention  habe,  auch  in  Zokonft 
zu  lesen**').  Am  2.  August  1318  wurden  widerum  Berufungen 
vorgenommen.  Für  die  lectura  ordinaria  des  Jus  am  Vormittag 
wurden  Ubertus  Foliata  de  Cremona  und  Vigilius  de  Foscarinis, 
beide  damals  Lehrer  in  Bologna,  gewählt,  für  die  lectura  extra- 
ordinaria  nach  der  Nona  Nicolaus  de  Rubels  und  Cinus  von  Pi- 
stoja.  Die  Berufungen  lauteten  auf  drei  Jahre***).  Nur  von 
übertus  Foliata  hat  sich  der  Zusagebrief  vom  13.  August  des- 
selben Jahres  erhalten  ****). 

Am  15.  September  traf  endlich  die  Obrigkeit  ernstliche  Vor- 
kehrungen, sich  um  ein  Gteneralstudium  in  aller  Form  zu  be- 
werben. Beim  Papste  sollte  um  das  Privileg  nachgesucht  werden, 
dass  eine  kirchliche  Person  die  licenz  ^cuilibet  volenti  conventare 
in  qualibet  scientia'  ertheilen  könne,  'et  quod  scolares  preben« 
dati  cum  residentia  possint  studere  in  dvitate  Tarvisina'.  Andere 
Bestimmungen  bezogen  sich  auf  die  Wohnungsmiethe,  auf  die 
Bedelle  und  Petiarii,  welche  ^omnes  petias  tarn  in  textu  quam 
in  glosis  utriusque  juris*  haben  sollten,  ^qui  teneantur  de  eis 
facere  copiam  scolaribus  recipiendo  a  quolibet  volente  facere 
scribere    ipsum   sex   denarios    pro   qualibet  petia'.     Den  um- 

M6)  Ibid.  p.  185  n.  756.  Jacob  de  Belviso  wurde  von  Bologna  ans 
berufen. 

99TjS.  dMB  DoGoment  bei  Tacoli ,  Memorie  storiohe  della  dtU  di 
Bflggio  lUt  896.    Yi^.  dasn  oben  &  295  Anm.  896. 

M8)  Tiraboschi,  Stoiia  della  lett.  itaL  V,  58  Anm. 

^)  Yerci  VIII,  Doemn.  p.  142  n.  898. 

1000)  Ibid.  p.  145  n.  900.  Es  ist  derselbe»  der  in  Floveatiner^  und 
Pemginer-Acten  Osbertus  de  Cremona  genannt  wird.  So  erscheint  er  auch 
in  den  angetabrien  Docomente.  Er  las  rar  Zeit  der  Berofong  and  Zusage 
in  Bologna.    Es  wurde  ihm  ein  Salar  von  225  Ooldgolden 


4.  Hochschulen  mit  kaiaerl.  oder  kOnigl.  StiftbrielieiL  Treflio.     465 

liegenden  Ortschaften  Hessen  sie  durch  die  Boten ,  welche  ip 
denselben  den  Markt  von  Treviso  verkündeten,  mit  Schreiben 
kundmachen  'de  studio  generali,  quod  esse  debet  in  civitate 
Tarvisina  in  utroque  jure  a  feste  s.  Luce  in  antea,  et  quod  in 
dictis  litteris  precentur  dicti  rectores  et  potestates,  quod  de 
dicto  studio  in  dictis  suis  civitatibus  faciant  proclamari' ^®®'). 

Da  man  sich  erst  jetzt  um  das  Promotionsrecht  bewarb,  so 
ergibt  sich  von  selbst,  dass  das  Studium  vom  J.  1314  ab  nicht  ein 
eigentliches  Generalstudium  war.  Im  14.  Jh.  konnte  sich  keine 
Schule  mehr  zu  einem  Generalstudium  ex  consuetudine  bilden. 
Es  war  schon  zu  spät.  Treviso  hatte,  so  scheint  es,  während  der 
Jahre  vor  1318  nur  Versuche  und  Proben  anstellen  wollen,  und 
erst  dann,  als  man  überzeugt  war,  dass  der  Boden  für  ein 
Generalstudium  kein  ungünstiger  sei,  und  um  zugleich  dem  Gan- 
zen einen  Halt  und  mehr  Ansehen  zu  geben,  beschlossen,  sich 
um  das  Promotionsrecht  und  die  Dispens  von  der  Besidenzpflicht 
für  die  Scholaren  zu  bewerben,  und  die  Errichtung  der  Hoch- 
schule neuerdings  den  Nachbarstädten  verkünden  zu  lassen. 

Allein  trotz  des  Beschlusses  sich  an  den  Papst  zu  wenden, 
bat  man  nicht  ihn  um  ein  Privileg,  sondern  Friedrich  den  Schönen, 
zu  dem  damals  Treviso  hielt  und  den  es  als  Römischen  König 
anerkannte.  Am  15.  December  1318  gewährte  dieser  auch  das- 
selbe als  'Romanorum  rex  semper  Augustus'  der  Stadt,  'que  pro 
debito  fidelitatis  proposito  nostre  celsitudini  sicut  debuit  se  suh- 
jecit',  und  die  er  deshalb  zum  Danke  belohnen  wolle.  Er  ord- 
net an,  'quod  in  ipsa  civitate  ütriusque  juris  traditiones  et 
scientia  quelibet  solemniter  et  generaliter  legi  possint  et  studeri'^ 
und  verleiht  den  Studierenden  alle  Privilegien,  'quibus  in  aliis 
generalibus  studiis  legentes. et  studentes  soliti  sunt,  gaudere'. 
Den  Bischof  von  Treviso  bestimmt  er  als  demjenigen,  der  die  Candi- 
daten  'prompte  ad  gratiam  promoveat  et  ad  honorem  libenter 
extollat',  nachdem  derselbe  die  Prüfung  durch  die  Doctoren  der 
betreffenden  Wissenschaft  habe  vornehmen  lassen  ***^*).    Von  einem 


1001)  Ibid.  p.  147  n.  902. 

100«]  Yerd  L  c.  Doeum.  p.  155  n.  911.    Dm  Schreiben  fehlt  im  Addi- 
tftm.  tert.  ad.  Begesta  imper.  ed.  Böhmer. 

DenifU,  Die  UniTmitAUn  L  80 


466     in.  EtttwieMniig  ier  Hockaelmleii  bis  inm  Ende  des  14.  As. 

päpetUchen  Pii?ileg  findet  sich  weder  in  Treviso  noch  im  Yat 
Archiv  eine  Spur. 

üeber  die  weitere  Geschichte  ist  nichts  mehr  bekannt. 
Boni&ccio  behauptet,  Venedig,  in  dessen  Besitz  Treviso  im 
J.  1839  gdLommen  war,  habe  die  Hochschule  fortbestehen  lassen; 
erst  nachdem  im  J.  1405  auch  Padua  unter  die  Botmässigkeit 
Venedigs  gelangt  sei,  habe  man  Trevisos  Universität  aufge- 
hoben*^^')* Gewiss  konnte  diese  nachher  nicht  mehr  existieren, 
denn  am  29.  April  1407  verbot  der  Senat  von  Venedig  allen 
Unterthanen,  welche  studieren  wollten,  vom  18.  October  an  eine 
andere  Lehranstalt  aufzusuchen,  als  jene  zu  Padua.  Nur  die 
Grammatik  dürfte  anderswo  gelehrt  werden  *®®*).  Und  wurde 
auch  wie  zu  Vicenza  der  Unterricht  in  andern  Fächern  z.  B.  in 
den  Leges  und  in  der  Medicin  erlaubt,  so  gestattete  Venedig 
doch  kein  anderes  Generalstudium  als  jenes  zu  Padua,  wie  deut- 
lich aus  der  im  J.  1410  den  Vicentinem  gegebenen  Antwort 
erhellt:  quod  existente  ipsa  civitate  Padue  tam  proxima  civitati 
Vicentie,  videtur  nobis  quod  unum  Studium  pro  alio  occuparetur, 
propterea  quia  et  alie  nostre  communitates  habere  poterunt  et 
libenter  hoc  vellent,  complacendo  uni  ex  communitatibus 
displaceremus  aliis,  quod  non  est  intentionis  nostre*^®'). 
Allein  mir  scheint,  dass  sich  die  Schule  zu  Treviso  schon  bald 
nach  1318  auflöste,  da  dieselbe  so  gar  keine  Spuren  ihrer 
weitem  Existenz  zurückgelassen  hat,  während  wir  über  die 
Periode  vor  1318  gut  unterrichtet  sind ''''')•  ^^^^  Bestätigung 
dieser  Mutmassung  erblicke  ich  auch  darin,  dass  in  jenen  weit- 
läufigen städtischen  Statuten,  welche  zum  grossen  Theil  in  das 


loosj  Boniiaccio,  Istoria  di  TrMgi  (Yenezia  1746)  p.  298. 

1004)  Facciolati,  Gynm.  Patay.  p.  2.  Tiraboachi,  Storia  della  lett.  ital. 
Vn,  1  p.  69  Amn.  Ab  und  zvl  lehrten  aUerdings  aach  in  der  Folge  Pro- 
fessoroD,  gleichwie  Collegia  medicomm  und  judicnm  noch  sp&ter  in  TreTiao 
existierten.  Die  Statuten  des  ersteren  ans  dem  15.  Jh.  sind  in  der  Stadt- 
bibL  an  TroTiso,  Hs.  n.  575. 

^<^)  8.  das  Docoment  bei  Savi,  Memorie  antiche  e  moderne  intomo 
alle  pabliche  scnole  di  Vicenza  p.  119  nnd  oben  S.  300. 

1006)  Thatsache  ist,  dass  sich  in  Treviso  keine  Docamente  Aber  die 
spätere  Zeit  finden. 


4.  Hocbsclmleii  mit  kaiaerl.  oder  ktaigl.  Btiftbriefifin.  Orange.      467 

Jahr  1328  zurflckreichen^^®'),  und  denen  der  Doge  von  Venedig, 
Francesco  Dandolo,  am  15.  Juli  1339  Gesetzeskraft  verlieh,  auch 
nicht  die  geringste  Notiz  über  ein  Studium  oder  über  Professoren 
in  Treviso  sich  findet '^^').  Die  Stadt  scheint  wohl  deshalb  um 
das  Studium  gekommen  zu  sein,  weil  dasselbe  den  berufenen 
Professoren  zu  unbedeutend  war.  In  der  That  treffen  wir  z.  B. 
Ginus,  sollte  er  auch  1318  zu  Treviso  gelehrt  haben,  im  Septem- 
ber des  nächsten  Jahres  in  seiner  Vaterstadt  Pistoja^^^*). 

Orange. 

Nur  eine  Hochschule  Frankreichs  gehört  in  diesen  Abschnitt, 
nämlich  die  zu  Orange.  Ueber  die  Esdstenz  eines  Studiums  in 
dieser  Stadt  im  13.  Jh.  gibt  uns  ein  Schriftstück  vom  1.  Sept. 
1268  Auischluss,  in  dem  ein  Uebereinkommen  des  Bischofes 
Peter  von  Orange  und  Raimunds  de  Baux  über  die  Leitung  der 
Schule  enthalten  ist^®^®).  Obwohl  nun  für  die  nachfolgende  Pe- 
riode fast  gar  keine  Notizen  vorhanden  sind,  so  erfahren  wir 
doch  aus  einem  Schreiben  Urbans  V.  vom  31.  Jänner  1365,  dass 
das  Studium  im  14.  Jh.  nicht  so  gar  unbedeutend  gewesen  sein 
kann.  In  demselben  geht  nämlich  der  Papst  auf  die  Vorstellung  des 
Prinzen  und  der  Commune  von  Orange  ein,  'quod  a  multis  retro 
temporibus  in  civitate  Aurasicensi  multi  notabiles  doctores  et 
licenciati  in  iure  canonico  et  civil!  jura  ipsa  legerunt'  und  dass 
noch  jetzt  ein  Doctor  legum,  ein  Licentiatus  in  decretis  sowie 
mehrere  Baccalarei  die  jura  lehrten,  nnd  andere  Magistri 
Grammatik  vortrügen.  Der  Papst  bewilligte  nun  aus  dem 
Grunde,  weil  am  genannten  Studium  'omnes  quasi  actus  studii 


ioo7j  xch  habe  die  Statata  provisionesque  dacalis  dvit  TarriBÜ  (Yene- 
iiifl  1555)  im  Auge.  Nur  im  dritten  Backe  (Yom  Liber  ducaliom  proTlsionam 
abgesehen)  stehen  auch  Rabriken  ans  dem  15.  Jh. 

1006)  0er  in  den  Statuten  oft  widerkehrende  Ausdruck  *BChok'  hat 
immer  die  alte  Bedeutung  von  Zunft.  Man  vgl  besonders  die  interessanten 
Bestimmungen  im  1.  1  tr.  18  rubr.  5—11.  Nur  vom  CoUegium  judicum  (1 
1  tr.  3  rubr.  10)  und  Aenten  (ib.  tr.  7  rubr.  35)  ist  darin  die  Bede. 

^^  8.  die  diesbesflglichen  Belege  bei  Ghiapelli,  Vita  e  opere  giuri- 
dkbe  di  Cino  da  Pistqja  p.  85  ff.  n.  8—4 

1010)  s.  das  Document  bei  MiUot,  Notice  sur  l'unlTersit^  d'Oraiq^ 
ATignon  1878  p.  31. 

30» 


468    ni.  EntwickeluDg  der  Hochschalen  bis  tarn  Ende  des  14.  Jhs. 

generalis,  videlicet,  repetitiones ,  sermones,  ordinarie  lectio- 
nes'  u.  8.  w.  im  Brauehe  seien,  dass  die  Studierenden  an  jedem 
beliebigen  Generalstudium,  natürlich  aber  nicht  an  der  Schule 
zu  Orange,  im  Jus  und  in  der  Grammatik  promoviert  werden 
könnten  ^^^').  Das  Studium  zu  Orange  war  eben  noch  kein 
Generalstudium,  mithin  noch  nicht  eine  Schule,  an  der  man  die 
akademischen  Grade  hätte  nehmen  können.  Nichtsdestoweniger 
war  es  in  jener  Zeit  ein  aussergewöhnliches  Privileg,  dass  die 
an  einem  Particularstudium  erworbenen  Kenntnisse  von  den  voll- 
berechtigten Universitäten  bei  Erwerbung  der  Grade  anerkannt 
werden  mussten  **^*'). 

Allein  noch  in  demselben  Jahre  sollte  Orange,  das  zum 
Begnum  Arelatense,  und  mit  diesem  zum  Imperium  Bomanum 
gehörte,  das  Universitäts- Privileg  erhalten,  und  zwar  durch 
Kaiser  Karl  IV.  während  seiner  Beise  nach  Arles  zur  Königs- 
Krönung.  Der  Stiftbrief  ist  zuAvignon  am  4.  Juni^^'')  1365  aus- 
gefertigt*^*^).   Auf  die  Bitten  des  Prinzen  von  Orange  Baymunds 

lou)  Beg.  Yat  Avenion.  an.  3.  p.  1  tom.  10  BL  464  b.  Die  charakte- 
ristische SteUe  lautet:  Nos  itaque  haiasmodi  supplicationibos  inclinati  imi- 
versis  et  singolis  scolaribus ,  qui  in  ciyitate  predicta  in  prefatis  joribos  et 
facnltate  stadent  et  stndebunt  pro  tempore,  nt  tempora,  quibus  ibidem  stu- 
duerint  actus  et  cursus  solitos  exercendo,  ad  recipiendum  gradus  in  jnribus 
et  faonltate  predictis  in  quibusconque  aliis  generalibus  studiis  (dummodo  in 
oivitate  predicta  nnUnm  gradom  recipiant  et  alias  ad  ipsos  gradus  reperiantnr 
ydonei)  qoibosonnqae  statuüs  et  eonsuetadinibus  studiomm  ipsornm  contra- 
riis  neenon  privUegüs  et  litteris  eisdem  generalibas  stndüs  ab  apöstolica  sede 
sab  qaaconque  Terbomm  forma  concessis  [non  obstantibus],  possint  et  de- 
beant  compntari  aactoritate  apostoUca  tenore  presentiom  indnlgemus.  MiUot 
gibt  p.  85  einen  sehr  defeoten  Text  mit  nnverständlicher  Interponction. 

i<tts)  8.  oben  &  21f. 

iois)  iimot  sagt  irrig:  6.  Jnni. 

1014)  Der  Stiftbrief  OVirtutom  magistraO  stimmt  mit  jenem  von  Siena 
und  in  der  Einleitung  auch  mit  den  abrigen  (s.  oben  8.  447  Anm.  930)  Ober- 
ein.  fir  ist  ausgesteUt  Avenione  anno  domini  miiledmo  trecentesimo  sexage- 
timo  qointo,  indictione  tertia,  Pridie  Nonas  Jnnii,  regnorom  nostrorom  anno 
decimo  nono,  Imperii  vero  nndecimo.  Gedruckt  in  Institntio,  privilegiai 
statuta  almae  univerdtatis  et  fruetifisri  stu^  generalis  Aransionenas.  Arau- 
lione  1718,  p.  8,  und  bei  Ifillot  p.  87.  Da  Karl  lY.  am  4.  Jnni  in  Arles 
gekrönt  (Reg.  Imp.  n.  4171a;  Winkelmann,  Die  Betiehungen  Kaiser 
Karls  lY.  lum  Königreich  Arelat    Strassburg  1883,  8.  58.  15S  n.  13),  die 


4.  Hochschalen  mit  kaiserl.  oder  kftnigl.  Stiftbriefen*  Orange.     469 

de  Baux  (IV.)  und  des  Syndicus  der  Stadt  hin  will  er  in  der- 
selben, 'quae  sacri  Imperii  excellens  et  insigne  membrom  existit', 
das  Studium,  ^quod  ibidem  hactenus  viguisse,  sed  bis  temporibus 
dei  permissu  aliqualiter  obscuratum  esse  dignoscitur,  in  lucem 
exigere  redivivam''^^^)  und  gewährt  ^authoritate  imperiali  gene^ 
rale,  perpetuum  atque  gratiosum  studii  generalis  Privilegium  . .  . 
decernentes  et  edicto  imperiali  presenti  perpetuo  vaüturo  de 
imperialis  potestatis  plenitudine  statuentes,  ut  in  ipsa  civitate 
Aureica  Studium  perpetuo  sit  et  habeatur  in  jure  canonico  et 
civili,  medicina,  philosophia,  logica,  grammatica  et  quavis  alia 
facultate' ^^'').  Das  Hauptgewicht  legte  Karl  auf  das  Studium 
des  Rechts,  besonders  des  römischen  um  so  mehr,  als  er  be- 
kanntlich wie  keiner  seiner  Vorgänger  sich  der  römisch  gebildeten 
Juristen  in  Staatsgeschäften  bediente  ^®^').  Die  Professoren  sollten 
vom  Pr6v6t  der  Stadt  berufen  werden^®*');  ihnen,  *per  superiorem 
ipsius  studii  evocandis',  stehe  die  Prüfung  und  Promotion  der 
einzelnen  Aspiranten  zu.  Unter  superior  studii  will  aber  der 
Kaiser  in  diesem  Falle  ^rectorem  universitatis  ejusdem  studii' 
verstanden  wissen. 


Urkunde  aber  an  demselben  Tage  in  Ayignon  aasgestellt  wnrde,  so  ist  sie 
entweder  zurflck  datiert  worden,  oder  Karl  war  noch  in  der  Frflhe  desselben 
Tages  in  Avignon,  und  ritt  erst  dann  nach  Arles.  üeber  Uinliche 
Schwierigkeiten  in  Folge  der  Datierung  königlicher  oder  kaiserlicher  Docn- 
mente  s.  Ficker,  Beiträge  zur  Urknndenlehre  II,  2§6ir.  444f.  Obiges 
Schreiben  fehlt  in  den  Begesta  Imperii  YIII  von  Böhmer-Huber.  Das  Ori- 
ginal (Siegel  fehlt)  liegt  im  Stadtarchiv  zu  Orange. 

lois)  Diese  Worte  sind  Karls  Stiftbrief  fOr  Siena  entlehnt 

1016)  Auf  die  Schwierigkeit,  die  die  ErUnbniss  in  Bezug  auf  das  jus 
canonicum  bereitet,  komme  ich  alsbald  zu  sprechen. 

1017)  Im  Schreiben  sagt  er:  nos  cunctarum  urbium  ac  totius  Imperii 
coelitus  nobis  commissi  decus  et  gloriam  in  personis  providis  diversarum 
facultatum  et  presertim  iuris  utriusque  noütia  glöriosa  preclaris  cognos- 
centes  precipue  reluoere. 

1018)  Im  gedruckten  Stiftbrief  in  Institutio  etc.  steht:  potsintque  omnes 
et  sioguli  doctores  et  magistri  per  praepositum  civitatis  Aoreicae  qui  fnerint 
per  episcopum  deputandi  .  .  .  ia  memoratis  facultatibus  legere  etc.  Allein 
der  Gopist  konnte  die  Abbreviatur  nicht  lesen,  es  gehört: ...  qui  (prepositns) 
fiierit  pro  tempore,  deputandi,  wie  im  Originale  steht  und  sich  ans  dem 
Schreiben  Clemens  YIL  ergibt  Millot  macht  das  Oanze  durch  schlechte 
Interpunction  unverständlich. 


470     in.  Entwidcelimg  der  Hocbfchalen  bis  smn  Ende  des  H.  Jh& 

Alle,  auch  die  Diener,  sowie  die  Wohnungen  nnd  die 
Schulen,  nimmt  er  4n  suam  et  Romani  Imperii  protecüonem, 
salvam  gardiam,  tutelam  et  defensionem',  und  er  ertheilt  den 
Studierenden  alle  Privilegien,  ^quibus  aliorum  generalium  studi- 
orum  rectores,  doctores,  scolares  ac  studentes  eorumque  ministri, 
domus  et  scole  Imperatorum  et  regum  Romanorum  predecessorum 
concessionibus  frui  et  gaudere  sunt  soliti'.  Er  befreit  sie  zugleich 
von  allen  Abgaben  und  bestellt  den  jedesmaligen  Ptinzen  von 
Orange  zum  Gonservator  der  Privilegien.  Am  L  August  1366 
gewährte  ürban  V.  universis  doctoribus,  magistris  et  scolaribus 
studii  Aurasicen.  auf  S  Jahre  Dispens  von  der  Residenzpflicht, 
und  bestimmte  den  Bischof  von  Orange,  sowie  den  Decan  von 
S.  Agricola  in  Avignon  und  den  Ofificial  von  Orange  zu  Gonser- 
vatores'*"). 

Nicht  weniger  Interesse  bietet  das  bisher  nicht  bekannte 
Schreiben  Qemens  VIL  vom  19.  Mai  1379.  Die  Nobiles,  der 
Rath  und  die  Commune  von  Orange  hatten  sich  an  ihn  mit  der 
Bitte  gewandt,  er  möge  dem  Privileg  Karls  IV.,  womit  er  der  Stadt 
ein  Studium  ^in  jure  dvili,  medicina,  philosophia,  logica,  grama- 
tica  et  quavis  alia  licita  facultate'  bewilligt  habe,  'robur  confir- 
maüonis  a^jicere'  und  femer  gestatten,  ^quod  ibidem  de  cetero 
iuris  canonici  Studium  generale  existeret'.  Daraus  mflsste  man 
schliessen,  als  habe  Karl  das  Oeneralstudium  nur  in  jure  civili, 
und  nicht  auch  in  jure  canonico  erlaubt.  Allein  dem  ist  nicht 
also.  Die  Sache  verhält  sich  vielmehr  so,  dass  das  Studium 
des  canonischen  Rechts  in  Orange  bisher  keine  Vertretung 
hatte'*'®),  und  nur  das  Römische  Recht  einigermassen  ge- 
pflegt wurde.     Der  Rath   suchte  nun  um  eine  päpstliche  Be- 


im)  Beg.  Urbani  V.  Avign.  an.  4  p.  1.  tom.  IS  Bl.  450b.  Ls  Intti- 
taüo,  priviL  etc.  p.  4  und  bei  IfiUot  p.  42  findet  dch  nur  die  BoUe  an  die 
Magiitri  and  ScholaNn. 

i*>^)  Intcrewant  ist,  dagB  1583  Wilhelm  von  Nanan  als  Prina  ?on  Qmng«» 
nnd  1607  Philipp  Wühelni  in  ikien  BestlUgangen  anck  nor  1a  adenca  des 
loix,  mMaeine  et  philoaophia  ordonnöe  par  l^eaperear  Gharies  QnatriioM  en 
l'an  1S65'  erwihnen.  InsütnUo  etc.  p.  4.  Ktaig  Ludwig  speeiaiisierte  jedoch 
5.  Angost  1684  das  Oanaa  mehr,  ond  erwähnt  droH  dTfl  et  caaoniqQa. 
Ibid.  p.  5. 


4.  Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  kOnigL  Stifthriefen.  Palenoi«.     471 

wUliguDg  nach,  dass  das  canonische  Recht  gelehrt  werden  dttrfe, 
wobei  er  jedoch  nicht  ganz  aufrichtig  zu  Werke  gieng. 

Clemens  VII.  fand  Orange  für  ein  Studium  geeignet,  hält 
^omnia  et  singula  supradicta  per  prefatum  imperatorem  statuta 
ordinata  et  concessa  rata  et  grata',  indem  er  sie  auctoritate 
apostolica  confirmiert  ^supplentea  omnem  defectum  si  quis  forsan 
intervenerit  in  eisdem',  und  beschliesst,  'quod  in  civitate  predicta 
deinceps  Studium  in  huiusmodi  iuris  canonici  facultate  existat 
et  perpetuis  futuris  temporibus  vigeat  generale'.  In  novitate 
studii  sollen  für  die  genannte  Wissenschaft  solche  Professoren 
genommen  werden,  die  in  Paris  oder  Bologna  oder  an  andern 
Generalstudien  graduiert  worden  sind.  Den  Doctoren  und 
Scholaren  des  can.  Rechts  bewilligt  er  alle  Privilegien  von 
Paris  und  Bologna,  und  bestellt  den  Bischof,  eventuell  den 
Capitelsvicar,  als  denjenigen,  welcher  in  genannter  Wissenschaft 
nach  vorausgegangener  Prüfung  von  Seite  der  Professoren  die 
Idcenz  ertheilen  soU^^'^). 

Zu  grosser  Bedeutung  brachte  es  die  Hochschule  zu  Orange 
niemals,  wenngleich  sie,  mannigfache  Unterbrechungen  abge- 
rechnet, bis  in  das  18.  Jahrhundert  fortvegetiert  hat^®").  Als 
Grölnitz  im  17.  Jh.  in  Orange  war,  sollen  sich,  wie  er  berichtet, 
damals  nur  selten  Schüler  dort  aufgehalten  haben,  'unde  jocus  ibi, 
rectorem  cum  scriba  et  pedello  academicum  corpus  repraesentare 
juxta  illud:  tres  faciunt  coUegium' ^®").  Diesem  Witze  lag  aller- 
dings eine  gewisse  Wahrheit  zu  Grunde. 

Palenoia. 
Unter  den  Hochschulen  Spaniens  ist  die  erste  jene  zu 
Palen cia.  Bereits  ehe  das  Generalstudium  errichtet  wurde, 
gab  es  dort  artistische  Schulen,  über  welche  uns  einige  Notizen 
erhalten  sind.  Floranes  will  nachweisen,  dass  in  Palencia  schon 
zur  Zeit  der  Gothen  ein  Studium  existierte '^'^).    Ich  läugne  dies 

im)  Beg.  Giern.  VII.  Avenion.  an.  2.  p.  14  tom.  20  Bl.  473  b.  Das 
Schi^eiben  ist  datiert  apad  Spelongam  Guetan.  dioc.  14  U.  Ion.  an.  1. 

10S9)  8.  Institatio  etc.  p.  4.  5.  7  ff.  MUlot  L  c.  Die  Statuten  in  Insti- 
tutio  etc.  p.  11  wurden  erst  im  18.  Jh.  abgefiust. 

lots)  Ulysses  Belgico-GaUiens,  Amsterodami  1655  p.  422. 

^^)  Origen  de  los  estudios  de  Castilla  especialmente  los  de  Yalladolid, 


472      ^*  EatwiokeliiBg  der  Hochschulen  bis  zun  Ende  des  14.  Jhs. 

nicht,  wenigstens  kann  man  die  Möglichkeit  nicht  bestreiten. 
Allein  Floranes'  Hauptbeweis  stützt  sich  auf  eine  von  ihm  miss- 
verstandene Sentenz,  die  noch  heute  in  Palencia  vorgebracht  und 
unrichtig  gedeutet  wird.  Lucas  de  Tuy  soll  nämlich  in  Bezug 
auf  Palencia  sagen:  ut  antiquitas  refert,  semper  ibi  viguit  scho- 
lastica  sapientia,  viguit  et  militia^°'^).  So  bietet  allerdings  der 
Druck '°'').  Allein  die  älteste,  wahrscheinlich  dem  Verfasser  der 
Chronica  gleichzeitige  Hs.  hat  die  einzig  richtige  Leseart: 
quia  ut  antiquitas  refert,  semper  ubi  uiguit  scolastica  sapiencia, 
uiguit  et  milicia^^'O-  ^^^  Stelle  ist  also  ein  altes  Maxim,  das 
auch  Alezander  IV.  in  einem  Schreiben  an  König  Alfons  von 
Gastilien  citiert^^''),  und  mit  Palencia  an  sich  nichts  zu  thun 
hat.  Lucas  de  Tuy  fuhrt  dasselbe  an  im  Hinblick  auf  den 
kriegerischen  König  Alfons  VHI.,  der  trotz  seiner  Waffenthaten 
die  Schulen  nicht  vergass  und  im  Beginne  des  13.  Jhs.  die 
Hochschule  errichtete.  Die  Stelle  beweist  also  nicht  im  ge- 
ringsten für  die  Existenz  eines  wissenschaftlicben  Lebens  zu 
Palencia  vor  Alfons  VIH. 

Die  sichersten  Nachrichten  über  ein  dortiges  Studium  vor 
Gründung  der  Hochschule  bieten  sich  uns  Ende  des  12.  Jhs., 
und  an  der  Wende  desselben  dar.  Um  die  Mitte  des  12.  Jhs. 
soll  dort  der  hl.  Julian,  Bischof  von  Cuenca  (gest  1207—1208)'"*) 

Palencia  y  Salamanca  in  GoUecciön  de  documentos  ineditos  para  la  hisioria 
de  EspaSa  XX,  147  ff.  Zur  Zeit  der  Maaren  sei  das  Stadinm  unterbrochen 
(p.  150),  circa  1035  jedoch  wider  erneuert  worden  (p.  151). 

1015)  Bei  meinem  'Aufenthalte  in  Palencia  machte  man  mich  lum  wider« 
holten  Male  auf  das  Sprachwort  aufinerksam:  £n  Palencia  armas  y  cienda. 

lOM)  s.  Hispania  iUustrata  IV,  109. 

^<^)  Hs.  in  der  Oapitelsbihliothek  S.  Isidro  su  Leon.  Lucas  de  Tay 
war  einmal  Diacon  in  Leon*  Er  schrieb  seine  Chronik  bis  mm  J.  1839 
und  starb  Ende  1249.  Die  Historia  Palentina  (Hs.  in  der  BibL  de  la  real 
Academia  de  la  Historia  zu  Madrid.  G.  171  Est.  25  gr.  7  a)  BL  45  beäut 
die  richtige  Leseart  'ubi',  allein  sie  verkehrt  die  Gonstruction  an  Gunsten 
Palencias:  Idem  vero  Hdephonsus  . .  .  Palentiae  scholas  constituity  ubi  semper 
▼iguit  scolastica  disdpUna  ete.    Richtig  Cod.  Yat.  7004  BL  121  b. 

i<^)  Beg.  Yat  an.  1.  ep.  692  Bl.  101b.  Qaoniam'ablantiquo  sdentta  et 
militia  ooncomitari  se  solent,  quia  ubi  erat  strenuis  et  electa  militia,  ibi  soUempae 
ac  celebre  Studium  habebatur  etc.  Das  Schreiben  ist  Tom  19.  Oct  1255. 

*^)  In  AA.  SS.  Jan.  U^  895  findet  sich  nichts  daraber. 


4.  Hocbsohulen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.  Palöncia.    473 

studiert  haben,  gewiss  aber  gegen  Ende  desselben  Jhs.  der  hl« 
Dominicus.  Von  ihm  bezeugen  dies  Jordan  von  Sachsen  ^®^^)  und 
die  ihm  folgenden  Chronisten '°'^).  Gerade  aus  deren  Berichten 
geht  hervor,  dass  in  Palencia  nicht  bloss  in  den  artes  liberales, 
sondern  auch  in  der  Theologie  unterrichtet  wurde.  Die  Haupt- 
sache blieb  jedoch  immer  das  Studium  der  artes  liberales,  was 
besonders  aus  dem  Leben  des  Gonzalez  de  Fromista  oder 
Peter  Gonzalez  Telmo,  der  in  Palencia  Anfangs  des  13.  Jhs. 
studierte,  erhellt ^^").  Indess  Pulgars  Behauptung,  Dominicus 
habe  in  Palencia  den  Doctorgrad  erhalten  ^^^'),  ist  gänzlich 
grundlos.  Fanden  doch  in  Palencia  schwerlich  nach  Gründung 
der  Universität  Promotionen  statt,  umsoweniger  also  in  einer 
Periode,  in  der  kaum  in  Paris  akademische  Grade  eingeführt 
waren.  Noch  vor  die  Gründung  der  Hochschule  fällt  ein  Streit 
des  magister  scolarum  von  Palencia  mit  seinem  Bischöfe  ^^''). 


i030)  Im  Liber  principii  Ord.  FF.  Praed.  in  AA.  SS.  Aag.  I,  545  n.  2 
scbrebt  er:  Postmodum  autem  missos  Palentiam,  ut  in  liberalibus  formaretur 
acientiis,  quarum  Studium  yigebat  ibidem,  postquam  eas  nt  sibi  yidebatur 
satis  edidicit,  relictis  iis  studiis  tamqnam  in  qnibns  temporis  buius  angnstias 
minus  fructuose  yereretur  expendere,  ad  tbeologie  Studium  convolavit 

1031)  s.  oben  S.  2  Anm.  3.  Aucb  Odo  Yon  Chäteauroux  sagt  yielleicbt 
um  dieselbe  Zeit  wie  Constantin  von  Oryieto  in  dem  Sermo  s.  Dominici: 
Quid  est  quod  b.  Dominicus  tarn  parum  fuit  in  studio  s.  scriptnre  etc.  per 
quatuor  annos  tantum,  et  tarnen  tantum  profecit  .  .  .  veniens  Palenciam,  ubi 
tune  florebat  Studium,  a  Tino  abstinuit  per  illoa  quatuor  annos,  quibus  stu- 
dnit  et  etiam  per  sex  alios  sequentes.    Cod.  Paris.  15947  61.  275b. 

10S2J  Espaüa  sagrada  XXIII,  245:  In  primaevo  juyentutis  suae  flore  pro- 
moyente  quodam  ejus  patruo,  qui  praefatae  ciyitatis  ecclesiae  in  pontiflcali 
praeerat  dignitate,  liberalium  artinm  studiis  decekiter  eruditus  yelnt  alter 
samson  puer  ingeniosns  ...  ad  tautum  infra  paucomm  annomm  curricnla 
literarum  perductus  est  cumulum,  ut  ad  quemcunque  dignitatis  ipsius  eccle- 
siae gradum  .  .  .  sufficiens  haberetur.  Theologie  studierte  er  erst  im  Domi- 
nicanerorden.   Ib.  p.  246. 

1033)  Teatro  clerical  apostolico  y  secular  de  las  iglesias  de  Espaüa,  parte 
1  tom.  2.  p.  208  f.  Seine  einzigen  Stfitzen  sind  die  späten  Juan  de  Mono- 
pol! (Franciscanerchronist)  und  Vincens  Baro.  Auch  De  los  Bios,  Historia 
critica  de  la  literatnra  espaHola  III,  228  Anm.  1,  l&sst  sich  durch  Palgar  yer- 
fübren. 

to84)  Comp.  III.  5, 1;  c.  Cum  dU.  X.  de  calnmn.  5,  2.  Vgl.  auch  ArsenalbibL 
in  Paris  Hs.  n.  394.  Beg.  Vat  Innoc.  m.  an.  10  ep.  55  Bl.  14a  (5.  Id.  Mail) 


474    in.  Entwickelnng  der  Hochsehnlen  bis  som  Ende  des  14.  Jhs. 

Palenda  war  also  für  ein  Generalstudium  einigermassen 
vorbereitet.  Die  Gründung  desselben  liess  auch  nicht  lange 
aof  sich  warten.  Diese  Stadt  hat  den  Ruhm,  innerhalb 
seiner  Mauern  nicht  bloss  das  erste  Generalstudium  Spaniens, 
sondern  überhaupt  die  erste  von  einem  Landesfttrsten  gegründete 
Universität  besessen  zu  haben.  Jene  zu  Neapel  wurde  erst 
mehrere  Jahre  später  von  Friedrich  IL  gestiftet. 

Alonso  Vm.  errichtete  1212—1214  ''*')  die  Hochschule,  indem 
er  durch  Vermittlung  des  Bischofes  von  Palencia,  Tello,  Pro- 
fessoren der  Theologie  und  der  übrigen  Fächer  aus  Frankreich 
und  Italien  berief,  und  ihnen  gute  Besoldungen  anwies'^**).  Wie 
sich  von  selbst  versteht  hat  es  nichts  auf  sich,  dass  kein  f5rm- 
licher  Stiftbrief  existiert  Lässt  die  Beform  des  Studiums  vom 
J.  1220  einen  Schluss  auf  den  Ursprung  zu,  so  waren  in  Palencia 
Theologie,  Jus  canonicum,  Logik,  Grammatik  mit  der  ars  dicta* 
minis  vertreten. 


1035)  Da  Alonso  1214  starb,  Tello  aber,  der  Rathgeber  des  Königs,  erst 
1212  Bischof  Ton  Palencia  wurde  (cfr.  Palgar  1.  c.  p.  1.  tom.  2  p.  261; 
Boletin  eccl^si&stico  del  obispado  de  Palencia  [1866]  p.  289),  so  mnss  die 
Orflndong  der  Hocbsehole  1212—1214  Men.  Die  Jahnahlen,  die  man  sonst 
in  der  Begel  angibt  (meist  nach  Mariana,  Historia  de  EspaBa  lib.  11  c.  22 
[Madrid  1841  tom.  5  p.  29]  1208  oder  1209,  so  z.  B.  Clodolfo  Pelaes  Ortis, 
El  clero  en  ia  historia  de  Palencia  y  la  nniyersidad  Palentina,  Palencia  1881 
p.  103)  sind  unrichtig.  Nicht  minder  irrig  ist  die  Jahnahl  1200,  welche 
man  in  einer  Inschrift  des  üniTersit&ts-Claastrum  su  Salamanca  liest 

1036^  Mehrere  Zeitgenossen  erwfthnen  dieses  Factum,  und  zwar  vor 
allem  Honorius  III.  in  den  swei  unten  citierten  Schreiben.  Dann  der  bereits 
genannte  Lucas  de  Tuy  1.  c:  *Eo  tempore  rex  Adefonsus  euocauit  magistros 
telogichos  et  aliarum  arcium  liberalium  et  Palencie  scolas  constituit  procu- 
rante  reuerentissimo  et  nobilissimo  niro  Tellione  eiusdem  ciuitatis  episcopo, 
quia  ut  antiquitas  refert,  semper  ubi  uiguit  scolastica  sapiencia,  uiguit  et 
milicia'.  Bodrigo  de  Jimenec  de  Bada  sagt  De  rebus  Hispaniae:  Sapientes 
e  Oallia  et  Italia  convocarit,  ut  sapientie  disdplina  a  regno  suo  nuuquam 
abesset  et  magistros  omnium  fscultatum  Palentie  congregavit,  quibus  et 
magna  sUpendia  est  largitus,  ut  omni  Studium  cnpienti  quasi  manna  in  os 
influeret  sapientia  cuiuslibet  facultatis'  (Nach  Cod.  87  in  der  Bibliot.  de  ciu- 
dad  de  Valladolid  BL  70a.  Hispania  mustraU  II,  128).  Auch  die  unter 
Alfonso  el  Sabio  geschriebene  Grönica  general  de  EspaSa  spricht  von  dieser 
Thatsache  (ed.  Zamora  1541  Bl.  894a.) 


4.  Hoehscholeii  mit  kidserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.  Palencia.    475 

Doch  nur  karze  Zeit  sollte  sich  das  Studium  im  Stande  er- 
halten. Der  König  starb  1214  und  alsbald  wurde  dasselbe 
unterbrochen.  Alonsos  Nachfolger  Enrique  I.  war  mindeijährig 
und  zu  unerfahren,  um  sich  ernstlich  mit  Aufrechterhaltung  der 
Schöpfung  seines  Vaters  beschäftigen  zu  können,  obwohl  er  kurz 
vor  seinem  Tode,  n&mlich  15.  Februar  1217  daran  dachte*®'^). 
Erst  sein  Nachfolger  Fernando  ID.,  an  dessen  Namen  sich  nicht 
bloss  die  Widervereinigung  der  beiden  Königreiche  Gastilien  und 
Leon  knüpft,  sondern  auch  die  Erneuerung  resp.  Widerher- 
stellung  der  Wissenschaften  in  jenen  Ländern,  gieng  energisch 
an  das  Werk. 

Ln  J.  1220  wandte  er  sich  im  Vereine  mit  jenem  Bischöfe, 
der  schon  bei  Gründung  der  Hochschule  dem  König  Alonso  zur 
Seite  gestanden  hatte,  an  Honorius  IIL  mit  der  Bitte,  ihnen  bei  der 
Erneuerung  der  Hochschule  behülflich  zu  sein  und  zwar  durch 
Oew&hrung  der  Erlaubniss  ein  Viertel  der  Tertia  ecclesiarum, 
die  in  der  Diöcese  zur  Instandhaltung  der  verschiedenen  Kirchen 
verbraucht  wurde,  als  Salarium  der  Professoren  auf  fünf  Jahre 
benutzen  zu  dürfen'^").  Der  Papst  billigte  diesen  Vorschlag 
um  so  lieber,  als  der  Bischof  Tello  behufs  Reform  des  Studiums 
bereits  je  einen  Theologen,  Decretisten,  Logiker  und  Gramma- 
tiker berufen  batte^®'*).     Am   18.  März  des  nächsten  Jahres 


1097)  S.  Godnlfo  Pelaes  Ortis,  1.  c.  p.  1 13. 

1038)  Wir  erfahren  dies  ans  dem  Schreiben  Honorins  III.  vom  30.  Oc- 
tober  genannten  Jahres,  in  welchem  der  Papst  sagt:  In  litteris  karissimi 
in  Christo  filii  nostri  F.  mnstris  regis  GasteUe  ac  venerabilis  fratris  nostri 
.  .  Falentin.  perspeximos  contineri,  qnod  ipsi  satagentes  reformare  stndinm 
a  clare  memorie  Aldefünso  rege  GasteUe  in  civitate  Falentin.  institatam  or- 
dinamnt,  nt  qnarta  terciamm  cninslibet  ecclesie  dioc  Falentin.  depotatamm 
ad  fabricam  pro  magistromm  salario  nsque  ad  qoinqae  annos  integre  oonfe- 
ratnr.  Reg.  Tat  Honorii  III.  an.  5  ep.  153  Bl.  38a.  Das  Schreiben  ist  ge- 
richtet Nobilibus  yiris  et  omnibns  conciliis  per  Falentin.  dioc,  constitntis. 

^^  Ibid.  1.  c  Nos  igitor  eomm  soUicitndinem  eommendantes  nniyer- 
sitati  vestre  per  apostolica  scripta  mandamns,  qnatenns  qnartam  ipsam  nsqne 
ad  terminnm  snprascriptom  in  manibus  iUonim  qnos  idem  episeopos  ad  hoc 
dnxerit  depntandos  sine  difflcnltate  qnalibet  conferatis,  nt  ea  per  manne 
ipsomm  in  magistromm  salario  proride  distributa  stndinm  ipsnm,  propter  qnod 
idem  episcopns  Teolognm,  Decretistam,  Logicnm  et  Anctoristam  sicnt  ez 
litteris  cjns  aocepimns  iam  Tocarit,  laodabiliter  Taleat  refonnarL 


476    ni.  Entwickelong  der  Hochachnleii  bis  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

nahm  der  Papst  auf  die  Fürsprache  des  Bischofs  hin  die  Schulen  der 
Theologie,  des  can.  Rechts  und  anderer  Wissenschaften,  sowie  die 
Magistri  und  Scholares  in  seinen  Schutz^'*®).  Ehe  der  vom 
Papste  am  30.  Octoher  1 220  anberaumte  Termin  von  fänf  Jahren 
abgelaufen  war,  gieng  der  Bischof  personlich  nach  Rom,  um  das 
damals  gewährte  Indult  fOr  weitere  fünf  Jahre  zu  erwirken,  da 
ein  Studium  wegen  der  grossen  Unwissenheit  des  Landclerus  in 
jenen  Gegenden  durchaus  nothwendig  sei.  Am  17.  Jänner  1225 
kam  Honorius  in.  neuerdings  der  Bitte  entgegen'®*').  Ein  Sy- 
nodalbeschluss  in  Valladolid  vom  J.  1228  gestattete,  um  dem 
Studium  aufzuhelfen,  allen  Lehrern  und  Hörern  der  Theologie 
fOr  fünf  Jahre  Dispens  von  der  Residenzpflicht  ^®*'). 

Die  Hochschule  bestand  nun  bis  gegen  die  Mitte  des  13.  Jhs. 
fort,  denn  Don  Rodrigo,  der  seine  Geschichte  1243  vollendet 
hat,  sagt:  et  licet  hoc  Studium  fuerit  aliquando ^'*')  inter- 
ruptum,  tamen  per  dei  gratiam  adhuc  durat'®**).  Darauf  aber 
trat  wider  Stillstand  ein« 


1040)  Beg.  Vat  an.  5  ep.  476  Bl.  94  b:  Cum  igitor  sicut  ex  parte  loa 
fuit  expositum  coram  nobis  ad  dandam  salatis  scientiam  plebi  tue  ...  in  ci- 
tate  taa  scolas  theologie,  sacromm  canonum  et  aliaram  facultatam  provide 
ordinaris:  nos  in  hoc  discretionis  tue  Studium  non  immerito  commendantes 
tnia  precibus  inclinati  scolas  ipsas  neenon  personas  magistromm  et  soolarinm 
snb  b.  Petri  et  nostro  protectione  suscipimus. 

^^^)  Reg.  Hon.  in.  an.  9  ep.  227  Bl.  40  a.  Nacbdem  er  auf  den  Inhalt 
seines  1220  erlassenen  Schreibens  eingegangen,  fUirt  er  fort:  Nunc  antem 
idem  episcopns  in  nostra  presentia  humiliter  supplicavit,  ut  cum  in  hoc  mo* 
dicam  graventur  ecclesie,  dum  tres  partes  residue  ad  reparationem  ecclesia- 
rum  ipsanun  et  aiia  necessaria  sufficere  dinoscuntnr,  et  in  partibus  Ulis  Stu- 
dium Sit  admodum  necessarinm,  cum  pre  aliis  regionibns  rurales  ibidem  cle- 
rici  habeantur  inscii  litterarum,  providere  super  hoc  ampliando  terminom,  de 
quo  modicum  restare  dignoscitur,  dignaremur,  presertim  cum  per  factum 
huiusmodi  Palencie  proponatur  Studium  plenius  reformatum  etc.  Laterani 
16  kl.  Febr.  an.  9. 

^^  Item  porque  queremos  tomar  en  so  estado  el  estudio  de  Palencia, 
otorgamos  que  todos  aquellos  que  fueren  hi  maestros,  et  leieren  de  qualqsier 
sciencia,  et  todos  aquellos  que  oieren  hi  Theologia,  que  hayan  bien  et  entre- 
gamiente  sos  beneficios  por  cinco  aSos  aai  como  se  serriesen  4  suas  eglesias« 
EspaBa  sagrada  XXXVI,  216. 

1048)  Dies  beliebt  sich  wohl  auf  die  Zeit  tor  1220. 

loM)  Hispania  illustrau  l  c. 


4.    Hochschaleo  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.  Palencia.    477 

Hiermit  schliesst  auch  die  erste  Periode  des  ersten  General- 
ßtttdiums  in  Si)anien.  Der  Gründe,  warum  es  nicht  gedieh,  gibt 
es  mehrere.  Als  einen  bezeichnete  man  bisher  das  Bestreben 
Fernandos  ni.  (eines  Sohnes  Alonsos  IX.  von  Leon,  welcher  mit 
Berenguela,  der  Schwester  Enriques  I.  von  Gastilien,  der  rechtmässi- 
gen Thronfolgerin  in  Gastilien,  verheirathet  war),  der  von  seinem 
Vater  in  Salamanca  gegründeten  Schule  seine  Fürsorge  angedeihen 
zu  lassen.  Allein  dies  ist  nur  theilweise  wahr.  So  lange  Fernando 
König  von  Gastilien  war,  gieng  ihn  die  Schule  zu  Salamanca  nichts  an, 
wir  sahen  im  Gegentheile,  dass  er  sich  des  Studiums  zu  Palencia 
eifrigst  annahm,  was  man  allerdings  bisher  nicht  wusste.  Als 
er  aber  auch  den  Thron  von  Leon  bestiegen  (1230)  und  die  Kronen 
beider  Reiche  vereinigt  hatte,  mag  er  sich  wohl  mehr  um  das 
Werk  seines  Vaters  als  um  die  Stiftung  in  Palencia  gekümmert 
haben,  was  jedoch,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  nicht 
vor  1243  der  Fall  gewesen  sein  kann,  also  zu  einer  Zeit,  wo 
die  Schule  zu  Palencia  ohnehin  verfallen  war.  Der  eigentliche 
Grund,  warum  diese  in  einen  solchen  Zustand  geriet,  ist  wo 
anders  zu  suchen.  Das  Geld  zur  Besoldung  der  Professoren 
wurde  vom  Zehent  genommen;  von  der  tertia  pars  desselben, 
die  für  die  Kirchen  bestimmt  war,  kam  nämlich  ein  Vierttheil 
zur  Verwendung.  Allein  bereits  im  J.  1225  beklagte  sich  der 
Bischof  von  Palencia  beim  Papste,  dass  die  ^nobiles'  den  Zehnten 
nicht  bezahlten,  worauf  am  7.  October  ein  scharfes  Schreiben 
des  Papstes  erfolgte*®"),  das  aber  nicht  viel  ausrichtete.  Es 
liegt  auf  der  Hand,  welche  Störung  dieser  Zustand  in  das 
Studium  bringen  musste.  Eine  Folge  hiervon  war  der  oben 
citierte  Synodalbeschluss  von  Valladolid,  welcher  jedoch  nur 
eine  Wirkung  gehabt  hätte,  wenn  die  Besoldung  der  Professoren 
eine  geordnete  gewesen  wäre.  Zu  all  dem  trat  noch,  dass 
ganz  in  der  Naiie  Palencias  die  Schule  von  Valladolid  zur 
Blttthe  gelangte.  Als  nun  aber  im  J.  1246  der  eifrigste  Beförderer 
des  Studiums  zu  Palencia,  nämlich  Bischof  Tello,  starb,  da 
stockte  das  Leben  der  Hochschule  vollends,  denn  niemand  nahm 
sich  mehr  derselben  an. 


^^)  Beg.  Vat  an.  10  ep.  80. 


478    HL  Eifcwickeliiiig  der  Hochsclmleii  bb  iram  Ende  des  14.  Jhs. 

Die  zweite  Periode  der  Hochschule  zu  Palencia  war  noch 
trauriger  als  die  erste.  Im  J.  1263  wandte  sich  der  Bischof 
von  Palencia  an  den  Papst,  einestheils  ihm  vorstellend,  dass  das 
einst  blühende  Studium  generale,  durch  das  nicht  bloss  Palencia, 
'sed  tota  solebat  Hispania  spiritalis  et  temporalis  percipere 
commoditatis  'augmentum\  nicht  mehr  existiere,  anderentheils 
ihn  bittend,  er  möge  seine  hülfreiche  Hand  zur  Widerherstellung 
desselben  bieten,  und  allen  in  Zukunft  daselbst  Studierenden 
die  Privilegien  von  Paris  zuertheilen.  Urban  IV.  zeigte  sich 
am  14.  Mai  des  gleichen  Jahres  dazu  bereit,  da  er  nicht  wolle, 
'ut  lucema  tante  claritatis  in  commune  multorum  dispendium 
sie  extincta  remaneat'  ^^^% 

lieber  den  Erfolg  ist  nichts  weiter  bekannt.  Sicher  ist, 
dass  schon  vor  Ende  des  13.  Jhs.  keine  Hochschule  mehr  zu 
Palencia  existierte.  Der  Zeitpunkt,  in  dem  sie  sollte  erneuert 
werden,  war  viel  ungünstiger,  als  der  in  dem  sie  gegründet 
worden  war.  Damals  war  sie  die  einzige  Hochschule  in  Spanien. 
Jetzt  aber  besass  die  Diöcese  bereits  ein  besuchtes  und  zugleich 
privilegiertes  Studium  zu  Valladolid,  und  nicht  allzu  weit  ent- 
fernt erhob  sich  das  Generalstudium  zu  Salamanca,  welches 
zur  Blüthe  zu  bringen  Papst  und  König  wetteiferten.  Palencias 
Stern  war  verblichen.  Aber  nichtsdestoweniger  bleibt  der  ein- 
stigen Hochschule  für  immer  das  ehrenvolle  Epitheton:  la  pri- 
mera  Universidad  espiAola. 

Salamanoa. 
Der  Ruhm  Spaniens  durch  fast  fünf  Jahrhunderte  war  die  Uni- 
versität zu  Salamanca.  Um  so  mehr  ist  es  zu  bedauern,  dass 
diese  für  das  Land,  später  für  ganz  Europa  so  wichtige  Univer- 
sität noch  keinen  kritischen  Geschichtschreiber  gefunden  hat. 
Zwar  existieren  nicht  wenige  Monographien  über  dieselbe;  allein 
nicht  eine  entspricht  gerechten  Anforderungen '^^0-    l>ocli  bleibt 


lOM)  Reg.  Tat  an.  1.  2.  tom.  [1.  ep.  103  Bl.  S7b.  BnU.  Born.  ed. 
Taur.  m,  695. 

1047)  loh  wUl  hier  nur  jene  citieren,  die  ioli  selbst  eiDgesehen  ludw. 
Chaeon,  Historia  de  la  universidad  de  Salamanca  (gesclir.  1569)  im  Semaaa- 
rio  emdito,  tom.  18  (Madrid  1789).  Er  wosde  4ie  Gmndli^  filr  die  sp&tenii 


4.   Hochschnlen  mit  kuBerl.  oder  kOnigL  Stiftbriefen.   Salamaiiea.  479 

CShacons  Bach  immer  eine  sehr  verdienstliche  Arbeit.  Viel- 
leicht gelingt  es  mir  im  Folgenden  eine  sichere  Grundlage  her- 
zustellen. 

Wie  an  den  meisten  Gathedralen  Spaniens,  so  gab  es  auch 
an  jener  zu  Salamanca  schon  im  12.  Jh.  einen  magister  sco- 
lanim,  maestrescuela,  eine  Bezeichnung,  die  sich  bis  heute  in 
manchen  Capiteln  Spaniens  erhalten  hat.  Allein  wie  sonst  in 
der  Regel,  so  war  auch  die  Hochschule  zu  Salamanca  nicht  eine 
blosse  Erweiterung  der  Domschule,  sondern  eine  Neuschöpfung. 
Diese  knUpft  sich  wie  jöne  von  Palencia  an  den  Namen  Alonso; 
war  der  Stifter  der  Universität  zu  Palencia  Alonso  VIIL  von 
Castilien,  so  jener  von  Salamanca  Alonso  IX.  von  Leon.  Dieser 
berief  erfahrene  Professoren  nach  Salamanca,  gründete  dort  ein 
Studium  ^®^'),  und  ertheilte  ihnen  und  den  Schülern  gewisse 
Rechte ^®^').     Wann  sich  dies  ereignet  habe,   lässt  sich  nicht 


mid  Tiel  abgeschrieben,  wovon  die  nicht  wenigen  Hss.  in  den  Bibliotheken 
Spaniens  Zeogniss  geben  (auch  in  Bibl.  Yat  Ottob.  2189).  Beseflto  historiea 
de  k  nniversidad  de  Salamanca  (1849).  Doncel  y  Ordas,  La  oniTersidad  de 
Salamanca  en  el  tribonal  de  la  historia,  2.  ed.  Salamanca  1881.  Alejandro 
Yidal  7  Dias,  Memoria  historiea  de  la  oniTersidad  de  Salamanca  (1869).  Diese 
ist  die  grOsste  Monographie,  steht  aber  in  Bezug  auf  Kritik  hinter  Chacon. 
Einen  geschichtlichen  üeberblick  bieten  auch  die  Einleitung  lu  den  Consti- 
tntiones  apostolicas  y  estatutos  de  la  may  insigne  nniversidad  de  Salamanca 
(1625);  Mendo,  De  jore  academico,  lib.  1  qu.  7  n.  138.;  Gü  Gonzalei  B&yila, 
Teatro  ecclesiästico  de  la  s.  igles.  de  Salamanca  p.  264;  De  la  Fuente,  Hist. 
eccles.  de  Espana,  2.  ed.  lY,  282.;  Annnario  de  la  unirersidad  de  Salamanca 
para  el  curso  de  1859  &  1860  (1860),  sowie  Z&rate,  De  la  instmcciön  pfibliea 
en  EspaBa  II,  180.  Die  deutschen  Leistungen  kommen  gar  nicht  in  Betracht 
Sayigny  (III,  409)  kannte  nur  die  Statuten  rem  J.  1422,  andere  wussten 
noch  weniger,  woraus  das  oberflächliche  Gerede  bei  Stein  L  c  8.  297  lu 
erUftren  ist  Aas  des  Franzosen  Graoz,  L'nnirersit^  de  Salamanqne  in  den 
Notices  bibliogn^hiqnes  et  autres  articles  (Paris  1884)  ip.  817  lernt  man 
nnr  den  gegenwftrtigen  Zostand  der  Schale  resp.  den  vom  J.  1875  kennen. 
Gewiss  haben  wir  eine  ansgeseichnete  Arbeit  von  Edaardo  de  Hinojosa,  pro- 
fesor  de  la  escnela  soperior  de  DiplomaÜca  in  Madrid,  an  erwarten. 

1018)  Lncas  de  Tay  sagt:  Hie  salatari  consüio  evocafti  magistroa  peri- 
tissimos  in  sacris  scriptoris  et  constitnit  scolas  fieri  Salamantice.  Nach  der 
oben  S.  472  Anm.  1027  dtierten  Hs.  an  Leon.  S.  Hispania  fflostrata  lY,  118. 

^0^)  Dies  erfthren  wir  ans  dem  Privileg  Fernandos  III.  rom  J.  1248, 
anf  das  ich  sogleich  an  sprechen  komme.  Es  heisst  darin:  e  qniero  e  mande^ 


480     ni.  Entwickelang  der  Hochschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

sagen  *^*^),  denn  es  sind  weder  Nachrichten  darüber  vorhanden, 
noch  existiert  ein  Stiftbrief,  Sicher  geschah  es  vor  1230,  in 
welchem  Jahre  der  König  starb. 

Diese  erste  Stiftung  war,  so  scheint  es,  nicht  vom  GlUcke 
begünstigt.  Ich  schliesse  es  nicht  bloss  daraus,  dass  man  von 
ihr  so  gar  nichts  hört,  sondern  noch  mehr  aus  dem  Umstände, 
dass  Fernando  in.  von  der  Schule  seines  Vaters  in  vergangener 
Zeit  spricht  und  deshalb  mittels  eines  neuen  Actes  die  Gründung 
von  Schulen  in  Salamanca  anordnet.  Nicht  Alonsos  IX.  Stiftung, 
sondern  jene  Fernandos  in.  hatte  die  Gontinuität,  und  so  ist 
eher  Ferdinand  der  Heilige,  denn  sein  Vater  als  der  wirkliche 
Begründer  der  Universität  Salamanca  zu  betrachten. 

Am  6.  April  1 243  unterzeichnete  er  eine  Urkunde,  in  welcher 
der  eigentliche  Stiflbrief  der  Universität  zu  erblicken  ist^"*).  Von 
der  Erkenntniss  geleitet,  dass  seinem  Reiche  die  Wissenschaft  förder- 
lich sei,  befiehlt  er,  dass  in  Salamanca  Schulen  errichtet  würden 
und  dass  alle,  die  an  denselben  lehrten,  unbehelligt  nach  Sala- 
manca reisen  könnten.  Er  nimmt  die  Professoren  und  Schüler 
sammt  ihrer  Habe  unter  seinen  Schutz,  und  verfügt,  dass  die 
Scholaren  sämmtliche  Rechte ,  welche  sie  einst  unter  seinem  Vater 


que  aqnellas  costambres  e  aqaellos  fueros,  qae  ooieron  los  escoUreB  en  Sala- 
manca en  tiempo  de  myo  padre  quando  establecio  hy  las  escaelas,  tan  bien 
en  casas  como  en  las  otras  cosas,  qae  essas  costambres  e  essos  fderos  ayan. 

loboj  Im  Universitäts-Glaastram  zu  Salamanca  ist  eine  spftte  Inschrift 
(wohl  aus  16.  Jh.),  in  der  die  Gründung  von  Palencias  Hochschule  in  das 
Jahr  1200  gesetzt  wird.  Der  König  von  Leon  habe  nun  aus  Nacheifemng 
gegen  König  Alonso  von  CastiUen  die  üniYersit&t  Salamanca  errichtet  AUein 
da  die  Schule  von  Palencia  erst  1212—1214  ins  Leben  trat,  so  ist  auf  die 
Inschrift  nicht  gerade  viel  zu  halten.  Man  hat  ihr  mehr  Gewicht  beigelegt, 
als  sie  verdient 

1061)  Das  Original,  dem  das  Siegel  fehlt,  befindet  sieh  jetet  in  der  üni- 
versit&tscapelle  auf  der  Epistelseite  an  der  Wand  unter  Glas.  Es  ist  nun- 
mehr genan  mit  aUen  Abrigen  Documentos  reales  bis  Ende  des  14.  Jhs. 
des  üntversitatsarchives  ediert  in  Memoria  sobre  el  estado  de  la  instrucdto 
«n  esta  (de  Salamanca)  universidad  eorrespondiente  al  curso  acad^nuco  de 
1881  i  1882  (Salamanca  1882)  p.  12»— 152.  Es  wftre  im  InterasM  der 
hlzloriflchen  WissenBchalt  nur  lu  wfinschen  gewesen,  dass  der  Ardiivar  Joife 
M.  de  Onis  mehr  diplomatische  Bemerkungen  hiniugefilgt  und  wenigstens 
angegeben  hatte,  ob  die  Siegel  noch  vorhanden  sind  oder  fehlen. 


4.  Hochschaien  mit  kaiserl.  oder  kOnigl.  StiftbriellBn.   Salamanca.    4gl 

besessen  hätten,  gemessen  sollten.  Unter  Androhung  einer  Geld* 
strafe  wird  jedem  verboten  ihnen  irgend  ein  Unrecht  zuzufügen; 
die  Studierenden  selbst  aber  müssten  den  Frieden  mit  den  Ein- 
wohnern bewahren.  Bei  Streitigkeiten  unter  den  Studierenden 
oder  zwischen  ihnen  und  den  Einwohnern  dürften  sie  einen  geist- 
lichen Gerichtsstand  besitzen'®^').  Kurz  vor  seinem  Tode,  'den 
12.  März  1252,  befreite  er  sie  von  den  Abgaben,  und  ver- 
fttgte  noch  einmal,  dass  sie  innerhalb  seines  Reiches  ohne  die 
geringste  Schwierigkeit  und  Behelligung  reisen  könnten^®'*).  Un- 
bekannten Datums  ist  das  Privileg,  womach  weder  Christ  noch 
Jude  die  fttr  Scholaren  bestimmten  Wohnungen  miethen  dürfe  ^^^% 

Doch  erst  nach  dem  Regierungsantritte  seines  Sohnes, 
Alfonsos  el  Sabio,  sollte  das  Studium  zur  Blüthe  gelangen.  Es 
war  eine  der  ersten  Angelegenheiten  dieses  Königs  sich  des  Werkes 
seines  Vaters  anzunehmen.  Am  9.  November  1252  bestätigte 
er  alle  von  Fernando  m.  und  Alonso  IX.  den  Professoren  und 
Scholaren  zu  Salamanca  gewährten  Privilegien  ***").  Am  nächst- 
folgenden Tage  verbot  er  den  Einwohnern  Salamancas  den  Scho- 
laren Waffen  zu  verschaffen,  weil  das  Studium  dadurch  nur  be- 
einträchtigt würde  ^•"). 

Aus  dem  Vorhergehenden  ergibt  sich,  dass  Alfonso  el  Sabio 
die  Universität  Salamanca  nicht  gegründet,  sondern  sie  bloss  als 
Erbschaft  von  seinem  Vater  Fernando  erhalten  hatte.  Seine  Ab- 
sicht konnte  daher  bloss  sein,  die  Schule  zu  befestigen  und  immer 
mehr  empor  zu  bringen.  Allein  unter  ihm  brach  eine  neue 
Epoche  für  sie  an,  welche  mit  dem  Jahre  1254  begann.  Am 
8.  Mai  desselben  erhielt  nämlich  das  Studium  so  zu  sagen  die 
Magna  Charta  durch  den  vom  Könige  zu  Toledo  unter  dem  genannten 

i06>)  Memoria  L  c.  p.  127f.  n.  1.  Als  Richter  werden  genannt  der 
Bischof,  der  Decan  (des  Capitels),  die  Vorsteher  der  Dominicaner  nnd  Fran- 
dscaner,  mehrere  andere  Personen  ohne  weitere  Angabe  ihres  Charakters,  ein 
Canonicns  von  Leon  und  einer  von  Lamego. 

^«W)  Ibid.  p.  128  n.  2. 

lOM)  Das  Docoment  ist  nicht  mehr  erhalten;  allein  das  FriTÜeg  wird 
erwähnt  in  einem  Schreiben  der  Königin  Donna  Maria  vom  J.  1345.  S.  Me- 
moria  1.  c.  p.  140  n.  11. 

1«»)  Ibid.  p.  181  n.  8. 

low)  Ibid.  n.  4. 


482    m*   Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  mm  Ende  des  14.  Jhs. 

Datum  ausgefertigten  Act.  Die  Veranlassung  dazu  war  die  Bitte 
der  Scholaren  (escolares  de  la  universidat  del  estudio  de  Sala- 
manca),  der  König  möge  ihnen  seine  Huld  und  Gunst  beweisen. 
Er  erklärt,  wie  viel  ihm  daran  liege,  dass  die  Lehranstalt  immer 
mehr  aufblühe.  Nach  Einvernehmen  seines  Rathes  und  im  Ein- 
verständniss  mit  den  Bischöfen,  Archidiaconen  und  anderen  aus- 
erlesenen Clerikem  seines  Reiches  verordne  er  nun,  dass  die 
Scholaren  nicht  jene  Wohnungen  miethen  dürften,  welche  bereits 
von  andern  Scholaren  besetzt  seien.  Femer  sollten  die  CSonser- 
vatoren  des  Studiums  die  Wohnungen  der  Stadt  nach  gerechtem 
Preise  abschätzen '^'^^),  und  zwar  sowohl  jene  der  Bürger,  als 
die  der  Canoniker  und  Gleriker,  in  keinem  Falle  jedoch  dürfe 
der  Preis  17  maravedis  übersteigen'^'^).  Die  vom  Bischöfe  von 
Salamanca  eventuell  verhängte  Excommunication  müsse  von  den 
Scholaren  ebenso  wie  von  den  übrigen  respectiert  werden.  Ohne 
bischöfliche  Genehmigung  dürften  die  'escolares  de  la  universidat* 
auch  kein  gemeinschaftliches  Siegel  besitzen.  Weiter  folgt  eine 
Verordnung  über  die  Taxierung  der  Lebensmittel,  sowie  die 
Mahnung,  die  Stadtobrigkeit  möge  4os  previllejos  de  la  universidat* 
achten.  Kampflustige  Scholaren  sollten  der  Bischof  und  der 
Magister  scolarum  einsperren,  eventuell  aus  der  Stadt  weisen.  Im 
Falle,  dass  aber  sonst  jemand  denselben  ein  Unrecht  zufüge,  müsse 
der  Beleidiger  von  der  Stadtobrigkeit  nach  Recht  und  Gerechtig- 
keit  bestraft  werden.  Den  wichtigsten  und  interessantesten  Punkt 
im  Schreiben  bilden  die  Bestimmungen  über  das  Salarium  der 


1057J  Die  Absch&trang  der  Wohnungen  geschah  später  ron  einer  ge« 
mischten  ans  zwei  Borgern  nnd  zwei  Scholaren  bestehenden  Commission  wie 
in  Neapel,  nnd  die  Scholaren  durften  nicht  selbst  mit  den  EigenthOmem  den 
Preis  festsetsen.  Dies  ergibt  sich  ans  einem  von  der  Königin  Donna  Maria 
im  J.  1345  erw&hnten  Privileg  Alfonsos.    S.  Memoria  L  c.  p.  140  n.  11. 

1058J  Offenbar  sind  hier  überall  maravedis  in  Gold  gemeint,  was  schon 
daraus  herrorgeht,  dass  Alfons  in  seinen  Siete  Partidas  (p.  8  ley  14  tit  6;  ley  5 
tit.  7)  die  aurei  der  Pandekten  mit  seinen  maravedis  identifioiert  Siehe  daraber 
Chacon  p.  15.  Alfonso  el  Sabio  Hess  gleich  bei  seinem  Regierungsantritte 
neue  MOnaen  prägen.  90  blancos  burgaleses  waren  1  maravedi  de  oro, 
und  6  blancos  burgaleses  galten  1  sueldo  burgal6B|  so  dass  15  sueldos 
burgaleses  1  mararedi  de  oro  machten.  Heiss,  Descripcion  general  de  las 
monedas  hispano-cristianas  I  (Madrid  1865),  39—41. 


4.    Hoclischiüen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Btiftbriefon.  SaUmapca,  488 

Professoren,  denn  wir  erhalten  dadurch  zugleich  Aufschluss  über 
die  Vertretung  der  verschiedenen'  Wissenszweige  an  der  Uni- 
versität Salamanca  während  der  ersten  Periode. 

Der  König  bestimmt,  es  solle  in  Salamanca  ein  Magister 
legum  (un  maestro  en  leys)  mit  einem  jährlichen  Gehalte  von 
500  maravedfs  angestellt  sein,  und  dieser  mUsse  unter  sich  einen 
Baccalareus,  der  Ganonicus  sei  (un  bachiller  canonigo),  besitzen. 
Auch  das  Decret  soll  durch  einen  Magister,  der  jährlich  300  mara- 
vedfs Salarium  erhalte,  vertreten  sein.  Zwei  Magistri  mOssten 
über  die  Decretalen  lesen,  und  zwar  beide  mitsammen  mit  einem 
jährlichen  Salarium  von  500  maravedfs.  Zwei  Magistri  der 
Logik,  und  ebenso  viele  Magistri  der  Grammatik  und  der  Physik 
(Medicin)  beziehen  jährlich  je  200,  d.  h.  jeder  100  maravedfs. 
Ausserdem  wünscht  er  einen  Stationarius  (Bücherverleiher),  der 
für  gute  und  correcte  Exemplare  zu  sorgen  hat,  mit  einem  jähr- 
lichen Gehalte  von  100  maravedfs,  einen  Magister  für  die  Orgel 
und  einen  Apotecario^®'^'),  die  mit  je  50  maravedfs  angestellt 
werden.  Zu  Conservatoren  des  Studiums  ernennt  er  den  Decan 
(des  Capitels)  von  Salamanca  und  Amal  de  Sen^aque,  die  für 
ihre  Mühen  200  maravedfs  bekommen.  Dem  Decan  gewährt  er 
überdies  noch  200  maravedfs  wegen  der  Auslagen  für  das 
Studium.  Im  Ganzen  warf  also  der  König  die  für  jene  Zeiten 
enorme  Summe  von  2500  maravedfs  aus,  welche  er  den  zwei  Con- 
servatoren übergab,  damit  sie  dieselbe  seinen  Bestimmungen  gemäss 
ihrem  Zwecke  zukommen  lassen  sollten.  Schliesslich  ermahnt 
er  die  Scholaren  zum  Frieden  und  fordert  alle  zur  Beobachtung 
seiner  Verordnungen  auf*®*'*). 

Vor  allem  drängt  sich  einem  jeden  von  selbst  der  Gedanke 
auf,  dass  Alfonso  X.  sich  immer  mit  denjenigen  Studium  be- 
schäftigt, welches  sein  Vater  Fernando  m.  in  Salamanca  ange- 
ordnet hatte.  Auf  einzelne  Bestimmungen  scheint  Friedrichs  I. 
Auth.  Hahüa^  vielleicht  auch  Friedrichs  n.  Stiftbrief  für  Neapel 
Einfluss  gehabt  zu  haben.    Der  Influenz-Theorie  darf  man  hier 


i<^  Der  Aosdnick  bezeiolinet  hier  demjenigen,  welcher  entweder  ehi 
Depot  Ten  Lebensmitteln  beeitsen  oder  defnr  sorgen  mnsste,  dass  an  den 
LebembedflrftilMen  für  die  Btodierenden  niemals  ehi  Mangel  eintrat 

^0^0)  8.  das  Docament  in  Memoria  1.  c.  p.  132  n.  5. 

31» 


484    ni.  Entwickeltmg  der  Hochschulen  bis  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

jedoch  nicht  zu  sehr  huldigen.  Eine  hervorragende  Stellung 
weist  der  KOnig  dem  Bischöfe,  dem  Decan  und  Maestrescuela 
des  Capitels  an.  An  der  Universität  sollten  alle  Fächer  mit 
Ausnahme  der  Theologie  vertreten  sein.  Die  Hauptstärke  lag 
in  der  Rechtswissenschaft,  und  zwar  vorzüglich  im  canonischen 
Hechte.  Dadurch  wird  die  von  Stein  leichtfertig  hingeworfene 
Behauptung,  in  Spanien  habe  die  Herrschaft  der  kirchlichen  Lehre 
und  Lehrer  in  den  freien  Magistris  jurisprudentiae  et  medicinae 
kein  Gegengewicht  gefunden  und  die  artes  hätten  sich  nicht  von 
der  Theologie  zu  einem  mit  eigenem  Rechte  begabten  sodalitium 
geschieden,  fQr  immer  widerlegt  ^^^^).  Wie  in  Salamanca  so  stand 
es  bis  zum  Ende  des  14.  oder  Beginne  des  15.  Jhs.  an  allen 
Hochschulen  Spaniens,  und  wie  überhaupt,  so  bieten  sie  auch  hierin 
viel  Aehnlichkeit  mit  den  italienischen  Universitäten.  Palencia 
allein,  wenn  man  von  Sevilla  absieht,  bildete  eine  Ausnahme. 

Um  dem  Studium  einen  noch  grossem  Halt  zu  geben, 
wandte  sich  der  König  an  den  Papst  mit  der  Bitte  um  die 
Bestätigung  desselben.  Dieser  antwortete  ihm  am  6.  April  1255, 
'quod  multitudo  sapientium  sanitas  est  regnorum,  quodque  non 
minus  prudentum  consilio  quam  strenuitate  vel  fortitudine  robu- 
storum  regnorum  ipsorum  moderamina  disponantur'.  Er  bestätigt, 
was  der  König  de  assensu  episcopi  et  capituli  in  Betreff  des 
Studiums  zu  Salamanca  gethan  hat^®'').  Man  würde  sich  sehr 
täuschen,  wollte  man  in  diesem  Schreiben  einen  Stiftbrief  er- 
blicken. Dasselbe  enthält  nicht  einmal  ein  Wort  der  Bestätigung 
der  Stiftung,  sondern  erwähnt  nur  die  Bemühungen  und  Verord- 
nungen Alfonsos  für  das  Studium  ^^*').     Am  15.  Juli  desselben 

106^)  Stein  darf  sich  ja  nicht  damit  entschuldigen,  dass  er  die  dtierte 
Memoria  nieht  benutzen  konnte,  denn  sowohl  Chacon  L  c.  p.  18,  Akjandro 
Vidal  7  Diaz  1.  c.  p.  18,  De  los  Rios  lU,  280,  als  anch  wenngleich  kon 
De  la  Faente  1.  c.  bringen  schon  die  charakteristischen  Stellen  aas  Alfonsos 
Schreiben.  Dass  die  Jahreszahlen  in  der  Begel  irrig  angegeben  werden  be- 
rfihrt  nicht  im  geringsten  das  Wesen  der  Sache. 

10^)  Reg.  Vat.  an.  1.  2.  tom.  1.  ep.  281  BL  41b.  Original  im  üniver- 
siUtsarchiT  zu  Salamanca  (Siegel  fehlt).  S.  BoU.  Rom.  ed.  Taurin.  m,  601. 
Eine  frohere  p&pstliche  BnUe  existiert  nicht.  Ebenso  ist  es  eine  Fabel,  dass 
bereits  das  Goncil  von  Lyon  (1245)  die  ünirersitat  Salamanca  erwftlmt  habe. 

1063)  Die  Behauptung  Sohnltes,  der  Papst  habe  gestattet,  dass  das  General- 


4.  BocliBohaleii  mit  baiserL  oder  kOnigl.  Stiftbriefen.   SaUmanca.   485 

Jahres  gewährte  der  Papst  der  universitas  magistrorum  rectorum 
et  scolarium  auf  deren  Bitten  hin  das  'commune  sigillum'  ^^*^).  Am 
darauffolgenden  22.  September  ermächtigt  er  den  Magister  sco- 
larum  von  Salamanca  die  Doctoren  und  Scholaren,  welche  'propter 
violentas  manuum  iniectiones  in  dericos'  der  Excommunication 
yerfallen,  loszusprechen^®*'^).  Wahrscheinlich  stellte  der  Papst 
am  selben  Tage  ein  anderes  an  die  universitas  magistrorum  et 
scolarinm  Salamant.  gerichtetes  Schreiben  aus,  in  welchem  er 
auf  deren  und  des  Königs  Vorstellung  hin,  dass  denjenigen  *qui 
semel  examinati  et  approbati  in  Salamantino  studio  in  quacun- 
que  facultate,  quamquam  sint  inventi  idonei  ad  regendum,  nisi 
iteratum  examen  in  eadem  facultate  subeant  alibi  legere  mi- 
nime  permittatur',  gestattet,  dass  in  Salamanca  die  Approbierten 
an  jedem  andern  Generalstudium  mit  Ausnahme  von  Paris  und 
Bologna  ohne  neues  Examen  in  jener  Wissenschaft,  für  die  sie 
approbiert  worden  seien,  lehren  dürften^®**). 

Ein  interessantes  Schreiben  sandte  der  Papst  am  19.  October 
desselben  Jahres  an  den  König,  worin  er  zuerst  erklärt,  dass 
Wissenschaft  und  Kriegskunst  Hand  in  Hand  giengen^^^O-  Indem 
er  dann  auf  die  Bestimmungen  des  Königs  in  Betreff  des  Sala- 
riums  übergeht,  gewährt  er  zum  Zwecke  'ut  idem  Studium  optata 
redpiat  incrementa\  dass  alle,  welche  dort  studieren  wollen,  mit 
Ausnahme  der  Regulären,  'in  eadem  civitate  jura  civilia  per  tri- 
ennium  proximo  venturum  audire  valeant,  constitutionibus  contra- 
riis  non  obstanübus'^®'*).    Es  ist  dies  eines  der  frühesten  Bei- 


stadlum  Ton  Doctoren  und  Lernenden  besucht  werden  dflrfe  (Archiv  f.  kath. 
Kirchenr.  XIX,  19)  beruht  auf  einem  MiBSverstAndniBse. 

1064)  Original  im  üniferrit&tsarchiT  zu  Salamanca,  mit  Siegel  an 
Seidenschnnr. 

1065)  Reg.  Vat  L  c.  ep.  688  BL  101. 

^<^)  Reg.  Vat  L  c.  658  BL  97  b.  Original  im  üniTerdtätsarchiT  sn 
Salamanca  (Siegel  an  Hanfsehnnr).  Hier  steht  X.  kl.  Oct,  während  in  den 
Vat  Reg.  kL  Oct.  sich  findet. 

1067)  8.  oben  8.  472  Anm.  1028. 

i<^)  Reg.  Vat.  1.  c.  ep.  692  Bl.  101  b.  Sowohl  diese  als  die  in  Anm.  1065. 
citierte  BuUe  fand  ich  nicht  im  Universit&tsarchiy  zu  Salamanca.  Eine 
angebliche  BuUe  Alexanders  IV.  ist  aber  auszuscheiden.  Bis  heute  behauptete 
man  nämlich  in  Spanieui  der  genannte  Papst  habe  in  einem  Schreiben  das 


486    m*   EntwickelttDg  der  Hochschalen  bis  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

spiele,  dass  vom  Verbote  Honorius  III.  za  Gunsten  der  an  Hocb- 
schnlen  studierenden  Priester  dispensiert  wurde. 

So  war  die  Universität  Salamanca  wenigstens  fttr  einige  Zeit 
befestigt.  Noch  war  sie  die  einzige  Spaniens,  da  die  übrigen 
noch  nicht  gegründet  waren,  resp.  jene  von  Valencia  nicht 
zur  Ausführung  kam,  Palencia  aber  zur  Stunde  nicht  mehr  bestand. 
Die  Sorge  des  Königs  für  das  Studium  nahm  auch  in  den  nächst* 
folgenden  Jahren  nicht  ab.  Auf  die  Klage  der  Scholaren  hin, 
dass  sie  auf  ihrer  Reise  nach  Salamanca  an  manchen  Orten 
Zoll  zahlen  müssten,  verbot  er  am  14.  August  1267  neuerdings 
den  Behörden  des  Kelches,  die  Studierenden  einer  Kontrole  zu 
unterziehen'®*').  Einige  Jahre  nachher,  im  J.  1271,  kam  erder 
Universität  während  der  in  Salamanca  herrschenden  Theuerung 
zu  Hilfe  ^®^®),  am  1.  Jänner  1276  aber  trug  er  den  Gonservatoren 
des  Studiums  auf,  alle  die  königlichen  Privilegien  woU  zu  be^ 
achten^®"). 

In  allen  diesen  Bestimmungen  Alfonsos  el  Sabio  tritt  uns 
derselbe  Geist  entgegen,  der  sich  auch  in  seinen  Siete  Partidas 
offenbart  Was  Alfonso  Mher  in  Salamanca  praktisch  durch- 
gefOhrt  hatte,  das  sollte  durch  die  Verordnungen  und  Aus* 
fOhrungen  über  das  Studium  in  dem  23.  Juni  1256  begonnenen 
und  1268  vollendeten  Gesetzbuche  niedergelegt  werden.  Wir 
werden  im  zweiten  Bande  sehen,  wie  sidi  diese  Gesetze  mit 
der  Organisation  des  Studiums  zu  Salamanca  berühren. 

Stadium  za  Salamanca  'onom  ex  qaataor  orbis  generalibos  stadüs'  geoannt. 
So  Ghacon  L  c.  p.  16.;  in  der  Einleitung  zu  den  Estatutos;  Mendo  1.  c 
Floranes  und  De  la  Fuente  bezeichneten  das  Jahr  1255  als  das  Datum  der 
Bulle;  De  los  Rios  wusste  sogar,  dass  sie  am  89.  April,  und  Alcjandro  Yidal 
y  Diai,  dass  sie  am  25.  Min  1254(!)  erlassen  worden  war.  Allehi  diesen  Be- 
hauptungen liegt  eine  unverzeihliche  Yerwechselung  zu  Grunde.  Qhacon  ei- 
tiert  f&r  den  angeblichen  Ausspruch  Alezanders  IV.  die  31.  Constitution. 
Dieselbe  rfihrt  jedoch  nicht  ton  Alezander  IV.  her,  sondern  Ton  Martin  Y.  ans 
dem  J.  1422,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden  (s.  anch  oben  &  27 
Anm.  114).  Ohne  weiters  schrieben  dann  Spitere  diesen  Irrthom  Ghacons 
nach  und  fflgten  noch  neue  IrrthOmer  hinin.  Es  bedarf  wohl  kanm  der 
Yersieherung,  dass  sich  eine  solche  BnUe  Alexanders  lY.  weder  im  Uni- 
Torsit&tsarehiv  zu  Salamanca  noch  in  den  Yatican.  Begesten  findet 

1069)  Memoria  L  c.  p.  134  n.  6. 

iwo)  Ibid.  p.  135  n.  7. 

1071)  Ihid.  p.  186  n.  S. 


4.   Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  kOidgL  Stiftbriefen.   Salamanca.   487 

Die  erste  Periode  des  Studiums  zu  Salamanca  schliesst 
noch  nicht  mit  dem  letzten  Erlasse  Alfonsos  el  Sabio  ab.  Sein 
Sohn  Sancho  bestätigte  als  Infant  und  Thronerbe  am  24.  April 
1282,  also  zwei  Jahre  vor  dem  Tode  Alfonsos,  alle  Privilegien 
die  das  Studium  zu  Salamanca  von  Alfonso  IX.,  Fernando  in., 
und  seinem  Vater  erhalten  hatte '^^').  Doch  nahm  er  sich  später 
mehr  Valladolids  an  und  beschäftigte  sich  ernstlich  damit  in 
Alcali  eine  Hochschule  zu  errichten. 

Aber  schon  während  der  Begierungszeit  Alfonsos  drohte 
dem  Studium  der  Untergang.  Die  Klippe,  an  der  dasselbe 
nahezu  gescheitert  wäre,  war  die  mangelhafte  Organisation  der 
Besoldungen.  Daraus  entsprang  Unregelmässigkeit  und  theilweise 
Unterbleibung  der  Bezahlung  des  Salariums  an  die  Magistri. 
Da  Sancho  seinem  Vater  Alfonso  ganz  Leon  und  einen  Theil 
Gastiliens  abwendig  gemacht  hatte,  so  war  dieser  nicht  mehr  in  der 
Lage  seinem  Versprechen  nachzukommen;  Sancho  aber  kümmerte 
sich,  so  scheint  es,  nicht  viel  um  das  Salarium.  Doch  löste  sich 
das  Studium  anfänglich  keineswegs  völlig  auf,  wenngleich  es  in 
Folge  des  wegen  Sancho  über  Salamanca  und  die  Diöcese  ver- 
hängten Interdictes  auf  kurze  Zeit  mag  unterbrochen  worden 
sein ''''').  Am  23.  September  1298  übersandte  Bonifaz  Vm. 
seine  Decretalensammlung  'dil.  fil.  doctoribus  et  scolaribus  uni* 
versis  Salamance  commorantibus' ^^^^).  Allein  die  Schule  war  in 
Abnahme,  und  bald  darauf  folgte  völliger  Stillstand.  Die  Pro- 
fessoren stellten  ihre  Vorlesungen  ein,  da  ihnen  das  Salarium 
nicht  bezahlt  wurde,  obgleich  die  Scholaren  noch  immer  in  Sala- 
manca sich  aufhielten  ^^''). 

^072)  Ibid.  p.  137  n.  9. 

1073)  jeh  schliease  dies  aas  Beg.  Yat.  Nico!.  lY.  an.  1.  2.  tom.  1  ep. 
328.  329  Bl.  74  a. 

io74j  Original  im  Universit&tsarchiy  zu  Salamanca  (Siegel  an  Hanf- 
Bchnur).  Der  Liber  seztas  worde  jedoch  bereits  am  3.  Mftns  veröffentlicht. 
S.  Potthast  n.  24632.  Schalte,  Geschichte  der  Quellen  H,  35  Anm.  5.  In  der 
That  wird  er  schon  auf  dem  am  19.  Mai  1298  abgehaltenen  Generalcapitel 
der  Dominicaner  zu  Mets  citiert.  Originalcodex  im  Generalarchiv  des  Or- 
dens Bl.  95  b. 

1076)  Fernando  IV.  sagt  dies  selbst  in  einem  am  7.  August  1300  er- 
lassenen Schreiben.    Memoria  1.  c.  p.  138. 


488    m.  Entwiekelnng  der  Hochscbnlen  b»  sam  Ende  des  U.  Jhs. 

SanchoB  Nachfolger  Fernando  IV.  sachte  diesem  grossen 
Uebelstande  abzuhelfen.  Schon  seit  langem  zogen  die  Gastili* 
anischen  Könige  die  sogenannte  Tertia  ecclesiamm,  mit  und 
ohne  päpstliche  Erlaubniss,  an  sich.  Bonifaz  Vm.  gestattete 
dies  später,  nämlich  am  16.  September  1301,  ausdrücklich  Fer- 
nando IV.,  für  drei  Jahre  ^®'^).  Dieser  König  bestimmte,  dass  von 
der  Tertia  ecclesiamm  des  Bisthums  Salamanca  das  Salarium 
für  die  Professoren  genommen  werde.  Das  Geld  müsse  in  der 
Schatzkammer  der  Gathedrale^^^')  aufbewahrt  werden,  und  zwar 
in  einer  Kasse  mit  drei  Schlüsseln,  von  denen  einen  der  Decan 
des  Capitels  statt  des  Bischofes,  den  andern  die  Rectoren,  welche 
die  Schlüssel  zur  Kasse  des  Universitätssiegels  hatten,  den  dritten 
die  Conservatoren  des  Studiums  besitzen  sollten.  Die  Gonser- 
vatoren,  welche  schon  einst  von  Alfonso  el  Sabio  als  die  Zahl- 
meister bestellt  waren,  müssten  von  der  Tertia  die  Magistri  und 
alle  nöthigen  Auslagen  bezahlen,  und  jedes  Jahr  dem  Decan,  den 
Doctoren  und  den  vom  Bathe  gewählten  Männern  Rechenschaft 
über  ihre  Verwaltung  ablegen""). 

Mittels  dieser  Verordnung  vom  7.  August  1300  trat  das 
Studium  zu  Salamanca  in  eine  neue  Periode.  Bis  in  die  letzte 
Zeit  blieb  die  Tertia  ecclesiamm  die  Grundlage  der  Besoldungen 
an  der  Universität  Salamanca. 

Trotzdem  war  die  Existenz  des  Studiums  noch  nicht  ge- 
sichert. Die  Verwendung  der  Tertia  ecdesiarum  für  dasselbe 
hatte  nämlich  ihr  Missliches.  Viele  Kirchen  waren  in  schlechtem 
Zustande  oder  ganz  zerstört'*");  die  Cathedrale  selbst  war  alt 
und  baufällig,  weshalb  Clemens  V.  später  am  11.  März  1310 
die  Gläubigen  aufforderte  durch  Beischaffnng  von  Cteidmittdn 
zum  Zwecke  ihrer  Restauration  beizutragen^*^).  Da  nun  jenes 
Geld,  welches  ursprünglich  fOr  die  Herstellung  und  Instand- 
haltung der  Kirchen  seine  Bestimmung  hatte,  von  den  Königen 

i<^^)  Dfts  Selureiben  ist  ediert  in  den  MemoriM  de  D.  Fenaado  lY.  de 
CasUUa  U  (Madrid  1860),  967. 

lOH)  £||  el  tesoro  de  la  see.  86  wird  noch  hentsntage  in  Portasal  die 
Calhedrale  genannt ;  in  Spanien  kam  die  Beaeichnvng  See  mehr  anaaer  Gehnmch. 

1^^)  Schreiben  vom  7.  Ang.  1300  in  Memoria  L  c  p.  138. 

im)  So  die  Chronik  AUonaoa  XL  bei  Ch«oon  p.  19. 

^^)  Reg.  Tat  an.  6  ep.  645  (bis)  BL  163. 


4.  Hochschnlen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.   Salamaaea.  489 

in  Beschlag  genommen  und  in  letzter  Zeit  theilweise  auf  das 
Studium  verbraucht  worden  war,  so  machte  sich  der  genannte 
Uebelstand  immer  mehr  fühlbar,  und  der  Gottesdienst  selbst 
musste  darunter  leiden.  Clemens  V.  führte  deshalb  die  Tertia 
wider  ihrem  ursprOnglichen  Zwecke  zu^^'^);  die  dem  Könige  von 
Bonifaz  Ym.  gegebene  Erlaubniss  war  ohnehin,  weil  der  Termin 
bereits  abgelaufen  war,  ausser  Kraft.  Dabei  ahnte  aber  der 
Papst,  weil  über  die  actuelle  theilweise  Anwendung  der  Tertia 
für  die  Besoldung  der  Professoren  nicht  gehörig  informiert  (wie 
aus  seinen  nächstfolgenden  in  dieser  Angelegenheit  erlassenen 
Schreiben  deutlich  hervorgeht)  nicht,  dass  in  Folge  seines  Man- 
dates das  Studium  zu  Salamanca  ein  harter  Schlag  treffen 
würde.  Die  Magistri  stellten  nämlich,  weil  nunme]^  ohne  Be- 
zahlung, ihre  Lectionen  widerum  ein,  blieben  aber  noch  vorläufig 
in  der  Stadt.  Diese  selbst  war  jedoch  um  das  Studium  sehr 
besorgt,  und  hielt  im  J.  1306  mit  dem  Capitel  Bath,  wie  man 
wenigstens  für  ein  Jahr  die  Summe  von  2000  maravedls  auf- 
treiben könnte,  um  die  Magistri  zu  besolden.  Das  Capitel  gieng 
auf  den  von  der  Stadt  gemachten  Vorschlag  nicht  ein,  und  so 
gerieth  das  Studium  ins  Stocken  ^^"').  Als  am  Concil  von  Vienne 
(1311—1312)  bestimmt  wurde,  es  sollten  am  Studium  der  päpst- 
lichen Curie,  sowie  an  den  Studien  zu  Paris,  Oxford,  Bologna 
und  Salamanca  zwei  Lehrstühle  für  arabische,  hebräische  und 
chaldäische  Sprache  errichtet  werden^®'*),  da  existierte,  was  man 
bisher  nicht  berücksichtigte,  das  Studium  zu  Salamanca  nicht 
mehr  und  harrte  noch  der  Widererweckung. 

Ein  an  sich  so  günstiger  Boden  wie  Salamanca  konnte  jedoch 
unmöglich  lange  ohne  ein  Generalstudium  bleiben.  Einige  Jahre 
später,  1312—1313,  wandte  sich  der  Bischof  (Peter  V.)  an 
Gemens  V.,  indem  er  ihm  vorstellte,  dass  in  SaJamanca  zwar 
ein  von  den  Königen  von  Castilien  gegründetes,  von  allen  Seiten 
her  besuchtes  Studium  bestanden  habe  und  dessen  Professoren 

1081^  Dies  erbellt  aus  einem  Docninente  im  GapitelsarchiTe  Yon  Sala- 
manca, auf  das  ich  JeUt  zn  sprechen  komme.  Vgl  auch  Aguirre,  Coli.  maz. 
omn.  ConciL  Hispaniae  (ed.  2,  Romae  1755)  Y,  234. 

108S)  Die  hierflber  ausgefertigte  Urkunde  ist  im  Capitelsarchiy  su  Sala- 
manca and  nunmehr  ediert  bei  Alejandro  Yidal  y  Dias  p.  25  f. 

i<^)  Clement.  De  magistris  5,  1. 


490    ni   Entwickelnng  der  Hocbflclialen  bis  sam  finde  des  14.  Jhs. 

aus  den  Tertiae  decimarum  besoldet  worden  wären,  dass  aber  in 
Folge  der  Einstellung  der  Besoldung  das  Studium  selbst  zu 
Grunde  gegangen  sei.  Er  bittet  den  Papst  um  Abhilfe  und 
um  Schutz  ^^'0-  Clemens  beauftragte  den  Erzbischof  von  Com- 
postella  als  Metropoliten  sich  zu  informieren,  welchen  Betrag 
in  Sqlamanca  zwei  Drittheile  der  Tertiae  ecclesiarum  jährlich 
repraesentierten,  wie  hoch  sich  ein  Drittheil  belaufe,  welche 
Summe  zur  Instandhaltung  der  Kirchen  genüge,  wie  viele  Pro- 
fessoren und  in  welchen  Facultäten  sie  dort  gelesen  hätten  und 
welches  Salarium  ihnen  bezahlt  worden  sei.  Ueber  all  dies  möge 
er  ihm  Bericht  erstatten  ^^'").  Dieser  Hess  nicht  lange  auf  sich 
warten,  und  der  Papst  selbst  hatte  mit  seiner  Antwort  Eile,  die 
am  14.  October  1313  wider  an  den  Erzbischof  von  Compostella 
gerichtet  wurde ;  sie  war  fttr  die  Hochschule  zu  Salamanca  epoche- 
machend. Nachdem  Clemens  V.  auf  die  Eingabe  des  Bischofs  von 
Salamanca  zurückgekommen  ist^®'*)  und  seinen  Auftrag  an  den 


1064)  Clemens  berichtet  dies  selbst  in  dem  Schreiben  an  den  Enbiaehof 
▼on  ComposteUa  am  18.  Mftn  1313,  Reg.  Vat.  an.  8.  ep.  210  BL  70a.  £z- 
posnit  nobis  t.  f.  n.  .  .  Salamantin.  episc.  qaod  licet  ab  olim  per  nonnoUos 
Castelle  reges  sapientie  zelatores  ad  decus  ecclesiarum  et  illominationem  fi- 
delium  eiosdem  regni  in  civitate  Salamantin.  infra  ipsios  regni  terminos 
constitata  ordinatnm  fbisset  stndinm  generale  et  demom  aoetoritate  aedis 
iqwstolice  eonfirmatnm  et  ad  bninsmodi  studiom,  qaod  ibi  per  longa  tempo- 
mm  spatia  Tignisae  dinoscitar  propter  aptitudinem  loci  et  fertilitatem  ric- 
tualiom  copiosamqoe  babebator  ibidem,  de  diversis  mondi  partibns  magistro- 
mm  et  scolarium  moltitudo  concorreret,  postmodum  tarnen  dictis  regibns 
qni  ex  tertüs  decimamm  civitatis  et  districtns  Salamantin.  qnarom  pereep- 
tionem  annnam  eis  dicte  sedis  anctoritas  ad  certom  tempos  dodom  elapsom 
concesserat  gratiose  magistria  eisdem  de  certis  salariis  proridebant,  ab  ipeo- 
nun  salarionun  solntione  cessantibos  prefatom  stodinm  dinoscitar  deüsciiae. 
Cbacon  kannte  diese  BaUe  nicht,  natflrlicb  ebenso  wenig  die  Späteren. 

10«)  Reg.  Vat  L  c. 

1086)  Beg.  Yat.  an.  8  ep.  670  Bl.  225 :  Dadam  oblata  nobis  t.  1  n. 
Petri  episcopi  Salamantin.  petitio  oontinebat,  qaod  licet  ab  olim  de  tertiis 
deeimarom  civitatis  et  dioc.  Salamantin.  magistris  et  doctoribas,  qui  in  di- 
▼ersis  üacnltatibas  in  civitate  ipsa,  abi  tone  vigebat  stadiom  generale,  rege- 
bant,  certa  ministrarentar  salaria  ad  boc  eis  specialiter  depatata,  demom 
tarnen  qoia  fderat  ab  baiasmodi  salarii  solatione  cessatam  nee  aliqni  babe- 
bantnr  redditos  ex  quibas  dictis  magistris  baiasmodi  possent  salaria  ministra- 
ri,  prebtam  Stadium  in  civitate  ipsa  in  non  modicum  totius  patrie  detrimen- 


4.   Hocilschiileii  mit  kaiserl.  oder  königl.  StiftMefen.   Salanaaca.  491 

Erzbischof  von  Compostella  und  dessen  Bericht  erwähnt  hat, 
▼erordnet  er,  dass  letzterer  auf  einem  Provincialcondl  ein  Drit- 
theil der  Tertiae  ecclesiarum  4n  salaria  magistromm  et  doctomm, 
qnos  in  decretis,  decretalibns,  legibus,  medicina,  logiealibus  et 
grammaticalibus  et  musica  regere  ac  docere  pro  tempore  in 
dicta  dyitate  contigerit  usque  ad  beneplacitum  sedis  apostolice 
convertendam'  anweise.  Von  den  Bischöfen  mflssten  verlässliche 
Männer  gewählt  werden,  welche  ohne  etwas  für  sich  zurückzubehalten 
den  Professoren  die  bestimmte  Summe  exact  auszahlen  sollten*®*'). 
Die  Universität  Salamanca  war  nun  fOr  immer  befestigt. 
Hatten  gleichwohl  unter  dem  Gegenpapste  Benedict  Xm.  und 
unter  Martin  V.  an  derselben  durchgreifende  Reformen  statt, 
so  wurde  die  Existenz  derselben  doch  nie  mehr  unterbrochen. 
Am  2.  December  1333  verordnete  Johann  XXn.  auf  die  Eingabe 
'rectorum  universitatis  doctorum  et  scolarium  studii  civitatis 
Salamantin.  ac  ipsius  universitatis  et  consilii  civitatis',  dass 
der  Scholasticus  eccles.  Salamant  die  ^licentia  regendi  ubique 
ac  insignia   huiusmodi   et  honorem'  ertheilen  solle  ^®*').     Hier^ 

tum  eztiterat  derelictum.  Ich  citiere  dies,  weil  Ghacon  p.  20,  und  in  Folge 
davon  Vidal  y  Diaz  p.  27  einen  fehlerhaften  und  unverständlichen  Text  an- 
ftlhren.  Beide  wie  auch  Agnirre  geben  die  falsche  Jahrzahl  1312  an,  nnd 
setzen  das  oben  zu  erw&hnende  Concil  von  Salamanca,  wie  auch  Mansi  XXY, 
522  nnd  Hefele  VI,  494,  ansUtt  in  das  Jahr  1313  in  das  Jahr  1312. 

1087)  iteg.  Tat.  an.  8  ep.  670  1.  c.  Diese  wichtige  Bnlle  theilte  spater 
am  7.  Blai  1324  Johannes  XXII.  dem  Erzbischof  von  ComposteUa  noch  ein- 
mal mit|  da  dieser  bemerkte,  dass  die  Litterae  Clemens  Y.  'non  possint  in 
Ulis  partibus  reperiri'.  Reg.  Tat.  Comm.  an.  8  p.  1  ep.  989  Bl.  323  b,  wider- 
holt in  Reg.  Yat.  Secret  an.  8.  ep.  400  Bl.  87  a.  Auch  Benedict  XIII.  nnd 
Martin  Y.  bestätigten  Clemens  Y.  Bestimmungen.  Interesse  bietet  es,  dass 
im  p&pstlichen  Schreiben  wider  alle  jene  Lehrfächer  genannt  werden,  welche 
einst  der  Magna  Charta  Alfonsos  el  Sabio  zufolge  in  Salamanca  ihre  Yertre« 
tnng  haben  sollten.  Dies  beweist,  dass  man  von  der  ursprünglichen  Organi- 
sation nicht  abgegangen  war  nnd  auch  nicht  abgehen  wollte. 

1088J  Beg.  Yat  Comm.  an.  18  p.  1  ep.  248.  Yidal  y  Diaz  macht  p.  29 
ans  dieser  6inen  Bnlle  zwei  verschiedene  SchreibeUi  dnrch  Miasverständnisi 
des  Textes  bei  Chacon  p.  24.  Obige  Bulle  auch  im  Universitätsarchiv  in 
Salamanca  (Siegel  an  Hanfschnur).  Am  30.  Juni  1340  gewährte  Benedict  XII. 
hnagistris  et  scolaribus  studii  Salamantin.'  fflr  6  Jahre  Dispens  von  der  Be- 
sidenzpflleht  Reg.  Avenion.  tom.  7.  Bl  243  b.  Diese  Privilegien  wurden 
von  Zeit  zu  Zeit  aufgefrischt,  so  z.  B.  von  Clemens  YL  am  30.  Juni  1347. 
Beg.  Avenion.  tom.  43  Bl.  121. 


492    ni.   Entwickeliiiig  der  Hochschulen  bis  lam  Ende  des  14.  Jhs. 

mit  wurde  nicht  nur  die  von  Alexander  IV.  erlassene  Be- 
stimmung mehr  praecisiert,  sondern  die  Promovierten  konnten 
nun  überall,  also  auch  in  Paris  und  Bologna,  die  Alexander  IV. 
noch  ausgenommen  hatte,  ihr  Lehramt  ansahen.  Die  Theo* 
logie,  welche  nicht  im  ursprünglichen  Plane  lag  und  deren 
Vertreter  im  16.  und  17.  Jh.  Aller  Augen  nach  Salamanca 
lenkten ^^'^),  wurde  dort  früher  gelehrt,  als  man,  ich  will  gar 
nicht  sagen,  heute,  sondern  selbst  im  16.  Jh.  in  Salamanca  ge- 
wusst  hat^®*®).  Bereits  im  J.  1355  kommt  ein  Professor  der  Theo* 
logie  am  Studium  vor^^^Oi  und  noch  unmittelbar  vor  Benedict  Xm. 
finden  wir  in  Salamanca  Studierende  derselben^^*').  Allein,  sie 
war  damals  schwächer  als  andere  Fächer  vertreten.  Erst  Bene- 
dict xm.  hat  das  Studium  derselben  16.  März  1416  organisiert^''*'), 
Martin  V.  aber  20.  Febr.  1422  reorganisiert.  Dieser  Papst  gal> 
auch  der  Universität  an  dem  gleichen  Tag  die  lange  Zeit  hin- 

1089)  icii  gage  dies  trotz  Döllingen  pessimistischer  Ansicht  Aber 
Spanien.  S.  die  Festrede  am  85.  Jali  1884  in  der  BeiL  i.  Allgem.  Ztg, 
1884  n.  210. 

^^  Baoes  i.  B.  meint  in  2.  2.  qn.  1.  a.  7  DubUakur  secundo:  NoTimas 
etiam  ex  narratione  patnim,  in  schola  Salamantina  imo  in  tota  Hispania 
abhinc  annos  sexaginta  minus  peritos  foisse  scholasticos  Theologos,  donec 
gloriosae  memoriae  f.  Franciscus  de  Victoria,  qni  foit  nostri  ordinis  insigeis 
magister,  scholasticam  doctrinam  viva  voce  velnt  alter  Socrates .  .  .  mnstra- 
▼it  .  .  Ab  hinc  annos  fere  centom  septuaginta  nondom  erant  Salmanticae  sa» 
crae  theologiae  gymnasia  dedicata.  Quamyis  enim  sub  rege  Alfonso  hi^us  no- 
minis  nono  anno  Dom.  1234  hanc  sacram  uniyersitatem  initiam  haboisse  no- 
tam  dt,  tarnen  nsque  ad  annum  Domini  1416  in  pnblicis  scholis  nondam  erant 
pro  sacrae  Theologiae  praeceptoribas  stipendia  publica  designata»  donec  som- 
mns  Pontifex  Benedictns  Xni  primas  instituit  Theologiae  cathedras.  Bis 
auf  die  letzte  Zahl  sind  alle  flbrigen  falsch. 

^^^)  So  in  dem  in  diesem  Jahre  an  Innoceni  VI.  eingegebenen  Botu* 
las  (Beg.  Snppl.  an.  8  p.  2  Bl.  77>  Der  Professor  heisst  Fr.  Didacos  Lnpi 
Ord.  Hin.,  magister  in  Äeologia,  regens  cathedram  theologicam  ora  prime 
in  dicto  stndio.  Die  allgemeine  Ansicht,  die  auch  De  la  Fuente  unter  an- 
derm  in  La  ensellanza  tomistica  en  Espaoa  (Madrid  1874)  p.  22  Torbreitete, 
bedarf  also  der  Gorrector. 

^^  In  dem  1898  an  Clemens  VII.  eingegebenen  Botnlns  wird  ein 
studens  in  studio  Salamantino  in  sacra  theologia  erwähnt. 

i<ws)  lieg.  Tat  (n.  828)  Bl.  389  b.  Original  im  üniyersit&tsarchi?  sn 
Salamanca  (Siegel  an  Seidenschnnr).  Der  Papst  errichtet  'qoataor  cathedra, 
in  quibus  de  fitcnltate  theologie  cnrsni  necessarios  fiM^iendo  legatur'. 


4.   HochBchnleii  mit  kalserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.   Salamanca.  493 

durch  geltende  Constitution  und  stellte  derselben  das  Zeugniss 
aus,  dass  sie  als  ^unum  de  quatuor  orbis  generalibus  studiis  ex 
dispositione  Apostolica  in  regione  Ispanica  celebri  fama  re- 
splendet' ^^^O)  n^it  welchen  Worten  er  auf  die  oben  citierte  Be- 
stinunung  des  Concils  von  Yienne  anspielte. 

So  waren  die  Gastilianischen  Könige  die  Gründer  der  Uni- 
versität Salamanca,  die  Päpste  aber  deren  Beformatoren  und 
eifrigste  Beschützer,  wenngleich  auch  die  Könige  nicht  unterliessen, 
in  die  Fusstapfen  ihrer  Ahnen  zu  treten^"**).  Nicht  umsonst 
führt  das  Universitätssiegel  bis  in  die  neueste  Zeit  das  päpst- 
liche Wappen.  Nach  den  Universitäten  Paris  und  Montpellier 
wandte  sich  kaum  eine  andere  so  oft  an  die  päpstliche  Curie, 
um  für  einzelne  Mitglieder  Begünstigungen  zu  erhalten  ^®**).  Der 
im  J.  1393—1394  an  den  Gegenpapst  Clemens  VII.  eingesendete 
Rotulus'®*0  z&hlt  unter  anderm  3  legum  doctores  und  3  decre- 
torum  doctores  regentes  auf,  und  überdies  noch  2  decretorum 
doctores,  die  nicht  regentes  waren,  2  licentiati  in  decretis  als 
regentes  cathedram  decretalium  und  einen  als  regens  cathedram 
decretorum,  zwei,  qui  scolas  grammaticales  rexerunt,  20  bacca- 
laurei  theils  in  legibus  theils  in  decretis,  73  Scholaren  beider 
Bechte,  einen  Theologie-Studierenden  und  mehrere  Artisten.  Voll- 
ständiger und  interessanter  ist  der  1355  an  Innocenz  VI.  über- 
schickte Botulus.  Es  werden  genannt  1  Magister  der  Theo- 
logie^®*'),  8  doctores   decretorum,   von   denen  zwei  cathedram 

i094j  Original,  prächtig  erhalten,  im  Universit&tsarchiY  lu  Salamanca. 
Im  Dmcke  wurde  die  Constitution  in  38  Abschnitte  eingetheilt,  i.  B.  in  den 
Constitationes  1.  c,  in  denen  (Const  81)  p.  56  obige  SteUe  sich  findet. 

i<^)  S.  die  fernem  königUohen  Docomente  in  Memoria  1.  c. 
p.  139 £ 

1096)  Ich  win  hier  nnr  einige  Fftlle  ans  der  Zeit  Clemens  VI.  dtieren. 
Beg.  Soppl.  an.  1.  p.  2  BL  34b;  an.  2  p.  1  BL  77  a  (im  iweiten  Theil);  p.  2. 
Bl.  215.  228b;  an.  4.  p.  2.  BL  81a.  127b.  an.  5  p.  1.  Bl.  123b;  p.  3.  Bl.  IIa. 
94b;  an.  6  p.  1.  Bl.  46  n.  s.  w.  In  der  Begel  werden  die  Suppliken  mit 
'Rectores  doctores  magistri  totaque  nniversitas  scolariom*  eingeleitet. 

1097)  £eg.  Snppl.  an.  16  Bl.  233.  Die  legnm  doctores  hiessen  Fernando 
ICartini,  Lappos  Roderici,  Petras  Femandi;  die  8  Canonlsten:  Johannes 
Qunni,  QundisalTO  Sancii|  Johannes  Martini.  Ein  anderer  kOnerer  Rotnlas 
steht  im  Reg.  SuppL  Clem.  VII  an.  14  p.  2.  BL  250b. 

1098)  s.  oben  Anm.  1091. 


494    HL  Entwickelnng  der  Hodtfchideii  bis  goiii  Ende  def  14.  Ab. 

canonum  (hora  prime  und  hora  yesperorum)  rexenmt  und  einer 
cathedram  decretorum  (hora  prime);  2  doctoreß  legam  (einer 
von  ihnen  war  regens  cathedram  canonum  hora  vesperorum), 
2  licentiati  in  legibus  und  1  in  jure  can.,  3  baccalaorei  regentes 
in  decretis,  und  1  in  legibus  (regens  cathedram  hora  Tesperorum; 
zur  Primzeit  las  der  Doctor),  und  überdies  10  baccalaurei  in 
decretis  und  1  in  legibus;  zwei  Baccalarei  die  in  grammatica- 
libus,  und  einen  der  in  logicalibus  las.  Femer  erscheinen  2 
magistri  in  musica  dicti  studii,  179  Scholaren  des  Rechts,  meist 
des  canonischen,  und  über  130  Scholaren  in  grammaticalibus, 
logicalibus  und  andern  Fächern.  Den  Botulus  erOffliet  Velasco 
Sancii  rector  dicti  studii  nationis  CasteUanorum  studens  per  sex 
annos  in  jure  canonico '^*^).  Ausnahmslos  werden  jedoch  nur 
Spanier  und  ein  paar  Portugiesen  erwähnt. 

Yerhältnissmässig  spät,  und  später  als  in  L6rida,  dachte 
man  in  Salamanca  an  die  Stiftung  eines  Gollegs  fOr  arme  Scho- 
laren* Erst  der  Bischof  von  Salamanca  und  nachmalige  Erzbischof 
von  Sevilla,  Diego  de  Anaya  Maldonado  schritt  Anfangs  des 
15.  Jhs.  (1401)  zur  GrOndung  eines  solchen.  Es  wurde  colle- 
gium  8.  Bartholomei,  und  später,  als  die  zahlreichen  CoUegien 
auf  jenem  fruchtbaren  Boden  entstanden  waren,  Golegio  yiejo 
oder  auch  Golegio  major  de  S.  Bartolom6  genannt  Benedict  XIII. 
und  Martin  Y.  (22.  März  1418)  anerkannten  die  Stiftung'''''''). 
Unter  allen  CoUegien  Salamancas  besass  dieses,  soweit  ich  in  Er- 
fahrung bringen  konnte,  die  reichste  Bibliothek  an  (meist  theolo- 
gischen und  philosophischen)  Hss.'^^^),  die  nunmehr  fast  voll- 
ständig erhalten  einen  Hauptbestandtheil  der  Biblioteca  del  rey 
n.  SeSor  (Priyatbibliothek  des  Königs)  zu  Madrid  ausmachen. 

1099)  £eg.  Soppl.  Innocent.  YL  an.  3  p.  2  Bl.  77.  Der  Bector  war 
archidiaconus  de  Galdellis.  Die  decretorum  doctores  waren  Martinas  Garssie, 
cantor  Salamant,  Johannes  Sancii,  Amaldos  BonaldL  Die  legum  doctores: 
Bertrandns  Bertrandi  nnd  Bodericus  Alyari. 

iw»*)  8.  Reg.  Vat.  Mart.  V.  (n.  852)  Bl.  104b. 

^00)  8.  den  Catalog  derselben  (sowie  die  Geschichte  des  CJoüegs)  bei  Jos. 
de  Boxas  j  Gontreras,  Historia  del  colegio  viQJo  de  san  Bartolom^,  mayor  de 
la  c^lebre  unlTorsidad  de  Salamanca  (Madrid  1766—1770,  3  Tol.)  III,  808—341. 
Im  ersten  Bande  befindet  sich  die  Ton  Boiz  de  Yergara  zn  Madrid  1661 
pablicierte  Yida  des  Stifters.  —  Eine  üebersicht  der  Terschiedenen  CoUegien 
Salamancas  ?om  An&nge  des  15.  Jhs  an  bietet  Alcjandro  Yidäl  y  Dias  p.  289  ff. 


4.   Hoclischalen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stiftbriefen.   Sevilla.    495 


Als  Dependence  zur  Universität  Salamanca  ist  das  General- 
studiom  zu  Sevilla  zu  betrachten.  Allerdings  datiert  die  spätere 
Universität  Sevilla  erst  aus  dem  Anfange  des  16.  Jhs.,  allein 
längst  vorher  war  dort  ein  in  seiner  Art  einziges  Generalstudium, 
und  zwar  gestiftet  von  demselben  König,  der  als  der  zweite 
Gründer  der  Universität  Salamanca  angesehen  werden  muss, 
nämlich  von  Alfonso  el  Sabio.  Wenn  ich  sagte,  dass  dieses 
Generalstudium  einzig  in  seiner  Art  war,  so  ist  dies  in  Bezug 
auf  den  Zweck  jenes  Studiums  und  die  dort  gelehrten  Fächer 
zu  verstehen.  Es  wurde  nämlich  nur  fttr  Latein  und  Arabisch 
gegründet  und  verfolgte  mehr  Missions-  als  andere  Zwecke. 

Alfonsos  Gedanke  war  nicht  neu.  Bereits  vor  1254  hatten 
die  Dominicaner  dieselbe  Idee  ins  Werk  gesetzt.  Sie  gieng  von 
Baymund  von  Penafort  und  vom  Ordensgeneral  aus,  welche,  um 
die  Ordensgenossen  für  die  Missionen  unter  den  Mauren  und 
Juden  zu  befähigen,  Sprachenschulen  errichteten  ^^^^),  und  zwar 
mit  Unterstützung  der  Könige  von  Gastilien  und  Aragon  ^^®'). 
Im  J.  1250  wurde  auf  dem  Provincialcapitel  zu  Toledo  bestimmt: 
volentes  satisfacere  mandato  magistri  et  attendentes  utilitatem 
negotii  in  presenti  et  maxime  in  futurum  .  .  .  assignamus  ad 
Studium  arabicum  ...fr.  Amaldum  etc.  (es  werden  8  Brüder  auf- 


1101)  Von  Raymond  von  PeSafort  berichtet  dies  Peter  Marsilio  in  seinen 
Cronice  iUnstrissimi  regis  Aragonom  Jacobi  L,  die  von  ihm  1314  in  der 
Kirche  der  Dominicaner  lu  Valencia  Jacob  IL  überreicht  werden.  Die  ein- 
lige  Hs.  (soweit  mir  bekannt)  ist  in  der  Universit&tsbibl.  eu  Barcelona  I.  2. 
22.  Leider  ist  der  Schloss,  und  mit  demselben  das  im  Index  angezeigte 
c.  47  des  4.  Buches  (de  felici  obitu  ven.  fr.  R.  de  Peüafort)  weggerissen; 
dasselbe  ist  uns  aber  in  Diagos  Historia  de  la  vida  di  s.  Baimondo  de  Pen« 
nafort  (Barcelona  1601)  erhalten.  Es  heisst  dort:  Studia  lingnanim  pro  fra- 
tribos  soi  ordinis  Tonicii  et  Morcie  statoit,  ad  qae  fratres  Cathalanos  elec- 
tos  destinari  procnra?it  —  üngenflgend  unterrichtet  zeigt  sich  hier  Donais, 
Essai  snr  l'organisation  des  Stades  dans  l'ordre  des  frhren  Prdcheors  p.  135. 

1109)  So  in  der  ältesten  Vita  Raymonds  von  PeSafort:  Cnm  licentia  ma- 
gistri ordinis  et  cum  aoxilio  D.  regis  Castille  et  D.  regis  Aragonnm  Studium 
lingne  arabice  iBeri  procurayit,  in  quo  Tiginti  fratres  Ord.  Pred.  Tel  plores 
in  lingua  illa  per  ipsins  diligentiam  sunt  instructi.  Hs.  I.  3.  22  in  der 
Uniyersit&tsblbUoth.  zu  Barcelona  (14.  Jh.);  ed.  vonPeSa,  Roma  1601  p.  59. 


496    ni.   Entwickelang  der  Hochsehalen  bis  snm  Ende  des  14.  Jhs. 

gezählt).  Predictum  autem  fratrem  Arnaldum  assignamus  aliis  in 
prelatam.  Nameram  aatem  duodenarium  complebimus  quantocius 
poterimas  deo  dante^^^').  Daraus  geht  herror,  dass  der  Auftrag 
vom  Ordensgeneral  (damals  Johannes  Teutonicus)  herrührte. 
Es  blieb  nicht  bloss  bei  der  Bestimmung,  es  wurde  auch  eine  ara- 
bische Schule  errichtet.  Der  beste  Beweis  hiefOr  ist  Baymund  Mar- 
tini, der  unter  jenen  8  Brüdern  genannt  wird,  welche  für  das  Stu- 
dium der  arabischen  Sprache  bestimmt  wurden,  und  der  sowohl  in 
dieser  als  auch  in  der  chaldäischen  und  hebräischen  Sprache 
enorme  Fortschritte  gemacht  hatte  ^^®^).  Mehr  Schwierigkeit  bietet 
die  Frage,  wo  anfänglich  jene  Schule  existiert  hat  Marsilio 
zufolge  wäre  sie  in  Tunis  und  Murcia  gewesen.  Für  die  spätere 
Epoche  ist  dies  gewiss.  Ob  aber  auch  früher?  Murcia  wurde  erst 
1265  von  König  Jacob  I.  erobert.  Aus  dieser  Zeit  stammt  auch 
die  erste  Niederlassung  der  Dominicaner  in  jener  Stadt  ^'^*), 
deren  Convent  in  den  Jahren  1270  und  1272  königliche  Privi- 
legien  erhielt  ^^°').      Gegen    Tunis    scheint    die    Thatsache    zu 

iios)  Copie  im  GenezalarchiT  des  Ordens  yon  Chrisüaaopoli  im  J.  1750 
für  den  2.  Band  der  Annalen  in  Spanien  angefertigt  (Tgl.  aach  Qa6tif- 
Echard,  SS.  Ord.  Praed.  I,  396).  Das  Original  lag  im  OrdensarchiT  in  Valencia, 
das  dann  mit  den  übrigen  Ordensarchiven  in  das  Archiyo  historico  nacional 
nach  Madrid  kam.  Im  Fascikel  n.  211,  wo  obiges  Docoment  sich  finden 
mOsste,  ist  es  jedoch  nicht  mehr. 

^^)  Graeti,  Geschichte  der  Juden  YIl,  136  Iftsst  dem  berühmten  Do- 
minicaner YoUe  Gerechtigkeit  widerfahren,  und  meint,  er  sei  der  erste  Christ 
geweseni  der  noch  gründlicher  als  der  hl.  Hieronymos  das  Hebräische  ver- 
standen habe.  Darüber,  dass  Baymund  Martini  arabisch  konnte,  was  Benan, 
Averroes  et  l'ATerroisme,  3.  M.  p.  247  Anm.,  dahin  gesteUt  sein  Iftsst, 
besteht  kein  Zweifel  mehr,  indem  er  ja  (1250)  zuerst  in  der  arabischen 
Sprache  Unterricht  genoss.  Ueberdies  sagt  Peter  Marsilio  L  c.  lib.  4.  c.  25 
yon  ihm  •  .  .  Erat  frater  iste  dignos  memoria  fr.  Raymondus  Martini  per* 
sona  multom  dotata,  clericos  mnltom  snfficiens  in  latino,  philosophos  in 
arabico,  magnns  rabinns  et  magister  in  hebraico,  et  in  lingua  chaldüca 
mnltum  doctns,  qoi  de  Sobiratis  orinndns  nednm  regi,  Temm  a  LndoTico 
regi  franoonun  et  illi  bono  regi  Tnnicensi  carissimns  et  fiuniliarissimng 
habebatnr  etc. 

u<^)  Nach  Notiien  im  Generalarchiy  des  Ordens.  Z&rate,  De  la  in- 
stmcciön  pübUca  en  EspaSa  Ü,  196,  yerwechselt  die  spanische  Aera  mit  dem 
annus  Christi 

U06)  CascaleSyDiscnrsoshistoricos  deMnrciai  snreino.Mnrcial621,BL268f. 


4.   Hochschulen  mit  kaiBcrl  oder  kOnigl.  Stiftbriefen*   SctüUl     4Q^ 

sprechen,  dass  erst  27.  Juni  1256  der  Qenerai  der  Dominicaner 
von  Alexander  lY.  beauftragt  wurde,  dorthin  Brüder  zu  senden  '^^'). 
Das  Generalarchiv  des  Ordens  liess  mich  hierüber  im  Stiche. 
Mag  es  nun  um  den  Ort  was  immer  fOr  ein  Bewandtniss  haben, 
so  ist  doch  das  eine  sicher,  dass  sich  die  Schule  mitten  unter 
den  Mauren  befand,  und  dass  diese  anfänglich  die  Lehrmeister 
der  Brüder  waren.  Ersteres  werden  wir  alsbald  aus  einem 
Schreiben  Humberts  erfahren,  letzteres  wird  durch  die  älteste 
Vita  Baymunds  von  Penafort  gewiss"®*). 

Eifrig  um  das  Studium  der  orientalischen  Sprachen  besorgt 
war  der  General  der  Dominicaner  Humbert.  In  einem  1255 
vom  Generalcapitel  zu  Mailand  aus  an  den  Orden  erlassenen 
Schreiben  spricht  er  von  der  Aufgabe  desselben  unter  den  Un- 
gläubigen. Dieser  Aufgabe  stünden  aber  zwei  Dinge  im  Wege, 
^defectus  linguarum,  quibus  addiscendis  vix  frater  aliquis  vult 
vacare',  und  ^amor  solis  natalis'.  Er  fordert  nun  jene  Brüder, 
welche  sich  bereit  erklären  'ad  linguam  arabicam,  hebraicam, 
grecam  seu  aliam  barbaram  addiscendam'  und  in  die  fremden 
Länder  zu  gehen,  auf,  sich:  bei  ihm  zu  melden"®*).    In  einer 

"W)  RipoU,  BuU.  Ord.  Praed.  I,  309. 

1106)  Molti  eorom  (Sarazenomm)  precipae  sapientes  dispositi  sont  ad 
Biucipiendam  fidei  catholice  veritatem  et  magistri  fratrnm  in  liogna  sc. 
arabica  fereomnes  per  ipsornm  indastriam  stmt  conversi.  Cod.  cit  in  Bar- 
celona. In  PeSas  Ausgabe  ist  gerade  das  entscheidende  Wort  'fratnim'  ans- 
gelassen.  Zu  diesen  Convertiten  gehörte  wohl  Paul  Christian].  Dass  man 
üngl&abige  als  Sprachlehrer  nahm,  war  etwas  ganz  Gewöhnliches.  Noch  im 
J.  1803  bestimmte  das  Capitel  der  Dominicaner  der  Proyinz  Aragon  zu  Va- 
lencia, nachdem  es  den  fr.  Peter  Scarramati  zum  Lector  der  hebrftischen 
Sprache  erwfthlt  hatte:  Ordinamns  insnper  et  mandamns  priori  Xatiyensi, 
qnod  conducat  et  habeat  nnum  jadenm  qm  etiam  in  arabico  sit  instmctus, 
Tel  aliqoem  Sarracenam,  at  simnl  cum  dicto  fr.  Petro  legat  ibidem.  Hs.  YIU. 
2.  45  in  der  ünirersitätsbibl  zu  Barcelona.  In  Xatira  (nicht  'Zatina',  wie 
es  bei  Douais  1.  c.  p.  138  resp.  Martine,  Thes.  nor.  anecd.  IV,  1849  heisst; 
im  Originaicodex  des  Generalarchivs  des  Ordens  steht  *Sati?a.'  BL  88a) 
wnrde  n&mlich  in  Folge  eines  Beschlusses  des  Oeneralcapitels  Tom  J.  1291 
für  Catalonier  ein  Studium  in  hebraico  et  arabico  errichtet.  Bicoldus  de 
Montecrucis  gieng  nach  Bagdad,  um  dort  die  arabische  Sprache  zu  erlernen, 
wie  er  in  der  Einleitung  seiner  Schrift  gegen  den  Alcoran  sagt.  Hs.  in  der 
CapitelsbibL  zu  Oriedo.    S.  auch  oben  S.  15. 

1109)  Bei  Martine,  Thes.  noT.  anecd.  IV,  1708. 

DtnifU,  DU  UniTtniateB  L  32 


498    ni.  Entwickelnng  der  Hochsehalen  bis  mm  Ende  des  14.  Jhs. 

im  nächsten  Jahre  vom  Generalcapitel  zu  Paris  an  den  Orden 
gerichteten  littera  konnte  er  melden,  dass  viele  seinem  Wunsche 
entsprochen  hätten.  Bei  dieser  Gelegenheit  erfahren  wir  die  interes- 
sante Thatsache,  dass  die  Brüder  in  Spanien,  ^qui  jam  mnltis 
annis  inter  Sarracenos  in  arabico  studuemnt,  non  solum  lau- 
dabiliter  in  hac  lingua  profecerunt,  sed  quod  est  laudabilios, 
ipsis  Sarracenis  ad  salutem  cedit  cohabitatio  eonmdem'"^'). 
Diese  Worte  bieten  nicht  bloss  eine  Bestätigung  dessen,  was 
wir  bereits  aus  andern  Quellen  wissen,  sondern  zugleich  einen 
überraschenden  Aufechluss  über  den  Aufenthalt  der  Brüder  zum 
Zwecke  der  Erlernung  der  arabischen  Sprache  unter  den 
Mauren.  In  diesem  Umstände  sowie  in  der  Schwierigkeit  des 
Erlemens  der  arabischen  Sprache  hat  eine  Bestimmung  des 
Provincialcapitels  zu  Saragossa  vom  J.  1257  ihren  Grund,  mittels 
welcher  die  Brüder  der  Provinz  ermahnt  werden,  ^quod  habeant 
negotium  arabicum  commendatum\  und  die  Prioren  beauftragt 
wurden,  'quod  moneant  fratres  frequenter  in  capitulis  orare  pro 
fratribus  huic  negotio  assignatis' ""). 

Dies  sind  die  Praecedentien  von  Alfonsos  Stiftung  in  Sevilla, 
wobei  nicht  bloss  der  König  von  Aragon,  sondern  auch  der  von 
Gastilien  auftreten,  wie  wir  oben  aus  der  Vita  Baymunds  von 
Penafort  ersahen.  Die  Vorgeschichte  ist  jedoch  ruhmreicher  als 
Alfonsos  Stiftung.  Am  28.  December  1254  erliess  Alfonso  ein 
Schreiben,  mit  welchem  er  ein  Generalstudium  im  Lateinischen 
und  Arabischen  errichtet"^').  Allerdings  gibt  er  ganz  andere 
Gründe  für  die  Stiftung  an,  als  jene  die  ich  oben  angeführt  habe. 
Er  will  eine  der  ersten  Städte  Spaniens,   wo  sein  Vater  Fer- 


uio)  Dieses  Schreiben  findet  sich  nicht  in  der  von  Bernard  Goidonia 
besorgten  Recension  der  Generalcapitel  des  Dominicanerordens,  und  folglich 
auch  nicht  bei  Martdne-Durand.  Es  steht  aber  in  der  Tiel  Altern  Becension, 
Ton  der  ich  oben  8.  HO  Anm.  287  nnd  8.  348  Anm.  533  gesprochen  habe, 
Bl.  19. 

i^^i)  Gopie  des  Ghristianopoli.    8.  oben  Anm.  110.^ 

^^)  Memorial  histörico  espaSol  I  (Madrid  1S51)|  54:  Gtorgo  qne  aia 
hl  estndios  6  escaelas  generales  de  latin  6  de  arabigo.  Vgl.  aac)i  Diago 
Ortia  de  ZuBiga,  Anales  eclesiasticos  y  secolares  de  la  mny  noble  cindad  de 
8eTUla  I  (Madrid  1795),  205  f.  Er  rerlegt  das  Schreiben  irrig  anf  18.  De- 
cember 1256.    Es  ist  aasgestellt  28.  Dec.  1292  der  Aera. 


4.  Hochschalen  mit  kaiserl.  oder  königl.  Stifthriefen.    L^rida.    499 

dinand  begraben  liege,  heben  nnd  sie  durch  Gründung  einer 
Lehranstalt  und  den  dadurch  zu  erwartenden  Zusammenfluss  yon 
Studenten  mehr  bevölkern.  Indess  beziehen  sich  diese  Motive 
nur  darauf,  warum  er  gerade  in  Sevilla  ein  Generalstudium  er- 
richtet, nicht  aber  auf  den  Zweck,  warum  er  dasselbe  im  Latei- 
nischen und  speciell  im  Arabischen  anordnet.  Und  dieser  war 
nicht  allein  der,  dass  die  Christen  mit  den  Mauren  leichter  ver- 
kehren konnten,  sondern  auch  jener,  fiir  den  bereits  sein  Vater  oder 
er  selbst  bei  Gründung  der  arabischen  Schulen  der  Dominicaner 
gearbeitet  hatte.  Wie  Alfonso  es  für  Salamanca  gethan  hatte, 
so  bestimmte  er  nun  auch  für  Sevilla,  dass  die  Professoren  und 
Scholaren  unbehelligt  reisen  könnten,  frei  von  Abgaben  und 
gegen  jede  Gewaltthat  geschützt  seien.  Am  21.  Juni  1260  be- 
willigte Alexander  IV.  für  drei  Jahre,  dass  die,  welche  am 
^generale  litterarum  Studium*  sich  aufhielten,  von  der  Besidenz- 
pflicht  dispensiert  wären  "'')•  ^it  Unrecht  schliesst  Zuniga  daraus, 
dass  nun  alle  Wissenschaften  in  Sevilla  gelehrt  worden  sind. 

Das  ist  alles,  was  ich  über  dieses  Generalstudium  finden 
konnte.  Es  musste  um  so  mehr  niedergehen,  als  Salamanca 
selbst  später  dieselbe  Gefahr  drohte  und  mehrere  Generalstudien 
zu  unterhalten  den  Königen  zu  kostspielig  kam. 

LMda. 
In  Gatalonien  und  überhaupt  in  Aragon  war  die  erste  wirklich 
in  Ausführung  gekommene  Universität  jene  zu  L^rida.  Sie  ist  in 
mehr  als  einer  Beziehung  interessant,  besonders  wegen  ihrer  Sta- 
tuten. Ueber  keine  andere  spanische  Universität  sind  wir,  was 
die  Gründung  anbelangt,  so  gut  unterrichtet,  als  über  L6rida, 
obwohl  man  in  Deutschland  von  dieser  Universität  kaum  Notiz 
genommen  ^^^^),  ja  in  der  Regel  nicht  einmal  den  Namen  ge- 
nannt hat  Ein  Mangel  ist  allerdings  der,  dass  keine  Mono- 
graphie über  sie  existiert""). 

U13)  Memorial  histörico  I,  163.  11.  kaL  Jal.  an.  6. 

uu)  Den  Herren  Savigoy  und  Stein  waren,  so  Bcheint  es,  alle  Bpaniflehen 
tJniferait&ten  epanische  Dörfer.  Höchst  ungenügend  ist  die  DarsteUong  Aber 
Urid%  in  Schäfers  Gesch.  von  Spanien  III,  497.  Liess  er  doch  die  Doca- 
mente  bei  ViUanueva  ganz  nnberücksichtigt. 

^^^)  Rooo  y  Florejachs  in  L6rida  schrieb  eine  preisgekrönte  Memoria 

82* 


500  .  nit  Entwickelang  der  HochBchnlen  bis  zom  Ende  des  14.  Jhs. 

Im  J.  1300  gab  Jacob  11.  von  Aragon  dem  Papste  Bo- 
nifaz  Yin.  seine  Absicht  kund  in  irgend  einer  Stadt  seines  Kel- 
ches ein  Generalstudium  zu  gründen.  Der  Papst  ivar  einverstanden, 
wie  er  in  dem  Schreiben  vom  1.  April  genannten  Jahres  ihm 
antwortete,  und  bestimmte,  dass,  im  Falle  sein  Plan  zur  Ausführung 
käme,  die  Universität  der  Doctoren  und  Scholaren  alle  Privilegien, 
welche  die  Studierenden  zu  Toulouse  besitzen,  gemessen  sollten' ^^'). 
Es  ist  klar,  dass  das  päpstliche  Schreiben  kein  Stiftbrief  ist;  die 
darin  gewährten  Privilegien  treten  erst  in  Kraft,  wenn  das  Sta- 
dium gegründet  ist.  Dies  zu  vollführen  überliess  der  Papst 
dem  König.  Der  königliche  Stiftbrief  erschien  noch  in  dem- 
selben Jahre  am  1.  September.  Er  ist  gerichtet  an  die  Paheres, 
Prohombres  und  die  ganze  Stadt  L6rida.  Bei  dessen  Abfassung 
lag  dem  König  der  Stiftbrief  Friedrichs  11.  für  Neapel  vor. 
Die  Einleitung  des  königlichen  Gründungsbriefes  ist  nichts  denn 
eine  Umschreibung  und  theilweise  Beproducierung  der  Einleitung 
aus  dem  Stiftbriefe  für  Neapel' '^0-  ^^^  Friedrich  so  liegt  es 
auch  Jacob  am  Herzen  in  seinem  Beiche  einsichtige  Männer  zu 
wissen   und   allen  im   Lande  die  Nahrung   der  Wissenschaften 

über  diese  ünirersit&t.  Der  Autor  starb  (vor  zwei  bis  drei  Jahren),  ehe  er  da- 
ran denken  konnte  sie  zu  veröffentlichen.  Das  Manoscript  liegt  nun  wohl 
verwahrt  bei  den  Erben,  wie  ich  w&hrend  meines  Aufenthaltes  in  L6rida  im 
Winter  1883  erfahr.  Die  Abhandlung  Bofarrulls  kenne  ich  nicht.  Die  Dar- 
stellung bei  Yillanueva  ist  zu  kurz;  um  so  werthvoUer  sind  jedoch  die  von 
ihm  mitgetheUten  Docnmente,  die  durch  jene  der  Espaaa  sagrada  erg&nzt 
werden.    Andere  wichtige  Documente  bringe  ich  ans  dem  Tat  Archiv. 

ui6^  Document  in  EspaSa  sagrada  tom.  47  p.  340  n.  67  . . .  cum  itaqae 
sicut  ex  regia  relatione  didicimus  tu  in  aliqua  civitate  vel  loco  Insigni  terre 
tue,  quem  ad  hoc  magis  aptum  cognoveris,  intendas  literarum  Studium  insti- 
tuere  generale,  nos  attendentes  uberes  fructus  qui  ex  hniusmodi  studio  m 
provectione  multorum  in  eo  studentinm  potenmt  provenire  et  per  hoc  landa- 
bile  tuum  in  hac  parte  propositom  prosequi  condignis  favoribns  intendentes, 
regiis  supplicationibns  inclinati  volumus  et  presentium  teuere  decemimus, 
nt  postquam  preüatum  Studium  in  hniusmodi  civitate  vel  loco  fuerit  institu- 
tum,  Universitas  doctorum  et  scholarium  eidem  studio  insistentium  illis  pri« 
vüegiiSy  indulgentüs,  libertatibus  et  immunitatibus  gaudeant,  qne  Tolose  litte- 
rarum  studio  immorantibus  a  sede  apostolica  hactenus  sunt  concessa.  11  erk- 
wflrdig,  dass  den  Herausgebern  des  Yillanneva  die  Documente  in  dem  ein 
Jahr  froher  gedruckten  Bande  der  Espafla  sagrada  entgiengen. 

1117)  a  das  Document  bei  YiUanueva,  Viage  literario  XVI,  196,  ver- 
glichen mit  HoilL-Br^hoUes  11,  450  und  oben  S.  454 


4.  Hochschulen  mit  kaiserl.  oder  kOnigl.  Stiftbriefen.    LMda.     501 

ZU  bieten,  damit  sie  nicht  genötbigt  wären,  fremde  Völker  anf- 
znsuchen  oder  in  auswärtigen  Ländern  zu  betteln.  Jacob  geht 
sodann  zu  der  päpstlichen  Erlaubniss  über,  der  zufolge  in  aliqua 
civitate  vel  loco  terre  nostre  insigni  fundare  vel  ordinäre  posse- 
mus  Studium  generale*.  Er,  der  König,  habe  L^rida  gewählt 
'yelut  ortum  fertilitatis  et  fecunditatis  conclusum  ac  fontem  deli- 
ciarum'^"")  und  gleichsam  4nter  medium  terrarum  ac  regnorum 
nostrorum'.  Zudem  habe  ihn  bei  der  Wahl  die  alte  Treue  der 
Stadt  geleitet.  Kraft  apostolischer  und  seiner  eigenen  Auctorität 
gründe  er  also  in  Lärida  ein  Generalstudium  ^tam  in  jure  cano- 
nico  quam  civili,  medicina,  philosophia  et  artibus  ac  quibuslibet  fa- 
cultatibus  aliis  et  approbatis  scientiis  quibuscunque".  An  Friedrichs 
Stiftbrief  lehnt  sich  jener  für  L^rida  wider  an,  wenn  der  König 
bei  Strafe  verbietet,  dass  ausser  in  L^rida  in  keiner  Stadt  des 
Reiches  *jura  canonica  vel  civilia  aut  libros  medicine  siye  Philo- 
sophie' den  Scholaren  vorgetragen  werden,  oder  die  Scholaren 
diese  Wissenschaften  anderswo  als  inL^rida  studieren  dürften  ^'^*). 
Zum  Schlüsse  gewährt  er  kraft  apostolischer  Auctorität  und  der 
eigenen  den  Studierenden  alle  zu  Toulouse  geltenden  Privilegien. 
Die  Magna  Charta  erhielt  das  Studium  vom  König  am  darauf- 
folgenden Tag  am  2.  September.  Kein  spanischer  König  hat 
jemals  einen  so  detaillierten  Privilegienbrief  einer  Universität 
zuertheilt.  Im  13.  Jh.  kann  überhaupt  keine  Universität  eine 
Constitution,  die  mit  jener  Jacobs  den  Vergleich  bestünde,  auf- 
weisen; im  14.  Jh.  kommt  ihr  nur  der  Rudolfinische  Stiftbrief 
für  Wien  gleich.  Der  König  beabsichtigte  eine  Hochschule  ersten 
Banges  zu  errichten.  Die  Einleitung  des  Diplomes  ist  bloss  eine 
Umschreibung  seines  Stiftbriefes.  Das  erste  von  ihm  gewährte 
Privileg  gibt  den  Scholares  forenses  das  Recht,  einen  Rector 
mit  Consiliarii  zu  wählen  und  Statuten  zu  machen.  Vor  der 
Promotion  müssten  sich  die  Candidaten  in  Gegenwart  des  Rec- 
tors  einer  Prüfung  unterziehen  und  der  Cancellarius  studii,  ein 
Canonicus  von  L^rida,  den  der  König  ernenne,  ertheile  die  Licenz. 
Ein  anderes ,  viel  zu  weit  gehendes  Privileg  betraf  alle  und  die 

U18)  Aehnl.  Aasdrücke  kommen  hei  den  Nachfolgern  Friedrichs  in  Be- 
zug auf  Neapel  vor.    Vgl.  HniU.-Br6h.  11,  447.  449. 
1119)  S.  ohM  S.  454. 


502    ni.  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  mm  Ende  des  14.  Jhs. 

einzelneii  Mitglieder  der  Ümversität,  die  Buch-  und  Pergament- 
händler  mit  eingerechnet.  Wegen  eines  in  ihrer  Heimath  be- 
gangenen Vergehens  oder  wegen  dort  gemachter  Schulden  dürften 
sie  auf  ihrer  Reise  nach  L^rida  oder  während  ihres  Aufenthaltes 
am  Studium  und  auf  der  Heimreise  nicht  behelligt  werden.  Eine 
Ausnahme  bilde  dasjenige  Vergehen,  welches  die  Todesstrafe 
nach  sich  zieht,  oder  wenn  der  Process  bereits  eingeleitet  worden 
sei.  Alle  Universitätsmitglieder  sind  vom  Heerdienste  befreit 
Bei  den  Doctoren  und  Scholaren  dürfen  nie  Hausuntersuchungen 
von  Seite  seiner  Beamten  vorkommen,  ausgenommen,  der  dort  Ver- 
steckte sei  des  Todes  schuldig,  oder  wenn  der  von  den  Beamten 
Verfolgte  in  ihrer  Gegenwart  die  Wohnungen  der  Doctoren 
und  Scholaren  aufsucht.  Aber  auch  in  diesem  Falle  müsse 
die  Untersuchung  'curialiter,  paucis  personis  adhibitis'  geschehen 
und  ohne  einen  Schaden  anzurichten.  Damit  die  Studierenden 
grossere  Ruhe  genössen,  dürfe  Niemand  mit  ihnen  oder  ihren 
familiäres  Streit  anfangen,  sie  irgendwie  belästigen  oder  ihnen 
Widriges  zufügen.  Den  detailliert  aufgeführten  Fällen  entsprechen 
die  angedrohten  Strafen,  deren  Erlass  nur  vom  Könige  selbst 
abhänge.  Zu  Richtern  können  sich  Magistri  und  Scholaren  bei  Ver- 
gehen ,  die  nicht  die  Todesstrafe  oder  Verstümmelung  zur  Folge 
haben,  entweder  seine  Curie  zu  L^rida,  oder  den  Bischof  oder  den 
Rector  wählen.  Waffen  zu  tragen  wird  den  Scholaren  innerhalb  und 
ausserhalb  des  Stadt-Rayons  verboten.  Ebenso  wenig  dürften  sie  sich 
mit  musikalischen  Instrumenten  blicken  lassen.  Sie  brauchten  keine 
Abgaben  zu  zahlen,  wenn  sie  Wein  oder  was  immer,  das  sie  nach 
L^rida  brachten,  dort  verkauften.  Theilweise  sind  auch  die 
wenigen  Eaufleute,  Juden  oder  Christen,  von  den  frei,  welche 
der  Rector  und  die  Gonsiliarii  erwählen  nnd  die  den  Studierenden 
auf  Borg  geben.  Alle  jene,  welche  Studien  halber  nach  L^rida 
reisen  'etiamsi  de  terris  inimicorum  nostrorum  existant  vel  eorum, 
qui  guerram  habent  nobiscum^  nimmt  er  in  seinen  Schutz.  Nur  die 
personae  suspectae  sind  ausgenommen.  Aber  auch  ihnen  müsse  so 
viel  Zeit  gestattet  werden,  dass  sie  mit  ihrer  Habe,  die  sie  zum 
Zwecke  des  Studiums  bei  sich  führten,  sein  Land  verlassen 
könnten^"®).    Er  verspricht  den  Scholaren  alle  von  ihnen  zum 

u»)  Um  wie  viel  grossmflthiger  nnd  weit  herziger  leigt  dch  hier  der  König 


4.  Hochsclinlen  mit  kftiserL  oder  königl.  Stiftbriefen.    L6rida.     503 

Nutzen  der  Universität  mit  der  Stadt  eingegangenen  Verträge  zu 
halten  und  darauf  zu  achten,  dass  sie  gehalten  würden.  Er  ladet  die 
Studierenden  zu  diesem  'soUempne  convivium'  ein^"^),  und  be- 
auftragt alle  seine  Beamten  und  Untergebenen  auf  die  Beob- 
achtung seiner  Privilegien  und  Verordnungen  bedacht  zu  sein^'*'). 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  so  grosse  Privilegien  der  Grund 
zu  mannigfachen  Unordnungen  werden  mussten,  wie  dies  auch  in 
der  That  später  in  L^rida  der  Fall  war.  Aber  sie  zeigen  immer- 
hin, welche  Achtung  und  Hochschätzung  Jacob  H.  vor  der  Wissen- 
schaft hatte,  und  wie  es  ihm  am  Herzen  lag  in  seinem  Beiche 
ein  Gentrum  derselben  zu  besitzen. 

Am  5.  September  desselben  Jahres  empfahl  er  den  Bischöfen 
seines  Beiches  die  Cleriker  und  Andere  zu  diesem  Gastmahle 
durch  ihre  Aufinunterung  einzuladen,  ihnen  die  Privilegien  zur 
Eenntniss  zu  bringen,  sie  von  der  Besidenzpflicht  eventuell  zu 
dispensieren,  und  jenen,  welche  ausser  dem  Beiche  studieren 
wollten  den  Fruchtgenuss  der  Beneficien  zu  entziehen'^").  Zu 
gleicher  Zeit  befahl  er  seinem  Vicar  zu  Barcelona  sein  Mandat 
anderswo  als  in  L^rida  über  Jus,  Median  und  Philosophie  zu 
lehren  in  seinem  Districte  zu  publicieren^^'^).  Dieses  Verbot 
widerholte  er  am  5.  Juli  1311  und  zwar  auf  Ersuchen  des 
Bischof  es  und  der  Stadt  ^^"),  erklärte  aber,  als  der  Justitia  zu 
Xativa  (Jdtiva)  die  Grammatik-  und  Logikschulen  verboten  hatte, 
am  30.  April  1319,  dass  diese  Art  von  Schulen  nicht  in  seinem 
Verbote  mit  einbegriffen  sei""). 

von  Aragon  als  der  stolze  Staufer  Friedrich  II.  (s.  oben  8.  456),  wenngleich 
wir  in  einigen  Funkten  auch  bei  Jacob  dieselbe  Engherzigkeit  bemerken. 

iiai)  Vgl.  eine  Ähnliche  Phrase  in  Konrads  Schreiben  für  Salemo  oben 
8.  236  Anm.  78. 

11»)  Docament  bei  ViUanae?a  1.  c.  p.  200—207. 

iiss)  EspaSa  sagrada,  1.  c.  p.  349  n.  71.  In  Hinsicht  auf  den  letzten 
Umstand  sagt  der  König:  omnibns  clericis  et  beneficiatis  Terstre  diocesis  ad 
prefatum  studiom  venientibos  ibiqne  studentibos  fructns  beneficionim  suomm 
tanquam  presentibos  ab  integro  concedatis,  et  eis  nichilominns  fructus  alio 
querentibtts  studia  et  qoi  sibi  non  desnnt  apud  ezteras  nationes  mendicare 
Tolentibns  snbtrahatis. 

UM)  Bei  Villanaera  1.  c.  p.  199. 

lUfi)  Espaffa  sagrada  p.  350  n.  72. 

UM)  Bei  YiUaoneTa  II,   98   Anm.   De   la  Faente,  Hiit  eccles.   de 


504    m.  EntwiekeloDg  der  Hoehfichiilen  bis  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

Am  Vorabend  Yon  Michaelis  1300  wurde  das  Studium  mit 
der  Wahl  des  Rectors  eröffnet  Am  selben  Tage  gab  sich  auch 
die  Universität  die  Statuten,  die  zu  den  ältesten  und  schönsten 
gehören,  welche  wir  besitzen,  in  Deutschland  jedoch  ganz  unbe- 
achtet geblieben  sind"'^- 

Wie  es  allen  spanischen  Universitäten  Anfangs  ergieng,  so 
auch  jener  von  L6rida.  Schon  in  den  ersten  Jahren  wurde  das 
Studium  auf  kurze  Zeit  unterbrochen,  was  aus  dem  könig- 
lichen Schreiben  vom  5.  Juli  1311  erhellt.  Aber  noch  in  dem 
nämlichen  Jahre  kam  es  wider  in  Fluss  und  dauerte  einige  Jahr- 
hunderte an.  Den  Statuten  zufolge  wurden  die  Doctoren  von 
den  Paheres  nach  eingeholtem  Bath  des  Rectors  und  der  Gon- 
siliarii  gewählt  Später  jedoch  versprach  die  Stadt  dem  Bischöfe 
und  dem  Capitel  jährlich  durch  10  Jahre  hindurch  2500  sueldos 
jaqueses  zu  bezahlen;  Bischof  und  Capitel  sollten  die  Professoren 
ernennen.  Es  brach  jedoch  ein  Zwist  aus  zwischen  dem  Bischöfe 
und  der  Stadt,  und  der  König  verordnete  dann  auf  die  Vorstellung 
des  erstem  hin  am  4.  September  1313,  dass  in  Zukunft  die  Stadt 
für  die  Universität  und  die  Professoren  sorgen  müsste  ^salva  juris- 
dictione  ecclesiastica  eidem  episcopo,  ubi  alias  ei  de  jure  com- 
petit'.  Der  Bischof  und  das  Capitel  sollten  aber  während 
8  Jahre  3000  sueldos  jaqueses  jährlich  in  zwei  Raten  der  Stadt 
zahlen  und  zugleich  eine  canonica  portio  einem  Magister  der 
Medicin  geben,  die  Commune  hingegen  müsse  sich  um  die  Doctoren 
und  Magistri  umsehen'"').  Es  scheint,  dass  Unregelmässigkeiten 
noch  immer  vorkamen  und  das  eingehende  Geld  nicht  genügte, 
denn  der  vom  König  bestimmte  Termin  war  noch  nicht  ver- 
strichen, als  die  Stadt  schon  auf  ein  anderes  Mittel  sann,  um  die 
Professoren  besolden  zu  können.  Die  Prohombres  verordneten 
ohne  eingeholte  königliche  Erlaubniss  für  30  Jahre  eine  Weinsteuer, 
verfielen  aber  dadurch  selbst  der  Strafe.     Allein  Jacobs  Nach- 


EspaBa,  2.  ed.  Y,  87  hat  gar  nicht  darauf  geachtet.  8.  dazu  oben  8.  458. 
Anm.  980. 

1^)  Gedruckt  bei  Villanuera  XYI,  207  ff.  Ich  habe  sie  im  Laufe  dieses 
Werkes  schon  öfters  herangeaogen,  sie  werden  aber  im  2.  Bande  ausflkhrliche 
Besprechung  erhalten. 

1^)  Espafla  sagrada  1.  c.  p.  351  n.  73. 


4.  Hochsehnlen  mit  kaiserl.  oder  kOnigl.  Stiftbriefen.    L6rida.     505 

folger  Peter  IV.  erliess  am  1.  Juni  1347  nicht  bloss  die  Strafe, 
sondern  gestattete  überdies,  dass  die  Prohombres  nach  den 
30  Jahren,  'durante  tarnen  dicto  studio  in  civitate  predicta', 
noch  weitere  10  Jahre  die  Steuer  erheben  könnten  "*•).  Der- 
selbe König  bestätigte  auch  am  7.  März  1336  alle  Privilegien 
des  Studiums""). 

Nicht  weniger  als  die  Könige  nahmen  sich  um  das  Studium 
die  Päpste  an.  Zu  widerholten  Malen  wurden  die  an  demselben 
Studierenden  von  der  Residenzpflicht  dispensiert""),  ein  Pri- 
vileg, um  das  sich  seit  Honorius  IH  jede  Universität  in  kurzen 
Zwischenräumen  bewarb. 

Die  eifrigste  Fürsorge  wendeten  jedoch  die  Päpste  dem  von 
Domingo  Ponz""),  Praecentor  der  Cathedrale  zu  L^rida,  ge- 
stifteten CoUeg  zu"**),  das  zugleich  das  älteste  an  einem  spa- 
nischen Generalstudium  ist.  In  einem  an  Gregor  XL  gerichteten 
Schreiben  sagt  Domingo  Ponz,  dass  in  der  Stadt  L6rida,  4n 
qua  viget  Studium  generale^  ein  ^coUegium  duodecim  pau- 
perum  clericorum'  canonisch  errichtet  und  ihnen  zur  Wohnung 
ein  von  ihm  erworbenes  Hospiz  und  zum  Unterhalte  mehrere 
Güter  und  Einkünfte  angewiesen  habe.  Das  GoUeg  solle  für 
alle  Zeiten  *collegium  b.  Marie  virginis'  heissen"").  Er  bittet 
nun  den  Papst,  dass  demselben  ein  ihm  gehöriges  simplex  bene- 
ficium  incorporiert  werde.  Gregor  XL  befahl  am  23.  Februar 
1372  dem  Bischof  von  L^rida  sich  darüber  zu  informieren,  und 
eventuell  die  Incorporierung  vorzunehmen"");  am  12.  October 
des  nächsten  Jahres  wünscht  er  aber  durchaus  die  Durchführung 

liad^bid.  p.  353  n.  75. 

1130)  Ibid.  p.  852  n.  74. 

usi)  So  von  Johann  XXII.  am  14.  Oct.  1322  auf  Bitten  des  Königs  von 
Aragon  (Reg.  Vat.  Gomm.  an.  7  p.  1.  ep.  179);  am  20  Mftrs  1333  (Ibid.  an. 
17  p.  1  ep.  1261).  Von  Clemens  VI.  am  22.  Juni  1345  (Reg.  Tat.  Comm.  an. 
4.  p.  1  Bl.  186  b),  am  19.  Oct  1350  (ibid.  an.  9.  lib.  2  p.  1  Bl.  257  a)  a.  s.  w. 
Die  Dispens  wurde  wie  sonst,  h&ufig  von  5  zu  5  Jahren  gegeben. 

1133)  Ein  aas  L^rida  gebürtiger  Namensverwandter  war  über  ein  Jahr- 
hundert früher  Rechtslehrer  in  Bologna.    S.  Sarigny  Y,  156. 

u^)  Sowohl  YiUanaeva  XVI,  45  als  De  la  Faente,  Hist.  eccles.  de 
Espana,  2.  ed.  V,  87  waren  über  dieses  CoUeg  kaum  anterrichtet 

1134)  Es  wurde  jedoch,  später  La  Assomta  genannt 
1136)  Reg.  Vat.  Indult  an.  2  BL  33b. 


506    jn*  Entwickeloog  der  HochBclinlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

derselben"").  Der  Gegenpapst  Clemens  VIL  verordnete  am 
4.  April  1381  überdies,  dass  dem  CoUeg  noch  der  vierte  Theil 
des  Zehents  der  Pfarrkirche  Renanayre  einverleibt  werde,  damit 
in  demselben  ausserdem  zwei  baccalarii  formati  in  artibus,  welche 
Theologie  studieren  sollten,  erhalten  werden  könnten"*').  Ob  letz- 
tere dies  in  den  dortigen  Klöstern  thun  sollten,  oder  ob  ein  Magister 
für  die  Theologie  angestellt  war,  wird  nicht  gesagt.  Dass  letzteres 
damals  kaum  der  Fall  gewesen  sein  wird,  schliesse  ich  aus 
der  vom  Inquisitor  Nicolaus  Eymerich  im  J.  1396  abgefassten 
Schrift:  Incantatio  studii  Ilerdensis  super  viginti  articulis  per 
quendam  Antonium  Biera,  studentem  Valentinum,  ut  defertur 
inibi  seminatis  "'^). 

Ueberhaupt  blieb  die  Universität  hauptsächlich  Rechtsstudium, 
wie  ja  auch  die  Corporation  nur  von  den  Juristen  constituiert 
wurde"").  In  dem  1378—1379  an  den  Gegenpapst  Clemens  VE. 
gesandten  Botulus  werden  allerdings  Theologie -Studierende  auf- 
gezählt ^^^^);  allein,  wie  aus  den  Acten  erhellt,  hatte  die  Theolo- 
gie an  der  Universität  schwerlich  vor  1430  eine  ständige  Ver- 
tretung. Die  Franciscaner  besassen  jedoch  schon  früher  eine 
theologische  Schule  "^°*).  Die  Artisten  hingegen  erscheinen  in 
kemer  geringem  Anzahl  als  die  Juristen,  und  sie  werden  z.  B. 

"86)  Ibid.  an.  8  BL  142  b. 

"87)  Reg.  Vat  an.  3  BL  197  a. 

1188)  Cod.  Paris.  3171  Bl.  120.  Eymerich  adressiert  die  Schrift  'utriiuqne 
juris  canonici  et  civilis  doctoribns,  ntriasqne  facnltatis  medicine  et  artiam 
magistris,  licentiatis,  baccalariis  et  stadentibus  cnnctis  Ilerden'.  Er  erwähnt 
also  nicht  Theologen,  welche  doch  die  h&retischen  Gnindsätie  des  Antonias 
Biera  zunächst  hätten  interessieren  mflssen.  Nicolaos  war  damals  Tom  Papste 
'delegatns  in  civitate  eadem  pro  eztirpanda  Lollistica  heresis  labe'  Inquisitor. 
Eine  kurze  Notiz  fiber  diesen  Gegenstand  selbst  s.  bei  Menendez  Pelayo, 
Historia  de  los  heterodozos  espanoles  I,  497  f. 

^  S.  oben  &  178. 

"^)  Beg.  Suppl.  an.  1.  p.  4.  Hier  werden  nämlich  Bl.  21b.  24b.  25b 
26  a.  27  &  80  a  stndentes  in  theologia  genannt.  Johannes  de  Peralta  stu- 
dierte bereits  per  Septem  annos  in  sacra  pagina. 

1140«)  8.  darttber  YillanueTa  p.  421  Dort  auch  ein  interessanter  FaU 
aus  dem  J.  1411.  Von  1430  an  wurden  mehrere  theologische  LehrstOhle  er- 
richtet So  noch  AnfongB  des  16.  Jhs.  vom  Bischöfe  Jaime  de  Conchillos 
(1512—1542).  S.  Antiquae  coli,  decret.  ed.  Ant  AugnstinnSi  Berdae  1576, 
nach  Bl.  229b|  wo  die  Approbation  zweier  Theologen  Ton  L6rida  steht 


4.  Hochsdlittlen  mit  kaiMrl.  oder  kOnlgl  Stiftbriefen.    Lörida.     507 

in  dem  an  Benedict  XIH  im  J.  1394  abgeschickten  Rotulus  vor- 
zugsweise neben  den  Juristen  unter  den  284  Baccalarii  und  Scho- 
laren erwähnt""). 

Aber  auch  die  Medicin  wurde  in  L6rida,  und  zwar  mehr  als 
an  anderen  spanischen  Universitäten  gepflegt.  Eine  der  inter- 
essantesten Nachrichten  hierüber  stammt  aus  dem  Jahre  1391. 
Am  3.  Juni  dieses  Jahres  gewährte  König  Juan  I.  mit  Rücksicht 
auf  das  1366"")  den  Medicinern  zu  Montpellier  gegebene  Pri- 
vileg ihnen  jährlich  den  Leichnam  eines  Hingerichteten  für  ana- 
tomische Zwecke  auszufolgen,  dass  die  Stadtobrigkeit  zu  Lärida 
dasselbe  Verfahren  den  dortigen  Medicinern  gegenüber  einhalten 
solle,  nur  müsse  ^pro  dicta  speriencia  seu  anathomia  fienda'  die 
Todesstrafe  an  dem  Verbrecher  durch  Untertauchen  ins  Wasser 
vollzogen  werden"**). 

Wie  an  allen  spanischen  Universitäten,  so  waren  auch  an 
jener  zu  L^rida  nur  Spanier  vertreten.  Zwar  war  die  Univer- 
sität, wie  ja  jede  andere,  dem  ursprünglichen  Plane  gemäss 
ebenso  für  Ausländer  wie  für  Inländer  berechnet.  In  der  That 
umfassten  die  12  Nationen,  in  welche  die  Scholaren  eingetheilt 
werden  sollten,  alle  civilisierten  Länder"").  Allein,  schon  in 
den  ersten  Jahren  ist  nur  mehr  von  zwei  Nationen  die  Rede, 
von   den   Catalanen   und  Aragonesen,    wenngleich  die  übrigen 

^^)  Beg.  Snppl.  an.  1  p.  3  61.  1—22.  Andere  finden  sich  Reg.  Suppl. 
Clem.  YII.  an.  1  p.  4  61.  21a;  an.  16  61.  181a.  In  dem  ersten  an  Clemens 
abgesandten  werden  unter  andern  Johann  Qerdam  von  Saragossa  als  Bector, 
Johann  Perpiniani  decretorum  doctor,  Glavarins  stndii,  Johannes  Eximini 
Ferrari!  alias  de  Alüagemio  decretorum  doctor  et  bacc.  in  legibus  erw&hnt, 
im  zweiten  Petrus  de  B.  demente  (1399  el.  episc.  Ilerd.),  diaconus,  bacc.  in 
leg.  canceUarius  studii,  Petrus  de  Cardona  (1407  Bischof  von  L6rida.  Beg. 
Ayenion.  6en.  XIII.  t  4961. 106  b.)  Bector,  Baymundus  Porta,  legum  doctor, 
ordinarie  legens  hora  doctorali  ac  bacc.  in  decretis,  Dominicus  Bam  (1410  Bi- 
schof von  Huesca.  Ib.  t  58  61.  37  b.),  in  legibus  approbatus,  actu  legens. 

^^^  8.  Astruc,  Trait6  des  maladies  des  femmes.   Paris  1765,  Y,  215. 

1143)  Per  König  gibt  dafür  im  Schreiben  an  die  Mediciner  (Espana  sa- 
grada  1.  c.  p.  354  n.  76)  als  Grund  an:  .  .  .  quo  ab  hac  luce  modo  et  forma 
predictis  sublato  per  junctnras  et  partes  ac  arterias  corporis  pro  videnda 
membrorum  occnltorum  dispositione  intercipiatur  et  incidatur  ad  vestre 
omnimode  libitum  voluntatis,  que  incisio  apud  medicos  anathomia  nominatur. 
Natürlich  wusste  Hftser  nichts  davon. 

^M)  S.  die  Statuten  bei  yülanueya  p.  213. 


508      ni   Entwiekelang  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Spanier  immer  vertreten  waren,  und  die  Scholaren  von  Valencia 
um  die  Mitte  des  14.  Jhs.  neuerdings  eine  rechtliche  Stellung 
neben  den  beiden  genannten  Nationen  eroberten^^^').  Indess  von 
eigentlichen  Ausländem  ist  keine  Bede  mehr. 

Hnesoa. 

Eine  nicht  minder  verschollene  Universität  ist  jene  von 
Huesca.  Doch  kennt  man  wenigstens  noch  den  Namen  und 
weiss  das  Stiftungsjahr  der  Hochschule  anzugeben. 

In  Huesca,  dem  alten  Osca,  stiftete  bereits  Sertorius  eine 
Schule  für  lateinische  und  griechische  Litteratur  für  die  edle 
spanische  Jugend,  um  sie  an  seine  Sache  zu  ketten,  nöthigenfalls 
auch  sie  als  Geissein  in  seiner  Hand  zu  behalten  "^^).  Natürlich 
hat  diese  Schule  mit  der  spätem  Universität  nichts  zu  thun, 
und  das  Unterfangen  beide  mit  einander  in  Verbindung  zu 
bringen '^^^)  bedarf  noch  weniger  eine  Berücksichtigung,  als  der 
Versuch  zwischen  den  in  den  Gonstitutiones  Olonnenses^'*')  er- 
wähnten Studienorten  und  den  später  dort  gegründeten  Univer- 
sitäten eine  Beziehung  herzustellen. 

König  Pedro  IV.  el  Geremonioso  war,  wie  sich  nicht  unklar 
ergibt,  für  L^rida  nicht  sehr  eingenommen.  Er  bestätigte  zwar 
die  Freiheiten  des  dortigen  Studiums  und  gab  neue  Privilegien, 
allein  er  ertheilte  diese  nur  ^durante  dicto  studio  in  civitate' 
(Ilerdensi)^^*^).  Was  meinte  er  damit?  Das  Studium  selbst  bot  in 
jener  Epoche  zu  dieser  Phrase  keinen  Anlass.  Gewiss  nicht  Allein 
Pedro  fasste  schon  bald  nach  der  Vereinigung  Roussillons  mit 
seiner  Krone  den  Plan  in  Perpignan  ein  Generalstudium  zu 
gründen,  den  er  auch  1349  ausführte.  Mehrere  Jahre  später 
errichtete  er  jenes  zu  Huesca  in  Aragon.  Der  Gedanke,  dass 
sich  in  Folge  davon   das  Studium   zu  Lörida  auflösen  werde, 


"*»)  S.  Villanueva  1.  c.  p.  40  f. 

iiM)  S.  PlaUrch,  Yita  Sertorii  (opp.  ed.  Paris.  1624,  I,  581). 

1147)  V7ie  dies  Aynsay,  Fandacion,  excelencias,  grandezas  j  cosas  me* 
morables  de  la  antiquissima  cindad  Hnesca  (Haesca  1619)  p.  613  ff.  und 
Bamon  de  Huesca,  Teatro  historico  de  las  iglesias  de  reyno  de  Aragon  YII 
(Pamplona  1797)  p.  159  ff.  unternahmen. 

11^)  8.  oben  8.  13  Anm.  66. 

u^)  S.  oben  8.  506. 


4.  Hochschulen  mit  kaiserL  oder  königl  Stiftbriefen.    Haesca.     509 

muBSte  sich  ihm  von  selbst  aufdrängen,  und  er  kam  in  den 
soeben  angeführten  Worten  zum  Ausdrucke.  Allerdings  hatte 
sich  der  König  getäuscht.  Oerade  die  beiden  neuen  Lehranstalten 
wollten  anfänglich  gar  nicht  aufkommen.  Was  speciell  die 
Hochschule  zu  Perpignan  betrifft,  so  musste  sie  wider  vom 
Gegenpapste  Clemens  Vn.  ins  Leben  gerufen  werden;  Huesca 
aber  begann  erst  nach  der  Mitte  des  15.  Jhs.  und  zwar  Dank 
des  päpstlichen  Einflusses  eine  segensreiche  Thätigkeit  zu  ent- 
falten. 

Am  12.  März  1354  erliess  der  König  den  Stiftbrief  fQr  die 
Hochschule  ^^'^).  Als  Vorlage  bei  Abfassung  desselben  diente 
ihm  der  Stiftbrief  Jacobs  H.  für  L^rida,  an  den  sich  Pedro  fast 
sclavisch  anlehnt  Es  genügt  also  die  wesentlichen  Punkte  aus 
demselben  anzuführen.  Der  König  will  nicht,  dass  die  Ara- 
gonesen  auswärts  um  Wissenschaft  betteln.  Darum  erwählt  er 
Huesca  kraft  seiner  Autorität  zum  Sitze  eines  Generalstudiums 
'pre  ceteris  locis  et  ciyitatibus  regni  Aragonie',  und  bestimmt, 
dass  dort  in  Zukunft  ein  Generalstudium  in  der  Theologie, 
im  jus  can.  und  civile,  in  der  Medicin,  Philosophie  und  den 
artes  sowie  in  allen  Wissenschaften  existiere,  und  er  verbietet, 
dass  diese  Disciplinen  in  Aragon  irgend  wo  anders  als  in  Huesca 
gelehrt  und  gelernt  würden  ^^").  Dem  neuen  Studium  theilt 
er  alle  vom  hl.  Stuhle  den  Studien  zu  Toulouse,  Montpellier  und 
L6rida  gegebenen  Privilegien  mit""). 


1150)  Zarita,  Anales  de  la  Corona  de  Aragon  II,  Bl.  255  b  meint  zwar 
am  12.  April;  aUein  Aynsay  (L  c.  p.  624)  und  Ramon  de  Haesca  (1.  c.  p. 
434)  hatten  das  OriginiJ  vor  sich. 

1151)  ^ie  Jacob  II.  nnd  mit  denselben  Worten  Terbietet  er,  dass  'in 
aliquo  loco  regni  nostri  Aragonie'  die  Wissenschaften  gelehrt  würden;  es  soUe 
sich  aber  auch  niemand  unterstehen,  intra  regnum  nostrum  Aragoniae 
alibi  quam  in  nostro  studio  Oscen.  sacre  pagine,  preterqoam  in  ecclesiis  et 
ordinibns  quibus  solitum  est  legi  prefatam  theologiam,  juris  canonici  vel  ci- 
Tilis,  scientie  medicine  seu  Philosophie  ex  quacunque  causa  lectiones  audire. 

ii62j  £r  sagt  in  Bezug  darauf:  Libertates,  gratias  et  indulgentias  qua- 
lescunque,  que  a  sede  apostolica  Tholosano,  Montispessul.  et  Ilerdensi  Stu- 
diis  sunt  concesse,  ipsi  eidem  studio  Oscen.,  doctoribns,  magistris  et  scola- 
ribus  ididem  studentibus  et  studere  volentibus  autoritate  nostra  de  regie 
Ubertatis  beneficio   concedimus  et  donamus    ac   etiam   confirmamus.  .  •  • 


510    in.  Efitwickelnng  der  HochBchnlen  bis  xnm  Ende  des  14.  Jhs. 

Höchst  interessant  ist  es  zu  vernehmen,  wie  man  in  Haesca 
das  Geld  zur  Besoldung  der  Magistri  herbeizuschaffen  suchte. 
Mit  königlicher  Bewilligung  erhoben  die  Jurati  der  Stadt  von 
jedem  Pfund  Fleisch,  das  man  in  der  Hauptfleischbank  Huescas 
kaufte,  eine  Steuer,  und  diese  sollte  mit  zur  Bezahlung  der 
Doctoren  und  Baccalarei  verwendet  werden.  Allein  es  befand 
sich  noch  eine  andere  Fleischbank  4a  puerta  de  Alquibla'  zu 
Huesca,  und  die  Einwohner  giengen  natürlich  nun  alle  zu  dieser, 
obwohl  sie  von  einem  Mauren  bedient  war,  weil  man  dort  das 
Fleisch  nunmehr  billiger  kaufen  konnte.  Der  König  befahl 
daher  am  29.  November  1356  den  Jurati,  dass  die  Steuer  auch 
auf  die  Fleischbank  des  Mauren  ausgedehnt  werde.  Nur  die  Juden- 
gemeinde könnte  das  Fleisch  um  den  gewöhnlichen  Preis  er- 
halten, da  dieselbe  bereits  in  anderer  Weise  dem  Studium  ihren 
Tribut  zahle  ^'").  Wie  aus  einem  noch  nicht  edierten  Schreiben 
des  Königs  vom  19.  October  1358  hervorgeht,  musste  nämlich 
die  Judengemeinde  ursprünglich  mille  solidos  jaccenses,  und  jene 
der  Mauren  quingentos  solidos  beitragen.  Der  König  setzte  wegen 
des  Krieges  mit  Castilien  die  Summe  für  die  Juden  auf  650  und 
für  die  Mauren  auf  350  solidos  herab.    Er  befiehlt  aber,  dass 


non  obstantibuB  quibusTis  prinlegiis  et  gratüs  stadio  üerdensi  concessifl.  Bei 
Aynsay  and  Ramon  1.  c. 

u&s)  Cum  V08  pro  solTendis  salariis  doctornm  et  bacallariorom  in  sta- 
dio per  no8  fundato  in  dicta  civitate  imposaeritis  de  nostra  licentia  obalam 
in  qnalibet  libra  camiam  qae  vendnntar  in  macello  majori  ipsias  civitatis,  et 
nunc  nt  relata  fide  dignomm  percepimas  aliqni  malitiose  recosent  cames 
emere  in  dicto  macello,  emendo  dictas  cames  in  maceUo  sen  cameoeria 
dicte  civitatis  qae  vocator  1a  paerta  de  Alqaibla,  in  qoa  jagolat  et  oeddlt 
omnes  cames  qae  ibi  vendontor  Sarasenns,  ad  hoc  at  non  solvant  dictum 
obalam  in  diota  cameceria  majori,  propter  qaod  dictas  obalos  dicti  macelli 
migoris  qaasi  ad  nibü  ascendit  et  ob  boc  ad  solationem  dictomm  salarionun 
safficere  non  possint;  et  cam  congraom  non  ezistat,  qaod  predicti  qai  sie 
maditiose  emant  cames  in  dicto  maceUo  de  la  paerta  de  Alqoibla  valeant  de 
saa  maUtia  comodam  reportare:  idcirco  volentes  dare  locam,  at  salaria  et 
pensiones  diotoram  doctornm  et  bacallarioram  absqae  nugoii  incomodo  dicte 
civitatis  ezsolvantar. . .  (aach  in  Paerta  de  Alqaibla  soU  der  Obolus  erhoben  wer- 
den) camibas  tarnen  qae  vendnntar  aljame  nostre  dicte  civitatis  inde  ezceptis, 
cam  jam  certam  quid  in  expensis  dicti  stadii  secondnm  provisiones  et  gabemato- 
rem  Regni  Aragonam  lactas  solvere  teneantor.   Bei  Bamon  de  Haesca  YU,  487. 


4.  HocbsehiileB  mit  kaiserl.  oder  kOnigl.  Stiftbriefen.    Hnesea.    511 

diese  Snmmen  jährlich  pünktlich  bezahlt  werden  müssten,  da 
ihm  die  Fortdauer  und  Erhaltung  des  Generalstudiums  am  Herzen 
liege^^"). 

Doch  als  diese  Verordnung  erlassen  wurde,  existierte  das 
Studium  zu  Huesca  gar  nicht  mehr,  was  der  in  Barcelona 
anwesende  König  nicht  wusste,  und  erst  die  Juden  haben  ihn 
darüber  aufgeklärt.  Diese  weigerten  sich  nämlich,  die  genannte 
Summe  zu  zahlen,  da  ja  die  Lehranstalt  nicht  mehr  bestehe  und 
von  den  Professoren  nur  der  Baccalareus  Dominicus  Egidii  Da- 
vena  zurückgeblieben  sei,  der  über  Römisches  Recht  lese,  gleich- 
wie schon  vor  Gründung  des  Generalstudiums  die  Stadt  gewohnt 
gewesen  sei,  einen  Rechtslehrer  zu  dingen,  der  ihre  Söhne 
in  der  Rechtswissenschaft  unterrichte.  Diesem  seien  sie  aber 
nie  verpflichtet  gewesen.  Der  König  beauftragt  nun  am  24.  De- 
cember  desselben  Jahres  den  Rechtskundigen  Acenarius  de  s. 
Cruce  in  Huesca  bei  der  Stadtobrigkeit  Erkundigung  einzuholen 
und  im  Falle,  dass  das  Studium  nicht  mehr  existiere,  nach  Recht 
und  Gerechtigkeit  vorzugehen  ^^^^). 


u^)  Das  Document  ist  dem  in  der  nächsten  Anmerkung  abgedruckten 
inseriert. 

11&6)  Ich  kann  nicht  umhin,  dieses  zu  interessante  Document  ToUinhalt- 
lich  abdrucken  zu  lassen.  Der  König  schreibt  seinem  getreuen  Acena- 
rius de  s.  Cruce  jurisperito  civitatis  Osce:  Pridem  subscriptam  moderacio- 
nem  seu  mandatum  et  ordinacionem  pro  continuacione  et  conseryacione  Stu- 
dii  generalis  jamdicte  Ciritatis  fecisse  recolimus  cum  littera  nostra  tenoris 
sequentis.  Petrus  Dei  gratia  Rex  Aragonum  etc.  dilecto  consiliario  nostro 
Jordano  Petri  Durries  gerenti  vices  Gubematoris  generalis  in  Regno  Ara- 
gonum salutem  et  dUeccionem.  Scire  vos  volumus,  quod  pro  bono  habemus 
et  nostro  cordi  insistit,  ut  Studium  generale  Civitatis  Osce  continuetur  omni- 
mode  et  etiam  conservetur.  Cumque  nos  attentis  sumptibus  et  oneribus  quos 
et  que  Allamas  judeorum  et  sarracenorum  dicte  Ciritatis  opportuit  subire 
tarn  pretextu  guerre  Castelle  quam  alias,  pensionem,  quam  provideramus  dari 
et  dabatur  de  nostri  jussu  per  Aliamas  ipsas  lectoribus  vel  maioribus  dicti 
studü,  subsequenti  modo  duxerimus  moderandam,  sciUcet,  quod  Aliama  pre- 
dicta  dictorum  judeorum  que  solvebat  mille  solidos  jaccenses  solvat  deinde 
anno  quolibet  durante  dicta  guerra  sexcentos  quinquaginta  solidos ,  quodque 
Aliama  dictorum  sarracenorum  predicta  que  solvebat  quingentos  solidos  sol- 
vat annuatim  dicta  guerra  durante  trescentos  quinquaginta  solidos  monete 
jao^nsis  predicte.  Idcirco  volumus  vobisque  dicimus  et  mandamns  eipresse, 
quatenus  compellatis  vel  compelli  faciatia  Aliamas  judeorum  et  sarxacenonun 


512      in.  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Das  Studium   wurde,   wie  aus  der  Eingabe  der  Juden  an 
den  König  klar  hervorgeht,  allerdings  mit  mehreren  Professoren 

predictoram  fortiter  et  districte  ad  dandom  et  solyendam  pensionem  pre- 
tactam  juxtä  dictam  moderacionem  per  nos  factam  anno  qaolibet  Dominico 
Egidii  Davena  bacallario  in  legibus  legenti  nunc  in  dicto  studio  vel  cui  to- 
luerit  loco  sui,  donec  aliud  super  hoc  circa  conseryacionem  et  comodum  dicti 
studii  duxerimus  providendum,  hocque  mutare  vel  differre  minime  presuma- 
tis,  cum  nos  sie,  non  obstantibus  quibusvis  tatxacionibns  prorisionibus  vel 
mandatis  in  contrarinm  quomodolibet  factis  et  faciendis,  pro  utilitate  et  con- 
servacione  studii  prefati  de  certa  scientia  proridendum  duxerimus  seu  etiam 
ordinandum.  Datum  Barchinone  XIX*  die  octobris  anno  infrascripto.  Nunc 
autem  pro  parte  Aliame  judeorum  dicte  Civitatis  fuit  coram  nobis  expositum 
rever enter,  quod  dicta  littera  et  in  ea  contenta  sunt  et  fuerunt  eidem  Aliame 
multum  preiudiciales  et  in  eorum  dispendium  emanate  ex  eo,  quod  tempore 
dicte  ordinacionis  et  nunc  dictum  Studium  generale  cessabat  et  cessat,  et  in 
eodem  aliquis  doctor  seu  bacallariuB  ex  iUis  qui  in  dicta  civitate  legebant  et 
dictam  pensionem  recipere  consueverant  non  remanserat  nee  remansit,  nee 
ibi  nunc  aliquis  eorum  legit  nisi  solum  jam  dictus  Dominicus  Egidii  Davena 
bacallarius  in  legibus,  quem  ad  legendum  in  dicta  civitate  homines  univer- 
sitatis  ipsius  de  novo  aduxerunt  seu  venire  fecerunt ,  prent  ante  fnndacionem 
ipsius  studii  homines  jamdicti  consuevenint  teuere  unnm  bacallarium,  qoi 
eorum  filiis  in  dicta  civitate  legebat,  in  cuius  salario  dicta  Aliama  aliqmd 
exsolvere  minime  consuevit,  quinimo  ipsi  homines  prefato  bacaUario  in  jamdicto 
suo  salario  satisffacere  consuevenint,  quomm  pretextu  salarium  doctomm  et  ba- 
challariorum  predictomm,  qui  in  dicto  stndio  legere  consuevemnt  tempore  funda- 
cionis  dicti  studii,  eis  dari  assignatum  cessare  debebat  et  debet  et  moderacio  etiam 
predicta  ex  eo  sequuta,  nee  dicta  Aliama  dicta  de  causa  ad  aliqoid  ezsol- 
vendum  compelli  debebat.  Qnare  fuit  nobis  humiliter  supplicatum,  ut  super 
hiis  de  remedio  justicie  providere  dignaremnr.  Nos  vero  dicta  supplicacione 
ntpote  justa  benigne  admissa  vobis  dicimus  et  mandamus,  quatenns  voeata 
parte  Civitatis  predicte  et  aliis  qui  fuerint  evocandi,  si  inveneritis  in  dicta 
civitate  memoratnm  Studium  non  esse,  ut  fuerat  ordinatum,  et  prout  predicta 
Aliama  ad  expensas  predieti  stndii  pro  parte  ei  contingente  tenebatnr,  eo 
casu  prefatam  Aliamam  et  eins  singolares  non  compellatis  seu  compelli  per 
quospiam  permittatis  ad  solvendum  partem  integram  in  dicto  salario  eos  exsol- 
vere contingentem ;  in  casn  vero,  quo  dictus  bachallarius  in  dicta  Civitate  ie* 
gens  Bit  salariatus  radone  dicti  studii  generalis,  predictam  Aliamam  et  >in- 
gnlares  ipsius  secundum  magis  et  minus,  prout  ante  in  predicto  salario  sol- 
vebant,  facietis  et  compellatis  ad  solvendum  partem  eisdem  contingentem 
in  salario  dicti  legentis  in  studio  snpradicto,  prout  jnstum  fuerit,  littera  ro- 
pra  inserta  quo  ad  hec  minime  obsistente.  Nos  enim  vobis  super  hiis  vicea 
nostras  plene  comittimus  cum  presenti.  Datum  Cesaraugnste  XXIIII«  die  de* 
cembris  anno  a  nativitate  Domini  M^CCC^'L^^YIII«.  Archivo  de  la  Corona 
de  Aragon,  Begistro  n.  1088  Bl.  70b. 


4.   Hochsclinlen  mit  kaiserl.  oder  k6nigl.  Stiftbriefen.    Huesea.    513 

« 

eröffnet;  allein  bald  verliessien  alle  mit  Ausnahme  eines  einzigen 
wider  die  Stadt,  so  dass  sich  dasselbe  auflöste.  Wie  so  oft  im 
Mittelalter  war  daran  auch  in  Huesca  vorzüglich  die  Unregelmässig- 
keit in  der  Bezahlung  des  Salariums  Schuld.  Der  König  selbst 
mochte  wenig  Lust  verspüren  dem  Uebelstande  abzuhelfen,  da 
die  Auslagen  wegen  der  beständigen  Kriege  ohnehin  sehr  gross 
waren.  Dazu  kam,  dass  die  verhältnissmässig  blühende  und 
bereits  erprobte  Universität  Lörida  nicht  allzu  weit  entfernt  lag. 
So  konnte  sich  die  Hochschule  zu  Huesca  nicht  recht  lebens- 
fähig erweisen.  Zwar  ersteht  sie  wider;  aber  erst  spät. 
Wenigstens  war  es  mir  nicht  möglich  ausfindig  zu  machen,  ob 
der  Nachfolger  Peters,  der  Freund  der  catalanischen  Dichtung 
Juan  I.,  etwas  für  das  Studium  gethan  habe.  Erst  dessen  Nach- 
folger, sein  Bruder  Martin,  soll  die  Gründung  und  die  Privilegien 
der  Universität  bestätigt  haben"").  Allein  nur  die  unter 
Juan  n.  und  dem  Papste  Paul  II.  vorgenommene  Widerher- 
steilung der  Universität  brachte  neues  Leben  in  die  Schule 
und  führte  eine  Wendung  der  Dinge  herbei. 

Kurz  nachdem  Paul  IL  den  päpstlichen  Stuhl  bestiegen 
hatte  und  nicht  lange  nach  seinem  eigenen  Regierungsantritte 
wandte  sich  Juan  IL  an  den  Papst,  indem  er  ihm  vorstellte, 
dass  Pedro  lY.  in  Huesca  ein  Generalstudium  in  allen  Fächern 
gegründet  habe  und  zwar  im  Einverständnisse  mit  dem  aposto- 
lischen Stuhle.  Das  Studium  habe  auch  eine  Zeit  lang  bestanden, 
doch  aus  verschiedenen  Gründen  sei  es  untergegangen  und  die 
Privilegien,  besonders  aber  die  päpstlichen,  wären  in  Verlust 
geraten.  Da  er  nun  durchaus  die  Erneuerung  des  Studiums  wünsche, 
habe  er  die  königlichen  Privilegien  renoviert;  der  Papst  möge 
nun  dasselbe  in  Bezug  auf  die  päpstlichen  Privilegien  in  der 
Erwägung  thun,  dass  im  Königreich  Aragon  kein  anderes  General- 
studium existiere"*'). 


1^)  B.  Ramon  de  Huesca  1.  c.  p.  215. 

11^7)  Paul  n.  führt  in  seinem  am  19.  October  1464  erlassenen  Schrei- 
ben (Aynsay  1.  c.  p.  632)  die  Bitte  des  Königs  an.  Dieser  habe  gesagt,  dass 
Hpsios  studii  erectio  et  ordinatio  a  sede  apostolica,  at  asseritur,  approbata 
et  confirmata  ac  etiam  execntioni  debite  demandata  extiterint,  et  Studium  pre- 
dictom  per  nonnnlla  tempora  in  ipsa  civitate  viguerit:  qoia  tarnen  labenti- 

D  e  n  i  n  e ,  Die  UniTextiitten  I.  33 


514    lU-   EntwiekeluDg  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Die  Bemerkung,  Pedros  IV.  Stiftung  sei  vom  apostolischen 
Stuhle  bestätigt  worden,  ist  unrichtig.  Es  wurde  früher  nie 
ein  päpstliches  Privileg  fQr  Huesca  gegeben.  Dieser  Umstand 
macht  es  erklärlich,  warum  man  zur  Zeit  Juans  IL  zwar  wohl 
die  königlichen,  nicht  aber  die  päpstlichen  Privilegien  vorfand. 
Auch  in  Rom  wusste  man  nichts  davon,  und  der  Papst  beauf- 
tragte deshalb  am  19.  October  1464  den  Abt  des  Klosters 
S.  Johannis  de  Pina  und  den  Prior  des  Priorates  b.  Mariae  de 
Pilar  in  Saragossa  über  das  Ganze  Erkundigung  einzuholen  und 
eventuell  das  Studium  kraft  apostol.  Auctorität  zu  ordnen  und 
demselben  die  Privilegien  von  Toulouse,  Montpellier  und  Lärida 
mitzutheilen.  Am  24.  October  ernannte  er  ftlr  das  ^universale 
Studium  litterarum  quarumlibet  licitarum  facultatum'  zu  Huesca 
^aliquamdiu  hactenus  intermissum'  in  der  Person  des  Ferarius 
Bam,  Archidiacons  ^camere  in  Oscen.  Jaccen.  invicem  canonice 
unitis  ecclesiis'  und  Doctors  der  Decrete  den  Kanzler  des  Studiums, 
und  befahl  dem  Canonicus  von  Huesca,  Benedict  Mongon,  ihn 
^cum  honoribus  et  oneribus  et  emolumentis  consuetis  ad  instar 
concellariorum  aliorum  generalium  studiorum  principatus  Gatho- 
lonie'  in  dieses  Amt  nach  eingeholter  Zustimmung  der  Magistri, 
Doctoren  und  Scholaren  universitatis  studii  einzusetzen^^").  Unter 
demselben  Datum  nahm  er  'universos  doctores,  magistros  et  sco- 
larium  universitatem  studii  Oscensis'  gegen  jede  Belästigung 
und  Bedrückung  von  aussen  in  Schutz^^^*). 

Die  Dotierung  geschah  durch  Einverleibung  von  Beneficien. 
Das  Schicksal  der  Universität  war  nunmehr  bis  zur  Gründung 
der  Universität  Saragossa  (1541)  ein  günstigeres,  obgleich  es 
nie  ein  glänzendes  genannt  werden  kann. 


bus  annis  propter  guerrarum  turbines,  mortalitates  atqne  discrimina  . . .  tum 
etiam  quia  civitas  predicta  aliquantulum  depopulata  fuit,  Studium  aliquandla 
intermissum  extitit  ac  nonnulla  ipsius  studii  privilegia  precipoe  ab  eadem 
sede  concessa  deperdita  et  amissa  fuere,  prefatus  Joannes  Bez  .  .  .  Studium 
generale  predictum  in  eadem  civitate  summopere  instaurari  ac  innovari  de- 
siderans,  ipsius  Petri  regis  .  .  .  Privilegium  eisdem  ciritati,  stndioque  et 
umversitati  concessum  regia  autoritate  predicta  innoTavit  approvabit  ac  etiam 
confirmavit'  etc. 

1168)  Archiv  vom  Lateran,  Reg.  Pauli  II.  1464  an.  1.  1.  1  Bl.  55a. 

1159)  Aynsay  1.  c.  p.  632. 


5.  Hochschnlen  mit  pftpstL  u.  landesherrl  StiftbriefeD.   Perpignan.   515 

6.   Hoohsolmlen  mit  päpstliohen  und  landesherrllohen 

oder  kaiserlichen  Stiftbriefen. 
Es  gehört  nicht  weniger  zu  den  interessanten  Thatsachen, 
dass  mehrere  Hochschulen  zwei  Stifthriefe,  einen  von  der  geist- 
lichen, den  andern  von  der  weltlichen  Auctorität,  aufweisen 
können,  als  der  Umstand,  dass  nicht  wenige  Hochschulen  ohne 
einen  Stiftbrief  bloss  ex  consuetudine  als  solche  anerkannt  worden 
sind.  Haben  wir  mit  diesen  die  Uebersicht  begonnen,  so  schliessen 
wir  mit  jenen  natürlich  die  Reihe  der  Universitäten  bis  1400  ab. 

Perpignan. 

Im  Anschluss  an  die  im  vorigen  Paragraph  an  letzter 
Stelle  behandelten  Lehranstalten  erwähne  ich  das  Oeneral- 
studium  im  Rousdllon^  nämlich  Perpignan.  Wie  so  viele 
andere  figurierte  auch  diese  Hochschule  nicht  mehr  in  den 
Universitäten  -Verzeichnissen. 

Die  Universität  Perpignan  ist  ebenso  ein  Werk  Pedros  IV. 
von  Aragon,  wie  jene  zu  Huesca.  Wäre  eine  Bemerkung  in 
den  handschriftlichen  Universitätsstatuten  zu  Perpignan  richtig, 
so  hätte  der  Papst  vor  dem  König  den  Stiftbrief  erlassen,  denn 
der  päpstliche  Stiftbrief  ist  mit  IV.  kl.  Decembris  anno  2  datiert 
und  wird  Clemens  VI.  zugeschrieben"*").  Derselbe  wäre  also 
am  28.  November  1343  ausgefertigt  worden,  während  der  König 
den  seinigen  erst  am  20.  März  1349  ausstellte.  Allein  schon 
der  Inhalt  der  päpstlichen  Bulle  beweist  die  Unrichtigkeit  der 
alten  Tradition.  Der  Papst  sagt  nämlich,  Perpignan  hänge  vom 
Aragonischen  Könige  ab"*').  Nun  kam  aber  das  Roussillon  mit 
Perpignan  nicht  vor  1344  endgültig  an  den  König  von  Aragon''^*). 

ii60j  Hs.  6537  auf  der  Bibliothek  zu  Perpignan.  Massot,  Les  coutumes 
de  Perpignan  (MontpeUier  1848)  p.  80  setzt  das  Schreiben,  ich  weiss  nicht 
wanun,  in  das  Jahr  1349. 

1161^  Perpignan  liege  'in  comitata  Bossilionis  ad  car.  in  Christo  t  n. 
Petnim  regem  Aragonum  illostrem  pertinente'. 

11^)  8.  Znrita,  Anales  de  la  Corona  de  Aragon  II,  168.  Henry,  Histoire 
de  Bonssillon  (Paris  1835)  I,  269  ff.  291  ff.  Es  scheint,  dass  man  dieses  hi- 
storische Factum  nicht  unbeachtet  liess  and  deshalb  den  Brief  in  das  Jahr 
1344  verlegte.  Allein,  wenn  derselbe  von  Clemens  YI.  herrührt,  dann  wurde  er 
28.  November  1343  geschrieben,  denn  der  Erönungstag  war  der  19.  Mai  1342. 

33* 


516     ni.  Entwickelung  der  Hochschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Ferner  schreibt  der  Papst,  er  sei  vom  Erstgebornen  des  Königs, 
Don  Juan,  Herzog  von  Gerona,  um  die  Errichtung  des  Studiums 
gebeten  worden.  Allein  dieser  wurde  erst  1350  geboren.  Von 
Clemens  VI.  kann  also  die  Bulle  nicht  herrühren.  In  der  That 
steht  sie  im  Yat.  Archiv  unter  den  Regesten  des  Oegenpapstes 
Clemens  VE.""),  dem  sie  auch  in  Wahrheit  zuzuschreiben  ist 
König  Pedro  gebrauchte  als  Formular  für  seinen  Stiftbrief 
vom  20.  März  1349  die  betreffenden  Schreiben  der  Sicilianischen 
Könige.  Der  König  will  nicht,  dass  seine  Unterthanen  auswärts 
bei  fremden  Völkern  die  Wissenschaft  suchen"**).  Auf  die 
Bitten  der  Consuln  und  Prohombres  der  Stadt  hin  und  um  die 
Grafschaft  Roussillon  zu  neuem  Glänze  zu  bringen,  sei  er  also 
gesinnt  in  Perpignan,  ^quam  localis  amenitas,  et  marine  trans- 
vectionis  vicinitas,  et  terre  fertilitatis  fecunditas,  ac  doctomm 
inibi  existentium  scientie  profunditas  reddunt  utiliter  tanto  negotio 
competentem  et  docentibus  et  addiscentibus  gratiosam\  ein  Studium 
universale  zu  gründen,  und  er  bestimmt,  'inibi  legi  et  doceri 
sacram  theologiam  et  jura  canonica  et  civilia  et  etiam  artes 
cuiuscunque  professionis  inibi  vigere  generale  Studium'"*^).  Von 
nun  an  solle  Perpignan  würdig  sein  'domus  universalis  studii  et 
magistra*  genannt  zu  werden"**).  Es  seien  dort  'doctores  et 
magistri  mirifice  eruditi  in  facultate  qualibet  de  villa  ipsa  ori- 
undi  et  breviter  etiam  alii  ibi  erunt'"*').  Er  ladet  nun  zu 
diesem  Gastmahle  alle  Doctoren  und  Scholaren  ein,  nimmt  sie 
auf  der  Hin-  und  Herreise  sowie  während  ihres  Aufenthaltes  in 


1163)  Ihm  wurde  auch  der  Rotnlos  Johannis  primogeniti  Aragonum  da- 
cis  Gemnden.  ans  dem  J.  1379—1380  eingesendet.  Beg.  Suppl.  Clem.  Tu. 
an.  2  p.  3  Bl.  78  b. 

11^)  Er  woUe  Roussillon  mit  gelehrten  Männern  bereichem,  'nt  fideles 
nostri  regnicole  scientiarum  fructus,  quos  indesinenter  per  peregrinos  na- 
tiones  laboriosa  investigatione  coacte  actenus  expectabant,  in  regnia  nostris 
coUigere  valeant  et  inibi  invenire  nt  illorum  aviditatibus  8ati8fiat\  S.  oben 
Eonrads  Brief  fftr  Salemo  S.  236.  —  Beilftufig  bemerke  ich,  dass  das  Cartu- 
laire  von  Perpignan  im  Cod.  Paris  9995  nichts  auf  die  Hochschule  bexttg- 
liches  enthält. 

"66)  8.  oben  8.  237  und  454 

"««)  S.  oben  236. 

ii^'?)  8.  oben  S.  454;  aus  Friedrichs  Stiftbrief  entlehnt 


5.  Hochschulen  mit  pftpstl.  u.  landesherrL  Stiftbriefen.   Ferpignan.    517 

seinen  Schutz  "•'),  und  theilt  ihnen  alle  Freiheiten  der  Univer- 
sität L^rida  mit"^').  Die  Consuln  sollten  einen  geeigneten  Platz 
wählen,  wo  die  Magister  und  Scholaren  bequem  wohnen  könnten 
und  ihnen  ^hospitia  sub  congruentibus  salariis  sive  logateriis' 
anweisen.    Er  beauftragt  sie  auch  alle  Privilegien  zu  achten^ ^^^). 

Aus  dem  Schreiben  muss  man  schliessen,  dass  in  Perpignan 
bereits  einige  Magistri  und  Doctoren  ansässig  waren,  und  dass 
es  mithin  nur  theilweise  der  Heranziehung  auswärtiger  Kräfte 
bedurfte.  Man  erfährt  aber  nicht,  ob  in  Perpignan  wie  in  Huesca 
vor  Gründung  der  Hochschule  der  eine  oder  der  andere  Rechts- 
lehrer auf  Kosten  der  Stadt  die  Jura  vorgetragen  hat.  Einer  der 
von  den  Gonsuln  an  den  König  Abgesandten  war  Bemard  Olive, 
legum  doctor  und  Ganonicus  von  Eine. 

Allein  so  viel  die  Vorbereitungen  zu  versprechen  schienen,  so 
kam  der  Plan  doch  nicht  sogleich  zur  Ausführung,  oder  wenigstens 
kann  diese  nicht  nachhaltig  gewesen  sein.  Bis  zu  den  Zeiten  Gle- 
mens  VH.  finden  sich  keine  Notizen  über  die  Universität  Perpignan, 
und  der  Umstand,  dass  Pedro  IV.  bei  Gründung  jener  zu  Huesca 
Perpignan  nicht  nennt,  obwohl  er  L^rida,  Montpellier  und 
Toulouse  erwähnt  (deren  Privilegien  er  dem  neuen  Studium  mit- 
theilt), ja  vielleicht  die  Gründung  der  Universität  Huesca  selbst 
findet  hierin  ihre  Erklärung.  Der  Stiftbrief  Clemens  VH.  setzt  in- 
haltlich keinen  andern,  also  auch  nicht  jenen  Pedros,  voraus,  und  es 
wird  mittels  des  päpstlichen  das  Studium  ganz  neu  errichtet, 
ohne  dass  der  Existenz  einer  frühem  Lehranstalt  Erwähnung 
geschähe.  Die  eigentliche  Stiftung  der  Hochschule  zu  Per- 
pignan, die  zugleich  mit  dauerndem  Erfolg  gekrönt  war,  datiert 
also  nicht  aus  dem  Jahre  1349,  sondern  aus  der  Zeit  Clemens  VH. 

Sein  Stiftbrief  vom  28.  November  1379  ähnelt  in  der  Ein- 
leitung   so   vielen   andern  päpstlichen   Stiftbriefen  jener   Zeit, 


u^)  Ad  hoc  igitor  tarn  salnbre  convivinm  doctores  et  magistros  qaoa- 
libet  et  scolares  hilariter  invitamas,  Bicqne  andecnnqne  ▼oluerint  secure  ve- 
niant  sub  noatre  Bpeciali  protectionis  presidio  coiijancti  in  veniendo,  stände, 
morando  et  redeundo  cam  omnibus  bonis.  S.  oben  S.  236  und  454. 

U69)  Diese  finden  sich  auch  in  den  handschriftl.  Statuten  p.  175  ff. 

1170)  Das  Docnment  ist  in  den  (s.  oben  Anm.  1160)  handschriftl.  Statuten, 
gedruckt  bei  Massot  1.  o.  p.  79. 


518    ni.   Entwickelang  der  Hochschnlen  bis  mm  Ende  des  14  Jhs. 

z.  B.  jenen  für  Valladolid,  Köln,  Erfiirt  u.  s.  w.  und  hat  mit- 
hin speciell  fßr  Perpignan  wenig  Bedeutung.  Wie  die  kaiser- 
lichen und  königlichen  so  wurden  auch  die  päpstlichen  nach 
Formularen  angefertigt.  Von  Bedeutung  ist  aber,  was  Clemens 
im  Verlaufe  anführt,  dass  ihn  sowohl  Juan,  Herzog  von  Gerona, 
als  auch  die  Gonsuln  der  Stadt  gebeten  hätten  ein  Greneral- 
Studium  in  Perpignan  zu  errichten.  Ihrem  Wunsche  willfahrend 
bestimmt  er  nun  ^ut  in  eadem  villa  de  cetero  sit  Studium  generale 
illudque  perpetuis  fiituris  temporibus  vigeat  in  juribus  canonico 
et  civili,  in  artibus  et  etiam  medicina  et  qualibet  alia  licita  non 
tamen  theologica  facultate'.  Er  gibt  den  Lehrenden  und  Lernen- 
den alle  Privilegien  anderer  Generalstudien.  Und  da,  wie  ver- 
laute, der  König  das  Studium  schützen  und  mit  Privilegien  be- 
schenken wolle,  so  erlaube  er  auch  die  Promotionen  vor  dem 
Bischof  von  Eine  oder  dessen  Generalvicar  nach  vorausgegangener 
Prüfung ''^0-  Der  Stifter  war  also  Clemens  Vn.  Die  Universität 
selbst  deutete  dies  in  zwei  an  ihn  im  J.  1393  eingesendeten 
Suppliken  unzweideutig  an.  Sie  nennt  sich:  devota  filia  vestra 
per  vos  in  esse  producta,  und  ihn  selbst  Spater  et  genitor' ^^^'). 

Der  Stiftbrief  kam  sogleich  in  Ausführung.  Beweis  dessen 
sind  zwei  uns  erhaltene  Doctordiplome,  das  eine  vom  16.  October 
1388  und  das  andere  vom  26.  December  1389"^').  Die  Stataten 
selbst,  die  zumeist  wörtlich  jenen  von  Lärida  entnommen  sind, 
wurden  wohl  bald  nach  Eröffnung  des  Studiums  angefertigt"^*). 
Im  J.  1404  werden  sie  bereits  'antiqua'  genannt"^'). 

Die  Hochschule  erfreute  sich  Ende  des  Jhs.  einer  verhält- 
nissmässig  grossen  Frequenz.  In  dem  vom  Gegenpapste  Bene- 
dict XITT.  auf  1394  zurückdatierten  Rotulus  werden  neben  dem 


1171)  Reg.  Tat.  Clem.  YII.  an.  2  BL  26  b. 

1172)  Beg.  Suppl.  Clem.  YII.  an.  16  BL  174  a.  190  b.  Die  Suppliken 
wurden  5.  Jd.  August!  an.  15  gewährt  In  dem  letstem  Rotulus  wird  Johann 
de  Pontonibus  studens  in  decretis  in  qninto  anno  als  Bector  uniTersitataSy 
und  Wilhelm  Nomays,  mag.  in  artibus  actu  legens  genannt,  die  abrigen  sind 
nur  licentiati,  baccalarei  oder  studentes. 

U7S)  In  den  handschriftl.  Statuten  (s.  oben  Anm.  1160)  p.  97. 
117*)  Sie  finden  sich  in  der  eben  angefthrten  Hs.  der  Statuten  zu  Per- 
pignan. 

1175)  8.  die  handschriftl.  Statuten  p.  107. 


5.  Hoehsch.  m.  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Lissabon-Coimbra.  519 

Rector  der  im  fünften  Jahre  studens  in  jure  canonico  war,  4  licen- 
tiati  in  jore,  27  baccalarei  in  jure,  von  denen  viele  lasen,  2 
magistri  in  artibus  (einer  von  ihnen  zugleich  actu  legens  in  medi- 
cina),  2  baccalarei  in  medicina,  137  Scholaren  in  jure  und  207  in 
artibus  aufgezählt"^*).  Sie  baten  ausser  um  Beneficien  für  die 
einzelnen  um  alle  jene  Privilegien  und  Vorzüge,  welche  Benedict 
den  Universitäten  L^rida,  Avignon  und  andern  Generalstudien 
im  Gebiete  des  Königs  von  Aragon  und  in  Frankreich  ertheilt  habe 
und  noch  ertheilen  werde.  Die  meisten  der  im  Rotulus  genannten 
waren  aus  der  Diöcese  Eine,  viele  aus  jenen  von  Gerona  und 
Urgel  gebürtig.  Nur  ausnahmsweise  finden  sich  einige  aus 
dem  Süden  Frankreichs  z.  B.  aus  den  Diöcesen  Perigueux, 
Rodez,  oder  aus  dem  südlichen  Spanien,  z.  B.  der  Diöcese  Valencia. 
Das  Studium  generale  in  theologica  facultate  ^ad  instar 
studii  Tholosanr,  das  bereits  Pedro  IV.  gewünscht,  erlaubte  Ni- 
colaus V.  am  21.  Juli  1447  auf  die  Bitten  Alfonsos  V.  von 
Aragon  und  der  Gonsuln  der  Stadt  hin,  die  unter  anderm  bemerkten, 
dass  in  Perpignan  'Studium  in  quacunque  facultate  excepta  theo- 
logie  a  multo  tempore  citra  viguit  generale'"")»  Die  interes- 
santen Statuten  der  theologischen  Facultät  stammen  aus  dem 
J.  1459""). 

Lissabon-Coimbra. 
Portugal  besass  bis  in  das  16.  Jh.  nur  £ine  Universität,  die 
aber  ein  paar  Jahrhunderte  beständig  ihren  Aufenthalt  wechselte, 
denn  bald  war  sie  in  Lissabon,  bald  in  Goimbra,  bis  sie 
endlich  in  letzterer  Stadt  seit  1537  bestehen  blieb.  Trotz* 
dem,  dass  über  diese  eine  verhältnissmässig  reichhaltige  doch 
weitschweifige  Monographie  existiert""),  die  man  aber,  wie  ich 


117«)  Reg.  Snppl.  Bened.  XIIL  an.  1  p.  1  Bl  101.  Andere  Rotuli 
sind  enthalten  in  den  Reg.  Snppl.  Clem.  YII.  an.  16  Bl.  174.  190b.  Von  dem 
Blasias  Campells  wird  hier  unter  anderm  gesagt,  er  habe  bereits  in  Per- 
pignan, Toulouse,  Paris  und  Orleans  studiert,  und  sei  nun  licentiatus  in 
decretis. 

1177)  Archiv  Tom  Lateran,  Reg.  Nicol.  Y.  1447  an.  1  tom.  2  BL  185. 
Zugleich  auch  in  den  handschriftlichen  Statuten  zu  Perpignan. 

1178)  In  den  handschriftl.  Statuten  p.  124-138. 

1179)  Leitao  Ferreira,  Noticias  chronologicas  da  universidade  de  Goim- 


520    HL   Entwickelang  der  Hochschalen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

sehe,  bei  uns  nicht  benützt  hat^^"®),  war  man  über  dieselbe  fast 
gar  nicht  unterrichtet.  War  dies  doch,  wie  wir  sehen  werden, 
zum  Theil  in  Portugal  selbst  der  Fall.  Um  so  mehr  ist  es  ge- 
boten, den  richtigen  Thatbestand  darzulegen,  und  die  Geschichte 
wenigstens  in  den  Hauptumrissen  bis  zu  jenem  Zeitpunkte,  wo 
die  Universität  bleibend  ihren  Sitz  in  Goimbra  aufgeschlagen 
hat,  zu  verfolgen.  Es  ist  dies  schon  deshalb  angezeigt,  weil  die 
Lehranstalt  gerade  wegen  ihres  häufigen  Ortswechsels  ganz  einzig 
in  der  Geschichte  der  Universitäten  des  Mittelalters  dasteht 

Die  Notizen  über  die  Lehranstalten  in  Lissabon  und  Goimbra 
vor  Gründung  der  Hochschule  sind  sehr  dürftige.  Sicher  ist,  dass  die 
frühem  Schulen  das  Niveau  der  gewöhnlichen  Dom-  und  Eloster- 
schulen  jener  Zeit  nicht  überschritten  haben.  Der  sei.  Aegydius 
aus  dem  Dominicanerorden  soll  in  Goimbra,  wo  damals  literamm 
studia  vigebant,  Philosophie  und  Medicin  gehört  haben  ^^^^).  Allein 
diese  Nachricht  stammt  erst  aus  dem  16.  Jh.,  und  wurde  wahr- 
scheinlich niedergeschrieben,  als  die  Universität  in  Lissabon  war. 

bra.  Lisboa  1729.  Er  geht  nor  bis  zmn  J.  1537.  Nennenswert  ist  die  im 
Universit&tsarcliiy  zu  Goimbra  handschriftlich  vorhandene  Arbeit  des  Fran- 
cisco Cameiro  de  Figaeiroa:  Memorias  da  nniversidade  de  Goimbra.  Sie 
bietet,  obwohl  nach  dem  Werke  Ferreiras  verfasst,  nichts  wesentlich  Neues. 
Es  war  bestimmt  die  Schrift  im  Annnario  da  nniversidade  de  Goimbra  zu  ver- 
öffentlichen. Bei  meinem  Aufenthalte  zu  Goimbra  im  Frttlgahr  1883  wurde 
ich  jedoch  wohl  auf  das  Bfs.  nicht  aber  auf  das  Annuario  aufinerksam  gemacht 
So  viel  ich  aus  den  letzten  Bänden  desselben  ersehe,  ist  das  Ms.  noch  nicht 
publiciert.  Oewissermassen  einen  Auszug  aus  beiden  Werken  bietet  Yisconde  de 
Yilla-Maior  in  der  Exposi^ao  succincta  da  organisa^ao  actual  da  nniversidade 
de  Goimbra,  precedida  de  uma  breve  noticia  historica  d'este  estabelecimento. 
(Goimbra  1878),  worin  auch  die  Neuzeit  behandelt  wird.  Aeusserst  verwirrt 
ist  Ribeiro,  Historia  dos  estabelecimentos  scientificos  litterarios  e  artisticos 
de  Portugal  I  (Lisboa  1871)  p.  22  ff.  Sousa,  Provas  da  historia  genealogica 
da  casa  real  portugneza  I  (Lisboa  1739)  liefert  nur  mehrere  Documente.  Un- 
brauchbar ist  A.  R.  Gosta,  A  Instruccao  nacional  (1870). 

^^)  Y.  Stein  z.  B.  begnflgte  sich  bloss  mit  Bibeiro,  den  er  aber  wegen 
der  Schwierigkeit  der  portugiesischen  Sprache  nicht  verstand  (Die  innere 
Yerwaltung  etc.  S.  2971),  in  Folge  dessen  seine  kurze  DarsteUung  noch 
verworrener  als  jene  bei  Bibeiro  ausfiel.  Savigny  kannte  nur  Sousa,  nicht 
Ferreira,  und  fertigt  in  kaum  vier  Zeilen  die  Geschichte  der  Universität  ab. 

^1^1)  Siehe  die  Autoren  Gardoso,  Sousa  und  Andr6  de  Besende  (letz- 
terer war  Anfangs  des  16.  Jhs.  in  Lissabon  Professor)  bei  Ferreira  p.  1  f. 


5.  Hoclisoh.  m.  pftpstl.  n.  landesherrL  Stiftbriefen.  Lissabon-Coimbra.  521 

Aegyd  trat  schon  vor  1225  in  den  Orden  ^^**),  und  da  er  bereits 
vor  dem  Eintritt  ein  gelehrter  Mediciner  und  zugleich  Canonicus 
an  der  Gathedrale  zu  Goimbra  war''**),  liess  ihn  der  Chronist  auf 
dem  Studium  litterarum  zu  Goimbra  in  Philosophie  und  Medicin 
unterrichtet  werden.  Allein  es  ist  nach  zeitgenössischen  und 
andern  Quellen  sicher,  dass  er  in  Paris  studiert  und  mit  dem 
nachmaligen  Ordensgeneral  Humbert  das  Noviziat  gemacht  haf'^. 
Der  hl.  Anton  von  Padua,  oder  wie  man  in  Portugal  sagt,  von 
Lissabon,  war  vor  dem  Eintritt  in  den  Franciscanerorden  regu- 
lierter Chorherr"**),  und  zwar  zuletzt  in  S.  Cruz  zu  Goimbra.  Die 
älteste  Vita  berichtet  von  ihm,  dass  ihn  die  Eltern  in  der  frühe- 
sten Jugend  in  der  Marienkirche  zu  Lissabon  ^sacris  litteris  imbuen- 
dum'  übergeben  hätten,  und  er  auch  später  *non  mediocri  studio 
semper  colebat  Ingenium''^**).  Es  ist  auch  nicht  zu  läugnen, 
dass  zu  Lissabon  nicht  wenige  Canonici  und  andere  Clerici  den 
Grad  in  irgend  einer  Disciplin  erlangt  haben '^*0,  und  mit  dem 


1183)  s.  Qn^tif-Echard,  SS.  Ord.  Praed.  I,  241.  Nach  der  YiU  in  den 
AA.  SS.  Mai.  III,  406  circa  1221.  Y.  Stein  yersetzt  8.  298  Aegyd  dem 
ganzen  Zusammenhange  nach  in  den  Anfang  des  14.  Jhs.l 

1183)  s.  Cardoso,  Agiologio  Lusitano.  Lisboa  1666,  III,  251.  Das  Ea- 
lendariom  cathedralis  ecclesie  colimbr.,  worauf  er  sich  beruft,  entdeckte  ich 
nicht  in  Goimbra. 

1184)  s.  Vitas  Fratrum,  part  4  c.  2  n.  4;  p.  5  c.  3.  n.  6.  AA.  SS.  1.  c. 
p.  405.  Nach  Qa6tif-£chard,  I,  734  wurde  im  Dominicanerconvent  au  San* 
tarem  eine  handschriftliche  Vita  des  sei.  Aegydins  aufbewahrt,  die  gewiss 
manchen  AufiBchlnss  geboten  hätte.  Ich  kam  aber  derselben  nicht  auf  die 
Spar.  Weder  in  der  Nationalbibl.  noch  im  Archiv  Torre  do  Tombo  an 
Lissabon,  wohin  die  Ueberreste  ans  den  Klöstern  gebracht  wurden,  fand 
ich  sie. 

1185)  y.  Stein  verwechselt  die  regulierten  Chorherren  mit  den  Augus- 
tinereremiten. 

1186)  In  den  oben  S.  282.  Anm.  240  angefahrten  Hss.  und  in  den  Portu- 
gatiae  mon.  bist.  I,  117.  Ygl.  auch  Josa,  Legenda  s.  Antonii  de  Padua  (Bo* 
niae  1883)  p.  3.  5.  Ebenso  in  der  Ende  des  13.  Jhs.  abgefassten  Legende 
des  Heiligen  ibid.  p.  78  (um  von  den  Bearbeitungen  der  ersten  Yita  hier 
abausehen). 

1187)  Der  Apostat  Thomas  Scotus,  welcher  'coram  multis  scolaribus  in 
scolis  decretalium*  in  Lissabon  las,  gehört  jedoch  erst  dem  nftehsten  Jh.  und 
der  Zeit  des  Alvaro  Pelagio  an.  S.  Ober  ihn  Menendei  Pelayo,  Heterodoxos 
espanoles  I,  504.  782  ff. 


522    ni   Entwickeloog  der  Hochschideii  bU  warn  Ende  des  14.  Jhs. 

Titel  ^Magister'  geschmückt  worden  sind^^*')-    Doch  mehr  Licht 
erhalten  wir  erst  mit  dem  J.  1288. 

Am  12.  November  genannten  Jahres  sandten  der  Abt  von 
Alcoba^  die  Prioren  von  S.  Cruz  in  C!oimbra,  S.  Yicente  von 
Lissabon,  S.  Maria  de  Alcagoya  za  Santarem,  S.  Maria  in  Goi- 
maraens  und  noch  viele  andere  Bectoren  von  Kirchen  Portugals 
eine  Bittschrift  an  Nicolaus  IV.,  in  der  sie  auseinandersetzten, 
sie  hätten  den  König  Diniz  bestimmt  ^construere  et  ordinäre 
Studium  generale  apud  nobilissimam  civitatem  suam  Olyssiponen- 
sem',  indem  die  Unterthanen  unmöglich  lange  und  gefährliche 
Reisen  behufs  der  Studien  unternehmen  könnten^'**).  Damit  das 
Studium  zu  Lissabon  zu  Stande  käme,  hätten  sie  sich  auch 
unter  einander  darttber  geeinigt,  wie  viel  zur  Besoldung  der  Doctoren 
und  Magister  von  den  Einkünften  der  einzelnen  Klöster  und 
Kirchen  bezahlt  werden  solle.  Sie  bitten  nun  den  Papst,  dass 
er  diese  Bestimmung  und  das  Werk  selbst  *ad  servitium  dei  in* 
tentum  et  ad  decorem  patrie'  bestätigen  wolle"*®). 


ii88j  So  z.  B.  in  den  Reg.  Honorins  IIL  an.  4.  ep.  825;  an.  10  ep.  135. 
Gregorii  IX.  an.  5  ep.  165;  an.  7.  ep.  296;  ep.  420;  an.  8.  ep.  165;  an.  11 
ep.  185;  ep.  218;  an.  14.  ep.  176.  Innooentii  lY.  an.  1  ep.  882;  an  11. 
ep.  598  n.  8.  w.  Anch  ein  magister  scholarum  wird  erwähnt,  Gregor  K. 
an.  8  ep.  233;  an.  11.  ep.  218;  an.  15.  ep.  97  etc.  Doch  darf  man  nicht 
Tergessen,  dass  die  blossen  Titel  nicht  viel  beweisen.  Da  wäre  in  jener  Zeit, 
die  nns  hier  beschäftigt,  keine  andere  Domschale  Portagais  so  berühmt  ge* 
wesen  als  jene  sa  Braga.  Ich  nenne  hier  nur  Honorins  III.  Reg.  an.  1. 
ep.  517;  Innocentü  lY.  an.  2.  ep.  608  (an.  5.  ep.  211),  in  denen  der  Ma« 
gister  scholamm  yon  Braga  begOnstigt,  resp.  pririlegiert  wird. 

1189)  Gonsideramas  valde  expedire  regnis  snpradictis  Tel  scriptis  et 
habitatoribas  in  eisdem  habere  in  qoalibet  facaltate  generale  stadinm  litera- 
rnm,  cam  molti  stadere  yolentes  et  cnpientes  adcribi  ordini  clericali  propter 
expensarnm  defectam,  Tiaram  discrimina  et  pericola  personanim  non  aadeant, 
timeanty  nee  commode  possint  ad  partes  lonqoinqnas  ratione  stadii  se  trans- 
ferre,  et  sie  inviti  efficiuntar  laici  et  oportet  eos  recedera  a  sno  bono  pro- 
posito  snpradicto. 

^^)  Die  Bittschrift  wnrde  in  Montem6r-e-NoYO  aasgestellt.  8.  dieselbe 
bei  Ferreira  1.  c.  p.  9.  Nan  yergleiche  man  damit  die  Behanptung  Steins, 
1288  habe  der  Prior  von  S.  Gnu  eine  Uniyersität  in  Portugal  gegründet,  in- 
dem er  den  Professoren  Gehalte  answari  Er  citiert  hierfttr  iwar  Ribeiro, 
allein  aus  Unkenntniss  des  Portniesigschen  hat  er  ihn  nicht  yerstandeo. 
Ribeiro  sagt  p.  11,  'que  ao  prior  do  mosteiro  de  Santa  Grni  D.  Looren^o 


5.  Hochsch.  m.  pftpstl.  n.  landesherrL  Stiftbriefen.  Lissabon-Coimbra.   523 

Am  9.  Augiist  1290  erschien  eie  von  Nicolaus  IV.  an  die  uni- 
versitas  magistrorum  et  scolarium  Ulixbonen.  gerichtete  Bulle, 
in  welcher  er  zuerst  der  Freude  Ausdruck  gibt,  dass  von  König 
Diniz  'cuiuslibet  licite  facultatis  studia  in  civitate  Ulixbon.  sunt 
de  noYO  plantata'  und  von  Praelaten,  Aebten,  Prioren  und  Rec* 
toren  der  Klöster  und  Kirchen  ein  Salarium  für  die  Magistri 
versprochen  und  festgesetzt  worden  sei.  Er  genehmigt  das  Vor- 
haben, bittet  den  König  durch  zwei  Scholaren  und  zwei  Bttrger 
die  Wohnungen  für  die  Scholaren  taxieren  zu  lassen  und  den 
zum  Studium  Beisenden  volle  Sicherheit  zu  garantieren.  Er  selbst 
dispensiert  dieselben  von  der  Residenzpflicht,  gewährt  ihnen  geist- 
lichen Gerichtsstand  und  bestimmt,  dass  der  Bischof  von  Lissa- 
bon, eventuell  dessen  Vicar,  die  Licenz  4n  artibus,  iure  canonico 
et  civili  ac  medicina'  den  Scholaren,  *quos  magistri  reputabunt 
idoneos',  ertheilen  solle.  Die  Approbierten  hätten  das  Recht  4n 
facultate  quacunque,  theologica  dumtaxat  excepta,  ubique  sine 
alia  examinatione  regendi' ^"^). 

So  war  das  drittälteste  Generalstudium  (wenn  man  Sevilla 
abrechnet)  auf  der  Iberischen  Halbinsel  gegründet.  Der  Stifter 
desselben  war  König  Diniz;  die  päpstliche  Bulle  ist  kein 
eigentlicher  Stiftbrief,  wenngleich  ihn  Clemens  V.  für  einen 
solchen   ansah '^^^).     Die  Universität   gehört  aber  trotzdem  in 


Pires  cabe  a  grande  gloria  de  haver  piomovido  a  crea^o  de  uma  aniyersidade 
em  Portugal',  und  zwar  durch  Aussetzung  von  Gehalten.  Der  Prior  hat 
abo  zur  Grflndong  viel  beigetragen  (s.  Ferreira  L  c.  p.  26),  nicht  aber  die 
Universit&t  gegründet  P.  12  zählt  Ribeiro  überdies  die  Mithelfer  auf. 
Uebrigens  sind  Ribeiro  und  mit  ihm  y.  Stein  im  Irrthume,  wenn  sie  den 
Prior  'D.  Looren^o  Pires'  nennen.  Ferreira  hat  p.  28  gegen  diesen  alten  Irr- 
thnrn  nachgewiesen,  dass  der  damalige  Prior  von  8.  Cruz  D.  Durando  Paez 
war.  D.  Looren^o  Pires  war  Prior  der  Kirche  von  Leiria  (p.  29.  39>  Zur 
Belehrung  Steins  diene  noch»  dass  im  Portugiesischen  D.  yor  den  Eigen- 
namen *Dom' bedeutet  (Stein  fragt  zweifelnd :  'dominus  oder  doctor'?). 

1191)  Heg.  Yat  an.  3  ep.  347  BL  68a.  Leitao  Ferreira  p.  41.  BuU. 
Born.  ed.  Taur.  III,  104. 

119S)  So  in  dem  Schreiben,  womit  er  die  Verlegung  der  UniTersit&t  nach 
Goünbra  anordnet  (s.  Anm.  1194).  Er  sagt  darin:  Sane  pro  parte  ca« 
rissimi  in  Christo  filii  nostri  Dionisii  regis  Portugalie  illustris  porrecta  nobis 
nnper  petitio  continebat,  quod  cum  ipse  tanquam  iostitie  zelator  desideraret 


524     in.   Entwickeluiig  der  Hochschulen  bis  znm  Ende  des  U.  Jhs. 

diesen  Abschnitt,  da  wenigstens  die  NeubegrOndung  derselben 
in  Coimbra  (auf  Anregung  des  Königs)  durch  den  Papst  geschah, 
und  später  Clemens  YII.  in  der  That  einen  Stiftbrief  für  Lissa- 
bon erlassen  hat.  Die  merkwürdige  Ansicht  v.  Steins,  aus  der 
1288  gegründeten  kirchlichen  Hochschule  sei  1290  die  von  Lissar 
bon  hervorgegangen,  bedarf  nunmehr  wohl  keiner  Widerlegung. 
Jeder  sieht,  dass  es  sich  vom  Anfange  an  nur  um  die  6ine 
Hochschule  in  Lissabon  gehandelt  hat 

Dass  man  an  die  Ausführung  dachte,  beweist  ein  Auftrag 
des  Königs  vom  4.  September  1300^'").  Allein  wie  öfters,  so 
entstanden  auch  in  Lissabon  zwischen  Bürgern  und  Scholaren 
heftige  Zwistigkeiten  und  Reibungen,  so  dass  den  Scholaren  der 
Aufenthalt  in  Lissabon  unmöglich  gemacht  wurde.  Der  König 
bat  nun  Clemens  V.  das  Studium  in  die  ruhigere  Stadt  Coimbra 
zu  verlegen  und  für  die  dort  studierenden  Professoren  und  Scho- 
laren alle  für  Lissabon  gegebenen  Privilegien  zu  erneuern^'**). 
Der  Papst  beauftragte  in  Folge  dessen  am  25.  Februar  1308 
den  Erzbischof  von  Braga  und  den  Bischof  vom  Coimbra  sich 


at  in  Regnis  suis  yigeret  plenios  scienUa  literamm  qae  Tslde  necessaria  fore 
dinoscitur  ad  lasticiam  exercendam,  fe.  re.  Nicolans  papa  nii.  pred.  noster 
ad  ipsios  regis  snpplicationis  instantiam  per  soas  snb  certa  fonna  Utteras 
statait  ac  etiam  ordinaTit,  at  in  civitate  ülixbonen.  foret  ac  esse  posset  de 
cetero  litteramm  stadiam  generale,  tarn  eidem  studio  quam  regentibos  et 
studentibas  in  eodem  certa  privilegia  et  indnlgentias  concedendo. 

11»)  LeitiTo  Ferreira  p.  73. 

UM)  Schreiben  Clemens  Y.  vom  5.  kal.  Mart  anno  8  (S5.  Febr.  1308) 
in  Reg.  Yat.  an.  3  ep.  384  Bl.  72  b:  Cum  propter  grayes  dissensiottes  et 
seandala  exorta  inter  cives  ciTitatis  eiosdem  (ülixbonen.)  ex  parte  nna  et 
scolares  ibidem  stndentes  ex  altera  nequiverit  nee  esse  possit  eomode  in  eadem 
eiyitate  Studium  sapradietom»  idem  Rex  nobis  bnmiliter  sapplicavit,  vt  sta- 
diam ipsam  ad  dyitatem  Colimbriensem,  qae  at  asserit  est  loeas  magis  ac- 
comodas  et  conyeniens,  transferamns,  eidem  CoUmbriensi  studio  ac  regentibos 
et  studentibas  in  eodem  priyilegia  et  indnlgentias  concedendo»  qae  predieto 
Ulixbonensi  studio  et  in  ipso  regentibus  et  studentibas  predecessor  con* 
cesserat  antedictus.  Bisher  war  maa  über  diesen  Punkt  so  gut  wie  nicht  an^ 
gekl&rt  Ferreira,  der  yon  dem  päpstlichen  Sehreiben  eine  ganz  nngenft* 
gende  Kenntniss  besass,  ist  hier  (p.  74  ff.)  sehr  eonfns  und  irrt  zudem  fort* 
während  bei  Angabe  der  Zeitbestimmungen.  Ebenso  ansicher  ist  Yisconde 
de  Yilla-Maior  p.  2],  obwohl  er  p.  SO  den  richtigen  Orund  gelegt  hat. 


5.  Hocliach.  m.  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stütbriefen.  Lissabon-Goimbra.  525 

aber  den  Thatbestand  zu  informieren  und  eventuell  die  Bitte 
des  Königs  in  AusfOhning  za  bringen  ^^*').  Unter  demselben 
Datum  gewährte  er  mittels  eines  andern  Schreibens  dem  König, 
dass  der  üeberschuss  der  Einkünfte  von  sechs  Pfarrkirchen, 
sollte  die  Uebersiedlung  bewerkstelligt  werden,  für  das  Salarium 
benützt  werde  "*^).  Hiemit  wird  die  neuere  Ansicht  umgestossen, 
als  sei  das  Studium  bereits  1307  nach  Goimbra  transferiert 
worden"*').    Dies  geschah  vielmehr  erst  1308—1309. 

Am  15.  Februar  des  zuletzt  genannten  Jahres  veröffentlichte 
König  Diniz  die  Magna  Charta.  In  civitate  Colimbriensi,  quam 
preelegimus  .  .  .  fimdamus  et  plantamus  irradicabiliter  Studium 
generale',  schreibt  er  zuerst.  Theologie  solle  in  den  Gonventen 
der  Dominicaner  und  Franciscaner  gelehrt  werden.  Ferner  be-  « 
stimmt  er  einen  Doctor  in  decretis  und  einen  Magister  in  decre- 
talibus,  einen  professor  in  legibus,  einen  magister  in  medicina, 
und  doctores  et  magistros  in  facultatibus  dialectice  et  gramma- 
tice.  Er  ertheilt  allen  Mitgliedern  der  universitas  studii  reiche 
Privilegien,  nimmt  alle  Studierenden  in  seinen  Schutz,  warnt  die 
Bürger  Coimbras  ihnen  irgend  ein  Leid  zuzufügen,  und  bestellt 


iAȧ)  Reg.  Vat.  1.  c. 

ii96j  Porrecta  naper  nobis  ex  parte  tue  celsitadinis  petitio  continet,  at 
cum  in  partibus  iUias  Magistri  sea  Doctores  in  scientia  litteraram  sine  sala- 
rio  inyeniri  neqneant  nee  haberi,  Yen.  fratri  nostro  Archiep.  Bracharensi 
yel  alicai  alii  antistiti  daremos  per  nostras  litteras  in  mandatis,  ut  ad  sappor- 
tanda  onera  studii  litteraram,  quod  de  Civitate  ülizbonensi  ad  Civitatem  Go- 
limbriensem  petivisti  ex  ea  transferri,  redditas  et  proventus  sex  ecclesiarnm 
parrochialiom  in  qaibus  insolidum  ins  obtines  patronatns,  statueret  et  de* 
pataret  ac  etiam  assignaret,  reservata  congma  sustentatione  perpetois  vica- 
rüs  in  ipsis  ecclesiis  senritaris.  Cum  igitnr  negotium  translationis  dicti  studii 
eidem  Archiep.  et  ven.  fratri  nostro  .  •  Episc.  Colimbriensi  per  alias  nostras 
sab  certa  forma  litteras  commictamus,  si  contingat  translationem  huiusmodi 
fieri,  per  eosdem  magnificentia  regia  procurare  poterit  apud  illum  vel  illos 
antistites,  sab  quorum  iurisdictione  huiusmodi  consistunt  ecclesie,  quod  ipsi 
de  redditibus  et  proventibus  supradictis  petita  faciant  et  concedant,  nam  se- 
dem  ^»ost.  in  confirmatione  eorum  que  ipsi  super  hoc  facient  excellentia 
regia  inveniet  liberalem.  Beg.  Vat.  an.  8.  ep.  846  Bl.  65  a. 

1197)  So  Ribeiro  I,  425f.  Yisconde  de  YiUa-Maior»  p.  21.  Ribeiro  spricht 
von  einer  carta  de  constitui^es  des  Studiams  zu  Goimbra  vom  27.  Jftnner 
1807.   Allein  es  ist  dies  eine  Yerwechslung  mit  der  carta  vom  29.  Jänner  1817. 


526    ^«  Entwickelang  der  Hochsciliilen  bis  mm  Ende  des  14.  Jhs. 

den  Bischof,  eventuell  dessen  Yicar,  oder  den  Magister  scolanun 
*si  hoc  noscatnr  ad  suum  officium  pertinere'  zu  judices  ordinarios, 
mit  der  Glausel:  'per  hoc  tarnen  legi  dicenti,  quod  magistri  in 
suos  scolares  jus  dicere  valeant,  non  intendimus  derogare  sed 
eam  in  sua  firmitate  perdurare  volumus'.  Nur  in  Ausnahms- 
f&llen  dürfe  der  Justitia  die  Scholaren  ergreifen,  und  dann 
müsse  er  sie  dem  geistl.  Gericht  ausliefern.  Die  Scholaren 
könnten  sich  Rectoren,  Gonsiliarii  und  alle  Bedienstete  wählen, 
hätten  das  Recht,  ein  Siegel  zu  besitzen  und  alles  zu  thun,  was 
zum  Yortheile  des  Studiums  gereiche.  Zwei  Mitglieder  seines 
Rathes  zu  Goimbra  und  zwei  Scholaren  sollten  jährlich  die 
Wohnungen  taxieren.  Er  erlaubt  den  Scholaren  in  jenen 
Wohnungen  zu  bleiben,  die  sie  jetzt  inne  hätten,  wenn  anders 
zwischen  ihnen  und  den  Hausherren  in  Bezug  auf  den  Preis 
Harmonie  bestehe.  Sie  seien  frei  von  allen  Abgaben  an  seine 
Kanzlei,  sowie  überhaupt  von  allen  Abgaben,  wenn  sie  zum 
Studium  kämen.  Zu  ihrem  Unterhalte  sollten  die  Lebens- 
mittel von  allen  Orten  seines  Reiches  steuerfrei  nach  Goimbra 
gebracht  werden  können,  und  in  ihren  Wohnungen  dürften  nicht 
Soldaten,  Bewafhete,  Fossenreisser  etc.  Quartier  erhalten.  Schliess- 
lich bestellt  er  zwei  Conservatoren  seiner  Privilegien  ^^••). 

Mir  scheint,  dass  Diniz  bei  diesen  Verordnungen  durch 
König  Alfonsos  el  Sabio  Magna  Charta  für  Salamanca  und  durch 
andere  Bestimmungen  desselben  Königs  beeinflusst  wurde.  Dies 
wird  durch  das  Document  vom  18.  Jänner  1323,  auf  das  ich 
alsbald  zu  sprechen  komme,  bestätigt. 

Zur  Blüthe  brachte  es  die  Universität  aber  auch  in  Goimbra 
nicht.  Doch  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  dort  das  Studium 
in  Au&ahme  kam.  Am  29.  Jänner  1317  genehmigte  der  König 
die  üniversitätsstatuten"'^).  Leider  sind  uns  diese  selbst  nicht 
erhalten.  Vom  18.  Jänner  1323  stammt  ein  anderes  wichtiges 
königliches  Document.    Wie  wir  oben  gesehen  haben  assignierte 


UM)  Docament  bei  Ferreira  p.  96.  Soosa,  Provas  I,  75.  Nur  Stein 
kannte  es  nicht  und  meint  naiv  genug,  aus  einem  Acte  Dom  Pedros  vom 
J.  1489  müsse  man  abnehmen,  dass  schon  frohe  gewisse  Privilegien  der  üni- 
yersit&t  yerliehen  worden  w&ren.   S.  298. 

1199)  Ferreira  p.  111.  Yisconde  de  Yilla-Maior  p.  24. 


5.  Hochsch.  m.  p&pstl.  a.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Lissabon-Coimbra.   527 

Clemens  V.  für  das  Salarium  der  Professoren  die  Einkünfte  von 
6  Kirchen.  Der  Bischof  von  Goimbra  bestimmte  innerhalb  seiner 
Didcese  die  beiden  Kirchen  von  Soyre  und  Pombal.  Da  nun  aber 
der  Ritterorden  Christi  den  Fruchtgenuss  von  denselben  hatte, 
so  verordnete  der  König  in  dem  eben  genannten  Acte,  dass  er 
jährlich  dem  Professor  des  Rom.  Rechts  (mestro  das  leys)  in 
zwei  Raten  600  libras,  dem  der  Decrete  500,  dem  Magister  der 
Medicin  (fisica)  und  jenem  der  Grammatik  je  200,  dem  Magister 
der  Logik  100,  jenem  der  Musik  75  und  den  beiden  Conseryatoren 
je  40  zahlen  solle  ^'^^),  und  zwar  die  eine  Rate  zu  St.  Lucas,  die 
andere  zu  St.  Johann  dem  Täufer  ^'^0- 

Wir  erfahren  hier,  welche  Fächer  und  wie  stark  dieselben 
vertreten  waren.  Die  Lehranstalt  glich  in  diesen  Anfangen  jener 
zu  Salamanca  zur  Zeit  Alfonsos  el  Sabio,  als  derselbe  seinen  Privi- 
legienbrief  ihr  mittheilte.  Auch  in  Coimbra  war  die  Theologie, 
obgleich  über  sie  in  den  Klöstern  gelesen  wurde,  nicht  in  dem 
Universitäts- Lehrplan  einbegriffen.  Die  Bestimmung  resp.  das 
Verbot  Clemens  Y.  hatte  noch  lange  Geltung. 

Nach  dem  am  7.  Jänner  1325  erfolgten  Tode  Königs  Diniz 
bestieg  dessen  Sohn  Alfons  IV.  den  Thron.  Er  nahm  sich  auch 
alsogleich  des  Studiums  an,  und  erbat  für  die  Studierenden  bei 
Johannes  XXII.  die  Dispens  von  der  Residenzpflicht,  was  dieser 
am  24.  August  desselben  Jahres  auf  5  Jahre  gewährte  ^'^'). 

Francisco  Brandao  zufolge  beschloss  der  König  im  J.  1338 
die  Universität  nach  Lissabon  zurück  zu  verlegen"®').  Die 
Motive  dieses  Wechsels  sind  sehr  unklar.  Sicher  ist,  dass 
sie  1339  bereits  in  Lissabon  war"®^).  Yisconde  de  Yilla-Maior 
befindet  sich  im  Irrthume,  wenn  er  behauptet,  dass  diese  Trans- 
lationen wenig  begründet  seien,  indem  sie  dermassen  geringe  Spuren 
zurückgelassen  hätten,  dass  viele  Schriftsteller  sie  gar  nicht  er- 

isooj  ßiue  libra  galt  damals  36  r^is  der  jetzigen  moeda.  Fünf  r6is  gel- 
ten bekanntlich  2^  Gent 

1101)  Document  bei  Ferreira  p.  lU. 

1S02)  Heg.  Yat  an.  9  p.  2  ep.  2184  Bl.  333b.  In  dem  Schreiben  sagt 
er,  dass  in  Coimbra  'in  utroque  iure  et  aUis  scientiis  viget  studinm 
generale'. 

IM»)  Monarchia  Lusitana,  part.  5.  1.  16  Bl.  166b  (Lisboa  1650> 

»*>*)  S.  Ferreira  p.  UOf. 


528    ni.  Entwickelang  der  Hochschnlen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

wähnten.  Er  citiert  zum  Erweise  aus  dem  Registo  das  Provi- 
soes  ein  Document,  dem  zufolge  die  üniversitfit  zuerst  in  Lissa- 
bon, dann  in  Coimbra  war,  und  hier  bis  Joao  L  (1384)  geblieben 
sei,  der  sie  dann  erst  für  immer  nach  Lissabon  transferiert  habe^'^*). 
Visconde  de  Villa- Maior  hat,  wenn  er  an  der  Thatsache  so 
häufiger  Uebertragungen  zweifelt,  vorzüglich  die  eben  genannte 
vom  J.  1338  und  dann  jene  vom  J.  1354-- 1355  im  Auge.  Er 
fand  eben  keinen  genügenden  Anhaltspunkt  in  den  Acten,  und 
ich  gestehe  gerne,  dass  in  Lissabon  und  Coimbra  sich  kaum 
Documente  darüber  erhalten  haben.  Allein  unzweifelhaft  werden 
nunmehr  die  Thatsachen  durch  Acten  aus  dem  Vaticanischen 
Archiv  gemacht 

Im  J.  1344  wendet  sich  König  Alfonso  an  Clemens  VI.  mit 
der  Bitte,  der  Papst  möge  anordnen,  dass  kraft  apostolischer 
Autorität  ^de  fructibus,  proventibus  et  redditibus  ecclesiarum  (in 
quibus  ipse  rex  dumtaxat  ins  obtinet  patronatus)  per  eum  vel 
successores  suos  Portugalie  .  .  .  eligendarum  usque  ad  summam 
trium  milium  librarum  Portugalen.  monete  nunc  currentis  pro 
salariis  doctoribus,  magistris,  baccalariis  et  aliis  ad  opus  ipsius 
studii  necessariis  annis  singulis  perpetuo  persolvendis*  assigniert 
und  durch  eigens  vom  Papste  dazu  gewählte  Personen  ange- 
wiesen würde.  Das  Studium  sei  4n  civitate  Ulixbonen.,  in 
qua  in  utriusque  iuris  et  aliis  scientiis  viget  Studium  generale'. 
Am  10.  Jänner  1345  beauftragt  Clemens  VI.  die  Bischöfe  von 
Lissabon  und  Evora  diesem  Wunsche  zu  entsprechen,  doch  so,  dass 
darunter  nicht  der  Gottesdienst  leide  ^'®*).  Am  25.  Jänner  dis- 
pensierte er  auf  Bitten  des  Königs  universi  doctores  magistri 
et  scolares  studii  Ulixbonen.  auf  drei  Jahre  von  der  Residenz- 
pflicht^'®').  Dazu  kommt,  dass  sich  im  J.  1346  die  rectores, 
doctores,  magistri  totaque  universitas  studii  civitatis  Ulixbonen. 


ito&)  Exposi^ao  snccincta  etc.  p.  26.  Das  Docnment,  welches  er  lllr 
seine  Ansicht  anführt,  ist  jungen  Datums  und  verliert  alle  Bedentong  gegen- 
über den  gleichseitigen  Zeugnissen.  Zudem  enthält  es  den  Irrthum,  als  sei 
die  Universität  erst  yon  Joi^o  L  nach  Lissabon  flbertragen  worden,  worauf 
ich  alsbald  lurflckkommen  werde. 

^0)  Reg.  Tat  an.  8.  lib.  2.  p.  2  ep.  488  Bl.  155  b. 

»»7)  Reg.  Vat.  an.  3.  lib.  3.  ep.  564  Bl  279. 


5.  Hoclisch.  m.  p&psü.  u.  landesherrl  Stiftbriefen.  lissabon-Coimbra.    529 

an  Gemens  VI.  widerholt  mit  einer  Supplik  für  Johannes  Lau- 
rentii,  Ganonicus  von  Evora  wandten  ^'°'). 

Eine  noch  wichtigere  Urkunde  ist  die  päpstliche  Bulle  vom 
13.  September  1350.  Clemens  VI  gestattet  'universis  doctoribus 
et  magistris  ac  scolaribus  studii  Ulixbonen.  in  sacra  pagina^'^*) 
et  in  iure  canonico  et  civili,  in  medicina  et  qualibet  alia  licita 
facultate  legentes  ac  studentes',  dass  sie  5  Jahre  hindurch  von  der 
Besidenzpflicht  dispensiert  seien  ^'^^). 

Diese  Actenstücke  erweisen  doch  zur  Genüge,  dass  die 
Universität  sich  nicht  mehr  in  Goimbra,  sondern  in  Lissabon 
befand.  Es  bleibt  aber  die  Möglichkeit  bestehen,  dass  ein  Stu- 
dium in  beiden  Städten  zu  gleicher  Zeit  existiert  hat  Und 
vielleicht  ist  dies  die  Meinung  Yiscondes  de  Yilla-Maior,  da  er 
ja  die  zuletzt  citierte  Bulle  aus  Leit£o  Ferreira  kennen  musste"^^). 
Allein  auch  diese  Ansicht  wird  hinfällig  durch  die  nächstfolgen- 
den Documente. 

Circa  1354 — 1355  wurde  nämlich  das  Studium  wider  von 
Lissabon  nach  Coimbra  transferiert  So  komisch  dies  lautet 
(und  es  ist  noch  nicht  das  letzte  Mall),  und  so  wenig  sichere 
Actenstücke  man  hiefÜr  bisher  beizubringen  vermochte,  so  unter- 
liegt diese  Thatsache  doch  keinem  Zweifel  mehr,  da  sie  durch 
ein  von  Innocenz  VI  am  2.  Mai  1355  an  die  Bischöfe  von 
Lissabon  und  Evora  gerichtetes  Schreiben  bestätigt  wird.  Der 
Papst  führt  zuerst  aus,  dass  nach  dem  Berichte  König  Alfonsos  IV. 
Clemens  VI  ihm  eine  gewisse  Summe  von  den  Einkünften  ver- 
schiedener Kirchen  zur  Besoldung  der  Professoren  und  ^in  favo- 
rem  generalis  studii,  quod  tunc  in  civitate  Ulixbonen.  dictus 
rex  vigere  dicebat'  bewilligt  und  sie  zu  Executoren  bestellt 
habe.  Der  Bittschrift  des  Königs  zufolge  sei  nun  aber  'generale 
Studium  regni  sui  de  civitate  Ulixbonen.  predicta  ad  civi- 

law)  Reg.  Snppl.  Clem.  VI.  an.  5.  p.  8  Bl.  15  a.  170  b.  Die  erste  Bitte 
wurde  15.  Sept  1346,  die  iweite  19.  Dec.  desselben  Jahres  gewfthrt 

^*'^)  Auf  die  Erwähnung  der  sacra  pagina  darf  nicht  zu  viel  Gewicht 
gelegt  werden,  denn  factisch  wurde  in  ihr  nicht  gelehrt;  auch  wurde  sie 
später  von  Clemens  YII.  wider  aasgenommen. 

^^  Reg.  Yat.  an.  9.  Üb.  8  p.  1  BL  201a. 

Uli)  L.  c  p.  144.  Sie  findet  sich  auch  im  Universit&tsarchiv  m  Coim- 
bra (Gaveta  8  ma^  8  n.  39). 

DaalfU,  Di«  UniTaniUt«!!  J.  34 


530    ni.  Entwickelang  der  Hochscholen  bit  snin  Ende  des  14.  Jlu. 

tatem  Colimbrien.  in  dicto  regno  consiBtentem,  in  qua  olim 
generale  Studium  dicti  regni  esse  consueverat,  ex  certis  causis 
rationabilibus  lidte  translatum',  weshalb  der  Papst  die  Ueber- 
tragung  und  die  assignatio  der  Summe  trium  milium  librarum 
für  das  Studium  bewilligen  mOge.  Der  Papst  beauftragt  beide 
Bischöfe,  sie  sollten  nach  eingeholter  Information  dem  Wunsche 
nachkommend'^').  Hier  erfahren  wir  also,  dass  jüngst  das  Stu- 
dium von  Lissabon  wider  nach  C!oimbra  transferiert  worden  war, 
und  dass  es  in  Goimbra  schon  früher  einmal  existiert  habe. 
Durch  dieses  authentische  Zeugniss  wird  mithin  die  Richtigkeit 
aller  frühern  Documente  bewiesen  und  die  Ansicht  Yiscondes 
de  Villa-Maior  widerlegt. 

Es  ist  aber  klar,  dass  dieser  beständige  Wohnungswechsel, 
wenn  ich  so  sagen  darf,  dem  Studium  in  keinerlei  Weise  förderlich 
sein  konnte,  und  umgekehrt  deuten  diese  fortwährenden  Ueber- 
tragungen  darauf  hin,  dass  dasselbe  niemals  blühend  gewesen  ist 
Kein  Wunder,  dass  es  mehr  und  mehr  erlahmte  und  so  gar 
keine  Spuren  seiner  Thätigkeit  zurückgelassen  hat.  Der  Nieder- 
gang war  nicht  mehr  aufzuhalten.  Unter  den  Königen  Pedro  I.  und 
Fernando  sah  es  noch  schlimmer  aus  als  früher.  Es  half  nichts, 
dass  sie  die  Privilegien  der  jetzt  in  Goimbra  befindlichen  Hoch- 
schule bestätigten  und  neue  hinzufügten'"'),  und  Urban  Y.  am 
18.  Februar  1367  auf  drei  Jahre  Dispens  von  der  Besidenzpflicht 
gewährte''^*).  Die  Hochschule  sank  trotzdem  so  zu  sagen  zu 
einem  Particularstudium  herunter,  an  dem  wohl  kaum  mehr 
Promotionen  vorgenommen  wurden. 

Obschon  man  über  diese  Thatsache  in  Portugal  heute  nicht 
mehr  informiert  ist,  so  wird  sie  doch  durch  zwei  gleichzeitige 
Documente,  die  ich  sofort  anführen  werde,  in  helles  licht  gestellt 

Fernando  verlegte  nämlich  im  J.  1377  das  Studium  von 
Goimbra  wider  nach  Lissabon ^"^).  Er  hoffte  dadurch  den  völligen 


.      1^)  Reg.  Tat.  an.  3  Üb.  1  p.  2  Bl.  237  b. 

^^)  S.  Ferreira  p.  148  f.  181  f. 

131«)  Reg.  Yat.  ÄTenion.  tom.  15  Bl.  286. 

in&)  S.  die  Acten  bei  Ferreira  p.  190ff.  Badarch  wird  das  von  Yisconde 
de  Villa-Maior  heraDgesogene  Zengniss  (s.  oben  S.  528X  wonach  erst  Joao  I. 
das  Studium  yon  Goimbra  nach  Lissabon  verlegt  h&tte,  entkräftet 


5.  Hochseh.  m.  p&psU.  u.  landeaherrl.  Süfthriefen.  LiasAbon-Goimbra.    531 

Untergang  der  Schule  aufhalten  zu  können  ^'^^).  Er  gab  zugleich 
neue  Privilegien  und  ordnete  die  seither  vielfach  unterbliebenen 
Subventionen  ^'^0.  Doch  sah  er  ein,  dass  mit  diesen  Massregeln 
allein  die  Zukunft  noch  nicht  gesichert  sei.  Er  wandte  sich 
deshalb  an  den  Qegenpapst  Clemens  Vn.,  dem  Spanien  und 
Portugal  anhiengen,  und  trug  ihm  vor,  'quod  in  Regno  Portu« 
galie  generale  Studium,  quod  in  Ulis  partibus  summe  foret 
expediens,  non  habetur,  quodque  civitas  Ulixbonen.  ...  ad 
huiusmodi  generale,  cum  particulare  dudum  in  ea  fuerit, 
Studium  accomoda  multum  eidsteret'.  Clemens  gestattet  (statu- 
imus  et  ordinamus)  am  7.  Juni  1380,  'ut  in  dicta  civitate  de 
cetero  Bit  Studium  generale  illudque  perpetuis  temporibus  inibi 
vigeat  tam  in  iure  canonico  et  civili  quam  alia  qualibet  lidta 
preterquam  in  theologica  facultate'.  Die  Studierenden  beschenkt 
er  mit  allen  Privilegien  4n  corpore  iuris  inclusis'  und  mit  den 
anderer  €reneralstudien.  Der  Bischof  von  Lissabon  oder  sein 
Genendvicar  etc.  müssten  die  Licenz  ertheilen,  und  die  Promovierten 
hätten  das  Becht  fiberall  zu  lehren ^''0.  Unter  demselben  Datum 
theilt  er  dies  dem  Bischo|r^von  Lissabon  und  dem  Decan  der 
Kirche  von  Coimbra  mit  Femer  erwähnt  er  die  Bitte  Fer- 
nandos, dass  er,  der  Papst,  für  eine  neue  Subvention  sorgen 
möge,  obgleich  schon  früher  vom  Apostolischen  Stuhle  dem 
Studium  Einkünfte  von  Kirchen  assigniert  worden  seien.  Clemens 
beauftragt  nun  beide  Adressaten,  ^taxandi,  moderate  tamen,  de 
fructibus,  redditibus  et  proventibus  Bracaren.  et  Ulixbonen.  ac 
aliarum  cathedralium  et  colegiatarum  ecclesiarum  in  dicto  regno 
existentium  pensiones  annuas',  wovon  die  Doctoren  und  Magister 
bezahlt  werden  könnten  ^"0. 

Durch  diese  bisher  unbekimnten  Documente  erscheint  die  Sach- 
lage mit  einem  Male  im  neuen  Lichte.  Sie  bestätigen  die  von  mir 
oben  ausgesprochene  Behauptung,  dass  das  Studium  in  Portugal  zur 
Zeit  Fernandos  auf  ein  Minimum  reduciert  gewesen  seL  Der 
König  mochte  nun  einerseits  zweifeln,  ob  die  Schule  noch  die  päpst* 

wi«)  Ibid.  p.  193. 

laiT)  Ibid.  p.  196  E 

1918)  Reg.  Yat  Avenion.  Clem.  YIL  an.  2.  p.  4.  tom.  80  Bl.  413  b. 

^9)  Beg.  Tat.  Avenion.  1.  c.  Bl.  414  a. 

34» 


532    m*  Entwickelnng  der  Hochscbulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

liehen  Privilegien  besitze,  andererseits  sali  er  kein  anderes  Mittel, 
Studierende  nach  Lissabon  zu  locken,  als  sich  beim  päpstlichen 
Stuhle  um  ein  neues  Universitätsprivileg  zu  bewerben.  Doch 
dieses  allein  würde  noch  nicht  auf  eine  NeugrOndung  hin- 
weisen, denn  nicht  jeder  Stiftbrief  hatte  eine  solche  im  Auge. 
Indessen  in  diesem  Falle  wurde  wirklich,  wie  sich  aus  den  oben 
mitgetheilten  Stellen  klar  ergibt,  ein  neues  Generalstudium  geplant. 
Mit  dem  Stiftbriefe  Clemens  VII.  beginnt  deshalb  auch  die  zweite 
Periode  der  Hochschule  in  Portugal""),  die  ungleich  glorreicher 
war  als  die  erste.  Auch  blieb  nun  das  Studium  bis  1537  in 
Lissabon,  was  vorzüglich  dem  Stiftbriefe  Clemens  YII.  zu  ver- 
danken ist,  da  durch  ihn  das  Generalstudium  in  jener  Stadt 
fixiert  wurde. 

Wohl  erst  nach  Erlass  desselben  sandten  der  ^Rector  stu- 
dencium  universitatis  studii  ülixbonen.  ac  universitas^  einen 
Rotulus  an  Clemens  VII."'^).  Es  werden  darin  81  Scholaren 
meist  Juristen,  und  ein  Baccal.  in  decretis,  Fernando  Martini 
(der  nicht  mit  dem  gleichnamigen  Legisten  zu  Salamanca  ver- 
wechselt werden  darf),  erwähnt.  Kräftig  kann  natürlich  die 
junge  Pflanze  nicht  gewesen  sein.  Allein  sie  versprach  doch 
unter  guter   Pflege  emporzuwachsen  und  sich  als   lebensfähig 


i»>)  Yisconde  de  Yflla-lfftior  rechnet  die  erste  Periode  von  1888  Ut 
1537,  die  iweite  von  1537—1773.  Aber  diese  Einthdlnng  ist  ftlseh,  sad 
er  hätte  sicher  eine  andere  gewählt,  waren  ihm  obige  Doconente  iM^unt 
gewesen. 

^  Reg.  Snppl.  dem.  YIL  tom.  nnic.  Bl.  304  b.  Der  Botnlns  wurde 
iwir  in  der  päpstl.  Ktnslei  mit  XIT.  U.  nnd  X.  U.  Dec.  an.  1.  datiert,  doch 
nur  anf  Wunsch  der  üniTersitlt,  die  BL  909b  sagt:  Cum  usqiie  anne 
propter  D.  nostri  regis  iadüferentiam  hob  potaerimus  &  Y.  aliqnaliter  sop- 
plicare  et  ideo  in  hoc  non  reperiamnr  in  colpa,  pUceat  8.  Y.  signare  rota* 
lam  sapra  scriptum  prent  petitnr  com  data,  qne  in  creatione  pi^  stodiis 
concedi  consnevit  Besonders  von  Clemens  YII.  wurden  sehr  riete  Daten 
der  Suppliken  und  Botnli  in  das  1.  Jahr  lurflckreriegt,  weshalb  aach  die 
Suppliken  des  1.  Jahres  nicht  veniger  denn  10  Folianten  ftDen*  In  Folge 
der  ZnrQckrerlegong  durften  die  Beneficien  Tom  AussteUuogs-Datua  an  be^ 
sogen  werden.  Sollte  aber  auch  obiger  Botulus  ror  dem  Stiftbrief  einge- 
sendet worden  sein,  so  thut  dies  nichts  rar  Sache,  denn  das  Stodinm  hatte 
rieh  ja  schon  yor  ErscheiBeB  des  Stiftbriefes  in  Ussaboir  befimdea,  und  war 
auch  jetit  aieht  ia  yOüiger  AuflOsoag,  soadera  aar  stark  surttckgegaBfea. 


5.  Hochsch.  m.  p&psü.  o.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Li88abon-Goiinbr&.    533 

fähig  zu  erweisen.  An  Pflege  hat  es  in  dieser  Periode  wahr- 
haftig nicht  gefehlt.  Mit  dem  J.  1381  beginnt  eine  stattliche 
Reihe  von  Documenten,  welche  sich  auf  die  Universität  zu  Lissa- 
bon beziehen,  die  theils  Privilegien  und  deren  Bestätigung, 
theils  Stiftungen,  Geschenke  etc.  zu  Gunsten  der  Universität 
enthalten"").  Die  vorzüglichsten  königlichen  Beschützer  und 
Gönner  des  Studiums  dieser  Periode  waren  Joäo  I.  (1383,  resp. 
1385 — 1433);  der  Infant  Henrique,  Grossmeister  des  Christus- 
Ordens  (gest.  1460),  unter  dessen  Protectorat  lange  Zeit  die 
Universität  stand;  Manuel  (1495—1521).  Aus  einem  Acte 
Joaos  I.  vom  25.  October  1400  erfahren  wir,  dass  damals  an 
der  Lehranstalt  in  Lissabon  drei  Professoren  des  Rom.,  und 
drei  des  canon.  Rechts,  4  in  der  Grammatik  und  2  in  der 
Logik,,  und  je  1  in  der  Medicin  und  Theologie  angestellt 
waren"").  Somit  wäre  an  der  Universität  jetzt  Theologie  vor- 
getragen worden,  was  nun  auch  in  der  Folge  fortwährend 
geschah.  Joäo  wandte  sich  femer  mittels  eines  Schreibens  an 
Johann  XXTTL,  in  welchem  er  auseinandersetzte,  dass  seine  Vor- 
fahren dafür  gesorgt  hatten,  'quod  regnicole  eorundem  (regnorum) 
pro  scientiarum  acquirendis  fructibus,  quos  indesinenter  esuriebant, 
non  per  aliena  mendicare  suffragia  coacti  fuerunt,  sed  paratam 
sibi  de  illis  in  regnis  eisdem  invenerant  mensam  propinatio- 
nis'"**),  also  wider  eine  Copie  von  Konrads  Brief  für  Salemo""). 
Die  frühere  Begünstigung,  die  Einkünfte  von  5  Pfarrkirchen  'ad 
usum  universitatis  studii'  verwenden  zu  dürfen,  sei  jetzt  ohne 
Werth,  da  dieselben  durch  die  vielen  Kriege  arm  geworden  seien. 
Der  Papst  reserviert  nun  am  21.  März  1411  drei  weitere  Kirchen 
für  die  Universität,  damit  das  'Studium  de  eisdem  fructibus  . . . 
per  continuum  theologie  exercitium  ac  sacrorum  canonum  discipli- 
nam  pre  aliis  scientiis  sive  facultatibus  decoretur'^*").  Unter  Manuel 

uu)  Sie  befinden  sich  jetst  im  üniversitätsarehiv  zu  Goimbra,  Gaveta 
1.  2.  Jüngst  erschien  auch  ein  Index  daraber:  Catalogo  dos  pergamenos  do 
Gartorio  da  nniversidade  de  Goimbra.    Goimbra  1881.   S.  daselbst  p.  19^24. 

^^  Leitio  Ferreira  L  c.  p.  240. 

^^  Der  Text  in  den  Begesten  ist  etwas  incorrect 

13»)  8.  oben  S.  236.  Wohl  möglich,  dass  Joao  diese  and  andere  Phra- 
sen dem  Schreiben  Pedros  IV.  für  Perpignan  entnahm. 

1»)  Beg.  Joh.  XXm.  im  Archiv  vom  Lateran,  1410  an.  1  lib.  9  Bl.  54a. 


534    Ol*  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  zam  Ende  des  14.  Jhs* 

fand  eine  Reorganisation  der  Universität  statt  und  neue  Statuten 
worden  von  ihm  für  dieselbe  zwischen  1499  und  1504  erlassen  ^''^). 
Im  J.  1537  wurde  die  Universität  wider  nach  Coimbra 
verlegt^"'),  um  endlich  für  immer  in  jener  Stadt  zu  bleiben, 
wie  sie  dort  auch  heute  noch,  allerdings  in  ganz  anderer  Weise 
denn  im  Mittelalter,  als  die  einzige  in  Portugal  besteht.  Mit 
dem  J.  1537  beginnt  die  dritte  Periode  der  Universität,  im 
J.  1772,  in  dem  sie  eine  völlige  Umwandlung  erfuhr,  trat  sie  in 
die  vierte. 

Perugia. 
Eine  der  bedeutendsten  Universitäten   Italiens  im  14.  Jh. 
war  jene  von  Perugia.    Es  gibt  nicht  leicht  eine  zweite,  über 
deren  Anfänge  sich  so  interessante  Nachrichten  erhalten  hätten^''*). 


1*^7)  Sie  sind  noch  im  Universitatsarehi?  sa  Coimbra  erhalten,  nnd  nrar 
im  1.  Bande  des  Li?ro  das  proyisoes  da  oniTersidade.  S.  auch  Yisoonde 
de  YiUa-Maior  p.  39  f. 

1898)  Viele  Autoren  verlegen  die  Transferierang  in  das  Jahr  1534. 
AUein  Ferreira  hat  aus  den  Urkunden  (I.  a  p.  516  ff.  5d6ff.)  nachgewieseui  dass 
dieselbe  erst  im  obigen  Jahre  stattfinden  konnte. 

^9)  Sayigny,  Gesch.  d.  BOm.  Rechts  III,  880  betrachtete  Binis  Memo- 
rie  istoriche  della  Perugina  universitä  (Pemgia  1816,  toI.  1  in  3  Theflen; 
der  2.  Band  erschien  nicht)  noch  als  ein  'grandliches  Werk'.  AUein  Blni 
verstand  es  nicht  die  Archive  Perugias  auszunützen,  wie  sich  schon  ans 
Vermigliolis  Bibliografia  storico-Perugina  (1823)  und  dessen  Biografia  degli 
scrittori  Perugini  (Perugia  1829),  noch  mehr  aber  durch  PadeUettis  For* 
schungen  im  Archivio  giuridico  vol.  Y.  VI.  VIII.  ergeben  mnsste  (PadeUettis 
Untersuchungen  sind  auch  separat  unter  dem  Titel:  Contributo  alla  storla 
deUo  studio  di  Perugia  nei  secoli  14.  e.  15.  Bologna  1872,  heraosgekommen. 
Meine  Citate  beziehen  sich  nicht  auf  die  Separatausgabe,  die  mir  lu  spftt  in« 
kam,  sondern  auf  das  Archivio).  Seitdem  aber  A.  Rossis  reiche  Sammlung 
der  ^Documenti  per  la  storia  delP  universitä  di  Perugia'  erschienen  ist,  mnsi 
man  Binis  Arbeit  als  antiquiert  betrachten.  Leider  steht  Bosds  Samm« 
lung  in  einer  Zeitschrift,  in  der  sie  niemand  sucht|  nimlich  im  Giomale  di 
erudizione  artistica,  vol.  lY— VI  (Perugia  1875  sqq.),  so  dass  sie  selbst  in 
Italien  bis  heute  nahezu  unbekannt  geblieben  ist  und  von  keinem,  der  Ikber  Uni* 
yersit&ten  schrieb  (natOrUch  auch  nicht  von  Coppi),  enrfthnt  wird.  Die  Kritik 
Bossis  und  besonders  die  Inhaltsangaben  bei  jedem  Document  lassen  aUer- 
dings  hie  und  da  zu  wflnschen  übrig.  Ebenso  ist  es  zu  bedanem,  dass  die 
Sammlung  nicht  praemeditiert  war,  weshalb  manche  Unordnungen  nicht  in 


5.  Hochsehnlen  mit  pftpstl.  a.  landesberrl.  Stiftbriefen.  Peragia.    535 

Die  Hochschule  ist  um  so  wichtiger,  als  sie  gleich  nach  ihrer 
Begründung  in  Wetteifer  mit  jener  von  Bologna  trat  Stritt 
sie  Bologna  nun  auch  nicht  den  Rang  ab,  da  sie  im  Beginne 
mit  manchen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hatte,  so  behauptete 
sie  besonders  etwas  später  neben  jener  von  Bologna  und  Padua 
inmierhin  eine  ansehnliche  Stellung,  und  zog  die  berühmtesten 
Rechtslehrer  des  Jhs.  an  sich. 

Die  Wurzeln  dieser  Lehranstalt  lagen  wie  sonst  in  Italien 
in  den  von  der  Stadt  unterhaltenen  Schulen,  und  zwar  vorzüg* 
lieh  im  Boden  des  Rom.  Rechts.  Rechtskundige  und  Rechts- 
gelehrte hielten  sich  in  Perugia  im  ganzen  13.  Jh.  auf^"°), 
wenngleich  man  unter  ihnen  nur  obscuren  Namen  begegnet.  Li 
der  zweiten  Hälfte  des  Jhs.  dachte  die  Commune  ernstlich  daran, 
die  Studien  zu  heben.  Aus  den  Jahren  1266,  1276  und  1277 
sind  uns  Beschlüsse  der  Obrigkeit  erhalten,  denen  zufolge  Boten  in 
die  Nachbarorte  geschickt  werden  sollten  'ad  invitandum  omnes 
scolares  venire  volentes  Perusium',  wo  über  jus  civile,  artes 
liberales  und  Medicin  gelesen  würde  "*0«  Für  die  Hin-  und 
Herreise  sowie  für  den  Aufenthalt  in  der  Stadt  wird  ihnen  Schutz 
und  Freiheit  zugesichert,  ein  Versprechen,  das  die  Commune  auch 
1275  gegeben  hatte  ^'").  Im  J.  1296  las  neben  einem  Legisten 
ein  Canonist"'').  Das  Augenmerk  der  Stadt  gieng  aber  vor- 
züglich auf  das  Civilrecht,  und  sie  bemühte  sich  unausgesetzt, 
dass  wenigstens  dasselbe  vertreten  wäre"'*).    Allerdings  ist  es 


vermeiden  waren.  Es  ist  nicht  nothwendig  im  folgenden  auf  die  Mängel  bei 
Bin!  und  die  Incorrectheiten  in  den  Yiten  der  einzelnen  Rechtslehrer  bei 
SaTigny  und  Schalte  jedesmal  aufmerksam  zu  machen.  Letzterer  hätte 
Boss!  fllr  den  zweiten  Band  seiner  Quellen  unbedingt  benützen  sollen. 

isso)  Bini,  Memorie  istoriche  della  Perugina  uni^ersitä  I,  1  p.  10.  191 
n.  1  (hier  eine  Art  Yerzeichniss  —  lediglich  von  Bini  zusammengestellt  — 
der  Professoren  vom  J.  1287^1298),  Bossi  I.  c.  Y,  68.  Nicht  erst  1276 
fend  sich  dort,  wie  Sayigny  S.  881  meint,  ein  Bechtslehrer  ein.  Der  Italiener 
Goppi  (Le  uniYersitä  italiane  p.  98),  welcher  Perugia  zu  den  Universitäten 
nell'  Italia  settentrionale'  rechnet,  fällt  in  denselben  Irrthum. 

isn)  Bin!  L  c.  p.  14.  Bossi  bietet  lY,  26  n.  1—4  mehr  Acten. 

1^  Bossi  1.  c.  p.  849. 

1»)  Ibid.  p.  29  n.  6. 

1»«)  Bini  p.  21;  Bossi  p.  80  f.  849  n.  4. 


536    ni.  Entwickdiiiig  der  Hoehaelmleii  bis  som  Ende  des  14.  Jhs. 

ihr  nicht  imitier  gelungen,  Unterbrechungen  des  Stndioins  za 
verhindem.  Im  J.  1285  wurde  beschlossen,  während  des  Monates 
Mai  nach  einem  tüchtigen  legum  doctor  auszuschauen^'").  Die 
Stadt  selbst  spricht  Ende  Juni  1306  von  den  ^studiorum  se- 
pius  inchoata  principia"*'*).  Allein  sie  raffte  sich  trotz  wider- 
holten Misserfolges  jedes  Mal  wider  aul 

Eines  darf  man  jedoch  nicht  vergessen,  dass  nämlich  jene 
Schulen  noch  keineswegs  ein  Generalstudium  repraesentierten  ^"'). 
Die  Stadt  war  sich  auch  dessen  wohl  bewusst.  Aber  wie  z.  B.  in 
Orleans  das  Gleneralstudium  früher  existierte,  als  es  dort  eine  Cor- 
poration gab,  so  bildete  sich  umgekehrt  in  Perugia  früher  eine 
Genossenschaft  von  Scholaren,  als  das  Studium  generale  errichtet 
wurde.  Wenigstens  war  dies  Ende  des  13.  oder  Anfangs  des 
14.  Jhs.,  wie  wir  alsbald  sehen  werden,  der  Fall. 

Zu  dieser  Zeit  entwickelte  die  Commune  die  grösste  Rührig- 
keit. Am  15.  October  1304  bestimmte  sie,  dass  die  doctores 
grammatice  et  loyce  in  derselben  Weise  gewählt  würden,  wie 
die  doctores  juris  canonici  et  civilis  ^''^).  Epochemachend  fiOr 
das  Studium  wurde  jedoch  erst  ein  27 — 29.  Juni  1306  abge&sster 
Stadtbeschluss,  der  auch  in  der  That  zwei  Jahre  darauf  das 
Privileg  eines  Generalstudiums  zur  Folge  hatte. 

Den  Unterbrechungen  der  Schulen  wollte  die  Stadtobrigkeit 
für  die  Zukunft  vorbeugen.  Sie  fasste  daher  den  Plan,  sich  um 
das  ebengenannte  Privileg  bei  den  Cardinälen  und  dem  Papste 
zu  bewerben.  Damit  man  aber  dasselbe  von  Clemens  V.  um  so 
leichter  erhalten  könnte,  fand  man  es  für  nothwendig,  ^quod  in 
eadem  civitate  Perusii  doctorum  et  magistrorum,  qui  moribus, 
fama  et  scientia  alios  antecedant,  copia  non  desit,  imo  suffidens 


1»»)  Rossi  1.  c. 

1386)  Rossi  L  c.  p.  58  n.  3. 

1387)  v^enn  die  Breri  annali  (im  Archivio  stör.  itaL  aer.  1.  tom.  16  p.  1 
pag.  69)  zum  J.  1301  sagen:  in  questo  mUlesiino  si  cominciö  in  Perngia  lo 
etndio  generale,  so  ist  dies  auf  die  einige  Jahre  sp&ter  erfolgte  Stiftung  zu 
beziehen.  Rossi  Terwechselt  p.  52  in  der  Nota  za  n.  1  studiam  generale 
mit  'aniversitas  scholarium',  die  aUerdings,  wie  sich  oben  ergibt,  Tor  dem 
Generalstudium  in  Penigia  existiert  hat. 

1338)  n^ij,  p,  52  Q.  1,  Roggi  ]^(^  ^er  Ueberschrift  nach  za  schliessen, 
das  Document  nicht  richtig  verstanden. 


5.  Hocbsebnlen  mit  pftpsU.  u.  landeaherrl.  Stiftbriefen.   Perngia.    537 

numenis  habeatur\  Es  wurde  einhellig  anerkannt,  dass  man  in  den 
Besitz  eines  ^Studium  continanm'  gelangen  und  vom  Papste  das  ge- 
nannte Privileg  in  iure  canonico  et  civili  et  in  qualibet  alia 
facultate'  erbitten  mUsse.  Immer  sollten  ^quatuor  doctores  in  iure 
dvili,  duo  doctores  in  iure  canonico,  unus  magister  in  medicinalibus, 
unus  magister  in  logicalibus  et  unus  magister  in  grammaticalibus, 
qui  omnes  sint  in  suis  scientiis  et  facultatibus  conventati",  leseti. 
Für  den  Augenblick  genügten  zwei  Ganonisten  und  ein  Legist.  Sie 
mflssten  aber  ^forenses'  sein,  ^de  doctoribus  forensibus  iam  electis 
per  scolares  et  rectores  ipsorum  scolarium\  Durch  die  forenses 
doctores  würde  das  Studium  und  die  lectura  besser  in  Stand  gehalten 
als  durch  die  einheimischen.  Die  Commune  hebt  deshalb  ein  firüheres 
Statut  auf,  wonach  die  rectores  scolarium  una  cum  sapientibus 
scolarium  auch  einen  Doctor,  der  Bürger  Perugias  war,  wählen 
konnten.  Für  jetzt  liess  sie  jedoch  den  einheimischen  dom.  Fran- 
ciscus  Oddutii  zu.  Das  Salarium  sollte  für  einen  jährlich  150, 
nSthigenfälls  auch  200  Goldgulden  betragen. 

Die  Conmiune  räumt  zugleich  den  Scholaren  das  Recht  ein, 
hmiversitatem  constituere  et  sibi  rectores  eligere,  qui  rectores 
habeant  illud  officium  et  illam  potestatem,  quam  habent  re- 
ctores in  studüs  generalibus'.  Die  scolares  forenses  hätten  auch 
das  Privileg  sich  in  Civilsachen  drei  judices  zu  wählen,  wie  sie  die 
Auth.  HabUa  gewähre.  Sowohl  die  Doctoren  als  die  Scholaren 
sollten  die  Freiheiten  der  Bürger  gemessen  und  während  sie  am 
Studium  verweilen  in  Bezug  auf  Verträge  etc.  auch  als  Bürger 
betrachtet  werden.  Die  Stadt  verpflichtet  sich  ferner  den  zum  Stu- 
dium Beisenden  oder  den  von  demselben  Heimkehrenden  alles  zu- 
rückzuerstatten, dessen  sie  vielleicht  beraubt  würden.  Man  kam 
auch  überein,  geeignete  Männer  zu  ernennen,  welche  die  nöthigen 
Privilegien  fiLr  ein  Oeneralstudium  erbitten  sollten.  Der  Pö'destä 
aber  und  die  Officialen  müssten  beim  Amts -Antritte  schwören 
'conservare  et  manutenere  Studium  in  dvitate  Perusii,  et  presens 
statutum  sicut  alia  statuta  populi  Perusini'"'')- 


i'^)  Ibid.  p.  53.  n.  3.  Dieses  bisher  nicht  benatzte  Statat  ist  eines 
der  interessantesten  in  der  italienischen  Universitätsgeschichte  der  ersten 
Hälfte  des  14.  Jhs. 


538    m.  Entwiekelong  der  Hodiscbnlen  bis  iQm  Ende  dM  14.  Jbs. 

Zu  allem  andern  erfahren  wir  hier,  dass  in  Penigia  die 
Scholaren,  bereits  ehe  dort  ein  Generalstndium  existierte,  eine 
oder  mehrere  Gorporationen  mit  selbst  gewählten  Rectoren  ge- 
bildet hatten.  Wie  wir  oben  gesehen  haben,  schliesst  das  eine 
das  andere  nicht  ein"*®).  Wir  erkennen  nun  aber  auch,  wie 
viel  den  Peruginen  daran  lag,  ein  grösseres  Studium  zu  be- 
sitzen. 

Der  päpstliche  Stiftbrief  war  noch  nicht  erschienen,  als  man 
sich  daran  machte,  die  nöthigen  Professoren  zu  berufen.  Im 
J.  1308  las  in  Perugia  Jacob  de  Belviso.  Da  ihn  aber  Bo- 
logna zurück  haben  wollte,  so  beschloss  man  am  5.  September 
des  genannten  Jahres,  dass  die  priores  artium  mit  allen  Mitteln 
danach  trachten  sollten  ihn  zu  bewegen  in  Perugia  zu  bleiben. 
Femer  wurde  der  legum  doctor  Johannes  de  Recanata  berufen  ^'^'). 
Hinsichtlich  des  Jacob  de  Belviso  kam  man  am  9.  September  sogar 
überein  eine  Gesandtschaft  nach  Bologna  zu  senden,  um  dort 
zu  erwirken,  dass  er  in  Perugia  bleiben  könne  "^').  Er  las  und 
blieb  in  Perugia  bis  September  1309  "^0-  Mit  ihm  gab  dort 
im  J.  1308  auch  der  doctor  legum  Johannes  de  Galdna  ein 
Consilium  ab"**). 

Der  päpstliche  Stiftbrief  wurde  am  8.  September  1808  "*^) 
ausgestellt.  Clemens  V.  lobt  in  demselben  zuerst  die  Treue  der 
Einwohner  Perugias  und  bestimmt  dann  als  Lohn  für  dieselbe,  *ut 
in  civitate  predicta  sit  generale  Studium  illudque  ibidem  perpe- 


»«*0)  8.  oben  S.  25. 

^^)  Ibid.  p.  57  n.  5.  Jacob  de  BelTiso  war  schon  Juli  1808  in  Pem- 
gia.    S.  dasa  Bossi  Y,  55  unter  Joannes  de  Galcina. 

i>«)  Ibid.  IV,  59  n.  6. 

^  Ibid.  p.  88  n.  11.  Ich  komme  aof  die  näheren  Umatinde  alabaU 
mrück. 

»^)  Bosd  V,  55. 

^^^)  Dorcbg&ngig,  i.  B.  im  Bull.  Born.,  Ton  Bini,  Sarigny,  und  jüngst 
noch  Ton  PadeUetti  und  Bossi  wnrde  die  BnUe  In  das  Jahr  1307  gesetit 
AUein  mit  Unrecht  Sie  wnrde  ausgesteUt  6.  Id.  Sept  an.  3.  Da  nun 
Clemens  Y.  Ton  seinem  Krönnngstage  (14.  Not.  1305)  an  rechnete,  trotidem 
dass  swischen  diesem  und  dem  V^ahltage  (5.  Jnni  1305)  5  Monate  lagen,  so 
ist  die  BoUe  am  8.  September  1308  ausgefertigt 


5«  Hoehsehalen  mit  päpstl.  a.  landesherrl.  Stiltbriefen.  Perugia.    539 

tois  faturis  temporibus  vigeat  in  qualibet  facultate' "^*).  Dieser 
Stiftbrief  gehört  noch  der  älteren  Periode  an,  in  der  sehr  häufig 
die  nähern  Umstände  nicht  specialisiert  wurden.  In  Perugia  war 
man  auch  deshalb,  wie  sich  ergeben  wird,  nicht  davon  überzeugt, 
dass  die  Lehranstalt  das  Promotionsrecht  besitze. 

Die  Stadtobrigkeit  schickte  sich,  ehe  der  Stiftbrief  eintraf, 
an,  die  Professorenzahl  so  weit  wie  mOglich,  zu  completieren. 
Es  handelte  sich  zunächst  um  einen  Canonisten.  Am  25.  October 
wurden  fünf  Doctoren  ^in  iure  canonico  per  priores  (artium)  et 
rectores  scolarium'  erwählt,  nämlich  Rainaldus  Bartolutii,  An- 
dreas de  Preitellis,  Harrigus  domini  Manentis,  Pitius  Tome  de 
Eugubio  und  Egidius  de  Malalbertis^'^').  Auf  welchen  von  diesen 
die  Wahl  fiel  (denn  aus  ihnen  sollte  nur  einer  angestellt  werden), 
wird  nicht  gesagt.  Am  13.  Juni  des  nächsten  Jahres  wurde 
widerum  eine  Liste  von  vier  Canonisten  aufgesetzt,  damit  man 
sich,  wenn  der  erste  die  Einladung  abschlage,  an  den  zweiten 
wenden  könne,  und  so  fort.  Die  Vorgeschlagenen  waren  Johannes 
Andreae,  Riccobaldus  de  Tectalasinis,  Franciscus  Jacobus  und 
Egidius  de  Malaibertis  ^'^').  Wir  erfahren  aber  wider  nicht, 
welcher  von  ihnen  die  Wahl  angenommen  hat.  Indess  las  zu 
dieser  Zeit  immer  noch  dort  der  berühmteste  Bechtslehrer 
jener  Periode,  Jacob  de  Belviso. 

Am  14.  August  1309  drohte  jedoch  Bernardin  de  Medicis 
vicarius  dom.  potestatis,  die  Anzianen  und  die  Gonsuln  von 
Bologna  demselben  in  einem  an  ihn  gerichteten  Schreiben  mit 
seiner  und  der  ganzen  Familie  Verbannung,  Gonfiscation  der 
Güter  u.  s.  w.,  wenn  er  nicht  bei  Beginn  des  Studiums  in  Bo- 
logna eintreffe,  denn  sie  müssten  ihn  dann  ^pro  proditore  et 
studii  turbatore'  halten.  Die  Commune  von  Perugia  war  in 
grosser  Verlegenheit  und  beschloss,    den  berühmten  Legisten 


1^)  Beg.  Yat  an.  3  ep.  724  BnU.  Rom.  ed.  Taur.  lY,  192.  Bbi  I, 
197  n.  6.  Bossi  lY,  56  n.  4  Das  p&psüiche  Schreiben  traf  in  Pemgia  erat 
im  nlchsten  Jahre  ein,  and  es  erklärt  sich  daraus,  wamm  die  Stadtbehörden 
noch  25.  Februar  1809  nach  Rom  senden  konnten  die  Angelegenheit  an  be- 
treiben.   S.  das  Docnment  bei  Bossi  p.  62  n.  S. 

1M7)  Boss!  p.  61  n.  7. 

^  Ibid.  p.  63.  n.  9. 


540    ni*  Entwickelong  der  Hochschulen  bis  Bam  Ende  des  14,  Jhs. 

durch  das  Versprechen  hinzuhalten,  dass  er  in  Perugia  lebens- 
länglich lehren  könnte  und  sie  ihm  und  seinen  Nachkommen 
das  Bürgerrecht  verleihen  würden.  Während  seines  ganzen 
Lebens  sollte  er  jährlich  ein  Salarium  von  200  Goldgulden  be- 
ziehen. Er  möge  sich  in  Perugia  ankaufen;  den  ZwischenfaU 
mit  Bologna  werde  die  Commune  zu  schlichten  suchen  ^'^').  Jacob 
de  Belviso  gieng  aber  nach  Bologna.  Am  19.  October  schloss  er 
mit  Philipp  de  Pepulo  einen  Gontrakt  ab  ^de  conducendis  aedibus 
ad  aperiendam  scholam' "^^). 

Ein  ganzes  Jahr  wartete  man  nun  in  Perugia,  um  auf  die 
Stelle  des  abgegangenen  Bechtslehrers  einen  neuen  zu  berufen. 
So  mangelte  also  eine  ziemliche  Zeit  ein  doctor  forensis  in  jure 
civili,  denn  die  beiden  andern  damals  lehrenden  Legisten,  Lam- 
bertus  dom.  Jannis  und  Franciscus  Oddutii,  waren  einheimische. 
Man  gewann  aber  keinen  forensis,  und  so  wählte  man  15.  No* 
yember  1310  Banerius  Andrutii  de  Monte  Vibiano;  für  das  Jus 
canonicum  wurde  der  von  den  Scholaren  designierte  Henricus 
(Harrigus)  dom.  Manentis  approbiert.  Franz  Oddutii  las,  wie  es 
scheint,  in  diesem  Jahre  nicht  "'^*).  Doch  schon  das  Jahr  darauf 
wollte  Jacob  de  Belviso,  der  am  11.  Juni  nicht  mehr  in  Bologna 
war^'"),  wider  nach  Perugia  für  ein  Jahr  gegen  einen  Oehalt 
von  200  Goldgulden  zurück,  wie  aus  einer  Berathung  der  Savj 
und  Priores   artium  vom  10.  October  1311  erhellt"").     Zwei 

13*9)  Ibid.  p.  88  n.  11. 

i>^)  Sarti,  De  claris  archigymnasii  Bonon.  profess.  im  2.  Bande 
(s.  oben  S.  214.  Anns.  593)  p.  28.  Diese  Thatsache  war  Bini  and  Rossi  nn- 
bekannt. 

1361)  Bini  p.  69  Anm.  a.  Das  ToUsUndige  Doenment  bei  Bossi  p.  90 
n.  12.  Die  flbrigen  Notixen  bei  Bini  p.  181  und  Pellini,  Dell'  historia  di 
Penxgia  I,  352  sind  ungenau. 

135S)  Fantuui,  Notiiie  degli  scrittori  Bolognesi  II,  58  Anm.  44  citiert 
ein  Document  Tom  11.  Juni  1311»  dem  zufolge  sieh  Jacob  deBelfiso  damals 
Ton  Bologna  bereits  absentiert  hatte,  *et  publice  dicatur  ipsnm  Teile  legere 
Scolaribus  ipsum  audire  Tolentibus  in  provincia  Bomandiole\ 

^M)  Rossi  p.  91  n.  13.  PadeUetti  l&sst  im  Arch.  giurid.  wihrend  der  Jahre 
1311  und  1312  auch  Federicus  de  Senis  in  Perugia  lehren,  da  im  Dmeka 
seiner  Consilia  die  14.  und  34.  Quaestio  darauf  hinwiesen.  Allein  PadeUetti 
wurde  durch  den  fehlerhaften  Druck  irre  gef&hrt.  Den  Hss.  sufolgOy  b.  B. 
nach  Cod.  Paris.  4277  Bl.  17  b  trftgt  die  14.  Quaestio   die  üeberschrift : 


5.  Hbcbschalen  mit  p&p8tl.  u.  landesberrl.  Stiftbriefen.   PeragU.    541 

Jahre  nachher  (1.  October  1313)  wurde  Henricus  dorn.  Manentis 
aus  den  von  den  Sayj  und  den  Scholaren  am  29.  September 
desselben  Jahres  aufgestellten  5  Ganonisten  ^'*^)  für  ein  Jahr 
gewählt,  Oisbertus  (Osbertus)  de  Gremona  aber  für  drei  Jahre 
aus  den  proponierten  6  Legisten  "*'^).  Bis  diese  kämen,  sollten 
die  beiden  einheimischen  Franciscus  Oddutii  und  Ranerius  lesen  "*'). 
Diese  beiden  wurden  auch  am  8.  October  wider  angestellt.  Für  das 
Jus  canonicum  schlug  man  die  drei  in  Bologna  docierenden 
Doctoren  Biccobardus  de  Tectalasinis,  Pinus  de  Artusinis  und 
Bonandreas  vor,  damit,  wenn  der  erste  absage,  der  zweite,  und 
wenn  dieser  renunziere,  der  dritte  genommen  werden  könnte  ^'*0- 
Seit  1308  ist  unter  den  andern  Disciplinen  nur  noch  von  der 
Medicin  die  Bede.  Bereits  1306  las  dort  Tebaldo  d'Arezzo '"'), 
der  im  Jahre  1311  mit  einem  jährlichen  Salarium  von  100  Gold- 
gulden nach  Orvieto  berufen  wurde,  um  in  dieser  Stadt  Medicin 
zu  lehren  und  die  ärztliche  Praxis  auszuüben '''^').  Wegen  Geld- 
mangels beschloss  die  Gommune  von  Perugia  am  23.  October  1312 
einstweilen  keinen  Mediciner  zu  besolden^'*®).  Doch  schon  zwei 
Jahre  darauf  (8.  October)  wurden  derselbe  Tebaldus,  der  nun  als 
civis  Perusinus  erscheint,  mit  einem  Salarium  von  40  Goldgulden, 
und  Johannes  Blundi  als  Mediciner  bestellt^'*').    Am  25.  August 


Questio  dispatftta  per  D.  Federicum  de  Senis  decret.  doct.  in  stadio  Peru- 
sino  anno  dorn.  miUes.  oood  (1340)  mense  aprilis.  Die  34.  Quaestio  (resp. 
die  33.  Cod.  Paris.  Bl.  36  b): .  .  .  anno  dorn.  Mooozh  (1341)  de  mense  Sep* 
tembris.  Man  sieht,  wie  die  irrigen  Jahreszahlen  entstehen  konnten.  S.  dazu 
oben  S.  145  Anm.  342.  Rossi  hat  Y,  308  Anm.  1  das  Bichtige  getroffen. 
Uebrigens  war  Federicns  im  J.  1311  noch  nicht  Lehrer.  S.  oben  S.  440 
Anm.  898 

»»*)  Boss!  IV,  93  n.  15. 

^^^)  Ibid.  p.  95  n.  16.  Baldus  sagt  Ton  ihm,  qnia  ipse  fnit  de  primis 
fui  rezent  cathedram  in  civitate  Perosii  per  priTÜegia  Bonifacii  (siel),  sicut 
andiri  a  migoribns  meis.    In  Cod.  7,  73  n.  5. 

i«W)  Ib.  p.  122  n.  17. 

»»^  Ib.  p.  123.  n.  18. 

MM)  Ib.  V,  59  Anm.  4. 

UM)  Fnmi,  Codice  diplomatico  della  cittii  d'Oryteto  (Firenze  1884) 
p.  781  nota. 

iMO)  Rossi  IV,  92  n.  14. 

iMi)  ibid;  p.  123  n.  18. 


542    IIL  EDlwickeloiig  der  Hochscbnlen  bis  siim  Ende  des  14.  Jhs. 

geschieht  auch  der  faenltates  logicales  et  grammaticales  imd 
der  ars  notarie  Erwähnung ''*'). 

Wie  sich  aus  dem  Vorhergehenden  ergibt,  war  die  Commune 
von  Perugia  nicht  im  Stande,  auch  nur  ein  einziges  Jahr  den 
1306  gefassten  Beschluss,  dass  vier  Doctoren  das  Civilrecht, 
und  zwei  das  canonische  Recht  vortragen  und  sie  alle  forenses  sein 
sollten,  vollständig  durchzuführen.  Sie  erneuerte  deshalb  am 
31.  August  1315  denselben,  und  änderte  ihn  unter  andenn 
dahin  ab,  dass  nur  drei  Legisten  angestellt  würden.  Davon 
kam  man  aber  nicht  ab,  dass  sowohl  diese,  als  die  beiden  Canonisten 
und  die  Lehrer  in  medicinalibus,  logicalibus  und  grammaticalibus 
forenses  sein  müssten.  Den  Professores  dves  wurde  von  der 
Conmiune  kein  Salarium  zugesagt^'*'),  wenngleich  sie  immer 
eine  Entschädigung  erhielten,  im  Falle  sie  von  der  Conmiune 
gebeten  wurden,  an  Stelle  der  forenses  zu  lehren.  Doch  auch 
jetzt  blieb  der  Erfolg  hinter  der  guten  Absicht  zurück,  denn 
am  22.  October  mussten  die  Sayj  auf  die  Klagen  der  Scholaren 
hin,  dass  kein  Professor  das  Digestum  novum  und  das  Volumen 
läse  ^**%  die  beiden  einheimischen  Franciscus  Oddutii  und  Bane- 
rius  Andrutii  anstellen*"*). 

Erst  mit  dem  27.  Mai  1316  tritt  das  Studium  zu  Perugia 
in  eine  neue,  und  zwar  glänzende  Periode.  Jacob  de  Belviso 
wurde  für  die  lectura  ordinaria  in  jure  civili,  Riccobardus  für 
die  lectura  ordinaria  decretalium  als  Docent  gewonnen,  beide  für 
ein  Salarium  von  200  Groldgulden.  Pinus  musste  (für  150  Gold- 
gulden) die  lectura  decretorum,  Franciscus  Oddutii  (für  70  Gold- 
gulden) die  lectura  Infortiati  und  Digest!  novi  (extraordinarie),  Ra- 
nerius  de  Monte  Vibiano  (für  50  Ooldgulden)  extraordinarie  die 
lectura  voluminis  übernehmen.  Medicin  lehrten  Tebaldus  de  Aretio 
und  Johannes  Blundi;  Franciscus  de  Padua  trug  die  Logik  und 
notarilis  scientia  vor  '"*).  Die  Anstellung  geschah  auf  drei  Jahre. 


iMt)  Ibid.  p.  126.  n.  19.  20.   Die  ars  notarilis  las  Maffeus  Becatii  Pera- 
sinus.  S.  über  ihn  Boss!  V,  56. 
IMS)  Bossi  IT,  127  n.  20. 
UM)  Ibid.  p.  158  n.  21. 
»85)  Ibid.  p.  154  n.  22. 
^  Ibid.  p.  157  n.  25.    In  Berag  auf  die  Medicin  vgl  nan  dasn  den 


5.  Hochschulen  mit  pftpsü.  u.  landeBherrl.  Stifthriefen.  Perugia.    543 

Waren  auch  nicht  alle  unter  den  genannten  Professoren  forenses, 
80  war  nunmehr  doch  endlich  einmal  die  beabsichtigte  Zahl  voll. 
Wie  ich  bereits  oben  bemerkt  habe,  glaubte  die  Commune 
von  Perugia  nicht,  dass  sie  mit  dem  päpstlichen  Stiftbrief  auch 
das  Promotionsrecht  erlangt  habe.  Am  25.  November  1317 
beschloss  sie  deshalb,  sich  um  die  ^privilegia  studii  et  con- 
ventus'  zu  bewerben,  da  sich  gerade  jemand  bei  den  Priores 
artium  erboten  hatte  jene  Privilegien  ihnen  gegen  1000  Gold- 
gülden  vom  Papste  zu  verschaffen^'*^).  Am  1.  August  1318  er- 
theilte  in  der  That  Johann  XXII.  das  Promotionsrecht  in  iure 
canonico  et  dvilL  Der  Bischof  solle  die  Examina  und  die  Pro- 
motionen leiten.  Der  Gandidat  des  Givilrechts  müsse  dasselbe 
wenigstens  sechs  Jahre,  zwei  von  ihnen  auf  einem  Generalstudium, 
gehört,  und  das  letzte  Jahr  in  Perugia  selbst  gelehrt  haben;  für 
das  Jus  canonicum  genügten  fünf  Jahre  Studium,  von  denen 
mindestens  zwei  auf  das  Generalstudium  zu  Perugia  entfallen 
sollten  ^'*^)  u.  s.  w.  Die  Promotionen  wurden  nun  in  beiden 
Rechten  alsbald  vorgenommen.  Erst  am  18.  Februar  1321 
erhielten  die  Mediciner  und  Artisten  dieselbe  Begünstigung. 
Auch  bei  ihnen  hat  wider  der  Bischof  das  Promotionsrecht. 
Indem  ich  die  weiteren  Bestimmungen  übergehe,  welche  der 
Papst  über  die  Vorbereitung  zum  Doctorate  gab,  da  sie  in  den 
zweiten  Band  gehören,  so  erwähne  ich  bloss,  dass  Johann  XXII. 
zugleich  befahl,  während  der  nächsten  drei  oder  vier  Jahre 
müssten  für  den  Lehrstuhl  der  Medicin  wenigstens  zwei  Pro- 
fessoren gewählt  werden,  welche  in  Paris,  Bologna  oder  an 
einem  andern  berühmten  Generalstudium  das  Doctorat  erworben 
hätten,  für  den  Lehrstuhl  der  artes  aber  während  vier  oder 
fünf  Jahren  zwei  oder  drei  Professoren,  die  vom  Kanzler 
zu  Notre  Dame  in  Paris  promoviert  worden  wären,  und  dort 
selbst  im  geringsten  Falle  ein  Jahr  lang  gelehrt  hätten  "••).  Die 

BescUuas  vom  16.  Juli  1316  (ibid.  p.  160  n.  26).  Wie  ein  Vergleich  mit 
den  Acten  Tom  J.  1815  (ibid.  p.  155  f.)  ergibt,  las  damak  nur  Tebaldns  von 
ArezBo  Medicin. 

^f)  Ibid.  p.  186  n.  27. 

^  Beg.  Tat.  Com.  an.  2.  p.  2  ep.  1590  BL  194  b.  Bull.  Born.  ed. 
Taur.  lY,  273.    Bini  p.  198  n.  7.    Bossi  p.  186  n.  28. 

»6^  Beg.  Vat  Com.  an.  5.  p.  1.  ep.  394.  Bl.  193b.  Bull.  Born.  lY, 
294.    Bini  p.  200  n.  8.  Bosn  p.  251  n.  83. 


544     III.  Entwickelong  der  Hoeliaohiilen  bis  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

ersten  Promotionen  in  der  Medicin  und  Philosophie  schdnen  wohl 
jene  gewesen  zu  sein,  die  der  Mediciner  Dinus  von  Florenz  (der  daza 
eigens  von  Siena  berufen  wurde)  und  der  doctor  in  Philosophia 
Mag.  Gerardus  de  Parma  (seit  October  1322  in  Perugia)  an 
Rieben  Scholaren  vornahmen,  wofür  sie  am  5.  April  1323  von 
der  Commune  honoriert  wurden"'^). 

Das  Generalstudium  zu  Perugia  war  nun  consolidiert.  Das 
Hauptverdienst  daran  besass  die  Commune,  die  auch  am  7.  Febr. 
1319  eingestand,  sie  habe  ^pro  studio  querendo  et  privUegüs 
ipsius  retroactis  temporibus  pecuniam  infinitam'  bezahlt  ^''').  Kaum 
lag  ihr  eine  andere  Sorge  so  nahe  alsdie,  ihre  Lehranstalt  zu  heben. 
Die  Priores  artium  waren  unter  Strafe,  ja  4n  vinculo  juramenti* 
verpflichtet  darauf  zu  achten,  dass  das  Studium  nicht  in  Verfall 
gerathe,  dass  es  im  Gegentheile  immer  mehr  zunehme  und  in 
gutem  Stande  erhalten  bleibe^'").  Und  da  diese  öfters  wegen 
öffentlicher  Geschäfte  verhindert  waren,  ihrer  Pflicht  nachzukom- 
men, so  kam  man  überein,  dass  sie  zehn  Sayj  wählten,  welche 
an  ihrer  Stelle  für  das  Studium  sorgen  sollten'"*).  Die  Priores 
hatten  die  Vollmacht  ^quascunque  expensas  quaruncunque  quan- 
titatum  de  quibuscunque  bonis  et  pecuniis  comunis  Perusii  semel 
et  pluries  et  quoties  eis  placuerit'  zu  dem  Zwecke  zu  machen, 
dass  das  Studium  in  jeder  Wissenschaft  erhalten  werde  und 
mehr  und  mehr  gedeihe'"^).  Die  Stadt  sah  den  Besitz  des- 
selben für  eine  Ehrensache  an'*'*);  mangelte  der  eine  oder  der 
andere  Professor,  so  gab  sie  sogleich  der  Befürchtung  Ausdruck, 
das  Studium  könne  in  Abnahme  kommen'*'^).  Damit  Professoren 
und  Schüler  während  des  Unterrichtes  nicht  gestört  würden, 
entfernte  sie  bereits  am  17.  October  1308  jedes  lärmende  Hand- 
werk aus  der  Nähe  der  Schulen,  in  denen  vorgetragen  wurde  ^''^). 

1^70)  Rossi  1.  c.  p.  328  n.  47. 
^^^)  Bo88i  p.  191  n.  30. 

^  8.  TorsOglich  das  Docoment  Tom  25.  Sept  1321  bei  Botti  p.  238 
n.  38.  Vgl.  p.  154  n.  22;  155  n.  23;  190  n.  30. 

1^8)  Ibid.  p.  322  n.  47.   Der  Beschloss  irt  vom  18.  Oct  1322. 

1S74)  Beschloss  Tom  7.  Oct.  1323.    Bossi  p.  326  n.  52. 

im).  Ibid.  p.  284  H.  39. 

U76)  Z.  B.  1221  bei  Bossi  p.  284  n.  39. 

is77).8tataimas  et  ordinamos,  qucdnullus  caldarariusvelplAiieUAriiisMit 


5.   Hochschalen  mit  pftpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Perugia.  545 

Das  Ideal,  welches  die  Commune  anstrebte,  war  vornehmlich 
'consuetudo  et  stilus  et  mos  studii  Bononiensis' *'^').  Darum 
bemühte  sie  sich,  die  berühmtesten  Professoren  an  sich  zu  ziehen, 
und  zwar  vorzüglich  jene  der  Rechtswissenschaft.  Den  grössten 
Glanz  verbreitete  am  Studium  1316—1321  Jacob  de  Belviso,  was 
der  Schule  zu  Bologna  keinen  geringen  Eintrag  that.  Am  15.  Juni 
des  zuletzt  genannten  Jahres  beklagten  sich  die  Scholaren  Bo- 
lognas in  einer  an  den  Senat  gerichteten  Supplik  über  den  Mangel 
an  berühmten  Professoren  am  Studium  ^'^'),  so  dass  dieses  von 
andern  Generalstudien  übertroffen  würde.  Sie  seien  überzeugt, 
^quod  si  D.  Jacobus  de  Belviso  legum  professor  eximius,  cuius 
fama  ac  scientia  gubematur  totum  Studium  Perusinum,  revocare- 
tur  ad  legendum  in  civitate  Bononie,  ipsum  sequerentur  omnes 
scolares  Perusii  existentes,  quinimo  et  alii  multi  ipsius  occasione 
venirenf  ^"°).  Der  Senat  willfahrte  ihnen,  was  schon  daraus  her- 
vorgeht, dass  am  2.  Juli  desselben  Jahres  die  Priores  artium  von 
Perugia  beschlossen,  eine  Gesandtschaft  nach  Bologna  zu  senden, 
welche  die  dortige  Commune  bestimmen  sollte,  den  Rechtslehrer 
ihnen  zu  lassen  ^'^').  Wurde  auch  nichts  erreicht  und  kehrte  Jacob 
de  Belviso  aus  Furcht  vor  der  angedrohten  Strafe"^')  gleichwohl 
zurück,  so  nahm  das  Studium  in  Perugia  doch  nicht  ab.  An 
seine  Stelle  kamen  andere  Professoren,  und  es  ist  bezeichnend, 
dass  z.  B.  der  für  sechs  Jahre  von  Bologna  berufene  Canonist 
Riccobardus  Tettalasini  ungeachtet  der  über  ihn  von  der  Com- 
mune Bolognas  verhängten  Strafe  der  Confiscation  seiner  Güter 
die  Lehranstalt  zu  Perugia  vorzog,  wo  allerdings  sowohl  er  als 
seine  Nachkommen  das  Bürgerrecht  erhielten  ^'^*). 

faber  andeat  vel  presumat  condncere  aliqnam  domam  ad  pensionem  occasione 
eonun  artis  ezercende  prope  aliquas  scolas  doctoram  comonis  PeraBÜ  in 
iure  canonico  et  civili  Tel  prope  ad  aliqaod  palatiam  potestatis,  capitanei 
et  jndicis  comonis  Perasii  .  .  .  per  decem  domos  prope  ipsas  scolas  et  pa- 
latia  ad  penam  XXY  IIb.  den.  pro  quolibet    Rossi  p.  351  n.  6  bis. 

^78)  Rossi  p.  286  n.  41  (22.  Dec.  1321);  p.  319  n.  45  (17.  Angnst  1322). 

^7^)  üeber  den  Gmnd  dieser  Erscheinung  s.  oben  S.  437  ff. 

^  S.  das  Schreiben  bei  Ghirardacci,  Della  historia  di  Bologna  II,  10. 
Weitere  Notizen  ans  Documenten  bei  Fantozzi  II,  55  f. 

iwi)  Rossi  p.  255  n.  34. 

^  N&mlich  die  Confiscation  seiner  Gflter.  Rossi  p.  282  n.  38. 

^^)  Boss!  p.  285  n.  40.  41. 

Deaifle,  Dm  üniTenittteD.    L  35 


546     m*   Entwickelong  der  Hochschalen  bis  »um  Ende  des  14.  Jhs. 

Es  überschritte  den  Rahmen  meines  Werkes,  wenn  ich  weiter 
auf  die  Berufungen  von  Professoren  eingehen  wollte.  Es  genflge 
die  Bemerkung,  dass  in  Perugia  die  berühmtesten  Givilisten  und 
Canonisten  nach  einander  oder  zu  gleicher  Zeit  lehrten,  wie  z.  B. 
Cünus  da  Pistoja,  Riccovero  da  S.  Miniato,  Paulus  de  Liazariis, 
Federicus  de  Senis,  Franciscus  Tigrinis,  Joh.  Pagliarensis,  Bartolo, 
Angelus,  Baldus  u.  s.  w.^"^).  Darum  sagt  auch  Peter  de  Ancha- 
rano,  dass  zur  Zeit  des  Johannes  An^eae  besonders  Perugia 
^facundissimis  professoribus'  besucht  gewesen  sei'"*).  Auch 
die  Medicin  lehrten  in  Perugia  schon  in  dieser  Periode 
nicht  unbedeutende  Grössen  jener  Zeit,  z.  R  ausser  dem  ge- 
nannten Tebaldus,  Gentilis  de  Fulgineo,  Thomas  de  Qarbo 
Florentinus  u.  s.  w.  Ansehnlich  wurde  das  medicinische  Studium 
in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs. 

Die  Anzahl  der  am  Studium  lehrenden  Professoren  schwankte 
je  nach  den  Umständen.  Am  10.  September  1826  gaben  vier 
legum  doctores  ein  Rechtsgutachten  ab^'*').  Mehr  Einblick  in 
das  Studium  erhalten  wir  durch  die  wichtige  ^matricula  scolarium 
et  universitatis  scolarium  et  doctorum  studii  Perusini*  vom 
25.  October  1339.  Es  erscheinen  darin  vier  Doctores  juris 
canonici,  drei  juris  civilis,  drei  Doctores  in  medicina,  und  je 
ein  Doctor  in  philosophia  und  in  logica.  Ausserdem  werden 
119  Rechtsschüler  und  23  Scholaren  in  der  Medicin  aufge- 
führt'"').   Man  darf  jedoch  daraus  nicht  schliessen,  als  hätten 


^^)  8.  die  Listen  der  Professoren  im  14.  Jh.  mit  den  nötigen  Nach- 
weisen bei  Rossi  Y,  dOff.  804ff.  VI,  237  ff.  Vgl.  auch  Yermiglioli,  BiUio- 
grafia  storico-Peragina  p.  36.  In  Betreff  des  Cino  di  Pistoja  bleibt  wegen 
seines  Lehramtes  2u  Perugia  noch  immer  Giampi,  Memorie  della  Tita  di 
Messer  Cino  da  Pistoja  (Pistoja  1826)  p.  74.  188  wichtig»  weil  die  Ton  ihm 
ausgezogenen  Documente  sich  nicht  mehr  in  Perugia  finden.  GhiappeUi, 
Vita  e  opere  giuridiche  di  Cino  di  Pistoja  (Pistoja  1881)  vermoehte  p.  7a 
90  überdies  nachzuweisen,  dass  Cino  erst  Tom  J.  1326  an  (nicht  1328,  wie 
Sa?igny,  Gesch.  des  Rom.  Rechts  VI,  82  schreibt)  in  Perugia  gelehrt  hat 
(wegen  des  Jahres  1826  Tgl.  auch  Rossi  Y,  121  ff.  n.  56.  57).  8.  dam  oben 
8  444. 

»«»)  Prooem.  in  6.  Decret  nach  Cod.  Vat.  2288  BL  14a. 

^  Rossi  V,  120  n.  54. 

i»7)  Die  Matrikel  wurde  zuerst  ediert  Ton  PadeUetti,  Arch.  Giurid.  Y, 


5.    Hochschulen  mit  p&pstl  a.  landesherrl.  Stiftbriefen.   Perugia.    547 

sich  nicht  mehr  Professoren  nnd  Schttler  in  Perugia  aufgehalten. 
Es  werden  eben  in  der  Matrikel  wenigstens  von  den  Scholaren 
nur  die  forenses  aufgezählt.  Von  den  nicht  italienischen  SchUlem 
sind  die  meisten  Deutsche  (ein  Deutscher,  nämlich  Johannes 
Theotonicus,  war  zudem  Lehrer  der  loyca);  dann  finden  sich  auch 
einige  Böhmen  (darunter  zwei  Benedictiner),  Spanier,  Franzosen 
und  ein  Engländer. 

Auf  Vermehrung  der  Lehrkräfte  drang  ein  städtisches  Statut 
vom  15.  September  1342.  Es  wird  bestimmt,  dass  5  Rechtslehrer, 
und  zwar  ^doctore  frostiere',  gegen  Salarium  von  der  Stadt  dort 
lesen  sollten,  nämlich  drei  das  Civilrecht  (einer  ordinarie,  und 
2  eztraordinarie),  und  zwei  das  can.  Recht  (einer  das  Decret, 
und  der  andere  über  die  Decretalen).  Ausserdem  solle  ein 
Magister  in  medicina,  und  je  einer  Logik  und  Grammatik  dort 
lehren  ^"^);  für  die  Notariatskunst  wurde  auch  ein  Professor 
gewonnen"*').  In  den  Jahren  1366  und  1389  stellte  man  das 
Statut  auf,  es  müssten  wenigstens  drei  Ganonisten  und  drei 
Cävilisten,  sieben  Mediciner,  zu  denen  man  auch  den  Philosophen 
und  Astrologen  rechnete,  filnf  Grammatiker  und  einer  die  Nota« 
riatskunst  lesen "'°).  Es  handelt  sich  hier  um  die  geringste 
Zahl,  denn  thatsächlich  finden  wir  z.  B.  in  dem  zuerst  ge* 
nannten  Jahre  fünf  legum  doctores,  obwohl  alle  Peruginen,  am 
Studium"'^).  Einen  Höhepunkt  bezeichnet  das  Jahr  1431. 
Von  den  in  Studio  Perusino  conducti  doctores  war  einer  sacro- 
rum  canonum  doctor,  einer  decretorum  doctor,  7  utriusque  iuris 
doctores,  13  legum  doctores,  8  Mediciner,  von  denen  einer  ^ad 

501;  dum  von  Boasi  Y,  175  n.  64.  Ein  Abdruck  nach  Padenetti  findet  rieh 
auch  bei  Coppi,  Le  aniversiU  italiane  p.  126  Anm.  2.  Die  doctores  juris 
canonici  waren:  Symon  de  Yicentia,  Federicas  de  Senis,  Amaldas  de  Senis, 
Archidiaconus  yspanns.  Die  Doctores  joris  civilis:  Joannes  de  PagliarensibttS, 
Thomas  de  Azsognidis  nnd  Pinos  de  Gosedinis.  Der  berOhmteste  Medidn- 
Professor  ist  Gentilis  de  Folgineo,  der  an  der  Pest  134S  starb  (s.  Bossi  Y, 
8091).    Thomas  de  Garbo  erscheint  als  Scholar.    S.  daia  unten  S.  557. 

u»)  Bei  PadeUetti  im  Arch.  giurid.  Yl,  108.    Bossi  Y,  180  n.  65. 

I»»)  PadeUetti  p.  111.  Bossi  p.  184. 

1^)  Bossi  YI,  168  ü  n.  148;  p.  315  n.  240.  Am  1.  April  des  luletst 
genannten  Jahres  wurde  die  Zahl  der  GiTllisten  auf  f&nf  festgesetat.  Ibid. 
p.  869  n.  242. 

i»»ij  Ibid.  p.  124  n.  140. 

35* 


548    ^n.   Entwickelung  der  Hoehschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

reaptandmn  ossa';  ein  Astrologe,  3  magistri  grammatice,  ein 
lector  Philosophie,  die  ein  magister  theologie  vortrug,  einer  f&r 
die  lectura  practice  "*').  Warum  die  Theologen  nicht  aufgezählt 
werden,  hat  hier  denselben  Grund  wie  in  Bologna^'"). 

Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs.,  und  zwar  später 
als  zu  Bologna  und  Padua,  wurde  in  Perugia  das  Studium  gene- 
rale in  der  Theologie  erlaubt  Die  nächste  Veranlassung  dazu 
mag  wohl  das  1362  gestiftete  CoUegium  Gregorianum  geboten 
haben.  Der  Stifter  bestimmte  nämlich,  dass  sechs  Alumnen  des- 
delben  ^audiant  theologiam  a  religiosis  civitatis  Perusii"*'^). 
Es  stellte  sich  natürlich  bald  auch  die  Nothwendigkeit  ein,  dass 
sie  in  der  Theologie  promovieren  dürften.  Bereits  im  J.  1366 
bat  die  Commune  Urban  V.  um  Dispens  von  der  Residenzpflicht 
für  jene,  ^qui  in  dicto  studio  in  sacra  pagina,  in  iure  canonico 
et  civili'  etc.  studierten,  und  dass  Tr.  Urbanus  de  Perusio, 
0.  M.,  lector  principalis  conventus  Minorum  Perusii,  ubi  est 
Studium  generale,  qui  in  dicto  conventu  .  .  .  annis  pluribus 
sententias  et  sacram  theologiam  laudabiliter  et  sufficienter  per- 
legit',  das  Doctorat  in  der  Theologie  erhalten  dürfe"**).  Es 
handelte  sich  zwar  um  ein  blosses  Ordensstudium,  das  jedoch 
auch  von  Auswärtigen  und  gewiss  von  einigen  der  Stipendiaten 
des  CoUegs  besucht  wurde  "'^).  Am  11.  October  1371  erschien 
aber  der  bisher  nicht  bekannte  Stiftbrief  der  theologischen  Fa- 
cultät  an  der  Lehranstalt  zu  Perugia,  mit  welchem  Gregor  XI. 
^ad  supplicationem  populi  et  communis  civitatis  Perus.^  das  ^Stu- 
dium generale  theologice  facultatis'  gestattet,  dem  Bischöfe  das 
Promotionsrecht  gewährt,  und  zugleich  verfügt,  dass  4n  novitate 


1M>)  Arch.  Tat.  liart.  Y.  Divers,  camer.  lib.  9,  n.  12  Bl.  146.  Binis 
Catalog.  I,  2  p.  594  f.  erweist  dch  dadurch  als  äusserst  lückenhaft. 

^^)  8.  oben  S.  209. 

^*M)  8.  weiter  unten. 

^^9t)  Reg.  8uppl.  Urbani  Y.  an.  4  p.  1  Bl.  170  a.  Der  Papst  gewährte 
die  8nppliken  am  11.  Mai  genannten  Jahres.  Reg.  Yat.  ATcnion.  ürb.  Y. 
tom.  18  Bl.  449  b. 

^^^)  Auch  im  Convente  der  Dominicaner  bestand  sowohl  ein  Theologie- 
<ein  Lector  mit  einem  Baecalareus)  als  auch  ein  Philosophiestudium  (mit  einem 
Lector),  wie  aus  den  Acten  Tom  J.  1344  herrorgeht  Codex  im  Oeneralarchir 
des  Ordens. 


5.   Hochschulett  mit  pftpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.   Peragfia.  549 

studii  theologice  facultatis'  Magister  aus  Paris  oder  von  anderen  be- 
rühmten Lehranstalten  fDr  die  Vorlesungen  genommen  würden '"'). 
In  den  Acten  der  Commune  aus  dem  14.  Jh.  geschieht  jedoch 
der  Theologie  keine  Erwähnung.  Die  Stadt  überliess  die  Sorge 
den  Bettelorden. 

Innerhalb  des  Zeitraumes,  der  die  eben  genannte  Bulle  von 
deijenigen  trennt,  mittels  welcher  Johann  XXn.  den  Medicinem 
und  Artisten  die  Erlaubniss  ertheilte,  in  ihrer  Wissenschaft  promo- 
viert werden  zu  können,  erhielt  die  Lehranstalt  alle  jene  Privi- 
legien, welche  von  den  Päpsten  gewährt  zu  werden  pflegten. 
Johann  XXIL  bewilligte  am  30.  August  1322  communi  et  populo 
Perusino  für  10  Jahre,  dass  die  Studierenden  am  Studium,  zu 
dem  sie  gehen  könnten  *absque  licentia  ordinariorum  suorum  seu 
capitulorum  ecdesiarum'  (eine  Formel,  die  bei  ähnlicher  Gelegen- 
heit immer  widerholt  wird),  von  der  Besidenzpflicht  dispensiert 
seien''**),  ein  Privileg,  das  er  am  11.  September  1331  auf 
weitere  10  Jahre  verlängerte^"*).  Die  Stadt  bewarb  sich  bei 
Clemens  VI.,  als  er  kaum  den  päpstlichen  Stuhl  bestiegen  hatte, 
um  Erneuerung  dieses  Privilegs,  die  am  15.  October  1342  fttr 
fünf  Jahre  erfolgte  ^'°°).  Am  15.  Juli  des  nächsten  Jahres  wurde 
aber  auf  Bitten  derselben  Stadtgemeinde  die  Frist  auf  weitere 
5  Jahre,  also  im  ganzen  auf  ein  Decennium,  ausgedehnt'**'). 
Unter  demselben  Datum  gewährte  Clemens,  dass  in  Abwesenheit  des 
Bischofs  die  vicarii  der  Cathedrale  die  Licenz  ertheilen  dürften'***), 
was  Innocenz  VI.  am  8.  Mai  1354  bestätigte'***). 

1S97)  Beg.  Yat.  ATenion.  tom.  1  Bl  461.  Die  Einleitang  (Quasi  lignam 
▼ite)  sowie  Oberhaupt  das  Schreiben  stimmt  mit  den  betreffenden  fftr  Bo- 
logna nnd  Padna  flberein.  S.  oben  S.  207.  Die  Behauptung  Binis  jedoch 
p.  57 f.,  schon  froher  h&tte  ein  CoUegium  theologomm  bestanden,  entbehrt 
jedes  Grundes. 

1^  Reg.  Yat  Com.  an.  6.  ep.  1  ep.  1392  BL  476  b.  Bosd  lY,  279 
n.  36. 

1199)  Beg.  Yat  Com.  an.  16.  p.  1  ep.  256. 

1800)  Reg.  Snppl.  an.  1  p.  1  Bl.  265  a. 

^^)  Reg.  Suppl.  an.  2  p.  3  Bl.  101a.  Reg.  Yat  an.  2.  p.  4  Bl.  389  b. 
Bini  p.  208  n.  9. 

1«»)  Reg.  Suppl.  1.  c.  Reg.  Yat  an.  2  p.  3  ep.  1082.  '  Bini  l  c 
p.  205  n.  10. 

isos)  Beg.  Suppl.  an.  2  Bl.  105  b. 


550    ^*    Entwickelnng  der  Hoehschulen  bis  ram  Ende  des  14.  Jhs. 

Wie  andere  Universitäten  so  litt  auch  Perugia  stark  während 
der  Pestjahre  ^'^0.  Nach  tiberstandener  Heimsuchung  lag  der  Stadt 
daran,  das  Stadium  zum  frühem  Glanz  zu  bringen  und  sie  be- 
mühte sich  durch  ihre  Gesandten^  unter  denen  die  beiden  Rechts- 
lehrer Ugolinus  Pelloli  und  Bartolo  waren,  von  Kaiser  Karl  IV. 
ebenfalls  ein  Privileg  zu  erhalten.  Dieses  erschien  am  19.  Mai 
1855.  Der  Kaiser  erwähnt  darin  nach  der  stereotypen  Einleitung, 
dass  Perugia  zwar  das  Studium  im  Jus,  in  der  Medicin  und  in 
den  artes  liberales  besitze,  dass  es  aber  theilweise  in  Verfall 
geraten  sei.  Er  gibt  nun  das  Privileg  eines  Generalstudiums, 
bezeichnet  den  Bischof  als  denjenigen,  der  die  Licenz  ertheilen  solle, 
und  concediert  dem  Studium  alle  von  den  Römischen  Kaisem 
und  Königen  andern  Studien  gewährten  Immunitäten'*^').  Unter 
demselben  Datum  stellte  der  Kaiser  noch  ein  anderes  Privileg 
aus.  Von  der  Erkenntniss  geleitet,  dass  ein  grosser  Theil  der 
Ehre  und  des  Wohlstandes  der  respublica  in  viris  litteratis  con- 
8istere\  und  von  dem  Wunsche  beseelt,  dass  das  in  Perugia 
existierende  Studium  generale  ^juris  utriusque  et  aliarum  facul- 
tatum  felida  auspicia  et  continua  susdpere  incrementa  ac  longin- 
quarum  incolas  regionum  ad  ipsius  accessum'  anziehen  möge, 
befreit  er  alle  Doctoren  und  Scholaren,  welche  zum  genannten 
Studium  gehen  oder  dasselbe  verlassen,  sammt  ihrer  Familie  und 
der  Habe  ^ab  universis  repressaliis,  datüs,  gabeüis,  pedagiis, 
vectigalibus,  oneribus  et  collectis',  und  schärft  dies  unter  An- 
drohung seiner  Indignation  'et  imperialis  banni'  allen  Obrigkeit^ 
ein.  Damit  jedoch  kein  Betrug  dabei  stattfinden  könne,  so  solle 
man  den  zum  Studium  Reisenden  ihrer,  allenfalls  auch  durch 
einen  Eidschwur  bekräftigten,  Versicherung  Glauben  schenken, 
dass  sie  wirkliche  Studierende  seien;  wenn  sie  aber  die  Stadt 


1804)  8.  Fellini,  Dell  historia  di  Perugia  I  (Yenetia  1664),  953.  Die 
Acten  aus  jener  Zeit  weiseü  eben  deshalb  Lacken  auf,  und  die  Stadt  be» 
Bch&ftigte  sich  damals  sowie  die  nächstfolgende  Zeit  natnrgemiss  mekr  mit 
den  Medicinem.  8.  Rossi  Y,  190  n.  69.  p.  318ff.  n.  71—76.  Erst  mit  dem 
Beginn  des  Schuljahres  1351—1352  finden  wir  wider  Berufungen  fttr  die 
BechtewiBsenachaft. 

isoö)  Bini  p.  206  n.  11.  Rossi  Y,  374  n.  96.  Wegen  der  Einleitung  a, 
oben  S.  447  Anm.  930. 


5.    Hochschulen  mit  pftpstl.  n.  landesherrl.  Stiftbriefen.   Perugia.   551 

yerliessen,  müssten  sie  'litteras  testimoniales  episcopi  Perusini 
Tel  rectoris  studü'  vorweisen.  Den  Bischof  bestellt  er  zum  Gon- 
seryator  der  Privilegien  "°*). 

Cardinal  Niccolö  Gapocci,  Bischof  von  Perugia,  stiftete  im 
J.  1362  das  erste  GoUeg  (unter  dem  Patrocinium  Gregors  des 
Grossen),  und  zwar  für  40  arme  Scholaren,  von  denen  sechs, 
welche  Theologie  studierten,  der  Bischof  von  Perugia,  die  übrigen 
aber  andere  Bischöfe  bestimmter  DiOcesen  wählen  sollten^**'). 
Von  diesen  Alumnen,  welche  clerici  sein  müssten,  dürften  nur 
vier  oder  sechs  die  Leges  hören.  Der  Bischof  hatte,  obwohl  er  viel 
Zeit  auf  das  Studium  juris  civilis  verwendet,  in  Erfahrung  ge- 
bracht, ^quod  advocationis  officium  maxime  in  partibus  Italie 
dampnationis  est  anime'^'^^).  Nach  acht  Jahren  wurde  die  Zahl 
der  Stipendiaten  auf  50  erhöht,  und  die  Erlaubniss  ertheilt,  dass 
zwanzig  von  ihnen  leges  studieren  dürften^'*').  Das  Golleg  wurde 
^domus  Sapientiae'  (später  Sapienza  vecchia)  genannt,  und  die 
Commune  beschäftigte  sich  widerholt  mit  demselben,  z.  B.  1366, 
als  die  Stipendiaten  aller  Privilegien  der  Studierenden  der 
Hochschule  versichert  wurden,  wenn  anders  sie  sich  4n  matricula 
scolarium  dicti  studii'  einschreiben  liessen'"^),  und  im  J.  1389,  in 
dem  man  sie  ^ab  omni  jurisdictione  rectoris  studii'  befreite'"^). 

Mit  Befriedigung  konnte  die  Commune  von  Perugia  in  dem 
zuletzt  genannten  Jahre  auf  die  Entwickelung  des  Studiums  zurück- 
blicken, und  öffentlich  aussprechen,  dass  zu  demselben  ^de  uni- 
verso  orbe  tam  doctores  scientia  et  fama  preclari,  quam  etiam 
scolares  confluerunt,  et  multi  et  infiniti  scolares  viri  eminentis 
scientie  effecti  sunt  et  doctoralibus  insignis  insigniti,  per  quos 
refloruit  scientia,  viguit  justitia,  per  quam  regna,  provincie  et 


1^  BoBsi  y,  376  n.  97.  Das  Schreiben  beginnt:  'Gesaree  fortune 
fMtigfaua'.    Es  fehlt  in  den  Reg.  Imp.  ed.  Böhmer-Huber  S.  172. 

1807)  Bini  p.  146  ff.  Yorsflglich  Bosn  VI,  52  ff.  n.  101.  Vgl.  auch 
PeUini  l  c.  p.  998.  Baluze,  Yitae  papamm  Ayenion.  1, 388.  1015.  D'Attichy» 
Flores  histor.  s.  coUegii  Gardinalinm  I,  400. 

1308)  Bosn  1.  c.  p.  53. 

iw)  Ibid.  p.  59. 

mo)  Bo88i  1.  c  p.  164  n.  148. 

1311)  Ibid.  p.  317  n.  240. 


552    in.    Entwickeinng  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

ciyitates  reguntur  et  gubernantur,  quod  magnum  decorem  dicte 
civitatis  et  reipublice  pertinuit  et  pertinet""'). 

Florens. 

Von  der  Vorgeschichte  des  Generalstudiums  zu  Florenz 
ist  nur  sehr  wenig  bekannt  Prezziner  hat  fast  gar  nichts 
gewusst'*^');  Morelli  nicht  viel  und  in  seiner  Abhandlung  finden 
sich  nicht  einmal  alle  Documente  benützt,  denen  sie  vorgedruckt 
ist^'^^).  Die  dürftigen  Notizen  können  allerdings  kurz  zusalmmen- 
gefasst  werden. 

Ob  Buoncompagno  und  der  Mediciner  Bartolo,  beide  Floren- 
tiner aus  dem  13.  Jh.,  auch  in  Florenz  gelehrt  haben,  wird  nicht 
berichtet.  Thatsache  ist  es  jedoch,  dass  in  den  ersten  zwei 
Decennien  des  14.  Jhs.  mehrere  Rechtslehrer  in  Florenz  sich 
aufhielten,  welche  dort  städtische  Aemter  bekleideten^*").  Sichere 
Nachrichten  über  öffentliche  Vorlesungen  beginnen  indessen  erst 
mit  dem  dritten  Decennium  des  genannten  Jahrhunderts.  Ich 
will  kein  Gewicht  darauf  legen,  dass  der  Dominicaner  Bemigio 
Girolami  von  S.  Maria  Novella  im  Jahre  1318  an  die  Herstellung 
einer  Schule  dachte,   die  nicht  bloss  Religiösen,  sondern  auch 


"1»)  Ibid.  p.  313. 

isu)  Storia  del  publice  studio  e  delle  societä  scientifiche  e  letterarie  di 
Firenze  I  (Firenie  1810),  1  ff. 

^*)  Discorso  del  prof.  G.  Morelli  in  den  Statuti  della  aniveniU  e 
stndio  Fiorentino  pabbl.  da  A.  Oherardi.  Firense  1881  p.  XXY.  üeber  das 
Florentiner  -  Stadium  beginnt  er  p.  XXXI  su  sprechen.  Migliore,  Firense 
iUustrata  (Firense  1684),  besonders  Gapponi,  Storia  della  repubblica  die  Fi- 
rense (Firense  1875)  sind  in  Besag  auf  das  Studium  in  Florens  noch  dttrf- 
tiger.  Letsterer  beschäftigt  sich  mit  demselben  I,  325  in  nur  wenigen 
Zeilen,  und  spricht  p.  528  ff.  allerdings  ausfQhrlicher  Aber  die  elastischen 
Studien.  Rondoni,  Ordinamenti  e  Ticende  principali  delP  antico  stndio 
Fiorentino  (Archivio  stör.  ital.  ser.  4.  t.  14  1884)  p.  41  ff.  bietet  wenig 
Neues,  kam  hftufig  nicht  über  MoreUi  hinaus,  und  war  nicht  im  Stande  ein 
ToUstftndiges  Bild  der  Entwickelang  der  Hochschule  su  liefern.  Merkwttrdig 
Ist,  dass  Perrens,  Histoire  de  Florence  Y  (1883),  420ff.  sich  noch  mit  Pressiner 
begnflgt,  und  Gherardis  Ausg.  der  StatnÜ  nicht  kennt 

1M&)  S.  die  Istoria  Fiorentina  di  Marchionne  di  Coppo  Stefani  und  an* 
dere  Docnmente  heransgg.  Ton  Ildefonso  da  S.  Luigi  t.  10—11  (Firense  ms\ 
susammengestellt  Ton  Santini  im  Archiv,  stör.  ital.  ser.  4.  t  14  p.  22 
Anm.  G< 


5.   Hochschulen  mit  pftpstl.  a.  landesherrl.  Stiftbriefen.   Floren«.    553 

den  Borgern  dienen  sollte '"'0,  nnd  dass  er  die  Signorie  um 
Unterstützung  bat.  Es  kommt  hier  zunächst  darauf  an,  was 
die  Stadt  fQr  die  Schulen  gethan  hat.  Die  frühesten  Notizen, 
dass  sich  diese  des  Studiums  angenommen  hat,  stammen  aus  dem 
J.  1320.  Sie  warf  im  August  dieses  Jahres  ein  Salarium  aus 
für  den  mag.  Guiciardus  de  Bononia,  der  Vorlesungen  über  Gram- 
matik, Logik  und  Philosophie  halten  sollte.  Er  war  noch  1323 
dort'"').  Zu  gleicher  Zeit  und  wohl  schon  früher  trug  Giovanni  da 
Strada  Grammatik  vor,  dem  dann  1335  sein  Sohn  Zanobi  folgte '''^). 
Im  November  1320  wurde  auch  von  der  Stadt  der  ^excellens, 
sapiens  et  expertus  vir  mag.  Bartholomeus  de  Varagnana  fisicus' 
bestellt  'ad  docendum  artem  fisice  discere  volentibus^'"').  Doch 
war  um  jene  Zeit  der  berühmte  Mediciner  Dinus  von  Florenz  nur 
gelegentlich  seiner  Reise  von  Bologna  nach  Siena  in  Florenz, 
mithin  in  keinem  Falle  als  Lehrer,  in  welcher  Eigenschaft  er 
im  J.  1321  nach  Siena  berufen  wurde,  wo  er  bis  c.  1323  blieb 
und  nach  Florenz  zurückkehrte  ^''®).  Wir  werden  jedoch  alsbald 
sehen,  dass  sich  damals  andere  berühmte  Professoren  in  Florenz 
aufgehalten  haben,  trotzdem  in  den  Florentiner^Acten  derselben 
keine  Erwähnung  geschieht. 

Allen  Ernstes  gieng  die  Republik  im  J.  1321  daran  in  den 
Besitz  eines  Generalstudiums  zu  gelangen.  Die  Auflösung  des 
Studiums  zu  Bologna  im  März — April  genannten  Jahres  liess  den 
Augenblick  zu  günstig  erscheinen.  Da  in  den  königlichen  Städten 
die  Rechte   und   andere  Wissenschaften  gelehrt  werden  sollten 


1SI6)  Fineschi,  Memorie  istoriehe  degli  nomini  illustri  del  conyento  di 
S.  Maria  NoveUa  (Firenze  1790)  p.  178. 

»17)  8.  Statut!  della  nniversitä  Fiorent  p.  277—279. 

1^8)  Matteo  Villani,  Istorie,  lib.  5.  c.  26.  Voigt,  Die  Wiederbelebung 
des  class.  Alterth.  I,  163  f.  Dagegen  bezieht  sich  Oio?anni  Villanis  Bericht 
Aber  die  Yerschiedenen  Orammatikal-Schulen  in  Florenz  nicht  auf  die  Epoche 
Tor  1320.  Cronica,  lib.  11  c.  93.  In  einem  Acte  Tom  J.  1346  ist  von  mehre- 
ren Grammatikalschnlen  die  Bede.    Statuti  p.  282. 

"«)  Ibid.  p.  278. 

!<><>)  Dass  Dinus,  ehe  er  nach  Siena  berufen  wurde,  in  Florenz  vorflber- 
gehend  sich  aufhielt  ergibt  sich  aus  der  ihm  wegen  des  Transportes  bezahlten 
Bechnung  in  den  Libri  deUa  Biccherna  im  Archiv  zu  SieniL  8.  dazu  oben 
8.  437  if.  und  unten  Anm.  1325. 


554    ni.  Entwickelnng  der  HochsclinleD  bis  zum  Ende  des  14.  Jbs. 

nnd  es  Florenz  als  einer  königlichen  Stadt  zieme,  ein  (reneral- 
stndinm  zu  besitzen,  beschlossen  die  Priores  artinm  etc.,  *doc- 
tores  in  iore  canonico  et  civili  et  in  medicina  et  in  aliis  scientiis 
et  bedellos  et  alios  officiales  ntiles  ad  stadinm  generale*  zn  wählen 
und  zu  dingen '*'0-  Einer  der  ersteren  müsse  ordinarie,  nnd  ein 
anderer  extraordinarie  Aber  das  Römische  Recht,  je  einer  über 
das  Decret  nnd  die  'Decretalen  lesen.  Wenigstens  zwei  Jahre 
hatten  sie  am  Stndinm  zu  bleiben"'').  Diejenigen,  welche  zom 
Studinm  reisen  wollten  (mit  Ausnahme  der  Rebellen  nnd  Ver- 
bannten), worden  in  Schutz  genommen.  Es  wurden  Lehrsäle 
gemiethet  und  man  kam  flberein  sich  an  den  Papst  zu  wenden,  um 
nicht  bloss  das  Privilegium  eines  Generalstudiums  zu  erwerben, 
sondern  auch  mit  demselben  ^privilegia  maxima,  que  habebantur 
Bononie,  cum  illis  privilegiis,  clansulis  et  modis,  qui  favorabiliores 
possint  haberi  pro  studere  yolentibus,  et  maxime,  ut  clerid, 
qui  alias  a  jure  prohibentur,  studere  possint  in  dicta  civitate  in 
iure  civili'.  Zugleich  sollte  ihnen  der  Papst  Dispens  von  der 
Residenzpflicht  gewähren.  Die  Studierenden  würden  in  Florenz 
gerade  so  gehalten  werden  wie  in  Bologna  u.  s.  w."'*). 

Erst  14 — 15.  Mai  traf  man  in  Florenz  diese  Bestimmungen. 
Unterdessen  hatten  aber  die  von  Bologna  nach  Lnola  ausge- 
wanderten Scholaren,  oder  wenigstens  ein  grosser  Theil  derselben, 
bereits  mit  Siena  den  Gontrakt  abgeschlossen  ^*'').  Florenz  hatte 
zu  spät  an  die  Errichtung  der  Hochschule  gedacht 

Die  Folge  war,  dass  Florenz  auch  noch  jene  Professoren  verlor, 
die  sich  zur  Zeit  des  eben  erwähnten  Beschlusses  dort  aufhielten. 
So  den  Ganonisten  Riccovero  de  S.  Miniato,  der  durch  einen 
Nuntius  eingeladen  wurde,  eine  Professur  in  Siena  zu  über- 
nehmen""), und  den  Gvilisten  Andreas  de  Giaffi  von  Pisa, 

1«)  Ibid.  p.  107. 

u»)  Ibid.  p.  478. 

^  Ibid.  p.  lOSff. 

^  8.  oben  8. 44$.  Bandbi,  Gionale  stör,  degli  Arehivi  Tom.  Y,  88111 

^^^)  Es  geachaJi  Ton  Florens  aiu.  8o  im  toI  100  deUa  Bioehenia 
Bl.  184b  im  StaatMrehiT  in  Siena.  Binchi  1.  e.  p.  888.  Dam  liediciimr 
Dinu  wurden  leine  HabiehaltoB  swmr  Ton  Flormu  naeh  SIeaa  aberfthrt; 
•UbIb  er  kam  von  Bologm^,  wie  er  am  Seblnme  ni  8.  Fan  das  4.  Canons 
Avicannas  sagt  (Cod.  Yat  2485  BL  99a)L    8«  dasn  oben  Anm.  1880. 


5.   Hochsehnlen  mit  pftpstl  n.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Florens.     555 

welcher  ebenfalls  gedungen  wurde  in  Siena  das  Givilrecht  zu 
lehren,  wo  er  ein  ganzes  Schuljahr  blieb,  worauf  dann  (yom 
Herbste  1322  an)  Guiglielmo  da  Ciliano  seinen  Lehrstuhl  ein- 
nahm''*^). Zwar  wird  in  den  Sieneser-Acten  nicht  gesagt,  dass 
dieser  letztere  Jurist  von  Florenz  aus  berufen  wurde;  aber  es  erhellt 
dies  aus  einem  Documente  vom  16.  September  1321  der  Ciom- 
mune  von  Perugia.  Unter  dem  genannten  Datum  bezahlten 
nämlich  die  Priores  artium  von  Perugia  einen  Courier,  dass 
er  nach  Florenz  gehe,  und  die  beiden  Professoren  juris  civilis 
Osbertus  von  Gremona  und  Andreas  de  Giaffi  (Zaffis),  sowie  den 
Mediciner  Odinus,  'nominatos  per  rectores  scolarium  in  ciyitate 
Perusii  pro  studio  augmentando%  einlade  nach  Perugia  zu 
kommen^"')'  Am  darauffolgenden  26.  September  wurden  die 
beiden  Rechtslehrer  formell  gewählt^"').  Allerdings  war  Andreas 
de  Giaffi  damals  nicht  in  Florenz,  sondern  in  Siena.  Der  Schluss 
drängt  sich  aber  von  selbst  auf,  dass  der  genannte  Professor 
sich  vor  seiner  Berufung  nach  Siena  in  Florenz  aufgehalten 
hat,  die  Priores  artium  in  Perugia  jedoch  von  seiner  XTeber- 
siedlung  nach  Siena  keine  Eenntniss  hatten  und  noch  immer 
der  XTeberzeugung  lebten,  er  dociere  mit  Osbertus  in  Florenz  *"•). 

i»6)  £r  erhielt  bereits  vom  Juli  bis  December  1821  in  Siena  die  Bo- 
sahlang.  Vol.  103  della  Biecherna  Bl.  G5  nnd  79  b.  Banchi  p.  321.  Dar- 
flber,  dass  er  nur  das  Schtt^'ahr  in  Siena  blieb,  s.  ibid.  p.  324.  Beilftafig 
bemerke  ich,  dass  der  genannte  Professor  jnris  cinlis  in  den  Sieneser  Acten 
'de  Ciaffi',  in  jenen  von  Florenz  'Giafferi',  in  jenen  von  Perugia  'de  Zaffis' 
ingenannt  wird.  Bartolo,  welcher  ihn  hftnfig  citiert,  nennt  ihn  einfach  An- 
dreas de  Pids.  Banchi  ist  im  Irrthnme  mit  der  Meinung,  derselbe  sei  von 
Siena  nach  Perugia  gegangen. 

is^  S.  das  Docnment  bei  Bossi,  Documenti  per  la  storia  dell'  univer- 
siti  di  Perugia  im  Qiomale  di  emdiaione  artistica  lY,  282  n.  87.  Dem 
OsbertDS  oder  Gisbertus  sind  wir  bereits  oben  S.  464  nnd  541  begegnet  Ehe 
er  in  Florens  las,  war  er  in  Treviso. 

19S8)  Bossi  p.  184  n.  89. 

i'^)  Wenn  ich  oben  bei  diesem  Qegenstande  etwas  länger  verweilt 
bis,  80  geschah  es  auch  deshalb,  weU  sowohl  Banchi  als  Bossi  die  Facta  nur 
isoUert  auffsssten,  Qherardi  aber  in  seinen  Statuti  della  universitä  Fior.  de 
gans  ignoriert  hat  Pancirohis  (De  claris  legnm  interpretibus  1.  2  c.  58) 
nnd  Fabroni  (fiistor.  actd.  Pisaaae  I,  44)  sind  im  unrechte,  wenn  sie  An« 
dreae  (ohne  jeden  Beweis)  vor  der  Uebersiedlung  nach  Siena  resp.  vor  seiner 
Berufung  nach  Pelrugia  in  Pisa  lehren  lassen. 


556    ni.  Entwickelang  der  Hochsohnlen  bis  lam  Ende  des  14.  Jhs. 

Diese  Docnmente  beweisen  aber  zagleich,  dass  in  Florenz 
trotz  des  misslungenen  Versacbes  daselbst  ein  Oeneralstudimn  zn 
errichten,  das  Lehramt  nicht  vollständig  ins  Stocken  geriet.  Osbertns 
gieng  erst  1322  nach  Perugia,  nachdem  man  am  7.  Aogust  dort 
denEntschluss  gefasst  hatte,  ihn  durch  einen  Nuntius  zu  berufen  ^**^. 
Aber  auch  noch  im  nächstfolgenden  Jahre  müssen  in  Florenz  Pro- 
fessoren dociert  haben,  denn  die  Commune  von  Perugia  beschloss 
am  1.  October  desselben  Jahres  *ad  dyitatem  Florentie  et 
Bonnonie'  und  anderswohin  zu  senden  ^ad  procurandum  doctores' 
für  die  verschiedenen  Wissenszweige"")-  Wahrscheinlich  kamen 
Andreas  de  Giafß  im  Herbste  1322  und  Osbertus  im  J.  1328 
wider  nach  Florenz  zurück.  Wenigstens  werden  beide  im  J.  1324 
in  den  Floren tineracten  als  Professoren  erwähnt"").  Möglich 
wäre  auch,  dass  in  dem  eben  genannten  Jahre  Gino  da  Pistoja  in 
Florenz  über  Gvilrecht  las.  Sicher  war  Cinus  damals  in  Florenz, 
wo  er  mit  andern  Jurisconsulti  ein  Gutachten  abgab""). 


13S0)  8.  die  interessanten  Docnmente  bei  Boesi  p.  288  n.  44;  p.  880  n.  46. 
Die  Commune  versprach  ihm,  sie  werde  nicht  snlassen,  dass  in  lectura  ordi» 
naria  in  jnre  civili  ein  anderer  Bechtslehrer  mit  ihm  concurriere.  Es  kam 
jedoch  anders,  so  dass  Osbert  die  Vorlesungen  einstellte,  bis  die  Commune 
ihrer  Verpflichtung  nachkam.  Am  80.  Oct.  1825  wurde  er  wider  in  Perugia 
gewählt.    Rossi  p.  827  n.  58. 

iss^  Ibid.  p.  826  a  51. 

13SS)  Stotuti  della  uniTorsitä  Fiorent  p.  HO. 

13S3)  Dasselbe  ist  von  Santini  ediert  im  Archiv,  stör.  ital.  ser.  4.  1  14 
p.  80.  Santini  schUesst  jedoch  aus  dem  Docnmente  su  sicher,  Cinus  habe 
im  J.  1324  auch  in  Floren«  gelehrt  Zum  Abgeben  von  Rechtsgutaehten 
wurden  die  Juristen  nicht  selten  von  anderswo  her  berufen.  So  gab  i.  Bl 
Petrus  de  Bellapertica  im  J.  1800  mit  Hugo  von  Bisuneio  ein  Gutachten 
Aber  das  OrOndungsprivileg  von  Elbing  ab,  und  der  Act  wurde  in  Paris  von 
beiden  unterseiehnet  (Mon.  bist  Warmiensis  I.  Diplomata  p.  184  n.  108); 
allein  Petrus  war,  weil  Legist,  nicht  Professor  in  Paris,  am  allerwenigiteo 
aber  im  J.  1800.  Zur  Annahme,  dass  Cinus  im  J.  1824  in  Florens  auch 
dodert  habe,  kann  nur  die  vom  jungem  Scipio  Ammirato  (Istorle  florenUne, 
Firenie  1647  I,  892)  gebrachte  Notis,  Cinus  habe  mit  Biccovero  da  Sammi- 
niato  im  J.  1884  zu  Florens  gelesen,  bestimmen,  da  dies,  wie  Santini  p.  22 
sqq.  nachweist,  im  genannten  Jahre  nicht  wohl  möglich  war,  nuthin  das 
Lehramt  viel  eher  in  das  Jahr  1824,  als  Cinus  sicher  in  Floreni  sich  auf- 
hielt, lu  setien  ist  Ohnehin  war  eine  Verwechslung  des  Jähret  1884  mit 
1324  leicht  möglich. 


5.   Hochschulen  mit  pftpstl.  n.  laadesherrl.  Stiftbriefen.    Florenc.    557 

Mehr  lässt  sich  vom  Zustande  des  damaligen  Stadiums  zu 
Florenz  nicht  sagen.  Der  Mediciner  Thomas  de  Garbo  kann, 
wenn  er  überhaupt  da  war,  nur  vorübergehend  im  J.  1341  in 
Florenz  gelehrt  haben  ^''^),  gleichwie  wohl  auch  sein  Vater 
Dinus,  der  von  berühmten  Studienanstalten  öfters  nach  Florenz 
zurückgekehrt  war,  möglicher  Weise  dort,  aber  auch  nur  auf 
kurze  Zeit,  dociert  haben  mag.  Ein  Generalstudium  kam  jedoch 
in  Florenz  in  jener  Zeit  nicht  zu  Stande,  und  man  machte  auch 
bis  zum  J.  1348  keine  Anstrengungen  mehr,  um,  speciell  vom 
Papste,  ein  Universitätsprivileg  zu  erhalten^'"). 

Erst  in  diesem  Jahre"'*)  und  noch  unter  dem  Drucke  der 
verheerenden  Pest  beschlossen  die  Priores  artium  und  überhaupt 
das  GonsUium  ^quod  in  civitate  Florehtie  sit  et  esse  debeat  per- 
petuo  Studium  generale  in  iure  civili,  canonico,  in  medicina, 
philosophia  et  ceteris  scientiis\  Sie  wählten  mehrere  Männer, 
die  alle  Vorbereitungen  treffen,  die  Professoren  berufen,  die 
Wohnungen  für  diese  und  die  Scholaren  bestellen,  kurz  alles  in 
Ausführung  bringen  sollten,  was  zu  einem  Generalstudium  gehört. 
In  dieser  Angelegenheit  könnten  sie  auch  an  die  Römische  Curie 
oder  anderswohin  und  so  oft  es  ihnen  gefällt  Abgesandte 
schicken"'^).  War  man  schon  durch  diese  Bestimmungen  vom 
29.  August  dem  Ziele  etwas  näher  gekommen,  so  rückte  man 
demselben  ganz  nahe  durch  die  Beschlüsse  vom  December  genannten 
Jahres.  Es  wurde  nämlich  nun  auch  die  Summe  von  2500  Gold- 
gulden festgesetzt  'ad  solvendum  et  pro  solvendo  salaria  doctorum 
dicti  studif  und  die  Art  und  Weise  angeordnet,  wie  die  Bezahlung 
vor  sich  gehen  solle.    Zugleich  verbot  man  bei  hoher  Geldstrafe 


^^  Am  Schlüsse  eines  medicinischen  Tractates  schreibt  Thomas:  Ego 
Thomas  olim  Dini  medici  ümosi  de  florentia  feci  primo  anno  mee  lectore 
Florentie  (Cod.  Tat  2484  £1.  224  a).    Vgl.   dazu  oben  S.  486  Anm.  883. 

1385)  Die  weitl&afigen  Regesten  Johann  XXII.,  auch  jene  der  Avignone- 
sischen  Sammlung,  bieten  nicht  den  geringsten  Anhaltsponkt. 

i396j  Die  Docomente  aus  den  Jahren  1340  und  1341  in  den  Statuti 
p.  280  f  haben  für  diese  Zeit  mit  dem  Florentiner  Studium  nichts  zu  thun.  Voigt 
meint  S.  343  wie  Tiraboschi  und  Gapponi,  die  Eifersucht  gegen  das  1338  su 
Pisa  eröffnete  Studium  habe  sn  neuen  Anstrengungen  getrieben.  Mag  sein; 
allein  mir  scheint,  dass  dann  Florenz  nicht  10  Jahre  lang  gewartet  hfttte. 

i»7)  Statuti  p.  1121 


558    m*    Bntwickelcuig  der  Hoehschnlen  bis  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

jedem  aus  der  Stadt  und  dem  Districte  den  Besach  auswärtiger 
Hochschulen;  wer  bereits  an  einer  solchen  sei,  mttsse  zurftck- 
kehren^***).  Dies  war  in  Italien  und  Spanien  das  gewöhnliche 
Zwangsmittel,  zu  dem  man  in  Florenz  schon  im  J.  1321  grifft''*), 
und  nur  eine  Gopie  der  von  den  sicilianischen  Königen  erlassenen 
Bestimmungen. 

Nach  Matteo  Villani  wurde  das  Generalstudium  ^di  catuna 
scienzia  e  in  legge  canonica  e  civile  e  di  teologia'  am  6.  November 
1348  eröffnet  ^'*^).  Qanz  richtig  scheint  mir  diese  Nachricht 
nicht  zu  sein.  Es  mögen  am  genannten  Tage  irgend  welche 
Vorlesungen  begonnen  haben,  wie  ja  auch  in  der  That  Thomas 
de  Gorsinis  legum  doctor  'ad  legendum  iura  civilia'  gew&hlt 
worden  war^**^).  Aber  wenigstens  Theologie  wurde  noch  nicht 
vorgetragen,  denn  das  Oeneralstudium  trat  erst  im  Jahre  1349 
formell  ins  Leben.  Die  Art  und  Weise  wie  Clemens  YL  in  seinem 
Stiftbriefe  vom  31.  Mai  1349  davon  spricht,  Iftsst  uns  darüber 
nicht  im  Zweifel 

Nach  der  üblichen  Einleitung  verordnet  der  Papst,  dass  in 
Florenz  %  sacra  pagina,  iure  canonico  et  civili  et  in  medicina 
et  qualibet  alia  licita  facultate'  ein  Generalstudium  seL  Er  be- 
stimmt aber,  dass  4n  novitate  huiusmodi  studii  ad  docendum  et 
regendum'  solche  Professoren  gewählt  würden,  *qui  in  Bononiensi 
vel  Parisiensi  aut  aliis  famosis  generalibus  studiis  honorem  doc^ 
toratus  vel  magistratus  receperint'.  Diese  Clausel  spricht  gegen 
Yillanis  Bericht  Wie  sonst  in  der  Regel,  so  bestellte  der  Papst 
auch  für  Florenz  den  Bischof,  eventuell  den  Capitelsvicar  dazu, 
die  Licenz  zu  ertheilen  "^'). 

Das  päpstliche  Schreiben  wurde  in  der  Cathedrale  während 
der  Feier  der  hl.  Messe  in  Gegenwart  des  Qerus,   des  Volkes 

1^)  8.  das  DocnmeBt  in  den  Stotnti  p.  ll^fL  Im  Aonug  bei 
Pmsiner  p.  284. 

^  BUtnti  p.  109. 

iMO)  istorie,  Üb.  1  c  16. 

^  Statnü  p.  116. 

^^)  Beg.  Yat  an.  8  Üb.  4.  p.  8.  ep.  83  BL  58a.  StaMiü  p.  116.  Pxw- 
siner  p.  887.  Es  ist  ein  Irrthnm  mit  Yoifft  L  c  das  päpsUiebe  Schreiben 
als  'neues'  pipttliobes  PriTÜegiam  in  beaeicbnen. 


5.   Hochschulen  mit  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Floren«.  559 

und  der  Stadt-Obrigkeit  feierlich  verlesen  ^'^').  In  einem  Berichte 
darüber  an  den  Papst  bittet  die  Stadt  am  11.  September  1349 
zugleich,  dass  die  Cleriker  und  Religiösen,  auch  wenn  sie  in  iure 
ciyili  studierten,  von  der  Residenzpflicht  dispensiert  seien ^'^^). 
Die  Bitte  scheint  für  den  Augenblick  keinen  Erfolg  gehabt  zu  haben. 

Das  Schicksal  der  Hochschule  war  ein  wechselvolles,  wenn- 
gleich nicht  in  dem  Grade,  als  dies  in  jüngster  Zeit,  besonders 
von  Voigt,  behauptet  worden  ist.  Man  kann  nunmehr  bequem  die 
Geschichte  derselben  an  der  Hand  der  reichen  Sammlung  von  Docu- 
menten,  die  Gherardi  publiciert  hat^*^^),  Voigt  aber  noch  nicht 
einsehen  konnte,  verfolgen.  Aus  diesen  Acten  ergibt  sich,  dass 
das  Dasein  der  Florentiner  Hochschule  an  sich  zwar  nicht 
glänzend,  aber  doch  immer  schöner  war  als  jenes  der  Hochschule 
zu  Pisa  während  derselben  Epoche.  Das  Hauptaugenmerk  richtete 
man  in  Florenz  wie  überall  in  Italien  auf  die  Rechtswissen- 
schaft, besonders  auf  das  Römische  Recht,  dann  erst  auf  die 
Theologie  und  die  übrigen  Wissenszweige,  wenngleich  man  später 
für  das  classische  Alterthum  eine  Vorliebe  zeigte.  Es  ist  wahr- 
haft rührend  zu  sehen,  wie  sich  Florenz,  kurze  Unterbrechungen 
abgerechnet,  unablässig  bemüht  hat  für  das  Studium  die  ersten 
wissenschaftlichen  Grössen  Italiens  zu  gewinnen.  Gelang  es  nicht 
immer,  so  ist  dies  nicht  ganz  auf  Rechnung  der  Stadt  zu  setzen. 

Der  Anfang  des  Studiums  war  nicht  viel  versprechend.  Die 
1351  an  Petrarca  in  Padua  geschickte  Einladung  nach  Florenz 
zu  kommen  blieb  ohne  Erfolg  ^'^^).     Es  mangelte  auch  sonst  an 

134»)  Statati  p.  119. 

iw*)  Ibid. 

1^  In  den  widerholt  genannten  Statati.  Für  wenige  Uniyersit&ten 
des  Mittelalters  liegt  eine  so  reichhaltige  Sammlung  yor,  wie  jene,  die  uns 
hier  der  noch  jugendliche  Heransgeber  Oherardi  f&r  die  Hochschule  au 
Florenz  geboten  hat.  Es  w&re  nur  zu  wünschen,  dasa  dieses  Beispiel  ander- 
wärts Nachahmung  f&nde.  Durch  die  Florentiner  Sammlung  werden  nicht 
wenige  Notizen  über  die  Zeit  des  Aufenthaltes  von  Bechtslehrem  an  ver- 
schiedenen Generalstudien  berichtigt  und  bereichert.  Zu  bedauern  ist  nur, 
dass  Gherardi  bloss  die  in  Florenz  befindlichen  Acten  aufgenommen  hat  Auf 
einige  der  aus  diesem  System  nothwendig  sich  ergebenden  Lücken  habe  ich 
bereits  aufinerksam  gemacht. 

1M6)  s.  das  Schreiben  der  Priores  artium  in  den  Stotuti  p.  293.  Das 
Antwortschreiben  Tom  6.  April  p.  285.  Vgl.  über  diese  Angelegenheiten 
Perrens  1.  c.  p.  423  if. 


560    m.   Entwickelang  der  Hochseholen  bis  som  Ende  des  U.  Jhs. 

Lehrkräften.  Im  selben  Jahre  bewarb  sich  die  Stadt  beim  Papste 
um  die  Promotion  in  der  Theologie  für  den  Minoriten  Bemardas 
de  Guasconibns,  damit  er  am  Stadium  eine  Lehrstelle  in  der 
Theologie  übernehmen  könne  "*0-  Vom  October  1349—1352 
war  für  das  Bömische  Recht,  wie  es  scheint,  nur  Thomas  de 
Gorsinis  gedungen  ^*^*).  Wenigstens  hört  man  von  andern  Pro- 
fessoren nichts;  und  ebenso  wenig  von  Lehrern  in  andern  Fächern. 
Es  ist  dies  eine  der  uninteressantesten  Perioden  der  Florentiner 
Hochschule,  welche  endlich  vollständig  insStocken  geriet^*^').  Wahr- 
scheinlich hat  Thomas  de  Gorsinis  seinen  Curs  gar  nicht  vollendet 
Die  Gebäude,  die  man  ftlr  die  Abhaltung  der  Vorlesungen  auf- 
führte, waren  noch  im  J.  1354  theilweise  unvollendet,  und  der 
vollendete  Theil  stand  unbenutzt  da,  so  dass  er  schon  im  ge- 
nannten Jahre  nahezu  eine  Ruine  war.  Man  nahm  sich  nicht 
einmal  die  Mühe,  zu  Zeiten  den  Ort  zu  bewachen,  so  dass  das 
Baumaterial,  das  da  und  dort  herumlag,  zum  Schaden  der  Com- 
mune entwendet  wurde "*^).  Man  müsste  glauben,  die  Stadt 
habe  den  Gedanken  an  ein  Generalstudium  gänzlich  aufgegeben, 
hätte  sie  nicht  1355  decretiert,  es  solle  immerwährend  ein 
solches  in  Florenz  existieren  ^"0. 

Aber  erst  zwei  Jahre  später  gieng  man  ernstlich  ans  Werk 
durch  Beschaffung  neuer  Geldmittel  ^'*')  und  durch  Berufung  von 
Professoren  das  Studium  zu  neuem  Leben  zu  erwecken.  Dass 
dasselbe  bereits  im  Jahre  1357  widererOffhet  wurde,  schliesse 
ich  aus  einem  im  Juni  1358  an  den  Rechtslehrer  Argentinus 
Domini  Raynerii  de  Forlivio  gerichteten  Einladungsschreiben, 
worin  die  Stadt  ihren  Wunsch  ausdrückt,  'ut  dictum  gignasium 
ad  quod  multorum  honorabilium  scolarium,  provectorum  etiam, 
concursus  habetur,  floreaf  etc.^'").     Zugleich  mit  dem  ge- 

i"T)  Statnti  p.  287. 

"")  Ibid.  p.  124. 

1M9)  Dies  wird  sicher  durch  den  Bericht  des  Matth.  Villani,  1.  7  c.  90. 
Erst  1357  'gli  offisiaU  .  .  .  feciono  .  .  .  riconünciare  lo  studio.' 

i»0)  Ibid.  p.  124  ff.  n.  18.  14. 

i»i)  Ibid.  p.  127. 

^  Im  August  wurden  1500  Goldgulden,  im  October  2000  bewilligt 
8.  SUtuti  p.  127  ff. 

^3")  Ibid.  p.  287  n.  13.    Dies  ergibt  sieh  flbrigens  auch  ans  einem 


5.   Hochschulen  mit  pftpstl.  a.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Florene.     561 

nannten  Rechtslehrer  wurden  Johann  de  Pagliarensibns^*^^  ^^t 
einem  Salarium  von  500  Goldgulden,  Franciscus  de  Fabriano 
mit  einem  solchen  von  400  Gulden  und  Baldus  berufen"'^'), 
ohne  dass  die  Einladung  ausser  bei  Baldus  Erfolg  gehabt  hätte. 
Im  August  bis  September  gieng  man  an  eine  Neuberufung.  Für 
das  canonische  Kecht  wählte  .man  Riccovero  da  S.  Miniato  (mit 
300  Goldgulden),  der  schon  einmal  dort  war,  und  Piero  Corsini, 
Sohn  des  Thomas  (mit  100  Goldgulden);  für  das  Givilrecht  ausser 
Baldus  mit  250  Goldgulden  für  9  Monate '*''')  dieDoctoren  Bartho- 
lomeus  von  Rimini  und  Francesco  Bichi  (mit  200  Goldgulden). 
Diese  nahmen  die  Einladung  an,  wie  aus  einem  Documente  vom 
17.  April  1359  zu  ersehen  ist.  Die  Professorenzahl  scheint  10 
betragen  zu  haben.  Denn  ausser  den  erwähnten  lasen  noch  der 
Dominicaner  Peter  de  Strozzis""),  welcher  Theologie  vortrug, 
und  zwei  Medianer  sowie  zwei  Philosophen.  Zu  diesen  10  Pro» 
fessoren  kommen  noch  einige,  und  zwar  Einheimische,  welche 
unentgeltlich  lehrten,  unter  ihnen  ragt  hervor  der  Ganonist  Lapo 
de  Castiglionchio. 

Die  Stadt  entwickelte  von  nun  an  eine  fieberhafte  Thätigkeit. 
Die  Studierenden  wurden  den  Bürgern  gleichgestellt''""),  und 
man  bat  einige  Cardinäle,  sie  möchten  den  Papst  bewegen,  dass 
er  die  Dispens  von  der  Residenzpflicht  für  die  Studierenden 
«rtheile  und  zugleich  gestatte,  dass  die  von  Honorius  IH 
Ausgeschlossenen  die  Leges  und  Medicin  studieren  dürf- 
ten'"'').    Man  wandte  sich  ferner  an  die  verschiedenen  Orden, 


Acte  Tom  26.  April  1359,  worin  gesagt  wird,  dass  die  Miethe  fVüt  die  Ge- 
bftnde,  in  denen  die  Yoriesungen  gehalten  wflrden,  vom  vergangenen  15.  Sept. 
1857  ab  gezahlt  werden  solle.    Statut!  p.  131  n.  21.    Vgl.  daia  Anm.  1349. 

iSM)  S.  oben  &  546  Anm.  1287. 

1S56)  sututi  L  c. 

iSM)  8.  Statut!  p.  288-293.  Voigt  meint,  Baldo  hätte  1364  Torflber- 
gehend  in  Florenz  gelesen.  Nur  ein  Blick  in  Savigny  YI,  219  h&tte  ihn 
Tor  dieser  Behauptung  bewahrt. 

1^7)  Er  wurde  auf  dem  Provincialcapitel  der  röm.  Provinz  zu  Bom  im 
J.  1324  mit  zwei  andern  far  das  Studium  in  Paris  assigniert.  Cod.  im  Oe- 
neralarchiv  des  Dominicanerordens  BL  234  a. 

1858)  Statut!  p.  130  V.  18.  Febmar  1859. 

1359)  Ibid.   p.    132   V.   22.   Jon!    1359.     Vgl.  aaeh   p.  136  n.  25.    Die 

DenifU,  Die  UniTeniaten  L  36 


5^2    ^11-  fintwickelung  der  Hochschulen  bis  sam  Ende  des  14.  Jh». 

tun  taug^che  Theologie  -  Professoren  zu  erhalten"^®),  be- 
diente sich  fast  einer  List  den  Rechtslehrer  Nicolana  Spindlus 
Yon  Bologna  zu  gewinnen  ^'^^),  ordnete  zweckmässiger  die  Vor* 
lesuBgen  in  den  verschiedenen  Fächern  ^*^'),  sorgte  für  tüchtige 
Lehrkräfte^'")  u.  s.  w.  Im  J.  1360  trat,  durch  Boccaccios  Be* 
mflhen,  selbst  ein  Lehrer  des  Oriechiachen  auf,  nämlich  der  Gala* 
brese  Leonzio  Pilato^'^^).  Vom  6.  November  desselben  Jahres  bis 
1.  October  1361  wurde  Francesco  Bnini  mit  einem  Salarium  von 
80  Gulden  bestellt  über  Rhetorik  zu  lesen  ^'^*),  und  im  Herbste 
1362  Baldus  neuerdings  berufen^"').  Am  9.  December  1359 
fand  in  der  Kirche  S.  Reparata  unter  grosser  Feierikhkeit  die 
erste  Promotion  in  der  Theologie  statt,  nämlich  die  des  fr.  Fran- 
cesco di  Biancozzo  de'  Nerli  de'  FratiRoinitani^*^^.  Es  ist  dies 
einer  der  ersten  Fälle,  dass  in  Italien  an  einer  Hochschule, 
wenn  man  von  der  der  Rom.  Curie  absieht,  in  der  Theologie 
promoviert  wurde. 

Ani  2.  Jänner  1364  erhielt  das  Studium  von  Karl  IV.  auch 
das  kaiserliche  Privileg*'*^).     Der  Bischof  von  Florenz,  Piero 

Bitte  wurde  im  Febr.  1365  widerholt.  SUtnti  p.  142  n.  32.  Erst  Bonlfax  IX 
dispensierte  am  10.  Dec.  1392  vom  Verbote  Honorins  III.  Statati  p.  173  n.  74. 

iMO)  Ibid.  p.  293 f.  n.  17.  18;  295  n.  19  an  den  General  der  Domini- 
eamer.  Hier  wird  geaagt,  dass  bereits  die  Augastmer- Eremiten  and  die 
Fransiseaner  ihre  Bitten  gew&hrt  hatten.  Am  5.  JaU  1363  gab  Urban  V. 
dem  Kanzler  Ton  Paris  den  Auftrag  den  Serviten  Anton  Manucii  aas  Flo- 
renz SU  promovieren  4n  theologica  facultate',  da  ihn  der  Orden  in  FloreuE 
nothwendig  brauche,  'cum  in  civitate  Florentina  vigeat  Studium  generale'. 
Reg.  Yat.  Ind.  an.  1  ep.  343  Bl.  96  b. 

13<»)  Ibid.  p.  295  n.  20. 

1868)  Ibid.  p.  137  n.  26.  Septemb.  1361. 

IMS)  Ibid.  p.  29S£ 

1M4)  Bocatius,  Deorum  libri  XV,  Üb.  15  c.  6.  A.  v.  Reamont,  Lorenio 
de'  Medici,  I,  378.    Voigt  1.  c.  S.  343. 

1M6)  Statati  p.  297  n.  21. 

isee)  Statut!  p.  808  n.  29  vgl.  mit  p.  302  n.  28.  Savigny  1.  c  «nd 
Bondoni  p.  47  lassen  Baldus  unausgesetst  von  1358^1364  in  Florenz  lehren 
(daniaflh  Schulte  II,  275  Anm.  2) ;  allein  1860—1862  war  er  wahneheinUch 
in  Perugia. 

1867)  iiatteo  Yillano,  Istorie  L  9.  o.  58. 

>M8)  SUtuti  p.  139.  Preiziner  p.  281.  Dieses  Schreiben  ist  endlich 
einmal  von  den  Qbrigen  Stiftbriefen  Karls  IV.  ..etwas  verschieden. 


5.  Hochachttlen  mit  pftpstl.  a.  landestaerrl.  Stiftbrtefon.   Floreni.    663 

Gorsini,  bat  den  Kaiser,  er  möge  das  Studium  ^quod  inibi  viget, 
etiam  ad  sacri  splendorem  Imperii  auctoritate  sacri  imperii  er!« 
gere'.  Der  Kaiser  bewilligt  dies  und  bestimmt  ^de  imperatorie 
potestatis  plenitudine,  ut  in  ipsa  civitate  Florentina  Studium 
Perpetuum  sit  et  habeatur  in  sacra  pagina,  in  iure  civili  et 
canonico,  ac  mediana,  philosophia,  loica  et  gramatica  ac  quatis 
alia  licita  facultate*;  er  gestattet  die  Promotion,  gibt  dem 
Bischöfe  eventuell  dem  Gapitel  die  Gewalt  dieselbe  vorzunehmen, 
beschenkt  die  Studierenden  mit  den  Privilegien  anderer  Oeneral- 
Studien  und  nimmt  sie  in  seinen  Schutz  ^'^'). 

Unter  den  berühmten  Rechtslehrern,  die  in  der  nächsten 
Zeit  lasen,  finden  wir  den  Legisten  Riccardus  de  Saliceto^"'*), 
und  den  Ganonisten  Lapo  de  Gastilionchio,  der  vom  Herbst  IS64 
bis  1865  gegen  Salarium  docierte^*'').  Mit  ihnen  lehrten  noch 
vier  weitere  doctores  legum,  ein  doctor  decretorum,  nämlich 
Gino  da  Pistoja^'^'),  5  magistri  theologiae  (welche  den  ver- 
schiedenen Orden  angehörten)^ '^'),  2  magistri  artium  und  2  Medi- 
einer ^''*).  Im  J.  1365  bewarb  sich  Florenz  neuerdings,  und 
zwar  beim  Papste,  um  die  Rückkehr  Petrarcas"'*),  im  April 
1366  um  Baldus,  dem  man  400  Goldgulden  ^boni  et  puri  auri,  recti 
ponderis  et  conii  florentini'  versprach  "^^).  Beide  kamen  jedoch 
nicht "'^).    Bis  zum  Jahre  1378  nahm  aber  dennoch  das  Studium 


1369)  Interessant  ist  es,  dass  Leo  X.ain  81.  J&nner  1516  nur  das  Prifileg 
Karls  IV.  erw&hnt  ond  ausdrficklich  anfährt,  er  habe  'de  imperatorie  potes- 
tatis plenitudine'  verfOgt,  dass  in  Floren«  'in  sacra  pagina,  in  iure  cano- 
nico  et  civili'  etc.  ein  Studium  generale  sein  solle.  Bei  Pressiner  L  e.  p.  lU»4ff. 

1370)  statnti  p.  300  n.  26;  305  o.  32.    Vom  Herbste  1864  ab. 

1371)  Statttü  p.  807  n.  35.  Also  nicht  erst  1367  wurde  er,  wie  Schnlte 
II,  270 f  angibt,  mit  einem  Gehalte  angestellt.  In  den  spateren  Jahren  las 
der  jflngere  Lapo,  und  1367  wider  der  ftltere. 

1372)  Dieser  darf  nicht  mit  dem  Legisten  Cino  da  Pistoja,  der  bereits 
Ende  des  Jahres  1386  oder  Anfangs  1887  (s.  Ghii^peUi  L  c.  p.  77)  ge- 
storben war,  verwechselt  werden.  Perrens  achtote  wie  es  scheint  p.  486 
nidit  darauf. 

1378)  Statnti  1.  c. 
1374)  Statnti  p.  809  n.  86. 
1376)  Ibid.  p.  314. 
137«)  Ibid.  p.  816  n.  44. 

86» 


564   ^11«  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14  Jhs. 

seinen  regelmässigen  Fortgang  ^'^^).  In  die  Zwischenzeit,  nämlich 
in  das  Jahr  1373,  fällt  die  Gründung  eines  Lehrstuhls  für  Vorlesun- 
gen über  Dante,  die  bis  1375  Boccaccio  hielt,  dem  dann  andere 
Lehrer  folgten'"*). 

Eine  kleine  Unterbrechung  erlitt  das  Stadium  durch  die 
Eum  P&belregimente  von  1378  führenden  Unruhen  ^^^').  Allein 
am  19.  Juli  1383  dachte  man  wider  daran  'sacrarum  legum  atque 
liberalium  artium  Studium  in  civitate  reducere'.  Eine  neue  Norm 
für  die  Fond3  und  die  Bezahlung  des  Salariums  wurde  am 
14.  Juli  und  22.  October  1385  aufgestellt '*'').  Da  man  'civilis 
precipue  iuris  solemnissimos  doctores'  erwerben  wollte,  so  richtete 
man  natürlich  wider  das  Augenmerk  auf  Baldus^"'),  den  aber  die 
Peruginer  nicht  fortliessen.  Ein  interessanter  Wettstreit  entspann 
sich  zwischen  Florenz  und  Bologna  um  den  berühmten  Rechts- 
lehrer Angelus  von  Perugia.  Er  hatte  sich  den  Florentinern 
verpflichtet  vom  Herbste  1389  an  bis  zum  Herbste  1391  über 
Sfim.  Recht  zu  lesen  ^'*').    Währenddem  schloss  Bologna  mit  ihm 


1377)  Zwar  legt  Rondoni  im  Archiv,  stör.  ital.  1.  c.  p.  48  einen  beson- 
deren Nachdruck  darauf,  dass  die  'Commissarii  et  officiales  guerre  communis 
Florentie'  am  22.  December  1369  Yolle  20  Lire  ausgaben  'pro  expendendo 
in  faciendo  fieri  mangiatroias  in  studio  occasione  gentium  ecclesie,  marchio- 
nia  Ferrarie  et  domini  Rodolfi^  (Statu ti  p.  161  n.  56).  Allein  was  soll  darans 
folgen,  wenn  man  bei  solchen  Anlassen  die  ger&nmigeren  Studiersftle  Dar  einen 
oder  mehrere  Tage  benütst?  Etwa,  dass  das  Stadium  unterbrochen  wurde? 
Wie  oft  könnten  dann  in  unsem  Tagen  die  UniTorsitäten  Ton  Unterbrechun- 
gen w&hrend  der  Eriegiseiten  erzfthlen?  Kaum  macht  es  einen  Unterschied, 
ob  man  mit  Rondoni  *mangiatoie',  oder  anf  Grund  des  Documentes  'mangia- 
troie'  schreibt. 

WTO)  8.  Perreas  L  c.  p.  427  f. 

1^7^)  8.  Beumont  8.  878.  In  den  Acten  ist  eine  Lücke  iwischen  den 
Jahren  1378  resp*  1879  und  1S88. 

U80)  Statut!  p.  162  n.  58;  p.  165  n.  61. 

^1)  SUtnti  p.  S49  n.  81. 

^^  SaTigny  sieht  VI,  252  aas  mehreren  Gonsilia  des  Angelus  den 
Schlass,  derselbe  habe  1888  in  Florens  gelesen.  Ans  den  Acten  jedoch.könute 
man  mit  Sicherheit  schliessen,  dass  die  Jahrsahl  in  den  Drucken  resp.  Hss. 
irrig  sei.  Am  10  Jänner  1891  sagen  nftmlich  die  Beformatores  Stadii,  er 
habe  sich  Florens  fOr  swei  Jahre  verpflichtet,  und  der  Termin  h6re  mit 
October  desselben  Jahres  auf  (Statuti  p.  857  n.  91).  Am  8.  Sept  1890 
sagen  dieselben,  der  Contrakt  dauere  noch  ein  ganzes  Jahr  (ibid.  p.  856 


5.  Hochschulen  mit  pftpstl.  n.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Florens.     565 

eioen  Gontrakt  ab,  und  wollte  ihn  vom  Herbste  1390  am  eigenen 
Studiom  besitzen.  Florenz  protestierte  zuerst,  sagte  aber 
dann  unter  der  Bedingung  zu,  dass  er  1391  zurückkehre,  tun 
seiner  Verpflichtung  das  noch  ausständige  Jahr  zu  lesen  nachzu- 
kommen^'^'). Allein  bald  reute  es  die  Reformatores  studii  und 
sie  hielten  ihn  zurück  unter  Angabe  des  Grundes:  nimis  foret 
onerosum  nobis,  studio  iam  sicut  cemitis  mediato,  talem  docto- 
rem  absolvere*"*). 

Das  Generalstudium  erhielt  am  14.  Februar  1388''*')  die 
Statuten,  die  in  mehr  als  einer  Beziehung  interessant  sind, 
und  uns  im  2.  Bande  beschäftigen  werden^'"). 

Die  Hochschule  blieb  nun,  Unterbrechungen  wie  die  vor 
1412  mehrere  Jahre  andauernde  abgerechnet,  bestehen  bis  zum 
J.    1473'"').      Damit   ist  jedoch  nicht   gesagt,    dass  der  Zu- 

D.  89).  und  doch  mnss  Angelas  schon  seit  Herbst  1387  Professor  in  Florenz 
gewesen  sein,  denn  er  war  Febmar  1388  bei  Abfassung  der  Statuten  zuge- 
gen (Statnti  p.  4).  Der  Contrakt,  den  er  also  1389  eingieng,  war  nur  ein 
neuer,  und  schliesst  nicht  aus,  dass  er  bereits  früher  dort  lehrte. 

is^)  Statnti  p.  356  n.  90.  Das  Schreiben  der  Reformatores  ist  vom 
10.  Jänner. 

13S4)  Ibid.  p.  357.  Angelas  gieng  erst  Herbst  1391  nach  Bologna.  Er 
war  aber  9.  October  noch  in  Florenz.    Statnti  p.  359  n.  93. 

1M5)  Durchweg  sagt  man  (der  Fehler  findet  sich  auch  bei  Perrens  1.  c. 
p.  428),  die  Statuten  seien  vom  Jahre  1387,  TerfOhrt  durch  die  Vorbemer- 
kung: anno  D.  ab  eins  incamatione  miUes.  trecent.  octuagesimo  septimo, 
indict.  undecima,  die  decima  qnarta  mensis  Febmarii.  Allein  dies  ist  nach 
dem  Florentiner  Galcnlus,  dem  zufolge  die  Jahre  der  Incamation  bekannt- 
lich 2  Monate  25  Tage  später  als  nach  unserer  Zeitrechnung  anfiengen.  Der 
14.  Februar  1387  ist  nach  unserer  Rechnung  14.  Februar  1888,  was  man 
schon  aus  der  Indictio  hätte  ersehen  können.  Morelli  1.  c.  p.  XL  hat  die 
richtige  Ansicht.  Trotzdem  wurde  Rondoni  im  Arch.  stör.  ital.  1.  c.  pp.  49. 
64  nicht  vorsichtiger  gemacht,  und  er  vergisst  üherhaupt  die  Daten  in  die 
heutigen  umzusetzen. 

198«)  Sie  sind  nun  Tollständig  gedruckt  in  den  Statnti  p.  11—101. 

^)  Prezsiner  1.  c.  p.  69  und  ihm  folgend  Perrens  meinten,  das  Sta- 
dium sei  schon  1404  unterbrochen  worden.  Allein  dem  ist  nicht  also.  Am 
21.  Jänner  1405  sendete  die  Universität  einen,  wenngleich  kleinen,  Rotulus 
an  Innocenz  VII.  ein  (Statut!  p.  383  n.  123),  in  dem  23  Studenten  sei  es  in 
iure  canonico  sei  es  in  civili  genannt  werden.  Am  17.  Augast  desselben 
Jahres  bewarb  man  sich  um  den  berOhmten  Ganonisten  Franciscus  de  Za- 
barellis  (ibid.  n.  124).  Eine  Lacke  gewahren  wir  erst  nach  1406. 


566     ni.  EnlwiclLehing  der  Hocbscbiilen  bis  zum  Ende  des  14.  Jbs. 

stand  derselben  in  dieser  Epoche  ein  besonders  blühender  gewesen 
sei.  Namentlich  die  Rechtswissenschaft  fand  immer  weniger  Ver- 
tretnng«  Es  ist  aber  bezeichnend,  dass  man  gerade  jetzt  an  die 
Stiftmig  änes  Collegs  dachte.  Im  J.  1429  wurde  nämlich  ehi 
^domus  sapientie'  für  arme  Scholaren  gegründet^"'). 

Da  diese  Periode  ausserhalb  meiner  Anfgabe  liegt,  so  he^ 
merke  ich  nur,  dass  die  Signorie  noch  am  29.  Februar  1472 
5  Bürger  zu  Ufficiali  dello  studio  erwählte,  welche,  da  dasselbe 
in  Abnahme  sei,  die  Vollmacht  haben  sollten,  ^di  providere  air 
ordine  d'uno  hello  et  degno  studio  nella  cittä  di  Firenze*  ^''*). 
Allein  18—22.  December  beschloss  man,  besonders  auf  Betreiben 
Lorenzos  de'  Medici,  die  Hochschule  nach  Pisa  zu  yerpflanzen. 
Man  gestand,  dass  ^alla  Signoria  di  Firenze  di  tutti  e  grandi 
omamenti  solo  mancha  havere  uno  degno  et  riputato  studio 
nelle  sue  terre',  und  dass  Florenz  nicht  ein  iuogo  commodo  per 
studio'  sei,  ^come  la  experientia  giä  altre  volte,  quando  ci  s'e 
facto  studio,  l'ha  dimostro'.  Pisa  sei  der  geeignete  Platz.  Am 
1.  November  1478  solle  das  Oeneralstudium  dort  eröfihet  werden, 
so  dass  mit  jenem  Zeitpunkt  die  Gontrakte,  welche  man  mit  den 
für  Florenz  salariierten  Professoren  eingegangen,  als  aufgelöst  zu 
betrachten  seien,  sollten  dieselben  auch  für  längere  Zeit  abgeschlossen 
worden  sein'"^).  Dieser  Bestimmung  folgte  dann  die  Ausführung, 
wenngleich  dies  nicht  so  zu  verstehen  ist,  als  sei  nun  Florenz 
der  Schulen  vollends  beraubt  worden""). 

Piaoeniai 

Es  erübrigt  noch  zwei  italienische  Hochschulen,  Piacenza 
und  Pavia,  zu  behandeln,  deren  Beschreibung  schon  deshalb  zu- 
sammengehört, weil  sie  in  einer  Periode  stark  ineinander  griffen 
und  sie  von  einander  entlehnten. 

Gewiss  ist,  dass  in  Piacenza  bereits  Ende  des  12.  Jhs. 
Rechtslehrer  auftraten.    Namentlich  werden  genannt  Placentinus, 


isw)  Statuti  p.  810  n.  117;  815  o.  318. 

u^)  Slatoti  p.  272  n.  179. 

^  Btaittti  p.  278  n.  181. 

it9ij  8,  ^e  loireffendea  Bemerkungen  Rondonis  1.  c.  p.  218ff. 


5.   Hochschulen  mit  p&pstl.  u.  laadesherrl.  Siiftbriefeii.  Placenita.  567 

der  widerbolt  dort  las'*"),  und  Garohis  de  Tocco"").  Andere 
Nachrichten  bis  anf  die  eine,  dass  dort  eben  aach  eine  Doin^ 
schule  existierte,  von  der  sich  eine  Notiz  aus  dem  J.  1215  er* 
halten  hat^"^),  sind  unsicher.  Als  Honorius  UL  am  30.  November 
1225  verschiedenen  Bischöfen,  unter  andern  auch  dem  von 
Piacenza  auftrug,  den  Glerus  von  Pavia,  der  ^pro  defensione 
libertatis  ecdesiastice'  ins  Exil  habe  wandern  müssen,  in  ihreKii^chen 
und  Diöcesen  zu  vertheilen,  ist  nicht  mit  einer  Silbe  von  einem 
Studium  die  Rede^'"'^).  Piacenza  war  aber  nach  Toulouse,  und 
in  Italien  überhaupt,  die  erste  Stadt,  welcher  ein  pftpistliehes 
Privileg  eines  Generalstudiums  zu  Theil  wurde.  Am  6.  Februat 
1248  bewilligt  Innocenz  IV.  nicht  bloss  um  des  Bischofes  willen, 
sondern  auch  ^ob  ipsius  civitatis  augmentum  generale  inihi  fieri 
Studium',  und  er  gewährt  den  Professoren  und  Scholaren  In 
quacunque  facultate  in  predicta  civitate  studentibus^  alle  Privi* 
legien,  welche  sie  in  Paris,  Bologna  und  an  anderen  General- 
studien besitzen"'*). 

lieber  die  Ausführung  ist  fast  nichts  bekannt.  Ich  finde 
nur,  dass  derselbe  Papst  am  13.  Juli  1250  dem  Mag.  Hugo 
phisictts  de  Placentia,  der  in  phisica  et  cirurgia  peritus^  war, 
erlaubte  'secundum  artis  traditiones  et  regulas'  die  Kunst  aus* 
zuüben,  ohne  dass  er  deshalb  vom  Empfange  der  Weihen  ans* 
geschlossen  sei"'^).  Am  10.  October  1275  wird  auch  der 
Rechtslehrer  Guido  de  Suzaria  als  dort  existierend  erwähnt^'*'), 

1399)  s.  Savigny,  Gesch.  des  Rom.  Rechts  lY,  251  f. 

i«M)  Savigny  IV,  199  f.  V,  178.  207.  Dort  steht  auch  der  Nachweis, 
dass  darch  Irrtham  dem  Carolas  de  Tocco  der  gteiehceitige  Reehts^ 
lehrer  Roger  substituiert  wurde.  Von  Saviguy  selbst  geschah  es  noch  III,  dd8| 
und  es  geschieht  auch  heute  noch  von  allen,  die  nur  Savignys  Abschnitt 
aber  die  Universitäten  oder  Altere  Autoren  lesen. 

1^  Man  findet  sie  bei  Campi,  Bist,  univers.  delle  eose  eccles.  come 
seculari  di  Piacensa  II  (Piacenaa  1659),  187  f.  Poggiali,  Memorie  storiehe 
di  Piacenza  V  221  f.  hält  sich  mit  Recht  an  keine  Hypothesen. 

1395)  Beg.  Vat.  an.  10  ep.  111  Bl.  97  a. 

1896)  Campi  1.  c.  p.  399  n.  91.  Poggiali,  Meknorie  storiche  di  Piacenza 
y,  220.  Bull  Rom.  ed.  Taur.  III,  536.  S.  auch  die  Ohroniken  bei  Mara* 
tori,  Rer.  ital.  SS.  XYI,  464;  XX,  988. 

1^7)  Reg.  Vat.  an.  8  ep.  12  BL  3  a. 

1898)  Campi  1.  c.  p.  189. 


568     11^«  EntwickeloDg  der  Hoehseholeii  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

nnd  vier  Jahre  darauf  ein  gewisser  Guglielmo  de'  Capponi^'**). 
Vielleicht  lehrte  auch  daselhst  Wilhelm  de  Saliceto  das  eine  oder 
andere  Mal  die  Medicin^^^®).  Allein  es  sind  dies  nnr  vereinzelte 
Fälle,  aus  denen  man  nicht  erschliessen  kann,  dass  der  Stiftbrief 
in  Kraft  getreten  ist  Man  darf  sich  deshalb  nicht  wundem, 
dass  man  auch  im  14.  Jh.  bis  gegen  das  Ende  desselben  von 
den  Quellen  so  ziemlich  im  Stiche  gelassen  wird.  Am  16.  December 
1308  erlaubt  Benedict  XL  dem  Francischinus  de  Ziliano  ^Scolaris 
Placentinus',  dass  er  non  obstante  defectu  natalium  die  Weihen 
erhalten  könne  ^^^0-  Sowohl  Gampi  als  Poggiali  vermögen  fOr  diese 
Periode  nur  einige  obscure  Namen  anzuführen,  und  dem  Rechts- 
lebrer  Albert  de  Ripalta  ist  1471  der  Beweis  nicht  gelungen, 
dass  alle  jene  gelehrten  Placentiner,  die  er  aufzählt,  auch  in 
Piacenza  dociert  haben,  oder  dass  man  nach  dem  Privüege  Inno- 
cenz  IV.  promoviert  habe'"'). 

In  der  2.  Hälfte  des  14.  Jhs.  war  vorderhand  an  eine  Neu- 
belebung des  Studiums  gar  nicht  zu  denken,  denn  Giovanni 
Galeazzo  verbot  1361  und  noch  1392  den  Studierenden  seines 
Gebietes  sich  anderswohin  als  nach  Pavia  Studien  halber  zu  be- 
geben'"'). Er  dachte  also  ebensowenig  an  ein  anderes  Studium, 
wie  an  die  Salariierung  von  Professoren  in  Piacenza.  Campi, 
der  dies  nicht  wusste,  setzt  in  das  Jahr  1386  die  an  den 
Forsten  gerichtete  Klage  des  Gollegium  judicum,  ^licet  magnas 
expensas  fieri  fadatis  pro  salariis  doctorum  forensium  nuper 
augmentatis,  tamen  Studium  quoüdie  diminuitur.  Hoc  autem 
contingit  quia  ipsi  doctores  non  possunt  insistere  ad  lecturam 
et  ad  questiones  et  ad  litigia,  in  quibus  pro  maiori  parte  insi- 
stunt,  cum  satis  eis  esset  dicte  lecture  in8istere\   Die  Professoren 

»«w)  Ibid. 

1400)  8.  Poggiali,  Memorie  per  U  storia  letteraria  di  Piacenza.  Piacenia 
1789,  1,  lü 

i^i)  Beg.  Vat  an.  1.  ep.  188.  Bl.  85  a.  S.  Oran^jean,  Les  regittras  de 
Benoit  XI  n.  148. 

1401)  Bei  Moratori,  Ber.  itaL  88.  XX,  984.  Scarabelli,  DeUa  mÜTer- 
itta  in  Piacenza  (Piacenza  1877)  p.  5  erwfthnt  anch  eine  Loealnotis  Tom 
J.  1819,  ein  Hans  betreifend,  *in  qna  regnntnr  scbolae'. 

1^')  Memorie  e  documenti  per  la  storia  dell'  onifersiti  di  Paria  II 
(Pavia  1877),  3  n.  2;  8  n.  7. 


5.  Hochschnleii  mit  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.  PiaceDsa.   569 

seien  ausser  Stand  ^ad  augmentationem  studii'  beizutragen  ^^®^). 
Diese  Klage  kann  jedoch  erst  aus  der  Zeit  stammen,  als  das 
1398  gegründete  Studium  wider  in  Abnahme  war,  nämlich 
c.  1402.  Keinesfalls  fällt  sie  in  das  Jahr  1386''''}.  Hiermit 
sind  wir  auch  bei  der  Epoche  angelangt,  in  welcher  von  einem 
wirklichen  Generalstudium  zu  Piacenza  die  Rede  sein  kann. 

Am  1.  Jänner  1398  erliess  Graleazzo  Visconti  einen  Stift- 
brief, worin  er  zuerst  seinen  Willen  kund  gibt,  in  civitate  Pla- 
centie  generale  Studium  instaurandum'.  Kraft  der  Autorität,  die 
er  als  Herzog  vom  Römischen  König  Wenceslaus  erhalten 
habe,  gewährt  er  den  Bürgern  ^ut  in  predicta  civitate  Placentie 
generale  Studium  utriusque  iuris,  vid.  tam  canonici  quam  civilis 
nee  non  Philosophie,  medicine  et  artium  liberalium  ac  quarum- 
cunque  scientiarum  approbatarum  erigant\  Allen  Universitäts* 
Mitgliedern  gibt  er  die  Privilegien  von  Paris,  Padua,  Bologna, 
Oxford,  Orlöans',  Montpellier,  Pavia,  Perugia,  bestimmt  den 
Bischof  von  Piacenza  dazu  die  Licenz  zu  ertheilen,  und  nimmt 
alle  Professoren  und  Scholaren  sammt  ihrer  Habe  in 
seinen  Schutz'''^}.  Am  8.  Februar  wurde  das  Privileg  nach 
Piacenza  gebracht '0.  Vollen  Effect  erhielt  aber  dasselbe  erst 
einige  Monate  später.     Am  28.  October  desselben  Jahres  ver- 


1^)  Document  bei  Camp!  p.  190. 

1M&)  In  den  Statuta  antiqua  Gomonis  von  Piacenza  aus  dem  J.  1391 
ist  zwar  wohl  auch  vom  Salariam  judicum  die  Rede,  allein  nicht  hinsichtlich 
der  Schale.  In  dieser  Beziehung  wird  nur  die  solutio  magistrorum  gramma- 
tice  erwähnt.    Statuta  varia  civitatis  Placentiae,  Parmae  1860  p.  351. 

^^^)  Muratori  1.  c.  XX,  936.  Gampi  III,  307  n.  61.  In  Bezog  auf  das 
Datum  herrseht  eine  heillose  Verwimmg.  Campi  III,  175  wie  auch  Poggiali 
1.  c.  Vn,  60  schlagen  das  Jahr  1399  vor,  weil  diese  Jahrzahl  zunächst  mit  der 
Indictio  YII.  stimmt,  und  Ripalta  (bei  Muratori  1.  c.  p.  938)  ebenfalls  so 
lese.  Allein  diese  Jahrzahl  passt  nicht  zu  den  oben  angefahrten  Acten- 
stficken.  Zudem  sagt  der  gleichzeitige  De  Mussis,  das  Privileg  sei  8.  Fe- 
bruar 1397,  die  Annali  Milanes!  (Muratori  1.  c.  p.  832),  es  sei  8.  Februar  1898 
in  Piacenza  eingelangt.  Dass  das  Jahr  1398  sich  am  wahrscheinlichsten  er- 
weise, wird  sich  oben  ergeben.  Das  herzogliche  Privileg  wurde  auch  sonst 
corrumpiert  resp.  interpoliert  Der  gegenwärtige  Bischof  von  Piacenza  wird 
GuillelmuB  de  Gentueriis  genannt;  allein  dieser  war  1383— 1386  Bischof  von 
Piacenza;  1886^-1402  war  er  Bischof  von  Pavia  (S.  Poggiali  1.  c.  YII,  60). 

"07)  s.  die  vor.  Anm. 


570    in.   £Dtwicke1ung  der  Hochscbnien  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

ordnete  Giovanni  Galeazzo,  dass  die  Universität  von  Pavia  nach 
Piacenza  verlegt  werde,  welcher  Bestimmiing  auch  alsbald  die 
Ausführung  folgte"'*). 

Betrachtet  man  dieses  Actenstück  näher,  so  ergibt  sich, 
dass  die  Ansicht  derjenigen,  welche  den  oben  genannten  Stift- 
brief  in  das  Jahr  1399  setzen  "'*),  unhaltbar  ist  Denn  in  dem 
Erlass  vom  28.  October  wird  das  Studium  zu  Pavia  noch  als 
bestehend  angegeben,  da  der  Herzog  dem  Studium  von  Piacenza 
auch  die  Privilegien  desjenigen  von  Pavia  ertheilt  Dasselbe 
erhellt  aus  dem  Stiftbriefe  selbst,  denn  er  beweist  durch  seinen 
Inhalt,  dass  damals  dem  Herzog  noch  gar  nicht  in  den  Sinn 
gekommen  war,  das  Studium  zu  Piacenza  durch  die  Transferienmg 
der  Schule  von  Pavia  zu  begründen,  im  Oegentheile  sagt  er,  die 
Bürger  selbst  sollten  es  errichten.  Endlich  wäre  nach  Verlegung 
des  Studiums  kein  Stiftbrief  für  Piacenza  nöthig  gewesen,  zudem 
der  Herzog  in  dem  betreffenden  Acte  vom  28.  October  1998 
ohnehin  verfügt,  es  sollten  in  Zukunft  alle,  welche  den  Studien  ob- 
liegen wollten,  nach  Piacenza  gehen. 

Am  26.  November  1398  wurde  vom  Vicare  des  Herzoges, 
der  bestellt  war  dasjenige,  was  nothwendig  sei  'pro  felici  studio 
inchoaturo  in  civitate  Placentiae'  zu  ordnen  ^^'®),  eine  Wohnung 
für  den  Rechtslehrer  Christoforus  de  Maletis  gemiethet.  Da  hier 
noch  vom  ^Studium  inchoaturum'  die  Rede  ist,  so  folgt,  dass  de 
Mussis  im  Irrthum  ist,  wenn  er  den  oben  genannten  Stiftbrief 
in  das  Jahr  1397  setzt  und  das  Studium  am  4.  December  des- 
selben Jahres  beginnen  lässt'^^^).  Wir  müssen  vielmehr  nun 
schliessen,  dass,  wenn  die  Studien  am  4.  December  angefangen 
haben,  dies  nur  im  J.  1398  gewesen  sein  kann,  was  durch  ein 
gleichzeitiges  Document  vollends  bestätigt  wird""). 


i40Sj  Qatti,  Histom  gymnasii  Tieinenais  p.  188,  ciUerft  das 
obwohl  er  glaubt,  es  sei  nicht  in  YoUzug  gebracht  worden,  gestatit  auf  die 
irrige  YoraassetBaDg,  Boniftti  IX.  habe  1899  lllr  Pft?ia  den  Süftbiief  er- 
lassen.   S.  nnter  Pavia. 

^409)  S.  Anm.  1406. 

itio)  8.  das  Docament  bei  Gampi  II,  190.    Auch  hier  indet  sich  In* 
dietio  yn. 

1«»)  Moratori  XVI,  558.    Tiraboachi  ist  mit  De  Mussis  Ar  1897. 

i4i2j  Im  Besitie  ScarabeUis,  der  es  in  seiner  Istoria  dvile  dei  dacati 


5.   Hochschnlen  mit  pftpstl.  u.  landeslierrl.  Stiftbriefen.   Piacenza.    571 

Die  Hochschule  zu  Piacenza  stand  plötzlich  in  voller  Blüthe  da. 
Bipalta  hat  uns  die  Namen  der  Professoren  der  verschiedenen 
Fächer  sammt  dem  Salarium,  das  sie  empfiengen,  hinterlassen^^''). 
Es  sind  nicht  weniger  denn  71  resp.  67.  Freilich  lasen  sie 
nicht  alle  zugleich  in  dem  ^inen  Jahre  1399,  wie  man  gewöhn«- 
lieh  annimmt,  sondern  sie  waren  sicher  auf  die  Jahre  1898 — 1402 
vertheilt.  Die  Anzahl  bleibt  aber  immerhin  eine  enorme.  27  Pro- 
fessoren des  Römischen  Rechts ,  unter  ihnen  Baldus ,  und 
10  Professoren  des  canonischen  sind  vertreten.  Unter  den  22 
Medicinem  waren  die  berühmtesten  Hugo  Benzi  und  der  Averroist 
Marsilio  di  s.  Sofia.  Andere  docierten  Philosophie,  Astrologie, 
Grammatik,  Rhetorik,  Notariatskunst,  Dante,  Seneca,  die  Au- 
etores, und  einer  Theologie.  Baldus  hatte  als  Besoldung  im 
Monat  164  Lire,  Marsilio  di  s.  Sofia  170  Lire.  Von  den  übrigen 
kam  im  Monat  keiner  auf  70  Lire. 

So  rasch  aber  das  Studium  gestiegen  war,  ebenso  schnell 
sank  es  wider.  War  es  vielleicht  schon  vor  dem  Tode  Gale- 
azzos  n.  (3.  September  1402)  im  Rückgang,  da  viele  Studierende 
anderswohin  zogen,  so  geriet  es  nach  dessen  Tod  vollends  ins 
Stocken.  Es  lasen  zwar  noch  einzelne  Professoren,  und  es  blieb 
ein  GoUegium  judicum*"*)  sowie  ein  Gollegium  medicorum  dort  be- 
stehen"^*). Allein  mit  der  Hochschule  hatte  es  ein  Ende.  Wie 
sich  unten  (unter  Pavia)  ergeben  wird,  existierte  sie  im  J.  1404 
sicher  nicht  mehr,  im  J.  1412  aber  restaurierte  Filippo  M.  Vis- 
conti duca  di  Milano  wider  das  Studium  zu  Pavia,  und  verbot 
unter    harter   Strafe   den   Scholaren   seines   Gebietes   irgendwo 

di  Parma,  Piacenza  e  GnastaUa  II,  218  Anm.  anfahrt.  Somit  haben  die 
Annali  Milanesi  nnd  Locati,  De  Placentinae  urbis  origine.  Gremonae  1564 
p.  188,  wo  ebenfalls  das  Jahr  1398  angegeben  wird,  am  besten  gesehen. 
In  der  oben  erwähnten  Schrift  über  die  Universität  Piacenza  fiberspringt  der 
fahrlässige  Scarabelli  nahezn  das  Factum.  Man  erfährt  Ober  jene  allein 
interessante  Periode  in  der  Geschichte  der  Universität  Piacenza  p.  6  f.  nur, 
dass  4.  December  1898  das  Studium  von  Pavia  nach  Piacenza  verlegt  worden 
sei  und  es  dort  circa  4  Jahre  bestanden  habe. 

1413)  Bei  Muratori  XX,  939—941;  Locati  1.  c.  p.  189.  Campi  H,  191  ff. 
hat  den  Gatalog  erläutert. 

1414)  Die  Statuten  vom  J.  1485  sind  gedruckt  in  den  Statuta  varia  ci- 
viUtis  Placentiae,  Parmae  1860,  p.  467. 

141&)  S.  die  späten  Statuten  ibid.  p.  559. 


572    ni.  Entwickelang  der  Hochschalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

anders  als  zu  Pavia  zu  studieren  ^^^*).  Francesco  Sforza  ver- 
pflichtete sich  femer  am  18.  September  1447,  in  keiner  andern 
Stadt  als  zu  Pavia  ein  Generalstudium  zu  dulden  ^^^0*  Unter 
solchen  Umständen  hätte  eine  Hochschule  in  Piacenza  sich  nicht 
mehr  halten  können,  wenngleich  fortwährend  Schulen  dort  waren, 
die  den  Anstrich  einer  Universität  hatten'^**).  Den  Verlust 
der  Hochschule  verschmerzten  aber  die  Placentiner  nicht  so 
leicht,  und  im  J.  1471  sagte  ihr  StimmfQhrer  Ripalta  vor  dem 
Senate  in  Mailand:  Videretur,  patres  optimi,  ut  posteaquam 
civitas  Papiae  tam  longo  tempore  studio  fiiit  impinguata  et 
urbs  Piacentina  reparatione  indiget  quammaxima,  Studium  gene- 
rale residens  Papiae  ad  nos  transmitteretis^^'')- 

Parat. 
Unvergleichlich  ruhmreicher  als  Piacenza  steht  Pavia  da. 
Ehe  Bologna  als  eine  Städte  der  Bechtswissenschaft  genannt  wurde, 
besass  Pavia  eine  Schule  derselben**'^).  Auch  wurde  die  Stadt 
in  den  Gonstitutiones  Olonnenses  als  Sitz  einer  Gentralschule 
bestimmt'*^').  Vorübergehend  hört  man  später  von  Studierenden 
in  Pavia.  So  schreibt  ein  Scholar  seinem  Oheim  'me  divina 
misericordia  Papie  studio  legum  et  dialectice  alacrem  et  sanum 
nocte  dieque  adherere^^").   Vor  dem  12.  Jh.  genoss  ein  Lanfiranc 


^^^^)  Memorie  per  la  storia  dell'  nniTersiU  di  PaTia  II,  8  n.  8. 

i"7)  Ibid.  p.  11  n.  12. 

U18)  Vgl.  Scarabelli,  Della  nniversitä  in  Piacenza  p.  7.  AUerdings  muss 
man  diesem  Autor  die  Anachronismen  Terzeihen;  es  würde  sich  ergeben  dass 
Paul  III.  schon  1435,  also  100  Jahre  frflher  als  in  Wirklichkeit,  re- 
giert h&tte. 

1^19)  Mnratori  1.  c.  p.  935. 

1^^)  S.  oben  S.  44.  Merkel,  Die  Geschichte  des  LangobardenrechU 
(Berlin  1850)  S.  13—16.  Stark  berichtigt  werden  die  ResulUte  dieses  Autors 
durch  Ficker,  Forschungen  zur  Beichs-  und  Bechtsgeschichte  UI,  44  ff. 

lAsi)  S.  oben  S.  13  Anm.  66.  Ein  Document  yom  J.  1412  greift  nicht 
zu  weit  zurflck,  wenn  es  Pavia  bereits  im  8.  und  9.  Jh.  zum  Sitze  der  Stu- 
dien macht  (s.  Memorie  e  documenti  per  la  storia  dell'  uni?ersitä  di  Paria 
II  n.  11),  denn  schon  im  7.  Jh.  bestanden  daselbst  wenigstens  Orammaticsl- 
schulen.  S.  Oiesebrecht,  De  litterarum  studiis  apnd  Italos  p.  8. 

1^)  Cod.  lat.  mon.  19411  Bl.  65.  S.  auch  Oflnthner,  Gesch.  der  iit 
Anstalten  in  Baiem  I,  230. 


5.   Hochschulen  mit  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.   Pavia.      573 

in  Pavia  bei  den  Richtern  seiner  Vaterstadt  das  höchste  Ansehen 
und  blieb  Sieger  in  den  wissenschaftlichen  Kämpfen,  besonders 
gegen  den  judex  Bonusfilius  und  dessen  Schule  ^^'').  Das  lango* 
bardische  Becht  stand  in  Pavia  wie  sonst  nirgend  in  Blüthe,  und 
die  Stadt  war  ein  Sammelpunkt  von  vielen  Juristen,  deren  Namen 
uns  sogar  noch  theilweise  erhalten  sind^^'^).  Ende  des  12.  Jhs. 
scheint  in  Pavia  Lanfranc,  der  1198  daselbst  als  Bischof  starb  und 
nicht  mit  dem  von  Canterbury  verwechselt  werden  darf,  in  den 
artes  und  in  der  Theologie  studiert  und  gelehrt  zu  haben  ^^'^).  Sehr 
zweifelhaft  ist  jedoch,  ob  Bemardus  Baibus  oder  Papiensis,  der 
Verfasser  der  Gompilatio  prima,  dort  auch  Lehrer  war"").  Stu- 
diert hat  er  sicher  in  Bologna"").  Notizen  fdr  die  Existenz 
von  Schulen  im  13.  Jh.  fehlen"^').  Die  Behauptung,  das  Stu- 
dium zu  Vicenza  habe  im  J.  1204  einer  Auswanderung  von 
Professoren  und  Scholaren  aus  Pavia  den  Ursprung  zu  ver- 
danken""), ist  nicht  weniger  hinfällig,  als  jene  andere  auch 
von  Comi"")  vertretene  Ansicht,  das  Studium  zu  Vercelli  habe 
seinen  Anfang  infolge  eines  Exodus  aus  Pavia  und  Mailand  ge- 
nommen"'®). 

i^^s)  Merkel  1.  c.  S.  14.  45  identificiert  ihn  mit  dem  späteren  Erzbischof 
von  Canterbury.  Dagegen  Tgl.  Ficker  S.  47  f.  —  Die  Meinung  der  Tapien- 
ses'  wird  noch  Ende  des  12.  Jhs.  angeführt.  S.  Merkel  S.  47  Anm.  9. 

1*83*)  S.  Ficker  a.  a.  0. 

^^  S.  das  yon  seinem  Nachfolger  im  bischöflichen  Amte  Bemardus 
Papiensis  geschriebene  Leben  bei  Ughellii  Italia  sac.  I,  1093.  AA.  SS.  Jun. 
IV,  619. 

1^85)  Gomi,  Franciscns  Philelphus  archigynwasio  Ticinensi  Tindicatos 
(Ticini  1783)  plaidiert  zwar  p.  75ff.  dafflr. 

1^)  S.  Schulte,  Gesch.  der  Quellen  und  Lit.  des  can.  Bechts  I,  176  f. 
Schulte  begeht  nur  den  Fehler,  dass  er  aus  Bemard  Papiensis  und  Bemar- 
dus Baibus  swei  verschiedene  Schriftsteller  macht.  Der  II,  368  citierte  Glm. 
7430  enthält  eben  des  Bemardus  Papiensis  compilatio  prima  (allerdings  mit 
Eigenthflmlichkeiten). 

i4»7j  ^iie  Yon   Coiqi  p^  34  ff^  aufgezählten  Belege  zum  Beweise  Ton 

Schulen  in  Pavia  im  13.  Jh.  gehen  über  das  Ziel  hinaus. 

^*^)  Savi,  Memorie  antiche  e  moderne  intomo  alle  publiche  scuole  in 
Yicenza  p.  14  verwirft  mit  Becht  diese  Ansicht. 

1^^)  L.  c.  p.  132.  Gomi  behauptet  dies ,  ungeachtet  er  den  Vertrag 
Yercellis  mit  Padna  kennt 

i«0)  s.  oben  unter  Vercelli  S.  291. 


574    ni.  Entwiekelang  der  Hochschalen  bis  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

Eben  deshalb,  weil  seit  dem  Ende  des  12.  Jhs.  die  Nach- 
richten aber  Schulen  so  spärlich  sind,  lässt  sich  kein  Znsammen- 
hang zwischen  den  zu  Payia  in  froherer  Zeit  existierenden  Lehr- 
anstalten und  dem  im  J.  1361  gegründeten  Genendstudimn  er- 
mitteln. 

Zwar  ist  Tiraboschi  im  Unrechte,  wenn  er  bis  zum  Jahre 
1361  durchaus  Schulen  in  Pavia  vermisst^^*').  Allein  nicht 
weniger  irren  Gatti""),  Capsoni**"),  Comi^*")  und  in  neuerer 
Zeit  Nova^*"),  wenn  sie  behaupten,  Karls  IV.  Stiftbrief  sei 
nur  zum  Zwecke  der  Erneuerung  eines  bereits  bestehenden 
Generalstudiums  zu  Pavia  erlassen  worden  ^^'*).  Beweisen  lässt 
sich  nur,  dass  in  den  ersten  Decennien  des  14.  Jhs.  von  der 
alten  Zeit  abgesehen  Schulen  in  Payia  vorhanden  gewesen  sind, 
keineswegs  aber  kann  man  eine  Oontinuität  verfolgen. 


1^31)  Storia  della  lett.  ital.  lY,  69.  Y,  65  ff.  Seine  Ansicht  Tertrat  aoch 
Villa,  De  studiis  literariis  Ticinensium  ante  Galeatiam  II.  Ticini  1782. 
S.  besonders  p.  115  f.  Comi  wendet  sich  mehr  gegen  ihn  als  gegen  Tira- 
boschi. 

ii32j  Qymnasii  Ticinensis  historia  et  vindieiae  a  saec.  5.  nsqae  ad  finem 
15.  Mediolani  1704.  Gasa  ankritisch  and  von  Tiraboschi  mit  Recht  xa- 
rechtgewiesen. 

1^  Origine  e  pri?ilegi  della  chiesa  Pavese.  Payia  1796  p.  XXXIX  ff. 
Dessen  Memorie  istoriche  della  regia  cittü  di  Paria  (Paria  1782—1788)  er- 
strecken sich  nicht  so  weit,  aber  aas  den  Praefationen  ersieht  man,  dass  er 
denselben  Standpunkt  einnahm. 

ii94^  Franciscns  Philelphas  archigymnasio  Ticinensi  mdicatas,  eine 
reichhaltige,  aber  sehr  seltene  Schrift,  die  man,  aasser  in  Pavia  selbst,  kanm 
aufzatreiben  vermag. 

14S6)  Universitk  Discorso  letto  nella  solenne  inangarasione  delP  in- 
segnamento  universitario  in  Pavia  il  20  novembre  1859  (in  La  Filosoffa,  la 
filosofla  del  diritto  e  Poniversitl^  Milano  1862,  47—247,  speciell  141—218), 
ein  wahres  Quid  pro  qno.  Das  Beste  der  Schrift  ist  Comi  entnommen,  das 
Eigene  redaciert  sich  auf  Weniges. 

i^M)  Sangiorgio,  Genni  storici  snlle  dae  oniversitlt  di  Pavia  e  di  Milano 
(Milano  183 1)  bietet  weder  Aber  das  Generalstudiom  noch  Ober  die  frohere 
Zeit  etwas  brauchbares.  Von  Interesse  sind  im  Buche  bloss  die  Gopien  der 
Inseriptionen  and  Epitaphien,  welche  sich  jetst  in  den  8  HOfen  der  Univer- 
sität beinden  (p.  444—470).  Nicht  Ober  das  Gewöhnliche  geht  hinaas 
(Gattaneo)  Genno  storico  soUa  r.  aniversitji  di  Pavia.  Pavia  1878  p.  1  ff. 


5.   Hochschulen  mit  p&psU.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.   Pavvi.      575 

Gioyanni  Mangano^^'^)  berichtet  in  dem  vor  Eröffnung  des 
Generalstudiums  geschriebenen  Buche  De  laudibus  Papie,  es  hielten 
sich  in  Pavia  viele  Advocaten,  judices,  notarii  auf.  Mehrere  von 
ihnen  seien  erwählt  worden  ^ad  aliarum  regimina  civitatum; 
multi  quorum  illic  magistri  in  sacra  pagina  aliisque  scientiis 
pervenerunt'"").  Wurde  aber  in  Pavia  promoviert?  Es  scheint 
nicht,  denn  der  Autor  sagt  im  Verlaufe:  'Multi  sunt  in  civitate 
(Papie)  peritissimi  medici,  tarn  physici  quam  chirurgici;  nam 
inter  alias  civitates  illarum  partium  de  ista  plures  mittuntur 
ad  scholas  Bononiam,  ...  de  qua  veniunt  periti  et  docti  in 
legibus,  decretalibus  et  medicina  et  quidam  in  iis  artibus  con- 
ventati.  Multi  quoque  sunt  ibi  docti  in  theologia  clerici,  reli- 
giosi  et  nonnuUi  laici'^^'^).  Schliesst  auch  diese  letzte  Stelle 
nicht  aus ,  dass  in  Pavia  Schulen  bestanden  haben ,  so  beweist 
sie  doch  immerhin,  dass  man  sowohl  eine  tiefere  Kenntniss 
der  Wissenschaften  als  auch  das  Doctorat,  und  zwar  ebenso 
gut  im  Civilrechte,  das  in  früherer  Zeit  in  Pavia  so  ausnehmend 
geblüht  hat,  als  in  andern  Disciplinen,  auswärts  gesucht  hat. 

Noch  weniger  Auskunft  über  Schulen  in  Pavia  gewinnen  wir 
durch  den  etwas  jüngeren  Azarius.     Er  berichtet  die  Gründung 


i437j  £r  war  nach  Johann  Bosisio  (b.  Gazzetta  provinciale  di  Pavia 
27.  Juni  1857)  der  Ver&sser  des  Werkes  De  landibus  Papiae,  das  dieser 
1329-1230  geschrieben  hat. 

1^^)  Bei  Muratori,  Rer.  ital.  SS.  XI,  23. 

1^9)  Ibid.  p.  26.  Ein  Missbrauch  der  Kritik  Ist  das  Yerfiihren  zu 
nennen,  das  Gomi  1.  c.  p.  153  und  Nora  1.  c.  147 ff.  einsehlagen,  um  diese 
Stelle  für  ihre  Ansichten  herbeizuziehen.  Aber  unglaublich  ist  es,  dass  beide 
dem  Tiraboschi  deshalb  einen  Vorwurf  machen,  weil  er  'legibus'  und  *de- 
cretalibus'  durch  ein  Gomma  geschieden  hatte.  Denn  was  soll  die  Yorge- 
;schlagene  Leseart  Meges  decretales*  bedeuten?  Nova  behauptet:  Decretales 
regulas!  Wozu  jedoch  eine  so  haarsträubende  Exegese?  um  das  Wörtchen 
und  den  Begriff  4eges'  abzuschwächen  und  dadurch  die  aus  der  Stelle  sich 
ergebende  Schwierigkeit  zu  entfernen,  dass  die  Payesen  auch  um  das  CiTÜ- 
recht  zu  studieren  fremde  Stftdte  aufgesucht  h&tten,  und  in  den  ersten  De- 
cennien  des  14.  Jhs.  nicht  einmal  mehr  diese  Wissenschaft  in  Pavia  genü- 
gend gelehrt  worden  sei.  Gomi  und  Nova  wollen  deshalb  trotz  des  so  deut- 
lichen Wortlautes  zeigen,  es  sei  nur  vom  jus  canonicam  die  Bede.  Dass 
trotzdem  auch  in  der  ersten  Hftlfte  des  14.  Jhs.  in  Pavia  Givilrecht  dociert 
wurde,  werden  wir  weiter  unten  aus  Peter  Ancharanus  erftihren. 


576    ni.   Entwickelung  der  Hochschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

des  Generalstudiums  durch  GaleazzoII.  mit  den  Worten:  ^curavit 
habere  universa  studia  in  civitate  Papiae,  in  qua  antiquitas  foisse 
dicuntur.  Et  certo  de  jure  bene  stat;  nam  ipsa  civitas  et 
domus  sunt  plerumque  yacuae  et  inhabitatae  et  mercatum  de 
pensionibus  domorum  habebimus  pro  libito  . .  .  Hisce  consideravit 
habere  in  universis  scientiis  doctores  et  privilegia  et  facultatem 
conventandi  in  ipsis  artibus'  '^^^).  Man  braucht  diese  Stelle  nur  su 
lesen,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  vor  1361  wenigstens  kein 
Generalstudium  in  Pavia  existiert  hat  Es  sollen  zwar  vor  Alters 
Studien  in  Pavia  gewesen  sein;  allein  nun  stünden  die  Häuser 
leer  u.  s.  w.  Sauli****)  und  Nova"*')  urgieren  ganz  be- 
sonders den  Satz :  ^et  certe  de  jure  bene  stat'  und  lassen  Azarins 
sagen :  ^Es  sollen  einst  in  Pavia  Studien  gewesen  sein,  wenigstens 
ist  dies  von  den  Rechtsstudien  gewiss'.  Wäre  auch  diese  Inter- 
pretation die  richtige,  so  würde  nur  folgen,  dass  ^antiquitas' 
Pavia  eine  Rechtsschule  besessen  hat.  Dies  wissen  wir  ja 
ohnehin.  Allein  der  Zusammenhang,  in  welchem  die  Stelle  ist, 
spricht  weniger  für  eine  solche  Auffassung.  Der  einfache  Sinn  ist 
nämlich  dieser:  Galeazzo  verwendete  sich  um  ein  Generalstudium 
in  Pavia.  Und  mit  Recht;  denn  die  Häuser  stehen  dort  leer  u.  s.  w. 
Aus  diesen  von  den  Gegnern  Tiraboschis  angeführten  Haupt- 
stellen erfahren  wir  also  nicht  einmal,  ob  im  14.  Jh.  wirklich 
Schulen  in  Pavia  vorhanden  waren,  von  einem  Generalstadium 
gänzlich  zu  schweigen. 

""     i**0)  Bei  Muratori  L  c.  XVI,  406. 

iMi)  Sulla  condizione  degU  studii  nella  monarchia  di  Savoja  sino  all' 
eU  di  Emmaimele  Füiberio  (Torino  lS4d)  p.  101.  Saoli  seist  p.  451  auch  die 
Grflndung  der  Uniyersit&t  Yercelii  in  eine  sa  frühe  Epoche.  8.  oben  8.  290. 
Gomi  lieht  Torsichtig  genag  den  Satz  nicht  heran. 

^^  L.  c.  p.  144.  Aach  alle  abrigen  von  ihm  p.  151  ff.  gemachten 
Interpretierangsrersnche  sind  hinflÜHg  und  verdienen  keine  BerQckdchtigang. 
Nova  war  in  der  Terminologie  des  Mittelalters  nicht  sa  Hause.  Es  heisst 
femer  dem  Texte  Gewalt  anthon,  wenn  er  p.  146  157  ff.  mit  Comi  L  c. 
p.  159  fll  die  Phrase  bei  Asarias  (Muratori  L  c  p.  377):  'Sed  nomqaid  per  e« 
in  Papia  coepit  frigesoere  luxuria,  nbi  scolares  (oder  schola),  abi  picturae 
Tironun  et  mnlierom?'  als  Beweis  dafOr  bringt,  dass  vor  1861  Schulen  in 
Pavia  existiert  hatten»  Man  brancht  nur  das  Vorhergehende  sa  lesen,  an 
sofort  sar  Einsieht  sa  gelangen,  dass  Asarias  ron  Facten  spricht,  die  sich 
1861—1862  sogetragen  haben,  d.  h.  sur  Zeit,  als  das  Qeneralstndiam  bereits 
ins  Leben  gerufen  worden  war. 


5.  HochBcbttlen  mit  p&pstl.  n.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Pavia.     577 

Anders  verhält  es  sich  jedoch  mit  folgenden  Nachrichten. 
Mittels  Testamentes  vom  11.  Juli  1344  gibt  Magister  Bartholo- 
maeus  de  Lavolta  den  usasfructus  seines  Hauses  und  Wohnung 
darin  den  Schülern  von  Lavolta  ^tanto  tempore,  quanto  iverint 
ad  scolas  more  scolastico  ad  ediscendum  scientias  .  .  .  omnes 
de  progenie  illorum  de  Lavolta,  qui  voluerint  cum  effectu  ire  ad 
Studium  liberalium  artium,  etiam  aliarum  scientiarum,  debeant 
habere  usumfructum  dicte  domus  mee  ipsis  existentihus  scolaribus 
et  euntibus  ad  scolas  et  non  aliter  uno  alten  succedente'  etc.  ^^^*) 
Btter  erfahren  wir  also  wirklich  von  Schulen  in  Pavia.  Peter 
de  Ancharano  deutet  zudem  an,  dass  auch  Rechts-Professoren  in 
Pavia  existiert  hätten.  Zur  Zeit  des  Johannes  Andreae,  meint 
er,  ^studia  Italic  facundissimis  et  clarissimis  doctoribus  floruerunt, 
nam  hoc  Bononiense  Studium  tunc  habuit  Ja.  Butrigarium  in  legi- 
bus .  .  .  etiam  alia  studia,  sc  Paduanum,  Papien.  et  Perusinum 
facundissimis  doctoribus  claruerunt*  etc."^*).  Er  spricht  von  der 
ersten  Hälfte  des  14.  Jhs.  und  zwar  von  der  Zeit  vor  1348,  in 
welchem  Jahre  Johannes  Andreae  und  Jacob  Butrigarius  an  der 
Pest  starben.  In  jedem  Falle  von  der  Epoche  vor  1361""). 
Pavia  hätte  also  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jhs.  thatsächlich 


1*«)  8.  Nova,  p.  161. 

1444)  In  YI.  Decret.  Prooem,  nach  Cod.  Tat.  2238  BL  Ua. 

^^  Die  Wirksamkeit  der  SchriftsteUer,  die  er  anführt  and  die  zar 
Zeit  des  Johannes  Andreae  gelesen  haben  soUen,  fiUIt  in  die  Zeit  yor  der 
genannten  Epoche.  Ton  jenen,  die  in  Perugia  gelehrt  haben  (nnd  die  ich 
bereits  S.  546  citiert),  abgesehen,  gehören  hierher  Guillelmus  de  Monte 
Laadano,  Paulas  de  Liazariis,  Stephanus  Provincialis,  Lapus,  Matth&us  Bo- 
manus,  Petras  Bertrandus  (die  Nachweise  s.  bei  Schulte,  II.).  Nur  die 
Th&Ugkeit  des  Job.  Calderinus  reicht  noch  ftber  1361  hinaus.  Allein, 
dass  Peter  de  Ancharano  die  frühere  Epoche  im  Auge  hat,  beweist  die 
Stelle,  die  daraaf  folgt:  post  istos  alii  successerunt  viri  in  iure  famosissimi  et 
inter  alios  D.  et  preceptor  mens  D.  Baldus  etc.  Baldus  promovierte  1344 
unter  Bartolo.  S.  Savigny  VI,  214.  Es  bleibt  aber  die  grosse  Schwierigkeit, 
SU  sagen ,  welche  'facundissimi  doctores*  in  jener  Epoche  zu  Pavia  ge- 
lehrt haben  mögen.  Auch  Comi  vermag  p.  88  eigentlich  nur  den  Domini- 
caner Galvaneus  Flamma  und  Ubertinus  Papiensis  zu  nennen.  Der  erstere 
hat  jedoch  bloss  in  seinem  Kloster  unterrichtet  Zudem  gehören  beide  nicht 
zu  den  *&cundi8simi  doctores^  Von  den  p.  143  ff.  citierten  legum  doctores 
Guido  Scarcus,  Franciscus  Buttigella,  Beccarins  de  Beccaria  ist  nicht  bekannt, 
ob  sie  in  Pavia  dociert  haben. 

D  •  n  i  f  1  e,  Die  UoiTeniUten  I.  37 


578    11^-  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  sum  Ende  des  14.  Jha. 

eine  Rechtsschule  gehabt.  Ganz  irrig  kann  diese  Nachricht 
nicht  sein,  denn  in  drei  Doctordiplomen  aus  dem  Jahre  1374 
(vom  28.  Februar,  28.  März  und  20.  Juli),  in  denen  der  Bischof  von 
Pavia  sowohl  in  artibus  als  auch  in  legibus  die  Licenz  ertheilt, 
beruft  sich  derselbe  nicht  bloss  auf  das  imperiale  Privile- 
gium', sondern  auch  auf  die  iongaeva  et  antiqua  consuetudo", 
auf  die  'hactenus  observata  consuetudo  ac  per  tanti  temporis 
spatium  praescripta  legiptime,  quod  ejus  contrarii  memoria  non 
extitit'  u.  s.  w."**).  Hätte  Pavia  erst  1361,  das  ist  vor  11—13  Jahren, 
Schulen  und  das  Recht  erhalten  zu  promovieren,  so  würden 
die  genannten  Worte  keinen  Sinn  geben.  Allein  wie  soll  man 
diese  Resultate  mit  dem  oben  gewonnenen  in  Einklang  bringen? 
Es  ist  dies  nicht  zu  schwierig. 

In  Pavia  scheinen  allerdings  in  älterer  Zeit  Promotionen 
nach  damaligem  Brauche  vorgekommen  zu  sein.  Da  aber  die 
Schulen  häufig  Unterbrechungen  erlitten,  so  wurde  nach  und  nach 
das  Promotionsrecht  nicht  mehr  ausgeübt.  Die  Worte  des  Bischofes 
dürfen  also  nicht  im  streng  buchstäblichen  Sinne  aufgefasst 
werden.  Gerade  ehe  das  kaiserliche  Privileg  erschien,  war  es 
schlimm  um  die  Schulen  bestellt,  denn  wie  wir  aus  Azarius  ersahen, 
standen  die  Häuser  leer,  und  man  wusste  nur  vom  Hörensagen, 
dass  in  Pavia  das  Studium  geblüht  habe.  Ja  in  jener  Zeit  war 
man  sogar  der  Meinung,  die  Stadt  besitze  gar  nicht  mehr  das 
Promotionsrecht,  denn  Azarius  berichtet,  Galeazzo  habe  sich  auch  um 
die  facultas  conventandi  in  artibus  (hier  überhaupt  für  Wissen- 
schaften genommen)  beworben.  Der  Grund  dieses  Verfalls  der 
Studien  zu  Pavia  liegt  zunächst  wohl  darin,  dass  sich  dort  nicht 
wie  anderwärts  in  Italien  die  Commune  um  dieselben  annahm, 
und  deshalb  gerade  die  beiden  in  Italien  vorzugsweise  gepflegten 
Fächer,  das   Givilrecht    und   die   Medicin,   nicht   gediehen '**'). 

^^^)  Capsoni  hat  in  seiner  oben  genannten  Schrift,  Origine  etc.  p.  LXIY 
bis  LXVII  die  Documente  ediert.  In  dem  zweiten  Diplome  werden  ab 
Examinatoren  10  Professoren,  darunter  solche  des  Rechtes  (in  legibos  and  in  de- 
cretis)  erwähnt.  Bei  Ausfertigung  des  Actes  war  überdies  anwesend  Joannes 
de  Bemeris  in  sacra  pagina  magister,  Ord.  s.  Aug.  In  dem  dritten  Diplome 
erscheinen  6  Professoren  in  artibus  als  Examinatoren.  Auch  Comi  kommt 
p.  162  f.  auf  diese  Diplome  zu  sprechen. 

^"^^^J  S.  unten  im  vierten  Hauptabschnitte,  vierter  Paragraph. 


5.   Hochscholeii  mit  pftpstl.  n.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Pavia      579 

Dem  konnte  nur  dadurch  abgeholfen  werden,  dass  man  sich 
um  ein  Universitätsprivileg  bewarb,  und  ein  Generalstudium 
systematisch  gründete. 

Am  13.  April  1361  erliess  Karl  IV.  den  Stiftbrief  für  ein 
^generale  Studium  utriusque  iuris,  vid.  tam  canonici  quam  civilis, 
necnon  Philosophie,  mediane  et  artium  liberalium*.  Er  gibt 
den  Studierenden  die  Privilegien  von  Paris,  Bologna,  Oxford, 
Orleans  und  Montpellier,  und  nimmt  sie  unter  seinen  Schutz. 
Der  Bischof  von  Pavia  hat  die  Promotionen  zu  leiten  und  die 
Licenz  zu  ertheilen"").  Galeazzo  IL  Visconti  verbot  am  27.  Oc- 
tober  desselben  Jahres  allen  Scholaren  seines  Gebietes  anderswo 
als  in  Pavia  zu  studieren.  Er  habe  für  das  dortige  Studium 
die  Vollmacht  erhalten  ^dandi  conventum  in  decretalibus,  legibus 
et  qualibet  facultate'  "*•).  Am  7.  September  1392  widerholte  er 
sein  Verbot**").  Erst  von  Bonifaz  IX.  empfieng  das  Studium 
am  16.  November  1389"")  ein  päpstliches  Privileg.  Der  Papst 
sagt  in  dem  betreffenden  Schreiben,  Galeazzo  n.  wünsche  'adesse 
Studium  auctoritate  apostolica  generale  in  qualibet  licita  facul- 
tate'. Deshalb  gewähre  er  auch  dasselbe  4n  sacra  pagina,  iure  cano- 
nico  et  civili,  necnon  in  medicina  et  qualibet  alia  litteratoria  licita 
facultate\  und  er  erwähnt  im  besondem,  dass  die  in  sacra 
pagina  Studierenden  die  Privilegien  von  Bologna  und  Paris  ge- 
niessen  sollten.  Der  Bischof  ist  auch  hier  der  Leiter  der  Pro- 
motionen""). Zugleich  dispensierte  der  Papst  die  Studierenden 
von  der  Residenzpflicht""). 

So  einfach  diese  Stiftung  vor  sich  gieng,  so  glücklich  erwies 
sie  sich  in  ihren  Folgen.    Unverdient  ist  die  Geringschätzung, 


1448)  (Brambilla)  Memorie  e  docnmenti  per  la  storia  dell'  nniyersitä  di 
Paria  II,  2  n.  2.  Gatti  1.  c.  p.  129.  Ueber  die  Einleitung  des  Schreibens 
8.  oben  S.  447  Anm.  930. 

>449)  Memorie  p.  3  n.  3.  Gatti  p.  134.  Azarios  bei  Maratori, 
XYI,  406. 

14Ö0)  Memorie  p.  8  n.  7. 

1451)  Qi^tti,  p.  139,  sagt  unrichtig  1399,  und  sieht  dann  daraas  irrige 
Schlosse. 

1^3)  Memorie  p.  4.  Gatti  1.  c. 

145S)  Memorie  p.  6. 

37* 


580      ^  Entwickelang  der  Hochscliulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jlis. 

mit  der  Voigt  auf  die  Hochschule  zu  Pavia  herabblickt"**). 
Weit  richtiger  ist  es  mit  Savigny  zu  gestehen,  dass  Pavia  mit 
Perugia  und  Padua  sowie  später  mit  Pisa  um  den  ersten  Rang 
als  Rechtsschule  wetteiferte,  dass  an  diesen  Universitäten  und 
nicht  mehr  in  Bologna  sich  die  berühmteren  Lehrer  gerade  des 
Römischen  Rechts  befanden"").  Der  neuestens  zusammenge- 
stellte Catalog  der  Professoren,  die  von  1362  resp.  von  1370 
an  in  Pisa  lehrten,  lässt  darüber  nicht  mehr  im  Zweifel"").  Aller- 
dings hatte  das  Studium,  bis  eine  andauernde  Blüthe  begann, 
manche  schwere  Störung  zu  erleiden.  Wie  wir  oben  gesehen 
haben,  wurde  die  Hochschule  1398  auf  einige  Jahre  nach  Pia- 
cenza  verlegt"").  Kehrten  auch  bald  mehrere  Professoren,  wie 
z.  B.  Baldus,  der  in  Pavia  starb,  wider  zurück,  so  that  doch 
der  im  J.  1402  erfolgte  Tod  Galeazzos  IL  nicht  bloss  der  Hoch- 
schule zu  Piacenza,  sondern  auch  der  neu  begründeten  in  Pavia 
grossen  Eintrag.  Nach  einem  gleichzeitigen  Documente  za 
schliessen,  fanden  um  1404  an  beiden  Orten  nicht  mehr  Vor- 
lesungen statt.  Der  Gegenpapst  Benedict  XIH.  schreibt  näm- 
lich in  dem  am  27.  October  genannten  Jahres  ausgefertigten 
Stiftbrief  der  Universität  Turin,  Ludwig  von  Savoien,  Prinz  von 
Achaia,  habe  ihm  berichtet,  dass  in  Folge  der  beständigen 
Kriege  die  Lectionen  an  den  Generalstudien  der  Lombardei 
eingestellt  worden  seien  und  einige  Magistri  der  Theologie 
beider  Rechte,  der  Medicin  und  der  artes,  die  früher  in  Pavia 


i^M^  Die  Wiederbelebang  des  class.  Alterthums  I,  519. 

1^6)  Gesch.  des  Rom.  Rechts  VI,  5. 

1450)  In  (Corradi)  Memorie  e  docnmenti  I,  25—98  befindet  sich  die  Liste 
der  Professoren  der  Rechtswissenschaft;  p.  99— 145  jene  der  Mediciner,  sa 
jenen  grossentheils  anch  die  p.  147— 151  aufgezählten  gehören;  p.  153—183 
stehen  die  Artisten  und  Philosophen,  185 — 198  die  Theologen.  Durch 
Corradis  Arbeit  sind  Parodi,  Elenchus  priTÜegiorum  et  actuum  public!  Ti- 
cinensis  studii  (Papiae  1759)  und  Robolini,  Notizie  appartenenti  alla  storia 
di  Pavia  V,  2  p.  27.  95.  160,  wo  Parodi  erg&nzt  wird,  veraltet. 

iA^7)  S.  oben  S.  569f.  Der  am  16.  Februar  1399  in  Heidelberg  intitu- 
lierte  Hermannus  Poll  de  Wyenna,  mag.  artium  et  in  medicina  doctor  studii 
Papiensis  (s.  Toepke,  Die  Matrikel  der  Universit&t  Heidelberg  I,  68)  scheint 
einer  derjenigen  gewesen  zu  sein,  welche  anstatt  nach  Piacenza  zu  gehen 
die  Heimat  aufgesucht  haben. 


5.  Hochschulen  mit  päpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Pavia.     581 

uDd  Piacenza  dociert,  sich  ihm  angetragen  hätten,  in  irgend 
einer  seiner  Städte,  z.  B.  in  Turin,  die  Vorlesungen  in  den  ge- 
nannten Disciplinen  wider  aufzunehmen'*'^^).  Darnach  sind  die 
späteren  Notizen  in  dem  erwähnten  Gataloge,  denen  zufolge  für 
das  Jahr  1404 — 1405  nicht  wenige  Professoren  in  Pavia  lasen, 
nicht  richtig.  Das  Studium  zu  Pavia  hatte  wenigstens  von  1404 
an  bis  1412  nicht  mehr  bestanden.  Für  die  Jahre  unmittelbar 
vor  1412  geht  dies  aus  dem  Gataloge  selbst  sowie  aus  den  hier 
zu  citierenden  Acten  hervor. 

Filippo  Maria  Visconti  beschloss  nämlich  ^famosum  olim  et 
laudabile  Studium  civitatis  Papie  in  novum  et  statum  pristinum 
reformari,  pro  cuius  restauratione  per  suas  litteras  vocat  ad 
eandem  civitatem  quamplures  famosissimos  doctores  in  quacunque 
facultate'.  Circa  18.  October  solle  das  Studium  beginnen  und 
es  sei  bei  schwerer  Strafe  verboten,  sich  anderswo  als  in  Pavia 
unterrichten  zu  lassen.  Die  Commune  von  Mailand  Hess  diesen 
Befehl  kraft  eines  Beschlusses  vom  17.  Juli  1412  in  ihrer  Stadt 
an  den  gewohnten  Orten  verkünden"").  Auch  anderswo  wurde 
dieses  Mandat  ausgerufen,  und  dabei  ausdrücklich  erwähnt,  dass 
das  Studium  'vacavit  et  vacat  pluribus  annis  invalentibus  bello- 
rum  dissidiis,  quibus  hec  patria  Lombardie  diu  premebatur'  **••). 


U58j  Cum  propter  bellicas  clades,  qae  in  partibus  Lombardie  diatias 
viguerant  et  vigent,  in  stadiis  generalibus  eariindem  partium  cessaverant  et 
cessent  lectare  et  nonnnUi  sacre  theologie  magistri,  utriasque  iuris  doctores, 
medicineque  et  artium  magistri  famosi,  qui  in  Papien.  et  Placentin.  stndÜB 
legerunt  temporibns  retro  actis,  cnpiant,  prout  ipsi  principi  nunciari  fecerunt, 
in  aliqna  ciyitatum  sen  locorum  aliorum  eiusdem  principis  in  suis  huiusmodi 
facultatibus  exercere  lectnras  et  presertim  in  civitate  sua  Taurinen.  etc.  Reg. 
Arenionen.  tom.  43  Bl.  425  a.  Der  Stiftbrief  wird  von  den  Statuta  yener. 
sacrique  coli.  Jurisconsultorum  Aug.  Taurinorum  (Taur.  1614)  p.  57  und  Sa- 
vigny  III,  336  irrig  in  das  Jahr  1405  gesetzt.  Er  wurde  6.  kal.  Novemb. 
an.  11  ausgestellt.  Wohl  auf  dieselben  beiden  Studienanstalten  sowie  auf  jene 
Yon  Pisa  beziehen  sich  die  Worte  in  den  Consigli  della  campana  im  Staats- 
archiv zu  Siena  (voL  206  Bl.  166  a)  zum  21.  Nov.  1404,  'che  di  presente 
quasi  in  tutte  le  citta,  dove  era  lo  studio,  per  le  guerre  et  per  l'altre  dife- 
rentie  in  tutto  sono  guasti  et  tolti  via\ 

i«9)  Memorie  II,  8  n.  8. 
1*60)  Ibid.  n.  11. 


582     m.  Entwickelnng  der  Hochschalen  bis  som  Ende  des  14.  JhA. 

Am   17.  October  bestimmte  der  Herzog,  dass  die  Vorlesungen 

am  20.  anfangen  sollten  "•*)• 

Nunmebr  begann  eine  neue  Periode  und  die  andauernde 
BlUthe  der  Universität  Pavia.  Bereits  Sayigny  hat  darauf  auf- 
merksam gemacbt,  dass  unter  den  dortigen  Lehrern  sehr  be- 
rühmte Namen  vorkommen  und  die  Besoldungen  denen  d^ 
reichsten  Universitäten  keineswegs  nachstehen  ^^'').  Unter  den 
italienischen  Hochschulen  wurde  neben  Padua  gerade  die  m 
Pavia  im  15.  Jh.  von  den  Deutschen  trotz  der  eigenen  Uniyer- 
sitäten  im  Lande  am  häufigsten  aufgesucht,  und  zwar  vorzüglich 
wegen  des  Civilrechts.  Aeneäs  Sylvius  hat  dies  in  einem  Schreiben 
an  den  österreichischen  Kanzler  Johann  Meier  angedeutet  Er 
meint,  wenn  D.  Marianus  Sozinus  nach  Wien  käme,  ^multi  re- 
manebunt  Wienne,  qui  nunc  Paduam  studii  causa  vel  Papiam 
pergunt' ""). 

Auch  die  Gründung  eines  GoUegiums  für  arme  Scholaren  liess 
nicht  lange  auf  sich  warten ;  es  wurde  mit  Bewilligung  Martins  V. 
hauptsächlich  aus  den  Renten  von  Klöstern  dotiert '^*^). 

Prag. 

Von  den  Hochschulen  Deutschlands  gehören  die  zwei  ältesten 
hieher,  nämlich  Prag  und  Wien. 

In  Prag  existierte  schon  im  13.  Jh.,  um  nicht  weiter  zurück- 
zugreifen, eine  Schule.  Als  im  J.  1248  Markgraf  Otakar  seinen 
Vater  König  Wenzel  bekämpfte  und  die  Burg  zu  Prag  besetzte, 
gieng  sie  zu  Grunde '*^^).    Sie  erhob  sich  wider  unter  Otakar  U., 


i*«i)  Ibid.  n.  10. 

1^)  Gesch.  des  Rom.  Bechts  III,  335. 

^^  Epp.  Aeo.  Sylvii  in  der  Eobergerschen  Ausgabe  1496.  Ep.  40. 
Omnis  bavaria,  suevia,  franconia  et  bohemia  ac  etiam  hungaria'  wttrde 
nach  Wien  kommen,  um  dort  die  Hechte  zu  stadieren. 

^^  Dies  gelangte  selbst  zu  den  Ohren  des  Thomas  Qascoigne  in 
England,  der  in  seinem  Dict.  theolog.  (Loci  e  libro  veritatam,  p.  4)  davon 
spricht. 

1465)  Studiam  Präge  periit  So  in  Annalium  Fragens,  pars  I  in  Mon. 
Germ.  88.  IX,  172.  Frühere  Forscher  haben  zn  viel  in  diesen  Worten  ge* 
sacht.  Unter  'stndinm'  ist  ein  gewöhnliches  Particularstadiam  za  ver* 
stehen. 


5.  Hochschulen  mit  päpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Prag.      583 

und  als  Eogelbert  von  Admont  1271 — 1274  an  derselben  stu- 
dierte waren  die  Magister  Ocko  und  Bohumil  seine  Lehrer  in  der 
Grammatik  und  Logik,  und  der  Scholasticus  Mag.  Gregor  las 
über  die  libri  naturales  des  Aristoteles^^'*).  Es  ist  aber  irrig 
diese  Schule  ein  Generalstudium  zu  nennen  ^*'0-  Wenn  der 
Annalist  sagt,  dass  der  im  J.  1271  verstorbene  Decan  der  Dom- 
kirche zu  Prag  nicht  bloss  ^scolaribus  Pragensi  ecclesie  deser- 
vientibus  subveniebat,  verum  etiam  in  generali  studio  existenti- 
bus  .  . .  providebat' ""),  so  heisst  dies  nicht,  dass  er  der  Schüler, 
welche  in  Prag  am  Generalstudium  studierten,  gedachte,  sondern 
dass  er  den  Schülern  aus  Prag  oder  Böhmen,  welche  an  irgend 
einem  Generalstudium  sich  aufhielten,  ein  Vermächtniss  hinter- 
liess.  Das  geschah  ja  sehr  häufig,  dass  man  die  Schüler,  welche 
eine  auswärtige  Hochschule  aufsuchten ,  subventionierte  *^'*). 
Der  Ausdruck  4n  studio  generali  existentes,  legentes,  studentes' 
ist  allgemein  zu  nehmen  und  bezieht  sich  nicht  auf  ein  be- 
stimmtes Generalstudium,  wie  sich  aus  vielen  Beispielen  ergibt'*^®). 

1M6)  Epistola  ad  mag.  Ulricum  schol.  Vienn.  in  Pez,  Thes.  Anecd. 
nov.  I,  1  p.  429.  Bis  in  die  jüngste  Zeit  wurde  behauptet,  auch  Volcmar 
Abt  XU  Fflrstenfeld  habe  in  jener  Zeit  zu  Prag  studiert,  gestutzt  auf  Oefele, 
Rer.  Boic.  SS.  II,  525.  Allein  bereits  im  vorigen  Jh.  hat  Lipowsky  in  (Ab- 
handlungen der  bair.  Acad.  X,  247  [1776])  nachgewiesen,  dass  die  Chronik 
De  gestis  principum,  woraus  Oefele  die  betreffende  Stelle  nahm,  nicht  Volc- 
mar zum  Verfasser  hat  S.  auch  Lorenz,  Deutschi.  Geschichtsquell.  (2.  Aufl.) 
I,  164.  Allerdings  war  der  Autor  der  Schrift  wie  Volcmar  ein  Baier,  und  zur 
Zeit  des  Todes  Otakars  (1278)  mit  anderen  scolares  pueriles  in  Prag  (s. 
Chronik  De  gestis  principum  bei  Oefele,  p.  532). 

1467)  Dudik,  Mährens  allgemeine  Geschichte  X,  431.  Palacky,  Gesch. 
von  Böhmen  II,  1.  S.  284  meint,  es  habe  beim  Prager  Domcapitel  'ein  so- 
genanntes kleines  Generalstudium  (Studium  generale  minus)*  bestanden. 
Diese  Bezeichnung  wurde  jedoch  in  jener  und  der  nächstfolgenden  Periode 
nie  gebraucht. 

1^  Ann.  Ottokar.  in  Mon.  Germ.  1.  c.  p.  188. 

i469j  Viel  Aehnlichkeit  im  Ausdrucke  mit  dem  eben  citierten  Docu- 
mente  besitzt  ein  Beschluss  der  Stadtobrigkeit  von  Lucca  aus  dem  J.  1372,  dem 
zufolge  dem  Scolaris  civis  und  comitativus,  *qui  studuerint  in  jure  canonico 
vel  civili  vel  in  medicina  in  studio  generali'  eine  Unterstützung  gewährt 
wurde.    S.  unten  unter  Lucca. 

i470j  So  erhielten  z.  B.  die  in  Fflnfkirchen  Studierenden  die  Privilegien 
der  4n  studio  generali  commorantes'.  Aehnlich  in  den  päpstlichen  Stift- 
briefen fOr  Valladolid,  Prag,  Wien  u.  s.  w.    Unzählbar  sind  die  päpstlichen 


584    in*  Entvidwliiig  der  HochsehideD  bis  warn  Bade  des  14.  Jhs. 

Die  Behauptung,  es  wären  schon  damals  in  Prag  die  Disdplineii 
aller  Tier  Facultäten  gelehrt  nnd  Ar  die  ganze  Christenheit 
gfiltige  Magister*  oder  Doctorgrade  ertheilt  worden,  wird  ebenso 
ohne  Beweis  vorgebracht,  wie  ihnliches  von  Köln  gesagt  wird'*"). 
Selbst  wenn  das  erstere  wahr  wäre,  so  bliebe  noch  der  zweite  Theil 
zu  beweisen.  Prag  besass  nur  ein  Particularstudium,  wie  Karl  IV.  in 
seiner  Bittschrift  an  Clemens  VL  deutlich  genug  sagt,  und  alle  Anstren- 
gungen ein  Generalstudium  zu  errichten,  blieben  bis  1347  erfolglos. 

Doch  gebe  ich  zu,  dass  das  Particularstudium  in  Prag  zur 
Zeit  Otakars  IL  nicht  unbedeutend  war.  Aus  Engelberts  von 
Admont  Bericht  ersehen  wir,  dass  dort  ^scolares  de  Austria  et 
Stiria'  sich  aufgehalten  haben '^^'),  worauf  man  jedoch  wider 
nicht  zu  viel  Nachdruck  legen  darf,  da  ja  Steiermark  und  Oester- 
reich  damals  unter  der  Herrschaft  des  Königs  von  Böhmen 
standen.  Ebenso  mögen  aus  dem  Nachbarlande  Baiem  etliche 
Schüler  in  Prag  gewesen  sein'^^').  Auch  aus  anderer  Quelle 
erfahren  wir,  dass  unter  Otakar  n.  viele  Studenten  in  Prag 
lebten,  und  dort  nicht  bloss  jene  von  Engelbert  bezeichneten 
Schulen  existierten,  sondern  dass  eine  solche  auch  bei  dem  Capitel 
auf  dem  Vysegrad  bestand,  wo  Heinrich  von  Isemia  Orammatik 
und  Notariatskunst  vortrug**'*). 

Indessen  auch  diesem  schön  begonnenen  Particularstudium 
drohte  im  J.  1274  der  Untergang,  als  Rudolf  von  Habsburg  zum 
römischen  König  gewählt  war  und  die  Feindseligkeiten  gegen  Otakar 
begonnen  hatten.  Die  aus  den  von  Rudolf  überzogenen  Ländern 
gebürtigen  Studenten  verliessen  Prag"").  Vollends  scheint  je- 
doch das  Studium  nicht  untergegangen  zu  sein.  Zur  Zeit  König  Wen- 
zels n.  war  im  Prager  Schlosse  mag.  Mathias  rector  scholarum  '*"). 


Schreiben,  mit  denen  Einzelne,  welche  am  'Studiom  generale'  sich  aufhalten, 
von  der  Residencpflicht  dispensiert  werden.  Der  Ort  wird  meist  nicht  an- 
gegeben, da  das  PriTileg  fflr  jede  beliebige  Universität  galt 

MH)  s.  oben  S.  SS8f. 

1*»:  Bei  Pe«,  1.  c.  p.  430. 

i«7S)  S.  oben  Anm.  1466. 

i«74)  s.  Dadik  1.  c.  S.  488.  Heinrichs  Formelbuch  hat  für  die  mih- 
rische  Geschichte  einige  Wichtigkeit.    8.  Dadik  VIII,  38. 

1475)  s.  Engelbert  1.  c. 

1476)  Dobner,  Mon.  hist.  fioemiae  VI,  34S.    Der  Autor  der  Chronik  De 


5.  Hochschulen  mit  p&patl.  a.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Prag.      585 

Ein  solcher  Magister  wird  auch  noch  im  14.  Jh.  am  Vysegrad  er- 
wähnt**"). König  Wenzel  II.,  der  den  Wissenschaften  günstig  war, 
und  sich  gern  mit  Gelehrten  unterhielt,  beschloss  im  J.  1294 
'generale  quarumlibetfacultatum  Studium  inPragensi  civitate  instau- 
rare'**").  Allein  dieser  Plan  scheiterte  wie  sein  anderer,  ein 
geschriebenes  Gesetzbuch  einzuführen  und  der  bisherigen  Will- 
kür ein  Ende  zu  machen,  an  dem  Widerstand  des  Adels,  der  in 
der  Verwirklichung  der  ersten  Idee  eine  zu  grosse  Vermehrung 
der  Macht  des  Clerus  besorgte^*'*),  beim  zweiten  Vorhaben  aber  für 
den  Gewinn  fürchtete,  den  er  aus  den  alten  Missbräuchen  zog, 
und  dessen  er  nun  voraussichtlich  durch  einen  Gesetzescodex 
beraubt  worden  wäre"'*).  Um  bei  Anfertigung  dieses  letzteren 
gut  beraten  zu  sein,  hatte  der  König  auf  Eingebung  des  Gardi- 
nais Matthäus  Orsini  schon  den  italienischen  Rechtslehrer  Gozzo 
von  Orvieto'*")  zu  sich  beschieden.  Die  Frucht  beider  Pläne 
war  jedoch  nur  die,  dass  Wenzel  einen  jungen  Mann  mit 
Namen  Konrad  nach  Orleans  auf  das  Studium  schickte,  damit  er 


gestis  princfpum  berichtet,  dass  er  und  andere  nach  dem  Tode  Otakars  als 
Scholaren  in  Prag  waren.    S.  oben  Anm.  1466. 

1^77)  Tomek,  Gesch.   der  Stadt  Prag  (1856)  I,  519.    Das  castrnm  Bra- 
gense  erwfthnt  auch  Engelbert  von  Admont  1.  c. 

U78)  Chron.  Aulae  reg.  ed.  Loserth  in  den  Fontes  rer.  austr.  SS.  VIII, 
130.  Es  heisst  nicht  'restaurare' ,  wie  Dudik  S.  436  Anm.  1  setzt,  sondern 
Hnstanrare*,  ein  Aasdrnck,  der  bei  diesem  Chronisten  die  primitive  Bedeu- 
tung von  'veranstalten',  'ins  Werk  setzen^  'gründen'  besitzt.  Deutlich  ergibt 
sich  dies  aus  c.  51  p.  129,  wo  gesagt  wird,  der  König  habe  beschlossen  'in 
regno  suo  scriptas  leges  instaurare',  was  hier  nichts  anderes  bedeutet,  als 
'einen  geschriebenen  Gesetzcodex  zu  veranstalten  oder  einzuführen,'  denn 
die  böhmischen  Gesetze  wurden  früher  nicht  aufgezeichnet.  Der  Chronist 
gebraucht  mit  'Studium  generale  instaurare'  gleichbedeutend  '.  . .  informare'. 

1*79)  Chron.  Aulae  reg.  p.  131. 

1480)  X)ie8  hebt  ausdrücklich  das  Chron.  Aulae  reg.  p.  130  hervor:  studue- 
runt,  ne  vid.  si  vigor  scripti  iuris  per  hunc  modum  invalesceret,  fructus,  quem  de 
abusivis  eorum  ad  inventionibus  hactenus  consueverunt  tollere,  ipsis  forsitan 
deperiret.    Spfttere  böhmische  Geschichtsschreiber  schwächten  die  SteUe  ab. 

^*^)  Mag.  Gotzius  de  Urbe  veteri,  utriusque  iuris  tarn  canonici  quam 
civilis  Professor.  Chron.  Aulae  reg.  p.  129.  Dudik  sagt  irrig:  von  Civita- 
vecchia« 


586      ni.   EntwickeluDg  der  Hochschulen  his  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

von    dort   unterrichtet   in    die   Heimath  zurückkehrte   und  ihm 
zur  Verwirklichung  seiner  Absichten  behilflich  sein  könne**"). 

Prag,  und  überhaupt  Deutschland,  erhielt  erst  um  die  Mitte 
des  14.  Jhs.  eine  Hochschule.  Im  J.  1346—1347  stellte  Karl  IV., 
damals  nur  König  von  Böhmen  und  der  Römer,  und  noch  nicht 
römischer  Kaiser,  dem  Papste  vor,  dass  in  hereditario  suo  regno 
Boemie  multisque  aliis  eidem  regno  finitimis  regionibus  atque 
terris  generale  Studium,  quod  in  Ulis  partibus  summe  foret  ex- 
pediens,  non  haberetur,  quodque  metropolica  Pragensis  civitas 
in  ipsius  regni  medio  sita  et  a  diversarum  partium  gentibus 
frequentata  ...  ad  huiusmodi  generale  Studium  erigendum,  cum 
particulare  dudum  in  ea  fuerit,  accomoda  multum  existeref '**'). 
Am  26.  Jänner  1347  entsprach  Clemens  VI.,  der  am  30.  April 
1344  das  Prager  Bisthum  zum  Erzbisthume  erhoben  hatte  ^***), 
dem  Wunsche  Karls  durch  die  Bestimmung,  dass  in  Prag  ^gene- 
rale Studium  vigeat  in  qualibet  licita  facultate\  Er  gestattet 
den  dort  Studierenden  alle  den  4n  generali  studio  commoran- 
tibus^  gewährten  Privilegien,  und  verordnet^  dass  die  Gandidaten 
dem  Erzbischofe,  der  die  Licenz  zu  ertheilen  habe,  praesentiert 
würden.  An  der  sofortigen  Ausführung  scheint  Karl  verhindert 
worden  zu  sein^^^*),  wenigstens  erliess  er  erst  am  7.  April  des 
nächsten  Jahres  auf  dem  von  ihm  einberufenen  Landtage  seinen 
eigenen  Stiftbrief.  Er  wurde  widerholt  als  'berühmt'  bezeichnet""), 

1489)  Chroo.  Aulae  reg.  1.  c. 

1^)  So  im  Stiftbriefe  Clemens  VI.  yom  26.  J&oner  1847.  Reg.  Vat 
Avenion.  tom.  33  Bl  309.  Mon.  hist  oniv.  Pragensis  II  (Pragae  1834X  219. 
Bun.  Rom.  ed.  Tanr.  lY,  496.  Aach  das  Ghron.  Aulae  reg.  p.  589  erw&hnt 
den  päpstl.  Stiftbrief. 

1^)  S.  Frind,  Die  Kirchengeschichte  Böhmens  II  (Prag  1866),  87  ff. 
Das  irrige  Datum  1343  findet  sich  dort  S.  415.  418. 

1^  Zwar  sagt  der  Chronist,  der  den  Namen  Benes  fUschlich  trftgt 
(bei  Dobner,  Moa  bist  Bohem.  IV,  23  ff.,  dazu  ?gl.  Potthast^Bibl.  bist  med, 
aeyi  p.  163),  bereits  1347  sei  der  Augustiner -Eremit  als  'primus  magister  in 
Behemia  s.  theologiae'  in  Prag  gewesen.  Es  mag  sein ;  aber  auf  diese  Quelle 
allein  darf  man  sich  nicht  verlassen. 

14S6)  Den  Anstoss  dazu  gab  Tomek,  Geschichte  der  Prager  UniTersitftt. 
Prag  1849  8.  4.  Dieses  Werk  beruht,  wie  ich  mich  flberaengt  habe,  auf 
Studium  der  Quellen ,  die  aber  leider  nirgends  citiert  werden.  Ich  will 
diesem  Mangel  für  die  hieher  gehörige  Partie  abhelfen.     Es  bleibt  eine 


5.   Hochschulen  mit  päpstl.  a.  landesherrl.  Stifthriefen.  Prag.     5g7 

und  Höfler "•^),  Friedjung'*")  sowie  Paulsen"*')  übersetzten 
ihn  theilweise ,  ohne  dass  es  ihnen  aufgefallen  wäre,  dass 
das  Diplom  ziemlich  ganz  aus  Stellen  der  Schreiben  Friedrichs  11. 
für  Neapel"'®)  und  vorzüglich  Konrads  für  Salerno"'*)  zusammen- 
gestoppelt ist,  eine  Kunst,  die,  wie  wir  oben  gesehen  haben, 
auch  die  Könige  von  Aragon  verstanden  haben.  Karls  Eigen- 
thum  in  seinem  Stiftbriefe  besteht  fast  nur  darin,  dass  er  den 
Studierenden  die  Privilegien  der  Doctoren  von  Paris  und  Bologna 
zuweist**'*). 

Trotzdem,  dass  Karls  Stiftbrief  ein  Conglomerat  aus  fremden 
Bruchstücken  ist,  so  erfahren  wir  aus  ihm  doch  ebenso  wie 
aus  einem  an  den  Papst  gerichteten  Biitschreiben  den  vom 
König  bei  Gründung  der  Prager  Hochschule  verfolgten  Zweck. 
DöUinger  meint,  es  sei  kein  allgemeiner  Drang  gewesen,  'kein 
aus  dem  Schosse  der  Nation  laut  gewordenes  Verlangen,  welches 
diesen  Erstling  deutscher  Hochschulen  ins  Leben  treten  Hess, 
sondern  bloss  der  zufällige  Umstand,  dass  Kaiser  Karl  selbst  in 
Paris  studiert  hatte  und  nun  in  der  Erinnerung  an  sein  Studenten- 
leben in  der  rue  de  fouarre  ein  Nachbild  der  dortigen  hohen 
Schule  in  seinem  Erblande  Böhmen  zu  besitzen  wünschte'""). 
Dies  sind  zum  grossen  Theile  Phrasen  ohne  wahren  Gehalt. 
Wann  und  wo  wurde  jemals  eine  Hochschule  durch  'allgemeinen' 


Schande,  dass  die  erste  Hochschale  Deutschlands  bis  jetzt  noch  keine  wissen- 
schaftliche Darstellung  gefunden  hat.  Tomeks  Deje  university  Prazsk^o  ist 
den  Wenigsten  verständlich. 

1487)  Magister  Johannes  Bus.  Prag  1864.  S.  97. 

i^^)  Kaiser  Karl  IV.  u.  sein  AntheU  am  geist.  Leben  seiner  Zeit  (1876) 
S.  12a 

i^d)  In  Sybels  Hist.  Zschr.  45  Bd.  S.  258  f. 

M»0)  Huül.-Br§h.  II,  450 f.  452. 

1491)  HuilL-Br^h.  II,  449.  447.  Gerade  die  von  den  genannten  drei 
Autoren  als  beachtenswerth  abersetzten  Stellen  sind  mit  andern  diesen 
Schreiben  entnommen. 

1^)  S.  den  Stiftbrief  in  Mon.  hist.  uniy.  Prag,  II,  223.  Die  Abdrücke  in 
Regesta  Imp.  YIII  ed.  Hnber  n.  655.  Karls  That  erwfthnen  unter  andern 
Chron.  Aulae  reg.  p.  600.  BeneS  de  Waitmuel  bei  Pelzel,  SS.  rer.  Bohem.  II, 
349.  Das  spfttere  Chron.  unir.  Prag,  in  H6flers  Geschichtsschreiber  der 
hussitischen  Bewegung  I,  13. 

1498)  Die  Universitäten  sonst  und  jetzt  S.  7. 


588     ni.  EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Drang,  durch  ein  ^aus  dem  Schosse  der  Nation  laut  gewordenes 
Verlangen'  ins  Leben  gerufen?  Weder  eine  Stadtobrigkeit,  noch 
der  Landesfürst  mit  seinen  Räthen  sind  die  Nation  oder  der 
Schoss  der  Nation.  Ungenau  ist  ferner  DöUingers  Bemerkung, 
dass  die  Hochschule  zu  Prag  nur  dem  zufälligen  Umstand,  dass 
Karl  in  der  Erinnerung  an  sein  Pariser  Studentenleben  ein 
Nachbild  der  dortigen  Universität  in  seinem  Lande  gewünscht 
habe,  ihr  Entstehen  verdankt.  Benes  de  Waitmuel  sagt  nämlich, 
Karl  habe  gewollt,  dass  das  ^Studium  Pragense  ad  modum  et 
consuetudinem  studii  Parisiensis,  in  quo  olim  ipse  rex  in  pueri- 
libus  constitutus  annis  studuerat,  in  omntbus  et  per  omnia  diri- 
geretur  et  regeretur' '*'0*  Allein  dies  heisst  nur,  Karl  hat 
die  von  ihm  gegründete  Hochschule  nach  dem  Muster  jener  zu 
Paris,  wo  er  einstens  Student  war,  organisiert.  Ueber  den  Zweck 
des  Königs  bei  Errichtung  der  Universität  spricht  sich  der  Autor 
nicht  aus.  Wohl  aber  deutet  ihn  uns  Karl  selbst  an,  wenn  er 
sagt,  er  beabsichtige  das  Königreich  zu  heben  und  den  ein- 
heimischen Wissbegierigen  die  Mühe  zu  ersparen,  auswärts  die 
Wissenschaft  suchen  zu  müssen.  In  ihrem  Lande  sollten  sie  in 
Zukunft  finden,  wodurch  ihr  Wissensdurst  befriedigt  würde.  Es 
ist  derselbe  Zweck,  den  damals  mehr  oder  weniger  die  Lan- 
desherren oder  die  Stadtobrigkeiten  in  allen  Ländern  bei  Gründang 
von  Generalstudien  verfolgt  hatten'*").  Als  Modell  für  die  zu 
stiftende  Lehranstalt  nahm  Karl  allerdings  die  Pariser  Hoch- 
schule. Ob  deshalb,  weil  er  selbst  einmal  in  Paris  studiert 
hatte,  oder  aus  einem  anderen  Grunde,  ist  gleichgültig.  Wie  wir 
unten  im  ersten  Paragraph  des  fünften  Hauptabschnittes  sehen 


i«94)  Bei  Pelxel  1.  c.  p.  350. 

1495)  Aschbach,  Gesch.  der  Wiener  Universit&t  S.  9,  hat  eine  noch 
schiefere  Ansicht  Aber  den  Zweck  bei  Grflndung  der  Prager  Universit&t. 
Karl  habe  durch  dieselbe  verhindern  woUen,  dass  die  in  Paris  herrschende 
Doctrin  für  alle  abendländischen  Ländern  massgebend  werde;  der  Papst  aber 
sei  dem  Vorhaben  nicht  entgegen  gewesen,  weil  es  in  seinem  Interesse  lag 
der  dominierenden  Autorit&t  der  Pariser  Uniyersitit  dnrch  Stiftungen  von 
neuen  Hochschulen  bei  Zeiten  ein  Gegengewicht  aufzustellen!  Als  Coriosum 
sei  dies  erw&hnt,  halte  aber  bexflglich  des  2.  Theiles  der  Behauptung  die 
Bemerkung  nicht  fOr  überflflssig,  dass  Aschbach  das  15.  Jh.  mit  dem  14. 
verwechselt 


5.  Hochschalen  mit  p&pstl.  a.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Prag.      589 

werden,  verdankten  ja  fast  alle  Universitäten  nur  den  beiden  zu 
Paris  oder  Bologna  ihr  Entstehen. 

Der  Papst  gestattete  das  Studium  in  quavis  licita  facultate, 
ohne  die  Facultäten  einzeln  aufzuzählen,  was  auch  Karl  in 
seinem  Stiftbriefe  nicht  thut.  Wir  wissen  aber  aus  anderen 
Quellen,  dass  bereits  vom  Beginne  an  die  Theologie,  das  Jus 
canonicum,  die  Medicin  und  die  artes  liberales,  und  zwar  nur 
diese  Facultäten,  ihre  Vertretung  gefunden  haben.  Das  Civil- 
recht  wurde  in  der  ersten  Periode  nicht  gelehrt"'®).  Das  Chron. 
Aulae  regiae  berichtet,  der  König  habe  ^de  variis  studiis  aliarum 
terrarum  magistros  et  doctores'  berufen.  Fünf  magistri  theo- 
logiae  hätten  gelesen;  einer  von  ihnen  an  der  Gathedrale,  der 
zugleich  auch  predigte,  die  andern  vier  in  den  verschiedenen 
Klöstern,  und,  setzt  der  Chronist  hinzu,  ^huiuscemodi  acta  salu- 
berrima  in  hac  terra  Boemiae  numquam  visa  nee  audita  fiierunt'. 
Das  Jus  canonicum  lasen  ein  ^doctor  decretorum  de  Bononia 
vocatus',  und  Mag.  Stephan,  der  Kanzler  des  Erzbischofs  Amest, 
letzterer  an  der  Gathedrale.  Der  ^Magister  Balthasar  de 
Tuscia"'')  legit  libros  artis  medicinae,  alii  vero  magistri  in 
scolis  suis  artes  legerunt  liberales'  "'*).  Aehnlich  schreibt  Benes 
de  Waitmuel""),  doch  ohne  bestimmte  Personen  zu  nennen. 
Wohl  um  dieselbe  Zeit  übergab  Karl  mittels  eines  Schreibens, 
in  dem  er  das  Generalstudium  als  ^de  gratia  summi  pontificis 


1496)  Selbst  nach  1378  war  dies  einige  Zeit  hindurch  die  Regel;  nur 
vereinzelt  kommen  aach  Legisten  vor. 

1497)  Palacky  nennt  ihn  1.  c.  II,  2  S.  301  Balthasar  von  Taus.  Tomek 
8.  5  schrieb  es  nach.  Soll  denn  die  Stadt  Taus  in  Böhmen,  durch  den  dort 
1318  geschlossenen  Vertrag  bekannt,  lat.  Tascia  geheissen  haben? 

1498)  Chron.  Aulae  reg.  p.  600. 

1^99)  Bei  Pelzel  1.  c.  p.  850.  Vom  Erzbischofe  Amest  sagt  der  Chro- 
nist (1.  c.  p.  381),  er  habe  *lectorem  in  theologia  suis  pecuniis'  an  der  Pra- 
ger Gathedrale  angestellt,  'pro  quo  emit  certos  redditus  in  villa  Zlatnik 
prope  Pragam,  ut  canonici  et  alii  derlei  ecclesie  pabulo  sacramm  scriptura- 
nun  non  careant'  Dies  ist  wohl  derselbe  'magister  theologie',  von  dem 
das  Chron.  Aulae  reg.,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  spricht,  und  der  an 
der  Cathedrale  gelehrt  und  gepredigt  hat.  Nur  geschah  die  Dotation  auf 
das  Gut  Zlatnik  erst  in  sp&tem  Jahren,  während  1349  der  Erzbischof 
dem  Magister  Einkünfte  auf  seinen  Patrimonialbesitsungen  in  Hi^min  und 
Wazitz  anwies.    Tomek  S.  5. 


590    I^I*   Eatwickelang  der  Hochschalen  bis  Eum  Ende  des  14.  Jbs. 

ad  nostre  supplicationis  instantiam  stabilitum'  bezeichnet,  dem 
Mag.  Walther,  ^artium  liberal,  professor',  Baccalareus  derselben  und 
Physicus  war,  das  regimen  scolarium  an  der  Theiner  Pfarrkirche, 
wo  er  Medicin  und  die  artes  vortragen  und  Promotionen  vor- 
nehmen dürfe  ^^^^).  So  musste  die  Hochschule  alsbald  in  Aufiiahme 
kommen,  und  Paulsens  Behauptung,  dies  sei  erst  seit  c.  1366—1367 
geschehen ''^®^),  entbehrt  aller  Grundlage.  Im  Gegentheile  kann 
man  die  Entwickelung  von  1348  bis  1366  sogar  bequem  ver- 
folgen, und  ich  will  dies  hier  theil weise  zum  ersten  Male  thun. 

Das  Ghron.  Aulae  reg.,  das  in  der  letzten  hieher  gehörigen 
Partie  1353  geschrieben  wurde,  sagt:  ceterum  more  generalium 
Studiorum  singulis  annis  electus  fiiit  rector  universitatis  et  soUem- 
pniter  in  ecclesia  Pragensi  approbatus^^^').  Dadurch  wird  klar, 
dass  das  Studium  wenigstens  bis  1353  im  Gange  war.  Für  die 
nächstfolgenden  Jahre  fand  ich  hauptsächlich  Notizen  im  Y at  Archiv, 
durch  die  zugleich  neues  Licht  auf  die  in  Prag  angestellten  Pro- 
fessoren geworfen  wird,  und  die  bisherigen  Forschungen  über 
dieselben  wesentlich  ergänzt  werden. 

Bereits  im  J.  1 349  wandte  sich  Karl  ^Romanorum  et  Boemie 
rex'  an  Clemens  VI.  mit  der  Bitte,  dass  Albertus  Bludovis  Ord. 
fr.  min.  lector  in  Praga,  ^qui  extra  regnum  Boemie  in 
diversis  generalibus  studiis  multo  tempore  et  demum  in  stu- 
dio Parisien,  duobus  annis  sacre  pagine  laudabiliter  insu- 
davit  et  postremo  in  diversis  conventibus  regni  Boemie  et  speci- 
aliter  in  conventu  suo  Pragensi  eandem  paginam  legit  in  dispu- 
tationibus  et  sermonibus  continue  laborando',  zum  Magisterium 
promoviert  und  unter  die  päpstlichen  Kapläne  aufgenommen  werden 
möchte,  was  auch  Clemens  VL  am  13.  Juni  genannten  Jahres 
bewilligte*"').    Hier  haben  wir  also  einen  Theologen,  der  vom 

löooj  Document  bei  Mencken,  SS.  rer.  germ.  III,  2018. 

iMi)  sybels  Bist.  Zflchr.  L  c.  8.  260. 

iw»)  Chron.  1.  c. 

1^)  Reg.  Sappl.  Clem.  VI.  an.  8  p.  2  Bl.  26a.  Die  Bewilligung  der 
ersten  Bitte  lautet:  Examinetur  per  archiepiscopum  Bayentacen.  et  d  nt 
suflficiens  licenciatur  per  eandem.  Dieser  Albert  darf  nicht  Tenrechaelt 
werden  mit  Albertos  de  Boemia  de  Praga,  familiaris  clericos  serenisaimi 
principis  et  dom.  dom.  Karoli  Bomanomm  regia  semper  AngusU  et  Boemie 
regia  (Reg.   nat.  anglicanae  au  Paris,   III,   Bl.  12  b  u.  0.),  der  1345  in  Paria 


5.  Hochschulen  mit  pftpstl.  a.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Prag.      591 

Anfange  an  in  Prag  Theologie  vortrug,  und  ^ir  ersehen  daraus, 
dass  das  Ghron.  Aulae  reg.  es  mit  dem  Ausdruck  ^magistri 
theologie'  nicht  genau  nahm.  Als  das  Studium  eröffnet  wurde, 
war  Albert  noch  Lector. 

Vom  12.  Juni  1359  hat  sich  ein  Doctordiplom  erhalten. 
Erzbischof  Arnest  bezeugt  als  ^universitatis  studentium  studii 
Pragensis  cancellarius',  dass  Henricus  Joannes  dictus  Strubonius 
de  Libicz  durch  ^ss.  Theologiae  professores  et  magistros  in 
artium  liberalium  facultate  peritos^  nach  vorhergegangenem  Examen 
^decore  magisterii  septem  artium  liberalium'  würdig  befunden  und 
darauf  in  aula  archiepiscopali  ^solemniter  magisterii  huiusmodi 
honore  per  consueta  insignia  cum  debitis  solemnitatibus  in  tali- 
bus  observari  consuetis'  decoriert  worden  sei.  Der  Erzbischof 
gibt  nun  'plenam  ac  liberam  facultatem  in  cathedra  magistrali 
liberalium  artium  in  studio  Pragensi  et  alias  ubique  locorum 
legendi  et  quoslibet  actus  faciendi  et  exercendi  magistrales' ^ '^0. 
Dieses  Doctordiplom  hat  um  so  mehr  Werth,  als  von  den  deutschen 
Universitäten  meines  Wissens  kein  älteres  existiert,  obwohl  es 
nicht  undeutlich  darauf  hinweist,  dass  in  Prag  schon  früher  Pro- 
motionen üblich  waren. 

Das  wichtigste  Document  für  die  Zwischenzeit  von  1348  — 1366 
ist  eine  Supplik,  welche  Karl  IV.  bereits  als  Boman.  Imperator 
semper  augustus  im  J.  1355  an  Innocenz  VI.  sandte,  ^quatenus 
sibi  in  personas  dilectorum  suorum  doctorum,  magistrorum,  ba- 
callariorum  sue  universitatis  Pragensis  et  aliorum  infrascriptorum' 
besondere  Gunst  erwiesen  werde"®').    Ich  führe  die  vom  Kaiser 

in  artibos  determinierte  (ib.  II,  Bl.  50b.  54a),  das  Jahr  darauf  das  Licen- 
tiat  erhielt  nnd  lange  Zeit  darnach  in  Paris  als  magister  acta  regens  in 
artibus  thfttig  war. 

iMij  Bei  Berghaaer,  Protomartyr  poenitentiae  cjasque  sigilli  castos  . . . 
Jean,  Nepom.  (Aug.  Vindel.  1736)  69.  Frind,  Kirchengesch.  Böhmens  II, 
434.  Das  Document  ist  aasgefertigt  'sab  nugori  sigillo.  D.  Pragae  a.  D.  1359 
die  12.  Jonii'. 

^^)  Die  Sapplik  steht  in  Reg.  Snppl.  dem.  VI.  an.  11  Bl.  15  b 
(zweiter  Theil)  unter  vielen  andern  Suppliken  und  Rotuli  Karls,  des  Erzbischofs 
Amest  und  anderer,  die  besonders  fflr  die  Adelsnamen  höchst  wichtig  sind. 
Unter  den  Rotali  be&iden  nch  auch  solche,  die  viele  Graduierte  und  Scho- 
laren Deutschlands,  ^unc  in  Rom.  curia  existentes'  aufzfthlen,  von  denen  aber 
leider  nur  ausnahmsweise  angegeben  wird,   wo  sie   studiert  haben.    Alle 


592    ni«  Entwickelang  der  Hoehschnlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

fiberschickte  Liste  hier  an  wie  sie  in  der  Supplik  steht,  und 
gebe  in  den  Anmerkungen  Nachweise  aus  der  späteren  Zeit,  so 
weit  sie  mir  möglich  sind. 

Primo  quatenus  Ludovico  d.  s.  Laurentio  de  Padua  decre- 
torum  doctori  actu  in  studio  Prägen.  ^^®*)  etc.  Item  quatenus 
dil.  sibi"®')  Ottoni  de  Werdere  de  utroque  militari  genere  pro- 
creato  mag.  in  artibus,  in  s.  theologia  (studenti)  etc.^^^').  Her- 
manno  de  Winterswig  mag.  in  artibus,  in  s.  theologia  stu- 
denti etc."®').  Johanni  de  Parim  dicto  Wittepenningh,  in  artibus 
et  medicinis  licentiato  in  unversitate  etc."'®).  Heinrico  Johannis 
de  Lobschitz  mag.  in  artibus  in  universitate  Prägen,  actu  (le- 
genti)  etc."").  Heinrico  Totting  de  Oytha  mag.  in  artibus, 
studenti  in  s.  theologia  in  universitate  etc."").     Frederico  de 

diese  Listen  sind  sehr  gekürzt  durch  'etc'.  Obige  Supplik  wnrde  20.  Joni  1355 
bewilligt. 

1&06)  Ol)  dieser  nicht  derselbe  ist,  den  das  Ghron.  Aalae  reg.  als  doctor 
decretorum  de  Bononia  bezeichnet?  Mir  scheint  auch,  dass  ihm  das  Schrei- 
ben galt,  das  nnyolistftndig  in  Hoffmanns  Sammlang  ongedmckter  Urkunden 
II  (1786),  16,  publiciert  ist,  und  das  Karl  an  einen  Ganonisten,  der  froher  in 
Bologna  'nunc  autem  Paduam  irradians',  gerichtet  hatte. 

1507^  So  beginnen  alle  Späteren,  und  ich  lasse  deshalb  in  der  Folge 
diese  Worte  aus. 

1608)  Er  ist  eins  mit  dem  mag.  Otto,  der  im  J.  1367  zu  Prag  lebte. 
S.  Registram  ord.  graduatorum  in  artibus  vom  J.  .1367  ab  in  Mon.  bist 
univ.  Prag.  I,  1  p.  134.  Er  kommt  auch  im  Botulus  ?om  J.  1363  (Reg. 
SuppL  Urbani  V.  an.  1  p.  2  Bl.  1)  und  1366  (Beg.  Suppl.  Urb.  V.  tom.  onic. 
Bl.  264  a)  Yor,  und  zwar  1366  zugleich  als  Baccalareus  in  theologia.  (DiOcese 
Merseburg.) 

1609)  Er  wird  1367  mit  mag.  Otto  genannt  Mon.  1.  c.  1376  promovierte 
er  in  der  Theol.  ibid.  p.  170.  Er  wird  im  Bot.  vom  J.  1362  (Beg.  1.  c.  Ib) 
und  1366  (Reg.  1.  c.  Bl.  164  a)  sowie  hier  auch  als  bacaUarios  in  theologia 
aufgeführt.   (DiOcese  Breslau.) 

1610)  Im  j.  i3e2  wird  er  ebenfals  erwähnt  (Reg.  Suppl.  an.  1  BL  Ib) 
und  1366  wird  er  bacall.  in  theologia  und  mag.  in  artibus  genannt  Beg. 
suppl.  Bl.  264  b.    (DiOcese  Gamin.) 

1611)  Ein  Johannes  de  Lobeschicz  erscheint  1393  als  Baccalareus  Tor. 
Mon.  1.  c.  p.  286. 

^&^)  8.  oben  S.  406  f.  und  Anm.  789.  Die  bisherigen  Angaben  Ober 
ihn  bei  Aschbach,  Gesch.  der  Wiener  Univ.  1, 402  f.  Budinszky,  Die  üniTors. 
Paris  S.  134,  Schulte  II,  434,  sind  meist  falsch.  Heinrich  Totting 
(auch  Tolting)  de  Oytha,  war,  ehe  er  nach  Prag  gieng,  in  Erfurt,  von  wo  er 


5.   Hocbschnlen  mit  pftpstl.  n.  landeskerrl.  Stiftbriefen.    Prag.      593 

Hetstede  de  militari  progenito,  bacallario  in  decretis  etc.'"'). 
Johanni  filio  Amoldi  de  Momkedam  bacallar.  in  artibus  actu 
legen ti  etc.  Heinrico  dicto  Ysenman  de  Gelwilre  (Gebwilre?) 
bacall.  in  artibus  in  univers.  Prag.  etc.  Mattheo  notario  de 
GracoYia  bacall.  in  artibus  in  univers.  Prägen,  etc.'"^).  Johanni 
Westuali  bacall.  in  artibus  in  univers.  Prägen,  actu  legenti  etc.^"^. 
Michaeli  Legenitz  de  Gubbin  bacall.  in  artibus  in  univers. 
Prag.  etc.'*'*).  Heinrico  Swetzkow  bacall  in  artibus  in  univers. 
Prag,  actu  legenti  etc.    Dythero  de  Wydan  de  militaribus  pro- 

Yor  1355,  aber  keineswegs  als  tbeologiae  magister,  nach  Prag  kam.  In 
Prag  studierte  er  als  magister  artiam  zugleich  Theologie,  und  war  1362  Cur- 
sor derselben.  Diesen  Grad  bekleidete  er  noch  1366  (Reg.  8nppl.  ürbani  Y. 
an.  4.  tom.  unic.  Bl.  264  a).  1370  hatte  er  noch  nicht  in  der  Theologie 
promoviert  (s.  Mon.  L  c.  p.  133  ff.  142).  November  1377  weilte  er  zu  Paris, 
wie  aus  Reg.  nat.  angl.  Y,  Bl  9  a  hervorgeht  Bei  dieser  Gelegenheit  er- 
fahren wir,  dass  er  nicht  Pariser  Magister  war.  In  einer  Yersammlung  bat 
nftmlich  mag.  Gerardus  de  Pelikem  die  Nation,  'quatenus  natio  admitteret 
magistros  Henricum  de  euta  et  Jacobum  de  krakovia,  quia  essent  magistr 
alibi  et  non  Parisius,  ad  festnm  et  similiter  cum  aliis  magistris'.  Heinrich 
wurde  also  anderswo  als  zu  Paris  magister  in  artibus.  Dass  dies  in  Prag 
geschah  (und  zwar  vor  1355),  dahin  deutet  der  Titel  'magister  in  Praga' 
(am  22.  April  1378  bat  'magister  H.  de  euta  magister  in  Praga'  die  Nation 
in  Paris,  'quatenns  natio  vellet  ordinäre  aliquos  'qui  adirent  facultatem  theo- 
logie  et  snpplicarent  facultati,  ut  ipsa  supplicaret  in  universitate  pro  eo,  nt 
posset  poni  ad  rotulum  sine  tamen  preindicio  cuiuscnnque  magistri  Parisiensis 
Cuius  supplicatio  fuit  concessa'.  (Reg.  nat.  anglicanae  in  Paris  Y,  12b).  Auch 
am  5.  J&nner  des  Jahres  1378  wird  er  als  in  Paris  anwesend  erwähnt.  Ibid. 
BL  9  b.  Hier  heisst  er  H.  de  Oyta.  In  Paris  treffen  wir  ihn  dann  im  Au- 
gust 1380.  Er  bittet  die  Natio  anglicana  'pro  litteris  supplieatoriis  ad  epis- 
eopum,  prepositnm,  decanum  et  capitulnm  civitatis  Osnabmgensis  (s.  oben 
S.  406),  nt  sibi  distribuerent  in  dicns  (?)  probende  sue  sicut  et  aliis  canoni- 
eis  et  secundum  quod  debent  etc.  (Reg.  nat  anglic  Y,  Bl.  27  a).  Nachher 
ist  er  an  der  Hochschule  zu  Wien.  Die  Notiz  bei  Thomas  de  Haselbach 
(Chron.  aust.  bei  Pez,  83.  rer.  aust.  II,  812),  die  Hartwig,  Leben  und  Schrif- 
ten Heinrichs  v.  Langenstein  S.  65,  'durchaus  unwahrscheinlich'  findet,  ist 
also  richtig. 

i5i3j  Er  var  noch  1366  bacall.  in  decretis.  Reg.  Suppl.  L  c.  Bl.  264b. 
(Diöcese  Mainz). 

i&i«)  Er  erhielt  1367  das  Magisterium.  Mon.  p.  135. 

1515)  Er  erscheint  1366  schon  als  mag.  in  artibus.  Reg.  Suppl.  BL  264b, 
wird  aber  1368  als  determinierend  genannt.  Mon.  p.  138.  (Diöcese  Schwerin). 

1516)  gr  wurde  1370  promoviert.    Mon.  p.  145. 

Deaifle,  Die  UaiTnaiUtoa  L  3g 


594    ni.  EntwicMoog  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

creato  bacall.  in  art  in  univers.  ctc.'^O*  Theodorico  Hombergh 
de  Cassele  bacall.  in  art.  in  univers.  Prägen.  etcJ"').  Wilbemo 
de  Stadis  bacall.  in  artibus  in  univers.  Prag,  actu  legenti  etc.'^''). 
Henrico  Woleri,  bacall.  in  art.  in  univers.  Prag,  actu  legenti  etc."'"). 
Petro  Henrici  de  Luna  der.  Prag.  dioc.  bacall  in  artibus  in 
univ.  etc."'').  Johanni  de  Leone  iuniori  bacall.  in  artibus  in 
univers.  Prag,  actu  (legenti)  etc.'"*).  Tbome  Pauli  de  Ungaria 
can.  eccles.  Transilvanie  non  prebendato  bacall.  in  artibus  etc."*'). 
Nicholao  Taler  de  militaribus  progenito  bacall.  in  art.  in  univ.  etc. 
Gerharde  Berenhagen  bacall.  in  artibus  in  univ.  Prag."'*).  Hen- 
rico Bischoff  de  Homberg  bacall.  in  art.  in  univ.  Prag."'').  Jacobe 
Crutzebiter  bacall.  in  art.  in  univ.  Prag,  actu  (legenti)  etc. 
Nicholao  de  Pranestorp  bacall.  in  art.  in  univ.  Prag,  actu 
legenti  etc.  Theoderico  de  Hadeleria  bacall.  in  art.  clerico 
Bremen,  dioc.  de  beneficio  etc.  Nicholao  Petri  de  Missen  clerico 
in  iure  canonico  studii  Prägen,  actu  studenti  etc.  Nicoiao  Magni 
studen.  in  artibus  studii  Prägen,  de  canonicatu  sub  expecta- 
tione  etc."'^).  Theodorico  Lenoldi  de  Luneborg  in  iure  can. 
studenti  de  dignitate  vacante  etc.  Reynardo  de  Werdere  de 
utroque  militari  genere  procreato,  presbytero,  perito  (in  artibus?). 
Stephane  Stephani  perito  in  artibus  ac  studenti  in  medicinis, 
canonico  (de)  minori  prebenda  etc.   Johanni  dicto  Bredenbecker 


1^17)  In  den  Mon.  p.  18  heisst  er  Dythems  de  Wydera.  Er  war  1S68 
bereits  magister,  ibid.  p.  136. 

iMSj  Im  j.  137  X  ^ird  ein  Thedericos  de  Honborg  examiniert.  Mon.  p.  148. 

1519)  Im  J.  1366  treffen  wir  ihn  schon  als  mag.  in  artibus.  Reg.  Snppl. 
BL  264  b.,  und  er  kommt  dann  sp&ter  als  solcher  in  Prag  vor.  Mon.  p.  133. 
135  ff  n.  8.  w.  (DiOcese  Bremen). 

1^)  BereiU  1368  wird  er  als  Decan  anfgeführt  (Mon.  p.  18.  37). 

1&31)  1374  war  er  magister.  Mon.  p.  163. 

1^)  Im  J.  1365  war  er  licentiatus  in  artibus.  Beg.  Suppl.  Bl.  164  b. 
(DiOcese  Warzbnrg.) 

i523j  1371  erscheint  er  als  baccalareus,  der  zum  Examen  zugelassen 
wurde.    Mon.  p.  147. 

i&^)  Er  erhielt  1367  das  Magisterium.   Mon.  p.  134. 

iö85j  Sr  ist  wohl  nicht  mit  jenem  Henricus  de  Homberg  identisch,  der 
1881  zum  Examen  zugelassen  wurde.    Mon.  p.  196. 

i&M)  In  den  Mon,  kommen  zwei  Nicolai  Magni  vor  (s.  B.  p.  198.  201); 
allein  ob  sie  mit  obigem  identisch  sind? 


'  5.  Hoehsehnlen  mit  p&p  tl.  n.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Prag.      595 

clerico  Padebumen.  dioc.  de  canonicatu  sab  expectatione  etc. 
Petro  Czadelmanni  de  Tocbebus,  bacall.  in  artibus  acta  legenti 
et  determinanti  etc. 

Daraus  folgt,  dass  bis  zum  Jahre  1355  an  der  Universität 
Prag  Theologie,  Jus  canonicum,  Medicin  und  die  Artes  gelehrt 
wurden.  Ein  Vergleich  mit  den  beiden  in  den  Jahren  1362  und 
1366  von  Karl  überschickten  Rotuli  ergibt  nicht  bloss  die  That- 
sache,  dass  das  Studium  auch  in  Zukunft  noch  in  derselben 
Weise  fortgedauert  hat,  sondern  dass  seit  dem  Beginne  zugleich 
promoviert  worden  ist,  denn  manche  derjenigen,  die  im  Rotulus 
vom  J.  1355  noch  als  studentes  in  irgend  einer  Wissenschaft 
aufgezählt  werden,  erscheinen  in  den  nächstfolgenden  Rotuli 
schon  als  baccalarei,  licentiati  oder  magistri'*"). 

Im  J.  1362  sandte  nämlich  Karl  IV.  wider  eine  Supplik  an 
den  Papst  (ürban  V.)  für  (6)  'magistri  artium  liberalium  facul- 
tatum  in  universitate  Pragensi  filia  vestra  humillima,  nostra 
plantatione  novella,  actu  regentes'.  Ausser  den  drei  (Hermann 
de  Winterswich,  Otto  und  Johann  de  Parym)  bereits  angeführten, 
werden  aufgezählt:  Martinus  filius  strenui  militis  Jesconis  de 
Wesselicz,  mag.  in  artibus  Parisien,,  in  sacra  theologia  studens, 
der.  Prag,  dioc;  Witboldus  Stutte,  der.  Osnaburgen.  dioc.  mag. 
in  art.**");  Hinricus  Bronekowe,  mag.  in  art.,  der.  Caminen.  "'•). 
In  dem  von  Karl  IV.  1366  an  denselben  Papst  eingesendeten 
Rotulus  'Pro  studio  Pragensi',  in  welchem  er  für  12  *magistris  et 
graduatis,  qui  in  humili  universitate  studii  Prägen,  actu  legunt 
et  laborant  et  a  multis  temporibus  laboraverunt*,  um  Gnaden 
bittet,  werden  ausser  den  9,  die  ich  bereits  in  den  Anmerkungen 
nachgewiesen  habe,  noch  folgende  erwähnt:   Henricus  de  Etwat 


i^37j  Xq  den  vorhergehenden  Anmerkungen  habe  ich  bereits  darauf 
Racksicht  genommen,  und  einen  Vergleich  zwischen  den  verschiedenen  Bo- 
tuti  angesteHt,  und  es  ist  nicht  nothwendig  oben  die  betreffenden  Studieren- 
den noch  einmal  zu  nennen. 

»»«J  Im  Rotnlus  vom  J.  1366  (Reg.  Suppl.  Urb.  V.  tom.  unicus  Bl.  264  b) 
heisst  er  Wigboldus  dictus  Stuete,  Osnab.  dioc.  mag.  in  artibus  et  bacaU.  in 
medicina.    Er  steht  auch  in  Mon.  p.  185  ff.  als  Wyboldns. 

'M»)  Die  Supplik  wurde  am  28.  Dec.  1362  bewilligt.  Reg.  Suppl.  ürbani  V. 
an.  1.  p.  2  Bl.  1. 

88* 


596    ni.   Entwickelang  der  Hochschulen  bis  sum  Ende  des  14.  Jhe.* 

de  Primislavia  GamineD.  dioc.  rector  universitatis  Prägen.  Scolaris 
in  iure  can/'^^^).  Petrus  de  Kothebuz,  mag.  in  artibus,  Misnen. 
dioc.^*").  Bertoldus  Fabri  de  Frankinfort  der.  Lubicen.  dioc. 
bacall.  in  artibus,  Scolaris  in  iure  can.'"').  Der  ans  bisher  als 
der  erste  Decan  und  Yicerector  studii  universitatis  Prag,  im 
J.  1367  erhalten  ist,  Henricus  de  Nanexen  (Embeck)""),  war 
schon  1355  magister  in  artibus  und  antiquus  Scolaris  in 
theologia^'^^0,  im  J.  1356  ist  er  Procurator  der  natio  anglicana 
zu  Paris  ^^''^X  und  erscheint  im  J.  1362  dort  zum  letzten  Male 
in  dem  von  Paris  eingesendeten  Botulus^^"^).  Er  kam  also 
zwischen  1362  und  1367  nach  Prag. 

Aus  diesen  Hinweisen  ergibt  sich,  dass  die  Hochschule  zu 
Prag  nicht  bloss  gleich  vom  Beginne  an  in  Aufnahme  karo'^*Oi 
sondern  dass  sie  sich  schon  damals  einer  ziemlichen  Blüthe 
erfreut  hat.  Gehen  also  gleichwohl  die  auf  uns  gekommenen  Univer- 
sitätsacten  nicht  weiter  als  bis  zum  J.  1367,  in  Bezug  auf  das 
Jus   can.  gar  nur  bis  1372  zurück,   so  ist  es  nunmehr  nichts 


1630)  Er  kommt  auch  Reg.  Suppl.  Urb.  V.  an.  4.  p.  l  Bl.  175  a  vor. 
iMi)  8.  zum  J.  1382  Mon.  p.  205. 

^^)  Die  Supplik  wurde  25.  Juli  1366  gewährt.  Reg.  Snppl.  ürbani  V. 
tom.  uuicuB  Bl.  264. 

IMS)  s.  Mon.  p.  18.  133. 

1534)  In  dem  bereits  oben  citierten  Rotulus  'in  diversis  scientiis  in- 
titnlatorum  Alemanie,  Tentonie  necnon  Germanie  nationnm  nunc  in  Rom. 
curia  degentium',  den  Karl  lY.  an  Innocens  VI.  schickte.  Reg  Suppl.  Clem. 
VI,  an.  11.  Bl.  6  a.  AUein,  wie  ich  schon  bemerkte,  wird  in  demselben  nie 
ausser  ausnahmsweise  angegeben,  wo  die  Betreffenden  die  Studien  gemacht, 
oder  gelehrt  haben,  und  darum  liegt  dieser  sonst  interessante  Rotulos  ausser- 
halb unseres  Zweckes.  Nach  dem  Reg.  nationis  anglicanae  HI,  Bl.  30  de- 
terminierte er,  licentiatus  est  und  incepit  das  Jahr  darauf  Märt  und 
April. 

1535)  i^g,  nationis  anglicanae  zu  Paris  III,  Bl.  33  a. 

1636)  iteg  Suppl  Urbani  V.  an.  1  p.  1  Bl.  161b.  Die  Bitte  beaog  sich 
anf  ein  Ganonicat  und  eine  Praebende  an  Unserer  Frau  au  Erfurt. 

1637)  Karl  IV.  nennt  im  J.  1358  auch  einen  Reinbotus,  artium  libera- 
lium  et  facultatis  medicinalis  magister  et  doctor  medicus,  famUiaris  et  com- 
mensalis  carissimus  (Reg.  Suppl.  Innoc.  VI.  an.  5.  p.  1  Bl.  296  b.),  und  ähn- 
lich das  Jahr  darauf  (an.  6  Bl.  111,  wo  Rembotus  steht).  AUcin  man  erfährt 
nicht,  ob  er  in  Prag  Vorlesungen  hielt.    Es  scheint  jedoch. 


5.  Hochschulen  mit  päpsU.  u.  landesherrl.  SUftbriefen.    Prag.      597 

destoweniger  sicher,  dass  man  sich  früher  an  der  Hochschule  ebenso 
um  die  verschiedenen  Grade  bewerben  konnte,  wie  in  späterer  Zeit. 
Reichte  doch  auch  in  Köln  das  Decanatsbuch  der  artistischen 
Facultät  nicht  weiter  hinauf,  als  in  das  Jahr  1405—1406,  mithin 
in  das  18.  Jahr  nach  Gründung  der  Universität"");  und  trotz- 
dem bedarf  es  keines  Beweises  mehr,  dass  die  artistische  Facultät 
wie  die  Universität  selbst  seit  der  Gründung  derselben  in  Thätig- 
keit  war  und  keine  Unterbrechung  erlitt. 

So  finden  wir  die  Berichte  der  alten  Chronisten  bestätigt. 
Es  wäre  doch  auch  zu  merkwürdig,  würde  es  sich  anders  ver- 
halten, da  ja  in  jener  Zeit  noch  eine  andere  Universität  weder 
in  Deutschland  noch  in  den  östlich  gelegenen  Ländern  existierte, 
mithin  die  Chancen  für  die  Hochschule  in  Prag,  wenn  je,  so 
damals  sehr  günstig  waren  ^^''J|. 

Karl  IV.  nahm  sich  aber  seiner  Stiftung  nicht  bloss  in  der 
soeben  erörterten  Weise  an.  Am  14.  Jänner  1349  ertheilte  er  der- 
selben alle  Rechte  und  Privilegien,  welche  andere  Hochschulen 
durch  Römische  Kaiser  oder  Könige  empfangen  haben  '^^°).  Er  erliess 
ein  Einladungsschreiben  an  ein  Capitel,  in  dem  er  es  ersucht, 
Ordensmitglieder  nach-  Prag  auf  das  Studium  zu  senden,  damit 
sie  dort  in  der  Theologie  promoviert  würden,  'ut  universitas 
nostra  eisdem  successoribus  gaudeat,  quibus  Parisiensis  et  Oxo- 
niensis  studia  gloriantur',  besonders  da  das  genannte  Prager 
Studium   vermöge    der  päpstlichen   Privilegien   keinem    andern 

ib38j  Ich  verdanke  diese  Notis  Herrn  Dr.  Liessem  in  Köln.  8.  aber 
das  genannte  Decanatsbuch  oben  S.  402  Anm.  770. 

1&39J  Paulsen  hätte  übrigens  auch  aus  der  Verordnung  des  Ersbischofs 
Amest  vom  J.  1360  (Mon.  uni?.  Prag.  II,  229)  ersehen  können,  dass  seine 
Ansicht  hinfällig  ist.  Daau  kommt  noch,  dass  Konrad  von  Waldhausen,  der 
seit  1360  an  der  Theiner  Pfarrkirche,  früher  an  der  GallUdrche,  Prediger 
war,  und  1369  starb,  eine  Postilia  studencium  sacre  Pragensis  universitatis 
edierte.  Hs.  XL  334  zu  St.  Florian.  Nr.  179  in  Admont  (über  den  Autor 
s.  Palacky,  Gesch.  v.  Böhmen  IE,  1.  S.  161).  Die  Postille  umfasst  die  Sonn- 
tage des  Kirchex^jahres.  Er  schrieb  sie  'studencium  precibus',  und  gewiss 
vor  1364.  Nach  Tomek  S.  34.  347  begann  auch  die  älteste  bekannte  Uni- 
versitätsmatrikel mit  dem  J.  1358. 

1540J  Pelsel,  Abbildungen  böhmischer  und  mährischer  Gelehrten  III,  Y. 
Reg«  Imp.  VIII.  ed.  Huber  u.  834.  Karl  handelte  nicht  mehr  bloss  als  König 
von  Böhmen,  sondern  als  römischer  König. 


598     m*  Entwickelang  der  Hochachulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

nachstehe  ^*^').  Selbstverständlich  nahm  Karl  alle  Studierenden 
in  seinen  Schutz  und  drohte  denjenigen,  welche  sie  belästigten, 
strenge  Strafen  an. 

Wie  bis  zu  jener  Zeit  fast  überall,  so  waren  auch  in  Prag 
anfänglich  die  Dotierungsverhältnisse  ziemlich  primitiv.  Im  Jahre 
1352  wurde  mit  Bewilligung  des  Erzbischofs  Amest  eine  Contri- 
bution  von  der  Geistlichkeit  erhoben,  zu  der  die  Klöster  und 
Capitel,  besonders  jenes  zu  Prag,  in  verschiedener  Weise 
beitrugen.  Der  Erzbischof,  einer  der  grössten  Gönner  der  Hoch- 
schule, kaufte  mit  dem  also  gewonnenen  Gelde  gewisse  Güter  (deren 
Ertrag  zu  den  Besoldungen  verwendet  wurde)''*'),  die  dann  der 
König  am  1.  März  1358  von  der  gewöhnlichen  Gerichtsbarkeit 
befreite*"'). 

Am  30.  Juli  1366  stiftete  und  dotierte  er  das  Collegium 
Garolinum  in  dem  Hause  des  Juden  Lazar  für  12  magistri  artium; 
zwei  von  ihnen  sollten  die  Theologie  vortragen  (die  hl.  Schrift 
und  die  Sentenzen)  —  sie  mussten  also  schon  baccalarei  in  theo- 
logia  sein  — ,  die  übrigen  zehn  in  artibus  lesen  und  zugleich 
in  der  Rheologie  studieren'''').  Am  23.  Juli  1367  erklärte  er 
das  Golleg  für  steuerfrei*''').  Er  gab  demselben  eine  nicht 
unbedeutende  Bibliothek ^"^).     Unter  demselben  Datum  verfügte 


iMij  Docoment  in  Hoffmanns  Sammlaug  uogedrackter  and  zu  den  Qe« 
schichten  auch  Staats-  Lehn-  und  anderen  Rechten  des  hL  Rom.  Reiches 
gehöriger  Nachrichten,  Documeote  und  Urkunden  II,  222.  Das  Schreiben 
ist  dunkel,  und  defeet  ediert.  Wahrscheinlich  ist  es  an  ein  Ordenscapitel, 
nicht  an  ein  Stift  gerichtet  Dahin  sielen  die  Worte  ^certas  idoneas  perso- 
nas  de  gremio  religionis'. 

1&4S)  Beneb  de  Waitmael  1.  c.  p.  350.  S.  auch  Tomek,  D^e  nniversity 
Pra^sho  8.  14.    Pelsel,  Abbildungen  böhm.  und  mahr.  Gelehrter  Uli  YII. 

1M8)  Mon.  nniT.  Prag,  n,  225. 

1^)  Mon.  1.  c.  p.  231.  Im  J.  1383  wurde  das  Golleg  in  das  heutige 
Karolingeb&ude  in  der  N&he  der  St.  Galiuskirche  übertragen.  8.  Mon.  nniv. 
Frag.  p.  266.  Urban  VI.  bestätigte  9.  Dec  1384  die  üebertragnng.  Mon.  L 
c.  p.  278.  Vgl.  p.  282. 

iw»)  Mon.  1.  c.  p.  248. 

1M6)  Benes  de  Waitmnel  spricht  p.  351  von  der  GrOndung  des  Collegs, 
und  sagt,  der  König  habe  den  Magistern  ^bibliothekam'  gegeben,  *et  libros 
pro  studio  necessarios  tribuit  in  habundantia'.  Spater  ad  an.  1370  (p.  405) 
berichtet  er,  der  König  habe  f&r  das  Golleg  414  Volumina  libronun  s.  theo- 


5.   Hochschulen  mit  pftpsti.  u.  landesherr].  Stiftbriefen.    Prag.      599 

er,  dass  in  Zukunft  die  Mitglieder  des  Garolinums  nach  ihrem 
Alter  die  Ganonikate  und  Praebenden  der  Collegiatkirche  Aller- 
heiligen erhalten  sollten,  so  dass  also  immer  derälteste  Magister 
des  Karlscollegs  in  das  Allerheiligen -Capitel  einzutreten  hatte; 
nur  für  die  Praepositur  und  das  Decanat  liess  er  es  beim  alten 
Herkommen.  Die  also  Präbendierten  sollten  dann  in  einem  von 
Karl  geschenkten  Hause,  CoUegium  bei  Allerheiligen  genannt, 
wohnen*"^).  Urban  V.  bestätigte  10.  November  und  15.  December 
desselben  Jahres  Karls  Verordnungen  mit  Ausnahme  von  zwei 
Glauseln,  deren  Aufstellung  Karls  Gewalt  überschritt;  bewilligte 
sie  aber  dann  aus  apostolischer  Machtvollkommenheit  ^'^^^). 

Rastlos  bis  zu  seinem  Tode  sorgte  Karl  IV.  für  sein  Schoss- 
kind, die  Hochschule.  Im  J.  1373  überliess  er  den  Juristen,  die 
seit  dem  Jahre  vorher  sich  als  besondere  Univei*sitat  mit  einem 
eigenen  Bector  constituiert  hatten '^^^),  ein  Haus,  in  dem  bald 
die  ganze  Juristenuniversität  ihren  Sitz  nahm^"^).  Karl  schrieb 
auch  Ermunterungsbriefe  an  Professoren,  in  welchen  er  sie  bat, 
sich  durch  Schwierigkeiten  und  Widerwärtigkeiten  nicht  ab- 
schrecken zu  lassen  ^^'^').    Unter  allen  Königen  und  Fürsten,  die 


logie  et  iuris  can.  ac  aliarum  artiam  IIb.'  aus  dem  Nachlasse  des  Abtes 
Wilhelm  von  Vygegrad  gekauft. 

1547)  MoD.  1.  c.  p.  236.  Der  König  hatte  das  Praesentationsriecht.  S. 
auch  Bene^  de  Waitmuel,  p.  405. 

1^)  Beide  Schreiben  in  Reg.  Vat.  Avenion.  tom.  16  Bl.  354;  tom.  15 
EL  317.    Mon.  univ.  Prag.  1.  c  p.  241.  243. 

1549)  S.  MoD.  univers.  Prag.  II,  28.  Das  Ghronicon  oniTers.  Prag,  (ed« 
▼on  Höfler  in  Geschichtschreiber  der  hnssitischen  Bewegung  I.  Wien  1856 
S.  13)  setzt  die  Trennung  der  Juristen  von  der  fibrigen  Universität  in  das 
Jahr  1371  nach  den  Ablauf  des  Rectorats  des  Nicolaus  Eolpergk.  S.  jedoch 
Tomck,  Geschichte  der  Prager  Universität  S.  25.  Vgl  noch  Bischoff,  Oester- 
reich.  Stadtrechte  (Wien  1857)  S.  131,  wo  zum  J.  1383  ein  Rector  theo- 
lögorum,  medicorum  et  artistarum,  und  ein  Rector  universitatis  jurisfarum 
erwähnt  wird.  £s  ist  daher  aufiälUg,  dass  Maurer,  Geschichte  der  Städte- 
verfassung in  Deutschland  II,  300  noch  im  Zweifel  sein  konnte.  Schon 
Schnabel,  Gesch.  der  jurid.  Facultät  in  Prag  (1827)  I,  14  hatte  auf  die 
Thatsache  aufmerksam  gemacht. 

1550)  Tomek  1.  c.  S.  26.  Die  Mediciner  kamen  erst  später  in  den  Be- 
sitz eines  Hauses.    Die  erste  Erwähnung  desselben  geschieht  1405. 

1551)  In  Hoffmanns  Sammlung  1.  e.  S.  224.    Vgl.  auch  S.  18. 


600     ni.    Entwickelung  der  Hochscbulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jlis. 

sich  im  13.  und  14.  Jh.  mit  Landes -Hochschulen  beschäftigten, 
kann  ich  Karl  nur  die  englischen  Könige  und  Alfonso  el  Sabio 
an  die  Seite  setzen.  Ja  Karl  war  mit  seiner  Präger  Universität 
bedeutend  glücklicher  als  Alfonso  mit  jener  zu  Salamanca,  und 
Karls  Bemühungen  waren  mit  mehr  Erfolg  gekrönt  als  jene 
Heinrichs  HI.  und  Eduards  L  in  Hinsicht  auf  Cambridge  im 
13.  Jh. 

Die  Hochschule  zu  Prag  blühte  auf  und  zog  viele  Schüler 

an.    Der  Zeitgenosse  Benes  de  Waitmuel  schreibt:    ^et  factum 

est  Studium  tale  in  civitate  Pragensi,  cui  nunquam  fuit  simile 

in   Omnibus  partibus  Alamanniae,  et  veniebant  illuc  de  alienis 

partibus,  vid.  de  Anglia,  de  Francia,  de  Lombardia,  de  Ungaria, 

de  Polonia  et  de  singulis  circumiacentibus  terris  studentes,  filii 

nobilium  et  principum  ac  praelati  ecclesiarum  de  diversis  mundi 

partibus.     Et   facta  est  civitas  Pragensis   ex   studio  huiusmodi 

famosa  et  celebris  in  terris  alienis  valde,    et  propter  multitu* 

dinem  scolarium  tempora  in  eadem  aliquantulum  cariora  fuere, 

quia  multitudo  maxima  eorum  illuc  confluebat' '"').     Ist  auch 

Manches    in    dieser   Stelle    übertrieben,    so    beweist    sie    doch 

immer,  dass  nach  Ansicht  der  Zeitgenossen  das  Studium  sehr 

gut  besucht  war.     Darauf  lässt  auch  die  Zahl  der  Promotionen, 

welche  für  die  stärkste  aller  Facultäten,  jene  der  Artisten,  vom 

J.  1367  an  aufgezeichnet  wurden,  schliessen.  Die  Juristen  bildeten, 

wie   bereits  erwähnt,    vom  J.  1372  ab  eine  eigene  universitas 

juristarum  mit  Rector,  und  es  wurden  im  genannten  Jahre  ihrer 

natio  Boemorum  37,  jener  Bavarorum  48,  Polonorum  41,  Saxo- 

num  29  Mitglieder  einverleibt^"'),  im  Ganzen  also  155,   eine 

Zahl,  die  später  fast  in  jedem  Jahre  manchmal  ziemlich  bedeutend, 

überschritten  wurde.     Für  die  Theologen  und  Mediciner  liegen 

mir  keine  Berichte  vor.     Bis  1409,   d.  h.  bis  zum  Zeitpunkte, 

da   die  Nicht-Böhmen  Prag  verliessen,   war  die  Hochschule  in 

stetem  Wachsen  begriffen,  wenngleich  bei  weitem  nicht  in  jenem 

Masse,  wie  spätere  Chronisten  berichten""). 

1&&2)  Benes  de  Waitmnel  1.  c.  p.  350. 
löK»)  Mon,  uniY.  Prag.  D,  28f.  Ö8f.  85f.  119f. 

15M)  84000—36000  Studierende  sollen  c.  1409  immatricoliert  gewesen, 
und  nach  böhmischen  Chronisten  in  einer  Woche  gegen  26000  abgesogen 


5.   Hoehschnlen  mit  pftpsü.  u.  laadesherrl.  Stiftbriefen.    Prag.       gQl 

Za  diesem  Wachsthume  trugen  theilweise  auch  die  Privilegien, 
welche  die  Päpste  der  Hochschule  gewährten,  bei.  Am  10.  Novem- 
ber 1366  dispensierte  Urban  V.  die  Studierenden  für  5  Jahre  von 


sein!  S.  die  Chronisten  bei  Höfler,  Mag.  Job.  Bus  S.  249.  244.  Höfler  selbst 
nimmt  S.  247  Aber  20000  an.  Vgl.  aucb  Frind  1.  c.  S.  337.  Unglaublicb, 
dass  man  solcbe  Albernheiten  annehmen  konnte.  Wohin  haben  sich  denn  die 
Studierenden  gewandt?  Zumeist  nach  Erfurt  und  Leipzig.  Nun  weist  aber 
die  Matrikel  Erfurts  vom  J.  1409  nur  369  Immatriculierte  auf,  im  näch- 
sten Jahre  bloss  230.  Die  Universität  Leipzig  wurde  allerdings  durch  die 
Ausgewanderten  gegründet;  aUein  nur  368  wurden  bis  Ostern  1410  immatri- 
culiert.  Im  Sommer  1410  finden  wir  137  Inscriptionen,  und  Wintersemester 
1410/11  nur  110.  Leipzig  und  Erfurt  zusammen  erhielten  also  1409  nicht 
Tausend.  Wohin  ist  nun  das  Heer  der  Studierenden?  Etwa  nach  Heidel- 
berg? Allein  in  den  Jahren  1409  und  1410  kamen  weniger  Immatriculierungen 
vor  als  unmittelbar  vorher:  vom  Dec.  1408  bis  April  1409  bloss  56,  und 
dann  bis  November  44;  von  Dec.  1409  bis  Dec.  1410  finden  sich  aber  nur 
46  Aufnahmen.  Toepke,  Die  Matrikel  der  Universität  Heidelberg  I,  109 ~ 
113.  Wie  mir  Herr  Dir.  W.  Schmitz  berichtet,  wurden  in  Köln  im  J.  1408 
bloss  55;  dagegen  1409:  119;  im  J.  1410  aber  wider  nur  74  inscribiert, 
Heidelberg  erhielt  also  im  J.  1409  keinen,  Köln  aber  einen  kaum  nennens- 
werthen  Zuwachs.  Die  Wiener  Matrikel  ist  verloren  gegangen  und  ebenso 
ist  mir  von  den  im  J.  1409  stattgehabten  Immatriculierungen  in  Krakau 
nichts  bekannt.  Die  oben  gestellte  Frage  bleibt  also  immer  noch  offen.  Nehmen 
wir  die  höchst  mögliche  Zahl  von  Generalstudien  an,  deren  es  damals  in 
Europa  gegeben  hat,  nämlich  40,  und  lassen  wir  die  26000  Studierende  sich 
gleichmäfisig  auf  allo  40  vertheilen,  so  kämen  auf  eines  nicht  weniger  denn 
650.  Und  ein  solches  Factum  sollte  uns  die  Geschichte  der  einzelnen  Uni- 
versitäten nicht  aufbewahrt  haben,  da  doch  der  Rath  von  Erfurt  wegen  ein 
paar  Hundert  neu  angekommener  Studenten  in  Aengsten  war  (s.  Falkenstein, 
Hist  von  Erffurth,  1739,  S.  290.  Kampschulte,  Die  Universität  Erfurt  I,  12)? 
Da  nun  aber  das  Ziel  der  Reise  weder  Spanien,  noch  der  Sflden  Italiens  sein 
konnte,  so  hätte  jedes  Generalstadium  über  1000  Studierende  Zuwachs  er- 
halten. Glaubt  auch  ein  Verntlnftiger,  dass  von  denselben  Aber  20000  das 
Ausland  aufgesucht  haben,  während,  wie  wir  soeben  sahen,  höchstens  Tau- 
send auf  einheimischen  Universitäten  surflckgeblieben  waren?  Die  Unmöglich- 
keit bleibt  immer  dieselbe,  sollte  auch  die  Hälfte  jenes  Heeres  die  Rück- 
kehr in  die  Heimat  dem  Universitätsleben  vorgezogen  haben.  Paulsen  hat  in 
Sybels  Hist  Zsch.  Bd.  45  S.  290ff.  in  anderer  Weise  auf  das  Absurdum  hin- 
gewiesen. Dazu  vgl.  auch  dessen  treffende  Bemerkungen  gegen  Höfler  8.  267 
Anm.  Die  Möglichkeit  will  ich  jedoch  nicht  bestreiten,  dass  sich  in  Prag 
zur  Zeit  der  höchsten  Blüthe  ein  paar  Tausend  Studierende  aufgehalten 
haben;  gerade  vor  1409  war  der  Zudrang  zu  derselben  ein  nicht  unbe- 
deutender. 


602    Ifl*    £ntwickeluDg  der  Hochschalen  bis  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

der  Residenzpflicht  ^^^'^).  Unter  demselben  Datum  erliess  er 
zwei  weitere  Schreiben.  In  dem  einen  ermahnte  er  die  ^abbates, 
priores  .  .  .  monasteriorum ,  prioratuum  etc.  ss.  Benedicti  et 
Augustini,  Gistercien.  et  Premonstraten.  ordinum  in  regno  Boemie 
consistentium'  von  jenen  Klöstern,  die  wenigstens  13  Mitglieder 
besasscn,  'unum  aptum  ad  Studium  et  in  primitivis  scientiis 
eruditum  pro  fructu  maioris  scientie  acquirendo  ad  prefatum 
Pragense  Studium  ad  studendum  ibidem  in  ipsius  theologie  vel 
canonum  facultate  mittere'  und  für  sie  zu  sorgen*"*).  Mittels 
des  andern  Schreibens  trug  er  den  Provinzialen  Minorum,  Pre- 
dicatorum,  Heremitarum  s.  Augustini  et  s.  Marie  de  monte  Car- 
meli  in  Böhmen  auf,  in  ihren  Häusern  zu  Prag  'sufficientes  et 
bonos  in  eadem  (theologica)  facultate  magistros,  qui  ibidem  in  ea 
regant  et  doceant  iuxta  morem  aliorum  generalium  studiorum,  habere 
et  teuere'"").  Beide  Schreiben  wurden  durch  Karl  veranlasst 
Vor  1371  fertigte  die  Universitas  studii  Pragensis  auch  einen 
Rotulus  an,  und  sendete  ihn  nach  Bom"'^'),  wohl  der  erste 
Rotulus,  der  von  einer  deutschen  Universität  an  den  Papst 
abgeschickt  wurde. 

Der  Gegenpapst  Clemens  YIL  war  der  Universität  keines- 
wegs freundlich  gesinnt.  Der  Grund  lag  darin,  dass  die  Stadt 
Prag  sammt  dem  ganzen  Adel,  wie  sich  der  Papst  in  einem 
Schreiben  vom  17.  März  1380  ausdrückt,  dem  'prophanus  apo- 
stata,   perditionis   filius   et  iniquitatis   alumpnus   Bartholomeus 


1656)  Beg.  Vat.  A?enionen.  tom.  15.  Bl.  496  b. 

1556)  Heg.  Yat.  ATenioneo.  tom.  16.  Bl.  349b. 

i^&7)  Ibid.  Bl.  350a.  Dieses  Schreiben  kannte  anch  Da  Boulay,  Hisi. 
univ.  Paris.  17,  396;  der  Text  ist  jedoch  bei  ihm  wie  gewöhnlich  fehlerhaft 
und  mit  falschem  Datum.  Aus  obigen  Schreiben  erkennt  man  cur  GenOgo, 
bei  welchen  Orden  damals  in  jenen  Landen  die  Wissenschaft  su  Hause  war. 

1568)  Dies  ergibt  sich  aus  dem  Schreiben  Gregors  X!.  an  Wilhelm 
Meynardi,  canonicns  Craco?.  bacall.  in  decretis  und  magister  in  artibus  vom 
28.  J&nner  1371,  worin  er  ihm  mittheilt,  dass  'nisi  tu  in  aniversitate  stndii 
Prägen,  tempore,  quo  rotulus  dicte  uniTersitatis  in  quo  presens  gratia  con- 
tinetur  fiebat,  literamm  studio  insisteres,  gratia  huinsmodi  nnllias  sit  roboria 
Tel  momenti'.  Es  kann  dies  nicht  lange  ?or  1371  gewesen  sein.  Reg. 
Yat.  Avenionen.  tom.  7.  Bl.  535.  Leider  ist  der  Rotulus  selbst  nicht  erhal* 
ten.    8.  oben  S.  387  Anm.  699. 


5.  Hochschulen  mit  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Prag.       603 

olim  archiepiscopus  Baren.',  d.  i.  dem  rechtmässigen  Papste 
Urban  VL  anhange.  Durch  ein  solches  Benehmen,  meint  er, 
^civitas  generali  studio  se  reddit  indignam',  und  zur  Strafe 
gebietet  er  ^doctoribus,  magistris,  licentiatis  et  bacallariis  ne 
legere,  ac  scolaribus  quibuscunque  dicti  studii  in  quacunque  facul- 
tate  . . .  ne  audire,  ipsique  doctores  et  magistri  aliquos  in  quacunque 
facultate  doctorare,  licentiare  vel  ad  gradum  bacaUariatus  admittere 
nee  aliquos  alios  actus  scolasticos  .  .  .  exercere  vel  privilegiis 
dicto  studio  concessis  .  .  .  gaudere  presumant'^^^').  In  einem 
andern  Schreiben  überträgt  er  dem  Bischof  von  Gesena, 
dem  Decan  der  Cathedrale  und  dem  Official  die  Ausfährung 
seines  Mandates ''^^^).  Allein  die  Stadt  und  die  Hochschule 
hielten  trotzdem  zum  rechtmässigen  Papste,  der  am  31.  August 
1383  die  Universität  gegen  alle  Bedrückungen  in  Schutz  nahm 
und  die  Pröpste  zu  Mainz  und  Worms  und  den  Decan  von 
Allerheiligen  in  Prag  zu  conservatores  und  judices  bestellte  mit 
dem  Auftrage,  die  Professoren  und  Scholaren  gegen  jedermann  zu 
vertheidigen^^").  Diegrössten  Privilegien  empfieng  die  Universität 
von  Bonifaz  IX.,  welcher  unter  anderm  die  Studierenden  nicht 
bloss  am  11.  Juli  1396  von  der  Besidenzpflicht  auf  5  Jahre 
dispensierte""),  sondern  sie  auch  am  21.  December  1397  von 
jeder  Gerichtsbarkeit  des  Ordinarius,  sollte  er  selbst  legatus 
natus  des  röm.  Stuhles  sein,  befreite  und  sie  an  den  jedes- 
maligen Rector  wies"*').  Dieser  erhielt  auch  von  Innocenz  VII. 
am  13.  Jänner  1405  das  Recht,  bei  Vacanz  des  erzbischöflichen 
Stuhles  oder  bei  gewissen  näher  bezeichneten  Streitigkeiten  das 
Magisterium  und  die  Licenz  zu  ertheilen"^^). 

Die  fernere  Geschichte,  soweit  sie  in  den  Rahmen  dieses 
Werkes  gehört,  und  der  Antheil  Wenzels  IV.  an  den  Geschicken 
der  Universität  ist  untrennbar  mit  der  Organisation  derselben 
verbunden  und  wird  im  2.  Bande  ihre  Darstellung  finden. 


i&6d)  Reg.  Yat.  an.  2  (n.  292)  Bl.  250b. 

15«0)  Ibid. 

1061)  Mon.  uni?.  Prag.  L  c.  p.  271. 

iwa)  Ibid.  p.  334. 

iM3)  ibicL  p.  370. 

^^)  Ibid.  p.  413. 


604    ni.   Entwickeluog  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Wien. 
Die  Hochschule  zu  Wien  war  keinesfalls  so  gut  vorbereitet 
wie  jene  zu  Prag  oder  gar  zu  Erfurt.  Dennoch  steht  sie  nicht 
ganz  unvermittelt  da.  Es  existieren  verschiedene  Nachrichten 
über  eine  Schule  bei  St.  Stephan  in  Wien.  Im  April  1237  be- 
stimmte Friedrich  EL.,  dass  der  von  ihm  und  seinen  Nachfolgern 
über  die  bereits  dort  bestehende  Schule  gesetzte  Magister  nach 
Rath  sachverständiger  Bürger  noch  andere  Doctoren  annehmen 
soll,  die  zugleich  ihrem  Hörern  gewachsen  seien ''*^).  Auch 
in  den  Urkunden  König  Rudolfs  I.  vom  24.  Juni  1278'"*), 
besonders  aber  Herzog  Albrechts  I.  vom  12.  Februar  1296"*'), 
ist  von  der  Schule  zu  Wien  ausführlich  die  Rede.  Letzterer 
überliess  das  bisher  den  Fürsten  in  Oesterreich  eingeräumte 
Recht,  den  Magister  zu  bestellen,  der  Stadt.  Die  Lehranstalt 
wurde  dadurch  ganz  eine  Stadtschule,  die  auch  von  der  Bürgerschaft 
unterhalten  wurde  ^^^^).  Einen  Aufschwung  erlebte  dieselbe  unter 
dem  Scholasticus  Ulrich,  der  Ende  des  13.  und  die  ersten  De- 
cennien  des  14.  Jhs.  die  Schule  leitete.  Auf  ihn  wurde  1315 
das  Gedicht  gemacht,  worin  Wien  gepriesen  wird,  das  einen 
zahlreichen  Glerus  ^vario  de  climate  mundi'  in  sich  berge"**). 
Wie  es  so  häufig  der  Fall  ist,  so  sind  auch  für  Wien  die  Nach- 
richten über  die  Schulen  für  die  Epoche  vor  Gründung  der 
Hochschule  am  dürftigsten.    Doch  bestand  die  St.  Stephanschule 


1^)  Der  beste  Text  steht  im  Archiv  f.  Kunde  Osterr.  Geschichis- 
quellen  X,  125  f. 

1566)  Baach,  SS.  rer.  austriac.  III,  6. 

1567)  Sitzongsb.  d.  kais.  Acad.  d.  Wissensch.  hist  phU.  Gl  XIII,  337, 
wo  sich  auch  der  Vergleich  mit  der  Urkunde  Rudolfs  findet.  Vgl.  überhaupt 
Mayer,  Geschichte  der  geistigen  Cultur  in  Nieder -Oesterreich  (Wien  1878) 
I,  84. 

1568)  ])en  Charakter  einer  Stadtschule  bewahrte  sie  selbst  nach  der 
Reorganisation  der  Universität  im  J.  1384,  da  die  Magistri  an  der  ersteren 
auch  nachher  von  der  Stadt  besoldet  wurden.    S.  weiter  unten. 

1569)  Bei  Leyser,  Hist.  poetarum  et  poematum  medii  aevi  p  2034  c.  11, 
V.  647  ff.  Dieser  Ulrich  ist  kein  anderer,  als  der  dem  Engelbert  von  Ad- 
mont  bekannte,  dessen  Zeugniss  jedoch  Max  Bfldinger  in  den  Sitsungsber. 
1.  c.  S.  334  entgangen  ist. 


5.  Hochschulen  mit  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefeo.    Wien.     605 

in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jhs.,  wie  sich  aus  dem  Freiheitsbriefe 
Herzog  Alberts  vom  J.  1384  ergibt "'"). 

Im  Jahre  1364  wandte  sich  Herzog  Rudolf  IV.  (der  Stifter) 
an  Urban  V.  mit  dem  Wunsche  'generale  Studium  literarum 
statui  et  ordinari  per  sedem  apostolicam  in  villa  seu  oppido 
Viennensi'.  Der  Papst  beauftragte  am  22.  September  desselben 
Jahres  den  herzoglichen  Kanzler,  den  Bischof  Johann  von  Brixen, 
sich  persönlich  'de  voluntate  et  consensu  ducis'  und  der  Stadt 
sowie  über  die  Privilegien,  die  man  der  künftigen  Hochschule 
geben  wolle,  zu  informieren,  und  das  Resultut  ihm  mitzu- 
theilen^'^^).  Der  Bischof  gieng  mit  dem  päpstlichen  Schreiben 
nach  Wien  zu  den  Herzögen  Rudolf,  Albert  und  Leopold.  Er 
fand  sowohl  diese  als  die  Stadt  äusserst  bereit  zur  Errichtung 
und  Privilegierung  eines  Generalstudiums,  und  auf  sein  Betreiben 
hin  wurde  der  Freiheitsbrief  am  12.  März  1365  von  den  drei 
genannten  Herzogen  ausgestellt,  ja  er  selbst  arbeitete  an  dem- 
selben und  schickte  am  17.  März  eine  Abschrift  dem  Papste 
zu""). 

Der  herzogliche  ungemein  wortreiche  und  breite  Stiftbrief, 
der  mit  keinem  der  sonst  bekannten  Urkunden  formell  eine 
Aehnlichkeit  hat,  in  Bezug  auf  die  Ausdehnung  der  Privilegien 
jedoch  ein  Pendant  in  jener  Jacobs  IL  für  L6rida  besitzt, 
erschien  in  lateinischer  und  in  deutscher  Sprache"^').  Wien 
sollte  nach  dem  Vorbilde  von  Athen,  Rom  und  Paris  ^scole 
publice  ac  generale  et  privilegiatum  Studium'  erhalten,  4bique 
legantur,  doceantur  et  discantur  divina  scientia,  quam  theoloycam 
vocamus,  artes  et  sciencie  naturales,  morales  et  liberales,  iura 
canonica  et  civilia,  medicina  et  alle  facultates  licite  et  permiSBe\ 


1670)  s.  in  der  ürkande  bei  Eink,  Gesch.  der  kftis.  ünivers.  zu 
Wien  n,  63. 

1^71)  Beg.  Vat  Gomm.  an.  2  Bl.  328.  Dadurch  ist  die  Aechtheit  endlich 
sicher  gestellt.  S.  dazu  Kink,  Gesch.  der  kais.  Universit&t  1,  2  S.  1,  wo  die 
Bulle  einem  Schreiben  des  Bischofes  ?om  17.  M&rz  1365,  und  zwar  nach 
einer  sp&ten  Copie,  inseriert  ist,  und  Anrn.  L 

i&7a)  s.  den  Bericht  des  Bischofes  bei  Eink  1.  c. 

1673)  Den  latein.  Text  s.  bei  Kink  II,  1-24;  den  deutschen  Text  bei 
Schlikenrieder  1.  c.  p.  35—59,  und  Hormayr,  Wien,  seine  Geschicke  und 
Denkwürdigkeiten  V.  Urkundenbuch,  S.  LXYI. 


g06     ni.    Entwickelang  der  Hochschulen  his  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

Der  Universität  wird  ein  eigenes  Stadtviertel  eingeräumt  und 
die  Bürger,  die  dort  oder  in  der  Nähe  wohnen,  erhalten  besondere 
ganz  überspannte  Verordnungen,  speciell  in  Bezug  auf  Ver- 
niiethung  der  Wohnungen.  Die  Studierenden  sowie  deren  Zu- 
gehörige geniessen  auf  der  Hin-  und  Herreise  und  während 
ihres  Aufenthaltes  volle  Steuer-  und  Zollfreiheit,  sind  sicher 
an  Leib  und  Gut,  und  bekommen  einen  privilegierten  Gerichts- 
stand. Der  Propst  zu  Allerheiligen  (St.  Stephan)  hat  die  oberste 
Jurisdiction  und  er  ist  der  Kanzler  der  Universität.  Die  Gesammt- 
heit  der  Mitglieder  wird  in  vier  Nationen,  jede  unter  einem  Pro- 
curator,  eingetheilt.  An  der  Spitze  steht  der  Rector,  der  wie 
die  Procuratoren  der  artistischen  Facultät  angehören  muss  und 
zugleich  Haupt  der  drei  übrigen  Facultäten  ist,  von  denen  jede 
einen  Decan  besitzt.  Am  16.  März  wurde  von  Rudolf  der  Stift- 
brief der  Propstei  zu  Allerheiligen  (St.  Stephan),  die  auch  unter 
dem  Namen  CoUegium  omnium  Sanctorum  vorkommt,  erlassen. 
Sowohl  diese  Stiftung  als  auch  die  andere  *mit  der  grossen 
schueir  sollen  'ewigclich  zu  ainander  in  ainer  Verpflichtung  und 
ainung  beleiben""*). 

Unterdessen  war  Rudolfs  Urkunde  auch  in  die  Hände 
Urbans  V.  gelangt.  Am  18.  Juni  desselben  Jahres  erfolgte  die 
Ausfertigung  des  päpstlichen  Stiftbriefes,  der  mit  allen  jener 
Epoche  übereinstimmt"").  Der  Papst  gewährt,  'ut  in  dicta 
Villa  de  cetero  sit  Studium  generale  illudque  .  .  .  vigeat  tarn 
in  iuris  canonici  et  civilis  quam  alia  qualibet  licita  preterquam 
theologica  facultate'.  Die  Studierenden  erhalten  alle  Privilegien 
der  an  Generalstudien  sich  Aufhaltenden;  der  Propst  von  Aller- 
heiligen, eventuell  das  Capitel,  überwacht  die  Promotionen  und 
ertheilt  die  Licenz"'*).  Am  19.  Juli  dispensierte  er  fttr  5  Jahre 
von  der  Residenzpflicht""). 

Man  hat  mehrere  Erklärungen  für  den  Ausschluss  der 
Theologie  durch  den  Papst  gegeben.    Bereits  im  15.  Jh.  meinte 


1574)  Bei  Hormayr  1  c.  o.  167.    Sowohl  Herzog  Albrecht  als  Heinricli 
▼on  Langenstein  nennen  die  Propstei  'collegium  omninm  sanctomm.' 
»M»)  8.  oben  8.  398. 

167«)  Heg.  Vat.  Ind.  an.  8  Bl.  84.    Kink  l  c.  8.  26. 
1577)  Reg.  Vat.  Avenion.  tom.  10.  Bl.  865.  Kink  1.  c.  8.  29. 


5.   Hochschulen  mit  pftpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Wien.    607 

Thomas  von  Haselbach,  es  hätte  dies  Karl  IV.  aus  Rivalität 
und  Interesse  für  seine  Hochschule  zu  Prag  bewirkt"'®).  Dieser 
Grund  hat  immerhin  etwas  für  sich.  Andere  meinten,  dass  der 
an  der  Pariser  theologischen  Facultät  überwuchernde  Scholasti- 
cismus,  der  zugleich  Irrlehren  im  Gefolge  gehabt  habe,  besondere 
Vorsicht  empfahl  und  deshalb  das  Verbot  veranlasste'"').  Allein 
diese  Behauptung  ist  ganz  und  gar  grundlos.  Von  den  ver- 
alteten Schlagwörtern  'spitzfindige  Scholastik'  und  'überwuchern- 
der Scholasticismus'  will  ich  ganz  absehen.  Ich  frage  nur,  wie 
sich  die  genannte  Behauptung  mit  der  Forderung,  welche  Inno- 
cenz  VI.  bei  Errichtung  der  theologischen  Facultät  zu  Bologna 
im  J.  1360,  Urban  V.  bei  jener  zu  Padua  im  J.  1363,  Gregor  XI. 
bei  jener  zu  Perugia  im  J.  1371  stellten,  dass  im  Beginne  für 
die  theologischen  Vorlesungen  Magister  von  Paris  genommen 
würden,  vereinigen  lässt?  Hätten  die  Forscher  ausser  der 
Geschichte  der  Prager  und  Wiener  auch  die  anderer  Universitäten 
gekannt,  so  würden  sie  gefunden  haben,  dass  im  14.  Jh.  der 
Unterricht  in  der  Theologie  an  den  Hochschulen  in  der  Regel 
ausgeschlossen  wurde,  und  dass  gerade  die  Avignonesischen 
Päpste,  obgleich  nicht  immer,  dieser  Methode  gehuldigt  haben. 
Da  ich  weiter  unten  auf  diesen  Punkt  zu  sprechen  komme"*"), 
so  brauche  ich  mich  hier  nicht  weiter  bei  demselben  aufzuhalten. 
Sicher  ist  aber,  dass  man  in  obiger  Thatsache,  so  weit  sie  sich 
auf  Wien  bezieht,  bisher  zu  viel  gesucht  hat 

Am  6.  Juni  1366  verfasste  die  Universität  ein  Statut  über 
die   Eintheilung  ihrer  Angehörigen   in   vier  Nationen  "*0,    am 

1578)  Bei  Pez,  88.  rer.  aast.  II,  805.  Aber  ganz  gefehlt  ist  es  mit 
Aschbach,  Gesch.  der  Wiener  Universität  S.  17  von  'peinlicher  Verlegen- 
heit' des  Papstes  gegenüber  dem  Kaiser  zu  sprechen. 

1^7^)  So  Kiok  I,  1.  8.  11  Anm.  Aus  ihm,  ohne  ihn  zu  nennen, 
Wappler,  Geschichte  der  theol.  Facalt&t  der  k.  k.  Universität  zu  Wien 
(1884),  8.  1  (hiemit  habe  ich  diese  Schrift  zum  ersten  und  letzten  Male 
citiert.  Für  die  Periode,  die  hier  von  Interesse  wäre,  n&mlich  die  erste, 
bietet  sie  lediglich  Excerpte  aus  Kink  und  Aschbach;  die  spätere  Epoche 
gehört  nicht  hierher).  Aehnlich  schreibt  Eaemmel,  Gesch.  des  deutschen 
Schulwesens  8.  105. 

1^^)  8.  unten  im  dritten  Paragraphen  des  vierten  Hauptabschnittes. 

i»i)  Bei  Kink  II,  32. 


608    ^-   Entwickelang  der  Hochschulen  bis  lum  Ende  des  14.  Jhs. 

8.  August  ein  solches  über  die  Functionen  und  die  Gebühren 
des  Bedells^'^').  Am  17.  Juli  desselben  Jahres  incorporierten 
die  Herzoge  Albrecht  und  Leopold  die  landesfürstliche  Pfarre  in 
Laa  der  Universität*"'). 

Kink  hat  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  vom  Ende  des 
Jahres  1366  an,  nachdem  der  erste  Rector"")  Albert  von 
Sachsen,  der  vorher  lange  Zeit  in  Paris  gelehrt  hatte  ^'^''),  zum 
Bisthume  von  Halberstadt  befördert  worden  war,  die  Hochschule 
bis  nach  1377  nur  ein  Scheinleben  ohne  Rector  gefristet  habe, 
und  ohne  im  Grunde  etwas  anderes  gewesen  zu  sein,  als  eine 


iMä»)  Ibid.  S.  40. 

1583)  Die  Urkunde  ist  dem  Best&tigungsbrief  des  Bischofes  von  Pasian 
vom  5.  December  1383  inseriert.  Kink  1.  c.  S.  34. 

1^  S.  Steyerer,  Gommentarii  pro  historia  Alberti  II.  (Lipsiae  1725) 
p.  429.  453. 

1586)  j^m  7.  M&n  1351  determinierte  er  in  artibns  su  Paris  'sab.  mag. 
Alberto  de  Bohemia*  (Reg.  nat  anglicanae  III,  Bl.  15  b)  und  erhielt  das 
Licentiat.  Bl.  16  a.  Allerdings  wird  er  hier  Albertus  de  Helmstede  genannt, 
aber  es  ist  nicht  glaublich,  dass  dieser  ein  anderer  war  als  Albert  ?on 
Sachsen.  ^Sachsen'  war  für  jenen  Landstrich  die  allgemeine  Bezeichnung. 
Doch  steht  scheinbar  dagegen,  dass  Albert  im  Stiftbriefe  vom  J.  1366 
(Kink  II,  36)  und  auch  in  andern  Urkunden  Albertus  Riggensdorf  de  Sazonia 
oder  Albertus  de  Rigmerstorp  heisst.  Allein  Albertus  de  Biggensdorf 
oder  Bigmersdorf  kommt  im  Beg.  nat  angl.  nicht  vor.  So  oft  femer  Alber- 
tus de  Saxonia  aufgeführt  wird,  geschieht  des  Albertus  de  Helmstede  nicht 
mehr  Erw&hnung,  und  umgekehrt.  Die  Schwierigkeit  I68t  sich  einfiuh  so, 
dass  Albert  in  Paris  nach  der  seinem  Geburtsorte  nftchst  gelegenen  griVsse- 
ren  Stadt  und  nicht  nach  dem  kleinen  (jetst  nicht  mehr  existierenden)  Orte 
Bigmersdorf  eingeschrieben  wurde.  Ein  mag.  Johann  Ricmestorp,  mag.  in 
artibus,  nuntius  universitatis  Parisius  erhielt  8.  Aug.  1365  das  Arehidia- 
conat  zu  Goslar.  Arch.  Vat.  Rationes  receptorum  n.  7  Bl.  104.  Wegen  des 
Geschlechts  der  Bigmersdorf  a  Schmidt  in  der  Zsch.  des  Hanvereins  XI, 
418,  wo  auch  mehr  Notixen  über  das  Leben  Alberts.  Irrig  ist  jedoch,  er 
sei  1360  nach  Rom  gegangen.  'In  Tigilia  b.  Urbani  Pape'  (24.  Mal)  des 
Jahres  1351  'incepit  sub  mag.  Alberto  de  Bohemia'  (ib.  Bl.  16b).  Nur  kan 
erscheint  er  noch  als  magister  Albertus  de  Helmstede  (ib.  BL  17  a);  denn 
bereits  9.  Febr.  1352  finden  wir  ihn  als  mag.  Albertus  de  Saxonia  be- 
xeichnet  (ib.  Bl.  17  b),  und  so  wird  er  im  Reg.  nat.  anglic.  bis  san  18.  No- 
vember 1362  genannt  (Bl.  45  b.  Vgl.  auch  Bl.  46  b).  In  Paris  brachte  er  es 
bald  in  Anaehen.  Schon  im  J.  1353  wnrde  er  sun  Rector  erwUüt.  Reg. 
nat  angl.  III,  20  b. 


5.  Hochscholen  mit  pftpstl.  a.  landesherrl.  Stiftbriefan.   Wien.      609 

Artisten-  und  die  bisherige  Bürgerschule  bei  St.  Stephan*"*). 
Paulsen  erweiterte  dieses  Urtheil  mit  der  Bemerkung,  bis  1384 
habe  die  Universität  kaum  mehr  als  dem  Namen  nach  bestanden 
und  Kink  zeige,  dass  höchstens  etwas  wie  eine  artistische  Facultät 
vorhanden  war  u.  s.  w.*"^.  Noch  viel  weiter  gieng  Hautz,  dem 
zufolge  die  Universität  Heidelberg  die  erste  Deutschlands  ist, 
da  das  Stiftungsjahr  der  Wiener  Universität  zweifelhaft  sei**®*). 
Diese  letztere  Behauptung  verdient  keine  Widerlegung;  sie  hat 
sich  schon  durch  das  Vorstehende  als  grundlos  erwiesen  und 
wird  durch  das  folgende  als  völlig  unhaltbar  gekennzeichnet***'). 
Ganz  anders  steht  es  mit  Kinks  Aufstellung.  Sie  hat  in  der 
That  etwas  für  sich. 

Gewiss  ist,  dass  die  Hochschule  von  1366 — 1377  auf  schwachen 
Füssen  stand.  Der  Beweis  hiefür  liegt  nicht  darin,  dass  die  Uni- 
versitätsacten  nicht  weiter  als  bis  zum  J.  1377  zurückreichen"'^), 
denn  etwas  ähnliches  haben  wir  auch  bei  Prag  bemerkt,  trotzdem 
dass  dort  die  Hochschule  seit  ihrer  Stiftung  in  Aufnahme  ge- 
kommen war;  er  besteht  vielmehr  in  dem  Umstände,  dass  die 
Hochschule  kaum  ein  Lebenszeichen  von  sich  gab,  und  man  sich 
nur  vereinzelt  mit  ihr  beschäftigte.  Ich  selbst  fand  in  den 
päpstlichen  Regesten  Urbans  V.  (ausser  den  oben  angeführten 
Schreiben)  und  Gregors  XI.,  und  zwar  in  der  grossen  Avignone- 
sischen  Sammlung,  auch  nicht  6in  Document,  das  sich  auf  die 
Hochschule  zu  Wien  bezieht*"*).  Am  13.  October  1370  machte 
der   Pfarrer    von    Gars    eine   Stiftung    für   3  Sublectoren   und 

>M6)  I,  1,  8.  12.  14. 

1^7)  Sybels  Hist.  Zschr.  Bd.  45  S.  261. 

1^)  lo  den  Heidelberger  JahrbQch.  d.  Literatur,  1852,  o.  21  S.  821. 
Ich  weiss  nicht,  ob  sich  auf  diese  Behauptung  die  Phrase  Heinzes  in  der 
am  22.  November  1883  zu  Heidelberg  gehaltenen  Gedächtnissrede  bezieht, 
Heidelberg  sei  die  ^erste  und  älteste  (üniversit&t)  im  Deutschen  Reiche' 
(Beil.  z.  Allg.  Ztg.  1884  n.  20). 

IMS)  V7enn  gewisse  Gelehrte  nun  darauf  bestehen  wollen,  dass  Heidel- 
berg die  erste  und  ftlteste  Universität  Deutschlands  ist,  dann  mttssen 
sie  auch  zugeben,  dass  man  in  Böhmen,  Oesterreich,  Polen  und  Ungarn 
viel  fraher  das  Bedarfniss  nach  Universitäten  nnd  nach  höherer  wissen- 
Bchaftlicher  Bildung  im  eigenen  Lande  ffthlte  als  in  Deutschland. 

1^  Jetzt  sind  sie  ganz  verloren.    S.  Kink  I,  1,  8.  14  Anm  16. 

^^^)  Leider  fehlen  von   den  Suppliken  Urbans  V.  gerade  jene  Jahre, 

DenifU,  Die  DniToniUUn  L  39 


610    11^*  £ot Wickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  d^s  14  Jhs. 

einen  Scholaren  'in  der  universitet  und  gefreyten  schulen  ze  Wienn'. 
Es  sollen  aber,  heisst  es  in  der  Urkunde,  andere  Bestimmungen 
mit  der  Stiftung  getroffen  werden,  wenn  'die  schul  ze  Wienn 
und  die  universitet  in  der  mazz  abnem,  das  kein  sublector  da 
wer'"").  Diese  Stelle  legt  einerseits  dar,  dass  die  Hochschule 
in  Abnahme  war  und  man  eine  noch  grössere  befürchtete,  anderer- 
seits aber  erhellt  wider  aus  ihr,  dass  die  Hochschule  immer 
noch  als  solche  fortbestand. 

Indess  wird  aus  andern  Umständen  klar,  dass  Wien  damals 
nicht  die  St.  Stephansschule  allein  besass.  In  der  ersten  Matrikel, 
die  in  wenigen  Bruchstücken  erhalten  ist'"*),  geschieht  vom 
J.  1377—1383  ebenso  der  'universitas  studii  Wijenn.'  Erwähnung 
wie  später.  Der  'rector  universitatis  studii'  wird  femer  genau 
vom  'rector  scolarum  s.  Stephani'  unterschieden.  Da  nun  aber 
von  einer  besonderen  Reactivierung  der  Hochschule  im  J.  1377 
keine  Rede  sein  kann,  indem  alle  Acten  darüber  schweigen"'*), 
so  muss  man  die  angeführten  Facta  als  eine  Fortsetzung  aus 
früherer  Zeit  ansehen,  nicht  zwar  insofeme,  als  in  Bezug  auf 
die  Rectorswahl  keine  Unterbrechung  stattgefunden  hätte,  sondern 
in  der  Weise,  dass  die  Universität  doch  nicht  bloss  von  der 
St.  Stephansschule  gebildet  wurde.  Zu  diesem  Resultate  werden 
wir  noch  durch  andere  Thatsachen  hingedrängt.  So  wird  durch 
die  citierte  Matrikel  die  Ansicht  widerlegt,  als  sei  vom  An- 
fange an  nur  die  artistische  Facultät  ins  Leben  getreten.  Schon 
das  Hauptargument   für   diese  Behauptung,   dass   sich  nämlich 

die  hier  von  Bedeutung  wären  (vom  5.  Jahre  an),  und  jene  Gregors  XL  ganz. 
S.  oben  S.  387  Anm.  699. 

1^9'^)  Hormayr,  1.  c.  S.  CLXXIYffl    Im  Auszuge  bei  Kink  I,  2  8.  7. 

i593j  Bei  Steyerer,  Commentarii  pro  historia  Alberti  II.  p.  455. 

1^^)  Man  erfährt  nur,  dass  1377  wider  ein  Bector  gewählt  wurde,  nicht 
aber  dass  irgendwie  neue  Lehrstühle  errichtet  worden  w&ren.  Wenn  sich 
Kink  I,  1  p.  16  Anm.  auf  die  vom  Schottenabte  Martin,  welcher  1424  in 
Wien  studiert  hat,  gebrachte  Notiz  beruft,  der  zufolge  'Albertus  III.  fundavit 
universitatem  Wyennae  anno  dorn.  1377  vel  prope'  (Pez,  SS.  rer.  aastr.  II, 
657),  so  ist  darauf  zu  erwidern,  dass  Martin  die  von  Herzog  Albrecht  im 
J.  1384  unternommene  Restaurierung  der  Universität,  welche,  wie  wir  weiter 
unten  sehen  werden,  von  Zeitgenossen  als  eine  Grflndung  betrachtet  wurde, 
im  Ange  hatte,  üebrigens  beweist  das  beigcfflgte  *vel  prope',  dass  der 
Autor  selbst  zugesteht,  er  sei  über  das  Jahr  nicht  genau  unterrichtet. 


5.  Hochschulen  mit  pftpstl.  a.  landesherri.  Stiftbriefen.  Wien.        611 

1384  die  artistische  Facultät  'universitas  artium'  genannt  hat^*^'^), 
ist  bedenklich,  denn  es  beweist  ebenso  wenig  für  dieselbe,  als 
ähnliche  Ausdrücke  für  die  Aufstellung,  die  Universität  Paris 
sei  aus  der  universitas  artium  hervorgegangen.  Dazu  kommt, 
dass  die  uns  erhaltenen  ersten  Immatriculierungen  aus  den 
Jahren  1377  und  1378  gerade  Studierende  der  Rechtswissen- 
schaft betreffen'"*^). 

Dass  wir  erst  seit  dem  J.  1377  von  Juristen  hören,  hat 
aber  lediglich  in  dem  zufälligen  Umstände  seinen  Grund,  dass 
im  genannten  Jahre  nach  Unterbrechung  von  11  Jahren  wider 
ein  Rector  gewählt  wurde  und  erst  jetzt  die  Matrikel  in  Auf- 
nahme kam.  Der  Rector  Johannes  Randek  hat  nicht  die  Juristen 
berufen,  sondern  er  hat  die  bereits  in  Wien  an  der  Schule 
obschon  in  geringer  Anzahl  vorhandenen  in  die  Matrikel  ein- 
geschrieben""). Ist  aber  dem  also,  dann  wurde  die  Universität 
nicht  bloss  von  der  Stephansschule,  wo  nur  die  artes  ver- 
treten waren,  gebildet,  wenngleich  Niemand  läugnen  wird,  dass 
diese  Lehranstalt  im  Anfange  den  Hauptbestandtheil  der  Uni- 
versität ausgemacht  hat.  Nun  erklärt  es  sich  auch,  warum 
Herzog  Albrecht  1383-1384  an  Urban  VL  schreiben  konnte, 
dass  das  von  Rudolf  gegründete  'Studium  generale  in  predictis 
facultatibus  (Jus,  Artes,  Medicin)  in  eadem  villa  per  dei  gratiam 
felicibus  successibus  usque  ad  moderna  tempora  semper  de  bono 
in  melius  perseverans  multipliciter  auctum  sit  adeo,  quod  retro- 
actis  temporibus  multi  eximii  in  eisdem  facultatibus  provecti 
inde  prodierunt  et  prodeunt  quotidie'  '^^^).  Das  4n  melius'  mag 
sich  auf  die  Zeit  nach  1377  beziehen,  in  der  auch  nach  Kink 
und   Aschbach    ein   Fortschritt    gegen   früher    aufzuweisen   ist. 

1&9&)  S.  Kink,  I,  1  S.  15  Anm.  Aschbach,  S.  24  Anm.  1 ;  25  Anm.  2. 

1696)  S.  Steyerer,  Gommentarii  pro  hist.  Alberti  II.  ducis  Anstr.  p.  455. 
Der  Universit&tsrector  Johannes  Randek  schrieb  1377  Studenten  4b  jure' 
ein.  Sein  Nachfolger  Conrad  Graf  von  Hohenberg  im  J.  1378  Hntitulavit 
sabseqaentes  studentes  in  jure  canonico'.  Im  J.  1379  'intitulavit  magistros 
et  scolares  in  artibus  subsequentes'  der  Rector  Colomann  Kolb.  Leider  wird 
nie  ein  Student  mit  Namen  genannt. 

1^7)  Aschbach  hat  nicht  darauf  geachtet,  als  er  S.  27  die  Behauptung 
anfsteHte,  das  Rechtsstndinm  habe  erst  mit  dem  J.  1377  begonnen. 

i&d»)  So  Urban  VI.  im  Schreiben  vom  20.  Febr.  1384  bei  Kink  II,  45. 

39* 


612    HL  Entwickelnng  der  Hocbschnlen  bis  sam  Ende  des  U  Jhs. 

Seit  dieser  Zeit  begannen  die  Immatriculierungen  und  die  regel- 
mässigen Rectorswahlen.  Und  so  werden  Kinks  und  Paulsens 
Behauptungen  auf  das  rechte  Mass  zurückgeführt. 

Wahr  bleibt  aber  trotzdem  immerhin,  dass  die  Anfange 
der  so  grossartig  angelegten  Wiener  Universität  unscheinbar 
waren.  Der  Grund  davon  ist  vor  Allem  in  dem  plötzlichen 
Tode  des  Stifters  Rudolf  (27.  Juli  1365)  zu  suchen.  Die  darauf 
erfolgten  erbitterten  Kämpfe  zwischen  den  beiden  Brüdern 
Albrecht  lU.  und  Leopold  III.  über  die  Art  der  Theilung  der  Länder 
waren  natürlich  der  Stiftung  nichts  weniger  als  günstig.  Ausser 
dem  noch  von  Rudolf  berufenen  Albert  von  Sachsen  und  einigen 
andern  wurde,  wie  es  scheint,  kein  bedeutender  Lehrer  von 
aussen  herbeigezogen;  die  Interessen  der  beiden  streitenden  Her- 
zoge waren  auf  etwas  anderes  gerichtet.  Man  begnügte  sich  mit 
dem  Lehrpersonal,  das  bereits  in  Wien  war  oder  von  selbst  kam. 
Da  aber  im  Yerhältniss  zu  den  Studierenden  Westdeutschlands 
nur  wenige  Oesterreicher  auf  auswärtigen  Generalstudien  sich 
aufhielten  und  promovierten  (wie  ich  mich  beim  Vergleiche  der 
verschiedenen  Rotuli  und  des  Registrum  nationis  anglicanae  zu 
Paris  überzeugt  habe),  und  sie  eigentlich  erst  das  Generalstudium 
zu  Prag  benützten,  so  besass  Oesterreich  selbst  zu  wenig  Ma- 
gistri,  die  zudem  nicht  genug  Anziehungskraft  für  auswärtige 
Professoren  und  Scholaren  besassen.  Ganz  anders  wäre  es  ge- 
wesen, hätte  Wien  die  Position  von  Köln  vor  Errichtung  der 
dortigen  Universität  inne  gehabt.  Zudem  war  in  Wien  nicht 
für  die  Besoldung  der  Magistri,  die  auch  noch  nach  1383  vieles 
zu  wünschen  übrig  liess ,  gesorgt.  Eigentlich  muss  man 
staunen,  dass  die  Hochschule  in  dem  Zeiträume  bis  1383  nicht 
ganz  eingieng. 

In  diesem  Jahre  fiel  dem  Herzog  Albrecht  lU.  das  ganze 
Herzogthum  Oesterreich  zu.  Albrecht  beschäftigte  sich  nun  als- 
bald auch  mit  der  Hochschule.  Durch  ihn  sollte  neues  Leben  in  die- 
selbe kommen.  Er  dachte  daran  frische  Lehrkräfte  von  aussen 
für  sie  zu  gewinnen,  die  theologische  Facultät  für  dieselbe  beim 
Papste  zu  erbitten,  und  mittels  einer  neuen  Urkunde  die  Universität 
zu  reorganisieren.  Die  hauptsächliche  Stütze  bei  diesem  Unternehmen 
sollte  Heinrich  von  Langenstein,  ein  Pariser  Theologe,  werden. 


5.  Hochschulen  mit  päpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.   Wien.      613 

Für  die  erste  Absicht  war  der  Augenblick  nicht  ungünstig. 
In  Folge  des  ausgebrochenen  päpstlichen  Schismas  waren,  wie 
die  ganze  Christenheit,  so  auch  einzelne  Genossenschaften  in 
derselben  getheilt.  Ebenso  war  es  an  der  Universität  Paris. 
Anfanglich  hielt  sie  zu  Urban  VI.,  an  den  sie  einen  Botulus 
abzusenden  gedachte,  als  dessen  nuntius  ad  curiam  von  Seite 
der  natio  anglicana  Gerhard  von  Kaikar  bestimmt  wurde  ^^''). 
Bald  aber  entschloss  sich  die  Universität  für  Neutralität  und 
erklärte  am  8.  Jänner  1379  in  dieser  Angelegenheit  nichts  thun 
zu  wollen,  ^nisi  ex  unanimi  facultatum  et  nationum  consensu'  '*^®). 
Als  aber  König  Karl  V.  in  sie  drang  sich  fQr  Clemens  YIL,  zu 
dem  er  selbst  hielt,  zu  erklären,  da  trat  Spaltung  ein.  Die 
Universität  entschied  sich  mit  Ausnahme  der  natio  Picardica 
et  Anglicana  und  mehrerer  Professoren  für  Clemens  VII.  ^*®0? 
die  beiden  genannten  Nationen  blieben  neutral.  In  Folge  davon 
wurde  man  über  die  Absendung  des  Rotulus  nicht  einig.  Nach 
langem  einige  Jahre  andauerndem  Hin-  und  Herschwanken  wurde 
der  Rotulus  unter  dem  Rectorate  des  Aegydius  de  aspero  monte 
im  Februar  oder  März  1383  an  Clemens  VII.  abgeschickt  *•"*). 
Er  ist  in  den  Reg.  Suppl.  Clemens  VII.  noch  vollständig  erhalten**®'). 


Reg.  nat.  anglicanae  zu  Paris  V,  BI.  16  b.  17  a.  Henricus  de 
Athenis  und  Marsilins  von  Inghen  waren  bereits  Ende  des  Pontifioates  Gre- 
gors XL  an  der  römischen  Curie.  Man  vergl.  oben,  S.  381  Anm.  674  und 
Beg.  nat.  angl.  17  a  mit  20  b.  Hartwigs  oberflächliche  Yermuthung  (Leben 
und  Schriften  Heinrichs  von  Langenstein  I,  40,  Anm.  1),  welcher  Schulte  in 
AUg.  Deutsch.  Biogr.  YII,  672  und  Aschbach  I,  373  Beifall  zollen,  statt 
*de  Athenis'  'de  Hassia'  zu  schreiben  erweist  sich  nach  Reg.  1.  c.  17  a  als 
grundlos.  Henricus  de  Athenis  ist  identisch  mit  dem  im  Register  h&ufig 
widerkehrenden  Henricus  de  Thenis  (in  der  Ltttticher  Diöcese ,  Prov. 
Brabant). 

i«oo)  S.  Du  Boulay  IV,  565. 

1601)  Ibid.  p.  566. 

1603)  pies  erhellt  aus  dem  Beschlüsse  einer  Oongregatio  der  natio  an- 
glic.  vom  24.  Februar  13^3.  Reg.  nat.  anglic.  zu  Paris.  Y,  42b  (ich  komme 
darauf  zurück).    Du  Boulay  lY,  592  war  sich  nicht  recht  klar. 

1^03)  An.  1  p.  5  Bl.  127-185.  Wie  so  viele  Rotnli  aus  der  Zeit 
Clemens  YII.  und  theilweise  schon  unter  früheren  F&psten  wurde  auch 
dieser  Rotulus  in  das  erste  Jahr  des  Pontificates,  n&mlich  in  den  Schlnss 
von  1378,  zurückdatiert. 


614    in.  Entwickeluog  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Alle  vier  Facoltäten,  darunter  die  artistische  mit  den  vier 
Nationen  (auch  der  picardischen  und  englischen)  werden  auf- 
geführt. Nur  bei  der  englischen  bemerken  wir  einen  grossen 
Unterschied  gegenüber  den  Rotuli  früherer  Zeit.  Während  damals 
im  Rotulus  der  Natio  anglicana  die  Deutschen  bei  weitem  vor- 
herrschten, finden  wir  nunmehr  ausser  Ulrich  Keller  von  Constanz 
und  Conrad  Puller  von  Entershofen  aus  der  Strassburger  Diocese, 
nur  noch  Schotten  und  einen  Normannen  in  demselben  ^'®^).  Die 
Deutschen  bewahrten  der  Mehrzahl  nach  die  Neutralität 

Doch  stand  die  natio  anglicana  Clemens  VII.  keineswegs  so 
schroff  gegenüber,  als  man  bisher  angenommen  hat.  Am  24.  No- 
vember 1382,  also  nur  etliche  Monate  vor  Absendung  des  Rotulus, 
wurde  in  der  congregatio  nationis  ad  s.  Mathurinum  unter 
anderm  der  Artikel  vorgelegt  ^super  modo  deliberando  expediendi 
rotulum  communem,  qui  ex  parte  nationis  ad  D.  papam  de- 
mentem esset  destinandus.  Pro  cuius  articuli  tenore  nacio  deli- 
beravit,  eundem  rotulum  esse  dirigendum  in  expensis  particola- 
ribus  coUigendis  magistrorum  volencium  scribi  in  eodem*^*®^* 
Am  13.  December  desselben  Jahres  ^nacio  deliberavit,  suppli- 
cationes  non  esse  admittendas  bacalariorum  in  facultate  decre- 
torum  volencium  rotulum  particularem  habuisse  summo  pontifici 
destinandum'  '*®^).  Wie  aus  den  ferneren  Berathungen  hervorgeht, 
war  die  inrotulatio  ganz  frei.  Am  3.  Februar  1383  verlangte 
in  congregatione  universitatis  der  Rector  vom  Procurator  der 
engl.  Nation  (Mag.  Henricus  Poelman  de  Arnhem  Traject  dioc), 
'quatenus  traderet  determinationem  nacionis  eiusdem  pro  D.  de- 
mente ad  habendum  in  Flandria  pro  determinando  ibidem  etiam 


1604)  Dass  keine  Engländer  aufgeE&hlt  werden,  darf  man  nicht  dem 
Umstand  anschreiben,  dass  England  zu  Urban  VI  hielt,  sondern  Tielmehr 
der  Thatsache,  dass  schon  seit  langem  fast  gar  keine  Engländer  (Schotten 
nicht  mitbegriffen)  der  Artisten-Facultät  angehörten,  wie  ans  dem  Begistrom 
nat  ang}.  herrorgeht    Vgl.  oben  S.  96  Anm.  183. 

1605)  Begtst  nat  anglicanae  Y,  Bl.  38  a.  Am  12.  October  schien  es  noch 
der  natio  *quod  pro  certo  non  expediebat  facere  sen  mittere  aliqoem  rota- 
Inm'.  Die  Decretisten  verlangten  *matnrius  condliom'.  Facultas  theologie 
et  medicine  meinten,  *qnod  simpliciter  ezpediret  &cere  rotulum',  und  es 
wurde  beschlossen,  einen  solchen  an  Clemens  au  senden.    Reg.  1.  c.  Bl.  36  a. 

1606)  Ibid.  Bl.  39  a. 


5.  Hochschulen  mit  päpstl.  u.  landesherrl  Stifthriefen.  Wien.        615 

pro  demente  et  etiam  pro  mittendo  ad  Papam.  Super  quo  deli- 
beravit  nacio  sie,  quod  determinatio  universitatis  cum  magno 
sigillo  merito  sufficeret,  et  quod  ad  talia  nacio  nostra  non  speci- 
aliter  deberet  astringi.  Super  acceleratione  rotuli  et  eins  sigilla- 
tione  placuit  nationi,  quod  acceleraretur  et  sigillaretur'  ^*^^').  Die 
Determinationes  in  artibus  der  Deutschen  giengen  ihren  ge- 
wohnten Gang,  wie  sich  aus  dem  Registrum  ergibt.  Von  einem 
Beschlüsse,  auszuziehen,  sollte  der  Rotulus  abgesandt  werden, 
ist  gar  keine  Rede,  im  Gegentheile,  am  24.  Februar  1383 
antwortete  die  Natio  sogar  auf  die  Anfrage  hin,  ob  sie  hingehen 
solle  ^ad  audiendum  legere  litteras  de  determinatione  universi- 
tatis ad  dementem  et  ad  audiendum  iurare  nuntios  universitatis 
rotuli',  dass  sie  illas  litteras  haberet  pro  litteris  et  quod  non 
vellet  contradicere  nee  contradiceret,  et  placuit  nacioni  quod 
nuntii  iurarent  sicut  est  consuetum  et  quod  rotulum  secum  ap- 
portarent' **'°®).  Auch  nach  dem  Beginne  des  Streites,  nämlich 
am  12.  Februar  1379,  erklärte  die  Nation  in  der  'congregatia 
omnium  magistrorum  nationis  anglicane  in  domo  capitulari  s.  Mat- 
thurinr,  'quod  dominus  rex  esset  male  informatus  de  nacione, 
videlicet,  quod  ipsa  impediret,  quod  rotulus  non  concluderetur 
nee  mitteretur  Fundis  (sie!)  ad  dementem'.  Es  sollten  einige  zum 
König  gehen  'ad  excusationem  nacionis  anglicane  et  singulorum 
eins  suppositorum  et  quod  super  facto  sibi  imposito  ipsa  esset 
totaliter  innocens  et  immunis' ""'). 

Dies  lautet  allerdings  ganz  anders,  als  Marsilius  von  Inghen 
berichtet  ^"'^),  der  doch  damals  in  Paris  unter  den  Mitgliedern 
war,  sich  aber  in  seinen  Schriften  hierüber  als  partheiisch  und 
nicht  ganz  zuverlässig  erweist,  und  als  die  Geschichtsforschung 
die  Lage  dieser  Dinge  häufig  darzustellen  gewohnt  ist.  Hiebei 
denke  ich  lediglich  an  das  Verhalten  der  natio  anglicana.  Eine 
leere  Behauptung  ist  es,  wenn  Hartwig  meint,  *der  Theil  der  euro- 


1607)  Ibid.  Bl.  41a. 

1608)  Ibid.  Bl.  42  b. 

1609)  Reg.  nat.  anglic.  V,  Bl.  20b. 

1610)  «Bationes  cur  ürbano  Pontifici  electo  adhaerendum'   bei  Hartwig 
S.  39  Anm.  1. 


616    m*  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

päischen  Kulturvölker,  welcher  später  zur  Zeit  der  Reformation 
für  die  Wahrheit  zeugte,  trat  hier  schon  für  die  gerechte  Sache 
in  die  Schranken'"").  Was  der  englischen  resp.  der  deutschen 
Nation  damals  in  Paris  mangelte,  das  war  die  Festigkeit,  sie 
befolgte  lediglich  eine  Abstinenztheorie,  und  war  in  ihrem 
Urtheile  eher  unschlüssig,  als  sicher  und  fest.  Das  beweisen  obige 
Stellen,  und  das  legte  sie  auch  am  20.  Mai  1381  ^in  solempni 
congregatione  universitatis'  bei  St.  Bernhard  an  den  Tag,  als 
die  Universität  sich  für  den  von  dem  Rector  vorgeschlagenen 
Weg  entschied  und  sich  entschloss  auf  die  Zustunmenberufmig 
eines  allgemeinen  Concils  hin  zu  wirken^®"). 

In  allen  bisherigen  Darstellungen  lief  hier  wie  so  häufig 
eine  Verwechselung  unter:  man  schied  nicht  zwischen  der  natio 
anglicana,  resp.  der  deutschen  Nation,  und  den  deutschen  Pro« 
fessoren  der  theologischen  Facultät.  In  letzterer  war  allerdings 
die  Festigkeit  bedeutend  grösser,  die  Stellungnahme  der  einen 
zu  Clemens  YIL,  der  anderen,  vorzüglich  der  deutschen,  zu 
Urban  YL,  eine  entschiedene,  und  die  Kluft  viel  weiter.  Während 
man  aus  den  Acten  darüber  nicht  ins  Beine  kommt,  ob  wegen 
des  Schisma  ein  bedeutender  Theil  der  deutschen  Angehörigen 
aus  der  natio  anglicana  Paris  den  Bücken  gekehrt  hat^^'*),  war 

i^>i)  S.  45.  Es  darf  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  man  davon  keine 
Spur  entdeckt,  dass  einige  NationsmitgUeder  bei  jenen  ^iqaoi  millia'  waren, 
die  in  Folge  der  BedrQckung  Ludwigs  von  Aiyou  im  Jahre  1380— IdSl  nach 
Rom  geflachtet  sein  sollen  (Du  Boulay  lY,  584),  eine  I&cherliche  Behauptung 
die  Hartfng  S.  48  harmlos  nachschreibt. 

1^^^)  Reg.  nat  angl.  Y,  Bl  31b.  Respondit  tarnen  nacio  nostra  ante 
omnia  protestando,  quod  non  intenderet  recedere  a  mandatis,  jusrionibus 
et  obedientia  superiorum  suorum,  sed  eis  firmiter  insistere  et  obedire,  pro 
bono  tarnen  pacis  et  uuionis  universalis  ecclesie  et  honore  buius  alme  uni- 
versitatis  via  per  D.  rectorem  proposita  videtur  ad  presens  fore  tuta,  sana 
et  expediens,  et  in  eam  consentiunt  quantum  in  eis  est,  et  nedum  in  bi^c, 
sed  in  quancunque  aliam  rationabilem  et  iustam,  per  quam  presens  proh 
dolor  divisio  posset  de  medio  submoveri  etc. 

161 3 j  j^us  dem  Registrum  nat.  angl.  erfährt  man  gar  nichts.  Zu  aUem 
Ueberflusse  ist  der  Theil  des  Registrums  vom  24.  April  1388  bis  5.  April 
1392  verloren  gegangen.  Der  Schluss  des  früheren  Registrums  jedoch  (Y) 
und  der  Anfang  des  neuen  (jetzt  YI)  lassen  auf  kein  weiteres  Yorkommniss 
schliessen.  In  einem  gegen  den  Kaniler  in  den  Jahren  1385  und  1386  von 
der  Universität  geführten  Process  werden  aber  folgende  deatsche  Artisttn 


5.  Hochschulen  mit  päpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Wien.      617 

dieser  Umstand  bei  Abreise  mehrerer  Theologen  massgebend. 
Wohl  nicht  bloss  um  der  Deutschen,  die  Paris  verlassen  hatten, 
sondern  mehr  um  anderer  Umstände  willen  sagte  Heinrich  von 
Langenstein  einige  Jahre  später,  'quod  studia  dissipantur  Gallie, 
sol  sapientie  ibi  eclipsatur'^*^^).  Auf  den  Abzug  deutscher  Pro- 
fessoren mag  es  sich  jedoch  beziehen,  wenn  er  hinzusetzt: 
^recedit  sapientia  transiens  ad  gentem  alteram' ^^^'^). 

Zu  den  Theologen,  die  Paris  verliessen,  gehörte  nun  auch 
Heinrich  von  Langenstein,  der  am  20.  Mai  1363  bei  St  Gene- 
vieve  das  Licentiat  in  artibus  erhalten  ^^^*),  nachdem  er  kurz  vorher 
4uravit  iui*amenta  consueta  determinantium'  und  auch  deter- 
miniert hatte ^^'').  Im  Mai  1375  finde  ich  ihn  zum  letzten  Male 
im  Registrum  nationis  anglicanae  als  magister  actu  regens  in 
artibus  aufgeführt '^^^).  Am  24.  September  desselben  Jahres 
wird  er  als  ^bachalarius  formatus  in  s.  theologia'  genannt  ^*^'), 

der  natio  anglicana  erwähnt:  Johann  de  Brandebonrc,  Johann  de  Austria, 
Petras  de  Anstredam  als  procurator,  Nicolans  de  Yandemonte  flammingus, 
Amaldus  de  Traiecto,  Johann.  Hoklem;  als  Examinator  pro  natione  anglic. 
wird  genannt  Johann  Holzelem,  etc.  Arch.  Yat.  Avenion.  Processus  contra 
cancell.  Paris,  n.  440  (früher  1299).  Wenn  von  1392  ab  im  Reg.  nat.  anglic. 
bei  weitem  nicht  mehr  so  viele  Deutsche  vorkommen  wie  frQher,  so  hat  dies 
zunächst  darin  seinen  Grund,  dass  nunmehr  die  Deutschen  grossentheils  auf 
ihren  eigenen  Universitäten  studierten. 

i6i4j  Epistola  informatoria  super  scismate.   Cod.  Yindob.  4923  Bl.  67  b. 

^^^^)  Ib.  Er  meint:  nnmquid  non  jam  apud  Germanos  luceme  quatuor 
sapientie  accense  sunt,  hoc  est,  quatuor  generalia  studia  veritatis  radiis 
choruscantia?  Yon  keiner  Bedeutung  ist  das  Schreiben  des  Kanzlers  der 
Universität  Prag  an  das  Collegium  Carol.,  in  welchem  er  mittheilt,  dass  die 
Universität  Paris  den  Wunsch  ausgesprochen  habe,  sich  nach  Böhmen  zu 
verlegen  u.  b.  w.  Bei  Höfler,  Mag.  Joh.  Hus  S.  121  Anm.  59.  Dass  'die 
Universität'  jemals  diesen  Gedanken  gehabt  haben  soll,  ist  eine  lächerliche 
Behauptung.  In  den  Acten  liegen  auch  nicht  die  geringsten  Anhaltspunkte  für 
irgend  eine  Wahrscheinlichkeit  vor.  Dass  aber  König  Wenzel  und  der  Kanzler 
im  Wahne  lebten,  die  Universität  Paris  könnte  nach  Prag  transferiert  wer- 
den, und  man  bei  Urban  YI.  Schritte  that,  ist  allerdings  wahr. 

1616)  Begist  nat.  anglic.  III,  Bl.  48b.  51a.  Incepit  2.  feria  postpenthe- 
costen  sub  magistro  Hermanno  Gonsul  de  Saxonia    Ibid.  Bl.  49  a. 

1617)  ii)id.  Bl.  47  b.  Zum  ersten  Male  als  magister  actu  regens  erscheint 
er  im  Begist.  am  17.  Jänner  1364.  Bl.  51b. 

1618)  IV.  Bl.  46  b. 
i«i9)  Ibid.  Bl,  48a. 


618    III.  Entwickelong  der  Hochschulen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

im  Jahre  1376  (März  oder  Februar)  feierte  er  das  ^festom  in- 
ceptionis  in  theologia' '*'°).  Die  natio  anglicana  gebrauchte 
ihn,  trotzdem  er  von  nun  an  nicht  mehr  stricte  zu  ihr  ge- 
hörte, zu  wichtigen  Geschäften.  Am  5.  Jänner  1378  'ad  roga- 
tionem  nacionis  acceptavit',  beim  Kaiser  Karl  IV.  verschiedene 
Bitten  vorzubringen^"^).  Bald  darauf  brach  das  Schisma  aus, 
zu  welcher  Zeit  Heinrich  einer  der  eifrigsten  Gegner  Clemens  VII. 
war,  für  den  aber  schliesslich  die  Universität  eintrat.  Um  so 
sonderbarer  ist  es,  dass  ihn  Voigt  den  Tonangeber  unter  den 
Pariser  Theologen  nennt "").  Gerade  der  Umstand,  dass  Heimich 
unter  seinen  Collegen  nicht  zu  viel  Anklang  fand,  war  f&r  ihn 
möglicher  Weise  einer  der  Gründe  sich  von  Paris  wegzuwenden. 
Es  hat  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  und  es  mangeln 
nicht  die  Belege  hiefür'"^),  dass  Herzog  Albrecht  von  Oester- 
reich,  die  Spaltung  an  der  Pariser  Universität  benützend,  bereits 
vor  der  Abreise  Langensteins  und  anderer  Professoren  an  die 
deutschen  Professoren  in  Paris  die  Einladung  nach  Wien  zu 
kommen  gesandt  hatte,  so  dass  also  diese  AufiForderung  für  sie 
mit  ein  Grund  gewesen  wäre,  Paris  zu  verlassen.    Verbürgt  ist, 

'«SO)  Ibid.  Bl.  49b.    Dazu  vergl.  Du  Boulay  lY,  961. 
i^>)  Ibid.  y,  BL  9b:    Prima  de  mutatione  nominis  nacionis  angUcane 
in  nomen  nacionis  alemannorum.    Secunda  petitio  erat,  quatenus  dignareinr 
(Imperator)  scribere  pro  nacione  ad  Dom.  appostolicum,   nt  cessaret  ilia  op- 
pressio  ezaminis  s.  Genovefe,  secundum  qnod  nostri  vocarentnr  secundom  me- 
rita  personarum  . . .   Tertia  erat  de  fundatione  unius  collegii. 
«6»)  Enea  SUvio  de'  Piccolomini  I  (BerUn  1856X  188. 
1623)  Dies  berichtet  einmal  Thomas  von  Haselbach  (Chron.  aastr.  bei 
Pez,  SS.  rer.  austr.  II,  812),  der  unter  den  yon  Albert  aus  Paris  Berufenen, 
Heinrich  von  Hessen,  Heinrich  von  Oytha,  Andreas  (!)  Kaikar  und  andere 
nennt.   Ebenso  ergiebt  sich  dies  aus  des  Zeitgenossen  Peter  Suchenwirt  Ge- 
dicht auf  Albert: 

In  frompde  knt  und  gen  Pareis 

Er  zu  den  maistem  sande, 

Di  in  den  chunsten  warn  weis 

Di  pracht  man  im  zu  lande. 
Peter  Suchenwirts  Werke  von  Primisser  (Wien   1827)  8.  15.     Allerdings 
folgte  unter  dieser  Voraussetzung  Heinrich  von  Langenstein  nicht  alsbald 
der  Einladung,  da  er  anÜlDglich   mit  dem  Plane  umgieng  in   einem  anderen 
deutschen  Orte  eine  Universität  zu  grflnden. 


5.  Hochschulen  mit  p&pstl.  u.  landesherrl.  Stiltbriefen.  Wien.        619 

dass  Heinrich  circa  1383,  d.  i.  in  jener  Epoche,  in  der  auch 
andere  Professoren  aus  Paris  in  Oesterreichs  Hauptstadt  sich 
einfanden,  nach  Wien  kam'"*).  Ja  er  erscheint  dort  frtiher  als 
einige  seiner  Gollegen,  wenigstens  als  Gerhard  von  Kaikar,  der 
ihm  von  Paris  aus  zwei  Verwandte,  *ac  alios  studentes  de  Colo- 
nia,  quos  ad  Studium  Wiennense  alias'  destiniert  hatte,  empfahU*'^). 
Wie  einige  Jahre  später  Marsilius  von  Inghen  die  Seele  der 
Universität  Heidelberg  wurde,  so  Heinrich  von  Langenstein  die 
der  Hochschule  zu  Wien.  Allerdings  war  dieser  viel  bedeu- 
tender als  jener. 

Albrecbt  hatte  sich  zugleich  an  den  Papst  gewandt,  um 
fflr  seine  Hochschule  die  theologische  Facultät  zu  erwirken. 
Urbans  VI.  diesbezügliche  Bulle  erschien  am  20.  Februar  1384, 
worin  er  gewährt,  ^quod  in  eadem  theologia  sit  Studium  generale^ 
und  dass  die  Studierenden  die  Privilegien  der  theologischen 
Facultät  von  Paris  und  Bologna  besitzen  sollten.  Wie  für  die 
übrigen  Fächer,  so  musste  auch  für  die  Theologie  der  Propst  von 

1624)  Eigentlich  ist  nur  einigermassen  verbargt,  dass  Heinrich  ca.  1383 
Paris  verlassen  hat.  Im  Cod.  Yindob.  4919  Bl.  llOa  steht  n&mlich  am 
untern  Rande  der  ersten  Seite  von  dessen  Epistola  de  futuris  periculis  ec- 
clesie  ex  dictis  Hildegardis:  *Nota,  quod  prefatus  Magister  Heinricus  haue 
epistolam  scripsit  et  destinavit  circa  annos  D.  mcccIxxxiii,  quando  recessit 
a  studio  Parisiensi  propter  magnum  scisma  ecclesie,  quod  tunc  cepit  inter 
papas\  Man  darf  jedoch  das  Wörtchen  'circa' ,  worauf  bei  solchen  Zeitbe- 
stimmungen immer  viel  ankommt,  nicht  übersehen.  Doch  glaube  ich  nicht,  dass 
diese  Zeitangabe  grosser  Correctur  bedarf,  denn  sie  stimmt  völlig  zu  den 
Ereignissen  in  Paris;  und  dann  kann  Heinrich  nicht  viel  sp&ter  nach  Wien 
gekommen  sein,  denn  er  war  dort  frQher  als  Gerhard  von  Kaikar,  wie  sich 
ergeben  wird,  letzterer  aber  hielt  sich  im  Schuljahre  1384—1385  sicher  schon 
in  Wien  auf. 

^^  S.  Hartwig  1.  c.  S.  65  Anm.  1.  Von  den  übrigen  Professoren,  die  in 
jener  Epoche  Paris  verliessen  und  nach  Wien  kamen,  sind  die  bekannten 
Heinrich  de  Oytha  und  «Heinrich  de  Odendorp.  Die  Namen  anderer  s.  bei 
Aschbach  S.  31.  Ueber  Heinrich  von  Oyta  vgl.  oben  S.  592  Anm.  1512. 
Heinrich  de  Odendorp  erhielt  23.  März  1375  das  Licentiat  in  artibus  zn 
Paris.  Reg.  nat.  anglic.  lY,  Bl.  45  a.  In  St.  Florian,  Hs.  XI.  113  Bl.  1  findet 
sich  desselben  Lectnra.  super  canonem  (hmü  toriuaquef  an  deren  Schluss 
(61.  64)  steht:  Ezplicit  lectura  unacnm  questionibus  rev.  mag.  Henrici  de 
Oedendorff  reportata  in  studio  wyennensi  et  finita  anno  89.  In  der  ersten 
Kölner  Matrikel  erscheint  ebenfalls  dieser  Henricns  de  Odendorp,  mag.  in 
artibus  und  utriusque  juris  doctor.    Bei  Schmitz,  S.  10. 


620    ni«  Entwickelang  der  Hochschulen  bis  znm  Ende  des  14.  Jhs. 

St.  Stephan  die  Promotionen  überwachen'^'*).    Unter  demselben 

Datum  erneuerte  der  Papst  die  Dispens  von  der  Residenz- 
pflicht "*0. 

Auch  seine  dritte  Absicht  führte  Albrecht  aus.  Er  erlies 

im  J.  1384^*'*)  einen  neuen  Privilegienbrief  mit  Ergänzungen 
zum  Rudolfinischen  Stiftbrief  ^*'').  Hartwig  und  Aschbach  waren 
der  Meinung,  dass  dazu  Heinrich  von  Langenstein  Veranlassung 
gewesen  sei,  der  in  seiner  Schrift  Informatio  Domini  Alberti 
ducis  Austrie  de  complendo  et  stabiliendo  studio  Wiennensi* 
dem  Herzog  über  den  verwahrlosten  Zustand  der  Hochschule 
klage,  z.  B.,  dass  die  Universität  noch  keine  yom  Rector  geübte 
Gerichtsbarkeit  besitze,  die  Schul  -  LocaUtäten  in  schlechtem 
Zustande  und  die  Dotierung  nicht  geregelt  seien  u.  s.  w/"*). 
Allein,  hätten  beide  wirklich  den  Brief  in  der  Hs.  gelesen  und 
sich  nicht  bloss  auf  die  unvollständigen  Auszüge  bei  Denis  ver- 
lassen, so  wäre  ihr  Urtheil  wohl  anders  ausgefallen«  Heinrich 
erwähnt  nämlich  in  der  Informatio  bereits  das  ^ducale  GoUegiom', 


1^)  Bei  Kink  11,  43.  Paulsen  nennt  dieses  Schreiben  mit  Unrecht 
*eine  neue  p&pstliche  Errichtnngsbulle'.  Nur  die  theologische  Facolt&t,  nicht 
aber  das  ganze  Stndiam,  wurde  in  demselben  gew&hrt;  dieses  setzte  der 
Papst,  wie  wir  oben  sahen,  als  existierend  voraus. 

i6>7)  Bei  Kink  S.  47. 

1628)  Monat  und  Tag  der  Ausstellung  sind  nicht  bekannt 

1629)  Bei  Kink  S.  49.  Auch  dieser  Brief  wurde  von  Kink  und  den 
Späteren  mit  Unrecht  als  Stiftbrief  bezeichnet.  Er  enthält  nebst  einer  Be- 
stätigung des  Alten  nur  eine  Hinzufügung  neuer  Privilegien  und  Bestimmun- 
gen. Wegen  der  Stiftung  des  CoUegium  dncale  allein  darf  er  nicht  Stift- 
brief (der  Hochschule)  genannt  werden. 

'630)  Im  Cod.  Yindob.  4610  Bl.  230b.  Heinrich  sagt,  ehe  er  die 
Schäden  anfuhrt,  unter  anderm  Bl.  231a:  'quid  est  ergo  prinoeps  illustrissime, 
aut  quid  retardat  perfici  tarn  salnbriter  concepta  et  magnifice  inchoata  domino 
inter  cetera  coUegium  yidelicet  omnium  sanctorum  et  collegium  universitatis 
studencium?  Cur  utrumque  tarn  magnum  ad  gloriam  dei  opus  non  perficitur?' 
Er  ermahnt  den  Herzog  Sorge  zu  tragen,  dass  das  Oeneralstudium  'flrmetur 
et  feliciter  perseveret'  und  zwar  auch  wegen  der  'magna  fama  studii  Wyenn., 
qne  quasi  subito  in  laudem  et  gloriam  principum  Austrie  exivit  fere  in 
omnem  terram  et  jam  nonnuUos  etiam  de  extremis  terre  fama  illa  adduxit 
huc'.  Dann:  'multitudo  iam  in  dicto  studio  in  diversis  facultatibus  gradna- 
torum,  qui  essent  aliis  derisioni,  si  Studium  hoc  aliquid  desineret,  aliquid 
decrescendo  vilesceret'. 


5.  Hochschalen  mit  pftpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Wien.      621 

dessen  ^completio'  noch  ausstehe,  das  keinen  Platz  ßlr  die  Bibli* 
othek,  keine  geordnete  Kapelle  besitze  ^''0  und  wo  grosse  Räume 
unbenutzt  dastünden.  Die  meisten  Klagen,  die  Aschbach  und 
Hartwig  auf  die  Hochschule  beziehen,  betreffen  dieses  CoUeg. 
Nun  wurde  aber  das  Collegium  ducale,  wie  bekannt,  nicht  vom 
Herzog  Rudolf,  sondern,  vom  Herzog  Albrecht  im  J.  1384  mittels 
seines  Privilegienbriefes  gegründet"**).  Zudem  ist  es  nicht  richtig, 
dass  Heinrich  von  Langenstein  dem  Herzog  klagt,  der  Rector 
der  Universität  übe  noch  keine  Gerichtsbarkeit.  Im  Gegen- 
theile  setzt  er  die  bereits  gewährte  'potestas  judiciaria  rectoris' 
voraus  und  er  will  nur,  dass  sie  in  Zukunft  ^fundetur  ex  aucto- 
ritate  episcopi  ordinarii  vel  sedis  apostolice' "**).  Dieses  letztere 
Moment  wird  im  Privilegienbriefe  Albrechts  noch  nicht  berührt; 


1681)  Ibid.  BI.  231»»  f. 

i6S2j  Ygi.  ^en  Albertinischen  Privilegienbrief,  dann  Thomas  von  Hasel- 
bach (Pez,  SS.  rer.  austr.  II,  812).  Es  existiert  nicht  die  geringste  An- 
deutung dafür,  dass  das  Coilegiam  ducale  vor  1384  gegründet  worden  w&re. 

163S)  Die  Stelle,  welche  sich  auf  die  Gerichtsbarkeit  des  Rectors  so- 
wie auf  die  möglichen  Zwistigkeiten  am  Qeneralstudium  bezieht,  ist  zu  inter- 
essant, als  dass  sie  hier  nicht  ihren  Platz  finden  sollte.  Cod.  Yindob.  4610 
BL233':  Sextum  est,  ut  propter  validiorem  et  efficaciorem  correctionem  et 
disciplinacionem  suppositorum  uniuersitatis  .  .  .  potestas  judiciaria  rectoris 
fundetnr  ex  auctoritate  episcopi  ordinarii  uel  sedis  apostolice.  Kec  moveat 
principem  aut  alium  quemquam, . . .  si  inter  tot  aliqui  studentium  rixentur  quan- 
doque  cum  laycis  uel  inter  se,  cum  sit  de  ratione  studii  generalis,  ut  ex  omni  na- 
cione ,  que  sub  celo  est,  ibi  conueniant,  ubi  tale  Studium  instituitur.  Quid  ergo 
mirum  si,  ubi  tanta  morum  dissimilitudinem  esse  oportet,  audiantur  quandoque 
strepitus  dissensionum?  Iterum  nil  mirum,  si  dissensiones  quedam  contingant  aut 
contingerint  maxime  a  principio,  qnia  adhuc  populus  iste  non  fnit  instructus  de 
statu  et  moribus  studentium  nee  utilitatem  corporalem  et  spiritualem  studii 
litteramm  posaunt  rüdes  experiri  et  sentire.  Iterum  in  antiqnissimis  et 
optime  regulatis  studiis  generalibus  caveri  non  potest,  quod  quandoque  aliqui 
de  stadentibns  disceptent  inter  se  et  cum  quibusdam  laycis,  in  quo  casn 
consneverunt  in  locis  studiorum  his,  qui  rei  sunt,  stndentes  et  laycl,  acriter 
puniri,  alio  enim  modo  super  hoc  prouideri  non  potest.  Item  pmdens 
princeps  pensare  debet,  quod  tarn  ardna  res  sine  occursu  resistentie  et  mo- 
lestie  multiplicis  institui  et  firmari  non  potest,  cum  malorum  infinitus  sit 
numerus  etc.  Auch  Bl.  234  a  sagt  Heinrich,  der  Fürst  möge  bestimmen,  quod 
rector  habeat  potestatem  ab  officiali,  vel  episcopo  vel  papa  permittendo 
punire  stndentes  uel  quod  officialis  super  hoc  vigilet  diligenter  simul  et  rector, 
ut  fiat  debita  iusticia  laycis  de  scolaribus. 


622    m.  Entwickelnng  der  Hochschulen  bis  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

der  Rector  erhält  vom  Herzog  nur  'potestatem  judiciariam  super 
Scolaribus  atque  assumendi  et  constituendi  sub  se  unum  judicem 
in  causis  civilibus'  u.  s.  w."'*).  Die  Lobsprüche,  welche  Heinrich 
dem  Studium  zu  Wien  ertheilf "),  haben  femer  nur  vollen 
Sinn,  wenn  sie  sich  auf  die  durch  Albrecht  reorganisierte  Hoch- 
schule beziehen,  zumal  Heinrich,  wie  wir  alsbald  sehen  werden, 
diesen  Herzog  als  Gründer  derselben  betrachtete. 

Aus  all  dem  ergibt  sich,  dass  Heinrich  den  Albrechtschen 
Privilegienbrief  bereits  vor  sich  gehabt  hat  und  die  Abfassung 
seiner  erwähnten  Informatio  in  die  Zeit  nach  Erlass  desselben 
fällt  Es  lässt  sich  sogar  das  Jahr  bestimmen,  in  welchem 
Heinrich  seine  Vorschläge  abfasste,  nämlich  ungefähr  1388^*^*). 
Und  so  betreifen  dieselben  nicht  den  Zustand  der  Hochschule 
vor  Erscheinen  des  Albrechtschen  Privilegienbriefes,  sondern 
jenen  seit  1384,  d.  i.  seit  der  Reorganisierung  der  Hoch- 
schule durch  den  Herzog.  Gewiss  macht  dies  einen  grossen 
Unterschied. 

Der  Albrechtsche  Privilegienbrief,  dessen  Besprechung  in 
den  zweiten  Band  gehört,  jst  nicht  weniger  interessant  als  der 
Rudolfinische  Stiftbrief.  In  ihm  werden  die  Bestimmungen  über 
die  Nationen  und  die  Facultäten  weit  mehr  praecisiert,  theilweise 
auch  verändert,  ein  neues  Statut  über  das  Universitätssiegel  und 
die  Schule  von  St.  Stephan  gegeben '°'^),  die  Studierenden  widerum 

1634)  Bei  Kink  II,  65.  Vgl.  data  a  52f. 
1636)  s.  oben  Anm.  1630. 

1636)  Heinrich  sagt  in  der  Informatio  (Bl.  238  b):  certos  snm,  qnod  Do- 
minuB  mens  dox  iam  in  qoataor  annis  a  principio  huius  stadii  tantom  dia- 
tribuit  in  promptis  pecuniia  pro  atipendiis  magistromm  collegU,  qnod  ipeum 
collegium  redditibas  perpetnis  sufficienter  pro  eadem  peconia  dotasset,  et 
ita  faciet  adkac  in  proximis  qoataor  vel  qainque  annis.  Die  Abluaung  der 
Informatio  hatte  also  circa  1388  statt.  Nor  in  dem  Falle,  dass  Hersog 
Albrecht  1379  mit  der  Boorganisation  der  Uaifersitftt  und  der  Grflndong  des 
CoUegiom  dncaie  begonnen  h&tte,  was  jedoch  den  Thatsachen  widerspricht, 
fiele  sie  in  das  Jahr  1384. 

1637)  Der  Hersog  bestimmt  %  antiqois  scolis  ad  s.  Stephanom  artes 
liberales  eciam  publice  legi  per  qnatoor  precipue  magistros  areium  alios  a 
predicüs  (d.  h.  von  jenen  verschieden,  die  in  coUegio  fiscultatis  artium  waren, 
nnd  Ton  welchen  er  unmittelbar  vorher  gesprochen  hatte;  die  Stelle  bei 
Kink  I,  1  S.  26  ist  missverstftndlich),  eomndemque  unum  ibidem  esse  recto- 


5.   Hochschulen  mit  päpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.  Wien.      623 

von  den  Lasten  befreit  und  in  den  herzoglichen  Schutz  genommen. 
Damit  aber  ein  Universitätsangehöriger  dieser  Privilegien  theil- 
haftig  werde,  müsse  er  sich  binnen  Monatsfrist  durch  den  Rector 
in  die  Matrikel  eintragen  lassen.  Ein  wichtiger  Punkt  im  Privi- 
legienbriefe war  die  Uebergabe  eines  vom  Herzoge  gekauften 
und  dotierten  neben  den  Dominicanern  liegenden  Hauses  an  die 
Universität  für  12  Magistri  artium,  von  denen  einer  Baccalar 
der  Theologie  sein  musste,  und  für  einen  oder  2  Doctoren  der 
genannten  Facultät  "''*).  Acht  Canonicate  von  St.  Stephan  sollten 
immer  im  Falle  der  Yacanz  nur  an  die  Magistri  artium  dieses 
GoUegs,  welches  den  Namen  CoUegium  ducale  erhielt,  vergeben 
werden. 

Es  versteht  sich  nun  aber  von  selbst,  dass  diese  Art  Do- 
tierung gerade  für  den  Anfang  sehr  precär  war,  denn  es  ist 
kaum  glaublich,  dass  auf  einmal  8  Canonicate  erledigt  waren.  Zu- 
dem fragt  es  sich,  welche  Subsistenzmittel  die  übrigen  4—6  Magistri 
hatten.  Die  Klage  Heinrichs  von  Langenstein  in  seiner  citierten 
Informatio,  dass  das  GoUeg  nicht  gehörig  dotiert  sei,  war  also 
ganz  am  Platze. 

Herzog  Abrecht  bestimmte  auch  in  dem  Privilegienbriefe, 
dass  jeder  Herzog  beim  Regierungsantritte  die  Privilegien  der 
Universität  auf  deren  Verlangen  hin  bestätigen,  der  Bürger- 
meister von  Wien  aber  bei  jeder  Neuwahl  die  Handhabung  der- 

rem  pneromm'.  Das  Salariam  soUten  die  vier  ron  der  Stadt  erhalten.  Dem 
Rector  wurden  manche  Rechte  einger&umt.  Doch  mussten  sowohl  er  als  die 
Abrigen  sowie  die  bei  St.  Stephan  hörenden  Scholaren  sich  in  die  Matrikel 
einschreiben  lassen,  wollten  sie  'de  nniversitatis  gremio'  sein  und  an  den 
Privilegien  der  Universität  theilhaben.  Das  Emennungsrecht  der  vier  Ma- 
gistri stand  dem  Bflrgermeister  mit  dem  Stadtrathe  zu;  sie  sollten  sich  aber 
dabei  mit  dem  Rector  (der  Universität)  und  den  vier  Procuratoren  der  Na- 
tionen ins  Einvernehmen  setzen  (Kink  11,  63  f). 

1638)  Aschbach  S.  39.  43  behauptet,  der  Herzog  habe  der  Universität 
von  Weihnachten  1384  an  das  von  ihm  als  CoUegium  bezeichnete  Haus 
flbergeben.  AUein  da  waltet  ein  arges  Missverstftndniss  ob.  Der  Herzog 
sagt  n&mlich,  er  Qbergebe  das  Haus  'presenti  anno,  videlicet  a  nativitate 
domini  millesimo  trecentesimo  octuagesimo  quarto'  (bei  Kink  II,  62).  'A  na- 
tivitate domini'  nahm  nun  Aschbach  far  Weihnachten  1384,  w&hrend  die 
Bezeichnung  der  ganz  gewöhnliche  tcrminus  a  quo  fOr  die  Angabe  der 
Jahre  ist! 


624    HL  Entwickelong  der  Hochschulen  bis  snm  Ende  des  14.  Jhs. 

selben  beschwören  solle.  Am  5.  October  des  gleichen  Jahres  er- 
theilte  er  der  Universität  das  Recht  Statuten  zu  machen'*'*), 
worauf  im  Jahre  1385  in  der  That  die  allgemeinen  Statuten  er- 
schienen, denen  innerhalb  eines  Zeitraumes  yon  4  Jahren  jene 
der  einzelnen  vier  Facultäten  folgten. 

Dass  die  Hochschule  auch  jetzt  noch,  wenigstens  während  der 
ersten  vier  Jahre,  vieles  zu  wünschen  übrig  liess,  beweist  die 
widerholt  angezogene  Informatio  Heinrichs  von  Langenstein.  Vor 
allem  andern  räth  er  dem  Herzog  neben  der  Vollendung  des  alten 
CoUegs,  des  collegium  ducale,  die  Errichtung  neuer  Gollegien. 
Von  ihnen  hänge  der  Fortbestand  einer  Hochschule  ab  und  ihnen 
habe  Paris  die  Blüthe  zu  verdanken  '*^^).  Er  erwähnt  die  Schäden, 
die  seit  dem  'Beginne'  der  Schule,  nämlich  im  Sinne  Heinrichs 
seit  vier  Jahren  ^*^'),  an  derselben  sich  fänden.  Dass  Abhilfe 
geschafft  wurde,  beweist  die  Geschichte  der  nächsten  Zeit 

So  wurde  die  Hochschule  zu  Wien  im  Jahre  1365  gegründet 
und  1384  reorganisiert.  Erst  in  dieser  Epoche  und  in  Folge 
von  Heinrichs  von  Langenstein  Mahnungen  wandte  man  das 
Augenmerk  auch  den  entsprechenden  Besoldungen  zu.  Die  Reor- 
ganisation hob  sich  dermassen  von  der  eigentlichen  Gründung 
ab,  dass  man  Herzog  Albrecht  sogar  für  den  Stifter  der  Hoch- 
schule ansah'®"). 


i6»9)  Bei  Kink  ü,  72. 

1640)  Et  precipae  dominus  dnx  et  sui  magnates,  n  literarom  Stadium 
apnd  se  perse^erare  volont,  ad  solidam  fandationem  collegiomm  ocvlnm 
habere  debent,  in  qnibus  simul  vigeat  Stadium  et  diviaus  cultus,  nt  est  Pa- 
risius,  quia  taliter  debite  fondatis  et  institutis  aliquibus  coUegiis  Studium 
semper  fiorebit  .  .  .  ncc  deficere  potent,  quod  sine  coUegiis  cito  distrahetur, 
ymmo  nullius  momenti  erit.  Nichil  enim  alind  Paiisiense  Studium  inde- 
fectibiliter  firmavit  et  extulit,  nisi  ibidem  solida  tot  coUegiorum  fundatio. 
Cod.  Yind.  4610  Bl.  232. 

i««i)  8.  obeo  8.  622  Anm.  1636. 
!««>)  Peter  Suchenwirts  Werke  8.  16: 

Daz  nye  chain  fttrst  hat  ror  bedacht, 

Dai  hat  er  wol  verstanden, 

Dai  er  di  hohen  schul  her  pracht 

Hat  sa  deutschen  landen 

Gen  Wienn  in  di  werden  stat, 

Der  man  hat  lob  und  ere. 


5.   Hochschulen  mit  p&patl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Krakan.   625 

Zum  Schiasse  noch  die  Bemerkung,  dass  in  Wien  wie  in 
Prag  das  Civilrecht  lange  Zeit  hindurch  keine  ständige  Ver- 
tretung hatte;  kaum  hie  und  da  kommt  in  Wien  bis  1494  ein 
Legist  vor"**). 

Krakau. 
Auch  Polen  sollte  nicht  einer  Universität  ermangeln.  Der 
Gedanke,  in  Krakau  eine  solche  zu  gründen,  gieng  von  König 
Kasimir  dem  Grossen  aus,  der  bereits  1363  mit  den  Vorberei- 
tungen zu  diesem  Unternehmen  begann"**).  Am  12.  Mai  1364 
erschien  dessen  Stiftungsurkunde,  mittels  welcher  er  ein  General- 
studium zu  Krakau  'in  qualibet  licita  facultate'  anordnete;  er 
gibt  den  Studierenden  und  den  Angehörigen  der  Universität  die 
Privilegien  von  Bologna  und  Padua,  den  Scholaren  im  Lande  ZoU- 
und  Steuerfreiheit,  gewährt  ihnen  Sicherheit  der  Person  und  Habe 
und  bestätigt  die  Privilegien,  die  er  ihnen  zugestanden.  Bei  einem 
Juden  durften  die  Scholaren  auf  Pfand  hin  Geld  borgen,  und  diesem 
war  es  nicht  erlaubt,  monatlich  mehr  denn  einen  Groschen  von  jeder 
Mark  Zinsen  zu  nehmen.   Der  Rector,  der  kein  Doctor  oder  Magister 

Auch  Heinrich  von  Langenstein  datiert  das  Trincipinm  stndii'  von  Hersog 
Albrecht  (Cod.  Yindob.  4610  Bl.  232  b).  «Inchoavit  Stadium'.  (BI.  234  a).  Und 
der  Schottenabt  Martin  sagt  geradezu:  fundavit  universitatem  Wyennae.  S. 
oben  S.  610  Anm.  1594. 

164S)  Mather,  Zur  Geschichte  der  Rechtswissenschaft  S.  102,  muss,  trotz- 
dem er  nicht  geneigt  ist,  dies  doch  zugestehen.  Nachträglich  mache  ich  noch 
auf  Tomascheks  Geschieh tsquellen  der  Stadt  Wien,  wo  s.  B.  im  1.  Bd.  der 
1.  Abthlg.  die  oben  S.  604  citierten  Urkunden  stehen,  und  auf  Mayers  Mono- 
graphie (44  S.),  Die  Bürgerschule  zu  St.  Stephan  in  Wien  (1880),  aufmerksam. 

1644)  Nakielski,  Miechovia  p.  282.  Ton  einer  frtlheren  Stiftung  kann 
keine  Rede  sein.  In  der  bisher  kaum  bekannten  ältesten  Tita  des  hl.  Hya- 
cinth  (De  rita  et  miraculis  s.  Jacchonis  auct.  Stanislao  lectore  Cracoviensi  ed. 
L.  Cutiklinski,  Lw6w  1884)  p.  30  heisst  es,  der  Bischof  Yon  Krakau  habe  ihn, 
als  er  bereits  canonicus  war,  vor  1216  'ad  Studium  generale'  geschickt,  'ubi 
mnltis  annis  persistens  darum  intellectum  in  sacra  theologia  ac  jure  cano- 
nico  conquisirit'.  Der  spätere  Seweryn  meinte,  unter  'Studium  generale' 
werde  hier  Krakau,  Prag  und  Bologna  verstanden  (s.  ibid.  Anm.  b).  Allein 
von  Krakau  kann  schon  deshalb  keine  Rede  sein,  weil  es  alsbald  heisst: 
'deinde  regressus  de  studio  in  Cracoviam'.  In  Bologna  wurde  damals  noch 
nicht  Theologie  gelehrt.  Prag  jedoch  konnte  in  jener  Zeit  keine  Anziehungs- 
kraft ansahen,  davon  abgesehen,  dass  das  Generalstudium  dort  erst  aber  ein 
Jh.  später  errichtet  wurde. 

Danifla,  Die  UDiTeraiUUD  I.  40 


626    m*    EntwickeluQg  der  Hocliscliuleii  bis  sum  Ende  des  14«  Jhs. 

sein  solle,  habe  in  Civil-  und  in  leichten  Criminalsacheii  die 
Gerichtsbarkeit  über  die  Scholaren.  Seinen  Kanzler  zu  Krakan 
bestellte  er  zur  Ueberwachung  der  Promotionen.  Zugleich  wirft 
der  König  Besoldungen  aus  für  3  Decretisten,  5  Legisten,  2  Phy- 
siker und  einen  Magister  artium  "").  Unter  demselben  Datum  ver- 
sprachen die  Consuln  und  Schöffen  der  Stadt  dem  Rector,  den 
Professoren  und  Scholaren  sowie  den  übrigen  Universitätsange- 
hörigen ^omnia  et  singula  statuta  et  pacta  in  studiis  Bononiensi 
et  Paduano  consueta,  ac  per  eos  rationabiliter  statuenda  obser- 
vare'*"*).  Obwohl  der  königliche  Stiftbrief  darüber  schweigt, 
so  sagen  sie  doch  in  dem  Schriftstücke,  der  König  habe  den 
Entschluss,  ein  Studium  zu  errichten,  ^ex  benigna  largitione  ss. 
in  Christo  patris  .  • .  Urbani  Papae  V.'  gefasst.  Indess  sind  die 
noch  existierenden  päpstlichen  Bullen  spätem  Datums"*').  Wie 
in  Wien  der  Herzog  so  wandte  sich  also  auch  in  Krakau  der 
König  an  den  Papst,  ehe  er  seinen  Stiftbrief  erliess,  dem  ebenso 
wie  in  Wien  eine  vorläufige  Erlaubniss  von  Seite  des  Papstes 
vorausgegangen  war. 

Am  1.  September  1364  stellte  Urban  V.  auf  die  Vorstel- 
lung des  Königs  hin,  dass  Krakau  von  den  Generalstudien  ra 
weit  entfernt  liege,  und  es  deshalb  an  einer  hinreichenden 
Anzahl  4uris  peritorum  et  litteratarum  personarum'  mangle,  zudem 
die  Reise  zu  den  Generalstudien  mit  grossen  Schwieri^eiten  ver- 
bunden sei,  seinen  Stiftbrief  aus  und  ordnete  an ,  dass  in  Krakao 
Mn  iuris  canonici  et  civilis  quam  alia  qualibet  licita  facultate 
preterquam  in  theologica  facultate'  ein  Generalstudium  errichtet 
werde.  Die  Studierenden  erhalten  die  gewöhnlichen  Privilegien, 
und  der  Bischof  von  Krakau,  eventuell  der  Vicar,  hat  die  lioenz 
zu  ertheilen  "**).    Am  13.  September  ermahnt  der  Papst  in  ahn- 

1645)  Codex  diplomaticus  UDiversitatis  studii  generalis  GracoYteogis.  I 
(CracoTiae  1870),  1—4.  Die  Dotationen  sollten  aus  den  Einkanften  der 
Salswerke  von  Wieliczka  bestritten  werden. 

16*«)  Ibid.  p.  5. 

'6^'^J  Auch  in  der  grossen  Avignonesiaehen  Sammlung  findet  sich  keine 
auf  das  Studium  bezOgliche  Bulle  vor  dem  1.  September  1364. 

16^)  Reg.  Vat  Comm.  an.  2  Bl.  354.  Cod.  diplom.  p.  6.  Caro,  Qe- 
schichte  Polens  II,  387  Anm.  2  meint,  die  Bulle  gebrauche  wOrtlich  di« 
Redewendungen  der  Einleitung  des  kasimirschen  Or&ndungsstatuts*    Daranf 


5.  Hochschulen  mit  päpsU.  o.  landeBherrl.  Stiftbriefen.   Krakao.     627 

lieber  Weise,  vfie  einige  Jahre  später  König  Ludwig  von  Ungarn 
in  Bezug  auf  Fünfkirchen,  den  König,  die  Privilegien,  welche  er 
den  Studierenden  gegeben,  und  deren  Wahrung  die  Consuln, 
Schöffen  etc.  versprochen  hätten,  wie  die  darüber  ausgefertigten 
Urkunden  bewiesen,  zu  bestätigen  und  in  Ausführung  zu  bringen. 
Nur  den  Paragraph  der  königlichen  Urkunde,  dass  der  königliche 
cancellarius  Gracoviensis  die  Examina  überwachen  und  appro- 
bieren solle,  cassierte  der  Papst,  da,  wie  er  sagte,  die  Verordnung 
darüber  ihm  zugehöre  und  er  den  Bischof,  Vicar  oder  Offidal 
dazu  bestellt  habe***'). 

Es  ist  zweifelhaft,  ob  und  inwieweit  unter  Kasimir  der  Plan 
zur  Ausführung  gekommen  ist  '**^).  Sicher  verfiel  die  Universität 
ganz  nach  seinem  Tod  (1370)*"*).  Der  Hauptgrund  dieser 
Erscheinung  ist  wohl  in  den  unsichem  politischen  Zuständen 
Polens  zu  suchen.  König  Ludwigs  von  Ungarn  Sorge  gieng 
mehr  auf  Ungarn;  zudem  war  er  fortwährend  in  Kriege  ver- 
wickelt. Noch  weniger  war  zur  Zeit  des  Interregnums  (1382 — 1384), 
der  Königin  Hedwig  (1384—1386)  sowie  während  der  ersten  Jahre 
des  Wladislaus  Jagiello  zu  erwarten.  Alle  Acten,  welche  sich  im 
Cod.  diplom.  n.  5—14  (J.  1388—1395)  inseriert  finden,  haben 
fQr  jene  Zeit  mit  der  Hochschule  nichts  zu  thun**");   sie  er- 

ist  lu  erwidern,  dass  jene  Redewendungen  in  den  p&pstlichen  Stiftbriefen  seit 
Bonifas  YIII.  (fOr  Rom)  stereotyp  wurden  und  dass  also  umgekehrt 
Kasimir  wie  später  Wladislaus  dieselben  päpstlichen  Stiftbriefen  ent- 
lehnt hat. 

1^  .  .  .  Nolumus  sub  huiusmodi  concessione  et  confirmatione  inde 
facienda  aliquatenus  includi,  cum  hoc  ad  nos  dumtaxat  pertineat,  qui  exami- 
naiionem  et  approbationem  scolarium  huiusmodi  fieri  per  dictum  episcopum, 
Ticarinm  sea  officialem  dnximus  ut  premittitur  ordinandum.  Reg.  Yat.  1.  c. 
Bl.  353b.  Cod.  diplom.  p.  8. 

1660)  Ftinf  Baccalarei  der  freien  Künste  sollen  promoriert  worden  sein. 
Mnoikowski  bei  Garo  1.  c.  S.  337. 

i<^i)  Zwar  sagt  Bonifaz  IX.  in  seinem  Stiftbriefe  der  theologischen  Fa- 
cnlt&t  Tom  J.  1397,  dass  in  Erakau  'ab  olim  fuerit  et  sit  in  utroque  jure . . 
Stadium  generale';  allein  der  neue  königliche  Stiftbrief  vom  J.  1400  beweist, 
dass  diese  Ausdrücke  nicht  wörtlich  zu  nehmen  sind. 

1^  Auch  die  weitläufigen  Regesten  Gregors  XL  in  der  Avignonesi« 
gehen  Sammlung  enthalten  nicht  6inen  Anhaltspunkt  für  das  Studium  gene- 
rale in  Krakau;  jene  Urbans  Y.  bieten  nur  die  zwei  oben  mitgetheilten 
Sehreiben. 

40* 


028    in.   Entwiekelasg  der  Hoducliolen  bis  inm  Ende  des  ü.  Jlis. 

halten  bloss  durch  das  später  gegrfindete  GoUegiiim  majus  dne 
Beziehung  zu  derselben. 

Erst  Ende  des  14.  Jhs.  dachte  man  wider  an  die  Hoch- 
schule. Am  11.  Jänner  des  Jahres  1397  erliess  Bonifaz  IX.  auf 
Bitten  des  Königs  Wladislaus  und  der  Königin  Hedwig  den 
Stiftbrief  für  die  theologische  Facultät,  und  gewährt  den 
Studierenden  die  Privilegien  jener  zu  Paris.  Das  Licentiat  soll 
in  der  Theologie  wie  sonst  am  Studium  ertheilt  werden'**'). 
Am  26.  Juli  1400  erschien  aber  das  Diplom,  durch  weldies  der 
König  die  Hochschule  wider  herstellt^**^).  Seine  Absicht  ist, 
ein  Generalstudium  in  allen  Facultäten  zu  ordnen  und  zu  er- 
richten, und  4onginquarum  incolas  regionum  ad  ejus  (studii  gene^ 
ralis)  allicere  accessum*.  Das  Beispiel  anderer  Länder  spornte 
ihn  dazu  an'*").  Wie  Kasimir,  so  versprach  auch  er  den 
Mitgliedern  der  Universität  die  von  ihm  gewährten  Privilegien 
und  Immunitäten  zu  halten.  Diese  waren  aber  hier  wie  überalL 
Er  ordnet  femer  das  Salarium  der  Professoren,  und  bestimmt 
den  Bischof  als  den  (Konservator  der  Privilegien,  welcher  auch 
mit  dem  Rector  das  Salarium  vertheilen  müsse  ^***). 

Wladislaus  ist  als  der  eigentliche  Gründer  der  Universität 
Krakau  anzusehen.  Er  selbst  sagt  dies  in  der  Urkunde  vom 
15.  Juni  des  nächsten  Jahres '*^0*  ^^  dem  Stiftungsdiplome 
kam  auch  das  Unternehmen  unverzüglich  zur  Ausführung.  Die 
series  rectorum  beginnt  mit  dem  Jahre  1400.   Unausgesetzt  wurde 

16&3J  Cod.  diplom.  p.  24.  n.  15.  Der  Papst  gebraucht  hiefflr  die  inter- 
essanten Worte:  'ordinamus  quod  in  ipsa  civitate  .  .  .  sit  ac  esse  valeat 
etiam  in  eadem  theologia  huiusmodi  Studium  generale,  cui  praerit  is,  qui 
eidem  studio  bactenus  praefuit  ab  antiquo',  nämlich  der  Bischof,  welcher  som 
Kanzler  bestellt  wurde. 

16M)  Ibid.  p.  34.  n.  16. 

i6t>6j  «Videmus  et  ad  oculnm  experimur,  qnaüter  Parisius  per  eonvoca- 
tionem  et  congregationem  peritorum,  scientifieorum  et  prudentom  Franciam 
irradiat  et  venustat;  quomodo  Bononia  et  Padwa  Italiam  fortiilcat  et  exomal; 
qualiterque  Praga  Bohemiam  illuminat  et  extollit,  aut  quomodo  Uzonia  tolam 
fere  Almaniam  (I)  clarificat  et  foecundat.'  Aebnlich  15.  Juni  1401.  Ib.  p.  35; 
31.  Sept.  1403.  Ib.  p.  54. 

^0M)  Auf  die  Sututen,  welche  der  Stiftbrief  enthalt,  komme  ich  im  t. 
Bande  au  sprechen. 

i«<»7)  S.  Cod.  dipl.  p.  35.  Dadurcb  erbftlt  der  Ausdruck  Mnstanimre'  ia 
dem  Stiftungsdiplome  die  Bedeutung  Yon  'widerherstellen.' 


5.   Hochsehalen  mit  päpstl.  u.  landesherrl.  Stiftbriefen.    Krakftu.    629 

eine  umfassende  Fürsorge  fttr  die  Dotation  der  Professoren  ge- 
troffen. Die  wichtigsten  Incorporationen  fallen  in  das  Jahr  1401. 
Von  Bonifaz  IX.  erhielt  die  Universität  am  10.  Mai  das  Patro- 
natsrecht  der  GoUegiatkirche  zum  hl.  Aegyd.  Am  15.  Juni  in- 
corporierte  der  Bischof  Peter  Wysz  der  Universität  zwei  Prae- 
benden  an  zwei  Kirchen  und  zwei  Ganonikate  an  der  Gathedrale, 
welche  Incorporationen  von  Johann  XXIII.  am  28.  September 
1410  bestätigt  wurden.  Der  König  sorgte  am  selben  Tage 
durch  Dotation  fllr  die  Professoren  der  Theologie.  Hiemit  war 
der  Grund  gelegt  zu  den  Dotationen  der  nächsten  Jahre. 

Das  erste  Golleg  reicht  in  das  erste  Jahr,  nämlich  1400, 
zurück'*").  Im  J.  1409  stiftete  der  Professor  der  Theologie, 
Johann  Isser,  eine  Burse  für  die  ^pauperes  studentes",  und  zu 
ihren  Gunsten  lautete  sein  Testament  vom  22.  März  1410"*"). 

Bonifaz  IX.  gestattete  am  10.  Mai  1401  den  Gisterciensern, 
an  der  Universität  zu  studieren  und  den  Doctorgrad  in  der 
Theologie  zu  erhalten '*'*).  An  denselben  Papst  wandte  sich 
der  König  mit  der  Bitte  um  die  Bestätigung  der  Privilegien, 
welche  am  28.  Juli  1410  von  Johann  XXIII.  erfolgte,  der  am 
21.  desselben  Monats  drei  Gonservatoren  der  Universitätsrechte 
bestellte^***).  Die  Universität  erstarkte  binnen  Kurzem  in  solcher 
Weise,  dass  sie  Ansehen  genug  besass,  um  am  12.  August  1416  ein 
Schreiben  an  das  Goncil  von  Gonstanz  zu  richten,  das  4n  coUegio 
Ulust.  principis  regis  Waldislai'  unterzeichnet  wurde  ^'*').  Grossen 
Aufschwung  nahm  die  Universität  gegen  Ende  des  Jhs.  in  Folge 
der  an  ihr  gepflegten  astronomischen  und  humanistischen  Studien. 


i«68)  Cod.  diplom.  p.  203.  Wenn  die  Herausgeber  dort  sagen,  die 
frflhern  Bectoren  seien  anbekannt,  'qnoniam  scripta  documenta  iUoram  anno- 
rujn  .  .  .  iiyaria  temporis  periere',  so  erh&lt  die  Thatsache  durcfi  meine 
obigen  Bemerkungen  ihre  Erklärung. 

iw»)  Cod.  diplom.  n.  17  p.  30. 

i««0)  Ib.  p.  82  n.  45. 

»wi)  Ib.  n.  20  p.  38. 

1^  S.  die  Documente  im  Cod.  diplom.  n.  32.  47.  46. 

IMS)  Ibid.  n.  58.  Auch  im  Arch.  Yat.  Arm.  73.  Die  UniTersftät  ge- 
steht darin,  dass  sie  4n  sua  novitate  sicut  novelle  oliyarum  in  campo  fidei 
.  .  .  fructificat'.  Dies  stimmt  zu  meiner  Darlegung  über  die  Aufnahme  der 
Hochschule. 


630    UI.  EntwickeluDg  der  Hochschulen  bis  lom  Ende  des  14.  Jhs. 

6.   HoohsoliiQen,  die  niolit  ins  Leben  traten. 

Die  Forscher  begiengen  bisher  einen  grossen  Fehler,  dass  sie 
zwischen  Stiftbriefen,  die  zur  Ausführung  gelangt  sind,  und  solchen 
ohne  Wirkung  nicht  gehörig  unterschieden.  In  Folge  dessen 
zählte  man  unter  den  Universitäten  einerseits  solche  auf,  welche 
niemals  bestanden  haben,  andererseits  gab  man  einigen  ein  zu 
hohes  Alter,  da  man  nicht  beachtete,  dass  bei  ihnen  nicht  der 
in  früherer  Zeit  einmal  erlassene  Stiftbrief  einen  Erfolg  hatte, 
sondern  dass  sie  erst  mittels  eines  neuen  ins  Leben  gerufen 
werden  mussten.  Naturgemäss  schliesst  sich  die  Erörterung  über 
diese  Hochschulen,  wenn  ich  sie  so  nennen  darf,  an  die  vorher- 
gegangene Untersuchung  an. 

Forme. 

In  Bezug  auf  die  Hochschule  zu  Fermo  schlich  "sich  in  die 
Forschungen  seit  alter  Zeit  ein  nicht  geringer  Irrthum  ein,  an 
dem  man  bis  auf  die  Gegenwart  festhielt.  Gewiss  nahm  es  auch 
manchen  Wunder,  dass  ich  diese  Hochschule,  welche  man  zu  den 
älteren  Italiens  gerechnet  hat,  in  keine  der  obigen  Rnbriken 
eingereiht  habe.  Die  allgemeine  Ansicht  war  nämlich  bisher, 
dass  Bonifaz  VHL  am  16.  Jänner  1303  die  genannte  Hochschule 
gegründet  hat.  Dieser  Meinung  sind  auch  die  verschiedenen 
Bullarien,  und  in  Fermo  selbst  sieht  man  noch  heute  unter  der 
Büste  Bonifaz  VIH.  die  auf  die  Gründung  der  Universität  sich 
beziehenden  Worte:  Bonif.  VHL  Pont.  Opt.  Max.  Institutor'"*). 
Zugleich  glaubte  man,  dass  der  Stiftbrief  auch  zur  Ausführung 
gelangt  sei"**). 


^^)  S.  auch  Cari,  L'univereitä  degli  stadi  di  Fermo.  Ancona  1880, 
p.  2  Anm.  Dieser  Autor,  socio  corrispondente  della  R.  deputazione  dl  Btoria 
patria,  geht  natürlich  den  breit  getretenen  Weg,  ohne  jemals  einen  Scmpei 
zu  empfinden.  Er  verlegt  anch  den  Ursprung  des  Stadiums  in  die  Zeit  Lothtfs, 
der  in  den  Constitutiones  Olonnenses  Fermo  zu  einem  Centralort  für  Schalen 
machte. 

1665)  Cari  gibt  sich  die  Mähe,  die  Professoren  des  14.  Jhs.  aofzuziblen 
(p.  32 f.);  er  bringt  es  aber  nur  auf  8,  und  auch  ?on  diesen  las  die  HUfte 
bloss  Ober  Grammatik. 


6.   Hochschulen,  die  nicht  ins  Lehen  traten.    Fermo.  631 

Der  Stiftbrief,  der  zum  widerholten  Male  gedruckt  wurde, 
rührt  aber  leider  nicht  von  Bonifaz  VIII.,  sondern  von  BonifazIX. 
her,  der  denselben  am  16.  Jänner  1398  erlassen  hat.  Der 
Beweis  biefttr  ist  schlagend  und  zugleich  sehr  einfach.  Be- 
trachten wir  einmal  das  Datum  der  Bulle.  Sie  ist  ausgefertigt 
Romae  apud  S.  Petrum  XVII.  Cal.  Februarii  anno  nono**"). 
Bonifaz  VIII.  wurde  am  24.  December  1294  erwählt,  und,  worauf 
es  hier  ankommt,  am  23.  Jänner  1295  gekrönt  ^^^0*  Gleichwie 
dieser  Papst  kein  Schreiben  vor  dem  Erönungstage  erliess,  so 
rechnete  er  auch  nicht  vom  Elections-  sondern  vom  Krönungstage 
an  die  Jahre  ^^**).  Nun  ergibt  aber  das  genannte  Datum  der  Bulle 
flir  Bonifaz  Vm.  den  16.  Jänner  1304  und  nicht  1303.  Allein 
bereits  am  11.  October  1303  starb  dieser  Papst;  am  22.  Oct.  1303 
wurde  Benedict  XI.  erwählt.  Die  Bulle  kann  mithin  nicht  von 
Bonifaz  VIII.  herrühren.  Zu  diesem  Resultate  führt  auch 
der  Inhalt  derselben.  Der  Papst  bewilligt  das  Studium  in 
Fermo  ^ad  instar  studii  Bononiensis  ...  in  theologia, 
iure  canonico  ac  civili  et  artibus'  sowie  ^alia  qualibet  licita  facul- 
tate',  und  gibt  den  Studierenden  alle  den  ^magistris  in  theo- 
logia ac  doctoribus  legen tibus  et  studentibus  commorantibus 
in  studio  Bononiensi'  gewährten  Privilegien.  Nun  erhielt 
aber  Bologna  erst  1360  durch  päpstliches  Privileg  die  theo- 
logische Facultät,  wie  wir  oben  gesehen  haben.  Mithin  konnte 
nicht  Bonifaz  VJII.  sondern  erst  ein  viel  späterer  Papst  sagen, 

*«W)  Bull.  Rom.  ed.  Taur.  IV,  157.  Curi  1.  c.  p.  130. 

i067j  Dies  berichtet  unter  anderm  der  Zeitgenosse  Bartholomeus  Gotton, 
Hist.  anglicaua  ed.  Luard  p.  258.  Schon  Papebroch,  Propyl.  m.  Maii,  Gonat 
Ghronol.  p.  2  pag.  67  traf  das  Richtige,  n&mlich  Sonntag  den  23.  J&nner. 
Die  liittera  coronationis  (Reg.  Vat.  an.  1  ep.  1.  Vgl.  Potthast  n.  24020. 
Thomas,  Les  registres  de  Boniface  YIII  n.  1)  erschien  erst  am  darauffolgen- 
den Tage.  Grotefend,  Handbuch  der  historischen  Chronologie  S.  74  hat 
noch  das  falsche  Datum  16.  J&nner;  Brinckmeier,  Praktisches  Handbuch  der 
hist.  Ghronologie  Berlin  1882  S.  371  begnQgt  sich  mit  der  Bemerkung,  Boni« 
fas  YIIL  sei  'einige  Tage  sp&ter',  n&mlich*  nach  dem  2.  J&nner,  gekrönt  worden, 
obwohl  beiden  i.  B.  Gregorovius  und  Reumont,  zuletzt  Potthast,  das  richtige 
Datum  geboten  hfttten. 

1668)  Dies  ergibt  sich  aus  den  Vat.  Regesten.  X.  kl.  Februarii  des 
Jahres  1296  (23.  Jänner)  zieht  der  Papst  noch  in  das  1.  Jahr  hinein.  Reg. 
Vat.  an.  1  Bl.  208  a.    Von  da  an  rechnet  er  das  2.  Jahr. 


632    ^11-  Entwickelung  der  Hochschulen  bis  sum  Ende  des  U.  Jhs. 

er  errichte  in  Fermo  ein  Studium  nach  der  Weise  des  Stadiums 
zu  Bologna  in  der  Theologie,  und  er  gewähre  den  Studieren- 
den die  Privilegien,  welche  die  Magistri  der  Theologie  in  Bologna 
besitzen  ^^*').  Wer  dieser  spätere  Papst  und  welcher  Boni&u^ius 
es  war,  sagt  uns  der  Name  des  der  Bulle  unterfertigten 
Secretärs.  Er  heisst  F.  de  Montepolitiano.  Dieser  war  Secretar 
Bonifaz  IX.,  wie  sich  aus  den  päpstlichen  Regesten  im  Yatica- 
nischen  Archiv  ergibt "'°).  Mithin  wurde  der  Stiftbrief  der 
Universität  Fermo  von  Bonifaz  IX.  erlassen,  und  zwar,  wie  ich 
bereits  oben  bemerkt  habe,  am  16.  Jänner  1398^'^*).  Zu  Boni- 
faz IX.  stimmt  auch  der  ganze  Charakter  der  Bulle  ^®^'). 

Der  Irrthum  ist  sehr  alt,  denn  schon  Galixt  III.  wurde  von 
Fermo  aus  falsch  informiert.  In  dem  Privilegienbrief  für  die 
Stadt  vom  26.  Juni  1455  bestätigt  der  Papst  nämlich  alle  Pri- 
vilegien seiner  Vorgänger  besonders  jedoch  dasjenige,  welches 
gegeben  wurde  durch  ^Bonifacium  papam  VUI.  etiam  predecesso- 
rem  nostrum',  und  er  gewährt  in  Folge  desselben,  ^ut  Studium 


1669)  Auch  Tiraboschi,  Stör.  lett.  ital.  V,  75,  fflhlte  die  Grösse  dieser 
Schwierigkeit,  Yennochte  sie  aber  nicht  zu  lösen. 

1670)  £r  hiess  Franciscus  de  Montepolitiano,  und  kommt  als  Secret&r 
Bonifaz  IX.  im  Archi?.  Yat.  Tor  z.  B.  an.  7  Bonif.  IX.  Bl.  183.  134;  an. 
8.  Bl.  253;  an.  9  Bl.  269.  276.  819.  320.  328.  331.  333.  349.  352.  353.  Er  wir 
noch  unter  Johann  XXIII.  in  diesem  Amte,  und  wird  de  Curia  an.  3—5. 1.  6  Bl. 
24  Ib  6.  Id.  Aug.  an.  4  vom  Papste  als  secretarius  familiaris  aufgefiQlirt, 
und  erscheint  in  den  Regesten  dieses  Papstes  unzählige  Male.  Im  Yati- 
canischen  Archiv  Gastel  S.  Angelo  arm.  IX.  caps.  1  n.  7  befindet  sich 
eine  Oopie  des  17.  Jhs.  der  Bulle  Bonifaz  fdr  Fermo;  als  Seriptor  fungiert 
dort  N.  Heyrilini  (soll  heissen  Heynlini).  AUein  auch  dieser  war  unter  Bo* 
nifaz  IX.  Vgl.  Reg.  Yat  an.  9  Bl.  309. 320,  wo  zugleich  F.  de  Montepolitiaao 
als  Secret&r  genannt  wird;  ebenso  Bl.  328  u.  8.  w.  Mit  F.  de  MontepoU* 
tiano  darf  nicht  Joh.  de  Montepolitiano  yerwechselt  werden,  der  unter 
Gregor  XII.  Secret&r  war. 

i<^70  Er  wurde  2.  Nov.  1389  erw&hlt,  am  9.  November  gekrönt,  und 
starb  1.  October  1404. 

i67]i)  Nunmehr  wird  man  doch  auch  in  Fermo  zur  Einsicht  gelangen, 
dass  die  Schriftzttge  des  Originals  aus  der  Zeit  Bonifaz  IX  stammen.  Dieser 
Papst  war  Oberhaupt  ein  Wohlth&ter  der  Stadt.  Darauf  deutet  hin  die  im 
Studiengeb&ude ,  der  jetzigen  Biblioteca  comunale,  befindliche  Inschrift: 
Bonifacio  Villi.  Tomacello  Neapolitano  Pontif.  Opt  Max.  Bene&ctori 
8.  P.  Q.  F. 


6.    Hochschulen,  die  nicht  ins  Leben  traten.    Fermo.  633 

generale  in  civitate  vestra  retinere  valeatis'  ^^'').  Die  Commune 
bat  eben  auch  um  die  Bestätigung  des  Privilegs,  das  sie  von 
Bonifaz  VIIL  erhalten  zu  haben  vermeinte. 

Dieser  Umstand  führt  uns  noch  einen  Schritt  weiter.  Schon 
nach  Verlauf  eines  halben  Jahrhunderts  seit  Erlass  des  Stift- 
briefes für  das  Generalstudium  wusste  man  in  Fermo  nicht  mehr, 
welcher  Papst  der  Gründer  der  Hochschule  war,  man  ver- 
wechselte Bonifaz  VIII.  mit  Bonifaz  IX.  und  setzte  den  Anfang 
des  Studiums  fast  um  ein  Jahrhundert  zu  früh  an.  Dies  beweist, 
dass  der  Stiftbrief  nicht  zur  Ausführung  gelangte.  Nur  so 
ist  es  zu  erklären,  dass  der  eigentliche  Gründer  in  Vergessen- 
heit geriet,  und  zwar  nach  so  kurzer  Zeit^*^^^).  Dahin  weisen 
auch  die  eben  aus  dem  Schreiben  Calixts  III.  citierten  Worte.  Die 
Bewilligung,  ^ut  Studium  generale  in  civitate  vestra  retinere 
valeatis',  hat  nur  einen  Sinn,  wenn  das  Studium  nicht  existierte; 
denn  hätte  das  Privileg  Bonifaz  IX.  eine  Wirkung  gehabt,  so 
wäre  es  unbegreiflich,  warum  der  Papst  ausdrücklich  gestattete, 
das  Studium  zu  behalten.  Eben  weil  die  Bulle  nicht  in  Kraft 
trat,  entstand  der  Zweifel,  ob  sie  noch  fernerhin  Geltung  habe. 
Daher  kommt  es  auch,  dass  wir  ausser  wenigen  Namen  von 
Lehrern  im  14.  und  15.  Jh.'"*)  nichts  von  einer  Universität  in 
Fermo  erfahren.  Einige  Lehrer  gab  es  im  Laufe  eines  Jahr- 
hunderts, wie  ich  zu  widerholten  Malen  bemerkte,  in  allen  be- 
deutenderen Städten  Italiens,  und  zwar  auch  dort,  wo  keine 
Universität  bestand.  Fermo  war  kein  günstiger  Boden  für  eine 
Hochschule.  Auch  das  Privileg  Calixts  IIL  blieb  ohne  Wirkung'*'**). 
Die   Universität  Fermo   datiert   erst  vom  9.  September   1585, 


i«78)  Reg.  Vat.  tom.  2  (n.  437)  Bl.  42  a;  Curi  1.  c.  p.  134. 

1^74)  Deshalb  wohl  sprechen  auch  die  Gronache  della  cittä  di  Fermo 
(publ.  dal  Gaetano  de  Minicis.  FircDze  1870),  auf  die  Curi  keine  Rttcksicht 
nimmt,  nicht  vom  Studium. 

i«76)  S.  Curi  p.  84. 

1676)  Siztos  Y.  sagt  im  Schreiben  yom  9.  Sept.  1585:  licet  Studium 
generale  huiusmodi  in  dicta  civitate  Firmana  vigore  dictarum  litterarum  ea- 
tenns  introductnm  fuisse  credatnr,  tarnen  temporum  injuria  .  .  .  illud  inter- 
missum  seu  extinctum  esse  reperitur  ad  presens.  Bei  Curi  p.  137;  er  schreibt 
aber  unrichtig  '13.  September'. 


634    m*    EniwickeloDg  der  Hochschulen  hU  lom  Ende  des  14.  Jhs. 

anter  welchem  Datum  Sixtas  Y.  dieselbe   mittels   eines  neaen 
Stiftbriefes"")  restaurierte. 

V«romu 
Zu  den  italienischen  Hochschulen  wird  fortwährend  auch 
jene  Veronas  gezahlt  In  der  That  gewahrte  Benedict  XIL 
ohne  äussere  Veranlassung,  einfach  ^profectibus  publicis  molti- 
pliciter  expedire  credentes',  am  22.  September  1339,  dass  in 
Verona  in  iure  canonico  et  civili  et  in  medidna  et  artibus  per- 
petuum  Studium  generale  sei^'O-  ^^^  ^i^de  jedoch  nichts  dass 
der  Intention  des  Papstes  in  irgend  einer  Weise  entsprochen 
worden  wäre"'').  Maflfei  berichtet  von  Schalen,  die  in  Verona 
bereits  zu  Beginn  des  13.  Jhs.  existiert  haben"*®),  und  er  be- 
hauptet, die  päpstliche  Bulle  sei  eigentlich  nur  eine  Bestätigung 
des  bereits  Bestehenden  gewesen.  Allein  dem  scheint  der  Wort- 
laut der  Bulle  zu  widersprechen.  Femer  liegt  zwischen  den 
Schulen  im  Anfange  des  13.  Jhs.  und  der  GrOndung  der 
Hochschule  im  J.  1339  ein  so  grosser  Zeitabschnitt,  dass  wir 
an  einen  Connex  nicht  denken  können.  Maflfei  ist  auch  der 
Beweis  nicht  gelungen,  dass  das  Generalstudium  des  14.  Jhs. 
sich  als  lebensfähig  erwiesen  habe.  Uebrigens  gieng  es  in 
Verona  über  ein  halbes  Jh.  später,  als  nämlich  der  Doge  von 
Venedig  Michael  Steno  am  16.  Juli  1405  die  alte  Verfassung 
Veronas  bestätigte  und  die  Gründung  einer  hohem  Schule  be- 
schlossen wurde,  nicht  besser"'^).  Doch  wird  in  den  höchst 
interessanten  Statuten  der  Stadt  Verona  vom  J.  1458  noch 
immer  befohlen,  es  möge  je  ein  magister,  resp.  doctor  in  der 


i«77)  Bei  Cor!  p.  135.  Vgl.  Gatelani,  De  ecdesia  Firmana  (Finni  1783) 
p.  196.  254. 

1678)  Reg.  Tat  an.  5.  ep.  2S  BI.  46.  BaU.  Rom.  ed.  Taar.  IV,  459. 

im)  0as  Chron.  bei  Maratori,  Rer.  ital.  SS.  Till,  652  kennt  nicht 
einmal  den  GrQndungsbriel 

1680)  Verona  illostrata.  Verona  1782.  Praef.  in  Part.  2.  p.  VIL  Dass 
Verona  ids  Sammelpunkt  Ton  Scholaren  in  den  constitiit.  Otoanoneases  ge* 
nannt  wnrde,  bedarf  keiner  Erwahnang. 

1^)  8.  Bomanin,  Storia  docam.  di  Venesia,  IV  (Veneiia  1865X  47.  Fftr 
die  Artes,  Canonisehes  Recht,  CiTilrecht  und  Medicin  sollte  je  ein  Lehrer 
Ton  der  Commnne  besoldet  werden. 


6.   HochschuleDy  die  sieht  ins  Leben  traten.   Verona.    Orvieto.     635 

Grammatik  und  Rhetorik,  in  legibus,  in  iure  canonico,  in  arti- 
bus  et  medicina,  in  arithmetica  angestellt  und  salariert  werden. 
Den  Professoren  wurde  zugleich  4mmunitas  ab  omnibus  oneribus 
personalibus' ,  Befreiung  vom  Wachdienste  aber  auch  den  Scho- 
laren zugesichert^^").  Diese  Statuten  bekunden  einen  grossen 
Fortschritt  gegenüber  jenen  im  Liber  juris  civilis  urbis  Veronae 
vom  J.  1228,  durch  welche  eigentlich  nur  für  einen  'bonus  ma- 
gister  visicae'  vorgesorgt  wurde*"'). 

Orrieto. 

Bedeutend  mehr  vorbereitet  war  das  Generalstudium  in 
Orvieto,  wenngleich  dasselbe  auch  hier  nicht  zur  Ausführung 
kam.  Die  Vorbereitungsgeschichte  bietet  manche  Aehnlichkeit 
mit  jener,  welche  wir  bei  Darstellung  der  Universität  Treviso 
kennen  gelernt  haben. 

Wie  in  so  vielen  Städten  Italiens,  so  wurden  auch  in  Orvieto 
schon  im  13.  Jh.  Rechtslehrer,  und  nicht  bloss  judices,  besoldet. 
Das  früheste  Document,  welches  man  für  diese  Thatsache  eitleren 
kann,  stammt  aus  dem  J.  1280.  Die  doctores  legum  und  decre- 
torum  sollen  ein  jährliches  Salarium  von  25  Lire  erhalten,  eine 
Summe,  die  1298  auf  25  Gulden  erhöht,  1301  jedoch  wider  auf 
den  frühem  Stand  reduciert  wurde  **•*).  Von  den  Legisten  lehrten 
1296  Conte  di  Buongiovanni""),  im  Anfange  des  14.  Jhs.  Doctor 

1^^)  Statuta  communitatis  Veronae  (Vicentiae  1475)  lib.  1  n.  111  bis 
118.  Die  Ausgabe  ist  nicht  foliiert.  Ueber  Schalen  in  Verona  im  15.  Jh. 
finden  sich  auch  Notizen  bei  Ginliari,  Della  letteratura  Veronese  al  cadere 
del  sec.  XV.  (^Bologna  1876)  p.  7  ff. 

1683)  S.  Liber  jnris  civilis  nrbis  Veronae  ed.  Gampagnola  (Veronae  1728) 
p.  142  (über  das  Alter  dieser  Statuten  s.  oben  8.  146  Anm.  346>  Dass  das 
Statut  ausgefohrt  wurde  unterliegt  keinem  Zweifel.  Im  J.  1275  las  dort  der 
Mediciner  Wilhelm  Piacentini  di  Saliceto.  8.  Verci,  Storia  della  Marca  Tri- 
vigiana  e  Veronese  I,  107. 

1684)  Die  aus  den  Acten  des  Municipalarchives  von  Orvieto  gezogenen 
Nachweise  findet  man  bei  Fumi,  Codice  diplomatico  della  cittä  d'Oryieto  (in 
den  Documenti  di  storia  italiana  per  le  proyincie  di  Toscana,  dell'  Umbria 
e  delle  Marche  VIII.  Firenze  1884),  p.  781  nota.  Dies  gilt  auch  von  den 
meisten  der  abrigen  oben  anzufahrenden  Daten.  Ich  habe  mich  bei  meinem 
Aufenthalte  in  Orvieto  aberzeugt,  dass  sie  im  Grossen  und  Ganzen  genau  sind. 

1685)  Ibid.  p.  355.    Fumi  sagt  p.  781  irrig:  1295. 


636    m*    EntwickeluDg  der  HochschHlen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

Petrus,  Filippo  Allerici,  Vanne  di  Masseo  de'  Monaldeschi. 
Grammatiker  Werden  im  J.  1307,  Mediciner  1311  erwähnt^*"). 
Logiker  begegnen  uns  im  J.  1313.  In  demselben  Jahre  jedoch 
schloss  man  das  Studium,  schickte  aber  das  Jahr  darauf  einen 
Boten  in  die  Nachbarorte  um  verkünden  zu  lassen,  dass  die 
Stadt  die  Schule  der  Rechtswissenschaft  nicht  aufzuheben  gedenke. 
In  der  That  machte  man  unter  Pancello  Orsini  (1316)  das  Statut, 
dass  die  legum  doctores  ^toto  tempore  ipsorum  lecture  habeant 
immunitatem  et  sint  immunes  et  liberi  et  absolut!  ab  omnibus 
honeribus  personalibus,  etsi  guibellini  sunt,  a  confinibus  dicte 
civitatis,  et  quod  ad  confinia  ire  non  teneantur,  quando  alii 
guibellini  vadunt  ad  confinium,  et  quod  quilibet  ipsorum  doc- 
torum  habeat  illud  salarium  pro  sua  lectura,  quod  erit  ordina* 
tum  in  consilio  consulum  artium  et  xF^^^O*  ^^^^^^  scheinen 
im  J.  1318  keine  Rechtslehrer  in  Orvieto  gewesen  zu  sein,  denn 
die  Scholaren  baten  die  Stadtobrigkeit  um  einen  derselben. 
Letztere  zeigte  sich  willfährig  und  gab  ihnen  Bartholomeus  di 
Pietro  di  Benevento  und  versprach  den  Scholaren  Schatz,  so 
dass  sie  ungehindert  nach  Orvieto  kommen  könnten '***)• 

Von  nun  an  finden  wir  dort  wider  alle  Wissenschaften  bis 
auf  die  Theologie  vertreten.  Die  Rechtslehrer  lasen  theils  um- 
sonst, theils  erhielten  sie  ein  Salarium  von  25 — 40  Goldgulden. 
Im  J.  1334  wurde  bestimmt,  dass  die  Legisten,  Decretisten  und 
Mediciner  jenes  Salarium  erhalten,  und  jene  Freiheiten  besitzen 
sollen,  die  ihnen  von  den  sieben  Gonsuln  zugesagt  worden  seien, 
und  letztere  sollten  darauf  sehen,  dass  das  Studium  in  den  ge- 
nannten Wissenschaften  nicht  ins  Stocken  gerate****).   Im  J.  1349 

^  8.  oben  8.  541. 

»«87)  Cod.  diplom.  p.  799. 

»««8)  Ibid.  p.  782  nota. 

1689J  Ibid.  p.  780.  Das  Statut  lautet  also:  Ut  legum,  decretonun  ac 
medicine  Studium  semper  yigeat  in  civitate  predicta,  ordinamus,  quod  qoi- 
conque  doctor  iuris  civilis  vel  canonici  seu  medicine  publice  in  dicta  ein* 
täte  scolas  teuere  et  in  dictis  studiis  legere  et  docere  Toluerit,  habeat  et 
habere  debeat  illud  salarium  de  pecunia  et  avere  dicti  Communis  et  illam 
immunitatem,  quod  et  quam  ordinatum  et  decretum  fuerit  per  oflflcinm  dd. 
Septem  et  Yexilliferum  Populi,  et  quod  predicti  dd.  Septem  et  Yezillifer 
debeant  ordinäre  et  proTidere,  quod  dicta  studia  in  dictis  scientiis  fiant  in 
dvitate  predicta.    Fumi  bemerkt  mit  Becht,  dass  dieses  Statut  höchst  wahr- 


6.   Hochschulen,  die  nicht  ins  Leben  traten,    Orvieto.  637 

waren  nicht  wenige  Schüler  in  Orvieto,  und  es  bestand  wie 
anderwärts  ein  GoUegium  judicum  und  medicorum  ^*'^).  Für  das 
Jahr  1354  fand  ich  einen  Legum  doctor,  Dominus  Bonaventura 
Bartutii,  erwähnt  ""O- 

Als  Orvieto  unter  den  hl.  Stuhl  kam,  bewarb  man  sich 
endlich  um  das  Privileg  eines  Generalstudiums.  Gregor  XI.  er* 
theilte  dasselbe  mit  andern  Privilegien  am  7.  October  1377  der 
Stadt**").  Doch  erst  der  Nachfolger,  Urban  VI.,  erliess  am 
12.  Mai  1378  den  eigentlichen  Stiftbrief''").  Die  Einleitung 
zu  demselben  weicht  von  allen  dieser  Periode  ab.  Ein  Haupt- 
gewicht wird  in  derselben  auf  die  Grammatik  und  die  lateinische 
Sprache  gelegt '"0*  I^er  Papst  errichtet  dann  'in  Sacra  pagina, 
jure  canonico  et  civili  et  in  medicina  et  qualibet  alia  licita  facul- 
tate'  ein  Generalstudium  und  bestimmt,  dass  fQr  den  Beginn 
des  Studiums  solche  Doctoren,  welche  in  Paris  oder  Bologna 
oder  an  andern   berühmten  Generalstudien   promoviert   hätten, 


Bcheinlich  schon  in  der  Garta  del  Popolo  vom  J.  1323  geschrieben  war.  In 
der  Hs.  derselben  fehlen  nftmlich  gerade  jene  Blätter,  yon  denen  eines  das 
Statut  h&tte  enthalten  mftssen. 

*e90)  Ibid.  p.  782  nota. 

1691)  seg.  Guriae  Patrimonii  S.  Petri  in  Tascia  im  Yat.  Arch.  Arm. 
35  t.  U.  BL  101b.  102  b. 

isssj  Cod.  diplom.  p.  567:  Ut  aatem  yestra  fidelitas  radicetur  super 
immobilis  constantie  fundamentum,  petitiones  vestras  gratiose  duximns  ad- 
mittendas  dictam  ciyitatem  Stada  generalis  priyilegio  decorando.  Sowohl 
diese  als  die  nächstfolgende  Bolle  Urbans  VI.  befinden  sich  nicht  im  Yat. 
ArchiT.  Die  Originale  lagen  einst  in  der  Gancellaria  Commonis  Urbevetan., 
jetEt  sind  sie  im  Archivlo  manicipale.  AuszQge  (von  Qarampi  angefertigt) 
aas  diesen  wie  aus  andern  Actensttlcken  Toa  Orrieto  haben  sich  erhalten 
im  Arch.  Yat.  Adyersar.  tom.  III  n.  135. 

169S)  Codice  diplom.  p.  571.  Die  Bulle  beginnt:  Primus  homo  quem 
summns  iUe  opifex  et  creator  rerum  omnium  ad  suam  simUitudinem  et  ima- 
ginem  ineffiabiliter  ex  limo  terre  formavit.  PeUini,  DeU'  historia  di  Perugia 
I  (Yenetia  1664),  998  setzt  die  Stiftung  irrig  in  das  Jahr  1362. 

iS94^  Ib.:  'Sicque  dono  dato  divinitus  plurium  ydiomata  nationom  sub 
diversanun  linguarum  varietate  diffusa  in  unum  couTeniunt  loqnendi  com* 
merdnm  latinitatis  ordine  liiterali.  Sic  prima  grammaticorum  scola  est  fun- 
damentam  pulcberrimum  litterarum,  mater  gloriosa  facundie,  qne  cogitare 
novit  ad  laudem,  loqui  sine  Titio  .  .  .  Grammalica  magistra  yerborum,  hör« 
tatrix  humani  generis  .  • . ' 


638    m.   EntwickelttDg  der  Hochschulen  bis  warn  Ende  des  14.  Jhs. 

genommen  würden  **'^).    Das  Promotionsrecht  erhielt  der  Bisehof, 
eventuell  der  Capitelsvicar. 

Man  sollte  nun  meinen,  die  Stadt  habe  wirklich  Ernst 
gemacht,  umsomebr,  als  sie  zu  Urban  VI.  eigene  oratores  ab* 
gesandt  hatte '*'*).  Allein,  im  Grunde  geschah  nun  weniger  als 
früher.  Am  81.  October  1378  wurde  zwar  der  Grammatiker 
und  Rhetoriker  Pietro  dl  Castiglione  Aretino,  der  vom  October 
1365  an  für  10  Jahre  von  Perugia  gedungen  war**"),  mit  100 
Gulden  jährlichen  Gehalts  fOr  drei  Jahre  (vom  10.  November 
ab)  angestellt'*);  weiter  hört  man  jedoch  nichts.  Das  Studium 
erhob  sich  nicht  über  eine  Grammatical-  und  artistische  Schule  '*"). 
Sicher  kam  der  Stiftbrief  ürbans  VI.  nie  zur  Ausführung. 

Pamiert. 
Wohl  Niemanden  f&llt  es  auf,  dass  ich  erst  jetzt  von  Pamiers 
spreche,  denn  ausser  den  zwei  Gelehrten  Ourgaud  und  Lahondte 
spricht  heute  Niemand  mehr  von  einem  Stiftbrief  für  Pamiers. 
War  er  doch  schon  in  früher  2Jeit  verschollen  *''***).  Das  ganze 
Ereigniss  ist  auch  in  der  That  mit  wenigen  Worten  abgethan. 
Am  18.  December  1295  erliess  Bonifaz  VllL  den  Stiftbrief  für 

1695)  Yolumus  tarnen,  quod  ad  docendam  et  regendam  in  ipso  studio 
doctores,  qai  in  Bononiensi  Yel  Parisiensi  ant  aliis  ftmosis  genenüibas  stn» 
diis  honorem  doctoratus  vel  magistrattis  receperint  et  alias  experti  et  ydonei, 
in  noTitate  hniusmodi  stadii  assumantor.  Fnmis  Interpnnction  p.  573 
ist  irrig. 

1696)  Es  hat  sieh  noch  ein  Schreiben  des  orator  Stefano  di  ser  Ranoeeio 
vom  24.  M&rz  1378  an  den  Pi^st  erhalten.  Gedruckt  bei  Fnmi,  Saggio  di 
Yolgari  oryietani  (Bologna  1881)  p.  25. 

1^7)  Rossi,  Docomenti  per  la  storia  deil'  nniTersitÄ  di  Perogia  im  Gioi^ 
nale  di  enidizione  artisUca  VI,  256.  Im  J.  1385  erscheint  er  wider  in  Fe- 
mgia.    Ibid.  807  n.  230. 

^«^)  Cod.  diplom.  p.  781  noU. 

1699)  Dies  mass  man  nnter  anderm  aas  dem  Wortlaute  einer  NoUs 
sdhliessen,  wonach  am  2.  Juli  1414  dem  M.  Mathias  d'Orvieto  'scoks  et 
Studium  regenti  in  ipsa  civitate  ad  docendum  et  emdiendum  scolares  in  libe- 
ralibus  artibns'  die  Besoldung  gegeben  wird.  Cod.  diplom.  p.  659.  Bs 
scheint  also,  dass  nur  dieser  Artist  das  Studium  der  Stadt  geleitet  hat. 

1700)  Soviel  mir  bekannt  ist  erw&hnen  nur  Giaoeoni  ed.  Oldoini  (Bo- 
mae  1677  II,  318)  und  Johannes  Rubens  (Boni&cius  VIII.  Romae  1651 
p.  129)  das  von  Bonifaz  gegründete  Studium. 


6.   Hochschulen,  die  nicht  ins  Leben  traten.    Pamiers.    Dublin.    689 

ein  Stadium  generale  'in  quavis  licita  facultate',  nachdem  er 
kurz  vorher  die  Stadt  selbst  zur  civitas  erhoben  hatte  ''®*).  Allein, 
der  Stiftbrief  trat  nie  in  Kraft  Zunächst  war  daran  wohl  der 
grosse  Zwist  zwischen  Philipp  dem  Schönen  von  Frankreich  und 
dem  Bischöfe  der  Stadt  Schuld.  Aber  auch  in  späterer  Zeit 
war  man  nicht  glücklicher.  Die  Stadt  wollte  nämlich,  weil  im 
Besitze  eines  päpstlichen  Privilegs,  nicht  der  Ehre  entbehren 
eine  Universität  innerhalb  ihrer  Mauern  zu  beherbergen.  Allein 
die  Anstrengungen,  die  sie  1429,  1526  und  1549  machte,  waren 
von  keinem  Erfolge  gekrönt  ^^^'). 

Dublin. 
Es  lässt  sich  darüber  rechten,  ob  die  Hochschule  zu  Dublin 
hierher     oder    in    den    dritten     Paragraph     dieses    Hauptab- 
schnittes  gehöre.     Beim   Mangel  der  nothwendigen  Acten,  die, 
wie  es  scheint,  beim  Brande  der  Church  of  the  holy  Trinity  zu 

1701)  Beg.  Yat  an.  1.  ep.  658  Bl.  146  b  .  .  .  Cum  igitar  Appamiaram 
civitas,  qoam  nuper  suadentibus  rationabilibtts  canais  inducti  de  fratrum 
nostrorum  consilio  et  assensu  ac  apostolice  potestatis  plenitudine  in  civitatem 
ereximus  et  decoravimus  yocabulo  civitatis,  propter  ipsias  commoditates  et 
conditiones  quam  plarimas  apta  non  modicum  hnius  stadio  censeatar,  nos 
profectibus  pnbUcis  mnltipliciter  expediro  credentes  ut  in  ciyitate  predieta 
coltores  sapientie  inserantur  fructam  oberem  largiente  Domino  in  tempore 
producturi,  presentiom  auctoritate  statuimus,  nt  in  ciyitate  prefata  sit  dein- 
ceps  Studium  generale,  in  quo  Magistri  doceant  et  scolares  libere  studeant 
et  audiant  in  quavis  licita  facultate.  Auch  bei  Ourgaud,  Notice  snr  la  yille 
et  le  pays  de  Pamiers  (Paris  1865)  p.  273.  In  französischer  Uebersetzung 
bei  Lahondös,  Annales  de  Pamiers  (Pamiers  1882)  p.  92.  Den  Herausgebern 
der  Begistres  de  Boni&ce  YIII.  (n.  658)  entgiengen  die  Drucke. 

i7<»)  S.  Labendes  p.  229.  404.  455.  Vgl.  dazu  p.  496  n.  19.  —  In 
diesen  Kreis  gehörte  auch  die  Bechtsschule  yon  Alais  in  Sfld -Frankreich, 
w&re  sie  in  der  That  ein  Studium  generale  gewesen.  Allein  nur  ein 
Canonist  und  ein  Legist  wurden  von  der  Stadt  gedungen  von  Michaelis  1291 
an  zu  lesen  (ygl.  die  3  yon  Roziöre  edierten  Documente  in  der  Bibliothöque 
de  r^cole  des  chartes  XXXI,  58  ff.).  Erhellt  nun  daraus  einerseits,  dass  diese 
Lehranstalt  sich  nicht  tlber  das  Niyeau  gewöhnlicher  Bechtsschulen  erhobt 
obwohl  im  15.  Jh.  behauptet  wurde,  in  Alais  'fuit  fundata  uniyersitas  studii 
generalis'  (s.  ibid.  p.  58  n.  1),  so  bleibt  man  andererseits  im  Ungewissen,  ob 
die  Schule  auch  wirklich  ins  Leben  getreten  ist.  Lange  hat  sie  jedesfaUs 
ihr  Dasein  nicht  gefristet.  Vgl.  auch  Jourdain  in  Beyue  des  soci6t6s  sayantes, 
4.  86r.  t.  10  p.  281. 


640     m*   Entwickelung  der  Hochschalen  bis  sam  Ende  des  14.  Jhs. 

Dublin  grossentheils  zu  Grunde  gegangen  sind,  wird  man  wohl 
kaum  jemals  zur  Klarheit  gelangen.  Die  Gründe,  weshalb  ich 
der  Hochschule  diesen  Platz  anweise,  werde  ich  sofort  ent- 
wickeln. 

Bald  nachdem  Jolin  Lech  den  erzbisehöfliehai  Stuhl  von 
Dublin  bestiegen  hatte,  was  im  J.  1310  geschah,  wandte  er  sich 
an  Clemens  V.,  um  von  ihm  das  Privileg  eines  Generalstudiums 
fttr  die  genannte  Stadt  zu  erwirken.  Er  stellte  ihm  vor,  dass 
sich  in  Irland  zwar  ^nonnulli  doctores  seu  baccalarii  saltem  in 
theologica  facultate  aliique  in  grammatica  sive  artibus  magistri 
legentes'  aufhielten,  ohne  dass  jedoch  in  Irland  und  in  den 
nächst  gelegenen  Ländern  Schottland,  Man  und  Norwegen  ^scolarium 
universitas  vel  generale  Studium'  existierte.  Die  Folge  davon 
sei,  'quod  pauci  reperiuntur  in  terra  ipsa  viri  decori  scientia 
litterarum\  Der  Papst  möge  nun  für  Dublin  ein  Generalstudinm 
bewilligen,  'cum  de  prefata  terra  Hibemie,  quam  Oceanum  mare 
circumdat,  ad  aliquod  Studium  generale,  nisi  eodem  mare  transacto, 
absque  gravi  periculo  patere  non  possit  accessus".  Clemens  Y. 
gestattet  in  der  am  13.  Juli  1312  ausgefertigten  Bulle,  in 
welcher  er  die  eben  erwähnten  Vorstellungen  des  Erzbischofes 
anführt,  dass,  den  Consens  der  Suffragane  des  Erzbischofes  vor- 
ausgesetzt, in  Dublin  'sit  scolarium  universitas  et  in  qualibet 
scientia  et  facultate  licita  de  cetero  Studium  generale ...  in  quo 
magistri  docere  ac  scolares  in  eisdem  facultatibus  audire  libere 
valeant  et  studere,  et  qui  ad  doctoratus  honorem*  fuerint  assu- 
mendi,  in  qualibet  facultatum  ipsarum  licentiam  obtinere''^^'). 

1703)  Keg.  Yat.  an.  7  ep.  934  Bl.  169  b.  Die  Bulle  wurde  fehlerhaft 
ediert  Yon  William  Monck  Mason,  The  history  and  antiquities  of  the  colle- 
giate  and  cathedral  church  of  St.  Patrick  near  Dablin  (Dublin  1830)  Im 
Appendix  n.  7  sect.  1.  Sie  wird  dort  fUschlich  ins  Jahr  1810,  p.  100 
jedoch  ins  Jahr  1311  gesetzt,  wie  früher  Ton  Ware-Harris,  The  history  and 
antiqoities  of  Ireland  (Dublin  1764)  p.  242  and  nenestens  von  Brenan,  An 
ecclesiastical  history  of  Ireland  (Dublin  1864)  p.  324.  Allein  das  Schreiben 
wurde  3.  Id.  JuL  an.  7  ausgestellt  Wegen  der  Berechnung  der  Regiemngs- 
jahre  Clemens  Y.  s.  oben  S.  538  Anm.  1245.  Bzoyius  stellt  die  Sachlage  irrig 
so  dar,  als  habe  sich  der  König  und  nicht  der  Erzbischof  an  den  Papst  gewendet 
Ann.  tom.  XIY,  189.  Beil&ufig  bemerke  ich  hier,  dass  Warbarton  etc. 
History  of  the  city  of  Dublin  (London  1818)  I,  536  f.  ffkc  die  üniTersiUts- 
geschichte  der  ersten  Periode  keinen  Nutzen  bringt 


6.   Hochschulen  die  nicht  ins  Leben  traten.   Dublin.  641 

Der  Tod  des  Erzbischofes  (1313)  verhinderte  die  Ausführung, 
und  diese  musste  hernach  um  so  mehr  hinausgeschoben  werden, 
als  der  erzbischöfliche  Stuhl  von  Dublin  über  vier  Jahre  vacant 
blieb.  Erst  am  9.  October  1318  wurde  der  neue  Erzbischof 
Alexander  de  Bicknor  inthronisiert.  Dieser  griff  nun  alsbald 
den  Gedanken  seines  Vorgängers  auf,  und  erliess  am  10.  Februar 
1320  'de  consensu  et  assensu  capitulorum  nostrorum  S.  Trini- 
tatis  S.  Patritii  Dublin.'  für  die  'magistri  et  scolares  univer- 
sitatis  nostre  Dublin.'  kurzgefasste  Statuten  ^^°*).  Zugleich  soll  er  bei 
Johann  XXII.  um  eine  Bestätigung  der  Stiftung  des  Generalstudiums 
nachgesucht  haben.  Indessen  konnte  ich  bis  heute  der  päpst- 
lichen Bulle,  die  sich  wenigstens  nicht  im  Vat.  Archiv  findet, 
nicht  auf  die  Spur  kommen. 

Bei  Abfassung  der  erwähnten  Statuten  waren  die  Verhält- 
nisse an  den  englischen  Universitäten  beeinflussend.  Die  magistri 
actu  regentes  werden  ermächtigt  einen  Kanzler,  der  Doctor  in 
Sacra  pagina  seu  jure  canonico  sein  müsse,  zu  wählen.  Vor- 
zuziehen seien  die  Doctoren  bei  St  Trinity  und  St.  Patrick. 
Der  jedesmalige  Kanzler  hat  dem  Erzbischof,  der  ihn  bestätigt, 
den  Eidschwur  der  Treue  zu  leisten.  Auch  zwei  Procuratoren, 
welche  wenn  möglich  magistri  actu  regentes  sein  sollten,  dürften 
die  genannten  Magistri  wählen.  Der  Kanzler  besitze  die  juris- 
dictio  spiritualis  4n  magistros  et  scolares,  ubi  actor  et  reus  sunt 
de  universitate,  et  in  eorum  familiäres' ;  ihm  sowie  den  magistri 
regentes  müssten  die  Licentiandi  und  Baccalarei  'in  facultate 
quacunque'  präsentiert  werden;  sie  hätten  über  die  Fähigkeit 
der  Einzelnen  zu  entscheiden.  Der  Kanzler  erhielt  ausserdem  die 
Vollmacht  'de  consilio  magistrorum  regentium,  et  non  regentium 
si  necesse  fuerit'  Universitätsstatuten  zu  entwerfen.  Der  Erz- 
bischof behält  sich  und  seinen  Nachfolgern  das  Recht  vor  einen 
Weltpriester  oder  Religiösen  zu  bestimmen,  'qui  in  ecclesia  St  Pa- 
tritii actualiter  legat  in  sacra  pagina  .  .  .  eo  non  ostante,  quod 
scolas  fratrum  Predicatorum  ac  Minorum  duximus  canonizandas'. 


^704}  Sie  worden  Ton  Ware  (Waraeus),  De  Hibemia  et  antiqoitatibus 
C|ja8>(Londmi  1658)  p.  77  und  Mason  1.  c.  App.  n.  7  s.  2  TerCffentlicht.  Das  Docu- 
ment,  das  in  mehr  als  einer  Beziehung  Interesse  bietet,  nnd  ans  erst  im  2.  Bande 
mehr  interessieren  wird,  fond  bisher  kaum  Beachtung. 

Denifle,  Die  Unireniaten  J.  41 


642      ni.  Entwickelnng  der  Hodisclitileii  bis  um  Ende  des  14.  JIis. 

Diese  BestimmuBgeD  erzielten  anfangs  allerdings  einige  Wir- 
kung. Als  Kanzler  wird  der  Decan  der  Cathedrale  William  Rod- 
yard, welcher  Doctor  des  canonischen  Rechts  war,  als  Professoren 
der  Theologie  der  Dominicaner  William  Hardite,  der  Francis- 
caner  Henry  Cogry,  sowie  der  Dominicaner  Edward  Eermerdyn 
genannt^'^0.  Alle  werden  znm  J.  1320  erwähnt.  AUein  darauf 
tritt  'bis  zam  J.  1358  völliges  Schweigen  ein.  Die  Thatsache, 
die  uns  aber  ans  diesem  Jahre  überliefert  ist,  bestärkt  mich  in 
der  Ansicht,  dass  die  Bemühungen  Alexanders  de  Bicknor  nur 
von  einem  augenblicklichen  Erfolg  gekrönt  waren,  und  dass 
damals  in  Dublin  ein  vollgültiges  Generalstudium  nie  ins  Leben 
getreten  ist,  wofür  auch  die  alte  Tradition  einsteht  Die  irlän- 
dischen Scholaren  stellten  König  Eduard  IH  die  grossen  Schwierig- 
keiten vor,  welche  sie  zu  überwinden  hätten,  sollten  sie  genö- 
thigt  sein,  über  dem  Meere  in  der  Feme  die  Wissenschaften 
zu  erwerben.  Sie  wünschten  deshalb,  dass  sie  in  Dublin  das 
Studium  der  Theologie,  beider  Rechte  und  anderer  geistlicher 
Wissenszweige  fortsetzen  dürften.  Der  König  entsprach  am  14.  Aug. 
1358  dem  Wunsche  derselben,  und  nahm  sie  sowie  ihre  Diener  sammt 
der  Habe  auf  ihrer  Hin-  und  Herreise  und  während  ihres 
Aufenthaltes  am  Studium  in  seinen  Schutz  ^^^*).  Folgt  daraus 
einerseits,  dass  zu  Dublin  thatsächlich  eine  oder  mehrere  Schulen 
bestanden,  so  ergibt  sich  doch  wider  andererseits,  dass 
dieselben  ein  eigentliches  Generalstudium  nicht  repräsentiert 
haben.  Wäre  die  von  Alexander  de  Bicknor  intendierte  Orga- 
nisation der  Universität  zur  Ausführung  gelangt,  welchen 
Sinn  hätte  dann  die  Bitte  der  Scholaren  gehabt,  die  sidi  doch 
fast  so  ausnimmt,  wie  die  vom  Erzbischofe  John  Lech  an 
Clemens  Y.  eingereichte  Supplik  wegen  Gewährung  eines  Gene- 
ralstudiums? Ich  finde  es  deshalb  begreiflich,  dass  J.  H.  New- 
man  den  Scholaren  geradezu  die  Worte  in  den  Mund  legen  konnte, 
sie  seien  nicht  in  der  Lage  im  eigenen  Lande  eine  Universität  su 
besuchen  ^'^').    Die  in  Dublin  vorhandene  Lehranstalt  überschritt 

1706 j  Diese  Namen  kannten  schon  die  filteren  Chronisten;  die  neueren 
Schriftsteller  Termochten  sie  auch  nicht  am  einen  za  vermehren. 

1706)  8.  Ware-Haris  p.  844  und  Mason  p.  101. 

1707)  Historical  Sketches.  Yol.  8.   Bise  and  progress  of  nniTenities  elc^ 


6.  Hochschtüen  die  nicht  ins  Leben  traten.  Valencia.  643 

schwerlich  den  Rahmen  von  Dom-  und  Elosterschulen.  Kam  es 
doch  auch  nach  1358  bis  1591  zu  keiner  Hochschule.  Und  als  im 
J.  1465  das  irische  Parlament  die  Stiftung  der  Hochschule  zu 
Drogheda  beschloss,  die  aber  beiläufig  bemerkt  ebenfalls  nicht 
ins  Leben  trat,  so  geschah  dies,  'pource  que  la  terre  d'Irlande 
a  nulle  Universitfe  ne  Estude  generale  dans  la  mesme'^^®*). 

Valencia. 

Gelangten  in  den  eben  angegebenen  Fällen  päpstliche  Stift« 
briefe  nicht  zur  Ausführung,  so  werden  wir  nun  sehen,  dass 
dies  auch  bei  landesherrlichen  und  kaiserlichen  eintrat. 

Im  J.  1245  wollte  König  Jacob  I.  von  Aragonien  in  Valencia 
ein  Generalstudium  errichten.  Der  König  wandte  sich  an  den 
Papst,  jedoch  nicht,  damit  dieser  das  Studium  gründe,  sondern 
damit  die  an  demselben  Studierenden  die  Einkünfte  ihrer  Bene- 
ficien  fortbeziehen  dürften.  Dies  erhellt  aus  zwei  Schreiben  Inno- 
cenzs  IV.  an  den  König  ^^^^),  und  aus  einem  an  den  Bischof  von 
Elne^^^®).     Allein   es  ist  klar,   dass  man  unter  dem  Eroberer 


London  1876,  p.  2 10  f.  Newman,  der  keine  Quellen  citiert,  hatte  wohl  hanpt- 
B&chlich  nur  Ware  vor  sich. 

1708)  Ware  p.  82;  Ware-Harris  p.  245.  Brenan  verlegt  p.  325  aus  Versehen 
die  Stiftung  in  das  Jahr  1865.  Sie  geschah  im  5.  Regiemngfiijahre  Eduards  IV. 
Mason  führt  zum  J.  1364  die  Dotierung  eines  Augustiners,  der  bei  der  Gathedrale 
zu  Dublin  Theologie  vortrug,  an.  Diese  Thatsache  beweist  nichts  weniger 
als  die  Existenz  einer  Hochschule,  wie  Mason  1.  c.  geneigt  ist  anzunehmen. 
Noch  weniger  l&sst  uns  eine  solche  ein  anderes  vom  J.  1496  von  Mason 
herbeigezogenes  Factum  erkennen.  Dagegen  spricht  der  oben  aus  dem 
J.  1465  citierte  Act  des  irischen  Parlaments. 

1709)  Beg.  Vat  an.  3  ep.  7.  8.  Bl.  213b.  Ort!  j  Figuerola,  Memorias 
historicas  de  la  fundacion  y  progressos  de  la  insigna  universidad^  de  la  Va- 
lencia. Madrid  1730,  p.  428,  wo  das  erste  Schreiben  mit  Dat  Idus  Julii 
statt  VI  Idus  Julii  steht.  Vgl.  auch  Berger  1.  c.  n.  1375.  1376  mit  einem 
unverständlichen  Auszug.  Der  Papst  sagt:  Nos  tuum  in  hac  parte  proposi- 
tum  multipliciter  commendantes  .  .  .  regalis  excellentie  precibus  inclinati, 
ut  magistri  regnorum  tuorum,  qui  in  predicta  civitate  rezerint,  suorum  bene- 
ficiorum  proventus  .  .  .  integre  percipere  valeant  •  .  .  indulgemus.  Das 
zweite  Schreiben  bezieht  sieh  auf  die  Scholaren.  Sonderbar  genug  hat 
Sch&fer  in  der  Geschichte  von  Spanien  UI  (Gotha  1861)  S.  502  (Die  Uni- 
versität Valencia)  die  Schreiben  Innocenzs  IV.  übersehen. 

^710)  Reg.  Vat.  an.  3  ep.  8.  Berger  n.  1377. 

41* 


g44    UI.  Entwickelang  der  Hoeluchalen  bis  sum  Ende  des  14.  Jhs. 

Jacob,  der  immer  mit  den  Mauren  beschäftigt  war,  nicht  über  ein- 
fache Grammatical-  und  artistische  Schulen  hinauskam,  obgleich 
der  König  Schulen  für  alle  Wissenschaften  wollte  "^^).  Daher 
rührt  es,  dass  der  sonst  so  fleissige  Historiker  Diago  nicht 
einmal  von  den  ersten  Anstrengungen  des  Königs  zu  berichten 
wusste""). 

Am  30.  März  1345  errichtete  der  Bischof  Baymund  G-aston 
mit  den  Gapitularen  nach  dem  Beispiele  der  Metropolitankirche 
zu  Tarragona  an  der  Gathedrale  eine  öffentliche  Schule  ftbr 
Theologie.  Ein  Lector  aus  dem  Dominicanerorden  sollte  sie 
4n  ipsa  sede  canonicis,  rectoribus  et  aliis  clericis  ac  laicis' 
gegen  Salar  vortragen"").  Da  nun  aber  für  den  Unterricht 
der  artes  liberales  kein  stabiler  Ort  bestimmt  war  und  die 
Lehrer  bald  da  bald  dorthin  giengen,  so  beschloss  der  Stadtrath 
am  4.  März  1373  aus  öffentlichen  Mitteln  ein  Haus  zu  kaufen, 
damit  in  demselben  die  verschiedenen  artistischen  Studien  ver- 
einigt würden^"*).  Als  Pedro  Costa,  Baccalar  der  artes,  bereits 
zum  Lehrer  bestellt  war,  schritt  der  Bischof,  der  sich  durch  das 
Vorgehen  des  Magistrates  in  seinen  Rechten  verletzt  fohlte,  ein. 
Er  verhängte  über  den  Lehrer  die  Excommunication  und  liess 
ihn  einsperren.  Der  Stadtrath  nahm  sich  seiner  an  und  berief 
sich  am  18.  September  1374  auf  die  von  König  Jaime  I.  gewährte 
Freiheit  des  Unterrichts  für  die  artes,  die  Medicin  und  die  beiden 
Rechte^'").  Doch  erzielte  der  Stadtrath  noch  lange  nicht  ein 
positives  Resultat.  Am  28.  September  1389  kam  er  auf  seine 
frühere  Idee  zurück  und  übertrug  zugleich  zwei  Juristen,  zwei 
Medicinem,  vier  Notaren  und  einigen  Prohombres  die  Durchsicht 
der  von  Pedro  Figuerola,  mag.  in  artibus  et  medicina,  verfassten 


1711)  S.  oben  S.  5  Anm.  25. 

1719)  In  seinen  Anales  del  reyno  de  Valencia.   Valencia  1613. 

171S)  Orti  bringt  1.  c  p.  428  das  interessante  Docoment.  Diago,  Historia 
de  la  proTincia  de  Aragon  üb.  1.  c.  21.  VillanneTa,  Viage  liter.  II,  103. 
Vgl.  auch  Migael  Velasco  y  Santos,  BeseBa  histörica  de  la  oniTersidad  de 
Valencia.    Valencia  1868  p.  13  f. 

1714)  Velasco  j  Santos  p.  14  f. 

171»)  s.  das  Document  bei  VillanneTa  p.  105.    Dam  Velasco  p.  15. 


6.  Hochschulen  die  nicht  ins  Leben  traten.  Valencia.  645 

Statuten.  Bis  zum  Jahre  1412  beschäftigte  man  sich  mit  diesen, 
und  es  werden  einige  Neuredactionen  derselben  erwähnt  ^^^^). 

Erst  am  7.  October  1411  wurde  die  Vereinigung  aller 
Schulen  im  Hause  des  edlen  Mosen  Pedro  Vilaragut  bewerk- 
stelligt; am  5.  Jänner  nächsten  Jahres  erhielten  die  neuen 
Statuten  nach  vorausgegangener  bischöflicher  Bestätigung  vom 
Stadtrathe  die  Approbation^"^).  Gerade  die  genannten  Statuten 
beweisen,  auf  wie  niedriger  Stufe  die  Studien  zu  Valencia 
waren.  In  ihnen  ist  nur  von  den  artes  die  Rede,  kein  Wort 
über  die  höheren  Wissenschaften.  Auch  erfährt  man  nichts  über 
Professoren  oder  deren  Salarium.  Wenn  Alfonso  V.  im  J.  1420 
den  einheimischen  ^doctores  et  licentiati  jureperiti  et  alii  cives, 
qui  exercuerint  vel  exercent  in  futurum  officia  justitiatus  crimi- 
nalis,  civilis,  juratorum'  etc.  die  insignia  militaria  verlieh""), 
so  hatte  er  dabei  zunächst  keineswegs  'Professoren'  im  Auge. 

Sowohl  Villanueva"")  und  Schäfer"**)  als  schon  früher 
Orti  7  Figuerola  irren  sich  deshalb,  wenn  sie  das  im  J.  1412 
hergestellte  Studium  zu  Valencia  ein  Studium  generale  oder 
eine  Hochschule  nennen.  Beschloss  doch  der  Stadtrath  erst  im 
April  1499  sich  an  den  Papst  zu  wenden,  um  das  Promotions- 
recht und  eine  eigentliche  Universität  zu  erhalten""),  welchen 
Beschluss  er  am  5.  Mai  des  nächsten  Jahres  ausführte""). 
Indessen  gebrauchte  der  Bath  bereits  in  dem  zuerst  genannten 
Actenstücke,  d.  i.  in  den  neuen  Statuten  vom  J.  1499,  wider- 
holt die  Bezeichnung  ^studi'  oder  ^coUegi  generaP.  Die  päpst- 
liche Bulle,  mittels  welcher  ein  Studium  generale  ^in  theologia 
ac  jure  canonico  et  civil!  necnon  medicina  et  artibus  liberalibus 
ac  latinis  et  grecis  litteris'  errichtet  wurde,   erschien  erst  am 


1716)  Yillanneva  p.  107  f.   Yelasco  y  Santos  p.  16  & 

1717)  yiUanaeTa  p.  109  f.   Die  Statuten  sind  p.  186—191  abgedmckt. 
171^  Bei  Orti  p.  429.    Vincente  de  la  Fuente,  Historia  de  las  oniver- 

sidades  en  Espana  I  (Madrid  1884),  328. 
171»)  L.  c.  p.  186. 

17S0)  A.  a.  0.  S.  504.   üeberhanpt  l&sst  Schftfers  Darstellung  viel  zu 
wünschen  flbrig. 

1791)  Bei  YiUanaeTa  p.  211  n.  55. 
17»)  Ibid.  p.  212. 


646      ni  Entwiekelnng  der  HochBchalen  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

23.  Jänner  1500  (1501)'"»).    Mit  Recht  datiert  auch  Velasco  y 
Santos  von  diesem  Zeitpunkte  an  die  Universität^"*). 

AloftlAi 

Am  20.  Mai  1293  wollte  Sancho  IV.  von  Castilien  ein 
Generalstudium  in  Alcalä  de  Henares  gründen  und  gab  von 
Valladolid  aus  dem  Erzbischof  von  Toledo,  Gonzalo  Oudiel,  die 
Vollmacht  zur  Ausführung  ^"^).  Allein  diese  liess  auf  sich 
warten.  Erst  das  15.  Jh.  sah  in  Alcalä  höhere  Schulen  ent- 
stehen. Pius  II.  gewährte  am  16.  Juli  1459  auf  Bitten  des 
Erzbischofes  von  Toledo  Alfons  Carillo  die  Errichtung  einiger 
Lehrstühle,  damit  ^certis  diebus  et  horis  statutis  vel  statuendis' 
Grammatik  und  die  Artes  gelehrt  würden.  Natürlich  hatten  diese 
Schulen  noch  keine  besondere  Bedeutung  und  wir  staunen  nicht, 
dass  unter  jenen  Theologen  und  Canonisten,  welche  im  J.  1479 
im  Palaste  des  Erzbischofes  von  Toledo  (der  damals  noch  der 
genannte  Carillo  war)  zu  AlcaU  sich  gegen  die  Irrthümer  des 
Theologie-Professors  zu  Salamanca,  Pedro  Martinez  de  Osma, 
ausgesprochen  haben  ^"*),  kein  einziger  als  Lehrer  in  Alcalä 
erwähnt  wird.  Es  scheint,  dass  jene  Grammaticalschulen  auch 
nur  im  Franciscanerconvent  San  Diego  sich  befanden. 

Die  Gründung  der  nachmals  so  berühmten  Universität  datiert 
erst  aus  der  Zeit  des  ErzbischoiGs  Jimenez  de  Gisneros^''^.  Noch 
vor  Ablauf  des  15.  Jhs.  legte  derselbe  Alexander  VL  seinen  Plan 
vor,  in  Alcalä,  wo  bereits  ^certe  cathedre  in  aliquibus  facultatibos 

1798)  Orti  y  Figaerola  1.  c.  p.  431  f.  De  la  Fuente  p.  347  ff.  Ebenda- 
selbst auch  die  PriTilegienbnlle  desselben  Datums. 

'«*)  L.  c,  p.  18.  27f. 

i795j  Der  König  sagt  in  dem  Schreiben:  tenemos  poiL  bien  de  hacer 
estudio  de  escuelas  generales  en  la  tUU  de  AlcaUu  T  porqae  los  maestros  y  los 
escholares  bayan  Tolontad  de  Tonir  hi  al  estttdio,  otorgimosles,  qne  bayam  todas 
aqueUas  franqaesas  qae  ba  el  estodio  de  Yalladolid.  Bei  Floranes  la  Col- 
lecciön  de  docomentos  inMitos  para  la  histona  de  E^ala  XZ,  75  L  Y^. 
Sagrador,  Histona  de  la  ciudad  de  YaUadolid  I,  192. 

^7*^)  S.  Ober  diese  interessanten  wenig  bekannten  Yerbaadlongeii  Ma- 
nendea  Pelayo,  Historia  de  los  beterodozos  espandes  I,  548  fiL  8.  555  sl^t 
in  Folge  eines  Drackfeblers  irrig  1497  sUtt  1479. 

^^^  S.  Qointanilla,  Arebetypo  de  Tirtndes  espezo  da  pieladoa  d 
reabU  padre  Franc  Ximenes  (Palenao  1653)  p.  177. 


6.   Hochseholen  die  nicht  ins  Leben  traten.  Alcal6.  647 

institute  existant',  ein  ^coUegium  scolarium,  in  quo  theologie  et 
iuris  canonici  ac  liberalium  artium  facultates  legi  possint  ad 
instar  collegii  scolarium  per  b.  m.  Didacum  (de  Anaya  Maldo- 
nado)^^")  archiepiscopum  Ispalen.  in  civitate  Salamantina  olim 
fundati'  zu  errichten  und  auszustatten.  Der  Papst  gewährte  dies 
am  13.  April  1499,  und  ertheilte  für  den  Fall,  dass  der  Plan  zur 
Ausführung  käme,  dem  CoUeg  alle  Privilegien  des  erwähnten 
GoUegs  zu  Salamanca,  so  wie  jene  des  vom  Cardinalbischof  von 
Sabina  Aegyd  Albornoz  in  Bologna  gestifteten^''^)  und  alle  Pri- 
vilegien der  Professoren  und  Scholaren  von  Salamanca,  Valla- 
dolid  und  der  übrigen  Generalstudien*'").  Unter  demselben 
Datum  bewilligte  er  dem  GoUeg  das  Promotionsrecht  in  allen 
genannten  Facultäten,  so  dass  diejenigen,  welche  im  GoUeg  den 
Gurs  durchgemacht,  das  Baccalareat  von  einem  der  Professoren,  die 
Licenz  und  das  Magisterium  vom  Abte  und  in  dessen  Abwesen- 
heit vom  Thesaurarius  der  GoUegiatkirche  Ss.  Justi  et  Pastoris 
erlangen  könnten.  Die  Promovierten  sollten  alle  Privilegien  der 
zu  Yalladolid,  Salamanca  und  Bologna  sowie  an  andern  Univer- 
sitäten Doctorierten  geniessen  **'*).  Das  GoUeg  (St.  Ildefons) 
wurde  unterdessen  gebaut.  Am  14.  November  1500  gab  der 
Papst  dem  Jimenez  auf  dessen  Bitten  hin  die  Vollmacht,  die 
vom  Erzbischof  Alfons  Garillo,  wie  oben  bemerkt,  in  Alcalä  er- 
richteten und  dotierten  Lehrstühle  'eidem  erigendo  coUegio  abs- 
que  alicuius  preiudicio  perpetuo  applicandi  et  aggregandi'  *'"). 
Am  13.  Mai  des  darauffolgenden  Jahres  befähigte  er  die  Lectoren 
und  Scholaren  des  GoUegs,  welche  die  Grade  des  Licentiates  und 
des  Magisteriums  erhalten  hatten,  zur  Erlangung  auch  jener 
Ganonicate  und  Präbenden,  die  in  Gastilien  und  Leon  an  die 
Bestinmiung  gebunden  waren,  dass  die  Aspiranten  'in  universitate 


17«8)  S.  oben  S.  494. 
1739)  S.  oben  S.  214  f. 

1730)  Beg.  Alezandri  VI.  1499  aD.  7.  lib.  8  Bl.  100»  im  Archiv  vom 
Lateran. 

1731)  Reg.  Alexandri  VL  L  c.  Bl.  102  a. 

1732)  Beg.  Alezandri  YL  1501  an.  9  lib.  (nicht  nummeriert)  Bl.  64  a 
im  ArchiT  vom  Lateran,  datiert  Borne  apnd  S.  Petrum  1500  18  kl.  Dec. 
anno  9. 


648    ni.  Entwiekelnng  der  HocliBchiileii  bis  zum  Ende  des  14.  Jhs. 

alicuius  studii  generalis  dictomm  regnorum*  promoviert  hatten  *'•*). 
Im  J.  1505  waren  bereits  Beneficien  mit  dem  ^coUegium  scolarium' 
vereinigt*"*);  und  am  22.  Jänner  1510  publicierte  der  Erzbischof 
die  Statuten  für  das  Colleg""). 

Qenl 
Kaiser  Karl  IV.  errichtete  am  2.  Juni  1365  auf  Bitten  des 
Grafen  Amadeus  von  Savoien,  in  der  seinem  Vicariate  unter- 
worfenen Stadt  Genf  ein  Studium  generale^'").  Doch  kam  der 
Plan  des  Grafen  nicht  zur  Ausführung,  und  zwar  wohl  deshalb, 
weil  die  Genfer  aus  der  Urkunde  ersehen  mussten,  dass  die 
Gründung  der  Hochschule  nur  ein  Mittel  sein  sollte  um  die 
Rechte  des  Grafen  über  die  Stadt  auszudehnen*"').  Der  Kaiser 
nun  sagt  unter  anderm  in  dem  interessanten  Stiftbriefe:  nos  de 

1733)  Ibid.  Bl.  61a.  Am  ].  September  1474  stiftete  Sixtns  lY.  die  so- 
genannten praebendae  theologales  (prebendas  doctoral  y  magistral)  an  den 
Cathedralen  von  Castilien  und  Leon.  Arch.  Yat.  arm.  32  t  27  Bl.  42.  Am 
L  J&nner  1476  stellte  er  jedoch  da^enige  fest,  worauf  oben  reflectiert  wird, 
dass  nämlich  mit  den  Praebenden  4Ui8  dumtaxat  gradaatis  proTideri  possit, 
qui  in  aliqna  oniyersitate  studii  generalis  regnornm  Hispaniamm  Serratia 
seryandis  juxta  earundem  universitatum  statuta  promoti  pro  tempore  forent' 
etc.  Ibid.  Bl.  45  a.  Sowohl  Innocenz  YIII.  als  Leo  X.  kamen  auf  dieae 
Bestimmungen  zurflck.    Ibid.  Bl.  48a. 

178*)  Arch.  Vat.  Div.  cam.  arm.  29.  t.  57  Bl.  164. 

1735)  Arch.  Yat.  Castello  di  S.  Angelo  arm.  12  caps.  5  n.  5.  —  Die 
Forschungen  Aber  die  Geschichte  der  üniversit&t  Yon  Alcalä  liegen  auch  in 
Deutschland  sehr  im  Argen.  Meiners  und  Savigny  wussten  aber  den  Ur- 
sprung gar  nichts  zu  sagen.  Die  Jahrzahlen  sind  auch  bei  Hefele  und 
Gams  nicht  ganz  zuverlässig.  In  Spanien  schrieb  am  besten  hierflber  Z&rate» 
De  U  instrucciön  publica  en  EspaBa  II,  219f.  Der  Artikel  Aber  Alcalü, 
welcher  nicht  vom  Yerfasser  sondern  von  Yinc  de  la  Fuente  herrOhrt,  ist 
deshalb  der  beste  in  diesem  Werke. 

1736)  M6moires  de  l'institut  Genev.  XII,  43.  M^moires  et  documents 
de  Genöve  XYIII,  285.  S.  auch  Böhmer-Huber  YIII.  n.  4171.  Der  Text 
ist  nach  zwei  in  Turin  liegenden  Abschriftb&nden  ediert;  das  Original  ezi« 
stiert  nicht  mehr. 

1737)  Ich  glaube,  dass  dies  der  eigentliche  Grund  war,  weshalb  die 
Errichtung  einer  Hochschule  in  Genf  gescheitert  ist,  wenngleich  der  alte 
Gegensatz  zwischen  dem  Grafen  und  dem  Bischöfe,  wie  Winkelmann,  Die 
Beziehungen  Karls  lY.  zum  Königreich  Arelat  (Strassburg  1882)  S.  89  meint, 
mit  im  Spiele  gewesen  sein  mag. 


6.   Hochscholen  die  nicht  ins  Leben  traten.  Genf.  Lueca         649 

plenitudine  imperialis  majestatis  dictam  nostrametlmperiisacncivi- 
tatem  Gebennarum  titulo,  honore,  prerogativa  et  libertate  generalis 
studii  Septem  artium  liberalium,  sacratissimarum  professionum  cano- 
nice  sapientie  et  civilis  eloquentie  et  prudencie,  sacre  theologie  pre- 
hemencie,  medicinalis  professionis  excellencie,  aliammque  quarum- 
libet  facultatum  erudicionis  exercicii,  tenore  presencium  insigni- 
mus,  extoUimus  et  libertamus.  Er  verfügt,  dass  die  Doctores  und 
Magistri  in  allen  genannten  Wissenschaften  ^cathedras  erigere  .  .  . 
publice  legere,  docere,  disputare*  u.  s.  w«  könnten.  Sie  besitzen 
auch  ^plenariam  auctoritatem  ad  cathedre  dignitatem  assumendi  et 
honore  et  privilegio  doctoratus  et  magisterii  decorandi'  alle  jene, 
die  sie  im  Examen  approbiert  haben.  Wozu  diese  Bestimmungen 
in  dem  kaiserlichen  Stiftbriefe  dienlich  sind,  wird  sich  im  fünften 
Hauptabschnitte  ergeben.  Beiläufig  sei  bemerkt,  dass  eine 
päpstliche  Stiftungsurkunde  nicht  existiert. 

Als  Ergänzung  füge  ich  hinzu,  dass  der  Zustand  der  Genfer 
Schulen  gerade  um  jene  Zeit  kein  blühender  gewesen  zu  sein 
scheint.  Ein  Jahr  vor  Erscheinen  des  kaiserlichen  Schreibens 
klagte  nämlich  der  Bischof  von  Genf  dem  Papste,  dass  der  Gan- 
tor seiner  Cathedrale  'regimen  scolarum  civitatis  et  dioc.  Gebennen. 
plus  offerenti  concedit'  und  eine  solche  Summe  verlange,  dass 
sich  niemand  anbiete,  was  zur  Folge  habe,  ^quod  scole  ipse  quasi 
ad  nichilum  sunt  redacte' '^").  Den  Rahmen  eines  artistischen 
Studiums  überschritt  die  Schule  auch  in  den  nächstfolgenden 
Jahren  nicht  ^"'). 

Lnooa. 

Sonderbarer  Weise  gehört  hieher  ein  Studium,  zu  dessen 
Errichtung   sogar   zwei  Stiftbriefe  erlassen  wurden,   von  denen 

nss^  Urban  Y.  führt  die  Klage  in  seinem  am  9.  Juli  1364  an  den 
Bischof  gerichteten  Schreiben  an.  Reg.  Yat.  Comm.  an.  2  (n.  251;  dieser 
Bd.  gehört  eigentlich  zur  Arignonesischen  Sammlung)  Bl.  351.  Der  Papst  be- 
fiehlt, der  Cantor  solle  die  Leitung  der  Schulen  'gratis'  Andern  überlassen. 

1'^'^)  S.  die  Notiz  ans  dem  6.  Bande  der  päpst  Formelsammlungen  des 
Staatsarchivs  zu  Hannover  im  Neuen  Archiv  X,  55:  Facultas  administratoris 
ecclesie  Gebennensis  erigendi  in  Gebennis  Studium  in  artibns.  Ich  zweifle 
jedoch  an  der  Richtigkeit  der  von  Otto  Meinardus  beigefügten  Jahrzahl  1368, 
denn  damals  fungierte  nicht  ein  blosser  administrator  ecclesie,  sondern  der 
Bischof  WUhelm  Foumier  (1366-1377> 


650    ni.  Entwickelang  der  Hochsclmlen  bis  snm  Ende  des  14.  Jhs. 

jedoch  keiner  in  dieser  Epoche  mit  Erfolg  gekrönt  war,  nämlich 
jenes  zu  Luc  ca.  Dass  in  dieser  Stadt  schon  frühzeitig  die 
Stadien  geblüht  haben,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Wir  finden 
in  Lucca  eine  Domschule,  und  es  haben  sich  über  dieselbe 
einige  Nachrichten  aus  dem  13.  Jh.  erhalten  ^'*^).  Pfarrschulen 
bestanden  dort  schon  seit  dem  12.  Jh.^^^0*  Uns  interessieren 
aber  hier  die  Stadtschulen.  Den  besten  Aufschluss  über  die- 
selben bieten  die  städtischen  Statuten  vom  J.  1342,  in  denen 
die  ^agistri  doctores  grammatice  et  paedagogi  seu  doctores 
puerorum  publice  docentes  habentes  a  viginti  pueris  supra^  vom 
Kriegs-  und  Soldatendienste  befreit  werden.  Die  Commune 
gibt  den  Lehrern,  weil  sie  (zum  grossen  Schaden  der  Scho- 
laren) nicht  in  Lucca  bleiben  wollten,  manche  Privilegien""). 
Man  könnte  nun  meinen,  die  von  der  Stadt  unterhaltenen  Schulen 
hätten  das  Niveau  von  Grammaticalclassen  nicht  viel  überstiegen; 
dem  ist  jedoch  nicht  so.  In  denselben  Statuten  vom  J.  1342 
ist  von  Bcolares  studentes  cives  in  jure  civil!  seu  canonico  die 
Rede,  denen,  waren  sie  auch  noch  nicht  in  coUegio  seu  matri- 
cola  judicum  aufgenommen,  öffentliche  Geschäfte  und  Aemter 
übertragen  werden  konnten,  ^dum  tamen  studuerint  quinque  annis 


^7^)  S.  Lucchesini,  Della  historia  letteraria  del  ducato  Lacchese  in 
den  Memorie  e  docamenti  per  servire  all'  istoria  del  ducato  di  Lucca.  Lucca 
1825.  IX,  18  ff.  Viel  Interesse  bietet  der  p.  19.  Anm.  publicierte  Act  Tom  J.  1299. 

1741J  Lucchesini  1.  c.  p.  20  f.  Diese  Bestimmang  findet  sich  auch  im 
Volumen  statutorum  generalinm  (Impressum  in  incUta  civit.  luc(ana).  per  me 
magistrum  Henricnm  de  Golonia.  mccccIxxxx),  welche  ans  dem  J.  1446  her^ 
rühren  (s.  darüber  Gigliotti  in  Memorie  e  documenti  per  8er?ire  aU'  istoria 
della  cittä  e  stato  di  Lucca  m,  2  p.  35),  lib.  3  c.  12. 

1749)  Quia  propter  guerram  et  novitates  quae  adTeneront  in  civitate 
Lacana,  et  propter  multa  onera,  quae  imponuntur  magistris  grammaticae 
artis,  timentes  de  praedictis  recusant  stare  in  civitate  Lucana  et  quasi  omnes 
recesserunt  et  Tituperium  et  damnum  esset  Lucanae  ci?itati,  quod  juTones 
.  .  .  Tolentes  stndere  in  grammatica  et  non  inTenientes  magistrum  in  ciTitate 
Lucana,  morari  cogantur  extra  civitatem  Lucanam  et  ad  alias  partes  ire 
Btudendam . . .  Dem  Grammatiker  Wilhelm  de  Yerrucola  yerspricht  sie  deehalb 
'pro  pensione  habiturii  in  quo  tenet  scolas'  40  Lire.  Den  fremden  Gram- 
matikern sowie  den  'magistris  artis  notariae  %t  rectoricae'  wird  freie  Wohnung 
zugesichert ,  und  sie  seien  immunes  ab  oneribus  realibus  et  personaliboB 
Lucanae    ciTitatis'.    Bei  Lucchesini  p.  23f. 


6.   Hochschulen  die  nicht  ins  Lehen  traten.    Lacca.  651 

in  jure  civili  vel  canonico'*^**).  Indessen  gesteht  Lucchesini  selber, 
dass  man  nicht  6inen  Rechtslehrer  von  irgend  welchem  Ruf 
nennen  könne,  der  damals  in  Lucca  dociert  hätte. 

Nachdem  Lucca  im  J.  1369  mit  Hilfe  Karls  IV.  die  Freiheit 
erlangt  hatte,  bemühte  sich  die  Stadt  alsbald  bei  dem  Kaiser  um 
das  Privileg  eines  Generalstudiums.  Dieser  gewährte  dasselbe 
am  6.  Juni  genannten  Jahres  im  Civil-  und  Canonischen  Rechte, 
in  der  Logik,  Philosophie,  Medicin,  Astrologie,  Notariatskunst 
und  allen  artes  liberales.  Er  gestattete  überdies  das  Promotions- 
recht, sowie  dass  die  ^doctorati  et  magistri  ubique  locorum  legere  va- 
leant',  und  der  Bischof  die  Licenz  zu  ertheilen  habe^^^^).  Am 
13.  September  1387  kam  auch  noch  das  päpstliche  von  Urban  YL 
ausgestellte  Privileg  dazu,  wodurch  er  auf  die  Bitte  der  Stadt  hin  (da 
bereits  KarllV.  ein  Generalstudium  gestattet  habe),  das  Generalstu- 
dium nunmehr  in  den  genannten  Facultäten  kraft  apostolischer 
Autorität  zu  errichten,  ein  solches  in  allen  Wissenschaften  mit 
Ausnahme  der  Theologie  anordnete  und  ebenfalls  den  Bischof  als 
jenen  bezeichnete,  welcher  die  Licenz  zu  geben  haf  ^'). 

Man  müsste  nun  meinen,  das  Studium  wäre,  wenn  schon 
nicht  nach  dem  kaiserlichen  Privileg,  so  doch  nach  dem  päpst- 
lichen ins  Leben  getreten.  Allein  davon  ist  keine  Rede.  Lucca 
schien  für  ein  Generalstudium  nicht  geeignet;  es  war  ja  von 
Generalstudien  förmlich  umlagert:  in  unmittelbarer  Nähe  von 
jenen  zu  Florenz  und  Pisa,  und  nicht  zu  weit  entfernt  von  jenen 
Bolognas  und  Pavias.  Die  Stadt  sah  sich  gezwungen,  ihre  Söhne 
auf  auswärtige  Generalstudien  zu  senden.  Drei  Jahre  nach  Er- 
scheinen   des    kaiserlichen    Privilegs    (1372)    gewährte    sie    in 


17^)  Ibid.  p.  24f.  Die  Statuten  Yom  J.  1446  enthalten,  habe  ich  rich- 
tig gesehen,  nicht  mehr  diese  Bemerkung.  —  Sp&rlich  fliessen  die  Notizen 
aber  Mediciner  als  Lehrer  (vgl.  Lucchesini  p.  25),  wenngleich  sich  Aerzte 
in  Locca  aufhielten,  die  auch  in  den  Statuten  lib.  3  c.  12  privilegiert 
werden. 

^7i4)  Balnze,  Miscell.  ed.  Mansi  IV,  184.  Das  Privileg  steht  auch  in 
der  Hs.  31  Bl.  124  des  erzbischöfl.  Archivs  zu  Lucca.  Der  Anfang  desselben 
ist  mit  dem  anderer  von  Karl  IV.  erlassener  Stifthriefe  gleichlautend. 
S.  oben  S.  447  Anm.  930. 

"46)  Baluze  L  c.  p.  185. 


652    in.  Entwiekelnng  der  Hochsehalen  bis  sam  Ende  des  14.  Jlis. 

ihren  Statuten  jenen  Scolares  cives  und  comitativi  von  Lncca, 
die  (auswärts)  4n  jure  can.  vel  civili  vel  in  mediana  in  studio 
generali'  studierten,  jährlich  während  sechs  Jahre  eine  Art  Sti- 
pendium von  10  Gulden,  und  jenen,  welche  auf  dem  General- 
studium in  der  Grammatik/  Notariatskunst,  Rhetorik,  Logik 
oder  Philosophie  studierten,  ein  solches  von  5  Gulden  ^^^*).  Kam  der- 
artiges, wenngleich  nicht  in  dieser  Ausdehnung,  zwar  auch 
an  solchen  Orten,  an  denen  Generalstudien  waren,  verein- 
zelt vor,  so  war  diese  Begünstigung  speciell  für  Lucca  ein 
Zeichen,  dass  das  Generalstudium  nicht  zur  Ausführung  gelangte. 
Allerdings  nahm  dort  der  Unterricht  in  den  artes  liberales  nie 
ab,  wie  sich  aus  Documenten  vom  Jahre  1372  und  der  nächsten 
Epoche  ergibt  ^^^0  9  allein  zu  einem  Generalstudium  brachte  es 
die  Stadt  nicht.  Dazu  fehlten  damals  wohl  auch  die  Mittel. 
Erst  am  29.  October  1455  beschloss  der  grössere  Bath  sechs 
Senatoren  zu  wählen,  welche  die  nöthigen  Vorbereitungen  zu 
einem  solchen  treffen  sowie  Professoren  berufen  sollten,  und 
eventuell  4000  Gulden  ausgeben  dürften.  Nach  zwei  Tagen 
wurden  die  Senatoren  gewählt;  allein  ein  Effect  ist  nicht  erzielt 
worden.  Nicht  grösseren  Erfolg  hatte  ein  Beschluss  vom 
26.  Februar  1477  ^^^*).  Die  Universität  konnte  nun  um  so  weniger 
zu  Stande  kommen,  als  jene  zu  Pisa  sich  1473  wie  ein  Phönix 
aus  der  Asche  erhoben  hatte '^^'). 


1746)  Luochesini  1.  c.  p.  22  f.  Diese  Verordnung  kommt  schon  in  den 
Statuten  vom  J.  1842  vor.  S.  daiu  die  Bemerkung  Lucchesinis  p.  23.  Der 
Paragraph  war  überichrieben:  De  proTisione  fienda  scolaribna  einbns  Laca- 
nis  Btttdentibus.  Er  ist  nicht  mehr  in  dem  Anm.  1789  angeffthrten  Volomen 
stattttorum  enthalten. 

1747)  Ibid.  p.  36.  Von  Zeit  in  Zeit  wurden  Magistri  berufen.  Man 
sehe  die  Namenliste  bei  Lucchesini  p.  28  f. 

"«)  ibid,  p,  36. 

1749)  Collegia  judicum,  notariorum  und  advocatorum  blieben  in  Lucca 
aUerdings  fortwährend  bestehen,  wie  die  interessanten  fiestimmungea  in 
den  Statuten  Tom  J.  1446,  lib.  5  c.  42—49,  darlegen. 


IV. 

DIE  UNIVEESITÄTEN  IN  IHREM  VERHÄLTNISSE  ZU  DEN 

FRÜHEREN  SCHULEN, 


Nach  der  im  vorigen  Hauptabschnitte  gegebenen  Uebersicht 
über  die  Gründung  der  einzelnen  Universitäten'  werfen  sich  von 
selbst  die  Fragen  auf:  In  welchem  Verhältnisse  stehen  die  Univer- 
sitäten zu  dei^  vorhandenen  Schulen?  Sind  erstere  aus  Dom-, 
Stifts-,  Kloster-  oder  Stadtschulen  hervorgewachsen,  oder  muss 
man  sie  vielleicht  förmliche  Neuschöpfungen  nennen?  Lässt 
sich  hier  ein  allgemeines  Gesetz  aufstellen? 

Nach  der  verbreitetsten  Ansicht,  die  in  allen  möglichen  Varia- 
tionen widerkehrt,  sind  die  Universitäten  aus  Dom-  und  Kloster- 
schulen hervorgegangen.  Noch  in  der  jüngsten  Zeit  fand  sie  ihre 
Vertreter.  Wenn  Paulsen  meint,  die  Universitäten  (und  zwar  zu- 
nächst in  Deutschland)  seien  ihrem  Ursprünge  und  ihrer  Stellung 
nach  freier  construierte  CoUegiatstifte,  nur  mit  dem  Unterschiede, 
dass  bei  diesen  der  Gottesdienst,  bei  jenen  die  Lehre  über- 
wiege^), so  heisst  dies  denn  doch  vor  allem,  die  (deutschen) 
Universitäten  hätten  in  den  Stiftsschulen  ihren  Ursprung.  Von  Stein 
behauptet,  die  Universität  beginne  in  ganz  Europa  als  Kloster- 
und  Cathedralschule  durch  die  Entwickelung  der  artes  neben 
der  Theologie,  und  dann  'bilde'  sich  neben  beiden  wider  'die 
Fachbildung'  in  Jurisprudenz  und  Medicin').     Bourbon  lässt  die 


^)  In  Sybels  Bist.  Zach.  Bd.  45  S.  283  and  in  seiner  Geschichte  des 
gelehrten  Unterrichts  anf  den  deutschen  Schulen  nnd  üniTersitftten. 
Leipiig  1885  S.  15. 

>)  Die  innere  Verwaltung  II,  2  S.  299.    Vgl.  S.  215. 


654   IV.    Die  üniversit&ten  im  Yerh&ltiiisse  zu  den  firfliiereii  Schulen. 

Uniyersitäten  sich  aus  dem  Schosse  der  bischöflichen  Schulen  ent- 
wickeln'). In  letzter  Zeit  hat  man  die  Behauptung  in  den  prä- 
gnanten Ausdruck  gefasst:  die  alten  Schulen  haben  sich  zu  Uni- 
versitäten erweitert 

Vereinzelt  wurde  eine  der  eben  besprochenen  gerade  ent- 
gegengesetzte These  aufgestellt.  Die  Universitäten  hätten  ausser- 
halb der  kirchlichen  Organisation  gestanden  und  sich  im  Kampfe 
wider  die  Prätensionen  der  Kirche  entwickelt*),  im  Gegensatze 
zu  den  alten  Dom-  und  Klosterschulen'). 

Um  über  diese  Frage  zur  Klarheit  zu  gelangen,  ist  zuvörderst 
Scheidung  zwischen  den  einzelnen  Universitäten  geboten.  Nur 
dadurch  können  wir  Sicherheit  darüber  gewinnen,  ob  sich 
hier  ein  allgemeines  Princip  aufstellen  lässt  oder  nicht.  Wir 
untersuchen  zunächst  die  Verhältnisse  von  Paris,  denn  die  irrige 
Auffassung  derselben  bildete  einen  Hauptstützpunkt  für  die  oben 
an  erster  Stelle  angeführte  Ansicht').  Sodann  betrachten  wir  das 
Verhältniss  der  ausseritalienischen  Universitäten  zu  den  Schulen, 
und  schliessen  endlich  mit  den  italienischen  Lehranstalten. 


3)  Revue  des  questions  historiques,  10.  ann6e,  1876  p.  534.  Der  Autor 
spricht  daher  nur  von  einer  'transformation'  und  dachte  nicht  daran,  dass 
eine  'viUe  6piscopaIe'  noch  nicht  eine  '6cole  6pi8Copale'  in  sich  schliesse. 

^)  So  Mttther,  Aus  dem  üniversitats-  und  Gelehrtenleben  im  Zeitalter 
der  Reformation  S.  25. 

^)  Diese  Behauptung  bek&mpft  Huber,  Die  englischen  Universitäten  I, 
16  und  erschliesst  sie  ans  Meiners  U,  206,  obwohl  sie  dieser,  so  weit  ich 
wenigstens  sehe,  keineswegs  so  scharf  ausgesprochen  hat.    Vgl.  auch  I,  8  ff. 

^)  So  sagt  z.  B.  Paulsen:  *Wie  das  Vorbild,  die  Pariser,  so  sind  auch 
mehrere  deutsche  Universitäten  ans  den  vorhandenen  Dom-  und  Kloster« 
schulen  geradezu  hervorgegangen.'  In  Sybels  Hist.  Zsch.  1.  c.  S.  262.  In 
der  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  3.  16  spricht  er  von  einem  'An- 
schluss'  an  die  vorhandenen  kirchlichen  Schulen.  Auf  dasselbe  hinaus  l&uft 
die  in  der  Baltischen  Monatsschrift  (1861)  S.  84  niedergelegte  Ansicht. 


1.  St  6eneTid?e,  Notre  Dame,  St.  Victor  a.  die  Hochschale  za  Paria.  655 

L   St.  Gteneviöve,  Notre  Dame,  St.  Viotor,  und  die  Hooli- 

Bohule  zu  Paris. 

Bis  zum  Ueberdrusse  wurde  seit  langer  Zeit  widerholt,  die 
Pariser  Universität  habe  sich  aus  der  Vereinigung  der  Artisten- 
schule zu  St  Geneviäve,  der  theologischen  von  Notre  Dame  und 
allenfalls  auch  jener  von  St.  Victor  gebildet^);  die  Hochschule 
zu  Paris  sei  also  aus  einer  Dom-  und  Klosterschule  hervor- 
gegangen. Folgende  Untersuchung  wird  zeigen,  was  an  dieser 
Hypothese  wahres  ist.  Meine  Darlegung  schliesst  zugleich 
dasjenige  ab,  was  ich  im  zweiten  Hauptabschnitte  über  die  Ent- 
stehung der  Pariser  Universität  gesagt  habe. 

Von  einer  Vereinigung  verschiedener  Schulen  sprechen  hat 
nur  dann  einen  Sinn,  wenn  sich  die  an  denselben  docierenden 
Professoren  zu  einer  Corporation  verbunden  haben.  Die  Schulen 
zu  Paris  müssten  sich  also  Ende  des  12  Jhs.  vereinigt  haben, 
denn   in   diesen  Zeitpunkt  fällt  die  Bildung  der  verschiedenen 

7)  Obige  Yon  Da  Boulay,  ja  schon  yon  BeUeforest,  angeregte  Ansicht 
fand  allgemeine  Annahme.  Ich  citiere  nur  Grevier  I,  122.  500  (er  nimmt 
die  Vereinigung  aller  drei  Schulen  an),  R^mnsat,  Ab61ard  (Paris  1845)  I,  23; 
Thurot,  De  l'organisation  etc.  p.  7  (nur  Notre  Dame  und  St.  Genevi^ve), 
Savigny  HI,  339  und  Faulsen,  Bist.  Zsch.  Bd.  45  S.  252.  282  (alle 
drei  Schulen).  Selbst  der  Hauptgegner  Du  Boulays,  der  Autor  der  Origo 
Vera  (p.  710),  konnte  sich  yon  dieser  Behauptung  ebenso  wenig  los  machen, 
wie  in  neuerer  Zeit  Bourbon  in  Reyue  des  questions  historiques  1.  c.  p.  537. 
Weiter  als  alle  anderen  gieng  Michaud  (in  seinem,  was  die  geschichtlichen 
Partien  betrifft,  ziemlich  unkritisch  gearbeiteten  Werke  Guillaume  de 
Ghampeauz  et  les  ^coles  de  Paris  au  XII.  siöcle'  p.  40)  mit  dem  Satz,  die 
Schulen  yon  Notre  Dame,  Saint-Geneyiöye,  Saint-Victor  und  Saint-Gemudn 
des  Pr^s,  Saint-Germain  TAuxerrois,  Saint-Denis,  du  Petit-Pont  und  die  von 
der  rue  du  Fouare  h&tten  im  Anfange  des  13.  Jhs.  durch  ihre  Vereinigung 
<ce  grand  corps  qui  s'appella  l'uniyersit^'  gebildet.  Auf  die  Schulen  von  St 
Germain  des  Pr6s  und  TAuxerrois,  sowie  auf  jene  yon  St  Denys  gehe  ich 
oben  gar  nicht  ein,  da  sie  zur  Zeit,  als  die  Uniyersit&t  entstand,  keine  Be- 
deutung hatten.  Michaud  yerwechselte  die  yerschiedenen  Epochen.  Ab 
Coriosum  mag  gelten,  dass  Auzias-Turenne,  L'uniyersitä  de  Paris  (Paris  1880) 
Pv  7  den  Grundstock  der  Uniyersit&t  in  'douze  Cooles  sous  douse  maltres 
ind^pendants  les  uns  des  autres'  erblickt  Die  Grundlage  für  diese  Ansicht 
wird  wohl  die  misayerstandene  Littera  Uniyersitatis  vom  J.  1254  sein,  in 
der  gesagt  wird,  im  genannten  Jahre  wären  12  cathedrae  theologie  zu 
Paris  yorhanden  gewesen.    Da  Boulay  III,  256. 


656  IV.  Die  üniyersit&ten  im  Yerh&ltnisse  xa  den  fraheren  Schulen. 

Corporationen  za  Paris.  War  nun  damals  eine  Vereinigang  der 
Schulen  zu  St.  Genevifeve,  Notre  Dame  und  St  Victor  möglich? 
Wer  dies  bejaht,  gibt  zunächst  stillschweigend  zu,  dass  von 
der  Zeit  Abälards  bis  zum  Ende  des  12.  Jhs.  die  Artistenfacultat 
ununterbrochen  zu  St.  Genevifeve  war.  Bei  einer  solchen  Vor- 
aussetzung übersieht  man  jedoch  den  ganzen  Entwicklungsgang 
von  St.  Oenevi^ve.  Zum  letzten  Male  hören  wir  unmittelbar 
vor  der  im  J.  1147  stattgefundenen  Reform  des  Klosters  von 
daselbst  docierenden  Artisten,  als  nämlich  Johann,  von  Salisbory 
dort  seine  früheren  GoUegen  aufsuchte^).  Seit  jener  Zeit  findet 
sich  auch  nicht  mehr  die  geringste  Spur  von  Artisten  auf 
St.  Geneviive,  wie  sich  noch  weiter  unten  ergeben  wird.  Ganz 
natürlich.  Im  genannten  Jahre  wurden  die  bisherigen  Canonici 
saeculares  durch  Gluniacenser,  und  bald  darauf  durch  die  regu- 
lierten Chorherren  von  St.  Victor  ersetzt.  Die  Lebensweise  der 
Victoriner  kehrte  in  St.  Geneviöve  ein  und  ein  strenger  Geist 
verdrängte  die  dort  früher  herrschende  weichliche  Lebensweise*). 
St.  Genevi^ve  entbehrte  nunmehr  zwar  nicht  einer  Schule;  aber 
diese  hatte  keinen  andern  Charakter  als  jene  von  St  Victor, 
d.  h.  sie  war  ein  theologisches  Hausstudium.  Dies  erhellt  aus 
einigen  Briefen  Stephans  von  Toumay,  die  er  als  Abt  von 
St  Genevifeve  (1177  bis  1191)  geschrieben  hat  Dem  Erzbischof 
von  Lund  berichtet  er  über  dessen  Clienten  Salomon  er  lebe  mit 
ihnen  in  monte  und  sei  eifrig  in  der  Schule'^).  Betreflfis  eines 
andern  Clienten,  Stephan,  schreibt  er  aber,  dass  derselbe  Theologie 
studiere '  ^).    Und  in  einer  Predigt  macht  er  seine  Mitbrüder  auf- 

^)  Ich  lasse  hier  die  Richtigkeit  des  betrefifenden  Berichtes  bei  Johann 
von  Salisbnrj  einstweilen  noch  dahingestellt,  bemerke  aber  schon  jetst,  dass 
derselbe  nicht  wenige  Widerspräche  mit  sichern  Thatsachen  involviert,  und 
man  bisher  sa  viel  Gewicht  auf  denselben  gelegt  hat 

9)  Feret,  L'abbaye  de  St.  GeneviÖTe  (Paris  1883)  I,  101  fif.  hat  diesen 
einen  Ponkt,  d.  h.  das  Ereigniss  der  Beform  von  St  Geneyi^ve,  richtig 
dargestellt. 

10)  Cod.  Paris.  2928  Bl.  187b:  sie  litteranun  stndiis  intendit,  nt  a  Tir- 
tatnm  semitis  non  recedit  .  •  .  Testimonium  ei  perhibemas  commoranti  no* 
biscnm  in  monte,  qoia  in  scolis  assidans. 

11)  Petmm  Testram  .  .  .  commonemns  patnun  Terbis  et  promoTemna 
fratmm  exemplis.  Sacre  pagine  stndens  scolas  Teritatis  in  auditorio,  scolas 
▼irtntis  fireqnentat  in  clanstro.    Ed.  Da  Molinet,  Paris.  1679  ep.  111. 


1.   St.  GeneYtöve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschule  s.  Paris.  657 

merksam  auf  die  Gefahren,  die  den  scolares  und  claustrales 
durch  den  bösen  Feind  drohen;  ^contra  scolares  movet  heresim, 
contra  claustrales  ypocrisim  .  .  .  nee  tutum  est  discedere  scola- 
ribus  ab  auctoritatibus  patrum,  ne  moveantur  heresi'"),  womit 
er  nur  auf  die  Theologie  anspielt.  Dass  diese  Schule  nicht 
auswärts  oder  am  Fusse  von  St.  Geneviäve  war,  ergibt  sich  deutlich 
aus  einem  Schreiben  an  den  Erzbischof  von  Lund  rücksichtlich 
eines  dienten  desselben  mit  Namen  Wilhelm.  Der  Erzbischof 
Absalon  war  im  Zweifel,  ob  er  Wilhelm  in  St.  Genevi^ve  oder  in 
Paris  studieren  lassen  solle.  Stephan  spricht  sich  aber  gegen  die 
Tarisienses  secularium  scolas'  aus;  der  Besuch  derselben  wider- 
streite ihrer  Institution.  Wenn  der  Erzbischof  ihn  nicht  4n 
monte'  sondern  in  Paris  studieren  lassen  und  ihn,  den  Regular-Gano- 
niker,  saecularis  machen  wolle,  so  möge  er  eine  andere  Stadt  zum 
Studienorte  für  ihn  wählen^').  Die  Pariser  Schulen  waren  dem 
Abte  vorzüglich  wegen  der  an  denselben  herrschenden  Lehr- 
methode ein  Dom  im  Auge,  wie  sich  weiter  unten  aus  einem 
seiner  Briefe  an  den  Papst  ergeben  wird^O- 

Die   eben   citierten  Stellen  belehren  uns,   dass  die  Schule 

.  in  St.  Genevifeve    nur   für   die  Regulär  -  Canoniker  eingerichtet 

war"),  und  nichts  weniger  als  eine  Berühmtheit   besass ").    Zu- 

")  Cod.  Paris.  U935  Bl.  42  b. 

^')  Cod.  Paris.  2923  BL  115b;  Qaod  antem  de  ipso  nobis  per  litteras 
▼estras  intimastis,  vel  in  monte,  vel  ad  Parisienses  secolariam  scolas  et  yen- 
ditores  verbonim  mittende  .  .  .  non  admittimus,  quoniam  institutioni  repag- 
nat  et  consnetudinii  nee  per  ipsom  presentibus  fratribos  noTam  proponetor 
spectaculiim,  qaod  fatoris  pemiciosum  trahator  in  exemplum.  Habet  in 
clanstris  sapientia  regolas  suas,  habet  et  reguläres  snos,  erigens  sibi  scolas, 
inde  Teritatis,  hinc  rirtutis.  Qaodsi  forte  consilium  vestrum  in  hoc  de- 
clinaTerit,  ut  de  regulär!  secularem  facere  credatis,  aliam  quam  Parisius  ci- 
Titatem  in  qua  stadeat  eligite  etc.  Der  Text  bei  Molinet,  ep.  80  ist  ver- 
derbt Brial  corrigierte  den  Text:  Tel  Parisius  ad  saecularium  scholas.  Cod. 
Paris.  11383  p.  119. 

^^)  S.  unten  den  ersten  Paragraph  des  fOnften  Hauptabschnittes.  Feret 
war  nicht  im  Stande  eine  allseitige  und  richtige  Charakteristik  des  aUer- 
dinge  bedeutenden  Abtes  zu  liefern. 

^^)  Selbst  Du  Boulay  muss  dies  II,  480  zugestehen;  seit  dem  J.  1148 
h&tten  die  von  St.  GeneviöTe  wohl  Schule  gehalten,  *sed  suis  tantummodo 
concanonicis*. 

16)  Es  beruht  auf  MissTerständniss,  wenn  man  Peter  Lombardus  an  ihr 

Denifle,  Di«  UniTenititon  I.  42 


658  IV.   Die  Universitäten  im  Verhältnisse  zu  den  früheren  Schulen. 

gleich  wird  auch  die  Annahme  ausgeschlossen,  als  wäre  in  St 
Genevifeve  neben  der  Klosterschule  eine  schola  externa  ge- 
wesen")- Die  Einrichtung  von  St.  Gallen*«)  neben  der 
schola  claustri  auch  eine  schola  canonica,  clericorum  oder  ex- 
terna zu  besitzen,  findet  sich  zur  Zeit  Stephans  von  Tour- 
nay  weder  in  St.  Victor,  noch  in  St.  Genevifeve '*),  wie  sie  ja 
überhaupt  nur  an  dem  einen  oder  andern  Orte  angenommen 
worden  ist'^).  Fleury,  Crevier,  Maitre  haben  vergessen  den  Be- 
weis zu  bringen  für  die  Behauptung,  dass,  als  Stephan  von 
Tournay  Abt  des  Klosters  St.  Genevifeve  wurde  (1176)  und  ^  er 


lehren  lässt.  Lombardus  wird  im  Obituaire  von  St.  Victor  (Cod.  Paris.  14673 
BL  217  a,  wie  auch  sein  Vater  und  seine  Mutter,  ibid.  Bl.  202  b),  nur  als 
W^ohlthäter,  nicht  als  Ganonicus  von  St.  Victor  erwähnt. 

17)  Unbegreiflich  haben  Molinet  und  Feret  (p.  129)  die  Stelle  so  ver- 
standen, als  sei  hier  von  scholae  eztemae  und  internae  zu  St.  Genevi^ve  die 
Bede.  Werden  doch  ausser  der  Klosterschule  nur  die  Schulen  in  Paris 
selbst  erwähnt.  Bloss  die  schola  interna  ist  gemeint,  wenn  claustrales  und 
scholares  genannt  werden,  denn  unter  den  letztern  werden  die  Brdder 
als  Studierende  aufgeiasst  So  spricht  ein  anderer  Victoriner  *in  ascen- 
sione  domini  claustralibus  et  scolaribus'  (Cod.  Paris.  14525  Bl.  233  b), 
und  doch  sind  die  einen  wie  die  andern,  wie  sich  aus  der  Predigt  ergibt, 
Victoriner.  Ebenso  ibid.  Bl.  81b.  Diese  Eintheilung  beruht  auf  Hugo  von 
S.  Victor,  De  tribus  generibus  meditationum  c.  82  (Cod*  lat,  Mon.  14166 
Bl.  43  b).  Aehnlich  spricht  Philipp  Harveng  ep.  18  (Migne,  Patrol.  lat.  tom.  203 
p.  159),  der  wie  Stephan  von  Tournay  die  scholae  saeculares  oder  forenses 
in  Laon  und  Paris  der  Schule  in  claustro  entgegenstellt  (ep.  7,  Migne  p.  58  f.). 

18)  Ekkeh.  IV.  Casus  s.  Galli  ed.  Meyer  v.  Enonau  p.  10.  238.  317. 
1^)  Petrus  Comestor,  der  in  St.  Victor  eintrat  und  auch  im  Obituaire, 

Cod.  Paris.  14673  Bl.  259b  als  'noster  canonicus'  bezeichnet  wird,  spricht 
wie  die  flbrigen  von  den  claustrales  et  scolares  (s.  Anm.  17)  in  seinen  Pre- 
digten (Arsenalbibl.  zu  Paris  n.  548  Bl.  245  a.  234;  St.  Florian  n.  XI.  264 
Bl.  54b.  56.  Allein  er  meint  nur  die  scolares  *in  claustro',  denn  in  einer 
andern  Predigt  sagt  er:  in  claustro  conventuum  iig»'  loca  propriis  depatan* 
tur  officiis:  in  latere  claustrali  id  est  occidentali  est  subjectio  Scolaris,  in  eo 
qui  contingit  ecclesiam  lectio  moralis,  in  ipsa  ecclesia  meditacio  spiritalia,  ad 
orientem  in  capitulo  correctio  materialis.  Cod.  St  Florian.  BL  96  b. 

^)  Von  Klöstern  kann  ich  nur  nennen  das  S.  Hnberti  (Andaginense  im 
D6p.  Ardennes;  s.  Martine  -  Durand ,  Ampi.  coli.  IV,  924),  und  allenfalls 
Lauterberg  bei  Halle.  Mon.  Germ.  XXIII,  197.  Die  Behauptung,  an  den 
meisten  Klöstern  seien  scholae  internae  und  eztemae  gewesen,  kann  ich 
nur  einen  grossen  Irrthum  nennen. 


1.   St.  Geneyi^ve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschule  z.  Paris.  659 

eine  schola  interna  errichtete,  bereits  eine  externa  existiert 
habe").  Nur  Yorübergehend  findet  man  einmal  früher,  und 
zwar  vor  der  Reformation  des  Klosters,  eine  Schule  ausserhalb 
desselben  erwähnt,  nämlich  zur  Zeit  (c.  1140),  als  Ernald  von 
Brescia  bei  St.  Hilaire  armen,  bettelnden  Schülern  über  Theo- 
logie vortrug"). 

Gerade  während  der  Epoche  des  strengen  Abtes  Stephan 
von  Tournay  hätte  die  Verschmelzung  der  Schulen  von  S.  Gene- 
vifeve  und  Notre  Dame  vor  sich  gehen  müssen,  denn  in  diese 
Zeit,  wenigstens  nicht  früher,  fällt  die  Vereinigung  der  Profes- 
soren von  Paris  zur  Universitas.  Wie  kann  man  aber  dies  an- 
nehmen, nachdem  von  einer  Artistenschule  in  St.  Genevifeve  in 
jener  Epoche  keine  Rede  sein  kann  —  und  gerade  eine  solche  hätte 
sich  mit  der  theologischen  von  Notre  Dame  verbinden  müssen 
—  und  der  Abt  den  Parisienses  saecularium  scolae  feindlich  ge- 
sinnt war? 

Obige  Behauptung  setzt  femer  voraus,  dass  St.  Genevifeve 
zur  Zeit,  als  sich  die  Pariser  Universität  constituierte,  innerhalb 
der  Stadt  lag  und  zu  dieser  gehörte.  Allein  erst  1209—1211 
kam  St.  Genevifeve  durch  die  von  Philipp  August  erbaute 
Einfassungsmauer,  die  im  J.  1211  vollendet  wurde,  innerhalb  des 
Stadtbezirkes**).  Und  wenngleich  man  darüber  im  Zweifel  ist, 
ob  am  linken  Seineufer  nicht  bereits  vor  Philipp  August  eine 
Ringmauer  aufgeführt  wurde,  so  ist  es  doch  immerhin,  sicher,  dass 
bis  1209—1211  St.  Genevifeve  ausserhalb  der  Stadt  lag.   'Extra 


»)  Fleury,  Eist,  ecclßsiast.  (Paris  1711)  XV,  625;  Gravier,  Hist.  de 
roniversit^  de  Paris  I,  217;  Maitre,  Les  Cooles  ^piscopales  et  monastiqaes 
de  roccident  (Paris  1866)  p.  144.  Die  Grundlage  fQr  diesen  Irrthum  bildet 
derselbe  Brief,  der  auch  Da  Molinet  verleitet  hat  von  zwei  Schalen  in  St. 
i^enevi^ve  su  sprechen.    S.  oben  Anm.  17. 

^)  Dies  berichtet  Johann  von  Salisbary  in  der  Hist.  pontificalis  (Mon. 
Germ.  XX,  537):  Parisins  manens  in  monte  s.  Genovefae  divinas  litteras 
scolaribns  ezponebat  apud  s.  Hilarium,  abi  jam  dietas  Petras  (Abaelardus) 
hospitatas  faerat.  Sed  aaditores  non  habuit  nisi  pauperes  et  qui  ostiatim 
elemosinas  publice  mendicabant.  üeber  die  Kirche  St.  Hilaire  s.  Jaillot, 
Recherches  crit.  sar  la  viUe  de  Paris  IV.  Qartier  Saint-Benoit  p.  104. 

'^)  8.  Bonnardot,  Dissertations  arch6ologiqaes  sar  les  anciennes  en- 
ceintes  de  Paris  (1853)  p.  23ff.  37. 

42* 


660   1^'   ^^®  Univenitftten  im  YerfailltiiiaBe  eu  den  froheren  Schalen. 

civitatem  in  monte  S.  Oenovefe  scolarum  nostrarum  castra  posui', 
meint  Abaelard'^),  gerade  wie  St  Victor,  wollte  man  das  That- 
sächliche  angeben,  als  'extra  urbem  Parisiensem'  bezeichnet 
wurde").  Noch  in  dem  Actenstücke  vom  J.  1202,  worin  unter 
anderm  erwähnt  wird,  St.  Oeneviöve  habe  eine  Kapelle  oder 
kleine  Kirche  der  hl.  Genovefa,  'sita  in  civitate  Parisiensf,  dem 
Bischöfe  abgetreten,  wird  der  mons  s.  Genovefae  der  civitas  Pa- 
risiensis  gegenübergestellt"),  was  ein  Canoniker  von  St.  Gene- 
viäve  jener  Zeit,  der  über  die  im  J.  1206  Paris  verwüstende 
Ueberschwemmung  berichtet,  ebenfalls  thut").  St  Genevi^re 
gehörte  wohl  wie  St.  Victor  und  St  Denys  zum  territorium  Pa- 
risiense  (weshalb  man  sehr  oft  z.  B.  St  Victor  Parisiensis  sagte), 
aber  nicht  stricte  zur  Stadt  Paris. 

Diejenigen,  welche  die  Behauptung  von  der  Vereinigung  der 
Schulen  St  Genevi^ve,  St  Victor  und  Notre  Dame  aufgestellt 
haben,  bedachten  nicht,  dass  ihre  These  also  laute:  'Die  Uni- 
versität der  Stadt  Paris  hat  sich  aus  einer  Schule  innerhalb  und 
aus  zwei  Schulen  ausserhalb  derselben  constituiert'  *').  Das  Gros 
der  Universität  wäre  mithin  ausserhalb  Paris  gelegen  gewesen. 
Von  dieser  Ungereimtheit  abgesehen  bliebe  es  ausserdem  immer- 
hin merkwürdig,  warum  Philipp  August  in  seinem  Diplome  vom 

*^)  Hist  calamit.  nach  Cod.  S02  Bl.  2  b.  in  Troyes.     Ed.  Cousin  I,  6. 

s»)  Vgl.  Abaelard  im  Cod.  S02  1.  c.  Bl.  1  b,  ed.  Coasin  1.  c  p.  5. ;  Jacob 
y.  Yitry,  Hist.  oceid.  c.  24;  Robert  de  Monte,  De  immutatione  ord.  monaeh. 
in  Guiberti  opp.  ed.  D'Achery  (Paris.  1651  p.  813);  Heinrich  ▼.  Gent,  De 
Tiris  illostr.  (Paris,  nonv.  acqnis.  lat.  314  BL  76 f.).  Stephan  Ton  Tonmay 
sagt  von  den  drei  Abteien  St.  Denys,  St  Gennain  und  St.  Genevidre  (welche 
er  tres  filias  nennt),  sie  seien  *circa  et  prope  Parisiensem  orbem'.  Cod. 
Paris.  2923  BL  155  a. 

M)  Cartalaire  ron  S.  GeneTi&ye  in  der  gleichnamigen  Bibliothek  iii 
Paris,  E.  1.  25  p.  114 f.  Du  Boolay  passierte  Hist.  aniv.  Paris.  III,  22  das 
Malhenr,  die  EapeUe,  um  die  es  sich  handelt,  als  auf  der  Höhe  von  St  Ge» 
nevidve  existierend  ansunehmen  und  zugleich  su  glauben,  die  Kirche  tob 
St  Genevi^ve  sei  noch  nicht  gebaut  gewesen,  üeber  die  Capelle  von  St. 
Geneviöve,  die  auf  der  Insel  unfern  von  Notre  Dame  lag,  s.  Lebeuf-Cocheria 
II,  587. 

^)  Bei  Labbe,  Nova  bibL  mss.  I  (Paris  1657),  662;  Du  Boulay  HI,  33. 

^)  Allerdings  hat  Crevier  1.  c.  p.  122  Anm.  nichts  gegen  einen  solchen 
Nonsens. 


1.   St.  Oen«vidve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschule  z.  Paris.  661 

J.  1200  nur  von  den  Scholaren  in  Paris,  und  nicht  auch  von 
jenen  zu  St.  Genevi^ve  und  St.  Victor  gesprochen  hat 

Ergibt  sich  schon  aus  dem  Vorhergehenden,  dass  in  St.  Ge- 
nevi^ve  Ende  des  12.  und  Anfangs  des  13.  Jhs.  keine  Artisten- 
schule bestanden  und  die  dortige  Lehranstalt  nicht  zur  Univer- 
sität Paris  gehört  hat,  so  wird  dieses  Resultat  durch  ander- 
weitige bestimmte  Thatsachen  für  immer  gesichert. 

Haur^u  denkt  an  eine  Gontinuität  der  Schule  Abaelards  in 
St.  Genevi^ve  bis  in  den  Beginn  des  13.  Jhs.,  wenn  er  be- 
hauptet, die  Artisten  am  linken  Seineufer,  über  die  der  Kanzler 
von  St.  Genevi^ve  die  Jurisdiction  ausgeübt  habe,  hätten  sich 
der  im  J.  1210  von  mehreren  Bischöfen  erlassenen  Verordnung, 
dass  gewisse  philosophische  Bücher  Tarisius'  weder  öfifentlich 
noch  insgeheim  vorgetragen  werden  dürften,  nicht  so  vollkommen 
unterworfen^*).  Ich  erlaube  mir  aber  an  Haur^au  die  Frage  zu 
stellen,  woher  er  denn  dies  wisse?  Wo  sind  die  Döcumente?  Ich 
will  auf  keine  Antwort  warten,  weil  Haur^au  ausser  Stand  wäre 
eine  andere  zu  geben  als  die,  welche  allen  ähnlichen  Behaup- 
tungen zu  Grunde  liegt,  dass  nämlich  den  Abaelard  nicht  bloss 
seine  Schule,  sondern  auch  sein  Geist  ein  Jahrhundert  lang 
in  St.  Genevi^ve  überlebt  habe.  Gerade  diese  Vorstellung  gibt 
mir  Veranlassung  den  eigentlichen  Sachverhalt  bündig  darzu- 
legen. 

Wo  hatte  Abaelard  gelehrt?  Auf  der  Höhe  von  St.  Gene- 
viäve,  oder  am  Fusse,  nur  im  Bezirke  von  St  Geneviäve?  Er 
selbst  sagt  4n  monte  s.  Genovefae\  und  der  anonyme  Autor  der 
Vita  Gosvini  erklärt  den  Ausdruck:  in  claustro  s.  Genovefae '^). 
Eben  dort  fand  Johann  von  Salisbury  die  artistische  Schule'^). 
Wo  treffen  wir  denn  dieselbe  2 — 3  Decennien  nach  dem  Zeit- 
punkte, in  dem  die  Professoren  sich  zur  Universitas  constituiert 


^)  Bist,  de  la  Philosophie  scolastiqne^  II,  i  p.  III.  üebrigens  ist  die 
ganse  Daratelioog  Hanr^aus  Qber  das  Verbot  der  aristotelischen  Bücher  xa 
Paris  Töllig  schief;  sein  a  priori  eingenommener  Standpunkt  gegenflber  den 
historischen  Thatsachen  erlaubte  es  ihm  nicht  ein  nnbe&ngenes  Urtheil  aus- 
zoBprechen,  wie  rieh  im  Verlaufe  meines  Werkes  zeigen  wird. 

^)  S.  oben  S.  660.  Becueil  des  histor.  des  Gaules  XIV,  442. 

31)  Metalogicus,  1.  2  c.  10  (ed.  Giles  p.  78). 


662  IV«  Die  UniTenitftten  im  Verhältnisse  zn  den  früheren  Schnkn. 

hatten?  Nicht  bloss  nicht  auf  der  Höhe  von  St.  Geneyifeve, 
sondern  nicht  einmal  am  Fasse  der  Anhöhe  oder  am  linken 
Seineufer.    Der  Beweis  ist  sehr  einfach. 

Sowohl  im  J.  1212  als  1213  beschäftigten  sich  der  Papst 
sowie  der  Bischof  von  Paris  und  der  Decan  von  Troyes  mit  dem 
Gancellarius  Parisiensis  und  dessen  Verhältniss  zu  den  Scholaren 
einer  jeden  Facultät  in  Bezug  auf  die  Ertheilung  der  Licenz 
und  die  Examina").  Der  Kanzler  von  Paris  ist  kein  anderer 
als  der  von  Notre  Dame.  Darüber  besteht  kein  ZweifeL  Als  es  in 
St.  Genevi^ve  einen  Kanzler  gab,  wurde  derselbe  nie  ^cancellarius 
Parisiensis'  —  dies  war  der  terminus  technicus  für  jenen  von 
Notre  Dame")  —  genannt,  sondern  ^cancellarius  s.  6enoYefae\ 
Die  Macht  des  Kanzlers  von  Notre  Dame  erstreckte  sich  jedoch 
hinsichtlich  der  Schule  nicht  auf  das  Gebiet  am  linken  Seine- 
ufer, in  so  weit  dasselbe  der  Jurisdiction  von  St.  GenevUsve 
angehörte.  Die  Insel  war  das  eigentliche  Gebiet  des  Dom- 
kanzlers, was  man  auch  bisher  wusste.  Wie  kommt  es  nun, 
dass  in  den  genannten  Actenstücken  nur  vom  Kanzler  von  Notre 
Dame,  nicht  aber  von  einem  in  St.  Genevi^ve  die  Rede  ist, 
mithin  in  denselben  nur  die  Universität  (im  Besondem  die 
Artisten)  auf  der  Seine-Insel  und  nicht  die  Scholaren  (im  Besondem 
die  Artisten)  im  Gebiete  von  St.  Genevi&ve  gemeint  sind?  Es  gibt 
nur  eine  Antwort,  nämlich  die,  dass  damals  ausserhalb  der 
Insel  keine  Schule  bestand,  die  zur  Universität  gehört  hätte. 
Oder  wird  man  vielleicht  behaupten,  jener  Umstand  in  den  Acten- 
stücken sei  daraus  zu  erklären,  dass  nur  zwischen  dem  Kanzler 
von  Notre  Dame,  nicht  zwischen  dem  von  St  Genevi&ve  und 
den  Scholaren  Zwistigkeiten  ausgebrochen  waren?  Allein  auch 
diese  Ausflucht  wird  durch  ein  Document  aus  dem  J.  1215  ab- 
geschnitten. 

In  dem  genannten  Jahre  war  der  Gardinallegat  Robert  von 
Courgon  in  Paris,  um  die  Angelegenheit  der  ganzen  Universität 
zu  Paris,  nicht  etwa  bloss  eines  Theiles  derselben  zu  ordnen*^). 

s')  Jourdain,  Index  chronologicus  n.  15. 

3S)  CanceUarius  Parisiensis  ist  der  künere  Ausdrack  für  GaDceilariu 
ecclesiae  Parisiensis. 

M)  8.  das  Actenstück  bei  Da  Boolay  III,  Sl. 


1.   St.  Geneviöve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschule  z.  Paris.  663 

Seine  Bestimmungen  beziehen  sieb  yorzüglicb  auf  die  theologische 
und,  worauf  es  hier  ja  besonders  ankommt,  auf  die  artistische 
Facultät.  Nennt  nun  vielleicht  Robert  den  Cancellarius  s.  Geno- 
vefae?  Mit  Nichten.  Er  erwähnt  nur  den  cancellarius  Pari- 
siensis,  d.  h.  den  von  Notre  Dame.  Und  warum?  Aus  dem- 
selben  Grunde  wie  früher,  weil  nämlich  auf  dem  Gebiete  von 
St.  Genevifeve  noch  nicht  eine  Schule  existierte,  die  mit  der  Uni- 
versität vereinigt  war,  und  es  überflüssig  war  von  einem  Cancellarius 
s.  Genovefae,  der  die  Licenz  ertheilt  und  die  Examina  geleitet 
hätte,  zu  sprechen.  Diesen  Zustand  finden  wir  theilweise  noch 
am  11.  Mai  1219,  als  Honorius  III.  scharf  gegen  den  Bischof 
und  den  Cancellarius  Parisiensis  vorgieng,  da  sich  beide  Vieles 
gegen  die  universitas  Parisiensis  doctorum  et  discipulorum  be- 
sonders gegen  die  magistri  liberalium  artium  zu  Schulden  kommen 
Hessen  •*). 

Die  Namen  der  berühmten  Artisten  -  Magistri,  die  nach 
Abaelards  Tod  lehrten,  knüpfen  sich  ferner  alle  an  die  Insel. 
Mehrere  der  Docenten  hatten  den  Petit-Pont,  welcher  die  Insel  mit 
der  linken  Seineseite  verband,  besetzt.  Sie  hiessen  Parvipon- 
tani'*),  und  zu  ihnen  gehörte  nicht  bloss  der  bekannte  Adam 
da  Petit-Pont,  sondern  auch  andere  Lehrer  der  Philosophie,  wie 
z.  B.  Ethion ").  Ungefähr  um  dieselbe  Zeit  lehrten  in  der  Stadt, 
d.  i.  auf  der  Insel,  auch  Mainerius"),  Albericanus '^)  und  an- 


s&)  Das  Docament  bei  Da  Boalay  III,  93. 

36)  So  Gottfried  von  S.  Victor,  Föns  Philosophiae,   ed.  Charma  (Gaen 
1868)  p.  47. 

37)  Dies  sagt  Alexander  Neckam,  De  naturis  rerum  ed.  Wright  p.  307. 
Auch  er  spricht  yon  den  Parvipontani. 

^)  Giraldus  Cambrensis  citiert  ihn  als  Schüler  Abaelards  und  als  Rheto- 
riker, nicht  zu  St.  Genevid?e  lehrend,  sondern  4n  auditorio  scholae  Parisius'. 
Opp.  ed.  Brewer  II,  349.  lY,  7.  Aach  Walter  Mapes  fahrt  denselben  an 
(Wright,  The  latin  poems,  London  1841  p.  29).  Weder  Wright  noch  Hau- 
reaa  (in  M^moires  de  Tacadömie  des  inscript.  et  beUes  lettres  XXVIII,  2 
p.  286)  wussten  mit  diesem  Kamen  etwas  anzufangen ,  da-  ihnen  die  Stelle 
aus  Giraldus  entgieng.  Hanr^aa  schlag  die  Aenderung  in  'Mauritias'  vor. 
Die  Sache  ist  nun  geschlichtet. 

^)  Von  ihm  sagt  Giraldus  Cambrensis:  Albericanus  in  urbe  Parisiensi 
liberalibas  artibus  a£fatim  eruditus  .  .  .  multos  habens  auditores  principaliter 
in  urbe  legebat.    Opp.  II,  33.    Ihn  erw&hnt  auch  Gottfried  Ton  St.  Victor 


gg4   IV.   Die  üniYersit&ten  im  Verhältnisse  zn  den  frflheren  Schalen. 

deren^®).  Hauteville,  auf  den  ich  weiter  unten  zurückkomme,  be* 
schreibt  das  Treiben  der  Studierenden  zu  Paris  in  der  zweiten  HSlfte 
des  12.  Jhs.,  allein  er  spricht  immer  nur  von  jenen,  die  in  der 
Stadt  und  nicht  die  zu  St.  Geneviöve  sind,  obwohl  er  sich  mit 
diesem  Kloster  und  der  Umgebung  eingehend  beschäftigt  Auch 
die  Literarhistoriker  jener  Zeit,  wenn  ich  mich  so  ausdrücken 
darf,  zu  denen  man  in  Bezug  auf  diesen  Punkt  Oottfried  von 
St  Victor,  Alexander  Neckam,  Giraldus  Gambrensis,  Jacob  von  Vitry 
und  Aegydius  Paris,  rechnen  muss,  obwohl  sie  im  Orunde  keine  eigent- 
lichen Literarhistoriker  waren,  haben  uns  nicht  einen  einzigen 
Namen  eines  Lehrers  überliefert,  der  um  jene  Zeit,  die  uns  gerade 
interessiert,  in  St.  Genevi^ve  gelehrt  hätte  *^).  Die  Berichte  des 
Johann  von  Salisbury  beziehen  sich  auf  die  frühere  Epoche. 
Von  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jhs.  bis  zum  zweiten  Decenniom 
des  13.  Jhs.  war  das  linke  Seineufer  entblSsst  von  Schulen,  die 
zur  Universität  gehört  hätten. 

Wie  kam  es  nun  aber  doch  dazu,  dass  das  linke  Seineofer 
von  Professoren  aufgesucht  wurde?  Wie  entstand  das  Kanzler- 
amt von  St.  Genevifeve? 

In  den  letzten  Jahren  Innocenzs  ni.  nahm  der  Kanzler  von 
Notre  Dame  (Johann  de  Candel)   ^a  volentibus  scholas  regere 


ed.  Ghanna  p.  45.    Der  Heraiugeber  verwechselt  ihn  in  nota  2  irrig  mit 
Albericns,  den  Johann  von  Salisbary,  Metalogiciu  II,  c  10  erwähnt 

^)  S.  Alexander  Neckam  L  c.  p.  298.  Und  ans  früherer  Zeit  die 
Adalberti  bei  Jaff6,  Bibl.  rer.  germ.  III,  592. 

^^)  Gottfried  von  8t.  Victor  sagt  in  Föns  Philosophiae: 

Herent  saxi  Tertice  tnrbe  robert  .  .  . 

Sazee  dnritie  vel  adamant ^^ 

Qnos  nee  rigat  plnvia  neqne  ros  doctr 

Yetant  amnis  aditmn  scopolomm  m 
Ed.  Charma  p.  46.  Der  Heraasgeber  meint  (n.  1),  nnter  'saxi  verdce'  sei 
Me  sommet  du  mont  St.  Genevi^ve'  gemeint  Allein,  davon  ist  keine  Rede. 
Gottfried  spricht  hier  rein  bildlich,  wie  die  2.  und  8.  Zeile  lehrt.  Der  ste* 
reotype  Aasdmck  war  immer  ^ons\  wofQr  sor  Bezeichnung  von  mont  St 
Genevi^ve  nicht  Einmal  'saxnm'  gebraucht  wurde,  üebrigens  berichtet  Gott* 
fried,  wenn  er  Oertlichkeiten  beschreibt,  genau  und  klar,  wie  bald  daraui^ 
wo  er  sich  Aber  den  Petit-Pont  auslässt  (p.  47).  Nebenbei  bemerkt  hat  man  mit 
8t  GeneTiive  einen  wahren  Unfug  getrieben.  Wenn  ein  Schriftsteller  jener 
Zeit  den  Beinamen  'de  Monte'  trftgt,  Tersetst  man  ihn  auf  die  Hftke  tob 


1.   St  GeneTiäve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschalen  s.  Paris.  665 

juramentum  fidelitatis  vel  obedientiae'  ab.  Dies  war  die  Klage 
der  Scholaren  vor  dem  Papste^').  Betrachtet  man  diese  Worte 
für  sich  allein,  so  weiss  man  nicht  recht  was  damit  anzufan- 
gen ist.  Hält  man  sie  jedoch  mit  den  Schreiben  Honorins  III. 
vom  31.  Mai  1222  und  Gregors  IX.  vom  22.  November  1227, 
auf  die  ich  alsbald  zu  sprechen  komme,  zusammen,  so  ergibt 
sich,  dass  der  Kanzler  die  Gandidaten  sich  deshalb  eidlich  ver- 
bunden hatte,  um  sie  auf  der  Insel  zurückzuhalten,  und  zu  ver- 
hindern, dass  sie  nach  ertheiltem  Licentiat  anderswo  lehrten.  Da 
in  den  beiden  Schreiben  nur  St.  Geneviäve  als  Ort  ausserhalb 
der  Insel  erwähnt  wird,  so  liegt  der  Schluss  nahe,  dass  bereits  die 
letzten  Jahre  der  Regierung  Innocenzs  IIL  einige  Professoren  auf 
dem  linken  Seineufer  im  Gebiete  von  St.  Genevi^ve  Schulen  er- 
öffiien  wollten.  Sicher  war  dies  in  den  ersten  Jahren  unter 
Honorius  III.  der  Fall.  Auf  diesem  Gebiete  kamen  die  Profes- 
soren unter  die  Jurisdiction  des  Abtes  von  St.  Genevi^ve, 
was  zur  Folge  hatte,  dass  auch  die  von  diesen  für  reif  er- 
klärten Candidaten  nicht  dem  Kanzler  von  Notre  Dame,  son- 
dern dem  Abte  von  St.  Grenevi^ve,  praesentiert  wurden,  weil 
eben  der  Abt  die  Licenz  ertheilte*').  Am  31.  Mai  1222 
war   dies  vollendete  Thatsache,   denn  unter  diesem  Datum  be- 


st Oeneviöve.  Beispiele  finden  sich  da  und  dort  bei  Du  Boulay  und  in  der 
Bist,  litt&raire  de  la  France. 

^)  S.  Joardain,  Index  chron.  n.  15. 

^)  Es  war  Herkommen,  dass  sich  die  Gewalt  der  Magistri  scolaram 
nicht  auf  das  Gebiet  der  Abteien  erstreckte.  Wir  lernen  dies  z.  B.  aus 
den  Klagen  des  Abtes  tob  St.  Remi  in  Beims  bei  Hadrian  IV.  and  dem 
Vorgehen  des  Abtes  von  St.  Bertin  zur  Zeit  Lucius  III.  Ein  besonders 
edatantes  Beispiel  bietet  ein  Schreiben  Alexanders  III.  an  den  Erzbischof 
von  Reims  in  Sacben  der  Abtei  St.  Pierre-des-Monts,  'qnod  magister  scbo- 
larum  Catalaunensis  ecclesiae  in  terra  jam  dicti  abbatis  sibi  scolarum  mar 
gisterium  vindicat  et  nullum  per  abbatem  ibi  regere  scholas  permittit  .  .  . 
Tarn  abbati  quam  magistro  scolarum  precipias,  ne  aliquem  probum  et  litte- 
ratum  virnm  regere  scolas  in  civitate  et  suburbiis,  ubi  voluerit,  aliqua  ra- 
tione  prohibeant.  Non  enim  debet  venale  exponi  .  .  .  Verum  licet  idem 
magister  scolarum  illud  sibi  forte  in  civitate  ipsa  obtentu  prarae  consuetu- 
dinis  Yindicet,  hoc  in  terra  abbatis  non  potest  aliquatenns  Tindicare.  Ep. 
960  (p.  840  in  Mignes  Patrol.  lat  t.  200).  Auf  dieses  Jus  beruft  sich  auch 
der  Abt  von  St.  Geneviäve.    S.  Anm.  45. 


666   I^-   1^10  Universit&ten  im  Verhältnisse  zu  den  früheren  Schalen. 

fahl  Honorius  m.  dem  Bischöfe  von  Paris  und  dem  Kanzler, 
dass  sie  den  vom  Abte  za  St.  Oeneviöve  licentiierten  nichts  in 
den  Weg  legten,  dort  ihre  Vorlesungen  zu  beginnen,  wo  sie 
wollten**). 

Dass  die  Artisten -Magistri,  und  nicht  die  Theologen  oder 
Juristen,  die  ersten  waren,  welche  die  Seinebrücke  überschritten 
hatten,  um  auf  dem  Gebiete  von  St.  Genevifeve  die  Schulen  zu 
eröffnen,  erfahren  wir  aus  einem  Schreiben  Gregors  IX.  vom 
22.  November  1227,  in  welchem  er  dem  Kanzler  von  Paris  auf- 
trägt, er  möge  davon  abstehen  die  Theologen  und  Decretisten 
eidlich  zu  verpflichten,  nicht  ausserhalb  der  Insel  zu  lesen,  so 
dass  auch  diese  nicht  wagten  im  Gebiete  von  St.  Genevi^ve 
zu  lehren,  obwohl  die  Artisten  bereits  dort  läsen*').  Unter 
Innocenz  lEL  nahm  der  Kanzler  das  eidliche  Versprechen 
von  den  Licentiaten  jeder  Wissenschaft  ab;  dies  ergibt  sich 
aus  dem  Verbote  des  Papstes.  In  Folge  davon,  dass  der 
Kanzler  1213  in  diesem  Punkte  volle  Freiheit  versprach  (woran 
sich  allerdings  spätere  Kanzler  nicht  hielten),  scheinen  die  Ar- 
tisten die  Gelegenheit  benutzt  zu  haben  sich  im  Gebiete  von  St 
Genevi^ve  anzusiedeln,  zudem  dasselbe   nunmehr  zur  Stadt  ge- 

*^)  In  dem  gegen  das  Betragen  des  Bischofes  und  des  Kanzlers  gerichteten 
Schreiben  sagt  der  Papst  unter  anderm:  nee  episcopus  et  officialis  ac  can- 
cellarias  memorati  licentiatos  ab  .  .  abbate  s.  Qenorefe,  quin  ubi  consneve* 
rint  incipere  valeant,  interim  molestabunt.  Beg.  Vat.  an  6.  ep.  411 BI  245  b. 
Recneil  des  bist,  des  Gaoles  XIX,  725.  Notiees  et  extraite  des  manoscrita 
XXI,  2  p.  187. 

^)  Cancellario  Paris.  Dilecti  filii  Abbas  et  GonTentas  b.  Qenovefe  Pari- 
•iensis  nobis  insinnare  enranuit,  qaod  cum  ad  las  eorum  pertineai  ut  doc- 
tores  theologie  ac  decretorum  ac  liberalium  artium  de  ipsonim  licentia  libere 
regere  valeant  in  parochia  et  terra  eonim  infra  parisiens.  maromm  ambitnm 
constitnta,  theologiae  decretornmqae  doctores  ad  regendum  inter  daoe 
pontes  astringis  vincolo  inramentl,  propter  quod  etsi  doctores  artium  de  U- 
.centia  ipsorum  regant  in  predicta  parochia,  theologiae  tarnen  et  decreionm 
doctores  non  andent  regere  in  eadem.  Unde  non  solum  honori,  sed  etiam  ati- 
litati  monasterii  sui  plarimnm  derogatnr.  Volentes  igitar  eiusdem  monaele- 
rii  honores  et  jnca  illibata  serrari,  discretioni  tue  per  apostolica  scripta 
mandamus,  quatinos  si  premissis  veritas  suffragatnr,  illos  qai  predictas  aci- 
entias  in  parochia  et  terra  ipsa  docere  Yoluerint  et  ipsi  ad  id  eos  repa- 
taverint  idoneos,  id  facere  sine  contradictione  permiitas.  Vom  22.  Not.  Bei 
Da  Bonlay  III,  124. 


1.   St.  Geneviöve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschule  z.  Paris  667 

hörte.  Es  war  auch  natürlich,  dass  gerade  die  Artisten  die 
Auswanderung  von  der  Insel  begannen.  Sie  waren  ja  die  zahl- 
reichsten und  fortwährend  im  Wachsen  begriffen^'). 

Erst  seit  dieser  Zeit  hören  wir,  dass  im  sogenannten  Glos 
de  Garlande  (Glos  de  Mauvoisin)  am  Fusse  des  mont  St.  Gene- 
viäve,  vom  Kloster  selbst  aber,  dem  einstigen  Sitze  einer  Philo- 
sophenschule, für  die  damaligen  Verhältnisse  ziemlich  entfernt, 
scholae  artistarum  existierten.  Jean  de  Garlande  ist  der  erste, 
welcher  uns  darüber  Aufschluss  gibt^O*  Uebrigens  war  eine  An- 
siedelung im  Glos  de  Garlande  an  sich  schon  nicht  früher  möglich, 
da  man  daselbst  erst  nach  1202  jedoch  vor  1225  zu  bauen  und 
Strassen  (unter  ihnen  die  rue  du  Fouare)  anzulegen  anfieng^^*"). 

Dies  sind  die  ersten  Actenstücke,  welche  sich  seit  Gonsti- 
tuierung  der  Universität  auf  Schulen  innerhalb  des  Gebietes  von 
St  Geneviäve  beziehen  ^^).  Man  würde  sich  jedoch  täuschen, 
wollte  man  glauben,    es  habe  in  St.  Genevi^ve  nun  auch  sofort 

<«)  S.  oben  S.  123  f. 

^7)  Terra  Garlaodiae  oder  vicus  (clos)  Garhmdiae  ist  die  alte  Be- 
seichnung.  Bereits  in  einem  Documente  Ludwigs  VI.  (le  Gros)  Tom  J.  1134 
ist  von  der  'terra  Stephani  Garlandensis,  in  qua  vineae  habebantur'  die 
Bede.  Gartal.  de  Notre  Dame  de  Paris  I,  268  n.  25.  Ebenso  wird  im  Car- 
tnlaire  Ton  St.  Genevi^ve  ein  Haus  erw&hnt  'sita  in  Garlandia'  (Hs.  in  der 
Bibliothek  sa  St  Genevilve  E.  1.  25  fol.  Bl.  61a).  Der  Ort,  wo  eine  Ab- 
theilung der  artistischen  Schalen  war,  trftgt  im  13.  Jh.  fast  ausschliesslich 
diese  Benennung.  Der  Engländer  Johann  de  Garlandia,  der  dort  Tor  1229 
lehrte,  nahm  davon  seinen  Namen,  wie  er  selbst  in  den  Ezempla  honestae 
vitae  (Cod.  Paris.  10358  Bl.  284b)  schreibt: 

Parisius  yici  cum  sit  Garlandia  nomen 
Agnomen  florens  contuUt  lila  mihi. 
Vgl.  auch  Haar6au  in  den  Notices  et  extraits  des  manuscrits  XXVII,  2 
p.  75.  Wilhelm  de  Toco  erwähnt  in  der  Vita  s.  Thomae  die  'scolares  Gar- 
landie'  (Hs.  I.  VIL  27  in  der  Bibl.  nas.  zu  Florenz).  Der  Dominicaner  Jo- 
hann de  8.  Benedicto  sagt  1288,  er  und  der  Bischof  tou  Amiens  wären 
*bachalarii  in  Garlandia'  gewesen.  Cod.  Paris.  3120  Bl.  35  a.  Ticus  Gar- 
landie'  ist  auch  noch  im  14.  Jh.  im  Registrum  nationis  anglicanae  (z.  B. 
II,  Bl.  59b.  65b)  gebräuchlich,  wenngleich  seit  dem  Ende  des  13.  Jhs  Ticus 
straminum  in  Anwendung  kam. 

*7*)  S.  JaiUot  1.  c.  p.  65f.  62. 

^)  In  der  Hs.  Q.  1.  2  in  S^^  zu  St.  Geneviäve,  worin  die  ActenstQcke 
und  die  Juramenta  Ton  St.  Geneviöve  sich  finden,  ist  nur  das  zweite  päpst- 
liche Schreiben,  nämlich  jenes  Gregors  IX.,  Terzeichnet. 


668    IV-    1^8  Universitäten  im  Yerh&ltnisae  zu  den  frUheren  Schulen. 

einen  Kanzler  gegeben.  Die  Wahrheit  ist  vielmehr,  dass  die 
Studierenden  nicht  bloss  bei  ihrer  üebersiedelnng  in  das  Gebiet 
von  St.  Genevieve  dort  keinen  Kanzler  angetroffen  hatten,  son- 
dern dass  ein  solcher  erst  ziemlich  spät  eingesetzt  wurde  ^'). 
Denjenigen,  welcher  meiner  Auseinandersetzung  gefolgt  ist,  wird 
es  nicht  Wunder  nehmen.  Für  die  neuen  Verhältnisse  war  eben 
nicht  vorgesorgt;  die  Artisten  fanden  in  St  Grenevi^ve  die  in 
Klöstern  der  Vorzeit  übliche  Gewohnheit,  nach  welcher  der  Abt 
die  Licenz  ertheilte.  Nur  von  ihm  spricht  auch  deshalb  Hono- 
rius  m.  im  J.  1222  *%  Ja  noch  im  J.  1231  ertheilte  bloss  der 
Abt  die  Licenz,  denn  Gregor  IX.  gestattet  im  genannten  Jahre, 
dass  jene  Magistri  artium,  welche  bei  der  Dispersion  der  Uni- 
versität im  J.  1229  Orleans  und  Angers  aufgesucht  hätten,  in 
Paris  wider  ohne  Anstand  ihre  Vorlesungen  beginnen  könnten, 
wenn  sie  vor  der  Auswanderung  'a  cancellario  Parisiensi  vel 
abbate  s.  Genofevae  aut  a  magistris  .  .  .  examinati  fuissent'*'). 
In  jener  Zeit  war  also  in  St.  Geneviäve  das  Kanzleramt 
behufs  der  Ertheilung  des  Licentiates  noch  nicht  eingeführt, 
was  auch  aus  der  Bulle  Parens  seientiarum  erhellt,  in  welcher 
Gregor  IX.  ausschliesslich  vom  cancellarius  Parisiensis,  d.  i. 
dem  Kanzler  von  Notre  Dame,  spricht,  obwohl  die  BttUe  zum 
grossen  Tbeil  nur  über  das  Kanzleramt  handelt  und  zwar  gleich- 
massig  in  Bezug  auf  alle  vier  Facultäten  ^').  Die  Ansiedelungen  im 
Gebiete  von  St.  Genevieve  waren  eben  noch  zu  unbedeutend. 
Erst  als  sich  diese  gemehrt  hatten  und  der  Abt  zu  sehr  in  An- 
spruch genommen  wurde,  dachte  man  daran  auch  in  St.  Genevieve 
einen  eigenen  Kanzler  einzusetzen.     In  welcher  Weise  dies  vor 

^*)  Dies  erkannte  Thurot  1.  c.  p.  15  Anm.  2.  Selbst  Molinet,  der  mit 
allen  unmöglichen  Gründen  erweisen  wollte,  St.  Qenevidve  sei  die  Wieg« 
der  Universität  gewesen,  mnss  in  der  Histoire  de  s.  Genevieve  et  de  son 
eglise  (Hs.  H.  f.  21  p.  594  auf  der  Bibliothek  in  St.  GeneTiöve)  gestehen, 
dass  seit  der  Reform  im  J.  1147  kein  Kanzler  mehr  genannt  werde.  Fron« 
teau,  Historia  cancellarii  s.  Genovefae  (Hs.  H.  1.  25  in  fol.  in  St.  Genevi^Te) 
ermangelt  jeder  Kritik  und  ist  gar  nicht  su  lesen.  Ich  begreife,  wmmin 
die  Mauriner  in  Bezug  auf  die  Kempisfrage  gegen  beide  Minner  ein  «o 
leichtes  Spiel  hatten. 

^)  S.  oben  Anm.  44. 

M)  Du  Boulay,  III,  146. 

&>)  Reg.  Yat.  an.  5.  ep.  23.  fil  73  a. 


].   St.  Genevi^ve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschule  s.  Paris.  669 

sich  gieng,  und  ob  es  durch  eine  päpstliche  Bulle  geschah, 
konnte  ich  nicht  ermitteln.  Wahrscheinlich  genügte  die  Er- 
mächtigung durch  den  Abt.  Thatsacbe  ist,  dass  noch  in  den 
Schreiben  Innocenzs  IV.  nur  der  Kanzler  von  Paris,  niemals  jener 
von  St.  Genevifeve  erwähnt  wird").  Ja,  obwohl  der  Papst  sich 
in  Universitätsangelegenheiten  an  den  Abt  von  St.  Genevi^ve 
wandte,  so  nannte  er  in  den  darauf  bezüglichen  Erlassen  doch 
nie  den  Kanzler'^).  Dieselbe  Beobachtung  machen  wir,  wenn 
wir  auf  die  Ausdrücke  der  Schriftsteller  jener  Zeit  achten"). 
Daher  kommt  es,  dass  gewisse  Autoren,  wie  Robert  de  Sorbonne 
und  Hostiensis"),  selbst  noch  in  jener  Epoche,  in  welcher  sicher 
der  Kanzler  von  St.  Genevi^ve  seines  Amtes  gewaltet  hat,  nur 
den  cancellarius  Parisiensis  erwähnen,  weil  eben  dieser  in  Folge 
der  historischen  Entwickelung  als  der  eigentliche  betrachtet 
wurde.     Erst   Alexander  IV.  richtete   am   25.   November   1255 


^)  So  am  5.  und  6.  M&n  1245  (bei  Du  Bonlay  lU,  195.  196).  Und 
doch  handelte  es  sich  hier  nur  um  die  Wohnungen  der  Scholaren,  nicht, 
wie  am  30.  Mai  1250  (Du  Boalay  p.  223)  um  die  Ertheilung  der  Licenz  in 
der  Theologie,  welcher  Umstand  begreiflich  machen  konnte,  warum  der 
Kanzler  von  St.  Genevi^ve  nicht  genannt  wird.  Nur  der  Kanzler  von  Notre 
Dame  wird  auch  erw&hnt  6.  Juni  und  23.  August  1252  (Du  Boulay  p.  243. 
Jonrdain,  Index  n.  101). 

M)  Am  23.  Mftrz  1249,  als  der  Papst  dem  Abt  von  St.  Genevi^ve  be- 
fiehlt einem  Scholaren  die  Beneficien  für  drei  Jahre  zukommen  zu  lassen. 
Potthast  n.  13260.  Berger  n.  4590.  Aufträge  wie  den  vom  7.  Juli  1245 
(bei  Jourdain  n.  73  übereinstimmend  mit  Du  Boulay  p.  144)  ziehe  ich  ab- 
sichtlich nicht  hieher.  Mit  dem  angeführten  Schreiben  vom  J.  1249  vgl.  ein 
Ähnliches  Honorius  III.  bei  Da  Boulay  lU,  97. 

^)  Der  Ganonist  Yincentins  macht  zur  Comp.  1.  Decret.  lib.  5.  tit.  4. 
c.  3  QuarUo  gaükana  die  Glosse:  Hoc  caput  fuit  impetratum  contra  cancel- 
larium  parisiensem,  qui  a  quolibet  docente  marcam  unam  exigebat.  Cod.  440 
der  Gapitelsbibl.  zu  Gordoba.  Dasselbe  widerholt  er  in  seinem  Apparat  zu 
Gregors  Decretalen  5,  5  de  Magistris.  God.  Paris.  3967.  Nur  den  cancella- 
rios  parisiensis  erw&hnt  auch  Gottfried  de  Trano  (s.  oben  S.  148  Anm.  356) 
und  ebenso  spricht  der  Kanzler  Walter  de  Gh&tean-Thierry,  gest  als  Bischof 
Ton  Paris  23.  Sept.  1249,  in  seinen  Quaestionen  (Cod.  152  in  der  Bibl.  S. 
Antonio  zu  Padua  Bl.  152b). 

^  Robert  ron  Sorbonne  in  seinem  Liber  conscientiae.  Cod.  Paris.  15954 
BL  330  sqq.  Auch  Hostiensis  nennt  in  seiner  Summa  saper  titulis  decret«  5, 
5  de  Magistris  neben  dem  archidiaconus  Bononiensis  und  andern  nur  den 
cancellarius  parisiensis.    Hs.  in  der  UniTersit&tsbibl.  zu  Barcelona. 


670   I^-  I^ie  Univenit&ten  im  Verhftltnisse  tu  den  (rflfaeren  Schnltn. 

ein  Schreiben  zugleich  an  den  Cancellarius  Parisiensis  und  an 
den  von  St.  Geneviöve  ^^),  und  Yon  nun  an  erscheinen  beide  Kanzler 
fast  gleichmässig  in  der  Geschichte  der  üniversit&t  Paris. 

Wir  vermögen  jetzt  zu  beurtheilen,  welchen  Werth  die  von 
den  drei  Nationen  der  Picarden,  Normannen  und  Engländer  im 
J.  1382  ausgesprochene  Behauptung,  in  alter  Zeit  sei  an  der 
Universität  das  Examen  in  artibus  nur  in  St.  Geneviäve  vor- 
genommen worden"^},  beanspruchen  kann.  Dieselbe  wagten  die 
Artisten  ein  Jahrhundert  früher  im  Anklageact  gegen  dän  Kanzler 
Philipp  de  Thori  noch  nicht  zu  vertheidigen ,  obwohl  dies  in 
ihrem  Interesse  gelegen  gewesen  wäre.  Im  Oegentheile  läugneten 
sie  nicht  den  Einwand  des  Pariser  Kanzlers,  dass  ^a  tempore  a 
quo  non  extat  memoria,  semper  inceperunt  bacallarii  (in  artibus) 
in  examine  B.  Mariae  (d.  i.  zu  Notre  Dame)  licentiati,  sive 
determinassent  sive  non'^*).  Man  sieht  aber,  wie  die  irrigen 
Ansichten  schon  frühe  in  Paris  Eingang  fanden,  bis  sie  in  Da 
Boulay  ihren  Culminationspunkt  erreichten. 

Aus  der  vorhergehenden  Untersuchung  ergibt  sich  nun; 

1.  dass  eine  Artistenschule  auf  der  Höhe  von  St.  Genevi^ve 
im  12.  Jb.  nur  vorübergehend  und  zwar  zu  einer  Zeit  dort  be- 
standen hat,  wo  von  einer  Universität  Paris'  noch  gar  keine 
Rede  sein  konnte; 

2.  dass  die  Behauptung  von  einer  Vereinigung  der  Schule 
zu  St  Genevi^ve  am  Ende  des  12.  oder  Anfang  des  13.  Jhs. 
mit  jener  von  Notre  Dame  gar  keinen  Sinn  hat; 

3.  dass  sich  die  Artisten-Magistri  nach  constituierter  Uni* 
versität  unter  Honorius  III.  von  der  Insel  aus  auf  dem  linken 
Seineufer,  im  Gebiete  von  St  Geneviöve,  nach  und  nach  niedef- 
Hessen,  und  die  Schulen  im  Glos  de  Garlande  resp.  in  der  me 
du  Fouare  erst  seit  jener  Zeit  datieren; 

4.  dass  sich  das  Kanzleramt  von  St  Oenevifeve  in  Bezog 
auf  die  Ertheilung  der  Licenz  erst  nach  1231  und  vor  1255 


^^)  Nationftlarch.  tu  Paris  L.  S49.  n.  56.  57.   0m  an  den  Kanzler  von 
St.  Geaevi^ve  auch  bei  Du  Boulay  p.  293. 

^  Bei  Du  Bottlay  lY,  589. 

^)  Joordam  p.  45. 


1.   St.  Geneviöve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  d.  Hochschule  2.  Paris.  671 

entwickelt  hat,  als  jenes  von  Notre  Dame  schon  längst  in  Blüthe 
dagestanden  war. 

Das  sogenannte  lateinische  Viertel  (Quartier  latin)  auf  dem 
linken  Seineufer  nahm  also  seinen  Ursprung  nicht  von  St.  Gene- 
vifeve,  wie  man  bisher  angenommen  hat,  sondern  von  der  Insel. 
St  Genevi^ve  war  keineswegs,  was  man  so  oft  sagt,  ^le  berceau 
de  l'universitö  de  Paris'.  Wie  wir  jedoch  sehen  werden,  verliert 
deshalb  Abaelard  nichts  an  seinem  Ruhme,  und  St.  Genevi^ve 
nicht  das  zufallige  Verdienst  vor  Entstehung  der  Universität 
eine  Zeit  lang  ein  Centrum  geistreicher  Köpfe  gebildet  zu  haben. 
Uebrigens  verläugneten  die  Artisten  selbst  den  angeblichen  Ur- 
sprung von  St.  Geneviöve.  Am  Feste  der  hl.  Genovefa  (3.  Jänner) 
hatten  wohl  die  Theologen  und  Decretisten  Ferien ,.  nicht  aber 
die  Artisten ''°).    Mir  scheint  dies  sehr  bezeichnend  zu  sein. 

Obiges  Resultat  wirft  auch  auf  das  sogenannte  Pr6-aux-clers 
(d.  i.  ein  Feld  auf  der  linken  Seite  der  Seine,  ungef&hr  vom 
heutigen  Institut  gegen  St.  Germain  des  Pr^s  zu,  welchem  Kloster 
auch  der  Grund  gehörte)  einiges  Licht.  Es  diente  den  Scholaren 
bereits  Ende  des  12.  Jhs.  zur  Erholung.  Wäre  der  grösste  Theil 
der  Universität,  d.  h.  die  Artisten,  auf  der  Höhe  von  St.  Gene- 
viäve  gewesen,  so  hätten  die  Scholaren  gewiss  nicht  einen  Platz 
gesucht,  der  von  St.  Geneviäve  so  weit  entfernt  lag  (was  selbst 
Du  Boulay  zugesteht"),  und  zudem  einen  ganz  fremden  Eigen- 
thümer  hatte,  mit  dem  sie  fortwährend  im  Hader  lagen,  während 
ihnen  St.  Geneviäve,  dem  ein  grosses  Gebiet  auf  jener  Seite  bis  zur 
Seine  hinunter  gehörte,  einen  ähnlichen  Platz  hätte  einräumen 
können.  Ausserdem  würde  sich  in  St.  Genevi^ve  selbst  nicht 
diese  Nothwendigkeit  gezeigt  haben,  denn  damals  lag  das  Kloster 
noch  frei,  eine  Art .  Thal  trennte  den  Hügel  von  der  Stadt,  da- 
zwischen  waren  Weinberge,  Bäume  und  Gärten,  und  da  und  dort 
Häuser  und  Gehöfte").  Ich  glaube,  die  Scholaren  hätten 
Luft  genug  gehabt.   Ganz  anders  auf  der  Insel,  wo  wie  innerhalb 

^)  S.  das  Calendarinm  bei  Jonrdain  p.  201. 

61)  Hist  univ.  Paris.  I,  247  n.  2. 

^)  Der  normannische  Dichter  Jean  de  Hanteville  ans  dem  12.  Jh.  be« 
schreibt  in  solcher  Weise  St.  Geneyl^ve  und  die  umliegende  Gegend.  Ms. 
Reg.  15  C.  y  im  British  Mtiseam.    Vgl.  auch  Du  Boulay  II,  481  ff. 


672    I^*   Dio  UnWersit&ten  im  Verhältnisse  su  den  frflheren  Schalen. 

einer  befestigten  Stadt  die  Einwohner  und  noch  mehr  die  Stu- 
denten enge  beisammen  wohnen  mussten,  kaum  ein  Raum  fOr 
SchuUocalitäten  war,  und  (nach  mittelalterlicher  Sitte)  selbst 
die  Brücken  mit  Hausem  besetzt  waren.  Allerdings  war  es  den 
Scholaren  nicht  verboten,  jenseits  des  linken  Seineufers  Quartier 
zu  nehmen,  nur  Schule  durften  die  in  Notre  Dame  Licentiierten 
nicht  halten.  Allein  die  Beschreibung  der  Beschaffenheit  der  Gegend 
auf  der  linken  Seineseite  im  12.  und  Anfang  des  13.  Jhs.  lässt 
darauf  schliessen,  dass  sich  dort  unmöglich  viele  Scholaren  ein- 
logiert haben  können,  und  dass  der  grösste  Theil  doch  auf  der 
Insel  und  vielleicht  auch  jenseits  des  rechten  Seineufers  war**). 
Immerhin  wohnten  sie  auf  engem  Räume  beisammen  *0  luid  man 
begreift,  dass  sie  sich  nach  einem  Platz  umsahen,  wo  sie  sich 
gemächlich  herumtummeln  konnten. 

Von  einer  Vereinigung  der  Schule  zu  St.  Victor  mit  jener 
von  Notre  Dame  kann  noch  weniger  die  Rede  sein  als  von  der 

^)  Auf  der  rechten  Seineseite  standen  schon  seit  dem  Beginne  des 
12.  Jhs.  Hftaser,  die  sich  mit  der  Zeit  immer  mehrten.  Nicht  oninteressante 
AafschlQsse  bieten  die  M6moires  Sagers  über  seine  Administration  in  den 
Oeuvres  complätes  de  Suger  par  Lecoy  de  la  Marche.    Paris  1868. 

^)  Man  hat  diesem  Punkte  bisher  kaum  ein  Augenmerk  zugewendet 
und  in  Folge  dessen  eine  SteUe  bei  Jacob  de  Yitry  in  einem  in  schlimmen 
Sinne  ausgelegt  Dieser  sagt  n&mlich  Hist  occid.  c.  7  (Diraci  1597,  p.  278):  In  nna 
autem  et  eadem  domo  scolae  erant  superius,  prosUbula  inferius.  In  parte 
superiori  magistri  legebant,  in  inferiori  meretrices  officia  turpitudinis  exer- 
cebant  etc.  Der  Umstand,  dass  hie  und  da  die  meretrices  in  demselben 
Hause  wie  die  Professoren  wohnten,  erklärt  sich  nicht  daraus,  als  seien  die 
erstem  von  den  letztem  mit  Absicht  aufgesucht  worden,  sondern  ans  der 
Thatsache,  dass  in  jener  Zeit,  von  welcher  Jacob  de  Yitry  spricht,  die  Pro* 
fessoren  nur  auf  der  Insel  zwischen  den  beiden  Bracken  vortragen  durften, 
was  zur  Folge  hatte,  dass  sie  bei  der  Wahl  des  Quartieres  sehr  gebunden 
waren.  Auch  Honorius  IIL  sagt  in  seiner  BuUe  Super  $peada  im  Hinblicke 
auf  die  Studierenden  der  Theologie  zu  Paris:  coangustatum  estiUic  Stratum 
et  fere  artns  est  locus  ibidem  filiis  prophetarum.  Diese  YerhUtnisse  tmgea 
dazu  bei,  dass  der  Papst  den  Unterricht  im  Civilrechte  für  Paris  verbot.  Zudem 
gab  es  in  Paris  zu  viele  magistri  docentes.  Ygl.  Jacob  de  Yitry  L  c.  Um 
einer  schiefen  Bemerkung  willen  in  Themistors  Bildung  und  Erziehnag  der 
Geistlichen,  Köln  1884  S.  53  (in  welcher  Schrift  S.  34—59  eine  DarsteUnng 
4er  mittelalterlichen  Universit&t  geliefert  wird,  die  viel  zu  wünschen  abrig 
l&sst)  sei  hier  erwähnt,  dass  Jacob  de  Yitry  nicht  von  den  Theologiebeflisaenes, 
sondern  ganz  allgemein  von  den  'clerici'  spricht. 


1.  St  GeneTi^ve,  Kotre  Dame,  St  Victor  o.  die  Hoclischiiie  sn  Paris.  673 

ZU  St.  Genevi^ve.  Manche  der  Gründe,  die  ich  in  Bezug  auf 
letztere  angeführt  habe,  gelten  zugleich  für  St.  Victor,  das  übrigens 
auch  nach  1211  ausserhalb  der  Stadtmauern  blieb.  Rücksichtlich 
dieses  Klosters  machte  man  sich  eines  groben  Fehlers  schuldig. 
Weil  es  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  12.  Jhs.  angesehene  Theo- 
logen besass,  glaubte  man,  es  habe  ununtierbrochen  solche  gehabt 
Allein  am  Ende  des  12.  und  zu  Anfang  des  13.  Jhs.  kann  es  nur 
noch  einige  Canonisten,  wie  z.  B.  Bobertus  Flameaburiensis, 
Peter  und  Jacob  von  St  Victor,  den  Mystiker  Thomas  von  Ver- 
celli  (der  aber  im  3.  Decennium  des  13.  Jhs.  nach  Vercelli  ver- 
setzt wurde)  aufweisen.  Die  Theologie  kam  immer  stärker  in  Ab- 
nahme, so  dass  das  Kloster  schon  längere  Zeit  vor  1237  nicht 
einmal  mehr  einen  Magister  der  Theologie  besass,  der  den 
Brüdern  vorgetragen  hätte,  und  diese  sich  deshalb  an  Gregor  IX. 
mit  der  Bitte  wandten,  ihnen  einen  solchen  zu  erlauben '').  Das 
Studium  war  von  jeher  eher  ein  Hausstudium  als  eine  öffentliche 
Schule.  Das  Kloster  wurde,  wie  aus  dem  Schreiben  Gregors 
hervorgeht,  von  den  Scholaren  zu  Paris  nur  häufig  'pro  reci- 
pienda  poenitentia'  aufgesucht,  wenngleich  der  Abt  in  Univer- 
sitätsangelegenheiten öfters  herbeigezogen  wurde.  Man  übersah 
übrigens,  dass  die  Disciplin  des  Klosters  bereits  Ende  des  12.  Jhs. 
etwas  in  Verfall  war").  Es  ist  aber  ein  Erfahrungssatz,  dass 
in  jenen  Orden,  deren  Zweck  auch  auf  die  Wissenschaft  gerichtet 
ist,  mit  der  Erschlaffung  der  Ordensdisciplin  zugleich  der  Eifer 
für  die  Studien  abnimmt. 


^^)  So  schrieb  Gregor  IX.  am  26.  J&nner  des  genannten  Jahres  dem 
Abte  und  dem  Convente,  deren  Bitte  hätte  gelautet,  'nt  cum  animarum  ye- 
strarum  •et  aliorum  saluti  expedlre  credatis,  quod  debeatis  in  divina  pagina 
erudiri,  quia  per  fratres  vestros  frequenter  in  parochialibus  pabulum  verbi 
dei  oportet  neceasario  ministrari,  ad  quos  pro  recipienda  penitentia  scolares 
Btudentes  Parisius  sepe  recummt  .  . .  habendi  magistram  theolognm  in  pre- 
fato  monasterio,  qui  in  theologica,  doceat  facultate  vobis,  quibus  non  est 
tutum  per  civitates  et  vilias  discurrere,  licentiam  concedere  deberemus» 
presertim  cum  statuta  ordinis  vestri  permittant,  ac  predicti  monasterii  con- 
suetudo  licet  aliquandiu  extiterit  intermissa  requirat,  ut  sacre  lectionis  doctrine 
in  clanstro  vacetis'.    Reg.  Vat.  an.  10.  ep.  330  Bl.  221b. 

^)  8.  darüber  Beuter,  Geschichte  Alexanders  III.  Leipzig  1864. 
UI,  450  £ 

OanlfU,  Di«  UniTenitttan  L  43 


674    ^'  ^^  UniTenit&ten  im  Verhältnisse  sn  den  froheren  Schalen. 

So  sind  also  bei  Constituiening  der  Universität  Paris  weder 
St.  Genevifeve  noch  St.  Victor  betheiligt  gewesen.  Dies  stimmt  zu 
dem  Berichte  der  Littera  universitatis  vom  J.  1254,  der  zufolge  die 
Professoren,  welche  ein  Corpus  coUegii  eingiengen,  'nee  habita 
nee  professione  diversi'  waren*'),  d.  h.  es  befanden  sich  unter 
ihnen  keine  Ordensleute,  denn  auch  die  Canonici  von  Notre 
Dame  waren  nicht  canonici  reguläres,  sondern  saeculares.  Der 
erste  Orden,  von  welchem  Mitglieder  an  der  Universität  lasen, 
war  der  der  Dominicaner.  Als  aber  diese  kamen,  war  die  Univer- 
sität längst  schon  constituiert. 

Ist  also  die  Universität  aus  der  Domschule  von  Notre  Dame 
hervorgegangen?  Es  scheint  so.  Und  doch  darf  man  diese  Frage 
nicht  kurzweg  bejahen.  Fasst  man  sie  so  auf,  als  wären  nur 
jene  Professoren,  welche  an  der  Cathedrale  gelehrt  haben,  die 
Verbindung  eingegangen,  so  muss  man  sie  verneinen.  Schon  in 
der  2.  Hälfte  des  12.  Jhs.  docierten  auf  der  Insel  die  Professoren 
nicht  bloss  an  der  Schule  zu  Notre  Dame,  sondern  auch  an 
anderen  Orten,  nämlich  in  Privathäusem,  resp.  in  ihren  Woh- 
nungen, wie  uns  Jacob  de  Vitry  berichtet,  und  wie  bereits  unsere 
Untersuchung  ergeben  hat**).  Man  wäre  im  Irrthume,  wollte 
man  glauben,  dies  sei  den  Professoren  verwehrt  gewesen.  Der 
Kanzler  von  Notre  Dame  verbot  im  13.  Jh.  nur,  dass  sie  ausser- 
halb der  Insel  lehrten*'),  und  sich  seiner  Jurisdiction  entzögen. 
Auf  der  Insel  blieben  ihre  Lehrstühle,  wo  immer  dieselben  auch 


67)  Du  Boulay,  HI,  255. 

68)  S.  oben  S.  672  Anm.  64  and  S.  663  f.  Zn  hftufig  wird  dies  aoaser 
Acht  gelassen.  Man  l&sst  jeden  Lehrer  jener  Zeit  entweder  in  Notre 
Dame,  oder  in  St.  Victor,  oder  in  St.  Genevi^re  Schale  halten.  Allein  St. 
Victor  fftlit  weg,  weil  es  immer  nur  eine  Ton  den  Regolarcanonikem  geleitete 
Elosterschule  besass;  in  St.  Genevi^ve  war  dies  seit  der  Mitte  des  13.  Jhs. 
gleicher  Weise  der  Fall;  Notre  Dame  aber  war  auf  der  Insel  nicht  die  einzige 
Schale.  Es  ist  deshalb  irrig  mit  Preger,  Gesch.  der  deatsch.  Mystik  I,  179, 
Amalrich  von  Bena  von  vorneherein  an  einer  der  drei  genannten  Schulen 
lehren  zn  lassen.  Wie  andere  konnte  dieser  recht  wohl  in  seinem  Hanse 
Vorlesungen  gehalten  haben.    S.  unten  Anm.  91. 

69)  Das  rechte  Seineufer  kommt  ausser  Betracht,  obwohl  fftr  jene  Seite 
früher  als  fQr  die  linke  von  Philipp  August  die  Einfassungsmauern  angeordnet 
waren,  nämlich  im  J.  1190.    S.  Bonnardot  1.  c.  p.  27.   S.  dazu  oben  S.  678. 


1.  St.  Geneviöve,  Notre  Dame,  St.  Victor  n.  die  Hochschule  zu  ParlB.  675 

waren,  gewissermassen  im  Schatten  von  Notre  Dame,  und  kein 
Magister  durfte  ohne  die  Licenz  des  dortigen  Kanzlers  Vor- 
lesungen halten. 

Versteht  man  nun  obige  Frage  in  dem  Sinne,  dass  die 
Universität  Paris  von  jenen  Professoren  gebildet  wurde,  welche 
auf  der  Insel  in  Abhängigkeit  vom  Kanzler  der  Gathedrale  ihr 
Lehramt  ausübten,  so  muss  sie  bejaht  werden.  Die  Universität 
nahm  auf  der  Insel  ihren  Ursprung,  und  zwar  wurde  sie  von 
jenen  Professoren  begründet,  welche  das  Zeugniss  ihrer  Lehr- 
befahigung  vom  Kanzler  in  Notre  Dame  erhalten  hatten,  dessen 
Stellung  und  Amt  eben  deshalb  durch  die  Professoren -Verbindung 
anfänglich  auch  nicht  im  geringsten  alteriert  wurde  ^°). 

Wenn  also  irgend  eine  Schule  zu  Paris  das  ehrenvolle  Epi- 
theton 'Wiege  der  Universität'  verdient,  so  ist  es  diejenige, 
welche  recht  eigentlich  die  Domäne  des  Kanzlers  war,  nämlich 
die  Schule  von  Notre  Dame'*).  Sie  war  auch  seit  einem  Jahr- 
hundert die  Hauptanstalt,  an  der  die  Meisten  gebildet  wurden 
und  die  Tüchtigsten  gelehrt  hatten.  Es  ist  nicht  zufällig,  dass 
die  Canoniker  von  Notre  Dame  vom  Beginne  der  Universität  an 
eine  privilegierte  Stellung  innerhalb  derselben  einnahmen.  Gerade 
weil  die  Universität  in  Notre  Dame  gleichsam  ihre  Wiege  hatte, 
wurden  auch  anfänglich  nur  dort  die  Examina  und  Promotionen 
der  gesammten  Universität  vorgenommen;  schlugen  die  Bücher- 
verkäufer schon  Anfang  des  13.  Jhs.  ihren  Sitz  vor  Notre  Dame 
auf");  wurde  die  'archa  universitatis'  Ende  des  14.  Jhs.  bei  ihr 
(apud  nostram  dominam)  aufbewahrt)  u.  s.  w. 


7<^)  Die  weitere  AnsfOhrang  gehOrt  nicht  mehr  hieher.  Ich  bezeichne 
aber  jetst  schon  die  Behauptung  als  eine  Fabel,  im  13.  Jh.  hätte  die  Uni- 
versitftt  die  unmittelbare  Verbindung  mit  ihrer  Mutteranstalt  aufgehoben. 
Springer,  Paris  im  13.  Jh.  (Leipzig  1856)  S.  14. 

71)  Im  11.  Livraison  des  GoUectiywerkes  Taris  ä  traTers  les  ftges', 
welches  Le  petit  ch&telet  et  Puni versitz  behandelt,  fehlt  gerade  die  Seine- 
insel, d.  h.  der  Ort,  wo  sich  die  üniTersit&t  zuerst  gebildet  hatte.  Wurde 
die  Insel  auch  in  einem  andern  Hefte  beschrieben,  so  hätte  dieselbe  doch 
nicht  im  Plane  'L'universitö  de  Paris'  ausgeschlossen  werden  sollen. 

7^  S.  Jean  Garlande,  Dictionarius  in  66rand,  Paris  sous  Philipp  le  Bei 

p.  608.  Ebenso  um  die  Mitte  des  Jhs.  S.  Roman  de  la  Rose  6d.  M6on  v.  12010ff. 

79)  Reg.  nat  anglicanae  zu  Paris  Y,  Bl.  29  f. 

43* 


676.  IV.  Die  Univenit&ten  im  YerbftltniBse  za  den  froheren  Schulen. 

Aber  noch  eine  andere  Thatsache  erklärt  sich  jetzt,  wie  sie 
andererseits  das  gewonnene  Resultat  erhärtet  Wir  haben  oben  '^) 
gefunden,  dass  im  13.  Jh.  der  Kanzler  als  Haupt  der  Hochschule 
betrachtet  wurde.  Wäre  die  Universität  aus  der  Schule  von  St.  Gene- 
vi^ve  hervorgegangen  und  hätte  sie  sich  unter  einem  Kanzler  von 
St.  Genevieve  entwickelt,  so  würde  man  auch  fernerhin  in  dem 
letzteren,  nicht  aber  in  dem  Kanzler  von  Notre  Dame,  das  Haupt  der 
Universität  erblickt  haben.  Was  sehen  wir  aber?  Dass  man  so- 
wohl um  die  Mitte  als  am  Ende  des  13.  Jhs.  nur  den  Kanzler  von 
Notre  Dame  als  caput  universitatis  bezeichnet  hat.  Was  das 
Ende  des  13.  Jhs.  betrifft,  so  wird  das  Factum  von  den  Artisten 
selbst  bezeugt.  Und  obgleich  sie  dem  Kanzler  von  Notre  Dame 
diese  Ehre  streitig  machen  wollten,  so  wagten  sie  es  doch  nicht, 
dieselbe  dem  Kanzler  von  St.  Geneviäve  zuzuwenden '*).  Um 
die  Mitte  des  13.  Jhs.  lässt  aber  der  Artisten-Professor  Jean  de 
Garlande  den  Kanzler  Petrus  Parvus  von  Notre  Dame  'die  Zügel 
des  Studiums  von  Paris  führen'^').  Diese  Facta  erhalten  nur 
dadurch  ihre  Erklärung,  dass  die  Universität  Paris  in  der  Yer- 

7*)  S.  oben  S.  129  f. 

75)  S.  oben  S.  121. 

76)  So  im  Bache  De  misteriis  ecclesie.  Im  Cod.  546  sa  Brügge  BL  54 
steht  der  Vers  mit  der  Glosse: 

a  magistro  gubernacula  ezistenUa  in  bono  statn. 
Parisins  studii  directas  docit  habenas. 
In  der  Bibliothek  St.  GeneviÖTe  zu  Paris  T.  1.  5  in  4.  heisst  die  Glosse: 
id  est  prndentiam  et  diligentiam.  H6mer6  führt  de  academia  Parisiensi 
(Paris  1637)  p.  124—125  den  Kanzler  Petms  Panrus  nicht  «nter  den  Kaas- 
lern  anf.  Auch  im  Cod.  Paris.  16572,  wo  sich  dieselbe  Arbeit  H6mer68 
findet,  jedoch  mit  handschriftlichen  Zns&tzen,  welche  die  eigentlichen  Piöces 
justificatives  bilden,  wird  Petrus  Parvus  übergangen.  Allein  im  genannten 
Werke  De  misteriis  ecclesie  wird  er  ausdrQcklich  drei  Zeilen  vor  der  ci- 
tierten  SteUe  genannt,  indem  es  heisst: 

Ecce  Yir  electus  tanquam  campana  sonora. 
Darüber  findet  sich  die  Glosse:  s.  magister  petrns  panrus  qni  est  electos. 
Und  am  Bande  wird  speciell  auf  ihn  als  Kanzler  hingewiesen:  Hie  fiM^it  antor 
(Job.  de  Garlandia)  digressionem  ad  magistrum  Petrnm  parvum,  qui  ftiit  can- 
cellarius  Parisius,  cui  recitatus  fuit  iste  liber  etc.  Dieser  Kanzler  wird  auch 
erw&hnt  im  Cartul.  de  Notre  Dame  de  Paris  lY,  134.  Er  bekleidete  das 
Amt  zwischen  1238  und  1244.  Tgl.  Haur^an  in  Notioes  et  eztraits  XXYU, 
2  p.  2  sqq. 


1.  st  OeneTidye,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  die  Hochschule  za  Paris.  677 

einigung  jener  Magistri,  die  auf  der  Insel  in  Abhängigkeit  vom 
Kanzler  von  Notre  Dame  gelehrt  haben,  ihren  Ursprung  hat. 
Sie  bestätigen  aber  auch  die  früheren  Ergebnisse,  dass  zur  Zeit 
der  Entstehung  der  Universität  Paris  in  St.  Genevifeve  keine 
Schule  bestand,  die  mit  derselben  in  Verbindung  getreten 
wäre,  und  dass,  wenn  irgend  eine  Pariser  Schule  das  Epitheton 
*  Wiege  der  Universität'  verdient,  diese  Schule  keine  andere  als 
jene  von  Notre  Dame  ist. 

Abaelard  den  Gründer  der  Universität  und  St.  Geneviöve 
die  Wiege  der  Universität  nennen,  ist  immer  irrig.  Allein  Abae- 
lard trug  am  meisten  dazu  bei,  dass  eine  Menge  Scholaren  nach 
St.  Geneviäve  oder  nach  Paris  zog;  er  bildete  zugleich  eine 
Schule,  deren  Sitz  vorübergehend  in  St.  Genevi^ve,  theilweise 
auch  auf  der  Insel  war,  und  die  durch  sie  erzeugte  Opposition 
legte  den  Grund  zu  neuen  Schulen^').  Indirect  hat  also  Abae- 
lard immerhin  die  spätere  Universität  vorbereitet,  und  in  Folge 
seiner  Thätigkeit  bezeichnet  St.  Genevifeve  eine  Uebergangsstufe 
zu  derselben.    Wer  mehr  behauptet,  übersieht  die  Thatsachen. 

Fragen  wir  nun  aber,  wie  sich  denn  die  Ansicht  bilden  konnte, 
dass  die  Universität  Paris  aus  der  Vereinigung  der  Schulen  von 
St  Genevi^ve  und  Notre  Dame,  und  allenfalls  auch  der  von 
St.  Victor,  entstanden  sei,  so  ist  die  Antwort  nicht  so  schwer. 

Belleforest  stellte  im  16.  Jh.  die  Behauptung  auf,  ^universit^ 
de  Paris  au  commencement  n^^tait  que  pour  les  arts,  et  les 
autres  sciences  y  sont  survenues  comme  accessoires'.  Der  ei- 
gentliche Kanzler  sei  von  jeher  der  von  St  Genevifeve  gewesen, 
weil  dort  auch  die  Studien  sich  befunden  hätten,  und  erst  Bene- 
dict XI.  habe  im  J.  1304  den  Kanzler  von  Notre  Dame  creiert  und  ihn 
jenem  von  St.  Genevifeve  gleichgestellt'*).  Diese  Ansicht  vertraten 
auch  Duchesne  und  Du  Breul  '*).  Um  Beweise  künmierten  sich  diese 

")  S.  oben  S.  46. 

78^  Des  durch  nnd  durch  unkritischen  Belleforests  Ansicht  findet  man 
weitläufig  dargelegt  and  mit  desselben  eigenen  Worten  angefahrt  bei  Du 
Boulay  I,  383  sqq.    Ueber  obigen  Funct  s.  p.  390. 

79)  Duchesne  spricht  darüber  in  den  Notae  zu  Abaelards  Hist.  Calamit. 
(Opp.  Abael.  ed.  Cousin  I,  42).  Cousin,  welcher  gerade  diese  betreffende 
Notiz  erg&nzte,  hatte  ^ein  Wort  des  Tadels  für  Duchesnes  schiefe  Behaup- 
tung. Du  Breul  entwickelte  seine  Ansicht  in  Le  th^&tre  des  antiquit^s  de 
Paris  (1612)  p.  281.  Vgl  595. 


678    ^'  1^1®  Üni?er8it&ten  im  Verhältnisse  zu  den  Mheren  Schnleo. 

Autoren  nicht.  Der  eine  Theil  der  Hypothese,  dass  der  Kanzler 
von  Notre  Dame  erst  so  spät  zu  seiner  Würde  gekommen  sei, 
schien  selbst  einem  Du  Boulay  zu  stark*®).  Allein  den  andern 
Theil,  dass  die  Artisten  die  eigentliche  Universität,  die  artes  die 
eigentliche  Wissenschaft  vorgestellt  hätten,  die  übrigen  Fächer  nur 
Accessorien  gewesen  wären,  und  der  Kanzler  von  St  Geneviäve 
früher  als  jener  von  Notre  Dame  bestand,  führte  er  des  breiten  aus. 
Die  Hypothese  ist  in  der  That  ein  Hauptpfeiler  des  Systems  des 
Autors.  Ich  gehe  hier  nicht  auf  die  Widerlegung  ein,  um  mei- 
nem 3.  Bande  nicht  vorzugreifen;  es  handelt  sich  für  jetzt  nur 
darum  zu  erfahren,  wie  sich  die  Ansicht  von  der  Vereinigung 
der  Schulen  von  St.  Genevi^ve,  St  Victor  und  Notre  Dame 
herausgebildet  hat 

Du  Boulay  zufolge  waren  die  Artisten,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  die  ursprüngliche  eigentliche  Universität  Nach  den  Ka- 
rolingern, im  10—11.  Jh.,  habe  sich  diese  mit  der  Schule  zu 
St  Geneviäve  vereinigt,  und  darauf  dort,  wo  (vorübergehend) 
Hucbold  von  Liäge  gelehrt,  die  Universität  ihren  Sitz  ge- 
habt**). Ungeachtet,  dass  nach  und  nach  auch  in  Paris  (auf  der 
Insel)  Lehrer  aufgetreten  waren  und  die  theologische  Schule  zu 
Notre  Dame  sich  entwickelt  hatte,  blieb  doch  die  Universität, 
wie  Du  Boulay  meint,  zu  St  Genevi^ve,  denn  c.  11 32  hätte  ^tota 
fere  scholarium  universitas,  exceptis  forte  theologis,  montem  San- 
Genovefianam'  bewohnt^').  Von  hier  aus  seien  später  einige 
Artisten  auf  die  Insel  gegangen,  um  theils  in  Notre  Dame, 
theils  an  andern  Orten  der  Stadt  zu  lehren.  Daselbst  wären  sie 
natürlich  unter  die  Jurisdiction  des  Kanzlers  von  Notre  Dame  ge- 

^)  Hist  aniv.  Paris.  I,  276.  Er  sah  ein,  dass  die  eben  genannten 
Autoren  das  Schreiben  Benedicts  XL  vom  16.  April  1304,  mit  welchem 
er  den  Magistern  die  Facultas  licentiandi  wider  zurQckgab,  die  ihnen  Bonifiu 
Vni.  am  15.  August  1303  entzogen  hatte  (s.  Jourdain,  Index  chronol.  n.  354. 
358),  ganz  und  gar  missverstanden  haben. 

81)  L.  c.  I,  249.  276.  H6mer6,  der  sonst  auch  manche  irrige  Ansichten 
▼ertheidigte,  dachte  in  diesem  Funkte  doch  viel  richtiger  als  Du  Boulay, 
und  l&sst  einen  Theil  der  Studierenden  erst  unter  Louis  le  Gros,  also  zur 
Zeit  Abaelards,  nach  St.  GeneyiÖYe  gehen  (De  academia  Paris,  p.  3),  gleich- 
wie er  auch  fttr  den  Kanzler  von  Notre  Dame  ein  höheres  Alter  annimmt 
als  fOr  jenen  von  St.  Geneviöve  (p.  61).  ' 

M)  Ibid.  n,  128.    Vgl.  Gallia  Christ  VH,  708. 


1.  St.  GeneYlöve,  Notre  Dame,  St.  Victor  u.  die  Hochschule  zn  Paris.  679 

kommen,  von  dem  bereits  die  Theologen  an  der  dortigen  Schule 
abgehangen  hätten.  Im  Laufe  der  Zeit  seien  auch,  fährt  er 
fort,  einige  Theologen  von  Notre  Dame  nach  St.  Geneviöve  ge- 
gangen um  dort  zu  lesen  ^'). 

So  wäre  also  das  connubium  zwischen  St.  Genevi^ve  und 
Notre  Dame  bewerkstelligt  worden.  Unter  Wilhelm  von  Cham- 
peaux  wurde  die  theologische  Schule  zu  St.  Victor  gegründet,  die 
nun  ebenfalls  ein  Glied  in  der  Universität  gebildet  habe*^). 

Dass  diese  Behauptungen  grosse  Irrthümer  in  sich  bergen, 
liegt  nun  auf  der  Hand.  Von  Beweisen  ist  bei  Du  Boulay  nir- 
gends eine  Bede.  Seine  Phantasie,  die  auch  nicht  vor  den  ge- 
wagtesten ja  unmöglichen  Conjecturen  zurückschreckte,  half  alle 
zeitlichen  Zwischenräume  überbrücken.  Die  Palatinische  Schule 
verband  sie  mit  jener  zu  St  Genevifeve,  als  dort  Hucbold  'in 
brevi  multos  scolarium  instruxit'^^);  das  Jahrhundert,  welches 
Abaelard  von  Hucbold  trennt,  galt  ihr  kaum  einen  Tag,  wie 
nicht  weniger  die  Zeit  von  Abaelards  Tod  bis  zum  dritten  De- 
cennium  des  13.  Jhs.;  die  dem  Systeme  widersprechenden  That- 
sachen  werden  verschwiegen  oder  verdreht  (beispielsweise  jene 
der  Entstehung  des  Kanzleramtes  zu  Geneviäve),  dafür  aber  neue 
'Facta'  vorgetischt.  Ich  erwähne  hier  nur  eines  derselben. 
Cioelestin  HI.  schrieb  vor,  dass  die  causae  clericorum,  welche  zu 
Paris  wohnten,  nach  dem  canonischen  Rechte  geschlichtet  würden  "). 
Nach  Du  Boulay  wird  hier  von  der  Universität  Paris  gespro- 
chen, denn  die  clerici  Parisius  commorantes  seien  eben  die 
Scholaren*^).    Nun,  es  kann  sein,  obwohl  keiner  der  alten  Glos- 


^)  Ibid.  I,  276.  Er  nennt  speciell  Peter  Lombardas  (II,  249),  der  wohl 
an  der  Domschale,  nicht  jedoch  in  St.  Geneyiöye  gelehrt  hat  (ygl.  oben 
Anm.  16).  Ihm  folgt  Feret  im  Contemporain,  t  26  p.  397  f.  Der  dort  do- 
cierende  Theologe  Wilhelm  de  Monte  war  wohl  Regolar-Ganoniker. 

«*)  Ibid.  U,  26. 

^^)  Man  citiert  diese  Stelle,  meist  nach  Ortelii  et  Johannis  Yiyiani 
Itinerarium  per  nonnallas  Galliae  Belgiqae  partes'  (Lngd.Batay.  1667)  p.  133 
oder  Do  Breul,  Le  th6&tre  etc.  p.  281,  immer  irrig:  in  breyi  multammsco- 
lamm  instructor  foit.  Obige  Leseart  ist  in  den  Gesta  Episc.  Leodien.  (Mon. 
Germ.  Tu,  205)  enthalten. 

M)  Comp.  II.  c.  5  de  foro  competenti.    C.  9  X  de  foro  compet.  2,  2. 

87)  Bist  nniy.  Paris.  I,  266.  U,  498. 


680    ^'  ^®  üniTenitAten  im  VerhältiUBse  am  den  froheren  Sehnten. 

satoren  die  Stelle  in  diesem  Sinne  auslegt**).  Wenn  aber  von 
der  Universität  die  Rede  ist  und  diese  zur  Zeit  Goelestins  noch 
vorzugsweise  zu  St.  (reneviive  war,  vor  wem  sollen  die  Händel 
der  Studierenden  ausgetragen  werden?  Du  Boulay  ist  nicht  ver- 
legen. Er  sagt,  der  Papst  habe  vorgeschrieben,  ^causas  pecunia- 
rias  scholarium  Parisiensium  decidi  jure  canonico  apud  episco- 
pum  aut  abbat em  S.  Genovefae'**^).  Und  dies  behauptet  der 
Autor,  ungeachtet  weder  im  päpstlichen  Schreiben  noch  in  den 
dasselbe  erläuternden  alten  Glossen  und  späteren  Gommentaren 
vom  Abte  zu  St.  Geneviäve  ein  Wort  gesagt  ist  Allein  die 
Position,  die  sich  Du  Boulay  selbst  geschaffen  hatte,  ndthigte 
ihn  zu  so  unerhörter  Exegese**). 

^)  Laurentios  commentiert  (1208 — 1212)  die  Worte  'clerici  parisins': 
et  est  hoc  speciale  FarisiaB,  abi  espiscopns  gerit  yicem  comitis.  Ünde  et 
preco  bannnm  ibi  nuntiat  nomine  episcopi  et  regle,  alias  laSci  snb  secnlari 
indice  debent  conreniri.  Laurentins.  Cod.  102  sn  Troyes  Bl.  116b;  Cod. 
Paris.  3931^  BL  89a.  Cod.  Yat  1377.  Im  Cod.  Paris.  15398  erster 
Theil  BL  80b  ist  die  Glosse  erweitert  Unter  anderm  heisst  es:  Qnia  ergo 
episcopns  temporalem  habet  inrisdictionem  snper  laicos,  precipit  dom.  papa, 
ut  coram  eo  clerici  eos  cooTeniant,  yel  die,  qnod  laici  clericos  coram  epis- 
copo  convenientes  etc.  VgL  auch  Cod.  Paris.  2932  BL76b.  Der  Cod.  394  der 
Arsenaibibliothek  (einer  der  ältesten  Codices  mit  Glossen  zu  den  Com* 
pilationen)  bietet  Bl.  66a:  Secnndo  statnitur  specialiter,  ne  derlei  pa- 
risienses  conyeniant  yel  conyeniantnr  nisi  sab  ecdesiastico  (beilftnfig 
bemerke  ich,  dass  Cod.  Paris.  15398  im  zweiten  Theile  ein  Bruch- 
stück der  2.  Compil.  enth&lt  mit  der  Variante  'si  qnas  scolares  derid 
parisins',  statt  'secnlares'.  Eine  einfache  Verschreibong;  denn  'secolares' 
bezieht  sich  anf  'cansas',  nicht  anf  'clerici',  und  wnrde  in  Gregors  Deere- 
talen  in  ^ecuniarias'  umgeändert).  Ich  begreife  nicht,  wie  Sayigny  III,  356 
Anm.  f.  behaupten  konnte,  schon  eine  alte  Glosse  erkl&re  die  Stelle  Ton  der 
Pariser  Uniyersit&t.  Auch  in  den  oben  S.  107  Anm.  225.  226  citierten  Hss. 
kommt  keine  solche  yor.  Die  gedruckte  Glossa  ord.  ist  interpoliert.  Der 
Hinweis  auf  die  Pariser  Scholaren  geschieht  erst  nach  der  Mitte  des  13.  Jhs. 
Abbas  antiquus  spricht  yon  einem  'Scolaris  Parisiensis'  (cod.  Vat  2542  BL 
33  a),  Hostiensis  überhaupt  yon  den  scolares  Parisienses  (in  Decret  ad  I.e.), 
und  80  gelangte  die  Erklärung  auch  in  den  Apparat  des  Job.  Andreae.  Doch 
ist  natOrlich  auch  bei  diesen  Autoren  nicht  yon  St.  Geneyi^ye  die  Bede. 

»«•)  L.  c. 

^^)  Es  wird  dies  dexgenigen  nicht  mehr  Wunder  nehmen,  der  meinen 
Ausführungen  im  zweiten  Hauptabschnitte  über  die  Uniyersit&t  Paria  ge- 
folgt ist 


1.  8t.  Ocnevi^Te,  Noire  Dune,  St  Victor  n.  die  Hochtohole  m  Paris.  681 

Da  Boulay  sprach  jedoch  nicht,  dies  darf  nicht  vergessen 
werden,  von  einer  Vereinigung  der  Schulen  von  St.  Genevieve, 
Notre  Dame  und  St.  Victor  im  vollen  Sinne  des  Wortes,  so  dass 
das  Resultat  derselben  die  Universität  Paris  gewesen  wäre,  son- 
dern nach  ihm  bestand  bereits  einige  Jahrhunderte  lang  die 
Universität,  und  zwar  als  Artistenschule,  zumeist  auf  der  Höhe 
von  St.  Geneviäve.  Im  Laufe  der  Zeit  wären  dann  allerdings 
die  Domschule  und  jene  von  St.  Victor  zu  der  alten  Universität 
hinzugekommen. 

Neuere  Forscher  verwarfen  Du  Boulays  Behauptung  vom 
hohen  Alter  der  Universität  Paris*^),  und  unter  ihnen  bemerkte 
besonders  Thurot,  dass  die  Bildung  der  Corporationen  nicht  vor 
Ende  des  12.  Jhs.  vor  sich  gegangen  sein  könne.  Man  sah  sich 
also  gezwungen,  in  Du  Boulays  Aufstellungen  eine  Aenderung 
vorzunehmen.  Anstatt  jedoch  die  Frage  von  Grund  aus  zu  stu- 
dieren und  die  Resultate  auf  den  Quellen,  mit  Umgehung  von 
Du  Boulays  System  aufzubauen,  beschnitt  man  einfach  nur  das 


^)  Hie  und  da  wird  jedoch  noch  immer  der  'Ruf  der  Schalen  von 
Paris  in  eine  zu  frühe  Epoche  verlegt.  So  nftmenUich  von  Haur^au,  der  die 
Schule  sa  Notre  Dame,  St.  Germain  des  Pr^a  and  St.  Oenevi^ve  bereits 
für  das  9.  Jh.  als  'trös  fröqaent^e'  bezeichnet  (Hist.  de  la  phil.  scolast.  I, 
201),  nnd  die  Behauptung  aufstellt:  *Jl  6tait  reconnu  dans  toute  Tltalie  m^me 
au  commencement  du  11.  siäcle,  que,  pour  Stre  inscrit  au  nombre  des 
maltres,  il  fallait  avoir  pass6  par  les  6coles  de  Paris'  (Singularit^  historiques 
et  litt^raires,  Paris  1861  p.  189  Anm.  2).  Eine  nicht  zu  beweisende  Be- 
hauptung, die  nur  auf  Grund  nicht  verstandener  Stellen  bei  alten  Schrift- 
steilem  ausgesprochen  wurde.  Da  ich  im  3.  Bande  darauf  zurackkomme, 
verweise  ich  für  jetzt  nur  auf  Dümmler,  Anselm  der  Peripatetiker,  Halle  1872 
S.  9  Anm.  4 ;  S.  11  Anm.  3.  Haur^u  fiel  in  den  Fehler  Du  Boulays  (Hist.  univ. 
Paris.  II.  99),  alsbald  an  Paris  zu  denken,  wenn  von  einem  alten  Scholar 
oder  Lehrer  berichtet  wird,  dass  er  4n  Galliam'  oder  4n  Franciam'  gegan- 
gen sei  und  dort  gelehrt  oder  studiert  habe.  Allerdings  wird  Haur^u  noch 
von  Laferriäre  übertroffen,  der  die  Worte  Assers  über  Karl  le  Gros  im  9.  Jh., 
*eodem  anno  Earolus  Francorum  rex  viam  universitatis  adiit'  (Mon.  hist. 
Brit.  I,  491),  interpretiert:  Asserius  d^signe  la  cit6  parisienne,  oü  taut  d'6- 
coles  ötaient  d^&  r^unies,  sous  le  nom  d'universit6  (S^ances  et  travauz 
de  Pacad^mie  des  sciences  moral.  et  polit.  XXIII,  142).  Die  einfache  Um- 
schreibung fQr  'viam  universae  camis  abiit'  scheint  der  Akademiker  nicht 
verstanden  zu  haben. 


682    ^-  ^i^  üniTenit&teii  im  Verh&ltiiiflse  sa  den  firOheren  Schuleii. 

Alter  der  Schulen  von  St.  Geneviäve  und  Notre  Dame,  liess  sie 
ohne  weiteres  zu  Ende  des  12.  Jhs.  sich  vereinigen  und  gesellte 
ihnen  allesfalls  noch  jene  von  St.  Victor  zu.  Wesentlich  gieng  man 
also  nicht  von  Du  Boulay  ab,  sondern  man  verrückte  lediglich 
die  Zeiten,  und  bezog  das  vom  genannten  Autor  über  die  drei 
Schulen,  besonders  jene  von  St  Genevi^ve  und  Notre  Dame, 
Gesagte  auf  eine  spätere  Epoche.  Daran  dachte  man  allerdings 
nicht,  dass  man  nun  die  Vereinigung  dieser  Schulen  in  eine  Zeit 
verschoben  habe,  in  der  von  einer  Union  von  Notre  Dame  mit 
St.  Genevi^ve  und  St  Victor  keine  Rede  mehr  sein  konnte.  So 
kommt  es,  dass  das  von  Du  Boulay  ausgedachte  System  in  diesem 
Punkte  immerhin  einen  geringern  Widerspruch  involviert,  als  das 
der  modernen  Forscher  •*). 


^1)  Zar  leichteren  Annahme  der  Hypothese  von  der  Vereinigang  der 
drei  Schalen  bestimmte  wohl  aach  die  irrige  Yoraassetzang,  die  Professoren, 
welche  die  Universität  zaerst  gebildet  haben,  h&tten  schon  damals  in  dazu 
bestimmten  Häasem  ihr  Lehramt  ansgeübt.  Die  Hallen  der  Clanstra  von  Notre 
Dame,  St  Geneviöve  and  St.  Victor  schienen  gerade  eine  solche  Ansicht  m 
begünstigen.  Allein  man  vergisst,  dass  in  jener  Zeit  die  Professoren,  gleich- 
viel wo  sie  auf  der  Insel  docierten  (s.  oben  S.  674),  zur  Universität  gehören 
konnten,  und  der  Usas,  die  HOrsäle  in  gemeinsame  Versammlungsorte  su 
verlegen,  sich  erst  nach  and  nach  aasgebildet  hat.  Wie  in  Paris  war  es 
aach  z.  B.  in  Oxford,  wo  31  Magistri  regentes  im  J.  1278  an  den  ver- 
schiedensten Orten  der  Stadt  ihre  Vorlesungen  hielten  (s.  Man.  acad.  Oxon.1, 38> 
Man  lasse  sich  ja  nicht  darch  die  Thatsache  irre  führen,  dass  die  Professoren 
desselben  Faches  sich  mit  der  Zeit  in  denselben  Strassen  niederliessen,  denn 
diese  Sitte  hatte  ihr  Vorbild  in  der  Gewohnheit  deijenigen,  welche  dasselbe 
Gewerbe  trieben  (man  vgl.  vorzüglich  Le  livre  de  la  taille  de  Paris  ans  dem 
J.  1292  bei  G6raad,  Paris  soos  Philipp-le-Bel  p.  1  ff.).  Wer  die  Entwickelongs- 
geschichte  der  Universität  Paris  nicht  aasser  Acht  lässt,  sieht  demnach  ein, 
dass  man  den  Umstand,  dass  die  Universität  kein  eigenes  Haas  besass,  nicht 
mit  DöUinger  (Die  Universitäten  S.  5)  aaf  die  Armat  der  Universität  znrück- 
führen  darf. 


2.  Notre  Dame,  St.  Genevi^ve,  und  die  Corporationen.  683 

2.  Die  gelehrten  Oorporationen  zu  Paris  in  ihrem  Ver- 
hältniss  zu  Notre  Dame  und  St.  Geneviöve. 

Wir  kommen  hier  auf  jenen  Punkt  zurück,  von  dem  wir 
oben  im  zweiten  Paragraph  des  zweiten  Hauptabschnittes  aus- 
gegangen sind,  nämlich  auf  die  Bildung  der  Corporationen  an 
der  Hochschule  zu  Paris,  nur  dass  wir  nun  die  Entstehung  jener 
Genossenschaften  im  Verhältniss  zu  St.  Genevifeve  und  Notre 
Dame  betrachten.  Das  System,  .welches  ich  dort  bekämpft  und 
dem  gegenüber  ich  den  wahren  Sachverhalt  dargestellt  habe, 
hat  weniger  darin  seinen  Halt,  dass  in  demselben  der  Ursprung  der 
Universität  mit  Karl  dem  Grossen  in  Verbindung  gebracht  wird 
(dieser  Zusammenhang  wurde  ja  in  neuerer  Zeit  fast  ganz  auf- 
gegeben), als  vielmehr  in  der  Annahme,  die  Universität  sei  einst 
in  St.  Genevieve  gewesen  und  habe  sich  dort  entwickelt,  von 
wo  aus  sie  dann  als  fertige  mit  der  Schule  von  Notre  Dame  in 
Berührung  getreten  sei,  sowie  in  der  Behauptung,  die  Universität 
sei  unabhängig  vom  Kanzler  von  Notre  Dame  entstanden.  Hiermit 
steht  und  fallt  das  ganze  System.  Es  verschlägt  nichts,  dass 
Huber,  Savigny  und  deren  Ausschreiber  sich  dessen  wahrscheinlich 
gar  nicht  bewusst  waren. 

In  dem  genannten  Systeme  wurde  die  Universität  von  den 
vier  Nationen  gebildet;  an  der  Spitze  der  Universität  stand  der 
aus  ihrem  Schosse  gewählte  Rector.  Die  Gewalt  und  die  Aemter 
besassen  die  Artisten;  waren  sie  doch  ursprünglich  die  Haupt- 
Elemente  der  vier  Nationen,  denn,  sagte  man,  ^universitatem 
fundatam  esse  in  artibus'.  Erst  c.  1260  seien  die  Theologen, 
Decretisten  und  Mediciner,  die  seit  der  Berührung  mit  Notre 
Dame  in  den  Nationen  eingeschlossen  waren,  aus  diesen  ausge- 
treten, und  hätten  dann  zu  den  Facultäten  den  Grund  gelegt"'). 

Wo  war  ein  solcher  Ursprung  und  eine  derartige  Organi- 
sation der  Universität  Paris  möglich?  Auf  der  Insel,  oder  zu 
St.  Genevifeve?  Nur  an  letzterem  Orte.  Du  Boulay  verlegt 
auch  deshalb  die  eigentliche  Entwickelung  der  Universität  dorthin. 
Auf  der  Insel,  unter  dem  Schatten  von  Notre  Dame,  konnte  er 


W)  8.  oben  8.  64.  77  f. 


684    ^-  ^^  UniTenit&teii  im  Yerhütnisse  m  den  frAheren  SehuleiL 

die  Universität  nicht  entstehen  lassen,  denn  in  diesem  FaUe 
wäre,  wie  sich  sogleich  ergeben  wird,  sein  ganzes  System  zu- 
sammengestürzt 

Anf  der  Insel,  angesichts  des  Kanzlers  von  Notre  Dame, 
war  es  unmöglich,  dass  eine  Universität,  eine  Gesammtgenossen- 
Schaft  sich  entwickelt  hätte,  deren  Wesen  die  vier  Nationen  und  im 
eigentlichen  Sinne  die  Artisten  ausmachten,  von  denen  ein  gemein- 
schaftliches Haupt,  der  Rector,  gewählt  wurde,  zu  welchem  alle, 
welche  der  Universität  angehörten,  die  Theologen,  Decretisten, 
Mediciner,  da  sie  in  die  vier  Nationen  mit  einbegriffen  waren, 
ja  selbst  der  Kanzler  in  einem  Abhängigkeitsverhältniss  standen. 
Um  die  Unmöglichkeit  einzusehen,  brauchen  wir  nur  zu  unter- 
suchen, welchen  Platz  man  in  Paris  den  artistischen  Studien 
anwies,  und  welche  Rolle  der  Kanzler  von  Notre  Diune  gegen- 
über den  Studierenden  im  12.  Jh.  gespielt  hat. 

Was  die  artistischen  Studien  betrifft,  so  bedarf  es  bloss  der 
Erinnerung  an  das  bereits  oben")  darüber  Gesagte.  Hier  inter- 
essiert uns  der  eine  Punkt,  welche  Auffassung  man  gerade  in 
Notre  Dame,  wo  der  Kanzler  war,  in  der  zweiten  Hälfte  des 
12.  Jhs.  und  Anfang  des  13.  von  den  artes  liberales  hatte.  Sie  ist 
keine  andere,  als  jene  aller  Gelehrten  der  damaligen  Zeit 

Petrus  Gomestor,  welcher  nach  1164  Kanzler  von  Notre 
Dame  war,  sagte  einmal:  Possunt  hec  eadem  nobis  aptari  non 
indecenter,  qui  lectioni  et  studio  sacre  scripture  operam  damus, 
nos  enim  ex  maxima  parte  figmenta  poetarum,  que  ranis  loqua- 
cibus  comparantur,  pretermisimus,  pretemavigavimus  pallida  so- 
phistarum  argumenta  etc.'^).  Peter  Remensis,  der  1184  Cantor 
der  Kirche  von  Paris  und  der  Lehrer  Roberts  de  Gour^on  war**), 
nennt  die  artes  ^subsellia  sacre  scripture',  durch  welche  ^repa- 
ratur  via  sacre  scripture"*).  Robert  de  Cour^on,  welcher  das 
Kanzleramt  inne  hatte,  und,  wie  wir  oben  widerholt  sahen,  später  als 


M)  8.  98ff. 

M)  In  einem  seiner  Sermone.  Cod.  in  8t.  Florian  XL  264.  Bl.  44  a 
8.  auch  oben  8.  100. 

95)  Er  citiert  Um  widerholt  in  seiner  Sonuna,  and  nennt  ihn  *nuigister 
noster  Cantor  parisiensis'.    Cod.  Paris.  3258  Bl.  105  a 

M)  Cod.  Paris.  14521  Bl.  78b. 


2.  Notre  Dame,  St.  OeneTtöve,  und  die  Corporatioiien.  685 

Cardinallegat  sich  viel  mit  der  Universität  beschäftigte,  be- 
sitzt keinen  hohen  Begriff  von  den  artes  liberales.  Einige  der- 
selben seien  'quasi  quedam  ydiomata  in  primis  rudimentis,  que 
?endi  possunt,  ut  informatio  alfabeti,  eruditio  lingue'.  Andere 
beanspruchten  einen  etwas  höheren  Platz,  'que  ad  fidem  et  mores 
pertinent,  que  tantum  sunt  gratis  conferende'.  lieber  allen  stehe 
der  Theologe  und  der  Canonist,  und  darum  'ad  cathedriun  theo- 
logie  ?el  sacrorum  canonum  (theologus)  debet  accedere  mature 
instructus"^). 

Ehe  wir  die  Schlüsse  hieraus  ziehen,  wollen  wir  die  andere 
Frage  beantworten,  welche  Stellung  der  Kanzler  von  Notre  Dame 
gegenüber  den  Studierenden  im  12.  Jh.  eingenommen  hat. 

Um  darüber  ins  Beine  zu  kommen,  gibt  es  keinen  andern 
Weg  als  auf  jene  Documente  zu  achten,  aus  denen  wir  erfahren, 
was  der  Kanzler  im  Laufe  der  ersten  Decennien  des  13.  Jhs. 
von  seiner  alten  Macht  eingebüsst  hat.  Nur  so  lernen  wir  diese 
selbst  kennen. 

Es  versteht  sich,  dass  der  Kanzler  wie  an  anderen  Orten 
der  Scholasticus  oder  der  Magister  scholarum  die  Licenz  ertheilt 
bat  Vor  1212  existierte  noch  kein  Statut  darüber,  dass  sich  der 
Kanzler  bei  Vornahme  dieses  Actes  eventuell  an  das  Gutachten 
der  Magistri  halten  müsse.  Es  war  Gonvenienz,  wenn  der  Kanzler 
auf  dasselbe  Rücksicht  nahm;  und  wollte  er  bei  Ertheilung  der 
Licenz  gewissenhaft  zu  Werke  gehen,  so  durfte  er  wohl  die  Mit- 
wirkung der  Professoren  nicht  umgehen.  Anscheinend  hielten 
die  verschiedenen  Kanzler  eine  diverse  Methode  ein.  Immerhin 
konnte  er  aber  wem  er  wollte,  und  ohne  dass  ein  Magister 
über  die  Qualification  des  Candidaten  Zeugniss  abgelegt  hätte, 
die  Erlaubniss  zum  Lehren  geben.  Ein  abusus  war  es,  wenn  er 
^a  volentibus  scholas  regere  juramentum  fidelitatis  vel  obedientie 
ac  interdum  pecunie  pretium'  zu  erpressen  suchte  oder  die  Scho- 
laren ohne  gerechten  Grund   einkerkerte.     Er  hatte  aber  das 


97)  Cod.  Paris.  3258  Bl.  67  a.  Bl.  70  a.  Er  geht  auch  auf  einen  Ein- 
wurf ein,  der  eine  gewisse  culturhistorische  Bedeutung  hat:  *Latina  lingua 
ydioma  est  quoddam.  Ego  possum  inire  tecnm  pactum,  ut  doceas  me  gallicam 
linguam  et  ut  elimes  dentes  meos  et  doceas  me  alfabetum  aut  in  caldeo  aut 
in  alia  lingua'. 


686    IV.  Die  üniTersit&ten  im  YerhftltiiiBse  %u  den  froheren  Schalen. 

Recht,  einen  Kerker  zu  halten,  gleichwie  er  auch  als  Kanzler 
eine  Art  ^judex'  war,  die  Scholaren  durch  seine  ministri  citieren 
und  in  gewissen  Fällen  die  Excommunication  über  die  Magistri 
und  Scholaren  aussprechen  konnte,  von  der  sie  nur  vom  Bischöfe 
oder  vom  Abte  von  St.  Victor  losgesprochen  werden  durf- 
ten. All  dies  bis  auf  den  letzten  Punkt '^)  erfahren  wir  aus  einem 
Schreiben  Innocenzs  in.  vom  20.  Jänner  1212  und  aus  dem 
zwischen  dem  Kanzler  und  der  Universität  im  nächstfolgenden 
Jahre  abgeschlossenen  Compromiss**).  Erst  jetzt  verlor  der 
Kanzler  einige  seiner  Rechte,  noch  mehr  büsste  er  im  Laufe  des 
nächsten  Decenniums  ein'®^). 

So  besass  der  Kanzler  vor  1212,  d.  i.  also  in  jener  Epoche,  in 
welcher  die  Universität  entstand,  eine  fast  unumschränkte  Macht. 
Du  Boulay  selbst  ist  gezwungen  dies  zuzugestehen'®^).  Die  kurz 
vor  1212  wachgerufenen  Klagen  und  daraus  entstehenden  Revolte 
der  Studierenden  hatten  die  Beschränkung  der  Machtbefugniss  zum 
Zwecke.  Es  wäre  weit  gefehlt,  wollte  man  den  Kanzler  von  Notre 
Dame  mit  dem  Scholasticus  oder  Magister  scholarum  irgend 
einer  Domschule  auf  gleiche  Linie  stellen.  Vertrat  doch  der 
Kanzler  nicht  so  sehr  die  Stelle  des  Bischofes,  als  vielmehr  die  des 

^)  Dieser  erhellt  aus  den  Statuten  des  Cardinais  Guala  Yom  J.  1204  bei 
Da  Bonlay  III,  44. 

^)  Bei  Jonrdain,  Index  chrono!,  n.  18.  15.  Er  setEt  jedooh  das  päpst- 
liche Schreiben  irrig  in  das  Jahr  1210,  d.  h.  1211.  Nebenbei  gesagt  be- 
folgte Jonrdain  die  verfehlte  Methode,  die  Daten  der  päpstlichen  Ballen 
nach  altfraniOsischer  Weise  zu  berechnen  und  dieselben,  wenn  sie  in  die 
Zeit  vom  J&nner  bis  Ostern  fiallen,  um  ein  Jahr  zurflckzu versetzen.  Dieses 
Verfahren  w&re  am  Platze,  wenn  die  päpstlichen  Schreiben  jener  Zeit, 
wie  andere  Acten,  solche  Daten  getragen  hätten. 

100)  Am  31.  Mai  1222  entzog  ihm  Honorias  III.  das  Beoht  einen  Kerker 
zu  besitzen:  Demoliatnr  praecise  carcer  a  cancellario  ipso  conatmctos  nee 
aliqaem  incarcerabit  cancellarias  memoratns.  Gregor  IX«  bestätigte  dies  in 
der  Bulle  Parem  acientianan.  Vorzüglich  durch  diese  zwei  Schreiben,  sowie 
durch  jene  Honorius  III.  vom  SO.  März  und  11.  Mai  1219  (Becueil  des  histo- 
riens  des  Gaules  XIX,  679.  Du  Boulay  III,  93),  Innocenzs  III.  vom  20. 
Jänner  1212  nnd  das  Statut  Roberts  de  Cour^on  vom  J.  1215  wurden  in 
der  ersten  Zeit  die  Rechte  des  Kanzlers  beschränkt. 

10^)  Bist.  nniv.  Paris.  III,  94:  cum  sine  dubio  canceUarins  magnun  jus 
haberet  in  scholam  eplscopalem  seu  ciaastralem  eamque  suae  jurisdictioni  et 
imperio  subditam  haberet  etc. 


3.  Notre  Diane,  8t  Oenevi^ye,  und  die  Gorporfttionen.  687 

Papstes.  Es  war  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  eine  aus- 
gemachte Sache,  dass  er  im  Namen  des  Papstes  die  licentia  docendi 
gebe^^').  Daher  galt  es  damals  noch  immer  als  ein  strittiger 
Punkt,  ob  während  der  Vacanz  des  Kanzleramtes  der  Bischof 
das  Recht  besitze,  die  Licenz  zu  ertheilen.  Die  Universität  we- 
nigstens erkannte  es  1237  nicht  an,  als  der  Bischof  nach  dem  Tode 
des  Kanzlers  Philipp  de  Gr^ve  mit  Uebergehung  aller  Formalitäten 
'magistris  reclamantibus  et  invitis  quibusdam  scolaribus  in  de- 
cretis  regendi  concessit  licentiam'  ^^').  Gregor  IX.  selbst  schrieb 
das  Jahr  darauf,  der  Bischof  sei  ^cancellaria  parisiensi  vacante  in 
possessione  vel  quasi  licentiandi  provectos  ad  officium  magi- 
stratus',  und  die  Magistri  widersetzten  sich  mit  Unrecht  der 
Handlungsweise  des  Bischofes^^').  Doch  gestand  auch  der  Papst 
dem  Bischöfe  nicht  unumwunden  das  Recht  zu,  während  der 
Vacanz  des  Kanzleramtes  die  Licenz  ertheilen  zu  können.  In 
keinem  Falle  besass  es  jedoch  der  Bischof  bei  Lebzeiten  des 
Kanzlers. 

Diese  zwei  Hauptpunkte  vorausgesetzt  frage  ich,  wie  es 
möglich  gewesen  wäre,  dass  sich  die  Universität  in  der  von  Du 
Boulay  dargestellten  Art  und  Weise  auf  der  Insel  hätte  bilden 
können?  Fassen  wir  zunächst  den  wichtigsten  Factor  im 
Systeme  Du  Boulays  ins  Auge,  den  allgemeinen  Rector  der  Uni- 
versität. Dieser  soll  in  der  Zeit  vor  1212  gegen  den  Kanzler 
von  Notre  Dame  aufgestellt  worden  sein,  ja  ohne  dass  sich  letz- 
terer auch  nur  zum  geringsten  Widerspruch  bewogen  gefdhlt  hätte? 
Ein  neues  Universitätshaupt  erhob  sich,  und  jenes,  das  bisher 
im  Vollbesitze  der  Gewalt  war,  nämlich  der  Kanzler,  liess  dies 
ruhig  geschehen,  ohne  auch  nur  einmal  zu  protestieren,  ungeachtet 


^^)  Der  Kanzler  Walter  de  Gh&teaa-Thierry  citiert  in  seinen  Quaes- 
tionen  das  damals  geltende  Frincip:  magistris  commisse  sunt  claves  scientie 
a  dorn,  papa  vel  a  cancellario  parisiensi  ex  ordinatione  D.  pape  ad  aperien- 
dam  thesanram  sapientie.    Cod.  Patavin.  S.  Anton.  152  Bl.  150  b. 

^^)  S.  das  Schreiben  Gregors  IX.  Yom  5.  August  genannten  Jahres  im 
Cod.  Tat.  Reg.  406  Bl.  12  a.  Da  Bonlay  III,  160. 

^^)  Reg.  Yat.  an.  12  ep.  137  Bl.  27  a.  S.  die  Stelle  oben  S.  82  Anns. 
138.  Dieses  p&pstliche  Schreiben  klftrt  ans  über  den  Aasgang  des  damals 
bestehenden  Streites  zwischen  der  Unirersit&t  und  dem  Bischöfe  auf,  was 
Yalois,  Ouillaume  d'Auvergne  p.  62  noch  nicht  wissen  konnte. 


688    I^*  I>ie  ümTeniaten  im  Verhiltusfle  sa  den  frOharoo  Sdiolea. 

er  in  andern  unbedeutenderen  Punkten  sehr  empfindlich  war  und 
für  seine  Rechte  eintrat? 

Seit  dem  Anfiinge  des  2.  Decenniums  des  13.  Jhs.  suchte 
sich  die  Universität  alle  Gorporationsrechte  zu  erwerben  und  sich 
auf  freieren  Fuss  zu  stellen.  Nach  1210  ffthlten  die  Scholaren, 
die  durch  das  vom  Kanzler  bei  Ertheilung  des  Licentiates  ab- 
genommene Versprechen  am  meisten  verletzt  waren  ^^*),  das  Be- 
dürfnisse sich  durch  einen  Procurator  vertreten  zu  lassen,  was 
der  Papst  um  so  mehr  guthiess,  als  sie  dies  nach  seinen  Worten 
Hie  jure  communi'  thun  konnten  '®^).  Nun  erst  wurde  eine  Art 
Kampf,  von  dem  wir  zuerst  1212  hören,  gegenüber  dem  Kanzler 
aufgenommen.  Dieser  musste  den  Magistern  einen  Einfluss  bei 
den  Promotionen  resp.  bei  Ertheilung  der  Lioenz  gestatten'*'), 
und  in  Zukunft  davon  abstehen,  von  den  Licentiaten  das  junir 
mentum  fidelitatis  abzunehmen'*').  Es  scheint,  dass  diese  Er- 
folge die  Universität  muthiger  gemacht  hatten,  so  dass  bald  dai^ 
auf  innerhalb  derselben  mit  Umgehung  des  Kanzlers  bei  ge- 
wissen Vorfällen  'circa  statum  scolarium  vel  magistrorum'  Gon- 
spirationen  und  gegenseitige  Verpflichtungen  in  Scene  gesetzt 
wurden,  was  schon  Robert  de  Courgon  im  J.  1215  erlaubt  hatte'*'). 
Ca.  1218  oder  Anfangs  1219  ergriffen  jedoch  die  Procuratoren 
des  Bischofs  von  Paris,  Peters  de  Nemours  (1208—1219),  die 
Partei  des  Kanzlers,  welcher  damals  Philipp  de  Grfeve  war'^*); 


106)  8.  oben  S.  664. 

i<M)  8.  oben  8.  86  nnd  Anm.  153.  Dass  die  Decretale,  die  ich  fibenü 
undatiert  fand,  nicht  in  eine  frühere  Zeit,  s.  B.  in  das  Jahr  1203,  ftllt, 
kann  man  auch  daraas  schliessen,  dass  in  die  Comp.  17.,  worin  sie  stehl^ 
fast  nnr  Schreiben  Innocencs  III.  aus  den  Begierungijahren  12(0—1216  auf- 
genommen wurden  (s.  Schulte,  Gesch.  der  Quellen  und  litt,  des  Can. 
BechU  I,  89> 

107)  8.  oben  S.  70. 

108)  8.  oben  8.  665. 

109)  S.  sein  Statut  bei  Du  Boulay  III,  82. 

110)  Du  Boulay  Usst  m,  94  dem  H6mer6,  De  academia  Paris,  p.  122, 
folgend  im  J.  1219  Badulphus  de  Bemis  das  Kanaleramt  verwalten.  Ebeaa* 
meint  Albericus  Trium  Font  (Mon.  Germ.  XXIII,  913),  Philipp  de  Grftye  sei 
erst  1228  Kanzler  geworden.  Viel  besser  unterrichtet  war  der  Autor  der 
Origo  verm  (p.  534).  In  der  That  handelte  es  sich  1219  nur  um  den  Kaoaler 
Philipp  de  Gröve,  den  auch  der  Papst  wa  sioh  ciüerts  und  am  30.  November 


2.  Notre  Dune,  St.  Generi^ve,  und  die  Gorporationen.  689 

der  Bischof  selbst  excommunicierte  unter  Berufung  auf  ein 
angebliches  Statut  des  Gardinallegaten  Octavian,  welches  vor- 
zuweisen er  jedoch  ausser  Stand  war"'),  'omnes  illos,  qui  de 
cetero  sine  consensu  et  autoritate  ipsius  vel  Parisiensis  ecclesie 
circa  statum  scolarium  vel  magistrorum  facerent  aliquam  con- 
spirationem  seu  Constitutionen!  aut  Obligationen!  quamlibet  iura- 
mento  vel  fide  aut  alia  quacunque  pena  vallatam'^^').  Unter 
constitutio  verstand  der  Bischof  nicht  nur  die  illicita,  sondern 
auch  die  honesta. 

Diese  Thatsache  beweist,  wie  eifersüchtig  die  Kirche  von 
Paris  auf  ihre  Rechte  war,  und  wie  sie  um  jeden  Preis  ver- 
hindern wollte,  dass  ihr  Einfluss  auf  die  Magister  und  Scholaren 
vermindert  würde  und  dieselben  in  grösserer  Unabhängigkeit  von  ihr 
kämen..  Die  Universität  sollte  nicht  bloss  auf  der  Insel  concentriert 
bleiben ,  wie  wir  oben  gesehen  haben ,  sondern  überhaupt 
nichts  ohne  Bewilligung  des  Kanzlers  ins  Werk  setzen  können. 
Das  Factum  verliert  nichts  an  seiner  Bedeutung  durch  den  Um- 
stand, dass  die  Kirche  von  Paris  bei  dieser  Gelegenheit  in  Folge 
des  energischen  Einschreitens  Honorius  ni.,  welcher  sich  der 
Magister  und  Scholaren  zu  Paris  nicht  weniger  als  der  Stu- 
dentenverbindungen Bolognas  annahm,  den  Kurzem  zog"').  Zu- 


genannten Jahres  wider  in  Gnaden  aufnahm.  Beg.  Yat.  an.  4.  ep.  615. 
Hanr^aa  in  den  Notices  et  eztraits  XX!«  2  p.  1S5,  wo  jedoch  irrig  II.  Non. 
Dec  statt  II.  kal.  Dec.  steht,  gleichwie  auch  derselbe  Autor  p.  183  dem 
Du  Bonlay  die  richtige  Ansicht  unterschiebt. 

1^1)  S.  dazu  Jourdain,  Index,  Anm.  1  zu  n.  7. 

119)  All  dies  erfahren  wir  aus  den  Schreiben  Honorius  III.  vom  30.  M&rz 
und  besonders  vom  11.  Mai  1219.  Beg.  Yat.  an.  3  ep.  357.  445.  Das  erste  ist 
ediert  in  Becueil  des  hist.  des  Gaules  XIX,  679;  das  zweite  ibid.  p.  685 
und  Du  Boulay  HI,  93. 

1^3)  Interessant  ist  der  Eingang  des  p&pstl.  Schreibens  vom  11.  Mai 
1219:  Si  doctorum  et  discipulorum  Farisiensium  unirersitas  perspicue  sie 
grayiter  excessisset,  ut  eorum  culpa  nee  palliari  posset  nee  impunita  relinqui, 
tante  tarnen  et  tarn  Yenerabili  multitudini  decuisset  in  hoc  saltem  deferri,  ut 
ad  penam  non  procederetur  ipsorum,  nisi  apostolice  sedis  sententia  requisita. 
Die  Procuratoren  des  Bischofs  und  des  Kanzlers  hätten  sich  aber  unterfan- 
gen 'Studium  Parisiense,  quod  doctrine  sue  fluenta  usquequaque  diflfundens 
uniyersalis  ecclesie  terram  irrigat  et  fecundat  in  montes  Gilboe,  super  quos 

O  e  n  i  f  1  e ,  Die  UmT«niaten  I.  44 


690    I^*  ^^^  UniverBiatea  im  Verh&ltiiisse  su  den  frflhereii  Schalen. 

dem  bü8Ste  der  Kanzler  noch  keineswegs  die  Oberhoheits^Bechte 
über  die  Universität  ein. 

Dies  zeigte  sich  besonders  einige  Jahre  später,  als  die  Uni- 
versität bereits  in  den  Besitz  eines  eigenen  Siegels  gekonunen 
war.  Da  dasselbe  ^in  praejudicium'  der  Kirche  und  des  Kanzlers 
von  Paris  angenommen  worden,  zerbrach  es  derCardinaQegatBoman 
im  J.  1225  auf  Befehl  des  Kanzlers  und  des  Capitels.  Der  da- 
durch unter  den  Studierenden  verursachte  grosse  Tumult  konnte 
nichts  helfen;  er  hatte  nur  die  Verhängung  der  Exconimunica* 
tion  über  die  Tumultuanten  zur  Folge.  Dieselben,  darunter 
80  Magistri,  waren  gezwungen  auf  dem  Cioncil  von  Bourges  die 
Lossprechung  vom  Legaten  zu  erbitten.  Diese  wurde  ihnen  ge- 
währt, das  Siegel  erhielten  sie  aber  erst  nach  zwei  Decennien"*). 

Diese  Facta  beweisen  zur  Genüge,  wie  irrig  die  Behauptong 
ist,  die  Pariser  Lehrer  hätten  durch  die  Gunst  Innocenzs  HL 
(1212—1213)  die  f actische  wenn  auch  nicht  formelle  Emanc^- 
tion  vom  Kanzler  erreicht  ^^'^).  So  sehr  auch  seit  1212  die 
Rechte  des  Kanzlers  beschränkt  worden  waren,  so  befand  er  sich 
doch  der  Universität  gegenüber  noch  im  J.  1225  in  einem 
solchen  Autoritätsverhältniss,  dass  er  die  Universität  eines  der 
wichtigsten  Corporationsr echte,  nämlich  des  Gebrauchs  eines 
eigenen  Siegels,  berauben  konnte. 

Es  bedarf  nun  wohl  keiner  weiteren  Begründung  um  zur 
Einsicht  zu  gelangen,  dass  die  Universität  nicht  bloss  vor 
1212,  als  der  Kanzler  noch  im  Vollbesitze  der  Gewalt  war,  son- 
dern auch  die  erste  Zeit  nach  dem  genannten  Jahre  keinen  Rector 
hätte  an  ihre  Spitze  stellen  können.    Der  geringste  Versuch  wäre 


nee  res  eadit  nee  plavia,  commntare  impetiun  flominis,  qai  ciTitatem  dei 
letificat,  canum  doctrine  Tidelicet  sistere'.  Vgl.  mit  Reg.  Yat  an.  3 
ep.  445. 

^^*)  S.  die  weitläufige  Erz&hlang  im  Ghroo.  Türen,  bei  Martöne-Dnrand, 
Ampi.  coli,  y,  1065,  and  oben  S.  78.  Alberich  Triam  Font,  erwähnt  nicht 
Bpeciell  ein  Siegel,  sondern  'privilegiam  qaoddam',  and  setzt  das  Factum  in 
das  Jahr  1226.  Mon.  Germ.  XXm,  917. 

11!^)  Paulsen  in  Sybels  Bist.  Zsch.  Bd.  45  S.  253.  Thnrot,  De  l'orga- 
nisation  etc.  p.  10  sq.  stellte  das  Ganze  richtiger  dar,  obwohl  Paolsen  ihm 
folgen  wollte. 


2.  Notre  Dame,  8t  G«neTi^Te,  and  die  CorporationeB.  691 

ohne  den  heftigsten  Kampf  mit  dem  Kanzler  nicht  abgegangen, 
und  dies  um  so  mehr,  als  der  Rector  im  Systeme  Du  Boulays 
schon  gleich  vom  Beginne  an  aus  und  yon  den  Magistern  der 
niedrigsten  Disciplin,  nämlich  denjenigen  der  artes,  wäre  ge- 
wählt worden.  Davon  abgesehen,  dass  eine  derartige  Organi- 
sation schon  Angesichts  der  Professoren  der  höheren  Disciplinen 
bei  Entstehung  der  Universität  auf  der  Insel  sich  gar  nicht  hätte 
bilden  können,  nahmen  die  Artisten  dem  Kanzler  gegenüber  die 
niedrigste  Stellung  ein.  Sie  bekannten  sich  zu  einem  Fache,  das 
man  nur  um  anderer  Wissenschaften  willen  studierte  und  stan- 
den zugleich  meist  noch  im  jugendlichen  Alter.  Dass  man  vor 
21  Jahren  nicht  Magister  in  artibus  werden  könne,  ist  erst  ein 
Statut  vom  J.  1215  und  wurde  höchst  wahrscheinlich  dadurch 
veranlasst,  dass  man  früher  in  noch  jüngerm  Alter  zu  lehren 
begann,  was  für  das  Ende  des  12.  Jhs.  bezeugt  ist^^*).  Die  Be- 
hauptung, dass  die  Artisten  Ende  des  12.  Jhs.  auf  der  Insel  das 
Regime  gehabt  hätten,  und  die  vier  Nationen  4es  premiers  et 
seules  compagnies'  gewesen  seien  ^*'),  erscheint  geradezu  absurd. 
Damit  ist  jedoch  nicht  gesagt,  als  hätten  sich  nicht  Verbin- 
dungen und  Genossenschaften  von  Scholaren  derselben  Länder 
bilden  können.  Dieselben  hatten  an  sich  weder  mit  dem  Kanzler 
noch  mit  dem  Studium  etwas  zu  thun.  Ersterer  konnte  sich  auch 
recht  wohl  die  spätere  Eintheilung  in  die  vier  Nationen  gefallen 
lassen,  denn  wir  sahen,  dass  dieselbe  vornehmlich  für  die 
Zwecke  der  Verwaltung  und  um  der  Disciplin  willen  geschah^'*). 
Diese  Bestimmung  brachte  es  auch  mit  sich,  dass  die  servientes  com- 
munes  des  Studiums  von  den  vier  Nationen  gewählt  wurden  ^'^). 


^10)  Stephan  von  Toankay  klagt  Ende  des  12.  Jhs.  dem  Papste,  und 
wie  sieh  ans  anderem  ergibt,  im  Hinblicke  auf  die  Pariser  Schalen:  F^oltates 
qnaa  liberales  appeUant  ammissa  libertate  pristina  in  tantam  servitutem  de- 
▼ocantnr,  ut  eomatoli  adolescentes  eamm  magisteria  impudenter  nsurpent  et 
in  cathedra  seniomm  sedeant  imberbes,  et  qui  nondnm  noront  esse  discipoli, 
laborant  nt  nominentor  magistri.  £p.  241  ed.  Molinet.  Cod.  Paris.  2923 
Bl.  366. 

U7)  s.  oben  S.  77  Anm.  121. 

US)  8.  S.  95.  104. 

US)  S.  das  Schreiben  Innocenss  lY.  vom  13.  Mai  1245  bei  Da  Boa- 
lay  m,  202. 

44* 


692    r7.  Die  üniversit&ten  im  yerh&ltni88e  zu  den  froheren  Schalen. 

Ueberblicken  wir  diese  allgemeinen  Verhältnisse,  so  gewinnt 
die  oben  ausgesprochene  Vermuthung,  die  Procuratoren  der  Scho- 
laren resp.  der  Artisten  könnten  früher  bestanden  haben,  als  der 
Rector  "®),  immer  mehr  an  Bedeutung.  Was  wir  damals  nicht  recht 
begriffen  hätten,  das  finden  wir  nun  leicht  erklärlich,  warum 
nämlich  die  Procuratoren  lange  vorher,  ehe  der  Rector  genannt  wird, 
erwähnt  werden ''*)•  Auch  die  Thatsache,  dass  der  Rector  an- 
fänglich nur  eine  Art  Executivorgan  ähnlich  den  Procuratoren 
war "'),  verliert  jetzt  alles  Befremdende.  Und  obgleich  der  Ein- 
fluss  des  Rectors,  seitdem  er  nun  einmal  sich  geltend  gemacht 
hatte,  nothwendig  in  dem  Masse  wachsen  musste,  als  der  des 
Kanzlers  abnahm,  so  bleibt  es  trotzdem  wahr,  dass  die  Macht 
des  Rectors  der  Universität  Paris  niemals  eine  grosse  gewesen 
ist,  wie  wir  im  vierten  Bande  erläutern  werden.  Sie  hält  keinen 
Vergleich  aus  mit  jener  der  Rectoren  mancher  anderer  Univer- 
sitäten. Es  erklärt  sich  dies  nicht  etwa  bloss  aus  der  oben 
dargelegten  Art  und  Weise,  wie  er  nach  und  nach  Haupt 
der  ganzen  Universität  geworden  ist,  so  dass  jede  Facultat  mit 
Ausnahme  jener  der  Artisten  die  grösstmögliche  Autonomie  be- 


«0)  8.  oben  8.  97. 

^1)  8.  die  oben  8.  86  aus  einem  Schreiben  Innocens  m.,  besonders 
aber  8.  105  aus  einem  solchen  Honorios  III.  (vom  J.  132S)  angefahrten 
Stellen.  Im  J.  1219  verpflichteten  sich  die  Magistri  liberaliom  artinm  und 
ihre  Schfller  'fide  interposita  ad  servandum  quod  .  .  .  a  suis  procaratoribos 
contingeret  ordinari'.  8o  in  dem  oben  8.  105  Anm.  220  citierten  päpstlichen 
Schreiben.  Dies  that  man  in  späterer  Zeit  dem  Rector  gegenüber.  Wichtig 
ist  auch  in  dieser  Beziehung  ein  Brief  Gregors  IX.  an  die  Scholaren  Ton 
Paris  Yom  8.  Aug.  1237,  in  welchem  gesagt  wird,  Johannes  Goalfredo  habe 
schon  zur  Zeit  Honorins  III  'quatuor  procuratoribns  (ipsonnn)  apud  sedem 
apostolicam  constitutis  pro  quibnsdam  negotUs  procnrandis*  Geld  geliehen. 
Joardain  n.  52.  Es  war  dies  wahrscheinlich  zur  Zeit,  als  die  Scholaren 
gegen  Bischof  und  Kanzler  bei  Honorins  III.,  sei  es  1219  oder  1228,  Ter- 
handelten.  S.  oben  8.  187  f.  Indirect  (nicht  direct,  s.  oben  S.  lOSf.)  wire 
dies  die  erste  Stelle,  in  der  auf  die  vier  Nationen  hingedeutet  wird. 
Sicher  haben  sie  damals  schon  bestanden.    8.  oben  8.  106. 

1»)  8.  oben  8.  119.  Wie  ans  einem  Beschlnsse  der  enf^hen  Nation 
Tom  J.  1251  (1252)  hervorgeht,  war  noch  damals  die  Macht  des  Bectors  und 
der  Procuratoren  in  rielem  dieselbe.  Ms.  283  des  Coli.  ooip.  Christi  zu 
Oxford  Bl.  155. 


2.  Notre  Dame,  St.  Genevieye,  und  die  Gorporationen.  '       693 

wahren  konnte,  sondern  auch,  und  vielleicht  noch  mehr,  daraus, 
dass  das  Rectorat  gerade  auf  der  Insel,  gegenüber  dem  Kanzler 
von  Notre  Dame,  sich  gebildet  hat  Der  Rector  der  Univer- 
sität Paris  war  und  blieb  immer  etwas  Ueberflüssiges. 
Auf  der  Insel,  Angesichts  des  Kanzlers  von  Notre  Dame, 
konnte  wenigstens  im  12.  Jh.  die  Universität  nur  in  jener 
Weise  entstehen,  die  uns  die  Littera  Universitatis  vom  J.  1254 
beschreibt*"),  nämlich  so,  dass  sich  eine  Genossenschaft  der  Ma- 
gistri  der  vier  Disciplinen  zu  dem  einen  Zwecke  constituierte, 
^ut  liberius  et  tranquillius  vacare  possent  studio  litterali'.  Die 
Vereinigung  durfte  nicht  eine  Emancipation  von  Notre  Dame  oder 
vom  Kanzler  beabsichtigen,  und  sie  durfte  auch  nicht  im  Gegen- 
satze zur  Entwickelung  der  Pariser  Schulen  vor  sich  gehen. 
Gerade  die  Function  des  Kanzlers  war  es,  welche  die  nächste 
Veranlassung  zur  Bildung  der  Universität  gab.  Er  ertheilte  allen, 
welchen  Wissenszweig  sie  auch  pflegten,  die  Licentia  do- 
cendi;  sie  hiengen  also  insgesammt  in  gewisser  Weise  von  ihm 
ab,  und  standen  zu  ihm  in  derselben  Beziehung.  Andererseits 
wirkten  sie,  nachdem  sie  Lehrer  geworden,  bei  Ertbeilung  der 
Licentia  docendi  mit,  indem  der  Kanzler,  wollte  er  gewissen- 
haft zu  Werke  gehen,  zur  Ermittelung  der  Tüchtigkeit  der  Kan- 
didaten auch  des  Zeugnisses  der  Professoren  bedurfte^'').  Es 
resultierten  daraus  für  die  Professoren  gemeinsame  Interessen 
betreffs  der  Studien  und  Studierenden;  gemeinsame  Interessen 
weisen   aber  von  jeher  die  Interessenten   auf  Association   hin. 

133)  8.  oben  S.  67 f. 

iM^  Huber  and  ich  berühren  uns  hier  (Huber,  Die  engl  Universit&ten 
I,  32),  wenngleich  nur  theilweise,  denn  Haber  irrt,  wenn  er  sagt,  in  Paris 
habe  der  Kanzler  bei  Entstehung  der  Universität  die  Ermittelung  der 
Tüchtigkeit  der  Kandidaten  schon  ganz  den  Lehrern  aberlassen.  Da- 
Ton  ist  keine  Bede.  S.  oben  S.  685.  Die  von  ihm  weit  ausge- 
führte Behauptung,  die  Function  des  Kanzlers  habe  immer  mehr  den 
Charakter  einer  Leistung  für  das  Unterrichtswesen  verloren  (von  Faul- 
sen  a.  a.  0.  nur  nachgeschrieben),  beruht,  soweit  sie  die  Anfiünge  der  Uni- 
versität Paris  im  Auge  hat,  auf  Phantasie  und  nicht  auf  Thatsachen.  In 
Paris  stand  der  Kanzler  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.  nicht  ausser- 
halb der  Schule.  Ich  finde,  dass  seit  Ende  des  12.  Jhs.  noch  ein  jeder 
Kanzler  zugleich  Professor  wie  ein  anderer  war.  Es  geht  nicht  an,  die  Ge- 
schichte a  priori  zu  oonstruieren. 


694    I^*  IMe  üniTenititen  im  Verii&ltiiisse  xa  den  froheren  Sohnlen. 

Man  begreift  nun,  wie  die  Universität  auf  der  Insel  ent- 
stehen konnte,  ohne  dass  der  Kanzler  auch  nur  im  geringsten 
die  Einbusse  seiner  Macht  und  seines  Einflusses  auf  die  Schule 
zu  besorgen  brauchte.  Sein  VerhUtniss  zu  Schülern  und  Pro- 
fessoren wurde  durch  die  Bildung  der  Universit&t  anfänglich  in 
nichts  verändert.  Dies  geschah  erst  im  weiteren  Verlaufe,  als 
die  Hochschule  nach  und  nach  der  Bevormundung  durch  den 
Kanzler  sich  zu  entwinden  suchte. 

In  St.  Genevi^ve,  wo  die  Universität  keinem  Kanzler  gegen- 
über gestanden  wäre,  hätte  sie  sich  allerdings  nach  der  von  Du 
Boulay  ausgedachten  Weise  bilden  können.  Unfassbar  wäre  bei 
einer  solchen  Voraussetzung  nur,  wie  dann  möglich  wurde,  dass 
sie  mit  den  unter  dem  Kanzler  von  Notre  Dame  stehenden  Schulen 
in  Verbindung  trat.  Allein  es  ist  überflüssig  darüber  ein  Wort 
zu  verlieren,  denn  wie  sich  im  ersten  Paragraph  gezeigt  hat,  ist 
nicht  St  Oeneviöve  sondern  die  Insel  die  Wiege  der  Universität. 
Weil  dem  also  ist,  so  verliert  Du  Boulays  System,  dem  man  seit 
zwei  Jahrhunderten  gehuldigt  hat,  jeden  Halt,  während  meine  im 
zweiten  Hauptabschnitte  gegebene  Darstellung  der  Entwickelung 
der  Universität  hier  eine  neue  sichere  Grundlage  erhalten  hat. 


S.  Die  bestehenden  Schalen  n.  die  ftusseritalien.  ünirenitaten.    695 

3.  Die  Dom-,  Stifts-  und  BlostersohiQen,  tmd  die  auaser- 

italienisohen  Universitäten. 

Die  Behauptung,  die  Pariser  Universität  sei  aus  einer  Ver- 
einigung der  Schulen  von  St.  Geneviöve,  Notre  Dame  und  St. 
Victor  hervorgegangen,  hat  sich  als  irrig  erwiesen.  Doch  ist 
die  Domschule,  d.  i.  jene  von  Notre  Dame,  im  gewissen  Sinne 
als  die  Wiege  der  Universität  anzusehen.  Wie  verhält  es  sich 
nun  mit  den  ausseritalienischen  Hochschulen?  Giengen  sie  eben- 
falls aus  Dom-  oder  wenigstens  Stiftsschulen  hervor?  Kommen 
bei  ihrer  Entstehung  auch  die  Klosterschulen  in  Betracht? 

Vor  allem  möge  man  nicht  übersehen,  dass  es  schwer  hält, 
die  Existenz  von  Schulen  an  den  verschiedenen  Domen  und 
Stiften  nachzuweisen.  Man  würde  sich  täuschen,  wollte  man 
glauben,  die  Goncilsbestimmungen  seien  überall  zur  Ausführung  ge- 
kommen. Wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  sagt  der  hl.  Thomas 
ausdrücklich,  dass  dies  nicht  an  allen  Orten  der  Fall  war.  Traten 
sie  aber  auch  häufig  ins  Leben,  so  fliessen  doch  die  Notizen 
darüber  sehr  spärlich.  Dies  hat  seine  guten  Gründe.  Der 
docierende  Magister  ward  kraft  des  Statutes  des  Lateran-Concils 
mit  einer  Praebende  versorgt.  Der  sie  besass,  hatte  die  Ver- 
pflichtung vorzutragen  oder  wenigstens  einen  andern  an  seiner 
Statt  zu  bestellen.  So  gieng  es  Jahr  ein  Jahr  aus  fort,  und  es 
war  nicht  nothwendig,  darüber  etwas  aufzuzeichnen.  Ganz  anders 
an  den  italienischen  Stadtschulen,  für  welche  die  Lehrer  von 
Zeit  zu  Zeit  berufen  werden  mussten.  Mit  diesen  schloss  man 
über  die  Grösse  der  Besoldung  jedesmal  einen  Gontrakt  ab,  und 
da  das  Honorar  aus  den  Mitteln  der  Commune  bezahlt  wurde, 
fand  die  Summe  auch  in  den  Rechnungsbüchem  ihren  Platz. 

Wenn  nicht  irgend  ein  Ereigniss  oder  ein  besonderer  Umstand 
die  Veranlassung  bot  über  eine  da  oder  dort  existierende  Dom- 
oder Stiftsschale  oder  die  an  ihr  docierenden  Lehrer  etwas  nieder- 
zuschreiben, bleiben  wir  in  der  Regel  über  die  Existenz  und 
Beschaffenheit  solcher  Schulen  im  Unsichem.  Aus  dem  Mangel 
der  Notizen  über  sie  darf  man  mithin  durchaus  nicht  auf  das 
Fehlen  derselben  schliessen. 

Weit  besser  sind  wir  über  die  Klosterschulen  unterrichtet. 
Dies  gilt  besonders  von  jenen,  welche  in  die  Periode,   die  uns 


g96    I^'  ^^®  üniTenititen  Im  Verli&ltnisae  ra  den  frOlier«ii  Schnleo. 

gerade  beschäftigt,  fallen.  Von  grosser  Wichtigkeit  sind  hier 
die  Ordensstatuten.  Doch  wissen  wir  auch  von  den  Dom-  und 
Stiftsschulen  immerhin  so  viel,  um  auf  die  oben  gestellten  Fragen 
mit  ziemlicher  Gewissheit  antworten  zu  können. 

Vorderhand  wollen  wir  ermitteln,  welches  der  bei  allen 
Hochschulen  sich  stets  gleich  bleibende  Factor  war,  den  wir 
überall  antreffen  und  ohne  den  man  sich  im  Mittelalter  kaum 
eine  höhere  Lehranstalt  denken  konnte. 

Ein  gegenseitiger  Vergleich  der  mittelalterlichen  (ausser- 
italienischen)  Hochschulen  lässt  uns  die  Rechtswissenschaft 
als  jenes  Fach  erkennen,  welches  an  allen  gepflegt  wurde. 
Einige  derselben,  wie  Orleans  und  Angers,  waren  eigentlich 
nur  Rechtsschulen.  An  den  meisten  wurde  das  Rechtsstudium 
als  ein  wichtiges  Glied  im  Organismus,  dem  man  häufig  die 
erste  und  hauptsächlichste  Sorgfalt  zuwandte,  betrachtet.  Nur 
an  den  beiden  englischen  Universitäten  stand  wie  in  Paris  die 
Theologie  im  Vordergrunde,  und  an  den  deutschen  bildeten  in 
der  ersten  Zeit  die  artes  liberales  die  Hauptstärke.  Doch  vrurde 
auch  an  ihnen  Jus  canonicum,  sowie  (mit  Ausnahme  von  Prag 
und  Wien)  das  Givilrecht  eifrig  gelehrt  und  studiert.  Von 
allen  Hochschulen  bleibt  nur  jene  von  Sevilla  ausgeschlossen,  weil 
sie  bloss  fdr  lateinische  und  arabische  Sprache   gegründet  war. 

Unserer  Beobachtung  drängt  sich  jedoch  noch  ein  anderer 
Umstand  auf.  An  vielen  Hochschulen  behauptete  das  Römische 
Recht  geradezu  den  ersten  Platz;  so  in  Orleans,  Angers,  Avignon, 
Gabors  und  Orange,  theilweise  auch  in  Toulouse,  so  zumeist  an 
den  spanischen  Universitäten.  Die  Päpste  selbst  untersagten 
das  Studium  desselben  ferner  in  keinem  einzigen  ihrer  Stiftbriefe; 
sie  erlaubten   es  mit   dem   des  canonischen  Rechts  immer  "^), 

^  Warom  es  Ar  Heidelbexig  uod  Köln  nicht  genannt  wurde,  liaben 
wir  oben  gesehen.  Die  Behaaptung,  die  Kirche  habe  sich  seit  dem  13.  Jh. 
der  Atubreitong  des  römischen  Rechts  entgegengestellt,  widerstreitet  den  That- 
sachen.  Höchstens  kann  man  sagen,  dass  einzelne  P&pste  dem  römischen 
Rechte  weniger  geneigt  waren  als  andere.  Von  den  28  P&psten  des  13.  and 
14.  Jhs.  (Ton  den  firflheren  darf  hier  keine  Rede  sein)  kann  ich  aber  nur 
xwei  anftohren,  n&mlich  Honorios  III.  and  Innocena  IT.  Und  selbst  bei 
diesen  beiden  steht  es  mit  der  Abneigung  nicht  so  arg.  Honorios  IIL  «mr 
ein  Haaptförderer  Ton  Bolognas  Rechtsschale,  and  Innocens  lY,  liev  an 


8.  Die  bestehenden  Sclialen  a.  die  ausseritalien.  Uniyersit&ten.    697 

ja  man  hört  von  ihrer  Seite  nie  einen  Laut  der  Klage,  wenn 
an  Universitäten  das  Civilrecht  den  Vorrang  vor  dem  canonischen 
hatte ^'*),   während,   wie   sich  weiter  unten  ergeben  wird,   der 


seiner  Curie  das  römische  Recht  neben  dem  canonischen  lehren.  Uebrigens 
wnrde  das  Verbot  Honorius  III.  schon  von  seinem  Nachfolger  Gregor  IX. 
insoferne  modificiert,  als  er  aussprach,  'quod  illi,  qui  habent  simplices  cnras 
animarum  (i.  e.  ecclesias  parochiales  nisi  sit  plebania)  non  tenentur  illa  con- 
stitutione' (Cod.  I  B.  4  des  Böhmischen  Museums.  S.  Schulte  in  den  Sitz. 
Ber.  d.  kais.  Acad.  d.  Wiss.  phil.  bist.  Cl.  LV,  743).  Ihm  folgten  Clemens  IV. 
und  Bonifaz  VIII.  (in  6.  c.  1  De  clerici  3,  24).  Wie  oft  von  den  P&psten 
vom  Verbote  zu  Qunsten  der  Priester  an  Universitäten  dispensiert  wurde, 
ist  uns  im  Verlaufe  des  Werkes  aufgefallen.  Alezander  lY.  that  dies  in 
Bezug  auf  Salamanca  (s.  oben  S.  485),  von  Honorius  IV.  an  geschah  dasselbe 
widerholt  an  der  p&pstl.  Curie  (s.  oben  S.  305  f.).  Auch  far  Paris  traten 
manchmal  Ausnahmsf&lle  ein.  So  erlaubte  z.  B.  Clemens  Y.  dem  Decan  an 
der  Kirche  zu  Paris,  Roger  de  Arminiaco,  in  hospitio  suo'  bei  einem  oder 
mehreren  Doctoren  ^leges  audire  vel  ipse  etiam  duobus  clericis  suis  docere'. 
Reg.  Vat.  an.  2  ep.  226.  Ist  hier  nicht  eigentlich  von  der  Universität  selbst 
die  Rede,  so  doch  in  einem  Documente  aus  der  2.  Hälfte  des  13.  Jhs., 
nämlich  in  einer  der  Quaestiones  disputate  Andegavis  (Cod.  Paris.  11724 
Bl.  102  a),  in  der  es  heisst:  De  consuetudine  est  Parisius,  quod  omnes  ibi 
leges  legentes  ezcommunicantur,  nisi  dispensatus  fuerit  cum  aliquo. 
Modo  quidam  impetravit  ut  posset  Parisius  legere  leges.  Cum  necesse  ha- 
beret  negoeiari  extra  villam,  voluit  substituere  et  sustituit.  Sustitutus  ibi 
legens,  quero,  utrum  sit  ezcommunicatus?  Nach  Anfährung  von  pro  und 
contra  wird  die  Lösung  des  Guillelmus  de  Ruis  angefahrt,  *quod  non  sit  ez- 
communicatus'. In  einem  Universitätsstatute  vom  J.  1251,  also  32  Jahre 
nach  dem  Verbote  Honorius  III.,  wird  sogar  für  bachellarii  leges  legentes 
und  auditores  legum  vorgesehen.  Du  Boulay  III,  240.  Nur  muss  der  von 
ihm  gebotene  Tezt  nach  Cod.  Vat  Reg.  406  Bl.  48  b  corrigiert  werden. 
S.  oben  S.  115  Anm.  251.  ^  Sehr  gewöhnlich  wurden  die  Dispensen  an- 
fänglich für  Einzelne,  bald  für  ganze  Universitäten  im  14.  Jh.  In  Betreff 
Bolognas  s.  oben  S.  209  f.  S.  tlberdies  die  Einleitung. 

1^)  Die  Darstellung  von  der  Entwickelung  des  canonischen  Rechts 
neben  dem  Civilrechte  bei  Stein  S.  251  ff.,  welche  nur  auf  Phantasie  be- 
ruht, ist  deshalb  irrig.  Kein  Wunder,  dass  er  S.  253  zum  Resultate  kommt,  die 
katholische  Kirche  habe  das  römische  Recht  zwar  nicht  beseitigen  können, 
'aber  es  (was?)  konnte  dasselbe  für  die  ganze  Zeit  auf  die  zweite  Stelle  der 
enropftisehen  Rechtsbildung  herabdrücken;  es  (was?  wohl  das  canonische 
Recht?)  gewann  entschieden  den  'ersten  Rang'.  Stein  entschuldigt  sich: 
'die  Schwierigkeit  zu  einem  endgültigen  Resultat  im  einzelnen  zu  gelangen 
ist  dadurch  so  gross,   weil  jede  Universität  wider  ihre  Qeschichte  hat'! 


698    I^*  ^^^  Umyeraitäien  im  Verhältnisse  za  den  früheren  Schulen. 

Unterricht  in   der  Theologie   an   den  Hochschalen  sehr  häufig 
ausgenommen  wurde. 

Haben  nun  vielleicht  die  ausseritalienischen  Hochschulen 
die  Rechtswissenschaft  aus  den  vorhandenen  Dom-  und  Stifts- 
schulen herübergenommen?  Nichts  weniger  als  dies.  An  den 
wenigsten  Domschulen,  die  hier  in  Betracht  kommen  können, 
wurde  canonisches  Recht  gelehrt,  um  zuerst  von  diesem  zu 
sprechen  Es  bietet  Schwierigkeiten  für  das  13.  Jh.  die  Cathe- 
^  dralen  ausfindig  zu  machen,  an  denen  dasselbe  bestimmt  docicrt 
worden  wäre.  Im  14.  Jh.  kam  dies  häufiger  vor.  Indessen  Iftsst 
es  sich  kaum  für  eine  Gathedrale  eines  Ortes,  an  dem  später 
ein  Generalstudium  gegründet  wurde,  mit  Sicherheit  nachweisen  ^''). 
Der  Grund  ist  dieser,  dass  die  bekannte  Vorschrift  des  Laterancon- 
cils  nur  rücksichtlich  des  Unterrichts  in  der  Theologie,  und  zwar 
nicht  fQr  alle  Cathedralen,  sondern  für  die  Metropolitankirchen, 
erlassen  wurde.  Kam  nun  gleichwohl  das  Studium  des  can. 
Rechts  an  einigen  Cathedralen  nach  und  nach^")  in  Aufiaahme, 
so  sind  uns  doch  nur  von  denjenigen  Notizen  erhalten,  die  eich 
an  Orten,  wo  keine  Universität  errichtet  wurde,  befanden "•). 
Zudem  besass  keine  Domschule  als  solche  das  Recht  in  der 
Theologie  oder  in  den  Artes,  geschweige  denn  im  Jus  zu  gra- 
duieren. Die  Lehrer,  die  an  solchen  Lehranstalten  lasen,  hatten, 
waren  sie  Doctoren,  den  Grad  an  irgend  einem  Generalstudimn 
erhalten.    Die  Domschulen  wurden  mithin  in  Hinsicht  auf  das 


1*7)  Schulte  sagt  iwar  ü,  464  Anm.  28,  in  Prag  wftre  an  der  Dom- 
schule  Tor  ld48  canoniflches  Recht  gelehrt  worden.  AUein  dies  ist  eine  Ver^ 
wechslang  mit  der  Zeit,  in  der  das  Oeneralstadiam  errichtet  wurde.  Dammla 
stellte  allerdings  Enbisehof  Amest  einen  ICagister  fQr  canonisches  Beeht 
anch  an  der  Gathedrale  an.  S.  oben  S.  589.  Zudem  darf  nicht  vorgeaMn 
werden,  dass  die  Kirche  in  Prag  erst  1344  anr  Metropolitaakirche  erhoben 
wurde.    8.  oben  8.  586. 

1*9)  Bei  weitem  nicht  so  aUgemein,  wie  Schulte  8.  464  annimmt  Im 
Grossen  und  Oanien  scheinen  die  canonischen  Gesetse  in  der  Zeit  vor  der 
Universitatsperiode  an  den  üomschulen  eifriger  studiert  worden  lu  aem. 
8.  Giesebrecht  im  Mflnchener  bist  Jahrb.  (1866)  8.  100. 

^)  In  Wells  s.  B.  wurde  am  4.  December  1885  bestimmt,  daaa  an  der 
Gathedrale  der  lector  in  scolis  ad  hoc  ordinatis  diebus  legtbilibua  in  tlieo- 
logia  Tel  in  decretis'  lesen  sott.  Beg.  Glem.  VI.  an.  7  1.  3.  K.  857  b.  YgL 
auch  oben  8.  413i 


8.  Die  beBtehenden  Schulen  n.  die  aasseritalien.  Universitäten.    699 

Jus  can.  vielmehr  von  den  Universitäten,  als  diese  von  jenen 
beeinflusst. 

Die  Frage  nach  dem  Civilrechte  f&llt  ganz  weg,  denn  dieses 
wurde  wenigstens  seit  Honorius  m.  und  wohl  auch  früher, 
niemals  an  einer  Domschule  gelehrt  (obwohl  nicht  selten  die 
Canoniker  auch  legum  doctores  waren).  Nur  in  Lyon  mag 
möglicherweise  eine  Ausnahme  geherrscht  haben"®). 

Von  den  Stiftsschulen  kommen  in  diesem  Abschnitte,  wie 
wir  weiter  unten  sehen  werden,  nur  jene  von  Köln  und  Erfurt 
in  Betracht.  Nun  beschäftigte  man  sich,  wie  aus  der  obigen 
Darstellung  ihrer  Geschichte  hervorgeht,  in  Erfurt  bloss  mit  den 
artes  oder  der  Philosophie;  von  den  21  Magistern  jedoch,  welche 
in  Köln  das  Studium  begründeten,  befand  sich  nur  ein  baccala- 
reus  in  legibus  (Bemardus  Octyn);  zudem  scheint  dieser  vorher 
nicht  an  irgend  welchem  Stifte  Kölns  Lehrer  gewesen  zu  sein. 
Dasselbe  gilt  von  Mag.  Tidericus  de  Nyenborg,  Scolaris  in 
legibus. 

Schlössen  sich  aber  die  Universitäten  in  Hinsicht  auf  die 
Pflege  der  Rechtswissenschaft  den  Klosterschulen  an?  Gewiss 
nicht  betreffs  des  Cävilrechts,  welches  zu  studieren  den  Religiösen 
seit  den  ersten  Decennien  des  12.  Jhs.  verboten  war.  Es  ver- 
schlägt nichts,  dass  sich  einzelne  nicht  an  das  Verbot  gehalten 
haben.  Wie  stand  es  aber  mit  dem  Studium  des  canon.  Rechts? 
Da  fällt  uns  vor  allem  die  Thatsache  auf,  dass  die  wenigsten 
Ordensmitglieder  in  jure  graduiert  waren.  Was  die  Cistercienser 
anbelangt,  so  wurde  ihnen  nur  ausnahmsweise  Gratians  Gollection 
der  Decrete  zu  lesen  erlaubt.    Dieser  im  J.  1188  gefasste  Gapitels- 


^^)  Wie  ich  bereits  oben  8.  223  Anm.  10  bemerkte,  schwebte  im 
J.  1290  zwischen  dem  Erzbischof  von  Lyon  and  dem  Capitel  ein  Streit,  wer 
den  Canonisten  und  Giyilisten  die  Licenz  ertheilen  könne.  Der  sechste  Ar- 
tikel des  am  25.  Juni  genannten  Jahres  zwischen  beiden  Theilen  abge* 
schlossenen  Concordates  lautet  nnn:  archiepiscopos  possit  dare  licentiam  oni 
doctori  in  legibus,  alii  in  decretalibos ,  ac  capitulum  ani  in  legibus  ac  alii 
in  decretalibtts  (Serertias,  Chronologia  hist.  arehiantistitum  Lugdunen.  2.  ed. 
Lngdnni  1628,  I,  308).  Es  wird  allerdings  nicht  gesagt,  wo  die  Doctorierten 
vortrugen.  Die  Möglichkeit  ist  jedoch  nicht  ausgeschlossen,  dass  dies  an  der 
Cathedrale  geschehen  ist. 


700    ^*  I^i®  Uniyersit&ten  im  Yerhftltiiisse  su  den  frflheren  Schulen. 

beschlass  wurde  1240  und  1289  im  wesentlichen  erneuert  ^'^). 
Wir  finden  es  deshalb  begreiflich,  dass  im  J.  1289  selbst  f&r 
jene  Orte,  an  denen  Ordenslehranstalten  der  Cistercienser  be- 
standen, sowohl  das  Studium  als  der  Unterricht  in  den  Rechten 
untersagt  wurde'*').  Im  J.  1350  erfolgte  geradezu  die  Androhung 
der  Excommunication'"),  nachdem  bereits  Benedict  Xn.  in  seinen 
im  J.  1335  für  den  Orden  erlassenen  Constitutionen  verboten  hatte, 
dass  in  den  Studienhäusem  desselben  oder  auswärts  von  den  Ordens- 
mitgliedern die  jura  canonica  gelehrt  oder  studiert  würden"^). 
Da  nicht  wenige  jener  Schriftsteller,  welche  seit  der  Mitte 
des  13.  Jhs.  über  die  Beichtpraxis  geschrieben  haben,  den  beiden 
Mendicantenorden  der  Dominicaner  und  Franciscaner  angehören, 
könnte  man  auf  den  Gedanken  konmien,  dass  bei  ihnen  das 
juristische  Studium  stark  gepflegt  wurde,  mithin  die  Möglichkeit 
nicht  ausgeschlossen  sei,  dass  sich  die  Universitäten  hie  und  da 
hinsichtlich  der  canonistischen  Wissenschaft  an  die  Schulen  der 
beiden  genannten  Orden  angeschlossen  hätten.  Allein  die  Sache 
verhält  sich  anders,  als  man  sie  sich  in  der  Regel  vorstellt 
Im  Dominicanerorden  waren  in  jener  Zeit,  die  uns  beschäftigt, 
nur  diejenigen  in  jure  graduiert,  die  es  bereits  vor  ihrer  Auf- 


1'^)  Auf  dem  im  J.  1188  abgehaltenen  Generalcapitel  wurde  bestimmt: 
Liber,  qai  dicitar  canonom  sive  Decreta  Gratiani,  apad  eos  qui  habaeiint 
secretius  custodiantar,  at  cum  opus  fnerit  proferantur.  In  communi  armario 
non  resideant  propter  yarios  qui  inde  provenire  possunt  errores.  Bei  Mar- 
tine, Thes.  noY.  anecd.  IV,  1263  n.  5.  S.  die  weiteren  Belege  bei  PariSy 
Nomasticon  cisterciense  (Paris.  1664)  p.  277.  499. 

1«)  Paris  1.  c  p.  549. 

^^)  Paris  1.  c.  p.  648.  Es  ist  hier  von  den  'jura  canonica'  die  Bede. 
Vgl  auch  F^libien,  Histoire  de  Paris,  Prenves  I,  167.  Yereinselt  finden  wir 
allerdings  eine  andere  Praxis,  denn  wir  sehen,  dass  damals  der  Orden  mehrere 
Schriftsteller  über  canonisches  Beoht  zu  den  Seinen  c&hlte.  Auch  haben 
einzelne  wirklich  auswärts  canonisches  Becht  gehört,  z.  B.  der  Abt  Aimerich. 
Beg.  Vat.  Clem.  V.  an.  4  ep.  75.  Es  bleibt  aber  immer  eine  ▼erleumdung, 
wenn  Matth.  Paris  (Bist.  maj.  ed.  Lnard  Y,  79)  behauptet,  die  Cistercienser 
h&tten  in  Paris  ausser  in  theologia  auch  4n  decretis  et  legibtts*  studiert. 
Diesem  Geschichtsehreiber  waren  die  Cistercienser  nicht  weniger  als  die 
Bettelorden  ein  Dom  im  Auge. 

134)  Heg.  Yat.  Comm.  an.  1  p.  1  ep.  725.  Paris  p.  611.  BnlL  Bom.  ed. 
Taur.  lY,  343. 


8.  Die  bestehenden  Schalen  u.  die  ausseritalien.  Universitäten.    701 

nähme  in  den  Orden  geworden  waren.  Das  juristische  Studium  wurde 
im  Orden  nur  ausnahmsweise,  und  da  eben  bloss  als  Gasuistik 
getrieben"*).  Wie  später  bei  den  Franciscanern  so  war  schon 
früher  bei  den  Dominicanern  das  Hauptaugenmerk  auf  die  Theo- 
logie gerichtet,  und  die  Mitglieder  beider  Orden  promovierten 
ausschliesslich  in  diesem  Fache.  Die  Constitutionen  der  Fran- 
ciscaner  aus  dem  Ende  des  13.  Jhs.  verboten,  dass  die  ^jura  et 
philosophica  in  scolis  theologie  ab  eodem  lectore'  dociert  würden; 
dies  sollte  ^alibi  et  alias  ubi  fuerit  opportunum'  geschehen, 
und  da  müssten  die  saeculares  ausgeschlossen  bleiben '^^).  Also 
gerade  von  diesen  beiden  Orden,  die,  was  die  Wissenschaft 
betrifft,  im  13.  und  14.  Jh.  den  grössten  Einfluss  auf  die  Zeit 

19&)  In  den  Provincialcapiteln  der  frflhem  Zeit  der  spanischen  und  der 
Tolosaner-ProTinz  kommt  darüber  nicht  einmal  eine  Bestimmung  vor.  Auf 
dem  Generalcapitel  vom  J.  1259  wird  nur  verordnet,  dass  in  jenen  Gonventen, 
in  denen  kein  eigentliches  Studium  bestehe,  'prondeatur  de  aliquibus,  qui 
legant  privatas  lectiones,  vel  ystorias,  vel  summam  de  casibus,  vel  aliud 
hninsmodi,  ne  fratres  sint  otiosi.'  Unter  Summa  de  casibus  verstand  man 
damals  in  der  Regel  Raymunds  Summe.  Das  Gapitel  der  römischen  Pro- 
▼ine  zu  Lncca  statuiert  im  J.  1267,  dass  die  Brüder  studieren  sollten  4n 
biblia,  in  sententiis,  in  historiis  et  sanctornm  scriptis,  et  summa  de  casibus 
mazime  juvenes  et  sacerdotes  (Hs.  im  Generalarchiv,  BL  140a.  Aehnlich 
sagt  Humbert  im  Liber  de  officiis,  cap.  12  de  magistro  studentium  Hs.  1157 
D.  9  Bl.  32  auf  der  Bibl.  nazion.  zu  Florenz).  Was  speciell  die  Decretalen 
betrüFt,  so  wurde  wenigstens  der  Liber  sextus  den  einzelnen  Gonventen  der 
romischen  Provinz  auf  dem  Gapitel  zu  Pistoja  im  J.  1299  empfohlen,  und 
besonders  jene  Stücke  *qne  ad  religiosos  pertinent  mendicantes',  weil  sie 
vieles  *que  religiosos  vires  astringunt'  enthielten.  God.  im  Generalarchiv 
des  Ordens  Bl.  163  a. 

^^)  Gonstitntiones  antiquae  im  God.  Yat.  Ottob.  15  Bl.  48  a.  Die  Gon- 
stitutionen  von  Narbonne  aus  dem  J.  1260  (God.  Yat.  7339;  Bibl.  gubernat. 
zu  Gremona,  n.  15.  3.  22)  bestimmen  noch  nichts  darüber.  Kein  Wunder, 
dass  auch  Benedict  XII.  in  seiner  grossen  für  den  ganzen  Orden  im  J.  1336 
erlassenen  Constitution  mit  keiner  Silbe  das  Studium  des  canonischen  Rechts 
im  Abschnitte  über  die  Studien  erwähnt.  Reg.  Yat.  Gomm.  an.  2  p.  1 
ep.  19  Bl.  13.  De  Gubematis,  Orbis  seraphicus  III,  32.  Bull.  Rom.  ed. 
Taurin.  lY,  397.  Dies  hat  um  so  mehr  Bedeutung,  ab  das  Jahr  vorher 
'jdiqui  ministri  provinciales  et  aliqui  magistri  in  theologia'  des  Ordens  zur 
Gurie  gerufen  wurden  'pro  reformatione  regnle  dicti  ordinis'  (denen  die  Reise- 
kosten von  der  Gurie  vergütet  wurden,  s.  Bened.  Xn.  Intr.  et  ezit  n.  146 
Bl.  128a;  n.  150  Bl.  162b),  die  also  gewiss  ihr  Yotum  abgegeben  haben. 


702    ly«  I)i6  üniYersitftten  im  Yerhaltnisse  lu  den  frflheren  Bchnlen. 

aasgeübt  haben,  wurde  das  canonische  Recht,  um  natürlich  vom 
Giyürecht  ganz  zu  schweigen,  nur  nebenbei,  und  da  lediglich  ein 
gewisser  Zweig   desselben,   nämlich   die  Beichtpraxis,   gepflegt 

Die  Garmeliten  kommen  in  Bezug  auf  die  Rechtswissenschaft 
für  diese  Epoche  gar  nicht  in  Betracht.  Bloss  die  Benedictiner 
und  Yorzüglich  die  Augustiner*Chorherren  nahmen  auch  die  Grade 
in  jure  canonico  oder  docierten  dasselbe  hie  und  da  an  Hoch- 
schulen, besonders  seit  Benedict  XIL  Gesetze  hierüber  erlassen 
hatte  ^'^).  Allein  in  den  seltensten  Fällen  wurde,  wie  z.  B.  in 
Treviso,  bei  Gründung  eines  Generalstudiums  der  eine  oder 
andere  Ordenscanonist  herbeigezogen^"). 

Uebrigens  wird  sich  unten  bei  Erwähnung  der  artes  liberales 
zeigen,  dass  die  Universitäten  aus  den  Klosterschulen  gar  nicht 
hervorgehen  konnten. 

Es  ist  nun  klar,  dass  die  Hochschulen  des  Mittelalters 
gerade  hinsichtlich  des  überall  auftretenden  Factors,  der  Rechts- 
wissenschaft, nicht  bloss  nicht  aus  den  vorhandenen  Dom-,  Stift»- 
oder  Elosterschulen  hervorgewachsen  sind,  sondern  dass  sie  sich 
nicht  einmal  an  sie  angeschlossen  haben. 

187)  Nftmlich  in  den  fOr  beide  Orden  (fülr  jenen  der  Benedictiner  im 
J.  1886,  für  den  der  Chorherren  im  J.  1389)  TorgeBchriebenen  Gonstitationen. 
S.  jene  der  Benedictiner  Beg.  Yat.  Bened.  XII.  Comm.  an.  2  p.  3  ep.  1. 
Bl.  8  b.  BuU.  Rom.  ed.  Taur.  lY,  858.  Jene  der  Chorherren  Reg.  Yat 
Bened.  XII.  Comm.  an.  5  ep.  18  Bl.  82.  BaU.  Rom.  ed.  Tanr.  lY,  484.  Eine 
Erkl&mng  Aber  die  snletzt  genannten  Statuten  sandte  der  Papst  iam  21.  Mal 
1889  an  drei  'decretomm  doctores'  (Raymnndns  Fomerii  de  BeUovicino, 
QolU.  Bastardi  de  Celsis,  Robert  de  Mandagoto  prepositns  eccl.  üticen.)  der 
Regnlarcanoniker.  Ibid.  ep.  466  Bl.  288.  Dass  die  Ordennnitglieder  aaeh 
an  den  Hochschnlen  Jns.  can.  tradiert  haben,  ergibt  sieh  anter  anderm 
ans  den  UniTersit&tsrotnli.  Beispiele  findet  man  oben  S.  806  Anm.  845; 
888  Anm.  491a;  856  Anm.  564. 

138)  Durch  meine  Darstellnng  werden  die  allgemeinen  theliweiae  irrigen 
Behauptungen  Schultes  II,  464  berichtigt.  Dieser  Autor  gieng  Ton  falschen 
Yoraussetzungen  aus,  nahm  auf  die  Ordensstatnten  keine  Rttcksicht  und 
mengte  die  Terschiedenen  Epochen  durch  einander.  Ich  finde  es  gani  be- 
greiflich, dass  er  die  von  ihm  S.  466  angeführte  Thatsache,  dass  kein  Or* 
densmann  (mit  wenigen  Ausnahmen)  als  wirklich  henrorragender  Caaonist  m 
beseichnen  sei,  nicht  erklären  konnte.  Er  verlor  eben  die  Zwecke  aiu  den 
Augen,  welche  sich  die  einielnen  Ordaisgenossenaehaften  bei  ihren  Stadien 
Torsetiten. 


8l  Die  bestehenden  Schulen  n.  die  ausseritalien.  Universitäten.    703 

Wie  steht  es  nun  aber  mit  den  übrigen  Lehrfächern,  mit 
der  Theologie,  der  Medicin  und  den  artes  liberales?  Gelangen 
wir  in  Rücksicht  auf  sie  zu  einem  anderen  Resultate? 

Was  zunächst  die  Medicin  anbelangt,  so  wird  doch  jeder 
zugeben,  dass  die  Universitäten  dieses  Lehrfach  keineswegs  den 
Dom-,  Stifts-  oder  Klosterschulen  entlehnt  haben.  Erscheinen 
auch  manchmal  Ganoniker  als  Graduierte  in  der  Medicin,  wie 
z.  B.  in  Köln,  so  wird  man  auf  einen  Nachweis,  dass  auch  an 
den  Stiftsschulen  Medicin  vorgetragen  wurde,  um  so  eher  ver- 
zichten, als  dieses  Fach  an  den  ausseritalienischen  Universitäten 
bei  deren  Beginn  zumeist  schwach  vertreten  war,  und  Hono- 
rius  m.  den  Priestern  nicht  weniger  das  Studium  der  Medicin 
als  das  des  Givilrechts  verboten  hatte,  was  für  die  Religiösen 
schon  seit  einem  Jahrhundert  der  Fall  war. 

Wir  haben  also  nur  noch  die  Beziehungen  der  Universitäten 
zur  Theologie  und  zu  den  artes  liberales  an  den  vorhandenen 
Schulen  zu  untersuchen. 

Man  hat  die  Theologie  als  den  Schlusstein,  ja  als  den  Kern 
mittelalterlicher  Universitätsstudien  bezeichnete^'),  ohne  welche 
eine  Universität  in  jener  Zeit  eine  unvollkommene  Einrichtung 
war,  der  kein  Gedeihen  versprochen  werden  konnte ^^^).  Allein 
dem  ist  nicht  also.  Von  den  46  Hochschulen,  die  bis  1400  in 
Aufnahme  gekommen  sind,  war  bei  der  Gründung  von  ungefähr 
28,  d.  i.  nahezu  bei  zwei  Drittheilen,  der  Unterricht  in  der 
Theologie  ausgeschlossenere).    In  solcher  Ausdehnung  kannte  man 


^  Aschbacb,  Qesch.  der  Wiener  Universii&t  S.  9.  Ennen,  Gesch.  der 
Stadt  Eöhi  III,  887.  Nach  Hartwig  war  eine  Universität  ohne  theologische 
Facnltät  *kein  ToUständiges  stodium  generale'.  Leben  und  Schriften  Hein- 
richs ▼.  Laagenstein  S.  64.    Vgl.  dasu  oben  S.  25. 

IM)  Garo,  Geschichte  Polens  II,  385  Anm.  2.  AUe  übertrifft  t.  Stein 
8.  214  ff.  Aus  seiner  DarsteUung  folgt  mit  Nothwendigkeit,  dass  die  Theo- 
logie von  den  ^Kathedralschnlen'  aof  die  Universit&ten  abertragen  wurde.  So 
geht  es,  wenn  man  die  Geschichte  a  priori  constmiert.  Uebrigens  rechnet  der 
Autor  S.  215  das  c.  5  De  magistris  X.  5,  5  noch  zn  den  Bestimmungen 
des  lY.  Lateran- Goncüs,  w&hrend  es  doch  der  BnUe  Super  ipecula  Hono- 
rios  m.  entnommen  ist. 

^^)  Die  Beweise  hiefttr  liegen  in  den  Untersuchungen  des  vorigen 
Hauptabschnittes.  Vgl.  noch  oben  S.  27.  Die  Universittt  P^ipignan  ist  ebenfalls 


704    IV.  Die  Univerait&ten  im  Yerh&ltmsse  in  den  frttherea  Sduden. 

bisher  diese  Thatsache  nicht,  und  sie  erregt  mit  Becht  unser 
Erstaunen.  Man  hat  sie,  so  weit  man  sie  beachtet  hat,  häufig 
durch  den  Umstand  erklären  wollen,  dass  eben  überall  Kloster- 
schulen,  besonders  solche  der  Dominicaner  und  Frandscaner, 
existierten,  an  denen  die  Theologie  gelehrt  wurde ^*').  Allein 
diese  Erklärung  genügt  in  keiner  Weise.  Die  Elosterschul^i 
wurden,  wenn  sie  nicht  in  den  Universitätsverband  aufgenommeo 
waren,  von  Auswärtigen  entweder  nur  ausnahmsweise  oder  in 
geringem  Grade  besucht,  und  die  Religiösen  selbst  konnten  die 
Grade  bloss  an  jenen  Generalstudien  des  Ordens,  welche  mit 
einer  Universität  in  Verbindung  standen  und  an  den  Priyilegiai 
derselben  theilnahmen,  erwerben. 

Der  Gründe,  warum  verhältnissmässig  an  wenigen  Hoch- 
schulen Lehrstühle  fQr  Theologie  errichtet,  resp.  erlaubt  waren, 
gibt  es  einige.  Zunächst  entstanden  mehrere  Universitäten  ledig- 
lich als  juristische,  etliche  als  medicinische  Schulen,  und  es  zeigte 
sich  an  ihnen  vorläufig  kein  Bedürfiiiss,  die  theologische  Dis- 
ciplin  in  den  Universitäts- Lehrplan  einzubeziehen.  Wir  haben 
solche  Studien  in  Italien,  Frankreich  und  Spanien  kennen  lernen. 
Dann  wurde  Paris  theilweise  schon  seit  dem  12.  Jh.  als  die 
Heimath  und  der  natürliche  Ort  der  Theologie  angesehen.  Hono- 
rius  HI.  sprach  dies  im  J.  1219  offen  aus^^'),  und  seine  Worte 

in  diesen  Kreis  hereinzonehmen.  Zwar  wnrde  die  Theologie  in  dem  ertten 
(königl.)  Stiftbrief  erlaubt,  in  dem  zweiten  (pftpstl.)  aber  ansgeBchlossen. 

^^)  Als  Gariosum  will  ich  hier  anführen,  wie  protestantische  Gelehrte 
sich  im  vor.  Jh.  die  Thatsache  zu  erklftren  suchten  Der  Verfasser  eines 
Artikels  'Ueber  die  kaiserl.  Privilegierung  der  Universitäten  vor  1500*  im 
AUgem.  literar.  Anseiger  n.  70  (1800)  citiert  und  approbiert  &  698  die  An- 
sieht  J.  D.  Köhlers,  der  zufolge  die  Pftpste  besorgten,  *die  Öffentlichen  Lehrer 
auf  Universitäten  würden  sich  das  llaal  nicht  so  binden  lassen  wie  die 
MOnche  in  den  Klosterschulen,  welchen  durch  das  strenge  Gelftbde  des  Ge- 
horsams ein  Beisskorb  angelegt  war,  sondern  sie  würden  als  Magistri  ia  Sa- 
cra pagina  die  grftsslichen  Irrthflmer  in  der  scholastischen  Theologie  ent- 
decken und  den  Lenten  die  Schuppen  von  den  Augen  reissen.'  Der  Erfolg 
habe  auch  bewiesen,  dass  der  gewaltige  Angriff  auf  das  Papstthum  von 
herzhaften  Professor  der  Theologie  zu  Wittenberg  erfolgt  sei. 

1^)  Klar  geht  dies  aus  der  berühmten  Bnlle  Honorins  in.  S^per 
vom  J.  1219  hervor.    Der  Pi^st  meint  darin :  Porro,  cum  argentom  alibi  habeat 
venarum  soarum  priacipia  quam  unde  femun  feoUilor,  et  anro  keaa  ia  qa» 


3.  Die  bestehenden  Schalen  a.  die  ansseritalien.  Univenit&ten.    705 

hatten  eine  etliche  Jahrhunderte  fortdauernde  Wirkung.  Aller- 
dings wurde  in  päpstlichen  Stift-  und  Privilegienbriefen  des 
13.  Jhs.  der  Unterricht  in  der  Theologie  noch  nicht  förmlich 
für  die  Universitäten  oder  einige  derselben  verboten.  Nur 
in  Montpellier  und  Lissabon  gestattete  Nicolaus  IV.  nicht  die 
Promotionen  in  der  Theologie.  Allein  im  14.  Jh.,  nämlich 
zur  Zeit,  als  die  Päpste  zu  Avignon  residierten  und  Paris  vor- 
zugsweise als  ^romanae  sedis  Studium'  bezeichnet  wurde  ^**), 
kehrt  in  den  päpstlichen  Stiftbriefen,  durch  welche  General- 
studien errichtet  werden,  häufig  die  Formel  wider:  das  Studium 
werde  in  jeder  ^excepta  theologica  facultate' "*)  erlaubt.  Die 
Avignonesischen  Päpste  hatten  fQr  das  Hauptstudium  Frank- 
reichs, das  zugleich  das  erste  der  Christenheit  war,  begreiflicher 
Weise  ein  besonderes  Interesse,  und  es  lag  ihnen  wie  keinem 
ihrer  Vorgänger  daran,  dass  es  von  ganz  Europa  aufgesucht 
werde.  Diesen  Zweck  konnten  sie  nur  dadurch  erreichen,  dass 
sie  in  Paris  gerade  jenes  Lehrfach  privilegierten,  welchem  die 
Schule  ihren  Ruhm  zu  verdanken  hatte.  Und  so  finden  wir  in 
der  That,  dass  nur  an  neun  der  18  Hochschulen  (die  nicht  ins 
Leben  traten,  mitgerechnet),  welche  von  Avignonesischen  Päpsten 


confletnr  sit  iamdudam  Parisias  depatatas,  abi  tarris  David  cam  sais  pro- 
pagnacnliB  construi  consuevit,  ex  qaa  dependent  non  solam  miUe  clipei,  sed 
omnifl  fere  armatara  fortiom,  dam  indesinenter  exinde  fortes  ex  fortissimis 
prodeont  tenentes  gladios  et  ad  bella  doctissimi  etc.  Reg.  Yat.  an.  4  ep.  610 
Bl.  143  b.  Unter  dem  aurum  versteht  der  Papst  die  Theologie.  Dieser  Um- 
stand war  ein  Hauptgrund,  weshalb  er  für  Paris  das  Studium  des  Rom. 
Rechts  verbot;  es  sollte  sich  daselbst  das  Studium  der  Theologie  ausbreiten, 
und  die  Theologen  nicht  'a  matris  pulchritudine  ac  sapidis  uberibus  abstra- 
hantur',  da  ohnehin  'coangustatum  est  illic  Stratum  et  fere  arctus  est  locus 
ibidem  filiis  prophetarum'  (s.  oben  S.  672  Anm.  64).  Auf  die  höchst  seltsamen 
Erklftrungsversuche  dieser  so  einfachen  Thatsache  von  Seite  der  Juristen 
komme  ich  im  2.  Bande  zu  sprechen.  Beil&ufig  bemerkt  sieht  auch  Gre- 
gor DL  in  der  Einleitung  eu  seiner  Bulle  Farem  aGientiarum  den  Vergleich 
der  Theologie  mit  dem  Golde  herbei.  So  war  in  Paris  diese  Disciplin 
aUerdings  der  Sehlussstein  des  Studiums. 

^^)  S.  den  betreffenden  Ausdruck  Philipps  des  Schönen  oben  S.  261. 

146)  Frtther  gebrauchte  sie  nur  Nicolaus  IV.,  als  er  den  zu  Lissabon 
'in  facultate  quacunque  theologica  excepta'  Promovierten  die  Licentia  ubique 
docendi  ertheilte. 

Denifle,  DU  UnirtxtitiftMi  L  45 


706    IV.  Die  üniversit&teii  im  YerbAltnisse  sa  den  firflheren  Sduden. 

Stiftbriefe  erhielten,  der  Unterricht  in  der  Theologie  erlaubt 
wurde,  und  von  diesen  neun  wurden  an  jener  zu  Perugia  (wie 
an  der  zu  Born)  nachträglich  die  Promotionen  in  der  Theologie 
ausgeschlossen,  die  zu  Gahors  Promoyierten  mussten  sich  aber 
in  Paris,  wollten  sie  dort  lehren,  einer  neuen  Prüfung  unter- 
ziehen. Damit  steht  im  Zusammenhange,  dass  einige  der  ge- 
nannten Päpste  die  Licenz  eines  Studium  generale  in  der  Theo- 
logie zu  Bologna,  Padua  und  Perugia ^^^)  an  die  Bedingung 
knüpften,  dass  die  zunächst  zu  berufenden  Professoren  der  Theo- 
logie in  Paris  oder  an  andern  berühmten  Schulen  graduiert  sein 
müssten.  Später  machte  sich  ein  anderes  System  geltend.  Nur 
vereinzelt  finden  sich  nach  der  besprochenen  Epoche  noch  Bei- 
spiele, dass  die  Theologie  namentlich  vorbehalten  worden  wäre. 
Huldigten  doch  auch  die  Avignonesischen  Päpste  (bis  einschliess- 
lich Clemens  YU.)  nicht  durchaus  nur  einem  Principe  ^*^). 

Fällt  nun  bei  den  meisten  Hochschulen  die  Frage,  ob  sie 
hinsichtlich  der  Theologie  aus  den  Dom-,  Stifts-  oder  Kloster- 
schulen  hervorgegangen  sind,  einfach  weg,  so  doch  nicht 
allen.  Wie  verhält  es  sich  also  mit  den  übrigen?  Auch  bei 
müssen  wir  eine  Scheidung  vornehmen.  An  einigen  wurde  die 
Theologie  erst  erlaubt  und  vorgetragen,  als  die  Lehranstalten 
schon  längst  den  Charakter  von  Generalstudien  besassen.  Hieher 
gehören  zunächst  Bologna,  Padua,  Perugia,  Pavia  (um  auch  die 
italienischen  Universitäten  für  diesen  Punkt  heranzuziehen),  und 
ebenso  Wien.  Als  in  Erakau  der  Unterricht  in  der  Theologie 
bewilligt  wurde,  war  die  Universität  neuerdings  erstanden,  ohne 


1^)  Manchmal  wurde  auch  hinsichtlich  anderer  Fächer  dieselbe  Be- 
dingung gestellt 

^^7)  Doch  hatte  es  seinen  guten  Grund,  der  sich  meist  angeben  liest» 
wenn  ein  Ayignonesischer  Papst  hie  und  da  bei  Orflndong  Ton  UniTer« 
sit&ten  den  Unterricht  und  die  Promotionen  in  der  Theologie  erianbt  hat 
Dublin,  Prag  und  Pisa  waren  Sitze  eines  Erzbischofes  req>.  Metropeltteii. 
In  Florenz  durfte  die  Theologie  wegen  Pisa  nicht  ausgeschlossen  werden. 
FOr  die  Bewilligung  der  Theologie  in  Dublin  lag  zudem  ein  Moti?  in  der 
Schwierigkeit,  welche  für  die  Irländer  bestand,  dieselbe  au  einem  andern 
Studium  zu  hOren.  Dass  Clemens  VII.  auch  in  Erfurt  ein  Stndina  generale 
in  theologia  errichtet  hat,  ist  wohl  dem  Umstände  zuzuschreiben, 
Prag,  das  nicht  zu  ihm  hielt,  bestrafen  wollte.    S.  oben  &  608  L 


8.  Die  bestehenden  Schalen  n.  die  aasseritelien.  ümvenitftten.    707 

dasB  sie  sich  an  vorhandene  Schulen  angelehnt  hätte.  Diese 
Uniyersitäten  &llen  mithin  ebenfalls  nicht  in  den  Bereich  der 
Frage. 

Ausgeschlossen  bleiben  femer  die  Hochschulen  zu  Pisa, 
Florenz,  Ferrara  und  Fermo,  da  in  Italien  die  Generalstudien 
als  solche  (mit  Ausnahme  einiger)  aus  den  Stadtschulen  hervor- 
giengen,  wenngleich  nicht  in  Hinsicht  auf  die  Theologie,  die 
jedoch  ebenso  wenig  in  Folge  eines  CJonnexes  mit  Dom-  oder 
Stiftsschulen  in  den  Organismus  aufgenommen  wurde,  denn  die 
ersten  Lehrer  der  Theologie  waren  regelmässig  Magister  aus 
den  Bettelorden.  Uebrigens  darf  man  nicht  vergessen,  dass  in 
Italien  während  der  beiden  Jahrhunderte,  die  uns  beschäftigen 
der  Unterricht  in  der  Theologie  an  jenen  Universitäten,  an  denen 
sie  gelehrt  wurde,  bei  dem  Uebergewicht  des  juristischen  Studiums 
nur  eine  Zuthat  gebildet  hat.  Zweifelhaft  bleibt,  ob  der  in  Ver- 
celli  an  der  Universität  lehrende  Theologe  mit  jenem  ah  der 
Domschule  identisch  war. 

Gieng  denn  nun  wenigstens  an  den  noch  in  Betracht 
kommenden  Universitäten  die  theologische  Facultät  aus  den  ge- 
nannten Schulen  hervor?  Um  der  Untersuchung  eine  sicherere 
Grundlage  zu  geben,  bedarf  es  vorerst  einer  nothwendigen  Be- 
merkung. 

In  der  Regel  hat  man  über  diese  Dinge  ganz  falsche  An- 
schauungen. Davon  abgesehen,  dass  sehr  häufig  die  Zeiten 
nicht  gehörig  geschieden  werden,  sind  die  einen  der  Meinung, 
seit  dem  Beginne  des  18.  Jhs.  hätte  an  jeder  Gathedrale  ein 
Theologus  lehren  müssen '^^),  während  doch  das  vierte  Lateran- 
Goncil  diese  Bestimmung  nur  für  die  Metropolitankirchen  erlassen 
hat,  das  dritte  aber  noch  gar  nichts  über  Theologie  enthält^'*). 
Erst  das  Goncil  zu  Basel  dehnte  1438  in  der  31.  Sitzung  den 
Lateran-Beschluss  auf  alle  Cathedralen  aus.  Andere  (relehrte,  und 
wohl  die  meisten,  sind  der  Ansicht,  der  Synodalbeschluss  sei  über- 
all ausgeführt  worden.    Allein  begreiflicher  Weise  kann  dies  nicht 


1^  So  B.  B.  Stein,  Die  innere  Venraltong  8.  215.  ünTerstftndiger 
Weise  nenat  er  S.  496  die  Cathedralsclmlen  ^Pftrochiabchnlen';  lie  seien 
in  allen  grösseren  Städten  gewesen.    S.  499. 

^^9)  Irrelllhrend  Wetser  und  Weites  Eirchenlexkon'  III,  1967. 

46» 


708    ^'  ^^  UniTerdt&ten  im  YerbiltBisse  sa  den  froheren  Schalen. 

gleich  Anfangs  der  Fall  gewesen  sein.  Es  mangelte  an  Lehr- 
kräften, und  Honorias  III.  erliess  deshalb  in  seiner  Bnlle  Super 
specula  auf  die  Entschuldigong  hin,  dass  keine  genügende  Anzahl 
Ton  magistri  theologiae  vorhanden  sei,  um  an  den  Metropolitan- 
kirchen  theologischen  Unterricht  zu  ertheilen,  die  Bestimmung, 
^ab  ecclesiarum  prelatis  et  capitulis  ad  theologice  professionis 
Studium  aliqui  docibiles  destinentur',  d.  h.  es  möchten  Taugliche 
auf  ein  auswärtiges  theologisches  Studium  behufs  ihrer  Aus^ 
bildung  geschickt  werden '^^).  Nach  ihrer  Rückkunft  sollten 
sie  dann  an  der  Metropole  lehren.  Unter  dieser  auswärtigen 
Lehranstalt  konnte  der  Papst  nur  die  theologische  Schule  zu 
Paris  verstehen,  denn  nur  an  ihr  besass  damals  der  Unterricht 
in  der  Theologie  einen  Werth.  Mit  der  Schule  zu  Paris  hatte 
sich  der  Papst,  wie  wir  weiter  oben  gesehen  haben,  in  derselben 
Bulle  in  hervorragender  Weise  beschäftigt  Honorius  m.  war 
zudem  um  die  gleiche  Zeit,  wie  sich  im  vierten  Bande  er- 
geben wird,  der  Begründer  der  Dominicanerschule  zu  Paris. 

Kamen  nun  auch  mehrere  Metropolitankirchen  den  Vor- 
schriften des  Lateran -Concils  und  Honorius  m.  nach,  so  doch 
bei  weitem  nicht  alle,  weshalb  der  hl  Thomas  von  Aquin  in  einer 
Periode,  in  der  bekanntlich  die  Theologie  ihre  höchsten  Triumphe 
zu  Paris  feierte,  zum  Geständniss  sich  veranlasst  gefühlt  hat, 
das  Statut  des  Lateran-Concils  sei  wegen  Mangel  an  Lehrkräften 
unter  den  Weltpriestern  noch  nicht  an  den  einzelnen  Metropolitan- 
kirchen in  Wirksamkeit  getreten^").  Dass  dies  auch  später 
nicht  immer  der  Fall  gewesen  war,  hat  uns  oben  das  Beispiel 


160^  (Destinare'  hat  hier  die  Bedeotung  von  'mittere',  wie  bereits  der 
Glossator  der  Comp.  Y.,  Jacob  de  Albenga,  richtig  gesehen  hat  Er  sagt 
za  destineniur:  Isti,  qai  mittuntnr,  at  postmodom  doceant,  a  capitalo  eli- 
guntur,  et  mitte ndi  sant  tales,  qai  bene  possunt  proficere  . . .  Aliis  aatem 
qui  non  mittuntur  etc.  Cod.  440  der  Gapitelsbibl.  an  Cordoba. 

IM)  Opusc.  contra  impngnantes  dei  cnltum  c.  4:  .  .  .  propter  littera- 
tomm  inopiam  nee  adhuc  per  saecnlares  potnerit  obserTari  statotnm  Late- 
ranensis  concilii,  ut  in  singnlis  ecciesiis  metropolitanis  essent  aliqui,  qai 
theologiam  docerent,  quod  tarnen  per  religiöses  dei  gratia  cemimaB  mnlto 
latius  impletnm,  quam  etiam  faerit  statutnm.  Ed,  Nicolai  t.  SO  p.  557.  Der 
hl.  Thomas  spricht  so  allgemein,  dass  man  versucht  sein  konnte  an  glanben 
das  Statut  sei  kanm  irgendwo  befolgt  worden. 


3.  Die  bestehenden  Schulen  u.  die  ausseritalien.  ünirersitäten.    709 

von  Toulouse  gelehrt"*).  Freilich  darf  auf  der  anderen  Seite 
nicht  übersehen  werden,  dass  ausnahmsweise  auch  einfache 
Gathedralschulen,  manchmal  schon  sehr  frühzeitig^"),  im  Besitze 
einer  theologischen  Schule  waren. 

Haben  die  Domschulen  unter  diesem  Gesichtspunkt  nicht 
viele  Chancen,  so  offenbart  sich  dies  noch  mehr,  wenn  wir  die 
Städte,  an  deren  Hochschulen  seit  der  Gründung  derselben  die 
Theologie  dociert  wurde,  näher  betrachten.  In  Oxford,  Cambridge, 
Heidelberg  und  Erfurt  bestanden  keine  Cathedralen.  Ob  an  den 
beiden  ersten  Orten  Stiftsschulen  die  Voraussetzung  gebildet  haben, 
müsste  erst  gezeigt  werden,  während  es  allerdings  gewiss  ist,  dass 
sich  die  dortigen  Generalstudien  unter  einem  bischöflichen  Kanzler 
entwickelten.  Die  Universität  zu  Heidelberg  erweist  sich  als 
eine  völlige  Neuschöpfung.  Die  Schulen,  welche  für  das  General- 
studium zu  Erfurt  die  Grundlage  waren,  besassen  lediglich 
philosophischen  Charakter.  Als  Neugründungen  müssen  auch 
die  Universitäten  zu  Neapel,  Toulouse,  Cahors  und  das  General- 
studium an  der  päpstlichen  Curie  betrachtet  werden.  Dies  ergiebt 
sich  aus  der  Geschichte  derselben.  Die  früher"*)  erwähnte 
theologische  Schule  zu  Toulouse  trat  mit  der  Universität  nicht 
in  Verbindung,  ja  vielleicht  hat  erstere  bei  Gründung  der  letztern 
nicht  mehr  existiert.  Alle  Professoren  der  Hochschule  wurden 
erst  berufen. 

Somit  bleiben  von  allen  Universitäten  nur  jene  von  Palencia, 
Prag  und  Köln  übrig.  Die  Universität  zu  Palencia  mag  sich 
allerdings  theilweise  an  die  Domschule  angeschlossen  haben, 
obwohl  nicht  vollends,  da  ja  auswärtige  Lehrkräfte  genommen 
wurden.  In  Prag  docierte  an  der  Cathedrale,  soweit  die  Nach- 
richten darüber  einen  Schluss  gestatten,  erst  seit  Errichtung 
der  Hochschule  ein  Theologe.  In  Köln  hat  vielleicht  Arnoldus 
de  Celano,  welcher  Baccalareus  formatus  in  theologia  und  cano- 
nicus  Coloniensis  war,  an  der  Domschule  vorgetragen;  der  erste 


IM)  8.  8.  386. 

IM)  8.  oben   8.  473  die  Bemerkungen   über  die   früheren  Schulen  in 
Palencia. 

»M)  8.  326. 


710    ^'  ^^  UniTenitJttflB  ia  YeiUlteun  n  den  Mkmm  Schal««. 

wirkliche  Professor  der  Theologie  an  der  nraen  Hodtachale, 
Gerhard  de  Kaikar,  kam  jedoeh  erst  kurz  vor  ErDffining  des 
Stadimns  nach  Köhi,  nnd  jene  Magistri  in  theologla,  die  ImM 
darauf  immatricnliert  wurden,  gehörten  den  yersGUedenen  Orda 
an.  Inunerhin  schdnt  jedoch  unter  aUoi  üniTersitftten  his  1400 
die  Kölner  am  meisten  einen  Connez  mit  den  Schulen  am  Dornt 
und  an  einigen  Stiftern  gehabt  zu  haben. 

Während  also  in  Paris  die  Domschule  ein  integriereDdcs 
Element  in  der  Entwickelung  der  Hochschule  war,  flbtca  die 
Dom-  und  Stiftsschulen  an  anderen  Orten  betreffis  d^  Theologie 
kaum  einen  Einfluss  auf  die  daselbst  entstehenden  Univeni- 
täten  aus. 

Herrscht  nun  auch  dasselbe  Yerhältniss  awisdum  UniYerai* 
täten  und  Klosterschulen?  Keineswegs.  Der  Aufechwong  dtt 
Theologie  im  13.  und  14.  Jh.  ist  wesentlich  den  Orden,  und 
zwar  &st  ausschliesslich  den  yi^  Bettdorden  mit  den  (Sster* 
ciensem,  zu  verdanken.  Ans  ihnen  wurden  aach  zumeist  die 
Theologie-Professoren  gewählt,  ja  sie  stellten  an  mdireren 
Universitäten  nahezu  das  ganze  Contingent  derselben'**).  Trots* 
dem  darf  man  nicht  behaupten,  die  Universitäten,  an  denen 
Theologie  tradiert  wurde,  seien  aus  den  Klosterschulen  berror- 
gegangen.  Die  graduierten  Ordensmitglieder  wurden  wohl  heran- 
gezogen, damit  sie  das  theologische  Lehrfach  übemähmen;  der 
Hinblick  auf  die  in  den  Klöstern  vorhandenen  Lehrkräfte  mochte 
zuweilen  die  Absicht  einer  Behörde  sich  aach  um  ein  studiom 
generale  in  theologia  zu  bewerben,  bei  deigenigen,  welche  am 
ein  Universitätsprivileg  baten,  beeinflusst  haben:  aber  ans  den 
Klosterschulen  ist  deshalb  doch  keine  Universität  hervoi^egangen. 
Höchstens  kann  man  sagen,  die  Klosterschulen  hätten  hie  and 
da  Veranlassung  geboten,  dass  die  Theologie  in  den  Universitäta* 
Lehrplan  eingereiht  wurde. 


^)  Was  Panlsen,  Gesch.  des  gelehrten  Unterrichts  &  16  über  die 
Stelloog  der  Orden  su  den  Universitäten  sagt,  ist,  gelinde  ansgedrAckt, 
ftusserst  ongenan  nnd  Terworren.  Die  wissenMhalUiche  lliltigfceit  der  wnften 
an  den  Hochschulen  flUlt  Penisen  infolge  vorsugswtiie  in  das  15.  Jh.  nach 
den  Beformationsbewegnngen  der  grossen  Coneilien.  Allein  das  15.  Jk  iai 
gerade  die  Periode  des  Niederganges. 


8.  Die  bestehenden  Schalen  u.  die  aaBseritalien.  ünivenitäten.    711 

Fast  möchte  man  jedoch  glauben,  dass  die  Sachlage  in 
einem  neuen  Lichte  erscheine,  sobald  ^ir  die  Hochschulen  in 
Hinsicht  auf  die  artes  liberales  betrachten.  Die  artistischen 
Studien  waren  überall  in  Blüthe,  und  sie  wurden  an  allen  Uni* 
versitaten,  Seyilla  ausgenommen,  betrieben.  An  den  meisten 
derselben  hatten  die  Artisten  sogar  das  Uebergewicht  über  die 
Lehrer  und  Hörer  anderer  Fächer. 

Da  bis  zur  Epoche,  welche  die  ersten  Universitäten  ent- 
stehen sah,  die  artes  liberales  gerade  in  den  Klosterschulen 
vorzüglich  gepflegt  wurden,  und  diese  grossentheils  zu  existieren 
aufhörten,  als  jene  in  Au&ahme  kamen,  so  liegt  der  Schluss 
nahe,  die  Hochschulen  seien  in  Bezug  auf  die  artes  liberales 
aus  den  Elosterschulen  hervorgegangen.  Allein,  wie  folgende  Dar- 
stellung zeigen  wird,  würde  eine  solche  Behauptung  höchst  un- 
bedacht ausgesprochen  werden.  Ich  schicke  jedoch  die  Bemerkung 
voraus,  dass  ich  hier  noch  nicht  eine  Darstellung  der  Klosterstudien 
des  Mittelalters  zu  liefern  versuche.  Es  handelt  sich  vorläufig 
bloss  um  den  in  Frage  stehenden  Punkt. 

Zunächst  kommen  die  Benedictinerschulen  in  Betracht 
Diese  erhielten  sich  in  ihrer  Berühmtheit  kaum  bis  zur  Mitte 
des  12.  Jhs.  Ende  desselben  gab  es  mit  wenigen  Ausnahmen 
keine  blühenden  Benedictinerschulen ;  von  den  meisten ,  die 
früher  von  sich  reden  machten,  hört  man  um  diese  Zeit 
nichts  mehr.  Was  ist  vor  sich  gegangen?  Sind  vielleicht  die 
alten  Klosterschulen  zu  Universitäten  erweitert  worden?  Aber 
woher  rührt  es  dann,  dass  nicht  an  einem  einzigen  Ort,  wo 
einstens  eine  berühmte  oder  einigermassen  blühende  Schule  der 
Benedictiner  bestanden  hat,  eine  Hochschule  gegründet  wurde? 
Für  Deutschland  wird  dies  wohl  jeder  zugestehen.  Auf  Italien 
komme  ich  im  nächsten  Paragraph  zu  sprechen.  In  Spanien 
war  eine  der  berühmteren  Benedictinerschulen  jene  zu  Irache 
in  Navarra.  Allein  abgesehen  davon,  dass  man  nicht  weiss,  wie 
lange  sie  sich  erhielt***),  ist  es  sicher,  dass  in  Navarra  bis  zum 
16.  Jh.  keine  Universität  errichtet  wurde.    Zu  keinem  anderen 


1^)  Die  wenigen  Docomente,  die  Aber  das  Kloster  im  Archive  histörico 
oacional  in  Madrid,  n.  122,  aufbewahrt  werden,  geben  keinen  Aafschluss. 


712    I^-  I^>o  ünivenit&ten  im  Yerhftltniase  eu  den  froheren  Schalen. 

Resultate  gelangen  wir,  wenn  wir  die  Klosterschulen  von  Ripoll, 
Silos  und  an  anderen  Orten  ins  Auge  fassen^"). 

Dasselbe  gilt  auch  von  Frankreich,  lieber  das  Yerhältniss 
der  Klosterschulen  zur  Universität  Paris  haben  wir  bereits  ge- 
sprochen. Die  ersten  Benedictiner,  die,  soweit  mir  bekannt,  in 
der  Universitätsepoche  als  Studierende  in  Paris  aufgefOhrt  werden, 
sind  jene  von  Fleury,  für  welche  der  Abt  Johann  im  J.  1247 
eigene  Statuten  ausarbeitete  und  ihnen  das  Priorat  Saint  Benott- 
siir- Seine  anwies^'').  Bald  erfahren  wir  auch  von  den  Mönchen 
von  Saint  Denys^'^').  Allein  sowohl  diese  als  jene  erscheinen 
nicht  als  Lehrer,  sondern  als  Schüler.  Derjenige  Benedictiner, 
welcher  zuerst  als  Professor  in  Paris  erwähnt  wird.  Mag.  Oalda- 
ricus,  war  1267  nicht  Lehrer  der  Artes,  sondern  ^regens  in 
theologica  facultate'^^^).  Die  Cluniacenser  besassen  schon  1269 
ein  Haus  in  Paris '^^),  in  welchem  1286  bereits  40  Mitglieder 
studierten  ^^').     Sie  bereiteten  sich  aber  an  der  Universität  auf 

i57j  j)g8  GoUeginm  za  VaUadolid  datiert  ebenso  ans  späterer  Zeit,  wie 
die  CoUegien  der  Benedictiner  in  England,  nnd  es  setst  die  Stütnng  der 
Hochschale  yorans. 

1^)  Hs.  des  Dom  Leroy  in  der  Bibliothek  za  Orleans.  Der  Abt  sagt 
anter  anderm:  in  usus  stndeDtiam  fratrnm  assignavirnns  praepositoram 
nostram  s.  Benedicti  snper  Seqaanam,  qnam  in  mann  jam  din  tenoimos. 

1^9)  Am  6.  Jnli  1266  erhalten  die  Dominicaner  von  St  Jacob  in  Pftria 
ein  Haas  'sita  ...  ex  opposito  novi  refectorii  dietoram  fratmm  jaxta  domum, 
qae  fuit  qaondam  scolariam  s.  Dyonisii,  qne  vocatar  volta  S.  Qnintini'. 
Nationalarchiv  za  Paris  S.  4229  n.  50.  Die  Schenknng  gieng  ans  von  den 
'Prepositas  et  scabini  mercatornm  aqne  Parisias  hansatoram'.  S.  auch 
Qoicherat,  La  rae  et  le  ch&teao  Haatefeaille  ä  Paris  (Paris  1882)  p.  29  f. 
Er  ist  nnr  im  Irrthame,  dass  er  glanbt,  die  Yoüte  St  Qaentin  habe  bereits 
damals  den  Dominicanern  gehört  Ich  komme  darauf  in  einem  der  nichsten 
Bände  za  sprechen.  Im  December  1263  wohnten  die  Mönche  von  Saint- 
Denys  noch  im  genannten  Hanse,  wie  sich  aas  einem  anter  demselben  Datum 
aasgefertigten  Schenknngsbriefe  Ludwigs  IX.  ergibt  * .  .  •  qnendam  locum, 
qui  dicitar  hospitale  com  pertinenciis  suis,  qui  fnisse  dicitur  O.  de  s.  Quin* 
tino,  situm  in  vico  prope  refectorium  prioris  et  fratmm  predicatoram  jnxta 
domum,  in  qua  habitant  quidam  monachi  de  s.  Dyonisio'  etc.  National- 
arch.  S.  6213  n.  52.    Cod.  Paris.  16069  Bl.  1. 

i<^)  S.  Jourdain,  Index  chronol.  p.  32. 

i«i)  S.  Jourdain  n.  221.  S.  auch  Ziegelbauer,  Eist  rei  iiter.  0.  S.  B. 
Aug.  Vind.  1754  I,  247  f. 

»ö»)  Ibid.  n.  282. 


3.  Die  bestehenden  Schalen  u.  die  ausseritalien.  üniversit&ten.    713 

das  Magisterium  in  der  Theologie  vor,  in  der  als  legens  et 
regens'  in  den  Jahren  1281—1283  ein  Albertus,  roonachus  Clu- 
niacensis,  genannt  wird*^').  Bei  solcher  Sachlage  ist  die  Be- 
hauptung unmöglich,  die  Universität  Paris  habe  an  eine  Bene- 
dictinerschule  angeknüpft.  Das  Gleiche  ist  aber  auch  von  den 
übrigen  Universitäten  Frankreichs  zu  sagen.  Es  existiert  in  der 
Geschichte  keiner  einzigen  derselben  auch  nur  6in  Anhaltspunkt 
für  ein  anderes  Besultat. 

Was  England  anbelangt,  so  könnte  man  zunächst  auf  Cam- 
bridge hinweisen,  das  einem  Berichte  zufolge  den  ersten  Anstoss 
zu  scholastischer  Thätigkeit  dem  dreissig  Meilen  entfernten 
Kloster  Croyland  zu  verdanken  gehabt  habe.  Die  Mönche  des 
Klosters  hätten  in  Cambridge  selbst  eine  Schule  errichtet"*). 
Welche  Glaubwürdigkeit  diese  Notiz  beanspruche,  habe  ich  bereits 
dargelegt"*).  Aber  selbst  ihre  Aechtheit  vorausgesetzt  folgt 
noch  immer  nicht,  dass  die  von  den  Benedictinem  gestiftete 
Schule  als  der  Keim  anzusehen  ist,  aus  dem  sich  später  die 
Universität  entwickelt  hat,  was  selbst  Huber  zugestanden  hat  "*). 
In  Oxford  wurde  das  erste  BenedictinercoUeg  erst  unter  Eduard  I. 
im  J.  1291  gegründet"^- 


i«3)  Cod.  Paris.  14947.    Vgl.  Qu6tif-£chard,  SS.  Ord.  Praed.  I,  386. 

i64j  Peter  Bles.  Continaatio  der  Ingulfschen  Chronik  bei  FeU,  Rer. 
Anglic.  SS.  Oxoniae  1684  p.  108. 

^^)  S.  oben  S.  7  Anm.  37  and  S.  368.  Dadurch  dass  man  die  Er- 
wähnung des  Averroes  unterdrückt,  wie  dies  in  Dugdales  Monasticon  an- 
glicanum  II  (1846),  100,  und  von  Maiden,  On  the  origin  of  universities 
(London  1835)  p.  92  geschehen  ist,  wird  die  QueUe  nicht  glaubwürdiger. 
Doch  entdeckte  der  zuletzt  genannte  Autor  immerhin  einen  Anachronismus 
in  derselben,  der  aber  durch  seine  eigene  Schuld  entstand,  indem  er  *Au- 
relianense  Studium'  mit  'university  of  Orleans'  widergibt. 

i<^)  Die  engl.  Universitäten  I,  104. 

^^'')  Reyner,  Apostolatus  Benedictinorum  ed.  Duaci  1626,  App.  p.  53 
sqq.  Ziegelbauer  1.  c.  p.  241.  Was  Wood,  Hist.  univ.  Ozon.  I,  12f.,  engl. 
Ausg.  I,  30  f.,  zum  Erweise  eines  Connexes  zwischen  den  alten  Benedictiner- 
schnlen  und  der  Universit&t  Oxford  anführt,  trägt  einen  mehr  als  zweifel- 
haften Charakter  und  bezieht  sich  zumeist  auf  die  voralfredsche  Zeit,  mit- 
hin auf  die  Mythenperiode  von  Oxford.  Wood  wurde  durch  den  in  den 
von  ihm  citierten  Documenten  stehenden  Ausdruck  Studium  generale,  der 
erst  dem  13.  Jh.  angehört,  nicht  vorsichtiger  gemacht. 


714    IV.  IMe  UaiTenit&teii  im  VeriiiltaisM  sa  den  froheren  Sehnlen. 

Vietteicht  ist  es  Manchem  aufgefallen,  dass  ich  als  Beweispnnkt 
nicht  die  angebliche  Thatsache  gebracht  habe,  dass  sich  die 
Benedictiner  nicht  in  den  Städten,  sondern  ausserhalb  derselben 
angesiedelt  hätten'**),  durch  welchen  Umstand  die  Frage  von  selbst 
wegfallen  wttrde.  Allein  dieses  Argument  ist  nicht  anzuwenden, 
da  es  im  Benedictinerorden  kein  Statut  darOber  gab,  wo  man 
sich  niederlassen  sollte^*').  Wir  finden  auch  deshalb  schon  seit 
den  ältesten  Zeiten  Klöster  4n  civitatibus',  4n  suburbiis'  mit 
solchen  'non  procul  a  civitate',  *ante  portam*,  ^in  vastissima 
regione*  erwähnt.  Erst  die  Gistercienser  hatten  die  Bestimmung, 
dass  sie  sich  ausserhalb  der  Ortschaften  ansiedeln  mflssten"*). 
Aber  auch  sie  giengen  von  derselben  schon  1237  ab,  in  welchem 
Jahre  zum  ersten  Male  ihres  Hauses  zu  Paris  Erwähnung  ge- 
schieht''0*  Von  der  Wende  des  13.  Jhs.  an  finden  wir  in  den 
grossem  Städten  nicht  wenige  Häuser  beider  Orden. 


168)  paulsen,  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  S.  15,  meint,  die 
'abgelegenen'  Benedictiner-  and  Gistercienserklöster  seien  im  15.  Jh.  nicht 
mehr  wie  im  10.  oder  12.  Mittelpunkte  des  Gultarlebens  gewesen;  lIiiiTer^ 
sit&ten  konnten  natarlich  nur  in  St&dten  errichtet  werden*.  Nodi  schärte 
drückt  dies  Koch  aus  in  Die  frühesten  Niederlassungen  der  Minoritea  im 
Rheingebiete  (Leipzig  1881)  S.  58 f.^  eine  Schrift,  deren  2.  Theil  beeser 
unterdrückt  worden  wäre. 

169)  Man  wehrte  sich  allerdings  hie  und  da  dagegen,  dass  das  Kloster 
in  den  Stadtbesirk  ('intra  muros  civitatis')  einbesogen  würde.  Ygl.  s.  B. 
Vita  S.  Richardi  Yirdun.  Abb.  in  den  Acta  0.  S.  B.  VI,  1.  p.  526. 

170)  Paris,  Nomast  cisterc.  p.  246  f. 

171)  Eine  gleichzeitige  Aufiseichnung  findet  sich  in  der  Biblioteca  na« 
cional  zu  Madrid,  B.  166  (die  ersten  zwei  Blfttter  der  Hs.).  S.  auch  Mart^ 
Thes.  noT.  anecd.  lY,  1365  n.  8.  Die  formelle  Errichtung  des  CoUegs  St. 
Bernhard  datiert  erst  aus  dem  J.  1244—1245.  Am  6.  J&nner  des  zuletzt 
genannten  Jahres  gab  Innocenz  lY.  seine  Erlaubniss  (s.  die  nicht  bekannte 
Bulle  bei  Jubainville,  £tudes  sur  l'^tat  Interieur  des  abbayea  cisterejennea. 
Paris  1858  p.  360),  worauf  dann  der  Capitelsbeschlnss  erfolgte  (Martine  L 
c.  p.  1384).  An  dieses  Golleg  reihten  sich  bis  1289  rasch  nach  einander  fie 
CoUegien  in  Oxford,  Montpellier,  Toulouse  und  Estella  bei  Pamplona.  8. 
Libellns  antiquarum  defin.  bei  Paris  L  c.  p.  481.  Winters  Forschungen  hier- 
über in  Die  Cistersienser  des  norddstL  Deutschknds  (Gotha  1871)  II,  147C 
sind  kaum  branchbar.  Ich  komme  auf  diese  CoUegien  im  4.  Bande  n 
sprechen. 


$,  Ut  bestehenden  Schulen  n.  die  ansseritallen.  UniTenitäten.    715 

Der  Umstand,  dass  seit  dem  11 — 12.  Jh.  die  Benedictiner- 
schulen  allmählich  in  Verfall  gerieten,  bis  man  endlich  nicht 
mehr  von  ihnen  sprach,  steht  im  Zusammenhange  mit  der  Ab- 
nahme der  Disciplin  des  Ordens  in  jener  Epoche.  Während  man 
aber  im  13.  Jh.  in  verschiedenen  Klöstern  wider  eine  strengere 
Zucht  eingeführt  hatte,  geschah  wenig  für  die  Studien,  und  zwar 
aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  diese  kein  wesentliches  Element 
in  der  Gesetzgebung  des  Ordens  bildeten  und  früher  nie 
durch  Statuten  geregelt  worden  waren  ^'^).  Gassiodor  legte  den 
Grund  zur  Tradition  in  Betreff  der  Erziehung  und  des  Unter- 
richts innerhalb  des  Ordens;  auf  den  Stifter  selbst  sind  die 
ersten  Benedictinerschulen,  sei  es  zum  Zwecke  der  Ausbildung 
der  Religiösen,  sei  es  zur  Erziehung  der  Kinder,  theilweise 
zurückzuführen^'').  Diesen  Thatsachen  ist  es  zuzuschreiben,  dass  in 
einige  Gonsuetudines  einzeber  Klöster  ausser  Vorschriften  hber 
die  Lectio  und  die  Bücher  auch  ein  Kapitel  De  educatione  pue- 
rorum  aufgenommen  wurde.  Indess  enthalten  namentlich  letztere 
Bestimmungen  fast  nur  eine  Anleitung,  wie  der  magister  puerorum 
oder  magister  scholae  seine  Zöglinge  in  Bezug  auf  das  Officium 
der  Kirche,  das  Verhalten  im  Kloster  und  in  der  Schule  unterrichten 


i^*)  Erst  Benedict  XII.  erlieas  im  J.  1336  darüber  Verordnongen,  die 
für  den  ganzen  Orden  bindend  waren.  Ich  habe  von  ihnen  kurz  oben  S.  702 
Anm.  137  gehandelt. 

173)  8.  Reg.  S.  Benedict!  c.  59.  In  Gregorii  Magni  Dial.  lib.  2.  c.  1 
ist  Ton  12  vom  hl  Benedict  errichteten  Klöstern  die  Rede,  in  denen  12  junge 
Religiösen  unter  einem  alten  unterrichtet  werden  soUten.  S.  auch  Haeftenns, 
Monast.  disquis.,  pars  2  (Antverp.  1664),  349.  361.  Martine,  De  antiquis 
ecclesiae  ritibns  IV  (in  4.),  659.  Ziegelbauer,  Hist.  rei  lit.  0.  S.  B.  I,  7  sqq. 
Joly,  Tratte  historique  des  ^coles  episcopales  et  ecclesiastiques  (Paris  1678) 
124.  146.  Davon  aber,  dass  in  den  Klöstern  die  artes  liberales  und  Theo- 
logie gelehrt  werden  soll,  spricht  die  Regel  nicht,  obwohl  Richard  de  S.  An- 
gelo  dies  in  sie  hinein  interpretiert,  indem  er  meint,  unter  der  lectio  (c.  48 
Reg.)  seien  Grammatik  und  Theologie  zu  verstehen:  videlicet  ut  monasterium 
maxime  illud  quod  convenienter  facere  potest,  habeat  duos  magistros,  ut 
unus  grammaticam  et  alius  theologiam  doceat,  ut  legitur  de  ecclesia  Metro- 
politana X  de  magistris.  Cod.  Casin.  441  (nicht  paginiert),  Cod.  Paris.  13801 
Bl.  57  a.  Richard  de  S.  Angele  hat  nur  den  Goncilsbeschluss  auf  die  be- 
treffenden Stellen  der  Regel  angewendet 


716    IV.  Die  üniyersit&ten  im  Verh&ltnisse  zn  den  froheren  Schulen. 

soll*^^).     Dies   erklärt   es   auch,    warum   in   den  Reformations- 
statuten  des  13.  Jhs.  auf  die  Studien  keine  Rücksicht  genommen 

174)  Ich  z&hle  hier  nur  einige  der  hanpts&chUchsten  sp&teren  Consoeta- 
dines  bis  zum  13.  Jh.  auf.  Lanfranc  spricht  in  seinen  Decreta  pro  ordine 
S.  B.  c.  21  de  disciplina  puerorum  (Migne,  Fatrol.  lat  tom.  150  p.  506; 
vgl.  443.  483);  doch  bloss  liturgisch.  In  den  Gonsnetudines  Hirsangienaes, 
die  in  zahlreichen  Klöstern  eingeführt  waren,  ist  II,  22  wohl  De  juvenibiifl 
et  eorum  cnstodibus  die  Rede  (Migne  t.  150  p.  978);  aber  in  der  Weise  wie 
bei  Lanfranc  (zwei  fast  gleichzeitige  Hss.  sind  Cod.  Lambac.  XGIX  and  Cod. 
Vat.  Pal.  564;  letzterer  besitzt  eine  andere  Eintheilong  als  der  Dmck). 
Die  'anciens  usages'  der  Abtei  Marmoutier,  denen  zufolge  ein  magister  die 
juvenes  unterrichten  und  der  Abt  fttr  die  nöthigen  Hilfsmittel  sorgen  mnsste, 
enthielten  wohl  keine  andere  Bestimmung.  Hist.  litt,  de  la  France  IX,  92. 
Die  Disciplina  Farvensis  (Migne  t.  150  p.  1104)  und  die  Gonaaetadines  ao- 
nasterii  Fructuariensis  bringen  nicht  einmid  solche  Vorschriften.  Cod. 
Lambac.  CVI  (12.  Jh.).  Dasselbe  gilt  von  den  Consuetudines  Stormii  abb. 
Fuldensis  (Herrgott,  Yet.  discipl.  monast  Paris  1726),  den  Statuta  antiqoa 
monasterii  S.  Audoeni  (St.  Ouen).  Cod.  n.  218  Bl.  22  in  Ronen,  auch  bei 
Martine  •  Durand ,  Ampi.  coli.  I,  296.  Allerdings  gestattete  Gregor  IX.  im 
J.  1228,  dass  man  dort  die  frühere  Gewohnheit,  'certis  diebus  staüflqne  horia' 
theologische  Vorlesungen  zu  halten,  wider  aufnehme.  GaU.  Christ.  XI,  138.  147. 
Allein,  es  handelte  sich  hier  bloss  um  die  Gewohnheit  (mos),  nicht  um  Ge- 
setze, die  für  Studien  erlassen  worden  w&ren.  Ebenso  wenig  bieten  auch 
die  Statuta  antiqua  abbatiae  Gorbeiensis,  bei  D'Achery,  Spicil.^  I,  586; 
die  Regula  S.  Dunstani  (Apostolatus  Benedict,  in  Anglia  ed.  Reyner,  Appen* 
dix  p.  77).  Die  interessanten  Consuetudines  monasterii  s.  Cucuphatis  (in 
Spanien),  in  drei  Theile  getheilt,  weisen  im  3.  den  Abschnitt  De  officio  magistri 
scole  auf;  indessen  zielen  die  Bestimmungen  lediglich  auf  die  Eniehnng, 
nicht  auf  den  Unterricht  der  Kinder  ab.  Unter  anderm  hebst  es:  Ipse 
etiam  debet  pueris  panem  leschare  (catalanisch ;  lescha  =  ein  grosses  Stflck 
Brod,  leschare  =  Brod  schneiden)  .  .  .  et  ne  vestimenta  sua  perdant  debet 
propensius  custodire,  et  eosdem  sepius  esplugare  (catalanisch.  spluga  »  spe- 
lunca,  splugare  =  einsperren)  n.  s.  w.  Cod.  70  des  13.  Jhs.  der  Abthlg.  Ca- 
cuphates  im  Archivo  de  la  Corona  de  Aragon  zu  Barcelona  (Bl.  148a.  Die 
Consuetudines  des  Klosters  Ripoll,  die  Villanueva  noch  sah  [Viage  lit  VIII, 
52],  sind  leider  verschwunden).  Im  Escorial,  Q.  III.  3,  findet  sich  das 
Ceremonienbuch  des  Klosters  Montserrat  [15.  Jh],  und  Bl.  85  a  die  Regula 
puerorum,  die  sich  auf  die  'antiqua  consuetudo  hnius  monasterii'  stQtit.  Daa 
einzige,  was  sich  in  derselben  auf  den  Unterricht  bezieht,  ist  in  den  Worten 
enthalten:  magister  infantium  .  .  .  doceat  eos  legere,  scribere  et  principia 
artis  grammatice.  Die  Antiquae  consuetudines  mon.  0.  S.  B.  (Mabillon,  Vet. 
anal.  IV,  458)  sprechen  nur  von  der  lectio.  Bloss  Liturgisches  and  die  Er* 
Ziehung  haben  im  Auge  die  Consuet.  S.  Benigni  (Martine,  De  ant  monach. 


8.  Die  bestehenden  Schalen  n.  die  ausseritalien.  UniverBitäten.    717 

wird*");  die  Statuten  zielten  nur  auf  die  Bisciplin  ab.  Diese 
glaubte  man  aber  schon  früher  hie  und  da  um  so  besser  und 
dauernder  herstellen  zu  können,  wenn  man  die  Schulen  fbr  Aus- 
wärtige geradezu  schloss.  Beispiele  bieten  die  Viten  des  Abtes 
Desiderius  von  Monte  Gasino  und  Peters  des  Ehrw.  von  Cluny. 

Es  ergibt  sich  also  von  selbst,  dass  die  Universitäten  nicht 
aus  den  Benedictinerschulen  hervorgehen  konnten. 

Aber  auch  in  Betreff  der  übrigen  Klosterschulen  kommen 
wir  zu  keinem  andern  Resultate.  Die  Benedictiner  wurden  vor- 
züglich von  den  Chorherren,   sei  es  regulierten,  sei  es  nicht 

rit.  p.  705  ff.)  und  Udalrici  Consuetadines  Gluniacensis  monaaterii  in  dem  Para- 
graph De  pueris  et  eornm  magistris  (Migne  t.  149  p.  741).  Die  Statuta  congre- 
gationisGIuniac.  von  Peter  Venerab.  sprechen  n.  56  und  66  von  den  parvi  scholares 
und  Bcholares  pueri  (Marrier,  Bibl.  Cluniac.  Paris  1614  p.  1369.  1372),  die 
auch  in  den  Antiquae  consuetudines  mon.  S.  Yitoni  Virdunen,  erw&hnt  wer- 
den (Martene,  De  ant.  ecci.  rit  IV,  852).  Die  Statuta  Pontii  abb.  Cluniac 
bieten  nicht  einmal  diesen  Punct  (Migne  t.  166  p.  839).  Nur  Liturgisches 
zeigen  die  betreffenden  Abschnitte  in  Bernardi  Ordo  Gluniacensis  (Herr- 
gott, Vet.  discipl.  monast.  p.  134).  Keine  eigentliche  Gesetzgebung  Ober  die 
Studien  finden  wir  auch  in  jenen  Tractaten,  die  auf  die  genannten  Consti- 
tutionen mehr  oder  minder  Einfluss  gefibt  haben,  z.  B.  bei  Babanus 
Maurus  im  3.  Buche  De  clericorum  institutione  (Migne  t.  107  p.  377). 
Die  Bestimmungen  der  Consuetudines  Ober  die  Studien  der  Religiösen  sind 
ganz  allgemein  und  bieten  h&ufig  wenig  mehr,  als  was  der  hl.  Benedict 
über  die  Lectio  sagt.  Die  ersten  Statuten  Aber  Studien,  welche  ein  EJoster 
besass,  sind,  soweit  meine  Eenntniss  reicht,  jene  des  bereits  oben  (S.  712) 
erw&hnten  Klosters  Fleury,  und  diese  wurden  nur  fQr  ein  CoUegium  gegeben. 
^^  )  Wie  schon  die  Disciplina  Casinensis  nichts  Ober  die  Studien  bringt 
(Migne  t.  173  p.  1135),  so  auch  nicht  die  Statuta  reformatoria  und  die  Ca- 
nones  de  ordine  monast.  Casin.  aus  dem  13.  Jh.  (Qattula,  Hist.  abbatiae 
Cassinen.  Venet.  I,  445.  Nur  von  der  'lectio  quae  aedificat'  wird  wie  in  der 
Regel  und  sonst  immer  gehandelt).  Die  Statuta  abbatum  0.  8.  B.  in  pro- 
yincia  Narbonn.  aus  dem  J.  1226  enthalten  nur  über  die  infantes  eine  ganz 
kurze  Notiz  (D'Achery,  Spicil.'  I,  707.  Vgl.  n.  7).  Nicht  einmal  dies  bieten 
die  Gonstitutiones  cap.  gener.  0.  S.  B.  apud  Northampton  im  J.  1225  (Apost. 
Benedict.  App.  p.  94),  die  Reformationsdecrete  der  Benedictiner  in  der  Pro- 
yinz  Tarragona  aus  den  Jahren  1227  und  1229  (Cod.  41  der  Abthlg.  Ripoll 
iin  Arch.  de  la  Corona  de  Aragon  —  die  ersten  2  Bl&tter),  die  Refonnations- 
Btatuten  des  Cardinallegaten  Otho  für  die  Benedictiner-  und  Augustinerklöster 
(Cod.  B.  X.  14  in  Basel),  die  Statuten  des  im  J.  1220  zu  Angers  abgehalte- 
nen Generalcapitels  der  Benedictiner  der  Provinz  Tours  (in  M^langes  d'ar« 
ch^logie  et  d'histoire.  4.  ann6e,  1884,  p.  350  Bqq.> 


718    IV.  Die  Uniyerait&teii  im  Verhiltnisse  in  den  Mberen  Sehfüen. 

regulierten,  in  Hinsicht  auf  den  Unterricht  abgelöst  Was  die 
letztem  betrifft,  so  fallen  deren  Schalen  theilweise  mit  den 
Dom-  und  Stiftsschulen  zusammen.  Von  diesen  will  ich  ab- 
bald  sprechen.  Rücksichtlich  der  Regularcanoniker  erw&hne 
ich  kurz,  dass  nach  deren  Zweck,  dem  Ghordienste  und  der 
Seelsorge  an  ihren  Kirchen,  auch  der  Studienplan  bestimmt  war. 
Die  kirchlichen  Wissenschaften  bildeten  in  demselben  die  Haupt* 
Sache.  Unter  den  kirchlichen  Wissenschaften  verstand  man  aber 
zunächst  die  theologischen^''),  wenngleich  die  artistischen  nicht 
ausgeschlossen  waren  ^'').  Trotzdem  finden  wir  die  Begolar* 
Canoniker  nicht  Einmal  bei  Gründung  einer  Universität 

DieCistercienser  pflegten  weniger  die  artes  liberales  und 
was  die  Hauptsache  ist,  deren  StudiencoUegien  (denn  nur  auf 
diese  kommt  es  bei  ihnen  an)  wurden  entweder  an  Orten  ge- 
gründet, an  denen  bereits  Universitäten  existierten  (z.  B.  Paris, 
Oxford,  Montpellier,  Salamanca  —  von  Estella  dorthin  übertragen, 
—  Bologna,  Prag,  Heidelberg),  oder  an  solchen,  an  denen  keine 
Hochschulen  errichtet  wurden  (z.  B.  Estella,  Metz). 

Von  den  übrigen  Elosterschulen  gehören  zunächst  die  der 
Dominicaner  und  Franciscaner  hieher.  Wie  die  Universitäten 


^76)  Was  das  Concil  eu  Aachen  (S17)  darüber  bestimmt,  ist  fibergegangeB 
in  die  erweiterte  Regel  Ghrodegangs  (Amort,  Tetas  disciplina  can.  I,  26SX 
in  die  Constitutiones  Marbacenses  (Martine,  de  antiquis  eccL  ritibns  in 
fol.  III,  App.  854;  Amort,  Vetns  disciplina  canon.  I,  891  |  22.  23;  y^.  anch 
p.  299),  die  Constitutiones  Portuenses  (Amort  l.  c.  p.  850  §  18)  und  in  die 
Consnetudines  can.  reg.  de  Monteforti  c.  25  (Holsten.  Cod.  regoL  II,  135  ed. 
Aug.  Vindel.  1759). 

177)  Der  Liber  Ordinis  Yon  St.  Victor  in  Paris  (Cod.  Paris.  14678)^ 
der  in  vielen  Klöstern  die  Grundlage  bildete,  enth&lt  nor  in  dem  Abadinitte 
Be  officio  armarii  (ibid.  Bl.  38  b)  einige  Worte  aber  die  instmctio  vel  edi- 
ficatio  firatrom,  zu  welchem  Zwecke  Bacher  bei  der  Hand  sein  soUten,  von 
denen  genannt  werden  'bibUotece  (bibliae)  et  m^ores  expositores  et  paasio- 
narii  et  Titas  patmm  et  omiliarii*  (ibid.  Bl.  40  b.  Die  von  Ifart&ae  De 
ant.  eccL  rit.  III  [in  fol.]  App.  784  edierten  Consnetadines  antiqna«  8.  Yle- 
toris  variieren  vom  Liber  Ordinis).  Die  Institationes  Praemonstrat.  (MartJiae, 
L  c.  App.  898;  die  bei  Le  Paige,  BibL  Praemonstr.  p.  784  sind  iptten 
Datums)  sprechen  c.  9  nur  von  der  lectio.  Tgl.  hieraber  anch  die  Gonatita- 
tiones  Vallis  scholarium  (Voyage  litt^r.  de  deux  relig.  Benedict  p,  118.  122). 


8.  Di0  beBtehenden  Schulen  a.  die  ansseriUüien.  üaiTersit&teii,    7X9 

in  Hinsicht  auf  die  artes  liberales  an  die  Schulen  der  Dominicaner 
sich  angelehnt  haben  sollen,  ist  nicht  recht  ersichtlich.  Diese 
bezeichnen  allerdings  einen  grossen  Fortschritt  gegenüber  den 
Orden  der  frühem  Zeit,  denn  sie  sind  die  ersten,  welche  in 
ihren  Statuten  das  Studienwesen  für  die  ihrigen  geregelt  haben, 
und  zwar  schon  im  J.  1228^^^).  Allein,  das  Studium  der  artes 
liberales  war  Anfangs  nur  ausnahmsweise  erlaubt^'').  Und  als 
betreffs  derselben  später  eine  andere  Richtung  eingeschlagen 
wurde  ^'"),  nahmen  die  Religiösen  doch  nie  das  Magisterium  in 


178)  Diese  Statuten  sind  noch  im  Generalarchiv  des  Ordens  vorhanden. 
Sie  erscheinen  nächstens  im  Archiv  für  Litteratur-  und  Eirchengeschichte 
des  Mittelalters.  Es  ist  bezeichnend  für  die  Wissenschaftlichkeit  E&mmels 
(Gesch.  des  deutsch.  Schulwesens  S.  44),  dass  er  erst  bei  den  Augustiner- 
Eremiten  des  15.  Jhs.  die  Einrichtung  von  Provinzstudien  findet,  als  ob  die 
Dominicaner  und  Franciscaner  nicht  schon  im  13.  Jh.  solche  errichtet 
hatten. 

179)  In  libris  gentilium  et  philosophomm  non  studeant,  etsi  ad  horam 
inspiciant;  secnlares  scientias  non  addiscant  nee  etiam  artes  quas  liberales 
vocant,  nisi  aliquando  circa  aliquos  magister  ordinis  vel  capitulum  generale 
voluerit  aliter  dispensare;  sed  tan  tum  libros  tbeologicos  tam  juvenes  quam 
alii  legant.  Constitntiones  vom  J.  1228  p.  87.  S.  dazu  das  Gtenenücapitel 
vom  J.  1246  bei  Martine,  Thes.  nov.  IV,  1691.  Mit  Erlaubniss  des  Ordens- 
genenJs  wurden  Taugliche  zum  Studium  artium  ausgew&hlt  So  heisst  es 
in  einem  Beschlüsse  des  Capitels  der  Tolosanerprovinz  vom  J.  1241 :  studen- 
tibas  qui  in  presenti  capitulo  assumpti  sunt  ad  studendum  in  artibus  de 
licentia  magistri,  quilibet  conventus  reservet  primam  bibliam  vacantem.  Cod. 
Tolos.  273.  Bl.  281a.  Im  J.  1250  gibt  bereits  das  Provincialcapitel  zu 
Narbonne  den  Prioren  die  Erlaubniss,  'ut  si  aliquos  habent  ydoneos,  quod 
Üaciant  eis  legi  de  artibus  in  suis  conuentibus'.  Cod.  cit.  Bl.  285  b  (Douais, 
Essai  sur  l'organisat  des  ^tudes  etc.  p.  59  bietet  die  irrige  Jahrzahl  1251> 
S.  dazu  die  n&chste  Anm. 

iBO)  Xuf  dem  Capitel  der  römischen  Provinz  zu  Born  im  J.  1244  wurde 
verordnet:  Quicunque  preter  lectores  habet  aliquos  tractatos  sive  libros 
pertinentes  ad  aliquas  scientias  seculares  preter  tractatus  loycales  et  ea  que 
pertinent  ad  moralem  phylosophiam,  resignet  priori  suo.  HSi  der  General- 
nnd  Provincialcapitel  (der  röm.  Provinz)  im  Generalarchiv  des  Ordens.  Vom 
J.  1252  an  finden  wir  in  der  Tolosanerprovinz  die  Assignation  der  Stu- 
denten fax  das  Studium  der  artes  mehr  organisiert;  sie  wurden  schon  in 
dazu  bestimmte  Convente  geschickt:  illi  tarnen,  qui  sunt  assignati  ad  artes, 
bene  indnti  mittantur.  Cod.  Tolos.  273  Bl.  286b.  Douais  achtete  p.  59  nicht 
darauL    Die  dafür  bezeichneten  Convente  werden  vom  J.  1256  ab  genannt 


720    I^*  ^®  UniTenit&teii  im  TerhiltniBse  za  den  frflberen  SchnleiL 

artibas.  Das  Ordensstudiom  hatte  nicht  die  Philosophie,  sondern 
die  Theologie  zum  Zwecke"^). 

Dasselbe  war  auch  im  Franciscanerorden  der  Fall,  als  dort 
die  Studien  in  Aufnahme  kamen.  Diese  sowie  jene  anderer  Orden 
wurden  ja  vielfach  nach  jenen  der  Dominicaner  organisiert 
Im  Abschnitte  der  Ordensconstituüonen  der  Ffanciscaner  aus 
dem  J.  1260  über  die  Studien'")  werden  die  artes  liberales 
noch  gar  nicht  erwähnt.  Später  griff  im  Orden  eine  ähnliche 
Auffassung  Platz,  wie  bei  den  Dominicanern.  Die  Constitutionen 
der  Augustiner-Eremiten  aus  dem  Ende  des  13.  Jhs.  gehen 
noch  nicht  weitläufig  auf  das  Studienwesen  ein'*'). 

Es  folgt  mit  Noth wendigkeit,  dass  sich  die  Universitäten 
nicht  aus  den  Elosterschulen  der  Dominicaner  und  Franciscaner 
entwickelt  haben.  Dieselben  Gesichtspunkte  kehren  wider,  wenn 
wir  die  Carmelitenschulen  ins  Auge  fassen.  Gegenüber 
den  Universitäten  nahmen  sie  eine  noch  ungünstigere  Po- 
sition ein. 

Uebrigens  bedarf  es  noch  der  Bemerkung,  dass  in  Paris 
kein  Religiöse,  welchem  Orden  er  auch  angehören  mochte,  zum 
Examen   und   der  Promotion   in   artibus  zugelassen   wurde  "^). 


Cod.  cit  Bl  291a.  Douais  p.  177.  In  Spanien  wurden  bereits  1350  auf  dem 
Proyincialcapitel  za  Toledo  die  Gonvente  Oporto  und  Zamora  für  das  Stu- 
dium der  Logik  bestimmt.  Hs.  des  Ghristianopoli  im  Generalarchiv  des 
Ordens. 

^^^)  Ausführlicb  werde  ich  dieses  sp&ter  nachweisen.  Auf  dem  General- 
capitel  zu  Montpellier  im  J.  1271  wurde  die  Mahnung  gegeben:  Monemus 
studentes,  quod  studio  Philosophie  minus  intendant  et  studio  theologie  In- 
tendant diligenter  lectiones  ordinarias  et  sententiarum  sollidte  andiendo.  Ori- 
ginalcodex im  Generalarchiv.  Vgl  Martine,  Thes.  nov.  anec.  HT,  1760.  Um 
dieselbe  Zeit  lehrte  der  hl.  Thomas  2.  2.  qu.  188  a.  5  ad.  8:  religiosis  com- 
petit  principaliter  intendere  studio  litterarum  pertinentium  ad  .  .  .  pietatem 
.  .  .  aliis  autem  doctrinis  intendere  non  pertinet  ad  religiosos,  quorum  tota 
Tita  divinis  obsequils  maneipatur,  nisi  inquantum  ordinatur  ad  sacram  doc- 
trinam. 

189)  Die  HsB.  habe  ich  oben  S.  701  Annt  136  citiert 

^)  P.  Ehrle  wird  sie  in  unserm  Archiv  fftr  Litteratur-  und  Kirchen- 
geschichte des  Mittelalters  publicieren. 

1^)  Für  die  Baccalarei  in  artibus  wurde  im  J.  1287  unter  anderem 
folgendes  Juramentum  vorgeschrieben:    Item  nuUum  religiosum  culutcnnque 


3.   Die  bestehenden  Schalen  u.  die  wuseritalien.  UniTersitäten«    721 

Und  so  wird  die  Behauptung,  die  Universitäten  seien  in  Bezug 
auf  das  Studium  der  artes  liberales  aus  den  Elosterschulen 
hervorgegangen,  für  immer  unmöglich  gemacht. 

Wie  steht  es  aber  mit  den  Dom-  und  Stiftsschulen?  Diese 
scheinen  allerdings  viel  bessere  Chancen  zu  besitzen.  Ich  erwähne 
hier  nur  jene  Thatsachen,  auf  die  man  bereits  in  der  ersten 
Hälfte  des  13.  Jhs.  hingewiesen  hat.  Eugen  n.  bestimmte  im 
J.  826,  dass  wenigstens  'in  universis  episcopiis  subjectisque  ple- 
bibus  .  .  .  magistri  et  doctores  constituantur,  qui  studia  litte- 
ramm  liberaliumque  artium  habentes  dogmata  assidue  doceant'^^^). 
Das  dritte  Lateranconcil  unter  Alexander  HI.  vom  J.  1179  machte 
es  den  Gathedralen  zur  Pflicht,  dem  Lehrer,  'qui  clericos  eiusdem 
ecdesiae  et  scholares  pauperes  gratis  doceat',  ein  Beneficium  zu 
geben.  Auch  an  andern  Kirchen  und  in  den  Klöstern  soll  diese 
Gewohnheit  wider  eingeführt  werden,  wenn  sie  früher  dort  ge- 
herrscht hatte  ^^*).  Welcher  Unterricht  hier  gemeint  sei,  erklärt 
uns  das  vierte  Lateranconcil.  Es  spricht  vom  Unterricht  'in 
granunaticafacultate'^^').  Für  dieselbe  solle  nicht  bloss  In  qualibet 

fnerit  professionis  recipietis  in  aliqua  examinatione  videlicet  determinandorum 
et  licentiandornm  nee  intereritis  suo  principio  nee  sne  determinationi.  Cod. 
Tat.  Beg.  406  Bl.  4  a.    Du  Boulay,  Bist.  univ.  ParlB.  III,  483. 

18&)  Decret.  Grat.  can.  12  dist.  37  und  Mansi,  CoU.  concil.  XIY,  1008; 
sie  bieten  jedoch  einen  defecten  Text,  der  in  Mon.  Qerm.  Leges  IL  B.  17 
corrigiert  ist.  Nur  auf  diese  Bestimmung  beruft  sich  Peter  Bemensis  in 
seiner  Summa,  dehnt  sie  aber  auf  jede  Stadt  aus:  ut  in  unaquaque  civitate 
assignetur  de  communi  ecclesie  portio  aliqua  ad  opus  ejus,  qui  legat  et  in- 
Btruat  in  liberalibus  discipünis,  ut  ita  preparetur  via  sacre  scripture.  Cod. 
Paris.  14521  BL  78b. 

IM)  Parte  2.  c.  17  n.  18  bei  Mansi,  Coli.  conc.  XXII,  228.  C.  1  de  magis- 
tris  X.  5,  5.  Stein,  Die  innere  Verwaltung  S.  215  kannte  diese  Constitution  nicht, 
und  meinte,  erst  1215  sei  die  erste  Schulgesetzgebung  aufgestellt  worden.  Auch 
Paulsen,  Gesch.  des  gelehrten  Unterrichts  S.  12  hat  sie  vergessen.  Ich 
habe  den  Text  nach  der  Comp.  L  im  Cod.  Burghes.  264  Terbessert. 

i87j  Dasselbe  erklären  auch  Raymund  von  PeSafort  (Summa  de  poenit.  L  1. 
De  magistris)  und  Gottfried  de  Trano  (in  Decret.  De  magistris.  Cod.  Burghes. 
254).  Letzterer  sagt:  Est  ergo  sciendum,  quod  statutum  fuit  antiquitus 
(Baymund:  ab  Eugenio  papa),  deinde  ab  Alexandre  papa  in  Lateranensi 
eoncilio  innoratum,  et  postmodum  ab  Innocentio  in  concilio  generali,  quod 
singnle  ecclesie  cathedrales  singulos  magistros  liberalium  artium  habe- 
rent  etc. 

DoBiflo,  Die  UmreniaUn  L  46 


722    rV.  Die  üniyenit&teii  im  YerhiltniBse  sn  den  frtüiereii  Schalen. 

cathedrali  eccleciia,  sed  etiam  in  aliis,  qaamm  sufficere  potemnt 
facaltates'  ein  Lehrer  bestellt  werden,  und  zwar  ^a  praeUto  com 
capitulo  sea  majori  et  saniori  parte  capitnli  eligendos'.  Dieses 
Statut  galt  also  nicht  bloss  fUr  alle  Gathedralen,  sondern  auch 
für  GoUegiatkirchen  oder  Stifter.  Ich  glaube  nnn  freilich, 
dass  die  betreffenden  Kirchen  dieser  Verpflichtung  im  13.  Jh. 
mehr  nachgekommen  sind,  als  derjenigen,  welche  das  Goncil 
über  den  theologischen  Unterricht  festgesetzt  hat.  Das  Grebot  war 
leichter  zu  erfüllen,  obwohl  es  auch  hier  manchmal  einer  er- 
neuten Einschärfung  bedurfte''^).  Schlössen  sich  also  die  Uni- 
versitäten rücksichtlich  der  artes  liberales  vielleicht  an  Dom- 
oder Stiftsschulen  an? 

Dass  die  Möglichkeit  an  sich  nicht  ausgeschlossen  ist,  liegt 
auf  der  Hand.  Und  doch  lässt  sich  nur  bei  äusserst  wenigen 
Hochschulen  ein  Connex  zwischen  ihnen  und  den  bereits  vor- 
handenen Dom-  oder  Stiftsschulen  nachweisen.  Wichtiger  als 
diese  waren  öfters  sogar  die  Stadtschulen,  die,  wenn  man  das 
Verhältniss  der  Universitäten  zu  den  ihnen  vorangehenden 
Schulen  erörtert,  in  der  Regel  ausser  Acht  gelassen  werden. 

Um  daher  endlich  zu  einem  Schlussresultate  zu  gelangen, 
will  ich  die  Antwort  auf  die  im  Beginne  gestellte  Frage  auf  Qrund 
meiner  im  dritten  Hauptabschnitte  niedergelegten  Forschungen 
zu  geben  versuchen.  Ich  bemerke  aber,  dass  es  nicht  möglich 
ist,  für  die  ausseritalienischen  Universitäten  ein  allgemeines 
Princip   zu    erhalten  ^^')*      Sicher   ist   jedoch   das    eine,    dass 

^88)  So  z.  B.  beauftragte  Johann  XXII.  am  29.  April  1824  den  Bischof 
und  den  Propst  von  Magnelone  dieser  Verpflichtung  Folge  au  leisten  und  inner- 
halb eines  Monats  einen  Magister  zu  bestellen.  Reg.  Tat.  Comm.  an.  8  p. 
2  ep.  1461.  üngefUir  in  dieselbe  Zeit  (1322)  fUlt  das  unter  dem  Vorsitze 
des  Cardinallegaten  Wilhelm,  Bischofs  von  Sabina,  zu  Valladolid  abgehaltene 
Provincialconcil ,  welches  Paragraph  21  (De  magistris)  die  Lateran -Be- 
stimmung betreffs  der  magistri  in  grammatica  und  logica  in  Erinnerung 
brachte     Floranes  in  der  CoUecciön  de  documentos  in6dito8  etc.  XX,  20. 

iS9)  Dies  haben  Meiners  und  besonders  jene,  welche  sich  epecieO 
mit  der  Entstehung  und  Entwickelung  der  Universitäten  beschäftigt  haben, 
z.  B.  Huber  (Die  englischen  Universitäten  I,  Iff.),  Maiden  (On  the  originof 
universities  p.  Iff.),  KurU  (Baltische  Monatsschrift  1861  8.  84ff.)  u.  8.  w. 
nicht  beracksichtigt.  Man  findet  in  ihren  Schriften  hauptsftchlich  Reflexionen, 
die  a  priori  gemacht  wurden. 


8.  Die  bestehenden  Schalen  a.  die  aasseritalien.  Uniyersit&ten«    723 

von  ihnen  höchstens  die  eine  oder  andere  aus  einer  Stadtschule 
förmlich  hervorgegangen  ist,  keine  einzige  aber  aus  Dom-  oder 
Stiftsschulen,  wenngleich  diese  bei  einigen  die  Voraussetzung 
gebildet  haben.  Dazu,  dass  eine  Universität  aus  irgend  einer 
Schule  hervorwachse,  ist  nothwendig,  dass  in  letzterer  die  Keime 
der  ersteren  liegen.  Die  vorhandenen  Schulen  müssen  die  un- 
entwickelte, die  Universität  die  entwickelte  Form  darstellen. 
Nur  bei  wenigen  städtischen  Lehranstalten,  aber  bei  keiner 
einzigen  Dom-  und  Stiftsschule,  die  hier  in  Betracht  kommen 
kann,  war  dies  der  Fall,  denn  hier  mangelten  gerade  einige 
Hauptfächer:  Jus  und  Medicin.  Dennoch  konnte  sich  eine  Uni- 
versität an  eine  Dom-  oder  Stiftsschule  anschliessen.  Uebrigens 
wird  die  folgende  üebersicht  ergeben,  dass  sehr  häufig  weder 
eine  Stadt-  noch  eine  Dom-  oder  Stiftsschule  der  Universität  den 
Weg  geebnet  hat 

1.  An  mehreren  Orten  waren  die  dort  bereits  exis- 
tierenden Schulen  eine  Veranlassung,  dass  man  sich 
um  ein  Universitätsprivileg  bewarb,  oder  dass  ein 
solches  ertheilt  wurde. 

So  mögen  einige  Dom-  oder  Stiftsschulen,  wurden  an 
ihnen  gleichwohl  meist  nur  die  artes  liberales  gelehrt,  den 
Wunsch  rege  gemacht  haben,  in  den  Besitz  eines  Oeneral- 
studiums  mit  den  höheren  Wissenschaften  zu  gelangen.  Dies  war 
wohl  in  Köln  und  hinsichtlich  der  Stiftschulen  in  Erfurt  der 
Fall.  Auf  zwei  spanische  Universitäten  komme  ich  n.  4  zu  sprechen. 

Oefters  hatten  die  Universitäten  Stadtschulen  zur  Voraus- 
setzung. Die  nicht  vom  Glücke  begünstigte  Stiftung  der  Hoch- 
schule zu  Valencia  im  13.  Jh.  bedeutete  eine  Neuschöpfung. 
Für  die  des  15  —  16.  Jhs.  war  eine  Stadtschule  die  Grundlage. 
Eine  solche  bestand  auch  in  Valladolid,  denn  der  ^concejo  de 
Valladolid'  sorgte  fSr  das  Salarium  der  Magister,  das  er  mit 
königlicher  Erlaubniss  bezahlte,  wie  aus  dem  Schreiben  Alon- 
sos  XL  vom  10.  März  1323  hervorgeht,  und  erst  in  der  Univer- 
sitätsperiode wurde  ein  anderer  Modus  eingeführt  ^•®).  Es  ist 
sogar  höchst  wahrscheinlich,  dass  an  der  Stadtschule  bereits  alle 


190)  8.  oben  S.  878  und  Anm.  662. 

46* 


724    IV.  Die  UniTerait&ten  im  Veriiiltiiiase  la  den  froheren  BeholeiL 

jene  Fächer  vertreten  waren,  die  für  die  Hochschule  gestattet 
wurden.  Ehe  Huesca  ein  Uniyersit&tsprivileg  erhielt,  leitete 
daselbst  nur  ein  Legist  auf  Kosten  der  Stadt  die  Schule"^). 
Die  in  Avignon  der  Hochschule  unmittelbar  vorhergehende 
Lehranstalt  war  sicher  eine  städtische  und  in  den  Lehrplan 
waren  schon  die  juristischen  Fächer  einbezogen  '*').  Zu  keinem 
anderen  Resultate  gelangen  wir,  wenn  wir  Orange  betrachten^*'). 
Ein  wie  enger  Zusammenhang  zwischen  der  Bürgerschule  bei 
St.  Stephan  in  Wien  und  der  Universität  bestand,  bedarf  keines 
Beweises. 

2.  In  einigen  Städten  entwickelten  sich  die  Lehr- 
anstalten zu  einem  Generalstudium  unter  einem  bischöf- 
lichen Kanzler  oder  Scholasticus,  ohne  dass  erstere 
Dom-  oder  Stiftsschulen  im  eigentlichen  Sinne  gewesen 
wären.  In  diesen  Kreis  gehört  vor  allem  Oxford.  Der  Kanzler 
der  Universität  wird  bereits  sehr  früh  erwähnt  ^'^),  und  er  wurde 
in  der  ersten  Periode  vom  Bischöfe  zu  Lincoln  ernannt  ^'^),  aber 
wenigstens  schon  in  der  2.  Hälfte  des  13.  Jhs.  von  den  Magistri 
gewählt  und  dem  Bischöfe  praesentierf  *).    Immerhin  finden  wir 


^91)  S.  oben  S.  511. 

1«)  S.  oben  S.  857  f.  * 

19»)  S.  oben  S.  4671: 

1»*)  S.  oben  S.  244. 

19&)  So  heisst  es  bereits  in  einem  Actenstücke  vom  1.  Juli  1214  in 
Bezog  anf  den  Kanzler:  quem  episcopns  Lincolniensis  scolaribus  ibidem  pre- 
fielet.  Munimenta  academica  or  Documenta  iUustratiye  of  academioal  lifo  aod 
studioB  at  Oxford  I,  2.  Dasselbe  wird  in  einem  Docmnente  vom  J.  1319 
widerholt.  Ibid.  p.  5.  In  einem  andern  Actenstficke  vom  J.  1214  sprechen 
die  Barger  von  Oxford  ebenfalls  vom  'Cancellarius  Bcholariom  Oxon.,  quem 
episcopns  constituerit'.    Wood,  Hist  et  antiquit.  univers.  Oxoniensis  I,  61. 

19C)  Im  J.  1294  sagt  der  Bischof  von  Lincoln  bei  Gelegenheit  der 
Praesentation  des  neuen  Kanzlers:  quod  cancellaril  pro  tempore  existentes 
non  fnerunt  electi  sed  tautummodo  nominati,  et  episcopus  adijecit,  quod  b. 
Bobertus  quondam  Lincolniensis  episcopns  qui  hoc  officium  gessit,  dum  in 
universitate  praedicta  regebat,  in  principio  creationis  suae  in  episcopum 
dixit,  proximnm  praedecessorem  sunm  episcopnm  Lincoln,  non  permisisse 
qnod  idem  Robertus  yocaretur  Cancellarius,  sed  magister  scolarinm  yel  scho- 
lamm.  Wood  I,  141.  Schon  ziemlich  frQh  wurde  also  dem  Bischöfe  Yon 
Lincoln  von  den  Magistern  eine  für  das  Kanzleramt  geeignete  PenAnliehkeit 


8.  Die  bestehenden  8c]inlen  n.  die  aaBseritaüen.  Universitäten.    725 

ihn  in  jener  Zeit  vom  Bischöfe  abhängig '*').  Dieser  Kanzler  nun 
war  dort  das  Haupt  jener  Lehranstalt,  die  sich  zur  Hochschule 
entwickelte,  und  er  blieb  das  Haupt  derselben ^'^),  wie  wir  im 
2.  Bande  sehen  werden,  wo  auch  die  weitere  Geschichte  des 
Kanzleramtes  zur  Sprache  kommen  wird.  Aehnlich  verhielt  es 
sich  auch  in  Cambridge''');  nur  stand  der  dortige  Kanzler  in  Ab- 
hängigkeit vom  Bischöfe  von  Ely.  Die  alten  Schulen  in  Orleans 
und  Angers  waren  sicher  geistliche  Anstalten;  sie  wurden  von 
einem  Scholasticus  geleitet.  Ist  nun  gleichwohl  das  in  beiden  Städten 
im  13.  Jh.  zur  Blüthe  gelangte  Generalstudium  nicht  aus  jenen 
Schulen  hervorgegangen,  wie  wir  oben  gesehen  haben'®'),  so 
entstand  und  entwickelte  sich  doch  dasselbe  unter  demselben 
Scholasticus,  welcher  der  Vorsteher  der  alten  Schule  war. 


zum  Yorschlag  gebracht.  Aus  einem  Actenstacke  yom  J.  1290  geht  jedoch 
hervor,  dass  die  Magistri  bereits  die  Gepflogenheit  hatten  den  Kanzler  zu 
wählen  (nunquam  solebant  electnm  suum  extra  Oxoniam  mittere  ad  confir- 
mandnm),  und  dass  ihn  dann  der  Bischof,  nachdem  er  ihm  von  den  Ma- 
gistern praesentiert  worden,  bestätigte.  War  aber  der  Bischof  zu  weit  von 
Oxford  entfernt,  so  geschah  all  dies  beim  Bischöfe  in  Folge  eines  Ueberein- 
kommens  durch  die  Procuratores.  Vgl.  Huber,  Die  englischen  Uniyersit&ten 
II,  253  Anm.;  Wood,  I,  131.  133.  Im  J.  1350  wird  der  Wahlusus  Yom  Erz- 
bischof Yon  Canterbury  als  eine  Institution  'a  tempore  et  per  tempus  cujus 
initii  hominum  non  existit  memoria'  dargestellt    Munim.  academ.  I,  169. 

197)  j)ie8  mnss  man  selbst  noch  aus  einem  Actenstfick  vom  J.  1290  bei 
Wood  II,  398  schUessen.  Die  frflhere  Zeit  bietet  keine  Schwierigkeit.  Im 
J.  1231  machte  der  Kanzler  in  Folge  des  Siegelstreites  dem  Bischöfe  kund: 
et  ad  nutnm  beneplaciti  vestri  cedat  officio.  Wood  II,  390. 

198)  In  den  Statutes  of  the  house  of  scholares  of  Merton  in  Maldon  vom 
J.  1264  heisst  es  geradezu:  Gancellarius  seu  Rector  universitatis.  Statutes 
of  the  Colleges  of  Oxford.  Merton  College  (Oxford  1853),  p.  6. 

199)  Den  besten  und  bündigsten  Aufschluss  hierüber  gew&hren  die  Sta- 
tuta antiqua  in  den  Documents  relating  to  the  university  and  Colleges  of 
Cambridge  I,  309  ff.  Vgl.  auch  Mullinger  p.  140  ff.,  der  jedoch  den  genann- 
ten Statuten  ein  zu  hohes  Alter  beilegt.  Sie  können  keineswegs  yor  den  An- 
fang des  14.  Jhs.  gesetzt  werden. 

^  S.  252.  259f.  270.  Die  früheren  Schulen  waren,  um  einen  allge» 
meinen  Ausdruck  zu  gebrauchen,  artistische,  w&hrend  die  beiden  General- 
studien fast  ausschliesslich  die  Jurisprudenz  pflegten,  die  früher  keine  Ver- 
tretung hatte. 


726    I^-  I^ie  UniyerBit&ten  im  Verh&ltnisfle  zu  den  frflheren  Schnleii. 

3.  Viele  Generalstudien  haben  sich  an  gar  keine 
Schulen  angelehnt,  sondern  sind  als  förmliche  Neu* 
Schöpfungen  zu  betrachten.  Hieher  sind  zunächst  die  nicht 
zur  Ausführung  gekommenen  Alcali,  Pamiers,  Dublin  und 
Genf  zu  rechnen.  Ihnen  reihen  sich  Sevilla  und  Gränoble  an. 
Etwas  ganz  Neues  war  auch  die  Hochschule  zu  Toulouse. 
Dass  die  Universit&t  L^rida  keine  Schule  zur  Voraussetzung 
gehabt  hat,  ergibt  sich  aus  dem  königlichen  Stiftbriefe **0- 
Dasselbe  war  wohl  auch  in  Hinsicht  auf  die  Uniyersitäten  Per- 
pignan'"),  Gabors,  Krakau,  Heidelberg,  Fünfkirchen 
und  Ofen  der  Fall.  So  sehr  sich  femer  Ribeiro  bemüht, 
Klosterschulen  als  die  Vorläufer  der  Universität  Lissabon- 
Goimbra  nachzuweisen'^'),  so  ist  ein  Connex  zwischen  beiden 
doch  nicht  im  geringsten  zu  erkennen.  Die  Hochschule  ist  auch 
hier  eine  NeuschOpfung.  Dasselbe  gilt  vom  Generalstudiom  an 
der  Curie,  um  desselben  hier  zu  erwähnen. 

4.  Es  gibt  aber  auch  Hochschulen,  deren  Anfänge 
zusammengesetzter  Natur  sind.  Zu  ihnen  gehören  zunädist 
Palencia  und  Salamanca,  deren  Universitäten  einerseits  eine 
Domschule  zur  Grundlage  zu  haben  scheinen  oder  mit  denen 
(wenigstens  mit  jener  in  Salamanca'**)  alsbald  der  alte  Scholaaticos 


*^^)  Wenn  dort  gesagt  wird:  ad  cgns  namqne  refomnlioDem  ae  statmi 
laadabilem  tanto  diligentias  et  specialins  eperamna  etc.  (bei  YiDanneTm  XYI, 
197),  so  ist  'ejus'  nicht  anf  ^stadiom',  sondern  anf  ^mtas  Derdeasia'  an  be- 
liehen, welche  Jacob  IL  unmittelbar  vorher  als  'ortas  fertilitatis  et  Cmob* 
ditatis'  n.  s.  w.  preist  Pedro  lY.  nahm  diese  Worte  in  aeiBeB  Stiftbrief  fftr 
Hnesca  nnr  ans  Jacobs  Urkunde  herüber.    S.  oben  S.  509. 

*^  Allerdings  erwähnt  Pedro  IT.  in  seinem  Stiftbriele  die  ^oetomm 
inibi  existentiam  scientie  profonditas\  aUein  Yon  einer  Schule  spricht  er 
nicht  In  Perfngnan  haben  sich  eben  solche,  die  den  Doctorgrad  in  iifeod 
einer  Wissenschaft  erworben  hatten,  aufgehalten,  ohne  dass  sie  das  Lehnmt 
ausgeübt  h&tten.  Beweis  dessen  bildet  die  Thatsache,  dasi  Pedros  SUftof 
im  An&nge  nicht  gedieh,  was  unerkl&rlich  wire,  wenn  sie  ticli  aa  eine 
Schule  angeschlossen  h&tte.    S.  oben  S.  517. 

^  ffistoria  dos  estabelecimentos  scientificos  litterarios  h  artistieot  de 
Portugal  I,  7  ff. 

*M)  S.  oben  S.  49L  In  der  BuUe  nimlich,  mit  welcher  JohaoB  ZXÜ 
den  Scholasticus  sum  Kantler  der  Universität  einsetat,  sagt  er:  Cm  pce- 
dicta  uniYersitas  Jurisdiction!  scholastid  eedeaie  Sakaant,  qui  est  pn>  lern« 


8.  Die  bestehenden  Schalen  n.  die  aoBseritalien.  UniTenit&ten.    727 

in  Berührnng  trat,  die  aber  andererseits  doch  als  eine  Neuschöpfung 
zu  betrachten  sind.  Einfachen  Ursprungs  ist  ebenso  wenig  die 
Hochschule  zu  Montpellier.  Natürlich  hatte  diese  keine  Stifts- 
schule zur  Voraussetzung.  Doch  entwickelte  sich  die  medicinische 
Schule  im  13.  Jh.  unter  directem  kirchlichen  Einflüsse  und 
in  Abhängigkeit  vom  Bischöfe  in  Maguelone,  wenngleich  im  12.  Jh. 
von  einer  solchen  noch  nicht  die  Rede  ist  und  volle  Lehrfreiheit 
herrschte.  Wie  Ende  des  12.  und  im  Anfange  des  13.  Jhs.  das 
Yerhältniss  der  Juristen  zum  Bischöfe  gestaltet  war,  lässt  sich  nicht 
sagen.  Vom  J.  1230  an  mussten  sie  ihm  den  Eid  der  Treue 
leisten '°'^).  Als  im  J.  1289  der  Bischof  gleichsam  das  Kanzler- 
amt über  die  drei  Facultäten  (der  Medicin,  des  Jus  und  der 
artes)  erhielt,  wurde  nur  bereits  Bestehendes  confirmiert"*). 
Theilweise  städtisch,  theilweise  geistlich  war  wohl  auch  jenes 
Particularstudium  zu  Prag,  auf  das  £[arl  IV.  in  seiner  Bitt- 
schrift an  den  Papst  behufs  der  Errichtung  einer  Hochschule 
hinwies.  Diese  selbst  ist  aber  trotz  des  vorhandenen  Particular- 
studiums  eine  Neuschöpfiing  zu  nennen. 

Zusammengesetzter  Natur  sind  in  gewisser  Hinsicht  auch  die 
Anfänge  der  unter  n.  1  angeführten  Hochschulen.  Lehnten  sie  sich 
nämlich  einerseits  an  vorhandene  Lehranstalten  an,  so  sind  sie 
doch  andererseits  gerade  rücksichtlich  der  an  ersteren  gelehrten 
Hauptfächer  und  in  Bezug  auf  alles,  was  ein  Studium  generale 
mit  sich  brachte,  als  Neuschöpfungen  anzusehen.  Nur  von  den 
Universitäten  zu  Valladolid,  Avignon  und  Orange  kann  möglicher 
Weise  behauptet  werden,  sie  hätten  sich  aus  einer  Stadtschule 


pore,  ab  antiquo  snbjecta  est.  Reg.  Yat.  Gomm.  an.  18  p.  1  ep.  248.  I>er 
Scholasticas  blieb  aach  fernerhin  in  diesem  Amte  und  wurde  canceUarins 
stadii  genannt.  Benedict  XIIL  hat  die  alten  Zustände  im  Auge,  wenn  er 
am  26.  Juli  1411  schreibt:  Cum  . .  .  dilecti  filii  aniversitatis  studii  Salamant. 
iorisdictioni  scolastici  ecdesie  Salamantin.  pro  tempore  eristentis  sint  post 
sedem  apostolicam  immediate  subiecti  idemque  scolasticns  officium  cancel- 
larie  ipsius  studii  ex  privilegiis  apostolicis  babeat  exercere  etc.  Original  im 
Univendt&tsarchiy  zu  Salamanca.    Siegel  an  Seidenschnur. 

S05)  s.  oben  S.  345. 

^  Wie  Clemens  IV.  in  dem  oben  S.  345  Anm.  528  citierten  Schreiben 
sagt,  war  der  Bischof  von  Maguelone  seit  alter  Zeit  im  Besitze  des  Rechts 
in  jeder  Facult&t  die  Licenz  zu  ertheilen,  er  war  'capud  studii  prindpale'. 


728    !▼-  1^0  Uniyersit&ten  im  Veriiiltiiisae  zu  den  firttkeren  Sehnlea. 

entwickelt,  obwohl  doch  auch  sie  erst  das  Privileg  eines 
Studium  generale  erhalten  mussten. 

Fassen  wir  nun  das  in  diesem  Paragrapfae  Erörterte  am* 
sammen,  so  ergibt  sich  als  Resultat:  Keine  der  ausseritalienischen 
Universitäten  ist  aus  einer  Elosterschule  hervorgegangen,  und  nur 
einige  Oeneralstudien,  zwei  deutsche  und  zwei  spanische,  haben 
sich  an  Dom-  resp.  Stiftsschulen  angeschlossen,  ohne  dass  sie 
aus  ihnen  hervorgewachsen  wären '^').  Mehrere  hatten  eine 
Stadtschule  zur  Voraussetzung,  die  meisten  aber  sind  als  Neu- 
schöpfungen  zu  betrachten.  An  dieser  Eigenschaft  participieren 
auch  jene  Universitäten,  welche  vorhandene  Schulen  zur  Grund- 
lage hatten.  Eine  Sonderstellung  beanspruchen  die  unter  einem 
bischöflichen  Kanzler  oder  Scholasticus  zu  einem  Generalstudinm 
fortgeschrittenen  unter  n.  2  aufgefilhrten  Schulen. 

Daraus  ergibt  sich,  dass,  obgleich  man  für  die  ausseritalie- 
nischen Universitäten  kein  allgemeines  Princip  aufstellen  kann, 
es  doch  immerhin  richtiger  ist  zu  behaupten,  sie  seien  zam 
grossen  Theile  nach  als  aus  den  Schulen  gekonmien. 

Indem  ich  die  weiteren  Erörterungen  auf  den  Schluss  dieses 
Bandes  spare ,  gehe  ich  sofort  auf  die  Untersuchung  des  Verhält- 
nisses der  italienischen  Universitäten  zu  den  ihnen  vorher- 
gehenden Schulen  über. 

^7)  Wexm  Paolsen  in  Sybels  Hist.  Zach.  1.  c.  8.  2S3  mehrere  dealache 
Univenit&ten  'ans  den  vorhandenen  Dom-  und  Klostenoholen  geraden  her- 
vorgehen' l&88t,  in  seiner  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  8.  16  aber 
sagt,  die  Errichtung  der  Universitäten  sei  in  Deutschland  4b  der  B^d  im 
Anschluss  an  die  vorhandenen  kirchlichen  ünterrichtsorganisationeB  in  Dom* 
und  GoUegiatstiften'  geschehen,  so  hat  er  die  Auedrücke  ond  Begriffe  voa 
'hervorgehen*  und  'anschliessen'  nicht  gehörig  abgewogen  und  getehMea; 
deun  'angeschlossen'  haben  sich  in  Deutschland  aUerdings  mehrere  Univer- 
siaten  an  Dom-  und  Stifts-  (nicht  Kloster-)  Schulen,  deshalb  aliid  aber 
entere  dennoch  nicht  aus  letiteren  'hervorgegangen'. 


4.  Die  Schalen  Italiens  nnd  die  üniyenit&ten.  729 

4.   Die  Sohnlen  Italiens  und  die  Universitäten. 

Wie  es  sich  in  den  letzten  Paragraphen  nicht  um  den 
Entwicklungsgang  des  europäischen  Bildungswesens  seit  den 
frühesten  Zeiten  gehandelt  hat,  sondern  nur  um  das  Yer- 
hältniss,  in  dem  die  Universitäten  sich  zu  den  ihnen  unmittelbar 
vorhergehenden  Schulen  befunden  haben,  so  fragen  wir  auch 
jetzt  nicht  nach  dem  Bildungsprocess  der  Schulen  und  der  Ge- 
schichte der  Rechtswissenschaft  seit  deren  Anfangen  in  Italien, 
sondern  in  welcher  Weise  gerade  die  Hochschulen  entstanden 
sind.  Befolgt  man  hier  ein  anderes  Verfahren,  so  verliert  man 
sich  in  allgemeine  Betrachtungen,  die  an  sich  recht  nützlich 
sein  können,  aber  nicht  zur  Sache  gehören.  So  ergieng  es  Goppi, 
welcher  in  der  Einleitung  zu  seiner  Schrift  Le  universitä  italiane 
nel  medio  evo  weitläufig  über  die  Entwicklung  der  Studien  in 
Italien  sich  ergeht '^^),  schliesslich  aber  das  eine  Nothwendige 
nur  flüchtig  berührt,  die  Frage  nämlich,  welche  Beziehung  die 
Universitäten  zu  den  früheren  Schulen  hatten,  und  wie  geartet 
diese  letzteren  waren. 

Man  hat  die  Behauptung  aufgestellt,  auch  in  Italien 
seien  einzelne  Universitäten,  so  namentlich  die  zu  Bologna,  aus 
Kloster-  und  Stiftsschulen  hervorgewachsen"').  Ihr  gegenüber 
besitzt  die  gerade  entgegengesetzte  Ansicht,  die  Universitäten 
hätten  Laienschulen  zur  Voraussetzung  gehabt '^^),  doch  ungleich 
mehr  Berechtigung,  wenngleich  sie,  wie  sich  ergeben  wird,  zu 
wenig  praecisiert  ist.  Trachten  wir  also  der  Wahrheit  auf  den 
Grund  zu  kommen. 

In  Bezug  auf  Salemo  habe  ich  dem  oben'^')  ausgesprochenen 
Resultate,  dass  wir  im  Unklaren  sind,  ob  die  Schule  geistlichen 


«>8)  Vgl.  p.  1-72. 

^  So  besonders  Baumer,  Oesch.  der  Hohenstanfen^  VI,  508:  'Die 
Uniyersität  Bologna  ist  höchst  wahrscheinlich  nach  und  nach  ans  den  Kloster- 
ond  Stiftschnlen  hervorgewachsen,  wesshalb  sich  kein  bestimmter  Zeitpunkt 
ihrer  Gründung  und  Entstehung  nachweisen  l&sst'. 

uo)  S.  Oianam,  Des  öcoles  et  de  Pinstmction  publique  en  Italie  in 
den  Oeuvres  oompUtes.  La  civilisation  au  dnquitee  sidcle  11,  410  ff.  Goppi 
p.  27.  Luschin,  Oesterreicher  an  italienischen  Universit&ten  S.  91. 

^)  S.  284. 


730    ^'  ^^^  UmYemtiten  im  VtrhiltniaBe  ni  den  frflberen  Sclmleii. 

oder  weltlichen  Ursprunges  sei,  nichts  hinzuzofügen.  Es  bedarf 
auch  keines  Beweises,  dass  jene  Rechtslehrer,  welche  in  Bologna 
zu  der  nachher  so  berühmten  Schule  den  Grund  gelegt  haben, 
nicht  an  der  Gathedrale  oder  an  irgend  einer  Stifts-  oder  Kloster- 
schule  als  Professoren  angestellt  waren.  Ein  Hinweis  auf  den 
Camaldulenser  Gratian  wäre  nicht  am  Platze,  da  von  allem  andern 
abgesehen  über  ihn  nur  verlautet,  dass  er  im  Kloster  S.  Apol- 
linare  in  Glasse  bei  Ravenna  in  den  Orden  getreten  ist,  im 
Kloster  S.  Feiice  zu  Bologna  gelebt  und  dort  sein  bekanntes 
Werk  verfasst  hat"'). 

Die  Hochschulen  zu  Vicenza,  Padua  und  Arezzo  (der  ersten 
Periode)  verdankten  ihren  Ursprung  einer  Auswanderung  von  Pro- 
fessoren und  Scholaren  aus  Bologna,  Vercelli  einer  solchen  aus 
Padua.  Die  früher  an  den  genannten  Orten  existierenden  Schulen 
waren  also  nichts  weniger  als  der  Grundstock  der  künftigen  Uni- 
versität. So  wird  allerdings  zum  J.  1184  eine  Domschule  in  Vicenza 
aufgeführt,  an  der  ein  Lombarde  Theologie  dociert  hat"*);  nicht 
unbedeutend  scheinen  sogar  die  geistlichen  Schulen  zu  Vercelli 
gewesen  zu  sein.  Um  von  dem  Statute  Attos  H.  im  10.  Jh.'^*) 
zu  schweigen,  so  wird  in  Acten  des  12.  Jhs.  öfter  auf  Schulen 
hingewiesen"').  Hauptsächlich  geschieht  der  Domschule  Er- 
wähnung, und  der  Bischof  Albert  gründete  vor  Ablauf  des  Jhs. 
eine  theologische  Lehrkanzel  an  derselben"*).    Aehnliche  Schulen 

^)  S.  Sarti  I,  260  ff.  Was  der  Autor  dort  aasfahrt,  erhilt  durch  dan 
Umstand,  dass  nicht  Johann  de  Columna  des  13.  Jhs.  Verfasser  des  Werkes 
De  yiris  illustribns  ist  (s.  oben  8.  315  Anm.  391),  worauf  Sarti  selbst  p.  263 
aufmerksam  gemacht  hat,  noch  mehr  Beweiskraft  Schalte,  Gesch.  der 
Quellen  I,  461  wusste  nichts  weiteres  zu  bemerken. 

^')  Savi,  Memorie  antiohe  e  moderne  intomo  alle  publiche  Bcaole  in 
Vicenza  p.  12. 

^^*)  Attonis  opera  illustr.  a  G.  Burontio  del  Signore  (Vercellis  1768) 
II,  282  can.  61. 

^i&)  S.  den  Nachweis  bei  MandeUi,  II  comune  di  Vercelli  nel  medio 
evo  III,  4  ff. 

^6)  Mandelli  p.  6  f.  Ob  der  bekannte  Augastiner  •  Chorherr  Thomas 
Gallns,  anter  dem  Namen  Vercellensis  bekannt,  in  seinem  Kloster  St.  An- 
dreas zu  Vercelli,  in  dem  er  bereits  1224  Prior  war  (s.  Frora,  Goalae 
Bicherii  presb.  card.  vita  et  gesta,  Mediolani  1767  p.  1361),  aach  dociert 
habe,  wird  nicht  gesagt.    Sicher  w&re  dessen  Lehramt  erwiesen,  durfte  man 


4.  Die  Schalen  Italiens  nnd  die  üniTenititen.  731 

mag  wohl  auch  Padua  besessen  haben '^').  Allein  weil  eben 
die  nachmalige  Universität  an  diesen  Orten  nur  einer  Ueber- 
siedlang  von  Professoren  und  Scholaren  den  Ursprung  zu 
verdanken  hatte,  kommen  die  daselbst  vorhandenen  Schulen  gar 
nicht  in  Betracht,  und  es  fällt  mithin  die  Frage  weg,  in  welches 
Verhältniss  Schule  und  Universität  zu  einander  getreten  seien. 
Nur  in  Bezug  auf  Vercelli  lässt  es  sich  nicht  mit  Sicherheit 
bestimmen,  in  wieweit  die  bereits  existierende  Lehrkanzel  der 
Theologie  auf  den  von  der  Stadt  mit  Padua  abgeschlossenen 
Gontrakt  rücksichtlich  der  Besoldung  eines  Theologen  Ein- 
fluss  ausübte '^^).  Es  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  die  in 
den  Universitäts- Lehrplan  aufgenommene  theologische  Disciplin 
von  dem  schon  in  früherer  Epoche  angestellten  Theologen  gelehrt 
wurde. 

Die  meisten  der  übrigen  italienischen  Universitäten 
hatten  in  den  Stadtschulen  ihre  Wurzeln.  Die  Gommunen 
der  verschiedenen  Städte  besoldeten,  bereits  ehe  sie  sich  im  Besitze 
eines  Universitätsprivilegs  befanden,  Lehrer  jener  Wissenschaften, 
über  welche  später  an  ihren  Hochschulen  vorgetragen  wurde,  näm- 
lich Docenten  des  Rechts,  der  Medicin  und  der  artes  liberales,  und 
die  in  diesen  Fächern  blühenden  Schulen  bildeten  an  vielen  Orten 
den  Stamm  der  daselbst  ins  Leben  gerufenen  Generalstudien. 

Diesem  Umstände  ist  es  zuzuschreiben,  dass  man  die  Vor- 
geschichte der  Hochschulen  in  keinem  Lande  so  gut  verfolgen 
kann,  wie  in  Italien.  Die  Städte  resp.  Republiken  bedurften  zu- 
nächst für  ihre  mannigfachen  Aemter,  z.  B.  für  die  des  Podesti,  der 


dem  ankritischen  Berichte  der  zweiten  Vita  des  hl.  Antonios  im  Cod.  Pa* 
tavin.  S.  Antonio  n.  74  (Ausgabe  von  Josa  p.  90),  der  Vita  des  hl.  Anto- 
nios in  der  Chronik  der  XXIV  Generale,  die  mit  der  2.  in  AA.  SS.  Jon.  II, 
124t  identisch  ist,  und  der  Notia  in  der  Antiqua  legenda  S.  F.  Francisci 
(Cod.  Vat.  4354  Bl.  65  b.  Cod.  Berolin.  4^  n.  196)  Okuben  schenken.  Schon 
Aasognidi»  8.  Antonii  Ulyssiponensis  sermones  in  psalmos  (Bononiae  1757) 
p.  XC  hat  darauf  hingewiesen,  dass  Anton  mit  Thomas  Gallus  nur  bekannt 
gewesen  sei.  Letzterer  war  allerdings  einst  Lehrer  in  seinem  Kloster  St. 
Victor  an  Paris,  wie  er  in  seinen  Extractiones,  De  coel.  hierarchia  c.  X 
(Cod.  Laurenz,  ^lut.  XVL  dezt  cod.  8  Bl.  59)  bemerkt. 

»7)  Vgl.  oben  S.  277  Anm.  226. 

^«)  S.  oben  S.  279.  281.  290  Anm.  267.  277. 


732   I^-   ^le  ünifenit&teli  im  Verhftltnisse  lu  den  firfiheren  Schalen. 

Gonsuln,  der  Judices  (Advocati)  und  Notare,  geschulter  Juristen. 
Diese  konnten  sie  femer  nicht  bei  Entwerfong  ihrer  Statuten 
entbehren.  Folgt  nun  einerseits  daraus,  dass  an  den  Schulen 
Italiens  das  Studium  des  Civilrechts  die  erste  Stelle  behaupten 
musste,  so  ergibt  sich  auch,  dass  die  Sorge  für  den  Unter- 
richt in  der  genannten  Disciplin  den  St&dten  selbst  an- 
heimfiel. Um  des  Zusammenhanges  willen  mit  der  Jurisprudenz 
fügte  man  auch  zumeist  das  can.  Recht  dem  Lehrplan  ein. 
Nicht  minder  liess  sich  die  Stadt  das  Studium  der  Medicin  an- 
gelegen sein,  denn  dieses  brachte  ihr  den  Vortheil,  zum  Nutzen 
der  Einwohner  Mediciner,  die  zugleich  Vorlesungen  hielten  und 
ihre  Praxis  ausübten,  an  sich  zu  ziehen.  Hand  in  Hand  mit 
dem  medicinischen  Studium  gieng  damals  das  der  artes  liberales, 
wie  es  bereits  Friedrich  H.  in  einem  seiner  Statuten  ausgesprochen 
haf ').  Nicht  umsonst  wurden  in  Italien  die  Mediciner  sehr 
häufig  als  Artisten  bezeichnet. 

Auf  die  Pflege  der  genannten  Wissenschaften,  und  unter 
ihnen  vorzüglich  jene  des  röm.  Rechts  und  der  Medicin,  nahmen  non 
vielfach  die  Städte  in  ihren  Statuten  seit  dem  13.  Jh.  Rücksicht 
Nicht  selten  begegnen  wir  in  denselben  einem  oder  mehreren 
Paragraphen,  welche  Bestimmungen  über  die  Ausdehnung  der 
Lehrfächer,  die  Anzahl  der  Professoren,  welche  dieselben  vor* 
tragen  sollen,  das  von  der  Commune  zu  bezahlende  Salarium, 
die  von  ihr  gewährten  Freiheiten  u.  s.  w.  enthalten.  Ich  habe 
oben  bei  Darstellung  der  einzelnen  Universitäten  widerholt  auf 
solche  Statuten  aufmerksam  gemacht,  und  man  hat  bisher  aus 
derartigen  Verfügungen,  soweit  solche  bekannt  waren,  mit  Un- 
recht auf  die  Existenz  eines  Generalstudiums  in  dieser  oder  jener 
Stadt  geschlossen"^).    Das  Datum  der  Statuten  lässt  uns  femer 

3^^)  Qaia  nonqnam  sciri  potest  scientia  medicine,  nisi  de  loyca  prescia« 
tor  etc.    Orlando,  Un  codice  di  leggi  e  diplomi  Siciliani  p.  42. 

^  So  wird  gewöhnlich  in  den  Universitätenverseichmssen  nicht  blom 
die  Stiftung  der  Univerdtäten  Ferrara,  Florenz,  Perugia  su  frühe  (erttere  in 
das  Jahr  1264,  Florenz  1321,  Femgia  1276)  angesetzt,  sondern  wegen  solcher 
städtischer  Statuten  hie  and  da  eine  Schale  als  Generalstadiom  bezeichnet, 
die  doch  nie  eines  gewesen  ist.  Coppi  fällt  p.  90  in  Bezog  auf  KoTara, 
p.  95  rücksichtlich  Cremona  in  diesen  Fehler.  Der  Umstand,  dass  z.  B. 
in  Cremona  eine  nniversitas  scolarinm  bestand,  beweist  in  keiner  Weise 


4.  Die  Schulen  ItalienB  und  die  UnlTenititen.  783 

den  Zeitpunkt  erkennen,  in  welchem  die  Verordnungen  wenigstens 
theilweise  zur  Ausführung  gelangt  sind,  es  zeigt  uns  also,  wann 
in  dieser  oder  jener  Stadt  eine  Schule  existierte. 

Weit  mehr  werden  wir  jedoch  über  diesen  Punkt  durch 
andere  städtische  Beschlüsse  aufgeklärt.  Wollten  nämlich  die 
Städte  ihren  Zweck  bei  Gründung  der  Lehranstalten  erreichen, 
so  mussten  sie  sich  nach  geeigneten  Lehrkräften  umsehen,  sie 
berufen  und  mit  ihnen  über  das  Gehalt  contrahieren.  Die  städ- 
tischen Lehranstalten  waren  ja  nicht  so  geartet  wie  die  Dom- 
und  Stiftsschulen,  an  denen  der  Leiter  der  Schule,  der  nur  hie 
und  da  berufen  wurde,  entweder  selbst  Unterricht  ertheilte  oder 
ihn  anderen,  denen  er  die  Licenz  gab,  überliess.  Für  deren  Unter- 
halt ward  auch  durch  kirchliche  Beneficien  gesorgt.  Die  Stadt- 
obrigkeit aber  musste  darüber  Rath  halten,  wie  viele  Professoren 
sie  besolden  könne,  auf  welche  Summe  das  ihnen  in  Aussicht  zu 
stellende  Honorar  sich  belaufen  werde,  und  woher  die  Lehrer  zu 
bestellen  seien.  Wie  andere  Beschlüsse,  welche  die  Commune 
betrafen,  fanden  auch  diese  protocoUarische  Aufiiahme,  und 
es  wurden  sodann  die  für  die  einzelnen  Professoren,  für  Miethe 
und  Instandhaltung  der  Schullocalitäten,  fi(ir  Bedelle  u.  s.  w. 
ausgeworfenen  Summen  eingetragen.  So  kommt  es,  dass  man 
aus  den  alten  BathsprotocoUen  und  Rechnungsbüchem,  soweit 
sie  uns  überliefert  sind,  die  Existenz,  Beschaffenheit  und 
Geschichte  der  italienischen  Stadtschulen  seit  der  2.  Hälfte  des 
13.  Jhs.  in  einer  Weise  eruieren  und  verfolgen  kann,  wie  dies 
hinsichtlich  der  Lehranstalten  ausserhalb  Italien  nicht  möglich 
ist.  Zu  gute  kommt  dem  Forscher  dabei,  dass  die  Lehrer,  be- 
sonders jene  des  Rechts,  nie  zu  lange  an  einem  und  demselben 
Orte  verweilten,  was  mit  sich  brachte,  dass  die  Commune,  wollte 
sie  das  bereits  bestehende  Studium  nicht  eingehen  lassen,  widerum 
Beschlüsse   fassen  und  zu  einer  Neuberufung  schreiten  musste. 

für  die  Existenz  einer  Hochschule.  Im  Irrthome  befindet  sich  femer 
Goppi,  wenn  er  p.  94  aas  einem  Statute  der  Stadt  Ferrara  vom  J.  1364  die 
Worte  'nniversitas  scolarium'  heraosliest.  Es  ist  das  oben  S.  332 
Anm.  418  citierte.  Goppi  hat,  so  scheint  es,  'oniversitas  scolarium'  mit  *col- 
legiom  medicorum'  Terwechselt,  welch  letateres  allerdings  in  Ferrara  bereits 
im  18.  Jh.  bestand.  S.  Borsetti,  Hist.  Ferrariae  Gynm.  I,  11.  Gngusi,  Notiaie 
storiche  suUa  u]iiyer8it&  libera  degli  stadi  di  Ferrara  p.  4. 


784  IV.  Die  üniTerBit&ten  im  VerhftltniBBe  sa  den  froheren  Seholen. 

Die  reichste  Ausbeute  liefern  hinsichtlich  solcher  Nachweise  die 
Archive  von  Perugia,  Siena,  Treviso  für  die  in  den  genannten 
Städten  vor  Eröffnung  der  Universität  von  den  Gommunen  unter- 
haltenen Schulen.  An  anderen  Orten  ist  allerdings  sehr  viel 
verloren  gegangen;  doch  lassen  sich  auch  aus  dem  noch  Vor- 
handenen wenigstens  fOr  einzelne  Perioden  sichere  Schlüsse  ziehen. 
Fast  im  Stiche  gelassen  wird  man  nur  in  Bezug  auf  Verona. 

Aus  solchen  von  den  Ciommunen  gepflegten  Schulen  entwickel- 
ten sich  in  Italien  zumeist  die  Hochschulen.  Die  Belege  finden 
sich  gedrängt  beisammen  in  der  oben  dargelegten  Grflndungs- 
geschichte  der  einzelnen  Universitäten.  Selbst  dort,  wo  man  nicht 
über  den  Stiftungsbrief  hinauskam,  bildeten  die  Stadtschulen  die 
Ursache  zum  Beschlüsse,  sich  um  einen  solchen  zu  bewerben. 
Eigentlich  ergeben  sich  in  unserer  Periode,  wenn  man  begreiflicher 
Weise  vom  Studium  an  der  Curie  absieht,  und  Salemo  und  die 
drei  durch  Auswanderung  entstandenen  Hochschulen  ausser  Acht 
lässt,  nur  Neapel,  Rom  und  theilweise  Pavia  als  Ausnahmen'"). 

Diese  Thatsache  erklärt  es,  warum  in  Italien  viele  Hoch- 
schulen, äusserlich  betrachtet,  so  ziemlich  dasselbe  Aussehen  wie 
die  zu  ihnen  führenden  Lehranstalten  besitzen,  so  dass  sich  die 
erstem  von  letztem  nur  dadurch  unterschieden,  dass  jene  das 
Promotionsrecht  und  hie  und  da  mehr  Lehrkräfte  aufzuweisen 
hatten.  Nur  ausnahmsweise  wurde  in  Folge  einer  Goncession  auch 
ein  neues  Lehrfach,  z.  B.  die  Theologie,  hinzugenommen.  Zu  jener 
Zeit  war  in  den  Errichtungsurkunden  die  Formel  'Studium  predictum 
in  Studium  generale  erigere'  noch  nicht  im  Brauche ;  sie  erscheint, 
so  weit  mir  bekannt  ist,  zuerst  in  dem  am  13.  December  1474 
erlassenen  päpstl.  Stiftbrief  für  Saragossa,  und  dann  in  dem 
Schreiben  desselben  Papstes  vom  1.  December  1476,  mit  welchem 
er  den  Erzbischof  von  Saragossa  zum  Kanzler  bestellte'*').  Allein 
wenn  irgendwo  so  hätte  sie  in  mehreren  Stiftbriefen  für  italienisdie 


s>^)  Die  Schalen  Bolognas  des  13.  Jbs.  kOnnen  allerdtags  nur  oneisent- 
lich  städtische  gensnni  werden;  aher  gewiss  waren  solche  jene  Arenos  in 
der  iweiten  Periode.    In  Einsicht  anf  Verona  liest  sich  nichts  sagen. 

**>)  Siztos  lY.  sagt  im  letiteren  Schreihen:  Stadium  predictom  in  ar* 
tibas  damtaxat  in  Stadium  generale  in  fscaltate  artiam  dnmtazat  in  dicta 
civitate  Cesaraagastan.  com  officio  eaaeellarialas  peipetni  efezlBvs  ac  ala- 


4.  Die  Schulen  Italiens  und.  die  UnlTenit&ten.  735 

Hochschulen  des  14.  Jbs.  einen  Sinn  gehabt.  Ich  nenne  beispiels- 
weise jene  von  Perugia,  Treviso,  Pisa  (wo  freilich  auch  die 
Theologie  hinzukam),  Siena,  Orvieto.  Thatsächlich  wurde  nur 
die  bereits  bestehende  Schule  zu  einem  Generalstudium  erhoben. 
Dass  die  Universität  von  Siena  und  besonders  jene  von  Peru- 
gia nachher  immer  mehr  Bedeutung  gewannen,  schwächt  die 
Beweiskraft  des  Factums  nicht  ab. 

Selbstverständlich  lassen  sich  solche  Nachweise  bei  jenen  Hoch- 
schulen, die  ex  consuetudine  oder  durch  Auswanderung  entstanden, 
nicht  führen.  Allein  nichts  destoweniger  verdankten  auch  sie 
ihr  Gredeihen  zum  grossen  Theile  den  Gommunen.  Dies  ist  ein 
weiterer  Punkt,  den  wir  in  Erwägung  ziehen  müssen. 

Die  Städte  beschäftigten  sich  nämlich  mit  ihnen  nicht 
weniger,  als  mit  den  aus  den  Stadtschulen  erwachsenen  Univer- 
sitäten. Die  Stadt  übernahm  überall  die  Besoldung  der  Pro- 
fessoren'"). War  dies  auch  z.  B.  zu  Bologna  im  13.  Jh.  wegen 
der  eigenthümlichen  Entwickelung  jener  Schule  nur  vereinzelt 
der  Fall,  wie  sich  aus  dem  oben  Angeführten  ergibt  und  ich 
des  weiteren  im  2.  Bande  darlegen  werde,  so  griff  doch  auch 
dort  mit  der  Zeit  das  überall  geltende  System  Platz'"*).  Diese 
Art  und  Weise  der  Besoldungen  brachte  es  auch  mit  sich,  dass, 
gieng  an  manchen  Hochschulen  die  Wahl  der  Professoren,  soweit 
wir  Kenntniss  davon  haben,  von  den  Scholaren  aus"^),  doch  die 
vorgenommene  Wahl  durch  die  Zusage  der  Stadt  bedingt  war,  wie 
für  Padua  ausdrücklich  erwähnt  wird'"),  und  die  Geschichte  der 
Hochschule  von  Perugia  bestätigt.  Ueberall  traten  femer  die 
Universitäten  in  ein  gewisses  Abhängigkeitsverhältniss  zu  den 
städtischen  Communen  in  Hinsicht  auf  das  Recht  tiorporationen 
einzugehen,  auf  Freiheiten  und  Privilegien,  und  zum  Theil  auch 
rücksichtlich  der  Statuten.    Ordneten  ja  nicht  selten  die  Städte 

taimns  et  ordinaTimas.  Arch.  Laterani  Beg.  Sixti  lY.  1476  an.  6.  L  1 
Bl.  186a.  Die  eigentliche  Universität  Saragossa  wurde  jedoch  erst  1541  von 
Karl  y.  errichtet 

^)  Als  Beispiel  fahre  ich  unten  Beilage  I  die  städtischen  Statuten 
Padnas  ans  den  Jahren  1259—1275  an. 

«»•)  S.  oben  S.  208  f.    Savigny  lü,  240ff. 

»*)  Vgl  dazu  oben  S.  197  f.    Wegen  Perugia  s.  S.  537, 

»»)  S.  oben  S.  197  Anm.  527.    Vgl.  dazu  Beilage  I. 


736  IV*  ^^  Unifenit&teii  im  Yeriiftltiiisse  sa  den  frflheren  Schalen. 

selbst  an,  welche  Fächer  und  in  welcher  Weise  sie  voi^tr&gen 
werden,  wie  stark  sie  vertreten  sein  mflssten,  wann  die  Kurse 
beginnen  sollten  jl  s.  w.  Dies  war  nicht  bloss  üast  ausnahmslos 
bei  allen  kleineren  Hochschulen  der  Fall,  sondern  öfters  auch  bei 
grossem.  Die  Communen  liessen  zudem  die  Errichtung  der  Schulen 
den  Nachbarorten  durch  ihre  Ausrufer  bekannt  machen.  Bei- 
spiele sind  uns  erhalten  von  Vercelli,  Perugia,  Treviso,  Pavia, 
Siena,  Orvieto,  wie  auch  von  Macerata,  wo  sich  erst  im  16.  Jh. 
eine  Hochschule  constituierte,  und  von  Todi,  wo  nie  eine  entstand. 

Dass  in  Italien  die  Generalstudien  aus  den  Stadtschulen, 
und  nicht  aus  Dom-  oder  Stiftsschulen  hervorgegangen  sind,  und 
dass  sie  als  Generalstudien  recht  eigentlich  städtische  Lehran- 
stalten waren,  erhellt  auch  aus  der  Thatsache,  dass  wir  in 
der  Universitätsperiode  nicht  einmal  einem  Magister  scholarum 
oder  einem  Scholasticus  begegnen,  der,  sei  es  unter  dem  alten 
Namen,  sei  es  mit  dem  Titel  Gancellarius,  sein  bereits  vor  GrQndung 
der  Universität  inne  gehabtes  Amt  in  neuer  Weise  fortgesetzt 
hätte,  oder  bei  Gewährung  des  Privilegs  eines  Generalstudiums 
designiert  worden  wäre,  die  Licenz  zu  ertheilen.  In  Bologna 
wurde  erst  von  Honorius  HI.  im  J.  1219  der  Archidiacon  bestellt 
die  Prüfungen  zu  überwachen  und  Licenz  zu  geben.  In  Padua 
übertrugen  die  Scholaren  oder  die  Rectoren  selbst  dem  Bischöfe 
das  Recht,  die  beiden  Aemter  zu  übernehmen.  An  nicht 
weniger  denn  13  Hochschulen,  die  einen  Stiftbrief  erhielten,  wurden 
dem  Bischof  die  genannten  Befugnisse  übertragen.  Es  sind  dies 
Zeichen,  dass  in  Italien  die  Hochschulen  nicht  mit  Dom-  oder 
Stiftsschulen  in  Verbindung  getreten  waren,  und  dass  letztere 
dort,  wo  sie  früher  von  sich  reden  machten,  nicht  f&r  die  Gene- 
ralstudien die  Voraussetzung  gebildet  haben* 

Nun  erklärt  es  sich  auch,  warum  gerade  in  Italien  die  Scho- 
larenverbindungen mit  eigenen  Rectoren  enstanden  sind  und  ent- 
stehen konnten.  Hätte  sich  die  Schule  Bolognas  (und  auf 
diese  kommt  es  natürlich  zunächst  an,  da  die  übrigen  Univer- 
sitäten ihre  Verfassung  nur  Bologna  entlehnten)  unter  einem 
Kanzler  wie  Paris,  Oxford,  Cambridge  u.  s.  w.  entwickelt,  oder 
hätte  sie  sich  wie  Orleans  und  Angers  im  Beginne  sofort  mit 
einem  Scholasticus  in  Verbindung  gesetzt,  so  würden  sich  nicht 


4.   Die  Schulen  Italiens  und  die  Uniyersit&ten.  737 

bloss  nicht  Scholarenverbindungen  mit  der  oben  beschriebenen 
Organisation  gebildet  haben,  sondern  auch  die  Entstehung  eines 
Rectorates,  um  nicht  zu  sagen  das  der  Scholarencorporationen, 
wäre  erst  möglich  gewesen,  nachdem  der  Kanzler  an  seiner  Macht 
bereits  Einbusse  erlitten  hatte  "^).  Was  ich  oben  im  2.  Paragraph 
dieses  Abschnittes  in  Hinsicht  auf  Paris  gesagt,  hat  auch  hier 
seine  Geltung.  Die  bekannte  Verfassung  der  Universität  zu 
Bologna  war  allein  möglich,  weil  die  Scholaren  ausser  den  Pro- 
fessoren nur  der  Stadt  gegenüber  standen,  der  es  an  sich  gleich- 
gültig sein  musste,  ob  die  Scholaren  oder  die  Professoren  Yer- 


^  Allerdings  wird  man  mir  Savignys  Behauptung  entgegenhalten,  dass 
Bologna  fCkr  aUe  alten  französischen  Universitäten  das  Master  geworden  ist. 
Gesch.  des  röm.  Rechts  111,  385.  157.  Vgl.  auch  Tharot  zu  der  Bibliothöque 
de  r^cole  des  chartes  XXXII,  380.  Die  Schulen  von  Orleans  und  Angers 
entwickelten  sich  aber  unter  dem  Scholasticus.  Dem  gegenflber  erwidere 
ich,  dass  Savigny  auf  ganz  falscher  F&hrte  war.  Nur  in  Montpellier  und 
Perpignan  (betrachten  wir  Frankreich  in  der  heutigen  Gestalt)  erscheint  die 
Bologneser  Verfassung  als  Muster.  Auf  alle  abrigen  Hochschulen  Frank- 
reichs wirkte  diejenige  von  Paris  ein.  Im  2.  Bande  werde  ich  ausführlich 
darauf  zu  sprechen  kommen.  Ich  will  hier  nur  mit  wenigen  Worten 
eioige  Punkte  in  Hinsicht  auf  Orleans  und  Angers  berflhren.  Cle- 
mens y.  gestattete  im  J.  1306  den  Professoren  und  Scholaren  von  Orleans, 
ein  CoUegium  nach  Art  jenes  von  Toulouse  zu  bilden  (s.  oben  S.  257).  In 
Toulouse  befanden  sich  aber  die  Professoren  im  Besitze  der  Gewalt;  und  eben 
dieses  war  auch  in  Orleans  der  Fall.  Der  Hauptfactor  war  dort  das  Doctor- 
collegium  mit  dem  Rector;  von  ihnen  giengen  auch  die  Statuten  aus.  Allerdings 
machte  sich  ein  Einfluss  von  Bologna  bei  den  Nationen  und  Procuratoren 
geltend.  Man  darf  aber  nicht  vergessen,  dass  in  Orleans  die  genannten  Yer- 
h&Itnisse  nicht  aus  einer  spontanen  Entwickelung  resultierten  (und  von 
dieser  spreche  ich  oben),  sondern  von  aussen  geschaffen  wurden.  In  Angers 
war  der  Scholasticus  bis  1398  Haupt  des  Studiums;  ihm  schuldeten  alle  Gehor- 
sam. Erst  im  erw&hnten  Jahre  wurde  in  Folge  eines  Zerwürfnisses  der 
Scholaren  mit  ihm  von  zwei  königlichen  Commiss&ren  beschlossen,  die 
Universität  solle  in  Zukunft  nach  Art  anderer  Hochschulen  von  einem  Bec- 
tor,  einem  CoUegium  doctorum  und  den  Procuratoren  regiert  werden.  S. 
Rangeard  I,  375  ff.  380.  Savigny  und  Thurot  gelangten  nur  deshalb  zu  ihren 
Aufstellungen,  weil  sie  die  Geschichte  der  einzelnen  Universitäten  nicht 
kannten.  Sollte  jemand  auf  die  Hochschule  Salamanca  hindeuten,  die  un- 
ter dem  Domscholasticus  entstandi  und  trotzdem  die  Bologneser  Verfassung 
aufweist,  so  Obersieht  er,  dass  letztere  entlehnt  wurde  und  sich  nicht  in 
Salamanca  entwickelt  hat. 

D  e  n  i  f  1  • ,  Die  UnireniMten  I.  47 


738    I^-   ^i^  Uniyersit&ten  im  Verhältnisse  su  den  froheren  Schalen. 

bindungen  eingehen  wollten,  und  in  welcher  Weise  dieselben 
organisiert  wurden.  Ihr  kam  es  zunächst  darauf  an,  dass  recht 
Viele  von  Bologna  angezogen  würden  und  der  Ruf  der  Schule 
andere  Lehranstalten  in  Schatten  stelle.  Zur  Erklärung  des 
Gegensatzes  zwischen  den  Universitäten  Paris  und  Bologna 
rücksichtlich  der  Orundformen  der  Organisation  dient  viel  eher 
die  Thatsache,  dass  erstere  eine  Domschule  mit  einem  Kanzler 
zur  Voraussetzung  gehabt,  letztere  aber  sich  frei  entwickelt 
hat,  als  die  Annahme  Savignys,  der  republikanische  Geist  Bo- 
lognas habe  sich  leicht  den  Studierenden  mitgetheilt,  und  die 
Natur  der  Wissenschaften,  um  deren  willen  die  Schulen  zu 
Paris   und  Bologna  entstanden,  sei  von  Einfluss  gewesen  "0. 

Da  in  keiner  italienischen  Stadt,  in  welcher  bis  zum  15.  Jh. 
eine  Hochschule  entstand,  eine  Dom-  oder  Stiftsschule  die  Grund- 
lage gebildet  hat,  so  machte  es  auch  keine  Schwierigkeit,  die  an 
der  Universität  Bologna  geltende  Verfassung  anderswo  einzu- 
führen. Ja  wir  finden  sie  z.  B.  in  Perugia  und  Pisa  bereits 
ehe  daselbst  ein  eigentliches  Generalstudium  existierte. 

Man  hüte  sich  aber  hier  Cionsequenzen  zu  ziehen,  wie  sie 
z.  B.  Coppi,  der  freilich  mit  obigen  Thatsachen  zu  wenig  vertraut 
war,  aufgestellt  hat.  Die  4struzione  laica  in  Italia'  bedeutet  bei 
ihm  4'independenza  intellettuale  dei  popoli  dair  Influenza  ec- 
clesiastica''*'),  oder  4a  completa  emancipazione  delle  scuole 
laiche  dall'  Influenza  ecclesiastica' *").  Solche  Aufstellungen 
entspringen  nur  aus  den  modernen  Ideen  und  sind  für  die 
Epoche,  die  uns  beschäftigt,  ein  arger  Anachronismus.  Im  12. 
bis  14.  Jh.  waren  der  Glaube  und  der  christliche  Geist  noch 
durchaus  die  herrschende  Macht.  Haben  sich  auch  damals  ein- 
zelne von  der  geistlichen  Autorität  losgerissen,  so  that  dies  doch  bei 
weitem  nicht  ein  bedeutender  Theil  oder  die  überwiegende  Mino- 
rität. Und  selbst  zugegeben,  dass  schon  in  jener  Epoche  das 
Band,  welches  Geistliches  und  Weltliches,  Kirche  und  Reich  an  ein- 
ander geknüpft  hatte,  locker  geworden  war,  so  bleibt  Coppis  Aus- 


M7)  Ibid.  S.  158. 

^  Le  universitli  itahane  p.  27.    Auch  p.  32  spricht  er  tob  Teman- 
cipazione  inteUettnale  dei  laici'. 
M»)  Ibid.  p.  32. 


4.   Die  Schalen  Italiens  und  die  Uniyenitäten.  739 

Spruch  trotzdem  irrig;  die  Thatsachen  führen   gerade   zu   einer 
demselben  entgegengesetzten  Anschauung. 

Am  28.  Juni  1219  verfügte  Honorius  III.  in  einem  Schreiben 
an  den  Archidiacon  Gratia,  zu  Bologna  sollte  in  Zukunft  niemand 
lehren  dürfen  ausser  mit  dessen  Genehmigung  und  nach  voraus- 
gegangener Prüfung''^).  Diese  Verordnung  hat  zu  manchen 
Erklärungen  Veranlassung  gegeben.  Savigny  erblickt  den  Grund, 
weshalb  gerade  der  Archidiacon  gewählt  wurde,  darin,  dass  er 
die  Aufsicht  über  die  Domschule  hatte  und  Gratia  selbst  grosses 
Ansehen  genoss"').  Mich  nimmt  es  Wunder,  dass  Savigny  als 
Juristen  die  eigentliche  Ursache  entgieng.  Diese  ist  nämlich 
darin  zu  suchen,  dass  eben  der  Archidiacon  in  Folge  einer 
Verfügung  Innocenzs  III.  in  Hinsicht  auf  die  neu  anzustellenden 
Beneficiaten  bereits  ein  Amt  inne  hatte,  das  demjenigen  ähnlich 
war,  welches  er  rücksichtlich  der  Promovendi  in  den  Wissenschaften 
von  Honorius  HI.  erhielt.  Innocenz  HL  bestimmte  nämlich,  dass  die- 
jenigen, 'qui  beneficiis  ecclesiasticis  preficiendi  fuerint,  a  suo 
prius  examinentur  archidiacono,  et  per  ipsum  postmodum  epi- 
scopo  presententur' "').  Es  lag  zu  nahe,  dass  Honorius  HI.  in 
einer  Zeit,  in  der  die  Bestimmung  seines  Vorgängers  noch  ganz 
frisch  im  Gedächtnisse  war,  das  oben  beschriebene  Amt  bezüg- 
lich der  in  Bologna  zu  Doctorierenden  ebenfalls  dem  Archi- 
diacon  übertrug.    Das  ist  die  natürlichste  Erklärung"*). 

^)  Bei  Sarü  II,  59.  SavioU  II,  2  p.  408  n.  471. 

Ml)  L.  c.  S.  225. 

^^)  Epistolae  Innocent.  III.  ed.  Balaze  I,  368.  Das  Schreiben  steht  in 
der  Comp.  lY.  1,  3,  und  daraus  in  c.  7.  de  officio  archidiaconi  X.  1,  23. 
Raymund  von  Penafort  sagt  in  dem  oben  S.  15  citierten  noch  nicht  be« 
kannten  Werke,  das  er  vor  Eintritt  in  den  Orden  geschrieben:  Officium 
examinandi  exercebatur  olim  a  sacerdotibus  et  aliis  jurisprudentibus  et  in 
divina  lege  peritis  ab  episcopo  ad  hoc  delegatis.  XXIIIL  dist.  guando  (d.  i.  im 
Decrete  dist.  24  c.  5),  et  idem  esset  hodie,  si  archidiaconus  esset  absens. 
Hodie  autem  de  jure  pertinet  hoc  ad  officium  archidiaconi.  extra  IUI.  de 
officio  archidiaconi  (n&mlich  1.  c.  in  der  genannten  Comp.  lY.).  Cod.  Bnrghes. 
n.  261  aus  der  I.  H&lfte  des  13.  Jhs. 

*ssj  Eichhorns   irrige  Ansicht  s.  bei   Savigny   1.   c.   Anm.  d.    Woher 

letaterer  die  Notia  fiber  die  Domschule  au  Bologna  nahm,  ist  mir  unbekannt; 

ich  vermuthe  aus  seiner  Phantasie.   Ebenso  willkürlich  ist  seine  Behauptung, 

dass  eigentlich  die  RQcksicht  auf  das  canon.  Recht  zur  neuen  Einrichtung 

Yeranlassung  gegeben  habe.  Die  Ursache  bildeten  vielmehr  die  Unordnungen,  die 

47» 


740  ^V.   Die  Universitäten  im  Verhältnisse  zu  den  früheron  Schulen. 

Allein  nicht  diese  interessiert  uns  hier,  sondern  vielmehr 
die  Frage,  wie  die  päpstliche  Verfügung  von  den  Professoren 
und  Scholaren  in  Bologna  aufgenommen  wurde.  Wäre  Coppis 
Ansicht  richtig,  so  müssten  wir  von  Conflicten  lesen,  die  in 
Folge  der  päpstlichen  Bestimmungen  zwischen  dem  Archidiacon 
und  den  Lehrern  entstanden  sind.  Allein  davon  ist  keine 
Rede"*).  Savigny  behauptete,  aus  dem  persönlichen  Ansehen 
Gratias  erkläre  es  sich,  'dass  von  einem  Widerspruche  der 
übrigen  Doctoren  keine  Erwähnung  geschieht'.  Allein  Gratia 
war  nicht  sehr  lange  in  Bologna  Archidiacon'").  Hatten  seine 
Nachfolger  dasselbe  Ansehen  wie  er?  Hier  gibt  es  nur  eine 
Erklärung,  dass  nämlich  selbst  die  Professoren  Bolognas,  wo 
doch  wenn  irgendwo  das  römische  Recht  alles  in  Fesseln  ge- 
schlagen hatte,  von  dem  Bewusstsein  erfüllt  waren,  der  geist- 
lichen Autorität,  resp.  der  Kirche  komme  zunächst  die  Aufsicht 
über  die  Schule  zu"*).  Dieselbe  Ueberzeugung  beherrschte  die 
Scholaren  Paduas,  als  sie  dem  Bischöfe  das  Amt,  das  in  Bologna 
der  Archidiacon  hatte,  übertrugen.  Die  gleiche  Beobachtung 
machen  wir  an  den  meisten  übrigen  italienischen  Hochschulen. 
Obwohl  sie  Stadt-  nicht  Domschulen  zur  Voraussetzung  und  sich 
nicht  unter  einem  bischöflichen  Kanzler  entwickelt  hatten,  fand 
man  es  dennoch  überall  selbstverständlich,  dass  die  Promotionen 
sowohl  in  den  päpstlichen  als  in  den  kaiserlichen  Stiftbriefen 
von  der  Licenz  des  Bischofes  abhängig  gemacht  wurden.  Nirgends 
entstand  eine  Revolte.  Waren  es  doch  die  verschiedenen  Com- 
munen,  welche  sich  an  den  Papst  wandten,  sei  es  um  Stiftungs- 
schreiben, sei  es  um  Privilegien  für  die  Professoren  und  Scho- 


bisher  bei  den  Promotionen ,  sei  es  nun  in  dieser  oder  sei  es  in  jener 
Wissenschaft  (der  Papst  spricht  ganz  allgemein) ,  vorgekommen  varen,  wie 
auch  Savigny  wider  zugesteht. 

^^)  Nur  zum  J.  1270  wird  eine  Differenz  zwischen  den  Doctoren  und 
dem  Archidiacon  erw&hnt;  sie  wurde  aber  bald  in  Folge  der  Unterwerfung 
der  ersteren  unter  das  Urtheil  des  Bischofes  beigelegt.    Sarti  II,  41.  106. 

^)  Sarti  II,  26.  Im  J.  1226  wurde  von  Honorius  III.  der  allerdings 
bedeutende  Ganonist  Tancred  zum  Archidiacon  ernannt.  Allein  er  starb 
schon  vor  Ablauf  eines  Decenniums. 

^^)  Paulsen  hat  hierin  viel  richtiger  als  Savigny  gcurtheilt.  S.  Sybels 
Hist.  Ztsch.  1.  c.  S.  257. 


4.    Die  Schulen  Italiens  und  die  Universitäten.  74] 

laren  zu  erhalten.  Aber  auch  letztere  bewiesen  in  ihren  Streitig- 
keiten mit  der  Stadt  und  den  Professoren,  wie  sehr  sie  von  der 
Macht  der  geistlichen  Autorität  überzeugt  waren'").  Zudem 
hat  Coppis  Behauptung  schon  deshalb  keinen  Sinn,  weil  der 
grössere  Theil  der  Studierenden  dem  geistlichen  Stande  ange- 
hört hat. 

Warum  erhob  endlich  die  damalige  Kirche  nicht  ein  einziges 
Mal  ihre  Stimme  gegen  derartige  Schulen,  wenn  dieselben  nichts  an- 
deres als  4'emancipazione  intellettuale  dall'  influenza  ecclesiastica' 
bedeuteten  oder  wenigstens  anbahnten?  Finden  wir  nicht  im 
Gegentheil,  dass  sich  die  Päpste  derselben  kaum  weniger  ange- 
nommen haben,  als  der  Schulen,  welche  rein  geistlichen  Ursprungs 
waren?  Sie  konnten  dies  um  so  eher  thun,  als  sie  ja  öffentlich 
aussprachen  ,  dass  das  Studium  des  Givilrechts  und  der 
Medicin  nicht  Sache  der  Priester  und  Religiösen  sei.  Und  nur 
um  die  genannten  zwei  Wissenschaften  handelt  es  sich  zuvörderst, 
wenn  man  von  den  Laienschulen  in  Italien  redet.  Geradezu 
eine  Noth wendigkeit  wurde  es,  dass  sich  Laien  oder  clerici,  die 
nicht  Priester  waren,  mit  obigen  Fächern  beschäftigten,  seitdem 
Honorius  IIL  das  Studium  derselben  in  seiner  berühmten  Bulle 
Super  specula  den  Priestern  verboten  hatte.  Traten  auch  in 
späterer  Zeit  häufig  Dispense  vom  Verbote  Honorius  HI.  ein, 
so  wurde  durch  dieselben  doch  immer  nur  ein  Ausnahmszu- 
stand  geschaffen. 

So  wird  nicht  weniger  Coppis  Behauptung,  als  auch  die 
derjenigen  hinfällig,  welche  annehmen,  die  Universitäten  hätten 
ausserhalb  der  kirchlichen  Organisation  gestanden  und  sich  im 
Kampfe  wider  die  Praetensionen  der  Kirche  entwickelt'"). 


In  Italien  hieng  die  Gründung  der  Universitäten  mit  dem 
freien  Städte wesen  zusammen.  Dieses  war  in  der  Epoche,  die 
uns  hier  angeht,  nirgends  so  ausgebildet,  und  war  dem  Auf- 
schwünge des  wissenschaftlichen  Lebens  nicht  weniger  günstig, 
als  der  Cultur  der  Künste  und  der  Entstehung  der  verschiedenen 

237)  s.  oben  S.  187. 

238)  S.  S.  654. 


742    IV.  Die  Universitäteii  im  Verhältnisse  zu  den  früheren  Schnlen. 

Kunstschulen.  Im  Besitze  von  vielen  anderen  Vorzügen  wollten 
die  bedeutendsten  Städte,  und  zwar  zumeist  zur  Zeit^  als  sie 
ihre  Freiheit  noch  nicht  eingebüsst  hatten  und  zum  grossen 
Theile  ebenso  viele  Bepubliken  repraesentierten,  auch  ein  Gentrum 
der  Pflege  mannigfacher  Wissenschaften  sein,  weniger  zwar  aus 
reiner  Begeisterung  für  dieselben,  die  ja  überhaupt  selten  vor- 
kommt, als  vielmehr  aus  gegenseitiger  Nacheiferung,  und  um 
ihren  Glanz  und  ihre  Würde  zu  erhöhen.  Nur  Salemo  macht 
begreiflicher  Weise  eine  Ausnahme.  Die  Universität  Neapel 
aber  ist  fürstlichen  Ursprungs;  die  Stadt  hat  zur  Errichtung 
der  Hochschule  nichts  beigetragen.  Im  Uebrigen  steht  in  Italien 
das  Universitätswesen  mit  der  Entwickelung  der  Städte  im  Zu- 
sammenhange. 

Dem  erwähnten  Umstände  ist  es  zuzuschreiben,  dass  dieses 
Land  seit  dem  Beginne  des  13.  Jhs.  bis  1400  unter  allen 
Ländern  hinsichtlich  der  Entstehung  von  Hochschulen  das  frucht- 
barste war.  In  nicht  weniger  denn  22  Orten  (Salemo  und  Neapel 
mitgerechnet,  von  der  römischen  Curie  aber  abgesehen)  machte 
man  Anstrengungen  in  den  Besitz  einer  solchen  zu  gelangen, 
und  nur  vier  Communen  sahen  ihre  Bemühungen  nicht  vom 
Erfolge  gekrönt.  Die  Thatsache  verliert  dadurch  nicht  an 
Werth,  dass  verhältnissmässig  nur  wenige  der  italienischen 
Universitäten  eine  grössere  Bedeutung  besassen. 


V. 

UESACHE  DER  ENTSTEHUNG  DER  MITTELALTERLICHEN 

HOCHSCHULEN. 


Im  vorigen  Abschnitte  haben  wir  ermittelt,  ob  und  in 
welcher  Weise  die  vorhandenen  Lehranstalten  den  spätem  Hoch- 
schulen zu  Grunde  lagen.  Darüber  aber,  wie  sich  die  letztem 
eigentlich  entwickelt  haben,  sind  wir  uns  noch  nicht  klar  ge- 
worden. Mehrere  wichtige  Fragen  werfen  sich  uns  da  auf:  Wo  ist 
zunächst  die  Ursache  zu  suchen ,  dass  nach  Begründung  der  Uni- 
versitäten Paris  und  Bologna  seit  dem  13.  Jh.  der  Reihe  nach  so 
viele  Hochschulen  ins  Leben  traten?  Wie  konnten  diese  neben 
jenen  beiden  entstehen?  Warum  haben  sich  mehrere  so  zu 
sagen  ohne  äusseres  Zuthun  gebildet,  während  andere,  selbst 
wenn  sie  sich  an  vorhandene  Schulen  anschlössen,  ja  hie  und 
da  aus  diesen  sogar  hervorgiengen ,  geradezu  Stiftungsacten, 
die  theils  von  der  weltlichen,  theils  von  der  geistlichen  Macht 
erlassen  wurden,  ihre  Existenz  als  Generalstudien  zu  verdanken 
hatten? 

Vergleichen  wir  ferner  den  Charakter  der  Universitäten  mit 
jenem  der  Schulen  der  vorhergehenden  Epoche,  oder  mit  jenem, 
der  sich  uns  im  HI.  und  lY.  Lateranconcil  kennzeichnet,  so  gewahren 
wir  zwischen  dem  einen  und  dem  andern  einen  gewaltigen 
Unterschied.  An  den  Universitäten  erwarb  man  sich  zunächst 
allgemein  gültige  Grade.  Nicht  bloss  das  Wissensgebiet  ist  an 
ihnen  gegenüber  der  früheren  Zeit  erweitert,  sondem  auch  die 
verschiedenen  Wissenszweige  werden  systematischer  und  nach  einer 
neuen  Methode  behandelt.  Die  Mitglieder  der  Hochschulen 
finden  wir  überall  mit  bedeutenden  und  vielen  Privilegien,  von 


744  ^'   Ursache  der  EnUtehuDg  der  mittelalt.  Hochschulen. 

denen  man  in  der  vorausliegenden  Periode  keine  Spar  entdeckt^  ! 

ausgestattet,    die  Anzahl    der  Professoren   wird  immer  grösser,  i 

und   sowohl   sie  als  die  Schüler  sehen  wir  an  Hochschulen  zu 

I 

einem  CJorpus,   der  Universitas,   vereinigt.    Woher  nun   dieser 
Unterschied  zwischen  der  neuem  und  altern  Zeit? 

Die  Antwort  auf  alle  genannten  Fragen  versuche  ich  in  den 
beiden  folgenden  Paragraphen  zu  geben.  Sie  schliessen  organisch 
diesen  Band  ab.  Ich  bemerke  jedoch,  dass  ich  nicht  schon  hier 
vom  Verhältniss  des  Associationswesens  an  den  Hochschulen  zu 
jenem  an  der  Pariser  und  Bologneser  Schule  handeln  kann. 
Die  Untersuchung  darüber  wird  einen  Hauptbestandtheil  des 
zweiten  Bandes  bilden.  Nur  vorübergehend  wird  uns  jetzt  die 
Erörterung  zu  ihr  hinführen. 


1.   Paris  u.  Bologna,  und  die  mittelalterl.  Hocbschnle.  745 

1.    Paris  und  Bologna,  und  die  mittelalterliolie  Hoch- 
schule. 

Vergleichen  wir  die  Universitäten  des  16.  Jhs.  mit  jenen  des 
13.  und  14.  Jhs.,  so  zeigt  sich  uns  gewiss  ein  ziemlicher  Abstand 
zwischen  beiden.  Trotzdem  weisen  aber  in  beiden  Perioden  die 
Hochschulen  noch  immer  mehr  übereinstimmende  Punkte  auf,  als  die 
mittelalterliche  Universität  und  die  alten  Schulen,  zudem  die 
Unterschiede  der  neueren  Universität  sowie  überhaupt  der 
damalige  Zustand  sich  nur  allmählich  entwickelt  hat,  bei  welchem 
Processe  das  Alte  durchweg  nothwendige  Voraussetzung  für 
das  Neue  war.  Da  ist  kein  Sprung,  während  im  Mittelalter, 
von  einigen  Ausnahmen,  die  wir  hinsichtlich  der  italienischen  Ver- 
hältnisse kennen  gelernt  haben,  abgesehen,  der  Gonnex  zwischen 
den  Hochschulen  und  den  frühern  Lehranstalten  in  manchen 
wesentlichen  Punkten  mangelt.    Woher  diese  Erscheinung? 

Die  Antwort  wird  erst  dann  vollends  einleuchten,  wenn  wir 
die  Organisation  der  verschiedenen  Universitäten  mit  jener  von 
Paris  und  Bologna  verglichen  haben.  Doch  kann  ich  nicht 
umhin  des  Zusammenhanges  wegen  diesen  Punkt  schon  hier  in 
gedrängter  Kürze  zu  behandeln,  und  dem  zweiten  Band  so  weit 
nothwendig  vorzugreifen. 

Die  Frage  führt  uns  zum  zweiten  Hauptabschnitt  zurück, 
nämlich  zur  Erörterung  über  die  Entstehung  und  Entwickelung 
der  beiden  ältesten  Universitäten  Bologna  und  Paris.  Die  Unter- 
schiede zwischen  der  älteren  und  neuern  Zeit  konnte  man  zuerst 
an  diesen  Schulen  beobachten.  Sie  besassen  theilweise  schon  im 
12.  Jh.,  vollständig  aber  im  Beginne  des  13.  Jhs.,  alle  jene  Eigen- 
thümlichkeiten ,  welche  die  spätem  Universitäten  vor  den  vor- 
handenen Lehranstalten  auszeichneten  und  die  den  Begriff  eines 
Studium  generale  erschöpfen.  An  ihnen  wurde  jene  Lehrmethode 
ausgebildet,  die  einem  Stephan  von  Toumay  Ende  des  12.  Jhs. 
veranlasste  von  seinem  alten  Standpunkte  aus  beim  Papste  Klage 
zu   führen   über   den  Verfall   der  Wissenschaften*).     An  jenen 


^)  Epp.  ed.  Da  Molinet  n.  241  p.  366.  Ausser  bei  Böhmer  (Corp.  jur.  caa. 
II,  XXU)  findet  man  den  Brief  kaum  erwähnt.  Stephan  von  Toumay  wendet  sich 
Tonflglich  gegen  die  dialektische  Methode.  Ich  citiere  den  Text,  der  bei  Da  Molinet 


746        ▼•  ümde  der  Kititfh«^  der  mätttUL  HodwAalf . 


goiossa  Professoren  und  Schder  zoerst  ausser- 
ordCTÜiche  Privflegieii;  dort  treffen  wir  anch  die  fiHhesten  Cor* 
poraüonen  an. 

Um  dieser  VorzQge  willen  werden  seit  dem  12.  Jh.  nnd 
ehe  anderswo  üniYersitäten  gegrOndet  wurden,  fast  nur  mdir 
diese  beiden  Schalen  Ton  den  Studierenden  aller  Lander,  die 
sich  gründlich  unterrichten  lassen  wollten,  au^s^sucht:  Bologna 
wegen  der  Bechts Wissenschaft,  Paris  wegen  der  Theologie  und 
der  artes  liberales,  ^ur  die  medidnische  Wissenschaft  zu  studieren 
wanderte  man  theils  nach  Salemo,  yorzOglich  aber  nach  Mont- 
pellier. Die  Kirche  selbst  förderte  diesen  Brauch.  Bereits  im 
J.  1173  beschloss  Wilhelm  de  Honeliis,  Bischof  Ton  Gerona, 
mit  seinem  Gapitel,  jenen  Ganonikem,  welche  ausw&rts  studieren 


sehr  TOrderbt  ist,  nach  Cod.  Paria.  8923  BL  1621».  Der  Aator  sigt:  Lapn 
sunt  apad  nos  in  conlosioiiiB  officinam  Bacrarum  Btndia  litterarnm,  dun 
et  discipnli  solu  nontatibas  applaadnnt,  et  magistri  glorie  potias  inTigilaat, 
qnam  doctrine.  Novas  recentesque  summalas  et  commentaria  finnantia  mper 
theologia  passim  conscribnnt,  qaibus  auditores  suos  denralceant,  detineant,  de- 
cipiant,  qnasi  nondam  sofiecerint  Baoctonun  opnscula  patmm,  qnos  eoden 
spiritu  sacram  scriptaram  lesimiu  exposnisse,  quo  eam  composaiBse  crediaoa 
ApoBtolos  et  Prophetas.  Ignota  et  peregrina  connvüs  suis  apponunt  farcula 
.  .  .  Dispatatnr  publice  contra  sacras  constitutiones  de  incomprehensibili 
deitate,  de  incamatione  Yerbi  verbosa  caro  et  sangnis  irre?erenter  litigat.  In- 
dividna  trinitas  in  triTÜB  secator  et  discerpitur,  ut  tot  jam  Bint  errores 
quot  doctores,  tot  scandala  qnot  anditoria,  tot  blasphende  qnot  plalee. 
BursaB  8i  ventnm  fuerit  ad  jndicia,  que  jure  canonico  Bont  tractaada  vel 
a  Tobifl  comnuBBa  Tel  ab  ordinariis  judicibus  cognoacenda,  profertor  a  Yen- 
ditoribna  ineztricabilia  silva  decretalium  epistolarum  quaai  aub  nomine  a.  r. 
Alezandri  pape,  et  antiquiorea  Bacri  canonea  objiciuntur,  reapnuntur,  eiqHi- 
nntnr.  Hoc  inyolucro  prolato  in  medium  ea  que  a  conciliia  SS.  Patmm  aa- 
Ittbriter  inatituta  aunt,  nee  formam  conciliia,  nee  finem  negotiia  impoaont 
prevalentibna  epiatolia,  quaa  foraitan  adTocati  conduetitii  aub  nomine  romano- 
rum  pontificum  in  apothecia  aive  cubiculia  auia  confingunt  et  conacribont. 
Novum  Volumen  ex  eia  compactum  et  in  acolis  aolemniter  legitur  et  in  foro 
Yenaliter  ezponitur,  applaudente  caau  notariorum,  qui  in  conacribendia  an- 
apectia  opuaculia  et  laborem  auum  gaudent  imminui  et  mercedem  augeri.  Ye 
duo  predicta  aunt,  et  ecce  reatat  tertium  ye.  Facultatea  quaa  liberalea 
appellant  amiaaa  libertate  priatina  in  tantam  servitutem  devocantur,  nt  co* 
matuli  adoleaoentes  earum  magisteria  impudenter  nsurpent  et  in  cathedra 
aeniomm  aedeant  imberbea;  et  qui  nondnm  norunt  eaae  diaeipuli,  laborant  at 


1.  Paris  u.  Bologna,  und  die  mittelalterl.  Hochschale.  747 

wollten,  Unterstützungen  zukommen  zu  lassen ').  Allgemein  wur&e 
der  Usus,  als  Honorius  UI.  in  seiner  Bulle  Super  specula  die  Ver- 
ordnung aufgestellt  hatte,  dass  die  Studierenden  der  Theologie 
für  fünf  Jahre  von  der  Residenzpflicht  dispensiert  sein  sollten  und 
dass  die  Metropolitancapitel  fähige  Leute  auf  ein  Studium  schicken 
müssten').  Seit  der  Mitte  des  12.  Jhs.  und  im  13.  finden  wir  in 
Paris  und  Bologna  alle  Nationen  vertreten.  Diese  Universi- 
täten waren  die  beiden  grossen  Emporien  der  Wissenschaft  in 
Europa,  die  beiden  Leuchten,  denen  man  damals  nachwanderte. 
Doch  gestalteten  sich  allmählich  neue  Verhältnisse.  Zunächst 
bildeten  sich  in  den  ersten  Decennien  des  13  Jhs.  Abzweigungen 


nominentar  magistri.  Conscribont  et  ipsi  sammnlas  suas  pluribns  saliTis 
efflnentes  et  madidas  philosophomm  sale  nee  conditas.  Omissis  reguUs  ar« 
tium  abjectisqae  libris  aathenticis  artificum  muscas  inanium  verbalorum 
sophismatibus  suis  tamqaam  aranearum  tendiculis  includant.  Clamat  philo- 
sophia  Testes  suas  conscindi  et  disrumpi  .  .  .  Hec  omnia  pater  correptionis 
apostolice  manum  desiderant,  ut  informitas  docendi,  discendi,  disputandi 
auctoritate  vestra  certam  redigatur  ad  formam  etc.  Stephan  hat  yorzOglich 
die  au  Paris  herrschende  Lehrmethode  im  Auge.  Wie  wir  bereits  oben 
S.  657  gesehen  haben,  war  er  auf  die  Pariser  Schulen  schlecht  zu  sprechen. 
Der  Hauptgrund  dieser  Erscheinung  lag  wohl  darin,  dass  er  sich,  im  stillen 
Kloster  erzogen,  in  die  neue  Bichtung  nicht  hineinfinden  konnte.  Er  hatte 
jedoch  nicht  in  allem  Unrecht. 

')  Espana  sagrada  XLIII,  437:  Quicunque  ex  canonicis  Gerundensis 
ecclesiae  causa  discendi  iter  arripuit  vel  arripuerunt,  habeat  yel  habeant  ex 
bonis  canonicae  de  unoquoque  mense  unum  ophinum  aureum  boni  auri  et 
bene  pensi  annuatim,  quandiu  fuit  vel  fuerint  in  scolis.  Praepositi  autem 
Genmdends  canonicae  similiter  persoWant  XII  aureos  cuilibet  canonico  Tel 
quibnsUbet  canonicis  Gerundensis  ecclesiae  eunti  Tel  euntibus  ad  scolas  in 
principio  itineris  etc.  Der  Einzelne  sollte  so  lange  unterstatzt  werden,  bis 
er  zurückgekehrt  w&re. 

3)  Jacob  de  Albenga  sagt  auch  in  der  Glosse  dazu  in  Bezug  auf  jene 
'qui  mittuntur*:  'Istis  quidem  providendum  est  de  proTcntibus  ecclesie,  si 
proprii  proTcntus  ecclesiastici  non  sufficiunt.  Aliis  autem,  qui  non  mittuntur 
nee  eligontur  a  eapitulo  ut  doceant,  sed  proprio  motu  ad  scolas  accednnt  ut 
addiscant,  tantum  sui  redditus  assignantur*.  Cod.  440  der  Gapitelsbibl.  zu 
Cordoba.  Das  Capitel  Ton  Yich  bestimmte  im  J.  1229  während  drei  Jahre  eine 
portio  canonica  jenen  Canonikern  zu  geben,  die  in  Frankreich  oder  in  der 
Lombardei  studierten.  YillanueTa  YIII,  24.  Solche  Beispiele  finden  sich  be- 
sonders für  Spanien  nicht  wenige.  Den  Gapiteln  fiel  dieser  Usus  manchmal 
leichter,  als  die  Anstellung  eines  magister  scholarum. 


748  ^-  Ursache  der  Entstehang  der  mittelalt.  Hochschalen. 

v(fti  den  beiden  genannten  Universitäten,  und  zwar  vor  allem  in 
Italien,  wo  mehrere  Rechtsschulen  ans  der  Matterschale  za 
Bologna  hervorgiengen.  Auch  die  beiden  französischen  Rechts- 
studien Orleans  und  Angers  scheinen  als  solche  ihr  Dasein  einer 
Uebersiedelung  von  Pariser  Juristen  verdankt  zu  haben.  Fast 
gleichzeitig  machte  sich  aber  in  den  einzelnen  Landern  die  be- 
wusste  Absicht  geltend,  Lehranstalten  nach  dem  Muster  jener 
von  Paris  oder  Bologna  förmlich  zu  gründen.  Man  wollte  auf 
heimischem  Boden  besitzen,  was  man  bisher  mit  Mühe  und  Be- 
schwerde im  Auslande  gesucht  hatte.  Im  13.  Jh.  zeigte  sich 
dieses  Streben  nahezu  bei  keiner  Stadtgemeinde.  Nur  Yercelli 
und  Siena  sind  hiervon  eine  Ausnahme.  In  der  Regel  ergriffen 
damals  weltliche  Fürsten  und  kirchliche  Personen  die  Initiative. 
Erst  im  14.  Jh.,  als  bereits  da  und  dort  Universitäten  vorhanden 
und  errichtet  waren  und  sich  herausgestellt  hatte,  dass  der 
Besitz  einer  Hochschule  in  Folge  des  Herbeiströmens  von  Lehrern 
und  Schülern  der  Stadtgemeinde  auch  materiellen  Gewinn  bringe, 
bemühten  sich  allerorts  die  städtischen  Obrigkeiten  ein  Univer- 
sitätsprivileg zu  erhalten.  Wir  finden  sogar,  dass  dies  nicht 
bloss  an  Orten  geschah,  in  denen  das  Generalstudium  von  einer 
Stadtschule  eingeleitet  wurde,  sondern  auch  dort,  wo  wie  in  Köln 
und  Erfurt  vorher  Stiftsschulen  bestanden  hatten. 

Zuerst  wurden  die  romanischen  Länder,  denen  ja  auch  die 
beiden  Universitäten  Paris  und  Bologna  angehörten,  von  der 
neuen  Bewegung  ergriffen*).  In  Italien  wurde  sie  durch  jene 
Schulen,  die  aus  Bologna  hervorgiengen,  vorbereitet.  Das  Stu- 
dium zu  Bologna  glich  dem  ins  Wasser  geworfenen  Stein,  der 
einen  mächtigen  Wellenschlag  zur  Folge  hat.  Anfangs  bildeten 
sich  die  Kreise  eng  um  Bologna  herum,  und  im  ganzen  13.  Jh. 
blieben  sie  auf  Oberitalien  beschränkt;  nur  ausnahmsweise  be- 
rührten sie  das  südliche  Gebiet  Im  14.  Jh.  erfuhr  aber  auch 
dieser  Theil  die  volle  Wirkung  von  Bologna.  In  das  13.  Jh. 
fällt  die  Stiftung  der  Universität  Neapel  durch  Friedrich  IL,  der 
zur  Gründung  derselben  zweifelsohne  durch  die  Schule  von  Bo- 


*)  Anf  die  Auanalinestelloiig  EngUoids  konme    ich    am   Schlaue  ma 
^rechen. 


1.   Paris  u.  Bologna,  und  die  mittelalterl.  Hochschole.  749 

logna  veranlasst  wurde.  Auch  das  zwar  erfolglose  Bemühen 
der  Stadtobrigkeit  zu  Siena  im  13.  Jh.  wurde  durch  die  Schule 
in  Bologna  hervorgerufen.  Der  Beginn  des  14.  Jhs.  ist  zugleich 
der  Anfang  der  eigentlichen  Gründungsperiode  von  Universitäten 
in  Italien.  Rom  und  Perugia  stehen  hierin  obenan.  Das  Ideal, 
welches  die  Commune  von  Perugia  anstrebte,  war,  wie  wir  oben 
gesehen  haben,  'consuetudo  et  stilus  et  mos  studii  Bononiensis'  ^). 
Rasch  folgten  auf  einander  die  übrigen  Hochschulen,  die  hin- 
sichtlich des  Hauptfaches,  der  Rechtswissenschaft,  in  directer 
Abhängigkeit  von  Bologna  standen,  bezüglich  der  Theologie  und 
der  Artes  jedoch  auf  Paris  blickten,  und  nur  in  Rücksicht 
auf  die  Medicin  von  Salerno  oder  Montpellier  vielleicht  indirect 
beeinflusst  wurden.  Doch  darf  man  nicht  vergessen,  dass  in 
Bologna  während  des  ganzen  13.  und  14.  Jhs.  die  Artes  und  die 
Medicin  gelehrt  wurden,  mithin  Bologna  auch  in  diesen  Fächern 
das  Musterbild  für  andere  italienische  Universitäten  sein  konnte. 
Für  das  theologische  Fach  war  bis  1360  wohl  immer  Paris  der 
directe  oder  indirecte  Ausgangspunkt. 

Spanien  ist  eines  jener  Länder,  welches  am  frühesten  den 
Einheimischen  den  Besuch  auswärtiger  Universitäten  ersparen  wollte. 
Diese  Thatsache  verliert  dadurch  nicht  an  Bedeutung,  dass  die 
ersten  daselbst  gemachten  Anstrengungen  keine  grosse  Wirkung 
erzielt  haben  und  sich  im  Studium  zu  Palencia  gewissermassen 
noch  die  alte  und  neue  Zeit  berühren.  Die  eigentliche  Univer- 
sitätsperiode  beginnt  dort  mit  der  Stiftung  der  Hochschule  zu 
Salamanca;  und  an  ihr  wurden  wie  an  den  übrigen  spanischen  Uni- 
versitäten durchweg  die  Verhältnisse  von  Bologna  zum  Vorbild 
genommen.  Auch  die  juristische  Facultät  zu  Montpellier,  in  jener 
Zeit  unter  der  Herrschaft  der  aragonesischen  Könige,  hatte  sich 
nach  Bologna  gebildet^).  Man  weiss  auch  von  bedeutend  mehr 
Spaniern  zu  berichten,  welche  Ende  des  12.  und  im  13.  Jh.  zu  Bo- 
logna als  zu  Paris  studiert  haben.  Den  Zweck  bei  Errichtung 
der  Universitäten  hatten  am  besten  die  aragonesischen  Könige  klar- 


ö)  S.  S.  545. 

^)  Nur  die  medicinische  Facult&t  zu  Montpellier  and  Sevillas  Lehran- 
stalt fQr  Latein  und  Arabisch  entstanden  unabhängig  von  Paris  oder  Bologna. 


750  ^'   Ursache  der  Entstehmig  der  mittelalt.  Hochschideii. 

gelegt  Sie  wollten  ihre  Unterthanen  der  schweren  Mühe  entheben 
bei  fremden  Völkern  die  Wissenschaft  zu  suchen;  sie  sollten 
dieselbe  nun  in  nächster  Nähe  finden. 

Frankreich  erfuhr  die  Rückwirkung  seiner  Universität 
Paris  sehr  frühe.  Die  erste  nach  deren  Muster  daselbst  ge- 
stiftete Universität  ist  jene  zu  Toulouse  (1229).  Die  Gene- 
ralstudien zu  Orleans  und  Angers  waren  als  solche,  wie  sich 
uns  ergeben  hat,  wahrscheinlich  Ableger  der  Universität  Paris, 
und  in  ihrer  weiteren  Entwickelung  sowohl  von  letzterer  als  auch 
von  jener  zu  Bologna  abhängig.  Die  Bemühungen,  in  Pamiers 
eine  Hochschule  zu  errichten,  waren  fruchtlos.  Dass  die  Hoch- 
schulen zu  Avignon  und  Orange  als  einstige  Particularstudien 
unter  dem  Einflüsse  von  Paris  und  Bologna  entstanden  sind, 
zeigt  deren  Entwickelung  als  Generalstudien.  Jedesfalls  wurden 
sie  solche  erst  durch  die  Stiftbriefe,  und  traten  wie  die  Univer- 
sität Gr^noble  mit  dem  Besitze  eines  solchen  in  die  Beihe 
jener  Hochschulen,  welche  an  den  Privilegien  von  Paris  und  Bo- 
logna participierten.  Die  Universität  Gabors  wurde  nach  dem 
Muster  von  Toulouse,  also  indirect  nach  jenem  von  Paris  angelegt. 

Noch  vor  Deutschland  strebten  Portugal  und  Irland  darnach 
auf  heimischem  Boden  eine  jener  Lehranstalten  anzusiedeln,  die  man 
bisher  nur  im  Auslande  zu  bewundem  Gelegenheit  gehabt  hatte. 
Während  man  in  Portugal  auf  die  Gefährlichkeit  der  Reisen  nach 
solchen  Studienorten  hinwies  Oi  und  von  König  Jo£o  ausdrücklich 
erwähnt  wird,  dass  man  durch  Gründung  der  Hochschule  den 
Unterthanen  das  bisher  auswärts  gesuchte  Brod  des  Geistes  im 
Inlande  zu  bieten  unternommen  habe'),  wird  in  der  Bittschrift, 
welche  von  Irland  aus  an  den  Papst  gesandt  wurde,  auf  die 
Schwierigkeit  des  Verkehres  mit  anderen  Ländern  aufmerksam 
gemacht  Und  so  entstand  im  J.  1288  die  Universität  zu  Lissa- 
bon. Kein  Glücksstern  waltete  jedoch  über  der  1312  bewilligten, 
1320  eröflEoeten  Hochschule  zu  Dublin. 

Als  in  Deutschland  die  erste  Hochschule  gegründet  wurde, 
befanden  sich  ausserhalb  Italiens  bereits  in  15  Städten  Universitäten, 


7)  S.  oben  8.  522. 

8)  8.  oben  8.  638. 


1.  Paris  u.  Bologna,  and  die  mittelalterl.  Hochschnle.  751 

die  mehr  oder  weniger  auf  Paris  und  Bologna  als  auf  ihre  Mutter- 
anstalt zurückblickten,  und  an  5  anderen  Orten  waren  wenigstens 
Anstrengungen  gemacht  worden,  in  den  Besitz  eines  General- 
studiums zu  gelangen.  Italien  aber  hatte  im  Jahre  1347,  als 
nämlich  der  päpstliche  Stiftbrief  für  die  erste  deutsche  Univer- 
sität ausgefertigt  wurde,  ebenfalls  in  15  Städten  (Bologna  mit- 
gerechnet) Hochschulen  erstehen  sehen,  von  denen  nur  zwei 
im  Beginne  missglückten.  Ausserdem  existierte  das  General- 
studium an  der  Curie.  Es  ist  schwer  zu  sagen,  warum  die 
Deutschen  so  lange  gezögert  haben.  Sicher  ist  allerdings,  dass 
damals  keine  andere  Nation  eine  so  grosse  Wanderlust  besessen 
hat  als  die  deutsche.  Das  Leben  in  der  Fremde  mochte  den 
deutschen  Studierenden  um  so  mehr  zugesagt  haben,  als  ihre 
Nation,  der  das  römische  Kaiserthum  angehörte,  schon  frühe 
gerade  an  den  grossen  Studienanstalten  vor  anderen  ausge- 
zeichnet wurde.  Dies  war  vorzüglich  in  Bologna,  Padua  und 
Orleans  der  Fall.  Auch  in  Paris  erhielten  sie  wenigstens  in  der  natio 
anglicana,  deren  Mitglieder  sie  waren,  allmählich  das  entschiedene 
Uebergewicht  Sei  dem  aber  wie  ihm  wolle,  die  fünf  deutschen 
Universitäten  haben  in  Paris  ihre  Wurzeln  und  sie  sind  genauere 
(obgleich  bei  weitem  nicht  vollkommene)  Abbilder  der  dortigen 
Hochschule  als  irgend  eine  der  übrigen.  In  den  ersten  Urkunden 
der  Universitäten  Heidelberg  und  Köln  wird  noch  ausdrücklich 
erwähnt,  letztere  seien  errichtet  'ad  instar  studii  Parisiensis\ 

Man  sollte  meinen,  die  Polen  und  Ungarn  hätten  sich  am 
frühesten  um  ein  Generalstudium  bewerben  sollen,  da  sie  von 
den  Gentren  der  Wissenschaften  am  weitesten  entfernt  waren. 
In  der  That  stehen  sie  jedoch  mit  ihren  drei  Universitäten 
Krakau,  Fünf  kirchen  und  Ofen  in  letzter  Reihe.  Die  polnische 
nahm  in  der  Gründungsepoche  (1364)  Bologna  und  Padua  zum 
Vorbilde,  über  die  ungarischen  lässt  sich  nichts  bestimmtes  sagen. 

In  dieselbe  Zeit  (1365)  fällt  noch  des  Grafen  von  Savoien 
an  Karl  IV.  gerichtete  Bitte  um  Gewährung  eines  General- 
studiums zu  Genf.  Allein,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  kam 
man  dort  nicht  über  den  Stiftbrief  hinaus. 

Eine  Ausnahmestellung  beansprucht  England.  Ist  zwar  an 
der  Schule  in  Oxford,  soweit  wir  über  sie  Nachrichten  besitzen, 


752  V.   üraache  der  Entstehnng  der  mittelalt.  Hochsclmlen. 

bereits  im  12.  Jh.  ein  Einfluss  von  Paris  (durch  Robert  Pallas) 
und  Bologna  (durch  Vacarius)  zu  bemerken,  der  sich  im  13.  Jh., 
als  in  Paris  so  viele  Engländer  studierten,  noch  weit  mehr 
offenbart*),  so  kann  man  doch  weder  Paris  noch  Bologna 
als  alleinige  Ursache  der  Entstehung  der  Oxforder  Schule  oder 
des  dortigen  Generalstudiums,  zu  dem  die  Schule  fortschritt, 
bezeichnen.  Im  zweiten  Bande  wird  sich  auch  deshalb  die 
Verfassung  der  Oxforder  Universität  als  eine  Hauptform  für 
sich  erweisen,  wenngleich  sie  sich  schliesslich  in  jene  von 
Paris  auflösen  lässt.  Cambridge  ist  abhängig  von  Oxford. 
So  fallen  also  die  englischen  Universitäten  gewissermassen  ausser- 
halb des  Rahmens,  und  es  bleibt  mithin  wahr,  dass  sich  nicht 
in  den  germanischen  sondern  in  den  romanischen  Ländern  zuerst 
das  Streben  geltend  gemacht  hat,  eine  Universität  nach  dem 
Muster  von  Paris  oder  Bologna  zu  besitzen. 

Unser  Resultat  lautet  also,  dass  sämmtliche  Hochschalen 
jenen  zu  Paris  und  Bologna  ihren  Ursprung  zu  verdanken  haben. 
Nur  die  medicinischen  Schulen  von  Salemo  und  Montpellier,  sowie 
die  linguistische  zu  Sevilla,  zum  Theil  auch  die  englischen  Universi- 
täten machen  eine  Ausnahme.  Letztere  haben  sich  jedoch  keines- 
wegs unabhängig  von  der  Universität  Paris  entwickelt.  Im  übrigen 
weisen  alle  Hochschulen  auf  jene  von  Paris  oder  Bologna  als  auf 
ihren  Ursprung  hin.  Dem  Streben  in  den  Besitz  eines  General- 
studiums zu  gelangen  lag  schliesslich  jedes  Mal  der  Gedanke  zu 
Grunde  eine  Lehranstalt  ähnlich  jener  in  Paris  oder  Bologna, 
oder  wenigstens  solcher,  die  sich  nach  denselben  gebildet  hatten, 
zu  erhalten.    Und  darum  betrachtete  man  auch  als  Aafigabe  der 


^)  Robert  Grosseteste  sagt  auch  in  Hinsicht  auf  die  in  Oxford  einin- 
haltende  LectionsordnuDg  der  Theologen:  ne  . . .  a  patram  et  nu^orani  resti- 
giis  et  coformitate  regentiam  Parisius  manifeste  recedatnr. 
Robert!  Qrosseteste  epistolae  ed.  Loard  p.  347  ep.  125.  Aach  hinsichtlidi 
der  Lehrer  selbst  schloss  man  sich  in  Oxford  an  Paris  an.  Kin  beeoaden 
interessantes  Beispiel  ist  ans  in  einer  Hs.  za  Assisi  erhalten,  in  der 
Qoaestiones  dispatatae  planum  magistronun  in  conTentu  firatnim  Ozoa  stehen, 
von  denen  eine  ein  Magister  hielt,  welcher  sich  aaf  eine  Entseheidong  der 
Pariser  Magister  berief,  bei  welcher  anter  anderm  Qerard  von  Ahberflle, 
Johann  Peckam,  Thomas  ▼.  Aqain  and  aberhanpt  gegen  84  Doctoras  4er 
Theologie  betheiligt  waren. 


1.  Paris  u.  Bologna,  und  die  mittelalterl  Hochschule.  753 

Universitäten  mehr  oder  weniger  die  zu  Paris  oder  Bologna  ver- 
tretenen Wissenschaften  und  zwar  in  der  daselbst  gebräuchlichen 
Methode  zu  lehren  ^^).  Hierin  hielten  auch  Oxford  und  Cambridge 
mit  den  übrigen  Hochschulen  gleichen  Schritt.  Paris  und  Bologna 
waren  die  Musteranstalten  und  Vorbilder,  denen  man  nach- 
eiferte"). 

Nun  begreifen  wir,  warum  die  neuen  Lehranstalten  den 
alten  Schulen  nicht  mehr  ähnlich  sahen,  ja  nicht  ähnlich  sehen 
konnten.  Glichen  doch  erstere  einer  ausländischen  Pflanze,  die 
in  fremdes  Erdreich  versetzt  wurde.  Nur  in  Paris  und  Bologna 
sowie  in  gewisser  Beziehung  in  Oxford  (um  von  den  medicinischen 
Schulen  zu  Salemo  und  Montpellier  abzusehen)  waren  die 
Verhältnisse  das  Resultat  eines  spontanen  Entwickelungs- 
processes  auf  einheimischem  Boden.  Was  dagegen  an  anderen 
Orten  entstand,  hatte  sich  nicht  daselbst  gebildet,  sondern  war 
von  auswärts  entlehnt. 

Diese  Thatsachen  zogen  wichtige  Folgen  nach  sich.  Vieles 
hätte  sich  in  dem  Entwickelungsgange  der  einzelnen  Wissens- 
zweige an  den  Universitäten  der  verschiedenen  Länder  anders  ge- 

lOj  Diesen  Qedanken  hat  Paulsen,  Qeschichte  des  gelehrten  Unter- 
richts S.  14,  richtig  ausgesprochen,  nur  war  er  bei  dessen  Anwendung 
weniger  glflcklich.  Die  Dom-  und  Stiftsschulen  h&tten  neben  den  Universi- 
tAten  recht  wohl  bestehen  können,  denn  beide  y erfolgten  verschiedene  Zwecke. 
Dies  erkannte  Paulsen  nicht,  weil  er  der  Meinung  war,  die  nächste  Aufgabe 
der  üniyersit&ten  sei  gewesen  'den  jungen  Canonikem  die  theologischen  und 
kirchenrechtlichen  Kurse  darzubieten'  Sybels  Hist.  Zsch.  S.  383.  Auch  ist 
Paulsen  nicht  consequent,  wenn  er  die  Universitäten  doch  wider  aus  den 
Stiftsschulen  hervorgehen  l&sst.  8.  dazu  oben  S.  654  Anm.  6  und  unten 
Anm.  25. 

11)  Dass  Paris  und  Bologna  in  Bezug  auf  die  Organisation  und  Ver- 
fassung der  übrigen  Hochschulen  die  Typen  gebildet  haben,  wurde  seit  Sa- 
vigny  ziemlich  allgemein  angenommen.  Aber  nur  ganz  obenhin  betrachtete 
man  bisher  den  Einfluss,  den  beide  genannten  Universitäten  auch  auf  die 
Entstehung  der  anderen  ausgeübt  haben.  Einen  Beweis,  dass  man  zur 
Klarheit  Aber  diese  Frage  nicht  gekommen  ist,  bildet  die  oft  widerholte 
Phrase,  die  alten  Schulen  hätten  sich  zu  Universitäten  erweitert  Völlig  im 
Stiche  gelassen  wird  man  aber  durch  Meiners,  der  in  seiner  (beschichte  der 
Entstehung  und  Entwickelung  der  hohen  Schulen  die  Frage  nicht  einmal 
aufwirft,  während  sie  dort  weit  mehr  am  Platze  gewesen  wäre,  als  die 
Untersuchung  'Ueber  den  Einfluss  der  Erfindung  des  Lumpenpapiers'  I,  170. 

Denifle,  Die  UoiTeniUton  J.  48 


754  V.  Ursache  der  Ekitotehnng  der  mittelalt.  Hochschulen. 

staltet,  wäre  der  Ursprung  der  einzelnen  Hochschulen  nicht  in  der 
genannten  Weise  bedingt  gewesen.  So  war  die  Form  bereits  für 
eine  jede  derselben  gegeben.  Am  wenigsten  darf  auffallen,  dass 
das  römische  Recht  auch  an  den  Universitäten  jener  Gebiete 
tradiert  wurde,  wo  dasselbe  kein  gesetzliches  Ansehen  besass,  ja 
wo  im  Gegentheile  in  der  Praxis  und  im  Forum  das  einheimische 
Recht  in  Anwendung  war.  Man  gewöhnte  sich  in  dem  römi- 
schen Recht  als  Eaiserrecht  ein  Weltrecht,  ja  das  Givilrecht  zu 
erblicken,  das  kirchliche  Anerkennung  geniesse  und  das  schon 
insoferne  alle  Christen  verbinde.  Diese  Auffassung  entsprang  der 
Idee  vom  römischen  Reiche^').  Wenigstens  sah  man  in  dem  röm. 
Rechte,  seitdem  man  mit  demselben  in  den  italienischen  Schulen 
bekannt  geworden  war,  eine  Art  geschriebenes  Vernunftrecht,  das 
auf  allgemeine  Geltung  Anspruch  mache  und  in  der  Praxis  so- 
wie bei  Anwendung  der  einheimischen  Gesetze  eine  Erläuter- 
ung biete.  Dies  wurde  im  Mittelalter  bezeichnend  genug  nir- 
gends deutlicher  als  in  Frankreich,  wo  das  römische  Recht  nicht 
gesetzlichen  Werth  hatte,  ausgesprochen'^).    Da  nun  in  wenigen 

1^)  Am  prägnantesten  erkl&rt  sich  hierüber  wohl  Huguccio  in  c.  12 
dist.  1.  Nachdem  er  den  Satz  aufgesteUt,  dass  'qai  sabsont  romano  im- 
perio'  durch  das  rOmische  Recht  'astringontur',  fragt  er:  Sed  quid  de 
Francis  et  Anglicis  et  aliis  uUramontanis,  nimqaid  ligantor  legibus  romanis 
et  tenentnr  vivere  secundum  eas?  Resp.  utiqne,  qnia  snbsunt  Tel  snbetse  de« 
beut  romano  imperio,  nam  unus  Imperator  in  orbe,  ut  YII.  qn.  1.  Er  fahrt 
dann  noch  weitere  Gründe  hiefflr  an,  und  schliesst,  dass  'omnes  tenentnr 
Tivere  secundum  leges  romanas,  saltem  quas  approbat  ecclesia*.  Dies  be» 
ziehe  sich  selbst  auf  die  Glerici.  'Ideo  in  cansis  ecclesiasticis  locum  habeat 
leges  seculares,  que  non  obviant  canonibns,  alle  antem  repelluntur'.  Cod. 
Vat.  2280  Bl.  3  b.  Cod.  kt.  mon.  10247.  Ueberhaupt  Tgl.  Schulte,  Gesch. 
d.  Quellen  I,  98. 

^>)  Philipp  der  Schöne  sagt  in  seinem  im  Juli  1312  für  die  Schule  in 
Orions  erlassenen  Schreiben  (s.  oben  S.  261):  super  negotiis  et  cantis 
forensibus,  que  spiritualitatem  et  fidei  sacramenta  non  tangunt,  regnum  nottnun 
consuetudine  moribnsque  precipue,  non  jure  scripto,  regitur,  licet  in  parti- 
bus  ipsius  regni  quibusdam  subjecti  ex  permissione  primogenitorum  nottrorum 
et  nostra  juribus  scriptis  utantur  pluribus,  non  ut  juribus  scxiptis  regentnr, 
sed  consuetudine  juncta  juris  scripti  ezemplar  moribus  introducta.  Tarnen 
ut  artium  studia  liberalinm  ad  theologie  scientiam  introducunt,  sie  legnm  et 
juris  scripti  dogmata  proficiunt  intellectni  rationis,  ad  mores  dirigunt,  doctri- 
nam  prestant  exequende  juatitie  et  propriant  ad  ronsuetudinem  intellectom. 
Da  nun  dieses  geschriebene  Recht  an   verschiedenen  Orten  'per  aoolatUcot* 


1.  Paris  n.  Bologna,  und  die  mittelalterl.  Hochschule.  755 

Ländern  ein  schwacher  Anfang  zu  einer  Wissenschaft  der 
Privatrechte  gemacht  worden  war,  während  das  römische 
Recht  schon  längst  in  Bologna  und  an  anderen  italienischen 
Rechtsschulen  eine  wissenschaftliche  Behandlung  erfahren  hatte, 
so  schien  auch  einzig  das  römische  Recht  unter  allen  weltlichen 
Gesetzbüchern  für  das  Catheder  geeignet,  und  zwar  um  so  mehr, 
als  ja  die  Privatrechte  nur  innerhalb  der  Gränzen  eines  Landes 
oder  einer  Stadt  Anwendung  hatten,  die  Generalstudien  jedoch, 
an  denen  'generaliter  sacra  pagina,  jura  et  artes  doceantur' ^*), 
ihrem  Ausdrucke  und  ihrer  Bestimmung  nach  nicht  bloss  für  die 
Studierenden  eines  Landes,  sondern  für  die  aller  Länder  errichtet 
wurden.  Von  selbst  und  ohne  dass  man  weiter  reflectierte  griff  man 
überall  nach  dem  römischen  Rechte.  Auf  die  Idee  an  einer  Uni- 
versität das  Landrecht  zu  tradieren  konnte  man  wenigstens  im  13  Jh. 
nicht  verfallen"),  so  sehr  man  auch  einerseits  auf  die  Beobach- 


dociert  würde,  könne  man  doch  nicht  von  der  Reception  desselben  sprechen. 
Der  König  approbiere  'legum  etiam  secularium  scriptique  juris  (saWa  parisiensis 
studii  provisione  predicta)  in  locis  egregiis  regni  nostri  studia  frequentari  pre- 
sertim  ad  doctrinam  equitatis  et  rationis  fovendam,  per  quas  in  causis  foren- 
sibus  regni  buius  iudicari  consuevit*  etc.  Cod.  Yat.  Reg.  405  Bl.  30  a;  Ordon- 
nances  des  roys  de  France  I,  502  (die  Texte  variieren).  Diese  Bestimmungen 
veranlassten  Montesquieu  zur  richtigen  Bemerkung,  Philipp  habe  das  römische 
Recht  'comme  raison  6crite'  in  seinen  Ländern  vortragen  lassen.  De  l'esprit 
des  lois  1.  28  eh.  42  (Oeuvres  compl.  III,  442  ed.  Aux  Deux-Ponts  1784). 

14)  S.  oben  S.  17. 

1^)  Natarlich  ist  oben  nur  von  Generalstudien  die  Rede,  nicht  von  an- 
deren Lehranstalten,  an  denen  allerdings  hie  und  da,  z.  B.  in  England,  das 
einheimische  Recht  gepflegt  wurde.  S.  Schmidt,  Die  Reception  des  röm. 
Rechts  8.  37.  144.  Dieser  Autor  befindet  sich  aber  im  Irrthume  mit  der 
Behauptung,  an  der  Universit&t  Gaen  sei  im  J.  1433  die  Lehre  des  rÖm. 
Rechts  wegen  des  einheimischen  Rechtes  untersagt  worden  (S.  135).  Es  entgieng 
ihm,  dass  die  von  ihm  citierteh  Worte  einem  Proteste  der  Universit&t  Paris 
entnommen  sind  (s.  Jourdain,  Index  chronol.  I,  257  b  nota  1),  welcher  aber 
keine  Wirkung  erzielt  hat.  S.  dazu  Bourmont,  La  fondation  de  l'universit^ 
de  Gaen  (Gaen  1883)  p.  29  ff.  36.  188.  147.  183  ff.  (Documentej.  —  DöUinger 
verkennt  g&nzlich  den  mittelalterlichen  Standpunkt  bei  Aussprechnng 
des  Gedankens  (Die  Universitäten  sonst  und  jetzt  S.  8),  in  Deutschland 
hfttte  sich  mutmasslich  vieles  anders  gestaltet,  wenn  es  bereits  im  13.  Jh. 
die  eine  oder  andere  Hochschule  gehabt  hfttte,  n&mlich  zur  Zeit,  als  die 
Rechtsbflcher,    der   Schwabenspiegel,    der   Sachsenspiegel    entstanden   und 

48* 


756  ^'  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalt.  Hochschalen. 

tuiig  der  Stadt«  und  Landrechte  drang *^),  andererseits  jedoch 
hie  und  da  das  Ungenügende  des  römischen  Rechts  erkannte. 
Man  vergegenwärtige  sich  nur,  in  welcher  Weise  Roger  Baco 
gegen  die  masslose  Ausbreitung  desselben  sich  ereifert.  Er 
findet  es  inconvenient,  dass  es  die  Cleriker  Englands,  Frankreichs, 
Spaniens  studierten,  da  dasselbe  ihnen  doch  yiel  weniger  angepasst 
sei,  als  die  einheimischen  Gesetze,  nach  denen  gerichtlich  ent- 
schieden werde").  Aber  was  half  dies?  Hätte  auch  das  römische 
Recht  durch  ein  anderes  ersetzt  werden  können,  so  würde  dies 
doch  schwerlich,  und  zwar  gerade  wegen  des  gewaltigen  Einflusses, 
den  Bologna   und    die   von  Bologna   abhängigen  Schulen  hierin 

eine  vollständigere  nnd  besser  geordnete  Darstellung  des  Rechts  versucht 
wurde.  Es  w&re  dann  doch  wohl,  schliesst  er,  zu  einer  deutschen  Rechts- 
wissenschaft, mindestens  zu  den  Anfängen  derselben,  gekommen,  nnd  das 
römische  Recht  würde  nicht  die  Alleinherrschaft  auf  den  Schulen  erlangt 
haben.  Döllinger  hat  hier  nicht  bloss  die  Entwickelung  sondern  auch  den 
Charakter  der  mittelalterlichen  Hochschulen  als  Generalstudien  ausser  Acht 
gelassen.  Zunächst  gab  es  damals  noch  keine  deutsche  Rechtswissenschaft. 
Was  hatte  femer  ein  Studium  generale  mit  den  Stadt-  und  Landrechten  zn 
thun,  und  zwar  besonders  im  13.  Jh.,  wo  sich  gerade  der  Begriff  eines  solchen 
vollständig  ausgebildet  hatte?  üebrigens  läugne  ich  nicht,  dass  sich  auch  in 
Deutschland  manches  anders  gestaltet  haben  würde,  wenn  sich  dort  unab- 
hängig von  fremden  Einflüssen  Hochschulen  im  13.  Jh.  selbständig 
entwickelt  hätten.  Indess  der  umstand  allein,  dass  Deutschland  ein  Jh. 
froher  als  thatsächlich  Universitäten  erhalten  hätte,  wtLrde  in  den  genannten 
Verhältnissen  ebenso  wenig  eine  Aenderung  hervorgerufen  haben,  als  dies  in 
jenen  Ländern  der  Fall  war,  welche  eigene  Qesetze  hatten,  und  bereits 
im   13.  Jh.  im  Besitze  einer  Hochschule  waren. 

^^)  Aegydius  Romanus  besteht  darauf,  dass  es  sich  den  Fürsten  zieme 
'observare  bonas  consuetudines  principatus  et  regni,  et  non  innovare  patrias 
leges,  nisi  fuerint  rectae  rationi  contrariae'  (De  reg  principum  Hb.  3 
p.  2  c.  31). 

1'^)  In  seinem  Compendium  studii  sagt  er  im  cap.  4.  unter  anderm: 
omne  regnum  habet  sua  jura,  quibus  laici  reguntur,  ut  jura  Angliae  et 
Franciae,  et  ita  fit  justitia  in  aliis  regnis  per  constitutiones  quas  habent, 
sicut  in  Italia  per  suas.  Quapropter  cum  jura  Angliae  non  competant  statni 
clericorum,  nee  (jura)  Franciae,  nee  Hispaniae,  nee  Alemanniae,  similiter  nee 
jura  Italiae  conveniunt  uUo  modo.  Quia  si  debeant  clerici  nti  legibus  patriae, 
tunc  minus  est  inconveniens,  ut  clerici  Angliae  utantnr  legibus  Angliae,  et 
clerici  Franciae  legibus  Franciae  et  sie  de  aliis,  quam  clerici  Angliae  et 
Franciae  utantur  legibus  Italiae  etc.  Rogori  Bacon  Opp.  quaedam  hactenus 
inedita  ed.  Brewer  I,  419  f.     Vgl.  auch  ibid    Opus  tertium  c.  24  p.  84. 


1.  Paris  u.  Bologna,  und  die  mittelalterl.  Hochschule.  757 

überallhin  ausübten,  geschehen  sein.  Selbst  Paris  war  hinsicht- 
lich des  römischen  Bechts  frühzeitig  von  Bologna  abhängig,  und 
als  Honorius  IIL  die  Vorlesung  desselben  in  den  Schulen  von 
Paris  verboten  hatte,  entstanden  alsbald  in  Orleans  und  Angers, 
also  wider  in  Gegenden,  wo  man  nach  eigenen  Bechten  und  Ge- 
wohnheiten praktisch  entschied,  römische  Bechtsschulen.  Ein 
nicht  weniger  interessantes  Beispiel  bietet  uns  Aragon.  In  den 
Consuetudines  Berdenses  wird  ausdrücklich  darauf  hingewiesen, 
dass  das  römische  Becht  in  foro,  wenn  je,  an  letzter  Stelle  Be- 
rücksichtigung finden  solle  ^*).  Und  doch  wurde  es  an  der  Uni- 
versität L6rida  nicht  weniger  als  anderswo  gepflegt,  und  die 
dort  bestehende  Corporation  war  nur  von  Juristen  gebildet. 
Wenn  es  nach  und  nach  dahin  kam,  dass  auch  in  practischer  Hin- 
sicht die  Parti cularrechte  zurückgedrängt  wurden  und  das  römische 
Becht  an  ihre  Stelle  trat,  so  ist  die  Hauptschuld  daran  der 
Schule  zuzuschreiben,  die  in  Bologna  ihren  Ursprung  hatte. 

Der  unbedingte  Einfluss  Bolognas  hinsichtlich  des  röm. 
Bechts  machte  sich  allenthalben  bei  Behandlung  des  canoni- 
schen  Bechts  geltend.  Letzteres  hat  die  wissenschaftliche  Aus- 
bildung geradezu  dem  röm.  Bechte  zu  verdanken.  Obwohl  nun  die 
canonistische  Wissenschaft  als  ein  Theil  der  Theologie  betrachtet, 
ja  promiscue  für  Theologie  gebraucht  wurde,  so  dass  manchmal 
unter  jus  divinum  die  Theologie,  und  unter  dieser  erstere  ver- 
standen werden  muss:  so  war  doch  um  des  eben  erwähnten  Um- 
standes  willen  zum  Verständniss  des  canonischen  Bechts  das 
Studium  des  römischen  überall  geradezu  nothwendig. 

Nicht  minder  machten  sich  die  Folgen  davon,  dass  die 
Hochschulen  in  ihrem  Ursprung  an  die  von  Paris  und  Bologna 
anknüpften,  auf  andern  Wissensgebieten  fühlbar.  Bis  in  den 
Anfang    des    13.    Jhs.    wurden   an   nicht   wenigen    Schulen    die 


18)  De  lege  romana.  Legibus  quidem  romanis  pluribus  utimur,  plori- 
bus  non,  ut  cotidianis  tractatibus  causarum  liqnere  potest.  In  bis  antem 
Omnibus  iste  ordo  servetur,  quod  consuetudines  nostras  scriptae  et  non 
scriptas,  cotos  et  bannos  preferimus  omnibus,  et  primo  utimur  iUis.  Post 
hoc  yero  servamus  cartas  nostras  et  privilegia  principum,  postea  usaticos, 
consequenter  leges  gotas,  ultimo  vero  loco  leges  romanas.  Bei  Yiila- 
nueva  XVI,  194. 


758  V.  Ursache  der  Entstebang  der  mittelalt.  Hochschulen. 

Glassiker  vorgetragen'^).  Um  hier  nur  solche  zu  erwähnen,  die 
später  Universitäten  Platz  gemacht  haben,  so  erinnere  ich  bloss 
an  Orleans  und  Erfurt.  Durch  die  Gründung  der  Hochschulen 
wurde  aber  das  Studium  der  Glassiker  fast  ganz  zurückgedrängt, 
weil  eben  im  Entwickelungsprocesse  der  artes  liberales  zu  Paris 
die  Glassiker  allmählich  ausgeschieden  wurden,  und  neben  Pris* 
cian,  dem  Doctrinale,  Porphyr  etc.  nach  und  nach  Aristoteles  zur 
Herrschaft  gelangte.  Die  Dialektik  sowie  Aristoteles  zogen  mehr 
an  als  die  Grammatik  und  das  Studium  der  Glassiker.  Kein 
Wunder,  dass  auch  im  Lehrplane  um  der  dialektischen  Uebungen 

1^)  Noch  Anfangs  des  18.  Jhs.  war  wie  im  12.  Jh.  die  Schale  Bemards 
von  Chartres  (s.  Johann  y.  Salisbury  Metal.  1.  1  c.  24.  Opp.  ed.  Giles  Y,  57) 
Orleans  wegen  des  Stadiums  der  'anctores*  ebenso  berOhmt,  als  Salemo 
wegen  der  medicinischen  Wissenschaft,  Bologna  in  Bezag  aaf  das  Recht  and 
Paris  rücksichtlich  der  artes  liberales.    Gottfried  Vinesauf  schreibt: 

In  morbis  sanat  medici  virtate  Salernum 
Aegros.  In  caasis  Bononia  legibus  armat 
Nudos.  Parisius  dispensat  in  artibas  illos 
Panes  unde  cibat  robustes.   Aurelianis 
Edacat  in  canis  aatorum  lacte  tenellos. 
Leyser,   Hist.  poet.   et  poem.   med.   aevi   p.  862.    Dazu  vgl.  oben  S.  252. 
Jean  de  Garlande  spricht  in  seinem  Morale  scolariam  (Cod.  546  zu  Brügge. 
Bl.  6b)   von  Orleans,  indem   er  auf  die  za  seiner  Zeit  gegen  die  dortigen 
Scholaren  von  Seite  der  Bürger  aasgeübten  blutigen  Gewaltthaten  (s.  oben 
S.  251  Anm.  135  u.  S.  260  sowie  Anm.  161)  anspielt  and  dann  fortfährt: 

Florent  aactores  et  ab  illis  floridiores 

i.  e.  ad  legendam  et  doctores  fiant 
Fiunt  doctores  et  letteris  atiliores. 
Wegen  ähnlicher  Schalen  za  Erfart  s.  obea  S.  404  f.  408.  Die  letzte  Spar 
von  'aactores'  an  Universitäten  entdeckt  man  in  der  ersten  von  einem 
Fürsten  errichteten  Universität,  nämlich  in  jener  von  Palencia.  S.  oben 
S.  475  Anm.  1039.  Es  ist  aber  wahrscheinlich,  dass  hier  anter  'auctorista' 
derjenige  Lehrer  gemeint  ist,  welcher  jene  metrisch  geschriebenen  gramma- 
tischen Unterrichtsbücher  erklärte,  die  'actores'  genannt  wurden,  von  denen 
Jacob  de  Vitry  sagt,  indem  er  sie  von  den  Werken  der  alten  Poeten  anter- 
scheidet:  Licet  autem  utilis  sit  grammatica  ad  recte  loquendam  et  recte 
pronondandam ,  caias  rei  experientiam  et  ezercitium  ex  libris  metrice 
compositis,  qui  actores  dicuntar,  et  ex  carminibas  poetaram  nobls 
conferamas,  expedit  tamen  etc.  Sermo  ad  scolares  im  Cod.  Paris.  17509 
Bl.  31b.  So  wird  in  dem  handschriftlich  sich  sehr  häufig  findenden  Mora» 
1  ium  dogma  philosophoram  'actor'  neben  den  Klassikern  dtiert.  Ich  erwähne 
Codd.   Paris.   17811  Bl.  68;   16251  Bl.  177.  Capitelsbibl.  zu  Cordoba  n.  Sil. 


1.  Paris  a.  Bologna,  und  die  mittelalterl.  Hochschale.  759 

willen  das  Studium  der  Grammatik  auf  ein  Minimum  beschränkt 
wurde.  Beispiele,  wie  die  alten  Schulen  in  diesem  Punkte  zu 
Grunde  giengen,  bieten  gerade  Orleans  und  Erfurt"). 

Der  Einfluss  der  Universität  Paris  zeigte  sich  auch  auf 
theologischem  Gebiete.  Die  Systematik  und  die  dialektische 
Methode  schoben  daselbst  das  Studium  der  Väter,  wie  es  noch 
im  11.  und  theilweise  im  12.  Jh.  besonders  in  den  Klosterschulen 
betrieben  worden  war,  mehr  und  mehr  in  den  Hintergrund.  Wir 
haben  oben  gehOrt,  wie  sehr  sich  darüber  Stephan  von  Toumay 
beklagt,  und  keinen  andern  Sinn  haben  die  Worte  Gregors  IX., 
welche  er  in  seiner  Bulle  Farens  scientiarum  an  die  Pariser 
Theologen  richtet").  Dem  Vorbilde  von  Paris  folgte  man  an 
allen  jenen  Universitäten,  an  denen  der  Unterricht  in  der  Theo- 
logie erlaubt  wurde*'). 

^)  Ich  spreche  natürlich  nur  voo  der  Schule,  nicht  vom  Pri- 
yatfleiss  einzelner  Personen.  Denn  dass  die  Klassiker  auch  zur  Zeit,  als 
die  üniversit&t  zur  Herrschaft  gelangt  war,  hie  und  da  (Cicero  und  Seneca 
durchweg)  von  einzelnen  gelesen  wurden,  heweist  vonfiglich  Yincenz  von 
Beauvais,  trotzdem  dass  im  Orden  der  Dominicaner,  dem  er  angehörte,  das 
Lesen  der  heidnischen  Autoren  im  Allgemeinen  untersagt  war.  S.  oben 
S.  719  Anm.  179.  Auch  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  in  der  Schrift 
De  disciplina  scholarium  fQr  den  Schüler  noch  immer  Seneca,  Lucanus,  Yergil, 
Statins,  Horaz ,  Persius,  Marcianus  Gapella  und  Ovid  bestimmt  werden.  Wenn 
aber  Peter  von  Blois  dem  Radulf  von  Beauvais  zuruft:  Priscianus  et  TuUius, 
Lucanas  et  Persius  isti  sunt  dii  vestri  (Ep.  6.  Migne,  Patrol.  lat.  t.  207 
p.  18),  so  hat  dies  nichts  mit  Paris  zu  thun. 

^1)  Magistri  vero  et  scolares  theologie  in  facultate  quam  profitentur  se 
studeant  laudabiliter  exercere,  nee  philosophos  se  ostentent,  sed  satagant 
fieri  theodocti  ...  de  illis  tantum  in  scolis  questionibus  disputent,  que  per 
libros  theologicos  et  sanctorum  patrum  tractatus  valeant  terminari.  Nach 
dem  Original  L.  242  n.  76  im  Nationalarchiv  zu  Paris. 

^)  Auch  hier  ist  nur  von  der  Schule,  nicht  von  einzelnen  Theologen 
die  Rede.  Gerade  die  Hauptscholastiker  des  13.  Jhs.  und  unter  ihnen  vor 
allem  Thomas  von  Aquin  und  Bonaventura,  betrieben  das  Stadium  der  Y&ter 
in  grossartiger  Weise;  Sp&tere  begnügten  sich  h&ufig,  die  Stellen  aus  den 
Werken  jener  Scholastiker  oder  den  Tabulae  originalium  zu  citieren.  Die  V&ter* 
handschriften  verschwinden  nach  meiner  Beobachtung  in  den  Bibliotheken  Eu- 
ropas vom  13.  Jh.  ab  gegenüber  denHss.der  theologischen  Quaestionen,  Tractate, 
Qaolibeta  u.  s.  w.  Der  Anfang  des  13.  Jhs.  bezeichnet  eigentlich  die  Grftnze. 
Später  finden  sich  allerdings  mit  Ausnahmen  nur  mehr  kleinere  Tractate.  Der 
Dominicanergeneral  Humbert  klagt  in  der  leider  vergessenen  für  das  Goncil  von 


760  ^'  Ursache  der  Entstehang  der  mittelalt.  Hochschulen. 

Es  geht  nicht  an,  schon  hier  diesen  Gegenstand  weiter  zu 
verfolgen.  Auch  so  ergibt  sich,  dass  die  Universitäten  auf 
Paris  und  Bologna,  direct  oder  indirect,  hinweisen. 

Nur  hinsichtlich  der  medicini sehen  Wissenschaft,  die  an 
den  Universitäten  fast  ausnahmslos  neben  den  andern  Fächern 
gelehrt  wurde,  bilden  für  die  italienischen  Universitäten  wenig- 
stens im  Beginne  des  13.  Jhs.  Sa  lerne,  fQr  die  ausseritalie- 
nischen  hauptsächlich  Montpellier  den  Ausgangspunkt.  Zwar 
nennt  man  in  der  Regel  neben  Paris  und  Bologna  bloss  Salemo. 
Allein  diese  Schule  hatte  allerdings  für  Italien  ihre  Wichtigkeit; 
für  die  ausseritalienischen  Universitäten  jedoch  höchstens  durch 
die  aus  ihr  hervorgegangenen  Schriften. 

Die  angeführten  Thatsachen  erklären  zur  Genüge  die 
zwischen  den  Universitäten  der  einzelnen  Länder  herrschende 
Gleichförmigkeit.  Allerdings  bieten  sowohl  die  Vorbereitungen 
als  auch  die  Umstände,  die  da  und  dort  den  Beginn  einer  Uni- 
versität eingeleitet  haben  sowie  die  Wechselfalle  einer  solchen 
eine  grosse  Mannigfaltigkeit.  Allein  in  Hinsicht  auf  das  Wesen 
der  Hochschule  kehrt  mehr  oder  weniger  immer  derselbe  Typus 
wider.  Selbst  rücksichtlich  der  Verfassung  besteht,  wie  wir  im 
2.  Bande  erörtern  werden,  nur  eine  geringe  Variation.  Es  lassen 
sich  bloss  vier  Hauptformen  nachweisen,  und  diese  lösen  sich 
schliesslich  in  zwei  Grundformen,  in  jene  von  Paris  und  Bologna 
auf,  so  dass  wir  hier  widerum  auf  die  beiden  Urtypen  zurückge- 
bracht werden.  Hätten  sich  die  Universitäten  in  den  ver- 
schiedenen Ländern  spontan  entwickelt,  so  würden  zwar  ein- 
zelne Punkte  überall  gleich  geblieben  sein,  allein  es  wäre  da- 
neben eine  grosse  Manigfaltigkeit  zu  Tage  getreten,  und  die 
Hochschulen  hätten  den  Genius  und  die  Individualität  der  ein- 
zelnen Völker   nicht   weniger  abgespiegelt  und  geoffenbart,   als 

Lyon  (1274)  bestimmteii  Schrift  Torsttglich,  dass  die  griechischen  Theologen 
nicht  abersetzt  würden:  Secondo  necessaria  videtnr  copia  libromm  greco- 
nun,  nt  sc.  latini  haberent  onmia  scripta  eoium  theologicomm  exposttoram, 
concilioruro,  statutorum,  officii  ecclesiastici,  hystoriarum.  Yerisimile  est  enim, 
multa  ibi  inTeniri  pro  nobis,  qnia  vero  consonant  omnia.  Et  cnratom  est  de 
libris  Philosophie  et  juris  transferendis,  non  sie  autem  de  theologicis,  qui 
snnt  arma  militie  nostre.  Cod.  Yat.  Pal  965  BL  284  b.  Martine  -  Dnrmnd, 
Ampi.  coU.  YII,  194. 


1.  Paris  tt.  Bologna,  and  die  xnittelalterl.  Hochschule.  761 

dies  zu  derselben  Zeit  die  verschiedenen  Kunstschulen  gethan 
haben.  Allerdings  trug  zu  der  ursprünglichen  Gleichförmigkeit 
einiges  auch  die  überall  identische  Schul-  und  Schriftsprache, 
nämlich  die  lateinische,  bei.  Indess  darf  man  nicht  vergessen, 
dass  dieselbe  schon  vor  dem  Entstehen  der  Universitäten  allerorts 
angewendet  wurde,  was  aber  nicht  hinderte,  dass  damals  die 
einzelnen  Schulen  unter  sich  bedeutende  Verschiedenheiten  be- 
sassen. 

Unser  Resultat  wird  dadurch  nicht  erschüttert,  dass  sich 
mehrere  Universitäten  nicht  bloss  an  vorhandene  Schulen  ange- 
schlossen haben,  sondern  dass  einige  aus  letzteren  hervorgegangen 
sind,  so  dass  man  sogar  einen  Uebergang  von  der  Schule  zum 
Generalstudium  nachweisen  kann.  Denn  da  hatte  erstere  schon 
früher,  direct  oder  indirect,  eine  Wirkung  von  Paris  oder 
Bologna  erfahren;  als  das  Generalstudium  errichtet  wurde  oder 
entstand,  war  die  Schule,  an  welche  es  anknüpfte,  schon  von 
der  neuen  Bewegung  ergriffen. 

Rücksichtlich  der  italienischen  Universitäten  bedarf  diese 
Thatsache  nach  dem  im  vierten  Paragraphe  des  vorigen  Haupt- 
abschnittes Gesagten  keiner  neuen  Erörterung  mehr.  Aber  auch 
bei  jenen  ausseritalienischen  Schulen,  welche  für  die  dort  im 
dritten  Paragraphe  unter  n.  1  aufgezählten  Universitäten  die 
Grundlage  gebildet  haben"),  war  nicht  die  alte,  sondern  die 
neue  Lehranstalt  die  Voraussetzung,  wurde  gleichwohl  zwischen 
der  alten  und  neuen  Schule  die  Gontinuität  nicht  unterbrochen. 
Eines  der  interessantesten  Beispiele  bietet  die  Schule  in  Erfurt 
vor  Errichtung  des  Generalstudiums.  Innerhalb  eines  Jahrhun- 
derts gieng  an  derselben  die  Umwandlung  vor  sich.  Die  Lehr- 
anstalt des  13.  Jhs.  war  eine  Schule  alten  Stiles,  an  der  mög- 
licher Weise  wie  in  Orleans  über  die  alten  Klassiker  gelesen  wurde, 
und  die  sich  jedesfalls  als  einen  Ausläufer  der  Schulen  der 
früheren  Zeit  darstellt.  In  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs.  ist 
nur  mehr  von  der  philosophia  naturalis  et  moralis  und  den  libri 
artium  die  Rede").  Gleichwie  sich  hier  der  Einfluss  von  Paris 
offenbarte,  so  machte  sich  an  den  Schulen  in  Avignon,  Orange 

>8)  S.  oben  S.  723  f. 

2*)  S.  oben  S.  404  f.  407.  408. 


762  V.  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalt.  Hochschalen. 

and  Valladolid,  schon  ehe  dort  die  Generalstudien  bestanden, 
auch  jener  von  Bologna  bemerkbar.  Dieselbe  Beobachtung  drängt 
sich  uns  mehr  oder  weniger  bei  den  übrigen  Schulen**)  auf.  So 
geartet  waren  auch  jene  Particularstudien,  auf  die  in  einigen  Stift- 
briefen, z.  B.  in  jenen  fOr  die  Hochschulen  zu  Valladolid,  Prag, 
Orange,  hingewiesen  wird.  In  Prag  ist  bereits  im  13.  Jh.  der 
Einfluss  von  Paris  fQhlbar  *%  War  also  hie  und  da  der  Weg  zu 
einem  Generalstudium  geebnet,  so  ist  der  Grund  davon  wider 
nur  in  Paris  oder  in  Bologna  zu  suchen. 


^^)  Entgangen  ist  Paalsen  diese  Umwandlang  der  alten  Schalen,  wie 
die  von  ihm  in  Sybels  Bist.  Zsch.  S.  383  aufgestellte  Behaaptang,  der  Lehr- 
cursas  der  Uniyersit&ten  weiche  Ton  dem  der  alten  Stiftsschnlen  nicht 
weiter  ab,  als  die  entwickelte  Form  von  der  unentwickelten,  beweist.  Eben 
dort  stösst  man  auch  auf  die  total  irrige  Anschauung,  die  Universitäten  seien 
freier  construierte  Collegiatstifte  gewesen  (s.  oben  S.  653  und  398).  Da- 
durch, dass  man  die  Professoren  mit  kirchlichen  Praebenden  behoft  ihres 
Unterhaltes  versah,  wird  doch  die  Universit&t  selbst,  an  der  sie  lehrten, 
nicht  ein  CoUegiatstift.  Dies  wäre  auch  dann  nicht  der  Fall,  wenn  alle 
Professoren  an  einer  und  derselben  Stiftskirche  Ganonikate  inne  gehabt  h&tten. 
Uebrigens  sagt  der  hl.  Thomas  ausdrücklich,  dass  *co]legium  scholasticum 
(collegium  studii)  non  sit  collegium  ecclesiasticum',  wobei  er  'collegium  ec- 
clesiasticum'  vonsOglich  im  Sinne  von  Gapitel  nimmt  (Op.  contra  impu« 
gnantes  religionem  c.  3  p.  548  t  20  ed.  Nicolai),  wie  sich  aus  dem  Con- 
texte  ergibt.  Noch  weiter  als  Paulsen  geht  v.  Stein,  wenn  er  S.  229 
behauptet,  die  CoUegien  lu  Paris  seien  anfangs  *ganz  der  mönchischen 
Leitung  Oberlassen'  gewesen;  4n  Oxford  und  Cambridge  bestand  geradezu 
die  ganze  Universität  nur  aus  der  Gemeinschaft  von  lauter  solchen  coUe- 
giis';  die  alte  Universität  in  England  war  ^eine  Gemeinschaft  von  Paro« 
chialcoUegien'  u.  s.  w.  Es  fällt  mir. nicht  ein,  so  haarsträubende  Behaop« 
tungen  zu  widerlegen. 

^)  S.  oben  S.  583.  Wie  in  Erfurt  im  14.  Jh.  so  wurde  in  Prag  im 
13.  Jh.  über  die  libri  naturales  des  Aristoteles  vorgetragen. 


2.    GeistL  a.  weltl.  Macht  im  Verh&ltniss  zum  Generalstadium.    763 

2.  Die  geistliohe  und  weltllohe  Maoht  In  Ihrem  Ver- 
hältnisse zur  Gründang  des  Generalstudiums. 

Im  vorigen  Paragraph  hat  sich  als  Resultat  unserer  Unter- 
suchung herausgestellt,  dass  die  europäischen  Universitäten  des 
Mittelalters  im  Grossen  und  Ganzen  den  beiden  Hochschulen  zu 
Paris  und  Bologna  ihren  Ursprung  zu  verdanken  haben,  und 
dass  nur  hinsichtlich  des  medicinischen  Faches  Salerno  und 
Montpellier  den  Ausgangspunkt  bilden.  Die  Frage  jedoch, 
auf  welche  Weise  die  Universitäten  ins  Leben  getreten  sind, 
bleibt  uns  noch  zu  beantworten.  Sie  fallt  mit  der  anderen 
zusammen:  wer  hat  die  Hochschulen  gegründet?  Wer  konnte 
sie  ähnlich  jenen  zu  Paris  und  Bologna  ins  Leben  rufen? 

Diese  Fragen  wurden  bisher  höchst  ungenügend  resp.  irrig 
beantwortet.  Der  Gründe  für  diese  Erscheinung  gibt  es  mehrere. 
Fürs  erste  achtete  man  nicht  auf  die  Entwickelung  des  Begriffes 
eines  Generalstudiums  und  auf  das  Wesen  desselben.  Dann 
mangelte  bis  in  die  jüngste  Zeit  eine  umfassende  Kenntniss 
der  Stiftungen  der  einzelnen  Universitäten.  Kaum  ein  Fünftheil 
der  letzteren  wurde  bei  Behandlung  dieser  Fragen  zum  Vergleiche 
herangezogen.  In  Deutschland  begnügte  man  sich  sogar  in  der 
Regel  nur  mit  den  deutschen  Universitäten.  Und  doch  kann 
man  hier  zu  einem  richtigen  Resultate  lediglich  nach  einem 
Vergleiche  aller  Universitäten  gelangen,  sonst  baut  man  Schlüsse 
auf  mangelhafte  Induction'O-  Endlich  besass  man  einen  irrigen 
oder  wenigstens  unklaren  Begriff  vom  Charakter  des  christ- 
lichen Mittelalters,  von  dem  damals  herrschenden  Verhältnisse 
der  verschiedenen  Gewalten  zu  einander. 

Dass  ich  den  Forschern  nicht  zu  viel  aufbürde,  beweisen 
die  Behauptungen,  die  von  ihnen  hinsichtlich  der  Gründungen 
der  Universitäten  ausgesprochen  wurden.   Sie  leiten  am  besten  die 

^7)  Ein  interessantes  Beispiel  hiefür  bietet  ein  Artikel  in  den  Analecta 
juris  pontificii  (Romae  1855),  De  Pinstruction  publique.  Der  Autor  argumen- 
tiert nur  aus  den  päpstlichen  Schreiben,  die  im  Bull.  Rom.  hinsichtlich  der 
Universitäten  enthalten  sind,  und  kommt  dann  p.  1770  folgerichtig  zum 
Schlüsse,  dass  nur  die  Päpste  4e  pouToir  de  conf6rer  les  grades'  ertheUt 
hätten.  Natürlich,  im  Bull.  Rom.  stehen  eben  nur  päpstliche  nicht  landes- 
herrL  Stiftbriefe.    Nicht  anders  verfuhr  Schulte.    S.  unten  Anm.  32. 


764  ^-  Ursache  der  Entstehaog  der  mittelalt.  Hochschalen. 

Darstellung  des  wahren  Thatbestandes  ein;  gerade  deren  Unhalt- 
barkeit  wird  die  Nothwendigkeit  ergeben  einen  neuen  Weg  bei 
Behandlung  dieses  Gegenstandes  einzuschlagen. 

Hauptsächlich  vertrat  man  die  Ansicht,  der  Papst  habe  das 
ausschliessliche  Recht  gehabt,  Generalstudien  zu  errichten;  der 
Kirche  habe  das  Generalstudium  als  solches  angehört  Dies  sei 
auch  zumeist  die  Ueberzeugung  des  Mittelalters  gewesen**). 
Meiners  sieht  gerade  deshalb  in  der  Stiftung  der  Hochschule 
zu  Neapel  durch  Friedrich  U.  einen  ungewöhnlichen  Schritt,  der 
sich  nur  aus  dessen  offenbarer  Feindschaft  gegen  den  päpst- 
lichen Stuhl  erklären  lasse.  Seit  langem  sei  es  Grundsatz  der 
kathol.  Kirche  gewesen,  dass  Niemand  auf  einer  hohen  Schule 
irgend  eine  Wissenschaft,  am  wenigsten  Theologie  und  can. 
Recht,  lehren  dürfe  ohne  Erlaubniss  des  sichtbaren  Hauptes 
der  Kirche  oder  eines  von  demselben  Bevollmächtigten.  Beweis 
dafür  bilde  das  Beispiel  Abaelards.  Dessen  Feinde  hätten 
gesagt,  dass  zu  seiner  Verdammung  allein  schon  der  Umstand 
hinreiche,  dass  er  ohne  Einwilligung  des  Papstes  und  der  Kirche 
über  eines  seiner  Bücher  gelesen  habe"). 

Meiners  hat  sich  hier  mehr  Verstösse  gegen  historische 
Thatsachen  zu  Schulden  kommen  lassen,  als  er  Sätze  nieder- 
geschrieben hat.  Von  welcher  Zeit  an  datiert  denn  Meiners  die 
Gründungen  von  Hochschulen,  wenn  er  die  Stiftung  jener  von 
Neapel  durch  Friedrich  einen  ^ganz  ungewöhnlichen'  Schritt 
nennt?  Hat  ferner  nicht  vor  Friedrich  bereits  Alonso  VIIL  die 
Hochschule  zu  Palencia  gestiftet,  ohne  den  Papst  gefragt  zu 
haben?  Wenn  sich  ferner  das  Vorgehen  Friedrichs  nur  aus 
seiner  ^offenbaren  Feindschaft'  gegen  die  Kirche  erklären  lässt, 
warum  betrachtete  Clemens  IV.  die  von  demselben  errichtete 
Schule  als  ein  wirkliches  Generalstudium?  Warum  bedauerte 
er  dessen  Verfall  und  mahnt  Karl  von  Anjou  sie  widerherzu- 
stellen'°)?   Noch  schlimmer  steht  es  mit  Meiners'  Beweis  für  die 


^)  Gonring,  De  antiqnitatibus  academicis  (Gottingae  1739)  p.  137. 
Patter,  Specimen  juris  public!  et  geutium  medii  aevi  (Goettingae  1784)  p.  186. 

^)  Gesch.  der  Entstehung  und  Entwickelung  der  hohen  Schulen  I,  353. 

^)  S.  oben  S.  459.  Das  Schreiben  zeugt  immerhin  von  der  Auffassung 
an  der  r6m.  Curie,  sollte  es  auch  nicht  ausgegeben  worden  sein. 


2.    Geistl.  n.  weltl.  Macht  im  Verhältniss  zum  Generalstadiam.    765 

Behauptung,  ohne  Genehmigung  des  Papstes  etc.  habe  Niemand 
lehren  dürfen,  nämlich  mit  der  Heranziehung  einer  Stelle  aus 
Abaelards  Hist.  calamitatum.  Allerdings  hat  sie  nicht  bloss 
Meiners,  sondern  fast  jeder  missverstanden,  der  sie  bisher 
citiert  hat.  Dies  war  auch  nicht  anders  möglich,  so  lange  man 
sie  nur  aus  fehlerhaften  Drucken  kannte  und  nicht  die  Hss.  con- 
sultierte.  Diesen  zufolge  bezieht  sich  die  Bewilligung  des 
Papstes  nicht  auf  das  Lehren  an  sich;  gegen  Abaelard  wurde 
eine  Anklage  erhoben,  weil  er  eine  von  ihm  verfasste  Schrift  vor- 
zutragen sich  angemasst  hatte,  ehe  diese  vom  Papste  oder  der 
Kirche  gebilligt  worden  war"). 

Nach  Meiners  wurden  die  Universitäten  bis  zum  Zeitalter 
der  Reformation  von  den  Päpsten  errichtet;  wenigstens  hätten 
sie  nach  den  Anschauungen  des  Mittelalters  ohne  päpstliche 
Zustimmung  nicht  ins  Leben  treten  können.  Diese  Ansicht 
kehrt  in  verschiedenen  Variationen  bei  anderen  Forschern  wider'*), 


3i)  Nach  den  beiden  Hss.  Cod.  Paris.  2329  und  Cod.  Trecen.  802 
B1.  10a  sagt  Abaelard:  dicebant  enim,  ad  dampnationem  libelli  satis  hoc 
esse  debere,  qnod  nee  romani  pontificis  nee  ecciesie  auctoritate  enm  (li- 
belluro)  commendatum  legere  publice  presumpseram  atque  ad  transcribendum 
iam  pluribus  eam  (libellum)  ipse  prestitissem.  Die  Ausgabe  Ditchesnes  (so- 
wie jene  Cousins  opp.  Abelardi  I,  21)  Hess  das  erste  'eum'  aus;  Du  Boulay 
(I,  284;  II,  67.  669)  und  H§mer§  (De  academia  Parisiensi  p.  73)  änderten 
dann  folgerichtig  'commendatum*  in  'commendatus'.  Unter  dem  ^ibellus', 
das  noch  nicht  die  Billigung  der  Kirche  erbalten  hatte,  verstand  man 
Abaelards  Tractat  De  unitate  et  trinitate  divina.  Opp.  ed.  Cousin  I,  18. 
Miss  verstanden  hat  man  auch  eine  andere  ganz  unverfängliche  Stelle. 
Abaelard  meint,  man  habe  ibm  vorgeworfen,  'qnod  sine  magistro  ad  magiste- 
rium  divine  lectionis  accedere  presumpsissem'  (1, 18).  Auch  diese  Worte  deutete 
man  auf  die  licentia  docendi  (Hnber,  Die  engl.  Universitäten  I,  17.  R^mnsat, 
Ab^lard  1,  21),  während  dem  ganzen  Zusammenhange  nach  gemeint  ist, 
Abaelard  habe  Theologie  tradiert,  ehe  er  von  einem  Theologen  Unterricht 
in  derselben  genossen  hatte.  Nur  ganz  kurz  studierte  er  unter  Anselm  die 
Theologie,  und  die  Schtller  warfen  ihm  vor,  'qui  nondum  nisi  in  philosophi- 
cis  (nach  Cod.  Trecen.  802  Bl.  3  a)  studuerat'  (I,  8). 

93)  So  z.  B.  bei  Gersdorf,  Beitrag  zur  Gesch.  d.  Univ.  Leipzig  in  den 
Mitthlg.  d.  deutschen  Gesellsch.  z.  Erforschung  vaterl.  Spr.  und  Alterth. 
y,  10  f.  Paulsen  hat  Gersdorfs  Aufstellung  noch  erweitert.  Sybels  Hist. 
Zsch.  Bd.  45  S.  394.  Vgl.  284.  385.  Die  Ansicht  beider  l&sst  sich  in 
die  Worte  zusammenfassen:  das  Studium  generale  habe  der  Kirche  angehört; 


766  ^«  ünaehe  der  Entetehmig  der  mitteUIt  HocksehideB. 

welche  aber  die  Entwickelungsgescbicbte  der  oben  im  2.  Para- 
graphe  des  dritten  Hauptabscbnittes  behandelten  Universitäten, 
die  gar  keine  Stiftbriefe  aufweisen,  sowie  die  mit  nur  kaiser- 
lichen oder  landesherrlichen  Gründungsurkunden  ausser  Acht 
gelassen  haben. 

Auf  dieser  irrigen  Voraussetzung  beruhen  Muthers  Ansichten 
über  die  Anfänge  der  Hochschule  zu  Wittenberg,  an  der  Luther 
lehrte  und  die  man  so  gerne  zur  Mutter  der  modernen  deutschen 
Universitäten  machen  möchte.  'Ein  allgemeines  kaiserl.  Univer- 
sitätsprivilegium'  meint  er,  'd.  i.  ein  Privilegium,  welches  die 
Errichtung  der  Universität  gestattet  und  das  Promotionsrecht  in 
allen  Facultäten  ertheilt,  wird  sich  vor  Maximilian  I.  schwerlich 
nachweisen  lassen^").  Dieser  'errichtete'  nämlich  aus  'könig- 
licher Machtvollkommenheit*    ein   'Studium   generale'   und   zwar 

zur  GonstituieruDg  der  Universität  als  politischer  Corporation  sei  die  Aner- 
kennung des  Landesherren  erforderlich  gewesen.  Y.  Stein  behauptet  S.  216, 
man  habe  das  Recht  der  Päpste ,  die  Gründungen  aller  Universitäten  als 
Ganzes  zu  bewilligen,  aus  c.  3  De  magistris  X.  5,  5  abgeleitet.  Ick  kann 
Herrn  ▼.  Stein  versichern,  dass  diese  Decretale  im  ganzen  Mittelalter  nie  be* 
trefifs  des  in  Frage  stehenden  Punktes  citiert  wurde.  Der  Vorwarf,  den 
Stein  ebend.  gegen  Janssen  erhebt,  er  besitze  keine  Vorstellung  von  der 
Entstehung  der  Universitäten,  trifft  niemand  mehr,  als  Stein  selbst.  Was 
soll  man  auch  auf  den  S.  494  gemachten  Aassprach,  erst  die  deatschen 
Universitäten  seien  ^Grflndungsuniversitäten',  erwidern,  als  dass  hier  vftUige 
Ignoranz  herrscht?  — Far  obige  Ansicht  steht  auch  ein  der  S.  763  Anm.  27 
citierte  Autor  in  den  Analecta  juris  pontificii.  Bobiano,  De  jure  ecdesiae 
in  universitates  studiorum  (Lovanii  1864)  p.  183,  im  Zusammenhange  mit 
der  p.  193  ausgesprochenen  Behauptung:  major  pars  (universitatam)  e  scholis 
cathedralium  monasteriorumque  exorta.  Theilweise  Phillips,  Lehrbuch  des 
Kircbenrechts  II,  1218.  Rottecks  and  Welkers  Staatslexicon'  XIV,  78a 
Eichhorn,  Deutsche  Staats-  und  Rechtsgescbichte^  (Göttingen  1835,  n,  231). 
Am  weitesten  geht  Schulte,  wenn  er  sagt:  ^ein  Studium  generale  setzt  seit 
dem  Anfange  des  18.  Jhs.  unzweifelhaft  ein  päpstl  Privileg  voraoz.  Es 
gibt  seitdem  kein  Studium  generale  ohne  ein  solches'.  Arclüv  f.  kath. 
Kirchenrecht  XIX,  24.  Schulte  schlug  ein  ähnliches  Verfahren  wie  der 
S.  763  Anm.  27  angeführte  Aator  ein:  er  begnOgte  sich  bei  seinen  Unter- 
snchongen  mit  dem  BuH.  Rom.  Walter,  Lehrbuch  des  Kirchenreekts  §  347 
behauptet,  seit  dem  14.  Jh.  sei  in  dem  Stiftangsbriefe  des  Landeskem 
immer  auch  die  Erriehtongsbulle  des  Papstes  nachgesncbt  worden. 

SS)  Gesch.  der  Rechtswissenschaft  8. 256  fr.  Aehnlick  tehon  froher  Meinen, 
Gesch.  der  Entsteknng  etc.  I,  374. 


2.   Geistl  a.  weltl.  Macht  im  Verh&ltniss  zum  Generalstudiom.    767 

für  alle  FacultAten.  'Ein  gewaltiges  Zeichen  der  Zeit  ist  uns 
diese  Urkunde',  ruft  Muther  aus,  'die  Alleinherrschaft  des  Papstes 
d.  i.  der  Kirche  auf  geistigem  Gebiet  wird  also  nicht  mehr  an- 
erkannt, der  Kaiser,  oder  um  es  modern  auszudrücken,  der 
Staat  erkennt  als  eine  seiner  Aufgaben  die  Pflege  der  Wissen- 
schaft und  des  Unterrichts  an'  u.  s.  w.  Zamcke  hatte  mithin 
Recht  zu  sagen:  'Die  Gründung  der  Wittenberger  Universität 
(denn  von  ihr,  1502  von  Maximilian  I.  errichtet,  ist  die  Rede) 
macht  Epoche  in  der  Geschichte  unserer  hohen  Schulen'"). 
Solche  Aufstellungen  beweisen,  wenn  irgend  etwas,  das 
eine,  dass  die  genannten  Forscher  von  keiner  einzigen  der  oben 
im  4.  Paragraph  des  3.  Hauptabschnittes  aufgeführten  Univer- 
sitäten Kenntniss  gehabt,  oder  wenigstens  dass  sie  nicht  £inen 
der  kaiserlichen  oder  königlichen  Stiftbriefe  des  13.  besonders 
jedoch  des  14.  Jhs.  gelesen  haben.  Muther  legt  betreffs  Witten- 
bergs darauf  Gewicht,  dass  der  kaiserliche  Stiftbrief  dem 
päpstlichen  vorhergegangen  ist"^).  Allein  die  eben  angezogenen 
Hochschulen  erhielten  nicht  einmal  eine  päpstliche  Gründungs- 
urkunde. Zudem  wurde  auch  für  Pavia**)  und  Lucca*')  die 
kaiserliche*  bedeutend  früher  ausgefertigt  als  die  päpstliche. 
Muther   urgiert   ferner,   dass   zugleich   die   Theologie   und   das 


^)  Die  nrkundl.  QaeUen  z.  Gesch.  der  Univ.  Leipiig  in  den  Abh.  d. 
phiL  bist.  Gl.  d.  k.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  Ill,  527. 

^)  Mather  lässt  sich  hier  auch  sonst  Verstösse  zu  Schulden  kommen.  Der 
Gardinallegat  Raymond  bestätigt  4.  Non.  Febr.  1502  die  GrOndung  der  Uni- 
versität, nimmt  im  Schreiben  auf  Maximilians  Stiftungsurkunde,  die  Prid. 
non.  Jul.  1502  erschienen  war,  Rücksicht  (Sueyus,  Academia  Wittebergensis, 
Wittebergae  1655,  nicht  paginiert;  Grohmann,  Annales  der  Universit&t 
Wittenberg,  Meissen  1801,  S.  14),  und  gedenkt  in  einer  weiteren  Littera 
unter  demselben  Datum  der  Promotionen  an  der  Universit&t,  die  aber  am 
18  Oct.  1502  eröffnet  wurde.  Muther  zweifelt  deshalb  an  der  Richtigkeit 
der  Jahreszahl  beider  Schreiben  des  Gardinallegaten  im  Abdrucke.  Darauf 
ist  zu  erwidern,  dass  Alezander  VI.  sowie  sein  Legat  nach  dem  Galculus 
Florentinus  das  Jahr  begannen,  wie  aus  den  Vat.  Reg.  erhellt  Dies  der 
Grund,  warum  beide  Schreiben  in  das  Jahr  1503  fallen.  Auch  Paulsen  war 
deshalb  in  Verlegenheit,  und  ?ersuchte  eine,  wenngleich  irrige,  Lösung. 
Sybels  Hist.  Zsch.  S.  280. 

3«j  S.  oben  S.  579. 

87)  S.  oben  S.  651. 


768  ▼•  ümdie  der  Entstelmiig  der  aittelalt.  Hocbscholen. 

canonisctae  Recht  von  Maximilian  der  kaiserlichen  Obhut  vindi- 
eiert  worden  wären.  Hat  denn  aber  jemals  ein  Kaiser  oder  ein 
König  das  canonische  Recht  in  einem  Stiftbriefe  ausgeschlossen? 
Wurde  femer  nicht  von  Karl  IV.  'de  plenitudine  imperialis  maje- 
statis'  das  Studium  generale  zu  Genf  auch  für  Theologie  errichtet 
und  die  Promotion  in  derselben  erlaubt?'^.  Wenn  dann  Muther 
behauptet,  erst  zur  Zeit  Maximilians  habe  der  Kaiser  die  Pflege 
der  Wissenschaft  und  des  Unterrichts  als  eine  seiner  Aufgaben 
erkannt,  so  hat  er  alles  übersehen,  was  seit  dem  Beginne  des 
13.  Jhs.  die  Fürsten  far  die  Schulen  gethan  haben,  und  dass 
bereits  die  grossen  Theologen  des  13.  Jhs.  es  als  eine  der 
Pflichten  der  Regenten  hingestellt  haben,  für  ünterrichtsanstalten 
zu  sorgen"). 

Der  eben  entwickelten  Ansicht  ist  die  vorzüglich  in  Spanien 
(wo  die  Hochschulen  mit  Ausnahme  von  Valladolid  durch  könig- 
liche Stiftbriefe  ins  Leben  traten)  verfochtene  Behauptung  gerade- 
zu entgegengesetzt,  die  Errichtung  und  Gründung  der  Univer- 
sitäten sei  rein  politisch  und  allein  Sache  der  weltlichen  Fürsten. 
Dies  wäre  seit  dem  13.  Jh.  Princip  gewesen.  Ohhe  Zustimmung 
der  Regenten  habe  keine  Hochschule  gestiftet  werden  können  ^*). 


^)  S.  oben  S.  648  f.    Ich  komme  weiter  unten  auf  diesen  Pankt  forftck. 

^)  So  sagt  der  hl.  Thomas  im  opnsc.  Contra  impngn.  relig.  e.  8 :  Cum 
coHeginm  studii  generalis  sit  aliqna  soeietas,  ad  eam  aliqnit  indaci  polest 
autoritate  superioris  cogente.  Wer  ist  nnn  diese  autoritas  snperioris?  Er 
erkl&rt  im  Verlaafe:  Ordinäre  de  studio  pertinet  ad  eam,  qai  praeest  rei- 
pnblicae.  Im  Opasc.  De  regimine  princ.  L  1  c.  13  schreibt  er:  Si  regnna 
institaendnm  sit,  oportet  proTidere,  qnis  locus  aptus  sit . . .  nbi  constitaenda 
sint  stndia  literaram.  Aegydins  Romanus  lehrt  De  regim.  princ.  Üb.  S  p.  2 
c.  8:  Debet  igitur  rex  solicitari,  ut  in  suo  regno  vigeat  Studium  Uteramm 
et  ut  ibi  sint  multi  sapientes  et  industres;  nam  ubi  tiget  sapientxa  et  fons 
scripturarum,  oportet  qnod  inde  tötus  populus  aüquam  eruditionem  accipiat 
Ne  ergo  existentes  in  regno  sint  tenebris  ignorantiae  involuti,  spectat  ad 
reges  et  principes  valde  esse  solicitos  de  studio  literarum.  Immo,  si  domi- 
nator  regni  non  promoveat  Studium  et  non  felit  sibi  subditos  esse  scientes, 
non  est  rex,  sed  tyrannus. 

^)  Diese  Ansicht  findet  man  entwickelt  bei  Alonso  de  Escobar  j 
Loaysa,  De  pontificia  et  regia  jurisdictione  in  studiis  generalibus  (Matriti 
1643)  c.  21  n.  38ff.  n.  90ff.  Mendo,  De  jure  academico  (Matriti  1658;  2.  ed  Lug- 
duni  1668)  üb.  1  qu.  8  §  1.  n.  232ff.:  Erectio  ac  fundatto  uniTersitatum  est 


2.  Geistl.  u.  weltL  Macht  im  Yerhältniss  zam  Qeneralstadium.      7g9 

Erstere  hätten  auch  die  theologischen  und  canonistischen  Lehr- 
stühle errichtet ^^).  Es  bedarf  wohl  kaum  der  Bemerkung,  dass 
diese  Anschauungen,  so  ganz  allgemein  formuliert,  weit  irriger 
als  die  der  früher  citierten  Forscher  sind.  Sie  lassen  alle 
im  3.  Paragraphen  des  dritten  Hauptabschnittes  behandelten 
Universitäten,  um  nur  von  diesen  zu  sprechen,  ausser  Acht. 
Escobar  und  Mendo  finden  es  daher  convenient,  ^ut  pontificis  in- 
terveniat  authoritas'.  Dadurch  würde  das  Studium  ein  'Studium 
generale,  non  solum  respectu  regni,  sed  respectu  universae  ec- 
clesiae'*').  Ende  des  vor.  Jhs.  stellte  Gärtner  den  Satz  auf, 
zur  Errichtung  der  'katholischen'  Universitäten  'summi  ponti- 
ficis confirmationem  non  esse  necessariam.  Jus  eas  condendi 
est  jus  supremae  potestatis  civilis'^').  Dass  diese  Behauptung  mit 
der  eben  berührten  zusammenfalle,  liegt  auf  der  Hand. 

Verwandt  mit  dieser  These  ist  der  in  Hinsicht  auf  das  Reich 
ausgesprochene  Grundsatz,  Universitätsprivilegien  zu  verleihen 
sei  ein  kaiserliches  Reservatrecht  gewesen.    Wenn  diese  Ansicht 

poUtica  et  ad  principes  saeculares  spectaDS,  qui  jus  habent  erigendi  eas  in 
suis  regnis  etiam  absqae  pontificis  aactoritate;  et  absque  ipsorum  principum 
facultate  nequeunt  illae  erigi,  ut  docet  D.  Thomas  in  tractatu  contra  impug- 
nantes  religionem.  Dass  der  hl.  Thomas  mit  Unrecht  herbeigezogen  wird, 
soU  sich  weiter  unten  zeigen.  Für  die  These  steht  neuestens  ein  Y.  De 
la  Fuente,  Historia  de  las  universidades ,  colegios  y  demas  establecimentos 
de  ensenanza  en  Espana  (Madrid  1884)  I,  165 ff.  Zärate  aber  behauptet: 
Los  estudios  generales  se  erigian  por  la  sola  autoridad  del  principe,  y  las 
uniTersidades  necesitaban  la  concurrencia  del  Papa.  De  la  instrucciön  pu- 
blica en  Espana  II,  171.  S.  dazu  oben  S.  33  Anm.  140.  Die  Formulierung 
dieses  Satzes  ist  also  jener  der  Behauptung  Gersdorfs  und  Panisens  gerade 
entgegengesetzt. 

^1)  Bei  Mendo  heisst  es  1.  c:  licet  ad  ecciesiasticam  potestatem  per- 
tineat  thedogiae  veritates  definire  et  juris  canonici  decreta  promulgare:  at 
erigere  cathedras,  in  quibos  hae  scientiae  edoceantur,  principis  potestatem 
non  excedit,  et  consequenter  potest  ipse  injungere  requisita  et  formam,  qua 
obtineantur.  In  wie  weit  Mendo  hier  das  nichtige  trifft,  wird  sich  S.  783 
ergeben.  Ich  kann  mich  nicht  erinnern  in  der  2.  Aufl.  diese  Stelle  gelesen 
zu  haben.    Vgl.  jedoch  Escobar  1.  c.  n.  145;  c.  22  n.  11. 

^)  Vgl.  ibid.  n.  240.  Er  meint  auch,  der  Fürst  könne  dies  nicht 
leisten,  'sie  vero  pontifex,  qui  in  omnibus  regnis  christianis  potestatem  ac 
jnrisdictionem  habet'.    Aehnlich  Escobar  c.  21  n.  106. 

^)  De  jure  smnmi  pontificis  in  erectione  academiaram  Germaniae  catho- 
licarum.    Programma,  Salisburgi  1795,  p.  5. 

Denifle,  Die  UniTenitAten  L  49 


770       ^-   Ursache  der  Entstehang  der  mittelatlerl.  Hochschalen. 

nur  sagen  will,-  innerhalb  des  Imperiums  hätten  auch  die  mäch- 
tigsten Reichsfärsten  nicht  aus  eigener  Machtvollkommenheit  Uni- 
versitäten gründen  können  oder  wenigstens  nicht  das  Recht 
gehabt  academische  Würden  zu  ertheilen,  ohne  dass  die  kaiser- 
liche (oder  päpstliche)  Autorität  hinzutrat,  so  ist  sie  richtig, 
obwohl  dann  die  Ausdrucksweise  höchst  ungenau  ist.  Fasst 
man  sie  aber  in  dem  Sinne  auf,  den  der  Wortlaut  ergibt,  dass 
die  Erlaubniss  zur  Verleihung  der  academischen  Grade  immer 
vom  Kaiser  ausgehen,  oder  zur  Erlaubniss  wenigstens  die  kaiser- 
liche Bestätigung  hinzukommen  musste^^),  so  widerstreitet  sie  allen 
historischen  Thatsachen  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters.  Wir 
haben  oben  im  3.  Paragraphen  des  dritten  Hauptabschnittes  üi^- 
versitäten  des  Reiches  kennen  lernen,  die  entweder  lange  Zeit 
hindurch  oder  überhaupt  nur  päpstliche  Stift-  und  Privilegien- 
briefe besassen,  und  Niemand  hat  es  gewagt  die  Rechtmässigkeit 
der  an  denselben  vorgenommenen  Promotionen  in  Abrede  zu 
stellen. 

Andere  Forscher  suchten  einen  Mittelweg  einzuschlagen,  der 
jedoch  nicht  bei  allen  derselbe  ist.  Bardinet  meint:  Papae  erat 
theologiae  et  canonici  juris  Studium  instituere;  ad  eundem  (Cae- 
sarem)  pertinebat  juris  civilis  promotio").  Aber  warum  dieser 
Unterschied?  Zur  Zeit  Honorius  DI.  sei  zwischen  den  Doc- 
toren  ein  grosser  Zwist  ausgebrochen.  Viele  hätten  gelehrt, 
kein  Generalstudium  'praesertim  circa  jus  canonicum'  habe  Geltung, 
'nisi  prius  fuisset  apostolica  sede  approbatum'.  Unter  Bonifaz  VIIL 
und  Clemens  V.  sei  der  Streit  aufs  neue  entbrannt,  und  um  ihm 
ein  Ende  zu  machen,  hätten  in  der  Folge  fast  alle  Universitäten 
um  ein  päpstliches  Privileg  nachgesucht^^).  Eine  sehr  naive 
Interpretation.  Welcher  gleichzeitige  Autor  spricht  denn  von 
enem  Streit?  Man  weiss  nur,  welche  Stellung  Philipp  der 
Schöne   zu   Clemens   V.   in   Betreff  Orleans   eingenommen   hat 

^)  Dies  drückt  mit  anderen  Worten  Haati  aus.  8.  oben  8.  383  f. 

^^)  üniverdtatis  Ayenionensis  bist,  adumbratio  p.  10  Anm.  2. 

^0)  Ibid.  p.  10.  Der  Autor  nahm  diese  Erklärung  wörtlich  ans  Paol 
de  Cadecombe,  De  primaeva  univ.  Avenion.  erectione  (Ms.  in  der  Bibliothek 
zu  ATignon,  Pidces  relatives  h  l'nniversit^  I,  32),  den  er  auch  citiert  Mir 
ist  sie  etwas  ganz  Neues,  und  es  ist  mir  unerfindlich,  was  zu  ihr  Veran- 
lassung geboten  haben  mag. 


2.   Geist),  n.  weltl.  Macht  im  Verh&Itniss  zum  Generalstadium.     771 

Aber  auch  da  handelte  es  sich  nicht  um  das  Generalstudium, 
sondern  um  die  Gorporationsrechte. 

Savigny  glaubte  die  Ftage  gelöst  zu  haben  mit  der  Be- 
merkung, weder  die  päpstliche  noch  die  kaiserliche  Autorität 
sei  bei  Stiftung  einer  Hochschule  nothwendig  gewesen.  Nur  die 
Ungewissheit,  ob  eine  Lehranstalt  auf  den  Rang  einer  hohen 
Schule  Anspruch  machen  dürfe,  habe  es  den  Lehrern  einer  solchen 
Schule  wünschenswerth  erscheinen  lassen,  dass  der  Papst  selbst 
sie  zum  Generalstudium  erkläre.  Dieser  sei  seinerseits  einem 
derartigen  Wunsche  um  so  lieber  entgegen  gekommen,  als  ihm 
da  ein  neues  Mittel  geboten  war  sein  Ansehen  in  die  Feme  hin 
geltend  zu  machen.  Die  kaiserliche  Bestätigung  habe  einen 
ähnlichen  Vortheil  wie  die  päpstliche  gewährt*^).  Allein  nur 
fttr  die  Universitäten  im  zweiten,  für  drei  im  dritten  (Toulouse, 
Montpellier,  Cambridge)  und  für  eine  im  fünften  Paragraphen 
(Lissabon)  des  dritten  Hauptabschnittes  passt  theilweise  Sa* 
vignys  Erklärung.  Für  die  erste  Reihe  existiert  kein  Stift- 
brief; für  Toulouse,  Montpellier,  Cambridge  und  Lissabon  wurden 
die  päpstlichen  Bestätigungs-  resp.  Stiftbriefe  an  die  universitas 
magistrorum  et  scholarium  gerichtet.  Wäre  aber  Savigny  im 
Stande  gewesen  nachzuweisen,  dass  diese  Schreiben  von  den 
Lehrern  veranlasst  wurden?  Wie  verhält  es  sich  femer  mit 
den  übrigen  im  3.,  5.  und  6.  Paragraphen  angeführten  Univer- 
sitäten? Wie  mit  jenen,  die  nur  kaiserliche  oder  königliche 
Stiftungsurkunden  (letztere  hat  Savigny  ganz  übersehen)  be- 
sitzen ? 

So  ist  keine  der  aufgestellten  Behauptungen  mit  den  That- 
sachen  in  Einklang  zu  bringen,  und  wir  müssen,  um  zu  einem 
sichern  Resultate  zu  gelangen,  einen  neuen  Weg  einschlagen. 
Dieser  ist  uns  durch  die  Untersuchungen  im  dritten  Hauptab- 
schnitte bereits  vorgezeichnet.  Es  handelt  sich  hier  nur  darum, 
die  bleibenden  Momente  und  die  verschiedenen  Gesetze,  nach 
denen  sich  die  einzelnen  Facta  vollzogen  haben,  zu  fixieren  und 
sie  mit  der  theoretischen  Auffassung  des  Mittelalters  zu  ver- 
gleichen. 


«7)  Gesch.  des  rOm.  Rechts  III,  415  ff. 

49* 


772         ^-   Ursache  der  Entstehnng  der  mittelalterL  Hochsclmlen. 

Wir  haben  oben*')  zwölf  Universitäten  (wenn  man  Paris, 
Bologna  und  Arezzo  der  ersten  Periode  hinzurechnet)  kennen 
lernen,  die  ohne  Stiftbriefe  in  das  Leben  getreten  sind  oder  zu 
Hochschulen  sich  gebildet  haben.  Ihnen  müssen  auch  zwei  bei- 
gezählt werden,  die  in  späterer  Zeit  aus  guten  Gründen  Stiftongs- 
urkunden  empfiengen,  nämlich  Montpellier  und  mit  Restrictionen 
Cambridge.  Mit  Ausnahme  der  Lehranstalten  zu  Vercelli,  Reg- 
gio  und  Modena  können  alle  Privilegien  aufweisen.  Als  sie 
aber  diese  empfiengen,  wurde  die  Rechtmässigkeit  ihres  Bestandes 
als  Qeneralstudien  sowie  der  Promotionen  nicht  in  Zweifel  ge- 
zogen. Bei  näherer  Betrachtung  finden  wir  nun,  dass  sie 
bereits  in  den  ersten  Decennien  des  13.  Jhs.  als  General- 
studien existierten,  oder  wenigstens  von  dort  an  als  solche  an- 
gesehen wurden.  Es  gab  also  eine  Zeit,  in  der  die  Stiftbriefe 
noch  keineswegs  als  nothwendig  erachtet  wurden,  wenngleich 
man  auch  in  jener  Periode  solche  kannte,  wie  jene  für  Palencia, 
Neapel  und,  in  der  oben*^)  dargelegten  Weise,  für  Toulouse  be- 
weisen. Allein  in  der  Folge  entstand  keine  Hochschule  mehr 
ohne  Gründungsurkunde,  ja  es  kam  sogar  dazu,  dass  zwei  von 
jenen  Universitäten,  die  sich  spontan  entwickelt  hatten,  inner- 
halb der  nächsten  Periode  in  den  Besitz  von  Stiftbriefen  gelangten. 
Woher  nun  diese  Erscheinung? 

Die  Frage  steht  im  Zusammenhang  mit  der  Veränderung, 
welche  im  Beginne  des  13.  Jhs.  mit  dem  Werthe  und  der  Wir- 
kung der  vom  Kanzler,  Scholasticus  und  von  den  Magistern  an 
einigen  Schulen  gewährten  licentia  docendi  vor  sich  gieng. 

Im  12.  Jh.  hatte  die  licentia  docendi  an  sich  bloss  eine 
locale  Bedeutung.  Auch  in  Paris  ertheilte  der  Kanzler  dieselbe 
noch  keineswegs  mit  der  bewussten  Absicht,  dass  die  Erprobten 
nun  überall  lehren  dürften,  sondern  einfach  nur,  dass  sie  nun 
zum  Lehramt  befähigt  seien.  Er  handelte  damals  gleichsam  als 
Delegierter  des  Bischofs.  Nicht  6in  Act  lässt  auf  das  Gegentheil 
schliessen.    Doch  besass  Paris  schon  in  jener  Zeit  ein  univer- 


^)  S.  den  2.  Paragraphen  des  dritten  Hauptabschnittes,  and  über  Arezt o 
S.  424f. 

<»)  S.  330. 


2.  OeistL  n.  welü.  Macht  im  Yerhftltiiiss  zum  Generalstudinm.     773 

selles  Ansehen.  Die  dortige  Schule  wurde  um  jener  Gründe 
willen,  die  ich  oben  entwickelt  habe^^),  von  Studierenden  aller 
Länder  aufgesucht.  Von  selbst  ergab  sich,  dass  die  in  Paris 
erhaltene  licentia  docendi  als  eine  allgemein  gültige  aufgefasst 
wurde.  Dies  konnte  keinem  Zweifel  mehr  unterliegeb,  als  Ho« 
norius  DI.  im  J.  1219  die  einzelnen  Metropolitancapitel  beauf« 
tragt  hatte,  Fähige  auswärts  studieren  zu  lassen,  damit  sie  in 
die  Heimath  zurückgekehrt  das  Lehramt  ausübten.  Dass  der 
Papst  unter  den  auswärtigen  Schulen  vorzüglich  Paris  verstand, 
haben  wir  oben  bemerkt  ^^).  So  musste  sich  nach  und  nach  die 
Anschauung  bilden,  als  erhalte  man  in  Paris  die  Licentia  do- 
cendi für  überall.  Die  Folge  war,  dass  der  daselbst  Geprüfte 
vielfach  als  Doctor  universalis  ecclesiae  angesehen  wurde,  dem 
der  Kanzler  nicht  an  Stelle  des  Bischofes,  sondern  als  Delegierter 
des  Papstes  die  Licenz  zum  Lehren  gebe").  Allerdings  exi- 
stiert kein  päpstlicher  Auftrag  hiefür.  Allein  die  Päpste  leiste- 
ten der  genannten  Anschauung  Vorschub,  da  sie  sich  seit  Inno- 
cenz  HI.  in  ganz  besonderer  Weise  des  Studiums  in  Paris  an- 
nahmen, dasselbe  regelten,  und  die  Hechte  des  Kanzlers  näher 
bestimmten. 

Ungefähr  um  dieselbe  Zeit  machte  die  Bechtsschule  zu  Bo- 

'  W)  8.  45ff.  746. 

W)  S.  708. 

ds)  Der  Kanzler  Walter  de  Ch&teau-Thierry  führt  die  Ansieht  deijenigen 
an,  welche  sagen,  'quod  magister  in  theologia  Parisius  potest  ubiqne  predicare 
non  petita  licentia  diocesani  episcopi.  Et  ratio  eornm  est,  qnod  de  ordina- 
tione  D.  pape,  qui  est  capat  totins  ecclesic,  positus  est  doctor  non  solnm 
Parisiensis  ecclesie,  sed  etiam  universalis.  In  hoc  etiam  addont:  D.  papa 
ordinat  statum  stodii  et  maxime  qnoad  statnm  stndii  theologie  et  magiste- 
riom  privilegiando,  et  confirmando  Ordinationen!,  vocandi  magistros  ad  magiste- 
rium,  qnod  est  qaasi  perfectum  et  consammatum  magisteriom;  dat  auctori- 
tatem  magistro  et  quasi  mittit  eum  ad  executionem  officii  magistralis,  quod 
est  triplex:  legere,  predicare,  dispntare'.  Den  magistris  seien  die  ^claves 
scientie  a  D.  papa  vel  a  cancellario  Parisiensi  ex  ordinatione  pape  ad  ape- 
riendum  thesaumm  sapientie'  übergeben  worden.  Bei  den  Doctoren  'po- 
testas  quantum  ad  docendum  non  est  limitata',  obgleich  sie  nicht  'clavis 
potestatis'  besftssen.  *£t  sie  quantum  ad  hoc,  sc.  ad  docendum  alios,  migor 
est  (doctor)  quam  prelatus,  unde  cedit  episcopus  doctori  theologie  et  docendo 
et  predicando,  nisi  et  episcopus  prius  doctor  fuerit'.  Quaestiones  im  Cod. 
Patavin.  S.  Antonii  152  Bl.  152  b. 


774         V.  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalterl.  Hochschulen. 

logna  dieselbe  Entwickelung  wie  Paris  durch.  Ehe  Honorios  III. 
den  Archidiacon  Gratia  bestellt  hatte  die  Examina  zu  leiten,  thaten 
dies  daselbst  die  Magistri,  wie  sie  ja  auch  nachher  bei  den 
Examina  die  Hauptrolle  spielten,  während  der  Archidiacon  eigent- 
lich nur  die  Licentia  docendi  ertheilte.  Diese  erhielten  aber 
früher  die  Candidaten  von  den  Magistri  allein").  Auch  in  Bo- 
logna dachte  man  im  12.  Jh.  noch  nicht  daran  den  Erprobten 
ein  allgemein  gültiges  Zeugniss  der  Lehrbefähigung  auszufertigen. 
Indess  in  ähnlicher  Weise  wie  in  Paris  trugen  die  Studierenden 
aller  Länder,  vorzüglich  aber  die  von  Italien,  dazu  bei,  dass 
seit  Ende  des  12.  Jhs.  aus  der  licentia  docendi  eine  facultas 
ubique  docendi  wurde  ^*).  Namentlich  von  den  italienischen  Com- 
munen  wurden  schon  damals  Rechtslehrer  aus  Bologna  gesucht. 
Ausserdem  erwarben  sich  einige  italienische  Lehranstalten  ge- 
rade deshalb  allgemeines  Ansehen,  weil  sie  in  Bologna  ihre 
Wurzeln  hatten.  So  verhielt  es  sich  auf  kurze  Zeit  mit  jener  zu 
Vicenza  und  dann  mit  der  zu  Padua.    Modena,  Reggio,  Arezzo 


^3)  So  legte  man  eine  Stelle  des  Corpus  jar.  civ.  (1.  10  t.  52  de  ms- 
gistris)  aus.  Es  heisst  dort:  jnbeo,  quisquis  docere  vnlt,  non  repente  nee 
temere  prosiliat  ad  hoc  munns,  sed  judicio  ordinis  probatus  decretnm  curia- 
lium  mereatur,  optimorum  conspirante  consensu.  Odofired  sagt  dazu:  cnm 
consensu  et  voluntate  doctorum  illius  scientie,  in  qua  vult  esse  magister. 
Dass  dieser  Brauch  in  Bologna  herrschte  erhellt  aus  einem  Acte  des  J.  1270, 
in  dem  sich  die  Magistri  dem  Kanzler  gegenüber  auf  die  'dudum  obtenta 
consuetudo'  beriefen.  Sarti  II,  41.  106.  Vgl  Savigny  III,  298  f.  S.  212  ist 
er  im  Unrechte,  verfuhrt  durch  den  fehlerhaften  Druck  des  Gottfried  de 
Trano.  S.  dazu  oben  S.  148  Anm.  356. 

^)  Es  ist  der  Wahrheit  yöllig  widersprechend,  wenn  Schulte  behauptet, 
ehe  der  Papst  Bologna  das  Recht  der  Promotionen  yerliehen  habe,  h&tten 
diese  daselbst  nur  locale  Bedeutung  gehabt;  'erst  durch  die  pftpstlichen 
Privilegien  bildete  sich  der  Charakter  der  studia  generalia'  u.  s.  w.  Archiv 
f.  kath.  Kirchenr.  XIX,  25.  Hflsste  man  Schulte  Recht  geben,  so  wttrde  folgen, 
dass  Bologna  erst  im  J.  1291  ein  Studium  generale  geworden  w&re  und  von 
jenem  Zeitpunkte  an  die  dortigen  Promotionen  einen  universalen  Charakter 
angenommen  h&tten,  denn  erst  Nicolaus  lY.  gestattete  den  Promovierten 
in  jure  canonico  et  civili,  dass  sie  'ubique  legere  valeant  et  docere'.  8.  oben 
S.  211.  Honorius  III.  ertheilte  nicht  das  Recht  der  Promotionen,  aondem  er 
bestellte  nur  fflr  die  Zukunft  den  Archidiacon  als  dei\jenigen,  welcher  die 
licentia  docendi  gew&hren  solle.    Qui  nimis  probat,  nihil  probat. 


2.  Geist].  «•  weltl.  Macht  im  Yerh&ltDiss  zum  Generalstudium.     775 

der  ersten  Periode  waren  mehr  oder  weniger  unbedeutend,  Ver- 
celli  fahrte  aber  fortwährend  einen  Kampf  ums  Dasein  ^^). 

Auch  die  Schule  in  Oxford  gewann  wahrscheinlich  schon  im 
12.,  gewiss  aber  bei  Beginn  des  13.  Jhs.  Bedeutung  für  ganz  Eng- 
land und  diese  wurde  in  dem  Masse  grösser,  als  im  Laufe  der 
Zeit  die  Schule  von  jener  in  Paris,  wo  sich  viele  Engländer  auf- 
hielten, beeinflusst  wurde.  Es  war  naturgemäss,  dass  sich  die 
Anschauung  hinsichtlich  der  vom  Kanzler  ertheilten  licentia  do- 
cendi  allmählich  in  derselben  Weise  wie  in  Paris  änderte.  Die 
Rechtsschulen  zu  Orleans  und  Angers,  ~  und  nur  diese  bildeten 
sich  zu  Generalstudien  aus,  —  verdankten  höchst  wahrscheinlich, 
wie  ich  widerholt  bemerkt  habe,  Paris  ihren  Ursprung.  Sie 
standen  zu  Paris  gewissermassen  in  demselben  Verhältnisse,  wie 
Vicenza  und  Padua  zu  Bologna.  Zudem  kamen  sie  sofort  in 
Abhängigkeit  von  jenem  Scholasticus,  der  das  Haupt  der  weit- 
hin bekannten  und  anerkannten  älteren  Schulen  war. 

Salerno  übertrifft  alle  Universitäten  an  Alter  und  erwarb 
sich  lange  vor  jenen  zu  Paris  und  Bologna  allgemeine  Aner- 
kennung. Solche  besass  auch  die  medicinische  Schule  zu  Mont- 
pellier bereits  im  12.  Jh. 

Es  ist  nun  klar,  dass  sich  in  den  ersten  Decennien  des  1*3. 
Jhs.  der  Begriff  einer  neuen  Klasse  von  Schulen  bilden  musste, 
welche  andern  Schulen  gegenüber  als  privilegiert  erschienen,  da 
man  sich  an  ihnen  Kenntnisse  verschaffen  konnte,  die  überall  an- 
erkannt wurden  und  da  die  an  denselben  erhaltene  licentia  docendi 
eine  allgemein  gültige  war.  Kurz ,  es  ergab  sich  der  Begriff  eines 
Studium  generale  und  in  Folge  davon  der  Unterschied  zwischen 
letzterem  und  einem  Particularstudium.  Es  ist  nicht  zufallig,  dass 
wir  erst  ziemlich  spät,  nämlich  1233—1234,  dem  Ausdrucke 
'Studium  generale'  begegnen  ^^),  und  sich  um  dieselbe  Zeit  zum  ersten 
Male  der  Ausdruck  'facultas  ubique  legendi'  in  Acten  findet'^^). 
Gerade  damals,  als  das  universelle  Lehramt  ausgebildet  war, 
hatte  sich  auch  das  Bedürfniss  nach  einer  allgemeinen  Seelsorge 

^)  Die  Nachweise  s.  oben  in  den  betreffenden  Paragraphen  des  3.  Haupt- 
abschnittes. 

M)  S.  oben  S.  2. 

")  8.  oben  S.  20.    Vgl.  8.  21  f. 


776        ▼•   ürMclie  ier  EnttCefcmg  der  vittebiterl.  Hodiic&iilciL 

rficksichtlich   der   Predigt   und    des  Beichtstahles   f&hlbar    ge- 
macht ••). 

Wohl  nicht  viel  frflher  wurde  der  Begriff  eines  Stadium 
generale  fixiert.  Er  resultierte  aus  der  Entwickelung  der 
licentia  docendi  an  den  Schulen  zu  Paris  und  Bologna,  und 
musHte  alsbald  eine  juristische  Bedeutung  erhalten.  Eine  neue 
Periode  wurde  durch  ihn  eingeleitet  Es  war  von  nun  an 
nicht  mehr  möglich,  dass  eine  Schule  aus  sich  selbst  in  den 
Besitz  der  Eigenthümlichkeiten  eines  Greneralstudiums  gelangte, 
naturgemäss  wurde  man  überall  von  der  TJeberzeugung  be- 
herrscht, dass  dieselben  mitgetheilt  werden  müssten.  So  erklärt 
es  sich,  warum  erst  von  dieser  Zeit  an  (in  päpstlichen  Schreiben) 
die  Formeln  und  gerade  in  solcher  Fassung  entstanden:  die  Stu- 
dierenden einer  Schule  haben  alle  jene  Privilegien,  'quibus  gau- 
dent  in  studio  generali'^'),  oder  in  ^studiis  generalibus' *®),  oder 
Tarisius  seu  Bononie  vel  aliis  studiis  generalibus'^^);  die  Stu- 
dierenden sollten  sich  an  die  Gewohnheiten  eines  Generalstu- 
diums binden'');  sie  dürften  sich  mit  der  Zeit  an  einer  dieser 
Anstalten  einer  Prüfung  in  jener  Wissenschaft,  welche  sie  stu- 
dieren, unterziehen,  und  das  darauf  in  derselben  erworbene 
Magisterium  müsse  überall  Geltung  haben*')  u.  s.  w. 


^)  Die  beiden  Bettelorden  der  Dominicaner  und  Franciseaner  worden 
zu  demselben  aasersehen.  Soweit  die  Behandlung  der  Frage  in  dieses  Werte 
gehört,  werde  ich  im  4.  Bande  darüber  sprechen. 

^0)  S.  oben  S.  20  (seit  Innocenz  IT.). 

^^)  S.  oben  S.  4  Anm.  11  (seit  demselben  Papste). 

0^)  S.  oben  S.  567  (seit  demselben  Papste). 

<)3)  S.  oben  8.  8  (seit  1242  hinsichtlich  MontpelUer). 

^»)  S.  22  (seit  Gregor  IX.).  —  Jedes  Verständnisses  fflr  obige  That- 
Sachen  bar  ist  gewiss  v.  Stein,  der  S.  499  rficksichtlich  der  deutschen  üni- 
versitftten  schreibt:  'Die  Kathedralschnlen  sind  es,  welche  durch  einen  be- 
stimmten freilich  bisher  noch  nicht  allenthalben  nachweisbaren  Act  in  einen 
Stadium  generale,  einer  Landesschale  erhoben  warden\  FOre  erste  ist  keine 
einzige  Kathedralschule  zu  einem  Generalstadiom  erhoben  worden.  Dann 
ist  der  Act ,  durch  den  ein  Generalstadiom  ins  Leben  gerafen 
wurde,  immer  nachweisbar.  Drittens  wird  der  Begriff  eines  Qeae* 
ralstudiams  durch  den  einer  Landesschale  nicht  im  enifemtetten  eraehdpft 
Kein  Wunder,  dass  Herrn  T.Stein,  nach  8.  315  und  399  zu  schUessen,  nach 


2.  Geistl  u.  weltl.  Macht  im  Yerhftltniss  zum  GeneraUtudium.      777 

Dies  die  Erklärung  dafür,  weshalb  ausser  Paris  und  Bologna 
im  Beginne  des  13.  Jhs.  eine  Reihe  von  Hochschulen,  von  denen 
wir  im  zweiten  Paragraphen  des  dritten  Hauptabschnittes  ge- 
sprochen haben,  ohne  Stiftbriefe  entstehen  konnte,  während  von 
der  Zeit  vor  der  Mitte  des  13.  Jhs.  an  kein  Generalstudium 
mehr  ohne  Gründungsurkunde  ins  Leben  getreten  ist  Es  fällt 
uns  nicht  auf,  dass  in  dieser  neuen  Ordnung  der  Dinge  der 
Kanzler,  welcher  die  Licenz  zu  ertheilen  hatte,  selbst  an  Orten, 
wo  ein  Magister  scholarum  oder  ein  Scholasticus  bereits 
existierte,  immer  erst  bestellt  werden  musste.  Diese  hatten  ja 
an  sich  nicht  das  Recht  eine  allgemein  gültige  Licentia  den 
Candidaten  zu  geben.  Wurde  nach  wie  vor  dieselbe  Persönlich- 
keit genommen,  so  änderte  sich  naturgemäss  deren  Stellung. 

Auch  auf  den  vorigen  Paragraphen  werfen  diese  Erörterungen 
ein  neues  Licht.  Wir  sahen,  dass  man  nach  und  nach  in  allen 
Ländern  Lehranstalten  ähnlich  jenen  zu  Paris  oder  Bologna  be- 
sitzen wollte.  Allein  dies  geschah  erst  in  jener  Epoche,  als  der 
Begriff  eines  Studium  generale  wenigstens  in  seinen  Hauptzügen 
ausgebildet  war  und  dieses  sich  bereits  von  einem  Particular- 
studium  abhob.  Palencia  allein  steht  an  der  Wende  der  alten 
und  neuen  Zeit.  Wir  begreifen  femer,  warum  im  13.,  manch- 
mal noch  im  14.  Jh.  Paris  und  Bologna  von  den  Päpsten 
insofern  privilegiert  wurden,  als  letztere  bei  Gewährung  des 
Privilegs  der  facultas  ubique  docendi  für  neuerrichtete  General- 
studien in  dem  'ubique'  Paris  und  Bologna  nicht  eingeschlossen 
wissen  wollten.  Die  frühesten  Beispiele  bieten  die  Privilegien- 
briefe für  Toulouse")  und  Salamanca").  In  Paris  und  Bologna 
entstand  eben  die  neue  Ordnung  der  Dinge,  auf  sie  blickten  die 
Lehranstalten  wie  zu  ihrem  Ursprung  zurück,  sie  entstanden  in 
ganz  eigenthümlicher  Weise  und  verdienten  eine  privilegierte 
Stellung.  Es  leuchtet  nun  ein,  dass  von  diesem  Zeitpunkte  an 
selbst  jene  Schulen,  welche  alle  Vorbedingungen  zu  General- 
studien zu  haben  schienen,  wie  z.  B.  viele  italienische  und  die 


die  alten  Lehranstalten  als  Hochschulen  zu  gelten  scheinen,  und  mithin  bei 
ihm  die  oben  dargelegte  Entwickelung  keinen  Sinn  haben  würde. 

W)  S.  oben  S.  20. 

W)  S.  oben  S.  48ö. 


778         ▼-   Ursache  der  Entstelmiig  der  mittelidteii  Hochscbolea 

von  Avignon,  Valladolid  und  Orange,  das  Privileg  eines  Stadium 
generale  erst  erhalten  mnssten,  ehe  sie  an  den  Rechten  eines 
solchen  theilnehmen  durften,  ja  dass  der  Fall  eintreten  konnte, 
dass  einigen  Schulen  der  Charakter  eines  Studium  generale  in 
späterer  Zeit  mitgetheilt  wurde,  obwohl  sie  sich  anfinglich 
spontan  zu  Generalstudien  ausgebildet  zu  haben  schienen.  Hieher 
gehören  Montpellier,  Arezzo  und  Cambridge. 

So  viel  ergibt  sich  jetzt,  dass  seit  ungefähr  zwei  Decennien 
vor  der  Mitte  des  13.  Jhs.  ein  Generalstudium  erst  von  einer 
hohem  Autorität  errichtet  werden  musste,  mit  andern  Worten, 
dass  ein  Stiftbrief  als  Bedingung  einer  eigentlichen  und  recht- 
mässigen Hochschule  betrachtet  wurde**).  Dies  machte  sich  im 
Laufe  der  Zeit  umsomehr  geltend,  als  zu  den  Grundprivilegien 
des  Generalstudiums  als  solchen  allmälich  noch  andere  Privilegien 
hinzukamen. 

Wo  fand  sich  aber  im  Mittelalter  jene  Autorität,  welche 
mächtig  genug  war,  ein  Generalstudium  ins  Leben  zu  rufen  und 
demselben  allgemeine  Anerkennung  sowie  den  an  ihm  vorge- 
nommenen Promotionen  absolute  Geltung  zu  verschaffen?  Diese 
Frage  führt  uns  dorthin  wider  zurück,  wo  wir  den  Ausgangs- 
punkt für  die  Untersuchungen  in  diesem  Bande  angesetzt  haben  *'). 
Die  daselbst  in  Kürze  gegebene  Antwort  erhält  hier  ihre  Er- 
klärung und  weitere  Ausführung. 

Sehen  wir  vor  allem,  welche  Ansicht  man  in  jener  Epoche, 
in  welcher  die  neue  Anschauung  bereits,  wenn  auch  noch  nicht 
seit  langem,  Platz  gegriffen  hatte,  vertrat,  Alfonso  el  Sabio 
sagt  in  seinen  1256  —  1263  ausgearbeiteten  Siete  Partidas,  ein 
Generalstudium  müsse  entweder  auf  Anordnung  des  Papstes, 
oder   des  Kaisers   oder   des  Königs   errichtet  sein««).     Der  hl. 


6(^)  Jeder  sieht,  dass  ich  zu  einem  ganz  anderen  Resultate  gelangt  bin 
als  Savigny  S.  416.  S.  oben  S.  771.  Er  fehlte  darin,  dass  er  von  der  Uteren 
Zeit  auf  die  Verhältnisse  der  neuem  schloss.  Kein  Wunder,  dass  er  aach 
S.  155  nicht  zu  erkl&ren  im  Stande  war,  weshalb  frOher  Schulen  gleichsam  aiu 
sich  heraus  entstanden  sind,  w&hrend  spftter  viele  durch  freien  Entsdüiw 
von  Fürsten  gestiftet  wurden. 

«7)  S.  oben  S.  22. 

^)  *£ste  estudio  (general)  deue  ser  establecido  por  mandado  delPapa, 


2.   Oeistl.  u.  weltl.  Macht  im  Verhältniss  zum  General  Studium.      77  g 

Thomas  entwickelte  ungefähr  um  dieselbe  Zeit  eine  ähnliche 
Lehre,  nur  wird  die  These  bei  ihm  mehr  praecisiert.  Er  stellt 
zuerst  das  Princip  auf:  societas  publica  non  potest  constitui 
nisi  ex  superioris  authoritate.  Unter  'societas  publica'  versteht 
er  dort  auch  'collegium  studii  generalis'.  Doch  hat  er  dabei 
nicht  bloss  die  Universitas  im  Auge,  sondern  zugleich,  wie  seine 
weitere  Auseinandersetzung  ergibt,  die  Schule  selbst  Er  lehrt 
aber:  ordinäre  de  studio  pertinet  ad  eum  qui  praeest  rei- 
publicae,  et  praecipue  ad  authoritatem  apostolicae  sedis,  qua 
universalis  ecclesia  gubernatur,  cui  per  generale  Studium  provi- 
detur**).  Nach  dem  hl.  Thomas  fällt  also  die  Sorge  um  ein 
Generalstudium  einer  höheren  Autorität  anheim;  in  dieser  hat 
man  aber  den  LandesfQrst  zu  suchen,  vorzüglich  jedoch  das 
Oberhaupt  der  allgemeinen  Kirche,  welcher  durch  das  General- 
studium gedient  wird.  Der  hl.  Thomas  bezeichnet  hiemit  den 
Kern  der  Sache.  \ 

Ein  Generalstudium  zu  errichten  war  vor  allem  ein  Recht 
des  Papstes.  Seine  Autorität  erstreckte  sich  auf  alle  christ- 
lichen Länder  und  eben  deshalb  hatte  die  Ertheilung  der  Er- 
laubniss  ^ubique  docendi'  in  keinem  Munde  eine  solche  Bedeutung 
wie  in  jenem  des  Papstes.  An  sich  schon  musste  es  am  natür- 
lichsten erscheinen,  dass  die  höchste  kirchliche  Macht  und  der 
Lehrer  der  Christenheit  eine  Hochschule  begründe,  zudem  die 
Wissenschaften,  die  an  einer  solchen  gelehrt  wurden,  schliesslich 
der  Kirche  und  der  ganzen  Christenheit  dienen  sollten.  Die 
meisten  Gründe,  die  man  dafür  anzuführen  gewohnt  ist,  warum 
sich  die  weltlichen  Obrigkeiten  gerade  um  päpstliche  Stiftbriefe 
so  häufig  bewarben,  z.  B.  weil  nur  der  Papst  gewisse  Privilegien, 
unter  ihnen  hauptsächlich  das  der  Dispens  von  der  Residenzpflicht, 
ertheilen,  und  der  Universität  kirchliche  Beneficien  und  Prae- 
benden  einverleiben  konnte,  treffen  nicht  den  wesentlichen  Punkt. 
Solche  besondere  Begünstigungen  wurden  durch  die  Päpste  ja 
immer  unabhängig  von  den  Gründungsurkunden  und  deshalb 
öfters  auch  im  Falle,    dass  die  Stiftung  einer  Universität  eine 

0  de  Emperador,  0  del  Hey'.  Ein  Particularstudium  könne  der  'perlado  0  con- 
cejo  de  algun  lugar'  errichten.    Las  siete  Partidas  p.  2  tit.  31  ley  1. 
^^j  Op.  contra  impugn.  relig.  c.  3  ed.  Nicolai  tom.  20  p.  549. 


780         V-  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalterL  HochscholeD. 

rein  weltliche  war,  gewährt.  Das  eigentliche  Motiv,  welches  die 
Suppliken  an  den  Papst  um  Bewilligung  eines  Generalstudiums 
veranlasste,  war  die  Ueberzeugung,  dass  der  Papst  die  höchste 
Autorität,  und  der  Vater  und  Lehrer  der  Christenheit  sei 
Dem  Kenner  des  Mittelalters  kann  es  deshalb  nicht  auffallen, 
dass  von  den  44  Universitäten,  die  bis  1400  durch  Stift- 
briefe ins  Leben  gerufen  wurden,  21  (Toulouse,  Montpellier  und 
Cambridge  mitgerechnet)  päpstliche  Grüirdungsurkunden  anfim- 
weisen  haben,  und  solche  auch  für  weitere  10  Hochschulen« 
welche  ausserdem  kaiserliche  oder  landesherrliche  erhielten,  ver- 
langt wurden.  Im  Ganzen  sind  mithin  für  31  von  den  44  Uni- 
versitäten päpstliche  Stiftbriefe  ertheilt  worden. 

Das  Gros  der  Hochschulen  ist  also  in  unmittelbarer  Abhängig- 
keit von  der  Kirche  entstanden.  Es  war  aber  nach  dem  Gesagten 
eine  Abhängigkeit,  die  nicht  das  Bestreben  des  Papstes,  ^sein  An- 
sehen in  die  Feme  hin  geltend  zu  machen^  herbeiführte,  wie  Savigny 
nur  seiner  Phantasie  und  nicht  den  Thatsachen  folgend  meint,  son- 
dern die  aus  der  kirchlich-mittelalterlichen  Anschauung  von  der 
Autorität  des  Papstes  und  dem  Verhältnisse  der  Christenheit  zu  der- 
selben entsprang.  Eben  deshalb  bedeutete  auch  der  Erlass  eines 
päpstlichen  Stiftbriefes  keinen  Act  der  Einmischung  in  Angelegen- 
heiten, die  den  Papst  nichts  angiengen;  niemals  hätte  eine 
derartige  Behauptung  mehr  Befremden  erregt  als  im  Mittelalter, 
wo  man  überzeugt  war,  dass  die  Kirche  ein  unbezweifeltes ,  ja 
das  erste  Recht  bezüglich  der  Schulen  und  des  Unterrichtes 
besitze.  Und  sicher  ist  die  Art,  wie  die  Kirche  dasselbe  hand- 
habte, um  mit  Huber  zu  sprechen  ^^),  eine  der  bedeutendsten 
und  keine  der  unrühmlichsten  Seiten  ihrer  so  vielseitigen  und 
schwierigen  Thätigkeit. 

Betrachten  wir  die  päpstlichen  Stiftbriefe,  so  erhellt,  dass 
mittels  derselben  ein  Studium  generale  in  allen  Facultäten  er- 
richtet werden  konnte.  Es  ist  eine  müssige  Annahme  Eich- 
horns, dass  in  keinem  derselben  für  deutsche  Universitäten  aas 
der  früheren  Zeit  die  Berechtigung  ausgesprochen  werde,  eine 
Facultät  von  Lehrern  der  kaiserlichen  Rechte  zu  besitzen,  weshalb 
man  später  kaiserliche  Universitätsprivilegien  zu  erhalten  gesucht 

70)  Die  engUschen  Universitäten  I,  14. 


2.   Geist!,  n.  weltl.  Macht  im  Yerh&ltniss  zum  Generalstudium.     781 

habe^O-  Eichhorn  hat,  wie  es  scheint,  die  päpstlichen  Stiftbriefe 
für  Wien  und  Erfurt,  um  von  jenen  für  ausserdeutsche  Univer- 
sitäten, in  denen  das  Givilrecht  immer  neben  dem  canonischen 
Recht  genannt  wird,  zu  schweigen,  nicht  zu  Gesicht  bekommen. 
Der  Grund  für  kaiserliche  Gründungsurkunden  liegt  wo  anders, 
wie  sich  sofort  ergeben  wird. 

Auch  der  römische  Kaiser  konnte  nämlich  eine  Hochschule, 
ein  Generalstudium  mit  dem  Privileg,  die  facultas  ubique  docendi 
zu  ertheilen,  errichten.  Der  eben  genannte  Autor  ist  der 
Meinung,  seit  der  Mitte  des  15.  Jhs.  seien  (wenigstens  in 
Deutschland)  kaiserliche  Privilegien  deshalb  gesucht  worden,  um 
Lehrer  der  kaiserlichen  Rechte  zu  bestellen  und  Doctoren  der 
letzteren  zu  creieren.  In  Folge  davon  habe  sich  die  Ansicht 
entwickelt,  kaiserliche  Universitäts-Privilegien  seien  überhaupt 
nöthig").  Allein  der  Kaiser  hat  denn  doch  von  jeher  nicht 
bloss  Facultäten  des  römischen  Rechts,  sondern  solche  aller 
Wissenschaften  gewährt.  Das  Recht  dazu  folgte  aus  der  Idee 
des  römischen  Kaiserthums.  Der  römische  Kaiser  galt  als 
der  Schirmherr  der  ganzen  Christenheit,  weshalb  ihm  thatsächlich 
die  Oberhoheit,  und  wenn  nicht  diese,  so  doch  der  Vorrang  über 
die  übrigen  christlichen  Fürsten  zukam;  das  Imperium,  das  Reich 
bedeutete  aber  der  Idee  nach  so  viel  als  Weltmonarchie"). 
Wurde  auch  diese  Idee  nie  verwirklicht,  so  sprach  man  doch, 
gleichwie  nur  von  einer  Christenheit,  auch  bloss  von  einem  Im- 
perium, und  der  Kaiser  hat  manche  Acte  vollführt,  die  voraus- 
setzten, dass  er  nicht  bloss  der  Idee  sondern  auch  der  Wirk- 
lichkeit nach  Weltherrscher  war.  Zu  diesen  Acten  gehörte  die 
Errichtung  von  Generalstudien  und  die  Ertheilung  der  Erlaub- 
niss,  dass  die  an  denselben  Graduierten  überall,  d.  i.  in  der 
ganzen  Christenheit,  ihr  Lehramt  ausüben  dürften.  Es  war  keine 
leere  Phrase,  wenn  der  Kaiser  sagte,  er  gewähre  *deimperialis 
(imperatorie)  potestatis  plenitudine'  ein  Generalstudium 

71)  Deutsche  Staats-  und  Bechtsgeschichte  III,  357. 

")  A.  a.  0.  S.  358.  360. 

73)  S.  oben  S.  754  Anm.  12  die  Stelle  aus  Huguccio.  Vgl.  Andreas 
de  Isernia  in  Prael.  feud.;  Bartolo  in  Dig.  nov.  1.  24  de  captivis  (49,  15> 
(Electores)  faciunt  dominum  cunctis  per  secula  mundi,  heisst  es  hinsichtlich  der 
Kaiserwahl  am  Schlüsse  einer  pftpstl.  Taxrolle.   Arch.  Yat  arm.  33  t.5  Bl.  61a. 


782        y*  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalterl.  Hochschnlen. 

in  dieser  oder  jener  Stadt '^).  Gleichwie  er  es  als  seine  Aufgabe 
erkannte  ^universo  mundo  consulere' ''),  da  ihm  'totius  orbis .  . . 
monarchia'  übertragen  sei^^),  so  konnte  er  den  Studierenden 
nicht  bloss  die  Privilegien  jener  zu  Paris,  Oxford,  Orleans, 
Montpellier  u.  s.  w.  mittheilen  ^'),  sondern  auch  den  von  ihm 
bestimmten  Kanzler  ermächtigen,  den  von  demselben  Promovierten 
die  Licentia  'regendi  ubique  locorum  cathedram'  zu  geben ^•). 

Somit  kann  es  nichts  Auffalliges  mehr  bieten,  dass  5  Hoch- 
schulen nur  kaiserliche  Stiftbriefe  besitzen^'),  dass  für  zwei,  näm- 
lich Pavia  und  Lucca ,  die  kaiserliche  Gründungsurkunde  mehrere 
Jahre  vor  der  päpstlichen  erschien,  und  andere  zwei,  nfimlicb 
Florenz  und  Perugia,  wenigstens  ausser  dem  päpstlichen  auch 
einen  kaiserlichen  Stiftbrief  erhielten'"). 

Ein  Blick  auf  diese  Diplome  lehrt  uns,  dass  der  Kaiser 
bei  Gründung  der  Hochschulen  immer  selbständig,  d.  i.  ohne  vorher 
eine  päpstliche  Erlaubniss  eingeholt  zu  haben,  vorgieng,  und 
dass  er  sich  für  vollkommen  berechtigt  hielt,  den  Unterricht 
nicht  bloss  in  dem  römischen  Rechte,  in  den  Artes  und  in  der 

7^)  So  widerholt  in  den  Stiftungsdiplomen  Karls  IV.,  nämlich  in  jenen 
far  Florenz,  Siena,  Pavia,  Orange,  Lucca  und  Perugia.  Im  Stiftbriefe  für  die 
Hochschule  zu  Genf  steht:  de  plenitudine  imperialis  m^jestatis. 

7&)  S.  Karls  Stiftbrief  fflr  die  üniversit&t  Pavia  in  den  Memorie  e  de- 
cumenti  per  la  storia  deir  universitjk  di  Pavia  II,  2. 

76)  So  Karl  im  Stiftbrief  fQr  die  Universität  Perugia  bei  Bossi,  Docu- 
menti  per  la  storia  dell'  universitä  di  Perugia  im  Oiomale  di  erodizione 
artistica  V,  374. 

77)  Dies  that  Karl  IV.  hinsichtlich  der  UniversiUt  Pavia.  8.  Me- 
morie 1.  c. 

78)  Karls  Stiftbrief  fflr  die  Universitftt  Florenz  in  den  SUtati  della 
universitik  e  studio  Fiorentino  p.  139.  Aehnlich  im  Stiftbriefe  für  Lacca. 
Baluze  Mise.  ed.  Mansi  IV,  184.  Friedrich  der  SchOne  gebraucht  als  rö- 
mischer König  fQr  Treviso  den  einfachen  Ausdruck  'ubique'  legere.  Verci, 
Storia  della  Marca  Trivigiana  e  Veronese  YIII,  156. 

79)  Nftmlich  Siena,  Aretzo,   Orange,  Genf;   den   Stiftbrief  für  Treviso 
erliess  Friedrich  der  Schöne  als  römischer  König. 

^)  S.  dazu  oben  S.  767  f.  Muthers  oberfi&chliche  Behauptungen  ver- 
lieren durch  die  genannten  Thatsachen  allen  Halt  MerkwOrdig,  dass  inck 
Paulsen  vor  Kaiser  Friedrich  III.  nur  einen  kaiserlichen  Stifibrief  zu  kennen 
scheint,  nämlich  jenen  Karls  lY.  f&r  Pavia.  Sybels  Hist  Zsch.  Bd.  4!^ 
S.  S65  Anm.  2. 


2.   Oeistl.  u.  weltl.  Macht  im  Verhältniss  zum  Generalstudium.     783 

Medicin,  sondern  auch  in  der  Theologie  und  im  canonischen 
Rechte  zu  gestatten.  Das  canonische  Recht  fehlt  in  keinem 
kaiserlichen  Stiftbriefe,  ein  Studium  generale  in  theologica 
facultate  wird  aber  auch  in  den  Stiftbriefen  für  Genf  und 
Florenz  bewilligt.  Es  ist  mir  auch  unmöglich  zu  verstehen, 
wie  eine  derartige  Erlaubniss  kraft  kaiserlicher  Macht  nicht 
hätte  ertheilt  werden  können,  zumal  wie  wir  sogleich  sehen 
werden,  selbst  die  einfachen  Könige  mit  ähnlichen  Bewilli- 
gungen die  Gränzeu  ihrer  Befugniss  nicht  überschritten.  Dem 
Papste  stand  es  allerdings  frei  ein  Veto  einzulegen,  da  er 
eben  immer  die  höchste  Autorität  war,  und  ausserdem  die 
Theologie  sowie  das  canonische  Recht  zwei  kirchliche  Wissen- 
schaften sind.  Allein  er  hat  es  bezüglich  des  canon.  Rechts  nie 
gethan,  wenngleich  einige  Male  hinsichtlich  der  von  etlichen 
Fürsten  gestatteten  Theologie,  jedoch  nicht  aus  dem  Grunde, 
als  könnte  der  Landesherr  nicht  Lehrstühle  derselben  errichten, 
sondern  sicher  bloss  von  den  oben®*)  besprochenen  Motiven 
geleitet.  Ganz  anders  allerdings,  hätten  die  weltlichen  Herrscher 
auch  Verordnungen  über  die  Lehrmethode  und  die  Doctrin  er- 
lassen, oder  eine  weltliche  Person  bestellt,  welche  den  Promo- 
vierten die  Licenz,  Theologie  oder  Jus  can.  überall  zu  lehren 
ertheilen  sollte.  Da  wäre  ein  Conflict  mit  der  Kirche  unver- 
meidlich gewesen,  und  die  weltliche  Macht  würde  den  Kürzeren 
gezogen  haben.  Hielt  sich  der  Kaiser  innerhalb  der  Gränzen  seiner 
Macht,  wie  dies  bis  1400  thatsächlich  der  Fall  war,  so  ärntete  er 
nur  Beifall  von  Seite  der  höchsten  kirchlichen  Gewalt.  Beispiele 
bieten  die  späteren  Schreiben  Gregors  XH.  und  Leos  X."). 

Dieser  Zustand  blieb  bis  unmittelbar  vor  der  Reformation, 
und  ich  wenigstens  kann  zwischen  dem  Beginn  des  16.  Jhs.  und  dem 
14.  hierin  keinen  wesentlichen  Unterschied  erblicken.    Der  italie- 


81)  s.  704f. 

8«)  S.  oben  S.  450.  563  Anm.  1369.  So  sagt  auch  ürban  VI.  in  Rück- 
sicht auf  das  von  Karl  IV.  der  Stadt  I^ucca  gewährte  üniversit&tsprivileg: 
Cum  itaque  .  .  .  clarae  memoriae  Karolas  Romanornm  Imperator  gratiose 
indulxerit,  qnod  in  eadem  ciyitate  sit  perpetuum  Studium  generale  in  cano- 
nico  et  civili  juribus,  necnon  in  artibns  etc.  Baluze  Mise.  ed.  Mansi  IV, 
185.  Man  darf  übrigens  nie  vergessen,  dass  der  Kaiser  auch  immer  das 
Recht  der  Promotion  in  den  erlaubten  Wissenschaften  gewährte. 


784         V.   Ursache  der  Entotehang  der  mittelalterl.  Hochschulen. 

nische  Rechtslehrer  Petrus  Ravennas  hat  vor  dem  Eintritt  der 
grossen  Kirchenspaltung  das  Resultat  einer  zweihundertjährigen 
Tradition  nur  etwas  scharf  ausgedrückt:  Universitäten  könne  der 
Kaiser  selbst  für  Theologie  und  canonisches  Recht  priyilegieren, 
ohne  dass  die  Zustimmung  des  Papstes  erforderlich  wäre").  Unter 
diesem  Gesichtspunkte  macht  die  Gründung  der  Wittenberger 
Universität  keineswegs  Epoche  in  der  Geschichte  unserer  hohen 
Schulen'^).  Ja  selbst  jene  Worte  im  Stiftbriefe  Julius  U.,  auf 
die  Muther  Gewicht  legt,  der  Papst  heile  alle  etwaigen  'de- 
fectus',  die  vielleicht  in  der  kaiserlichen  Urkunde  unterge- 
laufen seien"),  eine  Formel,  die  seit  Alters  bei  Bestätigung  von 
Documenten  angewendet  wurde,  finden  sich  mehr  als  ein 
Jh.  früher  in  einem  Schreiben  Clemens  YII.  betreffe  der 
kaiserlichen  Bulle  Karls  IV.  für  Orange").  Diese  Thatsachen 
bleiben  stehen  und  verlieren  nicht  im  geringsten  an  Bedeutung 
durch  den  Umstand,  dass  man  im  15.  und  16.  Jh.  da  und  dort  im 
Ungewissen  war,  ob  ein  kaiserlicher  Stiftbrief  allein  genüge;  denn 
nicht  darauf  kommt  es  an,  was  Einzelne  dachten,  sondern  welcherlei 
Art  die  Rechtsverhältnisse  waren. 

Die  Befugniss  des  Papstes  und  des  römischen  Kaisers  oder 
Königs  Generalstudien  zu  errichten,  unterliegt  also  keinem 
Zweifel.  Wie  steht  es  aber  mit  dem  Rechte  eines  einfachen 
Königs  oder  eines  Landesfürsten  als  solchen?  Gewiss 
konnte  er  auch  nach  mittelalterlicher  Anschauung  in  seinem 
Lande  Schulen  begründen,  und  wir  haben  oben'^)  gesehen,  dass 
z.  B.  Aegydius  Romanus  dies  sogar  als  Pflicht  desselben  hinstellt: 
ein  Fürst,  der  nicht  für  den  Unterricht  seiner  Unterthanen 
sorgt,    gilt  ihm   als   ein   Tyrann.     Es   bedarf  auch   nur   eines 

^)  Bei  Mttther,  Aas  dem  UnlTersit&ts-  und  Gelehrtenleben  S.  75. 

»)  S.  oben  S.  766  £ 

^)  S.  Mather,  Zar  Gesch.  der  Rechtswissenschaft  S.  259. 

^)  S.  oben  S.  471.  Dieselben  Worte  febranchte  mch  Urbaa  Y.  in 
seinem  Best&tigangsschreiben  fOr  das  tob  Karl  lY.  errichtete  Colleg:  sappleiites 
omnem  defectom  aham  (ausser  denen  von  welchen  der  Papst  anmittelbar  vor- 
her  gesprochen  hatte),  si  qais  iaterrenerit.    Beg.  Yat  Atcd.  1 15  BL  317  b. 

^<)  S.  768  Anm.  3d.  Der  hl.  Thomas  reprodaciert  eigentlich  bot  die 
Lehre  des  Aristoteles,  der  ia  Eth.  Nie  a  1. 1094h.  28  TOBdentdUrtfEf  sagt: 


2.  Geistl.  n.  weltl.  Macht  im  Yerli&ltniss  znm  General  Studium.     785 

Hinweises  auf  Karl  den  Grossen,  dem  das  Frankenreich  die 
Erneuerung  der  literarischen  Cultur  zu  verdanken  hat"),  oder 
auf  seine  unmittelbaren  Nachfolger.  Allein  man  darf  nicht 
übersehen,  dass  es  sich  bei  unserer  Frage  nicht  um  blosse 
Schulen,  sondern  um  vollgültige  Generalstudien  handelt.  Be- 
fanden sich  die  Könige  in  dem  gleichen  Verhältnisse  zu  den- 
selben, wie  der  Papst  und  der  Kaiser? 

Nach  Alfonso  el  Sabio  allerdings "),  und  wie  es  scheint  auch 
nach  dem  hl.  Thomas,  obwohl  sein  Ausspruch  nicht  undeutlich 
erkennen  lässt,  dass  nach  ihm  der  Landesfürst  nicht  ein  un- 
bedingtes Recht  besitzt,  Generalstudien  zu  errichten.  Er  sagt, 
die  Sorge  um  ein  Generalstudium  gehöre  dem  Papste  und  dem 
Landesfürsten  zu,  vorzüglich  aber  dem  erstem,  und  zwar 
deshalb,  weil  es  sich  um  eine  Schule  handelt,  die  der  ganzen, 
allgemeinen  Kirche  dienen  solle'®).  Woher  nahm  nun  aber  ein 
einfacher  König  die  Macht,  der  von  ihm  gestifteten  Schule  den 
Charakter  einer  Lehranstalt  für  die  ganze  Christenheit,  d.  i. 
den  eines  Studium  generale  aufzuprägen?  Seine  Gewalt  erstreckte 
sich  nicht  über  die  Gränzen  seines  Reiches  hinaus.  Und  doch* 
wurden  nicht  wenige  Generalstudien  wirklich  von  Königen  und 
Landesfürsten  gegründet.  Die  Thatsachen  liegen  offen  zu  Tage 
und  sind  oben  im  4.,  theilweise  auch  im  5.  und  6.  Paragraphen 
des  dritten  Hauptabschnittes  auseinandergesetzt. 

Um  zur  Klarheit  über  diesen  Punkt  zu  gelangen,  ist  es  vor 
allem  nothwendig,  mehrere  Hochschulen  von  den  14,  die  hier  in 
Betracht  zu  ziehen  sind,  auszuscheiden.  Die  fürstlichen  Stiftbriefe 
für  Wien  und  Krakau  wurden  erst  nach  eingeholter  päpstlicher  Er- 
laubniss  erlassen,  und  zu  ihnen  kamen  alsbald  auch  päpstliche 
Stiftbriefe  hinzu.  Fast  ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Hoch- 
schule zu  Prag,  denn  Karl  erbat  sich  über  ein  Jahr  vor  Aus- 
stellung seines  Stiftbriefes,  den  er  doch  im  Grunde  genommen  nur 
als   König   von   Böhmen    erliess,    eine   Gründungsurkundc   vom 


88)  S.  die  bündige  Darstellung  bei  Ebert,  Allgem.  Gesch.  der  Lit  des 
Mittelalters  II,  8  ff. 

89)  8.  oben  S.  778. 

90)  S.  779. 

Deuifle,  Die  UnirenitAten.    L  50 


786         ^'  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalterl.  Hochschulen. 

Papste  ^^).  Galeazzo  IL  Visconti  errichtete  das  Studium  zu 
Piacenza  kraft  der  Autorität,  die  er  vom  römischen  König 
empfangen  hatte,  davon  zu  schweigen,  dass  für  dasselbe  auch  ein 
päpstliches  Schreiben  existiert'*).  In  all  diesen  Fällen  ersetzte 
der  Papst  oder  der  römische  Kaiser,  was  dem  König  allein  allenfalls 
mangeln  mochte.  Anders  gestaltet  sich  die  Sachlage  bei  den 
übrigen  10  Hochschulen,  welche  sämmtlich,  mit  Ausnahme  yon 
Neapel,  zu  Spanien  resp.  Portugal  gehörten. 

Vor  allem  ist  zu  bemerken,  dass  die  Könige  durch  die 
Gründung  ihrer  Hochschulen  zunächst  für  ihr  Land  oder  ihr 
Reich  sorgen  wollten.  Ich  habe  darauf  bereits  oben**)  auf- 
merksam gemacht.  Wir  haben  dort  gesehen,  dass  das  von 
Friedrich  IL  zu  Neapel  angelegte  Studium  in  erster  Linie  eine 
Landes-  oder  Reichsschule  war.  Reine  Landesschulen  waren 
ferner  Palencia,  Sevilla,  Perpignan,  Huesca;  solche  sollten  auch 
dem  ursprünglichen  Plane  nach  Valencia,  Salamanca,  Alcalä, 
Lissabon-Goimbra  sein,  resp.  werden.  Gewiss  überschritt  der 
König  nicht  seine  Gewalt,  wenn  er  ein  solches  Generalstudium 
und  zwar  für  alle  Facultäten  eröffnete,  und  dem  von  ihm  ein- 
gesetzten Kanzler  das  Promotionsrecht  verlieh**).  Eine  also  ge- 
stiftete Hochschule  war  ein  wirkliches  Generalstudium,  jedoch 
nur  in  der  ersten  und  ursprünglichen  Bedeutung.  Sie  besass 
nicht  den  vollen  Rang  eines  solchen.  Wie  sollte  sie  diesen 
erhalten?  Wie  erwarb  sie  sich  allgemeine  Anerkennung?  Auch 
hier  geben  uns  die  oben  niedergelegten  Thatsachen  die  beste 
Antwort. 

Jacob  IL  von  Aragon  wollte  sein  Reich  durch  die  Gründung 
der  Hochschule  zu  L6rida  mit  einem  vollgültigen  Generalstudium 


^1)  Erst  am  14.  Jänner  1349  ertheilte  Karl  als  römischer  König  dem 
Studium  Privilegien.    S.  oben  S.  597. 

^)  Die  Nachweise  finden  sich  im  vierten  Paragraphe  des  dritten  Haapt- 
abschnittes. 

93)  8.    12. 

^)  Pedro  IV.  von  Aragon  errichtete  sowohl  in  Perpignan  als  anch  in 
Huesca  Lehrstühle  der  Theologie.  S.  oben  S.  515  f.  509.  Das  canonische 
Recht  kommt  Oberhaupt  in  allen  königlichen  Stiftbriefen  (mit  Ausnahme  in 
jenem  fOr  Sevilla)  vor.  Die  übrigen  Wissenszweige  machen  keine  8chwie> 
rigkeit. 


2.  Geistl.  u.  weltl.  Macht  im  Verhftltniss  zum  Generalstudium.     787 

zieren.     Er  benachrichtigte  davon  vorher  den  Papst,    indem    er 
sich  dessen  Erlaubniss  einholte;    dieser  aber  gewährte  der  uni- 
versitas  magistrorum  et  scholarium,  falls  der  königliche  Plan 
zur  Ausführung  käme,  die  Privilegien  jener  von  Toulouse'*). 
Einerseits  erkannte  also  Bonifaz  VIII.  das  Recht  des  Königs  ein 
Generalstudium  zu  errichten  an,  andererseits  erhielt  das  Studium 
doch    erst    durch    das   päpstliche   Schreiben ,    das   jedoch    kein 
Stiftbrief  ist,  eine  über  die  Pyrenäen  hinaus  geltende  Bedeutung. 
Deshalb  konnte  dann  Jacob  sagen,  er  errichtete  das  Studium  auf 
Grund   der  apostolischen  und   der  eigenen   Autorität®^).     Noch 
klarer  wird  dies  durch  die  Geschichte  der  Universität  Salamanca. 
Fernando  III.    hatte   sicher   nur  eine  Landesschule   zu   eröffnen 
beabsichtigt.     Alfonso  el  Sabio  genügte  eine  solche  nicht,  denn 
nachdem  er  sie  reorganisiert  hatte,  informierte  er  über  das  Ge- 
schehene den  Papst,  welcher  seinerseits  die  vom  Könige  ausge- 
gangene Stiftung  voraussetzte,  und  dem  Acte  Alfonsos  nur  des- 
halb apostolische  Autoritätskraft  verlieh,  weil  der  König  darum 
bat,  damit  das  Studium  von  Lehrern  und  Lernenden  frequentiert 
würde '0-     D^^  König  suchte  also  seine  eigene  Autorität  durch 
die   päpstliche   zu   stützen.    Und  als  man  trotzdem  an  anderen 
Generalstudien  Schwierigkeiten  machte  die  in  Salamanca  vorge- 
nommenen Promotionen  als  gültig  zu  betrachten,  da  erwirkte  der 
König  ein  neues  päpstliches  Schreiben,    welches   diesem  Mangel 
abhalf'^).    Da  das  Studium  schon  von  Fernando  in.    gegründet 
worden  war,  so  enthält  das  zuerst  angeführte  päpstliche  Schrei- 
ben eigentlich  nicht  einmal  eine  Bestätigung  der  Stiftung  des 
Generalstudiums,  sondern  vielmehr  der  Bemühungen  Alfonsos  für 
das  Studium'*).    Wohl  aber  folgte  der  Gründung  der  Universität 


»»)  S.  oben  S.  500. 

9«)  S.  oben  S.  501. 

9"^)  Sane  letanter  accepimus  et  utique  acceptamns,  quod  .  .  .  generale 
Studium  a  doctoribus  et  docendis  in  posterum  frequentetur  humiliter  postu- 
lasti,  a  nobis  apostolico  id  munimine  roborari.  Schreiben  vom  6.  April  1255. 
S.  oben  S.  485  und  Anm.  1063,  wo  auf  ein  Missverständniss  Schultes  hin- 
gewiesen wird. 

98)  S.  oben  S.  485. 

99)  Der  Papst   war  der  Meinung,    die  Stiftung  sei  von  Alfonso  ausge- 

50* 


788         ^-  nrsache  der  Entstebimg  der  mittelalterl.  Hocbschalen. 

Lissabon  -  (Toimbra  ein  päpstliches  Bestätigungsschreiben ,  in 
welchem  dieselbe  auch  das  Recht  erhielt  allgemein  gültige  Grade 
zu  ertheilen  *^°).  Später  trat  auch  noch  ein  päpstlicher  Stift- 
brief hinzu. 

In  Mitleidenschaft  wurden  die  Päpste  von  den  Königen 
auch  hinsichtlich  der  Schulen  von  Valencia,  Palencia***), 
und  Sevilla  *°')  gezogen.  Doch  handelte  es  sich  hier  nur  um 
Dispens  von  der  Residenzpflicht  und  um  Regelung  des  Salarinms. 
Ganz-  anders  jedoch  verhält  es  sich  mit  den  Hochschulen  zu 
Perpignan  und  Huesca.  Beide  wurden  vom  Könige  kraft  seiner 
eigenen  Autorität  errichtet.  Allein  beide  Stiftungen  sind,  so 
lange  nur  der  König  dabei  im  Spiele  war,  nicht  vom  Glücke  be- 
günstigt gewesen.  Erst  als  der  Papst  einschritt,  erstanden  beide  zu 
neuem  Leben.  Für  Perpignan  wurde  ein  päpstlicher  Stiftbrief  er- 
lassen'°'),  und  nahezu  keine  andere  Bedeutung  hatte  das  päpst- 
liche Schreiben  für  Huesca '°^).  Gar  nicht  zur  Ausführung  kam 
die  bloss  königliche  Stiftung  der  Universität  Alcalä,  und  in  be- 
ständigem Hin-  und  Herschwanken  begriffen  war  anfanglich  die 
Hochschule  zu  Neapel,  welche  Friedrich  H.,  obwohl  römischer 
Kaiser,  doch  nur  als  König  von  Sicilien  gründete. 

Vergleichen  wir  alle  die  einzelnen  Facta  begleitenden  Um- 
stände, so  ergibt  sich  uns,  dass  der  Papst  die  Rechtmässigkeit 
einer  königlichen  Stiftung  nie  bestritten  hat  Er  erkannte 
selbst  die  vom  kirchenfeindlichen  Friedrich  EL.  herrührende  Grün- 
dung der  Hochschule  zu  Neapel  an,  wie  die  in  dem  an  Karl  L 
von  Anjou  gerichteten  päpstlichen  Schreiben  niedergelegten  Worte 
deutlich  ergeben  *°^).  Er  bedauert  in  demselben  nicht  weniger  den 
Verfall  der  alten  Schule,  als  z.  B.  Urban  IV.  den  des  Studium 
generale   zu   Palencia"*),    das  König  Alonso  VIIL  zum  Stifter 

gangen.  Insoferne  kann  man  allerdings  sagen,  Alexander  IV.  habe  di<> 
Stiftung  der  Hochschule  sanctioniert.    Vgl.  dazu  oben  S.  484. 

100)  8.  oben  8.  523. 

1«)  8.  oben  8.  475  f 

w«)  S.  oben  8.  499. 

IM)  s.  oben  8.  517. 

»04)  8.  oben  8.  514. 

105)  S.  oben  8.  459  und  dazu  8.  764  Anm.  30. 

106)  s.  oben  8.  478.     Vgl.  den  Text  im  Ball.  Rom.  ed.  Taor.  III,  69.>f 


2.  Geisti.  u.  weltl.  Macht  im  Yerhältniss  zum  GeneralBtudltim.     7g9 

hatte.  Und  doch  finden  wir,  dass,  wenn  eine  königliche  Stiftung 
gedeihen,  oder  wenigstens  über  die  Gränzen  des  betreffenden  Lan- 
des hinaus  Bedeutung  erlangen  sollte,  die  päpstliche  Mitwirkung 
alsbald  in  Anspruch  genommen  wurde,  nicht  zwar  insofern,  als 
man  einen  päpstlichen  Stiftbrief  verlangte,  wohl  aber,  um  ver- 
möge eines  andern  päpstlichen  Actes  dem  Studium  allgemeine  Gel- 
tung zu  verschaffen.  Und  so  folgt,  dass  der  König  bei  Gründung 
von  Universitäten  nicht  dieselbe  Stellung  wie  der  Papst  und  der 
römische  Kaiser  einnahm.  Der  König  konnte  recht  wohl  eine 
Landesschule,  ein  Generalstudium  für  sein  Reich  errichten;  da- 
mit aber  die  an  seiner  Hochschule  erworbenen  Grade  überall  an- 
erkannt würden,  bedurfte  er  bei  seiner  Stiftung  eines  Bundesge- 
nossen, und  dieser  konnte  zunächst  kein  anderer  sein  als  der  Papst. 
Es  war  mithin  nicht  bloss  schicklich,  wie  Mendo  meint,  sondern  es 
stellte  sich  gewissermassen  als  eine  Nothwendigkeit  heraus,  *ut  pon- 
tificis  interveniat  authoritas',  auf  dass  die  vom  König  herrühreude 
Schule  ein  'Studium  generale  non  solum  respectu  regni  sed  re- 
spectu  universae  ecclesiae'  würde  ^°^).  Deshalb  wohl  haben  mehrere 
Fürsten,  ehe  sie  ihre  eigenen  Stiftbriefe  erliessen,  um  eine  päpst- 
liche Errichtungsbulle  nachgesucht,  wie  wir  oben  gesehen  haben  *°*). 
Es  ist  nun  von  selbst  klar,  dass  es  in  der  Macht  des  Papstes 
lag,  in  den  landesfürstlichen  Anordnungen  manche  Modificationen 
anzubringen.  So  z.  B.  gestatteten  weder  Urban  V.  noch 
Clemens  VII.  den  Unterricht  in  der  Theologie  an  den  Universi- 
täten Wien  und  Perpignan,  der  in  den  weltlichen  Stiftbriefen  er- 
laubt war.  Urban  V.  gab  nicht  zu,  dass  der  Kanzler  König 
Kasimirs  in  Krakau  die  Promotionen  leite;  er  designierte  für 
dieses  Amt  den  Bischof  *°®).  Es  bietet  überhaupt  nichts  auffälliges, 
dass  Bonifaz  VIII.  den  zur  Gewährung  der  licentia  docendi  auto- 
risierten Personen  Frankreichs  die  Befugniss,  dieselbe  in  der  Theo- 
logie und  in  beiden  Rechten  zu  ertheilen,  entzog,  bis  der  König 
zu  besserer  Einsicht   zurückkomme^'®),    oder   dass  Clemens  IV. 


i<>7)  s.  oben  S.  769.    Ganz  übersehen  hat  diesen  Punkt  V.  de  la  Fuente, 
Historia  de  las  universidades  en  Espana  p.  165  ff. 
10«)  S.  785  ff. 

109)  S.  die  Nachweise  oben  S.  606  f.  518.  627. 
i»o)  Du  Boulay,  Hist.  nniv.  Paris.  IV,  54. 


790         ^'  Ursache  der  Entstehung  der  mittelalterl.  Hochschulen. 

den  Bischof  von  Maguelone  gegenüber  Jacob  L  von  Aragon  hin- 
sichtlich der  licentia  docendi  in  Schutz  nahm,  und  letztern  zu- 
rechtwies'*^). Der  Papst  war  immer  die  höchste  Auotrität,  der 
sich  auch  die  gekrönten  Häupter  beugen  mussten"*). 

So  konnten  demnach  der  Papst,  der  römische  Kaiser  und 
unter  der  dargelegten  Einschränkung  der  Landesftlrst  ein  Gene- 
ralstudium gründen. 

War  also  seit  der  Mitte  des  13.  Jbs.  für  den  rechtmässigen 
Bestand  einer  Hochschule  ein  päpstlicher  Stiftbrief  nothwendig? 
Nein.  War  ein  kaiserlicher  oder  landesherrlicher  erforderlich? 
Auch  dies  nicht.  Es  war  aber  entweder  ein  päpstlicher,  oder 
ein  kaiserlicher  oder  landesherrlicher  die  Vorbedingung  eines 
Generalstudiums.  Was  Alfonso  el  Sabio  im  13.  Jh.  treffend  aus- 
gesprochen hat,  wurde  heutzutage  völlig  ausser  Acht  gelassen**'). 

Durch  das  Vorausgehende  wird  zugleich  die  Möglichkeit  aus- 
geschlossen, dass  eine  Stadtobrigkeit  oder  der  Bischof  einer 
Diöcese  ein  Generalstudium  zu  errichten  vermocht  hätten.  Deren 
Gewalt  war  auf  einen  kleinen  Umkreis  beschränkt,  und  die  von 
ihnen  eröffnete  Schule  hätte  nie  den  Rahmen  eines  Particular- 
studiums  überschritten.  Es  findet  sich  nur  6in  Beispiel,  dass 
seit  der  Mitte  des  13.  Jhs.  eine  städtische  Commune  aus  eigener 
Machtvollkommenheit  ein  Generalstudium  gründen  wollte,  nämlich 


11^)  S.  oben  S.  345.  Dass  der  weltliche  Fürst  racksichtlich  der  Ein- 
verleibung von  Canonicaten  und  kirchlichen  Beneficien  die  Intervention  des 
Papstes  anrufen  musste,  versteht  sich  von  selbst.  Dies  war  das  Hauptmotiv, 
weshalb  man  bei  Errichtung  von  Collegien  um  eine  päpstliche  Bestätigungsbulle 
nachsuchte.  Auch  Karl  lY.  that  dies  für  sein  Karlscolleg,  das  er,  obwohl 
römischer  Kaiser,  doch  nur  in  der  Eigenschaft  eines  böhmischen  Königs, 
wie  der  Papst  in  der  Gonfirmationsbulle  sagt  (in  den  oben  S.  590  Anm.  1548 
citierten  Schreiben),  gestiftet  hatte,  ümsomehr  stand  es  hier  dem  Papste 
zu  Beschränkungen  eintreten  zu  lassen,  wie  dies  in  der  That  hie  und  da 
vorkam,  z.  B.  gerade  in  Bezug  auf  das  Karlscolleg. 

112)  Ob  und  inwiefern  obige  Grundsätze  auch  hinsichtlich  des  Associa- 
tionswesens  an  den  Hochschulen  Geltung  hatten,  kann  uns  erst  im  2.  Bande 
beschäftigen. 

113)  So  von  Savignyj  der  aus  den  oben  gegebenen  Prämissen  schloss: 
es  sei  weder  ein  päpstlicher,  noch  ein  kaiserlicher  erforderlich  gewesen. 


2.  GeisU.  u.  weltl.  Macht  im  Verhältniss  zum  Generalstudium.     791 

das  von  Siena*");  aber  dieser  eine  Versuch  ist  raissglückt.  Die 
Initiative  zur  Errichtung  eines  Generalstudiums  sowie  die  Vorbe- 
reitungen giengen  allerdings  in  der  Regel  von  den  Communen, 
öfters  auch  von  den  Bischöfen  aus,  wie  wir  uns  im  Laufe  der 
Untersuchung  widerholt  überzeugt  haben.  Allein  die  von  den- 
selben gefassten  Beschlüsse  sich  um  ein  Generalstudium  zu  be- 
werben sowie  die  Bemühungen  in  den  Besitz  eines  solchen  zu 
gelangen  dürfen  nicht  mit  der  Stiftung  selbst  identificiert 
werden.  Indess  war  es  keiner  Stadt  und  keinem  Bischöfe 
benommen,  ein  Generalstudium  zu  eröffnen,  ehe  sie  einen  Stift- 
brief erhalten  hatten,  denn  in  diesem  Falle  handelten  sie  mit 
sogenannter  licentia  praesumpta  und  in  der  sichern  Erwartung 
bald  einer  Gründungsurkunde  theilhaftig  zu  werden.  Aehn- 
lich  geschah  es  z.  B.  in  Treviso,  Pisa,  Florenz  und  in  manchen 
andern  italienischen  Städten.  Eines  der  eclatantesten  Beispiele 
bildet  die  Gründung  der  Universität  St.  Andrews  in  Schottland 
(die  freilich  erst  in  die  nächste  Periode  fällt)  durch  den 
Bischof  Heinrich  Wardlaw.  In  dem  am  27.  Februar  1412  aus- 
gestellten an  die  doctores,  magistri,  baccalarei  und  scolares  der 
Stadt  St.  Andrews  gerichteten  Schreiben  nennt  der  Bischof  die 
Universität  'universitas  a  nobis  salva  tarnen  sedis  apostolice 
auctoritate  de  facto  instituta  et  fundata',  die  bereits  ihren 
Anfang  genommen  habe"*^).  Und  doch  erschien  der  päpstliche 
Stiftbrief  erst  ein  halbes  Jahr  später,  den  28.  August**®).  Wäre 
in  solchen  Fällen  ein  Errichtungsschreiben  von  Seite  der 
höheren  Autorität  nicht  erfolgt,  so  würde  damals  die  Hochschule, 
obgleich  schon  eröffnet,  keinen  Fortgang  gehabt  haben,  wie 
wir  aus  der  Geschichte  der  Universität  Siena  belehrt  werden  * "). 


"*)  8.  oben  8.  431  f. 

^^^)  Dieses  Document  ist  einer  Bnlle  Benedicts  XIII.  vom  28.  August 
1412  inseriert.  Reg.  Yat.  Avenion.  Ben.  XIII.  t.  64  Bl.  608b.  Das 
bischöfliche  Document  ist  1411  'sec.  cursum  et  computationem  ecclesie  Sco- 
ciane,  Indict.  quinta',  mithin  1412,  ausgefertigt. 

11«)  Reg.  Vat.  Avenion.  t.  64  Bl.  607  b. 

117)  Höchst  ungenflgende  Vorstellungen  von  diesen  Verhältnissen  besass 
Voigt,  der  in  seiner  Wiederherstellung  des  classischen  Alterthums  I,  343  die 
Bemühungen  der  Republik  Florenz  im  J.  1321   eine  Hochschule  zu  erhalten 


792 


Rückblick. 

Die    in    diesem   Bande   niedergelegten   historischen   Unter- 
suchungen   haben   uns   belehrt,    wo  und  in   welcher  Weise  die 
mittelalterlichen  Universitäten  entstanden  sind.     Die  Geschieht« 
der  Gründungen  der  Universitäten  kann  man  mit  gutem  Rechte 
ein  Geschichte  der  von  dem  bessern  Theile  der  Völker  gemachten 
Anstrengungen  nennen,  um  in  den  Besitz  von  Culturstätten  zu 
gelangen.      Bis    1400   bedurfte    es    dazu   noch   nirgends    einer 
Mahnung,    eines  Druckes  von  oben.    Die  Hochschulen  erwuchsen 
aus   den   jeweiligen  Bedürfnissen.     Erst  Maximilian  I.  fand  es 
geboten  auf  dem  im  J.  1495  zu  Worms  abgehaltenen  Reichstage 
an  die  Kurfürsten  die  Aufforderung  ergehen  zu  lassen,   dass  sie 
in  ihren  Landen  Universitäten  gründen  sollten.     Beim  Beginne 
des   15.  Jhs.   schloss   die  Peripherie,    innerhalb   welcher  Hoch- 
schulen bestanden,  bereits  die  Mehrzahl  der  damals  civilisierten 
Völker  ein,  und  sie  wurde  bis  zum  Anfange  der  Reformation  derart 
erweitert,  dass  sie  nachher  nicht  sehr  viel  an  Umfang  gewonnen  hat 
Wurden  auch  nicht  wenige  Bestrebungen  von  keinem  oder  nur 
geringem  Erfolge  gekrönt,    woran    zumeist    die  finanzielle  Lajje 
einzelner  Städte   und  Länder  Schuld  trug,    so  war  doch  Emle 
des  14.  Jhs.  den  Wissensbeflissenen  allerorts  Gelegenheit  geboten, 
ohne  den   Beschwerden  einer  grossen   Reise  sich  aussetzen   zu 
müssen,  die  damals  vorgetragenen  Wissenschaften  sich  anzueignen. 
Auch    die  Armut   sollte   hierin   soweit  möglich  kein  Hinderniss 
in  den  Weg  stellen,  denn  die  im  Laufe  der  Zeit  an  den  meisten 
Hochschulen    errichteten   Collegien   hatten   gerade   den    Zweck, 
armen  Studierenden  Unterkunft  zu  bieten,   damit  ihnen  ebenso 
wie  den  reichen  die  Vortheile  der  Bildung  zugewendet  würden. 
Soweit  man  von  Gründung  der  Universitäten  sprechen  kann, 
ist  dieselbe  das  Verdienst  der  Päpste  und  der  Landesherren,  des 
Clerus  und  der  Laien.    Dass  aber  den  Päpsten  der  Hauptantheil 
zukomme,  wird  jeder  zugestehen,  welcher  meiner  nur  auf  Docu- 


mit   einem   GrOndungsact   verwechselt,   und  deshalb  folgerichtig  die   im  J 
KU8— 1349  gemachten  Anstreoguagen  um  in  den  Besits  einer  UoiTersitit  n 
gelangen  nur  als  Bemühungen  dieselbe  widerhersustelleo  ansieht 


Verdienst  der  Päpste  nm  die  Universit&ten.  793 

menten  ruhenden  Darstellung  gefolgt  ist  und  die  Geschichte  mit 
unbefangenem  Blicke  prüft.  Nicht  bloss  wurde  die  Mehrzahl 
der  Hochschulen  durch  päpstliche  Stiftbriefe  ins  Leben  gerufen,  son- 
dern nahezu  alle,  gleichviel  ob  diese  der  geistlichen  oder  der  welt- 
lichen Macht  ihr  Dasein  verdankten,  oder  ob  sie  sich  in  anderer 
Weise  entwickelt  hatten,  erhielten  von  den  Päpsten  mannigfache 
Privilegien  (unter  denen  nicht  das  geringste  die  den  Studierenden 
geistlichen  Standes  gewährte  Dispens  von  der  Residenzpflicht 
war  *"),  und  Magister  und  Scholaren  wurden  von  ihnen  jedesmal 
in  Schutz  genommen  und  unterstützt,  so  oft  sie  die  Curie  um  Hilfe 
anriefen.  Viele  Universitäten  wären  todtgeborne  Kinder  gewesen, 
hätten  die  Päpste  nicht  durch  Incorporierung  von  Praebenden 
und  Pfründen  für  das  Salarium  der  Professoren  gesorgt.  Dem 
von  Nicolaus  IV.,  Bonifaz  VHL  und  Clemens  V.  ausgesprochenen 
Bestreben,  dass  die  Studien  vorzüglich  in  den  zur  Verbreitung 
der  Wissenschaft  geeigneten  Gegenden  gedeihen"^),  und  die  ein- 
zelnen christlichen  Länder  eine  genügende  Anzahl  wissenschaft- 
lich gebildeter  Männer  besitzen  möchten  *"),  wurden  die  Päpste  in 

ii8j  Woher  Maurer,  Geschichte  der  Städte  Verfassung  in  Deutschland  II, 
316,  die  Ansicht  gekommen,  die  deutschen  Universitäten  hätten  alle  ihre 
Privilegien  vom  Landesherrn,  nicht  vom  Papste  erhalten,  weshalb  es  keine 
Gonservatoren  der  päpstl.  Privilegien  gegeben  habe,  veiss  ich  nicht.  Aus 
den  Acten  keineswegs. 

1^^)  Dum  soUicite  considerationis  indagine  pcrscrutamur ,  quam  sit 
donum  sapientie  pretiosum  quamque  illius  desiderabilis  et  gloriosa  possessio, 
per  quam  ignorantie  tenebre  profugantur  ac  erroris  funditus  eliminata  caligine 
mortalium  curiosa  solertia  suos  actus  et  opera  disponit  et  ordinat  in  lumine 
veritatis,  magno  utique  desiderio  ducimur,  ut  litterarum  studia,  in  quibus 
margarita  scientie  reperitur  laudanda,  ubilibet  incrementa  suscipiant,  pro- 
penains  invalescant,  in  illis  presertim  locis,  que  ad  multiplicanda  doctrine 
semina  et  germina  salutaria  producenda  ydonea  et  accomoda  dinoscuntur. 
So  Bonifaz  VIII.  in  den  Stiftbriefen  für  Pamiers  und  Avignon.  Aehnlich 
bereits  Nicolaus  IV.  in  dem  oben  S.  350  citierten  Schreiben  für  Montpellier 
und  später  Clemens  V.  im  Privilegienbriefe  für  Coimbra  (s.  oben  S.  524 
Anm.  1194).    Diese  Einleitung  wurde  eine  Formel. 

^  Dies  sagt  Clemens  V.  in  dem  eben  angeführten  Schreiben:  Expedit 
enim  singulis  regionibua  orthodoxis,  nt  in  eis  viri  habeantur  industres  litte- 
rarum decori  scientiis  et  virtntibus  presigniti,  ut  singula  sie  ipaomm  con- 
siliis  providis  et  consulta  Providentia  dirigantur,  quod  eorum  incole  sub  rectitu- 
dinis  observantia  gloriosi  vivant  et  regnent,  et  qoietis  beatitudiai  gratulentur. 


794        Bestrebungen  des  Clenu,  der  Forsten  nnd  der  GommimeiL 

keiner  Epoche  untreu.  Ihr  Beispiel  wirkte  auf  den  Clems,  der 
nicht  bloss  das  Gros  der  Studierenden  bildete,  sondern  auch  bei 
Gründungen  von  Universitäten  zumeist  betheiligt  war.  Ihm  ist 
fast  ausschliesslich  die  Stiftung  der  für  arme  Schüler  bestimmten 
Gollegien,  welche,  wie  Heinrich  von  Langenstein  mit  Recht 
bemerkt,  zur  Erhaltung  und  Blüthe  der  Universitäten  wesentlich 
beitrugen*"),  zu  verdanken. 

Aber  auch  die  weltlichen  Fürsten  haben  sich  den  Dank  der 
Nachwelt  verdient.  Ich  erinnere  nur  an  die  Bemühungen  der 
spanischen  ^'^),  englischen  und  sicilianischen  Könige.  Die  fran- 
zösischen Könige  wandten  den  Hochschulen  eine  namhafte  Sorgfalt 
erst  im  14.  Jh.  zu,  d.  i.  in  jener  Epoche,  in  welcher  bei  den  welt- 
lichen Fürsten  der  Sinn  für  höhere  Lehranstalten  allerorts  recht 
eigentlich  erwachte  und  sich  in  den  Bestrebungen  Kaiser  Karls  FV. 
am  schönsten  kundgibt.  Man  muss  jedoch  gestehen,  dass  die 
städtischen  Communen  wenigstens  im  14.  Jh.  im  Grossen  und 
Ganzen  weit  rühriger  als  die  Fürsten  waren  und  auch  ausser- 
halb Italiens  sich  die  Förderung  der  Wissenschaften  durch  Er- 
richtung und  Erhaltung  von  Culturstätten ,  soweit  dies  in  ihrer 
Macht  stand,  angelegen  sein  Hessen. 

Wägen  wir  die  einzelnen  Thatsachen,  die  sich  uns  bei  den 
verschiedenen  Stiftungen  aufgedrängt  haben,  ab  und  vergleichen 
wir  sie  mit  einander,  so  offenbart  sich  uns  auf  dem  Gebiete  der 

lai)  S.  oben  S.  624  Anm.  1640. 

^  Nor  in  Sardinien  leisteten  die  aragonesischen  Könige  hat  nicbts  fitr 
die  Stadien.  Trotz  des  gaten  Willens  der  Einheimischen  wurde  das  erste 
Generalstudiam  daselbst  and  awar  in  Sassari  erst  1562  errichtet  S.  Tola, 
Notizie  storiche  della  oniTersitJi  degU  stadi  di  Sassari  Oenova  1866  p.  32  if. 
41.  Die  zweite  Hochschale,  die  zn  Gagliari,  datiert  aas  dem  J.  1626.  & 
Nozioni  storiche  solla  r.  nniyersitii  degli  stadi  di  Gagliari.  Gagliari  1865 
p.  5.  Mehr  thaten  die  Könige  Ton  Aragon  in  Sicilien.  Schon  fan  J.  1434 
ertheilte  Alfonso  V.  die  Ebdaabniss  in  Gatania  ein  Cteneralstadiam  an 
errichten,  das  im  J.  1444  einen  pl^lichen  and  königlichen  Stiftbrief 
erhielt  S.  Belazione  salla  r.  aniTorsitit  di  Gatania.  Gatania  1872  (in  der 
Schrift  sind  öfters  die  Daten  irrig).  FOr  Messina  wurde  im  J.  1459  von 
König  Johann  II.  das  Diplom  gewährt  nachdem  bereits  anter  Alfonso  V. 
im  J.  1434  Schritte  daza  gethan  waren.  S.  Breri  notizie  storiche  iatorao 
alla  r.  uniTersiti  degli  stadi  di  Messina  (Messina  1812)  p.  3.  Gallo,  Annafi 
di  Messina  (Mesaina  1756)  I,  80. 


Harmonie  zwischen  Qeistl.  u.  Weltl.  auf  dem  Universitätsgebiete.  795 

Gründungsgeschichte  der  mittelalterlichen  Universitäten  eine 
wunderbare  Harmonie  zwischen  Kirche  und  Reich,  Geistlichem 
und  Weltlichem,  und  zwar  selbst  in  jener  Epoche,  in  der  Europa 
bereits  von  dem  Höhepunkt  seiner  Blüthe  herabgesunken  war,  und 
auf  anderen  Gebieten  von  bedeutenden  Dissonanzen  zwischen 
geistlicher  und  weltlicher  Macht  sprechen  konnte,  nämlich  im 
14.  Jh/").  Die  auf  dem  in  den  Universitätsverhältnissen  zu  Tage 
tretende  Eintracht  beweist  immerhin,  wie  mächtig  damals  noch  der 
christliche  Geist,  ohne  den  man  überhaupt  das  Mittelalter  nicht 
verstehen  kann,  alles  beherrschte;  er  hat  jenes  harmonische  Ganze 
geschaffen,  in  dem  Kirche  und  Reich,  Geistliches  und  Weltliches 
ohne  Schädigung  der  Selbständigkeit  und  Eigenthümlichkeiten  der 
einzelnen  Theile  in  einander  griffen.  Daher  kommt  es,  dass 
sich  uns  die  mittelalterlichen  Universitäten  bald  als  die  höchsten 
kirchlichen,  bald  als  die  höchsten  weltlichen  Lehranstalten  dar- 
bieten. Im  Grunde  sind  sie  Schöpfungen  des  christlichen  Geistes, 
der  das  Ganze  durchdrang,  in  dem  Papst  und  Fürst,  Clerus  und 
Laien  jeder  seinen  gebührenden  und  berechtigten  Platz  inne  hatten. 
Dies  übersehen  so  häufig  diejenigen,  welche  über  das  Ver- 
hältniss  der  mittelalterlichen  Universitäten  zur  Kirche  urtheilen. 
Finden  sie  eine  Hochschule  von  weltlicher  Seite  gegründet  oder 
ohne  die  Grundlage  von  Dom-  und  Stiftsschulen,  so  wittern  sie  als- 
bald den  Anfang  eines  der  Kirche  entfremdeten  weltlichen  Schul- 
wesens^**). Nach  modernen  Principien  betrachten  sie  das  Mittelalter, 
und  im  Vorurtheile  befangen,  die  Päpste  hätten  jedwede  Selb- 
ständigkeit und  freiere  Bewegung  verhindert,  entdecken  sie  gerade 
in  der  im  Mittelalter  auf  weltlicher  Seite  sich  offenbarenden  berech- 
tigten Selbstständigkeit  und  freiem  Bewegung  eine  Auflehnung 

^^)  Diesem  Zusammenwirken  der  geistlichen  und  weltlichen  Gewalt 
verlieh  Johann  XXII.  in  einem  Schreiben  an  Philipp  le  Long  Ausdruck. 
S.  oben  S.  266. 

^)  Nach  Kaemmel,  Geschichte  des  deutschen  Schulwesens  S.  96,  be- 
gann überhaupt  mit  der  Gründung  der  Hochschulen  die  Emancipation  der 
Wissenschaft  von  der  Bevormundung  der  Kirche.  Kaemmel  hatte  auch  sonst 
vom  mittelalterlichen  Schulwesen  keinen  Begriff,  Er  spricht  des  langen  und 
breiten  vom  Verfall  der  klerikalen  Schulen'  zur  Zeit  der  Entstehung  der 
Universitäten,  und  erkannte  nicht,  dass  man  die  meisten  der  letzteren  ebenso 
gut  clerical  als  laical  nennen  kann. 


796  ^16  mittelalter].  Universit&t  u.  moderne  Anschanimgen. 

gegen  die  Kirche'").  Als  Emancipationsgelüste  vom  kirchlichen 
Einfluss  gilt  ihnen  das  Streben  der  Professoren  und  Schüler  an 
einigen  Hochschulen  (z.  B.  in  Paris  und  Angers),  der  Macht  des 
Kanzlers,  der  fast  überall  ein  kirchlicher  Würdenträger  war,  sich 
so  weit  möglich  zu  entziehen,  indem  man  nicht  beachtet,  dass 
der  Papst  selbst  derartige  Bestrebungen  unterstützte""),  und  es 
sich  bei  denselben,  um  ein  treffendes  Wort  Paulsens  zu  ge- 
brauchen*^^), nicht  um  Freiheit  von  der  Kirche,  sondern  um 
'Freiheiten'  in  der  Kirche  handelte.  Die  Wechselbeziehung 
zwischen  geistlicher  und  weltlicher  Macht  hinsichtlich  der  Uni- 
versitäten wurde  bis  1400  eigentlich  nur  einmal  auf  kurze  Zeit 
ernstlich  gestört,  nämlich  durch  das  Vorgehen  Philipps  des 
Schönen  gegen  die  Bestimmungen  Clemens  V.  hinsichtlich  Or- 
leans. 

Was  sollen  wir  aber  vom  Charakter  der  mittelalterlichen 
Universität  halten?  Da  sie  von  der  modernen  gar  sehr  absticht, 
blickt  man  auf  die  mittelalterliche  nur  zu  oft  mit  Gering- 
schätzung herab.  DöUinger  behauptet  z.  B.,  dass  von  den  14 
deutschen  Hochschulen  am  Ende  des  15.  Jhs.  'nicht  eine  einzige 
auch  nur  den  bescheidensten  Anforderungen,  auch  nach  dem 
damaligen  Masse  der  Wissenschaft  und  ihrer  Erfordernisse*, 
entsprechen  konnte.  Als  Beweis  führt  er  an,  dass  Tübingen 
und  Leipzig  (also  bloss  zwei  der  14  Universitäten)  anfanglich 
nicht  mehr  als  2  Professoren  der  Medicin  (mithin  nur  in  einem 


i25j  Wie  wenig  die  Kirche  daran  dachte  bestehende  Eigen thümlicb- 
keiten  und  Gewohnheiten  auf  dem  Universitätsgebiete  zu  unterdrücken ,  be* 
weist  ein  Wort  Clemens  IV.  rücksichtlich  eines  Rechtes,  das  ausscbUesslich 
für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen  die  Kirche  sehr  wohl  berechtigt  gewesen 
w&re,  nämlich  das  der  Ertheilung  der  Licenz.  In  dem  oben  S.  345  citierten 
an  Jacob  I.  gerichteten  Schreiben  sagt  der  Papst:  De  licentiandis  quidem 
doctoribus  in  scientiarum  variis  facultatibus  aliud  canonica  iura  diffiniuni, 
aliud  principum  sanctiones,  sed  et  ipse  consuetndines  pro  diversitate 
diocesis  aut  locorum  in  huiusmodi  dandis  licenciis  Tariantar. 

>26)  Vgl.  a.  B.  oben  S.  686.  688  f. 

187)  In  Sybels  bist  Zsch.  Bd.  45  S.  284.  In  der  Geschichte  des 
gelehrten  Unterrichts  wendet  er  sich  S.  13  gegen  die  irriges  Gonsequensen, 
die  man  vielfach  aus  dem  Vorkommen  Ton  Streitigkeiten  zwischen  dem  Vor- 
steher einer  Dom-  oder  Stiftschule  und  dem  Stadtrathe,  der  eine  eigene 
Schule  errichtete,  gezogen  hat. 


Nichts  Vollkommenes  unter  der  Sonne.  797 

der  4  Fächer  und  zwar  'anfänglich')  besassen*").  Die  Hinfällig- 
keit von  Döllingers  Behauptung  liegt  also  schon  in  der  Art  und 
Weise,  wie  sie  erhärtet  wird.  Derartige  Urtheile  können  uns 
keinen  Augenblick  aufhalten,  sie  gehören  in  dieselbe  Kategorie 
wie  ähnliche  über  die  geistigen  Produkte  des  Mittelalters  ****). 
Doch  wird  kein  Vernünftiger  läugnen,  dass  die  mittelalterliche 
Universität  der  modernen  in  vielem  nachsteht,  wenngleich  sich 
im  Verlaufe  des  Werkes  zeigen  wird,  dass  es  keineswegs  in 
allen  Hauptpunkten  der  Fall  ist.  Einer  nicht  der  geringsten 
Mängel  des  mittelalterlichen  Unterrichtswesens  war,  dass,  wie 


128)  Die  Universitäten  sonst  und  jetzt  S.  10. 

139)  Der  Qmnd  der  schiefen  Urtheile  flher  das  Mittelalter  liegt 
sehr  häufig  in  der  Unkenntniss  desselben,  öfters  auch  im  Mangel  an  guten 
Willen  den  damaligen  Erscheinungen  gerecht  zu  werden.  Zur  Illustration 
hier  nur  einige  Beispiele.  Bosiöres,  Histoire  de  la  soci6t6  fran^aise  au  moyen 
äge  (Paris  1880)  n,  291  ff.  will  denWerth  der  alten  geistlichen  Bibliotheken 
herunterdrücken;  es  gelingt  ihm  aber  nur  dadurch,  dass  er  dasjenige,  was 
das  Gegentheil  beweist,  verschweigt.  Rosieres  beruft  sich  auf  mehrere  Einzel- 
heiten, und  erhebt  diese  zu  Allgemeinheiten,  so  dass  man  sich  schliesslich 
erstaunt  fragt:  aus  welchen  Bibliotheken  stammen  dann  die  vielen  Väter- 
und  Classikerhss.,  die  noch  jetzt  erhalten  sind,  wenn  sie  nicht  von  den  alten 
Kloster-  und  Stiftsbibliotheken  herrühren?  Bernhardy  führt  in  seiner  Rom. 
Literatur^  S.  118  als  Beleg  der  Barbarei  des  Mittelalters  solche  Murch  ihre 
Titel,  wie  Hollokot,  Breikot,  Gorra  erschreckende,  von  Luther  als  Esels- 
mist verworfene  Nothbüchlein'  an.  Ich  weiss  nicht,  ob  die  Berufung  auf 
Luther  richtig  ist.  Ist  aber  dem  also,  dann  hat  letzterer  ebenso  wie  Bern- 
hardy seine  Unwissenheit  an  den  Tag  gelegt.  Die  drei  genannten  Bezeich- 
nungen sind  nicht  Titel  von  Büchern,  sondern  die  Namen  von  drei  Schrift- 
steilem  aus  dem  Dominicanerorden.  Robert  Holcot  schrieb  unter  anderm 
einen  Commentar  in  die  Sentenzen,  Postillen  in  die  hl.  Schrift  und  wurde 
auch  aU  Verfasser  des  berühmten  Philobiblion  des  Richard  de  Bury,  mit 
dem  er  innig  vertraut  war,  angesehen  (s.  Philobiblion  ed.  Cocheris  p.  XXI; 
den  daselbst  citierten  Hss.  füge  ich  Escorial  j.  II.  25  bei,  wo  das  Buch 
ebenfaUs  dem  Robert  zugeeignet  wird).  Nicolaus  de  Gorran  ist  besonders 
durch  seine  Postillen  in  die  hl.  Schrift  bekannt  (s.  Quetif-Ech.  I,  437),  Ni- 
colans  Byart  durch  seine  Distinctiones  (Qu^tif.  1,  123).  Derselbe  Bernhardy 
findet  in  den  Specula  des  Vincenz  von  Beauvais  einen  Beweis  dafür,  wie 
'eingeschränkt  die  Eenntniss  römischer  Autoren  war'.  Er  verrät  uns  aber 
sogleich,  dass  er  keines  der  Werke-  Vinccuzs  zu  Gesicht  bekommen  hat, 
denn  er  hält  den  Weltspiegel  Woll  von  Auszügen  aus  Plinius  und  anderen 
Sammelwerken'  (Rom.  Lit.^  S.  321). 


798  l^ie  mittelalterliche  nnd  die  moderne  Universit&t. 

uns  die  Folge  zur  Genüge  belehren  mrd,  das  Verhältniss  der 
niederen  Lehranstalten  zu  den  höheren  und  umgekehrt  kaum 
geregelt  war  und  in  gewissem  Sinne  keine  auf  die  Universität  vor- 
bereitende Schulen  existierten,  was  selbstverständlich  nicht  wenij^e 
Nachtheile  im  Gefolge  hatte.  Allein  man  soll  nicht  vergessen, 
dass  die  Universität  in  einer  Zeit  entstand,  in  welcher  die 
Schulgesetzgebung  in  den  Anfangen  war,  ja  dass  eigentlich 
erst  die  Universität  die  Schulgesetzgebung  hervorgerufen  hat. 
Unmöglich  konnte  man  sich  daher  über  alle  Ziele  der  Schul- 
bildung klar  sein  und  zwar  um  so  weniger,  als  man  damals  noch 
des  Nutzens  entbehrte,  den  die  folgenden  Generationen  aus  einer 
Jahrhunderte  langen  Erfahrung  ziehen  konnten  und  mussten. 

Ist  aber  die  Thatsache,  dass  die  mittelalterliche  Universität 
in  vieler  Beziehung  unvollkommen  war,  für  spätere  Geschlechter 
ein  Grund,  sie  mit  Geringschätzung  zu  beurtheilen?     Ziemt  es 
sich  für  einen  gereiften  Mann,  der  eine  langjährige  Erfahrung 
hinter   sich   hat,    über  alle  möglichen  Mittel  verfügt   und  sein 
Urtheil   nach   manchen   misslüngenen  Versuchen   geklärt,    seine 
Anschauungen  geläutert  hat,   stolz   hinzublicken  auf  die   ernsten 
Anstrengungen  und  Arbeiten  eines  Jünglings,  der  noch  im  Stadium 
der  Entwickelung  begriffen  ist,  mit  Schwierigkeiten  aller  Art  zu 
kämpfen  hat,  und,  obwohl  das  Ziel  stets  im  Auge  behaltend,  hei 
der  Wahl  der  ihm  zu  Gebote  stehenden  Mittel  mitunter  fehl- 
greift?   Uebrigens  bedarf  das  Mittelalter  wahrhaftig  keiner  Ent- 
schuldigung, dass  es  nicht  alles  geleistet  hat,  da  die  Vollkommen- 
heit auch  heute  nach  6 — 7  Jahrhunderten  nicht  erreicht  wurde 
und  man  gerade  in  der  Gegenwart  vielfach  ratlos  dasteht  über 
die  einzuschlagenden  Wege,  die  höheren  Unterrichtsanstalten  zu 
reformieren,  obwohl  man  durch  Adoptierung  eines  im  Mittelalter 
spontan  angewandten  in  neuerer  Zeit  leider  zu  oft  aufgegebenen 
Princips  bald  zu  grösserer  Klarheit  gelangen  würde,  dass  sich 
nämlich  das  Neue  auf  das  Alte  stützen  und  letzteres  im  ersteren 
lebendig  bleiben  soll. 

Wenn  man  mit  Recht  bemerkt  hat,  dass  jede  Epoche  in 
der  Geschichte  des  deutschen  Geisteslebens  durch  das  Aufkommen 
neuer  Universitäten  bezeichnet  wird '  '^),  so  haben  die  Entstehung 

1^)  Paulsen,  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  S.  424. 


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Die  mittelalterl.  Universit&t  hat  sich  den  Dank  der  Nachwelt  verdient.  799 

und  Gründung  der  ersten  mittelalterlichen  Universitäten  eine  der 
Hauptepoehen  in  der  Geschichte  des  europäischen  Gulturlebens 
und  Bildungswesens  eingeleitet.  Sie  waren  damals  fast  noch 
mehr  als  heute  die  Brennpunkte  der  geistigen  Thätigkeit.  Und 
gleichviel,  ob  sie  unseren  Begriffen  entsprechen  oder  nicht,  so 
genügten  sie  doch  vollkommen  für  die  Bedürfnisse  des  Mittelalters, 
bereiteten  die  höheren  Lehranstalten  der  späteren  Zeit  mit  ihren 
neuen  Erfordernissen  und  Anschauungen  vor,  und  wurden  darum 
die  breite  Grundlage  selbst  für  die  modernen  Hochschulen. 
Dankbar  sollte  daher  die  Nachwelt  auf  das  12.  und  13.  Jh. 
blicken,  da  eben  dort  die  Anfilnge  der  gelehrten  Gesellschaften 
und  die  Keime  des  gelehrten  Unterrichts  der  spätem  Epochen 
liegen.  Europa  hat  den  mächtigsten  geistigen  Anstoss  durch  die 
Universitäten  erhalten,  die  sich  im  12.  und  13.  Jh.  in  jugend- 
licher Frische  und  Kraft  erhoben,  und  dies  mögen  nicht  bloss 
die  Juristen  der  neueren  Zeit,  deren  Wissenschaft,  um  mit  Savigny 
zu  reden,  auf  dem  Grund  der  Schule  von  Bologna  ruht'^*), 
sondern  überhaupt  alle  diejenigen  nicht  vergessen,  welche  die 
Segnungen  unserer  Culturstätten  gemessen. 

131)  Geschichte  des  röm.  Rechts  III,  1^6. 


Beilagen. 


Beilage  I. 

Die  städtischen  Statuten  Padaas  (Statnti  dd  Commie  di 
Padova  dal  secolo  Xn  alP  anno  1285.  Padora  1873,  ed.  von  A.  Gloria) 
gehören  hinsichtlich  der  Bestimmimgen  flher  die  Professoren  und  Scho- 
laren zu  den  interessantesten,  die  uns  ans  dem  13.  Jh.,  und  zwar  ans 
so  frflher  Zeit,  nämlich  ans  den  J.  1259  —  1275,  erhalten  sind.  Sie  lassen 
uns  die  Ait  nnd  Weise  der  Sorgfalt,  welche  die  italienischen  Communen  den 
städtischen  Lehranstalten  zuwandten  (s.  oben  S.  735 f.),  fast  noch  mehr 
erkennen,  als  die  Statuten  Bolognas  sowohl  ans  derselben  Epoche  als  der 
früheren,  die  wir  oben  im  2.  Hauptabschnitt  kennen  gelernt  haben. 
Paduas  Verordnungen  erweisen  zugleich,  dass  die  eigentliche  Reactivierung 
des  dortigen  Studiums  im  J.  1260  statt  fand,  wenngleich  wenigstens  das 
Jahr  vorher  schon  mehrere  Bfagistri  conventati  daselbst  gelehrt  hatten. 
Förmlich  organisiert  wurde  das  Studium  nach  längerer  Unterbrechunsr, 
von  der  ich  oben  S.  284  gesprochen  habe,  erst  im  J.  1260.  Die 
sUtdtische  Commune  leistete  den  Haupttheil  an  der  Neubegrfindung. 

De  immunibus  et  salariatis^. 

Potestate  domino  Matheo  de  Corrigio.  Mülesimo  ducentesimo  qoiu- 
quagcsimo  nono.  Magistri  conventati  et  approbati  in  gramatica  qui 
nunc  regunt  in  civitate  padue  vel  de  cetero  regent,  dum  regent  gau- 
dcant  immunitate  secundum  formam  iuris. 

Potestate  domino  Marco  Quirino.  Millesimo  ducentesimo  sexagesimo 
primo.  Medici  omnes  et  cyrologi  non  teneantur  solvere  daciam  et  sab- 
stinere  honera  civitatis  padue. 


1)  Die  Statuten  sind  in  vier  Bacher  getheilt.    Obiges  ist  das  20.  Ka 
pftcl  des  vierten  Buches.    Die  drei  Absätze  haben  bei  Gloria  die  Nummern 
1209-1211. 


Beilage  I.  801 

Potestate  domino  Jacopino  Rubeo.  Millesimo  ducentesimo  sexage- 
simo  septimo.  Forensis  quilibet  qui  volet  regere  in  civitate  padue  in 
legibus  siye  in  decretalibus  vel  decretis  sine  salario,  sit  civis  paduanus 
et  tanqnam  alii  cives  paduani  tractetor,  et  juret  alibi  non  regere. 
Et  quandocunque  cessaverit  regere,  cesset  citadinancia  ipsius^). 

De  conditionibus  scolarium  et  de  facto  studii  padue^). 

Potestate  domino  Marco  Quirino.  Millesimo  ducentesimo  sexagesimo. 
Comune  padue  det  hospicia  omnia  civitatis  padue  scolaribus, 
exceptis  domibus  portarum  et  tribus  aliis  domibus  per  quarterium  que 
videbuntur  potestati,  ita  quod  pensio  melioris  hospicii  non  excedat  summam 
librarum  quinquaginta  denariorum  parvorum;  pro  aliis  autem  hospiciis 
fiat  taxacio  ab  inde  ultra  arbitrio  duorum  civium  et  duorum  scolarium. 
Et  scolares  non  possint  facere  aliquas  expensas  voluntarias,  nisi  utiles  et 
necessarias.  Et  si  volumptarias  vellent  facere,  faciant  de  suo  proprio, 
ita  quod  pensio  d.mus  non  minuatur.  Et  predicta  hospicia  debeant 
infra  certum  tempus  aptari  ad  opus  studii  et  vacuari  arbitrio  duorum 
civium  padue  et  duorum  scolarium,  et  si  discordes  fuerint  in  predictis 
vel  aliquo  predictorum,  stetur  arbitrio  domini  episcopi  paduani  tantum, 
et  medietas  pensionis  solvatur  in  festo  omnium  sanctorum  et  alia  me- 
dihtas  in  festo  purificationis  sancte  marie^). 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Teneatur  comune  padue  facere  mu- 
tunm  Scolaribus  secundum  qualitatem  scolarium  f actis  bonis  securitatibus 
et  ydoneis  seu  precariis  valentibus  tercium  plus  quam  sit  debitum,  iuran- 
tes  et  promittentes,  quod  suo  nomine  et  ad  suam  utilitatem  pro  suis  ex- 
pensis  accipiant  mutuum  et  non  pro  alio  vel  aliis,  nee  pro  aliorum 
utilitate. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Extimacio  pignorum  dandorum 
comuni  padue  et  fideiussorum  et  precariorum  debeat  iieri  arbitrio  unius 
Scolaris  et  unius  civis  iudicis  qui  boni  sint  et  legales  et  iurati,  eligen- 
dorum  civis  per  potestatem,   et  Scolaris  per  dominos  et  magistros. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Compellere  teneatur  potestas  fenera- 
tores,  ut  non  possint  ultra  sex  denarios  pro  libra  aliquo  tempore  a  sco- 
laribus  exigere. 


^)  Ueber  Aerzte  sprechen  auch  andere  Bestimmungen,  die  ich  hier 
übergehe. 

3)  Das  23.  (letzte)  Kapitel  des  vierten  Buches  der  städtischen  Statuten. 
Die  oben  angefahrten  tragen  bei  Gloria  die  Nummern  1221—1259. 

^)  Aus  diesem  Abschnitte  ergibt  sich  hauptsächlich,  dass  das  Studium 
im  J.  1260  reactiviert  wurde. 

Denifle,  Die  UnireTsititen  L  51 


802  Beilage  I. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Nullus  debeat  mutuare  alicui  Sco- 
lari yel  civi  nee  alicui  persone  nisi  ad  quatuor  denarios  pro  libra  tan- 
tum  et  non  ad  plus  in  pena,  quo  continetur  in  statuto  comunis  padue.  Kallas 
Scolaris  debeat  pignorari  vel  conveniri  pro  aliquo  nisi  pro  quo  nominatun 
Sit  obligatus. 

Potestate  domino  Bonifacio  de  Canossa.  Millesimo  ducentesimo 
sexagesimo  octavo.  Eligat  potestas  padue  singulis  sex  mensibus  duos 
mutuatores  scolarium  iudices  vel  laycos  ad  voluntatem  rectoram 
Scolari  um,  qui  habeant  pecuniam  comunis  mutuandam  scolaribus,  et 
comuniter  mutuent  scolaribus  secundum  formam  statutorum  et  condi 
ciones  scolarium  ad  omne  suimi  periculum  ipsorum  mutuatomm,  ita 
quod  comune  padue  nuUum  dampnum  consequi  possit.  Et  de  hoc  ipsi 
mutuatores  facere  debeant  ad  canipam^)  comunis  bonam  et  ydoneam 
securitatem. 

Potestate  domino  Guidone  de  Monte.  Millesimo  ducentesimo  sexa- 
gesimo secundo^).  Si  possunt  haben  quatuor  homines  qui  mutuent  sco- 
laribus quatuor  millia  librarum  vel  ultra  pro  quatuor  denariis  pro  libra 
minori,  admitti  debeant  et  gaudeant  scolarium  libertate,  prestita  eisdem 
fideiussorum  ydonea  cautione,  intelligendo  quod  sint  immunes  ab  honen- 
bus  civitatis.  Sed  allegare  priviUeium  fori  non  possint,  nee  acdpere 
domos  more  scolarium,   et  sint  forenses. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Pecunia  comunis  que  deputata  est 
ad  mutuum  faciendum  scolaribus  taliter  ordinetur,  quod  ille  vel  illi  in 
quorum  manibus  erit  dicta  pecunia,  mutuare  et  dividere  inter  scoiares 
de  conscilio  et  expresso  conscensu  rectoris  teneantur,  ita  quod  contra- 
ctus  celebratus  cum  massario  in  comuni  libro  universitatis  scribatur  per 
manum  publici  notarii  ab  universitate  deputati,  ut  per  viam  istam  fraus 
et  dolus  tam  super  duplicatione  coutractuum  quam  super  ficta  nomina 
contrahencium  totaliter  excludatur.  Et  quando  massarius  reddet  rationem, 
quod  aliqui  sint  presentes  ex  parte  universitatis  ibidem.  Et  quando  so- 
lucio  fit,  similiter  fiat  presente  rectore. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Infra  terminum  contractus  non  acci* 
piantur  precaria  scolaribus  causa  pignorandi,  nisi  fuerit  Scolaris  suspectus. 

Potestate  domino  Marco  Quirino.  Millesimo  ducentesimo  sexagesimo 
primo.  Teneatur  potestas  padue  facere  pervenire  apud  illum  officiaiem, 
qui  preerit  mutuo  scolarium,  omnes  denarios,   precaria,  qui  et  que  sunt 

^)  D.  i.  bei  der  st&dtischen  Kasse. 

^)  Ghiido  da  Montefogliano  di  Beggio  war  Podestä  von  Padoa  von 
Mitte  1259  bis  zum  n&chsten  Jahre,  nicht  aber  1262.  S.  die  Liste  der  Po- 
deste bei  Muratori,  SS.  rer.  ital.  YIII,  377.  423.  Ant.  Ital.  IT,  1142. 


Beilage  I.  803 

penes  aliquos,  qui  hinc  retro  fuerint  officiaJes  in  diclo  mutuo  scolarium 
infra  unum  mensem,  postquam  intraverit  regimen;  quod  si  non  fecerit 
solvat  comuni  libras  centum. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Si  aliquis  Scolaris  vellet  recedere 
aliqua  de  causa,  et  venerit  per  terram  et  scolares  publice  preconizari, 
quod  post  quindecim  dies  a  die  preconizacionis  non  audiatur  aliquis 
volens  eura  impedire,  dummodo  comuni  vel  aliis  satisfecerit''). 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Et  si  Scolaris  aliquis  deberet  baniri 
pro  aliqua  causa,  id  quod  primitus  preconizetur  per  civitatem  et  scolas 

singulas. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Firmatum  est  in  conscilio  quadra- 
ginta,  quod  scolares  non  capiantur  personaUter,  nee  impediantur  vel 
molestentur  in  aliqua  re  pro  aliqua  re,  pro  aliquo  debito  contracto  alibi, 

quam  in  padua  vel  paduana. 

Potestate  eodem  'et  millesimo.  Tabellio  scribens  contractus  scola- 
rium non  debeat  recipere  nee  possit  ultra  tres  grosses  pro  carta. 

Potestate  eodem  et  mülesimo.  Dictus  tabellio  unicam  tantum  solu- 
cionem  accipiat  pro  uno  contractu,  et  facta  divisione  mutui  teneatur  de- 
lere contractum  sine  nova  solucione. 

Potestate  domino  Marco  Quirino.  Millesimo  ducentesimo  sexagesimo 
primo.  Omnia  privilleia  indulcta  legibus  vel  cannonibus  scolaribus  ser- 
ventur  illesa  nuUo  Statute  obstante,  et  maxime  clericis. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Scolares  computentur  cives 
quantum  ad  comoda  et  non  ad  incomoda. 

Potestate  eodem  et  mülesimo.  Universitatis  nuncü  plena  gaudeant 
übertäte,  secundum  quod  aliquis  doctor  vel  Scolaris  gaudere  potest. 

Potestate  domino  Guidone  'de  Monte.  Mülesimo  ducentesimo  sexa- 
gesimo secundo»).    Scolares  nuUum  toUoneum  solvere  teneantur. 

Potestate  domino  Marco  Quirino.  Millesimo  ducentesimo  sexagesimo 
primo.  Depredaria  vel  raubaria  facta  alicui  Scolari  vel  eins  nuncio  in 
paduano  districtu  ratio  iiat  secundum  quod  fit  civibus  padue. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Intuitione  et  iusticie  exhibicione: 
ubicumque  in  padua  et  paduano  districtu  de  utüitate  scolarium  tracta- 
bitur,  pro  civibus  babeantur  salvis  eorum  privüleüs  scolasticis. 

Potestate  eodem  et  mülesimo.  Si  scolares  aliqui  habentes  inter  se 
aüquam  rixam  et  discordiam,  concordaverint  inter  se  de  dicta  custodia 


7)  Vorausgesetzt  dass  Gloria  richtig  gelesen  hat,  ist  die  SteUe  verderbt. 
Dies  gilt  auch  von  dem  folgenden  Statut. 

8)  S.  oben  Anm.  6. 

*  Ol* 


804  Beilage  I. 

sive  rixa,  nee  potestas  nee  comune  padne  debeat  sen  possit  se  intro- 
mittere,  nee  in  iudicando  nee  in  eognoscendo,  et  hoc  si  feceiint  infra 
decem  dies  coneordiam. 

Potestate  eodem.  Si  in  aliqno  negoeio  immineret  alicui  Scolari  ali- 
qoa  necessitas  dandi  fideiossores,  possint  dare  de  scolaribos,  dommodo 
sint  ydonei. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Si  aliquis  Scolaris  timet  de  persona, 
possit  deferre  arma  ad  sui  defensionem,  prestita  cantione  vel  inramento 
de  aliqao  non  offendendo,  dummodo  non  defferat  arma  fraudulenta,  ti> 
more  approbato  per  potestatem. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Familei  sen  servientes  scolarium 
possint  ire  per  eivitatem  in  qualibet  hora  noctis,  dummodo  com  lomiae 
incedant  et  honeste,  et  etiam  scolares  secundam  quod  cives  paduani  Da- 
ciunt  et  faeient. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Si  aliquod  statntum  fieret  a  rectore 
scolarium  cnm  universitate  scolarium,  quod  non  vergat  ad  de- 
trimentum  potdBtatis  vel  comunis  vel  civium  padue,  quod  illud  teneatur 
observare. 

Potestate  domino  Johanne  Badoario.  Millesimo  ducentesimo  sexa- 
gesimo  secundo.  Nulli  forenses  volentes  apportare  victualia  ad  hanc 
civitatem  occasione  alicuius  represalie  impediantnr  seu  in  aliquo  mo- 
lestentur. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Rectores  scolarium  possint  omni  die 
lune  et  veneris  venire  ad  conseilium  anzianorum,  et  ibi  proponere  omnia 
que  voluerint  pro  statu  universitatis,  et  si  ancianis  et  eorum  conscilio 
placuerit,  proposita  per  ipsos  rectores  reducantur  et  ponantur  ad  consciüa. 

Potestate  domino  Johanne  Badoario.  Millesimo  ducentesimo  sexa- 
gesimo  secundo.  Doctores  vocentur  singulis  annis  per  comune  padue 
de  conscilio  rectorum  et  tractatorum  studii,  scilicet  unus  in  decretis, 
duo  in  decretalibus,  et  duo  in  legibus^),  et  de  hüs  singulis 
annis  fiat  nova  ellectio.  Potestate  domino  Roberto  de  Robertis.  Mille- 
simo ducentesimo  septuagesimo  sexto  additum  fuit:  Et  aliquis  civis 
padue  nacione  de  cetero  non  eligatur  ad  aliquod  salarium  comunis 
padue  occasione  studendi  vel  regendi  seu  legendi  in  civitate  padue. 

Potestate  domino  Marco  Quirino.  Millesimo  ducentesimo  sexagesimo 
primo.  Doctores  singulis  annis  eligendi  ad  futurum  annum  eli- 
gantur  infra  quindecim  dies  ante  festum  saneti  petri.  Et  quod  electi  tenean- 
tur  esse  in  civitate  padue  in  kalendis  septembris.    Item  quilibet  doctor  in 


»)  S.  darüber  oben  S.  285. 


BeUage  I.  805 

iure  civili  teneatur  legere  duos  libros:  unum  ordinarium  et  alium 
extraordinarium.  Extraordinarium  intelligimus  digestum  novum  et  infor- 
ciatuxn,  et  secundum  voluntatem  scolarium.  Item  librum  ordinarium  et 
extraordinarium  in  quantitate  secundum  voluntatem  rectoris  vel  rectorum, 
qui  pro  tempore  fuerit.  Et  in  eligendo  procedat  de  eius  vel  eorum 
voluntate,  dum  tamen  faciant  ad  utilitatem  scolarium  et  comunis  padue. 

Potestate  domino  Johanne  Badoario.  Millesimo  ducentesimo  sexa- 
gesimo  secundo.  Tractatores  studii  possint  constituere  salarium 
doctoribus  legum  usque  ad  summam  tricentarum  librarum  et  non 
ultra;  magistris  decretorum  et  decretaUum  librarum  ducentarum  et 
non  ultra.  Et  dicti  tractatores  possint  providere  de  utilitate  communis 
super  dictis  salariis. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Solucio  debeat  fieri  doctoribus  et 
magistris  percipientibus  salaria  a  comuni  hoc  modo:  scilicet  medietas  in 
feste  omnium  sanctorum^^)  et  alia  medietas  in  feste  sancte  marie  de  fe- 
bruario").     Cum  hiis  terminis  hospicia  civibus  persolvantur. 

Potestate  domino  Marco  Quirino.  Millesimo  ducentesimo  sexagesi- 
mo  primo.  Domini  doctores  et  magistri  percipientes  salarium  a  comuni 
non  possint  advocare  in  foro  civili  nisi  pro  scolaribus. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Mutuum  possit  fieri  scolaribus,  et 
magistris  et  dominis  legum  dari  salaria  et  fieri  condictiones  secundum 
quod  generale  conscilium  ordinabit,  ita  tamen,  quod  potestas  infra  quin- 
decim  dies  postquam  intraverit  regimen  civitatis  padue  teneatur  ponere 
ad  conscilium  supradicta  et  secundum  volimtatem  maioris  partis  predicti 
conscilii  adimplere,  non  obstante  aliquo  Statute  preciso  vel  non  preciso, 
et  Sit  precisum. 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Comune  padue  teneatur  et  debeat 
habere  unum  vel  duos  stacionarios  quihabeant  apparatum  tocius  corpo- 
ris iuris. 

Potestate  domino  Matheo  de  Corrigio.  Millesimo  ducentesimo  sexa- 
gesimo  quarto.  Salarium  consuetum  librarum  sexaginta  pro  anno  detur 
floriano  exemplatori  scolarium,  sicut hactenus  consuetumest habere,  cum 
absque  exemplaribus  scolarium  universitas  stare  non  posset,  et  ipse  suis 
laboribus  habeat  et  teneat  exemplaria  in  iure  canonico  et  civili  ad  uti- 
litatem et  comodum  omnium  doctorum  et  scolarium  ac  universitatis  studii 
paduani. 

Potestate  domino  Johanne  Badoario.  Millesimo  ducentesimo  sexa- 
gesimo   secundo.      Quicumque    erit  causa   destructionis   vel  turbacionis 

1^)  1.  November. 
11)  2.  Februar. 


806  Beilage  I. 

studii  paduani,  et  ab  honoribüs  et  ntilitatibus  studii  perpetuo  sit 
privatus^^). 

Potestate  eodem  et  millesimo.  Nullus  creditor  qnaternum  nee  pe- 
ciam  ausus  sit  recipere  a  scriptoribus  vel  scriptore;  quod  si  fecerit,  et 
creditum  et  pignns  amittat,  et  certam  penam  comuni  padae  solvere  te- 
neatur,  cum  per  talem  fraudem  decipisuitur  scolares  qnotidie  per  scriptores. 

Item  in  omnibus  civilibus  litibus  pendentibus  et  futuris  inter  sco- 
larem  seu  scolares  ex  una  parte,  et  scriptorem  et  scriptores  et  eoniin 
fideiussores  ex  altera,  fiat  scolaribus  agentibus  semper  ratio  in  bunc  mo- 
dum,  scilicet,  quod  prestito  per  scolarem  et  alterum  corporaliter  sacra- 
mento  coram  potestate  padue  vel  eins  iudice  yel  quoram  (coram)  quo- 
cumque  alio  iudice  in  officio  existente,  ellectione  serrata  Scolari,  apud 
quem  debeat  expediri,  adhibeatur  Scolari  sine  soUempnitate  iudicii  pleoa 
iides.  Et  statim  teneatur  iudex  coram  quo  fuerit  prestitum  sacramentum 
ipsum  scriptorem  et  fideiussorem  personaliter  detinere  et  pignorare  et 
capere  usque  ad  plenam  satisfacionem  eins,  quod  Scolaris  cum  altere  de- 
claraverit,  non  obstante  auxilio  minoris  etatis,  nee  quod  sit  filius  famiüas 
nee  aliqua  exceptione  iuris  et  facti.  Sed  in  fideiussoribus  scolarium 
filiis  familias  vel  minoribus  vigintiquinque  annis  boc  loeum  non  babeat, 
immo  salvas  babeant  omnes  suas  exceptiones  minoris  etatis  vel  filii  fami- 
lias et  omnes  exceptiones  iuris  et  facti. 

Potestate  domino  Roberto  de  Robertis  de  regio.  Millesimo  ducente- 
simo  septuagesimo  quinto.  Salarium  sexaginta  librarum  omni  anno  de- 
tur  per  comune  padue  magistro  petro  quondam  ordani  exemplatori  sco- 
larium sive  stacionario  librorum  et  exemplatorum  dandonim  scolaribus 
sicut  hactenus  eonsuetum  est  dari  floriano,  illis  terminis,  quibus  dantur 
salaria  doctoribus,  cum  absque  exemplaribus  universitas  scolarium  stare 
non  possit,  et  ipse  suis  laboribus  habeat  et  teneat  exemplaria  in  iure 
canonico  et  cirili  ad  utilitatem  et  comodum  scolarium  civitatis  padue  et 
adbonorem  comunis  padue  etuniversitatis  et  studii  paduani,  cum  dictuspctrus 
olectus  sit  in  stacionarium  per  rectores  et  universitatem  scolarium,  ut  eontine- 
tur  in  carta  electionis  facta  per  gerardum  notarium,  qui  fuit  de  lixario, 
et  contirmatus  per  traetatores  scolarium  studii  padue,  et  cum  securitatem 
fecerit  dicüs  tractatoribus  pro  exemplaribus  tenendis,  et  ipsi  traetatores 
fecerint  ipsi  magistro  petro  securitatem  pro  comuni  padue  de  libris  sexa- 
ginta denariorum  venetorum  omni  anno  solvendis. 

*^)  Gloria  meint,  dieses  Statut  sei  verstümmelt,  'sono  ommesse  le  pene 
principali  contro  coloro,  cbe  avessero  distrutto  o  turbato  lo  studio  pada&no\ 
Dom  ist  nicht  also.  Die  Privatio  *ab  honoribüs  et  utüitatibns  studii'  war 
doch  wohl  eine  empfindliche  Strafe. 


Beilage  II. 


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Ergänzungen. 


Paris.  S.  64.  Es  war  mir  nicht  möglich,  üher  die  Hs.  n.  876  in  der  Bibli- 
othek des  Thomas  Philipps  in  England,  welche  'Statuta  universi- 
tatis  Paris.'  enthält  und  aus  der  Carthäuserbibl.  zu  Dijon  stammt, 
Aufschluss  zu  bekommen.  Alle  meine  Recherchen  blieben  resultatlos ; 
was  jeder  begreifen  wird,  dem  bekannt  ist,  wie  schwierig  es  ist, 
jene  reiche  Privatbibliothek  zu  benützen.  ^(Die  Schwierigkeit  be- 
steht selbst  für  englische  Gelehrte,  denn  n.  3119,  'De  adventu 
fratnim  minorum  in  Angliam',  haben  weder  Brewer  noch  Howlett 
herangezogen.)  Ich  vermuthe,  dass  der  Codex  (13.  Jh.  in  4°)  den- 
selben Inhalt  wie  Cod.  Vat.  Reg.  406  und  Cod.  n.  17304  Additional 
Manuscripts  im  British  Museum  besitzt,  und  wahrscheinlich  eine 
Copie  des  Liber  Rectoris  ist. 

S.  85.  Die  Worte  König  Heinrichs  IL  von  England  fuhrt  der  Erzbischof 
Thomas  Decket  von  Canterbury,  um  den  es  sich  in  der  ganzen 
Angelegenheit  gehandelt  hat,  also  an:  'paratum  esse  stare  dicto 
curiae  dom.  sui  regis  Francorum,  vel  judicio  ecclesiae  galli- 
canae  aut  scholarium  Parisiensium'.  Schreiben  an  den  Erz- 
bischof Wilhelm  von  Sens  in  Recueil  des  historiens  des  Gaules  XVI, 
399.  Wird  durch  diese  erste  Quelle  klar,  dass  Heinrich  H. 
gerade  die  Pariser  Scholaren  zu  Schiedsrichtern  in  seinem  Streite 
mit  dem  Erzbischof  bestellt  hat,  so  bleibt  doch  durch  sie  die 
Deutung  ausgeschlossen,  welche  Du  Boulay  und  Jourdain  der  von 
ilmen  aus  Radulph  de  Diceto  (ed.  Stubbs  I,  387;  vgl.  auch  Matth. 
Paris  Chron.  maj.  ed.  Luard  II,  263)  genommenen  Stelle,  in  der 
von  'scholares  diversarum  provinciarum'  die  Rede  ist, 
geben,  denn  gerade  die  unterstrichenen  Worte  fehlen  im  Schreiben 
des  Erzbischofes. 

S.  107.  Der  unterdessen  dem  Vat.  Archiv  einverleibte  Registerbd. 
Innocenzs  HI.  an.   10.  11.  12  (Sign.  7A)  enthält  das  angezogene 


812  Ergänzungen. 

Schreiben  Bl.  93b  mit  der  Adresse:  TJniversis  doctoribus  sacre 
pagine,  decretorum  et  liberalium  artium  Parisius  commoranübas. 
Meine  Darlegung  hinsichtlich  der  Bedeutung  'rectores'  wird  dadurch 
von  neuem  bestätigt.  Der  Brief  ermangelt  auch  hier  des  Datums; 
er  steht  unter  den  undatierten  Schreiben  am  Schlüsse  des  11.  Pon- 
tificatsjahres  (Bl.  90  a— 94  b).  —  Bei  dieser  Gelegenheit  mache 
ich  aufmerksam,  dass  das  von  Baluze,  Epist.  Innocentii  ÜT. 
libri  XI,  II,  402  als  ep.  180  (IV.  Non.  Jul.  an.  12)  edierte  auch  von 
Du  Boulay  III,  52  benützte  Schreiben  Innocenzs  an  die  Pariser 
Doctoren  im  genannten  Reg.  Yat.  sich  natürlich  nicht  findet;  es 
gehört  Innocenz  IV.  an,  wie  bereits  Jourdain,  Index  chronol.  zu 
n.  11,  richtig  bemerkt  hat. 

S.  114.  Es  handelt  sich  dort  nur  darum ,  wann  der  Bector  zuerst  in 
den  Universitätsacten  erwähnt  wird.  Aus  der  S.  170  AnnL  426 
angeführten  Glosse  des  Accurs,  die  jedoch  nicht  vor  1234  voll- 
endet wurde,  ist  ersichtlich,  dass  das  Rectorat  bereits  einige  Zeit 
vorher  bestand,  was  im  Texte  vorausgesetzt  wird. 

Bologna.  S.  136f.  Um  einem  Missverständnisse  vorzubeugen,  bemerke 
ich,  dass  wenigstens  im  16.  Jh.  die  Tuschi  und  Romani  jede  f&r 
sich  eine  Nation  bildeten.  S.  die  Statuta  Jurist.  (Bononiae  1561) 
Bl.  2b.  IIa. 

S.  157  Anm.  385.  Sarti  hat  den  Text  aus  Böhmers  Ausgabe  der  Deere- 
talen  irrig  citiert.  Auch  Böhmer  kannte  das  Schreiben  Gregors  IX., 
womit  dieser  die  Decretalensammlung  nach  Bologna  schickte,  nur 
mit  der  Adresse:  .  .  .  dil.  fil.  doctoribus  et  scholaribus  universis 
Bononiae  commorantibus.  Corp.  jur.  can.  n,  XXIX.  Für  Sa- 
vignys  Hinweis  lässt  sich  also  rein  gar  nichts  vorbrii^n. 

Oxford.  S.  237.  Die  jüngst  angekündigte  Schrift  des  Maxwell  Lyte, 
History  of  the  university  of  Oxford  from  the  earliest  times,  ist  noch 
nicht  erschienen. 

Orleans.  S.  251.  Es  war  mir  nicht  möglich  über  die  Existenz  von 
CoUegien  für  arme  Schüler  in  Orleans  irgend  welche  Nach- 
richten zu  erhalten.  Da  ich  mir  dachte,  ich  hätte  bei  meinem 
widerholtem  Aufenthalte  in  Frankreich  doch  manches  übersehen, 
wandte  ich  mich  an  den  Archivar  Doinel  in  Orl6ans.  Allein  auch 
er  konnte  mir  keinen  Aufschluss  geben. 

Römische  Curie.  S.  309 f.  Unterdessen  stiess  ich  in  den  Reg.  Avenion. 
Benedict!  XIII  tom.  54  Bl.  516  auf  ein  Schreiben  vom  2.  Nov.  1407, 
in  dem  der  Papst  sagt,  dass  er  ^propter  ecclesiasticam  unionem 
procurandam  ...  per  diversas  discurrere  provincias  et  sepe  de 


Ergänzungen.  813 

loco  ad  locum  transmigrare'  gezwungen  sei.  Er  bestimmt  für  die 
^  Zukunft,  dass  die  ihm  folgenden  ^Doctores  in  jure  canonico  vel 
civiir  an  jedem  Orte,  an  dem  er  sich  aufhält,  'legere,  regere  ac 
disputare  ceterosque  actus  scolasticos  exercere\  die  Schüler  aber 
die  Grade  nehmen  könnten.  Er  ertheilt  dem  Notar  des  apost. 
Stuhles,  Johannes  Alfonsi,  'auctoritate  apost.  gradus  huiusmodi 
conferre,  deficientibusque  doctoribus  legentibus  doctores  .  .  .  pro 
examinationibus  faciendis  eligere'  u.  s.  w.  Das  Rechtsstudium 
hatte  also  in  der  That  am  Hofe  der  Avignonesischen  Päpste  während 
des  Schismas  abgenommen;  doch  bemühte  man  sich,  dasselbe 
einigermassen  wider  in  die  Höhe  zu  bringen. 

Heidelberg.  S.  380.  Becker  behandelte  in  seiner  1876  gehaltenen 
Festrede  die  Geschichte  der  medicinischen  Facultät  in  Heidelberg, 
bringt  aber  begreiflicher  Weise  für  unsere  Epoche  nichts  neues. 
Aus  Anlass  der  im  J.  1886  abzuhaltenden  Säcularfeier  der  Uni- 
versität wird  Prof.  Winkelmann  das  ürkundenbuch  der  Universität 
edieren. 

Köln.  S.  402  Anm.  770.  Den  handschriftl.  Auszug  aus  dem  Decanats- 
buche  hat  inzwischen  Liessem  selbst  in  dem  Osterprogramm  des 
Kaiser -Wilhelm- Gymnasiums  zu  Köln  (1885):  Hermann  van  dem 
Busche,  S.  41  Anm.  2  beschrieben. 

Sie  na.  S.  437.  442.  Hinsichtlich  des  Factums  der  im  J.  1321  statt- 
gehabten Auswanderung  von  Bologna,  sowie,  dass  im  J.  1321  die 
Universität  sich  doch  schon  widerum  in  Bologna  constituiert  hatte, 
verweise  ich  auf  S.  211f.,  wo  ich  päpstliche  Bullen  angeführt  habe, 
die  auf  beide  Thatsachen  ein  Licht  werfen. 

Neapel.  S.  455  Anm.  964.  Das  betreffende  Schreiben  wurde  zuerst 
von  Angelus  de  Nuce,  Chronica  s.  monast.  Gasinensis  (Paris  1 668) 
p.  426  n.  1593  aus  Cod.  Casin.  342  ediert,  in  dem  es  heute  noch 
Bl.  220  a  steht. 

Salamanca.  S.  494.  Benedict  XIH.  erwähnt  in  einem  Schreiben  vom 
5.  Febr.  1417  ein  kleines  Colleg,  das  der  Bischof  von  Oviedo 
Gutierre  de  Toledo  (1377—1389)  für  6  pauperes  scholares  in  jure 
can.  errichtet  hatte.  Reg.  Vat.  Aven.  t.  72  Bl.  424  b.  Vgl.  Alejan- 
dro  Vidal  y  Diaz  p.  300.  In  Salamanca  und  bei  den  Schriftstellern 
vergessen  ist  das  sub  invocatione  S.  Angeli  im  J.  1457  von  Johann 
Cardinaldiacon  S.  Angeli  gestiftete  Colleg.  Reg.  Vat.  Calixti  ÜL 
n.  450  Bl.  206  a. 

Lörida.  S.  505.  Am  26.  Jänner  1413  incorporierte  Benedict  XHI. 
auf   die  Bitten    der   univcrsitas   studii  Herden,   (da   'ad  solvenda 


814  Ergänzungen. 

legentibus  in  eodem  studio  salaria  consueta  et  alia  per  ipsam 
Universitäten!  onera  supportanda  eiusdem  universitatis  non  snppetant 
facultates')  die  Pfarre  de  Fraga  dem  Decanate  der  Cathednüe  zu 
L^rida,  damit  der  Decan  jährlich  100  aragonesische  Goldgulden  der 
Universität  zahle.    Reg.  Vat.  Avenion.  t.  64  Bl.  489. 

Da  über  das  zu  L^rida  gegründete  GoUeg  so  wenig  bekannt 
ist,  wie  ich  mich  neuerdings  aus  Yinc.  de  la  Fuente,  Historia  de 
las  universidades  en  Espana  I  (Madrid  1884),  250  überzeugt 
habe,  so  trage  ich  hier  nach,  dass  am  24.  Nov.  1411  Dominicus 
PonZy  der  unterdessen  canonicus  et  archidiaconus  nudor  der  Cathe- 
drale  zu  Barcelona  geworden  war,  in  Folge  entstandener  Zweifel 
Bestimmungen  darüber  erliess,  welche  Personen  das  Praesentations- 
recht  besässen,  und  von  welcher  Herkunft  die  Scholaren  sein 
müssten.  Das  GoUegium  hatte  einen  Prior  und  einen  ^procurator 
et  yconomus,  qui  maiordom  coUegii  studentium  s.  Marie  virginis 
potent  nuncupari\  Benedict  XIII.  sanctionierte  die  Bestimmungen 
am  21.  März  1412.  Reg.  Vat.  Avenion.  t.  62  Bl.  619. 
Pavia.  S.  582.  Später  entdeckte  ich  im  Vat.  Archiv  die  ^Statuta 
venerandi  CoUegii  Castilonei  sub  titulo  s.  Augusüni  vulgariter 
nuncupati',  welche  die  päpstlichen  Bestätigungsbullen  und  die  Sta- 
tuten  des  Collegs  enthalten  (Arm.  35  n.  145.  Pergamenths.  aus 
der  Zeit  Eugens  IV.).  Sie  beziehen  sich  auf  dasselbe  Golleg,  von 
dem  Gascoigne  spricht  Es  wurde  von  Cardinal  Branda  Castiglioni 
für  24  pauperes  scolares  in  studio  Papien.  in  theologie  ac  iuris 
canonici  et  civilis  aliisque  Ileitis  facultatibus  studentes  circa  1429 
gestiftet;  am  19.  März  genannten  Jahres  genehmigte  Martin  Y. 
das  Vorhaben  des  Cardinais.  In  zwei  Häusern  zu  Pavia,  die 
seinen  Keffen  gehörten,  wurde  es  eingerichtet.  Darüber,  dass  die 
^superflua  monasteriorum  et  redituum  eorundem  et  bona  plura 
monasteriorum  et  hospitalitatum  et  cappellarum  quae  vocabantur 
liberae  capellae',  wie  Gascoigne  schreibt,  dem  CoUeg  gegeben 
worden  seien,  ünden  wir  in  diesen  Documenten  keinen  Aufschluss. 
Die  ursprünglichen  Statuten  scheinen  nicht  mehr  erhalten  zu  sein: 
dieselben  wurden  am  4.  Dec.  1437  vom  Stifter  modificiert,  von 
Eugen  IV.  am  17.  Dec.  des  nämlichen  Jahres  bestätigt,  und  sind  in 
dieser  Form  in  der  genannten  Sammlung  auf  uns  gekommen. 
Nach  einer  sehr  späten  incorrecten  Gopie  wurde  in  Pavia  (1875) 
ein  Abdruck  besorgt  und  unter  dem  Titel  publiciert:  Fondiaria  del 
coUegio  Castiglioni  4.  Decembre  1437  (s.  1.  et  a.)  Dazu  vgl.  Me- 
morie  U,  65.  Im  Archiv  vom  Lateran  befinden  sich  mehrere  auf 
das  Golleg  bezügliche  Schreiben,  unter  andern  auch  die  genannten. 


Druckfehler. 


Jene  Druckfehler,  die  man  auf  den  ersten  Blick  zu  corrigieren  vermag, 
sind  hier  nicht  aufgeführt,  so  z.  B.  Wegfall  von  Accenten,  oder  Verschiebung 
von  Buchstaben  wie  S.  522  Anm.  1190. 

S.      6  Anm.  33  1.  10.  Juli. 

S.    64  Z.  6  V.  0.  und  S.  78  Anm.  121  1.  Belleforest 

S.    94  Anm.  181  1.  1356. 

S.  149  Z.  7  V.  0.  ist  nach  ^jener* :  'Zeit^  ausgefallen. 

S.  156  Z.  11  V.  0.  1.  1475. 

S.  160  Anm.  395  1.  'oben  S.  135.  142'. 

S.  173  Anm.  473  Z.  2  v.  u.  1.  Anm.  428. 

S.  177  sind  die  beiden  Anmerkungen  zu  umstellen. 

S.  179  gehört  Anm.  462  auf  nächste  Seite. 

S.  191  Anm.  502  1.  Jahrb.  d.  gem.  d.  Rechts. 

S.  214  Anm.  593  1.  Anm.  590. 

S.  216  fehlt  Z.  10  v.  o.  die  Zahl  603  zur  betreffenden  Anm. 

S.  232  Anm.  48  Z.  2  ist  4'  zu  streichen. 

S.  268  Z.  14  V.  0. 1.  1334. 

S.  284  Z.  17  V.  0.  1.  1237—1256. 

S.  291  sind  die  Anmerkungen  270  und  270%  S.  345  die  Anm.  524«  und  524 

zu  umstellen. 
S.  383  Z.  3  V.  u.  ist  'authoritas'  zu  streichen. 
S.  417  Z.  9  V.  0.  1.  Cibinien. 
S.  469  Z.  5  V.  0. 1.  erigere. 
S.  502  Z.  9  V.  u.  1.  von  den  Abgaben  frei. 
S.  506  Z.  3  V.  0.  1.  Benanayre. 
S.  533  Z.  1  V.  0.  ist  'f&hig'  zu  streichen. 

S.  664  Anm.  41  1.  Z.  ist  nach  'trägt'  ausgefallen  'oder  berühmt  ist'. 
S.  672  Anm.  64  Z.  3  v.  o.  1.  Duaci. 


Drack  von  W.  Pormettcr  in  Berlin.