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Full text of "Die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika"

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24  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

Pflanzen  mit  Faserstoff. 
V  Baumwolle,  Flachs,   Hanf,   Maul- 
beerbaum mit  dem  Seidenwurm. 

Gewürze. 


Pfeifer,  Ingwer,  Zimmt,   Muscat- 
nuss,  Gewürznelken,  Zuckerrohr. 


Vanille,  Spanischer  Pfeffer  (Cap- 
sicum  annuum). 


Narkotische  Genussmittel. 
Thee,  Kaffee,  Mohn  (Opium),  Hanf  I       Paraguay-Thee ,    Cacao ,    Tabak, 
(Hadschisch).  |  Coca. 

Aber  wenn  wir  bei  den  Pflanzen  stehen  bleiben,  so  unterliegt  es  gar 
keinem  Zweifel,  dass  für  den  Nutzen  des  Menschen  mit  der  Zeit  noch 
manche  wildwachsende  Erzeugnisse  des  Pflanzenreiches  Verwerthung  finden 
können,  welche  gegenwärtig  nur  in  geringem  Masse  benutzt  werden,  und 
es  wird  sich  leicht  zeigen  lassen,  dass  die  Peschel'sche  Aufzählung  Amerika 
zu  karg  bedenkt.  Die  Wurzeln  von  Lewisia  rcdiviva,  Apios  tuberosa, 
Lupinus  littoralis,  mehrere  Oenothera- Arten  werden  von  den  Indianern 
und  den  ihnen  nachahmenden  Waldläufern  gegessen.  Die  erstere  soll 
getrocknet  wie  Salep  zu  geniessen  sein  und  eine  besonders  grosse  Nahr- 
haftigkeit besitzen.  Ausser  dem  Wasserreis*)  sind  von  Körnern  besonders 
die  Samen  des  Lupinus  biennis  gegessen  worden.  Als  Salat  und  Gemüse 
werden  die  Blätter  von  verschiedenen  Arten  Leontodon,  von  Chenopodien, 
.  Phytolacca  decandria  und  Caltha  palustris  gegessen.  Die  erfrischende 
Frucht  von  Podophyllum  callicarpum  (Mandrake,  wilde  Citrone)  wird  ge- 
gessen. Die  von  Diospyros  virginiana  (Persimon)  gilt  für  vortrefflich. 
Der  Damascenerpflaume  gleicht  die  Icacopflaume  von  Chrysobalanus  icaco. 
Der  wildwachsende  Pawpaw  oder  Melonenbaum  (Papaya  vulgaris)  liefert 
melonenartige  Früchte,  die  man  eingemacht  isst.  Wilde  Pflaumen-  und 
Kirschenarten  sind  in  mehrfacher  Zahl  verbreitet.  Die  Früchte  des  wilden 
Apfelbaumes  sind  nicht  geniessbar,    aber  Pyrus  coronaria  (Grab -Apple) 


1)  Der  Wasserreis,  Zizania  aquatica  L.  (Pshu  bei  den  Sioux,  Manomin 
bei  den  Chippeways)  ist  im  N.  der  V.  St.  überall  nicht  selten,  erreicht  aber 
besonders  im  NW.  eine  ökonomische  Wichtigkeit,  die  hinter  keiner  der  übrigen 
wildwachsenden  Pflanzen  zurücksteht.  Er  bietet  das  einzige  Beispiel  eines  ein- 
heimischen Getreides,  das  in  einer  Menge  wächst,  die  genügend  ist,  den  Bedarf 
der  gewöhnlichen  Verzehrung  zu  decken.  Er  ist  besonders  häufig  in  den  see- 
artigen Ausbreitungen  der  Flüsse  des  oberen  Mississippi-  und  des  Seengebietes 
und  zwar  in  den  unteren  Abschnitten  derselben,  wo  er  Ueberschwemmung  in 
hinreichendem  Masse,  daneben  schlammigen,  lockeren  Schwemmboden  findet. 
Selten  findet  er  sich  in  den  abflusslosen  Seen.  Als  Speise  wird  er  sogar  dem 
ächten  Reis  vorgezogen.  Man  erntet  ihn  im  September,  indem  man  mit  niederen 
Booten  durch  das  Röhricht  eines  Beissees  fährt  und  die  Aehren  in  das  Boot 
ausklopft.  —  Der  Indianeragent  von  Leech  Lake  Minn.  gibt  für  1876/77  die 
Menge  des  von  seinen  Indianern  gesammelten  wilden  Reises  auf  35000  Pfd.  an. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  25 

trägt  sehr  wohlschmeckende  Früchte.  Dagegen  gibt  es  zwei  Kastanien- 
arten, deren  Früchte  genossen  werden:  Castanea  americana  in  den 
mittleren  und  C.  pumila  (Chinquapin)  in  den  Südstaaten.  Im  N.  tragen 
zwei  Haselnuss- Arten  (Corylus),  im  S.  einige  Hamamelis- Arten  (Witch- 
Hazel)  essbare  Nüsse.  Süsse  Eicheln  werden  von  Quercus  castanea  (bis 
43"  vorkommend)  und  alba  und  von  der  Lebenseiche  geerntet.  Die  Nüsse 
von  Juglans  nigra,  cinerea  (Butter-Nuss)  und  fraxinifolia,  von  Carya  olivae- 
formis  (Pekan-Nuss)  und  andere  Hikory- Arten  vertreten  unsere  Walnüsse, 
haben  aber  dickere  Schalen  und  minder  ausgiebige  Kerne.  Eine  essbare 
Nuss  trägt  auch  Hamiltonia  oleifera.  Der  Palmetto  (Chamaerops  Palmetto) 
liefert  in  seinen  Blattknospen  einen  Palmkohl.  Die  Blätter  von  Agave 
americana  sollen  abgekocht  ein  schmackhaftes  Gericht  geben.  Im  SW. 
werden  die  Früchte  einiger  Cactusarten,  vorzüglich  von  Opuntien  (Tunas) 
und  vom  Riesencactus  oder  Saguarro  (Cereus  giganteus)  gegessen.  Eben- 
dort  spielen  die  ölig-harzigen  Fruchtkerne  einiger  Föhren,  Pinons(Pinus 
edulis  und  monophylla)  als  Nahrungsmittel  bei  den  Indianern  eine  Rolle. 
Unter  den  essbaren  Pilzen ,  deren  Zahl  sehr  gross  ist  •) ,  ist  die  sog. 
Indianische  Kartoffel  oder  das  Indianerbrot  oder  Tuckahoe  (Lycoperdon 
solidum),  ein  bis  zu  30  Pfd.  schwer  werdender  Pilz,  hervorzuheben,  der 
in  den  Südstaaten  wächst  und  oft  die  einzige  Nahrung  der  entflohenen 
Sklaven  gebildet  haben  soll.  Die  meisten  in  Mittel-Europa  vorhandenen 
essbaren  Beeren  sind  auch  in  Nord- Amerika  und  oft  in  mehrfacher 
Zahl  vertreten.  Endlich  sind  die  Weinreben  nicht  zu  vergessen,  von 
denen  verschiedene  Arten  in  den  V.  St.  wild  wachsen^).  Darunter  sind 
sehr  fruchtreiche  und  wohlschmeckende  Arten,  welche  theilweise  bereits 
in  erheblicher  Ausdehnung  angebaut  werden. 

Als  ein  für  den  Haushalt   der  Landbevölkerung  im  N.  wichtiges  Er- 
zeugniss  wildwachsender  Pflanzen   werden  wir  den  Ahorn-Zucker  noch 


1)  Schwämme  werden  in  den  V.  St.  bis  jetzt  wenig  gesammelt  und  ver- 
zehrt, es  scheint  sogar,  da&s  die  Indianer  die  Essbarkeit  von  einer  grossen  An- 
zahl derselben  nicht  kannten,  und  doch  sind  essbare  Schwämme  in  (Ter  Wald- 
region des  0.  sehr  häufig.  Im  Staat  New  York  sammelte  Prof.  Peck  allein  80 
verschiedene  Arten.  Dr.  Curtis  zählt  (im  Rep.  Agr.  Dep.  1876  S.  79)  allein 
aus  N.  Carolina  108  essbare  Schwämme  auf. 

2)  Selbst  in  den  Steppen  des  oberen  Red.  R.-Gebiets  findet  man  zahlreiche 
wilde  Reben,  die  im  Flugsande  halb  vergraben,  aber  vielleicht  gerade  durch 
diese  wärmebergende  Sandhülle  um  so  fruchtreicher  sind.  Sie  bedecken  Hunderte 
von  Acres,  die  wie  Weinfelder  erscheinen.  Long  beschreibt  sie  als  „so  mit 
Früchten  beladen,  dass  jeder  Theil  des  Stammes  verhüllt  ist"  und  die  Früchte 
„unvergleichlich  feiner  als  irgend  eine  andere  einheimische  oder  fremde  Traube". 
Acc.  of  an  Exp.  to  the  Rocky  Mts.  1823.  II.  126.  Man  hat  in  den  V.  St. 
vorgeschlagen,  diese  Sandumhüllung  künstlich  zur  Beförderung  der  Reife  der 
Trauben  zu  bewerkstelligen. 


51-.  p  k 


YL^mmM^MEUMMr'.^^^^mmm:^^^^^  hilil|i,iiilllill,:iilli%ii'iilii,Jfhii|li!l!lllli!IIMIIIM 

Verlag  von  R.  Oklenbourg  in  München  und  Leipzig, 

Die 

Vereinigten  Staaten 

von 

Nord -Amerika. 

Von 

Dr.  Friedrich  Ratzel, 

0.  ö.  Profes.sor  dor  Erdloinde  an  der  teclniisclifii  Hoclisrlmle  zu  Mi'mclien. 

2   Bände. 

I.  Band  :    Physikalische  Geographie  und  Naturcharakter  der  Vereinigten  Staaten 

von  Nord-Amerika.    1878.    Lex.  8".  XIV  und  667  Seiten.  Mit  12  Holz- 
schnitten und  5  Karten  in  Farbendruck, 
Preis  geheftet  14  Mark. 

„      in  elegantem  Original-Leinwandband  16  Mark. 

II.  Band    (soeben    erschienen):    Culturgeographie   der   Vereinigten   Staaten    von 

Nord-Amerika  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  wirthschaftlichon 
<  Verhältnisse.    1880.    Lex.  8«  XVI    und  762  Seiten. 

Preis  geheftet  18  Mark. 

„     in  elegantem  Original-Lein  wandband  20  Mark. 


'■■^-H"^    Jeder  Band  ist  auch  einzeln  käuflich.    "— ": 

Prospect. 

Die  Arbeiten  der  Forscher  und  Sammler  in  den  geographischen 
Wissenschaften  und  die  Theilnahme  des  Publikums  an  demselben  gehen 
launenhafte  Wege.  Manchmal  leiden  ganze  Länder,  selbst  Erdtheile,  unter 
einer  Vernachlässigung,  für  welche  man  keinen  thatsächlichen  Grund  findet, 
während  die  Theilnahme  sich  nach  anderen  Seiten  hin  aus  Motiven  con- 
centrirt,  welche  man  ebenso  schwer  erkennt.  Es  liegt  darin  etwas,  das  an 
die  Unberechenbarkeit  der  Moden  erinnert.  Wenn  Nord- Amerika  und  beson- 
ders derjenige  Theil  desselben,  welcher  von  den  Vereinigten  Staaten  einge- 
nommen wird,  zu  den  von  der  wissenschaftlichen  Erdbeschreibung  vernachläs- 
sigten Gegenden  der  Erde  gehört,  so  kann  nur  in  dieser  Willkür  eine  Erklärung 
dafür  gesucht  werden.  Man  schütze  nicht  die  Schwierigkeiten  vor,  welche 
durch  die  reissend  schnelle  und  an  tausend  Punkten  zugleich  fortschrei- 
tende Entwickelung  seiner  Culturverhältnisse  der  Fixirung  eines  Gesammt- 
bildes  sich  entgegenstellen!  Diese  müssen  Ja  überall  überwunden  werden, 
wenn  wir  nicht  von  vornherein   auf  die  Beschreibung    dessen  verzichten 

"inti!lil!iHWIili!li|!"!iHHii'!inni!i|lMu|l!i!Miiy!i;1!l|Hl|i!l||!!|i!'i!!l|l!l!Mii^ 

-     1     — 


a»iniOTIMI!llllll!Mlllllinlll!ll!llHllin!llilllllilllHli)lllllll!lllllllil|iHliiililil!ili:i!iN:Miil'n'^^ 


wollen,  was  nicht  starr,  nicht*  völlig  unbeweglich  ist.  Man  begreift  es, 
wenn  der  Bildhauer  vor  einem  jugendlichen  Körper  endlich  den  über- 
genauen Meissel  sinken  lässt,  dessen  langsamer  Nachahmung  die  Natur 
mit  der  Raschheit  ihres  Wachsthums  voraneilt ;  aber  in  der  Wissenschaft 
muss  man  sich  immer  entschliessen  können,  die  Bilanz  zu  ziehen,  wenn 
es  nothwendig  ist. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  der  Mangel  einer  gründlichen  Beschreibung 
der  Vereinigten  Staaten  von  Nord- Amerika  eine  der  auffallendsten  Lücken 
in  unserer  geographischen  Literatur  bildet.  Weder  in  Deutschland,  noch 
in  England  oder  Frankreich,  und  was  noch  mehr  heisst,  selbst  nicht  in 
den  Vereinigten  Staaten  ist  in  neuerer  Zeit  der  Versuch  gemacht  worden, 
uns  das  Bild  des  hochwichtigen  Landes  nach  den  neuen  Forschungen 
und  Entdeckungen,  die  sich  seit  drei  Jahrzehnten  wahrhaft  gedrängt  haben, 
in  vertrauenswürdigen  Zügen  zu  zeichnen.  Der  praktische  Bedarf  hat 
einige  Versuche  erzeugt,  die  in  manchen  Beziehungen  nützlich  gewesen 
sind,  an  die  es  aber  ungerecht  wäre,  den  Massstab  wahrhaft  wissenschaft- 
licher Leistungen  anzulegen.  Wir  in  Deutschland  haben  seit  Jahren  auf 
Wappäus'  Handbuch  der  Geographie  und  Statistik  von  Nord-Amerika 
zurückgreifen  müssen,  das  1855  und  seitdem  nicht  mehr  erschienen  ist; 
wir  haben  daneben  an  minder  eingehenden  Arbeiten  Karl  Andree's  Nord- 
Amerika  gehabt,  das  nun  (1855  in  zweiter  Auflage  erschienen)  ebenfalls 
über  zwanzig  Jahre  alt.  Es  genügt  aber,  daran  zu  erinnern,  dass  man 
die  eingehendere  Erforschung  der  ganzen  westlichen  Hälfte  des  weiten 
Gebietes,  die  in  geographischer  Hinsicht  die  wichtigste  genannt  werden 
darf,  erst  vcn  dem  Beginne  der  grossen  Wanderungen  nach  dem  Far 
West,  d.  h.  nach  den  Steppen  und  Gebirgen  des  Westens  und  nach 
Californien,  an  datirt,  um  sich  klar  zu  machen,  wie  unvollständig  in  den 
wichtigsten  Abschnitten  gegenwärtig  diese  zu  ihrer  Zeit  vortrefflichen 
Arbeiten  sein  müssen.  Ohne  im  mindesten  die  Pflicht  der  Dankbarkeit 
zu  verletzen,  welche  wir  ihren  Verfassern  schulden,  dürfen  wir  diese 
unsere  deutschen  Grundwerke  über  die  Vereinigten  Staaten  als  für  unser 
heutiges  Bedürfniss  durchaus  ungenügend  erklären. 

Bedarf  es  unter  solchen  Umständen  des  Hinweises  auf  die  hervor- 
ragende Stellung,  welche  die  junge  germanische  Republik  des  Westens 
unter  den  Ländern  der  Erde  einnimmt,  um  das  Erscheinen  einer  neuen 
Geographie  der  Vereinigten  Staaten  zu  begründen?  Sollen  wir  erst  her- 
vorheben, dass  in  erster  Reihe  die  physikalische  Geographie  ein  hohes 
Interesse  an  der  Schilderung  eines  Landes  haben  muss,  das,  während  es 
nicht  viel  kleiner  als  Europa  selbst,  das  einzige  aussereuropäische  Land 
genannt  werden  kann,  das  nach  Oberflächengestalt,  Bewässerung,  geo- 
logischem Bau,  Pflanzen-  und  Thierwelt  genügend  genau  bekannt  ist,  um 
zu  Vergleichen  mit  unserem  Erdtheil  herangezogen  werden  zu  können? 
Bei  einem  grossen  Ueberblick  der  Thatsachen  der  vergleichenden  Erd- 
kunde darf  man  wohl  sagen,  dass  Europa  und  Nord-Amerika  zusammen 
mindestens  vier  Fünftel  der  Thatsachen  liefern,  auf  welche  diese  Wissen- 
schaft ihre  Schlüsse  gründet.  Die  beiden  bestdurchforschten  Erdtheile, 
sind  sie  es  auch,  die  es  am  meisten  zu  kennen  lohnt.  Geht  man  gar  in 
die  Geschichte  der  Erde  ein,  so  ist  es  nur  von  ihnen  möglich,  ein  all- 
gemeines Bild  der  geologischen  Entwickelung  und  der  Entwickelung  ihrer 
Lebewelt  zu  entwerfen. 


KIIIIIÜIIIIIInllllllllllHIIII 


iinnnininiiiii!iii'iMiiiniiiiiiiilliininiirn:!ni;iiiiii!iii;ni:T:ii;!iiiHiiini!!iiiiiiiiiiii'iiiiniiiiiniiiiiii)iiiiiiii!i!iini»iniiiii!ini 


Sollen  wir  fernerhin  daran  erinnern,  dass  die  Gulturgeographie  sich 
ausser  mit  Russland  mit  keinem  gleichgrossen  Staate  civilisirter  Völker 
zu  beschäftigen  hat?  Dass  die  Vereinigten  Staaten  mit  ihren  nahezu 
10  Millionen  Q.Kil.,  ihren  45  Millionen  Einwohnern,  ihrem  Handelsverkehr 
von  4  Milliarden,  ihren  Eisenbahnen  von  120  000  Kil.,  ihren  Telegraphen, 
Dampferlinien ,  Häfen ,  Grossstädten ;  ihrem  Rassen-  und  Völkergemisch, 
welches  Staats-  und  Gesellschaftsformen  erzeugt,  die  wir  in  der  Alten  Welt 
nicht  kennen ;  ihrer  Verpflanzung  altweltlicher  Culturproducte  in  den  jungen 
Boden,  der  bald  zur  Versuchsstation  aller  hohen  und  niedern  Erfindungen 
des  Menschengeistes  geworden  scheint  —  dass  dieses  seltsame,  gährende, 
nervöse  Volk,  das  dem  Ethnographen  das  nie  gesehene  Schauspiel  eines 
aus  bekannten  Elementen  zu  einem  vorher  unbekannten  Typus  erwach- 
senden Volkes  bietet,  dass  dieser  Staat,  der  grösste  Freistaat  der  Neuzeit, 
der  in  100  Jahren  zu  einer  achtunggebietenden  Weltmacht  erwachsen  ist, 
gekannt  werden  muss,  und  nicht  oberflächlich,  von  Jedem,  der  überhaupt 
die  moderne  Welt  verstehen  will?  Wir  wollen  uns  hüten,  die  hundertmal 
gehörten  Gemeinplätze  von  der  ausserordentlichen  Bedeutung  und  der  ge- 
waltigen Zukunft  Amerikas  neuerdings  hier  auszubreiten;  wir  wiederholen 
nur,  dass,  angesichts  der  vielseitigen  Wichtigkeit  dieses  Staates  und  Volkes, 
das  Unternehmen  einer  eingehenden  Darstellung  desselben  nicht  allein 
berechtigt,  sondern  vom  wissenschaftlichen  wie  praktichen  Standpunkt  un- 
zweifelhaft nothwendig  ist.  Es  ist  möglich,  dass  wir  unsere  Kräfte  über- 
schätzen, aber  es  ist  nicht  möglich,  dasselbe  mit  der  Bedeutung  der 
Aufgabe  zu  thun,  die  wir  uns  gestellt  haben. 

In  der  Behandlung  des  Stoffes  war  der  Verfasser  bestrebt,  die 
wissenschaftliche  Gründlichkeit  mit  allgemeiner  Verständlichkeit  und  das 
rein  geographische  und  völkerkundliche  Interesse  mit  der  praktischen 
Benützbarkeit  zu  verbinden.  Der  Geschäftsmann,  der  Auswanderer,  der 
Zeitungsleser,  jeder  Freund  der  Erdkunde  wird  sich,  wie  wir  hoffen, 
ebensowenig  vergeblich  an  dieses  Buch  um  Auskunft  wenden,  wie  der 
Gelehrte,  und  man  hat  eingedenk  der  Erfahrung,  dass  es  oft  weniger  die 
Art  des  Inhalts  von  einem  Buche  als  die  unklare  Disposition  und 
schwierige  Erreichbarkeit  desselben  ist,  welche  den  praktischen  Gebrauch, 
besonders  bei  geographischen  Werken,  erschweren,  der  Anordnung  des 
Stoffes  nach  seinen  natürlichen  Abschnitten,  der  Druckökonomie,  der 
graphischen  Veranschaulichung,  dem  Inhaltsverzeichniss  und  dem  Register 
die  grösste  Aufmerksamkeit  zugewendet. 

Die  Gliederung  des  Stoffes  ergibt  sich  aus  den  nachstehenden 
Inhaltsverzeichnissen  der  beiden  Bände  des  Werkes.  In  dem  ersten 
Bande,  welcher  die  physikalische  Geographie  und  den  Naturcharakter  der 
Vereinigten  Staaten  von  Nord-Amerika  behandelt,  ist  zunächst  die  wissen- 
schaftliche Beschreibung  und  Zusammenfassung  streng  getrennt  gehalten 
von  der  Schilderung;  die  erstere  nimmt  den  Allgemeinen,  die  letztere 
den  , Schildernden  Theil'  ein.  Während  in  diesem  durch  die  Aneinander- 
reihung einer  Reihe  von  Naturbildern,  theils  nach  eigener  Anschauung 
des  Verfassers,  theils  nach  den  zuverlässigsten  Gewährsmännern,  wie  Agassiz, 
Bartram,  Cooper,  Dodge,  James,  Norwood,  B.  Taylor,  Pr.  von  Wied  u.  A. 
der  Versuch  gemacht  wird,  ein  Naturgemälde  der  Vereinigten  Staaten 
in  den  grössten  Zügen  zu  entwerfen,  das  Treue  mit  künstlerischer  Be- 
schränkung   auf   das    Charakteristische    verbinde,     ging   im    Allgemeinen 


—    3    ~      \ 


llililllliMlllliIHHiilHIIIIIIIliiillinillllil 


niiiiiiiiiiiiiniii!ii!iiiiiiiiiiiiii|iiiiiiii 


Theil  das  Bestreben  dahin,  die  verschiedenen  natürlichen  Gruppen  der 
geographischen  Erscheinungen  streng  gesondert  zu  halten,  dieselben  erst 
unter  allgemeinen  Gesichtspunkten  zu  betrachten,  dann  in  ihre  Theile  zu 
zerlegen  \nd  jeden  von  diesen  mit  demjenigen  Mass  von  Eingehen  auf 
das  Detail  zu  behandeln,  welches  nöthig  erscheint,  um  dem  Buche  den 
Charakter  eines  praktischen  Nachschlagebuches  neben  dem  eines  wissen- 
schaftlichen Handbuches  zu  verleihen. 

,  Der  zweite  Band  des  Werkes  schildert  die  culturgeographischen  Ver- 
hältnisse der  Vereinigten  Staaten.  /Dieselben  sind  zwar  in  möglichster 
Vollständigkeit  dargestellt,  immerhin  aber  waltete  dabei  die  Rücksicht  auf 
ihre  allgenieinen -Eigenschaften,  ihre  Beziehungen  zu  den  natürlichen  Daseins- 
bedingungen, zum  Leben  und  zur  Zukunft  des  nordamerikanischen  Volkes, 
endlich  ihre  geschichtliche  Entwickelung  mehr  vor  als  das  Streben  nach 
Darbietung  von  möglichst  vielen  Einzelheiten.  So  wie  im  ersten  Band  die 
Naturverhältnisse,  so  sollten  hier  die  Culturzustände  des  grossen  Reiches 
zu  einem  Gesammtbilde  vereinigt  werden,  und  in  demselben  sollten  die 
grossen  Züge  nicht  durch  unnöthige  oder  gar  ungeordnete  Anhäufung  von 
minder  wichtigen  Thatsachen  ihrer  natürlichen  Deutlichkeit  beraubt  werden. 
Jede  Seite  des  Culturlebens  der  Nordamerikaner  sollte  aber  eingehende 
Behandlung  finden  und  jede  einzelne  auch  nach  dem  Masse  der  Wichtigkeit, 
welche  sie  für  uns  Aussenstehende  besitzt.  Selbstverständlich  ergab  sich 
dabei  eine  vorwiegende  Berücksichtigung  der  wirthschaftlichen  Zustände 
und  Ent Wickelungen,  welche  ja  in  jedem  Volke  als  breites  Fundament  dem 
ganzen  übrigen  Culturbaue  zu  Grunde  liegen,  eine  besondere  Beachtung 
aber  verdienen  bei  einem  so  jungen  und  daher  so  sehr  noch  mit  der 
Entfaltung  dei  materiellen  Möglichkeiten  seines  Landes  beschäftigten  Volke, 
wie  den  Nordamerikanem.  Voraussichtlich  werden  die  Nordamerikaner 
fortfahren,  in  den  nächsten  Jahrzehnten  ihre  Stellung  als  das  in  allen 
wirthschaftlichen  Beziehungen  hervorragendste  Volk  der  aussereuropäischen 
Länder  immer  mehr  auszudehnen  und  zu  verstärken,  und  ihr  Wirthschafts- 
leben  wird  von  immer  grösserer  praktischer  Bedeutung  für  alle  anderen 
Völker  werden.  Es  schien  daher  sowohl  aus  wissenschaftlichen  als 
aus  praktischen  Gründen  wünschenswerth  zu  sein,  dasselbe  ausführlich 
darzustellen.  Die  beigegebenen  Karten  und  Figuren  werden  zur  Ver- 
ständlichkeit der  einschlägigen  Verhältnisse  sich  dienlich  erweisen. 

In  den  allgemeinen  Abschnitten  beider  Bände  ist  dem  genetischen 
und  vergleichenden  Element  jene  Beachtung  gewidmet,  welche  die  moderne 
Erdkunde  erheischt;  die  Betonung  der  geologischen  und  erdgeschichtlichen 
Verhältnisse  im  ersten,  der  ethnographischen  und  geschichtlichen  im 
zweiten  Bande  prägt  diese  genetische  Auffassung  aus,  welche  dazu  dienen 
wird,  die  Erfassung  mancher  fremdartigen  Erscheinung  der  amerikanischen 
Natur  und'  des  amerikanischen  Lebens  zu  vertiefen,  hoffentlich  auch  in 
einigen  Fällen  zu  erleichtern. 

Von  Gesinnung,  die  politische  oder  religiöse  Schriften  dictiren  mag, 
hat  man  bei  einer  wissenschaftlichen  Arbeit  kein  Recht  zu  sprechen; 
die  Gesinnung  des  Naturforschers  —  und  der  Geograph  i  s  t  Naturforscher  — 
ist  in  der  Liebe  zur  Wahrheit  vollständig  umschlossen.  Man  wird  den 
Verfasser  überall  ganz  von  derselben  geleitet  finden.  Auch  in  jenen 
schwierigen  Fragen  der  Culturgeographie,  in  denen  kein  Schluss  nach 
naturwissenschaftlicher    Methode     gezogen,    sondern    zunächst    nur    eine 


-    4    — 


iiiiiiii;ii;iiilimiiiiniii(><iiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!i|iiihiiiiiiiiii:Hii!iiiiii»iiiiiiiiiiiiiinHiniiiiiii!iiiii:!ii;iiiiiiini:^::^^ 


möglichst  breit  basirte  Meinung  ausgesprochen  werden  kann  (Beurtheilung 
des  Volkscharakters,  der  politischen  und  socialen  Verhältnisse  und  ähnl.) 
ist  der  Verfasser  mit  Erfolg  bestrebt,  auf  dem  Grunde  jener  Methode 
in  kühler  neid-  und  neigungsloser  Unbefangenheit  zu  verharren. 


InüaltsTerzeicliiüss  äes  I.  Baiiies, 

Einleitung.  Der  westliche  Erdtheil  gegenüber  dem  östlichen.  Gemein- 
same Grmidzüge  im  Aufbau  Nord-  und  Süd- Amerikas.  Nord-Amerika  als 
geographische  Individualität.  Gliederung  der  Umrisse.  Innere  Gliederung  durch 
die  Stromsysteme.     Klimatische  Verhältnisse.     Die  Organismen. 

Allgemeiner  Theil. 

I.  Begrenzung  und  ümriss.  Die  natürlichen  Grenzen  der  Vereinigten 
Staaten.  Politische  Grenzlinien.  Die  Küstenlinie.  Ihre  Gliederung.  Inseln.  Halb- 
inseln. Vorgebirge.  Buchten.  Münduugsbuchten.  Allgemeine  Form  der  Küstenlinie. 

IL  Geologischer  Bau.  —  Anhang:  Geologische  Entwickelung 
desContinents.  ' 

III.  Oberflächengestaltung.  Ihre  Grundzüge.  —  Die  Alleghanies. 
—  Das  Gebirgsland  des  Westens.  —  Die  Hochebene  im  Norden.  — 
Das  Flaphland  des  Inneren.  —  Anhang  I.  Der  Meeresboden  an  den 
Küsten  der  Vereinigten  Staaten,  Anhang  II.  Jüngere  Veränderungen 
der   Oberflächengestalt. 

IV.  Ströme,  Flüsse  und  Seen.  —  Anhang!.  Quellen  und  Höhlen 
Anhang   II.    Zur  Gescliichte  der  Ströme  und  Seen  in  Nord-Amerika. 

V.  Das  Klima.  Verbreitung  der  Niederschläge.  —  Die  Luft- 
strömungen. —  Die  Stürme.  —  Die  Jahreszeiten.  —  Die  extremen 
Schwankungen,  —  Wald-  und  Schneelinie.  — Anhang  I,  Die  Meeres- 
strömungen an  den  nord amerikanischen  Küsten.  Anhang  II.  Ver- 
schiedene atmosphärische  Erscheinungen. 

VI.  Die  Pflanzenwelt.  Das  Waldgebiet,  —  Das  Prärien-  und 
Steppengebiet.  —  D  i  c  W  ü  s  t  e  n.  —  D  i  e  c  a  1  i  f  o  r  n  i  s  c  h  e  F 1  o  r  a.  —  Anhang  I. 
Die  Entstehung  der  Prärien.  Anhang  II.  Die  Vertretung  der  wich- 
tigsten Pflanzenfamilien  in  der  Flora  der  Vereinigten  Staaten. 

VII.  Die  Thierwelt.  —  Anhang:  Geschichte  des  organischen 
Lebens  in  Nord-Amerika. 

Schildernder  Theil. 

I.  Amerikanische  Landschaft.  —  II.  Wald  und  Urwald  in  den  atlan- 
tischen Staaten.  Herbstfärbung.  —  IIL  Der  HudsonÜuss.  —  IV.  Gebirgsscenerie  der 
Nord-Alleghanies.  —  V.  Neu-England.  —  VI.  Durch  die  Alleghanies  von  Penn- 
sylvanien.  -^  VII.  Allgemeiner  Naturcharakter  des  Südens.  —  VIII.  Die  Küsten- 
landschaft von  Virginien  bis  Süd-Carolina.  Die  Pine- Barrens.  —  IX,  Oasen 
der  Pine-Barrens.  —  X.  Die  Sumpfcypresse,  —  XI.  Die  Keys  von  Florida.  — 
XII.  Flussscenerie  (Mississippi,  Alabama,  Ohio).  —  XIII.  Die  Seeregion.  — 
XIV.  Niagara.  —  XV,  Seen  und  Flüsse  des  Nordwestens,  —  XVI  Die  Prärie.  — 
XVII,  Die  Piains.  —  XVIII.  Den  Missouri  hinauf.  —  XIX.  Das  Felsengebirge.  — 
XX.  Quer  durch  das  Grosse  Becken.  —  XXI.  Der  Colorado.  —  XXII.  Aus  der 
Sierra  Nevada.  —  XXIII.  Die  Riesencedern.  —  XXIV.  Californische  Natur. 


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Einige  ümeile  üDer  Jett  I.  BaM  äes  Wertes: 

Jedem  Geograplien,  jedem  ferner  der  die  Seele  der  Neuen  Welt  nicht  nur  aus  Tagesblättern  und 
Touristenliteratur  kennen  lernen  will,  wird  das  oben  genannte  Werk  eine  höchst  willkommene  Er- 
scheinung sein,  zumal  da  es  einen  schon  rühmlichst  bekannten  Gelehrten  und  Weltreiseuden  zum 
Verfasser  hat,  der  einen  grossen  Theil  des  zu  behandelnden  Gebietes  aus  eigener  Anschauung  kennt. 
Der  vorliegende  erste  Band  zerfallt  in  einen  allgemeinen  Theil  (Begrenzung  und  Umriss,  geolo- 
gischer Bau,  Oberflächengestaltung,  Ströme,  Flüsse  und  Seen,  Klima,  Pflanzenwelt,  Thierwelt)  und 
einen  schildernden  Theil;  letzterer  bringt  eine  Keihe  von  wohl  abgerundeten  und  anziehend  geschrie- 
benen landschaftlichen  Schilderungen,  denen  theils  eigene  Erfahrungen  und  Beobachtungen,  theils  Be- 
richte anderer  Reisenden  zu  Grunde  liegen.    Die  Ausstattung  des  Werkes  ist  vorzüglich. 

„Aus  allen  Welttheilen."     (Leipzig,  0.  Mutze.) 

Die  strengere  wissenschaftliche  Darstellung  des  Ganzen  wird  aufs  glücklichste  ergänzt  durch  eine 
Keihe  von  glänzenden  Naturbildern  nach  berühmten  Forschern  und  Schriftstellern.  Wir  begrtissen  die 
Inangriffnahme  dieses  so  gewaltigen  wie  wichtigen  Stoffes  auf  das  freudigste. 

*  6  s  6  ^j^.^  Heimat"  I.  Band  Nr.  8. 

Vortrefflich  ist  der  ein  sehr  reiches  Programm  gewährende  schildernde  Theil.  Wir  finden  da 
ein  vom  Geiste  eines  vielseitig  gebildeten  Forschers  durchdrungenes  Naturgemälde  des  merkwürdigen 
Landes,  in  welchem  trotz  der  von  Jahr  zu  Jahr  sich  mehrenden  riesigen  Kulturfortschritte  noch  weite 
Gebiete  voll  wildpoetischen,  urwüchsigen  Wald-  und  Prairienlebens  sich  erstrecken.  Wir  erinnern  uns 
nicht,  seit  dem  bekannten  Handbuche  von  Karl  Andree  über  Nordamerika,  das  trotz  aller  seiner  vor- 
züglichen Eigenschaften  nunmehr  veraltet  erschien,  ein  Werk  von  ähnlicher  Tüchtigkeit  über  den  be- 
treffenden Gegenstand  in  die  Hände  bekommen  zu  haben.  Die  berühmte  Verlagsfirma  hat  auch  hier 
für  vortreffliche  Ausstattung  gesorgt.  „Zeitschrift  für  Ethnologie"    1878  Heft  V. 

Dieses  grosse  Werk  zeichnet  sich  glcichmässig  aus  durch  Gehalt  wie  durch  Form.  Es  macht  von 
vorn  herein  einen  imposanten  Eindruck,  und  dieser  wird  durch  eingehendes  Studium  nicht  geschwächt. 
Der  Verfasser  beherrscht  offenbar  ein  grosses  Material ;  dazu  kommt,  dass  er  aus  eigener  Erfahrung  das 
Land  genau  kennt:  er  hat  es  nicht  flüchtig  und  durch  nebensächliche  Zwecke  beschränkt  durchwandert, 
sondern  unbehelligt  von  Nebenrücksichten  sehen  und  studireii  können.  Und  so  nehmen  wir  denn  mit 
Dank  die  herrliche  Gabe  an,  die  er  uns  nun  als  reife  Frucht  seiner  Studien  bietet,  doppelt -danTcbar  weil 
ein  so  köstliches  wissenschaftliches  Geschenk,  getragen  vom  rechten  Verständnisse  der  Verlagshandlung, 
in  angemessenem  Gewände  auftritt.    Möge  das  Buch  den  verdienten  Beifall  reichlich  finden! 

„Gaea"    1878   S.  432. 

...  Es  ist  daher  höchst  erfreulich,  dass  die  auffallende  Lücke  in  unserer  Literatur  endlich 
ausgefüllt  wird,  und  zwar  von  der  bewährten  Hand  KatzeTs  und  in  so  vortrefflicher  Weise,  wie 
der  vorliegende  erste  Band  des  Werkes  dies  verspricht.  Wenn  der  Verfasser  dem  Buche  den  Charakter 
eines  praktischen  Nachschlagebuches  neben  dem  eines  wissenschaftlichen  Handbuches  gewahrt  wissen 
wollte,  wie  er  dies  in  der  Vorrede  betont,  so  ist  ihm  dies  vollständig  gelungen. 

Wiener  „Neue  Freie  Presse"  16.  Juni  1878. 

Wie  man  sieht,  ist  das  Werk  gross  angelegt.  Es  enthält  einen  ausserordentlichen  Reich thura 
bisher  noch  wenig  bekannter  und  in  vergleichender  Ztisammenstellung  höchst  werthvoller  Thatsachen. 
Die  Combination  eines  wissenschaftlichen  Hahdbuches  mit  einer  Schilderung  von  Land  und  Volk  ist  in 
der  gewählten  Form  eine  neue  und,  wie  uns  scheint,  eine  sehr  glückliche.  Im  ersteren  Theile  geht  der 
Verfasser  u.  A.  in  den  geologischen  Bau  und  die  Entwickelung  des  Landes,  die  neueren  Veränderungen 
durch  Erdbeben,  Erosionen,  Hebungen  und  Senkungen,  in  die  Beschaffenheit  des  Meeresbodens,  die 
Strömungen,  Gezeiten,  sodann  in  die  Verbreitungsverhältnisse  der  Thiere  und  Pflanzen  näher  ein,  als 
es  sonst  bei  Länderbeschreibungen  zu  geschehen  pflegt.  Der  schildernde  Theil  bewährt  in  glänzender 
Weise  das  grosse  Talent  Ratzel's  in  der  Beobachtung  der  Charakterzüge  der  Landschaften  und  ihrer 
Bewohner.  Wenn  wir  den  Werth  dieses  Theiles  besonders  betonen,  die  geistreiche  Auffassung,  die 
Feinheit  und  Treue  der  Beobachtung  hervorheben,  so  dürfen  wir  dabei  auf  Grund  der  eigenen  persön- 
lichen Erinnerung  sprechen.  Ratael's  Werk  ist  jedenfalls  eine  bedeutende  Bereicherung  unserer 
j-      geographischen  Literatur,  und  ohne  Zweifel  wird  man  es  in  Amerika  selbst  freudig  begrüssen. 

„Weser  Zeitung"  28.  April  1878. 

Da  der  Verfasser  die  Union  aus  eigener  Anschauung  kennt  und  mit  ausserordentlichem  Fleiss  die 
einschlägigen  Quellenwerke  zu  Rathe  gezogen  hat,  so  bietet  er  ein  sehr  verlässliches  und  eindrucksvolles 
Gesammtbild  dieses  gewaltigsten  Staatsgebietes  der  Neuen  Welt.  —  Am  genussreichsten  wirkt  die  zweite, 
schildernde  Abtheilung.  In  ihr  geleitet  uns  der  Verfasser  an  der  Hand  der  selbstempfangenen  Reise- 
eindrücke, mit  denen  er  diejenigen  Anderer  frei  verwebt,  durch  alle  Hauptformen  der  so  mannigfaltigen 
Landschaft  von  Sabalpalmen  und  Cypressen  des  schon  fast  tropischen  Südens  nach  der  bunten  Wälder- 
pracht des  Nordostens  von  mehr  deutscher  Art,  dann  wieder  in  die  offenen  Grasfluren  jenseit  des 
Mississippi  mit  ihren  galoppirenden  Büffelheerden  und  über  die  öde  starrenden  Zinnen  des  Felsen- 
j  gebirges  in  die  wüstenartigen  Bocken  des  fernen  Westens,  endlich  auf  die  von  Riesencedern  bewachsene 
I  „Schneekette"  und  zur  pacifischen  Küste.  Eben  weil  auch  in  diesen  Landschaftshildern  kein  süsslich 
empfindsamer  Missklang  stört,  sondern  allein  zu  möglichst  malerischer  Veranschaulichung  des  Wirklichen 
die  Sprache  lebendig  sich  hebt,  vollendet  sich  in  ihnen  die  wohlgelungene  Lösung  der  Aufgabe,  die 
sich  der  Verfasser  gestellt :  das  Land  der  grössten  Zukunft  jenseit  des  Weltmeeres,  die  Stätte  einer 
schon  80  vielseitig  uns  im  alten  Europa  berührenden  hohen  Machtentfaltung,  die  neue  Heimat  so  vieler 
Tausende  deutscher  Auszüglinge  uns  so  eingehend  und  umfassend  zu  verdeutlichen,  wie  es  vorher  noch 
nie  geschehen  war.  „Die  Gegenwart"     Band  XV  Nr,  14. 


—    6    — 


iiifiii!|i|iiiiiiiiiiiiiiiiiiimiliiiliilinihiOiiiiiii!!i!iiliii'!:"""M'!"'in::!":h:i;!!'!!"  'm-' ^v-- :  i,'!!ii^i  .  - -' m/.  ::!!ii:ii|i!iiiB:ii!:i)i|:;iiji|iiiii[iiiiii'ii:i|iiiiiiiimii;iii!iii iiiH'ii'.iui;iiii!iiHiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiMiiliinliiiii! 


Nur  Weniges  haben  wir  aus  dem  in  dem  Buche  aufgehäuften,  kolossalen  Material  hervorgehoben, 
und  auch  das  konnten  wir  nur  zu  kurz  u,nd  flüchtig  berühren ;  wir  hoffen  jedoch,  genug  gesagt  zu  haben, 
um  jeden  Freund  einer  feinen,  wissenschaftlich  gründlichen  Schilderung  eines  schönen  Landes  in  dem 
Gewände  einer  formvollendet-künstlerischen,  abei  einfachen  Sprache  zur  Lektüre  dieser  kostbaren  Be- 
reicherung unserer  Literatur  zu  veranlassen. 

„Magazin  für  Literatur  des  Auslandes"    1878   Nr.  35. 

This  is  a  beautiful  volume,  well  printed,  with  large,  clear  type,  on  fine  paper,  and  with  neatly- 
executed  maps.  Altogether  it  is  a  good  piece  of  work,  and  one  which  will  be  useful  to  Americans  as 
well  as  to  Germans  and  others  wlio  are  in  the  habit  of  adding  to  their  stock  of  knowledge  through 
the  medium  of  the  German  language. 

Dr.  Ratzel's  work  is  divided  into  two  parts,  the  first  of  which  is  called  general;  the  second, 
descriptive.  In  these  descriptive  sketches  Dr.  Ratzel  gives  ua  the  impressions  made  on  his  own  mind 
by  some  of  the  prominent  scenic  features  of  tlie  country,  quoting  freely  at  the  same  time  frora 
American  authors,  such  as  Fenimore  Cooper,  Thoreau,  and  Wilson  Flagg. 

The  most  valuable  park  of  Dr.  Ratzel's  volume  is  the  so-called  „Allgemeine  Theil",  divided  into 
seven  sections,  as  follows  :  L  Bonndaries  and  Outline;  II.  Geological  Structure;  III.  Topography  (Ober- 
flächengestaltung); IV.  Rivers  and  Lakes  ;  V.  Climate;  VI.  Flora:  VII.  Fauna.  In  regard  to  sections  iii. 
to  vii.  of  this  division  of  Dr.  Ratzel's  book  we  have  no  words  bute  those  of  praise,  since  they  seem  to 
have  been  compiled  from  the  best  authoritios  with  the  utmost  care  and  with  a  clear  understanding  of 
the  nature  of  the  problems  involved.  The  cliapter  on  climate  offers  decidedly  the  best  resume  of  the 
subject  which  has  yet  been  furnished.  „The  Nation"    21/11.   78    Nr,  C99. 

Um  es  vorweg  zu  nehmen,  gehörten  schon  damals,  wo  sie  (in  der  Köln.  Ztg.)  erschienen,  diese  Natur- 
malereien zu  dem  Besten,  was  die  deutsche  Literatur  auf  dem  betreffenden  Gebiete  aufzuweisen  hatte,  und 
noch  heute  nehmen  sie  diesen  Rang  ein.  Es  gehörte  dazu  nicht  nur  ein  scharfer  Blick  für  das  Besondere, 
Eigenthümliche  und  Allgemeine  einer  Landschaft,  sondern  auch  ein  geistiger  Aufbau  derselben  auf 
geologischem,  botanischem,  zoologischem  und  kosmischem  Grunde,  verbunden  mit  einer  Herrschaft  über 
die  Sprache,  die  uns  gerade  wegen  ihrer  Einfachheit  und  Ursprünglichkeit  anmuthet.  Ueberhaupt 
bedurfte  es  dazu  eines  generalisirenden  Kopfes  bei  genügender  Einsicht  in  die  wissenschaftliche  Natur 
der  betreffenden  Baumaterialien.  .  .  .  Von  der  Absicht  ausgehend,  ein  Nadischlagebuch  über  die  Geo- 
graphie der  V.  St.  zu  liefern,  das  zugleich  den  Charakter  eines  wissenschaftlichen  Handbuches  in 
sich  trage,  hat  der  Vf.  damit  auch  ein  lesbares  Lehrbuch  geschrieben.  Mit  dem  letzten  Attribute 
wollen  wir  ihm  ohne  Weiteres  das  höchste  Lob  ertheilt  haben;  so  sollten  wissenschaftliche  Gründlichkeit 
stets  mit  allgemeiner  Verständlichkeit  verschmolzen  sein.  Denn  auf  diese  Weise  hat  der  Vf.  Allen 
genützt:  der  Geographie,  indem  er  ein  unendliches  Material  zu  einem  klaren,  durchsichtigen  Baue 
zusammenfügte,  jedem  Laien,  indem  er  über  Alles  genügende  Auskunft  in  ansprechender  Darstellungs- 
weise praktisch  gab.  .  .  .  „Die  Natur"  1878  Nr.  21. 

.  .  .  Hätte  der  Gedanke  des  Ratze  l'schen  Buches  daher  einer  speciellen  Motivirung  kaum 
bedurft,  so  können  wir  auch  mit  gutem  Gewissen  versichern ,  dass  der  Autor  im  Grossen  und  Ganzen 
sich  seiner  Leistung  aufrichtig  freuen  darf,  um  so  mehr  als  diese  die  erheblichsten  Schwierigkeiten  zu 
überwinden  hatte  und  nur  aus  den  wcitestverzweigten  Studien  physikalischer  und  geologischer,  ©ro- 
und hydrographischer,  botanischer  und  zoologischer,  klimatologischer  und  meteorologischer  Art  erwachsen 
konnte.  Alle  diese  verschiedenen  Momente  liat  Prof.  Ratzel  mit  dem  anerkennenswerthesten  Fleis.se, 
in  einzelnen  Partien  mit  fast  erschöpfender  Vollständigkeit,  in  Betracht  gezogen  und  mit  einander  in 
Parallelen  und  Verbindung  gebracht,  um  uns  ein  möglichst  concretes  Bild  der  physikalisch-geographischen 
Beschaffenheit  der  Vereinigten  Staaten  Nordamerikas  zu  zeichnen.  „Das  Ausland." 

.  .  .  It  treats  at  great  length  of  the  natural  characteristics  of  the  country,  geology,  soil, 
rivers,  lakes,  climate,  plänts  and  animals,  giving  descriptions  of  the  woods  and  their  autumn  colors : 
of  the  Hudson  river  scenery,  and  thafc  of  the  Alleghanies ;  of  the  pine  banens  and  cedar  swamps  of 
the  South;  of  the  prairies  and  plains  of  the  West,  and  of  the  leading  features  of  each  section,  with 
meteorological  studies  and  tables  —  in  short,  a  geographical  encyclopedia  of  this  country.  ...  He 
has  aimed  at  Alling  a  want  feit  by  many  men  of  science,  an  exhaustive  geography  of  the  United  States, 
and  to  do  this  by  collecting  and  arranging  in  scientific  order  the  facts  that  make  a  complete  sketch 
of  the  physical  geography  and  natural  features  of  the  United  States,  and  the  data  that  will  fully 
supply  the  polilical  and  social  geography  of  the  great  republic,  and  serve  both  for  practical  and  scientic 
reference  as  well  at  home  as  abroad.  The  plan  of  the  book  is  to  avoid  merely  theoretical  discussion, 
to  give  the  actual  state  of  the  physical  geography,  with  a  comprehensive  sketch  of  each  of  its  leading 
characteristics,  climate,  water,  surface,  geology,  the  results  and  changes  produced  by  eartliquakes, 
erosion,  and  other  influences,  either  continuous  or  irregulär,  and  an  account  of  the  distribution  of 
animals  and  vegetables,  and  thus  to  furnish  the  natural  history  of  the  country,  and  to  give  sketches 
of  special  regions  remarkable  for  picturesqueness  or  for  other  qualities  of  particular  interest  peculiar 
to  such  scenes  as  Niagara,  the  Yo-semite,  and  other  American  wonders.  ...  Of  such  subjects  as  have 
hither  to  been  little  studied  here,  the  effect  of  cutting  down  forests,  the  changes  in  the  natural  history 
of  a  whole  region  produced  by  this  and  other  artificial  causes,  this  new  American  Geography  gives  the 
latest  results,  and  it  is  another  evidence  of  the  abiding  interest  with  which  the  United  States  and  all 
our  leading  interests  are  thoroughly  examined  by  the  painstaking  authors  of  Germany  in  their  steady 
pursuit  of  knowledge.  „Public  Ledger"  Philadelphia  1878  Nr.  141. 


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Maltsyerzeicliiiiss  des  IL  BaMes. 

I.  Abschnitt.  Zur  Einleitung. 

I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  I.  Lage 
und  Umriss.  —  IL  Innere  politische  Wirkungen  der  Lage  und 
Gestalt  —  III.  Das  Klima.  —  IV.  Die  n  utzbaren  Pflanzen  und  Thiere. 

—  V.  Mineralschätze.    —    VI.  Naturbedingungen    der  Industrie.  — 

VII.  Die  natürlichen  Verkehrswege.  —  VIII.  Geographische  Ver- 
theilung  der  Wirthschaft.  —  IX.  Unmittelbare  Wirkungen  der 
Natur  auf  den  Geist  des  Volkes.  —  II.    Geschichtlicher  Ueberblick. 

IL  Abschnitt    Die  Bevölkerung. 

III.  Die  Indianer.  I.  Die  Rassenzugehörigkeit.  —  IL  Physische 
Merkmale  der  Indianer.  —  III.  Psychische  Eigenschaften  und  Ent- 
wickelungen.  —  IV.  Die  äussere  Ausstattung  des  Lebens.  —  V.  Die 
Sprache.  —  VI.  Die  Zahl  der  Indianer.  —  VII.  Beziehungen  zwischen 
Indianern  und  Weissen.  —  IV.  Die  Einwanderung.  —  V,  Statistik 
der  weissen  Bevölkerung.  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die 
Chinesen.     Die  chinesische  Einwanderung. 

iii.  Abschnitt.   Die  wirthschaftüchen  Verhältnisse. 

VII.  Die  Landwirthschaft.  I.  Boden  und  Klima  in  Bezug  auf  die 
Landwirthschaft.  —  IL  Natürliche  Verbreitungsgrenzen  einiger 
wichtigeren  C  ulturgewächse  und  Waldbäume.  —  III.  Amerika- 
nische Meth  öden  des  Ackerbaues.  —  IV.  Farmer  und  Landarbeiter. 

—  V.  Geschichtliche  Entwickelung  der  Landwirthschaft  in  den 
V.  St.  —  VI.  Die  wichtigsten  Erzeugnisse  des  Ackerbaues.  1.  Ge- 
treide. 2.  Andere  Nahrungsgewächse.  3.  Han  delsge  wachse.  4.  Obst. 
5.  Weinbau.  6.  Beerenfrüchte.  7.  Wiesenbau.  — VIL  Die  Viehzucht. — 

VIII.  Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung.  —  IX.  Mineralreichthum  und 
Bergbau.  Eisen.  Steinkohlen.  Gold.  Silber.  Quecksilber.  Kupfer. 
Blei.  Zink  und  andere  Metalle.  Edelsteine.  Salz.  Bausteine.  Steinöl.— 
X.  Die  Gewerbthätigkeit.  I.  Geschichtliche  Entwickelung.  —  IL  Die 
Art  des  Betriebes.  —  IILDie  Hauptzweige  der  Gewerbthätigkeit.— 
XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  L  Geschichtliche  Entwicke- 
lung. —  II.  Die  natürlichen  Grundlinien  des  Verkehres.  — JIL  Die 
schiffbaren  Flüsse.  —  IV.  DieCanäle.  —  V.  Die  Eisenbahnen.  — 
VL  Strassen  und  Brücken. —  VIL  Rhederei  und  Schiffsverkehr. — 
VIII.  Post  und  Telegraphen. —  XiL  Der  HandeL  L  Allgemeines.  — 
II.Die  Zölle. —  IIL    Der  innere  Handel.  —  IV.   Der  Aussenhandel. 

IV.  Abschnitt.   Staat  Und  Gemeinden.    Kirche  und  Schule; 
Das  geistige  Leben.    Die    Gesellschaft. 

XIII.  Der  Staat.  Die  Gemeinden.  Das  politische  Leben.  L  D  as  S  taats  - 
gebiet.  —  IL  Die  Verfassung.  —  III.  Die  Verwaltung.  —  IV.  Die  Ein- 
zelstaaten. —  V.  Gemeinden.  —  VLDas  politischeLeben.  —  XIV.  Die 
Kirche. —  XV.  Die  Schule.  Das  geistige  Leben.  L  Hemmungen  und 
Forderungen.  —  II.  Die  Unterrichtsanstalten.  —  III.  Die  Wissen- 
schaftspflege. —  IV.  Literatur.  —  V.  Kunst.  —  VL  Die  Presse.  — 
XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  I.  Das  Volk.  —  IL  Der  Einzel- 
mensch. —  IIL  Die  Gesellschaft.  —  IV.  Die  Physiognomie  des 
äusseren  Lebens. 

V.  Abschnitt.    Einzelbßschreibung  der  Staaten  und  Territorien. 


""""""""""""""i»"lll'"li"ll"l""™"""llllllilllllll"lllllll IllHillllllllllllilllllllilllllllHIIlHünilillllinilHIillllillllHN! Illllllllllll'fUlllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 

Druck  von  R.  Oldenbourg  in  München. 


Die 

Vereinigten   Staaten 


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Nord-Amerika. 


Die 

Vereinigten  Staaten 


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Von 


Dr.  Friedrich  Ratzel, 

Professor  der  Erdkunde  an  der  technischen  Hochschule  zu  München. 


Zweiter  Band. 

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Mit  2  Holzschnitten  und  9  Karten  in  Farbendruck. 


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1880. 


Culturgeographie 


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Vereinigten  Staaten  von  Nord -Amerika 


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Von 


Dr.  Friedrich  Ratze!, 

Professor  der  Erdkunde  an  der  technischen  Hochschule  in  München. 


WX  2  Holzsehnitten  und  9  Karten  in  Farhendruek 


München. 

Druck    und  Verlag   von    R    Oldenbourg. 
1880. 


iOm  STACK 


^3 


Vorwort. 


Bezüglich  Zweck  und  Grundplan  dieses  Werkes  gilt  für  den 
vorliegenden  IL  Band  dasselbe,  was  in  dem  Prospekte  und  der 
Vorrede  des  I.  Bandes  gesagt  wurde.  Hier  möge  nur  so  viel  her- 
vorgehoben sein,  dass  zwar  die  culturgeographischen  Verhältnisse 
der  Vereinigten  Staaten,  die  den  Gegenstand  dieses  Bandes  hier 
ausmachen,  in  möglichster  Vollständigkeit  dargestellt  wurden,  dass 
aber  dabei  die  Rücksicht  auf  ihre  allgemeinen  Eigenschaften,  ihre 
Beziehungen  zu  den  natürlichen  Daseinsbedingungen,  zum  Leben 
und  zur  Zukunft  des  nordamerikanischen  Volkes,  endlich  ihre  ge- 
schichtliche Entwickelung  mehr  vorwaltete  als  das  Streben  nach 
Darbietung  von  möglichst  vielen  Einzelheiten.  So  wie  im  L  Band 
die  Naturverhältnisse,  so  sollten  hier  die  Culturzustände  des 
grossen  Reiches  zu  einem  Gesammtbilde  vereinigt  werden,  und  in 
demselben  sollten  die  grossen  Züge  nicht  durch  unnöthige  oder  gar 
ungeordnete  Anhäufung  von  minder  wichtigen  Thatsachen  ihrer  natür- 
lichen Deutlichkeit  beraubt  werden.  Jede  Seite  des  Culturlebens 
der  Nordamerikaner  sollte  aber  eingehende  Behandlung  finden  und 
jede  einzelne  auch  nach  dem  Masse  der  Wichtigkeit,  welche  sie 
für  uns  Aussenstehende  besitzt.  Selbstverständlich  ergab  sich  dabei 
eine  vorwiegende  Berücksichtigung  der  wirthschaftlichen  Zustände 
und  Entwickelungen,  welche  ja  in  jedem  Volke  als  breites  Fundament 
dem  ganzen  übrigen  Culturbaue  zu  Grunde  liegen,  eine  besondere 
Beachtung  aber  verdienen  bei  einem  so  -jungen  und  daher  so  sehr 
noch  mit  der  Entfaltung  der  materiellen  Möglichkeiten  seines  Landes 
beschäftigten  Volke,  wie  den  Nordamerikanern.  Voraussichtlich 
werden  die  Nordamerikaner  fortfahren,  in  den  nächsten  Jahrzehnten 
ihre  Stellung  als  das  in  allen  wirthschaftlichen  Beziehungen  hervor- 
ragendste Volk   der   aussereuropäischen  Länder  immer   mehr   aus- 

188 


VTTT  Vorwort. 

zudehnen  und  zu  verstärken,  und  ihr  Wirthschaftslehen  wird  von 
immer  grösserer  praktischer  Bedeutung  für  alle  anderen  Völker 
werden.  Es  schien  mir  daher  sowohl  aus  wissenschaftlichen  als  aus 
praktischen  Gründen  wünschenswerth  zu  sein,  dasselbe  ausführlich 
darzustellen.  Die  beigegebenen  Karten  und  Figuren  werden  zur 
Verständlichkeit  der  einschlägigen  Verhältnisse  sich  dienlich  erweisen. 

Den  Dank,  den  ich  im  I.  Bande  den  Förderern  des  Werkes 
aussprach,  kann  ich  hier  nur  wiederholen.  Einigen  amerikanischen 
Freunden,  die  sich  denselben  noch  gesellten,  vorzüglich  den  Herren 
E.  Preetorius  in  S.  Louis,  Prof.  Werner  und  Sam.  G.  JeUiffe  in  New 
York,  sowie  den  Blättern,  die  in  ihren  Spalten  meinen  Aufruf  um 
Mittheilung  von  Material  aufnahmen,  fühle  ich  mich  besonders  ver- 
pflichtet. Einige  Zusendungen  kamen  mir  zu  spät  zu,  um  noch  in 
den  betreffenden  Abschnitten  Verwendung  zu  finden.  Besonders 
bedauerlich  war  es  mir,  G.  Gerland' s  Arbeiten  über  den  heutigen 
Zustand  der  Indianer  der  V.  St.  (Globus  Bd.  XXXV  u.  XXXVI) 
nicht  mehr  benützen  zu  können;  aber  es  gereichte  mir  wenigstens 
zur  Befriedigung,  dass  meine  nothwendigerweise  auf  viel  engerem 
Baume  sich  bewegende  Darstellung  zu  ähnlichen  Schlüssen  gelangte 
wie  jene  werthvolle  Monographie. 

Manche  Leser  werden  ein  Literatur- Verzeichniss  vermissen,  wie 
sie  es  an  der  Spitze  vieler  geographischen  Werke  zu  finden  gewohnt 
sind.  Mir  blieb  leider  für  ein  solches  von  hinreichender  Ausführlich- 
keit hier  kein  Kaum.  Uebrigens  würde  dasselbe  den  Gegenstand 
einer  eigenen  Arbeit  bilden  müssen.  Doch  kann  ich  für  die  Nennung 
vieler  Hauptwerke  auf  die  Anmerkungen  verweisen.  —  Da  die  An- 
lage des  Ganzen  der  Einzelbeschreibung  der  Staaten  und  Territorien 
viel  weniger  Gewicht  zuerkennen  Hess  als  den  allgemeinen  Ab- 
schnitten, so  waren  die  Staaten,  Städte  u.  s.  f.  sehr  häufig  schon 
in  den  letzteren  zu  berühren.  Mit  Hülfe  des  möglichst  ausführ- 
lichen Registers  wird  es  nicht  allzu  schwer  sein,  die  zerstreuten 
Erwähnungen  zu  einem  Gesammtbilde  zu  vereinigen. 

München  im  December  1879. 

Friedrich  Ratzel. 


Inhaltsverzeichniss. 


I.  Abschnitt. 

Zur  Einleitung. 

I.   Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

I.  Lage  und  Umriss.  Räumliche  Weite  des  Gebietes  3.  Umrissgestalt 
und  Gliederung  4.  Bedeutung  derselben  für  die  Culturstellung  6.  Hafenreich- 
thum  7.  Küstenformen  8,  Wege  nach  Europa  8,  nach  Asien  9.  Beherr- 
schende Lage  der  V.  St.  am  Stillen  Ocean  10,  am  Golf  von  Mexico  10. 
Sicherheit  der  Grenzen  10.  —  IL  Innere  politische  Wirkungen  der 
Lage  und  Gestalt  11.  Naturgebiete  12.  Hindernisse  der  politischen  Ein- 
heit 12.  Räumliche  Entlegenheit  der  verschiedenen  Gebiete  13.  Die  natürliche 
Hauptstadt  13.  Welche  Rolle  kann  in  der  Entwickelung  der  V.  St.  den  Natur- 
bedingungen zufallen?  16.  —  HL  Das  Klima  17.  Mittelbare  Wirkungen,  Klima- 
gebiete 18.  Einfluss  der  Vertheilung  der  Niederschläge  18,  der  Wärme  18.  Die 
Getreidezone  18.  Unmittelbare  Wirkungen  des  Klimas  auf  den  Menschen  19. 
Endemische  Krankheiten  20.  Arbeitsfähigkeit  21.  Unterschied  des  Charakters 
zwischen  Nord-  und  Südländern  in  den  V.  St.  22.  —  IV.  Die  nutzbaren 
Pflanzen  und  Thiere.  Vergleich  der  Ausstattung  der  Alten  und  der  Neuen 
Welt  mit  nutzbaren  Pflanzen  und  Thieren  23.  Einige  bemerkenswerthe  Nutz- 
pflanzen 24.  Giftpflanzen  26.  Nutzthiere  der  Alten  und  Neuen  Welt  26.  Zähmung 
des  Büifels  und  anderer  nordamerikanischer  Säugethiere  27.  Aufzählung  be- 
merkenswerther  nützlicher  oder  schädlicher  Thiere  28.  (Der  Indianerhund  30.) 
Vögel  31.  (Herkunft  des  Truthahns  32.)  Reptilien  33.  Amphibien  33.  Fische  33. 
Muscheln  34.  Insekten  34.  —  V.  Mineralschätze.  Ihre  Vertheilung  35.  Sind 
nicht  unerschöpflich  37.  Raubbau  38. —  VI.  Naturbedingungen  der  In- 
dustrie. Erzeugung  der  Rohstoffe  im  Lande  selbst  39.  Wasserkräfte  39. 
Hauptförderer  ist  die  glückliche  Anlage  der  Bevölkerung  für  dieselbe  39.  — 
VII.  Die  natürlichen  Verkehrswege.  Die  günstige  Beanlagung  des  0. 
für  Schiffahrt  und  Eisenbahnbau  40.  Die  schiffbaren  Flüsse  40.  Verkehrs- 
schwierigkeiten im  W.  41.  —  VIH.  Geographische  Vertheilung  der 
Wirthschaft  43.  Natürliche  Wirthschaftsgebiete  43.  —IX.  Unmittelbare 
Wirkungen  der  Natur  auf  den  Geist  des  Volkes  45.  Schranken- 
losigkeit  des  Charakters  46.  Jugendfrische  46.  Sind  die  Nordamerikaner  zur 
Einförmigkeit  bestimmt?  47.  Mangel  der  phantasieaufregenden  Scenen  48.  Die 
V.  St.   ein  Land  der  glücklichen  Mitte  48.     Entwickelung  des  Naturgefühls  49. 


X  Inhaltsverzeichniss. 

II.   Geschichtlicher  Ueherblick. 

Erste  Ansiedelungen  52.  Allgemeiner  Charakter  der  Geschichte  der  13 
alten  Colonien  64.  England  und  Frankreich  in  Nord-Amerika  66.  Kämpfe  um 
die  wirthschaftliche  Freiheit  69.     Der  Unabhängigkeitskrieg  74.     Die   Zeit  von 

1783 1817   77.     Der  Gegensatz    von  Nord    und   Süd    in   der  Sklavenfrage  82. 

Derselbe  in  den  wirthschaftlichen  Fragen  85.  Die  Annexionspolitik  87.  Vor- 
bereitung des  Bürgerkriegs  90.  Der  Bürgerkrieg  94.  Die  Reconstruktion  99. 
Die  Präsidentschaft  Grant's  101. 

IL  Abschnitt. 

Die  Bevölkerung. 

III.  Die  Indianer. 

I.  Die  Rassenzugehörigkeit  107.  Einheitlichkeit  der  Rasse  108.  Die 
Mongoloiden  108.  Die  Indianer  und  die  Nordasiaten  108.  Woher  kam  die  Einwan- 
derung? 109.  —  II.  Physische  Merkmale  der  Indianer  110.  Schwierigkeit 
allgemeiner  Definitionen  110.  Der  Schädel  111.  Weitere  Merkmale  111.  Die  Haut- 
farbe 112.  Der  Gesichtsausdruck  112,  —  III.  Psychische  Eigenschaften 
und  Ent Wickelungen  113.  Grundstimmung  114.  Verschlossenheit  114.  Sitt- 
liche Begrifi'e  114.  Recht  und  Unrecht  114.  Wahrheitsliebe  115.  Indianische 
Uebertreibungen  116.  Der  Grundzug  der  Kraft  und  seine  Schattenseite  116. 
Das  Weib  und  seine  Stellung  117.  Auffassung  der  Familie  118.  Rechts-  und 
Eigenthumsverhältnisse  119.  Regierung  120.  Die  Beziehungen  zwischen  den 
Stämmen  120.  Krieg  und  Friede  120.  Cannibalismus  121.  Religiöse  Vorstel- 
lungen und  Cultus  121.  Die  Zauberer  121.  Geistige  Begabung  122.  Ihr  Kampf 
mit  der  Sinnlichkeit  123.  Phantasie  124.  Beredsamkeit  124.  Poesie  124. 
Keime  von  Wissenschaft  125.  Erfindungen  126.  —  IV.  Die  äussere  Aus- 
stattung des  Lebens  126.  Jagd  126.  Fischfang  127.  Canoes  127.  Waffen  127. 
Kleidung  130.  Tättowirung  130.  Schmuck,  Haus,  Dörfer,  Geräthe  131.  Die 
Speisen  132.  Ackerbau  133.  —  V.  Die  Sprache  133.  Allgemeiner  Charakter 
der  Indianersprachen  134.  Die  Eintheilung  der  nordamerikanischen  Stämme  in 
Sprachgruppen  135.  —  VL  Die  Zahl  der  Indianer  139.  Ihre  gegenwärtige 
Zahl  und  Vertheilung  139,  Schätzungen  ihrer  Zahl  aus  der  Zeit  der  ersten 
Entdecker  und  Ansiedler  141.  Ihr  Rückgang  145.  Gehen  sie  dem  Aussterben 
entgegen?  145.  —  VII.  Beziehungen  zwischen  Indianern  und  Weissen  146. 
Die  unvereinbaren  Verschiedenheiten  beider  147.  Erster  Verkehr  147.  Ur- 
sachen der  Conflikte  148.  Die  Indianerkriege  150.  Zurückdrängung  der  Indianer 
nach  W.  152.  Die  Indianerpolitik  der  V.  St.  154.  Die  Reservationen  156. 
Mischlinge  159. 

IV.  Die  Einwanderung. 

Statistik  derselben  seit  1819  und  Schätzung  bis  zu  diesem  Zeitpunkte  161. 
Fördernde  und  hemmende  Einflüsse  162.  Statistik  der  Einwanderer  nach  Her- 
kunft, Geschlecht,  Alter  und  Stand  163.  Die  deutsche  Einwanderung  163. 
Verschiedener  Werth  der  Elemente,  aus  denen  die  Einwanderung  sich  zu- 
sammensetzt, und  ihr  Einfluss  auf  den  Charakter  der  Gesammtbevölkerung  167. 


Inhalts  verzeichniss.  XI 

Schätzung  des  Geldwerthes   eines  Einwanderers  170.     Verschiedene  Richtungen 
des  Einwandererstromes  171.    Das  Wandern  innerhalb  der  V.  St.  172. 

V.   Statistik  de.r  weissen  Bevölkerung. 

Die  Bevölkerungszahlen  vom  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  bis  1870  176. 
Das  natürliche  Wachsthum  178.  Die  Zahl  der  Geburten  179.  Ursachen  der 
langsamen  Zunahme  in  den  alten  Staaten  182.  Sterblichkeit  184.  Verhältniss 
der  Geschlechter  185.  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  186.  Zunahme  des  be- 
siedelten Gebietes  und  der  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  189.  Der  Bevölkerungs- 
Mittelpunkt  191.  Städtische  und  ländliche  Bevölkerung  192.  Schwierigkeit, 
beide  von  einander  zu  sondern  192. 

VI.   Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

Entwickelung  der  Sklaverei  von  1620  — 1862  195.  Uebergang  zur  freien 
Arbeit  und  zur  Gleichbereclitigung  203.  Statistik  der  Neger  seit  1776  206. 
Zahl  der  Mischlinge  209.  Wirthschaftliche  Entwickelung  210.  —  Die  chine- 
sische Einwanderung  215. 

III.  Abschnitt. 

Die  wirthschaftlichen  Verhältnisse. 

VII.    Die  Landwirthschaft. 

I.  Boden  und  Klima  in  Bezug  auf  die  Landwirthschaft.  Ab- 
hängigkeit der  letzteren  von  der  Vertheilung  der  Niederschläge  222,  und  der 
Wärme  223.  Bodenbeschaffenheit  224.  Vergleich  der  Fruchtbarkeit  der  V.  St. 
mit  der  Europas  und  Abnahme  derselben  225.  Ackerbauliche  Möglichkeiten 
in  der  Osthälfte  227,  und  in  der  Steppenregion  228.  —  II.  NatürlicheVer- 
breitungsgrenzen  einiger  wichtigeren  CulturgewächseundWald- 
bäume.  Aus  welchen  Quellen  erhielten  die  V.  St.  ihre  Culturgewächse ?  234. 
Verbreitung  der  Getreidearten  234,  der  Wiesengräser  235,  des  Wein-  und  Obst- 
baues 236,  der  subtropischen  Culturpflanzen  238.  —  III.  Amerikanische 
Methoden  des  Ackerbaues.  Der  Baumwuchs  als  Massstab  der  Frucht- 
barkeit 240.  Urbarmachung  241.  Die  amerikanische  Axt  241.  Urwald-  und 
Prärie-Ansiedler  242.  Das  Präriebrennen  242.  Die  ersten  Gebäude  243.  Leben 
des  Ansiedlers  244.  Ausnützung  der  natürlichen  Fruchtbarkeit  und  Abnahme 
derselben  245,  Wandern  des  Ackerbaues  nach  W.  247.  Düngung  250.  Guano- 
gewinnung 251.  Theoretische  Förderungen  252.  Acclimatisation  253.  Vereins- 
leben 254.  —  IV.  Farmer  und  Landarbeiter.  Bauer,  Farmer  und 
Pflanzer  255.  Grösse  der  Farmen  258.  Die  Richtung  auf  die  Grosswirthschaft  260. 
Die  Landpreise  261.  Ileimstättegesetz  263.  Arbeiterverhältnisse  264.  — V.  Ge- 
schichtliche Entwickelung  der  Landwirthschaft  in  denV.St.  Die 
Ackerbau-  und  Viehzucht  -  Colonien  265.  Einführung  der  Hausthiere  266.  Ent- 
wickelung im  17.  Jahrhundert  267.  Die  Plantagenwirthschaft  267.  Vorwiegen  der 
Landwirthschaft  im  W.  268.  Verbesserung  landw.  Geräthe  269.  Zustand  am 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  270.  Einfluss  der  Canäle  und  Eisenbahnen  271. 
Hervorragender  Platz  der  nordamerikanischen  Landwirthschaft  im  heutigen  Welt- 
handel   272.    —  VI.    Die   wichtigsten  Erzeugnisse   des   Ackerbaues 


XII  Inhaltsverzeichniss. 

1.  Getreide.  Mais  274.  Weizen  276.  Roggen  277.  Gerste,  Hafer,  Buch- 
weizen 278.  2.  AndereNahrungsgewächse.  Hülsenfrüchte,  Kartoifeln  278. 
Bataten.  Rüben  u.  a.  Wurzeln  und  Gemüse  279.  3.  Handelsgewächse. 
Baumwolle  280.  Flachs  281.  Hanf,  Zuckerrohr  282.  Sorghum  283.  Zucker- 
rüben, Ahornzucker  284.  Tabak,  Hopfen  285.  Indigo,  Reis  286.  4.  Obst. 
Aepfel  und  Birnen,  Pfirsiche  287.  Andere  Obstarten,  Apfelsinen  288.  5.  Wein- 
bau 289.  6.  Beerenfrüchte  290.  7.  Wiesenbau  291.  —  VII.  D  ie  Vieh - 
zu  cht.  Rindvieh  292.  Fleischausfuhr  294.  Pferde  295.  Schafe  297.  Schweine  298. 
Der  Maisbau  und  die  Schweinszucht  299.  Hunde  301.  Seidenzucht  301.  Bienen- 
zucht 302. 

VIII.   Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung. 

Verbreitung  der  Wälder  in  dem  Gebiete  der  V.  St.  303.  Ihre  Vertheilung 
über  die  einzelnen  Staaten  304.  Neuanpflanzungen  von  Wäldern  305.  Anfänge 
von  Forstschutz  und  Wald wirth seh aft  306.  Waldverwüstung  und  Waldbrände  307. 
Der  Holzverbrauch  und  Holzhandel  307.     Die  wichtigsten  Nutzhölzer  308. 

IX.  Mineralreichtlium  und  Bergbau. 

Verbreitung  und  Entwickelung  309.  Geschichtliches  311.  Das  Recht  auf 
die  Mineral  seh  ätze  und  die  Gesetzgebung  313.  Rückwirkung  auf  die  Bevölke- 
rung, die  Miners  315.  Ihr  Wandertrieb  316.  Die  Prospectors  317.  Mining 
Excitements  319.  Betrieb  des  Bergbaues  320.  —  Eisen  321.  Die  hauptsäch- 
lichsten Erze  321.  Die  grossen  Eisenerz -Regionen  322.  Die  Roheisen -Er- 
zeugung 224.  Die  Hauptgebiete  der  Eisenindustrie  325.  Steinkohlen  327. 
Verbreitung  327.  Geologische  Verhältnisse  328.  Die  hauptsächlichsten  Kohlen- 
felder und  -becken,  Anthracit  329.  Bituminöse  Kohlen  330.  Braunkohlen  334. 
Gold  336.  Statistik  der  Goldgewinnung  in  den  V.  St  336.  Die  Goldlager  von 
Californien,  von  Colorado  und  den  übrigen  Goldgebieten  des  W.  337.  Gold  in 
den  Alleghanies  341.  Silber  342.  Statistik  der  Silbergewinnung  in  den  V.  St.  342. 
Silbergebiet  von  Nevada,  Comstock  Lode  343.  Andere  Silbergebiete  344. 
Quecksilber  345.  Kupfer  346.  Blei  347.  Zink  und  andere  Metalle  348. 
Edelsteine.  Salz  349.  Bausteine  und  andere  Mineralien  350.  Steinöl351. 
Vorkommen  351.     Gewinnung  und  Verfrachtung  353. 

X.   Die  Gewerbthätigkeit. 

I.  Geschichtliche  Entwickelung.  Die  Anfänge  355.  Zurückdrängung 
durch  das  Mutterland  358.  Aufschwung  seit  der  politischen  Selbständigkeit  359. 
Heutiger  Stand  362.  —  II.  Die  Art  des  Betriebes.  Mangel  an  Arbeits- 
kräften 362.  Maschinenarbeit  363.  Werkzeuge,  der  Erfindungs-  und 
Unternehmungsgeist  364.  Patente  365.  Credit  366.  Die  Arbeitslöhne  369. 
Das  Leben  der  Arbeiter  371.  —  IH.  Die  Hauptzweige  der  Gewerb- 
thätigkeit.  Textilindustrien  373.  Metallindustrien  375.  Maschinenbau  377. 
Landwirthschaftliche  Geräthe  379.  Lederverarbeitung  381.  Waffen  382.  Uhren  383. 
Chemische  Industrien  384.  Brauereien,  Keramik  385.  Vervielfältigende  In- 
dustrien 386. 

XI.    Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

I.  Geschichtliche  Entwickelung.  Anfänge  387.  Periode  der  Canal- 
bauten  388.     Gallatin's  Entwurf  389.     Erie-Canal  390.     Die  Eisenbahn-Aera  392. 


Inhaltsverzeichniss.  XIII 

Wettkampf  zwischen  Canäleii  und  Eisenbahnen  393.  Eisenbahnmonopole  395.  — 
U.  Die  natürlichen  Grundlinien  des  Verkehres.  Die  Verkehrs- 
gebiete 396.  Die  Naturstrassen  des  Inneren  397.  Die  Stromwege  398.  Um- 
gehung derselben  durch  die  Eisenbahnen  399. —  in.  Die  schiffbaren  Flüsse. 
Aufzählung  401.  Mississippi  401.  Ohio,  S.  Lorenz  404.  Hudson  405.  Kleinere 
schiffbare  Flüsse  von  Bedeutung  406.  Die  Binnenseen  407.  —  IV.  Die  Canäle. 
Canäle  und  Eisenbahnen  408.  Das  Canalsystem  des  Staates  New  York,  von 
Pennsylvanien,  New  Jersey,  des  Ohio  und  Mississippi  411.  Illinois-  und  Michigan- 
Canal  416.  Weitere  Canäle  in  den  Süd-  und  Weststaaten  417.  —  V.  Die 
Eisenbahnen.  Statistik  419.  Begünstigung  durch  die  Naturverhältnisse  420. 
Besonderheiten  im  Bau  und  Betrieb  421.  Aufzählung  der  grossen  Linien  und 
Complexe  425.  —  VI.  Strassen  und  Brücken  430.  Strasseneisenbahnen  432. 
—  VII.  Rhederei  und  Schiffsverkehr.  Zahl  der  Schiffe  434.  Der 
Schiffsbau  438.  Abnahme  der  Kauffahrteiflotte  und  ihre  Ursachen  440.  Die 
Fischerflotte  441.  Schiffsverkehr  in  den  Häfen  der  V.  St.  441.  —  VIII.  Post 
und  Telegraphen  447. 

XII.    Der  Handel. 

I.  Allgemeines.  Geschichtliche  Notizen  450.  Streben  nach  Ausdehnung 
des  Ausfuhrhandels  452.  Verbreitung  des  kaufmännischen  Sinnes  454.  Der  Store- 
keeper 455.  Rückwirkung  des  Handels  auf  die  Bevölkerung  457.  Bankerotte  458. 
Handelskammern  459.  Banken  460.  Versicherungswesen  460.  —  II.  Die 
Zölle  461.  —  III.  Der  innere  Handel.  Grösse  desselben  463.  Haupt- 
punkte 463.  Die  Zufuhr  von  Getreide  und  Baumwolle  nach  den  Haupthafen- 
plätzen 464.  Der  Durchverkehr  und  der  direkte  Handel  der  Binnenplätze  465.  — 
IV.  Der  Aussenhandel.  Hauptgegenstände  der  Einfuhr  und  der  Ausfuhr 467, 
nach  Handelsgebieten  und  nach  dem  Werthe  geordnet  469.  Betrag  des  Gesammt- 
handels  der  Haupthandelsgebiete  mit  den  V.  St.  468.  Der  canadische  Durchgangs- 
handel 473.     Der  mexikanische  Landhandel  474. 

IV.  Abschnitt. 

Staat  und  Gemeinden.    Kirche  und  Schule.    Das  geistige  Leben. 
Die   Gesellschaft. 

XIII.    Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

I.  Das  Staatsgebiet.  Seine  Entwickelung  und  Grenzen  477.  —  IL  Die 
Verfassung.  Union  und  Einzelstaaten  481.  Der  Congress  484.  Der  Präsi- 
dent484.  Die  Bundesgerichte  486.  — HL  Die  Verwaltung.  A.  Staatsamt  486. 
Consulatswesen  487.  B.  Inlandamt  488.  C.  Schatzamt  489.  Zölle  und  Steuern  489. 
Oeffentliche  Schuld,  Geld,  Masse  und  Gewichte  490.  Leuchtthürme  und  Ret- 
tung Schiffbrüchiger  493.  Finanzlage  der  Union  in  1877/78  493.  D.  Das  Kriegs- 
amt 493.  Armee  494.  Miliz  498.  E.  Marineamt  498.  Flotte  und  Küsten- 
vertheidigung  499.  —  IV.  Die  Einzelstaaten  500.  Gruppirung  503.  Po- 
litische Rolle  504.  Partikularismus  506.  Ihre  Gesetzgebung  und  Verwaltung  506. 
Territorien  509.  V.  Gemeinden.  Town  und  County.  Die  Städte  509.  Ihre 
Finanzen  511.  Wachsthum  513.  —  VI.  Das  politische  Leben  513.  Der 
Geist  desselben  514.  Die  Parteien  517.  Die  Wahlen  520.  Corruption  524.  — 
Flagge  und  Wappen  527. 


XIV  Inhaltsverzeichniss. 

XIV.    Die  Kirche. 

Religiöse  Anlagen  528.  Kirche  und  Staat  529.  Eigenthümlichkeiten  des 
religiösen  Lebens  in  den  V.  St.  530.  Wohlthätigkeit,  Temperenz  533.  Statistik 
der  Religionsgesellschaften  536.  Die  Hochkirche,  die  Congregationalisten  536. 
Die  Presbyterianer  537.  Die  Methodisten  538.  Die  Baptisten,  die  Lutheraner 
und  Deutsch-Reformirten,  die  Römisch-Katholischen  539.     Die  Juden  541. 

XV.    Die  Schule.    Das  geistige  Leben. 

L  Hemmungen  und  Förderungen.  Der  coloniale  Typus  des  geistigen 
Lebens  542.  Nothwendige  Mängel  543.  Vorzüge  545.  Begabung  546.  — 
H.  Die  Unterrichtsanstalten.  Der  Lern  trieb  bezeichnend  für  die  Nord- 
amerikaner 546.  Aufwand  für  die  Schulen  548.  Staatliche  Fürsorge  550.  Die 
Volksschule  551.  Der  Lehrerstand  553.  Die  Mittelschulen  und  Colleges  554. 
Die  Fachschulen  557.  Die  Bibliotheken,  öffentliche  Vorträge  559.  —  HI.  Die 
Wissenschaftspflege.  Werth  der  amerikanischen  Wissenschaft  561.  Ihre 
Entwickelung  562.  B.  Franklin,  Rittenhaus  563.  Die  Surveys  565.  Die  Natur- 
wissenschaften 567.  Die  Medicin  568.  Andere  Wissenschaften  568.  Wissen- 
schaftliche Körperschaften  569.  —  IV.  Literatur.  Abhängigkeit  von  der 
englischen  572.  Eigenthümlichkeiten  573.  Dichter  574.  Geschichtschreiber  u.  a. 
575.  —  V.  Kunst.  Malerei  580.  Baukunst  582.  Bildhauerei,  Musik,  Theater 
583.  —  VL  Die  Presse  584. 

XVI.   Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

L  Das  Volk.  Schwierigkeit,  den  Begriff  Nordamerikaner  zu  bestimmen  591. 
Die  zwei  historischen  Schichten  592.  Die  Zusammensetzung  des  Volkes  der 
V.  St.  592.  Aneignung  und  Aufsaugung  der  fremden  Elemente  595.  Stellung 
der  Deutschen  596.  Volkstypen  598.  —  II.  Der  Einzelmensch.  Anthro- 
pologische Merkmale  600.  Körperlicher  Verfall  601.  Geistige  Merkmale  603. 
Die  Frühreife  und  das  frühe  Altern  604.  Freier  und  gebundener  Geist  605. 
Volksstimmung  606.  Geistige  Bereitschaft,  Beweglichkeit,  Reiselust,  Liebe  zum 
eigenen  Herd  606.  Die  Ermüdung  im  Aeusseren.  Die  Höflichkeit  und  Frauen- 
verehrung 607.  Die  Frau  608.  Sittlichkeit  610.  Familie  612.  —  III.  Die 
Gesellschaft.  Die  3  Culturzonen  614.  Die  Gesellschaft  des  W.  615.  Die 
gesellschaftliche  Gleichheit  617.  Die  Aristokratie  621.  Die  Gleichartigkeit  der 
Sitten  622.  Einfluss  von  New  York  622.  —  IV.  Die  Physiognomie  des 
äusseren  Lebens.  Zerstreutheit  der  Culturmerkmale  622.  Rascher  Wechsel 
623.  Schönheit  624.  Charakter  der  Städte  und  des  städtischen  Lebens  625. 
Das  flache  Land  629.    Ruinen  630.    Die  Neigung  zum  Grossartigen  630. 

V.  Abschnitt. 

Einzelbeschreibung  der  Staaten  und  Territorien. 

Erste  Gruppe.  Die  Neuengland-Staaten.  1.  Maine  633.  2.  New 
Hampshire  635.  3.  Vermont  636.  4.  Massachusetts  637.  5.  Connecticut  639. 
6.  Rhode  Island  641.  —  Zweite  Gruppe.  Die  atlantischen  Mittel- 
staaten.     7.    New  York   642.      8.    New  Jersey   645.      9.   Pennsylvanien  647. 


Inhaltsverzeicliniss.  XV" 

10.  Delaware  650.  11.  Maryland  651.  —  Dritte  Gruppe.  Die  atlanti- 
schen Südstaaten.  12.  Virginia  653.  13.  N.  Carolina  655.  14.  S.  Carolina 657. 
15.  Georgia  658.  16.  Florida  660.  —  Vierte  Gruppe.  Die  Golfstaaten. 
17.  Alabama  662.  18.  Mississippi  663.  19.  Louisiana  665.  20.  Texas  667.  — 
Fünfte  Gruppe.  Staaten  des  Mississippi-  und  Ohio-Beckens. 
A.  Südliche.  21.  Tennessee  670.  22.  Kentucky  671.  23.  West -Virginia  673. 
24.  Arkansas  674.    25.  Missouri  675.    B.  Nördliche.   26.  Ohio  680.    27.  Indiana  684. 

28.  Illinois   686.    —    Sechste    Gruppe.      Staaten    des    Nordwestens, 

29.  Michigan  694.  30.  Wisconsin  697.  31.  Minnesota  699.  32.  Iowa  701.  — 
Siebente  Gruppe.  Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  und 
Steppenregion.  33.  Dakota  703.  34.  Nebraska  704.  35.  Kansas  706. 
36.  Indianer -Territorium  707.  —  Achte  Gruppe.  Staaten  und  Terri- 
torien der  Westgebirge.  37.  Montana  710.  38.  Wyoming  711.  39.  Colo- 
rado 712.  40.  Neu-Mexico  714.  41.  Arizona  715.  42.  Nevada  716.  43.  Utah  717. 
44.  Idaho  719.  —  Neunte  Gruppe.  Pacifische  Staaten  und  Terri- 
torien. 45.  Californien  720,  46.  Oregon  724.  47.  Washington-Territorium  726.— 
Zehnte  Gruppe.  Besondere  Staatsgebilde.  48.  District  of  Colum- 
bia 728.    49.  Alaska  728. 


Geld,  Masse  und  Gewichte  der  Vereinigten  Staaten. 

1  Dollar  zu  100  Cts.  =  4,19  R.  M. 

1  Hundredweight  zu  112  Pfd.  =  101,6  Kilogr. 

1  Bushel  zu  4  Pecks  =  35,23  Liter. 

1  Gallon  zu  8  Pints  =  3,78  Liter.    (Neue  G.  =  4,54  L.) 

1  Yard  zu  3  Fuss  =  0,91  Meter. 

1  Statute  Mile  zu  1760  Yards  =  1,61  Kilometer. 

1  Square  Mile  zu  640  Acres  =  2,59  Quadrat-Kilometer. 


I.  Abschnitt. 
Zur    Kinleitung. 


E  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II. 


I.  Die  natürliclieii  Becliiigningen  der  Ciiltur- 
entwickeliing. 

I.  Lage  und  Umriss.  Räumliche  Weite  des  Gebietes  3.  Umrissgestalt 
und  Gliederung  4.  Bedeutung  derselben  für  die  Culturstellung  6.  Hafenreicli- 
thum  7.  Küstenformen  8.  Wege  nach  Europa  8,  nach  Asien  9.  Beherr- 
schende Lage  der  V.  St.  am  Stillen  Ocean  10,  am  Golf  von  Mexico  10. 
Sicherheit  der  Grenzen  10.  —  II.  Innere  politische  Wirkungen  der 
Lage  und  Gestalt  11.  Naturgebiete  12.  Hindernisse  der  politisch'en  Ein- 
heit 12.  Räumliche  Entlegenheit  der  verschiedenen  Gebiete  13.  Die  natürliche 
Hauptstadt  13.  Welche  Rolle  kann  in  der  Entwickelung  der  V.  St.  den  Natur- 
bedingungen zufallen  ?  16.  —III.  DasKlimalT.  Mittelbare  Wirkungen,  Klima- 
gebiete 18.  Einfluss  der  Vertheilung  der  Niederschläge  18,  der  Wärme  18.  Die 
Getreidezone  18.  Unmittelbare  Wirkungen  des  Klimas  auf  den  Menschen  19. 
Endemische  Krankheiten  20.  Arbeitsfähigkeit  21.  Unterschied  des  Charakters 
zwischen  Nord-  und  Südländern  in  den  V.  St.  22.  —  IV.  Die  nutzbaren 
Pflanzen  und  Thiere.  Vergleich  der  Ausstattung  der  Alten  und  der  Neuen 
Welt  mit  nutzbaren  Pflanzen  und  Thieren  23.  Einige  bemerkenswerthe  Nutz- 
pflanzen 24.  Giftpflanzen  26.  Nutzthiere  der  Alten  und  Neuen  Welt  26.  Zähmung 
des  Büffels  und  anderer  nordamerikanischer  Säugethiere  27.  Aufzählung  be- 
merkenswerther  nützlicher  oder  schädlicher  Thiere  28.  (Der  Indianerhund  30.) 
Vögel  31.  (Herkunft  des  Truthahns  32.)  Reptilien  33.  Amphibien  33.  Fische  33- 
Muscheln  34.  Insekten  34.  —  V.  Mineralschätze.  Ihre  Vertheilung  35.  Sind 
nicht  unerschöpflich  37.  Raubbau  38.  —  VI,  Naturbedingungen  der  In- 
dustrie. Erzeugung  der  Rohstoffe  im  Lande  selbst  39.  Wasserkräfte  39. 
Hauptförderer  ist  die  glückliche  Anlage  der  Bevölkerung  für  dieselbe  39.  — 
VII.  Die  natürlichen  Verkehrswege.  Die  günstige  Beanlagung  des  0. 
für  Schiffahrt  und  Eisenbahnbau  40.  Die  schiffbaren  Flüsse  40.  Verkehrs- 
schwierigkeiten im  W.  41.  —  VIII.  Geographische  Vertheilung  der 
Wirthschaft  43.  Natürliche  Wirthschaftsgebiete  43.  —  IX.  Unmittelbare 
Wirkungen  der  Natur  auf  den  Geist  des  Volkes  45.  Schranken- 
losigkeit  des  Charakters  46.  Jugendfrische  46.  Sind  die  Nordamerikaner  zur 
Einförmigkeit  bestimmt?  47.  Mangel  der  phantasieaufregenden  Scenen  48.  Die 
V.  St.  ein  Land   der  glücklichen  Mitte  48.     Entwickelung   des  Naturgefühls  49. 

I.  Die  erste  Grundlage  der  Entwickelung  der  Hülfsquellen  der 
V.  St.  ist  die  räumliche  Weite  des  Gebietes,  auf  dem  sich 
dieselbe   vollzieht.     Die  V.  St.    ohne  Alaska   nehmen  142  352.   mit 


4  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

Alaska  annähernd  169  509  g.  Q.M.  (7,8  bezw.  9,9  Mill.  Q.Km.)  ein, 
also  nicht  viel  weniger  als  ganz  Europa.  Diese  gewaltige  Ausdehnung 
muss  von  vornherein  von  jeder  allzuraschen  Parallelisirung  mit 
europäischen  Verhältnissen  zurückhalten,  lieber  dieses  weite  Ge- 
biet ist  eine  Bevölkerung  verbreitet,  die  an  Zahl  ungefähr  der  gleicht, 
welche  im  deutschen  Reiche  auf  einem  15  mal  so  kleinen  Räume 
wohnt.  Das  schafft  eine  Ungleichheit  der  Lebens-  und  Wirkungs- 
bedingungen, welche  bis  auf  den  Grund  geht.  In  allen  Beziehungen, 
in  denen  die  Menschen  beeinflusst  sind,  von  der  Spielweite,  die 
ihnen,  rein  räumlich  genommen,  gewährt  ist,  sind  die  Bewohner 
der  V.  St.  uns  Europäern  gerade  entgegengesetzt  bedacht.  Man 
realisirt  nicht  oft  klar  genug  die  tiefe  Bedeutung  dieses  Unter- 
schiedes. Nord-Amerika  ist  dünn  bevölkert,  Europa  ist  übervölkert ; 
dieses  gibt  von  seinem  Ueberflusse  ab,  sendet  Auswanderer  aus,  jenes 
nimmt  denselben  auf,  empfängt  Einwanderung.  Europas  Bevölkerung 
ist  alt  in  ihrer  Sonderung  nach  Rassen,  Sprachen,  Staaten,  Culturen ; 
Nord-Amerikas  Bevölkerung  ist  erst  im  Werden.  Dieselbe  scheint  in 
ihren  Werdeprocessen  in  hohem  Grade  beeinflusst  durch  die  Beweg- 
lichkeit, welche  das  Bewusstsein  des  grossen  Spielraumes  und  die  Noth- 
wendigkeit,  denselben  zu  überwinden,  im  Einzelnen  erzeugen.  Die 
Unterschiede  der  Rassen,  Sprachen,  Herkunft  etc.  werden  abgeschliffen, 
während  in  Europa  trotz  der  Vervollkommnung  der  Verkehrsmittel 
die  Absonderung  der  Völker  von  einander  im  Ganzen  und  Grossen  ge- 
wiss nicht  geringer  geworden  ist.  Das  dichte  Beisammenwohnen  der 
letzteren  scheint  durch  die  Reibungen,  welche  es  hervorbringt,  eher 
verschärfend  als  mildernd  auf  diese  Unterschiede  einzuwirken.  Die 
Bevölkerung,  welche  die  V.  St.  ihrer  räumlichen  Ausdehnung  ent- 
sprechend einst  umschliessen  werden,  hat  für  lange  hinaus  noch 
Raum  und  Zeit  genug,  in  ihrem  allmählichen  Werden  sich  zu  einer 
Gleichförmigkeit  zu  entwickeln,  welche  man  in  Europa  höchst  wahr- 
scheinlich für  immer  zu  den  Dingen  der  Unmögliclikeit  wird 
rechnen  müssen. 

In  der  Umrissgestalt  des  Gebietes  der  V.  St.  tritt  vor 
allem  bedeutsam  hervor  die  Begrenzung  durch  drei  Meere:  den 
Atlantischen  Ocean,  den  Golf  von  Mexico  und  das  Stille  Meer.  Es 
kann  dieses  Gebiet  bezeichnet  werden  als  ein  Streifen  von  ungefähr 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  5 

dreimal  so  grosser  Breite  als  Länge,  welcher  die  südliche  Hälfte 
des  Halbcontinentes  Nord-Amerika  einnimmt,  im  Osten  und  Westen 
und  im  grössten  Theile  des  Südens  vom  Meere,  im  Norden  und  auf 
einer  verhältnissmässig  schmalen  Strecke  des  Südens  vom  Lande 
begrenzt.  Indessen  wird  auch  ein  erheblicher  Theil  der  Nordgrenze 
zur  Wassergrenze  durch  die  fünffach  gegliederte  Gruppe  der  cana- 
dischen  Seen,  deren  Verbindung  mit  dem  nordatlantischen  Ocean 
durch  künstliche  Wasserbauten  zu  einer  so  leichten  und  ausgiebigen 
geworden  ist,  dass  man,  soweit  die  Verkehrsmöglichkeiten  in  Be- 
tracht kommen,  dieselben  fast  als  Meereseinschnitt  betrachten  könnte. 
Von  Duluth  am  Oberen  See  bis  Belle  Isle  an  der  Labrador-Küste 
zieht  eine  4000  km  lange,  durchaus  schiffbare  Linie  von  Flüssen 
und  Seen  an  der  Nordgrenze  der  V.  St.  hin.  An  Meereseinschnitten 
fehlt  es  nicht  an  der  Ostküste,  die  dem  Atlantischen  Meere  zu- 
gewandt ist.  Es  spricht  sich  das  in  der  Länge  der  Grenzen  aus,  von 
denen  drei  Viertel  Wassergrenzen  sind,  und  der  Küstenlänge,  welche 
insgesammt  7064  km  beträgt  und  von  welcher  auf  die  atlantische 
Küste  3036,  auf  die  des  Golfes  von  Mexico  2162  und  auf  die 
pacifische  1866  kommen.  Die  Ostküste  Nord- Amerikas  ist  überhaupt 
die  gegliedertste  des  ganzen  Erdtheiles,  der  in  Bezug  auf  Küsten- 
gliederung sonst  hinter  Europa  und  Asien  weit  zurücksteht.  Einige 
der  hervortretendsten  Gliederungen  dieser  Küste  fallen  in  das  Ge- 
biet der  V.  St.,  nämlich  von  grösseren  die  Halbinseln  Delaware 
und  Florida  und  die  Insel  Long  Island,  von  kleineren  die  zahllosen 
Einschnitte,  Canäle,  Halbinseln  und  Küsteninseln,  welche  der  Fjord- 
Region  von  Maine  angehören,  dann  der  vorgestreckte  schmale  Halb- 
inselarm des  Cape  Cod  und  die  in  der  Nähe  gelegenen  kleinen 
Inseln  von  Massachusetts,  dann  die  Hudson-Mündung  mit  den  Welt- 
stadtinseln Manhattan  und  Staten  Island,  die  Delaware-Mündung, 
die  Chesapeake  Bay,  die  zahlreichen  niedrigen  Küsteninseln  von  Cap 
Hatteras  südwärts  und  die  Keys  von  Florida.  An  der  Golfküste 
sind  breite  Flussmündungen  wie  die  des  Appalachicola,  Mobile  und 
vor  allem  des  Mississippi  R.,  dann  die  Lagunen  zwischen  Mississippi 
und  Rio  Grande  zu  nennen.  Die  Küste  des  Stillen  Meeres  hat  im 
NW.  Fjorde,  Canäle  und  Küsteninseln  von  mächtigerer  Entfaltung, 
als   man   sie    an    der   atlantischen  im   NO.    findet,    reicht   aber   im 


6  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

S.  nur  eben  noch  an  den  Anfang  der  Abgliederung  der  Halb- 
insel Californien  und  nicht  ganz  zum  oberen  Ende  des  cali- 
fornischen  Meerbusens.  Auf  der  langen  Strecke  zwischen  dem  49. 
und  33.  Grade  ist  nur  die  Bucht  von  S.  Francisco  als  ein  be- 
merkenswertherer  Meereseinschnitt  hervorzuheben.  Von  Inseln,  an 
denen  die  gesammte  Westküste  des  Erdtheiles  südlich  von  Vancouvers 
Island  arm  ist,  gehören  zu  den  V.  St.  nur  wenige  kleine  vul- 
kanische, welche  der  südcalifornischen  Küste  vorgelagert  sind.  Man 
kann  also  zusammenfassend  sagen,  dass  die  Zugänglichkeit  der 
V.  St.,  soweit  sie  von  der  Umrissgliederung  abhängt,  sehr  bedeutend 
an  der  atlantischen,  minder  an  der  Golf-  und  gering  an  der  pacifischen 
Küste  ist. 

Indessen  ist  die  Bedeutung  dieser  grossen  Gliederung  für  die 
Culturstellung  eines  Landes  von  geringerer  Wichtigkeit,  als  sie 
es  für  die  Culturentwickelung  desselben  ist^).  Man  hat  mit 
Kecht  die  günstigen  Folgen  betont,  welche  die  reiche  Insel-  und 
Halbinselbildung  an  der  mittelmeerischen  Seite  Europas  für  die 
Entfaltung  einer  höheren  Cultur  unter  den  umwohnenden  Völkern 
haben  musste,  welche  durch  dieselbe  zu  regerem  Verkehr  sich  er- 
muntert und  ermuthigt  fühlten.  Aber  in  einem  Lande  wie  die  V.  St., 
welches  von  Völkern  besiedelt  wurde,  die  eine  in  materieller  Be- 
ziehung eben  so  hohe  Cultur  wie  die  griechische  von  Anfang  an 
mitbrachten,  fällt  diese  grosse  Gliederung  nicht  ins  Gewicht.  Die 
Spanier,  Franzosen  und  Engländer,  welche  hier  sich  niederliessen, 
bedurften  nicht  der  Aufforderung   zur  Schiffahrt,   sie   wären   nicht 


1)  Es  ist  hier  an  den  dauernden  Charakter  der  Culturstelhmg  gedacht  und 
nicht  an  die  vorübergehende  und  zwar  schon  jetzt  stark  im  Vorübergehen  be- 
findliche Erscheinungsform  derselben,  die  man  als  oceanisch  bezeichnet  hat. 
Indem  die  Cultur  in  dieses  weite  Gebiet  auf  allen  Seiten  von  der  See  her  vor- 
drang, hat  sie  allerdings  anfänglich  einen  mehr  littoralen  als  continentalen 
Charakter  gehabt.  „Hier  wie  im  Orient  und  in  Rom  haben  die  Wassermächte 
der  Natur  kolossale  Schöpfungen  zum  Theil  hervorgerufen,  zum  Theil  be- 
günstigt. Dort  waren  es  die  grossen  abgeschlossenen  Stromthäler  und  ein 
.Mittelmeer,  hier  oceanische  Berührungen  .  .  .  Die  grosse  Republik  ist  ein 
y  oceanisches  Fahrzeug  ohne  historischen  Baiast."  Ernst  Kapp,  Vergl.  AUg.  Erd- 
kunde 1868  S.  601. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  7 

an  diese  Küsten  gekommen,  wenn  sie  nicht  von  vornlierein  vollendete 
Seefahrer  gewesen  wären.  Das  Einzige,  was  sie  brauchten,  waren 
möglichst  sichere  Häfen,  und  die  fanden  sie,  denn  die  atlantische 
oder  Ostküste  gehört  zu  den  hafenreichsten,  die  man  kennt,  und 
zwar  vorzüglich  in  ihrem  nördlichsten  Theil  bis  herunter  zum  Cap 
Hatteras.  Portland,  Boston  und  New  York  sind  von  Natur  gross- 
artige Häfen,  und  so  zahlreich  sind  die  kleineren,  dass  an  für  den 
grossen  Verkehr  in  Betracht  kommenden  Hafenplätzen  die  atlantische 
Küste  55,  die  des  Golfes  11  und  die  pacifische  6  zählen.  Mit  den 
mehr  von  der  Küstenschiffahrt  und  Fischerei  benützten  wird  die 
Gesammtzahl  auf  mehr  als  500  geschätzt. 

Der  grösste  Hafenreichthum  reicht  so  weit,  als  die  Felsengrund- 
lage der  nördlichen  Alleghanies  unmittelbar  an  das  Meer  herantritt. 
Als  das  südlichste  von  den  in  dieselbe  gehöhlten  Felsenbecken  kann 
der  Hafen  von  New  York  bezw.  die  Hudson-Mündung  betrachtet 
werden.  Südlich  von  hier  wird  durch  immer  stärkeres  Hervor- 
treten des  Flachlandes  die  Hafenbildung  nur  an  jenen  Punkten 
unter  günstigen  Bedingungen  möglich,  an  denen  grössere  Flüsse  in 
das  Meer  münden.  Man  findet  daher  die  nennenswerthen  Häfen 
dieser  Region  in  den  Flussmündungen,  und  es  theilen  dieselben  mit 
den  Flusshäfen  die  Schwierigkeiten,  welche  durch  Veränderlichkeit 
des  Wasserstandes,  Schlamm-  und  Sandabsätze  u.  dergl.  erzeugt 
werden.  Philadelphia  am  Delaware,  Baltimore  am  Potomac,  Norfolk 
am  James  R.,  Charleston  am  Cooper  und  Ashley  R.,  Savannah 
am  gleichnamigen  Fluss  und  Jacksonville  am  St.  Johns  R.  sind  die 
bedeutendsten  unter  ihnen.  An  der  Golfküste  hat  man  gleichfalls 
nur  Fluss-  und  Lagunenhäfen,  aber  dieselben  sind  durch  die  grösseren 
Schlammabsätze,  welche  in  diesen  wie  in  allen  mehr  abgeschlossenen 
Meerestheilen  statthaben,  viel  weniger  sicher  als  die  Flusshäfen 
der  atlantischen  Küste.  New  Orleans  am  Mississippi  mit  seiner 
durch  beständig  wechselnde  Schlammbänke  verbarrikadirten  Ein- 
fahrt ist  ein  gutes  Bild  der  Golfhäfen.  Die  ganze  texanische 
Küste  hat  mit  all  ihren  zahlreichen  Flussmündungen  und  Lagunen 
keinen  einzigen  guten  Hafen.  Oestlich  vom  Mississippi  gilt  Pensacola 
für  den  besten  von  allen  nordamerikanischen  Golfhäfen.  Die  paci- 
tische  Küste  hat  entsprechend  ihrer  vorwiegend  felsigen  Beschaffen- 


8  L  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

heit  einige  treffliche  Naturhäfen.  In  erster  Linie  die  Bucht  von 
S.  Francisco,  welche  für  diesen  Theil  der  Küste  der  V.  St.  un- 
gefähr dasselbe  bedeutet  wie  die  von  New  York  für  den  atlantischen. 
Es  ist  der  grösste,  beste  und  bestgelegene,  von  der  Natur  zum  Sitz 
des  Emporium  bestimmte  Hafen.  Nördlich  und  südlich  von  hier 
gibt  es  noch  eine  ganze  Anzahl  von  kleineren  natürlichen  Felsen- 
becken, welche  vorzügliche  Häfen  darstellen.  An  der  Oregon-Küste 
treten  dieselben  bei  flacherem  Charakter  des  Strandes  zurück.  Die 
Columbia-Mündung  ist  für  grosse  Seeschiffe  unzugänglich.  Dagegen 
bietet  der  vielzerklüftete  Pudget  Sound  im  äussersten  Nordwesten 
genug  günstige  Oertlichkeiten  für  gute  Häfen,  denen  zunächst  nur 
die  Bevölkerung  und  die  Produktenmasse  fehlt. 

Da  der  wichtigste  Verkehr,  den  die  V.  St.  über  See  betreiben, 
nach  Europa  geht,  so  ist  in  der  Gestalt  der  Küste,  welche  Europa 
zugewandt  ist,  von  besonderer  Bedeutung,  dass  dieselbe  von  SW. 
nach  NO.  stufenweise  gegen  unseren  Erdtheil  hin  vorspringt.  Der 
nördlichste  Punkt  der  V.  St.  an  dieser  Küste  liegt  in  Folge  dessen 
15  Längegrade  näher  gegen  Europa  zu  als  der  südlichste,  die  Süd- 
spitze von  Florida.  Das  macht  einen  Unterschied  von  gegen  800  km. 
Dementsprechend  sind  auch  die  Fahrzeiten  der  Dampfer,  die  zwischen 
Europa  und  den  atlantischen  Häfen  der  V.  St.  gehen,  verschieden 
je  nach  der  Lage  der  letzteren.  Man  fährt  z.  B.  von  Liverpool 
nach  Portland  Me.  fast  regelmässig  einen  Tag  weniger  als  von 
Liverpool  nach  Philadelphia  oder  Baltimore.  Indessen  ist  es  nicht 
bloss  die  räumliche  Annäherung  an  Europa,  welche  diesem  Aus- 
laden der  Küste  nach  NO.  hin  einen  so  bedeutenden  Einfluss  ver- 
leiht, sondern  mehr  noch  die  Thatsache,  dass  alle  Schiffe,  welche 
von  Europa  nach  der  Ostküste  Nord- Amerikas  fahren,  sich  je  nach 
der  Jahreszeit  nördlich  vom  46.  bis  55.  Breitegrad  halten,  um  den 
Atlantischen  Ocean  in  möglichst  hoher  Breite  zu  schneiden  und 
erst  bei  der  Annäherung  an  die  Küste  wieder  einen  südwestlicheren 
Curs  einzuschlagen.  Aus  beiden  Gründen  liegen  die  nördlichen  Häfen 
der  atlantischen  Küste  der  V.  St.  besser  für  den  Verkehr  mit 
Europa  als  die  südlicheren  und  ist  die  atlantische  Küste  von  Nord- 
Amerika  überhaupt  für  diesen  Verkehr  vor  allen  anderen  Theilen 
der  Neuen  Welt  in  hohem  Grade  begünstigt. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  9 

An  der  pacifisclien  Küste  iiiramt  der  Strich  von  16  Breitegraden, 
mit  dem  die  V.  St.  sich  dort  hinlagern,  aus  anderen  Gründen 
eine  ebenfalls  hervorragende  Stellung  ein.  Er  bezeichnet  nämlich 
den  culturfähigsten  Abschnitt  der  ganzen  pacifischen  Küste  von 
Nord-Amerika.  Er  liegt  zwischen  33  und  49^  n.  Br.  Südlich 
davon  macht  die  Regenarmuth  der  Passatregion  bis  zum  Wendekreis 
des  Krebses  aus  der  Küste  von  Unter- Californien  und  Sonora  eine 
Oede,  die  ^/lo  ihrer  Bevölkerung  einbüssen  würde,  von  dem  Augen- 
blick an,  dass  ihre  Bergwerke  und  Perlenfischereien  unergiebig 
würden.  Nördlich  aber  von  der  Grenze  der  V.  St.  sind  am  paci- 
fischen Ufer  Britisli  Columbia  und  Alaska  unter  den  Einflüssen  eines 
rauhen  und  gleichzeitig  übermässig  feuchten  Klimas  aller  jener  Vor- 
bedingungen eines  ergiebigen  Ackerbaues  beraubt,  welcher  einer  dichten 
Bevölkerung  das  Leben  zu  fristen  vermöchte.  Eingeschaltet  in  die 
Mitte  zwischen  diesen  beiden  Extremen'  sind  zwar  die  pacifischen  Ufer- 
staaten Californien,  Oregon  und  Washington  Territory  weit  entfernt  i^ 
davon,  die  Canaane  zu  sein,  als  welche  sie  von  interessirter  oder 
kurzsichtiger  Seite  dargestellt  werden,  aber  sie  heben  sich  immer- 
hin glänzend  von  ihren  Nachbarn  im  Norden  und  Süden  ab.  Nur 
Californien,  das  in  jeder  Beziehung  ergiebigste  von  ihnen,  war  im 
Stand,  eine  Weltstadt  wie  S.  Francisco  zu  erzeugen  und  zu  nähren. 
Aber  auch  aus  socialen  und  politischen  Gründen  ist  überhaupt  im 
ganzen  nördlichen  Theil  des  Stillen  Oceans  eine  ähnliche  Ent-  v^ 
Wickelung  zum  zweiten  Mal  nicht  mehr  möglich.  Auf  amerikanischer 
Seite  vermögen  die  Hispano- Amerikaner,  die  von  der  Südgrenze 
Californiens  ununterbrochen  bis  zum  Cap  Hoorn  hinunter  die  Küsten 
innehaben,  den  Anglo-Amerikanern  weder  im  Handel,  noch  im  Acker- 
bau, noch  in  der  Industrie,  noch  auf  politischem  Gebiet  Concurrenz 
zu  machen.  Im  Norden  sind  die  Russen  durch  den  Ankauf  Alaskas 
von  dieser  Seite  verdrängt;  die  Engländer  aber  haben  in  British 
Columbia  und  im  Stikin-Territorium  einen  so  wenig  begünstigten 
Strich  inne,  dass  ihre  Bevölkerung  in  100  Jahren  trotz  verschiedener 
Gold- Excitements  nicht  über  80000  gewachsen  ist  und  noch  immer 
bedeutende  Bruchtheile  an  die  V.  St.  abgibt. 

Was  die  asiatische  Seite  anbetriff't,    so   sind  Japan   und  China 
bis  jetzt  keine  Mächte,  welche  ein  Gegengewicht  gegen   diese  auf- 


10  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

strebende  pacifische  Macht  zu  bilden  vermöchten,  und  wahrscheinlich 
werden  sie  dazu  auch  in  den  nächsten  Jahrzehnten  ebensowenig 
im  Stande  sein.  Vor  den  europäischen  Mächten  aber,  die  Einfluss 
auf  die  ostasiatischen  Angelegenheiten  zu  nehmen  vermögen,  England 
in  erster  Reihe,  haben  die  V.  St.  ihre  Nachbarschaft  als  Anwohner 
desselben  Meeres  voraus.  Dieselbe  ist  zwar  eine  entfernte,  aber 
der  Seeweg  von  S.  Francisco  nach  Yokohama  ist  um  30  Tage  kürzer 
als  der  von  London.  Grund  genug,  um  das  Ueberwiegen  des 
amerikanischen  Einflusses  in  Japan  begreiflich  zu  finden  und  um 
der  hervorragenden  Stellung,  welche  die  Amerikaner  in  China  ein- 
nehmen, eine  Entwickelung  zu  noch  viel  bestimmenderem  Einfluss 
zuzutrauen.  Wenn  am  Atlantischen  Ocean  die  V.  St.  als  Handels- 
macht  eine  der  ersten  Rollen  spielen,  so  sind  sie  am  pacifischen  viel 
mehr  als  das,  nämlich  die  erste  Cul  türm  acht  und  voraussichtlich 
unter  allen  den  zahlreichen  Uferstaaten  dieses  grossen  Meeres  der 
wirksamste  politische  Faktor.  Aehnlich  stehen  auch  an  der  Golf- 
küste die  Nord-Amerikaner  den  Mexikanern,  Mittel- Amerikanern  und 
West-Indiern  weit  überlegen  gegenüber.  Der  Strich,  mit  dem  ihr 
Land  an  diesen  Meerestheil  grenzt,  ist  ausserdem  schon  dadurch, 
dass  er  die  Mündung  des  grössten  nordamerikanischen  Stromes,  des 
Mississippi,  umschliesst,  und  dass  das  ganze  Innere  des  Halbcontinentes 
überhaupt  nach  dieser  Seite  sich  öfi'net,  von  überwiegender  Be- 
deutung. Der  Einfluss  der  V.  St.  auf  die  wirthschaftlichen  und 
wohl  auch  die  politischen  Entwickelungen  im  Umkreis  dieses  Meeres- 
theiles  wird  nach  der  Natur  dieser  Lage  immer  ein  bedeutender 
sein  und  ist  als  solcher  seit  dem  Zuge  nach  Mexico  (1848)  deutlich 
zu  erkennen.  Dem  Handel  und  Verkehr  mit  ausserhalb  dieses  Kreises 
gelegenen  Ländern  ist  dagegen  die  eingeschlossene  Lage  dieses  Golfes 
weniger  günstig  und  die  unmittelbar  vom  Inneren  nach  der  atlan- 
tischen Küste  führenden  Eisenbahnlinien  führen  einen  grossen  Theil 
der  Waaren,  für  welche  der  Mississippi  die  natürliche  Strasse  zu  sein 
scheint,  den  atlantischen  Häfen  zu. 

Die  Sicherheit  der  Lage,  welche  bei  der  geographischen 
Betrachtung  eines  jeden  europäischen  Staates  immer  mit  in  erster 
Linie  ins  Auge  gefasst  werden  muss,  kann,  für  jetzt  wenigstens,  bei 
den  V.  St.  nur  Gegenstand  einer  nebensächlichen  Erwähnung  sein. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  11 

Die  Landgrenzen  der  V.  St.  sind  7860  km  lang.  Vom  rein 
politischen  Standpunkte  aus  sind  es  gute  Grenzen  mit  Ausnahme 
weniger  Strecken,  weil  sie  grossentheils  durch  menschenleere  Gegenden 
führen  oder  doch  durch  Gegenden,  welche  voraussichtlich  niemals 
eine  dichte  Bevölkerung  haben  werden.  Auch  liegen  nicht  an  diesen 
Landgrenzen  die  festen  Plätze,  von  denen  bei  einem  Angriff  von 
aussen  her  am  meisten  zu  fürchten  wäre.  Die  V.  St.  würden  nur 
zur  See  in  gefährlicher  Weise  angegriffen  werden  können,  und  in 
dieser  Beziehung  ist  es  interessant,  dass  ein  neuerer  Bericht  (für 
1876/77)  des  Chief  of  Engineers  über  Küstenvertheidigung  hervor- 
hebt, dass  eine  feindliche  Flotte  die  Küste  der  V.  St.  von  Halifax 
aus  in  36,  von  Havana  in  6  und  von  Victoria  (Vancouver)  in 
69  Stunden  zu  erreichen  vermöchte.  Aber  die  Sicherheit  der  V.  St. 
braucht  nicht  in  schützenden  Grenzen  gesucht  zu  werden,  sondern 
sie  liegt  in  dem  Uebergewicht  ihrer  Gebietsausdehnung,  ihrer  Be- 
völkerungszahl, der  Intelligenz,  Tüchtigkeit  und  Wohlhabenheit  ihrer 
Bevölkerung.  Durch  diese  besitzen  sie  ein  moralisches  Gewicht  in 
Amerika,  wie  es  in  Europa  keinem  einzelnen  Staate  vor  allen 
anderen  zukommt.  Die  Grenzfrage  ist  von  Wichtigkeit  nur  in  der 
Richtung,  dass  von  einer  weiteren  Ausdehnung  der  heutigen  Grenzen 
eine  Schädigung  des  inneren  Zusammenhanges  der  V.  St.  befürchtet 
werden  müsste.  Das  Machtübergewicht  der  V.  St.  gegenüber 
ihren  Nachbarn  ist  geeignet,  eine  Neigung  zu  noch  weiterer  Aus- 
breitung zu  begünstigen,  und  diese  Neigung  ist  sowohl  Canada  als 
Mexico  und  Cuba  gegenüber  ohne  Zweifel  bei  einem  grossen,  aber 
politisch  nicht  weitsichtigen  Theile  der  Bevölkerung  verbreitet.  Es 
ist  aber  zu  erwarten,  dass  die  viel  näherliegenden  und  ohne  Zweifel 
immer  brennender  werdenden  Fragen  des  inneren  Zusammenhanges 
die  Gefahr  einer  Hinausrückung  der  jetzigen  im  Ganzen  so  natür- 
lichen Grenzen  zur  Genüge  erkennen  lassen  werden. 

IL  Auf  die  Frage  nach  den  inneren  politischen  Wir- 
kungen, welche  von  Lage  und  Gestalt  der  V.  St.  ausgeübt  wird, 
muss  die  Antwort  immer  schwer  sein,  solange  nur  ein  verhältniss- 
mässig  kleiner  Theil  des  Landes  diejenige  Bevölkerungszahl  aufweist, 
welche  zu  einer  selbständigen  politischen  Existenz  nothwendig  ist. 
Einstweilen  haben   wir   kein   Recht  anzunehmen,    dass   die   V.  St., 


12  I  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

dem  Beispiel  Alt-Europas  folgend,  notliwendig  einmal  in  eine  An- 
zahl von  grösseren  und  kleineren  selbständigen  politischen'  Exi- 
stenzen zerfallen  müssten,  die  theilweise  von  der  Bodengestaltung, 
den  grossen  Flussläufen,  dem  Klima  und  anderen  natürlichen  Fak- 
toren bestimmt  würden  ^).  Die  Neue  Welt  ist  in  so  vielen  Beziehungen 
mit  Erfolg  neuernd  aufgetreten,  dass  vielleicht  auch  das  vermeint- 
liche Gesetz  der  nothwendigen  Zerfällung  grosser  Völker  auf  einer 
gewissen  Stufe  ihres  Wachsthums  von  ihnen  nicht  erfüllt  wird. 
Völker,  deren  Jugend  in  die  Zeit  des  Verkehres  mit  Dampf  und 
Elektricität  fällt,  geniessen  jedenfalls  eine  einigendere  Erziehung, 
als  es  die  unserer  europäischen  Staatengründer  sein  konnte.  Jeden- 
falls entsprangen  die  bisherigen  Secessionsversuche  nicht  der  Boden- 
gestaltung oder  anderen  Naturverhältnissen,  sondern  nur  den  Inter- 
essengegensätzen der  verschiedenen  Theile  der  Union,  und  gerade  die 
tiefstgehende  Spaltung,  die  innerhalb  des  Bundes  je  bestand,  die 
zwischen  Nord  und  Süd,  war  in  keiner  Weise  geographisch  begrün- 
det').    Es  ist  im  Gegentheil  ein  bemerkenswerther  Umstand,    dass 


1)  Jener  Zweig  der  Erdkunde,  dem  neuere  Methodiker  wie  Marthe  und 
Hermann  Wagner  die  Aufgabe  zuweisen,  Choren  oder  geographische  Provinzen 
der  Erdoberfläche  abzugrenzen,  die  Geosophie  oder  Chorosophie,  dürfte  gerade 
in  dem  Gebiete  der  V.  St.  eine  besonders  schwierige  Aufgabe  vorfinden.  Oro- 
graphische  und  hydrographische  Grenzen  von  genügender  Schärfe  gibt  es  liier 
wenig,  sondernde  Culturmomente  sind  nicht  vorhanden,  es  bleiben  nur  die  klima- 
tischen Unterschiede  und  die  Grenzen  der  Pflanzen-  und  Thierverbreitung. 
Allem  Anschein  nach  wird  man  über  die  sechs  schon  früher  erkannten  geo- 
graphischen Provinzen  der  beiden  Waldgebiete  (nord-  und  südatlantisches),  der 
Prärien,  der  Steppen,  der  Steppengebirge  und  Californiens  nicht  hinauskommen. 
Die  natürlichen  Wirth Schaftsgebiete,  die  ich  im  Folgenden  fs.  u.  S.  43)  zu  unter- 
scheiden versuche,  schliessen  sich  im  Allgemeinen  an  diese  sechs  Choren  an. 
Beiden  Sonderungen  liegen  offenbar  dieselben  klimatischen  Momente  in  erster 
Reihe  zu  Grunde.  Die  Frage  nach  den  inneren  Naturgrenzen,  die  ich  vorwiegend 
im  Hinblick  auf  die  Wirkungen  der  Naturumgebungen  auf  den  Menschen  und 
die  möglichen  Staats-  oder  selbst  Völkerentwickelungen  im  Rahmen  der  heutigen 
V.  St.  aufwerfe,  ist  wieder  eine  andere,  denn  ein  wohlumgrenztes  politisches 
und  Culturgebiet  braucht  nicht  mit  einer  wohlbegründeten  geographischen 
Provinz  zusammenfallen;  im  Gegentheil  hat  es  in  den  V.  St.  den  Anschein, 
als  werde  es  mehrere  von  den  letzteren  umfassen  können. 

2)  „Bei  all  seiner  Mannigfaltigkeit  des  Bodens  und  Klimas  stellt  einer  poli- 
tischen Vereinigung  das  Land  kein  Hinderniss  entgegen.  In  dem  ganzen  Ge- 
biete der  alten  Ansiedelungen,    die  von  New  Hampshire   bis   Georgia   sich   er- 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  13 

Nord  und  Süd  in  Nord-Amerika  viel  mehr  durch  Uebergänge  ver- 
mittelt sind  als  in  Europa.  Bei  uns  liegt  nordisches  und  mittel- 
ländisches Klima,  Culturgebiet  u.  s.  f.  scharf  nebeneinander,  dort 
hat  man  das  breite  Band  der  sog.  nördlichen  Südstaaten,  wie  Vir- 
ginien,  Kentucky  und  Tennessee,  die  die  Eigenschaften  beider  Theile 
in  sich  vereinigen.  Auch  die  Alleghanies  werden  nie  eine  Natur- 
grenze auch  nur  von  der  Schärfe  des  Jura  oder  Apennin  bilden. 
Das  Mississippi-Becken  ist  kein  bestimmt  umgrenztes  Naturgebict 
wie  etwa  das  des  Nil,  sondern  ein  bereits  nach  allen  Seiten  hin 
offenes  Tiefland,  dessen  Ränder  so  sanft  nach  den  Gebirgen  zu 
ansteigen,  dass  kaum  eine  Grenze  gezogen  werden  kann.  Dasselbe 
gilt  von  der  Umgebung  der  Grossen  Seen,  welche  besonders 
aus  dem  Gesichtspunkte  der  Verkehrsinteressen  immer  mehr  als  ein 
schwach  abgegliederter  Abschnitt  des  Mississippi-Tieflandes  erscheinen 
werden.  Die  erste  und  eigentliche  Naturgrenze  findet  man  nicht 
eher,  als  bis  man  in  der  Nähe  des  98.  Längegrades  die  Steppen- 
region  betritt,  in  welcher  Dürre,  Baumlosigkeit  und  extreme 
Temperaturvertheilung  das  entschiedenst  gestempelte  Naturgebiet 
Nord-Amerikas  hervorbringen^).     Die   bis  nahe  an  5000m    hohen 


streckten  und  einerseits  vom  Meer,  andererseits  von  der  östlichen  Gebirgskette 
begrenzt  waren,  gab  es  keine  natürliche  Grenze.  Flüsse,  die  nordsüdlich  fliessen, 
hat  man  für  besonders  wichtige  Faktoren  der  Civilisation  betrachtet,  vielleicht 
weil  sie  Boden  und  Klima  verischiedener  Breiten  vermitteln.  Der  Mississippi  ist 
dazu  gemacht,  der  grosse  Handelsweg  Eines  Volkes  zu  werden  und  dessen  Theile 
immer  zusammenzuketten.  Die  anderen  Flüsse  wie  Delaware,  Susquehanna, 
Hudson,  Connecticut  erleichterten  den  Verkehr  der  alten  Colonien,  indem  sie 
jeweils  die  Gebiete  von  einigen  derselben  bewässerten.  Unsere  Gebirge,  die 
grossen  wie  die  kleinen,  erstrecken  sich  in  nordsüdlichen  Richtungen,  keines 
aber  in  jener  Richtung,  die  (man  denke  an  Alpen,  Pyrenäen,  Balkan)  die  Macht 
zu  haben  scheint,  eine  unüberwindliche  Grenzschranke  zwischen  Völkern  zu 
bilden.«     (Prof.  H.  Reed  in  9  th.  Ann.  Rep.  Smithson  Inst.  1855,  170.) 

1)  Mit  der  Ausdehnung  der  Union  über  die  Westhälfte  des  südlichen  Nord- 
Amerika  sind  daher  alle  jene  von  der  grossartigen  Einfachheit  der  Gliederung  der 
Osthälfte  hergenommenen  Bilder  zu  eng  geworden,  in  denen  man  die  grossen  Züge 
dieser  Gliederung  zusammenzufassen  liebte.  (Vgl.  Bd.  I.  43.)  Noch  1835  konnte 
M.  Chevalier  aus  wirthschaftlichem  Gesichtspunkte  die  V.  St.  mit  einem  zwei- 
lungigen  Organismus  vergleichen  (Lettres  II.  32),  dessen  Wirbelsäule  die  Alle- 
ghanies, dessen  Haupteontouren  Mississippi  und  Atlantischer  Ocean  und  dessen 
Athemöffnungen  New  York  und  New  Orleans  seien.  Heute  könnte  man  sie  nur 
noch  etwa  unter  dem  Bilde  eines  zusammengesetzten  Organismus  auffassen. 


14  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwiekelung.  ,4  "* 

Gebirgszüge  der  Cordilleren ,  welche  in  der  Breite  von  15  Länge- 
graden dies  ganze  Gebiet  von  der  Nord-  bis  zur  Südgrenze  durch- 
ziehen, bilden  nur  Oasen,  aber  keine  Naturgrenzen.  Vor  wie  hinter 
ihren  schneegekrönten  Mauern  dehnt  die  Steppe  sich  aus  und  nur 
die  Höhen  zwischen  2500  und  3000m  sind  der  Cultur  zugänglich. 
Sie  gehören  mit  hinein  in  die  Steppenregion,  deren  traurige  Lebens- 
bedingungen sie  nur  in  den  schmalen  Bändern  jenes  Gürtels  von 
500m  unterbrechen.  Hervorhebung  verdient  es  jedoch,  dass  der 
Flussreichthum  der  nordamerikanischen  Steppen,  der  dieselben  zu 
ihrem  Vortheil  unterscheidet  von  anderen  Landschaften  ähnlichen 
Charakters,  auf  diese  Gebirge  zurückzuführen  ist.  (Vgl.  Bd.  I.  9.) 
Erst  westlich  von  der  Westmauer  der  Cordilleren  dehnt  sich  in 
Gestalt  des  zwischen  Gebirge  und  Meer  liegenden  Landstreifens, 
den  die  Amerikaner  ,^ Pacific  Slope'-^,  Pacifischer  Abhang,  nennen, 
ein  drittes  wohlumgrenztes  und  scharf  charakterisirtes  Naturgebiet 
aus,  welches  an  weitgehender  Individualisirung  nicht  seines  Gleichen 
mehr  in  Nord-Amerika  findet.  Dies  ist  der  einzige  natürliche  Ab- 
schnitt dieser  Erdtheilhälfte ,  von  dem  man  sagen  kann,  dass  er 
einen  bedeutenden  absondernden  und  individualisirenden  Einfluss 
auf  seine  Bewohner  zu  üben  vermöchte,  wenn  anders  diese  einem 
solchen  entgegenkommen  möchten.  Gegenwärtig,  wo  die  Bevölke- 
rungszahl dieses  zukunftreichen  Gebietes  noch  nicht  einmal  auf 
1  Mill.  veranschlagt  werden  kann,  kann  natürlich  davon  noch  nicht 
praktisch  die  Rede  sein.  Immerhin  hat  schon  jetzt  der  Kern  der 
pacifischen  Gruppe,  Californien,  mehr  von  den  übrigen  Staaten  Ab- 
weichendes aufzuweisen  als  irgend  ein  anderer  Theil  der  Union  ^). 
Auch  die  räumlicheEntlegenheit  der  verschiedenen  Theile 
der  Union  ist   als   eine   der  Thatsachen  aufgeführt  worden,   welche 


1)  Die  Ursache  davon  liegt  ausser  im  Klima  vorzüglich  in  der  Asien  zu- 
gewandten Lage  (chinesische  Einwanderung,  Verkehr  mit  Ostasien),  in  dem  Gold- 
reichthum  des  Landes,  der  die  Bewohner  so  sehr  bereichert  hat,  dass  S.  Fran- 
cisco trotz  ihrer  Jugend  als  eine  der  reichsten  Städte  der  Union  gilt  und  nur 
allein  hier  das  Gold  nie  vom  Papiergeld  verdrängt  worden  ist;  in  den  Rest.en 
spanischer  Bevölkerung;  in  der  raschen  Entwickelung  des  grossen  Grundbesit^^es 
theilweis  in  Anlehnung  an  das  spanische  Haciendasystem ;  in  dem  geringen  Ein- 
fluss der  neuengländischen  Traditionen;  in  dem  Weinreichthum  des  Landes. 
Kleinere  sociale  Eigenthümlichkeiteu  sind  daher  bereits  in  grosser  Zahl  entwickelt. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  15 

absondernd  auf  dieselbe  wirken  müsste.  Allerdings  ist  gegenwärtig 
Washington  mehr  als  7  Tagreisen  von  S.  Francisco  und  noch 
erheblich  weiter  von  Oregon  und  den  Territorien  des  Nordwestens 
entlegen.  Aber  diese  excentrische  Lage  ist  eine  Abnormität,  die 
kaum  sehr  lange  Zeit  noch  sich  halten  dürfte.  Eine  grosse  Stadt 
des  Westens,  vielleicht  das  so  sehr  günstig  gelegene  S.  Louis,  das 
fast  gleichweit  von  der  Nord-  und  Südgrenze  und  wenig  mehr  als 
um  die  Hälfte  weiter  von  der  West-  als  der  Ostküste  "entfernt  ist, 
scheint  diese  wichtige  Erbschaft  antreten  zu  sollen.  Uebrigens 
hat  bis  jetzt  der  Mangel  eines  Culturmittelpunktes,  der  zusammen- 
fiele mit  dem  politischen  Mittelpunkt,  jedenfalls  in  grösserem  Masse 
mitgewirkt  zu  der  Langsamkeit  des  engeren  Zusammenschlusses  der 
V.  St.  als  die  excentrische  Lage  von  Washington.  In  der  Politik 
der  V.  St.  war  die  Bundeshauptstadt  Washington  der  ideale  Punkt, 
der  gedacht  und  genannt  wird,  aber  nicht  ist.  Wenn  man  diesen 
idealen  Mittelpunkt  einst  durch  einen  materiellen  wird  ersetzen 
wollen,  wird  freilich  eine  mit  der  räumlichen  Weite  des  Gebietes 
ebenfalls  zusammenhängende  Thatsache  zu  Schwierigkeiten  führen, 
nämlich  die  Mehrzahl  von  Grossstädten,  von  denen  einige  mit  der 
Zeit  eine  ziemlich  gleichartige  Stufe  nach  Bevölkerungszahl  und 
allgemeiner  Wichtigkeit  erreichen  dürften.  Die  V.  St.  besassen 
schon  1870  fünf  Städte  mit  mehr  als  250  000  Einwohnern,  während 
Deutschland  bei  etwas  grösserer  Bevölkerungszahl  deren  nur  zwei 
besass.  Im  Osten  sind  New  York  und  Philadelphia,  im  Inneren  Cin- 
cinnati,  Chicago  und  S.  Louis,  am  Stillen  Meer  S.  Francisco  entweder 
bereits  so  gross  oder  doch  von  so  gewaltigem  und  regelmässigem 
Wachsthum,  dass  man  sie  allesammt  als  Weltstädte  und  als  würdige 
Hauptstädte  der  V.  St.  bezeichnen  könnte.  Auch  rivalisiren  sie 
bereits  in  der  lebhaftesten  Weise  im  Hinblick  auf  die  hohe  Stellung, 
die  sie  einst  einnehmen  könnten.  Aber  noch  immer  hat  New  York 
die  Führung,  die  es  schon  zu  jener  Zeit  erwarb,  da  die  Bevölkerung 
noch  fast  ganz  auf  den  atlantischen  Saum  zusammengedrängt  wohnte, 
und  es  ist  noch  nicht  abzusehen,  welche  von  den  Grossstäden  des 
Inneren  ihr  Erbe  einst  antreten  werden.  Einstweilen  ist  aber  weder  in 
dieser  noch  in  irgend  einer  anderen  Richtung  die  Weite  des  Gebietes 
hemmend    der     einheitlichen   Entwickelung     der  V.   St.   entgegen- 


16  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

getreten.  Es  ist  optimistisch,  wenn  ein  geistvoller  Amerikaner  ^)  sagt, 
dass  die  Erfindung  der  Eisenbahnen  England  auf  ein  Drittel  seiner 
Grösse  verkleinert  habe,  indem  dieselben  die  Menschen  einander  um 
so  viel  näher  bringen,  während  in  den  V.  St.,  deren  Tage  schon 
gezählt  schienen,  in  Folge  der  Schwierigkeiten,  Volksvertreter,  Richter, 
Officiere  über  so  weite  Strecken  weg  zu  befördern,  durch  dieselben 
die  zerstreute  Bevölkerung  in  ein  einziges  Netz  zusammengewoben 
und  beständig  einander  assimilirt  werde,  so  dass  keine  Gefahr 
mehr  bestehe,  dass  örtliche  Besonderheiten  und  Gegensätze  sich 
erhalten.  Aber  es  ist  jedenfalls  so  viel  daran  wahr,  dass  es  nicht 
richtig  ist,  bei  einer  noch  so  jungen  und  beweglichen,  im  vollen 
Bewusstsein  ihrer  Kraft  stehenden,  im  Anstreben  grosser  materieller 
Ziele  absorbirten  Bevölkerung  dieselbe  Bildsamkeit  gegenüber  dem 
Einfluss  der  Natur  des  Landes  vorauszusetzen,  die  bei  älteren, 
passiver  gewordenen  Völkern  gefunden  wird.  Es  dürfte  im  Gegen- 
theil  kein  Volk  der  Erde  eine  solche  Energie  in  der  Ueberwindung 
und  Dienstbarmachung  der  Natur  seines  Landes  aufzuweisen  ver- 
mögen wie  eben  das  nordamerikanische  ^).  Gerade  dies  ist  viel- 
mehr einer  seiner  hervortretendsten  Char akter züge. 

in.  Dieses  Ueberwinden  und  Dienstbarmachen  hat  freilich  seine 
Grenze.  Es  gibt  Naturbedingungen,  denen  gegenüber  der  Mensch 
nahezu  ohnmächtig  ist,   und   zu   ihnen  gehört   in  erster  Linie  das 


1)  Ralph  W.  Emerson  in  seinem  Vortrag  j,The  Young  American"  (Works. 
Bohn  Ed.  II.  293). 

2)  In  einer  früheren  Zeit,  wo  die  übrigen  Naturverhältnisse  des  Landes, 
vorzüglich  der  Bodenreichthum ,  durch  Dünne  der  Bevölkerung  und  Mangel  an 
Verkehrswegen  und  Verkehrsanregungen  an  der  energischen  Entfaltung  ihrer 
Wirkungen  verhindert  waren,  kam  freilich  der  geographischen  Lage  eine  viel 
grössere  Bedeutung  zu.  „Die  Solidarität  der  Interessen,  sagt  Von  Holst,  und 
—  was  zur  Zeit  von  noch  grösserem  Belang  war  —  die  klare  Erkenntniss,  dass 
eine  Solidarität  der  Interessen  obwalte,  beruhte  daher  vorwiegend  auf  der  geo- 
graphischen Lage  der  Colonien.  Durch  den  Ocean  nicht  nur  von  dem  Mutter- 
lande, sondern  von  der  ganzen  alten  Culturwelt  getrennt,  und  auf  einen  Con- 
tinent  mit  noch  ungemessenen  Grenzen  gestellt,  den  die  Natur  in  jeder  Be- 
ziehung auf  das  verschwenderischste  ausgestattet,  musste  ihnen  der  Gedanke 
frühe  nahetreten,  dass  sie  berufen  seien,  hier  in  der  That  eine  Neue  Welt 
zu  schaffen."     Verfassung  und  Demokratie  der  V.  St.  1873  I.  3. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  17 

Klima.  Seine  Wirkungen  sind  wahrscheinlich  in  dem  Gebiete, 
das  wir  betrachten,  einschneidender  als  in  vielen  anderen.  Mittel- 
bar hat  es  den  grössten  Einfluss  auf  das  Leben  des  Menschen  durch 
die  Abhängigkeit,  in  der  ihm  gegenüber  eine  ganze  Reihe  von  Er- 
werbsthätigkeiten  stehen,  in  erster  Linie  Ackerbau,  Viehzucht, 
Forstwirth Schaft  und  in  manchen  Beziehungen  auch  der  Ver- 
kehr. Hinsichtlich  der  Abhängigkeit  jener  drei  innig  mit  einander 
verbundenen  Wirthschaftszweige  vom  Klima  sei  aber  hier  nur  das 
Allgemeinste  hervorgehoben,  da  dieser  wichtige  Punkt  theils  schon 
im  1 .  Bande  dieses  Werkes  berührt  ist  (vorz.  S.  365),  theils  im  Fol- 
genden noch  öfters  auf  ihn  zurückzukommen  sein  wird.  Das  Gebiet 
der  V.  St.  kann  nach  der  Abhängigkeit  des  Pflanzenwuchses  vom 
Klima  in  zwei  Hauptabschnitte  getheilt  werden :  In  einen  östlichen, 
der  vom  Atlantischen  Ocean  und  dem  Golf  von  Mexico  bis  zur 
Nordgrenze  und  im  Inneren  sich  bis  zu  einer  Linie  erstreckt,  welche 
im  Allgemeinen  mit  dem  98. — 100.  Längegrad  zusammenfällt^).  Oest- 
lich  dieser  Grenze  sind  die  Niederschläge  reichlich  genug,  um  das 
Wachsthum  der  Culturgewächse  und  Waldbäume  so  weit  zu  fördern, 
dass  der  Ackerbau  ohne  künstliche  Bewässerung  möglich  wird  und 
ein  Baumwuchs  sich  entwickelt,  welcher,  wenn  auch  nicht  überall 
dichte  Wälder,  so  doch  ausgedehnte  Haine  zu  bilden  vermag ;  west- 
lich davon  ist,  mit  Ausnahme  kleinerer  Gebiete,  unter  denen  die 
ans  Meer  grenzenden  Theile  'von  Oregon  und  Washington  Terr. 
die  hervorragendsten  sind,  der  Wassermangel  so  gross,  dass  der 
Ackerbau  ohne  Anwendung  künstlicher  Bewässerung  nicht  möglich 
ist  und  ein  Waldwuchs  sich  nur  in  unmittelbarster  Nähe  der  Ge- 
wässer in  schmalen  Streifen  oder  auf  den  Bergen  jenseits  2000  bis 
2500  m  entwickelt.  Den  grossen  Unterschied  zwischen  den  beiden 
Hälften  bewirkt  die  Verschiedenheit  der  Niederschlagsmengen,  doch 
kommt  hinzu,  dass  der  niederschlagsarme  Westen  ausserdem  auch 
durch  seine  bedeutende  Gesammterhebung  und  seine  vorwaltend 
gebirgige  oder  hochebenenhafte  Bodengestaltung  dem  Ackerbau 
weniger  günstige  Bedingungen  bietet  als  der  mildere  Osten.  Grosse 
Ausnahmen   hievon   bilden   nur  Californien  und  Oregon.     Aber  im 


1)  S.  die  Angabe  dieser  Linie  auf  der  Karte  der  Vegetationsgrenzen.  (Tafel  I. 

Ratze  l,    Amerika  n.  2 


18  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickehmg. 

Allgemeinen  kann  man  sagen,  dass  das  Klima  des  Ostens  der  Union 
dem  Ackerbau  und  Waldwuclis  und  mittelbar  damit  auch  der 
Viehzucht  entweder  günstig  oder  wenigstens  nicht  hinderlich  sei, 
während  der  Westen  durch  sein  Klima  für  dieselben  grösstentheils 
unmöglich  wird.  Neben  den  Niederschlägen  ist  die  Wärme  natür- 
lich auch  hier  ein  hochwichtiger  Faktor  des  Ackerbaues.  Sie  lässt 
im  Süden  den  Anbau  subtropischer  Handelsgewächse,  wie  der 
Baumwolle;  des  Zuckerrohres  und  des  Reises  zu  und  als  die  Nord- 
grenze dieser  Culturen  kann  im  Allgemeinen  eine  Linie  bezeichnet 
werden,  welche  die  Mündung  des  James  R.  mit  der  des  Ohio 
und  des  Pecos  verbindet.  Nördlich  von  derselben  liegt  das  Gebiet 
des  Getreidebaues  und  überhaupt  derjenigen  Culturen,  welche  mit 
denen  der  mittel-  und  nordeuropäischen  Getreideländer  überein- 
stimmen. Man  kann  auch  hier  wieder  eine  südliche  und  nördliche 
Zone  unterscheiden,  aber  die  letztere  ist  von  geringer  Ausdehnung. 
In  der  ersteren  ist  Mais,  in  dieser  Weizen  das  Hauptgetreide.  Die 
Gegend  des  intensivsten  und  ergiebigsten  Ackerbaues  liegt  dort,  wo 
das  mittlere  Mississippi-Gebiet  nahe  an  das  Gebiet  der  Grossen  Seen 
herantritt.  Illinois,  Ohio,  Indiana,  Minnesota,  Wisconsin,  Iowa, 
Missouri  nebst  Stücken  von  Kansas  und  Nebraska,  zusammen  ein 
Gebiet  von  20000  g.  Q.M.,  bilden  dort  die  Getreidekammern  Nord- 
Amerikas,  die  alljährlich  wachsende  Mengen  ihrer  Erzeugnisse  an 
das  Ausland  abzugeben  vermag.  Hier  vereinigen  sich  offenbar  alle 
Bedingungen  eines  sehr  ertragreichen  Ackerbaues:  Fruchtbarer 
Boden,  mehr  als  hinreichende  Sommerwärme,  massige  aber  gut 
vertheilte  Niederschläge,  ziemlich  gleichmässiger  Verlauf  der  Witte- 
rungserscheinungen.  —  In  klimatischer  Beziehung  ist  der  Osten 
der  V.  St.  in  grosser  Ausdehnung  ähnlich  beschaffen  wie  Europa. 
Demnach  gedeihen  hier  auch  so  ziemlich  alle  Culturgewächse  unseres 
Erdtheils,  wenn  auch  manche  Eigenschaften  derselben  sich  durch 
Anpassung  verändert  haben.  Die  ackerbauliche  Produktion  trägt 
deshalb  in  beiden  Gebieten  im  Grossen  und  Ganzen  denselben 
Charakter,  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dass  in  den  V.  St.  der 
Mais  in  viel  nördlicheren  Produktionsgebieten  als  bei  uns  noch  die 
Hauptfrucht  bildet.  Unter  den  bedeutenderen  europäischen  Cultur- 
gewächsQn  ist  dort  bis  jetzt  nur  die  Rebe  nicht  mit  vollem  Erfolge 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  19 

einzubürgern  gewesen.  Unter  diesen  Verhältnissen  hat  die  Frage, 
ob  Nord-Amerika  ursprünglich  von  der  Natur  hinreichend  günstig 
mit  Culturgewächsen  und  Hausthieren  ausgestattet  gewesen  sei, 
keine  praktische  Bedeutung  mehr.  (Vgl.  u.  S.  22  f.)  Ganz  eigen  ist 
der  klimatische  Charakter  des  Südens,  wo  die  Wärme  unserer  Mittel- 
meerländer verbunden  ist  mit  Niederschlagsmengen,  die  bereits  an 
tropische  Verhältnisse  erinnern  und  in  der  That  auch  eine  tropisch- 
üppige Vegetation  erzeugen.  Die  Küstenländer  der  südatlantischen 
und  Golfstaaten  und  das  mit  ihnen  zusammenhängende  untere 
Mississippi-Tiefland  gehören  zweifellos  zu  den  fruchtbarsten  Gegenden 
der  Erde.  —  Es  wird  im  Verfolg  unserer  Betrachtungen  auch  ein  Ein- 
fluss  des  Klimas  auf  den  Verkehr  einerseits  durch  verschiedenen 
Wasserreichthum  der  Flüsse  und  Canäle,  andererseits  durch  Zu- 
frieren derselben  und  der  Seehäfen  festzustellen  sein,  und  das 
scharfe  Hervortreten  des  Winters  in  den  nördlichen  und  mittleren 
Staaten  wird  als  eine  in  dieser  Beziehung  ungünstige  Folge  des  zu 
Extremen  neigenden  Klimas  der  V.  St.  zu  erkennen  sein. 

Was  die  unmittelbaren  Wirkungen  des  Klimas  in  diesem 
Gebiete  auf  den  Menschen  anbetrifft,  so  scheinen  die  Physiologen, 
die  sich  mit  dieser  Frage  beschäftigt  haben,  nicht  zu  zweifeln,  dass 
ein  grosser  und  vielleicht  ein  Haup tantheil  an  der  eigenthümlich 
raschen  Umbildung,  welche  die  Menschen  kaukasischer  Rasse  in  ^ 
Nord-Amerika  erfahren,  dem  Klima  zuzuschreiben  sei.  Diese  Um- 
bildung geht  sehr  weit,  doch  ist  es  übertrieben,  wenn  man  von  der 
herannahenden  Bildung  einer  neuen  Menschenrasse  der  weissen 
Nord-Amerikaner  spricht.  Welcher  Eigenthümlichkeit  des  Klimas 
die  Abänderungen  des  Nord  -  Amerikaners  in  Körperbau  zuzu- 
schreiben sind,  kann  nicht  mit  Bestimmtheit  gesagt  werden.  Man 
macht  gewöhnlich  die  starke  Veränderlichkeit  der  Witterung  und 
die,  trotz  reicher  Niederschläge,  grosse  Trockenheit  der  Luft  da- 
für verantwortlich.  Die  letztere  ändert  wenigstens  manche  Lebens- 
bedingungen in  auffallender  Weise.  Ich  erinnere  an  das  rasche  Aus- 
trocknen der  neugebauten  Häuser  der  Lebensmittel,  des  Heues  u.  s.  f. ; 
aber  es  wäre  sehr  grob  aufgefasst,  wenn  man  die  körperlichen  Eigen- 
thümlichkeiten  der  weissen  Nord-Amerikaner  auf  Austrocknung 
zurückführen  wollte.     Ob  die  Trockenheit  der  Luft  einen  Reiz  auf 

2* 


20  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

die  Nerven  ausübe,  wie  oft  behauptet  wird,  welcher  das  nervöse, 
rastlose  Temperament  vorzüglich  der  Neu  -  Engländer  verursache, 
muss  ebenfalls  dahingestellt  bleiben.  Thatsächlich  ist  der  Einfluss 
ein  sehr  grosser  und  macht  sich  so  deutlich  bemerkbar,  dass  man 
z.  B.  in   ein   und   derselben  Familie   die  in  Europa   und   in  Nord- 

\/Amerika  geborenen  Kinder  leicht  von  einander  unterscheiden  kann. 
Die  letzteren  sind  immer  zu  schmalem  und  schlankem  Körperbau, 
zu  feinerer  Gesichtsbildung,  hellerem  Blick,  lebhaftem  Gesichtsaus- 
druck und  allgemein  grösserer  Aufgewecktheit  geneigt.  Es  würde 
von  hohem  Interesse  sein,  zu  wissen,  ob  an  der  geringeren  Frucht- 
barkeit, die  bei  den  in  Amerika  geborenen  weissen  Frauen  con- 
statirt  ist,  dieselben  Einflüsse  schuld  sind.    Jedenfalls  ist  die  weisse 

^Nord-Amerikanerin  schon  im  Aeusseren  zarter  und  erfahrungsgemäss 
minder  wiederstandsfähig  als  ihre  europäische  Schwester. 

Mit  grösserer  Sicherheit  sind  die  durch  Klima-Eigenthümlich- 
keiten  hervorgerufenen  krankmachenden  Einflüsse  nachzuweisen.  In 
dieser   Richtung   ist   eine    der    ausgeprägtesten   Erscheinungen   das 

/gelbe  Fieber,  welches,  allgemein  gesprochen,  auf  die  Baumwoll- 
staaten beschränkt  ist  und  nur  sporadisch  über  dieselben  hinaus- 
geht,  wobei   indessen  der  40.  Breitegrad  nicht  überschritten  wird. 

^Die  Abhängigkeit  der  Verbreitung  der  Schwindsucht  von  der  vor- 
waltenden Feuchtigkeit  lässt  gleichfalls  eine  unmittelbare  Beziehung 
zwischen  Klima  und  Lebensbedingungen  wahrnehmen.  Höher  ge- 
legene Theile  der  Prärieregion  von  Minnesota  und  Iowa  westwärts 
gehören  zu  den  von  dieser  Krankheit  freiesten  Gebieten  der  Erde, 
und  manche  Punkte  dort  sind  schon  zu  klimatischen  Kurorten  ge- 
worden. Dagegen  gehören  Neu-England,  die  Mittelstaaten  und  das 
Mississippi-Tiefland  zu  den  schwindsuchtreichsten  Gegenden  der 
Erde.      Die    auf   Neuland    und    besonders    im    Inneren    ungemein 

N^ häufigen  Fieber  sind  jedenfalls  nicht  durch  das  Klima,  sondern 
durch  Lage  und  Bodenbeschaffenheit  des  betreffenden  Ortes,  bezw. 
durch  störende  Eingriffe  in  die  letztere,  verursacht.  Ihre  Zahl  und 
Heftigkeit  vermindert   sich   mit  zunehmender  Cultur  des  Bodens^). 


1)  Die   scharfen   N.-   und  NW.-Winde,    welche   dem  Klima   der  V.  St.  bis 
zur  Golfküste  hinab  eigen  sind,    sind  von  anerkannt  günstiger  Wirkung  auf  die 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  21 

Früher  wurde  das  fieberreiche  Klima  des  Südens  auch  für  die  Sklaverei 
verantwortlich  gemacht.  Man  behauptete  nämlich,  dass  wegen  des 
Klimas  für  die  weissen  Arbeiter  die  Landarbeit  in  den  Süd- 
staaten ungesund  sei.  Es  gilt  dies  in  der  That  von  den  Reis- 
und  einem  Theil  der  Zuckerrohrpflanzungen.  Aber  ^/lo  alles  Baum- 
wollenlandes ist  gesunder,  trockener  Boden  und  von  der  Mehrzahl 
der  Maispflanzungen  gilt  dasselbe.  Früher  nahm  man  an,  dass  % 
der  Baumwolle  von  Weissen  erzeugt  werde.  Es  war  dies  vor  der 
Aufhebung  der  Sklaverei.  Seitdem  hat  sich  dieses  Verhältniss  stark 
geändert.  In  Texas  und  Arkansas  wird  die  von  Weissen  erzeugte 
Baumwolle  zu  62  bezw.  60  X  geschätzt,  und  in  den  übrigen  Baum- 
wollenstaaten beträgt  sie  23 — 417o  der  Gesammterzeugung^).  Weisse 
Arbeit  ist  überall  im  Fortschreiten  und  dürfte  gegenwärtig  in  keinem 
Zweige  des  südlichen  Ackerbaues  mit  weniger  als  V*  an  der  Ge- 
sammterzeugung  sich  betheiligen. 

Dass  innerhalb  der  V.  St.  selbst  genug  äussere  Bedingungen 
vorhanden  sind,  um  mit  der  Zeit  bestimmte  Bevölkerungstypen 
in  landschaftlicher  Begrenztheit  zu  erzeugen,  unterliegt  keinem 
Zweifel.  Norden,  Süden  und  pacifisches  Gebiet  sind  in  dieser  Hin- 
sicht ganz  sicher  prädestinirt,  denn  sie  haben  nicht  bloss  die  ver- 
schiedensten Lebens-  und  Wirkensbedingungen,  sondern  auch  die 
Anlage  zu  weit  auseinandergehenden  Völkermischungen.  Der  Nor- 
den ist  am  germanischsten,  vorwiegend  englisch,  der  Süden  mit 
romanischem  Blut  gemischt  und  von  einer  gewaltigen  Menge  von 
Negern  durchsetzt,  der  pacifische  Westen  umschliesst  die  Reste  der 
früheren  spanischen  Herren  und  ihre  Mischlinge,  daneben  die  meisten 
Indianer  und  Chinesen,  während  die  eingewanderten  Weissen  weniger 
englisch,  mehr  mit  deutschem  und  irischem  Blute  versetzt  sind  als 
in  irgend  einem  anderen  Theile  der  Union.  Was  den  Unterschied 
zwischen  Nord-  und  Südländern  betrifft,    so  hat  dieser  bereits  Zeit 


Gesundheitsverhältnisse  in  den  Fieberregionen.  Die  berühmte  Gesundheit  des 
NW.  wird  den  dort  vorherrschenden  Präriewinden  zugeschrieben,  und  im  Süden 
sollen  die  Fälle  nicht  selten  sein,  in  denen  der  Norte  das  gelbe  Fieber  vertrieb. 
Lyell  (Second  Visit  II.  87)  führt  solche  Fälle  an,  die  übrigens  auch  in  Texas 
und  Mexico  bekannt  sind. 

1)  Schätzung  in  Cotton  Investigation.  Rep.  Dep.  of  Agric.  1876.  136.  ^ 


22  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

gehabt,    sich   zur  Geltung   zu  bringen,    und  er   ist   als  hinreichend 
scharf  ausgeprägt   anerkannt^). 

IV.  Die  nutzbaren  Pflanzen  und  Thiere.  Während  die  Länder 
der  Alten  Welt  und  vor  allen  Europa,  das  den  Vortheil  seiner  Lage  am 
gründUchsten   ausgenützt,    ihre   Culturpflanzen   und   Hausthiere    aus    drei 


1)  „Im  N.  theilt  der  Wechsel  von  Winter  und  Sommer  dem  Leben  der 
Menschen  seine  gesonderten  und  verschiedenen  Pflichten  zu.  Der  Sommer  ist 
die  Zeit  der  Arbeit  im  Freien,  der  Winter  wird  in  den  Häusern  zugebracht. 
Im  S.  kann  die  Arbeit  ohne  Unterbrechung  fortgehen,  wenn  sie  schon  ver- 
schieden ist.  Der  Bewohner  des  N.  muss  heute  vollbringen,  was  der  des  S. 
bis  morgen  aufschieben  kann.  Aus  diesem  Grunde  muss  der  N.  arbeitsam  sein, 
während  der  S.  träger  sein  darf  und  weniger  Neigung  zur  Vorsicht  und  zu 
geregelten  Gewohnheiten  haben  kann.  Die  Kälte,  welche  eine  zeitweise  Unter- 
brechung der  Arbeit  mit  sich  bringt,  gibt  damit  auch  die  Gelegenheit  zum  Nach- 
denken, und  darum  gewöhnt  sich  der  Nordländer,  nicht  ohne  Ueberlegung  zu 
handeln  und  ist  langsamer  in  seinem  Beginnen  und  seinen  Bewegungen.  Der 
Südländer  ist  geneigt  ohne  Ueberlegung  zu  handeln  und  erwägt  nie  die 
letzte  Folge  von  dem,  was  er  zu  thun  im  Begriff  ist.  Der  Eine  ist  vorsichtig, 
der  Andere  impulsiv.     Der  Winter   mit  seinem  Mangel  an  Freude  und  Behag- 

ylichkeit  wird  dem  Nordländer  zum  grössten  Segen,  denn  er  lehrt  ihn,  sich  an 
den  häuslichen  Herd  und  seine  Familie  anschliessen.  In  Kriegszeiten  zwar  er- 
weist dieser  Segen  sich  als  seine  Schwäche,  er  ist  besiegt,  wenn  seine  Wohn- 
stätte genommen  wird.  Der  Südländer  fragt  nichts  danach.  Abgeschnitten  von 
den  Anregungen  der  Natur  während  einer  so  langen  Zeit  des  Jahres,  wird  das 
Gemüth  im  N.  mit  sich  selbst  mehr  beschäftigt;  es  begnügt  sich  mit  nur 
wenigen  Ideen,  die  es  von  den  verschiedensten  Gesichtspunkten  betrachtet.  Es 
ist  fähig,  sich  innig  an  etwas  zu  heften  und  es  mit  der  fanatischsten  Aus- 
dauer zu  verfolgen.  Ein  südliches  Volk,  das  beständig  unter  den  Einflüssen 
des  freien  Himmels  lebt,  welches  beständig  den  verschiedensten  Gedanken  zu- 
gänglich,  wird  sich  in   einem  Ueberfluss   von   Ideen  gehen   lassen  und  sie  alle 

^  oberflächhch  behandeln;  mehr  flüchtig  als  nachdenkend,  wird  es  nie  beständige 
Liebe  zu  einer  festen  Einrichtung  fassen.  Ist  der  Nordländer  einmal  entschlossen 
zu  handeln,  so  wird  ein  Entschluss,  der  nur  auf  die  Vernunft  gegründet  ist,  die 
Begeisterung  des  Südländers  überdauern.  Im  physischen  Muth  sind  sich  Beide 
gleich,  aber  der  Nordländer  wird  überlegen  sein  durch  das  Gewohntsein  an 
Arbeit  und  Methode  und  seine  unerschöpfliche  Ausdauer.  Um  den  unter  Dach 
lebenden  Menschen  zu  überzeugen,  muss  man  an  seinen  Verstand  appelliren ;  um 
dasselbe  bei  dem  zu  bewirken,  der  unter  freiem  Himmel  lebt,  muss  man  sich  an 
seine  Gefühle  wenden."     (J.  W.  Draper,  Hist.  of  the  American  Civil  War.  1867 

V I.  100.)  Diese  Schilderung  bezieht  sich  auf  die  vorwiegend  durch  klimatische 
Einflüsse  erzeugten  Verschiedenheiten  und  könnte  auch  auf  andere  Völker  in 
ähnlicher  Lage  Anwendung  finden.  Es  kommen  aber  auch  Unterschiede  der 
Blutmischung  und  der  geschichtlichen  Entwickelung  hinzu,  welche  sich  in  den 
Gegensätzen  des  YanTcee  und  des  Virginian  zuspitzen.  Auf  diese  werden  wir 
erst  später  zurückkommen  können. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  23 

Erdtheilen  nehmen  konnten,  deren  Flächenraum  ^U  alles  Landes  auf 
der  Erdoberfläche  in  sich  fasst,  ist  Amerika  in  dieser  Beziehung  auf  sich 
allein  angewiesen  bis  zu  der  Zeit,  wo  es  durch  die  Europäer  in  Ver- 
bindung trat  mit  der  übrigen ,  der  Alten  "Welt.  Es  ist  also  nicht  er- 
staunlich, wenn  die  Zahl  derjenigen  Pflanzen  und  Thiere,  die  der  Mensch 
zu  dauerndem  Nutzen  sich  aneignete,  vergleichsweise  gering  ist.  Doch 
darf  dabei  allerdings  nicht  vergessen  werden,  dass  Amerika  nicht  der 
Schauplatz  der  Entwickelung  grosser  Culturvölker  war,  wie  die  Alte  Welt, 
und  dass  in  Folge  dessen  der  Antrieb  zur  Züchtung  von  Pflanzen  und 
Thieren  hier  geringer  sein  musste.  Es  ist  voreilig,  zu  behaupten,  dass 
Amerika  in  jeder  Hinsicht  ungünstiger  für  die  Erziehung  des  Menschen 
zur  Cultur  ausgestattet  gewesen  sei  als  die  Alte  Welt,  denn  der  amerikanische 
Mensch  hatte  vor  der  Berührung  mit  den  Europäern  nicht  Zeit  gehabt, 
alle  Schätze  der  Natur  zu  heben,  die  ihn  umgab.  In  Bezug  auf  das 
Pflanzenreich  ist  diese  Behauptung  nicht  richtig  für  die  Mehl-  und  Knollen- 
früchte, die  Gewürze  und  Genussmittel  und  die  holzgebenden  Waldbäume, 
in  Bezug  auf  das  Thierreich  kann  sie  für  das  Geflügel  nicht  mit  vollem 
Rechte  ausgesprochen  werden. 

Buö'on  erregte  im  vorigen  Jahrhundert  einen  heftigen  Streit  durch 
seine  Behauptung,  dass  alles  organische  Leben  in  der  Neuen  Welt  weniger 
entwickelt  sei  als  in  der  Alten,  wobei  er  als  Gründe  die  Artarmuth  der 
ersteren,  die  Kleinheit  ihrer  Thierformen  und  die  Entartung  der  Haus- 
thiere  anführte.  Die  Schriften  über  Amerika  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
vorigen  Jahrhunderts  sind  angefüllt  mit  Wiederlegungen  dieser  Behauptung. 
Am  ausführlichsten  haben  Clavigero  und  Winterbotham  darüber  sich  aus- 
gelassen. Letzterer  gibt  in  Bd..I  seiner  „View  of  the  American  U.  S."  (1795) 
sogar  eine  Reihe  von  Tabellen,  in  denen  die  Gewichte  von  über  100 
amerikanischen  und  europäischen  Thieren  vergleichend  neben  einander 
gestellt  sind! 

0.  Peschel  stellt  in  seiner  Völkerkunde  •)  folgende  Vergleichsliste  alt- 
und  neuweltlicher  Culturpflanzen  auf: 

Alte  Welt.  Neue  Welt. 

Mehl-  und  Hülsenfrüchte. 
Weizen,  Roggen,    Gerste,   Hafer,  Mais,  Mandiokka,  Kartoffel,  Cheno- 


Hirse ,  Negerhirse ,  Buchweizen, 
Kafirkorn,  Reis,  Linsen,  Erbsen, 
Wicken,  Bohnen,  Igname. 

Obstsorten  der  gemässigten  Zone, 


podium    Quinoa,    Batate,  Mezquite, 
Igname  (?). 


Rebstock,  Aepfel,  Birnen,  Pflau- 
men, Kirschen,  Aprikosen,  Pfirsiche, 
Orangenarten,  Feigen,  Datteln. 


Catawbatraube. 


^' 


1)  Dritte  Auflage  1876.   439. 


24  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Ciilturentwickelung. 

Pflanzen  mit  Faserstoff. 
V  Baumwolle,  Flachs,   Hanf,   Maul- 
beerbaum mit  dem  Seidenwurm. 

Gewürze. 
Pfeffer,  Ingwer,  Zimmt,   Muscat-  1       Vanille,  Spanischer  Pfeffer  (Cap- 
nuss,  Gewürznelken,  Zuckerrohr.        |  sicum  annuum). 

Narkotische  Genussmittel. 


Thee,  Kaffee,  Mohn  (Opium),  Hanf 
(Hadschisch). 


Paraguay-Thee ,    Cacao ,    Tabak, 
Coca. 


Aber  wenn  wir  bei  den  Pflanzen  stehen  bleiben,  so  unterliegt  es  gar 
keinem  Zweifel,  dass  für  den  Nutzen  des  Menschen  mit  der  Zeit  noch 
manche  wildwachsende  Erzeugnisse  des  Pflanzenreiches  Verwerthung  finden 
können,  welche  gegenwärtig  nur  in  geringem  Masse  benutzt  werden,  und 
es  wird  sich  leicht  zeigen  lassen,  dass  die  Peschel'sche  Aufzählung  Amerika 
zu  karg  bedenkt.  Die  Wurzeln  von  Lewisia  rcdiviva,  Apios  tuberosa, 
Lupinus  littoralis,  mehrere  Oenothera-Arten  werden  von  den  Indianern 
und  den  ihnen  nachahmenden  Waldläufern  gegessen.  Die  erstere  soll 
getrocknet  wie  Salep  zu  geniessen  sein  und  eine  besonders  grosse  Nahr- 
haftigkeit besitzen.  Ausser  dem  Wasserreis*)  sind  von  Körnern  besonders 
die  Samen  des  Lupinus  biennis  gegessen  worden.  Als  Salat  und  Gemüse 
werden  die  Blätter  von  verschiedenen  Arten  Leontodon,  von  Chenopodien, 
Phytolacca  decandria  und  Caltha  palustris  gegessen.  Die  erfrischende 
Frucht  von  Podophyllum  callicarpum  (Mandrake,  wilde  Citrone)  wird  ge- 
gessen. Die  von  Diospyros  virginiana  (Persimon)  gilt  für  vortrefflich. 
Der  Damascenerpflaume  gleicht  die  Icacopflaume  von  Chrysobalanus  icaco. 
Der  wildwachsende  Pawpaw  oder  Melonenbaum  (Papaya  vulgaris)  liefert 
melonenartige  Früchte,  die  man  eingemacht  isst.  Wilde  Pflaumen-  und 
Kirschenarten  sind  in  mehrfacher  Zahl  verbreitet.  Die  Früchte  des  wilden 
Apfelbaumes  sind  nicht  geniessbar,    aber  Pyrus   coronaria  (Grab -Apple) 


1)  Der  Wasserreis,  Zizania  aquatica  L.  (Pshu  bei  den  Sioux,  Manomin 
bei  den  Chippeways)  ist  im  N.  der  V.  St.  überall  nicht  selten,  erreicht  aber 
besonders  im  NW.  eine  ökonomische  Wichtigkeit,  die  hinter  keiner  der  übrigen 
wildwachsenden  Pflanzen  zurücksteht.  Er  bietet  das  einzige  Beispiel  eines  ein- 
heimischen Getreides,  das  in  einer  Menge  wächst,  die  genügend  ist,  den  Bedarf 
der  gewöhnlichen  Verzehrung  zu  decken.  Er  ist  besonders  häufig  in  den  see- 
artigen Ausbreitungen  der  Flüsse  des  oberen  Mississippi-  und  des  Seengebietes 
und  zwar  in  den  unteren  Abschnitten  derselben,  wo  er  Ueberschwemmung  in 
hinreichendem  Masse,  daneben  schlammigen,  lockeren  Schwemmboden  findet. 
Selten  findet  er  sich  in  den  abflusslosen  Seen.  Als  Speise  wird  er  sogar  dem 
ächten  Reis  vorgezogen.  Man  erntet  ihn  im  September,  indem  man  mit  niederen 
Booten  durch  das  Röhricht  eines  Beissees  fährt  und  die  Aehren  in  das  Boot 
ausklopft.  —  Der  Indianeragent  von  Leech  Lake  Minn.  gibt  für  1876/77  die 
Menge  des  von  seinen  Indianern  gesammelten  wilden  Reises  auf  35000  Pfd.  an. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  25 

trägt  sehr  wohlschmeckende  Früchte.  Dagegen  gibt  es  zwei  Kastanien- 
arten, deren  Früchte  genossen  werden:  Castanea  americana  in  den 
mittleren  und  C.  pumila  (Chinquapin)  in  den  Südstaaten.  Im  N.  tragen 
zwei  Haselnuss-Arten  (Corylus),  im  S.  einige  Hamamelis- Arten  (Witch- 
Hazel)  essbare  Nüsse.  Süsse  Eicheln  werden  von  Quercus  castanea  (bis 
43"  vorkommend)  und  alba  und  von  der  Lebenseiche  geerntet.  Die  Nüsse 
von  Juglans  nigra,  cinerea  (Butter-Nuss)  und  fraxinifolia,  von  Carya  olivae- 
formis  (Pekan-Nuss)  und  andere  Hikory-Arten  vertreten  unsere  Walnüsse, 
haben  aber  dickere  Schalen  und  minder  ausgiebige  Kerne.  Eine  essbare 
Nuss  trägt  auch  Hamiltonia  oleifera.  Der  Palmetto  (Chamaerops  Palmetto) 
liefert  in  seinen  Blattknospen  einen  Palmkohl.  Die  Blätter  von  Agave 
americana  sollen  abgekocht  ein  schmackhaftes  Gericht  geben.  Im  SW. 
werden  die  Früchte  einiger  Cactusarten,  vorzüglich  von  Opuntien  (Tunas) 
und  vom  Riesencactus  oder  Saguarro  (Cereus  giganteus)  gegessen.  Eben- 
dort  spielen  die  ölig-harzigen  Fruchtkerne  einiger  Föhren,  Pinons(Pinus 
edulis  und  monophylla)  als  Nahrungsmittel  bei  den  Indianern  eine  Rolle. 
Unter  den  essbaren  Pilzen ,  deren  Zahl  sehr  gross  ist  *) ,  ist  die  sog. 
Indianische  Kartoffel  oder  das  Indianerbrot  oder  Tuckahoe  (Lycoperdon 
solidum),  ein  bis  zu  30  Pfd.  schwer  werdender  Pilz,  hervorzuheben,  der 
in  den  Südstaaten  wächst  und  oft  die  einzige  Nahrung  der  entflohenen 
Sklaven  gebildet  haben  soll.  Die  meisten  in  Mittel-Europa  vorhandenen 
essbaren  Beeren  sind  auch  in  Nord- Amerika  und  oft  in  mehrfacher 
Zahl  vertreten.  Endlich  sind  die  Weinreben  nicht  zu  vergessen,  von 
denen  verschiedene  Arten  in  den  V.  St.  wild  wachsen^).  Darunter  sind 
sehr  fruchtreiche  und  wohlschmeckende  Arten,  welche  theilweise  bereits 
in  erheblicher  Ausdehnung  angebaut  werden. 

Als  ein  für  den  Haushalt   der  Landbevölkerung  im  N.  wichtiges  Er- 
zeugniss  wildwachsender  Pflanzen   werden  wir  den  Ahorn-Zucker  noch 


1)  Schwämme  werden  in  den  V,  St.  bis  jetzt  wenig  gesammelt  und  ver- 
zehrt, es  scheint  sogar,  dass  die  Indianer  die  Essbarkeit  von  einer  grossen  An- 
zahl derselben  nicht  kannten,  und  doch  sind  essbare  Schwämme  in  (fer  Wald- 
region des  0.  sehr  häufig.  Im  Staat  New  York  sammelte  Prof.  Peck  allein  80 
verschiedene  Arten.  Dr.  Curtis  zählt  (im  Rep.  Agr.  Dep.  1876  S.  79)  allein 
aus  N.  Carolina  108  essbare  Schwämme  auf. 

2)  Selbst  in  den  Steppen  des  oberen  Red.  R.-Gebiets  findet  man  zahlreiche 
wilde  Reben,  die  im  Flugsande  halb  vergraben,  aber  vielleicht  gerade  durch 
diese  wärmebergende  Sandhülle  um  so  fruchtreicher  sind.  Sie  bedecken  Hunderte 
von  Acres,  die  wie  Weinfelder  erscheinen.  Long  beschreibt  sie  als  „so  mit 
Früchten  beladen,  dass  jeder  Theil  des  Stammes  verhüllt  ist"  und  die  Früchte 
„unvergleichlich  feiner  als  irgend  eine  andere  einheimische  oder  fremde  Traube". 
Acc.  of  an  Exp.  to  the  Rocky  Mts.  1823.  H.  126.  Man  hat  in  den  V.  St. 
vorgeschlagen,  diese  Sandumhüllung  künstlich  zur  Beförderung  der  Reife  der 
Trauben  zu  bewerkstelligen. 


26  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Ciüturentwickelung. 

kennen  zu  lernen  haben,  welcher  aus  Acer  saccharinura  gewonnen 
wird.  Die  californischen  Indianer  benützen  unter  dem  Namen  Panoche 
einen  Zucker,  der  durch  Blattläuse  an  Schilfblättern  erzeugt  wird,  also 
ein  mannaartiges  Gebilde.  Ferner  den  mehr  nach  Harz  als  Zucker 
schmeckenden,  aber  immerhin  süsslichen  Ausfluss  aus  der  Zuckerföhre 
(Pinus  Lambertiana),  welcher  äusserlich  ganz  mannaartig  ist  und  auch 
von  den  in  der  Sierra  lebenden  Weissen  nicht  ungern  genossen  wird. 

Auch  der  ferne  W.  ist  trotz  seiner  Steppennatur  nicht  arm  an  essbaren 
Früchten.  Von  wildwachsenden  Früchten  in  der  Felsengebirgs-Region  und 
dem  Grossen  Becken  werden  hervorgehoben  die  verschiedenen  Arten  von 
Pflaumen  (besonders  Prunus  chicasa),  vier  Arten  von  Kirschen  (die  niedrige 
buschige  Cerasus  prostrata  trägt  vortreffliche  Früchte),  Himbeeren  und 
Brombeeren  (Rubus  deliciosus  und  triflorus)  und  Johannis-  und  Stachelbeeren 
(R.  aureum  und  floridum).  In  Neu-Mexico  und  W.  Texas  kommen  zwei 
Maulbeerbäume  (Morus  rubra  und  M.  nigra)  und  mehrere  Weinreben  vor. 

Einige  Ericaceen  liefern  in  ihren  Blättern  einen  Thee,  der  bei  den 
Yoyageurs  und  Waldläufern  des  NW.  sehr  beliebt  ist.  So  GauUheria 
procumhens  (Wintergrün),  Ardostapliylus  Uva  Ural  (Bärentraube),  Lcäum 
latifoUum  (Marschthee  genannt).  Diese  Leute  haben  überhaupt  gezeigt,  wie 
man  die  Gaben  der  Natur  ausnützen  kann.  Sie  haben  eine  Menge  Dinge 
gegessen  oder  sonst  benützt,  an  denen  der  culturbeflissene  Mensch  achtlos 
vorübergeht.  So  erzählt  z.  B.  Prinz  von  Wied  (Reisen  in  das  Innere  von 
Nord-Amerika  1838.471):  „Zur  Erfrischung  brachten  die  Canadier  eine 
Menge  des  Pappelsplintes  mit,  welchen  sie  La  Sevre  nennen,  sehr  gerne 
abschaben  und  aussaugen.  Der  Saft  desselben  hat  einen  angenehm  süsslichen 
Geschmack,  etwa  wie  Wassermelonen,  und  ist  höchst  erfrischend."  Uebrigens 
hat  sich  auch  bei  Gelegenheit  des  Bürgerkrieges,  als  die  Südstaaten  von 
der  übrigen  Welt  fast  abgeschnitten  waren,  gezeigt,  welche  Schätze  in 
dieser  reichen  Natur  zu  heben  waren.  Ein  Charlestoner  Arzt,  Dr.  Porcher, 
v/gab  damals  ein  Buch  heraus,  in  welchem  alle  nutzbaren  Pflanzen  des  S. 
aufgezählt  sind.  Wenn  auch  derartige  Werke  in  der  Regel  reich  an 
UebertrÄbungen  und  unpraktischen  Vorschlägen",  so  ist  'doch  bemerkens- 
werth,  dass  14  Kaffee-  und  mehr  als  20  Theesurrogate ,  15  Brot-  und 
13  Faserpflanzen,  50  die  Brechmittel,  100  die  Farbstoffe  liefern  und  57 
Narkotika  aufgeführt  werden*). 

Um  auch  das  dem  Menschen  Schädliche  nicht  zu  vergessen,  seien  von 
den    Giftpflanzen    der   V.    St.    die    gefährlichsten    hervorgehoben:    Rhus 


1)  Unglücklicherweise  sind  nur  oft,  wie  C.  Parry  in  Owens  Geol.  Report 
on  Wisconsin  (1852.  I.  607)  hervorhebt,  gerade  die  nutzbarsten  Pflanzen  auf  die 
für  Menschen  am  wenigsten  bewohnbaren  Plätze  beschränkt,  so  der  Wasserreis, 
die  Cranberrys,  die  in  Sümpfen,  und  die  Huckleberries,  die  auf  den  unfrucht- 
baren Drifthöhenzügen  des  NW.  wachsen. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  27 

toxicodendron,  Poison  Jvy;  R.  venenata,  Dog-Wood  (nicht  mit  dem 
gleichnamigen  prächtigen  Strauch  Cornus  florida  zu  verwechseln);  Cicuta 
maculata,  Water  Hemlock;  Veratrum  viride,  IndianPoke;  Symplo- 
carpus  foetidus,  Skunk  Cabbage;  Lobelia  cardinalis,  Indian  Tobacco. 
Unter  den  eingeführten  Pflanzen  finden  sich  unsere  wohlbekannten  weit- 
verbreiteten altweltlichcn  Giftpflanzen  Schierling,  Stechapfel,  Bilsenkraut, 
Nachtschatten,  Taumellolch. 

Peschel  vergleicht  auch')  die  Hausthiere  „d.  h.  Thiere,  die  wirk- 
lich gezähmt  worden  sind,  und  solche,  von  denen  man  vermuthen  darf, 
dass  sie  hätten  gezähmt  werden  können": 

Alte  Welt.  Neue  Welt. 


Renthier,  Rinderarten,  Kamel, 
Dromedar,  Schwein,  Elephant,  Hund, 
Katze,  Schaf,  Ziege  Ross,  Esel.  — 
Haushuhn,  Gans,  Ente. 


Renthier,  Lama,  Vicuna,   Nabel- 
schwein,     Wasserschwein,     Tapir, 
Hund.  —  Truthahn,  Hoccoshühner, 
-Moschusente. 


Auch  diese  Liste  lässt  Vervollständigung  zu,  wiewohl  beim  Mangel 
wilder  Pferde,  Rinder,  Kamele,  Ziegen,  Elephanten  kein  Zweifel  sein  kann, 
dass  in  Bezug  auf  nutzbare  Thiere  Amerika  sehr  weit  hinter  der  Alten 
Welt  zurücksteht.  Man  hat  zwar  vielerlei  Züchtungsversuche  gemacht, 
aber  über  Hund  und  Truthahn  ist  man  in  Nord-Amerika  nicht  hinaus- 
gekommen. Von  Interesse  wegen  Erfolgen,  die  möglich  gewesen  zu  sein 
scheinen,  sind  jedoch   noch  immer  die  Versuche,   den   Büö'el  zu  zähmen. 

Die  Zähmung  des  amerikanischen  Büffels  (Bison  americanus)  ist  näm- 
lich erfahrungsgemäss  möglich,  scheint  aber  in  neuerer  Zeit  nicht  mehr 
mit  derselben  Aufmerksamkeit  betrachtet  worden  zu  sein  wie  in  früheren 
Jahren,  wo  die  Einfuhr  europäischen  Rindviehs  nicht  so  leicht  und  der 
Sinn  überhaupt  mehr  auf  die  Ausbeutung  der  dem  Lande  ursprünglich 
eigenen  Schätze  gerichtet  war  als  heute.  Allen  hat  in  seiner  Monographie 
„The  American  Bisons"  (Cambridge  1876)  zahlreiche  Beispiele  von  Zähmung 
dieser  Thiere  gegeben.  Einzelne  Versuche  in  dieser  Richtung  waren  schon 
von  Indianern  gemacht  worden  ,  so  nach  Woodhouse  von  den  Creeks, 
und  von  Zähmung  zum  Zweck  sei  es  der  Ackerarbeit  und  Milchgewinnung 
oder  der  Mischung  mit  zahmen  Rindern  liegen  besonders  aus  der  Zeit 
der  ersten  Besiedelung  sichere  Nachrichten  vor,  die  grossentheils  nicht 
ungünstig  lauten  und  sogar  den  ungemischten  Büffeln  als  Zugthieren  wegen 
grösserer  Kraft  den  Vorzug  vor  den  Rindern  geben  und  besonders  beim 
Pflügen;  als  Milchvieh  scheinen  sie  sich  weniger  bewährt  zu  haben  und 
ihr  Fleisch  steht  im  Ganzen  zurück  hinter  dem  des  zahmen  Rindes.  Die 
Halbblut-Milchrasse  stand  an  Grösse  und  Kraft  weit  vor  den  allerdings 
meist  sehr  verwahrlosten  Rinderrassen  der  westlichen  Farmer.  Ueber  die 
Fortpflanzungsfähigkeit  dieser  Mischlinge  gehen  die  Meinungen  auseinander, 


1)  Völkerkunde.    3.  Aufl.  1876.  442. 


28  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

während  ihre  Fähigkeit  mit  zahmen  Rindern  fruchtbare  Nachkommenschaft 
zu  erzielen  nicht  angezweifelt  wird;  die  Fruchtbarkeit  der  Halbblutkuh 
wird  von  der  besten  Autorität  behauptet*),  während  die  des  Halbblut- 
stieres angezweifelt  wird.  Jedenfalls  vermischen  sich  die  Büffelstiere  ohne 
Schwierigkeit  mit  zahmen  Kühen,  während  die  zahmen  Stiere  die  Büffel- 
kühe zu  vermeiden  scheinen.  Als  ein  weiterer  Vortheil  der  Büffel  er- 
scheint ihre  grössere  Schnelligkeit  und  die  Fähigkeit  Hitze  zu  ertragen, 
welche  die  zahmen  Rinder  nicht  besitzen.  In  neuerer  Zeit  scheinen  die 
Versuche  Büffel  zu  viehzüchterischen  Zwecken  zu  zähmen  in  demselben 
Masse  seltener  geworden  zu  sein,  als  die  Heerden  immer  weiter  nach  W. 
gedrängt  wurden.  Mit  dem  Elenthier,  hier  Moose  genannt  (Alces 
americanus)  sind  gleichfalls  Zähmungsversuche  gemacht,  aber  doch  mehr 
nur  in  spielender  Weise.  Man  hat  einzelne  so  weit  gebracht,  dass  man 
mit  ihnen  fahren  konnte,  aber  als  Hausthier  lassen  sie  sich  nicht  benützen. 
Bemerkenswerth  ist,  dass  die  nordamerikanischen  Hyperboräer  das  Ren- 
thier  (Tarandus  rangifer),  wiewohl  von  gleichen  Eigenschaften  wie  das 
europäische,  nicht  gezähmt  haben. 

Der  Edelhirsch  oder  Elk  (Cervus  canadensis)  ist  mit  Erfolg  ge- 
zähmt worden  wie  das  Elenthier.  Eine  Zeit  lang  wurde  die  Idee  be- 
sprochen, öde  Stellen,  wie  sie  z.  B.  im  n.  New  York  vorkommen  und 
welche  beim  heutigen  Stande  der  Cultur  selbst  noch  nicht  mit  Vortheil 
zur  Viehzucht  verwandt  werden  können,  mit  Edelhirschen  zu  besetzen, 
und  ein  gewisser  Lorenzo  Stratton,  der  mit  Erfolg  sich  der  Hirschzähmung 
gewidmet  hatte,  wies  in  einem  Briefe  nach,  der  1859  durch  die  Blätter 
ging,  dass  New  York  allein  mindestens  100000  Elks  auf  ödem,  unbenutztem 
Lande  ernähren  könnte.  Die  Anregung  hat  aber  keine  Nachwirkung 
gehabt. 

Der  kleinere  Hirsch  (C.  virginiana)  ist  in  allen  den  Gegenden  noch 
häufig,  die  erst  im  Anfang  der  Besiedelung  stehen.  Vermehrt  sich  aber 
mit  der  Bevölkerung  das  Holzfällen,  Schiessen,  die  Hunde  u.  dgl,  dann 
ziehen  sie  sich  nach  ungestörteren  Gegenden  zurück.  Nicht  selten  weiden 
sie  den  jungen  Hafer  des  Ansiedlers  ab  oder  leisten  seinen  Kühen  Ge- 
sellschaft, wenn  diese  im  Walde  grasen.  Wenn  im  Winter  das  Reisig 
auf  den  Klärungen  angesteckt  wird,  ziehen  sie  sich  oft  in  grossen  Rudeln 
wärmesuchend  herbei  und  fressen  das  Moos  und  die  Knospen  des  Ge- 
strüppes ab. 

Von  den  Wiederkäuern  der  Gebirge  und  Steppen  des  W.,  den  Antilopen 
und  Bergschafen  (Antilocapra,  Aplocerus,  Ovis)  sind  nur  die  Antilopen 

^  1)  Wickliffe  in  brieflichen  Mittheilungen  an  Audubon  and  Bachmann  s.  deren 
Quadrupeds  of  N.  Am.  II.  52.  Auf  seine  Angaben  führt  fast  alles  zurück,  was 
seither  in  dieser  Sache  berichtet  wird.  Die  ausführlichste  Zusammenstellung 
alter  und  neuer  Nachrichten  über  Zähmung  des  Bison  americanus  hat  Allen 
in  seinem  obenerwähnten  Werke  215—221  gegeben. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  29 

wegen  ihrer  Häufigkeit  in  nahrungsarmen  Steppen  von  Bedeutung  für  den 
Menschen.     Das  wilde  Schaf  der  Felsengebirge  ist  kein  Wollträger. 

Von  anderen  durch  Nutzen  oder  Schädlichkeit  für  den  Menschen  be- 
deutsamen Thieren  seien  noch  folgende  genannt: 

Hasen  sind  vorzüglich  in  zwei  Arten  häufig.  Der  nördliche  Hase 
(Lepus  americanus)  lebt  zwischen  dem  40.  und  60.  Breitegrad.  Im  Sommer 
röthlichbraun,  wird  er  im  "Winter  fast  weiss.  Er  ist  der  grössere  von 
beiden,  wird  bis  V2  m  lang,  ist  ein  Waldbewohner  und  hält  sich  am 
liebsten  im  jungen  Tannengebüsch  auf.  Der  kleinere  graue  Hase  (L. 
sylvaticus)  ist  im  Gegensatz  zum  vorigen  am  häufigsten  in  Gegenden,  wo 
Lichtungen  und  dünner  Wald  mit  einander  wechseln,  und  soll  mit  den 
Farmern  sich  sogar  über  die  Prärien  verbreitet  haben.  Das  Thier  ist 
unserem  Kaninchen  ähnlich  und  richtet  gleich  diesem  manchmal  Schaden 
in  den  Anpflanzungen  der  Farmer  an.  In  den  sumpfigen  Gegenden  des 
unteren  Mississippi-Gebietes  kommt  eine  Art  vor,  welche  Wasserhase  ge- 
nannt wird,  Florida  hat  seinen  Sumpf hasen,  und  in  den  Steppen  und 
Gebirgen  des  W.  gibt  es  noch  eine  ganze  Reihe  von  Hasen,  welche  meist 
ziemlich  häufig  sind. 

Von  anderen  grösseren  Nagethieren  sind  die  Biber  (Castor  fiber) 
aus  den  bewohnten  Theilen  der  V.  St.  längst  verschwunden.  Als  kost- 
bares Pelzthier  ersetzt  ihn  die  Moschusratte  (Fiber  zibethicus),  welche 
gleich  ihm  ein  Wasserthier  ist,  aber  in  Höhlen  des  Ufers  wohnt. 

Eichhörnchen  sind  in  einer  grossen  Anzahl  von  Arten  vorhanden. 
Vom  Fuchseichhorn,  dem  schwarzen  und  dem  grauen,  welche  grösser  sind 
als  unsere  mitteleuropäischen  Arten,  ist  das  Fell  von  erheblichem  Werth 
und  sie  werden  auch  des  Fleisches  wegen  gejagd.  Die  Grundhörnchen 
(Tamias)  und  Gophers  oder  Taschenmäuse  (Saccomys)  thun  den  Feld- 
früchten Schaden  ähnlich  wie  bei  uns  die  Hamster.  Dasselbe  gilt  von 
dem  murmelthierähnlichen  Woodchuck.  Vom  Stachelschwein  (Erethizon 
dorsatus)  wird  das  Fleisch  gegessen.  Ebenso  vom  Opossum  (Didelphys 
virginiana).  Vom  Stinkthier  (Mephitis  virginiana)  und  von  dem  auf  den 
Prärien  zwischen  35  und  58 "  n.  Br.  häufigen  Dachs  (Taxidea  americana), 
dem  Wappenthier  Wisconsins,  wird  das  Fell  geschätzt.  Dasselbe  gilt  von 
dem  Waschbär  oder  Raccoon  (Procyon  lotor),  welcher  zu  den  ver- 
breitetsten  unter  den  grösseren  und  jagdbaren  Säugethieren  der  V.  St. 
gehört;  er  ist  indessen  gleichzeitig  einer  der  schädlichsten  durch  seine 
Vorliebe  für  den  Mais.  In  den  jungen  noch  thierreichen  Gegenden  des  W. 
haben  kleine  Farmer  den  Maisbau  geradezu  seinetwegen  aufgeben  müssen. 

Von  grossen  Raub  thieren  ist  der  Schwarze  Bär  (Ursus  americanus) 
in  erster  Linie  zu  nennen,  welcher  noch  heute   im  W.,   vorzüglich  in  der 
oberen  Mississippi-  und  Missouri-Region,  nicht  selten  ist.  Noch  vor  10  Jahren  y 
wurden   seine   Felle   zu  .3  — 10   D.  verkauft,    ein  Beweis,   dass   er  noch 
nicht  allzuselten  geworden  war.    Es  beruht  wahrscheinlich  auf  der  Ver- 


30  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

wer.hselung  mit  einer  helleren  Art,  dem  sog.  Cinnamom  Bear  (var. 
isahelliiius),  wenn  man  sogar  den  Eisbär  in  Wisconsin  gesehen  haben  will. 
Der  Grizzly  (U.  ferox)  der  Sierra  Nevada  und  des  Küstengebirges  gilt 
für  das  stärkste  und  gefährlichste  von  den  nordamerikanischen  Raubthieren. 
Der  Vielfrass  (Gulo  luscus)  kommt  von  Canada  über  die  Nordgrenze,  ist 
indessen  selbst  in  den  nördlichsten  Staaten,  wie  Michigan,  das  einst  nach 
ihm  genannt  wurde,  selten.  Er  gehört  nicht  zu  den  angreifenden  oder 
zu  den  reissenden  Raubthieren,  vertheidigt  sich  aber,  wenn  angegriffen, 
mit  Wildheit.  Vom  Wolf  gibt  es  den  grösseren,  dunkelgefärbten  Wald- 
wolf oder  Black  Wolf  (C.  lupus)  in  der  Wald-  und  den  Präriewolf  oder 
Coyote  (C.  latrans)  in  der  Steppenregion*).  Nur  der  crstere  greift  den 
Menschen  an,  wenn  er  vom  Hunger  dazu  getrieben  wird,  was  nur  in  den 
bevölkerteren  Gegenden  und  im  Winter  geschieht.  Dagegen  sind  beide 
den  Heerden  gefährlich  und  in  einigen  der  n.  Staaten  sind  Preise 
von  3  —  5  D.  auf  die  ersteren  gesetzt.  Der  Fuchs  der  ö.  Staaten 
(Vulpes  fulvus)  ist  dem  unseren  ähnlich,  doch  etwas  kleiner,  aber  reich- 
lich ebenso  schlau.  Dem  Federvieh  der  Farmer  stellt  er  eifrig  nach  und 
wird  mit  Leidenschaft  gejagt.  Es  gibt  ausserdem  noch  sechs  Arten  im 
W.  und  S.  Die  Otter  (Lutra  canadensis),  die  bis  zur  Schwanzspitze 
reichlich  1  m  lang  wird,  ist  in  Gestalt,  Färbung  und  Sitten  der  unseren 
ganz  ähnlich,    ebenfalls  Pelzthier. 

Aus  der  Familie  der  Katzen  ist  der  Panther  (F.  concolor),  der 
von  dem  Farmer  als  Painter  angesprochen,  das  gefährlichste;  im  S.  und 
SW.  heimisch,  streift  er  in  den  zusammenhängenden  Wäldern,  vorzüglich 
^er  Gebirge,  so  weit  nach  N.,  dass  er  z.  B.  selbst  in  den  Adirondacks  ein 
nicht  seltenes  Jagdthier  darstellt.  Seine  Nordgrenze  ist  bei  55"  n.  Br. 
Der  Puma  oder  amerikanische  Löwe  (F.  concolor)  gehört  dem  SW.  an. 
Die  Wildkatzen,  wie  verschiedene  kleine,  kurzschwänzige  Luchse  ge- 
nannt werden,  gehen  als  nicht  eben  häufige  Raubthiere  durch  die  ganze 
Waldregion.  Von  grösserer  Bedeutung  sind  indessen  durch  Nutzen  und 
Schaden,  die  siebringen,  die  wie  sei- und  mar  derartigen  Raubthiere. 
Der  Mink  (Putorius  vison),  der  bis  V2  m  lang  wird,  gehört  zu  den  blut- 
gierigsten Wieseln ;  er  greift  seine  Beute  auch  im  Wasser  an,  in  welchem 
er  sich  vermöge  seiner  Schwimmhäute  nicht  weniger  geschickt  bewegt  als 
auf  dem  Lande.  Sein  Winterpelz  wird  mit  bis  zu  5  D.  bezahlt.  Das 
Hermelin  (P.  noveboracensis)  hat  die  Lebensweise  unseres  Wiesels,   seih 

1)  lieber  die  Abstammung  des  Indianerhundes  von  einheimischen  Wolfs- 
arten kann  kein  Zweifel  sein.  „Ich  habe,  sagt  Richardson  (Fauna  Bor.  Am. 
182J)  S.  64),  mehr  als  einmal  eine  Bande  von  Wölfen  für  die  Hunde  einer 
Indianerschaar  angesehen,  und  das  Geheul  beider  ist  so  genau  in  derselben  Tonart 
hinausgezogen,  dass  selbst  das  geübte  Ohr  des  Indianers  es  nicht  zu  unter- 
scheiden vermag."  Weitere  Beweise  bei  Darwin,  Animals  and  Plants  under 
Domestication  18G8.  I.  21. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  31 

Pelz  ist  nicht  viel  werth.  Das  letztere  gilt  auch  vom  Fischer  (Mustela 
Pernantii),  der  seinen  Namen  wahrscheinlich  mit  Unrecht  führt.  Dagegen 
ist  der  Fichtenmarder  oder  amerikanische  Zobel  (Mustela  americana),  der 
etwa  so  gross  wie  unser  Marder,  neben  der  Moschusratte  das  geschätzteste 
Pelzthier.  Er  kommt  nur  in  den  n.  Staaten  vor  und  ist  ausschliesslich 
Waldthier.  Deshalb  zieht  er  sich  vor  den  Ansiedelungen  zurück,  während 
die  anderen  mit  der  Zahl  der  Hühnerhöfe  und  Ententeiche  zunehmen. 

Vögel.  Von  den  Vögeln  berührt  nur  eine  geringe  Zahl  die  wirth- 
schaftlichen  Interessenkreise  des  Menschen,  wogegen  viele  bedeutend  mehr 
als  die  Säugethiere  zu  den  Eindrücken  beitragen,  welche  die  umgebende 
Natur  auf  ihn  macht.  Man  kann  ilinen  eine  (im  weitesten  Sinn)  mehr 
ästhetische  Rolle  zuschreiben.  Von  den  Raubvögeln  nährt  sich  der  grösste, 
der  weissköpfige  Seeadler  (Haliaetus  leuocephalus)  vorwiegend  nur  von 
Fischen.  Seine  Spannweite  beträgt  2  m.  Er  ist  das  Wappenthier  der 
Union*).  Sperber,  Bussarte,  Falken  fügen  höchstens,  wie  bei  uns, 
den  Hühnerhöfen  Schaden  zu.  Von  den  zahlreichen  Eulen  ist  die  grösste 
und  kräftigste  die  Ohreule  (Otus  vulgaris),  welche  sogar  ausgewachsene 
Truthähne  raubt.  Aasgeier  (Cathartes  atratus)  kommen  nur  im  S. 
vor,  wo  sie  wegen  ihres  vermeintlichen  Nutzens  durch  die  Aufzehrung  des 
Aases  vom  Gesetze  geschützt  werden.  Es  wäre  wahrscheinlich  besser, 
diese  unreinlichen  Vögel  zu  schiessen  und  das  Aas  dafür  zu  begraben. 
Den  Saaten  schädlich  sind  vorzüglich  die  Häher  (Jay,  Arten  von  Cyanurus 
und  Iphelocoma),  von  welchen  einige  sehr  schönes  himmelblaues  Gefieder 
haben,  die  glänzend  schwarzen  Dohlen  oder  Saatkrähen,  die  Black  Birds 
der  Amerikaner  (Corvus  americanus),  der  Crossbill  oder  Kernbeisser 
(Loxia  curvirostra)  und  der  Seidenschwanz.  Dagegen  gehören  zu  den 
nützlichen,  als  Insekten-  und  Würmervertilger,  die  Singdrossel  oder 
der  Robin  (Turdus  migratorius)  und  andere  Drosselarten,  der  Blau vogel, 
Blue  Bird  der  Amerikaner  (Siala- Arten),  der  King  Bird  (Tyrannus  carolinensis), 
die  zahlreichen  Spechte,  von  denen  der  grösste  der  Schwarzspecht  (Hylotomus 
pileatus)  fast  so  gross  wie  eine  Krähe  ist.  Durch  ihren  Gesang  beleben 
die  Landschaft  der  Oriol  oder  Pirol  (Icterus- Arten),  die  Drosseln,  von  denen 
sechs  Hauptarten  und  mindestens  doppelt  so  viel  Abarten  unterschieden 
werden,  der  Spottvogel  (Mimus  polyglottus),  der  indessen  nur  in  den  Süd- 
staaten häufig  ist;  dann  der  Blauvogel  und  Katzenvogel  (Mimus  carolinensis). 
Als  der  vorzüglichste  Sänger  des  N.  gilt  der  Reis  vogel  oder  Bobalink  (Doli- 
chonyx  oryzivorus).  Zur  Belebung  durch  ihre  Farben  und  Beweglichkeit  tragen 
in  hervorragendem  Masse  die  kleinen  Papageien  des  S.  (der  einzigen  n.  am.  Art 
angehörend),  der  Pracht  fink,  Redbirdoder  Cardinal  (Cardinalis  virginianus), 


1)  Ueber  die  Varietäten  dieses  für  die  Nordamerikaner  begreiflicherweise 
sehr  interessanten  Thieres  ist  viel  gestritten  worden.  Vgl.  I.  A.  Allen  „What  is 
the  Washingthon  Eagle"  in  Am.  Naturalist  1871.  524. 


32  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickeliing. 

die  Prärielerclie,  Horned  Lark  (Ercmophila  alpestris)  und  die  Feldlerchc 
(Sturnella  magna),  die  ungemein  zahlreichen  Staare,  auch  Black  Birds  ge- 
nannt, unter  denen  der  Kuh  vogel  (Molothrus  pecoris)  einer  der  bekanntesten, 
das  Kolibri  (Trochilus  colubris)  *),  die  sog.  deutsche  Fahne,  ein  schwarzer 
Vogel  mit  roth  und  gelber  Flügelbinde,  endlich  die  zahlreichen  Schwalben, 
welche  besonders  auch  auf  die  Prärien  hinaus  den  Ansiedelungen  folgen 
und  ganz  wie  bei  uns  zu  den  Freunden  des  Menschen  gezählt  werden. 
Zu  den  lautesten  gehört  ein  Ziegenmelker  (Anthrostomus  vociferus),  von 
den  Amerikanern  Whippoor  will  genannt,  der  in  den  Sommernächten  un- 
aufhörlich das  Geschrei  ausstösst,  von  welchem  er  seinen  Namen  hat. 
Von  den  grösseren  jagdbaren  Vögeln  ist  der  Truthahn  heute  nur  noch  in 
v/den  Südstaaten  häufig.  Im  N.  ist  er  schon  seit  etwa  30  Jahren  aus- 
gerottet. Er  ist  dunkler  von  Farbe  und  grösser  als  der  gezähmte'*). 
Die  Tetraoninae,  Grouse  (Auerhahn,  Birkhahn,  Haselhuhn  etc.),  erreichen 
ihre  grösste  Entwickelung  in  Nord-Amerika.  Coues  zählt  neun  Hauptarten 
auf.  Hieher  gehören  verschiedene  Haselhühner,  Buschhühner,  auch 
fälschlich  Partridges  genannt,  etwas  grösser  als  unser  Rebhuhn,  Wald- 
bewohner.   Das  Präriehuhn,  Prairie  Hen  (Cupidonia   Cupido)  ist  un- 


1)  Von  den  deutschen  Farmern  mit  den  unpoetischen  Namen  Schnurrvogel 
belegt. 

2)  Die  Herkunft  des  Truthahns  (Turkey)  ist  nicht  ganz  klar,  wiewohl  über 
den  amerikanischen  Ursprung  des  Vogels  kein  Zweifel  sein  kann.  Die  Schwierig- 
keit liegt  in  der  Abweichung  der  Eigenschaften  des  domesticirten  Truthahnes 
von  denen  des  wildlebenden  Meleagris  gallopavo,  der  im  ö.  Nord-Amerika 
vorkommt.  Es  ist  vorzüglich  die  Färbung,  welche  erheblich  verschieden  ist. 
Der  Haus-Truthahn  hat  die  Spitzen  der  Federn,  die  an  der  Schwanzwurzel  und 
am  hinteren  Theil  des  Rückens  liegen,  rahm-  oder  gelblichweiss ,  während  die- 
selben beim  wilden  Truthahn  des  ö.  Nord-Amerika  kastanienbraun  sind.  Auch 
andere  Unterschiede,  welche  weniger  hervortreten,  scheinen  die  beiden  von 
einander  zu  trennen.  Seitdem  indessen  zuerst  Gould^  und  später  auch  die 
beste  Autorität  in  diesen  Dingen,  Spencer  F.  Baird^),  einen  im  SW.  Nord- 
Amerika,  und  zwar  besonders  in  Texas,  Neu-Mexico  und  Arizona,  und  ausser- 
dem in  Mexico  vorkommenden  wilden  Truthahn,  M.  mexicana,  beschrieben  hat, 
welcher  in  allen  Eigenschaften,  ausgenommen  nur  die  geringere  Entwickelung 
der  Fettlappen  am  Kopfe,  mit  dem  gezähmten  Thiere  übereinstimmt,  scheint  die 
Annahme  berechtigt,  dass  •  der  letztere  von  dem  westamerikanischen  und  mexika- 
nischen Truthahn  abstamme.  Damit  stimmen  übrigens  auch  die  geschichtlichen 
Zeugnisse,  welche  keinen  Zweifel  übrig  lassen,  dass  aus  Mexico  der  Truthahn 
von  den  Spaniern  nach  Europa,  West-Indien  und  ihren  Niederlassungen  auf  dem 
nordamerikanischen  Festland  gebracht  worden  sei.    Der  mexikanische  Truthahn 

v/hat  auch  weissliches  Fleisch,  wie  der  gezähmte,    während  das  des  wilden  nord 
amerikanischen  von  dunklerer  Färbung  ist. 


..  1)  Proc.  Zool.  Soc.    London  1856.  61. 
2)  Pacific  R.  K.  Kep.  IX.  618, 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  33 

gefähr  von  derselben  Grösse  und  häufig  in  der  Prärieregion.  Das 
eigentliche  Rebhuhn  der  Amerikamer,  von  ihnen  Quail  genannt  (Ortyx 
virginianus),  ist  kleiner  als  das  europäische  Rebhuhn,  grösser  als  unsere 
Wachtel,  von  vorzüglichem  Fleisch.  Der  ausgiebigste  Jagdvogel  unter  den 
Landbewohnern  ist  jedoch  die  Wandertaube  (Ectopistes  migratoria), 
welche  in  jedem  Frühjahr  in  grossen  oft  wolkenartigen  Schwärmen  erscheint; 
sie  ist  wenig  kleiner  als  unsere  zahmen  Tauben  und  sehr  wohlschmeckend. 
An  ihren  Brutstätten  in  den  Wäldern  sitzen  sie  zu  Hunderttausenden  bei  ; 
einander,  so  dass  manche  Farm.er,  wie  man  sagt,  mit  den  herausgefallenen 
Eiern  und  Jungen  ihre  Schweine  mästen.  —  An  Sumpf-  und  Wasservögeln 
ist  in  einem  so  wohlbewässerten  Lande,  wie  es  der  0.  und  N.  der  V.  St. 
ist,  natürlicli  kein  Mangel.  Am  häufigsten  sind  Enten,  von  denen  die  sog. 
Canvas  Back  (Fuligula  vallisneria)  die  geschätzteste,  die  im  Gefieder 
schönste  die  Waldente  (Aix  sponsa)  ist.  An  Schnepfen  und  Becassinen 
(Snipes,  Woodcocks,  Plovers:  Gallinago-,  Tringa-,  Totanus- Arten  u.  a.) 
ist  kein  Mangel.  Unter  den  Tauchern  ist  der  Leon  oder  Wassertrut- 
hahn (Colymbus  torquatus)  der  grösste  und  ein  beliebter  Jagdvogel  der 
Seeregion. 

Reptilien.  Von  Krokodilen  hat  nur  der  S.  der  V.  St.  zwei 
Arten,  einen  ächten  Crocodilus  und  einen  Alligator.  Von  Schildkröten 
kommen  Riesenschildkröten  an  den  Küsten  der  Südstaaten  und  ausserdem 
zahlreiche  Emyden  und  Trionychiden  (Weichschildkröten)  in  Süsswassern 
durch  das  ganze  Gebiet  vor.  Mehrere  davon  sind  essbar.  Von  Schlangen 
sind  vier  Arten  Klapperschlangen  (Crotalidae)  und  die  Mokassinschlange 
als  sehr  giftige  hervorzuheben.  Die  letztere  ist  eine  Wasserbewohuerin, 
während  jene  anderen  auf  sonnigen  Lichtungen,  vorzüglich  aber  auf  den 
höheren  trockenen  Punkten  der  Prärien  und  in  den  Steppen  gefunden 
werden. 

Amphibien.  Der  0.  allein  übertrifft  weitaus  Europa  an  Formen- 
reichthum  dieser  Classe.  Für  den  Natureindruck  ist  es  von  Bedeutung, 
dass  die  Stimmen  der  ungemein  zahlreichen  Frösche  ganz  anders  tönen 
als  bei  uns.  Die  kleineren  Arten  lassen  einen  Gesang  ertönen,  der  „einem 
Schellengeklingel  oder  dem  hundertstimmigen  Piepconcert  kleiner  Vögel'* 
gleicht.  Die  grösste  Art  ist  der  Ochsenfrosch  oder  Bullfrog,  der  einen 
dumpfen  Ochsenlaut  von  sich  gibt.  Gegessen  wird  nur  von  den  Negern 
eine  im  Aeussern  aalähnliche  Sirenart  des  S. 

Fische.  Der  Reichthum  an  nutzbaren  Fischen  ist  im  0.  und  S.  ein  sehr 
grosser,  während  er  in  der  Felsengebirgs-  und  pacifischen  Region  gering 
ist.  Alles  in  allem  genommen  enthalten  die  Flüsse  und  Seen  der  Ost- 
hälfte Nord-Amerikas  wohl  nicht  weniger  Nutzfische  als  diejenigen  von 
Nord-  oder  Mittel-Europa  und  grossentheils  gehören  sie  denselben  Familien 
an.  (Vgl.  Bd.  I.  409.)  Am  reichsten,  viel  reicher  als  in  Europa,  sind  die 
Welse  vertreten.    Wenn  auch   ihre   verschiedenen   Gattungen  Amiurus, 

R  a  t  z  e  1 ,    Amerika  IL  3 


34  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

Hopladeles  u.  a.  nicht  so  beliebt  als  Speisefische  sind  wie  unser  Donau- 
wels, so  fällt  dagegen  ihre  grosse  Zahl  und  die  Grösse  der  Individuen  für 
die  Ernährung  der  niederen  Classen  stark  ins  Gewicht.  Der  weitver- 
breitete sog.  Cot  Fish  ist  in  dieser  Beziehung  besonders  wichtig.  Von 
Barschen  ist  der  kleine  Yellow  Perch,  der  bis  Va  m  lang  werdende 
Pike  PercJi,  dann  PocJc  Fish,  White  Bass  und  Black  Bass  hervor- 
zuheben. Die  Bass-Arten  (ßoccus  und  Labrax)  gehören  zu  den  feinsten 
Fischen  Nord- Amerikas.  Unter  den  Hechten  ist  zunächst  unser  Esox 
lucius  als  .Great  Pickerei,  der  in  den  Grossen  Seen  vorkommt,  dann 
Mascalonge  und  Common  Pickerei  zu  nennen.  Von  den  Lachsen  be- 
herbergen die  Gebirgsseen  des  NO.  einige  Seeforellen,  die  entschieden  an 
unsere  Saiblinge  und  Röthein  erinnern;  aber  grosse  Wichtigkeit  erlangen 
sie  erst  in  den  pacifischen  Flüssen,  wo  sie  massenhaft  und  in  riesigen 
Exemplaren  vorkommen.  Bekanntlich  versorgt  Oregon  sogar  Europa  mit 
präservirtem  Lachs.  Die  Weiss  fische  haben  in  einigen  Corregonus- 
Arten  der  Grossen  Seen  massenhaft  vorkommende  und  sehr  wohlschmeckende 
Vertreter.  Shad  ist  ein  berühmter  Fisch  dieser  Familie,  mit  dem  in 
neuerer  Zeit  auch  in  Europa  Acclimatisationsversuche  gemacht  worden 
sind.  Eigenthümlich  amerikanisch  sind  die  Sonnenfische  (Centrarchidae), 
von  denen  Goggle  Eye  oder  Bock  Bass  und  Grass  Bass  häufig  und 
nützlich  sind.  —  Die  Muschelthiere,  an  denen  die  Flüsse  und  Seen 
Nord- Amerikas  so  reich  sind  (vgl.  Bd.  I.  410),  dienen  den  Indianern 
in  grosser  Ausdehnung  zur  Nahrung,  stellenweise  auch  den  Negern.  Aber 
für  die  Weissen  sind  sie  von  keinem  Werthe.  Dafür  beuten  diese  den 
ungeheueren  Austernreichthum  vorzüglich  der  atlantischen  Küste  aus, 
^die  in  dieser  Beziehung  von  keiner  europäischen  erreicht  wird,  und  die 
Austern  sind  in  zahllosen  Formen  zubereitet  durch  die  ganze  Union  hin 
ein  sehr  wichtiges  Volksnahrungsmittel.  Auf  die  S  e  e  f i  s  c  h  e  r  e  i  wird  noch 
zurückzukommen  sein.  Ausser  auf  den  nahegelegenen  Neufundlandbänken 
ist  der  Fischreichthum  besonders  gross  über  kleinen  Bänken  aus  Kalk- 
stein, die  in  geringer  Entfernung  von  der  Küste  auf  der  ganzen  Strecke 
zwischen  N.  Carolina  und  Florida  auftreten.  Sie  werden  von  den  Ein- 
wohnern Fishing-banks  genannt. 

Insekten.  Es  seien  nur  die  verbreitetsten  unter  den  schädlichen 
genannt.  Von  Käfern  wird  ein  Curculio  den  Blüthen  und  Früchten  der 
eingeführten  Pflaumenarten  so  schädlich,  dass  manchenorts  die  Zucht  der- 
selben aufgegeben  werden  musste.  Ein  etwas  dunkler  gefärbter  Gattungs- 
genosse des  Maikäfers  wird  von  Jahr  zu  Jahr  in  den  besiedelten  Strichen 
zahlreicher  und  durch  seine  dem  Engerling  völlig  gleiche  Larve  den  Wiesen, 
Kartoffel-  und  Rübenäckern  gefährlicher.  Der  in  diese  selbe  Sippschaft 
gehörige  Coloradokäfer  (Doryphora  decemlineata)  ist  seit  einigen  Jahren 
auch  bei  uns  zur  Genüge  bekannt  geworden.  Den  Kürbis-,  Zucker-  und 
Melonenpflanzen  wird  ein  kleiner  schwarz-  und  gelbgestreifter  Rüsselkäfer 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  35 

verderblich,  indem  er  die  Blätter  abfrisst.  Die  bohrenden  Larven  der 
Holzkäfer  richten  besonders  unter  den  Nadelhölzern  grossen  Schaden  an, 
sind  aber  bei  der  verhältnissmässig  geringen  Aufmerksamkeit,  die  man 
bisher  der  Waldcultur  schenkte,  nur  wenig  bekannt.  Von  den  Schmetter- 
lingen wird  die  Erdraupe  eines  kleinen  grauen  Nachtschmetterlings,  die  als 
Cut-worm  bekannt  ist,  den  zarten  Schösslingen  des  jungen  Mais  und  fast 
aller  Gartenpflanzen  in  hohem  Grade  verderblich.  Gewisse  Spinnerraupen 
sind  den  Obstbäumen  schädlich.  Die  schädlichste  Raupe  ist  aber  die  von 
der  Motte  Aletia  argillacea,  der  Cotton-worm,  welcher  fast  alljährlich 
Millionen  Werthe  in  den  Baumwollpflanzungen  zerstört*).  Von  den  Or- 
thopteren sind  die  Heuschrecken  der  Schrecken  der  Prärie-  und  Steppen- 
gegenden, über  die  sie  in  manchen  Jahren  in  eben  so  gewaltigen  Mengen  herab- 
fallen, wie  man  es  aus  dem  SO.  Europas,  aus  Westasien  und  Nordafrika 
kennt.  Sie  kommen  auch  manchmal,  wenn  auch  in  geringerer  Zahl,  bis 
in  die  Mittel-  und  Nordoststaaten.  Der  gefährlichste  von  den  Zweiflüglern 
ist  die  sog.  Hessen  fliege,  Cecidomyia  destructor,  von  der  die  Sage  geht, 
dass  sie  von  den  verkauften  Hessen  während  des  Unabhängigkeitskrieges 
herübergebracht  worden  sei.  Dieselbe  ist  der  ärgste  Feind  des  Weizens, 
in  dessen  jungen  Halmen  ihre  Maden  leben.  Von  Milben  ist  eine  Borken- 
laus, Aspidotus  conchiformis ,  den  Obstbäumen  gefährlich.  Die  dem 
Menschen  wenn  auch  nicht  gefährlichen,  so  doch  unangenehmen  Moskitos,  ., 
unseren  Stechmücken  vergleichbar,  dann  die  noch  viel  beschwerlicheren 
Schwarzmücken  (Black  Flies)  sind  in  allen  feuchten  und  frisch  gelichteten 
Gegenden  Nord- Amerikas  häufiger  und  lästiger  als  bei  uns.  Es  scheinen 
für  sie,  wie  für  andere  Insekten,  schädliche  und  unschädliche,  die  grösseren 
Niederschlagsmengen  wenigstens  der  östlich  vom  Mississippi  gelegenen 
Gegenden  und  dann  die  höheren  Sommertemperaturen  günstig  zu  sein. 
Auch  unsere  Hausplagen:  Stubenfliegen,  Wanzen,  Flöhe  u.  s.  f.  sind  ver- 
breitet. Im  Allgemeinen  gilt  die  Regel,  dass  mit  dem  Fortschreiten  der 
Cultur  die  Menge  des  Ungeziefers  zunimmt.  Glücklicherweise  gilt  dieselbe  ^ 
Regel  auch  für  eine  grosse  Zahl  von  insektenfressenden  Vögeln. 

V.  Die  V.  St.  sind  ein  sehr  mineralreiches  Land;  aber  wenn 
man  erwägt,  wie  reich  sie  mit  Mineralschätzen  bedacht  sind,  so 
darf  man  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  dieser  Reichthum  über  ein  sehr 
weites  Gebiet,  aber  unter  eine  bis  jetzt  noch  geringe  Anzahl  von 
Menschen  vertheilt  ist.  In  einigen  Jahrhunderten,  wenn  die  45  Mill.  y 
Menschen  der  V.  St.  sich  auf  200  Mill.  vermehrt  haben  werden,  wird  die 
Fülle  dieser  Schätze  nicht  mehr  so  grossartig  erscheinen  wie  heute. 
Dann  werden  diejenigen  Gegenden,  welche  an  Kohle,  Eisen,  Kupfer, 


1)   Die  Baumwollpflanzer   berechneten    1877    den    durch    den   Cotton-worm 
verursachten  Verlust  auf  15  Mill.  D.    Rep.  Dep.  Agr.  f.  1877  S.  156. 

3* 


36  I.  Die  natürliclien  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

Silber,  Gold  u.  s.  f.  weniger  besitzen,  nichtsdestoweniger  ebenfalls 
ihren  Bevölkerungsantheil  haben,  und  es  wird  demselben  die  mangel- 
hafte Ausstattung  seiner  Wohnstätte  mit  diesen  nothwendigen  oder 
angenehmen  Dingen  empfindlich  genug  sein.  Die  Verschwendung 
aller  dieser  leicht  gewonnenen  Gaben,  die  heute  sowohl  in  der  Ge- 
winnung als  in  der  Benützung  derselben  noch  immer  gross  ist, 
wird  dann  nicht  mehr  möglich  sein.  Man  kann  nicht  leugnen,  dass 
die  Ausstattung  der  V.  St.  mit  Mineralschätzen  zum  Theil  deshalb  so 
grossartig  erscheint,  weil  die  Zahl  derjenigen,  die  Nutzen  davon 
ziehen,  im  Vergleich  zur  Grösse  des  Landes  und  seines  natürliclien 
Reichthums  noch  so  gering  ist^). 

Aber  auch  abgesehen  von  dieser  einschränkenden  Erwägung 
ist  das  Gebiet  der  V.  St.  in  "Wirklichkeit  ein  mineralreiches 
Land.  Die  zwei  Hauptgebirgszüge  desselben,  die  Alleghanies  und 
die  Cordilleren,  gehören  zu  den  erzreichsten  Gebirgen  der  Erde 
und  ausserhalb  derselben  sind  noch  beträchtliche  Schätze,  vor- 
züglich an  Kohle,  Eisen,  Kupfer  und  Salz,  im  flacheren  In- 
neren des  Continentes  angehäuft.  Die  Steinkohlenformation  allein 
bedeckt  in  ihrer  produktiven  Ausbildung  125  000  e.  Q.  M.  und 
die  Masse  der  Steinkohlen,  welche  in  den  V.  St.  heute  gewon- 
nen werden,  steht  nur  noch  hinter  derjenigen  Englands  zurück 
und  hat  diejenige  Deutschlands  bereits  übertroffen.  Dieselbe  Stel- 
lung nimmt  dieses  Land  hinsichtlich  der  Roheisenerzeugung  ein, 
für  welche  es  nicht  bloss  durch  grosse  Mannigfaltigkeit  und  ausser- 
ordentlichen Reichthum,  sondern  auch  durch  sehr  günstige  Lage  und 
Vertheilung  seiner  Eisenerzlager  in  hohem  Grade  begünstigt  erscheint. 
Der  grösste  Theil  seiner  Eisenerzlager  umgibt  in  engerem  oder 
weiterem  Kreis  die  grossen  Kohlenfelder  und  die  Mehrzahl  ist  auch 
für  die  Verschiffung  durch  die  Nähe  des  Mississippi,  Ohio,  Hudson 
und  der  Grossen  Seen  günstig  gelegen.    Endlich  darf  man  in  unserer 


*)  Diese  Erwägung  muss  man  übrigens  gegenüber  der  gesammten  Produktion 
der  V.  St.  auf  allen  Gebieten  im  Auge  behalten.  Sie  können  so  viel  Reich- 
thümer  erzeugen  und  abgeben,  weil  sie  die  besten  Theile  des  weiten  Landes 
vorweg  in  Beschlag  nehmen  und  weil  im  Verhältniss  zur  Ausdehnung  und  dem 
natürlichen  Reichthum  desselben  ihre  Zahl  noch  so  gering  ist  Das  Verhältniss 
wird  sich  von  Jahr  zu  Jahr  ändern  in  dem  Masse,  als  die  Bevölkerung  dichter 
wird  und  sich  gleichmässiger  über  das  Land  vertheilt. 


1.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  37 

Zeit  des  immer  ausgedehnteren  Stalilverbrauclies  auch  nicht  des 
Vorzuges  vergessen,  den  die  V.  St.  darin  besitzen,  dass  einige 
ihrer  grössten  Eisenerzvorkommen  ausgezeichnet  sind  durch  die- 
jenigen Eigenschaften,  welche  die  Stahlbereitung  aus  denselben  er- 
leichtern. Unzweifelhaft  ist  das  Uebergewicht  der  Ver.  St.  in  der 
Erzeugung  der  vier  wichtigen  Metalle  Kupfer,  Quecksilber, 
Silber  und  Gold.  Aus  einer  einzigen  Fundstätte  des  ersteren 
wird  nahezu  V3  alles  Kupfers  erzeugt,  das  in  der  Welt  verbraucht 
wird.  Das  Quecksilber  wird  in  Californien,  das  Silber  in  Nevada 
und  das  Gold  in  Californien,  Colorado  und  den  anderen  Staaten 
westlich  der  Felsengebirge  in  grösseren  Mengen  gewonnen  als 
irgendwo  sonst  in  der  Welt.  Die  amerikanische  Quecksilber-  und 
Silbererzeugung  überwiegt,  wie  die  des  Kupfers,  die  gesammte  übrige 
Erzeugung  der  Alten  Welt.  Und  dabei  sind  das  erst  Anfänge,  denn 
Kupfer  wird  erst  seit  1845,  Quecksilber  seit  1851,  Silber  seit  1859  v^ 
in  nennenswerthem  Massstabe  in  den  V.  St.  gewonnen.  .  Auch  an 
der  Blei-  und  Zinkproduktion  der  Erde  betheiligen  sich  die  V.  St. 
in  erheblichem  Masse.  Für  das  Petroleum  haben  sie  bekanntlich, 
man  kann  fast  sagen,  ein  Monopol,  indem  alle  europäischen  und 
asiatischen  Vorkommen,  die  bis  jetzt  zur  Ausbeutung  gelangt  sind, 
vor  der  Massenhaftigkeit  und  Vorzüglichkeit  des  amerikanischen 
weit  zurücktreten.  Füge  ich  hinzu,  dass  Steinsalz,  Phosporit,  Gyps, 
Kaolin,  Cementkalk,  Asphalt  sämmtlich  in  hervorragend  reichen 
Ablagerungen  im  Gebiete  der  V.  St.  gewonnen  werden,  dass  auch 
Bausteine  in  grosser  Mannigfaltigkeit  und  Güte  vorzüglich  in  dem 
granit-,  gneiss-  und  marmorreichen  Gebiete  östlich  des  Mississippi 
vorkommen,  so  scheint  es,  als  ob  bezüglich  der  Versehung  mit 
Mineralschätzen  jedes  andere  Land  der  Erde  dieses  so  ungewöhn- 
lich reich  ausgestattete  beneiden  müsse. 

Indessen  sind  gewisse  Bedingungen,  unter  denen  dieser  Keich- 
thum  sich  bis  jetzt  entfaltet  hat,  nicht  zu  übersehen,  ebensowenig 
wie  gewisse  Grenzen,  welche  ihm  gezogen  sind.  Es  ist  Thatsache, 
dass  die  ergiebigen  Steinkohlenlager  fast  sämmtlich  auf  das  Land 
östlich  des  Mississippi  beschränkt  sind,  während  westlich  davon,  mit 
einziger  Ausnahme  vielleicht  des  noch  wenig  untersuchten  texanischen 
Kohlenfeldes,    nur  Braunkohlen  in  zerstreuten  und  allem  Anschein 


38  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

nach  nirgends  sehr  mächtigen  Lagern  vorkommen.  Und  doch  gewinnt 
gerade  in  diesen  baumlosen  Gegenden  fossiles  Brennmaterial  eine 
erhöhte  Bedeutung.  Ebenso  wären  Eisenerzlager  von  der  Grösse  der 
im  Osten  der  V.  St.  vorhandenen  im  Westen  noch  nachzuweisen. 
Gold,  Silber  und  Quecksilber  werden  östlich  der  Felsengebirge 
wahrscheinlich  nie  in  erheblichen  Mengen  gewonnen  werden.  Sie 
gehören,  nach  allen  Anzeichen,  vorzüglich  den  grossen  Gebirgszügen 
des  Westens,  den  Cordilleren,  an.  Aber  wie  überall,  hat  auch  hier 
der  Goldreichthum  sehr  bald  nachgelassen,  als  man  erst  einmal 
die  oberflächlichen  goldführenden  Kiesel  und  Sande  der  Flüsse  aus- 
gewaschen hatte.  Sie  schwankt  seit  Jahren  nur  wenig  und  dürfte 
ganz  wie  die  australische  bald  eine  erhebliche  Verminderung  er- 
fahren. Jedenfalls  ist  die  Zeit  der  reichsten  und  leichten  Ernten 
für  immer  vorüber,  denn  es  gibt  gewiss  keinen  noch  so  kleinen  Bach 
in  dem  ganzen  Gebirgsland  des  Westens,  so  weit  und  öd  es  ist, 
welcher  nicht  schon  des  öfteren  sein  Geröll  durch  die  Wiege  des 
Goldwäschers  hat  laufen  sehen.  Ebenso  sind  auch  die  Goldquarz- 
entdeckungen immer  spärlich  geblieben  und  haben  bis  jetzt  nirgends 
Aussicht  auf  grosse,  unerwartete  Steigerung  ihres  Keichthums  ge- 
geben. Der  Ertrag  der  Silberbergwerke  ist  in  den  letzten  15  Jahren, 
besonders  in  Nevada  und  Colorado,  wo  die  grössten  sich  finden, 
ausserordentlich  gestiegen ;  aber  man  muss  beachten,  dass  ihre  Aus- 
beutung mit  wahrhaft  fieberhafter  Eile  vorgeht,  welche  die  Er- 
schöpfung mancher  beschränkterer  Vorkommnisse  schon  in  dieser 
verhältnissmässig  kurzen  Frist  herbeigeführt  hat.  In  der  einträg- 
lichsten Silbermine  Nord-Amerikas  (Mexico  nicht  ausgeschlossen), 
dem  sog.  Comstock  Lode  Nevadas,  hat  man,  da  der  Gang  in  ziem- 
lich jungem,  vulkanischem  Gesteine  aufsetzt,  schon  jetzt  mit  Wärme- 
graden zu  thun,  welche  die  Arbeit  erschweren.  Uebrigens  hat 
man  beim  Gold-  wie  beim  Silberbergbau  von  Anfang  an  sehr  leicht- 
^  sinnig  gearbeitet.  Tausende  von  Chinesen  waschen  heute  mit  Ge- 
winn dasselbe  Geröll,  das  die  alten  Californier  vor  25  und  30  Jahren 
schon  einmal  durchwuschen,  und  so  wird  man  vielleicht  in  nicht 
allzuferner  Zukunft  jenen  Silbergehalt  von  30 X  noch  zu  gewinnen 
suchen,  den  man  in  Nevada  in  den  Schlacken  stecken  lässt.  Von 
übleren  Folgen  für  die  Zukunft  des  Bergbaues  dürfte  jedoch  die  falsche 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  39 

Art  des  Abbaues  oder  der  bewusste  Raubbau  in  vielen  Bergwerken 
sein.  Bedeutende  Abnahmen  hat  man  auch,  der  Art  des  Vor- 
kommens entsprechend,  im  Ertrag  der  Petroleumbrunnen  wahr- 
genommen und  zwar  sowohl  nach  Menge  als  nach  Güte.  Selbst 
in  den  Anthracitbergwerken  hat  man  es  schon  nothwendig  gefunden, 
die  alte  blind  ausbeutende  Abbauweise  mit  einer  vorsichtigeren  zu 
vertauschen,  die  auch  den  künftigen  Generationen  noch  einige 
Möglichkeiten  übrig  lässt. 

VI.  Es  ist  begreiflicherweise  weniger  zu  sagen  von  den  Natur- 
bedingungen der  Industrie  als  von  denen  des  Acker-  und  Berg- 
baues, doch  ist  immerhin  nicht  zu  übersehen  die  Förderung,  welche 
jene  durch  die  grossartige  Erzeugung  so  nothwendiger  Rohstoffe 
wie  Kohlen,  Eisen,  Baumwolle  und  Wolle  erfährt.  Die  V.  St. 
sind  für  Baumwolle  und  Kohlen  ganz  unabhängig  von  Auslande, 
nach  welchem  sie  von  der  ersteren  noch  jährlich  für  150 — 180  Mill. 
Doli,  ausführen.  Der  Eiseneinfuhr  von  ca.  8  Mill.  stand  1878 
eine  Ausfuhr  von  10  Mill.  Doli,  gegenüber  und  nur  bei  Wolle 
genügte  noch  nicht  die  einheimische  Erzeugung  des  Rohstoffes  dem 
Bedürfniss  der  Industrie.  Die  grossen  Wasserkräfte,  die  im  wohl- 
bewässerten 0.  und  S.  der  Union  und  theilweise  auch  in  den  Ge- 
birgen des  W.  zu  finden  sind,  dürfen  als  Förderer  der  Industrie 
nicht  übersehen  werden.  Aber  ihre  bedeutendsten  Stützen  sind 
allerdings  der  Fleiss,  die  Energie  und  die  geistige  Regsamkeit  der 
Bevölkerung,  welche  ihrerseits  wahrscheinlich  mehr  als  man  denkt 
von  den  klimatischen  Einflüssen  bestimmt  werden.  Vom  N.  bis 
zum  S.  gehört  das  Klima  mit  seinen  kühlen,  zum  Theil  sehr  kalten 
Wintern  ohnehin  zu  jenen,  welche  in  hohem  Grade  förderlich  sind 
für  die  Stählung  des  Körpers  und  die  Neigung  zur  Arbeit. 

VII.  Fragt  man  nach  dem  Masse  von  Begünstigung,  welche  der 
Anlage  grosser  Verkehrswege  in  den  Naturverhältnissen  der 
V.  St.  zu  Theil  wird,  so  liegt  die  Antwort  grossentheils  schon  in 
dem  vorhergehend  Gesagten.  W^o  die  Natur  so  grosse  durchgehende 
Wege  gewiesen  hat  wie  in  diesem  Gebiete,  ist  schon  dadurch  die 
Entwickelung  des  Verkehrs  in  hohem  Grade  erleichtert.  Man  ver- 
gleiche Europa,  von  dessen  Kern  und  Rumpf  grosse  und  wichtige 
Gebiete  wie  die  Pyrenäen-,   Apenninen-  und  Balkanhalbinsel  durch 


40  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelimg. 

Gebirge  abgeschlossen  sind,  während  Meeresarme  die  britischen 
Inseln  und  Skandinavien  vom  Festlande  scheiden.  Im  Gebiete  der 
Ver.  St.  ist  kein  ähnlicher  Fall  zu  verzeichnen  mit  Ausnahme  der 
Absonderung  aller  nach  dem  Stillen  Meere  zu  gelegenen  Staaten 
und  Territorien  von  dem  östlich  des  Felsengebirges  gelegenen  Gross 
des  Landes  durch  dieses  ebengenannte  Gebirg.  Betrachten  wir 
aber  diesen  grossen  von  den  Felsengebirgen,  dem  Golf  von  Mexico 
und  dem  -  Atlantischen  Meere  begrenzten  Abschnitt  der  V.  St. 
hinsichtlich  seiner  Verkehrsbedingungen,  so  ist  ein  gleich  grosses 
Gebiet  (ca.  80  000  Q.M.)  mit  gleich  günstigenVorbediiigungen  wenigstens 
in  Europa  nicht  zu  finden.  Auch  Asien  und  Afrika  bieten  nichts, 
was  diesem  verglichen  werden  könnte,  und  nur  Süd-Amerika  zeigt 
sich  zwischen  Anden  und  Atlantischem  Ocean  ähnlich  günstig  für 
den  Verkehr  geartet.  Die  Eodengestaltung  ist  bei  all  den  bedeu- 
tenden Unterschieden,  die  sie  aufweist,  so  vermittelt  und  abgeflacht, 
dass  die  Dampfer  des  Mississippi,  einerseits  auf  dem  Missouri  bis 
über  die  Mündung  des  Yellowstone  hinaus,  man  kann  also  sagen 
bis  zum  Fusse  des  Felsengebirges,  andererseits  im  Ohio  bis  nach 
Pittsburg,  also  bis  in  das  Herz  der  Alleghanies,  zu  gelangen  vermögen. 
Ebenso  ist  die  Verbindung  des  Mississippi  mit  den  Grossen  Seen, 
zunächst  mit  dem  am  weitesten  nach  S.  reichenden  Michigan-See 
über  einen  fast  flachen  Landrücken  weg,  mit  gar  keinen  Schwierig- 
keiten verbunden.     Ein  Canal  verbindet  in   dieser  Richtung   schon 

\/längst  das  System  des  Mississippi  mit  dem  des  S.  Lorenz,  so  dass 
man  sagen  kann,  dass  dieser  ganze  Abschnitt  eigentlich  wie  eine 
Insel  auf  allen  Seiten  vom  Wasser  umgeben  ist  —  vom  Meere  im 
0.  und  S.,  vom  Mississippi  im  W.,  von  dem  „Süsswasser-Binnenmeer" 
der  Grossen  Seen  und  dem  S.  Lorenz  im  N.  Nachdem  kleinere 
Seeschiffe  via  S.  Lorenz  und  Grosse  Seen  bis  nach  Chicago  ge- 
kommen und  Dampfer  von  2000  T.  zu  den  gewöhnlichen  Erschei- 
nungen auf  dem  Mississippi  gehören,  fehlt  nur  wenig,  dass  diese 
Verkehrsinsel  von  Seeschiffen  umfahren  wird.  Wenn  es  das  Be- 
dürfniss   jemals    erheischen    sollte,    wird    es   mit  verhältnissmässig 

/  geringen  Schwierigkeiten  einfach  durch  Erweiterung  des  lUinois- 
Canals  zu  bewerkstelligen  sein.  Flüsse,  die  im  Grossen  schiffbar, 
münden    aus    diesem   Gebiete    erst    südlich    von  Neuengland.     Der 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  41 

Hudson  ist  der  erste,  von  dem  ab  dann  nach  S.  zu  alle  bedeuten- 
deren Abflüsse  der  Alleghanies,  sowohl  die  ins  Atlantische  Meer 
als  in  den  Golf  mündenden,  bis  zum  Mississippi  als  schiff"bar  zu 
bezeichnen  sind.  Dabei  ist  wieder  als  ein  bemerkenswerth  günstiger 
Umstand  hervorzuheben,  dass  gerade  der  für  die  grosse  Schiffahrt 
günstigste  von  allen,  der  Hudson  R.,  von  der  tiefsten  Einsenkung 
herabfliesst,  welche  im  ganzen  Alleghany  -  System  zu  finden.  In 
dieser  Einsenkung  verbindet  der  Erie-Canal  sammt  mehreren  grossen 
Bahnlinien  die  Seeregion  und  das  Gebiet  des  oberen  Mississippi 
mit  den  grossen  Handelsplätzen  der  atlantischen  Küste.  Die  Haupt- 
ader ist  aber  der  Mississippi.  Die  Schiffbarkeit  der  Hauptarme 
dieses  Stromes  reicht  bis  in  die  AUeghanies,  bis  an  den  Fuss  des 
Felsengebirges  und  bis  nahe  an  die  Nordgrenze  der  Union.  Mit 
dem  Ohio  und  Missouri  zusammen  bildet  er  zwei  grosse  Grund- 
linien des  Verkehres,  eine  nord-südliche  und  eine  west-östliche,  die 
sich  bei  S.  Louis  schneiden.  Mit  allen  seinen  Nebenflüssen  zusam- 
men hat  man  ihm  eine  SchiflT^arkeit  von  25  000  km  zugeschrieben. 
Wenn  irgend  ein  Strom,  so  verdient  es  dieser,  die  Lebensader  des 
Landes  zu  heissen,  das  er  bewässert.  Zwar  ist  ihm  für  jetzt  durch 
das  überwiegende  Bedürfniss  nach  möglichst  raschem  Verkehr  und 
Umsatz  noch  nicht  die  grossartige  Funktion  zugefallen,  für  die  er 
zweifellos  bestimmt  ist,  und  hat  es  sogar  der  Waarenzug,  der  aus 
W.  nach  der  atlantischen  Küste  geht,  vorgezogen,  in  einer  Reihe 
von  direkten  west-östlichen  Eisenbahnen  die  AUeghanies  zu  über- 
schreiten, statt  den  Stromweg  nach  dem  Golf  von  Mexico  aufzu- 
suchen. Indessen  hat  die  Natur  in  diesem  Stromsystem  zu  günstige 
Bedingungen  geschaffen,  als  dass  der  Verkehr  nicht  zu  ihrer  Aus- 
nützung zurückkehren  sollte,  sobald  das  Bedürfniss  billigerer  Be- 
förderung sich  stärker  zur  Geltung  bringen  wird.  Die  grösseren 
texanischen  Flüsse,  die  man  noch  in  dieses  Gebiet  rechnen  kann, 
sind  so  wenig  schiffbar,  dass  sie  wenig  ins  Gewicht  fallen.  Nur 
der  Trinity  R.  (Galveston)  bietet  etwas  günstigere  Verhältnisse 
und  im  Rio  Grande  sind  Dampfer  bis  zur  Pecos-Mündung  gegangen ; 
aber  die  Mündungen  von  allen  diesen  Gewässern  neigen  zu  einer 
Verschlammung,  die  sie  von  der  See  her  schwer  zugänglich  macht.  — 
Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  im  W.,  wo  die  Bodengestaltung 


42  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

und  die  Bewässerung  Schwierigkeiten  schaffen,  welche  dem  Ver- 
kehr immer  sehr  bedeutende  Hindernisse  entgegenstellen  werden. 
Schon  der  Zugang  von  0.  her  durch  die  Steppe  bildet  eine  Schwierig- 
keit, welcher  in  der  Zeit  der  Auswandererkarawanen  nach  Californien 
und  Oregon  zahlreiche  Opfer  fielen.  Doch  bilden  die  Thäler  des 
Missouri,  des  Platte  R.  und  des  Arkansas  ebensoviel  natürliche 
Bahnen,  an  die  in  der  That  zuerst  die  Auswandererstrassen  und 
später  die"  Eisenbahnen  sich  anschlössen.  Sie  führen  alle  bis  hart 
an  das  Gebirge  hin  oder  sogar  in  dasselbe  hinein.  Durch  das  Ge- 
birge hindurch  ist  als  von  Natur  bequemster  Weg  derjenige  vorge- 
zeichnet, welcher  über  den  Lewis  and  Clarke's-Pass  von  dem  Missouri- 
ins  Columbia-Thal  führt.  Weiter  im  S.  folgt  der  Weg,  den  die 
Pacific-Bahn  eingeschlagen  hat,  einer  Oasenkette,  deren  Hauptpunkte 
durch  denEvans-Pass,  den  grossen  Salzsee,  denHumboldt-Fluss  und  den 
Summit-Pass  bezeichnet  werden.  Endlich  führen  noch  weiter  im  S. 
aus  dem  Thal  des  oberen  Rio  Grande  von  Santa  Fe  und  El  Paso  ab 
zwei  von  Natur  gangbare  Strassen  in  sw.  Richtung  nach  dem  unteren 
Colorado.  Innerhalb  der  grossen  Erhebungsmasse  des  W.  kann  als 
ein  die  natürlichen  Verkehrsschwierigkeiten  milderndes  Moment  die 
starke  Vertretung  der  Hochebenen  bezeichnet  werden  und  das  vor- 
züglich in  dem  Gebiete  zwischen  Columbia  und  Colorado.  In  der 
südlichen  Hälfte  des  Colorado-Gebietes  schafft  dagegen  die  über- 
wiegende Canonform  der  Thäler  ein  tief-  und  steilzerschnittenes 
Gebiet,  das  die  denkbar  ungünstigsten  Bedingungen  für  allen  weiter- 
gehenden Verkehr  umschliesst,  und  zwischen  diesem  Theile  und  dem 
Stillen  Meer  ist  die  Mohave-Wüste  ein  durch  ihre  Wasserarmuth 
schwer  begehbares  Gebiet,  durch  das  aber  dennoch  ein  erheblicher 
Verkehr  zwischen  Californien  und  dem  Colorado- Gebiet  sich  bewegt 
u^id  welches  neuerlich  sogar  eine  Eisenbahn  erhalten  hat.  Dafür 
ist  der  Colorado  trotz  seiner  Wasserarmuth  durch  die  schmale  und 
steile  Thalbildung,  die  ihm  eigen,  für  die  Schiffahrt  in  grosser 
Länge  geeignet.  Ein  besonderes  Verkehrsgebiet  bildet  unter  den 
pacifischen  Gebieten  Californien  mit  seinem  zwischen  Sierra  und  Küsten- 
gebirge eingeschalteten  langen  und  breiten  Thalbecken  des  Joaquin 
und  Sacramento.  Diese  Flüsse  sind  in  erheblichem  Masse  schiffbar 
und  ihre  Thalniederungen  bieten  eine  fast  hindernisslose  Naturstrasse 


1.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  43 

vom  Südende  des  Cascadengebirges  bis  zum  Fusse  des  Tejon-Passes. 
Dagegen  erschwert  der  rauhe  Gebirgscharakter  Nord-Californiens 
den  Verkehr  mit  Oregon,  d-em  selbst  heute  noch  keine  Eisenbahn 
zur  Verfügung  steht.  Der  Columbia  ist  wegen  seiner  Stromschnellen 
nicht  höher  als  180  km  von  der  Mündung  schiffbar. 

VIII.  Die  geographische  Vertheilung  der  Wirthschaft 

ist  in  erster  Linie  von  den  Naturbedingungen,  in  zweiter  von  der 
Dichtigkeit  der  Bevölkerung  und  den  verschiedenen  Gaben,  Gewohn- 
heiten etc.  derselben  abhängig.  In  einem  so  weiten,  dünn  bevölkerten 
und  von  Natur  ebenso  reich  als  verschiedenartig  ausgestatteten 
Gebiete  wie  dem  der  V.  St.  überwiegen  für  lange  noch  die  ersteren. 
Zwar  hat  bei  dem  ganz  natürlichen  Streben,  mit  fortschreitender 
Cultur  die  Einseitigkeit  in  diesen  Bethätigungen  abzustreifen,  schon 
heute  ein  Theil  des  W.  und  S.  angefangen,  von  dem  reinen  Acker- 
bau zur  Industrie  überzugehen  (Ohio,  Indiana,  Alabama  u.  a.), 
ebenso  wie  einige  vor  Kurzem  noch  vorwiegend  viehzüchtende  Gegen- 
den zum  Ackerbau  vorgeschritten  sind  (Texas,  Californien).  Californien 
hat  seit  30  Jahren  sogar  drei  Wandlungen  durchgemacht,  welche 
durch  die  Stufen:  Bergbau,  Viehzucht,  Ackerbau  und  Industrie  be- 
zeichnet werden.  Sieht  man  aber  ab  von  diesen  erst  im  Beginne 
befindlichen  Verschiebungen,  die  übrigens  ihre  Grenzen  haben,  und 
fasst  diejenigen  wirthschaftlichen  Erscheinungen  ins  Auge,  welche 
gegenwärtig  noch  in  einem  Gebiete  so  stark  vertreten  sind,  dass 
sie  diesem  einen  bestimmten  Charakter  aufprägen,  so  lassen  sich 
Abgrenzungen  ohne  grossen  Zwang  in  den  folgenden  Richtungen 
durchführen. 

I.  Industrieregion:  Die  Neuengland -Staaten,  New  York,  New 
Jersey,  Pennsylvanien ,  Maryland,  Delaware,  das  östliche  Ohio.  Dicht- 
bevölkerte, hochc  ultivirte  Industrieregion,  welche  alle  älteren  Colonien  an 
der  atlantischen  Küste,  Virginien  allein  ausgenommen,  und  die  grössten 
Handelsstädte  der  V.  St.  umschliesst  und  den  grössten  Theil  des  Handels 
mit  Europa  in  Händen  hat.  Boden  im  Allgemeinen  nicht  sehr  fruchtbar. 
Neben  der  altangesessenen,  dichten  und  intelligenten  Bevölkerung  sind  die 
günstige  Handelslage  und  der  Reich thum  an  Kohle  und  Eisen  als  wesent- 
liche Momente  der  wirthschaftlichen  Bedeutung  dieses  Gebietes  hervor- 
zuheben.   Es  umschliesst   den   dritten  Theil   der  Bevölkerung  der  V.  St. 


44  I   Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturent Wickelung. 

und  7  Grossstädte  ^)  mit  zusammen  2V5  Mill.  Einw.     Die  beiden  grössten 
Städte  der  Union  gehören  hierher. 

II.  Südliche  Ackerbauregion.  Umschliesst  ausser  Maryland, 
Delaware  und  Missouri  alle  früheren  Sklavenstaaten,  darunter  einige  der 
ältesten  (Virginien,  Florida)  und  jüngsten  (Texas)  Staaten.  Die  Bevölkerung 
ist  dünn,  stark  mit  farbigen  Elementen  durchsetzt,  von  sehr  verschiedener 
Culturhöhe  je  nach  dem  Alter  der  Ansiedelungen,  vorwiegend  ackerbauend. 
Boden  fruchtbar,  aber  in  den  älteren  Theilen  durch  Raubbau  ausgesogen. 
Hauptgetreide:  Mais.  In  vielen  Gegenden  dichtbewaldet  und  in  Folge 
dessen  in  neuerer  Zeit  viel  Holz  ausführend.  Zahlreiche  mittlere  Städte, 
nur  1  Grossstadt  (New  Orleans).  Dieses  Gebiet  kann  vorzüglich  nach 
der  Art  seiner  Haupterzeugnisse  wieder  in   zwei  Theile   zerlegt  werden: 

«)Die  nördlichen  Südstaaten:  Virginien,  W.  Virginien,  N. 
Carolina,  Tennessee,  Kentucky,  Arkansas.  Das  Klima  ist  für  den  grossen 
Anbau  der  Baumwolle  u.  a.  subtropischer  Gewächse  nicht  überall  geeignet, 
an  deren  Stelle  vorzüglich  Tabak  und  Hanf  und  in  neuerer  Zeit  auch 
Getreide  treten.  Nicht  bloss  durch  Klima,  sondern  auch  durch  Zusammen- 
setzung, Dichtigkeit  und  Vertheilung  der  Bevölkerung  bilden  diese  Gegenden 
den  Uebergang  zum  N.     Sie  umschliessen  15"/o  der  Bevölkerung. 

b)  Die  eigentlichen  Südstaaten  oder  Baumwollenstaaten. 
Die  südatlantischen  und  Golfstaaten  von  S.  Carolina  bis  Texas.  Haupt- 
erzeugnisse :  Baumwolle,  Reis,  Rohrzucker,  Südfrüchte,  Holz.  Bevölkerung, 
in  einigen  Staaten  zur  Hälfte  farbig,  beträgt  14Vo  der  Gesammtbevölkerung. 

III.  Westliche  Acker  bau  region:  Ohio,  Indiana,  Illinois,  Missouri, 
Iowa,  die  östlichen  Hälften  von  Kansas  und  Nebraska,  Michigan,  Wisconsin, 
Minnesota,  also  den  sog.  Alten  W.  oder  W.  kurzweg  und  den  NW.  um- 
fassend. Diese  Region  ist  das  eigentliche  Getreideland  der  V.  St.  lieber 
alle  hervorragend  sind  Ohio,  Indiana,  Illinois  und  Iowa,  welche  die  grösste 
Mais-  und  Weizenerzeugung  und  den  grössten  Viehstand  haben.  Sie  er- 
zeugten 1877  allein  45Vo  der  gesammten  Mais-  und  33Vo  der  gesammten 
Weizenernte  und  besassen  20Vo  des  gesammten  Rindviehstandes.  Durch 
die  Blüthe  der  Landwirthschaft  und  das  starke  Anwachsen  der  Bevölkerung 
sind  auch  die  Industrie  und  der  Handel  in  dieser  Region  zu  bedeutender 
Entwickelung  gelangt;  sie  werden  ausserdem  durch  die  ungemein  günstigen 
Verkehrsverhältnisse  (die  Grossen  Seen,  der  Mississippi,  Missouri  und 
Ohio)  und  durch  Mineralschätze  (Steinkohlen,  Eisen,  Blei)  gefördert.  Zeugen 
dafür  sind  4  Grossstädte  mit  zusammen  930000  Einw.  und  ihre  Be- 
völkerung, die  V3  der  gesammten  umfasst. 

IV.  Steppenregion.  Umschliesst  die  westlichen  Theile  von  Kansas 
und  Nebraska,  den  grössten  Theil  des  Indianer-Terr.,  den  N.  und  NW. 
von  Texas,  die  nicht  gebirgigen  Theile   des   ganzen  W.  bis   zum  Felsen- 

1)  Ich  verstehe  hierunter  diesem  Namen  Städte  mit  mehr  als  100000  Einw. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  45 

gebirge  vorzüglich  in  Neu-Mexico,  Colorado,  Wyoming  und  Dakota.  Dem 
Ackerbau  nur  in  sehr  beschränkter  Ausdehnung  zugänglich,  nämlich  in 
den  Flussthälern  und  jenen  Theilen,  die  künstlich  bewässert  werden  können. 
Auch  für  die  Viehzucht  wegen  des  spärlichen  Graswuchses  und  des  sehr 
extremen  und  wechselvollen  Klimas  nur  wenig  nutzbar.  Bis  jetzt  ohne 
nennenswerthe  Mineralschätze.  Scheint  für  alle  Zeiten  zur  Unfruchtbarkeit  ^ 
und  Menschenleere  verdammt  zu  sein.    Bevölkerung  höchstens  60000. 

V.  Die  Gold-  und  Silberregion.  Umschliesst  die  ganze  Gebirgs- 
masse  vom  Felsengebirge  bis  zur  Sierra  Nevada,  diese  und  das  ealifornische 
Küstengebirge  noch  mit  in  sich  fassend.  Reich  an  Silber  und  Gold  vor- 
züglich in  Californien,  Nevada,  Utah  und  Colorado.  Besitzt  ausserdem  andere 
Mineralschätze,  auch  Kohlen,  welche  noch  manche  neue  Entwickelung 
verheissen.  Nur  die  Berge  sind  bewaldet,  die  flachen  Theile  sind  Steppen 
gleich  denen  der  vorigen  Region.  Dem  Ackerbau  und  der  Viehzucht  nur 
oasenweise  wegen  der  Dürre  und  Wechselhaftigkeit  des  Klimas  und  der 
meist  schon  beträchtlichen  Höhenlage  zugänglich.  Bevölkerung  gegen 
180000  (ca.  0,4 Vo). 

VI.  Der  pacifische  Abhang.  Umschliesst  die  Theile  von  Californien, 
Oregon  und  Washington  Terr.,  welche  westlich  von  der  Sierra  und  dem 
Cascadengebirge  gelegen  sind.  Im  N.  durch  sehr  feuchtes,  im  S.  durch 
mittelmeerisches  Klima  für  Ackerbau,  Viehzucht  und  Waldwuchs  theilweise 
in  ausgezeichneter  Weise  geeignet.  Erheblicher  Theil  der  Bevölkerung 
aus  fleissigen  Chinesen  bestehend.  Grosse  Schafzucht,  Weizen-  und  Wein- 
erzeugung. Südfrüchte.  Diese  Region  hat  20%  aller  Schafe  in  den  V.  St., 
erzeugt  mehr  Wein  als  alle  anderen  Theile  der  Union  zusammen  und 
nimmt  mit  OVo  an  der  gesammten  Weizenerzeugung  Theil.  Starker  Export 
von  Edelmetallen,  Bauholz  und  Weizen.  Vorzügliche  Handelslage.  Industrie 
durch  die  Bedürfnisse  des  Bergbaues  und  die  Entlegenheit  der  östlichen 
Industriecentren  gefördert.  Einzige  Grossstadt  ist  S.  Francisco,  die  dritte 
Handelsstadt  der  Union.     Bevölkerung  ca.  l,5Vo. 

IX.  Unmittelbare  Wirkungen  der  Natur  auf  den  Geist 
des  Volkes.  Bei  einem  Volke,  das  der  Natur  im  Ganzen  noch  so 
nahe  steht,  das  von  so  mächtigen  Scenen  umgeben  und  in  viel  ent- 
schiedenerer Weise  von  seiner  Natur  Umgebung  abhängig  ist  als  jedes 
in  derCultur  ältere  und  dichter  wohnendeVolk,  müssen  grosse  unmittel- 
bare Einwirkungen  der  Natur  vorausgesetzt  werden.  Sie  werden 
auch  in  vielen  Aeusserungen  des  Volksgeistes  erkannt,  sind  aber  schwer 
mit  Bestimmtheit  von  anderen  Erscheinungen  zu  sondern  und  in  ihrer 
Eigenartigkeit  festzustellen.  So  viel  ist  jedoch  sicher,  dass  der  Geist 
der    Nordamerikaner    von  keiner    Eigenschaft    seines  Wohngebietes 


46  I.  Bie  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

in  so  hohem  Grade  beeinflusst  wird  wie  von  der  Weite  desselben. 
So  wie  R.  W.  Emerson  von  den  Gesetzgebern  sagt,  „die  die 
Gesetze  machen  für  das  Land  zwischen  den  zwei  Oceanen  und 
zwischen  den  Schneefeldern  und  dem  Wendekreis",  dass  „etwas  von 
der  Grösse  dieser  Natur  in  ihrem  Gesetzbuch  erscheinen  müsse", 
so  meinen  auch  andere  mit  ihm,  dass  es  „Amerika  besonders  leicht 
fällt,  die  weitesten  Anschauungen  zu  erzeugen".  Das  Schrankenlose 
^in  dem  Charakter  des  Nordamerikaners,  das  sich  ausspricht  in  den 
grossartigen  Plänen,  die  er  fasst  und  oft  auch  durchführt,  in  der 
Ungewohnheit  vor  dem  Niedagewesenen  zurückzuschrecken  nur  weil 
es  neu  ist,  in  der  Gewohnheit  nichts  für  unmöglich  zu  halten,  an 
was  überhaupt  Menschenkraft  sich  wagen  kann,    in  der  Zuversicht 

v'^auf  eine  unerreichte  Grösse,  die  seiner  Nation  beschieden  sein  wird : 
dieser  Zug,  der  sehr  wesentlich  die  Culturfortschritte  des  jungen 
Volkes  befördert,  ruht  zu  einem  nicht  geringen  Theile  auf  dem 
v<  Gefühl  der  räumlichen  Weite.  Es  verliert  vielleicht  von  seiner 
geradezu  bezaubernden  Macht  in  dem  Masse,  als  dieses  Gebiet 
mit  zunehmender  Erforschung  und  Besiedelung  in  ein  helleres  Licht 
tritt  und  als  jene  Mängel,  die  Theilen  grosser  Erdräume  nothwendig 
ankleben:  Unwirthlichkeit,  Dürre,  Unfruchtbarkeit,  sich  an  die 
Stelle  der  reizenden  Bilder  drängen,  die  man  sich  von  der  Zukunft 
eines  Landes,  gross  wie  Europa  und  fruchtbar  wie  das  Mississippi- 
Thal,  gemacht  hat.     Doch  bleibt    noch  immer    genug,    um   jenem 

v^kühnen,  alles  Beste  für  sich  erwartenden  Optimismus  Nahrung  zu 
geben,  der  so  viel  dazu  beiträgt,  der  nordamerikanischen  Gesellschaft 
einen  Zug  von  jugendlicher  Frische  zu  geben.  Durch  alle  Ent- 
täuschungen politischer  und  wirthschaftlicher  Art  lebt  unverwüst- 
lich der  Glaube  fort  an  die  grosse  Zukunft  der  Union.  Dies 
ist  ein  Boden,  auf  dem  die  Kraft  wächst.  Schweres  zu  überwinden 
und  Grosses  zu  leisten.  Ob  freilich  nicht  dem  Geiste  eines  Volkes, 
das  auf  so  weitem  Gebiete  in  zusammenhängendem  Staate  sich 
entwickelt,  bei  aller  Grossartigkeit  eine    gewisse  Einförmigkeit  sich 

^  aufprägen  wird?  Man  hat  die  Frage  bereits  bestimmt  in  dem  Sinne 
bejahen  wollen,  dass  aus  den  V.  St.  ein  zweites  China  von  starrer 
Einerleiheit  werden  müsse.  Es  ist  noch  lange  bis  dahin.  Man 
hat  in  dieser  Beziehung,    wie  es  scheint,    eine  vorübergehende  Er- 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  47 

scheinung  für  den  Keim  einer  bleibenden  Entwickelung  genommen. 
Wenn  eine  gewisse  Einförmigkeit  in  der  heutigen  Bevölkerung 
der  V.  St.  wahrzunehmen  ist,  so  beruht  dies  darauf,  dass  sie 
noch  nicht  Zeit  gehabt  hat,  in  ihren  verschiedenen  Wohngebieten 
sich  heimisch  zu  machen  und  die  Sondermerkmale  anzunehmen, 
welche  denselben  entsprechen.  Wir  haben  die  Naturgebiete  der  V.  St. 
hervorgehoben  (s.  S.  12  u.  43)  und  dabei  nicht  gefunden,  dass  sie  eine 
soviel  grössere  Einförmigkeit  zeigen  als  die  entsprechenden  Abschnitte 
der  meisten  anderen  Theile  der  Erde.  Freilich  muss  man  nicht 
mit  europäischem  Massstabe  an  diese  gross  angelegte  Gliederung 
herantreten.  Nord-Amerika  hat  keine  Räume  wie  Grossbritannien, 
Spanien  oder  Italien.  Insofern  ist  es  nicht  von  Natur  zum  Schau- 
platz zalilreicher  historischer  Sonderentwickelungen  vorherbestimmt. 
Dass  aber  andere  wirthschaftliche  und  sociale  und  damit  auch 
geschichtliche  Entwickelungen  in  der  Bevölkerung  der  Seeregion 
als  in  der  des  Golfgebietes,  andere  in  der  der  Mississippi-Niederungen 
als  in  der  des  Hochlandes  im  W.  sich  vollziehen  werden,  ist  sicher. 
Und  dann  kommt  hierbei  die  Bevölkerung  doch  auch  in  Frage, 
die  sich  nicht  ohne  Weiteres  von  ihren  Umgebungen  modeln  lässt. 
Wenn  die  Indianer  Nord-Amerikas  einförmig  waren  und  die  Chinesen 
es  noch  heute  sind,  so  ist  es  zum  Theil  die  weniger  in  sich  selber 
individualisirte  Rasse,  welche  das  bewirkt.  Aber  so  gut  man  nicht 
glaubt,  dass  Nord- Amerika  der  Schauplatz  einer  mitten  in  ihrem 
Entwickelungsgang  plötzlich  stille  stehenden  Halbcultur  zu  werden 
bestimmt  sei,  so  wenig  ist  anzunehmen,  dass  das  Volk  des  Missis- 
sippi-Thaies je  den  heerdenhaften  Charakter  desjenigen  am  Hoangho 
und  Yangtsze  annehmen  werde.  Eine  andere  Sache  ist  die  neue  Er- 
scheinung, dass  ein  gleichsprachiges  und  im  Ganzen  gleiche  Sitten 
und  Anschauungen  hegendes  Volk  sich  über  ein  so  weites  zusammen- 
hängendes Wohngebiet  verbreitet.  Aber  damit  hat  die  Natur  des 
Landes  zunächst  nichts  zu  thun.  Uebrigens  schwebt  jede  Specu- 
lation  auf  die  zu  erwartende  Ein-  und  Gleichförmigkeit  der  Nord- 
amerikaner in  der  Luft,  solange  wir  neben  den  Angelsachsen  über 
5  Mill.  Angehörige  dreier  nichtkaukasischer  Rassen  und  mehr  als 
die  doppelte  Zahl  von  Abkömmlingen  nichtenglischer  Einwanderer 
in    sehr   verschiedener   geographischer   Verbreitung    das  Gebiet  der 


^ 


48  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung. 

V.  St.  bewohnen  sehen.  Die  unvermeidliche  Zumischung  ihres 
Blutes  zu  dem  der  „neuen  Rasse"  der  Anglo- Amerikaner  wird 
diese  gewiss  hinreichend  vor  den  angeblich  so  mächtigen  gleich- 
machenden Einflüssen  ihres  Wohngebietes  schützen. 

Dem  Gebiete  der  V.  St.  fehlen  fast  ganz  jene  furchtbar  gewaltigen, 
unberechenbaren  Naturerscheinungen,  denen  man  einen  grossen  Ein- 
fluss  auf  die  Entwickelung  der  religiösen  Gefühle  und  des  Aber- 
glaubens zuschreibt,  wie  die  Vulkanausbrüche,  die  heftigen  Erdbeben, 
die  verheerenden  Stürme  und  oft  wiederkehrende  grosse  Ueberschwem- 
mungen.  Wenn  also  Buckle  sagt :  „In  den  aussereuropäischen 
Culturländern  war  die  ganze  Natur  verschworen,  um  die  Phantasie 
zu  erhöhen  und  den  Verstand  zu  schwächen",  so  gilt  dies  nicht 
auch  von  Nord- Amerika,  das  im  Gegentheil  zu  jenen  gehört,  „wo 
die  Naturerscheinungen  darauf  hinzielen,  die  Phantasie  zu  be- 
schränken, den  Verstand  hingegen  kühn  zu  machen  und  so  den 
Menschen  mit  Vertrauen  auf  seine  eigenen  Hilfsmittel  zu  er- 
füllen"^). Entschieden  thätige  Vulkane  besitzen  die  V.  St.  nur  in 
dem  fernen  Alaska,  das  doch  nur  als  Colonie  gelten  kann.  Eine 
Region  starker  Erdbeben  ist  nur  Californien  mit  den  angrenzenden 
Theilen  von  Arizona  und  Nevada.  Die  gefürchteten  Tornados  der 
Süd-  und  Weststaaten  erreichen  entfernt  nicht  die  Heftigkeit  der  tropi- 
schen Wirbelstürme,  wenn  sie  auch  viel  verheerender  auftreten  als  in 
Europa.  Die  U  e  b  e  r  s  c  h  w  e  m  m  u  n  g  e  n  fehlen  natürlich  nicht,  sind 
aber  selten  von  verheerender  Macht.  Im  0.  mangeln  die  hohen 
schneereichen  Gebirge  und  die  starken  Gefälle,  die  die  Flüsse  der 
Alpen,  Pyrenäen,  des  Himalaya  so  gefährlich  machen;  im  W.  ist 
der  Wasserreichthum  nicht  gross  genug.  Selbst  die  Hunderte  von 
Quadratmeilen  bedeckenden  Ueberschwemmungen  des  unteren  Mis- 
sissippi kosten  im  schlimmsten  Falle  nur  wenigen  Menschen  das 
Leben,  denn  sie  kommen  weder  mit  bestürzender  Geschwindigkeit, 
noch  vereinigen  sie  sich  mit  plötzlich  hereinbrechenden  Sturmfluten. 
Die  grosse  Erscheinung  der  in  Strömen  sich  hinaufwälzenden  Bore 
kennt  keiner  der  Ströme  dieses  Gebietes.  Vor  Hunger snoth  kann 
bei  dem  noch  für  lange  hinaus   verfügbaren  Ueberfluss   an   frucht- 


1)  Geschichte  der  Civilisation  in  England  1868  I  111. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  49 

baren  Lande  und  dem  Reichthum  der  Verkehrsmittel  keine  Rede 
sein.  Die  Feuer sbrünste,  welche  die  amerikanischen  Städte  mehr  ^ 
als  die  europäischen  heimsuchen,  sind  ein  Elementarereigniss, 
welchem  man  nicht  machtlos  gegenübersteht;  die  Trockenheit  und 
die  langandauernden  Wärmeperioden  des  Klimas  mögen  diese  Gefahr 
verschärfen,  aber  ihre  Minderung  liegt  grossentheils  in  der  Hand 
des  Menschen,  der  besser  bauen  und  sorgfältiger  mit  dem  Feuer 
umgehen  könnte.  Die  Wald-  und  Präriebrände  sind  grosse  Er- 
scheinungen für  das  Auge,  aber  nur  in  seltenen  Fällen  werden  sie 
dem  Menschen  gefährlich.  Das  grösste  und  unabweisbarste  der  Uebel,  v/ 
mit  denen  die  Natur  eines  Theiles  des  Landes  behaftet  ist,  das  gelbe 
Fieber,  ist  wahrscheinlich  ebensowenig  durchaus  unvermeidlich,  son- 
dern könnte  wenigstens  gemildert  werden  durch  grössere  Reinlichkeit 
in  den  Städten  des  S.,  vielleicht  auch'durch  sorgfLiltigere  Abschliessung 
gegen  Westindien.  Aber  selbst  mit  dieser  in  kurzen  Zwischenräumen 
wiederkehrenden  Seuche  gehört  das  Gebiet  der  V.  St.  im  Ganzen 
zu  den  glücklichen  Regionen,  deren  Natur  einen  massvollen  Charakter 
zeigt  und  den  mittleren  Grad  von  Thätigkeit  entfaltet,  der  ebenso 
fern  von  der  Starrheit  des  Eises  als  den  Excessen  der  Tropen  bleibt. 
Die  Natur  Europas  hat  dieses  selbe  glückliche  Mass,  welches  man 
mit  grossem  Recht  als  die  Vorbedingung  einer  stetigen  und  dauer- 
haften Culturentwickelung  betrachtet.  In  Nord-Amerika  ist  nur  ein 
grosser  Theil  des  steppenhaften  W.  mit  seinem  extremen  Klima 
von  demselben  ausgeschlossen.  Auch  kann  man  behaupten,  dass, 
was  die  geringe  Entwickelung  derjenigen  Geistesrichtungen  betrifft, 
welche  von  diesen  Erscheinungen  begünstigt  werden,  wie  Aber- 
glaube, scheue,  gedrückte,  unternehmungslose  Gemüthsstimmung, 
Schwanken  zwischen  Extremen,  der  Geist  des  Nordamerikaners  auf 
derselben  Höhe  steht  wie  der  des  Europäers.  —  Darum  fehlen  aber 
nicht  die  grossen  Naturscenen,  welche  einen  tiefen  Eindruck 
auf  die  Phantasie  vorzüglich  in  der  Richtung  auf  das  Begeisternde  und 
Erhebende  machen.  Nur  sind  sie  friedlicherer  Natur.  Ihr  Einfluss 
ist  besonders  in  der  Poesie  und  der  Kunst  zu  erkennen  ^),  wo  nicht 


1)  Angeblich  auch  in  der  Kleidung.  Ch.  Lyell,  der  schon  in  seinen  Travels 
in  North  America  (1844.  I  3)  den  Farbenreichthura  nordamerikanischer  Sonnen- 
untergänge hervorhebt,   ist  über  die  „Helligkeit  der  Atmosphäre"  in  New  York 

ß  a  t  z  e  1 ,    Amerika  U.  t 


50  I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Cultnrentwickeliing. 

nur  die  Naturschilderung  und  Landschaftsmalerei  als  mit  Vorliebe 
gepflegte  Zweige  erscheinen,  sondern  er  macht  sich  noch  mehr  in 
der  Liebe  geltend,  mit  der  jene  Klassen,  die  sich  geistigen  Luxus  er- 
lauben können,  der  Natur  entgegenkommen.  Es  geschieht  das  mit 
Bewusstsein.     Man  reist  viel  und  in  den  landscliaftlich  begünstigten 

v^Gegenden  der  Alleghanies,  der  Meeresküste  und  der  Sierra  wim- 
melt es  von  Naturfreunden,  die  in  wochenlangen  Urwaldwande- 
rungen die- Natur  kräftigst  auf  sich  wirken  lassen.  In  den  Städten 
wird  grosser  Werth  auf  möglichst  ausgedehnte  Parks  gelegt. 
Einen  so  geradezu  fanatischen  Naturenthusiasten  wie  H.  D.  Thoreau 

^ kennt  die  deutsche  Literatur  nicht,  während  Bryant,  Emerson 
und  Hawthorne  sich  unseren  besten  Naturschilderern  an  die  Seite 
stellen^).     Gewiss  ist  der  Mangel  einer   alten  Geschichte  und  ihrer 


erstaunt   und  meint,    dass   dieselbe   zur  Verwendung    von    hellen,    leuchtenden 
Farben   in  Kleidung  und  Möbeln  anregen  müsse  (Second  Visit  1855). 

1)  Die  Besprechung  dieser  Verhältnisse  hat,  trotzdem  sie  oflFen  liegen, 
selbst  bei  wissenschaftlichen  Schriftstellern  wahre  Blüthen  von  Oberflächlichkeit 
hervorspriessen  lassen.  „Und  in  der  That,  mir  scheint,  sagt  z.  B.  B.  v.  Cotta, 
dass  dieser  Mangel  an  landschaftlicher  Komantik  bereits  seinen  Einfluss  auf  den 
Charakter  der  erst  seit  wenigen  Jahrhunderten  Eingewanderten  ausgeübt  hat, 
die,  fast  von  aller  Romantik  absehend,  sich  auf  einer  durchaus  praktischen 
Bahn  bewegen.  Keine  genussreiche  Schwärmerei  zieht  sie  ab  von  den  ernst- 
genommenen Geschäften  des  Lebens,  zu  denen  dort  auch  die  Jagd  gehört.  Wer 
reist  in  Nord-Amerika  zum  reinen  Vergnügen  ?  Der  Ursprung  des  bezeichnenden 
Wahlspruches  „go  a  head"  liegt  tief  in  der  Natur  des  Landes  begründet"- 
(Deutschlands  Boden  1854.  IL  50).  Soviel  Worte,  soviel  Schiefheiten!  Dagegen 
haben  einige  deutsche  und  französische  Schriftsteller,  welche  über  nordameri- 
kanische Literatur  schrieben,   dem   starken  Vorwalten    des    Naturgefühles    ver- 

..1  ständnissvoll  Rechnung  getragen,  am  meisten  Spielhagen  in  seinen  „Vermischten 
Schriften"  (1868),  A.  Strodtmann  in  der  Einleitung  zur  „Amerikanischen  Antho- 
logie" (1870)  und  Philaretes  Chasles  in  seinen  „Etudes  sur  la  litterature  et  les 
moeurs  des  Anglo-Americains  (1851  S.  291).  Der  Kenner  der  nordamerikanischen 
Literatur   wird    eher    den  Eindruck    eines    zu  tiefen,    fast   krankhaften  Natur- 

,/gefühles,  eines  zu  weit  überschattenden  Ilereinragens  der  äusseren  Natur  em- 
pfangen als  des  Gegentheils,  und  zw^ar  nicht  nur  aus  den  bedeutenden,  sondern 
mehr  noch  aus  den  10000  unbedeutenden  Dichtern,  die  die  im  Uebrigen  so  mate- 
riellen Zwecken  gewidmeten  Spalten  nordamerikanischer  Zeitungen  in  einer  bei 
uns  unbekannten  Ausdehnung  unsicher  machen.  Uebrigens  scheint  es  Tocqueville 
\/  zu  sein,  der  die  Fabel  von  dem  Mangel  an  Natursinn  bei  den  Nordamerikanern 
zuerst  in  Curs  gebracht.  „La  Democratie  en  Amerique"  enthält  Bd.  II  Cap.  17 
u.  18  in  dieser  Richtung  Aufstellungen,  welche  bei  diesem  feinen  Kopf  und 
dieser  Sachkennerschaft  Staunen  erwecken. 


I.  Die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung.  51 

Denkmäler  ein  Grund  in  der  Verehrung,  die  man  der  Natur  ent- 
gegenbringt. Man  sucht  einen  Ersatz.  Und  freilich  sind  die  alten 
Ulmen  und  Ahorne  Neu-Englands,  die  Riesensykamoren  des  Ohio- 
Thaies  und  die  Mammuthcedern  der  Sierra  älter  als  die  älteste 
Spur  europäischer  Geschichte  in  Nord  -  Amerika.  Von  dieser 
selbst  heute  noch  vielfach  jungfräulichen  Natur  hebt  sich  alles 
Menschliche  viel  kleiner  ab.  Es  braucht  dazu  nicht  der  über- 
wältigenden Naturbilder  des  Niagara  oder  Mississippi,  der  neu- 
engländischen  Felsenküste  oder  der  dunkeln  Alleghany-Urwälder, 
überhaupt  nicht  dessen,  was  man  im  landläufigen  Sinn  schöne  oder 
grosse  Natur  nennt.  Daran  ist  Europa  allerdings  reicher  als  Nord- 
Amerika;  wenigstens  sind  seine  Schönheiten  mannigfaltiger  und 
räumlich  concentrirter.  (Vgl.  Bd.  I  S.  429  —  32.)  Es  genügt  jedoch 
vollkommen,  dass  noch  sehr  viel  ungezähmte  und  unverdorbene 
Natur  vorhanden  sei,  an  die  ein  Geist  sich  anschliessen  kann,  der 
von  menschlichem  Treiben  allein  sich  nicht  ausfüllen  lassen  will. 
Und  daran  fehlt  es  gewiss  nicht.  Wenn  wir  annehmen,  dass  eine 
anziehende  Naturumgebung  zu  den  für  die  harmonische  Ausbildung 
des  Geistes  eines  Volkes  nothwendigen  Elementen  gehöre  —  und  diese 
Annahme  wird  gegenüber  einem  so  rastlos  thätigen,  zeitweiliger 
Ausspannung  sehr  benöthigenden  Volke  wie  den  Amerikanern  doppelt 
berechtigt  sein  —  so  können  wir  sagen,  dass  auch  für  die  Erfüllung 
dieses  Bedürfnisses  in  dem  Gebiete  der  V.  St.  gesorgt  ist. 


4* 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

I.  Aus  der  Entdeckung  der  nordamerikanischen  Festlandküste  zwischen 
C.  Breton  und  Florida  durch  Johann  und  Sebastian  Cabot  leitete  England, 
das  diese  Entdecker  ausgesandt  hatte,  den  Rechtstitel  auf  diejenigen 
Theile  Amerikas  ab,  welche  an  dieser  Küste  gelegen  sind.  Die  wirkliche 
Besitzergreifung  durch  Coloniengründung  fand  aber  erst  lange  nach  der 
Entdeckung  statt.  1497,  also  ein  Jahr  vor  der  Entdeckung  des  süd- 
amerikanischen Festlandes  durch  Columbus,  hatten  die  beiden  Cabot  die 
nordamerikanische  Küste  angesegelt,  aber  nicht  eher  als  1584  begannen 
die  ernsthaften  Versuche  Englands,  Theile  derselben  durch  Colonisation 
auszubeuten  oder  sich  fest  anzueignen.  Walter  Raleigh  erhielt  in  diesem 
Jahre  eine  Concession  von  Seiten  der  Königin  Elisabeth  und  machte  drei 
verschiedene  Versuche  der  Coloniengründung  im  heutigen  Virginien,  das 
diesen  Namen  zu  Ehren  der  jungfräulichen  Königin  erhielt;  aber  diese 
Versuche  gelangen  so  wenig,  dass  es  im  Anfange  des  nächsten  Jahr- 
hunderts eine  Zeit  gab,  in  der  in  ganz  Amerika  keine  einzige  englische 
Niederlassung  mehr  bestand.  Jacob  I.,  der,  wie  alle  friedlichen  Thätig- 
keiten  seines  Volkes ,  so  auch  die  Coloniengründung  begünstigte ,  theilte 
1606  den  ganzen  atlantischen  Rand  Nord- Amerikas  zwischen  den  damals 
schon  besiedelten  spanischen,  bezw.  französischen  Besitzungen  von  Florida 
und  Canada  in  eine  nördliche  und  eine  südliche  Colonie ,  von  denen  nur 
die  letztere  den  bisher  für  diesen  ganzen  Strich  üblichen  Namen  Virginia 
behielt,  während  die  erstere  Nordcolonie,  Colonie  von  Plymouth  und 
später  Neu -England  genannt  ward.  Die  Concession  für  Ausbeutung  und 
Besiedelung  Virginias  erhielt  eine  londoner  Gesellschaft,  an  deren  Spitze 
u.  a.  der  bekannte  Geograph  Richard  Hakluyt  stand,  dessen  Kenntnisse 
und  Rathschläge  damals  von  grossem  Gewichte  waren  und  der  unter  der 
Regierung  Jacob's  I.  mehr  als  irgend  ein  einzelner  Mann  für  die  Besiede- 
lung Amerikas  und  für  Verbreitung  von  Kenntnissen  über  dasselbe  that. 
Diese  Concession  schuf  übrigens  weiter  nichts  als  eine  Gesellschaft  für 
Handel,  Pflanzung  und  Fischerei,  die  das  Land,  das  sie  in  Besitz  nahm, 
vom  König  zu  Lehen  hatte,  der  ein  Direktor  und  ein  Rath  der  Aktionäre 
in  London  und  ein  Präsident  nebst  Rath  am  Ort  ,der  Ansiedelung  vorstand 
und  welche  vollkommen  freie  Hand   hatte  in   allem,   was  nicht  den  Ge- 


IL  Geschichtlicher  Ueberblick.  53 

setzen  des  Mutterlandes  widersprach ;  sie  hatte  das  Recht  alle  Unter- 
thanen  des  Königs,  die  auswandern  wollten,  als  Ansiedler  aufzunehmen, 
und  dieselben  sollten  derselben  Freiheiten  sich  erfreuen  wie  die  Eng- 
länder des  Mutterlandes;  schwere  Vergehen  durften  nicht  an  Ort  und 
Stelle,  sondern  mussten  in  England  abgeurtheilt  werden;  aber  die  politi- 
schen Rechte  waren  den  Ansiedlern  vorenthalten,  sie  hatten  keinen  Ein- 
fluss  auf  die  Zusammensetzung  weder  des  Colonial-  noch  des  Oberen- 
Rathes.  1607  wurde  die  erste  Expedition  ausgesandt,  die  durch  ihre 
wenig  vortheilhafte  Zusammensetzung  (auf  4  Glücksucher  und  Abenteurer 
kam  1  Arbeiter),  durch  die  Angriffe  der  Indianer  und  einen  Versuch  Güter- 
gemeinschaft einzuführen,  an  rascher  Entwickelung  gehindert  ward.  Eine 
energische  Persönlichkeit,  jener  um  seiner  romantischen  Fahrten  und 
Abenteuer  willen  vielgenannte  Capt.  Smith,  hielt  die  Colonie,  die  bald 
in  Trümmer  gehen  wollte,  noch  zusammen.  Spätere  Expeditionen  ver- 
mehrten nur  langsam  die  Widerstands-  und  Arbeitskraft  der  Colonisten, 
und  es  war  endlich  nichts  anderes  als  die  Einführung  des  Tabaksbaues, 
welche  der  Colonie  die  erforderliche  wirthschaftliche  Grundlage  verschaffte. 
Tabak  blieb  lange  Zeit  das  einzige  nennenswerthe  Produkt  von  Virginien, 
welches  demselben  einen  rasch  zunehmenden  Reichthum,  aber  zugleich  auch 
den  Keim  späteren  Verfalls,  die  Negersklaverei,  verdankte.  1620  lief  zum 
ersten  Mal  ein  mit  Negersklaven  beladenes  Schiff  von  Guinea  kommend 
in  den  James  R.  ein.  Auch  zahlreiche  weisse  Einwanderer  kamen  nach 
Virginien,  welche  nicht  die  Mittel  hatten,  ihre  Ueberfahrt  zu  zahlen,  und 
daher  bis  zur  Tilgung  der  für  dieselbe  eingegangenen  Schuld  in  einer 
zeitlichen ,  der  Sklaverei  im  Uebrigen  sehr  ähnlichen  Gebundenheit  {in- 
dented  servants  nannte  man  sie)  für  einen  Herrn  arbeiten  mussten,  und 
es  geschah  auf  diese  Weise,  dass  eine  starke  Arbeiterbevölkerung  sich  in 
der  Colonie  ansammelte,  aus  welcher  verhältnissmässig  wenig  grössere 
Landbesitzer  sich  hervorhoben.  Unter  diesen  letzteren  waren  jüngere 
Angehörige  englischer  Adelshäuser  nicht  selten  und  der  reiche  Pflanzer, 
der  auf  seiner  weiten  Domäne  sass,  wo  er  nur  Diener  oder  Sklaven  um 
sich  sah,  während  Tagreisen  ihn  von  seinesgleichen  trennten,  fast  selbst- 
verständlich Vertreter  in  der  Legislatur,  Friedensrichter,  Führer  der 
Miliz  seines  Bezirkes,  wurde  das  Ebenbild  des  altenglischen  Squire.  Man 
begreift,  dass  unter  solchen  günstigen  Bedingungen  der  Entwickelung 
hervorragender  Einzelner  aus  der  Old  Dominion,  wie  Virginia  sich  mit 
aristokratischer  Betonung  nannte,  der  grösste  Theil  der  fähigen  Staats- 
niänner  und  Generale  hervorgehen  konnte,  deren  die  V.  St.  in  den  ersten 
Jahren  ihres  Bestandes  sich  erfreuten;  man  begreift  auch,  dass  ein  eigener 
aristokratischer  Typus  von  Amerikanern  in  diesem,  auch  von  der  Natur 
so  hochbegünstigten  Theile  der  Union  sich  ausbilden  konnte.  Bei  seiner 
Bedeutung  für  die  Entwickelung  des  Volksgeistes  in  den  V.  St.  werden 
wir  ihm  noch  öfter  zu  begegnen  haben. 


54  II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Neben  diesem  einen  Ansatz  nordamerikanischer  Staats-  und  Gesell- 
schaftsbildung entwickelte  sich  an  derselben  Küste  5  Breitengrade  weiter 
nördlich  ein  zweiter  aus  ganz  anderen  Elementen  und  unter  sehr  weit  ver- 
schiedenen Bedingungen.  Durch  die  Verleihung  des  Königs  Jacob  vom 
Jahre  1606  waren  die  neuentdeckten  Lander  der  Ostküste  Nord- Amerikas  an 
zwei  Gesellschaften  zur  Besiedelung  und  Ausbeutung  übergeben  worden; 
diejenige,  derVirginien  zugefallen  war,  die  Süd-Gesellschaft,  hatte  ihren  Sitz 
in  London  und  zählte  vorwiegend  Edelleute  zu  ihren  Mitgliedern,  während  die 
Nord-Gesellschaft  aus  Kauf  leuten  von  Plymouth  und  Bristol  bestand.  Das 
Gebiet,  das  nördlich  von  Virginien  zu  besiedeln  war,  fiel  bereits  unter 
die  Herrschaft  eines  rauheren  Klimas  als  jene  begünstigteren  Striche  am 
James  R.  und  der  Chesapeake  Bay,  und  die  Schwierigkeiten,  mit  denen 
Virginien  zu  kämpfen  gehabt  hatte,  waren  hier,  wo  an  Stelle  der  jugend- 
frischen Unternehmungslust  abenteuernder  Cavaliere  die  Bedächtigkeit 
kleinerer  Kaufleute  stand,  welche  ihre  sauer  erworbenen  Kapitalien 
nicht  auf  diese  einzige  Karte  zu  setzen  gedachten,  doppelt  vorhanden. 
An  den  Tabak,  der  dort  zuletzt  allein  im  Stande  gewesen  war,  der  jungen 
Colonie  eine  sichere  Unterlage  zu  geben,  oder  an  andere  Culturen,  die 
rasche  Gewinne  verhiessen,  war  hier  vorerst  nicht  zu  denken.  Seit  1607, 
dem  Jahr  der  ersten  Ansiedelung  in  diesem  Gebiete,  welche  bei  Sadahoc 
im  heutigen  Staate  Maine  gegründet,  aber  wegen  der  Strenge  des  Klimas 
bald  wieder  aufgegeben  ward,  wurden  mehrere  Versuche  gemacht,  sich 
an  der  Küste  festzusetzen,  die  1614  von  dem  oben  genannten  Capt. 
Smith  zwischen  dem  Penobscot  R.  und  Cape  Cod  aufgenommen  und  von 
Karl  L,  damals  noch  Prinz,  mit  dem  Namen  Neu-England  belegt  worden 
war.  Nicht  früher  als  1620,  zu  einer  Zeit,  in  der  Virginien  seine  Zu- 
kunft schon  fest  in  Händen  hielt,  gelang  es  einer  Gesellschaft  von  Puri- 
tanern, die  ihres  Glaubens  halber  England  verlassen  und  in  Holland 
sich  niedergelassen  hatten,  an  der  Küste  des  heutigen  Massachusetts, 
wohin  sie  selbst  nur  ein  Zufall  getragen  hatte,  eine  Niederlassung  zu 
gründen.  Ihr  Ziel  war  die  Mündungsbucht  des  unteren  Hudson  gewesen, 
die  1609  von  Hudson  entdeckt  worden  war,  ein  Gebiet,  das  zur  Con- 
cession  der  Süd-Gesellschaft  gehörte.  Sie  Hessen  sich  an  der  Stelle  des 
heutigen  New  Plymouth  Mass.  nieder,  nachdem  sie  noch  an  Bord  des 
Schiffes  sich  in  einem  geschriebenen  Contrakt  verbunden  hatten,  einen 
politischen  und  bürgerlichen  Körper  zu  bilden,  um  die  Ordnung  unter 
sich  aufrecht  zu  erhalten  und  ihr  gestecktes  Ziel  zu  erreichen,  sich  die- 
jenigen Gesetze,  Verordnungen  und  Beamte  zu  geben,  welche  nützlich 
und  dem  Wohle  der  Colonie  angemessen  erachtet  würden  und  zu  diesem 
Zwecke  Gehorsam  zu  leisten.  Dieser  Contrakt  ist  später  in  erweiterter 
und  im  Einzelnen  abgeänderter  Form  von  manchen  anderen  Colonien, 
die  von  Neu-England  sich  abzweigten,  eingegangen  worden  und  er  gilt 
als  einer  der  hervorragenden  Marksteine  in  den  Anfängen  Nord- Amerikas. 


n.  Geschichtliclier  Ueberblick.  55 

Er  legt  Zeugniss  ab  von  einem  Geist  der  Ordnung,  der  sonst  selten  über 
den  Coloniengründungen  zu  walten  pflegt.  Und  die  Ansiedler  von  New 
Plyraouth  hatten  noch  ganz  anderes  im  Sinn,  als  in  diesem  Contrakte 
niedergelegt  ist.  Ihr  Hauptziel  war  die  Errichtung  eines  Gemeinwesens, 
in  dem  sie  nicht  bloss  ihrem  Glauben  frei  und  unbehelligt  nachleben 
konnten,  sondern  das  auch  in  den  weltlichen  Dingen  den  ernsten  und  strengen 
Geist  ausprägen  sollte ,  von  dem  sie  erfüllt  waren.  Das  ganze  Leben, 
Familie,  Gemeinde,  Staat,  auf  die  Grundlage  ernstester  Religiosität  zu 
stellen,  war  die  Aufgabe,  die  sie  sich  setzten.  Ohne  der  Unberechenbar- 
keit des  Verlaufes  geschichtlicher  Ereignisse  im  geringsten  vorgreifen  zu 
wollen,  kann  man  wohl  behaupten,  dass  in  dem  wenig  fruchtbaren  Lande, 
in  dem  unfreundlichen  Klima  und  beim  Mangel  alles  dessen,  was,  wie 
Gold-  oder  Silberfundc,  Menschen  auch  in  drückenden  Verhältnissen  sich 
eine  neue  Heimat  bereiten  lässt,  die  Colonien  in  Neu -England  nur 
schwer  und  langsam  gediehen  sein  würden,  wenn  nicht  dieser  ideale  Faktor 
der  Religion  über  die  Schwierigkeiten  und  Stösse  des  äusseren  Lebens 
hinweggeholfen  hätte.  Die  erste  Gesellschaft  von  Puritanern  kam  am 
22.  December  1620  an  der  Küste  von  Massachusetts  an.  Zum  Unglück 
hatten  sie  dieselbe  Idee  wie  die  Virginier,  ihre  wirthschaftliche  Thätigkeit 
auf  Gütergemeinschaft  zu  gründen,  und  es  fehlte  auch  hier  wenig,  dass  dieser 
verfehlte  Anfang  den  ganzen  Ansiedelungsversuch  scheitern  Hess.  Sie 
waren  sicherer  auf  dem  politischen  Gebiet,  wo  sie  ebenfalls  neuernd, 
aber  aus  innerer  und  äusserster  Nothwendigkeit  neuernd,  auftraten.  Die 
40  Familienväter  der  Erstangekommenen,  Leute,  die  fast  durchweg  dem 
Mittelstande  angehörten,  aus  denselben  Gründen  die  Heimat  verlassen 
hatten,  von  demselben  Glaubenseifer  beseelt  waren  und  das  gleiche 
Schicksal,  ob  gut  oder  übel,  erwarten  mussten,  versprachen  sich  alle  die 
gleichen  Rechte  und  eine  reine  Demokratie  ging  aus  ihrer  Mitte  hervor. 
Ein  Governor,  durch  allgemeines  Stimmrecht  gewählt,  ein  Rath  von 
Fünfen,  eine  gesetzgebende  Versammlung,  welche  alle  männlichen  und 
mündigen  Glieder  der  Colonie  umschloss  —  dies  war  die  erste  Re- 
gierung, die  die  Männer  von  New  Plymouth  sich  gaben.  Erst  als  die 
Bürger  sich  über  einen  zu  weiten  Raum  ausgebreitet  hatten,  um  unge- 
stört öfters  sich  vereinigen  zu  können,  im  Jahr  1639,  wurde  die  Ver- 
tretung durch  Abgeordnete  eingeführt.  1629  erhielt  sie  eine  Befestigung 
ihrer  bis  dahin  ohne  jedes  Recht  auf  fremdem  Boden  geführten  Existenz 
durch  ein  Patent  des  indessen  an  Stelle  der  Nord-Gesellschaft  getretenen 
Grand  Council  of  Plymouth,  welches  den  Genuss  aller  Privilegien  der 
Gesellschaft  auf  die  Colonie  übertrug.  Diese  Verleihung,  welche  eine 
Colonisationsgesellschaft  einer  anderen  machte,  Hess  diese  letztere  that- 
sächlich  unabhängig  werden.  Von  Regierungswegen  kümmerte  sich  Nie- 
mand um  die  Handvoll  Leute  in  dem  fernen  Winkel  eines  als  unwirthlich 


56  11.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

verschrieenen  Landes.     1690  wurde  New  Plymouth  durch  die  Charte  von 
Wilhelm  und  Marie  in  die  Provinz  Massachusetts  einverleibt. 

Massachusetts  ist  die  zweite  der  Colonien,  welche  Neu-England 
besiedelten.  Die  Schenkung  des  Landes,  das  sie  einnahm,  stammt  aus 
der  Zeit,  in  der  die  ersten  Puritaner  nach  New  Plymouth  auswanderten. 
Sie  ruhte  zunächst  auf  einer  Verleihung  des  Landes  zwischen  40  und  48" 
n.  Br.,  welche  Jacob  1.  einer  Gesellschaft  machte,  die  sich  als  Grand 
Council  of  Plymouth  gebildet  hatte;  da  indessen  dieselbe  keine  An- 
strengungen machte,  um  diese  Zuweisung  durch  Coloniengründung  aus- 
zunützen, gab  Karl  I.  1629  einer  Anzahl  von  Puritanern  das  Recht  sich 
von  der  Gesellschaft  einen  grossen  Theil  des  Landes  abtreten  zu  lassen, 
das  derselben  verliehen  worden  war.  Sie  erhielten  das  Gebiet  des  späteren 
Massachusetts,  Connecticut,  Ehode  Island,  New  Hampshire  und  Maine. 
Dieser  Rechtsbrief  Karl's  L  setzte  die  Gründung  einer  Gesellschaft  in  Eng- 
land voraus,  welcher  die  Anlegung  von  Colonien  in  dem  bezeichneten 
Gebiete  übertragen  wurde.  Indem  diese  Gesellschaft  vollständig  nur  als 
eine  Handelsgesellschaft  betrachtet  wurde,  überliess  man  sie  sich  selbst. 
Es  war  zwar  festgesetzt,  in  welcher  Form  die  Colonie  durch  Governor, 
Stellvertreter  und  die  von  den  Freemen  gewählten  Beisitzer  verwaltet 
werden  sollte,  aber  die  Regierung  hatte  sich  in  keiner  Weise  Rechte 
hinsichtlich  der  weiteren  Einrichtungen  oder  Veränderungen  vorbehalten, 
welche  die  Gesellschaft  etwa  treffen  würde.  Die  Beamten  der  Colonie 
sollten  in  bestimmten  in  England  abzuhaltenden  Versammlungen  von  den 
Mitgliedern  der  Gesellschaft  gewählt  werden.  Diese  Fernhaltung  der 
Regierung  des  Mutterlandes  von  allen  inneren  Angelegenheiten  der  Colonie, 
welche  man  durchaus  nur  als  eine  Art  von  Handels-  oder  Ackerbau- 
gesellschaft betrachtete,  ist  von  den  wichtigsten  Folgen  für  die  Entwickelung 
des  Colonialwesens  in  Nord-Amerika  geworden.  Nur  durch  sie  war  es 
den  Colonien  möglich,  sich  wie  Freistaaten  ganz  nach  ihrem  eigenen  Willen 
und  Bedürfniss  zu  gestalten.  In  diesem  Punkte  des  Freibriefes  der  Colonie 
von  Massachusetts  haben  die  amerikanischen  Geschichtschreiber  mit  Recht 
den  Keim  der  künftigen  Republik  der  V.  St.  schon  erkannt.  Auf  Grund 
dieser  Verleihung  gingen  1629  fünf  Schiffe  mit  300  Auswanderern  nach 
Amerika  ab  und  landeten  in  der  Massachusetts-Bai  in  der  Nähe  eines 
Punktes,  den  schon  das  Jahr  vorher  eine  kleinere  Colonie  zur  Nieder- 
lassung gewählt  und  Salem  genannt  hatte.  Es  waren  ausnahmslos  Puritaner, 
die  auch  diese  Niederlassung  gründeten;  durch  ein  privates  Ueberein- 
kommen  mit  der  Colonialgesellschaft  in  England  übertrugen  sie  1629  alle 
Rechte  derselben  und  vor  allem  die  ganze  Verwaltung  nach  Amerika  in 
das  Herz  der  Colonie.  Diese  wurde  auf  solche  Art  schon  in  den  ersten 
Jahren  nach  ihrer  Begründung  ein  selbständiges,  sich  durchaus  selbst 
verwaltendes,  im  Grunde  also  republikanisches  Staatswesen.  Die  Delegirten, 
welche    seit   1634    als    Vertreter    der    Colonen   zusammentraten,    da    die 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick,  57 

wachsende  Ausdehnung  der  Ansiedelungen  die  unmittelbare  Vertretung 
unmöglich  machte,  zogen  nur  die  Consequenz  dieses  ersten  Schrittes,  als 
sie  erklärten,  dass  sie  zusammen  mit  dem  Governor  und  seinen  Beiräthen 
die  oberste  gesetzgebende  Gewalt  der  Colonie  ausmachten,  dass  ihre 
Körperschaft  nur  durch  eigenen  Mehrheitsbeschluss  aufgelöst  werden  könne, 
dass  die  Vertheilung  der  öffentlichen  Ländereien  ihr  allein  zustelle  u.  s.  f. 
Rhode  Island,  Connecticut  und  New  Hampshire,  welche  dem  grössten  Theil 
ihres  Bestandes  nach  als  Tochtercolonien  von  Massachusetts  anzusehen 
sind,  folgten  diesem  Beispiel.  „Von  diesem  Augenblick  an  sind  die  Colonicn 
nicht  als  Körperschaften  zu  betrachten,  die  mit  fest  umschriebener  Macht- 
befugniss  von  Seiten  der  Gesellschaft  ausgestattet  sind ,  der  sie  ihre 
Gründung  verdanken,  sondern  als  unabhängige  Staaten,  welche  aus  eigenem 
Entschluss  sich  Verfassungen  nach  dem  Muster  der  englischen  gegeben 
haben"  *).  In  diesen  Formen  lebte  ein  entschieden  demokratischer  Geist, 
der  an  den  ausgeprägt  demokratischen  Principicn  der  Staatskirche  dieser 
Puritaner  sich  gebildet  hatte.  Er  tritt  mit  überraschender  Entschiedenheit 
in  zahlreichen  Ereignissen  der  Geschichte  besonders  der  ersten  Jahre  der 
neuengländischen  Colonien  hervor,  und  dass  „die  politische  Frei- 
heit hier  von  demselben  Datum  wie  die  Einwanderung  selbst", 
ist  eine  der  sichersten  Folgerungen,  die  man  aus  der  älteren  Geschichte 
der  neuengländischen  Colonien  ziehen  kann. 

Unter  den  Tochtercolonien  von  Massachusetts  ist  Rhode  Island 
die  älteste.  Sie  verdankt  ihre  Entstehung  religiösen  Zwistigkeiten,  wie 
sie  unvermeidlich  waren  in  von  religiösen  Ideen  so  fast  ausschliesslich  er- 
füllten Gemeinwesen.  Indem  dieselben  durch  religiöse  Verfolgungen  zu 
fanatischer  Ilochhaltung  ihres  Glaubens  gedrängt  worden  waren,  konnten 
sie  unmöglich  ihrerseits  Meinungsverschiedenheiten  in  denselben  religiösen 
Fragen  dulden,  für  deren  Hochhaltung  sie  selbst  so  viel  gelitten  hatten. 
1636  gründete  ein  Prediger,  der  für  die  Freiheit  des  Gewissens  und  für 
die  völlige  Ablösung  der  Kirche  vom  Staat  kämpfte,  Roger  Williams,  mit 
einem  Theil  seiner  Gemeinde  im  Gebiet  der  Narragansetts  die  Stadt 
Providence.  1637  verliess  eine  andere  Gruppe  von  Sektirern,  deren 
Meinungen  in  derselben  Richtung  sich  bewegten,  Boston  und  siedelte 
sich  auf  der  Insel  Rhode  Island  an.  1644  verschmolzen  sich  die  beiden 
Ansiedelungen  zu  einem  Gemeinwesen  und  empfingen  die  Anerkennung 
ihrer  Selbständigkeit  von  Seiten  des  Parlamentes.  Diesem  kleinen  Rhode 
Island  gebülirt  zusammen  mit  Maryland  der  Ruhm,  die  Fahne  der  Religions- 
freiheit zuerst  in  Nord-Amerika  entfaltet  zu  haben.  Noch  lange  war  es 
der  Zufluchtsort  der  Fremdgläubigen,  welche  von  den  Puritanern  aus- 
gestossen  wurden.  „Diese  Colonie,  schrieb  ein  heftiger  Puritaner  1695, 
ist  ein  Haufe  von  Antinomisten,  Familisten,  Wiedertäufern,  Ärminianern, 


1)  Laboulaye,  Hist.  des  Etats-Unis  1870  S.  156. 


58  n.  Geschichtlicher  üeberblick. 

Antisabbatisten,  Socinianern,  Quäkern,  Convulsionären ,  mit  einem  Wort 
von  allem,  nur  nicht  von  wahren  Christen.  Wenn  ein  Mensch  seinen 
Glauben  verlöre,  er  wäre  sicher  denselben  in  irgend  einem  Dorfe  von 
Rhode  Island  wiederzufinden"*).  Auch  Connecticut  verdankt  seine 
Gründung  einer  Auswanderung  aus  Massachusetts,  aber  die  Annahme,  dass 
dies  eine  Auswanderung  aus  religiösen  Gründen  gewesen  sei,  wird  nicht 
von  allen  getheilt.  Thatsache  ist,  dass  ein  Priester  Namens  Hooker  sich 
1636  mit  einem  Theile  seiner  Gemeinde  im  Thale  des  Connecticut  nieder- 
liess,  wo  allerdings  schon  früher  einige  zerstreute  Ansiedler  aus  den 
holländischen  Niederlassungen  am  Hudson  sich  eingefunden  hatten.  In 
derselben  Landschaft  Hess  sich  1638  eine  Puritanergemeinde  nieder,  welche 
sich  eine  seltsame,  treu  den  alttestamentlichen  Mustern  nachgeahmte  Ver- 
fassung gab.  1663  erhielten  diese  Niederlassungen  unter  dem  gemein- 
samen Namen  Connecticut  einen  Rechtsbrief,  der  denselben  dieselbe  volle 
Freiheit  verlieh,  deren  Massachusetts  und  Rhode  Island  sich  erfreuten. 
In  den  zwei  nördlichen  Neuengland-Staaten  New  Hampshire  und 
Maine  sammelte  sich  die  Bevölkerung  zum  Theil  aus  Europäern,  die 
direkt  herübergesandt  wurden,  um  die  Ländereien  zu  bevölkern,  welche 
einzelne  hohe  Persönlichkeiten  sich  in  dieser  Gegend  hatten  schenken 
lassen,  zum  Theil,  und  zwar  zum  grösseren,  aus  Ansiedlern  von  Massa- 
chusetts. Die  letzteren  sind  es,  welche  sowohl  durch  ihre  Zahl  als  ihr 
moralisches  Gewicht  den  beiden  Colonien  den  Stempel  von  neuengländischen 
Colonien  aufdrückten.  1642  vereinigte  sich  New  Hampshire  mit  Massachusetts, 
wurde  aber  durch  Karl  II.  wieder  davon  getrennt  und  zu  einer  englischen 
Provinz,  der  ersten  in  Neu-England,  erklärt.  Auch  von  Maine  nahm 
Massachusetts,  auf  seinen  Rechtsbrief  gestützt,  1652  einen  grossen  Theil 
in  Anspruch  und  kaufte  dem  Besitzer  dieses  Staates  1665  das  Besitzrecht 
um  eine  Kleinigkeit  ab.  Maine  hat  über  den  Unabhängigkeitskrieg  hinaus 
zu  Massachusetts  gehört  und  ist  ein  eigener  Staat  nicht  eher  als  1820 
geworden. 

Zwischen  Neu-England  und  Virginien,  in  dem  breiten  und  fruchtbaren 
Striche,  der  zwischen  Gebirg  und  Meer  von  den  Flüssen  Hudson,  Delaware 
und  Potomac  bewässert  wird,  entstanden  kurze  Zeit  vor  und  nach  jenen 
ebenfalls  Niederlassungen  europäischer  Auswanderer,  welche  die  Keime 
zu  den  späteren  Colonien  bezw.  Staaten  von  New  York,  Maryland,  New 
Jersey  und  Delaware  legten.  Die  älteste  von  diesen  ist  New  York. 
Hudson  hatte  1609  den  Fluss  entdeckt,  der  nach  seinem  Namen  genannt 
wurde,  und  hatte  das  Land  an  der  Mündung  desselben  in  Besitz  genommen. 
1614  wurde  auf  der  kleinen  Münduugsinsel  Manhattan,  welche  heute  zur 
Hälfte  von  dem  Iläusermeer  New  Yorks  bedeckt  wird,  eine  holländische 
Faktorei,  Neu-Amsterdam,  gegründet.     1621  wurde  in   den  Niederlanden 


1)  Warden,  Description  of  the  U.  S.  I.  519. 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  59 

die  Westindische  Handelsgesellschaft  errichtet,  welcher  unter  anderem  auch 
die  Colonisation  des  Striches  zwischen  Cap  Cod  und  der  Delaware- 
Mündung  tibertragen  wurde,  desselben  Striches,  der  von  1628  an  den 
Namen  Nieuw  Nederland  führte.  Die  Verwaltung  dieser  Niederlassung 
wurde  anfangs  ohne  Vertretung  der  Colonisten  durch  einen  Director  und 
einen  Rath  besorgt,  welche  die  richterliche  sowohl  als  die  gesetzgebende 
Gewalt  in  sich  vereinigten.  Die  für  jede  beginnende  Niederlassung  so 
wichtige  Art  der  Grund-  und  Bodenvertheilung  war  in  dieser  eine  dem 
Wachsthum  der  bürgerlichen  Freiheit  wenig  günstige.  Einige  grosse  Be- 
sitzer eigneten  kleine  Fürstenthümer,  deren  Grund  sie  zertheiltcn  und 
an  Pächter  abgaben.  Diese  Besitzverhältnisse  sind  bis  auf  den  heutigen 
Tag  in  verschiedenen  Theilen  des  Staates  New  York  noch  zu  erkennen. 
Die  bürgerliche  Freiheit,  welche  ein  Rechtsbrief  von  1629  verlieh,  kam 
unter  diesen  Verhältnissen  nur  Wenigen  zu  Gute.  1652  erhielt  Nieuw 
Amsterdam  den  Freibrief  einer  niederländischen  Stadt,  d.  h.  seine  Bürger 
genossen  gewisse  Privilegien,  besonders  wirthschaftlicher  Natur,  während 
die  Selbstregierung  kaum  der  Form  nach  bestand.  Die  Religionsfreiheit 
war  indessen  die  einzige,  die  in  dieser  Colonie  mit  Bewusstsein  geübt 
ward.  Ihr  ist  es  neben  der  glücklichen  Lage  zuzuschreiben,  wenn  der 
früher  sehr  vorwiegend  niederländische  Charakter  dieser  Colonie  immer 
mehr  durch  fremde  Einwanderung  zurückgedrängt  ward.  Für  religiös 
Verfolgte  irgend  welcher  Art  war  das  duldsame  Nieuw  Nederland  die 
allgemeine  Zufluchtsstätte.  Auch  viele  Puritaner  siedelten,  durch  die  Frucht- 
barkeit des  Küstenstriches  angezogen,  sich  hier  an,  so  dass  die  Gesetze 
schon  bald  in  niederländischer  und  englischer  Sprache  verfasst  werden 
mussten.  Die  merkwürdig  bunt  gemischte  Bevölkerung,  vielseitiger,  lebhafter, 
veränderlicher  als  ihre  puritanischen  Nachbarn,  gab  dieser  Niederlassung 
einen  besonderen  Charakter,  den  sie  auch  späterhin  nie  verleugnete  und 
der  ihr  wahrscheinlich  nützlich  wurde  in  der  Weltbewerbung,  in  welche 
sie  späterhin  mit  anderen  Küstenplätzen  um  die  Welthandelsstellung  ein- 
treten musste.  1664  wurde  Nieuw  Amsterdam  von  einer  englischen  Flotte 
genommen  und  ward  als  New  York  den  englischen  Colonien  angegliedert. 
1632  gab  Karl  I.  dem  Lord  Baltimore  einen  Rechtsbrief  für  einen 
Strich  an  der  Chesapeake  Bay  und  an  der  Susquehanna-Mündung.  Das 
heutige  Maryland  und  Delaware  und  ein  Theil  von  Pennsylvanien  waren 
in  demselben  begriffen.  Der  Name  Maryland  wurde  dieser  Colonie  bei- 
gelegt. Bei  nur  nominellem  Tribut  an  die  Krone  England  wäre  der  Lord 
unbeschränkter  Herr  in  seinem  Lande  gewesen,  wenn  nicht,  wahrscheinlich 
auf  seinen  eigenen  Antrag,  den  Colonisten,  die  seine  Provinz  besiedeln 
sollten,  ein  Antheil  an  der  Gesetzgebung  schon  im  Rechtsbrief  vorbehalten 
und  gleichfalls  in  demselben  schon  Erhebung  von  Steuern  ohne  ihre  Ein- 
willigung verboten  worden  wäre.  Mit  dieser  Schenkung  begann  Lord 
Baltimore   das   Werk    der  Coloniengründung    in    einem   umsichtigen  und 


60  n.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

vorausschauenden  Geiste.  Den  aus  England  vertriebenen  Katholiken  sollte 
dieselbe  in  erster  Linie  eine  neue  Heimat  gewähren,  aber  sie  wurde  im 
Geiste  religiöser  Freiheit  verwaltet.  Die  Gesetzgebung  von  Maryland 
sprach  in  einem  Act  concerning  Religion  1649  zuerst  in  der  Neuen  Welt 
den  Grundsatz  der  Religionsfreiheit  mit  bewusster  Deutlichkeit  aus.  In 
anderer  Richtung  zeichnete  Lord  Baltimore  die  Grundzüge  einer  neuen 
Auffassung  von  Rechtsverhältnissen  in  seinem  Verhalten  gegenüber  den 
Lidianern,  welchen  von  Anfang  mit  Schonung  und  Redlichkeit  begegnet 
wurde.  Es  wurde  dies  ebenso  edle  als  nützliche  Princip  zuerst  1633  bei 
der  Gründung  von  Ste.  Marie  angewandt.  William  Penn  folgte  auf  dieser 
Bahn  bei  der  Gründung  seiner  pennsylvanischcn  Colonien.  Es  ist  be- 
merkenswerth,  dass  Maryland  gleichzeitig  die  einzige  unter  den  englischen 
Colonien  in  Nord-Amerika  war,  deren  innere  Verwaltung  sich  in  monarchi- 
schen Formen  bewegte.  Dieselben  wurden  aus  dem  Eigenthumsrechte  der 
Lords  an  dem  Grund  und  Boden  derselben  hergeleitet.  Es  prägt  sich  das 
System  der  Coloniengründung  durch  Schenkung  deutlich  in  derselben  aus. 
Das  Gebiet  der  heutigen  Staaten  New  Jersey  nebst  Theilen  von 
Delaware  und  Pennsylvania  war  von  Karl  IL  sammt  demjenigen  von  Nieuw 
Nederland  an  denselben  Herzog  von  York  gegeben,  von  welchem  später 
New  York  seinen  Namen  erhielt.  Der  letztere  trat  diese  Schenkung  an 
die  Lords  Berkeley  und  Carteret  ab  und  diesem  zu  Ehren,  der  früher 
Governor  der  Insel  Jersey  gewesen,  wurde  der  auf  dem  rechten  Hudson- 
Ufer  gelegene  Theil  des  Gebietes  New  Jersey  genannt.  Dasselbe  war 
schon  früher  von  Engländern,  Niederländern  und  Schweden  bevölkert  und 
nahm,  nachdem  es  als  Colonie  abgegrenzt  worden,  durch  starke  Ein- 
wanderung aus  New  York  rasch  an  Bevölkerung  zu.  Am  Ufer  des  Delaware 
war  eine  schwedische  Colonie  schon  gegründet  worden.  Sie  war  vom 
Kanzler  Oxenstierna  herübergesandt,  welcher  auf  diese  Weise  einen  der 
grossen  Pläne  Gustav  Adolfs  zu  verwirklichen  suchte.  Aber  sich  selbst 
überlassen,  wurde  sie  1655  von  den  Niederländern  in  Besitz  genommen 
und  fiel  zusammen  mit  ihren  Niederlassungen  am  Hudson  9  Jahre 
später  den  Engländern  zu.  New  Jersey  blieb  auch  jetzt  eine  Provinz  für 
sich,  wurde  aber  1676  in  zwei  Gebiete  getheilt,  ein  östliches,  das  heutige 
New  Jersey,  und  ein  westliches,  wesentlich  das  heutige  Pennsylvanien  um- 
fassend. Die  beiden  erfuhren  sehr  verschiedene  Schicksale.  Jenes  wurde 
von  Jacob  IL  1683  mit  New  York  und  Neu-England  zu  einer  königlichen 
Provinz  vereinigt  und,  nachdem  die  Revolution  von  1688  ihm  seine  Selb- 
ständigkeit wiedergegeben,  1702  von  seinen  Eigenthümern  an  die  Krone 
abgetreten.  Von  da  an  bis  zur  Revolution  blieb  dann  New  Jersey  eine 
königliche  Provinz  unter  der  Verwaltung  eines  Governors  und  eines  könig- 
lichen Rathes.  Dieser  Stellung  ist  es  jedenfalls  zum  Theil  zuzuschreiben, 
wenn  New  Jersey  in  dem  Unabhängigkeitskrieg  mit  am  thätigsten  und 
entschlossensten  auftrat.    Seine  Bevölkerung  bestand  zum  grössten  Theile 


n.  Geschichtlicher  üeberblick.  61 

aus  Puritanern  und  Quäkern.  Der  westliche"  Theil  des  alten  New  Jersey 
war  von  Lord  Berkeley  an  die  Quäker  für  1000  Pf.  St.  verkauft 
worden.  Auch  diese  Religionsgesellschaft  suchte  in  Amerika  einen  ge- 
schützten Boden  für  die  freie  Uebung  ihres  Glaubens  und  sie  fand  ihn  in 
dem  grossen  und  fruchtbaren  vom  Delaware  und  Susquehanna  bewässerten 
Gebiete,  das  zwischen  der  neuen  Provinz  New  Jersey  und  Maryland  gelegen 
war.  1681  wurde  die  Uebertragungsurkunde  ausgestellt,  welche  William 
Penn,  als  dem  Vertreter  einer  Gesellschaft  von  Quäkern,  Pennsylvanien, 
wie  diese  Colonie  nach  dem  Vater  Penn's,  einem  verdienten  Admiral,  ge- 
nannt wurde,  übertrug.  Seine  Leistung  an  den  König  bestand  wie  üblich 
in  einem  nominellen  Tribut,  in  diesem  Falle  in  jährlich  zwei  Biberfellen. 
Die  Urkunde  bestimmte  gleich  der  von  Maryland  neben  den  Rechten  des 
Eigenthüniers  auch  die  der  Gesetzgebung,  welche  durch  Wahl  aus  den 
Colonisten  hervorgehen  sollte.  Abweichend  von  früheren  Rechtsbriefen 
war  aber  in  diesem  der  Satz,  welcher  dem  englischen  Parlamente  das 
Recht  zur  Besteuerung  der  Colonie  zuerkannte.  Bei  den  späteren  Streitig- 
keiten zwischen  dem  Mutterlande  und  den  Colonien  ist  derselbe  oft  wieder 
hervorgesucht  worden.  Aber  er  fehlte  in  allen  früheren  Rechtsbriefen 
und  die  älteren  Colonien  erkannten  in  Folge  davon  dieses  Recht  niemals 
an.  1G82  kam  Penn  in  Pennsylvania  an,  um  selbst  Hand  an  sein  Iwly 
cxperiment  zu  legen.  Eine  der  denkwürdigsten  Thaten,  mit  denen  er 
begann,  war  sein  Vertrag  mit  den  Delawares  unter  der  berühmten  Ulme 
von  Shakamaxon,  jener  Vertrag,  von  dem  Voltaire  gesagt  hat,  dass  er 
„der  einzige  Vertrag  zwischen  diesen  Völkern  und  den  Christen,  der  nicht 
beschworen,  aber  auch  nicht  gebrochen  wurde".  Er  entschädigte  die  Indianer 
für  das  Land,  das  sie  ihm  abtraten,  und  that,  was  wichtiger  war,  alles, 
um  seinen  Colonisten  die  menschliche  Behandlung  ihrer  rothen  Mitbürger 
ans  Herz  zu  legen.  Er  selbst  bethätigte  in  hundert  Fällen  sein  Wort, 
sie  vollkommen  als  seinesgleichen  zu  betrachten  und  zu  behandeln.  Penn- 
sylvanien hat  in  langdauerndem  Frieden  die  Früchte  dieser  milden  und 
gerechten  Politik  geerntet,  während  andere  Colonien  fast  beständig  von 
Indianerkriegen  heimgesucht  waren.  Dass  in  der  Verfassung,  welche  Penn 
sogleich  nach  seiner  Ankunft  durch  die  versammelten  Vertreter  der 
Colonisten  votiren  Hess,  die  religiöse  Freiheit  in  erster  Linie  steht  als 
„ein  natürliches  Recht,  welches  allen  Menschen  gehört",  ist  zwar  bei 
Quäkern  nicht  erstaunlich,  zeugt  aber  doch  von  den  Fortschritten,  zu  denen 
der  Geist  dieser  Menschen  sich  ermuntert  fühlte,  unter  den  zu  Neuerungen 
auffordernden  Einflüssen  der  freien,  weit  offenen  Bahn,  die  sie  in  ihrem 
neuen  Lande  vor  sich  sahen.  Von  dieser  Auffassung  bis  zur  Erklärung 
der  Menschenrechte  in  der  Unabhängigkeitserklärung  der  V.  St.  ist  es 
nicht  mehr  weit.  Auch  in  der  politischen  Einrichtung  ging  Pennsylvanien 
unter  Penn's  Leitung  über  das  bisher  Uebliche  weit  hinaus.  Man  schaffte 
das  Recht  der  Primogenitur  und  den  Schwur  ab,  gab  das  Wahlrecht  und 


62  n.  Geschichtlicher  Ueherhlick. 

die  Wählbarkeit  zu  Staatsämtern  allen  Steuerzahlern  ohne  Rücksicht  auf 
das  religiöse  Bekenntniss.  Pennsylvanien  war  von  Anfang  an  die  am 
demokratischsten  regierte  von  allen  Colonien.  Es  hatte  ausser  der  Volks- 
vertretung UrVersammlungen,  in  denen  das  gesammte  Volk  seine  Ansicht 
zur  Geltung  bringen  konnte.  Kein  Wunder,  dass  nach  diesem  Asyl  der 
Gerechtigkeit  und  Freiheit,  welchem  gleichzeitig  grosse  natürliche  Vorzüge 
in  Lage,  Boden  u.  s.  f.  verliehen  waren,  die  Einwanderung  in  ungewöhn- 
licher Stärke  sich  ergoss.  Das  protestantische  Deutschland  in  erster 
Linie,  daneben  England,  Schottland  und  Irland  sandten  ihre  Auswanderer- 
schaaren,  welche  Pennsylvanien  bald  zu  der  volkreichsten  unter  den  nörd- 
lichen Colonien  machten.  Man  sagt,  dass  Philadelphia  3  Jahre  nach 
seiner  Gründung  schon  das  60  Jahre  ältere  New  York  überholt  habe,  und 
jedenfalls  war  es  schon  in  dem  zweiten  Drittel  des  18.  Jahrhunderts  die 
volkreichste  Stadt  im  eigentlichen  Nord-Amerika.  Die  Entwickelung  Penn- 
sylvaniens,  auf  breiter  politischer  Grundlage,  frei  von  religiösen  Streitig- 
keiten und  Indianerkriegen,  war  bis  zum  Unabhängigkeitskriege  eine  der 
ruhigsten  und  glücklichsten,  die  man  in  den  Colonien  findet.  Den  deutschen 
Colonisten  fällt  ein  grosser  Theil  des  Verdienstes  dafür  zu. 

Im  Gebiet  der  heutigen  Südstaaten  war  Virginien  die  erste  dauernde 
Niederlassung  von  englischer  Seite.  Die  Spanier  und  Franzosen  hatten 
zwar  an  den  noch  weiter  südlich  davon  gelegenen  Küsten  von  Carolina 
und  Florida  Colonien  gegründet,  aber  die  französischen  waren  nicht  ge- 
diehen und  die  spanischen  blieben  auf  Florida  beschränkt.  Erst  1663 
wurde  von  englischer  Seite  durch  Schenkung  des  südlich  vom  36.  Breitegrad 
belegenen  Landes  an  einige  mächtige  Freunde  Karl's  IL  der  Anfang  zur 
Ausdehnung  der  Colonisation  auch  nach  dieser  Seite  gemacht.  Der  Rechts- 
brief war  ähnlich  dem  von  Maryland  beschaffen;  es  fehlte  darin  weder 
die  Vorschrift,  dass  die  Colonisten  oder  ihre  Vertreter  zur  Erlassung  von 
Gesetzen  herbeizuziehen  seien,  noch  die  Verleihung  des  Rechts,  gegen 
Dissidenten  Duldung  zu  üben  und  über  die  Irrlehren  der  Nonconformisten 
wegzusehen.  Die  Lord-Froprietors,  8  an  der  Zahl,  nahmen  auch  hier  die 
Stellung  von  Halbsouveränen  ein,  sie  schuldeten  der  Krone  Gehorsam, 
waren  aber  mit  dem  Recht  der  Kriegführung,  der  Einsetzung  von  Beamten, 
Auflegung  von  Steuern  u.  s.  f.  bekleidet.  Die  Keime  dieser  neuen  Colonien 
zauderten  nicht,  sich  zu  bilden.  Einige  aus  politischen  Gründen  aus 
Virginien  Vertriebene  hatten  schon  früher  am  Albemarle-Sund  eine  Nieder- 
lassung gegründet.  Sie  wurde  der  Krystallisationspunkt  für  Nord- 
Carolina.  Wenig  später  waren  Pflanzer  von  Barbadoes  sammt  ihren 
Sklaven  am  Cap  Fear  gelandet  und  hatten  begonnen,  Pflanzungen  anzu- 
legen. Ihre  Gründung  wuchs  sich  später  zu  Süd-Carolina  aus.  Diese 
Niederlassungen  hatten  sich  bereits  gefestigt,  als  die  Besitzer,  deren 
Schenkung  1665  ohne  Rücksicht  auf  spanische  und  französische  Besitz- 
rechte    auf   alles  Land   zwischen  36   und  38 "  n.  Br.  und  zwischen  dem 


IL  Geschichtlicher  üeherblick.  63 

atlantischen  und  pacifischen  Meere  ausgedehnt  worden  war,  an  Besiedelung 
und  Organisation  derselben  gingen.  Sie  hatten  gründliche  Absichten.  Von 
ihnen  aufgefordert,  entwarf  Locke,  der  Philosoph,  eine  Verfassung,  die 
auf  aristokratischen  und  zugleich  liberalen  Grundsätzen  ruhend,  die  glück- 
liche Entwickelung  der  Colonie  zu  sichern  berufen  war.  Dieselbe  hat 
leider  nie  Gelegenheit  gehabt,  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  es  einem 
Philosophen  gegeben  sein  kann,  auf  rein  theoretischem  Wege  die  Formen 
zu  finden ,  in  denen  eine  ihm  unbekannte  und  unter  unbekannten  Be- 
dingungen lebende  Gesellschaft  ihre  Befriedigung  zu  finden  vermag.  Die 
Ansiedler,  welche  den  Boden  im  Schweiss  ihres  Angesichts  urbar  gemacht 
und  nach  ihrer  Meinung  damit  ein  gewisses  Recht  auf  denselben  er- 
worben hatten,  wollten  nichts  wissen  von  einer  künstlichen  Regierung 
und  von  verwickelten  Besitz-  und  Steuerverhältnissen ,  von  einer  Aristo- 
kratie, in  der  für  sie  keine  Stelle  war,  und  einem  Landgrafen,  der  ihnen 
unmöglich  schien  unter  den  Zuständen,  in  denen  sie  lebten.  Nach  23 
Jahre  hindurch  dauernden  Kämpfen  Hessen  sich  die  Eigenthümer  herbei, 
die  Verfassung  förmlich  zu  beseitigen,  die  niemals  in  ungestörte  Wirk- 
samkeit getreten  war.  Auch  später  Hessen  religiöse  Zwistigkeiten  diese 
Colonie  und  ihre  Lord-Proprictors  nicht  zu  voHer  Eintracht  gelangen. 
Die  ersteren  wurden  in  dem  Bestreben  ihre  Herren  los  zu  werden  mit  der 
Zeit  von  der  Krone  unterstützt,  die  es  in  ihrem  Interesse  fand ,  die  Co- 
lonien  unmittelbar  durch  königliche  Governors  zu  regieren.  1728  über- 
gaben die  Eigenthümer  ihre  Rechte  an  die  Krone,  theils  durch  Verkauf, 
theils  durch  Abtretung;  Carolina  wurde  damit  königHche  Provinz  und 
erfuhr  1732  die  Theilung  in  Nord-  und  Süd-Carolina,  welche  seitdem 
bestanden  hat. 

Die  jüngste  der  Colonien,  Georgia,  bietet  das  einzige  Beispiel  einer 
Gründung  unmittelbar  durch  die  Regierung.  Sie  ist  auch  die  einzige,  welche 
von  vornherein  zu  Wohlthätigkeitszwecken  gegründet  ward.  James  Edward 
Oglethorpe,  ein  Philantrop,  fasste  den  Gedanken  eine  Colonie  zu  gründen  für 
Arme,  Schuldgefangene  und  um  ihrer  Religion  willen  Verfolgte.  Er  fand 
schon  1732  so  weit  Gehör,  dass  das  Land  zwischen  dem  Savannah-  und  dem 
Alabama-Fluss  als  eigene  Provinz  unter  dem  Namen  Georgia  abgegrenzt 
wurde.  Die  Regierung  der  hier  zu  gründenden  Colonie  wurde  für  21 
Jahre  einer  Gesellschaft  von  wohlthätigen  Menschen  übertragen,  die  durch 
eine  besondere  Klausel  im  Vertrag  jede  Landzuweisung  oder  sonstigen 
Vortheil  ablehnten.  Dieser  Gesellschaft  stand  das  Recht  zu,  19  von  den 
34  Räthen  zu  ernennen,  welche  die  ausführende  Gewalt  bilden  sollten, 
während  15  schon  in  dem  Rechtsbrief  aufgeführt  waren.  Die  Einwanderer 
sollten  je  50  Acres  Land  für  nominellen  Zins  erhalten,  grosse  Land- 
schenkungen sollten  vermieden  werden.  Die  Sklaverei  war  verboten  und 
ebenso  der  Branntwein.  Es  sollte  sogar,  um  die  Branntweineinfuhr  hintan- 
zuhalten,   kein    Handel   mit    den   Antillen   getrieben   werden.     Unter   so 


64  II.  Geschichtlicher  Ueherblick. 

günstigen   Bedingungen  floss   die  Einwanderung   der  Mustercolonie  rasch 
zu.     Ausser  Engländern   waren   es    besonders   Salzburger  und  mährische 

^  Brüder  (unter  Zinzendorf),  welche  hier  Zuflucht  suchten.  Aber  die  Schranken, 
welche  die  menschenfreundliche  Vorsicht  der  Gründer  aufgerichtet,  wurden 
durchbrochen,  sobald  die  Bevölkerung  sich  mit  den  neuen  Bedingungen 
ihrer  Existenz  vertraut  gemacht  hatte.  Die  überall  in  der  Nachbarschaft 
eingeführte  Sklaverei  konnte  nicht  verboten  bleiben,  sobald  das  Bedürfniss 
nach  eingreifenderer  Ausbeutung  des  Bodens  sich  geltend  machte.  Der 
Handel  mit  Westindien  musste  gestattet  werden,  da  keine  von  den  Colonien 
günstiger  für  denselben  gelegen  war.  Zur  Aufrechterhaltung  des  Brannt- 
weinverbotes reichten  die  der  Regierung  zur  Verfügung  stehenden  Kräfte 
nicht  aus.  Die  aus  einer  alten  Gesellschaft  herübergenommene  Bestim- 
mung, dass  nur  im  Mannesstamm  vererbt  werden  sollte,  konnte  in  diesen 
erst  werdenden  Verhältnissen  ebenfalls  keinen  Anklang  finden.  Das  Re- 
sultat aller  dieser  Einschränkungen  war  das  Zurückbleiben  der  Colonie 
Georgia  hinter  allen  anderen,  trotz  der  Opfer,  die  das  Mutterland  für  sie 
gebracht  hatte. 

II.  Ueberblickt  man  zusammenfassend  die  Geschichte  der  Gründung 
und  ersten  Entwickelung  der  13  britischen  Colonien,  welche  im  Voran- 
gehenden aufgezählt  sind,  so  fällt  zunächst  die  Qualität  der  Ein- 
wander er  ins  Auge.  Fast  überall  sind  es  mit  religiösen  oder  politischen 
Bedrückungen  zusammenhängende  Gründe,  welche  die  nach  diesen  Ge- 
staden auswandernden  Europäer  dazu  führten,  ihre  Heimat  zu  verlassen. 
Unter  ihnen  waren  gewiss  auch  zahlreiche  Arme,  die  bloss  kamen,  um 
der  Noth  zu  entgehen,  welche  in  der  weniger  nahrhaften  Heimat  sie 
ereilt  haben  würde,  und  Glück-  und  Abenteuersucher,  welche  die  Lust 
am  Wechsel  oder  der  Durst  nach  rasch  zu  gewinnendem  Reichthum  her- 
beiführte.   Aber  im  Gegensatz  zu  fast  allen  anderen  Colonien,  von  denen 

yman  Kunde  hat,  überwogen  die  letzteren  Elemente  hier  nicht,  sondern 
traten  entschieden  zurück  hinter  jenen,  welche  von  edleren  Motiven  ge- 
trieben sich  hier  zusammenfanden.  Es  war  weder  so  vorwiegend  Schaum, 
noch  so  sehr  Hefe,  was  zwischen  1620  und  82  die  europäischen  Gestade 
verliess,  um  in  der  damals  noch  bis  zum  Schrecken  unbekannten  Neuen 
We-lt  eine  neue  Heimat  zu  suchen.  Gerade  die  gesunden,  arbeitsgewohnten 
mittleren  Stände  waren  sehr  stark  in  diesen  Schaaren  vertreten  und 
mit  ihnen  materieller  und  geistiger  Besitz,  Arbeitsgewohnheit  und  prak- 
.  tische  Kenntnisse.  Die  für  eine  erst  werdende  Gesellschaft  nothwendigste 
Schicht,  die  mittlere,  war  hier  von  vornherein  vorhanden,  während  andere 
Colonien  Jahrhunderte  sich  um  die  Schaffung  derselben  bemühten  und 
aus  Mangel  derselben  ebensolang  unfertig  und  social  ungesund  geblieben. 
Die  Zeit  der  Coloniengründungen,  welche,  wenn  das  ausnahms- 
weise verspätete  Georgia  ausser  Betracht  gelassen  wird,  zwischen  1620 
und  82  fällt,  ist  aus  zwei  Gründen  von  Wichtigkeit.    Es  war  für  England, 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  65 

die  Heimat  der  weitaus  grössten  Mehrzahl  der  Einwanderer,  die  politisch 
lebhafteste  Zeit,  welche  es  je  erlebt  hatte.  Die  Einwanderer  brachten 
die  politische  Erregtheit  ihres  Vaterlandes  in  die  neue  Heimat  mit  und 
gleichzeitig  aber  auch  eine  Aufmerksamkeit  auf  politische  Dinge  und  eine 
Fähigkeit,  dieselben  zu  behandeln,  welche  hervorragend  sind.  Man  ist 
nicht  erstaunt,  wenn  man  unter  diesen  Umständen  das  politische  Leben 
der  jungen  Ansiedelungen  sich  mit  einer  sicheren  Zweckbewusstheit  ent- 
wickeln sieht,  welche  am  wenigsten  diesem  Gährungsstadium  einer  jungen 
Gesellschaft  eigen  zu  sein  pflegt.  Auf  der  anderen  Seite  half  dieser 
selbe  bewegte  Zeitcharakter  jedenfalls  dazu  mit,  die  ersten  Jahrzehnte  der 
Entwickelung  dieser  Colonien  für  das  Mutterland  in  ein  Dunkel  zu  hüllen, 
welches  in  einer  ruhigeren  Zeit  nicht  in  demselben  Masse  vorhanden 
gewesen  wäre.  Freilich  ist  dabei  nicht  zu  übersehen,  dass  die  Zahl  der 
Auswanderer  von  Anfang  an  nicht  sehr  bedeutend,  dass  weder  die  Natur 
noch  die  Bevölkerung  Nord-Amerikas  geeignet  waren,  die  Aufmerksamkeit 
von  Leuten  zu  fesseln,  die  den  Massstab  von  Peru,  Mexico  oder  den 
Molukken  an  den  Colonialbesitz  legten,  und  endlich  dass  die  Entfernung 
zwischen  Mutterland  und  Colonien  damals  mindestens  das  5 — 6  fache  von 
der  heutigen  war.  Das  alles  wirkte  darauf  hin,  die  Wichtigkeit  des 
nordamerikanischen  Colonialbesitzes  in  den  Augen  auch  selbst  leitender 
Männer  des  Mutterlandes  zu  verringern.  Man  kann  sagen,  dass  der 
grosse  Werth  desselben  erst  nach  dem  Verlust  der  Colonien  in  Folge  des 
Unabhängigkeitskrieges  klar  erkannt  wurde.  Bis  dahin  wurde  Nord- Amerika 
fast  überall  unterschätzt.  Mit  jenen  beiden  grossen  und  folgenreichen 
Thatsachen  hängt  innig  zusammen  die  Selbständigkeit  und  Eigen- 
thümlichkeit  der  Colonien.  Dieselbe  wäre  nicht  möglich  gewesen, 
wenn  man  von  vornherein  ein  grösseres  Gewicht  auf  die  Colonien  gelegt 
hätte.  Aber  indem  man  sie  sich  selbst  überliess,  gestaltete  sich  jede 
einzelne  frei  nach  den  Ideen  ihrer  Führer  und  nach  den  politischen 
Fähigkeiten  und  Wünschen  der  Männer,  die  sie  ausmachten.  Ohne  ein 
grosses  Mass  von  politischer  Einsicht  und  Uebung  wäre  diese  selbständige 
Entwickelung  nicht  zu  Stande  gekommen.  Aber  so  ist  es  eine  der  bemerkens- 
werthesten  Thatsachen  in  der  Geschichte  der  britischen  Colonien  in  Nord- 
Amerika,  dass  sie  von  ihrer  Gründung  an  fast  ganz  frei  geblieben  sind  von  den 
inneren  Zwistigkeiten,  die  sonst  regelmässig  wie  Entwickelungskrankheiten 
des  Jugendalters  aufzutreten  pflegen.  Erst  auf  einer  viel  höheren  Stufe 
ihrer  politischen  und  wirthschaftlichen  Entwickelung  sollten  auch  sie  unter 
das  Gesetz  fallen,  welches  eine  kampflose  Entwickelung  den  Völkern  nicht 
gestattet.  Ebenso  ist  es  bezeichnend  für  das  grosse  Mass  von  politischer 
Thatkraft,  die  in  ihnen  aufgehäuft  war,  dass  sie  alle  sich  in  der  Richtung 
entwickelten,  welche  vor  allem  ein  erhebliches  Mass  von  politischen 
Pflichten    den  Einzelnen  auferlegte   und   in  welcher   man   auch    nur   mit 

ßatzel,    Amerika  Tl.  r^ 


66  n.  Geschichtlicher  üeberblick. 

einem  grossen  Aufwand  von  politischen  Fähigkeiten  weiter  gehen  konnte. 
Sie  führten  den  Grundsatz  der  Selbstverwaltung,  welchen  sie  aus  dem 
Mutterlande  mitbrachten,  in  breiterer  Weise  durch,  als  dort  hergebracht 
war.  Der  Grundsatz  der  Gleichheit  vor  dem  Gesetze,  wenn  auch  durch 
gewisse  religiöse  Unduldsamkeiten  in  einzelnen  Colonien  verdunkelt,  musste 
unter  politisch  denkenden  Menschen  zu  entschiedenster  Geltung  kommen, 
sobald  dieselben  unter  den  Verhältnissen  lebten,  die  in  den  Colonien 
herrschten.  Es  ist  ferner  bemerkenswerth ,  mit  welcher  Entschiedenheit 
die  für  aristokratisch  gehaltenen  Bevorrechtungen  der  Eigenthümer  be- 
stritten und  aristokratische  Regierungssysteme  zurückgewiesen  wurden. 
Die  Demokratie  war  der  naturgemässe  Typus  für  Staat  und  Gesellschaft 
in  diesen  Colonien,  wo  so  ziemlich  alle  Bürger  von  gleicher  Grundlage 
ausgingen,  d.  h.  mit  wenig  Kapital,  aber  mit  genug  Fleiss  und  Sparsamkeit 
begannen,  und  ebenso  auch  Alle  die  gleiche  Aussicht  auf  Begründung 
eines  massigen  "Wohlstandes  hatten.  Grundbesitz  konnte  nicht  als  ein 
Anlass  betrachtet  werden,  einem  Manne  grösseres  Gewicht  beizulegen, 
denn  Baronien  und  Grafschaften  standen  im  Urwald  Jedem  frei,  der  sich 
die  Mühe  nehmen  wollte,  sie  abzustecken  und  durch  Urbarmachung  sein 
Recht  auf  sie  zu  sichern.  Ansammlung  von  Geld  war  nur  in  geringem 
Masse  möglich,  denn  die  Erzeugnisse  der  Colonien  fanden  in  Europa  zu- 
nächst nur  einen  beschränkten  Markt,  da  sie  hier  ja  ebenfalls  erzeugt 
werden  konnten,  und  der  später  so  gewinnbringende  westindische  Handel 
entfaltete  sich  im  17.  Jahrhundert  nur  langsam.  Kurzum,  die  Entwickelung 
der  Colonien  in  Nord- Amerika,  welche  später  zu  dem  Bunde  der  V.  St. 
sich  zusammenschliessen  sollten,  war  im  ersten  Jahrhundert  ihres  Be- 
y  Standes  bürgerliche  und  wirthschaftliche  Gleichheit  auf  Grund  gleicher 
Einfachheit  des  Lebens  und  gleicher  Nothwendigkeit  der  Arbeit.  Die 
einzige  Durchbrechung  dieser  Regel  war  die  Sklaverei,  welche  ur- 
sprünglich allen  Colonien  gemein,  aber  nur  in  denen  des  Südens  bis 
herauf  nach  Maryland  und  Delaware  von  grösserer  wirthschaftlicher  Be- 
deutung geworden  war.  Der  Anbau  des  Tabaks,  des  Indigos  und  des 
Reises  wurde  hier  in  steigendem  Masse  den  Negersklaven  aufgebürdet, 
welche  zuerst  1620  aus  West-Indien  nach  Virginien  eingeführt  worden  und 
deren  Zahl  sich  30  Jahre  später  in  Virginien  bereits  auf  Vso  der  weissen 
Bevölkerung  gesteigert  hatte.  Aber  es  war  der  grossen  Entwickelung  der 
wirthschaftlichen  Interessen  vorbehalten,  welche  nach  der  Beendigung  des 
Unabhängigkeitskrieges  eintrat,  und  der  fast  gleichzeitigen  Klärung  der 
Ansichten  über  die  moralische  Verwerflichkeit  der  Sklaverei,  aus  einem 
Unterschied  der  Wirthschaftsweise  einen  immer  tiefer  gehenden  Unter- 
schied fast  aller  Interessen  und  Anschauungen  zu  entwickeln. 

III.  Die  stille  Entwickelung  dieser  Ansiedelungen,  auf  deren  vor- 
wiegend dem  wirthschaftlichen  Gebiete  angehörige  Hauptpunkte  in  den 
betreifenden  Abschnitten  des  Folgenden  zurückzukommen  sein  wird,    war 


II.  Geschichtlicher  Ueherhlick.  67 

bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  nur  von  Indianerkriegen  unterbrochen 
worden.  Einzehie  Besitzwechsel  zwischen  den  Mächten,  die  sich  an  der 
atlantischen  Küste  Nord- Amerikas  festgesetzt,  hatten  sich  in  fast  geräusch- 
loser Weise  vollzogen  und  von  allen  war  endlich  nur  Frankreich  mit 
einem  Besitze  übrig  geblieben,  der  den  der  Engländer  an  Ausdehnung 
übertraf,  wenn  er  auch  an  glücklicher  Lage  und  politisch  und  wirth- 
schaftlich  selbständiger  Entwickelung  weit  hinter  ihm  zurückstand.  Seit 
die  Franzosen  sich  1G08  in  Canada  und  1699  am  unteren  Missis- 
sippi dauernd  festgesetzt,  waren  ihre  Ansiedelungen  langsam,  aber  nach 
wohl  ausgedachtem  Plane  im  N.  und  W.  der  englischen  weiter  gewachsen 
und  hatten  im  ersten  Drittel  des  18.  Jahrhunderts  einen  Inlandgürtel 
um  dieselben  geschlossen,  der  zwar  noch  dünn  war,  aber  die  Gefahr  der 
Abschliessung  der  letzteren  von  dem  Inneren  des  Continents  unverkennbar 
in  sich  barg.  Zwar  hatte  Frankreich  schon  im  Frieden  von  Utrecht  (1713) 
die  heutigen  Gebiete  von  Neu-Braunschweig ,  Neu-Schottland  und  einige 
Inseln  im  Mündungsgolf  des  S.  Lorenz  an  England  abtreten  müssen,  aber 
seine  Macht  in  diesem  Erdtheile  blieb  gefährlich,  und  das  um  so  mehr, 
je  schwankender  und  unberechenbarer  die  Neigungen  der  noch  immer 
mächtigen  Indianerstämme  waren,  bei  denen  die  Franzosen  mit  ihrer 
Glattheit  und  Feinheit  mehr  Aussicht  auf  wirksame  Bundesgenossenschaften 
zu  haben  schienen  als  die  Engländer.  Es  war  natürlich,  dass  die  beiden 
Mächte  hier  ebensowenig  wie  in  Indien  ruhig  sich  neben  einander  aus- 
breiten konnten.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Ansiedelungen  in  solchen 
weiten  Gebieten,  dass  sie  zu  wachsen  streben,  und  dieses  Wachsthum 
musste  eines  Tages  zum  Zusammenstoss  führen.  Da  dritte  Mächte,  die 
den  Stüss  mildern  konnten,  hier  nicht  vorhanden  waren,  musste  er  nur 
um  so  bälder  und  heftiger  eintreten. 

Man  hat  mit  Recht  gesagt,  dass  nicht  zwei  Staaten  oder  zwei  Co- 
lonien  allein,  sondern  zwei  Völker  und  zwei  Principien,  deren  Träger  jene 
sind,  mit  einer  gewissen  Nothwendigkeit  hier  in  den  Urwäldern  aufein- 
anderplatzten.  England,  die  Tochter  der  Reformation  und  Revolution, 
„die  dem  freien  Gewissen  die  freie  That  zugesellte  und  die  Selbstbestim- 
mung des  Einzelnen  nicht  bloss  auf  geistigem,  sondern  auch  auf  politi- 
schem Gebiete  in  Handlungen  und  Schöpfungen  ausprägte,  und  das  neue 
Frankreich,  das  Kind  des  Katholicismus  und  Feudalismus,  welches  die 
in  dem  Mutterlande  so  vortrefflich  bewährten  Netze  weltlicher  und  geistiger 
Polizei  auch  über  die  neue  Welt  spannen  zu  können  wähnte.  Der 
blendende  Glanz  der  äusseren  Stellung  war  auf  Seiten  der  Franzosen. 
Ihre  kühnen  Generale,  weitsichtigen  Politiker  und  unermüdlichen  Priester, 
welche  den  Staat  Ludwig  XIV.  nach  Amerika  zu  verpflanzen  bemüht 
waren,  hatten  allerdings  ein  ausgedehntes  Reich  gegründet,  welches  den 
Lorenz -Strom  mit  den  Grossen  Seen  und  dem  Mississippi  verbinden  und 

5* 


68  11.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

diesen  entlang  bis  zum  mexikanischen  Golf  fortlaufend,  die  englischen 
Niederlassungen  auf  den  schmalen  atlantischen  Küstensaum  beschränken 
sollte.  Aber  so  gut  für  die  Spitzen  dieses  weiten  Reiches  gesorgt  war,  so 
zählte  es  doch  nur  wenige  Hunderte  von  Händlern,  Geistlichen  und 
Soldaten,  so  fehlte  es  ihm  an  einem  arbeitsamen  und  thätigen  Volke. 
Die  englischen  Ansiedler  dagegen,  welche  kaum  beachtet  und  ganz  un- 
scheinbar von  der  Küste  aus  allmählich  ins  Innere  vordrangen,  waren  ein 
nüchtern  fleissiges  ,  kräftiges,  sich  selbst  vertrauendes  Geschlecht,  und 
befestigten  mit  jedem  Axtschlag,  den  sie  führten,  mit  jeder  Furche,  die 
sie  zogen,  ihren  mühsam  errungenen  Besitz.  Sie  standen  nicht  unter  der 
Leitung  von  vornehmen  Herren,  sie  verlachten  den  äusseren  Pomp  und 
Schimmer  und  verliessen  sich  auf  ihre  tapferen  Herzen,  ihre  kräftigen 
Fäuste  und  Arme.  So  erwiesen  sich  denn  diese  selbstdenkenden  und 
sich  selbst  bestimmenden  englischen  Männer  schliesslich  stärker  als  die 
von  Priestern  und  Officieren  geleitete  denk-  und  arbeitsfaule  französische 
Heerde,  und  so  siegten  in  der  neuen  Welt  Protestantismus,  Demokratie 
und  Pflugschaar  über  Katholicismus,  Feudalismus  und  Schwert"  '). 

Den  nächsten  Anlass  zum  Entscheidungskampfe  boten  Grenzstreitig- 
keiten. Die  täglich  weiter  nach  Westen  vorrückenden  englischen  Colonisten 
waren  bereits  bis  in  die  Nähe  des  Ohio  gelangt,  dessen  Gebiet  die  Fran- 
zosen ebensowohl  als  die  Engländer  sich  zusprachen.  Als  England  1749 
der  sog.  Ohio-Compagnie  600000  Acres  Land  im  Ohio-Thale  verlieh,  ver- 
wehrten ihr  die  Franzosen  die  Besitzergreifung.  Es  entstanden  Feind- 
seligkeiten, in  welche  zunächst  die  Colonien  hineingezogen  wurden. 
G.  Washington  verrichtete  in  diesen  Kämpfen  seine  ersten  Ruhmes- 
thaten.  1755  wurde  von  den  Engländern  Fort  Duquesne  (Pittsburg) 
genommen.  1759  schlug  Wolfe  die  Franzosen  unter  Montcalme  bei 
Quebek,  und  diese  Stadt  fiel  im  darauffolgenden  Jahre  in  die  Hände 
der  Engländer.  Der  Friede  von  Paris,  welcher  1763  geschlossen  wurde, 
wies  England  die  französischen  Besitzungen  östlich  des  Mississippi  mit 
winzigen  Ausnahmen  zu  und  schloss  damit  die  Franzosen  thatsächlich 
von  Nord- Amerika  aus.  Ohne  Zweifel  war  diese  Thatsache  eine  der  ent- 
scheidendsten in  der  nordamerikanischen  Geschichte.  Es  war  den  Fran- 
zosen von  jetzt  an  nicht  mehr  ermöglicht,  festen  Fuss  in  diesem  Erdtheil 
zu  fassen,  und  damit  war  der  dortige  englische  Besitzstand  zum  ersten 
Mal  vollständig  sichergestellt,  denn  von  Spanien,  das  nur  an  den  äussersten 
Enden,  in  Florida,  Texas,  Neu-Mexico  und  Californien  und  seit  1762  in 
Louisiana,  dünnbevölkerte  Besitzungen  innehatte,  war  schon  damals  wenig 
zu  fürchten.  Für  die  innere  Entwickelung  der  bisherigen  Colonien  hatte 
dies  vorzüglich  zweierlei  Folgen.  Einmal  ward  von  den  Colonien  ein 
Druck  genommen,    der   bisher   ihr  Aufstreben   gehemmt   hatte;    mit   der 


1)  F.  Kapp,  Aus  und  über  Amerika  I.  5. 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  69 

Furcht  vor  gelegentlichen  Uebergriffen  der  Indianer  und  Franzosen  schwand 
auch  ein  grosser  Tlieil  der  Unsicherheit,  welcher  auf  den  Unternehmungen 
der  jungen  Colonien  fast  immer  lastet  und  welche  einer  agressiven  Macht 
wie  Frankreich  gegenüber  in  diesem  Falle  doppelt  begründet  gewesen 
war.  Ausserdem  aber  zeigte  dieser  Krieg  den  Colonien  zum  ersten  Mal 
die  Kraft,  deren  sie  durch  Zusammenfassung  fähig  waren.  Ihre  Milizen 
nahmen  an  mehreren  hervorragenden  Aktionen  desselben  rühmlichen  An- 
theil,  einige  ihrer  Führer  zeigten  militärische  Talente  und  die  Colonisten 
sahen  in  der  Hülfe,  die  sie  der  Regierung  gewährten,  die  erste  glückliche 
Bethätigung  auf  einem  grösseren  Gebiete  als  denjenigen,  auf  welche  sie 
sich  bisher  beschränkt  hatten.  Während  ihre  äussere  Sicherheit 
wuchs,  nahm  auch  ihr  Gefühl  der  Sicherheit,  Selbständig- 
keit und  Zusammengehörigkeit  im  Inneren  zu.  Diese  ein- 
greifende Veränderung  erklärt  zum  Theil  die  Entschiedenheit,  mit  der  sie 
in  dem  darauffolgenden  Jahrzehnt  von  Neuem  in  den  schon  früher  auf- 
genommenen Kampf  gegen  die  Regierung  des  Mutterlandes  eintraten  und 
mit  der  endlich  sogar  zum  Bruch  mit  demselben  geschritten  ward. 

IV.  Grossbritannien  hatte  seinen  Colonien  immer  viel 
mehr  politische  als  wirth  schaftliche  Freiheit  zugestanden. 
Es  überliess  sie  in  Verfassungs-  und  Verwaltungsfragen  sich  selbst, 
während  in  Fragen  des  Handels  und  Verkehres  eifrig  auf  den  Vortheil 
gesehen  ward,  den  das  Mutterland  vollstes  Recht  zu  haben  glaubte  aus 
seinen  Colonien  ziehen  zu  dürfen.  Aber  diese  beiden  Arten  von  Freiheit 
bedingen  sich  gegenseitig.  Man  kann  nicht  gleichzeitig  politisch  frei  und 
wirthschaftlich  abhängig  sein  und  für  junge  Colonien  ist  jene  Freiheit 
grossentheils  leichter  zu  entbehren  als  diese.  Den  Anlass  Eur  Zer- 
reissung  des  Bandes  zwischen  beiden  gaben  denn  in  der  That  aus- 
schliesslich Zwistigkeiten  über  wirthschaftliche  Fragen.  Es  ist  hervor- 
zuheben, dass  hier  zum  ersten  Mal  die  in  der  Geschichte  der  V.  St.  mit 
gesetzlicher  Strenge  wiederkehrende  Erscheinung  des  Uebergewichtes 
der  wirthschaftlichen  Fragen  über  alle  anderen  hervortritt.  Man 
kann  dieses  Uebergewicht  voraussehen  in  einem  Staate  oder  einer  Staaten- 
vereinigung, wie  dieser,  deren  Bevölkerung  sich  fast  ausschliesslich 
zusammensetzt  aus  Menschen,  die  auf  dem  Wege  sind  durch  Erwerb 
von  Gütern,  die  sie  sich  zu  erarbeiten  haben,  erst  die  Grundlage 
für  den  Wohlstand  zu  legen.  In  älteren  Gesellschaften  ist  derselbe  in 
einer  grösseren  Anzahl  von  Familien  als  befestigter  Besitz  lange  vor- 
handen und  entbindet  zahlreiche  Bürger  von  der  drängenden  Pflicht  für 
ihres  Leibes  Nahrung  und  Nothdurft  zu  arbeiten.  Durch  diese  Colonien 
ging  aber  ein  Zug  wirthschaftlichen  Neuschaffens  und  Aufstrebens,  der 
ihr  ganzes  übriges  Leben  färbte,  und  nur  die  Religion  theilte  sich  mit  der 
Arbeit  des  Erwerbes  in  die  Interessen  der  Colonen.  Nirgends  mussten 
Hemmnisse  der  Erzeugung  von  Gütern  und  des  Verkehres  mit  denselben 


uX 


70  II.  Geschichtlicher  Ueberhlick. 

schwerer  empfunden  werden  als  unter  diesen  Umständen  und  jeder  Fort- 
schritt in  der  wirthschaftlichen  Entwickelung  musste  dieselben  drückender 
erscheinen  lassen.  Schon  das.  17.  Jahrhundert  hatte  zahlreiche  Versuche 
gesehen,  nicht  bloss  den  Acker-  und  Bergbau,  sondern  auch  die  Gewerbe 
und  den  Handel  der  Colonien  künstlich  so  zu  lenken  und  zu  gestalten,  wie 
das  Mutterland  sie  am  besten  brauchen  konnte.  In  einer  Zeit  grosser 
Unsicherheit  und  Unselbständigkeit  mochten  dieselben  nicht  allzu  un- 
erträglich erscheinen,  aber  unglücklicherweise  wurden  die  Versuche  zur 
Besteuerung  der  Colonien  häufiger  und  die  Methoden,  die  man  bei  den- 
selben befolgte,  eingreifender  und  rücksichtsloser  in  dem  Masse,  als  die 
Colonien  durch  die  kräftige  Entfaltung  ihrer  Hülfsquellen  ergiebigere 
Steuerobjekte  zu  werden  begannen  und  als  ihre  eigene  Industrie  zu  Un- 
gunsten der  mutterländischen  sich  breiter  entfalten  zu  wollen  schien. 
"Wenn  schon  im  17.  Jahrhundert  häufig  die  Meinung  geäussert  worden 
war,  dass  bei  fortschreitender  Entwickelung  der  nordamerikanischen  Co- 
lonien der  wirthschaftliche  Nutzen  derselben  für  das  Mutterland  immer 
geringer  werden  möchte,  so  wurde  im  18.  Jahrhundert  die  Annahme, 
dass  man  ihre  industrielle  Entwickelung  zurückdämmen  müsse,  um  sie 
nicht  zu  Concurrenten  der  heimischen  Industrie  werden  zu  lassen,  zu 
einem  politischen  Dogma.  Eine  der  ersten  amtlichen  Bekräftigungen 
desselben  war  der  Beschluss,  den  das  Parlament  im  Jahre  1719  fasste, 
dass  durch  den  Fortschritt  der  Industrien  in  den  Colonien 
die  Abhängigkeit  derselben  zu  Schaden  komme.  Die  prak- 
tischen Folgerungen  dieser  Erklärung  waren  zahlreich.  Als  1732  die 
Hutmacher  Londons  sich  beklagten,  dass  die  Amerikaner  Hüte  nach 
Spanien  "und  West-Indien  ausführten,  verbot  das  Parlament  diese  Ausfuhr, 
und  zugleich  ging  es  so  weit,  den  intercolonialen  Handel  mit  diesem  Artikel 
zu  untersagen  und  sogar  die  Fabrikation  desselben  zu  beschränken.  Schon 
damals  ging  man  in  kleinen  Hinderungen,  die  man  der  wirthschaftlichen 
Regsamkeit  der  Amerikaner  in  den  Weg  stellte,  viel  weiter  als  nothwendig 
war.  Man  unterschätzte  offenbar  die  Colonien.  Wenn  man  z.  B.  den 
Hutmachern  verbot,  mehr  als  2  Lehrlinge  zu  halten,  Neger  in  dieses  Ge- 
schäft einzuführen,  ihr  Fabrikat  auf  Wagen  oder  Pferden  zu  verladen, 
so  war  die  schädliche  Wirkung  durch  die  Erbitterung ,  die  man  erregte, 
sicherlich  grösser  als  der  Nutzen,  den  die  heimische  Wirthschaft  aus  den- 
selben zog.  Auch  auf  anderen  Gebieten  der  Industrie  suchte  man  dasselbe 
System  zur  Anwendung  zu  bringen  und  womöglich  noch  rücksichtsloser. 
1750  wurde  z.  B.  jede  Verarbeitung  des  Eisens,  die  mit  Pressen  oder 
Walzen  geschah,  sowie  die  Stahlbereitung  untersagt.  Andere  Fälle  der 
Art  werden  wir  bei  der  Betrachtung  der  Entwickelung  der  amerikanischen 
Industrie  kennen  lernen.  So  viel  sei  hier  hervorgehoben,  dass  alle  diese 
Einschränkungen,  wie  man  wohl  denken  kann,  in  dem  weiten,  schwer 
zu  übersehenden  Lande  und  bei   dieser  Bevölkerung  voll  Freiheits-   und 


II.  Geschichtlicher  üeberblick.  71 

Unabhängigkeitssinn  nur  sehr  vereinzelt  die  Wirkungen  erzielen  konnten, 
welche  sie  sich  vorsetzten.  Man  umging  sie  nicht  bloss,  sondern  man 
trat  ihnen  selbst  offen  mit  Organisationen  entgegen,  die  Schutz  und 
Förderung  der  colonialen  Industrie  auf  ihre  Fahnen  schrieben.  Nach- 
dem der  Krieg  mit  den  Franzosen  ausgefochten  und  Canada  gewonnen 
war,  erneuerten  sich  jene  Bestrebungen  und  dieser  Widerstand  in  viel 
grösserer  Schärfe  des  Gegensatzes.  Auf  beiden  Seiten  hatte  sich  noch 
das  Gewicht  der  Gründe  vermehrt.  England  hielt  sich  für  berechtigt, 
nicht  bloss  die  Colonien  auf  dem  Wege  des  Waarenaustausohes  auszu- 
beuten, sondern  es  glaubte  nach  so  grossen  Opfern,  die  es  in  den  vorher- 
gehenden Franzosen-  und  Indianerkriegen  für  sie  gebracht,  auch  zur 
offenen  Besteuerung  derselben  schreiten  zu  dürfen.  Die  Colonien  anderer- 
seits fühlten  sich  seit  der  Niederwerfung  der  Franzosen  sicherer  auf 
ihrem  jungen  Boden  als  je  vorher.  Von  den  französischen  Nachbarn  und 
der  Drohung  grosser  Indianerkriege  befreit,  fühlten  sie  sich  fast  als  die 
Herren  des  weiten  Gebietes  zwischen  Atlantischem  Meer  und  Mississippi. 
Aber  gleichzeitig  hatten  auch  diese  langwierigen  Kriege  sie  über  die  Ge- 
fahr ihrer  Zersplitterung  belehrt  und  die  Anregungen  zur  Bildung 
eines  Bundes,  welche  schon  im  17.  Jahrhundert  von  verschiedenen 
Seiten  gegeben  worden  waren,  fielen  jetzt  auf  einen  fruchtbaren  Boden. 
Die  neuengländischen  Colonien  hatten  bis  1684  einen  Bund  mit  jährlich 
zusammentretendem  Delegirten-Congress  gebildet,  bei  Kriegsgefahr  hatten 
auch  andere  von  den  Colonien  gemeinsame  Beschlüsse  gefasst,  W.  Penn 
hatte  1697  einen  jährlichen  Congress  der  Colonien  behufs  Regelung  der 
Handelsverhältnisse  vorgeschlagen.  Die  Idee  der  Vereinigung  lag  in  der 
Luft.  Es  war  in  der  That  schon  1754  ein  Congress  der  Colonien  in 
Albany  N.  Y.  zusammengetreten,  dem  der  Entwurf  einer  Verbindung  von 
B.  Franklin  vorgelegt  worden.  Dieser  Entwurf  wurde  aber  durch  den 
noch  in  demselben  Jahre  ausgebrochenen  Franzosen-  und  Indianerkrieg 
in  den  Hintergrund  gedrängt.  Als  aber  schon  1760  die  Eingriffe  in  den 
Handel  und  Verkehr  den  Colonien  wieder  lästig  wurden,  liess  die  Wieder- 
belebung der  Conföderationsideen  nicht  auf  sich  warten.  Die  Erhebung 
eines  bisher  wegen  seiner  Schädlichkeit  bei  Seite  gesetzten  Zuckerzolles, 
welcher  dem  bereits  zu  dieser  Zeit  sehr  beträchtlichen  westindischen 
Handel  der  Colonien  einen  schweren  Stoss  gab,  ferner  die  Ausgabe  von 
Wräs  of  Ässistance,  welche  alle  Beamten  der  Colonie  den  Zollbehörden 
zur  Verfügung  stellte  und  die  letzteren  zur  Untersuchung  jedes  ihnen 
verdächtigen  Hauses  ermächtigte,  regte  die  Gemüther  der  neuengländischen 
Bevölkerung  auf.  Der  Advokat  James  Otis  wurde  vor  der  Gerichtsbank 
und  im  Saale  der  Gesetzgebung  der  Sprecher  für  die  Unzufriedenen.  Er 
war  eine  revolutionäre  Natur  und  seine  Reden  und  Flugschriften  haben 
eine  tiefe  Einwirkung  auf  die  dem  Geiste  des  Widerstandes  zugänglichen 
Gemüther  geübt.    Die  Timber  Act   (1765)  und  die  Stamp  Act  (1765)  ver- 


72  11.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

letzten  noch  emi^findlicher  das  Kecht  nur  mit  ihrer  Zustimmung  besteuert 
zu  werden,  welches  die  Colonien  für  sich  in  Anspruch  nahmen.  Nicht 
Neu-England  allein,  sondern  auch  Virginien,  die  einfiussreichste  unter  den 
Colonien  zu  dieser  Zeit,  widersetzten  sich.  1765  trat  auf  Anregung  von 
Massachusetts  in  New  York  ein  Congress  der  Colonien  zusammen, 
der  der  Meinung  der  Colonien  über  diese  Eingriffe  entschiedenen  Aus- 
druck gab.  Im  darauffolgenden  Jahre  wurde  die  Timhcr  Act  zurück- 
gezogen, aber  dafür  schon  1767  kleine  Steuern  auf  Thce  und  einige 
andere  Gegenstände  gelegt.  Auch  diese  Steuern  wurden  in  Amerika  mit 
Entschiedenheit  verweigert.  Drohungen  und  Schroffheiten  gegen  unbeug- 
same Legislaturen  gössen  Oel  ins  Feuer.  In  Neu-England  machte  1768 
die  Ankunft  britischer  Soldaten,  die  zur  Unterstützung  der  königlichen 
Beamten  berufen  waren,  böses  Blut  und  1770  wurden  von  denselben  bei 
einem  Volksauflauf  mehrere  Bürger  getödtet.  Die  Processe,  welche  folgten, 
erzeugten  eine  grosse  Aufregung  in  der  Bevölkerung,  man  erhitzte  sich 
von  beiden  Seiten  immer  mehr  und  die  Zurücknahme  aller  bisher  vom 
Mutterlande  aufgelegten  Steuern  mit  Ausnahme  der  des  Thees  (1770) 
genügte  nur  zu  oberflächlicher  Beschwichtigung.  Die  Colonien  traten  von 
ihrer  Verabredung  der  Non-Importaüon  britischer  Waaren  zurück,  aber 
in  der  Bevölkerung  im  Grossen  blieb  die  Verstimmung  am  Grunde  ruhen. 
Weitblickende  Männer  wie  Sam.  Adams  sahen  die  Unvermeidlichkeit  des 
Bruches  schon  jetzt  voraus.  Der  Conflikt  concentrirte  sich  jetzt  auf  Neu-Eng- 
land, wo  die  Gesetzgebung  über  ihr  Recht  der  Besteuerung  von  Beamten 
der  Krone  mit  dem  Governor  im  Streit  lag  und  die  Bürger  sogar  ihr 
Versammlungsrecht  bedroht  sahen.  Am  16.  December  1773  warf  eine 
Bande  Verkleideter  im  Hafen  von  Boston  den  Thee  ins  Meer,  welcher 
gegen  den  Willen  der  Gesetzgebung  besteuert  eingeführt  werden  sollte.  Die 
Antwort  von  britischer  Seite  war  die  Boston  IlarJjour  Bill,  welche  diesen 
Hafen  für  allen  Verkehr  schloss,  der  sehr  unkluge  Versuch,  den  bisher 
aus  Volkswahlen  hervorgegangenen  Rath  von  Massachusetts  vom  Könige 
ernennen  zu  lassen  und  einige  kleinere,  aufreizende  Massregeln.  In  den 
Colonien  aber  empfand  man  die  Schläge  gegen  Boston  und  Massachusetts 
als  gegen  die  eigenen  Freiheiten  gerichtet  und  die  schon  1773  von  der 
Gesetzgebung  von  Virginien  ergangene  Aufforderung  zu  einem  Congress 
der  13  Colonien  fand  zuerst  in  Massachusetts  und  darauf  in  den  übrigen 
Colonien  bereitwillige  Folge.  1774  am  5.  September  traten  die  Ab- 
gesandten von  12  Colonien  (Georgia  hatte  sich  noch  nicht  angeschlossen) 
in  Philadelphia  zu  einem  Congress  zusammen,  wie  sie  selbst  ihre  Ver- 
einigungnannten. G.Washington,  Henry,  P.  Randolph,  die  beiden 
Adams,  J.  Jay  u.  a.  Männer,  deren  Namen  sehr  bald  einen  weithin- 
schallenden Klang  erwerben  sollten,  waren  unter  ihnen.  Zum  Präsidenten 
wurde  P.  Randolph  von  Virginien  gewählt.  Man  einigte  sich  darüber, 
dass  dieser   Congress    sich   nicht   als    die  Vertretung   des  amerikanischen 


IL  Geschichtlicher  Ueberblick.  73 

Volkes,  sondern  als  die  der  einzelnen  Colonien  betrachte,  von  denen  jede 
ihre  besondere  Stimme  erhielt.  In  dem  gemässigten  Sinne,  welcher  diese 
Auffassung  seiner  eigenen  Stellung  bestimmte,  fasste  er  auch  seine  Be- 
schlüsse. Er  erliess  eine  Dedaration  of  EigJits,  in  welcher  er  für  die 
Bürger  der  Colonien  dieselben  Rechte  in  Anspruch  nahm,  welche  die 
des  Mutterlandes  besassen  und  welche  durch  die  Auswanderung  Jenen 
nicht  verloren  gegangen  seien.  Sie  könnten  und  wollten  nicht  im  Par- 
lamente des  Mutterlandes  vertreten  sein,  aber  für  alle  inneren  Fragen 
müsse  ihnen  die  Beschlussfassung  in  ihren  gewählten  Vertretungen  frei 
bleiben,  welclie  nur  durch  das  Vetorecht  der  Krone  eingeschränkt  seien. 
Sie  wollten  dem  Parlamente  nicht  das  Recht  bestreiten,  den  Handel  so 
zu  regeln,  dass  beide,  das  Mutterland  und  seine  Colonien,  ihre  Interessen 
an  demselben  gewahrt  sehen,  wiesen  aber  jeden  Gedanken  an  Abgaben, 
innere  oder  äussere,  zurück,  welche  ohne  ihre  Einwilligung  auf  Bürger  der 
Colonien  zum  Zweck  der  Besteuerung  gelegt  wurden.  Sie  leugneten  das 
Recht  der  Krone,  in  Friedenszeiten  eine  Armee  in  einer  der  Colonien  ohne 
Einwilligung  von  deren  Gesetzgebung  zu  haben.  Der  Congress  erliess  noch 
Ansprachen  an  den  König,  die  Colonien,  das  amerikanische  Volk  und  das 
Grossbritaniens ,  die  Bewohner  der  Provinz  Quebek,  in  denen  er  seine 
Willensmeinung  klar  und  versöhnlich  kundgab,  und  vertagte  sich  dann 
am  20.  Oktober  1774,  indem  er  die  Bevölkerung  der  Colonien  einlud, 
für  das  Zusammentreten  eines  neuen  im  Mai  des  folgenden  Jahres  Für- 
sorge zu  treffen. 

Die  Ereignisse  gingen  indessen  in  Massachusetts  einen  Gang,  der 
den  EntSchliessungen  des  Congresses  weit  vergriff.  Statt  einer  Versamm- 
lung, die  der  Governor  berufen,  aber  nicht  zusammenzubringen  vermocht 
hatte,  trat  in  Concor d  ein  Provincial- Congress  zusammen,  der  die 
Geschäfte  in  die  Hand  nahm,  als  ob  er  gesetzlich  dazu  berufen  sei,  und 
einen  WoMfahrtsausschuss  niedersetzte,  den  er  mit  der  Ausführung  seiner 
Beschlüsse  beauftragte.  Er  traf  zugleich  Vorkehrungen  zum  Widerstände, 
warb  Milizen,  bestimmte  Anführer  für  dieselben  und  sammelte  Proviant 
für  12000  Mann.  Als  von  England  die  Waffen-  und  Munitionausfuhr 
nach  den  Colonien  untersagt  worden  war,  bemächtigte  sich  das  Volk 
von  Rhode  Island  eines  der  Krone  gehörigen  Artilleriezuges  und  in  New 
Hampshire  wurde  ein  kleines  Fort  mit  5  Mann  Besatzung  von  Frei- 
schaaren  überrumpelt.  Das  neue  am  29.  November  1774  zusammen- 
getretene Parlament  hatte  eine  so  gewaltige  Mehrheit  für  die  Regierung, 
dass  seine  Reden  und  Beschlüsse  die  Flammen  des  Aufruhrs,  die  schon 
zu  züngeln  begannen,  nur  höher  aufschlagen  machen  konnten.  Die  Sendung 
neuer  Truppen  nach  Neu-England,  neue  Belästigungen  des  wirthschaftlichen 
Lebens  der  Colonien  waren  geeignet,  hier  die  versöhnliche  Stimmung  zu- 
rückzudrängen, welche  bis  jetzt  die  Mehrheit  noch  von  entscheidenden 
Schritten  zurückgehalten   hatte.    Der  Beschluss,    den  im  März  1775   die 


74  II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Convention  von  Yirginien  fasste ,  einen  Vertheidigungsausschuss  zu  er- 
nennen, war,  von  der  grössten  und  der  Natur  ihrer  Bevölkerung  nach 
wenigst  demokratischen  der  Colonien  ausgehend,  das  stärkste  Zeichen 
für  die  Entschlossenheit,  mit  der  die  Colonien  jetzt  Stellung  nahmen. 
Man  konnte  annehmen,  dass  die  übrigen  Südstaaten  Virginien  folgen 
würden,  das  seinerseits  Neu-Englands  sicher  war;  nur  über  die  Stellung 
einiger  Mittelstaaten  war  man  im  Unklaren. 

Y.  Der  Bürgerkrieg  entbrannte  rascher  als  die  Kühnsten  voraus- 
gesehen. "Am  19.  April  1775  stiessen  englische  Truppen  und  Colonial- 
milizen  bei  Lexington  zusammen;  die  ersteren  hatten  den  grösseren 
Verlust  und  mussten  sich  zurückziehen.  Man  hatte  auf  amerikanischer 
Seite  einen  Zusammenstoss  erwartet;  jedenfalls  war  die  Stimmung  der 
Bevölkerung  so,  dass  die  Ausnützung  des  an  sich  kleinen,  aber  für  einen 
Anfang  allerdings  mehr  als  genügend  grossen  Erfolges  nicht  auf  sich 
warten  liess.  Volkshaufen  bemächtigten  sich  königlicher  Befestigungen, 
Magazine,  Arsenale  und  Gelder,  der  Congress  entband  die  Bürger  des 
Gehorsams  gegen  den  Governor  von  Massachusetts  und  verfügte  die  Bil- 
dung einer  Continental  Army  von  30000  Mann,  die  in  den  Neuengland- 
Staaten  ausgehoben  werden  sollten,  endlich  marschirten  die  Milizen  auf 
Boston,  wo  sie  Befestigungen  errichteten  und  die  Engländer  blokirten, 
bis  diese  in  dem  Treffen  von  Bunker  Hill  (17.  Juni  1775)  die  Kette 
durchbrachen,  welche  um  sie  sich  schliessen  wollte.  Unterdessen  hatte 
sich  am  10.  Mai  der  neue  Continental  Congress  in  Philadelphia 
versammelt  und  der  wenige  Tage  vorher  angekommene  Benjamin 
Franklin  wurde  sogleich  zum  Eintritt  in  denselben  bestimmt;  besser 
bekannt  mit  den  Plänen  und  Entschlüssen  des  Ministeriums  als  irgend 
ein  anderer,  war  er  in  der  Lage,  das  gewichtigste  Wort  in  die  Wagschale 
zu  werfen,  und  seine  für  Widerstand  abgegebene  Stimme  war  von  ent- 
scheidender Wirkung.  Der  Congress  beschloss,  die  Colonien  in  Verthei- 
digungszustand  zu  setzen,  und  wählte  am  15.  Juni  George  Washington 
zum  Befehlshaber  der  colonialen  Streitkräfte.  Die  britische  Regierung 
ihrerseits  liess  sich  durch  das  Parlament  28000  See-  und  55000  Land- 
truppen verwilligen  (darunter  die  16000  von  ihren  Landesherren  ver- 
kauften Deutschen)  und  allen  Handel  mit  den  13  Colonien  verbieten. 
Nachdem  Georgia  noch  am  Ende  des  zweiten  Congresses  beigetreten, 
waren  die  letzteren  vollzählig  auf  dem  Plan.  In  diesem  Jahre  noch  waren 
in  der  Oeffentlichkeit  nur  erst  vereinzelte  Stimmen  für  die  völlige  Los- 
reissung  der  Colonien  gehört  worden,  aber  die  Entschlossenheit,  mit  der 
man  auf  beiden  Seiten  sich  zum  Aeussersten  rüstete,  liess  dem  Gedanken 
immer  näher  treten,  dass  man  sich  auch  ein  Aeusserstes  zum  Ziel  setzen 
müsse.  Die  Schrift  Thomas  Paine's  The  Common  Sense,  welche -im 
Frühling  1776  erschien  und  in  welcher  die  Losreissung  mit  eindringenden 
Worten  empfohlen  ward,    hatte   in  dieser  Richtung   einen  gewaltigen  Er- 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  75 

folg.  Die  Briten  beschleunigten  die  Katastrophe  durch  die  Entschiedenheit, 
mit  der  sie  vorgingen.  Die  Ausschiffung  von  Truppen  in  verschiedenen 
Häfen,  die  Befestigung  von  Boston,  die  Verträge  mit  den  Indianern  waren 
für  die  Colonisten  ebensoviele  Kriegsfälle.  Am  7.  Mai  1776  wurde  die 
Frage  der  Unabhängigkeit  durch  R.  H.  Lee  aus  Virginien  vor  den  Con- 
gress  gebracht.  Dieser  Redner  forderte  Lösung  jeder  Verbindung  mit 
Grossbritanien,  einen  Bund  der  Colonien  unter  einander  und  Allianzen  mit 
fremden  Mächten.  Die  Entscheidung  über  die  damit  aufgeworfenen  Grund- 
fragen wurde,  da  einige  Colonien  noch  unsicher  waren,  bis  zum  1.  Juli 
vertagt,  aber  an  diesem.  Tage  wurde  die  Unabhängigkeit  einstim- 
mig angenommen  und  ihre  feierliche  Erklärung  am  Abend 
des  4.  Juli  von  55  der  56  Vertreter  unterzeichnet.  Versöhn- 
liche Botschaften,  mit  denen  wenige  Tage  später  Lord  Howe  vor  New 
York  ankam,  waren  nach  diesem  Schritte  natürlich  ohne  Folgen,  und 
konnten  es  um  so  weniger  sein,  als  die  Feindseligkeiten  schon  vor  der 
Unabhängigkeitserklärung  nicht  geruht  hatten. 

Es  ist  nicht  Sache  dieser  Uebersicht,  tiefer  in  den  Verlauf  des 
Unabhängigkeitskrieges  einzugehen.  Genüge  es  die  wesentlichen 
Momente  hervorzuheben.  Im  Winter  1775  war  von  Neu-England  aus  ein 
Versuch  gemacht  worden,  Quebek  zu  nehmen  und  womöglich  Canada  für 
die  Sache  der  Colonien  zu  gewinnen.  Von  den  Führern  der  Unternehmung 
wurde  jedoch  Montgomery  getödtet  und  Arnold  schwer  verwundet 
(31.  Dec.  1775),  so  dass  dieselbe  zurückgehen  musste,  ohne  ihr  Ziel  er- 
reicht zu  haben.  Im  darauffolgenden  Frühling  zwang  Washington  die 
Briten  zur  Räumung  von  Boston  (17.  März)  und  dieselben  wurden  auch 
bei  einem  Angriff,  den  sie  auf  Charleston  machten,  zurückgeschlagen 
(28.  Juni).  Nach  geschehener  ünabhängigkeitserklärung  nahmen  die  Feind- 
seligkeiten einen  grösseren  Charakter  an.  Die  Briten  landeten  mit  starker 
Macht  auf  Long  Island  und  schlugen  die  Amerikaner  bei  Brooklyn 
(27.  August),  wodurch  New  York  in  ihre  Gewalt  fiel.  Der  erhebliche 
Vortheil,  welchen  die  Gewinnung  dieses  wichtigen  Platzes  gab,  wurde  nur 
zum  Theil  wieder  aufgewogen  durch  die  Gefangennahme  einer  1000  Mann 
starken  Abtheilung  des  feindlichen  Heeres,  meist  aus  Deutschen  bestehend, 
bei  Trenton  (26.  December).  Im  darauffolgenden  Jahre  fiel  auch  Phila- 
delphia nach  dem  für  die  Amerikaner  ungünstigen  Gefecht  bei  Chads 
Ford  (11.  September  1777)  in  die  Hände  der  Briten  und  ein  Versuch 
Washington's  ihnen  die  damalige  Hauptstadt  der  Colonien  wieder  zu  ent- 
reissen  missglückte  in  dem  Gefecht  bei  Germantown  (4.  Oktober). 
Aber  ähnlich  wie  im  vorigen  Jahre  wurde  diese  Reihe  von  Unglücksfällen 
wieder  in  etwas  gutgemacht  durch  einige  Gefechte  am  oberen  Hudson 
und  Mohawk,  durch  welche  ein  britischer  Heerkörper  von  10000  Mann 
unter  Burgoyne,  der  von  Canada  her  eingedrungen  war,  zerstreut  und  der 
Rest  von  o500  bei  Saratoga  zur  Ergebung  gezwungen  wurde  (17.  Oktober). 


76  II.  Geschichtliclier  Ueberblick. 

Das  Jahr  1778  verzeichnet  den  grossen  diplomatischen  Erfolg  des  Bünd- 
nisses mit  Frankreich,  um  welches  die  Amerikaner  schon  seit  dem 
Verluste  New  Yorks  mit  Eifer  sich  beworben  hatten.  Der  Vertrag 
wurde  am  6.  Februar  zu  Versailles  unterzeichnet.  Frankreich 
erkannte  darin  die  Unabhängigkeit  der  Colonien  an  und  leistete  ihnen 
seine  Hülfe  ohne  anderes  Entgelt  als  das  Versprechen,  dass  sie  mit  allen 
Mitteln  und  dauernd  sich  in  Unabhängigkeit  von  Grossbritannien  erhalten 
würden.  1779  trat  Spanien  diesem  Bündnisse  bei.  Im  April  1778 
wurde  eine  französische  Flotte  den  Amerikanern  zu  Hülfe  gesandt,  die 
Briten  räumten  Philadelphia  und  auf  dem  Rückzug  wurden  ihnen  durch 
Washington  in  dem  Gefecht  von  Monmouth  (28.  Juni)  erhebliche  Ver- 
luste beigebracht.  Die  Einnahme  von  Savannah  entschädigte  sie  nicht 
für  den  Verlust  Philadelphias.  Das  Jahr  1779  sah  den  unglücklichen 
Versuch  der  vereinigten  amerikanischen  und  französischen  Flotten,  sich 
Savannahs  wieder  zu  bemächtigen.  Im  Jahre  1780  erfuhren  die  Amerikaner 
einen  neuen  erheblichen  Verlust,  indem  Charleston  mit  einer  Besatzung 
von  6000  Mann  sich  nach  längerer  Belagerung  an  die  Briten  ergeben  musste 
(12.  Mai).  Die  Niederlage  der  Amerikaner  bei  Camden  war  ein  weiteres 
Glied  in  einer  Kette  von  Unglücksfällen,  welche  viele  Freunde  der  ameri- 
kanischen Sache  entmuthigte.  Aber  wie  schon  in  früheren  Jahren  richtete 
auch  jetzt  ein  unerwarteter  und  grosser  Erfolg  die  Sache  der  Colonien 
im  Augenblick  des  tiefsten  Standes  wieder  auf.  Durch  die  Einschliessung 
des  englischen  Generals  Cornwallis  inYorktown  fiel  die  Hauptmacht  der 
Briten  in  die  Hände  der  Amerikaner  und  Franzosen  (19.  Oktober  1781) 
und  Grossbritannien  wurde  gezwungen  die  Feindseligkeiten  einzustellen. 
Die  nächstfolgenden  Jahre  bis  zum  Friedensschluss  (3.  September  1788) 
verflossen  ohne  bemerkenswerthe  kriegerische  Zwischenfälle.  Die  Colonien, 
welche  schon  1781  sich  zu  einem  Bund  zusammengeschlossen  hatten, 
wurden  in  demselben  endgültig  als  unabhängig  anerkannt,  nachdem  die 
sog.  Provisionalartikel  vom  November  1782  dieselbe  Anerkennung  bereits 
vorläufig  ausgesprochen  hatten.  Der  schon  früher  zwischen  Holland  und 
Grossbritannien  ausgebrochene  Krieg  (November  1780)  hatte  die  Geneigtheit 
der  letzteren  Macht  zum  Friedensschluss  vermehrt  und  andererseits  der 
amerikanischen  Sache  einen  neuen  Verbündeten  zugeführt. 

Dieser  siebenjährige  Krieg,  welcher  die  denkbar  eingreifendste  Aen- 
derung  in  der  äusseren  Stellung  der  13  Colonien  herbeiführte,  hatte 
natürlich  ihre  innere  Lage  nicht  unberührt  lassen  können.  Er  berührte 
zwar  in  seiner  ganzen  Dauer  jeweils  nur  einen  beschränkten  Theil  ihres 
Gebietes  und  in  allen  anderen  konnte  das  öffentliche  Leben,  politisches 
wie  wirthschaftliches,  wenig  gestört  seinen  Fortgang  nehmen.  So  wenig 
griff  er  in  die  Interessen  eines  grossen  Theiles  der  Bevölkerung  unmittel- 
bar ein,  dass  Viele  waren,  die  handelten,  als  ob  ein  Kriegszustand  gar 
nicht  vorhanden  sei.    Aber  die  mittelbaren  schädlichen  Folgen  des  Krieges 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  77 

konnten  natürlich  um  so  weniger  ausbleiben,  je  geringer  die  Thätigkeit 
war,  die  der  Congress  ihnen  gegenüber  entfaltete.  Schon  1779  wurde 
das  vom  Congress  ausgegebene  Papiergeld  nur  zu  Vioo  seines  Nennwerthes 
genommen  und  trotz  aller  schönen  Worte  war  am  Ende  des  Krieges  und 
noch  vor  Friedensschluss  der  Bankerott  da.  Die  Ausrüstung  und  Ver- 
pflegung der  Armee  war  eben  so  ungenügend,  als  ihre  Zahl  unter  derjenigen 
blieb,  die  der  Congress  verordnete.  Gewöhnlich  war  nur  Vs  der  Soll- 
stärke wirklich  vorhanden.  Selbst  Aufruhr  und  Verrath  blieben  am  Ende 
der  Armee  nicht  erspart.  Man  versteht  bei  solcher  Schwäche  die  Un- 
thätigkeit,  in  der  die  amerikanischen  Generale  sich  hielten,  und  die 
daraus  folgende,  im  Vergleich  zu  den  ins  Spiel  kommenden  Kräften  über- 
mässig lange  Dauer  des  Krieges.  Die  Hauptsache  war  indessen  auf 
amerikanischer  Seite  vorhanden:  energische  und  richtig  urtheilende  Männer, 
welche  die  oftmals  schwankende  Sache  ihres  Landes  endlich  zu  einem 
glücklichen  Ende  zu  führen  wussten  und  damit  den  kommenden  Ge- 
schlechtern das  unschätzbare  Geschenk  der  Erinnerung  an  eine  grosse, 
glücklich  bestandene  Prüfungszeit  hinterliessen. 

VI.  Die  Jahre  unmittelbar  nach  dem  Krieg,  1784 — 87  oder  88,  sind 
dafür  sicherlich  die  trübsten  und  unerfreulichsten  in  der  Geschichte  der 
V.  St.  Mit  den  unvermeidlichen  Nachwehen  des  Krieges  verband  sich 
die  politische  Unerfahrenheit  und  der  kleine  Sondergeist  Vieler,  die  beim 
Abgang  der  grossen  Vorkämpfer  sich  in  die  politische  Atena  gedrängt 
hatten.  Die  Masse  der  Bevölkerung  kannte  nur  ihren  jeweiligen  Staat, 
den,  in  dem  sie  wohnte,  und  der  schon  vor  der  Unabhängigkeit  die  ein- 
zige Form  gewesen  war,  in  deren  Rahmen  ihr  öffentliches  Leben,  soweit 
es  über  die  Gemeinde  hinausging,  sich  ausschliesslich  abspielte.  Die  ein- 
zige Aenderung,  die  nun  an  ihr  eingetreten  war,  war  die  wohlthätige  der 
Entfernung  der  englischen  Beamten  und  die  Abwerfung  gewisser  Abgaben. 
Im  Uebrigen  war  das  Meiste :  Grenzen,  Hauptstädte,  Gesetz,  Recht,  sogar 
viele  Organe  der  Regierung  und  Verwaltung  dieselben  geblieben.  Man 
schien  damit  zufrieden  sein  zu  können,  zumal  die  Wechselfälle  des  sieben- 
jährigen Unabhängigkeitskrieges  ermüdet  hatten.  Es  ist  auch  zu  erwägen, 
dass  das  Volk  der  V.  St.  zu  dieser  Zeit  ein  armes  und  weitzerstreutes 
war,  dem  es  an  der  Menge  der  Berührungspunkte  fehlte,  die  erforderlich 
waren,  um  es  rascher  in  ein  Ganzes  zu  verschmelzen.  Die  Bundes- 
regierung, welche  man  sich  gegeben,  war  fern  und  neu,  man  betrachtete 
sie  als  ein  unentbehrliches  Werkzeug,  solange  es  galt  den  gemeinsamen 
Krieg  gegen  England  zu  führen;  aber  es  würde  mehr  politischen  Fern- 
blick erfordert  haben,  als  damals  in  der  Masse  der  Politiker  zu  finden 
war,  um  die  Nothwendigkeit  ihres  nicht  bloss  gesicherten,  sondern  auch 
starken  und  wirkungsfähigen  Bestandes  in  friedlichen  Zeiten  einzusehen. 
„Mit  der  Bundesregierung  war  in  dem  Bewusstsein  des  Volkes  sozusagen 
gar  kein  unmittelbarer  Begriff  verbunden.    Die  Bundesregierung  war  ein 


78  IL  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Mittel,  dessen  sich  die  Staaten  zu  einem  ganz  bestimmten  Zwecke  be- 
dienten ;  aber  sie  war  nicht,  wie  die  Staatsregierungen,  die  Verkörperung 
eines  moralischen  Begriffs,  der  in  dem  Bewusstsein  des  Volkes  selbständiges 
Leben  hatte  ^)."  In  Folge  dessen  war  die  einzige  lebensfähige  Grundlage 
der  Union,  das  Interesse  der  einzelnen  Glieder  an  ihrem  Bestände,  nur 
in  ganz  geringem  Masse  vorhanden  und  erst  jahrelangen  Kämpfen  mit 
Wort  und  Schrift  gelang  es ,  dieses  Interesse  zu  der  Kraft  zu  bringen, 
welche  ihm  nothwendig  innewohnen  musste,  wenn  der  Zusammenhang  des 
Bundes  nicht  in  gefährlicher  Weise  gelockert  werden  sollte.  Die  gefähr- 
lichsten Feinde  aber  in  diesem  Kampfe  w^aren  ausser  dem  kurzsichtigen 
Genügen  in  der  bestehenden  Form  des  Sonderstaates  die  alten  Rivalitäten 
der  Staaten  unter  einander  und  die  Herrschaft  der  republikanischen  Phrase, 
die  gegen  die  gefährliche  Stärke  der  Centralregierung  und  gegen  die  zu 
fürchtende  Tyrannei  der  am  Ruder  befindlichen  donnerte.  Eine  in  der 
Heerde  vielfach  wirklich  vorhandene,  bei  den  Führern  aber  wohl  meist 
fingirte  Furcht  vor  einer  monarchischen  Reaktion  war  zumal  während  der 
ersten  Jahre  der  französischen  Revolution  in  den  V.  St.  weit  verbreitet, 
und  während  die  Frankomanie  die  Republikaner  auf  die  Seite  Frankreichs 
selbst  in  europäischen  Conflikten  zu  ziehen  strebte,  hatten  die  Föderalisten 
Mühe  den  Ausbrüchen  eines  blinden  Britenhasses,  der  das  Land  in  ge- 
fährliche Zwistigkeiten  mit  der  ihm  gefährlichsten  Macht  zu  bringen 
drohte,  die  Spitze  abzubrechen.  Bemerkenswerth  ist,  wie  scharf  schon  in 
diesen  langwierigen  Streitigkeiten  zwischen  den  Vertheidigern  der  Staaten- 
und  denen  der  Bundessouveränität  der  Gegensatz  zwischen  Nord  und 
Süd  hervortrat,  welcher  in  wechselnden  Formen  und  mit  zu-  oder  ab- 
nehmender Kraft  die  fernere  Geschichte  der  Union  bestimmen  sollte. 
Die  Bundesfreunde  gehörten  eben  so  vorwiegend  dem  Norden  wie  die 
Staatenrechtvertheidiger  dem  Süden  an.  Man  sprach  als  von  einer  fest- 
gestellten Sache  von  der  Sonderung  des  Landes  in  zwei  geographisch 
wohl  abgrenzbare  Parteigebiete,  in  denen  die  einzige  Ausnahme  von  dieser 
scharfen  geographischen  Sonderung  durch  die  unteren  Classen  der  rasch 
anwachsenden  Städte  des  Nordens  gebildet  wurde,  die  schon  jetzt,  aus 
freilich  ganz  anderen  Gründen,  ein  und  dasselbe  Ziel  mit  den  Südstaat- 
lichen verfolgte,  nämlich  die  Schwächung  des  Bundes  zu  Gunsten  einer 
Staatensouveränität.  Jene  dachten  dieselbe  für  ihre  Interessen,  in  erster 
Linie  für  die  Sklaverei,  diese  für  die  Verwirklichung  ihres  Phrasenidoles 
der  unbeschränkten  Demokratie  auszunützen.  Schon  jetzt  erkannten  Klar- 
blickende auch  die  Unvereinbarkeit  des  Bundesverhältnisses  mit  der 
Sklaverei,  die  noch  in  einem  grossen  Theile  der  Staaten  herrschte  und 
besonders  die  Südstaaten  zu  einer  Interessenpolitik  drängte,  welche  sich 
immer  schärfer   zuspitzen  musste,    und  für  welche  im  Kreise   der  Union 


1)  Von  Holst,  Verfassung  und  Demokratie  der  V.  St.  1873  I.  24. 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick,  79 

nicht  immer  Raum  bleiben  konnte.  Erst  1788  gelang  es  durch  die  Be- 
völkerung von  11  Staaten  die  Verfassung  annehmen  zu  lassen,  die  1787 
durch  einen  Delegirten-Congress  in  Philadelphia  entworfen  worden  war,  und 
damit  endlich  ein  anerkanntes  und  zur  Dauer  bestimmtes  Band  um  „Die 
Vereinigten  Staaten  von  Amerika"  zu  schlingen. 

Der  erste  Präsident  war  George  Washington.  Washington's  beide 
Administrationen  (1789  —  97)  bezeichnen  die  Periode  der  Ruhe  nach 
dem  Sturm  der  äusseren  und  der  inneren  Kämpfe,  der  Einwurzelung  der 
Verfassung,  welche  bald  von  ihren  früheren  Feinden  mit  womöglich  noch 
grösseren  Eifer  hochgehalten  wurde  als  von  ihren  Begründern,  aber  auch 
der  neuen  Parteibildung,  welche  in  gemässigterer  Fortsetzung  der  früheren 
Parteikümpfe  auf  dem  Boden  der  neuen  Verfassung  sich  vollzogen. 
Washington's  Bestreben  den  Parteigeist  zu  ersticken  und  alle  Kräfte  zu 
einträchtigem  Zusammenwirken  zu  vermögen  stellte  sich  aber  schon  in 
der  Zeit  seiner  Präsidentschaft  als  völlig  undurchführbar  dar.  Die  Führer 
der  beiden  grossen  Parteien,  Th.  Jefferson  von  der  republikanischen 
(später  demokratischen),  A.  Hamilton  von  der  föderalistischen,  welche 
er  in  seinem  Cabinet  mit  wichtigen  Posten  bedacht  hatte,  waren  so  wenig 
zu  harmonischer  Zusammenwirkung  im  alleinigen  Interesse  der  Republik 
zu  bewegen,  dass  Jefferson  schon  mit  Anfang  1794  aus  dem  Cabinet 
heraus  an  die  Spitze  der  sog.  republikanischen  d.  h.  antiföderalistischen 
Partei  trat,  die  nun  als  Opposition  sogar  dem  äusserlich  noch  allverehrten 
Washington  mit  Schärfe  begegnete.  Ein  Vertrag  mit  England,  der,  am 
19.  November  1794  abgeschlossen,  bestimmt  war,  die  letzten  Differenz- 
punkte zu  regeln,  welche  noch  zwischen  den  alten  Feinden  bestanden, 
gab  den  Hauptanlass  zum  Ausbruch  der  Feindseligkeiten  zwischen  den 
beiden  Parteien,  doch  vermochten  die  Republikaner,  die  eben  so  ent- 
schieden mit  Frankreich  sympathisirten  wie  die  Föderalisten  einem  Bruche 
mit  England  abhold  waren,  denselben  nicht  zu  Fall  zu  bringen.  Am  17. 
September  1796  erliess  Washington  seine  berühmte  Abschiedsadresse,  in 
der  er  auf  die  Wiederwahl  verzichtete,  und  bei  der  darauffolgenden  Wahl 
(1797)  wurde  John  Adams,  ein  Haupt  der  extremen  Föderalisten,  mit 
knapper  Mehrheit  zum  Präsidenten,  Jefferson  zum  Vicepräsidenten  ge- 
wählt, so  dass  nun  beide  Parteien  an  der  Spitze  der  Regierung  vertreten 
waren.  Die  Jahre  1798  und  99  brachten  in  dem  Widerstand  einiger  Staaten 
gegen  die  sog.  Fremden-  und  Aufruhrgesetze,  welche  den  Wühlereien 
Fremder,  besonders  Franzosen,  in  den  V.  St.  entgegentreten  wollten,  eine 
neue  Verschärfung  des  Parteiconfliktes  in  Form  der  sog.  Kentucky- 
und  Virginia-Beschlüsse,  welche  das  Recht  der  Staaten  auf 
Nullifikation  von  Beschlü  ssen  der  Bundesregierung  prokla- 
mirten,  die  ihnen  nicht  genehm  waren.  In  Virginia  wurden  bereits  Mass- 
regeln getroffen,  um  unter  Umständen  mit  Gewalt  dieses  Recht  der  Nulli- 
fikation durchzusetzen,    dem  nun  zwar  zunächst  keine  weitere  Folge  ge- 


80  n.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

geben  wurde,  das  aber  von  dieser  Zeit  an  in  dem  Staatrecht  der  Südstaaten 
festgegründet  stand.  1801  wurde  Jefferson  zum  Präsidenten  gewählt, 
aber  erst  nach  hartem  Kampf  mit  A.  Burr,  der,  von  derselben  Partei 
zum  Vicepräsidenten  bestimmt ,  die  gleiche  Anzahl  Stimmen  erlangt  hatte 
wie  er.  Von  da  an  herrschte  die  antiföderalistische  oder  republikanische 
Partei  unumschränkt  für  20  Jahre  und  ihre  Herrschaft  war  eine  grössere 
Gewähr  für  die  Sicherheit  und  Ruhe  des  Bundes  als  es  ihre  Opposition 
gewesen  wäre.  Am  Steuer  stehend  lernte  sie  dieselben  Institutionen  auf- 
recht erhalten,  welche  sie  in  der  Opposition  immer  mehr  untergraben 
haben  würde.  Ihre  bedeutendste,  folgenreichste  That  in  dieser  Zeit  war 
die  Erwerbung  Louisianas,  das  1800  von  Spanien  an  Frankreich 
abgetreten  worden  war  und  durch  den  Pariser  Vertrag  vom  30.  April  1803 
um  15  Mill.  Dollars  gekauft  wurde.  Es  bezeichnet  einen  bemerkens- 
werthen  Fortschritt  in  der  politischen  Einsicht,  dass  Hamilton,  ungeachtet 
die  föderalistische  Partei  entschieden  gegen  diesen  Ankauf  war,  denselben 
mit  seinem  Antipoden  Jefferson  für  eine  Massregel  von  grösster  Bedeutung, 
ja  von  Nothwendigkeit  für  die  V.  St.  erklärte  und  demgemäss  mit  Eifer 
verfocht.  Man  muss  in  Betracht  ziehen,  dass  es  sich  dabei  um  das  ganze 
Mississippi-Thal  von  der  Mündung  bis  zu  den  Quellen  und  um  das  Gebiet 
des  Missouri  und  Arkansas  bis  zu  ihren  Quellen  im  Felsengebirge  handelte. 
Es  war  aber  den  Nordamerikanern  jener  Zeit  nicht  so  klar,  wie  es  heute 
der  ganzen  Welt  ist,  dass  der  Mississippi  nicht  die  Grenze,  sondern  die 
natürliche  Mittellinie  und  Lebensader  eines  grossen  nordamerikanischen 
Staates  sein  muss  ^).  Man  fürchtete  vorzüglich  die  Vermehrung  des  Ein- 
flusses des  Südens  und  theilweise  auch  des  Westens,  welch  letzterer 
übrigens  noch  ganz  im  staatlichen,  gesellschaftlichen  und  wirthschaftlichen 
Werdeprocess  sich  befand.  An  die  Gefahr,  welche  von  der  Sklaverei 
drohte ,  dachte  man  zu  dieser  Zeit  weit  weniger.  Diese  Befürchtungen 
führten  sogar  die  Föderalisten  auf  denselben  Standpunkt  der  Souveränität 
der  Einzelstaaten,  den  sie  noch  kürzlich,  als  die  Republikaner  ihn  ein- 
nahmen, mit  Leidenschaft  bekämpft  hatten,  und  es  wurde  sogar  von  neu- 
engländischer  Seite  der  Anspruch  erhoben,  dass  zur  Erwerbung  neuen 
Gebietes  oder  Zulassung  neuer  Staaten  die  Zustimmung  jedes  einzelnen 
Staates  der  Union  nothwendig  sei.  Auch  tauchten  bei  dieser  Gelegenheit 
im  Norden  dieselben  Drohungen  auf  von  Trennung  und  engerem  Zu- 
sammenschliessen  unter  sich  wie  früher  im  Süden.  Das  Embargo,  das 
1807  auf  die  Ausfuhr  gelegt  wurde,   um  als  Repressalie  zu  dienen  gegen 


1)  „Selbst  Washington  dachte  1784  noch  nicht  daran,  dass  der  Besitz  des 
Mississippi  der  Repubhk  nützen  könne,  sondern  hegte  im  Gegentheil  die  Be- 
fürchtung, dass  derselbe  das  Westgebiet  von  den  atlantischen  Staaten  trennen 
möchte.  Seine  Gedanken  erweiterten  sich  langsam  von  der  atlantischen  Küste  bis 
zu  einer  continentalen  Repubhk."     Draper,    Hist.  of  the  Am.  Civil  War  I.  201. 


II.  Geschichtlicher  TJeberblick.  81 

die  den  neutralen  Handel  schädigenden  Massregeln  der  kriegführenden 
Mächte  England  und  Frankreich,  diente  dazu,  denselben  Gegensatz  zu 
schärfen.  Es  waren  vorzüglich  die  Südstaatlichen,  welche  diese  Mass- 
regel befürwortet  hatten,  und  es  stand  ausser  Zweifel,  dass  sie  weniger 
unter  derselben  litten  als  die  Nordstaaten,  deren  Handel  unter  ihren 
Wirkungen  darniederlag.  Mochte  auch  die  Masse  der  Bevölkerung,  wie 
man  wahrscheinlich  mit  grossem  Rechte  geltend  macht,  keine  Gefühle 
hegen,  welche  die  scharfen  Worte  von  Trennung,  Bürgerkrieg  u.  dgl. 
rechtfertigten,  und  solche  Worte  fielen  auch  bei  dieser  Gelegenheit  wieder 
dicht  genug,  so  bleibt  doch  die  eine  Thatsache  in  hohem  Grade  be- 
merkenswerth,  dass  die  Parteien,  deren  Wortführer  so  bereit  schienen 
zum  Aeussersten  zu  gehen,  Jahrzehnte  hindurch  im  Ganzen  und  Grossen 
auch  territorial  so  scharf  geschieden  waren.  Die  Gefahr,  welche  man 
unschwer  in  einer  so  lange  und  über  so  viele  Wechsel  der  politischen 
Verhältnisse  weg  andauernden  Sonderung  erkennt,  dass  sie  nämlich  allen 
möglichen  kommenden  Conflikten  Anlass  gibt,  sich  ebenfalls  an  dieser 
selben  Linie  zu  schneiden,  die  nun  einmal  schärfer  als  alle  anderen  mar- 
kirt  ist,  hat  sich  späterhin  in  der  Geschichte  der  V.  St.  erfüllt. 

Da  die  Repressalie  des  Embargo  nichts  genützt,  sondern  nur  das 
Wirthschaftsleben  der  V.  St.  geschädigt  hatte,  wurde  dasselbe  aufgehoben 
und  dafür  nun  zum  Kriege  gerüstet  und  zwar,  wie  nicht  zweifelhaft  war, 
zum  Kriege  mit  England.  Die  alten  Parteien  standen  sich  jetzt,  als 
Freunde  Englands  die  eine,  als  Freunde  Frankreichs  die  andere,  gegen- 
über und  der  Krieg  trug  im  Anfang  so  sehr  den  Charakter  eines  Partei- 
krieges, dass  drei  von  den  Neuengland-Staaten  die  Aushebung  von  Miliz 
für  denselben  zu  versagen  versuchten  und  dass  im  Allgemeinen  der  Norden 
und  Osten  während  des  ganzen  Verlaufes  dieses  Kampfes  gegen  denselben 
sprachen.  Allerdings  war  der  Verlauf  des  letzteren  nicht  geeignet,  die 
Nation  zu  begeistern.  Die  Indianer,  denen  erst  im  vorhergehenden  Jahre 
durch  General  Harrison  bei  Tippecanoe  eine  Niederlage  beigebracht 
y/orden  war,  welche  den  Rest  von  Kraft,  der  in  ihnen  geblieben,  bis  auf 
sehr  wenig  herabgebracht  hatte  (die  Meinung,  dass  englische  Emissäre 
dieselben  zu  ihren  Feindseligkeiten  gegen  die  V.  St.  aufgereizt  hätten, 
gehörte  zu  den  Gründen,  die  für  den  Krieg  von  1812  in  der  Masse  des 
Volkes  geltend  gemacht  wurden),  fochten  auf  der  Seite  der  Engländer  und 
fügten  auf  der  weiten  n.  und  w.  Grenzlinie  den  zerstreuten  Ansiedelungen 
von  Anfang  an  grossen  Schaden  zu.  Im  August  1812  ging  ganz  Michigan, 
damals  noch  Territorium,  durch  die  Waffenstreckung  des  Generals  HuU 
verloren.  Während  glänzende  Thaten  zu  Wasser  verrichtet  wurden  (See- 
sieg auf  dem  Eriesee  unter  Commodore  Perry  am  10.  September  1813) 
und  in  demselben  Jahre  die  Battle  of  the  Thames  geschlagen  wurde, 
in  welcher  der  letzte  bedeutende  Indianerführer,    Tecumseh,    fiel,    wurde 

ß  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  g 


82  II-  Geschichtlicher  tJeberblick, 

die  Bundeshauptstadt  Washington  am  24.  August  1814  von  den  Eng- 
ländern eingenommen  und  zum  Theil  verbrannt.  Noch  ehe  die  Nachricht 
von  dem  im  December  1814  zu  Gent  geschlossenen  F^rieden, 
der  übrigens  die  wichtigsten  Streitpunkte  auf  dem  alten  Stande  Hess, 
die  V.  St.  erreichte,  hatte  General  Jackson,  der  spätere  Präsident, 
die  Engländer,  die  sich  New  Orleans'  bemächtigen  wollten,  in  der 
Nähe  dieser  Stadt  entscheidend  geschlagen  (8.  Jan.  1815).  Es  gehört 
dieser  Sieg  zu  den   am  meisten  glorificirten  in  der  Geschichte  der  V.  St. 

1812  hatten  sich  die  Staaten  um  Louisiana,  1816  um  Indiana  ver- 
mehrt. Der  einzige  nennenswerthe  äussere  Handel,  den  die  V.  St.  in 
den  Jahrzehnten  nach  diesem  sehr  ersehnten  Frieden  hatten,  war  der 
Streit  mit  Spanien  über  Florida,  welcher  dadurch  entstand,  dass 
General  Jackson  auf  seinem  Feldzuge  gegen  die  in  Florida  wohnenden 
Seminolen  die  spanischen  Plätze  S.  Marks  und  Pensacola  besetzte ,  weil 
er  vernommen  hatte,  dass  von  spanischen  Unterthanen  in  Florida  jene 
Indianer  zu  ihren  Raubzügen  aufgestachelt  worden  seien.  Nach  längeren 
Verhandlungen  trat  indessen  1821  Spanien  seine  Besitzung  Florida  an 
die  V.  St.  ab. 

VII.  1817  wurde  James  Monroe  von  Virginien  zum  Präsidenten 
gewählt.  Derselbe  blieb  zwei  Termine  im  Amte.  Seine  Administration 
ist  denkwürdiger  durch  das  Wiederaufleben  der  Sklaven  frage, 
welche  von  da  an  wie  eine  immer  dunkler  und  schwerer  werdende  Wolke 
über  den  V.  St.  schwebte,  als  durch  die  eben  erwähnte  Gebietsvergrösse- 
rung,  die  übrigens  durch  den  Zuwachs  neuer  Staaten  in  dieser  Zeit 
(Mississippi  1817,  Illinois  1818,  Alabama  1819,  Maine  1820,  Missouri  1821) 
sowohl  nach  Wichtigkeit  als  Ausdehnung  weitaus  aufgewogen  ward.  Der 
Congress  hatte  durch  die  sog.  Ordinanz  von  1787  verfügt,  dass  in  dem 
nw.  vom  Ohio  gelegenen  Gebiete  Sklaverei  für  immer  verboten  sein  solle, 
und  dieses  Verbot  strebten  die  sklavereifeindlichen  Nordstaaten  auch  auf 
andere  Territorien  auszudehnen.  Aber  bei  der  Neuorganisation  aller 
S.Territorien  wurde  gerade  dieser  Artikel  derselben  ausser  Kraft  gesetzt 
und  so  kamen  Mississippi,  Tennessee,  Alabama,  später  Louisiana  und 
Arkansas  als  Sklavenstaaten  in  die  Union.  Auch  ein  früher  nicht  an- 
gefochtener Grundsatz,  dass  dem  Congress  die  Befugniss  zustehe,  in  allen 
Territorien  die  Sklaverei  zu  verbieten,  wurde  nicht  weiter  anerkannt.  Bei 
dem  raschen  Wachsthum  der  V.  St.  hing  nun  offenbar  die  Frage :  ob  die 
sklavenhaltenden  oder  die  freien  Staaten  endgültig  die  Mehrheit  haben 
sollten  in  dem  grossen  Lande,  das  hier  in  der  Entwickclung  begriffen 
war?  davon  ab,  dass  an  jener  Ordinanz  in  möglichst  vielen  Fällen  der 
Zulassung  neuer  Staaten  festgehalten  werde.  Schon  in  dem  Falle  Indiana's 
schwebte  die  Frage,  ob  Sklaven-  oder  freier  Staat,  Jahre  hindurch  und 
der  Kampf  entbrannte  1819  bei  der  Frage  über  die  Aufnahme  von  Mis- 
souri unter  die  Staaten  heftiger  als  je  vorher.     Das  Repräsentantenhaus 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  83 

war  für  die  Aufnahme  unter  der  Bedingung  des  Aufgebens  der  Sklaverei 
seitens  des  neuen  Staates,  der  Senat  wollte  die  Aufnahme  ohne  diese 
Klausel  bewilligen.  1820  drang  endlich  die  letztere  Ansicht  durch  und 
es  gab  nun  einen  Sklavenstaat  mehr  in  der  Union.  Zugleich  wurde  der 
südliche  Theil  von  Missouri  als  Territorium  Arkansas  constituirt  und  auch 
für  dieses  die  Sklaverei  gebilligt.  In  dem-selben  Gesetze  wurde  aber  auch 
festgestellt  (gegen  nur  5  verneinende  nordstaatliche  Stimmen),  dass  „in 
dem  ganzen  unter  dem  Namen  Louisiana  von  Frankreich  an  die  V.  St. 
abgetretenen  Gebiete,  soweit  es  n.  von  36 "  30'  n.  Br.  liegt  und  nicht  in 
den  Grenzen  des  in  Rede  stehenden  Staates  *)  eingeschlossen  ist,  Sklaverei 
und  unfreiwillige  Knechtschaft  für  immer  verboten  sein  soll".  Dieses  ist 
das  sog.  Missouri- Com promiss,  das  zum  ersten  Mal  der  geo- 
graphischen Scheidung  der  feindlichenGrundsätze:  Skla- 
verei und  freie  Arbeit  die  Weihe  des  Gesetzes  verlieh.  Von 
jetzt  an  hiess  es  allen  grossen  Fragen  gegenüber  in  erster  Linie  immer: 
Hie  Nord,  hie  Süd.  Es  war  dies  die  Zeit,  in  der  auch  der  Gegen- 
satz des  Wirthschaftslebens  und  der  Bevölkerungszahl  zwischen 
den  beiden  Hälften  schärfer  hervorzutreten  begann.  Die  Sklaverei  hielt 
den  Süden  bei  einem  extensiven  Ackerbau  fest,  welcher  an  Fähigkeit, 
die  Bevölkerung  zu  bereichern ,  weit  zurückstand  hinter  dem  intensiven 
Ackerbau  des  Nordens;  ebenso  liess  sie  viel  weniger  als  dieser  eine 
rasche  Vermehrung  der  Bevölkerung  und  ein  damit  in  enger  Verbindung 
stehendes  Wachsthum  der  Gewerbe  und  des  Handels  zu.  Ihr  Lebens- 
element war  nicht  Vertiefung  der  Arbeit,  sondern  Ausbreitung.  Um  immer 
grössere  Plantagen  zu  gewinnen,  mussten  immer  neue  Territorien  dem 
Unionsgebiet  zugefügt  werden :  eine  natürliche  Folge  davon,  dass  bei  dem 
Grossbetrieb  der  Landwirthschaft  vermittelst  der  scheinbar  so  billigen 
Sklavenarbeit  der  Boden  oberflächlich  verbraucht,  ausgesogen  wurde.  Der 
Landpreis  war  daher  im  S.  durchschnittlich  ein  viel  geringerer  als  im  N., 
z.  B.  nach  dem  Census  von  1850  in  Virginia  8,  in  Pennsylvania  25  D. 
Die  Grossindustrie  war  im  S.  so  weit  zurückgeblieben,  dass  1820  der  Werth, 
den  die  Baumwollindustrie  in  den  Nordstaaten  darstellte,  5 mal  so  gross 
war  als  der  in  den  Südstaaten.  Dieses  Verhältniss  hat  sich,  beiläufig 
gesagt,  bis  zum  Aufhören  der  Sklaverei  fast  genau  in  derselben  Weise 
erhalten.  Indessen  verdeckten  die  grossen  und  immer  wachsenden  Er- 
träge des  schon  über  ein  sehr  weites  Gebiet  ausgebreiteten  Baumwollen- 
baues zu  dieser  Zeit  noch  das  nothwendige  wirthschaftliche  Uebergewicht, 
welches  der  N.  mit  seiner  freien  Arbeit  erlangte.  Es  wurde  im  Gegen- 
theil  noch  im  Anfang  der  20  er  Jahre,  da  der  N.  in  manchen  Beziehungen 
sich  noch  nicht  erholt  hatte  von  den  Wunden,  die  der  Krieg  von  1812 — 14 
geschlagen,    von  Vielen  an  ein  dauerndes  Uebergewicht  des  S.  geglaubt. 


1)  d.  h.  Missouri's. 


84  II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Doch  genügten  die  Zahlen  der  Bevölkerungszunahme,  um  zu  ermessen, 
wie  kurzsichtig  eine  solche  Annahme  sei.  Der  N.  hatte  1790  nur  7000 
Seelen  mehr  als  der  S.,  aber  1820  betfug  sein  Ueberschuss  über  60Ö000, 
und  da  dies  durchaus  freie,  vertretungsfähige  Bevölkerung  war,  sah  er 
sich  im  Repräsentantenhause  1820  von  133  vertreten,  während  der  S. 
nur  90  Vertreter  besass.  1790  war  das  Verhältniss  57  und  53,  noch 
früher  35  und  30  gewesen.  Sah  man  die  Zunahme  der  Seelenanzahl 
junger  Staaten  des  N.,  wie  z.  B.  Ohio's,  an  und  verglich  sie  mit  der 
nach  Lage  und  Grösse  entsprechender  Südstaaten,  so  war  der  Unterschied 
augenfällig.  So  war  der  führende  Sklavenstaat  Virginia  bereits  1820 
von  der  ersten  Stelle  in  den  Censuslisten  durch  New  York  verdrängt, 
dessen  Bevölkerung  von  1790—1820  von  340120  auf  1372111  gestiegen 
war,  während  Virginien,  das  1790  schon  747  610  Seelen  gezählt  hatte, 
1820  1065116  besass,  wovon  zudem  Vs  Farbige  waren.  Ohio  figurirte 
1790  noch  gar  nicht  unter  den  Gliedern  der  Union  und  hatte  aber  1820 
schon  581  295,  während  Kentucky  1790  73  677  und  1820  564 135  E.  zählte. 
Kein  Vernünftiger  konnte  zweifeln,  dass  dieser  grosse  Unterschied  in  der 
Bevölkerungszunahme  einen  tieferen  Grund  habe  in  den  Institutionen  und 
dass  in  dieser  Richtung  der  N.  den  S.  nur  immer  mehr  überflügeln  werde. 
Aber  um  so  mehr  warf  sich  der  S.  darum  auf  dasjenige  Organ  der  Re- 
gierung, welches  von  diesem  für  ihn  so  ungünstigen  Faktor  unabhängig 
war,  nämlich  auf  den  Senat.  Die.  Zahl  der  Senatoren  bestimmte  sich 
einfach  nur  nach  der  Zahl  der  Staaten,  denn  jeder  Staat  entsandte  deren  2, 
und  es  handelte  sich  nun  darum,  so  viel  Staaten  wie  möglich  in  das 
Sklaverei-Interesse  hineinzuziehen,  einerlei  wie  auch  im  Uebrigen  die  Be- 
völkerungsverhältnisse im  N.  oder  S.  sich  gestalten  mochten.  In  zweiter 
Linie  strebte  der  S.  darnach,  auch  die  Executive  mit  Leuten  seiner 
Meinung  zu  besetzen,  und  auch  dies  ist  ihm  bis  zum  Vorabend  der 
Secession  in  solchem  Masse  gelungen,  dass  von  Jeiferson's  Termin  an  bis 
zu  Buchanan's  Abgang  nicht  ein  einziger  den  Bestrebungen  des  S.  ent- 
schieden feindlicher  Mann  die  Würde  von  Präsidenten  bekleidete. 

Von  1820  an  ist  kein  Staat  in  die  Union  aufgenommen  worden,  an 
dessen  Eintritt  dieses  Bestreben  nach  Erlangung  einer  künstlichen  Mehr- 
heit für  die  Sklavenstaaten  an  Stelle  der  immer  entschiedener  für  sie 
verloren  gehenden  wirklichen  Volksmehrheit  sich  nicht  geheftet  hätte. 
Die  politischen  Schachzüge,  die  dabei  gemacht  wurden  und  die  einige  Male 
die  Bevölkerung  der  V.  St.  in  starke  Wallungen  versetzten,  bilden  einen 
erheblichen  Theil  der  Geschichte  der  V.  St.  von  diesem  Zeitpunkte  ab. 
Hier  sind  natürlich  nur  die  hervortretendsten  zu  markiren.  Es  ist  be- 
greiflich, dass  eine  so  tief  in  die  Rechte  von  Millionen  Menschen  ein- 
schneidende Einrichtung  eine  unabsehbare  Menge  von  Conflikten  erzeugen 
musste,  sobald  an  ihr  gerüttelt  wurde,  oder  aber,  sobald  sie  bewegt 
wurde  zu  dem  Behufe  sie  fester  einzupflanzen.    Sie  war  wie  ein  ungemein 


11.  Geschichtlicher  Ueberblick.  85 

breitwurzelnder  Baum,  der  droht,  einen  ganzen  Berghang  zu  Thal  gleiten 
zu  lassen,  sobald  man  seine  Wurzeln  antastet.  So  gab  selbst  die  Missouri- 
Frage,  die  so  glatt  gelöst  schien,  noch  zu  bewegten  Discussionen  Anlass, 
als  die  Nebenfrage  aufgeworfen  wurde,  ob  man  freien  Farbigen  das  Recht 
verleihen  dürfe,  sich  im  Staate  niederzulassen.  Nach  heftigen  Debatten 
umging  man  die  Grundfrage  auch  hier  durch  ein  Compromiss.  Dieser 
Abschluss  heftiger  Streitigkeiten  durch  ein  Compromiss 
ist,  beiläufig  gesagt,  ein  immer  wiederkehrender  Zug  in  den 
Kämpfen  um  die  Sklaverei;  er  prägt  klar  die  Hülflosigkeit  aus,  in 
welcher  die  Politiker  des  Nordens  sich  gegenüber  einer  Frage  wie  dieser 
befanden,  welche  viele  von  ihnen  weder  mit  ihrem  politischen  Verstände 
noch  mit  ihrem  einfach  menschlichen  Gewissen  bisher  vollständig  bewäl- 
tigt hatten,  von  der  man  aber  zunächst  so  viel  wenigstens  verstand,  dass 
sie  nicht  gelöst  werden  könne  ohne  eine  Zerreissung  der  Union  herbei- 
zuführen. Das  letztere  Gefühl  überwog  jene  noch  unklaren  Bedenken, 
weil  es  zweifellos  richtig  war.  Die  Folge  war  aber  ganz  natürlich  eben 
jene  hinhaltende,  zaudernde  Compromisspolitik.  Auf  diesem  Standpunkte 
war  es  vollständig  unmöglich,  eine  Politik  zu  verfolgen,  welche  weitsichtig 
die  in  der  weiteren  Entwicklung  dieser  Institution  gelegenen  Gefahren 
beschwor;  es  wäre  aber,  den  späteren  Ereignissen  zufolge,  dieses  die 
einzig  richtige  ohne  jeden  Zweifel  gewesen. 

VIII.  In  einer  Anzahl  von  wirthsch aft liehen  Fragen,  deren 
Lösung  tief  eingriff  einerseits  in  die  Entwicklung  der  Hülfsquellen  des 
Landes,  andererseits  aber  auch  in  die  Verschärfung  der  Interessengegen- 
sätze der  einzelnen  Landestheile,  machten  zu  dieser  Zeit  dieselben  geogra- 
phischen Scheidungen  von  N.  und  0.  gegen  S.  und  W.  sich  geltend  und 
eine  von  ihnen,  die  Tariffrage,  hat  neben  der  Sklavenfrage  wahrscheinlich 
am  meisten  dazu  beigetragen,  dieselben  nicht  zur  Ruhe  kommen  zu  lassen. 
Die  Nationalbank  gab  einen  der  ersten  Anlässe  zu  der  Verschärfung 
politischer  Gegensätze  durch  wirthschaftliche  Probleme.  1791  war  mit 
Hülfe  Hamilton's  eine  Nationalbank  ins  Leben  gerufen  worden,  deren 
Freibrief  20  Jahre  währte.  Von  republikanischer  Seite  war  dieses  Institut 
als  ein  Monopol  der  „Geldnristokraten  und  Spekulanten"  aufs  heftigste 
angefeindet  und  es  würde  1811  aufgehoben,  um  unter  dem  Drange  einer 
grossen  Finanznoth  5  Jahre  später  wieder  ins  Leben  gerufen  zu  werden. 

Eine  zweite  Frage  betraf  die  Internal  Improvements,  d.  h.  die 
Bauten  zu  Zwecken  des  Verkehrs  an  Canälen,  Wegen,  Flüssen  und  Küsten, 
Häfen  u.  dgl.  Man  warf  die  Frage  auf,  ob  und  wie  weit  die  Bundes- 
regierung befugt  sei,  Bauten  dieser  Art  vornehmen  zu  lassen  oder  zu 
unterstützen.  Die  praktische  Nothwendigkeit  der  Anlage  und  Verbesserung 
von  Verkehrswegen  konnte  natürlich  nicht  bestritten  werden  in  einem  so 
weit  ausgedehnten  Lande,  dessen  Culturmöglichkeiten  und  dessen  politische 
Macht  nur   entfaltet  werden   konnten   nach    Ueberwindung    der    grossen 


86  IL  Geschichtlicher  Ueberhlick. 

Räume,  welche  die  Bewohner  von  einander  trennten.  Aber  es  wurde  jene 
Frage  nicht  von  Allen,  die  diese  Nothwendigkeit  anerkannten,  in  unbedingt 
bejahendem  Sinne  beantwortet.  Die  Furcht  vor  der  Stärkung  der  Central- 
gewalt  und  die  entsprechende  Eifersucht,  mit  der  die  einzelnen  Staaten 
auf  ihre  souveränen  Rechte  achteten,  führte  dazu,  dem  Congress  theoretisch 
das  Recht  zur  Durchführung  solcher  Arbeiten  in  demselben  Augenblicke 
abzusprechen,  in  welchem  man  ihn  praktisch  veranlasste,  bedeutende 
Summen  für  dieselben  zu  bewilligen.  Im  S.,  wo  der  unvollkommene  Stand 
des  ganzen Wirthschaftslebens  derartige  Hülfsmittel  entbehrlicher  erscheinen 
Hess,  entwickelte  sich  auf  Grund  der  alten  Staatsrechtsbegriffe  die  Oppo- 
sition gegen  das  Recht  der  Centralregierung  zur  Ausführung  öffentlicher 
Arbeiten  immer  mehr,  allerdings  mit  der  von  der  Macht  der  Thatsachen 
auferlegten  Inconsequenz ,  dass  man  dasselbe  für  Hafen-  und  Flusslauf- 
verbesserungen, die  man  brauchen  konnte,  unter  der  Hand  eher  zugeben 
wollte,  als  für  Strassen,  deren  man  eher  entrathen  zu  können  glaubte. 

Aber  eine  dritte  Frage  dieser  Classe  sollte  entscheidendere  Bedeutung 
gewinnen,  die  Tarif  frage.  Die  Zweckmässigkeit  einer  Schutzzollpolitik 
zur  Entwickelung  der  Industrie  in  den  V.  St.  ward  in  den  ersten  Zeiten 
des  Bestandes  der  Union  von  den  verschiedensten  Seiten  her  zugegeben, 
aber  das  massige  System,  welches  aus  dieser  Ansicht  hervorging,  erfuhr 
bald  von  verschiedenen  Seiten  her  Störungen.  In  dem  Kriege  von 
1812 — 14  nöthigte  die  Finanznoth  zu  aussergewöhnlichen  Zollerhöhungen 
und  die  Industrie  der  Neuengland-Staaten  erfuhr  dadurch  und  durch  die 
Unterbrechung  des  Verkehres  mit  Europa,  die  der  Krieg  bewirkte,  eine 
starke  Förderung.  Als  der  Verkehr  wieder  auflebte,  verfiel  manches  von 
dem,  was  so  rasch  aufgeschossen  war,  aber  dafür  sah  die  Rhederei,  welche 
damals  in  den  V.  St.  eine  aussergewöhnliche  Entfaltung  genommen  hatte, 
sich  durch  die  hohen  Zölle  belästigt,  welche  auf  Waaren  gelegt  waren. 
Es  entstand  also  ein  Interessengegensatz  in  Neuengland  selbst,  das  in 
einigen  Theilen  eben  so  grosse  Thätigkeit  der  Industrie  als  in  anderen 
der  Rhederei  zuwandte.  Ein  Tarif  mit  massigen  Zöllen,  1816  aufgestellt, 
versöhnte  diese  und  andere  Gegensätze  nur  für  kurze  Zeit.  Von  1820 
an  wurde  die  Tariffrage  nicht  mehr  von  der  Tagesordnung  abgesetzt  und 
zwar  vorwiegend  in  Folge  der  nicht  rastenden  Agitation  für  Schutzzölle 
seitens  des  sich  immer  mehr  der  Industrie  zuwendenden  Nordens.  Auch 
dieser  Streit  hatte  sich  seit  den  heftigen  Debatten,  welche  der  schutz- 
zöllnerischen  Tarifrevision  von  1824  vorangegangen  waren,  zu  einem 
vorwiegend  regionellen  Gegensatz  zugespitzt,  denn  die  Pflanzerstaaten 
standen  wie  Ein  Mann  für  Freihandel,  da  sie  ausser  ihren  grossen  Stapel- 
artikeln für  die  Ausfuhr  nichts  erzeugten  und  für  den  grössten  Theil  der 
Gewerbserzeugnisse,  theilweise  sogar  der  Nahrungsmittel,  die  sie  ver- 
brauchten, auf  Europa  oder  den  Norden  angewiesen  waren.  Der  W. 
stand  ihnen  fast  eben  so  einig  darin  zur  Seite,   während   dagegen  im  N. 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  87 

auch  in  den  bis  dahin  freihändlerischen  Rhedereistaaten  die  Idee  des 
Schutzzolles  immer  mehr  Boden  gewann.  Freihandel  und  Schutzzoll 
wurden  regioneile  Schlagworte,  die  fast  überall  auf  denselben  Seiten  standen 
wie  Skaverei  und  freie  Arbeit  oder  wie  Staatenrecht  und  Bundesrecht. 
Die  beiden  Parteien  der  Nationalrepublikaner  oder  Whigs,  die  aus  den  alten 
Föderalisten  hervorgegangen  waren,  und  der  Demokraten  oder  alten  Repu- 
blikaner, welche  auf  Grund  dieser  letztgenannten  grossen  Gegensätze  sich 
fester  zusammengeballt  und  schärfer  von  einander  geschieden  hatten  als 
je  vorher,  nahmen  auch  in  dieser  hochwichtigen  wirthschaftlichen  Frage 
entsprechend  Stellung.  Nur  trat  hier  noch  als  weiteres  verschärfendes 
Motiv  die  Thatsache  hinzu,  dass  dem  S.  in  wirthschaftlichen  Fragen  öfters 
jene  Bundesgenossenschaft  im  N.  fehlte,  die  in  rein  politischen  Fragen  zu 
ihm  stand.  Man  begreift  also  seine  Erbitterung  über  neue  Tariferhöhungen, 
welche  1828  eintraten.  Wie  gewöhnlich  wurden  auch  jetzt  Drohungen 
laut,  welche  auf  Secessionsgelüste  deuteten,  und  die  Theorie  der  Nullifi- 
kation wurde  von  den  Extremsten,  wie  S.  Carolina  und  Georgia,  jetzt 
nicht  minder  entschieden  verfochten  wie  zur  Zeit  der  Virginia-  und 
Kentucky-Beschlüsse.  Ein  Sieg  der  Freihändler  schien  die  Präsidentenwahl 
von  1828  zu  sein,  welche  Jackson  und  Calhoun,  von  denen  der  letztere 
entschiedener  Freihändler  war  und  der  erstere  für  einen  solchen  gehalten 
wurde,  zur  Würde  des  Präsidenten  bezw.  Vicepräsidenten  berief;  aber  die 
Erwartung  auf  Jackson's  entschiedenes  Eintreten  für  die  Freihandelsprin- 
cipien  sah  sich  getäuscht.  Der  Kampf  um  den  Tarif  von  1832  erzeugte 
in  S.  Carolina  eine  so  grosse  Aufregung,  dass  eine  Convention  nach 
Columbia  einberufen  wurde,  die  die  Tarife  von  1828  und  18.32  für  null 
und  nichtig  erklärte  und  gegen  Zwangsmassregeln  des  Bundes  mit  Aus- 
scheiden drohte.  Die  Legislatur  des  Staates  erliess  Gesetze,  welche  die 
Bürger  von  S.  Carolina  von  der  Zahlung  von  Zöllen  nach  dem  strittigen 
Tarif  entbanden,  legte  den  Eid  auf  die  Nullifikationsordinanz  auf,  traf 
Veranstaltung  zur  Landesvertheidigung  u.  s.  f.  Durch  ein  Compromiss, 
das  seinem  Inhalte  nach  vorwiegend  günstig  für  die  Schutzzöllher  war, 
indem  es  nur  eine  gradweise  Ermässigung  der  Zölle  in  Aussicht  nahm, 
das  aber  im  Princip  sich  wie  „eine  Prämie  auf  die  Auflehnung  eines 
Einzelstaates  gegen  die  Bundesregierung"  darstellte,  wurde  auch  dieser 
Streit  noch  im  letzten  Momente  gütlich  beigelegt. 

IX.  In  ihren  Beziehungen  zu  den  amerikanischen  Seh westor- 
re publiken,  die  nach  der  Verjagung  der  Spanier  vom  Festlande  sich 
in  grösserer  Zahl  in  Mittel-  und  Süd-Amerika  gebildet  hatten,  Hessen  die 
V.  St.  das  Uebergewicht  der  s.,  d.  h.  der  Sklavenhalter-Interessen  zum 
ersten  Mal  auch  nach  aussen  hin  deutlich  hervortreten.  Noch  ein  Aus- 
fluss  der  früheren  idealeren  Anschauungen  von  der  Stellung  der  V.  St. 
unter  ihren  amerikanischen  Schwesterstaaten  war  die  viel  genannte  und 
missbrauchto    Monroe-Doktrin    (1823),     welche    den    Intriguen    der 


38  II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

heiligen    Allianz    gegen    diese    jungen    Freistaaten    mit    der    Erklärung 
antwortete,    dass   Amerika   in   Zukunft   nicht    mehr    der   Gegenstand   von 
Eroberungs-    oder   Niederlassungsversuchen    europäischer    Mächte    bilden 
dürfe,  und  dass  jeder  Versuch  einer  europäischen  Macht,   ihr  System  auf 
irgend  einen  Theil  Amerikas  zu    übertragen,    als    den  Frieden   und    die 
Sicherheit  der  Y.  St.   bedrohend   angesehen   werden  müsse.     Ebenso  ging 
der  Versuch  Clay's,  die  Einladung  Bolivar's  zu  einem  Congresse  sämmt- 
licher    amerikanischer  Freistaaten    in   Panama   (1825)    zu   einer   engeren 
Verbindung  der  letzteren  unter  einander  zu  verwerthen  und   diesen  Con- 
gress  denen  von  Aachen,  Laibach  und  Verona  entgegenzusetzen,  aus  einer 
stolzeren  Auffassung  von    der  Macht   und   den   politischen  Aufgaben   der 
V.  St.  hervor,    als  den  Männern  eigen  war,   die   diese  Einladung   zurück- 
wiesen.    Es  wurde  geltend  gemacht,    dass   die  V.  St.   nicht   mit   Staaten 
zusammen  tagen  könnten,    welche  Neger   zu  Generalen   und  Mulatten  zu 
Senatoren  hätten  und  deren  Principien  hinsichtlich  der  Rassenverschieden- 
heiten  völlig    entgegengesetzt   seien    denjenigen,    auf   welche    die  V.  St. 
gegründet  seien.     Man  wies  aus  demselben  Grunde  jeden   diplomatischen 
Verkehr  mit   Hayti  zurück.     In   den  Verhandlungen  über  den  Panamä- 
Congress  konnte  sogar  klar  ausgesprochen  werden,    dass   eine  Eroberung 
Cuba's  durch  England  oder  Frankreich  für  die  V.  St.  weniger  gefährlich 
scheinen  könne   als  eine  Negerrepublik  nach  dem  Muster  von  Hayti.     Es 
war  damit  klar  gefordert,    dass   die  auswärtige  Politik  der  Gesammtheit 
der  V.  St.  von  der  Rücksicht  auf  die  Sklaverei  im  S.  bestimmt  sei.     Und 
diese  Rücksicht  sollte  nicht  bei  passiver  Schonung  stehen  bleiben,  sondern 
sich  in  Thaten  äussern,   wo  immer  diese  empfindliche  Institution  es  ver- 
verlangte.   Die  nach  innen   wie   aussen  in   so  hohem  Grade  folgenreiche 
Politik    der  V.   St.   gegenüber   Mexico    war   in  erster  Linie  von 
dieser  Rücksicht   eingegeben.    Man  kann  allerdings  nicht   leugnen,    dass 
der  breite  Raum,   welchen   die   Sklavenhalter  für   ihre   den  Boden  aus- 
saugende Plantagenwirth Schaft  immer  von  Neuem  fordern  mussten,  zugleich 
von  dem  Ausdehnungstrieb  geheischt  wurde,  welcher  dem  ganzen  jugend- 
kräftigen, unternehmenden  Volke  eigen  ist.     In  irgend  einer  Form  würde, 
man  kann  nicht  zweifeln,  die  pacifische  Hälfte  Nord- Amerikas  doch  einmal 
den  V.  St.   zugefallen   sein.     Schon   aus  wirthschaftlichen  Gründen  würde 
sich  das  als  nothwendig  erwiesen  haben,  da  die  Mexikaner  nie  im  Stande 
gewesen  wären,   das  weite  Gebiet  auszubeuten.     Aber  dass  diese  Erwer- 
bung  so  früh   gemacht   worden  ist  und  gerade  in  dieser  Art  und  Weise, 
das  gehört  zu  den  Folgen   der  Richtung,    welche    das   Uebergewicht    des 
S.  auch  der  äusseren  Politik  ertheilte.    Mexico  war  in  den  Augen  des  S. 
ein  Feind  von  dem  Augenblick  an,  dass  es  seine  Sklaven  freiliess  (1829), 
und  es  wurde  besonders  mit  seinem   Territorium   Texas,    das   in  weiter 
Ausdehnung  an  die  vorgeschobensten  Sklavenstaaten  grenzte,    ein  gefähr- 
licher Nachbar.    Seit  1821  wohnten  Nordamerikaner  als  Colonisten  jenseits 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  89 

der  Grenze  und  nach  1830  drängten  dieselben  in  wachsender  Zahl  nach. 
Manche  brachten  Sklaven  mit,  die  sie,  entgegen  den  Staatsgesetzen,  auch 
in  Texas  beibehielten.  In  den  V.  St.  wurde  diese  Ausbreitung  selbst  an 
hoher  Stelle  nicht  ungern  gesehen.  Es  ist  jedenfalls  Thatsache,  dass 
Präsident  Jackson  4  —  5  Mill.  D.  für  Texas  der  mexikanischen  Regie- 
rung anbieten  Hess.  Unterdessen  Hess  das  reiche  und  günstig  ge- 
legene Land  viele  von  den  Nordamerikanern  rasch  wohlhabend  werden. 
Gestützt  auf  wachsende  Zahl  und  Reichthum  fühlten  sich  dieselben  immer 
stärker  gegenüber  den  trägen,  stationären  Mexikanern.  Sie  verlangten 
Rechte,  für  welche  diese  kein  Verständniss  hatten.  Als  ihre  Klagen  nicht 
die  Erhörung  fanden,  die  sie  wünschten,  wurde  1835  in  Bahia  oder 
Goliad  von  90  Amerikanern  eine  Unabhängigkeitserklärung  unterzeichnet. 
Unter  ungehindertem  Zufluss  von  Freiwilligen  und  Unterstützungen  aus 
den  Grenzstaaten  der  Union  wurde  der  Widerstand  gegen  die  mexikani- 
schen Behörden  organisirt  und  schon  im  April  1836  die  Schlacht 
von  San  Jacinto  geschlagen,  welche  die  texanische  Unabhängigkeit 
begründete.  Bereits  1  Jahr  später  wurde  letztere  von  der  Regierung  der 
V.  St.  anerkannt.  Texas  gab  sich  nun  eine  Verfassung  nach  dem  Muster 
der  Sklavenstaaten  und  suchte  im  Sommer  1837  um  Aufnahme  in  den 
Bund  nach.  Es  wurde  zuerst  abgewiesen,  kam  aber  immer  wieder  und 
fand  endlich  1845  Gehör.  Die  Zulassung  von  Texas  war  zu  einem  Stich- 
wort gemacht  worden  im  Wahlkampf  von  1844,  und  als  der  demokratische 
Candidat  Polk  zum  Präsidenten  gewählt  worden  war,  erschien  die  Lösung 
jener  Frage  im  bejahenden  Sinn  als  eine  nothwendige  Folge  des  Wahl- 
sieges. Natürlich  kam  Texas  als  Sklavenstaat;  der  N.  erhielt  zur  Be- 
ruhigung eine  gesetzliche  Neubestätigung  des  Missouri-Compromisses.  Neben 
der  Texas  -  Frage  war  es  bezeichnenderweise  eine  zweite  Frage  der  aus- 
wärtigen Politik,  um  welche  dieser  Wahlkampf  sich  drehte:  die  Ange- 
legenheit mit  Oregon.  Dieses  Gebiet  an  der  n.  pacifischen  Küste 
wurde  von  England  und  den  V.  St.  auf  Gründe  hin  in  Anspruch  ge- 
nommen, welche  auf  beiden  Seiten  nicht  stark  waren.  Sie  hielten  das- 
selbe, da  sie  sich  nicht  einigen  konnten,  gemeinschaftHch  bis  1842  besetzt. 
Schon  in  diesem  Jahre  wurden  Gesetzesvorschläge  im  Congress  eingebracht, 
welche  auf  Organisation  des  Territoriums  Oregon  abzielten,  aber  der 
Senat  und  die  Regierung  hielten  die  Angelegenheit  hin,  da  England  nicht 
bereit  schien  zurückzuweichen.  Endlich  wurde  durch  einen  Vertrag  vom 
15.  Juni  1846  nach  vielem  leeren  Kriegsgeschrei  der  strittige  Gegenstand 
getheilt,  indem  die  Grenzlinie  der  V.  St.  bis  zum  Meere  auf  dem  49." 
verlängert  wurde  ').  Im  Jahre  1842  war  auch  bereits  die  Grenze  zwischen 
Maine  und  den  canadischen  Provinzen  in  der  Weise  festgestellt  worden, 
wie  sie  heute  läuft. 


1)  Eine  Uugenauigkeit   im   Wortlaut   dieses  Vertrages    gab   später   zu  der 
Streitfrage  über  die  San  Juan  de  Fuca-Strasse  Anlass.    S.  u.  III.  Abschn.  I. 


90  II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Die  Aufnahme  von  Texas  führte  zu  dem  ersten  Eroberungs- 
krieg, welchen  die  V.  St.  gegen  ein  nichtindianisches  und  ebenbürtiges 
Volk  führten.  Von  der  Partei,  der  die  Regierung  angehörte,  wurde  die 
Eroberung  des  Grossen  Westens  als  das  letzte  Ziel  des  zu  führenden 
Krieges  offen  hingestellt;  aber  von  den  entgegengesetzten  Parteien  wurde 
der  Krieg  und  dieses  sein  Ziel  eben  so  offen  bekämpft.  Indessen  waren 
diese  letzteren  zur  Zeit  völlig  machtlos,  und  das  um  so  mehr,  als  auch 
viele  Männer,  die  entweder  keiner  Partei  angehörten  oder  wenigstens  nicht 
mit  der  Regierung  gingen,  ein  grosses  Interesse  der  politischen  und  wirth- 
schaftlichcn  Entwicklung  des  Landes  in  der  Ausdehnung' bis  zum  Stillen 
Ocean  erblickten.  Die  Erfahrungen  der  seitdem  verflossenen  3  Jahrzehnte 
scheinen  in  der  That  dieser  Ansicht  Recht  zu  geben,  so  dass  hier  wie 
auf  anderen  Punkten  die  nach  Eroberung  und  Erweiterung  strebende  Politik 
der  Südländer  das  Werkzeug  wurde  zur  Herbeiführung  von  Zuständen,  die 
nach  der  Natur  der  in  Frage  kommenden  Länder  und  Völker  sich  so  ge- 
stalten mussten.  Die  texanisch-mexikanischen  Angelegenheiten  nahmen  einen 
raschen  Verlauf.  Am  1.  März  1845  bestätigte  der  Präsident  das  Gesetz, 
welches  die  Aufnahme  von  Texas  verfügte,  am  6.  protestirte  der  mexika- 
nische Gesandte  hiergegen  und  verlangte  seine  Pässe,  am  16.  Juni  nahm  der 
texanische  Congress  die  Bedingungen  der  Aufnahme  von  Texas  in  die  Union 
an  und  lehnte  gleichzeitig  mexikanische  Vorschläge  ab,  welche  Unabhängig- 
keit unter  gewissen  Bedingungen  versprachen.  Im  Januar  1846  erhielt  die 
Armee  Marschbefehl  nach  dem  Rio  Grande,  am  11.  Mai  wurde  seitens  der 
V.  St.  der  Krieg  erklärt,  im  Lauf  des  Juli  wurden  die  Plätze  Monterey 
San  Francisco  und  Los  Angeles  an  der  californischen  Küste  von 
der  Flotte  der  V.  St.  genommen,  am  20.  September  erstürmten  die  Land- 
truppen Monterey  (in  Coahuila),  am  22.  Februar  1847  schlugen  dieselben 
die  ^Mexikaner  bei  Buena  Vista,  am  9.  März  landete  Gen.  Scott  bei 
Vera  Cruz,  am  18.  April  wurden  die  Mexikaner  bei  CerroGordo,  am 
8. Mai  bei  Palo  alto  geschlagen  und  am  13.  fiel  Mexico.  Der  Friede 
von  Guadalupe  Hidalgo  (2.  Februar  1848)  beschloss  den  Krieg  mit 
der  Abtretung  von  Neu-Mexico  und  Californien  und  der  Annahme  des  Rio 
Grande  als  Grenze  von  seiner  Mündung  bis  nach  Paso  del  Norte. 

X.  Ueber  die  spätere  Gestaltung  dieser  Eroberungen  entstanden  Streitig- 
keiten zwischen  den  Parteien  schon  lange  ehe  der  Krieg  beendigt  war, 
und  aus  ihnen  ging  1846  das  später  noch  oft  genannte  Wilmot  Pro- 
viso  hervor,  welches  festsetzte,  dass  die  Sklaverei  von  den  neuen  durch 
den  Frieden  zu  erwerbenden  Gebieten  ausgeschlossen  bleiben  sollte.  Die 
Bestrebungen  auf  Einführung  der  Sklaverei  in  die  neuen  Gebiete  ruhten 
indessen  nicht,  wurden  aber  in  Kürze  gegenstandslos.  Im  Frühling  1848 
ging  die  Oregon  Bill  durch,  welche  die  Sklaverei  von  diesem  Gebiete 
ausschloss.  Sie  war  eigentlich  selbstverständlich,  wurde  aber  dennoch  wie 
ein  Zugeständniss  der  Sklavenhalter  aufgefasst.   Californien  überraschte 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  91 

die  Politiker  durch  die  Verfassung,  welche  es  sich  am  1.  September  1849 
zu  Monterey  gal) ;  dieselbe  schloss  die  Sklaverei  aus.  Es  wurde  als  Staat  auf- 
genommen, ohne  dass  es  vorher  Territorium  gewesen  wäre.  Am  9.  Juli  1850 
starb  Präsident  Taylor,  unter  dessen  Verwaltung  die  Sklavenhalter-Partei 
wenigstens  nicht  entschieden  begünstigt  worden  war.  An  seine  Stelle  trat 
Fillmore,  der  mehr  zu  derselben  hinneigte  und  dessen  Termin  durch 
nichts  so  bekannt  ist  als  durch  das  Compromiss  vom  6.  September  1850, 
durch  welches  als  'Entgelt  für  die  Zulassung  Californiens  und  für  die 
Freiheit  der  Wahl:  ob  freier  oder  Sklaven-Staat,  welche  Neu-Mexico  und 
Utah  gelassen  werden  sollte,  der  N.  ein  Auslieferungs-  und  Jagdgesetz 
gegen  flüchtige  Sklaven  gewährte,  welches  der  Sklaverei  die  Weihe  einer 
nationalen  Einrichtung  verleihen  sollte.  In  Wirklichkeit  hat  dasselbe  durch 
die  Entwürdigung,  die  es  dem  N.  zumuthete,  und  durch  die  Aufregung, 
welche  die  Sklavenjagden  dort  hervorriefen,  sehr  viel  dazu  beigetragen, 
dieselbe  gründlich  verhasst  zu  machen.  Zwar  fielen  1852  für  den  Can- 
didaten  derjenigen  Partei,  welche  sich  entschieden  gegen  die  Sklaverei 
wandte,  der  damaligen  Freien  Bemohraten,  weniger  als  1848;  aber  die  Ur- 
sache lag  am  wenigsten  in  einem  Rückgang  der  Antisklaverei-Bewegung 
innerhalb  der  Bevölkerung,  sondern  in  einer  Anzahl  von  kleinen,  zum  Theil 
sogar  nur  persönlichen  Gründen.  Die  Ent-  und  Verwickelungen  der  nächsten 
Jahre  sollten  die  Stärke  dieser  in  der  Stille  herangewachsenen  Partei  in 
unzweifelhafter  Weise  erkennen  lassen. 

1852  wurde  Franklin  Pierce  zum  Präsidenten  gewählt,  ein  dunkler 
Ehrenmann,  der  in  hohem  Grade  nur  die  in  dieser  Periode  der  Geschichte 
der  V,  St.  an  einem  Präsidenten  hochgeschätzte  Eigenschaft  der  Unbe- 
deutendheit besass.  Die  Whig-Partei  war  mit  General  Scott  unterlegen 
und  zerfiel  in  Folge  dieser  Niederlage,  nachdem  schon  der  Wahlkampf  eine 
Klüftung  zwischen  den  Meinungen  der  n.  und  s.  Anhänger  hatte  erkennen 
lassen.  Man  trat  dort  nicht  überall  so  entschieden  wie  hier  für  die 
Sklaverei  ein.  Es  zeigte  sich,  dass  eine  Zeit  gekommen  war,  in  welcher 
die  Gegensätze  nicht  mehr  zur  Vermittelung,  sondern  nur  noch  zur  Schärfung 
neigten.  Die  Mittelparteien  lösten  sich  auf.  Die  vermittelnden  Ideen, 
welche  die  verschiedensten  Meinungen  hatten  zusammenknüpfen  können, 
verloren  ihre  Macht,  die  ja  immer  und  überall  nur  in  prüfungslosen  Zeiten 
besteht.  Die  Elemente  aber,  in  die  die  alte  Partei  zerfiel,  schaarten  sich 
der  Mehrzahl  nach  um  neue  Banner,  welche  immer  klarer  ihre  Devisen: 
Für  Sklaverei  und  Gegen  Sklaverei  erkennen  Hessen.  Der  Pierce'schen 
Präsidentschaft  war  es  vorbehalten,  den  Einfluss  der  Sklaverei-Interessen 
in  der  Bundesregierung  als  einen  so  mächtigen  hervortreten  lassen,  dass 
die  Bekämpfung  derselben  allen  nicht  in  diese  Interessen  Verflochtenen  als 
die  nothwendigste  Aufgabe  der  inneren  Politik  erschien.  Selbst  in  der 
äusseren  Politik  waren  dieselben  geradezu  ausschlaggebend.  Schon  1844 
waren  über  60000  Stimmen  für  einen  Präsidentschaftscanditaten  abgegeben 


92  11.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

worden,  welche  die  allmähliche  Aufhebung  der  Sklaverei  auf  seine  Fahne 
geschrieben  hatte.  1848  hatte  eine  bestimmt  ausgesprochene  Partei  der 
Freiboden-Männer  (Freesoilers)  s-ich  gebildet,  welche  an  die  Spitze  ihrer 
Grundsätze  in  der  Buffalo-Platform  das  schon  erwähnte  Wilmot- 
Proviso  gestellt  hatte,  dass  aus  jedem  neu  zu  erwerbenden  Gebiete  die 
Sklaverei  ausgeschlossen  bleiben  solle,  und  diese  Partei  gab  in  der  Präsi- 
dentenwahl dieses  Jahres  291 000  Stimmen  ab  und  in  der  von  1852,  jetzt 
unter  deniNamen  der  Freien  Demokraten,  156000.  Der  Präsident  dieser 
Wahl  zauderte  nicht,  sich  als  entschiedenen  Mann  des  S.  zu  zeigen.  Bald 
nach  seinem  Amtsantritt  wurde  durch  die  sog.  Nebraska  Bill  der  Ver- 
such gemacht,  das  Missouri-Compromiss  zu  durchbrechen.  Für  Nebraska  und 
Kansas,  die  als  n.  von  36"  60'  gelegen,  von  der  Sklaverei  frei  bleiben  sollten, 
wollte  der  S.,  der  in  Folge  des  Zuwachses  freier  Staaten  die  Majorisirung 
selbst  im  Senat  schon  herannahen  sah,  denselben  Grundsatz  zur  Geltung 
bringen  wie  für  Neu-Mexico  und  Utah,  nämlich  die  freie  Wahl :  ob  Sklaven- 
oder freie  Staaten.  Sie  stellten  den  Grundsatz  auf,  dass  das  Compromiss 
von  1859  das  von  1820  vernichtet  habe.  Am  25  Mai  1854  wurde  die 
Nebraska  Bill  Gesetz.  Als  ihren  Bestimmungen  entsprechend  zunächst 
Kansas  sich  als  Territorium  constituiren  und  damit  gleichzeitig  über 
Freier  oder  Sklaven-Staat  entscheiden  sollte,  traten  von  Missouri  aus  be- 
waffnete Banden  über,  welche  die  Wahlen  fälschten.  Ihnen  stellten  sich 
die  Freihoden-Männer  entgegen  und  fanden  Unterstützung  durch  Zuzug  aus 
den  freien  Staaten.  1856  war  in  Folge  dessen  Kansas  der  Schauplatz  eines 
erbitterten  kleinen  Krieges,  den  die  beiden  Parteien  sich  lieferten  und  in 
welchem  John  Brown,  später  durch  seinen  Zug  nach  Harpers  Ferry 
Märtyrer  und  volksthümlicher  Held  der  Abolitionisten,  eine  hervorragende 
Rolle  spielte.  Erst  1859  gelang  es  den  Freibodcn-Männern,  mit  ihrer  Mehr- 
heit Kansas  zu  einem  freien  Staate  zu  machen.  Langen  Kämpfen  mit.  der 
Sklavenhalter-Partei  inn-  und  ausserhalb  des  Staates  und  selbst  mit  der 
Bundesregierung  waren  vorausgegangen.  Auch  nach  aussen  hin  zeigte  sich 
die  Politik  der  V.  St.  vom  Sklavenhalter-Interesse  mehr  als  von  jedem 
anderen  geleitet.  Die  Beschiessung  von  Greytown  in  Nicaragua, 
1854,  die  Absichten  auf  Erwerbung  der  Samana-Bucht  (S.  Domingo) 
oder  Cub  a's  gingen  alle  in  der  Richtung  der  Annexions-  und  Erweiterungs- 
politik, welche  wohl  diesen  Interessen,  in  keiner  Weise  aber  denen  der 
Union  entsprach.  Ein  erster  Rückschlag  gegen  diese  im  Innern  und 
Aeussern  entschieden  südstaatliche  Politik,  welche  aber  durch  ihre  Un- 
geschicklichkeiten die  eigene  Partei  schädigte,  war  also  die  Zusammen- 
schliessung ihrer  Widersacher  zu  zwei  grossen  Parteien.  Die  republi- 
kanische begann  im  Sommer  1854  die  der  Sklaverei  feindlichen  Elemente 
zuerst  im  NW.  (Wisconsin,  Michigan  u.  a.)  und  dann  im  ganzen  freien 
N.  zusammenzufassen.  Die  derKnownothings,  welche  sich  fast  gleich- 
zeitig aus  einem  Geheimbunde  dieses  Namens  herausbildete,  hemmte  zwar 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  93 

anfänglich  ihre  Entwickelung,  indem  sie  unter  einer  dem  grossen  Kampfe 
dieser  Zeit  fremden  Devise  sich  sammelte.  Sie  nahm  von  Anfang  an  die 
allerverschiedensten,  nur  durch  den  Widerwillen  gegen  die  freie  Ein- 
wanderung und  die  leichte  Einbürgerung  zusammengehaltenen  Elemente 
in  sich  auf.  Eine  solche  Partei  konnte  natürlich  in  einer  Zeit  grosser 
Fragen  nicht  zusammenhalten.  Die  Conflikte  zwischen  den  Pöbelmassen 
der  Eingeborenen  und  der  Eingewanderten,  zu  denen  ihr  Wahlruf  Amerika 
regiert  durch  Amerikaner  Anlass  gab,  beschleunigte  ihren  Verfall.  Dagegen 
erstarkte  die  republikanische  Partei  rascher  als  je  vorher  eine  neue  politische 
Partei  es  gethan.  Die  Nebraska  Bill  hatte  die  Bundesregierung  völlig  in 
der  Macht  der  Sklavenhalter  gezeigt  und  die  Gefahr  der  Ausbreitung  der 
Sklaverei  über  alle  noch  freien  Territorien  unter  Beiseitesetzung  aller 
Uebereinkommen  und  Versprechen  als  eine  so  naheliegende  aufgewiesen, 
dass  die  Sklavenfrage  plötzlich  zur  brennendsten  allen  Schichten  und 
Kreisen  der  Nation  ward.  Die  Republikaner  organisirten  sich  zum  ersten 
Mal  als  grosse  Partei  für  die  Präsidentenwahl  von  1856  und  forderten  in 
ihrem  Programm  in  erster  Linie:  Nichteinführung  der  Sklaverei  in  den 
Territorien,  Befugniss  der  Bundesregierung,  dieselbe  dort  zu  verbieten, 
Anklage  der  Regierung  wegen  ihrer  Freiheits-  und  Rechtsverletzung  in 
Kansas,  sofortige  Aufnahme  von  Kansas  als  freier  Staat. 

In  der  Wahl  von  1856  unterlag  der  republikanische  Candidat  General 
Fremont  gegen  den  Demokraten  Buchana n.  Die  Handelskrisis  von  1857 
und  der  verunglückte  Feldzug  gegen  die  Mormonen  1857/58  vermochten 
die  immer  mehr  auf  durchschneidende  Entscheidung  drängende  Streitfrage 
zwischen  Süd  und  Nord  nicht  zu  vertagen.  Dagegen  schürte  der  Ueberfall 
von  HarpersFerry  (1859)  durch  den  begeisterten  Sklavenbefreier  John  Brown, 
der  mit  der  Erhängung  des  von  seinen  Gesinnungsgenossen  hochverehrten 
Parteigängers  endigte,  die  schon  glimmenden  Funken  des  Bürgerkrieges 
zu  einem  Feuer  des  Hasses,  dessen  Schein  den  kommenden  allgemeinen 
Brand  schon  fast  sicher  voraussehen  liess.  Es  unterlag  keinem  Zweifel, 
dass  die  am  Ruder  befindliche  demokratische  Partei  in  dieser  Voraussicht 
bereits  die  ihr  zu  Gebote  stehenden  Mittel  anwandte,  um  für  den  un- 
vermeidlichen Kampf  sich  zu  rüsten.  Die  Art,  wie  beim  Ausbruch  des 
Bürgerkrieges  wichtige  Posten  besetzt  und  Truppen,  Schiffe  und  Waffen 
im  S.  angesammelt  waren,  hat  erkennen  lassen,  dass  von  langer  Hand 
her  Vorbereitungen  getroffen  waren.  Das  Schädlichste  freilich,  den  Streit 
im  eigenen  Lager,  konnten  die  Führer  nicht  verhüten.  Eine  extreme 
Partei  stellte  den  Satz  auf,  dass  das  Volk  der  Territorien  kein  Recht 
habe,  die  Sklaverei  aus  seinem  Gebiete  auszuschliessen,  da  die  Verfassung 
jedem  Bürger  sein  Eigenthum,  also  auch  die  Sklaven,  garantire.  Eine 
andere  verfocht  dagegen  die  allerdings  in  dieser  Frage  bis  jetzt  schlecht 
bewährte  Volks-Souvcränität,  die  in  jedem  einzelnen  Falle  zu  entscheiden 
haben  sollte:  ob  freier  oder  Sklaven-Staat,    Diese  Scheidung  führte  bei  der 


94  II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Wahl  von  1860  zu  einer  Zersplitterung  der  Stimmen,  die  den  Demokraten 
verhängnissvoll  ward.  Der  Candidat  der  extremen  Demokraten,  Breckinridge, 
erhielt  850082,  der  der  gemässigten,  Douglas,  1291574,  der  der  Äbolitio- 
nisten,  Lincoln,  1857610,  der  einer  vermittelnden  Partei,  Cell,  646124. 
Insofern  auch  die  letztere,  die  constitutionelle  Unionspartei,  für  Beibehaltung 
der  Sklaverei  in  ihren  jetzigen  Grenzen  stimmte,  zählte  auch  sie  zu  den 
Prosklaverei-Parteien,  so  dass  für  Lincoln  insgesammt  1 857  000,  gegen  ihn 
2  857000  Urwählerstimmen  fielen.  Von  jenen  fielen  in  den  freien  Staaten 
1831000  und  in  den  Sklavenstaaten  26  430,  von  diesen  dort  1537  000 
und  hier  1250000.  Wenn  Lincoln  auch  von  den  302  Wahlstimmen  169 
auf  sich  vereinigte,  so  war  diese  Mehrheit  doch  nur  der  üblichen  Wahl- 
art durch  Mandat  zuzuschreiben,  welche  die  Wahlmänner  zwingt,  willenlos 
einen  ihnen  vorgeschriebenen  Namen  zu  nennen.  Es  w^ar  keine  natürliche 
absolute  Mehrheit.  Dieser  Umstand,  der  übrigens  in  den  politisclien  ITeber- 
lieferungen  tief  begründet  war,  hat  gleichwohl  nur  dazu  beitragen  können, 
den  Antagonismus  des  S.  gegen  den  N.  zu  vermehren.  Es  war  das  erste 
Mal,  dass  ein  Theil  der  Union  den  Präsidenten  fast  allein  wählte.  Nur 
1,4  Procent  seiner  Stimmen  waren  im  S.  gefallen. 

XI.  Wir  haben  gesehen,  dass  der  Begriff  Secession  den  Politikern  der 
V.  St.  nicht  neu  war.  Die  Lehre  von  der  Staaten- Souveränität,  welche 
annahm,  dass  die  Souveränität  der  Einzelstaaten  nicht  aufgehoben  worden 
sei  durch  ihr  freiwilliges  Zusammentreten  zu  einem  Bunde,  zählte  noch 
immer  zahlreiche  Anhänger  und  zwar  jetzt  wie  früher  vorzüglich  im  S., 
hier  war  man  schon  immer  rasch  bei  der  Hand  gewesen  mit  der  Drohung 
des  Ausscheidens.  Man  erinnere  sich  an  das  Vorgehen  S.  Carolina's  in 
1832  (s.  0.  S.  87).  Dieser  Staat  war  auch  jetzt  der  führende.  Schon 
im  November  1860  sagte  er  sich  durch  versc^liedene  gegen  die  Bundes- 
gesetze verstossende  Akte  der  Gesetzgebung  von  der  Union  los,  bildete 
Freischaren  und  lud  die  übrigen  Sklavenstaaten  zu  einem  Convente  ein, 
welcher  am  8.  Februar  1861  zunächst  aus  S.  Carolina,  Georgia,  Florida, 
Alabama,  Mississippi,  Lousiana  und  Texas  die  Conßdcrirten  Staaten  von 
Amerika  bildete.  N.  Carolina  und  Arkansas  traten  sofort,  Virginien, 
Tennessee,  Missouri  und  Kentucky  binnen  Kurzem  bei.  Nur  Delaware 
und  Maryland  blieben  fern,  jenes  durch  seine  Kleinheit  und  n.  Lage, 
dieses  durch  seine  Lage  im  Rücken  der  Bundeshauptstadt  ausser  Stande 
dem  N.  entgegenzutreten.  Als  Missouri  und  Kentucky  kurz  nach  Beginn 
des  Krieges  wieder  abfielen,  blieben  also  11  Staaten  in  der  Conföderation. 
Zum  Präsidenten  wurde  Jefferson  Davis,  extremer  Sklaverei-Mann  und 
früherer  Kriegsminister  Buchanan's,  zum  Vicepräsidenten  Stephens  ge- 
wählt. In  den  Motiven,  mit  denen  die  Secession  gerechtfertigt  ward, 
findet  die  Sklavenfrage  keine  Erwähnung,  sie  legen  vielmehr  das  Haupt- 
gewicht auf  die  Handelspolitik  und  die  centralisirende  Tendenz  des  N. 
Der  Wortlaut  und  Sinn  ihrer  Verfassung  schlössen  sich    so  eng  wie  mög- 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  95 

lieh  an  die  Bundesverfassung  an:  ein  äusserliches  Zeichen  der  Verfassungs- 
treue, mit  der  der  S.  sich  als  die  rechtmässige,  zur  Absonderung  vom  N. 
gedrängte  Union  darzustellen  liebte.  Die  bis  zum  4.  März  1861  noch  im 
Amte  belindliche  Regierung  that  alles,  um  die  Conföderation  zu  unter- 
stützen, so  dass  deren  Truppen  bis  zu  diesem  Termin  sich  fast  aller  dem 
Bunde  gehörigen  Befestigungen,  Zeughäuser  etc.  innerhalb  ihres  Gebietes 
zu  bemächtigen  im  Stande  waren.  Als  Lincoln  am  4.  März  1861  sein 
Präsidentenamt  antrat,  war  die  Secession  vollendete  Thatsache'.  Der  neue 
Präsident  trat  ihr  in  seiner  Antrittsbotschaft  als  einem  Bruch  des  Bundes- 
rechtes streng  entgegen,  aber  er  sprach  von  der  Sklaverei  nicht  anders 
als  im  rein  verfassungsmässigen  Sinn,  d.  h.  er  erkannte  sie  als  zu  Recht 
bestehend  an,  ebenso  das  Gesetz  über  die  flüchtigen  Sklaven,  und  ging 
sogar  so  weit,  den  Einzelstaaten  das  ausschliessliche  Recht  zuzusprechen, 
ihre  betreHenden  Einrichtungen  zu  ändern.  Der  Kampf  gegen  die  Sklaverei 
gehört  einem  späteren  Abschnitt  des  Bürgerkrieges  an.  Selbst  die  ge- 
mässigten Demokraten  standen  im  Anfang  der  Mehrzahl  nach  auf  Seite 
der  versöhnlichen  Politik  des  Präsidenten  und  die  ööentliche  Meinung 
des  N.  hielt  den  Krieg  für  vermeidlich  im  Gegensatz  zu  der  des  S.,  die 
auf  ihn  hinarbeitete. 

Die  Beschiessung  des  Ft.  S um t  er  bei  Charleston  (11.  bis  13.  April  1861) 
durch  die  Südstaatlichen  eröffnete  die  Feindseligkeiten.  Die  Conföderirten 
waren  also  der  angreifende  Theil.  Kleine  unregelmässige  Treffen  in 
Maryland  führten  im  April  die  Unterwerfung  dieses  Staates  unter  die 
Union  herbei.  In  Missouri  und  West-Virginien  wurde  den  Sommer  über 
von  den  Milizen  in  kleinen  Treffen  gefochten  und  diese  Staaten  endlich  der 
Union  erhalten.  Auch  Kentucky  wurde  durch  den  Einmarsch  der  Bundes- 
truppen der  Union  wiedergewonnen,  während  Tennessee  den  Conföderirten 
zufiel.  Das  erste  grössere  Treffen  dieses  Jahres  fand  jedoch  auf  dem 
östlichen  Kriegsschauplatze  statt,  wo  beim  Versuch  eines  Vorstosses  gegen 
Richmond  die  Bundestruppen  unter  Mac  Dowell  von  den  Conföderirten 
unter  Beauregard  bei  Bull  Run  geschlagen  wurden  (21.  Juli).  Zur  See 
hatte  die  Union  schon  vom  Mai  an  die  Blokade  der  wichtigsten  Häfen 
der  Conföderirten  durchgeführt  und  im  Laufe  des  Spätjahres  wichtige 
Forts  an  der  atlantischen  Küste  der  Südstaaten  gewonnen.  Ende  dieses 
Jahres  w^ar  die  Armee  des  N.  auf  650000,  die  des  S.  auf  nahezu  300000 
Mann  gewachsen.  —  1862  wurde  Ft.  Donelson  am  Cumberland  mit 
13000  Mann  Besatzung  durch  die  Bundestruppen  unter  Grant  zur  Ueber- 
gabe  gezwungen  (15.  Febr.),  letzterer  dagegen  bei  Corinth  und 
Pittsburg  Landing  (6.  u.  7.  April)  von  Beauregard  entschieden  ge- 
schlagen. Am  28.  April  wurde  New  Orleans  an  die  Bundestruppen 
unter  Farragut  und  Butler  übergeben,  nachdem  ersterer  mit  fast  beispiel- 
loser Kühnheit  die  starken  Befestigungen  der  Conföderirten  am  unteren 
Mississippi    durchbrochen    hatte.      Schon    früher    war    den    flussabwärts 


96  IT.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

operirenden  Bundestruppeii  die  wichtige  Stellung  des  Island  No.  10  und 
im  Mai  der  wichtige  Knotenpunkt  Memphis  in  die  Hände  gefallen  und 
damit  das  grosse  Ziel  der  Operationen  im  W.  die  Gewinnung  des  Mississippi 
seiner  Erreichung  nahe  gebracht.  Später  im  Jahre  wurden  bei  Corinth 
(4.  Okt.)  und  Perryville  (8.  Okt.)  die  Conföderirten  besiegt  und  mussten 
von  ihrer  Absicht  abstehen,  Tennessee  und  Kentucky  wiederzugewinnen. 
Auf  dem  östlichen  Kriegsschauplatz  fand  im  März  das  erste  Gefecht 
eines  WiddeTschiffes  mit  hölzernen  Kriegsschiffen  statt,  welches  die  Ge- 
schichte kennt.  Bas  Panzerboot  Merrimack  der  Conföderirten  bohrte 
eine  Fregatte  in  den  Grund  und  zwang  eine  andere  zu  stranden.  Im 
April  landete  Mc  Clellan  bei  Yorktown  in  Virginien,  welches  nach  ein- 
monatlicher Belagerung  von  den  Conföderirten  geräumt  ward.  Den  nach 
Richmond  vordringenden  Bundestruppen  leisteten  die  letzteren  bei  W i  1 1  i  a  m  s  - 
bürg  (5.  bis  T.Mai)  Widerstand.  In  unmittelbarer  Nähe  von  Richmond 
wurde  am  31.  Mai  bei  Seven  P  ine  s  und  Fair  Oakes  eine  unentschiedene 
Schlacht  geschlagen.  Aber  ein  kühner  Streifzug  Jackson's,  der  selbst  für 
die  Sicherheit  Washington's  fürchten  Hess,  bewog  die  Bundesregierung, 
von  dem  Plan  eines  concentrischen  Angriffes  auf  Richmond  abzugehen. 
Mc  Clellan  wurde  dadurch  gezwungen,  an  den  James  R.  zurückzugehen,  was 
er  unter  Ttägigen  Gefechten  vom  25.  Juni  bis  1.  Juli  (Schlacht  bei 
Richmond  und  Gainesville)  bewerkstelligte,  und  im  August  war  seine 
ganze  Armee  wieder  nach  dem  Potomac  zurückgenommen.  Der  N.  machte 
neue  Anstrengungen,  um  durch  Zahlengewicht  den  Feind  zu  erdrücken. 
Er  rief  Mitte  1862  300000  Milizen  und  eben  so  viele  Freiwillige  ein  und 
zahlte  täglich  2  Mill.  D.  für  die  Armee.  Im  August  begannen  die  Con- 
föderirten eine  Vorwärtsbewegung,  die  sich  zum  Ziele  setzte,  in  den 
Rücken  Washington's  zu  gelangen.  Bei  Cedar  Mountain  (5.  Aug.), 
Hagerstown  (14.  Sept.)  und  Antietam  (17.  Sept.)  siegten  die  Bundes- 
truppen, in  der  zweiten  Schlacht  von  Bull  Run  (28.  bis  30.  Aug.)  die  Con- 
föderirten. Die  letzteren  mussten  aus  Maryland  abziehen,  nachdem  Jackson 
noch  einen  kühnen  Streifzug  bis  nach  Pennsylvanien  hinein  gewagt  hatte ; 
aber  weiter  hatte  der  N.  keinen  Vortheil  errungen.  Die  Bundestruppen, 
die  ihnen  folgten,  verloren  noch  einmal  bei  Fredericksburg  am  Rappa- 
hannock  eine  Schlacht  (13.  Dec),  worauf  die  beiden  Armeen  sich  wieder 
halbwegs  zwischen  den  beiderseitigen  Hauptstädten  gegenüberstanden. 

Das  Jahr  1863  wurde  durch  die  Befreiung  der  Sklaven  eingeleitet, 
welche  als  Kriegsmassregel  verfügt  ward,  nachdem  die  in  dem  vorher- 
gehenden Jahre  gemachten  Versuche,  über  die  Sklavenfrage  eine  Ver- 
ständigung mit  dem  S.  zu  suchen,  unfruchtbar  geblieben  waren.  Der 
Congress  votirte  dazu  die  Bewaffnung  der  Freigelassenen.  Im  Januar 
wurden  Vermittelungsversuche  der  französischen  Regierung  vom  N.  mit 
Entschiedenheit  zurückgewiesen  und  mit  England  eröffnete  sich  ein  scharfer 
Schriftenwechsel  in  Betreff  des  Auslaufens  südstaatlicher  Kaperschiffe  aus 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  97 

englischen  Häfen.  Ihre  damals  gemachte  Drohung,  einst  Ersatz  fordern 
zu  wollen  für  den  der  Union  durch  dieselben  zugefügten  Schaden,  ist 
später  eingelöst  worden  (s.  u.).  Auf  dem  w.  Kriegsschauplatz  wurden 
Vicksburg  (4.  Juli)  und  Port  Hudson  (8.  Juli)  von  Grant  genommen 
und  damit  war  der  ganze  Mississippi  in  der  Hand  des  N.  In  Tennessee 
gewannen  die  Nordstaatlichen  durch  die  Schlacht  von  Murfreesboro 
(31.  Dec.  bis  3.  Jan.)  Raum  nach  S.  hin,  wurden  aber  durch  den 
Verlust  der  Schlacht  am  Chicamanga  (19.  bis  20.  Sept.)  zum  Rück- 
zug auf  Chattanooga  gezwungen.  Neuerdings  wurden  bei  Chattanooga 
(23.  bis  25.)  in  einer  der  blutigsten  Schlachten  dieses  Krieges  die  Con- 
föderirten  geschlagen.  Kentucky  und  Tennessee  fielen  jetzt  vollständig 
in  die  Hände  der  Union  und  damit  waren  die  Südstaaten  von  Virginia 
bis  Georgia  im  Rücken  genommen.  Auf  dem  ö.  Kriegsschauplatz  ent- 
wickelten sich  die  Verhältnisse  weniger  günstig  für  den  N.  Bei  Frederiks- 
b  u  r  g  oder  C  h  a  n  c  e  1 1  o  r  s  v  i  1 1  e  (2.  bis  4.  Mai)  wurde  die  Potomac- Armee 
unter  Hooker  von  Lee  entscheidend  geschlagen.  Im  Juni  fiel  Lee  aber- 
mals in  Maryland  und  Pensylvanien  ein.  Vom  1.  bis  3.  Juli  wurde  bei 
Gettysburg  die  blutigste  Schlacht  des  Krieges  geschlagen.  Die  Nord- 
staatlichen siegten,  aber  ihr  Sieg  war  von  keiner  Tragweite. 

Das  vierte  Kriegsjahr  1864  kennzeichnet  sich  durch  das  wachsende 
Uebergewicht  des  N.  sowohl  an  Menschenzahl  seiner  Armeen  als  an  Er- 
fahrung und  Tüchtigkeit  der  Führer.  Die  feste  Haltung  des  Congresses, 
der  in  dem  vergangenen  Jahre  alle  vorzeitigen  Vermittelungs-  und  Friedens- 
wünsche der  Demokraten  des  N. ,  die  durch  Pöbelexcesse  in  New  York 
und  anderwärts  unterstützt  wurden,  entschieden  zurückgewiesen  und  für 
Fortsetzung  des  Krieges  mit  aller  Energie  gestimmt  hatte,  gab  der  Armee 
einen  Rückhalt,  den  sie  bis  jetzt  grossentheils  nicht  besessen.  An  die 
Spitze  der  gesammten  n.  Armee  wurde  Grant  gestellt,  der  die  Potomac- 
Armee  commandirte,  während  die  West- Armee  unter  Sherman's  Befehl 
gestellt  wurde.  Letztere  rückte  im  Mai  gegen  Atlanta  vor,  wurde  aber 
bei  Resaca  (15.  und  16.  Mai)  geschlagen.  Es  folgten  weitere  Gefechte 
bei  New-hope  Church  (28.  Mai)  und  Marietta  (27.  Juni),  welche 
Sherman's  Vordringen  nicht  aufhielten.  Bei  Atlanta  selbst  wurden  drei 
Schlachten  (20.,  22.  und  28.  Juli)  geschlagen,  und  blieben  unentschieden. 
Am  2.  September  wurde  Atlanta  durch  Zerstörung  seiner  Verbindungen 
genommen.  Atlanta  war  einer  der  wichtigsten  Waffenplätze  und  Ver- 
kehrsmittelpunkte des  S.  Bei  Nashville  kam  es  am  16.  December  zur 
Schlacht,  in  welcher  die  neuerdings  gegen  N.  vordringenden  Conföderirten 
entschieden  geschlagen  wurden.  Sherman,  der  sich  durch  diese  Diversion 
nicht  hatte  abhalten  lassen,  marschirte  direkt  von  Atlanta  nach  Sa- 
vannah  (12.  Nov.  bis  14.  Dec.)  und  nahm  diesen  wichtigen  Platz  am 
22.  December.     Charleston  wurde  am   12.   und  Wilmington    am  22. 

Eatzel,    Amerika  II.  rr 


98  n.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Februar  besetzt.  Auf  dem  virginischen  Kriegsschauplatz  leitete  Grant 
den  endlichen  Stoss  auf  Richmond  in  grossartigem  Massstabe  ein.  Er 
vereinigte  150000  Mann  zur  Bewältigung  der  90000,  mit  denen  Lee  bei 
Frederiksburg  ihn  erwartete.  In  der  Schlacht  in  der  Wildniss 
(5.  bis  12.  Mai)  erkämpfte  sich  Grant  eine  feste  Stellung  s.  vom  Rapidan. 
Am  16.,  17.  und  18.  Juni  vor  Petersburg  zurückgeschlagen,  begann 
derselbe  eine  regelmässige  Belagerung  dieses  Platzes.  Daneben  schritten 
die  Versuche  fort,  Richmond  von  allen  seinen  Verbindungen  abzuschneiden. 
Den  2.  April  1865  wurde  endlich  Petersburg  mit  Sturm  genommen  und 
am  3.  Richmond  besetzt.  Lee  zog  sich  zurück  und  capitulirte  nach  heftigen 
Kämpfen  am  Appomatox  bei  Appomatox  Court house  (9.  April). 
Der  Präsident  der  Conföderirten,  Jefferson  Davis,  wurde  am  10.  Mai  ge- 
fangen genommen  und  die  letzte  Armee  des  S.  capitulirte  am  26.  Mai  in 
Texas.  Der  vierjährige  Bürgerkrieg  konnte  damit  als  beendigt  betrachtet 
werden. 

Ausser  den  Schlachtensiegen  war  kurz  vorher  ein  grosser  moralischer 
Sieg  im  N.  erfochten  worden  durch  die  Wiederwahl  Lincoln's 
(8.  Nov.  1864),  die  zur  Befestigung  der  ganzen  Stellung  der  Union  nach 
innen  und  aussen  erheblich  beitrug.  Lincoln  erhielt  von  den  ürwahl- 
stimmen  2185502,  McClellan,  der  Candidat  der  Demokraten,  1778  200. 
Als  der  neue  Präsident,  der  durch  seine  gesetzliche  und  feste  Haltung 
während  des  Krieges  sich  immer  mehr  zum  Mann  des  Vertrauens  der 
Mehrheit  der  Nation  gemacht  hatte,  am  14.  April  1865  von  Mörderhand 
starb,  trat  der  Vicepräsident  Andrew  Johnson  an  seine  Stelle,  dem 
nun  die  Arbeit  zufiel,  die  nicht  minder  schwierig  als  der  Krieg,  aber 
langwieriger  und  undankbarer  war,  die  Union  durch  Einfügung  der  los- 
getrennten Theile  wieder  aufzubauen.  Es  beginnt  von  da  an  ein  neuer 
Abschnitt  in  der  Geschichte  der  V.  St.,  die  der  Reconstruction ,  welche 
auf  Grund  der  durch  den  Bürgerkrieg  geschaffenen  Veränderungen  die 
alte  Union  der  Form  nach  wieder  zusammenfügte,  im  Wesen  aber  ein 
vielfach  neues  Staatswesen  erstehen  "liess. 

Als  die  eingreifenden  Veränderungen,  die  der  Bürgerkrieg  hervor- 
brachte, lassen  sich  folgende  bezeichnen:  1.  Schwächung  des  bisher  die 
ganze  innere  Geschichte  der  Union  bestimmenden  regionellen  Gegensatzes 
zwischen  N.  und  S.  durch  Schwächung  der  in  dem  letzteren  bis  dahin 
fast  allein  herrschenden  Sklavenhalter-Partei ;  2.  Aufhebung  der  Sklaverei ; 
3.  Ertheilung  der  politischen  Rechte  an  die  Farbigen,  wodurch  nahezu 
1  Million  neuer  Wähler  geschaffen  wurde ;  4.  Erhöhung  des  Ansehens  der 
Union  nach  aussen  und  innen  durch  consequente  und  energische  Führung 
des  Krieges  und  der  diplomatischen  Verhandlungen  und  damit  Kräftigung  des 
Nationalbewusstseins;  5.  Schaffung  einer  Bundesschuld  von  2800  Mill.  D.; 
6.  Aufhebung  der  Baarzahlungen  und  Schaffung  eines  Papiergeldes,  dessen 
Schwankungen    den   Spekulationsgeist    zu    schwindelnder   Höhe    steigerte; 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  99 

7.  entschiedenste  Durchführung  des  Schutzzollsystems ;  8.  Verschärfung  der 
ohnehin  bestehenden  Neigung  zu  einem  reinen  Parteiregiment  und  zur 
politischen  Corruption;  9.  Verlust  von  800000  Menschenleben  durch 
Tödtung  und  Krankheiten. 

XII.  Die  Periode  der  Reconstruction,  welche  auf  den  Krieg 
folgte,  ist  diejenige  Phase  der  Geschichte  der  V.  St.,  aus  welcher  die 
Union  noch  heute  nicht  ganz  herausgetreten  ist.  Die  bedingungslose  Unter- 
werfung des  S.  bedeutete  die  Wiederanerkennung  der  Bundesgewalt.  Ein 
Friedensschluss  war  mit  Rebellen  nicht  möglich.  In  diesem  Sinne  wurde 
die  Reconstruction  begonnen.  Die  Sklavenfrage  war  im  Wesentlichen  ge- 
löst durch  die  Botschaft  des  Präsidenten  vom  1.  Januar  1863  und  durch 
einen  Zusatzartikel  XIII  zur  Verfassung,  welcher  die  Sklaverei  im  Gebiet 
der  V.  St.  aufhob.  Der  letztere  konnte  jedoch  nicht  eher  in  Kraft  treten, 
als  bis  er  von  ^Z*  der  Vertretungen  der  Einzelstaaten  angenommen  war. 
Johnson  machte  von  dieser  Zustimmung  alle  anderen  Erleichterungen  ab- 
hängig, die  in  seiner  Macht  stand  dem  niedergeworfenen  S.  zu  gewähren. 
Dieselbe  erfolgte  schon  am  18.  December  1865.  Aber  er  erklärte  sich 
gegen  die  sofortige  unvermittelte  Ertheilung  der  politischen  Rechte  an  die 
früheren  Sklaven.  Dagegen  hielt  er  fest  an  den  übrigen  Bedingungen  der 
vollberechtigten  Zulassung,  nämlich  an  der  Abwerfung  der  von  der  Con- 
föderation  aufgenommenen  Schuld  und  Anerkennung  der  Kriegsschuld  des 
N.  als  allgemeiner  Nationalschuld,  sowie  an  der  förmlichen  Nichtigerklä- 
rung der  Secessionsbeschlüsse  durch  die  Gesetzgebungen  der  Einzelstaaten. 
Bis  zur  Erfüllung  dieser  Bedingungen  blieb  der  S.  unter  Militärdiktatur, 
zu  deren  Stütze  daselbst  70000  Mann  von  der  Armee  unter  Waffen  blieben. 
Nachdem  indessen  die  Gesetzgebungen  der  Südstaaten  jene  Bedingungen 
erfüllt  hatten,  glaubte  Johnson,  der  sich  zu  einer  versöhnlichen  und  zu- 
gleich verfassungs-  und  rechtmässigen  Politik  bekannte,  ihnen  ihre  Staaten- 
rechte wieder  zuerkennen  zu  sollen.  Der  39.  Congress  (1865)  aber  war 
in  seiner  radikalen  Mehrheit  anderer  Meinung  und  schloss  die  Vertreter 
der  bereits  reconstruirten  und  vom  Präsidenten  für  vertretungsberechtigt 
erklärten  Südstaaten  einfach  aus.  Es  war  das  der  Anfang  zu  einer  Reihe 
von  schweren  Conflikten  zwischen  den  beiden  Hauptfaktoren  der  Unionsregie- 
rung, dem  Präsidenten  und  der  Volksvertretung.  Die  letztere  ging  mit 
Entschiedenheit  auf  der  Bahn  der  gewaltsamen  Umformung  des  ganzen  S. 
voran.  Der  39.  Congress  begann  damit,  dass  er  für  den  Bundesdistrikt 
die  politische  Gleichstellung  der  Weissen  nnd  Farbigen  verfügte,  dann 
dehnte  er  eine  im  Krieg  geschaffene  provisorische  halbmilitärische  Ein- 
richtung zum  Schutz  der  Freigelassenen,  die  sog.  Freedmen  Bureaus, 
über  die  ganzen  Südstaaten  aus  und  stattete  sie  mit  Befugnissen  aus,  die 
tief  in  die  Rechtspflege  eingriffen.  Johnson  legte  gegen  diesen  Beschluss 
sein  Veto   ein,    in  Erwiderung   auf  welches   das  Repräsentantenhaus  sich 


100  II.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

formell  das  Recht  zusprach,  die  politische  und  gesellschaftliche  Neu- 
gestaltung der  Südstaaten  zu  bewerkstelligen.  Zum  zweiten  Male  legte  er, 
aber  auch  dieses  Mal  erfolglos,  sein  Veto  ein  gegen  ein  vom  Congress 
beschlossenes  Gesetz,  das  den  Freigelassenen  die  Rechte  von  Bürgern  der 
V.  St.  zuerkannte  (März  1866),  und  that  den  stärksten  Zug,  der  ihm  ge- 
stattet war,  indem  er  den  Aufstand  der  Secessionsstaaten  für  beendet  und 
fortan  als  so  zu  betrachten  erklärte  (4.  April).  Ein  Verfassungszusatz, 
der  in  Betreff  der  Reconstruction  u.  a.  verfügte,  dass  den  früheren  Re- 
bellen das  Wahlrecht  für  Präsident  und  Congress  bis  1870  und  den 
Häuptern  der  Rebellion  die  Wählbarkeit  zu  Bundesämtern  überhaupt  ent- 
zogen bleibe,  dass  den  Negern  nicht  bloss  das  Bürgerrecht  der  Union, 
sondern  auch  ihrer  Heimatstaaten  zukomme  u.  s.  f.,  wurde  ebenfalls  vom 
Präsidenten  nicht  anerkannt.  Aber  ebenfalls  vergeblich,  da  die  2.  Session 
des  39.  Congresses  ihm  mit  fast  derselben  Mehrheit  gegenübertrat  wie 
die  vorige.  Am  20.  Februar  1867  ging  ein  neues  Reconstructionsgesetz 
durch,  welches  eine  Diktatur  über  die  Südstaaten  in  Gestalt  von  5  Militär- 
bezirken schuf,  in  die  dieselben  zertheilt  wurden,  und  welches  gleichzeitig 
die  bestehenden  Staatenregierungen  ganz  in  die  Hand  des  Congresses 
legte.  Schon  vorher  war  eine  Anklage  gegen  den  Präsidenten  beim  Con- 
gress anhängig  gemacht,  jedoch  von  diesem  für  einstweilen  nicht  als  be- 
gründet erkannt  worden.  Der  Streit  zwischen  Volksvertretung  und  Exe- 
cutive konnte  sich  kaum  noch  weiter  verschärfen.  Beide  hielten  fest  ihre 
einander  entgegengesetzten  Richtungen  ein.  Johnson  machte  von  seinem 
Begnadigungsrecht  einen  so  ausgiebigen  Gebrauch  gegenüber  den  früheren 
Rebellen,  dass  Ende  1867  nur  noch  2000  Unbegnadigte  übrig  blieben;  der 
Congress  dagegen  verfügte  die  Aufstellung  von  Wahllisten  durch  die 
Militärbefehlshaber,  welche  in  allen  Golfstaaten  und  in  S.  Carolina  zu 
farbigen  Mehrheiten  führten.  Als  durch  die  künstliche  Hätschelung  dieser 
politisch  ganz  rohen  Elemente,  wie  nicht  anders  zu  erwarten,  die  öffent- 
liche Sicherheit  in  den  Südstaaten  bedenklich  abnahm  und  Gewaltthaten 
der  zurückgeschobenen  Weissen  gegen  die  Farbigen  häufiger  wurden, 
schien  diese  Diktaturpolitik  in  den  Augen  der  grossen  Menge  vollauf  ge- 
rechtfertigt. Die  Radikalen  konnten  es  wagen,  neuerdings  eine  Anklage 
gegen  den  Präsidenten  zu  erheben,  welche  davon  ausging,  dass  die  Ab- 
setzung des  Kriegsministers  Stanton  ungesetzlich  gewesen  sei.  Der  40.  Con- 
gress (1867)  machte  aus  dieser  Anklage  eine  seiner  Hauptaufgaben.  Es 
kam  zum  ersten  Mal  seit  Bestehen  der  Union  dazu,  dass  der  Senat  sich 
zum  Gerichtshofe  constituirte  und  den  Präsidenten  vor  seine  Schranken 
forderte.  Aber  die  nöthige  Va  Mehrheit  wurde  nicht  erlangt,  und  Johnson 
freigesprochen  (1868).  Die  letzte  bedeutsame  Amtshandlung  des  Präsidenten 
war  seine  Botschaft  an  den  Congress,  in  welcher  er  Verfassungsänderungen 
in  Bezug  auf  Wahl  und  Ersatz  des  Präsidenten  vorschlug.  Trotzdem  sie 
neuerdings  Zeugniss  ablegte  von  seiner  richtigen  Erkenntniss  der  Lücken 


II.  Geschichtlicher  Ueberblick.  101 

in  der  Verfassung  und  vorzüglich  der  schädlichen  Einflüsse  des  einseitigen 
Parteiregiments,  dessen  Bekämpfung  sein  Widerstand  gegen  den  Congress 
in  erster  Linie  gegolten,  wurden  doch  diese  Vorschläge  von  letzterem  ein- 
fach unbeachtet  gelassen.  Sie  können  als  das  politische  Testament  eines 
der  bedeutendsten  Staatsmänner  bezeichnet  werden,  welche  jemals  an  der 
Spitze  der  Union  gestanden  sind. 

XIII.  Am  3.  November  1868  wurde  U.  S.  Grant  mit  206  von  294 
Wahlstimmen  (unter  den  Urwahlstimmen  hatte  er  unter  5  Millionen  nur 
275000  Mehrheit)  zum  Präsidenten  gewählt.  Er  war  der  Candidat  der 
Republikaner.  Die  Demokraten  hatten  ihm  Horatio  Seymour  entgegen- 
gestellt. Der  leuchtende  Punkt  des  Programmes  des  neuen  Präsidenten 
war  die  Versicherung  gewesen,  dass  er  „keine  eigene  Politik  habe,  die 
mit  der  des  Volkes  im  Widerspruch  stehen  werde".  Die  Politik  des 
Volkes  ist  hier  die  Politik  der  Partei,  der  Grant  eben  so  entschieden 
huldigte,  wie  Johnson  ihr  widerstrebt  hatte.  In  der  Finanzfrage,  die  jetzt 
zum  ersten  Mal  wieder  seit  Jahrzehnten  eine  fast  entscheidende  Rolle  in 
der  Plattform  der  Präsidentenwahl  spielte,  waren  die  Republikaner  für 
Baarzahlung,  die  Demokraten  für  Ausdehnung  der  Papiergeldzahlung 
auch  auf  die  Zinsen  der  Staatsschuld.  In  der  Frage  der  Reconstruction 
war  das  Programm  der  neuen  Regierung  genau  übereinstimmend  mit  dem 
der  Radikalen  und  die  entsprechend  rasche  und  einseitige  Durchführung 
der  Reconstructionsgesetze  ist  der  hervortretendste  und  folgenreichste  Zug 
ihrer  Verwaltung,  der  in  den  Südstaaten  Conflikte  ohne  Ende,  Missregierung 
und  Verarmung  zur  Folge  hatte.  Am  30.  März  1870  wurde  der  15.  Zusatz 
zur  Bundesverfassung  proklamirt,  welcher  den  4  Millionen  Negern  das 
volle  politische  Stimmrecht  zusprach.  Einer  der  gewaltsamen  Rückstösse 
der  misshandelten  Weissen  gegen  diese  Gesetzgebung,  der  gefürchtete 
Geheimbund  des  Kuklux-Clan,  wurde  1871  mit  Gewaltmassregeln  unter- 
drückt, die  seinem  eigenen  gewaltthätigen  Auftreten  entsprachen.  Aber 
derartige  Ausbrüche  des  Rassenhasses  konnten  nicht  gemindert  werden 
durch  den  unterschiedslosen,  parteiischen  Schutz,  den  die  Bundesregierung 
allen  von  den  Negern  und  ihren  demagogischen  Leitern,  den  mit  vollem 
Recht  verachteten  Carpet  Baggers ,  angedeihen  Hess.  Es  war  nicht 
nur  Parteisucht,  die  sie  dazu  trieb,  sondern  ihre  eigene  tiefe  Corruption. 
Eine  grosse  Zahl  der  leitenden  Männer  der  republikanischen  Partei,  und 
am  meisten  die  in  der  nächsten  Umgebung  des  Präsidenten  befindlichen, 
wurden  als  bestechlich  und  diebisch  erkannt.  Der  Aemterhandel  und  die 
Unterschlagung  öffentlicher  Gelder  wurde  nie  so  schamlos  getrieben.  Dem- 
entsprechend schoss  in  weiten  Kreisen  die  Corruption  in  eine  bisher  un- 
bekannte Blüthe  (Tammany-Ring  in  New  York,  Erie-Ring  u.  dgl.).  Die 
ehrlichen  Leute  schienen  politisch  mundtodt.  Man  kann  sagen,  dass  keine 
Periode  in  der  Geschichte  der  Union  so  beschämend  unreine  Seiten  zeigt 
wie    die    der    Grant'schen  Präsidentschaft.    Nur  nach   aussen,    wo    diese 


102  n.  Geschichtlicher  Ueberblick. 

Regierung  die  Früchte  der  energischen  Politik  der  Bürgerkriegsjahre  und 
der  mit  der  Wiederherstellung  des  Bundes  wieder  gestiegenen  Achtung 
der  grossen  Staaten  ernten  konnte,  bietet  sie  einige  hellere  Punkte.  Noch 
1865  hatte  die  Unionsregierung  die  Zurückziehung  der  französischen 
Truppen  aus  Mexico  von  Napoleon  III.  erzwungen.  1867  erwarb  sie  für 
7  200000  Doli,  die  russischen  Besitzungen  im  nw.  Amerika,  welche  als 
Territorium  Alaska  der  Union  angegliedert  wurden.  Pläne  zur  Erwerbung 
der  dänischen  Antillen  und  S.  Domingo's  wurden  vom  Congress  abgewiesen. 
1871  musste  sich  England  bequemen,  in  "Washington  einen  Vertrag  zu 
schliessen,  durch  welchen  es  genehmigte,  dass  der  den  Nordstaaten  während 
des  Bürgerkrieges  durch  in  englischen  Häfen  ausgerüstete  Kaperschiffe 
zugefügte  Schaden  einem  Schiedsgericht  unterbreitet  werde.  Dieses  Ge- 
richt trat  1872  in  Genf  zusammen  und  verurtheilte  England  zu  einem 
Schadenersatz  von  15  Mill.  Doli.  Ebenso  wurde  die  Frage  der  NW.- 
Grenze  zwischen  den  V.  St.  und  Britisch-Nordamerika  in  demselben  Jahre 
durch  den  zum  Schiedsrichter  gerufenen  deutschen  Kaiser  zu  Gunsten 
der  V.  St.  entschieden. 

In  den  Präsidentschaftswahlkampf  von  1872  trat  die  neue  Partei  der 
Liberal  -  Bepublicans ,  die  im  Rückstoss  gegen  die  alles  anfressende  Cor- 
ruption  sich  gebildet,  mit  dem  Ruf  nach  gesunden  Grundsätzen  in  der 
Finanzverwaltung,  Reform  des  Civildienstes,  Aufhören  der  militärischen 
Besetzung  des  S.  und  damit  Aufgebung  der  bis  dahin  vorwiegend  durch 
Dazwischenkunft  der  Bundesregierung  noch  gehaltenen  Regierungen  der  Süd- 
staaten. Diese  Partei  beging  den  Fehler,  in  Horace  Greeley,  dem  Heraus- 
geber des  New  York  Tribüne,  einen  Candidaten  für  die  Präsidentschaft 
sich  aufdrängen  zu  lassen,  welcher  nicht  im  Stande  war,  die  Stimmen  der 
unabhängigeren  Glieder  sowohl  der  republikanischen  als  demokratischen 
Partei  auf  sich  zu  vereinigen.  Der  "Wahlkampf  endigte  daher  mit  einem 
entschiedenen  Siege  der  Republikaner.  Indessen  bereitete  dieser  Ausgang 
seinerseits  den  Fall  der  republikanischen  Partei  vor.  Die  Unterlegenen 
wurden  zu  schärferen  Beobachtern  und  Kritikern  der  Regierungsmass- 
regeln als  je  vorher,  während  die  siegreiche  Partei,  vom  Erfolg  berauscht, 
lässiger  gegen  die  überall  hervortretende  Corruption  und  tauber  gegen  die 
Stimmen  wurde,  welche  nach  Abhülfe  der  unter  der  Regierung  dieser 
Partei  eingeschlichenen  Missstände  riefen.  Das  Ansehen  der  Regierung 
und  der  Partei,  auf  welche  sie  sich  stützte,  nahm  reissend  ab  in  Folge 
einer  Reihe  von  Scandalen,  welche  ausnahmslos  in  der  politischen  Cor- 
ruption jener  ihren  Grund  hatte.  Der  Salary-Act,  durch  welchen  der 
Congress  seine,  des  Präsidenten  und  einiger  anderen  höheren  Beamten 
Gehalte  erhöhte,  und  zwar  mit  rückwirkender  Kraft,  war  eine  der  hervor- 
tretendsten  Handlungen  in  dieser  Richtung,  welche  sehr  viel  that,  um  die 
Partei  und  ihre  Regierung  zu  discreditiren.  Die  Besetzung  wichtiger 
Plätze  im  Cabinet  mit  unsauberen   oder  unfähigen  Persönlichkeiten,   der 


II.  Geschichtlicher  üeberblick.  103 

Druck,  der  auf  jene  Südstaaten  geübt  wurde,  welche  von  ihren  Neger- 
und  Carpetbagger-Kegierungen  sich  loszumachen  suchten,  erregte  in  weiten 
Kreisen  Unzufriedenheit.  Dass  der  Präsident,  von  vielen  Seiten  gewarnt, 
auf  einzelnen  Punkten  vor  äussersten  Akten  zurückzuweichen  schien,  wie 
z.  B.  vor  der  Bestätigung  der  Inflation  Bill  B.  Butler's  (1874),  deren  Ziel 
das  vollständige  Aufgeben  der  feierlich  versprochenen  Einlösung  des 
Papiergeldes  war,  änderte  nichts  an  dem  Misstrauen,  das  einmal  Wurzel 
gefasst  hatte.  Um  so  weniger  war  dies  möglich,  da  im  S.  gewaltthätige 
Wahlfälschungen  u.  dgl.  zu  Gunsten  der  Republikaner  noch  immer  durch 
die  V.  St.-Truppen  geschützt  wurden.  Die  Staatswahlen  von  1874  brachten 
eine  demokratische  Mehrheit  in  das  Repräsentantenhaus  und  gaben  so 
wichtigen  Staaten  wie  New  York,  Massachusetts  und  Illinois  demokratische 
Governors.  Von  da  bis  zu  der  Präsidentschaftswahl  von  1876  änderten 
sich  die  Parteiverhältnisse  nicht  mehr  erheblich,  wenn  auch  die  Demo- 
kraten des  W.  durch  ihren  Anschluss  an  die  Inflationisten  etwas  von  dem 
Ansehen  einbüssten,  das  sie  bei  den  Reformern  durch  ihre  frühere  Hal- 
tung gewonnen  hatten.  Von  1874—76  sank  aber  andererseits  das  Ansehen 
der  Regierung  immer  tiefer.  Kurz  vor  der  1876er  Wahl  entliess  Grant 
die  beiden  unabhängigsten  Glieder  seines  Cabinets,  Bristow  und  Jewell; 
des  Kriegssekretärs  Belknap  Zusammenhang  mit  gewissen  Betrügereien, 
die  an  der  Regierung  verübt  wurden,  General  Babcock's,  Privatsekretärs 
des  Präsidenten,  Verbindungen  mit  den  Steuerveruntreuern  in  S.  Louis 
und  andere  weniger  klar  bewiesene  Verdachte  gegen  den  Marinesekretär, 
den  Präsidenten  des  Repräsentantenhauses  und  andere  der  Regierung 
Nächststehende  Hess  selbst  viele  Elemente  der  Partei  jede  Hoifnung  auf- 
geben, dass  ohne  Reform  eine  Besserung  zu  erzielen  sei.  Auch  die 
anfängliche  Unklarheit  der  Aeusserungen  des  Präsidenten  über  einen 
dritten  Präsidentschaftstermin  rief  Argwohn  wach.  Der  Versuch  (Ende 
1875),  durch  Rückweisung  gewisser  übertriebener  Ansprüche  der  Katholiken 
ein  neues  populäres  Ziel  der  Parteipolitik  aufzustellen,  blieb  ohne  Erfolg. 
1876  wuchs  durch  den  Eintritt  Colorado's  die  Zahl  der  Staaten  auf  39. 
In  demselben  Jahre  wurde  mit  Begeisterung  das  Fest  des  100jährigen 
Bestehens  der  Union  gefeiert  und  eine  für  diese  Feier  veranstaltete 
Industrieausstellung  in  Philadelphia  wurde  von  hoher  Wichtigkeit  für  die 
Verbreitung  der  Kenntniss  von  den  wirthschaftlichen  Hülfsquellen  und 
Fähigkeiten  der  Union.  Auf  der  Convention  der  republikanischen  Partei 
zu  Cincinnati  wurde  im  Sommer  1876  der  Candidat  des  Reformflügels 
der  Republikaner  Hayes  nominirt.  Die  Demokraten  nominirten  Tilden, 
den  Governor  von  New  York,  welcher  durch  seine  Sprengung  des  Canal- 
Rings  sich  einen  guten  Namen  bei  den  ehrlichen  Leuten  gemacht  hatte. 
In  der  Wahl  blieb  Tilden  mit  184  um  1  Stimme  hinter  Hayes  zurück, 
welcher  185  erhalten  hatte.  Zwar  wurde  die  Gesetzlichkeit  der  Stimmen 
angezweifelt,  welche  dem  letzteren  in  Süd-Carolina,  Florida  und  Louisiana 


104  n.  Geschichtlicher  üeberblick. 

zugefallen  waren.  Aber  die  Returning  Boards  enschieden  für  die  Gültig- 
keit derselben.  Das  Endresultat  zeigte,  dass  im  S.  aus  2545000  Stimmen 
eine  Mehrheit  von  487  000  dem  Demokraten  zugefallen  war;  in  Neu- 
England  hatte  der  Republikaner  eine  Mehrheit  von  64000  bei  668000 
Stimmen,  in  den  3  Mittelstaaten  New  York,  Pennsylvania  und  New  Jersey 
erhielt  er  nur  977  000  von  2004000,  in  den  3  grossen  W.- Staaten  Ohio, 
Indiana  und  Illinois  hatte  er  827000  von  1639000,  in  den  4  NW.- Staaten 
Iowa,  Michigan,  Wisconsin  und  Minnesota  540000  von  980000,  in  Nebraska, 
Nevada,  Colorado  und  Kansas  133000  von  222  000  und  in  den  pacifi- 
schen  California  und  Oregon  93  000  von  184000.  Von  den  9  grössten 
Städten  in  der  Union  stimmten  New  York,  Brooklyn,  Cincinnati,  Chicago, 
Boston,  Baltimore,  S.  Louis  demokratisch  und  nur  Philadelphia  und 
S.  Francisco  republikanisch.  Die  Unsicherheit  des  Ausganges  schien 
den  inneren  Frieden  zu  bedrohen,  da  die  Republikaner  darauf  bestanden, 
die  Entscheidung  dem  Präsidenten  des  Senats,  einem  ihrer  Männer,  zu 
übergeben,  während  die  demokratische  Mehrheit  des  Repräsentantenhauses 
das  gleiche  Recht  für  sich  in  Anspruch  nahm.  Die  Stimme  der  öffent- 
lichen Meinung  zwang  endlich  den  Parteien  das  Compromiss  auf,  die  Ent- 
scheidung einer  Commission  aus  gleichviel  Senatoren,  Repräsentanten  und 
Richtern  des  obersten  Gerichtes  zu  übergeben,  aber  keine  Stimme  anders  als 
nach  Anhörung  beider  Häuser  des  Cogresses  für  ungültig  zu  erklären.  In 
dieser  Commission  sassen  8  Republikaner  und  7  Demokraten  und  so 
wurde  der  republikanische  Candidät  denn  kurz  vor  dem  letzten  Termin 
als  Präsident  anerkannt  (5.  März  1877).  In  sein  Ministerium  nahm  er 
gemässigte  Republikaner,  "Vertreter  des  Reformflügels  der  republikanischen 
Partei  und  Demokraten  auf;  M.  A.  Evarts  trat  als  Staatssekretär,  Karl 
Schurz  als  Sekretär  des  Inneren,  als  Finanzsekretär  John  Sherman  ein. 
Das  redliche  Bemühen  um  Abstellung  von  Missbräuchen  trat  aus  den 
Amtshandlungen  des  Präsidenten  und  seines  Ministeriums  hervor.  Im  S. 
wurde  durch  den  Sturz  der  Negerregierungen  die  Unterdrückung  der 
Intelligenz  und  des  Besitzes  aufgehoben.  Reformen  im  Beamtenthum 
wurden  in  grosser  Zahl  durchgesetzt.  Die  Baarzahlungen  wurden  am 
1.  Januar  1879  trotz  der  Anstrengungen  der  Papiergeldpartei  aufgenommen, 
allerdings  nicht,  ohne  dass  vorher  die  Einführung  der  Silberwährung  be- 
schlossen worden  wäre.  Der  seit  1873  andauernde  wirthschaftliche  Noth- 
stand  Hess  socialistische  Parteien  auch  hier  Boden  gewinnen  und  im 
Sommer  1877  stellte  ein  mit  blutigen  Zusammenstössen  verknüpfter  Strike 
von  Eisenbahnarbeitern  die  Thatkraft  der  Regierung  und  des  ordnungs- 
liebenden Bürgerthums  auf  eine  schwere  Probe.  Doch  ist  in  den  Staats- 
wahlen von  1878  die  auf  socialistischer  Grundlage  in  seltsamer  Verbin- 
dung mit  corrupten  Republikanern  neubegründctc  National  Greenhack 
and  Latour  Party  sehr  entschieden  geschlagen  worden. 


II,  Abschnitt. 
Die    Bevölkerung. 


III.  Die  Indianer. 


I.  Die  Rassen  zu  gehörigkeit  107.  Einheitlichkeit  der  Rasse  108.  Die 
Mongoloiden  108.  Die  Indianer  und  die  Nord-Asiaten  108.  Woher  kam  die  Einwan- 
derung? 109.  —  IL  Physische  Merkmale  der  Indianer  110.  Schwierigkeit 
allgemeiner  Definitionen  110.  Der  Schädel  111.  Weitere  Merkmale  111.  Die  Haut- 
farbe 112.  Der  Gesichtsausdruck  112.  —  III.  Psychische  Eigenschaften 
und  Entwickelungen  113.  Grundstimmung  114.  Verschlossenheit  114.  Sitt- 
liche Begriffe  114.  Recht  und  Unrecht  114.  Wahrheitsliebe  115.  Indianische 
Uebertreibungen  116.  Der  Grundzug  der  Kraft  und  seine  Schattenseite  116.  Das 
Weib  und  seine  Stellung  117.  Auffassung  der  Familie  118.  Rechts-  und  Eigen- 
thumsverhältnisse  119.  Regierung  120.  Die  Beziehungen  zwischen  den  Stämmen  120. 
Krieg  und  Friede  120.  Cannibalismus  121.  Religiöse  Vorstellungen  und  Cultus  121. 
Die  Zauberer  121.  Geistige  Begabung  122.  Ihr  Kampf  mit  der  Sinnlichkeit  123. 
Phantasie  124.  Beredsamkeit  124.  Poesie  124.  Keime  von  Wissenschaft  125. 
Erfindungen  126.  —  IV.  Die  äussere  Ausstattung  des  Lebens  126. 
Jagd  126.  Fischfang  127.  Canoes  127.  Waffen  127.  Kleidung  130.  Tätto- 
wirung  130.  Schmuck  131.  Das  Haus  131.  Die  Dörfer  131.  Die  Geräthe  131. 
Die  Speisen  132.  Ackerbau  133.  —  V.  Die  Sprache  133.  Allgemeiner 
Charakter  der  Indianersprachen  134.  Die  Eintheilung  der  nordamerikanischen 
Stämme  in  Sprachgruppen  135.  —  VI.  Die  Zahl  derln  dianer  139.  Ihre  gegen- 
wärtige Zahl  und  Vertheilung  139.  Schätzungen  ihrer  Zahl  aus  der  Zeit  der 
ersten  Entdecker  und  Ansiedler  141.  Ihr  Rückgang  145.  Gehen  sie  dem  Aus- 
sterben entgegen?  145.  —  VII.  Beziehungen  zwischen  Indianern  und 
Weissen  146.  Die  unvereinbaren  Verschiedenheiten  beider  147.  Erster  Ver- 
kehr 147.  Ursachen  der  Conflikte  148.  Die  Indianerkriege  150,  Zurückdrängung 
der  Indianer  nach  Westen  152.  Die  Indianerpolitik  der  V.  St.  154.  Die  Reser- 
vationen 156.    Mischlinge  159. 

I.  Die  Rassenzugehörigkeit.  Die  nordamerikanischen  In- 
dianer gehören  derselben  Rasse  an  wie  die  südamerikanischen.  Ver- 
suche, die  man  gemacht  hat,  aus  der  einen  schon  von  Blumenbach 
deutlich  erkannten  Rasse  der  rotlien  MenscJien  mehrere  Menschenarten 
oder  -Varietäten  auszusondern,  sind  von  einsichtsvollen  Ethnographen 
nie  gutgeheissen  worden  und  die  Einheitlichkeit  der  Rasse  der  ameri- 


108  in.  Die  Indianer. 

kanischen  Eingeborenen  kann  als  eine  sichere  Erkenntniss  der  neueren 
Völkerkunde  bezeichnet  werden.  Der  Begriif  der  Mongoloiden, 
wie  ihn  mit  unbedeutenden  Abweichungen  fast  alle  neueren  Ethno- 
graphen fassen,  greift  noch  viel  weiter  und  schafft  aus  den  Völkern 
der  auch  räumlich  einander  so  nahegerückten  Continente  Asiens 
und  Amerikas  eine  ethnographische  Einheit.  Die  Frage  des  Ur- 
sprunges" der  amerikanischen  Ureinwohner  wird  von 
zahlreichen  Anthropologen,  die  dieser  Eintheilung  zustimmen,  als 
gelöst  betrachtet.  Die  geographischen  Verhältnisse  der  einander 
am  nächsten  liegenden  Theile  von  Nord-Amerika  und  Nord-Asien, 
also  der  Umgebungen  der  Behringsstrasse  und  des  südlich  von  da 
eine  Inselbrücke  zwischen  den  beiden  Erdtheilen  schlagenden  Archi- 
peles  der  Aleuten  setzen  der  Annahme  einer  Wanderung  von 
der  einen  nach  der  anderen  Seite  keine  Schwierigkeit  entgegen. 
Dass  die  Wanderung  von  Asien  nach  Amerika  geschehen,  wird  fast 
allgemein  stillschweigend  angenommen,  weil  von  Asien  auch  andere 
Stämme  der  Mongoloiden  (Malayen  und  Polynesier)  ausgegangen 
sein  müssen,  weil  hier  diese  Rasse  am  zahlreichsten  vertreten 
und  zu  den  höchsten  Culturstufen  gelangt  ist,  endlich  auch  weil, 
vom  Boden  der  Entwickelungslehre  der  Schöpfung  aus  betrachtet, 
eine  grosse  Wahrscheinlichkeit  dafür  zu  bestehen  scheint,  dass 
Amerika  nur  durch  Einwanderung  mit  Menschen  bevölkert  werden 
konnte.  Soweit  nämlich  der  heutige  Stand  der  paläontologischen 
Forschung  erkennen  lässt,  besass  Amerika  in  vergangenen  geologi- 
schen Epochen  so  wenig  wie  heute  jene  höchstentwickelten  menschen- 
ähnlichen Affen,  die  den  Uebergang  von  den  eigentlich  thierischen 
Säugethieren  zum  Menschen  gebildet  haben  müssen.  Ferner  weiss 
man  auch  nichts  von  irgend  welchen  Bewohnern  Amerikas,  die, 
verschieden  von  den  heutigen,  diesen  vorausgegangen  wären  und 
von  denen  letztere  abzuleiten  sein  würden.  Auch  hat  kaum  einer 
von  den  schärfer  blickenden  und  vorurtheilsloseren  Reisenden, 
welche  Amerika  besuchten,  die  Anklänge  an  mongolische  Rassen- 
merkmale übersehen,  welche  dessen  eingeborene  Rasse  aufweist 
und  welche  bemerkenswerther  Weise  gerade  da  am  deutlichsten 
hervortreten,  wo  die  Trennung  zwischen  Asien  und  Amerika  am 
wenigsten  scharf  ist,  nämlich  im  NW.  von  Nord-Amerika. 


III.  Die  Indianer.  109 

Es  fehlt  aiicli  nicht  an  gemeinsamen  Einrichtungen  und  Sitten, 
welche  die  Völker  dies-  und  jenseits  des  Stillen  Meeres  mit  einander 
verknüpfen.  Die  Aehnlichkeit  der  Schamanen  und  Medicinmänner 
ist  oft  betont;  gewisse  Waffentänze,  Hantierungen  der  Schamanen, 
der  Bärencultus,  Märchen  u.  a.  finden  sich  in  auffallender  Ueber- 
einstimmung  bei  einzelnen  Völkern  Nord -Asiens  und  Amerikas. 
Die  Nomaden  gebrauchen  Lederzelte  hier  wie  dort.  Selbst  die 
Sprachen  sind  wahrscheinlich  nicht  so  weit  verschieden,  wie  man 
auf  Grund  unvollkommener  Einsicht  früher  annahm. 

Freilich  ist  es  bei  allen  diesen  auffallenden  Uebereinstimmungen 
heute  noch  immer  vollkommen  nutzlos,  über  die  Art  und  Weise 
der  Völkerwanderungen  oder  Völkerbeziehungen,  welche 
dieselben  voraussetzen.  Bestimmtes  erkennen  zu  wollen.  Die  Cultur, 
zu  welcher  einige  der  amerikanischen  Völker  vorgeschritten  waren, 
war  nicht  alt  und  hoch  genug,  um  literarische  Denkmale  von 
hohem  Alter  und  irgend  einem  Grade  geschichtlicher  Glaubwürdig- 
keit hinterlassen  zu  können,  wie  wir  sie  von  alten  Völkern  des 
altweltlichen  Orients  kennen,  die  übrigen  Völker  aber  waren  ge- 
schichtslos,  d.  h.  sie  besassen  keine  bestimmten  sicheren  Ueber- 
lieferungen  ^). 

Aus  den  Nachrichten  und  Spuren,  die  man  von  Wanderungen 
der  Indianerstämme  besitzt,  kann  eine  bestimmte  Richtung  nicht 
gefolgert  werden.  Diese  Züge  sind  kreuz  und  quer  gegangen  und 
seit  der  Ankunft  der  Europäer  wog  ganz  natürlich  die  Zurück- 
drängung nach  W.  vor.  Hinter  dem  Schleier  dieser  massenhaften 
Verschiebungen  innerhalb   der   letzten  300  Jahre  wird  wahrschein- 


1)  Es  ist  in  dieser  ethnographischen  Einleitung  nicht  der  Ort  tiefer  einzu- 
gehen auf  jene  merkwürdigen,  besonders  im  Mississippi-  und  Ohio-Thal  häufigen 
künstlichen  Hügel  (Mounds),  ümwellungen  u.  dgl. ,  welche  von  einer  einst  dich- 
teren und  zur  Herstellung  grosser,  wenn  auch  einfacher  Denkmale  ihres  Daseins 
befähigteren  Bevölkerung  erzählen,  als  es  die  Indianer  waren,  mit  denen  die 
ersten  Entdecker  und  Ansiedler  im  16.  Jahrhundert  zusammentrafen.  Indessen 
ist  es  nur  die  Grösse  und  die  grosse  Zahl  dieser  Werke,  welche  in  dieser  Be- 
ziehung auffallen ;  die  Waffen,  Geräthe  u.  s.  f.,  die  man  in  diesen  Bauten  findet, 
sind  im  Allgemeinen  eben  so  primitiv,  wie  sie  bei  den  letzteren  gefunden  wurden. 
Man  findet  die  ausführlichsten  Nachrichten  über  diese  Reste  bei  Squier  and 
Davis,  Ancient  Monuments.  New  York  1848.  Squier,  Antiquities  of  the  State 
of  New  York.  Buffalo  1651. 


110  III.  Die  Indianer. 

lieh  die  Richtung  der  ursprünglichen  Einwanderung  der  Indianer 
gar  nicht  mehr  zu  erkennen  sein,  zumal  die  Sprachvergleichung 
bisher  nicht  im  Stande  gewesen  ist,  diesen  Forschungen  wesentliche 
Hülfe  zu  leisten.  Die  günstige  Lage,  grosse  Fruchtbarkeit  und  die 
Mannigfaltigkeit  der  Erzeugnisse  des  Columbia-Thaies  haben  manche 
Amerikanologen  dazu  geführt,  hier  den  Ausgangspunkt  der  Wan- 
derungen zu  suchen,  welche  Nord- Amerika  mit  dem  grössten  Theil  der 
Stämme  bevölkerten,  die  den  Europäern  entgegentraten.  Lewis 
H.  Morgan  hat  diese  Hypothese  ausführlich  zu  begründen  versucht 
in  seinen  Indian  Migrations  (N.  Am.  Review  1870.  L). 

H.  Physische  Eigenthümlichkeiten.  Die  physischen 
Eigenthümlichkeiten  der  nordamerikanischen  Indianer  lassen  sich, 
soweit  sie  nicht  gemeinsame  Eigenschaften  alt-  wie  neuweltlicher 
Mongoloiden  sind,  nicht  in  wenige  bezeichnende  Merkmale  zu- 
sammenfassen. Man  muss  hervorheben,  dass  eine  so  grosse 
Gleichförmigkeit  der  Einzelnen,  wie  sie  manchen  Beobachtern 
aufgefallen  sein  will,  in  Wirklichkeit  nicht  besteht.  In  Körper- 
grösse  und  -gestalt,  Physiognomie,  Färbung,  Behaarung  gibt 
es  Stammes-  und  Individuenunterschiede  besonders  zwischen  den 
atlantischen  und  pacifischen  Stämmen,  welche  sehr  merklich  sind. 
Uebrigens  ist  jene  scheinbare  Unterschiedslosigkeit,  wenn  sie  auch 
nicht  oberflächlichen  Beobachtern  bei  vielen  anderen  sehr  wohl 
differenzirten  Völkern  (z.  ß.  Chinesen,  Malayen,  Mongolen)  auf- 
gefallen wäre,  um  aber  jedesmal  bei  genauerer  Beobachtung  sich 
in  Täuschung  aufzulösen,  schon  darum  mit  Misstrauen  aufzunehmen, 
weil  wir  in  den  heutigen  nordamerikanischen  Indianern  gewiss  eine 
sehr  vielfach  gemischte  Rasse  vor  uns  haben.  Nicht  bloss  der 
Kinder-  und  besonders  Mädchenraub,  den  alle  Stämme  des  Westens 
unter  einander  sowohl  als  auch  gegen  die  spanischen,  englischen, 
deutschen  etc.  Ansiedler  seit  lange  geübt  haben,  sondern  auch  der 
in  manchen  Fällen  ganz  freiwillige  Uebertritt  Weisser,  die  in 
jahrelangem  Waldläuferleben  verwildert  sind,  in  die  indianischen 
Stammesgemeinschaften  und  noch  mehr  das  nicht  gar  selten  zu 
dauernden  Familiengründungen  führende  Zusammenleben  der  Wald- 
läufer, Bergleute,  Ansiedler  u.  dgl.  mit  indianischen  Squaws  sind 
geeignet,  die  Indianerstämme  mit  Mischlingsprodukten  zu  bereichern. 


HE.  Die  Indianer.  111 

welche    die    äussere   Erscheinung    derselben   immer   mannigfaltiger 
erscheinen  lassen  werden. 

Das  Knochengerüst  des  nordamerikanischen  Indianers  weicht 
von  dem  des  Weissen  weniger  ab  als  das  des  Negers;  man  findet 
am  Rumpfe  im  Allgemeinen  dieselben  Proportionen,  vielleicht  mit 
einer  auch  bei  anderen  nichtkaukasischen  Rassen  zu  beobachtenden 
Neigung  zu  längerem  Leib  und  kürzeren  Beinen;  ein  stämmiger, 
untersetzter  Bau  waltet  vor;  der  Schädel  zeigt  bei  verschiedenen 
Stämmen  sehr  verschiedene  Verhältnisse  der  Breite  und  Höhe^), 
welche  jedoch  für  die  Rassencharakteristik  von  minderem  Werthe  sein 
dürften,  zumal  da  die  Sitte  der  künstlichen  Abplattung  bei  Indianern 
in  sehr  ausgedehntem  Masse  und  in  den  verschiedensten  Richtungen 
geübt  wird;  sicher  scheint  zu  sein,  dass  Langschädel  bei  den 
Indianern  zu  den  Ausnahmen  gehören  und  dass  Meso-  und  Brachy- 
cephalie  bei  ihnen  vorwiegend  vertreten  sind.  Die  breiten  Joch- 
bogen der  Mongoloi'den  kehren  bei  den  Indianern  als  ein  sehr 
beständiges  Merkmal  wieder,  ebenso  die  niederen  Stirnen,  wogegen 
der  hohe  Nasenrücken  häufig  Adlernasen  entstehen  lässt,  die  den 
kleinen  abgestumpften  Nasen  der  asiatischen  Mongolen  stark  ent- 
gegengesetzt sind.  Die  Kieferbildung  erreicht  die  Prognathie  des 
niedrigsten  Negerschädels  wohl  selten,  erhebt  sich  eben  so  selten 
aber  bis  auf  die  Stufe  der  Orthognathie  des  Kaukasiers.  In  den 
Fleischtheilen  des  Körpers  steht  der  nordamerikanische  Indianer, 
was  Muskelentwickelung  betrifft,  hinter  dem  bedeutend  stärkeren 
Neger  zurück,  was  indessen  weniger  ein  von  Anfang  an  unter- 
scheidendes Rassenmerkmal,  als  vielmehr  eine  Wirkung  des  fort- 
gesetzten Lebens  unter  ungünstigen  .klimatischen  und  Ernährungs- 
Verhältnissen  sein  wird ;  auch  hinter  den  geübteren  Europäern  steht 
der  Durchschnittsindianer  an  Muskelkraft  zurück,  während  er  ihn 
bekanntlich  in  früheren  Zeiten,  wo  er  noch  kampfgeübter  war,  in 
Ausdauer  und  in  Schärfe  der  Sinne  übertraf.  Es  sind  das  die 
überall  wiederkehrenden  Unterschiede  des  Cultur-  und  Naturmenschen. 


1)  Welcker  gibt  in  den  Kraniologischen  Mittheihmgen  (Archiv  für  Anthro- 
pologie I.  157)  als  Breitenindex  von  Nordamerikanischen  Indianern  77,  von 
Mexikanern  76,  von  Nordwestamerikanern  80,  von  Flatheads  100,  als  Höhen- 
indices  derselben  Gruppen  75,  78,  7G  und  87. 


112  III.  Die  Indianer. 

In  den  Fleischtheilen  des  Gesichtes  ist  die  Liderfalte,  welche  die 
Augenöffnung  geschlitzt  erscheinen  lässt,  oft  eben  so  scharf  aus- 
geprägt wie  bei  den  schlitzäugigsten  Mongolen,  aber  in  der  Regel 
ist  das  Auge  weiter  geöffnet  und  seine  Stellung  gerader,  ohne  in- 
dessen ganz  die  Erinnerung  an  dieses  sehr  beständige  Rassen- 
merkmal der  Mongoloiden  vermissen  zu  lassen.  Das  Auge  selbst 
erscheint  eher  klein  als  gross,  ist  dunkel,  sein  Weisses  trüb.  An 
Mund  und  Nase  tritt  die  Fleischigkeit  hervor,  welche  besonders  in 
den  wulstigen  Lippen  einen  sehr  bezeichnenden  Ausdruck  findet; 
es  ist  gewissermassen  eine  überflüssige,  von  den  Nerven  nicht  mehr 
vollständig  zu  beherrschende  Masse,  welche  hier  die  Züge  ver- 
gröbernd und  verthierend  hervortritt :  derselbe  Zug,  der  keiner  von 
den  nichtkaukasischen  Rassen  fehlt  und  selbst  in  den  auf  Blut- 
mischung mit  niedrigeren  Rassen  hindeutenden  semitischen  und 
hamitischen  Gliedern  dieser  häufig  wiederkehrt.  Die  Gesichtsform 
ist  durch  die  starke  Entwickelung  der  Kiefer  und  Mundtheile  und 
durch  die  Niedrigkeit  der  Stirn e  meist  eine  nach  unten  verbreiterte, 
umgekehrt  birnförmige.  Die  Ohren  neigen  zum  Abstehen.  Die 
weich  anzufühlende  Haut  ist  an  den  bedeckten  Theilen  schwach 
oder  gar  nicht  behaart,  ebenso  ist  der  Bart  fast  immer  sehr  schwach, 
kaum  merklich.  Die  Hautfarbe  variirt  von  schmutziggelb  durch  die 
verschiedenen  Schattirungen  von  hellbraun  bis  rothbraun.  Dunkle 
Farben  kommen  bei  Nordamerikanern  nicht  vor.  Das  Haar  ist 
schlicht,  lang,  grob  und  tiefschwarz. 

Der  Gesichtsausdruck  der  Indianer  Nord- Amerikas  hat  so  viel 
Anlass  zu  übertreibenden  Schilderungen  geboten,  dass  es  nicht  überflüssig 
sein  wird,  denselben  besonders  zu  beachten.  Er  gehört  auch  hier,  wie 
bei  allen  Völkern ,  zu  den  am  schwersten  zu  erfassenden  und  zu  be- 
schreibenden Eigenschaften.  Es  ist  unrichtig,  wenn  man  glaubt,  dass  die 
Gesichtszüge  der  Naturmenschen  viel  weniger  verschieden  und  weniger 
veränderlich  seien  als  die  der  Civilisirten.  Natürhch  fehlen  diesen 
Menschen,  die  fast  alle  das  gleiche  Leben  führen,  die  Stempel  der  Standes- 
und Beschaftigungsunterschiede,  welche  unseren  Gesichtern  allen  aufgeprägt 
sind,  aber  dafür  haben  an  ihren  Zügen  Leidenschaften  und  Strapazen  mit 
schärferen  Klingen  gemodelt  und  es  fehlen  jedenfalls  jene  zahllosen  bis 
zur  Physiognomielosigkeit  aufgeschwemmten  oder  erschlafften  Gesichter, 
wie  sie  das  einförmige  Wohlleben  besonders  bei  älteren  Gliedern  unserer 
Culturvölker  erzeugt.     Am  häufigsten   haben   sich   heute  wohl   die   durch 


III.  Die  Indianer.  113 

frühzeitige  Ausschweifungen,  Entbehrungen  und  durch  Branntweingenuss 
hervorgebrachten  Verzerrungen  und  Erschlaffungen  ausgeprägt;  frühes  Alter 
dürfte,  wie  hei  anderen  Naturvölkern,  die  Regel  sein,  und  zwar  mehr  noch 
hei  den  Weibern  als  den  Mannern.  Auch  in  früheren,  besseren  Zeiten 
werden  die  Gesichter  der  unregelmässig,  aber  fast  immer  von  der  Hand 
in  den  Mund  lebenden  Jäger-  und  Fischervölker  die  Spuren  zahlreicher 
Entbehrungen,  und  bei  den  Kriegern  nocli  dazu  die  der  Strapazen  ge- 
getragen haben.  Bei  den  letzteren  ist  der  Ausdruck  der  Entschlossenheit 
oft  sehr  stark  gezeichnet  und  häufig  bis  zur  Wildheit  gesteigert.  Aber 
öfter  noch  drücken  die  Gesichter  nur  eine  brütende  oder  lauernde  Stumpf- 
heit aus,  welche  auch  Grundzug  der  Physiognomie  bei  den  arbeitbeladenen 
Weibern  ist.  Meist  lässt  die  starke  Entwickelung  der  Gesichtspartie, 
vorzüglich  der  Kinnladen,  Kiefer  und  Lippen,  jenen  entschlossenen  Aus- 
druck, der  besonders  in  den  Augen  seinen  Sitz  hat,  nicht  zur  Ausprägung 
dessen  werden,  was  wir  in  unseren  kaukasischen  Gesichtern  als  Energie 
bezeichnen  würden,  aber  die  öfters  stark  vorspringende  Nase  unterstützt 
denselben.  Eben  so  selten  lässt  die  vorwaltende  verschwommene  Trüb- 
heit des  Blickes  und  die  Niedrigkeit  der  Stirne  den  Ausdruck  hoher 
Intelligenz  zu.  Wahrhaft  energische  und  intelligente  Gesichter  sind  selten 
inmitten  der  überwältigenden  Mehrheit  von  stumpfen,  wilden  und  sinn- 
lichen. Der  platte,  wie  verschlafene  Gesichtsausdruck  der  Mongolen 
kommt,  wie  es  scheint,  bei  den  pacifischen  Stämmen  häufiger  zur  Er- 
scheinung als  bei  denen  des  Inneren  und  des  Ostens,  welche  bisher  das 
Material  für  die  Construktion  unseres  typischen  Indianers  ausschliesslich 
geliefert  haben. 

III.   Psychische  Eigenschaften  und  Entwickelungen. 

Eine  kurze  Zusammenfassung  der  psychischen  Eigenschaften  einer 
gewissen  Zahl  von  in  sich  selbst  nach  inneren  Verhältnissen  und 
äusseren  Einflüssen  sehr  heterogenen  Volksstämmen,  wie  es  die 
nordamerikanischen  Indianer  sind,  ist  nur  möglich,  wenn  man 
an  der  Oberfläche  bleibt,  wo  dann  allerdings  kaum  andere  Eigen- 
schaften zu  nennen  sein  werden,  als  den  Naturvölkern  überhaupt 
unter  den  verschiedensten  Verhältnissen  zukommende.  Wenn  die 
Beobachter  darin  übereinstimmen,  dass  die  Indianer  trotz  ihres 
gleichmüthigen  Aeusseren,  von  grosser  Leidenschaftlichkeit  seien, 
sobald  sie  aufgeregt  würden,  so  sagen  sie  damit  etwas,  das  eben  so 
gut  von  den  Australiern  und  von  den  Malayen  gilt,  denn  die  un- 
vermittelten Uebergänge  vom  Zustande  der  halbschlafenden  Trägheit 
zu   leidenschaftlichen    Aufregungen    sind    für   alle   Naturvölker   be- 

ß  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  o 


114  III.  Die  Indianer. 

zeichnend,  wie  überhaupt  das  Schwanken  zwischen  den  Extremen 
in  jeder  Beziehung ^).  Die  Grundstimmung  des  Indianers  ist 
allerdings  weniger  heiter  als  die  des  Negers,  wiewohl  man  ihn 
eben  so  wenig  w^ie  die  Gesammtheit  irgend  einer  anderen  Rasse  als 
melancholisch  bezeichnen  kann.  Er  hat  nicht  die  übersprudelnde 
Lebenskraft  des  Negers,  die  sich  in  allen  möglichen  Tollheiten  Luft 
macht  und"  an  das  Wesen  aufgeregter  Kinder  erinnert.  Er  ist  eher 
geneigt,  verschlossen  und  bis  zum  Schein  von  Stumpfsinnigkeit 
düster  zu  sein.  Die  Förmlichkeit,  welche  in  den  Verhandlungen 
der  Indianer  unter  sich  oder  mit  Weissen  eine  so  merkwürdige 
Rolle  spielt,  hängt  theilweise  damit  zusammen,  ebenso  die  Lust  an 
Verstellung  und  die  Selbstüberwindung  in  der  Aeusserung  der  Ge- 
fühle von  Freude  und  Schmerz.  Er  ist  aber  eben  deshalb  nicht 
so  vollkommen  unberechenbar  wie  andere,  kindischere  Naturvölker 
und  flösst  entschieden  mehr  Achtung  und  Zutrauen  ein  als  z.  B. 
der  echte  Neger  oder  der  Papua.  Aber  freilich  reissen  ihn  die 
Leidenschaften  zu  sehr  unberechenbaren  Thaten  hin  und  die  Spiel- 
wuth,  die  Trunksucht,  die  Rache  verändern  sein  Wesen  eben  so 
gründlich  wie  sie  es  bei  den  heissblütigsten  Völkern  nur  vermögen. 
Der  zur  Beurtheilung  seines  eigenen  Charakters  so  wichtige  Mass- 
stab, mit  welchem  er  Recht  und  Unrecht  und  überhaupt  die 
ethischen  Verhältnisse  misst,  ist  von  den  religiösen  Vorstellungen 
ganz  losgelöst.  Der  Begriff  der  Sünde  tritt,  wie  Waitz  treffend 
sagt,  hinter  dem  des  Verbrechens  zurück,  das  nur  vom  Beleidigten 
oder  Verletzten  bestraft  wird^).  Dass  dieser  Massstab  sich  im 
Lauf  der  Zeit  entsprechend  dem  allgemeinen  Niedergang  der  Rasse 
in  ungünstiger  Richtung  verändert  hat,  scheint  keinem  Zweifel  zu 
unterliegen.     Aus  Ueberlieferungen   und   Erzählungen   geht  hervor, 


1)  „Wenige  Menschen  zeigen  grössere  Wechsel,  oder  wenn  ich  mich  so 
ausdrücken  kann,  grössere  Antithesen  im  Charakter,  als  der  eingeborene 
Krieger  Nord-Amerikas.  Im  Krieg  ist  er  kühn,  ruhmredig,  listig,  hart,  voll 
Selbstverleugnung  und  Hingabe  an  die  Sache;  im  Frieden  gerecht,  gross- 
müthig,  gastfrei,  rachsüchtig,  abergläubig,  bescheiden  und  gewöhnlich  keusch. 
Alle  diese  Eigenschaften  kommen  nicht  allen  gleichmässig  zu,  aber  sie  sind  so 
sehr  vorwaltende  Züge  dieses  bemerken swerthen  Volkes,  dass  man  sie  als  charak- 
teristisch bezeichnen  kann."     (Cooper,  The  Last  of  the  Mohicans.  Introd.) 

2)  Anthropologie  der  Naturvölker  18G2.  III.  I.  160. 


III.  Die  Indianer.  115 

dass  Diebstahl,  Mord,  Zauberei,  Grausamkeit,  eheliche  Untreue, 
Ungehorsam  gegen  die  Eltern,  Ehrfurchtslosigkeit  gegen  das  Alter, 
Verletzung  religiöser  Gelübde  unrechte  Handlungen,  die  immer 
ihre  Strafe  nach  sich  ziehen ;  dagegen  erscheinen  Selbstverleugnung, 
Standbaftigkeit,  Tapferkeit,  Uneigennützigkeit,  Geschwister-  und 
Elternliebe,  Ehrfurcht  vor  dem  Alter,  Freigebigkeit  und  Gast- 
freundschaft als  lobenswerthe  Handlungen,  die  sich  früher  oder 
später  belohnen.  Es  ist  dies  die  Moral  einer  von  Natur  mit  edeln 
Trieben  nicht  unbegabten  Rasse,  freilich  eine  Moral,  die  bei  dem 
niedrigen  Stande  der  allgemeinen  Cultur  in  vielen  Punkten  nur 
theoretisch  geblieben  sein  wird.  Ueberhaupt  ist  von  Rassen  auf 
niederer  Culturstufe  nicht  jene  Standbaftigkeit  in  moralischer  Be- 
ziehung zu  erwarten  wie  von  solchen,  die  in  der  Cultur  fort- 
geschritten sind.  Es  handelt  sich  hier  daher  vorzüglich  um  die 
Beurtheilung  von  Anlagen,  und  auf  die  Art,  wie  ein  oder  der  andere 
Stamm  sich  bei  dißr  oder  jener  Gelegenheit  verhalten  hat,  ist 
weniger  Gewicht  zu  legen.  Muth,  Freigebigkeit  und  Gastfreund- 
schaft sind  nur  von  Wenigen  in  Zweifel  gezogen,  konnten  aber 
natürlich  immer  nur  von  denjenigen  Beobachtern  wirklich  in  Er- 
fahrung gebracht  werden,  welche  mit  unverdorbenen  und  nicht 
zufällig  selbst  in  Mangel  versetzten  Stämmen  in  Berührung  kamen. 
Mit  der  Wahrhaftigkeit  steht  es  etwas  anders.  Nachdem  die  Weissen 
einige  Jahrzehnte  im  Lande  verweilt  hatten,  war  der  Kampf  ums 
Dasein  für  die  benachbarten  Stämme  schon  so  heftig,  dass  für  die 
Uebung  grossmüthigcr  Tugenden  gegen  dieselben  kein  Raum  blieb. 
Früher  kamen  ohne  Zweifel  gewisse  noble  Charaktere  unter  den 
Stammeshäuptern  den  Europäern  mit  Vertrauen  und  Aufrichtigkeit 
entgegen  und  Versprechungen  wurden  gehalten.  Später  erlaubten 
die  Uebergriflfe  der  Weissen  eine  solche  Haltung  nicht  mehr.  In- 
dessen ist  wahrscheinlich  von  vornherein  der  Boden  für  die  Tugend 
der  Wahrheitsliebe  bei  den  Indianern,  gleichwie  bei  anderen  Natur- 
völkern ein  ziemlich  lockerer,  darauf  scheint  wenigstens  die  all- 
gemein zugegebene  Neigung  zur  Grosssprecherei  und  Uebertreibung^) 


1)  Diese  Sucht  zur  Uebertreibung  hat  auch  ihre  ethnographischen  Resultate 
gehabt,  denn  manche  der  Ueberschätzungen ,  in  welche  man  mit  Bezug  auf  die 
Yolkszahl  der  Indianer  in  Nord- Amerika  verfallen  ist,   führen  auf  grossspreche- 

8* 


116  in.  Die  Indianer. 

schliessen  zu  lassen.  Indessen  ist  das  eine  bei  Wilden  (und  bei 
Kindern),  deren  Geist  nicht  von  der  Gewohnheit  ruhigen  Denkens 
gezügelt  wird,  minder  bedenkliche  Untugend.  Um  so  weniger 
fällt  sie  in  die  Wagschale,  als  viele  und  darunter  so  vortreffliche 
Beobachter  wie  Gen.  Hariison  und  Heckewelder^)  ihre  Treue  in 
der  Freundschaft,  ihre  Anhänglichkeit  und  ihre  dauerhafte  Dank- 
barkeit mit  hohem  Lobe  hervorheben.  Dies  sind  auch  Formen  von 
Wahrhaftigkeit,  und  zwar  sehr  schwer  wiegende.  Auch  über  ihr 
grosses,  den  Europäern  oft  übertrieben  scheinendes  Ehr-  und 
Selbstgefühl  sind  die  zuverlässigsten  Beobachter  nicht  im  Zweifel, 
nur  dass  vielleicht  gerade  hier  mehr  als  in  vielen  anderen  Fällen 
die  günstigen  Urtheile  sich  auf  einzelne  hervorragende  Persönlich- 
keiten beziehen  dürften.  Doch  wird  die  grosse  Empfindlichkeit 
gegenüber  beschimpfenden  Strafen  und  die  Standhaftigkeit  bei 
Martern  und  Todesdrohungen  durch  Feinde,  und  noch  im  Tode 
selbst,  sehr  zuverlässig  bezeugt. 

Fassen  wir  das  über  den  Charakter  des  Indianers  Gesagte  zu- 
sammen, so  lässt  sich  so  viel  mit  einem  ziemlich  hohen  Grade  von 
Sicherheit  feststellen,  dass  wir  in  ihm  den  Hauptgrundzug  der 
Kraft  erkennen,  welcher  Muth  auf  der  einen,  Grausamkeit  auf  der 
anderen  Seite  entspringen.  Der  Indianer  ist  nicht  zu  jener  über- 
wiegende q  Masse  der  Naturvölker  zu  zählen,  welche  durch  Ver- 
weichlichung in  einer  übergütigen  Natur  oder  durch  den  Druck 
von  Despotien  oder  unter  der  Einwirkung  elender  Lebensbedingungen 
schwach  und  feige  geworden  sind,  sondern  er  ist  eine  von  vorn- 
herein kräftige  und  inmitten  einer  freigebigen,  aber  auch  An- 
strengungen und  Entbehrung  auferlegenden  Umgebung  gestählte  Natur. 
Unter  ähnlichen  äusseren  Bedingungen  wie  unsere  Urväter  in  den 
alten    deutschen   Wäldern    lebend,    erinnern   manche   ihrer   Eigen- 


rische  Angaben  der  Häuptlinge  oder  sonstiger  Stammesangeliöriger  zurück.  Als 
z.  B.  1829  in  New  York  einer  Ballonsteigung  inmitten  einer  ungeheueren  Menschen- 
masse Nawkaw,  ein  Winnebago-Häuptling ,  anwohnte  und  gefragt  wurde,  ob  er 
je  so  viel  Menschen  beisammen  gesehen,  antwortete  er:  „In  unserem  kleinsten 
Dorfe  sind  mehr."  Der  ganze  Stamm  zählte  aber  nur  3000  Köpfe.  Neuerdings 
haben  diese  Uebertreibungen  den  besonderen  Zweck,  sich  mehr  Rationen  von 
der  Regierung  zu  verschaifen  als  ihnen  gebühren. 
1)  S.  Citate  bei  Waitz,  Anthropologie  III.  I.  167. 


III.  Die  Indianer.  117 

Schäften  an  dieselben  und  der  einst  beliebte  Vergleich  beider  ist 
nicht  nur  von  der  Oberfläche  hergenommen,  wie  es  überkritischen 
Beurtheilern  scheinen  mag,  welche  mehr  den  Rassenunterschied  als 
die  Uebereinstimmung  vieler  äusserer  Bedingungen,  vorzüglich  des 
Klimas,  des  Lebens  in  einem  weiten  Waldgebiete,  der  kräftigen 
Naturanlage  und  der  kriegerischen  Neigungen  betonen.  Gerade  die 
Völker  gemässigter  Klimate,  welche  von  der  Natur  mit  kräftigen 
Körpern  ausgestattet  sind,  erscheinen  in  den  verschiedensten  Rassen 
auf  der  Stufe  des  Ueberganges  vom  schweifenden  Leben  des  Natur- 
menschen zu  dem  des  Ackerbauers  und  Viehzüchters  einander  ähn- 
licher als  Völker  verschiedener  Rassenangehörigkeit  es  sonst  auf 
irgend  einer  anderen  Stufe  zu  sein  pflegen.  Wie  verschieden  auch 
ihr  späterer  Beruf  in  der  Weltgeschichte  sein  mag,  hier  ist  ihnen, 
gewissermassen  wie  auf  einem  gemeinsamen  Ruhe-  und  Durchgangs- 
punkt, allen  gemein  die  starke  Ausprägung  der  Körper  und  Seele 
stählenden  Wirkungen,  also  Kraft  und  Gewandtheit  und  der  damit 
eng  verbundenen  männlichen  Tugenden  des  Muthes,  der  Stand- 
haftigkeit,  der  Ausdauer  in  erster  Linie,  und  ferner  der  aus 
diesen  grossentheils  sich  ergebenden  des  Ehrgefühles,  der  An- 
hänglichkeit, der  Dankbarkeit  und,  mit  gewissen  Ein- 
schränkungen, auch  der  Wahrhaftigkeit  und  Grossmuth.  Als 
Schattenseiten  dieser  Eigenschaften  sind  wohl  eben  so  allgemein  die 
Grausamkeit,  die  List,  die  Verstellung  gegen  Feinde, 
überhaupt  die  Anwendung  jedweden  Mittels,  das  zur  Befriedigung 
der  aufgestachelten  Kampfleidenschaften  dienlich  ist.  Ohne  Zweifel 
war  der  auf  dem  Kriegspfad  wandelnde  Indianer  ein  rücksichts- 
loserer, weniger  grossmüthiger  Gegner  als  der  alte  Germane.  Die 
zum  Schwanken  in  Extremen  geneigte  tiefe  Leidenschaftlichkeit 
seiner  Natur,  das  Uebergewicht  des  Sinnlichen  über  das  Geistige, 
das  eigentliche  Wesen  des  Wilden,  das  aber  z.  Th.  in  der  niedreren 
Rasse  liegt,  brachte  hier  sich  zur  Geltung. 

Alle  bisher  erwähnten  Eigenschaften  betreff'en  den  Charakter 
des  indianischen  Mannes,  so  wie  er  sich  in  denjenigen  Beziehungen 
des  Lebens  erweist,  die  man  männliche  nennen  könnte.  Was  die 
weibliche  Seite  anbetrifft,  so  nehmen  die  Indianerinnen  keine 
Stellung  ein,  welche  ihnen  erlaubte  oder  geböte  aus  dem  Pfahlkreis 


118  III.  Die  Indianer. 

des  Wigwam  hervorzutreten.  Die  wenigen  unter  ilmen,  welche  die 
Geschichte  nennt,  sind  ausserordentliche  Erscheinungen,  die  aller- 
dings erkennen  lassen,  dass  grosse  und  edle  Eigenschaften  in 
indianischen  Frauen  leben  können.  Man  hat  Beispiele  von  Frauen- 
herrschaft und  nicht  bei  allen  Stämmen  waren  die  Frauen  von  den 
Versammlungen  der  Männer  ausgeschlossen.  Aber  im  Ganzen  ist 
die  Frau  des  Indianers  doch  sogar  mit  Strenge  hinausverwiesen 
aus  jeder  höheren  Lebenssphäre  und  die  gemeinen  Arbeiten  des 
täglichen  Bedarfes  sind  ausschliesslich  ihr  zugewiesen.  Gerade  diese 
niedere  Stellung  des  Weibes  gehört  zu  den  durchgehendsten  Zügen 
im  Charakterbild  der  nord amerikanischen  Indianer.  Das  Weib 
ist  die  Dienerin  des  Mannes:  das  zieht  sich  durch  ihr  ganzes 
Leben.  Schon  das  weibliche  Kind  ist  minder  geachtet  als  das 
männliche.  Das  Leben  hat  für  sie  nur  Eine  Zeit  der  Blüthe,  die 
Zeit  der  beginnenden  Jungfrauschaft,  zu  der  sie  gefreit  wird.  Von 
da  an  aber  geht  ihre  Lebenslinie  rasch  abwärts.  Die  Trauungs- 
ceremonien  sind  meist  kurz  und  nicht  übermässig  feierlich.  Auf 
die  Erhaltung  der  Keuschheit  einer  Jungfrau  scheint  kein  grosser 
Werth  gelegt  zu  werden,  aber  die  Treue  in  der  Ehe  wird  vom 
Weibe  in  der  Regel  gefordert.  Die  Scheidung  ist  eben  so  leicht 
und  mit  wenigen  Formen  verknüpft  wie  die  Ehelichung.  Nahe  Blut- 
verwandschaft verhindert  bei  den  meisten  Stämmen  die  Ehe  nicht. 
Polygamie  ist  allgemein,  insoweit  sie  sich  nicht  durch  die  geringe 
Zahl  der  Weiber  oder  durch  die  Schwierigkeit  ihrer  Ernährung 
von  selbst  verbietet,  selbst  von  Weibergemeinschaft  wird  berichtet. 
In  früheren  kriegerischen  Zeiten  scheint  Mädchenraub  eine  ihrer 
Hauptquellen  gebildet  zu  haben.  Das  Anbieten  von  Weibern  gehörte 
bei  vielen  Stämmen  zur  Gastfreundschaft.  Unnatürliche  Laster  sind 
weit  verbreitet.  Die  Erbfolge  ging  wie  bei  vielen  anderen  Völkern, 
die  auf  derselben  niederen  Stufe  des  Familienlebens  stehen,  der 
mütterlichen  Seite  nach. 

Man  erkennt  in  der  Auffassung  der  Familie  und  der 
Stellung  des  Weibes  eine  Seite  des  Charakters  des  Indianers, 
welche  nichts  von  dem  Grossen  und  Erfreulichen  zeigt,  das  er  im 
streitenden  oder  friedlichen  Verkehr  mit  Männern  an  den  Tag  legt, 
das   aber   der   allgemeinen    Vorstellung,    die   wir   uns   nach   diesen 


III.  Die  Indianer.  119 

Zügen  machen,  nicht  widerspricht.  Wie  bei  allen  starken,  aber 
rohen  Völkern  tritt  nur  der  Mann  bestimmend  hervor,  das  Weib 
steht  zurück,  weil  es  schwach  ist,  und  seine  Schwäche  erzeugt 
Geringschätzung  auf  der  anderen  Seite.  Das  Resultat  ist  das  für 
das  Volk  im  Ganzen  verderbliche  der  Brachlegung  der  Kräfte  der 
ganzen  einen  Hälfte  der  Bevölkerung,  damit  der  Abschliessung  der 
Frauen  von  aller  Möglichkeit  höherer  Culturentwickeluiig,  und  die 
einseitige  Ausprägung  jenes  extrem  männlichen,  d.  h.  kräftigen, 
rohen  und  grausamen  Charakters  in  dem  ganzen  Thun  und  Treiben 
des  Volkes.  — 

Es  gab  bei  den  Indianern  auch  in  ihren  besten  Zeiten  kein 
festgegründetes  Recht,  ausser  dem  der  Erbfolge,  das  bereits  er- 
wähnt wurde.  Die  Vergehen  und  Verbrechen  wurden  fast  nur  als 
Sache  deren  behandelt,  die  durch  sie  geschädigt  waren.  Glaubte 
sich  die  Allgemeinheit  geschädigt,  wie  z.  B.  durch  Zauberei,  so 
nahm  sie  auch  die  Verurtheilung  in  die  Hand.  Alles  Strafrecht 
lief  auf  Rache  hinaus.  Wo  etwa  Häuptlinge,  Räthe  oder  dergl. 
Recht  sprachen,  da  geschah  es,  indem  sie  der  öffentlichen  Meinung 
Ausdruck  verliehen.  Statt  der  Sühnung  durch  Rache  war  auch 
Vermittelung  bei  einzelnen  Stämmen,  und  das  sogar  bei  Mordthaten, 
durch  eine  Leistung  irgend  welcher  Art  möglich.  Häufig  ging  aus 
der  Einzelschuld  die  Blutschuld  hervor  und  war  z.  B.  den  Irokesen 
unverjährbar.  Die  Eigenthumsverhältnisse  waren  erst  in 
der  Entwickelung  des  privaten  Eigenthums  aus  dem  allgemeinen 
begriffen.  Das  P^eld  gab  gewöhnlich  für  gemeinsame  Bearbeitung 
gemeinsame  Ernten,  ebenso  die  Jagd ;  daneben  konnte  nach  Bedarf 
noch  Einzelbesitz  durch  Anstrengung  des  Einzelnen  erworben  werden. 
Die  Begriffe  vom  Eigenthumsrecht  waren,  wie  es  bei  einer  eng  zu- 
sammenlebenden Gemeinschaft  in  Nothwendigkeit  begründet  liegt, 
streng  innerhalb  des  Stammes,  locker  ausserhalb  desselben  und 
bestanden  überhaupt  selten  gegenüber  den  Weissen.  Dass  gerade 
in  dieser  Richtung  der  allmähliche  Rückgang  der  Indianer  an 
innerem  Halt  und  äusserer  Macht  und  Ruhe  auch  eine  grosse 
Corruption  der  ohnehin  noch  vielfach  unklaren  Rechtsbegriffe  mit 
sich  geführt  hat,  ist  zweifellos. 


120  ni.  Die  Indianer. 

Die  Regierung  der  Indianerstämme  geschah  in  den  meisten 
Fällen  durch  Häuptlinge,  deren  Würde  erblich  war.  Wahlhäupt- 
linge werden  nur  selten  erwähnt.  Häuptlinge  untergeordneterer  Art 
bildeten  eine  Art  erblichen  Adels,  der  entweder  gleich  allen  Gliedern 
des  Stammes  dem  herrschenden  Haupte  unterthan  oder  in  Gestalt 
eines  Käthes  an  der  Regierung  betheiligt  war.  Einige  politische 
Organisationen  höherer  Art  bestanden  vor  der  Zeit  der  ersten 
europäischen  Einwanderungen  und  kämpften  zum  Theil  noch  gegen 
dieselben.  Die  einzige,  welche  von  längerer  Dauer  war,  gleichzeitig, 
allem  Anscheine  nach,  die  vollkommenste  unter  ihnen,  war  die 
der  5  (später  der  6)  Stämme  oder  der  Irokesen  (s.  u.),  welche 
sich  durch  einen  Bundesrath  von  50  Häuptlingen  regierten,  und  an 
deren  Spitze  ein  Oberhaupt  und  ein  Oberfeldherr  standen.  Uebrigens 
sind  die  meisten  Indianerstämme  von  jeher  zu  gering  an  Zahl  ge- 
wesen, um  einer  complicirten  Regierungsmaschine  zu  bedürfen 
oder  eine  solche  auch  nur  entwickeln  zu  können.  Innerhalb  der 
Stämme  gab  es  Geschlechter,  die  häufig  irgend  ein  Thier  (Totem 
bei  den  Algonkins  genannt)  gewissermassen  zum  Wappen,  gleich- 
zeitig aber  auch  als  unterscheidenden  Namen  besassen.  Einige  der 
charakteristischsten  und  bekanntesten  Sitten  der  Indianer,  wie  das 
imponirende  ernste  Ceremoniell,  die  feierlichen  Reden,  das  Herum- 
gehenlassen der  Tabakspfeife,  der  Austausch  von  Wampums  (d.  h. 
aufgereihten  Muscheln,  die  gleichzeitig  Schmuck,  Geld  und  Ehren- 
zeichen waren)  traten  in  den  Verhandlungen  der  Häuptlinge  und 
Räthe  hervor,  und  es  sind  vorzüglich  die  Reden,  die  mit  ihrem 
bilderreichen,  oft  schlagenden  Ausdruck  die  Europäer  in  Erstaunen 
gesetzt  haben.  Kriege  beschäftigten  diese  Räthe  wohl  in  den 
früheren  Jahrhunderten  am  meisten.  Sie  wurden  in  bestimmten 
Formen  erklärt,  sofern  es  nicht  bloss  Streifzüge  oder  Ueberfälle 
in  Folge  un verjährter  Fehden  sein  sollten.  Ebenso  wurde  der 
Friede  durch  bestimmte  Formen  (Begraben  der  Streitäxte,  Aus- 
tausch von  Wampums,  gemeinsames  Rauchen  der  Friedenspfeife) 
besiegelt.  Die  Kämpfe  hatten  den  Charakter  von  kleinen  Guerilla- 
kriegen. Rasche  Züge,  oft  von  Hunderten  von  Meilen,  Ueberlistungen, 
Ueberfälle,  Belagerung  einzelner  Dörfer  oder  Hütten,    fast  niemals 


III.  Die  Indianer.  121 

offene  Feld  schlachten  mächten  ihr  Wesen  aus.  Menschenleben 
wurden  im  Kriege  nur  geschont,  wenn  man  sie  behufs  der  gräss- 
lichen  Art  von  Triumph,  welcher  in  ihrer  öffentlichen  Zutode- 
quälung  bestand,  oder  für  die  Sklaverei  aufbewahren  wollte.  Mit 
der  Annahme,  dass  die  Geister  der  erschlagenen  Genossen  beruhigt 
werden  müssten,  spielt  diese  grausame  Sitte  in  das  religiöse  Gebiet 
hinüber.  Auch  der  Cannibalismus,  der  sich  ihr  verband,  hat  wahr- 
scheinlich in  abergläubischen  Vorstellungen  seine  Wurzel,  denn  es 
war  vorzüglich  das  Herz  des  Feindes,  der  Sitz  seiner  Tapferkeit, 
das  man  verzehrte. 

Die  religiösen  Vorstellungen  der  Indianer  sind  uns  sehr 
unklar  überliefert.  Das  Allgemeinste  und  Sicherste  am  indianischen 
Glauben,  was  überall  wiederkehrt,  ist  die  Verehrung  böser  Geister, 
die  mild  zu  stimmen  man  Opfer  bringt,  und  des  Schutzgeistes,  der 
den  Einzelnen  durchs  Leben  geleitet.  Viel  ferner  steht  der  Grosse 
Geist,  der  über  allem  Irdischen  steht,  alles  geschaffen  hat,  was  da 
ist,  und  den  man  häufig  als  ein  ungeheueres,  riesenhaftes  Wesen, 
z.  B.  einen  Riesenvogel  (dessen  Spuren  an  manchen  Orten  gezeigt 
wurden)  vorstellte.  Bei  manchen  Stämmen  war  seine  Idee  eine  so 
allgemeine,  verschwommene,  gewissermassen  nur  von  entferntem 
Hörensagen  bekannte,  dass  sie  eine  Wirkung  auf  das  Denken  oder 
Handeln  derselben  kaum  zu  äussern  vermochte.  Ein  Sonnencultus 
von  mehr  oder  weniger  deutlicher  Ausprägung  gesellte  sich  bei 
den  südlichen  Stämmen  dem  Cultus  des  Grossen  Geistes.  Von 
einem  Jenseits  und  von  jenseitiger  Vergeltung  finden  sich  dunkle 
Ahnungen,  die  wahrscheinlich  nicht  selten  christlichen  Ursprunges 
sind.  Die  grösste  Einwirkung  auf  das  wirkliche  Leben  des  Indianers 
übt  indessen  immer  der  Geisterglaube.  An  die  Geister  richten  sich 
wohl  vorzüglich,  wenn  nicht  ausschliesslich,  die  äusseren  Be- 
thätigungen  des  religiösen  Sinnes:  die  Tänze,  die  Zaubereien,  von 
ihnen  hängen  Wirkungen  ab,  die  ins  Leben  eingreifen,  und  die 
man  z.  B.  durch  Amulete,  wie  besonders  den  im  Leben  des  In- 
dianers eine  so  grosse  Rolle  spielenden  Medicinsack,  zu  lenken 
sucht.  Allgemein  verbreitet  ist  die  Annahme,  dass  dem  Schutzgott 
jedes  Einzelnen  eine  Thiergestalt  zukomme,  und  Naturgewalten 
wie  Donner  und  Regen  .werden  als  Geister  vorgestellt.    Viele  Thiere 


122  III.  Die  Indianer. 

werden  mit  Ehrfurcht  betrachtet,  vor  allen  Biber  und  Klapper- 
schlange, und  Thiersagen  und  -fabeln  bilden  einen  grossen  Theil 
dessen,  was  Literatur  der  Indianer  genannt  werden  könnte.  Cultus- 
stätten  gab  es  bei  den  südlichen  Stämmen  von  so  grosser  Aus- 
dehnung, dass  die  Spanier  dort  von  Tempeln  sprechen;  im  Norden 
beschränkten  sie  sich  auf  sog.  Zauberhütten,  in  denen  der  Medicin- 
mann  sein 'Wesen  trieb.  Auch  auf  den  Gipfeln  von  Hügeln,  an 
Quellen  und  in  Höhlen  versammelten  sich  die  Männer  eines 
Stammes  zu  Zwecken,  die  mit  ihren  religiösen  Vorstellungen  zu- 
sammenhingen, und  bei  denen  wohl  auch  Brandopfer  gebracht 
wurden.  In  einzelnen  Fällen  fanden  Menschenopfer,  besonders 
Opfer  von  Kindern,  statt.  Gewisse  Oertlichkeiten  waren  vielen 
Stämmen  heilig,  die  von  weither  zu  ihnen  gezogen  kamen.  Das 
Christenthum  nahmen  sie  mit  dem  Misstrauen,  welches  ein  so  her- 
vorti-etender  Zug  in  ihrem  Charakter  ist,  nur  langsam  auf,  und 
dass  sie  daneben  noch  immer  am  Glauben  und  den  Gebräuchen 
ihrer  Väter  festhielten,  beweist  die  Thatsache,  dass  viele  von  den 
Missionsindianern  in  Neu-Mexico  wieder  in  ihr  Heidenthum  zurück- 
fielen, als  die  Padres  nach  2  Jahrhunderten  christlicher  Unter- 
weisung sie  sich  selber  überlassen  mussten.  Einen  Priesterstand 
gab  es  nicht,  wie  bei  der  unvollkommenen  socialen  Entwickelung 
der  Indianer  natürlich  ist;  aber  in  jedem  Stamme  gab  es  einen 
oder  mehrere  Zauberer,  die  durch  Musik,  Geschrei,  Berauschung, 
Verzückung  sich  in  Contakt  setzten  mit  den  Geistern  und  sie  günstig 
zu  stimmen  suchten  für  Wünsche,  welche  man  jenen  zur  Besorgung 
übertragen  hatte.  Diese  Zauberer  oder  Medicinmänner  erinnern 
sehr  an  die  Schamanen  der  nordasiatischen  Völker.  Bestimmte 
Feiertage  waren  bei  einigen  Stämmen  von  stabilerer  Organisation, 
so  bei  den  Irokesen,  festgesetzt;  überall  scheinen  sie  sich  an  die 
Reifezeit  verschiedener  Früchte  angeschlossen  zu  haben,  von  denen 
jene  lebten. 

Auf  die  geistige  Begabung  der  Indianer  lässt  sich  aus 
dem  vorstehend  Gesagten  vor  allem  der  Schluss  ziehen,  dass  sie  bei 
der  Ankunft  der  Europäer  auf  einer  Stufe  der  Culturentwickelung 
standen,  welche  der  Erhaltung  geistiger  Kräfte  nicht  günstig  sein 
konnte.      Die   Bedingungen   ihrer   Entwickelung    sind    seitdem    nur 


ni.  Die  Indianer.  123 

in  einzelnen  Fällen  günstig  genug  geworden,  um  ihnen  erhebliche 
Fortschritte  über  jenen  Zustand  hinaus  zu  erlauben,  und  sie  haben 
in  jedem  dieser  Fälle  denjenigen  Grad  von  Intelligenz  gezeigt, 
welcher  nothwendig  ist  zur  selbständigen  Ausfüllung  europäischer 
Culturformen.  Auch  die  Sitten  und  Gebräuche  ihres  wilden  Lebens 
lassen  eine  erhebliche  Gabe  logischen  Denkens  erkennen,  welche 
z.  B.  in  Fragen  der  praktischen  Politik  einige  ihrer  Führer  den 
Weissen  ebenbürtig  erscheinen  liess.  Ueberhaupt  sind  hervorragende 
Leute  unter  ihnen  nicht  selten  aufgetreten,  welche  im  Stande  waren, 
die  Faktoren,  welche  das  Leben  ihres  Volkes  bestimmten,  die  viel- 
fache Ueberlegenheit  der  Weissen,  die  eigene  Uneinigkeit,  die  Ver- 
derblichkeit gewisser  eingewurzelter  Untugenden  ihrer  Stammes- 
genosssen,  wie  des  Trunkes,  der  Trägheit,  des  kurzsichtigen  Sonder- 
geistes u.  dgl.,  klar  zu  erkennen,  und  von  denen  energische  Versuche 
zur  Besserung  dieser  Zustände  ausgingen^).  Aber  sie  scheiterten 
an  der  Stumpfheit  der  Rasse.  Ganz  wie  bei  anderen  Völkern,  die 
man  als  niedrigerer  Kasse  angehörend  betrachtet,  ist  es  nicht  der 
absolute  Mangel  bedeutenderer  Begabungen,  sondern  ihre  Seltenheit, 
welche  die  Inferiorität  bedingt.  So  entscheidet  auch  bei  den  In- 
dianern nicht  das  Vorhandensein  einzelner  Hochbegabten  gegen, 
sondern  es  wirft  im  Gegentheil  die  Vereinzeltheit  und  Unvermittelt- 
heit dieser  Erscheinungen  das  Gewicht  für  die  Inferiorität  der 
Kasse  in  die  Wagschale.  Alles  was  man  weiss,  berechtigt  zu  der 
Annahme,  dass  die  geistigen  Kräfte  der  Indianer  Nord-Amerikas 
nicht  unbedeutend  sind,  dass  sie,  was  kühles,  ruhiges  Denken  an- 
belangt, z.  B.  die  Neger  entschieden  überragen,  dass  aber  auch  ihre 
Gedankenfäden  kurz,  der  Einfluss  des  Fühlens  auf  das  Denken 
überwiegend  und  die  Wege  zwischen  Denken  und  Handeln  in  Folge 
dessen  häufig  verworren  und  unberechenbar  sind.  Während  ihre 
Gelehrigkeit  im  Jugendalter  allgemein  hervorgehoben  wird,  scheint 
auch  bei  ihnen  mit  dem  Eintritt  der  Geschlechtsreife  die  sinnliche 
Natur  sich  auf  Kosten  der  geistigen  zu  entwickeln  und  damit  die 
letztere  zu  einem  Stillstand  zu  bringen.  Es  scheint,  als  ob  nur 
wenige  geistig  robuster  angelegte  Organisationen  über  diese  kritische 


1)  S.  Beispiele  bei  Waitz,  Anthropologie  III.  I.  221,  238,  283. 


124  ni.  Die  Indianer. 

Zeit  hinaus  sich  fortschrittsfähig  erhalten.  Zwar  wird  der  Indianer 
von  Manchen  als  geschlechtlich  schwach  angelegt  geschildert ;  aber 
die  überwiegende  Menge  von  Beweisen  spricht  dafür,  dass  bei  den 
Indianern  wie  bei  anderen  unter  den  Weissen  stehenden  Kassen 
ein  Hauptgrund  der  Inferiorität  eben  das  Ueberwiegen  des  geschlecht- 
lichen Lebens  ist,  welches  alle  mit  ihm  nicht  in  Verbindung  stehenden 
Regungen  und  Thätigkeiten  trübt  oder  hemmt  und  vorzüglich  der 
freien  Entwickelung  des  Denkvermögens  hindernd  in  den  Weg  tritt. 
Es  hängt  damit  zusammen,  dass  das  charakteristische  Merkmal 
derjenigen  Produkte  ihrer  geistigen  Thätigkeit,  welche  uns  erhalten 
sind,  der  Bilderreichthum  ist.  Die  Phantasie  greift  der  Logik  unter 
die  Arme  und  umgibt  den  schwachen  oder  hinkenden  Gedanken 
mit  schillernden  Bildern,  die  freilich  oft  mit  vielen  Worten  sehr 
wenig  sagen ^).  Mit  Recht  hat  daher  vorzüglich  die  berühmte  Be- 
redsamkeit der  Indianer  eine  sehr  verschiedenartige,  keineswegs 
immer  so  günstige  Beurtheilung  gefunden,  wie  Enthusiasten  sie  ihr 
zu  Theil  werden  Hessen^).     Ihre  Poesie  benützt  dasselbe  Material 

1)  „Der  Bilderreichthum  des  Indianers,  sowohl  in  seiner  Poesie  als  seiner 
Beredsamkeit,  ist  orientalisch,  gedämpft  und  vielleicht  verfeinert  durch  den  be- 
schränkten Kreis  seiner  thatsächlichen  Erfahrungen.  Er  nimmt  seine  Bilder 
von  den  Wolken,  den  Jahreszeiten,  den  Vögeln,  Thieren  und  Pflanzen.  Darin 
thut  er  vielleicht  nicht  mehr  als  irgend  eine  andere  energische  und  einbildungs- 
kräftige Rasse  thun  würde,  welche  gezwungen  ist,  ihre  Phantasie  durch  einen 
engen  Erfahrungskreis  zu  begrenzen;  aber  der  orientalische  Charakter  des  Ge- 
wandes, in  das  der  Indianer  seine  Ideen  kleidet,  so  verschieden  z.  B.  von  dem 
des  Afrikaners,  ist  bemerkenswerth.  Selbst  seine  Sprache  hat  den  Reichthum 
und  die  sentenziöse  Fülle  mit  der  chinesischen  gemein."  (J.  F.  Cooper,  The  Last 
of  the  Mohicans.  Introd.) 

2)  Kein  Urtheil  über  die  indianische  Beredsamkeit  finde  ich  der  Wahrheit 
so  nahe  kommend  als  dasjenige,  welches  Palfrey  in  der  Hist.  of  New  England 
1858  I.  31  fällt:  „Man  hat  dem  rothen  Mann  die  Gabe  der  Beredsamkeit  zu- 
sprechen wollen.  Niemals  ist  ein  Ruhm  leichter  geerntet  worden.  Einige  An- 
spielungen auf  bekannte  Naturerscheinungen  und  Gewohnheiten  der  Thiere 
machen  fast  seinen  ganzen  Schatz  von  rhetorischen  Vergleichen  aus.  Nimmt 
man  seine  Gemeinplätze  vom  Berg  und  Donner,  vom  Sonnenuntergang  und 
Wasserfall,  vom  Adler  und  Büffel,  vom  Vergraben  der  Streitaxt,  dem  Rauchen 
der  Friedenspfeife  und  dem  Anzünden  der  Berathungsfeuer  weg,  so  zeigt  sich 
das  Material  seines  Wortpompes  auf  eine  sehr  geringfügige  Grösse  eingeschränkt. 
Seine  besten  Versuche  zum  Schlussfolgern  oder  zur  Ueberredung  bestanden  in 
der  einfachen  Erzählung  von  Thatsachen,  die  allerdings  manchmal  in  sich  selbst 
rührend  genug  sind," 


III.  Die  Indianer.  125 

von  Bildern,  das  in  der  Lyrik,  von  der  wir  freilich  äusserst  wenig 
zuverlässige  Proben  besitzen,  zu  einer  losen  und  kunstlosen  An- 
einanderreihung von  Gefühlen  führt,  und  von  Bildern,  die  mit  jenen 
verglichen  oder  ihnen  entgegengestellt  werden.  In  den  Sammlungen 
von  Sagen  und  Märchen,  die  man  veröffentlicht  hat,  findet  man, 
selbst  mit  Hinzurechnung  alles  dessen,  was  fremd  sein  mag,  nichts 
mehr  als  eine  beträchtliche  Anzahl  guter  Einfälle,  richtiger  Sentenzen 
und  treffender  Bilder,  ebenfalls  wieder  kunstlos  zusammengeordnet, 
kunstloser  als  man  es  bei  anderen  Völkern  findet,  die  im  Uebrigen 
auf  ähnlich  niederer  Stufe  stehen.  Am  besten  gelingt  es  dieser 
springenden  Dichtungsart  beim  Märchen.  Das  Zufällige,  Zusammen- 
hanglose ist  ihr  wesentlicher  Charakter,  der  nicht  einmal  das  Her- 
vortreten einer  Lieblingsfigur  erlaubt,  eines  nationalen  Helden  oder 
Abenteuerers,  um  den  die  Mythendichtung  ihre  Ranken  mit  Vor- 
liebe schlänge.  Von  grösseren  Werken  ist  vollends  keine  Rede. 
Man  erkennt  daraus,  das  in  diesen  Völkern  die  eigentlichen  Träger 
der  Dichtung  fehlten,  welche  bei  anderen  in  den  Frauen,  bei  anderen 
in  den  Priestern,  bei  wieder  anderen  in  Sängern  von  Beruf  gegeben 
sind.  Das  indianische  Leben  ist  nach  dieser  Seite  hin  besonders 
arm.  Dass  bei  so  ungünstigen  Bedingungen,  welche  der  andauernden 
Pflege  der  geistigen  Gaben  entgegenstanden,  noch  weniger  die  Rede 
sein  konnte  von  der  Entwickelung  anderer  geistiger  Fähigkeiten,  ist 
unfraglich.  Sie  hatten  kaum  etwas,  was  auch  nur  als  Keim  von 
Wissenschaft  anzusprechen  wäre;  das  Wissen  und  Können  der 
Indianer  ging  über  die  allernächsten  Bedürfnisse  nicht  hinaus. 
Man  hat  über  ihre  Zahlenkenntniss  gestritten,  und  es  mögen  Unter- 
schiede in  dieser  Beziehung  stattgefunden  haben ;  aber  es  ist  gewiss, 
dass  viele  nicht  weiterzählen  konnten,  als  die  Finger  der  Hand  sie 
leiteten.  Wiewohl  sie  fast  jahraus  jahrein  unter  dem  offenen 
Himmel  lebten,  waren  ihnen  nur  wenige  Sterne  mit  Namen  be- 
kannt. Die  einzige  Eintheilung  des  Jahres,  welche  mit  Sicherheit 
nachgewiesen  werden  kann,  war  die  nach  dem  Reifen  verschiedener 
Früchte;  es  ist  zweifelhaft,  ob  sie  die  Monate  nach  den  Monds- 
phasen, und  gewiss,  dass  sie  keine  Wochen  unterschieden  und  nicht 
die  Tage  zählten.  Heilende  oder  schädliche  Wirkungen  gewisser 
Gewächse  waren  ihnen  bekannt,  sie  waren  geübt  im  Verbinden  von 


126  ni.  Die  Indianer. 

Wunden  mit  Rinde  und  erweichenden  Stoffen  und  wandten  Schwitz- 
bäder gegen  Fieber  und  andere  Uebel  an.  Man  darf  hier  indessen 
nicht  die  Erfindungen  vergessen,  die  er  zum  Besten  seines  täg- 
lichen Lebens  an  Jagd-  und  Fischereigeräthen  und  Aehnlichem 
angebracht  hatte  und  von  denen  einige  sehr  bald  in  den  Gebrauch 
seiner  v/eissen  Nachbarn  übergingen ;  das  Schlagnetz,  der  cylindrische 
Korb,  das  sinnreiche  Anlocken  der  Fische  und  ihre  Tödtung  mit 
dem  Speer  gehören  hierher;  ebenso  gewisse  Fallen  für  den  Fang 
kleinerer  Thiere,  die  Kunst  mit  dem  Gehirn  eines  getödteten  Thieres 
seine  Haut  geschmeidig  zu  machen,  die  Schneeschuhe  für  die  Winter- 
reisen und  zahllose  kleine  Künste  und  Fertigkeiten,  die  im  be- 
ständigen Zusammenleben  mit  der  Natur  erworben  waren  und  die 
in  jener  für  den  Europäer  oft  räthselhaften  und  fast  unerreich- 
baren Schärfung  der  Sinne  gipfelten,  welche  aus  den  anscheinend 
gleichgültigsten  Veränderungen  und  Bewegungen  der  Umgebung, 
die  Züge  der  Menschen  nicht  ausgenommen,  das  Bedeutungsvolle 
herauslas. 

IV.  Die  äussere  Ausstattung  des  Lebens  spielte  bei  den 
Indianern  Nord- Amerikas  keine  grosse  Rolle,  denn  sie  lebten  von  einem 
Tage  für  den  anderen  und  von  der  Hand  in  den  Mund.  Ansammlung 
von  Besitz,  die  Grundlage  jeder  höheren  Entwickelung  der  materiellen 
Cultur,  fand  bei  ihnen  in  sehr  geringem  Masse  statt.  Was  man  auch 
von  ihrem  Ackerbau  sagen  mag,  so  bleibt  doch  ausser  Zweifel,  dass  von 
der  mexikanischen  Grenze  bis  zu  den  Polarregionen  die  Männer  haupt- 
sächlich Jäger  waren.  Die  Jagd  war  ihre  Hauptbeschäftigung,  auf  sie 
zielte  die  ganze  Ausbildung  ihres  Körpers  und  Geistes  ab,  ihr  dienten, 
zusammen  mit  dem  in  dieselbe  Classe  zu  stellenden  Fischfang,  die  wenigen 
bemerkenswerthen  Erfindungen,  sie  bestimmte  ihre  Lebensweise  und 
insofern  die  Jagd  die  Schule  des  Krieges  ist,  wie  sie  ihn  verstanden, 
sogar  ihre  politischen  Verhältnisse.  Uebrigens  führte  auch  die  Natur  des 
Landes  mehr  als  anderswo  auf  dieselbe  hin.  Ausser  Afrika  bietet  kein 
anderes  Land  der  Welt  so  reiche  Jagdgründe  wie  Nord-Amerika.  Der 
Reichthum  an  jagdbarem  Wild  war  fast  überall,  die  schwer  zugänghchcn 
Gebirge  des  fernen  Westens  vielleicht  allein  ausgenommen,  gross  genug, 
um  zahlreichen  Menschen  zur  ausschliesshchen  Nahrung  zu  verhelfen. 
Der  Reichthum  an  grossen  und  nahrhaften  Fischen  in  den  Flüssen  und 
Seen,  besonders  am  pacifischen  Abhang,  ist  nicht  zu  vergessen.  Diesen 
günstigen  Vorbedingungen  entsprach  denn  auch  die  Ausbildung  des  Indianers. 
Wie  sehr  auch  die  Stimmen  der  Beurtheiler   aus  einander  gegangen  sind 


III.  Die  Indianer.  127 

über  alle  anderen  Gaben  und  Fertigkeiten  der  Indianer,  über  ihre  Ge- 
schicklichkeit in  der  Jagd  und  im  Fischfang  sind  sie  alle  einig.  Die 
Jagdarten  waren  begreiflicherweise  sehr  verschieden.  Ohne  Pferde 
und  Feuerwaffen,  sahen  sie  sich  ausser  auf  Bogen  und  Pfeil  nur  auf 
ihre  List,  Kraft  und  Geschwindigkeit  angewiesen.  Den  Bison,  der  zu  den 
leicht  zu  überlistenden  Thieren  gehört,  umstellten  sie  und  jagten  ihn  dann 
über  Abgründe  hinab,  wo  er  heerdenweis  zerschellte,  oder  trieben  ihn 
in  Umzäunungen,  deren  Thore  sich  hinter  ihm  schlössen ;  oder  im  Winter 
beschlichen  sie  die  auf  den  schneefreien  Präriehügeln  grasenden  Heerden  auf. 
Schneeschuhen  und  jagten  sie  den  Vertiefungen  zu,  wo  die  schweren 
Thiere  im  Schnee  versanken.  Ob  der  Lasso,  dieses  höchst  wirksame 
Fanggeräth,  bei  den  Indianern  der  Steppen  schon  im  Gebrauch  war,  ehe 
sie  Pferde  besassen,  ist  nicht  bekannt.  Im  Fallenstellen  für  kleinere 
Thiere  waren  die  Indianer  sehr  geschickt  und  sie  verstanden  auch  aus 
gewissen  Pflanzen  betäubende  Köder  für  Raubthiere  zu  bereiten.  Unter 
letzteren  war  der  Bär  ein  Lieblingsgegenstand  der  Jagd.  Jung  einge- 
fangene Thiere  zähmten  die  Indianer  und  hielten  sie  zur  Ergötzung  in 
ihren  Dörfern.  Büffel,  Elenthiere,  Hirsche  werden  darunter  genannt.  Es 
scheint  aber  diesen  Versuchen  nie  das  Bestreben  zu  Grunde  gelegen  zu 
haben,  Hausthiere  für  dauernden  Gebrauch  zu  gewinnen.  Das  einzige 
Hausthier  des  Indianers,  der  Hund,  war  der  Jagdgefährte  und  wurde 
nur  in  seltenen  Fällen  als  Zugthier  benützt,  dagegen  ass  man  ihn  in  Zeiten 
des  Mangels. 

Der  Fischfang  wurde  weniger  an  den  Küsten  als  an  den  Flüssen 
und  Binnenseen  geübt.  Die  meisten  der  küstenbewohnenden  Stämme 
gingen  nicht  einmal  mit  ihren  Kähnen  aufs  Meer  um  zu  fischen.  Sie 
verstanden  nicht  zu  segeln.  Aber  die  Geschickliclikeit,  welche  im  Bau 
der  Kähne  entwickelt  wurde,  war  manchmal  bedeutend.  Die  einfachsten 
waren  über  ein  Holzgeripp  ausgespannte  Büffelhäute,  wie  sie  bei  den  mit 
nicht  furtbaren  Flüssen  selten  in  Berührung  kommenden  Mandanen  und 
anderen  Steppenstämmen  in  Gebrauch  waren.  Ausgehöhlte  Baumstämme 
werden  häufig  als  Kähne  (Einbäume)  verwandt.  Aber  die  charakteristisch 
indianischen  Kähne  sind  die  aus  Birkenrinde,  welche  vorzüglich  bei  den 
nördlichen  Stämmen  in  Gebrauch  waren  und  wegen  ihrer  Leichtigkeit 
und  Elasticität  die  Bewunderung  der  Europäer  erregten.  Als  Geräthe 
zum  Fischfang  dienen  ausser  dem  Kahn,  dem  Nothwendigsten,  Speere  aus 
Holz,  mit  denen  Fische  gespiesst  werden,  nachdem  man  sie  mit  Feuer- 
bränden nächtlicherweise  herangelockt,  Angeln  aus  Knochen,  Netze  und 
Weidenkörbe.  Der  Fischfang  durch  betäubende  Mittel  wurde  ebenfalls 
geübt. 

An  Waffen  besass  der  nordamerikanische  Indianer  vor  allem  Bogen 
und  Pfeil,  Speer,  eine  früher  aus  Stein,  der  an  ein  Holz  gebunden  wurde, 
später   aus  Eisen   gefertigte  Streitaxt   (Tomahawk)   und  Messer.     Schilde 


128 


III.  Die  Indianer. 


Fig.  1. 

Gerfitlie  zur  Jagd  und  Fischerei  (Jagdherad,  Fischspecre,  Fischpfeil  mit  Bogen,  Angel, 

Schneeschuhe,  Kahn). 


III.  Die  Indianer. 


129 


Fig.  2. 
Waifen  und  JagdgPiäthe     (Lanze  und  Wurfspeer,    Bogen    und  Pfeile,    Holzkcnle,    Tomaliavvk  (Steinaxt), 

Schild,  Steinmesser). 
R  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  9 


130  ni.  Die  Indianer. 

waren  nur  bei  einigen  Stammen  im  Gebrauch.  Da  die  Indianer  zur  Zeit 
der  Ankunft  der  Europäer  in  ganz  Amerika,  Mexico  und  Peru  ausge- 
nommen, Metall  nicht  aus  Erzen  gewannen,  sondern  nur  da,  wo  sie  es 
gediegen  fanden,  wie  einen  vortrefflichen,  leiclit  bearbeitbaren  Stein  be- 
handelten, so  waren  auch  die  Waffen  der  Nordamerikaner  nur  aus  Stein, 
Knochen  und  Holz;  sie  waren  aber  in  der  Verarbeitung  dieser  Stoffe  so 
weit  fortgeschritten,  dass  man  einige  von  ihren  Waffen  und  Geräthen  mit 
dem  Vollendetsten  vergleichen  kann,  was  wir  aus  der  prähistorischen  Zeit 
Europas  kennen.  Sie  hatten  z.  B.  geschliffene  Steinäxte  sogar  von  man- 
nigfaltigeren Formen  als  unser  Norden  sie  bietet,  und  den  Feuerstein 
bearbeiteten  sie  mit  Meisterschaft.  Im  Einzelnen  zeigen  die  Waffen  der 
Indianer  wenig  Besonderes.  Ihre  Bogen  sind  meist  klein,  die  Pfeile  ge- 
fiedert. Das  Vergiften  der  letzteren  scheinen  sie  nicht  geübt  zu  haben. 
Die  Pfeilspitzen  sind  aus  Feuerstein  oder  Knochen;  Speere  werden  von 
verschiedener  Länge  gebraucht.  Die  grösste  Mannigfaltigkeit  zeigt  der 
Tomahawk,  der  in  früherer  Zeit  eine  oft  mächtige  Steinaxt  (man  kennt 
Exemplare  von  30  cm  Länge)  war ,  die  in  einen  gespaltenen  oder  von 
Natur  gegabelten  Stock  eingesetzt  wurde ;  gewöhnlich  trug  sie  eine  ringsum 
laufende  Rinne  behufs  leichterer  Befestigung.  Man  hat  sogar  Steintoma- 
hawks von  gebogener  Spatenform  gefunden.  Das  berühmte  Skalpmesser 
bestand  früher  wohl  aus  Feuerstein,  heutzutage  aber  ist  es  ein  rohes 
Metzgermesser,  europäisches  oder  amerikanisches  Fabrikat. 

Die  Kleidung  hat  sich  sehr  bald  der  europäischen  nachgebildet, 
so  dass  in  vielen  Fällen  es  unmöglich  ist,  ilircn  ursprüngliclien  Charakter 
festzustellen.  Das  beliebteste  Material  waren  Thierhäute.  Noch  heute 
sind  die  Steppenjäger  des  Westens  von  Kopf  bis  zu  Fuss  in  Haut  und 
Leder  gekleidet.  Der  Mocassin  (Lederstrumpf)  scheint  von  jeher  von 
den  jagenden  Indianern  getragen  worden  zu  sein.  Gewebte  Zeuge  waren 
nur  im  Süden,  wenn  man  den  spanischen  Berichterstattern  glauben  darf, 
im  Gebrauch.  Es  sollen  verschiedene  Pflanzenstoffe  und  Thierhaare  dazu 
verwandt  worden  sein.  Federmäntel  fanden  sich  bei  einigen  Stämmen 
des  Südens  vor.  Federschmuck  des  Haares,  besonders  mit  einem  Büschel 
Adlerfedern,  oder  in  Gestalt  eines  über  den  Nacken  herablaufenden 
Kammes,  als  Federgürtel  u.  dgl.  kam  vorzüglich  den  Häuptlingen  zu,  die 
überhaupt  durch  auffallendere  Kleidung  vor  dem  liest  des  Volkes  aus- 
gezeichnet waren.  Das  Haar  wurde  lang  getragen,  oder  es  blieb  mindestens 
eine  lange  Skalplochc  übrig,  wenn  auch  der  übrige  Kopf  rasirt  war. 
Das  Haar  wurde  wohl  auch  in  Zöpfe  geflochten.  Tättowirung  und 
Bemalung  scheinen  fast  allgemein  verbreitet  gewesen  zu  sein,  wurden 
aber  von  den  verschiedenen  Stämmen  in  sehr  abweichender  Weise  auf- 
gefasst  und  ausgeführt.  Bei  einigen  Stämmen  tättowirten  sich  nur  die 
P'rauen,  bei  anderen  war  es  eine  Auszeichnung  der  Kriegshelden.  Für 
Festlichkeiten  waren  besonders  "bunte  Bemalun^sweisen  üblich. 


III.  Difi  Indianer.  131 

An  Schmuck  hatten  die  Männer,  entsprechend  ihrer  Stellung  im 
Stamm  und  der  Familie,  meist  mehr  aufzuweisen  als  die  Frauen.  Als 
Anhängsel,  zu  Perlen  aufgereiht,  wurden  Zähne  von  Menschen  und  Thieren, 
Muscheln,  natürliche  Perlen,  seltene  Steine  oder  Metallstücke,  Bären-  und 
Pantherklauen  getragen.  Der  Adlerfedernbusch  und  die  Büifelhörner 
waren  Zierden,  welche  dem  Haupte  der  Helden  vorbehalten  waren.  Hierhin 
ist  auch  das  schon  oben  genannte  Wampum  zu  rechnen.  Die  Pfeife, 
aus  Stein  oder  Holz  gehöhlt  und  bunt  verziert,  gehörte  zum  besten 
Schmuck  des  Häuptlings.  Später  haben  europäische  Kleidungsstücke, 
Medaillen,  wie  sie  von  den  Colonialmächten  den  Häuptlingen  verliehen 
wurden,  Sammlungen  von  Mctallknöpfen  u.  dgl.  vielfach  diese  ursprüng- 
lichen Schmucksachen  verdrängt. 

Das  Haus  (Wigwam)  des  Indianers  entfernte  sich  auch  bei  den 
hosten  Stämmen  des  Südens  weniger  weit  vom  Zelte  des  Nomaden  als 
von  dem,  was  wir  Haus  zu  nennen  pflegen.  Es  war  im  besten  Falle  eine 
Blockhütte.  Gewöhnlich  wurde  es  aber  aus  Baurazweigen  aufgerichtet, 
welche  in  den  Boden  gesteckt  zu  kreisrunder  oder  ovaler  Kegelform  so 
zusammengebogen  waren,  dass  oben  eine  Oeifnung  für  das  Entweichen  des 
Rauches  blieb,  und  dann  mit  Rinden  oder  Flechtwerk  bedeckt  wurden. 
Diese  Art  war  im  Osten  verbreitet,  während  im  Westen  die  Prärie-Indianer 
Lederzclte  bewohnten,  die  aus  Büifelhäuten  zusammengenäht  waren  und 
welche  man  leicht  transportiren  konnte.  Diese  Hütten  oder  Zelte  wurden 
mit  Vorliebe  in  der  Nähe  fliessenden  Wassers  angelegt,  und  Fluss- 
terrassen sind  daher  eine  Lage,  welche  von  Indianerdörfern  besonders 
häufig  in  Anspruch  genommen  ist.  Sie  sind  selten  von  nennenswerther 
Ausdehnung.  Palisaden  um  dieselben  oder  auch  um  einzelne  Häuser 
werden  oft  beschrieben.  Eine  grössere  Hütte  im  Dorfe  ist  gewöhnlich 
für  die  Versammlungen  und  Feste  bestimmt.  —  Die  innere  Einrich- 
tung einer  Indianerhütte  oder  eines  Zeltes  besteht  aus  Schlafstätten, 
die  entweder  aus  niedrigen  Bänken,  oder  aus  Fellen  und  Matten  bestehen, 
welche  auf  den  Boden  gebreitet  sind,  aus  einem  Herdplatz  in  der  Mitte 
und  aus  wenigen  Geräthcn  und  Walten  an  den  Wänden  umher.  Trophäen 
des  Krieges  und  der  Jagd,  Skalpe,  Büffel-  und  Bärenköpfe  u.  dgl.  sind 
die  einzige  Ausschmückung.  Von  Gefässen  waren  solche  aus  Birken- 
rinde, Zweiggeflecht,  Kürbisschalen,  ferner  irdene,  die  aus  freier  Hand 
geformt  und  meist  ungenügend  gebrannt  wurden,  auch  lederne  Beutel 
vorhanden.  Man  verstand  die  Häute  zu  enthaaren  und  geschmeidig  zu 
machen,  nach  Einigen  auch  sie  mit  Baumrinden  zu  gerben.  Die  Zube- 
reitung der  Gefässe,  auch  der  irdenen,  meist  auch  der  Häute,  die  der 
Kleidungsstücke  und  Decken,  alles  Nähen  und  Flechten  war  Weiberarbeit. 
Die  Weiber  hatten  natürlicherweise  auch  ausschliesslich  die  Sorge  für 
die  Säuglinge,   welche   sie  bei  der  Wanderung,   auf  Brettchen  gebunden, 

9* 


132  in.  Die  Indianer. 

nebst  manchem  anderen  Geräthe  auf  ihrem  Rücken  zu  sclileppen  hatten. 
Der  Mann  trug,  wenn  es  irgend  anging,  nur  seine  Waffen,  alles  andere 
war  den  Weibern  und  Kindern  aufgebürdet. 

Die  Art  der  Ernährung  ergibt  sich  aus  der  Lebensweise.  Man 
lebte  von  der  Jagd  oder  dem  Fischfang  in  erster  Reihe  und  überliess  es 
den  Weibern  und  Kindern,  durch  einen  kümmerlichen  Ackerbau  und  durch 
Beerensuchen  die  möglichen  Lücken  im  Ertrage  der  Jagd  auszufüllen. 
Der  Bison  ernährte  noch  im  17.  Jahrhundert  vielleicht  V3  aller  Indianer. 
Man  verstand  die  Speisen  am  Feuer  zu  bereiten.  Bei  Ilungersnoth,  die 
nicht  selten  eintrat,  wurde  Menschenfleisch  verzehrt.  Berauschende  Getränke 
wurden  erst  durch  die  Europäer  eingeführt ;  aber  das  Rauchen  von  Tabak 
und  anderen  Kräutern  kannten  die  Indianer  vor  ihnen.  Eigentliche 
Ackerbauer  oder  Hirten  fanden  sich  in  Nord-Amerika  nicht. 
Es  gab,  und  zwar  vorzüglich  in  dem  Gebiet  zwischen  Mississippi  und  dem 
Atlantischen  Ocean  und  zwischen  den  Grossen  Seen  und  dem  Golf  von 
Mexico,  eine  Reihe  von  Stämmen,  bei  welchen  die  Weiber  und  halberwach- 
senen Kinder  ein  Stück  Boden  mit  Mais  oder  Tabak  bestellten;  aber  es 
gab  kein  einziges  Volk,  das  auch  nur  hauptsächlich  vom  Ackerbau  gelebt 
oder  das  mit  Heerden  gezähmter  Thiere  die  weiterstreckten  natürlichen 
Wiesen  der  Prärieregion  beweidet  hätte.  In  der  That  scheint  die  sehr 
vereinzelte  und  spurenweise  Einführung  des  Ackerbaues  bei  den  Indianern 
dieser  Region  keine  erhebliche  Veränderung  bezw.  Besserung  ihrer  Lage 
und  Gewohnheiten  herbeigeführt  zu  haben.  Es  lässt  sich  dies  erwarten, 
wenn  man  erwägt,  dass  nur  der  schwächere  und  ohnehin  überbürdete 
Theil  des  Volkes,  nämlich  die  Weiber,  dem  Ackerbau  sich  widmete, 
derjenige  Theil  also,  dem  gleichzeitig  auch  die  Sorge  für  die  Instand- 
haltung des  Hauswesens,  die  Bereitung  der  Nahrung,  die  Last  der  Volks- 
vermehrung, die  Rolle  des  Lastthieres  zugewiesen  war,  dem  daher  nur 
wenig  Zeit  übrig  blieb,  um  das  Feld  zu  bebauen  und  die  Früchte  des- 
selben zu  ernten.  Der  ganze  Bedarf  eines  Stammes  an  Nahrungsmitteln 
konnte  auf  diese  Weise  nicht  befriedigt  werden  und  das  Wachsthum  der 
Volkszahl  blieb  immer  wieder  abhängig  hauptsächlich  vom  Ertrag  der 
Jagd  und  des  Fischfanges.  A.  Gallatin  hat  in  seinen  interessanten  Notes 
on  the  semi  -  civilized  Nations  of  Mexico  *)  Berechnungen  angestellt  über 
die  Volksvermehrung ,  welche  ein  solcher  schwacher  Ackerbaubetrieb 
zulassen  kann,  und  er  meint,  dass  wenn  auf  10000  e.  Q.M.  frucht- 
baren Landes  eine  civilisirte  Bevölkerung  von  1  Million  ihre  Nahrung 
zu  finden  vermag,  dies  im  Stande  der  Uncultur,  bei  Angewiesenheit  auf 
Wild  und  Fische,  wohl  nur  10000  möglich  sein  würde.  Nimmt  man  nun 
an,  dass  diese  durch  Ackerbau  ungefähr  die  Bedürfnisse  der  Hälfte  der 
Bevölkerung  zu  befriedigen  vermöchten,   so  bleibt  doch  eine  Vermehrung 


1)  Trans.  Am.  Ethnological  Society  1845.  I.  193. 


in.  Die  Indianer.  133 

über  20000  hinaus  nicht  möglich;  ebenso,  wenn  es  ihnen  gelänge  Vs  der 
Bedürfnisse  auf  diese  Weise  zu  befriedigen,  würde  doch  nur  eine  Ver- 
dreifachung, bei  Befriedigung  von  7^  eine  Vervierfachung  möglich  sein. 

Was  nun  diesen  primitiven  Ackerbau  selbst  betrifft,  so  wird  er  fast 
gleichmassig  von  den  verschiedenen  Beobachtern  geschildert.  Er  war  den 
Weibern  (Squaws)  übertragen.  Die  Weiber  wühlten  im  Frühling  auf 
Lichtungen  (wo  nicht  von  Natur  vorhanden,  wurden  dieselben  durch 
(jlrdling  der  Bäume  ^)  oder  auch  durch  Abbrennen  des  Gestrüppes  her- 
gestellt) den  Boden  mit  krummen  Hölzern  oder  mit  dem  Schulterblatt 
des  Moose  (Elen)  um,  gruben  dann  mit  einem  hakenförmigen  Stock  oder 
mit  einer  an  einem  Stabe  befestigten  flachen  Muschel  Löcher,  in  welche 
einige  Maiskörner  geworfen  wurden;  in  dem  Masse  als  letztere  wuchsen, 
wurde  die  Erde  ringsumher  angehäufelt.  Im  Mai  wurden  oft  Kürbisse 
zwischen  den  Mais  gepflanzt.  Auch  eine  Art  Erbsen  und  Bohnen,  ferner 
die  Sonnenblume  wegen  ihrer  öligen  Samen,  wurden  angepflanzt.  Die 
Hauptfrucht  blieb  aber  Mais.  Aepfel,  Pflaumen  und  Kirschen  wurden 
gesammelt  und  getrocknet  für  den  Winter  aufbewahrt.  Die  Cultur  des 
Tabaks  war  allgemein  und  die  Bereitung  des  Ahornzuckers  haben  die 
Ansiedler  von  den  Indianern  gelernt^). 

V.  Die  Sprache.  Die  Sprachen  der  nord amerikanischen  In- 
dianer gehören  den  einverleibenden  oder  polysynthetischen  an.  Die 
einzelnen  Worte,  die  in  unseren  Sprachen  zu  einem  Satze  vereinigt 
werden,  dabei  aber  ungeachtet  der  Veränderungen,  welche  an  ihnen 
vorgenommen  werden,  ihre  Selbständigkeit  bewahren,  werden  in  den 
amerikanischen  Sprachen  grösstentheils  in  eine  Einheit  zusammenge- 
schmolzen, wodurch  anstatt  des  Satzes  ein  neues,  natürlich  sehr  ver- 
grössertes  Wort  entsteht^).    Es  treten  dabei  Verkürzungen  einzelner 


1)  Das  Tödten  der  Bäume  durch  eine  ringförmige  Abschälung  der  Rinde 
nahe  am  Grunde,  welches  man  girdling  nennt,  lässt  die  Bäume  absterben,  ohne 
dass  man  sie  zu  fällen  brauchte.  Durch  ihre  bald  blattlosen  und  allmähhch 
herunterbrechenden  Zweige  und  Aeste  findet  dann  Sonne  und  Regen  leichteren 
Zugang  zum  Grunde.  Diese  Methode  der  Lichtung  gehört  zu  denjenigen  Dingen, 
welche  die  einwandernden  Europäer  von  den  Indianern  lernten. 

2)  Vgl.  History  of  the  Agriculture  of  the  U.  S.  in  Rep.  Agr.  Dep.  1866.  499  f. 
lieber  die  Gründe,  die  dafür  sprechen,  dass  die  amerikanischen  Völker  den  Acker, 
bau  selbständig  entwickelten  s.  Gallatin  in  Trans.  Am.  Ethnological  Society  1845. 
I.  207  f. 

3)  Beispiel :  „In  der  Sahaptin-Sprache  der  Nez  Perces  im  Washington  Terr. 
wird  „Er  reiste  in  einer  Regennacht  vorbei"  ausgedrückt  wie  folgt:  „hishap- 
t  a  u  t  u  a  1  a  w  i  li  n  a  n  k  a  u  n  a  n  i  m  a. "    Mag  man  nun  diesen  Wortcomplex  graphisch 


134  III.  Die  Indianer. 

Worte  ein  oder  es  gehen  in  den  Wort-Satz  nur  abgetrennte  Theile 
derselben  über.  Dass  diese  Einverleibung  der  Klarheit  des  Sinnes  der 
Rede  nicht  förderlich  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Es  kommen  andere 
Eigenthümlichkeiten  hinzu,  die  diesen  Sprachen  den  Charakter  einer 
gewissen  Unvollkommenheit  und  Schwerfälligkeit  verleihen.  Unter- 
scheidungen, die  uns  wichtig  erscheinen,  werden  hier  oft  vernach- 
lässigt, wie  z.  B.  die  von  Einzahl  und  Mehrzahl.  Nomen  und 
Verbum  sind  ebenfalls  in  einigen  nordamerikanischen  Sprachen 
nicht  geschieden;  Ersatz  für  das  Zeitwort  wird  dadurch  geschaffen, 
dass  das  Nomen  mit  Possessivsuffixen  versehen  wird.  Der  Satz 
gründet  sich  dann  nicht  wie  bei  uns  auf  das  Verhältniss  des  Sub- 
jektes zum  Prädikat,  sondern  auf  jenes  des  Objektes  zu  seinen  ver- 
schiedenen Beziehungen.  Auf  der  anderen  Seite  wirkt  ein  unge- 
gliederter Reichthum  verwirrend,  z.  B.  in  der  grossen  Anzahl  von 
Bildungsarten  der  Mehrzahl,  in  den  wurzelhaft  verschiedenen  Aus- 
drücken für  ganz  ähnliche  Begriffe,  welche  zum  Theil  auf  einen 
Mangel  an  Abstraktion  zurückführen,  wie  wenn  z.  B.  einige  Idiome 
kein  Zeitwort  für  fischen,  dagegen  solche  für  jede  einzelne  Art 
des  Fischfangs  besitzen,  oder  in  der  Kennzeichnung  gezählter  Gegen- 
stände durch  Veränderung  der  Zahlwörter,  je  nachdem  dieselben 
gleich  oder  ungleich,  aufrecht  oder  an  einander  gereiht  u.  dgl.  sind. 
Den  meisten  Sprachen  Amerikas  fehlen  einzelne  der  Lautelemente 
unseres  Alphabetes,  am  häufigsten  h,  d,  f,  r\  dagegen  sind  zahlreiche 
andere  Laute  vertreten,  vorzüglich  Hauch-,  Kehl-  und  Zischlaute, 
welche  wir  theilweise  gar  nicht  kennen,  und  deren  Nachahmung 
dem  Europäer  oft  sehr  schwer  fällt.  Den  meisten  Stämmen  ist  eine 
aus  tiefer  Brust  hervordringende  Aussprache  eigen,  den  nordischen 
Stämmen  mehr  als  z.  B.  den  um  den  Golf  von  Mexico  wohnenden. 


durch  Zwischenräume  in  zwei  oder  in  mehrere  Wörter  abtheilen,  immerhin  ent- 
hält w  ihn  an  den  eigentlichen  Verbal-  und  Bedeutungsbegriff,  dem  sich  alle 
übrigen  logisch  unterordnen,  nämlich  den  des  Fussreiseus.  hi  ist  Pronominal- 
präfix mit  der  Bedeutung  er;  shap  ist  Causativpartikel ,  tau  Verbalpartikel 
nächtUcJier  Weile,  tuala  JRegen,  wihnan  ist  substantivirter  Verbalbegriff 
von  wihnasa  zu  Fuss  reisen,  kau  Partikel,  abgekürzt  aus  dem  Zeitwort  ko- 
kauna  vorbeikommen,  na  Aoristpartikel,  die  Entfernung  von  dem  Sprechenden 
anzeigend,  ,n im a  Partikel,  die  wieder  auf  den  Sprechenden  zurückweist." 
(A.  S.  Gatschet,  Zwölf  Sprachen  aus  dem  SW.  Nord-Amerikas.    Weimar  1876.  9.) 


III.  Die  Indianer.  135 

Die  Indianer  haben  keine  Schrift  im  höheren  Sinne  ent- 
wickelt. Sie  benützen  symbolische  Zeichen  zur  Festhaltung  be- 
merkenswerther  Begebenheiten,  zu  Mittheilung  von  Nachrichten  von 
Stamm  zu  Stamm,  zur  Fixirung  überhaupt  irgend  einer  Thatsache, 
welche  ihnen  merkwürdig  genug  erscheint,  um  Anderen  mitgetheilt 
oder  der  Erinnerung  eingeprägt  zu  werden.  Aber  dieselben  stehen 
in  keiner  innigeren  Beziehung  zur  Sprache  als  solcher  und  haben 
sich  daher  zu  einer  eigentlichen  Schrift  nicht  entwickelt.  Diese 
Zeichen  sind  weder  Zeichen  für  Buchstaben  noch  für  Silben  oder 
für  Worte,  sondern  für  Begriffe  und  stehen  dabei  keineswegs  immer 
für  die  einzelnen  Begriffe  durchaus  fest^). 

Die  Sprachen,  welche  von  den  verschiedenen  Stämmen  der 
nordamerikanischen  Indianer  gesprochen  werden,  sind  innerhalb  der 
angegebenen  allgemeinsten  Eigenschaften  sehr  verschieden.  Die  im 
Baue  ähnlichen  Sprachen  einer  und  derselben  Sprachgruppe  werden 
von  den  verschiedenen  Stämmen,  die  einer  solchen  Gruppe  ange- 
hören, nicht  verstanden  und  sind  z.  B.  die  Algonkinsprachen  minde- 
stens eben  so  weit  abweichend  von  einander  wie  die  verschiedenen 
Zweige  des  germanischen  Sprachstammes.  Da  bei  der  Geringfügigkeit 
der  ethnographisclien  Unterschiede  die  Sprachen  das  einzige  sichere 
Mittel  sind,  um  die  verschiedenen  Stämme  und  Stammesgruppen 
der  Indianer  aus  einander  zu  halten,  so  füge  ich  hier  die  Aufzählung 
aller  Sprachstämme  der  nordamerikanischen  Indianer  unter  Nennung 
ihrer  Wohnsitze  an  und  folge  dabei  der  Aufzählung,  wie  sie 
Gatschet  in  seinem  obengenannten  Werke  „Zwölf  Sprachen  u.  s.  f. 
(1876)"  gibt: 

Algonquin,  [von  Labrador  bis  zum  Sakatschewan  und  dem  Felsen- 
gebirge,  dem  Mississippi  entlang  bis  zum  36.°,  an  der  ganzen  atlantischen 
Küste  bis  zum  34.°  n.  Br.  herab].  I.  Oststärame.  Shesatapush  und  Scoffies, 
[Labrador].  Micmacs,  Etchemins  und  Abenakis,  [Neu-Schottland,  Neu- 
Braunschweig,  Maine].    Massachusetts,  Naragansetts  und  Mohicans,  [Neu- 


1)  Richard  Andree  beschreibt  in  „Ethnographische  Parallelen  und  Ver- 
gleiche" (1878)  ausführlich  die  Felsritzungen,  Bilder  und  Inschriften,  der  nord- 
amerikanischen Indianer  (286—97),  sieht  aber  gleichfalls  nichts  anderes  in  ihnen 
als  Ausflüsse  des  den  Menschen  allgemein  eigenen  Nachahmungs-  und  Ver- 
ewigungstriebes. Dagegen  hebt  er  die  „vielfache  Uebereiustimmung"  der  nord- 
amerikauischen  mit  sibirischen  Petroglyphen  hervor. 


136  III.  Die  Indianer. 

england-Staaten].  Chinnakoks  und  Montauks,  [Long  Island].  Minsi  und 
Delawares,  [sw.  vom  Hudson  R.].  Nanticokcs,  [Chesapeake  Bay].  Powliattans, 
[Virginien].  Pampticoes,  [N.  Carolina].  IL  Nordstämme.  Knistenaux,  {s.  vom 
Mississippi  und  der  Hudsons  Bay].  Crees,  [n.  von  den  Grossen  Seen]. 
Algonquins,  [Ottawa  R.].  Chippewahs  oder  Ojibways,  [n.  und  w^  vom 
Oberen  See].  Potawattamies,  [Michigan-See].  Missiosigees,  [n.  vom  Ontario- 
See].  III.  Weststämme.  Menomonees,  [Green  Bay].  Miamis,  Piankishaws, 
Illinois,  [ö.  vom  Mississippi].  Saukies,  Foxes,  Kickapoes,  [am  Mississippi 
zwischen  40  und  45*'  n.  Br.].  Shawnees,  [am  Cumberland  R.].  Blackfcet 
oder  Satsika,  [am  Saskatchewan  und  in  Montana].  Cheyennes,  [Platte  R.].  — 
Huron-Irokesen,  [im  17.  Jahrhundert  von  Montreal  bis  zum  Miami  R. 
sich  ausdehnend  und  nebst  der  Nebengruppe  der  Tuscaroras  überall  von 
der  Algonquin-Familie  eingeschlossen].  Huronen  (Wyandots),  Tionontates, 
Attiwandaronk,  [Canada].  Die  Fünf  Nationen:  Senecas,  Onondagas,  Mohawks, 
Oneidas,  Cayugas,  [Staat  New^  York].  Tuscaroras,  [sassen  früher  weiter  s. 
und  schlössen  sich  1714/15  den  Fünf  Nationen  nach  einem  unglücklichen 
Kriege  an].  Erigas,  [Ohio].  Gandastogues,  [am  unteren  Susquehanna]. 
Meherrins,  Nottoways,  [Virginien].  —  Tinne  oder  Athapaska,  [vom  West- 
ufer der  Hudsons  Bay  quer  durch  den  Continent  bis  zur  pacifischen  Küste]. 
A.  Nördliche  Tinnes :  Eigentliche  Tinnes  oder  Chepeweyans.  Taculi  (Carriers), 
[British  Columbia].  Hundsrippen-Indianer,  [ö.  vom  Mackenzie  R.].  Kuschin 
(Loucheux).  Sussees,  [Saskatschewan].  Tlatskanai,  Kw^alhioqua,  [Mündung 
des  Columbia  R.].  Umpquas,  [pacifische  Küste  43"  n.  Br.].  Hoopas, 
[pacifische  Küste  41°  n.  Br.].  Wylackies,  [s.  vom  Trinity  R.].  Kenai 
oder  Tnaina,  [Süd-  und  West- Alaska].  B.  Südliche  Tinnes.  Apaches  und 
Navajos.  —  Dakota  oder  Sioux,  [vom  Mississippi  w.  bis  zum  Felsen- 
gebirge und  von  der  Nordgrenze  der  V.  St.  bis  zum  Arkansas].  Sioux 
(Daköta-Alliirte).  Winnebagos  (Ochungaras).  Iowas.  Punkas  (Oponkas). 
Missouris.  Osages.  Kansas.  Otoes.  Mandans.  Minitaris  (Hidatsa).  Upsarokas 
(Crows).  Tutelos,  [0.  Canada].  Quapaws,  [am  Zusammenfluss  des  Arkansas 
und  Mississippi].  Arkansas.  —  Shoshones  (Schlangen-Indianer),  [Felsen- 
gebirge, Quellgebiet  des  Missouri,  w.  vom  Snake  R.  (oder  Lewis  Fork 
of  the  Columbia).  Utahs,  [Utah  und  Colorado].  Pa-Utes,  [am  oberen 
Colorado].  Kizh  (Tobikhers),  [Mission  S.  Gabriele  (S.  Californien)].  Netela, 
[Mission  S.  Juan  Capistrano  (S.  Californien)].  Kechi,  [San  Luis  Rey 
(Californien)].  Comanches.  Kiowas.  Moqui?  [Theils  im  Indian  Terr., 
theils  frei  auf  dem  Llano  Estacado  von  Texas.  Moqui  Pueblos  n.  vom 
Colorado  Chiquito  (Ar.)].  —  Arapahoes,  [Montana,  heute  grossentheils  im 
Indian  Terr.].  —  Selish,  [von  Montana  und  Idaho  bis  zum  Stillen  Meer]. 
Shushwaps.  Flatheads.  Skitsuisuish  (Coeurs  d'Alene).  Piskwaus.  Clallam. 
Lummi.  Simiamu.  Kowelitsk.  Songhus.  —  Sahaptin,  [zwischen  Shoshones 
und  Selish  am  mittleren  Columbia  und  unteren  Snake  R.].  Sahaptin  (Nez 
Perccs).  Walawala  (mit  den  Dialekten  dcrYakamas,  Palüs,  Klikatats,  Tairtla 


III.  Die  Indianer.  137 

und  Warm-Spring-Indians).  —  Küstenstämme  von  British  Columbia 
(Stamme  mit  Sprachen,  die  unter  sich  wenig  oder  keine  Verwandtschaft 
zeigen).  Wakash.  Nutkas.  Tlaoquatsch.  Chimmesyans.  Hailtsa,  [Milbanks 
Sund  52 « n.  Br.].  Billechoola,  [Salmon  R.  53 » n.  Br.].  Skittagits,  [Queen  Char- 
lotte Islands].  —  Kawitschen-Cruppe.  Kawitschen,  [Vancouvers  Island 
und  am  Fräser  R.].  Aht-Stämme.  Squallyamisch,  [Nisqually  R.].  —  Chinook 
(Tsinuk),  [von  der  Columbia-Mündung  bis  zu  den  Grandes  Dalles].  Untere 
Chinooks.  Obere  und  mittlere  Ch.  oder  Watlalas.  —  Wayilatpus. 
Wayilatpus  (Cayuse),  Moleles,  [N.  Oregon].  —  Kitunaha  (Kutenis  oder 
Flatbows),  [s.  vom  Kootenay  oder  Flatbow  R.].  —  Kalapuya,  [am  ö. 
Ufer  des  Willametto  R.].  —  Klamath,  [am  Klamathfluss,  jetzt  Klamath- 
Reservation  (43°  n.  Br.)].  Klamath  oder  Lutuami.  Modocs.  Shasta  oder 
Saste.  Palaiks,  [Pit  R.].  Totutune,  Yakon,  [Küste  von  Oregon].  Tahlewah, 
[unterer  Klamath  R.].  Weitspek,  [Einmündung  des  Trinity  R.  in  den 
Klamath  R.].  Ehnek,  [Salmon  R.  (Zufluss  des  Klamath  R.)].  —  Digger 
Indians  (Stammesname  unbekannt),  [am  oberen  Sacramento].  —  Pomos, 
[Küstenstrich  zwischen  Eelämd  Russion  R.  (Cal.)].  —  Talatui,  [am  ö. 
Ufer  des  unteren  Sacramento  R.].  —  Pujuni  und  verwandte  Sprachen 
der  Secumnes,  Tsamak  u.  a.  Stämme,  [Westufer  des  Sacramento  und  an 
dessen  Zufluss  Feather  R.].  —  S.  Raphael,  [Bucht  von  S.  Francisco 
(38"  n.  Br.)].  —  Mutsun  (Rumsen,  Rumsien,  Achastlian),  [Mission  S.  Juan 
Bautista,  am  Salinas  R. ,  in  S.  Carlos  (Cal.)].  —  Telame  (Tatsche), 
[Mission  S.  Antonio  bei  Monterey  (Cal.)].  —  La  Soledad,  [gleichnamige 
Mission  35°  n.  Br.  (Cal)].  —  S.  Miguel,  [gleichnamige  Mission  bei  La 
Soledad].  —  S.  LuisOpisbo,  [Küstensaum  unter  35°  40'.  Angesiedelt].  — 
Kasua,  [Mission  Sa.  Barbara  35°  40'  (Cal.)].  —  Santa  Cruz  Island, 
[gleichnamige  Insel  (Cal.)].  Zuni,  [gleichnamige  Pueblos  (Neu-Mex.)]. — 
Queres,  [Acoma,  S.  Domingo  u.  a.  Pueblos  (Neu-Mex.)].  —  Pueblo- 
Sprachen  in  engeren  Sinn,  [Isleta,  Jemes,  Taos,  Tehua  (Neu-Mex.)].  — 
Tonkawa,  [Ft.  Griffin  (Texas)].  —  Caddo,  [Red  R.  des  S.  und  ö. 
Texas].  —  Adayes  (Adaize),  [n.  vom  unteren  Red  R.  d.  S.  (Louis.)].  — 
Chetimachas,  [daselbst].  —  Attacapas,  [zwischen  Red  R.  d.  S. 
und  Golfj.  —  Natchez,  [am  ö.  Ufer  des  unteren  Mississippi].  —  Choctaw, 
gesprochen  von  den  Choctaws  und  Chickasaws,  [Georgia,  jetzt  Indian 
Terr.].  —  Muskogee,  gesprochen  von  den  Creeks  und  Seminolen,  [Florida 
und  Georgia,  jetzt  Indian  Terr.].  Yamassee.  —  Cherokee,  [N.  Carolina, 
jetzt  Indian  Terr.].  —  Catawba,  [N.  und  S.  Carolina].  —  Pawnee 
(gesprochen  von  den  Wichitas,  Huecos  oder  Wacoes,  Kichai  oder  Keechi, 
Pawnees  und  Ricarees  oder  Schwarzen  Pawnees),  [im  Gebiet  des  oberen 
Arkansas,  Canadian  und  Red  R.]. 

Man  kann  sagen ,  dass  die  Sprachen  das  einzige  Mittel  zu  einer 
einigermassen  übersichtlichen  Eintheilung  und  Gruppirung  der  Indianer 
Nord-Amerikas  bieten.    So  wenig  wie  umfassende  Staatenbildungen  gab  es 


138  III.  Die  Indianer. 

bei  den  nordamerikanischen  Indianern  grosse  Völker,  welche  durch  ihre 
Zahl  oder  ihre  Cultur  oder  durch  die  Ausdehnung  eines  zusammenhängenden 
Wohngebietes  oder  durch  sonstige  dauerhafte  Eigenschaften  ein  starkes 
und  nicht  bloss  vorübergehendes  üebergewicht  über  ihre  Nachbarn  be- 
sassen.  Es  gab  dominirende  Stämme  begreiflicherweise  zu  allen  Zeiten 
unter  ihnen-,  aber  die  vorherrschende  Stellung  derselben  war  schon  immer 
von  kurzer  Dauer  und  erstreckte  sich  selten  weiter  als  über  die  Lebens- 
zeit eines  bedeutenden  gefürchteten  Häuptlings,  mit  dessen  Tode  die 
Macht  zu  Boden  fiel,  die  er  allein  emporgehalten.  Gruppen,  die  grösser 
als  die  kleinen,  unter  sich  zusammenhaltenden  Stämme,  deren  Zahl  in 
der  Regel  zwischen  einigen  100  und  mehreren  1000  schwankt,  sind  nur 
nach  Sprachverwandtschaft  zusammenzufassen  und  selten  sind  die  Wohn- 
gebiete solcher  grösseren  Gruppen  durchaus  zusammenhängend.  Gewöhn- 
lich sind  sie  von  zwischengeschobenen  Stämmen  einer  anderen  Gruppe 
unterbrochen.  Scharf  charakterisirende  ethnographische  Eigcnthümlich- 
keiten  sind  ihnen  selten  eigen.  Man  kann  sagen,  dass  im  Gegentheil  sehr 
grosse  ethnographische  Verschiedenheiten  zwischen  den  Stämmen  einer 
und  derselben  Gruppe  fast  die  Regel  sind.  Friedlicher  Verkehr  war  selbst 
zwischen  Stammverwandten  zu  spärlich  und  zu  oft  unterbrochen,  als  dass 
durchgreifende  Uebereinstimmungen  der  Sprache  und  Sitte,  oder  gar 
ein  Zusammenhangsgefühl  sich  entwickeln  konnte,  wie  sie  bei  den  auf 
höheren  Stufen  stehenden  Mexikanern  und  Peruanern  uns  entgegentreten. 
Die  gelegentUchen  Verbindungen  zu  politischen  Zwecken,  von  denen  die 
der  5  Nationen  im  jetzigen  Staate  New  York  die  bekannteste  und  wohl 
eine  der  dauerhaftesten  war,  sind  in  dieser  Beziehung  ohne  bemerkens- 
werthe  Folge  gewesen.    Sie  blieben  fast  ganz  auf  das  Politische  beschränkt. 

Leider  ist  nun  bis  heute  die  Kenntniss  der  Indianersprachen  eine  so 
unzulängliche,  dass  von  einer  durchgreifenden  Gruppirung  und  damit  einer 
entsprechenden  Zusammenordnung  der  Stämme  nach  Sprachverwandt- 
schaften nicht  die  Rede  sein  kann.  Eben  so  wenig  genügen  die  im  Ganzen 
unbedeutenden  Culturunterschiede.  Der  S.  war  im  Ganzen  wohl  fort- 
geschrittener als  der  N.,  die  pacifischen  Stämme  standen  tiefer  als  die 
Algonkins  und  Irokesen,  aber  die  Unterschiede  waren  nicht  schneidend. 
Am  Ende  waren  sie  doch  alle  Naturvölker.  Nur  etwa  folgende  proviso- 
rische Hauptgruppen  lassen  sich  unterscheiden,  in  die  der  grösstc  Theil 
der  Sprachen  bezw.  Stämme  eingegliedert  werden  kann ,  welche  im  Vor- 
hergehenden aufgezählt  wurden: 

I.  Indianer  östlich  vom  Mississippi.  Im  N.  die  Algonkins 
und  Irokesen,   im  S.  die  Catawbas,  Choctaws  und  Cherokees. 

IL.  Indianer  zwischen  Mississippi  und  Felsengebirge. 
Im  N.  die  Sioux  oder  Dakotas,  im  S.  Theile  der  Tinne  oder  Atha- 
paska,  Pawnies,  Natchez,  Caddos,  Tonkawas,  Adayes. 


III.  Die  Indianer.  139 

III.  Indianer  der  Cordilleren  und  der  Küsten  des 
Stillen  Meeres.  Die  Selisli,  Sahaptin ,  Shoshones ,  Arapahoes 
und  die  neumexikanisclien  Stämme  gehören  fast  ganz  dem  Gebirge  an, 
wahrend  die  Chinook,  Wayilatpus,  Klamaths,  Kitunahas,  Kala- 
puyas  in  Washington  und  Oregon,  die  Diggers,  Pomos,  Pujani, 
Mutsun,  Telame,  sowie  die  kleinen,  aber  unter  sich  sehr  verscliicdenen 
Missionsstämme  in  Californien  ihre  Wohnsitze  haben. 

Uebersieht  man  die  Verbreitung  dieser  Stämme  in  ihren  Hauptzügen, 
so  findet  man  grosse,  zusammenhängende  Stammesgruppen  ö.  vom  Felsen- 
gcbirge  in  der  ganzen  n.  Hälfte  des  Landes,  während  der  S.  und  W.  von 
zahlreichen  unter  sich  verschiedeneren  Völkern  bewohnt  war.  Dabei  ist 
jedoch  zu  bemerken,  dass  die  Angaben  über  die  Verbreitung  für  die  w. 
Stämme  im  Allgemeinen  jünger  sind  als  die  für  die  ö.,  weil  die  letzteren 
früher  in  Berührung  traten  mit  den  Europäern  als  die  ersteren.  Es  ist  z.  B. 
ganz  glaublich,  dass  die  Steppenregionen,  wo  heute  die  Sioux  und  Pawnies 
wohnen,  vor  der  Einführung  des  Pferdes  fast  menschenleer  waren  und 
dass  diese  Stämme  von  mehr  ö.  oder  n.  gelegenen  Wohnplätzen  in  die- 
selben vordrangen.  Eine  Karte  der  Indianerverbreitung  gibt  also  nie  ein 
Bild  vollkommen  gleichzeitiger  Zustände.  Von  tieferer  Bedeutung  ist 
ausserdem  in  diesen  Verbreitungsverhältnissen  die  äusserst  ungünstige 
Lage  der  Irokesen,  des  zweitgrössten  Volkes  des  0.,  das,  fast  überall 
von  Algonkins  umgeben,  nicht  so  völlig  seine  Gaben  zu  entwickeln  ver- 
mochte, wie  es  unter  glücklicheren  Umständen  wohl  möglich  gewesen 
wäre.  Der  durch  diese  Lage  gegebene  Grund  zu  endlosen  Streitigkeiten 
ist  vielleicht  eine  Hauptursache,  warum  keine  von  diesen  beiden  grossen 
Stammesgruppen  selbständig  zu  höherer  Entwickelung  gelangte.  Dagegen 
scheinen  im  SW.  die  Verbindungen  mit  den  fortgeschritteneren  mexikanischen 
Stämmen  leichter  gewesen  zu  sein  als  heute,  da  die  Einschiebung  des 
räuberischen  und  bei  seinem  Nomadenleben  uncivilisirbaren  Reitervolkes 
der  Apaches  ein  späteres  Ereigniss,  das  nur  mit  der  Einführung  des 
Pferdes  überhaupt  möglich  war.  Der  ältere  Zustand  der  Völker  des  SW. 
zeigt  fast  unzweifelhafte  Spuren  von  Einflüssen,  die  von  S.  her  gewirkt 
haben  müssen. 

VL  Die  Zahl  der  Indianer.  Die  Indianer  werden  im  Census 
der  V.  St.  ^)  nur  so  weit  berücksichtigt,  als  sie  zu  der  constitutional  xioim- 
lation  gehören,  welche  die  Gesammtbevölkerung  mit  Ausnahme  der 


1)  Eine  hinlänglich  genaue  ludianerstatistik  gibt  es  erst  seit  dem  Census 
von  1850,  denn  erst  1847  bewilligte  der  Congress  zum  ersten  Male  eine  Summe 
von  5000  D.,  um  das  Indian  Department  in  den  Stand  zu  setzen ,  eine  Zählung 
der  innerhalb  der  V.  St.  lebenden  Indianer  nebst  Untersuchungen  über  ihre 
Lebensverhältnisse  vorzunehmen.  An  der  Spitze  dieses  Unternehmens,  dessen 
Resultate  in  dem  1850  er  Census  niedergelegt  sind,  stand  R.  Schoolcraft. 


140  III.  Die  Indianer. 

nicht  steuerpflichtigen  Indianer  und  der  Bewohner  der  Territorien 
umschliesst.  Früher  unterschied  man  auch  noch  eine  representative 
Population,  welche  die  Sklaven  nicht  mit  umfasste.  Es  sind  also  die- 
jenigen, welche  keinem  grösseren,  von  der  Bundesregierung  als  nicht 
steuerpflichtig  anerkannten  Stamme  mehr  angehören  und  welche  man 
als  zu  der  Bürgerschaft  der  V.  St.  gehörig  von  dem  Augenblicke  an 
betrachtet,  wo  sie  von  ihrer  Stammesverbindung  sich  losgelöst  haben. 
Wenn  auch  die  Mehrzahl  von  ihnen  nicht  im  Stande  ist,  irgend  eine 
Steuer  zu  bezahlen,  so  werden  sie  doch  bei  den  Zählungen  den 
Non  taxed  Indians  d.  h.  denjenigen,  welche  in  ihren  Stammesver- 
bindungen auf  den  Reservationen  leben,  die  ihnen  die  Regierung 
eingeräumt  hat,  als  Bürger  gegenübergestellt,  von  welchen  Steuern 
erhoben  werden  würden,  im  Falle  sie  im  Besitze  steuerbarer  Dinge 
sich  befänden.  Solcher  Indianer,  die  über  alle  Staaten  und  Terri- 
torien zerstreut  sind,  gab  es  1870  25731  und  zwar  lebten  davon 
in  den  Staaten  21228,  in  den  Territorien  4503.  Die  grössten 
Zahlen  wurden  gezählt  in  Californien  mit  7241,  in  Michigan  mit 
4926  und  in  Washington  Terr.  mit  1319.  Die  übrige,  viel  zahl- 
reichere Indianerbevölkerung  zerfällt  in  solche,  welche  auf  den 
Reservationen  lebt,  und  solche,  welche  dies  nicht  thut;  die  letztere 
besteht  vorwiegend  aus  Nomaden.  Von  jenen  gab,  theils  nach 
Zählungen  der  Indian  Office,  theils  nach  Schätzungen,  der  1870er 
Census  die  Gesammtzahl  zu  96366,  von  diesen  ausschliesslich  nach 
Schätzung  zu  234  740  an.  Von  der  Indianerbevölkerung  auf  Reser- 
vationen lebten  in  Indian  Terr.  19067,  in  Neu-Mexico  14349,  in 
Washington  Terr.  13477,  in  Utah  8195,  in  Nebraska  6329,  in 
Oregon  6110,  in  Kansas  5900,  in  California  5784'),  in  Wisconsin 
4715,  in  NewYork  4705,  in  Arizona  4352,  in  Idaho  3284  und 
in  Pennsylvania  99.  Andere  Staaten  und  Territorien  als  diese 
haben  keine  Reservationen.     Die  grösste   Zahl   der   als    nomadiscli 


1)  Die  Indianerbevölkerung  von  Californien  wurde  (wahrscheinlich  nach  aus 
dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts  stammenden  Angaben  der  spanischen  Missionäre) 
von  dem  Sekretär  des  Staates  kurz  nach  seiner  Zulassung  unter  die  Unions- 
staaten auf  32  000  angegeben ,  aber  jene  Angaben  bezogen  sich  nicht  bloss  auf 
Neucalifornien,  sondern  auch  auf  angrenzende  Striche,  und  sicher  in  ihnen  ist 
nur  die  Zahl  von  14391  Missionsindianern. 


III.  Die  Indianer.  141 

aufgeführten  Indianer  findet  sich  in  Alaska  mit  70000^);  es  folgen 
Indian  Terr.  mit  34400,  Arizona  mit  27  700,  Dakota  mit  26320, 
Montana  mit  19300,  Nevada  mit  16220,  California  mit  13500, 
Colorado  mit  7300,  Neu-Mexico  mit  5080,  Utah  4600,  Oregon  mit 
4200,  Kansas  mit  3000,  Idaho  mit  2300,  Florida  mit  500  und 
Texas  mit  320.  Ausserhalb  dieser  Staaten  und  Territorien  gibt  es 
keine  nomadische  Indianerbevölkerung  und  sind  also  vollkommen 
frei  von  derselben  sämmtliche  Neuengland  -  Staaten ,  die  Staaten 
der  Mitte,  die  Mississippi-Staaten  und  der  Nordwesten;  in  den  Süd- 
staaten finden  sich  kleine  Reste  in  Florida  und  Texas.  Unter  den 
Staaten  sind  überhaupt  ausser  Kansas  nur  die  3  pacifischen  mit 
beträchtlicher  Bevölkerung  nomadischer  Indianer  belastet,  während 
die  grosse  Masse  derselben  sich  in  den  Territorien  befindet. 

Der  Bericht  der  Coramissioners  of  Indian  Aifairs  gibt  die  Ge- 
sammtzahl  der  Indianer  in  den  V.  St.  für  1875/76  zu  266151  und 
die  der  unter  ihnen  lebenden  Mischlinge  zu  40639  an  und  ver- 
theilt  dieselbe  auf  die  Staaten  und  Territorien  in  folgender  Weise: 
Indianer-Territorium  73266  I.  u.  26758  M.,  Dakota  38269  +  960, 
Neu-Mexico  25144  +  3506,  Arizona  20379  +  43,  Montana 
19827  +  470,  Washington  Terr.  13801  +  1026,  Michigan  10800  + 
3420,  Wisconsin  8584  +  1097,  California  8424  +  133,  Nevada 
7676  +  40,  Oregon  7174  +  572,  Idaho  6552  +  18,  Minnesota 
6283  +  656,  NewYork  5034  +  360,  Nebraska  4098  +  34,  Nord- 
Carolina,  Georgia,  Florida,  Indiana,  Tennessee  und  Texas  3250  -|-  750, 
Colorado  2900  +  101,  Wyoming  1800  +  40,  Kansas  1010  +  43, 
Utah  784  +  2,  Iowa  341  +  25. 

Die  Frage  des  Aussterbens  der  Indianerbevölkerung  der 
V.  St. ,  die  sich  an  diese  Zählungen  und  Schätzungen  anknüpft,  ist  wegen 
der  geringen  Genauigkeit  der  letzteren  mit  grossen  Schwierigkeiten  um- 
geben. Die  Vorfrage :  Wie  viel  Indianer  lebten  in  diesem  Gebiete,  ehe 
es  von  den  Weissen  betreten  wurde?  ist  einfach  unlösbar,  denn  die  Be- 
richte der  ersten  Entdecker  und  Ansiedler,  an  die  wir  uns  hier  halten 
müssten,    sind    ihrer  Natur   nach    ausserordentlich    unzuverlässig.     Fast 


1)  Diese  Zahl  ist  nach  dem  Zeugniss  des  besten  Kenners  dieses  Territoriums, 
W.  H.  Dall's,  sehr  übertrieben;  er  findet  nach  genauer  Abschätzung  der  ein- 
zehien  Stämme  25  704  als  die  annähernd  wahrscheinlichste  Zahl  (Contr.  to  N.  Am. 
Ethnologie  I.). 


142  III.  Die  Indianer. 

immer  werden  dieselben  geneigt  sein  zu  übertreiben,  denn  sie  sehen  nur 
kleine  Theile  eines  grossen  Gebietes,  welche  meist  an  Meeres-  oder  Fluss- 
ufern liegen,  an  welche  sich  von  selbst  die  Bevölkerungen  dichter  zu- 
sammendrangen oder  wohin  sie  auf  die  Kunde  von  der  Ankunft  Fremder 
von  allen  Seiten  herbeieilen,  wogegen  die  menschenleeren  Urwalder  und 
Steppen  vorerst  von  ihnen  unbesucht  bleiben.  Erst  später,  wenn  sie  tiefer 
ins  Innere  vordringen,  erhalten  sie  die  Möglichkeit  zu  richtigeren  Ansichten, 
aber  dann  ist  auch  bereits  das  Gleichgewicht  der  Naturvölker  gestört, 
sie  haben  sich  vielleicht  zum  Theil  zurückgezogen,  oder  haben  sich  im 
Gegentheil  in  der  Nähe  der  Weissen  des  Handels  wegen  angehäuft,  oder 
es  sind  bereits  Kämpfe  zwischen  den  beiden  ausgebrochen  u.  s.  f.  Kurzum, 
es  dürfte  kaum  ein  Problem  der  Völkerkunde  geben,  das  sclnvieriger 
wäre  als  eben  das  der  Abschätzung  der  Zahl  von  Naturvölkern,  die  in 
einem  bestimmten  Gebiete  wohnen  ').  Daher  auch  die  ausserordentliche 
Verschiedenheit  der  Ansichten  und  Angaben  darüber.  Ueber  Nord-Amerika 
sind  von  Anfang  wahrscheinlich  mehr  und  gründlichere  Schilderungen  ver- 
öffentlicht als  über  andere  von  Naturvölkern  bewohnte  Gebiete,  aber  auch 
hier  steht  allen  weitergreifenderen  und  bestimmteren  Schlüssen  über  das 
Zurückgehen  der  Indianer  an  Zahl  und  dementsprechend  an  Macht,  die 
sie  den  Weissen  entgegenzusetzen  hatten,  diese  vollkommene  Unsicherheit 
der  älteren  und  vieler  neueren  Nachrichten  über  die  Volkszahlen  ihrer 
Stämme  entgegen.  Lt.  Col.  G.  Mallery  hat  aus  der  Literatur  eine  Anzahl 
dieser  Schätzungen  herausgehoben^),  um  ihre  Unzuverlässigkeit  zu  beweisen, 
welche  allerdings  augenfällig  ist,  so  z.  B.  die  weit  aus  einander  gehenden 
Angaben  De  la  Hontan's  und  der  französischen  Missionare  über  die 
Iroquois  (Ende  des  17.  Jahrhunderts),  von  denen  der  erstere  70000, 
diese  11000  als  die  Kriegsstärke  angeben.  So  schrieben  selbst  tüchtige 
Autoritäten  wie  Adair,  Stevens  und  S.  G.  Drake  den  Cherokees,  einem 
so  vielbesuchten  Stamm,  in  nicht  weit  aus  einander  liegenden  Jahren  sehr 
verschiedene  Volkszahlen  zu.  Der  erstere  gab  ihnen  1762  2300,  der 
andere  1774  .3000,  der  letztere  1721  6000  Krieger,  was  nach  der  üblichen 
Annahme  von  5  Köpfen  auf  jeden  Krieger  11500,  15000  und  30000 
Seelen  ausmacht.  Aehnlich  war  es  aber  noch  in  neuerer  und  neuester 
Zeit  mit  derartigen  Schätzungen  beschaffen.  Das  Indianer-Committee  des 
Repräsentantenhauses  gab  1834  die  Zahl  der  Seminolen  zu  5000,  während 


1)  „Eine  genaue  Zählung  derLidianer  an  irgend  einem  Punkte  westlich  vom 
Missouri  ist  einfach  unmöglich,  da  sie  beständig  wandern,  gleich  dem  Wilde, 
das  sie  jagen.  Es  ist  auch  schwer,  von  einem  Indianer  seinen  Namen  zu  or- 
fragen, wenn  Andere  dabei  sind;  und  wenn  auch  der  Name  in  einem  Census 
heute  angegeben  wird,  ist  er  in  einem  Monat  vergessen  oder  durch  einen  anderen 
ersetzt."     (Agent  der  Lower  Brules.  Rep.  Ind.  Com.  187G/77.    435.) 

2)  Proc.  Am.  Association  f.  t.  Adv.  of  Science.  Nashville  1877.  340. 


IIL  Die  Indianer.  143 

Präsident  Jackson  im  darauffolgenden  Jahr  dieselben  auf  2000  und  der 
Kriegssekretär  auf  3500  veranschlagt.  In  einer  späteren  Congressdebatte 
wurde  auf  die  Autorität  eines  Generals  sogar  von  2000  erschlagenen 
Kriegern  dieses  Stammes  gleich  10000  Köpfen  gesprochen.  Der  Indian 
Report  1876  gibt  2553  von  diesem  Stamme  im  Indian  Terr.  an,  wälirend 
475  in  den  Everglades  von  Florida  leben  und  andere  nach  dem  Rio 
Grande  (Mexico)  ausgewandert  sind.  Die  Sioux  waren  1829  vom  Kriegs- 
sekretär auf  15  000,  183G  von  einem  anderen  auf  23000  angegeben 
worden.  Im  U.  S.  -  Census  für  1870  werden  die  Indianer  von  Alaska  auf 
70000  geschätzt,  während  Cpt.  W.  H.  Dali  im  ersten  Band  seiner 
Contributions  to  N.  Am.  Ethnology  ')  nicht  mehr  als  25  704  zusammen- 
zählt. Dementsprechend  sind  natürlich  auch  die  zusammenfassenden 
Zahlen  von  sehr  weit  verschiedener  Grösse,  so  die  Schätzung  aller  Indianer, 
mit  denen  Weisse  bis  dahin  in  Berührung  gekommen ,  1764  durch 
H.  Bouquet  auf  56  500  Krieger  (282  500  Seelen),  die  Th,  Hutchins'  1778 
auf  129  150  Seelen,  ferner  die  eines  Berichtes  des  Continental  Congress, 
der  60000  annimmt,  während  der  erste  annähernd  geregelte  Census, 
welcher  Ende  der  40er  Jahre  von  Schoolcraft  ausgeführt  ward,  zu  383229 
und  ausserdem  zu  „25  —  35000  in  bisher  unerforschten  Regionen"  kam. 
Eine  sehr  einflussreiche  Ursache  von  Täuschungen  hinsichtlich  der 
Volkszahl  der  wilden  Indianer  liegt  in  der  Unbeständigkeit  der  Be- 
nennungen, die  sie  sich  selbst,  und  der  Willkürlichkeit  derer,  die  Andere 
ihnen  geben.  Vorzüglich  die  Namen,  welche  die  Weissen  den  Indianern 
geben  und  welche  meist  auch  vom  Indian  Department  gebraucht  werden, 
sind  oft  sehr  irreführend  in  Hinsicht  auf  die  Verwandtschaft  der  Stämme, 
die  sie  umfassen;  so  bemerken  Powell  und  Ingalls,  dass  der  Name  Pah- 
Utes  von  den  Indianern  bloss  auf  den  am  Mud  Creek  lebenden  Stamm 
angewandt  werde,  während  die  anderen  von  den  Weissen  so  genannten 
Paviotsoes  genannt  werden  und  eine  von  der  der  Pah -Utes  sehr  ver- 
schiedene Sprache  sprechen,  die  der  der  Bannocks  nahe  verwandt  oder 
vielleicht  sogar  gleich  ist.  Offenbar  würde  man  unrecht  thun ,  alle 
Indianer,  die  Pah -Utes  genannt  werden,  auf  dieselbe  Reservation  zu 
bringen.  Dieselbe  Namenvermengung  wird  aber  auch  von  den  Indianern 
selbst  betrieben  und  daher  solche  verwirrende  Verschiedenheit  der  Namen, 
wie  z.  B.  bei  den  Comanches  herrscht,  die  auch  Kiowas,  ausserdem  von 
ihnen  selbst  Na-unis,  von  den  Caddoes  Sawato,  von  den  Osages  Pattooku, 
und  den  Wacoes  Naratah  genannt  w^erden;  bei  den  weissen  Ansiedlern 
hiessen  sie  früher  Paducas.  Für  Dakota  ist  gleichbedeutend  Nadowessi 
und  Sioux,  ausserdem  hatte  fast  jeder  einzelne  Stamm  unter  ihren  Nach- 
barn einen  andern  Namen  für  sie  im  Gebrauch.  McKenney  und  Hall 
zählen  in    ihrer    „History  of  the    Indian    Tribes   of   N.   America"    272 


2)  U.  S.  Geogr.  and  Geol.  Siirvey  of  the  Rocky  Mts.  Region.  187G. 


144  III.  Die  Indianer. 

Namen  auf,  die  in  den  älteren  Reise-  und  Geschichtswerken  Indianer- 
stämmen beigelegt  werden  und  von  denen  die  wahren  Träger  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  nicht  mehr  zu  ermitteln  sind.  Hierher  gehört  auch 
die  Verschmelzung  oder  Aufsaugung  gewisser  Stämme,  deren  Namen  damit 
natürlich  verschwunden  sind.  Die  Reste  der  Natchez  sind  in  den  Creeks, 
die  Ontagami  in  den  Kickapoos,  die  Hitchiti  in  den  Muskoki  aufgegangen. 
Die  Uintas  der  gleichnamigen  Reservation  setzen  sich  zusammen  aus 
Utahs,  Suivirits,  Yampas,  Pahvants  und  echten  Uintas  *).  Die  besonnenste 
Erörterung  über  die  Zahl  der  Indianer  von  Nord  -  Amerika  zur  Zeit  ihrer 
ersten  häufigeren  und  innigeren  Berührungen  mit  Europäern  findet  man 
wohl  bei  G.  Bancroft^),  der  für  die  Zeit  des  ersten  und  zweiten  Drittels 
des  17.  Jahrhunderts  den  Algonkin-Stämmen  90000,  den  östlichen  Sioux 
weniger  als  3000,  den  Iroquois  und  ihren  südlichen  Verwandten  etwa 
17  000,  den  Catowbas  3000,  den  Cherokees  12000,  den  Chickasas,  Choctas 
und  Muskhotgees  50000,  den  Uchees  1000,  den  Natchez  4000  zuweist  — 
zusammen  in  dem  Gebiete  ö.  des  Mississippi  und  s.  des  S.  Lorenz  und 
der  Grossen  Seen  nicht  viel  unter  180000.  Zwar  heftet  sich  auch  an 
diese  Aufzählung  der  Verdacht,  dass  bei  der  grossen  Verschiedenheit, 
welche  in  der  Auffassung  der  Stammesnamen  und  -grenzen  bei  älteren 
und  neueren  Reisenden  und  Forschern  herrschte,  manche  kleinere  Gemein- 
schaften doppelt  gezählt  worden  sein  mögen  •'') ,  aber  Bancroft  ist  nach 
seiner  Auffassung  der  ganzen  Lage  der  Indianer  in  jener  Zeit  eher  geneigt, 
geringere  als  grössere  Zahlen  im  Zweifelsfalle  anzunehmen.  „Mitten  in 
der  Wildniss,  sagt  er  sehr  treffend,  erschienen  einige  Hütten  wie  eine 
Stadt,  und  dem  Wanderer,  der  Wochen  hindurch  gegangen  war,  ohne 
ein  menschliches  Wesen  zu  sehen,  mochte  ein  Gebiet  ziemlich  bevölkert 
erscheinen,  in  dem  er  alle  Paar  Tage  einem  Wigwam  begegnete"'').  In  der 
That  sind  weite  Gebiete  von  den  Europäern,  die  sie  unter  den  Ersten 
besuchten,  als  Einöden  beschrieben  worden,  so  Vermont,  das  nw.  Massa- 
chusetts, New  Hampshire.  Marquette  sah  keinen  Menschen  und  nicht 
einmal  eine  Fussspur  in  dem  ganzen  Aveiten  Gebiete  zwischen  der  Portage 
des  Fox  und  Wisconsin  R.  und  dem  Des  Moines  R.  So  scheinen  aucli 
die  gebirgigen  Theile  der  Carolinas  menschenleer  gewesen  zu  sein,  ehe 
die   von   den  Cherokees   aus   Kentucky   vertriebenen  Shawnces   sich  dort 


1)  Vgl.  auch  Proc.  Am.  Assoc.  Advanc.  of  Science.  Nasliville  1877.  553. 

2)  History  of  the  U.  S.  Boston  1840.  III.  253. 

3)  Es  gab  auch  politische  Gründe,  um  die  Zahl  der  Indianer  zu  übertreiben. 
Den  hochtrabenden  Ausdruck  Nationen  oder  Völker  legten  ihnen  z.  ß.  ihre 
Alliirten  hei,  wie  J.  F.  Coope'r  von  den  Iroquois  sagt:  „Sie  bestanden  aus  den 
Stämmen,  oder  wie  ihre  Alliirten  sich  auszudrücken  liebten,  um  ihre  Wichtigkeit 
zu  steigern,  aus  Nationen  der  Mohawks  etc."     (The  Pioneers  Cap.  VII.) 

4)  A.  a.  0.  III.  251. 


III.  Die  Indianer.  145 

niederliessen,  und  so  ist  auf  alten  Karten  das  Tiefland  von  Florida  bis 
Mobile  als  menschenleer  bezeichnet.  In  derselben  Richtung  deutet  die 
weite  Verbreitung  von  verhältnissmässig  kleinen  Stämmen.  Die  Fünf 
Nationen,  die  kaum  mehr  als  10000  Krieger  zählen  konnten,  streiften 
von  der  Hudsons  Bay  bis  zu  den  Carolinas  und  vom  Kennebec  zum 
Tennessee.  Kentucky  war  der  Wildpark  der  Cherokees  und  in  den  ersten 
Jahrzehnten  unseres  Jahrhunderts  fanden  die  ersten  Erforscher  der  Steppen 
jenseits  des  98.  Längengrades  auf  Gebieten  von  der  Grösse  Deutschlands 
nur  wenige  tausend  Büifeljäger. 

Wie  triftig  indessen  auch  alle  diese  Gründe  gegen  die  Ueberschätzung 
der  Zahl  der  Indianer  in  den  V.  St.  sprechen,  so  wenig  vermögen  sie  die 
Thatsache  zu  entkräften,  dass  den  Indianern  eine  grosse  Neigung  zu 
Krankheiten  innewohnt,  welche  sie  frühzeitig  sterben  lassen  oder  aber 
ihre  Vermehrungskraft  abschwächen.  Jeder  Bericht  der  Indianer-Com- 
missäre  enthält  genug  Thatsachen,  welche  in  dieser  Richtung  ganz  un- 
zweideutige Aufschlüsse  geben.  Die  Berichte  der  56  Indianer- Agenten  für 
1874 — 76  geben  allerdings  nicht  einen  einzigen  Fall  von  Blatternkrankheit 
unter  den  Indianern  an,  aber  dafür  sind  die  Geburts-  und  Sterbfallziffern 
um  so  sprechender.  In  dem  Berichte  von  1876  sind  20  Stämme  aufge- 
führt, bei  denen  die  Sterblichkeit  grösser  als  die  Vermehrung  durch 
Geburten  ist,  oder  beide  einander  gleich  sind,  während  das  Verhältniss 
in  28  Fällen  das  umgekehrte  ist.  Geburts-  und  Todesfallziffern,  die 
indessen  natürlich  nur  von  beschränkter  Genauigkeit  sein  können,  hat 
nach  diesen  Listen  für  über  100000  Indianer  (die  halbcivilisirten  des 
Indianer -Territoriums  ausgenommen)  S.  N.  Clark  zusammengestellt.  Er 
findet  folgende  Verhältnisse: 


Geburten 

Todesfälle 

Zunahme 

1874 

4,48 

2,32 

2,15 

1875 

2,55 

1,57 

0,98 

1876 

2,91 

2,31 

0,6. 

Der  Agent  der  Round  Valley  Reservation  (Californien)  schreibt  in 
seinem  Bericht  den  1.  Sept.  1876:  „Es  ist  eine  beklagenswerthe  Thalsachc, 
dass  eine  grosse  Zahl  der  erwachsenen  Indianer  so  sehr  von  venerischen 
Krankheiten  inficirt  sind,  dass  sie  sich  nicht  fortzupflanzen  vermögen.  Da 
viele  alte  Leute  darunter  sind,  welche  wegsterben,  nehmen  sie  rasch  an 
Zahl  ab.  Aber  es  hat  eine  starke  Reaktion  eingesetzt.  Bei  einem  Stamm 
sind  in  diesem  Jahr  14  Geburten  gegen  4  im  Vorjahr  zu  verzeichnen. 
Gesetzliche  Heirathen  werden  häufiger."  Auf  dieser  Reservation  lebten 
1876  952,  1875  aber  1144.  Für  diesen  Ausfall  kann  nicht  nur  die  Ent- 
fernung von  126  von  der  Reservation  Weggezogenen  verantwortlich  ge- 
macht werden,  der  grössere  Theil  des  Restes  bleibt  entschiedener  Verlust 
an  Volkszahl  durch   Aussterben.     Auch  Rheumatismus  und  Lungenkrank- 

Ratzel,   Amerika  IL  Iq 


146  III.  Die  Indianer. 

heiten  werden  als  häufig  auftretende  Todesursachen  bezeichnet.  Der  Sioux- 
Agent  von  Devils  Lake  (Dakota)  beklagt  sich,  dass  in  Krankheitsfällen 
die  Medicinen  zwar  nach  Hause  genommen,  aber  nicht  gebraucht  werden. 
Wenn  der  Arzt  seinen  Kranken  besucht,  findet  er  den  Medicinmann,  der 
singt,  tanzt  oder  trommelt  und  die  kräftigen  Speisen  verschlingt,  die  dem 
Kranken  zu  seiner  Stärkung  zugewiesen  wurden.  Der  Agent  der  Pend- 
Oreilles  nennt  als  eine  Ursache  von  geringer  Vermehrung  auch  das  Aus- 
peitschen der  Ehebrecherinnen  (der  schuldige  Mann  wird  in  der  Regel 
unbestraft  gelassen),  wie  es  bei  unverdorbenen  Stämmen  des  Westens,  z.  B. 
eben  den  Pend-Oreilles,  noch  Sitte  ist.  Es  triff't  nicht  selten  schwangere 
Frauen,  die  in  Folge  dieser  Strafe  fehlgebären  oder  selbst  sterben. 

Diese  Thatsachen  und  Ziffern  heissen  so  viel  wie  die  Indianer  sterben 
aus,  soweit  sie  sich  nicht  der  Civilis  ation  soweit  genähert  haben, 
um  für  sich  selber  sorgen  zu  können.  Den  grössten  Ueberschuss 
von  Geburten  findet  man  bei  den  halbcivilisirten  Indianern  des  Indianer- 
Territoriums,  New  York's,  Michigan's,  Wisconsin's  und  der  Südstaaten,  den 
grössten  Ausfall  dagegen  bei  den  Büffeljägern  des  w.  Indianer-Territoriums, 
Montana's  und  bei  denen  von  Californien  und  Colorado,  die  in  einem 
elenden  Zustande  zigeunermässig  nomadisiren.  Man  kann  daraus  schliessen, 
dass  die  der  Civilisation  weniger  zugänglichen  Indianer  ziemlich  rasch 
absterben  werden,  während  diejenigen,  welche  sich  auf  den  Reservationen 
von  der  Regierung  füttern  und  daneben  im  Ackerbau  und  den  Handwerken 
sowie  in  der  Kunst  menschenwürdigen  Lebens  unterrichten  lassen,  sich 
langsam  vermehren  dürften.  Aber  für  die  Rasse  als  solche  bleibt  das  End- 
resultat im  Ganzen  und  Grossen  immer  dasselbe,  denn  mit  der  Annahme 
eines  gewissen  Culturfirnisses  geht  auch  die  innigere  Berührung  mit  den 
Weissen  und  die  davon  unzertrennliche  Mischung  Hand  in  Hand.  Die 
grösste  Zahl  von  Mischlingen  findet  man  ganz  natürlich  bei  denjenigen 
Stämmen,  welche  sich  am  meisten  den  Weissen  angenähert  haben.  Die 
Mischlinge  haben  aber  naturgemäss  die  Tendenz,  in  den  Weissen  aufzu- 
gehen. Die  Rasse  wird  also  wahrscheinlich  nicht  ganz  durch  Aussterben, 
sondern  theilweise  durch  Aus  sterben,  theilweisc  durch  Mischung 
mit  den  Weissen  zu  Grunde  gehen,  das  letzere  aber  sehr  langsam. 
Die  Massregeln,  welche  von  der  Regierung  der  V.  St.  geplant  sind  (s.  u.), 
können  diesen  Process  nicht  aufhalten  und  selbst  nicht  wesentlich  ver- 
langsamen. Die  Indianer  sind  an  Zahl  und  moralischem  Gewicht  zu  un- 
bedeutend geworden,  sie  müssen  willenlos  im  Strom  der  weissen  Cultur- 
bewegung  treiben. 

VII.  Die  Beziehungen  zwischen  Indianern  und 
Weissen.  Die  Weissen  wurden  nicht  überall,  wo  sie  zuerst  in  Nord- 
Amerika  den  Boden  der  Neuen  Welt  betraten,  von  den  Eingeborenen 


III.  Die  Indianer.  147 

feindlich  empfangen,  aber  es  dauerte  in  der  Regel  nicht  lange,  ehe 
Feindseligkeiten  ausbrachen,  über  deren  Verschulden  natürlich  nicht 
mehr  zu  streiten  ist.  Die  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür,  dass 
das  unberechtigte  Eindringen  der  Europäer,  die^  beiläufig  gesagt, 
fast  immer  den  minder  guten  Classen  ihrer  Heimatsländer  ange- 
hörten, die  rechtmässigen  Eigenthümer  des  Bodens  erbittern  musste. 
Es  war  selten,  dass  die  Weissen  von  vornherein  mit  dem  Wunsche 
kamen,  das  Land,  das  sie  begehrten,  von  den  derzeitigen  Besitzern 
in  rechtlicher  Weise  zu  erwerben.  Wenn  sich  aber  auch  eine  Ge- 
meinschaft, wie  z.  B.  die  Puritaner,  dazu  herbeiliess,  solches  zu 
thun ,  so  reichten  doch  die  Rechtsbegriffe  Einzelner  nicht  aus,  um 
sie  abzuhalten,  wehrlose  Indianer  in  die  Sklaverei  zu  pressen,  oder 
in  den  Nöthen,  die  die  Anfänge  mancher  Colonien  bezeichneten, 
sie  ihres  Eigenthums  an  Saatkorn  u.  dgl.  zu  berauben.  Mag  das 
übertriebene  Selbstgefühl  der  letzteren,  ihre  lockeren  Begriffe  von 
Eigenthum  und  Recht,  ihr  wilder  Jähzorn  noch  so  viel  beigetragen 
haben,  um  Conflikte  zwischen  ihnen  und  den  Weissen  hervorzurufen : 
immer  waren  diese  die  Eindringlinge,  die,  als  solche,  den  ersten 
Anstoss  zu  Unruhen  gaben,  welche  zuletzt  zu  einem  nie  wieder 
ganz  unterbrochenen  Rassenkriege  sich  entwickelten.  In  kurzer 
Zeit  war  das  Verhältniss  durch  zahlreiche  Unrechtmässigkeiten  und 
Gewaltthaten  zwischen  Weissen  und  Indianern  so  weit  gediehen,  dass 
es  wie  von  Natur  feindlich  und  unheilbar  erschien.  Sogar  in  die 
religiöse  Lehre  und  endlich  selbst  in  die  Wissenschaft  fand  die 
Ansicht  Eingang,  dass  der  rothe  Mann  bestimmt  sei,  vom  Weissen 
ausgerottet  oder  mindestens  zurückgedrängt  zu  werden.  Allerdings 
zeigte  es  sich  mehr  und  mehr,  dass  die  schweifende  und  unruhige 
Lebensweise,  die  er,  mit  seltenen  Ausnahmen,  freiwillig  nicht  auf- 
geben wollte,  unvereinbar  war  mit  dem  Gedeihen  der  stätigen,  auf 
Ruhe  und  Ordnung  gegründeten  Bestrebungen  der  weissen  Bürger 
des  Landes.  Es  blieb  kein  Zweifel,  dass  beide  Rassen,  vorzüglich 
weil  sie  ganz  verschiedene  Culturstufen  und  damit  sehr  weit  ab- 
weichende Sitten  und  Bedürfnisse  darstellten,  viel  weniger  aber 
wegen  der  viel  zu  sehr  betonten  Verschiedenheit  der  Farbe  und 
des  Blutes  und  der  angeborenen  Neigungen,  nicht  nahe  neben 
einander    leben    konnten,    ohne   zu   gewaltsamen   Zusammenstössen 

10* 


148  in.  Die  Indianer. 

getrieben  zu  werden.  Fast  jedes  Jahr  hat  auf  der  langen  Grenz- 
linie, wo  weisse  Culturbestrebungen  und  indianisches  Naturleben 
zusammentreffen,  diese  Regel  bestätigt  und  die  Regierung  der  V.  St. 
hat  zuletzt  ihr  Hauptaugenmerk  darauf  richten  müssen,  die  Indianer 
in  gewissen  bestimmt  abgegrenzten  Bezirken  zu  sammeln  und  da- 
durch einerseits  die  Weissen  vor  Störung  ihrer  Arbeit  und  ihres 
Erwerbes,  andererseits  die  Indianer  selbst  vor  Ausbeutung  und 
Vergewaltigung  zu  schützen.  Im  Verfolge  dieses  Systems,  dessen 
Idee  richtig  und  wohlwollend,  dessen  Ausführung  aber  durch  die 
Hände  der  damit  Beauftragten  vielfach  hart  und  ungerecht  wurde, 
ist  heute  die  grössere  Zahl  der  im  Gebiet  der  V.  St.  lebenden 
Indianer  theils  im  Indian  Territory,  theils  auf  anderen  Reservationen 
untergebracht.  Dass  übrigens  diese  Isolirung  auch  bei  der  aufmerk- 
samsten Durchführung  nur  für  eine  verhältnissmässig  kurze  Zeit 
möglich  ist,  versteht  sich  von  selbst  bei  der  unwiderstehlichen  Ge- 
walt, mit  der  der  Weisse  in  alle  Winkel  des  weiten  Landes  vordringt. 
Bereits  ist  die  grösste  Reservation,  das  Indian  Terr.,  von  Strassen 
und  Eisenbahnen  der  Weissen  durchzogen  und  zahlreiche  Nichtindianer 
haben  sich  dort  niedergelassen;  andere  Reservationen,  die  früher 
gegeben  waren,  sind,  wenn  sich  Gold  oder  Silber  oder  sonst  Werth- 
volles  dort  fand,  wieder  zurückgezogen  und  ihre  Besitzer  auf  minder 
werthvoUes  Land  gebracht  worden.  Dass  dabei  die  Indianer  nicht 
gedeihen  konnten,  versteht  sich.  Es  kommt  hinzu,  dass  statt  der 
nützlichen  Culturerrungenschaften  von  ihnen  gewisse  verderbliche 
Auswüchse,  besonders  die  ungeregelten  und  übermässigen  Genüsse 
und  Aufregungen,  mit  Vorliebe  und  in  ihrem  Gefolge  aber  auch 
verheerende  Krankheiten  aufgenommen  worden  sind.  Was  aber 
mehr  besagt:  Sie  sind  weit  zerstreut,  von  einander  getrennt,  ihre 
alten  Stammesverbände  zerrissen,  die  Möglichkeit  des  Lebens  von 
den  Gaben  der  Natur,  vorzüglich  durch  Jagd,  wird  immer  mehr 
beschränkt,  die  Mehrzahl  lebt  von  der  Gnade  der  Weissen,  und  die 
Ohnmacht  der  wenigen  tausend  unabhängigen  ist  so  gross,  dass 
jeder  Versuch  den  Weissen  entgegenzutreten  seit  lange  immer  am 
letzten  Ende  mit  einer  blutigen  Niederlage  geendigt  hat.  Die 
Indianer  haben,  mit  einem  Worte,  aufgehört  ein  thätiges  Element 
in  der  Geschichte  des  Landes  zu  sein,  dass  sie  einst  allein  besassen. 


ni.  Die  Indianer,  149 

Sie  sind  in  ihrer  grossen  Mehrzahl  der  Cultur  fern  geblieben, 
welche  die  Weissen  ins  Land  gebracht  haben  ^). 

Die  Geschichte  der  Beziehungen  zwischen  Weissen  und  In- 
dianern ist  innerhalb  des  Gebietes  der  heutigen  V.  St.  verschieden 
je  nach  der  Nationalität,  der  die  darin  auftretenden  Weissen  an- 
gehören. Es  wiederholt  sich  hier  der  Gegensatz,  der  durch  die 
Colonisationsgeschichte  des  ganzen  Erdtheils  geht.  Ueberall  sieht 
man,  dass  die  romanischen  Stämme  dem  Indianer  näher  treten, 
sich  mit  ihm  vermischen,  ihn  bekehren  und  schützen,  während  die 
germanischen  ihn  von  vornherein  schärfer  den  Gegensatz  zwischen 
Civilisation  und  Naturleben  fühlen  lassen,  ihn  verachten  und 
zurückstossen.  Die  Folge  davon  ist,  dass  im  ersteren  Fall  die 
Kluft  zwischen  Weissen  und  Indianern  sich  allmählich  ausfüllt, 
während  im  letzteren  die  Rassen  mit  der  ungemilderten  Schärfe 
ihrer  Gegensätze  auf  einander  stossen.  Dort  Erhaltung  der  Indianer, 
freilich  durch  Herabsteigen  des  Europäers,  hier  starres  Festhalten 
des  letzteren  an  seiner  Culturhöhe  und  in  Folge  dessen  noth- 
wendiges  Zurückdrängen  und  Herabsinken  des  Indianers.  Dieser 
Gegensatz  hängt  zum  Theil  zusammen  mit  der  Art  der  Einwanderung, 
die  bei  den  Angehörigen  germanischer  Stämme  vorwiegend  in  Fa- 
milien, bei  denen  romanischer  mehr  durch  einzelne  jüngere  Männer 
sich  vollzog. 

An  der  atlantischen  Küste  herrschte  mit  Ausnahme  Florida's 
der  germanische  Typus  von  Colonisation.  In  Virginien  waren  die 
Besuche  der  Europäer  schon  zu  Raleigh's  Zeit  mit  Feindseligkeiten 
verknüpft  und  das  Gedeihen  der  Colonien  wurde  durch  diese 
Streitigkeiten  sehr  ungünstig  beeinflusst.  Nach  langen  Kriegen  ge- 
lang es  erst  in  den  40er  Jahren  des  17.  Jahrhunderts  den  Weissen, 


1)  Schon  dem  flüchtig  Reisenden  gibt  die  Thatsache  zu  denken,  dass  man 
auf  dem  Wege  von  der  atlantischen  nach  der  pacifischen  Seite  (New  York  — 
S.  Francisco)  des  Continentes  2300  e.  M.  reisen  kann,  ohne  einem  Indianer  zu 
begegnen.  „Diese  Eisenbahn  ist  doch  nun  einmal  die  Hauptarterie  der  ameri- 
kanischen Civilisation,  und  während  sich  in  ihre  nächste  Nähe  alles  gruppirt, 
was  Leben  in  diese  Wüsten  bringt :  Amerikaner,  Deutsche,  Neger,  Chinesen  — 
reicht  sie  Tausende  von  Meilen  weit,  ohne  dass  die  schweifenden  Ureinwohner 
sich  ihr  zu  nähern,  von  ihrer  Lebenskraft  sich  etwas  zu  eigen  zu  machen  wagen." 
(A.  Wernich,  Geogr.-Medic.  Studien.  1878.  32.) 


150  ni.  Die  Indianer. 

die  in  einzelnen  Treffen  Hunderte  verloren  hatten,  die  Macht  der 
Indianer  zu  brechen.  In  Süd  -  Carolina  waren  die  Verhältnisse  im 
Anfang  friedlich,  indem  die  Colonisten,  ohne  Schutz  vom  Mutter- 
lande, gezwungen  waren,  Frieden  zu  halten.  1712  brach  jedoch  ein 
Krieg  aus.,  der  die  Tuscarora  zum  Zurückweichen  nach  N.  zwang. 
In  Pennsylvanien  hatte  Penn  das  Land  für  seine  Ansiedelungen 
kaufweise  durch  jenen  berühmten  Vertrag  erworben,  den  er  1682 
mit  den  Delawaren  schloss,  und  er  wurde  nie  in  dem  Besitze  des- 
selben gestört.  1721  kam  hier  der  erste  Fall  der  Ermordung  eines 
Indianers  durch  einen  Weissen  vor  und  in  Indianerkriege  wurden 
die  hiesigen  Ansiedler  nicht  früher  als  in  den  50  er  Jahren  des 
18.  Jahrhunderts  durch  den  Ausbruch  des  englisch  -  französischen 
Grenzkrieges  verwickelt.  Im  heutigen  New  York  hatte  schon  1609 
Hudson  mit  den  Indianern  Handel  getrieben,  1626  kauften  ihnen 
die  Holländer  Manhattan  ab,  aber  1640  begannen  auch  hier  Feind- 
seligkeiten. Von  da  an  gab  es  hier  keinen  dauerhaften  Frieden 
mehr,  bis  in  den  englisch-französischen  Grenzkriegen  die  Macht  der 
Indianer  gebrochen  wurde.  An  der  Neuengland-Küste  wussten  die 
Puritaner  im  Anfang  ein  erträgliches  Verhältniss  mit  den  Ein- 
geborenen aufrecht  zu  erhalten.  Als  aber  die  Unruhen  in  Virginien 
und  ein  für  die  Weissen  sehr  verderblicher  Ueberfall  der  dortigen 
Indianer  bekannt  wurden,  erfüllte  Argwohn  die  Gemüther  der  An- 
siedler, und  indem  sie  einer  Verschwörung  zuvorzukommen  suchten, 
begannen  sie  Krieg  mit  den  bisher  im  Ganzen  freundlich  gesinnten 
Eingeborenen.  Auch  hier  trat  dann  keine  vollständige  Ruhe  ein, 
bis  die  einstigen  Herren  des  Landes  von  demselben  vertrieben  waren, 
wenn  auch  so  gerechte  und  gemässigte  Männer  wie  Roger  Williams 
Jahrzehnte  unangefochten  unter  den  Indianern  lebten.  Im  Pequot- 
Kriege  (1635)  wurde  ganz  Block  Island  und  das  Land  der  Pequots 
von  Indianern  gesäubert.  Die  Geschichte  der  Beziehungen  zwischen 
Puritanern  und  Indianern  ist  von  1640  an  wenig  anderes  als  ein 
Vernichtungskrieg,  der  dann  und  wann  von  friedlichen  Intervallen 
unterbrochen  ist,  dafür  aber  wieder  zeitweise,  wie  in  dem  blutigen 
Krieg  mit  König  Philipp,  zu  verheerender  Flamme  aufloderte.  Bei 
der  weiten  Verbreitung,  welche  puritanische  Ideen  späterhin  in 
Nord-Amerika  fanden,  ist  dieses  Verhältniss  von  Bedeutung.     Der- 


ni.  Die  Indianer.  151 

selbe  Hass,  Ausfluss  energischen  Charakters  und  harten  Gemüths, 
tritt  bei  den  späteren  Indianerkämpfen  im  W.  nicht  minder  scharf 
hervor.  Man  kann  überhaupt  die  Geschichte  jedes  Territoriums 
und  jedes  Staates  in  zwei  Hauptabschnitte  theilen:  der  erste  ist 
mit  Indianerkämpfen  gefüllt  und  der  zweite  beginnt  in  dem  Moment, 
wo  die  Indianer  decimirt  sind  und  das  streitige  Gebiet  verlassen. 
Die  Ansiedler  rücken  ihnen  nach  und  in  wenigen  Jahrzehnten  voll- 
zieht sich  derselbe  Process  eine  Strecke  weiter  westlich. 

Als  im  zweiten  Drittel  des  17.  Jahrhunderts  die  Colonien  des 
atlantischen  Randes  so  weit  erstarkt  waren,  dass  sie  sich  ziemlich 
sicher  vor  den  Indianern  in  ihrem  dermaligen  Besitzstande  fühlen 
konnten ,  waren  diese  letzteren  ihrerseits  theilweise  doch  noch 
mächtig  genug,  um  als  Faktoren  der  Politik  auftreten  zu  können, 
welche  England  und  Frankreich  im  ö.  Nord -Amerika  machten. 
Sie  vermochten  zwar  nicht  mehr  auch  nur  eine  von  beiden  Mächten 
zu  bestimmen  in  Bezug  auf  ihre  Ausdehnung,  ihre  Colonisations- 
massregeln  u.  dgl.,  aber  sie  warfen  ein  Gewicht  in  die  Wagschale 
derjenigen  Macht,  mit  der  sie  sich  verbündeten.  Sie  waren,  mit 
anderen  Worten,  noch  stark  genug,  um  im  Kriege  gebraucht  werden 
zu  können,  und  in  der  That  besteht  der  grösste  Theil  ihrer  äusseren 
Geschichte  von  1665  — 1763  in  aufreibenden  Kämpfen  gegen  die 
eine  oder  die  andere  Macht  und  deren  indianische  Kampfesgenossen, 
Kämpfen,  aus  denen  sie  selbst  geschwächt  hervorgingen,  während 
die  Europäer  sich  in  Folge  derselben  immer  mehr  ausbreiteten. 
Als  die  Engländer  zu  ihren  südlicheren  Colonien  1763  auch  noch 
Canada  erworben  hatten,  waren  es  natürlicherweise  die  Indianer, 
die  alten  Freunde  so  gut  wie  die  Feinde,  welche  Platz  zu  machen 
hatten,  um  die  Herstellung  eines  zusammenhängenden  Colonial- 
gebietes  zu  ermöglichen.  Die  Verschwörung  Pontiac's  (1763  —  65) 
suchte  diese  gefährliche  Umarmung  abzuschütteln,  kam  aber,  trotz 
erheblicher  Verluste,  die  den  Engländern  zugefügt  wurden,  nicht 
dazu,  ihren  Zweck  zu  erreichen.  Ein  neuer  Krieg,  der  1774  seitens 
der  Indianer  gegen  die  Weissen  gefuhrt  wurde,  verlief  nicht  glück- 
licher; in  ihm  traten  die  einst  so  mächtigen  Stämme  der  Delawaren 
und  Irokesen  zum  letzten  Mal  geschwächt  zwar,  aber  noch  immer 
thatfähig  auf.     Nach  dem  Selbständigwerden  der  V.  St.  kamen  die 


152  IIL  Die  Indianer. 

Indianer  wie  früher  zwischen  Hammer  und  Ambos.  Durch  Ver- 
sprechungen der  Engländer  verführt,  griffen  sie  schon  1784  und 
mit  grösserer  Energie  unter  der  Führung  eines  ihrer  grössten 
Männer,  Tecumseh's  aus  dem  Stamme  der  Schawanoe,  1811  zu  den 
Waffen  (Schlacht  bei  Tippecanoe  1812).  Es  war  der  letzte  grosse 
Indianerkrieg,  der  wie  alle  früheren  unglücklich  für  die  rothen 
Männer  verlief..  Tecumseh  fiel  1813  und  die  geschlagenen  Stämme 
schlössen  1814  Frieden.  Die  folgenden  Kriege,  wenn  sie  auch 
einige  Male  noch  Schrecken  bis  weit  in  das  Herz  der  V.  St.  ver- 
breiteten, glichen  doch  keinem  der  vorhergehenden  an  Machtent- 
faltung seitens  der  Indianer.  Im  S.  wurde  durch  die  Seminolen- 
kriege  1817  —  20  und  1835  —  42  der  letzte  Rest  indianischer 
Unabhängigkeit  in  den  Sümpfen  Florida's  erstickt,  im  NW.  drängte 
der  nach  dem  anführenden  indianischen  Häuptling  genannte  Black- 
Hawk-Krieg  die  Indianer  über  das  obere  Mississippi- Gebiet  dem  W. 
zu.  Man  kann  sagen,  dass  der  letzte  Seminolenkrieg  in  Florida 
überhaupt  der  letzte  Krieg  war,  in  dem  nordamerikanische  Indianer 
mit  einer  solchen  Zähigkeit  den  Kampf  mit  ihren  Gegnern  durch- 
führten, dass  ihr  Widerstand  eine  Spur  gelassen  hat  in  der  Geschichte 
des  Landes.  Aber  seitdem  die  Indianer  auf  ihrem  langsamen  Rück- 
zug den  Mississippi  überschritten  haben,  hat  es  nur  noch  kleine 
Parteigängerkämpfe  gegeben,  denn  es  kam  zu  keiner  kräftigen 
Vereinigung  der  Stämme  mehr. 

Im  äussersten  S.  und  W.,  wo  Spanier  und  Franzosen  colonisirt 
hatten,  war  das  Verhältniss  zwischen  Weissen  und  Indianern  ein 
anderes  als  hier  auf  der  germanischen  Seite.  Auf  französischer 
Seite  fiel  mehr  die  Neigung  zur  Vermischung  ins  Gewicht  und  der 
angeborene  geringere  Thätigkeitstrieb ,  welcher  nicht  so  scharf  auf 
die  Eingeborenen  eindrang,  bei  den  Spaniern  der  Schutz,  den  die 
mächtige  Geistlichkeit  den  letzteren  angedeihen  liess.  Unter  diesen 
milderen  Einflüssen  hatten  sich  in  Florida  und  Louisiana  die  In- 
dianer im  wilden  Zustande  frei  vom  Joch  der  Europäer  erhalten, 
während  in  den  östlichsten  und  nördlichsten  Theilen  von  Neu-Spanien, 
in  dem  heutigen  Texas,  Neu-Mexico,  Arizona  und  Californien,  die 
bekehrten  Indianer  sich  in  den  Missionen  sammelten,  welche  von 
geistlichen    Vätern    geleitet    waren,    und    in    denen    sie    zu    einer 


III,  Die  Indianer.  153 

massigen  Arbeit  angehalten,  aber  mit  keinen  schwereren  Cultur- 
arbeiten  belastet  wurden,  als  sie  zu  tragen  vermochten.  Schon  vor 
der  Besitznahme  dieser  Länder  durch  die  V.  St.  (1848)  waren 
durch  die  Revolutionen,  welche  in  Mexico  den  Unabhängigkeits- 
kriegen folgten,  die  Missionen  aufgehoben  worden  und  die  Indianer 
hatten  sich  zu  zerstreuen  begonnen,  ehe  die  wilde  Flut  der  Ein- 
wanderung, welche  von  1848  —  78  mindestens  2  Millionen  Weisse 
und  Chinesen  nach  diesen  Ländern  führte,  viele  von  ihren  Nieder- 
lassungen über  den  Haufen  warf.  Aber  noch  immer  bewahren 
einige  der  Mission  es  von  Californien  und  der  Pueblos  von  Neu- 
Mexico  in  der  Halbcultur,  welche  ihre  indianischen  Bewohner  zu 
nicht  ganz  unnützen  Mitgliedern  der  Gesellschaft  macht,  Reste  der 
Einwirkungen  jener  wohlwollenden  Erziehung.  Was  die  Wirkung 
der  Missionen  der  verschiedenen  protestantischen  Religionsgesell- 
schaften anbelangt ,  so  ist  nur  eine  Stimme  über  die  grosse  Er- 
gebnisslosigkeit  dieser  Bemühungen^).  Dieselbe  ist  gewiss  nicht 
erstaunlich,  wenn  man  bedenkt,  wie  sie  beständig  durchkreuzt 
wurde  von  den  störenden  Einflüssen  der  wirthschaftlichen  und 
politischen  Conflikte  zwischen  Weissen  und  Indianern.  Einige  der 
hervorragendsten  Führer  der  ö.  Indianer,  wie  Tecumseh  und  Little 
Turtle,  haben  mit  bewusster  Leidenschaftlichkeit  gegen  die  Ein- 
führung des  Christenthums  bei  ihren  Stämmen  gearbeitet. 

Man  kann  ungefähr  die  Ostgrenze  des  heutigen  Colorado,  Neu- 
Mexico  und  Texas,  allgemein  gesprochen  den  100.  Längegrad, 
als  die  Grenze  betrachten,  wo  anglo-  und  hispano -  amerikanische 
Indianer-Politik  um  das  Jahr  der  ersten  genauen  Indianer-Zählung 
1848  sich  berührten,  und  man  findet,  dass  in  diesem  Jahre  ö.  von 
hier  ca.  36000,  w.  dagegen  und  in  dem  hierhergehörigen  Texas 
über  350000  Indianer  lebten.  Von  jenen  waren  500,  von  diesen 
234000  als  halbcivilisirt ,  der  Rest  als  wild  zu  betrachten.  Wenn 
Zahlen  irgendwo  sprechen,  thun  sie  es  hier.  Aber  um  das  Bild 
zu  vollenden,  darf  man  allerdings  nicht  verschweigen,    dass  gleich- 


1)  Der  amtliche  Bericht  des  Indiauer-Commissärs   für  1875/76  gibt  für  die 

Indianer,    welche  einer  der  christlichen  Sekten  angehören,  die  Zahl  von  27  215 

an,  also  noch  nicht  */io  der  heutigen  Indianerbevölkerung.  Bis  zu  diesem  Jahre 
hatten  es  über  40000  Indianer  dahin  gebracht,  zu  lesen. 


154  III.  Die  Indianer. 

zeitig  ö.  von  dieser  Linie  die  Europäer,  23  Millionen  an  der  Zahl,  eine 
blühende  Cultur  entwickelt  hatten,  während  w.  davon  nicht  mehr 
als  ca.  Va  Million  auf  einer  Culturstufe  lebten,  welche  über  der  der 
Indianer  nur  unmerklich  erhaben  war.  Angesichts  dieser  That- 
sache  ist.  es  nicht  übertrieben  zu  sagen:  es  stehe  das  Gedeihen 
der  Indianer  in  einem  umgekehrten  Verhältniss  zu  dem  der  Weissen 
und  scheine  das  eine  das  andere  auszuschliessen. 

Die  jetzige  Indianer-Politik  wurde  von  der  Regierung  der  V.  St., 
welche  alle  Indianer-Angelegenheiten  sich  vorbehalten  hatte,  durch 
die  Gründung  des  Indian  Bureau  (1786)  eingeleitet,  das  dem 
Kriegsministerium  untergeben  war  und  2  Superintendenten  aufstellte, 
den  einen  für  die  Indianer  n.  vom  Ohio,  den  anderen  für  diejenigen 
s.  von  diesen  Grenzen.  Diese  sollten  die  Indianer  durch  gerechte 
Behandlung  ruhig  zu  halten  und  sie  vor  Uebergriffen  der  Ansiedler 
zu  schützen  suchen.  Dass  dieses  Ziel  gerade  in  jener  Zeit  des  fast 
fieberhaften  Dranges  nach  W.  nicht  erreicht  werden  konnte,  ist  klar. 
In  der  That  war  nichts  anderes  zu  thun,  als  die  Indianer  immer 
von  Neuem  von  ihrem  Grund  und  Boden  wegzuschieben  und  sie 
dafür  zu  entschädigen.  Schools,  and  justice,  good  faith,  and  huma- 
nity  to  the  Indians  forderte  die  Ordinance  für  die  Errichtung  des 
Nordwest- Territoriums  und  nach  ihr  noch  viele  Gesetze.  Aber  wo 
lag  es  in  der  Macht  der  Regierung,  den  breiten  Strom  der  West- 
wanderer zu  dämmen,  deren  Bestrebungen  immer  feindlich  sein 
mussten  den  Lebensinteressen  der  Indianer?  1790  erliess  der  Con- 
gress  ein  Gesetz,  nach  welchem  Niemand  mit  den  Indianern  Handel 
treiben  durfte,  der  nicht  vom  Präsidenten  dazu  berechtigt  war,  und 
welches  Landverkäufe  der  Indianer  nur  vermittelst  öffentlichen  Ver- 
trages gestattete.  Die  erste  Reservation  wurde  1790  den  Creek- 
Indianern  in  dem  Gebiet  s.  vom  Oconse  bewilligt,  nachdem  sie  ihre 
Wohnsitze  n.  davon  aufgegeben  hatten,  aber  schon  3  Jahre  später 
begannen  Jene  Feindseligkeiten  und  1802,  1814  und  1818  gaben 
sie  einen  grossen  Theil  dieses  Gebietes  wieder  auf.  1804  traten 
die  Sacs  and  Foxes  80000  e.  Q.M.  für  eine  Jahresrente  von 
1000  D.  in  Waaren  ab.  Als  1818  alle  Wyandots,  Delawares,  Senecas 
u.  a.  Stämme  Ohio's  ihre  4  Mill.  A.  Landbesitz  in  diesem  Staate 
aufgaben,  wurden  ihnen  verschiedene  Landstriche  als  Reservationen 


ni.  Die  Indianer.  155 

gewährleistet  und  damit  das  erste  grössere  System  von  Indianer- 
Reservationen  geschaffen.  In  demselben  Jahre  willigten  die  Dela- 
wares von  Illinois  ein,  westwärts  vom  Mississippi  zu  ziehen,  dasselbe 
that  1819  ein  Theil  der  Cherokees  und  die  Kickapus  von  Illinois, 
welche  nach  dem  Osage  gingen,  und  man  kann  überhaupt  diese 
Periode  als  diejenige  bezeichnen,  in  der  die  Versetzung  nach  W. 
und  den  Reservationen  systematisch  zur  Grundlage  der  Indianer- 
Politik  gemacht  wurde.  1826  und  1828  wurden  gegen  ihren  Willen 
alle  Creeks  aus  Georgia  nach  dem  Arkansas  versetzt.  1830  trat 
ein  Wechsel  in  der  Indianer-Politik  insofern  ein,  als  die  Regierung 
der  in  den  Staaten  lebenden  Indianer  nicht  mehr  dem  Bunde, 
sondern  dem  Staate  zugewiesen  und  gleichzeitig  Vorsorge  getroffen 
ward  für  die  Uebersiedelung  fast  aller  Indianer  des  0.  nach  dem 
W.  1835  zogen  die  Cherokees  ebenfalls  nach  dem  Arkansas,  wo 
später  das  sog.  Indian  Territory,  eingeschlossen  von  Texas, 
Arkansas  und  Kansas,  für  sie  und  die  übiigen  dahin  versetzten 
Stämme  abgegrenzt  wurde. 

Die  seitherigen  Schicksale  der  Indianer  wiederholen  nur  immer 
die  hier  kurz  skizzirte  Geschichte :  Eindringen  der  Weissen  in  ihre 
Gebiete,  Kämpfe,  die  zuletzt  immer  unglücklich  für  sie  verlaufen, 
Verträge,  die  sie  schliessen,  ohne  ihren  Inhalt  zu  kennen^)  und 
gegen  welche  sie  sich  dann  auflehnen,  Vertreibung  nach  mehr  im 
W.  oder  S.  gelegenen  Wohnsitzen.  Die  sog.  Indianer-Kriege  dieses 
Zeitraumes  (Modoc-Krieg  1873,  Nez  Perces-Krieg  1876)  sind  kleine 
Guerilla -Episoden,  deren  Ursprung  oft  mehr  in  der  Furcht  der 
Weissen   als  der  Gefährlichkeit  der  Indianer  zu  suchen  ist^).     Nur 


1)  Der  Krieg  mit  den  Nez  Perces,  der  1877  und  1878  den  ganzen  NW.  in 
Aufregung  versetzte,  hatte  seinen  letzten  Grund  in  einem  Vertrag,  der  1863  von 
einer  Hälfte  des  Stammes  gegen  den  Willen  der  anderen  eingegangen  war  und 
durch  welchen  das  Waillowa  -  Thal  an  die  V.  St.-Regierung  abgetreten  wurde. 
Die  unwillige  Hälfte  blieb  in  dem  Thal  und  die  Regierung  bestätigte  noch  1871 
ihr  Recht  auf  dasselbe. 

2)  Im  Frühling  1873  musste  eine  Sonder-Commission,  bestehend  aus  Major 
J.  W.  Powell  und  G.  W.  Ingalls,  rasch  nach  Salt  Lake  City  reisen,  um  die 
Gründe  zu  untersuchen,  welche  die  dortigen  Weissen  einen  allgemeinen  Indianer- 
krieg fürchten  liessen.  Sie  fanden,  vorzüglich  in  Folge  des  Modoc-Krieges,  die 
Verstimmung  der  Weissen  gegen  die  Indianer  sehr  gross  und  fast  eben  so  gross 
ihre   Furcht    vor    indianischen   Ueberfällen;    aber    ihre   Erhebunjjen    unter    den 


156  III.  Die  Indianer. 

der  eine  Zug  ist  in  der  Indianer  -  Geschichte  besonders  seit  der 
Erwerbung  des  pacifischen  Gebietes  durch  die  V.  St.  immer  mehr 
hervorgetreten,  das  Bestreben  nämlich,  die  Indianer  womöglich  alle 
auf  Reservationen  zu  bringen.  Man  zwang  sie  zu  dahingehenden 
Verträgen  oder  sah  wenigstens  für  die  Zukunft  ihre  Versetzung 
voraus  ^).  Man  sah  sich  ganz  von  selbst  darauf  hingewiesen  von 
dem  Augenblick  an,  wo  kein  freier  unbegrenzter  W.  mehr  vor- 
handen, sondern  die  Uferländer  des  Stillen  Meeres  sogar  der  weissen 
Einwanderung  geöffnet  waren. 

Diese  Vereinigung  der  umherziehenden  Indianer  auf  Reservationen, 
welche  es  ermögUchten,  sie  zu  übersehen  und  zu  bewachen,  war  überhaupt 
das  einzig  mögliche  Ziel,  das  eine  friedliche  und  menschliche  Politik  sich 
stellen  konnte.  Indem  man  ihnen  sogar  für  den  Lebensunterhalt  sorgte, 
suchte  man  die  Gelegenheit  zu  bieten,  sich  mit  den  friedlichen  Be- 
schäftigungen, in  erster  Linie  mit  dem  Ackerbau,  bekannt  zu  machen^). 
Der  grosse  Fehler  war  nur  von  Anfang  an  die  grosse  Zahl  und  die  lockere 
und  unvollkommene  Organisation  dieser  Reservationen.  Die  Reservation  ge- 
hörte einem  Stamme  oder  mehreren,  der  Boden  war  Gemeingut,  und  es 
fehlte  damit  jede  Anregung  zu  individuellem  Fortschritt.    Und  doch  zeigen 


Indianern  jener  Gegend  bewiesen  ihnen,  „dass  die  Befürchtungen  der  weissen 
Ansiedler  grundlos  und  die  Indianer  selbst  noch  viel  mehr  von  Furcht  besessen 
waren  als  die  Weissen".  Viele  Indianer  waren  sogar  aus  Furcht  in  die  Berge 
geflohen.     (Report  of  Spec.  Comm.  on  the  Condition  of  the  Utes  etc.  1873.) 

1)  Ein  Muster  solcher  Verträge  sind  die>  welche  im  Jahre  1863  mit  einer 
ganzen  Anzahl  von  wandernden  Indianern,  wie  Utes,  Pai-Utes,  Gosi-Utes,  W. 
und  NW.  Shoshones  abgeschlossen  wurden,  und  in  denen  u.  a.  gesagt  ist:  „Der 
Stamm  stimmt  zu,  dass,  wenn  immer  der  Präsident  der  V.  St.  es  für  sie  passend 
erachten  wird,  das  wandernde  Leben  aufzugeben  und  als  Hirten  oder  Landbauer 
sich  anzusiedeln,  er  ermächtigt  ist,  für  sie  Reservationen  zu  bestimmen,  wie  er 
sie  nöthig  halten  wird,  innerhalb  der  angegebenen  Grenzen;  und  sie  stimmen 
zu,  dass  sie  dann  ihre  Wohnsitze  nach  diesen  Reservationen  verlegen  werden." 
Die  Grenzen,  die  ein  Stamm  sich  in  solchem  Vertrage  zieht,  sind  allerdings 
oft  schwer  näher  zu  bestimmen,  wie  sogar  Powell,  ein  genauer  Kenner  des 
Landes,  im  Spec.  Comm.  Rep.  v.  1873  zugibt. 

2)  Nur  in  ungewöhnlichen  Fällen  ergriffen  sie  selbst  die  Initiative,  um  auf 
eine  Reservation  zu  kommen.  So  gaben  1873  die  Senarits,  ein  Stamm  der  Utes, 
den  Wunsch  zu  erkennen,  auf  eine  Reservation  gebracht  zu  werden.  „Sie  gaben 
an,  dass  ihr  Volk  in  den  letzten  Jahren  sehr  rasch  wegsterbe,  so  dass  sie  an 
Zahl  stark  zurückgegangen  seien,  und  dass  sie  erschreckt  seien  durch  eine 
Krankheit,  welche  kurz  vor  dem  Besuche  der  Commissare  in  weniger  als  einer 
Wodie  20  von  ihnen  weggerafft  habe."  Viele  glaubten  an  Zauber  anderer 
Stämme  oder  der  Weissen,  aber  welches  auch  immer  die  Ursache,  sie  wünschten 


III.  Die  Indianer.  157 

die  ackerbauenden  Stämme  des  Indianer-Territoriums  und  die  paar  Tausend, 
die  ausserdem  in  den  Staaten  zerstreut  sind,  dass  diese  Anregungen  den 
Indianern  eben  so  nothwendig  sind  wie  irgend  einer  andern  Rasse  und 
auch  bei  ihnen  gute  Früchte  tragen.  Der  Schritt  über  dieses  Reservations- 
system hinaus  besteht  nun  in  der  Vereinigung  der  Indianer  auf  engerem 
Raum,  wo  sie  angeleitet  werden,  dass  jeder  für  sich  seine  Farm  bewirth- 
schafte,  sein  Haus  im  Stande  halte.  Man  muss  sie  dichter  zusammen- 
drängen. In  den  Reservationen  hatten  die  einzelnen  Stämme  viel  zu  viel 
Land,  das  aber  meistens  nur  stellenweise  gut  war.  Das  hiess  sie  zum 
Nomadisiren  verleiten,  von  dem  man  sie  eben  entwöhnen  wollte. 

Nach  Zusammenlegung  der  Reservationen  könnten  die  Indianer  leichter 
übersehen  und  überwacht,  Uebelwollende  von  ihnen  fern  gehalten  und  der 
ungesetzliche  Handel  mit  Waffen  und  Branntwein  mindestens  schwerer 
gemacht  werden;  die  Verpflegung  wäre  viel  leichter  zu  bewerkstelligen; 
die  Aufgaben  der  Armee  würden  vereinfacht.  Auch  der  Wetteifer  der 
Indianer  unter  einander,  welcher  durch  das  Beisammenwohnen  civilisirterer 
und  halbwilder  entstehen  müsste,  fällt  ins  Gewicht. 

Diesem  Grundsatze  folgend,  hat  man  in  den  4  Jahren  von  1872 — 76 
1  Superintendenz  und  22  Indianer- Agenturen  aufgelöst,  w^as  eine  Er- 
sparniss  von  CO  000  D.  und  wahrscheinlich  eine  noch  kostbarere  Er- 
leichterung der  Beziehungen  zwischen  der  Regierung  der  V.  St.  und  den 
Indianern  bewirkte.  In  seinem  Berichte  für  1876/77*}  betont  der  Sekretär 
des  Inneren  als  in  der  Regierung  der  Indianer  anzustrebenden  Grundsatz 
die  Vereinigung  aller  Indianer  auf  einigen  wenigen  Reser- 
vationen, Annahme  seitens  derselben  von  Land  in  severalty, 
Ausdehnung  der  Gesetze  und  Gerichtsbarkeit  der  V.St.  über 
dieselben^)  und  als  Folge  davon  Auflösung  der  Stammes-Ver- 
bände.    In  Bezug  auf  das  erstgenannte  Ziel  der  Indianer-Politik  ist  also. 


vor  allem  ihre  jetzigen  Wohnsitze  zu  verlassen.  (Spec.  Comm.  Rep.  1873.  7.) 
Dagegen  erklärte  Peah,  der  Häuptling  der  Utes  von  Colorado,  als  er  1870  auf- 
gefordert ward,  sich  mit  seinem  Stamme  nach  einer  Reservation  zu  begeben: 
er  lehne  dieses  Anerbieten  ab,  da  es  einstweilen  noch  genug  Büffel  gebe;  wenn 
erst  die  Büffel  verschwunden  seien,  könnten  ihre  Kinder  die  Wege  der  Weissen 
kennen  lernen,  jetzt  sei  es  noch  zu  früh.    (Rep.  Ind.  Comm.  for  1870.  12.) 

1)  Executive  Documents  44tii  Congr.  2<i    Sess.  Vol.  IV. 

2)  Ein  Gesetz  über  Schutz  und  Bestrafung  der  Indianer  ist  längst  eine 
stehende  Forderung  in  den  Berichten  der  Indian  Commissioners.  Die  gegen- 
wärtig geltenden  Gesetze  sind  vollständig  machtlos  gegenüber  den  Verbrechen, 
welche  Indianer  unter  sich  auf  ihren  Reservationen  üben.  Begeht  ein  Weisser 
ein  Verbrechen  gegen  einen  Indianer  auf  der  Reservation,  so  gibt  es  keine 
andere  Strafe  als  Wegweisung  von  der  Reservation.  Die  Gerichtsbarkeit  der 
V.  St.  muss  ohne  Zweifel  über  die  Reservationen  ausgedehnt  werden,  sowohl 
zur  Strafe  als  zum  Schutz  der  Indianer. 


153  in.  Die  Indianer. 

wie  man  siebt,  Erhebliches  geschehen.  Das  Erstrebenswertheste  wäre  die 
Vereinigung  aller  Indianer,  wenn  auch  nicht  ausschliesslich  im  Indianer- 
Territorium,  so  doch  auf  höchstens  1  oder  2  weiteren  Reservationen.  Man 
hat  die  White  Earth- Reservation  in  Minnesota  und  die  Yakama- Reser- 
vation im  s.  Washington  Terr.  für  diesen  Zweck  vorgeschlagen.  Schon 
darum,  weil  einige  Reservationen  vollständig  unpassend  für  den  Ackerbau, 
andere  einen  erheblichen  Theil  des  Jahres  hindurch  für  grössere  Trans- 
porte unzugänglich  und  endlich  mehrere  auf  Boden  gelegen  sind,  deren 
Mineralreichthum  einen  Zufluss  weisser  Einwanderer  hervorrufen  wird, 
welcher  unmöglich  verhindert  werden  kann^).  Einer  der  schwerwiegendsten 
Vorzüge  eines  solchen  Systems  würde  jedenfalls  auch  die  grosse  Ver- 
minderung des  corrupten  Instituts  der  Indianer- Agenten  sein.  Dieser 
Beamte  vertheilt  nämlich  nicht  bloss  die  Ännuities  in  Nahrungs-  und 
Kleidungsmitteln  oder  Geld,  sondern  verwaltet  selbständig  die  ganze 
Reservation  und,  was  das  schlimmste  ist,  er  hat  über  dieselbe  nach 
Washington  zu  berichten.  Kein  Mensch  controlirt  sein  Thun  und  Lassen. 
Die  nachlässige  Verzögerung  der  Bewilligung  nothwendiger  Mittel  durch 
den  Congress  greift  dieser  Unordnung  noch  unter  die  Arme^). 

In  den  letzten  Jahren  ist  es  nun  ohne  Zweifel  besser  geworden.  J^s 
ist  ein  grosser  Fortschritt,  dass  1871  der  Congress  in  einer  feierlichen 
Bekanntmachung  erklärte,  dass  hinfort  kein  Indianervolk  noch  Stamm  in 
den  V.  St.  als  unabhängige  Macht  angesehen  werden  solle,  mit  welcher  die 
Regierung  Verträge  abschliessen  dürfe.  Präsident  Grant  erklärte  eben- 
damals  seinerseits,  dass  das  Amt  eines  Indianer-Agenten  nicht  mehr  eine 
Belohnung  für  Parteidienste  sein  dürfe.  Er  übertrug  die  Ernennung  von 
Indianer-Agenten  den  verschiedenen  religiösen  Körperschaften,  welche  sich 


1)  Der  Agent  der  Sioux  von  Standing  Rock,  Dakota,  schreibt  z.  B.  in  seinem 
Bericht  für  1876,77:  „Obwohl  die  für  diese  Indianer  abgegrenzte  Reservation 
200  e.  M.  lang  und  100  breit  ist ,  ist  doch  ihre  gegenwärtige  Lage  eine  ganz 
hülflose.  Für  jetzt  wie  für  die  Zukunft  ist  es  ganz  unmöglich  für  dieselben, 
sich  selber  zu  erhalten.  Das  Wild,  von  dessen  Jagd  sie  früher  lebten,  ist  heute 
ausser  ihrem  Bereich  und  ihre  Versuche  im  Ackerbau  sind  hoffnungslos,  weil 
alles,  was  sie  bis  jetzt  pflanzten,  an  einigen  Orten  ganz,  an  anderen  zu  mehr 
als  der  Hälfte  von  den  Heuschrecken  verwüstet  wurde.  Die  strengen  Winter- 
fröste, die  Dürren  und  Hagelstürme  des  Sommers  und  die  sandige  und  salzige 
Beschaffenheit  des  Bodens  sind  weitere  und  unverbesserliche  Hindernisse,  Es 
ist  dieser  Stand  der  Dinge  um  so  mehr  zu  bedauern  ,  weil  die  Indianer  den 
besten  Willen  zeigen,  unseren  Rathschlägen  zu  folgen."  (2d  Sess.  44 th  Con- 
gress Rep.  Secr.  Interior  I.  442.) 

2)  In  seinem  Berichte  für  1876/77  (44tii  Congress.  2^  Session.  Vol.  IV.  4) 
hebt  der  Sekretär  des  Inneren  ausdrücklich  die  Verzögerung  der  nothwendigen 
Geldbewilligungen  als  eine  Ursache  der  Feindseligkeiten  gewisser  Indianerstämme 
hervor. 


III.  Die  Indianer.  159 

zum  Missionswerk  unter  den  Indianern  hergeben.  Indessen  auch  dieses 
System ,  von  welchem  man  sehr  viel  erwartete ,  hat  nicht  überall  gute 
Früchte  getragen.  Diese  neuen  Agentcnstellen  sind  nicht  immer  in  gute 
Hände  gekommen.  Beweis  dafür  die  Stimmen,  die  auch  gelegentlich  der 
jüngsten  Indianerkriege  über  Bestechlichkeit,  Betrug  u.  s.  f.  dieser  Be- 
amten geklagt  haben.  Man  muss  jedoch  anerkennen,  dass  seit  dieser  Zeit 
mehr  als  früher  zur  Förderung  des  Wohles  der  Indianer  geschehen  ist. 
Dieselben  besassen 

1868  1876 

7  476     Häuser 55  717 

111     Schulen 844 

134    Lehrer 437 

4  718     Schüler 11328 

54  207  Ackerland  (in  Acres)     .  318  194 

43  9G0  Pferde  und  Maulthiere  .  310  043 

42  874    Rindvieh 811308 

29  890     Schweine 214  076 

2  683     Schafe 447  295»). 

Die  grösste  Hoffnung  wird  indessen  immer  auf  die  Pläne  zu  setzen 
sein,  welche  jetzt,  wie  oben  angedeutet,  in  der  Richtung  auf  Zusammen- 
legung der  zahlreichen  kleinen  Reservationen  und  Vereinfachung  ihrer 
Verwaltung,  nebst  besserer  Controle  derselben,  auf  dem  Wege  der  Aus- 
führung sind. 

Zu  den  bemerkenswerthesten  und  einflussreichsten  Folgen  der 
Beziehungen,  wie  sie  in  Nord-Ameiika  zwischen  Eingeborenen  und 
Weissen  sich  gestalteten,  gehört  die  geringe  Zahl  der  Misch- 
linge.     Wir    haben    dieselbe    schon    oben    als    eines    der   hervor- 


1)  Allerdings  sind  nicht  alle  diese  Fortschritte  so  ganz  echt.  Delegat  Corbett 
von  Wyoming  z.  B.  schilderte  dem  Congress  in  folgenden  Worten  seinen  jüngsten 
Besnrh  auf  der  Shoshone  und  Bannock  Reservation :  „Ich  sah,  dass  eine  grosse 
Anzahl  von  Häusern,  gleichförmig  im  Aeusseren,  von  geringer  Grösse,  aber 
wolnilich,  hier  gebaut  worden  war.  Aber  keines  davon  war  bewohnt,  und  als 
ich  den  Agenten  um  Auskunft  bat,  erfuhr  ich,  dass  diese  Häuser  zwar  für  die 
Indianer  bestimmt,  aber  nie  von  denselben  bewohnt  seien."  Uebrigens  sagt  der- 
selbe Agent  im  Berichte  für  1877:  „Gewöhnlich  tragen  die  Indianer  nicht  die 
von  der  Regierung  gelieferten  Kleider  (Citizens  dress),  weil  sie  nicht  so  bequem 
seien  wie  ihre  Decken."  Den  Shoshones  dieser  Reservation  liess  die  Regierung 
vor  einigen  Jahren  300  Acres  roden,  die  noch  heute  brach  liegen.  In  der  Ute 
Reservation  (Colorado)  haben  3000  Indianer  12  Mi  11.  Acres,  von  denen  sie  sage 
22  im  Jahre  1877  unter  Cultur  hatten;  in  ihrer  Schule  hatten  sie  6  Schüler, 
von  denen  jeder  die  Regierung  210  Doli,  kostet.  (S.  Times  W.  E.  16/8  78.) 


IGO  III.  Die  Indianer. 

tretenden  Merkmale  der  germanischen,  insonderheit  angelsächsischen, 
Colonisation  im  Gegensatz  zur  romanischen  kennen  gelernt.  Welcher 
Gegensatz  zwischen  Nord-  und  Süd-  oder  Mittel-Amerika  in  dieser 
Beziehung!  Dort  in  den  V.  St.  noch  nicht  Viooo  der  Be- 
völkerung, hier  in  der  Regel  V2  derselben  oder  noch  mehr  aus 
Mischlingen  bestehend!  Man  mag  wohl  sagen,  dass  die  statistische 
Feststellung  der  Zahl  der  Mischlinge  immer  von  grossen  Schwierig- 
keiten umgeben  ist  wegen  ihrer  Tendenz  sich  möglichst  der  höher- 
stehenden Rasse  anzuschliessen.  Aber  diese  Schwierigkeit  wird 
überall  die  gleiche^).  Mag  man  statt  40000  Mischlingen  auch  die 
doppolte  Zahl  annehmen,  um  alle  mit  ein  zubegreifen ,  die  sich  auf 
die  Seite  der  Weissen  haben  stellen  lassen,  so  sind  das  beim 
gegenwärtigen  Stand  der  Bevölkerung  nicht  einmal  2  pro  Tausend, 
eine  Zahl,  die  bei  weitem  nicht  genügt,  um  denselben  eine  irgendwie 
bedeutende  Rolle  in  der  Zusammensetzung  der  Bevölkerung  der 
V.  St.  zuerkennen  zu  lassen.  —  Die  sociale  Stellung  und  Bedeutung 
der  Indianer -Mischlinge  regelt  sich  auch  in  den  V.  St.  nach  dem 
allgemeinen  ethnographischen  Gesetz,  welches  den  Mischlingen  ihre 
Stelle  in  der  Regel  auf  der  mütterlichen  Seite,  d.  h.  auf  der  der  ^ 
niedrigeren  Rasse  anweist. 


1)  Bei  der  letzten  Volkszählung  hat  man  diese  Frage  der  Mischlinge  in 
einer  Weise  zu  lösen  gesucht,  welche  auch  in  ethnographischer  Beziehung 
interessant  ist.  „Wenn  Mischlinge  mit  Weissen  in  der  Art  zusammen  leben, 
dass  sie  deren  Lebensweise  und  Arbeitsgewohnheiten  annehmen,  wurden  sie  als 
Weisse  betrachtet.  Wenn  sie  dagegen  in  Gemeinschaft  leben  mit  ganz  oder 
doch  vorwiegend  aus  Indianern  zusammengesetzten  Bevölkerungstheilen ,  wurde 
entgegengesetzt  verfahren.  Es  wurde  also  angesichts  des  Gleichgewichts,  welche 
die  gleichmässige  Theilung  des  Blutes  beim  Mischling  erzeugt,  den  Gewohnheiten, 
Neigungen  und  Vergesellschaftungen  die  Entscheidung  tiberlassen,  ob  er  nach  der 
einen  oder  anderen  Seite  gravitirt.  Man  glaubte,  dass  dies,  angesichts  der 
Unmöglichkeit,  alle  Abstufungen  dieser  Rasse  herauszufinden,  die  logischste  und 
wenigst  mühsame  Art  der  Entscheidung  sei  und  das  besonders  in  Berücksichtigung 
der  geringen  und  rasch  abnehmenden  Zahl,  in  welcher  diese  Mischlinge  im 
Gebiet  der  V.  St.  gefunden  werden.''     (Ninth  Census  [1870]  I.  XIII.) 


IV.  Die  Einwanderung. 


Statistik  derselben  seit  1819  und  Schätzung  bis  zu  diesem  Zeitpunkte  161. 
Fördernde  und  hemmende  Einflüsse  162.  Statistik  der  Einwanderer  nach  Her- 
kunft, Geschlecht,  Alter  und  Stand  163.  Die  deutsche  Einwanderung  163. 
Verschiedener  Werth  der  Elemente,  aus  denen  die  Einwanderung  sich  zu- 
sammensetzt, und  ihr  Einfluss  auf  den  Charakter  der  Gesammtbevölkerung  167. 
Schätzung  des  Geldwerthes  eines  Einwanderers  170.  Verschiedene  Richtungen 
des  Einwandererstromes  171.    Wandern  innerhalb  der  V.  St.  172. 

Ueber  die  Zahlen  der  Einwanderer  nach  den  V.  St.  im 
17.  und  einem  grossen  Theil  des  18.  Jahrhunderts  haben  wir  keine 
sicheren  Angaben.  Man  ist  darauf  angewiesen,  dieselben  aus  den 
Schätzungen  der  Bevölkerung  der  einzelnen  Colonien  in  verschiedenen 
Zeitpunkten  (s.  unten  S.  176)  vermuthungsweise  abzuleiten.  Man  hat 
bestimmtere  Angaben  erst  für  die  Zeit  nach  dem  Unabhängigkeits- 
krieg. Zunächst  allerdings  auch  nur  Schätzungen.  Für  1784 — 94 
können  nach  S.  Blodget's,  des  zuverlässigsten  Gewährsmanns,  An- 
gaben nicht  über  4000  Einwanderer  im  Jahr  angenommen  werden, 
aber  für  1794  wurde  die  Zahl  von  10000  angegeben,  welche  jeden- 
falls, wenn  richtig,  eine  Ausnahmszahl  ist.  „Wenn  man  auch 
zugibt,  dass  10000  Fremde  im  Jahre  1794  in  den  V.  St.  an- 
gekommen sind,  so  kann  man  doch  nicht  glauben,  dass  eine  ähn- 
liche Zahl  in  irgend  einem  früheren  oder  späteren  Jahre  bis  1817 
eingewandert  sei"^).  Derselbe  Statistiker,  den  wir  hier  citiren, 
glaubt,  dass  6000  Einwanderer  für  jedes  Jahr  von  1790 — 1810  eine 
ziemlich  hoch  gegriffene  Schätzung  sei.  Während  die  Erschütterung 
der  politischen  und  wirthschaftlichen  Interessen  Europas  in  dieser 
Zeit  einer  Steigerung  der  Auswanderung  nach  anderen  Erdtheilen 
zweifellos  günstig  war,  wurden  ihr  durch  die  Erschwerung  des  See- 
verkehres die  Wege  doch  fast  ganz  verschlossen.  Aber  schon  1817, 
als  jene  Hindernisse  weggeräumt  waren,  strömte  eine  grössere  Masse 


1)  Seybert,  Statist,  des  E.  U.  Paris  1820.  28. 

Ratzel,    Amerika  II.  -i-i 


162 


IV.  Die  Einwanderung. 


von  Einwanderern  herüber  als  je  vorlier.  Es  kamen  in  diesem 
Jahre  in  den  Häfen  der  V.  St.  22  240  Menschen  von  fremden  Ländern 
an.  Darunter  sind  die  damals  noch  wenig  zahlreichen  Amerikaner 
mit  eingeschlossen,  welche  aus  fremden  Ländern  zurückkehrten^). 
Missständjß  in  der  Verfrachtung  dieser  Einwanderer  und  der  Be- 
handlung, die  sie  zu  erdulden  hatten,  traten  hei  diesem  grossen 
Andrang  so  scharf  hervor,  dass  ein  Gesetz  Belative  to  the  carriage 
of  Passengers  in  Passeng  er- Ships  and  Vessels  am  2.  März  LS  19  im 
Congress  passirt  ward.  Durch  dieses  Gesetz  wurde  zum  ersten  Mal 
eine  Zählung  der  aus  fremden  Ländern  Zureisenden  eingeführt. 
Es  beginnt  also  erst  vom  30.  September  1819  an  die  Möglichkeit 
einer  ziemlich  zuverlässigen  Einwanderungs- Statistik.  Man  kann 
annehmen,  dass  in  den  1^/4  Jahren  von  Ende  1817  bis  zu  dem 
angegebenen  Zeitpunkt  20  —  30000  Einwanderer  herüberkamen. 
W.  J.  Bromwell  nimmt  insgesammt  250000  als  die  Zahl  der  vom 
Ende  des  Unabhängigkeitskrieges  bis  30.  September  1819  in  die 
V.  St.  Eingewanderten  an^).  Auf  die  folgenden  Jahre  vertheilen 
sich  die  seitdem  Eingewanderten  folgendermassen 


1820    .    . 

8  335 

1861—70    . 

.     2492209 

1821—30    .     . 

143078 

1871—75    . 

.     1740380 

1831-40    .    . 

552000 

1876    . 

.    .       224860 

1841—50    .    . 

1558300 

1877    . 

.        130503 

1851—60    .    . 

2707  624 

1878    . 

.       153207. 

In  jedem  Jahrzehnt  waren  die  Jahre  der  stärksten  und  schwächsten 
Einwanderung  folgende :  1828  27  382  und  1823  6  350,  1837  79  330 
und  1830  23322,  1849  297  011  und  1843  52196,  1854  427  833 
und  1859  121282,  1869  385287  und  1861  91920,  1872  449040 
und  1877  130503. 

In  die  Ursachen  dieser  Schwankungen  näher  einzugehen,  ist  unsere 
Sache  hier  nicht.  Es  genügt,  darauf  hinzuweisen,  dass  dieselben  ebenso- 
wohl in  den  Ländern  ihren  Sitz  haben,  welche  die  Auswanderer  senden, 
als  in  demjenigen,  welches  sie  aufnimmt.  Die  eben  angeführten  Zahlen 
sprechen   deutlich   genug.     Die   grossen  Zahlen  für  die  Jahre  1845 — ^54 


1)  Ueberhaupt  sind  diese  in  allen  Zahlen  der  älteren  Einwanderungsstatistik 
mit  aufgenommen ;  die  Zahl  der  eigentlichen  Einwanderer  betrug  in  den  letzten 
Jahren  durchschnittlich  60 — 70%  der  zur  See  Ankommenden. 

2)  W.  J.  Bromwell,  History  of  Immigration  to  the  U.  S.    Kedfield  1856.  19, 


IV,  Die  Einwanderung.  163 

(1512100  Irländer  und  1226  392  Deutsche)  entsprechen  den  Hungerjahren, 
den  wirthschaftlichen  und  politischen  Missständen.  Andererseits  zeigt  das 
Sinken  von  79  930  Einwanderern  in  1837  auf  38  914  in  1838  die  Ein- 
wirkung der  amerikanischen  Wirthschaftskrisis  von  1837.  So  wie  die 
europäischen  Kriege,  vorzüglich  die,  an  denen  Deutschland  betheiligt  war, 
die  Zahl  der  Auswanderer  in  die  Höhe  schnellten,  so  wurde  durch  den 
amerikanischen  Bürgerkrieg  dieselbe  gedrückt.  1867  war  die  deutsche 
Auswanderung  um  10000  Köpfe  stärker  als  in  dem  ohnehin  schon  starken 
Jahre  1866,  dagegen  war  in  den  60  er  Jahren  die  Einwanderung  niemals 
geringer  als  1861  und  62. 

Nach  der  Landesangehörigkeit  vertheilen  sich  die  von 
1820  —  76  Eingewanderten  folgendermassen :  4527  592  Engländer, 
Schotten  und  Irländer,  2  889235  Deutsche,  49  793  0 esterreicher, 
77299  Schweizer,  263993  Schweden  und  Norweger,  41417  Dänen 
und  Isländer,  300259  Franzosen,  56874  Italiener,  34717  Spanier 
und  Portugiesen,  42  201  Holländer,  21 498  Belgier,  196891  Chinesen, 
337  Japaner,  59  569  Westindier.  Unter  469  450  aus  Britisch- 
Amerika  Eingewanderten  befindet  sich  eine  Mehrzahl  von  Europäern 
verschiedener  Nationalität,  welche  den  Weg  über  einen  der  dortigen 
Häfen  eingeschlagen  oder  ihre  Ansiedelungen  in  Britisch-Nordamerika 
verlassen  haben.  In  beiden  Kategorien  befindet  sich  eine  grosse 
Anzahl  Deutsche.  Dem  Geschlechte  nach  findet  begreiflicher- 
weise ein  sehr  starkes  Ueberwiegen  der  Männer  statt,  und  zwar 
sind  dieselben  mit  durchschnittlich  60  Proc.  vertreten.  In  gewissen 
Gruppen,  wie  z.  B.  bei  den  Chinesen,  besteht  fast  die  ganze  Ein- 
wanderung aus  Männern,  ähnhch  ist  es  bei  den  italienischen  und 
spanischen  Arbeiter.n,  die  nach  dem  S.  einwandern.  Nach  dem 
Alter  ist  am  stärksten  vertreten  die  Classe  15  —  35  und  zw^ar 
vorzüglich  20  —  25.  Von  der  ganzen  Masse  derjenigen,  welche 
1820  —  60  eingewandert  sind,  hat  man  die  Beschäftigungen 
bzw.  Stände  zusammengestellt.  Es  entfielen  39  Proc.  auf  Lohn- 
arbeiter, 33  auf  Landwirthe,  18  auf  Handwerker  und  10  auf 
Kaufleute. 

Ehe  die  deutsche  Einwanderung^)  als  Masseneinwanderung  begann, 
sind  zahlreiche  vereinzelte  Deutsche,  besonders  aus  den  an  die  Niederlande 


1)  Friedrich  Kapp,  Geschichte  der  deutschen  Einwanderung  in  Amerika. 
Bd.  I.  Geschichte  der  Deutschen  im  Staate  New  York  bis  zum  Anfange  des 
19.  Jahrhunderts.     New  York  1867.    Für  die  Neuzeit  die  amtlichen  Berichte. 

11* 


164  IV.  Die  Einwanderung. 

grenzenden  und  ihrer  Volksart  nach  mit  den  Niederlanden  verwandten 
Landschaften,  nach  Nord-Amerika  gekommen  und  von  mehreren  von  ihnen 
berichtet  die  Geschichte  Hervorragendes,  das  ihre  Namen  der  Vergessenheit 
entrissen  hat.  1626  kam  nach  New  York  P.  Minnewit  aus  Wesel,  der  als 
Leiter  der  damaligen  niederländischen  Colonie  Neu -Amsterdam  bis  1632 
amtete,  dann  1636  als  Führer  einer  schwedischen  Colonie  nach  dem 
heutigen  Staate  Delaware  kam,  wo  er  1641  in  Ft.  Christina  starb.  Jacob 
Leisler  aus  Frankfurt  a.  M.  spielte  die  leitende  Rolle  in  dem  Aufstand, 
der  1689  in  New  York  gegen  die  Anhänger  Jacob's  IL  ausbrach,  und 
wurde  1690  hingerichtet.  1708  ging  auf  englische  Kosten  eine  Gesell- 
schaft von  52  pfälzischen  Protestanten  aus  Landau  unter  Führung  des 
Pfarrers  von  Kocherthal  nach  New  York,  wo  sie  den  Grund  der  Colonie 
Neuburg  am  Hudson  legten,  aus  welcher  das  heutige  Städtchen  Newburgh 
hervorgegangen  ist.  1709  erfolgte  dann  die  erste  Massenauswanderung 
aus  der  Pfalz,  von  welcher  im  April  1710  600  Köpfe  nach  N.  Carolina 
und  3000  nach  New  York  kamen;  die  letzteren  Hessen  sich  zusammen 
mit  Späterkommenden  nach  manchen  Wechselfällen  grossentheils  im 
Schoharie-  und  Mohawk-Thal  nieder,  wo  ihre  Ansiedelungen  sich  bis  zum 
Unabhängigkeitskrieg  rein  deutsch  erhielten.  Ebenfalls  im  Staate  Ncav 
York  und  zwar  in  seinem  ö.  Theile,  in  Schekomeko,  gründeten  1740  die 
Herrnhuter  eine  Mission,  welche  aber  nach  einigen  Jahren  nach  Pennsyl- 
vanien  übersiedelte.  Nach  Pennsylvanien  waren  1683  die  ersten  Deutschen, 
Pfälzer,  gekommen  und  hatten  Germantown  gegründet,  und  sie  wanderten 
dann  mit  solcher  Vorliebe  nach  dieser  Colonie,  dass  man  1755  annehmen 
konnte,  es  bestehe  die  Hälfte  der  Bevölkerung  der  letzteren,  die  auf 
250000  veranschlagt  ward,  aus  Deutschen.  1717  war  ihre  Zahl  auf 
20000  angegeben  worden  und  in  den  50er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts 
bestand  durchschnittlich  *lb — Ve  der  pennsylvanischen  Einwanderung  aus 
Deutschen.  Es  kamen  damals  jährlich  4  —  5000.  Kein  Wunder,  dass 
eine  Zeit  lang  die  Frage  schwebte,  ob  die  Amtssprache  deutsch  oder 
englisch  sein  solle  *).  Während  Neu-England  von  der  deutschen  Einwan- 
derung nicht  berührt  ward,  empfing  der  jüngste  S.-Staat,  Georgia,  zuerst 
1634  und  noch  mehrmals  in  den  folgenden  Jahren  deutsche  Einwanderer, 
meist    Salzburger,    welche    die    Ansiedelungen    Alt-    und   Neu-Ebenezer 


1)  Als  diese  hohe  Stellung  der  Deutschen  in  Pennsylvanien  schon  seit  einem 
Jahrhundert  zu  den  vergangenen  Dingen  gehörte,  bot  sie  doch  noch  einen  be- 
quemen Anlass,  um  unseren  biederen  Landsleuten  die  Schuld  an  der  viel  späteren 
Nichtbezahlung  der  pennsylvanischen  Staatsschulden  zuzuschreiben !  Sogar  ein 
wissenschaftlicher  Reisender,  G.  W.  Featherstonehaugh ,  F.  R.  S.  und  F.  G.  S., 
berichtet  solches  in  seiner  1845  erschienenen  Excursion  to  the  Slave  States 
(I.  19)  als  sichere  Thatsache.  Gewiss  eine  der  besten  Illustrationen  zur  Fabel 
vom  Wolf  und  Lamm! 


IV.  Die  Einwanderung.  165 

gründeten,  und  in  S.  Carolina  bestand  schon  beim  Ausbruch  des  Unab- 
hängigkeitskrieges eine  deutsche  Colonie  in  Charleston  und  Umgebung, 
die  stark  genug  war,  eine  Compagnie  auszurüsten.  Es  wird  nicht  zu  hoch 
gegriften  sein,  wenn  man  annimmt,  dass  beim  Ausbruch  des  Unabhängig- 
keitskrieges 250000  Deutsche  in  den  V.  St.  lebten.  Von  diesen  hatten 
sich  allerdings  in  den  nächsten  Jahrzehnten  manche  bereits  entdeutscht, 
da  von  dem  genannten  Zeitpunkte  an  bis  zu  der  Rückkehr  ruhigerer 
Zeiten  die  Einwanderung  von  Deutschen  auf  ein  sehr  geringes  Mass  herab- 
gegangen war.  Die  Schätzung  Löher's,  dass  zu  Anfang  unseres  Jahr- 
hunderts Vä  der  Gesammtbevölkerung  aus  Deutschen  bestanden  habe, 
scheint  viel  zu  hoch  gegriffen  zu  sein.  Ueber  die  Zahl  der  zwischen 
1776  und  1818  herübergewanderten  Deutschen  hat  man  gar  keinen 
Anhalt.  Für  den  folgenden  Zeitraum  1819—29  sind  nach  den  niedersten 
Schätzungen  75000,  für  1830—43  308000  anzunehmen.  Für  1844—54 
gibt  die  Statistik  1269000.  1854  war  mit  252000  das  an  deutschen 
Einwanderern  bis  dahin  reichste  Jahr.  1855  —  59  kamen  321821,  1860 
bis  70  862  217,  ungefähr  30  Proc.  der  Gesammteinwanderung.  Von  1866  an 
zeigt  die  deutsche  Einwanderung  eine  merkwürdige  Unregelmässigkeit.  Sie 
betrug  1866  115892,  1867  133426,  1868  123070,  1869  132537,  1870 
91779,  1871  107201,  1872  155595,  1873  133141,  1874  56927,  1878 
81 958.  Bromwell  schätzte  die  Zahl  der  von  1819—55  in  die  V.  St.  zur 
See  eingewanderten  Deutschen  auf  1 242  082.  Diese  Zahl  hat  sich  bis  Ende 
1878  auf  etwas  über  3  Mill.  erhöht.  Rechnet  man  dazu,  dass  unter  den 
von  1819—76  gezählten  77  299  Schweizern  und  49  793  Oesterreichern  die 
Mehrzahl  deutschsprechend  war  und  dass  auch  unter  den  Franzosen  und 
Dänen  sich  zahlreiche  Deutsche  befanden,  so  ist  die  Annahme  von  3V3 
Mill.  deutschsprechender  Einwanderer  für  die  60  Jahre  von  1819  —  78 
gewiss  nicht  übertrieben  *).  Man  kann  annehmen,  dass  von  der  deutschen 
überseeischen  Auswanderung  85 — 90  Proc.  den  V.  St.  zufliessen. 


/ 


1)  Will  man  die  Zahl  der  zu  bestimmten  Zeiten  in  den  V.  St.  ansässigen 
Deutschen  abschätzen,  so  begegnet  man  der  fast  unüberwindlichen  Schwierigkeit, 
den  Begriff  Deutsche  gerade  in  dieser  Anwendung  so  zu  definiren,  dass  er  über- 
haupt zur  Grundlage  einer  Schätzung  gemacht  werden  kann.  Denn  es  ist  be- 
greiflich, dass  die  Zahl,  zu  der  man  gelangt,  je  nacK  seiner  engeren  oder  weiteren 
Fassung  sehr  verschieden  sein  wird  und  die  weit  von  einander  abweichenden 
Zahlen,  die  man  nennen  hört,  erklären  sich  eben  aus  verschiedenen  Fassungen 
des  Begriffes.  Es  ist  der  Behauptung  Erwähnung  gethan,  dass  im  Anfange 
dieses  Jahrhunderts  ungefähr  Vö  der  Bevölkerung  der  V.  St.  aus  Deutschen  be- 
standen habe.  Aber  zugegeben  selbst,  dass  diese  Angabe  richtig  ist,  erleidet 
es  doch  keinen  Zweifel,  dass  nicht  mehr  alle  von  Deutschen  Abstammenden  als 
Deutsche  betrachtet  werden  konnten,  nachdem  erfahrungsgemäss  alle  nicht  in 
grösseren  deutschen  Gemeinschaften  zusammenwohnenden  Deutschen  schon  in 
der  2.  und  spätestens  in  der  3.  Generation  sich  verengländern  und  zwar  in  Sitten 


166  IV.  Die  Einwanderung. 

Von  allen  Einwanderern,  die  in  beträchtlicher  Zahl  kamen,  standen 
die  Deutschen  durch  Sitte  und  Sprache  der  herrschenden  Bevölkerung  am 
fremdesten  gegenüber  und  waren  gleichzeitig  in  Folge  der  Ohnmacht 
ihres  Vaterlandes  die  ungeschätztesten  von  allen.  Sie  litten  daher  am 
meisten  unter  den  schlechten  Einrichtungen  der  Auswandererschiffe,  der 
Landungsplätze  und  des  Transportes  ins  Innere.  Nicht  selten  starben 
20 — 30  Proc.  auf  der  Ueberfahrt  und  die  Ueberlebenden  hatten  ihr  Ueber- 
fahrtsgeld  durch  3—6  Jahre  langen  Dienst  bei  dem,  der  es  für  sie  bezahlen 
mochte,  abzuverdienen.  Die  Einrichtung  erinnert  an  den  Kulihandel 
unserer  Zeit  und  ist  manchmal  vom  Sklavenhandel  nicht  sehr  entfernt 
gewesen.  Man  zittert  noch  heute  vor  Schmerz  und  Scham,  wenn  man  die 
Unbilden  und  Leiden  liest,  denen  diese  armen  Landsleute  unterworfen 
waren.  In  neuerer  Zeit  haben  sich  diese  Leiden  vermindert,  vorzüglich 
durch  stärkere  Benützung  der  Dampfboote  an  Stelle  der  Segelschiffe 
(1855  kamen  in  New  York  5,  1870  88  Proc.  der  Einwanderer  in  Dampf- 
booten), zu  einem  guten  Theil  aber  auch  durch  schützende  Massregeln 
der  Staatenregierungen  und  einzelner  Privatgesellschaften ,  von  welch 
letzteren  die  Deutsche  Gesellschaft  in  New  York  unter  Leitung  von 
Männern  wie  Bierwirth,  Kapp  u.  A.  sich  die  grössten  Verdienste  um  die 
deutsche  Einwanderung  erwarb.  .  New  York  setzte  1847  eine  besondere 
Behörde,  die  Commissioners  of  Immigration,  zum  Schutze  der  Einwan- 
derer ein. 


und  Anschauungen  nicht  weniger  als  in  der  Sprache.  Die  Sprache  ist  aber 
im  Ganzen  und  Grossen  das  einzige  Merkmal,  an  welchem  wir  die  Deutschen 
erkennen  können.  Wenn  Löher  1846  6VioMill.  Deutsche  annahm,  von  wel- 
chen Vs  Deutschredende,  so  ist,  abgesehen  von  der  übertriebenen  Grösse  der 
Zahlen  an  sich,  dieses  Verhältniss  gewiss  heute  nicht  mehr  gültig,  denn  trotz 
der  grossen  Nachschübe,  die  in  den  letzten  8  Jahrzehnten  sich  auf  über  2  Hill, 
belaufen  haben,  fallen  in  jedem  Jahre  Tausende  vom  Deutschthum  ab  und  in  erster 
yLinie  die  grosse  Mehrzahl  derer,  welche  in  Amerika  von  deutschen  Eltern  ge- 
boren sind.  Einen  Beleg  dafür  hefern  die  Censusangaben,  welche  das  Material 
von  den  Einwohnern  selbst  erhalten.  Als  in  Deutschland  geboren  führte  der 
Census  von  1850  584000  an,  d.h.  ungefähr  V*  der  im  Ausland  geborenen.  Aber 
unter  den  Einwanderern  stellen  die  Deutschen  eine  höhere  Procentzahl.  So 
verhielt  es  sich  bei  jeder  Volkszählung  trotz  dßr  starken  Vermehrung  der 
Deutschen.  Und  dabei  geben  die  Censuszahlen  noch  nicht  einmal  einen  ganz 
zutreffenden  Massstab  für  die  Grösse  der  deutschen  Bevölkerung,  da  selbst  von 
den  dort  als  in  Deutschland  geboren  Angegebenen  eine  erhebliche  Zahl  im 
praktischen  Leben  sich  nach  wenigen  Jahren  durchaus  nur  als  Amerikaner  gibt 
und  fühlt.  Immerhin  sind  es  die  zuverlässigsten  Zahlen ,  die  man  hat.  Der 
Census  von  1870  gibt  1690533  in  Deutschland  geborene  an  (davon  253632 
Deutsche  ohne  nähere  Bestimmung,  596  782  Preussen  der  8  älteren  Prov., 
204119  Baiern,  153366  Badenser,  127959  Würtemberger,  104365  Hannoveraner). 


IV.  Die  Einwanderung.  167 

Den  Werth  dieser  Einwanderung  für  die  V.  St.  bestimmt 
eine  Reihe  von  Faktoren,  unter  denen  die  Rasse  bzw.  Nationalität 
zunächst  zu  nennen  ist.  Diejenige  Rasse  oder  Nationalität  wird  bei 
der  heutigen  Lage  der  Verhältnisse  und  Anschauungen  am  will- 
kommensten sein,  welche  den  Charakter  #  der  Bevölkerung,  so  wie  sie 
jetzt  ist,  am  wenigsten  zu  verändern  droht,  und  man  wird  ebenso 
diejenige  am  meisten  scheuen,  von  welcher  man  solche  Veränderung 
fürchten  zu  müssen  glaubt.  Indem  nun  über  die  Hälfte  der  Ein- 
wanderer aus  Briten,  sei  es  aus  Europa  oder  aus  den  nordameri- 
kanischen Besitzungen  Grossbritanniens  stammenden,  besteht  und 
indem  die  Deutschen  %  des  Restes  der  gesammten  Einwanderung 
ausmachen,  während  gleichzeitig  die  skandinavische  Einwanderung 
in  Zunahme  begriffen  ist,  ist  nicht  zu  fürchten,  dass  der  germanische 
Grundzug,  dem  die  Bevölkerung  der  V.  St.  so  viel  von  ihren  besten 
Eigenschaften  verdankt,  verwischt  werde.  Die  einwandernden  Briten, 
welche  die  Landessprache  reden,  bekannt  sind  mit  den  Gesetzen, 
Staatseinrichtungen  und  Sitten,  sich  daher  schnell  anschliessen  und 
in  der  Masse  der  schon  vorhandenen  Bevölkerung  am  leichtesten 
aufgehen,  werden  schon  wegen  dieser  leichten  Aneigenbarkeit  am 
willkommensten  sein.  Ausserdem  liebt  man  sie  aber  am  meisten 
unter  den  Ankömmlingen,  weil  man  sie  eben  am  besten  kennt. 
Ausgenommen  davon  sind  aber  in  den  Augen  derjenigen,  welche 
über  die  Sprachgemeinschaft  und  diese  scheinbar  leichte  Assimilation 
hinauszusehen  vermögen,  dielrländer  oder  keltischen  Briten,  welche 
fast  die  Hälfte  der  ganzen  britischen  Einwanderung  ausmachen.  Ihr 
wandelbarer  Charakter,  ihre  grössere  Lebhaftigkeit  kann  dem  lang- 
samen germanischen  Blute  freilich  nicht  schaden,  wie  es  ihm  denn 
auch  in  demjenigen  Mischungsverhältniss,  wie  es  im  Engländer  und 
Schotten  vorkommt,  gewiss  nur  nützlich  gewesen  ist.  Aber  solange 
die  Mischung  sich  nicht  vollzogen  hat,  ist  diese  keltische  Veränder- 
lichkeit am  wenigsten  günstig  in  einem  Staate  von  republikanischer 
Form,  denn  diese  Form  verlangt  eine  gewisse  Stetigkeit  des  Be- 
völkerungscharakters als  eine  der  ersten  Gewährnisse  ihrer  Dauer. 
Rechnet  man  hinzu,  dass  die  Irländer  im  Ganzen  die  ärmste  Classe 
der  Einwanderer  bilden  und  dass  sie  mit  Vorliebe  in  den  grossen 
Städten  und  an  den  Mittelpunkten  der  Industrie  sich  festsetzen,  so 


168  IV.  Die  Einwanderung. 

begreift  man,  dass  sie  keineswegs  als  eine  der  wünschenswerthesten 
Bereicherungen  der  Bevölkerung  der  V.  St.  betrachtet  werden  können. 
In  der  That  bilden  sie  die  grosse  Masse  des  Pöbels  in  den  grossen 
Städten  besonders  des  0.  und  üben  in  dieser  Form  keinen  guten 
Einfluss  auf  das  politische  »Leben  der  Städte  und  Staaten.  Die  ver- 
derbliche Wirkung,  welche  das  Uebergewicht  der  Stadt  New  York 
in  der  Geschichte  der  V.  St.  seit  25  Jahren  ausübt,  ist  zum  grössten 
Theile  ihnen  zuzuschreiben.  Ohne  das  irische  Element  wird  die 
Gefahr  der  Ochlokratie  und  des  aus  derselben  fast  unfehlbar  fol- 
genden Caesarismus  selbst  in  New  York  und  San  Francisco,  den  in 
dieser  Beziehung  am  meisten  gefährdeten  Städten,  sehr  viel  ge- 
ringer sein.  Das  deutsche  Element  entfernt  sich,  besonders  in 
den  früher  weitaus  vorwiegenden  süd-  und  mitteldeutschen  Ein- 
wanderern, zwar,  ganz  abgesehen  von  der  Sprache,  in  der  Sitte 
vielfach  eben  so  sehr  von  den  Einheimischen  als  es  die  Irländer  thun 
und  ist  deshalb  bei  der  oberflächlichen  Masse  eben  so  wenig  oder 
noch  weniger  beliebt.  Aber  es  zögert  nicht,  den  germanischen  Kern 
seines  Wesens  zu  zeigen,  sobald  es  sich  mit  der  ihm  theils  ange- 
borenen und  theils  aus  dem  Polizeistaat  mitgebrachten  schwerfälligen 
Ungeschicklichkeit  in  die  neuen  Verhältnisse  gefunden  hat.  „Da  die 
Deutschen  ein  betriebsames  und  gewecktes  Volk  sind,  lässt  ein 
grosser  Theil  derselben  sich  in  dem  offenen  Lande  nieder  und  ent- 
wickelt die  Hülfsqu eilen  des  W.  und  S.,  während  der  übrige  Theil, 
aus  Künstlern  und  Handwerkern  bestehend,  lohnende  Beschäftigung 
in  Städten  und  Fabrikorten  findet"  ^).  Der  Deutsche  ist  anerkannter- 
massen  der  am  meisten  zum  kleinen  Ackerbau  neigende  unter  allen 
Einwanderern  und  zeichnet  sich  durch  Stetigkeit  in  diesem  Betrieb 
vor  dem  Engländer  und  Nordamerikaner  aus.  Gleichzeitig  bringt 
er  aber  auch  einen  grösseren  Betrag  von  Geistesbildung  oder  wenig- 
stens Schulung  mit  als  die  ganze  übrige  Einwandererschaar  zu- 
sammen. Ihm  ähnlich  ist  der  Skandinavier,  den  der  eben  citirte 
Bericht  „fleissig,  sparsam  und  massig"  nennt.  Die  Angepasstheit 
an  rauhes  Klima,    welche  sie  mitbringen,    ist  in   den  Theilen  von 

1)  E.  Young;  Spec.  Bericht  über  Einwanderung  in  den  V.  St.  1872.  4.  — 
Ueber  die  Bedeutung  der  Deutschen  für  die  Culturentwickelung  der  V.  St.  ist 
Eingehenderes  im  3.  und  4.  Abschnitt  gesagt. 


IV.  Die  Einwanderung.  169 

Wisconsin  und  Minnesota,  welche  sie  mit  Vorliebe  zu  ihren  Nieder- 
lassungen auswählen,  ebenfalls  eine  wünschenswerthe  Eigenschaft. 
Die  lateinischen  Völker  tragen  wenig  zur  Bevölkerung  Nord- 
Amerikas  bei  und  noch  weniger  die  slawischen,  lieber  die  asia- 
tische Einwanderung  s.  den  Abschnitt:  Die  Chinesen  in  den 
V.  St.^. 

Die  wirthschaftliche  Begabung  und  Vorbereitung 
ist  ein  zweiter  Massstab  für  den  Werth  der  Einwanderer.  „Der  grosse 
Abstand  zwischen  geschickter  und  gewöhnlicher  Arbeit,  zwischen 
Betriebsamkeit  und  Trägheit,  zwischen  Gewohnheiten  der  Sparsam- 
keit und  der  Verschwendung  kennzeichnet  den  Unterschied  in  dem 
Werthe  des  Einwanderers  für  unser  Land.  Zunächst  ist  der  gewöhn- 
liche Arbeiter,  welcher  ohne  Weiteres  sich  darangibt,  die  Wälder 
urbar  zu  machen,  hier  von  weit  grösserem  Werthe  als  derjenige, 
welcher  in  den  grossen  Städten  bleibt"  ^).  Durch  die  letztere  Nei- 
gung wird  die  irländische  und  romanische  Einwanderung  auch  unter 
sonst  gleichen  Verhältnissen  viel  weniger  werthvoll  als  die  deutsche 
und  skandinavische,  welche  ihrer  grossen  Masse  nach  sich,  wenn 
möglich,  sofort  dem  Ackerbau  zuwendet.  Auch  an  geschickten 
Handwerkern  aller  Art  dürfte  die  teutonische  Einwanderung  reicher 
sein  als  jede  andere.  Künstler,  Aerzte  und  andere  Glieder  der 
höher  gebildeten  Schichten  gehören  ihr  gleichfalls  vorwiegend  an. 
Der  Zufluss  deutscher  Intelligenz  und  deutschen  Talentes  nach  1849 
haben  tiefe  Spuren  in  der  geistigen  Entwickelung  der  V.  St.  hinter- 
lassen. Im  Allgemeinen  können  46  Proc.  der  Einwanderer  nach 
Abzug  der  Weiber   und  Kinder  als   für  die  verschiedenen  Lebens- 

1)  In  einem  Aufsatz  Pedigree  of  the  U.  S.  in  Journ.  London  Statistical  Society 
1870.  541  wird  nach  den  Ergebnissen  des  Census  von  1860  der  Procentsatz 
der  Abstammung  der  verschiedenen  Bevölkerungsbestandtheile  der  V.  St.  folgen- 
dermassen  geschätzt: 

Ursprünglicher  britischer  (englischer  und  schottischer)  Stamm    46  Proc. 

Neuere  britische  Zuwanderung 8 

Irischer  Abstammung 16 

Deutscher 13 

Afrikanischer 12 

Französischer,   Spanischer  u.  a 5 

100 
2;  Young,  Spec.  Bericht  1872.  5. 


170  IV.  Die  Einwanderung. 

berufe  unmittelbar  passend  eracbtet  werden.  10  Proc.  davon  bestehen 
aus  Kaufleuten  jeder  Stufe,  fast  50  Proc.  aus  Handarbeitern  und 
Handwerkern,  ein  kleiner  Theil  aus  höher  Gebildeten,  vorzüglich 
Aerzten,  Ingenieuren  und  Bergbaukundigen,  der  Rest  aus  Acker- 
bauern. -  Das  weibliche  Geschlecht  ist  im  Durchschnitt  mit  40,  bei 
den  Irländern  mit  45  und  den  Chinesen  mit  7  Proc.  vertreten. 
Dem  Alter  nach  sind  60  Proc.  in  der  Blüthe  ihres  Lebens,  25  Proc. 
sind  unter  15,  nicht  ganz  15  über  40  Jahre  alt. 

Der  durchschnittliche  Geldwerth  eines  Einwanderers  ist  von 
verschiedenen  Standpunkten  aus  zu  schätzen  versucht  worden.  F.  Kapp 
hat  die  Summen  an  Baargeld,  welche  durch  deutsche  Einwanderer  mit- 
gebracht werden,  auf  150  Thaler  p.  Kopf  geschätzt.  Indem  er  mit  in 
Betracht  zieht,  was  ein  Einwanderer  bis  zum  15.  Lebensjahr  in  seiner 
Heimat  gekostet  hat,  findet  er  750  Th.  als  den  niedrigsten  Betrag  des 
Capitals,  das  in  einem  Deutschen  angelegt  ist*).  E.  Young  wirft  die 
andere  Frage  auf:  Welchen  Werth  erzielt  die  Arbeit  des  Einwanderers 
im  Markte?  Indem  er  den  durchschnittlichen  Arbeitslohn  gewöhnlicher 
Arbeiter  oder  Taglöhner  in  den  gesammten  V.  St.  auf  400  D.  annimmt, 
glaubt  er  durch  den  Lohnüberschuss  besserer  Arbeiter  die  Unproduktivität 
eines  Theiles  der  Einwanderung  auszugleichen.  Dies  würde  der  Marktwerth 
einer  normalen  Arbeitskraft  sein.  Indessen  beruht  ein  Theil  des  Werthes 
der  Einwanderer  auch  darin ,  dass  sie  die  Zahl  der  Verbrauchenden  ver- 
mehren. Eine  Famihe  von  der  durchschnitthchen  Grösse  von  4  Köpfen 
trägt  zur  Erzeugung  und  zum  Verbrauch  von  Gütern  durchschnittlich 
40  D.  p.  Jahr,  als  Capital  ausgedrückt  800  D.  bei.  Das  letztere  würde 
den  Durchschnittswerth  eines  Einwanderers  darstellen.  Nach  der  Volks- 
zählung von  1870  wurde  der  Werth  alles  hegenden  und  persönlichen 
Eigenthums  auf  800  D.  p.  Kopf  und  die  jährliche  Vermehrung  desselben 
auf  40  D.  oder  5  Proc.  berechnet.  Nach  diesem  Massstabe  würden  die 
V.  St.  in  den  50  Jahren  von  1820  —  69  6V4  Milliarde  D.  durch  die  Ein- 
wanderung gewonnen  haben.  „Es  bleibt  jedoch  unmöglich,  eine  billige 
Schätzung  von  dem  Werthe  der  Fremdgeborenen  zu  machen,  welche  einen 
geschulten  Geist,  verfeinerten  Geschmack,  GeschickUchkeit  in  der  Kunst 
und  hohen  Erfindungsgeist  unserem  Lande  zuführten.  In  fast  allen  Lebens- 
kreisen ist  ihr  Einfluss  empfunden  worden.  In  der  furchtbaren  Feuer- 
probe des  Krieges,  in  den  Bestrebungen  des  Friedens,  in  den  Hallen  der 
Gesetzgebung  und  dem  Gelehrtenstande  haben  die  Adoptivsöhne  Amerikas 
Auszeichnung  errungen.  Unter  den  vielen,  welche  unserem  Lande  während 
des  letzten  Krieges  zeitige  Hülfe  leisteten,  scheint  es  gewagt,   Namen  zu 


1)  F.  Kapp,  lieber  Auswanderung  1871.  18. 


IV.  Die  Einwanderung.  171 

nennen,  es  sei  denn  zur  Bekräftigung  obiger  Aussagen.  Im  Jahre  1839 
landete  in  New  York  mit  dem  Dampfboot  British  Queen  von  London  ein 
schwedischer  Auswanderer,  Capitain  Johann  Ericsson.  Wie  hoch  belief 
sich  für  unser  Land  der  Werth  dieses  Mannes  am  9.  März  1862?  Acht- 
hundert, Achthunderttausend  oder  acht  Millionen  Dollars?"*)- 

Das  Wandern  der  Auswanderer  hat  nicht  sein  Ende  erreicht, 
wenn  dieselben  den  Boden  des  gelobten  Landes  betreten  haben, 
sondern  es  .beginnt  nun  erst  ein  manchmal  schwierigerer  Abschnitt, 
die  Wanderung  ins  Innere.  Dieselbe  ist  im  Allgemeinen  von 
0.,  d.  h.  von  den  atlantischen  Staaten  nach  W.  gerichtet  und  geht 
natürlicherweise  von  den  hauptsächlichsten  Einwanderungshäfen 
aus.  Früher  war  Philadelphia  der  bedeutendste,  seit  den  30er 
Jahren  ist  es  New  York.  Von  Philadelphia  führte  der  Weg  ins 
Innere  über  Pittsburg  nach  dem  Ohio-Thale  und  am  Ohio  abwärts. 
Der  Umstand,  dass  das  Ohio  -  Gebiet  die  ältesten  der  Staaten  um- 
schliesst,  die  dem  Grundstock  der  13  ursprünglichen  Colonien  zu- 
gewachsen sind ,  entspricht  dem  sehr  vorwiegenden  Wachsthum  in 
dieser  Richtung  während  des  18.  und  den  zwei  ersten  Jahrzehnten 
unseres  Jahrhunderts.  Aber  mit  der  Entwickelung  der  Verkehrs- 
wege, die  von  New  York  aus  westwärts  führten,  und  der  dadurch 
gewonnenen  Möglichkeit  des  leichteren  Vordringens  nach  der  frucht- 
baren und  milden  Seeregion,  dem  sog.  Nordwesten,  erlangte  New 
York  das  Uebergewicht  und  Buffalo  ersetzte  in  grosser  Ausdehnung 
Pittsburg  als  Ruhepunkt  der  nach  W.  ziehenden  Schaaren. 

Innerhalb  der  Bevölkerung  der  V.  St.  ist  der  Wandertrieb,  der 
sie  oder  ihre  Vorfahren  übers  Meer  geführt  hatte,  nicht  viel  weniger 
rege  gewesen  als  unter  den  Neuankommenden.  Die  Ströme  der 
Westwanderer,  die  von  ihnen  ausgingen,  waren  sogar  stärker  und 
gleichmässiger  als   die  der   neuen  Einwanderer,    und   da   dieselben 


1)  E.  Young.  Spec.  Bericht  über  die  Einwanderung  1872.  7.  —  F.  Kapp  be- 
hemerkt  hiezu,  „dass  wenn  man  in  dieser  Weise  die  Berechnung  auf  alle 
Deutsche  ausdelinen  wollte,  welche  als  Gelehrte,  Officiere,  Künstler,  Politiker, 
Ingenieure,  Baumeister  den  V.  St.  genützt  haben,  dass  dann  ein  Band  von  vielen 
100  Seiten  nicht  ausreichen  würde,  das  blosse  Namensverzeichniss  zu  geben, 
geschweige  denn  ihren  Werth  zu  berechnen".  Aus  und  über  Amerika  1876.  I.  198. 
Ebendaselbst  ist  die  interessante  Frage  vielseitiger  und  klarer  behandelt  als  in 
irgend  einer  anderen  der  mir  bekannt  gewordenen  Arbeiten. 


172  IV.  Die  Einwanderung. 

aus  Leuten  bestanden,  die  die  Mittel  und  Aufgaben  des  Neuansiedlers 
kannten,  wählten  sie  die  besten  Plätze  und  kamen  am  raschesten 
zum  Gedeihen.  Auch  sind  sie  es,  die  den  politischen,  religiösen 
und  moralischen  Stempel  den  neuen  Ansiedelungen  fast  ausschliess- 
lich aufdrückten,  denn  die  frisch  von  Europa  Gekommenen  hatten 
zunächst  weder  Zeit  noch  Geschick  für  anderes  als  Hausbau  und 
Urbarmachung  und  verloren  kostbare  Zeit  und  Kraft  in  der  Jagd 
nach  unerreichbaren  Idealen  und  mit  der  Abstreifung  altweltlicher 
Sitten  und  Anschauungen,  die  sie  am  Schwimmen  in  dem  reissenden 
Strome  dieser  jungen  Cultur  verhinderten  ^). 

Der  Strom  dieser  Ansiedler  lässt  vorzüglich  zwei  Hauptzüge 
erkennen,  welche  ausgehen  von  den  zur  Zeit  des  stärkeren  Ein- 
setzens dieser  Bewegung  bevölkertsten  Theilen  der  Union,  Neu- 
England  und  Virginien,  und  in  ihrem  Fortschreiten  bis  über  den 
Mississippi  hinaus  gesondert  bleiben  und  sogar  im  Allgemeinen  auf 
denselben  geographischen  Breitekreisen  verharren,  unter  denen  sie 
ihren  Ursprung  nahmen.  Die  Neuengländer  hatten  bei  der 
verhältnissmässigen  Beschränktheit  ihrer  ursprünglichen  Wohnstätten 
am  meisten  Ursache  und  am  frühesten,  sich  auszubreiten;  sie 
gründeten  schon  vor  der  Unabhängigkeitserklärung  die  späteren 
Staaten  Vermont   und   Maine   und   zogen   sich   dann   an   den   Seen 


1)  Am  stärksten  wird  dieser  Verlust  zweifellos  bei  den  Einwanderern  ge- 
bildeten Standes,  wie  vorzüglicli  Deutschland  sie  in  grosser  Zahl  liefert.  Hier 
wird  eine  vollständige  Umkehr  auf  dem  bisherigen  Lebenswege  nothwendig,  der 
Kampf  ums  Dasein  zwingt  dazu,  europäische  feine  Bildung  muss  über  Bord 
geworfen  werden,  um  den  derben  Qualitäten  des  Hinterwäldlers  Platz  zu  machen, 
wenn  solche  überhaupt  noch  zum  Durchbruch  kommen  können.  „Eine  merk- 
würdige Verirrung  dies:  Leute,  die  ihr  früheres  Leben  auf  Amtsstuben  oder 
Kathedern  zugebracht,  die  kaum  je  einen  Spaten  oder  eine  Hacke  in  der 
Hand  gehalten  haben,  die  also  auch  ganz  anders  organisirt  und  gefasert  sind 
als  ein  Bauer,  diese  Leute  geben  sich  mit  aller  einer  besseren  Sache  würdigen 
Energie  unsägliche  Mühe  zu  verbauern  und  ihrer  eigensten  Natur  untreu  zu 
werden  .  .  .  Praktisch  werden!  heisst  die  Parole,  mit  der  sie  in  dies  neue 
Lebensstadium  treten,  und  praktisch  sein  ist  der  höchste  Ruhm,  den  sie  aus 
diesem  kleinlichen  Ringen  um  das  tägliche  Brot  davontragen."  (F.  Kapp,  Aus 
und  über  Amerika  1876.  I.  291  —  306  :  Lateinische  Bauern ,  wo  ein  bei  aller 
Bizarrerie  ergreifendes  Bild  dieser  doch  nur  halb  freiwilligen  Diogene  gezeichnet 
ist.)  Vgl.  auch  die  Schilderungen  Mor.  Wagner's  aus  dem  Leben  deutscher  Far- 
mer in  Wisconsin.     Reisen  in  Nord-Aamerika  1854.  H.  Cap.  XV. 


IV.  l)ie  Einwanderung.  173 

Ontario  und  Erie  hin  und  ergossen  sich  über  die  weiten  Flächen 
der  Staaten  Michigan,  Ohio,  Indiana  und  Illinois.  An  der  Besiede- 
lung  der  drei  erstgenannten  Staaten  haben  auch  die  Einwohner 
von  New  York  und  Pennsylvania  theilgenommen ,  welche  übrigens 
bei  der  Grösse  ihrer  eigenen  Gebiete  noch  Jahrzehnte  lang  mit 
deren  Auffüllung  genug  zu  thun  hatten,  als  die  Neuengländer  schon 
bis  zum  Michigan-See  vorgedrungen  waren ^).  Virginien,  welches 
zur  Zeit  der  Unabhängigkeitserklärung  der  bevölkertste  und  einfluss- 
reichste Staat  der  Union  war,  warf  den  Ueberschuss  seiner  Be- 
völkerung zunächst  nach  der  später  als  West-Virginien  abgetrennten 
w.  Hälfte  seines  Gebietes  und  weiterhin  in  die  Gebiete,  welche 
durch  den  Ohio  getrennt  sind  von  dem  Besiedelungsgebiet  der  Neu- 
england- und  Mittelstaaten :  Kentucky,  Tennessee,  später  auch  nach 
Missouri  und  Arkansas.  In  die  Besiedelung  der  zwischen  Alleghanies 
und  Mississippi  gelegenen  Striche  griffen  indessen  neben  Virginien 
auch  die  anderen  Südstaaten  mit  ein  und  so  verdankt  z.  B. 
Tennessee  einen  Theil  seiner  Bevölkerung  N.  Carolina,  während 
S.  Carolina  und  Georgia  ihre  allerdings  viel  weniger  zahlreichen 
Auswanderer  vorzüglich  nach  Alabama  und  Mississippi,  später  auch 
nach  Louisiana,  Texas  und  Florida  sandten. 

Für  die  Stärke  dieser  Bewegung  hat  man  keinen  sicheren 
Massstab.  Da  die  einzelnen  Staaten  oder  Territorien  weder  über 
die  Fortwandernden  noch  die  Zugehenden  Buch  führen,  bleiben 
nur  die  Zahl  der  an  Neuansiedler  verkauften  Ländereien  und  die 
von  10  zu  10  Jahren  durch  den  Census  ermittelten  Bevölkerungs- 
zahlen (vgl.  unten  S.  176  f.)  als  Anhaltspunkte  in  dieser  Richtung 
verwerthbar^).  Jedenfalls  ist  diese  Bewegung  von  sehr  wechselnder 
Stärke  und  wird  auch  von  sehr  verschiedenen  Elementen  getragen. 


1)  Unter  den  Neuengland-Staaten  ragte  vor  allen  Connecticut,  der  Granit- 
staat, durch  die  Masse  seiner  Auswanderer  hervor  und  es  ist  nicht  unglaublich, 
wenn  berichtet  wird,  dass  in  den  20  er  Jahren  50  —  60  Congressmitglieder  Kinder 
Virginiens  und  Connecticuts  gewesen  seien. 

2)  Einen  Massstab  für  den  noch  immer  sehr  starken  Zudrang  von  Ansiedlern 
nach  den  Staaten  des  W.  liefert  die  Thatsache,  dass  in  dem  Jahr  Juni  1877/78 
im  Staate  Kansas  von  den  Ländereien  der  V.  St.  S^/sMill.  Acres,  von  denen 
der  Kansas  Pacific  E.  B.  900000  A.  (an  6130  Personen)  und  von  denen  der 
Kansas  and  Topeka  E.  B.   560000  (an  17  500  P.)  verkauft  worden   sind.    Von 


174  IV.  Die  Einwanderung. 

So  erreicht  z.  B.  in  den  letzten  60  er  Jahren  bei  schlechten  Baum- 
wollenernten und  noch  schlechteren  inneren  politischen  Zuständen 
die  Auswanderung  der  kleinen  Farmer,  Handwerker  und  Arbeiter 
aus  den  atlantischen  und  Golfstaaten  nach  Texas,  Arkansas  und 
anderen -W.- Staaten  ihren  Höhepunkt:  Damals  schrieb  „ein  General, 
welcher  in  einem  der  Golfstaaten  commandirt"  an  die  New  York 
Tribüne,  dass  seiner  Schätzung  nach  allein  1869  mindestens  20000 
Weisse  aus  den  alten  Sklavenstaaten  ausgewandert  seien  ^).  An 
ihre  Stelle  traten  in  vielleicht  noch  grösseren  Mengen  Neger  und 
Negermischlinge,  deren  Auswanderung  aus  Virginien  und  anderen 
S. -Staaten  der  Mitte  damals  so  stark  war,  dass  sie  für  15  —  22  D. 
p.  Monat  nicht  für  die  einfachsten  Arbeiten  zu  haben  waren. 
Wenig  Weisse,  meist  aus  Europa,  wanderten  ein 2).  Nach  der 
Aenderung  der  politischen  Lage  im  S.,  welche  seit  1877  durch 
Abwerfung  der  Neger-  und  Demagogen  -  Regierungen  eine  für  die 
Neger  viel  weniger  günstige  geworden  ist,  ist  aber  die  S.-Wanderung 
in  eine  W.-Wanderung  umgeschlagen,  welche  seit  1878  immer 
grössere  Dimensionen  angenommen  hat.  Schon  nach  1865  sind 
grosse  Schaaren  Neger  nach  Blinois,  Indiana  u.  a.  W.-  Staaten  ein- 
gewandert, aber  im  Frühling  1879  zogen  so  grosse  Schaaren  nach 
Kansas  und  Nebraska,  dass  man  einen  Nothstand  für  sie  fürchtete 
und   von   Amtswegen   Warnungen    gegen    diesen  Zudrang    ergehen 


1873  bis  Ende  1878  sollen  mindestens  600000,  nach  Einigen  gar  mindestens 
1  ^/2  Mill.  aus  dem  0.  und  vorzüglich  den  grossen  Städten  nach  W.  gewandert 
sein.  Die  Railway  World  bezeichnete  Ende  1878  ^/lo  der  Neuansiedler  des  W. 
als  aus  den  älteren  Staaten  des  0.  und  S.  stammend. 

1)  Vgl.  auch  Journ.  London  Statistical  Soc.  1870.  125. 

2)  In  S.  Carolina  sind  seit  1865  immerhin  vielleicht  6000  Weisse  eingewan- 
dert, von  denen  die  meisten  als  Feldarbeiter  begannen;  in  Louisiana  hat  man 
zahlreiche  Arbeiter,  vorzüglich  Spanier  und  Italiener,  kommen  lassen.  Im  Jahr 
1860  betrug  die  eingewanderte  Bevölkerung  in  Minnesota  36,  Illinois  31,  Wis- 
consin 30,  New  York  28  Proc,  während  sie  in  Florida  2  Vs,  in  Tennessee  2,  in 
S.  Carolina  1 V2,  in  Georgia  1,  in  N.Carolina  Vs  Proc.  betrug.  Noch  1870 
gaben  von  den  in  New  York  landenden  Einwanderern  als  ihren  Bestimmungsort 
nur  45  Florida,  58  Alabama,  319  Georgia,  dagegen  22503  Illinois  an;  in  1871 
gingen  über  New  York  schon  223  nach  Florida,  450  nach  Georgia,  115  nach 
S.  Carolina  und  in  den  folgenden  Jahren  haben  sich  diese  Zahlen  noch  bedeutend 
erhöht. 


IV.  Die  Einwanderung.  175 

liess.     Kansas   erhielt  in   den  ersten   5  Monaten  1879   gegen  6000 
schwarze  Einwanderer. 

So  tauchten  ferner  in  der  Krisis  nach  1873  Colonisationspläne 
in  grosser  Zahl  auf  und  wurden  Arbeitervereinigungen  eigens  für 
den  Zweck  gestiftet,  günstig  gelegene  Plätze  für  Colonisation  aus- 
findig zu  machen.  Von  S.  her  wurden  z.  B.  aus  dem  Staat  Missis- 
sippi, der  starken  Mangel  an  Arbeitern  leidet,  Anerbietungen  ge- 
macht, wonach  der  Ansiedler  das  Land  ohne  weitere  Bedingung  als 
die  Abgabe  der  halben  Ernte  oder  Abgabe  von  50  Pfund  Baum- 
wolle p.  Acre  behalten  sollte.  Der  Congress  liess  sich  zwar  nicht 
dazu  herbei,  diese  Pläne  zu  unterstützen,  aber  viele  Tausende 
gingen  nach  S.  und  W.  und  es  ist  z.  Th.  hierin  die  Ursache  zu 
suchen,  wenn  die  Krisis  nicht  verarmender  und  demoralisirender 
auf  die  Massen  gewirkt  und  besonders  nicht  grössere  politische  Auf- 
regungen zur  Folge  gehabt  hat.  Die  Krisis  brachte  auch  das  Un- 
erhörte zu  Stande,  dass  im  Februar  1878  allein  im  Hafen  von  New 
York  sich  174  Personen  einschifften  um  nach  Sydney  auszuwandern. 
Ende  1878  wurde  die  Zahl  der  während  der  Krisis  nach  W.  und 
S.  Ausgewanderten  auf  600000  geschätzt. 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

Die  Bevölkerungszahlen  vom  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  bis  1870  176. 
Das  natürliche  Wachsthum  178.  Die  Zahl  der  Geburten  179.  Ursachen  der 
langsamen  Zunahme  in  den  alten  Staaten  182,  Sterblichkeit  184.  Verhältniss 
der  Geschlechter  185.  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  18G.  Zunahme  des  be- 
siedelten Gebietes  und  der  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  189.  Der  Bevölkerungs- 
Mittelpunkt  191.  Städtische  und  ländliche  Bevölkerung  192.  Schwierigkeit, 
beide  von  einander  zu  sondern  192. 

Die  Zahl  der  Einwanderer,  welche  von  der  Gründung  der 
ersten  Colonie  in  Plymouth  (1620)  bis  zur  Vereinigung  der  4  neu- 
engländischen  Colonien  (1643)  nach  Neu-England  gekommen  waren, 
wird  auf  21000  geschätzt.  Wie  gross  die  Zahl  derer  war,  welche 
diese  Colonien  wieder  verliessen,  wird  nicht  berichtet.  New  Amster- 
dam hatte  im  Anfang  der  40  er  Jahre  des  17.  Jahrhunderts  kaum 
mehr  als  1000  Einwohner.  Die  Zahl  der  Bewohner  von  Virginien 
wurde  1620  auf  2000  angegeben  und  damals  überhaupt  die  ganze 
europäische  Bevölkerung  im  Gebiet  der  heutigen  V.  St.  auf  etwa 
2600  angeschlagen.  1640  konnte  diese  Zahl  vielleicht  auf  40000 
gestiegen  sein.  1690  gab  es  120000  Einwohner  in  Neu-England, 
50000  in  Virginien,  16000  in  Maryland.  Von  den  Städten  waren 
Boston  mit  1500  Familien,  New  York  mit  6000  und  Philadelphia 
mit  2000  E.  die  grössten.  Von  den  übrigen  Colonien  kennt  man 
die  Bewohnerzahl  von  East  Jersey  (700  Familien),  über  alle  anderen 
sind  genaue  Bevölkerungszahlen  nicht  gegeben.  1715  wurde  die 
Bevölkerung  aller  britischen  Colonien  in  Nord- Amerika  auf  434000 
veranschlagt.  Als  1733  mit  der  Gründung  der  Colonie  Georgia  die 
Bildung  neuer  Colonien  abgeschlossen  war,  wies  Massachusetts 
120000,  New  York  65000  und  Virginien  66000  E.  auf.  Die  übrigen 
Colonien  folgten  mit:  Maryland  gegen  36000,  Pennsylvania  und 
Connecticut  30000,  Rhode  Island  17  900,  New  Jersey  15000,  S.Ca- 
rolina 12000,  New  Hampshire  10000  und  N.  Carolina  6000.     Für 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  177 

1754  werden  insgesammt  1485654  Einwohner  angegeben.  In  dem 
Jahre  des  Friedens  von  Paris  (1763)  konnte  ihre  Volkszahl  auf 
mindestens  1%  Millionen  veranschlagt  werden.  Neu-England  hatte 
500000  (Massachusetts  allein  240000),  Pennsylvania  280000,  Virgi- 
nia 170000,  Maryland  108000,  N.  Carolina  95000  Weisse,  New 
Jersey  60  000.  Von  den  Hauptstädten  zählte  Boston  15  000,  Phila- 
delphia 13000,  New  York  12000,  Charleston  zwischen  5  und  6000. 
1775  schätzte  man  2743000  und  in  den  ersten  Jahren  des  Unah- 
hängigkeitskrieges  pflegte  man  die  Volkszahl  der  gesammten  13  Co- 
lonien  zu  rund  3  Millionen  anzunehmen.  Louisiana  hatte  zu  dieser 
Zeit  erst  5500  Einwohner. 

Erst  1789  wurde  für  eine  allgemeine  Zählung  Vorsorge  ge- 
troffen, welche  dann  zum  ersten  Mal  im  Jahr  1790  ausgeführt  ward. 
Von  diesen  Zählungen  sind  bis  heute  9  ausgeführt,  deren  Ergehnisse 
folgende : 


1790    3929  214 

1800    5308483 
1810    7  239881 


1820  9  633822 
1830  12866020 
1840    17069453 


1850  23191876 
1860  31443321 
1870    385559811) 


Man  sieht,  dass  die  Bevölkerung  innerhalb  der  80  Jahre,  auf 
welche  diese  Zählungen  sich  beziehen,  nahezu  auf  das  10 fache 
gewachsen  ist.  Nimmt  man  die  weisse  Bevölkerung  als  den  Haupt- 
bestandtheil  der  Gesammtbevölkerung  für  sich,  so  findet  man,  dass 
dieselbe  auf  mehr  als  das  10  fache  gewachsen  ist.  In  Procenten  aus- 
gedrückt verhält  sich  das  Wachsthum  der  Weissen  in  diesen  8  Jahr- 
zehnten folgendermassen : 


1790  bis 
1800   35,76 
1810   36,12 


1820  34,09 
1830  34,02 
1840   34,72 


1850  37,73 
1860  37,68 
1870   34,78. 


1)  Für  1870  hatte  man  nach  der  bisherigen  Zunahme  eine  Bevölkerungszahl 
von  über  42  Millionen  erwartet.  F.  H.  Walker  schätzt  aber  die  Summe ,  um 
welche  die  Bevölkerung  der  V.  St.  im  Jahrzehnt  1860  —  70  vorzüglich  in  Folge 
des  Bürgerkrieges,  welcher  die  Vermehrung  der  einheimischen  Bevölkerung  nicht 
weniger  als  die  Zuwanderung  von  aussen  störte,  hinter  der  zu  erwartenden  Ver- 
mehrung zurückgeblieben  ist,  auf  über  IV2  Millionen.  Den  Ausfall  durch  ver- 
minderte Einwanderung  schätzt  er  auf  353000,  denjenigen  durch  schwächere 
Vermehrung  der  Farbigen  auf  570000  und  die  Verluste,  welche  der  männlichen 
Bevölkerung  der  Krieg  zufügte,  auf  850000.  (Ninth  Census  I.  XVIII.) 

E  a  t  z  e  1 ,   Amerika  II.  i  O 


178 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 


Von  diesem  Wachsthum  entfällt  ein  sehr  grosser  Theil  auf  die 
Einwanderung.  In  den  80  Jahren  vor  1871  sind  8018158  Ein- 
wanderer in  den  V.  St.  angekommen.    (S.  das  vorige  Capitel.) 

Berechnet  man  die  Sterblichkeit  dieser  Einwanderer  nach  den 
bekannten  Durchschnittszahlen  ^),  so  findet  man  als  von  ihrer  Zahl 
überlebend : 


1800  44282 
1810  96  725 
1820   176825 


1830  315830 
1840  859202 
1850   2240535 


1800   4136175 
1870   5566546 


Das  natürliche  Wachsthum  der  Bevölkerung  durch  Ueber- 

schuss   der    Geburten   hat  begreiflicherweise   in   um   so  geringerem 

Masse   zum   Gesammtwachsthum   der   Bevölkerung   beigetragen,    je 

stärker  das  Wachsthum   durch   Einwanderung   geworden    ist.     Das 

natürliche  Wachsthum  zeigt  folgende  Zahlen  und  Procente :  In  dem 

Jahrzehnte  nach 

1790  1090158  =  34,09  0/0 
1800  1503179  =  34,45 
1810  1924148  =  32,50 


1820  2532032  =  31,78  7o 
1830  3.115195  =  28,74 
1840  3975840  =  26,71 


1850  5  508  763  =  26,31  «/o 
1860  5179147  =  18,49 


Aus  den  gesetzlichen  Verhältnissen,  welche  die  Zunahme  der 
Bevölkerung  der  V.  St.  bestimmen,  hat  E.  B.  Elliott  ^)  die  Bevölke- 
rungszahlen für  die  Dekade,  welche  dem  ersten  Census  vorherging, 
und  für  die  gegenwärtige  zu  berechnen  gesucht  und  ist  zu  dem 
Schlüsse  gekommen,  dass  dieselbe  für  1780  3070000  beträgt.  Für 
die  Jahre  nach  1870  macht  er  folgende  Schätzung: 

1876  45316000 

1877  46  624000 

1878  47983000 


1871  39555000 

1872  40604000 

1873  41704000 

1874  42856000 

1875  44060000 


1879  49395000 

1880  50858000 


Diese  Zahlen  gestalten  sich  aber  anders,  wenn  man  von  dem 
sog.  natürlichen  Wachsthum  dasjenige  abzieht,  welches  durch  die 
Vermehrung  der  Eingewanderten  hinzugebracht  wird.  Nimmt 
man  die  Zahl  der  Bevölkerung  von  irgend  einem  Zeitpunkt  und 
berechnet   ihre  Vermehrung   ausschliesslich   nach    dem  von  ihr  be- 

1)  E.  Jarvis  in  Compte  Rendu  VIII  ™e  Session  Congr,  Intern,  de  Statistique. 
S.  Petersbourg  1874.  p.  5. 

2)  Walker,  Statistical  Atlas  of  the  U.  S.  Text  IL  8. 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  179 

kannten  Geburtenüberschüsse  dann  tritt  erst  der  gewaltige  Zuwachs, 
den  die  Einwanderung  brachte,  klar  zu  Tage.  Für  die  6  Jahr- 
zehnte 1790 — 1850  kann  man  1,38  Proc.  für  den  Geburtenüber- 
schuss  annehmen  und  nach  ihm  würde  die  Bevölkerung,  welche 
sich  1790  (ohne  Sklaven)  auf  3231930  belief,  im  Jahre  1850  auf 
7555423  statt  auf  19  987573  gewachsen  sein.  In  demselben  Masse 
fortwachsend,  würde  sie  heute  nicht  V3  von  der  Zahl  erreicht  haben, 
bei  der  wir  sie  in  Wirklichkeit  angelangt  sehen.  Dabei  ist  aber 
wohl  zu  erwägen ,  dass  die  Vermehrung  von  1  %  Proc.  überhaupt 
die  bedeutendste  ist,  von  der  man  Kenntniss  hat,  denn  die  grössten 
Vermehrungssätze  europäischer  Bevölkerungen  betragen  in  England 
und  Wales  1,25,  in  Holland  1,23,  in  Preussen  1,17  Proc. 

Es  gibt  im  Gegentheil  Gründe,  welche  uns  vermuthen  lassen, 
dass  dieser  ausserordentlich  hohe  Vermehrungssatz  der  V.  St.  keine 
dauernde  Thatsache,  sondern  vielmehr  von  vorüber- 
gehenden Erscheinungen  bedingt  sei.  Jedenfalls  gilt  er 
nicht  für  alle  Theile  der  V.  St.  und  bemerkenswertherweise  sind 
diejenigen,  in  denen  ein  niedrigerer  Satz  vorherrscht,  gerade  die 
ältesten,  echtest  amerikanischen,  nämlich  die  Neuengland  -  Staaten, 
und  ferner  die  Städte,  welche  ebenfalls  amerikanischer  sind  als 
das  von  Einwanderern  mit  Vorliebe  aufgesuchte  weite  Land. 

Die  Zahl  der  Geburten  ist  für  die  gesammte  Bevölkerungs- 
zahl der  V.  St.  nie  mit  Sicherheit  bestimmt  worden.  Die  zugäng- 
lichste Zahl  dieser  Gruppe  ist  die  der  Kinder  unter  1  Jahr,  für 
welche  in  den  amtlichen  Volkszählungen  eine  Spalte  offen  gehalten 
ist.  Aber  ihre  Zählung  geschieht  äussert  ungenau,  so  dass  der 
IX.  Census  das  Ergebniss  derselben  nur  in  einer  stark  corrigirten 
Form  zu  geben  vermag^).  Er  nimmt  an,  dass  in  den  V.  St.  im 
Jahre  1870  auf  100000  E.  3212  unter  1  Jahr  alt  waren;  die 
Zählung  hatte  nur  2854  ergeben.  Was  die  Zahl  der  Geburten 
selbst  betrifft,  so  ist  sie  nur  von  denjenigen  Kindern  zu  berechnen 
gewesen,  die  im  Censusjahre  geboren  waren  und  am  Ende  desselben 
noch  lebten.  Ihre  Zahl  betrug  1850  629444  (1  auf  36,85  der 
Gesammtbevölkerung),   1860  934583  (1  auf  33,64),  1870  1100  475 


1)  Vgl.  den  Aufsatz  von  E.  B.  Elliott  über  diese  Zahl :  Ninth  Census  II.  517. 

12* 


180  V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

(1  auf  34,64).  Unter  den  Staaten  ergeben  sich  gewisse  Gruppen 
je  nach  diesem  Verhältniss  der  überlebenden  Geburten  des  Census- 
jahres. 

Es  kommt  1  Kind  unter  1  Jahr  auf  weniger  als  30  Köpfe:  in 
Arkansas,  Kansas,  Nebraska,  Mississippi  und  Utah; 

30,1  —  35  Köpfe:  in  den  sog.  W.  und  NW.- Staaten  von  Indiana 
an,  in  allen  S. -Staaten  ausser  Mississippi  und  S.  Carolina,  im 
District  Columbia  und  W.  Virginia,  in  Missouri  und  Kentucky,  in 
Oregon  und  Dakota; 

35,1 — 40:  in  den  alten  S.- Staaten  Delaware,  Maryland, 
Pennsylvanien  und  S.  Carolina,  in  Ohio,  in  den  Territorien  Colorado 
und  Washington ; 

40,1 — 45:  in  den  alten  Staaten  Massachusetts,  Khode  Island, 
Connecticut  und  New  York  und  in  Californien ; 

mehr  als  45:  in  den  alten  Staaten  Maine  und  Vermont  und 
den  jungen  Nevada,  Arizona,  Idaho,  Montana  und  Wyoming. 

Unschwer  erkennt  man  in  diesen  Zahlen  ^eine  geographische 
Gruppirung,  die  besonders  deutlich  hervortritt,  wenn  man  nur 
2  Classen  von  Staaten  bzw.  Territorien  annimmt,  eine  kinderreiche 
und  eine  kinderarme,  und  als  Grenzzahl  36  annimmt.  Man  findet 
dann  in  der  ersteren  alle  W.  und  NW.- Staaten  von  Indiana  bis 
Nebraska  und  von  Kentucky  bis  Minnesota,  auch  Oregon,  ferner 
die  S.- Staaten  nebst  dem  District  Columbia,  das  industrielle  Penn- 
sylvanien, das  polygamische  Utah,  von  den  Territorien  nur  Dakota. 
In  der  anderen  Gruppe  dagegen  findet  man  sämmtliche  Neu- 
england-Staaten, ausserdem  die  älteren  Staaten  New  York  und 
Delaware,  das  nicht  mehr  ganz  junge  Ohio,  Californien  und  Nevada, 
dann  sämmtliche  neubesiedelte  Territorien  des  fernen  W.  mit  der 
einzigen  Ausnahme  von  Dakota.  Die  Schlüsse  ergeben  sich  von 
selbst.  Am  kinderreichsten  sind  alle  jüngeren,  aber  schon  seit 
mehreren  Generationen  besiedelten  Gebiete,  die  S.- Staaten,  das 
grösste  Industriegebiet  und  das  Gebiet  wo  Polygamie  herrscht; 
am  kinderärmsten  sind  die  8  ältesten  Staaten  im  NO.,  2  der  jüngsten 
im  pacifischen  W.  und  nahezu  alle  erst  in  der  Besiedelung  begrifl*enen 
Territorien. 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  181 

Dieser  Gruppirung  entspricht  auch  die  Bevölkerungszunahme 
überall  da,  wo  nicht  durch  plötzliclie  starke  Einwanderung  der 
natürliche  Grund  derselben,  der  Geburtenüberschuss,  gestört  wird. 
Man  erhält  für  die  Zunahme  der  Staaten  und  Territorien  1860  bis 
1870  folgende  Gruppen: 

1.  Mit  Abnahme  der  Bevölkerung:  New  Hampshire  2,3,  MaineO,21. 

2.  Bis  10%  Zunahme:  S.  Carolina  0,27,  Neu -Mexico  1,7, 
Alabama  3,4,  Virginia  und  W.  Virginia  4,4,  Mississippi  4,6,  Vermont 
4,9,  N.  Carolina  7,9. 

3.  10,1  —  20%  Zunahme:  Arkansas  11,2,  Delaware  11,4, 
Georgia  11,9,  New  York  12,9,  Tennessee  13,4,  Maryland  13,6, 
Ohio  13,9,  Kentucky  14,3,  Colorado  16,4,  Connecticut  16,7,  Massa- 
chusetts 18,4. 

4.  21,1—30%  Zunahme :  Pennsylvania  21,2,  Rhode  Island  24,5. 

5.  31,5 — 40%  Zunahme:  Florida  33,7,  New  Jersey  34,8,  Texas 
35,5,  Wisconsin  37,2. 

6.  40,1 — 60%  Zunahme:  Louisiana  40,6,  Missouri  45,6,  CaÜ- 
foniien  47,1,  Illinois  48,4,  Michigan  58,0. 

7.  60,1—100%  Zunahme:  Indiana  70,0,  Oregon  73,9,  Distr. 
of  Columbia  75,5,  Iowa  77,8. 

8.  Mehr  als  100%  Zunahme:  Terr.  Washington  112,3,  Utah 
116,2,  Minnesota  155,6,  Dakota  194,6,  Kansas  240,4,  Nebraska 
336,2,  Nevada  593,8. 

Hier  findet  man  in  den  Gruppen  mit  geringer  Zunahme  (1 — 4) 
zunächst  die  vom  Krieg  heimgesuchten  S.- Staaten,  von  deren  Be- 
völkerung, weisser  wie  schwarzer,  ein  erheblicher  Theil  während 
und  nach  dem  Bürgerkriege  auswanderte.  Nur  die  noch  am 
dünnsten  bevölkerten:  Louisiana,  Texas  und  Florida  machen  eine 
Ausnahme,  ferner  die  Neuengland -Staaten,  von  denen  2  sogar 
eine  Abnahme  aufweisen,  die  älteren  Mittelstaaten  ausser  New  Jersey, 
aber  mit  Ohio,  und  endlich  die  2  für  Ansiedler  wenig  reizenden 
Territorien  Colorado  und  Neu-Mexico.  Die  stärkste  Zunahme  zeigen 
dagegen  die  theilweise  sehr  fruchtbaren  und  dabei  dünn  bevölkerten 
westlichen  Ackerbaustaaten,  der  Silberstaat  Nevada  und  angrenzende 
sehr  dünn  bevölkerte  Territorien.  Massige  Zunahme  (30 — 60)  findet 
sich  in  dem   älteren  Ackerbaugebiet  der  See-  und  Ohioregion,  den 


182  V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

westlichen  S.- Staaten  und  den  für  die  Einwanderung  etwas  schwer 
zu  erreichenden  pacifischen  Staaten. 

Um  die  verschiedenen  Gründe  dieser  sehr  ungleichen  Vertheilung  der 
Bevölkerung  von  einander  sondern  und  jedem  seinen  Antheil  zuweisen  zu 
können,  müsste  man  vor  allem  die  inneren  Verschiebungen  kennen,  welche 
durch  Wanderung  von  einem  Staat  zum  anderen  und  besonders  von  den 
alten  Staaten  des  0.  nach  den  jüngeren  Staaten  und  Territorien  des  W. 
entstehen.  (S.  o.  S.  173.)  Sie  sind  gewiss  sehr  bedeutend,  aber  man  kann 
sie  nicht  einmal  schätzen.  Jedenfalls  verlieren  am  meisten  die  grossen- 
theils  nicht  sehr  fruchtbaren  und  dennoch  dicht  bevölkerten  Neuengland- 
und  Mittelstaaten,  die  ja  auch  zur  Zeit,  als  die  europäische  Einwanderung 
noch  gering  war,  ausgedehnte  Strecken  im  W.  aus  eigenem  Ueberschuss 
besiedelten.  Wenn  wir  auch  gesehen  haben,  dass  die  natürliche  Vermeh- 
rung der  dortigen  Bevölkerung  gering  ist,  so  ist  doch  nicht  sie  es,  sondern 
der  Verlust  durch  Auswanderung,  welcher  in  erster  Linie  für  eine  so 
auffallende  Erscheinung  verantwortlich  zu  machen  ist,  wie  sie  in  der  Ab- 
nahme der  Bevölkerung  in  Maine  und  New  Hampshire  hervortritt. 

Zur  Entscheidung  der  Frage,  welchen  Antheil  an  dieser  geringen 
Zunahme  oder  sogar  Abnahme  in  den  alten  Staaten  des  NO.  die  etwa 
geringere  Geburtenzahl  der  dortigen  Bevölkerung  habe,  stehen  uns  glück- 
licherweise die  zwei  einzigen  sorgfältig  durchgeführten  Zählungen  zu  Ge- 
bote, welche  seit  dem  allgemeinen  Census  in  irgend  einem  Staate  der 
Union  angestellt  worden  sind,  die  von  Massachusetts  und  von  Rhode 
Island.  Der  Census  von  Massachusetts  von  1875*)  gibt  in  dieser 
Beziehung  folgende  höchst  interessante  Daten:  398759  Bewohnerinnen  sind 
oder  waren  verheirath et  und  309  520  von  ihnen  haben  geboren.  Während 
aber  die  einheimische  zu  der  fremdgeborenen  Bevölkerung  sich  wie  74  :  25 
verhält,  verhält  sich  die  Zahl  der  geboren  habenden  wie  61 :  38.  Von  den 
einheimischen  Weibern  haben  30,  von  den  fremdgeborenen  53  "/o  geboren. 
Auch  die  Zahl  der  Geburten  pro  Mutter  gibt  den  Eingewanderten  ein  starkes 
Uebergewicht.  Auf  eine  einheimische  Mutter  kommen  3,55,  auf  eine 
deutsche  4,23,  eine  cngHsche  4,4,  eine  canadische  4,78,  eine  irische  5,03. 
1874  kam  durchschnittlich  auf  6^4  Mütter  1  Geburt,  aber  bei  den  ein- 
heimischen Müttern  war  dieses  Verhältniss  1 :  9,  bei  den  fremden  1 :  4^/4. 
Mit  anderen  Worten,  190311  einheimische  Mütter  gebaren  in  diesem  Jahr 
20666  Kinder,  119  209  fremde  dagegen  24  965.  Seit  1867  hat  die  Pro- 
centzahl der  Geburten  von  amerikanischen  Eltern  erheblich  abgenommen. 
Allerdings  schwächt  die  grössere  Sterblichkeit  der  Kinder  der  Fremdge- 
borenen wieder  in  etwas  dieses  Uebergewicht  ab,  welches  sie  in  so  aus- 
geprägtem Masse  besitzen. 

1)  Vol.  I.  Population  and  Social  Statist! es.  Prep,  under  the  Dir.  of  C.  D. 
Whright.     Boston  1876. 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  183 

Aus  dem  XX.  Bericht  über  die  Bewegung  der  Bevölkerung  des  kleinen 
Staates  Rhode  Island  ^j  für  das  Jahr  1872  geht  hervor,  dass  in  diesem 
Jahre  G143  Kinder  im  Staate  geboren  worden  sind,  von  welchen  2620 
amerikanische,  2806  fremde  Eltern  und  717  Eltern  beiderlei  Abstammung 
hatten.  Und  doch  gab  es  1870  unter  der  Gesammtbevölkerung  von  Rhode 
Island,  die  217353  betrug,  161957  Amerikaner  gegen  nur  45399  Fremd- 
geborene. In  Procenten  ausgedrückt  hat  also  die  Gesammtbevölkerung 
2,82  Geburten,  wovon  auf  die  einheimische  Bevölkerung  1,61,  auf  die 
fremdgeborene  dagegen  6,18  entfallen.  Mit  anderen  Worten,  während 
die  fremdgeborene  Bevölkerung  sich  zu  der  einheimischen  wie  21  :  79 
verhält,  verhalten  sich  die  beiderseitigen  Geburtszahlen  wie  52 :  48. 

Die  Thatsache,  dass  die  natürliche  Vermehrung  der  einheimischen 
Bevölkerung  ganz  erheblich  geringer  als  die  der  eingewanderten,  tritt  klar 
aus  beiden  Zusammenstellungen  hervor.  Ueber  die  Gründe  derselben  lässt 
sich  keine  von  beiden  aus.  Dagegen  hat  über  diese  und  andere  Erschei- 
nungen, welche  mit  dem  Zurückbleiben  der  Bevölkerungszahl  speciell  in 
1860  —  70  zusammenhängen,  sich  der  competenteste  Beurtheiler,  Francis 
A.  Walker,  der  Leiter  der  1870  er  Zählung,  in  unmissverständlicher  Weise 
ausgesprochen.  Nachdem  er  das  geringere  Wachsthum  der  Farbigen,  die 
direkten  Verluste  durch  den  Krieg  in  Folge  von  Wunden  und  Krankheiten, 
die  indirekten  durch  Verzögerung  der  Volksvermehrung  und  Einwanderung 
hervorgehoben,  fährt  er  fort:  „Eine  fünfte  Ursache  kann  noch  angeführt 
werden,  nämlich  die  offenkundige  Zunahme  in  vielen  Theilen  des  Landes 
von  Lebensgewohnheiten,  welche  stark  darauf  ausgehen,  das  Wachsthum 
unserer  Volkszahl  langsamer  werden  zu  lassen,  und  welche,  wenn  darin 
verharrt  wird,  die  Ausweise  einer  künftigen  Zählung  kaum  so  befriedi- 
gend erscheinen  lassen  werden  wie  die  vorliegenden,  und  ohne  dass  man 
dann  einen  verwüstenden  Krieg  für  den  Verlust  von  Hunderttausenden  auf 
Schlachtfeldern  und  in  Hospitälern  verantwortlich  machen  könnte.  Nie- 
mand kann  mit  dem  Leben  in  unseren  östlichen  und  mittleren  Staaten 
und  in  den  Städten  des  W.  vertraut  sein,  ohne  zu  bemerken,  dass  ameri- 
kanischen Eltern  nicht  mehr  so  viele  Kinder  geboren  werden  wie  in 
früheren  Tagen.  Luxus,  Mode  und  das  Laster  des  Boarding  wirken  zu- 
sammen, um  das  Wachsthum  der  Familien  in  einem  Grade  zu  beschränken, 
welcher  in  einigen  Theilen  sogar  die  Fortpflanzung  unseres  ursprünglichen 
Stammes  bedroht.  Diese  Richtung  bedarf  nicht  des  Beleges  durch  statisti- 
sche Angaben.     Sie  ist  offenkundig  und  greifbar"  ^j. 


1)  Prepared  under  the  Superinteudence  of  Joshua  M.  Addeman  by  Dr.  E.  T. 
Caswell.    Providence  1875. 

2)  Ninth  Census  Vol  I.  XIX.  Weniger  klar  ist  die  daran  sich  anschhessende 
Bemerkung  Walker's,  dass  „noch  andere  Erscheinungen  vorliegen,  welche  an- 
deuten,   dass  die  V.  St.,    indem   sie  von   dem  Knorpel  der  Jugend  zum  festen 


184  V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

Die  Sterblichkeit  der  Bevölkerung  der  V.  St.  wird 
eben  so  wenig  wie  die  Geburtsziffer  im  Census  festgestellt,  dessen 
Leiter  ausdrücklich  hervorhebt,  dass  „wenn  der  Werth  der  Sterb- 
lichkeitsstatistik in  einem  Census  der  V.  St.  unter  den  jetzigen 
Gesetzen  auf  der  Zusammenstellung  der  Todesfälle  beruhte,  die  in 
dem  Zählungsjahre  vorkommen,  die  Resultate  nicht  einmal  die 
Veröffentlichung  lohnen  würden"*).  Eine  von  E.  B.  Elliott  ange- 
stellte Berechnung  gibt  für  1870  die  berichtigte  Zahl  von  12,77 
p.  Mille  und  die  mittlere  Lebensdauer  wird  von  demselben^)  zu 
39,25  angegeben.  Aus  genaueren  Erhebungen  hat  man  in  Massa- 
chusetts die  etwas  höhere  Zahl  39,8  gefunden.  Unter  den  Todes- 
ursachen sind  am  stärksten  vertreten:  Schwindsucht  mit  14,2^), 
Lungenentzündung  mit  8,1,  Dysenterie  mit  6,3,  Diphtherie  und 
Scharlachfieber  mit  5,4,  Typhus  und  ähnliche  5,  Cholera  infant.  4,1, 
Wechselfieber  2,3  Proc.  sämmtlicher  1870  registrirten  Todesfälle. 

Die  im  Census  von  1870  aufgezeichneten  Todesfälle  des  Jahres 
1870  vertheilen  sich  folgendermassen  auf  die  beiden  Hauptrassen: 
Weisse  12,7,  Neger  13,9  p.  Mille,  lieber  die  Sterblichkeit  der 
Indianer  siehe  oben  S.  145.     Die   Chinesen,   welche  jedenfalls   nur 


Knochenbau  der  Männlichkeit  übergehen,  etwas  von  dem  raschen  Wachsthum 
verlieren,  welches  zu  den  Eigenthümlichkeiten  der  Jugend  gehört,  und  dass  wir 
mit  der  Zeit  als  Nation  mit  einer  etwas  geringeren  Zunahme  als  der  früheren 
uns  begnügen  müssen".  Nachdem  die  Sterblichkeit  nicht  gewachsen  ist,  bleibt 
doch  wohl  nur  die  Abnahme  der  Einwanderung  und  der  Geburten  als  Ursache 
der  geringen  Wachsthumsschnelligkeit  übrig? 

1)  Ninth  Census  1872.  I.  IX. 

2)  Ebend.  I.  XIII. 

3)  Die  geographische  Verbreitung  einiger  Krankheiten  bietet  bemerkens- 
werthe  Erscheinungen.  So  hat  die  Lungenschwindsucht  ein  fast  lücken- 
loses Maximalgebiet  in  Neu-England  und  dem  n.  New  York,  ein  zweites  noch 
grösseres  in  der  n.  und  mittleren  AUeghany-Region ,  in  welches  Pennsylvanien, 
New  Jersey,  Delaware,  Maryland,  Virginien,  W.  Virginien,  Tennessee,  Kentucky, 
Ohio  und  Michigan  gehören.  Dagegen  sind  die  w.  Theile  von  Texas,  Arkansas, 
Kansas,  Nebraska  und  Minnesota  und  ein  grosser  Theil  des  S.  fast  frei  von 
dieser  Seuche,  während  das  mittlere  Californien  sehr  stark  von  derselben  heim- 
gesucht ist.  Die  Malaria-Krankheiten  zeigen  fast  genau  die  entgegen- 
gesetzte Verbreitung.  Sie  fehlen  fast  in  den  Neuengland-  und  Mittelstaaten, 
sind  aber  an  der  atlantischen  Küste  von  Delaware  an,  in  den  Golf-  und  Missis- 
sippi-Staaten am  stärksten  vertreten,  ebenso  in  Texas  und  Arkansas,  wo  ihr 
häufiges  Auftreten  sehr  wahrscheinlich  zum  Theil  mit  dem  Umbrechen  des  jung- 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  185 

mangelhaft  auch  in  dieser  Beziehung  im  Census  vertreten  sind, 
weisen  7,4  p.  Mille  auf.  Die  grössere  Sterblichkeit  der  farbigen 
Bevölkerung  ist  freilich  aus  dieser  Angabe  allein  nicht  ohne  weiteres 
als  feststehend  zu  betrachten,  aber  es  ist  ausser  Zweifel,  dass 
wenigstens  eine  erheblich  grössere  Kindersterblichkeit  bei  ihnen  im 
Vergleich  zu  den  Weissen  herrscht. 

Die  Geschlechter  sind  in  der  Gesammtzahl  der  Bevölkerung 
noch  immer  in  demselben  Sinne  ungleich  vertreten,  in  welchem  sie 
es  in  allen  jungen,  neubesiedelten  Ländern  (Colonien)  sind,  d.  h. 
das  weibliche  steht  hinter  dem  männlichen  zurück,  aber  der  Unter- 
schied ist  durch  das  entschiedene  Uebergewicht  der  älterbesiedelten 
Staaten  heute  ein  viel  geringerer,  indem  in  diesen  letzteren  nicht 
nur  ein  gewisser  Gleichgewichtszustand  hinsichtlich  dieser  beiden 
Bevölkerungselemente  vorherrscht,  sondern  sogar  in  einigen  davon 
durch  die  stärkere  Auswanderung  der  Männer  und  die  grossartige 
Ausnützung  der  Frauenarbeit  in  den  Fabriken  ein  entschiedenes 
Ueberwiegen  der  Weiber  stattfindet.  Die  Zählung  von  1870  ergab 
für  die  weisse  Bevölkerung  der  verschiedenen  Staatengruppen  folgende 
Zahlenverhältnisse  der  Geschlechter: 

Männer  Weiber 

Neuengland-Staaten 2692262  1762808 

Atlantische  Mittelstaaten 5042582  5127  729 

Südstaaten 2409911  2422524 

Mittelstaaten  des  W 7334423  6873918 

Staaten  und  Territorien  des  Steppen-  und  Gebirgslandes    181 754  123  400 

Pacifische  Staaten  und  Territorien 361349        247199») 


fraulichen  Bodens  zusammenhängt.  Es  erklärt  sich  so,  warum  die  längst  an- 
gebauten Staaten  im  NO.,  die  freilich  auch  vorwiegend  felsigen  Boden  haben, 
so  wenig  von  denselben  heimgesucht  sind.  Auch  die  ganze  Seeregion  ist  fieber- 
arm. Die  Maximalgebiete  dieser  Krankheiten  sind  das  Küstengebiet  von  Süd- 
Carolina,  das  n.  Florida  am  Golf  und  am  atlantischen  Meer  und  das  untere 
Brazos-Gebiet  in  Texas.  Unerklärlich  ist  die  Häufigkeit  krebsartiger  Krank- 
heiten in  den  Neuengland- Staaten,  wo  sie  2  bis  3 mal  so  häufig  sind  als  in 
den  anderen  Gebieten.  Das  gelbe  Fieber  hat  sein  Verbreitungsgebiet  bekannt- 
lich in  den  Südstaaten,  wo  es,  sporadische  Fälle  ausgenommen,  an  der  atlan- 
tischen Küste  etwa  bei  Wilmington  N.  C.  und  am  Mississippi  bei  New  Madrid 
Mo.  seine  N.- Grenze  findet.  Gleichzeitig  ist  es  auf  das  Tiefland  beschränkt,  so 
dass  es  über  150  m.  nur  sporadisch  vorkommt. 

1)  Schon  die  erste  Zählung  von  1790  zeigte  in  Massachusetts,  Rhode  Island 
und  Connecticut  einen  üeberschuss  von   weiblicher  Bevölkerung,   während  alle' 


186  V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

Die  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  in  den  V.  St.  hat 
eben  so  grosse  Verschiebungen  erlitten  im  Laufe  des  gegenwärtigen 
Jahrhunderts  wie  die  Verbreitung  derselben.  Wir  können  hier 
nicht  den  wechselnden  Dichtigkeitsverhältnissen  nachgehen^  wie  sie 
sich  von  Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt  anders  gestaltet  haben.  Wir  be- 
gnügen uns,  einige  gesetzliche  Erscheinungen  hervorzuheben,  welche 
aus  dem  Vergleich  derselben  sich  ergeben.  Immer  hat  die  Tendenz 
bestanden  zu  einer  Ansammlung  der  Bevölkerung  in  den  ö.  Theilen 
der  Union,  und  zwar  vorwiegend  in  den  nordöstlichen,  während 
nach  W.  hin,  entsprechend  der  Weite  des  hier  zu  bevölkernden 
Raumes,  eine  Tendenz  zur  Zerstreuung  der  Bevölkerung  herrscht, 
welche  diesen  Regionen  immer  eine  geringe  Bevölkerungsdichtigkeit 
verleiht.  Die  dichteste  Bevölkerung  sitzt  schon  um  1790  in  Theilen 
von  Massachusetts,  Connecticut,  New  York  und  Pennsylvania.  Von 
hier  aus  verbreitet  sich  mit  der  Zeit  die  Region  dichtester  Bevöl- 
kerung nach  W.  und  S.  von  Massachusetts  und  Connecticut  aus 
direkt  w.  durch  das  w.  New  York,  von  Pensylvania  aus  s.  nach 
Delaware  und  Maryland  und  späterhin  ebenfalls  w.  den  Ohio  hinab. 
In  den  letzten  Jahrzehnten  haben  sich  Centren  dichterer  Bevöl- 
kerung auch  in  anderen  Gegenden  der  Union  entwickelt.  In  der 
Seeregion  längs  dem  Erie-See,  im  s.  Theil  der  Halbinsel  Michigan 
und  am  Westrand  des  Michigan-Sees:  Nashville  Tenn.,  New  Orleans, 
S.  Louis,  Richmond  Va.,  die  Gegend  von  Burlington  und  Devon- 
port am  oberen  Mississippi  haben  sich  zu  Mittelpunkten  dichterer 
Bevölkerung  gestaltet,  und  zahlreiche  kleinere  Mittelpunkte  dieser 
Art  entwickeln  sich  in  den  Regionen  mittlerer  Bevölkerungsdichtig- 
keit im  S.  und  W.  Durch  solche  Verknotungen  bereitet  sich  die 
Ansammlung  immer  grösserer  Menschenmassen  vor  im  Zusammen- 
hang vorzüglich  mit  der  wirthschaftlichen  Entwickelung.  Man  nimmt 
an,    dass    eine    Bevölkerung    von    0,7 — 2,3   p.  Q.  K.    die    geringste 

anderen  mehr  Männliche  als  Weibliche  zählten.  In  den  drei  genannten  Staaten 
gab  es  11 196  mehr  Weibliche  als  Männliche,  während  dagegen  in  allen  anderen 
zusammen  sich  67  796  mehr  Männliche  als  Weibliche  befanden.  Da  die  Ge- 
sammtbevölkerung  damals  3  930  000  betrug,  waren  also  nahezu  57  Proc.  der  Be- 
völkerung Männer.  Die  verhältnissmässig  grössten  Ueberschüsse  fanden  sich,  wie 
zu  erwarten,  in  den  neubesiedelten  Staaten  Vermont,  Kentucky  und  Ohio,  ebenso 
wie  heute  Colorado,  Montana,  Wyoming,    Dakota  u.  dgl.  die  frauenärmsten  sind. 


Die  Dichtigke 


90  und  darüber. 


n  18—90. 

Köpfe  auf  ä 


f  Bevölkerung. 


(Zu  Seite  186.) 


A319 


in  2—18. 


bis  2. 


imdrat-Meile. 

1 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  187 

Bevölkerung  eines  nicht  erst  in  den  Anfängen  der  Besiedelung 
stehenden  Gebietes  sei,  eines  Gebietes,  in  welchem  die  weite  Räume 
erfordernde  grosse  Viehzucht  mit  fast  völliger  Ausschliessung  des 
Ackerbaues  die  wirthschaftliche  Thätigkeit  der  Bevölkerung  ausmacht. 
Man  findet  heute  eine  so  dünne  Bevölkerung  vorzüglich  im  fernsten 
W.  und  SW.  von  Minnesota  durch  Iowa,  Kansas,  Arkansas  und 
Texas;  die  besiedelten  Theile  von  Colorado,  Neu-Mexico,  Utah, 
Oregon,  N.  und  S.  Californien  und  von  den  älteren  Staaten  einzelne 
gebirgige  Theile  W.  Virginia's ,  Georgia's  und  Missouri's ,  ferner 
Tieflandstrecken  in  Florida,  Alabama,  Mississippi  und  Louisiana  ge- 
hören auch  hierher.  Was  weniger  bevölkert  ist  als  mit  0,7  p.  Q.  K. 
kann  als  erst  noch  in  der  Besiedelung  begriffenes  Gebiet  betrachtet 
werden.  Ganz  gehört  hierhin  nur  Arizona,  wenn  wir  von  den 
wenigen  Hauptorten  absehen ;  auch  Dakota  ist  nur  in  einem  Winkel 
besiedelt.  Washington  Terr.,  Idaho,  Montana,  Wyoming,  Nevada 
gehören  ebenfalls  zu  den  ganz  dünn  bevölkerten.  Grosse  Strecken 
von  Texas,  Neu-Mexico,  Kansas,  Colorado,  Nebraska,  Minnesota, 
Oregon  und  Californien  sind  derselben  Classe  zuzurechnen;  diese 
letzteren  Staaten  und  Territorien  stehen  in  der  Mitte  zwischen  den 
erst  sich  besiedelnden  und  denjenigen,  in  denen  die  Bevölkerung 
schon  zu  jenem  Grade  von  Dichtigkeit  fortgeschritten  ist,  welcher 
den  Ackerbau  als  Hauptnahrungsquelle  voraussetzt.  Man  nimmt 
als  Durchschnittszahl  der  Bevölkerungsdichtigkeit  der  Ackerbau- 
distrikte, welche  im  Beginn  der  dichteren  Besiedelung  stehen,  2,3  —  7 
p.  Kil.  an  ;  heute  sind  Distrikte  von  dieser  Dichtigkeit  vorzüglich 
unter  den  w.  und  sw.  und  in  den  Gebirgsregionen  der  atlantischen 
und  Golf -Staaten  zu  finden.  Die  w.  Striche  der  letzteren  und 
auch  einige  grössere  Bezirke  in  ihrem  Küstentiefland,  grosse 
Strecken  minder  fruchtbaren  Landes  zwischen  den  Alleghanies  und 
dem  Mississippi,  Arkansas  und  Texas  fast  in  ihrer  ganzen  Erstreckung, 
Louisiana,  soweit  es  nicht  in  den  üppigen  Mississippi  -  Bottoms  ge- 
legen, die  bevölkerteren  Theile  von  Florida,  die  Grenzstriche  zwischen 
Prärie  und  Steppe  in  den  mittleren  Theilen  von  Wisconsin,  Minne- 
sota, Iowa,  Missouri,  endlich  die  durch  ihre  Bergwerksindustrie 
hervorragenden  Gebirgsgegenden  von  Mittelcalifornien  gehören  in 
diese  Gruppe. 


188  V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

Die  dritte  Stufe  (7  —  17  p.  Q.  K.)  gehört  den  Gebieten  er- 
folgreichen Ackerbaues  an ;  wohl  mag  diese  Bevölkerungsstufe 
stellenweis  auch  erreicht  werden  durch  die  Entwickelung  von 
Bergbau  oder  kleinen  Industrien  in  einem  minder  fruchtbaren,  an 
sich  zu  einer  verhältnissmässig  so  dichten  Bevölkerung  noch  nicht 
fortgeschrittenen  Gegend.  Aber  es  ist  im  Allgemeinen  die  Region 
der  in  der  Besiedelung  fortgeschritteneren  Ackerbaugegenden  vom 
Typus  der  älteren  Süd-  und  Weststaaten ,  wie  denn  Virginia, 
N.  und  S.  Carolina,  Mississippi,  Kentucky,  Tennessee,  Illinois,  Mis- 
souri, Iowa  grossentheils,  ausserdem  die  fruchtbarsten  Theile  von 
Louisiana,  Georgia,  Alabama,  Wisconsin,  Minnesota  hierher  gehören. 
Von  halb  industriellen  und  halb  ackerbauenden  Regionen  stehen 
Vermont,  Theile  von  Maine  und  kleinere  Distrikte  in  allen  Neu- 
england-Staaten auf  dieser  Stufe  und  derselben  gehören  auch  die 
räumlich  noch  sehr  beschränkten  dichtest  bevölkerten  Striche  von 
Texas  und  Californien  an. 

Die  vierte  Stufe  (17  —  35  p.  Q.K.)  deutet  mit  Bestimmtheit 
auf  das  Vorhandensein  von  Handels-  und  Industriethätigkeit,  welche 
einer  Bevölkerung  von  dieser  Dichtigkeit  die  Möglichkeit  des  Aus- 
kommens bietet;  aber  diese  Erwerbszweige  überwiegen  noch  nicht 
den  Ackerbau.  Es  ist  die  Stufe  eines  mittleren  Zustandes,  die  wir 
daher  am  stärksten  vertreten  finden  in  denjenigen  Staaten,  welche 
in  oder  nahe  bei  den  Kohlen-  und  Eisengebieten  liegen,  dabei 
günstige  Bedingungen  einem  grossartig  betriebenen  Ackerbau  bieten 
und  gleichzeitig  zu  den  geräumigsten,  nicht  so  leicht  aufzufüllenden 
Staaten  gehören.  In  New  York,  New  Jersey,  Pennsylvania,  Ohio 
und  Indiana  überwiegt  diese  Stufe  alle  anderen  und  ist  in  grösseren 
oasenartigen  Bezirken  ausserdem  in  einigen  sehr  fruchtbaren 
Ackerbau-  und  Industriebezirken  des  Mississippi  -  Gebietes  und  in 
der  Umgebung  grösserer  Städte  (Westufer  des  Michigan-Sees,  Gegend 
von  Detroit  Mich.,  Nashville  Tenn.,  New  Orleans  Louis.,  S.  Louis 
Mo.,  Selma  AI.,  Milledgeville  Ga.,  Richmond  Va.  und  Lynchburg 
Va.)  vertreten. 

Die  fünfte  Stufe  mit  35  und  mehr  p.  Q.K.  ist  die  wenigst 
verbreitete,  welche  nur  in  den  industriellsten  Bezirken  der  s.  Neu- 
england-Staaten (Massachusetts,  Connecticut  und  Rhode  Island)  und 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 


189 


aucli  hier  nur  in  der  Ausdehnung  von  ungefähr  50000  Q.K.  vor- 
kommt. Grosse  Fabrik-  und  Handelsplätze  und  zahlreiche  gewerb- 
thätige  Dörfer  sind  das  Merkmal  dieser  Stufe,  die  in  einigen 
Gegenden  den  dichtbevölkerten  Gegenden  Europas  nahekommt. 

Folgende  Tabelle  zeigt  das  Verhältniss,  in  welchem  (in  Tau- 
sendsteln ausgedrückt)  diese  fünf  Stufen  von  Bevölkerungsdichtigkeit 
in  der  jeweiligen  Summe  der  besiedelten  Q.K.  vertreten  waren. 


Census- 

Vermehrung 
des  besiedelten 
Gebietes  in  Proc. 

1 
11 

Stuf 

e 

jahr 

I 

n 

ni 

IV 

V 

1790 



348 

348 

247 

54 

3 

1800 

27,4 

265 

403 

270 

58 

4 

1810 

33,4 

03    O) 

286 

379 

265 

67 

3 

1820 

24,7 

277 

348 

296 

76 

3 

1830 

24,4 

'°S 

239 

357 

295 

103 

6 

1840 

27,6 

oi  O 

O)   T-l 

3 
<D    CSJ 

228 

361 

299 

105 

7 

1850 

21,3 

239 

301 

346 

103 

11 

1860 

22 

218 

296 

361 

113 

12 

1870 

6,5 

193 

286 

369 

137 

15 

Francis  A.  Walker  fasst  in  seiner  Darstellung  des  Fortschrittes 
der  Bevölkerung  der  V.  St.  von  1790 — 1870^)  unter  besiedeltem 
Gebiet  (settled  area)  diejenigen  Gebiete  zusammen,  auf  denen  die 
Bevölkerungszahl  2  p.  e.  Q. M.  erreicht  und  überschreitet,  und 
findet  bei  Anlegung  dieses  Massstabes,  dass  dieselben  von  1790  in 
folgender  Weise  zugenommen  haben: 
Jahr  Besiedeltes  Gebiet     Jahr  Besiedeltes  Gebiet 


1790 619431  Q.K. 

1800 791783 

1810 1056577 

1820 1317577 

1830 1638737 

In  derselben  Zeit  war  die  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  in  fol- 
gender Weise  gestiegen: 


1840 2090886  Q.K. 

1850 2536255 

1860 3094432 

1870 3295129 


Bevölkerungs- 

Auf 

Bevölkerungs- 

Auf 

summe 

IQ.K. 

summe 

IQ.K. 

1790  . 

.     3929  214  . 

.     .     6,3 

1840  . 

.     .  17069453  .     . 

.    8,1 

1800  . 

.     5308483  . 

.     6,7 

1850  . 

.     .  23191876  .     . 

.     9,1 

1810  . 

.     7239881  . 

.    6,8 

1860  . 

.     .  31443321  . 

.  10,5 

1820  . 

.     9633822  . 

.     7,3 

1870  . 

.     .  38558371  . 

.  11,6 

1830  . 

.  12866020  . 

.     7,8 
1874.    K. 

15-19. 

1)  Stat 

istical  Atlas  U.  S 

190  V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

Es  war  also  die  Ausdehnung  des  Gebietes  1870  5,3  mal  so 
gross  und  die  Bevölkerung  9,8  mal  so  zahlreich  als  1790;  die  Be- 
völkerungszahl war  also  nahezu  doppelt  so  rasch  gewachsen  als 
die  Zahl  der  Q.  K.  Demgemäss  verhält  sich  die  Bevölkerungs- 
dichtigkeit von  1870  zu  der  von  1790  wie  1,8  :  1,  Die  Vertheilung 
der  Bevölkerung  war  1870  etwa  folgende:  Es  bleiben  im  0.  ausser- 
halb des  mit  0,7  p.  Q.K.  besiedelten  Gebietes  bloss  noch  ein  Stück 
der  Adirondack-Region  im  n.  New  York,  die  w.  Hälfte  des  Staates 
Maine,  die  s.  Hälfte  von  Florida  sammt  einigen  dünnbevölkerten 
Strecken  an  der  Westküste  desselben  Staates.  Im  SW.  ist  ausser 
einem  breiten  Grenzstreifen  am  mittleren  Rio  Grande  und  zwischen 
dem  unteren  Laufe  desselben  Flusses  und  dem  Nueces  R.  ein 
sehr  dünnbevölkertes  Gebiet  an  der  Mündung  des  Sabine  R.  zu 
finden.  Im  NW.  findet  sich  die  Besiedelung  noch  unter  der  oben 
angegebenen  Grenze  der  Dichtigkeit  im  n.  Theil  der  Halbinsel 
Michigan,  im  n.  Wisconsin,  im  n.  und  w.  Minnesota.  W.  von 
99^  w.  L.  findet  sich  diese  Bevölkerungsdichtigkeit  nur  in  vier  ver- 
schiedenen von  einander  getrennten  Gruppen,  nämlich  in  einem 
schmalen  Streifen  längs  des  ö.  Abhanges  des  Felsengebirges  zwischen 
42  und  31^  n.  Br.,  am  ö.  Ufer  des  Grossen  Salzsees,  in  Californien 
und  in  Oregon,  Ansiedelungsgruppen,  die  zusammen  312000  Q.K. 
umfassen.  Wenn  die  letzteren  noch  immer  als  gewissermassen  vor- 
geschobene Posten  in  einem  zu  einem  erheblichen  Theile  überhaupt 
immer  nur  oasenartig  besiedelbaren  Theile  des  Landes  zu  betrachten 
sind,  so  reichte  die  Grenze  der  im  atlantischen,  Golf-  und  Mississippi- 
Gebiete  gelegenen  zusammenhängenden  Ansiedelungen  1870  von 
270  15'  zu  470  30'  n.  Br.  und  von  67^  bis  99^  45'  w.  L.  Im  W., 
wo  seit  70  Jahren  immer  die  grösste  Möglichkeit  der  Ausdehnung 
lag,  steht  demnach  die  sesshafte  Bevölkerung  heute  an  der  Natur- 
grenze zwischen  Prärie  und  Steppe,  jenseits  deren  erst  wieder  im 
Wirkungsbereich  der  Gebirgsflüsse  sich  neue  W^ohnstätten  finden, 
deren  Auffüllung  erst  seit  kaum  30  Jahren  begonnen,  aber  in 
Folge  davon,  dass  die  dortigen  Hauptanziehungspunkte  der  Ein- 
wanderer die  Lagerstätten  edler  Metalle  waren,  einen  sehr  unregel- 
mässigen Verlauf  genommen  hat.  Am  Atlantischen  Ocean  und  im 
Golf  hat  die  Bevölkerung  von   0,7  p.  Q.K.   fast  überall   die  Küste 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  191 

erreicht  und  im  N.  berührt  sie  ö.  vom  100.  Längegrad  nur  in 
verhältnissmässig  beschränkten  Bezirken  die  politische  Grenze  gegen 
Canada  noch  nicht.  Während  noch  genug  Strecken  vorhanden 
sind,  deren  Bevölkerung  bedeutend  dichter  werden  könnte,  ehe 
ihre  Dichtigkeit  auch  nur  die  der  dünnstbevölkerten  Gegenden  von 
Deutschland  erreicht,  sind  es  der  noch  fast  unbesiedelten  Striche 
jetzt  wenige  —  insgesammt  etwa  150000  Q.  K.  Neuerdings  ist  (von 
1875  an)  nur  eine  einzige  grössere  Ausbreitung  in  ganz  neuer 
Richtung  geschehen,  nämlich  die  Besiedelung  der  Black  Hills  in 
Dakota,  welchen  im  Sommer  1878  eine  Bevölkerung  von  gegen 
10000  Seelen  zugesprochen  wurde  *). 

Die  Aenderungen  in  der  Vertheilung  der  Bevölkerung  über 
Stadt  und  Land  ist  eine  weitere  bemerkenswerthe  Erscheinung 
in  der  Bevölkerungsbewegung  der  V.  St.  Die  städtische  Bevölkerung 
bildete  1790  Vso,  1800  V25,  1810  und  1820  V20,  1830  V16,  1840 
V12,  1850  Vs,  1860  Vg,  1870  über  Vs  der  Gesammtbevölkerung 
der  V.  St.  Diese  ausserordentliche  Vermehrung  der  städtischen 
Bevölkerung  vollzieht  sich  theils  durch  das  Anwachsen  derselben 
in  den  bestehenden,  theils  durch  das  Aufkommen  von  neuen 
Städten  2). 


1)  Das  Problem  des  BevöTkerungs-Mittelpunlctes  (Centre  of  Population)  hat, 
wiewohl  seine  Lösung  keinen  praktischen  Werth  zu  haben  scheint,  doch  die 
Statistiker  oder  mehr  eigentlich  die  Liebhaber  der  Statistik  in  den  V,  St.  öfters 
sehr  stark  beschäftigt.  Sie  verstehen  darunter  den  Punkt,  in  welchem  das 
Gleichgewicht  erreicht  würde,  wenn  man  sich  über  das  als  ganz  gleichmässig 
ebene  Fläche  gedachte  Land  die  Bevölkerung  so  vertheilt  denkt,  wie  sie  es  in 
dem  Zeitpunkt,  auf  den  die  Berechnung  sich  bezieht,  wirklich  ist,  wobei  aber 
ausserdem  noch  angenommen  wird,  dass  jedes  Individuum  dasselbe  Gewicht 
ausübe.  Man  findet,  wie  zu  erwarten,  eine  entschieden  w.  und  zuerst  auch  s., 
später  n,  Bewegung  dieses  Punktes,  wenn  man  seine  Lage  in  verschiedenen 
Zeiträumen  vergleicht.  1870  befand  er  sich  in  39«  12'  n.  Br.  und  83»  35'  w.  L., 
und  ist  von  1790 — 1870  um  nahezu  7V2  Längegrade  westwärts  gerückt. 

2)  In  demjenigen  Staate,  der  die  letzten  zuverlässigen  Bevölkerungszahlen 
geliefert  hat,  Massachusetts,  hat  zwischen  1865  und  75  eine  so  grosse  Verschie- 
bung zwischen  ländlicher  und  städtischer  Bevölkerung  stattgefunden,  dass  wäh- 
rend 1855  G0,1  Proc.  dem  Lande  angehörten,  1875  ihre  Zahl  nur  noch  49,3  Proc. 
betrug,  indem  die  Städte  21954  Bewohner  mehr  zählten  als  das  Land.  Das 
starke  Wachsthum  der  eigentlichen  Grossstädte  seit  1870  lässt  ähnliche  Er- 
scheinungen auch  in  anderen  Staaten  voraussetzen. 


192 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 


Beide  Arten    des  Wachsthums    zei 

?t  folgende 

Tabelle: 

Städte    mit 

Census- 

8000 

12000 

20000 

40000 

75000  125000|250000 

bis 

bis 

bis 

bis 

bis 

bis         bis 

über 

Summe 

jahr 

12000 

20000 

40000 

75000  125000|250000|500000|500000 

Einwohnern 

1790 

"1 

3 

1 

1 

6 

1800 

1 

3 

2 

6 

1810 

4 

2 

3 

2 

11 

1820 

3 

4 

2 

2 

2 

13 

1830 

12 

7 

3 

1 

1 

2 

26 

1840 

17 

11 

10 

1 

3 

1 

1 

44 

1850 

36 

20 

14 

7 

3 

3 

1 

1 

85 

1860 

62 

34 

23 

12 

2 

5 

1 

2 

141 

1870 

92 

63 

39 

14 

8 

3 

5 

2 

226 

Hierbei  sind  als  Städte  die  Ortschaften  von  8000  und  mehr  Einwohner 
gezählt.  Es  ist  jedoch  wohl  zu  merken,  dass  Stadt  und  Land  in  den  Y.  St. 
noch  nicht  die  strenge  Sonderung  zeigen ,  die  in  älteren  Ländern  hervor- 
tritt, wo  bei  dichter  zusammengedrängter  Bevölkerung  die  Landwirthschaft 
einen  geringeren  Bruchtheil  der  Bevölkerung  ernährt  und  mit  weniger 
durchgreifender  Arbeitstheilung  auch  eine  minder  scharfe  Sonderung  der 
Gesellschaft  in  Schichten  nach  Yerschiedenheit  der  Beschäftigung  und 
Wohnplätze  platzgreift.  Eine  Scheidung  von  Städten  und  Dörfern  in 
unserem  Sinne  gibt  es  dort  als  Regel  nicht.  Die  grosse  Mehrzahl  der 
Landwirthe  wohnt  inmitten  ihres  Landbesitzes  in  freistehenden  Höfen, 
ganz  wie  unsere  bäuerliche  Bevölkerung  im  Alpenland  und  in  Nieder- 
deutschland. Dörfer  im  deutschen  Sinn  haben  sich  in  den  ursprünglich 
allein  von  Deutschen  besiedelten  Gegenden,  dann  in  manchen  Theilen  des 
urspünglich  spanischen  W.  und  SW.  und  dort  entwickelt,  wo  die  Noth- 
wendigkeit  der  künstlichen  Bewässerung  zur  Vereinigung  der  Bevölkerung 
um  eine  Wasserader  zwang.  Aber  die  grosse  Mehrzahl  der  zusammen- 
hängenden Ansiedelungen  sind  Städte  oder  Städtchen,  da  jene  nur  da 
sich  entwickeln,  wo  eine  für  Verkehr  oder  Industrie  günstige  Lage  z» 
einer  Ansammlung  von  Store' s  (Kaufläden),  Gasthäusern  oder  Kneipen, 
Kirchen  und  Handwerksbetrieben  Veranlassung  geben.  Die  Strassenzüge 
und  Canäle,  vor  allen  aber  die  Eisenbahnen  sind  die  natürlichen  Förderer 
und  Anschlusskörper  solcher  Gebilde.  Die  bedeutende  Rolle,  die  bei  dem 
regelmässigen  grossen  Ueberschuss  der  landwirthschaftlichen  Erzeugung 
und  dem  Bedarf  der  Landwirthe  an  Verbrauchsgegenständen  aller  Art 
Handel  und  Verkehr  auch  in  den  rein  ackerbauenden  oder  viehzüchtenden 
Gegenden  spielen,  bewirkt  solche  Concentrationen  in  grosser  Zahl.     Aber 


V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung.  193 

an  sie  schliessen  sich  auch  Landwirthe  an  und  nicht  einmal  Städte  von 
8000  und  mehr  Einwohner  sind  von  rein  städtischer  Bevölkerung  be- 
wohnt *). 

Die  Statistik  der  Bevölkerung  nach  den  Wohnplätzen  kann  also  hier 
nicht  wie  in  vielen  Theilen  von  Europa  mit  der  nach  den  Hauptzweigen 
ihrer  Beschäftigung  zusammenfallen.  Was  die  letztere  anbetrifft,  so 
sind  nach  der  Zählung  von  1870  12  505923  von  der  gesammten  Bevölkerung 
zu  den  Beschäftigten  zu  rechnen  (10G69  639M.,  1836288  F.)  und  davon 
kommen  auf  die  Landwirthschaft  5  922471  (5525  503  M.,  396  968  F.),  auf 
Bergbau,  Fabriken  und  Gewerbe  2  707  421  (2353471  M.,  353  950  F.),  auf 
abhängige  Gehilfen-  und  Dienstbotenstellungen  2  684793  (1618121  M., 
1066  672  F.),  auf  Handel  und  Verkehrswesen  1191238  (1172  540  M., 
18698  F.).  In  diesen  verschiedenen  Classen  lassen  sich  wieder  folgende 
Hauptbeschäftigungen  unterscheiden:  Farmer  und  Pflanzer  2  977  711, 
Landarbeiter  2  885  996 ,  Arbeiter  ohne  besonderes  Gewerbe  1 031  666, 
Dienstboten  975  734,  Lehrer  136  570,  Ladendiener  222  504,  Fuhrleute 
und  Kutscher  120756,  Eisenbahnbedienstete  161401,  Schmiede  141774, 
Schuhmacher  171  127,  Zimmerleute  344596,  Arbeiter  in  Baumwollfabriken 
111606,  Bergleute  152107,  Schneider  und  Schneiderinnen  161820.  Be- 
merkenswerth  sind  auch  noch  folgende  Zahlen :  Regierungsbeamte  53  415, 
Ofticiere  2286,  Soldaten  22  081,  Bankiers  und  Makler  10631,  Agenten 
10499,  Geistliche  43  874,  Aerzte  82  383,  Zahnärzte  7839,  Handels- 
reisende 7262,  Hausirer  16975,  Authors  and  Lecturer  458,  Jäger  und 
Trapper  940,  Inventors  352,  Journalisten  5286. 

Anhang.  Zählungen  und  Schätzungen  seit  1870.  1875  wurden  als 
an  dem  der  Centennialfeier  der  Union  vorangehenden  Jahre  in  einer  grösseren 
Anzahl  von  Staaten  Zählungen  vorgenommen,  welche  folgende  Bevölkerungs- 
zahlen ergaben:-  Massachusetts  1651902,  Rhode  Island  258  239,  New 
York  4  705  208,  New  Jersey  1019413,  S.  Carolina  923447,  Texas  1275000, 
Louisiana  875039,  Iowa  1 350544,  Michigan  1 344031,  Wisconsin  1 236591, 
Minnesota  597  278,  Kansas  583373,  Nevada  52  236.  Der  Zuwachs  der 
Bevölkerung  in  diesen  13  Staaten  seit  der  Zählung  von  1870  beträgt 
2  378  387  Seelen.  Nimmt  man  an,  dass  die  Bevölkerung  der  ganzen  Union 
iiÄ gleichem  Masse  zugenommen  habe,  so  würde  für  1875  ein  plus  von 
6796000  sich  ergeben  und  als  Bewohnerzahl  der  Union  45  354000  Seelen, 
mit  328900  Indianern  und  den  27  500  Bewohnern  von  Alaska  45  700000 


1)  Anfangs  der  40  er  Jahre  wurde  Lyell  in  Cincinnati  ebensosehr  von  dem 
Ilantlelsgetreibe,  den  Werften,  den  Dampfern  als  den  frei  in  den  Strassen  um- 
herlaufenden Schweinen  in  Erstaunen  versetzt.  Damals  hatte  Cincinnati  50  000  E. 
(Lyell,  Travels  1845.  II.  72.)  Die  Vorstädte  von  Chicago  haben  noch  heute 
z.  Th.  einen  landwirthschaftlichen  Charakter. 


Eatzel,    Amerika  II. 


13 


194  V.  Statistik  der  weissen  Bevölkerung. 

Seelen*).  In  Missouri  ergab  eine  Staatszählung  von  1876,  welche  die  Stadt 
S.  Louis  ausliess,  1590030  Seelen.  „Annehmend,  heisst  es  in  dem  off. 
Bericht,  dass  die  Bevölkerung  von  S.  Louis  nicht  unter  450  und  nicht 
über  500000  sei,  erhält  man  als  Gesammtbevölkerung  des  Staates  im 
August  18G7  2050000  —  2100000.«  Für  Nebraska  wurde  die  Be- 
völkerung 1877  in  Berichten  an  die  Legislatur  auf  260000  angegeben^). 
Die  Bevölkerung  von  Washington  Territory  wurde  in  demselben  Jahre 
auf  rund  50000  veranschlagt.  Die  von  Californien  gab  man  für  Mitte 
1878  zu  750000  an  und  die  von  Dakota,  fast  gewiss  stark  übertrieben, 
auf  150000  Anfang  1879. 


1)  Nach  der  Zusammenstellung  in  Behm  und  Wagner,  Bevölkerung  der 
Erde.  Erg.-Heft  z.  Peterm.  Geogr.  Mitth.  Nr.  55.  1878.  Die  folgenden  Zahlen  nach 
verschiedenen  Quellen,  vorzüglich  nach  The  Annual  Cyclopedia  (New  York  1878). 

2)  Als  Beleg  für  die  weit  aus  einander  gehenden  Ansichten  über  die  Be- 
völkerung der  jungen  Staaten  sei  hier  angeführt,  dass  in  einer  grösseren  statisti- 
schen Mittheilung  über  Nebraska  die  N.  Y.  Handelszeitung  vom  24.  August  1878 
die  Bevölkerung  auf  100000  veranschlagte. 


Die  Verbreitung  \ 


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über  15"  lo 


Jagdgründe 


Chinesen. 


rbigen  Rassen. 


(Zu  Seite  195.) 


Neger. 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.—  Die  Chinesen. 

Entwickelung  der  Sklaverei  von  1620  — 1862  195.  Uebergang  zur  freien 
Arbeit  und  zur  Gleichberechtigung  203.  Statistik  der  Neger  seit  1776  206. 
Zahl  der  Mischlinge  209.  Wirthschaftliche  Entwickelung  210.  —  Die  chine- 
sische Einwanderung  215. 

Das  erste  Sklavenschiff,  welches  in  einen  Hafen  der  englischen  Colonien 
in  Nord -Amerika  einlief,  kam  1G20  mit  20  Sklaven  in  Jamestown  (Vir- 
ginien)  an.  Ein  Jahr  später  wurde  die  erste  Baumwolle  in  Nord-Amerika 
gebaut.  Dieses  war  der  Anfang  der  schwarzen  Sklaverei.  Eine  weniger 
auffallende  Form  von  Sklaverei  hatte  in  Form  bedingter  Dienstbarkeit  auf 
Grund  von  Contraktcn,  welche  arme  Einwanderer  zur  Ab  verdienung  ihrer 
Reisekosten  durch  Arbeit  verpflichteten ,  schon  früher  bestanden  *).  Die 
schwarze  Sklaverei  nahm  indessen  im  Anfang  nur  langsam  zu.  Noch 
30  Jahre  nach  dieser  ersten  Einfuhr  kamen  in  Virginien  50  Weisse  auf 
einen  Schwarzen.  Wenig  später  als  Virginien  erhielten  auch  die  anderen 
Colonien  schwarze  Sklaven.  In  New  Jersey  wurde  1665  sogar  eine  Prämie 
auf  die  Einfuhr  jedes  gesunden  Sklaven  gesetzt.  Selbst  die  Puritaner- 
Colonien  Neu -Englands  und  die  pennsylvanischen  Quäker  schlössen  die 
Sklaverei  nicht  aus^).  In  den  beiden  Carolina's  tritt  dieselbe  gleich  mit 
den  ersten  Anfängen  der  Colonisation  auf  und  hier  war  schon  damals  die 
rascheste  Vermehrung  zu  beobachten,  denn, in  wenigen  Jahren  verhielt 
sich  die  Zahl  der  Schwarzen,  damals  fast  ganz  ausnahmslos  Sklaven,  zu 
der   der  Weissen   wie   22  zu   12.     Georgia  ist  die   einzige   Colonie  des 


1)  Diese  zeitweilige  Verpfändung  der  gesammten  Arbeitskraft,  welche  oft 
genug  in  wirkliche  Sklaverei  fürs  Leben  ausartete,  traf  im  ganzen '18.  Jahr- 
hundert und  noch  bis  in  den  Anfang  des  19.  viele  von  unseren  deutschen  Lands- 
leuten, welche  zu  arm  waren,  um  ihre  üeberfahrt  in  klingender  Münze  zu  zahlen. 

2)  „Es  ist  der  unsterbliche  Ruhm  unserer  deutschen  in  Pehnsylvanien  ein- 
gewanderten Landslente,  dass  sie  zu  einer  Zeit,  wo  selbst  die  Gewissenhaftesten 
nichts  Anstössiges  in  der  Sklaverei  fanden,  entschieden  dagegen  auftraten.  Sie 
erklärten  es  im  Gegensatz  zu  den  Quäkern  für  unsittlich,  Sklaven  zu  halten 
und  reichten  im  Jahr  1688  bei  der  Assembly  von  Pennsylvanien  eine  Petition 
ein,  worin  sie  die  unbedingte  Abschaffung  der  Sklaverei  forderten."  (F.  Kapp 
Gesch.  der  Sklaverei  in  den  V.  St.  1856.  40.) 

13* 


196  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Cliinesen. 

Südens,  welche  die  Sklaverei  grundsätzlich  und  von  Anfang  an  ausschloss. 
Die  Negereinfuhr  wurde  hier  erst  1749  erlaubt.  Ucber  die  Zahl  der 
von  1620  an  in  das  Gebiet  der  13  Colonien  eingeführten  Sklaven  kann 
man  begreiflicherweise  nur  Schätzungen  anstellen.  Bancroft  nimmt  dieselbe 
von  1620—1740  auf  130000  und  von  da  bis  1776  auf  300000,  Carey 
insgesammt  auf  333000  an.  Sicher  ist,  dass  die  Einfuhr  und  Vermehrung 
von  Anfang  an  im  Süden  am  stärksten  waren.  Das  schon  damals  verhält- 
nissmässig  gut  bevölkerte  Massachusetts  zählte  1720  2000,  Connecticut 
1500  Sklaven.  Während  Virginien  ein  Jahr  nach  der  Unabhängigkeits- 
erklärung nicht  weniger  als  293427  zählte,  hatte  Vermont  in  demselben 
Jahre  deren  17.  Der  Census  von  1790  gab  die  Sklavenbevölkerung  der 
4  südlichen  Plantagen-Staaten  Virginien,  Nord-  und  Süd-Carolina  und  Georgia 
zu  567  527,  die  der  9  übrigen  Staaten,  also  der  sämmtlichen  nördlichen, 
zu  40370  an.  luden  letzteren  war  seit  dem  Anfang,  den  Vermont  1777 
gemacht,  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Sklaven  in  Freiheit  gesetzt  worden. 
Pennsylvanien  bestimmte  1780,  dass  alle  von  da  an  innerhalb  seiner 
Grenzen  geborenen  Personen  mit  ihrem  28.  Lebensjahre  frei  sein  sollten. 
Massachusetts,  Connecticut  und  Rhode  Island  schlössen  sich  kurz  darauf 
diesem  Schritte  an.  Selbst  in  Virginien  war  1778  die  fernere  Sklaven- 
einfuhr verboten  und  jede  Beschränkung  der  Emancipation  ^)  aufgehoben 
und  in  Nord-Carolina  die  weitere  Einfuhr  für  unpolitisch  und  verderblich 
erklärt  und  mit  einer  Steuer  belegt  worden.  Man  kann  sagen,  dass  der 
politische  Gegensatz  zwischen  freien  und  Sklavenstaaten,  zwischen  Norden 
und  Süden ,  dem  Revolutionszeitalter  nö'ch  gänzlich  fremd  war.  Der 
Contrast  zwischen  den  freiheitlichen  Bestrebungen  der  Bürger  und  ihrer 
Sklavenhalterei  kam  nur  allmählich  zum  Bewusstsein  ^).  Die  hervor- 
ragendsten Männer  jener  Zeit  gaben  die  Verwerflichkeit  der  Sklaverei  zu 
und  nur  über  das  grössere  oder  geringere  Mass  von  Entschiedenheit  oder 
Schonung  in  ihrer  Aufhebung  gingen  ihre  Meinungen  aus  einander.  Es 
war  der  nachfolgenden  wirthschaftlichen  Entwickelung,   vorzüglich   durch 


1)  „Die  Emancipation  einzelner  Sklaven  ward  in  den  V.  St.  vorzüglich  von 
wirthschaftlichen  Faktoren  bestimmt;  sie  hing  von  der  Baumwollenernte  und 
dem  Stande  des  Baumwollenmarktes  ab.  Als  zwischen  1800  und  1820  sich  der 
Baumwollenbau  fast  verdreifacht  hatte,  nahm  die  Emancipation  im  Verliältniss 
zum  vorhergehenden  Jahrzehnt  um  V^  ab.  Da  das  Baumwollengebiet  sich  von 
1820 — 30  nicht  ausdehnte,  so  nahmen  die  Freilassungen  wieder  zu.  Von  1830 — 40 
sank  sie  in  Folge  des  hohen  Preises  der  Baumwolle  um  mehr  als  die  Hälfte. 
Von  1840  —  50  hörte  sie  aus  demselben  Grunde  so  gut  wie  ganz  auf,  und  von 
1850—60  war  von  ihr  nur  ausnahmsweis  die  Rede".     (F.  Kapp  a.  a.  0.  138.) 

2)  „Es  gibt  nichts  Lächerlicheres  als  den  amerikanischen  Patrioten,  der 
mit  der  einen  Iland  die  Unabhängigkeitserldärungen  unterschreibt,  während  er 
mit  der  anderen  die  Geissei  über  seinem  Sklaven  schwingt."  (Winterbotham 
1795.  I.  206.) 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen.  197 

die  Steigerung  der  Baumwollenerzeugung,  vorbehalten,  den  Werth  der 
Sklaven  so  zu  erhöhen,  dass  ihre  Befreiung  in  den  sklavenreichen  Süd- 
staaten einen  unmittelbaren  Verlust  und  eine  Erschütterung  der  ganzen 
Grundlage  des  Wirthschaftslebens  darstellte,  der  man  sich  freiwillig  nicht 
mehr  unterziehen  konnte.  Natürlich  wurde  aber  die  Aufhebung  mit  jedem 
Jahr,  das  man  verzauderte,  schwieriger.  Und  ebenso  war  es  einer  nicht 
fernen  Zukunft  vorbehalten ,  durch  scharfe  Hervorkehrung-  politischer 
Gegensätze,  die  leidenschaftlich  auf  einander  trafen,  auch  den  wirthschaft- 
lichen  Gegensatz  zum  Bewusstsein  zu  bringen,  der  in  der  Grundverschie- 
denheit der  freien  und  der  Sklavenarbeit  bis  jetzt  noch  schlummerte. 
Die  Abstimmung  des  Congresses  am  23.  April  1784,  welche  den  Jefferson- 
schen  Antrag  verwarf,  dass  von  1800  an  die  Sklaverei  in  keinem  der 
Staaten  herrschen  dürfe,  welche  aus  dem  erst  noch  in  der  Besiedelung 
begriffenen  Gebiete  w.  der  Alleghanies  gebildet  werden  sollte,  war  die 
erste,  noch  unbestimmte  Mahnung  an  diesen  drohenden  Widerstreit.  1787 
wurde  für  die  künftigen  Staaten  des  NW.  die  Sklaverei  als  unzulässig 
erklart,  aber  die  Bestimmung  beigefügt,  dass  flüchtige  Sklaven  aus  anderen 
Staaten  ihren  Eigenthümern  auszuliefern  seien.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass 
nur  mit  diesem  Zusatz  das  Gesetz  die  Stimmen  der  Südstaaten  auf  sich  ver- 
einigen konnte,  und  würde  man  also  hier  das  erste  von  jenen  zahlreichen 
Compromissen  vor  sich  sehen,  welche  zwei  Menschenalter  lang  die  Unver- 
söhnlichkeit  der  Freiheit  und  Sklaverei  zu  verdecken  suchten.  Die  Sklaven- 
frage trat  bald  darauf  wieder  in  den  Verhandlungen  der  philadelphier 
Convention  über  die  Vertheilung  der  Bundesauflagen  hervor.  Man  stritt 
sich,  ob  die  ganze  Bevölkerung  der  Sklavenstaaten  oder  nur  die  freie 
bei  der  Vertheilung  der  Bundessteuern  und  der  Wahl  der  Vertreter  in 
Rechnung  zu  ziehen  sei,  und  es  wurde  festgesetzt,  dass  die  Sklaven- 
bevölkerung nur  zu  Vs  der  freien  gerechnet  werden  solle.  In  derselben 
Convention  wurde  wenig  später  das  1776  beschlossene  Verbot  der  Sklaven- 
einfuhr auf  Andringen  der  Südstaaten  bis  zum  Jahr  1808  ausser  Wirk- 
samkeit gesetzt.  1793  endlich  trat  in  die  Reihe  dieser  Compromisse 
noch  die  Bestimmung  ein,  dass  flüchige  Sklaven  auf  Antrag  des  Berech- 
tigten an  diesen  auszuliefern  seien.  1790  führte  eine  Quäkerpetition  um 
iVuf  hebung  der  Sklaverei  zur  Verweisung  der  Sklavenfrage  an  eine  Sonder- 
Commission,  deren  Bericht  zu  heftigen  Debatten,  aber  zu  nichts  anderem 
als  der  Befestigung  der  herrschenden  Zustände  führte.  Eine  erneute 
Petition  von  dieser  Seite  führte  1792  zu  einem  Versuch  südlicher  Ver- 
treter, das  Petitionsrecht  für  alle  mit  der  Sklaverei  zusammenhängenden 
Fragen  aufzuheben.  Als  Nord-Carolina  1790  sein  w.  Territorium  an  den 
Bund  abtrat,  wurde  ihm  die  Bedingung  zugestanden,  dass  der  letztere  die 
Sklaverei  in  demselben  nicht  aufheben  dürfe.  Damit  war  bestimmt,  dass 
Kentucky  ein  neuer  Sklavenstaat  sein  werde.  Dagegen  ging  1807  ein 
Beschluss    durch,    welcher  die  Aufhebung   der   Sklaverei  in   dem  neuen 


198  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Ciiinesen. 

Staate  Indiana  verfügte,  und  derselbe  kam  den  spater  sich  bildenden 
nw.  Staaten  Illinois,  Wisconsin  und  Michigan  ebenfalls  zu  gute.  Man 
versteht  einen  Hauptgrund  aller  dieser  auf  Befestigung  und  Ausdehnung 
der  Sklaverei  gerichteten  Bestrebungen,  wenn  man  erwägt,  dass  die 
Baumwollenausfuhr  des  S.,  welche  1790  und  91  kaum  5000  D.  bewerthet 
hatte,  1809  —  11  den  Werth  von  33  Mill.  D.  erreicht  hatte.  Auch  die 
Keis-,  Zucker-  und  Indigo-Erzeugung  des  S.  hatten  in  dieser  Periode  des 
grossen  wirthschaftlichen  Aufschwunges  grosse  Fortschritte  gemacht.  1803 
wurde  durch  die  Erwerbung  des  Mississippi -Thaies  das  Gebiet,  in  dem 
diese  Produkte  gedeihen,  gewaltig  erweitert.  Der  ungemein  raschen  Aus- 
beutung desselben  verdankt  der  S.  den  grössten  Theil  des  üebergewichtes, 
das  er  bis  zum  Anfange  der  20er  Jahre  hinsichtlich  der  Aufnahme  neuer 
Staaten  bewahrte.  Während  1803  —  21  Louisiana,  Mississippi,  Alabama 
und  Missouri  aufgenommen  wurden ,  erhielt  der  N.  in  dieser  Zeit 
nur  Indiana  und  Illinois,  deren  Hülfsquellen  damals  in  den  allerersten 
Anfängen  der  Entwickelung  sich  befanden.  In  der  Verfolgung  dieses 
Systems  sahen  sich  die  Pflanzer  zu  immer  weiterer  Ausbreitung  gezwungen. 
Das  Streben  nach  neuem  Landgewinn  wurde  dadurch  zu  einem  der 
wesentlichsten  Grundsätze  der  Partei  des  S.  und  der  Sklaverei^).  Sie 
war  es,  die  1821  zur  Erwerbung  Florida's  und  später  zur  Aneignung 
von  Texas  und  allen  n.  vom  33.  Grad  gelegenen  Ländern  der  mexikani- 
schen Republik  führten.  Der  Einnlengung  in  die  mittelamerikanischen  und 
westindischen  Verhältnisse  lag  derselbe  Trieb  zu  Grunde.  1807  wurde, 
entsprechend  den  schon  früher  gegebenen  Bestimmungen,  die  Sklaven- 
einfuhr von  1808  an  verboten.  Staaten  mit  grossem  Bedarf  hatten  freilich 
vorgesorgt  und  Süd-Carolina  hatte  allein  von  1804  —  8  zwischen  40  und 
50000  Sklaven  eingeführt.  Doch  war  mit  diesem  Verbote  dem  Sklaven- 
handel im  Inneren  der  Union  nichts  geschadet,  sondern  vielmehr  nur 
genützt.  Den  Ausfall  in  der  Einfuhr^)  suchte  man  durch  sorgfältige 
Züchtung  von  Sklaven  zu  ersetzen,  die  mit  der  Zeit  in  gewissen  Staaten 
mit  eben  so  viel  Virtuosität  geübt  wurde  wie  irgend  ein  Zweig  der  Vieh- 
zucht. Man  unterschied  bald  die  Sklavenstaaten  in  sklavenzüchtendc 
und  sklavenabnehmende.  Unter  jenen  stand  Virginien,  das  kurz  vor  dem 
Bürgerkrieg  eine  jährliche  Ausfuhr  von  6  —  8000  aufzuweisen  hatte,  in 
erster  Linie;  ausserdem  zählte  man  dazu  Maryland,  Delaware,  Kentucky, 
Tennessee,  Nord- Carolina  und  Missouri.  1850  verkauften  diese  sklaven- 
züchtenden Staaten  40000  Köpfe  ihres  Produktes.    Den  grössten  Verbrauch 


1)  „Räumliche  Ausbreitung  ist  eben  so  nothwendig  für  das  vermehrte  Wohl- 
befinden des  Sklaven  als  für  den  Wohlstand  des  Herrn"  sagte  R.  Toombs  1856 
in  einer  Rede  zu  Boston.    (V.  Holst,  Verfassung  etc.  I.  295.) 

2)  Uebrigens  wurden  unter  der  Hand  noch  immer  Sklaven  genug  eingeführt. 
1818  z.  B.  in  Alabama  und  Georgia  14000.     (F.  Kapp  a.  a.  0.  138.) 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  — Die  Chinesen.  199 

von  Sklaven  hatten  natürlich  diejenigen  Südstaaten,  welche  bei  Ueberfluss 
an  gutem  Boden  nur  eine  dünne  Bevölkerung  besassen  und  in  Folge  davon 
einen  ausgedehnten,  aber  oberflächlichen  Ackerbau  trieben:  früher  Loui- 
siana, Mississippi,  Alabama,  später  noch  Texas  und  Arkansas.  Das  wohl- 
gemeinte Einfuhrverbot  trug  also  das  seine  dazu  bei,  dem  Neger  einen 
höheren  Werth  zu  verleihen,  und  es  ist  nicht  zufällig,  dass  eine  wachsende 
Werthschätzung  der  ganzen  eigenthümlichen  Institution  vorzüglich  von  der 
Zeit  seines  Inkrafttretens  sich  datirt  ^).  Die  Bestrebungen  nach  Aufhebung 
oder  Milderung  der  Sklaverei  starben  im  S.  fast  vollständig  aus.  In 
den  meisten  der  Südstaaten  wurde  die  Freilassung  verboten  oder  er- 
schwert. In  Süd-Carolina  wurde  jede  Versammlung  von  freien  Farbigen, 
Negern  wie  Mischlingen,  selbst  wenn  Gottesdienst  oder  Unterricht  ihr 
Zweck  war,  verboten.  Virginien  hatte  schon  nach  einigen  kleinen  Neger- 
aufständen in  1799  und  1801  jeden  Unterricht  der  Neger  verboten^)  und 
hier  wie  in  mehreren  anderen  Staaten  wurde  der  Aufenthalt  der  freien 
Neger  beschränkt  oder  verboten. 

In  der  kriegerischen  Periode,  welche  diesem  bemerkenswerthen  Jahre 
1808  folgte,  hatten  die  beiden  Motive  des  gesteigerten  Bedarfes  an  Arbeits- 
kräften in  Folge  der  rasch  fortschreitenden  wirthschaftlichen  Entwickelung 
und  der  Werth erhöhung  der  Sklaven  durch  Hemmung  der  Einfuhr  alle 
Zeit   sich  geltend  zu  machen.     Dazu  war  in  den  Wirren  der  Zeit   der 


1)  Das  Gefühl  jedoch,  dass  mit  dieser  Institution  nicht  alles  im  Richtigen 
sei,  verwischte  sich  nicht  so  leicht.  So  wurde  z.  B.  der  Ausdruck  Sklave  in 
den  Sklaven  Staaten  geflissentlich  vermieden;  man  sprach  von  our  hands,  our 
'people,  tlie  hands,  the  negroes  u.  s.  f.  Man  fühlte  das  Hässliche  an  der  Sache 
und  gestand  es  stillschweigend  zu.  Schon  in  den  30  er  Jahren,  also  in  der  Blüthe- 
zeit  der  Sklaverei ,  agitirte  man  in  Charleston  und  mehreren  anderen  Hauptorten 
des  S.  für  Verlegung  der  Sklavenmärkte  nach  möglichst  entlegenen  Oertlichkeiten. 
(Vgl.  H.  Martineau  Society  in  America  II.  161.)  Später  schwang  man  sich  aller- 
dings weit  über  diesen  schamhaften  Standpunkt  empor  und  in  den  50  er  Jahren 
gab  es  eine  ganze  Literatur,  die  aus  Bibel,  Philosophie  und  Naturwissenschaft 
die  Sklaverei  zu  rechtfertigen  suchte.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  die  aus  der 
Verfechtung  dieser  Institution  entspringende  Anregung  zu  vergleichend  anato- 
mischen Untersuchungen  über  die  Negerrasse  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Ent- 
wickelung der  Wissenschaft  von  den  Rassenunterschieden  und  der  Kraniologie 
geblieben  ist.  (Vgl.  z.  B.  Nott  und  Gliddon.)  Featherstonehaugh  gibt  gute  Bei- 
spiele der  tvissenschaftUchen  Begründung  der  Sklaverei  in  seiner  Excursion  in 
the  Slave  States  1845.  II.  342  u.  a. 

2)  Das  Resultat  dieser  traurigen  Politik  bildet  noch  heute  eine  der  haupt- 
sächlichsten Schwierigkeiten,  die  allen  Versuchen  zur  Hebung  der  Farbigen 
entgegenstehen.  Der  Congress-Abgeordnete,  später  Senator,  0.  P.  Morton  schätzte 
1865  in  einer  Rede  zu  Richmond  Ind.  die  Bruchzahl  der  Neger,  welche  lesen 
können,  auf  Vs  Proc,  ihr  Durchschnittseigenthum  auf  5  D.  p.  Kopf  und  scheint 
sich  damit  keiner  erheblichen  Uebertreibung  schuldig  gemacht  zu  haben. 


200  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

Sklavenhandel  wieder  aufgelebt  und  selbst  freie  Neger  wurden  in  freien 
Staaten  gefangen,  um  in  den  Sklavenstaaten  verkauft  zu  werden.  Diese 
Rechtsverletzung  führte  zuerst  wieder  im  Congress  von  1817  zu  einer 
lebhaften  Debatte  über  die  Sklavenfrage.  Zahlreiche  Fälle  von  Ent- 
weichungen von  Sklaven,  die  bei  den  Indianern  von  Florida  Schutz  suchten , 
riefen  jene  Verwickelungen  mit  den  spanischen  Behörden  in  Florida 
hervor,  welche  formell  mit  der  Erwerbung  dieser  Colonie  im  Jahr  1821 
endigten,  aber  in  den  Seminolen  -  Kriegen ,  den  langwierigsten  und  kost- 
spieligsten von  allen  Indianer- Kriegen,  welche  die  V.  St.  geführt  haben, 
sich  bis  1842  fortsetzten.  1817  war  eine  Colonisationsgesellschaft  gegründet 
worden,  deren  Ziel  die  Ueberführung  freier  Neger  nach  Afrika  war. 
Weniger  Humanität  als  der  Wunsch,  sich  dieser  gefährlichen  Elemente 
zu  entledigen,  Hess  diese  Bestrebung  auch  von  den  Sklavenstaaten  aus 
Unterstützung  finden.  Das  Resultat  war  die  bekannte  Neger  -  Republik 
Liberia,  welche  sich  unter  amerikanischem  Schutze  zwar  langsam,  aber 
jedenfalls  besser  entwickelt  hat,  als  man  gewöhnlich  glaubt.  Sie  empfing 
von  1819  an  gegen  10000  farbige  Einwanderer  und  zählt  heute  über  700000 
Einw.  auf  einem  Gebiete  von  450  Q.  M.  In  den  Congressen  von  1818  und 
1819  bildete  die  Sklaverei  einen  Hauptgegenstand  lebhafter  Debatten,  welche 
an  die  Frage  anknüpften,  ob  Missouri  als  freier  oder  als  Sklavenstaat 
zuzulassen  sei.  In  diesen  Debatten  gewann  die  Sklavenfrage  immer  mehr 
die  Gestalt  einer  zwischen  Nord  und  Süd  schwebenden  Principienfrage, 
in  welcher  zwei  ungefähr  gleich  starke  Hälften  der  Union  scharf  ent- 
gegengesetzte Punkte  vertheidigten.  Das  Missouri  -  Compromiss  (1820), 
welches  den  Staat  Missouri  als  Sklavenstaat  zuliess,  um  dagegen  aus 
dem  Gebiet  n.  von  36"  30'  n.  Br.  die  Sklaverei  für  alle  Zeiten  auszu- 
schliessen,  schloss  diese  Kluft  nicht,  sondern  überbrückte  dieselbe  nur 
mit  einer  wenig  dauerhaften  Vermittelung.  In  demselben  Jahre  war  die 
Zahl  der  Sklaven  in  den  V.  St.  auf  1  V3  Mill.  gestiegen.  Wie  jene  Kluft 
in  einer  Anzahl  von  Fragen,  welche  in  keiner  offenen  Beziehung  zur 
Sklavenfrage  standen,  wie  der  des  Zolltarifes  und  der  inneren  Verbesse- 
rungen, sich  wieder  öffnete,  um  immer  schwieriger  überbrückt  zu  werden, 
ist  in  dem  geschichtlichen  Abriss  (s.  0.  S.  82  f.)  hervorzuheben  gesucht. 
Aber  jetzt  nahm  sie  zum  ersten  Mal  durch  eine  Agitation,  die  aus  dem 
alten  Widerwillen  streng  denkender  Religionsgesellschaften  (der  Quäker 
in  erster  Reihe)  gegen  die  Sklaverei  in  jeder  Form,  aus  der  Empörung 
weiterer  Kreise  gegen  die  von  derselben  unzertrennlichen  Grausamkeiten, 
endlich  aus  der  Anregung  hervorging  ,  welche  die  englische  Abolitions- 
bewegung  gab,  die  Bedeutung  einer  in  die  Tiefe  und  Breite  des  Volkes 
hineingetragenen  Principienfrage  an.  Mit  der  Gründung  der  ersten 
Abolitionistengesellschaft,  1831,  und  der  ersten  bereits  aus  10  nördlichen 
Staaten  besuchten  Versammlung  derselben,  1833,  fing  die  gründliche 
Scheidung    der  Gesinnungen   über    diese  Frage    an,    welche    schon    nach 


^  yi.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen.  201 

einem  Viertel  Jahrhundert  die  ganze  Nation  in  zwei  feindliche  Hälften  zu 
theilen  vermochte.  Tappan  und  Garrison  waren  es,  die,  von  religiöser 
Schwärmerei  getrieben,  sich  von  Anfang  an  an  die  Spitze  der  Bewegung 
stellten.  Ihre  Ueberschwemmung  des  Südens  mit  abolitionistischen  Druck- 
schriften rief  von  Seite  des  Südens  zunächst  den  Versuch  hervor,  die  Ver- 
letzung des  Postgeheimnisses  gesetzlich  zu  machen,  1836;  dann  kam  der 
berüchtigte  Ätherton  Gag,  eine  Bestimmung,  welche  die  Nichtberücksichtigung 
jeder  auf  die  Sklaverei  bezüglichen  Petition  seitens  des  Congresses  vor- 
schrieb, 1838;  ferner  die  Verletzung  des  Missouri  -  Compromisses  durch 
Hinzufügung  einer  ursprünglich  nicht  zum  Staate  gehörigen  Indianer- 
Reservation  und  die  Zulassung  von  Arkansas  unter  der  Bedingung,  dass 
seine  Gesetzgebung  niemals  zur  Emancipation  der  Sklaven  schreiten  dürfe, 
beide  1835/36  im  Congress  durchgesetzt.  Behufs  Ausdehnung  des  Sklaverei- 
gebietes und  Beseitigung  eines  durch  Aufhebung  der  Sklaverei  doppelt 
unbequem  gewordenen  Nachbarn  (in  Mexico  war  1824  die  Sklaverei  unbe- 
dingt aufgehoben  worden)  wurde  1835  unter  Vorwissen  der  Bundes- 
regierung die  Unabhängigkeit  von  Texas  erklärt  und  diese  Unabhängigkeit 
1837  von  den  V.  St.  anerkannt.  Die  1845  vom  Congress  beschlossene 
Zulassung  von  Texas  in  die  Union  rief  den  Krieg  mit  Mexico  (1847 — 48) 
hervor,  durch  welchen  die  V.  St.  nicht  bloss  Texas,  sondern  ausserdem 
das  ganze  bis  dahin  mexikanische  Land  n.  vom  33.  Breitengrad  erwarben. 
Der  Versuch,  die  Sklaverei  in  Californien  oder  anderen  der  neugewonnenen 
Gebiete  einzuführen,  misslang  und  ein  Compromiss  von  1850  stellte  die  Zu- 
lassung des  ersteren  Staates  mit  seiner  die  Sklaverei  bereits  ausschliessenden, 
die  Neu-Mexico's  und  Utah's  mit  oder  ohne  Sklaverei,  wie  die  bez.  Ver- 
fassungen es  bestimmen  würden,  fest.  Durch  dasselbe  wurde  auch  der 
Sklavenmarkt  aufgehoben,  der  unter  den  Augen  der  Bundesregierung  bis 
dahin  in  Washington  geblüht  hatte.  Der  wichtigste  Punkt  indessen  dieses 
Compromisses  war  das  sog.  Sklavenjagd-Gesetz,  welches  die  Aufstöberung 
und  Zurückführung  entflohener  Sklaven  in  jedem  Staate  der  Union  gestattete. 
Allerdings  war  seit  der  Antisklaverei- Agitation  die  Zahl  der  flüchtigen 
Sklaven  nur  immer  gewachsen^),  aber  doch  war  der  praktische  Nutzen 
dieses  Gesetzes  gering  im  Vergleich  zu  der  aufregenden  Wirkung,  die  es 
im  N.  hervorrief.  „Statt  eines  Oelzweiges  erwies  es  sich  als  Feuerbrand." 
Die  Sklavenjagden  mit  ihren  Aufruhr-  und  Blutscenen  haben  sehr  viel 
dazu  beigetragen,  die  Gemüther  im  N.  gegen  die  Sklaverei  zu  entflammen. 
1844  trat  zum  ersten  Mal  eine  entschiedene  Antisklaverei  -  Partei  auf, 
aus  welcher  die  Freibodenmänner  (Freesoilers)  hervorgingen,  welche  1848 


1)  In  Canada  lebten  1851  2113  und  1861  8010  Neger  bzw.  Mulatten. 
Diese  starke  Vermehrung  in  10  Jahren  ist  natürlich  nur  theilweise  den  natür- 
lichen Ursachen  zuzuschreiben.  Ein  nicht  geringer  Theil  davon  kommt  auf 
Rechnung  der  flüchtigen  Sklaven  aus  den  V.  St. 


202  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

mit  291000,  1852  mit  156  000  Stimmen  in  die  Präsidentenwahlen  ein- 
traten. Der  Streit  um  die  Nebraska-Bill  (1854 — 57),  welcher  in  Kansas 
zu  blutigen  Auftritten  führte,  machte  diese  Partei  aus  einer  Nebenpartei 
zu  einer  der  ersten.  Unter  dem  Namen  der  republikanischen  zog  sie  alle 
gegen  die  Sklaverei  gestimmten  Elemente  an  sich  und  trat  der  Sklaven- 
halterpartei bei  der  Wahl  von  1856  mit  IV3  Mill.  Stimmen  entgegen.  Sie 
unterlag  dieses  Mal  noch  gegen  Buchanan,  den  Candidaten  des  S.  Noch 
ehe  Buchanan  sein  Amt  antrat,  erging  vom  Oberbundesgericht  die  Ent- 
scheidung in  einer  Klage,  welche  für  die  mit  der  Sklavenfrage  in  Verbin- 
dung stehenden  Rechtsfragen  von  grosser  Bedeutung  war.  Dred  Scott, 
ein  Sklave  aus  Missouri ,  welcher  mit  seinem  Herrn  2  Jahre  in  Blinois 
gewohnt  hatte,  forderte  nach  seiner  Rückkehr  nach  Missouri  die  Frei- 
lassung, weil  er  in  dem  die  Sklaverei  verbietenden  Staate  Blinois  von  selbst 
frei  geworden  sei.  Die  abweisende  Entscheidung  des  Oberbundesgerichtes 
sprach  es  klar  aus,  dass  „der  Neger  ein  Wesen  niederer  Ordnung,  unfähig 
mit  der  weissen  Rasse  in  moralischen  oder  politischen  Beziehungen  gleich- 
gestellt zu  werden",  und  bezeichnet  ihn  als  „so  niedrig,  dass  er  keine 
Rechte  besitzt,  welche  der  weisse  Mann  zu  beachten  verpflichtet  ist".  Es 
war  dies,  zusammen  mit  den  Folgerungen,  welche  amtlich  aus  dieser 
Entscheidung  gezogen  wurden,  eine  Dogmatisirung  der  extremsten  Sklaven- 
halteransichten, welche  denselben  gesetzliche  Geltung  in  allen  Theilen  der 
Union  verschaffen  zu  wollen  schien.  Dieser  Dred  Scott -Fall  hat  nicht 
wenig  dazu  beigetragen,  die  Ansichten  über  die  Gefährlichkeit  einer  ferneren 
Vorherrschaft  der  Sklavenhalterpartei  zn  klären.  An  dem  wichtigen  Er- 
gebniss  der  Wahlen  von  1860  hat  diese  Erklärung  ihren  sehr  wesentlichen 
Antheil.  Die  nächsten  Folgen  derselben  und  der  Verlauf  des  die  Lösung 
der  Sklavenfrage  entscheidenden  Bürgerkrieges  sind  in  dem  „Geschicht- 
lichen Ueberblick"  (S.  49  f.)  dargelegt.  Noch  im  Jahre  vorher  hatte  jener 
unbesonnene,  aber  heroische  Angriff  des  nordisclien  Abolitionisten  John 
Brown,  des  von  Kansas  her  bekannten,  auf  Ilarpers  Ferry  Virg.  stattge- 
funden. Brown  stand  an  der  Spitze  von  einigen  Weissen  und  flüchtigen 
Sklaven  und  sein  Zweck  war,  die  Sklaven  des  S.  zum  Aufstand  und  zur 
Befreiung  zu  reizen.  Er  wurde  am  2.  December  1859  gehängt.  Sein 
Tod  wurde  in  vielen  Theilen  des  N.  wie  ein  Martyrium  beklagt  und  ge- 
feiert. Weitersehende  erblickten  den  Vorboten  des  unvermeidlich  gewor- 
denen Bürgerkrieges  in  demselben.  Die  Sklavenfrage  trat  im  Anfang  des 
Bürgerkrieges  nicht  in  den  Vordergrund.  Im  Mai  1861  bifligte  die  Bundes- 
regierung den  Schritt  des  in  Ft.  Monroe  befehlenden  Generals  Butler, 
welcher  sich  weigerte,  Sklaven  an  den  Befehlshaber  der  virginischen 
Truppen  auszuliefern.  August  1861  erklärte  Gen.  Fremont  in  Missouri 
die  Sklaven  derjenigen  für  frei,  welche  die  Waffen  gegen  die  Union  er- 
griffen hatten.  Die  Bundesregierung  widerrief  diese  Erklärung.  März 
1862  verbot  ein  Gesetz  den  Officieren  der  Bundestruppen,  ihre  Kräfte  zur 


VI,  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen.  203 

Rückbringung  flüchtiger  Sklaven  zu  verwenden.  April  1862  wurde  die 
Sklaverei  im  District  Columbia  aufgehoben,  aber  kurz  darauf  ein  Befehl 
des  Gen.  Hunter  widerrufen,  der  die  Sklaven  in  S.  Carolina,  Georgia  und 
Florida  frei  erklärt  hatte.  17.  Juli  1862  wurde  ein  Gesetz  erlassen,  das 
die  Sklaven  aller  in  Waffen  stehenden  Conföderirten  unter  einigen  Be- 
dingungen frei  erklärte.  22.  September  desselben  Jahres  wurde  die 
Sklaverei  in  den  Südstaaten  aufgehoben,  sofern  dieselben  nicht  vor  dem 
1.  Januar  1863  zum  Bunde  zurückkehrten.    Endlich  wurde  am  1.  Januar 

1863  vom  Präsidenten  Lincoln  die  Verkündigung  der  Freilassung  aller 
Sklaven  in  den  Südstaaten  (mit  Ausnahme  des  bundestreu  gebliebenen 
West-Virginien)  veröffentlicht.  Dieselbe  bestimmte  gleichzeitig,  dass  die 
früheren  Sklaven  in  die  Armee  und  Marine  eingereiht  werden  könnten. 
Kurz  darauf  erklärte  sogar  die  kleine  Nation  der  Cherokees  ihre  Sklaven 
frei  und  am  1.  Juli  desselben  Jahres  that  die  Constitutional  Convention 
von  Missouri  das  Gleiche  unter  gewissen  Bedingungen.  1.  März  1864 
wurde  das  Freedmen's  Bureau  in  Washington  gegründet.  Dasselbe  hatte 
in  allen  Fragen  bezüglich  der  Freigelassenen  zu  bestimmen  und  vorzüglich 
Massregeln  zu  treffen  für  ihre  Beschäftigung,  Behandlung  etc.  auf  ver- 
lassenen Pflanzungen.  8.  April  1864  nahm  der  Senat  mit  38  gegen  6 
einen  Zusatz  zur  Verfassung  an,  welcher  die  Sklaverei  in  den  V.  St. 
aufhob.  31.  Januar  1865  folgte  das  Repräsentantenhaus  mit  103  gegen  16. 
28.  Juni  1864  wurde  ein  Gesetz  erlassen,  das  die  früheren  Bestim- 
mungen   von   1793  und  1850  über  flüchtige  Sklaven   aufhob.     Decejnber 

1864  erklärte  der  Präsident  in  seiner  Botschaft,  unter  keiner  Bedingung 
die  Sklavenbefreiung  rückgängig  machen  zu  wollen.  Louisiana  und 
Arkansas  hatten  im  Lauf  des  Jahres  in  ihren  Conventionen  die  Sklaverei 
aufgehoben.  Im  März  1865  befahl  der  Congress  der  Conföderirten  als 
eines  der  letzten  Mittel,  nachdem  schon  Savannah,  Charleston  und  Co- 
lumbia S.  C.  gefallen  waren,  die  Bewaffnung  der  Sklaven,  allerdings  mit 
dem  Beisatz:  „Nichts  in  diesem  Gesetze  soll  ausgelegt  werden,  als  ob  es 
die  bestehenden  Beziehungen  zwischen  Herrn  und  Sklaven  ändere." 

Es  ist  viel  gesprochen  worden  über  den  Charakter  der  Skla- 
verei in  den  V.  St.  im  Gegensatz  zu  anderen  Sklavenstaaten  und  be- 
sonders Cuba.  Hier  wie  in  allen  romanischen  und  katholischen  Ländern 
war  allerdings  die  Kluft  zwischen  Sklaven  und  Herren  nie  so  tief  wie  bei 
den  germanischen  Nordamerikanern.  Der  Grund  liegt  hauptsächlich  in 
dem  verhältnissmässig  geringeren  Rassengegensatz,  der  z.  B.  zwischen 
Südspaniern  und  Mulatten  manchmal  unbedeutend  ist,  dann  in  dem 
Schutze,  den  die  Kirche  den  Sklaven  angedeihen  Hess,  endlich  in  dem  an 
und  für  sich  lässigeren  Charakter  der  Romanen,  der  nicht  so  strenge 
Anforderungen  an  die  Arbeitskraft  seiner  Untergebenen  stellt  wie  der 
thätigere  und  principiellere  Germane.  Freilich  hebt  aber  auf  der  anderen 
Seite  die  im  Durchschnitt  niedrigere  Cultur  und  das  heisse  Blut  des  Ro- 


204  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

manen  viele  von  den  Yortheilen  auf,  die  aus  jenen  anderen  Gründen 
seinen  Sklaven  zufallen.  Nach  allen  Urtheilen  ist  die  Sklaverei  in_  den 
V.  St.  gründlicher  und  rationeller  ausgebeutet  worden,  vorzüglich  auch  die 
Sklavenzüchtung,  als  in  anderen  Sklavereigebieten,  und  war  die  Behand- 
lung des  als  Arbeitsmaschine  betrachteten  Sklaven  schon  dadurch  eine 
weniger  milde.  Die  betreffende  Literatur  ist  natürlich  auf  beiden  Seiten, 
soweit  sie  amerikanischen  Ursprungs,  sensationell  und  reich  an  Ueber- 
treibungen,  aber  es  liegen  genug  Berichte  unparteiischer  Beobachter  vor, 
welche  jenes  bestätigen.  Lyell,  der  im  Allgemeinen  die  Sklaverei  auf 
grossen  und  gutgeleiteten  Gütern  von  einer  sehr  guten  Seite  kennen  lernte, 
meint,  dass  die  Südländer,  die  mitten  in  dieser  Institution  aufgewachsen 
seien,  in  ihrem  eigenen  Interesse  der  Tradition  milder  und  menschlicher 
Behandlung  der  Sklaven  folgten.  „Aber  die  Verantwortlichkeit  der  Eigen- 
thümer  ist  gross  und  es  ist  keine  leichte  Aufgabe,  eine  Pflanzung  mit 
Vortheil  zu  führen :  so  viel  ürtheil  und  eine  solche  Mischung  von  Festigkeit, 
Milde  und  Geduld  werden  erfordert.  Die  Uebel  der  Sklaverei  sollen  am 
schärfsten  hervortreten,  wenn  neue  Ansiedler  aus  den  freien  Staaten 
kommen:  Nordländer,  die  den  Wunsch  hegen,  rasch  ein  Vermögen  zu 
machen,  die  in  ungesundem  Klima  ihr  eigenes  Leben  aufs  Spiel  setzen 
und  die  keine  Entschuldigung  finden  für  die  Abneigung  der  Neger  gegen 
andauernde  Arbeit  und  eben  so  wenig  einen  Grund  haben,  demselben 
weniger  Anstrengung  zuzumuthen.  Wer  aber  in  Georgia  frisch  von  Europa 
anko;nmt  mit  einer  lebhaften  Vorstellung  von  dem  Zustand  der  Bauern  in 
manchen  volkreichen  Gegenden,  ihrer  Unwissenheit,  Unmässigkeit  und 
Kurzsichtigkeit ,  der  Schwierigkeit ,  mit  der  sie  ihren  Lebensunterhalt 
gewinnen,  und  der  geringen  Möglichkeit  ihr  Los  zu  verbessern,  dem  wird 
der  Zustand  der  Sklaven  auf  einer  solchen  Pflanzung  nur  geringen 
Grund  zu  Mitleid  oder  Klage  geben"  ^).  Hier  handelt  es  sich  um  ein 
sehr  günstiges  Beispiel.  In  Louisiana  muss  derselbe  Reisende  anerkennen, 
dass  die  Behandlung  der  Sklaven  sehr  stark  abhängt  von  dem  Cultur- 
stande  der  Weissen^).  Und  andere  Reisende,  die  kleinere  Pflanzungen 
besuchten,  haben  ganz  andere  Eindrücke  empfangen.  So  Harriet  Martincau, 
welche  allerdings  wohl  die  Dinge,  die  sie  nicht  liebt,  etwas  zu  stark 
grau  in  Grau  malt.  Einmal  schreibt  sie:  „Die  kleinen,  unreinlichen,  ver- 
rauchten Hütten,  die  Kinder,    die  um  den  Herd  herumkriechen,    das  ver- 


1)  Second  Visit  to  the  U.  S.  I.  262. 

2)  Ebendas.  II.  125.  Der  Gegensatz,  der  in  der  Behandlung  der  Sklaven 
zwischen  Völkern  romanischen  und  germanischen  Stammes  überall  obwaltete, 
zeigte  sich  auch  hier.  In  Louisiana  waren  die  französischen  Kreolen  als  milde 
Herren  bekannt,  aber  sie  hatten  kein  System  in  der  Art,  wie  sie  ihre  Sklaven 
hielten  und  vermehrten,  und  zogen  in  Folge  davon  keinen  so  grossen  Gewinn 
aus  der  Sklaverei  wie  die  Amerikaner.  Auch  kamen  von  Seiten  der  Kreolen 
viel  mehr  Freilassungen  vor  und  waren  die  Vermischungen  häufiger. 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei    —  Die  Chinesen.  205 

thierte  Wesen  der  Erwachsenen,  die  mehr  als  kindischen,  halb  thierischen 
Neigungen  und  Ergötzungen  der  Alten  machen  einen  bemühenden  Ein- 
druck. .  .  .  Ein  Gang  durch  ein  Irrenhaus  ist  weniger  peinlich  als  ein 
Resuch  in  dem  Sklavenviertel  einer  Pflanzung."*)  Und  ein  ander  Mal:  „Man 
pflegt  die  niedrigsten  dieser  Sklaven  thierisch  von  Ansehen  zu  nennen. 
In  mancher  Beziehung  sind  sie  es;  aber  nie  sah  ich  bei  einem  Thiere 
einen  so  niedrigen,  so  verlorenen  Ausdruck  wie  hier.  Etwas  Leben  und 
Regung  spricht  aus  jedem  Thier  und  selbst  das  träge  Schaf  zeigt  etwas 
mehr  Lebensfreude  als  in  dem  theilnahmloscn  und  unsicheren  Blick  eines 
geängstigten  und  gedrückten  Sklaven  zu  finden"  ^).  Den  unparteiischen 
Beobachter  wird  weder  die  eine  noch  die  andere  Schilderung  daran  irre 
machen,  dass  die  Sklaverei  nicht  nach  der  wechselnden  Ausnützung  der 
Rechte  zu  beurth eilen  ist,  die  sie  dem  Eigenthümer  gibt,  sondern 
darnach,  dass  sie  überhaupt  Rechte  gibt,  welche  zu  unbe- 
schränkt sind,  um  nicht  missbraucht  werden  zu  müssen. 
April  1866  passirte  der  Congress  die  Civil  Rights -Bill,  welche  alle 
im  Gebiet  der  V.  St.  Geborenen  und  keiner  fremden  Macht  Unterthanen, 
mit  einziger  Ausnahme  der  unbesteuerten  Indianer,  als  Bürger  der  V.  S. 
erklärt  und  „den  Bürgern  von  jeder  Rasse  und  Farbe,  ohne  Rücksicht, 
ob  sie  früher  Sklaven  gewesen,"  die  gleichen  Rechte  ertheilt.  Ein  Gesetz 
vom  2.  März  1867  hob  die  Peonen -Arbeit  in  den  früher  mexikanischen 
Theilen  der  Union  auf.  In  demselben  Monat  wurden  den  Nothleidenden 
des  S.  1  Mill.  D.  bewilligt.  Juli  1868  konnte  der  14.  Zusatz  zur  Ver- 
fassung (Sklavenbefreiung)  als  von  der  nöthigen  Va Mehrheit  der.  Staaten 
angenommen  verkündet  werden.  Anfang  1869  wurde  das  Bureau  for  the 
Relief  of  Freedmen  and  Refugees  aufgelöst.  Juli  desselben  Jahres  wurden 
16  Farbige  in  die  Gesetzgebung  von  Virginia  gewählt,  das  sich  eine  neue, 
auf  jede  Rassenunterscheidung  verzichtende  Verfassung  gegeben  hatte.  Im 
Laufe  des  Jahres  1870  wurde  der  15.  Zusatzartikel  zur  Verfassung  von 
der  Mehrheit  der  Staaten  angenommen  und  die  Mehrzahl  der  Südstaaten 
zur  Ausübung  ihres  Vertretungsrechtes  im  Congress  zugelassen.  Es  kam 
dadurch  eine  grössere  Anzahl  farbiger  Vertreter  in  den  Congress.  Schien 
damit  der  alte  Conflikt  formell  beendigt,  so  konnte  doch  in  den  früheren 
Sklavcnstaaten  die  weisse  Bevölkerung  ihre  einstigen  Untergebenen  kurzer 
Hand  als  Gleichberechtigte  eben  so  wenig  anerkennen,  wie  diese  die 
Möglichkeit  fanden,  sich  innerhalb  weniger  Jahre  in  ihre  neue  und  so 
ganz  ungewohnte  Stellung  hineinzufinden.^  Die  neue  Ordnung  der  Dinge 
konnte  nicht  ohne  Kampf  begründet  werden  und  dieser  Kampf  ist  noch 
heute  nicht  beendet.  In  mehreren  Staaten  des  S.,  vorzüglich  in  S.  Carolina, 
Mississippi  und  Louisiana,  sassen  in  den  Vertretungen  farbige  Mehrheiten, 


1)  Society  in  America  I.  302. 

2)  Ebend.  I.  291. 


206  VI.  Bie  Neger  und  ihre  Sklaverei,  —  Die  Chinesen. 

die  im  Bunde  mit  corrupten  Weissen,  den  sog.  Carpet-Baggers,  theils  aus 
Schlechtigkeit,  theils  aus  Unwissenheit  und  Leichtgläubigkeit,  eine  Miss- 
regierung führten,  welche  diese  Staaten  an  den  Rand  des  Verderbens 
brachte.  Mehrmals  entstanden  Unruhen,  welche  durch  Eingreifen  der 
Bundesgewalt  regelmässig  zu  Gunsten  der  Farbigen  entschieden  wurden 
(Louisiana  1875,  S.  Carolina  1876).  Diese  verfrühte  Theilnahme  an  der 
Regierung  hat  der  Stellung  der  Farbigen  in  politischer  sowohl  als  wirth- 
schaftlicher  und  gesellschaftlicher  Beziehung  nur  geschadet.  Politisch 
zeigten  sie  sich  nicht  fähig  und  stark  genug,  um  selbständig  aufzutreten, 
und  sanken  in  Folge  dessen  auf  die  Stufe  eines  politischen  Werkzeuges 
herab,  dessen  eine  Partei  sich  zur  Erreichung  ihrer  eigenen  Zwecke  be- 
diente. Wo  sie  einen  Staat  regierten,  geschah  es  unter  Missbräuchen  und 
Ausschreitungen,  die  meist  sehr  rasch  zum  finanziellen  Ruin  führten.  In 
wirthschaftlicher  Beziehung  hat  das  politische  Treiben  den  Schaden  gehabt, 
zahllose  Farbige  von  ehrlicher  Handarbeit  abzuziehen  und  sie  in  eine 
kurze  Beamtenlaufbahn  zu  schieben,  in  der  sie  ihren  Aufgaben  nicht 
gewachsen  waren.  Der  starke  Zuzug  zu  den  Städten,  theilweise  durch 
die  Politiker  gefördert,  hat  dort  ein  Proletariat  geschaffen,  wie  man  es 
elender  nicht  denken  kann.  Ihre  gesellschaftliche  Stellung  konnte  sich 
nur  durch  eigene  Arbeit  bessern.  Wo  sie  diese  leisten,  ist  die  günstige 
Folge  nicht  ausgeblieben.  Die  Civil  BigJits-Act  von  1875  konnte  ihnen 
alle  Plätze,  alle  Gasthäuser,  Theater,  Dampfschiife  und  Eisenbahnen  zu- 
gänglich machen,  aber  ihnen  nicht  die  Achtung  erzwingen,  die  sie  durch 
ihre  eigene  Arbeit  sich  zu  erringen  haben.  Seit  1876  eine  gemässigtere 
Gruppe  der  republikanischen  Partei  die  Regierung  in  die  Hand  genommen 
und  durch  Entziehung  der  Bundeshülfe  alle  Staaten  des  S.,  ohne  Ausnahme, 
sich  selbst  wieder  zurückgegeben  hat,  haben  ganz  von  selbst  die  Farbigen 
jenes  künstliche  Uebergewicht  verloren,  welches  sie  mit  Funktionen  be- 
kleidete, denen  sie  nicht  gewachsen  waren.  Wie  sich  ihre  politische  und 
gesellschaftliche  Stellung  nun  in  der  freien  Concurrenz  mit  ihren  einstigen 
Herren  gestalten  wird,  das  hängt  von  zwei  Faktoren  ab,  nämlich  1.  vom 
Anwachsen  ihrer  Volkszahl  und  2.  von  ihrer  wirthschaftlichen 
Entwickelung. 

Zahl  und  Yermehrung.  Was  die  erstere  anbetrifft,  so 
darf  man  die  oft  wiederholte,  aber  nie  mit  Sicherheit  bewiesene 
Behauptung,  dass  die  Bevölkerungszahl  der  Farbigen  im  Rückgang 
begriffen  sei,  nicht  ohne  strenge  Kritik  aufnehmen.  Die  Statistik 
der  Farbigen  in  den  V.  St.  geht  eben  so  weit  zurück  wie  die  der 
Weissen  und  ist  im  Ganzen  nicht  viel  weniger  verlässlich.  Man 
hat  sie  von  1790  an  jedes  Jahrzehnt  amtlich  aufgenommen  und 
folgende  Tabelle  zeigt  die  Ergebnisse. 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 


207 


Jahr 

Gesammtzahl 

Verhältniss 
zur  Gesammt- 
Bevölkerung 

Wachsthum 
in  Proc. 

1790 

757208 

19,27^0 

1800 

1002037 

18,85 

32,20 

1810 

1377  808 

19,00 

37,50 

1820 

1771656 

18,39 

28,58 

1830 

2328642 

18,09 

31,39 

1840 

2873648 

16,83 

23,44 

1850 

3638808 

15,68 

26,62 

1860 

4441830 

13,95 

22,06 

1870 

4800009 

12,65 

9,87 

Man  sieht  eine  fast  stetige  Abnahme  des  Zuwachses  sowohl, 
als  auch  der  Zahl,  die  das  Verhältniss  zu  der  Gesammtbevölkerung 
ausdrückt.  In  runder  Summe  hat  die  weisse  Bevölkerung  von 
1790 — 1870  sich  verzehnfacht,  während  die  farbige  sich  nur  ver- 
sechsfachte. Aber  hierbei  ist  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass 
von  1808  an  keine  Sklaven  mehr  eingeführt  werden  durften  und 
dass  die  Zufuhr  von  Farbigen  durch  Einschmuggelung  und  freie 
Einwanderung  seitdem  nicht  sehr  erheblich  war.  Wenn  man  erwägt, 
dass  die  Weissen  ohne  die  Einwanderung  sich  nur  höchstens  ver- 
fünffacht haben  würden,  so  bleibt  doch  noch  immer  ein  Ueberschuss 
von  Wachsthum  auf  Seite  der  Farbigen.  Dabei  ist  ferner  auch 
noch  in  Rechnung  zu  ziehen,  dass  die  Zahl  der  über  die  Grenze 
geflohenen  und  der  nach  Liberia  und  anderen  Orten  ausgewanderten 
Farbigen  bis  zur  Aufhebung  der  Sklaverei  mindestens  20000 
betragen  haben  wird.  Es  bleibt  also  das  Ergebniss, '  dass  die  natür- 
liche Vermehrung  der  Farbigen  rascher  vor  sich  geht  als  die  der 
Weissen.  Davon  macht  nur  das  Jahrzehnt  1860—70  eine  Ausnahme, 
in  welchem  Krieg  und  Elend  die  farbige  Bevölkerung  noch  viel 
mehr  decimirten  als  die  weisse.  Die  Neger  und  Negermischlinge 
der  V.  St.  hatten  von  1860—70  sich  um  9,87  Proc,  nämlich 
von  4441830  auf  4800009  vermehrt,  doch  war  diese  Vermehrung 
eine  sehr  ungleichmässige.  Sie  hatten  in  den  früheren  Sklaven- 
staaten Virginia  (von  548  907  auf  512841),  Kentucky  und  Missouri 
ab-,  in  allen  übrigen  zugenommen,  und  zwar  war  ihre  Zahl  am 
stärksten  gewachsen  in  den  nw.  und  w.  Staaten  Kansas  (von  627 
auf  17108),    Iowa  (von  1069  auf  5762),    Illinois   (von   7628   auf 


208  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

28  762),  Ohio  (von  36  673  auf  63213),  sowie  in  den  südlichsten 
Texas  (von  182  921  auf  253475),  Georgia  (von  465698  auf  545  142) 
und  Florida  (von  62677  auf  91  698).  1860  war  die  Reihenfolge  der 
negerreichsten  Staaten  nach  der  Stärke  ihrer  farbigen  Bevölkerung 
gewesen :  Virginia,  Georgia,  Alabama,  Mississippi,  S.  Carolina,  N.  Caro- 
lina, Louisiana,  Tennessee,  Kentucky,  Texas,  Maryland,  Missouri, 
Arkansas,  Florida,  Delaware,  Nebraska;  1870  war  sie  folgende: 
Georgia,  Virginia,  Alabama,  Mississippi,  S.  Carolina,  N.  Carolina, 
Louisiana,  Tennessee,  Texas,  Kentucky,  Maryland,  Arkansas,  Missouri, 
Florida,  Delaware,  Nebraska.  Die  Gesammtzahl  ihrer  farbigen  Be- 
völkerung war  von  4201380  auf  4495  367  gewachsen  i).  Die 
Gesammtzahl  in  den  übrigen  Staaten  war  von  229606  auf  336  841 
gewachsen.  In  den  Territorien  lebten  1860  14536,  1870  45103 
Neger  und  Negermischlinge  (davon  43  404  im  Bundesdistrikt).  Wie 
die  Verhältnisse  sich  seither  gestaltet  haben,  ist  nicht  zu  übersehen. 
Bedeutende  Wanderungen  nach  dem  äussersten  S.,  dann  nach  W. 
und  NW.  haben  stattgefunden  und  sind  noch  im  Zuge  (s.  o.  S.  174) 
und  es  wird  ohne  allen  Zweifel  der  nächste  Census  eine  sehr 
erhebliche  Vermehrung  der  schwarzen  Bevölkerung  in  allen  grossen 
Städten,  besonders  des  S.,  dann  in  Florida,  Texas,  Arkansas, 
Indianer  -  Territorium,  Missouri,  Kansas  und  Nebraska  und  wahr- 
scheinlich auch  im  eigentlichen  NW.  nachweisen.  In  einem  der 
wenigen  Staaten,  in  welchen  seit  1870  eine  genaue  Zählung  vor- 
genommen wurde,  in  Massachusetts,  gab  es  1875  16292  Farbige, 
wovon  10446  als  Neger  und  5038  als  Mulatten  aufgeführt  sind. 
Diese  farbige  Bevölkerung  hatte  sich  seit  1865  um  60,2  Proc.  ver- 
mehrt, während  die  Gesammtbevölkerung  in  derselben  Zeit  nur 
eine  Vermehrung  um  30,38  aufzuweisen  hatte.  In  dieser  Ver- 
mehrung ist  jedenfalls  der  starke  Zuzug  von  S.  her  mit  wirksam 
gewesen,  welcher  seit  1861  einen  grossen  Theil  der  südlichen 
Sklavenbevölkerung  nach  N.  führte. 

Ueber    die    Bewegung    der    schwarzen    Bevölkerung    liegen 
folgende  Zahlen  aus  dem  Census  von  1870   vor,   in    deren   Betreff 


1)  Der  sog.  Black  Belt,  der  die  dichteste  Negerbevölkerung  umschliesst,  be- 
ginnt bei  den  Sea  Islands  von  S.  Carolina  und  Georgia  und  zieht  durch  diese 
Staaten  über  das  mittlere  Alabama  nach  Mississippi  und  Louisiana. 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen,  209 

indessen  das  oben  (S.  184)  über  den  Werth  dieser  Angaben  Gesagte 
zu  beachten  ist.  In  dem  Zäblungsjahr  wurden  67  471  Todesfälle 
registrirt,  was  13,9  p.  M.  der  Gesammtbevölkerung  ausmacht. 
Unter  der  Annahme  gleichen  Werthes  der  betreffenden  Angaben, 
die  vielleicht  in  Anbetracht  der  Sorglosigkeit  und  Unwissenheit  der 
farbigen  Bevölkerung  nicht  ganz  zulässig,  wäre  also  die  Sterblichkeit 
der  Farbigen  erheblich  grösser  als  diejenige  der  Weissen.  Die  Zahl 
der  Sterbfälle  von  Kindern  unter  5  Jahren  ist  bei  den  Farbigen  um 
3  Proc.  grösser  als  bei  den  Weissen.  Die  Zahl  der  Geburten  ist  für  diese 
Bevölkerung  nicht  ausgeschieden,  aber  man  findet  31,3  p.  M.  unter 
1  Jahr  in  der  Gesammtbevölkerung,  also  etwas  weniger  als  bei  den 
Weissen.  Es  würde  dies  nicht  die  allgemein  herrschende  Ansicht  be- 
stätigen, dass  die  Farbigen  grössere  Familien  hätten  als  die  Weissen. 
Die  Zahl  der  Negermischlinge,  die  man  ohne  Unterschied 
als  Mulatten  (Mulatto's)  zu  bezeichnen  pflegt,  wird  unmittelbar  bei 
der  Volkszählung  nicht  festgestellt.  Es  würde  dies  auch  bei  der 
Unbestimmtheit  des  Begriffes  seine  Schwierigkeit  haben.  Man 
erkennt  nicht  jedem  Mischling  an  der  Farbe  und  den  Zügen  an, 
ob  er  weisses  Blut  führt  oder  nicht,  und  viele  gehen  durch  neuer- 
liche Mischung  mit  Negerblut  wieder  unter  die  mittlere  Linie  zurück, 
die  durch  V2  weisses  Blut  bezeichnet  wird.  Frühere  Schätzungen 
nahmen  2V2  Proc.  der  Gesammtbevölkerung  der  Südstaaten  für  die 
Mischlinge  in  Anspruch^)  und  auf  einigen  Tafeln  der  1870er 
Zählungsergebnisse  sind  unter  den  4880009  Farbigen  584049,  also 
etwas  weniger  als  12  Proc.  als  Mulatten  aufgeführt.  Dies  sind 
begreiflicherweise  nur  Annäherungszahlen  und  eine  grosse  Wahr- 
scheinlichkeit spricht  dafür,  dass  sie  hinter  der  Wirklichkeit  ziemlich 
weit  zurückbleiben.  Die  zahlreichen  Fälle,  wo  z.  B.  dieselbe  Familie 
Mulatten-  und  schwarze  Kinder  umschliesst,  bleiben  unberücksichtigt. 
Ueberhaupt  wird;  da  die  Zähler  Weisse  sind,  fast  jeder  zweifelhafte 
Farbige  nach  der  schwarzen  Seite  hinübergerechnet,  auf  die  ihn 
ja  allerdings  auch  seine  ganze  sociale  und  Culturstellung  hinweist. 
Indessen  ist  es  unzweifelhaft,  dass  die  Zahl  der  Mischlinge  in 
beständiger   Zunahme    begriffen    ist    und    das   wahrscheinlich   noch 


1)  Charles  Lyell,  Second  Visit  to  the  U.  S.  1855.  I.  271. 

Ratzel,    Amerika  n.  -tA 


210  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

mehr  seit  Aufhebung  der  Sklaverei  als  früher.  Die  Städte  sind 
immer  der  Herd  einer  starken  Eassenmischung  gewesen  und  der 
Zuzug  der  Schwarzen  nach  ihnen  gehört  zu  den  bemerkenswerthen 
Folgen  jener  Umwälzung.  Ebenso  ist  auch  in  die  Mitte  der 
weissen  Bevölkerung  des  N.  seitdem  eine  grosse  Zahl  von  Schwarzen 
eingewandert,  was  die  Mischung  befördern  muss.  In  dieser  Hinsicht 
ist  auf  die  S.  208  gegebene  Zahl  für  die  Mulatten  Massachusetts' 
besonders  aufmerksam  zu  machen. 

Wirthschaftliche  Entwickelung.  So  wie  die  Sklaverei 
eine  Einrichtung  mit  vorwiegend  wirthschaftlichen  Zwecken  war,  so 
musste  natürlich  auch  ihre  Aufhebung  wieder  in  erster  Linie  von 
grossen  Erscheinungen  auf  wirthschaftlichem  Gebiete  begleitet  sein. 
Für  die  Farbigen,  die  mit  der  Aufhebung  der  Sklaverei  in  Freiheit 
gesetzt  wurden,  war  es  natürlich  Lebensfrage,  sich  eine  selbständige 
wirthschaftliche  Grundlage  wieder  zu  gewinnen.  Ihr  ganzes  Schicksal 
hing  davon  ab,  nicht  bloss  ihre  augenblickliche,  sondern  auch  ihre 
künftige  Stellung  unter  den  Völkern  der  Union.  Wenn  man  indess 
die  Frage  beantworten  will,  wie  sie  dieses  Problem  gelöst  haben, 
so  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  dasselbe  ihnen  nicht  rein  geboten 
wurde.  Ihr  Hauptwohngebiet,  der  S.,  war  in  einer  höchst  abnormen, 
gestörten  Lage  und  seine  politischen  Missstände  haben  nicht  ver- 
fehlen können,  auch  das  wirthschaftliche  Gedeihen  der  einst  so 
blühenden  Baumwollenstaaten  zu  hemmen.  Die  öffentliche  Un- 
sicherheit und  Corruption  erschwerten  die  gesunde  Heilung  der  vom 
Kriege  her  noch  offenen  Wunden.  Mit  den  freien  Negern  trat  ein 
ganz  neues  Element  in  ihr  Wirthschaftsleben  ein  und  der  Gross- 
betrieb des  Landbaues  konnte  mit  den  freien  Arbeitern  nur  in 
seltenen  Fällen  mit  Sicherheit  und  Gewinn  fortgesetzt  werden.  Zahl- 
reiche Grossbesitze,  frühere  Plantagen,  gingen  an  Einwanderer  aus 
den  Nordstaaten  und  aus  Europa  über,  die  sie  nach  Art  der  Farmer 
des  N.  bewirthschafteten ,  andere  wurden  in  ganz  kleine  Par- 
zellen zerschlagen,  wie  sie  selbst  den  Negern  zum  Kauf  zugänglich 
waren,  und  ein  nicht  geringer  Theil  blieb  öde  liegen,  sei  es  dass 
die  Arbeiter  zu  schwer  zu  erhalten,  oder  die  Steuern  unerschwing- 
lich, oder  die  Capitalien  zum  ausgedehnten  Betriebe  nicht  zu  finden 
waren.  Gleichzeitig  hörte  das  Hauptprodukt  des  S.,  die  Baumwolle, 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen.  211 

auf  ein  Monopol  zu  sein,  wie  sie  es  bis  1861  nahezu  gewesen  war, 
und  ihr  Anbau  ist  bei  der  Concurrenz  Asiens  und  Afrikas  bei 
weitem  nicht  mehr  so  gewinnreich  wie  vor  dem  Krieg  —  alles 
Ursachen  einer  wirthschaftlichen  Umwälzung,  die  sicherlich  zu  den 
grössten  aller  Zeiten  gehört  und  an  Grossartigkeit  und  Neuheit  der 
Erscheinungen  vielleicht  erreicht  wird  nur  von  der,  welche  -  der  Auf- 
hebung der  Leibeigenschaft  in  Russland  folgte. 

Der  Gesammteindruck,  den  man  aus  einer  vergleichenden  Be- 
trachtung der  wirthschaftlichen  Zustände  des  S.  vor  dem  Kriege 
und  jetzt  gewinnt,  wird  in  den  meisten  Fällen  günstiger  sein,  als 
die  Schwierigkeit  der  Probleme  erwarten  Hess,  die  dort  vorlagen. 
Das  betrifft  besonders  die  Stellung  der  Farbigen,  einst  Sklaven,  jetzt 
Freedmen.  Die  unheilvollen  Weissagungen,  die  an  den  Uebergang 
von  der  Sklaverei  zur  freien  Arbeit  geknüpft  wurden,  haben  sich 
zum  Glück  nicht  alle  erfüllt;  vieles  ist  besser  geworden,  als  man 
erwartete,  und  die  Hauptschwierigkeiten  der  Entwicklung,  die  der 
S.  gegenwärtig  durchmacht,  liegen  vielleicht  weniger  auf  der  wirth- 
schaftlichen als  der  politischen  Seite.  Der  Neger  der  Südstaaten 
ist  nicht  so  ganz  mehr  der  Tropenmensch,  der  wie  ein  Kind  ohne 
Arbeit  nur  von  der  Natur  lebt.  Weder  das  Klima  noch  die  Um- 
gebung eines  so  thätigen  und  in  seiner  Thätigkeit  rücksichtslos 
mitreissenden  Volkes  wie  des  nordamerikanischen  hat  ihm  dies  hier 
erlaubt.  Er  sah  bald  ein,  dass  er  arbeiten  müsse,  wenn  er  nicht 
verhungern  wollte.  Nun  fragt  es  sich  zwar,  ob  seine  Arbeit  so  viel 
werth  ist,  wie  sie  es  war,  als  noch  der  Overseer  mit  seiner  Peitsche 
hinter  ihm  stand;  aber  es  ist  gewiss,  dass  der  S.  heute  ebensoviel 
und  z.  Th.  mehr  von  seinen  Produkten  erzeugt,  als  er  zur  Zeit 
der  Sklaverei  that,  und  der  grösste  Theil  dieser  Erzeugung  ist 
farbigen   Arbeitern,   früheren   Sklaven,    zu  gute  zu   schreiben. 

In  der  Erzeugung  des  Hauptproduktes  des  S.,  der  Baum- 
wolle, hat,  wie  wir  in  dem  Abschnitte  Landwirthschaft  zu  zeigen 
haben  werden,  die  freie  Arbeit  die  höchsten  Zahlen  der  Sklaven- 
arbeit überschritten.  Nordhoff  ^)  theilt  die  Angabe  eines  Pflanzers 
in  Nord  -  Carolina  mit,   welche  behauptet,  dass  eine  gleiche  Anzahl 


1)  Charles  Nordhoff,  The  Cotton  States.    New  York  1877. 

14* 


212  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

freier  Farbiger  um  ein  Viertel  weniger  leiste  als  zur  Zeit,  da  sie 
Sklaven  waren;  andere  sagten  ihm,  dass  die  jungen  Neger  weniger 
gute  Arbeiter  seien  als  die,  welche  früher  Sklaven  gewesen  seien. 
Aber  auf  der  anderen  Seite  leugnet  niemand,  dass  die  Neger  selbst 
unter  den  vielfach  nicht  sehr  günstigen  Zuständen,  die  heute  in 
den  Baumwollenstaaten  herrschen,  noch  immer  eine  Masse  brauch- 
barer Arbeiter  liefern.  Zur  Sklavenzeit  wurde  natürlicherweise  oft 
mehr  von  ihnen  gefordert,  als  selbst  ein  sehr  fleissiger  weisser 
Arbeiter  aus  eigenem  Antrieb  leisten  würde.  Man  glaubte  damals, 
dass  z.  B.  die  Arbeit  des  Baumwollepflückens,  welche  in  sehr  kurzer 
Frist  auf  weite  Strecken  hin  gleichzeitig  besorgt  werden  muss,  im 
Grossen  niemals  von  freien  Arbeitern  ausgeführt  werden  könne. 
Wir  hören  aber  die  Stimme  eines  Baumwollpflanzers  in  Arkansas, 
der  sagt:  „Nie  sind  wir  in  der  Zeit  der  Sklaverei  so  rasch  mit 
dem  Baumwollepflücken  fertig  geworden  wie  jetzt,  und  nie  ist  die 
Ernte  besser  eingebracht  worden ;  oft  war  noch  im  März  nicht  alle 
Baumwolle  eingesammelt,  und  nun  sind  die  Felder  meistens  ganz 
rein,  ehe  der  Frost  kommt."  Zur  Zeit  der  Baumwollenernte  ziehen 
Weiber  und  Kinder  aus  den  Städten  und  Dörfern  nach  den  Pflan- 
zungen, wo  ihre  Arbeit  nothwendig  ist,  und  ganze  Schaaren  von 
Arbeitern  wandern  durch  das  Land.  Sie  werden  in  diesem  Fall 
nach  dem  Gewicht  der  Baumwolle  bezahlt  (50  Cts.  p.  100  Pfund 
sammt  Verköstigung).  Ueberhaupt  werden  die  farbigen  Arbeiter 
weniger  der  Faulheit  als  der  Nachlässigkeit  und  Verschwendung 
angeklagt.  Man  hört  ihre  Arbeitsleistung  von  vielen  loben ,  wenn 
auch  häufig  nur  mit  dem  Zusatz,  dass  man  gut  verstehen  müsse 
sie  zu  behandeln,  um  sie  bei  der  Arbeit  festzuhalten  und  sie  zu 
gehörigen  Leistungen  zu  bewegen.  Aber  Viele  tadeln  auch  ihre 
Unzuverlässigkeit  und  die  Ungleichheit  ihrer  Arbeit;  sie  sollen  gern 
eine  kurze  Zeit  tüchtig  arbeiten,  um  sich  dann  gehen  zu  lassen, 
sie  sollen  mit  dem  Material,  das  man  ihnen  leiht,  sorglos  umgehen, 
ebenso  mit  dem  Zugvieh.  Im  Allgemeinen  hat  man  aber  wohl 
mehr  Grund  erstaunt  zu  sein  über  das,  was  sie  leisten,  als  über 
das,  was  sie  unterlassen. 

Im   Auftrag   des   Department  of  Agriculture   wurden   im    Jahr 
1867   zahlreiche    Thatsachen    zur   Beleuchtung    des   Zustandes    des 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen.  213 

Ackerbaues  und  der  ackerbauenden  Bevölkerung  des  S.  gesammelt 
und  in  einen  Bericht  zusammengestellt^),  welcher  über  die  selb- 
ständigen Unternehmungen  der  Freedmen  auf  den  ersten  Blick  zu 
keinem  günstigen  Urtheil  zu  kommen  scheint.  Derselbe  stellt  auf 
die  eine  Seite  die  fehlgeschlagenen,  auf  die  andere  die  gelungenen 
Versuche  und  zieht  dann  das  Facit,  dass  man  zwar  die  Hoffnung 
nicht  zu  verlieren  brauche,  dass  aber  doch  der  Mangel  an  Erfahrung 
in  der  Aufstellung  von  Berechnungen  und  Plänen,  die  sprichwörthche 
Unvorsichtigkeit,  die  Unmöglichkeit,  den  Werth  der  Zeit  zu  schätzen, 
und  der  Mangel  an  Sparsamkeit  so  weit  verbreitete  Eigenschaften 
der  schwarzen  Farmer  seien,  dass  man  ihnen  einstweilen  von  allen 
Versuchen  selbständiger  Wirthschaft  abrathen  und  die  Arbeit  für 
Lohn  als  die  einzige  Möglichkeit,  diese  Fehler  abzulegen,  dringend 
empfehlen  müsse.  Die  fehlgeschlagenen  Versuche  sind  zahlreich 
und  zum  Theil  drastischer  Natur,  um  so  bemerkenswerther  sind 
aber  die  günstigen  Urtheile,  die  derselbe  Bericht  bietet.  Fälle, 
wie  einer  aus  Georgia  mitgctheilt  ist,  wo  ein  Freedman  mit  eigener 
Hand  25  Acres  Baumwollenfeld  bearbeitet  und  15  Ballen  erzeugte, 
oder  wie  der  aus  Alabama,  wo  ein  Tagelöhner  in  den  Ruhestunden 
zwischen  seinen  regelmässigen  Arbeitszeiten  500  Pfund  Baumwolle 
zog,  und  ähnliche  wiegen  alles  in  allem  betrachtet  die  ungünstigeren 
Thatsachen  zur  Genüge  auf^). 


1)  Report  Agric.  Dep.  1867.  412—28.  Ausserdem  enthält  das  eben  ge- 
nannte Buch  von  Ch.  Nordhoff  sehr  viel  interessantes,  selbstbeobachtetes  Material 
über  diese  Frage. 

2)  Man  vergesse  auch  nicht,  dass  diese  Mittheilungen  aus  der  Zeit  der 
grössten  Verwirrung  aller  Verhältnisse  im  S.  unmittelbar  nach  dem  Bürgerkrieg 
stammen.  Es  ist  billig  ein  neueres  Urtheil  zu  hören,  welches  der  Bericht  über 
die  Cotton  -  Investigation  von  1876  (Rep.  Dep.  of  Agric.  1876.  131)  auf  Grund 
eines  sehr  ausgedehnten  Thatsachenmaterials  fällt:  „Die  Angaben  kommen  alle 
darin  überein ,  dass  sie  eine  allmähliche  Zunahme  des  Nutzens  der  Arbeit  der 
Freigelassenen  feststellen.  Noch  immer  herrscht  zwar  die  Neigung,  in  den 
Städten  sich  zusammenzudrängen  und  sich  mit  vorübergehenden  Gelegenheits- 
arbeiten ein  unsicheres  Auskommen  zu  ergattern,  auch  lehnen  Frauen  und 
Halberwachsene  Feldarbeit  zu  oft  auch  dann  ab,  wenn  kein  anderer  Weg  zum 
Erwerb  für  sie  offen  ist.  Aber  es  ist  ein  besseres  Verständniss  zwischen  Grund- 
besitzer und  Feldarbeiter  angebahnt.  Der  eine  ist  geneigter  geworden,  sich 
rathen  zu  lassen,  und  der  andere  greift  mehr  ein.  Viele  Farmer  sind  h^rab-' 
gekommen  durch  die  Unlust  ihre  Antheilarbeiter  zu  beaufsichtigen". 


214  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

Ueber  die  beste  Art,  das  Verhältniss  der  freien  schwarzen 
Arbeiter  zu  ihren  weissen  Brotherren  zu  ordnen,  sind  seit  1865 
zahlreiche  Versuche  angestellt  und  discutirt  worden.  Der  Taglohn 
hat  sich  nicht  bewährt,  sondern  man  ist  sehr  allgemein  zu  dem 
Schlüsse  gekommen,  dass  dem  farbigen  Arbeiter  ein  Interesse  an 
seiner  Arbeit  eingeflösst  werden  muss,  wenn  er  nicht  schlaif  werden 
und  seine  kargen  Erträgnisse  rascher  als  gut  ist  wieder  los  werden 
soll.  Man  hat  daher  dem  Pacht-  oder  dem  Antheilsystem  den  Vor- 
zug gegeben.  Bei  dem  ersteren  nimmt  der  Arbeiter  Land,  Zugvieh, 
Wagen  und  Werkzeug  von  dem  Verpächter  und  zahlt  diesem  dafür 
einen  Bruchtheil,  gewöhnlich  ^js,  der  Ernte.  Bei  dem  Antheilsystem 
erhält  der  Arbeiter  statt  des  Lohnes  gewöhnlich  V  der  Ernte  und 
wird  ausserdem  behaust  und  verköstigt.  Wenn  ganze  Familien  unter 
diesem  System  arbeiten,  können  sie  mit  verhältnissmässig  geringer 
Mühe  und  in  kurzer  Zeit  genug  ersparen,  um  selbständig  eine 
kleine  Wirthschaft  beginnen  zu  können.  Man  kennt  nicht  die  Zahl 
der  schwarzen  Tagelöhner  im  S.  und  für  die  Summe  ihrer  Leistungen 
gibt  es  keinen  Massstab,  aber  es  steht  ausser  Zweifel,  dass  die 
weitaus  grösste  Menge  der  dort  im  Felde  Arbeitenden  frühere 
Sklaven  und  Freigelassene  sind  und  dass  die  Zahl  der  weissen 
Tagelöhner  gegenüber  der  ihrigen  verschwindet^).  Der  bedeutende 
Aufschwung,  den  die  Landwirthschaft  des  S.  seit  Aufhebung  der 
Sklaverei  erfahren  hat,  ist  also  zu  einem  Theil  jedenfalls  auch 
diesen  schwarzen  Feldarbeitern  zu  danken,  welche,  um  ihn  zu 
erzeugen,  mehr  arbeiten  mussten  als  früher.  Eine  tiefgreifende 
Wirkung  hat  die  Aufhebung  der  Sklaverei  auf  die  Lohnver- 
hältnisse geübt.  Die  Arbeitslöhne  auf  den  Baumwollpflanzungen 
haben  sich  nach  grossen  Schwankungen,  deren  Ursache  vorzüglich 
in    dem    rapiden  Fallen    des  Preises  der   Baumwolle    von   43  Cts. 


1)  Die  Zunahme  der  weissen  Arbeit  im  S.  an  Zahl  und  Leistung  ist  eine 
neuere  Thatsache  (S.  o.  S.  174)  und  es  ist  gewiss,  dass  durch  diese  Zunahme  zahl- 
reiche selbständig  gewordene  Neger,  die  auf  schwankendem  Boden  stehen,  was  Be- 
sitz und  Fähigkeiten  betrifft,  wieder  in  ein  dienendes  Verhältniss  zurückgedrängt 
werden.  Die  Zunahme  der  Industrien  und  des  Bergbaues  wird  sie  wahrscheinlich 
in  grosser  Zahl  in  die  Städte  und  die  Industriebezirke  ziehen,  und  nur  die  Spar- 
samsten und  Fähigsten  werden  ihren  Grundbesitz  festhalten  können  Vgl.  das 
im  vorigen  Capitel  über  die  Westwanderung  der  Neger  Gesagte. 


VI.  Die  Neger  und  ilire  Sklaverei,  —  Die  Chinesen.  215 

p.  Pfund  am  Einschiffungsort  im  Jahr  1865  bis  unter  20  Cts.  im 
Jahr  1867  zu  suchen  ist,  nun  in  den  meisten  Staaten  erheblich 
anders  gestaltet,  als  sie  vor  der  Aufhebung  der  Sklaverei  gewesen 
waren.  Sie  sind  im  Allgemeinen  niedriger.  Die  Arbeiter  erhalten 
wie  damals  eine  Naturalverpflegung,  ferner  Wohnung,  die  aber  selten 
mit  der  Benützung  eines  Grundstückes  als  Garten  verbunden  ist. 
Im  Unterschied  von  früher  erhalten  sie  jedoch  keine  Kleidung. 
Ausser  diesen  Naturalien  erhielten  sie  1860  100 — 124  D.  Jahres- 
lohn in  den  atlantischen  und  121  — 171  in  den  Golf-  und  West- 
Staaten,  wogegen  sie  1876  101  —  110  D.  in  jenen  und  107  —  148 
in  diesen  erhielten.  In  beiden  Perioden  zahlten  die  höchsten  Löhne 
Texas,  Arkansas  und  Louisiana. 

Eine  weitere  bedeutsame  Thatsache  ist  die  Zunahme  der 
Farmen  bei  Verminderung  ihrer  Grösse.  Besonders  die 
kleinen  Complexe  von  10  Acres  und  weniger,  welche  fast  aus- 
schliesslich von  Sklaven  bearbeitet  wurden,  haben  sich  ungewöhnlich 
vermehrt.  Die  drei  negerreichsten  Staaten,  S.  Carolina,  Mississippi 
und  Louisiana,  zählten  1860  93000,  1870  148000  Farmen,  deren 
Durchschnittsgrösse  damals  462  A.  betrug,  während  sie  jetzt  226 
ist.  Nach  den  Berichten  des  Agric.  Dep.  für  1876  war  in  diesem 
Jahre  dieselbe  zerstückelnde  Bewegung  noch  im  Gange.  Allerdings 
muss  man  bemerken,  dass  es  sich  dabei  in  vielen  Gegenden  nur 
handelt,  um  eine  zeitweilige  Verpachtung  eines  zusammenhängenden 
Besitzes  an  Arbeitergruppen  (Squads)^).  Trotz  dieser  Vermehrung 
der  Farmen  lagen  noch  1875  manche  der  grossen  Plantagen  in  den 
besten  Theilen  von  Mississippi  und  Louisiana  brach  und  in  Dallas  Cy. 
(Ark.)  kamen  4  A.  brachliegendes  Land  auf  1  A.  bebautes.  Aehn- 
liches  wurde  aus  N.  Carolina  berichtet  (Rep.  Agr.  f.  1876.  130). 

Die  Chinesen  in  den  V.  St.  Durch  massenhaftes  Zu- 
strömen und  Ansammeln  in  den   sog.  pacifischen  Staaten  haben  in 


1)  Schätzungen  aus  1876,  die  allerdings  nur  auf  annähernde  Richtigkeit 
Anspruch  machen  können,  geben  folgende  Procentzahlen  der  auf  eigenem  Grunde 
besitz  arbeitenden  Freigelassenen:  4Proc.  in  Alabama  und  Tennessee,  4  —  5  in 
N.  Carolina  und  Georgia ,  5  in  S.  Carolina  und  Texas ,  5  —  6  in  Mississippi, 
Louisiana  und  Arkansas,  8  in  Florida.  Durchschnittlich  kommt  vielleicht  1  Be- 
sitzender auf  19,  welche  auf  fremdem  Grunde  wohnen. 


216  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

den  letzten  Jahren  die  Chinesen  viel  von  sich  reden  gemacht.  Ihre 
Einwanderang  ist  aber  früheren  Datums.  Von  1848  —  51  sind 
während  des  Gold-Excitements  10000,  im  Jahr  1852  sogar  20026 
Chinesen  nach  Californien  eingewandert,  so  dass  die  erste  californische 
Volkszählung  von  1852  ihrer  25000  zählte.  Nun  hielt  die  Ein- 
wanderung sich  auf  der  massigen  Höhe  von  durchschnittlich  4 — 8000, 
denen  ein  Abgang  von  Vs  —  V2  der  Zuwandernden  entsprach.  Der 
Rest  blieb  hauptsächlich  in  Californien  und  nur  eine  vergleichs- 
weise geringe  Zahl  zerstreute  sich  über  die  Nachbarstaaten,  sehr 
wenige  kamen  bis  nach  den  0.-  und  S.- Staaten.  Nach  den  amt- 
lichen Listen  waren  bis  1.  Oktober  1876  223136  eingewandert  und 
93273  zurückgekehrt.  Von  den  bis  zu  dieser  Zeit  nicht  nach 
China  zurückgekehrten  139863  chinesischen  Einwanderern  kann 
man  annehmen,  dass  20000  nach  den  übrigen  Staaten  und  Terri- 
torien der  Union  weitergegangen  sind,  während  bei  Annahme  einer 
Sterblichkeit  von  2  Proc. ,  welches  die  Durchnittssterblichkeit  der 
weissen  Bevölkerung,  mindestens  25  900  als  verstorben  angenommen 
werden  dürfen.  Es  würden  also  93963  in  Californien  vorhanden 
sein.  Die  Zählung  von  1870  gab  aber  für  diesen  Staat  nur  49310, 
während  von  einem  Senats -Committee  im  November  1876  die  Zahl 
der  Chinesen  in  Californien  für  dasselbe  Jahr  auf  50000  geschätzt 
wurde,  „nach  den  Erkundigungen,  welche  es  von  Kaufleuten  (chine- 
sischen) einzog"^).  Die  Kaufleute,  auf  die  der  Committee-Bericht 
hier  Bezug  nimmt,  sind  solche,  welche  mit  der  Chineseneinfuhr  zu 
thun  haben  und  welche  Buch  führen  über  Ankunft,  Abgang  und 
Sterblichkeit  derselben.  Ihre  Bücher  ergaben  die  Zahl  von  48  391 
und  sie  gaben  an,  dass  von  diesen  30000  in  den  Bergwerken  und 
Goldwäschereien,  2000  mit  Handel,  1200  mit  Landbau  und  etwa 
200  mit  Cigarrenfabrikation  in  S.  Francisco  beschäftigt  seien.  Ueber 
die  Zahl  der  in  Wäschereien,  Büglereien  und  anderen  Gewerben, 
sowie  als  Dienstboten  Beschäftigten  konnten  sie  keine  Angaben 
machen.  Sie  rechneten,  dass  es  in  S.  Francisco  etwa  100  anständige 
Chinesenfamilien  gebe.  Die  Zahl  der  prostituirten  Chinesinnen  in 
S.  Francisco  wurde  von  anderen  Zeugen  vor  diesem  Committee  auf 
1200  —  2000,  ihre  Zahl  in  Californien  überhaupt  auf  4000  ange- 
1)  2d  Session  44tii  Congress.  Rep.  Chinese  Immigration  p.  1189. 


VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen.  217 

geben.  Die  Zahl  der  Chinesen  in  S.  Francisco  wurde  in  den  letzten 
Jahren  auf  durchschnittlich  30000  geschätzt. 

In  den  anderen  Theilen  der  V.  St.  ergab  die  Zählung  von  1870 
für  Chinesen  folgende  Zahlen:  Idaho  4274,  Oregon  3330,  Nevada 
3152,  Montana  1949,  Utah  445,  Washington  Terr.  234,  Wyoming 
143.  Der  Rest  von  417  vertheilte  sich  vorwiegend  über  Colorado 
und  die  Grossstädte  des  S.  und  W.  Seit  dieser  Zählung  hat  die 
Einwanderung  noch  ca.  90000  nach  den  V.  St.  gebracht,  fast  alle 
über  S.  Francisco,  während  gegen '40000  wieder  zurückkehrten. 
Seit  1877  ist  in  Folge  der  feindseligen  Stellung,  welche  ein  grosser 
Theil  der  weissen  Bevölkerung  gegen  diesen  neuen  Zuwachs  einnahm, 
die  Grösse  der  Einwanderung  sehr  stark  gesunken  und  die  Rück- 
wanderung hat  mehr  als  die  Hälfte  der  Einwanderung  erreicht  ^). 
Ebenso  haben  viele  den  ungastlich  gewordenen  Boden  Californiens 
verlassen,  um  sich  anderswo  niederzulassen,  und  man  zählte  z.  B. 
schon  1875  in  Massachusetts  278  Chinesen  (und  10  Japaner).  Seit- 
dem dürfte  die  Zahl  der  Chinesen  in  den  0.-  und  S.- Staaten  und 
überhaupt  ausserhalb  Californiens  erheblich  zugenommen  haben. 

Die  Chinesen  haben  dort,  wo  sie  in  den  V.  St.  massenhaft 
auftraten,  von  Anfang  an  eine  sehr  bedeutende  Rolle  gespielt.  Die 
Stellung,  die  sie  einnahmen,  lässt  sich  kurz  dahin  bezeichnen,  dass 
ihnen  diejenigen  Funktionen  des  wirthschaftlichen  Organismus  über- 
tragen wurden,  welche  am  wenigsten  Selbständigkeit  verlangen,  aber 
auch  am  wenigsten  raschen  Erfolg  verheissen,  und  deshalb  die 
grösste  Geduld  und  Genügsamkeit  voraussetzen.  In  einer  Art  von 
instinktiver  Selbsterkenntniss ,  welche  übrigens  ganz  natürlich  auf 
die  heimische  Gewöhnung  zurückführt,  ziehen  sie  selber  allen  anderen 
Beschäftigungen  diejenigen  vor,  welche  vorzüglich  Fleiss  und  Aus- 
dauer erfordern.  Als  Dienstboten,  Erdarbeiter,  Köche,  Wäscher, 
Bügler,  Cigarrenmacher,  Schuhflicker  u.  dgl.  ersetzen  sie  den  ameri- 
kanischen Arbeiter  nicht  nur,  sondern  übertreffen  ihn  sogar.  Es 
sind  gerade  die  Funktionen,  für  welche  sich  in  einem  so  dünn  be- 
völkerten,   weiten   und  reichen  Lande  und  einer  so  jungen  Gesell- 


1)  1877  wanderten  aus  Hongkong  9562  Chinesen  nach  S.  Francisco,  4442 
weniger  als  1876;  7130  kehrten  von  dort  zurück.  (Preuss.  Haudelsarch. 
1878.  IL  330.) 


218  VI.  Die  Neger  und  ihre  Sklaverei.  —  Die  Chinesen. 

Schaft  die  geringste  Neigung  zu  zeigen  pflegt.  Die  Unternehmer 
von  Eisenbahn-,  Weg-,  Dammbauten,  die  grossen  Industriellen,  die 
Kheder,  alle,  welche  Dienstboten  brauchen,  sehen  im  Chinesen  eine 
willkommene  Bereicherung  des  heimischen  Arbeitsmarktes.  Dagegen 
hasst  die  arbeitende  Classe  in  ihm  den  gefährlichsten  Wettbewerber, 
der  alles  unterbietet,  weil  seine  Gewohnheiten  und  Bedürfnisse 
ungemein  viel  einfacher  und  vor  allem  wohlfeiler  als  die  jedes  An- 
gehörigen der  kaukasischen  Rasse.  Ausserdem  hat  er  aber  auch 
in  den  Augen  der  Nichtarbeiter  den  Fehler  einer  Rasse  anzuge- 
hören, die  bei  der  mildesten  Auffassung  mindestens  nicht  edler  ist 
als  die  unsere,  deren  Mischung  also  die  unsere  nicht  verbessern 
kann,  und  in  einem  untergeordneten .  Culturkreis  aufgewachsen  zu 
sein.  Er  hat  den  noch  bedenklicheren  Fehler  sich  abzuschliessen 
von  allen  im  europäischen  Sinne  civilisirenden  Einflüssen  und  nur 
mit  den  Seinen  in  streng  gegliederte,  despotisirende,  conspirirende 
Massen  zusammenzuklumpen,  welche  der  öffentlichen  Ordnung 
geföhrlich  werden  können.  Er  ist  höchst  unreinlich  und  dadurch 
bei  seinem  gedrängten  Wohnen  gesundheitsgefährlich,  fast  durchaus 
familienlos  und  in  der  Mehrheit  sittHch  verkommen.  Die  Stellung 
der  Chinesenfrage  hat  also  in  einem  Lande  wie  Californien,  wo 
der  gelbe  Mann  Vi  2  der  Gesammtbevölkerung  bildet,  ihre  Berech- 
tigung; nur  ist  bedauerlich,  dass  man  sie  benützt  hat,  um  die 
Gemüther  des  Pöbels  in  Hitze  zu  bringen,  und  dass  die  unvermeid- 
lichen Excesse  mit  ihrem  Influsskommen  unvermeidlich  waren.  Die 
vernünftigen  Leute  sind  für  eine  massige  Einschränkung  der  Ein- 
wanderung und  für  einen  Zwang,  der  in  der  Richtung  auf  bessere 
Wohnweise,  durchgreifendere  Stellung  unter  die  amerikanischen 
Behörden,  Brechung  der  festgeschlossenen  Geheimbünde  zu  üben 
ist.  Uebrigens  ist  nicht  abzusehen,  wohin  in  dem  demagogisch 
regierten  Californien  die  Chinesenfrage  noch  führen  wird.  Wahr- 
scheinlich ist  die  Einwanderungstaxe,  die  man  fast  einem  Einwande- 
rungsverbote gleich  erachten  möchte,  nicht  ihr  letztes  Ziel,  sondern 
der  einheimische  Pöbel  möchte  den  chinesischen  Arbeiter  überhaupt 
vom  Markte  verdrängen,  um  seine  überspannten  Forderungen  con- 
currenzlos  durchsetzen  zu  können. 


in.  Abschnitt. 
DieAvirthsehaftliehenVerhältnisse, 


VII.  Die  Landwirtlischaft. 

I.  Boden  und  Klima  in  Bezug  auf  die  Landwirthschaft.  Ab- 
hängigkeit der  letzteren  von  der  Vertheilung  der  Niederschläge  222,  und  der 
Wärme  223.  Bodenbeschaffenheit  224.  Vergleich  der  Fruchtbarkeit  der  V.  St. 
mit  der  Europas  und  Abnahme  derselben  225.  Ackerbauliche  Möglichkeiten 
in  der  Osthälfte  227,  und  in  der  Steppenregion  228.  —  II.  Natürliche  Ver- 
breitungsgrenzen einiger  wichtigeren  Culturgewächse  undWald- 
bäume.  Aus  welchen  Quellen  erhielten  die  V,  St.  ihre  Culturgewächse?  234. 
Verbreitung  der  Getreidearten  234,  der  Wiesengräser  235,  des  Wein-  und  Obst- 
baues 236,  der  subtropischen  Culturpflanzen  238.  —  III.  Amerikanische 
Methoden  des  Ackerbaues.  Der  Baum  wuchs  als  Massstab  der  Frucht- 
barkeit 240.  Urbarmachung  241.  Die  amerikanische  Axt  241.  Urwald-  und 
Prärie-Ansiedler  242.  Das  Präriebrennen  242.  Die  ersten  Gebäude  243.  Leben 
des  Ansiedlers  244.  Ausnützung  der  natürlichen  Fruchtbarkeit  und  Abnahme 
derselben  245.  Wandern  des  Ackerbaues  nach  W.  247.  Düngung  250.  Guano- 
gewinnung 251.  Theoretische  Förderungen  252.  Acclimatisation  253.  Vereins- 
leben 254.  —  IV.  Farmer  und  Landarbeiter.  Bauer,  Farmer  und 
Pflanzer  255.  Grösse  der  Farmen  258.  Die  Richtung  auf  die  Grosswirthschaft  260. 
Die  Landpreise  261.  Arbeiterverhältnisse  262.  Heimstättegesetz  263.  —  V.  Ge- 
schichtliche Entwickelung  der  Landwirthschaft  in  den  V.  St.  Die 
Ackerbau-  und  Viehzucht-Colonien  265.  Einführung  der  Hausthiere  266.  Ent- 
wickelung im  17.  Jahrhundert  267.  Die  Plantagenwirthschaft  267.  Vorwiegen  der 
Landwirthchaft  im  W.  268.  Verbesserung  landw.  Geräthe  269.  Zustand  am 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  270.  Einfluss  der  Canäle  und  Eisenbahnen  271. 
Hervorragender  Platz  der  nordamerikanischen  Landwirthschaft  in  der  heutigen 
Weltwirthschaft  272.  —  VL  Die  wichtigsten  Erzeugnisse  des  Acker- 
baues. L  Getreide.  Mais  274.  Weizen  276.  Roggen  277.  Gerste  278. 
Hafer  278.  Buchweizen  278.  2.  Andere  Nahrungsgewächse.  Hülsen- 
früchte 278.  Kartoffeln  278.  Bataten  279.  Rüben  u.  a.  Wurzeln  und  Gemüse  279. 
3.  Handelsgewächse.  Baumwolle  280.  Flachs  281.  Hanf  282.  Zucker- 
rohr 282.  Sorghum  283.  Zuckerrüben  284.  Ahornzucker  284.  Tabak  285. 
Hopfen  285.  Indigo  286.  Reis  286.  4.  Obst.  Aepfel  und  Birnen  287.  Pfir- 
siche 287.  Andere  Obstarten  288.  Apfelsinen  288.  5.  Weinbau  289.  6.  Beeren- 
früchte 290.  7.  Wiesenbau  291.  —  VH.  Die  Viehzucht.  Rindvieh  292. 
Fleischausfuhr  294.  Pferde  295.  Schafe  297.  Schweine  298.  Der  Maisbau 
und   die   Schweinszucht  299.     Hunde  301.     Seidenzucht  301.     Bienenzucht  302-. 


222  VII.  Die  Landwirthschaft. 

I.  Boden  und  Klima  in  Bezug  auf  die  Landwirth- 
schaft. Die  Fruchtbarkeit  eines  so  grossen  Gebietes  wie  das 
der  V.  St.  hängt  fast  ganz  von  den  klimatischen  Verhältnissen  ab. 
Unfruchtbare,  sumpfige,  felsige,  sandige  Strecken  kommen  allerdings 
in  jedem  Klima  vor,  aber  sie  bleiben  auf  die  engen  Grenzen  ört- 
licher Erscheinungen  beschränkt.  Nur  unter  dem  Einfluss  sehr 
grosser  Feuchtigkeit  bilden  sich  weit  ausgedehnte  Sümpfe  und  nur 
unter  dem  Einfluss  überwiegender  Trockenheit  entstehen  Steppen 
und  Wüsten  von  gewaltiger  Ausdehnung.  Da  die  V.  St.  ausserhalb 
der  Grenzen  liegen,  in  denen  auch  die  Kälte  unbedingt  hindernd 
auf  das  Wachsthum  der  Pflanzen  und  damit  auf  die  Fruchtbarkeit 
des  Bodens  einwirkt,  kommen  bei  der  Betrachtung  seiner  Frucht- 
barkeit fast  nur  jene  beiden  Faktoren  in  Betracht.  Die  Wärme 
ist  jedoch  insofern  mit  in  die  Schätzung  einzubeziehen ,  als  sie 
die  Ergiebigkeit  des  Bodens  zu  steigern  im  Stande  ist  und,  je  nach 
ihrer  Verbreitung,  in  gewissen  Zonen  Gewächse  gedeihen  lässt,  die 
sie  aus  anderen  ausschliesst. 

Durch  die  ungleiche  Verbreitung  der  atmosphäri- 
schen Feuchtigkeit  wird  das  Gebiet  der  V.  St.  im  Allgemeinen 
in  zwei  Theile  getheilt,  deren  Scheidelinie  ungefähr  der  100.^  w.  L. 
Greenw.  bildet.  Der  östliche  Theil  empfängt  genügenden  Regen, 
um"  in  den  meisten  Gegenden  den  Ackerbau  ohne  künstliche  Be- 
wässerung zuzulassen,  während  w.  von  dieser  Linie  die  Regenmengen 
für  den  Ackerbau  ungenügend  sind.  Nur  eine  schmale  Zone  an 
der  nw.  pacifischen  Küste  ist  in  dieser  ganzen  Westhälfte  des  Ge- 
bietes der  V.  St.  als  regenreich  zu  bezeichnen,  aber  dieselbe  findet 
ihr  Ende  schon  n.  von  S.  Francisco  in  Californien.  S.  davon 
steigert  sich  in  dem  weiten  Gebiete  zwischen  Felsengebirg  und  Stillen 
Ocean  die  Regenarmuth  oft  bis  zu  fast  völliger  Regenlosigkeit, 
welche  ausgedehnte  Wüstenbildung  im  Gefolge  hat. 

Im  Allgemeinen  kann  man  sagen:  Oe.  vom  100.^  w.L.  ist  der 
Ackerbau  überall  möglich,  wo  nicht  felsige  oder  sumpfige  Boden- 
beschaffenheit demselben  entgegentritt ;  w.  vom  100.  ^  w.  L.  dagegen 
ist  der  Ackerbau  nur  da  möglich,  wo  künstliche  Bewässerung  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  die  Ungenügendheit  der  atmosphärischen 
Feuchtigkeit   ersetzen   kann.     Mit   anderen  Worten:    Die   Osthälfte 


VII.  Die  Landwirthschaft.  223 

der  V.  St.  ist  für  den  Ackerbau  geeignet,  bestimmte  in  der  Boden- 
bescliaffenheit  liegende  Ausnahmen  abgerechnet,  während  die  West- 
hälfte ihn  nach  ihrer  Natur  grosse ntheils  ausschliesst.  Hier  herrscht 
Steppe  und  Wüste,  dort  Wald  und  Ackerland.  Inwieweit  dieses 
grosse,  dem  Ackerbau  entzogene  Gebiet  von  der  Viehzucht  aus- 
genützt werden  kann,  wird  grossentheils  erst  die  Zukunft  zu  lehren 
haben,  da  in  dieser  Richtung  nur  Anfänge  gemacht  sind.  Mit  dem 
Unterschiede  der  atmosphärischen  Feuchtigkeit  geht  in  dieser  Zwei- 
theilung Hand  in  Hand  ein  Unterschied  in  den  Temperaturgegen- 
sätzen von  Tag  und  Nacht  und  von  Sommer  und  Winter.  Bei 
vorwaltender  Feuchtigkeit  sind  dieselben  geneigter  sich  auszugleichen, 
als  bei  Trockenheit.  Der  Westen  ist  daher  charakterisirt  durch 
extreme  und  rasch  wechselnde  Temperaturunterschiede,  während 
im  Osten  die  Gegensätze  mehr  ausgeglichen  erscheinen.  Jene 
ersteren  sind  vorzüglich  durch  unerwartete  Nachtfröste^)  und  Reife 
und  durch  unberechenbare  Frühsommer-  und  Herbstfröste  dem 
Ackerbau  unzuträglich  und  die  Westhälfte  der  V.  St.  verliert  in 
Folge  dessen  noch  mehr  von  den  wenigen  ihr  bleibenden  Möglich- 
keiten für  die  Entwickelung  des  Ackerbaues.  Uebrigens  ist  eine 
grosse  Schärfe  der  Gegensätze  in  der  Vertheilung  der  Wärme  an 
die  Jahres-  und  Tageszeiten  überhaupt  dem  ganzen  Gebiete  der 
V.  St.  eigen;  sie  tritt  nur  im  Westen  noch  mehr  hervor  als  im 
Osten.  Im  letzteren  ist  sie  nicht  im  Stande,  im  Grossen  für  den 
Ackerbau  wesentlich  andere  Bedingungen  zu  schaffen  als  diejenigen 
von  Mittel-Europa  sind,  wenn  auch  einzelne  Culturen  wie  z.  B.  die 
der  Rebe  vorwiegend  durch  sie  nahezu  unmöglich  gemacht  werden. 
Dagegen  bewirkt  im  Süden  dieser  Gegensatzreichthum  des  Klimas 
ein  ungemilderteres  Hervortreten  der  Winter-  und  Frühjahrskälte, 
welche  die  empfindlichen  Culturen  ausdauernder  Gewächse  wie  der 
Citronen  und  Apfelsinen  auf  enge  Bezirke  einschränkt. 

Bei  im  Ganzen  genügenden  Regen-   und  Wärmemengen  bleibt 


1)  Gegen  die  Nachtfröste  wird  seit  lange  schon  in  manchen  Theilen  der 
V.  St.  der  Schutz  durch  Rauchwolken  versucht,  welche  man  durch  in  den  Feldern 
und  Gärten  angezündete  Feuer  erhält.  In  Gegenden,  die  den  Nachtfrösten  so 
sehr  ausgesetzt  sind,  wie  gewisse  Thäler  Pennsylvaniens,  sind  diese  nächtlichen 
Rauchfeuer  im  Frühsommer  eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung. 


224  VII.  Die  Landwirthschaft. 

nun  für  die  Osthälfte  der  V.  St.  nur  noch  die  Bodenbeschaf- 
fenheit als  ein  mögliches  einflussreiches  Hinderniss  der  Frucht- 
barkeit zu  erwähnen.  Bei  diesem  allgemeinen  Ueberblick  treten 
natürlich  nur  die  grössten  Züge  derselben  hervor.  Die  Alleghanies 
theilen  das  hier  in  Rede  stehende  Gebiet  in  zwei  natürliche  Ab- 
schnitte, das  atlantische  Gebiet  und  das  des  Inneren.  Die  Alleghanies 
selbst  bedecken  mit  ihren  Bergen  und  ihrer  breiten  Felsengrundlage 
den  ganzen  nordöstlichen  Winkel  der  V.  St.  zwischen  dem  Hudson 
R.,  dem  S.  Lorenz  und  dem  Meere,  ein  Gebiet,  das  ausser  den 
sechs  sog.  Neuengland  -  Staaten  auch  noch  ein  Stück  vom  Staate 
New  York  umschliesst.  Dieser  wegen  seiner  dichten,  höchst  energi- 
schen und  intelligenten  Bevölkerung  für  die  Cultur  von  ganz  Nord- 
Amerika  wichtige  Abschnitt  ist  durch  seine  felsige  und  steinige 
Bodenbeschaffenheit ,  sowie  durch  das  rauhe  Klima  im  Ganzen 
dem  Ackerbau  nicht  günstig.  Der  arme  Boden  Neuenglands  ist 
fast  sprichwörtlich  und  die  Zahl  der  Landbauer  hat  durch  Aus- 
wanderung nach  dem  Westen  in  den  letzten  Jahrzehnten  erheblich 
abgenommen^).  Weiter  nach  Süden,  wo  die  Alleghanies  immer 
mehr  von  der  Küste  zurücktreten,  lassen  sie  zwischen  sich  und 
dieser  einen  geräumigen ,  wohlbewässerten  Tieflandstreifen ,  der 
besonders  von  Virginien  südwärts  sehr  fruchtbar  ist.  Freilich  liegen 
viele  Hunderttausende  von  Acres  dort  brach,  nachdem  sie  durch 
Jahrzehnte  lang  ununterbrochen  fortgesetzten  Raubbau  erschöpft 
sind,  aber  man  behauptet,  dass  diese  Oeden  sich  sehr  rasch  wieder 
mit  Föhrengestrüpp  bedecken.  Unfruchtbar  sind  hier  nur  die  weiten 
Küstensümpfe,  von  denen  allein  der  Dismal  Swamp  in  Virginien 
und  Nord  -  Carolina  2000  Q.K.  einnimmt,  während  auf  der  Halb- 
insel Florida  die  Hälfte  alles  Landes  durch  sumpfige  Beschaffenheit 
dem  Anbau  entzogen  ist.  Von  geringer  Fruchtbarkeit  sind  auch 
weit  erstreckte  Sandflächen  und  Hügel,  die  besonders  ausgedehnt 
in  Nord  -  Carolina  und  Florida  vorkommen  und  fast  ausschliesslich 


1)  In  New  Hampshire  sind  viele  Farmen  verlassen  und  gehen  allmählich 
wieder  in  den  Zustand  vonjWald-  und  Haideland  über.  (Rep.  Comm.  Agric. 
f.  1875.  251.)  Auch  in  Massachusetts  und  Connecticut  sind  alte  Farmen  in  den 
letzten  20  Jahren  mit  Föhren  angepflanzt  worden  oder  haben  sich  selbst  mit 
Buschwald  bedeckt. 


YII.  Die  Landwirthsehaft.  225 

mit  lichtem  Föhrenwalde  bedeckt  sind  (Pine  Barrens).  Das  Gebirge 
der  Alleghanies  selbst  ist  in  seinen  über  1000  m  liegenden  Theilen 
wie  alle  Gebirge  rauh,  beherbergt  aber  doch  zahlreiche  Thäler,  deren 
Sohle  niedrig  genug  liegt,  um  den  Ackerbau  sogar  in  grösserer 
Ausdehnung  zuzulassen.  Durch  seine  geringe  mittlere  Höhe  ist 
dieses  Gebirge  dem  Ackerbau  im  Ganzen  jedenfalls  günstiger  als 
die  meisten  Mittelgebirge  Deutschlands  und  für  die  Viehzucht  bietet 
es  vielfach  die  besten  Bedingungen.  Dagegen  ist  der  Abfall  der 
Alleghanies  nach  Westen  hin  in  Kentucky  und  Tennessee  durch 
Kalkplateaus  bezeichnet,  deren  fast  wagrechte  Oberfläche  wenig  er- 
giebig ist.  Zu  den  reichsten  Böden  gehört  wieder  das  Flachland, 
das  von  dem  Steilabfall  der  Hochwasserufer  des  Mississippi,  der 
Bluffs,  langsam  gegen  Osten  hin  ansteigt.  Es  besteht  aus  einem 
kieselerdereichen  Lehm  (unserem  Löss  ähnlich),  der  einen  schweren, 
fruchtbaren  Boden  bildet.  Stätten  grosser  Fruchtbarkeit  sind  auch 
die  Tiefländer  des  Mississippi-  und  Ohio -Thaies  und  die  leicht- 
welligen erhöhten  Ebenen,  welche  zwischen  dem  Ohio,  Mississippi 
und  den  Grossen  Seen  eingeschlossen  sind.  Ihr  schwarzer,  fetter 
Boden  ist  die  richtigste  Nahrung  für  enorme  Weizen-  und  Mais- 
ernten. Der  Strich  zwischen  der  Ostgrenze  von  Ohio  und  den 
mittleren  Theilen  von  Kansas  und  Nebraska,  oder  zwischen  dem 
81.  und  95.  ^  w.  L.,  der  also  die  fruchtbarsten  Theile  des  Ohio-, 
Mississippi-  und  Missouri  -  Gebietes  umschliesst,  wird  mit  vollem 
Recht  als  die  fruchtbare  Zone  (The  fertile  belt)  bezeichnet. 
Auch  auf  dem  rechten  oder  westlichen  Ufer  des  Vaters  der  Ströme 
ist  die  Fruchtbarkeit  gross,  aber  die  rasch  fortschreitende  Abnahme 
der  Feuchtigkeit  nach  Westen  zu  und  das  Herantreten  der  Ozark 
Mts.  lässt  die  hochfruchtbare  Zone  hier  schmäler  werden  als  am 
linken  oder  östlichen  Ufer.  Dagegen  umschliesst  im  Süden  Texas 
eine  grosse  Erstreckung  höchst  fruchtbaren  Landes  längs  der  Küste 
und  in  den  Thälern  des  Red.  R.,  Brazos,  Colorado  u.  s.  w.,  während 
allerdings  sein  Inneres  ebenfalls  trocken  und  öd  ist. 

Es  ist  natürlich  nicht  möglich,  die  Fruchtbarkeit  eines 
Landes  ohne  Weiteres  mit  der  eines  anderen  zu  vergleichen,  da 
dieselbe  ja  niemals  gleichmässig  über  weite  Strecken  verbreitet  ist. 
Die  Aufgabe  wird  immer  die  bleiben,  jedes  der  beiden  in  Gebiete 

Ratzel,    Amerika  II.  ^g 


226  VII.  Die  Landwirthschaft. 

von  verschiedener  Fruchtbarkeit  zu  zerlegen  und  die  Ausdehnung 
der  mit  gleicher  Fruchtbarkeit  begabten  zu  vergleichen.  Doch  steht 
selbst  einer  solchen  ganz  allgemeinen  Fruchtbarkeitsstatistik  das 
Bedenken  entgegen,  dass  der  Ertrag  der  Ernten  keinen  Massstab 
abgibt  für  die  wirkliche  Fruchtbarkeit  eines  Bodens.  Diese  hängt 
ja  oft  genug  viel  mehr  von  der  Zahl,  dem  Fleiss  und  der  Ge- 
schicklichkeit der  Anbauer  als  von  der  Güte  desselben  ab.  Be- 
gnügen wir  uns,  hier  hervorzuheben,  dass  Getreideböden,  die  den 
besten  europäischen,  etwa  dem  südrussischen  oder  ungarischen 
gleichen,  im  Ohio-,  Seen- und  Mississippi-Gebiet  von  vielleicht  5  mal 
so  grosser  Verbreitung  sind  wie  in  den  ebengenannten  Kornkammern 
Europas.  Sie  haben  weniger  von  Trocknissen,  aber  eben  so  viel 
von  Heuschrecken  und  anderem  Ungeziefer  zu  leiden.  Auf  der 
anderen  Seite  entspricht  dem  kargen  Boden  Nord -Europas,  etwa 
dem  des  grössten  Theiles  von  Schweden  und  Schottland,  derjenige 
Neu-Englands  mit  ungefähr  eben  so  grosser  Flächenausbreitung  und 
dem  Sand-  und  Kieselboden  Norddeutschlands  entspricht  der  der 
Driftregion  im  NW.  zwischen  dem  Michigansee  und  der  Steppe. 
Ausgedehnte  Sandstrecken  sind  in  allen  Südstaaten  vorhanden. 
Einen  wesentlichen  Unterschied  zu  Gunsten  Nord- Amerikas  bedingt 
aber  der  Mangel  jener  weiten  Strecken  unproduktiven  Bodens, 
welcher  in  Gestalt  der  felsigen  oder  schneebedeckten  Theile  unserer 
Hoch-  und  Mittelgebirge  sich  zwischen  die  fruchtbarsten  Länder 
Europas  hineinschiebt.  Und  einen  weiteren  Vortheil  klimatischer 
Art  haben  wir  schon  hervorgehoben,  nämlich  die  ausgiebige  Feuch- 
tigkeit, welche  der  südliche  Theil  der  V.  St.  empfängt.  Durch  sie 
wird  die  im  Vergleich  zu  unseren  Mittelmeerländern  erheblich 
geringere  Milde  des  Klimas  mehr  als  ausgeglichen,  denn  unter  der 
Vereinigung  sicilianischer  Sommerwärmegrade  mit  norwegischen 
Regenmengen  herrscht  ein  üppiges  Gedeihen,  wie  die  Mittelmeer- 
länder mit  ihren  Trockenzeiten  es  nicht  kennen.  Man  findet  nur 
in  Süd-  und  Mittel  -  China ,  die  zu  den  fruchtbarsten  Ländern  der 
Erde  zu  rechnen,  das  Gegenstück  zu  den  klimatisch  hochbegünstigten 
nordamerikanischen  Südstaaten  ^).    Man  darf  überhaupt  die  grösseren 

1)  Und  dabei  besteht  gerade  in  diesen  Theilen  noch  die  grösste  Möglichkeit 
einer  viel   ausgedehnteren  Bebauung.     Noch    1857  hob  Prof.  Everett  hervor, 


VII.  Die  Landwirthschaft.  227 

Regenmengen  als  einen  Vorzug  bezeichnen,  dessen  auch  andere  als 
diese  südlichsten  Theile  Nord -Amerikas  sich  erfreuen.  Die  Korn- 
kammern von  Indiana,  Michigan,  Illinois,  Missouri  haben  mit  ihrem 
Regenfall  von  jährlich  durchschnittlich  1000 — 1100  mm  für  ihre 
Ernten  kaum  jemals  etwas  von  der  Dürre  zu  fürchten,  welche  für 
Ungarn  und  Süd-Russland  bei  nur  2/3  so  grossen  Regenmengen  ein 
sehr  gefährlicher  Feind  ist.  Wenn  jene  Kornkammern  Nord- 
Amerikas  eine  fast  stetig  ansteigende  Curve  der  Produktion  erkennen 
lassen,  so  ist  ein  Theil  der  Ursache  dafür  allerdings  in  der  Herein- 
ziehung  immer  neuer  Ländereien  in  den  Umkreis  des  bebauten 
Areals,  ein  Theil  aber  auch  in  den  geringen  Schwankungen  zu 
suchen,  denen  Feuchtigkeit  und  Wärme  hier  unterworfen  sind. 

Fasst  man  also  die  ackerbaulichen  Möglichkeiten  zu- 
sammen, welche  das  Gebiet  der  V.  St.  diesseits,  d.  h.  östlich  der 
Steppenregion  aufweist,  so  ist  in  erster  Linie  die  Begünstigung 
durch  reichliche  Niederschläge  und  warme  Sommer,  dann  die 
geringe  Ausdehnung  unproduktiver  Gebiete  in  Hoch-  und  Mittel- 
gebirgen, endlich  die  Anzahl  der  noch  immer  vorhandenen  jung- 
fräulichen, mit  voller  natürlicher  Fruchtbarkeit  begabten  Ländereien 
hervorzuheben.  Als  Gegengewicht  fällt  dafür  in  die  Wagschale 
nur  der  strenge  Winter  und  dann  die  unbesonnene  Vernichtung 
der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  durch  fortgesetzten  Raubbau.  Beide 
sind  indessen  nicht  im  Stande,  den  V.  St.  östlich  des  Steppengebietes 
den  Vorzug  hervorragender  Fruchtbarkeit  zu  rauben,  mit  welchem 
dieselben  wahrscheinlich  jedes  gleichgrosse  Gebiet  innerhalb  der 
gemässigten  Zonen,  mit  einziger  Ausnahme  Chinas,  übertreffen. 

Inder  Steppenregion,  in  welche  man,  vom  Ackerbaustand- 
punkte betrachtet,  schon  manche  Strecke  westlich  vom  95.  Breite- 
grad rechnen  kann,  ist  es  freilich,  wie  schon  hervorgehoben,  sehr 
viel  anders  bestellt.  Nach  uninteressirten  Schätzungen  können  wir 
auch  in  den  besseren  Staaten  nur  V15 — V20,  in  den  minder  begünstigten 


dass  die  gewaltige  Produktion  Louisianas  sich  fast  ausschliesslich  auf  die  un- 
mittelbare Umgebung  des  Mississippi  stützt  und  dass  die  Cultur  sich  im  Allgemeinen 
nicht  mehr  als  1  e.  M.  von  seinen  Ufern  landeinwärts  erstrecke.  (Rep.  Am. 
Geogr.  Soc.  1857.  15.) 

15* 


[ 


228  VIT.  Die  Landwirthschaft. 

sogar  nicht  mehr  als  Vioo  des  Bodens  als  noch  den  Anbau  lohnend 
bezeichnen.  Selbst  in  dem  zweifellos  besten  von  allen,  Cali- 
fornien,  hält  im  Norden  der  wilde  Gebirgscharakter  und  im 
Süden  das  dürre  Klima  die  Entwickelung  des  Ackerbaues  in  engen 
Schranken  und  wohl  nur  die  Hälfte  des  allerdings  sehr  grossen 
Areals  kann  als  demselben  einschränkungslos  zugänglich  betrachtet 
werden,  aber  auch  in  dieser  Hälfte  bedarf  er  fast  überall  der  künst- 
lichen Bewässerung.  Wenn  man  die  Menge  des  ohne  allzugrosse 
Schwierigkeiten,  besonders  ohne  riesigen  Capitalaufwand  anbau- 
fähigen Bodens-  im  Westen,  d.  h.  westlich  vom  100.  Längengrad, 
auf  1  Proc.  des  Gesammtareais  veranschlagt,  so  dürfte  damit  unter 
diesen  Verhältnissen  noch  eine  ziemlich  billige  Schätzung  gegeben 
sein.  Dabei  ist  aber  die  Unsicherheit  der  Erträge  noch  nicht  in 
Betracht  gezogen,  welche  eine  Folge  der  allen  diesen  dürren  Klimaten 
eigenen  grossen  und  unberechenbaren  Wechselhaftigkeit  der  Witterung 
ist.  Californien  hat  sowohl  in  seinem  Ackerbau  als  seiner  Viehzucht 
entschiedene  Missjahre  zu  verzeichnen,  wie  man  sie  in  dem  mit 
regelmässigerer  Witterung  ausgestatteten  Osten  gar  nicht  kennt. 
Dort  und  auch  in  Texas  sind  dürre  Jahre  dagewesen,  die  nicht 
bloss  die  Ernte  schädigten,  sondern  auch  den  Bestand  der  Heerden 
rasch  auf  Vg  oder  V4  vermindert  haben. 

Die  ackerbaulichen  Möglichkeiten  des  fernen  Westens.  Bei 
der  Bedeutung,  die  der  sogenannte  ferne  Westen,  d.  h.  das  jenseits  des 
Mississippi  gelegene  Land,  für  die  vorwiegend  auf  Ackerbau  ausgehende 
deutsche  Einwanderung  seit  der  Auffüllung  des  alten  Westens  gewonnen 
hat,  erscheint  es  angezeigt,  etwas  näher  einzugehen  auf  die  vielfach  in 
höchst  schwindelhafter,  auf  Täuschung  des  unerfahrenen  Einwanderers 
ausgehender  Weise  übertriebenen  ackerbauUchen  MögUclikeiten  dieses  Ge- 
bietes. Ueberall  im  Gebiete  der  V.  St.,  wo  man  von  der  Mississippi-Linie 
nach  W.  geht,  stösst  man,  nachdem  grosse  Strecken  fruchtbaren  Landes 
durchmessen  sind,  auf  dürre,  erst  waldarme,  dann  auch  vegetationsarme 
Strecken.  Etwas  näher  oder  ferner  vom  100.  Längengrad  begegnet  man 
im  S.  und  N.  derselben  Erscheinung.  Verfolgt  man  z.  B.  im  S.  ungefähr 
den  32.  Breitegrad,  so  durchwandert  man  bis  in  die  Gegend  von  San 
Antonio  eine  wohlbewässerte  Prärieregion  mit  grösseren  und  kleineren 
Wäldern;  aber  ungefähr  150  Kil.  weiter  w.  wird  der  fruchtbare  Boden 
schon  zu  einer  dünnen  Decke,  die  Bäche  sind  Fiumaren,  die  Wälder 
in  die  Thäler  zusammengedrängt,  die  Begenmengen  gering,  aber  in  den 
verschiedenen  Jahren  so  ungleich,  dass  auf  eines  mit  übermässig  heftigen 


Vn.  Die  Landwirthschaft.  229 

Güssen  2  oder  3  fast  ganz  dürre  folgen,  in  denen  die  Vegetation  zu  Staub 
verdorrt.  Jenseits  des  100.  Längengrades  wird  die  Humuserde  noch 
dünner  und  das  bis  dahin  noch  stark  vertretene  nahrhafte  Büffelgras  nimmt 
immer  mehr  ab.  Zwischen  hier  und  dem  Rio  Grande  findet  man  von 
ausdauerndem  Gewässer  nur  einige  Quellen  und  den  Pecos,  der  aber 
wegen  seines  Alkaligehaltes  und  wegen  der  Steilheit  seiner  Thalwände  zur 
Irrigation  fast  nirgends  tauglich  ist.  Etwas  weiter  n.  finden  sich  dagegen 
Streifen  guten  Landes  all  den  Flüsschen  (Fiumaren)  entlang,  welche  aus 
dem  Llano  Estacado  herauskommen.  Die  Oberfläche  des  Llano  Estacado 
ist  dagegen  nach  Bodenart  und  Klima  uncultivirbar.  Ganz  West-Texas  hat 
eine  sehr  bergige,  bald  plateauartige,  bald  in  Gebirgsketten  aufgelöste 
Bodengestalt;  diese  Bodenerhebungen  sind  felsig,  wenig  bewachsen.  Neu- 
Mexico  hat  im  Allgemeinen  denselben  Charakter,  nur  dass  seine  Höhenzüge 
regelmässiger  und  oft  höher  und  durch  breitere  Einsenkungen  •getrennt 
sind;  in  denen  besonders  im  n.  Theil  ziemlich  erhebliche  Strecken  frucht- 
baren Landes  liegen.  Arizona  ist  dagegen  wieder  gebirgiger,  kahler  und 
dürrer,  hat  aber  in  seinem  s.  Theil,  der  an  Sonora  grenzt,  einen  ca.  80  Kil- 
breiten Streif  (besonders  in  der  Nähe  von  Ft.  Buchanan)  culturfähigen 
Landes.  Die  Thäler  des  Colorado  und  Gila  und  ihrer  wenig  zahlreichen 
Nebenflüsse  haben,  wo  sie  von  nicht  allzusteil  abfallenden  Hängen  ein- 
gefasst  sind,  Humusstreifen  von  einigen  Ellen  bis  höchstens  4  Kil.  Breite. 
Nach  den  Berichten  des  Surveyor  General  haben  beide  Territorien,  Neu- 
Mexico  und  Arizona,  etwa  1  Mill.  Acres  bebaubaren,  d.  h.  bewässerbaren 
Landes,  was  bei  Neu-Mexico  Vro,  bei  Arizona  Vso  ihrer  gesammten  Ober- 
fläche gleichkommt.  In  derselben  Breite  fortgehend  kreuzt  man  den 
unteren  Colorado,  durchquert  dann  den  südlichsten  Theil  von  Californien, 
der  in  der  Breite  von  ca.  170  Kil.  bis  zur  Bernardino  -  Kette  eine  fast 
oasenlose  Wüste  mit  einer  erheblichen  Depression  ist,  um  erst  in  dem 
letzten  Theile  des  Weges,  ca.  40  Kil.  zwischen  Gebirg  und  Meer,  bei 
künstlicher  Bewässerung  anbaufähig  zu  werden. 

Folgt  man  dem  35.  Breitegrad,  der  das  Indianer-Terr.,  Neu-Mexico 
und  Arizona  nahezu  halbirt,  so  findet  man  in  der  ö.  Hälfte  des  ersteren 
ein  bewässertes,  stellenweise  bewaldetes,  in  den  Flussniederungen  frucht- 
bares Land.  Vielleicht  die  Hälfte  des  Bodens  ist  hier  dem  Ackerbau 
zugänglich.  120  Kil.  weiter  w.  ist  das  fruchtbare  Land  auf  die  Flussthäler 
beschränkt  und  verschwindet  gänzlich  in  der  Nachbarschaft  des  100.  Längen- 
grades. In  diesem  Zustande  bleibt  es  bis  Neu-Mexico,  wo  in  den  Thal- 
weitungen des  Rio  Grande  mit  künstlicher  Bewässerung  Ackerbau  möglich 
ist.  In  Arizona  sind  die  Berge  stellenweis  hoch  genug,  um  Feuchtigkeit 
niederzuschlagen,  welche  Wälder  von  Föhren  und  Büsche  von  Wachholder 
nährt  und  in  flachen  Thalsenkungen  Graswuchs  zulässt. 

Die  nächste  Linie  ist  die  Linie  der  Kansas  Pacific  R.  R. ,  welche 
Kansas,  Colorado,  Utah,  Nevada  und  Californien  fast  halbirt,    Kansas  ist 


230  ^n.  Die  Landwirthschaft. 

gleich  wie  Texas  und  Indian  Terr.  fruchtbar,  wenn  auch  gelegentlichen 
Trocknissen  ausgesetzt,  bis  zum  98.  Längengrad,  aber  hier  beginnt  die 
Steppennatur  sich  einzustellen  und  jenseits  Ft.  Hays  hört  die  Möglichkeit 
des  Ackerbaues  auf.  An  den  Flüssen  finden  sich  hier  und  weiterhin  in 
Colorado  schmale  Streifen  bewässerbaren  Landes,  die  breiter  werden  mit 
der  Annäherung  an  das  Gebirge.  In  dem  Felsengebirge  von  Colorado  ist 
wegen  des  steilen  Abfalles  der  schmalen,  hochwandigen  Thäler  und  der  hohen 
Lage  der  nach  ihrer  Bodengestaltung  für  den  Ackerbau  nicht  ungünstigen 
Parks  das  anbaubare  Land  spärlich;  nach  dem  Bericht  des  Surveyor  General 
ist  es  in  Colorado  und  Wyoming  auf  2  Mill.  Acres  zu  schätzen,  was 
20000  kleinen  Farmen  zu  100  Acres  entsprechen  würde.  Derselbe  glaubt, 
dass  möglicherweise  in  der  ausgedehnten  Terra  incognita  des  Winkels 
zwischen  Colorado,  Neu -Mexico  und  Utah  unter  günstigen  Bedingungen 
noch  eine  erhebliche  Menge  anbaubaren  Landes  zu  finden  sein  möchte, 
hält  aber  4  Mill.,  also  Vis  des  ganzen  Gebietes  von  Colorado  und  Wyo- 
ming, schon  für  die  höchste  zulässige  Zahl.  Weiter  nach  W.  gehend 
kommen  wir  durch  ein  gebirgiges  Land,  grossentheils  Wermuth- Steppe, 
mit  Wäldern  auf  den  höchsten  Abhängen  und  Kämmen,  bis  am  Westfuss 
der  Wahsatch  Mts.  wieder  eine  Linie  von  Ansiedelungen  auftritt,  in  welchen 
das  von  den  Gebirgen  kommende  Wasser  zu  Zwecken  der  Irrigation  ver- 
wandt wird  ^).  Nach  W.  hin  treten  die  zahlreichen  n.  und  s.  ziehenden 
Gebirge  auf,  welche  sandige  Wüstenthäler  von  durchschnittlich  30  Kil. 
Breite  mit  zahlreichen  Salzseen  und  Salzsümpfen  einschliessen.  Mit  Aus- 
nahme der  an  Zahl  geringen  und  sehr  beschränkten  Oasen  ist  in  dieser 
ganzen  Region  kein  für  den  Ackerbau  verwerthbares  Land^).    Der  Ost- 


1)  Indem  die  engbegrenzten  Culturbedingungen  dieser  Gegend  zu  einer 
grossen  Ausbreitung  nöthigten,  wurden  die  Mormonen  zwar  gezwungen,  sich 
über  einen  Raum  auszubreiten ,  der  heute  in  1000  Kil.  Länge  von  Idaho  bis 
Arizona  zieht;  aber  alle  ihre  Ansiedelungen  zusammengelegt  würden  nur 
einen  wenige  Meilen  breiten  Streif  von  dieser  Länge  bilden,  wie  sie  denn  auch 
in  Wirklichkeit  aus  nichts  anderem  als  schmalen  Streifen  bewässerbaren  Landes 
am  Fuss  der  Wahsatch-  u.  a.  Gebirge  des  Grossen  Beckens  bestehen. 

2)  Diese  äusserlich  so  dürr  und  öde  erscheinenden  Ärtemisia  Plains  er- 
weisen sich  allerdings  als  fruchtbar,  sobald  man  sie  künsthcher  Bewässerung 
zugänglich  machen  kann.  Wenn  indessen,  wie  es  hier  der  Fall,  Wasser. nicht 
über  30m  und  manchmal  erst  bei  100m  zu  haben  ist,  so  begreift  man,  dass 
die  Hoffnungen  auf  grössere  künftige  Entwickelung  des  Ackerbaues  sich  in  sehr 
engen  Grenzen  zu  halten  haben.  Watson  und  Eaton  ^)  berechnen,  dass  im  n. 
Nevada  etwa  3  Proc. ,  vom  s.  Theil  des  Staates  und  dem  w.  Utah  aber  nicht 
einmal  so  viel  sich  culturfähig  erweisen  möchten.  Die  grossen  Hoffnungen, 
welche  man  auf  die  künstliche  Bewässerung  im  Grossen  Becken  gesetzt  hat, 
dürften  auch  wegen  der  Bodenart  im  Ganzen  doch  nur  bei  den  nicht  ganz  aus- 

1)  Ol.  King,  Geol.  40 1^  Par.  1871. 


VII.  Die  Landwirthschaft.  231 

abhang  der  Sierra  Nevada  besitzt  gleichfalls  eine  Reihe  von  Oasen  an 
den  Bächen,  die  von  ihm  herabkommen,  und  werthvoUe  Waldbestände; 
waldreich  ist  auch  das  Innere  des  Gebirges,  aber  Ackerland  umschliesst 
es  nur  in  einigen  Thalweitungen  von  beschränkter  Ausdehnung  und  hoher 
Lage.  Erst  am  Westfuss  nimmt  die  Menge  des  anbaufähigen  Landes  zu, 
ist  aber  doch  in  so  ausgedehnter  Weise  von  Gebirgszügen  unterbrochen 
und  meistentheils  so  ganz  auf  künstliche  Bewässerung  angewiesen,  dass 
man  nur  in  der  westlichen,  der  See  zu  gelegenen  Hälfte  Californiens 
etwa  Va,  in  der  östlichen,  gebirgigen  aber  wohl  nicht  mehr  als  V20  als 
anbaufähig  bezeichnen  kann^). 

Weiter  nördlich  ist  das  Land  um  den  41.  Grad,  von  Omaha  bis  Ft. 
Kerney,  ungefähr  330  Kil.,  eines  der  besten,  die  man  im  Gebiete  der 
Union  findet:  wenig  Wald,  aber  genügend  Regen,  zahlreiche  kleinere 
Flüsse  und  Bäche,  fast  nie  versagende  Weizenernten.  Die  ö.  Hälfte  von 
Nebraska  gehört  diesem  Gebiete  an,  aber  in  der  w.  tritt  bereits  die  Steppe 
auf,  wo  allerdings  noch  immer  guter  Weidegrund  und  in  den  Thalniede- 
rungen bei  künstlicher  Bewässerung  fruchtbares  Land  zu  finden  ist,  aber 
doch  der  weitaus  grösste  Theil  des  Bodens  unbenutzbar  wird.  Im  Terr. 
Wyoming,  das  im  W.  an  Nebraska  stösst,  ist  noch  Weidegrund  in 
grösserer  Ausdehnung  zu  finden,  aber  Ackerland  so  wenig,  dass  jedenfalls 
der  Procentsatz  noch  kleiner  als  in  Colorado  ist.  Von  Sherman,  der 
Kammstation  der  Pacific-Bahn  im  Felsengebirge,  bis  zur  Küste  des  Stillen 
Meeres  hat  man  dann  in  dieser  Breite  so  ziemlich  dasselbe  Schauspiel 
wie  weiter  s.,  nur  mit  weniger  hohen  und  zerrissenen  Gebirgszügen,  endlich 
in  Idaho  eine  Masse  von  Höhenzügen,  zwischen  denen  indessen  bei  hin- 
reichendem Regenfall  wasserreiche  Bäche,  gutes  Land  und  an  den  Ab- 
hängen Wälder  und  Wiesen  zu  finden  sind.  Eine  sehr  unfruchtbare 
Region,  die  von  dieser  Breite  geschnitten  wird,  ist  jedoch  die  der  grossen 
Lavaströme,  welche  vorzüglich  im  nö.  Californien  und  nw.  Nevada  weite 
Gebiete  von  zusammen  nicht  unter  5000  Q.  Kil.  bedecken  und  meist  noch 
nicht   so  weit  verwittert  sind,  um  eine  Humusdecke  erzeugen  zu  können. 

Geht  man  dem  Parallel  von  S.  Paul  Minn.  entlang  von  Duluth  am 
Oberen  See,  so  hat  man  in  den  ersten  170  Kil.  Lärchensümpfe,  Seen 
und  wenig  Wiesen  mit  im  Ganzen  wenig  gutem  Holz  wuchs,  dann  aber  in 
den  weiteren  100  Kil.  bis  zum  Mississippi  eine  Seeregion  mit  gutem  Wald- 
bestand.    Aehnlich  gutes  Waldland  mit  vielem  Ackerland  liegt  zwischen 


gesüssten  Flachlandböden,  besonders  den  Flussanschwemmungen,  Aussicht  auf 
Erfüllung  haben ;  diese  sind  aber  von  sehr  beschränkter  Ausdehnung.  An  den 
Berghängen  scheint  sogar  für  Viehweiden  nur  geringer  Raum  gegeben,  denn  das 
wenige  Gras,  das  vorhanden,  wird  vom  Vieh  gewöhnlich  bald  entwurzelt  und 
ausgetreten. 

1)  Die  Cotton  Lands  Californiens  wurden   indessen   sogar  im  Montlily  Rep. 
Agric.  Dep.  f.  1874  zu  20  Hill.  Acres  veranschlagt! 


232  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Mississippi  und  Red.  R.,  und  das  Thal  des  letzteren  mit  seiner  oft 
150  Kil.  breiten,  sehr  flachen  Niederung  gilt  für  ein  ausgezeichnetes 
Weizenland.  Von  da  bis  zum  James. R.  ist  wenig  gutes  Land  und  von 
da  zum  Missouri  ausser  den  schmalen  Thalniederungen  alles  Steppe.  Das 
Missouri -Thal  selbst  ist  auf  dieser  Strecke,  und  dann  aufwärts  von  Yankton, 
selten  breit  genug,  um  Felder  mit  künstlicher  Bewässerung  zuzulassen. 
Dakota  wird  kaum  mehr  als  Vioo  für  Ackerbauzwecke  nutzbares  Land 
aufzuweisen  iaben,  denn  bewässerbare  Strecken,  wie  sie  in  den  Thälern 
des  Apple  Creek  und  Hart  R.,  um  Ft.  Berthold  und  an  manchen  anderen 
Punkten  liegen,  fallen  gegen  die  kaum  unterbrochene  Ausbreitung  der 
Steppe  in  der  Westhälfte  wenig  ins  Gewicht.  Dünner  Weidegrund  findet 
sich  jedoch  durch  das  ganze  Gebiet  des  Territoriums,  wogegen  aber  Holz 
ausser  in  Form  des  wenig  werthvollen  Cottonwood  in  den  Thalniederungen 
nur  in  der  kleinen  Gebirgsgruppe  der  Black  Hills  in  einigermassen  beträcht- 
licher Menge  auftritt.  Aber  selbst  hier  ist  dasselbe,  ob  es  als  Föhre  oder 
Fichte  vorkomme,  nur  in  dünnen  und  niederen  Stämmen  vorhanden.  In 
Montana  ist  der  Yellowstone  sammt  seinen  Zuflüssen  häufig  von  gras- 
reichen Niederungen  eingefasst  und  man  kann  wohl  auf  1  Mill.  Acres 
vorzüglichen  Graslandes  in  den  Grenzen  dieses  Territoriums  rechnen.  In 
den  w.  Theilen  von  Montana  und  im  n.  Idaho  ist  bei  meist  genügendem 
Regenfall  Ackerbau  ohne  Irrigation  möglich.  Dagegen  sind  Columbia  R. 
und  seine  Hauptzuflüsse  fast  überall  in  steile  Thäler  eingefasst,  und  wo 
sich  Thalweitungen  finden,  sind  sie  nur  zu  oft  lockerer  Sand.  Erst  vom 
Fuss  des  Cascadengebirges  an  begegnet  man  ausgedehnteren  Wald-  und 
Wiesenstrecken  und  zwischen  dem  Westabhang  desselben  und  dem  Meere 
sind  die  regenreichen,  milden,  fruchtbaren  Regionen  in  Oregon  und 
Washington  Terr.,  denen  zu  ausgiebigster  agricultureller  Benützung  nur 
heisse  Sommer  fehlen.  Vorzüglich  der  Waldwuchs  und  die  Wiesen  sind 
hier  herrlich,  und  der  Ackerbau  bringt  jene  Erzeugnisse  hier  in  Fülle 
hervor,  denen  langdauernde  Milde  und  sogar  ein  Uebermass  von  Regen 
nützlicher  sind  als  warme  Sommer  und  zusammengedrängte  Vegetations- 
perioden. 

Ueberblickt  man  dieses  ganze  weite  Gebiet  zwischen  dem  100.  Breite- 
grad und  der  Sierra  Nevada,  so  dürfte .  es  noch  eine  günstige  Schätzung 
sein,  wenn  man  1  Proc.  desselben  als  anbaufähiges  Land  bezeichnet,  und 
dieses  eine  Procent  ist  dazu  noch  in  einer  so  unvortheilhaften  Weise  ver- 
theilt,  dass  es  auf  schmale  Streifen  längs  der  höchsten  Gebirge  und  der 
flachuferigen  Flüsse  beschränkt  ist  und  dass  zwischen  diese  Streifen  jeweils 
sehr  weite  Strecken  wüstenhaften  Landes  sich  einschieben.  Oft  ist  selbst 
das  Wasser  zur  Bewässerung  vorhanden,  braucht  aber  Jahre,  bis  es  den 
Salzgehalt  des  Bodens  ausgelaugt.  In  Utah  ist  bekanntermassen  an  vielen 
Stellen  die  künstliche  Bewässerung  nicht  früher  von  Vortheil  für  den 
Ackerbau,   als  bis  durch  längeres  Unterwassersetzen  und  Abfliesscnlassen 


VII.  Die  Landwirthschaft.  233 

der  Salzgehalt  des  Bodens  bis  auf  einen  unschädlichen  Rest  ausgelaugt 
ist.     Dieser  Process  nimmt  aber  eine  Reihe  von  Jahren  in  Anspruch. 

Die  Viehzucht  braucht  natürlich  ebenfalls  Wasser  und  ist  ohne  regel- 
mässigen und  zuverlässigen  Zufluss  desselben  nicht  möglich.  Die  Gräser 
und  Futterkräuter  der  Steppe  genügen  nicht.  Der  Graswuchs  ist  in  den 
verschiedenen  Jahren  sehr  ungleich  und  dasselbe  sind  auch  die  Winter, 
welche  z.  B.  in  Nevada  alle  Paar  Jahre  so  hart  und  langdauernd  eintreten, 
dass  das  Heu  aufgezehrt  wird  und  fabelhafte  Preise  erreicht  (z.  B.  kostete 
1874/75  in  Honey  Lake  Nev.  die  Tonne  60,  in  Susanville  Nev.  130  D.). 
Man  braucht  hier  viele  Acres,  um  die  gleiche  Masse  Heu  zu  erzeugen, 
die  in  New  York  oder  Ohio  ein  Acre  liefert.  W.  B.  Hazen  theilt  in 
seinem  sehr  lehrreichen  „The  Middle  Region  of  the  U.  S."  als  glaub- 
würdig die  Angabe  eines  Unternehmers  mit,  der  die  Forts  im_  oberen 
Missouri-Gebiet  mit  Heu  zu  versorgen  hat  und  im  Sommer  1874  auf  einem 
Raum  von  5000  Q.Kil.  nicht  mehr  als  900  Tonnen  zu  gewinnen  vermochte  *). 
Ausserdem  sind  die  schweren  Stürme  in  Betracht  zu  ziehen,  welche  gerade 
den  Viehzüchtern  sehr  grossen  Schaden  zufügen  können.  1865  erfroren 
die  Pferde  von  Col.  Coles  Cavallerie  am  Powder  R.,  im  Winter  1872/73 
verloren  sogar  in  Minnesota  Hunderte  von  Menschen  ihr  Leben  und  noch 
in  demselben  Frühling  fiel  in  Dakota  zahlreiches  Vieh  in  solchen  Stürmen. 
Auch  der  Winter  1877/78,  und  in  der  Nähe  betrachtet  fast  jeder,  verur- 
sachte grosse  Verluste  an  Menschen  und  Vieh  in  den  Prärie-  und  Steppen- 
gegenden. 

Uebrigens  finden  diese  Wahrheiten  in  neuester  Zeit,  nachdem  die 
traurigen  Erfahrungen  von  Tausenden  von  Ansiedlern  vorliegen,  in  aner- 
kennenswerther  Weise  amtliche  Bekräftigung.  So  sagt  der  Bericht  des 
Public  Land  Office  für  1876/77,  indem  er  ein  Bild  der  ackerbaulichen 
Möglichkeiten  dieser  Gegenden  entwirft:  Zwischen  dem  100.  Meridian  im 
0.  und  der  Sierra  Nevada  und  dem  Cascadengebirge  im  W.  und  zwischen 
der  mexikanischen  Grenze  im  S.  und  der  britischen  im  N.  herrschen 
ganz  besondere  geographische,  physikalische  und  klimatische  Bedingungen. 
Ackerbau  in  dem  Sinne,  wie  er  im  Mississippi-Gebiet  und  im  0.  betrieben 
wird,  ist  hier  unmöglich.  Bewässerung  ist  unentbehrlich.  Es  ist  gewiss, 
dass  durch  dieselbe  in  beschränkter  Ausdehnung  das  Land  fruchtbar 
gemacht  werden  kann,  aber  der  Bruchtheil  desselben,  der  dies  erlaubt, 
ist  unbedeutend.  Die  unmittelbar  an  den  Flüssen  liegenden  Thalstrecken 
können  mit  geringen  Mitteln  bewässert  werden.  Aber  es  gibt  andere, 
ausgedehntere,  welche  fruchtbar  gemacht  werden  könnten  mit  grösserem 
Aufwand  von  Mitteln,  nämlich  diejenigen,  welche  in  der  Nähe  von  Flüssen 
mit  mehr  Wasser  gelegen  sind,  als  zur  Bewässerung  der  unmittelbaren 
üferstrecken  nothwendig  ist.    Hier  müssten  Canäle  angelegt  werden,  welche 


1)  N.  Am.  Reviev  1875.  I.  20. 


234  VII.  Die  Landwirthschaft. 

aber  nur  mit  grossem  Capital  zu  bauen  sind.  —  Diese  amtliche  Aeusserung 
sollte  sich  Jeder  vor  Augen  halten,  der  durch  die  üblichen  Anpreisungen 
der  Agenten  sich  zur  Auswanderung  nach  dem  fernen  Westen  ermuthigt  fühlt. 

II.  Natürliche  Verbreituiigsgrenzen  einiger  wichtigeren  Cultur- 
gewächse  und  Waldbäume.  Das  Gebiet  der  V.  St.  hat  seine  Cultur- 
gewächse  aus  zweierlei  Quellen  erhalten :  aus  den  mit  kühlem,  gemässigtem 
Klima  versehenen  Theilen  Europas  und  aus  tropischen  Gegenden.  Diese 
fanden  vorwiegend  in  den  südlichen  und  jene  in  den  nördlichen  Theilen 
ihre  Lebensbedingungen  wieder.  Aber  beide  Gruppen  haben  sich  in 
eigenartiger  Weise  zu  einander  gelagert  und  in  einander  verschoben,  wie 
es  die  Eigenthümlichkeiten  des  Klimas  und  des  Bodens  zusammen  mit 
den  Bemühungen  der  Ackerbauer  selbstverständlich  bedingen.  Die  Grund- 
eigenschaften des  nordamerikanischen  Klimas  machten  sich  dabei  im 
Allgemeinen  in  der  Weise  geltend,  dass  einzelne  subtropische  Gewächse 
im  0.  durch  Sommerwärme  und  Feuchtigkeit  begünstigt  weiter  nach  N. 
hinauf  sich  verbreiten  konnten  als  in  Europa,  während  die  kalten  Winter 
und  Frühlinge  einige  Bürger  gemässigter  Breiten  der  Alten  Welt  an  so 
weiter  Verbreitung  in  derselben  Richtung  hindern,  wie  sie  in  Europa  von 
ihnen  erreicht  wird.  Ein  ganze  Anzahl  europäischer  wie  tropischer  Ab- 
kömmlinge ist  aus  den  Gebirgen  und  Hochebenen  des  W.  wegen  der 
Trockenheit  des  Klimas  ausgeschlossen,  während  anderen  die  Feuchtigkeit 
des  0.  und  S.  nicht  zusagt.  Die  von  0.  nach  W.  zunehmende  Excessivität 
und  Dürre  des  Klimas  lässt  zusammen  mit  der  in  derselben  Richtung 
zunehmenden  Höhe  des  Landes  die  n.  Verbreitungsgrenzen  der  meisten 
Culturgewächse  um  den  95.  — 100.  Längengrad  entweder  unterbrochen 
sein  oder  doch  sehr  steil  nach  S.  abfallen.  Es  ist  dieselbe  Erscheinung, 
welche  man  beim  Uebergang  von  West-  nach  Ost -Europa  beobachtet. 
Im  Einzelnen  treten  zwar  noch  manche  kleinere  Unterschiede  hervor, 
aber  im  Grossen  und  Ganzen  bleibt  doch  die  Grundthatsache  bestehen, 
dass  wir  es  in  den  V.  St.  mit  Klimagebieten  von  derselben  Stufe, 
wenn  auch  nicht  derselben  Art,  zu  thun  haben  wie  in  Europa  und 
dementsprechend  sind  auch  die  Gebiete  des  Ackerbaues  ähnlich  gelagert. 

Von  den  altweltlichen  Getreidearten  verlangt  Weizen  sowohl 
nach  europäischen  als  amerikanischen  Erfahrungen  eine  mittlere  Wärme 
von  16°  für  die  beiden  Monate  Juli  und  August.  Aber  in  dem  Gebiete 
der  grossen  Weizenerzeugung,  welches  von  New  York  am  Südrand  der 
Grossen  Seen  sich  hinstreckt,  erfreuen  sich  diese  beiden  Monate  einer 
mittleren  Temperatur  von  20  — 2IV2  ^  und  findet  die  Ernte  Ende  Juli  oder 
Anfangs  August  statt.  In  den  nördlicher  gelegenen  Staaten  fällt  die  Ernte 
auf  die  zweite  Hälfte  des  August.  Verhältnissmässig  milde  Sommer  mit 
trockener  Luft  und  genügender  Wärme  scheinen  in  diesem  Weizengürtel 
das  Wachsthum  des  empfindlichsten  von  unseren  Getreiden  wesentlich  zu 
befördern.     Dagegen  ist  im  Mississippi -Thal  bis  nach  Iowa  und  in  dessen 


VII.  Die  Landwirthschaft.  235 

tiefer  gelegenen  Umgebungen,  ferner  in  den  Niederungen  des  Ohio  bis 
Cincinnati  und  im  atlantischen  Küstentiefland  s.  vom  James  R.  die 
Witterung  der  Reifezeit  gleichzeitig  zu  feucht  und  zu  heiss,  um  den 
Weizenbau  im  Grossen  zu  begünstigen.  Wo  Weizen  im  s.  Texas  gebaut 
wird,  erscheint  seine  Reifezeit  auf  Mai  vorgeschoben,  dessen  Mittelwärme 
hier  um  21 "  C.  schwankt.  Es  müssen  aber  keine  starken  tropischen 
Regengüsse  fallen,  die  ihm  entschieden  schaden.  Aehnlich  wie  in  der 
Alten  Welt  zwischen  den  Reifezeiten  des  Weizens  in  Aegypten  und  England 
liegt  ein  Unterschied  von  3  Monaten  zwischen  diesen  südlichsten  Punkten 
des  Weizenbaues  in  den  V.  St.  und  den  nördlichsten. 

Die  übrigen  altweltlichen  Getreidearten  finden  keine  anderen  entschie- 
denen Yerbreitungsgrenzen  in  den  V.  St.  als  die,  welche  die  Trockenheit 
überhaupt  dem  Ackerbau  setzt,  sobald  sich  derselbe  in  das  Steppengebiet 
hineinwagt.  Gegenüber  den  feuchten  und  heissen  Sommern  des  S.  ver- 
halten sie  sich  ähnlich  wie  Weizen,  ohne  indessen  durch  diese  Einflüsse 
aus  den  Südstaaten  gerade  ausgeschlossen  zu  sein.  Nur  für  ihren  Anbau 
im  Grossen  sind  die  klimatischen  Verhältnisse  im  S.  nicht  günstig.  Aber 
die  Bedingungen,  welche  die  Nordgrenzen  ziehen  —  mindestens  2  frost- 
freie Monate  und  eine  Mittelwärme  des  Reifemonats  von  14°  in  gleich- 
massigen  und  18"  in  extremen  Klimaten  — ,  machen  sich  erst  weit  jenseits 
der  Nordgrenze  der  V.  St.  geltend.  Von  den  klimatischen  Eigenschaften 
der  mittleren  und  n.  V.  St.  werden  nur  die  zeitweilig  eintretenden  Extreme 
von  Wärme  und  Feuchtigkeit  schädlich  und  in  den  höher  gelegenen 
Strichen  auch  die  Frühsommerfröste.  Jene  erzeugen  vorzüglich  Rost  und 
Mehlthau,  während  diese  nur  dann  gefährlich  werden,  wenn  das  Getreide 
seme  Aehren  treibt.  Von  den  häufiger  angebauten  Getreidearten  ist 
Gerste  auch  in  der  Neuen  Welt  die  schmiegsamste;  ihre  Anpassbarkeit 
selbst  an  sehr  kurze  Sommer  wird  in  den  Gebirgsgegenden  sowohl  des  W. 
als  des  0.  der  V.  St.  verwerthet.  Hafer  ist  gegen  kühle  und  feuchte 
Sommer  vielleicht  noch  unempfindlicher,  erträgt  aber  Frost  auf  irgend 
einer  Stufe  seines  Wachsthums  selbst  weniger  als  Weizen.  Er  ist  das 
natürliche  Getreide  des  feuchten,  kühlsommerigen,  aber  frostarmen  Striches 
an  der  n.  pacifischen  Küste.  Roggen  ist  eben  so  hart  wie  Gerste,  nimmt 
aber  noch  eher  mit  Trockenheit  und  sehr  dünnem  Boden  vorlieb  und 
ist  daher  gleich  ihr  für  die  höheren  Gebirgsregionen  vorzüglich  geeignet. 

Die  Wiesengräser,  welche  in  den  V.  St.  angebaut  werden,  sind 
der  Mehrzahl  nach  europäischen  Ursprungs  wie  die  Getreidearten,  zeigen 
aber  im  Allgemeinen  weniger  Anpassung  an  das  Klima  als  diese.  Die 
künstliche  Grasnarbe  der  Wiesen  find<3t  ö.  vom  Mississippi  nur  n.  vom 
39.  Breitegrad  die  Bedingungen  ihres  Gedeihens  in  genügendem  Masse. 
In  Washington  ist  die  Sommerhitze  bereits  zu  grell  für  sie.  In  der  Ueber- 
gangsland Schaft  des  Ohio-Gebietes  kommen  dazu  noch  die  langdauerndea 
Trockenzeiten.     Von  Natur   ist    kein   Theil   der  V.  St.   mit  einziger  Aus- 


236  VII.  Die  Landwirthschaft. 

nähme  des  äussersten  Nordwestens  so  günstig  geartet  für  Graswuchs,  wie 
es  die  britischen  Inseln  und  grosse  Theile  des  nw.  Europas  sind.  Das 
beste  der  nutzbaren  Gräser  ist  in  den  Gegenden  diesseits  des  Mississippi 
das  Blaugras  (Blue  Grass),  unter  welchem  mehrere  Poa -Arten,  besonders 
P.  compressa,  verstanden  sind.  Es  kommt  in  den  Ohio -Staaten  am  reich- 
lichsten und  besten  vor.  Im  S.  zeigen  nur  die  sehr  feuchten  Niederungen 
reichen  V»^uchs  von  Gräsern,  die  aber  in  tropischer  Art  oft  mehr  schilf- 
als  wiesengrasaYtig  sind.  Die  Prärien  und  Steppen  haben  einige  vortreff- 
liche Nährgräser,  unter  denen  das  Büffelgras  (Buffalo  Grass:  mehrere 
Chondrosium- Arten)  die  für  dieses  Klima  unschätzbare  Eigenschaft  besitzt, 
einen  grossen  Theil  seiner  nährenden  Bestandtheilc  im  dürren  Zustande 
zu  bewahren.  Fremont  setzt  die  n.  Grenze  dieser  Grasart  bei  40".  Die 
eigentlichen  Präriegräser  haben  den  Nachtheil,  mit  dem  Umbrechen  des 
Bodens  zu  verschwinden,  indem  sie  sich  nur  wenig  durch  Samen  fort- 
pflanzen. Die  europäischen  Gräser  aber  fassen  in  dem  harten  Prärieboden 
schwer  Wurzel,  so  dass  die  Anlegung  einer  Grasnarbe  mit  ihnen  nur  in 
feuchten,  tiefgelegenen  Theilen  der  Prärie  gelingt.  Die  eingeführten 
Kleearten  verhalten  sich  im  Allgemeinen  ähnlich  den  eingeführten 
Gräsern  und  haben  entsprechende  Verbreitungsbezirke.  Für  manche  Nach- 
theile, welche  das  amerikanische  Klima  der  Anlage  von  künstlichen  Wiesen, 
dem  Gras-  und  Kleebau  entgegenstellt,  entschädigt  es  wieder  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  durch  die  Erleichterung,  welche  es  bei  der  Ernte  und  der 
Bergung  des  Heues  durch  die  längeren  Reihen  heller  Tage  und  das  sehr 
rasche  Austrocknen  bietet. 

Die  Rebe,  welche  in  Europa  bekanntlich,  da  sie  in  so  grosser  Aus- 
dehnung in  der  Nähe  der  Nordgrenze  ihres  Verbreitungsgebietes  gebaut 
wird,  in  hohem  Grade  klimatisch  bedingt  erscheint  und  mit  Vorliebe  zur 
Kennzeichnung  bestimmter  Klimagebiete  herangezogen  wird,  hat  in  ihren 
eingeführten  Formen  nur  in  einem  einzigen  Gebiete  der  V.  St.,  nämlich 
in  der  s.  Hälfte  von  Californien,  eine  Heimat  gefunden,  wie  sie  den 
Getreide-  und  Obstarten  in  weitaus  grösserer  Ausdehnung  bereitet  werden 
konnte.  Die  mittlere  Wärmemenge  des  Sommers  würde  in  dem  grössten 
Theil  der  V.  St.  mit  19°  und  darüber  mehr  als  genügend  sein,  aber 
der  Mangel  scheint  in  der  reichlicheren  Feuchtigkeit  und  vorzüglich  in 
der  ungleichen  Vertheilung  derselben  über  kleinere  Perioden  zu  liegen. 
Darauf  weist  die  Thatsache  hin,  dass  Fäule  und  Mehlthau  die  häufigsten 
Schädlichkeiten  sind,  welche  die  Reben  in  den  V.  St.  befallen.  Und  diese 
Krankheiten  entwickeln  sich  am  meisten  da,  wo  bei  grosser  Wärme  be- 
deutende Schwankungen  im  Feuchtigkeitsgehalte  der  Luft  auftreten.  In 
CaUfornien  finden  sich  Weinpflanzungen  in  Gegenden  von  15 — 18  ^  im 
Ohio-Thale  bei  Cincinnati  bei  12,  am  Südrand  des  Erie-Sees  bei  8  —  9", 
am  Ostabfall  der  s.  Alloghanics  bei  15— 18"  m.  Jahreswärmc.  Die  Nord- 
Amerika   eigenthümlichen  Rebenarten  haben  im  Allgemeinen  dieselben  n. 


VII.  Die  Landwirthschaft.  237 

Verbreitungsgrenzen  wie  der  Mais;    solche,   die   essbare  Früchte   tragen, 
werden  in  geschützten  Lagen  beim  49.  Breitegrad  noch  gefunden. 

Der  Obstbau  ist  in  seiner  Verbreitung  über  die  n.  Hälfte  der  V.  St. 
noch  sehr  stark  von  den  klimatischen  Verhältnissen  bestimmt,  von  einzelnen 
Punkten  sogar  ausgeschlossen,  wie  z.  B.  von  dem  grössten  Theil  von  Maine, 
New  Hampshire  und  Massachusetts.  Die  Blüthen  erscheinen  hier  spät 
und  werden  noch  oft  beschädigt  durch  die  häufigen  Nachtfröste  im  Spät- 
frühling; die  Sommerwärme  aber,  wenn  auch  kurze  Zeiträume  hindurch 
excessiv,  ist  doch  in  der  Summe  nicht  genügend  zur  vollständigen  Reife. 
Besonders  die  höher  gelegenen  Theile  werden  von  diesen  Missständen 
berührt.  Geschützte  Lagen,  wie  z.  B.  um  Boston,  im  Thal  des  Connecticut, 
vorzüglich  aber  am  Ostufer  des  Champlain-Sees  lassen  Obstbau  stellenweise 
in  grosser  Ausdehnung  zu.  Indessen  gedeihen  selbst  hier  Trauben  und 
Pfirsiche  nur  unter  vorsichtigem  Schutz ;  Aepfel  und  Birnen  dagegen  können 
als  den  Naturverhältnissen  dieser  begünstigteren  Gegenden  angepasst  be- 
trachtet werden.  In  New  York  ist  die  Region  der  Kleinen  Seen  durch 
den  mildernden  Einfluss  der  zahlreichen  Wasserflächen  sehr  günstig  für 
die  Obstzucht  *) ,  und  dasselbe  gilt  von  den  an  das  Meer  angrenzenden 
Strichen,  besonders  von  Long  Island.  Der  W.  des  Staates  ist  im  Allge- 
meinen klimatisch  begünstigter  als  der  0.,  mit  Ausnahme  der  Seeküste 
und  des  Thaies  des  Hudson.  Trauben,  Pfirsiche  und  Nektarinen,  die  dort 
sehr  üppig  gedeihen,  kommen  z.  B.  in  Albany  schwer  zur  Reife.  Die 
der  Küste  genäherten  Theile  von  New  Jersey  zeigen  de^  mildernden 
Einfluss  des  Meeres  vereinigt  mit  dem  der  südlicheren  Lage  in  den  sehr 
vortheilhaften  Bedingungen,  unter  denen  sie  die  Obst-  und  Traubenzucht 
zulassen,  ebenso  ist  die  Halbinsel  Delaware  in  hohem  Grade  geeignet  zum 
Bau  feinerer  Obstsorten  und  besonders  der  Pfirsiche,  die  dem  Staate 
Delaware  sogar  den  Namen  Peach  State  haben  beilegen  lassen.  Es  wird 
angegeben,  dass  die  Pfirsichgärten  von  Delaware  jährlich  300000  D.  Rein- 
gewinn abwerfen.  Aehnlich  günstige  Bedingungen  finden  sich  noch  in  den 
s.  Mittelstaaten  und  im  Ohio-  und  Seegebiet.  Orangen  und  Citronen  ge- 
deihen unter  Schutz  s.  vom  35."  n.  Br.  an  der  atlantischen  Küste  und 
s.  vom  32. "  im  Mississippi-Becken.  An  der  pacifischen  gehen  sie  bis 
etwa  35  ^  gegen  N.  Die  günstigen  Bedingungen  für  ihre  Grosscultur  finden 
sich  aber  doch  nur  in  Florida,  im  s.  Louisiana  und  in  Californien.  In 
beschränkten  Strichen  der  übrigen  Golfstaaten  finden  sie  in  neuerer  Zeit 
Verbreitung.  Unzweifelhaft  macht  sich  aber  der  Mangel  einer  schützenden 
Wand  im  N. ,  wie  unsere  Südfrüchte  erzeugenden  Länder  sie  in  den 
Pyrenäen  und  Alpen  besitzen,  selbst  noch  in  Florida  geltend.  Es  sind  in 
den  Jahren  1780,  1800,  1856  u.  a.  Verheerungen  vorgekommen,   wie   sie 


1)  Selbst  an  den  Ost-   und  Südufern  des  Michigan-Sees   erlaubt  das  milde 
Seeklima  die  Pfirsichzucht. 


238  '  VII.  Die  Landwirthschaft. 

in  Süd-Europa  nicht  bekannt  sind.  Die  Orangengärten  in  der  Bucht  von 
Mobile  litten  z.  B.  in  den  letzten  30  Jahren  3  mal  ernstlich  von  Frost, 
der  in  dem  ersten  Jahr  sogar  die  Bäume  selbst,  in  den  übrigen  die 
Blüthen  tödtete.  Aehnlich  ist  es  mit  dem  Bau  der  Bananen  und  Ananase 
in  den  Südstaaten:  sie  gedeihen,  wenn  auch  nicht  so  üppig  wie  in  ihrer 
tropischen  Heimat,  in  allen  Jahren,  ausgenommen  die  Frostjahre,  die 
durchschnittlich  alle  8  — 10  Jahre  wiederkehren.  Der  grössten  Gleich- 
mässigkeit  des  Klimas  erfreut  sich  unter  allen  s.  Theilen  der  V.  St.  nur 
das  s.  Californien,  von  wo  Frostschäden'  seit  den  etwa  12  Jahren,  dass  dort 
die  Orangenzucht  zum  Grossbetrieb  geworden  ist,  nicht  gemeldet  worden. 
Vielleicht  ist  es  in  der  n.  Hälfte  Californiens  dieselbe  im  0.  Nord -Amerikas 
nicht  zu  findende  Abgeglichenheit  des  Klimas,  welche  den  Obstbau  in  so 
hervorragender  Weise  begünstigt.  Das  californische  Obst  ist  besonders  in 
Birnen  und  Aepfeln  das  durch  Grösse  und  Wohlgeschmack  ausgezeichnetste, 
das  man  überhaupt  in  Nord -Amerika  findet. 

In  der  Verbreitung  der  Culturpflanzen  tropischen  oder 
subtropischen  Ursprungs  sind  die  Wärme  und  die  bedeutende 
Regenmenge  der  Sommermonate  von  bestimmendem  Einfluss.  Beide  sind 
am  grössten  im  Inneren  und  hier  stützt  sich  denn  auch  der  Ackerbau  am 
meisten  auf  Gewächse,  welche  nur  unter  diesen  beiden  Bedingungen  ge- 
deihen. Der  Mais,  das  Hauptgetreide  der  V.  St.,  bringt  denselben  noch  eine 
sehr  elastische  Natur  entgegen.  Am  Red  R.  des  N.  unter  50**  n.  Br.  ist 
seine  Vegetationsperiode  auf  60  Tage  eingeschränkt ,  also  genau  auf 
diejenige  Zeit,  in  der  der  heisse  und  feuchte  Charakter  des  Sommers 
südlicherer  Striche  sich  bis  hier  herauf  geltend  macht.  Die  Nordgrenze 
des  Maises  ist  durch  die  Juli  -  Isotherme  von  197«"  bezeichnet.  Diese 
Grenze  läuft  im  Thal  des  S.  Johns  N.  B.  gegen  Quebek,  von  da  im 
Saguenay-Thal  und  am  n.  Ufer  der  Grossen  Seen  entlang  nach  dem 
Winnipeg-See  und  weiter  in  derselben  nw.  Richtung  zum  n.  Arm  des 
Saskatschewan ;  von  hier  fällt  sie  aber  am  Fusse  der  grossen  Plateau- 
unterlage der  Felsengebirge  unmittelbar  13  °  nach  S.  ab  bis  in  die  Breite 
von  Santa  Fe  N.  M.  Jenseits  der  grossen  Westgebirge  ist  das  Gedeihen 
des  Maises  nur  in  den  Thälern  des  Sacramento  und  S.  Joaquin  in 
grösserer  Ausdehnung  klimatisch  ermöglicht,  während  er  an  den  Küsten- 
abhängen überall  fehlt.  Durch  starke  Erhebung  wird  alles  Land  in 
Neu-England,  welches  über  300  m,  dasjenige  am  Südrand  der  Grossen 
Seen,  das  über  5 — 600,  und  dasjenige  der  mittleren  und  s.  Alleghanies, 
das  über  700  m  liegt,  von  der  Cultur  dieses  Getreides  ausgeschlossen. 
Das  Zuckerrohr,  welches  nach  seinem  Bau  und  seiner  Stellung  im 
Pflanzensystem  dem  Mais  sehr  ähnlich  ist,  verlangt  auch  der  Art  nach 
ähnliche,  aber  der  Masse  nach  gesteigerte  Lebensbedingungen.  Im  s. 
Theil  der  V.  St.  findet  es  vollkommen  die  Wärmegrade  des  Sommers, 
die    es   benöthigt,    und   nur   die   Kälte   einer   kurzen  Winterszeit  ist  es, 


VII.  Die  Landwirthschaft.  239 

welche  seiner  Verbreitung  hier  Schranken  zieht.  Man  hat  gesagt,  dass 
wenn  die  Möglichkeit  gegeben  wäre,  die  Wurzel  unversehrt  zu  überwintern, 
das  Zuckerrohr  bis  zum  38.  Grad  die  zu  seiner  Stamm-  und  Saftentwicke- 
lung nöthige  Wärme  finden  würde.  Auch  ist  Zuckerrohr  unter  dem 
36.  Grad  bei  Holly  Springs  Miss,  noch  gebaut  und  zur  Reife  gebracht 
worden.  Die  m.  Jahrestemperatur  von  20",  welcli«  es  in  denjenigen 
Theilen  der  V.  St.  geniesst,  wo  es  mit  Erfolg  angebaut  wird,  ist  allerdings 
erheblich  unter  den  Temperaturen  von  25"  und  mehr,  die  es  in  seinen 
tropischen  Erzeugungsgebieten  findet,  aber  es  ersetzt  durch  rascheres 
Wachsthum  in  einer  beschränkteren,  den  Wintermonaten  möglichst  aus- 
weichenden Vegetationsperiode  einigermassen  diesen  Ausfall.  Schon  jetzt 
ist  die  durchschnittliche  Vegetationsperiode  von  10  Monaten,  mit  welcher 
das  Zuckerrohr  sich  in  den  V.  St.  begnügt,  kürzer  als  in  den  meisten 
anderen  Erzeugungsgebieten.  Aber  in  sehr  kalten  Wintern  wie  1852  und 
1856  hat  es  dennoch  durch  Frühwinterfrost  gelitten. 

Baumwolle.  Das  in  seiner  tropischen  Heimat  ausdauernde  und 
bäum-  oder  hochstrauchartige  Gossypium  ist  in  den  V.  St.  eine  krautartige, 
einjährige  Pflanze  von  kurzer  Vegetationsperiode  geworden,  welche  dabei 
denjenigen  Stoif,  um  dessentwillen  sie  angebaut  wird,  in  reicherem  Masse 
und  von  grösserer  Güte  hervorbringt  als  dort,  wo  das  Klima  ihrer  ganzen 
Entfaltung  günstiger  zu  sein  scheint.  Im  Mississippi -Thal  findet  diese 
Pflanze  ihre  Nordgrenze  beim  36.  Grad,  aber  in  den  übrigen  Theilen  des 
Landes  ist  diese  Erstreckung  ihres  Verbreitungsbezirkes  nach  N.  mit  voller 
Sicherheit  nicht  festzustellen,  da  z.  Th.  andere  als  klimatische  Ursachen 
ihren  Anbau  in  einer  Anzahl  von  Staaten  verhindert  oder  erschwert 
haben.  Thatsache  ist,  dass  der  Anbau  der  Baumwolle  einst  in  Virginien, 
N.  Carolina,  0.  Tennessee ,  Kentucky,  Missouri,  Illinois  und  Indiana  be- 
trieben, aber  entweder  ganz  aufgegeben  oder  doch  nur  im  Kleinen  fort- 
gesetzt worden  ist.  An  der  Grosserzeugung  nehmen  diese  Staaten  alle 
nicht  mehr  Theil  und  zwar  vorzüglich  wegen  der  plötzlichen  Störungen, 
denen  ihr  Baumwollenbau  durch  Frühjahrs-  und  Herbstfröste  ausgesetzt 
ist.  Ebenso  ist  es  in  denjenigen  Theilen  von  S.  Carolina,  Alabama  und 
Georgia,  welche  über  300  In  liegen,  in  den  höheren  Theilen  von  Texas, 
Indiancr-Terr.  und  Arkansas.  In  Californien  wird  die  Baumwolle  bis  zum 
36.  Grad  mit  Vortheil  gebaut  und  am  mittleren  Gila  und  unteren  Colorado 
pflanzten  die  Indianer  dieselbe  lange  vor  den  Europäern.  Die  günstigsten 
klimatischen  Bedingungen  für  den  Anbau  der  Baumwolle  finden  sich  in 
den  V.  St.  an  der  atlantischen  Küste,  wo  vorzüglich  die  starken  Regen- 
güsse, welche  weiter  landeinwärts  herrschen,  durch  die  Seebrise  gemildert 
sind;  auch  die  Milderung  der  Hitze  durch  die  letzteren  scheint  fördernd 
auf  die  Erzeugung  jener  vortreif liebsten  Gattung  von  Baumwolle  einzu- 
wirken, welche  als  Sea  Island  Cotton  die  erste  Stelle  unter  den  Baumwoll- 
sorten einnimmt. 


240  VII.  Die  Landwirthschaft. 

III.  Amerikanische  Methoden  des  Ackerbaues.  Land, 
das  zur  Urbarmachung  gewählt  wird,  kann  schon,  wenn  es  Wald- 
land ist,  an  den  Bäumen,  die  es  trägt,  einigermassen  nach  seiner 
Fruchtbarkeit  geschätzt  werden.  Jede  der  mit  verschiedenen 
Wäldern  begabten  Regionen  in  den  V.  St.  hat  in  dieser  Beziehung 
ihre  besonderen  Massstäbe.  Im  Allgemeinen  deutet  Laubwald  auf 
besseren  Boden  als  Nadelwald ,  aus  mannigfaltigen  Baumarten 
zusammengesetzter  auf  besseren  als  gleichförmiger.  Die  besten 
Böden  werden  u.  a.  dadurch  gekennzeichnet,  dass  die  verschiedensten 
Laubbäume,  vorzüglich  Ahorne,  dann  Ulmen,  Eschen,  Walnüsse  und 
Hickories,  Weiss-  und  Rotheichen  auf  ihnen  zusammen  vorkommen, 
wozu  im  S.  noch  Magnolien,  Gumtree  u.  a.  zu  rechnen  sind. 
Andererseits  kommen  gewisse  Föhren-  und  kleine  Eichenarten  nur 
auf  dünnem  Sandboden  vor.  Die  Bäume  lassen  auch  andere  Eigen- 
schaften des  Bodens  erkennen.  Ist  derselbe  dauernd  nass,  so  laufen 
die  Wurzeln  flach  über  die  Erde.  Platanen  (Sykamores),  gewisse 
Espen  und  Weiden  wachsen  mit  Vorliebe  auf  Boden,  der  häufigen 
Ueberschwemmungen  ausgesetzt  ist.  Der  Prärieboden  hat  auch 
seine  äusseren  Zeichen,  an  denen  man  die  grössere  oder  geringere 
Güte  erkennt,  in  Gestalt  von  verschiedenartigen  Gräsern  und 
Kräutern  ^). 

Die  Urbarmachung  des  Waldlandes  steht  in  der  Regel  in 
umgekehrtem  Verhältnisse  zur  Güte  desselben:  je  besser  es  ist, 
desto  schwerer  ist  die  Rodung.  Die  dichten  Wälder  der  Bottoms 
sind  am  schwierigsten  urbar  zu  machen.  Hier  kommen  die  riesigsten 
Stämme  vor,  hier  ist  die  Gefahr  des  Fiebers,  die  auf  jedem  frisch 
umgebrochenen  Boden  droht,  am  grössten,  hier  ist  der  Boden  oft 
am  schwierigsten  mit  der  nöthigen  Trockenheit  und  Wärme  zu 
begaben.  Im  NW.  machen  die  dichten  Lärchen-,  Cypressen  und 
Fichtenwälder  der  tieferen  Lagen  die  Lichtung  besonders  schwierig, 

1)  „Die  praktisch  erfahrenen  Landwirthe  Nord-Amerikas,  welche  von  den 
ö.  Staaten  nach  dem  W.  wandern,  wissen  sich  hei  ünkunde  des  Khmas  dadurch 
zu  helfen,  dass  sie  den  Boden  ihrer  Ansiedelung  nach  gewissen  Bäumen  oder 
Kräutern  heurtheilen,  welche  darauf  wild  wachsen.  Besonders  der  pennsyl- 
vanische  Deutsche,  bekanntlich  der  beste  Landwirth  Amerikas,  soll  darin  einen 
sehr  sicheren  Blick  haben  und  sich  selten  täuschen."  (Wagner  und  Scherzer, 
Reisen  in  Nord-Amerika  1854.  II.  135.) 


Vn.  Die  Landwirthschaft.  241 

da  die  Masse  des  Unterholzes  die  Rodung  erschwert  und  die 
gestürzten  Bäume  sehr  langsam  faulen.  Man  übt  hauptsächlich 
zweierlei  Methoden  der  Urbarmachung :  1.  das  regelmässige  Roden, 
wobei  Stamm  für  Stamm  der  Reihe  nach  umgehauen,  die  Stämme 
sogleich  zertheilt  und  zusammengesetzt  werden^),  und  2.  das  sog. 
Gürteln  (girdling),  wobei  die  grösseren  Bäume  im  Juni  oder  Juli 
ringsum  angehauen  werden,  so  dass  sie  vertrocknen  und  das  Land 
unter  ihnen  bestellt  werden  kann.  Sie  bleiben  dann  noch  in  den 
Feldern  stehen,  bis  sie  der  Wind  umwirft.  Die  Stümpfe  bleiben  in 
allen  Fällen  stehen,  bis  sie  so  weit  verfault  sind,  dass  sie  ohne  grosse 
Mühe  beseitigt  werden  können.  Die  kleineren  brauchen  dazu  5, 
die  grösseren  10  und  mehr  Jahre.  Diese  baumstumpfbesetzten 
Felder  der  jungen  Lichtungen  machen  natürlich  keinen  sehr  sauberen 
Eindruck.  Der  Vergleich  mit  einem  Feld  voll  Leichensteinen  ist 
nicht  uneben.  Man  begreift  die  Schwierigkeiten,  welche  solch  rauhes 
Land  beim  Pflügen  verursacht.  Um  sie  zu  vermeiden,  legt  man  es 
womöglich  nach  ein-  oder  zweimaliger  Beackerung  in  Gras  an 
und  lässt  es  so  liegen,  bis  eine  Anzahl  der  Wurzeln  und  Knoten 
verfault   ist  2).      Als   erste  Frucht   wählt   man   entweder  Kartoffeln 

1)  Zu  den  wichtigsten,  aber  auch  vortrefflichsten  Werkzeugen  des  An- 
siedlers gehört  deshalb  die  Axt,  „welche  dem  Pfluge  vorarbeitet  und  Bahn 
macht".  In  Stahl  und  Griff  ist  sie  vom  besten  Material  und  der  sinnreichsten 
Form.  Der  Stahl  ist  vom  feinsten,  muss  ohne  ungleiche  Stellen  und  von 
massiger  Härte  sein,  so  dass  er  nicht  zu  leicht  springt;  er  thut  das  letztere 
besonders  gern  beim  Froste.  Der  Griff  ist  sehr  zweckmässig  ausgeschweift  und 
gewöhnlich  von  dem  zähen  Holz  des  Hickory  genommen.  Die  Farmer  und  Holz- 
arbeiter halten  begreif  licherweise  viel  darauf,  die  möglichst  beste  Axt  zu  haben, 
und  zahlen  gern  3  D.  für  eine.  Die  meisten  Verkäufer  garantiren  für  einige 
Jahre.  In  den  letzten  Jahren  sind  in  Deutschland  die  amerikanischen  Aexte 
in  grösserer  Zahl  eingeführt  worden  und  haben  sich  den  unseren  so  überlegen 
gezeigt,  dass  die  Arbeiter  selber  sie  entschieden  vorzogen. 

2)  „Es  ist  ein  Pflügen  mit  Hindernissen,  zu  welchem  gut  eingelernte  Ochsen, 
ein  guter  eiserner  Pflug  und  ein  kräftiger  Pflüger  gehören.  Die  Ochsen  werden 
müde  davon  und  ziehen  sich  leicht  wund  dabei,  der  Pflug  wird  von  den  ihn 
polirenden  Wurzeln  spiegelblank  und  der  Pflüger  springt  hinter  dem  Pfluge 
wie  besessen ,  um  dieses  Instrument  immer  wieder  Erde  greifen  zu  lassen ,  so 
oft  es  auch  herausspringt,  um  es  herauszuheben,  wo  es  festsitzt,  und  denjenigen 
Wurzeln,  welche  vom  Schar  durchschnitten  werden,  auszuweichen,  die  ihm  den- 
noch die  Schienbeine  braun  und  blau  schlagen.  Dabei  gellt  sein  den  Ochsen 
geltendes  Geschrei  Hab!    und  Dschih!    fortwährend,    damit    diese    den    vielfach 

Ratze  1,    Amerika  n.  -in 


242  '  VII.  Die  Landwirthschaft. 

oder  Mais,  welche  beide  in  dem  frisclien,  nocli  unkrautfreien  Boden 
sehr  gut  gedeihen.  Natürlich  ist  die  Arbeit  des  Urbarmachens  eine 
ganz  andere  auf  der  Prärie  und  in  den  Uebergangsgegenden.  In 
den  letzteren  gibt  es  bloss  Gesträuche  und  kleinere  Bäume  wegzu- 
hauen; die  grösseren  Bäume  schaden  nicht  bloss  nicht,  sondern 
sind  in  diesen  waldärmeren  Gegenden  von  erheblichem  Werth.  Am 
leichtesten  ist  natürlich  die  Prärie  unter  den  Pflug  zu  bringen.  Ihr 
Rasen  ist  zwar  von  grosser  Zähigkeit,  aber  immerhin  ist  die  Mühe 
eine  viel  geringere.  Es  ist  gar  nicht  selten,  einen  Ansiedler,  der 
im  Vorfrühling  begann,  bereits  im  Oktober  im  Besitz  eines  Block- 
hauses und  eines  Weizenfeldes  von  10 — 15  A.  zu  finden.  Freilich 
gehört  zu  diesem  rascheren  Fortschreiten  von  vornherein  mehr 
Capital,  Zugvieh  u.  s.  f.  und  es  fehlt  hier  der  erste  Gewinn  aus 
dem  Erlös  des  gefällten  Holzes,  welcher  im  Anfangsbudget  des 
Urwaldansiedlers  oft  eine  wichtige  Rolle  spielt.  Man  kann  sagen, 
dass  die  Ansiedelung  auf  der  Prärie  besser  für  den  ist,  der  genü- 
gendes Capital  für  den  Anfang  mitbringt,  während  die  im  Urwald 
dem  Armen  zu  empfehlen  ist,  dem  es  auf  ein  paar  Jahre  Zeit- 
und  Kraftaufwand  nicht  ankommen  kann,  wenn  er  sich  damit  ein 
eigenes  Besitzthum  erwirbt.  In  vielen  Prärien  kommt  auch  die 
Brunnenanlage  als  ein  nothwendiger  Ausgabeposten  hinzu.  Man 
muss  in  der  Regel  10  und  nicht  selten  30  m  bohren ,  bis  man 
Wasser  erhält.  Dafür  ist  die  Anwendbarkeit  der  Ackerbaumaschinen 
wieder  ein  sehr  bedeutender  Vortheil.  Zum  Umbrechen  der  natür- 
lichen Grasnarbe  bedient  man  sich  besonders  starker  Pflüge  mit 
5 — 6  m  langem  Pflugbaume ;  neuerdings  ist  natürlich  der  Dampf- 
pflug für  diesen  Zweck  zu  immer  ausgedehnterer  Anwendung  ge- 
kommen. 

Das  Präriebrennen,  welches  sehr  abgenommen  hat,  hatte  hei  den 
Ansiedlern    den   Zweck,    das   Land   von    Baumstümpfen,    Schlangen   und 


wechselnden  Weg  durch  das  Labyrinth  der  Baumstümpfen  finden,  und  wenn  sich 
der  Pflug  festfährt,  diesen  nicht  zerreissen.  In  der  Zeit  des  Pflügens  leiden 
denn  auch  alle  Farmer  mehr  oder  weniger  an  Heiserkeit,  und  wollte  man  sie 
in  dieser  Zeit  einen  Chorgesang  singen  lassen,  so  würde  er  nicht  heller  klingen 
als  aus  den  rauhen  Kehlen  unserer  Vorfahren,  deren  Choräle  bekanntlich  Karl  der 
Grosse  mit  dem  Gerumpel  von  Wägen  über  Knüppeldämme  verglich."  (K.Pflaume, 
Einleitung  zur  Kenntniss  der  nordamerikanischen  Landwirthschaft  1866.  68.) 


VII.  Die  Landwirthschaft.  243 

Insekten  zu  befreien  und  es  für  die  Erzeugung  einer  guten  Weide  im 
Frühling  passender  zu  machen.  Nur  die  zähesten  Gräser  wurden  durch 
dasselbe  nicht  zerstört  und  die  natürliche  Folge  war,  dass  der  Graswuchs 
mehr  und  mehr  auf  solche  Gräser  zurückging,  welche  sich  durch  Ausläufer 
verbreiten.  Seit  dem  Aufhören  dieses  Gebrauches  ist  das  Präriegras 
zarter  und  kürzer  und  an  geschützten  Stellen  wachsen  selbst  Sträucher 
und  Bäume  auf.  Engelmann  vergleicht  den  Wechsel,  der  damit  einge- 
treten ist,  dem  Gefühl,  das  man  empfindet,  wenn  man  an  einem  klaren 
Sommerabend  aus  einem  beschatteten  feuchten  Thalgrund  zum  luftigen 
Gipfel  eines  trockenen  Hügels  emporsteigt.  Der  hohe  Graswuchs  der 
Prärie  beförderte  die  Feuchtigkeit  des  Bodens  in  verschiedenen  Richtungen. 
Er  hemmte  die  Verdunstung,  erschwerte  den  Abfluss,  begünstigte  den 
Thaufall.  Nun  wird  das  Prärieland  immer  trockener.  Einerseits  ist  man 
gezwungen,  die  Brunnen  tiefer  zu  legen,  andererseits  hat  man  an  Gesund- 
heit und  an  Sicherheit  des  Ackerertrages  gewonnen ;  man  kann  im 
trockenen  Boden  früher  pflanzen  und  hat  das  winterliche  Ausfrieren  des 
Bodens  weniger  zu  fürchten. 

Eine  der  wichtigsten  Arbeiten  des  Urbarmachers  ist  das  Ein- 
zäunen (Fencing).  Das  Gesetz  schreibt  dieses  vor,  und  da  das  Vieh 
frei  läuft,  gibt  es  auch  kein  anderes  Mittel,  um  sich  vor  den  Ver- 
wüstungen desselben  an  den  Früchten  zu  schützen.  Im  Urwald 
und  auf  steinigen  Feldern  fehlt  es  nicht  an  Material  für  die  Zäune, 
welche  am  häufigsten  aus  Fenzriegeln,  d.  h.  massigen  Holscheiten, 
im  Zickzack  angelegt  werden.  In  holzärmeren  Gegenden,  also  überall 
in  den  Prärien,  sind  diese  Zäune  kostspielig  und  nicht  selten  über- 
trifft ihr  Werth  den  des  Landes,   welches  sie  umgeben. 

Die  ersten  Gebäude  auf  den  Lichtungen  (Clearings)  sind  die 
Blockhäuser,  Hütten  deren  Wände  durch  über  einander  gelegte 
Baumstämme  gebildet  werden.  Thüren  und  etwaige  Fenster  werden 
hineingeschnitteu,  wenn  es  aufgeblockt  ist,  die  Ritzen  verstopft,  im 
Dach  eine  Oeffnung  für  die  Ableitung  des  Rauches  gemacht.  An 
Stelle  des  Stalles  tritt  oft  nur  ein  nothdürftig  nach  der  Wetterseite 
zu  geschützter  Schuppen.  In  den  Prärien  treten  meistens  Bauten 
aus  geschnittenen  Balken  und  Planken  (Frame  House)  a«  die 
Stelle  der  Blockhäuser.  In  den  Klärungen  bedeuten  sie  die  zweite 
Stufe  in  der  Entwicklung  der  Wohnstätten.  Ihre  ziegelartig  über 
einander  greifende  Verschalung,  ihre  Schindeldächer,  ihr  durch- 
gängig weisser  Anstrich,  die  Veranda,  die  den  besseren  nicht  fehlt, 

16* 


244  Vn.  Die  Landwirthschaft. 

machen  sie  zu  sehr  charakteristischen  Erscheinungen  in  der  ameri- 
kanischen Landschaft,  die  durch  sie  einen  entschieden  freundlicheren 
Zug  bekommt,  als  unsere  meisten  Bauernhäuser  ihr  zu  geben  ver- 
möchten. Die  dritte  Stufe  ist  endlich  das  Backsteinhaus  (Brick 
House),  das  indessen  nur  von  den  Wohlhabenderen  errichtet  wird. 
Kleinere  Städte  bestehen  in  der  Regel  noch  fast  ganz  aus  Planken- 
häusern, selbst  in  den  Vorstädten  von  Chicago  und  S.  Louis  herrschen 
dieselben  noch  vielfach  vor. 

Das  Leben  des  Ansiedlers  ist  in  der  Regel  ein  ungemein  mühseliges, 
wenigstens  in  den  ersten  Jahren.  „Ist  der  Ansiedler  nur  ein  Jäger  oder 
Squatter,  schreibt  ein  Reisender  der  30er  Jahre,  so  findet  man  eine 
ärmUche  Hütte  ohne  Farm,  vielleicht  mit  einer  Kuh,  die  2  oder  3  mal 
die  Woche  heimkommt,  um  einen  Löffel  voll  Salz  zu  empfangen,  und  dann 
nicht  mehr  als  eine  Theetasse  Milch  gibt.  Der  Mann  ist  gewöhnlich  nicht 
zu  Hause,  an  seiner  Stelle  findet  man  6  oder  7  zerlumpte,  wild  aussehende 
Rangen  und  ein  abgearbeitetes,  elend  aussehendes  Weib,  das  vielleicht 
die  Auskunft  gibt,  dass  ihr  Mann  bei  einem  Nachbar  ist,  dem  er  einen 
alten  Panther  jagen  hilft,  der  hinter  den  Schweinen  her  ist,  und  dass  er 
vielleicht  eine  Woche  nicht  zu  Hause  war,  weil  er  irgendwo  blieb,  um 
beim  Maishülsen  behülflich  zu  sein."  ^  Mit  Rehfellen  und  Bärenfett 
bezahlte  ein  solcher  Mann  seine  Bedürfnisse,  vor  allem  das  nothwendigste, 
den  Mais,  und  in  der  Regel  kam  er  nicht  über  diese  Stufe  hinaus,  wenn 
er  sich  nicht  dennoch  zum  Ackerbau  bequemte.  Wo  aber  die  ersten 
Ansiedler  Ackerbauer,  sind  es  hart  arbeitende  und  viel  auf  sich  nehmende 
Männer,  immer  geschäftig  mit  Holzfällen,  Einzäunen,  Pflügen,  auf  der 
Jagd  nach  Panthern  (painters  genannt),  die  ihren  Schweinen  oder  Kälbern 
nachstellen,  oder  Fallen  stellend  für  Wölfe  und  kleineres  Raubzeug.  Das 
Essen  ist  bei  ihnen  eine  Ceremonie,  die  in  möghchst  kurzer  Zeit  abgemacht 
wird.  Die  Hauptsache  ist,  den  Magen  so  rasch  wie  möglich  mit  dem 
üblichen  Futter  zu  füllen,  dessen  Beschaffenheit  bei  den  Anglo- Amerikanern 
die  schlechtest  denkbare  ist:  Kaffee,  gesalzene  Butter,  gesalzenes  oder 
getrocknetes  Schweinefleisch  und  klotziges  Maisbrot  bilden  3  mal  des 
Tages  mit  wenigen  Ausnahmen  das  ganze  Jahr  hindurch  die  Nahrung  dieser 
Ansiedler.  Ihre  Kühe  sind  meist  sehr  milcharm  und  Geflügel  besitzen 
sie  nicht  immer. 

Per  Anblick  der  Gegenden,  in  denen  diese  Pioniere  ihr  Wesen  treiben, 
ist  ebenfalls  kein  sehr  anmuthender.  Lyell  schildert  sie  aus  dem  jungen 
Westen  der  40  er  Jahre  folgendermassen :  „Wir  sahen  immer  neue  Lich- 
tungen,  wo  das  Fällen,   Ringeln   (girdling   s.  o.)   und  Niederbrennen  von 


1)  Featherstonehaugh,  Excursioiis  tho  the  Slave  States  1845.    II. 


► 


VII.  Die  Landwirthschaft.  245 

Bäumen  in  vollem  Zuge  war  und  wo  Hafer  mitten  unter  schwarzen  Baum- 
stümpfen in  ungepflügtem,  einfach  mit  der  Egge  aufgerissenem  Boden 
wuchs.  Dann  wurde  unser  Wagen  eine  Strecke  weit  über  einen  Corduroy 
Boad  geschüttelt,  der  aus  neben  einander  gelegten  Baumstämmen  bestand. 
Die  von  den  glimmenden  Stämmen  erhitzte  Luft  machte  uns  sehr  unzu- 
frieden mit  dem  langsamen  Schritt  des  Wagens.  Dann  verloren  wir  für 
viele  Meilen  weit  jedwede  menschliche  Wohnung  ausser  Sicht,  ausgenommen 
dann  und  wann  ein  leeres  Blockhaus,  auf  welchem  Movers  House  zu  lesen 
Avar.  Auswanderer  können  hier  für  eine  geringe  Vergütung  die  Nacht 
zubringen."  *) 

Unter  all  seinen  Mühen  kann  der  Ansiedler  im  Urwald  die  ersten 
Jahre  nicht  vom  Ertrage  seines  Ackerbaues  leben.  Er  ist  darauf  an- 
gewiesen, durch  Nebenerwerbe  für  seinen  Unterhalt  zu  sorgen,  wenn 
er  nicht  etwa  zu  den  Wenigen  gehört,  die  von  Erspartem  zehren 
können.  Bei  der  Unsicherheit  des  Ertrages  im  frisch  gelichteten  Lande, 
Häufigkeit  von  Krankheiten  u.  s.  f.  ist  es  nothwendig,  sich  in  jeder 
Weise  eine  Einnahme  zu  sichern.  Schindelschneiden  ist  eine  gewöhn- 
liche Beschäftigung  des  ersten  Jahres ,  Bereitung  von  Ahornzucker, 
manchmal  sogar  Verkauf  von  Waldbeeren,  von  Fellen  u.  dgl.  in  Con- 
currenz  mit  den  Indianern  müssen  ebenfalls  aushelfen.  Schweine  und 
Hühner  sind  für  den  Anfang  die  vortrefflichsten,  weil  genügsamsten 
und  dabei  doch  einträglichen  Gefährten  des  Ansiedlers;  ihnen  folgen 
Milchkühe  und  Ochsen.  Man  kann  sagen ,  dass  im  dritten  Jahre  eine 
grössere  Sicherheit  und  Regelmässigkeit  des  Lebens  auf  einer  neuen  An- 
siedelung beginnt;  aber  in  der  Regel  dauert  es  20  —  30  Jahre,  bis  der 
Ansiedler  mit  voller  Ruhe  in  die  Zukunft  seines  Werkes  schauen  und 
dessen  Früchte  gemessen  kann. 

Es  ist  natürlich,  dass  die  im  frischen  Boden  vorhandene  Frucht- 
barkeit so  lange  ausgenützt  wird,  als  sie  vorhält,  aber  ebenso  ist 
es  begreiflich,  dass  in  der  Ausnützung  der  natürlichen 
Fruchtbarkeit  leicht  zu  weit  gegangen  werden  kann.  Man 
kann  sagen,  dass  geringer  Boden  5,  besserer  10,  der  beste  schwarze 
Tieflandboden  20  Jahre  ohne  Düngerzufuhr  ausgenützt  werden 
kann.  Gewöhnlich  wird  aber  viel  weiter  gegangen  und  das  Land 
endlich  in  einem  erschöpften  Zustande  verlassen.  In  allen  schon 
längere  Zeit  besiedelten  Staaten  sind  in  Folge  dessen  die  Erträgnisse 
nur  V2,  oft  sogar  nur  V^  so  gross  wie  in  den  erst  neuerdings  unter 
Cultur   gebrachten  Gegenden   des  Westens.     Die   Fruchtbarkeit  ist 


1)  Lyell,  Travels  in  The  U.  S.  1845.  H.  74, 


246  VII.  Die  Landwirthschaft. 

sowohl  im  Norden  als  im  Süden  mit  jedem  Jahr  weiter  nach  W. 
gewandert  (s.  u.  S.  247).  Man  begreift,  dass  solche  Verschiebungen 
nur  unter  sehr  erheblichen  Rückwirkungen  auf  das  gesammte  Leben 
der  Nation  stattfinden  konnten.  Schön  der  geschichtliche  Ueberblick 
hat  in  ihnen  einen  der  Hauptgründe  der  Expansionspolitik  der 
reinen  Ackerbaustaaten  kennen  lehren.  Dieselben  sind  jedoch  auch 
von  Wichtigkeit  für  die  Beurtheilung  der  Dauer  desjenigen  Grades 
von  Produktivität,  welchen  der  Ackerbau  der  V.  St.  heute  besitzt. 
Es  ist  nicht  möglich,  auch  nur  annähernd  die  Verluste  zu  ermessen, 
welche  dem  natürlichen  Reichthum  der  V.  St.  durch  diesen  Raubbau 
zugefügt  worden  sind. 

Es  ist  in  dieser  Beziehung  schon  viel  gepredigt  worden  und  es  fehlt 
nicht  an  sprechenden  Thatsachen.  Ein  amtUcher  Bericht  im  Rep.  Agric. 
Dep.  1867.  413  schätzt  das  erschöpfte  und  brachhegende  Land  der 
Südstaaten  auf  100  Mill.  Acres  und  in  der  Zusammenstellung  über  die 
Wälder  der  V.  St.  spielen  die  einst  bebaut  gewesenen  und  jetzt  wieder 
in  den  Zustand  des  Buschwaldes  zurückgekehrten  Striche  eine  grosse 
Rolle.  Man  hat  gesagt,  dass  ein  ganzes  Viertel  von  Virginien  sich  in 
diesem  Zustande  befinde. 

Man  hat  auch  behauptet,  dass  in  Ohio  „der  Ertrag  an  Weizen  sich 
von  Jahr  zu  Jahr  vermindert  habe  und  in  weniger  als  50  Jahren  der  Durch- 
schnittsertrag von  30  auf  weniger  als  15  Bushel  p.  Acre  herunterge- 
gangen sei"  ^).  Und  ebenso  wird  gesagt,  dass  „in  Indiana  die  Bottoms, 
welche  im  Jahresdurchschnitt  60  Bushel  Mais  gaben,  jetzt  nur  noch  40 
tragen"^).  Einzelne  Interessenten  haben  diese  Angaben  geleugnet,  aber 
im  Allgemeinen,  wenn  auch  nicht  im  Detail,  werden  sie  von  allen  unbe- 
fangenen Beobachtern  bestätigt.  Nur  muss  man  nicht  allen  Uebertreibungen 
Glauben  schenken.  Wenn  es  z.  B.  auch  wahr  ist,  dass  die  Staaten 
New  York  und  Pennsylvanien  ungefähr  V«,  die  Neuengland- Staaten  aber 
nicht  mehr  als  Ve  ihres  Bedarfes  an  Brotstoffen  selber  erzeugen,  so  ist 
es  doch  nicht  richtig,  wenn  man  darin  nur  eine  Folge  des  Raubbaues 
erkennen  will ,  der  den  Boden  ausgesogen  und  die  Farmer  zur  Auswan- 
derung gezwungen  habe.  Der  Hauptgrund  ist  die  grössere  Leichtigkeit 
und  Einträghchkeit,  mit  der  das  Getreide  im  Westen  gebaut  wird.  Wenn 
auch  sogar  aus  jungen  Staaten  wie  Indiana,  Ohio  und  Wisconsin  ähnliche 
Klagen  erschallen 3) ,   so  liegt  die  Erklärung  sehr  nahe,  denn  die  ersten 

1)  J.  H.  Klippart,  The  Wheat  Plant  1859.  Vorrede. 

2)  Jay,  Stat.  View  of  Am.  Agriculture  1859. 

3)  Z.  B.  im  Year  Book  of  Am.  Agriculture  1867,  wo  S.  216  angegeben  wird, 
dass  die  Uferstriche  Indianas  heute  18  Scheffel  Weizen   statt  wie   früher  27  p. 


VII.  Die  Landwirthschaft. 


247 


Erträge,  die  von  der  humusreichen  Oberfläche  gewonnen  werden,  können 
unmöglich  andauern,  dafür  pflanzen  sich  aber  die  schlenderhaften  Gewohn- 
heiten der  dortigen  Farmer  fort,  welche  auf  diesen  guten  Böden  immer 
mit  demselben  geringen  Aufwand  an  Arbeit  und  Düngung  pflanzen  zu 
können  glauben. 

Das  Wandern  nach  Westen,  welches  die  Mittelpunkte  der  Bevöl- 
kerung, des  Verkehres,  des  Handels  und  der  meisten  Produktionszweige 
oft  um  eine  ganze  Reihe  von  Längengraden  von  ihrer  ursprünglichen 
Stätte  am  atlantischen  Ufer  des  Continentes  nach  innen  verschob,  ist 
auch  bei  den  Erzeugnissen  des  Ackerbaues  und  am  meisten  bei  der 
Baumwolle  eingetroffen.  Die  verschiedenen  Staaten  nahmen  in  den 
folgenden  Censusjahren  mit  den  beigesetzten  Procentzahlen  an  der  Gesammt- 
erzeugung  dieses  Artikels  Theil: 


1849 

Alabama    . 

22,8 

Georgia .     . 

19,8 

Mississippi . 

19,5 

1859 

Mississippi 

22,3 

Alabama    . 

18,3 

Louisiana  . 

14,4 

Georgia .     . 

13 

Texas    .    . 

8 

Arkansas   . 

6,8 

S.  Carolina 

6,4 

Tenuessee , 

5,5 

N.  Carolina 

2,7 

Florida  .    . 

1,24 

S.  Carolina 

12 

Tennessee . 

7,8 

Louisiana  , 

7,2    • 

N.  Carolina 

2,9 

1869 

Mississippi 

18,7 

Georgia 

15,7 

Alabama    . 

14      ' 

Louisiana  . 

11,6 

Texas    .     . 

11,6 

Arkansas   . 

.      8,2 

S.  Carolina 

7,4 

Tennessee . 

6 

N.  Carolina 

4,8 

Florida .     . 

1,3 

Texas    .    . 

2,3 

Arkansas    . 

2,2 

Florida  .     . 

1,10 

1876 

Mississippi . 

17,1 

Texas    .     . 

15,5 

Louisiana  . 

12,5 

Alabama    . 

12 

Georgia .    . 

11,4 

Arkansas    . 

11,3 

S.  Carolina 

7 

Teunessee  . 

5,8 

N.  Carolina 

4,7 

Florida  .     . 

1,13 

Man  sieht,  dass  während  1849  kaum  Vs  der  Ernte  von  jenseits  des 
Mississippi  kam,  dieser  Bruchtheil  sich  1869  schon  zu  ^/lo  aufgeschwungen 
hatte  und  1876  bereits  ^/s  betrug.  Und  dabei  ist  die  Culturweise  in 
beiden  Regionen  grundverschieden,  denn  während  ein  grosser  Theil  der 
verhältnissmässig  noch  immer  hohen  Erträge  in  den  alten  Baumwollen- 
staaten auf  die  künstlichen  Düngmittel  zurückführt,  welche  man  dort 
benützen   muss,    ist   die  starke  Zunahme  in  den  jungen  vorzüglich   auf 


Morgen  ergeben  und  dass  in  Wisconsin  sogar  nur  noch  die  halben  Erträge  wie 
früher  geerntet  wurden.  (Vgl.  auch  Jay's  Stat.  View  of  Am.  Agriculture  1859.)  In 
einer  eingehenden  Arbeit  über  den  Äntheil  der  Weststaaten  Nord-Amerikas  an 
den  Welt- Getreidehandel  (Volks w.  Vierteljahrsschrift  1867.  II.)  wird  sogar  für 
einen  kleinen  Rückgang  der  Einfuhr  amerikanischer  Brotstoffe  nach  England 
der  Raubbau  verantwortlich  gemacht.  Aber  seitdem  hat  sich  diese  Einfuhr  bis 
zum  5  fachen  des  damaligen  Betrages  gehoben  und  lässt  noch  grosse  Fortschritte 
erwarten. 


248 


VII,  Die  Landwirthschaft. 


Rechnung  des  Neulandes  zu  setzen,  das  noch  immer  in  grosser  Ausdehnung 
dieser  Cultur  direkt  aus  der  Urbarmachung  zugeführt  wird.  Beim  Weizen 
und  Mais  ist  dieselbe  Vorrückung  gegen  Westen  zu  beobachten,  ohne 
indessen  so  extrem  ausgeprägt  zu  sein,  da  die  beiden  nie  Gegenstand 
einer  so  einseitigen  und  eindringenden  Wirthschaft  gewesen  sind  wie  die 
Baumwolle.  Folgende  Tabelle,  welche  die  Weizenerzeugung  p.  Kopf  in 
den  acht  hervorragendsten  Staatengruppen  verzeichnet,  lässt  diese  Be- 
wegung deutlich  erkennen: 


1849 

1859 

1869 

1877 

Neu-England     .     .     . 
Nördl.  Mittelstaaten  . 
Südl.  Mittelstaaten      . 
Atlantische  Südstaaten 
Golfstaaten    .... 

Ohio-Thal 

Trans-Mississippi    .     . 
Pacifische  Küste     .     . 

0,40 
5,10 
7,72 
1,69 
0,69 
7,53 
5,12 
2,16 

0,34 
3,15 
8,41 
2,96 
2,11 

10,79 
7,02 

15,38. 

0,28 

3,87 

6,43 

1,83 

1,70 

12,77 

11,47 

27,73 

0,30 

3,38 

7,58 

2,84 

3,27 

10,90 

20,04 

27,49 

In  dem  Jahrzehnt  von  1849 — 58  nahm  im  Allgemeinen  die  Weizen- 
erzeugung im  S.  und  W.  zu,  während  sie  in  allen  drei  Gruppen  der  öst- 
lichen Staaten  abnahm;  in  dem  von  1859  —  6S  dauerte  die  Abnahme  in 
den  letzteren  fort,  indem  sie  sich  gleichzeitig  auf  den  S.  ausdehnte,  wo 
der  geldbringende  Anbau  der  Baumwolle  allen  anderen  vorgezogen  wurde. 
Nimmt  man  freilich  die  Grösse  der  Weizenerzeugung  für  sich  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Bevölkerungszahl,  so  sind  die  Unterschiede  erheblich  geringer. 
Wenn  man  dabei  die  atlantischen  Staaten,  d.  h.  die  vier  ersten  Gruppen 
obiger  Tabelle  den  zwei  übrigen  grossen,  vom  Mississippi  getrennten 
Abschnitten  der  V.  St.  gegenüberstellt,  so  ist  in  allen  drei  die  Weizen- 
erzeugung beständig,  wenn  auch  in  ungleichem  Masse  fortgeschritten. 

1819  1859             1869  1877 

Atlantische  Staaten   .     .    B.  51657020  53294137    57476371  64344800 
Centralgehiet  diesseits  des 

Mississippi     ....         43522646  94458609  140877077  147890000 

Trans-Mississippi  .    .     .           5306278  25352178    89392185  152860000 

Man  hat  dieses  Vorschreiten ,  ähnlich  wie  das  der  Bevölkerung, 
geographisch  bestimmt.  Indem  man  Mittelpunkt  der  Weizen-  bzw.  Mais- 
erzeugung denjenigen  geographischen  Punkt  nennt,  welcher  in  der  Mitte 
der  Gcsammtmenge  so  gelegen  ist,  dass  er  dieselbe  in  eine  ö.  und  eine 
w.  Hälfte  theilt,  findet  man,  dass  dieser  Punkt  für  den  Weizen  1849  bei 
81«,  1859  bei  85«  24',  1869  bei  88«,  1877  bei  89«  6'  w.  L.  lag;  für  die 


VII.  Die  Landwirthschaft.  249 

Maiserzeugung  lag  er  1849  bei  85°,  1859  bei  86«  30^  1869  bei  88", 
1877  bei  89"^  6'  w.  L.  Man  sieht,  dass  der  Mais  vor  30  Jahren  eine  viel 
entschiedener  w.  Frucht  genannt  werden  konnte  als  heute;  der  Weizen 
stand  damals  um  volle  4  Längengrade  weiter  ö. ,  aber  indem  letzterer 
doppelt  so  rasch  westwärts  schritt  als  jener,  haben  beide  in  derselben 
Region  ihren  Gleichgewichtspunkt  zwischen  der  Erzeugung  des  0,  und  W. 
gefunden. 

Jene  Missverhältnisse  werden  durch  Belehrung  und  guten  Willen 
nicht  zu  bessern  sein,  denn  sie  gehören  der  Cu  1  tu r stufe  an,  auf 
welcher  der  W.  der  V.  St.  steht.  Die  Bevölkerung  ist  zu  dünn,  in 
Folge  dessen  der  heimische  Markt  vielfach  unzugänglich  und  der 
Arbeitslohn  zu  hoch.  Die  Verkehrswege  genügen  trotz  der  hohen 
Entwickelung,  welche  sie  gerade  in  diesen  jungen  Gebieten  gefunden 
haben,  den  Anforderungen  der  dortigen  Landwirthschaft  nicht;  die 
Entfernungen  sind  eben  zu  gross.  Das  alles  bewirkt,  dass  der  ,^ 
Boden  nicht  eindringend  cultivirt,  sondern  oberflächlich  ausgebeutet 
wird.  Das  Literesse  des  Farmers  wird  am  meisten  befriedigt,  wenn 
er  eine  möglichst  grosse  Fläche  so  wohlfeil  und  schnell  als  möglich 
anbaut.  Die  Zinsen  des  Capitals,  welches  in  seinem  Grundbesitz 
angelegt  ist,  kommen  kaum  oder  gar  nicht  in  Betracht,  die  Arbeit 
dagegen  macht  fast  allein  die  Produktionskosten  aus;  an  ihr  muss  '^ 
also  gespart  werden.  Dieser  Umstand  macht  sich  durch  Vermin- 
derung des  Ertrags  in  den  verschiedensten  Richtungen  geltend.  Bei 
der  Saat  wird  durch  den  Mangel  an  Arbeitern  p.  Acre  durch- 
schnittlich ^k  B.  Getreide  zu  viel  verbraucht,  und  man  hat  schon 
vor  15  Jahren  gesagt,  dass  dies  allein  einen  jährlichen  Verlust  von  '^ 
mehr  als  3  Mill.  D.  bedeute.  Ebenso  verursacht  derselbe  Mangel 
unabwendbare  Verluste  bei  der  Ernte;  wiewohl  das  Erntewetter 
überall  in  den  V.  St.  viel  beständiger  ist  als  in  Mittel-Europa,  ist  ^ 
doch  der  Verlust  an  Körnern  und  Heu  ein  viel  beträchtlicherer. 
Man  kann  denselben  oft  auf  ^/s  der  Ernte  schätzen.  Es  ist  auch 
eine  schädliche  Folge  der  dünnen  Bevölkerung  das  Ueberhandnehmen 
des  Ungeziefers,  das  wahrscheinlich  in  Europa  nirgends  solche  Aus-  / 
breitung  erlangt  wie  hier.  Endlich  ist  der  Verlust  des  Düngers 
und  oft  auch  der  Halme,  die  man  einfach  verbrennt,  auf  dieselbe 
Ursache  zurückzuführen.  Der  geringe  Werth  des  Bodens  und  der 
hohe  Preis  der  Arbeit  erklären  überhaupt  allein  schon  einen  grossen 


250  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Theil  der  Eigenthümlichkeiten  der  amerikanisclien  Landwirthschaft. 
Der  Einwanderer  ist  geneigt  diese  Grundthatsachen  zu  vergessen, 
wenn  er  seine  heimischen  Arbeitsgewohnheiten,  die  darauf  gerichtet 
sind,  einen  kleinen  Besitz  gründlichst  auszunützen,  mit  Zähigkeit 
festhält  gegenüber  der  viel  oberflächlicheren,  minder  dauerhaften, 
aber  für  weite  Käume  ausgiebigeren  Arbeit  des  Amerikaners.  Er 
vermag  dies  nur  dann  mit  Nutzen  zu  thun,  wenn  er  zu  einer 
gartenartigen  Wirthschaft  in  der  Nähe  günstiger  Absatzplätze  greifen 
kann.  Es  ist  ganz  natürlich,  dass  unsere  deutschen  Einwanderer 
sich  mit  so  grosser  Vorliebe  dieser  Wirthschaftsweise  zuwenden, 
denn  sie  entspricht  viel  mehr  den  Gewohnheiten,  denen  sie  von 
Jugend  an  anhängen.    Der  Amerikaner  folgt  ihnen  selten  in  dieser 

^  Richtung,  aber  seine  extensive  Wirthschaft  macht  ihn  in  der  Eegel 
früher  und  mit  weniger  Arbeit  reich. 

Es  liegt  nach  dem  Ebengesagten  in  der  Natur  der  Sache, 
dass  die  Düngung  bei  den  Landwirthen  des  neuen,  noch  wenig 
ausgesogenen  Bodens  als  eine  wenig  belangreiche  Angelegenheit 
behandelt  wird.  Aber  in  dem  grössten  Theile  der  für  den  Ackerbau 
wichtigsten  Gegenden  ist  diese  glückliche  Stufe  des  Neuland- Acker- 

^  baues  lange  zurückgelegt  und  Dünger  daselbst  zu  einer  gebieterischen 
Nothwendigkeit  geworden.  Nur  verhindert  es  häufig  die  Erinnerung 
an  jene  Zeit  des  düngerlosen  Ackerbaues,  dass  diesem  wichtigen 
Gegenstande  die  nöthige  Aufmerksamkeit  geschenkt  wird.  Dazu 
kommt  die  Möglichkeit  des  Auswanderns  nach  dem  noch  nicht  aus- 
gebeuteten Westen,  wo  man  ganz  jungfräulichen  Boden  anbauen 
kann.    Dieselbe  schwindet  aber  natürlich  ebenfalls  mit  jedem  Jahre 

y  mehr  und  kann  schon  heute  nicht  mehr  in  ausgedehntem  Masse  in 
Betracht  kommen.  Von  den  wirklich  vorzüglichen  Ländereien  im 
W.  dürften  sehr  wenige  noch  unbesetzt  sein  und  nur  dort,  wo 
grosse  Fruchtbarkeit  mit  eben  so  grosser  Ungesundheit  des  Bodens 
und  unberechenbarer  Wechselhaftigkeit  des  Klimas  sich  verbindet,  wie 
in  den  Tiefländern  der  Ströme  des  S.  u.  W.,  sind  grosse  leere  Strecken 
noch  vorhanden.  Man  findet  es  unter  diesen  Verhältnissen  doch 
endlich  am  natürlichsten,  dem  guten  Boden,  den  man  einmal  besitzt, 
-^so  viel  zuzuführen,  als  er  zur  Erhaltung  seiner  Fruchtbarkeit  bedarf, 
anstatt  ihn  auszubeuten  und  dann  mit  schlechterem,  erst  noch  aus 


VII.  Die  Landwirttschaft.  251 

dem  Rauhen  herauszuarbeitendem  zu  vertauschen.  Das  letztere 
System  war  nur  begreiflich  unter  der  Herrschaft  der  Sklaverei,  wo 
Menschenkraft  billiger  als  Dünger  war.  Jetzt  ist  die  Düngereinfuhr 
gerade  im  S.  am  bedeutendsten.  Die  Einfuhr  von  Guano  in  die 
V.  St.  betrug  1878  23000  T. 

Die  V.  St.  sind  übrigens  selber  reich  an  mineralischen 
Düngstoffen.  An  der  atlantischen  Küste  sind  Grünsand-  und  Phos- 
phorit-Ablagerungen, welche  in  dieser  Richtung  von  Werth  sind,  in 
grosser  Mächtigkeit  vorhanden.  Die  ersteren  sind  in  New  Jersey 
und  N.  Carolina,  die  anderen  in  S.  Carolina  in  ausgezeichneter 
Weise  entwickelt.  In  geringer  Menge  ist  auf  einigen  Inseln  Guano 
vorhanden^).  Die  Kalksteine,  welche  die  Prärien  in  so  grosser  ^. 
Ausdehnung  unterlagern,  finden  Anwendung  zur  Aufschliessung  der 
natürlichen  Fruchtbarkeit.  Mergel  ist  nur  in  den  Niederungen  der 
atlantischen  Küste  und  des  Golfes  in  Menge  vorhanden.  Salz,  das 
im  Grossen  sich  auf  etwa  Va  Ct.  (2  Pf.)  das  Pfund  steht,  findet  als 
Düngmittel  Verwendung.  Gips  ist  häufig  in  New  York.  Eines  der 
vortrefflichsten  und  auch  mit  am  häufigsten  in  Anwendung  ge- 
brachten Düngmittel  ist  der  Schlamm  der  Tieflandgewässer  im 
ganzen  atlantischen  und  Mississippi-Gebiet.  Auch  der  Fischguano, 
der  an  der  atlantischen  Küste  aus  werthlosen  Fischen  und  anderen 
Seethieren  bereitet  wird,  ist  hier  zu  erwähnen  2). 

1)  Der  Rep,  on  Commerce  and  Navigation  für  1875/76  gibt  14  785  T.  Guano 
im  Wertlie  von  192  972  D.  als  auf  amerikanischen  Inseln  gewonnen  an.  Nevassa 
Island  zeigt  die  grösste  Gewinnung  mit  gegen  11000  T. 

2)  Die  Fischguano-Fabriken  in  Maine,  Massachusetts,  Rhode  Island,  Con- 
necticut, auf  Long  Island  und  New  Jersey  machten  1874  50976  T.  Guano  und 
SVaMill.  Gallonen  Fischöl.  Es  waren  25  Dampfer,  283  Segelboote  und  2438 
Arbeiter  in  diesem  Zweige  beschäftigt.  (Rep.  Comm.  Agric.  1875.  508.)  Die  N.  Y 
Handelszeitung  schrieb  Okt.  1878 :  „Vor  30  Jahren  wurde  die  erste  Fabrik  von 
Menhaden-Fischöl  und  Guano  am  Long  Island  Sund  etablirt  und  waren  die 
Einrichtungen,  deren  man  sich  damals  zur  Erlangung  des  Oels  und  Zubereitung 
des  Rückstandes  zu  Guano  bediente,  von  der  primitivsten  Art.  Heute  ist  die 
ganze  Küste  von  Maine  bis  Cap  Charles  mit  Fabriken  besäet  und  in  der  Zeit 
zwischen  den  Monaten  März  und  November  werden  Millionen  von  Fischen  ge- 
fangen, welche,  nachdem  ihnen  das  Oel  entzogen,  durch  einen  künstlichen  Pro- 
cess  getrocknet  und  zu  Guano  zermahlen  werden.  Man  erwartet,  dass  sich 
innerhalb  einiger  Jahre  auch  im  Auslande  feste  Märkte  für  den  Absatz  von 
Fischguano  etabliren  lassen  werden,  und  sind  bereits  einige  Ladungen  davon 
nach  England  verschifft  worden." 


252  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Der  Fruchtwechsel,  welcher  eine  so  grosse  Rolle  in  der 
Erhaltung  einer  guten  Beschaffenheit  des  Bodens  spielt,  wird  in 
vielen  Theilen  der  Y.  St.  für  überflüssig  gehalten.  Nur  in  den 
dichter  bevölkerten  und  seit  lange  angebauten  Staaten  des  0.  hat 
er  aus  Nothwendigkeit  allgemeinen  Eingang  gefunden.  Der  Wechsel 
zwischen  Mais  oder  Weizen  und  Klee  ist  der  gewöhnliche. 

Theoretische  Aufklärungen  vermögen  bei  einem  so 
intelligenten  Volke  wie  dem  nordamerikanischen  mehr  als  man 
denkt.  Der  dortige  Farmer  besitzt  nichts  von  der  Zähigkeit  und 
Starrköpfigkeit  unseres  Bauern,  er  hat  einen  wahren  Durst  nach 
Belehrung  und  sorgt  dafür,  dass  es  nicht  an  Gelegenheiten  fehle, 
denselben  zu  stillen.  Es  bildete  daher  wahrhaft  eine  Epoche  in 
der  Geschichte  der  Landwirthschaft  in  den  V.  St.,  als  der  Congress 
sich  1847  zur  Bewilligung  von  Geldern  zu  landwirthschaftlichen 
Zwecken  herbeiliess.  Durch  dieselben  konnte  ein  Centralorgan 
für  die  landwirthschaftlichen  Interessen  geschaffen 
werden,  welches  in  hohem  Grade  anregend  auf  die  Pflege  der 
theoretischen  Seite  des  Ackerbaues  wirkte.  Zunächst  lehnte  sich 
dieses  Organ  an  das  Patent  Office  an.  Es  sammelte  Nachrichten 
über  Ernteergebnisse ,  Acclimatisations-  und  Züchtungsversuche 
u.  dgl.  und  stellte  sie  in  Berichten  zusammen,  welche  in  vielen 
Tausenden  über  das  Land  verbreitet  wurden.  Die  nordamerika- 
nischen Landwirthe  danken  diesen  landwirthschaftlichen  Bänden 
der  Patent  Office  Reports  ausserordentlich  viel.  In  neuerer  Zeit 
erscheinen  dieselben  als  Reports  of  the  Department  of  Ägriculture 
in  monatlichen  Heften  und  in  einem  Jahresband.  Landwirthschaft- 
liche  Zeitschriften  wurden  zugleich  häufiger  und  wirksamer.  1858 
wurde  ein  Acclimatisationsgarten  in  Washington  gegründet,  von 
welchem  aus  seitdem  Millionen  von  Sämereien  und  Schnittlingen 
kostenfrei  über  das  Land  vertheilt  wurden^).  Für  die  Einbür- 
gerung  von   nützlichen  Gewächsen   ist   durch   diesen  Garten   viel 


1)  Das  Ackerbauamt  der  V.  St.  versandte  1876  Sämereien  von  696  ver- 
schiedenen Culturgewächsen  in  1520207  Abtheilungen  mit  einem  Aufwand  von 
65  000  D.  637 180  von  diesen  Päckchen  Sämereien  wurden  an  Senatoren  und 
Congressmitglieder  abgegeben,  welche  ihre  ländlichen  Freunde  und  Wähler  mit 
der  Zusendung  derselben  in  grosser  Ausdehnung  zu  erfreuen  pflegen. 


► 


Vn.  Die  Landwirthschaft.  253 

gethan  worden.  Die  übermässigen  Erwartungen  freilich,  welche 
man  von  dem  systematischen  Betrieb  der  Acclimatisation  hegte, 
haben  sich  nur  selten  erfüllt.  Amerika  verdankt  so  viel  der  Ein- 
bürgerung altweltlicher  Pflanzen  und  Thiere,  dass  man  wohl  begreift, 
wie  man  sich  noch  immer  weiter  das  Bedeutendste  von  derselben 
versprechen  mag.  Es  ist  in  dieser  Richtung  eine  Masse  Geld  unnütz 
verausgabt  worden,  da  man  sich  weder  über  die  Lebensbedingungen 
der  neu  eingeführten  Gewächse  in  ihrer  Heimat,  noch  auch  über 
diejenigen,  welche  sie  in  Amerika  finden  sollten,  genügend  unter- 
richtete. Trotzdem  gehört  noch  immer  ein  ziemlich  unbeschränkter 
Glaube  an  die  Möglichkeit,  so  ziemlich  alle  nützlichen  Pflanzen  des 
Erdenrundes  im  Gebiet  der  V.  St.  zu  acclimatisiren ,  zu  den 
Charakterzügen  des  amerikanischen  Landwirthes.  Einige  Versuche 
verdienen  indess  Beachtung. 

Die  Acclimatisation  der  chinesischen  Theepflanze  wird 
seit  Jahren  mit  Energie  besonders  in  den  s.o.  Staaten  s.  vom 
38.  Breitegrad  betrieben.  1876  wurden  20000  Pflänzlinge  versandt 
und  der  Bericht  des  Ackerbauamtes  für  dieses  Jahr  hält  an  der 
Hoff'nung  fest,  dass  „Thee  ein  Stapelartikel  unserer  landwirth- 
schaftlichen  Erzeugung"  werden  wird.  Ebenderselbe  empfiehlt  den 
Theestrauch  zur  Anlage  von  künstlichen  Hecken. 

Kamele  sind  in  Nevada  und  einigen  anderen  der  Steppen- 
staaten des  W.  als  Lastthiere  im  Gebrauch  und  vermehren  sich 
rasch.  1875  wurde  eine  Heerde  Alpacas  nach  Frankville 
(Alleghany  Cy.)  Md.  eingeführt.  Ueber  ihre  weiteren  Schicksale 
ist  nichts  bekannt  geworden. 

Der  Oelbaum  ist  in  den  s.  V.  St.  schon  oft  eingeführt 
worden,  aber  immer  stellten  sich  seiner  wirklichen  Acclimatisation 
Hindernisse  entgegen,  welche  meistens  in  der  langen  Zeit,  welche 
von  der  ersten  Anpflanzung  bis  zum  Fruchttragen  verfliesst,  dann 
in  der  schlechten  Auswahl  der  Spielarten,  vorzüglich  aber  in  dem 
feuchten  Klima  der  Südstaaten  gesucht  werden  dürften.  Manche 
Theile  des  W.  in  Süd-Californien,  Nord-Mexico  und  Texas  dürften 
sich  zu  seiner  Cultur  am  geeignetsten  erweisen. 

Eine  Anzahl  von  nordamerikanischen  Sträuchern  und  Bäumen 
haben  sich  schon  die  Ehre  gefallen   lassen   müssen,    als   Kaffee-' 


254  VII.  Die  Landwirthschaft. 

bäume  gepriesen  zu  werden,  meist  wegen  einer  ganz  oberfläch- 
lichen Aehnlichkeit  der  Blätter  oder  Früchte.  Zuletzt  gab  Frangula 
californica  zu  dem  Mythus  Anlass,  dass  the  coffee- plant  grows 
wild  over  all  California.  Es  werden  auch  noch  immer,  wie  das 
Ackerbauamt  in  seinem  Bericht  für  1876  (S.  63)  sich  beklagt, 
Kaffeebaumsetzlinge  von  Ansiedlern  in  Florida  und  Californien 
verlangt,  wiewohl  dieselben  nirgends  fortkommen,  wo  die  Temperatur 
jemals  unter  10^  C.  sinkt. 

In  Süd -Florida  herrscht  der  angenehme  Glaube,  dass  die 
Vanille  dort  wild  wachse;  in  Wirklichkeit  ist  es  aber  eine  von 
der  Vanille  weit  entfernte  Pflanze,  Liatris  odoratissima,  welche  der 
Ehre  dieser  Verwechslung  gewürdigt  wird.  Die  Blätter  derselben 
werden  zum  Parfümiren  des  Tabaks  verwendet.  Versuche  zur 
Vanillezucht  sind  in  8üd-Florida  häufig,  aber  soweit  unser  Wissen 
geht,  nie  mit  Erfolg  gemacht  worden. 

Es  bedarf  kaum  einer  Erwähnung ,  dass  das  Vereinsleben 
auch  auf  dem  Gebiete  der  Landwirthschaft  in  den  V.  St.  eine  sehr 
grosse  Rolle  spielt.  Fast  jeder  Staat  hat  mindestens  einen  Central- 
verein,  gewöhnlich  Agricultural  oder  Horticultural  Society  genannt, 
der  in  den  wichtigeren  Städten  oder  Bezirken  seine  Zweigvereine 
besitzt,  und  ausserdem  einen  durch  Staatsgesetz  gegründeten  und 
vom  Staate  unterhaltenen  Board  of  Agriculture,  der  ungefähr  mit 
unseren  LandwirtJischafflichen  Centralstellen  verglichen  werden  könnte, 
insofern  er  alle  die  Kräfte  wirksam  zu  machen  sucht,  welche  im 
Stande  sind,  die  Landwirthschaft  und  ihre  Pfleger  zu  heben.  Er 
gibt  Zeitschriften  öder  Jahresberichte  heraus,  lässt  Vorträge  halten, 
richtet  Ausstellungen,  Versuchsstationen  u.  dgl.  ein,  vermittelt  den 
Verkehr  mit  dem  Agricultural  Department  in  Washington,  vertheilt 
Sämereien  u.  s.  f.  Die  ältesten  landwirthschaftlichen  Privatgesell- 
schaften der  V.  St.  sind  die  New  York  (1818)  und  die  Pennsylvania 
State  Horticultural  Society  (1827).  Die  Gründung  der  State  Boards 
führt  aber  in  den  meisten  Staaten  auf  eine  Bewegung  zu  Gunsten 
ausgiebigerer  Unterstützung  der  landwirthschaftlichen  Interessen 
zurück,  welche  1851  statthatte. 

IV.  Farmer  und  Landarbeiter.  In  den  alten  Staaten  gibt  es  weder 
etwas,    was  unserem  Bauern,    noch   dem    englischen  Pächter,    noch   dem 


VII.  Die  Landwirth&chaft.  255 

italienischen  Contadino  zu  vergleichen  wäre.  Dagegen  gibt  es  zwei  Classen 
von  selbständigen  Landwirthen,  den  Pflanzer  im  Süden  und  den  Farmer 
im  Norden.  Der  letztere,  als  der  weitaus  zahlreichere  von  beiden,  ist  eines 
der  wichtigsten  Elemente  im  Leben  der  V.  St.  nach  allen  Richtungen  hin. 
Der  Farmer  besitzt  sein  Land  zu  eigen.  Im  0.  ist  es  in  der  Regel  er- 
erbtes Gut,  im  W.  ist  es  neugekauft  oder  unter  dem  Heimstättengesetz 
erworben;  in  jenem  Falle  ist  es  improved,  und  zwar  oft  in  so  hohem  Grade, 
dass  selbst  eine  nicht  eben  ansehnliche  Farm  in  Neu -England  oder  den 
Mittelstaaten  häufig  den  Eindruck  eines  behaglichen  Landsitzes  macht;  in 
diesem  dagegen  sind  die  Merkmale  der  Jugendlichkeit  des  Unternehmens 
deutlich  zu  erkennen.  Statt  glatter  wohlbeackerter  Felder  findet  man  hier 
Flächen  voll  halbverbrannter  Baumstümpfe,  und  das  Haus  ist  entweder 
noch  Blockhaus,  roh,  wie  es  in  die  kaum  veredelte  Natur  passt,  oder  ein 
nicht  viel  besserer  Backsteinbau.  Alles  hat  etwas  Unfertiges,  übermässig 
Jugendliches,  während  dort  im  0.  der  ehrwürdige  Hauch  alter  Ueber- 
lieferung,  wenigstens  an  vielen  Punkten  schon,  zu  verspüren  ist.  Aber  in 
der  Hauptsache  bedingt  dies  keinen  grossen  Unterschied.  Der  Besitzer 
der  alten  behaglichen  Farm  ist  nicht  mehr  Herr  seiner  selbst  als  der- 
jenige der  erst  im  Werden  begriffenen.  Beide  sind  selbständige,  freie, 
selbstbewusste  Männer,  die  keine  Schule  der  Unterwürfigkeit  durchgemacht 
haben  und  denen  nicht  von  erster  Jugend  an  die  entmuthigende  Lehre 
gepredigt  wurde,  dass  sie  einem  Stande  angehören,  der  nothwendig  und 
natürlich  ein  gedrücktes,  hart  arbeitendes  Dasein  führt.  Diese  Farmer 
stellen  dieselben  Anforderungen  ans  Leben  wie  irgend  ein  anderer  Bürger 
der  V.  St.,  und  finden  gleich  jedem  anderen  nur  in  ihren  Mitteln  eine 
Schranke  ihrer  Wünsche  und  Hoffnungen.  Zwar  ist  es  nicht  anders  mög- 
lich, als  dass  auch  ihnen  die  Lebensweise,  die  sie  führen,  ihren  Stempel 
aufdrückt,  und  der  Farmer  ist  sehr  leicht  zu  unterscheiden  vom  Kaufmann, 
Industriellen  etc.  Aber  es  fehlt  viel  bis  zu  dem  Standesunterschied,  der 
unseren  Bauern  von  allen  anderen  Ständen  trennt.  Es  wäre  Unsinn  zu  be- 
haupten, dass  es  nicht  auch  drüben  zahlreiche  Landwirthe  gäbe,  besonders 
unter  den  kleineren,  die  ganz  eben  so  hart  arbeiten  wie  unsere  ärmeren 
Bauern  *) ;  aber  ein  grosser  Unterschied  liegt  schon  darin,  dass  jener  ganz 
andere  Anforderungen  an  die  Früchte  seiner  Arbeit  stellt  als  dieser.  Er 
will  sich  nicht  bloss  behaupten,  sondern  er  will  vorwärts  kommen.  Jeder 
Amerikaner  will  vorwärts  kommen  und   Geld  machen,    und   der  Farmer 


1)  Gerade  in  den  rein  ackerbauenden  Theilen  von  Neu-England,  New  York 
und  Pennsylvanien  sind  hei  dichter  Bevölkerung  und  sehr  weitgehender  Boden- 
theilung  hinsichtlich  des  Wohlstandes  schon  sehr  europaähnliche  Verhältnisse 
entstanden.  Schon  1840  wurde  nicht  höher  als  zu  16—2400  Rmk.  das  mittlere 
Jahreseinkommen  von  der  grossen  Mehrzahl  der  Farmer  im  Connecticut-Thale 
angenommen.     (Lyell,  Travels  1845.  I.  127.) 


256  VII.  Die  Landwirthschaft. 

ist  nicht  so  idyllisch  gestimmt,  dass  er  für  ein  ruhiges  und  bequemes 
Leben  diesen  alle  beseligenden  Trieb  ersticken  möchte.  Geht  es  nicht 
mit  der  altherkömmlichen  Weise  des  Mais-  oder  Weizenbaues,  so  versucht 
er  etwas  anderes.  Für  diesen  Zweck  fehlt  es  ihm  nicht  an  Neuerungs- 
und Unternehmungsgeist.  Entweder  er  oder  ein  Nachbar  haben  neue  Plane, 
neue  Aussichten  im  Kopf,  durch  die  sie  rascher  fortzukommen  hoffen. 
Sie  erfinden  wohl  auch  etwas  —  fast  alle  Verbesserungen  an  landwirth- 
schaftlichen  Geräthen,  bis  hinauf  zu  den  dampfgetriebenen  landwirth- 
schaftlichen  Maschinen,  stammen  von  den  Farmern  selbst  her  —  oder  sie 
folgen  einem  Rath,  den  die  landwirthschaftliche  Abtheilung  der  politischen 
Wochenschrift  enthält,  aus  der  sie  ebensowohl  ihre  politische  wie  ihre 
landwirthschaftliche  Weisheit  schöpfen.  Durch  die  zahllosen  Berichte  der 
landwirthschaftlichen  Gesellschaften  und  die  in  einer  grossen  Menge  von 
Exemplaren  durch  das  Land  verbreiteten  Berichte  und  Lehrschriften  des 
Ackerbauamtes,  sind  sie  auch  in  den  Besitz  etwas  besserer  landwirth- 
schaftlicher  Literatur  gesetzt,  wenn  sie  solche  irgend  anstreben.  Jeder 
Stumpredner,  der  ihren  Bezirk  bereist,  und  deren  sind  nicht  wenige, 
schmeichelt  ihnen  als  dem  Mark  und  der  Hoffnung  des  Landes  und  jeder 
sucht  dem  Landwirth  etwas  Landwirthschaftliches  zu  sagen.  Die  Selbst- 
verwaltung regt  zur  politischen  Bethätigung  auf  verschiedenen  Gebieten 
an,  auf  welchen  der  arme  Farmer  sich  mit  derselben  Berechtigung  und 
demselben  Bewusstsein  bewegt  wie  der  reiche,  oder  einer,  der  einem 
anderen  Stande  angehört.  Er  hat  dieselben  Schulen  für  seine  Kinder,  und 
das  Leben  bietet  dieselbe  Wettbahn  für  ihn  und  die  Seinigen  wie  für  alle 
anderen.  Je  weniger  er  in  Berührung  kommt  mit  dem  städtischen  Leben, 
um  so  mehr  bestimmen  sein  ganzes  Wesen  die  Einflüsse  des  arbeitvollen, 
aber  freien,  unabhängigen  Lebens  auf  dem  Lande,  wobei  noch  besonders 
zu  beachten,  dass  er  in  der  Regel  nicht  in  geschlossenen  Dörfern,  sondern 
abgesondert  auf  seinem  Gehöfte  wohnt.  In  den  nicht  vorwiegend  indu- 
striellen Gegenden  der  V.  St.  sind  aber  auch  die  mittleren  und  kleineren 
Städte  nicht  scharf  vom  Lande  gesondert  und  die  Interessen  ihrer  Be- 
wohner sind  meist  wenig  verschieden  von  denen  der  umwohnenden  Farmer. 
Hier  steht  dann  nichts  der  Entwicklung  eines  sehr  ausgeprägten  Standes- 
bewusstseins  entgegen,  welches  mehr  als  einmal  die  hart  arbeitenden, 
schwielenhändigen,  ehrlichen  Farmer  zu  einflussreichen  Faktoren  in  der 
inneren  Geschichte  der  V.  St.  werden  Hess.  Ihr  Sturmlauf  gegen  die 
Monopolisirung  des  Frachtverkehres  durch  die  grossen  Eisenbahngesell- 
schaften, gegen  welche  sie  einen  über  das  ganze  Land  verbreiteten  Bund  der 
•  Grangers  (Scheunenleute)  ins  Leben  riefen,  hat  jüngst  noch  die  Macht  ge- 
zeigt, welche  sie  in  den  Ackerbaustaaten  des  W.  aufzubieten  vermögen. 
Sie  setzten  damals  in  Michigan,  Wisconsin,  Iowa  u.  dgl.  Massnahmen  durch, 
die  ganz  einseitig  nur  in  ihrem  Standesinteresse  lagen  und  dementsprechend 
sich  auch  nicht  lange  halten  konnten  (s.  u.  „Die  Verkehrswege").    Wenn 


VII.  Die  Landwirthschaft.  257 

sie  indessen  mehr  als  gut  geneigt  sind,  ihre  Interessen  auch  in  Fragen 
der  allgemeinen  Politik  in  den  Vordergrund  zu  drängen,  so  sind  sie  doch 
immer  die  beste  und  zuverlässigste  Grundlage  der  grossen  Parteien,  welche 
das  Land  regieren,  das  nothwendige  Gegengewicht  der  unsicheren  Beweg- 
lichkeit der  Industrie-  und  Städtebevölkerung.  Präsidenten,  die  auf  Grund 
ihrer  Popularität  Bedeutendes  zu  leisten  vermochten,  wie  Jackson  und 
Lincoln,  sind  hauptsächlich  von  den  Stimmen  der  Farmer  getragen  ge- 
wesen und  grosse  Grundsätze,  welche  einmal  von  diesem  soliden  und 
beharrlichen  Stande  ergriffen  sind,  werden  nicht  so  leicht  losgelassen.  In 
der  Frage  der  Sklavenbefreiung  sind  die  Farmer  das  Gross  der  Armee 
gewesen,  die  wenigen  hervorragenden  Männern  den  Sieg  an  den  Wahlurnen 
und  in  den  Gesetzgebungen  verschaffte,  und  auch  in  den  kämpfenden 
Armeen  stellten  sie  mit  ihrer  Kraft  und  Gediegenheit  das  beste  Element 
neben  den  eigentlichen  Berufssoldaten,  auf  nördlicher  wie  auf  südlicher 
Seite.  Gerade  in  einem  Lande  wie  den  V.  St. ,  wo  man  so  leicht  von 
einer  Beschäftigung  zur  anderen  übergeht  und  wo  die  häufigen  Krisen  zu 
raschen  Wechseln  des  Besitzes  führen,  ist  der  Stand  der  Landwirthe  ein 
für  die  Allgemeinheit  doppelt  werthvoller. 

Angesichts  der  vorzüglich  in  der  jüngeren  Generation  verbreiteten 
Ansicht,  dass  die  Landwirthschaft  das  wenigst  lohnende  aller  Gewerbe  in 
den  V.  St.  sei,  ist  schon  längst  darauf  hingewiesen  worden,  dass  es 
wenigstens  das  sicherste  sei.  E.  Washburne  von  Massachusetts  hebt  hervor, 
dass  von  1000  Kaufleuten,  welche  1824  ihren  Conto  bei  einer  bostoner 
Hauptbank  hatten,  40  Jahre  später  nur  6  unabhängig  geworden  waren. 
Man  gibt  überhaupt  an,  dass  von  100  Handelsleuten  nur  7  zu  Wohlstand 
gelangen.  Unter  1112  Bankerotten  in  Massachusetts  im  Jahre  1854  waren 
nur  14  und  unter  2550  in  New  York  nur  46  Farmer  und  es  gehörten 
überhaupt  nur  2  Proc.  der  Bankerotte  der  landbewohnenden  Bevölkerung 
au.  Vgl.  Jay,  The  Statistics  of  Am.  Agriculture  1859.  50.  Die  in  dem- 
selben Werke  S.  60  angeführten  Zahlen,  die  z.  B.  nach  einer  von  Jarvis 
an  1700  Personen  in  Massachusetts  vorgenommenen  Zählung  angeben,  dass 
die  mittlere  Lebensdauer  der  Farmer  45,  die  der  Kaufleute  33,  der 
Handwerker  29  und  der  Taglöhner  27  Jahre  sei,  beziehen  sich  begreiflicher- 
weise mehr  auf  die  Thatsache,  dass  eine  grosse  Zahl  von  jungen  Farmern 
nach  W.  wandert  oder  zu  anderen  Berufen  übergeht,  als  auf  eine  wirkliche 
längere  Lebensdauer  der  einzelnen  Farmer  verglichen  mit  der  von  anderen 
Berufen  Angehörigen. 

Im  S.  hat  es  einen  den  nordstaatlichen  Farmern  entsprechenden  Stand 
von  Landwirthen  nur  in  jenen  Strichen  gegeben,  in  denen  die  klimatischen 
und  Bodenverhältnisse  den  Anbau  der  s.  Stapelartikel  und  die  Anlage 
grosser  Pflanzungen  verboten,  also  hauptsächlich  in  den  hügeligen  und 
gebirgigen  Thcilcn  der  atlantischen  Staaten  d.  h.  in  der  Alleghany-Region, 

R  a  t  ze  1 ,    Amerika  IT.  -< -r 


258  VII.  Die  Landwirthschaft. 

ausserdem  in  ähnlich  gestalteten  Abschnitten  von  Texas  und  Arkansas. 
Doch  war  dieser  Farmer  etwas  ganz  anderes  als  der  des  N.  „Die  unab- 
hängigen Farmer  waren  zum  grossen  Theil  selbst  Sklavenhalter,  und  wenn 
sie  keine  Sklaven  besassen,  so  mietheten  sie  doch  welche.  Nicht  nur  in 
ihrer  Einbildung,  sondern  thatsächlich  waren  sie  Herren  in  des  Wortes 
verwegenstem  Sinn,  aber  Herren  in  Hemdärmeln  und  mit  Düngerparfüm. 
Seite  an  Seite  mit  dem  eigenen  oder  dem  gemietheten  Sklaven  pflügte 
der  Farmer  seinen  Acker.  Im  Allgemeinen  verkehrte  er  daher  auch  mit 
dem  Sklaven  auf  demselben  Fuss,  auf  dem  der  europäische  Bauer  mit 
seinem  Knecht  verkehrt.  Wurde  aber  der  Aristokrat  oder  der  Herr  in 
ihm  gereizt  und  übermannte  ihn  die  Leidenschaft,  dann  setzte  er  seinen 
Hacken  auf  den  Wurm,  der  oftmals  gut  that  auch  das  einzige  Kecht  des 
Wurms,  das  Krümmen,  nur  in  möglichst  bescheidenem  Mass  auszuüben. 
Unter  den  unabhängigen  Farmern  finden  wir  daher  die  besten  Illustrationen 
zu  beiden  Seiten  der  Sklaverei:  das  zwanglose,  wohlwollende  patriarcha- 
lische Leben,  das  die  Sklavenbarone  so  anziehend  zu  schildern  wussten, 
und  die  viehischen  Scheusslichkeiten,  denen  in  „Onkel  Toms  Hütte"  eine 
bleibende  Gedenktafel  gesetzt  worden  ist."*) 

Ueberall  trifft  nun  freilich  diese  Schilderung  nicht  zu.  Unter  den 
Gebirgsfarmern  von  N.  Carolina,  Tennessee  und  Arkansas  hat  die  Sklaverei 
mit  die  entschiedensten  Feinde  gehabt,  denen  es  wesentlich  zuzuschreiben, 
wenn  der  Partei  der  Sklavenhalter  in  diesen  Staaten  von  jeher  eine  nicht 
unbedeutende  Minderheit  gegenüberstand.  Und  auch  in  den  einstigen 
Hauptgebieten  der  Sklaverei  hat  natürlich  mit  der  Freilassung  eine  grosse 
Aenderung  in  der  ganzen  Stellung  dieser  Landwirthe  stattgefunden.  Auf 
eigene  oder  auf  bezahlte  Arbeit  Anderer  angewiesen,  sind  sie  in  dieser 
Beziehung  den  Farmern  des  N.  gleich  geworden,  aber  nicht  ebenso  ist  es 
mit  ihrer  socialen  Stellung  geworden;  noch  immer  erheben  sie  sich  über 
die  schwarze  Schicht  der  Negerbevölkerung  wie  auf  einem  Piedcstal  und 
der  aristokratische  Geist  der  Pflanzer  durchtränkt  auch  ihr  Wesen,  allerdings 
ohne  ihre  Sitten  und  Anschauungen  entsprechend  zu  veredeln.  Ohne 
Zweifel  hat  gerade  dieser  Stand  eine  bedeutende  Mission  in  der  Wieder- 
herstellung normaler  Verhältnisse  im  S.  Er  ist  zahlreicher  als  man  in 
-den  Kreisen  denkt,  wo  Südstaat  und  Pflanzerstaat  sich  deckende  Begriffe 
sind.  Es  gab  schon  1860  an  Farmen  unter  50  A.  in  Tennessee  31930, 
N.  Carolina  27  811,  Alabama  22  837,  Arkansas  21626,  Georgia  16353. 
Diese  Zahlen  hatten  sich  bis  1870  erhöht  in  Tennessee  auf  70925, 
N.  Carolina  60301,  Alabama  40160,  Arkansas  38153,  Georgia  32i70. 
Man  kann  sagen,  dass  im  Allgemeinen  in  der  kritischen  Zeit  von  1860 
bis  70  die  Zahl  dieser  kleineren  Farmen  im  S.  sich  verdoppelte.  In  den 
ausgeprägtesten  Pflanzerstaaten  Louisiana   und  Mississippi  waren  die  ent- 


1)  V.  Holst,  Briefe  aus  Nord-Amerika.     (A.  Allg.  Zeit.  4.  Juli  1879.) 


VII.  Die  Landwirthschaft.  259 

spreclienden  Zahlen  1860  7730  und  20086;  1870  betrugen  sie  19  363  und 
46032.  Was  dagegen  die  Farmen  von  mehr  als  1000  A.,  also  die  eigent- 
lichsten Pflanzungen  betrifft,  so  gab  es  ihrer  in  den  alten  Südstaaten 
1860  4498  und  in  denen  des  SW.  576;  diese  Zahlen  waren  1870  auf 
1748  bzw.  430  herabgegangen.  Die  Complexe  von  mehr  als  50  A. 
betrugen  bis  1860  durchschnittlich  die  Hälfte  derer,  die  unter  dieser 
Grenze  standen.  Man  sieht,  dass  die  kleinen  Landwirthe  im  S.  nie  sehr 
gering  an  Zahl  waren.  Der  Unterschied  zwischen  S.  und  N.  lag  auf  diesem 
Gebiete  mehr  in  der  Wirthschaftsweise  als  in  der  Yertheilung  des  Grund- 
besitzes. 

Wenn  die  grossen  Grundbesitzer,  die  Pflanzer,  dennoch  eine  so 
hervorragende  Rolle  spielten,  dass  sie  nicht  nur  dem  S.  seinen  politischen 
Stempel  aufdrückten,  sondern  sogar  in  der  Union  lange  Zeit  als  die  herr- 
schende und  zum  Herrschen  geborene  Classe  erschienen,  so  lag  es  weniger 
an  quantitativem  als  qualitativem  Uebergewicht.  Sie  liebten  es,  ihre  Vor- 
züge als  Rassencharakter,  als  Mitgift  aus  den  englischen  Adelsfamilien 
darzustellen,  denen  manche  von  ihnen  entstammten.  Man  hörte  sie  sogar 
als  ritterliche  Normannen  den  plebejischen  Angelsachsen  des  N.  gegen- 
überstellen. Aber  die  günstigen  Lebensbedingungen,  unter  denen  sie  sich 
befanden,  haben  gewiss  mehr  Antheil  daran  gehabt.  Eine  Arbeiterb evöl- 
kerung,  die  auf  dem  fruchtbarsten  Boden,  in  einem  für  Verkehr  höchst 
günstig  gelegenen  Lande,  unbezahlt  für  eine  verhältnissmässig  geringe 
Anzahl  von  Landbesitzern  arbeitet,  ist  eine  Grundlage  für  Gedeihen  und 
Lebensgenuss,  die  für  Nord-Amerika  voraussichtlich  unwiederbringlich  ver- 
loren ist.  Seit  den  Zeiten  der  Griechen  und  Römer  hat  kein  Volk  eine 
so  mühelose  Blüthe  erlebt.  Jene  schufen  gewaltige  Reichthümer,  welche 
die  Herren ,  die  selbst  den  Handel  mit  ihren  Produkten  verächtlich 
Fremden  zuschoben,  fast  ohne  jede  eigene  Anstrengung  ernteten,  ohne 
Widerspruch  verwandten  wie  sie  wollten.  So  behagliche  Zustände  mussten 
in  den  Menschen,  welche  sich  ihrer  erfreuten,  einige  Tugenden  wecken, 
die  bei  beengtem,  kampfreichem,  unzufriedenem  Leben  nicht  so  leicht 
zur  Entwickelung  kommen.  Auch  die  Feinde  mussten  ihre  Freigebigkeit 
loben;  wer  bedürftig  ins  Land  kam,  erfreute  sich  oft  unverhoffter  Gross- 
muth  und  Hilfsbereitschaft,  und  wenn  man  die  bedeutenden  und  uneigen- 
nützigen Politiker  zählt,  deren  sich  die  V.  St.  seit  ihrem  Bestände 
rühmen,  findet  man  den  S.  erstaunlich  reich  vertreten.  In  den  Kriegen 
glänzte  der  ritterliche  Sinn  der  Südländer  und  den  Triumph  des  N.  im 
Rcbcllionskrieg  versüsst  ihnen  noch  heute  das  Bewusstsein,  dass  nur  der 
S.  einen  Lee,  einen  Jackson  stellen  konnte.  Auf  ähnlichem  Boden  wuchs 
auch  die  Gastfreundschaft  auf,  deren  Uebung  im  dünnbevölkerten  Lande 
freilich  eine  Nothwcndigkcit  war,  die  aber  offenbar  von  Vielen  mit  der 
Pflichttreue,   der  Feinheit  und  Breite  geübt  wurde,   welche   ihr   erst  den 

17* 


260  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Werth  einer  höchst  erfreulichen,  jederzeit  gern  angenommenen  Gabe 
verleiht.  Wo  nur  die  wichtigsten ,  nicht  die  schwersten  Arbeiten  weisse 
Hände  erforderten,  war  nicht  wie  im  N.  jede  Art  Arbeit  in  sich  selbst 
etwas  Gutes,  war  Arbeit  nicht  die  Aufgabe  des  Lebens;  hier  blieb  Zeit 
genug  zur  Entwickelung  der  geselligen  Talente  und  manchmal  auch  zur 
Pflege  der  Wissenschaften  und  Künste.  Die  Charlestoner  Universität  war 
in  den  fünfziger  Jahren  eine  der  besten  hohen  Schulen  in  den  Y.  St. 
Manche  Pflanzerwohnung  war  ein  Tusculum.  Solche  ruhige,  behagliche 
Entwickelung  bildete  aber  einen  starken  Gegensatz  zum  ruhelosen  Treiben 
des  nordstaatlichen  Amerikaners,  besonders  des  eigentlichen  Yankee,  und 
man  war  sich  des  Gegensatzes  im  N.  wie  im  S.  bewusst.  Wieviel  jenem 
an  grosser  Lebensauffassung  und  veredelnder  Lebensfreude  in  seinem 
ewigen  Jagen  und  Haschen  nach  Gewinn  verloren  geht,  das  Hess  dem 
Südländer  schon  die  Antipathie,  die  er  gegen  solches  Wesen  hegte,  in 
besonders  klarem  Licht  erscheinen,  und  wie  üppig  dann  auf  derartig  vor- 
bereitetem Boden,  als  die  Ereignisse  zum  Abfall  von  der  Union  drängten, 
der  Hass  und  die  Verachtung  gediehen,  ist  ja  wohlbekannt,  auch  keines- 
wegs zu  verwundern.  Aber  dass  die  Südländer  ihre  nördlichen  Mitbürger 
zu  allgemein  als  Yankeenaturen  auffassten,  ist  ihr  Schicksal  geworden. 
Sie  taxirten  den  Krämer  richtig,    nicht  aber  den  Farmer. 

Die  durchschnittliche  Grösse  der  einzelnen  Farmen  war  1850  203, 
1860  199  und  1870  153  A.  Diesem  Rückgang  in  der  Grösse  steht  eine  Zu- 
nahme des  bebauten  Landes  gegenüber,  das  sie  umschliessen.  Das  unan- 
gebaute  Land  (unimproved)  betrug  in  jeder  Farm  1850  61,5,  1860  59,9 
und  1870  53,7  A.  Begreiflicherweise  verhalten  sich  die  verschiedenen  Theile 
der  Union  sehr  verschieden  in  Bezug  auf  die  Grösse  ihrer  Farmen.  Man 
fand  1870  die  grössten  in  Californien  (484),  Oregon  (315)  und  Texas  (301), 
die  nächst  grössten  in  Georgia  (328),  Louisiana  (247),  Florida  (232),  Alabama 
(222)  und  den  übrigen  Südstaaten;  in  den  Hauptgetreidestaaten  war  die 
Grösse  eine  mittlere :  Illinois  128,  Ohio  111,  Iowa  134,  Indiana  112,  Michigan 
101,  Minnesota  139,  Kansas  148  etc.;  von  den  Mittelstaaten  zeigen  New 
York  und  Pennsylvania  die  gleiche  Zahl  103;  ähnlich  kleine  Farmen  findet 
man  in  den  Neuengland-Staaten,  wo  Connecticut  93,  Maine  und  Rhode  Island 
98,  Massachusetts  103  haben;  aber  die  kleinsten  zeigen  einige  Territorien, 
wo  durch  die  Nothwendigkeit  künstlicher  Bewässerung  der  Anbau  garten- 
artig wird:  Utah  30,  Wyoming  25.  Von  1860 — 70  hatte  die  Grösse  der 
Farmen  zu-  statt  abgenommen  in  Californien,  Massachusetts  und  war  sich 
ganz  oder  nahezu  gleichgeblieben  in  Wisconsin,  Vermont,  Maine,  Connec- 
ticut. Grossfarmen  d.  h.  solche  mit  mehr  als  1000  A.  fanden  sich 
1870  nur  in  folgenden  Staaten  in  beträchtlicher  Zahl:  Californien  713, 
Georgia  419,  Virginia  317,  Alabama  306,  Illinois  302,  Mississippi  233, 
Kentucky  164,  Louisiana  142.  —  Es  geht  aus  dieser  Uebersicht  hervor, 
dass   die  Grösse   des   einzelnen  Grundbesitzes  für  jetzt  noch  in  der  Ab- 


VII.  Die  Landwirthschaft.  261 

nähme  begriifen  ist.  Da  diese  Abnahme  am  stärksten  in  den  jüngsten 
Staaten  (z.  B.  in  Californien  über  1000  Proc.  von  1850  —  60!),  so  kann 
man  schliessen,  dass  sie  vorwiegend  bewirkt  wird  durch  das  Zerschlagen 
älterer  grösserer  Besitze  zu  Gunsten  von  Neueinwanderern.  Die  Farmen 
sind  ausser  in  den  jüngsten  Staaten,  wo  weites,  billiges  Land  zur  Verfügung 
steht,  und  im  S.,  wo  noch  die  Ueberlieferungen  aus  der  Zeit  der  Plantagen- 
wirthschaft  vorwalten,  von  derjenigen  massigen  Grösse,  welche  der  Eigen- 
arbeit des  Besitzers,  seiner  Familie  und  weniger  Taglöhner  entsprechen. 
Die  Zunahme  ihrer  Grösse  von  1860 — 70  in  Californien  ist  eine  Folge  der 
Ausdehnung  des  Grossweizenbaues  und  der  Schafzucht  in  dieser  Periode. 
Auch  in  anderen  Staaten  läuft  unter  der  allgemeinen  Strömung,  die  auf 
Verkleinerung  der  Farmen  hinwirkt,  eine  Gegenströmung,  welche  die  Zahl 
der  Farmen  von  1000  A.  und  darüber  zu  vermehren  strebt.  Sie  kann 
der  Natur  der  Sache  nach  nur  erst  beschränkt  sein  und  erscheint  deshalb 
nicht  in  den  grossen  Durchschnittszahlen.  Indessen  besteht  sie  und  darf 
nicht  unbeachtet  bleiben.  Die  Zahl  genannter  Farmen  hat  sich  1860 — 70 
in  Illinois  von  194  auf  302,  in  Iowa  von  10  auf  38,  in  Kansas  von  1  auf 
13,  New  York  von  21  auf  36,  in  Pennsylvania  von  15  auf  76  erhöht. 
Gegenüber  dem  Zerfall  der  Plantagen  des  S.  verschwindet  diese  Ver- 
mehrung, aber  als  Symptom  der  Richtung,  in  welche  die  Landwirthschaft 
seit  der  ausgiebigeren  Verwendung  der  Maschinenarbeit  einlenkt,  ist  sie 
von  Bedeutung.  Auf  den  Grossfarmen  des  W.  ist  der  Mais-  und  Weizenbau 
und  die  damit  verbundene  Schweinezucht  ein,  man  möchte  sagen,  fabrik- 
mässiger  geworden.  Es  bleibt  kaum  mehr  eine  Arbeit,  die  nicht  mit 
Maschinen  besorgt  würde.  Da  der  dortige  Prärieboden  für  eine  solche 
Bearbeitung  die  günstigsten  Bedingungen  bietet,  lässt  sich  ein  weiteres 
Anwachsen  dieser  Grossfarmen  voraussehen.  Ihre  Herren  sind  nicht  mehr 
Farmer,  sondern  Gutsbesitzer,  die  Schaaren  von  Arbeitern  beschäftigen. 
Eine  starke  Einwirkung  auf  die  socialen  Verhältnisse  lässt  sich  also  von 
ihrer  Zunahme  voraussehen ;  in  Californien  bilden  schon  heute  die  grossen 
Weizenerzeuger  und  Schafzüchter  eine  Macht  im  Staate  und  der  Ge- 
sellschaft ^). 

Der  Landpreis  ist  ausserordentlich  verschieden  je  nach  der  Lage 
und  Güte  des  Landes.  Der  Census  von  1870  gibt  9,9  Milliarden  D.  als 
den  Gcsammtwcrth  des  Grundbesitzes,  von  welchem  die  grössten  Werthe 
auf  New  York,  Pennsylvania,  Massachusetts  und  Ohio  entfallen.  In  den 
grossen  Städten  werden  Preise  für  den  Boden  bezahlt,  welche  ganz  ebenso 
fabelhaft  sind  wie  in  den  europäischen  Grossstädten,  und  in  ihrer  nächsten 


1)  Als  die  grösste  von  diesen  Grossfarmen  wird  die  Grondin  Farm  bei 
Fargo  (Dakota)  genannt,  welche  49000  A.  umfasst  und  auf  einen  Ertrag  von 
800000  bis  1  Hill.  Weizen  eingerichtet  ist.  Sie  beschäftigt  250  —  300  Arbeiter 
mid  200  Pferde. 


262  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Umgebung,  wo  Gartenbau  möglich,  sind  1000  D.  p.  A.  ein  massiger  Preis. 
In  der  Entfernung  von  30  Kil.  von  Philadelphia  oder  New  York  verkauft 
man  Land  von  100  D.  p.  A.  an.  Gutes  Land  in  der  Weizenregion  des  W., 
z.  B.  in  Indiana,  Illinois,  Michigan  etc.,  kostet  bereits  über  100  D.  p.  A., 
wenn  es  günstig  für  den  Verkehr  gelegen  ist.  Für  Missouri  werden  15  D. 
als  Durchschnittswerth  des  gesammten  Farmlandes ,  angebauten  und 
unangebauten,  angegeben  und  dieser  Betrag  dürfte  auch  für  die  übrigen 
Staaten  der  Weizenregion  gültig  sein.  In  Tennessee  kostet  angebautes 
Land  in  den  fruchtbaren  Thallagen  der  Umgegend  von  Chattanooga  und 
Knoxville  (improved  bottom-land)  25 — 100  D. ,  in  der  Baumwollenregion 
von  West -Tennessee  25  D.  das  beste  Niederungsland,  15  —  20  das  höher 
gelegene  Lössland,  2—3  dasjenige,  welches  Ueberschwemmungen  ausgesetzt 
ist.  Hier  sind  die  Landpreise  seit  dem  Ausbruch  des  Bürgerkrieges  um 
40  Proc.  zurückgegangen.  In  Louisiana  wurden  vor  dem  Kriege  die 
besten  Zucker-  und  Baumwollenpflanzungen  am  Mississippi  um  15 — 20  D. 
verkauft,  seitdem  sind  sie  auf  8 — 10  D.  gesunken.  Aehnlich  überall  im  S. 
In  Californien  stellt  der  Farmer  für  sein  Weizenland  erster  Güte  2  D. 
Zins  p.  A.  in  Rechnung,  das  für  Orangenbau  günstige  Land  in  Süd- 
Californien  wird  zu  30  D.  p.  A.  gerechnet  und  als  Durchschnittspreis 
des  angebauten  Farmlandes  kann  man  12  D.  p.  A.  annehmen. 

Die  Landpreise  stehen  natürlicherweise  in  einer  engen  Beziehung  zu 
der  Grösse  der  Bevölkerungszahl.  Sie  wachsen  mit  dieser  und  werden 
dies  voraussichtlich  in  Zukunft  noch  rascher  thun  als  früher,  da  die  freien 
Ländereien,  welche  im  W.  und  S.  den  Ansiedlern  noch  zur  Verfügung 
stehen,  sich  rasch  auffüllen.  Der  100:  Meridian,  welcher  als  die  Grenze 
des  zusammenhängenden  Ackerbaues  in  den  V.  St.  betrachtet  werden  kann, 
ist  heute  in  allen  Staaten  und  Territorien,  welche  er  schneidet,  bereits 
von  den  Ansiedelungen  erreicht.  Auch  150  Kil.  rückwärts  von  demselben 
ist  schon  wenig  gutes  Land  zu  finden.  Man  hat  die  Gebiete  erreicht, 
wo  der  Acre  für  nichts  eben  so  theuer  ist  wie  anderwärts  der  Acre  für 
30  D.  Das  schöne  Lied  vom  Uncle  Sam,  der  „reich  genug,  um  Jedem 
eine  Farm  zu  schenken",  muss  angesichts  der  Oeden  des  W.  verstummen. 
Es  ist  Thatsache,  dass  man  innerhalb  der  heutigen  Grenzen  der  Union 
den  Process  der  Bildung  und  des  raschen  Wachsthums  neuer,  reicher  und 
bevölkerter  Staaten  nicht  mehr  sich  vollziehen  sehen  wird.  Nevada  z.  B., 
das  seit  10  Jahren  im  Congress  durch  zwei  Senatoren  vertreten  ist  und 
seit  30  Jahren  der  Union  angehört,  hat  heute  ebensoviele  Bewohner  wie 
in  den  älteren  Staaten  mancher  Congress -Distrikt  —  40000.  Es  muss 
also  in  den  älteren  Staaten  Raum  gemacht  werden  für  die  sich  vermehrende 
Bevölkerung. 

Umgekehrt  wie   die  Landpreise  verhalten  sich  die  Arbeitslöhne, 
welche  natürlicherweise  mit  fortschreitender  Bevölkerungszunahme  zurück- 


VII.  Die  Landwirthschaft. 


263 


gehen. 


Nach  Young's  Statistics   of  Labour  (1876)  verhielten  sie  sich  bis 
1874  für  Landarbeiter  folgendermassen : 

Durchs chnitts-Taglöhne  ländlicher  Arbeiter  (mit  Verpflegung)*). 
Bessere  Arbeiter  (Experienced  Hands). 


1860                  1870 

1874 

Neil-England ....     1         .  / .     .     1,45     .     . 

.     1,48  D. 

Mittelstaaten.     .     .     .    0,74    .     .     .     1,32     .     . 

1,26 

Weststaaten  ....     1,03     .     .     .     1,34    .     . 

1,15 

Südstaaten     ....    0,67    ..     .     0,86     .     . 

0,81 

Pacifische  Staaten  .     .     2,57     .     .     .     2,06     .     . 

1,67 

Territorien     ....     1,89     .     .     .     2,64     .     . 

1,44 

Gewöhnliche  Arbeiter  (Ordinary  Hands). 

Neu-England ....    0,81     ..     .     1,20    .     . 

.     1,02 

Mittelstaaten.     .     .     .     0,57     .     .     .     0,95     .     . 

0,95 

Weststaaten  ....     0,83     .     .     .     1,03    .     . 

0,88 

Südstaaten     ....    0,47    ..    .    0,67    .    . 

0,63 

Pacifische  Staaten .     .     2,20    ...     1,53    .     . 

1,17 

Territorien     ....     1,46     .     .     .    2,00    •     . 

1,25 

Die   öffentlichen   Ländereien    der   V.  St.    haben    einen   sehr 

grossen  Einfluss  geübt  auf  die  Ausbreitung  und  Zunahme  der  Bevölkerung. 
Nur  in  den  ersten  Jahrzehnten  der  Republik  wurde  ihre  Verwaltung  aus- 
schliesslich von  dem  Bestreben  geleitet,  ein  möglichst  grosses  Einkommen 
für  den  Staat  aus  denselben  zu  erzielen.  Bald  brach  sich  aber  die  Ein- 
sicht Bahn,  dass  der  wirkliche  Gewinn  derselben  für  den  Staatsschatz 
und  die  Nation  nicht  nach  den  Summen  zu  bemessen  sei,  welche  sie  beim 
Verkauf  einbringen,  sondern  nach  den  produktiven  Kräften,  welche  durch 
sie  angezogen  und  in  Thätigkeit  gesetzt  werden.  Seit  dem  Heimstätten- 
gesetz (Homestead  Law)  von  1862  ist  dieser  Grundsatz  zum  leitenden 
erhoben  für  alle  öffentlichen  Ländereien,  in  denen  Ackerbaubetrieb  über- 
haupt möglich.  Er  wird  dagegen  nicht  durchzuführen  sein  für  jenes  weite 
Gebiet  w.  des  100.  Meridians,  in  welchem  nur  auf  einer  sehr  beschränkten 
Anzahl  von  Q.M.  Ackerbau  mit  Hülfe  künstlicher  Bewässerung  betrieben 
werden  kann.  Der  Ackerbau  auf  kleinen  Parzellen  und  die  dadurch 
herbeizuführende  dauernde  Verwerthung  und  Verbesserung  des  Landes, 
agricuUiire  and  improvement,  wie  das  Heimstättengesetz  sie  verlangt,  sind 
hier  einfach  nicht  möglich.  Die  einzigen  Zwecke,  für  welche  diese  Striche 
nutzbar  gemacht  werden  können,  Viehzucht  und  Ackerbau  mit  Bewässerung 
im  Grossen,  sind  nur  erreichbar,  wenn  grosse  zusammenhängende  Areale 
an  die  Kauflustigen  abgegeben  werden.  Der  Minimalpreis  für  Regierungs- 
land war  1785  auf  1  D.,  dann  später  unter  dem  Einflüsse  jenes  falschen 
Systems  auf  2  D.  festgesetzt  und  beträgt  nun  seit  1820  1  D.  25  C.    Nur 


1)  Es  sind  hier  nur  Sommerlöhne  verstanden,  die  Winterlöhne  betragen  da, 
wo  das  Klima  längeres  Aussetzen  der  Feldarbeiten  bedingt,  2/3  —  ^/4  derselben. 


264  VII.  Die  Landwirthschaft. 

für  Land  an  der  Eisenbahn  werden  2  D.  25  C.  verlangt.  Durch  Gesetz 
von  1807  wurden  die  unberechtigten  Besiedler  von  Rcgierungsland 
(Squatters)  angewiesen,  entweder  ihr  Land,  soweit  es  weniger  als  320  A., 
von  der  Regierung  zu  pachten  oder  es  zu  verlassen.  Gleichzeitig  wurde 
ihnen  das  Vorkaufsrecht  verliehen.  Dieses  Recht  musste  durch  wieder- 
holte Akte  der  Gesetzgebung  auf  viele  Tausende  ausgedehnt  werden, 
welche  in  der  grossen  westwärts  gehenden  Bewegung  sich  Land  erwarben 
und  es  bebauten  ohne  die  Regierung  darum  zu  fragen.  Von  1843  an 
wurde  aber  der  Vorkauf  zu  einem  feststehenden  Rechte  gestempelt  und 
die  freie  Besiedelung  für  alles  Regierungsland  zugelassen.  Soweit  dieses 
Land  dem  Ackerbau  zugänglich,  wird  es  längere  Zeit  dem  Verkaufe  ent- 
zogen, um  die  Ansiedler  unabhängig  zu  machen  von  den  Landspekulanten. 
Alles  Sumpf-  und  überschwemmte  Land  wurde  durch  Gesetze  von  1849 
und  60  an  die  Einzelstaaten  überwiesen  behufs  rascherer  Verwerthung 
und  Verbesserung. 

Die  wissenswerthen  Bestimmungen  des  Heimstättengesetzes,  wie  es  jetzt 
in  Wirksamkeit  ist,  sind  folgende:  Jeder  Bürger  der  V.  St.  im  Alter  von 
21  Jahren,  gleichviel  ob  ledig  oder  verheirathet,  männlichen  oder  weib- 
lichen Geschlechts,  sowie  auch  jeder  Ausländer,  welcher  seine  Absicht 
erklärt  hat,  Bürger  der  V.  St.  werden  zu  wollen,  kann  eine  Heimstätte, 
bestehend  in  80  Acres  Land,  unentgeltlich  erwerben,  indem  er  das  Land 

5  Jahre  lang  als  wirklicher  Ansiedler  cultivirt.  Nur  die  unbedeutenden 
Kosten  der  Eintragung  sind  zu  zahlen  (10 — 12  Cts.  p.  A.)  und  das  so 
erworbene  Land  kann  für  frühere  Schulden  des  Ansiedlers  nicht  mit 
Beschlag  belegt  werden.  Für  die  wirkliche  Uebersiedelung  auf  das  zur 
Heimstätte  ausersehene  (located)  Land  ist  dem  Ansiedler  eine  Frist  von 

6  Monaten  gestellt.  Die  Erwerbung  von  Bundesländereien  auf  Grund  des 
Heimstättengesetzes  kann  auch  in  der  Weise  geschehen,  dass  der  Ansiedler, 
der  nicht  wünscht  5  Jahre  lang  auf  den  locirten  Ländereien  zuzubringen, 
nach  einem  6  monatlichen  Aufenthalt  auf  denselben  den  festgesetzten, 
sehr  niedrigen  Preis  von  2  D.  25  C.  p.  A.  für  Land,  welches  an  einer 
Eisenbahn  liegt,  und  von  1  D.  25  C.  für  solches,  welches  nicht  an  einer 
Eisenbahn  liegt,   an  die  Regierung  entrichtet. 

Durch  Gesetze  von  1867  und  68  ist  auch  die  Wirksamkeit  des  Heim- 
stättengesetzes in  Fällen  von  Städte-  und  Dörfergründungen  gesichert  worden. 
Schon  1869  schätzte  man  die  auf  öffentlichen  Ländereien  seit  Organisation 
des  Landsystems  ausgelegten  Städte  und  Dörfer  auf  13000.  Der  ganze 
Boden  von  Städten  von  10000  E.  wie  Helena  Mont.  ist  unter  dem  Heim- 
stättengesetz genommen. 

Die  Bewilligung  von  öffentlichen  Ländereien  an  Eisen- 
bahngesellschaften ist  seit  1850,  wo  die  erste  derartige  Bewilligung 
an  die  Illinois  Central  R.  R.  geschah,  eine  Thatsache  von  grossen  Folgen 
für  das  Wirthschaftsleben  der  Union  geworden.     Die  Anlage  von  Eisen- 


VII.  Die  Landwirthschaft.  265 

bahnen,  die  Besiedelung  und  die  Ausbeutung  des  Landes  würden  ohne 
sie  einen  viel  langsameren  Schritt  gegangen  sein.  Dass  die  Eisenbahnen 
nicht  mehr  den  Ansiedelungen  folgten,  sondern  die  Wege  für  dieselben 
bahnten,  dass  sie  sich  nicht  nach  dem  Capital  richteten,  das  für  ihren  Bau 
zur  Verfügung  stand,  sondern  selbst  an  die  Capital erzeugung  gingen,  ist  nur 
durch  diese  Massregel  möglich  geworden.  Es  dürften  bis  heute  nicht  viel 
unter  500  Mill.  A.  in  dieser  Form  verliehen  sein.  Eine  Anzahl -von  Staaten 
hat  auch  Regierungsland  behufs  Anlegung  von  Fahrstrassen  erhalten. 
Diese  Verwilligungen  geschahen  in  der  Weise,  dass  die  ungeradzahligen  Sek- 
tionen des  Regierungslandes  rechts  und  links  von  der  betreffenden  Eisen- 
bahn- oder  Strassenlinic  bis  zu  6 — 10,  bei  den  Pacificbahnen  sogar 
20  e.  M.  Tiefe  an  die  Gesellschaft  abgegeben  und  von  diesen  dann  der 
Besiedelung  unter  den  möglichst  günstigen  Bedingungen  geöffnet  wurden. 

V.  Die  geschichtliche  Entwickelung  des  Ackerbaues 
in  den  V.  St.  Mit  Ausnahme  des  W.,  wo  die  Spanier  in  Texas, 
Neu -Mexico  und  Californien  die  Ranchowirthschaft  nach  mexika- 
nischem Muster  einführten,  und  einiger  jüngeren  Territorien,  deren 
erste  Besiedler  Bergleute  waren,  sind  alle  Theile  der  V.  St.  von 
Ursprung  Ackerbaucolonien  und  man  würde  ihre  Entwickelung 
nicht  verstehen,  wenn  man  diese  Thatsache  übersähe.  Diejenigen 
Ansiedler,  welche  nach  Art  der  Spanier  mit  der  Absicht  herüber- 
gekommen waren,  nach  Gold,  Silber  und  sonstigen  Kostbarkeiten  zu 
graben,  sahen  sich  sehr  bald  enttäuscht,  da  gerade  die  atlantischen 
Staaten  ärmer  als  die  übrigen  an  solchen  Dingen  sind,  und  es  ist 
bezeichnend,  dass  eben  diejenige  Colonie,  welche  von  Anfang  an 
die  grösste  Anzahl  solcher  Glücksucher  beherbergte,  die  von  Vir- 
ginien,  nicht  eher  gedieh,  als  bis  sie  sich  mit  der  grössten  und 
einseitigsten  Energie  auf  den  Tabaksbau  geworfen  hatte.  Im 
Gegensatz  zu  ihr  waren  die  Colonien  Neu-Englands  von  Anfang  an 
mit  Bewusstsein  und  Absicht  Ackerbaucolonien.  „In  England  war 
der  Ackerbau  längst  als  die  dem  Gedeihen  des  Christenthums  för- 
derlichste Beschäftigung  anerkannt"  schreibt  ein  Geschichtschreiber 
des  Ackerbaues  der  V.  St.  ^),  und  aus  Bancroft's  Darstellung  wissen 
wir,  dass  einer  der  Gründe,  warum  diese  Puritaner  das  Asyl,  das 
die  Niederlande  ihnen  geboten  hatten,  mit  dem  rauhen  Neu-England 
vertauschten,  in  der  Unmöglichkeit  bestand,  sich  dort  dem  Ackerbau 


1)  B.  P.  Poore  in  Rep.  Agricult.  Dep.  1866.  501. 


266  VII.  Die  Landwirthschaft. 

zu  widmen.  Nach  ihrer  Ankunft  vertheilten  sie  das  Land  zunächst 
nur  mit  Rücksicht  auf  den  Ackerbau,  der  Allen  ohne  Unterschied 
zur  Grundlage  des  Lebenserwerbes  dienen  sollte,  und  in  den  Listen 
der  Gegenstände,  die  ihnen  von  dem  Mutterlande  aus  zugesandt 
wurden,  standen  Jahre  hindurch  Saatgetreide  und  alle  Art  Sämereien, 
Wurzeln,  Stecklinge,  Geflügel  und  Zugvieh  in  erster  Reihe  ^).  Die 
Colonie  in  der  Massachusetts  Bay  besass  4  Jahre  nach  ihrer  Grün- 
dung auf  4000  Seelen  1500  Rinder,  4000  Ziegen  und  zahllose 
Schweine^).  Bald  boten  ihr  Ackerbau  und  Viehzucht  mehr  als  sie 
brauchte.  Schon  1664  führte  Massachusetts  ausser  Fischen,  Bau- 
holz, Pech  und  Theer  auch  Ochsen-  und  Schweinefleisch,  Pferde 
und  Mais  nach  Virginien  und  Barbadoes,  um  sie  gegen  Zucker  und 
Tabak  zu  vertauschen,  und  in  einem  anderen  Berichte  von  1674 
wird  die  grosse  Erzeugung  von  Getreide,  Vieh  und  Aepfelwein 
hervorgehoben^).  Unter  den  Ausfuhren  von  New  York  werden  1692 
60000  B.  Weizen  genannt.  Unterdessen  war  Virginia  das  wichtigste 
Produktionsgebiet    des   Tabaks    geworden,    trotz    der   Bemühungen, 


1)  Man  hat  sich  begreiflicherweise  viele  Mühe  gegeben,  um  die  Heimat 
der  verschiedenen  Rassen  oder  Varietäten  von  Culturpflanzen  und  Hausthieren 
festzustellen,  welche  von  den  ersten  Einwanderern  herübergebracht  und  ein- 
gebürgert wurden.  Diese  Aufgabe  ist  indessen  bei  dem  Mangel  an  genauen 
Nachweisen  und  der  sehr  verschiedenartigen  Abstammung  der  Einwanderer  selbst 
geradezu  unlösbar.  Man  weiss  z.  B. ,  dass  die  Ansiedler  Neu-Englands  in  den 
ersten  Jahren  nicht  bloss  englisches,  sondern  auch  niederländisches  und  däni- 
sches Rindvieh  einführten.  Nach  Virginia  kamen  1610  Rinder  aus  Westindien 
und  in  New  York  hatten  niederländische  Ansiedler  seit  1614  Vieh  gezüchtet.  Die 
Pflanzensamen  erhielten  sie  allerdings  vorwiegend  aus  England,  aber  sie  haben 
sicherlich  auch  welche  aus  den  Niederlanden  mitgebracht,  und  später,  als  Ein- 
wanderer aus  allen  Theilen  Europas  kamen,  steuerte  Jeder  seinen  Antheil  bei. 
Man  kann  also  nur  sehr  gemischte  Rassen  erwarten,  zumal  wenn  man  bedenkt, 
dass  die  Franzosen  in  Louisiana  und  Canada  und  die  Spanier  in  Florida  und 
jenseits  des  Mississippi  schon  früher  als  Ackerbauer  und  Viehzüchter  aufgetreten 
waren  (die  Franzosen  hatten  nach  Canada  zuerst  1608  normannisches  Vieh  ein- 
geführt).    Die  Einfuhr  und  Züchtung  von  reinen  Rassen  begann  etwa  um  1790; 

/  damals  kamen  die  Short-horns  herüber,  welche  der  sog.  Patton-Rasse  Ursprung 
gaben,  und  1802  wurden  französische  Merinos  eingeführt.  Seitdem  hat  die  Züch- 
tung reiner  Rassen  so  zugenommen,  dass  die  Zahl  reiner  Short-horns  in  den 
V.  St.  1865  auf  6000  nach  den  Heerdenbüchern  geschätzt  wurde. 

2)  Wood  bei  Palfrey,  llistory  of  N.  England  I.  383. 

3)  Ebendas.  III.  37  u.  299. 


VII.  Die  Landwirthschaft.  267 

die  man  es  sich  in  England  sowohl  als  in  Amerika  selbst  kosten 
liess,  um  an  dessen  Stelle  andere  Erzeugnisse  zu  setzen.  Biß  zur 
Revolutionszeit  wurde  man  nicht  müde  besonders  die  Seidenzucht 
als  einen  für  die  Mittel-  und  Südstaaten  geeigneten  Culturzweig  zu 
empfehlen.  Georgia  allein  führte  1759  gegen  10000  Pfd.  Rohseide 
aus  und  besass  eigene  Filaturen.  Auch  der  Weinbau  wurde  durch 
Prämien  unterstützt,  ebenso  der  Anbau  der  Indigopflanze,  des 
Mohnes,  des  Oelbaumes  u.  a. ;  aber  der  Tabak  wurde  durch  dieselben 
so  wenig  verdrängt,  dass  die  Ausfuhr  in  der  ersten  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  auf  einen  Jahresdurchschnitt  von  5  Mill.  Pfd. 
geschätzt  ward.  Eine  andere  Zukunft  war  der  Baumwolle,  dem 
Reis  und  dem  Zuckerrohr  vorbehalten.  Mit  jener  waren  schon  von 
den  ersten  Colonisten  in  Virginia  seit  1621  Anbauversuche  gemacht 
worden,  aber  in  so  beschränktem  Masse,  dass  noch  1748  nicht 
mehr  als  7  Säcke  Rohbaumwolle  unter  den  Ausfuhren  Charlestons 
genannt  werden.  Erst  nach  der  Revolution  kam  diese  Cultur 
mehr  in  Aufnahme  und  fand  dann  besonders  nach  der  Erfindung 
der  Saw- Gin-Maschine  zum  Reinigen  der  Rohbaumwolle  von  ihren 
Samen  (1794)  rasch  eine  weite  Verbreitung.  Zuckerrohr  war  zum 
ersten  Mal  1751  von  San  Domingo  nach  Louisiana  gebracht  und 
wurde  von  diesem  Jahre  an  in  dieser  Colonie  angebaut,  aber  seine 
Cultur  nahm  erst  in  den  90  er  Jahren  einen  grösseren  Aufschwung. 
Das  javanische  Rohr,  welches  heute  in  den  V.  St.  fast  ausschliesslich 
angebaut  wird,  wurde  zuerst  1814  eingeführt.  Für  die  Ausbreitung 
dieser  halbtropischen  Culturen  war  die  Negersklaverei  von  grosser 
Bedeutung.  Dieselbe  erlaubte  grosse  räumliche  Ausdehnung  der 
Culturen  (Plantagenwirthschaft)  bei  kleinem  Geldaufwand.  Sie  war 
aber  bei  der  geringen  Intensität  der  Sklavenarbeit  nur  möglich  in 
sehr  fruchtbarem  Boden.  Dem  Suchen  nach  immer  neuen,  weiten, 
dünnbevölkerten  Gebieten  und  möglichst  fruchtbaren  Gegenden,  zu 
dem  die  Sklavenarbeit  nöthigte,  verdankt  die  nordamerikanische 
Landwirthschaft  zu  gutem  Theil  ihre  sehr  rasche  Ausbreitung  über 
den  ganzen  Süden  bis  zur  mexikanischen  Grenze  und  über  das  ganze 
Mississippi-Becken.  Es  ist  heute  eine  müssige  Frage,  ob  der  S.  der 
V.  St.  auch  ohne  Sklavenarbeit  die  Höhe  der  ackerbaulichen  Pro- 
duktion erreicht  haben  würde,  welche  1860,  in  dem  Jahre  vor  Aus- 


268  VII.  Die  Landwirthschaft. 

bruch  des  Bürgerkrieges,  auf  die  unerhörten  Massen  von  5%  Mill. 
Ballen  Baumwolle,  231000  Hhds.  Eolirzucker  nebst  15  Mill.  Gall. 
Molasse,  434  Mill.  Pfd.  Tabak  und  187  Mill.  Pfd.  Reis  gestiegen 
war.  Thatsache  ist,  dass  durch  die  Befreiung  der  Sklaven  die 
Erzeugung  aller  dieser  Stapelartikel  einen  Stoss  erhielt,  von  dem 
sie  sich  nur  sehr  allmählich  mit  Hülfe  eines  bedeutenden  Capital- 
aufwandes,  neuen  Arbeiterzuzuges  durch  Einwanderung  und  einer 
viel  intensiveren  Bewirthschaftung  erholt  hat.  Die  Arbeitsleistung  der 
befreiten  Sklaven  übersteigt  weit  alle  Erwartungen  (s.  o.  S.  210  f.), 
doch  hat  der  südstaatliche  Ackerbau  bis  jetzt  nur  auf  dem  Gebiete 
der  Baumwollenerzeugung  erheblich  grössere  Ergebnisse  erzielt,  als 
die,  welche  vor  1861  verzeichnet  wurden. 

In  den  freien  Staaten  entwickelten  sich  Ackerbau  und  Vieh- 
zucht aus  der  Thätigkeit  der  einzelnen  Einwanderer,  welche  in  der 
Regel  die  ersten  Anfänge  des  Urbarmachens  und  überhaupt  die 
Arbeiten  der  ersten  Jahre  mit  ihrer  Familie  allein  zu  besorgen 
hatten  und  nur  bei  vorgeschrittenem  Wohlstand  im  Stande  waren, 
Arbeiter  zu  miethen.  Früher  war  aber  nicht  allein  ein  ungemein 
viel  geringerer  Betrag  an  verfügbarer  Arbeitskraft  vorhanden,  son- 
dern es  wandten  sich  auch  die  Einwanderer  sogleich  in  grösserer 
Menge  dem  Inneren  zu,  wo  noch  freies  Land  zur  Verfügung  stand. 
Nur  diejenigen ,  welche  die  Ueberfahrt  umsonst  gehabt  hatten, 
mussten  so  lange,  bis  ihr  Fahrpreis  abgearbeitet  war,  einem  Farmer 
dienen,  welcher  denselben  für  sie  zahlte.  Unter  diesen  Verhält- 
nissen konnte  der  Fortschritt  der  Landwirthschaft  im  N.  nur  ein 
sehr  langsamer  sein.  Der  Einzelne  konnte  über  die  Mithülfe  der 
Familienglieder  hinaus  höchstens  neue  Geräthe  und  Maschinen 
erfinden,  um  die  eigene  Arbeit  zu  erleichtern.  Da  die  weitaus 
grösste  Zahl  der  Einwanderer  arm  herüberkam,  ging  ein  Lebens- 
alter hin,  bis  der  Grund  eines  Besitzes  gelegt  war,  welcher  hin- 
reichend war,  um  über  die  Wechselfälle  hinüber  zu  helfen.  Oft 
führte  ein  unbezwinglicher  Wandertrieb  den  Ansiedler  wieder  von 
der  Scholle  weg,  sobald  er  nur  eben  mit  ihrer  Urbarmachung 
dürftig  fertig  geworden  war.  Die  Einwanderung  war  gering  und 
Hess  die  Volkszahl  nur  langsam  steigen.  Schon  dadurch  war  die 
Menge   der  Verbrauchenden  klein,    mehr  aber  noch  dadurch,    dass 


VII.  Die  Landwirthschaft.  269 

fast  alle  dasselbe  erzeugten.  In  den  jungen  Ansiedelungen  waren 
fast  Alle  Ackerbauer  und  Viele  trieben  daneben  auch  noch  mehrere 
Gewerbe^).  Man  führt  noch  heute  die  Findigkeit  des  Amerikaners 
auf  die  Nöthigung  zu  aller  Art  Handarbeit  zurück,  mit  der  er  in 
der  Einsamkeit  seines  Ansiedlerlebens  sich  selber  helfen  musste. 
Und  theilweise  gewiss  mit  Eecht^).  Aber  eben  dadurch,  dass  der 
Einzelne  sich  auf  sich  selber  stellte,  blieb  der  Austausch  und  damit 
die  Bereicherung  gering.  Es  fehlten  auch  die  Verkehrswege,  welche 
den  Absatz  nach  aussen  hin  erleichtern  konnten.  Dennoch  war 
schon  am  Ende  des  ersten  Jahrhunderts  der  Besiedelung  der 
wachsende  Wohlstand  der  Ansiedler  eine  Thatsache,  welche  von 
allen  Reisenden  hervorgehoben  wird.  Virginiens ,  der  damals 
leitenden  Colonie,  Einnahmen  aus  den  Ausfuhrerträgnissen  des 
Ackerbaues  wurden  Ende  des  17.  Jahrhunderts  auf  100000  Pfd.  St. 
geschätzt  bei  einer  Bevölkerung  von  50000.  Wie  das  Wachsthum 
im  Laufe  des  18.  Jahrhunderts  fortschritt,  mag  man  daraus  ent- 
nehmen, dass  in  den  Jahren  vor  dem  Unabhängigkeitskrieg  an  Er- 
zeugnissen der  Landwirthschaft  in  Durchschnittsjahren  für  2V2  bis 
3  Mill.  D.    zur   Ausfuhr    kamen,    worunter    für    P/s   Mill.    Tabak, 


1)  1820  wurde  der  Staat  Ohio  für  den  industriellsten  aller  w.  Staaten  ge- 
lialten  und  hatte  dennoch  nach  dem  Census  von  1820  unter  nahezu  600000  E. 
nicht  mehr  als  18956  Handwerker  und  1459  Kaufleute,  so  dass  ^^30  der  Be- 
völkerung als  dem  Ackerbau  zugewandt  erschienen. 

2)  Diese  werthvoUe  Eigenschaft  gehört  mit  zu  den  Ursachen  des  raschen 
Aufl)lühens  des  Ackerbaues,  wie  überhaupt  des  gesammten  Erwerbslebens  in 
Amerika.  Schon  so  frühe  wie  1646  zeigt  sich  dieselbe  als  Verbesserungstrieb 
in  einer  neuen  Art  von  Sicheln,  für  welche  der  General  Court  von  Massa- 
chusetts in  diesem  Jahr  einem  Joseph  Jenckss  von  Lynn  ein  Patent  for  ye  more 
speedy  cutting  of  grass  ertheilte.  Während  es  noch  1637  bloss  30  Pflüge  in 
Massachusetts  gab,  begannen  bald  darauf  die  Wagner  und  Schmiede  der  Co- 
lonien,  welche  Pflüge  anfertigten,  neue  Erfindungen  an  denselben  anzubringen. 
T.  Jefferson  und  sein  Schwiegersohn  Randolph  waren  unter  denen,  welche  Ver- 
besserungen des  Pfluges  ersannen.  Der  erste  Dampfpflug,  welcher  ausgedehnte 
praktische  Verwendung  fand,  wurde  1833  von  E.  C.  Bellinger  in  S.  Carolina 
construirt.  Der  bekannte  Fowler'sche  ist  eine  Verbesserung  desselben.  Ausser- 
dem sind  zahlreiche  andere  Patente  in  Washington  für  Dampfpflüge  genommen 
worden.  Wenn  in  dieser  Richtung  Grossbritannien  rascher  vorgeschritten  ist  als 
die  V.  St.,  so  ist  die  Hauptursache  in  den  grossen  Kosten  zu  suchen,  welche 
die  Versuche  mit  Dampfpflügen  verursachen  und  denen  die  grosse  Menge  der 
Farmer  in  den  V.  St.  sich  nicht  unterziehen  kann. 


^ 


270  VII.  Die  Lanclwirthschaft. 

%  Mill.  Weizen  und  V^  Mill.  Mais^).  17842)  berechnete  man,  dass 
von  dem  schon  damals  dichtestbevölkerten,  aber  noch  mit  den  weiten 
Einöden  von  Maine  verbundenen  Staate  Massachusetts  Vio  unter 
Cultur  sich  befinde.  Die  Neuengland-Staaten  brachten  aber  schon 
damals  ihren  Bedarf  an  Getreide  nicht  auf,  sondern  bezogen  einen 
Theil  desselben  aus  den  Mittel-  und  Südstaaten.  Als  die  Korn- 
kammern galten  damals  Pennsylvanien,  New  York  und  Maryland 
und  aus  den  Häfen  von  Philadelphia,  New  York  und  Baltimore 
gingen  grosse  Sendungen  Getreide  und  Mehl  nach  Westindien  und 
Europa,  die  Mitte  und  Ende  der  80  er  Jahre  jährlich  durchschnittlich 
1^2  —  2  Mill.  Pfd.  St.  bewertheten.  Trotz  der  Zunahme  der  Bevöl- 
kerung stieg  die  Summe  der  Ausfuhren  p.  Kopf  von  4,84  D.  in 
1790  auf  8,92  in  1800  und  auf  17,19  in  1806  und  die  Erzeugnisse 
des  Ackerbaues  betheiligten  sich  durchschnittlich  zu  ^/4  an  der 
Gesammtsumme  der  Ausfuhr.  In  den  10  Jahren  1802 — 12  wurden 
für  365  Mill.  D.  Waaren  aus  den  V.  St.  zur  Ausfuhr  gebracht  und 
entfielen  davon  279  Mill.  auf  Erzeugnisse  des  Ackerbaues,  44  Mill. 
auf  solche  der  Forste  und  je  21  auf  solche  der  Fischerei  und  der 
Industrie  —  also  lieferte  der  Ackerbau  für  sich  78,  zusammen  mit 
den  Forsten  88  und  mit  der  Fischerei  94  Proc.  Der  Procentsatz 
der  Ackerbauerzeugnisse  in  der  Gesammtausfuhr  betrug  1816/17 
sogar  83,7  3). 

Von  1820  an  bewirkte  die  Entwickelung  des  Verkehrswesens 
und  die  rasch  in  die  fruchtbarsten  Regionen  des  W.  drängende 
Einwanderung  einen  so  starken  Aufschwung  der  Landwirthschaft, 
dass   schon  20   Jahre  später   in   englischen   Consularberichten    die 


1)  Winterbothara,  View  of  the  U.  S.  London  1795.  III.  112. 

2)  Ueber  die  wirthschaftlichen  Verhältnisse  der  Neuengland-  und  Mittel- 
staaten in  den  zwei  letzten  Jahrzehnten  des  18.  Jahrhunderts  ist  C.  D.  Ebeling's 
Erdbeschreibung  und  Geschichte  von  Amerika.  Hamburg  1793.  4Bde. ;  2.  Aufl. 
1800.  7  Bde.  (ein  diesem  vergleichbares  Werk  über  die  V.  St.  ist,  seltsam  zu 
sagen,  seitdem  weder  in  Europa  noch  in  Amerika  veröffentlicht  worden)  die  reichste 
Quelle,  die  aus  Privatnachrichten  manches  geschöpft  hat,  was  in  den  Schriften 
jener  Zeit  nicht  zum  Ausdruck  kam,  Ausserdem  enthalten  Winterbotham,  View 
of  the  U.  S.  of  America.  4  Vols.  (London  1790)  und  Seybert,  Tableau  Statistique 
(Paris  1820)  übersichtliche,   doch  viel  weniger  vollständige  Zusammenstellungen. 

3)  Vgl.  die  ausführlichen  Tabellen  in  Seybert,  Annales  statistiques  des 
Etats  Unis.     Trad.  p.  C.  A.  Scheffer.  Paris  1820.  122—27. 


VIL  Die  Landwirthschaft.  *271 

Menge  des  Weizens,  welclie  die  V.  St.  abzugeben  vermögen,  auf 
das  6  —  7  fache  derjenigen  veranschlagt  wird,  welche  Russland  und 
das  n.ö.  Deutschland  zu  Markte  bringen.  Dabei  wird  vorzüglich 
auf  die  besseren  Verkehrsverhältnisse  und  die  grössere  Sicherheit 
der  Ernten  in  den  V.  St.  hingewiesen.  Schon  ehe  die  V.  St.  in 
dem  Hungerjahr  1847  für  43  Mill.  D.  Brotstoffe  nach  Europa  aus- 
führen konnten,  konnten  sie  als  die  Kornkammer  Westindiens  und 
eines  guten  Theiles  von  Süd -Amerika  gelten.  Aber  von  dieser 
Zeit  nahm  auch  der  europäische  Markt  immer  grössere  Mengen  von 
nordamerikanischem  Getreide  und  Mehl  auf;  England,  Portugal 
und  Spanien  wurden  die  Hauptabnehmer.  Am  raschesten  steigerte 
sich  daneben  der  Maisbau,  die  passendste  Cultur  des  Neuansiedlers 
im  W.  Die  Grösse  der  Maisernte  hat  sich  seit  1840  vervierfacht 
und  beträgt  durchschnittlich  das  Vierfache  der  Weizenernte.  Die 
Baumwolle,  die  durch  die  Erwerbung  von  Texas  ein  weites  Gebiet 
der  Ausbreitung  erhalten  hatte '),  das  für  ihren  Anbau  sehr  günstig 
war,  wurde  von  400000  in  1820  auf  mehr  als  2  Mill.  in  1840 
gesteigert,  also  verfünffacht,  und  erreichte  1860  mit  der  Höhe 
von  5  Mill.  B.  weit  mehr  als  die  Summe  der  Ernten  aller  für  diesen 
Artikel  im  Welthandel  in  Betracht  kommenden  Länder.  Reis,  Tabak 
und  Zucker,  die  übrigen  Stapelprodukte  des  S.,  sind  weniger  rasch 
fortgeschritten.  Die  Ausfuhr  von  Tabak  hielt  sich  ohne  sehr  grosse 
Steigerung  von  1815—30  auf  etwa  100  Mill.  Pfd.  p.  Jahr.  Erst 
die  Verpflanzung  dieser  Cultur  nach  Kentucky  und  Missouri  brachte 
nach  1850  eine  bedeutende  Steigerung  hervor,  welche  1860  eine 
Gesammternte  schuf  von  429  Mill.  Rohrzucker,  für  welchen  auch 
jetzt  immer  nur  Louisiana  in  Betracht  kommt,  ist  von  60  bis 
70000  Hogsh.  in  den  20er  Jahren  auf  2  —  300000  gestiegen.  Reis, 
der  in  neuerer   Zeit  in   grosser   Menge   auch  in  Louisiana   erzeugt 


1)  Im  Allgemeinen  hat  aber  die  Ausdehnung  der  V.  St.  über  die  früher  mexi- 
kanischen Theile  im  W,  für  die  Landwirthschaft  verhältnissmässig  wenig  Nutzen 
gebracht.  Nur  grössere  Strecken  von  Texas  und  Californien  konnten  für  Baum- 
wolle, Mais  und  Weizen  nutzbar  gemacht  werden.  Doch  hat  sich  Californien 
zu  dem  grössten  Weinbaugebiet  der  V.  St.  entwickelt  und  verspricht  überhaupt 
für  die  südeuropäischen  Culturen  günstige  Bedingungen  zu  bieten.  Die  grosse 
Entwickelung  des  Mais-  und  Weizenbaues  beruht  vorzüglich  auf  der  noch  immer 
wachsenden  Ausbeutung  des  mittleren  Präriegebietes. 


272" 


VII.  Die  Lanclwirthschaft. 


wird,  hat  durch  diese  räumliche  Ausbreitung  nicht  sehr  viel  ge- 
wonnen, da  die  Erzeugung  der  alten  Reisstaaten  S.  Carolina  und 
Georgia  abgenommen  hat.  Ausserordentlichen  Aufschwung  zeigt 
auch  die  Viehzucht,  die  sich  besonders  in  den  Richtungen  der 
Fleisch-,  Fett-,  Butter-  und  Käseerzeugung  für  die  Ausfuhr  und 
der  Erzeugung  von  Wolle  für  eigenen  Bedarf  zu  einem  sehr  be- 
deutenden Faktor  des  Welthandels  entwickelt  hat.  An  Produkten 
der  Viehzucht,  lebendes  Vieh  mit  eingeschlossen,  kamen  1877/78  für 
126  Mill.  D.  zur  Ausfuhr  —  nahezu  Vs  der  Gesammtausfuhr.  Die 
Wollerzeugung  für  den  eigenen  Bedarf  des  Landes  war  1877  2%  mal 
so  gross  als  sie  es  1850  gewesen.  Insgesammt  nahmen  landwirthschaft- 
liche  Produkte  an  der  Ausfuhrsumme  von  1877/78  mit  74  Proc.  Theil. 
Die  Bedeutung,  welche  die  Landwirthschaft  der  V.  St.  sich 
errungen  hat  neben  der  der  anderen  Haupterzeugungsgebiete,  die 
mit  diesem  verglichen  werden  können,  mögen  die  beiden  hier 
folgenden  Darstellungen  ver sinnlichen. 

Vergleichung  der  Baumwoll-Produktion. 

a)  Vereinigte  Staaten  von  Nord  -  Amerika  19.55,5  Mill.  e.  Pfd.;  b)  Britiscli- 
Indien  566,2  Mill.  e.  Pfd. ;  c)  Aegypten  262,5  Mill.  e.  Pfd. ;  d)  Brasilien  59,8  Mill. 
e.  Pfd.;  e)  Türkei  35,7  Mill.  e.  Pfd.;  f)  Westindien  und  Peru  14,6  Mill  e.  Pfd. 


Es  verhalten  sich  in  der  graphischen  Darstellung  nach  obiger  Produktion 
die  Seiten  der  dieselbe  darstellenden  Quadrate  wie  44,2  zu  23,8  zu  16,2  zu  7,73 
zu  6  zu  3,8. 


Vergleichende  Darstellung  der  mittleren  Produktion 

von 

Weizen,    Spelz,    Mais,    Roggen,    Gerste    und    Hafer 

und    dieser 

öesammtproflülftioii  jedes  Landes  mit  dessen  Bevölkernng,  Area  nnd  dei  Viehstande  desselöen. 

Ein    Quadratmillimeter   repr  äsenti  rt : 

1)  eine  Mill.  Hektol.  der  Pro- 
duktion, 

2)  100  000  Einw.  der  Bevöl- 
kerung, 

:*))  100    Q.  M.    geogr.,    gleich 

5506,3  Q.Km.  der  Area, 
4)  50  000    Stück    des    Vieh- 

stcindes. 


>o\ 


r/7 


L_.. 


3Sß 


Oesterreich. 


4tZ.7 


\m. 


Oeulschland, 


RuFsland. 


\sm^ 


3^,^ 


Erklärung: 

M?  geoarant'iscJiert'Jtfeilin^ 

JBeoölkeranß 
nach  der  6'eelenAahl. 


.3Ä^ 


-'^-^ 


I  nach  JfMLynen  Hex^ÜLn-.  Fr  a  n  k  r  6 1  cll . 


^^Wi 


VieJiittimfl 
nach-JUiVionen^Stüickt. 


Vereinigle  Staaten. 

K  a  t  z  e  1 ,   Amerika  II. 


34^ 


Grofsbrillanien. 


18 


274  VII.  Die  Landwirthschaft. 

VI.  Die  wichtigsten  Erzeugnisse  des  Ackerbaues  der  V.  St. 
1.  Getreide.  Mais.  Der  amtliche  Erntcbericlit  *)  nennt  als  Ertrag  der 
Maisernte  im  Jahr  1877  1342558000  Busheis,  während  der  Gesammt- 
ertrag  der  übrigen  Getreidearten:  Weizen,  Gerste,  Roggen,  Hafer,  Buch- 
weizen, sowie  der  Hülsenfrüchte  zusammengenommen,  weit  hinter  dieser 
Summe  zurückbleibt.  1860  betrug  die  Summe  der  genannten  Früchte 
noch  nicht  einmal  die  Hälfte  des  Maises.  Dabei  sind  die  Erträge  ungemein 
regelmässig.     In    den   7  Jahren   vor   1877   waren    die  Erträge    folgende: 

1870  .     .     .     1094255000  B.         1  1874    .     .     .       850148500  B. 

1871  .     .     .       991898000  |  1875    .     .     .     1321069000 

1872  .     .     .     1092719000  i  1876    .     .     .     1283827000 

1873  .     .     .       932274000  I  1877     .     .     .     1342000000 

1870—77  nahm  die  Zahl  der  mit  Mais  bebauten  Acres  von  38^3  Mill. 
auf  50 Va  Mill.  zu,  während  der  Werth  des  Ertrages  p.  Acre  fast  stetig 
von  15,57  auf  9,54  D.  sank.  Da  nun  die  Ausfuhr  des  Maises  aus  den 
V.  St.,  im  Verhältniss  zu  dieser  Summe,  keine  sehr  bedeutende  genannt 
werden  kann  —  sie  betrug  im  Fiscaljabr  1870/77  70861000  B.  — ,  so 
kann  man  sich  eine  Vorstellung  von  dem  Verbrauch  dieser  Frucht  machen, 
wobei  dann  noch  in  Betracht  zu  ziehen  ist,  dass  ausser  den  Körnern 
auch  dem  Stroh  und  den  Stengeln  der  Maispflanze  eine  hohe  landwirth- 
schaftliche  Bedeutung  innewohnt.  So  weit  sich  der  Anbau  des  Maises 
oder  Welschkorns  (Zea  Mais  L.)  seit  der  Entdeckung  Amerikas  über  die 
Erde  verbreitet  hat,  nirgends  hat  er  doch  grössere  Bedeutung  erlangt  als 
in  seiner  amerikanischen  Heimat.  Besonders  in  den  V.  St.,  deren  Land- 
wirthschaft  sonst  in  vielen  Zügen  der  europäischen  sehr  ähnlich  ist,  bedingt 
gerade  die  überwiegende  Wichtigkeit  dieses  Getreides  wesentliche  Unter- 
schiede, die  mit  ihren  Folgen  das  ganze  wirthschaftliche  Leben  jener 
Nation  mehr  beeinflussen  als  man  gewöhnlich  anzunehmen  geneigt  ist^). 
Man  findet  den  Mais  hier  vom  Golf  bis  zur  canadischen  Grenze  und  vom 
Atlantischen  bis  zum  Stillen  Meere  verbreitet.  Durch  eine  ungewöhnlich 
^grosse  Variationsfähigkeit  passt  er  sich  den  verschiedensten  äusseren 
Bedingungen  an.  Dabei  ist  ein  besonders  günstiger  Umstand,  dass  beson- 
ders variabel  diejenigen  Eigenschaften  sind,  welche  beim  Anbau  vorzüglich 
ins  Gewicht  fallen:  Reifezeit,  Höhe  der  Pflanze,  Blattreichthum,  Grösse 
des  Kolbens,  Zahl  der  Körnerreihen,  Grösse,  Form,  Härte,  chemische 
Mischung  der  Samenkörner.  In  den  amtlichen  Ernteberichten  wird  öfters 
hervorgehoben,  dass  besonders  durch  bessere  Bearbeitung  des  Bodens  der 


1)  Rep.  of  the  Commissioner  of  Agriculture  for  the  Year  1877.  Washington 
1878.  149. 

2)  Es  ist  bezeichnend,  dass  der  Amerikaner  den  Mais  einfach  Com  nennt. 
Ebenso  heisst  in  Deutschland,  England  und  Schottland  die  Brotfriicht,  nämlich 
dort  Roggen,  hier  Hafer, 


VIT.  Die  Landwirthschaft.  275 

Maisertrag  erheblich  gesteigert,  ja  verdoppelt  werden  könnte.  Allein 
reichere  Ernten,  als  sie  jetzt  gemacht  werden,  würden  wohl  kaum  die 
grössere  Arbeit  bezahlen,  die  man  dann  auf  die  Maisfelder  verwendet. 
Nicht  der  geringste  Werth  des  Maises  gerade  für  den  amerikanischen 
Landwirth  beruht  in  der  Leichtigkeit  seines  Anbaues  auf  frischen  Lich- 
tungen. Er  lohnt  noch  ausgiebig  bei  der  Handbearbeitung  und  ist  daher 
der  erste  Lebensunterhalt  des  in  die  Wildniss  vordringenden  Pioniers. 
Die  Praktiker  stimmen  darin  übercin,  dass  der  Boden  des  amerikanischen 
W.  bis  nach  Kansas  und  Nebraska  hinein  für  Maisbau  wie  gemacht 
ist,  oder  wie  der  letzte  Ackerbau-Census  sich  ausdrückt,  dass  „Millionen  ^ 
von  Acres  vorhanden  sind,  die  ganz  dazu  bestimmt  scheinen,  diese  herr- 
liche Frucht  beim  geringsten  Aufwand  von  Zeit  und  von  Arbeit  zu  er- 
zeugen" ^).  Ein  lockerer,  feuchter  humusreicher  Boden  wird  als  der  beste 
für  dieses  Getreide  erachtet;  gerade  solcher  Boden  ist  aber  im  S.,  SW. 
und  Inneren  der  V.  St.  weiter  verbreitet  als  irgendwo  anders.  Gegen- 
wärtig und  wahrscheinlich  noch  für  eine  Reihe  künftiger  Jahre  liegt  das 
Gebiet  der  grossen  Maiserzeugung  zwischen  Missouri,  Ohio  und  der  See- 
region; hier  erzeugten  1877  Illinois,  Iowa,  Missouri,  Kansas,  Ohio  und 
Indiana  zusammen  60  und  mit  den  gleichfalls  maisreichen  Kentucky, 
Tennessee ,  Texas  und  Pennsylvania  75  Proc.  der  gesammten ,  auf 
1342  Mill.  B.  angegebenen  Maisernte. 

An  vielseitiger  Benützung  erreicht  den  Mais  kein  anderes  Getreide 
der  V.  St.  Als  Grün-  und  als  Trockenfutter  wird  er  jedem  anderen  vor- 
gezogen. Die  für  den  Gelderwerb  der  Farmer  so  wichtige  Schweinemast  ' 
des  W.  beruht  wesentlich  auf  der  Maisfütterung.  Für  den  Menschen  ist 
der  Mais  von  Werth  durch  sein  Mehl,  das  zu  Corn-Brcad  verbacken  wird,  " 
durch  seine  Grütze ,  die  als  Hominy  einen  fast  unentbehrlichen  Bestand- 
theil  des  Frühstückstisches  des  Farmers  so  gut  wie  des  Feinschmeckers  . 
im  W.  und  S.  bildet,  durch  seine  unreifen  Kolben,  die  gesotten  eines  der 
beliebtesten  Gemüse  bilden.  Selbst  die  Schönheit  der  Maisfclder,  die  ihre 
Fahnen  im  Winde  rauschen  lassen  und  deren  in  den  saftigen  Böden  des 
W.  bis  über  Manneshöhe  wachsende  Stengel  allerdings  einen  stolzeren, 
kräftigeren  Eindruck  als  alle  unsere  Getreide  machen,  wird  preisend 
hervorgehoben.  —  Im  Verhältniss  zur  Grösse  der  Ernten  ist  die  Ausfuhr 
des  Maises  viel  geringer  als  die  des  zweiten  Hauptgetreides,  des  Weizens; 
von  1871 — 75  betrug  sie  durchschnittlich  V25 — V30  der  ganzen  Ernte.  Aber 
sie  ist  grösser  als  die  irgend  eines  anderen  Getreides  und  das  Verhältniss 


1)  Jay  berechnet  in  seiner   Statistics  on  American  ÄgricuUure  (New  York 

1859  S.  41),  dass  derselbe  Aufwand  von  Arbeitskraft,   menschlicher  und  thieri- 

scher,    welcher  1  Bushel  Weizen    in   England   erzeugt,    10  B.  Mais  auf   gutem 
Boden  der  V.  St.  hervorbringt. 

18* 


276  Vn.  Die  Landwirtlischaft. 

ihrer  Menge  zu  der  der  Ernte  ist  in  raschem  Steigen  begriffen.  1877/78 
wurde  die  Ausfuhr  auf  gegen  120  Mill.  B.  geschätzt  (Vu  der  Ernte), 
1876/77  betrug  sie  70  Mill.  B.  (Vi 9  der  Ernte). 

Weizen.  Nächst  dem  Mais  das  wichtigste  Getreide  der  Y.  St.  Er 
steht  weit  hinter  diesem  zurück  als  Nahrungsfrucht  für  den  einheimischen 
Bedarf,  übertrifft  ihn  aber  weitaus  als  Gegenstand  der  Ausfuhr.  Weizen 
ist  für  die  n.  Hälfte  der  V.  St.  dasjenige  Erzeugniss  des  Ackerbaues, 
welches  am  leichtesten  seinen  Markt  findet  und  Baargeld  einbringt.  Er 
gedeiht  in  den  Gegenden  mit  mehr  feuchtem  und  nur  massig  warmem 
Klima  besser   als  Mais,    so  in  Oregon,    Minnesota,    Wisconsin;    aber  er 

^erzeugt  leicht  kranke  Körner  im  feuchtwarmen  Klima  der  Mississippi- 
Niederungen.  Den  Winterweizen  baut  man  vorwiegend  in  den  ö.  und  s. 
Staaten,  während  ihn  aus  den  Präriestaaten  die  kalten  und  austrock- 
nenden Winde  ausschliessen.  Die  oft  sehr  dünne  oder  ganz  fehlende 
Schneedecke  erhöht  noch  diese  Gefahr.     In  den  pacifischen  Staaten  wird 

N/bloss  Sommerweizen  gebaut.  Die  Reifezeit  ist  im  äussersten  S.  der  Mai 
mit  einer  mittleren  Temperatur  von  20 — 21  "C,  in  Virginien  der  Juni  mit 
20—22",  in  Illinois  derselbe  Monat  mit  21%  in  New  York  der  Juli  mit 
18 — 20".  Die  besten  Weizengebiete  sind  die  Gegend  um  Rochester  im 
w.  New  York ')  und  Gettysburg  im  s.  Pennsylvanien ,  ferner  das  w.  Ohio 
und  ö.  Indiana,  grosse  Theile  von  Michigan,  Illinois,  Wisconsin,  Minnesota 
und  Iowa,  dann  im  äussersten  W.  die  der  See  zu  gelegenen  Theile  von 
Oregon  und  das  mittlere  Californien.    Was  die  Grösse  der  Ernten  anbe- 

ytrift't,  so  hält  man  25 — 30  B.  für  einen  vortrefflichen,  20  für  einen  guten, 
15  für  einen  genügenden  Ertrag.  15 — 20  B.  dürften  als  Durchschnitts- 
ertrag gelten,  Beispiele  von  60— 70B.  als  seltene  Ausnahmen  zu  betrachten 
sein.  —  Die  gesammte  Weizenernte  der  Y.  St.  betrug  1870  235884  700, 
1877  365  094  800  B.  Die  durchschnittliche  Grösse  der  Ernte  der  8  Jahre 
1870—77  betrug  281743  612  B.  In  gewöhnlichen  Jahren  wird  Ve,  in 
den  besten  fast  Vs  der  Weizenernte  in  Korn,  ausserdem  Vi 2  —  Vio  als 
Mehl  ausgeführt.  Yon  dem  letzteren  werden  durchschnittlich  1  Th.  als 
5  Th.  Getreide  gleichwerthig  betrachtet.  Die  grössten  Exportjahre  des 
letzten  Jahrzehnts  weisen  95  Mill.  B.  Weizen  (Korn  und  Mehl)  für  1873/74 
und  110  Mill.  B.  für  1877/78  auf.  Die  Absatzgebiete  sind  besonders 
England,  wohin  1876  65,5  Proc.  aller  Getreideausfuhren  gerichtet  waren, 
dann  Canada,  Brasilien  und  Frankreich.  Aber  selbst  in  Deutschland  half 
z.  B.  1877  der  amerikanische  Weizen  die  Getreidepreise  sehr  erheblich 
mitbestimmen.  Das  Gebiet  der  grossen  Weizenproduktion  fällt  mit  dem 
Ohio-Gebiet  und  dem  sog.  Nordwesten  zusammen.    Das  zusammenhängende 


1)  Diese    auch    für    die    Ohstcultur   und  Milchwirthschaft    wichtige   Gegend 
pflegt  als  Central  New  York  bezeichnet  zu  werden. 


VII.  Die  Laiidwirtlischaft.  277 

Gebiet  von  Indiana,  Ohio,  Illinois,  Iowa,  Wisconsin,  Minnesota  und  Michigan 
erzeugte  1877  54  Proc.  der  Gesammternte  ^). 

Roggen  ist  in  den  V.  St.  die  wenigst  verbreitete  von  den  wichtigen 
Getreidearten.  Er  hat  keinen  Markt.  Die  eingeborenen  Amerikaner  ' 
essen  Weizen  oder  Maisbrot  und  von  den  Einwanderern  sind  nur  Nord- 
deutsche und  Skandinavier  so  an  Roggenbrot  gewöhnt,  dass  sie  die  Frucht 
anbauen,  um  sich  diesen  Genuss  zu  verschaffen.  Nur  ein  geringer  Ueber- 
schuss  kommt  auf  den  Markt  und  erreicht,  wo  nicht  etwa  Brennereien 
ihn  verwenden,  oft  nur  den  dritten,  selten  mehr  als  den  halben  Preis 
des  Weizens.  Auch  die  Brennereien  verbrauchen  jetzt  weniger  als  sonst. 
Für  die  leichten  Bodenarten,  besonders  des  NO.,  würde  Roggen  die 
passendste  Frucht  sein,  wenn  nicht  der  beschränkte  Markt  seinem  Anbau 
entgegenstünde.  Auf  dem  leichten  sandigen  Boden  Neu-Englands  und 
einiger  Theile  von  New  York  gelten  15  B.  als  ein  genügender  Ertrag, 
aber  es  werden  auf  besserem  Boden  bis  zu  30  ohne  übermässige  Düngung 
gewonnen.  Die  Roggenernten  haben  seit  1840  wenig  zugenommen.  Sie 
ergaben  1840  18645567,  1870  16918795,  1877  21170100  B.  In  dem 
letzteren  Jahr  wurde  am  meisten  Roggen  gebaut  in  Pennsylvania,  diesem 
folgten  New  York ,  Illinois ,  Wisconsin ,  Kentucky,  Ohio.  Seit  1870  hat 
indessen  im  S.  der  Roggenbau  zugenommen,  wo  er  zur  Gewinnung  von 
Winterfutter  betrieben  wird.  Die  Durchschnittsernte  von  1870 — 77  betrug 
16  890950  B.  Das  letzte  dieser  Jahre  sah  zum  ersten  Male  eine  starke 
Roggenausfuhr,  welche  über  2  Mill.  B.  betrug. 

Gerste.  Seit  Einführung  und  Verbreitung  der  deutschen  Bierarten  \^ 
hat  der  Anbau  dieses  Getreides  sich  beständig  vermehrt.  In  den  letzten 
2  Jahrzehnten  hat  dasselbe  den  Roggen  überholt.  Man  baut  fast  allgemein  o^ 
die  vierzeilige  Sommergerste;  Wintergerste  wird  wenig  gebaut.  In  New  York 
rechnet  man  20 — 25,  in  Maine  20,  in  Indiana  und  Californien  40  B.  auf 
den  Acre.  1870  wurden  folgende  Staaten  mit  den  grössten  Erträgen  an 
Gerste  verzeichnet :  California,  New  York,  Illinois,  Iowa,  Ohio,  Wisconsin, 
Minnesota.  Die  Gesammternte  der  V.  St.  an  diesem  Getreide  hatte  sich 
1870  auf  26  295400,  1877  auf  34441400  B.  gehoben;  die  Durchschnitts- 
ernte der  8  Jahre  1870 — 77  betrug  31  814  724  B.  In  zu  geringer  Menge, 
um  in  der  Statistik  berücksichtigt  zu  werden,  oder  aber  gar  nicht  angebaut 
wurde  Gerste  in  den  Südstaaten,  von  Delaware,  Tennessee  und  Arkansas 
an  (einschl.)  südwärts.  Die  Ausfuhr  von  Gerste  schwankte  in  dem  Zeitraum 
1868—77  zwischen  59  000  (1868/69)  und  1 186000  B.  (1876/77). 


1)  Vgl.  nebenstehende  Karte.  Die  wünschenswerthere  Vergleichung  der  Er- 
zeugimgsmeugen  mit  der  Kopfzahl  der  Bevölkerung  ist  für  die  Jahre  nach  1870 
wegen  des  Mangels  an  zuverlässigen  Angaben  über  die  letztere  leider  nicht 
durchzuführen. 


278  '       VII.  Die  Landwirthschaft. 

Hafer  folgt  unter  den  Getreidearten  nach  Menge  der  Erzeugung 
und  Wichtigkeit  unmittelbar  hinter  dem  Weizen.  Man  baut  ihn  wenn 
möglich  auf  dem  ärmsten  Land.  Besonders  geschieht  das  im  0.,  wo  kein 
Mangel  an  letzterem  ist.  Im  W.  liebt  man  ihn  als  erste  Frucht  auf 
Neuland  und  er  erlangt  hier  einen  hohen  Werth  in  den  Gegenden,  denen 
es  in  den  ersten  Anfängen  der  Waldlichtung  an  Heu  mangelt.  Man 
rechnet  als  Durchschnittsertrag  25 — 40  B.,  aber  70  sind  keine  Seltenheit. 
Die  Haferernte  der  V.  St.  betrug  1870  282  107 157  B.  1877  hatte  sich 
die  Haferernte  auf  406  394000  B.  gehoben  und  war  am  grössten  in 
Illinois,  New  York,  Pennsylvania,  Iowa,  Wisconsin,  Ohio,  Missouri.  Die 
grösste  Ausfuhr  von  Hafer,  welche  je  erreicht  wurde,  zeigt  1876/77  mit 
2^5  Mül.  B. 

Buchweizen  (Buckwheat)  wird  in  allen  n.  Staaten  gebaut,  aber 
hauptsächlich  nur  als  Nebenfrucht.  Er  hat  den  Vortheil  für  Farmer  mit 
geringen  Arbeitskräften,  dass  er  erst  spät  bestellt  wird.  Er  wird  grossen- 
theils  nur  wegen  der  starken  Nachfrage  gebaut,  die  nach  Buchweizen- 
mehl und  -grütze  besteht.  V3  der  Ernte  sollen  in  den  Städten  zum 
Consum  kommen.  Im  Verhältniss  zur  Bevölkerung  sind  die  Buchweizen- 
ernten heute  kleiner  als  vor  40  Jahren.  Die  Ernte  von  1877  betrug 
10177000,  die  Durchschnittsernte  von  1870—77  9010737  und  die  von 
1840  7  291743  B.  Der  weitaus  grösste  Anbau,  über  die  Hälfte,  findet 
in  New  York  und  Pennsylvania  statt.  Das  Erträgniss  p.  Acre  schwankte 
von  1870—77  zwischen  20,1  und  14,6  B. 

2.  Andere  Nahrungsgewächse.  Hülsenfrüchte.  Erbsen  (Peas) 
und  Bohnen  (Beans)  werden  zu  denselben  Zwecken  und  in  derselben 
Weise  gebaut  wie  bei  uns.  Das  Klima  ist  ihnen  günstig.  Der  Anbau 
dieser  Früchte  ist  aber  in  neuerer  Zeit  zurückgegangen.  Er  ergab 
1860  15061995  und  1870  5  746027  B.  Dieser  Ausfall  wird  ausschliesslich 
hervorgerufen  durch  die  veränderte  Nahrung  der  Schwarzen,  welche  als 
Sklaven  jahraus  jahrein  mit  nichts  anderem  als  Porh  and  Beans,  Speck 
und  Bohnen  gefüttert  wurden,  seit  ihrer  Freilassung  aber  gleich  ihren 
Herren  lieber  von  Mais  und  Weizen  leben.  Linsen  werden  in  ver- 
schwindend geringer  Menge  gebaut.  Im  W.  wird  die  einheimische  sog. 
Oregon-Erbse  gebaut,  die  in  Stauden  von  1 7«  ni  wächst. 

Kartoffeln  (Irish  Potatoes)  gehören  ganz  wie  in  Mittel-  und  Nord- 
Europa  zu  den  wichtigsten  Gegenständen  des  Ackerbaues,  wenn  sie  auch 
in  einem  Lande,  wo  Mais  neben  den  alten  Getreidearten  so  wohl  gedeiht, 
nicht  leicht  ein  schädliches  Ueberge wicht  in  der  Ernährung  des  Volkes 
gewinnen  können.  Die  Menge  der  Kartoffelerzeugung  hat  mit  der  Be- 
völkerung im  Allgemeinen  Schritt  gehalten.  Sie  betrug  1870  143  337473 
und  1877  170092000  B.  Die  Zahl  der  mit  Kartoffeln  bepflanzten  Acres 
hat  sich  von  1325119  in  1870  auf  1792  287  in  1877  gehoben.  Der  aus- 
gedehnteste  Kartofl'elbau    findet  sich  in  den   bevölkertsten  Staaten:    ein 


VII.  Die  Landwirthschaft.  279 

deutliches  Zeichen  für  die  allgemeine  Yerwerthung  derselben  in  der  Er- 
nährung der  Bevölkerung.  New  York,  Pennsylvania,  Ohio,  Illinois  und 
Michigan  haben  den  grössten  Kartoffelbau.  Verhältnissmässig  stark  ist 
dieser  Zweig  des  Ackerbaues  im  äussersten  NW.  vertreten,  wo  das  feuchte 
Klima  von  Oregon  und  Washington  Terr.  ihm  ganz  besonders  günstig  sein 
soll,  und  auf  den  jetzt  noch  erst  in  den  Anfängen  der  Besiedelung 
stehenden  Hochebenen  der  Westgebirge,  wo  die  Getreidearten  nicht  mehr 
mit  Vortheil  angebaut  werden  können.  Sie  bildet  in  den  dortigen  jungen 
Ansiedelungen  die  Hauptnahrung.  Dagegen  tritt  die  Kartoffel  im  S.  ganz 
in  den  Hintergrund,  so  zwar,  dass  S.  Carolina,  Georgia  und  die  Golf- 
staaten noch  nicht  1  Mill.  B.  davon  erzeugen.  Hier  tritt  die  sogleich  zu 
erwähnende  süsse  Kartoffel  an  ihre  Stelle.  —  Der  Durchschnittsertrag 
p.  Acre  belief  sich  in  1870 — 77  auf  88,7  B.  und  dem  Werthe  nach  auf 
52,04  D. 

Batate,  süsse  Kartoffel  (Sweet  Potato),  die  Wurzelknollen  von 
Convolvulus  Batatas,  ist  die  südliche  Vertreterin  der  eigentlichen  Kar- 
toffel. Noch  in  den  Ohiostaaten  wird  sie  in  Gärten  gezogen.  Als  nährende 
und  wohlschmeckende  Speise  findet  sie  im  N.  wie  im  S.  eine  ausgedehnte 
Verwendung.  Sie  bildet  einen  hervorragenden  Gegenstand  der  Ausfuhr 
aus  den  Süd-  nach  den  Nordstaaten.  Die  südatlantischen  und  Golfstaaten 
liefern  durchschnittlich  *lb  aller  Bataten.  Der  Anbau  dieser  Frucht  hat 
gegen  früher  abgenommen.  Man  gewann  1860  42095025  und  1870 
21  709824  B.  Das  Aufhören  der  Sklavenarbeit  und  die  Vermehrung  des 
mit  Mais  und  BaumwoUe  bebauten  Landes  sind  in  diesem  Rückgange 
fühlbar. 

Die  Rüben  arten  (Turnips,  Carots,  Beets)  werden  in  grösserem 
Masse  bloss  zur  Fütterung  des  Viehstandes,  dessen  Durchwinterung  sie 
erleichtern,  und  auch  nur  im  N.  angebaut.  In  den  Präriestaaten  wird 
ihnen  die  Neigung  des  Klimas  zur  Trockenheit  gefährlich.  In  der  Er- 
nährung der  Bevölkerung  spielen  sie  eine  geringe  Rolle,  lieber  die 
Zuckerrübe  s.  u. 

Ausser  unseren  gewöhnlichen  Blattgemüsen  und  Salaten,  von 
denen  die  Mehrzahl  in  der  amerikanischen  Küche  eine  weniger  ausge- 
dehnte Verwendung  findet  als  in  der  deutschen,  werden  noch  einige 
Pflanzen,  halb  Garten-  halb  Ackergewächse,  vom  Amerikaner  mit  Vorliebe 
gebaut.  Tomate  oder  Paradiesapfel  (Tomato)  und  die  ihr  verwandte 
Eierpflanze  (Egg -Plant),  Kürbis  (Pumpkin,  Squash),  von  denen  die 
letzteren  auch  zur  Nahrung  des  Menschen  dienen,  Melone,  besonders 
Wassermelone  (Melon),  Rhabarber  (Rhubarb)  fehlen  in  keinem  Farm- 
garten.  Tomaten  werden  massenhaft  genossen,  Squash-  und  Rhubarb-Pie  ^^ 
spielen  bei  festlichen  Gelegenheiten  eine  so  grosse  Rolle,  dass  man  sie' 
fast  als  Nationalspeisen  bezeichnen  könnte. 


280  VII.  Die  Landwirth Schaft. 

3.  Handelsgewächse.  Baumwolle.  Die  in  den  V.  St.  ange- 
baute Baumwolle  gehört  Spielarten  des  in  der  Neuen  Welt  ursprünglich 
heimischen  Gossypium  Barbadense  Koyle,  einer  Unterart  von  Gossypium 
herbaceum,  an.  Die  hauptsächlichsten  Spielarten  sind  die  schwarssamige 
v'oder  Sea  Island,  auch  Langstapel  genannt;  die  grünsamige,  auch  High- 
land und  Kursstapel  genannt;  die  LittleGulf  und  die  mexiJcanische.  lieber 
die  Grenze  des  Baumwollenbaues  ist  oben  gesprochen  (S.  239).  Er  findet 
sein  ununterbrochenstes  Verbreitungsgebiet  an  den  in  der  Regel  frost- 
freieren Küsten  und  in  den  gleichfalls  mit  milderem  Klima  ausgestatteten 
Thälern  der  grösseren  Flüsse.  Die  Küstenstrecken  gelten  überhaupt  als 
die  günstigsten  0 ertlichkeiten  für  Baumwollenbau  und  zwar  nicht,  wie 
die  vergleichenden  Analysen  ergeben ,  wegen  des  Salzgehaltes  ihres 
Bodens.  Ein  Uebermass  von  Feuchtigkeit  wirkt  ungünstig  auf  die  Ent- 
wickelung  des  Stoffes ,  behufs  dessen  Erzeugung  diese  Staude  allein 
angebaut  wird.  Man  rechnet  bei  Boden  von  mittlerer  Fruchtbarkeit 
auf  einen  Ertrag  von  durchschnittlich  100  Kg.  reiner  Baumwolle  *).  Von 
allen  Zweigen  der  nordamerikanischen  Landwirthschaft  ist  der  Bau  der 
Baumwolle  derjenige,  welcher  am  meisten  zum  Export  beiträgt;  die 
Baumwollenausfuhr  wird  nur  von  der  Gesammtsumme  der  Getreide-  und 
Fleischausfuhr  übertroffen.  An  Geldwerth  übertreffen  seinen  Ertrag  nur 
Mais  und  Heu,  und  Weizen  erreicht  ihn.  Aber  es  gibt  dieser  Cultur 
der  Umstand  eine  besonders  grosse  Bedeutung,  dass  bis  heute  die  Süd- 
staaten der  Union  ein  Monopol  für  die  Erzeugung  guter  Baumwollen 
besitzen,  und  selbst  die  verwüstende  Pause  des  Krieges  von  1861  —  65 
hat  dasselbe  nicht  zu  beseitigen  vermocht.  Die  Blokade  der  s.  Häfen 
bewog  damals  die  europäischen  Baumwollverbraucher  zu  den  grössten 
Anstrengungen,  um  aus  anderen  warmen  Ländern  Baumwolle  herbeizu- 
schaffen, und  England,  der  Hauptverbraucher,  dessen  Einfuhr  von  Roh- 
baumwolle 1858  —  60  zu  Vö  aus  den  V.  St.  stammte,  führte  1862  2V2, 
1863  1,  1864  IV2  Proc.  seiner  Gesammteinfuhr  aus  den  V.  St.  ein, 
dagegen  hob  sich  dieser  Antheil  schon  im  ersten  Friedensjahr  1866 
auf  37  und  stand  1876  bei  62  Proc. ,  während  die  indische  Baumwolle 
in  dem  letzteren  Jahr  auf  18 V«  Proc.  der  Gesammteinfuhr  gefallen  war'*). 


1)  Die  Angaben  über  die  mittleren  Erträgnisse  der  BaumwoUenfelder  be- 
ziehen sich  auf  die  nicht  sehr  intensive  und  aufmerksame  Cultur,  wie  sie  im  S. 
noch  meistens  üblich.  Aber  bei  vorzüglicher  Bearbeitung  und  Düngung  sind  Er- 
trägnisse von  4—5000  Samen-Baumwolle  (entspr.  ungefähr  12—1600  gereinigter) 
keine  Seltenheit.   (Vgl.  Cotton  under  high  Culture  in  Rep.  Agric.  Dep.  1867.  409.) 

2)  „Die  Concurrenz  Indiens  mit  den  V.  St.,  welche  ihre  beherrschende  Stel- 
lung in  der  Baumwollerzeugung  wieder  einnehmen,  ist  geradezu  hoffnungslos 
geworden"  schrieb  The  Times  in  einem  Artikel  über  den  Handel  mit  Indien 
(Weekly  Ed.  Oct.  25.  1878),  der  einen  Hauptantheil  an  der  kritischen  Lage 
flieses  Handels  der  rasch  wachsenden  I3aumwollerzeugung  der  V,  St,  zuschreibt. 


I 


VII.  Die  Landwirthschaft. 


281 


Der  Gang  der  Preise  lehrt  dasselbe.    Auf  dem   britischen  Markt  waren 
die  Durchschnittspreise  für  je  ein  e.  Pfd.  folgende: 


Baumwolle  der  V.  St.  . 
„  aus  Indien. 


1872 

1873 

1874 

1875 

9,9 

9,1 

8 

7,7 

7 

6,4 

6 

5,7 

1876 

6,4 
5,1 


Die  grosse  Leistungsfähigkeit  dieses  Zweiges  der  nordamerikanischen 
Landwirthschaft  geht  ferner  aus  der  raschen  Erholung  hervor,  welche 
er  nach  dem  Kriege  trotz  sehr  ungünstig  veränderter  Vorbedingungen 
erfuhr.  Die  durchschnittliche  Grösse  der  Produktion  in  den  12  Jahren 
von  1865—76  übertrifft  um  2  Mill.  Ballen  (gegen  900  Mill.  e.  Pfd.)  die 
einer  gleichlangen  Periode  von  1850—61.  Eine  Ernte,  die  zu  ihrer  Zeit 
für  unerhört  galt,  die  von  1859,  ist  von  der  von  1875  bis  auf  2  Proc. 
erreicht.  Gründe  dieser  Thatsache  liegen  zunächst  in  dem  ausgedehn- 
teren Raum,  auf  dem  heute  die  Cultur  der  Baumwolle  betrieben  wird; 
derselbe  ist  besonders  in  Texas  ausserordentlich  gewachsen  und  hat  sich 
auch  in  den  alten  Staaten  durch  das  Hinzukommen  zahlreicher  kleinerer  ^^ 
Farmer  vermehrt,  welche  früher  brachliegende  Grundstücke  neu  bebauen; 
dann  ist  es  aber  ferner  eine  genau  festgestellte  Erfahrung,  dass  der  Ertrag 
p.  Acre  sich  mit  der  Verkleinerung  der  Farmen  vergrössert  hat,  wobei 
indessen  die  ausgiebigere  Verwendung  von  künstlichen  Düngern  und  die  ^ 
Benützung  der  Baumwollensamen  (Cotton-seed)  als  Düngmittel  besonders 
in  den  älteren  Staaten  als  mitwirkende  Faktoren  mit  in  Rechnung  zu 
ziehen  sind.  Der  Anbau  der  Baumwolle  in  den  V.  St.  hat  erst  seit  1790 
seine  grosse  Bedeutung  gewonnen.  1790  betrug  die  Ausfuhr  189  316  Pfd., 
1800  17  789  803,  1810  93  261462  Pfd.  1840  war  die  Gesammternte 
auf  790479  275,  1850  auf  987  637  200  Pfd.,  1860  auf  5  387052,  1870  auf 
3011996,  1878  auf  4811000  Ballen  gestiegen.  Zur  Ausfuhr  kamen  von 
der  letzteren  3V3  Mill.,  zum  eigenen  Consum  IV2  Mill. 

Flachs  spielte  vor  der  Zeit  des  grossen  Baumwollenbaues  eine  sehr 
wichtige  Rolle  in  dem  Haushalt  des  nordamerikanischen  Ackerbauers,  der 
sammt  seiner  Familie  mit  Vorliebe  liomespun  cloth,  hausgemachte  Kleidung, 
trug.  Der  Census  von  1810  gibt  21  Mill.  Ellen  Leinwand  als  Erzeugniss 
der  Hausindustrie  am,  die  damals  in  New  York,  Virginien  und  Pennsyl- 
vanien  stark  verbreitet  war.  Gleichzeitig  bildete  der  Leinsamen  einen 
hervorragenden  Gegenstand  der  Ausfuhr.  Später  hat  die  Benützung  der 
Flachsfaser  so  sehr  nachgelassen,  dass  lange  Zeit  die  Pflanze  nur  um 
des  Leinsamens  willen  gebaut  ward.  Erst  das  Aufkommen  einer  heimi- 
schen Leinen-Grossindustrie  hat  auch  dem  Flachsbau  wieder  neues  Leben 
eingehaucht.  1850  wurden  562  312,  1870  1  730444  B.  Leinsaat  gewonnen. 
In  dem  letzteren  Jahre  wurden  aber  noch  27«  mal  mehr  davon  eingeführt 
als  im  Lande  selbst  erzeugt,     1875  betrug  die  Einfuhr  6  227012  B,    Die 


282  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Haupterzeugung  findet  in  Iowa,  Kansas  und  Minnesota  statt.  Einer  der 
Gründe  der  Vorliebe,  mit  welcher  gerade  in  den  jungen  Staaten  diese 
Cultur  betrieben  wird,  liegt  in  dem  raschen  Reifen  und  der  frühen  Ver- 
werthbarkeit  derselben.  Sie  steht  darin  allen  anderen  Erzeugnissen  des 
w.  Ackerbaues  voran  und  für  den  Farmer  ist  dies  natürlich  ein  schwer- 
wiegender Vorzug.  Die  Flachserzeugung  wurde  1850  auf  7  709  676,  1870 
auf  27133-034  Pfd.  angegeben.  Für  1877  liegt  keine  zusammenfassende 
Statistik  vor,  aber  ausser  in  den  schon  oben  angeführten  w.  Staaten  ist 
die  Flachserzeugung  nicht  im  Fortschreiten.  Die  mit  der  Gewinnung  der 
Fasern  verbundene  Arbeit  wird  für  zu  theuer  und  mühsam  erklärt.  In 
den  letzten  Jahren  erschienen  indessen  auch  Californien  und  Oregon  mit 
erheblichen  Mengen  von  Flachs  auf  dem  Markte.  1876  wurden  l^U  Mill.  Pfd. 
Flachs  im  Werth  von  1060437  D.  eingeführt,  vorzüglich  aus  Russland 
und  Canada. 

Hanf.  1850  wurden  34871,  1860  74493,  1870  12  746  T.  gewonnen. 
Dieser  Rückgang  hängt  zusammen  mit  dem  Aufhören  der  Sklavenarbeit, 
denn  1860  hatten  die  Sklavenstaaten  Kenntucky  und  Missouri  80  Proc. 
der  gesammten  Hanfernte  geliefert.  Auch  1870  lieferten  sie  beide 
82  Proc,  aber  dies  machte  nur  Ve  von  dem  aus,  was  sie  10  Jahre  vorher 
erzeugt  hatten.  In  den  älteren  Staaten  und  bei  freier  Arbeit  ist  der 
Hanfbau  immer  wenig  beliebt  gewesen,  weil  er  einen  vorzüglichen  Boden 
und  dazu  noch  eben  so  viel  Arbeit  verlangt  wie  die  Baumwolle.  Sein 
natürlicher  Platz  war  an  der  klimatischen  Grenze  der  eigentlichen  Baum- 
wollenstaaten, also  in  Missouri  und  Kentucky.  Die  Einfuhr  von  Hanf  aus 
England,  Deutschland,  China  und  Manila  betrug  1876  36  Mill.  Pfd.  im 
Werthe  von  2  247  540  D. 

Gespinnstpflanzen  von  örtlicher  Bedeutung  sind  einige  Agaven, 
besonders  Agave  sisalana  und  americana,  zu  nennen,  welche  in  Florida 
und  S.  California  in  geringer  Menge  angebaut  werden.  Die  Ranken  des 
Hopfens  werden  in  grosser  Ausdehnung  zu  Bindfaden  verarbeitet.  Die 
Korbweiden,  welche  in  Amerika  von  verschiedenen  einheimischen 
Arten  gewonnen  werden  können,  bilden  einen  Gegenstand  des  Anbaues 
in  verschiedenen  Gegenden  des  N. 

Zuckerrohr.  Feuchtigkeit  und  Wärmesumme  befähigen  den  s.  vom 
34.  Breitegrad  und  ö.  von  dem  Hügelland  von  Texas  gelegenen  Theil  der 
V.  St.  zum  Anbau  des  Zuckerrohrs,  aber  in  Wirklichkeit  ist  dasselbe  in 
nennenswerther  Ausdehnung  nirgends  n.  vom  32.  Breitegrad  angepflanzt. 
Nur  Louisiana  und  Florida  haben  eine  bedeutende  Zuckererzeugung  und 
selbst  in  diesen  beiden  dem  tropischen  Klima  am  nächsten  kommenden 
Staaten  ist  von  einer  völligen  Reife  des  Zuckerrohrs  nicht  die  Rede.  Kaum 
der  halbe  Stengel  eignet  sich  zum  Mahlen  und  der  Ertrag  an  Zucker 
ist  in  Louisiana  nur   etwa   10  Ctr.  p.  Acre,    während   er   in  Westindien 


VII.  Die  Landwirthschaft.  283 

30 — 60  Ctr.  erreicht.  Von  so  zahlreichen  Ernten  aus  einem  und  demselben 
Wurzelstocke  wie  in  tropischen  Gegenden  ist  hier  nicht  die  Rede.  Man 
gewinnt  eine  Ernte  aus  dem  Pflanzrohr,  wie  es  im  ersten  Jahr  genannt 
wird,  und  zwei  weitere  aus  den  Maitoons  oder  Wurzelstöcken.  Dabei  ist 
nur  das  fruchtbarste  Land  dieser  Cultur  zugänglich.  Immerhin  ist  die 
Rohrzuckererzeugung  der  V.  St.  nicht  unbedeutend.  Sie  betrug  1860 
230982  Hogsheads;  1870  war  sie  auf  87043  Hhds.  zurückgegangen,  und 
zwar  wurden  80  706  in  Louisiana,  2020  in  Texas,  1410  in  Tennessee, 
1055  in  S.  Carolina  und  952  in  Florida  gewonnen.  Sie  ist  seit  dieser 
Zeit  wieder  im  Steigen  begriffen.  An  Syrup  wurden  1860  14936693 
und  1870  6  593  323  Gallonen  erzeugt.  Die  Gesammterzeugung  machte 
in  1877  nur  etwas  weniges  mehr  als  V9  des  auf  666194  T.  angegebenen 
Verbrauches  aus  und  wurde  die  Summe  des  für  Zucker  an  das  Ausland 
abfliessenden  Geldes  auf  100  Mill.  D.  veranschlagt.  Eine  Untersuchung 
über  die  Gründe  dieses  unbefriedigenden  Standes,  welche  der  Com- 
missioner  of  Agriculture  1877  anstellte*),  ergab,  dass  an  demselben  vor- 
züglich der  Mangel  an  hinlänglich  grossem  Capital  und  brauchbaren 
Arbeitern  schuld  sei,  bedingt  durch  die  Aufhebung  der  Sklaverei  und 
die  dadurch  herbeigeführte  Zerrüttung  aller  wirthschaftlichen  Verhältnisse. 
Auch  die  Methoden  des  Anbaues  und  der  Verarbeitung  scheinen  nach 
diesen  Ergebnissen  der  Verbesserung  zugänglich  zu  sein.  Endlich  sind 
auch  die  häufigen  Ueberschwemmungen  schädlich'^).  Selbst  bei  der 
optimistischsten  Darstellung ,  wie  sie  derartigen  Schriftstücken  leider 
eigen  zu  sein  pflegt ,  kann  selbst  dieser  Bericht  nicht  verschweigen, 
dass  sogar  bei  weitgehender  Unterstützung  seitens  der  Regierung  die 
Rohrzuckererzeugung  in  den  V.  St.  schwer  dazu  kommen  werde,  dem  sehr 
starken  und  jedenfalls  noch  zunehmenden  Verbrauch  allein  zu  genügen. 
Dieser  Verbrauch  betrug  1876/77  31,87  e.  Pfd.  auf  den  Kopf  der  Be- 
völkerung. 

Sorghum,  ^uckerhirse,  Imphee,  Guineakorn  (Sorghum  vulgare  in 
mehreren  Varietäten)  wird  vorzüglich  in  den  mittleren  Ohio-  und  Mississippi- 
Staaten  als  eine  Art  Surrogat  des  Zuckerrohres  und  gleichzeitig  als  Futter- 
und  Körnerfrucht  gebaut.  Die  Anforderungen  dieser  Pflanze  an  Klima 
und  Boden  sind  ungefähr  dieselben  wie  die  des  Maises,  doch  entwickelt 
sie  in  den  nördlichsten  Staaten  den  Zuckergehalt  nicht  zur  Genüge.  Der 
Saftertrag  ist  dem  Gewichte  nach  50  Proc.  der  von  den  Blättern  befreiten 
Stengel  und  man  braucht  5—10  Gall.  Saft  zu  1  Gall.  Syrup.  Der  Syrup- 
ertrag  eines  Acre  wechselt  von  150—400  Gall.     Die  Ernte-  und  Mahlzeit 


V^ 


1)  S.  Mittheilungen  über  dieselbe   in  Rep.  Comm.   of  Agric.  f.  1877.  Wash. 
1878.  228  f. 

2)  Die  Ueberschwemmungen  des  Frühlings  1874  zerstörten  allein  an  Zucker-   ' 
Pflanzungen  in  Louisiana  24713  Acres. 


284  VII.  Die  Landwirtbscliaft. 

sind  August  und  September.  Die  Zeit  und  Art  der  Pflanzung  sind  die- 
selben wie  die  des  Maises.  In  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  bat  es  eine 
grosse  Verbreitung  gefunden  ^) ,  denn  erst  in  den  50  er  Jabren  wurde  es 
zuerst  in  grösserer  Ausdebnung  zu  bauen  angefangen  und  lieferte  docb 
scbon  1860  6  749123  Gall.  Syrup.  Der  Census  von  1870  verzeicbnet  als 
aus  Sorgbum  gewonnen  16050089  Gall.  Syrup  und  24  Hbds.  Zucker. 
Die  Haiipterzeugung  findet  statt  in  Indiana,  Obio,  Illinois,  Kentucky, 
Missouri  und  Tennessee.     Sie  ist  in  der  Zunabme  begriffen. 

Zuckerrübe  (Beet).  Die  Zuckergewinnung  aus  der  Zuckerrübe 
bat  trotz  mancber  Anläufe  bis  jetzt  keine  Erfolge  aufzuweisen.  Die 
klimatiscben  Verbältnisse  sind  ibr  im  S.  entscbieden  nicbt  günstig,  und 
im  N.  sind  in  manchen  Jabrgängen  die  unzulänglicben  Regen  des  Früb- 
sommers  ein  ernstbaftes  Hinderniss.  Die  z.  Tb.  grossartig  angelegten 
k/ Fabriken  für  Kübenzuckererzeugung  in  Cbatwortb  111.,  Sank  Cy.  Wisc. 
und  Sacramento  Cal.  sind  nacb  kurzer  Wirksamkeit  wieder  eingegangen. 

Mais  als  zuckerliefernde  Pflanze  ist  neuerdings  eindringend  empfoblen 
worden^).  Der  Zuckergebalt  der  Stengel  wird  als  l—Vh  Proc.  unter 
demjenigen  des  Sorgbum  und  4 — 7  Proc.  unter  dem  des  Zuckerrohrs 
stabend  angegeben.  Die  anerkannte  Angepasstbeit  des  Maises  an  Boden, 
Klima  und  Arbeitsweise  Amerikas  und  die  daraus  folgende  Gefahr 
der  Ueberproduktion  dieses  Getreides  werden  u.  a.  als  Gründe  geltend 
gemacht,  welche  für  die  Verwendung  des  Maises  zur  Zuckerbercitung 
sprechen. 

Ahorn  Zucker,  durch  Abzapfen  und  Abdampfen  des  Saftes  von 
Acer  saccharinum  im  Spätwinter  gewonnen,  bildet  in  der  rohen  braunen 
Form  oder  als  Syrup  mit  etwas  stechend-aromatischem  Nebengeschmack 
bei  der  Landbevölkerung  einen  nicht  unwichtigen  Ersatz  des  gewöhnlichen 
Zuckers.  Am  meisten  gewinnen  Vermont,  New  York,  Ohio  und  Michigan. 
1870  wurden  28  Mill.  Pfd.  Zucker  und  über  900000  Gall.  Syrup  ge- 
wonnen 3). 


1)  Ein  Hauptgrund,  warum  der  Sorghumbau  sich  so  rasch  Bahn  brach, 
dürfte  in  der  Geschichte  der  Culturpflanzen  ziemlich  vereinzelt  dastehen,  nämlich 

^  die  Agitation ,  welche  zu  seinen  Gunsten  von  den  Autisklaverei-Parteien  und 
-Gesellschaften  ins  Werk  gesetzt  wurde.  Man  wollte  seinen  Thee  nicht  mehr 
mit  Zucker  versüssen ,  der  von  Sklavenhänden  gewonnen  war,  und  nicht  mehr 
aus  eigenem  Beutel  die  Sklavenhalter  unterstützen.  Aus  demselben  Grunde  war 
schon  früher  der  Ahornzucker  den  Nordischen  aus  Herz  gelegt  worden. 

2)  F.  L.  Stewart,  Maize  and  Sorghum  as  Sugar  Plants.  In  liep.  Comm. 
Agric.  Wasb.  1878.  236  f. 

3)  Für  die  Indianer  des  NW.  ist  die  im  ersten  Frühling  eintretende  Mög- 
lichkeit, die  Ahornbäume  anzuzapfen,  oft  die  letzte  Bettung  von  Hungersnoth. 
Saft  und  Zucker  sind  Nahrungsmittel  bei  ihnen.  Eine  Familie  kann  1000  bis 
1500  Pfd.  Ahornzucker  machen.     (Owen,  Rep.  Geol.  Wisconsin  1852.  432.) 


I 


YII.  Die  Landwirthschaft.  285 

Tabak.  Der  Tabak  gilt  noch  immer  wie  vor  250  Jahren,  wo  der 
Anbau  in  Virginicn  wegen  seiner  Einseitigkeit  beschränkt  werden  musste, 
für  eines  der  lohnendsten  Erzeugnisse  des  amerikanischen  Ackerbaues, 
aber  der  Tabaksbau  ist  unter  den  Verhältnissen,  welche  nach  der  Auf- 
hebung der  Sklaverei  in  den  alten  Tabakgegenden  der  Y.  St.  herrschen, 
ein  anderer  und  im  Allgemeinen  wahrscheinlich  praktischerer  geworden 
als  er  früher  war.  Die  Kleinwirthschaft  einzelner  Farmer  ist  dieser 
Cultur  heute  günstiger  als  die  Plantagen wirthschaft  der  Sklavenhalter, 
denn  nur  der  sorgfältig  behandelte  Tabak,  den  die  letztere  viel  weniger 
zu  liefern  vermag,  findet  gegenwärtig  einen  guten  Markt.  Uebrigens  nöthigt 
aucli  die  weitgediehene  Aussaugung  der  alten  Tabakländereien  zu  einer 
intensiven  Cultur.  Am  meisten  Tabak  baut  gegenwärtig  Kentucky, 
durchschnittlich  3  mal  mehr  als  Virginien,  dann  folgen  der  ebengenannte 
Staat,  Tennessee,  Ohio,  Maryland,  Missouri,  N.  Carolina,  Indiana  und 
Connecticut.  In  neuester  Zeit  hat  Missouri  die  grössten  Fortschritte  ^y 
gemacht,  die  ihm  z.  B.  1875  seine  Stelle  unmittelbar  hinter  Tennessee 
anwiesen.  Florida  baut  seit  lange  cubanischen  Tabak,  von  dem  1875 
350000  Pfd.  geerntet  wurden.  Der  Bericht  des  amtlichen  Erntestatistikers 
spricht  ihm  eine  Güte  zu ,  die  der  des  cubanischen  nicht  nachstehe  *). 
Der  Rückgang  in  der  Tabakserzeugung  Virginiens  hängt  übrigens  nicht 
bloss  mit  der  Aussaugung  des  Bodens,  sonder  mindestens  eben  so  sehr 
mit  dem  allgemeinen  Verfall  des  dortigen  Wirthschaftssystems  zusammen. 
Uebrigens  gab  es  1870  nach  den  Censusausweisen  nur  4  Staaten  oder 
Territorien,  in  welchen  gar  kein  Tabak,  und  weiter  nur  8,  in  denen 
weniger  als  1000  Pfd.  geerntet  wurden.  Er  findet  in  der  That  über  das 
ganze  Gebiet  hin  überall  Gedeihen.  Im  Ganzen  scheint  er  dieselben 
Wachsthumsbedingungen  wie  Mais  zu  haben.  Aber  aus  den  Ernteberichten 
geht  hervor,  dass  ihm  übermässige  Feuchtigkeit  und  frühe  Herbstfröste 
häufiger  schaden.  Die  n.  Grenze  seines  Verbreitungsgebietes  wird  durch 
die  Linie  mittlerer  Juliwärme  von  17 "  C.  bestimmt. 

Hopfen  (Hops).  Die  Ilopfenerzeugung  ist  in  den  V.  St.  stark  in 
der  Zunahme  begriffen ,  woran  ausser  dem  eigenen  immer  noch  zu- 
nehmenden Verbrauch  die  Ausfuhr  einen  bedeutenden  Antheil  hat.  1840 
wurden  1238  502,  1870  25  45GG69  Pfd.  geerntet.  Die  Hopfenernte  von 
1878  wurde  auf  22000000  Pfd.  (etwa  Va  der  normalen  europäischen 
Ernte)  veranschlagt.  Der  Verbrauch  beträgt  erheblich  weniger.  Zur 
Ausfuhr  kamen  im  Jahr  Juni  1877/78  185000  Ctr.  im  Werth  von 
2V6  Mill.  D.  Man  schreibt  dem  Hopfen  dieselben  Wachsthumsbedingungen 
zu  wie  dem  Mais  und  Tabak.  Die  leichte  Beschaffung  der  Stangen,  zu 
denen  man  die  dauerhaften  jungen  Cedern  auszuwählen  pflegt,  hat  die 
Ausbreitung  des  Hopfenbaues  begünstigt.     1000  Pfd.  p.  Acre   werden  als 


1)  Rep.  Comm.  Agriculture  for  1875.  Washington  1876.  55. 


286  *  VII.  Die  Landwirthschaft, 

eine  schöne  Ernte  betrachtet.  Der  grösste  Hopfenbau  wird  in  New  York 
betrieben,  wo  nahezu  70  Proc.  der  Gesammternte  von  1870  gewonnen 
wurden.     Ausserdem  ist  nur  noch  Wisconsin  zu  nennen. 

Indigo*),  der  einst  einen  der  Stapelartikel  des  Plantagenackerbaues 
in  den  atlantischen  Südstaaten  bildete,  wird  gegenwärtig  in  so  geringer 
Menge  erzeugt,  dass  er  seit  1840  selbst  nicht  mehr  in  den  Censusberichten 
aufgeführt  wird.  Während  die  Ausfuhr  nach  1794  sich  auf  V/z  Mill.  Pfd. 
belief,  war  sie  1841  auf  2200  und  1850  auf  2740  D.  gesunken.  Wenn 
heute  noch  Indigo  irgendwo  in  den  Südstaaten  angebaut  wird,  geschieht 
es  in  so  geringem  Masse,  dass  derselbe  für  die  grossen  wirthschaftlichen 
Verhältnisse  ohne  Bedeutung  bleibt.     In  Georgia   und   S.  Carolina   findet 

vornan  die  Indigopflanze  verwildert.  1876  wurden  999  139  Pfd.  Indigo  im 
Werthe  von  794990  D.  in  die  V.  St.  eingeführt  und  zwar  hauptsächlich 
aus  Ostindien,  Grossbritannien  und  Colombia. 

Reis  (Rice).  Diese  tropische  oder  subtropische  Frucht  wurde  in 
den  V.  St.  immer  nur  auf  einem  verhältnissmässig  beschränkten  Räume 
gebaut,  nämlich  in  den  sumpfigen  Küstenstrichen  von  S.  Carolina,  Georgia 
und  Louisiana;  auch  in  einem  kleinen  Strich  in  N.  Carolina  am  Cape 
Fear  R.  wird  Reis  gebaut.  Aber  er  hat  lange  Zeit  einen  der  Stapel- 
artikel des  südlichen  Ackerbaues  gebildet.  Er  bildete  mit  Indigo  zusammen 
im  ganzen  18.  Jahrhundert  den  Hauptausfuhrgegenstand  von  S.  Carolina 
und  Georgia.  Der  erstere  Staat  führte  in  günstigen  Jahren  bis  zu 
50  Mill.  Pfd.  aus.  1791/92  wurden  von  ihm  sogar  55  Mill.  Pfd.  aus- 
geführt. 1850  betrug  die  Ernte  215  313497,  1860  187167032,  1870 
73  635021,  1876  gegen  90000000  Pfd.  Die  Abnahme  des  Ertrages  ist 
nicht  bloss  eine  Folge  der  Veränderung,  die  in  der  ganzen  südlichen 
Wirthschaftsweise  nach  1864  eingetreten  ist,  sondern  hat  ihre  tieferen 
Gründe.     Dies  zeigt  nicht  bloss  die  Thatsache,   dass   sie  schon  vor  1860 

v" eintrat,  sondern  auch  die,  dass  unter  den  neuen  Verhältnissen  Louisiana, 
das  früher  als  Reisstaat  kaum  in  Betracht  kam,  sich  zu  einer  bedeuten- 
deren Reiserzeugung  aufgeschwungen  hat  als  sowohl  S.  Carolina  wie 
Georgia,  und  zwar  in  stetigem  Fortschreiten  und  im  Wettstreit  mit  dem 
Zuckerrohrbau,  dessen  Gebiet  von  dem  des  Reises  immer  mehr  in  Anspruch 
genommen  wird.  Reis  wird  in  einigen  Thcilen  von  Louisiana  für  einen 
gewinnreicheren  Anbau  gehalten  als  Zucker.  Dass  man  in  den  Mississippi- 
Niederungen  die  Hochwasserstände  dieses  Stromes  für  die  Bewässerung 
verwenden  kann  und  fast  immer  fliessendes  Wasser  über  den  Pflanzen 
hält,  wird  als  ein  Vortheil  angesehen,  den  dieses  Gebiet  im  Vergleich  mit 
dem  von  Carolina  und  Georgia  bietet.  Bei  geringerer  Sorgfalt  ist  indessen 
auch  die  Güte  des  Louisiana  -  Reises  nicht  auf  der  Höhe  derjenigen  des 
Carolina-Reises.     1877/78  kamen  616050  Pfd.  Reis  zur  Ausfuhr. 


1)  Vgl.  den  betr.  Artikel  in  Rep.  Comm.  of  Agriculture   f.  1873.  255  —  61. 


VII.  Die  Landwirthschaft.  287 

4.  Obstbäume.  Nach  einer  Zusammenstellung  von  Mitte  1878  nahm 
der  Obstbau  47«  Mill.  A.  Land  ein  und  wurden  112  Mill.  Apfelbäume, 
28  Mill.  Birnbäume,  113  Mill.  Pfirsichbäume  und  142  Mill.  Rebstöcke 
gezählt.  Der  Werth  einer  mittleren  Obsternte  wurde  auf  138  Mill.  D., 
also  nahezu  die  Hälfte  einer  guten  Weizenernte,  geschätzt. 

Der  Apfelbaum  ist  der  wichtigste  und  verbreitetste  von  den  nord- 
amerikanischen Obstbäumen.  Man  sagt,  dass  der  erste  1629  von  England  -" 
nach  Neu -England  verpflanzt  worden  sei.  Ob  nicht  einige  von  den  ein- 
heimischen Arten  gewissen  besonderen  Spielarten  Ursprung  gegeben  haben, 
welche  man  besonders  im  S.  gezogen  hat,  ist  eine  strittige  Frage.  Sicher 
ist  nur,  dass  diese  Wildäpfel  ausgezeichnete  Stämme  zum  Veredeln  liefern. 
Das  vortreffliche  Gedeihen  des  Apfelbaumes  und  seine  frühen  und  regel- 
mässigen Erträge  haben  ihn  zum  bevorzugten  Obstbaum  des  amerikanischen 
Farmers  gemacht.  Er  ist  in  alle  Theile  der  Union  verpflanzt  worden. 
Ausser  den  besseren  Früchten  für  den  Tisch  des  Menschen  liefert  er 
den  unschädlichen  und  allgemein  beliebten  Cider,  der  im  Interesse  der  '^ 
Massigkeit  so  viel  wie  möglich  propagirt  wird.  In  den  Neuengland-Staaten 
rechnet  man  durchschnittlich  400  B.  im  Werth  von  240  D.  auf  den  Acre. 
In  Maine,  wo  die  Veredelung  weit  vorgeschritten  ist,  hält  man  Apfel- 
bäume für  die  ertragreichste  Cultur  überhaupt.  Ein  wahres  Aepfel- 
paradies  ist  das  mittlere  New  York  in  der  Gegend  von  Geneva,  Rochester  ^ 
und  Syrakus.  Die  Aepfelernte  von  1873  wurde  hier  auf  3  Mill.  D.  Werth 
geschätzt.  Von  hier  flndet  auch  eine  starke  Ausfuhr  von  Aepfeln  nach 
Europa  statt.  Der  S.  versorgt  den  N.  massenhaft  mit  Frühäpfeln.  1877/78 
wurden  279  372  B.  frische  und  418G719  Pfd.  getrocknete  Aepfel  aus- ^ 
geführt. 

Der  Birnbaum  kommt  im  wilden  Zustande  in  den  V.  St.  «icht 
vor  und  die  Anpflanzung  des  zahmen  hat  bisher  nur  in  beschränktem 
Masse  stattgefunden.  Die  Ursache  davon  liegt  vorzüglich  in  der  sorg- 
fältigen Pflege,  die  dieser  Obstbaum  erfordert,  in  seinem  späteren  Tragen 
und  in  der  geringen  Verwerthbarkeit  und  Haltbarkeit  seiner  Früchte.  Er 
ist  jedenfalls  für  den  Farmer  nicht  so  bequem  wie  der  Apfelbaum.  In 
neuerer  Zeit  hat  sich  übrigens  Californien  durch  die  Zucht  edler  Birnen-  vX 
arten  ausgezeichnet.  Der  Birnbaum  ist  früher  häufiger  angepflanzt  worden 
als  jetzt.  Der  Birnmost  (Perry)  war  einst  das  beliebteste  Getränk  der  -^ 
Colonisten.  Wahrscheinlich  war  der  Hauptgrund  seines  Rückganges  die 
häufige  Zerstörung  der  Blüthe  durch  Nachtfröste. 

Der  Pfirsichbaum  ist  nächst  dem  Apfelbaum  der  verbreitetste 
Obstbaum  in  dem  grössten  Theil  der  V.  St.  Er  ist  nur  aus  den  nörd- 
lichsten Staaten  ausgeschlossen,  kommt  dagegen  am  häufigsten  in  den 
mittleren  Staaten  vor.  Die  Leichtigkeit,  mit  der  man  ihn  aus  Fruchtkernen  ^ 
zieht,  und  die  Schnelligkeit,  mit  welcher  er  seine  volle  Tragfähigkeit  er- 
reicht, machen  ihn  zum  Liebling  des  Farmers.   Die  Pfirsiche  sind  überall 


288  VII.  Die  Landwirthschaft. 

in  den  V.  St.  so  begehrt,  dass  sie  massenweise  für  den  Versandt  gezogen 
werden.  Die  grösste  Erzeugung  dieser  Frucht  findet  in  den  Staaten 
Delaware,  Maryland  und  Virginia  statt,  ferner  im  s.  Theil  von  New  Jersey, 
in  Long  Island  und  an  der  Südküste  des  Erie-Sees.  In  den  Lagen,  die 
nicht  vorzüglich  geschützt  sind,  nimmt  man  an,  dass  von  5  Jahren  nur 
3  volle  Ernten  bringen.  Der  Pfirsichbau  ist  übrigens  auch  dadurch 
beliebt,  dass  er  mit  minder  gutem  Boden  vorlieb  nimmt.  Erträge  im 
Werth  von  200  D.  p.  Acre  sollen  nicht  selten  sein. 

Der  Pflaumenbaum  ist  dem  Klima  der  V.  St.  ganz  angemessen. 
Verschiedene  wilde  Pflaumen  kommen  in  den  Wäldern  vor,  und  auf  diese 
^  pfropft  man  die  europäischen  Arten.  Dieser  Baum  ist  besonders  im  NO. 
und  vorzüglich  in  Maine  mit  Erfolg  gezogen  worden  und  wurden  von  dort 
Erträge  von  3  —  400  D.  p.  Acre  gemeldet.  Unsere  Zwetschge  soll  merk- 
würdigerweise viel  weniger  leicht  fortkommen  als  die  gewöhnliche  Pflaume, 
doch  ist  sie  von  Deutschen  in  Pennsylvanien  u.  a.  mit  gutem  Erfolg  an- 
gepflanzt worden. 

Kirschen  und  Aprikosen  scheinen  diejenigen  altweltlichen  Obst- 
arten zu  sein,  denen  das  amerikanische  Klima  am  wenigsten  zusagt.  Die 
Frühjahrsfröste  schädigen  sie  im  N.,  während  ihnen  der  S.  schon  zu 
heiss  ist.  In  s.  Theilen  von  Ohio  und  in  Kentucky  dürfte  noch  das  beste 
Klima  für  den  Kirschbaum  zu  finden  sein.  Die  Aprikose  wird  fast  nur 
am  Spalier  gezogen.  Die  Maulbeere  ist  einheimisch  in  den  Mittel- 
und  Südstaaten  und  gedeiht  hier  auch  vortrefflich.  Die  zahme  Kastanie 
ist  als  Baum  und  Strauch  einheimisch  (s.  o.)  und  beide  geben  geniessbare 
Früchte. 

-Von  den  besonderen  Fruchtbäumen  des  S.  hat  sich  die  Orange 
mehr  und  mehr  zum  wichtigsten  entwickelt.  Ihre  Cultur  wird  besonders  in 
Florida  mit  Eifer  betrieben,  ausserdem  im  s.  Louisiana  und  in  Süd-Cali- 
fornien.  Von  dieser  Frucht  wird  in  den  V.  St.  eine  viel  grössere  Menge 
consumirt  als  bei  uns  und  der  dortige  Markt  bedarf  noch  erheblicher 
Zufuhren  aus  Westindien,  Südeuropa  u.  s.  f.  Die  Cultur  hat  sich  haupt- 
sächlich wegen  ihrer  grossen  Einträglichkeit  und  der  geringen  Mühe,  die 
sie  nach  Ueberwindung  der  ersten  Schwierigkeiten  bereitet,  rasch  aus- 
gebreitet, findet  aber  selbst  in  Florida  und  Louisiana  ein  Hinderniss  an 
der  zeitweiligen  Zerstörung  der  Ernten  oder  sogar  der  ganzen  Pflanzungen 
durch  Fröste  (s.  o.  S.  237).  Die  Orangenernte  von  Louisiana  wurde 
1876  auf  32  Mill.  Orangen,  entsprechend  etwa  70000  Bäumen,  die  von 
Californien  auf  7  Mill.  von  gegen  50000  meist  noch  jungen  Bäumen  an- 
gegeben ;  die  von  Florida  dürfte  das  5  fache  von  diesen  betragen. 
Ausserdem  kamen  noch  200  Mill.  Orangen  und  Citronen  im  Werth  von 
etwa  GOOOOO  D.  1876  zur  Einfuhr  und  zwar  vorzüglich  von  Westindien, 
den  Azoren,  aus  Südeuropa,  Mexico  und  Tahiti. 


VII.  Die  Landwirtiischaft.  289 

Die  Citrone  und  andere  Abarten  des  Citrus -Geschlechtes  treten 
hinter  den  Orangen  zurück.  Sie  erlangen  jedenfalls  keine  Bedeutung  als 
Handelsartikel.  Die  Mandel  gewährt  keinen  sicheren  Ertrag  in  den. 
mittleren  Staaten  und  ist  in  den  südlichen  bis  jetzt  nur  wenig  verbreitet. 
Die  Olive  gedeiht  in  den  atlantischen  Südstaaten  nicht  gut,  wahrscheinlich 
wegen  übermässiger  Feuchtigkeit,  kommt  dagegen,  wie  auch  die  Kork- 
eiche, in  Süd-Californien  vortrefflich  fort.  Zu  den  vorzüglich  im  S;  ge- 
deihenden Früchten  ist  auch  die  Erdnuss  (Pea-Nut,  Arrhachis  hypogaea) 
zu  zählen,    von   der  z.  B.  Virginia  1876  allein  40000  B.  erzeugte, 

5.  Der  Weinbau.  Nord- Amerika  hat  einheimische  Reben,  die  zum 
Theil  reiche  und  sehr  geniessbare  Früchte  tragen,  aber  der  Weinbau  ist 
im  ö.  Nord -Amerika  nicht  eher  betrieben  worden,  als  bis  die  Colonie 
Virginien  gegen  1620  Reben  und  Winzer  aus  Frankreich  und  Deutschland 
kommen  iiess.  Er  ist  aber  trotz  aller  Aufmunterungen  der  Behörden  nur 
in  ganz  vereinzelten  Fällen  gediehen.  Bis  zu  den  Versuchen,  welche  seit 
Anfang  unseres  Jahrhunderts  im  Ohio-Thal  von  deutschen  und  schweizeri- 
schen Einwanderern  mit  Anpflanzung  der  Reben  gemacht  wurden,  kam 
der  Weinbau  nicht  über  die  Stufe  einer  Liebhaberei  hinaus  und  in  grossem 
Massstab  ist  er  auch  seitdem  nur  in  beschränkten  Theilen  von  Missouri, 
Ohio  und  Kentucky  betrieben  worden.  Dagegen  hat  die  Erwerbung  Cali- 
forniens  ein  grosses,  schon  bewährtes  Weinland  den  V.  St.  zugefügt.  Hier 
wie  in  den  übrigen  Colonien  der  Spanier  im  SW.  Nord -Amerikas  ist  der 
Weinbau  schon  lange  üblich  und  man  hat  dort  anfangs  mit  den  schon 
bestehenden  Pflanzungen  einfach  weiter  wirthschaften  können.  Endlich  ist 
seit  ungefähr  20  Jahren  auch  in  den  Südstaaten  der  Weinbau,  besonders 
in  S.  Carolina  und  Georgia,  zu  besserer  Entfaltung  gelangt  als  früher, 
wenn  er  auch  noch  nicht,  wie  in  Califomien,*  im  Grossen  betrieben  wird. 
Es  ist  die  Aussicht  vorhanden,  dass  bei  der  naturgemäss  zunehmenden 
Richtung  auf  kleineren  und  sorgfältigeren  Betrieb  der  Landwirthschaft 
auch  dieser  Zweig  eine  grössere  Pflege  finden  wird.  Die  grösste  Wein- 
erzeugung weist  der  Census  von  1870  folgenden  Staaten  zu:  California 
1814656,  Missouri  326173,  Ohio  212912,  Illinois  111882,  Pennsylvania 
97165,  New  York  82  607,  Kentucky  62360,  N.Carolina  62  248,  Iowa 
37  518  Gall.  ^).  Was  die  Reben  anbelangt,  aus  denen  dieser  Wein  ge- 
wonnen wird,  so  sind  es  in  der  ö.  Hälfte  des  Landes  gegenwärtig  vor- 
wiegend einheimische  und  zwar  in  den  Südstaaten  die  dort  ursprünglich 
wildwachsende  Scuppernong  oder  Muscadine  Grape  (Vitis  rotundifolia), 
in  Ohio  und  Missouri  die  Catawba  und  Isabella  Grape  (Varietäten  der  Fox 
Grape,  Vitis  labrusca).  Die  europäischen  Arten  haben  sich  trotz  der 
grossen  Auswahl  und  Sorgfalt,   mit  der  man  sie  zu  acclimatisiren  suchte. 


1)  Als  gar  keinen  Wein   erzeugend  sind  im  Census  nur  Dakota,    Montana 
und  Wyoming  aufgeführt. 

Batzel,    Amerika  IL  19 


290  YII.  Die  Landwirthschaft. 

nicht  auf  die  Dauer  bewährt.  Die  grossen  Extreme  der  Witterung  und 
vielleicht  auch  der  Niederschlagsreichthum  des  amerikanischen  Sommers 
setzen  ihnen  zu.  Dagegen  arbeitet  Californien,  trotzdem  es  ebenfalls 
einheimische  Reben  hat,  ausschliesslich  mit  solchen,  die  entweder  ganz 
oder  grösstentheils  europäischen  Ursprunges  sind.  Die  sehr  wohl  ge- 
deihende Mission  Grape,  so  genannt,  weil  sie  in  den  spanischen  Indianer- 
Missionen  zuerst  gebaut  wurde,  ist  ein  Abkömmling  spanischer  Spielarten, 
die  unter  dem  californischen  und  neumexikanischen  Himmel  sich  wenig 
verändert  haben.  Die  grosse  Masse  des  californischen  Weines  wird  noch 
immer  aus  ihr  gewonnen.  Daneben  sind  deutsche,  französische  und 
ungarische  Reben  in  Californien  in  grosser  Ausdehnung  angepflanzt  worden 
und  scheinen  zur  Zufriedenheit  zu  gedeihen.  -Die  deutschen  scheinen  aber 
eine  Neigung  zu  reichlicherer  Zuckerbildung  bzw.  grösserer  Schwere  des 
Weines  zu  besitzen.  In  Californien  findet  der  Weinbau  seine  Grenze 
ungefähr  bei  38",  in  der  ö.  Hälfte  der  V.  St.  bei  4IV2 "  n.  Br.  (auf  den 
Inseln  am  s.  Rande  des  Erie-Sees) ,  also  8  —  10  Grade  südlicher  als  in 
Europa.  1877/78  bewerthete  die  Weineinfuhr  nahezu  4  Mill.  D. ,  die 
Ausfuhr  nur  38  000  D. 

6.  Die  Beeren  fruchte  spielen,  wie  einst  bei  den  Eingeborenen, 
auch  bei  den  civilisirten  Bewohnern  Nord -Amerikas  eine  sehr  grosse 
Rolle  und  werden  hier  vielleicht  in  grösserer  Menge  und  in  mannigfaltigeren 
Zubereitungen  gegessen  als  sonst  irgendwo  auf  der  Erde.  In  erster  Linie 
stehen  die  Kronsbeeren,  Cranberrys  (Oxycoccus  macrocarpus) ,  das 
Erzeugniss  einer  Sumpfpflanze,  welche  weit  verbreitet  ist  und  sehr  reiche 
Erträge  liefert.  Die  Beeren  sind  gross  wie  kleine  Kirschen,  im  Uebrigen 
nach  Aussehen  und  Geschmack  am  ähnlichsten  unseren  Preisseibeeren.  Am 
massenhaftesten  kommen  die  Cranbferrys  in  der  Seeregion  vor.  Es  wird 
behauptet,  dass  Michigan  mehrere  Millionen  Acres  habe,  die  mit  den- 
selben bewachsen  seien.  Ein  grosser  Theil  des  Bedarfes  wird  durch  die 
Früchte  künstlich  angepflanzter  Sträuche  gedeckt.  Ein  Reinertrag  von 
150  D.  p.  Acre  gilt  für  massig.  Derselbe  kann  sich  bis  zu  450  D.  er- 
heben *).  —  Die  Erdbeere  ist,  was  Menge  des  Verbrauches  anbetrifft, 
die  zweite  unter  den  nord amerikanischen  Beerenfrüchten  und  nach  der 
Beliebtheit  die  erste.  Auf  Long  Island  bei  New  York  und  in  anderen 
Theilen  des  N.  findet  ihre  Cultur  bereits  in  grossartiger  Weise  statt.  — 
Von  anderen  Beeren  kommen  Brombeere  und  Heidelbeere  wild  in 
verschiedenen  Arten  und  weit  verbreitet  vor  und  tragen  Früchte,  die  die 


1)  1874  waren  in  zwei  Grafschaften  von  N.  Jersey  1200  Acres  mit  Cranberrys 
bepflanzt,  im  ganzen  Staate  4970.  100  Busheis  p.  Acre  ist  ein  nicht  seltenes 
Erträgniss  und  der  Durchschnittspreis  kann  zu  3  D.  p.  Bushel  veranschlagt 
werden.  Von  ihren  Heidelbeerpflanzungen  ziehen  einzelne  Farmer,  die  6 — 10 
Acres  davon  besitzen,  bis  3000  D. 


VII.  Die  Landwirthschaft.  291 

entsprechenden  europäischen  an  Wolilgeschmack  und  theilweise  auch  an 
Grösse  übertreffen.  Die  ersteren  sind  denn  auch  in  Amerika  viel  beliebter 
als  bei  uns  und  werden  in  reichlicher  Menge  angepflanzt.  —  Die  Him- 
beere kommt  in  mehreren  Arten  massenhaft  wild  vor,  aber  nicht  mit  so 
vortrefflichen  Früchten  wie  unsere  Rubus  Idaeus;  sie  wird  gleichfalls 
angebaut.  —  Die  Stachel-  und  Johannisbe eren  sind  beide  in  mehreren 
Arten  einheimisch,  aber  die  erstere  hat  Früchte,  die  durch  ihre  stachelige 
Haut  schwer  geniessbar  sind,  während  die  wildwachsende  rothe  Johannis- 
beere sehr  saure  Früchte  bringt.  Nur  die  wildwachsende  schwarze 
Johannisbeere  ist  geniessbar.  Indessen  gedeiht  die  europäische  Johannis- 
beere vorzüglich,  während  merkwürdigerweise  die  europäische  Stachel- 
beere in  hohem  Grad  dem  Mehlthau  unterworfen  ist. 

7.  Wiesenbau.     Die  V.  St.  besitzen  in  ihren  ausgedehnten  Prärie- 
regionen ein  natürliches  Wiesenland  von  ca.  30000  Q.M.    Ein  Vorzug  der 
nordamerikanischen  Prärien  vor  anderen  Steppen  beruht  gerade  in  ihrem 
Reichthum    an   nahrhaften  Gräsern    (s.  Bd.  I.  380).    Das  werthvoUste  von 
ihnen    ist   wahrscheinlich    das   Bunch-    oder   Buffalo-Grass   (Festuca  t^  : 
scabrella),  das  eine  sehr  weite  Verbreitung  besitzt,  sehr  nahrhaft  ist  und 
den  grossen  Vorzug  hat,   unter  der  heissen  Sonne   und  der  Dürre  der 
Steppenregionen  seine  Nährbestandtheile   auch  im  trockenen  Zustande  zu 
bewahren.    Die  beste  Varietät  dieses  Grases,    die  einen  dichten  Rasen- 
teppich   bildet,    wächst  in  Neu-Mexico,    wohin  wegen  der   vorzüglichen  '^ 
mästenden  Eigenschaften  dieses  Grases  in   neuerer  Zeit  sehr  viel  Rinder  ^ 
und  Schafe  getrieben  werden,  die  dann  in  fettem  Zustand  auf  die  Märkte 
Californiens   gehen.    Ein   anderes   bemerkenswerthes    Gras   ist   der   sog. 
Bergreis  (Oryzopsis  asperifolia,  Mountain  Rice),  welcher  den  ganzen  Winter  ^ 
über  grün  bleibt  und  unter  der  Schneedecke  den  Wiederkäuern  der  Plains 
oft  das  einzige  Futter  bietet;    seine  Samenkörner  sind  fast  so  gross  wie 
Weizenkörner.    Im  SW.,   besonders  in   Texas,  bedeckt  der  sog.  Wilde  -v 
Hafer,    eine  Uniola-Art,   zusammenhängend  meilenweite  Strecken  in  den 
Niederungen  des  Brazos  u.  a.  Flüsse  mit  seinen  wogenden,  getreideähnlich 
hohen  Halmen  und  Rispen.     Man   hat  die  Zahl   der  Präriegräser   auf  70 
angegeben,    wovon  viele  nahrhaft  sind.     Aber   bei   dünnerem   Stand  und 
schwächerem  Wuchs   ist   das  von  ihnen  gemachte   Heu   viel  leichter  als 
das    von    künstlichen    Wiesen    gewonnene.     Wiesenheu,    vorzüglich    von    , 
Timothy  (Phleum  pratense),  der  beliebtesten  Wiesengrasart,  bezahlt  sich 
selbst  im  W.  fast  doppelt   so  hoch   als  Prärieheu.     Die  Bodengestaltung 
des  Landes  ö.  der  Alleghanies  und  besonders  Neu-Englands  ist  der  Ent- 
stehung natürlicher  Wiesen  günstig,    einestheils  durch   die   breiten  Thal- 
bildungen,   in  denen   zeitweilige  Ueberschwemmungen  die  Tieflandwälder 
lichten,    anderentheils   durch    die   Mannigfaltigkeit    der   Bodengestaltung,  - 
welche   grossen   Sumpf-   und  Tief landwäldern ,    wie   man  si«   am  unteren 

19* 


29^  VII.  Die  Landwirttschaft. 

Mississippi  und  überhaupt  im  Golfgebiet  findet,  keinen  Raum  gewährt. 
Auf  die  merkwürdige  wiesenerzeugende  Thätigkeit  der  Biber  ist  schon 
oben  (Bd.  I.  292)  aufmerksam  gemacht.  Aber  an  Nutzgräsern  ist  Nord- 
Amerika  nicht  ganz  so  reich  wie  Mittel-Europa,  was  sich  schon  daraus 
schliessen  lässt,    dass   alle  die  beliebtesten  Wiesengräser,    wie  der  eben 

V.  genannte  Timothy,  das  Knaulgras  (Orchard  Grass,  Dactylis  glomerata), 

tdas  Rispengras  (Blue  Grass,  Poa  pratensis)  u.  a.  aus  Europa  eingeführt 
sind.    Diese  Gräser  sind  in  grossem  Masse  verwildert  und  vorzüglich  das 

>yBlue  Grass  ist  so  eingebürgert,  dass  es  gegenwärtig  zu  den  am  frühesten 
auf  Lichtungen  erscheinenden  Gräsern  gehört  und  den  weissen  Ansiedlern 
weit  vorauseilt.  Im  S.  lassen  die  heissen  Sommer  nur  Winterwiesen  zu 
und  für  diese  ist  die  bevorzugteste  Grasart  eine  Uniola-Art,  die  die 
Sommerhitze  sehr  gut  aushält,    und  daneben  das  aus  Europa   eingeführte 

N^Bermuda-Gras  (Cynodon  Dactylon).  Im  S.  ist  ausserdem  das  sog. 
Natchez-Gras  besonders  verbreitet;  auchPanicum  sanguinale  (europäisch) 
ist  sehr  häufig.  Am  pacifischen  Abhang  sind  ebenfalls  vorzüglich  europäische 
Gräser  angebaut,  wiewohl  unter  den  zahlreichen  dort  einheimischen  (nach 
Bolander  beherbergt  Californien  140  verschiedene  Arten  von  Gräsern) 
mehrere  Arten  vorzügliche  Wiesengräser  abgeben  sollen.  Besonders  ein 
Wildhafer  (Danthonia?),  der  ähnlich  wie  der  texanische  meilenlange  natür- 
liche Wiesen  bildet,  wird  als  ertragreich  hervorgehoben.  Uebrigens  lässt 
der  milde  Winter  dieser  Gegenden  den  Weidegang  fast  überall  das  ganze 
Jahr  hindurch  zu  und  dementsprechend  ist  die  Heuerzeugung  derzeit  noch 
unbedeutend.  Nur  für  den  Bedarf  der  zahlreichen  Zug-  und  Reitthiere 
in  den  weidearmen  dürren  Hochebenen  des  W.  werden  grössere  Mengen 
Heu  von  Californien  ausgeführt.  —  Die  Heuerzeugung  der  V.  St.  belief 
sich  1877  auf  SlVsMill.  T.  New  York,  Illinois,  Pennsylvania,  Iowa  und 
Ohio  stehen  in  der  ersten  Linie  der  heuerzeugenden  Staaten.  In  diesen 
Erträgnissen  ist  auch  das  Heu  von  Klee  (Clover)  mit  inbegriffen.    Unser 

y^rother  Klee  ist  die  meist  angebaute  Kleeart.  Im  S.  kommt  Luzerne  und 
weisser  Klee  hinzu.  Der  grösste  Kleebau  findet  sich  im  Allgemeinen  in 
denselben  Gebieten  wie  die  grösste  Heuerzeugung.  Die  Heuausfuhr  der 
V.  St.  betrug  1877/78  9514  T. 

VII.  Die  Viehzucht.  Rindvieh  (Cattle).  Die  ersten  Rinder 
wurden  nach  Nord-Amerika  von  den  Spaniern  gebracht,  sie  kamen 
aus  Spanien  und  Westindien  und  verbreiteten  sich  von  Mexico  aus 
in  domesticirtem  und  mehr  noch  in  halbwildem  Zustand  über  weite 
Gebiete  des  W.  und  SW.  Wo  spanische  Ansiedelungen  bestanden, 
findet  sich  auch  diese  Rasse,  welche  natürlicherweise  eine  sehr  ge- 
mischte und  in  vielen  Beziehungen,  vom  Standpunkt  des  Züchters 
aus,  verkommene*  ist.    Auch  die  Colonisten  des  0.  und  N.  brachten 


VII.  Die  Landwirthschaft,  293 

Rinder  aus  den  Ländern  mit,  denen  sie  entstammten,  vorzüglich 
englische,  niederländische  und  französische.  Aus  der  Vermischung 
dieser  höchst  verschiedenen  Rassen  entstand  das,  was  man  den 
Native  StocJc  von  Amerika  nennt,  eine  Rasse,  welche  bei  den  ausser- 
ordentlichen localen  Verschiedenheiten,  welche  sie  aufweist,  schwer 
zu  charakterisiren  ist  und  in  der  That  gegenüber  anderen  Rassen 
vorzüglich  nur  durch  die  Mannigfaltigkeit  ihrer  Erscheinung  und 
den  Mangel  grosser  durchgehender  Rasseneigenschaften  charakterisirt 
ist.  Die  Einfuhr  von  Short-Horns  aus  England  nach  Virginien  im 
Jahr  1793  kann  als  die  erste  Zufuhr  von  Rassenthieren  bezeichnet  ^ 
werden,  welche  beglaubigt  ist  und  auf  welche  Stammbäume  zurück- 
geführt werden  können.  Später  führte  man  auch  Devons,  Herefords, 
Ayrshires  u.  a.  ein,  welche  jedoch  hinter  den  Short-Horns  als  der 
beliebtesten,  den  Verhältnissen  der  mittleren  und  n.  Staaten  der 
Union  am  besten  angepassten  Rasse  zurücktreten.  Diese  Rinder 
gehen  heute  von  Neu -England  bis  S.  Carolina  und  hinüber  bis 
Minnesota  und  Oregon ;  ausgeschlossen  sind  sie  nur  aus  den  echten 
Gebirgsgegenden.  Ihre  Eigenschaften  werden  voraussichtlich  den 
grössten  Einfluss  auf  die  Rassen  üben,  welche  in  den  V.  St.  sich 
herausbilden.  Die  Art  der  Rindviehzucht  ist  je  nach  den  örtlichen 
Bedingungen  natürlich  auch  in  Amerika  sehr  verschieden.  Der  Neu- 
ansiedler, dem  es  in  erster  Linie  darauf  ankommt,  sich  einen  Grund- 
stock von  Vieh  gewissermassen  als  Capitalstock  und  auch  für  den 
eigenen  Gebrauch  zu  schaffen,  lässt  im  Anfang  alles  ohne  Ausnahme 
aufwachsen  und  achtet  es  nicht  besonders,  wenn  die  Heerde  in  den 
ersten  Wintern  aus  Mangel  an  Winterfutter  hungert  und  herunter- 
kommt. Er  berechnet  die  Zeit  der  Winterfütterung  gewöhnlich  zu 
kurz,  aber  für  die  n.  Staaten  sind  180  Tage  eine  massige  Schätzung. 
Von  Frühling  an  lässt  er  sie  im  Wald  oder  auf  der  Prärie  ihre 
Nahrung  suchen.  Aber  die  Prärie  gibt  doch  nur  im  Juni  und  Juli  \y 
genügend  nahrhafte  Weide,  später  wird  das  Gras  rasch  trocken  und 
bei  etwas  fortgeschrittenerer  Landwirthschaft  haben  die  Kleeäcker 
in  diese  Lücke  einzutreten.  Dem  Futtermangel  im  Winter  hilft 
der  Waldfarmer  dadurch  ab,  dass  er  Ahorn-  und  Lindenbäume  ^ 
umhaut,  von  deren  Knospen  das  Vieh  sich  gerne  nährt.  Der  geringe 
Ertrag   von    100  Pfd.    Butter,    den    man   von   einer   gewöhnlichen 


294  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Weidekuh  im  W.  rechnet,  entspricht  dieser*  geringen  Sorgfalt  der 
Wartung.  Im  0.,  wo  man  in  dieser  Beziehung  mehr  Zeit  und 
Mühe  aufwendet,  ist  das  Doppelte  dieses  Erträgnisses  keine  Selten- 
heit. Wo  noch  genug  Raum  zu  weiten  Weidegründen  ist,  wie  im 
W.,  lässt  man  die  Heerden  zu  4  —  500  Stück  von  einem  berittenen 
Hirten  austreiben,  dem  unter  Umständen  auch  die  Aufgabe  zufällt, 
eben  so  grosse  und  noch  grössere  Heerden  hunderte  von  Meilen 
nach  den  Verkaufsorten  zu  treiben.  Wie  viel  sich  indessen  in  den 
Ost-  und  zum  Theil  auch  den  älteren  Weststaaten  in  dieser  Hin- 
sicht schon  verbessert  hat,  zeigt  die  erstaunliche  Leistungsfähigkeit, 
welche  die  Milchwirthschaft  erreicht  und  selbst  auf  den  europäischen 
Märkten  schon  sehr  entschieden  zur  Geltung  gebracht  hat. 

y  Die  erste  grosse  Käserei  wurde  1851  in  Oneida  Cy.  N.  Y. 
gegründet  und  noch  heute  steht  der  Staat  New  York  mit  gegen 
1000  Käsereien  und  Buttereien  an  der  Spitze  dieser  Industrie. 
Ohio  hat  etwa  100  solcher  Anstalten  und  in  geringerer  Menge  sind 
sie  in  Illinois,  Vermont,  Massachusetts,  Pennsylvania  und  Wisconsin 
vorhanden.     Gelegentlich   einer  Molkereiausstellung,    welche  in  der 

^ersten  Decemberwoche  1878  in  New  York  abgehalten,  wurde  die 
Gesammterzeugung  von  Käse  in  den  V.  St.  auf  3^'2  und  die  von 
Butter  auf  15  Mill.  Ctr.,  ihr  Werth  auf  350  Mill.  D.  und  die  Aus- 
fuhr von  1878  auf  IVs  Mill.  Ctr.  für  Käse  und  250000  Ctr.  für 
Butter  angegeben^). 

1876/77    bewerthete   die   Ausfuhr   von  lebendem  Rindvieh   aus 

.  den  V.  St.  l^/s  Mill.  D.  für  50000  Stück,  welche  fast  alle  nach 
Westindien,  Canada  und  Mexico  gingen,  mit  Ausnahme  von  4091 
nach  Grossbritannien  gesandten.  An  Produkten  der  Rindviehzucht, 
welche  in  demselben  Fiscaljahre  31  Proc.  sämmtlicher  Ausfuhren 
thierischer  Natur  ausmachten,  kamen  für  44745518  D.  zur  Ausfuhr, 
und  zwar  in  erster  Linie  Käse,  wovon  für  12 V2  Mill.  D.  nach 
Grossbritannien  gingen,  Talg  für  7,8  Mill.,  Leder  6  Mill.,  frisches 
Rindfleisch  ausschliesslich  nach  Grossbritannien  für  4  V2  Mill.,  Butter 
4V2  Mill.,  Häute  und  gesalzenes  Rindfleisch  je  3  Mill.  Der  grösste 
Abnehmer  für  alle  diese  Produkte  ist  Grossbritannien  mit  75  Proc, 


1)  S.  Bericht  in  der  Times  W.  Ed.  2S.  Dec.  1878. 


VII.  Die  Landwirthschaft.  295 

Deutschland  folgt  mit  öVa,  Frankreich  mit  S^k,  Canada  und  West- 
indien mit  je  3. 

Die  Censusberichte  geben  für  1870  23^/5  Mill.  Werkochsen, 
Milchkühe  und  andere  Rinder  an.  Die  Milchkühe  betragen  etwa 
Vs  der  gesammten  Rinderzahl  und  sind  am  stärksten  vertreten  in 
New  York,  Pennsylvania,  Ohio  und  Illinois,  während  das  gewöhn- 
liche Rindvieh  in  der  grössten  Zahl  in  Texas  (2,9  Mill.),  Ohio, 
Illinois,  Missouri,  New  York,  Indiana  und  Iowa  vertreten  ist.  Nach 
einer  Zählung  von  1877  gab  es  in  diesem  Jahre  19  V*  Mill.  Rinder 
und  Ochsen  und  llVs  Mill.  Milchkühe,  zusammen  über  3IV2  Mill., 
welche  in  ähnlichen  Verhältnissen  wie  1870  vertheilt  waren. 

Die  Zahl  der  Pferde  in  den  V.  St.  wurde  Januar  1878  auf 
IOV3  Mill.  geschätzt ;  die  amtliche  Zählung  von  1870  hatte  l^j-,  Mill. 
ergeben.  Man  rühmt  sich  in  Nord  -  Amerika ,  V«  aller  Pferde  der 
Welt  zu  besitzen.  Aber  mit  dieser  grossen  Masse  geht  eine  Viel- 
artigkeit der  Rassen  Hand  in  Hand,  welche  mit  geringerer  Befrie- 
digung betrachtet  wird.  Ein  Kenner,  Col.  Ringwalt,  nennt  sie  eine 
unprecedented  variety^).  Seit  der  Verschmelzung  der  jenseits  des 
Mississippi  gelegenen  Theile  mit  den  alten  Staaten  ist  das  Pferd 
spanischer  Abstammung,  das  die  Zwischenstufe  des  verwilderten 
Präriepferdes  durchgemacht  hat  oder  noch  auf  derselben  steht,  der 
Grundstock  geworden  durch  absolutes  Ueberwiegen  der  Anzahl  und 
durch  bestimmt  ausgeprägten  Charakter.  Schon  die  Indianer  züch- 
teten vortreffliche  Pferde  dieser  Rasse,  welche  zwar  klein,  aber  in 
hohem  Grade  ausdauernd  ist  und  in  der  Schlankheit  und  Sehnigkeit 
der  Formen  manchmal  an  den  Tropfen  des  arabischen  Blutes  er- 
innert, der  noch  von  Andalusien  her  in  ihren  Adern  fliesst.  Bei 
den  Indianern  von  Washington  Terr.  sind  jährlich  wiederkehrende  v^ 
Pferderennen  ganz  gebräuchlich^)  und  selbst  bei  armen  Stämmen 
sind  einzelne  vorzügliche  Pferde  vollständig  unverkäuflich.  Unter 
den  Rassen  des  0.  sind  die  Conestoga-Pferde,  deren  Heimat  Deutsch-  ^ 
Pennsylvanien,  eine  der  wenigen  scharf  charakterisirten ;  die  Deutschen 
dieser   Gegend   züchteten   mit  Vorliebe   schwere  Zugthiere,    welche 


1)  Rep.  Agric.  Dep.  1866.  322. 

2)  Pacific  R.  R.  Report  I. 


296  .  VII.  Die  Landwirthschaft. 

den  flämischen  und  dänischen  Pferden  nahestehen  und  die  einzigen 
Vertreter  dieser  Gattung  in  Nord -Amerika  sind.  Eine  scharf  aus- 
geprägte Rasse  ist  der  amerikanische  Traher  (Trotter  oder  Roadster), 
in  seiner  Art  unübertroffen.  Aber  die  grosse  Masse  der  nordameri- 
kanischen Pferde  ist  ein  buntes  Mischlingsvolk,  in  welchem  englisches 
und  spanisches  Blut  um  den  Vorrang  streiten.  Die  Erfahrungen 
im  Secessionskriege,  in  welchem  der  Reiterei  und  Artillerie  eine  so 
hervorragende  Rolle  zufiel,  haben  dem  englischen  Pferde  überall,  wo 
es  auf  Schnelligkeit  und  Ausdauer  ankam,  den  Vorrang  zuerkennen 
lassen,  während  die  rein  amerikanischen  Traber  sich  als  unüber- 
treffliche Artilleriepferde  auswiesen.  Für  den  Train  griff  man  zu 
Maulthieren,  welche  an  Ausdauer  die  Pferde  schlugen,  aber  an  Kraft 
durchschnittlich  nur  ^/s  von  der  der  Pferde  aufzuwenden  hatten^). 
Das  nordamerikanische  Mittel-  oder  Durchschnittspferd  ist  von 
mittleren  Qualitäten  und  vielseitig  verwendbar.  Die  unvollkom- 
menen Strassen  haben  sich  der  ausgedehnteren  Zucht  schwererer 
Schläge  fast  überall  ungünstig  erwiesen  und  die  Neigung  der  Züchter 
war  stets  mehr  den  zierlichen,  schnellen  und  ausdauernden,  wenn 
auch  kleineren  Rassen  zugewendet,  welche  aus  der  Kreuzung  der 
sog.  französischen  (canadischen)  und  indianischen  Ponies  mit  engli- 
schen Pferden  hervorgingen.  Die  Abgehärtetheit  gehört  zu  den  Vor- 
zügen des  nordamerikanischen  Pferdes,  dem  beim  Reichthum  an 
Weideland  von  vornherein  eine  natürlichere  Lebensweise  gestattet 
ist  als  der  Mehrzahl  der  unserigen.  Man  rühmt  ihm  auch  eine 
ganz  besonders  grosse  Sanftmuth  und  Gelehrigkeit  nach,  was  zum 
Theil  besonders  darum  richtig  sein  mag,  weil  der  Amerikaner  im 
Allgemeinen  sehr  gut  mit  Pferden  umzugehen  versteht,  da  er  Interesse 
an  ihnen  findet  und  stolz  auf  gute  Eigenschaften  derselben  ist. 
Selbst  ärmere  Farmer  füttern  ihr  Reitpferd  vortrefflich  und  lassen 
ihm  fast  eben  so  viel  Sorgfalt  angedeihen  wie  einem  ihrer  Kinder. 
Gute  Reitpferde  stehen  besonders  in  dem  im  Ganzen  doch  noch 
immer  sehr  wegarmen  Westen  in  hoher  Schätzung,  da  sie  zu  den  ersten 
Nothwendigkeiten  gehören.  Gerade  hier  ist  auch  die  Pferdezucht 
am  verbreitetsten  und  leichtesten,   weil   genug  Land  vorhanden  ist, 


1)  Rep.  Agric.  Dep.  1866.  326. 


VII.  Die  Landwirthschaft  297 

das  noch  werthlos  genug,  um  als  Weide  liegen  bleiben  zu  können. 
Die  pferdereicbsten  Staaten  waren  nach  der  oben  erwähnten  Zählung 
Illinois,  New  York,  Ohio,  Texas,  Iowa,  Indiana,  Missouri,  Pennsyl- 
vania. Im  Verhältniss  zu  seiner  Bevölkerungszahl  ist  bezeichnender- 
weise das  dichtbevölkerte  Massachusetts  am  ärmsten,  das  junge,  y^ 
weite  Californien  am  reichsten  an  Pferden. 

Die  Schafe  sind  in  den  V.  St.  erst  in  den  letzten  2  Jahr-  ^ 
zehnten  in  grosser  Ausdehnung  gezüchtet.  Erst  Californien  mit 
seinen  ausgedehnten  Weiden  und  seinem  günstigen  Klima  hat  den 
Anstoss  gegeben  zu  einer  Ausdehnung  dieser  Zucht,  welche  Nord- 
Amerika  die  dritte  bis  vierte  Stelle  unter  den  wollerzeugenden 
Ländern  anweist.  In  den  waldreichen  Staaten  des  atlantischen  und 
Mississippi  -  Gebietes  war  nicht  viel  Raum  für  grosse  Schafzucht, 
doch  wurde  sie  für  den  eigenen  Bedarf  betrieben.  Das  hiesige 
Schaf,  eine  sehr  gemischte  Rasse,  die  noch  heute  als  Native  oder 
Common  Stock  weit  verbreitet  ist  und  allen  neueren  Züchtungs- 
versuchen zur  Grundlage  gedient  hat,  ist  eine  sehr  zähe  und  frucht- 
bare, aber  kleine  und  im  Flies  mangelhaft  ausgestattete  Zucht. 
Die  Verbesserungen  haben  in  den  vielverzehrenden  atlantischen 
Staaten  vermittelst  zahlreicher  Kreuzungen  mit  englischen  Thieren 
die  Fleischschafe  und  anderwärts  die  für  den  Hausbedarf  günstigsten, 
zugleich  Wolle  und  Fleisch  liefernden  mit  Vorliebe  züchten  lassen, 
während  die  Merinos  und  ähnliche  zurückgegangen.  Die  Zucht 
von  reinen  Wollschafen  ist  vor  dem  Emporkommen  der  californi-  ^ 
sehen  Schafzucht  nur  in  den  Gebirgsgegenden  der  Alleghanies  und 
besonders  auf  ihren  trockenen ,  kalkreichen  Westabhängen  in 
grösserer  Ausdehnung  betrieben  worden.  Besonders  in  den  Mittel- 
und  Südstaaten  bieten  diese  Gebirgsgegenden  mit  ihrem  verhältniss- 
mässig  milden  Klima,  reichen  Weiden,  guter  Bewässerung  und  nahe- 
gelegenen Absatzpunkten-  günstige  Bedingungen.  Auch  die  Prärie- 
region und  ihre  Uebergangslandschaft  im  Ohio- ,  Missouri-  und 
Kansas- Gebiet,  sowie  in  Texas  sind  durch  Weidereichthum,  mildes 
Klima  und  günstige  Absatzverhältnisse  für  diese  Zucht  passend  und 
in  der  That  hat  sie  sich  hier,  besonders  in  den  letzten  30  Jahren, 
stärker  entwickelt  als  in  irgend  einem  anderen  Theil  der  Union, 
Californien  allein  ausgenommen.   Die  V.  St.  führten  1877/78  3478  Ctr. 


298  VII.  Die  Landwirthschaft. 

Rohwolle  im  Werth  von  93000  D.  und  ausserdem  für  438000  D. 
Wollfabrikate  aus.  Die  Einfuhr  von  Rohwolle  betrug  in  derselben 
Zeit  485000  Ctr.,  von  Wollfabrikaten  für  24  Mill.  D.  —  zusammen 
einen  Werth  von  gegen  32  Mill.  D.  darstellend.  Allerdings  genügt 
also  die  eigene  Wollerzeugung  in  den  V.  St.  dem  Bedürfnisse  noch 
ynicht  und  bei  einer  Annahme  von  6  Pfd.  Wollverbrauch  p.  Kopf, 
die  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  zulässig,  scheint  es  auch  noch 
ziemlich  weit  bis  dahin  zu  sein.  Man  begreift  aber,  dass  in  einem 
für  den  Ackerbau  so  günstig  gearteten  Lande  wie  dem  0.  und  dem 
älteren  W.  der  V.  St.  die  grosse  Zahl  der  Landwirthe  sich  nur  allmählich 
einem  Zweige  der  Viehzucht  zuwendet,  welcher  Capital,  Rassen- 
kenntniss  und  weiten  Raum  verlangt.  Im  pacifischen  W.,  wo  von 
Anfang  an  die  grossen  Capitalien  und  der  durchgreifende  Unter- 
nehmungsgeist der  älteren  Staaten  nach  Anlage  in  grossartig  be- 
triebenen Schafzüchtereien  strebten,  hat  sich  dieser  Zweig  ganz  anders 
entwickelt  und  von  kleinen  Anfängen  im  Jahr  1853  sich  zu  einer 
Wollerzeugung  von  300000  Ctr.  in  1874  aufgeschwungen.  Die  Zahl 
der  Schafe  ist  jahrzehnteweis  von  1840 — 70  von  19  V3  auf  2r/io,  22  V2 
und  28 V2  Mill.  gestiegen.  Anfangs  1878  stand  sie  bei  35'/io  Mill., 
wovon  nahezu  V5  in  Californien.  Die  Wollerzeugung  hob  sich  von 
525000  Ctr.  in  1850  auf  630000  in  1860  und  1  Mill.  in  1870. 
1878  standen  an  Zahl  der  Schafe  und  Grösse  der  Wollerzeugung 
Californien,  Ohio,  Texas,  die  Territorien,  New  York,  Michigan, 
Pennsylvania,  Indiana  und  Illinois  in  erster  Linie.  Californien, 
Ohio  und  Texas  betheiligten  sich  zu  V3  an  der  gesammten  Woll- 
erzeugung der  V.  St. 

Die  Schweine,  welche  in  den  V.  St.  gezüchtet  werden,  sind 
ebenfalls  aus  der  Vermischung  der  verschiedensten  Rassen  unter 
vorwiegender  Betheiligung  von  Schweinen  englischer  und  irischer 
Herkunft  hervorgegangen.  Die  grösste  Zahl  besteht  noch  immer 
aus  einer  mittleren  unbestimmten  Rasse,  der  sog.  Landrasse,  welche 
genügsam,  aber  in  keiner  Beziehung  vorzüglich  ist.  Dieselbe  ist  in 
neuerer  Zeit  vorzüglich  mit  Suffolks  und  Berkshires  gekreuzt  worden. 
Kein  Zweig  der  Viehzucht  passte  besser  zu  den  Lebensbedingungen 
und  den  Bedürfnissen  der  Ansiedler  als  dieser  und  keiner  hat  sich 
in  Folge   dessen   so   rasch   ausgebreitet.     Für  den  ersten  Ansiedler 


Vn.  Die  Landwirthschaft.  299 

ist  das  Schwein  nützlicher  als  irgend  ein  anderes  Hausthier,  den 
Hund  etwa  ausgenommen.  Man  lässt  es  frei  laufen  in  den  noch 
ungelichteten  Wäldern,  welche  ihm  so  reichliches  Futter  bieten,  ^y 
dass  es  unter  nicht  ganz  ungünstigen  Verhältnissen  bis  zum  Spät- 
herbst einen  vollständigen  Mästungsprocess  durchmacht.  Die  Aus- 
gabe der  Winterfütterung  ist  nicht  gross,  wenn  man  erwägt,  dass 
in  den  jungen  Ansiedelungen  oft  schon  im  2.  oder  3.  Jahr  ein 
Ueberschuss  an  Getreide  und  besonders  an  Mais  vorhanden  ist,  für 
den  beim  Mangel  naher  Städte  und  guter  Wege  keine  Verwendung 
besteht.  Durch  die  Schweinemast  wird  derselbe  in  eine  marktbare 
Form  gebracht^)  und  der  Farmer  erhält  nicht  nur  Fleisch  und 
Fett,  sondern  auch  das  Oel  (Lard  Oil),  welches  aus  dem  Speck  des 
Schweines  bereitet  wird  und  vor  der  Petroleumzeit  das  verbreitetste  ^ 
Leuchtmaterial  in  den  ländlichen  Distrikten  des  W.  war,  ferner 
Material  zur  Seifenbereitung.  Vor  der  weiten  Verbreitung  der 
Schweinezucht  waren  nur  die  Schnapsbrennereien  erhebliche  Ab- 
nehmer des  Getreideüberflusses,  aber  auch  diese  immer  nur  in  der 
Nähe  brauchbarer  Transportwege^).  Die  Ausfuhr  kam  so  wenig  in 
Betracht,  dass  ihr  ganzer  Betrag  sich  1860  auf  2  Proc.  des  Ernte- 
ertrages belief.  Es  bleibt  nur  die  Schweinezucht  übrig  als  ein 
Hauptmittel,  um  diesen  fast  unbewältigbaren  üeberfluss  in  gewinn- 
bringender Weise  zu  verwerthen.  Für  diesen  Zweck  erntet  man 
vielfach  den  Mais  nicht  erst,  sondern  treibt  die  Schweine  in  die 
Maisfelder,  die  man  ihnen  abtheilungsweise  einräumt  und  die  sie 
auf  diese  Weise  dann  nach  und  nach  abfressen.  Wenn  nöthig 
überlässt  man  ihnen  auch  schon  im  Frühsommer  den  grünen  Mais 


1)  Freilich  sind  auch  die  Schweinepreise  in  den  neubesiedelten  Gegenden 
des  W.  oft  ausserordentlich  niedrig  gewesen.  75  Cts.  bis  1  D.  für  den  Centner 
frischgeschlachteten  Schweinefleisches  war  zu  einer  Zeit  ein  annehmbarer  Preis. 
(Rep.  Dep.  Agric.  1866.  382.)  Entsprechend  gering  pflegten  allerdings  auch  die 
Preise  des  Maises  zu  sein.    In  den  holzarmen  Präriegegenden  von  Illinois,  Iowa 

u.  s.  w.  wurde  Mais  als  Heizmaterial  verwandt.     Sogar  40  Km.  vom  Ohio   ent-  ^ 
fernt   wurden    im    s.  Illinois    noch   in    den  50  er  Jahren   Massen   zu  6  Cts.  der 
Bushel  vergeblich  angeboten. 

2)  Die  weite  Verbreitung  der  Trunksucht  im  W.  der  V.  St.  hängt  jedenfalls  vX 
zu  einem  guten  Theile   mit  der  Billigkeit  und  Vortrefflichkeit  des  Kornbrannt- 
weins in  jener  Zeit  zusammen. 


300  VII.  Die  Landwirthschaft. 

oder  Hafer.  Man  berechnet,  dass  auf  diese  Art  100  A.  Maisland 
350  Schweine  mästen.  Die  Zahl  der  Schweine  betrug  1870 
25134569  und  1878  32262500.  1878  folgten  nach  der  Grösse 
ihres  Schweinereichthums  Iowa,  Missouri,  Indiana,  Ohio,  Illinois, 
Tennessee,  Texas  nach  einander.  1877/78  kamen  I2V3  Mill.  Schweine 
überhaupt  zur  Schlachtung  und  das  Schlachten  der  Schweine  und 
die  Bereitung  der  Dinge,  die  aus  ihrem  Fett  und  Fleisch  und  aus 
den  Abfällen  hergestellt  werden,  ist  eine  der  grössten  und  merk- 
würdigsten Industrien  der  V.  St.^).  Sitz  derselben  bleibt  immer 
vXder  W.,  wo  Chicago,  Cincinnati,  S.  Louis,  Milwaukee,  Louisville  und 
Indianopolis  70  Proc.  des  ganzen  Geschäftes  besorgen.  Im  Winter 
1877/78  schlachtete  Chicago  2  501285,  Cincinnati  632302,  S.Louis 
509540,  Milwaukee  371 382,  Louisville  279  414,  Indianopolis  270150. 
Vom  Sommer  1877  kommen  noch  hinzu  für  Chicago  1508026, 
Cincinnati  134416,  S.Louis  148  277,  Milwaukee  54785,  Louisville 
19  800,  Indianopolis  204264  —  zusammen  also  im  Sommer  und 
Winter  1877/78  in  diesen  sechs  Städten  6  634241.  Ausserdem  sind 
noch  an  verschiedenen  Orten  der  Staaten,  denen  diese  Porcopolen 
angehören,  und  in  Iowa,  Michigan,  Tennessee,  Nebraska,  Kansas 
und  Minnesota  grössere  Mengen  zwischen  23000  und  486000  ge- 
schlachtet worden.  In  den  grossen  atlantischen  Städten  New  York, 
Philadelphia,  Boston,  Baltimore  wurden  in  demselben  Jahr  2578355, 
in  den  pacifischen  Staaten  310000,  in  Buffalo  und  Albany  200000 
geschlachtet.  Die  Erzeugnisse  dieser  Schlächtereien  machten  1876/77 
60  Proc.  aller  Gegenstände  thierischer  Natur  aus,  welche  von  den 
V.  St.  ausgeführt  wurden.  Dem  Werthe  nach  stehen  am  höchsten 
Schinken  und  Speck  mit  49V,,  das  Schmalz  mit  25%,  das  Salz- 
fleisch mit  6V3  Mill.  D.  Der  Werth  der  gesammten  Ausfuhr  von 
schweinernen  Gegenständen  belief  sich  in  diesem  Jahr  auf  81%  Mill.  D. 
An  lebenden  Schweinen  kamen  65107  zur  Ausfuhr. 


v/  1)  Man   gibt   folgende   Mengen   als    das    Ergebniss   der    Verarbeitung   von 

354000  Schweinen  an:  180000  Fässer  Salzfleisch,  250000  Ctr.  Schinken, 
165000  Ctr.  Speisefett,  6000  Gall.  Specköl,  500  Gall.  Rothöl,  480  Gall.  Olein, 
39  000  Ctr.  Kerzen,  31 500  Ctr.  Stearin,  6000  Ctr.  Glycerin  und  35  750  Ctr.  Seife  ^). 
Im  Allgemeinen  rechnet  man  auf  60  Proc.  Fleisch  24  Proc.  Fett  und  16  Proc, 
Verlust. 


1)  Rep.  Agric.  Dep.  1866.  389, 


VII.  Die  Landwirthsctaft.  SOl 

Nicht  zu  vergessen  sind  unter  den  Hausthieren  die  Hunde,  die 
gerade  in  einem  Lande  mit  weit  vertheilter  und  grossentheils  in  einzelnen 
Gehöften  und  kleinen  Weilern  wohnender  Bevölkerung  besonderen  Werth 
erlangen.  Ein  Bericht  über  die  Zahl  der  von  Hunden  getödteten  oder 
verletzten  Schafe  schätzte  .  1866  die  Zahl  der  Hunde  in  den  V.  St.  auf 
5  Mill.  und  ihre  Unterhaltungskosten  auf  das  10  fache  dieser  Zahl.  In  ^ 
demselben  Jahr  sollen  130000  Schafe  von  Hunden  getödtet  und  300000 
verstümmelt  worden  sein*). 

Ueber  den  ursprünglich  amerikanischen  Truthahn,  welcher  noch 
immer  eine  sehr  wichtige  Stelle  unter  den  Bewohnern  der  Hühnerhöfe  ein- 
nimmt, ist  bereits  oben  (S.  32)  gesprochen. 

Die  Seidenzucht  war,  wie  oben  hervorgehoben  (S.  267),  einst 
bedeutender  als  jetzt;  sie  hatte  ihren  Sitz  vorzüglich  in  den  Südstaaten, 
wo  sie  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  zu  nicht  unerheblichen 
Ergebnissen  führte.  Die  einseitige  Entwicklung  des  südlichen  Ackerbaues 
hat  im  Laufe  unseres  Jahrhunderts  die  Seidenzucht  in  diesem  Gebiete 
zurückgedrängt.  Ihr  Ertrag  fiel  von  61552  Pfd.  Cocons  in  1840  auf 
3937  in  1870.  Sie  hat  also  aufgehört,  eine  Industrie  von  Bedeutung  zu 
sein.  Sie  gehört  zu  denjenigen,  welche  sich  den  früheren  Ansiedlern  ganz 
natürlich  darboten ,  solange  dieselben  noch  nach  der  Auffindung  der 
lohnendsten  Betriebe  umherexperimentirten.  Sobald  sie  sich  entschieden 
auf  bestimmte  Culturen  geworfen  hatten,  blieben  ihnen  keine  Arbeitskräfte 
für  die  sehr  anspruchsvolle  Pflege  der  Seidenwürmer  übrig.  Auch  die 
Krankheit  der  Seidenwürmer  hat  zum  Verfall  der  Zucht  beigetragen. 

Bienenzucht.  Die  Bienen,  welche  in  den  V.  St.  gezüchtet  werden, 
sind  europäischen  Ursprungs  (vgl.  B.  I.  411).  Man  hat  allerdings  einige 
amerikanische  Bienen  aus  den  Gattungen  Melipona  und  Trigona  zu  züchten 
versucht,  aber  nicht  mit  Erfolg.  Die  Honig-  und  Wachserträge,  welche 
1870  auf  14702  815  Pfd.  für  jenen  und  631129  Pfd.  für  dieses  angegeben 
wurden,  stam.men  ausnahmslos  von  unserer  Apis  mellifica.  Die  Bienenzucht 
war  in  dem  genannten  Jahre  am  ertragreichsten  in  Illinois,  N.  Carolina,  ^ 
Kentucky,  Missouri  und  Tennessee.  Die  Erzeugung  von  Honig  und  Wachs 
belief  sich  1860  auf  25^3  Mill.  Pfd.  Sie  ist  besonders  in  New  York  und 
N.  Carolina,  ausserdem  in  allen  Südstaaten  zurückgegangen.  Dagegen  ist 
es  gewiss,  wenn  auch  keine  zusammenfassenden  Zählungen  für  die  letzten 
Jahre  vorliegen,  dass  sie  sich  seit  1870  wieder  gehoben  hat.  Ende  1878 
wurde  die  Honigerzeugung  der  V.  St.  auf  350000  Ctr.  jährlich  geschätzt. 
In  demselben  Jahr  begann  zuerst  die  Ausfuhr  desselben  nach  Europa 
grössere  Masse  anzunehmen.  Im  November  und  December  1878  wurden 
allein  in  England  180  T.  davon  eingeführt. 


1)  Rep.  Agric.  Dep.  1866.  80. 


VIII.  Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung. 

Verbreitung  der  Wälder  in  dem  Gebiet  der  V.  St.  303.  Ihre  Vertheilung 
über  die  einzelnen  Staaten  304.  Neuanpflanzungen  von  Wäldern  305.  Anfänge 
von  Forstschutz  und  Waldwirthschaft  306.  Waldverwüstung  und  Waldbrände  307. 
Der  Holzverbrauch  und  Holzhandel  307.     Die  wichtigsten  Nutzhölzer  308. 


Das  Waldland  der  V.  St.  wird  zu  25  Proc.  der  Gesammtfläche 
geschätzt.  Die  V.  St.  stehen  also  an  Waldreichthum  hinter  Skan- 
dinavien, Russland  und  Deutschland  zurück,  aber  allen  anderen 
Ländern  Europas  voran  ^). 

Die  Zusammensetzung  und  Vertheilung  der  Wälder  über  das 
weite  Gebiet  ist  schon  im  ersten  Bande  (S.  366)  besprochen  worden 
und  die  ebendort  gegebene  Wälderkarte  der  V.  St.  lässt  die  allge- 
meinen Umrisse  derselben  erkennen.  Hier  sei  so  viel  wiederholt, 
dass  der  0.  bis  etwa  zum  96.  Längegrad  eben  so  waldreich,  wie 
das  w.  davon  gelegene  Gebiet  waldarm  ist.  Es  entspricht  dieser 
Unterschied  der  ungefähr  in  dieselbe  Grenzlinie  fallenden  Scheidung 
von  Wald-  und  Steppengebiet.  Nach  einem  für  die  ganze  Erde 
gültigen  Gesetze  sind  die  Gebirge  waldreicher  als  die  tiefer  ge- 
legenen Striche,  die  wohlbewässerten  Tieflandstrecken  waldreicher 
als  die  zur  Dürre  hinneigenden  Hochebenen.  Maxima  der  Bewal- 
dung finden  sich  im  NO.,  NW.  und  im  SO.  Im  NO.  das  reich- 
bewässerte und  dünnbevölkerte  Innere  des  Staates  Maine  und 
das  Adirondack- Gebirge,  im  NW.  die  Theile  von  Michigan  und 
Wisconsin,  welche  um  den  L.  Superior  liegen,  im  SO.  die  Halb- 
insel Florida    sind    die    waldreichsten  Gebiete    im   0.     der   Union. 


1)  Norwegen    .     . 

.     .     66 

Schweden     .     . 

.     .     60 

Russland      .     . 

.     .     31 

Deutschland     . 

.     .     26,6 

Proc. 


Belgien      ....  18,5  Proc. 

Frankreich    .     .     .  16,8      „ 

Schweiz    ....  1,5        „ 

Grossbritannien      .  5         „ 


VIII.  Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung.  303 

Kleinere  Regionen  dichterer  Bewaldung  finden  sich  in  den  mittleren 
Alleghanies,  im  Dismal  Swamp  und  anderen  Küstensümpfen  an  der 
atlantischen  und  Golfküste.  Man  sieht  aus  dem  Vergleich  mit  der 
Regenkarte,  dass  die  niederschlagreichsten  Gegenden  im  Allgemeinen 
auch  die  waldreichsten  sind.  Minima  der  Bewaldung  finden  sich 
dagegen  in  den  dichtbevölkerten  und  gewerbthätigen  Gegenden,  wo 
die  Ausrottung  des  Waldes  am-  weitesten  vorgeschritten,  wie  in 
Neu -England  und  den  Mittelstaaten,  ferner  auf  den  Hochebenen 
am  w.  Abfall  der  Alleghanies  und  in  der  Seenregion.  Aber  die 
grösste  Lücke  im  Waldkleide  der  Union  wird  durch  die  Prärien 
und  Steppen  hervorgerufen,  welche  das  Gebiet  zwischen  dem  mitt- 
leren Missouri  und  dem  Red  R.  of  the  N.  auf  der  einen  und  dem 
Stillen  Ocean  auf  der  anderen  Seite  mit  Ausnahme  der  höheren 
Gebirge  erfüllen.  In  den  gebirgigen  Regionen  des  W.  findet  sich 
wenigstens  ein  Ansatz  von  Wald  überall,  wo  die  Höhe  über  2000  m 
hinausgeht.  Mit  der  Feuchtigkeit  nimmt  im  Allgemeinen  der  Wald- 
reichthum  von  N.  nach  S.  ab.  Die  einzige  nicht  von  grossen  Lücken 
unterbrochene  Waldzone  findet  sich  hier  an  der  Nordgrenze  der 
V.  St.  in  den  Territorien  des  n.  Felsengebirges :  Montana,  Idaho 
und  Washington,  der  eine  der  dichtest  bewaldeten  Gegenden  der 
V.  St.  in  dem  Westabhange  des  Cascadengebirgs  gelegenen  sehr 
feuchten  Theilen  von  Washington  Terr.  und  Oregon  angehört.  Ein 
weiterer  Unterschied  zwischen  0.  und  W.  beruht, in  der  vorwiegenden 
Zusammensetzung  der  Wälder  des  W.  aus  Nadelhölzern.  Sog.  harte 
Hölzer  sind  dort  in  so  geringer  Menge  und  Grösse  vertreten,  dass 
sie  für  den  industriellen  Bedarf  gar  nicht  in  Betracht  kommen. 

Was  die  Vertheilung  des  Waldes  in  den  verschiedenen  Staaten 
anbelangt,  so  ergaben  die  amtlichen  Erhebungen,  welche  1875  für 
die  Zwecke  der  Centennial -Ausstellung  in  Philadelphia  angestellt 
wurden^),  folgende  Zahlen.  Procente  des  Areals  sind  mit  Wald 
bedeckt:  in  Maine  46,9,  New  Hampshire  37,2,  Vermont  36,5,  Massa- 


1)  Der  erste  Anfang  einer  Waldstatistik  wurde  im  1870  er  Census  mit  der 
Scheidung  der  unmiproved  Farmlands  in  Waldland  und  waldloses  Land  gemacht. 
Die  Methode  der  genannten  späteren  Erhebungen  und  ihre  Resultate  sind  ausführ- 
lich dargestellt  in  Statisticfi  of  Foresty  (mit  31  Kärtchen)  in  Rep.  Comm.  Agric,- 
f.  1875.    244—359. 


304  Vin.  Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung. 

chusetts  29,2,  Rhode  Island  24,2,  Connecticut  21,2,  New  York  27,6, 
New  Jersey  28,1,  Pennsylvania  38,9,  Delaware  29,2,  Maryland  38,4, 
Virginia  49,4,  N.  Carolina  24,2,  S.  Carolina  60,6,  Georgia  60,2, 
Florida  50,6,  Alabama  63,5,  Mississippi  65,9,  Louisiana  59,1,  Texas 
26,7,  Arkansas  58 ,  Tennessee  59,9 ,  W.  Virginia  54,9 ,  Kentucky 
49,1,  Ohio  28,4,  Michigan  47,1,  Indiana  34,8,  Illinois  16,9,  Wis- 
consin 20,9,  Minnesota  17,1,  Iowa  14,1,  Missouri  45,4,  Kansas  5,6, 
Indian  Terr.  8,  Nebraska  5,2  j  Colorado  10,  Wyoming  8,  Neu- 
Mexico  6,  Arizona  6,  Montana  16,  Idaho  15,  Nevada  5,  Washington 
Terr.  33,  Oregon  25,2,  Californien  7,9. 

Von  den  für  den  Menschen  wichtigeren  Waldbäumen  ist  der 
Zuckerahorn  im  N.  ungefähr  eben  so  weit  verbreitet  wie  der  Mais, 
indem  er  von  den  Höhen  am  Südrand  der  Grossen  Seen  bis  zum  Winnipegsee 
hinaufgeht,  während  er  ö.  von  den  Alleghanies  nach  S.  nur  wenig  über 
die  Mittelstaaten  hinausgeht.  Dagegen  geht  er  im  Tbal  des  Mississippi 
und  an  seinen  Zuflüssen  bis  zum  32.  Grad  und  ist  besonders  häufig  in 
/Kentucky  und  Tennessee.  Die  übrigen  Ahornarten  sind  mehr  feuchtigkeits- 
liebend  und  besonders  die  weichholzigen  stehen  nur  hinter  den  Populus- 
arten  in  ihrer  Vorliebe  für  feuchte  Niederungen  zurück.  Sie  gehen  eben 
so  weit  nach  N.  und  im  0.  auch  weiter  nach  S.  als  der  Zuckerahorn. 
Die  Nordgrenze  des  letzteren  ist  im  Allgemeinen  auch  für  die  Buche 
und  Ulme  gültig.  Die  grössten  Wälder  der  ersteren  stehen  auf  den 
steifen  Tertiärthonen  am  Westabhang  der  Alleghanies,  von  denen  sie  nicht 
in  die  Ebenen  hinabsteigt.  Die  Linden  gehören  zu  den  vorwiegend  n. 
Bäumen,  gehen  eben  so  weit  nach  NW.  wie  der  Zuckerahorn.  Von  den 
Eichen  geht  die  Mehrzahl  bis  Massachusetts  und  Wisconsin,  während 
sie  den  n.  Neuengland  -  Staaten  und  Minnesota  grossentheils  fehlen.  Nur 
die  immergrünen  Eichen  sind  entschieden  südlich  und  finden  ihre  Nord- 
grenze am  James  R.  Tulpenbaum  und  Schwarzkirsche  finden  ihre 
Nordgrenze  ungefähr  bei  der  Breite  von  New  York.  Die  Kastanie 
gehört  dem  ganzen  N.  an  und  geht  südwärts  über  Maryland  und  Kentucky 
in  den  Ebenen  nur  vereinzelt  hinaus.  Walnuss  und  Hickory  sind 
vorwiegend  Bäume  der  Mittelregion,  sie  gehören  weder  dem  n.  Neu- 
England  noch  dem  äussersten  S.  an.  Von  den  Nadelhölzern  ist  das  werth- 
vollste  von  allen,  die  Weiss-  oder  Weymouthsföhre,  vorzüglich 
einem  Strich  eigen,  der  in  der  Gegend  des  45.  Breitegrades  nach  W.  bis 
Minnesota  zieht.  S.  vom  Potomac  treten  die  Gelbföhre  und  die  lang- 
nadelige  Föhre,  zwei  Hauptbestandtheile  des  Waldwuchses  der  Ebenen, 
hervor.  Taxodium  wächst  in  den  Sümpfen  von  Maryland  und  Tennessee 
südwärts.     Die   verwandte    Sequoia    gehört   nur    Californien    an.    Die 


VIII.  Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung.  305 

Tannen  sind  auch  in  der  Neuen  Welt  Bäume  des  N. ,  deren  Haupt- 
verbreitungsgebiet Neu-England,  das  n.  New  York,  Wisconsin  und  Minne- 
sota umfasst.  Nur  in  den  Gebirgen  ziehen  sie  weiter  nach  S.  und  zwar 
sowohl  in  den  Allcghanies  als  in  den  Westgebirgen,  in  welch  letzteren  sie 
in  einer  Anzahl  von  eigenthümlichen  und  hochwachsenden  Arten  auftreten. 
Auch  die  Lärche  ist  ein  Nordbaum,  der  seine  grösste  Häufigkeit  in  den 
feuchten  Regionen  von  Maine,  Wisconsin  und  Minnesota  findet. 

Die  Pflege  des  Waldes  hat  bisher  nur  geringe  Beachtung  in  den 
V.  St.  gefunden.  Es  war  die  regellose  Ausbeutung  so  ziemlich  die  einzige 
Richtung,  in  der  man  sich  mit  den  Wäldern  beschäftigt  hat.  Da  wo  es 
wirklich  Wälder  gibt,  ist  ihr  Schutz  erst  in  der  allerjüngsten  Zeit  mindestens 
ins  Auge  gefasst,  wenn  auch  noch  sehr  vereinzelt.  Nur  in  den  von 
Natur  waldarmen  Staaten  des  W.  hat  man  auch  der  Neuschaffung 
vonForsten  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Nachdem  verschiedene  Staaten, 
vor  allem  die  waldarmen  Präriestaaten  wie  Illinois,  Missouri,  Iowa,  seit 
1868  auch  Californien,  Gesetze  zur  Förderung  und  zum  Schutz  von  Baum- 
anpflanzungen erlassen  haben,  folgte  1875  die  Bundesregierung  selbst  mit 
einem  Gesetz ,  dessen  Ziel  das  gleiche  ist.  Durch  dasselbe  wird  Regie- 
rungsland demjenigen  zugesprochen,  der  einen  Theil  desselben  in  bestimmt 
vorgeschriebener  Weise  mit  Bäumen  bepflanzt  haben  wird.  Nach  8  Jahren 
soll  es  ihm  anheimfallen.  Es  sind  darin  Vorschriften  gegeben,  wie  die 
Bäume  gepflanzt  werden  müssen,  12  Fuss  von  einander  entfernt  u.  s.  f. 
Ueber  die  Art  der  Bäume,  welche  verlangt  werden,  ist  keine  Andeutung 
gegeben.  Zu  demselben  Zweck  hat  der  Staat  Nebraska  für  jeden  mit  \^ 
Waldbäumen  bepflanzten  Acre  einen  bestimmten  Theil  des  Grundeigenthums 
steuerfrei  gegeben.  Auch  die  grossen  Eisenbahngesellschaften  des  W.  haben 
seit  mehreren  Jahren  begonnen  längs  ihrer  Linien  und  um  ihre  Stationen 
herum  Waldbäume  anzupflanzen.  Ueber  die  Erfolge,  welche  bei  allen  diesen 
zahlreichen  Versuchen  erreicht  wurden,  liegen  sehr  viele  Berichte  vor*), 
denen  sich  als  zweifellos  festgestellt  entnehmen  lässt,  dass  in  den  Prärie- 
staaten, wo  der  Wald  von  Natur  nicht  ganz  fehlt,  die  Anpflanzungen  in 
grosser  Ausdehnung  gediehen  sind,  während  in  den  Steppen  die  dem 
Waldwuchs  durchaus  ungünstigen  natürlichen  Faktoren  wie  Dürre,  Stürme, 
Schneewehen  u.  dgl.  nur  an  den  geschütztesten  Stellen,  vorzüglich  in 
feuchten  Einsenkungen,  die  Bäume  aufkommen  Messen.  Jedenfalls  ist  es 
noch  nicht  sicher,  ob  man  jemals  einen  wirklichen  Wald  in  diesen  Gegenden 
sehen  wird.  Sind  doch  selbst  die  natürlichen  Wälder,  wie  sie,  auf  die 
Flussniederungen  beschränkt,  im  Thal  des  Platte  R. ,  Arkansas  etc.  vor- 
kommen, schon  einförmig  und  dünn  genug.  Die  Berichte  aus  den  Steppen- 
staaten stimmen  darin  überein,  dass  die  nicht  einheimischen  Bäume,  vor- 
züglich die  Nadelhölzer,  durchaus  schlecht  gediehen  sind. 


1)  Statistics  of  Forestry.     Rep.  Comm.  Agric.  1875.  334. 

ßatzel,   Amerika  II.  20 


306  Vni.  Die  "Wälder  und  ihre  Ausbeutung. 

Dem  eigentlichen  Wald  schütze  hat  die  Centralregierung  ebensowohl 
im  Interesse  des  Nationalvermögens,  das  sie  in  den  grossen  Waldländereien 
zu  verwalten  hat,  als  auch  des  allgemeinen  Besten  künftiger  Geschlechter 
seit  einigen  Jahren  mehr  Aufmerksamkeit  gewidmet  als  früher.  Die 
Wälder,  welche  noch  Bundeseigenthum  sind,  stehen  unter  der  Verwaltung 
des  Ministeriums  des  Inneren  (Secretary  of  the  Interior).  Die  Vorsteher 
dieses  wichtigen  Zweiges  der  Regierung  stellten  sich  früher,  als  ob  es  bei 
diesen  Ländereien  nur  auf  den  Boden  ankomme,  nicht  auf  das  Holz,  das 
er  trage.  Sie  Hessen  die  Regierungsforste  meilenweise  niederschlagen, 
ohne  sich  um  die  Folgen  zu  kümmern,  die  das  für  den  Boden,  für  die 
Staatskasse  und  für  den  künftigen  Nationalwohlstand  haben  musste^). 
Seitdem  K.  Schurz  das  Ministerium  des  Inneren  angetreten  hat,  ist  auch 
in  dieser  Richtung  reformirend  vorgegangen  worden.  Mit  Recht  nannte 
der  Bericht  des  Sekretärs  des  Inneren  für  1876/77^)  die  Zuweisung  von 
Nadelholz  und  besonders  Föhrenbeständen  (Pine  Lands)  unter  dem  Heim- 
stättengesetz eine  „missverstandene  Wohlthätigkeit,  welche  grossen  Schaden 
bringen  muss".  Dieselben  sind  für  Ackerbau  und  dauernde  Niederlassung, 
also  für  die  Grundbedingungen,  welche  das  Heimstättengesetz  erfüllt  sehen 
will,  meist  nicht  passend.  Sie  sind  grösstentheils  von  der  Natur  zur  Wald- 
wirthschaft  bestimmt,  aber  nicht  zum  Ackerbau.  Dies  gilt  vorzüglich  von 
den  Föhrenwäldern  am  Oberen  See  und  in  der  Region  des  Oberen 
Mississippi,  und  von  denen  der  pacifischen  Staaten  und  der  Territorien 
des  Felsengebirgs.  Auf  Hunderttausenden  von  Q.Kil.,  die  dort  unter  dem 
v/ Heimstättengesetz  von  Privaten  erworben  wurden,  ist  keine  Spur  von 
Ackerbau  zu  finden.  Das  Gesetz  wird  vielmehr  benützt,  um  die  Wälder 
um  so  leichter  ausbeuten  d.  h.  zerstören  zu  können.  Zur  Steuerung 
dieses  Uebels  schlägt  der  Bericht  vor,  dass  der  Staat  dieses  waldbestandene 
Land  genau  vermessen  lasse,  dass  er  es  baar  verkaufe,  soweit  er  es  ent- 
waldet sehen  wolle,  und  dass  er  aber  diejenigen  Strecken,  welche  er  im 
Interesse  einer  gesunden  Waldwirthschaft  erhalten  zu  sehen  wünsche,  von 
geeigneten  Beamten  verwalten  und  vor  den  lawless  trespassers  and  hogus- 
homesteaäers  schützen  lasse.  Sehr  treffend  hebt  der  Bericht  den  Mangel 
an  Folgerichtigkeit  hervor,  der  darin  liegt,  dass  man  in  den  waldlosen 
Steppengebieten  jedem  eine  Anzahl  von  Acres  zuweise,  der  dieselben  mit 
Espen  oder  anderen  werthlosen  Bäumen  bepflanze,  während  man  die 
besten  Forste  an  sog.  Ansiedler  verschleudere,  die  in  Wirklichkeit  nichts 
als  Speculanten  sind. 


^  1)  1877  berichtete  z.  B.  der  U.  S.  Surveyor  Major  Camp,  dass  im  Winter  76/77 
in  den  Fichtenwäldern  des  n.  Minnesota  127  Mill.  e.  F.  geschlagen  wurden, 
16  Mill.  waren  vom  vorhergehenden  Winter  übrig,  so  dass  also  143  Mill.  auf 
Verarbeitung  oder  Verschiffung  harrten. 

2)  Exec.  Docum.  2^1  Sess.  44tii  Congress.  Vol.  IV.  1. 


VIII.  Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung.  307 

Eine  grosse  und  schwer  zu  beseitigende  Ursache  des  Rückganges  der 
Wälder  sind  die  Waldbrände.  Das  Abbrennen  des  Unterholzes  oder  </ 
das  Niederbrennen  ganzer  Wälder,  sei  es  zu  Culturzwecken  oder  aus  Un- 
vorsichtigkeit, ist  sehr  häufig.  Ein  einziger  Brand  tödtet  den  Wald  nicht, 
es  bedarf  deren  mehrerer  auf  einander  folgender;  aber  wenn  3  Jahre  hinter 
einander  das  Gras  in  einem  Walde  abgebrannt  wird,  sind  auch  die  Bäume 
zerstört.  Die  von  Feuer  beschädigten  Bäume  werden  natürlicherweise 
leichter  von  den  Stürmen  angegriffen  als  die  gesunden.  Am  bedenklich- 
sten sind  solche  Zerstörungen  in  dem  ohnehin  waldarmen  Westen  und 
gerade  hier  sind  sie  bei  der  Trockenheit  der  Sommer  sehr  häufig.  Selbst 
an  den  höchsten  Berghängen  sind  dort  Waldbrände  nicht  selten.  „Die 
Feuer  verbreiten  sich  oft  bis  hier  herauf,  sagt  Hayden  in  seiner  Be-  ^ 
Schreibung  der  Quellen  des  Gallatin  R.,  und  tödten  die  grünen  Föhren 
ab,  die  dann  bald  stürzen  und  den  Boden  bedecken."  (6*^  Rep.  1872.  81. 
Hier  hat  man  sich  denn  auch  am  frühesten  zum  Schutz  der  Wälder  auf- 
gerafft, und  es  machte  z.  B.  schon  1874  die  Gesetzgebung  von  Colorado 
ein  Gesetz,  welches  das  Anzünden  von  Wäldern,  Prärien  u.  dgl.  mit 
2  Jahren  Gefängniss  und  bis  1000  D.  Geldstrafe  bedroht.  Gerade  in 
diesen  Gegenden  kommt  noch  der  grosse  Brennstoffbedarf  der  Bergbau- 
und  Hüttenindustrien  hinzu,  welcher  durch  die  Braunkohlenlager  des 
Fclsengebirges  nicht  befriedigt  werden  kann.  Weite  Gebiete  sind  in 
den  Silberregionen  Nevadas  und  Colorados  bereits  ganz  baumlos  gemacht. 
Der  Holzkohlenverbrauch  von  vier  der  grösseren  Silber -Schmelzöfen  in  ^ 
Eureka  Nev.  betrug  z.  B.  1871  durchschnittlich  im  Tage  4000  Busheis. 
Der  Bushel  wurde  zu  33  Cts.  angekauft  und  war  in  dem  genannten  Jahre  v^ 
schon  10  e.  M.  in  der  Runde  alles  Holz  in  Kohlen  verwandelt.  Zum  Glück 
sind  in  Nevada  die  Versuche  Dampfmaschinen  mit  holzigen  Wüsten- 
kräutern  zu  heizen  von  Erfolg  gekrönt  gewesen.  Aber  wie  lang  wird  das 
vorhalten  ? 

Der  Census  von  1870  gab  für  die  Holzindustrie  der  V.  St.  fol- 
gende Zahlen,  welche  indessen  nur  als  annähernde  zu  betrachten  sind: 
Bauholz  wurden  erzeugt  12  755  533  Tausend  e.  T.,  Laths  1 2950.91  Tausend 
und  Shingles  3  265516  Tausend.  Michigan,  Pennsylvania,  New  York,  Wis- 
consin, Maine  folgen  einander  hinsichtlich  der  Grösse  ihrer  Leistungen  in 
diesen  Zweigen  in  der  Reihenfolge,  wie  sie  hier  genannt  sind.  Es  wurden 
63  928  Anstalten  gezählt,  die  sich  ausschliesslich  mit  der  Verarbeitung 
des  Holzes  beschäftigen,  und  109  512,  in  denen  dies  vorwiegend  der  Fall 
ist.  Jene  verbrauchten  für  310,  diese  für  488  Mill.  D.  Holz;  jene  be- 
schäftigten 393  383,  diese  700915  Arbeiter.  Für  den  Holzverbrauch 
überhaupt  werden  gewaltige  Zahlen  angegeben.  Der  jährliche  Bedarf  an  ^ 
Schwellen  beträgt  400  Mill.,  der  an  Telegraphenstangen  300000.  Der 
Werth  des  zu  Packkisten  verbrauchten  Holzes  wurde  1877  auf  12  Mill.  D. 

20* 


308  VIII.  Die  Wälder  und  ihre  Ausbeutung. 

und  des  zu  Wagen,  Ackergerätheu  u.  s.  f.  verbrauchten  zu  100  Mill.  D. 
geschätzt.  Die  Zündhölzerfabriken  sollen  jährlich  300000  Cub.  F.  i^e.),  die 
Schuhfabriken  100000  Klafter  zu  Stiften  und  500  000  Kl.  zu  Leisten,  die 
Ziegelöfen  2  Mill.  Kl.  verbrauchen.  Der  Werth  des  ausgeführten  Bau- 
und  Nutzholzes  erreichte  1877/78  12  Mill.  D.,  wovon  auf  Bretter  und 
Planken  4V2,  auf  Bauholz  2^3,  auf  Fassholz  3^/4  Mill.  entfallen. 

Was  die  Nützlichkeit  der  nordamerikanischen  Hölzer  anbetrifft, 
so  sind  vorzüglich  einige  harte,  wie  Hickory,  Lebenseiche,  Weisseiche,  zu 
den  besten  ihrer  Gattung  zu  zählen,  während  unter  den  weichen  vorzüg- 
lich Weissföhre  (unsere  Weymouthsföhre),  Gelbfölire  und  Pechföhre,  dann 
im  pacifischen  Gebiet  Redwood  (Sequoia)  und  Zuckerföhre  zu  den  vor- 
züglichsten Bauhölzern  gezählt  werden.  Die  zunehmende  Verwendung 
dieser  sowohl  als  jener  in  Europa  und  anderen  ausseramerikanischen 
Ländern  bezeugt  ihre  Güte.  Zur  Beurtheilung  des  Werthes  der  hervor- 
ragendsten nordamerikanischen  Nutzhölzer  mag  folgende  Liste  einen  An- 
haltspunkt geben.  Dieselbe  ist  den  Registern  des  American  Lloyd  ent- 
v/nommen  und  zählt  die  Hölzer  nach  dem  Grade  ihrer  Tüchtigkeit  für  den 
Schiffsbau  auf.  Eine  erste  Classe  (Standard  Woods)  umschliesst  1.  Lebens- 
eiche, 2.  Weisseiche,  3.  Akazie  (Robinia),  4.  Rothceder  (Juniperus),  5.  Hack- 
matack  (Lärche),  6.  Kastanie,  7.  Weissföhre,  8.  Gelbföhre,  9.  Pechföhre, 
10.  Schwarzfichte.  In  einer  zweiten  (Mixed  Woods)  finden  sich  die  für  diese 
Zwecke  minder  wichtigen  in  folgender  Reihe :  11.  Schwarzeiche,  12.  Hart- 
ahorn, 13.  Hickory,  14.  Buche,  15.  Birke,  16.  Rock  Elm  (Ulme),  17.  Weiss- 
esche, 18.  Rothföhre,  19.  Bald  Cypress  (Taxodium),  20.  Sweet  Gum  (Liqui- 
dambar). 

Ausser  der  Holzgewinnung  ist  die  Erzeugung  von  Harz  und  Theer 
ein  wichtiger  Zweig  der  Waldwirthschaft  in  den  V.  St.  und  zwar  am 
meisten  in  den  sprichwörtlich  föhrenreichen  Südstaaten  N.  und  S.  Carolina, 
Georgia  und  Alabama.  N.  Carolina  erzeugte  schon  am  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  mehr  Theer  und  Pech  als  alle  übrigen  Staaten  zusammen. 
Die  Pechföhre  galt  als  die  staple  commodüy  von  N.  Carolina  und  sie  ist 
es  noch  heute  in  einem  grossen  Theil  des  Südens.  Die  Ausfuhr  von  Harz 
betrug  1877/78  2,33  und  die  von  Terpentinöl  2,32  Mill.  D.  In  demselben 
Jahre  wurden  für  2,6  Mill.  D.  Pelzwerk  ausgeführt,  vorwiegend  Ergebniss 
der  Jagd  auf  Waldthiere.  Allerdings  dürfte  ein  Theil  davon  seinen  Weg 
aus  Britisch-Nordamerika  nach  den  V.  St.  gefunden  haben. 


IX.  Mineralreiclitliimi  und  Bergbau. 

Verbreitung  und  Eiitwickelung  309.  Geschichtliches  311.  Das  Recht  auf 
die  Mineralschätze  und  die  Gesetzgebung  313,  Rückwirkung  auf  die  Bevölke- 
rung 315.  Die  Miners  315.  Ihr  Wandertrieb  316.  Die  Prospectors  317.  Mining 
Excitements  310.  Betrieb  des  Bergbaues  320.  —  Eisen  321.  Die  hauptsäch- 
lichsten Erze  321.  Die  grossen  Eisenerz-Regionen  322.  Die  Roheisen -Er- 
zeugung 324.  Die  Hauptgebiete  der  Eisenindustrie  325.  Steinkohlen  327. 
Verbreitung  327.  Geologische  Verhältnisse  328.  Die  hauptsächlichsten  Kohlen- 
felder und  -hecken  329.  Anthracit  329.  Bituminöse  Kohlen  330.  Braun- 
kohlen 334.  Gold  33G.  Statistik  der  Goldgewinnung  in  den  V.  St.  336.  Die 
Goldlager  von  Californien,  von  Colorado  und  den  übrigen  Goldgebieten  des  W.  337. 
Gold  in  den  Alleghanies  341.  Silber  342.  Statistik  der  Silbergewinnung  in  den 
V.  St.  342.  Silbergebiet  von  Nevada  343.  Comstock  Lode  343.  Andere  Silber- 
gebiete 344.  Quecksilber  345.  Kupfer  346.  Blei  347.  Z i n k  und  andere 
Metalle  348.  Edelsteine  349.  Salz  349.  Bausteine  und  andere  Mine- 
ralien 350.    Stein  öl  351.    Vorkommen  351.    Gewinnung  und  Verfrachtung  353. 

Werthvolle  oder  nützliche  Metalle,  Erze  oder  Gesteine  sind 
über  die  ganze  Erde  hin,  wenn  man  alle  zusammennimmt,  in  so 
reicher  Fülle  zerstreut,  dass  man  in  einem  so  grossen  Gebiete  wie 
dem  der  V.  St.  wenigstens  eine  bedeutende  Mannigfaltigkeit  der- 
selben erwarten  kann.  In  der  That  gibt  es  kaum  eines,  das  in 
diesem  Lande  nicht  vorkäme.  Aber  die  wirthschaftliche  Bedeutung 
dieser  Vorkommen  hängt  von  der  Menge  und  der  Güte  derselben 
ab,  in  minderem  Grade  auch  noch  von  der  Lage  der  Fundorte.  In 
diesen  drei  wichtigen  Beziehungen  sind  die  V.  St.  noch  viel  mehr 
begünstigt,  als  die  Weite  ihres  Gebietes  von  vornherein  verheisst, 
welche  zahlreiche  Möglichkeiten  bieten  muss.  In  einzelnen  Theilen 
sind  die  V.  St.  so  ungewöhnlich  reich  an  Eisen,  in  anderen  an 
Steinkohlen,  in  anderen  an  Blei,  Kupfer,  Quecksilber,  Silber  oder 
Gold,  dass  sie  für  den  Bezug  keines  dieser  Stoffe  streng  genommen 
vom  Auslande  abhängig  zu  sein  brauchten.  Man  muss  freilich  bei 
der  Abschätzung  nicht  vergessen,  dass  die  Gewinnung  dieser  Schätze 
noch  nicht  alt  ist.  Die  Geschichte  lehrt,  dass  der  Wunsch,  Metalle, 
und  vor  allem  kostbare,  zu  finden,  in  Nord -Amerika  bei  weitem 
nicht  so  mäclitig  zu  der  Durchforschung  und  Besiedelung  des  Landes 
beigetragen  hat  wie  in  Mittel-  und  Süd-Amerika.  Zwar  spielt,  wie 
man  begreift,  das  Suchen  nach  ihnen  und  anderen  Schätzen  des 
Mineralreiches    immerhin    eine    nicht   geringe  Rolle   in   der  älteren 


310 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 


Geschiclite  der  später  zu  den  V.  St.  zusammengewachsenen  Colonien ; 
aber  die  gewaltige  Bedeutung,  welche  der  Reichthum  an  nutzbaren 
Erzen  für  die  neuere  und  neueste  Entwickelung  der  V.  St.  erlangt 
hat,  ist  im  Ganzen  nicht  über  50  Jahre  alt.  Damals  war  der  Ruhm 
der  Silberminen  von  Potosi  und  Guadalajara  schon  200  Jahre  alt. 
Wir  werden  diese  so  rasch  gewachsene  Bedeutung  im  Einzelnen  zu 
entwickeln  haben.  Für  jetzt  genüge  es  zur  allgemeinsten  Ab- 
schätzung derselben,  darauf  hinzuweisen,  dass  in  den  100  Jahren 
seit  der  Unabhängigkeitserklärung  bis  1876  in  runder  Summe 
2000  Mill.  D.  allein  für  Eisen,  Gold  und  Silber  durch  Bergwerks- 
arbeit, Goldwäscherei  u.  dgl.  dem  Boden  der  V.  St.  entnommen  sind 
und  dass  heute  die  V.  St.  in  der  gesammten  Eisenerzeugung  der 
Welt  die  zweite,  in  der  der  Steinkohlen  die  dritte,  in  der  des  Goldes 
die  zweite,  des  Silbers  und  des  Quecksilbers,  des  Kupfers  und  des 
Steinöls  die  erste  Stellung  unter  allen  Ländern  der  Erde  einnehmen. 
Die  Stellung,  welche  die  V.  St.  heute  mit  den  vier  Haupterzeug- 
nissen ihres  Bergbaues  in  der  Weltwirthschaft  einnahmen,  mögen  folgende 
Schemata  veranschauHchen* 

Roheisenerzeugung  der  Hauptgebiete  in  1876  (die  Zahlen  für  Russland  und  Schweden  beziehen  i 

sich  auf  1874). 


Grossbritannien 

V.  st. 

Deutschland 

Frankreich 

'5) 

1 

1 

1 

2,3 


1,6 


1  mm  =  100000  metr.  Tonnen. 

Kohlenerzeugung  der  Hauptgebiete  in  1876. 


1,4 


5,7      4,6 


Grossbritannien 


Deutschland 


V.  St. 


135,6 


48,3 
1  mm  =  2  Mill.  metr.  Tonnen. 


48,3 


'lij 


Durchschnitt  der  Silbererzeugung  der  Hauptgebiete  in  1871  —  75. 


Mexico 

V.  st. 

Bolivia 

2 
1 

Das  übr. 
Europa 

108  Mill.  Rm.  102  40        26        46 

1  mm  =  5  Mill.  RM. 

Durchschnittliche  Golderzeugung  in  den  Hauptgebieten  von  1871  —  75. 


Australien 

V.  St. 

Russland 

CS 

167  Min.  Rm. 


166 
1  mm  =  5  Mill.  RM. 


23    8 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  311 

Geschichtliches.  Schon  die  Spanier  hatten  in  Florida  und 
Georgia  nach  der  Herkunft  des  wenigen  Goldes  geforscht,  das  sie 
bei  den  Indianern  sahen.  Man  schreibt  alte  Aushöhlungen,  die 
man  in  den  Südstaaten  antrifft,  ihren  desfallsigen  Versuchen  zu.  In 
dem  Freibrief  der  virginischen  Ansiedelungen  hatte  sich  die  Krone 
Vs  des  Goldes  und  Silbers  und  Vis  des  Kupfers  vorbehalten,  welches 
gefunden  werden  würde.  Das  Gold,  das  man  in  Virginien  fand, 
war  sehr  spärlich;  aber  indem  man  goldglänzenden  Glimmer  oder 
Schwefelkies  dazu  rechnete,  glaubte  man  gewaltige  Reichthümer 
gefunden  zu  haben.  Die  junge  Colonie  erlebte  in  Folge  dessen  im 
Anfang  des  17.  Jahrhunderts  ein  Goldfieber,  wie  es  250  Jahre 
später  bei  der  Entdeckung  der  Schätze  von  Californien  und  Colorado 
durch  die  Bewohner  der  Neuen  Welt  ging.  Es  ist  eine  bemerkens- 
werthere  Thatsache,  dass  1620  in  Virginien  das  erste  Eisenbergwerk  y/ 
eröffnet  wurde.  In  Neu -England  dürfte  silberführender  Bleiglanz 
noch  in  den  50er  Jahren  des  17.  Jahrhunderts  entdeckt  und  seine 
Gewinnung  versucht  worden  sein  und  im  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts wurden  hier  mehrere  Kupferbergwerke  eröffnet.  In  Missouri 
entdeckte  P.  Le  Sueur  1700  Bleiminen,  von  denen  einige  seit  1720 
fast  ohne  Unterbrechung  in  Ausbeutung  begriffen  sind.  Das  ge- 
diegene Kupfer  am  Oberen  See  ist  bereits  den  Jesuiten-Missionären 
des  17.  Jahrhunderts  bekannt  gewesen;  aber  der  erste  Versuch 
seiner  Gewinnung  fand  nicht  vor  1771  statt  und  der  ernsthafte 
und  ununterbrochene  Bergbau  auf  dasselbe  ist  noch  nicht  40  Jahre 
alt.  1704  soll  in  keiner  der  englischen  Colonien  in  Nord- Amerika 
ein  Hochofen  bestanden  haben.  Nur  mit  Mühe  entgingen  die 
Colonien  1719  dem  Schicksal,  dass  ihre  Eisenindustrie  gleich 
anderen  Gewerben  den  Interessen  des  Mutterlandes  geopfert  ward. 
Immerhin  war  die  Ausfuhr  von  Roheisen  aus  den  Colonien  von 
3  T.  in  1717  auf  3000  in  1750  gestiegen  und  erreichte  1771  mit 
7525  T.  die  höchste  Zahl,  bis  zu  welcher  sie  überhaupt  in  der 
Colonialzeit  anstieg.  Nach  Beendigung  des  Unabhängigkeitskrieges 
brachte  ihr  der  übermässige  Zufluss  englischen  Eisens  einen  Schlag 
bei,  von  dem  sie  sich  nicht  eher  erholte,  als  bis  Zölle  auf  Eisen 
und  Eisenwaaren  der  einheimischen  Gewerbthätigkeit  in  dieser  Rich- 
tung einen  hinreichenden  Schutz  boten  und  bis  die  Aera  der  grossen 


312 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 


Canal-  und  Eisenbalinlinien,  etwa  mit  1825  beginnend,  die  eisen- 
und  kohlenreichen  Bezirke  der  Alleghany-  Region  in  Verbindung 
setzte  mit  den  grossen  Städten  an  der  atlantischen  Küste  und  damit 
mit  den  Mittelpunkten  des  grössten  Eisenbedarfes.  Von  1776  bis 
1827  wurden  nicht  mehr  als  2178239  T.  Roheisen,  also  wenig 
mehr  als  40000  T.  p.  Jahr,  erzeugt.  Erst  von  1825  an  ist  eine 
starke  Zunahme  der  Roheisenerzeugung  zu  erkennen.  Auch  für 
andere  Zweige  des  Bergbaues  und  der  damit  zusammenhängenden 
Industrien  sind  die  20  er  Jahre  der  Wendepunkt  von  zerstreuter 
und  unbedeutender  zu  der  Massenerzeugung,  welche  von  da  an  in 
der  Regel  nicht  mehr  zurückging.  Die  Anthracitgewinnung,  welche 
von  1776  — 1824  insgesammt  50000  T.  geliefert,  förderte  in  den 
darauffolgenden  6  Jahren  1825 — 30  die  12 fache  Menge  zu  Tage^). 
Ebenso  erreichte  die  Bleigewinnung  im  Jahr  1828  nahezu  das 
Doppelte  dessen,  was  von  1776 — 1824  erzeugt  worden  war.  Andere 
Zweige,  deren  natürlicher  Boden  der  W.,  kamen  natürlich  erst  zur 
Entfaltung  mit  dem  Vordringen  der  Cultur  oder  der  Eroberung 
nach  diesen  Seiten  hin.  So  das  Kupfer  des  Oberen  Sees  von  1844, 
das  Gold  und  Quecksilber  von  1848 — 50,  das  Silber  von  1859  an. 
Der  letzte  grosse  Schatz  an  mineralischem  Reichthum,  der  in  den 
V.  St.  gehoben  wurde,  ist  das  Petroleum,  das  zum  ersten  Mal  im 
Jahr  1859  in  Pennsylvanien  zufälligerweise  erbohrt  wurde. 

Bemerkenswerthe  Momente  in  der  Entwicklung,  welche  so  in 
Zeit  von  jetzt  50  Jahren  den  Bergbau  und  die  metallurgischen 
Industrien  der  V.  St.  zu  einer  der  ersten  Stellen  in  der  Welt  be- 
förderten, waren:  1.  der  Aufschwung  der  Anthracitförderung, 
^der  1824  und  25  statthatte  und  von  grosser  rückwirkender  Bedeu- 
tung wurde  für  die  Eisenindustrie  und  die  Kohlenförderung;  2.  die 
Verwendung  roher  bituminöser  Kohlen,  im  Hochofenprocess 
1845;  3.  die  Entwickelung  des  Kupferbergbaues  am  Oberen 
See  1844 ;  4.  die  Goldentdeckungen  in  Californien  1848, 
welchen  zahlreiche  minder  wichtige  seitdem  folgten;   5.  der  Beginn 


1)  Anthracit  wurde  zuerst  um  1768  im  Wyoming-Thale  verbraucht.  Das 
erste  Kohlenbecken  aber,  das  überhaupt  in  grösserem  Masse  ausgebeutet  wurde, 
war  das  triassische  von  Virginia. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  313 

des  regelmässigen  Bergbaues  auf  Quecksilber  in  Californien 
1851;  6.  Erfindung  des  Hydraulic  Mining  (s.  u.  S.  340)  in 
den  Goldfeldern  von  Californien ;  7.  erste  Anwendung  des  Bessemer- 
Processes  in  den  Stahlwerken  von  Pbilippsburg  N.  J.  1856;  ^ 
8.  die  Eisenlager  am  Oberen  See  werden  zum  ersten  Mal 
gründlich  ausgebeutet  1856;  9.  Entdeckung  des  silberreichen  C  o  m - 
stock-Lode  in  Nevada  1859;  10.  Entdeckung  der  Petroleum- 
lager im  w.  Pennsylvanien  1859. 

Die  Gesetzgebung  für  die  Angelegenheiten  des  Bergbaues 
hat  in  den  V.  St.  wohl  nur  in  so  weit  eiaen  grösseren  Einfluss 
auf  dessen  Entwickelung  geübt,  als  sie  ihn  freihielt  von  den  viel- 
fachen Einschränkungen,  denen  er  in  allen  romanisch-amerikanischen 
Ländern  unterworfen  war.  Das  englische  Common  Law  ist  auf 
diesem  wie  auf  allen  anderen  Gebieten  die  Quelle  der  hiesigen 
Reclitsanschauungen.  Nach  demselben  gehören  Gold  und  Silber  ^^ 
der  Krone,  alle  anderen  Erze,  die  keines  von  diesen  beiden  edeln 
Metallen  enthalten,  dem  Eigenthümer  des  Bodens.  Das  Recht  auf 
die  Mineralschätze  kann  jedoch  von  dem  auf  den  Boden  losgelöst 
werden.  Indem  der  grösste  Theil  des  Bodens  der  V.  St.  der 
Regierung  gehörte  und  erst  aus  deren  Hand  in  die  der  einzelnen 
Staaten  oder  Privaten  überging,  waren  auch  die  Mineralschätze 
grossentheils  ihr  Eigenthum.  Sie  machte  Versuche,  .dasselbe  zu 
verwerthen.  Aber  das  Ende  der  mit  grossen  Hoffnungen  für  die 
Bundesfinanzen  betrachteten  Bleireserven  in  Illinois  und  der  Kupfer- 
reserven am  Oberen  See  war  der  Verkauf.  Der  Staat  zeigte  sich 
unfähig,  in  diesen  unbewohnten  Regionen  die  ungesetzlichen  Aneig- 
nungen mineralführender  Gebiete  zu  verhindern.  In  den  Gold-  und 
Silberregionen  des  fernen  W.  war  selbst  der  Verkauf  nicht  möglich, 
da  lange  ehe  in  denselben  auch  nur  ein  Meter  Land  regierungs- 
seitig ausgelegt  oder  abgeschätzt  werden  konnte.  Tausende  daselbst 
sich  niedergelassen  und  durch  ihren  Capital-  und  Arbeitsaufwand 
Rechte  erworben  hatten  (zum  Theil  auf  Grund  von  selbstgegebenen 
Gesetzen,  die  noch  heute  in  jenen  jungen  Staaten  gültig  sind), 
welche  man  zwar  beschränken,  aber  nicht  aufheben  konnte. .  That- 
sächlich  sind  somit  alle  bis  heute  in  Ausbeutung  genommenen 
Mineralschätze  der  V.  St.  Privateigenthum,  und  da  das  Princip  des 


314  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

Verka.ufs    aller    Mineralrechte    staatsseitig    fest    angenommen    ist, 
werden  dieselben  alle  mit  der  Zeit  in  Privatbesitz  übergehen. 

Die  Unvollkommenheit  der  Gesetzgebung  über  den  Bergbau,  vorzüglich 
im  W.,  welche  auf  diese  Weise  entstehen  musste,  hat  dessen  Entwickelung 
wahrscheinlich  mehr  gehemmt,  als  die  grosse  Freiheit  ihn  gefördert  hat, 
die  sie  den  Findern  und  ersten  Ausbeutern  der  Erzlager  bot.  In  den 
dünnbevölkerten  pacifischen  Gebieten  bildeten  die  Entdecker  von  Erzlager- 
stätten einen  neuen  MinendistriM,  den  sie  beliebig  abgrenzten  und  für 
den  sie  ihre  besonderen  Bestimmungen  machten.  Diese  haben  Gültigkeit, 
soweit  sie  nicht  mit  den  Staatsgesetzen  in  Widerspruch  stehen;  in  diesen 
aber  bezeichnet  man  zwei  Bestimmungen  als  sehr  schädlich:  erstens  die, 
dass  dem  Eigenthümer  von  Grund  und  Boden  auch  alles  Mineral  unter 
der  Oberflache  gehört;  die  andere,  dass  man  nicht  Grubengänge  von 
bestimmtem  Quadratmass  muthet,  sondern  Gänge.  Die  letztere  besonders 
führt  zu  grossen  Unsicherheiten,  weil  der  Begriff  Gang  ein  so  gemischter 
ist,  dass  er  sehr  schwer  begrenzt  werden  kann.  Die  unzähligen  Processe, 
welche  an  jedem  ertragreichen  oder  Ertrag  versprechenden  Bergwerk 
dieser  Gegenden  hängen  (gewöhnlich  ist  ihre  grosse  Zahl  ein  Zeichen, 
dass  das  Bergwerk  gut  ist;  denn  sie  tauchen  erst  auf,  wenn  dieses  ein 
gewinnverheissendes  Streitobjekt  zu  werden  verspricht),  sind  eine  unmit- 
telbare Folge  dieser  Gangmuthuiigen.  Der  Entdecker  eines  Ganges  muthet 
für  sich  und  Andere  eine  Anzahl  von  Claims  (Antheilen)  auf  der  Länge 
desselben.  Ein  Claim  ist  100 — 300  e.  F.  Er  hat  nun  einige  Arbeit  auf 
demselben  zu  thun,  um  sich  das  Eigenthumsrecht  zu  wahren,  aber  über 
den  Betrag  dieser  Arbeit  und  über  den  Verlust  des  Besitzrechtes  durch 
Nichtbearbeitung  des  Objektes  sind  die  Bestimmungen  weit  aus  einarider 
gehend.  Eine  Clausel  bei  der  Muthung  eines  Ganges  lautet:  tvitJi  all  the 
dips,  spurs,  angles  and  variations,  d.  h.  mit  jeder  Aenderung  im  Streichen 
oder  Fallen,  jeder  Verwerfung  und  jeder  Abzweigung  soll  ein  Gang  dem 
die  Muthung  Nehmenden  gehören;  aber  ein  Anderer  kann  die  weitere 
extension  (Erstreckung)  desselben  Ganges  muthen  ohne  zu  wissen,  ob  eine 
solche  besteht,  und  da  schon  die  erste  Muthung  gewöhnlich  auf  ein  kleines 
Ausbeissen  eines  Ganges  oder  sogar  auf  taubes  Gestein,  einen  hervor- 
tretenden Felsblock  u.  dgl.  genommen  wird,  kann  man  sich  vorstellen, 
welcher  geringe  Werth  der  grossen  Mehrzahl  dieser  Muthungen  auf 
extensions  zukommt.  Sie  erzeugen  mehr  Processe  als  Erz.  Jeder  ertrag- 
reiche Gang  ist  völlig  eingeengt  von  Muthungen  auf  extensions  oder  kleine 
Trume  und  es  ist  vorgekommen,  dass  Stücke  vom  Comstock-Gange,  dieser 
ausserordentlich  reichen  Silberader,  von  Raubbau-Gesellschaften  in  Angriff 
genommen  wurden  unter  dem  Vorwand,  dass  die  Quarzgänge  durch  Thon- 
klüfte  so  vollständig  von  einander  gesondert  seien,  dass  sie  besondere 
Gänge  darstellten.    Rechnet  man  hinzu,   dass   die  Richter  der  Distrikts- 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  315 

gerichte,  welchen  die  Minenprocesse  vorgelegt  werden,  bergmännischer 
Kenntnisse  meist  ganz  baar  sind,  und  erwägt  man  die  Leichtigkeit  der 
Bestechung  von  Geschworenen,  deren  Urtheil  immer  nur  einstimmig  sein 
kann,  so  begreift  man  die  Verwirrung  der  Rechtsbegriffe  auf  diesem 
Gebiet  und  die  Ueppigkeit,  mit  der  Schwindel  und  Gewaltthat  unter  ihrem 
Schutze  aufsprossten. 

Die  Rückwirkungen  des  Bergbaues  auf  die  wirthschaftlichen  und  all- 
gemeinen socialen  Verhältnisse  der  Bevölkerung  der  V.  St.  sind  bedeutend. 
In  den  jüngeren  Stadien  der  Entwickelung  der  einzelnen  Staaten  steht 
er  in  dieser  Beziehung  nur  hinter  der  Landwirthschaft  zurück  und  in  den 
Staaten  des  Felsengebirges  und  der  Sierra  ist  er  dieser  in  den  meisten 
Theilen  Jahrzehnte  hindurch  vorangestanden.  Einige  von  diesen,  in  denen 
die  Landwirthschaft  durch  klimatische  und  Bodenverhältnisse  nur  in  ganz 
geringem  Masse  möglich  ist,  ernähren  den  grössten  Theil  ihrer  Bevölkerung 
durch  Bergbau  und  die  damit  zusammenhängenden  Industrien.  Nevada  ist 
fast  ausschliesslich  hierauf  angewiesen,  Colorado,  Idaho,  Montana  und 
mehr  und  mehr  auch  Utah  sind  es  überwiegend.  Die  Zahl  von  152107 
Bergleuten,  welche  der  Census  von  1870  angibt,  ist  kein  Massstab  für 
die  grosse  Rolle,  welche  in  diesen  Gegenden  der  Bergbau  spielt  und  alles, 
was  mit  ihm  zusammenhängt.  Von  den  40  000  Einwohnern  Nevadas  leben 
95  Proc.  vom  Bergbau  und  von  dem  kleinen  Rest,  der  Ackerbau  und  Vieh- 
zucht treibt,  würde  kaum  etwas  übrig  bleiben,  wenn  heute  die  Bergleute 
ihre  Arbeiten  einstellten.  Californien,  das  verschiedenen  Zweigen  der 
Landwirthschaft  so  gewaltige  Vortheile  bietet,  würde  ohne  seinen  Gold- 
reichthum  und  seine  übrigen  Metallschätze  noch  heute  nicht  die  Hälfte 
der  Bevölkerung  haben,  die  es  wirklich  besitzt,  und  dasselbe  gilt  von  allen 
Staaten  des  gebirgigen  Westens,  sogar  von  einigen  wie  Colorado  und  Idaho, 
die  ausser  ihrem  Erzreichthum  weniger  Anziehungspunkte  besitzen,  in 
noch  höherem  Grade.  Nach  Colorado  wanderten  in  den  ersten  Jahren 
nach  den  dortigen  Gold-  und  Silberfunden  zwischen  1859  und  62  über 
40000  Menschen,  von  welchen  nur  Wenige  im  Sinne  hatten,  sich  der 
Landwirthschaft  zu  widmen.  Erst  später  wandten  sich  Manche,  die  das 
unsichere  Leben  der  Bergbauer  enttäuscht  hatte,  der  Landwirthschaft 
und  den  Gewerben  zu  und  bildeten  den  Kern  einer  sesshaften  Bevölkerung. 
In  Californien  nahm  Ende  der  50  er  Jahre  und  in  dem  ganzen  Jahrzehnt 
1860  —  70  zugleich  mit  der  damaligen  Ebbe  in  den  Goldwäschereien  die 
Bevölkerung  der  Goldwäscher-  und  Bergbaugegenden  rasch  ab,  während 
die  der  Ackerbaugegenden  noch  viel  rascher  zunahm.  Aber  10  Jahre 
vorher  waren  die  letzteren  noch  fast  unbeachtet  gewesen.  Die  Bevöl- 
kerung der  sechs  Grafschaften ,  in  denen  die  Mehrzahl  sich  mit  Gold- 
wäschen beschäftigte,  ging  von  1860  —  70  von  82  842  auf  40475  zurück'). 


1)  Hittell,  The  Resources  of  California  1874.  17. 


316  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

während  in  den  reinst -ackerbauenden  Grafschaften  wie  z.  B.  Colusa  und 
Humboldt  der  Zuwachs  200  Proc.  betrug.  Der  starke,  aber  keineswegs 
günstige  Einfluss  der  Bergbauarbeit  auf  die  gesammten  Arbeitsverhältnisse 
hat  in   derselben  Zeit   stark  abgenommen.    Die   Taglöhne   in  Californien 

^tanden  früher  in  einer  nahen  Beziehung  zu  dem  Durchschnittsertrag  der 
Goldwäschen,  indem  sie  sich  meistens  etwas  darüber  hielten.  Das  Letztere 
erklärt  sich  daraus,  dass  das  Goldwäschen  als  minder  regelmässige,  an- 
scheinend aussichtsreichere  und  selbständigere  Arbeit  viel  mehr  gesucht  ist 
als  die  gewöhnliche  Tagesarbeit.  Aber  die  Aussichten  des  selbständigen 
Bergarbeiters  sind  immer  geringer  geworden,  je  mehr  das  Capital  und 
die  Intelligenz  sich  auf  dieses  Gebiet  wandten  und  mit  Aktienunterneh- 
mungen, Maschinen  und  Börsenspeculationen  jenem  einsamen  Glücksucher, 
dem  Jionest  Miner,  Concurrenz  machten.  Der  abhängige,  um  seinen  Lohn 
arbeitende  Bergmann  ist  am  wenigsten  das  Lebensideal  des  echten  Ameri- 
kaners. Er  überlässt  das  den  Fremden,  unter  denen  (für  bessere  Ar- 
beiten) hauptsächlich  Walliser,  Cornwalliser  und  Deutsche,  für  schlechtere 
Spanisch- Californier  (besonders  in  den  Quecksilberbergwerkenj  und  Chinesen 
(in  den  ertragarmen  Goldwäschen)  am  gesuchtesten  sind.  Die  Löhne 
schwanken  für  tüchtige  Arbeiter  in  Nevada  und  Californien  noch  immer 
um  3  —  5  D.  und  sind  durchschnittlich  um  100  Proc.  höher  als  z.  B.  in 
Pennsylvanien.  Im  Washoe  Minen  -  Distrikt  betragen  die  Löhne  bevor- 
zugter Arbeiter  (Maschinisten,  Vormänner  u.  dgl.)  5  —  6,  der  Häuer  4, 
der  Förderleute  2  —  3  D.  bei  10 stündiger  Arbeit,  aber  freilich  ist  dafür 
auch  das  Leben  ein  sehr  kostspieliges  —  die  Bergarbeiter  in  Caribou, 
Leadville  u.  a.  Plätzen  Colorados  zahlen  durchschnittlich  V«  ihres  Lohnes 
bloss  für  Essen  und  Wohnen.  An  Gelegenheiten,  die  andere  Hälfte  los 
zu  werden,  fehlt  es  natürlich  nicht.  Bei  Vielen  ist  es  Hebung  geworden, 
den  Sommer  hindurch  zu  arbeiten,  um  das  Ersparte  jeden  Winter  wieder 
in  Denver,  Virginia  City  u.  a.  lustigen  Plätzen  zu  verjubeln.  Aber  doch 
wächst  immer  mehr  eine  ständige  Arbeiterb evölkerung  heran.  Wenige 
sind  durch  ihre  sedentären  Neigungen,  Viele  durch  den  Schiffbruch  ihrer 

».  Existenz,  durch  Alter,  Krankheit  u.  s.  f.  gezwungen,  bei  noch  so  schlechtem 
Ertrag  am  Orte  zu  bleiben.  Das  war  früher  freilich  ganz  anders.  Die 
Beweglichkeit  der  Goldgräber  war  sprichwörtlich.  In  den  50  er  Jahren 
kam  es  nicht  selten  vor,  dass  ganze  Gemeinden,  der  ganze  Organismus 
einer  Goldwäscherei,  Männer,  Weiber,  Kinder,  Fremde  wie  Amerikaner, 
einen  Platz  verliessen,  um  vielleicht  Hunderte  von  Meilen  weit  nach  einem 
mderen  zu  ziehen  und  dort  ihre  Arbeiten  ganz  von  Neuem  zu  beginnen. 
So  zogen  1858  auf  blosse  Gerüchte  hin  ca.  15  000  Goldwäsch.er  (Ve  der 
stimmberechtigten  Bevölkerung  Californiens)  an  den  Fraserfluss  (Brit. 
Columbia),  um  freilich  schon  nach  6  Monaten  der  Mehrzahl  nach  ent- 
täuscht zurückzukehren.  Es  sind  auch  in  neuerer  Zeit  noch  grosse  Wan- 
derungen  vorgekommen,    so   1876  —  78    nach   den  Black  Hills  (Dakota) 


ai 


IX.  Mineralreichthum  und  JBergbau.  317 

und  1877—78  nach  den  neuen  Silbergebieten  von  Leadville  im  s.  Colo- 
rado ;  aber  in  solcher  Ausdehnung  wie  in  der  Blüthezeit  des  californischen 
Goldgräberthums  haben  sie  nicht  mehr  stattgefunden.  Auch  ist  ihnen 
überall  sofort  die  Grossindustrie  auf  dem  Fusse  gefolgt  und  dem  Unter- 
nehmungsgeist des  Einzelnen  und  seinem  Glück,  und  damit  auch  allem, 
was  man  die  Poesie  dieses  Treibens  nennen  könnte,  ist  der  Spielraum 
immer  mehr  verengert  worden.  Geblieben  ist  sie  noch  am  meisten  in 
einer  der  charakteristischsten  Figuren  des  westlichen  Lebens,  im  Pro- 
spector.  Es  ist  nicht  wunderbar  in  einem  so  gold-  und  silberreichen 
und  vielfach  noch  wenig  durchforschten  Lande  wie  dem  w.  Nord-Amerika, 
dass  das  Aufsuchen  von  Mineralschätzen  die  Beschäftigung  von  Tausenden 
bildet  und  zwar  eine  Beschäftigung,  die  mit  Leidenschaft  betrieben  wird. 
Aber  der  Geschäftsgeist  und  die  Abenteuerlust  des  Amerikaners  mussten 
hinzukomm^en,  um  aus  derselben  eine  Art  von  fahrendem  Gewerbe  mit 
bestimmten  Regeln  zu  machen,  dem  Viele  einen  grossen  Theil  ihres 
Lebens  widmen.  Was  in  der  Lidustrie  die  Inventors,  das  sind  im  Bergbau 
die  Prospectors.  Viele,  die  Minen  suchen,  kümmern  sich  nie  um  die  Aus- 
beutung derselben.  Der  echte  Prospector  verkauft,  wenn  er  Glück  hat, 
seinen  Fund  an  irgend  eine  Gesellschaft,  die  ihn  auszubeuten  sucht;  ihm 
selbst  ist  die  Arbeit  des  Bergmannes  zu  öd,  er  geht  auf  neue  Entdeckungen 
aus,  bis  er  genug  erworben  zu  haben  glauht  oder  bis  er  ermüdet  auf 
irgend  einem  grünen  Fleck  sich  ein  Heimwesen  gründet  oder  auch  ein 
Fieber  ihn  in  irgend  einer  vereinsamten  Bergmannshütte  zu  Tode  schüttelt. 
Das  Letztere  dürfte  das  häufigste  Ende  sein.  Die  kommenden  Genera- 
tionen werden  das  Verdienst  dieser  seltsamen  Classe  um  die  Kenntniss 
des  Landes  und  die  Entwickelung  seiner  Hülfsquellen  höchst  wahrscheinlich 
niemals  entsprechend  würdigen,  denn  die  Prospectors  hinterlassen  keine 
dauernden  Spuren  ihrer  "Wirksamkeit;  das  Unstäte  ist  ihr  Element  und 
von  dem  Beginn  der  stetigen  Culturentwickelung  einer  Gegend  an  werden 
sie  überflüssig.  Aber  in  der  Gegenwart  steht  ihnen  noch  immer  ein  weites 
Feld  der  Thätigkeit  oifen  und  in  den  Gebirgsterritoricn  des  W.,  in  welchen 
der  Bergbau  das  Hauptinteresse  der  Bevölkerung  bildet,  wird  dieselbe  mit 
Recht  als  eine  eben  so  fruchtbare  wie  interessante  anerkannt  ^). 


1)  Wir  entnehmen  dem  Berichte  über  den  Bergbau  in  Colorado  des 
Rocky  Mt.  Directory  and  Colorado  Gazetteer  for  1871  ("Denver  1870)  folgende  ^ 
aus  dem  Leben  gegriffene  Schilderung  der  damals  gerade  in  Colorado  mit  grossem 
P]rfolge  thätigen  Prospectors:  „Das  erste  Ziel  des  Prospectors  ist  die  Blüthe 
(the  Blossem)  *),  das  zweite,  zu  erfahren,  woher  sie  stammt.  Beide  erheischen 
sehr  viel  Fleiss,  Geduld  und  Ausdauer,  welche  die  kennzeichnenden  Eigenschaften 


1)  Mit  diesem  Namen  bezeichnen  die  amerikanischen  Bergleute  die  von  Eisenoxyd  herrührende  rothc 
Farbe  des  zu  Tage  tretenden  Quarzes,  welche  sie  für  ein  sicheres  Zeichen  von  edler  Metallführung 
halten. 


318  IX.  Mineralreiclithum  und  Bergbau. 

Viel  eingreifender  als  durch  die  Sitten  und  Anschauungen  des  Mining 
Camp  hat  in  neuerer  Zeit  der  Erzreichthum  des  W.  auf  einen  grossen 
Theil  der  dortigen  Gesellschaft  gewirkt  durch  die  grossen  und  zugleich 
ungemein  schwankenden  Erträge  der  Bergwerke,  besonders  der  Silber- 
bergwerke von  Nevada,  welche  zu  dem  gewagtesten  Börsenspiel  und 
den  krassesten  Glückswechseln  Anlass  gaben.  Der  an  sich  schon  starke 
Zug  von  -Waghalsigkeit  und  Spielsucht,  der  durch  das  amerikanische 
Leben  geht,  ist  in  dieser  gold-  und  silberschimmernden  Atmosphäre  zur 
Fieberhaftigkeit  gesteigert  worden.  Das  ganze  Geschäftsleben  der  Städte 
des  fernen  W. ,   S.  Franciscos  in   erster  Linie,    trägt  die  Spuren  davon. 


des  erfahrenen  Goldsuchers  bilden.  Seine  Ausrüstung  besteht  aus  Schaufel, 
Pickel  und  Pfanne.  Die  letztere  braucht  er,  um  Erde  oder  zersetzte  Spalten- 
ausfüllungen zu  waschen,  von  denen  er  annimmt,  dass  sie  Goldstaub  führen. 
Ausserdem  trägt  er  so  viel  Nahrungsmittel  als  er  kann.  So  im  Aeusseren  und 
dazu  mit  Hoffnung  und  Vertrauen  im  Inneren  ausgerüstet,  tritt  er  seinen  Weg 
an.  Sein  Weg  führt  durch  dichte  Wälder,  längs  den  Abhängen  steiler  Berge, 
über  rauhe  Klippen  und  hochragende  Gipfel.  Er  geht  mit  langsamem,  vorsich- 
tigem Schritt,  mustert  sorgfältig  den  Boden,  soweit  er  sehen  kann,  wendet  die 
Felsblöcke  um,  untersucht  die  Betten  der  Bergströme  und  die  Felsspalten.  Er 
beobachtet  die  Bergformen  und  Felsumrisse,  die  Besonderheiten,  die  an  die  Erd- 
oberfläche treten,  und  alle  Gesteine,  über  die  er  wegschreitet.  Nichts  entgeht 
seinem  entwickelten  Beobachtungssinn.  Findet  er  ein  Stück  von  Blossom-Eock, 
so  untersucht  er  es  auf  das  genaueste.  Sind  seine  Ecken  durch  harte  Be- 
rührung mit  härterem  Gestein  abgeschliffen,  so  weiss  er,  dass  das  Bruchstück 
einen  weiten  Weg  gemacht  und  dass  der  Gang,  von  dem  es  herstammt,  vielleicht 
am  Gipfel  des  Berges  sich  findet,  an  dessen  Fusse  es  ihm  aufgestossen.  Sind 
die  Ecken  scharf  und  sogar  vielleicht  der  Bruch  frisch,  so  ist  er  sicher,  dass 
seine  Ursprungsstätte  nicht  sehr  weit  entfernt  sein  kann.  Jedenfalls  zaudert 
er  nicht  nach  der  Herkunft  zu  forschen.  Oft  geräth  er  rasch  auf  die  Spur, 
oft  sucht  er  Tage  und  Wochen  darnach.  Jeder  Quadratzoll  Boden  wird  unter- 
sucht und  seine  Arbeit  endet  nur  der  endliche  Fund  oder  die  Nacht.  Wo 
die  letztere  ihn  überrascht,  legt  er  sich  nieder,  ob  Sterne  und  Mond,  oder 
dunkle  Wolken  die  Decke  über  ihn  ausspannen;  der  ächzende  Baumwipfel  oder 
yrauschende  Wasserfälle  schläfern  ihn  ein.  Aber  die  Müdigkeit  sichert  ihm  einen 
guten  Schlaf.  Seine  Träume  sind  golden.  Die  grosse  Fissure-Vein  ist  gefunden 
und  liegt  voll  kostbarer  Goldbrocken.  Bei  der  Morgendämmerung  erwacht  er, 
nimmt  sein  einfaches  Mahl  zu  sich  und  beginnt  von  Neuem  seine  Nachforschungen. 
Stösst  er  endlich  auf  den  Blossom  in  beträchtlicher  Menge  oder  gar  auf  eine 
Ader  desselben,  so  setzt  er  den  Pickel  an,  um  Spaltenmaterial  (zerklüfteten 
Quarz  mit  Erzen)  und  andere  Belege  für  das  Vorhandensein  eines  Erzganges 
zu  finden.  Was  er  ausgräbt,  wird  scharf  durchsucht  und  gewaschen,  um  die 
sehnsüchtig  erwarteten  gelben  Schimmer  (color)  ans  Licht  zu  bringen.  Ist  dieser 
dargestellt,  so  ist  der  Gang  höchst  wahrscheinlich  werthvoU.  Aber  weitere  Unter- 
suchung, die  dem  Bergmann  vorbehalten  ist,  hat  festzustellen,  ob  er  Millionen 
werth  ist  oder  —  nichts." 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  319 

Die  Minen  -  Excitemenfs  nehmen  einen  wichtigen  Platz  ein  in  der  Ge- 
schichte des  fernen  W.  Zu  einer  Zeit,  wo  der  jährliche  Ertrag  aller 
Gold-  und  Silberminen  in  den  pacifischen  Staaten  und  Territorien  viel- 
leicht 50  Mill.  D.  betrug,  waren  in  San  Francisco  über  5000  Aktien-  ^ 
gesellschaften  incorporirt.  1859  hatte  mit  der  Entdeckung  der  Washoe- 
Minen  eine  fieberhafte  Spcculation  mit  Minenwerthen  begonnen,  welche 
im  Frühjahr  18G3,  als  die  freilich  nicht  zum  zwanzigsten  Theile  wahren 
Nachrichten  von  der  Entdeckung  immer  neuer  Silber-  und  Goldminen 
einliefen,  einen  Höhepunkt  erreichte,  der  sich  nur  mit  der  schwindelnden 
Höhe  der  Aufregungen  des  Law'schen  Bankfiebers  vergleichen  lässt^). 
Ein  gleichzeitiger  Beobachter  schreibt  davon:  „Die  ganze  Bevölkerung 
befand  sich  in  einem  fieberhaften  Zustand.  Jeder  musste  Füsse  be- 
sitzen, wie  man  die  Aktien  nach  ihrem  wirklichen  Werthe  zu  benennen 
pflegte.  Es  wurden  in  der  Regel  eben  so  viel  Aktien  ausgegeben,  als 
die  Länge  eines  Ganges  in  Fuss  betrug,  daher  der  Name.  Wer  Geld 
übrig  hatte,  legte  es  dort  an.  Der  Kaufmann,  der  Arzt,  der  Advocat, 
jeder  legte  einige  Tausende  bei  Seite,  um  sie  auf  die  Karten  zu  setzen. 
Capital  schien  ohne  Grenzen  vorhanden  zu  sein.  Man  betrachtete  die 
Anlage  als  ein  Glücksspiel,  aber  man  meinte  die  Chance  zu  haben,  ent- 
weder wenig  zu  verlieren  oder  ein  Vermögen  zu  gewinnen.  Wer  noch 
kurz  zuvor  die  Minen  als  das  unsicherste  Besitzthum  betrachtet  hatte, 
der  liess  sich  von  der  Verführung  oft  am  schnellsten  fortziehen.  Selbst 
Frauen  nahmen  an  der  allgemeinen  Manie  Theil.  Gewann  jemand,  so 
wurde  es  schnell  bekannt;  Verluste  wurden  still  getragen  und  niemanden 
mitgetheilt,  da  man  sie  schnell  durch  neue  Speculationen  ersetzen  zu 
können  glaubte.  Man  ging  von  der  Ansicht  aus,  dass  es  sich  mit  den 
Minen  so  verhalte  wie  mit  den  Baustellen  in  S.  Francisco.  Vor  einigen 
Jahren  konnte  man  hier  einige  Morgen  eines  Sandhügcls  für  nichts  haben,  ^ 
jetzt  sind  dieselben  Millionen  werth.  So  meinte  man,  eine  jede  Mine 
habe  bei  ihrer  Entdeckung  den  Werth  Null  und  komme  nach  einiger  Zeit 
zu  einem  reellen  Werth,  der  unter  Umständen  ausserordentlich  hoch  sein 
könnte.  Es  kam  nur  darauf  an,  in  der  Durchgangsperiode  einen  Antheil  zu 
1)csitzen,  den  man  billig  kaufte  und  für  hohe  Preise  wieder  verkaufte.  Die 
Aktien  zahlreicher  Gesellscliaftcn,  von  denen  man  seitdem  nichts  mehr 
gehört  hat,  fanden  damals  willige  Käufer.  Die  ersten  Besitzer  hatten  sie 
für  die  Herstellungskosten,  sie  verkauften  sie  für  einige  Dollars.  Man 
zeigte  schönes  Erz  als  aus  der  Mine  der  Gesellschaft  kommend,  wenn  es 

auch  oft  ganz  anderen  Gruben  entnommen  war,  und  erhielt  höhere  Preise 

Es  folgte  eine  fürchterliche  Reaktion.    Mit  einem  Male  wurde  es  bekannt, 
dass  manche  Minen  so  gut  wie  gar  nicht  existirten  oder  wenigstens  keinen 


1)  Richthofen  schätzte  18G4  die  Zahl  der  Minengesellschaften  in   den  paci- 
fischen Staaten  auf  nicht  weniger  als  30000.     (G.  M.  Erg.-Heft  14.  1.) 


320  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

Werth  hatten.  Tausende  sahen  sich  in  ihren  Erwartungen  getäuscht. 
Statt  der  gehofften  Dividenden  hatte  man  Einzahlungen  zu  machen,  von 
denen  man  nicht  einmal  ein  Resultat  erwarten  konnte.  Ein  Tlieil  der 
Aktien  wurde  völlig  werthlos,  andere  fielen  auf  geringe  Preise  herab.  Wer 
vorher  gewonnen  hatte,  der  verlor  nun  und  noch  viel  Mehrere  verloren, 
ohne  gewonnen  zu  haben."  (F.  v.  Richtofen,  Die  Metallproduktion  Californiens. 

\/Geogr.  Mitth.  E.-H.  14.  8.)  Selbst  bessere  Minen  sanken  damals  innerhalb 
Tagen  auf  Vio  ihres  vorherigen  Werthes.  Aber  ein  nützlicher  Erfolg  dieser 
Krise  war  eine  aussergewöhnliche  Regsamkeit,  die  sich  auf  die  Auffindung 
neuer  Minengegenden  richtete,  dann  die  Erkenntniss  von  der  Nothwendigkeit 
eines  fachmännischen  Betriebes  der  Gruben  und  Hütten  und  die  Einsicht 
in  die  Nothwendigkeit  der  Wissenschaft  bei  der  Auffindung  und  Yerwer- 
thung  der  Mineralschätze.  Seitdem  hat  nach  Durchlaufung  noch  mehrerer 
Krisen  die  Speculation  sehr  abgenommen.  Der  Umsatz  in  Minenaktien  an 
der  Börse  von  San  Francisco  betrug  z.  B.  1874  250,  1875  220,  1876 
226  und  1877  nur  noch  120  Mill.  D. 

Der  Betrieb  des  Bergbaues  ist  in  den  V.  St.  bis  auf  die  neueste  Zeit 
sehr  empirisch  gewesen,  mehr  auf  raschen  Gewinn  als  auf  möglichste  Er- 
haltung und  langsame  Ausbeutung  der  unterirdischen  Schätze  bedacht.  In 
den  Kohlenregionen  des  0.  ist  man  bereits  zu  etwas  sorgsamerer  Ausbeutung 
vorgeschritten,  besonders  in  den  Anthracitgruben,  aber  im  W.  wird  noch 
heute  ein  grosser  Theil  des  Goldes  und  Silbers  verwüstet,  welche  nicht 
sehr  leicht  auszubringen  sind.  1864  berechnete  ein  Sachkenner,  dass  in 
dem  fortgeschrittensten  Minendistrikt  Nevadas,  dem  von  Washoe,  1864 
der  Verlust  an  Edelmetallen  bei  der  Verhüttung  durchschnittlich  33  Proc. 
betrage,  wovon  wenigstens  Vs  für  alle  Zeiten  verloren  seien.  Dies  hat 
sich  jedenfalls  gebessert,  aber  noch  immer  sind  die  Verluste  gross  genug 
(s.  u.  S.  343).     Es  ist  nicht  Ungeschick  und  Unkenntniss,   sondern  ganz 

v/wie  in  der  Landwirthschaft  wetteifernde  Ungeduld,  welche  zu  diesem 
Betriebe  drängt.  Wir  werden  im  Folgenden  eine  Reihe  von  sehr  be- 
deutenden Leistungen  kennen  lernen,  welche  durch  diesen  energischen 
Betrieb  erzielt  worden  sind.  Die  Amerikaner  verleugnen  ihren  erfinderischen 
Geist  auch  hier  nicht.  Schon  1864  schrieb  J.  v.  Richthofen  von  der  erst 
in  der  Entwickelung  befindlichen  Washoe -Region:  „In  Bezug  auf  manche 
kleine  praktische  Einrichtungen  beim  Einfahren,  Fördern  und  Wasser- 
heben kann  J^uropa  von  der  neuen  Gegend  lernen."  Die  Methode  der 
N^Pfannenamalgamation,  sehr  brauchbar  für  arme  Erze,  war  damals  schon 
hochentwickelt  und  ist  mit  allen  ihren  Verbesserungen  amerikanische  Er- 
findung. Auch  die  wissenschaftliche  Behandlung  der  Probleme,  welche 
mit  dem  Bergbau  und  der  Metallurgie  zusammenhängen,  hat  grosse  Fort- 
schritte gemacht.  Man  findet  in  den  V.  St.  einige  Bcrgwerksschulcn  von 
Ruf  und  das  Institute  of  Mining  Engineers  veröffentlicht  Schriften,  welche 
von   wissenschaftlichem  Werthe  sind.      Jedoch   macht   die  Mehrzahl   der 


t 


IX.  Mineralreichtbum  und  Bergbau.  321 

dem  höheren  Bergbau  sich  widmenden  Jünglinge  noch  immer  die  deutschen 
Schulen  durch,  wie  denn  deutsche  wissenschaftlich  gebildete  Bergleute 
einen  grossen  Antheil  an  der  Entwickelung  und  an  einem  vernünftigeren 
Betrieb  der  Bergwerke  in  den  V.  St.  haben  ^). 

Eisen.  Die  V.  St.  werden  hinsichtlich  des  Reichthums,  der 
Reinheit  und  der  weiten  Verbreitung  ihrer  Eisenerze  von  keinem 
Lande  der  Welt  übertroffen.  Den  ganzen  Zug  der  Alleghanies 
entlang  ist  Mag  n  et  eisen  der  fast  beständige  Gefahrte  der  älteren 
raetamorphischen  Gesteine  dieses  Gebirges;  dasselbe  findet  sich 
vom  S.  Lorenz  bis  hinab  nach  Georgia,  in  meist  linsenförmigen  bis 
zu  50  und  60  m  dicken  Ablagerungen.  Es  kommt  in  grösseren 
Mengen  vor  in  den  Adirondacks  (Essex  und  Clinton  Cy.),  am  Lake 
Champlain,  in  den  Highlands  des  ö.  New^  York,  in  den  angrenzenden 
Theilen  von  Massachusetts  (Orange,  Putnam  und  Duchess  Cy.), 
dann  im  n.  New  Jersey  (Passaic,  Sussex,  Warren  Cies.),  ferner  im 
s.  Theil  von  Pennsylvanien  bei  Cornwall  (Lebanon  Cy.),  in  W. 
Virginia  und  Virginia,  in  N.  Carolina,  wo  es  in  hervorragender 
Reinheit  auftritt  (Cranberry  -  Ore  von  Mitchell  Cy.),  und  in  N.  Georgia. 
Diese  Kette  von  Magneteisen-Lagern  begleitet  den  ganzen  ö.  Rand 
des  grossen  appalachischen  Kohlenbeckens  und  ist  schon  durch  diese 
Nachbarschaft  zu  einer  grossen  Zukunft  berufen.  Das  Franklinit- 
Vorkommen  (mangan-  und  zinkhaltiges  Magneteisen)  von  New  Jersey 
gehört  ebenfalls  in  diese  Reihe. 

In  ähnlicher  Nachbarschaft  sind  Lager  von  Rotheisenstein 
am  Oberen  See  (Marquette  Cy.)  und  in  Missouri  (Pilot  Knob  und 
L'on  Mt.)  dem  nw.  Rande  desselben  Kohlenfeldes  sowie  des  Kohlen- 
feldes von  Illinois  und  Indiana  vorgelagert.  Dieselben  liefern  wegen 
ihrer  Reinheit  hauptsächlich  das  Material  für  den  Bessemer-Stahl. 
Ein  anderer  oolithischer  Rotheisenstein  (Fossil  oder  Clinton- 
Ore,  Dyestone)  ist  als  Glied  der  Clinton-Gruppe  in  der  unteren  Silur- 


1)  Vgl.  J.  C.  Bartlett,  American  Students  of  Mining  in  Germany  (Trans.  (^ 
Am.  Inst,  of  Mining  Engineers  V.  431  f.).  Vor  einigen  Jahren  wurde  der  Plan 
einer  Staatsschule  für  Bergbau  und  Metallurgie  selbst  von  dem  U.  S.  Commis- 
sioner  of  Mining,  R.  Raymond,  lebhaft  empfohlen  (vgl.  Reports  U.  S.  Comm.  of 
Mining  1869  und  70),  doch  ist  seither  der  Gedanke  angesichts  der  Fortschritte 
einiger  Privatschulen  auf  diesem  Gebiete  und  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit 
des  Am.  Institute  of  Mining  Engineers  fallen  gelassen. 

E,  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  21 


322  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

formation  von  sehr  weiter  Verbreitung.  Wie  ein  Formationsglied  tritt 
es  in  derselben  geologischen  Zone  und  mit  fast  der  gleichen  Beschaffen- 
heit in  einem  sehr  weiten  Gebiete  der  Union  auf,  und  ist  durch 
Wisconsin  (Dodge  Cy.),  New  York  (Wayne  und  Oneida  Cies.),  Penn- 
sylvania (Danville,  Huntingdon  Cy.,  Bedford  Cy.)  und  längs  der 
Alleghanies  durch  Maryland  und  Tennessee  bis  Alabama  zu  verfolgen. 
Eisenerze  in  der  Kohlenformation  sind  in  den  V.  St.  weniger 
verbreitet  als  z.  B.  in  England;  sie  sind  nicht  unbedeutend,  aber 
sie  treten  gegen  die  ebengenannten  Lager  zurück.  Ihren  grössten 
Werth  für  die  Industrie  gewinnen  sie  in  der  Hanging  Rock -Region 
des  s.  Ohio  und  ö.  Kentucky.  Sie  sind  hier  kalkige  und  thonige 
Eisenspathe.  Häufig,  aber  in  kleinen,  bis  jetzt  noch  kaum  be- 
achteten Vorkommen  findet  sich  Thoneisenstein  in  den  Kohlen- 
becken der  appalachischen  Region.  Blackband-Ore  tritt  indem 
triassischen  Kohlenbecken  von  N.  Carolina,  bei  Pottsville  Penn,  und 
in  der  Kohlenformation  des  ö.  Ohio  vor.  Brauneisensteine 
(Brown  Hematites  or  Limonites)  sind  in  der  Alleghany -Region  in 
jedem  Staate  an  der  Ostseite  des  Gebirges  und  in  diesem  selbst 
vorhanden.  Wegen  ihres  unbestimmten  Vorkommens  und  ihrer 
wechselnden  Mächtigkeit  bilden  sie  zwar  nirgends  die  Grundlage 
einer  grösseren  Eisenindustrie,  werden  aber  mit  anderen  Erzen  zu- 
sammen verschmolzen. 

Man  zählt  7  grosse  Regionen  der  Eisenerzgewinnung,  5  im  N., 
1  im  W.,  1  im  S.:  Lake  Superior,  Lake  Champlain,  Missouri, 
Pennsylvania,  New  Jersey,  Ohio  und  Kentucky,  Alabama.  Dies 
sind  diejenigen,  auf  die  die  grosse  Eisenindustrie  der  V.  St.  sich  gründet. 
Zahheiche  andere  grössere  und  kleinere  Vorkommen  stehen  erst  im  Anfang 
der  Ausbeutung  oder  liegen  derzeit  noch  brach.  Das  Rohmaterial  an 
Erzen  wird  mit  Ausnahme  von  1,2  — 1,4  Proc,  welche  vorzüglich  aus 
Canada  eingeführt  werden,  in  den  V.  St.  selbst  gefördert.  Die  Gesammt- 
förderung  wurde  1877  auf  4^5  Mill.  T.  geschätzt. 

1.  Lake  Superior.  Eisenglanz,  der  mitunter  in  dichten  Rotheisen- 
stein und  Haematit  übergeht,  und  Magneteisenstein.  1876  bestanden  Va 
der  geförderten  Erze  aus  Eisenglanz.  Die  Erze  kommen  in  dem  Grün- 
stein und  den  Chlorit-  und  Talkschiefern  der  Huronischen  Formation  am 
Südrande  des  Lake  Superior  in  Gestalt  von  sehr  unregelmässigen  Lagern 
und  Stockwerken  vor,  welche  oft  15  und  bis  über  30  m  Mächtigkeit,  bis 
300m  Länge  und   grosse,    theilweise  noch  unbekannte  Tiefen  erreichen. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  323 

Die  Erze  sind  so  reich ,  dass  solche  von  weniger  als  50  Proc.  nicht  ver- 
arbeitet und  von  weniger  als  64  —  66  Proc.  nicht  versandt  werden;  im 
Durchschnitt  gewinnt  man  etwas  über  60  Proc.  Metall  aus  denselben.  Man 
gewinnt  gegenwärtig  durchschnittlich  1200000  T.  (21,7  Mill.  Zoll-Ctr.) 
p.  Jahr  und  scheint  der  Reichthum  des  Distriktes  noch  immer  gross,  wenn 
auch  einige  Gruben  bereits  ihre  Förderung  nicht  mehr  zu  steigern  ver- 
mögen. Ungefähr  Ve  wird  an  Ort  und  Stelle  verschmolzen,-  der  Rest 
verschifft.  Dieser  Bergbau  beschäftigt  14 — 15000  Arbeiter.  Hauptver- 
schiffungsplatz ist  Marquette.  Es  gehen,  begünstigt  'durch  die  billigen 
Schiffsfrachten  auf  den  Seen,  die  Eisensteine  dieser  Region  bis  Chicago, 
S.  Louis,  Pittsburg,  Cleveland  und  sogar  bis  hinab  nach  Virginien  und 
Alabama. 

2.  Lake  Champlaiu.  Magneteisensteine,  welche  in  meist  sehr  un- 
regelmässigen Lagern  und  Stockwerken  den  krystallinischen  Gesteinen  am 
Ostfuss  der  Adirondacks  eingelagert  sind.  Es  sind  ausgedehnte,  in  noch 
unbekannte  Tiefen  einfallende  Massen,  oft  steinbruchartig  abbaubar,  von 
55  — 65  Proc.  Eisengehalt.  Durchschnittsförderung  500000  T.  Die  Mehr- 
zahl dieser  Erze  wird  verschifft.  Sie  spielen  zusammen  mit  denen  von 
New  Jersey  in  dem  Gebiete  ö.  der  Alleghanies  dieselbe  Rolle  wie  die 
des  Oberen  Sees  im  W.  Sie  gehen  bis  Cleveland  und  Pittsburg,  unter 
Umständen  sogar  nach  S.  Louis.  Hauptverschiffungsort:  Crown  Point  am 
Westufer  des  L.  Champlain. 

3.  Missouri.  Zwei  berühmte  Eisenberge,  Iron  Mt.  und  Pilot Knob, 
liefern  hier  Eisenglanz,  der  in  Porphyr  eingebettet  ist.  Iron  Mt.,  120  Kil. 
sw.  von  S.  Louis,  bedeckt  500  Acres  und  ist  70  m  hoch.  Beim  Pilot  Knob 
besteht  der  2  Acres  einnehmende  Gipfel  ganz  aus  Eisenerz.  Iron  Mt. 
fördert  300000,  Pilot  Knob  und  Umgebung  etwa  100000  T. 

4.  Pennsylvania.  Das  bemerkenswertheste  Vorkommen  in  diesem 
eisenreichen  Staat  ist  das  von  Cornwall,  wo  ein  Berg  aus  Magneteisen 
sich  erhebt,  450  m  lang,  durchschnittlich  über  150  m  dick  und  an  der 
höchsten  Stelle  1  m  über  der  Thalfläche  hoch.  Der  Eisengehalt  beträgt 
50  Proc.  Da  das  Erz  fast  keinen  Phosphor  enthält ,  ist  sein  Werth  ein 
bedeutender.  Die  durchschnittliche  Jahresförderung  beträgt  gegenwärtig 
200000  T.  Mit  3  mal  so  grosser  Förderung  sind  dte  gleichfalls  in  Penn- 
sylvanien  gelegenen,  aber  zerstreuten  und  den  Abbau  minder  begünsti- 
genden Brauneisenstein -Lager  des  Silur-Kalksteines  im  Lehigh-,  Juniata-, 
Montour-,  Konemaugh-Thale  u.  a.  zu  nennen.  Sie  ergaben  1876  600000  T. 
mit  45  — 50  Proc.  Gehalt. 

5.  Im  Hochland  von  NewJersey  treten  Magneteisen  und  Frank- 
linit  in  den  Umgebungen  von  Dover,  Suscasanna,  ehester,  Franklin  u.  s.  f. 
auf   und  lieferten  1876   700000  T.  mit    einem    durchschnittlichen  Gehalt 

21* 


324  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

von  55Proc.    Ihre  günstige  Lage  in  grosser  Nähe  des  Lehigh- Thaies  er- 
leichtert ihre  Verarbeitung. 

6.  Ohio  und  Kentucky  (Hanging  Rock -Region).  Die  eisenfüh- 
renden KalJcsteine  '  der  unteren  Kohlen  form ation  umschliessen  schon  im 
nw.  Pennsylvanien,  im  s.  Ohio  und  ö.  Kentucky  Eisenspathe  (Carbonates 
of  Iron)  und  Brauneisensteine  mit  kalkigen  und  thonigen  Beimischungen. 
Früher  war  diese  Region  ausgezeichnet  durch  ihre  grosse  Erzeugung  von 
Holzkohlen-Eisen;  in  neuerer  Zeit  finden  die  sehr  nahe  gelegenen  Stein- 
kohlen zur  Ausbringung  hauptsächlich  Verwendung,  wobei  auch  Erze  vom 
Oberen  See  und  Missouri  mitverschmolzen  werden.  Die  Hauptorte  der 
Eisenindustrie  sind  hier  Ironton  0.  und  Ashland  Ky.  Die  hiesigen  Eisen- 
lager setzen  nach  West-Virginia  fort,  wo  sie  indessen  nur  erst  in 
wenig  ausgedehnter  Weise  ausgebeutet  werden. 

7.  Alabama.  Brauneisenstein-Lager  von  ungewöhnlicher  Ausdehnung 
und  Reichhaltigkeit.  Die  Erze  ergeben  50  —  60  Proc.  Metall  beim  ein- 
fachen Röstprocess.  Roheisenstein  kommt  im  W.  und  S.  des  Cahaba- 
Kohlenfeldes  in  regelmässiger  Schichtung  und  auf  mehreren  100  Kil.  Er- 
streckung vor.  Mächtigkeit  wechselnd  zwischen  3  und  10  m,  Ergiebigkeit 
häufig  40  Proc.  nicht  übersteigend.  Im  Warrior  -  Kohlenfeld  liegt  eine 
Schicht  Blackband-Ore  (Eisenspath)  zwischen  zwei  Kohlenflötzen.  In  er- 
heblichem Masse  sind  von  diesen  Erzen  bis  jetzt  nur  die  beiden  erst- 
genannten verarbeitet,  welche,  zusammen  verschmolzen,  eines  der  ge- 
schätztesten Eisen  (Shelby  Iron)  des  amerikanischen  Marktes  liefern. 

Die  Roheisenerzeugung  der  V.  St.  betrug  1877  2314585  T. 
und  nahm  an  der  Gesammtmenge,  welche  auf  der  Erde  1876  erzeugt 
wurde,  mit  17  Proc.  Theil  und  steht  in  zweiter  Linie,  nämlich  nach 
England  und  vor  Deutschland.  Von  1776  bis  Ende  1876  soll  die 
Roheisenerzeugung  44%  Mill.  T.  betragen  haben.  Mehr  als  Va  der 
Steinkohlen,  die  in  den  V.  St.  gefördert  werden,  kommen  zum  Ver- 
brauch in  der  Eisenindustrie  und  von  175  Mill.  T.  Güter,  welche 
1874  auf  den  Eisenbahnen  der  V.  St.  befördert  wurden,  sind  37  V. 
allein  von  dieser  Industrie  in  Bewegung  gesetzt.  An  dieser  gewal- 
tigen Erzeugung  betheiligen  sich  in  erster  Linie  Pennsylvania  mit 
42,4  Proc.,  dann  kommen  Ohio  mit  18,3,  New  York  mit  11,7, 
Michigan  mit  5,  New  Jersey  mit  2,8,  Wisconsin  mit  2,7,  Missouri 
mit  2,6,  Illinois  mit  2,2,  Kentucky  mit  2,1,  Maryland  mit  1,7,  Vir- 
ginia mit  1,3,  Tennessee  mit  1,2,  W..  Virginia  und  Alabama  mit 
je  1,1;  mit  weniger  als  1  Proc.  sind  betheiligt:  Indiana,  Massa- 
chusetts, Georgia,   Connecticut,  Vermont,   Maine,  Oregon,    N.  Caro- 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau,  325 

lina,  Utali.     Im   Ganzen  wird   also  gegenwärtig  in  22  Staaten  und 
1    Territorium  Eisen  erzeugt^). 

Das  Waclisthum  der  Roheisenerzeugung  in  den  V.  St.  im  Laufe 
dieses  Jahrhunderts  ist  aus  folgender  Tabelle  zu  erkennen. 


1810  . 

60480  T.  (ä  907,2  Kgr.) 

1820  . 

22400 

1830  . 

184800 

1840  . 

352800 

1850  . 

632525 

1860  . 

.   919  770  T.  (ä  907,2  Kgr.) 

1865  . 

.   931582 

1870  . 

.  1865000 

1875  . 

.  2266581 

1877  . 

.  2314585 

In  den  Transactions  of  the  American  Institute  of  Mining  Engineers 
(III.  382  f.)  gibt  Henry  Newton  folgende  Classifikation  der  Hauptpunkte 
der  nordamerikanischen  Eisenindustrie  mit  Angabe  der  Zahl  ihrer  Hoch- 
öfen in  1874: 

I.  Region  des  Magneteisens  und  Anthracits.  Bezirke  von 
New  York,    New  Jersey,    Pennsylvania  und  ö.  Maryland.    209  Hochöfen. 

1.  Oe.  New  York:  Adirondacks,  Pt.  Henry. 

2.  Central-  und  w.  New  York:  Chemung-,  Oneida-,  Wayne  Cty., 
Buffalo.    Der  Staat  New  York  hatte  im  Ganzen  62  Hochöfen. 

3.  N.  New  Jersey:  Philippsburg,  Boonton,  Ringwood.     16  H. 

4.  Oe.  Pennsylvania,  a)  Gruppe  des  Lehigh -Thaies :  Easton, 
Bethlehem,  Catasauqua,  Hohendauqua,  AUentown.  b)  Gruppe  des  Schuyl- 
kill  R.:  Reading,  Pottsville,  Conshohocken.  65  H.  c)  Gruppe  des  oberen 
Susquehanna:  Scranton,  Danville.  25  H.  d)  Gruppe  des  unteren  Susque- 
hanna:    Dauphin-,  Lebanon-,  Lancaster  Cy.    45  H. 

5.  Oe.  Maryland:  Baltimore  und  Umgebung.     21  H. 

II.  Gebirgsregion  des  ö.  Pennsylvanien.  Erze,  haupt- 
säcidich  Rotheisenstein  aus  der  Clinton -Zone  der  silurischen  Formation 
(Clinton -Ore),  Brauneisenstein  und  Eisenspath,  dazu  die  halbbituminösen 
Kohlen  der  Broad-Top  und  Cumberland- Region.  Hauptpunkt  Johnstown 
und  kleinere  Plätze  in  Blair  Cy. 

III.  Pittsburg-Region.  Die  Erze  der  Kohlenformation,  ferner 
diejenigen  des  Oberen  Sees,  Missouris  und  Canadas  werden  hier  mit  den 
Kohlen  von  Ohio,  W.  Virginia  und  aus  dem  Shenango-Thal  (Penn.),  die 
meist  in  verkoktem  Zustande  gebraucht  werden,  ausgeschmolzen. 

1.  Pittsburg-Bezirk.  Erze  von  Canada,  Oberem  See,  Missouri 
mit  Cokes  von  Pittsburger  Kohlen.  Hauptpunkt:  Pittsburg,  Mittelpunkt 
der  nordamerikanischen  Eisenindustrie,  Steubenville  0.,  Wheeling  W.  Yirg. 


1)  Nach  (lüD  Berichten  der  Steel  and  Iron  Association  gab  es  1877  716 
Hochöfen  in  den  V.  St.  mit  einer  Erzeugungsfähigkeit  von  4  Hill.  T.,  aber  es 
standen  nicht  weniger  als  446  davon  ausser  Arbeit. 


326  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

2.  B 1 0  c  k  k  0  h  1  e  n  -  B  e'z  i  r  k  des  Shenango  -Thaies  in  Pennsylvanien  und 
des  Mahoning -Thaies  in  Ohio.  Spiegeleisen  vom  Oberen  See,  Blockkohlen 
vom  Mahoning -Thal.  Hauptorte:  Sharpsville,  Sharon,  Middlessex,  Wheat- 
land  in  Pennsylvanien,  Youngstown  und  Cleveland  in  Ohio.  H. :  34  in 
Pennsylvanien,  25  in  Ohio. 

3.  Blackband-Bezirk  in  Ohio.  Blackband  -  Erz  mit  Massillon- 
Kohlen.    Hauptpunkte:  Massillon,  Canal  Dover,  Port  Washington  in  Ohio. 

4.  Hanging  Rock-Bezirk  in  S.  Ohio  und  0.  Kentucky.  Erze 
des  Bezirkes,  sowie  solche  von  Missouri  und  dem  Oberen  See  mit  Holz- 
kohlen und  Kentucky-Steinkohlen.  Hauptpunkte:  Ironton  0.  und  Ashland 
Kent.     H. :  46  in  Ohio,  15  in  Kentucky. 

IV.  Die  Region  der  Süd-Alleghanies  in  0.  Tennessee,  N. 
Carolina,  NW.  Georgia,  N.Alabama,  auch  als  Chattanooga-Region  be- 
zeichnet. Magneteisen  von  N.  Carolina  und  N.  Georgia,  sowie  Roth- 
eisensteine von  Tennessee,  Georgia  und  Alabama  mit  Holzkohlen,  selten 
mit  Steinkohlen,  die  indessen  als  s.  Verlängerung  des  Alleghany-Beckens 
in  grosser  Fülle  vorhanden.  Mittelpunkte  der  Eisenindustrie:  Roane-^ 
Carter-  und  Greene  Cy.  in  Tennessee;  Jefferson-,  Cherokee-,  Shelby-, 
Bibb  Cy.  in  Alabama;  Chatham-  und  Lincoln  Cy.  in  N.  Carolina.  Hoch- 
öfen insgesammt  52,    wovon  nur  7  mit  Steinkohlen. 

V.  Bezirk  von  West-Virginien.  Längs  der  Blue  Mts.  werden 
in  Wythe-,  Pulaski-,  Paye  u.  a.  Counties  von  West-Virginien  Rotheisen- 
steine mit  Holzkohle  verschmolzen,  aber  die  Leistung  ist  bis  jetzt  noch 
unbedeutend.  Der  Census  von  1870  gab  eine  Gesammterzeugung  von 
17200  T.  Roheisen  an. 

VI.  Bezirke  von  W.  Tennessee  und  Kentucky.  S.  und  w, 
von  Louisville  in  Lyon-,  Trigg-,  BuUitt  u.  a.  Counties,  und  w.  von  Nash- 
ville  in  Stewart-  und  Dickson  Cy.  Erz  und  Brennmaterial  wie  V.  Die 
Erze  dieser  Region  sind  weit  zerstreut  und  wenig  mächtig. 

VII.  Blockkohlen-Region  von  Indiana.  Erze  vom  Oberen  See 
und  Missouri  werden  im  sw.  Indiana  neuerdings  mit  Kohlen  des  hierher 
sich  verlängernden  Kohlenfeldes  von  Illinois  verschmolzen.  12  H.  in  den 
Counties  Clay,  Vigo  und  Martin. 

VIII.  Die  Missouri-Region  im  ö.  Missouri  und  s.  Illinois.  Erze 
von  Missouri,  Kohlen  von  Missouri,  Illinois  und  Kentucky  und  zum  Theil 
selbst  aus  der  Gegend  von  Pittsburg  und  Connelsville  Penn.  Haupt- 
punkte:  S.  Louis,  der  Mittelpunkt  der  Eisenindustrie  des  Mississippi- 
Gebietes,  Grand  Tower,  Pilot  Knob  in  Missouri,  Franklin-  und  Campbell 
Cy.  in  Illinois.     24  H. 

IX.  Illinois-Region  im  n.  Illinois  und  s.  Wisconsin.  Erze  vom 
Oberen  See  und  von  Missouri  mit  Holzkohlen  oder  Steinkohlen  vom  Illinois- 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  327 

Kohlenfeld  und    mit   pennsylvanischen  Cokes.     Hauptpunkte:    Joliet   und 
Chicago  in  Illinois,  Milwaukee  in  Wisconsin. 

X.  Region  des  Oberen  Sees  im  s.  Michigan  und  n.  Wisconsin. 
Erze  vom  Oberen  See  mit  Holzkohlen.  Wichtigste  Bezirke :  Marquette  Cy. 
und  Detroit  in  Michigan  und  Green  Bay-,  Lake  Michigan-  und  Brown  Cy. 
in  Wisconsin.     50  H. 

Steinkohlen.  Die  Steinkohlenformation,  welche  in  den  V.  St. 
IQ  die  zwei  Gruppen  Subcarboniferous  (Untere  Kohlenf.)  und  Car- 
boniferous  (Produktive  oder  Eigentliche  Kohlenf.)  getheilt  wird 
(vgl.  Bd.  I.  S.  31),  hat  hier,  rein  geologisch  betrachtet,  eine  ausser- 
ordentlich grosse  Verbreitung.  Unser  geologisches  Kärtchen  (Bd.  I. 
S.  28)  zeigt  sie  in  einem  breiten  Streifen  am  Westabhang  der  Alle- 
ghanies ,  von  wo  sie  in  einer  Breite  von  70  g.  M.  sich  durch  das 
Ohio-  und  Tennessee-Thal  bis  zum  Missouri  und  Mississippi  und 
südwärts  durch  das  Gebiet  des  Arkansas  bis  nach  Texas  zieht.  Ein 
isolirtes  Stück  füllt  den  grössten  Theil  der  Halbinsel  Michigan  aus. 
W.  vom  100.  Grad  ist  sie  in  den  Gebirgen  und  Tafelländern  des 
fernen  Westens  an  nicht  wenig  Punkten  nachgewiesen,  war  aber 
noch  nicht  überall  scharf  von  den  jüngeren  oder  älteren  Formationen 
zu  trennen,  die  dort  mit  ihr  lagern.  In  dem  Gebiete,  welches  der 
75.  und  100.°  w.  L.  und  der  32.  und  45.°  n.  Br.  einschliessen,  be- 
deckt sie  nicht  weniger  als  30  000  Q.  M.  Sie  zerfällt  darin  in  folgende 
verschiedene  Becken: 

L  Steinkohlenbecken  von  Neu-England:  In  Khode  Island 
und  Theilen  von  Massachusetts.  IL  Anthracitfelder  von  Ost-Penn- 
sylvanien.  III.  Appal achisches  Kohlenfeld:  Zieht  am  Nord- 
westrand des  Alleghanies  von  West-Pennsylvanien  an  durch  Theile 
von  Ohio,  Maryland,  Virginien,  Kentucky,  Tennessee,  Georgia,  Ala- 
bama. IV.  Das  Michigan -Becken:  Isolirt  zwischen  Huronen- 
und  Michigan-See.  V.  Das  Illinois-  Becken :  Ueber  Illinois,  Indiana 
und  Kentucky  sich  verbreitend.  VI.  Das  Mi  s so  uri -Becken:  Ueber 
Iowa,  Missouri,  Kansas,  Nebraska,  Indianer-Terr.,  Arkansas  sich 
verbreitend.  VII.  Das  Texas -Becken:  Wahrscheinlich  in  Fort- 
setzung des  Missouri-Beckens. 

Geologisch  zeigen  diese  ungemein  ausgebreiteten  Becken  oder 
Felder  bei  all  ihrer  breiten  Entwicklung  und  ausserordentlich 
weiten  Erstreckung   grosse  Uebereinstimmung   unter  einander.     Sie 


328  IX.  Mineralreiclithum  und  Bergbau. 

gehören  alle  der  eigentlichen  Kohlenformation  an.  Dana  theilt  alle 
Kohlenfelder  der  V.  St.  zwei  Gruppen  zu:  1.  der  Inneren,  welche 
im  0.  das  grosse  appalachische  .Kohlenfeld  umschliesst  und  im  W. 
bis  Kansas  reicht ;  dieselbe  ist  durch  die  Hebung  der  Silur  schichten 
bei  Cincinnati  in  zwei  Abschnitte  getheilt;  2.  der  Atlantischen, 
welche  die  Vorkommen  von  Nova  Scotia,  New  Brunswick  und  Rhode 
Island  umschliesst.  In  der  ersteren,  welcher  fast  alle  nennenswerthen 
Kohlenvorkommen  der  V.  St.  angehören ,  tritt  die  untere  Kohlen - 
formation  (Bergkalk  oder  Subcarboniferous)  gleichwie  in  Europa  vor- 
züglich in  Form  von  Kalksteinen  auf.  In  der  appalachischen  Region 
treten  in  der  n.  Hälfte  Schiefer  und  Sandsteine  an  die  Stelle  des 
Kalkes,  die  im  0.  nahezu  2000  m  Mächtigkeit  erreichen  und  gegen  W. 
rasch  ausdünnen.  In  einzelnen  Schichten  dieser  Subcarboniferous  Beds 
finden  sich  in  Pennsylvanien  und  Virginien  kleinere  abbauwürdige 
Kohlenflötze.  Der  eigentlichen  oder  produktiven  Kohlenformation  ge- 
hört bereits  die  Geröll-  und  Sandsteinbildung  des  Millstone  Grit  an, 
welche  gleich  dem  Subcarboniferous  ihre  grösste  Mächtigkeit  im  0. 
erlangt,  um  gegen  W.  zu  immer  dünner  zu  werden  und  gleichzeitig 
auch  mit  immer  feinerem  Korn  aufzutreten.  In  dem  oberen  Theil  der 
eigentlichen  Kohlenformation,  den  Coal  Measiires,  findet  sich  derselbe 
mannigfaltige  Wechsel  von  Conglomeraten,  Sandsteinen,  Scliiefern 
und  (meist  dolomitischen)  Kalksteinen,  der  dieses  Formationsglied 
fast  überall  charakterisirt.  Die  Parallelisirung  der  Flötze  in  den 
verschiedenen  Kohienfeldern  der  V.  St.  ist  nicht  mit  Sicherheit 
durchzuführen.  Innerhalb  des  appalachischen  Kohlenfeldes  ist  die 
Sonderung  in  eine  untere  und  obere  Flötzgruppe  überall  vorhanden. 
Der  ersteren  gehören  die  Anthracite  an.  Im  Allgemeinen  sind  im 
0.  die  Kohlenflötze  in  dem  unteren,  im  W.  in  dem  'oberen  Theil 
der  Formation  entwickelt.  Unter  den  12 — 18  Kohlenflötzen,  welche 
in  den  Kohlenfeldern  der  appalachischen  Region  und  dem  von 
Illinois  und  Indiana  auftreten,  erlangen  zwei  eine  besondere  Bedeu- 
tung durch  ihre  Mächtigkeit  und  ihre  weite  Verbreitung.  Es  sind 
das  1.  das  Mammoth  Bed,  das  zweitunterste  bauwürdige  Flötz  in 
Pennsylvanien,  welches  nachgewiesen  ist  von  Pennsylvanien  bis 
Illinois,  und  2.  das  Pittshurg  Bed,  das  8.  pennsy Ivanische,  das  in 
Pennsylvanien  und  Kentucky  auftritt. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  329 

In  der  Gescliichte  des  nordamerikanisclien  Continentes  bezeichnet 
die  Zeit  des  Millstone  Grit  den  Uebergang  von  einem  oceanischen 
zu  einem  continentalen  Zustand.  Vom  s.  New  York  bis  an  die 
Westgrenzen  von  Kansas  und  Nebraska  war  in  der  Zeit  der  Koblen- 
flötzbildung  trockenes  oder  halbtrockenes  Land ;  weiter  nach  W. 
verharrte  Meer,  aus  dem  Kalkstein  sich  ablagerte,  der  in  den 
Felsengebirgen  als  wahrscheinlich  jünger  wie  der  Kohlen-  oder 
Bergkalk  der  weiter  ö.  gelegenen  Striche  erscheint.  Die  weite 
Erstreckung  einiger  unteren  Flötze  scheint  anzudeuten,  dass  das 
ganze  Gebiet,  in  dem  die  Steinkohlenbildung  vor  sich  ging,  anfangs 
ziemlich  gleichmässig  flach  war  und  erst  später  durch  Hebungen 
oder  Senkungen  in  mehrere  Becken  oder  Felder  zerlegt  wurde. 

I.  Das  Becken  von  Neu-England.  36  Q.M.  Die  Kohlen  sind 
ein  graphitähnlicher  Anthraeit,  der  nur  zu  metallurgischen  Zwecken  mit 
Vortheil  verwandt  wird.  Die  reichste  Kohlenschicht,  7  m  mächtig,  in  der 
Aquidneck  Mine  bei  Portsmouth  R.  J. 

IL  Das  Anthracitkohlen-Gebiet  von  Pennsylvanien,  wiewohl 
eines  der  kleinsten  der  selbständigen  Vorkommen  (22  Q.M.),  ist  der  Pro- 
duktion nach,  sowie  durch  seinen  Einfluss  auf  die  Industrie  und  den  Verkehr 
grosser  Theile  des  Landes  heute  das  wichtigste  von  allen.  1874  erzeugten 
sämmthche  übrigen  Kohlengebiete  der  V.  St.  in  runder  Summe  25  und 
dieses  Gebiet  24  Mill.  T.  Es  sind  die  Beschaffenheit  des  Materials,  die 
vortreffhche  Lage  des  Gebietes  zu  den  Absatzpunkten  und  der  überaus 
grosse  Reichthum  der  Lagerstätten,  welche  dieses  üebergewicht  erzeugen. 
Der  Anthraeit  von  Pennsylvanien  ist  nahezu  reiner  Kohlenstoff,  fest,  nicht 
abfärbend,  sehr  hohe  Hitzgrade  fast  ohne  Rauch  entwickelnd  ^).  Man  sagt, 
dass  er  als   „das  vorzüglichste  und  schönste  Brennmaterial  anzusehen  ist, 


1)  Abgesehen  von  diesem  ästhetischen  Vorzug  des  Anthracits,  von  dem  man 
aus  dem  Gesichtspunkte  der  Reinlichkeit  sogar  einen  moralischen  ableiten  kann, 
hat  eben  diese  Rauchlosigkeit,  wie  man  im  Bürgerkrieg  zur  Genüge  erfuhr,  den 
unter  Umständen  grossen  Werth,  die  Dampfer  auf  hoher  See  nicht  zu  früh 
durch  ihre  Rauchwolken  sichtbar  zu  machen.  Der  pennsylvanische  Anthraeit 
hat  übrigens  auch  ein  unbestrittenes  Monopol  in  mehreren  Industrien.  Die 
amerikanische  Methode  der  Zinkoxyd-Herstellung  z.  B,  ist  ohne  ihn  nicht  aus- 
zuführen. Ch.  Lyell  führt  in  seinen  Second  Visit  to  the  U.  S.  (1855.  I.  188)  aus, 
wie  nützlich  der  Anthraeit  auch  dadurch  sei,  dass  er  durch  seine  Russlosigkeit 
grosse  Industriestädte  möglich  mache,  in  denen  Reich  und  Arm  zusammen- 
wohnen können,  „Alles  was  Geist  und  Geschmack  einer  Bevölkerung  fördern 
und  verfeinern  kann,  wird  durch  diese  Berührung  von  Reich  und  Arm  erleichtert." 


330  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

welches  überhaupt  existirt"  •).  Von  dem  grösstenWerth  ist  seine  Eigenschaft, 
dem  Einflüsse  der  Luft  zu  widerstehen  und  zur  Selbstentzündung  gar  nicht 
geneigt  zu  sein.  Es  ist  dadurch  langes  Lagern  und  massenhaftes  Aufspeichern 
besonders  in  den  grossen  Seeschiffen  ermöglicht.  Der  Reichthum  der  Lager- 
stätten des  pennsylvanischen  Anthracites  ist  so  gross,  dass  die  Mächtigkeit 
der  im  Baue  begriffenen  Flötze  von  IV2— 20m  (MammothYein,  das  grösste, 
ist  3,6— 21m  mächtig)  beträgt  und  somit  die  Mächtigkeit  der  bedeutendsten 
deutschen  und  englischen  Kohlenflötze  erheblich  übertrifft.  Die  Zahl  der 
aufgeschlossenen  Flötze  beträgt  15,  mit  einer  mittleren  Gesammtmäch- 
tigkeit  von  etwa  50  m.  Der  Zugehörigkeit  nach  ist  das  Anthracitgebiet 
von  Pennsylvanien  ein  nordöstlicher  Ausläufer  des  grossen  appalachischen 
oder  AUeghany- Kohlenfeldes.  Es  zerfällt  in  drei  in  der  Richtung  von 
NO.  nach  SW.  sich  erstreckende  schmale  Becken,  nämlich  das  s.  oder 
Schuylkill-Becken ,  das  mittlere  mit  den  Sonderbecken  von  Shamokin, 
Mahong  und  Lehigh  und  das  n.  oder  Wyoming-  und  Lackawanna-Becken. 
Als  wichtigere  Orte  in  diesem  Gebiete  sind  zu  nennen:  Pottsville  und 
Tamaqua  im  s.,  Shamokin,  Ashland,  Shenandoa  Cy. ,  Mahanoy  Cy.> 
Hazelton  und  Beaver  Meadow  im  mittleren,  Wilkesbarre,  Scranton,  Pittston, 
Carbondale,  Providence,  Plymouth  und  Nanticoke  im  n.  Becken. 

in.  Das  Appalachische  Kohlenfeld.  2810Q.M.  Dieses  aus- 
gedehnte Kohlenfeld  zieht,  wie  schon  hervorgehoben,  vom  w.  Pennsylvanien 
an  am  ganzen  nw.  Rande  der  Alleghanies  entlang  bis  zu  deren  s.  Ende 
im  Staate  Alabama.  Es  zeigt  die  grössten  Faltungen  in  der  Nähe  des 
Gebirges  und  verflacht  sich  in  seichten  Wellen  gegen  den  Ohio  hinaus, 
in  dessen  Thal  es  eine  nahezu  flache  Lage  einnimmt.  Acht  grössere  der- 
artige Falten  sind  zwischen  Alleghanies  und  Ohio  von  den  amerikanischen 
Geologen  nachgewiesen  und  jede  ist  durch  besondere  Kohlenbecken  be- 
zeichnet. Dieselben  Falten  sind  in  der  Fortsetzung  nach  W.  Virginia 
und  Kentucky  bekannt.  An  der  Nordgrenze  ist  dieses  Feld  durch  Erosion 
in  kleine  Splitter  zcrtheilt,  die  durch  Nord  -  Pennsylvanien  hin  zerstreut 
sind.  An  dem  den  Alleghanies  zugewandten  Rande  scheinen  durch  starke 
Hebungen  und  Senkungen  grosse  Massen  von  Kohlen  verschwunden  zu 
sein.  Am  Südende  zeigt  sich  eine  dreifache  Bcckenbildung  in  Alabama, 
in  den  Becken  von  Coosa,  Cahawba  und  Black  Warrior.  —  Der  Flötz- 
reichthum  dieses  grossen  Kohlenfeldes  ist  nicht  bedeutend.  Man  hat  in 
den  verschiedenen  Thcilen  9  — 13  nachgewiesen,  wovon  indessen  nicht 
alle  bauwürdig  sind.  Die  Mächtigkeit  der  abbauwürdigen  wechselt  zwischen 
1  und  2,5  m  und  es  kommt  in  den  verschiedenen  Bergwerken  in  der  Regel 
nur  eines  für  den  Abbau  in  Betracht.  Man  überschätzt  gewöhnlich  den 
Kohlenreichthum  dieses  Feldes,   indem  man  nicht  erwägt,   dass   seine  ge- 

1)  Broja,  Der  Anthracitbergbau  in  den  V.  St.    Z.  für  Berg-  und  Hüttenwesen 
1877.    41. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  331 

waltige  Flächenausdehnung  theilweise  aufgewogen  wird  durch  die  geringe 
Zahl  und  die  nur  mittelstarke  Mächtigkeit  der  Flötze,  durch  die  geringe 
Dicke  des  produktiven  Kohlengebirges,  sowie  durch  die  meist  flache 
Schichtenlagerung  des  appalachischen  Feldes.  In  sich  selbst  ist  nach 
Güte  der  Kohle  das  appalachische  Kohlenfeld  ausserordentlich  verschieden. 
Im  Ganzen  walten  die  mageren  Kohlen  der  unteren  Schichten  vor  über 
die  fetten  Backkohlen  der  oberen;  erstere  sind  in  den  südlichen  Theilen 
des  appalachischen  Feldes  ausschliesslich  vertreten,  so  dass  man  in  Ken- 
tucky, Tennessee  und  Alabama  nur  magere  Kohlen  fördert;  dagegen 
werden  die  backenden  Kohlen  am  ausgiebigsten  im  oberen  Ohio-Thale 
gefördert  und  erlangen  dort  hauptsächlich  wegen  ihrer  günstigen  Verkokung 
eine  grosse  Bedeutung  für  die  Eisenindustrie. 

Die  Gesammterzeugung  des  appalachischen  Kohlenfeldes  belief 
sich  in  1877  auf  ca.  22,5  Mill.  T.,  ist  also  im  Begriff,  diejenige  der  Anthra- 
citbecken,  deren  Grösse  oben  S.  329  angegeben  ist,  zu  überflügeln.  1875 
betheiligten  sich  die  verschiedenen  Staaten,  in  deren  Gebiete  Theile  dieses 
Kohlenfeldes  fallen,  an  dieser  Erzeugung  mit  folgenden  Zahlen  (in  T.): 
Pennsylvania  mit  11500000,  Ohio  mit  4868  259,  Maryland  mit  2  342  773, 
W.  Virginia  mit  600000,  Tennessee  mit  425000,  Kentucky  mit  eben 
soviel,  Alabama  mit  60000.  Während  die  Kohlenerzeugung  im  Anthracit- 
gebiete  seit  Jahren  auf  einer  Höhe  angekommen  ist,  die  sie  unter  ge- 
wöhnlichen Umständen  nicht  mehr  überschreiten  wird,  ist  diejenige  des 
appalachischen  Kohlenfeldes  in  einer  Ausdehnung  begriffen,  nach  der 
Breite  wie  der  Tiefe  hin,  der  eine  Grenze  noch  lange  nicht  gezogen  sein 
dürfte.  Allerdings  werden  die  Haupterzeugungsgebiete  trotz  der  grossen 
Erwartungen,  die  sich  mit  Recht  an  Alabama  knüpfen  *),  noch  für  lange 
an  den  durch  die  Bodenverhältnisse,  die  Nähe  der  Industriemittelpunkte, 
die  dichtere  Bevölkerung  begünstigten  Stellen  um  Pittsburg  am  Mononjiahela 
und  Youghiogheny,  dann  im  ö.  Ohio  und  um  Cumberland  im  Flussgebiete 
des  Potomac  geknüpft  sein. 


1)  Die  vorzügliche  Lage  des  Kohlenfeldes  von  Alabama  dürfte  in  nicht  ^ 
ferner  Zeit  aus  demselben  eines  der  wichtigeren  Kohlenreviere  der  V.  St.  machen. 
Man  findet  Genaueres  über  dasselbe,  wie  auch  über  die  dortigen  Eisenerze  in 
einem  Aufsatze  von  E.  P.  Rothwell  (Trans.  Am.  Inst,  Mining  Engineers  II. 
444 — 158),  in  welchem  die  Zahl  der  brauchbaren  Flötze  auf  10 — 12  mit  einer 
Gesammtmächtigkeit  von  6  — 10  m  angegeben  wird.  Die  Vertheilung  der  Flötze 
in  eine  obere  und  untere  Gruppe  entspricht  ganz  derjenigen  im  pennsylvanischen 
Kohlengebiet.  Die  Güte  der  Kohle  soll  hervorragend  sein.  Während  des  Bürger- 
krieges wurde  sie  in  grösserer  Menge  gefördert  und  u.  a.  ähnlich  wie  die 
Indiana-Blockkohle  roh  im  Hochofenprocess  verwandt.  Die  besten  scheinen  die 
des  Cahaba-Beckens  zu  sein ,  die  Raymond  hervorhebt  als  ausgezeichnet  durch ' 
„Trockenheit,  Armuth  au  Asche  und  Reichthum  au  festem  Kohlenstoff ". 


332  IX.  Mineralreiclitlium  und  Bergbau. 

IV.  Das  Kohlenbecken  von  Michigan  enthält  eine  Ablagerung, 
deren  Längenaxe  nahezu  mit  der  der  Saginaw-Bai  zusammenfällt.  Bedeckt 
ca.  320  Q.M.,  ist  aber,  wiewohl  ein  Flötz  1  — IVam  mächtig  durch  die 
ganze  Mulde  streicht,  weder  an  Menge  noch  Güte  bedeutend.  Die  Kohle 
ist  unrein  und  die  Gesammtmächtigkeit  der  Flötze  beträgt  noch  nicht  4  m. 
Die  Förderung  (am  lebhaftesten  in  der  Gegend  von  Lansing)  betrug 
11487  T.  in  1875.  Früher  ist  sie  bedeutender  gewesen,  aber  Michigan 
bezieht  seine  Kohlen  mehr  und  mehr  aus  Pennsylvanien  und  Ohio. 

V.  Das  Kohlenfeld  von  Illinois.  Ausser  in  Illinois  auch  im 
s.o.  Indiana  und  in  geringer  Ausdehnung  im  w.  Kentucky  vertreten.  Am 
wichtigsten  ist  der  Antheil  von  Indiana,  der  300  Q.M.  bedeckt.  Zwei 
Zonen,  eine  im  0.,  die  andere  im  W.,  treten  hier  auf,  die  theilweise  in 
den  Schichten  übereinstimmen,  ,aber  in  der  Art  der  Kohlen  verschieden 
sind.  In  der  Ostzone  kommen  die  Blockkohlen  vor,  welche  für  Eisen- 
schmelzereien  besonders  ausgezeichnet  sind,  jedoch  hinter  der  gleich- 
namigen Varietät  des  Ohio -Beckens  zurückstehen.  Die  w.  Zone  enthält 
backende  Kohlen  in  mächtigen  Flötzen.  Beide  sind  von  hoher  Bedeutung, 
weil  weiter  westlich  keine  Kohlen  mehr  vorkommen,  die,  zum  Eisen- 
Schmelzen  brauchbar  sind.  Leider  steht  ihr  Schwefelgehalt  manchen  An- 
wendungen entgegen.  Indiana  erzeugte  1875  IV«  Mill.  T.  Hauptpunkt 
der  Gewinnung:  Brazil.  Illinois  ist  zu  V*  von  Kohlenformation  unterlagert 
und  die  Kohlen  sind  bei  ihrer  fast  ungestörten  Lagerung  leicht  zu  ge- 
winnen. Ihre  Gesammtmächtigkeit  ist  10  m,  während  sie  in  Indiana  noch 
13  m  beträgt.  Aber  sie  sind  schwefelreich,  weshalb  viele  Kohlen  aus 
Pennsylvanien,  Ohio  und  Indiana  in  Chicago  eingeführt  werden.  Die  Masse 
der  Förderung  belief  sich  1875  auf  3750000  T.  Hauptgegenden  die  Big 
Muddy  -  Region,  nicht  weit  von  S.Louis  und  den  grossen  Missouri -Eisen- 
lagern, und  der  X^asalle-Distrikt  mit  Wilmington.  Der  Antheil  Kentucky's 
an  diesem  Kohlenfelde  ist  unbedeutend. 

VI.  Das  Kohlenfeld  von  Missouri  findet  seine  Entwickelung 
in  Iowa,  Nebraska,  Missouri,  Kansas,  Arkansas  und  Indian  Terr.  Von 
dem  von  Illinois  ist  es  nur  durch  das  Mississippi -Thal  getrennt.  Die 
Breitenausdehnung  ist  die  grösste,  die  Mächtigkeit  die  geringste  von  allen 
Kohlcnfeldern  der  V.  St.  Die  Gesammtmächtigkeit  der  Flötze  erreicht  in 
den  besten  Theilen  nicht  6  m.  Die  produktive  Formation  weicht  hier 
gegen  W.  zu  gleich  den  anderen  älteren  Formationen  zurück.  Man  unter- 
scheidet drei  Flötzgruppen,  wovon  die  unterste  die  wichtigste.  Im  äussersten 
W.  liegt  im  Gebiete  dieses  Feldes  noch  das  ö.  Nebraska.  Gerade  hier, 
in  der  baumlosen  Prärie ,  würden  die  Kohlen  von  unschätzbarem  Werthe 
sein.  Die  Kohlenformation  erreicht  aber  hier  ihr  Ende  und  nur  die  oberen 
kohlcnleeren  Schichten  (harren  measiires  des  Ostens)  sind  vertreten.  — 
Missouri  hat  hingegen  über  1000  Q.  M.  Kohlenfeld  im  n.  und  nw.  Theil  mit 


IX.  Mineralreich thum  und  Bergbau.  333 

den  zahlreichsten  Flötzen,  die  man  in  diesem  Felde  kennt;  es  kommen 
welche  bis  zu  1,3  m  Mächtigkeit  vor.  Man  förderte  in  den  letzten  Jahren 
durchschnittlich  800000  T.  In  unmittelbarer  Nähe  von  S.  Louis  findet 
sich  ein  ziemlich  ergiebiges  Vorkommen,  dessen  Abbau  leicht  ist  und  dessen 
Bedeutung  durch  die  Lage  im  Winkel  zwischen  den  beiden  Strömen  Missouri 
und  Mississippi  und  an  der  Grenze  des  brennstoffarmen  W.  trotz  der  ge- 
ringeren Güte  der  Kohlen  erheblich  ist.  In  Kansas  fallen  die  Schichten  der 
Kohlenformation  nach  NW.  ein  und  liegt  die  Grenze  des  grossen  Beckens 
im  SO.  In  letzterer  Region  finden  sich  starke  Flötze,  die  zum  Theil  in 
der  Prärie  selbst  durch  Tagbau  ausgebeutet  werden  (z.  B.  Cherokee  Cy.). 
Das  Ilauptflötz  von  durchschnittlich  V2  m  Dicke  streicht  in  das  Indian 
Territory  hinein.  Uebrigens  tritt  auch  Braunkohle  im  w.  Kansas  in  1 — 2  m 
dicken  Schichten  auf  längs  des  Thaies  der  Smoky  Hills.  Arkansas 
hat  nur  die  unteren  Schichten  der  Kohlenformation,  aber  es  liegen  darin 
zwei  Flötze,  von  denen  das  untere  sich  abbauwürdig  gezeigt  hat.  Die 
Kohle  soll  halb  anthracitartig  sein  und  kommt  neuerdings  als  Spadra-Coal 
bis  nach  S.  Louis.  Die  Lage  zu  beiden  Seiten  des  Arkansas  R.  dürfte 
vielleicht  diesem  Vorkommen  einst  eine  grössere  Bedeutung  für  das 
untere  Mississippi  -  Gebiet  verleihen.  Die  Kohlen formation  nimmt  in  Ar- 
kansas insgesammt  450  Q.M.  ein.  Das  Indianer -Territorium  enthält 
hinüberstreichende  Stücke  der  Kansas-,  Arkansas-  und  Texas-Kohlenfelder. 
Man  kann  also  die  Gegenwart  von  Steinkohlenlagern  wenigstens  ver- 
muthen. 

VII.  Das  Kohlenfeld  von  Texas.  Die  Kohlenformation  nimmt 
hier  zwischen  dem  Oberlauf  des  Texas  -  Colorado  und  des  Red  R.  einen 
sehr  weiten  Raum  ein  und  es  ist  zweifellos  nachgewiesen,  dass  sie 
stellenweise  vier  Flötze  führt,  deren  Mächtigkeit  bis  V/zm  betragen  soll. 
Indessen  soll  die  Gcsammtmächtigkeit  100  m  nicht  überschreiten  *). 

Die  Gewinnung  der  Steinkohlen  aus  Schichten  des  sekundären 
Zeitalters,  die  von  J.  D.  Dana  der  Trias  zugerechnet  werden,  hat 
gegenwärtig  nur  in  einer  9  Q.M.  grossen  Ablagerung  bei  Richmond  Va. 
statt,  wo  vier  Flötze  von  6—12  m  Gcsammtmächtigkeit  in  Wechsellagerung 


1)  Alle  Kohlenfelder  w.  vom  Mississippi  scheinen  auch  nicht  den  Vorzug 
der  östlichen  zu  besitzen,  dass  grosse  Eisenerzlager  in  ihrer  Mitte  oder  doch 
in  grosser  Nähe  von  ihnen  gefunden  werden.  Die  wenigen  Eisenerzlager,  welche 
bis  jetzt  in  diesem  Gebiet  eine  wirthschaftliche  Bedeutimg  gewonnen  haben, 
liegen  fern  von  den  Kohlen.  „TJeberhanpt,  sagt  J.  D.  Whitney  im  Geol.  Survey 
of  Iowa  I.  422,  ist  es  erstaunlich,  wie  wenig  Eisen  in  diesem  Theil  des  Missis- 
sippi-Thaies durch  die  paläozoischen  Gesteine  zerstreut  ist.  Selbst  die  kleinen 
Antheile  Eisen,  welche  in  den  Kalksteinen  nicht  zu  fehlen  pflegen,  sind  hier 
noch  kleiner  als  gewöhnlich.  Perioden  der  Schichtenstörung  und  die  Anwesen- 
heit von  massigen,  eingedrungenen  Gesteinen  scheinen  die  Vertheilung  des.Eisens 
befördert  zu  haben." 


334  IX.  Mineralreichthiim  und  Bergbau. 

mit  Schieferkohle  vorkommen.  Die  Erzeugung  schwankte  in  den  letzten 
Jahren  zwischen  60000  und  80000  T.  Kohlenlager  desselben  Alters,  die 
in  N.  Carolina  am  Deep  R.  in  einer  Ausdehnung  von  15  Q.M.  vorkommen, 
werden  nicht  abgebaut. 

Braunkohlen,  welche  sehr  verschiedenen  geologischen  Horizonten 
angehören,  sind  in  fast  allen  Staaten  des  W.  gefunden,  haben  aber  bis 
jetzt  noch  nirgends  zu  einem  Bergbau  Anlass  gegeben,  der  auch  nur  von 
ferne  dem  im  0.  auf  wirkliche  Steinkohlen  betriebenen  verglichen  werden 
könnte.  Die  Förderung  genügt  selbst  dem  heutigen  Bedarfe  nicht.  Von 
den  am  meisten  consumirenden  Staaten  verbraucht  Californien  grosse 
Mengen  von  australischen  und  chilenischen  Steinkohlen  und  erhält  Braun- 
kohlen aus  Brit.  Columbia,  während  die  Kohlen  des  unteren  Missouri- 
Gebietes  bis  nach  Colorado  gehen.  1875  wurde  die  Gesammtförderung  in 
Wyoming  und  Utah  auf  .     .     .     600000  T. 

Californien 250000 

Colorado 120000 

Neu-Mexico,  Texas  etc.       .     .      30000 

zusammen  1000000*) 

veranschlagt,  was  ungefähr  dem  50.  Theil  der  gesammten  Kohlenförderung 
der  V.  St.  entsprechen  würde.  Da  indessen  in  diesen  baumarmen  Gegenden 
mineralische  Brennstoffe  jeder  Art  ein  hohes  Bedürfniss  sind,  nicht  bloss 
für  die  Maschinenheizung,  sondern  auch  für  den  häuslichen  Bedarf,  so 
ist  eine  bedeutende  Steigerung  vorauszusehen.  Eine  ganze  Anzahl  von 
jüngeren  Kohlenablagerungen,  die  geologisch  sicher  nachgewiesen  sind, 
konnte  bis  heute  wegen  Mangel  an  Verkehrswegen  und  zum  Theil  auch 
wegen  Mangel  an  hinreichender  Nachfrage  nicht  aufgeschlossen  werden, 
und  die  in  Ausbeutung  befindlichen  arbeiten  zunächst  nur  für  den  örtlichen 
Bedarf.  Leider  sind  gerade  für  dieses  grosse  und  interessante  Gebiet  die 
statistischen  Angaben  wenig  ausgiebig.  Man  hat  sich  mit  Schätzungen  zu 
begnügen,  und  die  für  die  Braunkohlenförderung  der  V.  St.  im  Jahre  1877 
gegebene  Zahl  von  1,2  Mill.  T.  ist  hier  eben  nur  als  annähernde  Schätzung 
zu  nennen. 

Steinkohle  der  eigentlichen  Steinkohlenformation  ist  bis  jetzt  w.  von 
den  oben   angegebenen  Vorkommen^  in  Kansas  und  Nebraska  nicht  nach- 


1)  Diese  Zahl  gibt  C.  Mosler  in  seiner  üebersicht  über  Die  Bergwerks-  und 
Hütten-Industrie  der  V.  St.  von  Nord- Amerika  (Z.  f.  Berg-  und  Hüttenwesen 
1876.  279).  Dagegen  setzt  R,  P.  Rothwell  in  seiner  neueren  Statistik  der  Kohlen- 
erzeugung der  V.  St.  (Trans,  of  the  Am.  Inst,  of  Min.  Engineers  V.  376)  für 
die  gesammte  Förderung  von  Post-Carboniferous  Coals  nicht  mehr  als  827000  T. 
oder  1,74  Proc.  der  ganzen  Kohlenförderung  der  V.  St.,  während  G.  Rolland  für 
das  Jahr  1876  allein  die  Braunkohlenförderung  Colorados  auf  300000  T.  schätzt 
(Ann.  d.  Mines  1878.  177). 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  335 

gewiesen.  Es  scheint  zwar  der  marine,  aus  Kalksteinen  bestehende  Theil 
derselben  im  W.  weit  verbreitet  zu  sein,  aber  er  ist  kohlenleer*).  Die 
Braunkohlen,  welche  am  Ostabhang  der  Felsengebirge  in  Colorado  ge- 
wonnen werden,  gehören  dem  Eocän  oder,  wie  neuerdings  behauptet  wird, 
einer  Uebergangsformation  zwischen  Tertiär  und  Kreide  an.  Hauptorte 
ihrer  Gewinnung  sind  Golden  City,  Ralston  Creek  und  Marshalls.  In 
Wyoming  Terr.  wird  dieselbe  Formation  bei  Carbon,  Hallville,  Rock  Springs 
u.  a.  0.  kohlenführend  gefunden.  In  Utah  Terr.  sind  bei  Evanston  und 
Coalville  Kohlenlager  desselben  Alters  aufgeschlossen  und  soll  das  von 
Evanston  nicht  weniger  als  8  m  mächtig  sein  ^).  Vereinzelt  wie  diese 
Ablagerungen  sind,  muss  es  schwer  sein,  aus  ihrem  Vorkommen  Schlüsse 
zu  ziehen  auf  andere  von  ähnlichem  Alter  und  entsprechender  Lagerung. 
Sie  sind  wahrscheinlich  keine  von  der  Erosion  verschonte  Reste  eines 
einstigen  grossen  Kohlenfeldes,  das  nach  Prof.  P.  Frazier's  Berechnung 
800  Kil.  lang  und  breit  gewesen  wäre  ^),  sondern  ursprünglich  selbständige, 
von  Anfang  an  weitgetrennte  Gebilde.  Das  geologische  Alter  der  Braun- 
kohlen von  Californien  und  Oregon  ist  ein  jüngeres  als  das  der  Felsen- 
gebirgkohlen.  Sie  sind  miocän.  Der  ergiebigste  Abbau  findet  statt  in 
den  Mount  Diablo  Mines  bei  San  Francisco,  dann  in  Coos  Bay  (sw.  Oregon), 
bei  Seattele  im  Pudget  Sound  und  in  Bellingham  Bay  im  nw.  Washington 
Terr.  Die  grösste  Förderung  weisen  die  erstgenannten  Werke  am  Mt. 
Diablo  auf,  deren  Erzeugung  für  1877  auf  185  000  T.  angegeben  wird. 

Folgende  Aufzählungen  nach  R.  P.  Rothwell  (Trans.  Am.  Inst,  of 
Mining  Engineers  V.  376)  zeige^n,  wie  die  im  Jahre  1875  gewonnenen 
Kohlenmengen  sich  auf  die  einzelnen  Staaten  vertheilen. 

Mengen  in  T.  und  Proc:  Alabama  60000  [0,13],  Arkansas  9000 
[0,02],  California  166100  [0,35]  Braunkohle,  Colorado  150000  [0,32] 
Braunkohle,  Illinois  3500000  [7,37],  Indiana  800000  [1,69],  Iowa 
1500000  [3,16],  Kansas  275000  [0,58],  Kentucky  375000  [0,79],  Mary- 
land 2  342773  [4,94],  Michigan  12000  [0,02],  Missouri  750,000  [1,58], 
Nebraska  1300,  Nevada  1000  Braunkohle,  Ohio  4  346  653  [9,15],  Oregon 
28800  [0,06]  Braunkohle,  Pennsylvania  31 143  509  [65,54]  davon  20643  509 
Anthracit,  Rhode  Island  11000  [0,02]  Anthracit,  Tennessee  360000  [0,76], 
Utah  35000  [0,07]  Braunkohle,  Virginia  79  200  [0,17]  Braunkohle, 
Washington  88  900  [0,19]  Braunkohle,  West  Virginia  1100000  [2,32], 
Wyoming  278000  [0,59]  Braunkohle,  North  Carolina,  Georgia  und  Indian 
Terr.  100000  [0,21]. 


1)  Eine  anthracitartige  Kohle,  wahrscheinlich  Braunkohle,  die  durch  spätere 
Eintiüsse  umgewandelt  ist,  wird  als  in  den  San  Lazaro  Mts.  N.  M.  vorkommend, 
von  Frazer  beschrieben.     (S.  Hayden  Report  1871.) 

2)  Mac  Farlane,    Coal-Regions  of  Am.  1873.  554. 

3)  Hayden  Report  1871. 


336 


IX.  Mineralreichtlmm  und  Bergbau. 


Gold.  Eine  officielle  Statistik  der  Goldgewinnung  in  den 
geradezu  zahllosen  Goldwäschereien  und  Goldbergwerken,  welche 
seit  1878  in  den  V.  St.  bearbeitet  worden  sind,  kann  es  nicht 
geben,  da  kein  Umstand  vorhanden  ist,  der  es  irgend  einer  Behörde 
nothwendig  erscheinen  Hesse,  die  Mengen  zu  controliren,  welche 
gewonnen  werden.  Man  ist  auf  Schätzungen  angewiesen,  welche 
allerdings  in  einigen  Richtungen  erleichtert  werden  durch  die  Nach- 
weise der  Expresscompagnien,  welche  den  Versandt  von  ungemünztem 
Gold  besorgen,  die  Berichte  des  U.  S.  Mining  Commissioner,  die 
Berichte  der  Münzvorstände  und  ähnliche  Zeugnisse;  immer  sind 
es  aber  nur  ganz  allgemeine  Schätzungen,  zu  denen  man  auch  mit 
Benützung  aller  dieser  Hülfsmittel  gelangen  kann.  Unter  diesen, 
wie  begreiflich,  weit  auseinandergehenden  Schätzungen  dürfen  wohl 
die  des  U.  S.  Commissioner  of  Mining  Statistics  noch  als  die  zu- 
verlässigsten gelten,  da  sie  am  freiesten  sind  vom  Verdacht  will- 
kürlicher Ueber-  oder  Unterschätzungen,  welcher  den  Angaben 
interessirter  Privatleute   oder   Gesellschaften   in   der  Regel  anklebt. 

Schätzung  der  Golderzeugung  in  den  V.  St.  von  1848  an: 


Jahr 

Cali- 
fornien 
Mill.  D. 

Andere 

Staaten 

und  Terr. 

Mill.  D. 

Zusammen 
Mill.  D. 

Jahr 

Cali- 
fornien 
Mill.  D. 

Andere 

Staaten 

und  Terr. 

Mill.  D. 

Zusammen 
Mill.D.i) 

1848 

10 

10 

1863 

30 

10 

40 

1849 

40 

40 

1864 

26,6 

19,5 

46,1 

1850 

50 

50 

1865 

28,5 

24,725 

53,225 

1851 

55 

55 

1866 

25,5 

28 

53,5 

1852 

60 

60 

1867 

25 

26,725 

51,725 

1853 

65 

65 

1868 

22 

26 

48 

1854 

60 

60 

1869 

22,5 

27 

49,5 

1855 

55 

55 

1870 

25 

25 

50 

1856 

55 

55 

1871 

20 

23,5 

43,5 

1857 

55 

55 

1872 

19 

17 

36 

1858 

50 

50 

1873 

18 

17 

35 

1859 

50 

50 

1874 

— 

— 

42,150 

1860 

45 

1 

46 

1875 

— 

— 

42 

1861 

40 

3 

43 

1876 

— 

— 

48,85 

1862 

34,7 

4,5 

39,2 

1877 

— 

— 

51 

1)  Diese  Tabelle  stimmt  mit  der  von  F.  v.  Richthofen  G.  M.  Erg.-  Heft  14.15 
gegebenen  bis  zum  Jahr  1859  genau  zusammen.  Von  da  an  gibt  Richthofen 
etwas  geringere  Zahlen,  die  sich   auf  den  geschätzten  Gesammtwerth  der  Ausfuhi- 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  33t 

Die  Verbreitung  des  Goldes  ist  in  den  V.  St.  eine  sehr  weite. 
Man  wird  wohl  ohne  Uebertreibung  sagen  können,  dass  es  keinen 
Staat  und  kein  Territorium  in  denselben  gebe,  die  sich  nicht  schon 
einmal  für  goldreich  gehalten  haben.  Es  findet  sich  nicht  bloss 
in  den  Gebirgen  des  W.  und  0.,  sondern  selbst  in  der  Seeregion, 
wo  sein  merkwürdiges  Vorkommen  als  Geschiebe  in  der  eiszeitlichen 
Drift  im  vorigen  Bande  erwähnt  worden  ist  (S.  122).  Aber  in 
erheblichem  Masse  goldführend  sind  nur  die  Gebirge  des  W.  sammt 
deren  Flussbetten  und  von  Flüssen  herstammenden  Schwemmgebilden. 
Aus  ihnen  allein  sind  jene  gewaltigen  Mengen  von  Gold  gewonnen 
worden,  die  in  den  letzten  30  Jahren  von  tiefgreifendstem  Einfluss 
nicht  nur  auf  die  wirthschaftliche  Entwicklung  dieser  Gegenden, 
sondern  auch  auf  die  der  ganzen  V.  St.  und  überhaupt  auf  die  ganze 
Weltwirthschaft  gewesen  sind.  Wir  schildern  im  Folgenden  die 
hauptsächlichsten  Goldregionen  in  der  Reihenfolge  der  Bedeutung, 
welche  denselben  heute  zukommt. 

Californien*).  Die  goldreichen  Gegenden  von  CaHfornien  sind 
nicht  scharf  zu  scheiden  von  den  goldarmen,  aber  man  kann  sagen,  dass 
diejenigen  Goldmassen,  welche  für  CaUfornien  den  Ruhm  des  Goldlandes 
gewonnen  haben,  ausschUesslich  am  unteren  Theile  des  Westabhanges  der 
Sierra  gewonnen  worden  sind.  Hier  zieht  vom  Tejon-Pass  bis  zur  Nord- 
grenze des  Staates  der  Goldstreif,   the  Auriferous  Belt.    Die  metamor- 


beziehen:  1860  42325  916;  1861  39176  758;  1862  36061761;  1863  33011 920  D., 
zu  denen  er  indessen  selbst  bemerkt,  dass  der  Werth  des  im  Lande  gebliebenen 
Goldes  und  des  in  den  Silberbarren  ausgeführten  nicht  mit  inbegriffen  ist.  Der 
Unterschied  zwischen  seinen  und  Raymond's  Angaben  für  die  Jahre  1860  —  63 
scheint  darauf  zurückzuführen,  dass  den  ersteren  nur  die  officielle  Edelmetall- 
ausfuhr minus  Silber  zu  Grunde  gelegt  ist,  während  die  letzteren  ähnlich  wie  vor 
1860  auch  die  Goldausfuhr  durch  Private  mit  in  Rechnung  ziehen.  Das  Gold, 
das  als  Beimengung  in  Silberbarren  ausgeführt  wurde,  schätzt  v.  Richthofen 
zu  9500000  —  1150000  für  die  vier  Jahre  1861  —  64. 

1)  Die  erste  Goldeutdeckung  in  Californien  wurde  durch  J.  W.  Marshall 
am  19.  Januar  1848  bei  der  Sägmühle  eines  deutsch-schweizerischen  Ansiedlers 
Namens  Sutter  am  Südarm  des  American  R.  in  dem  späteren  Eldorado  Cy. 
gemacht.  Am  15.  März  1848  wurde  diese  Entdeckung  zum  ersten  Mal  in  einer 
Zeitung  von  S.  Francisco  an  die  Oeffentlichkeit  gebracht.  Die  Goldfunde  im 
s.  Oregon  wurden  1852  gemacht,  in  Idaho  1852,  in  Montana  1858,  in  Arizona 
1858,  in  Colorado  1859.  In  Nevada  und  Utah  ist  Gold  in  Mengen,  welche 
die  Anlage  von  Wäschen  lohnte,  nie  gefunden  worden,  aber  es  kommt  in  nicht 
unbedeutender  Menge  in  Silbererzen  vor. 

Ratzel,   Amerika  II.  22 


338  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

phischen  Schiefer  und  Sandsteine,  die  hauptsächlichen  Träger  des  hiesigen 
Goldreichthums,  sind  in  dieser  Region  am  breitesten  entwickelt  und  am 
wenigsten  verhüllt  durch  überlagernde  goldleere  Schichten.  Hier  ist  es 
auch,  wo  die  Bedingungen  gegeben  waren  zur  Ansammlung  des  Goldes 
im  Geröll  und  Sand  und  seiner  verhältnissmässig  leichten  Gewinnung. 
Diese  günstigen  Bedingungen  der  Lagerung  werden  oft  unterschätzt.  Aber 
wenn  man  "bedenkt,  welche  Summen  eine  durchaus  ungeschulte,  kenntnisslose 
Masse  von  Goldwäschern  aus  diesen  Goldlagern  rasch  gewann,  wird  man  nicht 
umhin  können,  ihre  Bedeutung  anzuerkennen.  Innerhalb  dieses  Auriferous 
Belt  sind  einige  Abschnitte  zu  unterscheiden,  die  in  ihrem  geologischen 
Verhalten  und  dementsprechend  in  ihrem  Goldreichthum  verschieden  sind. 
Von  der  Gegend  des  King  River  bis  zum  Tejon-Pass  sind  die  goldführenden 
Schiefer  nur  schwach  entwickelt  und  damit  ist  auch  der  Goldreichthum 
geringer.  Das  ertragreichste  und  am  meisten  durchgearbeitete,  man  kann 
sagen  das  dassische  Goldgebiet  liegt  erst  zwischen  King  River  und  Willa- 
mette River,  wo  es  die  w.  Hälften  der  Counties  von  Mariposa,  Tuolumne, 
Calaveras,  Amador,  Eldorado,  Placer,  Nevada,  Sierra  und  Plumas,  sowie 
die  ö.  Theile  von  Yuba  und  Butte  Cy.  umfasst.  Der  Goldreichthum  findet 
in  den  beiden  letzteren  Counties  nicht  sein  Ende  durch  Ausdünnen  und 
Aermerwerden  der  Schichten,  sondern  durch  Bedeckung  der  goldführenden 
Schichten  mit  Lavabetten.  Einen  grossen  Theil  von  Nord-Californien 
bedecken  diese  Lavabetten  und  erstrecken  sich  noch  über  die  Nordgrenze 
des  Staates  hinaus.  Nur  im  W.  haben  sie  einen  ziemlich  breiten  Strich 
goldführender  Schiefer  unbedeckt  gelassen,  und  in  der  That  gehört  der 
Nordwestwinkel  des  Staates  zu  den  Mining  Begions.  Die  Ergiebigkeit  ist 
aber  hier  um  vieles  geringer  als  in  der  eigentlichen  Goldregion.  Das 
Küstengebirge  selbst  ist  arm  an  Gold,  noch  ärmer  die  Schuttabhänge 
desselben  gegen  das  Sacramento-Thal  zu.  —  In  den  Terrassen  und  den 
sanfteren  Abhängen  am  Westrand  der  Sierra  stellen  die  goldhaltigen 
Ablagerungen  Ausfüllungen  der  Betten  eines  grossen,  später  von  vulka- 
nischen Tuffen  und  jüngeren  Schwemmgebilden  fast  überall  bedeckten  und 
endlich  an  vielen  Punkten  durch  tief  einschneidende  Querthäler  wieder 
blossgelegten  alten  Flusssystemes  dar.  Diese  alten  Fluss-  und  Bachbetten 
sind  in  die  Granite  und  die  sehr  jungen,  meist  der  Kreideformation  ange- 
hörigen  metamorphischen  Schiefer  eingeschnitten,  welche  den  Westabfall 
der  Sierra  bilden.  In  dem  Sand  liegt  der  aus  dem  Quarz  herausgeriebene 
Goldstaub  und  in  den  QuarzgeröUen  ist  das  Gold  in  Adern  und  Klumpen 
eingesprengt.  Die  bläuliche  Farbe  dieses  Flussschotters  hat  demselben 
'^den  Namen  Blue  Lead  (blauer  Gang)  beilegen  lassen,  unter  welchem 
diese  goldführenden  Schichten  in  ganz  Californien  bekannt  sind.  Dieses 
Flusssystem  wurde  am  Ende  der  Diluyialzeit  von  mächtigen  Schichten  vulka- 
nischer Gesteine,  theils  Lava-,  theils  Schlammströmen  entstammend,  bedeckt, 
und  zwar  zu  solcher  Höhe,  dass  die  darunterliegenden  Thäler  und  Hügel 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  339 

fast  überall  ausgeelBnet  wurden.  Erst  auf  diesem  Boden  entwickelten  sich 
dann  die  heutigen  Flusssysteme  Californiens,  welche  theils  aus  dem  Material 
der  vorher  vorhandenen  Schotterablagerungen,  theils  durch  neu  beginnende 
Zerstörung  der  Schiefer  sich  mit  Gold  bereicherten  und  in  denen  Gold 
und  Goldquarz  nun  vorwiegend  in  den  engeren  Canälen,  tiefen  Schluchten, 
kesselartigen  Austiefungen  u.  a.  derartigen  günstigen  0 ertlichkeiten,  am 
reichsten  aber  natürlich  immer  unmittelbar  unter  den  goldführenden 
Quarzgängen  gefunden  werden.  Dies  sind  die  jüngeren  goldführenden 
Schuttlager,  welche,  da  die  neuen  Flusssysteme  wahrscheinlich  in  keinem 
Falle  die  Betten  der  übrigens  auch  ganz  anders  gerichteten  älteren  benützt 
haben,  ohne  Schwierigkeit  von  diesen  zu  unterscheiden  sind.  —  Was  die 
goldhaltigen  Quarze  betrifft,  so  bilden  diese  „eine  schmale  Zone  in 
der  Mitte  des  Westabfalles  der  Sierra  Nevada  in  1000  —  1600  m  Meeres- 
liöhe  und  streichen  gleich  dem  Gebirge  im  Allgemeinen  von  NNW.  nach 
SSO.  Ihr  Complex  ist  einer  der  ausgedehntesten  und  regelmässigsten 
Gangzüge  der  Welt.  Einzelne  Gänge  treten  innerhalb  1  D.M.  des  Haupt- 
zuges auf,  andere  begleiten  ihn,  zu  parallelen  Gangzügen  von  geringerer 
Ausdehnung  gruppirt,  in  grösserer  Entfernung  zu  beiden  Seiten.  Die 
Zahl  der  Gänge  ist  oft  in  kleinem  Raum  ausserordentlich  gross,  dann 
wieder  sind  sie  sparsamer  und  liegen  weit  aus  einander.  Die  durch- 
schnittliche Mächtigkeit  ist  nicht  mehr  als  ^3 — 1  m,  obwohl  sie  häufig  2 — 4  m 
beträgt  und  einzelne  Gänge  stellenweise  zu  mehr  als  6  m  anschwellen"  ^). 
Diese  goldhaltigen  Quarzgänge  kommen  am  häufigsten  vor  in  den  meta- 
morphischen  Schiefern.  Das  Gold  ist  seltener  gleichmässig  in  ihnen  ver- 
theilt,  meist  nesterartig  eingesprengt,  es  ist  meist  nur  metallisch  in  der 
Nähe  des  Ausgehenden,  verbindet  sich  dagegen  mit  Kiesen  in  den  tieferen 
Theilen.  Jedenfalls  hat  die  gründlichere  Aufschliessung  dieser  Gänge  nicht 
den  Aberglauben  bestätigt,  auf  welchen  hin  im  Beginn  ihrer  Entdeckung 
sogar  officielle  Berechnungen  veröffentlicht  wurden,  dass  nämlich  das  Gold 
in  diesen  Gängen  nach  der  Tiefe  zu  immer  häufiger  werde,  bis  dieselben  am 
Ende  ganz  und  gar  in  Gold  übergingen.  —  Die  Gewinnung  des 
Goldes  aus  diesen  beiden  Arten  seines  Vorkommens  hat  sehr  rasche 
Entwickelungen  durchgemacht.  Das  im  Schotter  und  Sand  liegende  Gold 
wusch  man  zuerst  einfach  im  Schütteltrog,  später  mit  Maschinen  aus, 
und  zwar  wählte  man  bei  der  ausgedehnten  Aufgeschlossenheit  und  leichten 
Zugänglichkeit  dieser  Ablagerungen  die  reichsten  Stellen  zuerst  und  beutete 
sie,  wenn  auch  unter  grossen  Verlusten  am  Goldgehalt,  doch  so  bis  auf 
den  Grund  aus,  dass  schon  in  wenigen  Jahren  selbst  ein  vielfach  grösserer 
Aufwand  von  Capital,  Arbeitskraft  und  Scharfsinn  die  Erträgnisse  nicht 
mehr  auf  ihrer  anfänglichen  Höhe  zu  halten  vermochte.  Die  wirksamste 
Weise  der  Ausbeutung  goldführender  Sedimente,  nämlich  der  hydraulisclic 


1)  F.  V.  Richthofen  a.  a.  0.  23. 

22 


Mo  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

JProcess  (Hydraulic  Mining),  bei  welchem  grosse  Wassermassen  von  starkem 
Gefäll  auf  bestimmte  Schuttmassen  geschleudert  und  dadurch  Sand  und 
Geröll  in  geneigten  Canälen  (Sluices)  weggeführt  werden,  während  das 
Gold  zurückbleibt,  vermochte  nur  kurz  nach  seiner  Einführung  im  Jahr 
1853  die  Ausbeute  zum  höchsten  Punkte  zu  steigern;  dagegen  sind  alle 
anderen  Verbesserungen  in  der  Gewinnung  des  Waschgoldes  nicht  im 
Stande  gewesen,  den  beständigen  Rückgang  des  Ertrages,  diese  natürliche 
Wirkung  der  Erschöpfung  einer  sowohl  nach  Breite  als  Tiefe  beschränkten 
Ablagerung,  aufzuhalten.  Sogar  die  gewaltigen  Stollen,  mit  denen,  oft 
über  1  Kil.  weit,  man  unter  die  Decke  ging,  die  den  pai^  dirt,  den  gold- 
haltigen Schutt  verhüllt,  und  eben  so  wenig  der  ruhige  Ameisenfleiss  der 
Chinesen,  die  den  öfters  gewaschenen  Schutt  immer  von  Neuem  wieder 
durchwaschen,  haben  den  Ertrag  auf  der  Höhe  zu  halten  vermocht.  Am 
zukunftreichsten  ist  gegenwärtig  der  Bergbau  auf  goldhaltige  Quarze, 
welcher  natürlicherweise  später  begann  als  das  Wäschen.  Er  trug  am 
meisten  bei  zu  der  grossen  Steigerung  des  Goldertrages  in  1852  und  53, 
aber  er  hat  nicht  weniger  enttäuscht  als  die  Goldwäschen,  da  er  ebenfalls 
die  ergiebigsten  Lager  zuerst  in  Angriff  nahm,  um  dann  sehr  bald  nicht 
bloss  grössere  Schwierigkeiten  der  Gewinnung,  sondern  auch  geringeren 
Gewinnen  sich  gegenüber  zu  sehen.  Man  musste  sich  mit  der  Zeit  mit 
Erzen  von  5—20  D.  Goldgehalt  p.  Tonne  begnügen,  während  man  im 
Anfang  welche  von  80 — 200  D.  abgebaut  hatte.  Das  Erträgniss  der 
Goldquarzminen  ist  in  den  Statistiken  nicht  getrennt  von  dem  der  Gold- 
wäschen, doch  nimmt  v.  Richthofen  schätzungsweise  an,  dass  es  wahr- 
scheinlich nie  mehr  als  15  Mill.  D.  im  Jahr  betragen  und  1863  sogar 
auf  weniger  als  8  Mill.  herabgesunken  sei  *).  Dennoch  sind  die  Aussichten 
dieses  Bergbaues  günstiger  als  die  der  so  viel  leichter  durchzuführenden 
Goldwäscherei.  Der  Metallreichthum  ist  hier,  der  Natur  des  Vorkommens 
nach,  nicht  so  leicht  zu  erschöpfen,  die  zahlreichen  Querthäler  der  Sierra 
erleichtern  den  Zugang  zu  den  Quarzadern  und  an  Holz  für  Zimmerung 
und  Dampfmaschinenheizung  ist  in  dieser  Gegend  zunächst  kein  Mangel.  — 
In  Colorado  wurde  das  erste  Gold  1852  entdeckt,  aber  der  Zufluss  von 
Goldgräbern  begann  erst  1858  in  ähnlich  stürmischer  Gestalt  wie  ihn  Cali- 
fornien  in  den  ersten  Jahren  nach  1848  gesehen.  Im  Frühling  1860 
sollen  sich  bereits  20000  Ansiedler  in  Colorado  befunden  haben.  Die 
Entdeckungen  von  Silbererzen  führen  auf  1861  zurück.  Nächst  Cahfornien 
hat  keine  Gegend  durch  die  Ausbeutung  ihrer  Mineralschätze  einen  so 
raschen  und  für  die  ganze  Culturentwickelung  des  W.  bedeutungsvollen 
Aufschwung  genommen  wie  Colorado,  das  schon  1874  die  dritte  Stelle 
unter  den  Edelmetalle  erzeugenden  Staaten  und  Territorien  einnahm.  1876 
hatte   Colorado   eine   Golderzeugung    von   2700000  D. ,    die    seit    einigen 

1)  F.  V.  Richthofen  a.  a.  0.  23. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  341 

Jahren  im  Steigen  begriffen  war,  so  dass  dieser  Staat  nicht  wie  alle 
anderen  mit  einziger  Ausnahme  von  Nevada  eine  rückgängige  Bewegung 
seiner  Erzeugung  von  Edelmetallen  aufwies.  Dieselbe  war  von  1872 — 76 
von  4V5  auf  6V5  Mill.  D.  gestiegen.  In  den  ersten  Jahren  nach  der  Ent- 
deckung wurden  grosse  Mengen  Gold  hier  gewaschen  und  zwar  vorzüglich 
in  den  Bächen  des  Ostabhanges  der  Front  Range.  Gegenwärtig  ist  das 
Goldwäschen  fast  aufgegeben  und  an  seine  Stelle  die  Gewinnung  von  gold- 
haltigen Quarzen  und  Kiesen  getreten,  welche  vorzüglich  (gegen  70  Proc. 
der  Gesammtförderung)  in  den  unweit  Denver  in  dem  eben  genannten 
Theile  des  Felsengebirges  gelegenen  Counties  Clear  Creek  und  Gilpin 
gewonnen  werden.  —  Nevada  fällt  bei  der  Goldgewinnung  vorzüglich 
durch  den  Goldgehalt  seiner  Silbererze  ins  Gewicht.  Von  diesen  abgesehen 
ist  seine  Goldgewinnung  durch  Wäschen  oder  Quarzbergbau  nicht  bedeutend. 
Seine  Golderzeugung  bewerthete  1876  19  340704  D.,  davon  18  Mill.  aus 
dem  Comstock-Lode  (s.  u.  S.  343),  also  ca.  Va  der  Silbererzeugung.  1877 
wird  mit  dem  gesammten  Betrag  der  Edelmetallerzeugung  Nevadas  auch 
der  des  Goldes  gestiegen  sein,  wir  haben  aber  für  dieses  Jahr  keine  Aus- 
scheidung desselben.  —  Montana.  Gold  wird  in  diesem  Territorium 
sowohl  durch  "Wäschen  der  Schwemmgebilde  als  aus  dem  anstehenden 
Quarzfels  gewonnen.  Die  Goldwäschen  haben  bereits  an  Ertrag  abgenommen, 
wogegen  der  Quarzbergbau  auch  hier  seit  Jahren  eine  vielversprechende 
Glcichmässigkeit  des  Ertrages  zeigt.  Die  wichtigsten  Bezirke  sind  im  w. 
Montana  um  Virginia  City,  bei  Helena  und  Bozeman.  Der  Gold  ertrag 
betrug  1877  ca.  2  Mill.  D.  —  In  Idaho  ist  der  hauptsächlichste  Minen- 
distrikt Atlanta  im  Winkel  zwischen  Middle  Boise  R.  und  Yuba  Fork, 
wo  im  Granit  Quarzadern  mit  gediegenem  Gold  und  Silber  und  mehreren 
Silbererzen  auftreten.  Die  Goldgewinnung  betrug  im  ganzen  Territorium 
1877  ca.  1 V2  Mill.  D.  In  trockenen  Jahrgängen  bildet  der  Wassermangel 
ein  erhebliches  Hiuderniss  der  Goldgewinnung.  — Von  den  übrigen  Gold- 
gebieten waren  1876  Utah  mit  2V5,  Oregon  und  Washington  mit  IVaMill., 
Arizona  mit  900000,  Wyoming  und  Dakota  mit  700000  D.  vertreten.  — 
Abgesehen  von  den  seltenen  und  zufälligen  Vorkommen  von  Gold  in  dem 
Drift  des  oberen  Mississippi-  und  des  Seen-Gebietes  (s.  Bd.  I.  122)  ist 
Gold  in  dem  weiten  Gebiete  zwischen  Felsengebirge  und  Alleghanies 
nicht  gefunden.  Dagegen  ist  es  in  dem  letzteren  Gebirge  weit  verbreitet, 
wenn  auch  nirgends  so  massenhaft  wie  in  den  goldreichen  Westgebirgen. 
Die  huronischen  Urschiefer  sind  es  vorzüglich,  welche  durch  Goldreichthum 
ausgezeichnet  sind,  und  zwar  sind  sie  besonders  reich  in  Georgia,  wo 
Dahlowega,  einst  sogar  Münzstätte,  eine  berühmte  Fundstätte  war.  Die 
südatlantischen  Staaten  sollen  bis  1870  40  Mill.  D.  an  Gold  ergeben  haben  *). 


1)  R.  Credner  in  Geogr.  Mitth.   1871  S.  47.     1851—67  wurden  aus  den  ö. 
Staaten  insgesammt  nur  noch  4^5  Mill.  Gold  abgeliefert. 


342 


IX,  Mineralreichthum  und  Bergbau, 


Im  N.  liegen  die  reichsten  Fundstätten  jenseits  des  Gebietes  der  V.  St 
am  Chaudiere  R.  in  Canada  und  in  Neuschottland.  Aber  vereinzelt  kommt 
Gold  in  allen  Neuengland-Staaten  vor  und  wird  auch  im  Kleinen  gewonnen. 
Besonders  im  Staate  New  Hampshire  wird  Gold  im  Thal  des  Ammoonosuc, 
eines  Zuflusses  des  Connecticut,  gefunden.  Die  ersten  Funde  wurden 
1854  gemacht.  Zahlreiche  Versuche  zur  Ausbeutung  dieser  Goldlager 
sind  fehlgeschlagen,  aber  einige  sind  gelungen.  So  hat  z.  B.  die  Dodge 
Mine  (Lyman  Cy.)  von  1866  —  68  16000  D.  ergeben. 

Silber.  Die  Silbererze  finden  sich  im  Gebiet  der  V.  St.  vor- 
züglich reichlich  am  Ostabhang  der  Sierra  Nevada,  in  den  Gebirgs- 
zügen des  Grossen  Beckens  und  im  Felsengebirge.  Viel  weniger 
reich  daran  ist  das  goldreiche  Gebiet  am  Westabhang  der  Sierra, 
wo  das  Silber  bisher  fast  nur  als  Gemengtheil  des  Goldes  gewonnen 
wurde,  dessen  Feinheit  es  manchmal  bis  auf  0,60  erniedrigt.  Der 
Abbau  silberhaltiger  Bleierze  ist  nur  in  geringer  Ausdehnung  ver- 
sucht. Das  Küstengebirg  ist  nicht  arm  an  Silbererzen,  aber  die 
Gewinnung  derselben  lohnt  sich  dort  bei  dem  heutigen  Preis  der 
Arbeit  noch  nicht.  Die  gesammte  Silbererzeugung  der  V.  St.  ist  bis 
1851  zu  unbedeutend' gewesen,  um  in  der  Statistik  verzeichnet  zu 
werden.  Erst  mit  der  Einverleibung  der  Gebiete  im  Felsengebirge 
und  am  Stillen  Meere  stieg  sie,  erst  langsam,  dann  sehr  rasch  und 
übertrifft  heute  die  aller  anderen  Silberländer  der  Erde*).  Sie  betrug: 


-58 

ca.  50  000  p.  Jahr 

=  0,55  Hill.  D. 

1859 

0,1 

1860 

0,15 

1861 

2 

1862 

4,5 

1863 

8,5 

1864 

11 

1865 

11,25 

1866 

10 

1867 

13,5 

1868 

12 

1869 

13   Mill.  D. 

1870 

16 

1871 

18,1 

1872 

18,6 

1873 

25,1 

1874 

25,4 

1875 

30,2 

1876 

38,2 

1877 

47,2 

1878 

38,7 

Zusammen 

344,05  Mill.  D 

Das  grösste  Silbergebiet  der  V.  St.  ist  Nevada  und  hier  wieder  ist 
die  reichste  Region  die  von  Washoe  mit  dem  berühmten  Comstock-Lode, 
einem  der  grössten  Silbergänge  der  Welt,  dessen  erste  ernsthafte  Inangriff- 


1)  Bis  zu  1871  nach  R.  W.  Raymond  (Stat.  Atlas  U.  S.  I.  10).    Die  übrigen 
Jahre  nach  Del  Mar  (bei  Soetbeer,  Edelmetall-Production.  G.  M.  Erg. -Heft  57. 1879). 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  343 

nähme  mit  den  sofort  erfolgenden  ausserordentlich  reichen  Gewinnen  (die 
erste  Tonne  Erz,  die  im  Herbst  1859  nach  S.  Francisco  gebracht  wurde, 
ergab  3500  D.)  für  das  Land  ö.  der  Sierra  eine  Thatsache  von  nicht 
geringeren  Folgen  gewesen  ist,  als  die  Goldentdeckung  es  für  Californien 
war.  Die  Bevölkerung  von  gegen  300000  Weissen  und  Chinesen,  welche 
die  Gebiete  zAvischen  Sierra  Nevada  und  Felsengebirg  heute  aufzuweisen 
haben,  datirt  ihre  Einwanderung  grossentheils  erst  von  dieser  Entdeckung. 
Auch  die  Ausbeutung  seiner  Mineralschätze  ist  erst  seit  der  Entdeckung 
des  Com  Stock-Ganges  in  Angriff  genommen  werden,  dann  aber  freilich  in 
Kürze  so  rasch  vorgeschritten,  dass  Nevada  1876  ungefähr  ^/4  der  Silber- 
erzeugung in  den  V.  St.  trug.  Dieser  Gang  liegt  3  g.  M.  vom  Ostabfall 
der  Sierra  Nevada  am  ö.  Abhang  des  Mt.  Davidson  vorwiegend  in  diori- 
tischem  Gestein  und  hat  eine  Gesammtlänge  von  5  —  6000  m.  Es  besteht 
aus  mehreren  Trumen,  welche  sich  nur  selten  im  Streichen  oder  nach  der 
Teufe  schaaren.  Das  Erz  ist  vorwiegend  graues  Schwefelsilber  *).  lieber 
die  neuere  Entwickelung  dieses  wichtigen  Bergbaues,  der  von  1860  —  77 
ca.  264  Mill.  D.  Edelmetalle  geliefert  hat,  gibt  Koch  in  der  Z.  f.  Berg- 
und  Hüttenwesen  (Berlin  1878  I.  43)  folgende  Thatsachen :  Seit  1874  ist 
Virginia  City  durch  eine  87  Kil.  lange  Eisenbahn  über  Carson  City  und 
Reno  mit  der  Central  Pacific  R.  R.  verbunden.  Der  höchste  Durchschnitts- 
ertrag der  vorzüglichsten  Minen  war  in  den  letzten  Jahren  55  D.  p.  Tonne 
Erz,  die  ineisten  standen  aber  mit  15  D.  so  ziemlich  an  der  Grenze  der 
Bauwürdigkeit,  welche  auf  15 — 18  D.  angegeben  zu  werden  pflegt.  Viel- 
leicht bezeichnen  56  D.  p.  Tonne  ziemlich  richtig  den  gegenwärtigen 
durchschnittlichen  Edelmetallgehalt,  von  welchem  ungefähr  70Proc.  wirklich 
gewonnen  werden.  Der  Goldgehalt  der  Erze  beträgt  */*  —  V2  des  Silber- 
werthes  und  stellt  sich  zuweilen  dem  letzteren  sogar  gleich.  Die  einzelnen 
Gruben  hatten  ursprünglich  so  viel  Antheile  (Shares)  als  ihr  Feld  (Claim) 
Linearfusse  im  Streichen  hatte,  aber  die  Zertheilung  ist  gegenwärtig  so 
weit  gegangen,  dass  z.  B.  Consolidated  Virginia,  die  reichste  Grube, 
540000,  Imperial  500000  Antheile  hat;  bei  jener  kommen  760,  bei  dieser 
1068  Antheile  auf  jeden  Fuss  streichender  Länge.  Dass  die  Dividenden 
dieser  Antheile  meistens  monatlich  ausgezahlt,  ebenso  aber  auch  die  Ein- 
zahlungen monatlich  verlangt  werden,  belebt  natürlich  ungemein  den  Ver- 
kehr in  diesen  Werthen,  welche  die  schwankenden  Aussichten  des  Berg- 
baues zu  den  gesuchtesten  Spekulationsobjekten  machen.  Hauptmarkt  für 
dieselben  ist  S.  Francisco,  das  durch  dreifache  Telegraphenleitung  mit  Virginia 
City  verbunden  ist.  Virginia  Consolidated  hat  seit  Beginn  ihres  Betriebes 
27  Mill.  D.  Dividenden   gegen   411,200  D.   Zubusse,    California    14  Mill. 


1)  Bei  den  Amerikanern  kurzweg  Sulphuret,  das  eine  grosse  Rolle  spielt,  da 
es  auch  in  den  Silberregionen  von  Utah  und  Colorado  weit  verbreitet  ist.  Es 
kommt  bereits  als  Orts-  und  sogar  als  Personenname  vor. 


344  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

und  noch  im  Mai  1877  auf  jeden  ihrer  mit  25  —  30  D.  notirten  Antheile 
2  D.  Dividende  ergeben.  Die  Zahl  der  in  den  Gruben  und  Mühlen  des 
gesammten  Washoe-Minen-Distriktes  beschäftigten  Arbeiter  wird  auf  8000 
geschätzt.  Die  Hauptschwierigkeit  des  Abbaues  bildet  die  Beschränktheit 
der  Ausbreitung  der  Erzgänge,  welche  ihre  stärkste  Entwickelung  nach 
der  Tiefe  zu  haben ;  aber  das  Vordringen  in  die  Tiefe  wird  in  erheblichem 
Masse  erschwert  durch  die  in  dem  jungen  vulkanischen  Gestein  (Trachyt- 
Varietät)  ausserordentlich  rasch  zunehmende  Hitze.  Bei  Tiefen  über  500  m 
beobachtet  man  Temperaturen  bis  45,  in  schwer  zu  lüftenden  Gesenken 
sogar  von  50®  C.  Erhebliche  Erleichterung  dieses  Uebelstandes  erwartet 
man  von  dem  grossartigen  Werke  des  Sutro-StoUens,  der  ca.  610  m  tiefer 
als  das  Ausgeh-Ende  des  Comstock  -  Ganges  in  denselben  vordringt.  Er 
wurde  1878  in  der  Länge  von  4700  Kil.  vollendet  ^).  Südlich  von  Washoe 
folgen  Sil V er  Mt.,  unmittelbar  am  Ostabfall  der  Sierra  gelegen,  und 
Esmeralda,  ö.  vom  Monosee,  deren  Erze  in  tertiärem  Grünstein  vor- 
kommen, ferner  das  Minengebiet  am  0  w  e  n  s  R.,  das  in  den  Gebirgszügen 
Ow^ens  R.  Mts. ,  Slate  Range  und  Coso  Range  silberreiche  Quarzgänge  in 
metamorphischen  Schiefern  und  Granit  umschliesst.  Nach  0.  zu,  schon 
im  Inneren  des  grossen  Beckens  liegen  die  Distrikte  Humboldt  und 
Reese  R. ,  von  denen  ersterer  in  den  West  und  den  East  Humboldt 
Mts.  zahlreiche  ergiebige  Quarzgänge  in  Grauwacke  und  Keuperkalk, 
diese  in  den  Reese  River  Mts.  in  Granit  und  paläozoischen  Gesteinen 
umschliessen. —  Neben  Nevada  sind  Colorado  und  Utah  die  reichsten 
Silbergebiete  der  Union.  In  Colorado  ist  die  Caribou  Mine  in  Boulder  Cy. 
das  Gegenstück  in  kleinerem  Massstabe  der  Comstock-Lode.  Caribou  Mt., 
ein  3000  m  hoher  Vorberg  der  Front  Range  aus  Granit  und  Gneiss,  ist  nach 
allen  Richtungen  von  Quarzgängen  mit  gediegenem  Silber  und  schwarzem 
Schwefelsilber  durchzogen  und  hat  seit  1870,  wo  er  zum  ersten  Male  auf 
Silber  in  Angriff  genommen  wurde,  jährlich  zwischen  V2 — 1  Mill.  D.  er- 
geben ^).  Ausserdem  findet  sich  grosser  Silberreichthum  vorzüglich  in  Park- 
und  Clear  Creek  Cy.,  wo  Tellursilber  und  silberhaltiger  Bleiglanz  häufig  sind. 


1)  Da  die  Erze  dieses  Ganges  sich  nur  stellenweise  und  uuregelmässig  zu 
bauwürdigen  Massen  zusammenhäufen,  die  stockförmig  im  Gangkörper  auftreten, 
aber  ausgedehnt  genug  sind,  um  Jahre  hindurch  abgebaut  werden  zu  können, 
kommt  unerwartetes  Vordringen  in  sehr  lohnende  Regionen  des  Berges  nicht 
selten  vor.  Die  Bergwerke,  wo  dieses  eintritt,  heissen  dann  Bonanza  Mines 
CAusbeutegruben),  vom  spanischen  Wort  bonanza,  Gedeihen. 

2)  Das  Schicksal  der  Caribou  Mine  ist  typisch  für  die  Wechselfälle  des 
Silberbergbaues  im  W.  1870  von  einigen  Prospectors  entdeckt,  die  durch  ihren 
Verkauf  innerhalb  eines  Jahres  Millionäre  wurden,  gehört  sie  mehrere  Jahre  zu 
den  berühmtesten  Werken  in  Colorado;  1873  für  3  Mill.  D.  an  eine  nieder- 
ländische Gesellschaft  verkauft,  lag  sie  nach  deren  Fall  brach,  bis  sie  1877  für 
70000  D.  wiederverkauft  wurde. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  345 

Colorado  hat  an  Silber  1876  ca.  3  Mill.,  1877  gegen  3V3  Mill.  gewonnen. 
Utah  besitzt  Silberminen  vorzüglich  im  S.,  in  dem  Oquirrha  Mts.  (Arsenial 
Sulplmret),  in  den  Sevier  Mts.  (Hornsilber),  in  der  Gegend  des  auch  durch 
sein  goldhaltiges  Kupfervorkommen  berühmten  Tintic  u.  s.  f.  1876  hat 
Utah  3  351520  D.  Silber  erzeugt,  1877  soll  die  Summe  sich  über  4  Mill. 
erhöht  haben,  wie  überhaupt  Utahs  Erzeugung  von  Edelmetallen  derzeit 
noch  zu  den  fortschreitenden  gehört.  Von  den  minder  reichen  Silber- 
gebieten haben  1876  Californien  1,8,  Montana  0,8,  Arizona  0,5, 
Neu-Mexico  0,4  und  Idaho  0,3  Mill.  D.  ergeben.  —  Im  0.  der  V.  St. 
sind  geringwerthige  Silbererze,  meist  Bleiglanz,  häufig  abgebaut  worden, 
doch  ist  ihr  Silberertrag  geringfügig.  Gegenwärtig  wird  nur  beiNewbury- 
port  Mass.  ein  Bleiglanz  von  30  D.  Silberwerth  p.  T.  in  grösserem  Mass- 
stabe gewonnen.  Auf  der  bei  Isle  Royale  im  Oberen  See  gelegenen 
kleinen  Insel  Silver  Islet  wird  z.  Th.  unterseeisch  ein  Bergban  auf 
Silber  und  Kupfer  betrieben,  welcher  angeblich  bereits  eine  Förderung 
von  2V2Mill.  D.  Silber  geliefert  hat  (Z.  f.  Berg-  und  Hüttenwesen  1877. 
211).  Ueber  die  Menge  des  in  den  Kupfergruben  des  Oberen  Sees 
zusammen  mit  dem  Kupfer  gediegen  vorkommenden  Silbers  liegt  keine 
Zusammenstellung  vor.  Mit  Unrecht  werden  diese  kleineren  Vorkommen 
in  den  Zusammenstellungen  der  Edelmetallerzeugung  der  V.  St.  z.  B.  bei 
Soetbeer  (P.  G.  M.  Erg.-Heft  57.  1879)  übersehen. 

Quecksilber.  Die  Quecksilbergruben  Californiens  liegen 
sämmtlich  im  Küstengebirge  zwischen  36  und  39  ^  n.  Br. ,  also 
s.  und  n.  von  S.  Francisco.  Als  Erz  und  gediegen  tritt  das  Queck- 
silber daselbst  in  mehreren  der  Küste  parallelen  Zügen  meta- 
morphischer  Gesteine  der  Kreideformation  auf.  Vorzüglich  drei 
Züge  sind  von  Gruben  besetzt;  der  westlichste  durchzieht  die 
Gegend  von  S.  Luis  Obispo  und  Sa.  Barbara;  auf  dem  nächst- 
östlichen in  Sa.  Clara  Cy.  sind  die  Gruben  von  Neu-Almaden  an- 
gelegt und  er  setzt  sich  bis  S.  Francisco  fort,  wo  man  Spuren 
von  Zinnober  selbst  innerhalb  des  Stadtgebietes  gefunden  bat;  den 
östlichsten  beuten  die  Gruben  von  Neu-Idria  aus.  Ausserdem  ist 
Quecksilber  auch  vereinzelt  am  Westabbange  der  Sierra  gefunden. 
Die  ergiebigsten  Gruben  sind  die  von  Neu-Almaden,  die  ungefähr 
^2  der  Gesammterzeugu ng  geben,  dann  die  von  Fresno  (oder  Neu- 
Idria)  und  von  Napa.  Quecksilber  wurde  schon  1845  gefunden, 
aber  der  erste  Bergbau  wurde  1848  in  Neu-Almaden  eingeleitet. 
Die  Erträge  sind  sehr  ungleich.  Man  kann  rechnen,  dass  von 
1850  —  76    nahezu   1  Mill.   Flaschen   (zu  75  e.  Pfd.)   in  Californien 


346  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

gewonnen  worden   sind.     1877  wurden  78  000  Flaschen  gewonnen, 
ungeflilir   ^/s  der  gesammten  Quecksilbererzeugung  der  Erde. 

Kupfer.  Die  V.  St.  liefern  gegenwärtig  ungefähr  Vd  der 
gesammten  Kupfererzeugung  der  Erde.  1873  wurde  die  letztere 
auf  60  —  70000  T.  geschätzt,  wovon  16000  auf  den  Antheil  der 
V.  St.  entfielen^).  Der  Hauptsitz  dieser  grossen  Erzeugung,  der 
mit  88  —  90  Proc.  an  derselben  theilnimmt,  ist  der  sog.  Native 
Copper  District  am  Oberen  See,  ein  Theil  der  oberen 
Halbinsel  Michigan,  das  reichste  Kupfervorkommen  der  Erde. 
Derselbe  wird  gebildet  durch  eine  fast  parallel  dem  nw.  Uferrande 
der  Halbinsel  laufende  Zone  kupfer-  und  silberführender  Sand- 
steine und  Conglomerate  silurischen  Alters,  welche  mit  zwischen- 
lagernden Melaphyren,  Melaphyr  -  Mandelsteinen  und  Dioriten  ab- 
wechseln und  bei  einer  Länge  von  26  g.  M.  ^/s — 1  g.  M.  durch- 
schnittliche Breite  aufweisen.  Das  Kupfer  kommt  sehr  vorwiegend 
gediegen  vor  (schon  die  Indianer  nützten  es  aus)  und,  was  diesem 
Vorkommen  noch  einen  besonderen  Vorzug  verleiht,  frei  von 
Schwefel,  Arsen,  Antimon,  Nickel  und  Eisen  und  enthält  als 
häufigere  Beimengungen  nur  Silber,  Silikate  und  Erden.  Silber 
kommt  vielfach  ebenfalls  gediegen  und  vermengt,  aber  nicht  legirt 
mit  dem  Kupfer,  vor.  Massen  gediegenen  Kupfers  von  mehr  als 
100  T.  sind  zu  verschiedenen  Malen  gefunden^).  Kupfererze  nehmen 
nur  geringen  Theil  an  der  Metallerzeugung,  welche  1845  100,  1855 
3000,  1865  6250  und  1875  15737  Gr.  T.  betrug.  Ein  zweites 
Kupfervorkommen  von  grosser  Ausdehnung,  aber  viel  geringerem 
Reichthum  ist  das  der  Alleghany-Region,  wo  Kupferkiese  und 
kupferhaltige  Schwefelkiese  theils  auf  der  Berührung  von  Gneis 
und  Silur,  theils  auf  der  von  Diorit  und  Sandstein  der  Trias- 
formation auftreten.  Gleich  dem  Magneteisenauftreten  bilden 
diese  Kupfererze  einen  Gürtel,  der  von  Nova  Scotia  bis  Georgia 
verfolgt  werden  kann.  Man  baut  die  reicheren  Theile  desselben  ab 
in  Vermont,    Connecticut,    New  Jersey,    Virginia,    Tennessee    und 

1)  Schätzung  Kupelwieser's  im  österr.  Bericht  über  die  Weltausstellung  in 
Philadelphia  IV.  284.  Der  nächste  bedeutende  Producent,  Deutschland,  lieferte 
1876  etwas  über  8000  T. 

2)  Als  die  grösste  Masse  wird  ein  zu  420 — 470  T.  angegebener  14  m  langer 
Block  genannt,  der  in  Minnesota-Grube  1857  gefunden  wurde. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  347 

Georgia.  Wenig  bekannte  Vorkommen  sind  in  Neu-Mexico,  Utah, 
Colorado  und  Californien,  sowie  in  Missouri  und  Montana  im  An- 
fang der  Ausbeutung.  Der  Gesammtertrag  dieser  Werke  belief 
sich  1875  auf  2120  Gr.  T.,  also  nicht  ganz  12  Proc.  der  ganzen 
Erzeugung  in  den  V.  St.,  und  kamen  davon  ungefähr  je  Vs  auf 
Tennessee  und  Vermont.  In  Colorado  wurde  1876  für  90000  D. 
Kupfer  gewonnen.  Am  mächtigsten  ist  indessen  von  diesen  in 
zweiter  ßeihe  stehenden  Vorkommen  wahrscheinlich  das  von  Cali- 
fornien,  wo  Malachit  u.  a.  Kupfererze  in  einer  30 — 40  g.  M.  langen 
Zone  am  Westfuss  der  Sierra  in  metamorphischen  Schiefern  und 
ausserdem  in  zahlreichen,  weit  zerstreuten  und  wenig  mächtigen 
Lagern  in  den  metamorphischen  Kreideschichten  des  Küstengebirges 
gefunden  werden. 

Blei  findet  sich  in  den  V.  St.  vorzüglich  in  drei  grösseren 
Vorkommen:  1.  im  oberen  Mississippi-  und  Missouri-Gebiet;  2.  in 
den  Silberregionen  der  Westgebirge;  3.  in  den  Alleghanies.  Das 
erstgenannte  Vorkommen  ist  das  am  längsten  bekannte  und  meisten 
ausgebeutete  und  war  bis  zum  Aufkommen  der  Bleigewinnung  in 
den  w.  Silberregionen  auch  das  erträgnissreichste.  Es  zerfällt  in 
zwei  grössere  Gruppen  von  geologisch  einander  entsprechenden 
Vorkommnissen,  ist  begrenzt  vom  Mississippi  im  W.,  vom  östlichen 
Arm  der  Peccatonica  im  0.,  von  Wisconsin  im  N.  und  vom  Apple 
River  (111.)  im  S.  Ein  kleines  Stück  produktiven  Gebietes  liegt 
indessen  noch  am  Westufer  des  Mississippi.  Das  Grundgestein 
dieser  Region  sind  untersilurische  Kalksteine.  Im  sog.  Galena 
Limestone  wird  der  grösste  Theil  des  Bleierzes  gewonnen  und  eine 
weniger  bedeutende  Gewinnung  findet  in  dem  Trenton  Limestone 
statt,  welcher  jenen  unterlagert.  Das  Erz  besteht  fast  überall  aus 
Bleiglanz,  an  wenigen  Orten  wird  daneben  eine  geringe  Menge 
kohlensaures  Blei  gewonnen.  Der  Silbergehalt  ist  durchaus  so 
gering,  dass  er  nicht  die  Sonderung  lohnt;  dagegen  ist  das  Blei 
dieser  Region  freier  von  Verunreinigung  durch  andere  Metalle  als 
in  der  Mehrzahl  der  Vorkommen  in  anderen  Gegenden.  Die  Erze 
kommen  vorzüglich  in  senkrechten  Spalten  und  deren  Verzweigungen 
vor;  in  geringer  Menge  auch  oberflächlich  in  Lehm,  wo  Zer- 
setzungen  der  bleiführenden   Schichten    stattgefunden   haben.     Als 


348  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

Auskleidung  von  Höhlen  fand  es  sich  ebenfalls  und  sollen  z.  B. 
aus  der  Levin's  Cave  (lo.)  1700  T.  Erz  im  Werth  von  90000  D. 
herausgenommen  worden  sein.  In  den  Silber  gebieten  des  W. 
ist  das  Blei  z.  Th.  ein  wichtiges  Nebenprodukt  überall  da,  wo 
silberhaltige  Bleiglanze  auftreten.  Dies  ist  vorzüglich  in  Colorado 
und  Utah  der  Fall.  Nur  von  Colorado  besitzen  wir  eine  neuere 
Zusammenstellung,  welche  für  1876  die  Bleierzeugung  zu  75000  D. 
Werth  veranschlägt.  Die  Bleigewinnung  in  der  AUeghany-Region 
ist  unbedeutend.  Man  kann  wohl  sagen,  dass  der  grösste  Theil  der 
Bleierzeugung  der  V.  St.  noch  immer  auf  die  erstgenannten  Vor- 
kommen von  Missouri,  Iowa,  Wisconsin  und  Illinois,  der  Best  fast 
ganz  auf  die  w.  Silbergebiete  entfällt.  Von  1870  an  hat  die  Blei- 
erzeugung sich  folgendermassen  vermehrt: 


1870  . 

.  .  1080000  D. 

1874  . 

.  .  3800000  D 

1871  . 

.  .  2100000 

1875  . 

.  .  5100000 

1872  . 

.  .  2250000 

1876  . 

.  .  5040000 

1873  . 

.  .  3450000 

1877  . 

.  .  5085250. 

Die  Zinkerze  der  Y.  St.  finden  sich  vereinigt  mit  den  Bleierzen  in 
der  grossen  Bleiregion  des  Oberen  Mississippi  und  im  s.  Missouri;  als 
Blende  in  den  Silurschichten  von  Bethlehem  Penn,  und  als  Rotlizinkerz, 
Franklinit  u.  a.  in  krystalhnischem  Kalk  bei  Franklin  und  Stirling  N.  J. 
1875  wurden  14817  Gr.  T.  Zink  und  3600  Gr.  T.  Zinkweiss  hergestellt 
und  betheiligten  sich  die  verschiedenen  Erzeugungsgebiete  an  der  Metall- 
erzeugung mit  folgenden  Zahlen :  Illinois  (La  Salle  u.  a.  0.)  6510,  Missouri 
(S.Louis)  4055,  New  Jersey  (Newark)  1637,  Pennsylvania  (Bethlehem)  1559, 
Kansas  1056  Gr.  T.  —  Nickel  und  Kobalt  werden  zusammen  in  Penn- 
sylvanien  zu  Gap  und  Camden  aus  Schwefel-  und  Kupferkiesen  gewonnen. 
1864—74  wurden  durchschnittlich  jährlich  8Vii  Mill.  Pfd.  Roherz  mit 
2  —  2,9  Proc.  Nickel  und  Kobalt  gewonnen.  —  Zinn  ist  adernweise  im 
Granit  und  körnigen  Kalk  von  Winslow,  Hebron  und  Paris  (Maine),  in 
unbedeutenden  Vorkommen  in  New  Hampshire  und  Massachusetts,  in 
wahrscheinlich  nicht  abbauwürdiger  Menge  in  Missouri,  als  Zinnsand  von 
angebUch  bedeutendem  Reichthum  in  Idaho  und  als  Zinnerz  in  S.  Bernardino 
Cy.  im  s.  Californien  nachgewiesen.  Yerwerthet  hat  man  alle  diese  Vor- 
kommnisse bis  jetzt  nicht.  —  Antimon,  öfters  in  Mischung  mit  Wis- 
muth,  ist  an  einer  Reihe  von  Oertlichkciten  w.  der  Felsengcbirge  nach- 
gewiesen ,  wo  die  Ausbeutung  lohnend  sein  würde ,  wenn  der  Bedarf 
dieselbe  hervorriefe.  Im  Inneren  ist  ein  grösseres  Vorkommen  im  sw. 
Arkansas  (Sevier  Cy.)  bekannt.  —  Graphit  lag  er  sind  in  der  atlanti- 
schen Gneiszonc  der  Alleghanies  häufig  vorhanden.     Sie  werden  u.  a.  bei 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  349 

Sturbridge  und  Worcester  Mass.,  bei  Peapack,  Mendham,  Bloomingdale 
N.  J.,  Raleigh  N.  Car.  und  zahlreichen  anderen  Punkten  bereits  in  kleinem 
Massstabe  ausgebeutet.  —  In  schwarzen  Sauden  (meist  durch  Titaneisen 
und  Chromeisen  gefärbt)  aus  Goldwäschen  Oregons  und  Californiens  sind 
mikroskopische  Diamanten  von  Wöhler  und  von  B.  Silliman  nachge- 
wiesen (Trans.  Am.  Inst.  Min.  Eng.  I.  372).  Sie  sind  ebenso  wie  das 
Vorkommen  von  Diamanten  im  Itakolumit  der  Süd-Alleghanies  bis  jetzt 
bloss  mineralogische  Merkwürdigkeit  geblieben.  Dasselbe  gilt  von  den 
reichen  Vorkommen  von  Molybdän  und  Tellur  in  dem  Silbergebiet 
des  Felsengebirges  von  Colorado.  Dagegen  werden  Chromerze  der 
Alleghany- Region  seit  einigen  Jahren  im  s.   Pennsylvanien   ausgebeutet. 

Salz.  Das  Salz  wird  in  vierfacher  Form  gewonnen :  als  Soole 
aus  Salzquellen,  aus  Meerwasser,  aus  salzigen  Binnenseen  und  als 
Steinsalz.  Das  Soolsalz  liefert  die  weitaus  grössten  Mengen  für  y 
den  Verbrauch,  welcher  heute  auf  ungefähr  675  Mill.  Kgr.  (15  p. 
Kopf)  veranschlagt  werden  kann.  Die  ergiebigsten  Quellen  gehen 
auf  die  grossen  silurischen  Salzlager  im  w.  New  York  (Onondaga) 
und  auf  Salzlager  devonischen  Alters  in  den  Thälern  des  Ohio, 
Kanawha  und  Saginaw.  New  York,  Ohio,  W.  Virginia  und  Michigan 
erzeugen  am  meisten  Soolsalz.  Seesalz  wird  an  der  Golfküste  in 
unbedeutender  Menge  gewonnen;  die  grösste  Masse  desselben,  als  ^' 
Düngmittel  vorzüglich  verwendet,  kommt  von  den  Turks  Islands. 
Steinsalz  kommt  in  Virginien,  Louisiana  (besonders  rein  und  mächtig  v^ 
auf  Avery  Island),  Texas  und  allen  Staaten  w.  vom  Felsengebirg 
vor.  Salz  aus  Salzseen  oder  Salzsümpfen  wird  bis  jetzt  in  Nebraska, 
Colorado  und  Utah  gewonnen,  aber  die  Gelegenheiten  zu  seiner 
Gewinnung  finden  sich  nur  allzureichlich  in  allen  Steppenstaaten 
zwischen  100  und  150 "  w.  L. ,  wo  an  Salztümpeln  Ueberfluss  ist. 
Ueber  die  ganze  Gewinnung  besitzen  wir  nur  zerstreute  und  un- 
vollständige Zahlen  ^). 

Ausser  Kochsalz  wird  aus  den  Salzseen  in  Colorado  (bei  Denver) 
Soda  und  in  Californien  und  Nevada  an  verschiedenen  Orten  Borax  ge- 
wonnen (s.  Bd.  I.  276).  Brom  ist  in  gewissen  Salzquellen  von  Ohio  so 
stark  vertreten,  dass  dieser  Staat  allein  heute  mehr  Brom  erzeugt  als  ganz 
Europa.  Schwefel  kommt  mit  Gips  und  Kochsalz  im  w.  Louisiana 
vor   und   wird    in    Californien    als   Nebenprodukt    bei    der    Quecksilber- 


1)  Die  Onondaga-Quellen,  die  noch  immer  zu  den  ergiebigsten  gehören,  er- 
gaben 1875  ÖVs  Mill.  Busheis,  die  im  Sagiuaw-Thal  980000  B. 


350  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

bereitung  gewonnen.  Schwerspath  bildet  den  Gegenstand  eines  be- 
trächtlichen Bergbaues,  besonders  in  dem  Buntsandstein  von  Connecticut. 
Phosphorit  wird  in  S.  Carolina,  und  Grünsandmergel  von  z.  Th. 
40  m  Mächtigkeit  an  der  Küste  von  New  Jersey  abgebaut ;  beide  liefern 
vorzügliche  Düngmittel  ^). 

An  Bausteinen  ist  die  Union  in  ihren  ö.  und  n.  Theilen 
reich.  Ausgedehnte  Verwendung  finden  vorzüglich  Granit,  Brown - 
stone  (chocoladebrauner  feinkörniger  Sandstein,  der  den  Strassen- 
fronten  der  Städte  Boston,  New  York  und  Philadelphia  einen  grossen 
Theil  ihres  Charakters  aufprägt)  und  Marmor.  Weisse  Marmore 
von  grosser  Schönheit  sind  in  der  Alleghany-Begion ,  besonders  in 
Vermont  und  Pennsylvania,  so  verbreitet,  dass  sie  zum  Hausbau 
Verwendung  finden.  Der  Marmor  für  plastische  Werke  wird  jedoch 
grossentheils  aus  Europa  eingeführt^).  Die  grossen  Städte  der 
Union  lassen  durch  die  Menge  ihrer  Marmorbauten  alle  europäischen 
hinter  sich.  In  Pennsylvania  wird  sogar  der  dort  häufig  vorkom- 
mende Serpentin  als  Baustein  verwendet.  Vor  allem  ist  aber  der 
Reichthum  an  guten  Bausteinen  und  an  Kalk,  den  die  Prärie- 
regionen an  vielen  Punkten  in  der  felsigen  Grundlage  aufweisen, 
um  so  weniger  zu  unterschätzen,  als  die  Natur  im  Uebrigen  diese 
Regionen  stellenweis  sehr  kärglich  bedacht  hat.  So  unterlagern 
z.  B.  den  Boden  der  Osthälfte  von  Iowa  in  geringer  Tiefe  Gesteine 
der  Silur-  und  Kohlenformation,  die  fast  alle  als  Bausteine  Ver- 
wendung finden  können,  und  Kalke,  die  z.  Th.  selbst  zur  Cement- 
bereitung  dienlicb  sind,  finden  sich,  über  ganz  Iowa  verbreitet.  Es 
ist  ein  nicht  minder  glücklicher  Umstand,  dass  der  Lehm,  welcher 
den  Hauptbestandtheil  der  Prärieschichten  bildet,  sich  durchgängig 
gut  zur  Herstellung  von  Ziegeln  eignet. 

Steinöl.  Das  produktive  Steinölvorkommen  Nord  -  Amerikas 
ist  an  eine  langgestreckte  Zone  von  Silur-,  Devon-  und  Steinkohlen- 
schichten   gebunden,    welche    sich    am    Westrand    des   Alleghany- 


y'  1)  Seit  kurzem  wird  in  den  Südstaaten  der  Fledermaus -Guano,  der  in 
Tausenden  von  Tonnen  in  den  Höhlen  besonders  von  Alabama,  Tennessee  und 
Texas  vorkommt,  als  Düngmittel  verwandt.  Während  des  Krieges  wurde  Sal- 
peter aus  demselben  gewonnen. 

2)  1877/78  bewerthete  die  Einfuhr   von  Marmor  und  ähnlichen  Steinen  roh 
und  verarbeitet  865133  D. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  351 

Gebirges  von  dem  canadischen  Ufer  des  Erie-Sees  durch  die  Staaten 
New  York,  Pennsylvanien,  Ohio,  West-Virginien,  Kentucky  und  Ten- 
nessee in  wesentlich  nö.  und  sw.  Richtung  hinzieht.  Die  Länge 
der  Zone  von  Canada  bis  Tennessee  beträgt  ungefähr  1600,  die 
Breite  durchschnittlich  30  Km.  Kleinere  Vorkommen  finden  sich 
in  Arkansas,  Utah  und  Californien.  Das  ölführende  Gestein  besteht 
dort  der  Hauptsache  nach  aus  wechsellagernden  Schiefer-  und 
Sandsteinschichten,  welche  sehr  allmählich  von  N.  nach  S.  hin  ab- 
fallen. In  dem  reichsten  Steinölgebiet,  dem  von  West-Pennsylvanien, 
ist  es  ein  grober  Sandstein  der  oberen  Silurformation,  bis  zu  40  m 
mächtig  (der  dritte  Sandstein  genannt),  in  welchem  das  Oel  massen- 
haft vorkommt ;  auch  ein  20  m  tiefer  liegender  vierter  Sandstein 
ist  noch  ölreich.  In  minderer  Menge  findet  sich  Steinöl  auch  in 
den  unteren  Devonschichten  und  nach  H.  E.  Wrigley  *)  sind  über- 
haupt die  Schichten  zwischen  dem  Liegenden  der  Devon-  und  dem 
der  Steinkohlenformation  alle  mehr  oder  weniger  stark  mit  Steinöl 
durchsetzt.  Die  Art  des  Vorkommens  ist  entweder  Durch tränkung 
des  Gesteines  oder  Ansammlung  in  Hohlräumen  und  Spalten.  Da 
im  letzteren  Fall  gewöhnlich  auch  Gas  mit  dem  Steinöl  in  dem- 
selben Kaume  vergesellschaftet  ist,  treibt  es  beim  Anbohren  das 
letztere  nicht  selten  springbrunnenartig  heraus  oder  erzeugt  selbst- 
fliessende,  manchmal  intermittirende  Quellen.  Gewöhnlich  muss 
aber  die  Pumpe  zu  Hülfe  genommen  werden.  Die  Vorkommen  in 
Hohlräumen  sind  vereinzelt  und  ihre  Form  pflegt  am  häufigsten 
eine  flach-linsenartige  zu  sein ;  die  Breite  dieser  Linsen  ist  200  bis 
500  m.  Im  Allgemeinen  finden  sich  die  mächtigsten  Vorkommen 
verbunden  mit  der  grössten  Mächtigkeit  des  umschliessenden  Ge- 
steines. Wie  anderwärts  sind  auch  hier  Soolen  in  der  Nähe  des 
Steinöles  sehr  häufig.  Bei  Pittsburg  verwendet  man  sie  zur  Salz- 
gewinnung ;  aber  in  den  meisten  Fällen  schaden  sie  nur  der  Steinöl- 
gewinnung,  indem  sie  diesen  leichteren  Stoff  in  die  Poren  des  Ge- 
steines zurückdrängen.  Die  Gewinnung  des  Steinöles  ist  in  dem 
angegebenen  Verbreitungsgebiet  nicht  neu,  da  einige  an  die  Ober- 
fläche  tretende  Steinölquellen    schon   von   den  Indianern   und   den 


1)  Spec.  Rep.  on  the  Petroleum  of  Pennsylvania.    Phil.  1874. 


352  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

frühesten  Ansiedlern  zu  nebensächlichen  Zwecken  ausgebeutet  wurden. 
Dennoch  war  es  ein  Zufall,  der  zu  der  Ausbeutung  im  Grossen 
führte.  1859  wurde  bei  Titusville  im  w.  Pennsylvanien  ein  gegen 
20  m  tiefes  Bohrloch  eingeschlagen  behufs  der  Aufsuchung  von  Salz 
und  bei  dieser  Gelegenheit  fand  E.  L.  Drake  aus  Connecticut  zum 
ersten  Mal  das  Steinöl  in  solchen  Massen,  dass  es  die  Gewinnung 
zu  lohnen  versprach.  Sehr  rasch  verbreitete  sich  die  Steinöl- 
gewinnung  von  hier  nach  S.,  wo  dasselbe  überall  genügend  schwer 
und  ohne  viel  Gas-  und  Soolebeimengung  aufgefunden  ward.  In 
jüngster  Zeit  haben  aber  auch  die  Bohrungen  in  den  n.  Theilen 
des  Steinölgebietes  gute  Ergebnisse  geliefert  und  lieferte  z.  B.  der 
Steinölbezirk  von  Buffalo  N.  Y.  schon  Mitte  1876  kurz  nach  der 
Aufschliessung  monatlich  5  —  8  Mill.  Liter.  Uebrigens  sollen  von 
den  etwa  8000  Q.Kil.,  auf  welche  man  allein  das  pennsylvanische 
Steinölgebiet  schätzt,  bisher  nicht  mehr  als  100  Q.Kil.  wirklich  Steinöl 
geliefert  haben.  Im  Verlauf  der  Steinölgewinnung ,  die  also  heute 
noch  nicht  20  Jahre  alt  ist,  ist  ihr  gewerblicher  und  Handels- 
Mittelpunkt  allmählich  südwärts  gerückt.  An  die  Stelle  des  ein- 
stigen Hauptortes  Titusville  ist  in  neuerer  Zeit  Parker  getreten. 
Titusville  liegt  am  Oil  Creek ,  einem  Zuflüsse  des  Alleghany  H., 
Parker  an  dem  Zusammenflusse  des  Clarion  R.  mit  dem  Alleghany  R. 
Immer  ist  der  Schwerpunkt  in  den  pennsylvanischen  Bezirken  ver- 
blieben, die  auch  heute  noch  gegen  80  Proc.  der  Gesammtförderung 
liefern  ^).  Neben  ihnen  kommen  mit  geringen  Antheilen  Ohio, 
W.  Virginia,  Kentucky  und  Tennessee  in  Betracht  und  seit  den 
oben  erwähnten  Aufschliessungen  bei  Buffalo  auch  New  York. 


1)  Gleichwie  bei  den  Steinkohlen  ist  auch  beim  Steinöl  die  Aussicht  auf 
möglicherweise  nicht  sehr  fernliegende  Erschöpfung  der  jetzt  in  Ausbeutung  be- 
griffenen Vorkommen  in  der  Natur  der  letzteren  begründet.  Es  ist  Thatsache, 
dass  viele  Brunnen  sehr  erheblich  nachgelassen  haben,  dass  das  Oel  der  unteren 
Schichten  viel  leichter  ist  und  damit  leuchtschwächer  als  das  der  früher 
ausgebeuteten  oberen  und  dass  mit  grösserer  Tiefe  die  Kosten  der  Ausbeutung 
zugenommen  haben.  Aber  andererseits  ist  nur  ein  geringer  Thcil  der  ver- 
mutheten  Ilorizontalaushreitung  des  Oelgebietes  bis  jetzt  in  Angriff  genommen 
und  ist  die  Gesammtcrgiebigkeit  bisher  nur  immer  gewachsen.  Der  Zeitpunkt 
der  Erschöpfung  dieses  reichen  Vorkommens  ist  natürlich  nicht  zu  bestimmen, 
liegt  aber  gewiss  noch  zu  ferne,  um  schon  discutirt  zu  werden. 


IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau.  353 

Seit  1859  hat  sich  die  Förderung  des  Steinöles  jährlich  folgender- 
massen  gestellt  ^) : 

Barrels  zu  163,5  Liter. 


1859  .  . 

.  .     3200 

1869  .  . 

.  .  4215000 

1860  .  . 

.  .   650000 

1870  .  . 

.  .  5659000 

1861  .  . 

.  .  2113600 

1871  .  . 

.  .  5  795000 

1862  .  . 

.  .  3056606 

1872  .  . 

.  .  6539103 

1863  .  . 

.  .  2611359 

1873  .  . 

.  .  9879455 

1864  .  . 

.  .  2116182 

1874  .  . 

.  .  10910303 

1865  .  . 

.  .  3497  712 

1875  .  . 

.  .  8787506 

1866  .  . 

.  .  3597527 

1877  .  . 

.  .  13140  000 

1867  .  . 

.  .  3347301 

1878  .  . 

.  .  14  395  510 

1868  .  . 

.  .  3715746 

Bas  Steinöl  wird  nach  Art  artesischer  Brunnen  erbohrt.  Dieselbe 
Dampfmaschine,  welche  das  Bohrgeschaft  besorgt,  wird  nach  vollendeter 
Bolirung  zum  Pumpen  gebraucht  und  ihre  Heizung  geschieht  mit  dem 
Gas,  das  zugleich  mit  dem  Steinöl  entquillt^).  Im  dem  pennsylvanischen 
Oelgebiet  sind  seit  1859  etwa  10000  Bohrlöcher  angelegt  worden,  von 
denen  Ende  Mai  1876  3572  im  Betrieb  waren.  Die  grösste  Tageserzeugung 
eines  einzigen  Brunnens  wird  auf  3000  Barrels  angegeben.  Die  grösste 
Menge  des  Steinöles  wird  unmittelbar  vom  Gewinnungsort  nach  den  Plätzen 
abgeführt,  an  denen  sich  die  Vorrichtungen  zur  Raffinirung  befinden.  Es 
sind  dies  (in  der  Reihe  ihrer  Wichtigkeit)  Cleveland  0.,  New  York,  Pitts- 
burg, Philadelphia,  Baltimore,  Boston.  Cleveland  erhielt  1875  27,  New  York 
26,  Pittsburg  21,  Philadelphia  10  Proc.  des  Gesammtversandtes.  In  den 
Oelbezirken  selbst  wurden  18  Proc.  raffinirt.  In  der  Nähe  der  Brunnen 
wird  das  Oel  in  Sammelbecken,  zuerst  von  2500,  dann  von  10000  Barrels 
geleitet.  Der  Transport  von  hier  bis  zur  Eisenbahn  geschieht  vermittelst 
Röhrenleitungen,  deren  Gesammtlänge  1878  auf  gegen  3500  Km.  beziffert 
wurde.  Der  Hauptstrang  ist  59  Km.  lang.  Es  besteht  die  Idee ,  durch 
grosse  Röhrenleitungen  die  Oelgebiete  unmittelbar  mit  Baltimore  und 
New  York  zu  verbinden ;  sie  würden  durch  Pumpen ,  die  alle  25  Km. 
zwischengeschaltet  sind,  das  Rohöl  direkt  in  die  dortigen  Raffinerien 
leiten.  Die  bis  dahin  im  Durchschnitt  auf  IV4  D.  p.  Barrel  zu  beziffernden 
Transportkosten  sollen  damit  auf  Va  herabgesetzt  werden.    Begreiflicher- 


1)  Die  Preise  haben  in  derselben  Zeit  ausserordenthche  Schwankungen  er- 
fahren. Sie  standen  p.  Barrel:  1859  13,  1860  6,7,  1861  2,7,  1862  1,7,  1864  9,6, 
1867  3,2,   1869  5,8,   1871  4,3,   1874  1,1,   1875  1,5  D. 

2)  Bei  Pittsburg  hat  man  eigene  BohrlöcheT  angelegt,  um  dieses  Gas  zum 
Betrieb  der  Schweiss-  und  Puddelöfen  zu  benützen;  ausserdem  wird  es  zur  Ver- 
siedung  der  Soolen  und  zur  Strassenbeleuchtung  in  vielen  Plätzen  der  Oelregion 

''Verwendet. 

R  a  t  z  e  1 ,  Amerika  II.  oq 


354  IX.  Mineralreichthum  und  Bergbau. 

weise  sind  die  Eisenbahnen  und  die  Besitzer  von  Petroleum -Raffinerien 
in  Amerika  diesem  Projekt  wenig  geneigt.  Bei  den  Verhandlungen,  welche 
1878  über  dasselbe  in  der  pennsylvanischen  Legislatur  geführt  wurden, 
führten  die  Gegner  u.  a.  gegen  dasselbe  an,  dass  260000  Menschen 
allein  in  der  Petroleum -Industrie  beschäftigt  seien.  Die  Fipe  Line  Bill 
wurde  am  30.  Januar  1878  auf  unbestimmte  Zeit  zurückgelegt.  —  Die 
Ausfuhr  begann  1861,  in  welchem  Jahre  sie  sich  auf  27  000  Fässer  im 
Werthe  von  rund  1  Mill.  D.  belief.  Von  1861—77  betrug  der  Werth 
der  Petroleum -Ausfuhr  442  698968  D.,  im  Jahr  1877  allein  erreichte  sie 
einen  Werth  von  62  Mill.  D. 


* 


X.  Die  Gewerbtliätigkeit. 

I.  GeschichtlicheEntwickelung.  Die  Anfänge  355.  Ziirückdrängung 
durch  das  Mutterland  358,  Aufschwung  seit  der  politischen  Selhständigkeit  359. 
Heutiger  Stand  362.  —  II.  Die  Art  des  Betriebes.  Mangel  an  Arbeits- 
kräften 362.  Maschinenarbeit  363.  Werkzeuge  364.  Der  Erfindungs-  und 
Unternehmungsgeist  364.  Patente  365.  Credit  366.  Die  Arbeitslöhne  369. 
Leben  und  Stellung  der  Arbeiter  371.  —  III.  Die  Hauptzweige  der  Ge- 
wer bthätigk  e  it.  Textilindustrien  373.  Metallindustrien  375.  Maschinen- 
bau 377.  Landwirthsch.  Geräthe  379.  Lederverarbeitung  381.  Waffen  382. 
Uhren  383.  Chemische  Industrien  384.  Brauereien  385.  Keramik  385.  Ver- 
vielfältigende Industrien  386. 

I.  Geschichtliche  Entwickelung.  Die  Industrie  der  V.  St. 
war  von  geringem  Belang  in  der  ganzen  Zeit,  welche  vor  dem  Un- 
abhängigkeitskrig  verfloss.  Die  Verhältnisse,  welche  die  Gründung 
einer  Colonie  begleiten,  sind  niemals  der  Industrie  günstig.  Jagd 
jUnd  Ackerbau,  im  günstigsten  Falle  auch  Bergbau,  sind  die  natür- 
lichen Nahrungszweige  junger  Ansiedelungen.  Für  die  Industrie, 
die  über  den  täglichen  Bedarf  hinaus  erzeugt,  fehlen  Geld,  Kennt- 
nisse ,  Fertigkeiten  und  Arbeitskräfte.  Gewöhnlich  bilden  die 
Industrieerzeugnisse  des  Mutterlandes  den  Hauptgegenstand  des 
Austausches  für  die  Erzeugnisse  des  Ackerbaues  der  Colonien.  In 
dem  Falle  der  englischen  Colonien  in  Nord -Amerika  kam  hinzu, 
dass  das  Mutterland  mit  Absicht  ihre  industrielle  Entwickelung 
hintanhielt,  um  in  ihnen  ein  Absatzgebiet  für  seine  Fabriken  zu 
behalten.  Erzeugnisse  von  Industrien,  die  mit  der  Wald-  und  Feld- 
wirthschaft  und  dem  Bergbau  zusammenhängen,  sind  allerdings 
schon  früh  von  den  Colonien  zur  Ausfuhr  gebracht  worden.  Schon 
im  zweiten  Jahre  der  virginischen  Colonie  zu  Jamestown  (1608) 
wurden  einige  Deutsche  und  Polen  eingeführt,  um  die  Erzeugung 
von  Pech,  Theer,  Pottasche  und  Glas  zu  bewerkstelligen.  1609 
bestand  hier  bereits  eine  Glashütte.     1620  wird  berichtet,  dass  die 

23* 


356  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

Eisenerze  der  Colonie  gewonnen  und  verarbeitet  würden,  dass  die- 
selbe das  Salz  für  ihren  eigenen  Bedarf  darstelle,  dass  Sägemühlen 
errichtet  seien.  1621  werden  unter  den  Ausfuhren  der  Colonie 
Eisen,  Rohseide,  Tauwerk,  Pottasche,  Pech  und  Harz  genannt.  Im 
ganzen  Laufe  des  17.  Jahrhunderts  wurde  die  Entwickelung  jeder 
Art  von"  Gewerbthätigkeit  in  Virginia  wie  in  den  übrigen  Colonien 
nicht  nur  geduldet,  sondern  sogar  unterstützt.  In  den  Neuengland- 
Staaten  erwuchs  von  1624  an  der  Schiffsbau  zu  einer  sehr  blühenden 
Lage,  ebenso  in  New  York  und  später  in  Baltimore  und  Philadelphia. 
Der  Holzreichthum  wurde  ausserdem  in  den  verschiedensten  Rich- 
tungen ausgebeutet.  Sägemühlen  sollen  in  Nord -Amerika  früher 
^  \/aufgekommen  sein  als  in  England.  1633  wurden  von  den  Hollän- 
dern deren  drei  in  ihrer  Colonie  am  Hudson  gebaut.  Man  glaubt, 
dass  sie  durch  die  am  Delaware  angesiedelten  Schweden  aus  Skan- 
dinavien herübergebracht  worden  seien.  Es  scheint,  dass  auch  die 
ersten  Mahlmühlen  in  Nord -Amerika  Windmühlen  waren,  welche  von 
den  Holländern  gebaut  wurden ;  die  englischen  Einwanderer  ahmten 
ihnen  nach  und  soll  1628  die  erste  Windmühle  Neu -Englands  bei 
Watertown  Mass.  gebaut  worden  sein.  Da  man  trotz  des  Ueber- 
flusses  an  Holz,  welcher  mit  der  Zeit  zu  einer  ausgedehnteren  Ver- 
wendung desselben  als  irgendwo  sonst  Anlass  gab,  der  Bausteine 
nicht  ganz  entrathen  konnte,  wurden  schon  1612  Ziegel  in  Virginien 
gemacht  und  1629  ein  Ziegelofen  bei  Salem  Mass.  gebaut.  1638 
wurde  in  Boston  das  erste  steinerne  Haus  gebaut.  Uebrigens  scheinen 
auch  in  der  Ziegelei  und  überhaupt  in  der  Verwendung  des  Thones 
die  Holländer  die  Führung  gehabt  zu  haben,  denn  Albany  und 
Umgebung,  eine  ihrer  ältesten  Niederlassungen,  war  schon  im 
17.  Jahrhundert  und  ist  noch  heute  Mittelpunkt  dieser  Industrien^). 
1639  machte  man  auch  in  Massachusetts  Glas.  Die  Papierbereitung 
hat  mit  die  langsamste  Entwickelung  unter  den  nordamerikanischen 


/  1)  Es  ist  überhaupt  wahrscheinlich,  dass  die  Holländer  eine  viel  fruchtbarere 
Wirkung  auf  die  Entwickelung  der  Hülfsquellen  von  Nord- Amerika  geüht  haben, 
als  gewöhnlich  angenommen  wird.  Sie  waren  damals  in  den  meisten  Gewerben 
den  Engländern  überlegen,  ebenso  wie  in  der  Schiffahrt  und  dem  Handel.  Als 
das  in  allen  diesen  Beziehungen  hervorragendste  Colonialvolk  Nord-Amerikas  haben 
/Sie  den  Neuengländern  und  Virginiern  manches  lehren  können.  Eine  künftige 
Culturgeschichte  Nord-Amerikas  wird  sie  sehr  ernsthaft  zu  behandeln  haben. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  357 

Industriezweigen  gehabt,  entsprechend  dem  anfänglich  geringen 
Bedarf  und  der  geringen  Schwierigkeit  des  Transportes.  Zu  Rox- 
borough  bei  Philadelphia  ist  durch  Holländer  1692  die  erste  Papier- 
fabrik gegründet  worden.  Die  erste  Druckerpresse  war  1631  in 
Cambridge  Mass.  errichtet.  Die  erste  Zeitung  wurde  1684.  in  Boston 
gedruckt  und  die  ersten  Lettern  wurden  von  Christoph  Sauer  in  ^ 
Germantown  Penn,  gegen  1728  gegossen.  Derselbe  hat  auch  die 
erste  deutsche  Bibel  in  Amerika  gedruckt.  Die  Bierbrauerei  scheint 
schon  frühe  von  den  Hausfrauen  geübt  worden  zu  sein,  in  Plymouth 
schon  so  früh  wie  1623 ;  aber  es  ist  zweifelhaft,  ob  die  Kenntniss 
der  Verwendung  des  Maises  zu  diesem  Zweck  von  den  Indianern 
gelernt  worden  ist.  Der  Weinbau  war  schon  1612  in  Virginia  be- 
gonnen und  wurden  später,  um  ihn  zu  heben,  sogar  aus  Deutsch- 
land und  Frankreich  Winzer  und  Reben  eingeführt.  Auch  in  allen 
anderen  Colonien  wurde  der  Weinbau  mit  Vorliebe  betrieben,  aber 
nirgends  mit  dauerndem  Erfolg.  1682  kam  der  erste  Carolina-  / 
Wein  nach  England.  Die  Web-Industrien  bedienten  sich  im  Anfang 
für  gröbere  Arbeiten  gewisser  einheimischer  Gewächse,  besonders 
des  Apocynum  cannabinum.  1638  wurde  zu  Bowley  Mass.  Tuch 
gemacht  und  eine  Walkmühle  errichtet.  Baumwolle  ward  1621  in 
;Virginien  zum  ersten  Mal  angebaut,  nahm  aber  vor  dem  Ueber- 
wiegen  des  viel  begehrteren  Tabaks  im  Anfang  nur  eine  unbe- 
deutende Stelle  ein.  Erst  am  Ende  des  Jahrhunderts  begannen 
die  Versuche,  die  Spinnerei  und  Weberei  der  Colonien  zu  Gunsten 
derjenigen  des  Mutterlandes  einzuschränken.  1611  führte  Virginien 
Gerber  und  Lederarbeiter  in  die  Colonie  ein.  Um  die  Gewinnung 
einheimischen  Leders  zu  fördern,  wurde  1682  die  Ausfuhr  von  Roh- 
häuten verboten.  Der  Gebrauch  des  einheimischen  Sumachs  zur  ^ 
Gerberei  soll  schon  1630  in  Massachusetts  empfohlen  worden  sein. 
Virginien  erzeugte  schon  1619  eigenes  Eisen,  aber  die  Eisengewinnung 
entwickelte  sich  sehr  langsam.  In  den  40er  Jahren  des  17.  Jahr- 
hunderts war  besonders  durch  die  rasche  Entwickelung  des  SchifFs- 
baues  in  den  n.  Staaten  die  Nachfrage  des  Eisens  bedeutend  ge- 
stiegen und  führte  zur  Errichtung  einer  ganzen  Anzahl  von  Eisen- 
hütten zu  Lynn  Mass.,  Pequod  Conn.  u.  a.  0.  Ein  gewisser  Jenks 
in  Lynn  war  zu  dieser  Zeit  der  beste  Metallarbeiter  in  den  Colonien 


358  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

und  ein  Erfinder,  wie  die  V.  St.  später  so  viele  aus  ihrem  Gewerbs- 
stande hervorgehen  sahen.  Er  verbesserte  die  altübliche  englische 
v^Sense  durch  Verstärkungsrippe  und  Verlängerung  und  gab  ihr  die 
Form,  die  sie  dann  im  Wesentlichen  bis  heute  behalten  hat.  Er 
fertigte  1652  die  Stempel  für  die  Colonialmünzen ,  baute  ferner 
für  Boston  eine  Feuerspritze,  errichtete  die  erste  Drahtzieherei  und 
Kratzenfabrik.  —  Das  beginnende  18.  Jahrhundert  sah  in  den  Colonien 
die  Keime  aller  Industrien,  die  es  damals  in  den  fortgeschrittensten 
Ländern  Europas  gab.  Die  jungen  Staaten  waren  zwar  noch  in 
sehr  hohem  Grade  dem  Mutterlande  tributär  in  so  ziemlich  allen 
Erzeugnissen  der  Gewerbthätigkeit,  aber  sie  waren  im  Stande,  das 
Nächste  und  Nothwendigste  aus  eigener  Kraft  und  mit  den  dem 
Lande  eigenen  Mitteln  zu  erzeugen.  Aber  schon  diese  Stufe  der 
Entwickelung  der  colonialen  Industrien  schien  dem  Mutterlande  zu 
hoch.  Englands  Colonialpolitik  stand,  wie  diejenige  aller  Völker, 
zu  jener  Zeit  unter  der  Herrschaft  des  Grundsatzes,  dass  die 
Colonien  nur  das  erzeugen  sollten,  was  das  Mutterland  brauchen 
konnte,  also  vorzüglich  Eohstoffe,  da  dieses  in  der  Industrie  weiter 
fortgeschritten  war.  Zu  dieser  Zeit  schienen  sich  die  Colonien  in 
industrieller  und  überhaupt  in  jeder  wirthschaftlichen  Beziehung 
mehr  als  vorher  auf  eigene  Füsse  stellen  zu  wollen.  Aber  England 
verbietet  nun  ganze  Industrien.  1699  verbot  in  der  That  eine 
Parlamentsakte  den  Handel  mit  Wolle,  Garn  und  Wolltuch  innerhalb 
der  Colonien.  1719  wurde  die  Herstellung  von  Gegenständen  aus 
Guss-  und  Schmiedeeisen  verboten.  1732  wurde  der  intercoloniale 
Handel  mit  Hüten  verboten,  1750  die  Errichtung  von  Maschinen 
zum  Spalten  und  Walzen  des  Eisens.  Im  letzteren  Jahre  besagte 
eine  Ordonnanz,  dass  die  Errichtung  von  Manufakturen  angesehen 
werden  müsse  als  Versuch  und  Mittel,  um  die  Abhängigkeit  der 
Colonien  vom  Mutterlande  zu  vermindern.  Ebenfalls  in  diesem 
Jahre  wurde  die  Ausfuhr  von  Werkzeugen  und  Geräthschaften  zur 
Woll-  und  Seidenmanufaktur  untersagt.  Die  Colonien  blieben  hierbei 
nicht  unthätig.  Ihre  Behörden  unterstützten  durch  Prämien  die 
Industrien,  welche  in  Folge  der  Massnahmen  des  Mutterlandes 
gefährdet  waren;  man  gründete  Schulen  für  Spinner;  die  Non- 
Importation  Societies  wirkten  der  Einfuhr  englischer  Manufakturwaaren 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  359 

entgegen.  Man  ging  sogar  so  weit,  das  Schlachten  von  Schafen  zu 
vermindern,  um  der  einheimischen  Wollweberei  nicht  den  Rohstoff 
zu  entziehen.  In  New  York  setzte  sich  eine  Society  for  tJie  Pro- 
motion ofArts  hauptsächlich  die  Förderung  der  Hanf-  und  Leinen- 
verarbeitung zum  Ziel.  Die  Erforschung  der  Naturschätze  des 
Landes  und  die  Entwickelung  des  Erfindungsgeistes  der  Bevölkerung 
empfingen  mächtige  Anregungen.  Man  kann  wohl  sagen,  dass  in 
diesen  Jahren  des  Kampfes  die  Industrie  der  Colonien  mehr  Fort- 
schritte machte  als  in  den  ruhigeren  Zeiten,  die  vorausgegangen 
waren.  1771  wurden  7500  T.  Roh-  und  Stabeisen  ausgeführt.  Die 
Noth  des  Krieges  von  1776  —  83  zwang  zu  weiteren  Fortschritten 
auf  diesem  Wege.  Aber  nun  war  es  der  Mangel  an  Arbeitskräften 
und  Capital,  welche  hemmend  eingriffen.  Immerhin  führt  auf  diese 
Zeit  eine  Anzahl  von  Erfindungen  und  die  Einbürgerung  wichtiger 
Industrien  zurück,  besonders  solcher,  die  auf  Schiffsbau  und  Kriegs- 
wesen Bezug  haben.  Die  Eisenindustrie  machte  unter  der  Wirkung 
der  grossen  Anforderungen,  welche  an  sie  gestellt  wurden,  die 
grössten  Fortschritte.  Die  neuen  Erfindungen,  welche  in  dieser 
Zeit  vorzüglich  in  den  Textilindustrien  gemacht  worden  waren, 
suchten  die  Amerikaner,  oft  auf  unvollkommene  Angaben  hin,  sich 
anzueignen.  So  ahmte  Slater  die  Arkwright'sche  Spinnmaschine  in 
einer  Weise  nach,  welche  fast  das  Recht  gibt  ihn  als  Nach -Entdecker 
dieses  epochemachenden  Werkzeuges  zu  bezeichnen.  Aehnlich  fanden 
zu  dieser  Zeit  die  neuen  Krempelmaschinen,  Schnellschützensysteme, 
Calander,  Druckmaschinen  in  Amerika  ihre  Nachahmer  und  oft 
auch  Verbesserer.  1787  wurde  zu  Beverley  Mass.  die  erste  Baum-  "^ 
Wollspinnerei  errichtet.  Am  einflussreichsten  waren  auch  für  Europa 
unter  diesen  Erfindungen  die  der  Cotton-Gin  durch  Whitney,  1793, 
welche  die  Herrichtung  der  Rohbaumwolle  ungemein  erleichtert, 
ferner  die  auf  das  Mühlwesen  Bezug  habenden  von  Oliver  Evans 
(1785  —  93).  Demselben  Erfinder  verdankt  man  die  erste  Hoch- 
druck-Dampfmaschine. 1790  wurde  die  erste  Dampf  -  Mahlmühle  ^ 
gebaut  und  1797  bereits  ein  Patent  für  ein  Dampfboot  gelöst. 
Uebrigens  waren  schon  1782  in  Amerika  Versuche  mit  Dampf- 
schiffahrt gemacht  worden ,  aber  erst  1807  schwamm  Fulton's  - 
Dampf boot,   der  Ausgangspunkt  aller  brauchbaren  Construktionen, 


360  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

auf  dem  Hudson  und  1808  wurde  von  New  York  nach  Philadelphia 
die  erste  Fahrt  zur  See  gemacht.  Dem  Aufhören  der  Kriegszeit 
folgte  die  Blüthe  der  Industrie  nicht  so  rasch  auf  dem  Fusse  wie 
die  des  Ackerbaues  und  des  Handels.  Abgesehen  von  der  Ungunst 
des  herrschenden  Zollsystems,  bedurfte  sie  von  vornherein  grösserer 
Capitaliefi  und  eines  allgemein  höheren  Culturstandes  der  ganzen 
Bevölkerung  und  einer  höheren  Bevölkerungszahl  überhaupt,  welche 
ja  noch  1790  nicht  ganz  4  Mill.  erreicht  hatte.  Beim  Friedens- 
schluss  bestanden  keine  besonderen  Handelsverträge  mit  England 
und  eines  der  ersten  Zeichen  des  wiedergekehrten  Friedens  war 
die  Ueberschwemmung  des  Landes  mit  englischen  Manufakturen. 
Den  amerikanischen  Gewerbtreibenden  blieben  fast  nur  noch  die 
rohesten  Artikel  und  die  Ausbesserung.  Die  allgemeine  Geldnoth 
kam  hinzu,  und  wenn  auch  1790  der  Werth  aller  Erzeugnisse  der 
Hausindustrie,  die  damals  noch  sehr  produktiv  war,  auf  20  Mill.  D. 
gestiegen  war,  so  erzeugten  die  Gewerbe  dafür  in  den  wichtigsten 
Zweigen  weniger  als  vor  dem  Kriege.  A.  Hamilton  legte  1790  dem 
Hause  eine  Zusammenstellung  der  Einfuhren  des  Jahres  30.  September 
1789  —  90  vor,  soweit  sie  aus  England  stammten.  Sie  betrugen 
13*/5  Mill.  D.  1789  war  ein  Schutzzoll  aufgelegt  worden,  der  für 
^/lo  der  Einfuhr  nicht  mehr  als  5  Proc.  betrug,  und  theilweise 
Erhöhungen  fanden  in  den  folgenden  Jahren  statt.  Doch  war  es 
erst  der  Krieg  von  1812,  welcher,  zusammen  mit  den  vorangegangenen 
Erschwerungen  des  Verkehrs  in  Folge  der  europäischen  Missver- 
hältnisse, der  amerikanischen  Industrie  einen  grösseren  Anstoss  gab. 
Als  nach  dem  Ende  des  Krieges  die  Einfuhren  zunahmen  und  dazu 
niedrigere  Zollsätze  wieder  eintraten,  wurden  1816  40 — 60000 
Arbeiter  brotlos.  Man  gibt  an,  dass  die  Baumwollindustrie  allein 
-^1812  100000  Menschen  beschäftigt  und  für  24  Mill.  D.  Waaren 
erzeugt  habe:  ein  Massstab  für  die  Entwicklung  der  Industrie  in 
den  vorhergehenden  Jahren.  Man  schätzte  die  englischen  Einfuhren 
vor  dem  Kriege  auf  16  Mill.  D.  Mit  zu  den  mittelbaren  Wirkungen 
des  Krieges  ist  auch  die  Errichtung  der  ersten  mechanischen 
Weberei  zu  Waltham  Mass.  zu  zählen  (1813).  Mit  dem  Schutzzoll- 
tarif von  1824  erfolgte  ein  neuer  Aufschwung,  der  nun  von  grösserer 
Dauerhaftigkeit   war.      Die    Entwickelung    der   Verkehrswege    kam 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  361 

kinzu.  1825  wurde  der  Erie-Canal  vollendet  und  1826  die  erste 
Eisenbahn  gebaut.  P.  Cooper  baute  1829  die  erste  amerikanische 
Locomotive  und  Morse  erfand  1832  den  ersten  praktischen  Elektro- 
Telegraphen.  Die  Industrie  derV.  St.  weist  von  dieser  Zeit  an  im  Grossen 
und  Ganzen  keine  Rückschwankungen  in  ihrem  Entwicklungsgänge 
auf.  Der  Tarif  blieb  zwar  nicht  immer  in  dem  Masse  Schutzzolltarif, 
wie  es  der  von  1824  und  28  gewesen.  Die  widerstreitenden  Interessen 
des  vorwiegend  ackerbauenden  S.  und  des  immer  mehr  der  Industrie 
sich  zuwendenden  N.  erlaubten  keine  vollständige  Stetigkeit.  In  den 
Jahren  1832  —  41  und  1846  —  60,  in  denen  der  Triumph  der  Frei- 
händler zu  grossen  Ermässigungen  der  Zollsätze  führte,  litten  einige 
Industrien,  und  vor  allen  die  des  Eisens,  grosse  Einbussen.  Aber 
1860  wurde  trotzdem  der  Werth  aller  Erzeugnisse  der  Industrie 
auf  3804  Mill.  D.  geschätzt.  Der  Zufluss  von  Einwanderern*)  und 
die  Vermehrung  der  Bevölkerung,  die  Fortschritte  der  landwirth- 
schaftlichen  und  bergbaulichen  Erzeugung  und  die  rasch  fort- 
schreitende Ausdehnung  des  Verkehrsnetzes,  zusammen  mit  dem 
Steigen  des  Credites  der  V.  St.,  welches  grosse  Summen  fremden 
Capitales  ins  Land  lockte,  hielten  trotz  der  Schwankungen  der 
Zollpolitik  die  Welle  im  Steigen.  Die  Internationale  Ausstellung 
von  1851  in  London  brachte  den  amerikanischen  Erfindungsgeist 
mit  Neuerungen  wie  Cormick's  Nähmaschinen,  Bigelow's  Teppich-  ^ 
stuhl,  Dick's  Antifrictionspresse  u.  a.  auch  in  Europa  zu  Ehren. 
1853  fand  die  erste  Internationale  Industrieausstellung  Amerikas 
zu  New  York  statt.  1851  hatte  Stevens  den  Bau  des  ersten  Panzer- 
schiffes begonnen.  Die  Monitors,  welche  zuerst  im  Bürgerkriege 
der  V.  St.  zur  Verwendung  kamen,  haben  bekanntlich  das  Signal 
zu  einer  grossen  Umwälzung  im  Seekrieg  gegeben.  Der  Sieg  der 
republikanischen  Partei  von  1860  brachte  neuerdings  einen  Schutz- 
zolltarif, der  ohne  Zweifel  das  Aufkommen  vieler  Industrien  be- 
günstigt hat.  1870  soll  der  Werth  der  Gewerbserzeugnisse  über 
7  Milliarden,    nahezu    das  Doppelte  von   dem  von   1860,   erreicht 


1)  Um  zu  ermessen,  welche  Kräfte  für  die  Industrie  unter  denselben  sich 
befanden,  braucht  man  nur  zu  erinnern  an  die  einer  früheren  Zeit  angehörigen 
Rittenhaus  und  Voigth  in  Pennsylvania,  an  den  1839  eingewanderten  Preussen 
Roebling,  den  grossen  Brückenbauer,  an  Ericsson,  der  1839  aus  Schweden  kam. 


362  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

haben.  Es  fällt  in  diese  Zeit  der  gewaltigste  Ruck,  den  die 
amerikanische  Industrie  nach  vorwärts  gemacht  hat.  Die  Vollendung 
zahlreicher  Eisenbahnen  und  der  gesteigerte  Zufluss  von  Einwanderern 
und  von  Capital  haben  daran  einen  grossen  Antheil.  Unleugbar  ist 
auch  der  mächtige  Einfluss  des  während  und  nach  dem  Bürger- 
kriege hobhgesteigerten  Spekulationsgeistes.  Aber  die  Arbeitsamkeit, 
der  Unternehmungsgeist  und  die  grosse  natürliche  Befähigung  des 
Amerikaners  für  alles  Wirthschaftliche  haben  mindestens  ebensoviel 
gethan.  Als  1876  die  Weltausstellung  von  Philadelphia  zum  ersten 
Mal  den  Europäern  die  Industrie  der  V.  St.  in  ihrer  ganzen  Be- 
deutung zeigte,  waren  die  Urtheilsfähigen  nicht  im  Zweifel,  wo  sie 
die  Ursachen  dieser  ungeahnt  hohen  Entwickelung  hauptsächlich 
suchen  sollten,  und  die  Nordamerikaner  sind  als  eines  der  grössten 
Industrievölker  der  Erde  anerkannt.  Seitdem  verfolgt  man  mit 
gespannter  Aufmerksamkeit  jeden  industriellen  Fortschritt,  den  sie 
machen,  und  fühlt  das  Anwachsen  ihrer  Concurrenz  nicht  bloss  auf 
den  aussereuropäischen  Märkten,  sondern  sogar  in  Europa  selbst. 
II.  Die  Art  des  Betriebes.  Nach  allem  was  vorhergehend 
über  die  natürlichen  Bedingungen  der  Culturentwickelung,  über  die 
Bevölkerung,  über  Land-  und  Forstwirthschaft  und  über  den  Berg- 
bau und  seine  Erzeugnisse  gesagt  worden,  bedarf  es  keiner  An- 
deutung mehr,  um  zu  zeigen,  dass  die  V.  St.  günstige  Bedingungen 
für  die  Entwickelung  aller  Gewerbszweige  bieten,  die  in  anderen 
Ländern  blühen.  Es  fehlen  nicht  nur  keine  von  den  nothwendigen 
Daseinsbedingungen  der  letzteren,  die  man  z.  B.  in  Europa  findet, 
sondern  es  sind  einige  der  wichtigsten,  wie  z.  B.  Intelligenz  und 
Arbeitsamkeit  der  Bevölkerung,  leichter  Absatz,  Kohlen-  und  Eisen- 
reichthum,  im  höherem  Masse  zur  Verfügung.  Wohl  gibt  es  aber 
eine  Anzahl  von  Umständen,  die  diese  Richtung  menschlicher 
Thätigkeit  in  manchen  Beziehungen  zu  anderen  Mitteln  greifen, 
andere  Wege  betreten  lassen,  als  die  sind,  welche  sie  bei  uns  be- 
nützen, und  die  daraus  entfliessenden  Eigenthümlichkeiten  der  nord- 
amerikanischen Industrie  zu  skizziren,  ist  hier  von  Interesse.  —  Der 
Mangel  an  Arbeitskräften  ist  in  jungen  Ländern  immer  die 
grösste  Schwierigkeit,  welche  jede  Unternehmung  findet,  die  zu 
ihrer  Ausführung  fremde  Kräfte  in  Anspruch  zu  nehmen  hat.     Sie 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  363 

wird  nur  in  geringem  Masse  dadurch  aufgewogen,  dass  unter  den 
Einwanderern  verhältnissmässig  viele  tüchtige,  geschickte  und  arheits- 
lustige  Männer  im  hesten  Alter  sich  befinden.  Dieser  Mangel  treibt 
zur  Anwendung  von  Maschinenarbeit  in  allen  Richtungen,  um 
Menschenkräfte  zu  sparen,  regt  dadurch  die  Erfindungsgabe  an, 
führt  aber  auf  der  anderen  Seite  auch  zur  Vernachlässigung  aller 
feineren,  nur  mit  geduldiger  Handbarbeit  auszuführenden  Vollendung, 
an  deren  Stelle  die  Maschinenarbeit  mit  Erfolg  einzutreten  vermag. 
Wir  werden  nicht  erstaunen,  wenn  wir  in  der  unten  folgenden 
Einzelaufzählung  der  amerikanischen  Industrien  der  weitestgehenden 
Anwendung  der  Maschinenarbeit  als  beständig  wiederkehrendem 
Charakterzug  begegnen.  Dabei  ist  allerdings  zu  bemerken,  dass  die 
Ersparung  von  Menschenkräften  nicht  das  alleinige  Ziel  derselben 
ist,  sondern  dass  dieselben  auch  an  manchen  Punkten  die  geringere 
Schulung  der  Arbeiter  theilweise  ersetzen  sollen.  Amerikanische 
Schienenwalzwerke  verwenden  z.  B.  Maschinen  zur  Bedienung,  wo 
bei  uns  Menschenkräfte  eintreten,  brauchen  aber  nicht  weniger, 
sondern  1 V2  bis  2  mal  mehr  Arbeiter,  deren  Fertigkeit  und  organi- 
sirende  Thätigkeit  indessen  „die  Merkmale  des  Fortschrittes  an  sich 
tragen"  ^).  Dass  diese  Bevorzugung  der  Maschinenarbeit  für  viele 
Erzeugnisse  ihre  Nachtheile  hat,  versteht  sich,  aber  ihre  Vortheile 
sind  ohne  Zweifel  überwiegend.  Die  Nachtheile  treten  besonders 
stark  hervor  auf  den  ersten  Stufen  ihrer  Anwendung,  sie  schwinden 
immer  mehr  in  dem  Masse  als  die  Maschinen  selbst  vollkommener 
werden  und  es  wird  dann  in  vielen  Industriezweigen  ein  Punkt  er- 
reicht, auf  welchem  die  feinste  Handarbeit  nicht  mehr  die  Leistung 
der  vervollkommneten  Maschine  zu  ersetzen  vermöchte.  So  ist 
z.  B.  die  Ueberlegenheit  der  amerikanischen  Uhrenfabrikation  vor- 
wiegend auf  die  anders  unerreichbare  Gleichförmigkeit  der  Uhren- 
bestandtheile  zurückzuführen,  welche  durch  die  Maschinen  erreicht 
wird.  Die  Arbeit  wird  aber,  wenn  man  so  sagen  kann,  überhaupt 
vergeistigt  durch  die  geringere  Zahl  mechanischer  Leistungen,  die 
auf  den  einzelnen  Arbeiter  fallen.  Er  wird  mehr  Beaufsichtiger 
der  Maschinen  und  sucht  seinerseits  durch  eigene  kleine  Erfindungen 


v^ 


1)  F.  Reuleaux,  Briefe  aus  Philadelphia  lb77.  20. 


364  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

Zeit  und  Arbeit  zu  sparen,  wo  es  gehen  mag.  Nirgends  zeigt  sich 
das  mehr  als  bei  den  Werkzeugen,  in  denen  der  amerikanische 
Erfindungsgeist  sich  unerschöpflich  zeigt  und  die  durch  vollendete  An- 
passung an  alle  nur  denkbaren  Möglichkeiten  häufig  zu  Halbmaschinen 
von  weit  über  den  einfachen  Begriff  Werkzeug  hinausgehender  Schärfe 
und  Ausgedehntheit  der  Leistung  ausgearbeitet  werden.  Vom  Einfach- 
/Sten,  der  Axt  (s.  o.  S.  241)  und  dem  Hammer,  bis  zu  den  complicirten 
Halbmaschinen,  dem  Bohrer  mit  Universalgelenk  oder  den  endlosen 
Variationen  von  Sägen  und  Hobeln,  gilt  dieses.  Die  Ursache  liegt 
nicht  nur  in  dem  angeborenen  Erfindungsgeist  der  Amerikaner, 
sondern  vielleicht  ebensosehr  in  den  Anregungen,  welche  ihre  sehr 
vernünftige  Arbeitsweise  ihnen  bietet,  und  zwar  vorzüglich  in  der 
Selbständigkeit,  die  dem  einzelnen  Arbeiter  gelassen  ist,  der  nach 
dem  Stück  arbeitet  und  in  der  Regel  für  sein  Handwerkszeug 
selbst  zu  sorgen  hat.  Es  liegt  also  in  seinem  Interesse,  an  Zeit 
und  Kraft  zu  sparen^).  Aber  das  amerikanische  Publikum  ist  auch 
viel  eher  bereit,  weniger  vortheilhafte  Geräthe  und  Werkzeuge  oder 
Maschinen  gegen  verbesserte  umzutauschen.  Daher  die  weite  und 
rasche  Verbreitung,  welche  jede  Verbesserung  findet.  Kein  Wunder, 
wenn  unter  solchen  Verhältnissen  die  ihrer  Natur  nach  der  weitesten 
Verbreitung  und  Anwendung  zugänglichen  Maschinen  und  Werk- 
zeuge zur  Holzbearbeitung  eine  „unbestrittene  Domäne  der  amerikani- 
schen Industrie"  ^)  genannt  werden.  Die  Buchdruckerpressen,  die 
Heft-  und  Buchbindermaschinen  und  mehr  noch  die  kleinen  Drucker- 
pressen für  den  Einzelgebrauch  sind  vollendet.  Von  Arbeits- 
maschinen für  die  Erzeugung  eines  ganz  bestimmten  Gegenstandes, 
wie  Briefcouverts,  Propfenzieher,  Nadeln,  Uhrbestandtheile,  Schrift- 
zeug u.  s.  w.,  sind  fast  in  jedem  Gebiete  die  amerikanischen  Er- 
findungen die  ersten  auf  dem  Platze  gewesen.  Auf  Sägen,  Hobel,  Aexte, 
Bohrer  und  tausend  grosse  und  kleine  Nothwendigkeiten  der  Werk- 

1)  Reuleaux  meint  a.  a.  0.  S.  22,  dass  vielleicht  Deutschland  am  meisten 
Talent  habe,  mit  den  hiesigen  Werkzeugbauern  zu  wetteifern.  „Es  gehört  zum 
Werkzeugmaschinenbau  eine  Gabe  und  ein  Interesse,  den  technologischen  Vor- 
gängen zu  folgen,  welches  dem  deutschen  Charakter  sehr  zusagt."  Trotzdem 
sind  die  Amerikaner  in  einer  Anzahl  von  Werkzeugen  und  Werkzeugmaschinen 
uns  so  weit  voraus ! 

2)  Berichte  d.  D.  Preisrichter  f.  d.  Philadelphia-Ausstell.  1877.  24. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  365 

statt,  des  Hauses,  der  Küche,  bis  auf  die  Methoden  des  Thür-  und 
Fensterverschlusses ,  die  Schürhaken,  die  Federn  und  Tintenzeuge, 
die  Esshestecke  u.  s.  w.  erstrecken  sich  die  Verbesserungen  und  es 
ist  wohl  glaublich,  was  man  von  Amerikanern  und  mehr  noch  von 
dort  angesiedelten  Fremden  oft  hört,  dass  diese  zahllosen  Ver- 
besserungen von  Dingen,  mit  denen  man  tagtäglich  in  Berührung 
kommt,  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  die  Behaglichkeit  und  Be- 
quemlichkeit des  Lebens  üben.  Bei  der  ausserordentlichen  Vorliebe, 
die  der  Amerikaner  für  die  Erzeugnisse  seiner  heimischen  Industrie 
an  den  Tag  legt,  ist  diese  allgemeine  Hülfsbereitschaft  derselben 
jedenfalls  mit  wirksam.  Sie  zeigt  sich  ihm  in  einer  so  grossen 
Anzahl  von  Fällen  dienstbar,  bietet  ihm  so  wesentliche  Vortheile 
wie  keine  andere  es  dem  Volke  thut,  dem  sie  angehört,  und  vor 
allem  die  deutsche  nicht.  Die  Güte  des  Materials  fällt  unter  den 
Vorzügen  dieser  nützlichen  Dinge  stark  mit  in  die  Wagschale. 
„Die  Agriculturhalle,  sagt  ein  deutscher  Bericht  von  der  Ausstellung 
in  Philadelphia,  bot  eine  Menge  Handgeräthe  für  den  Ackerbau, 
als  Gabeln,  Rechen,  Hacken,  Schaufeln  etc.  vom  besten  Stahl,  so 
leicht,  dass  die  Vortheile  der  Benützung  derselben  in  die  Augen 
fallen.  Verfolgt  man  die  Fabrikation  in  den  Werkstätten,  welche 
sich  hauptsächlich  in  dem  n.  Theile  des  Staates  New  York  finden, 
so  kann  man  die  Grossartigkeit  der  Einrichtungen,  die  Zweck- 
mässigkeit der  zur  Herstellung  derselben  verwendeten  Apparate  nur 
bewundern.  Diese  landwirthschaftlichen  Stahlwerkzeuge,  mit  Aus- 
nahme jedoch  der  Sensen,  welche  Deutschland  unverhältnissmässig 
viel  besser  herstellt  ^) ,  bilden  sammt  den  Stielen  aus  dem  treff- 
lichen amerikanischen  Eschenholz  schon  seit  Jahren  einen  Export- 
artikel der  amerikanischen  Industrie,  besonders  auch  nach  Deutsch- 
land, obgleich  der  Stahl  zu  ihrer  Herstellung  wenigstens  theilweise 
aus  Deutschland  bezogen  wird^)."  —  Das  Patentwesen  ist  in 
dieser  Richtung  natürlich  von  hohem  Nutzen.     Nirgends  werden  so 


1)  Auch  Messerwaaren  und  Klingen  werden  in  den  V.  St.  bei  maschinen- 
mässiger  Erzeugung  nicht  so  gut  verfertigt  wie  in  Sheffield  oder  Solingen. 

2)  Reg.-Rath  Diefenbach  in  Berichte  der  Deutschen  Preisrichter  1877.  48. 
Eine  ganz  rationelle  Massenfabrikation  allein,  setzt  er  hinzu,  scheint  es  möglich 
zu  machen,  den  hohen  Eingangszoll  des  deutschen  Stahles  zu  bestreiten  und 
doch  noch  auf  dem  deutschen  Markte  concurrenzfähig  zu  erscheinen. 


366  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

viele  Patente  genommen  wie  hier.  13619  Patente  wurden  1876/77  in 
den  V.  St.  gewährt.  Davon  gehörten  590  Fremden  an.  Unter  den 
einheimischen  stehen  New  York,  Pennsylvania,  Massachusetts  und 
Illinois  oben  an.  Die  verhältnissmässig  grösste  Zahl  von  Patenten 
hat  Connecticut,  1  auf  je  885  Köpfe ,  während  kein  anderer  Staat 
mehr  als  1  auf  1000  löste.  Schon  im  17.  Jahrhundert  wurden  hier 
Patente  ertheilt.  In  die  Verfassung  wurden  Bestimmungen  über 
Patente  aufgenommen  und  1790  wurde  unter  ihnen  das  erste  Patent 
der  V.  St.  ertheilt.  Gegenwärtig  gibt  man  Patente  auf  14  Jahre. 
Einheimische  zahlen  eine  geringe  Taxe  für  dieselbe  (30  D.),  Aus- 
länder 300 — 500  D.  Einführungspatente  werden  nicht  ertheilt. 
Seit  1836  ist  auch  der  Musterschutz  eingeführt.  Das  Patentamt 
steht  unter  dem  Staatssekretär  des  Inneren.  Bei  der  hohen  Ent- 
wickelung  des  Patentwesens  in  den  V.  St.  begreift  man,  dass  das- 
selbe selbst  wieder  Gegenstand  einer  ganzen  Anzahl  von  Industrien 
geworden  ist.  Patentagenten,  Patentzeichner,  Modellmacher,  Heraus- 
geber von  Patentzeitungen  leben  ebenso  vom  Erfinden  wie  die 
352  Erfinder,  welche  der  Census  von  1870  aufführt.  Manche  von 
diesen  fachmässigen  Inventors  -haben  ihr  Leben  lang  noch  keine 
nützliche  Erfindung  gemacht,  sondern  eilen  von  einem  unfrucht- 
baren Entwurf  zum  anderen,  die  Meisten  aber  treffen  doch  ge- 
wöhnlich auf  irgend  etwas  Verwerthbares  ^).  —  Neben  dem  Trieb  und 
der  Gabe  für  Erfindungen  ist  der  Unternehmungsgeist  und 
die  Leichtigkeit  des  Creditnehmens  ein  Hauptgrund  der 
hohen  Entwicklung  der  nordamerikanischen  Industrie.  Jener  ruht 
zunächst  auf  einem  unerschütterlichen  Vertrauen  in  die  schranken- 
lose Entwickelungsfähigkeit  der  Hülfsquellen  des  Landes,  das  in 
seiner  Kühnheit  geradezu  traumhaft  wird  ^)    und  das  selbst  durch 


1)  Einer  der  bemerkenswerthesten  Typen  dieser  eigenthümlichen  Classe  ist 
William  H.  Towers,  der  als  Erfinder  eines  sehr  vortheilhaften  Schnellgerb- 
processes  auch  in  Europa  bekannt  ist.  Derselbe  hat  ausserdem  Hufeisen,  Heiz- 
apparate, Eiszangen,  Austernbrecher,  Wagen,  Besen,  Nähnadeln,  Kork-  und 
Korkzieher,  Gasheizer  und  vieles  andere  erfunden  und  viele  von  seinen  Patenten 
haben  bedeutenden  Erfolg  gehabt.  Edison,  der  Erfinder  auf  elektro-technischem 
Gebiete,  ist  ein  anderes  gutes  Beispiel  der  Erfinder  höheren  Stiles. 

2)  Nur  ein  Beispiel.  Die  sonst  für  besonnen  gehaltene  New  York  Tribüne 
vom   28.  Oktober   1863   stellte    folgende   Berechnung   der   wahrscheinlichen   Zu- 


X.  Die  Gewerbthätigkeit. 


367 


die  heftigen  Krisen,  die  das  Geschäftsleben  alle  15  —  20  Jahre 
durchmacht,  nicht  erschüttert  worden  ist.  Warum  in  der  That 
sich  scheuen,  irgend  eine  Unternehmung  ins  Werk  zu  setzen,  da 
doch  immer,  wenn  sie  misslingt,  das  berühmte  Go  West,  Young 
Man  als  letzte  Hoffnung  übrig  bleibt?  Und  warum  am  Gang 
der  Geschäfte  verzagen,  da  eine  einzige  gute  Ernte  wieder  einen 
Ueberschuss  von  ein  paar  100  Mill.  D.  ins  Land  bringen  muss?  Aber 
der  thatkräftige  Charakter  dieses  Volkes  hat  auch  in  sich  selber 
Hülfsquellen,  die  ihm  den  Muth  des  Wagens  in  einer  Schärfe  ver- 
leihen, wie  er  bei  keinem  europäischen  Volke  sich  findet.  Es  ist 
als  ob  von  dem  Selbstvertrauen,  das  die  Fülle  der  äusseren  Mittel 
erzeugt ,  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  immer  mehr  ins  Blut  über- 
gegangen sei.  Man  möchte  mit  M.  Chevalier  sagen:  „Wenn  es 
wahr  wäre,  dass  der  Handel  und  Verkehr  den  Krieg  verdrängen, 
dann  würden  die  Amerikaner  uns  weit  überholt  haben.  Sie  haben 
einen  neuen  Muth  gefunden,  der  befruchtet,  während  wir  noch 
immer  durch  jenen  glänzen,  der  tödtet  oder  sich  tödten  lässt^)." 
Dieser  waghalsige  Unternehmungsgeist  zeigt  sich  aber  natürlicher- 
weise am  stärksten  dort,  wo  bei  reichen  Hülfsquellen  und  dünner 
Bevölkerung  der  Einzelne  die  grösste  Freiheit  der  Bewegung  sich 
gestatten  kann,  also  im  W.  Hier  sind  die  Beispiele  riesiger  Ent- 
wickelungen  so  nahegelegt  und  so  häufig  (man  denke  an  Chicagos 
Entwickelung    aus    einem    Dorfe    zur    Grossstadt    in    Zeit    einer 


nähme  des  Ertrages  der  Minen  und  der  Steuern  in  den  V.  St.  für  die  Zeit  von 
1864  —  98  auf: 


Jahre 

Jährl.  Ertrag 

Steuersatz 

Betrag  der  Steuern 

5 

156  000  000 

8  Proc. 

60000000 

5 

300000000 

8  „ 

120  000000 

5 

450  000  000 

8  „ 

180000  000 

10 

900  000  000 

7  « 

630  000  000 

10 

1800  000000 

6  „ 

1 050  000  000 

Auf  diese  Weise  wäre  zuletzt  der  ganze  Staatshaushalt  der  V.  St.  bloss  aus 
dem  Ertrag  der  Bergwerke  zu  bestreiten! 

1)  Lettres  de  l'Amerique  d.  N.  I.  385.  Ebendort  schätzt  er  für  1834  das 
Verhältniss  des  wirklich  vorhandenen  Capitales  zu  demjenigen,  mit  welchem 
operirt  wurde  (le  capital  moral) ,  zu  1:5  oder  1 :  6  für  New  York ,  wobei  aber 
sogar  Verhältnisse   von  1:10  oder  20  nicht  selten  sind,   zu  1:2  —  3  für  Paris. 


y 


368  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

einzigen  Generation  oder  an  das  Aufblühen  Californiens) ,  dass  sie 
allein  schon  zu  den  gewagtesten  Unternehmungen  immer  wieder 
anregen   müssen.      Dabei  fehlt    hier  jedes   geschichtliche  Element, 

^das    an   die   Vergänglichkeit   menschlicher  Werke   mahnen   könnte. 

<^elbst  die  Pietät  kommt  nicht  ins  Spiel.  Alles  ist  Wachsthum 
auf  neuem  Boden.  Ein  Kenner  Californiens  hat  drei  Stadien  ge- 
nannt, die  jede  neue  Unternehmung  im  W.  durchlaufen  müsse: 
„Das  erste  ist  ein  stolzes  Ueberheben  mit  Hintansetzung  aller  Er- 
fahrungen durch  andere  Nationen,  das  Einschlagen  eines  selbst- 
gewählten Weges.  Das  zweite  ist  gekennzeichnet  durch  endlose 
Verluste  und  Geldopfer,  das  dritte  durch  ein  energisches  Empor- 
ringen aus  diesem  Zustand  und  ein  Zurückkehren  zu  denselben 
Einrichtungen,  die  in  anderen  Ländern  längst  bestehen,  mit  einzelnen 
Verbesserungen  und  landesgemässen  Abänderungen. "  Freilich  muss 
man  sich  den  Rücken  gedeckt  wissen,  um  mit  solcher  Kühnheit 
und  Energie  arbeiten  zu  können,  und  der  Credit  ist  neben  der 
Gewissheit,  irgendwo  und  irgendwie  die  Mittel  des  Lebensunter- 
haltes schaffen  zu  können,  das  wichtigste  Deckungsmittel  dieser 
Art.     Er   ist   das   erste   Lebenselement    des    wirthschaftlichen   Ge- 

^deihens  in  den  V.  St.  Sie  leben  vom  Credit.  Ohne  ihn  wären 
diese  volksreichen  Städte,  die  auf  allen  Seiten  wie  durch  Zauberwort 
entstehen,  diese  reichen  Staaten,  die  man  fern  vom  Atlantischen 
Meere  am  Westabhang  der  Alleghanies,  den  Ohio  und  Mississippi 
entlang  findet,  noch  immer  nichts  Besseres  als  Urwälder  und 
grundlose  Sümpfe.  Eine  allgemeine  Erschütterung  des  Credits,  so 
kurz  sie  dauere,  ist  hier  mehr  zu  fürchten  als  das  heftigste  Erd- 
beben. Man  hat  mit  Recht  gesagt,  dass  man  bei  uns  den  Credit 
haben  könne,  wenn  man  ihn  nicht  brauche,  während  er  versage, 
wenn  er  am  nothwendigsten  sei.  In  den  V.  St.  zeigt  sich  im  Gegen- 
theil  der  Credit  am  unerschöpflichsten,  wenn  er  am  nothwendigsten 
ist.  Wenn  auch  manchmal  seine  natürliche  Funktion  übertrieben 
wird,  so  erfüllt  er  dieselbe  doch  andererseits  nirgends  so  vollständig. 
Jedes  öffentliche  Unglück,  das  irgend  einen  Theil  der  Bevölkerung 
der  V.  St.  betraf,  hat  ihn  zu  den  wunderbarsten  und  heilsamsten 
Wirkungen  aufgerufen.  Als  1835  ein  grosser  Brand  in  den  Ge- 
schäftsstrassen  von  New  York  über  60  Mill.  RM.  Werthe  zerstörte, 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  369 

lieh  die  Stadt  den  Versicherungsbanken  25  Mill. ,  um  deren  Zu- 
sammensturz zu  verhüten,  der  Congress  verlängerte  die  Termine  für 
die  Zollgebühren ,  die  U.  S.  Bank  in  Philadelphia  lieh  den  Be- 
schädigten 8  Mill.  u.  s.  w.  und  das  Resultat  war,  dass  kein  einziges 
bedeutenderes  Haus  fallirte.  Aehnlich  war  es  beim  Brand  von 
Chicago  1871  und  bei  hundert  anderen  Gelegenheiten.  Nicht 
bloss  die  öffentliche  Wohlthätigkeit,  die  hier  grösser  ist  als  irgendwo 
in  der  Welt,  sondern  der  gesunde  Sinn,  die  Berechnung  der  Mög- 
lichkeiten wird  bei  solchen  Gelegenheiten  ins  Spiel  gebracht.  Man 
sieht  den  innigen  Zusammenhang  aller  Verhältnisse  und  hilft  dem 
Nachbar,  um  nicht  mit  ihm  leiden  zu  müssen.  „New  York,  der 
senior  Partner  der  Firma,  Hess  Chicago,  den  junior  Partner,  nicht 
fallen ,  es  stundete  die  Zahlungen  und  schickte  Waarenladungen 
auf  Waarenladungen,  die  vom  Feuer  zerstörten  zu  ersetzen''  ^). 
Dass  man  sich  indessen  nicht  auf  das  Creditiren  verlässt,  sondern 
eigene  Rückhalte  zu  schaffen  sucht,  beweist  die  Ausdehnung  des 
Sparbankenwesens.  Um  nur  ein  Beispiel  zu  geben,  betrugen  die 
Depositen  der  Sparbanken  des  Staates  New  York  Ende  1878 
313  Mill.  D. ,  also  ca.  63  D.  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung.  In 
Rhode  Island  gab  es  Anfang  1878  bei  einer  Bevölkerung  von 
260000  99  646  Sparbankeinleger,  38  Proc.  der  Bevölkerung,  mit 
49  568000  D.  Einlagen,  d.  h.  mit  170  D.  auf  den  Kopf  2). 

lieber  den  Stand  der  Arbeitslöhne  liegen  folgende  Zusammen- 
stellungen aus  1874  vor  ^) : 

Wochenlöhne  in  den  Baumwollmanufakturen:  Für  Aufseher: 
in  den  Neuengland  -  Staaten  18,35  bis  20,97,  Mittelstaaten  13,25  —  16,50, 
Südstaaten  14,69  —  20,09;  für  erwachsene  Arbeiter  und  Arbeiterinnen:  in 
den  Neuengland  -  Staaten  4,56. —  12,06,  Mittelstaaten  3,25  —  9,  Südstaaten 
3,01  —  8,88.  In  den  Eisen  walz  werke  n  erhielten  die  Puddler:  in  Massa- 
chusetts 22,56,  im  Durchschnitt  der  Mittelstaaten  19,75,  im  Durchschnitt 
der  Weststaaten  25,87 ;  die  Maschinisten :  in  Massachusetts  17,25,  in  den 
Mittelstaaten  14,70,  in  den  Weststaaten  22,05 ;  die  Handlanger  und  unge- 
übten Arbeiter:  in  Massachusetts  9,38,  in  den  Mittelstaaten  8,31,  in  den 
Weststaaten  9,86.    In  den  Eisengiessereien  und  Maschinenfabriken 


1)  E.  Seeger,  Chicagos  Entwiclielung,  Zerstörung  etc.  1872.  117. 

2)  Ueber  das  Bankwesen  in  den  V.  St.  s.  u.  Cap.  XII. 

3)  Young,  Statistics  of  Labour.  1876. 

ßatzel,    Amerika  H.  04 


1/ 


370 


X.  Die  Gewerbthätigkeit. 


erhielten  die  Foremen:  Neuengland -Staaten  22,16,  Mittelstaaten  23,12, 
Weststaaten  23,78,  Südstaaten  26,85,  Pac.  Staaten  42,83;  die  einfachen 
Arbeiter,  Handlanger  u.  dgl. :  Neuengland-Staaten  9,53,  Mittelstaaten  9,49, 
Weststaaten  9,40,  Südstaaten  8,02,  Pac.  Staaten  18,44.  —  Die  verschiedenen 
Eisenbahngesellschaften,  deren  Linien  in  Illinois  und  Missouri 
liegen,  bezahlten  1874  folgende  Jahresgehalte:  Direktoren  2400  —  3000, 
Ingenieure  900  —  1200,  Condukteure  800  —  1200,  Bremser  460  —  624.  — 
Taglöhne  von  Handwerkern  standen  sich  in  den  Mittelstaaten  1874  folgen- 
dermassen:  Schmiede  2,65,  Maurer  3,32,  Zimmerleute  2,59,  Schreiner  2,82, 
Steinhauer  2,86,  Wagner  2,49,  Schuhmacher  2,20,  Schneider  2,27,  Gerber 
2,05.  In  den  Weststaaten  waren  gleichzeitig  die  Löhne  etwas  geringer, 
in  Neuengland  etwas  höher,  in  den  pacifischen  Staaten  dagegen  stellten  sie 
sich  um  50  —  80  Proc.  höher  als  in  den  Mittelstaaten  ^).  —  Die  durch- 
schnittlichen jährlichen  Ausgaben  und  Einnahmen  von  besseren  Arbeiter- 
Familien  mit  1 — 4  Kindern  wurden  1874  folgendermassen  berechnet^): 


Ein- 
nahmen 

A 

Q  s  g  a  b 

e  n 

bo 

a 

f3 

r 
1 

1 

1 

Er- 
ziehung, 
Kirche 
etc. 

S 

a> 
CO 

11 

Neuengland-Staaten    . 

787 

361 

47 

107 

112 

42 

4 

673 

Mittelstaaten  .... 

985 

434 

52 

114 

159 

35 

25 

794 

Südstaaten      .... 

837 

450 

50 

128 

160 

27 

4 

819 

Weststaaten  .... 

946 

354 

50 

155 

105 

36 

18 

718 

Pacific-Staaten  1 
Territorien         / 

1352 

665 

117 

221 

256 

62 

unbek. 

1321 

Durchschnitt  der  V.  St. 

923 

431 

61 

133 

151 

40 

14 

830 

\ 


1878  gab  man  folgende  wöchentliche  Durchschnittslöhne  für  die  ganzen 
V.  St,  an:  Ackerbau  und  Handarbeiter  (ohne  Kost  und  Wohnung)  7,50  D., 
Bäcker  8,  Tischler  und  Zimmerleute  10,50  D.,  Fleischer,  Schmiede  12, 
Schuhmacher  14,  Maurer,  Buchbinder,  Schneider  15. 


1)  Eine  seltsame  Eigenthümlichkeit  ist  der  herkömmliche  25  Proc,  höhere 
Lohn  für  alle  Regierungsarbeiten.  Man  beabsichtigte  diese  Ungleicliheit  zu  be- 
seitigen. April  1878  machte  eine  Abordnung  von  Arbeitern  der  Schiffswerk- 
stätten dem  Marine-Sekretär  ihre  Aufwartung j  um  ihn  um  Aufhebung  einer 
diesen  Missbrauch  beseitigenden  Verordnung  zu  bitten.  Er  erklärte  nichts  zu- 
rücknehmen zu  können,  liess  aber  die  Möglichkeit  offen,  dass  der  Congress 
dieselbe  ändern  könne.  Dies  geschah  in  der  That,  so  dass  also  die  Regierung 
ganz  wie  vorher  vollen  Taglohn  (10  stündigen)  für  8  Arbeitsstunden  zahlt! 

2)  Young,  Labour  in  Europe  and  America  1876.  811  f.  Die  Cts.  sind  von  50 
auf-  und  abwärts  abgerundet. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  371 

Die  Stellung  der  Arbeiter  in  den  V.  St.  ist  zwar  mit  der 
Zeit  eine  nicht  minder  verschiedenartige,  vielgliedrige  geworden 
als  in  irgend  einem  anderen  Lande  mit  hochentwickelter  Industrie, 
und  es  ist  kein  Zweifel,  dass  sie  mit  zunehmender  Dichtigkeit  der 
Bevölkerung  sich  immer  mehr  den  europäischen  Verhältnissen  an- 
nähern wird;  aber  doch  zeigt  sie  gewisse  Besonderheiten,  welche 
zu  tief  theils  in  den  politischen,  theils  in  den  wirthschaftlichen 
Zuständen  der  Nation  wurzeln,  um  so  bald  sich  verwischen  zu 
können.  Zunächst  ist  der  Unterschied  zwischen  Arbeitenden  und 
Nichtarbeitenden  ein  sehr  viel  geringerer,  weil  die  Zahl  der  Ar- 
beitenden grösser  ist.  Allerdings  beträgt  nach  der  1870er  Zählung 
die  Zahl  der  in  dem  Bergbau  und  der  Industrie  Beschäftigten  nur 
2,7  Mill.,  aber  der  Beschäftigten  überhaupt  sind  es  12  V2  MilL,  also 
Vs  der  damaligen  Bevölkerung.  Eigentliche  Müssiggänger  gibt  es 
noch  immer  sehr  wenig.  Wenn  auch  das  Bild  nicht  mehr  so  ganz 
zutreffen  dürfte,  welches  einst  M.  Chevalier  von  der  allgemeinen 
Arbeitsatmosphäre  entwarf,  in  welcher  eine  ganze  Stadt  wie  Cin- 
cinnati  vor  40  Jahren  lebte  ^),  so  ist  doch  der  Grundzug  geblieben. 
Man  kann  heute  freilich  nicht  mehr  behaupten,  dass  es  undenkbar 
sei,  müssig  in  einer  solchen  Stadt  zu  leben,  aber  es  ist  sicher,  dass 


1)  Die  moralische  Physiognomie  von  Cincinnati  ist  reizend  in  den  Augen 
Malier,  die  die  Arbeit  vor  allem  lieben  und  denen  sie  Ersatz  gewährt  für  alles. 
Wer  aber  Geschmack  an  Vergnügen  und  Luxus  hat,  wer  die  Nothwendigkeit 
fühlt,  um  sich  mit  voller  Hingebung  der  Arbeit  widmen  zu  können,  sich  in 
fröhlichen  Kreisen  zu  zerstreuen  und  erholen,  wird  diese  hübsche  Stadt  sammt 
ihren  pittoresken  Umgebungen  für  unerträglich  erklären.  Noch  schlimmer  würde 
tsich  der  Mann  von  Müsse  befinden,  der  einen  guten  Theil  seines  Lebens  der 
■Kunst  und  den  Rest  dem  Vergnügen  zu  widmen  wünscht.  Ein  solcher  fände 
|;es  unmöglich  hier  zu  leben;  er  würde  sich  verachtet  sehen  von  der  Politik, 
^denn  man  fühlt  hier  sehr  wohl,  dass  jede  solche  Existenz  ein  Ansatz  von 
^Aristokratie  ist,  und  verflucht  von  der  Religion,  deren  verschiedene  Sekten  alle 
jdarin  einig  sind,  Vergnügen,  Luxus,  verfeinerte  Sitten,  die  Kunst  selbst  zu 
^verdammen.  Und  die  V.  St.  gleichen  nicht  jenen  Ländern  Europas,  und  vor- 
jzüglich  Frankreich,  wo  man  ungestraft  den  religiösen  Ideen  und  den  Kanzel- 
^einflüssen  Trotz  bieten  kann.  Isolirt  durch  die  arbeitsamen  Gewohnheiten,  die 
[politischen  und  religiösen  Grundsätze  seiner  Umgebung,  würde  er  sich  genöthigt 
[sehen,  ein  ähnliches  Leben  zu  führen  wie  die  Menge,  oder  aber  einen  Boden, 
rder  seinen  Neigungen  etwas  mehr  entgegenkäme,  in  den  grossen  Städten  der 
[atlantischen   Küste,    in  Philadelphia,   New  York,   New  Orleans  oder    selbst   in 

24* 


^ 


372  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

ein  solches  Leben  selbst  in  der  besten  Gesellschaft  als  ein  ziemlich 
wenig  respektables  erscheinen  würde.  Das  ganze  Volk  ist  ein 
arbeitendes  und  der  Grundsatz,  dass  Arbeit  adelt,  ist  bis  zur  Er- 
tödtung  des  Körpers  und  Geistes  durchgeführt.  Dass  dadurch  der 
einzelne  Arbeiter  gehoben  wird,  versteht  sich  von  selbst.  Das 
Gefühl  einer  niedrigeren  Stellung  und  eines  schwereren  Schicksals 
wird  auch  heute  noch  bei  einer  grossen  Zahl  von  amerikanischen 
Arbeitern  aufgewogen  durch  das  Bewusstsein,  dass  im  Grunde  Alle 
Arbeiter  sind  und  dass  bei  möglichster  socialer  und  politischer 
Gleichheit  dem  Tüchtigen  alle  Wege  zum  Erfolg  offen  stehen.    Die 

^  socialistischen  Lehren ,  die  in  den  jüngsten  Jahren  auch  drüben 
viel  von  sich  reden  machten,  sind  weder  den  Köpfen  amerikanischer 
Arbeiter  entsprungen,    noch   vorwiegend   von  ihnen   gepredigt   und 

aufgenommen  worden.  Sie  sind  von  deutschen  und  französischen 
Arbeitern  aus  Europa  eingeführt  worden  und  haben  allerdings  in 
einer  Zeit  unerhört  schlechten  Geschäftsganges  rascher  Wurzel  ge- 
schlagen und  weitere  Verbreitung  gefunden  als  man  in  Amerika 
selbst  erwartete.  Aber  sie ,  haben  bisher  noch  nicht  zur  Geltung 
gebracht  werden  können  in  der  politischen  Arena.  Nur  in  Cali- 
fornien,  wo  die  Chinesenfrage  (s.  o.  S.  215)  mit  hereinspielte,  hat 
ein  neuer  Verfassungsentwurf  weitgehende  Forderungen  zu  Gunsten 
der  arbeitenden  Classen  aufgenommen,  es  ist  aber  schon  jetzt 
ziemlich  sicher,  dass  dieselben  nicht  zu  dauernden  Einrichtungen 
führen  können,  nachdem  allein  der  Versuch  schon,  die  hohen  Pro- 
gressivsteuern zu  erheben,  die  Unmöglichkeit  derartiger  Einrich- 
tungen nachgewiesen  hat*). 


Europa  zu  suchen.  In  der  That  fehlt  in  Cincinnati  ganz  die  Classe  der  Müssigen, 
die  ohne  bestimmte  Beschäftigung  von  dem  Einkommen  leben,  das  ihre  Väter 
ihnen  hinterlassen  oder  das  sie  sich  selbst  in  früheren  Jahren  erworben  haben, 
ohne  dass  es  doch  an  Reichthum  fehlte.  Ich  begegnete  hier  einem  jungen 
Mann,  der  Erbe  von  mehreren  Millionen  sein  wird  und  der,  nachdem  er  in 
West  Point  studirt  und  ein  Officierspatent  erworben,  die  Kriegsschule  verlassen 
hatte,  um  in  den  Schoss  seiner  Familie  zurückzukehren.  Hier  hat  er,  ermüdet 
von  seiner  Vereinsamung  und  unter  dem  Drucke  seiner  eigenen  Persönlichkeit, 
kein  anderes  Mittel  finden  können,  um  sich  aus  der  Langweile  herauszureissen, 
als  ein  Modenmagazin  zu  eröffnen.  Lettre  de  l'Am, 
1)  Ueber  die  neue  Arbeiterpartei  s.  u.  Cap.  XIV. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  373 

III.  Die  Hauptzweige  der  Gewerbthätigkeit.  Die  Textil- 
industrien der  V.  St.  sind  von  besonderer  Bedeutung  in  der  Her- 
stellung von  Wollen-  und  Baumwollenwaaren.  Die  letztere  ist  die  wich- 
tigste. Die  Seidenindustrie  ist  noch  jung  und  die  Leinenindustrie  wenig 
hervorragend.  Die  Baumwollenindustrie  der  V.  St.  ist  ausserordentlich 
rasch  gewachsen  und  zwar  besonders  in  den  letzten  20  Jahren.-  Für  1877 
wird  ihre  Spindelzahl  auf  über  10  Mill.  (14  Proc.  aller  auf  der  Erde  vor- 
liandenen)  und  der  Verbrauch  an  Baumwolle  auf  5  764000  Ctr.  angegeben. 
Die  Zunahme  der  Spindeln  ist  folgende  gewesen:  1805  9000,  1810  123000, 
1820  250000,  1841  2300000,  1860  5  200000,  1875  9530000.  Die  Baum- 
wollenindustrie der  V.  St.  ist  heute  eine  der  ersten.  Und  nicht  bloss  der 
Menge  nach.  Die  amerikanischen  Webstühle  leisten,  was  Schnelligkeit 
anbelangt,  mehr  als  die  englischen.  Auch  die  Druckerei  wird  gelobt.  In 
neuerer  Zeit  zeichnen  sich  die  amerikanischen  Erzeugnisse  vor  den 
englischen  durch  grössere  Solidität  aus  und  haben  dadurch  z.  B.  selbst 
auf  den  ostasiatischen  Märkten  einen  Vorsprung  gewonnen.  Der  Werth 
der  Ausfuhr  von  bedruckten,  gefärbten  und  anderen  Baurawollwaaren  hat 
sich  von  2,3  Mill.  D.  von  1872/73  auf  10,2  Mill.  in  1876/77  gehoben '). 
Die  amerikanische  Spinnerei  leistet  „nichts  Nennenswerthes  in  der  Her- 
stellung von  feinen  Garnnummern,  besonders  Zwirnen,  und  importirt  fast 
ihren  ganzen  Bedarf  an  Webegarnen  dieser  Art  aus  Europa.  Weit 
günstiger  ist  die  Situation  der  nordamerikanischen  ßaumwollenindustrie  in 
der  Produktion  starker  und  mittlerer  Nummern.  Das  Klima  des  Landes 
mit  seinen  plötzlichen  Temperaturdifferenzen  und  starken  Kälten  erfordert 
kräftige  Waaren  und  auf  ihre  Erzeugung  ist  die  Industrie  trefflich  ein- 
gerichtet" ^).  Der  Betrieb  der  Baumwollenindustrie  ist  in  den  V.  St.  der 
grossartigst  denkbare.  Die  Fabriken  sind  zum  Theil  von  ausserordentlicher 
Lusdehnung.  Die  grösste  hat  130000  Spindeln  und  370  Webstühle.  Die 
Behausung  und  Ernährung  der  Arbeiter  ist  häufig  von  den  Fabrikanten 
in  die  Hand  genommen.  Die  Arbeitercolonien  werden  mit  Häusern  ver-  v^ 
3hen,  die  nach  unseren  Begriffen  selbst  für  Wohlhabende  bequem  genug 
raren;  Fleisch  wird  unmittelbar  aus  dem  W.  kommen  gelassen,  ebenso 
[Kleidung  geliefert;  Schule,  Lesezimmer,  Bäder  sind  umsonst.  Die 
[aschinen  sind  gegenwärtig  vorwiegend  heimischen  Ursprungs.  Wasser- 
kraft wird  ungefähr  zum  doppelten  Betrag  der  Dampf  kraft  benützt.  — 
>ie  Baumwollenindustrie  ist  dem  grössten  Theil  nach  auf  gewisse  Staaten 
joncentrirt.     Die  Neuengland  -  Staaten  besitzen  allein   Va   derselben   und 

1)  Allerdings  ist  auch  zu  beachten,  dass  diese  Ausfuhr  schon  1860 
10934796  D.  bewerthet  hatte  und  durch  den  Krieg  und,  wie  Freihändler  glauben, 
lurch  die  in  diesem  Jahre  eingeführten  Schutzzölle  zurückgegangen  war.     (Vgl. 

[.  Weigert  a.  a.  0.  38.) 

2)  M.  Weigert  in  Berichte  der  D.  Preisrichter  a.  d.  K.  Comm.  für  die  Welt- 
lusstellung  in  Philadelphia  1877.  35. 


374  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

hier  ist  wiederum  Massachusetts  am  hervorragendsten  mit  4  Mill.  Spindeln, 
welche  grösstentheils  auf  die  drei  Haujitmittelpunkte  Lowell,  Fall  River  und 
Lawrence  vertheilt  sind.  Dann  folgt  Rhode  Island  mit  V/z  Mill.  Spindeln 
(Providence,  Pawtucket).  Nach  den  Neuengland- Staaten  kommen  Penn- 
sylvanien  und  New  York  mit  zusammen  ca.  900000  Spindeln.  Die  Süd- 
staaten sammt  Tennessee  und  Kentucky  haben  nicht  mehr  als  400000 
Spindeln  zusammen.  —  Die  Einfuhren  europäischer  Baumwollengarne  und 
-Stoffe  haben  in  den  Jahren  bis  zur  Krisis  immer  zugenommen:  1868  11, 
1870  17,7,  1872  28,5,  1874  22,4,  1876  22,9  Mill.  D.  Die  Preise  ameri- 
kanischer Baumwollwaaren  sind  in  geringeren  Sorten  15—25  Proc.  theuerer 
als  unsere  entsprechenden  deutschen  Artikel.  In  besseren  Sorten  betragen 
die  Preisunterschiede  aber  über  100  Proc.  —  Die  Wollindustrie  stützt 
sich  nicht  so  vorwiegend  wie  die  der  Baumwolle  auf  einheimischen  Rohstoff, 
obwohl  dessen  Erzeugung  sich  seit  30  Jahren  vervierfacht  hat.  1870  gab 
es  2891  Fabriken  (1850  1559)  mit  80051  Arbeitern  und  98  Mill.  D. 
Anlagecapital,  dieselben  verbrauchten  172  Mill.  Pfd.  Wolle  und  erzeugten 
Waaren  im  Gesammtwerth  von  155  Mill.  D.  Insgesammt  gehört  die  Woll- 
industrie zu  den  entwickeltsten  Fabrikationszweigen  der  V.  St.  Auf  der 
Ausstellung  von  Philadelphia  bildete  sie  „den  grössten  und  geschmack- 
vollsten Theil  der  amerikanischen  Ausstellung"  ^).  In  einer  Anzahl  von 
Erzeugnissen  übertraf  sie  die  deutsche  Industrie,  in  anderen  erreichte  sie 
dieselbe.  Das  erstere  trifft  ohne  Zweifel  für  die  Teppiche,  Flanelle  und 
Shawls  zu,  in  welchen  die  grosse  einheimische  Nachfrage  in  hohem  Grade 
fördernd  gewirkt  hat.  In  Teppichen  ist  die  Einfuhr  fast  ganz  zurückge- 
drängt. In  den  Maschinen  für  diese  Industrie  sind  die  Amerikaner  ebenso 
selbständig  vorgegangen  wie  in  denen  für  die  Baumwolle  und  einige  davon 
werden  zu  den  hervorragenden  Verbesserungen  auf  diesem  Gebiete  gezählt. 
Die  Pferdestärke  der  verwendeten  Wasserkräfte  ist  fast  doppelt  so  gross 
als  die  der  Dampfkraft.  Die  räumliche  Verbreitung  der  Wollindustrie  ist 
eine  sehr  ausgedehnte,  wenn  auch  nicht  in  dem  Masse  wie  die  der  Baum- 
wollindustrie. Die  Neuengland- Staaten,  und  in  erster  Linie  wieder  Massa- 
chusetts, dann  Pennsylvania  und  New  York  sind  Hauptsitze.  Für  Teppich- 
industrie ist  Philadelphia  am  bedeutendsten  und  ausserdem  neben  den 
ebengenannten  auch  noch  New  Jersey  hervorzuheben.  1878  zählte  man 
700  Teppichwebereien  mit  einem  Jahreswerth  ihrer  Fabrikate  von  24  Mill.  D., 
wovon  ^U  auf  Philadelphia  und  Vi 2  auf  Lowell  entfallen.  —  Die  Leinen- 
industrie wird  im  Gegensatz  zu  der  der  Baumwolle  und  Wolle  weder 
durch  sehr  erheblichen  einheimischen  Verbrauch  noch  durch  starke  Er- 
zeugung des  Rohstoffes  gefördert.  Von  Flachs  sind  1870  27  Mill.  Pfd. 
erzeugt  worden.  Der  Verbrauch  von  Linnen  ist  in  den  V.  St.  sehr  gering. 
Baumwolle   zu  Hemden,    Bettwäsche,    Tischzeug  u.  s.  f.   ist  bis   in  die 


1)  Berichte  d.  D.  Preisrichter  1877.  7. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  375 

höchsten   Classen   üblich.  —   Die  Einfuhr  fremder  Webstoffe  zeigte  von 
1874 — 77  folgendes  bezeichnende  Verhalten: 

1874 

Baumwolle  .     .     22Mill.  D. 
Wolle      ...     34 
Seide  ....     26 
Leinen     ...     15 
Versch.   ...      9 


875 

1876 

1877 

21  . 

.  17  . 

.  16Mill.D. 

31  . 

.  22  . 

.  19 

26  . 

.  23  . 

.  22 

13  . 

.  12  . 

.  12  - 

9  . 

7  . 

.   7 

106  .     .  100    .    .    81    .    .     76 

Die  Seidenindustrie  geht  in  ihren  ernsthafteren  Anläufen  kaum 
über  das  Jahr  1860  hinaus  und  heute  ist  diese  Industrie  unter  den  meist- 
versprechenden zu  nennen.  Sie  setzte  schon  1875  gegen  27  Mill.  D.  um. 
Ein  deutscher  Seidenfabrikant  urtheilt  von  ihr  1876  folgendermassen : 
„Die  Anwendung  des  Rohmaterials  wie  die  genaue  Fachkenntniss  lässt  in 
manchen  Fällen  noch  viel  zu  wünschen  übrig;  es  darf  indess  behauptet 
werden,  dass  die  Seidenindustrie  Nord-Amerikas  heute  bereits  auf  einer 
erheblich  höheren  Stufe  steht  als  dies  in  Europa  und  namentlich  in 
Deutschland  angenommen  wird"  und  weiter:  „Die  Leistungen  der  Fabri- 
kanten von  Paterson  und  New  York  dürfen,  was  Gehalt  und  Fabrikation 
der  Waaren  wie  deren  äussere  Herrichtung  anbetrifft,  als  wahrhaft  ausser- 
ordentliche bezeichnet  werden,  namentlich  wenn  man  berücksichtigt,  dass 
die  eigentliche  Aera  des  Aufgreifens  dieses  Industriezweiges  vor  kaum 
10  Jahren  begann"  ^).  Es  wurde  ebenfalls  gelegentlich  dieser  Ausstellung 
die  Solidität  der  amerikanischen  Erzeugnisse  in  Gewichtsangaben,  Qualität 
u.  s.  f.  besonders  hervorgehoben  und  der  ebengenannte  Fachmann  macht 
besonders  darauf  aufmerksam ,  „dass  ein  Vergleich  der  Verkaufspreise 
zeigte,  dass  mit  Rücksicht  auf  die  grössere  Haltbarkeit  das  amerikanische 
Fabrikat  den  Consumenten  nicht  erheblich  höher  zu  stehen  kommt  wie 
dasjenige  der  europäischen  Concurrenz".  1877  wurden  (nach  dem  Rep. 
Silk  Association  d.  May  1878)  Seidenfabrikate  im  Werth  von  21411436  D. 
hergestellt  und  für  19  734972  D.  eingeführt.  —  Die  übrigen  Gespinnst- 
fasern  nehmen  neben  den  vorgenannten  eine  mehr  nebensächliche  Stellung 
ein.  Von  Hanf,  der  bedeutendsten  von  ihnen,  wurden  1870  ca.  30  Mill.  Pfd. 
erzeugt  und  1877  wurden  36  Mill.  Pfd.  eingeführt  und  diese  nicht  unbe- 
deutende Menge  kam  zur  Verarbeitung.  Die  Zollfreiheit  der  Jutegespinnste 
ist  bis  jetzt  der  Einbürgerung  der  Jute -Industrie  hinderlich  gewesen. 
Bcmerkenswerth  ist  die  ausgedehnte  Anwendung  der  Ranken  des  in  immer 
grösserer  Ausdehnung  angebauten  Hopfens  als  Bindefaser.  —  Metall- 
industrien. Die  äusserst  reiche  und  glückliche  Ausstattung  der  V.  St. 
mit  den  für  die  Gewinnung  und  Verarbeitung  der  wichtigsten  Metalle 
nothwendigen  Rohstoffen  hat  das  Aufkommen  einer  grossen  Metallindustrie 


1)  Consul  G.  Gebhard  in  Berichte  d.  D.  Preisrichter  1877.  144. 


376 


X.  Die  Gewerbthätigkeit. 


schon  früh  begünstigt.  Ausserdem  hat  gerade  in  dem  für  diesen  Zweig 
so  wichtigen  Maschinenwesen  der  Erfindungsgeist  der  Amerikaner  sich 
energischer  als  sonst  irgendwo  bethätigt.  In  Folge  dessen  ist  die  Metall- 
industrie diejenige  unter  den  grossen  Industrien,  in  welcher  die  Amerikaner 
sich  am  unabhängigsten  vom  Ausland  gemacht  haben  und  in  welcher  sie 
die  nächste  und  sicherste  Aussicht  auf  erfolgreiche  Wettbewerbung  mit 
der  europäischen  auch  ausserhalb  der  Grenzen  ihres  Landes  haben.  la 
erster  Linie  steht  natürlich  die  Eisenindustrie.  Das  Wachsthum  und 
den  Betrag  der  Roheisenerzeugung  haben  wir  kennen  gelernt.  Es  gab 
1876  713  Hochöfen  mit  5,48  Mill.  T.  Fassung,  332  Walzwerke  mit  4,2  T., 
4475  Puddelöfen,  11  Bessemer-Werke,  24  Converter,  16  Herdstahlwerke, 
39  Tiegelstahlwerke,  39  Rennöfen,  59  Herdfrischwerke.  Die  Erzeugung 
von  Walzeisen  hat  sich  von  872000  T.  in  1864  auf  1839  560  in  1874 
gehoben.  Daran  nahmen  Eisen-  und  Stahlschienen  mit  335  369  T.  in  1864, 
792  512  in  1874  Theil.  Wie  bedeutend  gerade  dieser  letztere  Zweig  sich 
entwickelt  hat,  mag  folgende  Zusammenstellung  der  Erzeugung  und  Einfuhr 
zeigen.  Die  Einfuhr  von  Eisen-  und  Stahlschienen  in  die  V.  St.  von  Nord- 
Amerika  hat  vom  1.  Juli  1868  bis  30.  Juni  1878  in  folgender  Weise  ab- 
und  gleichzeitig  vom  1.  Januar  1868  bis  31.  December  1877  die  ein- 
heimische Erzeugung  wie  angegeben  zugenommen: 


Erzeugung 

Einfuhr 

Tonnen          Tonnen 

1868  ....   506714  ...  .  151097 

1869  . 

593  586  . 

266  228 

1870  . 

620  000  . 

313  338 

1871  . 

775  733  . 

513  023 

1872  . 

1000  000  . 

595  321 

1873  . 

890  077  . 

400  546 

1874  . 

729  413  . 

166  790 

1875  . 

792  512  . 

47132 

1876  . 

.   879  629  . 

5  273 

1877  . 

.   764  709  . 

12 

1878  . 

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1. 

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12 

7  -_-    i«-- 

Die  Stahlbereitung  ist  in  den  V.  St.  durch  den  für  diesen  Zweck 
ausgezeichneten  Rohstoff  der  Magnet-  und  Rotheisensteine  vom  Oberen 
See  begünstigt.  Die  Erzeugung  von  Bessemer-Stahl  hat  sich  nirgends  so 
rasch  entwickelt  wie  hier.  Das  erste  Bessemer-Werk  begann  1867  zu 
arbeiten  und  1875  wurden  schon  375  000  T.  erzeugt  *).  Das  zum  Bessemer- 
verfahren nothwendige  Spiegeleisen  wird  zu  ungefähr  ^U  aus  dem  Aus- 
land (Deutschland,  England,  Frankreich)  eingeführt,  da  die  Eisenlager 
der  V.  St.  ungemein  arm  an  manganhaltigen  Erzen.  Die  Gesammtmenge 
der  übrigen  Stahlerzeugung,    d.  h.  mit  Ausnahme   des  Bessemer-Stahles, 


1)  C.  Mosler  in  Z.  f.  Berg-  und  Hüttenwesen  1876.  310. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  377 

betrug  1875  611158  T.;  von  15262  in  1865  hat  sie  diese  Höhe  durch 
allmähliche  Zunahme  erreicht.  Die  Preise  für  Roheisen ,  Stabeisen  und 
Schienen  sind  im  Vergleich  zu  Deutschland  und  England  sehr  hoch  und 
zwar  beträgt  in  einzelnen  Gattungen  der  Unterschied  bis  zu  100  Proc.*). 
Der  Verbrauch  von  Roh-  und  Walzeisen  und  Schienen  in  den  V.  St.  ist 
1875  auf  47*  Mill.  T.  veranschlagt  worden.  Davon  wurden  98  Proc.  im 
Inlande  erzeugt.  Die  hauptsächlichsten  Gebiete  der  Eisen-  und  Stahl- 
erzeugung s.  im  Capitel  über  Bergbau  und  Hüttenwesen  S.  325.  Die 
Anwendung  des  Eisens  und  Stahles  ist  in  den  V.  St.  wegen  des  noch 
immer  ergiebigen  Holzreichthums  der  Wälder  zwar  keine  so  allgemeine 
wie  in  England,  aber  sie  ist  wahrscheinlich  ebenso  mannigfaltig  und  aus- 
gedehnt. Man  hat  sich  in  den  V.  St.  jedenfalls  geneigter  gezeigt  neue 
Verwendungen  für  dieses  Metall  aufzufinden  als  in  Europa.  Eine  Anzahl 
von  Neuerungen  in  dieser  Richtung  sind  sogar  von  dort  ausgegangen. 
Zunächst  bilden  einen  Hauptgegenstand  des  Eisen-  und  Stahlverbrauches 
die  Eisenbahnschienen,  welche  1875  Vs  der  ganzen  Eisen- und  Stahl- 
erzeugung der  V.  St,  in  Anspruch  nahmen.  Daneben  ist  besonders  noch 
der  Bedarf  für  den  Schiffsbau  und  den  Bau  eiserner  Brücken  bedeutend. 
Der  Maschinenbau  ist  unstreitig  derjenige  Industriezweig  der  V.  St., 
welcher  der  eigenthümlichen  Begabung  des  Volkes  am  meisten  entspricht  ^ 
und  der  deshalb  auch  als  der  charakteristischst  amerikanische  anerkannt 
wird.  Kein  anderer  Zweig  der  Industrie  hat  gleichzeitig  so  mächtig  auf 
alle  übrigen  und  auf  das  Gesammtleben  der  Nation  eingewirkt,  lieber 
den  Einfluss  der  Maschinenarbeit  auf  das  Leben  und  die  Bereicherung 
des  Volkes  ist  in  der  Einleitung  hingewiesen  (S.  363).  Während  alle 
anderen  Leistungen  der  Amerikaner  ihre  Zweifler  und  Bemäkler  gefunden 
haben,  ist  die  Genialität  und  der  Scharfsinn  ihrer  Erfindungen  im  Ma- 
schinenwesen, die  Tüchtigkeit  ihrer  Arbeit  in  demselben  und  die  grossen 
Erfolge,  die  sie  mit  derselben  erreichen,  allseitig  anerkannt.  Kühnheit 
des  Gedankens,  Scharfsinn  der  Anpassung,  Feinheit  und  Solidität  in  der 
Ausführung  sind  Merkmale  der  amerikanischen  Arbeit  auf  dem  Gebiete 
des  Maschinenbaues.  Man  kann  ohne  jede  Uebertreibung  behaupten,  dass 
kein  anderes  Volk  seit  50  Jahren  die  Entwickelung  der  Gesammtwirth- 
schaft  der  Welt  so  gefördert  habe  durch  Erfindung  und  Verbesserung  der 
Maschinen  und  Ausbreitung  der  Maschinenarbeit  auf  fast  alle  Gebiete 
menschlichen  Schaffens  wie  die  Nordamerikaner.  Die  V.  St.  besassen 
1879  40191  Dampfmaschinen,  feststehende  und  bewegliche,  mit 
1215  711  Pferdekräften,  und  51018  Wassermotoren  mit  1130431 
Pferdekräften.  Sie  sind  schon  in  früheren  Stadien  ihrer  gewerblichen 
Entwickelung  mit  der  Anwendung    der   Dampfmaschinen   rascher   vorge- 


1)  S.  vergleichende  Zusammenstellungen  in   Z.  f.  Berg-  und  Hüttenwesen 
1876.  320. 


378  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

schritten  als  die  continentalen  Europäer  und  neuerdings  haben  sie  in 
dieser  Richtung  selbst  England  überflügelt.  Die  praktische  Anwendung 
der  Dampfmaschine  zur  Fortbewegung  von  Schiffen  ist  amerikanische  Er- 
findung, ebenso  ist  es  die  der  Dampfpumpen  und  der  Dampffeuerspritze 
und  die  Mehrzahl  von  Anwendungen  des  Dampfes  in  Verbindung  mit 
Ackerbaumaschinen  und  zahlreiche  wichtige  Verbesserungen  im  Bau  der 
Dampfmaschinen  selbst  sind  ihnen  zu  verdanken.  Die  Erfindungen  von 
G.  H.  Corliss  (Trennung  des  Ein-  und  Auslassschiebers;  seit  1849)  und 
Porter  and  Allen  (Ermöglichung  erhöhter  numerischer  Leistung  durch 
Kolbenschnelligkeit  bei  einem  gegebenen  Maschinenvolum;  seit  1870  in 
die  Praxis  übergegangen)  gehören  zu  den  bedeutendsten,  die  überhaupt 
gemacht  worden^).  Zahlreiche  Verbesserungen  in  Einzelheiten  sind  hier 
nicht  zu  nennen,  aber  sie  sind  von  den  sachkundigsten  Fachmännern 
anerkannt^).  Die  Wassermotoren  sind  trotz  dieser  hohen  Entwickelung 
des  Dampfmaschinenbaues  in  einem  an  fliessenden,  fallkräftigen  Wassern 
so  reichen  Lande  wie  den  V.  St.  natürlich  noch  immer  von  der  grössten 
Bedeutung.  Nach  der  Zahl  der  Pferdekräfte  halten  Dampf-  und  Wasser- 
motoren sich  noch  immer  ziemlich  das  Gleichgewicht.  Der  Erfindungs- 
geist hat  sich  auch  hier  so  rege  gezeigt,  dass  von  1806,  dem  Jahre  des 
ersten  Turbinenpatentes,  bis  1876  etwa  600  Patente  allein  für  Turbinen 
gelöst  waren.  Man  sagt,  dass  in  allen  Ländern  der  Welt  zusammen- 
V  genommen  nicht  so  viel  Turbinen  im  Gange  sind  wie  in  den  V.  St.  Man 
baut  welche  bis  über  1200  Pferdekräfte.  Behufs  möglichster  Ausnützung 
der  Wasserkräfte  sind  grosse  Wasserbauten  ausgeführt,  welche  es  erlauben 
die  verfügbare  Kraft  in  möglichst  kleine  Fäden  zu  zerlegen  und  sie 
möglichst  gleichmässig  und  dauernd  zu  machen.  Die  Gesellschaften,  welche 
diese  Arbeiten  ausführen  und  im  Stand  halten,  gehören  zu  den  einfluss- 
reichsten Körperschaften  der  Industriegegenden;  so  z.  B.  die  des  Merri- 
mack  R. ,  welche  die  10000  Pferdekräfte  dieses  Flusses  an  Lowell  und 
die  Umgegend  vertheilt,    oder  die    der  Hadley  Falls  Cy. ,    welche   den 


1)  Vgl.  F.  Reuleaux,  Briefe  aus  Philadelphia  1877.  22. 

2)  „Zunächst  hat  Nord -Amerika  die  Dampfmaschine  in  gewissen  Details 
weiter  entwickelt  und  sodann  ihrem  Aeusseren  eine  Formvollendung  zu  geben 
gewusst,  welche  bewundernswürdig  ist.  Ein  bedeutsames  Zeichen.  Denn  wo 
die  Formeuschönheit  schon  zur  Entwickelung  gebracht,  zum  Gegenstand  be- 
sonderer Pflege,  ja  Kritik  gemacht  ist,  da  müssen  die  Schwierigkeiten  für  den 
blossen  Nutzbegriff  bereits  tiberwunden  sein.  Zum  wenigsten  muss  sich  Zuver- 
sicht und  Ruhe  hinsichtlich  derselben  eingestellt  haben.  Auch  ist  die  Her- 
stellungsweise der  Dampfmaschine  sehr  vervollkommnet  worden.  Mehrere  Firmen 
stellten  nämlich  Dampfmaschinen  in  verschiedenen  Grössen  aus,  deren  Theile 
sämmtlich  auf  der  Maschine  automatisch  hergestellt  sind  und  demnach  aus- 
gewechselt werden  können.  Und  diese  Fortschritte  beschränken  sich  nicht  auf  die 
kleinen  Motoren,  für  welche  Amerika  schon  früher  berühmt  war."   (Ebendas.  21.) 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  379 

wasserreichen  Connecticut  in  ähnlicher  Weise  ausnützt.  —  Die  Luft- 
motoren  verschiedenster  Art  haben  in  Amerika  grosse  Verbesserungen 
erfahren,  besonders  im  Bau  der  Flügel  und  in  der  Uebertragung  der 
Bewegung.  Diese  Windmühlen,  die  allerdings  sehr  wenig  Aehnlichkeit 
mehr  mit  unseren  bekannten  steifen  Staffagen  flacher  Landschaften  auf- 
weisen, erfreuen  sich  in  den  V.  St.  einer  Verbreitung  und  mannigfaltigen 
Anwendung,  von  der  man  sich  in  Europa  gar  keine  Vorstellung  macht. 
Besonders  von  den  Farmern  sind  sie  zum  Wasserheben  und  zum  Betrieb 
von  landwirthschaftlichen  Maschinen  verschiedenster  Art  herangezogen. 
In  den  letzten  Jahren  sind  durchschnittlich  60  Patente  jährlich  allein  für  ^ 
die  Flügelconstruktion  bei  Windmühlen  gelöst  worden.  Von  den  Heissluft- 
maschinen  ist  die  berühmteste,  die  Ericsson'sche,  in  Amerika  erfunden. 
Von  Gasmaschinen  wird  eine  grosse  Anzahl  in  der  Nähe  der  Petroleum- 
quellen benützt,  wo  man  natürliche  Kohlenwasserstoffe  in  sogar  unbequem 
grosser  Menge  hat.  ■ —  Die  Kraft,  welche  in  diesen  Motoren  erzeugt  wird, 
findet  nun  ihre  Verwendung  in  zahllosen  Maschinen,  zunächst  in  land- 
wirthschaftlichen Maschinen.  Schon  in  die  Urbarmachung  des 
Landes,  die  Grundarbeit  des  Ackerbaues,  tritt  die  Maschine  in  Form  des 
Äwp  Puller,  welcher  die  lästigen  Baumstrünke  auszieht.  Für  die  erste 
Ackerung  des  noch  unebenen  und  sehr  ungleichen  Bodens  sind  eigene 
grosse  und  starke  Pflüge  erfunden.  Nicht  weniger  als  500  Patente  waren 
seit  der  Eröffnung  des  Patent -Office  bis  zum  Jahre  1857  auf  Pflüge  ge- 
nommen worden.  1859  wurde  der  erste  Dampfpflug  patentirt.  In  noch 
höherem  Grade  findet  die  Verwendung  von  Maschinen  beim  Säen,  Ernten 
und  Dreschen  statt.  Da  keine  Classe  der  Bevölkerung  in  den  V.  St.  so 
sehr  an  Arbeitermangel  leidet  wie  die  der  Landwirthe,  hat  diese  mit  der 
Erfindung  arbeitsparender  Maschinen  schon  sehr  früh  vorgehen  müssen. 
1791  wurde  das  erste  Patent  auf  eine  Dreschmaschine  ertheilt  und  fast 
in  jedem  der  folgenden  Jahre  wiederholte  sich  dasselbe.  1803  wurde  eine 
Getreidemähmaschine  patentirt.  Von  1852 — 76  wurden  gegen  3000  Patente  ^ 
auf  Mähmaschinen  ertheilt.  Die  kleinen  Rasenmähmaschinen  haben  sich 
von  Amerika  aus  über  die  Welt  verbreitet.  Maschinen  zum  Garbenbinden 
sind  seit  1874,  solche  zum  Heuladen  schon  länger  in  Anwendung.  Für 
Dreschmaschinen  sind  bis  1857  300  Patente  genommen  worden.  Hunderte 
von  kleineren  Maschinen  und  Werkzeugen  verdanken  wir  den  Amerikanern. 
Man  kann  sagen,  dass  kaum  ein  einziges  Werkzeug  der  Landwirthschaft, 
so  unbedeutend  es  auch  sei,  nicht  in  Amerika  praktischer  oder  solider 
hergestellt  werde  als  es  bei  unseren  deutschen  Bauern  im  Gebrauch  ist*).  — 


1)  Der  Erfindungsgeist  der  Amerikaner  überschlägt  sich  freilich  manchmal 
geradezu  auch  auf  diesem  Gebiete.  So  bildet  Grothe,  Die  Industrie  etc.  S.  348 
einen  Pflug  ab,  „der  als  Kanone  in  Kriegszeit  gegen  Streifcorps  und  Indianer 
dienen  kann". 


380  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

Das  Mühlenwesen  der  V.  St.  hat  sich  durch  die  Erfindungen  von 
0.  Evans  1780  —  89  zuerst  von  dem  bis  dahin  in  Europa  und  Amerika 
ziemlich  allgemein  gültigen  deutschen  System  emancipirt.  Er  wandelte 
das  bisherige  Mahlsystem  fast  in  allen  Theilen  um.  Seine  Neuerungen 
bürgerten  sich  in  auffallend  kurzer  Zeit  auch  in  Europa  ein.  Sein  Buch 
über  das  Mühlenwesen  (1795)  erschien  schon  1821  in  4.  Auflage  in  Paris 
und  die  preüssische  Regierung  liess  1830  durch  Delegirte  das  amerikanische 
Mühlenwesen  studiren^).  Mit  der  Ausbreitung  des  Ackerbaues  über  ein 
weites  dünnbevölkertes  Gebiet  wurde  es  nothwendig,  die  Mühlen  so  leicht 
und  transportabel  wie  möglich  herzustellen  und  sie  in  ihren  einzelnen 
Theilen  im  kleinsten  Format  womöglich  den  Farmern  zugänglich  zu 
machen.  Daneben  bestehen  aber  grossartige  Mahlmühlen  mit  20  —  30 
Mahlgängen.  Der  1870  er  Census  gibt  die  Zahl  der  Mühlen  in  den  V.  St. 
auf  22  573  mit  48051  Mahlgängen  und  einer  täglichen  Fasskraft  von 
3V4  Mill.  B.  an.  Ihre  Triebkraft  gründete  sich  auf  407  950  Pferdekräfte 
von  Wasser-  und  168736  von  Dampfmotoren.  Im  Zusammenhange  mit 
dem  Mühlengewerbe  ist  hier  auch  die  Stärkefabrikation  zu  nennen,  welche 
1876  in  über  210 Fabriken  betrieben  wurde.  —  Von  den  Maschinen  der 
Textilindustrie  ist  oben  (S.  359,  373)  hervorgehoben  worden,  dass 
sie  in  Amerika  zahlreiche  Verbesserungen  erfahren  haben.  Die  bekannte 
Cotton  Gin  Eli  Whitney's,  1793  erfunden,  ohne  welche  die  sofort  viel 
rascher  anwachsende  Baumwollenerzeugung  nicht  möglich  gewesen  wäre, 
ist  sogar  rein  amerikanisch.  Die  grundlegenden  Erfindungen  sind  jedoch 
in  diesem  Falle,  wo  es  sich  um  Maschinen  handelt,  welche  nicht  dem 
täglichen  und  allgemeinen  Bedarfe  des  Ackerbauers  oder  Handwerkers, 
sondern  einer  hochentwickelten  Industrie  dienen,  europäisch.  Dagegen 
gehören  andere  bemerkenswerthe  Erfindungen ,  wie  die  Spindeln  von 
Danforth  (1824),  Jenks  (1829),  Sawyer  (1852),  ausschliesslich  Amerika 
an.  Die  Selfstripping  Card's  (1860)  haben  von  Amerika  aus  sich  überallhin 
in  den  Karderien  verbreitet.  Von  den  amerikanischen  Baumwolleweb- 
stühlen sagt  H.  Grothe :  „Im  Allgemeinen  leisten  die  amerikanischen  Stühle 
mehr  als  die  englischen,  zumal  sie  geringere  Triebkraft  beanspruchen" 2) 
und  von  den  Maschinen  der  Baumwollenindustrie  im  Allgemeinen  sagt 
M.  Weigert:  „Die  Maschinen  sind  vorwiegend  heimischen  Ursprungs.  In 
der  Spinnerei  finden  sich  jedoch  noch  häufig  englische  Maschinen.     Die 

Webstühle  sind  gut  gebaut,   von  schnellem  Gang Die  Druckwaaren- 

industrie  ist  sehr  entwickelt  und  erzeugt  zum  Theil  gute  Artikel"  ^).  Ganz 
ursprünglich    und    eigenthümlich    sind    aber   wieder   die    amerikanischen 


1)  Selbst  Einzelheiten,  wie  z.  B.  die  Schärfecurve,    wie  Evans  sie  herstellte, 
haben  ganz  allgemeine  Verbreitung  gefunden. 

2)  Die  Industrie  Amerikas  1877.  311. 

3)  Berichte  d.  D.  Preisrichter  1877.  37. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  381 

Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  weiteren  Verarbeitung  der  Erzeugnisse 
der  Textilindustrie.  Hier  macht  sich,  wie  bei  den  landwirthschaftlichen 
und  Handwerksmaschinen,  ein  starker  Drang  geltend,  nothwendige,  täglich 
wiederkehrende  Arbeiten  in  möglichster  Ausdehnung  an  Maschinen  zu 
übertragen.  Das  Resultat  sind  die  unzähligen  Näh-,  Strick-,  Stick-  etc. 
Maschinen,  Erfindungen,  die  fast  alle  in  Amerika  zuerst  gemacht  und 
meist  auch  hier  durch  die  ersten  Stufen  der  Vervollkommnung  durchgeführt 
wurden,  um  von  da  aus  ihren  Weg  über  die  ganze  Welt  anzutreten.  1831 
wurde  die  erste  Strickmaschine  gebaut.  Elias  Howe  verfolgte  von  1835 
an  die  Idee  der  Nähmaschine,  welche  er  1846  patentiren  Hess.  Von 
1854  an  nahm  der  Nähmaschinenbau  eine  solche  Entwickelung ,  dass 
heute  in  den  V.  St.  mehr  als  2000  Patente  für  dieselben  genommen  sind.  ^ 
Fast  alle  wesentlichen  Verbesserungen  dieser  Maschinen  führen  auf  ameri- 
kanische Erfindungen  zurück.  Es  genügt,  ausser  dem  des  Erfinders  die 
Namen  von  Singer,  Wheeler  &  Wilson,  Grover  &  Baker,  Wilcox  und 
Gibbs  zu  nennen.  Schon  1870  gab  es  in  den  V.  St.  49  Fabriken,  die 
578919  Nähmaschinen  oder  die  dazu  nöthigen  Geräthe  im  Gesammtwerth 
von  14  Mill.  D.  herstellten.  Aehnlich  hervorragend  sind  die  Leistungen 
in  allem,  was  auf  die  Lederverarbeitung  sich  bezieht.  Durch  den 
grossen  Reichthum  an  Rohstoifen  begünstigt,  hat  sie  sich  früh  entwickelt. 
Es  wurde  schon  1651  Leder  ausgeführt.  Die  Verwendung  des  Sumach 
und  der  Rinde  von  der  Hemlock-  oder  Schierlingstanne  zum  Gerben  führen 
vielleicht  sogar  auf  die  Indianer  zurück.  Eine  grosse  Anzahl  von  Schnell- 
gerbprocessen  ist  seit  1852  versucht  worden  und  Maschinen  sind  für  fast 
alle  Theile  der  Gerberei  im  Betrieb.  Einstweilen  ist  aber  nur  die  Aus- 
fuhr von  Sohlleder  aus  den  V.  St.  bedeutend,  während  feinere  Leder  noch 
aus  Europa  eingeführt  werden.  In  1877/78  kamen  zur  Ausfuhr  7093020  D. 
Leder  und  984  639  Lederwaaren,  und  zur  Einfuhr  3  784  729  Leder  und 
3  684  630  Lederwaaren.  Die  fabrikmässige  Herstellung  von  Schuhen  und 
Stiefeln  hat  durch  die  Erfindung  der  Pflockmaschine  und  der  Vorschnitt- 
maschine (1850  und  51)  einen  grossen  Aufschwung  genommen  *).  Sie  ist 
heute  eine  der  grössten  Industrien  der  V.  St.  Beiläufig  sei  erwähnt,  dass 
die  ersten  Gummischuhe  in  Amerika  und  zwar  1825  in  Boston  hergestellt 
worden  sind.  Die  Verarbeitung  des  Kautschuks  geschieht  in  den  V.  St. 
in  so  ausgedehnter  Weise,  dass  man  berechnet,  es  verbrauche  allein 
ungefähr  die  Hälfte  des  gesammten  Rohprodukts,  von  welchem  1877/78 
für  4V4  Mill.  D.  eingeführt  wurde.  Die  wichtige  Erfindung  des  Vulkani- 
sirens  des  Kautschuks  wurde  1839  durch  Goodyear  in  New  York  gemacht. 


1)  3500  Firmen  in  Massachusetts  befassen  sich  (1878)  mit  Schuh-  und  Stiefel- 
fabrikation und  der  Werth  ihrer  ICrzeugnisse  wird  auf  70  Mill.  D.  angegeben. 
Sie  beschäftigen  über  50  000  Arbeiter ,  aber  80  Proc.  der  Arbeit  werden  von 
Maschinen  verrichtet. 


382  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

Gummituch  wurde  zuerst  1845  von  demselben  Erfinder  hergestellt.  —  So 
bedeutend  und  folgenreich  die  Leistungen  der  Amerikaner  auf  den  vor- 
genannten Gebieten,  so  werden  sie  doch  noch  übertroffen  von  den  Werk- 
zeugmaschinen. Reuleaux  sagt  von  ihrer  Vertretung  auf  der  Phila- 
delphia-Ausstellung: „Hier  gebührt  der  amerikanischen  Industrie  die  Palme 
nicht  nur  auf  der  Ausstellung,  sondern  wahrscheinlich  auch  überhaupt. 
Reichthum  "an  neuen,  praktischen  Ideen,  überraschend  geschickte  An- 
passung an  besondere  Arbeitszwecke,  eine  in  der  Steigerung  begriffene 
Genauigkeit  in  der  Ausführung  der  zusammenarbeitenden  Theile  und  eine 
zunehmende  Eleganz  der  äusseren  Erscheinung  der  Maschine  charakteri- 
siren  die  amerikanische  Produktion  auf  diesem  Gebiete"^).  Ueber Werk- 
zeuge ist  oben  (S.  364)  schon  gesprochen.  Bemerkenswerth  ist  in  dieser 
Richtung  noch  die  maschinenmässige  Herstellung  der  Metallwaaren  für 
die  Ausrüstung  der  Häuser,  der  sog.  Building-Hardware s.  So  wie 
es  zu  der  Billigkeit  und  verhältnissmässigen  Vortrefflichkeit  der  amerika- 
nischen Häuser  gehört,  dass  alle  ihre  einzelnen  Theile,  Fenster,  Thüren, 
Läden  u.  s.  f.,  im  Grossen  fabrikmässig  hergestellt  und  dadurch  zwar 
durchaus  einförmig,  aber  in  ungleich  höherem  Masse  genau  passend  und 
zweckmässig  sind  als  unsere  entsprechenden  Handarbeiten,  so  sind  auch 
alle  Beschläge,  Schlösser,  Schrauben,  Nägel  u.  s.  f.  nach  gewissen  allgemein 
anerkannten  Regeln  im  Grossen  hergestellt.  Schlösser  stehen  unter  diesen 
Dingen  in  erster  Linie;  sie  sind  fast  alle  aus  Gusseisen  angefertigt,  für 
gutschliessende  Thüren  und  kleine  Schlüssel  berechnet,  was  natürlich  eine 
entsprechende  Genauigkeit  der  Arbeit  voraussetzt.  In  der  Fabrikation 
jsAon  Nägeln  und  Schrauben  ist  Amerika  längst  unübertroffen^).  Die 
feuer-  und  diebssicheren  Kassen  verdanken  wenigstens  den  grössten  Theil 
ihrer  heutigen  Vollendung  den  Erfindungen  der  Amerikaner  auf  diesem 
Gebiete;  in  den  Schliessvorrichtungen  derselben  hat  sich  ihr  Scharfsinn 
bis  zur  Phantasie  und  sogar  zum  Komischen  gesteigert.  Von  grosser 
Bedeutung  ist  in  den  V.  St.  auch  die  Industrie  der  Schusswaffen, 
besonders  der  kleineren,  von  denen  Revolver  und  Repetirgewehre  ameri- 
kanische Erfindungen  sind.  S.  Colt  construirte  1834  den  ersten  Revolver 
als  15jähriger  Schiffsjunge.  Mit  Torpedos  haben  amerikanische  Fabriken 
im  letzten  Orientkrieg  europäische  Mächte  versorgt.  Die  Panzerung  der 
Schiffe  hat  zum  ersten  Mal  im  amerikanischen  Bürgerkrieg  Anwendung 
gefunden.  Die  Verarbeitung  der  Edelmetalle  zu  Luxusgeräthen 
und  Gegenständen  des  Kunstgewerbes  ist  in  den  V.  St.  weit  vorgeschritten. 
Die  Ausstattung  der  Wohnhäuser  mit  Dingen,  die  Reichthum  verkünden 
und  Behagen  um  sich  verbreiten,  ist  ein  im  Leben  der  Nordamerikaner 
besserer  Classe  tief  begründetes  Bedürfniss.    Aber  die  künstlerische  Fort- 


1)  Briefe  aus  Philadelphia  1877.  22. 

2)  Diefenbach  a,  a.  0.  49. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  383 

gesclirittenlieit   der  Leistungen  in  Edelmetall  erregte  dennoch  Erstaunen. 
„Was  die  Formen  dieser  Arbeiten  betrifft,  lautet  der  Bericht  des  deutschen 
Preisrichters  in  dieser  Abtheilung,  so  ist  zunächst  auffällig,  wie  der  Zweck 
des  Gegenstandes    und    dessen   praktische   Handhabung   und   Solidität   in 
erster  Linie  ins  Auge  gefasst  ist.     Leichte,  zerbrechliche  Dinge  sind  dem 
Amerikaner  vollständig  zuwider....  Es  soll  ausschliesslich  15,51<)thiges  Silber 
verarbeitet    werden,    daher   der  krystallene  Glanz  der  polirten   Flächen. 
Die  Metallstärke  ist  auf  einen  langjälirigen  täglichen  Gebrauch  berechnet; 
weder  mit  Kitt  ausgefüllte,   noch  zerbrechliche,   den  Gebrauch  hindernde 
Anhängsel  sind  vorhanden,    die  Ausführung  ist  eine  hochvollendete.     Wo 
ornamentaler   Schmuck   zur  Anwendung   kommt,    zeigt    er   in  Folge    der 
höheren  Geschmeidigkeit    des    besseren   Metalles    eine   Schärfe   der  Aus- 
führung, welche  bewundernswürdig  ist"  *).     Auch  in  der  Verarbeitung  der 
Edelmetalle   finden    Maschinen    die    ausgedehnteste    Anwendung.      „Man 
glaubt  mehr  in  einer  Maschinen-  als  in  einer  Silberwaarenfabrik  zu  sein." 
In  der  eigentlichen  Schmucksachenfabrikation  wird  in  den  V.  St.  bei  sehr 
grossem  Bedarf  Erhebliches  geleistet  in  der  Masse,   aber  der  Geschmack 
desjenigen  Publikums,   das  am  meisten  Schmuck  zu  tragen  liebt,   ist  der 
Entfaltung  in   künstlerischer  Richtung  weniger  günstig.     Auch  in  diesem 
Zweige    kommt   die  Maschinenarbeit   in   viel   ausgedehnterem  Masse  zur 
Geltung  als   bei   uns.     Am  hervorragendsten  ist  Providence  R.  L  in   der 
Schmucksachenerzeugung;    es   sollen   dort  gegen  400  Fabriken   dafür  im 
Betrieb  stehen.     Amerikanische  Specialitäten  auf  diesem  Gebiete  sind  die 
Goldfedern  und  die  in  Aluminiumbronze  hergestellten  Gegenstande.    Auch 
die    ausgedehnte    Anwendung    der  Vernickelung   sei    hervorgehoben ;    sie 
bietet  einen  der  Fälle,  in  denen  Amerika  für  den  Rohstoff  zwar  auf  Europa 
angewiesen  und  dennoch  in  der  Verwendung  desselben  weit  über  Europa 
hinaus  fortgeschritten  ist.  —  In  der  Herstellung  von  Uhren  und  wissen- 
schaftlichen  Instrumenten    sind  die  Amerikaner  noch  jung,    aber 
sie  leisten  auch  hierin  bereits  so  Bedeutendes,  dass  sie  sogar  in  europäischen 
Absatzgebieten   concurrirend  auftreten.     Die  Massenerzeugung  vermittelst 
Maschinen   ist  es   vorzüglich,    welche   der  Uhrenindustrie  der  V.  St.  eine 
so   grosse  Leistungsfähigkeit  verliehen  hat.     Der  Mittelpunkt   der  ameri- 
kanischen Uhrenindustrie  ist  Waltham  Mass.,  wo  die  Fabriken  der  grossen 
American  Watch  Cie.  und  einige  andere  für  IV2  Mill.  D.  Uhren  im  Jahre 
herstellen.     In  der  Erzeugung  von  W^aagen  sind  die  Mechaniker  der  V.  St. 
denen  Europas  durch  sinnreiche  Erfindungen  vorausgeeilt.     Die  optischen 
Apparate,   deren  Amerika  für  seine   zahlreichen  und  theilweise   so  reich 
ausgestatteten    wissenschaftlichen    Anstalten   viele   bedarf,    werden   jetzt 
theilweise  schon  im  Lande  hergestellt.    Die  Kugellinse  der  Photographen 
ist  eine  amerikanische  Erfindung.    Die  chemische  Industrie  hat  sich 


v^ 


1)  Diefenbach  a.  a.  0.  57. 


384  X.  Die  Gewerbthätigkeit. 

in  den  V.  St.  erst  seit  1860  in  theilweise  sogar  grossartiger  Weise  zu 
entwickeln  begonnen.  Sie  ist  von  Belang  nur  in  den  ö.  Staaten.  Da  es 
bei  dieser  Industrie  mehr  auf  gründliche  wissenschaftliche  Kenntnisse  als 
auf  Scharfsinn  und  mechanische  Fertigkeiten  ankommt,  so  ist  dieselbe 
viel  mehr  als  irgend  eine  andere  noch  abhängig  von  der  europäischen 
Unterweisung.  Die  Leiter  der  chemischen  Fabriken  sind  mit  sehr  geringen 
Ausnahmen  in  Europa  und  zwar  vorzüglich  in  Deutschland  herangebildet 
und  erst  die  jüngere  Generation  kann  eines  höheren  chemischen  Unter- 
richtes in  den  Laboratorien  einiger  besseren  technischen  Schulen  sich 
erfreuen.  Keine  Industrie  ist  so  innig  mit  der  Wissenschaft  verschwistert 
wie  die  chemische  und  der  Stand  der  chemischen  Industrie  Nord -Amerikas 
steht  naturgemäss  in  Beziehung  zu  dem  der  chemischen  Wissenschaft 
daselbst.  „Die  in  den  chemischen  Fabriken  der  Oststädte  der  Union 
befolgten  chemischen  Processe  sind  von  denen  der  europäischen  Schwester- 
anstalten nicht  verschieden,  doch  sind  zahlreiche  Methoden  und  Apparate 
verbesserter  Art,  die  in  Deutschland  seit  Jahr  und  Tag  eingeführt  sind, 
jenseits  des  Oceans  häufig  noch  unbekannt.  Die  Verwerthung  der  Roh- 
stofle  geschieht  im  Allgemeinen  nicht  mit  der  Sorgfalt,  welche  den  deutschen 
Fabrikbetrieb  charakterisirt,  und  vollends  die  Regeneration  aus  den  Fabri- 
kationsrückständen und  Abfallprodukten  und  dessen  Rückführung  in  den 
chemischen  Kreislauf  findet  meines  Wissens  in  den  transatlantischen 
Fabriken  nirgends  statt"  *).  Von  hervorragender  Bedeutung  ist  besonders 
die  Herstellung  der  Alkaloide.  Brom  wird  aus  bromreichem  Kochsalz  in 
Ohio  in  solcher  Menge  dargestellt,  dass  die  europäische  Bromindustrie 
daneben  fast   gänzlich  unthätig  geworden  ist.     Dem  beispiellosen  Seifen- 

^  verbrauch  der  Bevölkerung  entsprechend,  ist  die  Seifenindustrie  in  gross- 
artiger Weise  entwickelt.  Der  grönländische  Kryolith  wird  gegenwärtig 
fast  ausschliesslich  in  Philadelphia  und  Pittsburg  auf  Soda  und  Alaun 
verarbeitet.  Die  Herstellung  von  Anstrichfarben  wird  ebenfalls  in  grossem 
Massstabe  betrieben.     Speciell   amerikanisch  ist  die  grosse  Industrie  der 

v^ Backpulver ,  welche  anstatt  der  Hefe  verwandt  werden.  In  der  Photo- 
graphie führen  die  Trockenplatten  auf  amerikanische  Erfindung  zurück. 
In  Philadelphia  hatte  Amerika  in  Bezug  auf  Chemikalien  für  den  photo- 
graphischen Gebrauch  „glanzvoll  exponirt" ''). 

Landwirthschaftliche  Industrien.  Ueber  Mahlmühlen 
s.  0.  S.  380.  Anfang  1878  bestanden  im  Süden  25  Oelmühlen,  junge  Anstalten, 
in  denen  Oel  aus  Baumwollsamen  gemacht  wird.  1877/78  wurden  für 
über  2  Mill.  D.  von  demselben  ausgeführt.  Ausserdem  wird  nur  noch  Leinöl 
in  grösserer  Menge  erzeugt.  —  Die  Brauerei  ist  in  den  V.  St.  erst  seit 
wenigen  Jahrzehnten   eine   bedeutende  Industrie   geworden  und  zwar  vor- 


1)  R.  V.  Wagner  in  Berichte  d.  D.  Preisrichter  1877.  66. 

2)  H.  Vogel  ebendas.  1877.  167. 


X.  Die  Gewerbthätigkeit.  386 

züglich  durch  den  Eiiifluss  der  zahlreichen  Deutschen.  1876  wurde  die 
Zahl  der  Brauereien  auf  2783  angegeben,  in  denen  zusammen  mit  den 
Mälzereien  113  Mill.  D.  angelegt  waren.  Jene  ebengenannte  Zahl  von 
Brauereien  erzeugte  verhältnissmässig  4  mal  so  viel  Bier  als  die  7  mal  zahl- 
reicheren Deutschlands.  Ebenso  ist  die  Zahl  der  Arbeiter  eine  viel  geringere. 
Durch  Anwendung  der  Maschinenarbeit  in  der  grösstmöglichen  Ausdehnung 
und  durch  zahlreiche  Verbesserungen  und  Erfindungen  in  fast  allen  Zweigen 
des  Geschäftes  ist  die  amerikanische  Brauindustrie  längst  über  die  deutsche 
hinausgegangen.  Porter-  und  Ale-Brauereien  sind  in  den  letzten  10  Jahren 
gegenüber  den  Lagerbierbrauereien  im  Rückgang  begriffen.  1875  betrug 
in  den  V.  St.  die  Biererzeugung  0,35  hl  p.  Kopf,  gegen  0,9  im  deutschen 
Reich  und  2,34  im  Königreich  Bayern.  Im  Fiskaljahr  1876/77  wurden 
9  074.306  Fass  Bier  mit  9V2  Mill.  D.  versteuert.  New  York  steht  unter 
den  bierbrauenden  Staaten  in  erster  Linie  mit  Va  der  Gesammterzeugung; 
ihm  folgen  Pennsylvania  mit  'Ao,  Ohio  und  Illinois.  —  Der  Zucker- 
industrien  sind  es  in  den  V.  St.  verschiedene.  Im  S.  wird  Zucker 
bzw.  Melasse  aus  Zuckerrohr,  in  den  Mittelstaaten  aus  Sorghum,  im  N. 
aus  dem  Zuckerahorn,  in  Californien  aus  der  Zuckerrübe  gewonnen  (s.  0. 
S.  282  f.).  —  Fleisch- und  Milch extrakt  (oder  condensirte  Milch)  sind 
amerikanische  Erfindungen  und  zwar  von  G.  Borden  in  New  York  Anfangs  ^ 
der  50er  Jahre  gemacht.  Liebig  hat  das  Verdienst,  bessere  Bereitungs- 
arten angegeben  zu  haben.  In  grossem  Massstabe  wurden  beide  Erzeugnisse 
zuerst  im  amerikanischen  Bürgerkriege  in  den  Verbrauch  übergeführt. 
Ueberhaupt  ist  wahrscheinlich  der  Verbrauch  von  Conserven  jeder  Art  "^ 
beim  Amerikaner  verbreiteter  als  bei  uns.  Ein  Theil  derselben,  wie  die 
von  californischen  Früchten,  von  Oregon-Lachs,  von  Sardinen  und  Hummern, 
das  Canned  ^ee/' haben  einen  Weltmarkt  erworben.  —  In  den  kerami- 
schen Industrien  hat  Amerika  durch  die  Güte  und  Billigkeit  des 
Rohstoffes  fast  in  allen  Zweigen  einen  beträchtlichen  Vorsprung  vor  den- 
jenigen Europas.  Indessen  ist  auch  die  Arbeit  eine  geschickte  und  saubere, 
wenn  sie  auch  häufig  nicht  von  feinerem  Geschmack  geleitet  erscheint. 
„Bemerkenswerth  dürfte  der  Umstand  sein,  dass  die  amerikanischen  ge- 
wöhnlichen Ziegel  sich  durch  ausserordentlich  saubere  Form,  grosse 
Dichtigkeit  und  Härte  hervorthun,  gute  Eigenschaften,  welche  bei  den 
häufigen  Rohbauten  angenehm  auffallen"  ').  Die  Porzellanindustrie  ist  nur 
erst  im  Werden,  1876  gab  es  nur  eine  einzige  Porzellanfabrik  (Greenpoint 
N.  Y.).  Soweit  nicht  eingeführtes  Porzellan  seine  Stelle  vertritt,  ist  ein 
einheimisches  Steingut,  Ironstone  China  genannt,  zu  Tischgeräthe  allgemeinst 
verbreitet.  Trenton  N.  J.  ist  für  diese  Industrie  der  Hauptplatz.  „Die 
Glasindustrie  Nord -Amerikas  steht  unzweifelhaft  auf  einer  sehr  hohen 
Stufe    der  Vollkommenheit.     In   technischer    Hinsicht  vielleicht   nur    von 


1)  Seelhorst  in  Berichte  d.  D.  Preisrichter  1877.  115. 

K  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  25 


386  X.  Die  Gewerbthätigkelt. 

der  englischen  erreicht,  steht  sie  in  kunstgewerblicher  Beziehung  den 
europäischen  nicht  gleich"  ^).  Die  Yorzüglichkeit  des  Kohstoffes  ist 
es  hauptsächlich,  welche  sie  diesen  Grad  von  Vollkommenheit  so  früh 
erreichen  Hess.  Es  ist  das  vorzüglich  der  Berkshire  Sandstone  in  Penn- 
sylvanien,  ein  fast  reiner  Quarzsandstein,  der  600  m  mächtig  mehrere 
Meilen  weit  sich  erstreckt.  Ausser  dem  Rohstoff  ist  aber  auch  hier  die 
Arbeit  hervorzuheben,  welche  in  den  amerikanischen  Hütten  weit  über  die 
altweltlichen  Methoden  hinausgeschritten  ist,  vorzüglich  durch  die  viel  aus- 
giebigere Anwendung  der  Presse.  Nach  Seelhorst's  Meinung  könnten  schon 
jetzt  amerikanische  Massenartikel  mit  Vortheil  nach  Europa  eingeführt 
werden.  Im  Ganzen,  glaubt  derselbe  Gewährsmann,  lasse  sich  bei  so 
grosser  Gunst  im  Vorkommen  des  Rohstoffes  und  des  Brennmaterials  eine 
riesige  Entwicklung  der  Thon-  und  Glasindustrien  in  den  V.  St.  mit  Be- 
stimmtheit voraussagen.  —  Unter  den  vervielfältigenden  Industrien  ist  die 
der  Buchdruckerei  die  erste.  Eine  rotirende  Cylinderpresse,  Vor- 
gängerin der  König'schen  Schnellpresse,  soll  schon  1790  von  Nicholson 
erfunden  worden  sein'').  In  den  V.  St.  wird  wahrscheinlich  mehr  ge- 
>yäruckt  als  irgendwo  sonst.  Nirgends  wird  mit  Papier  und  Drucker- 
schwärze ein  solcher  Luxus  getrieben.  Die  auf  allen  Strassen  und  Plätzen, 
in  Eisenbahnwagen  und  Dampfschiffen  zerstreuten  Geschäftsreklamen, 
Pamphlete,  Zeitungsblätter  u.  s.  f.  gehören  zu  den  charakteristischsten 
Zügen  in  der  Physiognomie  des  öffentlichen  Lebens.  An  Massenleistung 
dürfte  die  amerikanische  Buchdruckerei  nicht  übertroffen  werden.  Neuer- 
dings wird  auch  die  Qualität  ihrer  Leistungen  im  Buchfach  zusehends 
höher.  Amerikanische  Bücher  sind  durchschnittlich  besser  ausgestattet 
als  deutsche,  im  äusseren  Gewand  folgen  sie  den  englischen  Mustern. 
Heften  und  Binden  wird  in  grosser  Ausdehnung  von  Maschinen  besorgt. 
Hochentwickelt  ist  die  Kunst  des  Banknotendruckes,  für  welchen  im 
Schatzamt  zu  Washington  eine  eigene  Abtheilung  besteht.  Für  Litho- 
graphie gröberer  Art  passende  Steine  sollen  in  Missouri  und  Canada 
vorkommen.  Die  Photographie  in  Amerika  hat  nach  Prof.  Vogel's 
Urtheil  „mehr  empfangen  als  gegeben  und  wenig  dauernden  dominirenden 
Einfluss  erlangt"  *).  Die  vorzüglichsten  Porträtphotographen  sind  bis  jetzt 
noch  Fremde.  Aber  in  Stereoskopen  „nimmt,  nach  demselben  Gewährs- 
mann, Amerika  den  ersten  Rang  ein.  Dieses  Genre  erfreut  sich  drüben 
^iner  allgemeinen  Beliebtheit.  Fast  in  jedem  Hause  findet  man  ein 
Stereoskop  und  eine  Sammlung  zugehöriger  Bilder".  Bedeutendes  leistet 
Amerika  auch  in  dem  dort  sehr  populären  Farbendruck. 


1)  Seelhorst  a.  a.  0.  S.  123. 

2)  Grothe,  Die  Industrie  in  Amerika  1877.  372. 

3)  Berichte  d.  D.  Preisrichter  1877.  165. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

I.  Geschichtliche  Entwickelung.  Anfänge  387.  Periode  der  Canal- 
bauten  388.  Gallatin's  Entwurf  389.  Erie-Canal  390.  Die  Eisenbahn-Aera  392. 
Wettkampf  zwischen  Canälen  und  Eisenbahnen  393.  Eisenbahnmonopole  395.  — 
II.  Die  natürlichen  Grundlinien  des  Verkehres.  Die  Verkehrs- 
gebiete 396.  Die  Naturstrassen  des  Inneren  397.  Die  Stromwege  398.  Um- 
gehung derselben  durch  die  Eisenbahnen  399.  —  III.  Die  schiffbaren  Flüsse. 
Aufzählung  401.  Mississippi  401.  Ohio  404.  S.  Lorenz  404.  Hudson  405. 
Kleinere  schiffbare  Flüsse  von  Bedeutung  406.  Die  Binnenseen  407.  — IV.  Die 
Canäle.  Canäle  und  Eisenbahnen  408.  Das  Canalsystem  des  Staates  New 
York,  von  Pennsylvanien,  New  Jersey,  des  Ohio  und  Mississippi  411.  Illinois- 
und  Michigan-Canal  416.  Weitere  Canäle  in  den  Süd-  und  Weststaaten  417.  — 
V.  Die  Eisenbahnen.  Statistik  419.  Begünstigung  durch  die  Naturverhält- 
nisse 420,  Besonderheiten  im  Bau  und  Betrieb  421.  Aufzählung  der  grossen 
Linien  und  Complexe  425.  —  VI.  Strassen  und  Brücken  430.  Strasseneisen- 
bahnen  432.  —  VIL  Rhederei  und  Schiffsverkehr.  Zahl  der  Schiffe  434. 
Der  Schiffsbau  438.  Abnahme  der  Kauffahrteiflotte  und  ihre  Ursachen  440. 
Die  Fischerfiotte  441.  Schiffsverkehr  in  den  Häfen  der  V.  St.  441.  —  VIII.  Post 
und  Telegraphen  447. 

I.  Geschichtliche  Entwickelung.  Bis  über  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  hinaus  bewegte  sich  der  Verkehr  in  den  eng- 
lischen Colonien  Nord- Amerikas  genau  in  derselben  Weise  wie  er  es 
noch  heute  in  einem  grossen  Theile  von  Britisch-Nordamerika  thut. 
Die  Flüsse  und  Seen  waren  fast  die  einzigen  Wege.  Man  wandte 
Schiffe  von  beträchtlicherer  Grösse  da  an,  wo  sie  tiefes  Wasser  haben, 
während  man  sich  in  den  Bächen  mit  indianischen  Rinden  -  Canoes 
begnügte.  Der  einzige  Canal,  welchen  die  Colonien  vor  der  Er- 
werbung Canadas  durch  England  besassen,  war  bei  Philadelphia 
in  der  Länge  von  1200  m  angelegt.  Die  erste  Landstrasse  (nach 
europäischen  Begriffen)  wurde  1790  von  Philadelphia  nach  Lancaster 
eröffnet.  Man  kann  aber  sagen,  dass  es  vorzüglich  die  Abtretung 
Canadas  an  England  war,  welche  den  Colonisten  erlaubte,  ihre 
Aufmerksamkeit   Werken    von    öffentlicher   Nützlichkeit  und   damit 

25* 


388  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

in  erster  Linie  den  Verkehrswegen  zuzuwenden.  Weitschauende 
Geister  beschäftigten  sich  von  da  an  eingehend  mit  der  Frage  der 
inneren  Schiffahrt.  1768  machte  H.  Moore,  Governor  von  New  York, 
der  General  Assembly  dieser  Colonie  den  Vorschlag,  die  Canalisi- 
rung  des  Mohawk  vermittelst  Schleusen  in  Erwägung  zu  ziehen. 
1769  legte  K.  Lee  der  Versammlung  der  Vertreter  von  Virginia 
einen  Gesetzentwurf  vor  über  die  Schiffbarmachung  des  Potomac 
auf  300  Kil.  1773  veröffentlicht  J.  Ballendine  aus  Virginien  in 
London  den  Plan  einer  Strassenverbindung  über  die  Alleghanies 
vom  äussersten  Ende  der  Schiffbarkeit  des  James  R.  und  des  Po- 
tomac bis  zu  der  des  Monongahela  und  des  Kanawha.  Nach  der 
glücklichen  Beendigung  des  Unabhängigkeitskrieges  tauchten  ähn- 
liche Pläne  in  Menge  auf.  Ausgeführt  wurden  zunächst,  auf  An- 
regung einer  1784  unter  dem  Vorsitze  Washington's  von  Virginia 
und  Maryland  niedergesetzten  Commission,  einige  Bauten  am  Po- 
tomac und  dessen  Nebenflusse  Shenandoah.  In  Pennsylvanien  ver- 
lieh 1791  die  Gesetzgebung  das  Recht  zum  Bau  eines  Canales 
zwischen  Schuylkill  und  Susquehanna  und  1792  dasjenige  zum  Bau 
eines  Seitencanales  des  Schuylkill.  In  New  York  wurden  1792  zwei 
Gesellschaften  gebildet,  die  sich  die  schiffbare  Verbindung  des 
Hudson  mit  dem  Ontario-  und  dem  Champlain-See  zum  Ziele  setzte. 
Was  aber  von  diesen  und  anderen  Entwürfen  zur  Ausführung  ge- 
langte, hat  im  Ganzen  weder  dem  Lande  noch  den  Unternehmern 
nennenswerthen  Gewinn  gebracht.  Man  hatte  zu  wenig  Erfahrung 
und  zu  wenig  Capital.  Die  Canäle  wurden  von  vornherein  zu  klein 
angelegt.  Ebenso  ging  es  noch  in  späteren  Unternehmungen. 
1817  war  von  allen  diesen  Werken  im  Betriebe  übrig  nur  der 
Middlessex-Canal,  welcher  von  Boston  zum  Merrimack  führt.  Man 
hatte  19  Jahre  an  ihm  gebaut,  wiewohl  er  nur  43  Kil.  lang  und 
leicht  anzulegen  war.  Die  lange  Zeit,  welche  man  aus  Kenntniss- 
und Geldmangel  für  diese  Arbeiten  brauchte,  war  eine  der  Ursachen 
ihres  verhältnissmässig  geringen  Nutzens. 

Im  Anfang  unseres  Jahrhunderts  fing  man  an  einzusehen,  dass 
vereinzelte  und  zersplitterte  Kräfte  nicht  im  Stande  seien,  die 
grosse  Arbeit  der  Schaffung  von  Verkehrswegen  für  ein  so  aus- 
gedehntes und  von    so  verschiedenen  Interessen  bewegtes  Gebiet  in 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  389 

die  Hand  zu  iiehmeu.  1807  stellte  der  Senat  die  Anforderung  an 
den  Finanzminister,  Gallatin,  ihm  einen  Bericht  zu  erstatten  über 
die  Mittel,  die  die  Bundesregierung  für  Verkehrswege  aufzuwenden 
im  Stande  sei,  und  über  diejenigen  Verkehrswege,  deren  Bau  am 
nothwendigsten  sei.  Der  Bericht,  den  Gallatin  darauf  hin  an  den 
Senat  erstattete  (4.  April  1808),  geht  über  diese  Anforderung  hin- 
aus, indem  er  ein  ganzes  System  von  Verkehrswegen  für  das  Ge- 
biet zwischen  Atlantischem  Ocean,  Mississippi  und  den  Grossen 
Seen  entwirft.  Er  ist  ebenso  dadurch  als  durch  die  Rückblicke 
auf  das  bisher  Geleistete  das  werthvollste  Document  für  die  ältere 
Geschichte  des  Verkehrswesens  in  den  V.  St. 

Für  die  Canäle  schlug  Gallatin  folgende  Grundlinien  vor:  1.  einen 
Parallel  -  Canal  des  atlantischen  Ufers  von  Massachusetts  bis  Georgia, 
unter  Durchschneidung  der  zwischenhegenden  Landengen.  2.  Linien  für 
die  Verbindung  der  atlantischen  Küste  mit  dem  Mississippi:  a)  vom 
Delaware  R.  durch  den  Alleghany  nach  dem  Ohio,  b)  von  Susquehanna 
durch  den  Monongahela  nach  dem  Ohio,  c)  vom  James  R.  durch  den 
Kanawha  nach  dem  Ohio,  d)  von  Charleston  oder  Savannah  nach  dem 
Tennessee  und  dem  Ohio.  Gallaton  dachte  hier  zunächst  nicht  an  durch- 
gehende Canäle,  sondern  an  Strassen ,  welche  die  obersten  Punkte  der 
Schiffbarkeit  der  genannten  Flüsse  mit  einander  in  Verbindung  setzen 
sollten.  Die  Hauptarbeit  würde  in  der  Beseitigung  aller  Schiffahrts- 
hindernisse in  den  letzteren  bestanden  haben,  a)  und  b)  sind  später  ganz, 
c)  ist  zum  Theil  ausgeführt  worden.  Den  längst  ausgeführten  Canal,  der 
die  Stromschnellen  des  Ohio  bei  Louisville  umgeht,  schlug  Gallatin  eben- 
falls vor.  3.  Linien  für  die  Verbindung  der  atlantischen  Küste  mit  dem 
S.Lorenz-Gebiet:  a)  Hudson  —  Ontario-See,  b)  Hudson  —  Champlain-See. 
Zur  Vervollständigung  des  ersteren  sollte  ein  Canal  um  die  Niagara-Fälle 
geführt  werden.  Alle  drei  sind  längst  ausgeführt.  4.  Linien  zur  Verbindung 
des  Mississippi  und  dem  S.Lorenz-Gebiet:  a)  Erie-See  —  Pittsburg  durch 
den  Alleghany  R.,  b)  Erie-See  — Ohio  durch  CuyahogaR.,  c)  Erie-See  — Ohio 
durch  Maumee  und  Wabash  R.,  d)  Erie-See  —  Ohio  durch  Sandusky  R., 
e)  Michigan-See— Mississippi  durch  Illinois  R.,  f)  Michigan-See— Mississippi 
von  Green  Bay  durch  Fox  und  Wisconsin  R.  Mit  Ausnahme  von  d),  an 
dessen  Stelle  schon  früher  eine  Eisenbahn  gebaut  wurde,  sind  alle  diese 
Linien  später  ausgeführt  worden.  Dagegen  ist  man  dem  Gedanken  eines 
Parallel- Canales  des  Golfes  vom  unteren  Mississippi  bis  Georgia,  den 
Gallatin  ebenfalls  in  diesem  Bericht,  zwar  nur  andeutungsweise,  nieder- 
gelegt, praktisch  nicht  näher  getreten.  Von  den  grossen  Hauptstrassen, 
die  Gallatin  ausserdem  vorschlug,  ist  die  Parallel-Strasse  der  atlantischen 


390  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

Küste  grossentheils  schon  vor  der  Zeit  der  Eisenbahnen  vollendet  worden, 
ebenso  die  1808  begonnene  von  Washington  nach  S.  Louis.  Diejenigen 
von  Washington  nach  Detroit  und  New  Orleans  bestanden  grösstentheils 
schon  zu  seiner  Zeit  in  Bruchstücken,  die  man  nur  stellenweise  zu  ver- 
binden und  zu  erweitern  brauchte.  —  Dieser  Bericht  Gallatin's  enthält  die 
meisten  der  Ideen,  welchen  später  bei  der  Ausführung  der  grossen  Ver- 
kehrswege gefolgt  wurde.  Man  sieht  aus  dem  Vorhergehenden,  dass  in 
allen  Richtungen,  die  er  angab,  wenn  nicht  Canäle,  so  Eisenbahnen  später 
ausgeführt  wurden.  Es  liegt  darin  ebensowohl  ein  Beweis  für  den  Scharf- 
blick des  Ministers,  als  für  die  Klarheit  und  Deutlichkeit,  mit  der  die 
Bodengestaltung  und  die  Bewässerungsverhältnisse  der  V.  St.  die  Haupt- 
linien des  Verkehres  als  natürlich  gegebene  hervortreten  lassen. 

Dieser  Bericht  Gallatin's  hat  das  grosse  Verdienst,  eine  ganze 
Anzahl  von  fruchtbaren  Ideen  über  das  Verkehrswesen  in  der 
Bevölkerung  der  V.  St.  verbreitet  zu  haben.  In  demselben  Jahre, 
in  welchem  er  erschien,  wurden  bereits  in  der  Gesetzgebung  von 
New  York  Vorschläge  zum  Bau  eines  Canales  zwischen  Hudson  R. 
und  Erie-See  gemacht.  Dass  man  die  Idee  der  billiger  herzu- 
stellenden Verbindung  mit  dem  Ontario-See  von  Anfang  an  be- 
seitigte, beweist  für  den  Scharfblick  und  Unternehmungsgeit  der 
Männer,  welche  an  der  Spitze  dieser  Anregung  standen.  Ebenso  be- 
zeugt ihre  Förderung,  dass  der  Staat  oder  die  Union  das  Werk  in 
die  Hand  nehmen  müsse,  dass  dieselben  aus  den  Erfahrungen  der 
bisherigen  Canalbauten  gelernt  hatten.  Die  1810  begonnenen  Vor- 
arbeiten wurden  durch  den  Krieg  mit  England  unterbrochen,  aber 
1817  wieder  aufgenommen  und  1825  glücklich  zu  Ende  geführt. 
Ebenfalls  1817  wurde  der  Champlain-Canal  in  Angriff  genommen 
und  1823  dem  Verkehr  übergeben.  Andere  folgten  in  den  30  er 
Jahren,  so  dass  der  Staat  New  York  1839,  zu  einer  Zeit,  welche 
man  so  ziemlich  als  den  Abschluss  der  Canal-Aera  bezeichnen  kann, 
1064  Kil.  schiffbare  Canäle  besass.  Der  Werth  der  Waaren,  welche 
1836  auf  den  Canälen  dieses  Staates  Beförderung  fanden,  wurde  auf 
67  Mill.  D.  geschätzt.  1835  begann  man  den  Erie-Canal  zu  ver- 
tiefen und  zu  verbreitern,  da  er  sich  dem  gesteigerten  Verkehre 
nicht  völlig  gewachsen  zeigte.  1838  hatte  der  Staat  New  York  für 
Bau,  Erweiterung  und  Instandhaltung  seiner  Canäle  32  971 314  D. 
ausgegeben,  wovon  11916446  auf  den  Erie-Canal  kamen.  Dafür 
ist  aber  zweifellos  ein  nicht  geringer  Theil  der  Fortschritte,  welche 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  391 

nicht  nur  der  Staat  New  York,  sondern  auch  seine  n.  und  w.  Nach- 
barn in  dieser  Zeit  und  späterhin  gemacht  haben,  der  verkehrs- 
fördernden und  befruchtenden  Wirkung  dieser  Canalanlagen  zuzu- 
schreiben. Vorzüglich  der  Erie-Canal  hat  Ausserordentliches  in 
dieser  Richtung  genützt.  Wenn  die  Stadt  New  York  von  1820  —  40 
von  124000  auf  313  000,  Rochester  von  1500  auf  15000,  Buffalo  von 
2000  auf  16000  anwuchs,  so  liegt  der  Grund  dieses  Aufschiessens 
hauptsächlich  in  dem  regeren  Verkehr  zwischen  0.  und  W.  des  Staates, 
den  dieser  Canal  ermöglichte.  Der  Verkehr  desselben  hatte  1826 
306  000  und  1835  587  000  T.  betragen  i).  1815  wurde  der  Reich- 
thum  der  Einwohnerschaft  von  New  York  auf  87  Mill.  D.,  1835  auf 
233  Mill.  geschätzt  und  man  erkannte  allgemein*  an,  dass  den  die 
Besiedeluug  und  den  Absatz  erleichternden  neuen  Verkehrswegen 
der  grösste  Antheil  an  dieser  Verdreifachung  zukomme.  Penn- 
sylvanien,  das  neben  Neu-England  im  vorigen  Jahrhundert  für 
den  mit  Verkehrsmitteln  am  besten  versehenen  Staat  der  Union 
galt  2),  wurde  durch  den  Erie-Canal  von  New  York  in  den  Schatten 
gestellt.  Erst  1824  begann  man  den  Bau  von  Canälen,  welche 
Philadelphia  mit  Pittsburg  und  den  Seen  des  w.  New  York,  ferner 
Pittsburg  mit  dem  Erie-See  und  den  Susquehanna  mit  dem  Potomac 
verbinden  sollten.  1830  waren  653  Kil.  von  diesen  Linien  fertig 
gestellt  und  1834  besass  der  Staat  1158  KiL  Canäle  und  Eisen- 
bahnen. In  Neu-England  sind  die  Canalanlagen  durch  die  Boden- 
beschaffenheit so  wenig  begünstigt,  dass  nur  wenige  zur  Ausführung 
gelangten.  Der  Middlessex-Canal  ist  bereits  genannt  worden.  Den 
Merrimack  machte  man  schon  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
schiffbar  bis  Concord  N.  H.  (177  Kil.).  Den  Connecticut  machte 
man  in  den  20  er  und  30  Jahren  auf  434  Kil.  seines  Laufes  schiffbar. 


1)  Vergleichsweise  sei  angeführt,  dass  auf  der  Seine,  Marne  und  den  Ca- 
nälen zusammen  1835  in  Paris  1782430  T.  ankamen.  (M.Chevalier,  Hist.  des 
Voies  de  Comm.  I.  219,  wo  dieser  Vergleich  weiter  ausgeführt  ist.) 

2)  Nach  einer  Zusammenstellung  in  Connected  View  of  the  Internal  Navi- 
gation (1830,  S.  279)  verausgabte  der  Staat  Pennsylvania  von  1791  — 1828 
11019495  D.  für  Canäle,  Flussverbesserungen,  Strassen  und  Brücken.  In  der- 
selben Zeit  wurden  von  Bezirken  und  Gesellschaften  3800  Kil.  Strassen  und  49 
grössere  Brücken  mit  einer  Auslage  von  10  991 059  D.  gebaut  —  zusammen  also 
mindestens  22  Mill.  D.  für  Verkehrswege  ausgegeben. 


392  XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

Dem  Baue  der  Eisenbahnen^  hat  sich  Neu  -  England  dagegen 
früher  als  alle  anderen  Staaten  der  Union  zugewandt.  Freilich 
bedurfte  von  dem  in  wirthschaftlicher  Beziehung  ins  Gewicht  fallen- 
den Theile  der  Union  keiner  so  sehr  derselben  wie  Neu -England. 
Der  Anlage  der  damals  zur  Nothwendigkeit,  aber  auch  fast  zur 
Leidenschaft  gewordenen  Canäle  kam  seine  Bodengestaltung  nicht  ent- 
gegen, nur  mit  den  grössten  Kosten  würden  sie  herzustellen  gewesen 
sein.  Aber  auf  der  anderen  Seite  verlangte  kein  anderer  Landes- 
theil so  gebieterisch  nach  raschen  und  billigen  Verkehrsmitteln  wie 
diese  in  Industrie  und  Handel  thätigste  Staatengruppe  Neu- 
England.  Der  Board  of  Liternal  Improvements  von  Massachusetts 
liess  schon  1827  die  Bodengestaltung  zwischen  Boston  und  dem 
Hudson  behufs  Anlegung  einer  Eisenbahn  untersuchen.  Die  erste 
Eisenbahn  wurde  in  der  That  in  Massachusetts  noch  in  demselben 
Jahre  zu  bauen  angefangen  und  zwar  von  Quincy  nach  dem 
Neponset  R.  Zwischen  1827  und  30  folgten  dieser  noch  zwei  kurze 
Linien  zwischen  dem  Lehigh  R.  und  Manch  Chunk  und  zwischen 
Albany  und  Schenectady  N.  Y.  und  das  erste  Glied  jener  nach- 
mals zu  einer  der  grössten  Verkehrsadern  der  damaligen  V.  St. 
erwachsenden  Baltimore-  und  Ohio-Eisenbahn,  die  Linie  Baltimore  — 
Endicott  Mills  Md.  Aber  im  Jahre  1830  zählten  diese  drei  Linien 
zusammen  nur  66  Kil.  und  nur  die  letztere  war  Lokomotiv-Bahn. 
Aber  schon  in  der  darauffolgenden  Dekade  wurden  durchschnittlich 
p.  Jahr  528  Kil.  Eisenbahnen  gebaut  und  eine  ganze  Anzahl  von 
Verkehrslinien,  welche  ursprünglich  als  Canäle  entworfen  worden 
waren,  fanden  nun  als  Eisenbahnen  ihre  Ausführung.  Die  letzteren 
eroberten  sich  so  rasch  das  grosse  Gebiet,  das  hier  nur  auf  billige 
und  rasche  Verkehrsmittel  wartete,  um  den  Reichthum  seines  Bodens 
zu  Markte  zu  bringen,  dass  von  1840  an  grosse  neue  Canalanlagen 
nicht  mehr  gemacht,  sondern  nur  die  bereits  begonnenen  fertig  ge- 
stellt und  durch  Abzweigungen  vervollständigt  wurden.  Die  Eisen- 
bahnen dagegen  entwickelten  sich  in  so  gewaltiger  Progression,  dass 
die  V.  St.  gegenwärtig  fast  ebensoviel  zählen  wie  das  ganze  übrige 
Europa.  Von  66  Kil.  in  1830  und  5868  in  1840  haben  sie  sich 
auf  135000  in  1878  erhoben. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  393 

Die  Vortheile,  welche  die  Eisenbahnen  dem  Verkehre  boten,  wuchsen 
natürlicherweise  mit  der  Vervollkommnung,  die  sowohl  ihre  eigene  Ein- 
richtung, als  auch  der  Bau  der  Bewegungsmittel  erfuhr,  welche  auf  ihnen 
benützt  werden.  Wir  werden  im  Nachfolgenden  bemerkenswerthe  Beispiele 
für  das  wachsende  Uebergewicht  der  Eisenbahnen  über  die  Canäle  kennen 
lernen.  1873  hob  es  Harket  Derby  in  einer  dem  Statistischen  Congress 
von  St.  Petersburg  vorgelegten  Denkschrift  „Ueber  die  Einwirkung  der 
Eisenbahnen  auf  den  Fortschritt  der  V.  St."  hervor:  „Vor  einem  halben 
Jahrhundert  wurden  Canäle  angelegt,  um  die  Chesapeake  Bay  mit  dem 
Delaware  R.,  den  Hudson  R.  mit  den  Grossen  Seen,  die  letzteren  mit 
dem  Ohio  und  Hlinois  R.,  Kohlenbergwerke  mit  Philadelphia  zu  verbinden, 
aber  die  Kälte  unserer  Winter  und  die  Hitze  unserer  Sommer  unterbrachen 
ihre  Benützung.  Unterdessen  haben  unsere  Ingenieure  ihre  Schienen  und 
Lokomotiven  mit  Stahl  gepanzert  und  dadurch  die  Geschwindigkeit  ver- 
grössert,  indem  sie  gleichzeitig  die  Kosten  verminderten.  Der  grösste 
Theil  unseres  Fluss-  und  Canalverkehres  ist  damit  den  Eisenbahnen  zuge- 
leitet worden.  Weniger  als  Vio  unseres  Binnenverkehres  bewegt  sich  jetzt 
auf  Canälen,  weniger  als  Vs  auf  den  Flüssen,  der  Rest  benützt  die  Eisen- 
bahnen. Wir  haben  in  den  V.  St.  eine  grosse  Anzahl  von  schiffbaren 
Flüssen,  aber  die  Eisenbahnen  schneiden  die  Krümmungen  derselben  ab, 
vermeiden  die  Verzögerungen  durch  Eis  oder  niederen  Wasserstand  und 
erlangen  damit  ein  Uebergewicht  über  Flüsse  und  Canäle.  Einige  Canäle 
sind  ganz  verlassen  und  keine  sind  gegenwärtig  in  Bau  begriffen.  Ihre 
Hauptaufgabe  wird  in  Zukunft  darin  bestehen,  die  Grossen  Seen  und  die 
Meereseinschnitte  durch  Schiffahrtscanäle  unter  einander  zu  verbinden"  *). 
Ohne  Zweifel  sind  in  Amerika  die  Eisenbahnen  in  demselben  Masse  noth- 
wendiger  gewesen  als  in  Europa,  als  die  Entfernungen  bedeutender  waren, 
welche  durch  sie  überwunden  werden  sollten.  Auch  ist,  wenn  man  ihre 
grosse  Zahl  in  Betracht  zieht,  die  Leichtigkeit  nicht  zu  übersehen,  mit 
der  so  grosse,  hindernisslose  Flächen  zu  überschienen  sind,  wie  sie  an 
der  atlantischen  Küste  und  mehr  noch  im  Inneren  sich  ausbreiten.  Auf 
diesen  Vorzug  ist  oben  schon  hingewiesen.  Nur  Russland  kommt  durch 
seine  einfache  Bodengestaltung  in  ähnlichem  Masse  der  Anlegung  von 
Verkehrswegen  entgegen.  Aber  wenn  ein  einziger  Staat  wie  Massachusetts, 
dem  es  sowohl  an  dem  Antrieb  durch  grosse  Entfernungen,  als  auch  der 
Erleichterung  durch  günstige  Bodengestaltung  mangelt,  1875  im  Verhältniss 
zu  seiner  Grösse  10  mal  mehr  Eisenbahnen  besass  als  die  ganzen  übrigen 
V.  St.,  so  sieht  man,  dass  noch  andere  Ursachen  thätig  gewesen  sind 
bei  der  gewaltigen  Entwickelung,  die  das  Eisenbahnwesen  hier  genommen 
hat.      Der  Unternehmungsgeist,    die    rücksichtslose  Wettbewerbung,    die 


1)  Travaux  presentes  an  VIII  mc  Congres  Internat,  de  Statistique.  S.  Peters- 
bourg  1874.  30. 


394 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


Capitalvermehrung ,  die  Leichtigkeit,  vom  Ausland  geborgt  zu  erhalten, 
und  nicht  zuletzt  auch  die  Geschicklichkeit,  Kühnheit  und  Billigkeit,  mit 
der  man  die  Eisenbahnen  baute  und  sie  betrieb,  sind  mit  in  erster  Linie 
zu  nennen,  wenn  man  die  Thatsache  zu  erklären  wünscht,  dass  (1876)  auf 
10000  E.  in  den  V.  St.  28,47,  in  Grossbritannien  und  Irland  8,14,  in 
Deutschland  6,82,  in  Frankreich  6,23  und  in  demjenigen  europäischen 
Staate,  in  welchem  die  den  Eisenbahnbau  begünstigenden  und  bedingenden 
Verhältnisse  denjenigen  Nord -Amerikas  am  ähnlichsten  gelagert  sind,  gar 
nur  2,70 Kil.  Eisenbahn  entfallen.  Die  Energie,  mit  der  in  den  V.  St.  von  1840 
an  im  Eisenbahnbau  vorgegangen  wurde,  ist  jedoch  ohne  Zweifel  in  vielen 
Fällen  nicht  von  der  nöthigen  Vorsicht  begleitet  gewesen.  Beweis  dafür 
die  Thatsache,  dass  1877  in  12  Staaten  (Vermont,  Florida,  Mississippi, 
Louisiana,  Texas,  Arkansas,  Missouri,  Nebraska,  Kansas,  Colorado,  Oregon), 
die  zum  Theil  reich  an  Eisenbahnen  sind,  keine  Bahn  ihre  Zinsen  zu 
\/zahlen  vermochte  und  dass  es  der  Bahnen,  welche  eine  normale  Verzinsung 
ihres  Capitales  aufbringen,  überhaupt  nur  wenige  sind  *).  Die  Dividenden, 
die  1877  bezahlt  wurden,  beliefen  sich  auf  durchschnittlich  7  Proc.  Aber 
noch  gefährlicher  ist  vielleicht  die  übermässige  Wettbewerbung  der  ver- 
schiedenen Gesellschaften,  welche  dazu  führt,  dass  die  Zahl  der  selbstän- 
digen Linien  immer  geringer  wird  und  dafür  die  Monopole  einiger  capitals- 
mächtigen  grossen  Gesellschaften,  immer  unbedingter  sich  entwickeln,  um 
zuletzt  mit  drückender  Uebermacht  auf  der  ganzen  Gemeinschaft  zu  lasten. 


1)  Die  bis  Ende  1873  gebauten  Bahnen  stellen  ein  Capital  von  4000  Mill.  D. 
dar;  der  Bauaufwand  für  die  e.  M.  wurde  bis  dahin  auf  55 000  D,,  die  Brutto- 
Einnahme  auf  ca.  7000  D.  p.  M. ,  die  gesammte  Brutto-Einnahme  daher  auf 
526  419  935  D.  veranschlagt.  Nach  einer  Tabelle  des  Board  of  Trade  Report 
von  Grossbritannien  stellten  sich  die  finanziellen  Verhältnisse  der  Eisenbahnen 
in  Grossbritannien,  Deutschland  -  Oesterreich  und  den  V.  St.  am  Schluss  1873 
folgendermassen  dar  (in  Doli.  p.  e.  M.) : 


Angelegtes  Capital  .  .  . 
Brutto-Einnahmen  .... 
Einnahmen  von  Passagieren 
„  „  Frachten  .  . 
Betriebs-Ausgaben  .  .  . 
Netto-Einnahmen    .... 


Grossbrit. 


180  440 
17  531 
7  365 
9  469 
9  649 
7  882 


Deutschi. - 
Oesterr. 


95  422 
11360 

3  278 
7  520 
6  572 

4  788 


V.  St.. 


45  394 
6  678 
1809 
4  869 
4  246 
2  432 


Am  31.  December  1877  war  das  Anlagecapital  der  Bahnen  in  den  V.  St. 
auf  4570  Mill.  D.  gestiegen,  während  die  Reineinnahmen  171  Hill.,  also  3,7  Proc. 
betrugen. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  395 

welche  ihre  Dienste  nicht  entbehren  kann*).  Das  nach  amerikanischen 
Anschauungen  unantastbare  Recht  auch  dieser  Körperschaften,  innerhalb 
der  vom  Gesetze  gezogenen  Schranken  zu  handeln  wie  es  ihnen  gefällt, 
ist  gelegentlich  des  Druckes,  den  ihre  Monopole  auf  die  wirthschaftlichen 
Verhältnisse  einzelner  Theile  des  Landes  übten,  von  vielen  Seiten  in 
Frage  gestellt  und  in  einigen  der  transportbedürftigsten  -  Weststaaten 
geradezu  aufgehoben  worden:  ein  Zeichen,  dass  derselbe  sehr  stark  sein 
muss.  Aber  man  ist  bis  jetzt  nicht  im  Stande  gewesen,  ein  Mittel  zu 
finden,  das  die  Vortheile  der  freien  Wettbewerbung  von  den  Nachtheilen 
derselben  zu  trennen  vermöchte  und  das  zugleich  nicht  gegen  den  frei-  v^ 
staatlichen  Grundsatz  der  möglichst  geringen  Staatsmacht  und  möglichst 
in  Schranken  gehaltenen  Staatseingriffe  Verstösse.  Seit  1877  hat  z.  B. 
die  Mehrzahl  der  in  Chicago  ausmündenden  Bahnen  eine  Vereinbarung  ge- 
troffen, deren  Zweck  es  ist,  alle  Transportgeschäfte  zwischen  Chicago  und 
dem  Osten  gemeinsam  vorzunehmen,  d.  h.  keine  Specialcontrakte  einzu- 
gehen, die  bisherigen  Frachtsätze  womöglich  zu  erhalten  und  die  Einkünfte 
auf  die  einzelnen  Bahnen  nach  Massgabe  ihrer  Betheiliguiig  zu  vertheilen. 
Einige  Staaten  des  NW.  antworteten  auf  diese  und  ähnliche  Abmachungen 
auf  Anregung  der  zu  den  Granger-Bünden  zusammengetretenen  Farmer  ^ 
mit  den  sog.  Granger-Gesetzen,  welche  dem  Staate  die  Befugniss  gaben, 
die  Frachtsätze  der  Eisenbahnen  festzustellen.  Aber  die  Unausführbarkeit 
dieser  jedes  Rechtsbodens  baren  Gesetze  trat  bald  zu  Tage,  als  die  Eisen- 
bahnen einfach  Verkehrssperre  verfügten.  März  1878  widerrief  der  stärkste 
Granger-Staat  Iowa  diese  Gesetze,   nachdem  Ohio  und  Wisconsin  voran- 


1)  Kein  geringeres  Gleichniss  als  das  der  römisch-katholischen  Hierarchie 
bot  sich  dem  Politiker,  der  Betrachtungen  anstellte  über  die  möglichen  Einflüsse 
der  grossen,  immer  mehr  zur  Verschmelzung  drängenden  Eisenbahnen  auf  die 
Geschicke  der  V.  St.:  „Verbunden  durch  das  Gefühl  gleicher  Interessen  und 
gleicher  Gefahr,  wie  die  einzelnen  Glieder  unseres  Eisenbahnsystems  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  einst  sein  werden,  wird  dasselbe  denselben  grossen  Einfluss 
üben,  den  die  römisch-katholische  Kirche  von  ihrem  Reichthum  zog,  obwohl  es 
an  Stelle  der  religiösen  und  moralischen  Herrschaft  dieser  Körperschaft  nur 
den  mächtigen  Einfluss  besitzen  wird,  welchen  ihm  der  Drang  nach  materieller 
Entwickelung  überträgt,  dem  es  so  wirksam  entgegenkommt.  Ein  Vortheil,  den 
die  Kirche  besass,  wird  ihnen  freilich  wohl  immer  fehlen,  nämlich  die  Zusammen- 
fassung aller  Macht  in  den  Händen  eines  einzelnen  Individuums."  (Charles  F.  "^ 
Adams  jr.  in  N.  Am.  Review  1870.  I.  125.)  Mit  Recht  hat  man  aber  immer 
hervorgehoben,  dass  man  diese  Concentration,  welche  die  Kraft  von  mindestens 
10  Milliarden  M.  und  die  Thätigkeit  von^.i/^  Millionen  Angestellter  in  die  Hand 
eines  Einzelnen  legen  würde,  nicht  zu  fürchten  hat,  solange  die  Eisenbahnen 
sich  selber  tiberlassen  bleiben,  dass  dieselbe  aber  sogleich  sich  zeigen  würde, 
wenn  der  Staat  die  Verwaltung  der  Eisenbahnen  übernehmen  wolle.  Unver- 
meidlich würde  die  leitende  Stellung  an  der  Spitze  dieser  Capital-  und  Menschen- 
masse der  grosse  politische  Siegespreis  werden. 


396  XT.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

gegangen  waren.  Die  öffentliche  Meinung  ist  noch  nicht  mit  sich  selber 
über  diesen  Punkt  ins  Klare  gekommen,  wie  scharf  auch  durch  die 
communistische  Agitation  unter  den  Eisenbahnbediensteten  eine  andere 
eng  damit  zusammenhängende  Frage  in  den  Vordergrund  gerückt  worden 
ist,  nämlich  die  chronische  Unsicherheit  der  Existenz  von  Tausenden  von 
Menschen,  deren  Lebensunterhalt  bei  der  beständig  auf  und  ab  schwan- 
kenden Wage  des  Erfolges  in  diesen  wirthschaftlichen  Wettkämpfen  rück- 
sichtslos in  Frage  gestellt  wird.  Es  scheint  erst  den  nächsten  Jahrzehnten 
vorbehalten  zu  sein,  den  Widerstreit  der  Interessen  der  Einzelnen  oder 
der  Körperschaften  mit  denen  des  wirthschaftlichen  und  politischen  Ganzen 
zu  schlichten. 

II.   Die  natürlichen  Grundlinien  des  Verkehres.    Bei 

der  Anlage  der  Verkehrswege  in  den  V.  St.  stellte  sich  von  selbst 
eine  Reihe  von  Aufgaben,  die  aus  der  Bodengestaltung  und  aus 
der  Lage  der  hauptsächlichsten  Culturmittelpunkte  sich  ergeben 
und  die  denn  in  der  That  auch  von  Anfang  an  ganz  klar  ver- 
standen worden  sind.  Wir  haben  versucht,  sie  im  einleitenden 
Gapitel  ganz  im  Grossen  zu  skizziren.  Solange  die  Cultur  und 
die  Staatenbildung  der  Amerikaner  ö.  vom  Mississippi  stand,  zerfiel 
ihr  Gebiet  selbstverständlich  in  zwei  grosse  von  der  Natur  ge- 
schiedene Hälften,  nämlich:  1.  den  0.,  das  Land  ö.  der  Alleghanies, 
und  2.  den  W.,  das  Land  w.  derselben  oder  das  ö.  Mississippi- 
Gebiet.  Im  N.  legte  sich  querüber  als  drittes  das  Becken  des 
S.  Lorenz-Stromes  und  der  Grossen  Seen.  Von  der  Seite  der  Boden- 
gestaltung her  stellten  sich  also  drei  Gruppen  von  Aufgaben: 
1.  Verbindungen  zwischen  dem  atlantischen  Abhang  und  dem  ö. 
Mississippi- Gebiet;  2.  Verbindungen  zwischen  dem  S.Lorenz-Becken 
und  dem  Mississippi- Gebiet;  3.  Verbindungen  zwischen  dem  atlan- 
tischen und  dem  S.  Lorenz  -  Gebiet.  —  Die  Lage  der  Culturmittel- 
punkte im  N.  und  S.  musste  4.  zu  einer  durchgehenden  Verbindung 
zwischen  New  York  und  New  Orleans  nöthigen  und  5.  mussten  zahl- 
reiche kürzere  Wege  von  0.  und  W.  her  in  das  Alleghany-Gebirge 
eindringen,  um  das  grosse  Gebiet,  w^elches  dasselbe  bedeckt,  mit 
dem  Atlantischen  Ocean  einer-  und  der  grossen  Verkehrsader  des 
Mississippi  andererseits  in  Verbindung  zu  setzen.  Das  Vordringen 
der  Cultur  nach  W.  stellte  den  Wegebahnern  neue  Aufgaben,  denen 
freilich  erst  die  Erwerbung  der  weiten  Gebiete  auf  der  pacifischen 


XT.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  397 

Hälfte  des  Continentes  eine  ganz  bestimmte  Begrenzung  gab.  Die 
grosse  Seenkette  erlaubte  tiefgehenden  Schiffen  das  Vordringen  in 
nw.  Richtung  bis  zum  Meridian  des  Mississippi  und  bot  damit  eine 
nördliche  Ergänzung  der  Mississippi-Strasse ,  welche  mit  dieser  zu- 
sammen die  ganze  ö.  Hälfte  des  Continentes  vollständig  zugänglich 
machte.  Nur  einige  Längengrade  weiter  w.  führt  der  Obere  Mississippi, 
welcher  bis  S.  Paul  Minn.,  also  bis  ungefähr  zum  45.^  n.  Br.  schiffbar 
ist,  in  eine  Region,  wo  der  Verkehr  sich  ähnlich  wie  im  Hudsonsbai- 
Gebiet  zahlreicher  Seen  und  sie  verbindender  Flüsse  zu  bedienen 
vermag,  und  wo  vermittelst  des  Red  R.  of  the  N.  auf  diese  Weise 
eine  oftene  Strasse  in  jenes  Gebiet  und  zwar  zunächst  in  den  be- 
lebtesten Theil  desselben,  in  die  Niederlassungen  am  Winnipeg-See, 
bildet.  Vom  Mississippi  nach  W.  benützte  man  naturgemäss  dessen 
Zuflüsse,  zunächst  den  Missouri,  von  dessen  Verkehrsbedeutung  man 
sich  allerdings  in  der  ersten  Zeit  nach  seiner  Entdeckung  einen  viel 
grösseren  Begriff  machte  als  die  Thatsachen  bis  jetzt  gerechtfertigt 
haben;  man  geht  nw. ,  wenn  man  sein  Thal  verfolgt,  und  hatte 
dadurch  niclit  nur  den  Nachtheil,  die  Steppenregion,  deren  unwirth- 
liche  Dürre  und  Menschenleere  der  Verkehr  scheut,  in  einer  langen 
Diagonale  zu  durchschneiden,  sondern  auch  den,  dass  man  die 
einzige  Richtung  verfehlte,  welche  zu  verfolgen  bis  zur  höheren 
Entwickelung  des  pacifischen  NW.  von  grossem  Interesse  sein  konnte, 
nämlich  die  der  spanischen  Niederlassungen  dies-  und  jenseits  der 
grossen  Gebirge  des  W.  und  zwar  in  erster  Linie^  Santa  Fe  in  Neu- 
Mexico  und  San  Francisco  in  Californien.  Der  einzige  Vortheil,  den 
der  Missouri -Weg  einstweilen  bot,  war  der  der  möglichst  kurzen 
Landverbindung  mit  den  Niederlassungen  an  der  Mündung  des 
Columbia,  eine  Verbindung,  die  sehr  erleichtert  wird  durch  das 
nahe  Zusammentreten  des  Missouri  und  des  Columbia  in  ihren 
Quellgebieten.  Es  ist  auf  diesem  im  Grunde  natürlichsten  und 
nächstliegenden  Wege,  dass  der  Continent  zum  ersten  Mal  von 
wissenschaftlichen  Reisenden  im  Auftrag  der  V.  St.  gequert  wurde. 
Aber  die  wenigen  Tausend  Emigranten,  welche  nach  den  Columbia- 
Niederlassungen  zogen,  benützten  fast  immer  nur  die  See;  jener  war 
ihnen  zu  lang,  zu  beschwerlich  und  wegen  der  Indianer  zu  gefährlich. 
Noch    heute   ist   er  wenig   vom  Verkehr   gesucht,    wird   aber   ohne 


3Ö8  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

Zweifel  dereinst  zum  Bette  einer  Mississippi-Columbia-Balin  werden. 
Viel  praktischer  sind  indessen  für  jetzt  die  Wege,  welche  den  grossen 
s.  Nebenfluss  des  Missouri,  den  Platte  oder  Nebraska  E,.,  und  den 
Arkansas  K.  benützen.  Sie  führen  in  soviel  wie  möglich  gerader 
o.-w.  Richtung  vom  Mississippi  bis  an  den  Fuss  des  Felsengebirges, 
wobei  der  erstere  noch  den  Vortheil  bietet,  ziemlich  in  derselben 
Richtung  auf  das  Gebirge  hinzuführen,  in  welcher  einige  praktikable 
Pässe  über  das  Felsengebirg  weg-  und  hinter  ihnen  die  einzige 
durch  eine  Oasenkette  (Green  R.,  Grosser  Salzsee,  Humboldt  R.) 
bezeichnete  Naturstrasse  durch  das  Grosse  Becken  hindurchführt. 
Arkansas  R.  führt  in  ähnlich  direkter  Weise  weiter  s.  an  den  Fuss 
der  Cordilleren  und  lässt  durch  seinen  Nebenfluss  Canadian  R. 
Santa  Fe,  den  Hauptort  von  Neu-Mexico  und  früheren  Stapelplatz 
des  nordamerikanisch  -  mexikanischen  Steppenkarawanenhandels,  in 
fast  gerader  o.-w.  Richtung  erreichen.  Die  zum  Behuf  des  Eisenbahn- 
baues angestellten  Untersuchungen  lassen  es  wahrscheinlich  er- 
scheinen, dass  eine  Bahn  von  hier  in  das  Thal  des  Gila  und  in 
demselben  abwärts  bis  zur  Mündung  des  Gila  in  den  Colorado  keinen 
unüberwindlichen  Terrainschwierigkeiten  begegnen  wird.  Der  Weg 
von  Santa  Fe  im  Rio  Grande  -  Thal  hinab  nach  dem  n.  Mexico 
schliesst  sich  natürlich  an  die  Arkansas  -  Strasse  an  und  ist  die 
älteste  der  grossen  natürlichen  Verkehrsstrassen  in  der  Union,  da 
sie  schon  seit  der  spanischen  Besitznahme  Neu-Mexicos  den  Verkehr 
mit  Mexico  zu  vermitteln  hatte.  Dass  endlich  entlang  der  pacifi- 
schen  Küste  ein  von  der  Natur  des  Landes  gebotener,  wenn  auch 
nicht  immer  erleichterter  Weg  zur  inneren  Verbindung  der  Plätze 
an  der  steilen,  an  vielen  Punkten  für  Wege  irgend  welcher  Art 
unzugänglichen  Küste  sich  von  selbst  in  den  Thälern  des  S.  Joaquin, 
Sacramento  und  Willamette  bahnen  musste,  ist  selbstverständlich. 
Auch  er  ist  heute  grösstentheils  schon  mit  Schienen  belegt.  Wir 
haben  also  zu  den  vier  genannten  ö.  noch  folgende  Naturbahnen 
des  Weltverkehrs  im  W.  zu  fügen :  5.  die  Seenkette ;  6.  den  Oberen 
Mississippi  sammt  seiner  Fluss-  und  Seenverbindung  zum  Red  R 
of  N.  hinüber;  7.  Thal  des  Missouri;  8.  Thal  des  Platte  oder 
Nebraska  R.;  9.  Thal  des  Arkansas  und  Canadian  R. :  diese  drei 
als  Wege  bis  zum  Ostfuss   des  Gebirges;    10.    Thal   des  Columbia; 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  390 

11.  über  Grand  Ji.,  Grossen  Salzsee  und  Humboldt  K.  in  das  Thal 
des  Sacramento;  12.  Santa  Fe  zum  Unteren  Colorado;  13.  Thal 
des  Rio  Grande  von  Santa  Fe  nach  Paso  del  Norte ;  14.  Thäler 
des  S.  Joaquin,  Sacramento  und  Willamette  R.  zur  Verbindung  der 
s.  und  n.  Niederlassungen  an  der  pacifischen  Küste.  —  Dies  sind 
gewissermassen  die  in  der  Natur  gegebenen  Grundlinien  des  Netzes 
der  grossen  Verkehrswege  im  Gebiet  der  V.  St. ;  einige  davon  sind 
bis  heute  noch  nicht  ausgenützt,  andere  dagegen  haben  schon  zahl- 
reiche Parallel-  oder  Ergänzungsstrassen  gefunden,  sind  gewisser- 
massen vervielfältigt  worden,  während  wieder  andere  sich  bei  weitem 
nicht  in  dem  Masse  entwickelt  haben,  wie  die  Gunst  ihrer  Natur- 
verhältnisse es  erwarten  Hess.  Wie  überall  hat  auch  hier  der 
Eisenbahnverkehr  die  natürlichen  Bahnen  manchmal  verschmäht, 
um  die  kürzesten  Wege  in  Richtungen  zu  suchen,  wo  die  Natur 
des  Landes  grosse  Verkehrswege  nicht  zu  begünstigen  schien,  und 
so  ist  z.  B.  die  Mississippi  -  Strasse  bei  weitem  nicht  so  wichtig 
geworden,  wie  man  es  einst  vermuthete.  Die  Seenkette  sammt  dem 
S.  Lorenz  und  das  bei  New  York  mündende  Canal-  und  Eisenbahn- 
system, welches  den  Erie-See  direkt  mit  dem  Atlantischen  Ocean 
verbindet,  sowie  auch  Eisenbahnlinien,  welche  weiter  s.  gehen, 
haben  kürzere  Wege  nach  dem  Atlantischen  Ocean  geboten,  welcher 
dem  Bestimmungsorte  vieler  Waaren  des  Inneren,  Europa,  hier 
näher  liegt  als  der  Golf  von  Mexico.  Diese  Erscheinung  hängt 
indessen  theilweise  zusammen  mit  einem  ganzen  Complex  anderer 
ähnlicher,  die  alle  darauf  hinweisen,  dass  das  Innere  und  der  W. 
der  V.  St. ,  deren  Verkehr  mit  einer  gewissen  Naturnothwendigkeit 
in  den  grossen  Sammelcanal  des  Mississippi  fliessen  zu  müssen 
schien,  seit  der  Entwicklung  des  Eisenbahnnetzes  mit  Umgehung 
dieses  grossen  Stromweges  nach  den  direktesten  Verbindungen  mit 
dem  0.  und  dem  Atlantischen  Ocean  streben.  In  Folge  dieser 
Entwicklung  ist  ein  erheblicher  Theil  des  S.  nicht  sowohl  ein 
Durchgangsland  für  die  Waaren  aus  dem  Inneren  und  dem  W.,  als 
vielmehr  ein  abgesondertes  Verkehrsgebiet  geworden,  dem  das  im 
W.  durch  ein  schlechtes  Hinterland  und  ungünstige  Bodengestalt 
abgeschlossene  Texas  sich  anschliesst.  In  diesem  gegen  N.  zu  etwa 
durch  Ohio  und  Arkansas  R.  abgegrenzten  Gebiet  gehen  die  Verkehrs- 


400  Xl.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

wege  vorzüglich  in  radialer  n.-s.  Richtung  zum  Meere,  während  n. 
von  der  genannten  Grenze  die  w.-ö.  Richtung  entschieden  vorwiegt. 
Was  s.  dieser  Grenze  liegt,  gehört  dem  Golf  von  Mexico,  was  n., 
dem  Atlantischen  Ocean  an;  ein  pacifisches  Verkehrsgebiet  macht 
sich  vom  Fuss  des  Felsengebirges  an  geltend. 

III.  Die  schiffbaren  Flüsse.  Die  schiffbaren  Flüsse  der 
V.  St.  haben  neben  der  glänzenden  Entwickelung  der  Canäle  und 
Eisenbahnen  eine  bescheidene  Rolle  zugetheilt  erhalten.  Einseitig 
auf  die  Schnelligkeit  des  Transportes  bedacht,  hat  man  sie  über 
denselben  stellenweise  geradezu  vergessen.  Selbst  die  natürliche 
Lebensader  des  ganzen  Inneren,  der  Mississippi,  der  mit  seinen 
Zuflüssen  ein  volles  Drittel  des  Gebietes  der  V.  St.  bewässert  und 
dem  eine  Schiffbarkeit  von  25000  e.  M.  zugeschrieben  wird,  ist 
seit  der  Anlage  von  Eisenbahnen,  die  von  seinen  Ufern  oder  selbst 
über  ihn  weg  in  möglichst  gerader  Linie  nach  dem  Atlantischen 
Ocean  führen,  von  seiner  Stellung  als  Grundlinie  wenigstens  der 
Waarenausfuhr  aus  dem  Inneren  verdrängt  und  Jahrzehnte  ist  seine 
Mündung  versumpft  gewesen.  Es  scheint,  dass  nur  die  Entwickelung 
des  direkten  Verkehres  mit  Mittel-  und  Süd-Amerika  durch  den  Golf 
von  Mexico,  diesem  mächtigen  Strom  etwas  von  der  Bedeutung  für 
den  Verkehr  zurückgeben  wird,  die  er  vor  der  Zeit  des  über- 
mässigen Eisenbahnwettstreites  besass.  Die  Schiffbarkeit  der  übrigen 
Flüsse  der  V.  St.,  welche  insgesammt  auf  55000  e.  M.  geschätzt 
werden  kann,  hat  heute  nur  noch  grösseren  Werth  da,  wo  Canäle 
in  dieselben  münden,  wie  beim  Hudson,  oder  wo  die  Wasser- 
tiefe sehr  grossen  Schiffen  den  Zugang  gestattet,  wie  gleichfalls 
beim  Hudson,  oder  wo  ein  grosses  schiffbares  Süsswassermeer  im 
Hintergrund  den  Verkehr  anlockt,  wie  beim  S.  Lorenz,  oder  wo  die 
dünne  Bevölkerung  andere  Verkehrswege  noch  zu  kostbar  erscheinen 
lässt,  wie  am  Colorado  in  Arizona,  oder  endlich  wo  die  Boden- 
beschaffenheit der  Anlage  von  Eisenbahnen  entgegensteht,  wie  am 
S.  Johns  R.  in  Florida.  Man  kann  überhaupt  sagen,  dass  die 
Schiffbarkeit  der  Flüsse  seit  dem  Aufkommen  der  Eisenbahnen 
am  wenigsten  Verwerthung  gefunden  hat  in  den  wirthschaftlich 
fortgeschrittensten    Theilen    des    Landes,    weil    man    sich    da    am 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  401 

raschesten  und  ausschliesslichsten  den  Eisenbahnen  zuwandte,  während 
dagegen  ihre  Ausnützung  am  grössten,  im  Verhältniss  zur  Bevöl- 
kerung, in  den  wirthschaftlich  rückständigsten  Theilen,  nämlich  im 
S.  und  W.  gewesen  ist. 

In  einer  interessanten  unter  dem  Titel:  „Connected  View  of  the  whole 
Internal  Navigation  of  the  U.  S.  (Phil.)"  1826  erschienenen  Zusammenstellung, 
welche  die  schiffbaren  Gewässer  innerhalb  der  damaligen  Grenzen  der 
V.  St.  ausführlich  beschreibt,  ist  die  Länge  der  natürlichen  und  künstlichen 
Wasserstrassen  im  Lande  ö.  vom  Mississippi  auf  50  536  e.  M.  angegeben 
und  auf  die  natürlichen  Abschnitte  des  Landes  in  der  Weise  vertheilt, 
dass  Neu-England  1886,  New  York  3659,  die  Mittleren  Staaten  (mit  Mary- 
land und  Ohio)  6126,  Virginia  3215,  Indiana  2000,  die  Oestlichen  Mississippi- 
Staaten  11080,  die  Carolina's  und  Florida  6255  e.  M.  erhalten.  Zu 
derselben  Zeit  und  überhaupt  in  den  ersten  Jahrzehnten  unseres  Jahr- 
hunderts bildete  die  Schiffbarkeit  der  Flüsse  des  Transmississippi-Gebietes 
einen  wichtigeren  Gegenstand  der  öffentlichen  Erörterung  als  heute,  wo 
man  über  die  Hülfsquellen  des  ganzen  von  ihnen  bespülten  Gebietes  nicht 
mehr  so  optimistisch  denkt.  D.  B.  Warden  theilt  aus  jener  Zeit  in  seiner 
„Description  des  Etats-Unis"  (Paris  1820. 1.  162)  folgende  Tafel  der  Schiff-  ^ 
barkeit  dieser  Flüsse  mit:  Missouri  3096  e.  M.,  Gasconnade  200,  Grand- 
Osage  600,  Mine  50,  Charaton  30,  Grande-Riviere  600,  Debert  30,  Blue- 
Water  50,  Arkansas  1200,  Nodowa  100,  Nemoa  40,  Platte  R.  und 
Nebenflüsse  2000,  Petit  Sioux  60,  Floyd  40,  Big  Sioux  200,  Jacques  300, 
White  R.  600,  Teton  100,  zusammen  9296  e.  M.  Von  all  diesen  Flüssen 
sind  die  wenigsten  zu  Verkehrswegen  von  dauernder  wirthschaftlich  er 
Bedeutung  geworden.  Der  wirklich  bedeutenden  Flussschiffahrtslinien 
gibt  es  auch  heute  bloss  vier  und  es  sind  dies  die  folgenden: 

Mississippi.  Nach  den  Windungen  des  Stromes  gemessen,  kann 
die  schiffbare  Länge  des  Mississippi  von  der  Mündung  bis  zu  dem  höchsten 
Punkte  am  Missouri  auf  8000  und  bis  zu  dem  höchsten  Punkte  am 
Arkansas  oder  am  Tennessee  auf  4800  Kil.  berechnet  werden.  Die  Schiff- 
fahrt auf  dem  Oberen  Mississippi,  d.  h.  zwischen  S.  Paul  Minn.  und 
S.  Louis  Mo.,  ist  aus  verschiedenen  Gründen  erheblichen  Schwankungen 
unterworfen.  N.  von  Keokuk  lo.  kann  man  auf  Eisbedeckung  in  4  —  5 
Monaten  des  Jahres  rechnen.  Die  Stromschnellen  von  Keokuk  lo.  (13  Kil.) 
sind  zwar  durch  einen  Canal  auf  dem  Iowa-Ufer  umgangen  und  die  von 
Rock  Island  111.  sind  durch  Tieferlegung  des  Strombettes  zu  einem  60  m 
breiten  und  selbst  bei  Niederwasser  1,2  m  tiefen  Fahrwasser  verbessert. 
Letzteres  ist  die  für  die  grosse  Schiffahrt  hier  nothwendige  Wassertiefe, 
welche  indessen  nur  4 — 5  Monate  anhält,  während  zu  anderen  Zeiten 
des  Jahres  sie  bis  auf  1  und  sogar  0,9  m  zurückgeht.     Abwärts  S.  Louis 

ß  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  gr» 


402  XI.  Verkehrswege  und  Terkehrsmittel. 

Mo.  ist  die  Schiffbarkeit  fast  ununterbrochen  vorhanden,  auch  für  Dampfer 
und  Segelschiffe  von  bedeutendem  Tiefgang.  Der  durchschnittliche  Wasser- 
stand ist  auf  dieser  Strecke  sehr  günstig.  Die  Zahl  der  Tage,  an  denen 
er  unter  1,2  m  herabgeht,  beträgt  durchschnittlich  3  —  4,  an  137  geht  er 
über  3  m  hinaus.  Erhebliche  Schwierigkeiten  bereiten  der  Mississippi- 
Schiffahrt  in  dieser  Gegend  die  Baumstämme  (Snags),  die  sich  im  Grunde 
festgerammt  haben  und  den  Fahrzeugen  ihre  oft  gefährlich  spitzen  Aeste 
entgegenstrecken,  ferner  die  sehr  oft  wechselnden  Sandbänke,  Treibholz- 
und  Gestrüppanschwemmungen  u.  dgl.  Unterhalb  New  Orleans  ist  die 
Tiefe  des  Mississippi  stellenweise  nahezu  30  m ,  nimmt  aber  sehr  rasch 
ab  jenseits  des  Beginnes  der  Delta -Arme,  an  deren  Ausmündung  durch 
die  sich  absetzenden  Massen  von  Schlamm  jene  Bänke  (Bars)  gebildet 
werden,  über  welchen  nur  noch  3  —  5  m  Wasser  steht.  Diese  Wassertiefe 
genügte  für  die  Schiffe  von  durchschnittlich  4  m  Tiefgang  und  4  —  500  T., 
welche  sonst  den  Handel  von  New  Orleans  mit  fremden  Häfen  vermittelten ; 
seitdem  aber  in  den  letzten  Jahrzehnten  Fahrzeuge  von  5  —  7  m  Tiefgang 
und  bis  zu  5000  T.  in  immer  grösserer  Zahl  New  Orleans  besuchen,  sind 
jene  Schlammbänke  ernsthafte  Hindernisse  des  Verkehres  geworden,  die 
eine  Zeit  lang  sich  so  schwer  erwiesen,  dass  man  schon  lebhaft  von  dem 
^  Verfalle  des  Handels  von  New  Orleans  sprach.  Durch  eine  Congressakte 
vom  3.  März  1875  wurde,  als  die.  schreienden  Uebelstände  endlich  durch- 
greifende Abhülfe  verlangten,  dem  Ingenieur  James  B.  Eads  die  Aufgabe 
übertragen,  den  einen  der  Mündungsarme  des  Mississippi  so  einzudämmen, 
dass  das  zusammengedrängte  Wasser  zu  einem  rascheren  Fliessen  ge- 
zwungen und  dadurch  in  den  Stand  gesetzt  werde,  sich  seine  Wege  selber 
zu  vertiefen.  Die  Dämme  sind  heute  schon  bis  in  das  tiefe  Wasser  an 
der  Mündungsbarre  fortgeführt  und  schon  1876  war  die  Tiefe  von  2,5  m, 
die  vor  der  Eindämmung  über  der  Barre  dieses  Armes  bestanden  hatte, 
auf  mehr  als  6  m  gestiegen  und  die  amtlichen  Prüfungen  dieser  Arbeit 
ergaben,  dass  die  Erreichung  einer  Wassertiefe  von  9  m  nur  eine  Frage 
der  Zeit  sei*).  —  Die  Mississippi -Schiffahrt  hat  ihre  eigene  interessante 
Geschichte.  Vor  der  Zeit  der  Dampf  boote  und  der  Eisenbahnen  ging  die 
ganze  Ausfuhr  des  W.  sammt  den  Reisenden  den  Mississippi  hinab  nach 
New  Orleans  auf  Flachböten,  deren  Bauart  nicht  fester  und  deren  Bequem- 
lichkeit nicht  kostspieliger  sein  durfte  als  vereinbar  war  mit  ihrer  Bestim- 
mung,  nach  der  Ankunft  in  Stücke  zerschlagen  und  verkauft  zu  werden. 


y  1)  Die  letzte  Mittheilung  über  diesen  Canal  lief  im  Oktober  1878  durch 
\/die  Zeitungen  der  V.  St.  Cpt.  Eads  behauptete  in  derselben,  dass  die  Einfahrt 
in  den  Mississippi  durch  den  Jetty-Canal  nun  fast  so  gut  sei  wie  die  des  Hafens 
von  New  York  und  dass  durch  das  hieraus  sich  ergebende  Sinken  der  Frachten 
New  Orleans  im  vergangenen  Jahr  allein  1  600  000  D.  am  Baumwolltransport 
erspart  habe. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  403 

Denselben  Weg  machte  mit  Segeln  und  Rudern  und  unter  Gefahr  und 
Mühen  die  Einfuhr  nach  Ohio,  Indiana,  Kentucky  u.  s.  f.,  aber  die  Schiffe 
brauchten  von  Cincinnati  oder  Louisville  bis  New  Orleans  in  der  Regel  100, 
manchmal  auch  200  Tage.  Es  gab  um  1810  10  Schiffe,  die  gewöhnlich  1  mal 
im  Jahr  die  Fahrt  zwischen  den  genannten  Städten  auf-  und  abwärts 
machten;  sie  luden  100  Tonnen  und  die  Fracht  von  New  Orleans  nach 
Louisville  oder  Cincinnati  betrug  6  —  9  Cents  das  e.  Pfund  (550  —  870  RM. 
die  m.  Tonne).  Schon  20  Jahre  nach  der  Einführung  der  Dampfschiffahrt 
auf  dem  Mississippi  war  die  Dauer  der  Thalfahrt  auf  8  —  9,  der  Bergfahrt 
auf  10—12  und  die  Fracht  auf  47  RM.  p.  m.  T.  gesunken.  1811  war 
es,  dass  das  erste  Dampf  boot,  von  Fulton  gebaut,  den  Ohio  und  Mississippi 
hinab  von  Pittsburg  bis  New  Orleans  fuhr.  Es  trug  den  Namen  der 
letzteren  Stadt.  Die  nächsten  6  Jahre  ruhten  die  Versuche,  theilweise  in 
Folge  der  unruhigen  Zeiten,  und  erst  1817  kam  ein  Dampf  boot  von 
New  Orleans  bis  Louisville  herauf  und  zwar  in  25  Tagen.  Schon  1818 
zählte  man  20  Dampfer  mit  3642  T.,  1821  72,  1829  200  mit  35000  T. 
Ihr  Bau  war  nicht  für  die  Dauer,  man  construirte  sie  ganz  aus  Holz; 
auch  die  Dampfmaschinen  waren  nicht  die  besten,  und  man  schätzte  ihre 
Dauer  im  Allgemeinen  nicht  über  4  —  5  Jahre;  dafür  waren  sie  aber 
2  —  3  mal  so  billig  wie  die  europäischen  Boote  von  derselben  Grösse  und 
Tragkraft.  Gleichzeitig  hatte  aber  trotz  diesem  rapiden  Anwachsen  des 
Dampferverkehrs  der  Verkehr  mit  Flachböten  nicht  ab-,  sondern  zuge- 
nommen, denn  die  Schiffer  machten  jetzt  die  Reise  zu  Berg  in  1  —  2 
Wochen  und  hatten  so  die  Möglichkeit,  die  Thalfahrt  mit  ihren  grossen 
Frachtböten  3 — 4  mal,  statt  wie  früher  1  mal,  im  Jahr  zu  machen,  und  in 
der  That  wurde  1835  der  Betrag  des  direkten  Verkehres  per  Dampfboot 
von  New  Orleans  mit  seinem  Hinterland  auf  14000  und  per  Flach- 
boot auf  160— 180000  T.  geschätzt»).  —  Von  den  Nebenflüssen  des 
Mississippi  ist  der  Arkansas  1300,  der  Red  R.  d.  S.  800  Kil.  bis  Shreve- 
port,  aber  nur  in  den  8  wärmeren  Monaten  des  Jahres,  bis  Alexandria 
aber  bei  jedem  Wasserstande  schiffbar;  der  White  R.  ist  bis  zur  Black  R.- 


1)  Die  grössten  Boote,  die  jetzt  auf  dem  Mississippi  gehen,  sind  104  m  lang 
und  27  breit.  Auf  den  Werften  von  Jeffersonville  Ind.  sollte  1878  der  grösste 
Mississippi  -Dampfer  (96  m  lang,  29  m  breit,  12  m  Schaufeldurchmesser,  10  000 
Ballen  Baumwolle  Tragfähigkeit)  fertig  gestellt  werden.  Der  Transport  von 
schweren  Massen,  vorzüglich  Kohle  und  Eisenerz,  wird  auf  dem  Ohio  und  Mis- 
sissippi in  grossen  Flachbooten  besorgt,  die  in  grösserer  Zahl  (bis  zu  32)  mit 
einander  fest  verbunden  sind  und  von  einem  hinter  ihnen  angebrachten  starken 
Dampfer  (Tug-boat)  vorwärts  gestossen  werden.  Diese  zusammengeketteten  Massen 
sind  bis  über  120  m  breit  und  lang  und  es  sind  deshalb  für  die  neueren 
Brücken  über  den  Ohio  und  Mississippi  Bogen  von  150  m  Spann  und  darüber 
angenommen  worden.  Uebrigens  sind  auch  auf  dem  oberen  Mississippi  Flösse 
von  90  m  Breite  und  150  m  Länge  häufig. 


404  XI.  "Verkehrswege  und  Yerkehrsmittel. 

Mündung  (500 Kil.),  Francis R.  ca.  450Kil.,  der  Yazoo  die  ganze  Länge 
seines  Laufes  bis  zur  Mündung  (gegen  500  Kil.)  zugänglich.  Der  Missouri 
wird  von  Dampfern,  meist  nur  im  Interesse  der  Yerproviantirung  der 
Militärposten,  bis  Ft.  Benton  Dak.  befahren,  aber  nicht  regelmässig.  Seit 
der  Erbauung  der  Pacificbahnen  wird  seine  Schiffbarkeit  nicht  mehr  für 
den  grossen  Waarenverkehr  benützt.  Oberhalb  Omaha  ist  schon  wegen 
der  geringen  Anzahl  der  Anwohner  der  Verkehr  gering. 

Ohio.  Das  grossartigste  und  wohlthätigste  System  von  Strassen  der 
Binnenschiffahrt  ist  neben  dem  des  Mississippi  und  des  Erie-Canals  das 
des  Ohio,  welches  nur  einige  kurze  Canalstrecken  und  eine  geringe  Länge 
canalisirten  Flusslaufes  umschliesst,  in  seiner  grössten  Ausdehnung  aber 
aus  im  natürlichen  Zustande  befindlichen  Flusslaufe  besteht.  Es  beginnt 
dieses  System  in  seinem  wichtigsten  östlichen  Abschnitt  mit  dem  in  einer 
Erstreckung  von  139  Kil.  von  New  Geneva  Penn,  bis  Pittsburg  canalisirten 
Monongahela,  welcher  die  natürliche  Verkehrsader  des  Alleghany- 
Kohlenbeckens  ist;  ausser  ihm  ist  noch  ein  kleiner  Zufluss,  der  You- 
ghiogheny,  canalisirt,  welcher  in  den  Mittelpunkt  der  Cokserzeugung, 
Connelsville  Penn.,  führt.  Von  den  über  4  Mill.  T.  Kohlen  und  Coks, 
die  1875  nach  Pittsbürg  kamen,  wurde  trotz  concurrirender  Eisenbahnen 
die  Mehrzahl  auf  diesem  Wasserwege  verschifft.  In  Pittsburg  schliesst 
sich  derselbe  an  die  Ohio-  und  Mississippi-Schiffahrt  an,  mit  der  zusammen 
auf  diese  Weise  zwischen  W.  Pennsylvania  und  New  Orleans  ein  ununter- 
brochener Wasserweg  von  3500  Kil.  hergestellt  wird.  Der  Ohio  bietet  bei 
veränderlichem  und  im  Ganzen  überhaupt  nicht  grossen  Wasserstande  der 
Schiffahrt  einige  Schwierigkeiten,  aber  regelmässig  unterbrochen  wird 
dieselbe  doch  nur  durchschnittlich  14  Tage  des  Jahres  durch  Eisgang  und 
Hochfluten.  Unterbrechungen  in  Folge  zu  niedrigen  Wasserstandes  kommen 
in  Ausnahmsjahren  vor.  Man  spricht  davon,  das  ungleiche,  bald  schlam- 
mige, bald  felsige  Bett  des  Ohio  durch  Parallelwerke  und  Buhnen  zu 
reguliren.  —  Von  den  Ohio -Nebenflüssen  ist  Tennesse  e  in  zwei  Ab- 
schnitten unterhalb  und  oberhalb  der  Muscle  Shoals  schiffbar,  dort  480, 
hier  gegen  320  Kil.  Der  höchste  Punkt  der  Schiffbarkeit  ist  Knoxville. 
Der  Cumberland  ist  nur  bei  gutem  Wasserstande  bis  Nashville  zu  be- 
fahren (320  Kil.) ,  Green  R.  bei  hohem  Wasser  und  mit  Hülfe  von 
Schleusen  bis  Greensburg  (330  Kil.),  Licking  bis  Falmouth  (80  Kil.). 

S.  Lorenz  und  die  Grossen  Seen.  Der  S.Lorenz-Strom,  der 
mit  seinem  klaren  grünen  Wasser  und  der  sich  immer  gleich  bleibenden 
Fülle  desselben  —  die  Sammelbecken  der  Grossen  Seen  reguliren  ihn  so, 
dass  sein  höchstes  und  tiefstes  Niveau  gewöhnlich  nicht  über  50  cm  aus 
einander  liegen  —  und  mit  seinem  lebhaften  Fliessen  in  mächtigem  Felsen- 
bett als  der  schönste  unter  den  nordamerikanischen  Flüssen  gilt,  besitzt 
für  den  Schiffer  viel  weniger  Reize ;  dieses  Felsenbett  bedingt  eine  Masse  von 
Klippen,    welche    als   die    Thousand    Islands    ebensosehr    das    Entzücken 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  405 

des  Naturfreundes  als  durch  ihre  engen  Passagen  und  späterhin  durch 
die  Stromschnellen,  zu  denen  sie  Veranlassung  geben,  der  Schrecken  der 
Schiffer  sind.  Dazu  kommen  die  Niagara-Fälle,  welche  den  Eingang  in 
den  Eric -See  und  damit  in  die  grosse  obere  Seeregion  ebenso  verbarri- 
kadiren  wie  jenes  Klippengewirr  den  in  den  Ontario,  ferner  noch  die 
Schwierigkeiten  der  Schiffahrt  in  den  Canälen,  welche  die  verschiedenen 
Seen  verbinden.  So  sehr  dieser  natürliche  Wasserweg  durch  seine  Grösse 
und  äusserst  günstige  Lage  und  Richtung  den  Verkehr  zwischen  dem  für 
europäischen  Verkehr  günstigst  gelegenen  Theil  von  Nord -Amerika  und  dem 
Herzen  des  Continentes  ermuthigt,  so  sehr  scheint  er  ihn  auf  der  anderen 
Seite  durch  gehäufte  Schwierigkeiten  abzuschrecken.  Indessen  ist  die 
Mehrzahl  derselben  heute  so  weit  beseitigt,  dass  sogar  Schiffe  von  dem 
verhältnissmässig  beträchtlichen  Tiefgang  von  2V2  m  bis  in  die  hinterste 
Secregion,  bis  Chicago  und  Fond  du  Lac  zu  gelangen  vermögen.  Die 
Canalisirungen,  durch  welche  dieses  wichtige  Ergebniss  erreicht  ist,  sind 
vorzüglich  die  des  S.  Lorenz  selbst,  die  Umgehung  der  Niagara  -  Fälle 
durch  den  Welland-Canal  und  die  Vertiefung  des  S.  Mary's  R.  Was  den 
Fluss  selbst  anbetrifft,  so  hat  die  Untersuchung  der  Hindernisse  gezeigt, 
dass  dieselben  für  Schiffe  von  2,7  m  Tiefgang  nur  auf  verschiedenen 
kleineren  Strecken  von  zusammen  8  g.  M.  in  Betracht  kommen.  Kleinere 
Schiffe  überwinden  dieselben  bei  der  Thalfahrt  mit  so  wenig  Schwierig- 
keiten, dass  für  sie  der  gerade  Weg  vom  Eintritt  des  Niagara  R.  in  den 
Ontario-See  bis  ans  Meer  offen  steht;  nur  bei  der  Bergfahrt  benützen  sie  ^ 
einen  Canal,  der  die  Stromschnellen  zwischen  Montreal  umgeht.  Bei  der 
weit  n.ö.  Lage  bleibt  nach  all  diesen  Verbesserungen  das  einzige  grosse 
Hinderniss  des  kalten  Klimas.  S.  Lorenz  (und  der  in  seinem  Stromgebiet 
liegende  Champlain-See)  ist  5  Monate  des  Jahres  wegen  Eis  unbeschiffbar. 
Ueber  die  Grossen  Seen  s.  u.  S.  407  f. 

Der  Hudson  erhält  seine  grosse  Wichtigkeit  für  den  Verkehr  vor- 
züglich durch  die  Verbindung  mit  wichtigen  Canälen,  die  von  ihm  aus- 
strahlen. Er  ist  zwar  an  und  für  sich  ein  für  die  Schiffahrt  ungemein 
günstiger  Fluss.  Gehen  doch  die  Gezeiten  in  ihm  bis  nach  Troy  *),  also 
235  Kil.,  und  ebensoweit  wird  er  von  grossen  Dampf  booten  befahren.  Nur 
von  Van  Wye  Point  bis  Albany,  Troy  und  Waterford  erstrecken  sich  auf 
einer  Länge  von  22  Kil.  Sandbänke,  welche  im  Sommer  nicht  mehr  als 
1,5  — 1,8  m  Wasser  haben  und  daher  den  Schiffen,  welche  der  Mehrzahl 
nach  mehr  als  1,8  m  Tiefgang  besitzen,  gefährlich  sind.  Im  Uebrigen  ist 
der  Hudson  tief  und  breit  genug,  um  Dampfer  von  mehreren  1000  T.  bis 
nach    Troy    hinaufzutragen  und    daneben   ohne   Schwierigkeit    die    ganze 


1)  Man  begreift,  dass  sein  Entdecker  Hendricks  Hudson  in  ihm  einen 
Meeresarrn  vermuthete,  da  er  mit  seinem  Schiff  bis  in  die  Nähe  von  Albany 
ungehindert  heraufkommen  konnte. 


406  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

Menge  von  Schleppern  und  Canalbooten  aufzunehmen,  welche  aus  den 
Canälen  des  W.  mit  Getreide  u.  a.  Massengütern  nach  New  York  gehen. 
Die  mittlere  Dauer  seines  Geschlossenseins  durch  Frost  ist  91  Tage,  die  ge- 
wöhnlich zwischen  das  letzte  Va  des  December  und  den  halben  März  fallen. 
Einige  kleinere  schiffbare  Flüsse  von  Bedeutung^).  An 
der  s.  atlantischen  Küste  münden  einige  Flüsse,  die  durch  ihre  Schiffbar- 
keit erhebliche  Bedeutung  für  den  örtlichen  Verkehr  gewinnen.  In  der 
Chesapeake  Bay  wird  wichtig  durch  die  Lage  von  Baltimore  der  Patapsco, 
der  bis  Baltimore  (23  Kil.  oberhalb  seiner  Mündung)  grosse  Seeschiffe 
trägt.  Der  Potomac  ist  bis  Washington  (320  Kil.)  für  Linienschiffe  zu- 
gänglich und  bis  Harpers  Ferry  für  kleinere  Boote.  James  R.  ist 
160  Kil.  bis  Richmond  schiffbar.  Auf  den  Flüssen  N.  Carolinas  können 
Dampf  boote  130  Kil.  den  Neuse  bis  Kingston,  160  den  Tar  bis  Tar- 
borough,  200  den  Roanoke  bis  Halifax  hinaufgehen.  Denen  S.  Carolinas 
wird  eine  gesammte  Schiffbarkeit  von  ca.  4000  Kil.  zugeschrieben,  aber 
nur  auf  den  Santee,  Great  Pedee  (bis  Cheraw)  und  Wateree  (bis 
Camden)  ist  dieselbe  von  Bedeutung.  Der  Savannah  ist  für  See- 
schiffe, bis  Savannah  und  für  Flussdampfer  bis  Augusta  (370  Kil.)  gangbar. 
Ocmulgee  ist  bis  Macon,  Chattahoochee  bis  Columbus  (gegen 
500  Kil.)  schiffbar.  Der  S.  Johns  in  Florida  ist  bei  dem  für  Eisen- 
bahnbau wenig  geeigneten  sumpfigen  Charakter  dieser  Halbinsel  und 
seinem  grossen  Wasserreichthum ,  der  ihn  noch  250  Kil.  oberhalb  der 
Mündung  2  Kil.  breit  sein  lässt,  einer  der  für  den  Verkehr  wichtigsten 
Flüsse   des  S.     Dampf  boote  gehen  bis   Enterprise   (370  KU.),   Seeschiffe 

yhis  Jacksonville  (40  Kil.)  und  sammt  seinen  Nebenflüssen  soll  er 
1600  Kil.  schiffbare  Länge  darbieten.  Von  den  Golfflüssen  ist  der 
Alabama  760  Kil.  bis  Wetumpka  schiffbar.  Auf  (fieser  Strecke  sind 
gegen  200  Landeplätze.  Im  Black  Warrior  gehen  Schiffe  bis  Tusca- 
loosa  (660  Kil.).  Von  den  texanischen  Flüssen  bietet  der  Rio  Bravo 
nur  kleinsten  Dampfern  Zugang  bis  Kingsbury  Rapids  (720  Kil.),  im  B  r  a  z  o  s 
gehen  Dampfer  bis  Columbus  (65  Kil.)  und  nur  bei  Hochwasser  500  Kil. 
weit  bis  Washington.      Im   Texas-Colorado   gehen   Dampfer   bis    zur 

^  Staatshauptstadt  Austin  (480  Kil.),  im  Nueces  160  Kil.  Der  Colorado 
des  W.  ist  bei  der  Menschenleere  seiner  Ufer  für  die  Schiffahrt  von 
geringem  Werth.  Es  gelangen  Boote  von  ca.  0,5  m  in  10  Tagen  bis 
Hardyville,  ca.  700  Kil.  oberhalb  der  Mündung,  die  Schiffahrt  ist  jedoch 
möglich  bis  Callville  (ca.  900  Kil.).  Im  Sacramento  gehen  Dampfer 
von  Im  bis  Sacramento,  kleinere  bis  Red  Bluff.  Der  S.  Joaquin  ist 
für  Dampfer  von  1,5  m  bis  Stockton  (200  Kil.  oberhalb  S.  Francisco),  bei 
Hochwasser  aber  für  kleinere  Schiffe  sogar  bis  Fresno  schiö'bar. 


) 


1)  Unter  schiffbar  ohne  nähere   Erläuterung   verstehen   wir  zugänglich  für 
Dampfboote  von  ca.  1,5  m  Tiefgang. 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  407 

Die  Flussdampfer  des  W.  sind  sehr  flache,  mit  dem  Unterdeck  wenige 
Zoll  bis  10  Fuss  aus  dem  Wasser  hervorragende  Boote.  Das  Unterdeck 
trägt  die  Maschine  (Hochdruck),  das  Heizmaterial  und  den  schweren  Theil 
der  Ladung.  Wenig  hoch  darüber  folgt  das  Boüer-decJc,  auf  welchem  die 
Passagierräume  in  Form  eines  langen  Häuschens  sich  erheben,  darüber  das 
Ilurricanc-dcck,  welchem  entweder  noch  der  Wohnraum  für  die  Mannschaft 
oder  nur  das  Steuerhäuschen  aufgesetzt  ist.  Diese  Boote  sind  sehr  leicht 
gebaut,  oft  geradezu  roh  zusammengeschlagen.  Ihr  Preis  ist  durch- 
schnittlich die  Hälfte  eines  eben  so  grossen  Flussdampfers  in  Deutschland 
oder  Frankreich.  Die  Unglücksfälle  sind  zahlreich.  1876/77  gab  es  auf 
diesen  Flüssen  1048  Dampfer  mit  226000  T.^). 

Schiffahrt  auf  Binnenseen.  Als  1818  das  erste  Dampfboot 
Walk  in  tJie  Water  auf  dem  Erie-See  erschien,  betrug  der  gesammte 
Tonnengehalt  der  Schiffe  auf  den  vier  oberen  der  Grossen  Seen  nur 
1000  T.  1825  fanden  sich  neben  dem  einen  Dampf boot  nur  30  —  40 
kleine  Segelschiffe  von  zusammen  2500  T.  Der  Weiland  -  C anal  (1829) 
und  der  Ohio-Canal  (1832),  welche  die  Grossen  Seen  in  Verbindung  setzten 
mit  dem  S.  Lorenz  und  Ohio  -  Mississippi,  die  in  dieselbe  Zeit  fallende 
Vollendung  der  ersten  grösseren  Hafenbauten,  welche  die  V.  St.  an  ihren 
Küsten  ausführte,  endlich  die  Zunahme  der  Bevölkerung  in  der  ganzen 
Seeregion  hatte  schon  1836  die  Zahl  der  Dampfer  auf  45  mit  9017  und 
die  der  Segelschiffe  auf  211  mit  1503  T.  gebracht.  1839  waren  auf  den 
auf  286  angewachsenen  Schiffen  der  Grossen  Seen  3000  Menschen  be- 
schäftigt. Dampfboote  gab  es  zu  dieser  Zeit  auf  dem  Oberen  See  noch 
nicht,  da  nicht  bloss  seine  Ufer  fast  noch  ganz  von  Indianern  bewohnt 
waren,  sondern  auch  der  Zugang  durch  S.  Mary's  R.  durch  dessen  Schnellen 
für  alle  grösseren  Schiffe  unmöglich  gemacht  war.  1840  gab  es  schon 
11  Dampfer  mit  je  über  400  T.  Gehalt  auf  diesen  Gewässern  und  seitdem 
ist  das  Wachsthum  ein  fast  stetiges  gewesen.  Im  Fiskaljahr  1876/77 
zählte  man  auf  den  Seen  des  Nordens  1643  Segelschiffe  (331479  T.), 
921  Dampfer  (201742  T.),  441  Canalboote  (34  386  T.)  und  188  Barken 
(45  584  T.).  (S.  Näheres  unter  „Rhederei".)  Fast  alle  diese  Schiffe 
gehören  den  fünf  Grossen  Seen  an.  Und  dabei  hat  die  Natur  in 
dieser  Gegend  nur  wenig  in  Hinsicht  der  Häfen  gethan  und  sind  die 
Witterungsverhältnisse   für    die   Schiffahrt   keineswegs    die   günstigsten  2). 


1)  Für    1876    wurde    der    Verlust    an    Gütern    und    Menschenleben    durch  y^ 
Dampfschiffunfälle   auf  den  Flüssen    des  W.    der  V.  St.    auf  5  Va  Mill.  D.  und 

70  Seelen  angegeben.     (D.  Allg.  Polytechn.  Z.  1878.) 

2)  Aus  einem  Verzeichniss  der  Schiffsunfälle  auf  den  Grossen  Seen  für  die 

8  ersten  Monate  des  Jahres  1872,   welches  im  Annual  Rep.  of  the  Chief  Signal    ' 
Officer  for  1872  mitgetheilt  ist,    geht  hervor,    dass   durch  Sturm  3  Unfälle  im 
März,  10  im  April,   12  im  Mai,  3  im  Juni,  7  im  Juli  und  15  im  August,   durch 


408  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel 

Die  Küsten  der  Grossen  Seen  sind  ungemein  arm  an  Häfen,  die  für  den 
grossen  Verkehr  überhaupt  nutzbar  sind.  Die  40  Häfen,  die  jetzt  dort 
sich  finden,  sind  alle  erst  seit  den  letzten  50  Jahren  entweder  angelegt 
oder  doch  vertieft  und  erweitert  worden  und  werden  heute  von  Dampfern 
besucht,  die  1500 — 2000  T.  haben.  Die  Schiffahrt  der  Binnenseen  im 
D,  New  York ,  vor  allen  des  Champlain-See,  ist  ganz  in  das  Canalnetz 
hineingezogen  und  wird  dort  zu  erwähnen  sein.  Im  W.  ist  der  Grosse 
Salzsee  der  einzige,  der  hier  in  Frage  kommen  könnte,  er  trägt  kleine 
Dampfer,  die  indessen  nur  dem  örtlichen  Verkehre  dienen.  —  Auf  den 
Grossen  Seen  ruht  Februar  und  März  die  Schiffahrt  völlig,  aber  aus  dem 
Hafen  von  Chicago  liefen  aus  z.  B.  im  December  1874  noch  86,  im  darauf- 
folgenden Januar  und  April  2  und  179  Schiffe.  In  den  kleineren  Häfen 
ruht  die  Schiffahrt  oft  die  ganzen  4  Monate  December  bis  März  hindurch. 

IV.  Die  Oanäle.  Der  grösste  Theil  der  Canäle  der  V.  St. 
gehört  der  Vor-Eisenbahnzeit  an.  Die  letzten  drei  Jahrzehnte  haben 
nur  noch  Vollendungen  und  Ausbesserungen,  aber  keine  grossen  An- 
lagen mehr  gesehen,  denn  die  Eisenbahnen  erwiesen  sich  schon  früh 
als  so  mächtige  Concurrenten  der  Canäle,  dass  die  Hoffnung,  das  ganze 
Land  mit  einem  grossen  Canalnetze  zu  überziehen,  welche  man  in 
den  20  er  und  30  er  Jahren  nicht  bloss  gehegt,  sondern  auch  schon 
auszuführen  begonnen  hatte,  schon  im  zweiten  Jahrzehnt  der  Eisen- 
bahnen nicht  mehr  mächtig  genug  war,  um  die  Capitalien  zur 
Vollendung  auch  nur  einiger  Fäden  in  diesem  grossen  Netze  auf- 
zubringen. Bis  1840  monopolisirte  z.  B.  der  Erie-Canal  in  seinem 
Gebiete  allen  durchgehenden  Verkehr,  aber  von  dieser  Zeit  an  gab 
er  mit  jedem  Jahr  eine  Anzahl  Procente  von  demselben  an  die 
Eisenbahnen  ab,  bis  er  1876  auf  einen  Antheil  von  15  Proc.  ge- 
sunken war.  Und  doch  ist  er  bis  heute  der  einzige,  welcher  das 
Ideal  transalleghanyscher  0.  und  W.  verbindender  Wasserstrassen 
verwirklicht ;  alle  anderen  sind  am  Fuss  der  Berge  stehen  geblieben. 
Welche  Wandlungen  das  Verhältniss  von  Eisenbahnen  und  Canälen 
in  den  V.  St.  durchgemacht,  zeigt  sehr  gut  eine  Zusammenstellung 
des  Erie  C.  mit  den  beiden  concurrirenden  Eisenbahnlinien  New 
York  Central  und  New  York   and  Erie ,   von   denen   die  erstere   in 


Eis  1  im  Januar,  6  im  Februar,  4  im  März,  1  im  April  und  13  im  Mai,  durch 
Nebel  5  im  Mai  und  je  1  im  April,  Juni,  Juli  und  August  erzeugt  wurden.  Im 
Mai  fanden  2  Unfälle  durch  starken  nebelartigen  Rauch  statt,  der  von  Wald- 
oder Präriebränden  herrührte. 


XI,  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  409 

der  hier  in  Betracht  kommenden  Hauptlinie  eine  Länge  von  714,  die 
andere  von  688  Kil.  (Erie-Canal  562,  mit  Hudson  806  Kil.)  besitzen : 


Frachtmenge  in  T. 

1856 

1860 

1872 

1876 

Erie  C.  und  Hudson  .     . 

2  141  400 

2  789  589 

3  619  560 

ca.  1950  000 

New  York  Central  R.  R. 

788  029 

1  044  633 

4  964  263 

-     6  803  680 

New  York  and  Erie  R.  R. 

958  306 

1 157  786 

5  653  302 

5  922  966 

Der  Erie-Canal  und  Hudson  nahm  also  1856  55,  1860  56, 
1872  25,  1876  aber  nur  noch  15  Proc.  des  Gesammtverkehres  dieser 
drei  Hauptlinien  in  Anspruch.  1878  kamen  von  Eröffnung  der 
Schiffahrt  bis  zum  30.  November  in  Buffalo  73  Mill.  B.  Getreide 
an.  8130  Canalboote  verliessen  in  derselben  Zeit  den  Hafen.  Nach 
dem  Getreide  war  Bauholz  mit  87  Mill.  F.  der  wichtigste  Versandt- 
artikel. Die  Menge  der  Fracht  auf  den  Canälen  ist  nahezu  um  die 
Hälfte  herabgegangen,  diejenige  auf  den  Eisenbahnen  hat  sich  fast  ver- 
doppelt, während  gleichzeitig  die  Frachtkosten  sich  auf  diesen  erheb- 
lich vermindert  haben  und  dagegen  auf  jenen  sich  gleich  geblieben 
sind  ^).  Und  doch  handelt  es  sich  hier  noch  um  die  günstigst  gelegene 
und  durch  grossartige  Anlage  zur  Concurrenz  mit  den  Eisenbahnen 
in  hervorragendem  Masse  befähigte  Canalstrecke  des  bevölkertsten 
und  verkehrsreichsten  Staates.  In  anderen  Gegenden  haben  sich 
die  Verhältnisse  viel  ungünstiger  für  die  Canäle  gelagert,  z.  Th. 
weil  die  Anlagekosten  bedeutender  waren,  z.  Th.  auch  wegen  un- 
zulänglicher Anlage,  welche  durch  geringe  Tiefe  und  Breite  die 
Möglichkeit   grösserer  Entwicklung   des  Verkehres  von  vornherein 


1)  Der  geringe  Frachtüberschuss  auf  Seite  der  Eisenbahnen,  welcher  noch 
bleibt,  fällt  hierbei  nicht  ins  Gewicht  wegen  der  viel  grösseren  Pünktlichkeit 
der  Ablieferungen  per  Eisenbahn  und  weil  keine  Umladung  früher  stattzufinden 
braucht  als  im  Hafen,  wo  die  grossen  Eisenbahngesellschaften  alles  gethan  haben, 
um  die  Umladung  auf  die  Schiffe  zu  beschleunigen.  Besondere  Verträge  mit 
den  Dampferlinien  sichern  billige  Oceanfracht.  Dass  bei  den  Summen,  um  die 
es  sich  besonders  beim  Ti'ansport  des  Getreides  aus  dem  Inneren  nach  den 
Häfen  handelt ,  eine  Ersparung  von  Wochen  mehr  bedeutet  als  von  ebensovielen 
Vio  Cents,  liegt  auf  der  Hand.  Dazu  nehme  man  die  Unterbrechung  in  der 
Gefrierzeit.  Die  Eröffnung  des  Erie  -  Canals  fand  von  1846  —  78  am  frühesten 
am  1.  April,  am  spätesten  am  18.  Mai,  der  Schluss  am  frühesten  am  25.  November, 
am  spätesten  am  20.  December  statt.  Die  durchschnittliche  Zeit  des  Offen- 
bleibens sind  7  Monate. 


410  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

beschränkte*),  vorzüglich  aber  wegen  der  Concurrenz  der  Eisen- 
bahnen, die  bei  weniger  grossen  und  zusammenhängenden  Canal- 
systemen  sich  leichter  zur  Geltung  bringen  konnte.  Heute  ist  selbst 
der  Erie-Canal  nicht  mehr  rentabeP)  und  in  Kürze  wird  die  Re- 
gierung, die  noch  heute  ihn,  wie  auch  den  Oswego-,  Champlain- 
und  Chemung-Canal  besitzt,  von  der  Erhebung  einer  Canalgebühr 
ganz  absehen  müssen^).  Andere  werden  gar  mit  Verlust  betrieben,  so 
die  in  den  Besitz  einer  Bergwerksgesellschaft  übergegangenen  Lehigh- 
und  Delaware-Division- Canäle,  oder  sind  von  Eisenbahngesellschaften 
ihrem  Bahnnetz  eingegliedert  worden ,  in  welchem  sie  meist  eben- 
falls keine  Erträge  abwerfen,  wie  die  Schuylkill-  und  Susquchanna- 
Canäle,  welche  von  der  Philadelphia -Reading- Eisenbahngesellschaft 
gepachtet  oder  fest  erworben  sind,  oder  wie  das  grosse  System  des 
Pennsylvania-Canales ,  das  in  den  Händen  der  Pennsylvania-Eisen- 
bahn gegenwärtig  fast  ohne  Bedeutung  ist,  oder  wie  einzelne  Strecken 
der  grossen  Canäle  von  Ohio,  die  gänzlich  verkehrslos  oder  sogar 
zur  Unterlage  von  Eisenbahnen  umgeschaffen  sind.  Allerdings  ist 
hierbei  auch  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  die  am  unrentabelsten 
gewordenen    und    ihrer    ursprünglichen    grossen    Bestimmung     am 


1)  Es  ist  nicht  zweifelhaft,  dass  eine  rechtzeitige  Verbreiterung  der  Canäle 
ihr  Unterliegen  gegenüber  den  Eisenhahnen  verzögert  haben  würde.  Bei  Buffalo 
lagen  die  Canalboote  bei  dem  grossen  Verkehr  der  50er  und  60  er  Jahre  oft  in 
einer   über   IV'2  g.  M.   langen  Reihe,  um   auf  die   Möglichkeit   der   Durchfahrt 

ydurch   die  Schleusen  zu  warten.     Verzögerungen   von  Wochen  waren   gerade  in 
der  verkehrsreichsten  Zeit  des  Jahres  häufig. 

2)  An  einem  Theil  des  Ausfalls  von  14789848  D.,  den  er  von  1869/74  bei 
15  Mill.  Brutto-Einnahmen,  9  Mill.  ordentlichen  und  11  Mill.  ausserordentlichen 
Ausgaben ,  sowie  8,8  Mill.  Zinsen  und  Nebenausgaben  aufwies ,  war  allerdings 
auch  einer  jener  Betrüger  -  Rings  schuld,  welcher  den  Canal  bzw.  die  Staats- 
finanzen ausbeutete.  „Aber  die  Rentabilität  des  Erie  -  Canals  war  nie  gross." 
(F.  Kapp's  Bericht  über  die  Canal -Frage  im  D.  Canal -Verein.  Z.  d.  V,  D. 
Eisenbahn -Verwaltungen  1878.  223.) 

3)  Schon  jetzt  hat  man  mit  der  Verminderung  der  Boote  auf  demselben 
begonnen,  indem  statt  500,  die  nothwendig  wären,  1875  und  76  nur  je  88  gebaut 
wurden,  und  vielleicht  wird  man  noch  weiter  gehen.  Der  Sekretär  der  Handels- 
kammer von  New  York,  Stevens,  sagt  wenigstens  in  seinem  Bericht  von  1877  : 
„Wir  verdanken  unsere  ganze  Blüthe  und  Bedeutung  im  Handel  dem  Erie-Canal, 
unsere  Grösse  hat  1825  mit  diesem  Canal  angefangen;  aber  jetzt  ist  es  damit 
vorbei,  wir  müssen  uns  umsehen,  wie  wir  den  übrigen  Häfen  Concurrenz  macheu 
können.  Das  geht  mit  dem  Canal  nicht,  wir  haben  deshalb  anderweitig  erleichterte 
Verkehrsbedingungen  zu  schaffen."     (Cit.  bei  Kapp  a.  a.  0.) 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  411 

meisten  entfremdeten  Canäle,  die  von  Pennsylvanien  und  dem 
Ohio-Gebiet,  von  Privatgesellschaften  gebaut  und  unterhalten  und 
daher  nie  mit  dem  grossen  Aufwände  und  der  Planmässigkeit  wie 
die  Staatscanäle  von  New  York  oder  Illinois  den  steigenden  Anforde- 
rungen des  Verkehres  angepasst  und  nicht  ganz  ohne  Rücksicht 
auf  den  Ertrag  betrieben  werden  konnten.  Es  scheinen  am  Ende 
nur  noch  so  wichtige  und  mit  der  grössten  Sorgfalt  ausgebaute  und 
unterhaltene  Canäle  wie  Erie-  und  Illinois  -  Michigan ,  oder  tiefe 
Küstencanäle ,  welche  die  Küstenschiffahrt  erleichtern*),  von  dem 
einst  so  weit  ausgedehnten  Canalnetz  der  V.  St.  als  bedeutende 
Verkehrswege  übrig  bleiben  zu  sollen,  während  alle  übrigen  zuletzt 
nur  noch  dem  örtlichen  Verkehr  dienen  oder  sogar  ganz  aufgegeben 
sein  werden. 

Das  Canalsystem  des  Staates  New  York  ist  durch  Lage  und 
Grösse  das  wichtigste.  Es  umfasst  3  Caiialgruppcn  von  zusammen  1498  Kil. 
(931,2  e.  M.)  und  verbindet  Erie-,  Ontario-  und  Champlain -See  mit  dem 
Hudson  und  damit  die  ganze  Seeregion  mit  dem  Emporium  Amerikas, 
New  York.  Hauptcanal  ist  der  im  Jahre  1825  eröffnete  Eric-Canal,  welcher 
bei  Buffalo  am  Erie-See  und  nahe  beim  Niagara -Fluss  beginnt,  bis  Lock- 
port zu  115  m  über  den  See  ansteigt,  bei  Rochester  am  Ontario-Sce  den 
Genesce-Fluss  überschreitet,  dann  von  Rome  an  in  dem  Thal  des  Mohawk 
R.  über  Schenectady  zum  Hudson  R.  führt,  den  er  bei  Albany  erreicht. 
Der  grössere  Theil  der  Canalspcisung  geschieht  aus  dem  Erie-See,  ein 
geringerer  Theil  des  Wassers  wird  den  kleineren  Hochebenenseen  des  n. 
New  York,  vorzüglich  dem  Seneca-  und  Cassenovia-See,  sowie  künstlich 
angelegten  Reservoirs  entnommen.  Die  Oberflächenbreite  betragt  21,3, 
die  Sohlenbreite  17  und  die  Wassertiefe  2  m.  Die  Zahl  der  Schleusen 
beträgt  72.  Die  Canalboote,  welche  alle  nach  Einem  Typus,  der  Grösse 
und  Gestalt  der  Schleusenkammern  entsprechend,  gebaut  sind,  laden 
4—5000  Centner  und  machen  den  Weg  von  Buffalo  nach  Albany  in 
durchschnittlich  243  Stunden  unter  Benützung  von  Zugthieren.  Den 
Hudson  hinab  werden  die  Canalboote  von  Dampfern  geschleppt,  wobei 
ein  Dampfboot  bis  80  derselben  ins  Schlepptau  nimmt  und  damit  doch 
noch  3,2  Kil.  p.  Stunde  macht.  Die  ursprüngHchen  Anlagekosten  des 
Erie- Canals  betrugen  32  680000  RM.  (7  600000  D.),  mit  den  späteren  Er- 
weiterungen,  Vertiefungen,   den  Ladeeinrichtungen  u.  s.  f.  sollen  sich  die 


1)  Etwa  so  wie  der  jetzt  projektirte  Chesapeake  -  Delaware  -  Canal,  welcher 
den  Wasserweg  von  Baltimore  nach  New  York  um  225  e.  M.  abkürzt  und  17  e.  M. 
lang  werden  und  4  Mill.  D.  kosten  soll. 


412 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


Gesammtkosten  auf  187  647  700  M.  (43  639  000  D.)  belaufen, 
canälen  sind  besonders  hervorzuheben : 


Von  Zweig- 


Länge 

Verbindet 

Kil. 

Flüsse,  Seen,  Canäle 

Städte 

Genesee-Valley  C. 

195 

Erie  S.— Alleghany  R. 

Rochester —  Olean 

Cayuga  and  Seneca  C. 

37 

Erle  C—  Cayuga  L.  und 
Seneca  L. 

Montezuma  —  Elmira 

Crooked  L.  C.   .     .     . 

13 

Seneca  und  Crooked  L. 

—              _ 

Chemung  C.  .     .     .     . 

37 

Seneca  L. —  Tioga  R. 

Elmira  —  Corning 

Oswego  C 

61 

Ontario  S.— Erie  C. 

Oswego  —  Syracuse 

Black  R.  C 

57 

ErieC— Ontario-S. 

Rome  —  Lionsfalls 

Chenango  C.       ... 

158 

Erie  C. —  Susquehanna 

Utica  —  Binghamton 

Champlain  C.     .     .     . 

104 

Erie  C. —  Champlain-S. 

Cohoes  —  Whitehall 

Von  diesen  Zweigcanälen  haben  als  Schiffahrtstrassen  Bedeutung  nur 
noch  Oswego-  und  Champlain- Canal,  beide  von  gleichen  Grössenverhält- 
nissen  wie  der  Erie-Canal  selbst.  Jener  verbindet  mit  Hülfe  des  Oswego- 
Flusses  den  Ontario-See  mit  dem  Erie-Canal.  Die  Salzlager  in  der  Nähe 
des  Oswego -Sees  tragen  erheblich  zu  den  Frachten  dieses  Canales  bei. 
Champlain- Canal  verbindet  durch  den  bei  einer  nutzbaren  Wassertiefe  von 
1,2  m  nur  für  Schiffe  von  100  Tonnen  zugänglichen  Champlain -See  und 
durch  den  aus  diesem  fliessenden  Richelieu  R.  den  mittleren  S.  Lorenz  mit 
dem  Hudson  R.;  er  mündet  16,4  Kil.  oberhalb  Albany  in  den  Erie-Canal. 
Von  den  übrigen  Zweigen  des  Erie- Canals  sind  Genesee-,  Chenango-  und 
Black  R.-Canal  seit  einigen  Jahren  in  den  Besitz  der  benachbarten  Eisen- 
bahngesellschaften übergegangen,  von  welchen  sie  als  Wasserstrassen  auf- 
gegeben worden  sind.  Die  Frachtgüter  des  Erie  -  Canales  sind  vor- 
züglich Bretter,  Schwellen,  Schindeln,  Getreide,  Leder,  Felle,  Salz;  des 
Champlain-Canales  Holz,  Hausteine,  Eisenerze ;  des  Oswego-Canales  Holz, 
Getreide,  Salz. 

Das  Canalsystem  von  Pennsylvanien  und  New  Jersey,  vor- 
züglich zu  dem  Zwecke  der  besseren  Aufschliessung  der  Anthracitbecken 
in  der  ö.  Hälfte  des  ersteren  Staates  angelegt,  besteht  nicht  wie  das 
New  Yorks  aus  einer  Hauptlinie  und  deren  Abzweigungen,  sondern  aus 
einer  grösseren  Anzahl  von  besonderen  Canälen,  die  im  Inneren  die  Um- 
gebungen der  Anthracitregion  umgürten,  z.  Th.  auch  mit  dem  Erie-Canal 
in  Verbindung  treten,  und  zumeist  an  der  atlantischen  Peripherie  des 
Staates  zugleich  mit  dessen  Flüssen  Delaware,  Schuylkill  und  Susquehanna, 
also  z.  Th.  bei  Philadelphia,  z.  Th.  in  der  Chesapeake  Bay,  oder  aber,  in 
einem  Falle,  in  den  Hudson  oder  dessen  Mündungsgebiet  ausmünden. 
Nur  zwei  von  ihnen  sind  durch  einen  Längscanal  verbunden,  dessen  Bette 
das  Grosse  Thal  der  Alleghanies  bildet,  die  drei  anderen  finden  ihren 
Endpunkt  am   oder   im  Gebirge,    welches    die    canallose  Westhälfte  des 


Xl.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


413 


Staates  (das  Ohio -System  ist  mit  dem  Canalnetz  des  ö.  Pennsylvaniens 
nur  durch  Eisenhahnen  oder  Strassen  verbunden)  von  der  Osthälfte  trennt. 
1875  betrug  das  Canalnetz  Pennsylvaniens  1264  Kil.  (790  e.  M.)  mit 
einer  Schleusenzahl  von  569  und  setzte  sich  aus  folgenden  Hauptcanälen 
zusammen : 


Länge 

Verbindet 

■ 

Kil. 

Flüsse,  Seen,  Canäle 

Städte 

Lehigh  C 

114 

Lehigh    R.  —  Anthracit- 
hecken  v.Mauch  Chunk 

Easton— Coalport 

Delaware-Division  C.  . 

99 

Parallel canal  des  Dela- 

Philippsburg—Phila- 

ware R. 

delphia 

Delaware-Raritan  C.  . 

68 

Delaware  R.—Rari  tan  R. 

Trenton— Brunswick 

Morris-Essex  C.      .     . 

161 

Delaware  R.— Hudson  R. 

Easton— Jersey  City 

SchuylkyllC.     .     .     . 

176 

Schuylkill  R.—  Anthra- 

Port  Carbon— Phila- 

citbecken von  Pottsville 

delphia 

Union  C 

126 

Delaw.  R.—  Susqueh.  R. 

Reading— Middletown 

Susquehanna     .     .     . 

73 

Parallelcanal  des  unteren 

Columbia— Havre  de 

Susquehanna  R. 

Grace 

Pennsylvania  C.     .     . 

549 

Juniata  R.— Chemung  C. 

Petersburg— Elmira 

Chesapeake  and  Dela- 

ware C 

22 

Chesapeake  Bay — Dela- 
ware-Mündung 

Baltimore — Philadelphia 

Delaw.  and  Hudson  C. 

175 

Lackawanna  R.  —  Plud- 
son  R. 

Honesdale— Eddyville 

Im  Süden  schliessen  an  dieses  System  sich  als  weitere  Verbindungen 
z.  Th.  zwischen  Gebirge  und  Meer,  z.  Th.  zwischen  Meerestheilen  an: 


Chesapeake-Ohio  C.    . 

300 

Parallelcanal    des     Po- 

Georgetown— Cumber- 

tomac 

land 

James  R.  and  KanawhaC. 

322 

Parallelcanal     des 

Richmond  Va.— Cowing- 

James  R. 

tou 

Albemarle  Chesapeake  C. 

70 

Albemarle  Sound — Che- 

Norfolk Va. — zahlreiche 

sapeake  B. 

Plätze  am  Albemarle 
und  Pamlico  Sound 

Von  den  vorstehend  aufgeführten  Canülen  haben  drei  den  besonderen 
Zweck,  die  Küstenschiffahrt  zu  verkürzen;  es  sind  Delaware  and  Raritan, 
Chesapeake  and  Delaware  und  Albemarle  and  Chesapeake  C,  welche 
ebensoviele  zwischen  Hudson-  und  Delaware -Mündung,  Chesapeake  Bay 
und  Pamlico  Sound  gelegene  Halbinseln  durchschneiden  und  so  ein  grosses 
System  von  Küstencanälen  bilden,  welche  den  Verkehr  zwischen  New 
York  und  den  südlicher  gelegenen  atlantischen  Regionen  und  vorzüglich 
deren  Hauptplätzen  Philadelphia  und  Baltimore,  sowie  zwischen  diesen 
und  den  übrigen  Küstenplätzen  und  den  aus  dem  Inneren  herausführenden 


414 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


Canälen  und  Schienenwegen  in  hohem  Grade  erleichtern.  Die  Anlage 
aller  dieser  Küstencanäle  ist  ohne  grosse  Schwierigkeit  zu  bewerkstelligen 
gewesen  und  sie  gehören  auch  dem  Verkehre  nach  zu  den  bedeutendsten 
in  den  V.  St.  Der  Delaware  and  Raritan  C,  die  kürzeste  Wasserstrasse 
zwischen  Philadelphia  und  New  York,  beförderte  1875  1989332  T.,  wovon 
^3  Steinkohlen  (von  dem  Delaware  and  Chesapeake  C,  welcher  Philadelphia 
und  Baltimore  auf  dem  kürzesten  Wege  verbindet,  liegt  die  Verkehrs- 
statistik nicht  vor),  der  erst  1860  angelegte  Albemarle  and  Chesapeake  C. 
1873  305000  T.  Gemeinsam  ist  diesen  Canälen  die  grosse  Wassertiefe 
(beim  letztgenannten  3,8  m)  und  die  Einrichtung  für  Dampfboote  und  Tauerei. 
Unter  den  übrigen  Canälen  dieser  Region  sind  folgende  besonders  hervor- 
zuheben: Der  Lehigh  C,  der  schon  1820  eröffnete  älteste  Canal  Pennsyl- 
vaniens,  der  von  Eastport  am  Zusammenfluss  des  Lehigh  und  des  Delaware 
nach  dem  Anthracitb ecken  von  Mauch  Chunk  führt.  1875  wurden  auf 
ihm  868  372  T.,  wovon  ^4  Anthracit,  verfrachtet.  Der  Morris -Ess ex  C, 
welcher  Eastport  am  Delaware  mit  Jersey  City  am  Hudson  (New  York 
gegenüber)  verbindet  und  einst  von  grösster  Bedeutung  war  für  die 
Entwickelung  der  Eisengewinnung  im  Staate  New  Jersey,  da  er  die 
Magneteisenstein-Züge  des  Hochlandes  von  New  Jersey  durchschneidet  und 
in  Verbindung  setzt  mit  den  Kohlenlagern  von  Pennsylvanien.  Der 
Schuylkill  C.  (1826  eröffnet)  führt  parallel  dem  gleichnamigen  Flusse  in 
das  s.  Anthracitfeld  Pennsylvaniens ,  das  er  in  Mt.  Carbon  bei  Pottsville 
erreicht.  1875  wurden  auf  ihm  888884  T.,  wovon  Vs  Anthracit,  ver- 
frachtet. Der  Pennsylvania  C.  umfasst  den  Parallelcanal  des  oberen 
Susquehanna  R.,  welcher  bei  Wilkesbarre  in  das  Anthracitfeld  von  Wyoming 
hineinführt,  den  Parallelcanal  des  Juniata  R.,  der  bis  Petersburg  geht,  und 
den  Canal  im  Monteur  -  Thale  bis  Lockhaven.  Diese  Canalanlage  war 
dazu  bestimmt,  über  die  Alleghanies  geführt  und  einer  Western  Section 
angegliedert  zu  werden,  welche  aus  Parallelcanälen  des  oberen  Ohio, 
Alleghany  und  anderer  Ohiozuflüsse  bestand,  nun  aber  grossentheils  auf- 
gegeben ist.  Diese  Verbindung  ist  nie  zu  Stande  gekommen  und  der  ge- 
sammte  Verkehr  dieser  grossen  Canalanlagen  belief  sich  1875  auf  709 180  T., 
wovon  Va  Anthracit.  Der  Delaware  and  Hudson  C. ,  welcher  aus 
dem  Anthracitbecken  von  Wyoming,  z.  Th.  im  Lackawanna-Thal,  nach  dem 
Hudson  R.  führt,  den  er  bei  Eddyville  unweit  Kingston  erreicht,  ist  die 
Hauptabflussader  der  pennsylvanischen  Anthracitregion  nach  dem  Hudson ; 
seine  Fracht  betrug  1875  1 638  669  T.,  fast  ausschliesslich  Anthracit.  Der 
Chesapeake-Ohio  C.  sollte  die  Chesapeake  Bay  mit  Pittsburg  verbinden, 
ist  aber,  wiewohl  schon  1828  begonnen,  bis  jetzt  nur  bis  zu  dem  Kohlen- 
becken von  Cumberland  Md.,  etwa  Hälfte  Weges  von  seinem  Ziele,  ge- 
langt. Er  dient  fast  ausschliesslich  dem  Kohlenverkehr  und  trug  1875 
893915  T.  Kohlen.  James  R.  andKanawhaC.  hatte,  1836  begonnen, 
gleichfalls  eine  Verbindung  mit  dem  Ohio  im  Auge,  die  ö.  der  Alleghanies 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


415 


den  James  R.,  w.  derselben  den  Kanawha  benätzen  sollte;  es  ist  aber  gegen- 
wärtig nur  der  ö.  Theil,  nicht  ganz  V4  des  Ganzen,  fertiggestellt,  nämlich 
das  parallel  dem  James  R.  von  Richmond  über  Lynchburg  nach  Buchanan 
führende  Stück;  der  Rest  dürfte  kaum  vollendet  werden,  nachdem  die 
concurrirenden  Eisenbahnen  schon  den  Verkehr  des  jetzt  fertigen  Ab- 
schnittes erheblich  einschränken  ^). 

Das  Canalsystem  des  Ohio  und  M i s s i s s i p p i ,  das  ursprünglich 
den  Zweck  hatte ,  die  Grossen  Seen  und  besonders  Erie-  und  Michigan- 
See  mit  dem  Mississippi-Becken  in  Verbindung  zu  setzen,  das  aber  theil- 
weise  nicht  nach  der  ursprünglich  grossen  Conception  ausgebaut,  theils 
durch  die  Concurrenz  der  Eisenbahnen  lahmgelegt  und  stellenweise  geradezu 
ausser  Thätigkeit  gesetzt  ist,  umfasst  folgende  Hauptstrecken: 


V 

Länge 

Verbindet 

KiL 

Flüsse,  Seen,  Canäle 

Städte 

OhioC 

502 

Erie-See— Ohio 

Cleveland  0.— Ports- 
mouth  0. 

Miami  C 

215 

Erie-See-Ohio 

Toledo  0.— Cincinnati  0. 

Wahash-Erie  C.     .     . 

304 

Miami  C— Ohio 

Defiance  0.— Terre 
Haute  Ind. 

Illinois-Michigan  C.    . 

157 

Michigan-S.— Illinois  R. 

Chicago  111.— La  Salle  111. 

Diese  vier  Canäle  stellen,  wie  man  sieht,  ebensoviele  im  Wesentlichen 
ns.  verlaufende  Verbindungen  zwischen  den  Grossen  Seen  und  dem  Ohio 
und  Mississippi,  also  zwischen  S.Lorenz-  und  Mississippi  -  System  oder, 
noch  allgemeiner  gesprochen,  zwischen  Zuflüssen  des  Atlantischen  Oceans 
und  des  Golfes  von  Mexico  dar.  Der  Ohio  C.  ist  der  älteste  dieses 
Systems,  wurde  im  Jahre  1832  eröffnet  und  war  damals  von  sehr  hoher 
Bedeutung  für  den  Verkehr  der  in  der  ersten  jugendlichen  Entfaltung 
stehenden  inneren  Staaten  Ohio,  Indiana  und  Illinois  mit  den  Abnehmern 
und  Verschift'ern  ihrer  Erzeugnisse  in  den  atlantischen  Staaten.  Der 
Hauptcanal  führt  von  Cleveland  0.  nach  Portsmouth  0.  mitten  durch  die 
Kohlen-  und  Eisenregion  Ohios,  mit  Abzweigungen  nach  dem  Blockkohlen- 
und  Eisenrevier  des  Mahony-Thales  (Akren  0.  —  Warren  0.) ,  nach  dem 
Hocking  R.  (Carroll  0.  —  Athens  0.,  114  Kil.)  und  nach  Columbus,  der 
Hauptstadt  des  Staates  (15  Kil.).  "  Der  Miami  C,  1830  fertiggestellt, 
verbindet  durch  Parallelcanäle   des  Maumee   und  Miami  R.   nebst  einer 


1)  Nachdem  im  Sommer  1878  die  Aktien  des  James  R.  und  Kanawha-Canals 
(Richmond -Buchanan)  auf  2  Proc.  des  Pariwerthes  gesunken  waren,  wurden  sie 
von  einer  Gesellschaft  gekauft,  die  die  Absicht  hat,  eine  Eisenbahn  in  seinem 
Bette  zu  legen. 


416  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

Verbindung  über  die  Wasserscheide  zwischen  Erie-See  und  Ohio  weg 
Toledo  0.  mit  der  Metropole  des  Ohio-Gebietes,  Cincinnati;  der  Seiten- 
canal  des  Little  Miami  von  Lawrence  am  Ohio  nach  Connersville ,  ein 
selbständiger  kleiner  Canal,  schliesst  als  zu  Cincinnati  gehörig  an  diesen 
sich  an.  Wabash  -  Erie  C.  (1827  begonnen)  zweigt  vom  Miami  C. 
bei  Defiance  ab  und  führt  quer  durch  Indiana  über  Ft.  Wayne  Ind.  und 
Wabash  Ind.  nach  Terre  Haute  am  Wabash  R.,  wo  der  von  Terre  Haute 
Ind.  an  den  Ohio  nach  Evansville  Ind.  führende,  jetzt  zugeschüttete  und 
als  Eisenbahnkörper  benützte  Canal  sich  anschliesst.  Den  drei  genannten 
grossen  Canälen  des  Ohio-Gebietes  fiel  einst  eine  wichtige  Funktion  zu  in 
der  Entwickelung  der  Hülfsquellen  dieser  reichen  Theile  der  V.  St.  und 
es  waren  grosse  Pläne  zu  ihrer  Erweiterung  gemacht,  die  allmählich  das 
ganze  Gebiet  zwischen  den  Seen  und  dem  schiffbaren  Theil  des  Ohio  mit 
einem  dichten  Netz  von  Canälen  überziehen  sollte.  Der  durchgehende 
Verkehr  mit  Ackerbauprodukten,  die  vorzüglich  nach  dem  Erie-See  gingen, 
um  von  dort  den  Canalweg  nach  New  York  zu  gewinnen,  war  einst  sehr 
bedeutend,  ist  aber  allmählich  ganz  den  Canälen  entzogen  und  den  Eisen- 
bahnen zugeleitet  worden,  so  dass  gegenwärtig  alle  drei  nur  noch  in 
einzelnen  Strecken  dem  örtlichen  Verkehre  dienen,  als  durchgehende 
Verkehrsstrassen-  aber  alle  Bedeutung  verloren  haben.  —  Eine  bedeutende 
Stellung  nimmt  neben  ihnen  der  Illinois  and  Michigan  C.  ein,  welcher 
1836  —  48  angelegt  wurde,  vom  Südende  des  Michigan-Sees  bei  Chicago 
ausgeht  und  mit  Benützung  des  Chicago  R.  über  die  niedrige  Wasser- 
scheide hinüberführt  zum  Des  Piaines  R. ,  einem  Zufluss  des  Illinois  R., 
um  durch  diesen  den  Oberen  Mississippi  zu  gewinnen.  Er  stellt  damit 
eine  ununterbrochene  543  Kil.  lange  Wasserstrasse  zwischen  Chicago  und 
S.  Louis  bzw.  zwischen  Michigan-See  und  Mississippi  her,  eine  der  wich- 
tigsten Verbindungen,  die  sich  überhaupt  denken  lassen.  Der  Höhen- 
unterschied, den  er  mit  16  Schleusen  zu  überwinden  hat,  beträgt  44,2  m, 
die  Normaltiefe  1,83  m,  die  Breite  der  Wasserfläche  18,3  m.  Eine  Tiefe 
von  2,13  m,  wie  sie  erforderlich  für  die  die  Grossen  Seen  befahrenden 
Schiffe,  ist  in  Aussicht  genommen.  Die  Gesammteinnahmen  betrugen 
1876  113  293  D.,  die  Ausgaben  91585  D.  und  die  ersteren  sind  seit  1872 
um  mehr  als  Vs  gefallen.  Der  Verkehr  ist  noch  gering,  beschränkt  sich 
auf  Getreide,  Holz,  Bausteine  (von  den  1,6  Mill.  T.  Steinkohlen,  die  Chicago 
1875  verbrauchte ,  kamen  per  Canal  nicht  mehr  als  7900  T. ,  also  noch 
nicht  Va  Proc),  doch  hofft  man  bei  der  ausserordentlich  günstigen  Lage 
des  Canals  mit  Hülfe  eingreifender  Verbesserungen,  besonders  bezüglich 
der  Wassertiefe  und  der  Einführung  billigerer  Transportmittel  (1876 
befuhren  22  Dampfboote  den  Canal),  der  Cpncurrenz  der  Eisenbahnen 
zum  Trotz  denselben  erhalten  zu  können.  Seit  1871  ist  der  ursprünglich 
von  einer  Gesellschaft  mit  Unterstützung  des  Staates  Illinois  und  der 
V.  St.  gebaute  Canal  an  ersteren  zurückgefallen. 


1 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  417 

Von  kleineren  Canalanlagen  im  Mississippi-G-ebiet  sind  noch  zu  nennen: 
der4Kil.  lange  Canal  von  Portland  nach  Louisville,  welcher  die 
Ohio-Stromschnellen  bei  Louisville  umgeht,  und  der  Des  Moines  C.  zur 
Umgehung  der  Mississippi-Stromschnellen  bei  Keokuk.  Der  Seeregion  ge- 
hören an:  der  erst  1877  fertiggestellte  Cfanal  zwischen  Michigan-See 
und  Oberem  Mississippi,  welcher  durch  Benützung  des  Fox  R.  und 
Wisconsin  R.  den  Oberen  Mississippi  mit  S.  Lorenz  und  Hudson  R.  in 
Verbindung  setzt.  Ebenfalls  kürzlich  erst  vollendet  ist  die  Durchstechung 
der  Landzunge,  welche  Green  Bay  vom  eigentlichen  See  trennt,  durch 
den  Sturgeon-Bay-Ship  C. ,  der  mit  4,25  m  Tiefe  den  grössten 
Seeschiften  Durchgang  gewährt.  Die  Anlage  von  Schiffahrtscanälen,  welche 
mit  Seeschiffen  befahren  werden  können,  in  der  Seenregion  und  der  des 
S.  Lorenz  hat,  besonders  nach  Anlage  des  die  Niagara-Fälle  umgehenden 
Weiland  C.  (44  Kil.  lang  und  3,12  m  Tiefe ;  der  S.  Mary's  Ship  C, 
welcher  Huronen-  und  Oberen  See  verbindet,  hat  sogar  4,88  m  Wasser- 
tiefe) ,  eine  ununterbrochene  Wasserstrasse  von  Duluth  bis  Belle  Isle  in 
der  Länge  von  4140  Kil.  hergestellt,  während  die  des  Erie  C,  bei  Buffalo 
durch  Umladung  unterbrochen,  von  Chicago  bis  New  York  2325  Kil. 
lang  ist.  Immer  noch  empfängt  indessen  New  York  7  mal  mehr  Getreide 
als  Montreal  aus  dem  W.  und  seine  Strasse  ist  durchschnittlich  um 
2  —  4  Cts.  p.  Bushel  billiger  als  die  canadische.  —  In  den  eigentlichen  Süd- 
staaten überholte  die  Eisenbahnidee  die  der  Canäle.  In  S.  Carolina  wurde 
die  Linie  Charleston-Cincinnati  schon  Anfangs  der  30  er  Jahre  mit  Eifer 
discutirt  und  1836  waren  die  Vorstudien  für  dieselbe  gemacht  und  die 
Trace  gelegt.  Hier  wie  in  Georgia  und  Florida  ist  es  begreiflich,  wenn 
der  Drang  nach  grossen  Canalanlagen  nicht  so  heftig  war  wie  in  Penn- 
sylvania oder  New  York,  denn  es  galt  hier  nicht  ein  mineral-  oder  getreide- 
reiches Hinterland  aufzuschliessen ,  sondern  die  Culturaufgabe  war  in 
diesen  Gegenden  die  einfachere  der  Ausbeutung  des  Bodenreichthums 
eines  Tieflandes,  das  breit  zwischen  Meer  und  Gebirge  hingelagert  und 
von  einigen  bis  zu  beträchtlicher  Höhe  hinauf  schiff" baren  Flüssen  durch- 
strömt ist.  Hier  waren  auch  zunächst  noch  die  Landstrassen  so  schlecht 
und  so  gering  an  Zahl,  dass  man  eher  an  sie  als  an  Canäle  denken 
musste,  und  überhaupt  ist  ein  Land  mit  Plantagenwirthschaft,  dünner 
Bevölkerung  und  nur  einem  einzigen  grossen  Stapelprodukt  —  Baumwolle  — , 
dessen  Ernte  in  wenigen  Wochen  verfrachtet  ist,  der  wenigst  günstige 
Boden  für  grosse  Verkehrswege;  ist  doch  sogar  die  Eisenbahn  in  diesen 
Gegenden  nur  sehr  langsam  vorgedrungen.  Nur  gegen  Florida  zu,  wo 
das  im  W.  vorgelagerte  Gebirge  der  Alleghanies  zurückgetreten  und  an 
seiner  Stelle  das  Tiefland  vom  Atlantischen  Meer  bis  zum  Golf  von 
Mexico  ausgebreitet  ist,  werden  die  Bedingungen  einer  grossen  Canal- 
anlage  günstiger,  indem  hier  zwei  Flüsse,  S.  Mary's  und  Suwanee  R.,  von 

E  a  t  z  e  1 ,    Amerika  TT.  27 


418  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel, 

denen  jener  in  den  Ocean,  dieser  in  den  Golf  mündet,  ohne  grosse 
Schwierigkeiten  schiffbar  gemacht  und  durch  Canal  mit  einander  verbunden 
werden  könnten.  Auch  an  eine  Durchstechung  der  Halbinsel  Florida  in 
ihrer  Mitte  durch  einen  Canal,  der  Indian  R.  mit  Tampa  Bay  verbände, 
hat  man  gedacht  und  noch  im  letzten  Frühjahr  (1879)  sind  von  der 
Regierung  der  V.  St.  Messungen  in  diesem  Betreff  angestellt  worden. 
Auch  vor  einigen  Jahren,  besonders  1874,  als  die  Eisenbahnen  durch 
ihre  Differentialtarife  den  öffentlichen  Unwillen  erregt  hatten,  be- 
schäftigte sich  der  Congress  mit  Canalprojekten  für  den  Süden;  dieselben 
haben  aber  keine  praktischen  Folgen  gehabt.  Es  gibt  ausserdem  noch 
einige  wenige  Canäle  im  Mississippi  -  Delta ,  abgesehen  von  den  einge- 
dämmten Mündungsarmen,  von  denen  aber  für  den  grossen  Verkehr  kein 
einziger  Bedeutung  hat').  —  Im  W.  verbietet  die  vorwiegend  gebirgige 
Bodengestaltung  in  den  meisten  Fällen  die  Canalisation  für  Zwecke  des 
grossen  Verkehres,  während  die  klimatischen  Verhältnisse  dieselbe  im 
Interesse  der  künstlichen  Bewässerung  erheischen.  Was  von  nennens- 
werthen  Canalanlagen  vorhanden,  dient  dem  letzteren  Zweck.  Im  W.  gab 
es  Canäle  für  die  künstliche  Bewässerung  schon  zur  spanischen  Zeit  und 
dieselben  werden  theilweise  noch  heute  von  den  dort  wohnenden  Acker- 
bauern: Weissen  oder  Indianern  benützt.  12000  Indianer  (Pimas  und 
Maricopas)  leben  am  Gila  R.  vom  Ackerbau,  den  ihnen  ein  System  von 
Bewässerungscanälen  ermöglicht.  Man  spricht  sogar  von  einem  40  e.  M. 
langen  Canal,  der  von  dem  Zusammenfluss  des  Salinas  und  des  Verde, 
Nebenflüsse  des  Gila  R.,  landeinwärts  ziehen  soll.  In  der  Nähe  der  Pima- 
Dörfer  in  Arizona  führten  lange  Canäle,  die  jetzt  trocken  liegen,  das 
Wasser  des  Gila-Flusses  in  eine  dürre  Ebene.  In  einem  grossen  Theile 
des  Thaies  des  Rio  Grande  ist  der  Ackerbau  nur  durch  die  künstliche 
Bewässerung  ermöglicht,  deren  Canäle  zur  Zeit  der  spanischen  Herrschaft 
angelegt  wurden.  Die  Acequia  von  Paso  del  Norte  bewässert  auf  der 
mexikanischen  Seite  einen  Strich  von  25  —  30  e.  M.  und  15000  Ein- 
wohnern. In  Californien  findet  man  bei  jeder  Mission  Meilen  Landes  von 
Bewässerungscanälen  durchfurcht.  Von  amerikanischer  Seite  sind  die 
ausgedehntesten  Bewässerungsanlagen  in  Utah  gemacht  worden,  wo  die 
Menge  des  künstlich  bewässerten  Landes  schon  18G6  sich  auf  134000 
Acres  belief.  Auch  Californien  besitzt  bereits  Hunderte  von  Kil.  von 
Bewässerungscanälen,  vorzüglich  im  Thal  des  S.  Joaquin. 

1)  1831  —  35  ward  der  Pontchartrain-Canal  (8  Kil.)  von  New  Orleans 
zum  Pontchartrain-See  mit  1 V^  Mill.  D.  Unkosten  angelegt ;  aber  schon  im  April 
1831  war  eine  Eisenbahn  parallel  mit  ihm  gebaut  worden,  welche  in  Kürze  zu 
den  einträglichsten  Linien  des  Staates  gehörte.  Während  der  Canal  in  den 
Jahren  1836  —  40  durchschnittlich  nicht  mehr  als  V2— 1  Proc.  Brutto  -  Ertrag 
abwarf,  gab  die  Bahn,  deren  Kosten  nur  die  Hälfte  von  denen  des  Canals  betragen 
hatte,  1831  —  38  durchschnittlich  12  Proc. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  4l9 

V.  Die  Eisenbahnen.  Die  Verhältnisse  der  Eisenbahnen 
in  den  V.  St.  sind  mehrmals  berührt  worden  (s.  o.  S.  392  f.).  Folgende 
Aufzählung  mag  ihr  gewaltiges  Wachsthum  nochmals  versinnlichen. 
1830  gab  es  in  dem  ganzen  Gebiet  der  V.  St.  66,  1840  5868, 
1850  14965,  1860  50854,  1870  71382,  1875  114814,  1878 
131682  Kil.  Am  31.  December  1878  betrugen  ihr  Anlagecapital 
4580,  ihre  Brutto -Einnahme  490,  ihre  Netto  -  Einnahme  187,  ihre 
bezahlten  Dividenden  54  Mill.  D.  Ende  1877  betrug  die  Länge 
des  Eisenbahnnetzes  der  V.  St.  86  Proc.  von  demjenigen  des  ge- 
sammteuropäischen  und  43  Proc.  von  dem  der  ganzen  Welt^).  Nach- 
dem die  mit  1874  eingetretene  Stockung  im  Eisenbahnbau  gehoben 
ist  und  1878  allein  wieder  4610  Kil.  neu  eröffnet  wurden,  wird  die 
Zeit  nicht  fern  sein,  in  der  die  V.  St.  die  Länge  der  Eisenbahnen 
Europas  erreicht  haben  werden. 

Auf  die  Staatengruppen  vertheilten  sich  die  Eisenbahnen  am 
1.  Januar  1878  folgendermassen :  W.  und  SW. -Staaten  40  743, 
Mittelstaaten  14459,  Südstaaten  13  744,  Neu-England  5750,  Pacif. 
Staaten  2266  e.  M.  Die  Pacific-Bahnen,  die  mehreren  von  diesen 
Gruppen  angehören,  kommen  hinzu  mit  2246.  Die  meisten  Eisen- 
bahnen haben  folgende  Staaten:  Illinois  9027,  Ohio  5795,  New 
York  5684,  Pennsylvania  5541,  Missouri  4352,  Indiana  3704, 
Michigan  3300.  In  Neu-England  ist  Massachusetts  mit  2010,  in  den 
Südstaaten  Alabama  mit  2399,  in  den  pacifischen  Staaten  Californien 
mit  1375  e.  M.  am  eisenbahnreichsten.  Die  wenigsten  Eisenbahnen 
finden  sich  im  0.  in  dem  kleinen  Rhode  Island  (138)  und  dem  ge- 
birgigen W.  Virginia  (147),  ferner  in  den  Staaten  Mississippi  (324) 
und  Florida  (459).  Im  W.  sind  eisenbahnarm  Arkansas  (474)  und 
das  Territorium  Dakota  (295).  Durchgängig  arm  an  Eisenbahnen 
sind  dann  alle  pacifischen  Staaten,  ausser  Californien,  wenn  man 
die  Pacific -Bahn  in  Abzug  bringt:  Utah  hat  283,  Oregon  247, 
Washington  Terr.  191,  Nevada  189  e.  M.     Ganz  eisenbahnlos  waren 


1)  In  der  regsten  Zeit  des  Eisenbahnbaues,  der  im  Jahr  1872  seine  Culmi-^^ 
nation  erreichte,    von  1869  —  73,  also  in  5  Jahren,   wurden  47402  Kil.  angelegt 
mit  einem  Aufwände  von  1381850000  D. ,   dazu  kamen  noch  jährlich  für  Ver- 
grösserung  und  Verbesserung  bestehender  Bahnen  75  Mill.,   was    in  dieser  Zeit 
ca.  351  Mill.  D.  jährlich  für  Eisenbahnbau  ergibt. 

27* 


420  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

Anfangs  1878  Idaho,  Montana  und  Neu -Mexico.  Begreiflicherweise 
ist  das  Wachsthum  sehr  ungleich.  In  den  13  Jahren  1866 — 77  haben 
die  Eisenbahnen  der  Neuengland  -  Staaten  von  3834  auf  5822,  die 
der  Mittelstaaten  von  8539  auf  15  166,  die  der  Südstaaten  von  9129 
auf  13  840,  die  der  Weststaaten  von  13  350  auf  41224,  die  der 
pacifischen  Staaten  von  233  auf  3156  e.  M.  zugenommen. 

Das  grosse  und  rasche  Wachsthum  der  Eisenbahnen  in  den  V.  St. 
und  die  Bedeutung,  die  sie  für  das  ganze  öffentliche  Leben  des  Landes 
gewonnen  haben,  werden  zum  Theil  erst  verständlich,  wenn  man  ihre  ganz 
eigenartigen  Einrichtungen  in  Betracht  zieht,  durch  welche  sie  sich  in 
vielen  Beziehungen  scharf  von  den  europäischen  und  ganz  besonders  den 
deutschen  Eisenbahnen  unterscheiden.  Was  die  Gunst  der  Naturverhält- 
nisse beigetragen  hat,  wurde  schon  berührt.  Im  atlantischen  Tiefland- 
und  im  Mississippi -Gebiet  ist  die  Einförmigkeit  der  Bodengestaltung  von 
förderlichstem  Einfluss  gewesen.  Wenn  die  Trace  der  Pennsylvania- 
Eisenbahn  zwischen  New  York  und  Philadelphia  nur  10  Kil.  von  der  Luft- 
linie abweicht,  so  ist  dies  vorzüglich  diesem  günstigen  Umstand  zuzu- 
schreiben. Man  merkt  den  Einfluss  davon  an  den  Baukosten,  die  in 
S.  und  N.  Carolina,  Georgia,  Mississippi  durchschnittlich  2,3  —  2,6  Mill.  D. 
für  100  e.  M.  betragen  und  in  den  flachen  Prärie-  und  Steppenstaaten 
zwischen  2  und  3  Mill.  schwanken ,  während  sie  in  New  Jersey  9,G,  in 
Massachusetts,  Pennsylvania,  New  York,  Maryland,  Cahfornia  zwischen 
7  und  8,  in  Ohio  6,5  Mill.  betragen.  Es  ist  wahr,  dass  man  im  Allge- 
meinen billiger  und  schlechter  gebaut  hat  in  den  armen,  erst  werdenden 
Süd-  und  Weststaaten  als  in  den  verkehrsreichen  Mittel-  und  Neuengland- 
Staaten,  aber  der  Boden  kam  dem  entgegen  *).  —  Das  Klima  übt  nur  im 
Gebirgsland  des  W.  einen  entschieden  hinderlichen  Einfluss  aus.  Die 
Union  Pacific  R.  R.  wird  jeden  Winter  durch  Schnee  blockirt  und  ist  in 
Folge  dessen  in  der  Regel  einige  Tage,  öfters,  wie  z.  B.  1871/72,  sogar 
einige  Wochen  hindurch  unfahrbar.  Im  0.  und  dem  Inneren  ist  davon 
nicht  mehr  zu  fürchten  als  in  Nord-  und  Ost-Europa.  Vor  der  Erbauung 
der  Erie-Bahn  fürchtete  man  selbst  für  sie  grössere  Unterbrechungen 
durch  Schneewehen ;  ein  Bericht ,  der  damals  der  Gesetzgebung  von 
New  York  erstattet  wurde,  gab  indessen  2  Tage  als  die  mittlere  Zeitdauer 
an  für  die  Unterbrechung  des  Verkehres  durch  Schneewehen  auf  den 
Eisenbahnen  der  n.  V.  St.     (Vgl.   Chevalier,  Voies  de  Commun.  I.  287.) 


1)  Hindernisse  wie  Alpen,  Pyrenäen,  Karpathen  gibt  es  nicht  zwischen  dem 
Atlantischen  Ocean  und  dem  Felsengebirge.  Ueberhaupt  ist  der  höchste  Punkt, 
den  eine  Eisenbahn  in  den  V.  St.  überschreitet,  der  Laveta-Pass  im  Sangre  de 
Christo-Gebirge,  den  die  Denver  —  Rio  Grande-Linie  überschient  hat,  2850  m  hoch. 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  421" 

Was  nun  den  Bau  und  Betrieb  selbst  betrifft,  so  werden  die  Concessionen 
von  den  Legislaturen  der  Einzelstaaten  verliehen  und  ist  dabei  der  Grund- 
satz der  grösstmöglichen  Freiheit  in  Wahl  der  Trace,  in  der  Ausführung 
und  im  Betriebe  festgehalten*).  Diesem  Umstände  verdanken  die  Amerikaner 
wesentlich  mit  die  ungeheuere  Ausdehnung  ihres  Eisenbahnnetzes,  denn 
nur  so  vermochte  es  den  verschiedensten  örtlichen  Verhältnissen  sich  leicht 
anzupassen  und  der  private  Unternehmungsgeist  mochte  nur  so  unbelästigt 
und  ungebunden  sich  auf  den  Eisenbahnbau  mit  jener  Energie  zu  werfen, 
welche  daraus  nicht  nur  Gehülfen ,  sondern  Bahnbrecher  der  Cultur 
gemacht  hat.  Mit  Ausnahme  der  Union  und  Central  Pacific- Bahn  (die 
Strecken  zwischen  Omaha  und  Sacramento)  ist  vor  1865  keine  Eisenbahn  der 
V.  St.  von  der  Union  unterstützt  w^orden.  Dennoch  sind  sie  nicht  so  schlecht 
gebaut  und  unsicher,  wie  ein  in  Europa  weit  verbreitetes  Vorurtheil  will. 
Wir  haben  dafür  die  Stimme  deutscher  Beamten:  „Auf  die  Haupterfor- 
dernisse für  jede  lebensfähige  Bahnanlage :  guten  Oberbau,  gutes  vollendetes 
Material  und  ein  umsichtiges  und  wohldisciplinirtes  Beamtenpersonal  wird 
in  den  V.  St.  ein  eben  so  grosser,  in  letzterem  Punkte  gar  noch  ein 
grösserer  Werth  gelegt  als  in  Europa.  Man  vermisst  auf  den  amerika- 
nischen Bahnen  manche  Einrichtungen,  die  nach  europäischen  Begriffen 
zur  Vermeidung  von  Gefahren  unentbehrlich  sind,  es  sind  indessen  nur 
solche  Einrichtungen,  welche  durch  Umsicht,  Geistesgegenwart  und  Vorsicht 
des  Eisenbahnpersonals  ersetzt  werden  können.  Da  die  amerikanischen 
Bahnverwaltungen  gegenüber  den  deutschen  in  der  Lage  sind,  ihr  Personal 
vollständig  frei  wählen  zu  dürfen ,  so  können  sie  auch ,  abgesehen  von 
einer  wesentlich  besseren  Bezahlung,  mehr  für  die  Ausbildung  desselben 
thun  und  grössere  Ansprüche  an  die  Leistungsfähigkeit  und  Selbständigkeit 
jedes  Einzelnen  stellen"*).  —  Die  Verwaltung  der  weitaus  meisten  nord- 


1)  Ein  Eingreifen  des  Staates  findet  nur  dann  statt,  wenn  Thatsachen  in 
die  Oeffentlichkeit  dringen,  welche  geeignet  erscheinen,  das  Interesse  der  Aktio- 
näre, des  Staates  oder  des  Publikums  zu  schädigen.  Conflikte  der  Art,  sowie 
solche  in  Folge  von  Unglücksfällen  werden  richterlich  ausgetragen.  In  Bezug 
auf  das  Recht  der  Staatsbehörde  zur  Untersuchung  der  Bücher  einer  Gesell- 
schaft antwortete  man  Kupka  auf  seine  betr.  Anfrage,  „dass  man  wohl  keinen 
Anstand  nehmen  werde,  dieselbe  zu  gewähren,  dass  es  aber  kaum  einen  Beamten 
gebe,  der  im  Stande  wäre,  aus  den  Büchern  den  Nachweis  unredlicher  Gebahrung 
zu  führen"  (a.  a.  0.  69). 

2)  Aus  dem  Reisebericht  des  Kgl.  Baumeisters  Schröder.  Mitth.  des  Kgl. 
Preuss.  Handelsministeriums.  Organ  f.  Fortschr.  d.  Eisenbahnwesens  1878.  IL  51. 
So  erstaunt  z.  B.  beständig  der  auffallend  kleine  Controllapparat  der  amerika- 
nischen Bahnen  unsere  Beamten,  aber  „der  Schwerpunkt  liegt  darin,  dass  jeder 
auch  noch  so  niedrig  gestellte  Beamte  das  volle  Vertrauen  seiner  Vorgesetzten 
besitzt,  aber  auch  die  ganze  Verantwortlichkeit  seiner  Handlungen  selbst  trägt" 
(Bericht  des  österr.  Comm.  P.  F.  Kupka.  Org.  f.  d.  Fortschr.  d.  Eisenb.  1877.  69), 


422 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


amerikanischen  Bahnen  liegt  in  den  Händen  eines  von  den  Aktionären 
gewählten  Direktoriums  (Board  of  Directors),  an  dessen  Spitze  ein  Präsident 
steht.  Unter  demseben  funktioniren  gewöhnlich  zwei  Hauptbeamte,  ein 
finanzieller  Leiter  (Treasurer  oder  Secretary)  und  der  Betriebsdirektor 
(General  Manager  oder  Superintendent).  Für  die  einzelnen  Zweige  des 
Betriebsdienstes  sind  besondere  Beamte  angestellt,  so  für  das  Transport- 
geschäft ein  Master  of  Transportation  (oder  auch  zwei,  ein  General  Freight 
Agent  für  Fracht  und  ein  General  Passenger  Agent  für  Passagiere) ,  für 
die  Unterhaltung  der  Bahn  ein  Chief  Engineer,  für  die  Wagen-  und 
Lokomotivreparatur  ein  Superintendent  of  Motive  Power  and  Rolling  Stock, 
für  die  Beschaffung  des  Materials  ein  Purchasing  Agent  und  für  den 
Telegraphendienst  ein  Superintendent  of  Telegraphs.  Bei  grösseren  Bahnen 
steht  dem  Treasurer  ein  Jurist,  der  SoUicitor,  zur  Seite.  Die  Direktoren 
sind  meist  Industrielle  oder  Kaufleute  mit  bedeutendem  Aktienbesitz.  Die 
nicht  technischen  Beamten  arbeiten  sich  in  der  Regel  vom  Clerk  herauf, 
die  technischen  haben  entweder  von  der  Pike  auf  bei  der  Eisenbahn 
gedient  oder  sind  aus  den  Bureaux  der  Civilingenieure  hervorgegangen. 
Für  die  Linien  selbst  ist  in  erster  Reihe  bezeichnend  die  geringe  Sorgfalt, 
welche  dem  Unterbau  zugewandt  ist.  Um  an  Zeit  und  Kosten  für  den- 
selben zu  sparen,  schmiegen  sich  die  amerikanischen  Bahnen  den  be- 
stehenden Terrainverhältnissen  aufs  engste  an,  wo  immer  es  möglich  ist, 
weshalb  lange  Umwege  zur  Umgehung  von  Hindernissen  nicht  selten  sind. 
/Bei  dem  geringen  Werth  des  Holzes  errichtete  man  Holzbauten  von 
gewaltiger  Länge  und  Kühnheit  an  Stelle  von  Dämmen  und  Viadukten. 
Auf  Einfriedigungen  ist  wenig  Werth  gelegt.  Wo  Eisenbahnen  mitten 
durch  Städte  führen,  ist  dieser  Mangel  der  Einfriedigungen  etwas  zu  weit- 
gehend ,  denn  die  Geleise  liegen  da  im  Niveau  der  Strasse  und  trotz 
ermässigter  Geschwindigkeit  und  des  unaufhörlichen  Läutens  der  Loko- 
motivglocke sind  Unglücksfälle  hier  nicht  selten.  Das  Publikum  verlangt 
seit  lange  Abhülfe  dieses  Missstandes  und  ist  derselbe  z.  B.  in  New  York 
in  der  That  abgestellt.  Schranken  bei  den  Niveau  -  Uebergängen  finden 
sich  selten.  Gewöhnlich  lässt  man  es  bei  grossen  Warnungstafeln :  „Beware 
of  Engines  and  Cars",  „Look  out  for  Locomotives",  oder  einfach:  „Rail- 
way  Crossing"  bewenden.  Der  grösste  Theil  der  amerikanischen  Bahnen 
ist  bis  jetzt  eingleisig,  zweigleisig  sind  nur  die  allerbefahrensten;  die  New  York 
Central  R.  R.  ist  sogar  viergleisig.  Die  Spurweiten  waren  ursprünglich 
sehr  verschieden  (Erie-Bahn  1,83,  Great  Western  1,68,  Grand  Trunk 
J,44  m) ,  neuerdings  ist  1,435  m   als  Normalspurweite  angenommen.     Die 

•  Schwellen  sind  meist  dichter  gelegt  und  dadurch  eine  grössere  Niedrigkeit 
der  Schienen  ermöglicht;  die  Curven,  für  welche  in  den  Ausführungs- 
bedingungen der  Minimalradius  von  122  m  jetzt  gewöhnlich  vorgeschrieben 

vwird,  bestehen  fast  nur  aus  geraden  Linien,  deren  Winkel  von  den  Passa- 
gieren beim  Durchfahren  nicht  eben  wohlthuend  empfunden  werden.    Als 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  423 

Minimalsteigung  ist  jetzt  meist  1  :  45  vorgeschrieben.  Die  Geschwindigkeit 
beträgt  nur  41  —  50  Kil.  p.  Stunde.  Die  niederen  Beamten  sind  nicht 
uniformirt,  sondern  nur  durch  eine  Aufschrift  an  der  Kopfbedeckung  kenntlich 
gemacht.  Indem  man  eben  die  Bahnen  einfach  als  Transportmittel  be- 
trachtet *)  und  als  nichts  mehr  und  weniger,  gibt  man  ihnen  überhaupt 
ein  praktisches,  zweckdienliches  Aeussere,  wie  es  gerade  in  Nord- Amerika 
allen  Dingen  zukommt,  welche  geschäftlichen  Zwecken  dienen.  Daher 
sind  auch  die  Bahnhöfe  viel  einfacher  als  bei  uns,  die  Wartsäle  äusserst  j^ 
einfach,  oft  selbst  an  grösseren  Plätzen  nichts  als  Holzschuppen  zum 
Schutz  vor  Regen  und  Sonne;  aber  man  ist  meistens  nicht  gezwungen  in 
ihnen  zu  verweilen,  sondern  begibt  sich  in  seinen  Wagen,  der  gewöhnlich 
einige  Zeit  vor  der  Abfahrt  rangirt  dasteht^).  —  Die  Personenwagen  der 
Eisenbahnzüge  sind  fast  ohne  Ausnahme  durchgehende^),  von  bedeutender, 
15m  und  mehr  betragender  Länge;  sie  fassen  48  —  68  Passagiere.  Ab- 
gesehen von  ihrer  Angepasstheit  an  die  demokratischen  Formen  des  nord- 
amerikanischen Volkes,  auf  welche,  wenn  auch  nicht  immer  auf  das  Wesen, 
dasselbe  eifersüchtig  achtet,  bieten  diese  Wagen  grosse  Vorth  eile,  welche  ohne 
Zweifel  das  Reisen  erleichtern.  Die  grössere  Selbständigkeit,  welche  dieses 
System  dem  Reisenden  gewährt,  die  Möglichkeit  gleichmässiger  Erleuchtung 


1)  „Der  Amerikaner  benützt  überhaupt  seine  Schienenstrassen   wie  bei  uns 
der  Fuhrmann  die  Fahrstrassen;  man  weicht  sich  aus,  schiebt  zurück,  fährt  vor, 
wartet  auf  einen  anderen  Zug  je   nach  Bedarf,   und   dank  der  ausgezeichneten v 
Bremsmittel  ist  der  Verkehr  ein  sicherer  als  man  bei   uns  zu  glauben   geneigt 
ist."     (P.  F.  Kupka  a.  a.  0.  98.) 

2)  Indessen  muss  man  hervorheben,  dass  diese  allgemeine  Beschreibung 
heute  auf  eine  Anzahl  von  grösseren  und  besonders  von  durchgehenden  Bahnen 
des  0.  nicht  mehr  so  ganz  passt;  sie  umfasst  wohl  alle  Bahnen  w.  von  Chicago 
und  S.  Louis,  auch  nahezu  alle  s.  vom  Ohio  und  Potomac,  aber  in  dem  von  den 
alten  dichtbevölkerten  Neuengland-  und  Mittel  -  Staaten  erfüllten  Winkel  im 
0.  und  N.  dieser  Linien  haben  sich  Eisenbahnen  entwickelt,  welche  manche 
Vorzüge  mit  den  besten  europäischen  theilen  und  in  mehr  als  einer  Hinsicht 
selbe  hinter  sich  zurücklassen.  Dort  findet  man  starken  Ober-  und  Unterbauj 
schwere  Stahlschienen,  definitive  eiserne  Brücken,  steinerne  und  in  allerdings 
noch  seltenen  Fällen  auch  grossartig  angelegte  Bahnhöfe  (z.  B.  der  der  New  York 
Central  R.  R.  in  New  York)  ein  sehr  gutes  Signalwesen,  das  meist  dem  englischen 
nachgeahmt  ist,  uniformirtes  Personal,  eine  Fahrgeschwindigkeit  von  50  —  60  Kil. 
p.  Stunde  und  endlich  Fahrpreise,  die  von  der  riesigen  Concurrenz  bis  zu 
V2  —  1  Ct.  (2  —  4  Pf.)  und  zeitweilig  noch  tiefer  herabgedrückt  sind.  Sobald 
man  aber  von  den  Hauptlinien  abgeht,  findet  man  in  den  Landestheilen,  die  ent- 
fernter sind  von  den  grossen  Strassen  des  Verkehres,  unabänderlich  jenen  oben 
beschriebenen  Typus  der  eigentlich  amerikanischen  Eisenbahn. 

3)  In  den  letzten  Jahren  sind  auch  Coupe-Wagen  auf  der  Fall  R.  Line  u.  a.  t 
versuchsweise   eingeführt  worden,    scheinen   sich   aber  keinen  Beifall  erworben 
zu  haben. 


424  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

und  Erwärmung  und  der  Anbringung  von  Aborten  und  von  Wasch-  und 
Trinkwasser,  die  Erleichterung  der  Communication  zwischen  Reisenden  und 
Zugpersonal  und  der  Ortsveränderung  kommen  den  Reisenden,  eine  grössere 
Sicherheit  und  Bequemlichkeit  dem  Zugpersonal,  eine  grössere  Raumaus- 
nützung   den    Gesellschaften   zu   gute.      Die    Leichtigkeit,    mit   der   der 

y Amerikaner  reist,  beruht  gewiss  zum  Theil  auch  auf  diesen  Einrichtungen, 
die  den  unseren  im  Ganzen  sehr  weit  vorzuziehen  sind.  In  der  Theorie 
gab  es  früher  nur  Eine  Wagenclasse,  wie  es  das  demokratische  Princip 
verlangt.  Man  ist  aber  wegen  der  Neger  zuerst  im  S.  zur  Errichtung 
einer  nur  für  Farbige  bestimmten  2.  Wagenclasse  geschritten,  hat  dieselbe 
dann  auch,  besonders  im  W.,  für  die  zunehmenden  Raucher  und  auch  für 
die  Auswanderer  eingeführt,  welche  sehr  billige  Fahrpreise  zahlen  (der 
normale  Fahrpreis  ist  2  —  3  Cts.  p.  e.  M.),  und  so  ist  nun  mit  der  Zeit 
eine  etwas  schlechter  ausgestattete,  aber  ebenfalls  mit  Trink-  und  Wasch- 
wasser versehene  Classe  geschaffen  worden,    die   etwas  billiger  ist  und 

^gleichzeitig  den  Reisenden  der  I.  Classe  als  Rauch- Coupe  dient.  Noch 
weiter,  und  eigentlich  bis  zu  unserer  Dreitheilung,  hat  die  Einführung  der 
Drawing  -  Room-  oder  Parlor  -  Cars  (Salonwagen)  und  der  Sleeping  -  Cars 
(Schlafwagen)  geführt.  Anfangs  auf  die  durchgehenden  Züge  der  grossen 
Linien  beschränkt,  haben  diese  Luxuswagen  sich  in  Kürze  sehr  weit  ver- 
breitet, so  dass  die  besondere  Classe,  die  sie  über  den  beiden  anderen 
herstellen,  bereits  zu  den  Institutionen  des  nordamerikanischen  Eisenbahn- 
wesens gehört.  Es  ist  charakteristisch  für  die  einfache  Natürlichkeit  der 
Entwickelung  socialer  Unterschiede  zu  schärferem  Hervortreten ,  dass 
diese  Sonderung  der  ursprünglichen  Einen  Classe,  auf  deren  Einzigkeit 
demokratisches  Gewicht  gelegt  wurde,  in  drei  sich  ganz  von  selbst  aus 
einem  weitverbreiteten  Bedürfnisse  heraus  vollzogen  hat.  Ein  Zuschlag 
von  3  D.  p.  24  Stunden  für  die  Benützung  dieser  Luxuswagen  schliesst 
natürlicherweise  die  grosse  Menge  fast  vollständig  von  denselben  aus  *).  — 
Was  die  Sicherheit  des  Reisens  auf  nordamerikanischen  Bahnen  anbetrifft, 
so  ist  dieselbe,  wie  man  voraussehen  kann,  minder  gross  als  auf  unseren 
von  allen  denkbaren  Sicherheiten  umgebenen  Bahnen.  Ueber  ihren  wirk- 
lichen Betrag  liegen  keine  Berichte  vor.  Eine  der  wenigen  Unfallstabellen, 
die  den  Eisenbahnberichten  beigegeben  sind,  die  der  1250  Kil.  langen 
Philad.  and  Reading  R.  R.,  gibt  folgende  Zahlen: 


1)  1858  wurden  die  ersten  Schlafwagen  auf  einigen  grossen  Linien  eingeführt, 
7^  doch  wurde  das  Institut  erst  populär  seit  1867,  wo  G.  M.  Pullman  in  Detroit 
zuerst  sehr  praktische  Schlafwagen  baute,  von  denen  heute  gegen  700  Stück  auf 
50000  Kil.  Bahn  laufen.  Die  Gesellschaften  erhalten  diese  Wagen  leihweise 
und  haben  sie  im  Stande  zu  halten,  sie  erheben  von  den  Insassen  die  gewöhn- 
lichen Taxen,  während  die  3  D.  für  24  Stunden,  2  für  die  Nacht,  1  für  den 
Tag,  dem  Unternehmer  gehören.  Gewöhnlich  sollen  60  — SOProc.  der  Plätze  in 
denselben  besetzt  sein, 


Die  grosst 


hrslinien. 


(Zu  Seite  425.) 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel, 


425 


Jahr 

Menschen 

Vieh 

getödtet 

verwundet 

getödtet 

1870 

27  ^ 

33 

118 

1871 

38 

26 

116 

1872 

44 

63 

114 

1873 

56 

79 

140 

1874 

42 

67 

110 

1875 

59 

79 

149 

Unter  den  1875  Getödteten  waren  44,  unter  den  Verwundeten  33 
durch  eigene  Unvorsichtigkeit  getödtet. 

Unter  den  grossen  und  für  den  grossen  Verkehr  wichtigen  Linien 
sind  die  bemerkenswerthesten  die  folgenden :  Die  Pacific-Bahn,  welche 
in  2  Abschnitten  1918  e.  M.  lang  von  Omaha  Nebr.  (am  Missouri) 
nach  San  Francisco  führt,  a)  Union  Pacific  führt  von  Omaha  Nebr. 
über  Cheyenne  Wyom.  nach  Ogden  Ut.  (1034  e.  M.).  Der  Bau  dieser 
Bahn  wurde  vom  Congress  ermächtigt  durch  Acte  von  1862  und  64.  Die 
erste  Acte  gewährte  ausser  100'  Breite  Land  für  die  Strecke  selbst  eine 
Schenkung  von  12800  A.  (zusammen  ca.  12  Mill.  A.)  für  jede  e.  M.  der 
Bahn  und  eine  Bundesanleihe  in  Form  erster  Hypothek  von  27  Mill.  D. 
Die  zweite  ermächtigte  zur  Aufnahme  einer  weiteren  Anleihe  und  setzte 
das  Guthaben  der  V.  St.  an  zweite  Stelle.  Das  letztere  wird  durch 
Zurückhaltung  von  der  Hälfte  aller  für  die  V.  St.  erwachsenden  Trans- 
portkosten und  aus  einer  Tilgungskasse  bezahlt,  die  5  Proc.  aller  Rein- 
einnahmen aufnimmt*).  Die  Bahn  wurde  1869  dem  Verkehr  übergeben. 
Sie  besass  Anfangs  1878  168  Lokomotiven  und  3676  Wagen,  beförderte 
1877  79  323  Reisende  im  durchgehenden  (217  p.  Tag)  und  106  368  im 
lokalen  Verkehr,  716112  T.  Fracht,  nahm  3,5  Mill.  D.  für  Reisende,  7,6 
für  Güter,  1  für  Post  und  Expressdienst  ein.  Die  Einnahmen  betrugen 
brutto  12,5,  netto  7,2,  der  Aufwand  5,3  Mill.  D.  b)  Central  Pacific 
führt  von  Ogden  Ut.  nach  S.  Francisco  (884  e.  M.).  Mit  Seitenlinien 
zusammen  besitzt  sie  1213  e.  M.  Die  ursprüngliche  Hauptlinie  wurde 
unter  ähnlichen  Bedingungen  wie  die  Union  Pacific  mit  Unterstützung  der 
V.  St.  (Darleihen  von  27  Mill.  D.  und  Landschenkung  von  12  Mill.  A.) 
von  1863 — 69  gebaut  und  an  demselben  Tag  wie  diese  eröffnet.  Heute 
umfasst  sie  eine  ganze  Anzahl  californischer  Linien,  vorzüglich  die  frühere 
Western  Pacific  von  Sacramento  nach  S.  Francisco.  Sie  besass  1858 
228  Lokomotiven,   4921  Wagen  und  23  Flussdampfer.     Ihre   Einnahmen 


1)  Ein  im  Frühjahr  1878  erlassenes  Gesetz  ermächtigte  die  Regierung  zur 
Einhaltung  von  Zahlungen  an  die  Union  und  die  Central  Pacific  E.  B.  zum 
Zweck  der  Zinszahlung  für  die  Subsidien  und  der  Bildung  eines  Tilgungsfonds. 


426  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

waren  1877  für  Passagiere  5,6  Mill.  D.  (durchgehend  2,5),  Fracht  10,1, 
Post  und  Express  0,5,  ihr  Aufwand  8,3,  Netto-Einnahmen  8,6.  Die  rück- 
wärtige Verbindung  mit  Chicago  wird  durch  die  Linie  Chicago,  Rock 
Island  and  Pacific  gebildet,  die  von  Chicago  nach  Omaha  führt 
(500  e.  M.,  mit  Nebenlinien  1003),  beförderte  1877  1,5  Mill.  Reisende 
und  1,6  Mill.  T.  Fracht.  Reineinnahmen  3,6  Mill.  D.  Kansas  Pacific 
führt  von  Kansas  City  Mo.  nach  Denver  City  Col,  ist  also  eine  s.  Parallel- 
strecke der  grossen  Pacific-Bahn.  An  ein  direktes  VS^eiterführen  durch 
das  Gebirge  nach  dem  Stillen  Meer  ist  auf  diesem  Wege  für  jetzt  nicht 
zu  denken.  Die  Linie  ist  hauptsächlich  zur  Verbindung  Colorados  mit 
dem  Mississippi  wichtig.  Die  Bundesregierung  überwies  ihr  zugleich  mit 
der  grossen  Pacific-Bahn  eine  Unterstützung  von  16000  D.  p.  e.  M» 
und  eine  Landschenkung  von  6  Mill.  A.  Seit  1873  werden  keine 
Zinsen  bezahlt.  1877  wurden  143117  Reisende  und  337  520  Fracht  be- 
fördert. Einnahmen  3,3,  Aufwand  1,9  Mill.  D.  Atchinson,  Topcka 
and  Santa  Fe  führt  s.  von  der  ebengenannten  Linie  gleichfalls  durch 
Kansas  auf  Neu-Mexico  zu,  das  man  in  diesem  Jahre  erreichen  will. 
Northern  Pacific.  Soll  über  1800  e.  M.  vom  Oberen  See  nach  dem 
Puget-Sund  am  Stillen  Ocean  führen.  In  Betrieb  ist  a)  Duluth  Minn.  — 
Bismarck  Dak.  Terr.  (449  e.  M.)  von  der  ö.  Hälfte  und  b)  Kalama  Wash. 
Terr.  —  Tacoma  Wash.  Terr.  (136  e..  M.),  also  nicht  ganz  Vs.  Der  schwierigste 
Theil  durch  das  Gebirge  wird  sobald  nicht  gebaut  werden,  denn  die  Rein- 
einnahmen betrugen  1877  nicht  mehr  als  393  000  D. ;  Zinsen  werden  seit 
1874  nicht  bezahlt.  Vom  Bund  hat  diese  Linie  eine  Landzuweisung  von 
47  Mill.  A.  (!)  erhalten.  1877  wurden  30538  Reisende  und  ca.  50000  T. 
Fracht  befördert.  Southern  Pacific  zur  Verbindung  von  Californien 
und  Texas  über  Arizona.  Die  Hauptlinie  S.  Francisco  Cal.  —  Yuma  Ar. 
(729  e.  M.)  ist  fertig  und  soll  nach  El  Paso  fortgeführt  werden ,  um  dort 
mit  der  Texas  Pacific  zusammenzutreffen.  Vom  Bund  durch  Ueberlassung 
von  20  Sektionen  Land  für  jede  e.  M.  Strecke  unterstützt.  Texas 
and  Pacific.  Ursprünglich  als  Linie  von  1600  e.  M.  von  Marshall 
Tex.  bis  San  Diego  Cal.  über  El  Paso  geplant.  Wird  mit  der  californi- 
schen  S.  Pacific  die  Verbindung  zwischen  dem  Golf  von  Mexico  und  dem 
Stillen  Ocean  herstellen.  Mit  18  Mill.  A.  Land  vom  Bunde  unterstützt. 
1877  0,7  Mill.  D.  Reineinnahme. 

Linien,  die  das  Innere  mit  dem  Atlantischen  Ocean  in  Ver- 
bindung setzen:  Lake  Shore  and  Michigan  Southern.  540  e.  M. 
von  Chicago  111.  bis  Buffalo  N.  Y.,  mit  Seitenlinien  1176  e.  M.  1869  durch 
Vereinigung  einer  grösseren  Zahl  von  Linien  zu  einem  der  mächtigsten 
Eisenbahnmonopole  erhoben.  Beförderte  1877  2,7  Mill.  Reisende  und 
5,5  Mill.  T.  Fracht.  Reineinnahmen  4,5  Mill.  D.  In  inniger  Verbindung 
mit  ihr  steht  Erie  (Jersey  City  N.  J.  gegenüber  New  York  —  Dunkirk 
N.  Y.  460  e.  M.),  die  1877  3,8  Mill.  D.  Reineinnahme  hatte  von  4,9  Mill. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  427 

Reisenden  und  6,2  Mill.  T.  Fracht  und  1859  und  75  fallirte,  und  die 
New  York  Central  and  Hudson  River  (Buffalo  N.  Y.  —New  York 
442  e.  M.,  zusammen  1000  e.  M.),  welche  1877  aus  8,9  Mill.  Reisenden 
und  6,4  Mill.  T.  Fracht  11,6  Reineinnahme  hatte.  Atlantic  and 
Grreat  Western,  die  in  Salamanca  N.  Y.  an  die  Erie-Bahn  anschliesst 
und  von  da  nach  Dayton  0.  führt,  ist  eine  südlichere  Verbindung  zwischen 
New  York  und  dem  W.  Seit  1874  fallit.  Beförderte  1877  0,8  Mill. 
Reisende  und  2,8  Mill.  T.  Fracht.  Als  nördliche  Verbindung  führt 
Michigan  Central  von  Chicago  111.  nach  Detroit  Mich.  (284  e.  M.,  mit 
Nebenlinien  803;  hatte  1877  2  Mill.  D.  Reineinnahme  von  1,4  Mill. 
Reisenden  und  3  Mill.  T.  Fracht).  Die  noch  nicht  vollendete  Chicago 
and  Canada  Southern  hat  dieselbe  Verbindung  (250  e.  M.)  durch 
Ohio.  Die  Linien,  welche  die  Verbindung  von  Chicago  nach  dem  Atlan- 
tischen Ocean  in  der  Richtung  auf  Pennsylvania  vermitteln,  sind  seit  1870 
in  der  Ausdehnung  von  1091  e.  M.  in  den  Händen  der  Pennsylvania 
R.  R.  Cy.,  deren  Hauptlinie  die  Strecke  Pittsburg,  Ft.  Wayne  and 
Chicago  (468  e.  M.;  1877  befördert  2,1  Mill.  Reisende  und  2,7  Mill.  T. 
Fracht).  In  Concurrenz  mit  diesem  Complex  steht  der  noch  mächtigere 
der  Baltimore  and  Ohio  R.  R. ,  dessen  Grundlinie  die  Strecke 
Baltimore  —  Wheeling  Va.  Der  Gesammtbesitz  dieser  Gesellschaft 
beträgt  1500  e.  M.,  worunter  die  wichtige  Industrielinie,  welche  die 
Kohlenlager  von  Cumberland  Md.  mit  Pittsburg  verbindet.  Beförderte 
1877  auf  der  Hauptlinie  1,04  T.  Durchfracht,  16  Mill.  B.  Getreide  u.  s.  f. 
und  hatte  8,2  Mill.  D.  Einnahmen.  Noch  weiter  s.  führen  direkte  Ver- 
bindungen aus  dem  W.  nach  dem  Atlantischen  Ocean  über  die  Atlantic, 
Mississippi  and  Ohio,  die  den  Hafen  von  Norfolk  Va.  mit  Bristol  Tenn. 
(408  e.M.),  also  mit  dem  Ohio-Gebiet  verbindet.  Beförderte  1877  152000 
Reisende  und  339000  T.  Fracht.  Seit  1873  fallit.  In  derselben  Richtung 
gehtCh  esapeake  and  Ohio,  die  Richmond  Va.  mit  Huntington  W.  Va. 
verbindet  (428  e.  M.)  und  1877  160000  Reisende  und  472  000  T.  Fracht 
beförderte.  Die  direkte  Linie  von  Charleston  S.  C.  nach  W.  wird  durch 
die  S.  Carolina  R.  R.  gebildet  (243  e.  M.),  welche  nach  Hamburg  S.  C. 
führt  und  1877  104000  Reisende  und  245000  T.  Fracht  beförderte. 

Unter  den  grossen  Linien,  die  den  Golf  von  Mexico  mit  dem  Inneren 
verbinden,  also  gleichsam  rechtwinklig  das  Netz  der  ebengenannten  durch- 
schneiden,  sind  am  hervorragendsten:  Louisville  and  Nashville 
(zusammen  651  e.  M.),  verbindet  Louisville  Ky.  mit  den  Hauptplätzen 
Tennessees,  Nashville  und  Memphis,  und  beförderte  1877  5280(30  Reisende 
und  1,6  Mill.  T.  Fracht.  Mobile  and  Ohio  verbindet  Mobile,  den 
Hafen  von  Alabama,  mit  Columbus  Ky.  in  472  e.  M.,  beförderte  1877 
211000  Reisende  und  251000  T.  Fracht.  Die  Chicago,  S.  Louis 
and  New  Orleans  verbindet  New  Orleans  La.  mit  Fillmore  Ky. 
(567  e.  M.).    Nähere  Berichte  fehlen.    Weiter  w.  kommen  dann  die  schon 


428 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


genannte  Texas  and  Pacific  hinzu,  welche  durch  die  Missouri,  Kansas 
and  Texas  (787)  sich  an  die  Missouri-Bahnen  anschliessen.  Im  fernen 
W.  bildet  die  Denver  and  Rio  Grande  (Denver  Col.  —  Garland  Col. 
265  e.  M.)  den  Anfang  einer  auf  850  e.  M.  veranschlagten  Hauptbahn, 
welche  am  ö.  Rand  des  Felsengebirges  von  Denver  bis  El  Paso  gehen 
soll.  Von  den  aus  dem  Inneren  nach  N.  zu  ihre  Verbindungen  suchenden 
Linien  ist  eil icago  and  Northwestern  mit  einem  Netz  von  1993  e.  M. 
die  unbedingt  herrschende.  Ihre  Hauptlinien  sind  Chicago  IlL  — 
Ft.  Howard  Wisc.  (242  e.  M.)  und  Winona  Minn.  —  Minnesota- 
Grenze  (288  e.  M.).  Auf  den  Linien  dieser  Gesellschaft  wurden  1877 
3,3  Mill.  Reisende  und  3,4  Mill.  T.  Fracht  verschifft.  In  einem  grossen 
Theile  des  nw.  Verkehres  concurrirt  mit  ihr  die  Linie  Chicago,  Mil- 
waukee  and  S.  Paul  (1412  e.  M.;  1,1  Mill.  Reisende,  1,7  Mill.  T. 
Fracht)^).  Von  weiteren  grossen  Complexen  und  Linien,  die,  ohne  die  grosse, 
meist  sogar  internationale  Wichtigkeit  der  vorigen  zu  haben,  doch  von  erheb- 
licher örtlicher  Bedeutung  sind,  dürften  noch  folgende  hervorzuheben  sein: 

Verzeichniss  der  grossen  Eisenbahncomplexe  der  V.  St.^) 


Name 

Länge 
des  Netzes 

H  a  u  p  t  1  i  n  i  e 

Maine  Central 

355  e.M. 

Pörtland  Me.— Bangor  Me. 

Old  Colony 

278 

Boston  Mass. — Newport  R.  J. 

Boston-Albany 

250 

Boston  Mass.— Albany  N.  Y. 

New  York  and  Oswego  Midland 

344 

Oswego  N.  Y.— Middletowu   N.  Y. 

Rome,  Watertown  and  Ogdens- 

burg 

380 

Rome  N.  Y.— Ogdensburg  N.  Y. 

,  Alleghany  Valley 

259 

Pittsburg  Pa.— Oil  City  Pa. 

Philadelphia  and  Reading     .     . 

327 

Philadelphia— Pottsville  Pa. 

Philadelphia  and  Erie      .     .     . 

288 

Sunbury  Pa. — Erie  Pa. 

Washington  City,  Virginia  Mid- 

land and  Great  Southern  .     . 

359 

Alexandria  Va.— Danville  Va. 

Carolina  Central 

242 

Wilmington  N.  C— Shelby  N.  C. 

North  Carolina 

223 

Charlotte   N.  C.-Goldsboro  N.  C. 

East    Tennessee,    Virginia    and 

Georgia   .  ' 

272 

Bristol  Va.— Chattanooga  Tenn. 

Nashville,    Chattanooga  and  S. 

Louis 

349 

Hickman  Ky.— Chattanooga  Tenn 

1)  Nach  den  Nachrichten  von  August  1878  hoffte  man  Anfang  1879  die  Bahn 
von  S.  Paul  Minn.  nicht  bloss  bis  Winnipeg,  sondern  bis  Selkirk,  35  Kil.  weiter 
n.  an  der  Canadian  Pacific  R.  R.  gelegen,  ausgebaut  zu  haben. 

2)  Die  von  den  Gesellschaften  gepachteten  Linien  sind  in  die.  Netze  der- 
selben mit  eingerechnet. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


429 


Name 

Länge 
des  Netzes 

H  a  u  p  t  1  i  n  i  e 

Atlantic  and  Gulf 

350  e.  M. 

Savannah  Ga.— Bainbridge  Ga. 

Georgia  Central 

311 

Savannah  Ga.— Atlanta  Ga. 

Southwestern 

310 

Macon  Ga.— Eufaula  Ga. 

Georgia 

231 

Augusta  Ga.— Atlanta  Ga. 

Alabama  Great  Southern .     .     . 

296 

Chattanooga  Tenn.— Meridian  Miss. 

Memphis  and  Charleston  .     .     . 

292 

Memphis  Tenn.— Stevenson  AI. 

Baltimore,  Ohio  and  Chicago    . 

262 

Chicago  Junction  0. — Chicago 

Cleveland,  Columbus,  Cincinnati 

and  Indianapolis 

391 

Galion  0. — Indianapolis  Ind. 

Cleveland  and  Pittsburg  .    .     . 

225 

Cleveland  0.— Pittsburg  Pa. 

Columbus,  Chicago  and  Indiana 

Central 

580 

Bradford  0.— Chicago  111. 

Mill  Creek  Bridge  0.— Scotts  Lan- 

Marietta  and  Cincinnati  .     .    . 

276 

ding  0. 

Ohio  and  Mississippi    .... 

608 

Cincinnati  0.— East  S.  Louis  111. 

Pittsburg,  Cincinnati  and  S.  Louis 

200 

Pittsburg  Pa.— Columbus  0. 

Wabash 

690 

Toledo  0.— Quincy  111. 

Chicago  and  Lake  Huron     .     . 

232 

Port  Huron  Mich. — Chicago  111. 

Chicago  and  Michigan  Lake  Shore 

246 

New   BulFalo     Mich.  —  Pentwater 
Mich. 

Chicago  and  Alton 

365 

Joliet  111.— East  S.  Louis  111. 

Chicago,  Burlington  and  Quincy 

1270 

ChicagoIU.— East  Plattsmouth  Ind. 

Flint  and  Pere  Marquette    .     . 

283 

Monroe  Mich.— Ludington  Mich. 

Grand  Kapids  and  Indiana  .     . 

332 

Fort  Wayne  Ind.— Petosky  Mich. 

Illinois  Central 

1108 

Cairo  111.— Dunleith  111. 

Indianapolis,   Bloomington   and 

Western 

333 

Indianapolis  Ind. — Pekin  111. 

Jeffersonville,  Madison  and  In- 

dianapolis      

225 

Louisville  Ky.  —  Indianapolis  Ind. 

Louisville,     New    Albany    and 

Chicago 

288 

NewAlbany  Ind.    Michigan  City  111. 

S.  Louis,  Alton  and  Terre  Haute 

263 

Terre  Haute  Ind.— East  S.  Louis  111. 

S.  Louis  and  South  Eastern  .     . 

353 

East  S.  Louis  111. — Evansville  Ind. 

S.  Louis  and  Indianapolis      .     . 

267 

S.  Louis— Indianapolis. 

Toledo,  Peoria  and  Warsaw     . 

247 

Warsaw  111. — Grenze  von  Indiana 

Green  Bay  and  Minnesota    .     . 

214 

Green  Bay  Wis.— Winona  Minn. 

Western  Union 

213 

Racine  Wis.— Rock  Island   Junc- 
tion 111. 

Wisconsin  Central 

449 

Menasha  Wis.— Ashland  Wis. 

Burlington,    Cedar  Rapids   and 

Northern 

415 

Burlington  lo. — Manly  Junction  lo. 

Chicago,   Clinton,  Dubuque  and 

Minnesota 

223 

Clinton  lo.— La  Crescent  Minn. 

430 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


Name 

Länge 
des  Netzes 

H  a  u  p  t  1  i  n  i  e 

S.  Paul  and  Pacific 

387  e.  M. 

S.  Anthony  Minn.— Breckenridge 
Minn. 

Winona  and  S.  Peter   .... 

Cedar  Rapids   and  Missouri  R. 

272 

Central  of  Iowa 

206 

Albia  lo.— North wood  lo. 

Hannibal  and  S.  Joseph   .     .     . 

292 

Hannibal  Mo.— S.  Joseph  Mo. 

Hannibal,  Kansas  City  and  Coun- 

cil Bluffs 

252 

Kansas  City  Mo.— Council  Bluffs  lo. 

Missouri  Pacific 

294 

S.  Louis  Mo.— Grenze  von  Kansas 

S.  Louis,  Iron  Mt.  and  Southern 

G84 

Bismarck  Mo. — Texarkana  Tex. 

—      Kansas  City  and  Northern 

380 

S.  Louis  Mo. — Hannibal  and  S.  Jo- 
seph R.  R   Junction 

—      and  San  P'rancisco  .     . 

326 

Pacific  Station  Mo. — Vinita  Ind. 
Terr. 

Quincy,  Missouri  and  Pacific     . 

230 

Quincy  111.— Brownsville  Nebr. 

Galveston,    Harrishurg   and   S. 

Antonio   .     , 

215 

Harrishurg  Tex.— S.  Antonio  Tex, 

Houston  and  Texas  Central.     . 

516 

Houston  Tex.— Red.  R.  City  Tex. 

International  and  Great  Northern 

519 

Longview  Tex.— Houston  Tex. 

S.  Joseph  and  Western     .     .     . 

227 

West  S.  Joseph  Kans  —  Hastings 
Nebr. 

Oregon  and  California      .     .     . 

200 

Portland  Or.— Roseburg  Or. 

In  den  letzten  Jahren  ist  eine  erhebliche  Anzahl  von  schmalspurigen 
Bahnen  gebaut  worden.  Ihre  Zahl  ist  leider  in  den  Statistiken  nicht 
ausgeschieden.  Auch  dieses  System  soll,  wie  es  scheint,  seine  grösste 
Entwickelung  in  Nord- Amerika  finden,  nach  der  Nachricht  zu  urtheilen, 
dass  man  1877  den  Bau  einer  schmalspurigen  Eisenbahn  von  Norfolk 
Virg.  nach  Cincinnati  begonnen  habe,  welche  hofft,  die  Erzeugnisse  des  W. 
halb  so  theuer  verfrachten  zu  können  wie  die  jetzigen  grossen  Linien. 
Einige  dieser  Bahnen,  die  man  in  grösserer  Zahl  z.  B.  in  den  Minengebieten 
von  Colorado  findet,  sind  Wunder  von  Kühnheit.  Eine  der  kühnsten  ist 
die  von  Parker  Penn,  nach  Karns  City  Penn,  durch  die  Oelregion  führende 
16  Kil.  lange  Linie,  an  der  auch  Petrolia  Penn,  gelegen  ist.  Diese  Bahn 
hat  20  m  Steigung  p.  Km.  an  einigen  Punkten  und  16  m  Durchschnitts- 
steigung.   Ihre  Curven  haben  bis  37  m  Radius. 

VI.  Strassen  und  Brücken.  Ueber  die  verhältnissmässig  geringe 
Entwickelung  der  Verkehrsmittel  in  den  V.  St.  zu  der  Zeit,  in  welcher 
bei  uns  in  Europa  die  grösste  Sorge  auf  den  Bau  von  Landstrassen  ver- 
wandt wurde,  ist  oben  gesprochen.  Man  baute  dort  keine  Kunststrassen 
für  Jahrhunderte,  sondern  Fahrwege  für  die  erste  Nothwendigkeit,  wobei 
als  eine  durch  den  Holzreichthum  des  Landes  bewirkte  Eigenthümlichkeit 


XI.  "Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  431 

die  ausgedehnte  Verwendung  des  Holzes  hervortritt.  An  Stelle  der  Be- 
schotterung tritt  noch  heute  die  Belegung  des  geebneten  Grundes  mit,^ 
Planken  (Plank  Road),  die  wie  Eisenbahnschienen  an  einander  gelegt  sind, 
oder  mit  quergelegten  Prügeln  oder  Faschinen  (Corduroy  Road).  Heute 
baut  man  wenig  Strassen,  höchstens  kleine  Strecken  bis  zur  nächsten 
Eisenbahn.  Wo  indessen  in  unwegsamen  Gebirgen  transportlohnende 
Lasten  zu  bewegen  sind,  wie  z.  B.  in  den  Minengebieten  von  Colorado 
und  Californien,  sind  eben  so  gute  und  bessere  Strassen  als  wir  sie  z.  B.  " 
in  Tirol  oder  Salzburg  finden,  in  die  wildesten  Canons  hineingebaut. 
Und  dieselben  sind  in  der  Regel  in  sehr  kurzer  Zeit  hergestellt  worden. 
Gerade  in  dieser  Gegend  kommt  nun  die  Natur  der  Anlage  von  Strassen 
nicht  entgegen.  Aber  in  den  Minengebieten  von  Nevada,  wo  die  Anlage 
von  Eisenbahnen  ebenfalls  nicht  lohnt  und  die  vor  dem  Bau  der  Pacific- 
Bahn  sogar  ganz  eisenbahnlos  waren,  ist  es  umgekehrt;  ihre  Steppennatur, 
der  Mangel  an  Strauch-  oder  Baumvegetation  wie  an  fliessendem  Wasser  hat 
diese  Wüstenländer  in  seltener  Weise  zum  Verkehr  geeignet  gemacht.  Es 
gilt  das  nicht  nur  von  den  Steppengebieten  des  Grossen  Beckens,  sondern 
noch  mehr  von  denjenigen,  welche  ö.  vom  Felsengebirg  bis  an  den 
Mississippi  hinziehen.  Hier  waren  die  berühmten  transcontinentalen  Aus- 
wandererstrassen (s.  0.  S.  397)  nichts  weniger  als  gebahnte  Wege,  sondern  ein- 
fach getretene  Pfade,  die  gleich  den  Karawanenwegen  in  den  Wüsten  ausser 
durch  Wagenspuren  noch  durch  die  Reste  der  umgekommenen  Menschen 
und  Thiere  bezeichnet  waren.  Ausser  diesen  ans  Stille  Meer  führenden 
Wegen  waren  von  den  grossen  Steppenstrassen  besonders  noch  berühmt 
und  ziemlich  verkehrsreich  die  beiden  grossen  Karawanenwege  vom 
Mississippi  nach  Santa  Fe ;  der  erste  und  wichtigste  führte  von  S.  Louis 
Mo.  über  Independence ,  Caches  und  Cool  Spring  unter  Kreuzung  des 
Arkansas  nach  S.  Miguel,  während  ein  später  eingeschlagener  von  Van  Buren 
an  der  Westgrenze  von  Arkansas  im  Thal  des  Canadian  eine  fast  genau 
westliche  Richtung  nach  San  Miguel  beschrieb ').  Später  erwies  sich 
auch  Californien  durch  sein  mildes  trockenes  Klima  zur  Anlage  von 
Strassen  wohl  geeignet.  In  den  mittleren  und  südlichen  Gegenden  ist 
der  Boden  der  Plains  zwischen  den  beiden  Gebirgen  oft  so  eben  und 
durch  den  dichten  verfilzten  Wuchs  der  Haidepflanzen  so  fest  zusammen- 
gehalten, dass  er  ohne  alle  Vorbereitung  mit  Eilwagen  befahren  werden 
kann,  und  so  vielbefahrene  Strecken  wie  z.  B.  der  Weg  von  Merced  nach  ^ 
Colterville,  der  weiterhin  in  das  Yosemite-Thal  mündet,  führen  bis  an 
die  Sierra  einfach  über  diesen  natürlichen  Boden  weg.  Die  Entwickelung 
des  Frachtfuhrwesens  war  in  diesen  Gegenden  eine  grossartige  vor  der 
Zeit  der  californischen  Bahnen ,  wo  die  sog.  Stockton  -  Schooners ,  Wagen  v^ 


1)  S.  Karte   und  Beschreibung   dieser  Wege    in  J.  Gregg,  Karawanenzüge 
durch  die  w.  Prärien.     1845.    Uehcr  den  hier  betriebenen  Handel  s.  S.  474. 


432  XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

von  200  —  250  Ctr.  Tragkraft,  von  6  —  12  der  stärksten  Maulthiere  ge- 
zogen, den  Waarenverkehr  zwischen  S.  Francisco  und  den  Bergwerksgebieten 
besorgten.  —  Von  den  Strassen  des  0.,  die  durch  die  Eisenbahnen  und 
Canäle  grossentheils  alle  Bedeutung  für  den  grossen  Verkehr  verloren 
haben  (nur  gewisse  Gcbirgsstrassen  der  Alleghanies  machen  davon  eine 
Ausnahme),  ist  hier  wenig  zu  sagen.  Historisch  bemerkenswerth  ist 
vielleicht,  dass  es  erst  die  Gründung  einer  Poststrasse  von  Falmouth 
Mass.  bis  Savannah  Ga.  war  (durch  den  Congress  1775  schon  beschlossen), 
welche  dem  Strassenbau  den  grössten  Anstoss  gab.  Die  Erträge  der  Post, 
welche  zur  Angelegenheit  des  Bundes  erklärt  ward,  wurden  ausschliesslich 
auf  Neuanlage  von  Poststrassen  und  Stationen  verwendet  und  bei  Portis 
von  10  —  25  Cts.  für  Briefe,  welche  weiter  als  50  Kil.  gingen,  waren 
dieselben  nicht  unbedeutend.  Der  Verkehr  war  schon  1794  so  weit  er- 
leichtert ,  dass  man  die  Strecke  von  New  York  bis  Buffalo  (988  Kil.)  in 
80  Fahr-  und  20  Ruhestunden,  zusammen  100,  zurücklegte.  Von  Philadelphia 
bis  Pittsburg  (515  Kil.)  fuhr  man  quer  durch  das  Gebirge,  wobei  die  Nächte 
geruht  ward,  in  57«  Tagen.  1813  wurde  die  Länge  der  Poststrassen  der 
V.  St.  auf  66000  Kil.  angegeben;  aber  es  sind  darunter  nicht  eigentliche 
Strassen,  sondern  überhaupt  Wege  zu  verstehen,  welche  von  den  Posten 
befahren  bzw.  geritten  wurden.  Von  eigentlichen  Strassen  war  damals 
die  von  Robbinstown  Me.  bis  St.  Mary's  Fl.  die  grösste  und  auch  ver- 
kehrsreichste. Ihre  Länge  betrug  2680  Kil.  Zur  Entwickelung  dieses 
Strassennetzes  würden  die  Verkehrsbedürfnisse  ohne  die  Eisenbahnen 
gewiss  sehr  bald  geführt  haben.  Passirten  doch  schon  1813/14  4055 
Frachtwagen  den  Weg  von  Philadelphia  nach  Pittsburg  und  war  unmittelbar 
vor  der  Eisenbahn -Aera  der  Verkehr  in  Neu-England  so  lebhaft,  dass  z.  B. 
1832  die  Zahl  der  jährlich  zwischen  Boston  und  Worcester  verkehrenden 
Menschen  auf  84000  und  der  Waaren  auf  30000  T.  geschätzt  wurde. 
Da  der  Amerikaner  gern  und  rasch  fährt,  sind  trotz  des  Ueberwiegens 
der  Eisenbahnen  noch  heute  seine  Leistungen  auf  dem  Gebiet  der  Fahr- 
post hervorragend.  Die  grösste  Fahrpostlinie  ist  zwar  mit  der  Vollendung 
der  Pacific-Bahn  aufgelassen  worden;  es  war  dies  die  früher  täglich  von 
Atchinson  Mo.  über  Denver  und  Utah  nach  S.  Francisco  abgehende  Post, 
welche  die  635  d.  M.  lange  Strecke  in  17  — 18  Tagen  zurücklegte.  Sie 
-Chatte  260  Wagen  und  6000  Pferde  und  man  zahlte  500  1).  für  die  ganze 
Reise.  Aber  im  W.  sind  noch  immer  grosse  Strecken  mit  Pferden  zu 
durchfahren,  wobei  Bewunderung  erregt  die  Kühnheit,  mit  der  das  nach 
mexikanischer  Art  meist  mit  5  Maulthieren  oder  Pferden  bespannte  Fahr- 
zeug über  Stock  und  Stein  getrieben  wird. 

Die  Strasse neisenbahnen  sind  in  den  V.  St.  durch  die  weite 
Anlage  der  Städte,  die  Theuerung  der  Einzelfuhrwerke,  die  Neigung, 
möglichst  in  der  Peripherie  zu  wohnen,  während  die  Geschäfte  im  Mittel- 
punkt der  Städte  gemacht  werden,   endlich  überhaupt  in  Anwendung  des 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  433 

alles  beherrschenden  Grundsatzes  der  Zeit-  und  Arbeitersparung  zu  einer 
sehr  weit  verbreiteten  Einrichtung  geworden.  Den  Grossstädten  haben  sie 
nicht  einmal  genügt,  sondern  diese  haben  daneben  noch  besondere  Dampf- 
eisenbahnen ,  die  in  New  York  die  merkwürdige  Form  der  sog.  Elevated  v^ 
Rail  Roads,  d.  h.  auf  einem  Säulenlager  hoch  über  der  Strasse  hinführenden 
Eisenbahn,  angenommen  haben.  Für  die  Staaten  New  York  und  Massa- 
chusetts zählt  Poor's  Rail  Road  Manual  für  1878  (New  York  1878)  71 
bzw.  34  Strasseneisenbahn  -  Gesellschaften  auf.  Die  grösste  von  diesen, 
die  Metropolitan  R.  R.  in  Boston,  hat  47  e.  M.  Linien  ^).  —  Der  Zustand  ^^ 
der  städtischen  Strassen  ist  in  allen  Städten  der  V.  St.,  einige  feine  Haupt- 
strassen abgerechnet,  ein  wenig  guter  und  dasselbe  gilt  von  der  Strassen- 
reinigung.  Es  wird  in  dieser  Beziehung  nur  das  Nothwendigste  gethan. 
Eigentliche  Steinpflasterung  ist  selten,  Holzpflaster  oder  Macadam  sind 
vorwiegend.  Die  Grossstadt  Philadelphia  ist  so  gepflastert  wie  es  in  alten 
deutschen  Städten  üblich  war,  wie  Reuleaux  sich  ausdrückt,  mit  Bach- 
Meseln. 

Brücken.  Der  amerikanische  Brückenbau  ist  durch  die  Grossartig- 
keit und  Kühnheit  seiner  Leistungen  wohlbekannt.  Der  Natur  der  Ver- 
hältnisse entsprechend,  unter  welchen  gebaut  wird,  sind  es  grosse  und 
zugleich  billige,  wenn  auch  weniger  dauerhafte  Construktionen,  die  man 
mit  Vorliebe  herstellt.  Dass  man  jedoch  vor  kostspieligen  Bauten  nicht 
zurückscheut,  beweist  die  New  York-Brooklyner  Brücke  über  den  East  R., 
für  welche  Ende  1878  die  Gesammtkosten  auf  13  Mill.  D.  veranschlagt 
wurden.  Es  wird  dies  die  grösste  bis  jetzt  gebaute  Hängebrücke  von 
493  m  Länge  und  26  m  Breite  sein.  Die  Pfeilerthürme  werden  85  m  hoch. 
Ueberhaupt  sind  Hängebrücken  in  den  V.  St.  mit  grösserer  Vorliebe  v^ 
gebaut  worden  als  bei  uns  und  sind  es  vorzüglich  die  Werke  deutscher 
Ingenieure,  in  erster  Linie  des  Erbauers  der  Niagara  -  Hängebrücke, 
-A .  Röbling's,  welche  dabei  zum  Muster  genommen  wurden.  Ausser  diesen 
sind  es  die  hölzernen  Fachwerkbrücken,  welche  in  grosser  Menge  und 
Mannigfaltigkeit  erbaut  wurden.  Man  hat  sie  in  Europa  vielfach  nach- 
geahmt. Sie  finden  ihre  grösste  Entwickeiung  in  den  sog.  Trestlcv-- 
Works,  brückenartige  Holzgerüste  von  oft  gewaltiger  Höhe  und  Länge, 
die  bei  den  Eisenbahnen  grosse  Bodeneinschnitte  übersetzen,  Sümpfe  über- 
brücken u.  s.  f.  —  Ueber  den  Mississippi  führten  am  1.  Januar  1878  feste 
Brücken  bei  Winona,  La  Crosse,  Prairie  du  Chien,  Dubuque,  Clinton, 
Rock  Island,  Burlington,  Keokuk,  Quincy,  Hannibal  und  Louisiana  Ms. 

1878  wurde  im  Congress   der  Antrag  gestellt,   eine  12.  feste  Brücke 
bei  Memphis  Tenn.  bauen  zu  lassen. 


1)  Vgl.    über   diese   Einrichtungen:    Dietrich,    Reiseskizzen  ges.    auf   einer 
Studienreise  nach  Nord-Amerika.    Berlin  1879.  36  f. 

K  a  t  z  c  1 ,   Amerika  II.  oo 


434 


XI,  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


VII.  Rhederei  und  Schiffsverkehr.  1.  Zahl  der  Schiffe. 
Im  Beginn  des  Fiskaljahres  1876/77  wurden  in  den  V.  St.  folgende 
Zahlen  und  Tonnengehalte  von  Segelschiffen,  Dampfern,  Canalbooten 
und  Barken  gezählt: 


Segelschiffe 
Z.               T. 

Dampfer 
Z.               T. 

Atlantische  und  Golfküste   .     .     . 

Pacifische  Küste 

Seen  des  Nordens 

Flüsse  des  Westens 

15  678 

936 

1643 

2  115  762 
161  430 
331  497 

2  081 

270 

921 

1048 

4  320" 

665  879 

78  439 

201  742 

226  311 

18  257 

2  608  691 

1 172  372 

Canal 
Z. 

boote 
T. 

Barken 
Z.               T. 

Atlantische  und  Golfküste   .     .     . 
Pacifische  Küste      ..:... 

Seen  des  Nordens 

Flüsse  des  Westens     .     .          .     .• 

1140 
441 

83  321 
34  386 

685 

86 

188 

817 

147  375 
13  525 
45  584 

174  200 

1581 

117  708 

1776 

380  686 

Auf   die  wichtigeren  Zollbezirke  vertheilten   sich  dieselben  fol- 


gendermassen : 


New  York  .     .     . 
Philadelphia    . 
Boston  u.  Charlesto\\ 
Baltimore    .     .     . 
S.  Francisco     .     . 
Ostdistrikt  von  Mary 

land    .... 
Waldoborougti  Me. 
Gloucester  Mass. 
Portland    und    P'al 

mouth  Me.  .  . 
Cherrystone  Va.  . 
New  Orleans  .  . 
Bridgeton  N.  J.    . 


I.  Segelschiffe^). 


Z. 
,  2  713 

,  956 
n  872 
.  846 
.     815 

,  683 
520 
510 

378 
363 
361 
359 


T. 
606  303 
162  004 
291  895 
78  543 
140  012 

18  516 

81027 
33194 

101  745 

5  775 

35  945 

17  746 


Castine  Me.     . 
v/Chicago  .     .     . 

Norfolk  Me.     . 

Norfolk  Va. 

Portsmouth  Va. 

Frenchmans  Bay  Me. 

Perth  Amboy  N.  J.    . 
v^ilwaukee  .     .     .     . 

Belfast  Me. 

Bath  Me 

Sag  Harbour  N.  Y.    . 

New  Bedford  Mass.  . 

Machias  Me.    .     .     . 

Bangor  Me, 


Z. 

331 
322 
309 

309 

298 
284 
283 
263 
240 
237 
236 
210 
205 


T. 

20  969 
75  186 

7  003 

19  601 
14  275 
51025 
59  661 
112  744 
11063 
42  174 
26  327 
31639 


1)  Nur  die  Orte  mit  über  100  Segelschiffen  sind  gezählt. 


XI.  Verkehrswege  nnd  Verkehrsmittel. 


435 


Z. 

T. 

Z. 

T. 

Passamaquoddy  Me 

204 

25  444 

Key  West  Flor.    . 

120 

3178 

Fairfield  Conn.     . 

201 

9  041 

Michigan  Mich.    . 

121 

10  608 

Galveston  Tex.    . 

191 

10  531 

Newport  R.  I.      . 

117 

4  303 

Detroit  Mich.  .     . 

182 

28  981 

Yorktown  Va. 

116 

2  359 

New  London  Conn. 

180 

9  280 

Fall  R.  Mass.  .     . 

114 

12  405 

Cuyahoga  Ohio    . 

163 

48  562 

Stonington  Conn. 

il4 

9  714 

Wiscasset  Me.     . 

162 

10  887 

Annapolis  Md.     . 

105 

1986 

Delaware  Del. 

159 

11337 

Pearl  R.  Miss.     . 

102 

3  921 

Charleston  S.  C.  . 

145 

7  030 

Buffalo  Creek  N.  Y 

102 

45  367 

New  Haven  Conn. 

139 

15  385 

Pamlico  N.  C.      . 

101 

2  065 

Great  Egg  Harb. 

131 

15  900 

Middleton  Conn. . 

100 

9  679 

Huron  Mich.    .     . 

128 

12  833 

Man  sieht  aus  dieser  Uebersicht,  dass  die  V.  St.  unter  ihren 
Zolldistrikten  (die  mit  Hafenplätzen  in  den  meisten  Fällen  zusammen- 
fallen) 46  haben,  in  denen  mehr  als  100  Segelschiffe  gezählt  werden. 
Die  Reihenfolge,  in  der  vorstehend  diese  Distrikte  nach  der  Zahl  ihrer 
Segelschiffe  aufgeführt  sind,  ist  natürlich  nicht  als  mit  der  Reihen- 
folge ihrer  Bedeutung  für  die  Rhederei  des  Landes  zusammenfallend 
zu  erachten,  denn  die  Grösse  der  Schiffe  ist  in  dieser  Beziehung  ein 
einflussreicherer  Faktor,  der  aber  zur  Zahl  derselben  in  sehr  ver- 
schiedenen Verhältnissen  stehen  kann.  Bloss  nach  der  Grösse,  wie 
der  Tonnengehalt  sie  ausdrückt,  geordnet,  folgen  die  Distrikte  mit 
Schiffen  von  mehr  als  50  000  T.  in  folgender  Weise  auf  einander : 
New  York,  Boston-Charlestown,  Philadelphia,  San  Francisco,  Bath  Me., 
Portland  - Falmouth  Me.,  Waldoborough  Me. ,  Baltimore,  Chicago, 
Belfast  Me. 

Die  Staaten  folgen  sich  nach  der  Grösse  des  Tonnengehaltes 
ihrer  Segelschiffe  in  folgender  Reihe: 


I.   An  der 

atl an ti  sehen  und 

z. 

T. 

Golfküste. 

Rhode  Island  .     . 

228 

20  264 

z. 

T. 

Georgia  .    ,.     .     . 

81 

14  295 

New  York  ....  2  950 

617  367 

Texas     .... 

267 

12  680 

Maine     .     . 

2  878 

497  141 

Florida  .... 

251 

12  631 

Massachusetts 

2  463 

450  720 

New  Hampshire   . 

71 

11809 

Pennsylvania 

956 

162  004 

Delaware    .    .     . 

159 

11  337 

Maryland    . 

1  634 

99  046 

Alabama     .     .     . 

72 

10  584 

New  Jersey 

920 

59  359 

S.  Carolina .     .     . 

167 

8  645 

Connecticut 

734 

53101 

N.  Carolina      .     . 

278 

8  089 

Louisiana    . 

413 

37  352 

Mississippi  .     .     , 

102 

3  921 

Virginia 

971 

22  296 

District  of  Columbia 

i       83 
28* 

3147 

436 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


IL   An  der  pacif 

ischen 

Küste. 

Z. 

T. 

Z. 

T. 

Ohio 

276 

65  331 

California    .     .     .     . 

828 

141 029 

Michigan     .     .     . 

458 

55  368 

Washington  Terr. 

71 

18  562 

Wisconsin  .     .     . 

283 

51025 

Oregon   

29 

1739 

Pennsylvania  .     . 

17 

7191 

Alaska 

8 

99 

Vermont      .     .     . 

10 

544 

HL  Die  Seen  d 

es  Nor 

dens. 

Minnesota   .     .     . 

2 

78 

New  York  .     .     .     . 

275 

76  761 

18  257 

2  608  691 

Illinois 

322 

75186 

II 

.  Dampfschiffe  ^). 

Z. 

T. 

Z. 

T. 

New  York   .    .    . 

800 

347  197 

Superior  Mich.     . 

43 

2  943 

Philadelphia    .     . 

306 

83  501 

Providence  R.  I.  . 

38 

19  353 

San  Francisco 

166 

53  790 

Newark  N.  J.  .     . 

34 

3  038 

Pittsburg    .     .     . 

162 

35  862 

Portland  Me.  .     . 

33 

9  373 

S.  Louis 

159 

61723 

Galveston  Tex.    . 

32 

4  447 

New  Orleans    .     . 

156 

44  9362) 

Dubuque  lo.    .     . 

32 

2  555 

Detroit  Mich.  .     . 

128 

39  218 

La  Crosse  Wisc.  . 

32 

3153 

Huron  Mich.   .     . 

124 

20  758 

Mobile  AI.  .     .     . 

31 

5  454 

Buffalo  Creek  N.  Y 

122 

52  823 

Puget  W.  T.    .     . 

31 

4  200 

Baltimore    .     .     . 

118 

41607 

Mittleton     .     .     . 

28 

6  152 

Chicago  .... 

100 

13  031 

S.  Johns  Flor.      . 

28 

2  721 

Michigan  Mich.   . 

96 

6  683 

Nashville  Tenn.  . 

27 

4  290 

Cincinnati  .     .     . 

96 

30  598 

Sandusky  0.    .     . 

25 

3  249 

Wheeling  W.  V.  .     . 

96 

11632 

New  London  Conn. 

.       24 

10  788 

Boston    .... 

81 

19  154 

Oswego  N.  Y.  .     . 

24 

948 

Milwaukee  Wisc. 

74 

13  333 

Erie  Penn.       .     . 

23 

14  499 

Cuyahoga  0.    .     . 

73 

23  240 

Galen  a  111. .     .     . 

23 

3  534 

Memphis  Tenn.   . 

61 

10  068 

Fall  E.  Mass.      . 

22 

14  963 

Evansville  Ind.    . 

55 

6  510 

Charleston  S.  C.  . 

22 

3  806 

Norfolk    and   Ports 

Omaha  Nebr. 

22 

4  621 

mouth  Va.   .     . 

.       53 

5  627 

Teche  Louis.  .     . 

21 

1352 

Minnesota  .     .     . 

49 

4  780 

Vicksburg  Miss.  . 

21 

3  213 

Williamette  Or.   . 

48 

18  214 

Cairo  111.     .     .     . 

21 

3134 

Perth  Amboy  N.  J 

43 

9  904 

Miami  0.    .     .     . 

20 

1543 

Louisville  Ky. 

43 

10  145 

Savannah  Ga. 

20 

9  087 

Die   Distriki 

.e   bzw. 

Hafenplä 

tze   mit   einem  Ges 

ammt-Tonnen- 

gehalt  der  Dampfschiffe  von  mehr  als  25000  T.  folgen  in  dieser 
Ordnung  auf  einander:  New  York,  Philadelphia,  S.  Louis,  San 
Francisco,  Buffalo,  New  Orleans,  Baltimore,  Detroit,  Pittsburg, 
Cincinnati. 


1)  Nur  die  Distrikte  mit  20  oder  mehr  Dampfschiffen  sind  gezählt. 

2)  Davon  138  mit  29  899  T.  Flussdampfer. 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


437 


Die  Staaten  folgen   sich   nach  der  Grösse   des  Tonnengehaltes 
ihrer  Dampfboote  in  folgender  Reihe: 


I.  An  der  * 

atlantischen  und 

m.  Staater 

i   an 

den  Seen  des 

Golfküste. 

Nordens. 

Z. 

T. 

Z. 

T. 

New  York  ....     804 

348  016 

Michigan    ....      391 

69  603 

Pennsylvania 

306 

83  501 

New  York  . 

207 

60  271 

Maryland    . 

119 

41652 

Ohio  .... 

118 

28  032 

Massachusetts 

127 

39  679 

Pennsylvania 

23 

14  499 

Connecticut 

80 

26  117 

Wisconsin   . 

74 

13  333 

Rhode  Island 

51 

21806 

Illinois    .     . 

100 

13  013 

Maine     .     . 

96 

19  563 

Minnesota  . 

3 

449 

New  Jersey 

.       99 

18  424 

IV.    Staaten  an   den  Flüssen 

Louisiana    . 

39 

16  390 

des  Westens. 

Georgia  .     . 

31 

10101 

Missouri      ....      159 

61732 

Florida   .     . 

61 

7  303 

Pennsylvania 

162 

35  862 

Virginia .     . 

83 

7  012 

Ohio  .     .     . 

96 

30  598 

D.  Columbia 

28 

5  683 

Louisiana    . 

138 

29  899 

Texas     .     . 

37 

5  476 

Tennessee  . 

88 

14  358 

Alabama     . 

31 

5  454 

W.  Virginia 

96 

11632 

S.  Carolina . 

35 

4  236 

Kentucky    . 

43 

10145 

Delaware     . 

16 

2  569 

Illinois    .     . 

44 

6  669 

N.  Carolina 

22 

1950 

Indiana  .     . 

.       55 

6  510 

N.  Hampshire 

8 

508 

Minnesota  . 

49 

4  780 

Mississippi  . 

8 

429 

Nebraska    . 

22 

4  621 

IL   An   der  pacifischen 

Küste. 

Mississippi 

24 

3  345 

California    ....      172 

54  773 

Wisconsin   . 

32 

3153 

Oregon 66 

19  419 

Iowa  .     .     . 

40 

3  009 

Washington  Terr.    .       31 

4  200 

4  320 

1 172  372 

Alaska 1 

45 

TTT.  Cana 

Ibootei). 

Z. 

T. 

Z. 

T. 

Baltimore    ....      565 

33  990 

Burlington  N.  J.  .     .        79 

6  505 

Champlain  N.  Y. .     .     419 

31783 

Philadelphia    ...       20 

2  559 

New  York    ....     393 

31370 

Oswego 18 

2183 

Perth  Amboy  N.  J.  .       81 

8  690 

Die  Staaten  folgen 

in  dieser 

Reihe  auf  einander: 

I.  An  der  atlantischen  und 

Z. 

T. 

Golfküste. 

Pennsylvania  ...        20 

2  559 

Z. 

T. 

Connecticut      ...          1 

120 

Maryland    ....      565 

33  990 

D.  Columbia     ...         1 

85 

New  York   ....      393 

31370 

1140 

83  321 

New  Jersey 

160 

15196 

1)  Nur  die  Distrikte  mit  mehr  als  1000  T.  sind  angeführt. 


438 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel, 


II.  An  den  Seen  des  Nordens. 
Z.  T. 

New  York 439        34196 

Vermont 2  189 


441 


34  386 


In  demselben  Fiskaljahr  1875/76  wurden  in  den  V.  St.  gebaut: 
698  Segelschiffe  mit  118  672,  338  Dampfschiffe  mit  69252,  28  Canalboote 
mit  3111  und  48  Barken  mit  13511  T.,  zusammen  1112  mit  203  584.  Die 
grösste  Thätigkeit  im  Schiffsbau  entfalten  folgende  Zollbezirke: 


Bath  Me 

Philadelphia     .     .     . 
Portland-Falmouth  Me, 
New  York    .... 
Delaware     .... 
Boston-Charlestown  . 


Z. 

40 
57 
25 
100 
24 
25 


T. 
20  745 
16  028 
14176 
12  646 
11212 
10  943 


Waldoborough  Me. 
San  Francisco  .  . 
S.  Louis  Mo.  .  . 
Newburyport  Mass. 
Belfast  Me.  .  . 
Machias  Me.    .     . 


Z. 

15 
63 
18 
8 
8 
13 


T. 

10  843 
8  556 
8  354 
6  910 
6  444 
5  275 


Der  Schiffsbau  vertheilte 
folgender  Weise: 


sich   auf  die  Staaten  bzw.  Territorien   in 


I.  An  der  a 

itl 

an 

tischen  und 

Z. 

T. 

Golfküste. 

Washington  Terr.     .        2 

2  309 

Z. 

T. 

Alaska 3 

31 

Maine 153 

69  119 

III.    An  den  Seen  des  N 

Ordens. 

Massachusetts  . 

70 

20  570 

Pennsylvania    . 

57 

16  028 

Michigan 

54 

6  262 

New  York    . 

108 

12  742 

New  York    . 

50 

5  735 

Delaware     .     . 

24 

11  212 

Ohio    .     .     '. 

15 

2  616 

Maryland 

76 

4  445 

Illinois     .     . 

11 

776 

New  Jersey  , 

47 

4  263 

Wisconsin    ....       10 

733 

Connecticut , 

50 

3  766 

IV.    An    den    Flüssen 

des 

New  Hampshir( 

5 

1703 

Westens. 

Virginia  .     . 

34 

1200 

Missouri 18 

8  354 

N.  Carolina  . 

27 

410 

Kentucky     . 

.      23 

4  566 

Florida    .     . 

17 

387 

Ohio    .     .     . 

17 

3  620 

Louisiana     . 

14 

296 

W.  Virginia 

19 

2  012 

S.  Carohna  . 

12 

241 

Indiana    .     . 

11 

1151 

Texas      .     . 

11 

231 

Tennessee    . 

17 

1012 

Georgia    .     . 

9 

137 

Pennsylvania 

3 

829 

Rhode  Island 

8 

130 

Minnesota    . 

4 

599 

Mississippi    . 

6 

55 

Illinois     .     . 

5 

543 

D.  Columbia 

5 

44 

Louisiana     . 

10 

492 

Alabama .     . 

3 

22 

Iowa    .     .     . 

3 

292 

IL   An  der  pacif 

i  s  c  h  e  n 

Küste. 

Nebraska 

3 

64 

California     .     .     . 

.       63 
20 

8  557 
5  926 

Wisconsin    . 

1 

9 

Oregon    .... 

1112 

203  586 

XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


439 


Von  den  Segelschiffen  wurde  die  grösste  Zahl  in  den  Neuengland- 
Staaten  (259  mit  99  898  T.),  von  den  Dampfbooten  in  Pennsylvania, 
Delaware,  New  York,  Missouri  und  Californien  gebaut.  Unter  den  Segel- 
schiffen sind  424  als  Schoner,  193  als  Schaluppen,  35  als  Ships,  26  als 
Barken,  15  als  Brigantinen  und  5  als  Briggen  bezeichnet.  Unter  den  Dampf- 
booten sind  292  Flussdampfer  mit  zusammen  43481  T.  (144  Schrauben-, 
98  Hinterrad-,  50  Seitenrad  -  Dampfer) ,  24  für  die  Seen  mit  5192  T. 
(22  Schrauben-  und  2  Seitenrad-Dampfer)  und  22  Meerschiffe  mit  20578  T. 
(21  Schrauben-  und  1  Seitenrad -Dampfer).  Von  diesen  Dampfern  sind 
25  mit  21 347  T.  aus  Eisen.    Eiserne  Segelschiffe  sind  nicht  gebaut  worden. 

In  den  vorhergehenden  Jahren  wurden  gebaut: 


Z. 

T. 

T.  p.  Jahr 

1815- 

-19  . 

.   5  223  . 

53  420 

10  680 

1820- 

-29  . 

.   7  490  . 

.   861 100 

86110 

1830- 

-39  . 

..   8  630  . 

.  1085  270 

108  527 

1840- 

-49  . 

.  11355  . 

.  1  666  900 

166  690 

1850- 

-59  . 

.  14  834  . 

.  3  713  600 

371  360 

1860- 

-69  . 

.  15  990  . 

.  2  931  760 

293  176 

1870- 

-76  . 

.  11847  .  . 

.  2  052  390 

293  198 

Die  Zeit  der  grössten  Blüthe  des  Schiffsbaues  war  die  von  1852—57, 
in  welchen  6  Jahren  10012  Schiffe  mit  2  744  310  T.,  also  457  285  T. 
p.  Jahr  gebaut  wurden.  Seit  Jahren  ist  der  Schiffsbau  in  den  V.  St.  im 
Rückgang.  1873/74  wurden  433000,  1874/75  298000  T.  gebaut.  Aehn- 
liche  Schwankungen  zeigt  überhaupt  die  Handelsflotte  der  V.  St. 

Von  1789  an  hat  sich  die  Kauffahrtei  -  Flotte  der  V.  St.  von  10  zu 
10  Jahren  in  folgender  Weise  entwickelt: 


17-89  . 

T. 
.   201 562 

1830  . 

T. 
.  1191766  . 

Davon  Dampfer 
.   64  472 

1790  . 

.   478  377 

1840  . 

.  2180  764  . 

.  202  309 

1800  . 

.   972  492 

1850  . 

.  3  535  454  . 

.   525  434 

1810  . 

.  1  424  783 

1860  \ 

.  5  353  868  . 

.  867  937 

1820  . 

128  167 

1870  . 

1876  . 

.  4  246  507  . 

.  4  279  458  . 

.  1075  095 
.  1172  372 

Die  tiefsten  und  höchsten  Punkte  der  Wellenlinie,  welche  diese  Ent- 


wicklung bezeichnet,  fallen  in  folgende  Jahre: 
T. 


1789 

201  562 

1792 

564457 

1793 

520  764 

1800 

972  492 

1802 

892  106 

1807 

1268  548 

1808 

1  242  595 

1810 
1814 
1817 

1818 
1828 
1830 


T. 

1  424  783 
1 159  209 
1  399  912 
1  225 185 
1  741  392 
1 191  776 


1855 
1856 
1861 
1869 
1875 
1876 


T. 
5  212  001 

4  871  653 

5  539  813 
4  144  641 
4  853  732 
4  279  458 


440  XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel, 

Viel  ist  gesprochen  worden  über  die  Ursachen,  welche  dem  Sinken 
zu  Grunde  liegen,  das  seit  1861  die  Handelsflotte  der  V.  St.  fast  stetig 
verkleinert  hat.  In  die  Jahre  zwischen  1861  und  69,  welche  den  grössten 
Rückgang  gesehen  haben,  fällt  der  Bürgerkrieg,  in  welchem  durch  die 
südstaatlichen  Kreuzer  den  vorwiegend  dem  N.  angehörenden  Kauffahrtei- 
schiffen ungeheurer  Schaden  zugefügt  wurde.  Gleichzeitig  fällt  aber  in 
diese  Zeit  -die  erste  Wirksamkeit  des  schutzzöllnerischen  Tarifes,  der 
besonders  dem  Bau  eiserner  Schiffe  durch  Erschwerung  des  Bezuges 
der  Bau-  und  Ausrüstungsstoffe  schwere  Hindernisse  schuf.  Dann  kommt 
die  Entziehung  eines  Theiles  der  besten  Mannschaften  hinzu,  welche  auf 
den  Gebieten  der  Industrie,  des  Ackerbaues  u.  s.  f.  minder  schwierige  und 
gefährliche,  manchmal  auch  lohnendere  Beschäftigung  fanden  als  bei  der 
Schiffahrt.  Endlich  ist ,  da  in  der  Schiffsstatistik  der  V.  St.  auch  die 
Fahrzeuge  der  Flüsse  und  Binnenseen  mitzählen,  die  Verminderung  der 
Canalboote  und  z.  Th.  sogar  der  Stromfahrzeuge  durch  die  Concurrenz 
der  Eisenbahnen  nicht  zu  übersehen.  Noch  andere  Ursachen  hebt  der 
National  Board  of  Trade  (s.  u.)  hervor,  welcher  bei  mehrfacher  Be- 
handlung dieser  Frage  den  Hauptgrund  in  den  Gesetzen  der  V.  St.  ge- 
sehen hat,  die  das  Recht  zur  Führung  der  amerikanischen  Flagge  nur 
denjenigen  Fahrzeugen  gewähren,  welche  im  Inland  gebaut  und  zu  Va  mit 
Amerikanern  bemannt  sind.  Derselbe  hat  sich  ferner  im  Interesse  der 
amerikanischen  Rhederei  für  den  Lotsenzwang  und  den  Prüfungszwang 
der  Steuerleute  und  Capitäne,  ferner  für  Einführung  des  englischen 
Schiffslehrjungen-Systems  (Apprentice  System)  ausgesprochen.  Soweit  die 
Verdrängung  der  Schiffe  der  V.  St.  aus  dem  Verkehr  ihrer  eigenen  und 
der  übrigen  amerikanischen  Häfen  bei  diesem  Rückgang  in  Betracht 
kommt  %  hat  sich  in  neuester  Zeit  eine  lebhafte  Bewegung  für  Förderung 
der  heimischen  Schiffahrt  vorzüglich  durch  Schaffung  neuer  Dampfer- 
linien und  Staatsunterstützung  der  bestehenden  geltend  gemacht.  Am 
meisten  wird  aber  in  dieser  Richtung  ganz  von  selbst  der  allgemeine  Auf- 
schwung der  nordamerikanischen  Industrie  thun.  Von  amerikanischen 
Dampfschiff- Gesellschaften  sind  nur  Pacific  Mail  S.S.Co,  mit  250000 
(vor  1876  mit  500000)  und  U.S.  and  Brazil  S.S.  Co.  mit  37  500  von 
Seiten  der  Regierung  unterstützt.  Gleichzeitig  zahlten  aber  die  V.  St. 
1876  182863  D.  an  fremde  Dampfschiff- Gesellschaften  für  Beförderung 
der  amerikanischen  Post.  —  Auf  die  verschiedenen  amtlich  festgestellten 
Classen  der  Kauffahrtei-Flotte  vertheilten  sich  die  Schiffe  folgendermassen 
am  30.  Juni  1876: 

1)  Nach  Zusammenstellungen  des  Vorstandes  des  Statistischen  Amtes  der 
V.  St.  wurden  1821  in  amerikanischen  Schiffen  Waaren  für  113  201 462,  in 
fremden  für  14  358  235  D.,  also  88,74  Proc.  in  amerikanischen  befördert.  1877 
wurden  829  920  536  in  fremden,  316  660  281  in  amerikanischen  Schiffen  befördert, 
also  26,9  in  amerikanischen. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


441 


1.  Registrirte  Schiffe  (Registered  Vessels),  zum  Verkehr  mit  dem 
Auslande  berechtigt,  1592  821  T.  2.  Eingetragene  Schiffe  (Enrolled 
Vessels)  von  über  20  T.  für  den  Küstenhandel  2  547 490  T.  3.  Licensirte 
Schiffe  (Licensed  Vessels)  von  unter  20  T.  für  den  Küstenhandel 
51 344  T.  Also  im  Aussenhandel  beschäftigt  1592  821,  im  Küstenhandel 
2598834.  Von  den  ersteren  entfallen  198  227,  von  den  anderen  974145 
auf  Dampfboote. 

Ende  Juni  1876  vertheilte  sich  die  Walfischfänger-Flotte  der 
V.  St.  auf  folgende  Häfen  bzw.  Zolldistrikte : 


z. 

T. 

Z. 

T. 

New  Bedford  Mass. .     132 

34  614 

Edgartowu  Mass. 

2 

333 

Barnstable  Mass. .     .      21 

2  036 
2  049 

S.  Francisco  Cal.  . 

2 

132 

New  London  Conn.  .       14 

~171~ 

~3¥l64 

Die  mit  Stockfisch-  und  Makrelenfang  beschäftigten  Schiffe  vertheilten 

sich  zur  selben  Zeit  folgendermassen 

'): 

Z. 

T. 

Z. 

T. 

Gloucester  Mass,    .     .    413 

22  399 

Frenchmans  Bay  Me 

67 

2  404 

Barnstable  Mass.    .     .     286 

17  222 

Salem -Beverly  Mass 

.      37 

2  388 

Boston  -  Charlestown 

Marblehead  Mass. 

50 

1718 

Mass 121 

5  268 

Stonington  Conn.  . 

75 

1610 

Waldoborough  Me.      .     191 

4  385 

San  Francisco  Cal. 

25 

1574 

Sag  Harbour  N.  Y.      .     149 

3  942 

Belfast  Me. .    .     . 

54 

1544 

Wiscasset  Me.    .     .     .      96 

3  934 

Plymouth  Mass.    . 

40 

1409 

Portland-FalmouthMe.     121 

3  817 

Passamaquoddy  Me. 

34 

1371 

Castine  Me 97 

3  482 

Newport  R.  L  .     . 

69 

1208 

New  London  Conn.     .     114 

2  470 

Newburyport  Mass. 

24 

1040 

Auf  die  Staaten  vertheilt  sich  di 

ese  Flotte  folgenderm 

assen : 

z. 

T. 

Z. 

T. 

Massachusetts      .     .  1 061 

53  030 

Rhode  Island  .     .    . 

100 

1505 

Maine     .....      735 

22  215 

New  Hampshire    .     . 

22 

1143 

New  York  ....      163 

4190 
4  081 

Pennsylvania  .     ;     . 

3 

16 

Connecticut    '.     .     .      189 

2  311 

87  803 

California   ....        29 

1623 

2.  Schiffsverkehr.     Aus  fremden  Häfen  kamen  an  Schiffe: 


Aus 

fremde 

ameri- 
kanische 

Aus 

fremde 

ameri- 
kanische 

Grossbr.  u.  Irland 

Dominion  of  Ca- 

nada  .... 

Deutschland    .     . 

3  389  009 
2  373  699 

721  693 

427  036 
981  713 

34  090 

Frankreich   .     . 
Cnba    .... 
Belgien     .     .     . 
Italien .... 

391  890 
257  167 
230  635 
167  797 

72  788 

771  596 

19  625 

48  256 

1)  Nur  die  Zolldistrikte  mit  1000  T.  und  mehr  sind  angeführt. 


442 


XL  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


Aus 

fremde 

ameri- 

Aus 

fremde 

ameri- 

kanische 

kanische 

Brasilien  .     .     . 

156  719 

64  328 

Kussland  .     .     . 

4  734 

9  113 

Brit. -Australien 

119  522 

29  620 

Französ.  -Afrika 

4  653 

1266 

Brit.-V/estindien 

100  281 

123  502 

Honduras .     .     . 

4  021 

8  811 

Spanien    .    \     . 

98  689 

40  963 

S.  Domingo   .     . 

3  871 

10  620 

Brit.- Ostindien  . 

88  749 

39  580 

Dänemark     .     . 

3  554 

284 

Schweden     und 

Aegypten,  Tunis 

Norwegen .     . 

63  576 

2  285 

und  Tripolis  . 

3  375 

Mexico     .     .     . 

49  737 

79  922 

Hawaiischeinsein 

3  002 

17  331 

Colombia.     .     . 

44  445 

175  692 

Brit. -Honduras . 

2  584 

1496 

Dänisch-W.-Ind. 

39  719 

18  977 

Holländisch- 

Hongkong     .     . 

36  989 

17  246 

Guiana .     .     . 

2  455 

2  676 

Japan  .... 

35  446 

69  109 

Spanische    Bes. 

Brit- Columbia  . 

33  841 

235  291 

in  Afrika  und 

Portugal   .     .     . 

33  067 

6  201 

Canar.  Inseln 

2135 

1359 

Französ.-W.-Ind. 

30  080 

26  204 

Nicaragua     .     . 

1462 

987 

Gibraltar .     .     . 

27  344 

Costarica .     .     . 

1384 

1950 

Portoricc .     .     . 

27  093 

40  261 

Bolivia      .     .     . 

1354 

China  .... 

26  676 

2  497 

Britische      Bes. 

Peru    .... 

25  834 

11912 

ausser  den  ge- 

Azoren, Madeira 

nannten     .     . 

1317 

u.  Cap  Verde- 

Afrika      ausser 

Inseln   .     .     . 

25  685 

7  813 

den    Colonien 

1073 

3  685 

Hayti  .... 

22  359 

29  126 

Französ.      Bes. 

I^rit.-Guiaua 

14  651 

11  024 

ausser  den  ge- 

Philippinen .     . 

13  710 

42  562 

nannten     .     . 

1058 

Venezuela     .     . 

12  242 

19  585 

Europ.  Türkei  . 

520 

440 

Oesterreich  .     . 

11  280 

1973 

Ecuador   ... 

249 

Holländisch- 

Walfischfänger 

Westindien    . 

7  549 

13  427 

a.  d.  n.-atlant. 

Holländisch- 

Ocean  .     .     . 

3  827 

ostindien  .     . 

7  535 

11  258 

Walfischfänger 

» 

Britisch -Afrika 

7  282 

7  157 

a.  d    n.-pacif. 

Chili     .... 

7  244 

3  254 

Ocean  .     .     . 

- 

1633 

Uruguay  .     .     . 

6  211 

7  988 

Walfischfänger 

Argentinien  .     . 

6177 

16  129 

aus     anderen 

Grönland,  Island 

Meeren      .     . 

4  417 

und  Faröer  . 

5  964 

Aus    nicht    be- 

Griechenland    . 

5  530 

2  033 

sonders  aufge- 

Asiatische Türkei 

5  335 

2  269 

führten  Häfen 

404 

562 

Neufundland 

8  899  312 

3  611 436 

und  Labrador 

4  777 

7  221 

Hiiisiclitlich 
Länder  mit  mehr 


des  Schiffsverkehres  mit  den  V.  St.  folgen  sich  die 
als  100  000  T.  in  dieser  Reihe :     Grossbritannien 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


443 


und  Irland,  Dominion  of  Canada,  Cuba,  Deutschland,  Frankreich, 
Britisch-Columbia,  Belgien,  Britisch-Westindien,  Brasilien,  Colombia, 
Italien,  Britisch-Australien,  Spanien,  Britisch-Ostindien,  Mexico,  Japan. 

Von  fremden  Dampfern    liefen   in  Häfen  der  V.  St.  ein,  kom- 
mend von: 


Z. 

T. 

Z. 

T. 

Grossbritannien  und 

Brasilien     .    .     . 

28 

43  782 

Irland      .... 

642 

2  045  765 

Mexico   .... 

27 

43  086 

Deutschland    .     .     . 

141 

444  493 

Colombia    .     .     . 

29 

41862 

Frankreich.     .     .     . 

52 

174  595 

Brit.-Westindien 

38 

39  899 

Belgien 

41 

97  829 

Japan     .... 

11 

29  306 

Cuha 

45 

56  641 

Spanien  ... 

16 

27  978 

Dominion  of  Canada 

71 

53  888 

Brit.-Australien    . 

11 

25  462 

Niederlande     .     .     . 

25 

50  916 

Gibraltar    .    .    . 

13 

24  034 

Aus  allen  übrigen   Ländern  kamen   weniger  als  20000. 
sammtzahl  1323  mit  3319053  T. 


Ge- 


Den  Verkehr  der  Haupt häfen  bzw.  Zollbezirke  der  V.  St. 
zeigt  folgende  Liste  (in  T.): 


Zollbezirk 


Eingelaufen 

Ausgegangen 

Küsten- 

*    vom 

Küsten- 

nach 

fahrt 

Ausland 

fahrt 

Ausland 

113  463 

7  252 

136  210 

7  640 

33 

27  774 

33 

422 

1482 

699 

1717 

2  586 

734 

10  310 

506 

2194 

1134 

9  899 

477 

3  232 

1008 

9190 

894 

70  207 

139  351 

133  358 

150  571 

448 

347 

1657 

2145 

1959 

2  258 

3  932 

3132 

21 128 

6  010 

2  664 

3  979 

1825 

4  450 

8  789 

74173 

1954 

74  801 

2  432 

1420 

3  955 

1422 

24  128 

7  357 

2  410 

8176 

2  050 

5  741 

1962 

5  203 

70 

2  778 

70 

2  254 

252  773 

384  965 

194  425 

383  090 

83 

251 

138 

172 

174 

493 

75 

Passamoquoddy  Me.  .     . 

Machias  Me 

Frenchmans  Bay  Me.     . 

Castine  Me 

Waldoborough  Me.    .     . 

Wiscasset  Me 

Bath  Me 

Portland  -Falmouth  Me. 

Saco  Me 

Belfast  Me 

Bangor  Me 

Portsmouth  N.  H. 

Vermont 

Newburyport  Mass.  .  . 
Gloucester  Mass.  .  .  . 
Salem-Beverly  Mass. 
Marblehoad  Mass.  .  . 
Boston-Charlestown  Mass. 
Plymouth  Mass.  .  .  . 
Fall  R.  Mass 


444 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


Eingelaufen 

Ausgegangen 

Zollbezirk 

Küsten- 

vom 

Küsten- 

nach 

fahrt 

Ausland 

fahrt 

Ausland 

Barnstable  Mass 

2  069 

New  Bedford  Mass 

12  099 

1174 

14  939 

1171 

Edgartown  Mass 

183 

183 

Providence  R.  I 

5  387 

8  293 

2  720 

6  697 

Newport  R.  I 

330 

622 

330 

New  London  Conn 

3  615 

2182 

771 

1  227 

New  Haven  Conu 

13  828 

3  646 

5  311 

1277 

Middleton  Conn 

160 

131 

Fairfield  Conn 

480 

2  805 

2  084 

Stonington  Conn 

783 

64 

Genesee  N.  Y 

23  906 

80  568 

1775 

84  966 

Oswego  N.,Y 

70  094 

251 188 

38  631 

254  688 

Niagara  N.  Y 

3  440 

65  826 

1655 

65  557 

BuflFalo  Creek  N.  Y 

15  819 

43  367 

9  897 

40  265 

Oswegatchie  N.  Y 

9  573 

25  889 

13  876 

24  713 

Champlain  N.  Y 

106  702 

3192 

111  909 

3  965 

Cap  Vincent  N.  Y 

8  779 

52  438 

4  665 

55  345 

Dunkirk  N.  Y 

583 

1985 

589 

2184 

New  York 

1  065  689 

3  401  450 

904  939 

3  377  438 

Perth  Amboy  N.  J . 

564 

711 

640 

1272 

Newark  N.  J.    ......     . 

2  255 

2  381 

283 

4  250 

Philadelphia  Penn 

264  566 

579  728 

269  870 

556  184 

Erie  Penn.    ... 

6  599 

358 

12112 
2  725 

3  859 

583 

9145 

Delaware 

271 

Baltimore 

100  580 

ö67  277 

98  739 

586  887 

Georgetown  D.  C 

478 

1487 

Richmond  Va 

2  739 

7  472 

10  743 

14  866 

Petersburgh  Va 

246 

77 

Norfolk -Portsmouth  Va.    .     .     . 

4  719 

13  212 

32  415 

29  035 

Alexandria  Va 

9165 

684 

Pamlico  N.  C 

1181 
73 

1467 

Beaufort  N.  C 

Wilmington  N.  C 

2  945 

59  135 

10190 

60  256 

Charleston  S.  C 

11898 

101  272 

23  598 

103  276 

Georgetown  S.  C 

231 

116 

1387 

116 

Beaufort  S.  C 

145 

47  415 

796 

49  556 

Savannah  Ga 

39  904 

169  685 

49  483 

119  698 

Brunswick  Ga 

3  463 

77  805 

13155 

93  444 

S.Marys  Ga 

155 

7  925 

4  224 

9  784 

Pensacola  Fla 

28  250 

233  149 

21484 

247  150 

Key  West  Fla 

41162 

12  842 

37  500 

8  914 

S.  Marks  Fla 

2  361 

XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


445 


Z  0  1  1  b  e  z  i  r  k 


Eingelaufen 

Küsten 
fahrt 


vom 
Ausland 


Ausgegangen 


Küsten- 
fahrt 


nach 
Ausland 


S.  Johns  Fla.     .     . 
Fernandina  Fla.    .     . 

Mobile  AI 

Pearl  R.  Miss  .  .  . 
New  Orleans      .     .     , 

Teche  La 

Galveston  Tex.  .  . 
Saluria  Tex.  .  .  . 
Brazos  de  S.  Jago  Tex. 
Corpus  Christi  Tex.  . 
Paso  del  Norte  Tex. 
Miami  Ohio  .... 
Sandusky  Ohio  .  .  . 
Cuyahoga  Ohio .  .  . 
Detroit  Mich.  .  .  • 
Huron  Mich.  .  .  . 
Superior  Mich.      .     . 

Michigan 

Chicago  111 

Milwaukee  Wisc.  .  . 
Duluth  Minn.  .  .  . 
Minnesota  Minn.    .     . 

Oregon     

Willamette  Or.   .  . 
Puget  Sound  Wash.  T. 
S.  Francisco  Cal.  .  . 
S.  Diego  Cal.  .  .  . 
Alaska 


4  083 

13  261 

35101 

16  028 

171  318 

6104 

22137 

33  457 

4  955 

9  056 

9  803 

2  656 

6  355 

56  975 
284  015 

57  298 

3  865 

3  629 

853 

276 

13  450 

1509 

9  297 

138  550 

342  318 

997 

7  614 


357 

7  615 

52  651 

25  802 

428  264 

66  399 

19  790 


36  476 

8  027 

83  457 

663  366 

516  059 

97  294 

11847 

30  618 

12  290 

41016 

6  389 

12  797 

17  740 

279  064 

441 

7135 


5  325 

8  428- 
43194 
14  902 

183  160 

22 

27  438 

44142 

6179 

12  722 

9  794 
5  870 
8  336 

65  947 

281  748 

56  243 

2  433 

539 

50106 

21067 

633 

13  321 
12191 
19  056 

141  718 

430  862 

1822 

7  566 


524 

8  015 

55  280 

27  336 

452  213 

78  315 

7  263 


34127 
10  821 
90  563 
661  732 
516  430 
97  239 
10  761 
25  236 
16  450 
41  615 

21007 

35  460 

25141 

234  787 

1024 

7  004 


Die  fremden  Schiffe,  welche  aus  fremden  Häfen  in  die  der  V.  St. 
einliefen,  verth eilten  sich  folgendermassen  auf  die  verschiedenen  Flaggen : 


Zahl 

Tonnen 

Be- 
mannung 

Britische 

13  480 

6  350  301 

183  516 

Deutsche 

756 

816  039 

23  135 

Norwegische    .     .     .     .     . 

1334 

623  808 

16  247 

Italienische 

586 

297  490 

7  843 

Französische 

127 

192  507 

6  932 

Oesterreichische  .... 

279 

159  599 

3  886 

Spanische 

253 

122  754 

4  253 

446 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 


Be- 

Zahl 

Tonnen, 

mannung 

Belgische 

46 

92  504 

2  422 

Russische    .     . 

135 

76  009 

1961 

Schwedische    . 

157 

72122 

1939 

Niederländische 

58 

63  621 

1567 

Portugiesische 

51 

21748 

674 

Dänische     .     . 

48 

16  811 

516 

Nicaraguanische 

13 

9  832 

201 

Argentinische  . 

11 

5106 

141 

Costaricanische 

5 

4  974 

100 

Mexicanische  . 

22 

3  984 

208 

Hawaiische .    . 

10 

3  522 

97 

Guatemaltekische 

4 

2  506 

60 

Peruvianische  . 

2 

2  412 

38 

Haytianische    . 

7 

2  291 

68 

Colombianische 

4 

1124 

39 

Tahitianische  . 

4 

892 

50 

Chilenische 

1 

825 

16 

Liberianische  . 

5 

685 

31 

Dominikanische 

2 

454 

14 

Griechische      . 

1 

428 

13 

Die  wichtigsten  der  grossen  Dampferlinien,  welche  die  V.  St. 
mit  anderen  Ländern  in  Verkehr  setzen,  sind  die  atlantischen,  welche 
den  Verkehr  mit  Eropa  besorgen.  Der  Dampfschiffahrtsv  erkehr 
zwischen  Europa  und  den  V.  St.  im  Jahre  1877  wurde  durch 
182  Dampfer  mit  einem  Gesammtgehalt  von  556  850  T.  vermittelt.  Nach 
ihrer  Flagge  participirten : 


Deutschland    . 

32 

V 

n 

97  395    „ 

Frankreich 

)i 

10 

^ 

„ 

39  334    „ 

Holland      .     . 

„ 

10 

,^ 

n 

26  427    „ 

V.  St.     .     .     . 

n 

5 

„ 

n 

15  798    „ 

Total:     128  Dampfer     mit  556  850  T. 

Es  sind  besonders  die  Häfen  Boston,  New  York,  Philadelphia  und 
Baltimore  auf  amerikanischer,  Glasgow,  Liverpool,  Queenstown,  London, 
Hamburg,  Bremen,  Rotterdam,  Antwerpen,  Havre  auf  europäischer  Seite 
als  Endpunkte  der  bedeutendsten  Linien  zu  nennen.  Dieser  Verkehr  ver- 
mittelt sich  gegenwärtig  durchschnittlich  in  der  kurzen  Zeit  von  8V2—  13 
Tagen  je  nach  der  Entlegenheit  der  Häfen.  Die  deutschen  Dampfer 
brauchen   durchschnittlich    13  Tage   für  ihre  Reisen   zwischen   New  York 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  447 

und  Hamburg  bzw.  Bremen  ^).  Wichtig  sind  ausserdem  im  Atlantischen 
Ocean  noch  die  Linien  New  York — Havana  (4  Tage),  New  Orleans  — 
Veracruz  (3  T.)  und  New  York  — Colon  oder  Aspinwall  (9  T.). 
Im  Stillen  Ocean  beherrschen  die  nordamerikanischen  Dampfer  den  Ver- 
kehr zwischen  S.  Francisco  —  Yokohama  (18  —  20  T.),  der  von  der 
Pacific  Mail  Steam  Ship  Co.  besorgt  wird  ^).  Dieselbe  Gesellschaft  betreibt 
die  Küstenfahrt  zwischen  S.  Francisco  und  Panama  mit  Ausschluss 
anderer  Linien,  sowie  den  Verkehr  mit  Honolulu  und  mit  den  australischen 
Plätzen  via  Fidschi -Archipel.  Der  regelmässige  Dampferverkehr  von 
S.  Francisco  mit  den  Plätzen  an  der  südamerikanischen  Westküste  ist  in 
Privathänden. 

VIII.  Post  und  Telegraph.  Das  Postwesen  war  von  Anfang  an  in 
der  Verfassung  der  V.  St.  als  Sache  des  Bundes  betrachtet,  wie  alle  Er- 
leichterungen des  Verkehres.  Unter  den  Funktionen,  die  der  Bundes- 
regierung zugetheilt  sind,  hat  es  immer  eine  hervorragende  Stelle  ein- 
genommen, theils  aus  Gründen,  die  mit  dem  Wunsche  nach  möglichster 
Förderung  seiner  Zwecke  zusammenhängen,  theils  weil  es  dasjenige 
Bundesamt  ist,  welches  mit  einer  grossen  Zahl  von  Beamten  am  weitesten 
in  alle  Theile  des  Landes  sich  verzweigt  und  dadurch  sowie  durch  die 
innige  Berührung  mit  der  Bevölkerung  einen  grossen  politischen  Einfluss 
übt.  Der  Generalpostmeister  hat  demgemäss  einen  Sitz  im  Cabinet.  Wir 
haben  oben  bei  den  Strassen  gesehen,  dass  die  Post  einen  erheblichen 
Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  Verkehrswege  der  V.  St.  in  der  vor- 
eisenbahnlichen  Zeit  geübt  hat.  Ihrerseits  ist  sie  der  Presse  verpflichtet, 
deren  Vertreter  in  den  dünnbevölkerten  Gegenden  durch  reitende  Boten 
ihre  Blätter  zu  versenden  pflegten  und  dadurch  naturgemäss  sich  aucli  am 
besten  dazu  eigneten,  die  Post  zu  besorgen.  Die  Zeitungen  nahmen 
manchen  Fortschritt  zuerst  auf,  den  dann  die  Post  nachthat.    So  war  z.  B. 


1)  A,  J.  Maginnis  gab  in  einem  Vortrag  vor  der  Liverpool  Engineering 
Society  als  die  rascheste  Fahrt  von  Europa  nach  New  York  die  Reise  des 
Dampfers  Britannic  von  Queenstown  nach  New  York  in  7  T.  10  St,  53.  M.  Die 
mittlere  Dauer  der  Fahrten  von  New  York  nach  Europa  (d.  h.  Queenstown) 
waren  in  den  ersten  9  Monaten  1877  9  T.  7  St.  7  M.  bei  der  Cunard-Linie,  8  T. 
20  St.  36  M.  bei  der  Inman  -L.,  8  T.  10  St.  30  M.  bei  der  White  Star-L.,  durch- 
schnittlich um  Vs — \^4  weniger  als  vor  25  Jahren.  Im  Vergleich  zu  den  An- 
fängen um  1840  transportirt  man  heute  "15  mal  soviel  Fracht  in  der  Hälfte  Zeit 
und  mit  1 V2  mal  weniger  Kohlenverbrauch  (Engineer.  1878  N.  16).  Von  1840 
bis  Ende  1877  sind  34  Dampfer  auf  der  Fahrt  zwischen  Nord- Amerika  und 
Europa  verloren  gegangen  und  mit  ihnen  4780  Menschenleben. 

2)  Ende  1878  bildete  sich  in  New  York  eine  Gesellschaft  für  die  Errichtung 
einer  directen  Dampferlinie  New  York — Suezcanal  —  Schanghai,  vorzüglich  mit 
dem  Zweck,  dei)  Absatz  nordamerikanischer  ludustrieerzeugnisse  auszudehnen 


448  XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel. 

der  Expressdienst,  welchen  der  New  York  Herald  in  der  aufgeregten  Zeit 
des  mexikanischen  Krieges  1845  —  48  zwischen  New  Orleans  und  New 
York  eingerichtet  hatte,  die  erste  Ueberland -Verbindung  beider  Städte, 
welche  bedeutend  schneller  als  die  Post  beförderte.  Die  Einnahme  von 
Mexico  soll  die  V.  St.- Regierung  in  Washington  erst  durch  den  Express- 
boten dieses  newyorker  Blattes  erfahren  haben  ^).  Für  die  Postverbindung 
mit  Europa  u.  a.  überseeischen  Ländern,  welche  mit  zunehmendem  Handel 
und  Verkehr  immer  wichtiger  geworden  sind,  ist  natürlich  die  Entwickelung 
der  Dampfschiffahrt  von  der  grössten  Bedeutung  geworden.  Selbst  heute 
braucht  ein  Segelschiff  zur  Reise  von  New  York  nach  Southampton  im 
Durchschnitt  32  Tage,  also  fast  3 mal  soviel  wie  ein  Dampfer.  Heute 
gehen  allein  von  New  York  mehrere  Male  in  der  Woche  Postdampfer  ab, 
oft  4  an  einem  Tag^).  Die  erste  transatlantische  Postdampferlinie  (Cunard 
Line),  eine  zweiwöchentliche,  wurde  1840  zwischen  Liverpool  —  Halifax — 
Boston  eröffnet.  Aber  der  erste  transatlantische  Dampfer  war  schon  am 
23.  April  1838  in  New  York  gelandet.  —  Nach  dem  letzten  Jahresbericht 
des  Generalpostmeisters  stellten  sich  die  Verhältnisse  des  Postwesens  im 
Jahre  Juni  1877/78  folgendermassen :  Das  Personal  zählt  54  847  Köpfe, 
worunter  39  258  Postmeister,  5996  Contraktoren  für  den  Posttransport, 
4651  Unterbeamte,  2275  Briefträger.  Es  sind  in  Benützung  9917  Post- 
routen, wovon  1000  Eisenbahnen,  in  der  Gesammtlänge  von  gegen  260  Mill. 
Kil.  Die  Zahl  der  ausgegebenen  Marken,  Postkarten  und  Couverten  be- 
trägt 1161  Mill.  im  Werthe  von  28  Va  Mill.  D.  Die  Zahl  der  beförderten 
registrirten  Briefe  beträgt  4Vjo  Mill.,  die  der  Geldanweisungen  5^/5.  Die 
Einnahmen  beliefen  sich  auf  29 V4,  die  Ausgaben  auf  33 Vs  Mill.  D.  Die 
Zahl  der  Postämter  in  den  V.  St..  sollte  am  1.  Januar  1879  bis  auf  40000 
gesteigert  werden.    Die  Inland-Brieftaxe  ist  3  Cts. 

Der  elektrische  Telegraph  zählt  einen  Amerikaner,  Morse,  zu 
seinen  praktisch  fruchtbarsten  Erfindern,  aber  die  Erprobung  der  neuen 
Erfindung  fand  in  den  V.  St.  später  statt  als  in  Europa.  Am  4.  Juni  1844 
brachten  die  newyorker  Blätter  die  Nachricht  von  der  ersten  gelungenen 
Correspondenz ,  welche  auf  der  vom  Staate  versuchsweise  hergestellten 
Linie  Washington  —  Baltimore  stattgefunden  hatte.  Man  knüpfte  die  aus- 
schweifendsten Hoffnungen  daran.  Vernichtung  des  Raumes  war  damals  ein 
beliebtes  Stichwort.    Die  Telegraphenleitungen  nahmen  nun  in  den  Händen 


1)  F.  Hudson,  Journalism  in  America  1873.  477. 

2)  Als  Beispiel  sei  angeführt:  Allein  im  Monat  März  1879  verliessen  den 
Hafen  von  New  York  37  Postdampfer,  wovon  17  nach  Queenstown  (Ijiverpool), 
je  5  nach  Bremen  und  Glasgow,  4  nach  Hamburg,  3  nach  Rotterdam,  je  2  nach 
Antwerpen  und  Havre.  Davon  kamen  18  auf  englische,  8  auf  deutsche,  je  3 
auf  nordamerikanische  und  niederländische,  je  2  auf  belgische  und  französische 
Linien. 


XI.  Verkehrswege  und  Verkehrsmittel.  449 

verschiedener  Privatgesellschaften  einen  sehr  raschen  Aufschwung.  1862 
wurde  die  grosse  Ueberlandlinie  New  York  —  S.  Francisco  (865  d.  M.) 
vollendet.  1854  wurde  zuerst  das  Problem  eines  atlantischen  Kabels  ins 
Auge  gefasst  und  1857  die  erste  Legung  versucht.  Dieselbe  gelang  1858, 
aber  nur  wenige  Wochen  blieb  die  Leitung  offen.  Nach  mehreren  anderen 
misslungenen  Versuchen  kam  man  endlich  1866  dazu,  ein  Kabel  zu  legen, 
welches  dauernd  thätig  zu  sein  vermochte  und  dem  in  demselben  Jahr 
ein  schon  früher  gelegtes  und  zerrissenes  hinzugefügt  wurde.  Beide  gehen 
von  Valentia  (Irland)  ab  und  berühren  den  amerikanischen  Boden  in 
Neufundland.  1873  wurde  in  derselben  Richtung  ein  drittes,  1874  ein 
viertes  und  seitdem  noch  zwei  weitere  gelegt.  Die  ersten  fünf  Kabel 
gehören  der  Anglo -American  Co.,  das  letzte  (Irland  —  Neuschottland)  der 
Direct  U.  S.  Cable  Co.  Ausserdem  liegen  zwei  Kabel  zwischen  den  V.  St. 
und  Cuba,  eines  an  der  Westküste  und  zahlreiche  kleinere  verbinden 
einzelne  Theile  der  V.  St.  mit  einander  und  mit  Britisch-Nordamerika.  — 
Die  Landtelegraphen  der  V.  St.  zahlten  Juni  1878  156200  Kil. 
Leitungen  mit  385  370  Kil.  Drähten  und  ihre  Depeschenzahl  betrug  in 
jenem  Jahr  27  Mill.  Bei  Annahme  von  42  Mill.  E.  macht  dies  ca.  643 
Depeschen  p.  1000  der  Bevölkerung  im  Jahr.  Die  entsprechende  Zahl 
ist  im  deutschen  Reichstelegraphengebiet  286,  in  Frankreich  275,  in 
Grossbritannien  und  Irland  638.  Die  Telegraphen  sind  Privateigenthum 
einer  grossen  und  einiger  kleinen  Gesellschaften,  deren  Zahl  immer  mehr 
zusammengeschwunden  ist*).  Die  erstere,  die  Western  Union  Co.,  zählte  Juni 
1878  140 000  Kil.  Leitung  mit  332  000 Kil.  Drähten  und  8014  Stationen.  Wie 
rein  kaufmännisch  auch  diese  hochwichtige  öffentliche  Einrichtung  be- 
handelt wird,  mag  aus  der  Thatsache  hervorgehen,  dass  die  W.  Union 
Telegraph  Co.  sich  März  1879  laut  Abkommens  mit  einer  pennsylvanischen 
Telegraphengesellschaft  aus  dem  900  e.  Q.  M.  grossen  Verkehrsgebiet 
der  Philadelphia  and  Reading  E.  B.  zurückzieht  und  jener  das  ganze  Tele- 
graphengeschäft  übergibt.  Man  würde  den  mancherlei  Unzukömmlichkeiten 
dieses  Systems  wohl  schon  früher  durch  Vereinigung  des  ganzen  Complexes 
in  Staatshänden  vorzubeugen  gesucht  haben,  wenn  nicht  die  Furcht  zurück- 
hielt, ein  neues  Machtmittel,  unter  Umständen  noch  grösser  als  die  Post, 
und  ein  neues  Corruptionsmittel  der  jeweils  herrschenden  Partei  in  die 
Hände  zu  geben.  Der  Tarif  der  W.  Union  Co.  setzt  Zonen  von  100  zu 
200,  400  etc.  e.  M.  mit  Preisen  von  40  zu  50,  75,  100  Cts.  fest.  Ueber 
1000  e.  M.  hinaus  gilt  die  sog.  State  Tax,  die  2  —  3  D.  für  10  Worte  beträgt. 


1)  In  dem  Falle  der  Peusacola  Telegraph  Co.,  welcher  unter  Staatsgesetz 
das  ausschliessliche  Recht  des  Telegraphirens  im  Staate  Florida  verheben  war, 
entschied  das  Oberbundesgericht  1878  zu  Gunsten  der  Western  Union  Tele- 
graph Co.,  dass  Telegraphiren  eine  Form  zwischenstaatlichen  Verkehrs,  deren 
Regelung  keinem  Einzelstaat  gestattet  sein  könne, 

K  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  29 


XII.  Der  Handel. 


I.  Allgemeines.  Geschichtliche  Notizen  450.  Streben  nach  Ausdehnung 
des  Ausfuhrhandels  452.  Verbreitung  des  kaufmännischen  Sinnes  454.  Der  Store- 
keeper 455.  Rückwirkung  des  Handels  auf  die  Bevölkerung.  457.  Bankerotte  458. 
Handelskammern  459.  Banken  4(30.  Versicherungswesen  460.  —  II.  I)  i  e 
Zölle  461.  —  HI.  Der  innere  Handel.  Grösse  desselben  463,  Haupt- 
punkte 463.  Die  Zufuhr  von  Getreide  und  Baumwolle  nach  den  Haupthafen- 
plätzen 464.  Der  Durchverkehr  und  der  direkte  Handel  der  Binnenplätze  465.  — 
IV.  Der  Aussenhandel.  Hauptgegenstände  der  Einfuhr  und  der  Ausfuhr  467, 
nach  Handelsgebieten  und  nach  dem  Werthe  geordnet  469.  Betrag  des  Gesummt- 
handels  der  Haupthandelsgebiete  mit  den  V.  St.  468.  Der  canadische  Durchgangs- 
handel 473.     Der  mexikanische  Landhandel  474. 


I.  Allgemeines.  Von  dem  Beginn  der  genauen  Statistik  bis 
1878  war  der  Gang  des  Handels  der  V.  St.  mit  fremden  Ländern 
folgender : 


Einfuhr 

Ausfuhr 

Einfuhr 

Ausfuhr 

1790 

22  460  844 

19  666  000 

1860 

335  233  232 

373  189  274 

1800 

52  121  891 

31  840  903 

1870 

431950  428 

420  500  275 

1810 

61  008  705 

42  366  675 

1875 

431  472  529 

598  737  753 

1820 

56  441971 

51  683  640 

1876 

476  677  836 

644  956  501 

1830 

88  251  207 

59  462  029 

1877 

492  097  540 

676  115  592 

1840 

163  186  510 

113  895  634 

1878 

482  000  000 

740  000  000 

1850 

124  526  639 

136  946  912 

(Schatz.) 

(Schätz.) 

Wir  haben  in  den  vier  vorhergehenden  Capiteln  verschiedencmal 
Gelegenheit  gehabt,  Blicke  zu  werfen  auf  die  Entwickelung  des 
Handels  im  Zusammenhang  mit  der  der  übrigen  Zweige  des  Wirth- 
schaftslebens.  Wir  haben  dabei  hauptsächlich  bemerkt,  dass  die 
englischen  Colonien  in  Nord -Amerika  schon  früh  einen  beträcht- 
lichen Handel  mit  den  Erzeugnissen  ihrer  Wälder  und  Felder  haupt- 
sächlich  nach  England  und  West -Indien    trieben.     Theils  einzelne, 


XII.  Der  Handel.  451 

tlieils  zusammenfassende  Zahlen  für,  denselben  sind  S.  266,  268  u.  a. 
gegeben.  Es  stellen  sich  dabei  die  zwei  Grundthatsachen  heraus, 
1.  dass  die  Ausfuhr  zuerst  aus  Gegenständen  der  Waldwirthschaft 
(Holz,  Theer,  Pech,  Felle)  und  dann  in  zunehmendem  Masse  aus  Er- 
zeugnissen des  Ackerbaues  bestand  und  dass  2.  dementsprechend  in 
der  Einfuhr  die  Erzeugnisse  der  Industrie  in  erster  Linie  standen.  Es 
entspricht  das  dem  natürlichen  Gange  der  wirthschaftlichen  Entwicke- 
lung  einer  Colonie  in  wohlbewaldeter  Gegend  und  unter  gemässigtem 
Klima.  Man  tauscht  die  Erzeugnisse  einer  mit  primitiven  Mitteln, 
aber  in  einer  reichen  Natur  arbeitenden  Wirthschaft,  der  Mehrzahl 
nach  wenig  veredelte  Naturerzeugnisse,  gegen  Hervorbringungen  eines 
hochentwickelten  Gewerbebetriebes.  Das  einzige  Erzeugniss  des  Ge- 
werbfleisses,  welches  schon  früh  zur  Ausfuhr  gelangte  und  ein  be- 
deutendes Gewicht  zu  derselben  hinzubrachte,  waren  die  hölzernen 
Schiffe,  welche  in  den  Colonien  aus  vortrefflichem  und  billigem 
Holze  gebaut  wurden,  um  mit  Fracht  beladen  nach  dem  Auslande  zu 
gehen.  Neben  ihnen  stand  Theer  und  Pottasche  und  später  kamen  auch 
Taue  und  gewisse  besondere  Erzeugnisse  der  Hausindustrien  hinzu. 
Aber  noch  in  den  ersten  2  Jahrzehnten  unseres  Jahrhunderts  waren 
die  Erzeugnisse  des  Ackerbaues  mit  78  —  83  Proc.  an  der  Gesammt- 
ausfuhr  betheiligt,  und  da  Forstwirthschaft  und  Fischerei  mit  bis 
zu  16  Proc.  hinzutraten,  blieb  für  Erzeugnisse  des  Gewerbfleisses 
nur  wenig  Raum.  Noch  1850  kamen  90,4  Proc.  auf  Erzeugnisse 
des  Ackerbaues,  1877/78  82  Proc,  und  es  trägt  also  trotz  der 
allmählich  wachsenden  Procentzahl  der  Erzeugnisse  des  Gewerb- 
fleisses der  Handel  der  V.  St.  noch  immer  den  colonialen  Stempel 
und  er  würde  es  noch  mehr,  wenn  nicht  die  Schutzzölle  die  ein- 
heimische Gewerbthätigkeit  nach  allen  Richtungen  gefördert  haben 
würden.  Zu  keiner  Zeit  hat  er  freilich  grössere  Anstrengungen 
gemacht  zu  einer  stärkeren  Ausfuhr  von  Gewerbserzeugnissen  zu 
gelangen  als  gerade  jetzt  und  die  Erfolge  sind  bereits  zu  sehen 
und  grössere  noch  zu  erwarten ;  aber  der  Ackerbau  steht  noch  so 
entschieden  im  Vordergrund  nach  Leistung,  Ausbreitungsfähigkeit, 
Zahl  der  Menschen,  die  er  beschäftigt,  dass  er  für  eine  lange  Reihe 
von  Jahren  fortfahren  wird,  dem  Aussenhandel  der  V.  St.  seinen 
charakteristischsten  Zug  zu  verleihen.    Es  genügt,  die  unten  folgende 

29* 


452  XII.  Der  Handel. 

Aufzählung  der  Hauptgegenstände  der  Ausfuhr  zu  betrachten,  um 
denselben  noch  in  seiner  ganzen  Schärfe  wahrzunehmen.  Und  noch 
heute  kann  man  trotz  jener  Anstrengungen  zweifelhaft  sein,  ob  nicht 
die  Erzeugung  von  Getreide,  Baumwolle,  Fleisch  u.  s.  f.  bei  dem 
ausgezeichneten  Markte,  den  sie  vor  allem  in  Europa  findet,  noch 
rascher  fortschreiten  werde  als  die  von  Baumwollenstoffen,  Maschinen 
u.  dgl.  Wir  haben  freilich  gesehen,  dass  auch  für  diese  die  Ver- 
hältnisse ungemein  günstig  liegen  und  dass  der  Durchschnitts- 
Amerikaner  sogar  mehr  Neigung  und  Befähigung  zu  den  Gewerben 
als  zur  Landwirthschaft  haben  dürfte.  Wenn  man  aber  die  riesigen 
Flächen  ansieht,  die  jedes  Jahr  der  letzteren  neu  eröffnet  werden  ^), 
und  die  Verbesserung  des  Betriebes,  der  bei  aller  räumlichen  Aus- 
breitung auch  immer  intensiver  zu  werden  strebt,  und  damit  die 
Ungunst  vergleicht  vieler  Verhältnisse,  unter  denen  die  im  härtesten 
Wettkampf  mit  Europa  stehende  Industrie  noch  leidet,  so  ist  jene 
Wahrscheinlichkeit  nicht  so  ganz  gering.  Man  muss  sich  nicht 
täuschen  lassen,  wenn  die  Ausfuhr  von  Gewerbserzeugnissen  der 
V.  St.  sogar  in  Europa  sich  immer  mehr  bemerklich  zu  machen 
scheint.  Es  handelt  sich  dabei  doch  zunächst  mehr  nur  um  kleinere 
Maschinen,  Werkzeuge  u.  dgl.,  die  eine  weite  Verbreitung  erlangen 
und  viel  von  sich  reden  machen;  aber  diese  Dinge  verdanken  ihre 
Concurrenzfähigkeit  unserer  Zurückgebliebenheit  in  der  Maschinen- 
anwendung mehr  als  irgend  einer  anderen  Ursache.  Uebersieht 
man  die  Aufzählung  aller  gewerblichen  Ausfuhren  in  den  amtlichen 
Berichten  der  letzten  Jahre,  so  folgt  (dem  Werthe  nach)  der  Haupt- 
gegenstand derselben  immer  erst  in  12. —  15.  Reihe,  alle  vorangehen- 
den Artikel  sind  Erzeugnisse  der  Land-  und  Waldwirthschaft.  Der 
Ausfuhrhandel  der  V.  St.  wird  noch  für  viele  Jahre  hauptsächlich 
von  dem  Ausfall  der  Ernten  abhängig  sein. 

Es  gibt  indessen  zwei  wichtige  Handelsgebiete,  auf  denen  die  Y.  St. 
früher  als  irgendwo  anders  auch  mit  ihren  Gewerbserzeugnissen  siegreich 
aufzutreten,  im  Stande  sein  werden:   Süd-  und   Mittel -Amerika  und  Ost- 


1)  Ergänzend  zu  den  o.  S.  173  f.  gegebenen  Zahlen  sei  hier  angeführt,  dass 

1878  15  —  18  Mill.  A.  Land  im  W.  an  Neuansiedler  verkauft  wurden.  Dies  waren 
375  000  —  42.5  000  Farmen   zu  40  A.     Nähere  Angaben  s.  N.  Y.  Ilandelszeitung 

1879  N.  1560  u.  63. 


XII.  Der  Handel.  453 

Asien.  Polynesien  wird  sich  vielleicht  mit  der  Zeit  diesen  anreihen.  Hier 
kommen  die  kürzeren  Wege  in  Betracht:  von  New  York  nach  Havana  4, 
nach  S.  Tomas  6,  nach  Colon  9  Tage,  von  S.  Francisco  nach  Acapulco  7, 
Panama  13,  Callao  22,  Honolulu  9,  Yokuhama  18  —  20,  Auckland  27, 
Hongkong  32  Tage !  Schon  heute  nehmen  die  V.  St.  den  weitaus  grössten 
Theil  der  Erzeugnisse  von  Cuba,  S.  Domingo,  Mexico  und  den'Hawaiischen 
Inseln,  fast  allen  Thee  Japans  u.  s.  f.  und  es  ist  natürlich,  dass  sie  ihre 
eigenen  Erzeugnisse  dort  abzusetzen  streben.  Nun  waren  sowohl  Mittel- 
und  Süd -Amerika  als  Ost -Asien  bisher  für  den  Bezug  der  Gewerbserzeug- 
nisse hauptsächlich  auf  Europa  angewiesen,  aber  es  bestand  doch  insofern 
eine  Abhängigkeit  von  Nord-Amerika,  als  New  York  (und  z.  Th.  für  das 
pacifische  Gebiet  auch  schon  S.  Francisco)  der  grosse  Geldplatz  nicht 
nur,  sondern  der  leuchtende  Mittelpunkt  der  geistigen  Interessen,  der 
Politik,  selbst  des  Geschmackes  für  Amerika  ist.  Was  im  romanischen 
Amerika  sich  über  das  Niveau  der  spanischen  und  portugiesischen  Cultur 
erhebt,  strebt  wenigstens  nach  dem  Firniss  der  Sitten,  der  Bildung,  die 
von  dort  ausgehen.  Von  dem  unbedingt  vorherrschenden  politischen  Ein- 
fluss  der  V.  St.  wollen  wir  hier  gar  nicht  reden.  Er  ist  jedenfalls  ein 
grosser  Faktor  in  dieser  Richtung.  Man  gewöhnt  sich  nicht  bloss  in 
Havana  oder  Mexico,  wo  das  am  Ende  natürlich,  sondern  mehr  oder 
weniger  auch  im  übrigen  Mittel-  und  Süd -Amerika  und  noch  rascher  in 
Japan  daran,  New  York  als  die  geistige  Hauptstadt  der  westlichen  Welt 
anzusehen.  Schon  heute  wird  ja  sogar  ein  guter  Theil  des  Bedarfes  an 
Büchern  und  Zeitschriften,  von  Ideen  zu  schweigen,  von  dort  aus  befriedigt 
und  newyorker  Moden  machen  dönen  von  Paris  in  Rio  und  Callao  den 
Rang  streitig.  Unter  manchen  anderen  Folgen,  die  das  haben  muss,  ist 
die  Ebnung  der  Wege  für  den  nordamerikanischen  Handel  als  eine  der 
sichersten  hervorzuheben.  Auch  hat  man  sich  in  den  V.  St.  bereits  daran 
gewöhnt,  jene  Gebiete  als  die  natürliche  Domäne  des  nordamerikanischen 
Handels  zu  betrachten.  Der  Präsident  der  V.  St.  selber  klagte  in  einem 
Briefe,  der  im  Jahre  1878  veröffentlicht  wurde,  dass  vor  allem  die  Rhederei 
der  V.  St.  einen  so  unverhältnissmässig  kleinen  Antheil  an  dem  Verkehr 
mit'  dem  übrigen  Amerika  habe.  Die  Unterstützung  der  neuen  brasilia- 
nischen, mexikanischen  u.  a.  Linien,  die  in  jüngster  Zeit  in  New  York 
und  Philadelphia  ins  Leben  gerufen  wurden,  wird  das  Ihre  thun,  um 
dieser  Klage  abzuhelfen.  Die  grössere  Güte  nordamerikanischer  Waaren, 
besonders  der  Baumwollgewebe,  Waffen  und  Metallwaaren ,  welche  z.  B. 
in  den  deutschen  Consularberichten  aus  verschiedenen  mexikanischen 
Plätzen  in  den  letzten  Jahren  beständig  hervorgehoben  wird,  die  ebenso 
auch  aus  Argentinien,  Peru,  sogar  China  beglaubigt  wird,  wird  die  Ver- 
breitung derselben  fördern.  Hinderlich  scheinen  aber  noch  die  kurzen 
Zahlungsfristen  zu  sein,  an  die  die  Kaufleute  der  V.  St.  gewohnt  sind, 
dann  der  Mangel  an  amerikanischen  Kauf  leuten  an  den  betr.  Plätzen,  die 


454  XII.  Der  Handel. 

geringe  Platz-  und  Sprachenkenntniss.  Es  wird  sich  auch  noch  zu  zeigen 
haben,  ob  die  Nordamerikaner  sich  jene  Gefügigkeit  werden  aneignen 
können,  welche  dazu  gehört,  um  unter  diesen  nicht  leicht  zu  behandelnden 
Völkern  Boden  zu  gewinnen.  Sie  haben  sich  bis  jetzt  als  sehr  gute  Kauf- 
leute bei  sich  zu  Hause  erwiesen,  es  bleibt  nun  noch  zu  sehen,  ob  sie 
es  auch  im -Ausland  sein  können.  Ihre  gemischte  Nationalität  dürfte  ihnen 
auch  hier  zu  gute  kommen.  Jedenfalls  hat  das  Streben  nach  Ausdehnung 
ihres  Ausfuhrhandels  jetzt  jene  Stufe  der  fast  epidemischen  Ausbreitungs- 
kraft erlangt,  zu  welcher  neue  Ideen  in  Nord-Amerika  manchmal  gelangen. 
Man  begegnet  ihm  überall,  in  allen  Blättern  wird  es  erörtert,  als  Sache 
des  Nationalstolzes  selbst  von  den  Politikern  aufgegriffen  ^).  Für  Europas 
südamerikanischen  und  ostasiatischen  Handel  wird  es  ohne  Zweifel  von 
wachsend  ungünstigen  Folgen  sein. 

Die  Bürger  der  V.  St.  sind  so  oft  als  Krämerseelen  und  Dollargötzen- 
diener bezeichnet  worden,  dass  man  schon  deswegen  nicht  zu  zweifeln 
braucht  an  ihrer  kaufmännischen  Befähigung.  Was  hierüber  in 
dem  Capitel  über  Industrie  gesagt  ist  (S.  .366  f.)  könnte  genügen.  Nur 
ganz  im  Allgemeinen  sei  hier  noch  darauf  hingewiesen,  dass  die  eigen- 
thümliche  Art   des   wirthschaftlichen  Lebens  in  den  V.  St.   mit  Nothwen- 


1)  Präsident  Hayes  sagt  in  einer  Botschaft,  welche  im  December  1878  an 
den  Senat  gelangte:  „Der  Handel  mit  dem  Ausland  hat  uns  Jahre  lang  wegen 
des  durch  denselben  bewirkten  Abflusses  der  Edelmetalle  Sorge  gemacht.  Während 
voller  20  Jahre,  bis  1877,  war  die  Verschiffung  von  Gold  gleichmässig  bedeutend, 
und  zwar  in  dem  Masse ,  dass  während  der  ganzen  Periode  der  Suspension  der 
Baarzahlungen  die  Hoffnung  auf  Wiederaufnahme  der  letzteren  völlig  aus- 
geschlossen lag.  Den  im  Jahre  1876  gemachten  Anstrengungen  unternehmender 
Bürger  unseres  Landen,  die  seitdem  unermüdlich  fortgesetzt  sind,  ist  es  gelungen, 
unseren  auswärtigen  Handel  im  Allgemeinen,  besonders  aber  in  Fabrikations- 
Artikeln,  in  bedeutendem  Masse  auszudehnen.  Zu  gleicher  Zeit  nahm  der 
Import  in  demselben  Verhältniss  ab,  so  dass  hieraus  ein  vollständiger  Umschwung 
der  so  lange  obwaltenden  Verhältnisse  erzielt  und  dem  Goldabfluss  ein  Ende 
gemacht  wurde.  .  .  Die  Mittel  und  Wege ,  durch  welche  dieser  Umschwung  her- 
beigeführt wurde,  müssen  in  Zukunft  aufrecht  erhalten  und  befestigt  werden, 
da  eine  Rückkehr  zu  weitgehendem  Import  oder  zu  einer  beträchtlichen  Ab- 
nahme im  Export  die  Rückkehr  in  die  frühere  Lage  der  ungünstigen  Handels- 
bilanz ermöglichen  würde,  woraus  als  natürliche  Folge  ein  Wiedereintreten  des 
Goldabflusses  resultiren  müsste.  Alles  was  nur  irgend  zur  Einführung  unserer 
Boden-  und  Industrieerzeugnisse  auf  fremden  Märkten  dienlich  sein  kann,  sollte 
in  Ausführung  gebracht  werden.  Im  Augenblick  erfreuen  sich  viele  von  unseren 
Erzeugnissen  eines  derartigen  Vorzugs,  dass  sie  überall  lohnenden  Absatz  finden 
trotz  der  Nachtheile,  die  in  unserer  im  Argen  liegenden  Schiffahrt  und  der  Un- 
vollkommenheit  unserer  Einrichtungen  im  Verhältniss  zu  denen  unserer  Concur- 
renten  am  Weltmarkte  liegen.  Wenn  wir  erst  gleiche  Erleichterungen  in  Handel 
und  Wandel  haben,  können  wir  es  überall  mit  der  Conciirrenz  aufnehmen." 


XII.  Der  Handel.  455 

digkeit  ein  Uebergewicht  des  Handels  hervorruft  und  demselben  eine 
hervorragendere  Stelle  anweist  als  wir  z.  B.  bei  uns  in  Deutschland 
kennen.  So  wie  der  einzelne  Mensch  sind  auch  die  Güter  dort  beweg-  v^ 
lieber.  Die  Waaren  und  das  Geld  pulsiren  rascher  durch  die  Adern 
dieses  rasch  wachsenden  wirthschaftlichen  Organismus  und  die  Kaufleute 
sind  die  ersten  Vermittler  und  Förderer  dieses  Lebens.  Dies  zeigt  sich 
nirgends  klarer  als  bei  den  ersten  Anfängen  dieses  Kreislaufsystemes,  bei 
den  Kaufleuten  auf  dem  Lande,  den  Storekeepers,  die  eine  bei  uns  \^ 
nach  Art  und  Grösse  ganz  unbekannte  wirthschaftliche  Rolle  spielen.  Wo 
in  einer  neuen  Ansiedelung  sechs  Häuser  bei  einander  stehen,  ist  eins 
sicherlich  Store^  d.  h.  Kaufladen  für  alles,  Branntweinkneipe,  Versamm- 
lungsort für  alle  Gesprächslustigen  und  Geschäftstreibenden,  Bureau  für 
Agenturen  und  Maklereien  aller  Art,  für  Frachtbesorgungen,  Dampfboot- 
fahrkarten und  noch  vieles  andere.  Ein  solcher  Store  steht  ebensoweit  , 
über  unserii  ländlichen  Kramläden  wie  ein  amerikanisches  Landstädtchen 
an  Regsamkeit  über  seinem  deutschen  Repräsentanten,  dem  Marktflecken. 
Der  Storclxcepcr  handelt  nicht  bloss  mit  den  gewöhnlichen  Lebensbedürfnissen 
seiner  Nachbarn,  der  Farmer,  sondern  man  findet  bei  ihm  alles,  was  Noth- 
wendigkeit  und  Luxus  in  diesen  jungen  Lebenscentren  erheischt.  Landwirth- 
schaftliche  Werkzeuge  und  Maschinen,  fertige  Kleider,  alle  Wagenbestand- 

theile,    Pferdegeschirr  jeder  Art,   Waffen,    Schmuck,    Zeitungen,    Bücher, 

Branntwein,  Medicinen  sind  hier  zu  haben.  Dabei  ist  er  nicht  bloss  Ver- 
käufer gegenüber  seiner  Kundschaft,  sondern  häufig  auch  Käufer  für  die  ^ 
Produkte  derselben,  die  er  entweder  im  Austausche  für  seine  Waaren 
oder  gegen  Geld,  und  in  diesem  Falle  meistens  als  Agent  eines  Gross- 
handelshauses, aufkauft.  In  sehr  vielen  Fällen  ist  er  überhaupt  gewisser- 
massen  die  Unruhe,  das  Schwungrad  einer  solchen  jungen  Ansiedelung. 
Indem  er  civilisirte  Bedürfnisse  weckt  und  befriedigt,  Arbeit  anregt  und  ^ 
verwerthet,  schützt  er  dieselbe  vor  Verwilderung  und  Versumpfung.  Er 
hält  eine  gewisse  Bewegung  aufrecht  und  bildet  die  unentbehrliche  und 
wohlthätige  Vermittelung  zwischen  der  letzten  Urwaldhütte  und  den  kleinen 
und  grossen  Culturmittelpunkten  des  weiten,  dünnbevölkerten  Landes. 
Diese  eigenthümliche  Institution  der  ländlichen  Stores  geht  durch  die 
ganze  Union*).  Die  Rolle,  die  sie  in  der  wirthschaftlichen  und  socialen 
Geschichte  der  Besiedelung  Nord-Amerikas  spielen,  ist  besonders  deshalb 
sehr  bedeutend,  weil  sie  durch  ihre  Vielseitigkeit  die  Industrie,  welche 
auf  dieser  Stufe  als  Handwerk  auftreten  würde,  fast  ganz  ausschliesst  und 


1)  In    seinem   Buch   Texas   (Bonn  1849)    sagt   F.  Römer   treffend   von  den  / 
Stores,    deren  Repräsentanten  in  dem  damals  erst  aufwachsenden  Neubraunfels 
er  vorher  drastisch  heschrieben  hat:    „Diese  Stores  sind  überhaupt  bezeichnend, 
für  das  Eigenthümliche  der  amerikanischen  Ansiedelung,    welche  gleich  mit  der 
ganzen  Errungenschaft  der  Civilisation  und  zum  Theil  selbst   mit  den  Bedürf- 


V 


456  XII.  Der  Handel. 

neben  den  Ackerbau  unmittelbar  den  Handel  als  zweitgrössten  Faktor  in 
der  Besiedelung  des  Landes  hinstellen.  Wie  die  Farmer  die  Pioniere 
der  Civilisation  überhaupt,  so  sind  die  Storekeepers  die  Pioniere  des 
Handels,  auf  dessen  rascher  und  ausgedehnter  Entwickelung  jenes  wunderbar 
schnelle  und  dabei  doch  ganz  naturgemäss  gesunde  Aufwachsen  grosser 
Handels-  und  Industriecentren  in  den  neubesiedelten  Gebieten  beruht.  An 
der  Bildung  grosser  Städte  und  an  der  Ausbreitung  städtischen  Lebens 
über  das  Land  hat  kein  Theil  der  nordamerikanischen  Bevölkerung 
grösseren  Antheil  wie  die  Storekeepers. 

Hiermit  ist  schon  ein  Theil  der  grossen  socialen  und  Culturbedeutung 
des  Handels  in  diesem  jungen  Lande  bezeichnet.  Dieselbe  ist  aber  auch 
auf  den  höheren  Stufen  noch  eine  sehr  bedeutende.  Dieses  kleine  Räder- 
werk würde  nicht  die  Bewegung  hervorrufen  und  erhalten  können,  die  es 
fortpflanzt.  Dazu  gehören  die  mächtigen  Schwungräder  der  kaufmännischen 
Phantasie  und  Berechnungsgabe,  welche  die  grossen  Pläne  ersinnt,  des 
Unternehmungsgeistes,  der  sie  mit  Kühnheit  ins  Werk  setzt,  der  grossen 
Auffassung  der  Verhältnisse,  welche  nicht  in  den  Uebergängen  stecken 
bleibt,  sondern  Anfang  und  Ende  im  Auge  behält.  Wenn  oben  gesagt 
werden  konnte,  dass  die  Allgemeinheit  der  Arbeit  einer  der  Charakter- 
züge des  nordamerikanischen  Lebens  sei,    so   ist  als  nothwendige  Ergän- 

^.  zung  dem  hinzuzufügen,  die  Allgemeinheit  des  kaufmännischen 
Sinnes.  Wir  haben  gesehen,  wie  z.  B.  alle  Verkehrseinrichtungen  rein 
aus  dem  kaufmännischen  Gesichtspunkt  betrieben  werden,  und  werden 
noch  weitere  Beispiele  dafür  finden.  Derselbe  Zug  findet  sich  beim  Land- 
wirth,  beim  Viehzüchter,  beim  einfachen  Arbeiter  wieder.  Schon  die  so 
allgemeine  Verbreitung  und  Benützung  der  Banken  in  allen  Formen,  die 
grossen  Schwankungen  des  Arbeitsmarktes  u.  dgl.  nöthigen  zu  einem 
Masse  kaufmännischen  Denkens,  welches  überall  anderwärts  viel  kleiner 
ist,  wenn  es  nicht  überhaupt  fehlt.  Es  liegt  darin  einer  der  Gründe  der 
Ueberlegenheit,  welche  der  Amerikaner,  welchen  Standes  er  sei,  in  Ge- 
schäftssachen über  andere  Völker  hat.  Die  häufige  Anwendung  von 
I  calculate  ist  charakteristisch.  Der  Jude  und  zum  Theil  auch  der  Deutsche 
übertrifft  ihn  an  Sorgfalt  im  Kleinen,  Geduld,  Sparsamkeit,  vor  allem 
Bedürfnisslosigkeit,  und  sie  heben  ihn  wohl  auch  einmal  mit  diesen  kleinen 
Hebeln  aus  dem  Sattel;  aber  sie  sind  ihm  in  den  grossen  Unternehmungen 

jr  nicht  gewachsen.  In  Canada  so  gut  wie  in  Mexico  und  Peru  wartet  man 
auf   ihn,    wenn  es   sich  um  Indiehandnahme  irgend   eines   neuen   Planes 


nissen  eines  verfeinerten  Lebens  in  die  Wildniss  vordringt  und  diese  dadurch 
gewissermassen  überrumpelt  und  im  Sturme  nimmt,  zugleich  jene  oft  merkwür- 
digen Contraste  zwischen  roher  Ursprünghchkeit  und  den  Zeichen  tausendjähriger 
Gesittung  hervorrufend,  welche  den  Europäer  in  den  Wäldern  des  westlichen 
Nord-Amerika  überraschen."     (S.  122.) 


XII.  Der  Handel.  457 

handelt,  vor  dessen  Verwirklichung  die  anderen  zurückschrecken.  Männer 
wie  Cyrus  Field,  der  Durchführer  der  Idee  der  unterseeischen  Telegraphie, 
Henry  Meiggs,  der  Erbauer  der  peruanischen  Eisenbahnen,  sind  Beispiele 
dieser  Classe,  von  der  es  in  jedem  einzelnen  Lande  Amerikas  genug 
Vertreter  gibt.  Es  ist  in  keiner  Weise  möglich,  den  Antheil  zu  berechnen, 
welchen  die  Nordamerikaner  mit  diesen  Eigenschaften  an  der  wirthschaft- 
lichen  Entwickelung  des  ganzen  Continentes  gehabt  haben.  Er  steht  nur 
dem  politischen  nach.  Man  denke  an  die  ebengenannten  Werke  oder  an 
die  Panamabahn!  Freilich  steht  am  anderen  Ende  dieser  stolzen  Reihe 
der  gewissenlose  Bankerottirer,  oder  gar  der  Bösewicht  vom  Typus 
Thomson's,  der  ein  ganzes  Dampfboot  in  die  Luft  zu  sprengen  sucht,  um 
eine  elende  Summe  für  Versicherung  einzustreichen.  Der  richtigen  Ver- 
werthung  der  Kräfte  des  Einzelnen  und  unter  Umständen  seiner  Bereiche- 
rung kommt  dieser  zugleich  berechnende  und  unternehmende  Sinn  ohne 
Zweifel  zu  gut.  Er  richtet  sein  Leben  ganz  nach  Soll  und  Haben  ein 
und  lebt  daher  rationeller.  Das  hat  viele  gute  Wirkungen  auf  die  Einzel- 
existenzen, aber  es  fragt  sich,  wie  die  Gesammtheit  dabei  fährt?  Es  ist 
zu  fürchten,  dass  der  Egoismus  obenauf  komme.  Und  in  der  That,  die 
Wahrheit  des  Satzes,  dass  „der  Handel  als  ausschliessliche  Beschäftigung 
eines  Volkes  schädlich  wirke",  wird  in  den  V.  St.  durch  eine  ganze  Reihe 
von  Erscheinungen  bekräftigt.  Nach  der  Zählung  von  1870  beschäftigten 
Handel  und  Verkehr  1 191238  Personen  und  1875  gab  es  680072  Firmen; 
aber  wenn  man  im  Sinne  unserer  obigen  Aeusserungen  dem  Worte  Handel 
hier  den  weiteren  Begriff  des  raschen  und  mit  Energie  verfolgten  Geld- 
erwerbes unterlegt,  so  leben  7io  der  Bevölkerung  der  V.  St.  vom  und  im 
Handel.  Es  ist  bei  jeder  der  Krisen,  an  denen  die  Wirthschaftsgeschichte 
der  V.  St.  so  reich  ist,  hervorgehoben  worden,  dass  eben  deshalb  die  Zer- 
störungen, welche  durch  Stockung  im  Handel  und  Wandel  hier  wie  überall 
entstehen,  so  viel  allgemeiner  und  tiefgreifender  sind  als  sonst  irgendwo. 
Allerdings  gelingt  es  in  der  Regel  dem  an  Hülfsquellen  reichen  und  an  Be- 
völkerung noch  immer  hinreichend  armen  Lande  rasch,  sich  wieder  zu  er- 
heben, aber  die  moralischen  Uebel  solcher  Katastrophen  sind  nicht  eben  so 
schnell  geheilt  wie  die  wirthschaftlichen.  Ein  verlorenes  Vermögen  wird  mit 
doppelter  Rücksichtslosigkeit  wieder  zu  gewinnen  gesucht  und  das  Tempo, 
welches  beim  erstmaligen  Erwerb  zulässig  war,  muss  beim  wiederholten  ver- 
vielfältigt werden,  wenn  das  Ziel  noch  einmal  erreicht  werden  soll.  Da  es 
nur  erst  die  Anfänge  von  Ständen  und  Gesellschaftsschichten  gibt,  die  durch 
eigenen  festen  Besitz  (Grossgrundbesitzer,  Capitalisten)  oder  durch  An- 
gewiesensein an  die  nicht  so  leicht  zu  erschöpfenden  Hülfsquellen  des  Staates 
(Officiere,  Beamte)  von  den  periodischen  Erchütterungen  der  Wirthschafts- 
verhältnisse  nicht  mit  ergriffen  zu  werden  brauchen,  so  wirkt  jede  derartige 
Erschütterung  bis  auf  den  Grund.  Welche  Quelle  von  Corruption  damit 
geöffnet  wird,   sieht  man  ein.    Die  V.  St.  sind  seit  dem  Anfange  dieses 


458  XII.  Der  Handel. 

Jahrhunderts  von  drei  grossen  Handelskrisen  heimgesucht  worden :  1837, 
1857,  1878 — 78.     Jedesmal  lag  das  Heilmittel  an  einer  guten  Ernte  und 

/  in  der  Abfuhr  der  Schiffbrüchigen  nach  W.  und  S. ,  wo  sie  Raum  und 
guten  Glauben  für  neue  Unternehmungen  fanden.  Der  Credit  ist  nicht 
auf  lange  Dauer  von  diesen  Krisen  gemindert  worden,  denn  das  Vertrauen 
auf  die  Hülfsquellen  des  Landes  und  die  Leistungsfähigkeit  seiner  Be- 
wohner blieb  unter  den  härtesten  Schlägen  unverändert.  Aber  jede  Erho- 
lung  von    diesen    grossen  Schlägen   ist  in   eine   Periode    des   Schwindels 

^  ausgelaufen,  deren  Uebertrcibungen  bereits  wieder  eine  neue  Krise  vor- 
bereiteten. Es  lässt  sich  nicht  erwarten,  dass  die  alten  Hülfsmittel  der 
Ernteüberschüsse  und  des  Westwanderns  sich  immer  wieder  bereit  finden 
werden,  wenn  man  sie  eben  braucht.  Aber  das  Schlimmste  ist  die  mora- 
lische Nachwirkung  dieses  Wechsels  von  fieberhafter  Ueberspannung  des 
Unternehmungsgeistes  und  jähem  Zusammenbruch.  Wir  kennen  sie  zur 
Genüge  bei  uns,  aber  sie  sind  hier  um  vieles  schlimmer.  Der  leichtere  Erwerb 
und  Credit,  die  grössere  Kühnheit,  der  raschere  Wechsel  der  Güter,  die 
grössere  Möglichkeit  sich  vom  Sturze  zu  erholen  ziehen  viel  mehr  Menschen 
in  diesen  Strudel   hinein  und  zersetzen  viel  mehr  Gewissen.    Wir  wollen 

v  nicht  sagen,  dass  wir  besser  sind,  aber  wir  sind  weniger  Versuchungen 
ausgesetzt.  —  Welches  müssen  mit  der  Zeit  die  politischen  Folgen  einer 
immer  weiteren  Verbreitung  dieses  Erwerbsfiebers  in  der  Bevölkerung 
sein?  Die  politische  Corruption,  welche,  wenig  gesagt,  die  Hälfte  aller 
politisch  Thätigen  mindestens  verdächtig  macht,  hängt  aufs  engste  damit 
zusammen,  denn  bei  den  Fachpolitikern  artet  der  kaufmännische  Sinn 
nicht  selten  bis  zu  jenem  Grade  aus,  wo  der  Mensch,  der  ihn  hegt,  sich 
und  andere  als  Waaren  taxirt,  die  man  zu  bestimmten  Geldpreisen  haben 
kann,  wie  alles  andere.  Dass  Zeiten  geschäftlicher  Depression  bei  diesem 
grossen  Uebergewicht  des  Handelstreibens  auch  sehr  leicht  Zeiten  politi- 
scher Unzufriedenheit  werden,  hat  man  in  der  letzten  Krisis  gut  genug 
gesehen,  denn  sie  ist  es  gewesen,  welche  dem  Volke  der  V.  St.  zuerst 
die  Socialisten  als  politische  Partei  und  sogar  in  der  blutigen  Beleuchtung 
von  Arbeiterstrassenkämpfen  vorführte.  Aber  es  würde  natürlich  eitel 
sein  zu  erwarten,  dass  die  Rücksicht  auf  solche  Folgen  dem  Erwerbstrieb 
Zügel  anlegen  sollte.    Man  erwartet  alles  von  besseren  Zeiten,  von  denen 

^/ man  doch  gut  genug  weiss,  dass  sie  wohl  die  Geschäfte,  nicht  aber  die 
Menschen  besser  machen.  Wie  sehr  übrigens  dieses  fieberhafte  Treiben 
doch  zum  Theil  zu  den  Entwickelungskrankheiten  des  Volkes  gehört, 
beweist  klar  die  eine  Thatsache,  dass  es  seinen  Höhepunkt  nicht  etwa 
an  den  Punkten  der  grössten  Geschäftsthätigkeit,  d.  h.  in  den  Staaten 
der  Mitte  und  den  Neuengland-Staatcn,  sondern  in  dem  sowohl  gewerblich 
als  kaufmännisch  viel  weniger  entwickelten  W.  findet.  Den  besten  Mass- 
stab dafür  geben  ohne  Zweifel  die  Bankerotte,  von  denen  z.B.- im  ersten 
Vierteljahr  1878  insgesammt  :3355  mit  82  Mill.  D.   Passiven   angemeldet 


XII.  Der  Handel.  459 

waren.  Von  diesen  entfielen  1218  auf  die  w.,  950  auf  die  mittleren,  539 
auf  die  Ncucngland-,  483  auf  die  s.  und  165  auf  die  pacifischen  Staaten. 
Uebrigens  war  die  Zahl  der  Bankerotte  entsprechend  dem  besseren  Ge- 
schäftsgang im  ersten  Quartal  1879  auf  2524  mit  43  Mill.  D.  herunter- 
gegangen. —  Wenig  entsprechend  der  allgemeinen  Wichtigkeit  des  Handels 
ist  die  politische  Vertretung  desselben.  Es  gibt  weder  einen  Handelsminister 
noch  hält  die  Regierung  direkte  Fühlung  mit  dem  Handelsstande.  Die 
privaten  Vereinigungen  der  Handelskammern  (Boards  of  Trade)  sind 
in  den  V.  St.  trotz  der  grossen  Interessen,  für  die  sie  die  Vertretung 
bilden,  nicht  von  der  Bedeutung  wie  z.  B.  in  England  oder  Frankreich. 
Es  liegt  das  grösstentheils  darin,  dass  sie  vom  unmittelbaren  Einfluss  auf 
die  Gesetzgebung,  sei  es  auch  nur  durch  Berathung,  abgeschnitten  sind 
durch  die  Fachpolitiker,  welche  begreiflicherweise  keine  Freunde  von 
selbständigen  und  vorwiegend  conservative  Interessen  vertretenden  Kör- 
perschaften sind.  Die  älteste  von  den  Handelskammern  der  V.  St.  ist 
die  von  New  York,  1768  gegründet,  welche  bei  der  beherrschenden  Handels- 
stellung New  Yorks  gleichzeitig  auch  die  wichtigste  von  allen  ist.  Die 
Einführung  von  Handelsgerichten  (1873)  ist  ein  wesentliches  Verdienst, 
das  sie  sich  erworben.  Durch  die  Gründung  eines  National  Board  pf 
Trade,  der  auf  Anregung  der  bostoner  Handelskammer  zuerst  1868  zu- 
sammentrat und  eine  Wanderversammlung  nach  Art  etwa  des  deutschen 
Handelstages  darstellt,  ist  der  Einfluss  der  Handelskammern,  wenn  nicht 
der  unmittelbare  und  augenblickliche,  so  doch  der  moralische  ohne  Zweifel 
gestiegen.  Die  Beschlüsse  dieser  Versammlung  sind  z.  B.  in  der  Währungs- 
frage nicht  ohne  Einfluss  auf  die  endgültig  dem  Hartgeld  günstige  Ent- 
scheidung geblieben.  Von  anderen  Anregungen ,  welche  sie  in  ihren 
Beschlüssen  niedergelegt  haben,  ist  die  auf  Gründung  eines  Ministeriums 
für  Handel,  Schiffahrt  und  Industrie  hervorzuheben;  aber  die  Verwirk- 
lichung gerade  dieser  wird  begreiflicherweise  vorwiegend  Sache  der  Politik 
sein.  Bei  der  grossen  Verbreitung  der  Handelsinteressen  durch  die  ganze 
Bevölkerung  ist  es  begreiflich,  dass  wichtige  Fragen  kaufmännischer 
Natur  wie  z.  B.  in  der  jüngsten  Zeit  das  Streben  nach  Ausdehnung  des 
Süd-  und  mittelamerikanischen  Handels  nicht  durch  jene  Organe  des 
Handelsstandes,  sondern  durch  grosse  Volksversammlungen  ihre  Erörterung 
finden,  in  denen  die  Angelegenheiten  des  Handels  als  nationale  betrachtet 
werden.  Von  der  direkten  Einflussnahme  auf  die  Politik  ist  aber  von 
allen  Ständen  in  den  V.  St.  der  Kaufmannstand  am  weitesten  entfernt. 
Er  bildet  keine  grosse  Masse,  die  schon  durch  ihr  Schwergewicht  wirkt, 
wie  die  Arbeiter  oder  Landwirthe,  und  er  umschliesst  gerade  in  seinen 
besseren,  zu  solcher  Wirksamkeit  am  ehesten  berufenen  Schichten  eine 
überwiegende  Zahl  von  Männern,  die  die  Berührung  mit  den  Massen 
und  mit  dem  Schmutz   der  Politik   absichtlich   vermeiden.     Insofern  ver- 


460 


XII.  Der  Handel. 


dienen  die  V.  St.  in  keiner  Weise  den  Namen  einer  Krämerrepublik,  der 
ihnen  von  unwissenden  P]uropäern  wohl  noch  beigelegt  wird. 

Die  Erleichterung  des  Geld  verkehr  es  durch  ein  der  bekannten 
londoner  Einrichtung  nachgeahmtes  Clearing  House  in  New  York  und 
durch  das  Checksystem  der  Banken  trägt  zur  Beschleunigung  der  Ilandcls- 
bewegung  sehr  erheblich  bei.  Die  Zahl  der  Banken  ist  sehr  bedeutend, 
wie  schon  früher  hervorgehoben.  Nach  dem  Jahresbericht  des  ComptroIJcr  of 
tJtc  Currency  gab  es  in  dem  am  31.  Mai  1878  endigenden  Halbjahr  Staats- 
und Sparbanken  und  Privatbankiers: 


Zahl 

Capital 
MiU. 

Einlagen 
Mill. 

Unter  den  Gesetzen  der  Einzelstaaten 
Organ isirte  Banken  (Staatsbanken)  . 

Aktien-Sparbanken 

Sparbanken  ohne  Aktiencapital  .     .     . 
Privatbankiers  ...          

853 
23 

668 
2  856 
2  056 

124 
3 

78 
470 

229 

26 

803 

184 

Nationalbanken 

677 

6  459 

675 

1959 

Im  Jahr  1877/78  wurden  28  neue  Banken  mit  2^/4  Mill.  D.  Capital 
gegründet,  während  15  mit  ebensoviel  Capital  Zahlung  einstellten  und  41 
mit  5V5  Mill.  D.  ihre  Geschäfte  freiwillig  aufgaben.  Von  diesen  Banken 
entfallen  auf  die  Mittelstaaten  44,  die  Neuengland-Staaten  34,  die  West- 
staaten 10,  die  pacifischen  Staaten  und  die  Territorien  8  und  die  Süd- 
staaten 4  Proc. 

Nicht  weniger  ist  das  Versich erungs  w es  en  entwickelt.  Bei  dem 
häufigen  Wechsel  der  Glücksumstände  sind  die  Lebensversicherungen  eine 
ungemein  weitverbreitete  Einrichtung.  Es  nahm  z.  B.  im  Staate  New  York 
ihre  Zahl  von  1860—75  von  17  auf  45,  die  Zahl  und  der  Werth  der  Versiche- 
rungen von  56000  und  164  Mill.  auf  775  000  und  1922  Mill.  zu.  Eine 
gleich  wichtige  Rolle  spielen  die  Feuerversicherungen.  Die  Feuersbrünstc 
sind  bei  der  noch  immer  weiten  Verbreitung  des  Holzbaues,  bei  der 
herrschenden  Sorglosigkeit  und,  wie  man  sehr  allgemein  behaupten  hört, 
auch  als  Mittel  zur  bequemen  Liquidation  unbequemer  Geschäfte  von 
sehr  weiter  Verbreitung  ^).  1878  arbeiteten  im  Staate  New  York  95  Feuer- 
versicherungen mit  Gesammtaktiven  von  56,5  Mill.  D.,  welche  19,3  Mill. 
an   Prämien    einnahmen    und    10  Mill.  D.   für   Feuerschäden   auszahlten. 


1)  Die  Höhe  der  Feuerschäden  eines  Jahres  veranschlagte  jüngst  ein 
Statistiker  in  der  New  Yorker  Handelszeitung  (30.  Nov.  78)  auf  100  Mill.  D., 
d.  h.  auf  ^/s — Ve  der  Summe,  um  welche  in  einem  Jahr  der  Nationalreich thum 
wächst. 


Xlt  Der  Handel.  461 

IL  Die  Zölle.  Der  erste  Zolltarif  der  V.  St.  erschien  im  Jahre  1789. 
Bis  dahin  hatte  die  Frage  der  Zölle  einen  Gegenstand  heftiger  Discussionen 
gebildet.  Waren  es  doch  schon  Zölle  und  zollartige  Auflagen  gewesen, 
welche  den  Bruch  der  Colonien  mit  dem  Mutterlande  herbeigeführt  hatten. 
Erst  die  stürmische  Zwischenzeit  von  der  Beendigung  des  Unabhängig- 
keitskrieges bis  zur  Gründung  des  Bundes  hatte  es  vermocht,  die  einzelnen 
Staaten  zu  überzeugen,  dass  die  Auflage  von  Zöllen  ein  Recht  sei,  das 
der  Union  und  nicht  jedem  einzelnen  von  ihnen  besonders  zustehen  müsse. 
Entsprechend  dem  noch  immer  wie  in  der  Colonialzeit  fast  ausschliesslich 
auriculturellen  Charakter  der  damaligen  Y.  St.,  war  der  Tarif  von  1789  fern 
davon,  scliutzzöllnerisch  zu  sein.  Die  leitenden  Grundsätze  waren,  dass 
das  finanzielle  Erträgniss  der  erste  Gesichtspunkt  sein  müsse,  neben 
welchem  nur  in  Bezug  auf  bereits  im  Inlande  erzeugt  werdende  Gegen- 
stände oder  Dinge  des  feineren  Lebensgenusses  höhere  Zölle  Platz 
greifen  sollten.  Indessen  wurde  schon  dieser  Tarif  von  den  Südstaaten 
als  schutzzöllnerisch  bekämpft.  Die  rasch  steigenden  Ausgaben,  welche 
die  Erweiterung  der  Grenzen  gegen  Westen  hin  verursachte,  brachten 
indessen  schon  von  selbst  Zollerhöhungen  mit  sich,  die  fast  periodisch 
eintraten.  1792,  1796,  1797,  1800  erfolgten  umfangreiche  Zollerhöhungen 
und  sogar  zur  Abwehr  der  Seeräubereien  der  Barbaresken  -  Staaten  im 
Mittelmeer  wurde  1804  durch  Erhöhung  des  allgemeinen  Zollsatzes  um 
2'/?  Proc.  eine  eigene  Einnahme,  der  sog.  Mittelländische  Fond,  gegründet. 
In  Erwiderung  gewisser  Eingrifi'e,  welche  England  in  die  Rechte  der 
neutralen  seefahrenden  Nationen  sich  erlaubte ,  wurde  1806  die  Einfuhr 
gewisser  englischer  Erzeugnisse  gänzlich  verboten  und  1807  das  Embargo 
auf  den  Schiffsverkehr  gelegt.  Dieser  Zoll-  und  Verkehrskrieg  fand  sein 
Ende  erst  in  der  Kriegserklärung,  welche  1812  gegen  England  erlassen 
wurde.  Da  während  dieses  Krieges  sich  die  junge  Industrie  der  V.  St.  sehr 
gehoben  hatte,  blieben  die  erhöhten  Zölle  durch  den  Einfluss  der  industriellen 
Nordstaaten  bestehen.  1816  kam  ein  neuer  Tarif,  welcher  ein  entschiedener 
Scliutzzolltarif  war  und  welcher  zudem  noch  1818  und  1820  erheblich  erhöht 
wurde.  Neue  Revisionen  fanden  1823  und  1828  statt,  durch  welche  auf  so 
wichtige  Artikel  wie  Eisen,  Blei,  Wolle,  Hanf,  Glas  wahrhaft  prohibitive  Zölle 
gelegt  und  für  Baumwollwaaren  der  Minimalzoll  so  erhöht  wurde,  dass  alle 
wohlfeilen  Waaren  vom  Verkehre  ausgeschlossen  waren.  Die  Baumwoll- 
pflanzer vermerkten  es  unwillig,  dass  man  sogar  den  Zoll  auf  die  für  die 
Emballirung  der  Baumwolle  unentbehrliche  Packleinwand  zu  Gunsten  weniger 
inländischen  Fabriken  erhöht  hatte.  Eine  neue  Revision  von  1828  erhöhte 
die  Zölle  derartig,  dass  sie  durchschnittlich  48  Proc.  des  Werthes  der 
Waaren  erreichten.  Aber  nun  erhoben  sich  die  Südstaaten,  zum  Theil 
unterstützt  von  den  seefahrenden  Staaten  Neu-Englands,  mit  geharnischten 
Protesten.  Als  die  Ueberschüsse  im  Staatsschatze  anwuchsen,  so  dass 
der  hohe  Ertrag  der  Zölle  geradezu  als  eine  Verlegenheit  für  den  Staats- 


462  XII.  Der  Handel. 

schätz  erschien,  ermässigte  man  1830  nicht  die  Schutz-,  sondern  die 
Finanzzölle  auf  Kaffee,  Thee,  Salz  u.  dgl.  Einen  milderen  Tarif  verwarf 
der  Congress  1832  zu  Gunsten  eines  anderen,  der  die  hohen  Zölle  von 
1828  bestehen  liess.  Dieser  Tarif  war  es,  welcher  von  Seite  Süd-Carolinas 
mit  der  Drohung  des  Austrittes  aus  der  Union  beantwortet  und  nullificirt 
wurde.  Der  Präsident  Jackson  liess  1833  eine  Compromissbill  Gesetz 
werden,  welche  bestimmte,  dass  alle  Zölle  über  20  Proc.  bis  1841,  jedes 
zweite  Jahr  um  10  Proc.  des  Mehrbetrages,  Ende  1841  um  weitere 
25  Proc.  desselben  und  Mitte  1842  um  den  Rest  ermässigt  werden  sollten ; 
dagegen  sollten  zu  dieser  Zeit  die  Zollcredite  aufhören.  Einige  specifische 
Minimalzölle  wurden  schon  jetzt  ermässigt  und  auf  der  anderen  Seite  den 
Schutzzöllnern  nur  einige  geringe  Erhöhungen  zugestanden.  Aber  dieses 
Compromiss  kam  nicht  zur  Vollendung  in  Folge  der  Erschütterungen,  die 
das  ganze  Wirthschaftsleben  der  Union  in  Gestalt  sehr  heftiger  Krisen 
1837  und  1839  heimsuchten.  Bei  geringem  Verkehr  sanken  die  Einnahmen 
und  statt  der  Ermässigungen  folgten  1842  Erhöhungen  vieler  Zölle,  die 
aber  1846  nach  dem  Präsidentschaftswahlsiege  des  Südens  und  Westens 
neuerdings  heruntergesetzt  wurden.  In  dem  darauffolgenden  Jahrzehnt 
fielen  nun  noch  mehr  als  bisher  die  Gründe  für  hohe  Zolleinnahmen,  denn 
das  rasche  und  allgemeine  Aufblühen  des  Landes  steigerte  die  Zollein- 
nalimen  in  solchem  Masse,  dass  die  Partei  des  Freihandels,  noch  immer 
auf  den  S.  und  theilweise  auf  den  W.  sich  stützend,  nach  drei  in  ihrem 
Sinne  vollzogenen  Präsidentenwahlen  1857  den  massigsten  Zolltarif  auf- 
stellte ,  der  seit  1808  in  Geltung  gewesen  war.  19  und  24  Proc.  des 
Werthes  waren  die  Durchschnittssätze.  Ein  unglückliches  Zusammentreffen 
liess  das  Jahr  der  Aufstellung  dieses  Tarifes  zusammenfallen  mit  dem 
einer  exneuten  heftigen  Handelskrisis,  welche  die  Zollerträgnisse  ungewöhn- 
lich, in  1857  und  1858  um  78,3  und  22,1  Mill.  D.,  herabdrückte.  Um  so 
weniger  zögerten  die  Nordstaaten,  nach  der  Wahl  von  1860  zum  Schutz- 
zollsystem zurückzukehren.  Nachdem  die  Südstaaten  ihre  Abgeordneten 
aus  dem  Congresse  zurückgerufen ,  erfolgte  1861  ein  neuer  entschieden 
schutzzöllnerischer  Tarif  mit  specifischen  Minimal-  und  gemischten  Zöllen, 
schwierigen  Unterscheidungen  nach  der  Feinheit,  Fadenzahl,  dem  Preise 
u.  s.  w.  Der  zunehmende  Geldbedarf  der  Union  zur  Kriegführung  rief  in 
den  folgenden  Jahren  in  erster  Linie  immer  Zollerhöhungen  hervor  und 
zwar  in  solcher  Zahl,  dass  jedes  einzelne  der  Kriegsjahre  von  1861  —  65 
durch  eine  derartige  Massregel,  das  erstgenannte  Jahr  sogar  durch  drei 
derselben  bezeichnet  ist.  Gleichzeitig  wurden  die  Fristen  für  zollfreie 
Einlagerung  verkürzt,  die  Bestimmungen  über  Werthermittelung  und  über 
Bestrafung  der  Zollvergehen  verschärft,  die  Massregeln  zur  Ueberwachung 
vervielfältigt.  Sogar  zum  Nachtheil  der  eigenen  Staatsfinanzen  wurde 
z.  B.  die  Verwendung  fremden  Hanfes  und  Hanferzeugnisses  auf  den 
Flotten   der  Union   und  fremden  Eisens   beim  Bau  der  Pacificbahn  ver- 


XII.  Der  Handel.  463 

boten,  deren  Baukosten  zunächst  die  Union  bestritt.  1865  wurde  sogar 
im  Widerspruch  mit  jener  Bestimmung  der  Verfassung,  welche  die  Er- 
hebung eines  Ausfuhrzolles  auf  irgend  ein  Erzeugniss  der  V.  St.  untersagt, 
Ausfuhrzölle  auf  Rohbaumwolle,  Quecksilber,  rohes  Steinöl  und  einige 
andere  Gegenstände  dadurch  auferlegt,  dass  die  auf  denselben  im  inneren 
Verkehr  ruhende  Steuer  als  bei  der  Ausfuhr  nicht  zurückstellbar  erklärt 
ward.  Im  Jahr  1867  wurde  der  Tarif  im  Ganzen  so  gestaltet,  wie  er 
heute  ist,  entschieden  schutzzöllnerisch.  Kleine  Abänderungen  wie  z.  B. 
die  1879  beliebte  Aufhebung  des  Chininzolles  u.  dgl.  sind  kaum  erwähnens- 
werth.  Zwar  hat  Präsident  Hayes  in  seiner  Jahresbotschaft  für  1878  eine 
Revision  des  Tarifes  empfohlen,  die  in  vielen  Richtungen  zu  einer  Herab- 
setzung füliren  könnte,  und  eine  Vereinfachung  desselben  (Abschaffung  der 
Werthzölle,  Reduktion  der  taxirten  Gegenstände  auf  500  etc.)  ist  darauf 
dem  Cöngress  1878/79  von  seinem  Finanz-Committee  vorgeschlagen  worden. 
Die  letztere  setzt  aber  immer  noch  eine  Zolleinnahme  von  155  Mill.  D. 
als  nothwendig  voraus  und  verringert  andererseits  die  Erhebungskosten 
auf  4  Mill.  D.  Da  die  jetzt  im  Cöngress  herrschende  Partei  der  Demo- 
kraten den  Freihandel  in  ihrer  Platform  an  vorderer  Stelle  trägt,  wird 
sich  eine  Umänderung  des  Zollsystems  zunächst  darnach  richten,  1.  ob 
sie  in  der  nächsten  Präsidentenwahl  den  Sieg  davonträgt  und  2.  ob  sie 
ihrer  Platform  wird  treu  bleiben  können. 

III.  Der  innere  Handel.  Die  Grösse  des  inneren  Handels  der  V.  St. 
misst  sich  am  sichersten  an  der  Grösse  des  inneren  Verkehres,  wie  sie 
nach  verschiedenen  Beziehungen  im  vorigen  Capitel  angegeben  wurde, 
aber  die  Eisenbahnen,  Dampf  boote  u.  s.  f.  befördern  auch  die  Waaren 
des  Aussenhandels.  Eisenbahnen,  Flüsse  und  Canäle  beförderten  1876  für 
28125  Mill.  D.  Waaren.  Es  kann  sich  bei  solchen  Zahlen  nur  um  Ver- 
deutlichungen handeln.  Die  Zufuhren  der  Haupthandelsstädte  des  Inneren 
und  der  Küste  können  für  denselben  Zweck  Verwerthung  finden.  Chicago, 
dass  unter  den  Plätzen  des  Inneren  die  hervorragendste  Stellung  einnimmt, 
empfing  z.  B.  1878  30  Mill.  B.  Weizen,  63  Mill.  B.  Mais,  18  Mill.  B. 
Hafer,  3,12  Mill.  Fässer  Weizenmehl,  6,34  Mill.  Schweine  und  1,08  Mill. 
Rinder.  Milwaukee,  das  als  Getreideplatz  mit  Chicago  wetteifert, 
empfing  22  Mill.  B.  Weizen  und  2,26  Mill.  Fässer  Weizenmehl,  dazu  u.  a. 
133000  Ctr.  Käse.  S.  Louis,  der  Hauptplatz  des  Mississippi-Handels, 
empfing  und  versandte  1875  auf  dem  Flussweg  1,3  und  p.  Bahn  4,5  Mill.  T. 
Waaren,  davon  2,4  von  S.,  1,8  von  0.,  1,06  von  W.  und  0,5  von  N.  Es 
ist  der  bedeutendste  Platz  im  W.  für  den  Handel  mit  Colonialwaaren  und 
Südfrüchten  und  versendet  die  Erzeugnisse  der  Landwirthschaft  des  W. 
Cincinnati  empfing  1875  7,5  Mill.  B.  Getreide,  wovon  1,5  Mill.  wieder 
ausgeführt  wurden.  Es  wurden  ihm  überhaupt  für  311  Mill.  D.  Waaren 
zugeführt.  Die  verhältnissmässige  Theilnahme  dieser  Plätze  und  einiger 
anderen  wie  Louisville,  Indianopolis  u.  a.  an  dem  Schweinepökel- 


464  XII.  Der  Handel. 

geschäft  (S.  0.  S.  300)  gibt  ebenfalls  einen  Massstab  für  ihre  Stellung  im 
Binnenhandel.  —  Der  grossartigste  Zweig  des  inneren  Handels  der  Union 
ist  gegenwärtig  der  Getreidehandel,  der  seinen  grössten  Markt  in  Chicago, 
dem  jetzt  wichtigsten  Getreidemarkt  der  Welt,  findet.  Chicago  hat  durch 
vortreffliche  Lager-  und  Ladeeinrichtungen  (18  Getreidespeicher  mit  Raum 
für  lÖVzMill.  B.  Getreide,  eigene  Eisenbahnen,  Dampf-Elevatoren,  Ven- 
tilatoren etc.)  und  durch  seine  herrliclie  Verkehrslage  sich  geradezu  ein 
Monopol  für  den  Getreidehandel  im  W.  geschaffen.  Es  versandte  z.  V>. 
1874  45  Proc.  des  Weizens,  der  zur  Ausfuhr  kam.  Gegenwärtig  kann 
man  sagen,  dass  die  Verschiffung  von  Getreide  und  Mehl  aus  den  Mittel- 
punkten des  W.  und  NW.  nach  den  atlantischen  Plätzen  reichlich  die 
Hälfte  des  durchgehenden  Verkehres  bildet,  welcher  überhaupt  in  dieser 
Richtung  sich  bewegt.  Diese  Stoffe  sind  es  daher,  welche  auch  die 
Ilandelsbedeutung  der  atlantischen  Plätze,  auch  für  den  inneren  Umsatz, 
in  erster  Linie  bestimmen.  1876  wurden  193  Mill.  B.  Brotstoffe  nach 
den  atlantischen  Häfen  verschifft  und  davon  empfing  New  York  96  Mill., 
Baltimore  38,  Philadelphia  36  und  Boston  23.  Vergleicht  man  diesen 
Antheil  mit  denen  von  1873,  so  ist  Baltimore  um  97,  Philadelphia  um 
47,  Boston  um  28  und  New  York  um  40  Proc.  gewachsen.  Die  Ausfuhren 
verhalten  sich  ähnlich  wie  die  Zufuhren.  1876  führte  New  York  276, 
Baltimore  58,  Philadelphia  42  und  Boston  15  Mill.  B.  aus.  Philadelphia 
und  Baltimore  haben  seit  1873  ihre  Ausfuhr  am  meisten,  New  York  am 
wenigsten  gesteigert.  Geht  man  in  die  Ursachen  dieser  Veränderungen 
näher  ein,  so  findet  man  sie  hauptsächlich  in  der  veränderten  Richtung, 
welche  die  Maisausfuhr  genommen  hat.  Mais  als  die  billigste  und  schwerste 
von  den  Getreidearten,  die  in  Frage  kommen,  ist  nämlich  am  meisten 
beeinflusst  worden  von  den  kleinen  Frachtherabsetzungen,  durch  welche 
die  Pennsylvania  und  die  Baltimore  and  Ohio  E.  B.  den  Durchverkehr 
zwischen  W.  und  den  atlantischen  Häfen  nach  Philadelphia  bzw.  Baltimore 
abzulenken  versuchen.  —  Sieht  man  vom  Getreideverkehr  ab,  so  ist 
allerdings  das  Uebergewicht  New  Yorks  noch  grösser.  Folgende  zwei  Zahlen- 
reihen lassen  es  in  seiner  ganzen  Grösse  erkennen.  Der  Aussenhandel 
zeigt  in  Ein-  und  Ausfuhr  76  Proc.  in  New  York,  9  in  Boston,  8  in  Phila- 
delphia, 7  in  Baltimore.  Der  Umsatz  im  Clearing  House  belief  sich  im 
Januar  1877  auf  89  Mill.  D.  für  diese  vier  Plätze,  wovon  kommen  auf 
New  York  81  Proc,  Boston  9,  Philadelphia  8,  Baltimore  2  Proc.  Andere 
Massstäbe  gibt  der  Schiffsverkehr  (s.  o.  S.  443).  —  Aehnlich  wie  Getreide 
für  die  n.  gibt  Baumwolle  für  die  s.  Häfen  einen  Massstab  ihrer  Be- 
deutung. In  Frage  kommen  dabei  überhaupt  fünf  derselben,  welche  1876 
nach  der  Menge  der  ihnen  zugeführten  Baumwolle  in  folgender  Reihe 
standen:  New  Orleans  44 Proc,  Savannah  17,  Galveston  14,  Char- 
leston 13,  Mobile  12.  Norfolk  Va.  kommt  für  einen  geringen  Betrag  in 
Betracht.    Von  der  Ernte  von  1875/76  gingen  49  Proc.  nach  den  Golfhäfen, 


XII.  Der  Haiidcl.  465 

34  nach  den  atlantischen,  14  nach  N.,  während  3  im  S.  verarbeitet  wurden.  — 
Von  der  Bedeutung  des  inneren  Verkehres  der  Union  haben  wir  im 
vorigen  Capitel  einen  Begriff  zu  geben  versucht.  1877  nahmen  die  Eisen- 
bahnen für  Fracht  343  Mill.  D.  ein.  Nimmo  in  seinem  amtlichen  Berichte 
über  den  inneren  Handel  von  1878  nimmt  an,  dass  der  Werth  der  auf 
den  Hauptbahnen  im  Innenhandel  beförderten  Waaren  den  Gesammtbetrag 
des  äusseren  Handels  weit  übertreffe.  Dem  oben  über  den  Verkehr 
Gesagten  fügen  wir  mit  besonderem  Bezug  auf  den  Innenhandel  noch  einige 
Bemerkungen  über  den  Durchverkehr  hinzu.  Das  Streben  der  grossen 
Eisenbahngesellschaften  ist  darauf  gerichtet,  TJirough  Freight-Lines,  direkte 
Frachtlinien,  zwischen  den  grossen  Plätzen  an  den  Küsten  im  Inneren, 
hier  vorzüglich  Chicago  und  S.  Louis,  zu  gewinnen.  Den  beiden  grössten 
Complexen,  der  Pennsylvania  und  der  Ohio  and  Baltimore  Co.,  ist  dies 
bis  zu  solchem  Grade  gelungen,  dass  sie  eigene  Linien  von  ihren  atlan- 
tischen Ausgangspunkten  bis  nach  Chicago,  und  die  letztere  seit  1876 
sogar  bis  S.  Louis,  besitzen.  Von  Seiten  der  weniger  mächtigen  Gesell- 
schaften wird  der  Zweck  des  möglichst  ungehinderten  Durchverkehres  in 
der  Weise  erreicht,  dass  eine  Anzahl  von  ihnen  zusammentritt  und  dass 
jede  eine  der  Grösse  ihres  Verkehres  entsprechende  Anzahl  von  "Wagen 
abgibt,  welche  nur  dem  durchgehenden  Verkehre  dienen  und  deren  Be- 
nützung einer  gemeinsamen  Leitung  unterstellt  wird.  Den  Gewinn  ver- 
theilen  sie  unter  einander.  Nach  einem  amtlichen  Bericht  ^)  wird  z.  B. 
die  New  York  Central  E.  B.  von  neun  derartigen  Gesellschaften  benützt, 
die  zusammen  über  ca.  20000  Fahrzeuge  verfügen.  Die  Privaten  oder 
Gesellschaften,  welche  früher  in  ähnlicher  Weise  mit  eigenem  Wagenpark 
den  grossen  Verkehr  besorgten,  sind  durch  diese  Vereinigungen  fast  alle 
verdrängt  worden.  Historisch  ist  dieses  System  dem  der  Verschmelzung 
einer  Anzahl  von  Eisenbahnlinien  zu  einem  grossen  Complexe  vorherge- 
gangen. Nach  dem  eben  angeführten  Berichte  sollte  man  aber  glauben, 
dass  die  Zeit  auch  dieses  letzteren  Systemes  vorbei  sei,  indem  die  finan- 
ziellen Resultate  der  Aufnahme  einer  Menge  von  wenig  ertragreichen 
Seitenlinien,  bloss  der  Monopolisirung  wegen,  sich  für  die  grossen  Linien 
keineswegs  durchaus  vortheilhaft  angelassen  haben.  Auch  ist  schon  vor 
einigen  Jahren  eine  andere  Schwierigkeit  in  dem  Berichte  einer  der 
grössten  Monopolgesellschaften,  der  Pennsylvania  E.  B.,  klar  hervorgehoben 
worden,  nämlich  die  ganz  bestimmte  Grenze,  welche  der  Möglichkeit  der 
Verwaltung  eines  grossen  Complexes  von  Eisenbahnlinien  gezogen  ist. 
Wenn  diese  Grenze  überschritten  werden  kann,  so  ist  es  höchstens  auf 
Grund  der  grossen  Fähigkeiten  irgend  eines  Eisenbahngenies,    aber   auf 


1)  Ith  Ann,  Report  on  the  Internal  Commerce  of  the  U.  S.  Washington  1877. 
Dieser  Bericht  gibt  überhaupt  die  ausführlichste  Darlegung  des  heutigen  Zu- 
standes  des  inneren  Verkehres  der  V.  St. 

Katzel,    Amerika  IL  OA 


466  XII.  Der  Handel. 

eine  so  individuelle,  zufällige  Bedingung  kann  das  Gedeihen  einer  grossen 
Unternehmung  nicht  begründet  werden.  —  Eine  der  wichtigsten  Folgen 
dieser  Burclilinien  ist  der  unmittelbare  Yerkehr  zwischen  Plätzen  des 
Inneren  der  Y.  St.  und  der  Küste,  den  sie  gestatten.  „Die  Hauptstädte 
des  W.  sind  Seehandelsstädte  geworden"  pflegt  man  zu  sagen.  Das  ist 
nun  zwar  übertrieben,  aber  so  viel  ist  wahr,  dass  die  grossen  Eisenbahn- 
gesellschaften soviel  wie  möglich  im  Interesse  der  P'örderung  des  Ver- 
kehres, der  ja  wieder  ihr  Interesse  ist,  auf  die  Beseitigung  aller  Reibungen 
hinarbeiten,  welche  sonst  untrennbar  waren  von  dem  Uebergang  der  Waaren 
von  Land-  zu  Seefracht.  Die  DurcJilinien  setzen  sich  in  Verbindung  mit 
den  grossen  Dampferlinien,  welche  ihre  Frachtagenten  in  Chicago  und 
S.Louis  haben  und  von  da  aus,  oder  sogar  von  noch  weiter  w.,  direkte  Lade- 
scheine ausfertigen.  Chicago,  das  auch  hier  an  der  Spitze  steht,  hat  auf 
diese  Weise  1876  314000  T.  Waaren,  meist  Getreide,  Häute  und  Oel- 
kuchen,  versandt,  S.  Louis  1875  27000  T.  Zu  einem  regelmässigen  Ge- 
schäft ist  dieser  Durchhandel  erst  seit  Legung  der  europäisch -amerika- 
nischen Kabel  geworden,  aber  die  ersten  Versuche  führen  bis  1859  zurück. 
Aehnlich  hat  sich  der  direkte  Einfuhrhandel  im  letzten  Jahrzehnt  ent- 
wickelt, nachdem  1870  durch  Congressakte  die  Vorschrift  aufgehoben 
worden,  dass  vom  Ausland  eingehende  Waaren  nur  in  den  Seeplätzen 
verzollt  werden  können.  Einige  Waaren  wie  Wein,  Branntwein  u.  a.  sind 
von  dieser  Vergünstigung  ausgeschlossen.  Zu  direkter  Einfuhr  ermäclitigt 
v^  wurden  von  Binnenstädten:  Chicago,  S.  Louis,  Cincinnati,  Buffalo,  Mil- 
waukee,  Louisville,  Evansville,  Cleveland,  Detroit,  Toledo,  Pittsburg, 
Memphis.  Chicago  führte  schon  1876  für  3,4,  S.  Louis  für  3,1  Mill.  D. 
fremde  Waaren  direkt  ein. 

IV.  Der  Aussenhandel.  Der  äussere  Handel  der  V.  St., 
wiewohl  derselbe  weit  hinter  dem  inneren  zurückstellt  an  Grösse 
des  Umsatzes,  ist  die  für  die  ganze  übrige  Welt  wichtigste  Aeusserung 
des  wirthschaftlichen  Lebens  der  V.  St.  Der  innere  hat  nur  eine 
vegetative,  erhaltende  Funktion,  während  auf  dem  äusseren  ein 
grosser  Theil  der  Welt-  und  Culturstellung  des  Landes  beruht.  Die 
V.  St.  nahmen  mit  einer  Ausfuhr  von  740  und  einer  Einfuhr  von 
482  Milk  D.,  zusammen  1222  Mill.  D.,  im  Jahre  1878  die  vierte 
Stelle  im  Welthandel  ein  (hinter  England,  Deutschland,  Frankreich). 
Die  unten  folgende  Aufzählung  nach  Ländern  lässt  erkennen,  mit 
welchen  fremden  Handelsgebieten  die  V.  St.  den  grössten  Handel 
treiben.  Die  europäischen  Länder  nehmen  noch  immer  die  weitaus 
bedeutendste  Stelle  ein,  dann  folgen  die  amerikanischen,  asiatischen, 
polynesisch  -  australischen   und   afrikanischen.     Von   den  Ausfuhren 


XII.  Der  Handel.  467 

der  V.  St.  gehen  nacli  Europa  fast  82  Proc,  nach  Amerika  15, 
nach  Asien  2,  nach  Australien  und  Polynesien  0,7,  nach  Afrika  0,5. 
Die  Gregenstände  der  Ausfuhr  sind  nach  der  Reihenfolge  desWerthes, 
den  sie  im  Fiskaljahr  1877/78  erreichten,  folgende  (nur  die  von  mehr 
als  1  Mill.  D.  Betrag  sind  aufgeführt):  Rohbaumwolle  180031484  D.,  Weizen 
96872016,  Speck  und  Schinken  51750205,  Mais  48030358,  Erdöl 
41513676,  Schmalz  30014023,  Weizenmehl  25092  826,  Tabak  24803165, 
Silber  20201051,  Holz  und  Holzwaaren  16  776  381,  Käse  14 103  529, 
Baumwollenwaaren  11435  688,  Eisen  und  Eisenwaaren  10481314,  Rind- 
fleisch 7983090,  Talg  6695377,  Gold  6625670,  präservirtes  Fleisch 
5099  918,  Oelkuchen  5095169,  Schweinefleisch  4913  646,  Zucker  und 
Melasse  4878008,  präservirte  Fische  3  965  032,  Butter  3  930310,  lebendes 
Vieh  3  896  818,  Tabakfabrikate  3  681017,  Stahl  und  Stahlwaaren  3485  579, 
Munition  3357094,  Roggen  3051739,  rohes  Petroleum  2694018,  Pelz- 
werk 2  616  730,  landwirthschaftliche  Maschinen  2  575 198,  Gerste  2  565  736, 
Gel  aus  Baumwollensamen  2  514323,  Kohlen  2  359467,  Droguen  und 
Chemikalien  2  302  967,  Kupfer  2102  455,  Sämereien  2085  887,  Harz 
2  329  319,  Terpentinöl  2  323  569,  präparirtes  Mehl  1709  639,  Düngstoffe 
1435  377,  Naphtha  1411812,  Maismehl  1335  892,  Hafer  1 277  920,  Queck- 
silber 12.30008,  Häute  1286  840,  Hanffabrikate  1202752,  Papier  1086819, 
Buchweizen  u.  a.  Getreide  1077  289.  In  derselben  Reihenfolge  sind  die 
Gegenstände  der  Einfuhr:  Zucker  und  Melasse  77537  569,  Kaffee 
51914  605,  Wolle  und  Wollwaaren  25  594169,  Seidenwaaren  19  837  972, 
BaumwoUwaaren  19081035,  Häute  und  Pelzwerk  17  223  363,  Silber 
16  591099,  Thee  15  660168,  Leinenwaaren  14423  600,  Gold  13300  215, 
Zinn  9750327,  Früchte  9 738 546,  Eisen- und  Stahlwaaren  9057  611,  Roh- 
seide 5103084,  Kautschuk  4711102,  Holz  und  Holzwaaren  5  736  756, 
Leder  und  Lederwaaren  4273657,  Galanteriewaaren  4200737,  Chemi- 
kahen,  Droguen  etc.  4194810,  Gerste  4105  748,  Tabak  4102782,  irdene 
Waaren  4051786,  zollbare  Chemikahen  3  596  973,  Lumpen  u.  a.  Papier- 
material 3993  693,  Soda  3  385569,  Knöpfe  3362085,  Handschuhe  3195  702, 
Edelsteine  2  975  512,  lebende  Thiere  2  664676,  Artikel  von  den  Hawaii- 
schen Inseln  unter  dem  Gegenseitigkeitsvertrag  von  1875  eingeführt 
2  522254,  Jute  2438198,  Palmblätter  und  -Fabrikate  2  296  266,  Tabak- 
fabrikate 2  337086,  Pelzwaaren  2  230204,  roher  Hanf  2  221166,  Rohzinn 
2183034,  Flaschenweine  2123  254,  Gewürze  1936  217,  Kohlen  1936187, 
Leinsamen  1883333,  Opium  1874  815,  Wein  m  Fässern  1838891,  Salz 
1632165,  Bücher  1612229,  Spirituosen  1555  282,  Weizen  1549084, 
Indigo  1537  680,  Jutefabrikate  1510744,  Chinarinde  1417695,  Farbhölzer 
1396  485,  Papiermache -Fabrikate  1331138,  Gummi  1297  855,  Kleider 
1275419,  Schwefel  1188098,  Geräthe  von  Einwanderern  1185942,  Reis 
1136  327,  Aetznatron  1076008. 

30* 


468 


XII.  Der  Handel. 


Ordnet  man  die  Länder,  mit  denen  die  V.  St.  Handel  treiben,   nach 
der   Grösse   des  Umsatzes,    so   ergibt  sich   folgende   Liste   für   das   Jahr 

1876/77: 


Einfuhr 

Ausfuhr 

Gesammthandel 

Grossbritannien 

124  711  964 

361 536  424 

486  288  388 

Frankreich 

51  507  064 

45  993  647 

97  500  711 

Deutschland 

35488117 

51 107  147 

86  595  264 

Cuba 

58  717  688 

13  716  058 

72  433  746 

Brit.-Nordamerika 

30  930  607 

38  583  231 

69  513  838 

Brasilien 

45  453173 

7  253  218 

52  706  391 

Belgien 

5  442  048 

16  093  747 

21  535  795 

Japan     

15  508  170 

.1098  457 

16  506  627 

Mexico 

12  505  753 

4  706  778 

16  212  531 

Italien 

7  628  772 
2  438  257 

7  770  470 
12  185  355 

15  399  242 

Niederlande 

14  623  612 

China 

12  360  851 
3  400  946 

1  390  360 
10138  320 

13  751  210 

Spanien 

13  539  266 

Brit. -Indien 

12  809  937 

356  564 

13  166  501 

Kussland 

1 112  152 

11  922  285 

13  034  437 

Brit.-Westindien 

3  479  291 

8  197  042 

11676  333 

Hongkong    

493  690 

9  167  702 

9  661  692 

Colombia 

5  497  646 

3  946  442 

9  444  088 

Venezuela 

5  875  715 

3  424  278 

9  299  993 

Hayti. 

3  076199 

4  732  724 

7  808  923 

Niederl. -Indien 

5  989  628 

873  546 

6  863  174 

Portorico 

4  305  824 

2  099  076 

6  404  900 

Philippinen 

5  469  397 

114  004 

5  583  401 

Australien 

1  455  649 

3  884  866 

5  340  515 

Argentinien 

3  602  736 

1  519  190 

5  121  926 

Portugal 

573  688 

3160  027 

3  733  715 

Europ.  und  Asiat.  Türkei     .     . 

395  828 

3  101  074 

3  496  902 

Französ.-Westindien     .... 

1  857  668 

1 486  925 

3  344  593 

Uruguay . 

1  804  552 

1 126  123 

2  930  675 

Brit.-Guiana 

1 172  119 

1  750  452 

2  922  571 

Chile 

755  222 

2  157  752 

2  912  974 

Brit.-Afrika 

1  071  803 

1  687  978 

2  759  781 

Mittel-Amerika 

1  819  120 

938  102 

2  757  222 

Peru 

1440  973 

1 176  922 

2  617  895 

Hawaiische  Inseln 

1  382  592 

754  267 

2  136  859 

Oesterreich 

449  896 

1554  319 

2  004  215 

Schweden  und  Norwegen      .     . 

347  945 

1460  087 

1  808  032 

Niederl.-Westindien      .... 

697  172 

873  546 

1  570  718 

Gibraltar 

4  270 

1  565  054 

1  569  324 

Xn.  Der  Handel. 


469 


Einfuhr 

Ausfuhr 

Gesammthandel 

Versch.  Häfen  in  Afrika .     .     . 
Dänisch-Westindien      .... 

S.  Domingo 

Dänemark 

Griechenland 

Andere  Brit.  Besitzungen     .     . 
—      Französ.  Besitzungen   . 

Französ, -Afrika 

Spanisch-Afrika 

Liberia 

Miquelon,  S.  Pierre  etc.    .     .    . 
Andere  Häfen  in  S.-Amerika    . 
Alle  anderen  Häfen     .... 

750  136 
393  612 
405  363 
1224 
560  646 
8  897 
173  384 

81624 
169  111 

78  251 

127  987 
311 

774  288 
805  309 
695  850 
781  375 
143  235 
687  120 
350  419 
273  943 
114  094 
155  112 
222  134 

25148 

1524  424 
1 198  921 
1 101  213 
782  599 
703  646 
696  017 
523  803 
355  567 
283  205 
233  363 

25  459 

Folgendes  waren  1875/76  die  Hauptgegenstände  der  Einfuhr 
aus  den  wichtigsten  der  Gebiete,  mit  denen  die  V.  St.  Handel  treiben'): 

1.  Grossbritannien.  WoUwaaren  19  998  527,  BaumwoUwaaren 
13  742  583,  Leinenwaaren  13  691558,  Zinn  und  Zinnwaaren  10892101, 
Eisen  und  Stahl  und  Eisen-  und  Stahlwaaren  8042  533,  Seidenwaaren 
3593095,  Wolle  3426  994,  Soda  3025258,  irdene  Waaren  3001641, 
Chemikalien  2981 Ö26,  Häute  2299414,  Früchte  2295722,  Felle  und 
Pelzwaaren  1483244,  Gold  1479  683,  Salz  1340497,  Bücher  1292  657, 
Opium  1246995,  Jutewaaren  1220604,  Glaswaaren  1074  396,  Theo 
1058717,  Aetznatron  1058300,  Kurzwaaren  1049107,  Leder  und  Leder- 
waaren 1006463,  Edelsteine  1006432,  Bier  918  255,  Lederhandschuhe 
816072,  Lumpen  720996,  Büder,  Photographien  etc.  627314,  Wein 
626821,  Seide  576038. 

2.  Frankreich.  Seidenwaaren  14518631  ,  WoUwaaren  8762  821, 
Wein  2800586,  Leder  und  Lederwaaren  2701834,  BaumwoUwaaren 
2346578,  Kurzwaaren  1941921,  Lederhandschuhe  1701382,  Chemikalien 
1535891,  Branntwein  998580,  Früchte  993  760,  Edelsteine  971138,  Stroh- 
geflechte 879  377,  Felle  und  Pelzwaaren  865510,  Knöpfe  702  926,  irdene 
Waaren  638728. 

3.  Deutschland.  BaumwoUwaaren  6 526 681,  Seidenwaaren  5091190, 
WoUwaaren  4125273,  Glas  1365008,  Modewaaren  1129566,  Leder- 
handschuhe 1195  991,  Uhren  und  Uhrenbestandtheile  1056476,  Chemi- 
kalien 1008120,  Früchte  910990,  Knöpfe  890067,  Leder  und  Lederwaaren 


1)  Es  wurden  in  der  Regel  nur  die  Posten  mit  mehr  als  500  000  D.  Werth 
berücksichtigt,  nur  für  Deutschland  ist  auf  200  000  heruntergegangen.  Dasselbe 
Verhältniss  wurde  bei  der  Zusammenstellung  der  Ausfuhrgegenstände  festge^ialten. 


470  XII.  Der  Handel. 

776130,  Kleider  757  730,  Bücher  567  829,  musikalische  Instrumente 
558  948,  Borsten  531503,  Papier  mache  507162,  Felle  und  Pelzwaaren 
461813,  Leinenwaaren  445  661,  Edelsteine  430032,  Bilder  und  Photo- 
graphien 380  779,  Lumpen  364388,  feinere  Holzwaaren  290657,  Wein 
278345. 

4.  Cu.ba.  Zucker,  Melasse  und  Melado  49182  848,  Tabak  und 
Cigarren  4282809,  Gold  2690226. 

5.  Dominion  of  Canada.  Gerste  7885782,  Plankenholz  3669914, 
Gold  1565  861,  lebende  Thiere  1611107,  Weizen  1606077,  Wolle 
1083  911,  Pelzwerk  723128,  Makrelen  702412,  Hülsenfrüchte  646095, 
Eier  620  276,  unbearbeitetes  Holz  614319. 

6.  Brasilien.  Kaffee  40516609,  Kautschuk  2141562,  Zucker 
1329  938. 

7.  Belgien.     Glas  2025907,  Eisen  und  Stahl  773497. 

8.  Japan.     Thee  10426  530,  Rohseide  3  787417. 

9.  Mexico.     Silber  7019013,  Häute  1812  567,  Jute  542756. 

10.  Italien.  Früchte  2  692439,  Schwefel  1439  839,  Lumpen  854638, 
Chemikalien  668392,  Marmor  506596. 

^  11.  China.     Thee  7917092,  Reis  1134853,  Opium  535942. 

12.  Spanien.     Früchte  2417221. 

13.  Brit.-Ostindien.  Leinsaat  3803151,  Jute  1709424,  Gewürze 
1210399,  Häute  1093804,  Gummi  907568,  Zinn  824038. 

14.  Brit. -West  in  dien.     Zucker  und  Melassen  »1436  698. 

15.  Colombia.  Häute  1118333,  Kautschuk  1253243,  Chinarinde 
954690. 

16.  Venezuela.    Kaffee  4581745. 

17.  Hayti.     Kaffee  2  070618,  Farbholz  621998. 

18.  Niederl.-Indien.    Kaffee  4714645,  Zucker  1052953. 

19.  Portorico.     Zucker  und  Melassen  3  973274. 

20.  Philippinen.     Zucker  3572400,  Hanf  1706550. 

21.  Australien.     Wolle  596386,  Kohle  458939. 

22.  Argentinien.     Häute  1969  923,  Wolle  1030278. 

23.  Franz. -Westindien.     Zucker  1751478. 

24.  Uruguay.     Häute  1543614. 

25.  Brit.-Guiana.    Zucker  912101. 

26.  Central-Amerika.    Kaffee  1169203. 

27.  Peru.     Salpeter  728238,  Guano  692146. 

28.  Hawaiische  L     Zucker  1051987. 

In  demselben  Jahre  waren  die  Hauptgegenstände  der  Aus- 
fuhr folgende: 

1.  Grossbritannien.  Baumwolle  114281729,  Weizen  52815124, 
Schweinefleisch  33  884  619,  Mais  28  793  943,  Gold  20292  912,  Käse 
11619927,    Silber  9  856  486,  Weizenmehl  7907  410,    Schmalz   6673507, 


XII.  Der  Handel.  471 

Leder  6193  769,  Oelkuchen  5634669,  Tabak  5169288,  Talg  4561638, 
Zucker  und  Melasse  4171532,  Holz  und  Holzwaaren  4099045,  Rauchwerk 
2  907405,  Baumwollwaaren  2508133,  Ochsenfleisch  2192  990,  Speck 
1516058,  Harz  1492948,  Wallrath  1358352,  Häute  1309  327,  Hopfen 
1306  387,  Terpentinöl  1127  937,  Fische  1 123730,  Eisen  und  Eisenwaaren 
1 089  318,  Tabakfabrikate  1 010342,  landwirthschaftliche  Maschinen  913479, 
Düngmittel  800884,  Nähmaschinen  699  016,  Droguen  und  Chemikalien 
614404,  Fleischpräserven  584404,  Stahl  und  Stahlwaaren  521112. 

2.  Deutschland.  Baumwolle  13316053,  Erdöl  8559859,  Schmalz 
6242432,  Tabak  5111148,  Schweinefleisch  1959757,  Silber  1895395, 
Leder  1700770,  Rauchwerk  1409602,  Holz  und  Holzwaaren  822962, 
Kupfer  784379,  Eisenwaaren  676517,  Weizen  615651,  landwirthschaftliche 
Maschinen  535  321,  Farbstoffe  527  780,  Mais  502109,  Roggen  416  299, 
Talg  384405,  Zucker  und  Melasse  369  671,  Nähmaschinen  367369,  rohes 
Erdöl  351842,  Häute  284657,  Harz  261930. 

3.  Frankreich.  Baumwolle  26035344,  Gold  4167026,  Silber 
2  803  792,  Tabak  2  640530,  Kupfer  1766146,  rohes  Erdöl  1691068, 
Schmalz  1346  504,  Weizen  682477,  Häute  629  786,  Holz  und  Holzwaaren 
588  216. 

4.Dominion  of  Canada.  Weizen  6299  874,  Mais2349461,  Kohle 
2  310216,  Gold  2006  216,  Holz  und  Holzwaaren  1567  395,  Weizenmehl 
1225133,  Speck  1081087,  Eisen  und  Eisenwaaren  1062  674,  Schmalz 
846073,  Tabak  638103,  Baumwolle  621395,  lebende  Thiere  535321, 
Schweinefleisch  528  905,  Maismehl  518580. 

5.  Belgien.  Erdöl  4182963,  Leder  3456521,  Weizen  2860259, 
Schmalz  2025272,  Baumwolle  1949804,  Schweinefleisch  1106128,  Tabak 
1  068  769. 

6.  Cuba.  Holz  und  Holzwaaren  3156  391,  Schmalz  1654486,  Gold 
1557825,  Schweinefleisch  1086  898,  lebende  Thiere  577194,  Weizenmehl 
559  410. 

7.  Niederlande.  Baumwolle  4284110,  Weizen  2948607,  Erdöl 
1589142,  Tabak  1198502,  Schmalz  551149. 

8.  Russland.    Baumwolle  10185  788,  Erdöl  584892. 

9.  Spanien.    Baumwolle  6400524,  Tabak  1816  796,  Erdöl  1065088. 

10.  Brit.- Westindien.  Weizenmehl  2  665101,  Speck  636888, 
Holzwaaren  720147. 

11.  Italien.    Baumwolle  2990772,  Tabak  2611067,  Erdöl  1  590911. 

12.  B  r  a  s  i  l  i  e  n.  Fett  743  073,  Baumwollenstoffe  571518,  Erdöl  498  294. 

13.  Hayti.     Speck  1071043,  geräucherte  Fische  467486. 

14.  Mexico.  Baumwolle  890574,  Maschinen  u.  a.  Eisenwaaren 
557  274,  Quecksilber  365097. 

15.  Colombia.    Fett  640243. 

16.  Australien.     Erdöl  467950. 


472  XII.  Der  Handel. 

17.  Venezuela.     Gold,  gemünztes,  578854.  — 

18.  Türkei.     Waffen  1562943. 

19.  Chile.     Raffinirter  Zucker  435  522. 

20.  Portori  CO.     Silbermünze  322542,  Mehl  303953. 

21.  Brit.-Guiana.    Mehl  546194. 

22.  Brit.-Afrika.     Rum  380974. 

23.  0 esterreich.     Steinöl  696051. 

24.  Uruguay.    Raffinirter  Zucker  490434. 

25.  NiederL-Indien.     Steinöl  619891. 

26.  Dänemark.     Steinöl  651446. 

Von  den  grossen  Handelsstädten  der  V.  St.  kommen  hier  zunächst 
nur  die  Seestädte  in  Betracht.  Der  direkte  Aussenhandel  der  Binnen- 
städte ist  erst  im  Werden.  Den  Namen  von  Welthandelsstädten 
verdienen  die  folgenden  sechs: 

Boston  hat  den  Vorzug  der  n.  Lage,  ist  daher  näher  bei  Europa^) 
und  Britisch  -  Nordamerika.  Hervorragend  in  der  Ausfuhr  sind  Gewerbs- 
erzeugnisse, Fleischwaaren  und  Fett,  Rohbaumwolle,  BaumwoUwaaren, 
Mehl,  lebendes  Vieh  —  in  der  Einfuhr  Zucker,  Häute  und  Leder,  Wolle 
und  WoUwaaren,  Chemikalien.  Es  hatte  1877  43,6  Mill.  A.  und  47,7  Mill.  E. 
=  8  Proc.  des  Gesammthandels. 

New  York  ist  durch  centrale  Lage,  Hinderlandverbindungen,  gross- 
artigen Hafen  und  durch  seine  herrschende  Stellung  als  volk-  und  capital- 
reichste  Stadt  der  Union  die  grösste  Handelsstadt  der  letzteren.  Ausfuhr : 
Getreide,  Petroleum,  Fleisch  und  Fett,  Käse,  Rohbaumwolle,  Tabak,  Leder, 
raffinirter  Zucker,  Baumwollwaaren  326,9  Mill.  D. ;  Einfuhr :  Zucker,  Kaffee, 
Thee,  Baumwoll-,Woll-,  Seide-  und  Flachswaaren,  Metallwaaren  335,8  Mill.  D. 
=  57  Proc.  des  Gesammthandels. 

Philadelphia  steht  gegen  New  York  durch  ungünstige  Hinterland- 
verbindungen und  weniger  guten  Hafen  (dem  Zufrieren  ausgesetzt)  zurück. 
Ausfuhr:  Brotstoffe,  Fleisch,  Petroleum  37,8  Mill.  D.;  Einfuhr:  Metall- 
waaren, Woll-  und  Seidewaren,  Zucker,  Südfrüchte  20,1  Mill.  D.  =  5  Proc. 
des  Gesammthandels. 

Baltimore  hat  den  Hauptvortheil  des  um  500  Kil.  kürzeren  Weges 
nach  dem  Ohio-  und  Mississippi  -  Gebiet  vor  den  n.  Häfen  voraus.  Aus- 
fuhr: Getreide  und  Mehl,  Steinöl,  Tabak,  Rohbaumwolle,  Fett;  Einfuhr: 
Kaffee,  Zucker,  Salz.  A.  40  Mill.  D.,  E.  23,3  Mill.  D.  =  5,5  Proc.  des 
Gesammthandels. 


1)  Die  Entfernungen  von  Liverpool,  dem  nächsten  grossen  europäischen  Hafen, 
sind  für  die  Hauptplätze  Nord-Amerikas  nach  den  Mittheilungen  des  U.  S.  Coast 
Survey  folgende  (in  naut.  Meilen) :  Montreal  via  Belle  Isle  Strait  2766,  via  Süd- 
küste von  Neufundland  2936,  Portland  2770,  Boston  2930,  New  York  3075, 
Philadelphia  3260,  Baltimore  3400,  New  Orleans  4766,  S.  Francisco  14  400.  Die 
Entfernung  zwischen  S.  Francisco  und  New  York  zur  See  ist  13  900. 


XII.  Der  Handel.  473 

New  Orleans,  Hauptplatz  des  Golfgebietes,  an  der  Mississippi- 
Mündung  central  und  in  geringer  Entfernung  von  den  mexikanischen  und 
cubanischen  Häfen  gelegen,  mit  guten  Hinterlandverbindungen  versehen, 
aber  für  den  Europahandel  mit  dem  Naclitheil  des  Umweges  um  Florida 
behaftet.  Ausfuhr:  Baumwolle,  Tabak,  Mais,  Oelkuchen  69,7Mill.  D.; 
Einfuhr:   Kaffee,  Zucker  7,6  Mill  D.  =  6,5  Proc.  des  Gesammthandels. 

San  Francisco.  Hauptstadt  des  ganzen  pacifischen  Nord-Amerika. 
Ausgangspunkt  der  Verbindungen  mit  dem  pacifischen  Mittel-  und  Süd- 
Amerika,  Ostasien  und  Polynesien.  Ausfuhr:  Edelmetalle,  Weizen,  Mehl, 
Quecksilber,  Wolle,  Lachs  87,7  Mill.  D.;  Einfuhr:  Kaffee,  Zucker,  Thee, 
Tabak,  Eisenwaaren,  Steinkohlen  75,7  Mill.  D,  =  14  Proc.  des  Gesammt- 
handels. 

Von  dem  Aussenhandel  über  die  Binnengrenzen  ist  der 
canadische  Transit  und  der  mexikanische  Landhandel  bemerkenswerth. 
Die  eigenthümliche  Lage  Canadas  um  den  Unterlauf  und  die  Mündung 
des  S.  Lorenz,  dieses  grossen  Auslasscanales  für  eines  der  produktivsten 
Gebiete  der  Union,  bedingt  einen  sehr  erheblichen  canadischenDurch- 
gangshandel  von  und  nach  den  V.  St.  Die  Grand  Trunk  E.  J5.,  die 
gegenwärtige  Haupteisenbahnlinie  von  Canada,  dient  als  kürzester  Weg 
zwischen  Neu-England  und  der  Seeregion.  Sie  hat  eine  Linie  nach  Port- 
land Me.  und  steht  durch  die  Vermont  Central  E.  B.  in  unmittelbarer  Ver- 
bindung mit  allen  neuengländischen  Plätzen.  Die  Linien  durch  die  ober- 
canadische  Halbinsel  verbinden  die  Staaten  New  York  und  Michigan  über 
Buffalo  —  Detroit  und  bilden  damit  Glieder  in  dem  grossen  Netze  west- 
östlicher Eisenbahnlinien.  Der  Welland-Canal  verbindet  auf  canadischem 
Boden  Erie-  und  Ontario-See.  Andererseits  bilden  die  von  N.  nach  S. 
vom  canadischen  Seen-  und  S.  Lorenz -Gebiet  nach  New  York,  Boston, 
Portland  führenden  Eisenbahnen  und  Canäle  unter  gewissen  Umständen 
die  bequemsten  Wege  für  den  canadischen  Ein-  und  Ausfuhrhandel.  Es 
ist  nur  natürlich,  dass  die  mannigfach  verschlungenen  Wechselbeziehungen, 
welche  hierdurch  entstehen,  so  leicht  wie  möglich  gemacht  sind.  Es  sind 
Verträge  zwischen  den  V.  St.  und  Canada  abgeschlossen,  welche  zollfreien 
Waarenverkehr  auf  gewissen  vorgeschriebenen  Linien*)  unter  bestimmten 
sichernden  Vorkehrungen  gestatten.  1870  war  derWerth  der  von  Canada 
durch  die  V.  St.  verschifften  Güter  23  Mill.  D.,  1876  42.  Ueber  den 
jedenfalls  viel  grösseren  Verkehr,  der  von  und  nach  den  V.  St.  durch 
Canada  sich  bewegt,  fehlen  die  genaueren  Daten.  Doch  ist  so  viel  zur 
Genüge  bekannt,  dass  Montreal  ein  starker  Concurrent  der  Häfen 
der  V.  St.  für  die  Verschiffung  der  Brotstoffe  ist,  die  ihm  aus  W.  zu- 
kommen. Trotzdem  sein  Hafen  5  Monate  durch  Eis  geschlossen  und 
ausserdem   noch   eine  unbestimmte  Anzahl  von  Wochen  der  Stromweg  zu 


1)  Nähere  Ausführungen  hierüber  s.  Rep.  Internal  Commerce.  Wash.  1877. 126, 


474  XII.  Der  Handel. 

und  von  demselben  durch  Nebel  und  Treibeis  gefährdet  ist,  empfing 
Montreal  1876  19  Mill.  B.  Brotstoffe  aus  dem  W.  der  V.  St.  und  führte 
davon  16  Mill.  aus.  Es  ist  das  Vi«  der  Menge,  die  überhaupt  zur  Aus- 
fuhr kommt  ^). 

Der  Landhandel  mit  Mexico,  zuerst  ausschliesslich  in  der  Form 
des  Karawan^nhandels  mit  Santa  Fe  betrieben ,  schreibt  seine  kräftigere 
Entwickelung  von  1824  her,  in  welchem  Jahre  zum  ersten  Mal  an  Stelle 
v/^der  Packthiere  gedeckte  Wagen  benützt  wurden^).  Bis  dahin  waren 
nur  vereinzelte  Unternehmungen  gemacht  worden,  die  theils  in  den. Ge- 
fahren des  Weges,  theils  in  den  Plackereien  der  Regierungsorgane  grosse 
Hindernisse  gefunden  hatten.  Die  letzteren  wurden  um  diese  Zeit  durch 
die  Errichtung  der  Republik  gemindert,  die  ersteren  verringerten  sich  mit 
häufigerer  Benützung  dieses  Handelsweges.  Vor  der  Annexion  Neu-Mexicos 
an  die  Y.  St.  hatte  sich  die  Zahl  der  in  dieser  Richtung  alljährlich  ab- 
gehenden Frachtwagen  auf  über  200  und  der  Werth  der  nach  Santa  Fe 
geführten  Waaren  auf  4  —  500000  D.  erhöht.  Mit  der  Zunahme  der 
direkten  Einfuhren  zur  See  nach  dem  Inneren  Mexicos  hatte  aber  schon 
seit  Anfang  der  30  er  Jahren  der  Gewinn  dieses  Handels  über  Santa  Fe 
abgenommen  und  Chihuahua,  das  von  Matamoros,  Mazatlan  und  Guaymas 
aus  versehen  wurde,  ersetzte  Santa  Fe  in  der  Stellung  eines  Stapelplatzes 
für  das  n.  Mexico  ^j.  Seitdem  hat  der  Landhandel,  aber  vorzüglich  nur 
in  Gestalt  des  Schmuggels,  fortgedauert  und  vielleicht  noch  zugenommen. 
Sonora  und  Chihuahua  empfangen  die  Hälfte  ihres  Imports  auf  diesem 
Wege.  In  den  letzten  Jahren  sind  die  Handelsberichte  der  europäischen 
Consuln  in  mexikanischen  Grenzplätzen  immer  mehr  mit  Klagen  angefüllt 
über  den  Schmuggelhandel  nordamerikanischer  Waaren  nach  Mexico  und 
die  Frage  des  Mala  fide  -  Handels  beschäftigt  Regierung  und  Kaufleutc 
jenes  Landes  in  steigendem  Masse,  ohne  dass  sie  jedoch  Abhülfe  fänden*). 


1)  Im  Winter  tritt  Portland  Me.  in  die  Lücke,  das  mit  derselben  Eisenbahn- 
linie verbunden  ist  und  dessen  Hafen  nur  2  Monate  eisbedeckt  ist. 

2)  Indessen  wurde  dieser  Handel  schon  1812  von  S.  Louis  aus  in  grösserer 
Ausdehnung  betrieben.  1821  ging  z.  B.  eine  Karawane  von  81  Menschen,  156 
Pferden  und  Maulthieren  und  23  Frachtwagen  ab,  welche  über  Ft.  Osage  nach 
Taos  ging  und  zu  dieser  Reise  hin  und  zurück  4V2  Monate  brauchte.  Sie  führte 
vorzüglich  Baumwollwaaren  und  daneben  zahlreiche  andere  Gebrauchsgegen- 
stände ein  und  empfing  dafür  vorwiegend  Silber  und  zwar  in  der  Regel  das 
10  fache  des  Werthes  ihrer  Waaren.     (Hertha  1825.  91.) 

3)  Lebensvolle  Schilderungen  dieses  auch  für  die  geographische  Kenntniss 
des  fernen  W.  nicht  unwichtigen  Handels  in  J.  Gregg ,  Karawanenzüge  durch  die 
w.  Prärien.  1845.  2  Bde. 

4)  Vgl.  z.  B.  Preuss.  Handelsarchiv  1878.  II.  244. 


IV.  Abschnitt. 

Staat  und  Gemeinden.    Kirche 

und  Schule.   Das  geistige  Leben. 

Die  Gesellschaft. 


Gebiet  der  IS  alten 
Staaten. 


Französ.  Louisiana  (1808);  ^ 

Im  Westen: 
Gadsden  Pitrchase  (18S3). 


Wachsthum. 


(Zu  Seite  477.) 


r 


Von  den  18  alten  Staaten 

an  die  Union  (1785—1802) 

abgetreten. 


Florida  (1810). 


Im  Westen:  Mexikanische 
Abtretung  (1848). 


XIII.  Der  Staat.    Die  Gremeinden.   Das  politische 

Leben. 

I.  Das  Staatsgebiet.  Seine  Entwickelung  und  Grenzen  477.  —  II.  Die 
Verfassung.  Union  und  Einzelstaaten  481.  Der  Cougress  484.  Der  Präsi- 
dent 485.  Die  Bundesgerichte  486.  —  III.  DieVerwaltung.  A.  Staats- 
amt 486.  Consulatswesen  487.  B.  Inlandamt  488.  C.  Schatzamt  489.  Zölle 
und  Steuern  490.  Oeflfentliche  Schuld  490.  Geld  491.  Masse  und  Gewichte  492. 
Leuchtthürme  und  Rettung  SchiAHbrüchiger  492.  Finanzlage  der  Union  in 
1877/78  493.  D.  Das  Kriegsamt  493.  Armee  494.  Miliz  498.  E.  Marine- 
amt 498.  Flotte  und  Küstenvertheidigung  499.  —  IV.  Die  Einzelstaaten  500. 
Gruppirung  503.  Politische  Rolle  504.  Partikularismus  505.  Ihre  Verwaltung  506. 
Territorien  509.  —  V.  Gemeinden.  Town  und  County  509.  Die  Städte  511. 
Ihre  Finanzen  511.  Wachsthum  513.  —  VI.  Das  politische  Lehen.  Der 
Geist  desselben  513.  Die  Parteien  517.  Die  Wahlen  520,  Corruption  524.  — 
Flagge  und  Wappen  527. 

I.  Das  Staatsgebiet.  Die  Vereinigten  Staaten  von 
Amerika  (United  States  of  America)  bilden  einen  Bundesstaat 
von  169  599  g.  Q.  M.  ^),  welcher  gegenwärtig  38  Staaten  und  10  Terri- 
torien, sowie  den  Distrikt  von  Columbia,  d.h.  das  Weichbild  der 
Bundeshauptstadt  Washington  umfasst.  Lage,  Ausdehnung  und  Be- 
grenzung ihres  Gebietes  sind  im  I.  Bande  S.  17  —  27  beschrieben. 
Hier  folgen  nur  einige  Ausführungen  des  dort  Gesagten. 

Der  Flacheninhalt  der  V.  St.  hat  sich  seit  ihrem  Bestände  als 
politische  Einheit  folgendermassen  vergrössert:  Er  betrug  1783  820680 
e.  Q.M.  Der  Ankauf  von  Louisiana  (1805)  fügte  899579  hinzu,  der  von 
Florida  (1819)  66  900,  die  Aufnahme  von  Texas  (1845)  318000,  der 
Oregon-Vertrag  (1846)  308052,  die  Verträge  mit  Mexico  (1849  und  1853) 
522  955  und  der  Ankauf  von  Alaska  (1867)  582  867  e.  Q.M. 

Die  Grenzen  der  V.  St.  haben  mehrmals  zu  Streitigkeiten  mit  den 
Nachbarstaaten  Anlass  gegebeaund  sind  noch  heute  nicht  an  allen  Punkten 
so  sicher  festgelegt,  um  Aehnliches  für  die  Zukunft  auszuschliessen.  In 
dem  Friedensvertrage  von  1783  war  die  Grenze  gegen  das  britische  Nord- 
Amerika  in  folgenden  Worten  niedergelegt:     „Um  allen  Streitigkeiten  zu- 


1)  gleich  9  933  680  Q.  Kil.  oder  3  603  884  e.  Q.  M. 


478  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

vorzukommen,  welche  in  Zukunft  über  die  Grenzen  der  V.  St.  entstehen 
könnten,  wird  hiermit  übereingekommen  und  erklärt,  dass  Folgendes  ihre 
Grenzen  sind  und  sein  sollen:  Vom  nw.  Winkel  von  Nova  Scotia,  d.  h. 
dem  Winkel,  welcher  gebildet  wird  durch  eine  von  der  Quelle  des  S.  Groix 
gerade  nach  N.  gezogene  Linie,  die  darauf  auf  dem  Hochlande,  welches 
die  Zuflüsse  des  S.  Lorenz  von  denen  des  Atlantischen  Oceans  sclieidet, 
bis  zur  nw.  Quelle  des  Connecticut,  von  da  in  diesem  Flusse  bis  zum 
45."  n.  Br.,  dann  auf  diesem  Breitegrad  geradeaus  w.  bis  zum  Iroquois 
oder  Cataraqui,  in  dessen  Mitte  bis  zum  Ontario-See  verläuft.  Von  da 
geht  sie  durch  die  Mitte  dieses  Sees  und  die  Wasserverbindung  zwischen 
ihm  und  dem  Erie-See,  durch  die  Mitte  des  Erie-Sees,  bis  sie  die  Wasser- 
verbindung desselben  mit  dem  Huronen-See  erreicht,  durch  die  Mitte 
dieses  bis  zu  seiner  Wasserverbindung  mit  dem  Oberen  See,  durch  diesen 
n.  von  den  Inseln  I.  Royale  und  I.  Philippeaux  zum  Long  L. ;  durch 
dessen  Mitte  und  die  Mitte  der  Wasserverbindung  zwischen  ihm  und  dem 
Lake  of  the  Woods  bis  zu  dem  letzteren  und  in  diesem  bis  zu  seinem 
nordwestlichsten  Punkte;  von  da  geradeaus  w.  zum  Mississippi  und  in 
der  Mitte  des  Laufes  dieses  Stromes,  bis  die  Linie  den  nördlichsten  Theil 
des  31."  n.  Br.  schneidet.  Im  S.  durch  eine  Linie,  die  gerade  ö.  von  der 
eben  genannten  in  31."n.Br.  bis  zur  Mitte  des  Apalachicola  oder  Catahouchc, 
in  dessen  Mitte  bis  zu  seiner  Verbindung  mit  dem  Flint  R.,  dann  gerade 
auf  die  Quelle  von  S.  Mary's  R.  und  in  dessen  Mitte  hinab  zum  Atlan- 
tischen Ocean.  Im  0.  durch  eine  Linie  mitten  im  S.  Croix  R.  von  seiner 
Mündung  in  der  Fundy  Bay  bis  zu  seiner  Quelle ,  und  von  dieser  bis  zu 
dem  Hochland,  das  die  Zuflüsse  des  S.  Lorenz  von  denen  des  Atlantischen 
Oceans  scheidet.  Die  atlantische  Seegrenze  schliesst  alle  Inseln  ein, 
welche  20  Leagues  von  dem  Ufer  der  V.  St.  entfernt  liegen,  und  liegt 
zwischen  Linien,  die  geradeaus  ostwärts  von  den  Punkten  gezogen  werden, 
in  welchen  die  vorhin  genannten  Grenzen  gegen  Nova  Scotia  auf  der  einen 
und  Ost -Florida  auf  der  anderen  Seite  die  Fundy  Bay,  bzw.  den  Atlan- 
tischen Ocean  berühren,  mit  Ausnahme  solcher  Inseln,  welche  jetzt  oder 
früher  innerhalb  der  Grenzen  der  vorgenannten  Provinz  Nova  Scotia  ge- 
legen sind  oder  waren."  —  Im  Vertrage  von  Gent  wurde  eine  Commission 
niedergesetzt,  um  die  Streitfragen  zu  schlichten,  welche  über  gewisse  Inseln 
in  der  Mündung  des  S.  Croix  und  im  S.  Lorenz  entstanden  waren. 
1818  wurde  durch  Vertrag  die  Grenze  zwischen  dem  Lake  of  the 
Woods  und  dem  Felsengebirge  bestimmt,  welche  von  dem  nordwestlichsten 
Punläe  dieses  Sees  bis  zum  49.  Breitegrad  und  von  da  diesem  entlang 
läuft.  Vermessen  ist  diese  erst  seit  1872.  Jener  Punkt  war  bis  dahin 
unsicher  gewesen.  Er  liegt  26  e.  M.  n.  vom  49."  n.  Br.  Eine  andere  Un- 
klarheit, welche  dadurch  entstand,  dass  der  Mississippi  keineswegs  weit 
genug  nach  N.  reicht,  um,  wie  der  Vertrag  von  1783  annimmt,  von  einer 
vom  Lake  of  the  Woods  gerade  nach  W.  gehenden  Linie   geschnitten  zu 


XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  479 

werden,  wurde  durch  Uebereinkunft  von  1794  der  Entscheidung  durch  eine 
von  beiden  Theilen  vorzunehmende  Aufnahme  des  in  Frage  kommenden 
Landes  vorbehalten.  Endlich  blieb  auch  die  Südgrenze  unklar,  denn  England 
hatte  in  dem  Frieden  von  1783  auch  Ost-Florida  an  Spanien  abgetreten 
und  zwar  so  wie  es  unter  seiner,  des  ersteren,  Herrschaft  bestanden  hatte, 
nämlich  bis  zum  Yazoo.  Spanien  weigerte  sich  nun  mehrere  Jahre  lang 
das  offenbar  den  V.  St.  zugehörende  Stück  zwischen  diesem  Fluss  und 
dem  .31."  n.  Br.  an  die  letzteren  zurückzugeben.  Aber  durch  einen  Ver- 
trag von  1819  trat  es  gegen  5  Mill.  D.  ganz  Florida  ab  und  wurden  als 
Grenzen  des  Territoriums  angenommen:  Sabine  R.  bis  zum  32."  n.  Br. 
Von  da  ein  Meridian  n.  zum  Texas-Red  R.,  diesem  entlang  bis  100."  ö.  L.  Gr. 
und  auf  diesem  zum  Arkansas  R.,  diesem  entlang  zu  seiner  Quelle  und 
von  da  auf  dem  42.°  n.  Br.  bis  zum  Stillen  Meer.  Eine  grosse,  aber 
durchaus  unklare  Hinausschiebung  der  Grenzen  der  V.  St.  entstand  durch 
die  Abtretung  Louisianas  von  Seite  Frankreichs.  Louisiana  hatte  nie- 
mals feste  Grenzen  gehabt.  In  der  Schenkung  von  Louis  XIV.  an  Crozat 
ist  unter  Louisiana  alles  Land  begriffen,  das  bewässert  wird  von  Flüssen, 
die  mittelbar  oder  unmittelbar  in  den  Mississippi  sich  ergiessen.  Frankreich 
gab  diese  Colonie  an  die  V.  St.,  so  wie  es  dieselbe  in  dem  Vertrag  von 
S.  Ildefonso  1800  von  Spanien  erhalten,  nämlich  „in  derselben  Gebiets- 
ausdehnung, welche  diese  Provinz  unter  Spanien  und  unter  Frankreich 
gehabt  hatte  und  welche  sie  nach  später  von  Spanien  und  anderen 
Mächten  geschlossenen  Verträgen  haben  werde".  Nun  war  zunächst  die 
Grenze  zwischen  Louisiana  und  der  neuspanischen  Provinz  Texas  von  jeher 
strittig  gewesen.  Die  Spanier  besassen  Texas  thatsächlich ,  aber  die 
Franzosen  Hessen  ihre  Ansprüche  darauf  nicht  fahren.  Beide  Nationen 
hatten  Ansiedelungen  an  diesem  Theile  des  Golfes  von  Mexico  gegründet, 
die  später  z.  Th.  verfielen,  aber  nach  den  Anschauungen  der  Zeit  dauernde 
Besitzrechte  erzeugten.  Als  Louisiana  an  die  V.  St.  abgetreten  worden 
war,  kam  man  von  beiden  Seiten  überein,  den  Sabine  R.  nicht  zu  über- 
schreiten, und  die  V.  St.  Hessen  zunächst  alles  Land  w.  vom  Meridian 
von  Natchitotches  unvermessen  liegen.  In  den  späteren  Conflikten  zwischen 
den  V.  St.  und  Mexico  trat  derselbe  Streitpunkt  neuerdings  wieder  hervor 
und  wurde  erst  endgültig  entschieden  durch  den  Vertrag  von  Guadalupe 
Hidalgo  (2.  Februar  1848),  welcher,  ergänzt  durch  den  Ankauf  eines 
Striches  von  27500  e.  Q.M.  (Gadsden  Purchase  1853),  den  Rio  Grande  und 
die  Gila- Depression  zur  Grenze  zwischen  den  V.  St.  und  Mexico  machte 
(s.  Bd.  I.  18,  20).  Im  NW.  waren  die  Grenzfragen  wegen  Oregon  seit 
dem  Vertrag  von  1827  offen  geblieben.  Der  49.  Breitegrad  war  schon 
bei  der  Abtretung  Louisianas  als  Nordgrenze  angenommen  und  die  V.  St. 
hatten  1819  von  Spanien  alles  Land  n.  vom  42.  Grad  überlassen  bekommen. 
Aber  in  den  Verträgen  zwischen  den  V.  St.  und  England  von  1818  und  27 
wurde  die  Frage  der  Verlängerung  der  49" -Grenze  bis  zum  StiHen  Ocean  — 


480  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Bas  politische  Leben. 

dieselbe  würde  die  Vancouvers-Iusel  geschnitten  haben  —  offen  gelassen. 
Als  aber  die  Besiedelung  Oregons  fortschritt,  drängten  die  V.  St.  zur 
Entscheidung  und  ein  Vertrag  von  1846  liess  die  Vancouvers-Insel  bei 
England.  Die  Grenzlinie  sollte  „fortgeführt  werden  längs  des  49.°  n.  Br. 
bis  zu  der  Mitte  des  Canals,  welcher  das  Festland  von  der  Vancouvers- 
Insel  trennt,  und  von  da  nach  S.  durch  die  Mitte  des  gedachten  Canals 
und  der  Fuca-Strasse  bis  zum  Stillen  Ocean".  Aus  dieser  letzteren  Be- 
stimmung wuchs  neuer  Streit  heraus  über  den  Besitz  der  Inseln,  welche  in 
diesem  Canal  gelegen  sind.  Unser  Kaiser  entschied  1872  als  Schieds- 
richter diesen  Streit  dahin,  dass  die  Grenze  im  Haro-Canal  zu  verlaufen 
habe  und  demgemäss  der  sog.  S.  Juan-Archipel  den  V.  St.  zufallen  solle. 
Die  letzte  Hinausschiebung  der  Grenze  der  Y.  St.  geschah  durch  den 
Ankauf  Russisch- Amerikas,  der  30.  März  1867  für  7  Mill.  D.  voll- 
zogen wurde.  Nach  amerikanischer  Berechnung  kamen  damit  577  390 
e.  Q.M.  (27158  d.  Q.  M.)  neues  Gebiet  an  die  V.  St.^),  die  also  jetzt,  vor- 
behaltlich genauerer  Vermessungen,  3  603  884  e.  Q.M.  oder  169509  d.  Q.M. 
oder  9  933  680  Q.Kil.  umfassen.  Eine  Grenzfrage,  die  gegenwärtig  noch 
schwebt,  ist  eigentlich  keine  Frage  der  politischen  Grenze.  Sie  beruht 
auf  verschiedene  Auslegung  gewisser  Bestimmungen  des  Vertrages  von 
1818  über  das  Recht  amerikanischer  Fischer  an  den  canadischen  Küsten 
zu  fischen.  —  Die  Grenzlinie  zwischen  dem  Gebiete  der  V.  St.  und 
denen  der  Indianer  wurde  von  Jefferson  in  seinem  Berichte  an  den 
Congress  (d.d.  8.  Nov.  1791)  folgendermassen  angegeben:  Vom  Erie-See 
den  Cuyahoga  aufwärts  bis  zur  Wasserscheide,  dann  den  n.ö.  Arm  des 
Muskingum  hinab  bis  zum  Great  Miami,  von  hier  gerade  w.  bis  zum 
De  la  Pause  und  an  diesem  abwärts  bis  zum  Wabash.  „So  weit,  sagt 
Jefferson,  ist  das  Land  ganz  frei  von  indianischen  Ansprüchen."  W.  vom 
Wabash,  wurde  angenommen,  seien  die  Besitztitel  der  Indianer  schon 
durch  die  Franzosen  abgelöst  worden,  aber  über  ihre  s.  Grenze  zwischen 
Wabash  und  Illinois  wusste  man  nichts.  Das  den  Indianern  abgekaufte 
Land  betrug  1791  innerhalb  der  Grenzen  des  damaligen  NW.  oder  Ohio- 
Territoriums  etwa  55000  e.  Q.M. ,  also  nicht  mehr  als  7-»  des  Gebietes. 
Die  Indianer  des  nw.  Gebietes  wurden  damals  auf  6500Ö  geschätzt.  Hin- 
sichtlich der  Landerwerbungen  von  Indianerstämmen  haben  die  V.  St. 
^mmer  den  Grundsatz  festgehalten,  dass  die  letzteren  das  Recht  haben, 
im  Besitz  der  Ländereien  zu  bleiben,  welche  sie  besitzen,  und  sie  nur  zu 
vorkaufen,  wenn  es  ihnen  beliebt.  Natürlich  wurde  aber  dieser  Grundsatz 
nur  in  der  Theorie  anerkannt,  denn  wenn  man  ihn  ^l)raktisch  befolgt  hätte, 
würde  die  Herrschaft  der  V.  St.  über  den  nordaperikanischen  Continent 
sich  nicht  so  rasch  hab^n  ausbreiten  können,   w^  sie  es  in  Wirklichkeit 


^  i» 


1)   Als    Ergebniss    einer   anscheinend    genaueren    Berechnung    nannten    die 
G.  M.  1869  S.  420  582  867  e.  Q.  M.  oder  27  415  d.  Q.  M. 


XIIl.    Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  481 

getlian  hat  und  nach  der  Lage  der  Dinge  musste.  Theoretisch  und 
praktiscli  wurde  dagegen  der  andere  Grundsatz  festgehalten,  dass  den  V.  St. 
das  ausschliessliche  Kaufsrecht  auf  die  Ländereien  der  Indianer  zusteht 
und  dass  jeder  andere  Verkauf,  sei  es  an  eine  fremde  Nation  oder  an 
Bürger  der  V.  St.,  null  und  nichtig  ist.  Die  Preise,  welche  den  Indianern 
für  ihre  Ländereien  bezahlt  wurden,  sind  lächerlich  gering.  Von  ameri- 
kanischer Seite  kaml  man  wohl  sagen,  dass  die  Verkäufer  immer  mehr 
erhalten  hatten,  als  das  Land  für  sie  werth  war.  Aber  der  Werth 
des  Landes  ist  sehr  veränderlich  und  kann  oft  durch  eine  noch  so  hohe 
Summe  Geldes  nicht  aufgewogen  werden.  Wenn  sie  reiche  Jagdgründe 
für  öden  Steppenboden  eintauschten,  was  in  letzter  Instanz  fast  allen 
Stämmen  geschehen  ist,  so  verloren  sie  doch  immer  und  zwar  war  ihr 
Verlust  unersetzlich.  Es  liegt  also  in  dieser  Form  des  Kaufes,  welche 
ängstlich  in  allen  Verträgen  von  den  V.  St.  festgehalten  wurde ,  nicht 
weniger  Grausamkeit,  als  in  der  einfachen,  rohen  Verdrängung.  Auch 
ist  keine  Frage,  dass  das  Baargeld,  die  Nahrungsmittel  und  Kleider, 
welche  die  Indianer  erhielten,  sie  sorglos,  üppig  und  verschwenderisch 
machten.  Im  Grunde  ist  es  nur  die  äussere  Form,  welche  diese  Land-  v^ 
crwerbung  durch  Kauf  von  der  durch  Eroberung  unterscheidet.  Die  Folgen 
sind  im  Wesentlichen  dieselben.  Die  hauptsächlichsten  Landverkäufe  der 
Indianer  an  die  V.  St.  führen  auf  die  Verträge  von  1784  und  95  zurück. 
(Uferländer  des  Ohio  bis  zum  Mississippi  und  Illinois  in  200  Kil.  durch- 
schnittlicher Tiefe,  Uferland  des  Mississippi  vom  Illinois  bis  zum  Uis- 
cusing  R. ,  ein  Stück  des  Terr.  Michigan  am  Huronen-  und  Erie-See, 
Uferland  des  Mississippi  und  Alabama  von  der  Yazoo-Mündung  bis  Mobile, 
endlich  ein  Stück  im  Great  Bend  of  the  Tennessee  —  zusammen  62  Va  Mill. 
Acres). 

n.  Die  Verfassung.  Die  V.  St.  bilden  einen  Bundesstaat, 
dessen  amtlicher  Name  United  States  of  America  ist^),  während 
in  Amerika  selbst  der  Gesammtstaat  gewöhnlich  kurzweg  als  Union 
bezeichnet  wird.  Dieser  letztere  Name  bezeichnet  deutlicher  die 
Einheit  in  dieser  Vereinigung  vieler  einzelnen  Staaten  als  das 
deutsche  Bundesstaat.  Man  könnte  ihn  eher  mit  Eeich  vergleichen. 
Auch  mit  dem  Worte  RepuhUh,  wenn  es  ohne  nähere  Erklärung  auf 


1)  In  der  Verfassungsurkunde  heisst  es  im  Eingang:  „Wir  das  Volk  der 
Vereinigten  Staaten  |IV  errichten  diese  Constitution  für  die  Vereinigten 
Staaten  von  Ameriki"  Die  beiden  Namen  scheipen  hier  gleichbedeutend 
gebraucht  zu  sein.  Aber^ire  Anwendung  an  dieser  £telle  ist  so  zu  erklären, 
dass  der  erstere  gleichbedettend  ist  mit  Vereinigte  Einzelstaaten,  während 
erst  im  zweiten  der  formale  Titel  des  durch  sie  gebildeten  Bundesstaates  her- 
vortritt.   Indessen   wird  der  erstere  Namen   abkürzungsweise  überall  gebraucht 

E a  t  z  e  1 ,   Atne)-ika  H.  o-i 


482  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

die  V.  St.  angewandt  wird,  verbindet  der  Amerikaner  einen  be- 
sonderen Sinn,  denn  Kepublik  ist  nach  der  normgebenden  Erklärung 
des  Hauptschöpfers  der  Bundes  -  Verfassung  der  Gegensatz  von 
Demokratie.  Ueberlassung  der  Staatsleistung  an  eine  kleinere  An- 
zahl gewählter  Männer  und  möglichste  Ausdehnung  auf  ein  weites 
Gebiet  bezeichnen  die  Republik,  die  in  diesem  Sinne  also  eigentlich 
das  ist,  was  man  repräsentative  Demokratie  nennt.  Als  Namen 
für  Parteien  sind  allerdings  die  Worte  republikanisch  und  demo- 
Jcratisch  zu  Gefässen  von  ganz  anderen  Begriffen  gemacht  worden, 
aber  ursprünglich  lag  auch  diesen  Parteibeziehungen  der  Gegensatz 
zu  Grunde  zwischen  dem  Staat  der  Republikaner  und  Staatenbund 
(Conföderation)  der  Demokraten.  In  diesem  Sinne  entspricht  es 
der  republikanischen  Auffassung,  wenn  die  Verfassung  nicht  als  ein 
Vertrag  der  Sonderstaaten,  sondern  als  ein  Grundgesetz  des  Einen 
amerikanischen  Volkes  betrachtet  wird.  Dieses  Verhältniss  Avird 
gekennzeichnet  durch  die  Eingangsformel  der  Gesetze:  „Wird  ver- 
fügt vom  Senat  und  Haus  der  Repräsentanten  der  Vereinigten 
Staaten  von  Amerika  im  Congress  versammelt."  Andererseits  ist 
die  Verfassung  erst  Grundgesetz  geworden,  nachdem  die  Einzel- 
staaten sie  jeder  für  sich  angenommen  hatten,  und  Abänderungen 
sind  nicht  dem  Congress  anheimgestellt,  sondern  müssen  von  ^U 
aller  Staaten  genehmigt  werden.  Der  Einzelstaat  führt  ein  Leben 
für  sich  und  seine  Organe  stehen  in  keiner  unmittelbaren  Beziehung 
zu  denen  des  Gesammtstaates.  Seine  Beamten  und  Vertreter  gehen 
aus  einer  anderen  Wahl,  meist  sogar  nach  anderer  Wahlart,  hervor 
als  die  der  Union.  Aber  es  können  begreiflicherweise  Verschieden- 
heiten der  Meinungen  über  die  Befugnissgrenzen  beider  nicht  fehlen 
und  wir  haben  gesehen  (vgl.  o.  Abschn.  I  Cap.  II),  dass  Streitig- 
keiten über  dieselben  die  ganze  Geschichte  der  V.  St.  durchziehen. 

und  sogar  amtlich  seine  Anfangsbuchstaben  U.  S.  In  anderen  Theilen  von 
Amerika  und  in  Europa  gebraucht  man  aber  auch  zum  Unterschied  von  den 
verschiedenen  anderen  Vereinigten  Staaten,  die  es  noch  in  Amerika  gibt,  den 
Ausdruck  Vereinigte  Staaten  von  Nord  -  Amerika.  Er  ist  bezeichnender  als 
jene  beiden  amtlichen  Benennungen,  zumal  man  ihm  entsprechend  der  Be- 
völkerung dieses  Staates  den  Namen  Nordamerikaner  heilegen  kann,  der  weniger 
missverständlich  ist  als  Amerikaner,  wie  sie  sich  selbst  kurzweg  dem  amt- 
lichen Namen  ihres  Staates  entsprechend  nennen  und  wie  sie  merkwürdigerweise 
auch  z.  Th.  von  den  Hispano-Amerikanern  genannt  werden. 


Xlll.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Bas  politische  Leben.  483 

Es  entspricht  vollständig  der  Natur  der  Dinge,  wenn  die  Grenze 
zwischen  den  Befugnissen  der  Einzelstaaten  und  der 
Union  so  gezogen  ist,  dass  alles  was  die  gemeinsamen  Interessen 
angeht,  der  letzteren,  alles  Lokale,  nur  die  Verhältnisse  der  Einzel- 
staaten Betreifende  diesen  zufällt,  dass  ferner  die  äusseren  Ange- 
legenheiten (Diplomatie,  Handel,  Krieg)  Sache  der  Union,  die 
inneren  (Wirthschaft ,  Unterricht,  bürgerliche  Rechte)  Sache  der 
Einzelstaaten  sind.  Auf  manchen  Gebieten  ist  aber  diese  Ausschei- 
dung schwer  durchzuführen.  Es  gibt  wirthschaftliche  Interessen,  die 
die  Gesammtheit  in  hohem  Grade  berühren  (Hafenanlagen,  schiff- 
bare Flüsse,  Poststrassen,  Eisenbahnen  durch  unbewohnte  Gegenden 
u.  dgl.)  und  andere,  welche  dem  Gebiet  der  äusseren  Beziehungen 
angehören,  ohne  doch  die  Gesammtheit  zu  berühren.  Dort  tritt 
die  Union  für  die  Einzelstaaten  ein,  hier  lässt  sie  denselben  Unter- 
handlungen und  Verträge  mit  fremden  Mächten  zu,  behält  aber 
die  Zustimmung  des  Congresses  vor.  Dahin  gehört  auch,  dass  die 
Einzelstaaten  ohne  Zustimmung  des  Congresses  keine  Truppen  oder 
Kriegsschiffe  unterhalten  dürfen.  Für  Entscheidung  von  Befugniss- 
streiten auf  diesen  Gebieten  gibt  es  keine  in  der  Verfassung  vor- 
gesehene oberste  Instanz,  doch  einigte  sich  man  in  der  Praxis  ge- 
wöhnlich dahin,  die  Frage  vor  das  Oberste  Bundesgericht  zu  bringen 
und  seiner  Entscheidung  zu  folgen. 

Das  Bürgerrecht  des  Einzelstaates  verleiht  auch  das  der 
Union.  Ausser  durch  Vererbung  wird  es,  wenn  anderes  Bürger- 
recht nicht  geltend  gemacht  wird,  durch  Geburt  auf  dem  Boden 
der  V.  St.  erworben.  Die  Naturalisation  von  Eingewanderten  ge- 
schieht auf  Verlangen  der  letzteren  nach  5  jährigem  Aufenthalte  in 
den  V.  St.  Aufgegeben  kann  das  Bürgerrecht  nur  werden  durch 
Verzichtleistung   unter  Uebergang  in  einen  anderen  Staatsverband. 

Die  Trennung  der  öffentlichen  Gewalt  ist  soweit  als 
möglich  durchgeführt  in:  1.  gesetzgebende  Gewalt  (Congress), 
2.  vollziehende  Gewalt  (Präsident),  3.  richterliche  Gewalt  (Bundes- 
gerichte). Entsprechend  sind  in  den  Einzelstaaten  Legislatur, 
Governor  und  Richter  aus  einander  gehalten.  Dass  jedoch  die  Praxis 
hierin  nicht  immer  mit  der  Theorie  in  Einklang  zu  bringen  ist, 
wird  die  Aufzählung  der  Funktionen  der  einzelnen  Gewalten  zeigen. 

31* 


484  XIII.    Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

A.  Der  Congress  der  Union  theilt  sich  in  Repräsentantenhaus 
und  Senat,  von  denen  jenes  mehr  das  Gesammtvolk,  dieser  die  Einzel- 
staaten vertritt.  Das  Repräsentantenhaus  geht  aus  unmittelbaren 
Wahlen  hervor,  durch  welche  aus  bestimmten  Wahlkreisen  nach  Wahl- 
arten, die  der  betreifende  Einzelstaat  zu  bestimmen  hat,  Vertreter  entsandt 
werden.  Wenige  Staaten  halten  noch  an  einem  Wahlcensus  fest,  aber 
das  allgemeine  Stimmrecht  ist  stark  in  der  Ausdehnung  begriffen.  Be- 
dingungen der  Wählbarkeit  sind:  Alter  über  25  Jahre,  Bürgerrecht  seit 
7  Jahren,  Wohnort  in  dem  Staate  der  Wahl,  Entkleidetsein  von  jedem 
Bundesamte.  Die  Amtsdauer  beträgt  2  Jahre.  Jeden  1.  December  tritt 
das  Haus  zusammen,  wählt  seinen  Präsidenten  (Speaker)  und  die  übrigen 
Beamten  und  entscheidet  selbständig  über  die  Gültigkeit  der  Wahlen  seiner 
Mitglieder.  —  Der  Senat  wird  aus  den  Gesetzgebungen  der  Einzelstaaten 
mit  je  zwei  Vertretern  gewählt  ohne  Rücksicht  auf  die  Bevölkerungszahl. 
Die  Senatoren  müssen  über  30  Jahre  alt,  9  Jahre  Bürger  und  im  Wahl- 
staate ansässig  sein.  Ihre  Amtsdauer  beträgt  6  Jahre,  alle  2  Jahre  scheidet 
V3  aus.  Der  Vicepräsident  der  Union  ist  Präsident  des  Senates  und 
wird  nicht  von  diesem,  sondern  vom  Volke  selbst  zugleich  mit  dem  Präsi- 
denten gewählt.  Abstimmung  geschieht  nicht  nach  Staaten.  Instruktionen 
der  letzteren  sind  verboten. 

Die  Befugnisse  des  Congresses  sind  hauptsächlich  folgende : 
Er  übt  die  gesetzgebende  Thätigkeit  ausschliesslich ,  erlässt  Kriegs- 
erklärung, Verträge  mit  auswärtigen  Staaten  hat  der  Senat  zu  genehmigen, 
ebenso  Friedensschlüsse;  er  hat  das  Recht  des  Imj^eachment ,  d.  h.  der 
Versetzung  in  Anklagestand  der  Bundesbeamten  (ausgenommen  der  mili- 
tärischen) bis  zum  Präsidenten  hinauf  und  ihrer  Entfernung  vom  Amte; 
dabei  steht  dem  Repräsentantenhaus  das  Recht  der  Anklage  zu,  während 
der  Senat  sich  in  einen  Staatsgerichtshof  verwandelt,  der  über  die  Anklage 
richtet;  das  Recht,  durch  Resolutionen  seine  politische  Meinung  zu  äussern; 
endlich  stillschweigend  verliehene  Gewalten  kraft  seiner  rechtsordnenden 
Gesammtbefugniss,  das  für  die  gemeine  Wohlfahrt  der  Union  Nöthige  an- 
zuordnen. Seine  einzelnen  Mitglieder  erhalten  Entschädigung  in  Form 
einer  festen  Besoldung  (7500  D.  p.  Jahr)^),  haben  das  Recht  der  freien 
Rede,  können  nicht  wegen  Schulden,  sondern  nur  in  Folge  eines  Straf- 
processes  verhaftet  und  von  ihren  Wählern  nicht  abberufen  werden. 

B.  Der  Präsident  vereinigt  die  ganze  Regierungsgewalt  in  seiner 
Hand,  nur  er  ist  verantwortlich,  nicht  seine  Minister.  Die  letzteren  sind 
nur  Beamte.  Dementsprechend  ist  bei  ihm  der  Entscheid  über  alle  Be- 
schlüsse und  nur  die  Vorbereitung  derselben  ist  Sache  der  Minister.     Die 

1)  1873  beschloss  der  Congress  eine  auf  2  Jahre  rückwirkende  Erhöhung 
der  Gehälter  des  Präsidenten  (auf  50  000),  des  Vicepräsidenten  und  der  Minister 
auf  10  000,  der  Senatoren,  Repräsentanten  und  Delegirten  auf  7500  D. 


XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  485 

Wahl  des  Präsidenten  macht  denselben  durchaus  unabhängig  vom  Congress, 
denn  er  geht  aus  mittelbaren  Wahlen  hervor,  zu  welchen  jeder  Staat 
so  viel  Wahlmänner  abordnet,  als  er  Repräsentanten  und  Senatoren  im 
Congress  hat,  aber  andere  Personen  als  diese.  Am  ersten  Mittwoch  im 
December  treten  sie  zusammen,  wählen  Präsident  und  Vicepräsident  und 
im  darauffolgenden  Februar  öffnet  der  Congress  die  Wahlprotokolle  und 
verkündet  als  Präsidenten  denjenigen,  dem  die  absolute  Stimmenmehrheit 
zufiel.  Ist  diese  von  keinem  der  Kandidaten  erreicht,  so  wählt  der  Con- 
gress unter  den  dreien,  die  die  meisten  Stimmen  hatten,  wobei  er  nach 
Staaten  abstimmt.  —  Die  Amtsdauer  eines  Präsidenten  ist  4  Jahre. 
Wiederwahl  ist  nicht  ausgeschlossen  und  von  den  bisherigen  Präsidenten 
sind  Washington,  Jefferson,  Madison,  Monroe,  Jackson,  Lincoln  und  Grant 
in  zwei  auf  einander  folgenden  Terminen  gewählt  worden.  Zur  Wählbarkeit 
gehört  Alter  von  35  Jahren,  Bürgerrecht  seit  der  Geburt,  Aufenthalt  in 
der  Union  seit  14  Jahren.  Die  Befugnisse  des  Präsidenten  sind 
hauptsächlich :  Repräsentation  des  Staates  nach  aussen,  Ernennung  (unter 
Zuziehung  des  Senates)  und  Entlassung  der  Gesandten  und  Consuln, 
Empfang  der  fremden  Gesandten  *)  und  Ertheilung  des  Exequatur,  Ver- 
tragsschliessung mit  fremden  Staaten  unter  Zustimmung  einer  Vs-Mehrheit 
des  Senates,  Handhabung  des  Völkerrechtes  (Beobachtungskreuzer,  Schieds- 
gerichte, Repressalien,  ausgenommen  die  Kriegserklärung).  Im  Inneren 
ernennt  er  die  Bundesbeamten  entweder  selbständig  oder  zusammen  mit 
dem  Senat;  wenn  der  Senat  nicht  versammelt  ist,  ernennt  er  vorläufig; 
er  kann  den  Beamten  Befehle  und  Aufträge  crtheilen,  Berichte  von  ihnen 
einfordern  und  Verordnungen  erlassen ;  er  sorgt  für  den  Vollzug  der 
Bundesgesetze  auch  in  den  Einzelstaaten;  er  kann  militärische  Mass- 
nahmen ergreifen,  aber  die  Milizen  nicht  ohne  Ermächtigung  des  Con- 
gresses  einberufen;  er  hat  die  ganze  Militärgewalt  im  Kriege,  ernennt 
und  entlässt  Generäle;  er  kann  den  Congress  zu  ausserordentlicher  Sitzung 
versammeln,  wenn  nöthig  auch  den  Senat  allein,  aber  er  kann  ihn  nicht 
auflösen;  er  erlässt  Botschaften  an  den  Congress,  in  welchen  er  dessen 
Aufmerksamkeit  auf  Verbesserungen  lenken  kann ;  sein  Begnadigungsrecht 
erstreckt  sich  auf  alle  Fälle,  in  denen  die  Bundesgerichte  auf  Strafe 
erkannt  haben,  aber  nicht  auf  die  Urtheile  des  Senats,  in  Strafprocessen ; 
er  kann  Proklamationen  an  das  Volk  erlassen ;  er  ernennt  seine  Minister 
(Staatssekretäre) ,  deren  es  jetzt  7  sind  (Aeusseres  [Department  of 
State],  Krieg,  Marine,  Finanz,  Inneres,  Post,  Justiz);  weder  er  noch  die 
Minister  erscheinen  vor  dem  Congress,  der  keine  eigentliche  Controle  über 


1)  Indem  der  Empfang  die  Anerkennung  einschhesst,  hat  der  Präsident  die 
sehr  wichtige  Befugniss,  einen  fremden  Staat  anzuerkennen  oder  unanerkannt 
zu  lassen.  Die  letztere  wurde  1865  gegenüber  dem  Kaiserthum  Mexico  in  sehr 
folgenreicher  Weise  ausgeübt. 


486  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben, 

sie    hat;    der  Präsident  übernimmt  in  der  Regel   die  Verantwortlichkeit 
nach  aussen  •). 

C.  Bundesgerichte.  Diese  stehen  vollkommen  selbständig  neben 
den  einzelstaatlichen  Gerichten,  kein  Instanzenzug  geht  von  den  einen  zu 
den  anderen,  sogar  ein  gemeinsamer  Kassationshof  fehlt.  In  der  Regel 
gehört  die  bürgerliche  und  Strafrechtspflege  den  Einzelstaaten  zu,  die 
Bundesgerichtsbarkeit  bildet  die  Ausnahme.  Die  Bundesgerichte  zer- 
fallen in  ein  Bundesobergericht  mit  1  Präsidenten  und  9  Richtern  mit 
Sitz  in  Washington,  in  10  Kreis-  und  eine  grössere  Zahl  von  Distrikts- 
gerichten. Letztere  haben  1  Richter,  erstere  werden  2  mal  jährlich 
abgehalten,  in  jedem  Distrikt  durch  1  Oberrichter  und  den  betreffenden 
Distriktsrichter.  Alle  Richter  werden  vom  Präsidenten  unter  Zustimmung 
des  Senates  ernannt.  Unter  dem  Schutz  der  Bundesgerichte  steht  das 
Bundesrecht.  Völker-  und  staatsrechtliche  Streitigkeiten,  Civilprocesse, 
in  denen  der  Bund  oder  ein  Einzelstaat  Partei  ist,  gehören  in  seine 
Competenz,  ebenso  See-  und  Handelsrecht. 

III.  Die  Verwaltung.  Die  Verwaltung  wird  durch  folgende  Staats- 
ämter ausgeübt :  das  Staatsamt,  Schatzamt,  Ministerium  des  Inneren,  Kriegs- 
amt, Marineamt,  Postamt. 

A.  Das  Staatsamt  (State  Department),  an  dessen  Spitze  der  Staats- 
sekretär steht,  welcher  nächst  dem  Präsidenten  der  höchste  Beamte  der 
Executive  ist,  entspricht  unserem  Auswärtigen  Amt.  Derselbe  hat  aber  auch 
die  Gesetze  zu  verkünden  und  das  Siegel  der  V.  St.  beizudrucken.  Die  V.  St. 
haben  .3  Classen  von  diplomatischen  Vertretern  im  Auslande :  1.  Envoys 
Extraordinarp  and  Ministers  Plenipotentiart/  in  England,  Deutschland, 
Frankreich,  Russland,  Spanien,  Oesterreich,  Italien,  China,  Mexico,  Bra- 
silien, Peru  und  Chile;  2.  Ministers  Besident  in  Dänemark,  Schweden- 
Norwegen,  Niederlande,  Belgien,  Portugal,  Schweiz,  Hawaiische  Inseln, 
Hayti,  Türkei,  Griechenland,  Japan,  Nicaragua,  Guatemala,  Honduras, 
Salvador,  Columbia,  Venezuela,  Ecuador,  Argentinien,  Bolivien,  Paraguay, 
Uruguay,  Liberia. 

Consulate.  Der  Satz  der  Verfassung,  welcher  dem  Präsidenten  das 
Recht  beilegt,  „unter  Rath  und  Zustimmung  des  Senates  Gesandte,  andere 
öffentliche  Vertreter  und  Consuln"  zu  ernennen,  ist  mehr  als  60  Jahre 
nach  der  Begründung  der  Union  in  Bezug  auf  die  letzteren  in  der  Art 
ausgeführt  worden,  dass  die  Consuln  der  V.  St.  unbesoldet,  auf  Zeit 
ernannt,  entweder  Fremde  oder  Bürger  der  V.  St.,  fast  immer  Kaufleute, 


1)  Die  gemeinschaftliche  Verantwortlichkeit  besteht  aber  für  alle  Beamten, 
d.  h.  jeder,  auch  der  Präsident,  kann  von  einem  Bürger,  der  durch  eine  Amts- 
handlung sein  Recht  verletzt  erachtet,  beim  bürgerlichen  Richter  auf  Ent- 
schädigung verklagt  werden. 


XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  487 

die  die  Consulatsgeschäfte  nebenbei  versahen.  Die  Gebühren  waren  nur 
an  wenigen  Plätzen  so  bedeutend  wie  z.  B.  in  Liverpool,  wo  sie  sich 
1853,  als  der  Dichter  Nathaniel  Hawthorne  mit  dem  dortigen  Consulats- 
posten  belehnt  wurde,  auf  20000  D.  beliefen,  aber  doch  führten  sie  zu 
einer  grossen  Ungleichheit  dieser  Stellungen.  Mit  der  Zeit  hatte  sich 
auch  die  Zahl  der  besoldeten  Consuln  so  vermehrt,  dass  es- 1853  deren 
10  gab,  während  214  ohne  Besoldung  waren.  Es  war  längst  Sitte,  dass 
der  Präsident  die  besoldeten  oder  sonst  einträglichen  Posten  an  Günstlinge 
von  sich  oder  von  irgend  einem  einflussreichen  Senator  verlieh,  während 
die  minder  lohnenden  oft  an  sehr  unbefähigte  Leute  fielen.  Es  wurde 
daher  durch  Gesetz  vom  18.  August  1858  der  Consulardienst  in  der  Rich- 
tung umgestaltet,  dass  feste  Besoldungen  an  die  Consuln  aller  wichtigeren 
Plätze  gezahlt  wurden,  während  diese  dafür  verbunden  waren,  den  Ertrag 
ihrer  Gebühren  an  die  Staatskasse  abzuführen;  auf  die  Gebühren  statt 
Besoldung  sollten  bloss  die  Consuln  der  minder  wichtigen  Plätze  ange- 
wiesen bleiben,  an  denen  wenige  Gebühren  fielen.  Im  Allgemeinen  ist 
der  Consulardienst  der  V.  St.  noch  heute  auf  dieses  Gesetz  begründet, 
(las  nur  in  Einzelheiten  abgeändert  ist.  Man  zählte  1876,  wo  diese  Ver- 
hältnisse zum  letzten  Mal  im  Congress  eingehend  besprochen  wurden, 
17  Generalconsuln  und  168  Consuln.  Die  Generalconsuln  von  Hayti  und 
Liberia  sind  hierbei  nicht  mit  inbegriffen,  da  sie  zum  diplomatischen 
Dienste  gehören.  Unter  den  Consuln  sind  sechs,  deren  Titel  Consular- 
Agent  ist,  die  aber  im  Uebrigen  dieselbe  Stellung  einnehmen  wie  Consuln, 
nur  dass  sie  nicht  des  Exequatur  von  Seiten  der  Macht  bedürfen,  in 
deren  Gebiet  sie  angestellt  sind.  Mit  Ausnahme  der  mindest  besoldeten 
Classe,  der  sog.  Consulate  7.  Classe,  die  nur  1000  D.  Besoldung  erhalten, 
ist  allen  Consuln  der  Betrieb  kaufmännischer  Geschäfte  verboten.  Ausserdem 
sind  13  Consular -  Clerks  angestellt,  welche  in  der  Stellung  von  Hülfs- 
arbeitern  bei  grösseren  Consulaten  sich  die  Erfahrungen  sammeln,  welche 
sie  zu  späterem  Eintritt  in  den  Consulardienst  befähigen.  Dies  sind  im 
Ganzen  198  besoldete  Consularbeamte ,  die  zusammen  einen  Gehalt  von 
411500  D.  jährlich  erhalten.  Davon  erhalten  die  Generalconsuln*)  von 
6 — 2000  und  die  Consuln  von  6  —  1000  D.  Ausserdem  gibt  es  59  Con- 
suln und  14  Consular-Agenten,  welche  keine  Besoldung  empfangen.  Ferner 
200  Deputy- Consuln  und  Viceconsuln,  die  ebenfalls  nicht  besoldet  werden, 
sondern,  wenn  überhaupt,  ihre  Bezahlung  von  dem  vorgesetzten  General- 
consul  oder  Consul  empfangen,  als  dessen  Stellvertreter  sie  handeln. 
Endlich  gibt   es   347  Consular-Agenten,    welche   von  dem  Staatssekretär 


1)  Die  Generalconsulate  der  V.  St.  (nach  der  Höhe  der  Besoldung  gereiht) 
sind:  London,  Paris,  Havana,  Rio  Janeiro,  Calcutta,  Shanghai,  Melbourne, 
Berlin,  Kanagawa,  Montreal,  Kairo,  Constantinopel,  Frankfurt,  Rom,  Wien, 
S.  Petersburg,  Mexico. 


488  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politiscli6  Leben. 

auf  Vorschlag  eines  Consuls  an  Orten  ernannt  werden  können,  die  in 
dessen  Bezirke  gelegen  sind.  Auch  diese  sind  unbesoldet.  Mit  Dol- 
metschern, Consulatsrichtern  u.  dgl.  zählt  der  Dienst  insgesammt  854 
Köpfe.  Die  Consuln  und  Consular  -  Agenten  der  V.  St.  haben  im  Allge- 
meinen denselben  Thätigkeitskreis  wie  die  entsprechenden  Beamten  anderer 
civilisirten  -Länder.  Aber  ausserdem  liegen  ihnen  Pflichten  ob,  welche 
mit  gewissen  Besonderheiten  in  dem  Zollsystem  der  Y.  St.  zusammen- 
hängen. Vorzüglich  gehört  dahin  die  Ausstellung  von  dreifachen  Ver- 
zeichnissen (Invoices)  über  alle  aus  irgend  einem  fremden  Hafen  nach 
einem  Hafen  der  V.  St.  gesandten  Güter  und  die  Mittheilung  derselben  an 
die  Zollbehörden  des  Bestimmungshafens. 

B.  Das  Inland  am t  (Department  of  the  Interior)  hat  folgende 
Stellen  unter  sich:  das  Landamt  (General  Land  Office),  Pension  Bureau, 
Indian  Office,  das  Unterrichtsamt  (Bureau  of  Education),  Patent  Office 
und  das  Ackerbauamt  (Department  of  Agriculture).  Das  Landamt, 
welches  die  öffentlichen  Ländereien  zu  verwalten  und  den  Verkauf  derselben 
zu  besorgen  hat,  ist  eines  der  wichtigsten.  Gegenwärtig  besitzen  die 
V.  St.  noch  1600  Mill.  Acres  oder  2,5  Mill.  e.  Q.M.  Land,  nachdem 
200  Mill.  A.  allein  an  Eisenbahnen*)  und  andere  grosse  Complexe  zu 
verschiedenen  Zeiten  an  die  Einzelstaaten  verschenkt  worden.  Ueber  den 
Verkauf  derselben  s.  o.  S.  173,  "233,  306.  Nicht  der  kleinste  Theil  der 
Lasten  dieses  Amtes  erwächst  aus  den  Ansprüchen,  welche  von  Privaten 
und  Körperschaften  auf  grosse  Theile  der  öffentlichen  Ländereien  erhoben 
wurden.  Michigan,  Indiana  und  Illinois  z.  B.  hatten  erst  Frankreich 
und  dann  England,  der  s.  Theil  von  Mississippi  und  Alabama  erst  Frank- 
reich, dann  England,  dann  Spanien,  Louisiana  endlich  einmal  Spanien 
und  zweimal  Frankreich  gehört.  Jede  dieser  Mächte  hatte  Schenkungen, 
Verkäufe  und  Tausche  von  oft  sehr  ausgedehnten  Ländereien  vorgenommen, 
die  sich  zum  Theil  unter  einander  aufhoben  oder  mit  thatsächlicher 
Besitznahme  durch  Ansiedler  zusammenstiessen.  Natürlicherweise  ward 
auch  eine  grosse  Zahl  von  ganz  unbegründeten  Ansprüchen  erhoben.  Acht 
Commissionen  der  V.  St.  hatten  eine  lange  Reihe  von  Jahren  hindurch  an 
der  Entwirrung  aller  dieser  Ansprüche  zu  arbeiten,  Avobei  als  Grundsatz 
ihres  Verfahrens  aufgestellt  ward,  dass  alle  amtlich  bekräftigten  Ansprüche 
und  ebenso  alle  auf  thatsächlichen  Besitz  in  dem  Augenblick  der  Erwer- 
bung durch  die  V.  St.  begründeten  aufrecht  zu  erhalten  seien.  Dieser 
Grundsatz  ist  auch  späterhin  bei  ähnlichen  Entwirrungsgeschäften  in  den 
einst  spanischen  Landestheilen  des  W.  und  SW.  der  V.  St.  als  der  leitende 
aufgestellt  worden.    Noch  heute  sind  z.  B.  in  Californien  nicht  alle  Privat- 


1)  Nach  einer  Entscheidung  des  Staatssekretärs  C.  Schurz  v.  23.  Juli  1878 
fällt  übrigens  das  einer  Eisenbahn  verwilligte  Land,  wenn  es  3  Jahre  nach 
Vollendung  der  Bahn  nicht  verkauft  ist,  an  die  V.  St.  zurück. 


XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  489 

ansprüche  entschieden.  —  lieber  die  Geschäfte  des  Indian  Com  ml s- 
sioner  s.  o.  S.  154 f.*).  Ueber  das  Patent  Office  s.  o.  S.  365.  Die 
Leistungen  des  Ackerbauamtes  sind  o.  S.  252  beschrieben.  Das 
Unterrichtsamt  wurde  1872  gegründet  mit  dem  Zweck,  „die  That- 
sachen  zu  sammeln,  welche  den  Zustand  und  Fortschritt  des  Unterrichts- 
wesens in  den  Staaten  und  Territorien  erkennen  lassen,  und  Belehrung 
zu  verbreiten  über  Einrichtung  und  Leitung  von  Schulen,  über  Unter- 
richtssysteme und  -methoden,  welche  dem  Volk  der  V.  St.  nützlich  sein 
können  in  der  Einrichtung  und  Durchführung  wirksamer  Schulsysteme, 
und  überhaupt  die  Sache  des  Unterrichtes  im  ganzen  Lande  zu  fördern". 
Dieses  Amt  besteht  aus  1  Commissioner  of  Education  und  8  Clerks. 
Dasselbe  veröffentlicht  zahlreiche  statistische  u.  a.  Berichte  über  das 
Unterrichtswesen  in  den  V.  St.  und  anderwärts. 

C.  Das  Schatzamt  (Treasury  Department)  hat  ausser  den  Geld- 
srochen  des  Bundes  auch  die  Angelegenheiten  des  Handels,  der  Schiffahrt, 
der  Küstenaufnahme  und  -beleuchtung  unter  sich.  Die  hauptsächlichsten 
Unterbeamten  bzw.  Stellen  desselben  sind :  U.  S.  Treasurer,  Commissioner 
of  Customs,  Comm.  of  Internal  Revenue,  Comptroller  of  the  Currency, 
Light  House  Board,  Coast  Survey.  Die  Einnahmen  der  V.  St.  fliessen 
hauptsächlich  aus  Zöllen  und  Innensteuern.  Die  Zölle  sind  theilweisc 
schon  oben  S.  461  besprochen.  Für  ihre  Erhebung  sind  die  Grenzen  der 
V.  St.  in  62  Collection  Distrids  getheilt,  deren  jedem  ein  Colledor  vor- 
gesetzt ist.  Derselbe  hat  die  Zölle  zu  erheben,  Manifeste  (Bill  of  Lading) 
zu  bescheinigen,  über  Ein-  und  Ausfuhr  und  die  Rhederei  seines  Bezirkes 
zu  berichten.  An  höheren  Zollbeamten  gibt  es  in  den  grösseren  See- 
plätzen Naval  Officers  und  Survcyors.  Die  Kosten  der  Zollerhebung  sind 
für  1879/78  auf  5,8  Mill.  D.  veranschlagt.  Die  zweitwichtigste  Einnahme- 
quelle sind  die  Innen  steuern,  für  deren  Erhebung  das  ganze  Gebiet 
der  V.  St.  in  Internal  Bcvenue  Distrids  getheilt  ist,  deren  jedem  ein 
Collector  vorsteht.  Zu  der  Besteuerung  einer  Menge  von  steuerbaren 
Gegenständen  griff  man  in  den  V.  St.  in  Zeiten  grossen  und  raschen 
Geldbedarfs  immer  in  erster  Linie.  Das  ungewöhnlich  bewegte  Wirth- 
schaftsleben  dieses  Landes  macht  dieses  System  zu  einem  ertragreichen; 
andererseits  wird  es  aber  als  doppelt  lästig  empfunden  und  musste  immer 
schon  bald  wieder  eingeschränkt  werden.  Während  des  Krieges  von 
1812/13  besteuerte  man  30  Gegenstände,  aber  von  1817—62  keinen. 
Aber   die  Jahre  des  Bürgerkrieges   sahen   einige  der  grössten  und  merk- 


1)  Die  Missbräuche,  die  lange  Zeit  gerade  in  diesem  Gebiete  der  inneren 
Verwaltung  herrschten,  Hessen  den  Plan  erwägen,  das  Indian  Office  der  Armee 
anzugliedern,  die  ohnehin  die  häufigsten  Berührungen  mit  den  Indianern  hat. 
Die  jetzt  im  Zuge  befindlichen  Reformen  dürften  diese  Aenderung  überflüssig 
machen. 


490  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

würdigsten  Versuche  zur  Entwickelung  der  inneren  Besteuerung  ^).  Seit 
1873  hat  man  die  steuerbaren  Gegenstände  auf  4  beschränkt:  Brannt- 
wein, Tabak,  Bier,  Banken.  1877/78  lieferte  Branntwein  50,4,  Tabak 
40,1,  Bier  9,9,  Banken  3,4,  Strafgelder  etc.  7,1  Mill.  I).  Im  Voranschlag 
für  1879/78  erscheinen  diese  Steuern  mit  121,7  Mill.  D.  lieber  den 
Betrug,  der  zur  Umgehung  dieser  Steuern  ins  Werk  gesetzt  wird,  s.  u. 
S.  525.  Andere  Einnahmquellen,  wie  der  Verkauf  öffentlicher  Ländereien 
(s.  0.  S.  488),  Patentgebühren  u.  dgl.,  fallen  nicht  mehr  ins  Gewicht  neben 
Zöllen  und  Steuern,  die  96  —  97  Proc.  der  Gesammteinnahmen  ausmachen.  — 
Von  den  Ausgaben  nimmt  die  Oeff entliche  Schuld  durch  Zinsen 
und  Tilgung  im  1880  er  Anschlag  mit  49  Proc.  die  erste  Stelle  ein.  Sie 
hat  merkwürdige  Schwankungen  durchgemacht.  1786  stand  sie  auf 
126  Mill.  D. ,  deren  Zinsen  trotz  des  damaligen  elenden  Zustandes  des 
Landes  pünktlich  bezahlt  wurden.  1812  war  sie  auf  45  Mill.  gesunken 
und  1836  lag  ein  Ueberschuss  von  36  Mill.  im  Schatz,  von  dem  sogar 
ein  Theil  an  die  Staaten  vertheilt  ward.  1857  betrug  sie  27  Mill.  Aber 
in  Folge  des  Bürgerkrieges  erhob  sie  sich  1865  zu  dem  höchsten  Stande 
von  2783  Mill.  D.  Von  diesem  ist  sie  wieder  langsam  gesunken  und  am 
1.  Juli  1878  stand  sie  bei  2036  Mill.,  wovon  363  Mill.  Papiergeld.  -  -  Das 
Geld 2)  der  V.  St.  ist  auf  die  Einheit  des  Dollar  (4,197  R.M.)  gegründet. 


1)  1864/65  gab  es  geradezu  kein  Lebensbedürfniss,  ausser  Brot  und  Wasser, 
das  nicht   der  Besteuerung   unterworfen   war.     Folgende   Gegenstände    ergaben 

.  in  diesem  Jahre  mehr  als  ^ 2  Mill.  D. :  Geistige  Getränke  19  Mill.,  Tabak  11, 
Steinöl  3,  Zucker  und  Zuckerwaaren  2^/2,  Steinkohlen  0,8,  Leuchtgas  1,3,  Seife 
0,8,  Rohbaumwolle  1,7,  Baumwollwaaren  7,3,  Wollwaaren  8,  Leder  und  Leder- 
waaren 4,3,  Kautschukwaaren  0,6,  Kleider  und  Putzwaaren  7,  Schuhe  und 
Stiefel  3,  Papier  1,2,  Wagen  0,9,  Eisen  und  Stahl  9,  Glas  0,6,  Juwelen  0,6, 
verschiedene  Waaren  16.  Die  gesammten  Verbrauchssteuern  gaben  1863/64  75, 
1864/65  104  Mill.  D.  Ausserdem  ergab  noch  im  letzteren  Jahr  die  Steuer  auf 
den  Verkehr  8  ^'2,  die  Licenzen  für  Grosshandlungs-  und  Vermittelungsgeschäfte 
je  3V2,  für  Kleinhandlungen  3,8,  Luxussteuern  (Wagen,  Billards,  Silbergeschirr 
u.  dgl.)  0,8  Mill.  D.  Der  Gesammtertrag  der  inneren  Steuern,  sammt  Einkommen 
und  Erbsteuer,  bezifferte  sich  überhaupt  in  1863/64  auf  102,  in  1864/65  auf 
153  Mill.  D. 

2)  Das  Geld  der  V.  St.  drang  nur  spärlich  bis  an  die  Grenzen  der  Civili- 
sation  vor  und  der  Mangel  an  demselben  führte  zum  Tauschhandel  zurück. 
In  den  80  er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  war  z.  B.  der  Preis  der  Vermont 
Gazette  as  far  north  as  Branton  4  Bushel  Weizen  jährlich,  darüber  hinaus 
je  nach  der  Entfernung  steigend,  so  dass  er  in  Jericho  8  B.  betrug.  (F.  Hudson, 
Journalism   in  America  1873.   431.)     In  Missouri   verfügten  Anfangs   der  30  er 

"^  Jahre  Richter  die  Zahlung  von  Geldstrafen  in  Bärenfett  oder  Honig,  die  beide 
ganz  bestimmten  Werth  hatten.  —  Featherstonehaugh  gibt  folgende  Zusammen- 
stellung der  Münze,   die    ein   Ansiedler   in  Missouri  1834  50 D.   für  ein  Pferd 


XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  491 

Münzen  wurden  innerhalb  des  Gebietes  der  Union  schon  unter  englischer 
Herrschaft  geprägt,  aber  die  erste  selbständige  Regelung  des  Münzwesens 
erfolgte  durch  ein  Gesetz  von  1792.  Der  Dollar,  die  durch  die  Spanier 
überall  in  der  Neuen  Welt  verbreitete  Silberniünze  (Peso),  wurde  als 
Münzeinheit  erklärt  und  in  100  Cts.  getheilt;  der  Eagle  (Adler)  zu 
10  Dollars  wurde  als  Einheit  des  Goldgeldes  aufgestellt.  Nach  dem  Vor- 
gange Englands  wurde  als  Werthverhältniss  von  Gold  zu  Silber  15  zu  1 
aiigcnoninicn.  Silber  und  Gold  galten  anfangs  als  gleichberechtigt,  später 
entwickelte  sich  das  letztere  zunächst  ohne  gesetzliche  Bestimmung  von 
selbst  zur  Währung.  Was  die  Zusammensetzung  der  Münzen  anbelangt, 
80  bestehen  sowohl  die  Gold-  als  die  Silbermünzen  aus  Vio  reinem  Metall 
und  Vio  legirendem  Zusatz ;  der  letztere  besteht  bei  den  Goldmünzen  aus 
Silber  und  Kupfer,  bei  den  Silbermünzen  bloss  aus  Kupfer.  Aus  Gold 
prägte  man  nach  einem  Gesetze  von  1837  10,5  und  2V2  Dollarstücke,  aus 
Silber  1,  72,  Vio  und  V20  Dollar  und  wurden  damals  als  Goldgewicht  des 
10-Dollarstückes  258  und  als  Gewicht  des  Dollars  412  V2  Gran  festgesetzt. 
1849  wurde  ein  2-  und  1-Dollarstück  aus  Gold,  1853  ein  3-Dollarstück 
aus  Gold  und  V»  und  7-»  Dollar  aus  Silber  eingeführt.  In  dem  letzteren 
Jahre  wurde  auch  festgestellt,  dass  alle  Theilstücke  des  Dollars  fortan 
in  einem  niedrigeren  Gewicht  als  der  Dollar  selbst,  nämlich  zu  93,15  Proc. 
desselben  ausgeprägt  werden  sollten.  Kleine  Scheidemünze,  zu  1  und  2  Cts., 
war  früher  Kupfer,  seit  1857  verfertigte  man  sie  aus  einer  Kupfer-  und 
Nickellegirung,  1864  setzte  man  Bronze-  und  1865  neue  Nickelmünzen 
zu  3  Cts.  in  Umlauf.  Während  des  Bürgerkrieges  wurden  Massen  von 
Papiergeld  geschaffen,  deren  Einlösung  in  Gold  durch  das  Besumptlons- 
gesets  von  1875  verfügt  und  nach  harten  Kämpfen  am  1.  Januar  1879 
durchgeführt  ward.  Unterdessen  war  aber  das  bis  dahin  nur  als  Scheide- 
münze betrachtete  Silber  *)  wieder  zu  einer  höheren  Rolle  berufen  worden. 

zahlte :  „Um  Weihnachten  hat  er  15  Gallonen  Bar  Oil  (Bärenfett)  a  1  D.  und 
12  Rehfelle  zu  75  Cts.  abzuliefern ;  vorher  muss  er  mit  einem  Neger  nach  einem 
Orte  gehen,  wo  im  Frühling  junge  Pferde  zur  Weide  getrieben  wurden,  die  nun 
aufgesucht  und  heimgebracht  werden  sollen,  und  erhält  dafür  1  D.  den  Tag. 
Was  den  Rest  bestrifft,  „he  is  to  get  along  with  it  somehow  or  other"  (a.  a.  0. 
I.  339). 

1)  Hauptsächlich  in  Folge  der  Steigerung  des  Verhältnisses  von  Gold  zu 
Silber  im  Jahr  1837  auf  16  : 1  an  Stelle  desjenigen  von  15  V2 : 1,  welches  in  der 
übrigen  Welt  damals  und  später  galt,  floss  das  billig  gewordene  Silber  ab.  Die 
Goldmünzen  sollten  nun  das  einzige  Zahlungsmittel  bilden,  genügten  aber  nicht 
eher  als  bis  die  hochgesteigerten  Ausfuhren  der  europäischen  Hungerjahre  1846 
und  47  und  die  californischen  Goldfunde  grössere  Massen  dieses  Metalles  in  die 
V.  St.  brachten.  In  Folge  des  höheren  Preises,  der  dem  Golde  in  diesem  Lande 
beigelegt  wurde,  entwickelte  sich  praktisch  das  Gold  zur  Münze  des  ganzen 
Landes,  trotzdem  das  Silber  gesetzliches  Zahlungsmittel  blieb. 


492  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

1872  wurde  im  Repräsentantenhaus  ein  Gesetz  eingebracht,  das  die  Ent- 
münzung  des  Silbers  zum  Zwecke  hatte,  und  aus  ihr  ging  die  Demonetizing 
Act  von  1873  hervor,  welche  das  Silber  von  seinem  Range  als  gesetzliches 
Zahlungsmittel  vollständig  absetzte.  Man  schrieb  diese  Massregel  den 
Intlationistcn  zu,  welche  hofften,  das  Gold  in  derselben  Versenkung  ver- 
schwinden zu  lassen.  Dieselben  aber  riefen  nach  Silber  -  Dollars,  als 
der  Preisrückgang  dieses  Metalles  1875  den  Silber-Dollar  von  412  V2  Gran 
um  6  Proc.  entwerthet  hatte..  1876  wurde  die  Bland'sche  Silber-Bill  ein- 
gebracht, welche  bestimmte,  dass  „von  Zeit  zu  Zeit  in  den  V.  St. -Münz- 
stätten Silber-Dollars  im  Gewicht  von  4127«  Oran  reinen  Silbers  auf  den 
Dollar  nach  Gesetz  vom  18.  Januar  1837  geprägt  werden  und  dass 
dieselben  als  gesetzliches  Zahlungsmittel  für  alle  Schulden,  öffentliche  oder 
private,  gelten  sollen  mit  Ausnahme  derjenigen,  deren  Bezahlung  in  Gold 
festgesetzt  ist".  Ob  sich  die  Versicherung  der  Freunde  dieser  Massregel 
bewähren  wird,  dass  allein  der  grosse  Silberbedarf,  welcher  durch  dieselbe 
erzeugt  wird,  demselben  wieder  zu  einem  festen  Verhältniss  zum  Golde 
verhelfen  werde,  ist  einstweilen  eine  offene  Frage.  Für  jetzt  ist  die 
Silberprägung  nicht  über  50  Mill.  D.  ausgedehnt  worden.  Hauptmünzstätte 
ist  Philadelphia.  —  Die  Ordnung  der  Masse  und  Gewichte  ist 
ebenfalls  dem  Schatzamte  und  zwar  unmittelbar  dem  Vorstand  des  Coast 
Survey  zugewiesen.  Masse  und  Gewichte  sind  ursprünglich  die  englischen 
und  nur  in  kleinen  Einzelheiten  sind  einige  allmählich  von  denselben  ab- 
gewichen. Avoiräupois-Gemcht  ist  das  allgemeine  Gewicht.  1  Pfund  = 
16  Ounces  zu  16  Drachmes.  2000  Pfd.  =  20  Htmdrcdiveight  =  1  Ton^). 
Gold,  Silber  und  Edelsteine  werden  nach  I>-o^-Gewicht  gewogen :  1  Pfund 
=  12  Ounces  =  240  Fennyivcights  zu  24  Grains.  —  Die  Gallon  ist  die 
Einheit  des  Flüssigkeitsmasses.  1  Gallon  =  4  Quarts  =  8  Fints  = 
32  Gills,  1  Hogslieaä  (Oxhoft)  =  286,2  Lit.  —  Für  trockene  Gegenstände 
ist  die  Einheit  des  Hohlmasses  der  Bushel.  1  BusJiel  =  4  Pecks  =  32 
Quarts  =  64t  Pinfs.  Der  Rauminhalt  des  Bushel  ist  2150,4  Cub.-ZoU. — 
Das  Längenmass  ist  praktisch  dasselbe  wie  das  englische:  1  Statute  Mile 
=  8  Furlongs  =  1760  Yards  =z  5280  Feet.  6  Feet  sind  1  Fathom,  h'h 
Yards  1  Pole  oder  Bod.  Aber  durch  einen  Zufall  ist  das  amerikanische 
Normalmass,  das  in  London  angefertigt  wurde,  sehr  unbedeutend  länger  als 
das  englische,  dem  es  gleichen  sollte.  Der  Unterschied  beträgt  nicht  mehr 
als  0,00001769  m  auf  den  Fuss,  ist  also  praktisch  unmerklich,  aber  er  ist 
als  Eigenthümlichkeit  des  amerikanischen  Fusses  anerkannt.  —  Einheit  des 
Flächenmasses  ist  der  Acre.     640  Acres  =  1  Square  Mile  oder  1  Seetion. 


1)  Es  begreift  die  Ton  noch  wie  in  England  2240  Pfd.  und  der  Centner 
112  Pfd.  überall  bei  Angabe  von  Waarenpreisen  und  auch  allgemein  an  vielen 
Plätzen  des  S.  und  W.,  Philadelphia  u.  s.  f.  Eine  Ton  Heu  =  100  Cub.  F.,  1  T. 
Holz  =  40  C.  F.,  1  Register  Ton  =  100  C.  F.    Aber  in  der  Regel  versteht  man 


XlII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  493 

Ueber  die  Arbeiten  des  C  o  a  s  t  S  u  r  v  e  y  s.  u.  Cap.  XV.  1865  wurde  vom  Con- 
gress  der  Gebrauch  der  metrischen  Masse  und  Gewichte  gestattet,  die  seit- 
dem sogar  in  amtlichen  Anstalten  wie  z.  B.  dem  Marine  -  Hospital  eingeführt 
worden  sind.  —  Die  Abtheilung  für  Küstenbeleuchtung  zählte  1878 
an  den  Küsten  bzw.  Flüssen  der  V.  St.  660  Leuchtthürme,  630  Fluss- 
lichte, 22  Leuchtschiffe,  55  Dampf-Nebelsignale,  471  Banken  und  3002 
Bojen.  Diejenige  für  Rettung  Schiffbrüchiger  gibt  die  Zahl  von 
Schiffsunglücken  an  den  Küsten  der  V.  St.  in  1877/78  zu  169  an,  wobei 
390  Personen  und  1,1  Mill.  D.  Güter  gerettet  wurden.  —  Merkwürdiger- 
weise fällt  auch  die  Verwaltung  des  Territoriums  Alaska  dem  Schatz- 
amte zu.  Es  zog  aus  der  Verpachtung  des  Robbenschlages  1878/79 
317  000  D.  —  Der  Bericht  des  Finanzministers  für  1877/78  (1.  Juli  bis 
30.  Juni)  gibt  folgendes  Bild  der  Finanzlage  der  V.  St.:  Haupt  ein- 
nahmen: Zölle  130,2  Mill.  D.,  Bundessteuern  110,6,  Steuern  auf  Umlauf 
und  Einlagen  der  Nationalbanken  6,9,  Consulats-  und  Patentgebüliren 
2,1  ,  Zinszahlung  der  Pacificbahnen  1,4 ,  Prägungsgewinn  1,7,  Verkauf 
öffentlicher  Ländereien  1,1,  Strafgelder  1  Mill.  D.  Summe  der  Einnahmen 
257  763  879  D.  Hauptausgab en:  Zinsen  der  Schuld  102,5  MilL  D., 
Oeftentliche  Gebäude,  Leuchtthürme,  Steuererhebung  35,4,  Kriegswesen 
einschliesslich  Fluss-  und  Hafenverbesserungen  32,2,  Pensionen  27,1,  Flotte 
17,4,  Civilausgaben  16,6,  Indianer  4,6,  Auswärtige  Angelegenheiten  1,2. 
Summe  der  Ausgaben  236  964327  D.  Von  dem  Ueberschuss  von  20,8  Mill.  D. 
wurden  17  für  Papiergeld-Einlösung  verwandt.  Die  December  1878  ver- 
öffentlichten Voranschläge  nahmen  264,5  Mill.  in  Einnahme  vor  und 
275  Mill.  D.  in  Ausgabe  (davon  95  Mill.  für  Zinsen  und  39  für  den 
Tilguugsfond). 

D.  Das  Kriegsamt  hat  an  seiner  Spitze  den  Secretary  of  War, 
welcher  in  der  Regel  kein  Militär  ist.  Es  umfasst  folgende  Hauptstellen : 
Office  of  the  Commanding  General,  früher  in  Washington,  jetzt 
in  S.  Louis.  Office  of  the  Adjutant  General:  Musterrolle  der 
Armee,  Correspondeuz  mit  anderen  Verwaltungszweigen;  die  Verfügungen 
des  Kriegssekretärs  gehen  von  dieser  Stelle  aus.  Quartermaster 
Generals  Office:  Ausrüstung  und  Transport  der  Truppen.  Com- 
missary  Generals  Office:  Verpflegung.  Paymaster  Generals 
Office:  Löhnung.  Ordnance  Bureau:  Waffen  und  Munition. 
Engine ers  Office:   Landesvertheidigung,  Flussverbesserungen,  Militär- 


unter Ton  2000  Pfd.  Sehr  wechselnde  Masse  sindBale  für  Baumwolle  (333  bis 
504  Pfd.),  Barrel  als  Hohlmass  für  Mehl  196  Pfd.,  Reis  600  Pfd.,  Petroleum 
40  Gall.j  andere  Flüssigkeiten  30  Ciall.  Quintal  (span.  Centner)  =  101,4  e.  Pfd. 
Die  Verhältnisse  dieser  Einheiten  zu  den  unserigen  sind  die  bekannten :  1  Pfd. 
=  453,6  Gramm,  1  Gallon  =  4,04  Lit.,  1  Bushel  ^  36,35  Lit.,  1  Mile  =  1609,3  m 
=  0,205  g.  M.,  1  Fuss  =  0,305  m,  1  Acre  =  40,47  Aren. 


494  Xlll.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

Akademie  West  Point.  Surgeon  Generals  Office:  Militär-Medirinal- 
wesen.  Bureau  of  Military -Justice:  Militärgerichtsbarkeit.  Signal 
Office  s.  u.  S.  497. 

Die  Armee.     Die  Verfassung   der  V.  St.   enthält   folgende   Bestim- 
mungen über  die  Vertheidigung  des  Landes  und  die  Armee :  Abschn.  YIIL 
11.  Der  Congress  hat  die  Macht,  Krieg  zu  erklären.    12.  Armeen  auszu- 
heben und  zu  verpflegen ;  doch  soll  für  diesen  Zweck  keine  Geldbewilligung 
für    einen   längeren   Zeitraum    als   2   Jahre   gemacht  werden.      13.   Eine 
Kriegsflotte  zu   errichten   und   zu   unterhalten.      14.  Vorschriften  für  die 
Verwaltung  und  Disciplin  der  Land-  und  Seemacht  zu  machen.     15.  Vor- 
sorge zu  treffen  für  den  Aufruf  der  Miliz  zur  Ausführung  der  Gesetze  der 
Union,    zur  Unterdrückung  von  Aufständen  und  Abwehr  feindlicher  Ein- 
fälle.    16.  Vorsorge  zu  treffen  für  Organisation,  Bewaffnung  zur  Einübung 
der  Miliz,  sowie  für  die  Leitung  derjenigen  Theile  derselben,   welche  im 
Dienste  der  V.  St.  verwendet  werden;  wobei  jedoch  den  Einzelstaaten  das 
Recht  vorbehalten  bleibt,  die  Officiere  zu  ernennen  und  die  Einübung  der 
Miliz    nach    den  vom   Congress    vorgeschriebenen   Regeln   zu   vollziehen. 
Abschn.  X.     2.  Kein  Staat   soll  Truppen   oder  Kriegsschiffe   in  Friedens- 
zeiten halten  .  .  .  oder  sich  in  Krieg  einlassen,  ausgenommen  im  Fall  eines 
thatsächlichen  feindlichen   Einfalles,    oder  wenn   die  Gefahr  so  drohend 
ist,    dass    sie    keinen    Verzug    gestattet.      Art.  II   Abschn.  IL       1.  Der 
Präsident    soll   Oberbefehlshaber   der   Armee   und   der  Flotte   der  V.  St. 
sein,  sowie  der  Miliz  der  Einzelstaaten,  falls  dieselbe  zum  aktiven  Dienst 
der  V.  St.  berufen  wird.    In  den  Amendments  finden  sich  dann  noch 
folgende  Bestimmungen:     Am.  IL    Da  eine   gehörig  regulirte  Miliz   noth- 
wendig  für  die  Sicherheit  eines  freien  Staates  ist,  so  soll  kein  Eingriff'  in 
das  Recht  des  Volkes   statthaft  sein,  Waffen  zu   halten   und   zu  tragen. 
Am.  III.    Kein  Soldat  soll  in  Friedenszeiten  in  ein  Haus  ohne  Zustimmung 
des    Eigenthümers  einquartiert  werden  und    auch  nicht   in  Kriegszeiten, 
ausgenommen  in  einer  vom  Gesetz  vorgeschriebenen  Art  und  Weise.  — 
Unter    diesen    Bestimmungen   wurde    eine    stehende    Armee    behufs    der 
Grenzbewachung  geschaffen,  die  vorwiegend  in  demselben  Masse  gewachsen 
ist  als   die  Grenze   sich   ausgedehnt  hat.     Nach   dem   Frieden  von  1783 
wurden  als  stehendes  Heer  beibehalten  800  Mann;    1796  zählte  dasselbe 
3000,  1812  während  des  Krieges  mit  England  100000,  1821  6000,  1847  im 
Krieg  mit  Mexico  90000,  1860  15  800,  1861—65  im  Bürgerkrieg  höchster 
(wirklicher)  Bestand  über  600000,    1866   zum  Zweck  der  Reconstruktion 
50000,  1870  22081,  nach  dem  amtlichen  Bericht  des  Kriegsministers  vom 
15.  Oktober  1878    24761.     Bei   der  Nothwendigkeit ,    beständig  kleinere 
Abtheilungen    auch   in   den  Küstenbefestigungen   am   Atlantischen  Meere 
und   dem   Golfe,    sowie  in   den  Arsenalen,    Commandostellen  u.  dgl.   des 
Inneren  zu  haben,  genügt  die  jetzige  Zahl  nicht  einmal  zu  einer  wirksamen 
Grenzbewachung  und  jeder  Indianer-Krieg  liefert  immer  wieder  den  Beweis, 


XlII.     Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  495 

dass  nie  an  einem  Orte  die  genügende  Menge  von  Truppen  verfügbar  ist, 
wenn  man  ihrer  bedarf,  und  dass  immer  eine  übermässig  lange  Zeit  ver- 
geht, bis  man  so  viel  beisammen  hat  als  nöthig  ist,  um  einen  kräftigen 
Schlag  zu  führen.  Würden  die  Indianerstämme  nicht  schon  der  Mehrzahl 
nach  bis  zur  Feigheit  demoralisirt ,  uneinig  und  undisciplinirt  sein,  so 
wäre  die  Nothwendigkeit  einer  besseren  Grenzbewachung  längst  mit  noch 
viel  blutigerer  Schrift  der  Regierung  der  V.  St.  vorgezeichnet  worden,  als 
es  ohnehin  geschehen  ist.  Man  rechnet  aber  auf  die  Heruntergekommen- 
heit der  Indianer  und  auf  ihr  allmähliches  Zurückgehen  an  Zahl  und 
räumlicher  Ausbreitung  und  lässt  sich  durch  kleine  Striche  durch  diese 
Rechnung,  wie  sie  fast  jeder  Sommer  in  einem  Modoc-,  Sioux-  oder  Apache- 
Krieg  bringt,  der  dann  in  der  Regel  mit  einer  Niederlage  der  ungenügenden 
und  exponirten  Truppen  beginnt,  nicht  irre  machen.  Wie  schwer  auch 
die  Armee  diese  Stellung  empfinden  mag,  die  ihr  die  herkömmliche  Eifer- 
sucht eines  republikanischen  Volkes  bereitet,  und  wie  laut  die  Klagen  so 
verdienter  Männer  wie  Sherman's,  auf  die  man  in  anderen  Fragen  mit  der 
gespanntesten  Aufmerksamkeit  hören  würde,  über  dieselbe  auch  seien, 
man  ist  in  den  Kreisen  der  Politiker  und  der  Presse  dem  Gedanken  einer 
erheblichen  Vermehrung  des  stehenden  Heeres  erst  von  dem  Augenblicke 
an  nähergetreten,  wo  die  blutigen  Strike-Aufstände  des  vergangenen  Jahres 
die  Unfähigkeit  der  Milizen  zur  raschen  Bewältigung  eines  Angriffes  oder 
Aufstandes  klar  erkennen  Hessen.  Damals  erörterte  man  eingehend  in 
der  einsichtigeren  Presse  die  Nothwendigkeit  eines  grösseren  stehenden 
Heeres,  die  man  aber  heute  wahrscheinlich  schon  wieder  vergessen  hat. 
Dieses  stehende  Heer  ergänzt  sich  durch  Werbung,  was  bei  den  gesell- 
schaftlichen und  wirthschaftlichen  Verhältnissen  der  Union  besagen  will, 
dass  es  aus  einer  Mehrzahl  von  Taugenichtsen  besteht.  Der  Soldat  vom 
Officier  abwärts  nimmt  eine  der  wenigst  geachteten  Stellungen  ein  und 
selbst  auf  die  Officiere,  die  grossentheils  guten  Familien  entstammen  und 
oine  vorzügliche  Bildung  erhalten,  fällt  ein,  wenn  auch  leiser,  Schatten 
dieser  republikanischen  Missachtung  des  Waffenhandwerks.  Man  betrachtet 
das  stehende  Heer  als  eine  unangenehme  Nothwendigkeit  und  hat  es  in 
der  That  mit  der  Zeit  fast  zu  nichts  anderem  als  einer  Indianer  -  Polizei 
herabgedrückt.  Selbst  im  Kriege  sollte  es  hinter  den  aus  der  Volks- 
bewaffnung hervorgehenden  Truppenkörpern  zurücktreten,  statt  ihnen  als 
Kern  zu  dienen.  Die  Gewalt  der  Thatsachen  lässt  aber  freilich  diesen 
Widersinn  im  Ernstfalle  nicht  zu  vollem  Durchbruch  kommen.  Aber  selbst 
ihre  Friedensarbeit  sollte  dieser  kleinen  Legion,  meint  man,  zu  einer 
besseren  Schätzung  verhelfen.  Hören  wir  ihren  obersten  Befehlshaber, 
General  W.  T.  Sherman,  der  in  einem  Berichte  vom  September  1876  an 
den  Secretary  of  War  J.  D.  Cameron  folgendes  Bild  von  der  Thätigkeit 
der  Armee  der  V.  St.  entwirft:  „Es  ist  ein  sehr  verbreitetes  populäres 
Vorurtheil,  sagt  er,  dass  eine  Armee  in  Friedenszeiten  aus  Nothwendig- 


496  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

kcit  faulenzt,  und  einflussreiclie  Familien  streben  aus  diesem  Grunde  ihre 
Söhne  und  Verwandten  vom  Eintritt  in  dieselbe  abzuhalten.  Keine  Armee 
verrichtet  mehr  wirklich  harte  Arbeit  im  Krieg  wie  die  unsere  es  im 
Frieden  thut.  Sie  baut  Forts  und  Wachthäuser  entlang  unserer  beständig 
wechselnden  Grenzen,  baut  Strassen  von  Hunderten  und  Tausenden  von 
Meilen  Länge,  hat  Transporte  und  Erforschungs- Expeditionen  zu  be- 
gleiten, welche  ihren  Abtheilungen  Märsche  von  Tausenden  von  Meilen 
auferlegt.  Dazu  kommen  noch  besondere  Gründe,  von  denen  ich  die 
folgenden  nennen  will:  Die  Kriegs- Akademie  zieht  jederzeit  30  Officiere 
aus  den  Regimentern ;  das  Gesetz  ermächtigt  die  (Civil-)  Universitäten  zu 
ebensoviel;  das  Rekrutirungsgeschäft  erfordert  40;  daneben  gibt  es  Kriegs- 
gerichte, Erforschungs-  und  Vermessungs-Commissionen,  Commissionen  zur 
Prüfung  neuer  Waffen  und  Ausrüstungsgegenstände ,  Centennial-Boards  *) 
u.  s.  f.  Gegenwärtig  sind  335  Officiere  auf  diese  Weise  fern  von  ihren 
Abtheilungen  und  ausserdem  noch  viel  mehr,  die  Urlaub  von  ihren  Vor- 
gesetzten erhalten  haben."  Die  gegenwärtige  Organisation  der  Armee  ist 
folgende :  Es  bestehen  25  Infanterie-Regimenter,  wovon  23  aus  weissen  und 
2  aus  schwarzen  Soldaten  gebildet  sind.  Jedes  Regiment  hat  10  Compagnien, 
deren  Sollstärke  60,  deren  thatsächliche  Stärke  aber  40  —  50  beträgt. 
Diese  Regimenter  sind  in  der  Regel  compagnienweise  in  die  Forts  und 
grösseren  Plätze  des  W.  und  S.  gelegt  und  auf  diese  Weise  so  zersplittert, 
dass  an  Uebungen  in  grösseren  taktischen  Körpern  nicht  gedacht  werden 
kann.  Die  Compagnien  eines  Regimentes  kommen  oft  jahrelang  nicht  zu- 
sammen*). Die  Reiterei  besteht  aus  8  weissen  und  2  schwarzen  Re- 
gimentern zu  je  12  Compagnien,  deren  jede  40  —  50  Mann  stark  ist,  und 
die  womöglich  noch  mehr  zerstreut  ist  als  die  Infanterie.  An  Artillerie 
gibt  es  5  Regimenter  zu  12  Compagnien  mit  60—70  Mann,  die  als 
Infanterie  ausgebildet  sind  und  sehr  häufig  auch  als  solche  Verwendung 
finden.  Nur  1  Compagnie  p.  Regiment  hat  bespannte  Geschütze,  4  an 
der  Zahl,  mit  70  Pferden,  und  deren  Stärke  beträgt  gewöhnlich  80  Mann. 
Die  übrigen  Compagnien  sind  in  den  Forts  an  den  Grenzen,  3  an  der 
atlantischen,  1  an  der  pacifischen  und  1  an  der  Nordgrenze  vertheilt. 
Von  dem  Ingenieur  -  Bataillon  von  etwa  350  Mann  und  100  Officieren 
sind  4  Compagnien  bei  New  York  stationirt,  w^o  sie  ausser  ihren  technischen 
Dienstzweigen  besonders  das  Torpedo -Wesen  üben,  während  die  5.  der 
Militär  -Akademie  von  West  Point   zugetheilt  ist.     Von  den  Officieren  ist 


1)  Anspielung  auf  die  Inanspruchnahme  der  Armee  durch  das  im  Jahr  1876 
gefeierte  Fest  des  100  jährigen  Bestandes  der  Union. 

2)  Im  Sommer  1877  war  z.  B.  das  3.  Infanterie-Regiment  längs  der  ganzen 
Kansas  Pacific  E,  B.  in  der  Weise  vertheilt,  dass  die  einzelnen  Abtliei hingen 
oft  mehr  als  50  Kil.  von  einander  entfernt  waren.  Aehnlich  stand  des  1.  Regi- 
ment in  einem  langen  Cordon  an  der  Nordgrenze  über  mehrere  100  Q.  M.  zerstreut. 


XIII.     Der  Staat,     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  497 

die  Mehrzahl  bei  Hafen-  und  Flussbauten,  sowie  bei  Vermessungen  be- 
schäftigt. —  Die  Bewaffnung  der  Infanterie  besteht  aus  Springfield- 
Gewehren  mit  metallenen  Centralf  euer  -  Patronen,  ausserdem  bei  einem 
Theil  aus  dem  dreikantigen,  bei  einem  anderen  aus  dem  Spaten-Bajonett, 
welches  letztere  auch  zum  Holz-  und  Strauchfällen  benützt  werden  kann. 
Die  Cavallerie  hat  krumme  Säbel,  Springfield-Carabiner  und  Colt-Revolver. 
Die  Feldgeschütze  sind  10  und  20  pfundige  vorderladende  Parott-Kanonen. 
Unter  den  Festungsgeschützen  sind  sehr  verschiedene  Construktionen  und 
Kaliber,  vorwiegend  gezogene  Kanonen  mittleren  Kalibers  vertreten.  Das 
schwerste  Geschütz  ist  gegenwärtig  das  20  zöllige  Rodman-Geschütz,  das 
mit  200  Pfd.  Ladung  eine  1080  Pfd.  schwere  Granate  schiesst.  —  Eine 
merkwürdige  Specialtruppe  ist  das  Signal-Corps,  etwa  400  Mann 
stark,  eine  Art  erweiterten  Telegraphen -Bataillons,  das  im  Bürgerkrieg 
behufs  des  Signaldienstes  gebildet  wurde  und  auch  heute  noch  in 
Ft.  Whipple  bei  Washington  in  diesem ,  wie  im  Telegraphendienst  geübt 
wird.  Die  grösste  Zahl  ist  aber  in  den  147  meteorologischen  Stationen  ^ 
des  Landes  vertheilt,  denen  der  Chef  des  Signal -Corps  als  Chief  of 
the  Signal  Department  vorgesetzt  ist.  Das  Wetteramt  (Signal  Department) 
steht  unter  einem  Brigade -General,  dem  zu  seiner  Hülfe  18  Officiere 
von  der  Armee  beigegeben  werden.  Es  ist  nur  aus  der  zufälligen 
Ursache,  dass  früher  beim  Mangel  anderer  zuverlässiger  Beobachter  es 
die  Officiere,  besonders  bei  den  Grenzabtheilungen  waren,  welche  die 
Witterungsbeobachtungen  anstellten,  dass  man  diesen  hervorragend  fried- 
lichen Beruf  des  Wetterbeobachters  und  des  Wetterprophezeiers  der 
Armee  überweisen  musste.  Uebrigens  wird  diese  Verbindung  als  eine 
wenig  natürliche  besonders  von  der  Armee  empfunden,  der  sie  werthvolle 
Kräfte  entzieht.  Die  Länge  der  Militär  -  Telegraphenlinien  betrug  Ende 
1878  3200  e.  M.  Grössere  taktische  Abtheilungen,  zu  denen  diese  ver- 
schiedenen Truppengattungen  zusammengefasst  würden,  gibt  es  bei  dem 
zersplitternden  Berufe  und  der  aus  demselben  folgenden  Vertheilung  der- 
selben nicht ;  doch  sind  sie  in  drei  Territorial-Divisionen  (Missouri,  Atlan- 
tischer und  Stiller  Ocean)  eingeordnet.  —  Ihre  Unterkunft  findet  die  Armee 
derV.  St.  fast  ausschliesslich  in  den  Forts  und  Küstenbefestigungen. 
Die  letzteren  sind  an  den  Eingängen  aller  wichtigeren  Häfen  und  Fluss- 
mündungen angebracht  und  bestehen  vorwiegend  aus  Erdbatterien  mit 
Hohltraversen  und  Magazinen.  Die  Forts  sind  grössere  oder  kleinere 
Blockhäuser,  welche  fest  genug  gebaut  sind ,  um  etwaigen  Angriffen  der 
Indianer  Trotz  zu  bieten;  natürlich  gehört  dazu  nicht  viel  und  ausser 
Palisaden,  Gräben  und  Erdaufwürfen  findet  man  deshalb  nichts  von  Be- 
festigungen um  dieselben;  sie  machen  im  Gegentheil  gewöhnlich  nur  den 
Eindruck  von  recht  geräumigen  Baracken  mit  solider,  flintenkugelsicherer 
Holz- Architektur. 

Ratze  1,  Amerika.  II.  o« 


498  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

Von  Militär-Bildungsanstalten  sind  die  Military  Aeademy  in 
West  Point,  die  Ingenieur- Schule  in  Willets  Point  und  die  Artillerie-Schule 
in  Monroe  zu  nennen.  Virginien  unterhält  ausserdem  auf  seine  eigenen 
Kosten  ein  militärisches  Erziehungsinstitut,  eine  Art  von  militärischem 
Gymnasium,  in  Lexington  Va.  West  Point,  im  Jahr  1809  gegründet, 
ist  eine  Bildungsanstalt  nach  Art  der  besseren  Colleges;  es  wird  auf 
allgemeine  Ausbildung  und  auf  Unterricht  in  den  Hülfswissenschaften  der 
Kriegskunst  mehr  Betonung  gelegt  als  auf  die  Einführung  in  das  Tech- 
nische des  militärischen  Dienstes.  „Der  Cadett  soll,  wie  ein  älterer 
Prüfungsbericht  sich  ausspricht,  so  erzogen  werden,  dass  er  Liebe  und 
Geschmack  gewinnt  für  alle  freien  Studien  und  dass  ihn  der  Wunsch 
durchdringt,  jeden  Augenblick  der  Müsse  zu  benützen  für  die  Veredlung 
seines  Geistes  und  die  Verbreitung  einer  höheren  Bildung."  Man  findet 
diesem  Grundsatze  entsprechend  ausser  Kriegswissenschaften,  Taktik  und 
Geschützkunde,  Allgemeine  Naturlehre,  Mathematik,  Physik,  Chemie, 
Geologie,  Mineralogie,  Sittenlehre,  Neuere  Sprache  unter  den  Lehrgegen- 
ständen aufgezählt,  und  nicht  bloss  Officiere,  sondern  eine  ganze  Anzahl 
hervorragender  Naturforscher,  Ingenieure  u.  a.  sind  aus  dieser  Schule 
hervorgegangen. 

Das  Milizheer  der  V.  St.  wurde  im  amtlichen  Berichte  von  1877 
auf  3  734693  Mann  angegeben.  Dieselbe  ist  nur  zum  kleinsten  Theile 
organisirt.  Man  zählt  allerdings  in  der  Miliz  127  Generale,  1017  General- 
stabsofficiere ,  1240  Stabsofficiere ,  4460  Compagnieofficiere ,  aber  nur 
86  853  Unterofficiere  und  Gemeine.  Dabei  befindet  sich  unter  den  letzteren 
noch  eine  unverhältnissmässig  grosse  Zahl  von  Musikanten,  so  dass 
höchstens  12  Mann  auf  1  Officier  kommen.  Das  Milizwesen  dient  mehr 
zum  Zeitvertreib  als  zum  ernsten  Zwecke.  Aus  den  obigen  Zahlen  ist  auch 
kein  anderer  Schluss  zu  ziehen,  als  dass  so  stark  die  Zahl  der  Waffen- 
fähigen im  Lande  ist.  Indem  sich  die  Miliz,  mit  Ausnahme  der  californi- 
schen,  ganz  lossagt  von  dem  stehenden  Heere,  fehlt  ihr  jeder  militärische 
Halt,  und  Ernst  und  Präcision  ihrer  Hebungen  stehen  sogar  hinter  denen 
unserer  deutschen  Bürgerwehren  1848  er  Angedenkens  zurück.  Uniform 
und  Bewaffnung  sind  ganz  willkürlich,  die  Officiere,  welche  von  der  Mann- 
schaft gewählt  werden,  ohne  gründliche  Autorität.  Gerade  in  den  Fällen, 
wo  diese  freiwilligen  Bürgerwehren  einzig  etwas  leisten  könnten,  wie  z.  B. 
bei  Volksunruhen,  wie  den  Eisenbahnstrikes  von  1877  in  Pittsburg  und 
Baltimore,  haben  sie  sich  mehrmals  nicht  zuverlässig  gezeigt. 

E.  Das  Marineamt  (Navy  Department).  An  der  Spitze  dieses 
Amtes  steht  der  Secretary  of  the  Navy,  der  in  der  Regel  kein  Seemann 
ist.  Die  Hauptstellen  sind  ähnlich  wie  im  Kriegsamt  vertheilt.  Bemerkens- 
werth  ist  jedoch  dsis  Bureau  of  Navigation,  unter  welchem  das  Astronomi- 
sche Observatorium  von  Washington,    das   Hydrographische  Bureau,    die 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  499 

Naval  Academy  (in  Annapolis  Md.)  stehen  und  welchem  die  Lieferung 
von  Karten  und  Chronometern,  die  Herausgabe  des  Nautical  Almanac 
u.  ähnl.  obliegt.  —  Die  Kriegsflotte  der  V.  St.  ist  seit  dem  Bürger- 
krieg, wo  sie  eine  so  hervorragende,  ehrenvolle  Rolle  spielte,  auf- 
fallend vernachlässigt  worden.  Theils  das  Sparsystem,  theils  Unent- 
schiedenheit  über  die  Richtung,  in  der  fortgeschritten  werden  sollte,  sind 
davon  die  Ursachen.  Der  Präsident  sagte  in  seiner  Botschaft  an  den 
Congress  vom  15.  December  1876:  „Es  ist  natürlich  nicht  möglich,  mit 
dem  alten  Material  unserer  Marine  die  kostspieligen  Fortschritte  der 
grossen  europäischen  Mächte  nachzuahmen;  seit  dem  Bürgerkriege  ist 
unsere  Flotte  zu  keinem  Zuwachse  ermächtigt  worden,  mit  Ausnahme  von 
8  kleinen  Kreuzern,  die  an  Stelle  von  ausrangirten  Schiffen  traten.  In- 
dessen ist  eine  Anzahl  unserer  alten  Schiffe  mit  dauerhaften  Materialen 
erneuert  und  die  Monitor-Flotte  ausgebessert  worden,  so  dass  unsere  Flotte 
jetzt  in  einer  schlagfertigeren  Verfassung  sich  befindet  als  jemals  seit  dem 
Bürgerkriege,  wenn  sie  auch  die  ihr  gehörige  Stellung  unter  den  grossen 
Flotten  der  Welt  noch  nicht  einnimmt.  December  1878  gab  der  Marine- 
minister einen  Bestand  von  33  dienstfähigen  Schiffen  an  und  dieser  sollte 
bloss  durch  Ausbesserung  1879  auf  47  Dampfer  und  5  Segelschiffe  erhöht 
werden.  Dazu  kommen  im  Nothfall  14  Monitors.  Die  Gesammtstärke 
könnte  in  Kürze  auf  83  Schiffe  erhöht  werden.  1  Thurmschiff  und 
4  Doppelthurmschiffe  sind  im  Bau.  Dagegen  sind  35  noch  in  den  Listen 
geführte  Schiffe  unbrauchbar.  Die  bleibenden  Stationen  der  in  Dienst 
befindlichen  Schiffe  sind  folgende  mit  den  Durchschnittszahlen  der  dazu 
gehörigen  Schiffe:  Nord  atlantische  11,  Südatlantische  3,  Europäische  6, 
Asiatische  11,  Nordpacifische  5,  Südpacifische  5.  —  Der  Voranschlag  des 
Flottenbudgets  für  1878/79  betrug  14,6  Mill.  D.  *).  —  Die  Anstalten  zur 
Küsten-Vertheidigung  sind  nach  dem  Bürgerkrieg  durchaus  neu 
gestaltet  worden,  wie  es  ganz  natürlich  durch  die  Anwendung  gepanzerter 
Schiffe  und  entsprechend  schwerer  Geschütze  bedingt  war.  Die  in  dieser 
Richtung  angestellten  Versuche  wurden  1869  abgeschlossen.  In  dem 
gleichen  Jahre  wurde  von  dem  41.  Congress  ein  neues  System  gutgeheissen, 
welches  sich  auf  schwere  Barbette-Erdbatterien  mit  Parados  and  Traverses, 
schwere   Mörser -Batterien  und   elektrische  Torpedos   stützt.     Nach  dem 


1)  Die  Leistungen  der  Flotte  in  den  Seekriegen  der  V.  St.  gehören  zu  den 
glänzendsten  Punkten  in  der  Geschichte  der  letzteren.  In  dem  Kriege  von 
1812/13  machte  sie  sich  sogar  den  Engländern  gefürchtet.  Unerreicht  steht 
aber  auch  die  Neuschaffung  einer  Kriegsflotte  für  den  Bürgerkrieg  da.  1864 
hatten  die  Nordstaaten  671  Schiffe  mit  Va  Mill.  T.  und  4610  Geschütze:  fast^ 
alles  aus  dem  Nichts  geschaffen.  Es  wurden  von  dieser  Seite  1506  feindliche 
Schiffe  weggenommen. 

32* 


500 


XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 


letzten  ausführlichen  Bericht  des  Chief  of  Engeneers  ^)  vom  21.  Oktober 
1876  waren  in  diesem  Zeitpunkt  diese  Werke  überall  in  Angriff  genommen, 
aber  nirgends  vollständig  fertiggestellt.  Am  meisten  fehlte  es  an  genügend 
schweren  und  weittragenden  Geschützen.  Das  schwerste  Geschütz,  von 
dem  etwa  325  in  den  verschiedenen  Küstenbefestigungen  zerstreut  sind, 
ist  der  glatte  15-Zöller  von  über  25  T.  Gewicht,  welcher  gegen  die 
9  — 14  zölligen  Geschütze  der  heutigen  Panzerschiffe  nicht  aufkommt. 

IV.  Die  Einzelstaaten.  Zu  den  13  alten  Staaten,  die  die 
Unabhängigkeits-Erklärung  unterzeichnet  hatten  (die  4  Neuengland- 
Staaten  Massachusetts,  New  Hampshire,  Connecticut, 
Rhode  Island,  die  4  Mittelstaaten  New  York,  New  Jersey, 
Pennsylvanien,  Delaware  und  die  5  Südstaaten  Maryland, 
Virginia,  N.  Carolina,  S.  Carolina^  Georgia)  sind  bis 
heute  23  weitere  in  folgender  Reihenfolge  gekommen:  Vermont 
1791,  Kentucky  1792,  Tennessee  1796,  Ohio  1802,  Loui- 
siana 1812,  Indiana  1816,  Mississippi  1817,  Illinois  1818, 
Alabama  1819,  Maine  und  Missouri  1820,  Michigan  1837, 
Florida  und  Texas  1845,  Arkansas  und  Iowa  1846, 
Wisconsin  1848,  Californien  1850,  Minnesota  und  Kan- 
sas 1858,  Oregon  1859,  W.Virginien  1863,  Nevada  1864, 
Nebraska  1868,  Colorado  1877.  Dazu  kommen  als  Terri- 
torien: Neu -Mexico,  Utah,  Indian  Terr.,  Alaska, 
Washington,  Montana,  Idaho,  Dakota,  Arizona,  Wyo- 
ming; ferner  der  District  of  Columbia.  Der  Flächeninhalt 
der  Staaten  beträgt  2088  967,  der  der  Territorien  1514917  e.  Q.M. 
Die  Bevölkerung  war  1870  in  jenen  38205598,  in  diesen  720000. 
Folgende  Tabelle  zeigt  Flächeninhalt  und  Bevölkerung  der  Staaten, 
letztere  nach  der  1870  er  Zählung. 

Staaten  und  Territorien  der  V.  St.  von  Nord-Amerika. 


D.  Q.M. 

Bevölkerung 
(1870) 

Jahr  der 
Colonisation 
bzw.  Auf- 
nahme 

D.   Q.M. 

Bevölkerung 
(1870) 

Jahr  der     ! 
Colonisation 
hzw.  Auf-   1 
nähme 

Maine   .... 

New  Hampshire . 
Vermont    .    .    . 

1  646 
436 
480 

626  915 
318  300 
330  551 

1820 
1623 
1791 

Massachusetts  . 
Rhode  Island    . 
Connecticut .    . 

367 
61 

223 

1  457  351 
217  353 
537  454 

1620 
1636 
1635 

1)  Report  of  the  Secretary  of  War.  2.  Session,  44.  Congress.  Vol.  II.  3  Bde 
Washington  1877. 


XIII.    Der  Staat.    Die  (jemeinden.    Das  politische  Leben. 


501 


D.  Q.M. 

Bevölkerung 
(1870) 

Jahr  der 
Colonisation 
bzw.  Auf- 
nahme 

D.  Q.M. 

Bevölkerung 
(1870) 

Jahr  der 
Colonisation 
bzw.  Auf- 
nahme 

New  York  .  .    . 

2  211 

4  382  759 

1624 

Missouri  .    .    . 

3  073 

1  721  295 

1820 

New  Jersey 

391 

906  096 

1665 

Iowa    .... 

2  589 

1  194  020 

1846 

Pennsylvani 

i 

2  164 

3  521  951 

1681 

Wisconsin    .    . 

2  536 

1  054  670 

1848 

Delaware 

100 

125  015 

1638 

Minnesota    .    . 

3  929 

439  706 

1858 

Maryland 

523 

780  894 

1634 

Kansas     .    .    . 

3  825 

364  399 

1858 

Virginia  . 

1  920 

1  225  163 

1608 

Nebraska.     .     . 

3  618 

122  993 

1868 

N.  Carolina 

2  386 

1  071  361 

1665 

Colorado  .    .    . 

4  917 

39  864 

1877 

S.  Carolina 

1  600 

705  606 

1660 

Nevada     .    .    . 

4  019 

42  491 

1864 

Georgia    . 

2  728 

1  184  109 

1733 

California    .     . 

8  889 

560  247 

1850- 

Florida    . 

,2  795 

187  748 

1845 

Oregon     ... 

4  769 

90  923 

1859 

Alabama  . 

2  386 

996  992 

1819 

Distr.  Columbia 

3 

131  700 

1790 

Mississippi 

2  224 

827  922 

1817 

Indianer  Terr.  . 

3  338 

68  152 

1835 

Louisiana 

1  945 

726  915 

1812 

Dakota     .     .    . 

11  353 

14  181 

1861 

Texas  .    . 

12  931 

818  579 

1845 

Neu-Mexico.    . 

5  700 

91  874 

1850 

Arkansas . 

2  462 

484  471 

1846 

Arizona    .     .     . 

5  360 

9  658 

1863 

Ohio    .    .    , 

1880 

2  665  260 

1802 

Wyoming      .    . 

4  606 

9  118 

1865 

Indiana    ,     . 

1590 

1  680  637 

1816 

Idaho  .... 

4  060 

14  999 

1863 

Michigan.    . 

2  655 

1  184  059 

1837 

Montana  .    .    . 

6  766 

20  595 

1865 

Illinois     .    . 

2  606 

2  539  891 

1818 

Utah    .... 

3  975 

86  786 

1850 

W.  Virginia . 

1082 

442  014 

1863 

Washington.    . 

3  152 

23  955 

1853 

Kentucky     . 

1772 

1  321  011 

1792 

Alaska     .    .    . 

22  715 

70  461 

1867 

Tennessee     . 

2  145 

1  258  520 

1796 

In  politischer  Beziehung  ist  die  Bevölkerungszahl  der  Staaten 
in  erster  Linie  wichtig,  weil  dieselbe  die  Grösse  der  Repräsentation 
derselben  im  Congress  und  bei  den  Präsidentenwahlen,  also  über- 
haupt ihren  unmittelbaren  politischen  Einfluss  bestimmt.  Durch 
Gesetz  von  1862  wurde  die  Zahl  der  Repräsentanten  der  Staaten  auf 
241  festgesetzt.  1850  war  dieselbe  zu  233  bestimmt  und  zugleich  die 
Methode  der  Zutheilung  derselben  an  die  Staaten  angegeben  worden : 
Die  Bevölkerung  der  V.  St.  soll  durch  233  getheilt  und  die  so  ge- 
wonnene Zahl  als  Grundlage  für  die  Bildung  der  Congressdi strikte  in 
der  Weise  genommen  werden,  dass  die  Bevölkerung  der  Staaten  durch 
sie  getheilt  wird.  Der  Quotient  ist  die  Zahl  ihrer  Repräsentanten. 
Der  Verlust  durch  Reste,  die  bei  dieser  Theilung  bleiben,  soll  aus- 
geglichen werden,  indem  man  den  Staaten  mit  den  grössten  Resten 
je  1  Repräsentanten  mehr  gibt,  bis  die  Zahl  233  voll  ist.  Nach 
der  Vertheilung  von  1862  ergab  der  1870  er  Census  folgende  Zahlen 
der  Repräsentanten  für  jeden  einzelnen  Staat :  New  York  28,  Penn- 
sylvania 22,  Ohio  17,  Illinois  16,  Indiana,  Missouri  je  11,  Massa- 
chusetts 9,   Kentucky,  Tennessee  und  Virginia  je  8,  Georgia,  Iowa, 


502  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

Michigan,  N.  Carolina,  Wisconsin  je  7,  Alabama,  New  Jersey  je  6, 
Louisiana,  Maryland,  Mississippi,  Texas  je  5,  California,  Maine, 
S.  Carolina  je  4,  Arkansas,  Connecticut,  Minnesota,  W.  Virginia  je  3, 
Kansas,  New  Hampshire,  Vermont  je  2,  Delaware,  Florida,  Nebraska, 
Nevada,  Oregon,  Rhode  Island  je  1.  Nach  den  historischen  Gruppen 
(s.  u.  S.  503)  stellt  sich  das  Verhältniss  folgendermassen :  Neu- 
england 21,  Atlantische  Mittelstaaten  57,  Mittelstaaten  des  Inneren  85, 
N.  Südstaaten  39,  Südstaaten  (Baumwollenstaaten)  33,  Staaten  der 
pacifischen  Hälfte  6  ^).  Von  diesen  Stimmen  fallen  auf  die  13  alten 
Staaten  heute  geradeaus  103  und  auf  die  Staaten,  die  1860/65 
den  Sonderbund  bildeten,  59,  auf  die  Staaten  diesseits  des  Missis- 
sippi 206  und  die  jenseits  desselben  35.  —  Ein  Theil  der  Staaten 
ist  aus  Gebieten  entstanden,  die  früher  den  älteren  Staaten  gehörten, 
so  Maine  aus  Massachusetts,  Vermont  aus  einem  zwischen  New 
York  und  Connecticut  strittigen  Gebiete.  Das  Gebiet  zwischen 
Ohio,  Mississippi  und  Nordgrenze  der  V.  St.,  das  spätere  Ohio, 
Indiana  und  Illinois,  wurde  ganz  oder  zum  Theil  von  Virginien, 
Massachusetts,  Connecticut  und  New  York  beansprucht.  Indem 
diese  4  Staaten  ihre  Rechte  an  die  V.  St.  abtraten ,  behielten  sie 
sich  gewisse  Strecken  zur  Ablohnung  von  Milizen  u.  dgl.  vor.  Diese 
Reservationen  sind  in  der  Besiedelungsgeschichte  der  V.  St.  von 
praktischer  Bedeutung  geworden,  indem  sie  in  der  Regel  die  un- 
mittelbaren Zielpunkte  der  Auswanderung  aus  den  betreffenden 
Staaten  und  damit  die  Kerne  neuer  Staaten  bildeten.  So  z.  B.  ein 
Gebiet  am  Südrand  des  Erie-Sees,  welches  Connecticut,  und  ein 
anderes  zwischen  Scioto  und  Little  Miami,  das  Virginien  beanspruchte. 
Ebenfalls  Nord-Carolina  hat  an  die  V.  St.  ein  grosses  Gebiet  ab- 
getreten, nämlich  den  Strich  w.  der  Alleghanies  zwischen  36  V2  und 
35^  n.  Br.,  welcher  in  seinem  Charter  ihm  zugewiesen  war.  Aus 
demselben  entstand  der  Staat  Tennessee.  Kentucky  war  von  Virginien 
beansprucht  worden.  Ferner  wurden  aus  den  Gebieten  s.  vom  35.^ 
n.  Br.,  welche  Süd-Carolina  und  Georgia  abtraten,  das  Mississippi- 
Territorium  zwischen  35  und  31^  n.  Br.  gegründet.  1803  wurde 
dann  dieses   Gebiet   in  die  zwei   Theile   Alabama   und  Mississippi, 


1)  Zu  den  letzteren  ist  1877  Colorado  gekommen,    so  dass  es  jetzt  7  sind. 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  503 

die  späteren  Staaten,  zerlegt.  Die  Territorien  w.  vom  Mississippi 
sind  aus  den  Gebieten  hervorgegangen,  welche  durch  den  Kauf 
Louisianas.,  die  Aufnahme  von  Texas  und  die  Erwerbung  der  n.  Ge- 
biete von  Neuspanien  an  die  V.  St.  kamen.  Historisch  sind  eigent- 
lich nur  ihre  Namen,  ihre  Grenzen  dagegen  durchaus  willkürlich. 
Waren  doch  die  von  den  Spaniern  hier  unterschiedenen  Gebiete 
nach  binnen  zu  ganz  unbestimmt.  Nur  der  Staat  Californien  fällt 
mit  dem  geschichtlichen  Begriff  AUa  California  zusammen.  Uebrigens 
waren  die  geometrisch  regelmässigen  Grenzlinien  schon  bei  den 
Staaten  ö.  des  Mississippi  beliebt.  Selbst  von  den  alten  13  Staaten 
hat  keiner  eigentlich  natürliche  Grenzen.  Natürlich !  Wurden  doch 
schon  die  ersten  Landverleihungen  der  Krone  nach  Breitegraden 
und  Meridianen  zugeschnitten^). 

Durch  diese  unnatürlichen  Abgrenzungen  und  auch  durch  die  grosse 
Zahl  der  Staaten  bzw.  Territorien  wird  es  nothwendig,  natürliche  Grup- 
pirungen  vorzunehmen,  welche  theils  auf  geschichtliche,  theils  auf  natür- 
liche oder  wirthschaftliche  Unterschiede  begründet  werden.  Am  bekann- 
testen und  öftesten  angewandt  ist  die  Unterscheidung  zwischen  Nord-  und 
Südstaaten,  die  indessen  seit  der  Aufhebung  der  Sklaverei,  die  den  Haupt- 
unterscheidungsgrund bildete,  unsicher  geworden  ist.  Man  nahm  früher 
den  Potomac  als  eine  gewissermassen  schematische  Grenzlinie  zwischen 
S.  und  N.,  denn  wiewohl  der  immer  zum  S.  gerechnete  Staat  Maryland 
n.  von  demselben  lag,  begann  doch  erst  s.  von  ihm  echt  südliche  Cultur 
in  intensiver  Form.  Aber  mehr  und  mehr  schliessen  sich  Maryland  und 
Virginien  den  Mittelstaaten  an,  während  in  N.  Carolina  der  Uebergang 
stattfindet.  Statt  Südstaaten  sagt  man  jetzt  ganz  treffend  oft  Baumwoll- 
staaten und  versteht  hierunter  die  Staaten  von  den  Carolinas  südwärts,  also 
ausser  diesen  beiden  Georgia,  Alabama,  Florida,  Louisiana,  Mississippi, 
Texas.  Die  n.  davon  gelegenen  früheren  Sklavenstaaten  kann  man  als  die 
n.  Südstaaten  oder  Uebergangsstaaten  bezeichnen.    Es  sind:  Maryland, 


1)  Diese  unsinnigen  Meridian-  und  Parallelgrenzen,  welche  gleichzeitig  sehr 
viel  geodätische  Arbeit  und  beträchtliche  Kosten  erfordern,  haben  trotz  der 
Regelmässigkeit  die  Staaten,  welche  durch  sie  geschieden  werden,  nicht  immer 
zufrieden  gelassen.  Es  sind  unnatürliche  Grenzen  im  übelsten  Sinn  des  Wortes. 
Dass  die  Grenze  zwischen  Ohio  und  Michigan  die  Mündung  des  Maumee, 
dessen  Lauf  ganz  im  ersteren  gelegen,  auf  das  Gebiet  des  anderen  verlegte, 
führte  in  den  30  er  Jahren  zu  förmlichen  Feindseligkeiten  zwischen  den  beiden 
damals  noch  kleinen  Mächten,  denen  der  Congress  endlich  nur  dadurch  vor- 
beugen konnte,  dass  er  unter  Verletzung  der  Geometrie  gelegentlich  der  Staat- 
werdung  des  Territoriums  Michigan  den  fraglichen  Zipfel  zu  Ohio  schlug. 


504  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

Virginien,  N.  Carolina,  Kentucky,  Tennessee,  Arkansas.  Die  Gruppirung 
der  Neuengland -Staaten  (Maine,  New  Hampshire,  Vermont,  Massa- 
chusetts, Connecticut,  Rhode  Island)  ist  die  historisch  berechtigtste,  auch 
aus  natürlichen  und  wirthschaftlichen  Gründen  sehr  wohl  zu  rechtfertigen. 
Dasselbe  gilt  von  den  Atlantischen  Mittelstaaten:  New  York, 
New  Jersey,  Pennsylvanien,  Delaware.  Zu  diesen  könnte  auch  der  grösste 
Theil  von  Maryland  gerechnet  werden.  Im  Inneren  lassen  sich  als 
Innere  Mittelstaaten  die  um  die  Seen,  den  Ohio  und  im  Mississippi- 
Becken  liegenden  jungen  Staaten:  Ohio,  Indiana,  Michigan,  Illinois,  Ken- 
tucky, Missouri,  Iowa,  Wisconsin,  Minnesota,  Kansas  und  Nebraska 
zusammenfassen.  Es  sind  dies  die  eigentlichen  Ackerbaustaaten,  die 
Staaten  der  Mais-  und  Weizenregion.  Da  die  Gruppe  jedoch  sehr  um- 
fassend, macht  man  auch  Unterabtheilungen.  Vorzüglich  im  Hinblick  auf 
die  gemeinsame  Eigenschaft  der  gewaltigen  landwirthschaftlichen  Pro- 
duktion und  des  erleichterten  Verkehres  über  die  Binnenseehafen  fasst 
man  alle  in  der  Seeregion  grenzenden  Weststaaten:  Ohio,  Indiana,  Michigan, 
Illinois,  Wisconsin,  Minnesota  als  die  Seestaaten  zusammen.  Oder  man 
dreitheilt  den  ganzen  Westen  in  den  Alten  Westen:  Ohio,  Indiana,  Ken- 
tucky, Tennessee,  Illinois,  Missouri;  den  Nordwesten:  Michigan,  Wisconsin, 
Iowa,  Minnesota;  den  Südwesten:  Texas,  Arkansas,  Ind.  Territorium, 
denen  sich  dann  die  pacifischen  Staaten  w.  vom  Felsengebirge  anschliessen. 
Der  Neue  Nordwesten  wird  seit  dem  Vorrücken  der  Besiedelung  nach 
dem  w.  Minnesota  und  nach  Dakota  wohl  auch  das  Land  im  W.  von 
Wisconsin  genannt.  Für  die  Staaten  von  Illinois  westwärts  bis  zum 
Felsengebirge  hat  man  den  Begriff  Präriestaaten  aufgestellt.  Das 
Gebiet  zwischen  Felsengebirg  und  Sierra  Nevada  wird  derzeit  noch  am 
passendsten  als  das  der  Territorien  bezeichnet,  wiewohl  der  Staat  Nevada 
in  dasselbe  fällt.  Man  kann  aber  aus  oro-  und  hydrographischen  und 
culturellen  Gründen  es  als  das  Pacifische  Gebiet  bezeichnen.  In 
noch  weiterer  Ausdehnung  gebraucht  F.  v.  Richthofen  in  seiner  Arbeit 
über  „die  Metallproduktion  Californiens"  (Geogr.  Mitth.  Erg.-Heft  14)  den 
entsprechenden  Ausdruck  Californische  Staaten  für  alle  diejenigen, 
welche  in  Export  und  Import  auf  S.  Francisco  angewiesen  sind,  demnach 
für  Ober-Californien,  Oregon,  Washington,  Idaho,  Nevada,  Arizona,  Neu- 
Mexico,  ferner  die  nördlichen  mexikanischen  Provinzen  Sonora,  Sinaloa, 
Chihuahua  und  Unter-Californien. 

Der  politischen  Stellung  und  Gestaltung  der  Einzelstaaten 
wird  in  der  Verfassungsurkunde  vorwiegend  nur  in  negativem  Sinne  gedacht, 
d.  h.  indem  die  Verfassung  Befugnisse  der  Union  zuspricht,  welche  sie 
selbstverständlich  damit  gleichzeitig  jenen  abspricht.  Diese  Befugnisse 
und  der  damit  ausgesprochene  Charakter  des  Bundesstaates  sind  oben  näher 
bezeichnet  (S.  481).     Man   sieht,    dass   der  Bund  nur  das  Nothwendigste 


Xni.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben,  505 

sich  zugesprochen,  und  noch  liegen  Dinge  von  so  grosser  öffentlicher 
Bedeutung  wie  Telegraphie  und  Eisenbahnen  ganz  ausserhalb  seiner 
Machtsphäre.  Die  Eifersucht,  mit  der  die  Einzelstaaten  dem  Bunde  so 
wenig  Rechte  wie  möglich  abtreten  wollten,  hat  in  manchen  Richtungen 
den  normalen  Ausbau  der  Bundesverfassung  gehindert*).  Diese  eigene 
Art  von  Partikularismus  hatte  anfänglich  einen  doktrinären  Charakter, 
der  unschädlich  zu  sein  schien.  Man  begreift  übrigens  seine  Existenz, 
wenn  man  erwägt  die  Geringfügigkeit  des  damaligen  intercolonialen  Ver- 
kehres, die  dünnen  Bevölkerungen  und  die  weiten  Entfernungen.  „Ich 
betrachte  es  fast  als  ein  Wunder,  schrieb  Washington,  die  Abgesandten 
von  so  vielen  Gemeinwesen,  die  verschieden  sind  durch  Sitten,  Lage  und 
Vorurtheilen ,  sich  vereinigen  zu  sehen  zum  Zwecke  der  Gründung  einer 
nationalen  Regierung'-*  2).  Andererseits  war  aber  diese  Gesinnung  noch 
eine  sehr  jugendliche,  da  doch  von  den  damaligen  Colonien  einige  der 
partikularistischsten  noch  nicht  ein  Jahrhundert  hinter  sich  hatten.  Man 
konnte  hoffen,  einen  in  der  Natur  der  Dinge  so  wenig  begründeten  Par- 
tikularismus sich  vor  der  Macht  der  Verhältnisse  bald  verflüchtigen 
zu  sehen.  Aber  er  wurde  scharf  von  dem  Augenblicke  an,  wo  tiefe  Unter- 
schiede der  Interessen  sich  ausbildeten,  und  gewann  in  den  wirthschaft- 
lichen  Gegensätzen  zwischen  N.  und  S.  eine  nur  zu  breite  thatsächliche 
GiTindlage.  Der  S.  fühlte  sich  vom  N.  bedroht  und  ging  naturgemäss  in 
das  Extrem  der  Sonderrechte,  als  er  jenen  mit  grosser  Entschiedenheit 
sich  in  den  Bundesgedanken  vertiefen  sah.  Wir  haben  im  geschichtlichen 
Ueberblick  die  Theorie  der  Nullifikation,  des  Secessionsrechtes  u.  dgl. 
kennen  gelernt.  Sogar  der  Ausführung  der  grossen  öffentlichen  Arbeiten, 
die  verfassungsmässig  dem  Bunde  zustehen,  setzte  man  sich  partikularistisch 
entgegen^).  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  in  den  Nordamerikanern  ein  gutes 
Theil  von  der  individualistischen,  auf  staatlichem  Gebiete  partikularisti- 
schen  Anlage  sich  vorfindet,  die  allen  Germanen  eigen  ist.    Dieselbe  zeigt 


1)  Die  berühmte  Streitfrage,  ob  die  13  Colonien  bereits  als  souveräne 
Staaten  den  Bund  schlössen  und  in  Folge  dessen  das  Recht  haben,  denselben 
wie  einen  anderen  Vertrag  zwischen  souveränen  Staaten  wieder  zu  lösen,  oder 
ob  ihnen  durch  die  Zusammenfassung  zum  Bundesstaate  erst  die  Souveränität 
in  Gestalt  der  Gemein-Souveränität  der  V.  St.  zugewachsen  sei,  ist  hier  nicht 
zu  erörtern,  sondern  als  Ausgangspunkt  grosser  Zwiste  innerhalb  der  Union  nur 
zu  erwähnen.  Auf  die  erstere  Ansicht  stützten  sich  alle  Secessionsversuche. 
(Vgl.  0.  S.  78,  79  f.) 

2)  Sparks,  Works  of  Washington  II.  243. 

3)  Einen  Beweis,    wie  weit  die  Selbständigkeitssucht  der  Staaten  selbst  im 
verletzlichsten  Punkt,  dem  der  materiellen  Interessen,  ging,  gibt  die  eine  That- 
sache,    dass  der  Staat  Pennsylvanien  1834  entgegen  dem  allgemeinen  Gebrauch, 
das    Gewicht    einer    Tonne    auf    2000    statt    2240  Pfd.    avoirdupois    festsetzte. 
(M.  Chev.  Lettres  de  l'Am.  L  133.) 


506  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

sich  auf  dem  Gebiet  der  Gemeinde  noch  mehr  als  auf  dem  des  Staates. 
Aber  jener  Partikularismus,  der  zuletzt  zum  Krieg  zwischen  S.  und  N.  führte, 
hat  wie  gesagt  seine  Wurzeln  hauptsächlich  in  anderen  Gegensätzen.  Ein 
wirkliches  Nationalbewusstsein,  wenn  es  erlaubt  ist  dies  etwas  zu  viel 
sagende  Wort  hier  anzuwenden,  findet  sich  aber  natürlicherweise  nur 
dort,  wo  eine  geschlossene,  sehr  eigenartige  staatliche  Entwickelung  Ersatz 
bot  für  die  mangelnde  historische  Keife.  Man  kann  sagen,  dass  nur 
Massachusetts,  der  Puritanerstaat,  und  Virginia,  The  old  Dominion  der 
Cavaliere,  ein  derartiges  Bewusstsein  in  ihren  Bürgern  entwickelte.  Bis 
heute  sind  dies  diejenigen  unter  den  Staaten,  welche  die  ausgeprägteste, 
eigenartigste  Physiognomie  aufweisen.  In  abgeschwächter  Form  hat  Aehn- 
liches  hervorgebracht  in  New  York  das  seit  Jahrzehnten  herrschende  Gefühl, 
der  wirthschaftlich  und  politisch  führende  Staat  zu  sein,  in  S.  Carolina 
das  auf  die  Spitze  getriebene  Sklavenbaronenthum ,  in  Californien  die 
räumliche  Abgesondertheit,  die  pacifischen  Beziehungen,  der  Reichthum 
des  Landes.  In  Pennsylvanien,  wo  das  Quäkerthum  einen  sehr  eigen- 
artigen Kern  bildete,  hat  die  starke  deutsche  Einwanderung  und  später 
die  grosse  gewerbliche  Entwickelung  der  Herausbildung  eines  ähnlichen 
scharf  ausgeprägten  Charakters  entgegengewirkt.  Eine  gewisse  Hoch- 
schätzung des  eigenen  Staates  findet  man  bei  den  Bürgern  eines  jeden 
einzelnen,  sogar  der  minder  begünstigten  wie  Floridas  und  Nebraskas, 
und  es  gehört  zu  den  Lieblingsgesprächen  nicht  bloss  der  gemeinen 
Leute,  die  Vorzüge  ihrer  Staaten  gegenseitig  anzupreisen,  wobei  es  ohne 
ungeheuere  Uebertreibungen  nicht  leicht  abgeht.  Dies  beruht  indessen 
fast  ausschliesslich  auf  der  Erwartung,  dass  dieser  gute,  reiche  etc.  Staat 
sich  seinen  Bürgern  gegenüber  recht  freigebig  an  Gaben  des  Bodens,  des 
Ackers  u.  s.  w.  erweisen  werde.  Thut  er  es  nicht,  so  setzt  man  ohne 
grosse  üeberwindung  auf  die  Karte  eines  anderen.  Dass  es  aber  ein 
^wohlthuendes  Gefühl  ist,  das  sich  sogar  zu  einer  wärmeren  Gemüthssache 
auswachsen  kann,  sein  Lebensgeschick  mit  dem  eines  so  hoffnungsvollen 
und  seinen  Bewohnern  gegenüber  so  freigebigen  Landes  wie  z.  B.  Californien 
zu  verknüpfen,  versteht  sich  leicht.  Hier  kommt  dazu  die  Eigenart  der 
natürlichen  Lage,  des  Klimas  u.  s.  f.  Wie  wenig  aber  doch  im  Ganzen 
natürliche  Momente  bei  der  Entwickelung  .derartiger  Neigungen  für  engere 
Vaterländer  ins  Spiel  gekommen,  wurde  schon  früher  hervorgehoben  (s.  o. 
S.  12  f.). 

Gesetzgebung  in  den  Einzelstaaten.  Die  Volksvertretung  ist 
gegenwärtig  in  allen  Staaten  nach  dem  Zweikammersystem  geordnet.  Beide 
gehen  aus  Wahlen  hervor,  bei  denen  fast  überall  ein  Census  die  passive, 
selten  die  aktive  Wählbarkeit  einschränkt.  Die  Senatoren  haben  einen 
höheren  Census  und  höhere  Altersgrenze,  werden  von  einem  grösseren 
Bezirke  und  für  längere  Zeit  gewählt  als  die  Glieder  des  Repräsentanten- 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  507 

hauses.  Die  Gesammtheit  der  beiden  Häuser  heisst  gewöhnlich  Gesetz- 
gebung (Legislatur).  Die  vollziehende  Gewalt  ist  bei  einem  Governor 
(Excellenz),  dem  ein  Lieutenant-Governor  zur  Seite  steht.  Der  Governor 
wird  von  den  Wählern  unmittelbar  gewählt,  der  Council  oder  die  Minister 
(Secretary's) ,  die  ihm  zur  Seite  stehen,  in  der  Regel  von  der  Gesetz- 
gebung. Nur  den  ersten  Minister,  den  Secretary  of  State,  ernennt  der 
Governor  selbst.  Die  Befugnisse  der  Governors  sind  gegenüber  der  Gesetz- 
gebung ähnlich  abgegrenzt  wie  die  des  Präsidenten  gegenüber  dem  Con- 
gress,  insbesondere  steht  ihm  das  Suspensivveto  gegen  Gesetze  zu,  die 
aus  derselben  hervorgehen.  Die  richterliche  Gewalt  steht  gewöhnlich  bei 
einem  Obergericht  (Supreme  Court,  C.  of  Appeals),  dessen  Mitglieder 
nach  älterem  System  vom  Governor  und  seinem  Rath  ernannt,  nach 
neuerem  aber  entweder  von  der  Gesetzgebung  oder  selbst  durch  allgemeine 
Volkswahlen  ernannt  bzw.  gewählt  werden.  Gleichzeitig  ist  auch  in  vielen 
Staaten  die  Amtsdauer  auf  5—7  Jahre  verkürzt  worden ,  so  dass  die 
Rechtspflege  durch  diesen  sog.  Fortschritt  keineswegs  gewonnen  hat.  Die 
Kreis-  (Circuit  Courts)  und  Distriktsgerichte  (C.  of  District)  werden 
in  der  Regel  2  mal  des  Jahres  gehalten,  wobei  unter  Beiziehung  von 
Geschworenen  ebensowohl  civil-  als  strafrechtliche  Fragen  entschieden 
werden.  Die  unterste  Instanz  sind  die  Friedensrichter  (Justice  of 
Peace),  welche  für  kurze  Termine  gewählt,  meist  unbesoldet,  aber  doch 
in  Civilsachen  bis  zu  100  D.  und  in  Strafsachen  bis  zu  3  Monaten  Gefängniss 
competent  sind.  —  Das  Recht,  nach  welchem  gerichtet  wird,  ist  das 
englische,  das  jedoch  humanisirend  gemildert  und  vereinfacht  ist.  Es  sind 
in  dieser  Richtung  vorzüglich  die  berechtigtere  Stellung  der  Frauen  vor 
dem  Gesetz,  die  Erleichterung  der  Ehescheidung,  die  in  mehreren  Staaten 
eingeführte  Aufhebung  der  Todesstrafe,  dann  die  Codificirung  des  Rechtes 
hervorzuheben. 

Bei  der  Beschränkung  der  Staatenregierungen  auf  die  Verwaltung 
ihrer  inneren  Angelegenheiten  ist  die  Finanzfrage  für  sie  überall  die 
wichtigste.  Durch  allzueifrige  Förderung  der  öffentlichen  Arbeiten  *)  haben 
sich  fast  alle  Schuldenlasten  aufgebürdet,  die  bei  vielen,  besonders  im  S., 
noch  vergrössert  wurden  durch  die  diebischen  Carpethagger  -  Regierungen. 
Die  Schulden  sämmtlicher  Staaten  wurden  Anfangs  1878  auf  369  Mill.  D. 
angegeben')  und  betragen  jedenfalls,    wenn  auch   diese  Summe   zu   hoch 


1)  Als  die  Legislatur  von  Massachusetts  1836  zum  ersten  Mal  durch  eine 
Subskription  von  1  Mill.  D.  eine  öffentliche  Arbeit  in  Gestalt  der  Western  R.  R. 
(Boston  —  Albany)  unterstützte,  wurde  dies  wie  eine  Auflehnung  gegen  alles  Her- 
kommen betrachtet  und  man  meinte,  einige  Jahre  vorher  würde  solches  Beginnen 
als  Thorheit  gebrandmarkt  worden  sein. 

2)  Nach  R.  P.  Porter's  Vortrag  in  Social  Science  Association  Boston  Jan. 
1878,     In  der  u.  folgenden  Einzelbeschreibung  der  Staaten  und  Territorien  sind 


508  XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

gegriffen  ist,  nicht  unter  200  Mill.  D.  Es  ist  charakteristisch,  dass  in 
den  reichsten  und  blühendsten  Staaten  die  Schulden  durchaus  geringer 
als  in  den  schlecht  regierten  Staaten  des  S.  Die  grösste  Schuldenlast 
findet  man  in  Virginien  und  N.  Carolina,  während  die  reichen  Weststaaten 
Illinois,  Michigan,  Iowa  u.  dgl.  unbedeutend  verschuldet  sind.  Indessen 
haben  fast  alle  stark  verschuldeten  Staaten  die  kritischen  Zeiten  seit  1873 
benützt,  um  mit  der  Repudiation  ihrer  Schulden  vorzugehen,  über  welche 
unten  in  dem  Abschnitt  über  Corruption  noch  einiges  zu  sagen  sein  wird. 
Für  ihre  Einnahmen  sind  die  Staaten  auf  jene  Quellen  verwiesen, 
welche  von  der  Bundesregierung  offen  gelassen  sind,  d.  h.  vorwiegend  auf 
die  der  direkten  Steuern.  Art.  I.  Abschn.  X.  der  Verfassung  untersagt 
den  Einzelstaaten  die  Erhebung  von  Aus-  oder  Einfuhrzöllen  und  von 
Tonnengeldern,  sowie  die  Geldprägung  und  Ausgabe  von  Papiergeld.  Die 
Steuern  werden  in  der  Regel  nach  den  verschiedenen  Hauptausgabeposten 
vertheilt.  So  erhob  der  Staat  New  York  1878  8,7  Mill.  Staatssteuern  nach  dem 
Verhältniss  von  37«  p.  Mille,  wovon  IVs  für  Schulen,  Va  für  die  Canäle, 
'A  für  öffentliche  Gebäude  und  Vh  für  General  Purposes.  Taucht  eine 
neue  Ausgabe  auf,  so  wird  eine  neue  Steuererhöhung  genau  für  diesen 
Zweck  gemacht.  So  erhob  Indiana  1875  Vs  p.  Mille  für  ein  neues  Staats- 
haus. Die  Steuern  setzen  sich  aus  Steuern  auf  Grund-  und  bewegliches 
Eigenthum  und  Kopfsteuern  (Poll  Tax)  zusammen  und  schwanken  zwischen 
1  und  5  p.  Mille  und  betrugen  z.  B.  in  Indiana  1878  jene  1,3  p.  Mille 
und  diese  50  Cts.,  in  Missouri  jene  4  p.  Mille.  Von  Körperschaften  sind 
besonders  die  Eisenbahn-  und  Versicherungsgesellschaften  hoch  besteuert. 
In  Pennsylvanien  ist  z.  B.  die  ausgiebigste  Steuer  diejenige  auf  Corporation 
Stocks,  welche  1877  2,08  Mill.  D. ,  d.  i.  36  Proc.  der  Staatseinnahmen, 
ergab,  während  die  auf  persönliches  Eigenthum  nur  0,57  Mill.  eintrug. 
Für  Schulzwecke  werden  überall  ausser  den  Steuern  erhebliche  Einnahmen 
aus  Schenkungen  an  Geld  oder  liegenden  Gütern  gezogen.  Nächst  den 
direkten  Steuern  sind  die  Licenses  für  Verkauf  geistiger  Getränke  die 
ergiebigsten  Einnahmequellen  in  vielen  Staaten.  Nur  unbedeutend  sind 
dagegen  die  aus  öffentlichen  Werken,  die  Staatseigen thum.  Als  Beispiel  eines 
ziemlich  normalen  Einnahmebudgets  möge  das  von  Maryland  für  1877 
hier  seinen  Platz  finden  (in  1000  D.):  Steuern  1064,  Licenses  489,  Verkauf 
von  State  Stock  219,  Zinsen  der  N.  Central  R.  R.  90,  Dividenden  der 
Baltimore  and  Ohio  R.  R.  61,  Vergütung  für  im  Krieg  zerstörtes  Eigen- 
thum 51,  Susquehanna-Canal  30,  Tabak  -  Inspektion  16.  Der  Rest  der 
Einnahmen  beträgt  ca.  68000  D.    Zusammen  2,1  Mill. 


die  Schulden  nach  den  detaillirteren  Angaben  zusammengestellt,  die  in  H.  V.  Poor, 
Manual  of  the  Rail  Roads  of  the  U.  S.  für  1878  gemacht  sind.  Derselbe  gibt 
191  Mill.,  wobei  aber  die  Schulden  ganz  bankerotter  Staaten  wie  Mississippis 
unberücksichtigt  bleiben. 


XIII.     Der  Staat.     Die  Gemeinden.    Bas  politische  Leben.  509 

Die  Ausgaben  beziehen  sich  vorwiegend  auf  die  Erhaltung  und 
den  Ausbau  der  Verkehrswege  und  Brücken  (so  erscheint  z.  B.  der  Erie- 
Canal  in  den  Ausgaben  des  Staates  New  York  für  1878  mit  1,05  und  mit 
den  Zinsen  einer  Bauschuld  von  8,6  Mill.),  auf  Unterstützung  von  Eisen- 
bahn-, Canal-  u.  dgl.  Gesellschaften,  auf  Schulen  (der  Staat  New  York 
zahlte  1878  3,5  Mill.  D.  für  Unterrichtszwecke,  wovon  3,1  durch  direkte 
Schulsteuer  erhoben  wurde),  öffentliche  Bauten,  Irrenhäuser  u.  dgl.,  und 
nicht  zum  wenigsten  auf  Schuldzinsen.  Die  Einnahmen  und  Ausgaben 
betrugen  in  einigen  der  bedeutenderen  Staaten  1878 :  Pennsylvanien  E.  5,7, 
A.  5,6  Mill.  D.;  Massachusetts  E.  4,1,  A.  4,5;  Maryland  E.  2,5,  A.  2,2; 
Iowa  (für  1877  und  78)  E.  2,13,  A.  2,12;  Wisconsin  E.  1,88,  A.  1,82; 
Missouri  E.  2,4,  A.  2,2;  Alabama  E.  0,92,  A.  0,85;  Californien  E.  4,5, 
A.  3,7.  üeber  die  Finanzlage  der  Einzelstaaten  s.  Näheres  in  der  Einzel- 
beschreibung derselben  (V.  Abschn.). 

Territorien.  Heute  zerfällt  das  Gebiet  der  V.  St.  ausser  in  Staaten 
noch  in  Territorien.  Alle  Staaten  sind  aus  Territorien  hervorgegangen 
ausser  den  13  alten  Colonien.  Art.  XIV  Abschn.  III  der  Verfassung  besagt: 
„Neue  Staaten  mögen  vom  Congress  in  die  Union  aufgenommen  werden;  doch 
soll  kein  neuer  Staat  innerhalb  der  Gerichtsbarkeit  eines  anderen  noch 
durch  Vereinigung  zweier  oder  mehrerer  Staaten  noch  Theilen  von  Staaten 
gebildet  oder  errichtet  werden,  ohne  die  Einwilligung  der  Legislaturen 
der  betreffenden  Staaten  sowohl  als  des  Congresses."  Durch  besondere 
Festsetzung  ist  dann  bestimmt  worden,  dass  sobald  ein  Gebiet  innerhalb 
der  Grenzen  der  V.  St.  5000  E.  hat,  es  sich  zu  einem  Territorium 
mit  Governor,  Legislative  Council  und  Repräsentantenhaus  abschliessen 
kann.  Die  Territorialregierung  hat  dieselben  Befugnisse  wie  die  eines 
Staates,  nur  ist  die  Rechtspflege  ihr  entzogen  und  ihr  Governor  wird  vom 
Präsidenten  ernannt.  Sie  wählen  einen  Delegaten  ohne  Stimmrecht  für 
das  Repräsentantenhaus.  Ist  die  Bevölkerung  hinreichend  gross  (in  der 
Regel  so  gross  wie  die  der  Congressdistrilite),  so  kann  ein  Territorium  als 
Staat  aufgenommen  werden,  sofern  seine  Verfassung  nichts  enthält,  was 
der  der  V.  St.  widerspricht. 

V.  Die  Gemeinden.  Die  Gemeinde  (Township)  ist  gewisser- 
massen  der  Elementarorganismus  des  politischen  Aufbaues.  Sie 
kehrt  in  den  Städten  ebenso  wie  auf  dem  Lande  wieder  und  ist 
unter  wechselnden  Benennungen  in  allen  Staaten  dieselbe.  Ihr 
Organ  sind  die  Town  Meetings  (Gemeinde  -  Versammlungen), 
welche  von  den  Select  Men  ausgeschrieben  werden  und  an  denen, 
nach  den  neuengländischen  Einrichtungen,  die  für  die  Mehrzahl  der 
anderen  Staaten   als   Muster   dienen,    stimmfähig   theilnehmen   alle 


510  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

Bürger  über  21  Jahre,  die  1  Jahr  anwesend  und  steuerzahlend  sind 
und  nicht  aus  der  Armenkasse  unterstützt  werden.  Die  Forderung 
der  Steuerzahlung  ist  aber  in  neuerer  Zeit  in  vielen  Gemeinden  auf- 
gegeben. Die  Select  Men  (Gemeinderäthe)  werden  auf  1  Jahr  in 
diesen  Versammlungen  gewählt.  In  den  Städten  theilen  sie  sich 
häufig  in  zwei  Gruppen:  Aldermen  und  Council,  von  denen  die 
erstere  mit  engeren  Vorschriften  über  Census,  Ansässigkeitsdauer 
u.  s.  w.  gewählt  wird.  In  allen  inneren  Angelegenheiten  ist  die 
Gemeinde  durchaus  selbständig.  Die  Verwaltung  der  Township 
wird  von  einer  grösseren  Anzahl  von  Beamten  ausgeübt,  welche 
alle  der  Gesammtheit  der  Einwohner  unmittelbar  verantwortlich 
sind.  Die  Seledmen  nehmen  indessen  keine  selbständige  Stellung 
ein  wie  ein  Gemeinderath ,  sondern  führen  nur  das  Mandat  aus, 
das  ihnen  übertragen  ist.  Sie  können  ohne  unmittelbare  Berufung 
an  die  Einwohnerschaft  keine  Ausgabe  beschliessen.  Eine  grosse 
Anzahl  von  Beamten  (die  Gesamratzahl  der  Township  -  Beamten  ist 
in  der  Regel  18  —  20),  welche  gleich  ihnen  unmittelbar  verantwortlich 
der  Einwohnerschaft  sind,  schränkt  ihre  unmittelbare  Thätigkeit 
ein.  Ein  Assessor  vertheilt  die  Steuern,  ein  Treasurer  verwaltet 
die  Kasse,  ein  Surveyor  sorgt  für  die  Wege,  die  Overseers  für  die 
Armen,  der  ScJiool  Board  für  die  Schule,  die  Registers  of  Beeds 
(Hypothekenwesen)  stehen  unter  einem  Beamten  u.  s.  f. 

Die  Behörden  der  Gemeinden  sind  für  die  Steuererhebung 
zugleich  die  Organe  der  Staaten.  Ebenso  wird  es  mit  den  Steuern  ge- 
halten, welche  von  Seiten  der  Grafschaft  (County)  erhoben  werden.  Mit 
Steuer  wird  der  ganze  Betrag  des  Eigentbums  jedes  Bürgers  belegt,  dem 
man  die  Angabe  über  den  Betrag  desselben  überlässt.  —  Die  Gemeinden 
sind  von  sehr  verschiedener  Grösse.  In  den  dünnbevölkerten  Gegenden 
bestehen  sie  oft  aus  ein  paar  Dutzend  weitzerstreuter  Höfe,  während 
andere  zu  Städten  von  Tausenden  von  Einwohnern  ausgewachsen  sind. 
Auf  ihr  eigenes  Verlangen  erhalten  sie  dann  vom  Staat  ihr  CJiarter  als 
Städte.  —  Die  nächsthöhere  politische  Zusammenfassung  wird  gebildet 
durch  die  Counties  (Grafschaften),  welche  mit  eigenen  Namen  (Essex 
Cy.,  Jefferson  Cy.  etc.)  vom  Anfang  des  Bestandes  eines  Staates  ab  abge- 
grenzt sind.  Die  Counties  haben  keine  eigenen  Wahlversammlungen, 
sondern  die  Wahlberechtigten  wählen  unmittelbar  einen  Theil  der  Beamten, 
die  für  die  Steuern,  Strassen,  Armenhäuser,  Gefängnisse  etc.  nothwendig 
sind,   ebenso   die  Sherifs  (Friedensrichter),    Coroners  (Gerichtsärzte) 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  511 

und  Constables  (Polizei),  welche  früher  vom  Governor  ernannt  wurden.  — 
Die  Städte  (Cities)  sind  nach  englischer  Anschauung  Corporationen, 
denen  gegen  bestimmte  I^eistungen  durch  staatlichen  (königlichen)  Frei- 
brief (Charter)  bestimmte  Befugnisse  beigemessen  werden.  In  allem,  was 
über  diese  Befugnisse  hinausgeht,  sind  sie  Theile  des  Staates  wie  jede 
andere  Gemeinde.  Sie  sind  in  Wards  (Stadttheile)  zerlegt,  welche  in 
den  grösseren  30000  und  mehr  Einwohner  haben  können.  Jeder  von 
diesen  wählt  jährlich  einen  bestimmten  Antheil  von  den  Mitgliedern  der 
Käthe  (A 1  d e r m e n ,  in  grösseren  Städten  auch  noch  Assistant  Alder- 
men),  sowie  den  Major  (Bürgermeister).  Früher  war  ganz  allgemein 
die  Beschränkung  eingeführt,  dass  nur  die  Steuerzahler  wählen  durften, 
jetzt  ist  eben  so  allgemein  das  Wahlrecht  an  keine  derartige  Bedingung 
geknüpft  und  geschieht  es  auf  diese  Art,  dass  die  Verwaltung  gerade  der 
grössten  Städte  ganz  in  die  Hände  des  Pöbels  gegeben  ist.  Von  jenen 
ist  keiner  besoldet  und  keiner  sollte  an  einträglichen  Unternehmungen 
der  Stadt  theilnehmen.  Der  Major  erhält  eine  Besoldung.  Er  hat  die 
Verwaltung  zu  führen  und  die  Beschlüsse  der  Aldermen  zu  prüfen  und  zu 
genehmigen.  Legt  er  sein  Veto  ein,  so  können  dieselben  durch  Beschluss 
des  Rathes  dennoch  rechtskräftig  werden.  Wie  in  den  Staaten  geht  auch 
in  den  Gemeinden  die  Tendenz  dahin,  den  Major  so  machtlos  wie  möglich 
zu  machen  und  dagegen  der  Masse  der  Wähler  und  dem  Stadtrath  die 
ausgedehntesten  Rechte  zu  geben.  Im  Einzelnen  finden  sich  Abweichungen 
von  dieser  Form  der  Stadtverwaltung,  wie  denn  an  manchen  Orten  die 
Aldermen  aus  mittelbarer  Wahl  eines  Gemeindeausschusses  hervorgehen 
u.  dgl. ;  im  Ganzen  wiederholen  sich  aber  die  ebengenannten  Einrichtungen 
überall,  gerade  wie  die  Staatseinrichtungen. 

Die  finanzielle  Seite  der  Gemeinde-  und  vor  allem  der  Städte- 
verwaltungen ist  von  hoher  Bedeutung  für  das  ganze  öffentliche  Leben, 
politisches  wie  wirthschaftliches ,  der  V.  St.  Man  hat  den  Betrag  der 
Communalschulden  der  V.  St.  auf  mehr  als  die  Hälfte  des  Betrages  der 
Staatsschuld,  auf  1100  Mill.  D.,  geschätzt.  Begreiflicherweise  sind  es  vor- 
züglich die  grossen  Städte  mit  ihren  kostspieligen  Werken,  die  dabei  ins 
Gewicht  fallen.  Die  20  grössten  Städte  der  Union,  welche  100000  E. 
und  darüber  zählen,  haben  nach  Porter's  Schätzung  492  Mill.  D.  Schulden. 
Aus  dem  letzten  Finanzausweis  der  Stadt  New  York  geht  hervor,  dass 
die  Schuld  der  Stadt  New  York,  soweit  sie  durch  Obligationen  repräsentirt 
wird,  am  31.  December  1878  146  Mill.  D.  betrug.  Die  der  Stadt  Baltimore 
hatte  zur  selben  Zeit  die  Höhe  von  34,  die  von  Philadelphia  71,  von 
Chicago,  welches  die  geringste  Schuld  unter  allen  Grossstädten  der  Union 
hat,  ISVz  Mill.  erreicht*).   Verhältnissmässig  noch  grössere  Schulden  finden 


1)  Diese  und   die   meisten   folgenden  Angaben  über   die  Finanzen   von  Ge- 
meinden und  Einzelstaaten  sind  der  Mehrzahl  nach  aus  den  Fonds-  und  Aktien- 


512  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

sich  aber  in  den  kleineren  Städten,  welche  manchmal  geradezu  unsinnige 
Ausgaben  für  Eisenbahnen  u.  dgl.  machen.  In  den  9  grössten  Städten 
von  New  Jersey,  von  denen  nur  Newark  über  100000  E.  zählt,  bezifferte 
sich  z.  B.  Ende  1878  die  Schuld  auf  36,5  Mill  D.,  während  die  Schulden 
des  ganzen  Staates  nur  2,2  Mill.  betrugen.  In  Rahway  kamen  243,  in 
Elizabeth  224  D.  städtische  Schulden  auf  den  Kopf.  In  Illinois  betrugen 
die  Gemeindeschulden  zur  selben  Zeit  52,  wovon  30  Proc.  für  Eisen- 
bahnen aufgebracht  waren,  in  Ohio  41,  in  Massachusetts  81  Mill.  D.  Für 
den  Staat  Ohio  gilt  folgende  Vertheilung  derselben  auf  die  verschiedenen 
Classen  von  Gemeinden :  Schulden  der  Städte  35,8,  der  Counties  3,2,  der 
Schuldistrikte  1,1,  der  Dörfer  0,9,  der  Townships  0,16.  Auch  hier  ist 
es  ganz  besonders  die  Unterstützung  der  Eisenbahnen,  die  man  heranzieht, 
um  die  Stadt  zu  heben,  welche  die  städtischen  Ausgaben  so  sehr  an- 
schwellen lässt^).  Thatsächlich  sind  es  überall  die  Gemeindesteuern,  die 
am  meisten  die  Steuerkraft  des  Volkes  in  Anspruch  nehmen.  Die  Steuer- 
rate schwankt  in  den  Städten  von  New  Jersey  zwischen  15  und  35,6 
p.  Mille ,  in  Iowa  wurden  1877  an  Steuern  insgesammt  10,7  Mill.  D. 
erhoben,  ca.  8  D.  p.  Kopf,  wovon  90  Proc.  auf  die  Gemeindesteuern 
kommen.  Dies  sind  mittlere  Zahlen,  es  gibt  aber  viel  extremere  Steuer- 
sätze in  den  grossen  Städten,  wie  man  aus  den  oben  angeführten  Summen 
entnehmen  kann,  die  sie  verbrauchen.  New  York  erhebt  z.  B.  durch- 
schnittlich 20  —  25  D.  p.  Kopf.  Wir  werden  sehen,  welcher  Antheil  von 
diesen  gewaltigen  Summen  durch  corrupte  Verwaltung  in  falsche  Canäle 
geleitet  wird.  —  Allerdings  ist  an  und  für  sich  der  Haushalt  einer  nordameri- 
kanischen Stadt  sehr  kostspielig.  Es  wird  in  viel  grossartigerem  Masse 
gewirthschaftet  und  für  ihre  hohen  Steuern  haben  die  Newyorker,  Bostoner, 
Philadelphier  u.  s.  f.  wenigstens  noch  den  Genuss  von  einer  Anzahl  von 
grossartigen  Einrichtungen  von  öffentlichem  Nutzen,  deren  Schaffung  in 
so  jungen,  raschwachsenden  Gemeinwesen  natürlich  nur  mit  grossen  Opfern 
möglich  ist.    Aber  unter  den  Städteverwaltungen,  wie  sie  jetzt  sind,  werden 


berichten  der  N.  Y.  Handelszeitung  1878  u.  79,  theil weise  auch  dem  Jahrbuch 
American  Cyclopedia  (New  York  1879)  entnommen.  Die  entsprechenden  Zahlen 
in  verschiedenen  deutschen  Werken,  besonders  Kolb's  Statistik  8.  Aufl.  (1879), 
sind  stellenweise  sehr  übertrieben, 

2)  Dass  allerdings  dabei  noch  andere  Ursachen  mitwirken,  lehrt  u.  a.  die 
Ermahnung ,  mit  der  der  Governor  von  New  Jersey  seine  Darlegung  der  oben 
angeführten  Verhältnisse  schliesst:  Die  Bürger  möchten  an  den  öffentlichen  An- 
gelegenheiten ihrer  Städte  regen  Antheil  nehmen  und  namentlich  dafür  sorgen, 
dass  nur  gute  und  fähige  Männer  zu  den  Aemtern  gewählt  werden,  die  sie 
dann  nach  Kräften  unterstützen  sollten.  Nur  hierdurch  sei  es  möglich,  die 
drückenden  Lasten  von  den  Schultern  des  Volkes  abzuwälzen,  die  dasselbe  jetzt 
zu  tragen  hat.    (Ann.  Message  d.  14.  Jan.  1879.    Vgl.  u.  S.  525) 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  513 

derartige  grosse  Dinge  oft  nur  geschaffen,  um  die  Politiker  zu  bereichern. 
So  hat  New  York  für  sein  auf  800000  D.  geschätztes  Stadthaus  12  Mill. 
bezahlt  und  sein  Central  Park  hat  bis  heute  ca.  15  Mill.  D.  gekostet. 

Die  Sorge  für  die  öffentliche  Gesundheit  nimmt  einen  hervor- 
ragenden Platz  unter  den  Aufgaben  der  städtischen  Behörden  ein.  Die 
grossen  Städte  haben  eigene  Gesundheitsräthe  mit  reichen  Mitteln;  der- 
jenige New  Yorks  verausgabte  in  den  letzten  Jahren  durchschnittlich 
240000  D.  Die  Sterblichkeitszahlen  sind  geringer  als  die  der  meisten 
europäischen  Städte,  aber  sie  haben  das  Unzuverlässige,  dass  keine  ganz 
genaue  Bevölkerungsstatistik  ihnen  zu  Grunde  liegt.  Für  New  York 
werden  25,  für  Philadelphia  22,  für  S.  Louis  13  p.  Mille  und  Jahr  ange- 
geben. Das  im  Allgemeinen  gesundere  Leben  und  Wohnen  und  die 
geringeren  Kinderzahlen  müssen  indessen  doch  in  diesen  Zahlen  zur  Gel- 
tung kommen. 

Ueber  die  verhältnissmässige  Vertheilung  der  Bevölkerung  an  die 
Städte  und  das  flache  Land,  über  die  Zunahme  der  städtischen  Bevöl- 
kerung, sowie  über  die  Stellung  der  Städte  zu  den  kleineren  Wohnplätzen 
ist  0.  S.  191  f.  gesprochen.  Das  pilzartige  Wachsthum  amerikani- 
scher Städte  ist  eines  der  bezeichnendsten  Symptome  des  amerika- 
nischen Lebens.  Von  1810 — 70  hat  New  York  seine  Bevölkerung  verzehn- 
facht, Philadelphia  die  seine  versiebenfacht,  Boston  die  seine  verachtfacht, 
Baltimore  die  seine  versechsfacht,  New  Orleans  die  seine  verelffacht. 
Chicago  ist  von  1840—70  von  4500  auf  300000,  S.Louis  von  1820—75 
von  4600  auf  450000,  Cincinnati  von  1810—70  von  2540  auf  216000, 
S.  Francisco  von  1860  —  75  von  66000  auf  190000  gewachsen.  Der 
unvergleichlich  rasche  und  reiche  Verkehr  ist  es  hauptsächlich,  welcher 
dieses  Wachsthum  bewirkt.  In  seinem  Wesen  liegt  die  Tendenz  nach 
Zusammenstreben  in  einige  bedeutende  Punkte  mit  Uebergehung  minder 
bedeutender  und  nach  Zusammenziehung  des  vielen  kleinen  Geäders  in 
wenige,  aber  wirksame  Hauptadern.  Die  nordamerikanischen  Grossstädte 
sind  in  solchem  Masse  Erzeugnisse  der  Eisenbahnen,  dass  ihr  Wachsthum 
stets  in  einem  nachweisbaren  Bezug  zu  der  Zahl  und  Bedeutung  der 
Linien  steht,  die  in  ihnen  zusammenlaufen. 

VI.  Die  politischen  Fähigkeiten.  Die  Parteien.  Die  Wahlen. 
Corruption.  Das  Volk  der  V.  St.  hat  Talent  für  die  Politik.  Dies 
ist  theils  ein  Erbtheil  des  angelsächsischen  Stammes,  theils  ein  Ergebniss 
des  auf  sich  selber  angewiesenen  colonialen  Lebens,  das  auf  diesem  wie 
auf  so  vielen  anderen  Gebieten  schulend  gewirkt  hat.  Die  Betrachtung  der 
Geschichte  der  einstigen  Colonien  und  späteren  Staaten  (s.  o.  Cap.  II)  lässt 
eine  Anzahl  von  historischen  Momenten  erkennen,  welche  günstigen  Ein- 
fluss  auf  Entwickelung  des  politischen  Charakters  der  V.  St.  geübt  haben. 
Allen  voran  steht  die  Abstammung  der  grossen  Mehrzahl  der  Colonisten 

R  a  t  z  e  1 ,   Amerita  II.  oo 


514  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

von  dem  in  jener  Zeit,   wie  noch  heute,    politisch  geübtesten  und  fort- 
geschrittensten Volke,    dem  englischen.     Die  Selbständigkeit  und  Selbst- 
verwaltung der  kleineren  Verwaltungsgruppen,    der  Gemeinden  und  Graf- 
schaften,  ist  aus  England  herübergebracht.    Eine  zweite  Grundthatsache 
liegt  darin,  dass  diese  Colonisten  in  der  grossen  Mehrzahl  mit  dem  Wunsche 
der  freien- Religionsübung  kamen,  die  das  Mutterland  ihnen  versagte. 
Die  Verkümmerung   der  politischen  Freiheit  würde   sich   nicht  vertragen 
haben  mit  der  Erfüllung  dieses  Wunsches.     In   dritter   Reihe   steht    der 
glückliche  Zufall,   dass  diese  Colonien  sich  in  einer  Epoche  entwickelten, 
wo  nicht  bloss   das  Ansehen,    sondern   auch  die  Macht  des  Königthums 
tiefer  gesunken  waren  als  je  vorher.    Sie  würden  zu  keiner  anderen  Zeit 
so  ungestört   sich  nach  ihren   eigenen  Ideen  von  Freiheit   und  Selbstän- 
digkeit haben  einrichten  können.    Neben  diesen  geschichtlichen  Gegeben- 
heiten sind  aber  die  Verhältnisse  der  Colonisten  selbst  nicht  minder 
thätig   gewesen  in  der  Herausbildung  der  Fähigkeiten  zu    eigener  Ver- 
waltung und  Regierung.    In  allen  Colonien  beobachtet  man  die  Neigung 
zu  selbständigem,  freiem  Leben.     Der  freie  Raum,    den  der  Mensch  zur 
Verfügung  hat,    das   auf  sich   selbst   Gestelltsein  in  jeder  Hinsicht,    er- 
zeugen  einen  bis  zur  Trotzigkeit  gehenden  Freiheitssinn.     „In   Colonien 
muss  das  Individuum  wieder  selbständiger  werden,  ähnlich  wie  es  im  An- 
fang jeder  menschlich*en  Cultur   der  Fall    ist"*).      Diese    selbe  Tendenz 
schafft  aber  auch  eine  grössere  Gleichheit.    Alle  jungen  Gesellschaften 
sind  in  ihrem  Wesen  demokratisch.    Nirgend  anders  wird  dem  Ideal  von 
Gleichheit  Aller  so  nahe   gekommen.     Ihre   Lage,    Besitz,    die   Art   und 
Menge  ihrer  Arbeit,   ihre  Bildung,  ihre  Sitten,  ihre  ganze  Lebenslage  ist 
möglichst  gleichartig.     Es  ist  nicht  mehr  als  natürlich,    wenn  wir  in  der 
älteren  Geschichte  der  Colonien  eine,  man  möchte  sagen,  naturgesetzliche 
Abneigung  gegen   alle   Ständescheidung  wahrnehmen.     Einige  von  ihnen 
waren  aristokratisch  angelegt,  aber  in  der  Regel  wurden  sie  in  Kürze  wie 
von  selber  immer  demokratischer.  Wie  bezeichnend,  dass  beim  Beginn  der 
Revolution  fast  in   allen  diesen  jungen   Staatswesen  das    englische  Erb- 
wesen   mit    seiner    aristokratischen    Zusammenhaltung    des    Besitzes    zu 
Gunsten  eines   Haupterben  aufgegeben  war!     Man   würde   sich   indessen 
irren,  wenn  man  glaubte,  dass  dieser  demokratische  Zug  der  nordameri- 
kanischen Colonisten   das  sei,    was  der  Franzose   unter  Egalite  versteht. 
Die  letztere  begreift  ein  theilweises  Aufgeben  der  Rechte  des  Individuums 
zu  Gunsten  seiner  Nebenmenschen  in  sich,  welches  dem  Nordamerikaner 
keineswegs  sympathisch  ist.     Derselbe  ist  im  Gegentheil  streng  indivi- 
dualistisch gesinnt.    Die  Gleichheit  besteht  für  ihn  darin,  dass  jedem 
in  seiner  Sphäre   das  gleiche  Mass   von  Freiheit   und  Selbständigkeit  zu- 
gestanden wird.    Er  mag  sich  im  Uebrigen   entwickeln  wie  er  will.    Es 

1)  Röscher,   Colonien  1856.  79, 


XlII.     Der  Staat.     t)ie  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  515 

ist  wie  wenn  eine  stillschweigende  Uebereinkunft  bestände,  die  grösste 
Schonung  und  Rücksicht  den  Schranken  angedeihen  zu  lassen,  welche  der 
Einzelne  um  sich  aufrichtet.  Es  spricht  sich  darin  die  politisch  so  hoch- 
werthvolle  Achtung  vor  dem  Rechte  Anderer  und  vor  dem  Ge- 
setze aus,  welche  in  dem  wildbewegten  Treiben  dieses  Yolkes  oft  von 
Willkürlichkeiten  durchbrochen  werden  kann,  aber  noch  immer  in  der 
Mehrzahl  der  Gemüther  fortlebt,  wenn  sie  auch  in  neuester  Zeit  sich 
immer  mehr  von  dem  politischen  auf  das  Gebiet  der  gesellschaftlichen  Be- 
ziehungen zurückgezogen  hat. 

Aber  die  Herabdrückung  Aller  auf  Ein  Niveau  ist  eine 
spätere  Importation  und  vor  allem  ist  die  politische  Gleichberechtigung 
Aller  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Leistungen  ein  im  Grunde  mehr  französi- 
scher ais  nordamerikanischer  Grundsatz,  den  man  in  Form  des  all- 
gemeinen Wahlrechts  leider  in  der  Mehrzahl  der  Staaten  und  Ge-  y^ 
meinden  durchgeführt  hat.  Die  Folgen  sind  für  das  wahre  Wesen  des 
Freistaates  die  verderblichsten,  die  man  sich  denken  kann  (s.  ju.  S.  250  f.), 
und  wenn  irgendwoher  die  Gefahr  eines  Umsturzes  der  freistaatlichen 
Einrichtungen  droht,  so  ist  es  von  der  Pöbelherrschaft,  die  durch  diese 
missverstandene  Anwendung  eines  demokratischen  Grundsatzes  beigeführt 
wird.  Die  eigentlichen  Träger  der  stetigen  Entwickelung  eines  vernünftig 
freien  Staatswesens,  die  besitzenden  und  verständigen  Bürger,  sind  durch 
die  Massenherrschaft  aus  der  politischen  Arena  hinausgedrängt  und  es  wird 
schon  als  ein  grosses  Glück  betrachtet,  wenn  an  die  Spitze  der  Geschäfte 
wieder  einmal  ein  fähiger  und  ehrlicher  Mann  kommt.  Dazu  kommt, 
dass  auch  in  den  V.  St.  jenes  alte  Uebel  der  Freistaaten  grassirt,  die 
politische  Undankbarkeit,  das  Beiseitewerfen,  die  rasche  Ab-  und 
Ausnützung  der  besten  Kräfte.  Heute  sind  diese  Beispiele  seltener  ge- 
worden, da  die  Uneigennützigen  sich  in  der  Mehrzahl  fern  halten  von 
den  öffentlichen  Angelegenheiten  und  den  Anderen  die  Gelegenheit  nicht 
fehlt  sich  zu  bereichern.  Aber  noch  vor  40  Jahren  waren  die  Beispiele 
arm  gebliebener  oder  im  Dienste  des  Landes  arm  gewordener  Staats- 
männer nicht  selten.  Man  gewann  damals  den  Eindruck,  dass  die  Ameri- 
kaner ihre  Privatdiener  mit  viel  grösserer  Rücksicht  behandelten  als  sogar 
einige  ihrer  bedeutendsten  öffentlichen  Diener,  denen  man  so  oft  wie 
möglich  zu  verstehen  gab ,  dass  sie  nichts  Besseres  als  jeder  andere  be- 
liebige Bürger  und  vom  guten  Willen  des  Volkes  vollkommen  abhängig 
seien.  Als  Präsident  Monroe  seinen  eigenen  Besitz  im  Dienste  des  Landes  y^ 
verausgabt  hatte,  musste  er  bittend  vor  dem  Congress  erscheinen ;  Präsident 
Jefferson  hatte  in  seinem  Alter  die  Legislatur  um  die  Vergünstigung  zu 
bitten,  seine  Güter  verlosen  zu  dürfen;  Gallatin  würde  in  Armuth  ver-  , 
fallen  sein,  wenn  ihm  nicht  seine  Freunde  eine  Bankdirektorstelle  an- 
geboten haben  würden,  und  General  Harrison,  der  Besieger  der  Engländer 

33* 


516  XIII.    Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

und  der  Indianer,  der  Held  von  Tippecanoe,  musste  als  Greis  eine  Stelle 
als  Clerk  im  Court  of  Common  Pleas  zu  Cincinnati  annehmen.  —  Wenn 
man  sagt,  dass  dieses  Beiseitewerfen  verbrauchter  oder  auch  nur  miss- 
liebig  gewordener  Staatsmänner  eine  natürliche  Folge  der  Souveränität 
des  Volkes  sei,  so  gibt  man  damit  zu,  dass  dieser  vielköpfige  Souverän 
an  einem  gefährlichen,  organischen  Fehler  krankt,  der  seiner  Herrschaft 
eine  bedenkliche  Aehnlichkeit  verleiht  mit  orientalischen  Despotien.  Die 
Unlust  die  Ueberlegenheit  bedeutender  Menschen  anzuerkennen  ist  beiden 
gleich  und  beide  scheinen  gleich  unsichere  Begriffe  zu  haben  von  dem 
Werthe  geleisteter  Dienste.  Auch  die  Folgen  sind  nicht  unähnlich'.  In 
den  despotischen  Monarchien  sind  es  die  Unredlichkeiten,  Hintergehungen 
oder  offenen  Empörungen,  in  der  Republik  der  Y.  St.  ist  es  der  Betrug  des 
Volkes  und  der  Diebstahl  derselben  Rechte,  auf  welche  es  so  eifersüchtig 
zu  sein  pflegte,  welche  die  wegwerfende  Undankbarkeit  rächen,  der  der 
öffentliche  Diener  sich  ausgesetzt  sieht.  Durch  diese  Auswüchse  hindurch 
und  zum  Theil  sie  stützend  macht  sich  aber  eine  weitere  politisch  wirksame 
Gabe  der  I^ordamerikaner  geltend,  der  Ordnungssinn  und  die  Fähig- 
keit zu  gehorchen.  Sie  scheint  dem  Selbständigkeitssinn  zu  wider- 
sprechen, aber  sie  begreift  sich  aus  dem  grossen  praktischen  Verstände, 
der  unter  diesem  Volke  sehr  weit  verbreitet  ist  und  der  Jedwedem  ein  so 
bestimmtes  Urtheil  über  das  eingibt,  was  er  thun  und  lassen  soll,  dass 
Schwanken  und  Widersprüche  selten  aufkommen.  Die  Fähigkeit  der  Unter- 
ordnung ist  ausserordentlich.  Die  Massen  gewinnen  durch  dieselbe  eine 
Organisationsfähigkeit,  die  wunderbar  ist.  Man  sieht  mit  Staunen  die 
freiwillige  und  sehr  weit  gehende  Unterordnung  unter  die  Handhaber 
materieller  Ordnungen,  als  da  sind  Schiffskapitäne,  Zugführer,  Kutscher, 
Wirthe  u.  dgl.  Es  ist  etwas  Instinktives  darin.  Diese  Leute  sind  noth- 
wendig,  man  muss  sich  ihnen  fügen,  und  das  geschieht  mit  einem  hohen 
Masse  von  Vertrauen  in  die  Richtigkeit  dessen,  was  sie  thun.  Man  vertraut 
sich  ihnen  an  wie  einer  Maschine,  von  der  bestimmte  Leistungen  mit  einiger 
Sicherheit  erwartet  werden  können  und  welche  man  so  wenig  wie  möglich 
in  ihren  geordneten  Verrichtungen  stören  darf.  Es  liegt  hier  ein  tief  durch- 
gehender Zug  des  amerikanischen  Charakters  vor.  Die  ruhige,  gleichmässige 
Pflichterfüllung,  welche  dem  maschinenmässig  Sicheren  in  allen  Bewegungen 
zu  Grunde  liegt,  würde  nicht  möglich  sein  ohne  das  Gefühl  des  Ver- 
trauens, mit  dem  Einer  an  die  Leistung  des  Anderen  herantritt.  Es  wird 
ohne  Weiteres  verlangt  und  gegeben.  Auf  diese  Weise  wird  die  all- 
gemeine Erfahrung  zur  Lebensregel,  dass  man  einem  Manne,  der  seine 
Sache  versteht,  nicht  dreinreden  soll.  Es  kommt  noch  jenes  wunder- 
bare Talent  des  Amerikaners  zur  raschen  Organisation  einer  Masse  hinzu, 
welches  1000  neuigkeitsgierige  Menschen  an  einem  Postschalter  sich  ohne 
alle  Unordnung  in  Reih  und  Glied  stellen  und  geduldig  warten  lässt,  bis 
die  Reihe   an  jeden   kommt,    und  welches  jede  Bande   turbulenter  Gold- 


Xin.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  517 

gräber  oder  Waldläufer  im  Moment  einer  gemeinsamen  Niederlassung 
sofort  zu  einer  wohlgeordneten  Republik  krystallisiren  lässt.  Jeder  fühlt 
sich  in  solchen  Fällen  nicht  bloss  gleichberechtigt,  sondern  auch  gleich- 
verpflichtet gegenüber  der  Gesammtheit,  Jeder  fühlt  sich  als  Glied  eines 
Organismus  und  sucht  vieles  zu  unterlassen,  was  ihn  aus  dem  Rahmen 
einer  solchen  Eingliederung  herausrücken  könnte.  Diese  Leichtigkeit  der 
Unter-  und  Einordnung  lässt  eine  erziehende  Wirkung  des  Gleichheits- 
gefühles erkennen,  welche  neben  den  vorhin  erwähnten  weniger  angenehmen 
Consequenzen  desselben  nicht  übersehen  Averden  darf.  Setzen  wir  hinzu, 
dass  in  dem  Charakter  des  Amerikaners  Ruhe  und  Stetigkeit  vor- 
wiegen, welche  nicht  leicht  zu  leidenschaftlichen  Ueberstürzungen  die 
Hand  bieten,  dass  ein  guter  Theil  conservativer  Neigungen  noch 
vorhanden  ist,  die  alle  Gleichmacherei  überdauern,  dass  seinem  Ver- 
stände die  praktischen  Erwägungen  näher  liegen  als  die  philo- 
sophischen Gedankenflüge,  ohne  dass  er  doch  allgemeinen  Ideen  so  schwer 
zugänglich  wäre  wie  etwa  der  des  Engländers,  dass  er  opferfähig  für 
Zwecke  der  Allgemeinheit  ist,  dass  er  mit  seinen  Meinungen  nicht  hinter 
dem  Berge  hält  und  dass  Beredsamkeit  bei  ihm  eine  weitverbreitete 
Gabe,  so  erhalten  wir  den  Eindruck  eines  Volkes,  welches  für  das  poli- 
tische Leben  reich  ausgestattet  ist.  Welchen  Gebrauch  macht  es  nun 
aber  von  diesen  Gaben  und  wieweit  geht  der  Missbrauch  derselben? 

Die  Parteien  sind  nothwendige  Werkzeuge  der  Regierung  in  einer 
Demokratie.  In  ihnen  sammeln  sich  die  Meinungen,  welche  im  Volke 
über  die  Art  und  Weise  bestehen,  wie  es  zu  regieren  und  regiert  zu 
werden  wünscht.  Aber  nicht  bloss  die  Meinungen.  Das  Ziel  jeder  Partei 
ist,  an  die  Regierung  zu  gelangen.  Es  gibt  daher  in  der  Regel  nur  2 
grosse  Parteien :  eine  regierende  und  eine,  die  Widerpart  hält.  Zeitweilig 
gibt  es  Mittelparteien,  aber  dieselben  verschmelzen  sich  immer  rasch  mit 
den  Hauptparteien.  Man  muss  den  Unterschied  nicht  ausser  Augen  lassen 
zwischen  solchen  und  dem,  was  wir  in  Deutschland  so  nennen.  Unsere 
Parteien  können  auch  Einfluss  auf  die  Regierung  erlangen,  aber  nur  in 
sozusagen  platonischer  Weise  durch  guten  Rath,  Ueberredung,  durch  den 
Sieg  ihrer  besseren  Einsicht.  Darum  dürfen  sie  auch  zersplitterter  und 
zahlreicher  sein.  Eben  darum  ist  aber  überhaupt  das  .  politische  Leben 
ein  matteres.  Wir  geben  an  der  Wahlurne  mit  unserer  Stimme  der  Re- 
gierung höchstens  einen  Rath,  den  sie  nicht  einmal  zu  befolgen  braucht, 
während  der  Bürger  der  V.  St.  an  der  Wahlurne  zusammen  mit  seinen 
Parteigenossen  eine  Schlacht  für  oder  wider  die  Regierung  schlägt.  Und  da 
diese  nichts  über  dem  Volke  Thronendes,  sondern  aus  ihm  Hervorgehendes 
ist,  da  die  Regierung,  wenn  gefallen,  mit  ihrem  ganzen  Gefolge  von 
Beamten  etc.  das  Feld  räumt,  das  dann  von  der  Gegenpartei  eingenommen 
wird,  so  hängt  auch  eine  Masse  materieller  Interessen  mit  dem  Sieg  oder 
der  Niederlage  der  Parteien  zusammen :  Alles  Gründe,  die  ihre  Bedeutung, 


518  XIII.    Der  Staat     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben, 

ihren  Zusammenhalt  und  ihre  Dauer  vermehren  müssen.  —  Es  ist  nur  auf 
Umwegen,  dass  man  die  Parteien  von  heute  von  den  Parteien  der 
Föderalisten  und  Republikaner  ableiten  kann,  welche  die  politischen 
und  wirthschaftlichen  Kämpfe  der  noch  jungen  Republik  fochten.  Man 
pflegt  zu  sagen,  dass  die  letzteren,  welche  später  den  Namen  Demokraten 
annahmen,  Jn  der  Wahl  Jackson's  und  während  seiner  8  jährigen  Präsident- 
schaft ihren  Höhepunkt  erreichten,  während  die  ersteren  erst  von  1834 
an  wieder  in  neuer  Organisation  als  eine  Partei,  welche  den  Demokraten 
gewachsen  war,  Whigs  sich  nennend,  auf  den  Kampfplatz  traten.  Einige 
Jahre  hindurch  mächtig,  wurden  sie  durch  inneren  Streit  zerklüftet 
und  zerfielen  als  Partei  im  Präsidenten -Wahlkampf  von  1852.  Unter 
Pierce's  Verwaltung  entstanden  die  2  neuen  Parteien  der  Free  Soilers, 
deren  Ziel  die  Einschränkung  der  Sklaverei,  und  der  Knoivnothings, 
deren  Ziel  die  Zurückdrängung  des  Einflusses  der  fremdgeborenen  Bürger 
war.  Im  Congress  1857 — 59  trat  zum  ersten  Mal  die  aus  der  ersteren 
hervorgegangene  neue  Partei  der  Republikaner  hervor,  zunächst  als 
Minorität.  In  der  Wahl  von  1860  stimmten  die  Demokraten  des  N.  und 
S.  für  verschiedene  Candidaten,  während  die  Republikaner,  jetzt  die 
eigentliche  Antisklaverei-Partei,  geschlossen  für  Lincoln  eintrat.  Die  Miss- 
regierung der  Republikaner  rief  im  ersten  Termin  Grant's  die  Bildung 
einer  unabhängigen  Partei ,  die  man  als  Independents  oder  als  Liberais 
bezeichnete.  Dieselbe  erlitt  jedoch  in  der  Wahl  von  1872  eine  so  ent- 
schiedene Niederlage,  dass  sie  grossentheils  wieder  mit  einer  gemässigten 
Schattirung  der  Republikaner  sich  verband  und  1876  mit  diesen  zusammen 
stimmte.  Man  kann  sagen,  dass  gegenwärtig  ein  rechter  Flügel  der 
Republikaner  zusammen  mit  den  Unabhängigen  die  Regierung  führt. 

Eine  National  GreenbacJc  and  Lahour  Party,  Papiergeld- 
und  Arbeiter- Partei,  bildete  sich  1877/78  unter  grossem  Lärm  aus  be- 
schäftigungslosen oder  sonst  missvergnügten  Arbeitern,  fanatischen  Papier- 
geld-Freunden und  Demagogen.  In  einigen  der  grossen  Städte  des  W.  zog 
sie  die  dort  schon  früher  vorhandenen  social-demokratischen  Vereinigungen 
in  ihren  Kreis.  Ihr  erster  grösserer  Erfolg  war  die  Erwählung  einer 
Anzahl  von  Delegaten  für  eine  Staats  -  Convention  von  Californien.  Als 
der  Führer  dieser  Partei,  Kearney,  nach  Neu-England  herüberkam,  um 
den  grössten  Demagogen  der  V.  St. ,  Benjamin  Butler,  für  seine  Sache  zu 
gewinnen  und  dieser  Millionär  sich  in  der  That  zum  Candidaten  der 
Arbeiter  für  den  Governor-Posten  in  Massaclmsetts  aufstellen  liess,  schien 
die  Gefahr,  dass  eine  halbsocialistische  Mittelpartei  sich  bilden  könnte, 
nahe  genug.  Dieselbe  ist  aber  für  die  nächste  Zeit  wieder  geschwunden 
durch  den  Ausfall  der  Novemberwahlen  von  1878,  in  welchen  nicht  bloss 
Butler,  sondern  die  ganze  neue  Partei  auf  allen  wichtigen  Punkten  ge- 
schlagen wurde.  Ganz  beseitigt  ist  sie  nicht  und  es  liegt  auf  der  Hand, 
wie  gefährlich  ihr  Wachsthum  werden  kann;  denn  sie  ist  die  erste  mehr 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  519 

auf  dem  Gegensatz  des  Besitzes  und  Standes  als  der  politischen  Ansichten 
beruhende  Partei  und  die  Geschichte  lehrt,  dass  solche  Parteien  oft  der 
Anfang  des  Verfalles  der  freistaatlichen  Einrichtungen  gewesen  sind.  Vor 
dem  Ausbruche  der  allgemeinen  Geschäftskrisis  in  1873  war  von  einer 
Arbeiter-Partei  oder  einer  Arbeiter-Bewegung  in  den  V.  St.  überhaupt  nicht 
die  Rede.  Socialistische  und  communistische  Ideen  fanden  ihren  Boden 
hier  weniger  in  der  eigentlichen  Arbeiterbevölkerung  als  bei  einzelnen 
religiös  oder  politisch  Neuerungssüchtigen,  denen  es  [nur  selten  gelang, 
eine  Gemeinde  Gleichgesinnter  um  sich  zu  vereinigen.  Diese  Ideen  waren 
Blasen,  die  in  der  gährenden  Masse  eines  unternehmenden,  selbstdenkenden, 
für  Neues  sehr  zugänglichen  Volkes  immer  aufsteigen  werden.  Aber  sie 
waren  in  ihrer  Vereinzeltheit  weit  davon  entfernt,  eine  grosse  Schicht 
der  Bevölkerung  in  Gegensatz  zu  drängen  zu  den  anderen  Theilen  der 
Nation.  Es  fehlte  ganz  der  Boden  hierzu,  weil  es  einen  festen,  abge- 
grenzten Arbeiterstand  damals  in  Nord -Amerika  noch  nicht  gab.  Bis  zu 
dem  grossen  Aufschwung  des  nordamerikanischen  Wirthschaftslebens  und 
besonders  der  Industrie  nach  dem  Bürgerkrieg  war  der  Arbeiterstand 
nur  eine  Uebergangs-  und  Durchgangsstufe  von  abhängigem  zu  selb- 
ständigem Erwerb.  Hing  es  doch  nicht  von  den  Mitteln,  sondern  nur  von 
dem  Willen  des  Einzelnen  ab,  ob  er  eine  unselbständige  Arbeiterstellung 
im  0.  mit  der  eines  Landwirthes  auf  dem  vortrefflichsten  Boden  des  W. 
vertauschen  wolle.  Trat  er  aus  seiner  Abhängigkeit  nicht  heraus,  so 
konnte  er  unter  diesen  Umständen  nur  mit  sich  selber  unzufrieden  sein. 
Ein  nach  oben  revolutionäres  Classengefühl  konnte  sich  unmöglich  ent- 
wickeln. Aber  von  1860  an  änderte  sich  die  Sachlage  sehr  rasch  zum 
Schlimmeren.  Es  begann  die  Aera  der  Agio-Schwankungen,  der  Speku- 
lationen, des  Luxus,  der  übermässig  raschen  Entwickelung  des  Eisen- 
bahnnetzes und  der  Industrie.  Während  des  Bürgerkrieges  und  der  auf 
ihn  folgenden  Periode  gewerblicher  Exaltation  befand  sich  der  ameri- 
kanische Arbeiter  im  gedeihlichsten  Zustande,  und  dass  er  von  der  all- 
gemeinen Tendenz  raschen  und  leichten  Erwerbes  sich  ebenfalls  nicht 
frei  erhielt,  muss  als  eine  der  Hauptursachen  eines  auch  unter  den  tüch- 
tigsten Arbeitern  jetzt  (1878)  hier  und  da  herrschenden  wirklichen  Noth- 
standes  betrachtet  werden.  Dieser  Nothstand  und  die  ihm  zu  verdankende 
heftige  Tagesagitation  ist  jedoch  jetzt  noch  wesentlich  auf  die  grossen 
Städte,  auf  die  Fabrikbevölkerung  und  auf  die  von  der  Eisenbahn-  und 
Minenspekulation  abhängige,  rohere  Handarbeit  beschränkt.  Ein  Urtheil 
über  ihre  Zukunft  wird  erst  gefällt  werden  können,  wenn  man  ihr  Ver- 
halten in  einer  Zeit  günstigen  Geschäftsganges  beobachtet  haben  wird. 

Eine  Thatsache  ist  hervorzuheben,  als  eine  der  bezeichnendsten  und 
zugleich  ehrenvollsten  in  der  Geschichte  der  politischen  Parteien  der  V.  St. :  , 
Stets  hat  die  geschlagene  Partei  dem  Spruch  der  siegreichen  !/ 
sich  unterworfen.    Die  einzige   Ausnahme   ist  der  Aufstand  des  S. 


520  XIII.    Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben. 

gegen  die  in  Folge  der  Wahlen  von  1860  eingesetzte  Regierung  der  Re- 
publikaner. Abgesehen  von  diesem  Falle  ist  nie  die  Gefahr  eines  Bruches 
dieser  friedlichen  Ueb erlief erung  so  nahe  gelegen  wie  bei  den  Wahlen 
von  1876,  wo  die  Demokraten  und  Republikaner  sich  genau  die  Wage 
hielten  und  die  endgültige  Mehrheit  ganz  von  der  Auslegung  einiger 
zweifelhaften  Wahlen  abhing  (s.  o.  S.  104).  Dass  auch  dieser  gefährliche 
Zwist  friedlich  beigelegt  wurde,  gibt  einen  hohen  Begriff  von  der  republi- 
kanischen Tugend  der  Unterordnungsfähigkeit,  die  trotz  aller  Corruption 
noch  vorhanden  ist.  Allerdings  ist  sie  auch  der  allernothwendigste  Grund- 
und  Eckstein  im  politischen  Aufbau  des  Freistaates. 

Die  Wahlen  zu  den  verschiedenen  Vertretungskörpern  der  Union, 
der  Einzelstaaten  und  der  Gemeinden  bilden  natürlicherweise  den  grossen 
Kampfplatz  der  Parteien.  Durch  die  Wahlen  allein  ist  es  möglich,  dass 
sie  Besitz  zu  ergreifen  vermögen  von  jenen  Aemtern,  in  deren  Ausbeutung 
der  Lohn  für  die  politischen  Anstrengungen  gesucht  wird.  Dabei  ist 
wohl  zu  beachten,  dass  es  sich  nicht  bloss  um  moralische  Anstrengungen 
handelt,  sondern  die  Leute,  welche  zu  einer  Stellung  im  Staate  gelangen 
wollen,  haben  immer  auch  materielle  Opfer  zu  bringen,  die  bei  den  höchsten 
Beamtungen  sich  zu  Millionen  steigern  können.  Wenn  schon  bei  uns,  wo 
in  der  Regel  bloss  Ehren-  und  Nebenämter  durch  Wahl  vergeben  werden, 
diese  ganz  ohne  kleine  Mittelchen  zur  Antreibung  der  Lässigen,  Ein- 
schüchterung u.  dgl.  selten  abgeht,  so  kann  man  sich  denken,  welcher 
Aufwand  von  Arbeit  und  Geld  für  eine  Wahl  gemacht  wird,  die  für  Viele 
über  das  tägliche  Brot  entscheidet.  Der  berühmte  Grundsatz  von  der 
Botation  der  Äemter  ist  mit  der  Zeit,  man  kann  sagen,  unter  die  politi- 
schen Glaubensartikel  aufgenommen  worden  und  eine  Partei,  die  in  den 
Wahlkampf  eintreten  wollte,  ohne  ihren  Anhängern  die  Beute,  d.  h.  die 
Stellen  zu  versprechen,  welche  jetzt  noch  von  ihren  politischen  Gegnern 
eingenommen  werden,  würde  des  Misserfolges  ihrer  Bemühungen  gewiss 
sein.  Die  Aussicht  auf  den  Sieg  würde  so  gering  sein  bei  einer  ehrlichen 
Partei,  welche  die  Oivil  Service  Beform,  d.  h.  die  Abschaffung  des  bestän- 
digen Wechsels  der  Beamten,  wenigstens  für  die  Bundesämter  mit  Ernst 
durchführen  möchte,  dass  man  eine  solche  Reform  wenigstens  für  jetzt 
für  unmöglich  hält.  Selbst  dort,  wo  man  einsieht,  dass  sie  das  ganze 
politische  Leben  vergiftet  und  den  Geist  der  Nation  anfrisst,  ist  man 
rathlos ,  wie  ihre  Beseitigung  erreicht  werden  könnte.  Bei  solchem 
Stand  der  Dinge  erlangen  die  Wahlen  eine  ganz  andere  Bedeutung  als 
sie  in  Staaten  mit  durch  Wahlen  unangreifbarem  Beamtenstande  be- 
sitzen. Ihr  Ausgang  wird  so  wichtig,  dass  alles  daran  gesetzt  wird 
ihn  zu  sichern,  und  der  Scharfsinn,  durch  den  die  Nordamerikaner 
auf  industriellem  Gebiete  eines  der  erfindungsreichsten  Völker  geworden, 
zeigt  sich  auch  hier  in  glänzenden  Leistungen.  Eine  Wahl  zu  machen 
ist  für  einen  Politiker  ebenso  ein  Geschäft,   das   alle  Fähigkeiten  in  Be- 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben.  521 

wegung  setzt,  wie  ein  Brücken-  oder  Eisenbahnbau.  Und  der  Politiker 
ist  in  seiner  Art  ebenso  Fachmann  wie  der  Ingenieur  oder  sonst  ein 
Industrieller.  Er  macht  Entwürfe,  stellt  Kostenanschläge  auf,  hält  sich 
einen  Stab  von  Gehülfen  hoher  und  niedriger  Gattung,  beherrscht  (controls) 
so  und  so  viel  Tagesblätter,  zieht  Weiber  und  Pfaffen  in  sein  Interesse,  die 
auch  in  Amerika  zu  den  wichtigsten  Triebfedern  der  Politik  gehören,  reist 
im  Lande  umher  oder  lässt  reisen  u.  s.  f.  Dass  diesem  seltsamen  Handwerk 
eine  eigene  Sprache  nicht  fehlt,  versteht  sich,  und  dieselbe  ist  nicht  ohne 
Geist  erfunden  und  hat  einen  pikanten  Zug  von  Selbstironie.  Diese  Politiker 
haben  alles  gethan,  um  die  Wahlen  ihrem  eigentlichen  Zwecke  zu  entfremden; 
dieselben  werden  nicht  mehr  gemacht,  um  der  Stimmung  und  Ansicht  des 
Volkes  möglichst  treuen  Ausdruck  zu  geben,  sondern  um  einer  von  zwei 
Parteien  zum  Siege  zu  verhelfen.  Daher  die  starke  Strömung,  womöglich 
alle  Aemter  des  Bundes,  der  Staaten,  der  Gemeinden  zu  Wahlämtern  zu 
machen,  um  die  Parteiherrschaft  möglichst  weit  auszudehnen,  ferner  so 
viele  Erwählungen  wie  möglich  mit  einem  einzigen  Wahlakt  durchzuführen, 
um  die  Parteikraft  und  die  Mittel  nicht  in  kleinen  Aktionen  zu  vergeuden, 
und  endlich  die  Massen  des  Volkes  ohne  Unterschied  schrankenlos  wahl- 
berechtigt zu  machen,  um  mit  imposanten  Heerden  willenlosen  Stimmviehs 
an  der  Urne  auftreten  zu  können.  Stimmenfälschung  und  Bestechung 
spielen  eine  verderbliche  Rolle  in  diesen  politischen  Feldzügen*).  Es 
gehört  ferner  dazu  der  Gehorsam,  welcher  dem  Leiter  der  Partei  gezollt 
wird,  und  die  fast  autokratische  Stellung,  die  innerhalb  eines  jeden  Staates 
die  jeweiligen  Parteiführer  einnehmen ,  überhaupt  die  Parteidisciplin, 
welche   bei  jeder  Wahl   nur   mit   ganz   sicheren   Faktoren  rechnen  will 


1)  F.  Kapp  sagt  z.  B.  von  der  Stimmenfälschung:  „Die  newyorker  demo-  ^^, 
kratischen  Politiker  haben  dieselbe  zu  einem  Industriezweige,  zu  einem  zahlenden 
Geschäfte  ausgebildet,  zum  Rang  einer  Wissenschaft  erhoben;  sie  haben  die 
politische  Arithmetik  in  ihren  Dienst  genommen,  um  ihre  Gegner  unschädlich 
zu  machen,  sie  füttern  ganze  Banden  verschmitzter  und  gewissenloser  Werk- 
zeuge auf  Tagelolm,  um  sich  im  Besitz  der  Herrschaft  zu  behaupten.  Bei  der 
Präsidentenwahl  des  Jahres  1868  wurde  gerichtlich  bewiesen,  dass  auf  dem 
Falschenstimmen-Markte  von  New  York  der  Engrospreis  einer  Stimme  2  Doli, 
und  der  Detailpreis  2V2  — 3Doll.  betrug,"  Er  sagt  weiterhin,  dass  bei  der  eben- 
genauuten  Wahl  im  Staate  New  York  50  000  falsche  und  in  der  Stadt  New  York 
8  Proc.  mehr  Stimmen  abgegeben  wurden  als  Wähler  darin  waren.  Die  Mittel  zu 
diesen  Betrügereien  finden  die  Politiker  in  Fälschung  der  Wählerlisten,  Stimm- 
abgabe derselben  Individuen  an  mehreren  Wahlplätzen,  ungesetzliche  Naturalisation 
von  Leuten,  die  sich  zu  Stimmvieh  eignen  u.  s.  w.  (Aus  und  über  Amerika  1877. 
II.  27  f.)  Im  wilden  W.  u.  S.  geht  man  noch  nicht  einmal  so  fein  vor.  Das 
Einbrechen  berittener  und  bewaffneter  Banden,  welche  die  Wahllokale  besetzen, 
um  bloss  ihre  Freunde  wählen  zu  lassen,  die  Entwendung  ganzer  Wahlurnen 
mit  ihrem  Inhalt  u.  dgl.  sind  Dinge,  die  kein  Erstaunen  erregen,  wenn  sie  von 
dort  berichtet  werden. 


522  XlII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

gleich  einem  Feldherrn,  der  auf  seine  Truppen  unfehlbar  zählen  kann.  — 
Am  stärksten  kommt  das  alles  bei  dem   entscheidungsvollsten  Wahlkampf 
zum  Ausdruck,    der  Präsidentenwahl,    welche   für  4  Jahre  über  die 
Regierung  des  Landes  entscheidet  und  bei  welcher  einige  100000  Kampf- 
preise,  von   den  Botschafterposten   bei  europäischen  Höfen  bis   zu  Post- 
und  Zolldienerstellen,   an   die  Sieger   vertheilt  werden.     Indem   die  Ver- 
fassung  die   Art  und  Weise   der  Erwählung   der   Wähler   (Electors)  für 
die  Präsidentschaft  den  Legislaturen  der  Staaten  freistellte,  wurde  einem 
der  schlimmsten  Schäden  des  politischen  Systems  der  V.  St.  die  Thüre 
geöffnet.      Zuerst   war   allgemein   die   Gewohnheit   eingebürgert   gewesen, 
diese  wichtigsten  Wahlstellen   durch  die  Legislaturen  ausfüllen  zu  lassen. 
Aber  in  den  meisten  Staaten  machte  das  Volk  sein  Recht  auf  allgemeine 
und   unmittelbare  Wahl   der  Präsidentenwähler  schon   frühe  geltend.    Es 
wurde  Sitte,  da  man  ebensoviele  Wähler  zu  wählen  hatte  als  man  Sena- 
toren  und   Abgeordnete    zusammengenommen    zum   Congress    sandte,    in 
jedem   Abgeordnetenwahlbezirke   auch   einen  Präsidentenwähler,    und  die 
zwei  übrigen,  welche  den  beiden  Senatoren  eines  jeden  Staates  entsprechen, 
at  large  d.  h.  durch  die  Gesammtabstimmung  der  Bevölkerung  des  Staates 
zu  wählen.     Es   blieb   aber  nicht  bei  dieser  Methode,    welche   ein   gutes 
Mittel  bot,  auch   die  Minderheiten  zum  Worte  kommen  zu  lassen.     Den 
handwerksmässigen  Politikern    entsprach    es    mehr,    die    ganze   Zahl  der 
Präsidentenwähler  durch   das  ganze  Volk  vermittelst  eines  einzigen  allge- 
meinen Stimmzettels  wählen  zu  lassen.    Dies  erlaubte  eine  leichtere  Beein- 
flussung  der   Massen,    gab    denselben   grösseres   Gewicht   und    befähigte 
besonders  die  Sammelpunkte  der  grössten  Massen  von  Stimmvieh  und  der 
wirksamsten   Demagogen ,    die    grossen    Städte ,    manchmal    dem    ganzen 
übrigen  Staat   die  Möglichkeit  zu  benehmen,   seiner  Stimmung  Ausdruck 
zu  geben.    Man  hat  diesem  Wählen  nach  General  Tichet   einen  grossen 
Theil  der  Verderbniss  der  politischen  Sitten  und  des  Machtzuwachses  der 
Handwerkspolitiker    zugeschrieben.      Ohne    Zweifel    hat    dasselbe    auch 
eine  der  besten  Handhaben  zu  den  Wahlbetrügereien  geboten,   denn  eine 
Mehrheit  von  ein  paar  Hundert   Stimmen   durch  Fälschung  der   Stimm- 
zettel je  nach  Bedarf  zu  erzeugen  oder  wegzuschaffen  musste  um  so  ver- 
lockender  erscheinen,   je   grösser  die  Wirkung  war,    die  dadurch  erzielt 
werden  konnte.      Das   ungesunde  Uebergewicht  weniger   grosser  Staaten 
wie  New  Yorks,  Pennsylvanias  und  Ohios  in  den  Präsidentenwahlen,  deren 
30  —  40  Stimmen  jeweils  ungetheilt  auf  Eine  Seite  fallen,  ist  ein  Ausfluss 
dieser  Wahlmethode.     1856   gab   der  Ausfall   der  Staatswahlen  in  Penn- 
sylvanien  den  Ausschlag  für  die  Präsidentenwahl  in  der  ganzen  Union. 
Pennsylvanien  wählte  nach  alter  Sitte  seine  Staatsbeamten  kurz  vor  dem 
Termin  für  die  Präsidentenwahl  und  man  bemass  nach  dem  Ausfall  der- 
selben den  Ausgang  der  letzteren.     „Die   fast  unzweifelhafte   Gewissheit, 
dass  Pennsylvaniens  28  Stimmen  für  Buchanan  fallen  würden,   hatte  eine 


•  XIII.    Der  Staat.     Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  523 

solche  Wirkung  auf  das  hocherregte  und  allen  Eindrücken  offene  Volk, 
auf  die  Befürchtungen  der  einen  und  die  Hoffnungen  der  anderen  Seite 
und  auf  die  Unsicheren  und  Anlehnungsbedürftigen  im  ganzen  Lande, 
dass  die  Wahl  in  den  anderen  30  Staaten  im  Kern  der  Sache  aufgegeben 
wurde"*).  Auf  diese  Weise  ist  es  dahin  gekommen,  dass  die  Entschei- 
dung bei  der  Erwählung  des  Präsidenten,  statt  eine  so  weit  und  gleich- 
massig  wie  möglich  über  das  Land  verbreitete  Funktion  zu  sein,  sich 
auf  eine  kleine  Anzahl  von  Mittelpunkten  beschränkt  hat,  an  denen  der 
politische  Apparat  der  grossen  Staaten  in  Wirksamkeit  ist.  „Aus  einer 
Aktiengesellschaft,  in  der  jeder  Aktienbesitzer  eine  Stimme  hat,  ist  diese 
Wahl  zu  einer  Lotterie  geworden,  wo  einige  grosse  Gewinne  das  ganze 
Geschäft  bestimmen  und  absorbiren."  Man  begreift  unter  diesen  Ver- 
hältnissen, wenn  bei  der  letzten  Präsidentenwahl  der  häufig  gehörte  Aus- 
spruch, dass  die  Entscheidung  gegeben  werde  „in  einem  Kreis,  dessen 
Radius  10  Meilen  von  dem  Stadthaus  von  New  York  abstehe",  als  eine 
der  Wahrheit  ziemlich  nahe  kommende  journalistische  Trope  verstanden 
wurde.  Dass  aber  mit  einem  solchen  Missbrauche  nicht  aufgeräumt  wird, 
trotzdem  seine  übeln  Folgen  und  selbst  seine  praktische  und  logische 
Unberechtigtheit  klar  vor  Augen  liegen,  wird  damit  erklärt,  dass  in 
den  grossen  Staaten  die  Fachpolitiker  zu  stark  sind,  als  dass  eine  solche 
Massregel,  die  scharf  gegen  ihre  Interessen  läuft,  durchgesetzt  werden 
könnte;  die  kleineren  wünschen  nicht,  eine  Waffe  aus  der  Hand  zu  geben, 
wie  sie  in  diesem  ungemischten  einseitigen  Votum  liegt.  Wie  bei  der 
Frage  der  Entwaffnung  weigert  sich  Jeder,  den  Anfang  zu  machen.  In 
dem  Geiste  selbst  besonnener  Politiker  hat  deshalb  der  Gedanke  Raum 
gewonnen,  das  bisherige  Wahlsystem  überhaupt  fallen  zu  lassen  und  an 
seine  Stelle  die  direkte  Wahl  des  Präsidenten  durch  das  Volk  zu  setzen  ^). 
Es  scheint  aber  nicht,  dass  eine  so  radikale  Neuerung  in  den  nächsten 
Jahren  Platz  greifen  wird. 

Mit  den  Wahlen  für  die  Gesetzgebungen  der  Einzelstaaten  steht  es 
in  keiner  Weise  besser.  Die  Wahl  in  die  Legislatur  hängt  nicht  von  den 
guten  Eigenschaften  des  Kanditaten,  sondern  von  der  erfolgreichen  Führung 
der  Wahlversammlungen  und  der  Kunst  ab,  deren  Beschlüsse  den  Wählern 
aufzuzwingen.  Das  Ziel  der  Politiker  ist,  jedes  mögliche  Amt  zu  einem 
Wahlamt  zu  machen  und  dann  die  Aemter  zum  Stimmenkauf  zu  benützen. 
In  den  meisten  Staaten  ist  man  schon  so  weit  gekommen,  dass  man  sogar 
die  Richter  wählt.  Ausserdem  ist  derjenige  Faktor  der  Regierungs- 
maschine, welcher  vielleicht  einmal  hemmend  in  den  falschen  Gang  der- 
selben eingreifen  könnte,   nämlich  der  Governor,  mit  Geflissentlichkeit  so 


1)  Richard  H.  Dana  a.  a.  0.  I.  5. 

2)  Neuerdings  wieder  durch  Maish's  Constitutional  Amendment  am  7.  Febr. 
1877  im  Repräsentantenhaus  verlangt.  ■* 


524  XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

gestellt,  dass  er  nichts  als  das  blinde  Organ  für  die  Ausführung  der 
Beschlüsse  der  gesetzgebenden  Körperschaften  und  durch  den  gewählten 
Rath,  der  ihn  umgibt,  in  seiner  freien  Bewegung  allerseits  gehemmt  ist. 
Die  Folge  ist,  dass  dies  einst  so  wichtige  Amt  heute  nur  noch  von  Solchen 
gesucht  wird,  denen  Titel  und  Jahresgehalt  verlockende  Dinge  sind.  Es 
liegt  also  die  letzte  Entscheidung  bei  den  Legislaturen.  Mit  Unrecht 
gelten  sie  für  Vertreter  des  Staates.  Sie  repräsentiren  ihrer  ganzen 
Grundlage  nach  nur  einzelne  Stücke  desselben.  Aus  der  auf  die  Spitze 
getriebenen  Vertretung  der  Interessen  der  Staatsbruchstücke  entsteht 
nichts  weniger  als  eine  Staatsvertretung.  Sehr  richtig  charakterisirt  daher 
Bagehot  die  Legislaturen  als  „gierig  und  habsüchtig,  geneigt  so  viel  zu 
erwerben  wie  möglich  und  so  wenig  zu  geben  wie  möglich.  Die  Leiden- 
schaften ihrer  Glieder  beherrschen  sie;  die  gesetzgeberische  Macht,  die 
umfassendste  aller  Herrschermächte,  ist  ihr  Werkzeug;  sie  eignet  sich 
die  Verwaltung  an,  wo  immer  sie  es  vermag"  ^).  Es  ist  bei  diesem  Stand 
der  Dinge  thöricht,  irgend  etwas  im  Staatsleben  reformiren  zu  wollen,  so- 
lange nicht  die  Legislatur  zurückgewiesen  wird  auf  ihre  natürliche  Aufgabe 
der  Kritik,  welche  mit  der  Macht  über  den  Staatsseckel  bewaffnet  ist. 

Wie  mächtig  die  politische  Corruption  unter  solchen  Verhält- 
nissen um  sich  fressen  muss,  begreift  sich  leicht.  Sie  erscheint  in  mehreren 
Hauptformen,  ist  aber  ihrem  Weseii  nach  proteusartig  und  allgegenwärtig. 
Zunächst  ist  die  Wirkung  der  Aemterjagd  auf  die  Charaktere  eine  in 
hohem  Grade  verschlechternde.  Das  Amt,  das  man  fast  immer  nur  kurze 
Zeit  besitzt,  muss  ausgebeutet  und  es  muss  zugleich  womöglich  ein  anderes 
gewonnen  werden,  sobald  der  Ausfall  einer  Wahl  dieses  aus  der  Hand 
schlüpfen  macht.  Welche  zerrüttende  Unsicherheit  der  ganzen  Existenz! 
Welche  Verführung  zur  Anwendung  aller  möglichen   schlechten  Mittel!*) 


1)  Cit.  bei  G.  Bradford,  The  Charter  of  the  City  of  Boston  1876.  7. 

2)  Wir  entnehmen  der  deutsch-amerikanischen  Zeitung  Cincinnati- Volksblatt 
(Juni  1879)  folgende  drastisch-wahre  Schilderung  der  Schicksale  eines  Aerater- 
jägers :  Wird  er  nicht  erwählt,  so  ist  all  das  schöne  Geld  hinausgeworfen  und  er 
kann  von  Glück  sagen,  wenn  er  sich  nicht  vollständig  ruinirt  hat.  Selbst  im 
besten  Falle  hat  er  oft  lange  an  den  Folgen  der  erlittenen  Verluste  zu  leiden. 
Wird  er  erwählt,  so  beginnen  die  Verluste  aufs  Neue.  Sein  Gehalt  oder  seine 
Gebühren  entschädigen  ihn  für  die  Kosten  seiner  Erwählung  nicht.  Dazu  kommt, 
dass  er  als  Amtsinhaber  nicht  allein  für  alle  möglichen  Parteizwecke,  sondern 
auch  für  alle  möglichen  wohlthätigen  und  gemeinnützigen  Zwecke  gebrandschatzt 
wird.  Die  Prominenz  seiner  Stellung  richtet  die  Blicke  aller  Bettelexpeditioneu 
auf  ihn.  Hat  er  während  des  Wahlkampfes  Schulden  gemacht,  so  muss  er  sie 
ebenfalls  aus  seinen  Amtseinnahmen  zu  decken  suchen.  Und  leben  will  er 
auch.  Auch  muss  er  fortfahren  ein  good  fellow  zu  sein,  wenn  er  sich  für  die 
Zukunft  nicht  unmöglich  machen  Avill.  Denn  wer  einmal  an  dem  Aemterkelch 
genippt»  hat,    der  wird  ^gewöhnlich    im   Leben    nicht   mehr   satt    davon.     Dass 


XIII.     Der  Staat,    Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  526 

Dies  ist  eine  Quelle  der  Corruption.  In  der  Tiefe  hängt  innig  mit  ihr  zu- 
sammen eine  zweite,  deren  Dasein  nur  möglich  ist  unter  der  Voraussetzung, 
dass  die  Beamten  gerade  so  schlecht  sind,  wie  sie  unter  dem  Systeme  der 
Rotation  der  Aemter  sein  müssen.  Es  ist  der  Diebstahl  und  Betrug 
an  Staats-  und  Gemeindegeldern.  Es  bilden  sich  zu  diesem 
Zwecke  grosse  Verschwörungen,  Ringe,  die  oft  Tausende  in  ihr  Interesse 
zu  ziehen  wissen.  Der  Whiskey-Krieg  von  1875/76  zeigt  die  Macht  solcher 
Binge  in  ihrer  ganzen  Furchtbarkeit.  Staatssekretär  Bristow ,  der  die 
Branntweinsteuer-Unterschleife  im  W.  entdeckt  hatte,  fühlte  durch  die 
Anstrengungen  des  Ringes  schon  4  Monate  nachdem  er  den  ersten  Schlag 
^ethan,  seine  Stellung  so  erschüttert,  dass  er  um  seine  Entlassung  bat. 
Gefälschte  Briefe  wurden  dem  Präsidenten  vorgelegt,  um  ihm  zu  beweisen, 
dass  dieser  Kampf  ihn  und  nicht  die  Steuerdiebe  blossstellen  solle.  Man 
brachte  es  dahin,  dass  der  Präsident  den  bittersten  Feind  der  Diebe, 
Gen.  Henderson  in  S.  Louis,  entliess.  Als  der  Privatsekretär  des  Präsi- 
denten, General  Babcock,  als  ein  Mitschuldiger  des  Ringes  erkannt  worden 
war  und  verurtheilt  werden  sollte,  machte  der  Generalstaatsanwalt  den 
Versuch,  die  ganze  Verhandlung  vor  ein  militärisches  Ehrengericht  zu 
bringen,  dessen  Vorsitzender  ein  Freund  des  Angeklagten.  Ein  Heer  von 
Contreminirern  war  in  Arbeit,  um  dem  Staatssekretär  Bristow  nachzu- 
weisen, dass  er  selbst  Branntweinsteuern  eingesteckt,  seiner  Familie  Vor- 
theile  auf  Staatskosten  zugewendet,  Staatsgeheimnisse  zum  Zwecke  von 
Geldspekulationen  verrathen  habe  u.  s.  f.  Briefe  wurden  gestohlen  und 
mit  gefälschten  Zusätzen  dem  Präsidenten  vorgelegt.  Im  Ministerium  war 
eine  Partei  heftig  gegen  den  Whiskey-Krieg  eingenommen  und  der  Präsident 
brach   aus  Aerger  über  denselben  jeden   gesellschaftlichen  Verkehr  mit 


Schlimmste  aber  ist,  dass  ihn  das  Amt  unlustig  und  unfähig  macht  zur  regel- 
rechten Arbeit  zurückzukehren.  Dies  gilt  hauptsächlich  von  den  niedrigeren 
Aemtern.  Wer  einmal  Constabler  oder  Polizist  gewesen  ist,  der  Avill  sich  nicht 
mehr  an  die  Drehbank  oder  an  die  Maschine  stellen.  Da  man  aber  unter 
unserem  System  nicht  zeitlebens  Constabler  oder  Polizist  bleiben  kann,  so  be- 
ginnt die  Noth  und  das  Elend  nachträglich.  Es  ist  sehr  leicht,  eine  Beschäf- 
tigung aufzugeben,  aber  sehr  schwer,  sie  wieder  zu  bekommen.  Und  wenn  man 
einmal  eine  Zeit  lang  politisch  gelungert  hat,  fällt  es  sehr  schwer,  wieder  pro- 
fessionell zu  arbeiten.  Das  kleine  politische  Beamtenthum  erzeugt  und  befördert 
Hang  zum  Müssiggang,  und  was  aus  dem  Müssiggang  entsteht,  ist  bekannt. 
Wir  sagen  daher  nicht  zu  viel,  wenn  wir  behaupten,  dass  die  Politik  im  Grossen 
und  im  Kleinen  Jahr  aus  Jahr  ein  ihre  Opfer  fordert,  wie  irgend  eine  physische 
Krankheit,  und  dass  das  Wenige,  was  die  Aemterseuche,  auch  wenn  sie  erfolg- 
reich ist,  bringt,  das  Viele  nicht  werth  ist,  was  darüber  zu  Grunde  geht.  Wir 
rathen  daher  Jedem,  den  nicht  die  Noth  dazu  zwingt,  die  Finger  von  der  politi- 
schen Aemterbewerbung  zu  lassen.  Es  wird  besser  für  ihn  und  seine  Familie 
sein.     -Bleibe  zu  Hause  und  ernähre  dich  redlich!" 


526  XIIl.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.    Das  politische  Leben. 

Bristow  ab.  Als  im  Herbst  1875  auch  in  S.  Francisco  ein  Branntwein- 
steuerbetrug von  IV2  Mill.  D.  entdeckt  wurde,  gesellten  sich  zwei  Sena- 
toren und  ein  Mitglied  des  Repräsentantenhauses  zu  den  Gegnern  des 
Staatssekretärs,  fast  alle  Bundesbeamten  in  S.  Francisco  machten  Front 
gegen  die  Untersuchungscommission,  welche  von  Washington  abgesandt 
worden  war,  und  nach  vielen  vergeblichen  Anstrengungen,  um  eine  Anzahl 
der  schuldigen  oder  verdächtigen  Beamten  abzusetzen,  wurde  das  Ver- 
hältniss  zum  Präsidenten  und  den  übrigen  Gliedern  des  Cabinets  so  kühl, 
dass  Bristow  endlich  seine  Entlassung  gab  ^).  Es  wurden  in  diesem  Feldsug 
227  Geschäftsleute  und  11  Beamte  des  Betrugs  überwiesen.  Die  Summe, 
um  welche  der  Whiskey-Ring  in  S.  Louis  die  V.  St.  -  Regierung  jährlich 
prellte,  wurde  auf  3  Mill.  D.  geschätzt.  Auf  die  riesige  Verschuldung  der 
Gemeinden  ist  oben  S.  512  hingewiesen.  Sie  ist  zum  Theil  die  Folge, 
zum  Theil  aber  auch  die  Ursache  der  Corruption  im  Gemeindewesen. 
Mit  Recht  hob  Präsident  Hayes  in  einer  Rede  zu  Detroit  (Sept.  1879) 
hervor,  dass  das  Borgen  der  Städte  die  Wurzel  der  Verschwendung  und 
Corruption  sei.  „Wenn  die  Behörden  soviel  Geld  bekommen  als  sie 
""wollen,  sagt  er,  geben  sie  mehr  aus  als  nöthig  ist  und  bezahlen  für  Dinge 
mehr  als  sie  werth  sind.  Die  Verschuldung  der  Städte  ist  eine  entsetz- 
liche. Manche  zahlen  ebensoviel  für  die  Zinsen  der  öffentlichen  Schulden 
als  sie  für  ihre  eigene  Verwaltung  brauchen".  Der  Präsident  schlägt  vor, 
dass  es  den  städtischen  Behörden  verboten  werden  soll,  neue  Schulden 
zu  machen  und  Gelder  zu  verwilligen,  bevor  sie  eingenommen  sind.  Das 
grossartigste  Beispiel  von  Unterschleif  mit  städtischen  Geldern  s.  bei  Kapp, 
„Aus  und  über  Amerika  1867.  IL"  (Newyorker  Stadtverwaltung  3.  f.)  — 
Eine  dritte  Quelle  ist  die  Beeinflussung  der  Vertretungskörper 
durch  die  grossen  materiellen  Interessen  der  Eisenbahnen,  Dampferlinien, 
Baugesellschaften  u.  dgl.  Die  weise  Einrichtung,  dass  die  Staatshauptorte 
nicht  mit  einer  der  geschäftlichen  Hauptstädte  zusammenfallen,  hindert 
diese  Beeinflussungen  nicht,  so  dass  ganze  Legislaturen  in  feindliche  Lager 
gespalten  erscheinen  durch  die  Parteinahme  ihrer  Mitglieder  für  eine  oder 
die  andere  Eisenbahngruppe  u.  dgl.  Dazu  kommt,  dass  die  Finanzlage  der 
meisten  Einzelstaaten  eine  keineswegs  glänzende  ist.  Während  bis  heute 
alle  Anstrengungen  der  bankerottfreundlichen  Parteien  es  nicht  zu  einer 
Zinsenherabsetzung  der  Schuld  der  V.  St.  bringen  konnten,  weil  hier  in  Re- 
gierung und  Vertretungskörper  doch  immer  noch  die  anständigen  Leute  in 
der  Mehrzahl  sind,  hat,  wie  wir  gesehen,  eine  ganze  Reihe  von  Einzelstaaten 
offen  die  Bahn  der  Zinsenreduktion  beschritten  und  so  hat  z.  »B.  selbst 
Virginien,  dieser  einst  ehrgeizigste  und  stolzeste  von  allen  Staaten,  die 
Zinsen  seiner  Staatsschuld  um  nahezu  CO  Proc.  vermindert  und  es  hielt  in 
den  letzten  Wahlen  schwer,  einem  Kanditaten  des  unverhüllten  Bankerotts 


1)  Vgl  H.  V.  Boyuton,  The  Whiskey  Ring.  N.  Am.  Rev.  1876.  II,  301. 


XIII.    Der  Staat.    Die  Gemeinden.     Das  politische  Leben.  52? 

die  schon  fast  sichere  Nomination  zum  Governor  zu  entreissen.  Aehnlich 
haben  Städte  wie  Memphis  und  Mobile  ihre  Schulden  dadurch  abgeworfen, 
dass  sie  erklärten,  sie  hörten  auf  Städte  zu  sein ;  andere  Gemeinden  haben 
dasselbe  noch  einfacher  durch  die  Erklärung  gethan,  ihre  Zahlungen 
einstellen  zu  wollen.  —  Bis  in  die  Gerichtsstuben  erstreckt  sich  die  Fäulniss. 
Klagen  über  die  schlechte  Rechtspflege,  meistens  unter  Ueberschriften 
wie  „Macht  des  Geldes"  oder  ähnlichen,  gehören  zu  den  stehenden  Artikeln 
nordamerikanischer  Blätter.  Selbst  der  höchste  Gerichtshof  ist  nicht  frei 
geblieben  von  Verdacht.  Wenn  die  Presse  irgendwo  von  Uebertreibung 
frei  erachtet  werden  kann,  ist  es  hier,  wo  es  sich  um  tieferliegende  Mängel 
handelt,  die  nicht  von  den  Parteien,  sondern  von  den  Anschauungen  eines 
grossen  Theiles  der  Nation  abhängen.  Auch  der  boshafteste  Reporter 
meldet  nur  mit  Widerwillen  Scenen,  wie  die,  wo  der  Richter  unter  Thränen 
(und  der  Staatsanwalt  weint  mit)  es  für  „die  schwerste  Pflicht  seines 
Lebens"  erklärt,  einen  Fälscher  wie  Gilman  (Januar  1878  New  York)  ins 
Zuchthaus  schicken  zu  müssen.  Der  letztere  war  ein  Frömmler.  Die 
Unregelmässigkeiten,  die  in  den  Gefängnissen  durch  Bestechung  der  Aerzte 
hervorgerufen  werden,  sind  so  gewöhnlich,  dass  es  kaum  eine  Strafe  gibt, 
welche  nicht  durch  sie  umgangen  werden  könnte.  So  gab  es  z.  B.  ge- 
legentlich der  Verurtheilung  des  politischen  Schwindlers  Tweed  kaum 
irgend  einen  urtheilsfähigen  Mann  in  New  York,  der  an  eine  wirkliche 
Durchführung  der  Strafe  geglaubt  hätte.  Vielleicht  wird  die  gründliche 
Vernichtung  der  angeblich  unerschütterlichen  bürgerlichen  Gleichheit  durch 
die  Macht  des  Geldes  durch  nichts  so  krass  illustrirt  wie  durch  die  Un- 
gleichheit des  Loses  reicher  und  armer  Spitzbuben. 

Flagge  und  Wappen  der  Union  sind  folgende.  Die  Flagge 
ist  für  alle  Zw^ecke  das  Sternenbanner  (The  Stars  and  Stripes),  das 
aus  7  rothen  und  6  weissen  abwechselnden  Streifen  besteht,  in 
deren  oberer  Ecke  ein  blaues  Viereck  mit  so  viel  Sternen  als  die 
Union  Staaten  zählt.  Das  Wappen  ist  eia  brauner  Adler 
(s.  0.  S.  31),  der  in  der  einen  Klaue  ein  Bündel  Blitze,  in  der 
anderen  einen  Oelzweig  hält.  Auf  der  Brust  trägt  er  ein  zwei- 
getheiltes  Schild,  dessen  oberes  Feld  blau  und  dessen  unteres  silbern 
und  von  6  senkrechten  Balken  durchzogen  ist.  Im  Schnabel  hält 
er  ein  Band  mit  der  Inschrift  E  Plurihus  unum  und  13  Sterne 
umgeben  ihn. 


XIV.  Die  Kirche. 

Religiöse  Anlagen  528.  Kirche  und  Staat  529.  Eigenthümlichkeiten  des 
religiösen  Lebens  in  den  V.  St.  530.  Wohlthätigkeit  533.  Temperenz  533.  Sta- 
tistik der  Religionsgesellschaften  535.  Die  Hochkirche  536.  Die  Congregationa- 
listen  536.  Die  Presbyterianer  537.  Die  Methodisten  538.  Die  Baptisten  539. 
Die  Lutheraner  und  Deutsch -Reformirten  539.  Die  Römisch-Katholischen  539. 
Die  Juden  54L 

Wenn  wir  oben  (S.  513)  sagen  konnten,  dass  die  Bevölkerung 
der  V.  St.  ein  Talent  für  Politik  habe,  so  kann  dem  hinzugefügt 
werden,  dass  sie  nicht  minder  ein  Talent  für  Religion  besitze. 
Die  Nordamerikaner  sind  zu  den  religiöseren  Völkern  zu  zählen. 
Ihre  grosse  Mehrzahl  hat  als  angelsächsisches  Erbtheil  diese  Gabe 
mitbekommen,  welche  eng  verknüpft  ist  mit  dem  Lebensernste,  der 
Pflichttreue  und  dem  praktischen  Sinne,  durch  welche  sie  ausge- 
zeichnet sind.  Der  Nordamerikaner  britischer  Abstammung  hat 
neben  seinem  politischen  Freiheitssinn  eine  grosse  Achtung  vor  allem, 
dessen  Hochachtung  allgemein  anerkannt  ist.  Verstärkt  wird  dieses 
Gefühl  durch  die  geschichtlichen  Ueberlieferungen  aus  der  Zeit  der 
flüchtigen  Puritaner,  Deutsch-Reformirten,  Quäker,  Katholiken  u.  s.  f., 
welche  die  Keime  einer  grossen  Anzahl  von  Colonien  in  Nord-Amerika 
legten.  Ausgewandert,  um  sich  ihre  Religion  zu  erhalten,  pflegten  sie 
dieselbe  mit  um  so  grösserem  Eifer,  sobald  sie  sich  auf  diesem  freien 
Boden  nach  ihrem  Sinne  einrichten  konnten.  Ferner  kommt  hinzu 
der  verinnerlichende  Einfluss  des  arbeitsvollen  und  genussarmen 
Colonistenlebens  in  einsamer,  menschenarmer  Umgebung.  Das 
puritanisch  Einfache,  aber  Innerliche  war  wie  gemacht  für  solche 
Zustände  und  hat  in  der  That  weit  über  die  Grenzen  der  presby- 
terianischen  Kirche  hinaus  auf  andere  Sekten  gewirkt.  Der  grosse 
Einfluss  der  Frauen  im  amerikanischen  Leben  ist  nicht  zu  ver- 
gessen.    Und    endlich   ist   der  praktische  Sinn  hervorzuheben,    der 


XlV.  Die  Kirche.  529 

die  Nothwendigkeit  des  religiösen  Elementes  im  Leben  ahnt  und 
es  vorzieht,  den  Verstand  auf  die  lösbaren  Fragen  des  Lebens  statt 
auf  unlösbare  Zweifel  zu  richten.  Es  würde  wunderbar  sein,  wenn 
die  Bevölkerung  der  V.  St.  verschont  geblieben  wäre  von  der  Auf- 
klärung und  Zweifelsucht  unserer  Tage,  dieselben  dringen  sicherlich 
mit  zunehmender  Bildung  immer  mehr  ein,  aber  noch  immer  ist 
in  der  Mehrheit  des  Volkes  und  bis  hoch  hinauf  ein  stark  religiöses 
Leben.  Dasselbe  mag  vielfach  äusserlich  sein,  die  Hauptsache  für  uns 
ist,  dass  es  besteht  und  einen  starken  Faktor  im  Leben  des  Volkes 
bildet.  Die  grosse  Zahl  von  Sekten,  von  milden  Stiftungen,  von 
Kirchenbauten,  das  gewaltige  Kirchenvermögen,  die  Achtung  vor 
den  Dienern  der  Religion  sind  Beweis  dafür.  Der  mittelbare  Ein- 
fluss  der  Kirche  ist  bedeutend*). 

Nichtsdestoweniger  ist  die  Trennung  der  Kirche  vom 
Staat  formell  vollkommen.  Sie  ist  ein  Erzeugniss  der  letzten 
100  Jahre.  Wir  haben  gesehen  (z.  B.  o.  S.  57),  wie  die  älteren 
Colonien  geradezu  theokratisch  angelegt  waren,  und  noch  in  den 
Verfassungen  der  13  alten  Staaten  war  die  Verbindung  zwischen 
Staat  und  Kirche  eine  sehr  innige.  In  den  Verfassungen  der 
Einzelstaaten  erhielten  sich  die  sogenannten  Religious  Tests  (For- 
derung eines  bestimmten  vorgeschriebenen  Glaubens  für  öffentliche 
Aemter)  eine  lange  Reihe  von  Jahren.  Ein  Gesetz  über  die  staat- 
liche Unterstützung  des  öffentlichen  Gottesdienstes  wurde  in  Mas- 
sachusetts erst  1833  aufgehoben.  Aber  kein  Statute  -  Boolz  irgend 
eines  Staates  enthält  heute  mehr  Bestimmungen  zur  Regelung 
der  öffentlichen  Stellung  der  Religionsgesellschaften,  zur  Unter- 
stützung der  Geistlichen,  zum  gebotenen  Besuch  des  Gottesdienstes, 


1)  Ein  wahrscheinlich  sehr  unverfänglicher  Beobachter,  Rev.  Dale,  sagt  von  den 
Neueugländern :  Die  gebildeten  Christen,  die  ich  traf,  schienen  weniger  berührt 
von  dem  Confiikt  zwischen  Christenglauben  und  moderner  Spekulation  als  die 
meisten  Leute  von  ähnlicher  Bildung  bei  uns  (in  England).  Es  war  in  ihrer 
Frömmigkeit  eine  Einfachheit  und  Tiefe,  welche  mich  an  die  Ueberlieferungen 
erinnerte,  die  wir  von  früheren  Geschlechtern  haben.  Auch  schien  es  mir,  als 
ob  sich  Männer  von  allen  Kirchen  vorwiegend  in  einer  gewissen  conservativen  Ge- 
sinnung der  Betrachtung  von  Fragen  der  Lehre  oder  der  Philosophie  zuwandten. 
Sie  waren  vorsichtig  und  ehrfurchtsvoll  .  .  .  Die  Luft  war  nicht  ganz  dieselbe 
wie  zu  Hause :  sie  war  weniger  scharf  und  athmete  weniger  Sturm.  (Ninet.  Cent. 
1878.  II.) 

Katzel,  Amerilca  II.  04^ 


630  XiV.  Die  iCirche. 

zur  Einschränkung  der  freien  Religionsübung  oder  des  freien  Aus- 
druckes religiöser  Meinungen.  Nicht  bloss  der  Grundsatz  wiegt  vor, 
dass  das  Gesetz  des  Staates  keine  besondere  Form  von  Religion  zu 
schützen  habe,  sondern  es  herrscht  das  umfassendere  Princip,  dass 
Staat  und  Kirche  ihrem  Wesen  nach  geschieden  sind.  Es  sind  die  an 
Zahl  und  Macht  gerade  im  letzten  Viertel  des  vorigen,  Jahrhunderts 
stark  zunehmenden  Sekten  auf  der  einen  und  die  Aufklärungsideen 
des  18.  Jahrhunderts  auf  der  anderen  Seite,  welche  dieses  Ergebniss 
erzielten^).  Aber  noch  im  Unabhängigkeitskrieg  war  der  Einfluss 
bestimmter  Kirchen  auf  die  Staaten  sehr  stark  gewesen,  und  wenn 
man  den  Gegensatz  des  neuengländischen  Presbyterianismus  zur 
mutterländischen  Hochkirche  erwägt,  versteht  man,  wie  der  ältere 
Adams  den  Abbe  Mably  warnen  konnte,  die  Geschichte  des  nord- 
amerikanischen ünabhängigkeitskampfes  nicht  eher  zu  schreiben, 
als  bis  er  die  kirchlichen  Verhältnisse  von  Neu-England  zu  über- 
schauen vermöge. 

Das  religiöse  Leben  in  den  V.  St.  ist  in  hohem  Grade 
eigenthümlich  gefärbt  durch  seine  Ausdehnung,  seine  Kraft  und  die 
Mannigfaltigkeit  seiner  Aeusserungen.  Man  findet  dieselbe  fieber- 
hafte Energie  wie  auf  allen  anderen  Lebensgebieten  hier  wieder. 
Es  nimmt  reichlich  Theil  an  dem  Zug  von  Originalität,  der  das 
Leben  in  den  V.  St.  überhaupt  auszeichnet.  In  keinem  europäischen 
Lande  durchdringt  die  Kirchlichkeit,  wenigstens  soweit  die  Erfüllung 


1)  Als  der  grosse  Vertreter  derselben  kann  T.  Jefferson  betrachtet  werden, 
der  sie  in  dem  berühmten  Virginia  Act  von  1785  zuerst  niederlegte.  Mit 
anderen  Lehren,  denen  dieser  Staatsmann  folgte,  gehört  sie  einer  Gruppe 
von  Sätzen  an,  die  auf  dem  Boden  der  revolutionären  Europa  ursprünglich  ge- 
wachsen und  nach  dem  viel  conservativeren  Klima  der  nordamerikanischen  Frei- 
staaten erst  verpflanzt  worden  waren.  So  grosse  Fortschritte  hatte  seit  dem 
Beginn  eines  regen  Bewusstseins  von  Freiheit  und  Selbständigkeit  der  öifentliche 
Geist  in  diesen  jungen  Staaten  gemacht,  dass  die  Anrufung  der  Gottheit,  welche 
in  der  Unabhängigkeitserklärung  an  hervorragender  Stelle  erscheint,  in  der 
Bundesverfassung,  die  nur  wenige  Jahre  später  geboren  ist,  völlig  fehlt.  Die 
einzige  Erwähnung  der  Religion  in  dieser  letzteren  findet  sich  in  dem  Abschnitt, 
welcher  in  der  Besetzung  aller  Beamten  -  oder  Vertrauensstellungen  der  V.  St. 
jedwede  Rücksicht  auf  die  Confession,  also  den  religious  test  ausschliesst,  während 
das  berühmte  Erste  Amendement  bestimmt,  dass  „der  Congress  kein  Gesetz  über 
das  Establishment  der  Religion  noch  zur  Verhinderung  der  freien  Uebung  der- 
selben machen  solle". 


XIV.  Die  Kirche.  531 

der  Formen  in  Betracht  kommt,  so  sehr  alle  Schichten  der  Bevöl- 
kerung wie  in  Amerika.  Die  besseren  Classen  sind  mindestens  so 
kirchlich  gesinnt  wie  in  England.  Nach  dem  Census  von  1870 
gab  es  in  den  Kirchen  der  V.  St.  Plätze  für  21,6  Mill.,  d.  h.  55  Proc. 
der  Bevölkerung,  genau  soviel  wie  in  England.  Man  nimmt  an, 
dass  58  Proc.  irgend  einer  Bevölkerung  die  Möglichkeit  haben, 
Kirchen  zu  besuchen.  Von  1850 — 70  haben  die  Kirchenplätze  sich 
nicht  so  rasch  vermehrt  wie  die  Bevölkerung,  jene  sind  um  50, 
diese  um  60  Proc  gewachsen.  Das  Kircheneigenthum  hat  sich  aber 
von  1 850  —  70  etwas  mehr  als  vervierfacht.  Die  Kirche  ersetzt  in  den 
höchsten  Schichten  manche  Genüsse  geistiger  und  gesellschaftlicher 
Art.  Der  Kirchenbesuch  wird  guter  Ton  und  nimmt  dementsprechend 
einen  aristokratischen  und  luxuriösen  Charakter  an.  Die  reichen 
Gemeinden  der  Hochkirchlichen  und  Presbyterianer  in  den  Gross- 
städten haben  ihre  prächtig  ausgestatteten,  teppichbelegten,  durch- 
wärmten Kirchen,  bunte  Fenster,  Bilderschmuck,  und  auf  der  Kanzel 
die  Beredsamkeit  eines  geistvollen,  nicht  allzustrengen  Predigers  vom 
Typus  Henry  W.  Beecher's.  Es  werden  Plätze  in  diesen  Kirchen  für 
Tausende  von  Dollars  verkauft^).    In  den  ärmeren  Gemeinden  sucht 


1)  Man  hat  deshalb  die  gegenwärtige  Phase  der  religiösen  Entwickelung  in 
den  V.  St.  als  eine  ästhetische  bezeichnet.  Das  ist  einseitig,  aber  sicher  ist  nie  so 
viel  Gewicht  auf  das  gelegt  worden,  was  in  den  Kirchen  und  ihren  Umgebungen 
zu  den  Sinnen  spricht ,  als  in  den  50  Jahren ,  welche  verflossen  sind ,  seitdem 
die  ersten  gemalten  Kirchenfenster  hier  aufgestellt  wurden  (1827),  seitdem  das 
Crucifix  als  Kirchenschmuck  allgemein  angenommen  und  der  Altar  nach  katho- 
lischer Weise  auf  Stufen  in  den  Hintergrund  der  Kirche  gerückt  wurde.  Be- 
merkenswerth  ist  die  weite  Verbreitung  alles  dessen,  was  in  dieser  Richtung 
zum  Gefühle,  wenn  auch  nicht  immer  zum  Schönheitsgefühl,  so  doch  zum  Gefühl 
für  das  Ungewöhnliche,  Auffallende,  spricht.  Man  sieht  in  den  Grosstädten  des  ^ 
0.  bald  mehr  alterthümlich  aussehende  Kirchen  gothischen  oder  romanischen 
Stiles  als  in  unseren  alten  europäischen  Städten.  So  sehr  durchdringt  dieses 
Streben  alle  Sekten,  dass  sogar  die  puritanischen,  deren  Lebenselement  einst  der 
Kampf  gegen  alles  Sinnliche  und  allen  Schmuck  in  den  Kirchen  gewesen,  heute 
demselben  folgen.  Es  ist  der  Zwang  der  Mode  darin.  „Mittelalterliche  Archi- 
tektur, sagt  ein  Mann,  der  diese  Dinge  aus  der  Nähe  kennt,  ist  länger  nicht, 
wie  sie  es  früher  war,  eine  Frage  des  Princips,  sondern  einfach  eine  Frage 
des  Geldbeutels"^).  Diese  Sucht  könnte  vielleicht  einmal  der  Kunst  zu  gute 
kommen. 


1)  J.  L.  Diman,  Keligion  in  America.    N.  Am.  Review  1876.  I.  45. 

34* 


532  '  XIV.  Die  Kirche. 

man  das  entweder  nachzuahmen,  oder  wirft  sich  in  das  Extrem  der 
äussersten  Einfachheit,  wo  aber  dann  verzückte,  aufregende  Predigten, 
Erweckungen  innerhalb  der  Gemeinde,  Gottesdienste  in  Wald  und 
Feld,  in  ihrer  Art  nicht  weniger  sinnenerregend,  an  die  Stelle  jenes 
Pompes  treten,  lieber  die  Mauern  des  Gotteshauses  hinaus  wirken 
die  Kirchen  mit  Missionen  aller  Art,  inneren  und  äusseren,  wozu  ihnen 
reichliche  Mittel  zufliessen.  Die  Methodist  Episcopal  Church  nahm 
z.B.  1877  629  000  D.  für  ihre  Missionen  ein  und  man  hat  berechnet, 
dass  jährlich  mindestens  5  Mill.  D.  von  den  Religionsgesellschaften 
für  diese  Zwecke  ausgegeben  werden.  Grosse  politische  Agitationen, 
wie  einst  diejenige  gegen  die  Sklaverei,  dann  die  für  Temperenz, 
theilweise  auch  für  Frauenrechte,  wurden  zu  einem  grossen  Theile 
von  den  Kirchen  getragen.  Die  Sonntagsschulen  für  Kinder  und 
Erwachsene  sind  ein  wichtiger  Zweig  der  kirchlichen  Thätigkeit 
nach  aussen.  Jünglingsvereine  spannen  ihr  Netz  über  das  ganze 
Land.  Dazu  kommt  eine  religiöse  Presse,  die  1878  über  900  Organe 
zählte  und  neben  der  politischen  die  erste  Stellung  in  der  Tages- 
literatur einnimmt.  Bemerkenswerth  ist  die  grosse  Zahl  der  Sekten, 
die  Leichtigkeit,  mit  der  dieselben  entstehen  und  unter  günstigen 
Verhältnissen    sich    vergrössern.      Deutlich    spricht    sich    hier  eine 

\/gewisse  Unruhe,  ein  Unbehagen  in  den  alten  Geleisen  zu  bleiben, 
die  Lust  zu  experimentiren  aus,  zugleich  aber  auch  die  fanatische 
Energie,  mit  der  das  für  wahr  Erkannte  ausgebreitet  und  vertreten 
wird.  Man  denke  an  die  Geschichte  der  Mormonen.  Indessen  muss 
man  hinzusetzen,  dass  der  Sektengeist  vorzüglich  eine  Sache  der 
unteren  Classen  ist,  während  die  höheren  im  Gegentheil  einen  con- 
servativen  Zug  zeigen  in  der  Innigkeit  ihres  Festhaltens  an  dem 
Glauben,  den  sie  einmal  aufgenommen. 

Wie  auch  die  Religion  in  den  Herzen  der  Menschen  beschaifen 
sein  möge,  soviel  ist  sicher,  dass  sie  grössere  äussere  Wirkungen 
als  hier  nicht  wohl  irgendwo  zu  erzeugen  vermöchte.  Während  sie 
von  der  Politik  mit  ängstlicher  Strenge  getrennt  wird,  ist  sie  neben 
dieser  der  mächtigste  Faktor  des  öffentlichen  und  privaten  Lebens, 
das  hier  mindestens  ebenso   sehr   ihren  Stempel  trägt  wie  in  Eng- 

/  land.  Die  Sonntagsheiligung  ist  überall  eine  strenge,  wo  nicht 
etwa  der  deutsche  Einfluss  wie  im  W.  oder  der  französische  wie  in 


XIV.  Die  Kirche.  533 

Louisiana  etwas  von  unserer  heiteren  Auffassung  dieses  Tages  ge- 
bracht hat.  Alle  Staaten  haben  Gesetze  in  Betreff  der  Sonntags- 
heiligung und  in  der  Regel  werden  sie  auch  zur  Ausführung  ge- 
bracht, oft  sogar  mit  starker  Uebertreibung.  Innig  mit  ihnen 
verknüpft  sind  die  Mässigkeitsvereine  (Temperence  Societies), 
eine  andere  Form  des  religiösen  Lebens,  das  nach  aussen  sich 
geltend  macht.  Sie  spannen  ihre  Organisation  über  das  ganze  Land 
und  suchen  überall  nicht  bloss  dem  Missbrauch,  sondern  auch 
selbst  dem  nicht  -  medicinischen  Gebrauch  geistiger  Getränke  ent- 
gegenzuwirken. Die  Temperance  Society  ist  1826  zu  Boston  ge- 
gründet worden.  Sie  hatte  im  Jahr  1835  bereits  6000  Tochter- 
gesellschaften in  allen  Staaten  der  Union  mit  mehr  als  IV2  Mill. 
Mitglieder  und  hatte  bereits  die  Schliessung  von  8000  Schenken 
und  4000  Destillerieen  erzielt.  In  den  deutschen  Kreisen  sucht  man 
sie  lächerlich  zu  machen,  aber  es  liegt  ihnen  eine  gute  und  richtige  ^ 
Idee  zu  Grunde  und  wie  sie  in  dem  Charakter  und  den  Sitten  des 
Amerikaners  ihre  Begründung  (s.  Cap.  XVI)  finden,  so  wirken  sie 
auch  zweifellos  in  einer  sehr  heilsamen  Weise  auf  denselben  zurück. 
Die  Heuchelei,  zu  der  sie  Anlass  geben,  ist  nicht  so  schlimm 
wie  die  rückhaltlose  Hingabe  an  Lagerbier  und  Cons.,  welche  die 
deutsche  Gesellschaft  herunterbringt. 

In  den  grossartigen  milden  Stiftungen  zeigt  sich  eine  weitere 
Seite  der  praktischen  Religiosität  der  Amerikaner.  Auch  hier  kommt 
eine  grossartige  Seite  ihres  Charakters  ins  Spiel.  Sie  geben  gern,  ^ 
viel  und  rasch.  Daher  das  gewaltige  Wachsthum  aller  Arten  von 
wohlthätigen  Anstalten,  die  allerdings  zum  Theil  auch  darum  soviel 
wirken  können,  weil  die  Zahl  der  Unterstützungsbedürftigen  noch 
immer  nicht  übermässig  gross  ist.  Zwar  hat  die  Zahl  der  Armen 
mit  der  Vermehrung  der  Bevölkerung,  vorzüglich  der  städtischen, 
der  Industrie  u.  s.  f.  rasch  zugenommen.  1835  wurde  dieselbe  in 
den  V.  St.  auf  Vi 00  der  Bevölkerung  geschätzt,  während  sie  zur 
selben  Zeit  in  England  ^k ,  in  Belgien  V? ,  in  Frankreich  und 
Deutschland  V20  der  Bevölkerung  ausmachte.  (Berghaus,  Annalen 
XII.  320.)  Damit  sind  natürlich  die  Lasten  gewachsen.  So  wurden 
z.  B.  für  das  Jahr  1877/78  die  Gesammtausgaben  für  Armenpflege 
in  Massachusetts  auf  1,8  Mill.  D.  veranschlagt,  wovon  1,45  von  den 


534  XIV.  Die  Kirche. 

Gemeinden  gezahlt  wurden.  Die  Gemeinden  hatten  8671  Arme  in 
Armenhäusern  und  Familien  untergebracht,  und  ausserdem  erhielten 
ca.  63  000  Personen  zeitweilig  Unterstützungen.  Das  sind  5  Proc. 
der  Bevölkerung.  Eine  grosse  Hülfe  ist  begreiflicherweise  in  der 
Möglichkeit  gegeben,  das  Proletariat  nach  den  unbesiedelten  Gegenden 
des  W.  und  S.  abzuschieben.  Schon  vor  Jahren  wurde  mit  vollem 
Bewusstsein  das  Problem  „den  importirten  Pauperismus  unserer 
"^Städte  nach  den  Prärien  des  W.  zu  verpflanzen  und  eine  gefähr- 
liche und  immer  wachsende  Grundlage  von  municipaler  Corruption 
in  ein  gesundes  Element  nationalen  Gedeihens  zu  verwandeln"  als 
Frage  von  der  grössten  praktischen  Bedeutung  betrachtet  ^).  Von 
New  York  u.  a.  grösseren  Städten  des  0.  werden  seit  1866  von  den 
Ghildrens  Äid  Societies  regelmässige  Sendungen  verwaister  Kinder 
nach  den  dünnbevölkerten  Gegenden  des  W.  veranstaltet,  wo  sie 
durch  Agenten  diesen  Gesellschaften  vorwiegend  als  Farmarbeiter 
angestellt  werden.  Die  Durchschnittskosten  p.  Kopf  betragen  15 
bis  20  D.  Diese  Gesellschaft  nahm  in  New  York  allein  1870  gegen 
200000  D.  an  Almosen,  Armehsteuer-Antheilen  u.  dgl.  ein.  Bei  der 
frühen  Selbständigkeit  der  Jugend  ist  die  Fürsorge  für  sie  eine  der 
Hauptsorgen  der  öffentlichen  Wohlthätigkeit.  1854  wurde  in  New 
York  ein  eigenes  Lodging-House  zum  Uebernachten  für  obdachlose 
Knaben,  besonders  für  die  Zeitungsjungen,  gegründet.  Im  Anfang 
ausschliesslich  durch  Wohlthätige  erhalten,  zahlten  die  Knaben  schon 
3349  D.  für  Nachtlager,  Essen  u.  s.  f.  und  legten  2588  D.  in  den 
dort  aufgestellten  Sparbüchsen  nieder.  Aehnlich  ist  für  Mädchen 
vorgesorgt  und  es  ist  vorzüglich  der  Wirksamkeit  solcher  Wolthätig- 
keitsanstalten  zuzuschreiben,  wenn  in  der  Stadt  New  York  die  Zahl 
der  vagirenden  Frauenzimmer  von  1861  —  71  von  2161  auf  914, 
die  der  wegen  Diebereien  bestraften  Mädchen  in  dem  gleichen  Zeit- 
raum von  880  auf  572,  die  der  wegen  gleichen  Vergehens  bestraften 
Knaben  von   1860  —  70  von  2575   auf  2168  gesunken  ist «). 

Ein  anderer  grosser  Zweig  der  öffentlichen  Wohlthätigkeit  be- 
schäftigt sich  mit  der  Verbesserung   der  Trunksüchtigen  und  jeder 

1)  S.  z.  B.  Jay's  Adress   to   the  Am.  Geogr.   und  Stat.   Society.     New  York 
1859.     (Vgl.  auch  o.  S.  175.) 

2)  The  Daugerous  Classes  of  New  York.  437. 


XIV.  Die  Kirche.  535 

Staat  hat  ein  oder  mehrere  Inehriate  Äsyluns,  ebenso  ist  der 
Blinden-  und  Taubstummenunterricht  überall  von  Staatswegen  or- 
ganisirt  und  einige  von  den  amerikanischen  Anstalten  scheinen 
musterhaft  zu  sein  ^).  In  grossem  Masse  betheiligen  sich  überall 
die  Frauen  an  den  Werken  der  Wohlthätigkeit.  Ein  1876. erstatteter 
Bericht  (Catalogue  of  Charities  Conducted  by  Women.  Phil.  1876) 
gab  folgende  Zahlen  für  die  Wohlthätigkeitsanstalten ,  welche  von 
Frauen  geleitet  werden :  In  Neu-England  148,  in  den  Mittelstaaten 
320,  in  den  Südstaaten  63,  in  den  Weststaaten  106,  in  den  Pacifi- 
schen  Staaten  39. 

Der  Census  der  V.  St.  von  1870  gibt  72  459  kirchliche  OrganisationeD, 
63082  Kirchen  und  ein  Kirchenvermögen  von  354  Mill.  D.  an.  Die  Mit- 
ghederzahl  jeder  Denomination  wird  aus  der  Zahl  der  Plätze  (Sittings) 
geschätzt,  die  in  den  Kirchen  zu  finden  sind.  Diese  Plätze  und  das 
Kirchenvermögen  verhalten  sich  bei  den  verschiedenen  Kirchen  bzw.  Sekten 
folgendermassen :  Baptisten  (Regulär)  3997116P.,  39Mill.D. ;  Baptisten 
(Andere)  363019  P.,  2,4  Mill.  D.;  Christians  865602  P.,  6,4  Mill.  D.; 
Congregatioualisten  1117212P.,  25Mill.D.;  Episcopale  991051P., 
36,5  Mill.  D. ;  Evangelical  Association  193  796  P.,  2,3  Mill.  D.; 
Quäker  (Friends)  224664  P.,  3,9  Mill.  D.;  Juden  73265  P.,  5,1  Mill.  D.; 
Lutheraner  977332  P.,  14,9  Mill.  D. ;  Methodisten  6528209  P., 
69,8  Mill.  D.;  Mährische  Brüder  25  700  P.,  0,7  Mill.  D.;  Mormonen 
87838  P.,  656  750  Mill.  D.;  Swedenborgianer  18755  P.,  0,9  Mill.  D.; 
Presbyterianer  (Regulär)  2198900  P. ,  47,8  Mill.  D. ;  Presby- 
terianer  (Andere)  499344  P.,  5,4  Mill.  D.;  Reformirte  (Niederl.) 
277  228  P.,  10,3  Mill.  D.;  Reformirte  (Deutsch)  431  700  P.,  5,7  Mill.  D.; 
Römisch-Katholische  1990514  P.,  60,9  Mill.  D.;  Second  Adven- 
tists  34555  P.,  0,3  Mill.  D.;  Shakers  8850  P.,  0,08  Mill.  D.;  Spiri- 
tualisten  6970  P.,  0,01  Mill.  D.;  Unitarier  155471  P„  6,3  Mill.  D.; 
United  Brethren  265025  P.,  1,8  Mill.  D.:  Universalisten  210884  P., 
5,7  Mill.  D.;  Unbekannte  153202  P.,  0,9  Mill.  D.  Unter  der  Abthei- 
lung „Verschiedene"  finden  sich  Folgende  aufgeführt:  Chinesische 
Götzendiener  mit  7  Tempeln  in  Californien,  Griechisch-Katho- 
lische  mit  2  Tempeln  ebendaselbst,  Bibelchristen,  Bibelcommu- 
nisten,  Hugenotten  (in  S.Carolina),  Katholisch-Apostolische, 
Sandemanianer,  Schwenkfelder  u.  a.  m.'^). 


1)  Vgl.   z.  B.   das   über  dieselben  von  Dickens  in  American  Notes  Cap.  II. 
Gesagte,  wo  Amerika  sonst  nicht  eben  die  günstigste  Beurtheilung  findet. 

2)  Als  letzte  Auswüchse  des  Sektengeistes  seien  die  Communisten-Gemeinden 
hier  angefügt.     Sie   sind  der  Mehrzahl   nach  aus    der   Alten  Welt   eingeführt, 


536  XIV.  Die  Kirche. 

Die  Hochkirche  (Church  of  England  in  the  Colonies,  wie^sie  sich 
officiell  benannte)  umschloss  ausserhalb  Neu -Englands  die  Mehrzahl  der 
Familien  von  Einfluss ,  sie  war  die  älteste  protestantische  Kirche  in 
Amerika  und  hatte  die  Gunst  der  Regierung  des  Mutterlandes  für  sich. 
Ihr  Wachsthum  litt  indessen  unter  der  Nothwendigkeit ,  die  Geistlichen 
in  England- ordiniren  zu  lassen  und  seit  der  Zeit  des  Aufwachsens  des  revo- 
lutionären Geistes  unter  politischen  Verdachten.  Die  Revolution  schien 
diese  Kirche  fast  zu  erdrücken,  doch  erhob  sich  mit  dem  Aufschwung, 
den  das  Land  nach  Abschluss  derselben  nahm,  auch  sie  und  wusste  den 
neuen  politischen  und  gesellschaftlichen  Verhältnissen  die  nothwendigen 
Concessionen  zu  machen.  Auf  der  anderen  Seite  wurden  aber  die  Lehr- 
unterschiede von  den  anderen  Kirchen  sehr  scharf  betont,  und  es  ist 
bemerkenswerth,  dass  das  entschiedene  Wachsthum  dieser  Kirche  da 
begmnt,  wo  sie  versöhnlichen  Neigungen  mit  Bewusstsein  widerstrebte  und 
sich  als  Vertreterin  einer  besonderen  Seite  des  protestantischen  Christen- 
thums  den  Schwesterkirchen  gegenüberstellte.  1877  zählte  sie  302069 
Bekenner,  3272  Geistliche  und  2900  Kirchspiele.  Sie  ist  am  stärksten 
in  New  York  und  in  den  Südstaaten  vertreten^). 

An  Einfluss  auf  die  Geschichte  derV.  St.  steht  die  Kirche  der  Con- 
^''gregatio  na  listen  allen  voran.  Selten  hat  eine  blosse  Sekte  eine 
solche  culturhistorische  Bedeutung  erlangt.  Ihre  innige  Verbindung  mit 
dem  staatlichen  Leben  in  jenen  n.ö.  Staaten,  die  als  Neuengland  -  Staaten 
bekannt  sind,  gab  ihr  bis  zur  Revolution  eine  sehr  grosse  politische  Be- 
deutung und  die  Einflussnahme  auf  die  geistige  und  sittliche  Bildung  der 
Bevölkerungen  war  tief  begründet  in  jener  ernsten  Weltanschauung,  welche 
die  calvinistischen  Lehren  überall  zu  Förderern  strenger  Sitten  gemacht 
haben.  Diese  Lehre  war  wie  gemacht,  das  Aufkommen  junger  mit  Schwie- 
rigkeiten jeder  Art  kämpfender  Colonien  zu  erleichtern,  sie  vor  den  Ge- 
fahren des  rasch  anwachsenden  Reichthums  und  vor  der  Verführung  zum 
Missbrauch  des  grossen  Masses  individueller  Freiheit  zu  bewahren.  Die 
Congregationalisten  waren  die  spartanische  unter  den  Sekten  und  sie 
haben  mit  ihrer  harten  Zucht  die  stahlharten  Männer  geschaffen,  die  als 
Neu -Engländer  das  Ideal  des  Colonisten  und  des  Republikaners  in  der 
Neuen  Welt  geworden  sind.     Gleichzeitig  haben  sie  aber  mit  ihrer  Hoch- 


haben aber  in  diesem  Boden  kein  grosses  Wachsthum  aufzuweisen.  Eine  1878 
in  Oueida  erschienene  Zusammenstellung  American  Communities  gibt  die  Zahl 
der  in  den  V.  St.  bestehenden  Communisten-Gemeinden  auf  27  an,  wovon  sich  9 
in  den  Neuengland-,  6  in  den  Mittel-,  10  in  den  West-  und  2  in  den  pacifi- 
schen  Staaten  befinden.     Der  Mitglieder  mögen  es  4000  sein. 

1)  Das  Kircheneigenthum  in  der  Stadt  New  York  betrug  Ende  1877  56  Mill.  D., 
wovon  24  auf  episkopale,  11  auf  katholische,  6  auf  presbytcrianische  Kirchen 
kommen. 


XIV.  Die  Kirche.  637 

achtung  für  die  Wissenschaft,  welche  schon  in  der  sehr  schweren  ersten 
Entwickelmigszeit  der  Colonien  es  bei  ihnen  als  Regel  feststehen  Hess, 
dass  womöglich  jeder  Prediger  eine  College  -  Bildung  besitzen  solle,  und 
welche  sie  die  ältesten  Universitäten  der  V.  St.  schon  im  17.  Jahrhundert 
gründen  Hess,  aus  den  Bekennern  ihres  Glaubens  die  Träger  höherer 
Bildung  mitten  in  einer  Bevölkerung  gemacht,  welcher  ohne  diesen  Anstoss 
im  Drang  der  materiellen  Tagesgeschäfte  wenig  Blick  nach  dieser  Seite 
hin  übrig  geblieben  sein  würde.  In  den  letztverflossenen  100  Jahren 
konnte  das  noch  im  Beginn  der  Revolution  über  allem  Zweifel  stehende 
üebergewicht  dieser  Kirche  nicht  festgehalten  werden.  Mit  350658  Glie- 
dern, 3333  Geistlichen  und  3509  Kirchen  stehen  heute  die  Congregatio- 
nalisten  in  7.  Reihe.  Die  Ursachen  des  Rückganges  Hegen  grossentheils 
in  inneren  Zwistigkeiten,  welche  zum  Zerfall  in  zwei  Kirchen  führten, 
dann  in  der  weit  getriebenen  Entwicklung  des  rein  Theologischen,  das 
dem  praktischen  Bedürfniss  der  Menge  ferne  liegt,  endlich  in  der  von 
früher  her  in  Neu -England  üblichen  Vermengung  politischer  und  kirch- 
licher Fragen,  welche  zu  einer  Zeit  den  neuengländischen  Clerus  wie  ^ 
Einen  Mann  gegen  T.  Jefferson  und  die  demokratische  Partei  stehen  Hess, 
um  beim  Rückprall  der  Woge  zahlreiche,  politisch  anders  denkende  GHeder 
aus  den  Kreisen  ihrer  Gemeinden  ihnen  zu  entführen.  Aehniich  wirkte 
späterhin  das  Einstehen  der  neuengländischen  Geistlichen  für  die  Sache 
der  Abolitionisten.  Aus  einer  grossen  Kirche  wurde  so  eine  enge,  abge- 
schlossene Partei. 

Die  Presbyterianer,  Leute  von  ursprünglich  schottischer  oder 
irisch-schottischer  Abkunft  bildeten  erst  seit  dem  Beginn  des  18.  Jahr- 
hunderts eine  organisirte  Kirche  in  Nord- Amerika.  In  Bezug  auf  theolo- 
gische Lehrmeinungen  den  Congregationalisten  eng  verwandt,  schied  sie 
von  ihnen  die  äussere  Form  ihres  kirchlichen  Gemeinwesens  und  ihres 
Gottesdienstes  —  Dinge,  an  denen  sie  mit  schottischer  Zähigkeit  hingen. 
Auf  wissenschaftliche  Bildung  ihrer  Geistlichen  legten  sie  denselben  Werth, 
aber  einen  viel  grösseren  als  Jene  auf  freie  Beredsamkeit,  und  sie  haben  v^ 
damit  der  hohen  Entwickelung  amerikanischer  Kanzel- Beredsamkeit  einen 
starken  Impuls  gegeben.  In  der  Revolution  waren  sie  für  die  mittleren 
Staaten,  was  die  CongregationaHsten  für  Neu -England:  die  begeisterten 
Vorkämpfer  für  die  Uebertragung  des  republikanischen  Princips,  das  in 
ihrer  Kirche  längst  verwirkHcht  war,  auf  die  politischen  Einrichtungen. 
In  den  letztverflossenen  100  Jahren ,  die  Zeugen  so  grosser  und  uner- 
warteter Verschiebungen  in  Grösse  und  Bedeutung  der  einzelnen  Kirchen 
gewesen  sind,  hat  von  allen  alten  Kirchen  die  der  Presbyterianer  sich 
am  kräftigsten  entwickelt.  Sie  ist  heute  die  drittmächtigste  unter  den  , 
Kirchen  der  V.St.  Ihre  verschiedenen  Zweige  zählten  1876  849  519  Glieder. 
Die  Ursache  ihres  gesunden  Wachsthums  ist  vorzügHch  darin  zu  suchen, 


538  XIV.  Die  Kirche. 

dass  sie  in  der  für  den  Bestand  der  älteren  Kirchen  gefährlichen  Zeit 
unmittelbar  nach  der  Revolution  die  erste  war,  welche  durch  eine  neue 
y  Verfassung  sich  in  die  neuen  Staatsformen  zu  passen  suchte;  sie  stellte 
sich  gleichzeitig  mit  Bewusstsein  die  Aufgabe  der  Missionsthätigkeit  im 
W.,  wo  sie  grossen  Anhang  gefunden  hat.  Auch  sie  verdankt  den  Boden, 
den  sie  gewonnen,  nicht  weitherzigen  Auffassungen,  sondern  dem  Fest- 
halten an  einmal  angenommenen  Satzungen.  Damit  kam  sie  einem  grossen 
Bruchtheil  des  amerikanischen  Volkes  entgegen,  einem  einflussreichen  und 
intelligenten ,  dem  eine  festgeschlossene  conservative  und  consequente 
kirchliche  Gemeinschaft  um  so  mehr  Bedürfniss  ist,  je  weniger  von  diesen 
Eigenschaften  im  Staatswesen  gefunden  werden  kann  ^). 

An  Zahl  der  Bekenner  und  der  Kirchen,  sowie  an  Besitz  steht  heute 
der  Methodismus  unter  allen  Sekten  der  V.  St.  in  erster  Reihe.  Bei 
der  ersen  Conferenz  (1784  Baltimore)  hatte  er  80  Prediger  aufzuweisen, 
während  ihm  eine  Schätzung,  die  von  ihm  selbst  1876  ausging,  26000 
Prediger  und  90  Mill.  D.  zuwies.  1877  hatte  er  1 671  608  Glieder.  Das 
Wachsthum  der  Sekte  ist  ohne  Zweifel  die  hervorragendste  Thatsache  der 
Geschichte  der  amerikanischen  Christenheit  im  verflossenen  Jahrhundert. 
Man  hat  in  ihr  eine  Erscheinung  von  ähnlicher  Natur  zu  erkennen,  wie  sie 
in  der  Ablesung  und  dem  raschen  Wachsthum  der  Baptisten  und  anderer 
Sekten  der  Low  Cliurch  vorliegt.  Ganz  wie  dort  rief  ein  Appell  an  das 
Gefühl  alle  diejenigen  zusammen,  welche  mit  der  nothwendig  fortschreitenden 
Verstandesmässigkeit  und  wissenschaftlichen  Ausbildung,  kurz  dem  theo- 
logischen Charakter  der  älteren  Kirchen  sich  nicht  befreunden,  keine  Be- 
friedigung in  ihr  finden  konnten.  Der  visionäre  Charakter  seiner  älteren 
Prediger  und  noch  vieler  neueren,  die  Erweckungen,  die  Camp-Meetings 
(Zusammenkünfte  in  Wald  oder  Feld),  das  lowly  preaching  der  Brüder, 
die .  in  den  Conventikeln  begeistert  und  begeisternd  zu  ihren  Glaubens- 
genossen redeten,  machten  den  Methodismus  zu  der  Religion  des  Volkes. 
Er  hat  freilich  sein  Princip,  dass  Religion  keine  logische  Ueberzeugung 
sei,  ebensowenig  festhalten  können  wie  die  Zurückweisung  aller  Theo- 
logie; indem  er  gross  und  reich  geworden,  hat  der  Methodismus  seine 
Universitäten,  seine  Professoren,  seine  Presse,  seine  grossen,  geschmückten 
Kirchen  gefunden,  auch  höher  gebildete  Anhänger,  welche  etwas  mannig- 
faltigere und  gewürztere  Nahrung  verlangen  als  die  grosse  Menge.     Aber 


1)  Eine  Beziehung  zwischen  den  Tendenzen  zu  streng  zusammengeschlos- 
senen Gemeinschaften  auf  kirchlichem  und  zu  Auflockerung  aller  Verhältnisse 
auf  politischem  Gebiet  ist  in  Nord-Amerika  öfters  bemerkt  worden.  Es  ist  von 
vornherein  wahrscheinlich,  dass  mit  dem  Wachsen  der  Schwankung  und  Un- 
sicherheit im  politischen  Leben  eine  Zunahme  der  Neigung  zu  festen  Grundlagen 
im  kirchlichen  Hand  in  Hand  gehe. 


XIY.  Die  Kirche.  53^ 

noch  immer  ist  er  die  Kirche  der  Massen.     Seine  Verbreitung  lässt  das 
klar  erkennen. 

Die  Baptisten  sind   die   zweitzahlreichsten   und  mächtigsten  unter 
den  Sekten,  welche  gewissermassen  den  demokratischen  Protest  gegen  die  ^ 
aristokratischen   Kirchen   der  Bischöflichen   und    der   Congregationalisten 
darstellen.     Sic  zählte  schon  am  Ende  der  Colonialzeit  mehr  Kirchen  als 
die  ersteren.     Ihr  Wachsthum  hängt   eng  zusammen  mit  ihrer  Lehre  von 
dem  allgemeinen  Beruf  zum  Predigtamt,  die  den  Bedürfnissen  junger  und  \/ 
in  der  Wildniss  und  Armuth  zerstreuter  Gemeinden  mehr  entgegenkommt 
als   die  von  Anderen  festgehaltene  Forderung   höherer  wissenschaftlicher 
Ausbildung  der  Geistlichen.    Ebenso  war  ihr  Bestehen  auf  der  persönlichen 
Erfahrung  der  Ileilswahrheiten  als  einer  Bedingnng  der  Zulassung  in  ihre 
Gemeinschaft  ein  Zug,  der  in  seiner  individualistischen  Schärfe  den  Armen  ^ 
und  Einsamen  vor  allen  zusagen  musste.     Den  Baptisten  fielen  besonders 
in  Neu-England  zahlreiche  Separatisten  zu  und  sie  sind  so  stetig  gewachsen, 
dass  sie  heute  die  zweitbedeutendste  christliche  Sekte  in  den  V.  St.  sind. 
Sie  zählten  1876  1032  385  Bekenner,  13  779  Pfarrer  und  22  924  Kirchen. 
Wenn  auch  eine  Tochterkirche  des  Calvinismus,  stehen  sie  doch  mit  ihrem 
Princip:  Nur  die  Bibel  ganz  auf  der  Seite  der  volksthümlichen  demokra-  ^ 
tischen   Sekten ,    wie   denn   die   concreto  Einfachheit  ihres  Glaubens  und 
der  breite  Zug  ihres  Gemeindeaufbaues  sie  mit  dem  Methodismus  zu  der 
breitest  wurzelnden  der  Sekten  macht. 

Von  den  Kirchen,  denen  vorwiegend  die  Deutschen  angehören,  zerfällt 
die  Lutherische  in  fünf  Gruppen,  von  denen  jede  ihre  eigenen  Ver- 
sammlungen, Kassen  u.  s.  w.  hat:  General  Council  (724  Geistliche, 
201174  Communicanten),  Synodische  Conferenz  (1079  G.,  279  954  Comm.), 
Generalsynode  des  Südens  (96  G.,  14667  Comm.),  Generalsynode  des 
Nordens  (794  G. ,  116484  Comm.),  Unabhängige  Synoden  (221  G., 
43  253  Comm.).  Nach  dieser  Aufzählung  (die  Brobsts  liUtheran.  Kalender, 
AUentown  1877,  entnommen)  zählt  also  diese  Kirche  2914  Geistliche  und 
655532  Communicanten.  Sie  hat  16  Seminare  mit  41  Professoren  und 
gegen  600  Studirende,  ausserdem  7  Seminare  für  Lehrerinnen,  Für  die 
lutherischen  Gemeinden  werden  74  religiöse  Zeitschriften  (davon  31  in 
deutscher  Sprache)  herausgegeben.  Unter  den  milden  Werken  dieser 
Kirche  sind  die  Einwanderermission  und  das  Einwandererhaus 
in  New  York  zu  nennen.  —  Die  Deutsche  Reformirte  Kirche  nennt 
sich  Beformed  Church  in  the  U.  8.  und  hat  680  Geistliche,  1368  Gemeinden 
und  287  978  Glieder.  Die  Mehrzahl  ihrer  Glieder  ist  englisch,  wie  aus 
den  Veröffentlichungen  hervorgeht,  von  welchen  7  englisch  und  3  deutsch 
gedruckt  sind. 

Die  Römisch-Katholische  Kirche  ist  nach  dem  Census  von 
1870  die  vierte  an  Zahl  der  Gemeinden,   aber  die  zweite  an  Grösse  des 


540  XIV.  Die  Kirche. 

Besitzes.  1776  schätzte  man  die  Zahl  ihrer  Geistlichen  auf  26  und  die 
der  Gemeinden  auf  etwa  das  Doppelte;  ein  öffentlicher  Gottesdienst  fand 
damals  nur  in  Philadelphia  statt.  1876  war  die  katholische  Bevölkerung 
auf  6V2  Mill.  mit  56  Bischöfen,  5358  Priestern,  5046  Kirchen  und  3711 
Bethäusern  und  Missionsstationen  gestiegen.  1800  gab  es  bloss  1 ,  1876 
über  400  katholische  Mädchenschulen.  In  derselben  Zeit  ist  die  Zahl  der 
katholischen  Collegien  von  2  auf  64  gestiegen.  Von  1855  bis  1871  hat 
ferner  die  Zahl  der  Klöster  sich  von  50  auf  225  ^)  und  die  der  katholischen 
Gesellschaftshäuser  für  Männer  von  15  auf  95  erhöht.  Man  rechnet,  dass 
jieute  über  ^/a  dieser  katholischen  Bevölkerung  und  80  von  ihren  Bischöfen 
^irischer  Abstammung  sind.  Dieses  starke  Wachsthum  erklärt  sich  wahr- 
scheinlich fast  ganz  aus  der  Einwanderung  Römisch  -  Katholischer ,  vor- 
züglich aus  Irland  und  Süd -Deutschland.  Die  Zahl  der  Proselyten,  die 
diese  Kirche  hier  macht,  wird  dagegen  wohl  aufgewogen  von  den  Verlusten, 
die  sie  vorwiegend  durch  die  sehr  thätigen  Missionen  der  Low  Church- 
Sekten  erleidet.  Die  Thatsache,  dass  ihre  Bekenner  in  einigen  grösseren 
Städten  wie  New  York ,  Cincinnati ,  New  Orleans  u.  a.  sehr  compakt 
beisammensitzen,  gibt  ihr  den  Schein  grösserer  Bedeutung  als  sie  in 
Wirklichkeit  besitzt.  Ohne  Zweifel  hat  der  Katholicismus  hier  eine  sehr 
grosse  Fähigkeit  zur  Ausnützung  der  Vortheile  gezeigt,  welche  ihm  in 
einem  Lande  geboten  sind,  wo  keine  Schranken  der  Staatsgewalt  seine 
Aussichten  beschränken,  und  an  Eifer  und  materiellem  Wachsthum  hat 
ihn  keine  von  den  protestantischen  Sekten  übertroffen.  Er  hat  sich  klug 
im  Hintergrunde  zu  halten  gewusst,  bis  er  durch  die  Annexion  vorwiegend 
katholischer  Bevölkerungen  in  Louisiana  und  Florida  und  durch  die  starke 
katholische  Einwanderung  sich  gekräftigt  fühlte.  Das  Jahr  1840  bezeichnet 
/Seinen  Eintritt  in  den  politischen  Kampf,  und  das  Ziel,  das  er  damals 
mit  seiner  Forderung  der  Entfernung  der  Bibel  aus  den  Volksschulen  im 
Sinne  hatte,  nämlich  die  Umformung  der  weltlichen  Volksschulen  in  con- 
fessionelle  Anstalten,  ist  er  seitdem  nicht  müde  geworden  zu  verfolgen. 
Aber  seine  Agitationen  hatten  bis  heute  keinen  Erfolg  und  haben  den 
Anderen  noch  keinen  Schrecken  einzujagen  vermocht  trotz  der  Alarmrufe, 
die  über  die  wachsende  Ausbreitung  des  Katholicismus  dann  und  wann 
ausgestossen  worden  sind.  Man  muss  indessen  gestehen,  dass  eine  so 
grosse  und  fest  zusammengehaltene  Macht  wie  die  katholische  Kirche  zu 
einer  Zeit  von  erheblicher  politischer  Bedeutung  werden  könnte  und  dies 
um  so  mehr,  als  der  Protestantismus  sich  durch  Sektirerei  immer  mehr 
zersplittert  und  jene  dem  unruhigen  religiösen  Bedürfniss   und  der  Phan- 

1)  Ende  1878  ging  eine  Notiz  durch  die  amerikanischen  Blätter,  dass 
ein  drittes  Trappisten  -  Kloster  in  den  V.  St.  und  zwar  im  vv.  Pennsylvanien 
in  Gründung  begriffen  sei.  Zwei  ältere  bestehen  in  New  Haven  Ky.  und  New 
Meileray  lo. 


XIV.  Die  Kirche.  541 

tasie   vorzüglich    der   hier    so   einflussreichen  Frauen   in   höherem  Masse 
entgegenkommt  *). 

Die  Zahl  der  Juden  in  den  V.  St.  ist  sehr  verschieden  geschätzt 
worden.  Wir  haben  oben  die  Censuszahl  von  1870  gegeben.  Eine  neuere 
und  wahrscheinlich  zutreffendere  Schätzung,  die  der  Board  of  Delegates 
of  American  Israelües  1877  anstellte,  ergab  als  wahrscheinlichste  Zahl 
3rX)000.  Die  Zunahme  ihrer  Synagogen  und  ihres  Kirchenvermögens  seit 
5850  ist  erstaunlich.  Schon  1870  zählte  man  152  Gotteshäuser  und 
1,1  Mill.  Vermögen  gegen  36  und  0,4  Mill.  in  1850.  1877  wurden  von 
der  genannten  Vereinigung  300  Gemeinden  gezählt.  Ihre  weitaus  grösste 
Zahl  ca.  500(X)  wohnt  in  New  York.  Für  die  Heranbildung  der  Rabbiner 
haben  sie  2  Schulen  in  New  York  und  Cincinnati. 


1)  Diesen  Befürchtungen  gegenüber  ist  hervorzuheben,  dass  die  Katholiken 
selbst  nicht  immer  so  hoffnungsvoll  sind,  wie  sie  sein  müssten,  wenn  jene  be- 
gründet wären.  Die  Stimmen  hoher  Kirchenfürsten  dürften  hier  entscheidend  sein. 
Zu  einem  irischen  Missionar  sagte  der  Bischof  von  Charleston  1851 :  „Ihr  würdet 
der  Religion  einen  Dienst  leisten,  wenn  Ihr  nach  Euerer  Rückkehr  von  Kirch- 
spiel zu  Kirchspiel  ginget  und  dem  Volke  sagtet,  dass  es  nicht  seine  unsterbliche 
Seele  verlieren  möge,  indem  es  hierherkomme".  Und  zur  selben  Zeit  der  Erz- 
bischof von  New  York:  „Das  Volk  in  Irland  versteht  nicht  die  Lage  der  Aus- 
wanderer. Tausende  gehen  in  den  grossen  Städten  verloren  und  auf  dem  Lande 
ist  der  Glaube  in  Vielen  ausgestorben".  Noch  1870  klagte  der  Erzbischof  von 
Cincinnati  darüber,  dass  die  katholische  Kirche  Hunderte  von  Deutschen  verliere, 
welche  deutsche  protestantische  Predigt  der  englischen  katholischen  vorziehen. 
Vgl.  Barnum,  Romanism  in  the  U.  S.  1876. 


XV.  Das  geistige  Leben. 

I.  Hemmungen  und  Förderungen.  Der  coloniale  Typus  des  geistigen 
Lebens  542.  Nothwendige  Mängel  543.  Vorzüge  545.  Begabung  546.  —  IL  D  i  e 
Unterrichtsanstalten.  Der  Lerntrieb  bezeichnend  für  die  Nordameri- 
kaner 546.  Aufwand  für  die  Schulen  548.  Staatliche  Fürsorge  550.  Die  Volks- 
schule 551.  Der  Lehrerstand  553.  Die  Mittelschulen  und  Colleges  554.  Die 
Fachschulen  557.  Die  Bibliotheken  559.  Oeff.  Vorträge  559.  —  IIL  Die 
Wissenschaftspflege.  Werth  der  amerikanischen  Wissenschaft  561.  Ihre 
Entwickelung  562.  B.  Franklin  563.  Rittenhaus  563.  Die  Surveys  565.  Die 
Naturwissenschaften  567.  Die  Medicin  568.  Andere  Wissenschaften  568.  Wissen- 
schaftliche Körperschaften  569.  —  IV.  Literatur.  Abhängigkeit  von  der  eng- 
lischen 572.  Eigenthümlichkeiten  573.  Dichter  574.  Geschichtschreiber,  Redner 
u.a.  575.  —  V.  Kunst.  Malerei  580.  Baukunst  582.  Bildhauerei  583.  Musik 
583.    Theater  583.  —  VL  Die  Presse  584. 

I.  Hemmungen  und  Förderungen  des  geistigen 
Lebens.  Im  geistigen  Leben  der  Nordamerikaner  hat  lange  das 
Lehren  es  über  das  Forschen,  das  Aufnehmen  und  Anwenden  über 
das  Selbstschaffen  davongetragen ;  es  hat  so  viel  nach  innen  wirken 
müssen,  sah  sich  so  viel  Zwecke  von  praktischer  Bedeutung  nahe 
vor  Augen  gesetzt,  dass  Zeit  und  Lust  verloren  ging  zu  grossen 
Leistungen  in  Kunst  und  Wissenschaft,  die  ihren  Zweck  in  ihrer 
eigenen  möglichsten  Vollendung  sehen.  Es  fehlte  auch  der  befruch- 
tende Verkehr  der  Geister  in  unseren  Bildungsmittelpunkten  und  es 
fehlten  diese  Mittelpunkte  selbst.  Uns  alten  Völkern,  die  wir  nicht 
wissen,  wie  es  um  uns  stand,  als  wir  im  Werden  waren,  ist  solche 
Unfruchtbarkeit  um  so  befremdlicher,  als  die  Leistungen  dieses 
Volkes  in  Staat  und  Gesellschaft,  in  Industrie  und  Handel,  sein 
Reichthum,  seine  bei  allem  raschen  Wachsthum  sehr  schwer  wiegende 
Bedeutung  uns  gern  vergessen  lassen,  wie  jung  es  ist.  Aber  gerade 
hier  ist  dies  nicht  zu  übersehen.  Wenn  auch  politisch  und  wirth- 
schaftlich  selbständig,  sind  die  Nordamerikaner  doch  in  den  geistigen 
Beziehungen    noch  Colonialvolk.     Die  Merkmale    eines    solchen   hat 


XV.  Das  geistige  Lebeü.  54^ 

W.  Röscher  am  treffendsten  gezeichnet^):  Aus  dem  üppigen  mate- 
riellen Wachsthum  geht  eine  hohe  geistige  Bedeutsamkeit  hervor, 
aber  dieselbe  wird  in  ganz  besondere  Richtungen  getrieben.  Der 
Erfindungsgeist  wird  vor  allem  entwickelt  (vgl.  o.  S.  269,  320  u. 
S.  363),  und  da  dem  Einzelmenschen  eine  fast  erdrückend  grosse 
Selbständigkeit  aufgenöthigt  wird ,  richtet  sich  sein  Denken  auf 
praktische  Gegenstände  fast  ausschliesslich :  Alles  günstige  Be- 
dingungen für  die  Pflege  der  technischen  Künste.  Die  geschicht- 
lichen Fäden  sind  zerrissen,  der  Boden,  auf  dem  man  lebt,  ist  ohne 
Tradition.  Kein  Wunder,  wenn  die  Poesie  der  Oertliehkeiten  beim 
Nordamerikaner  weniger  stark  ist  als  bei  uns  eingewurzelten  Exi- 
stenzen. Es  fehlen  also  viele  von  den  Grundbedingungen,  welche 
unserer  Gemüthlichkeit  zu  Grunde  liegen,  und  man  muss  allerdings, 
wohl  oder  übel,  die  Wahrheit  der  Phrase  anerkennen,  mit  der  man 
von  duseligen  Deutschamerikanern  fast  todtgefüttert  wird:  Die 
Amerikaner  haben  nicht  einmal  ein  W^ort  für  „gemüthlich"  in  ihrer 
Sprache,  wie  könnten  sie  die  Sache  haben!  Dass  sich  aber  dieser 
Mangel  nicht  auf  das  Naturgefühl  erstreckt,  haben  wir  schon  einmal 
stark  hervorgehoben  (s.  o.  S.  50).  Dagegen  wird  man  sich  nicht 
viel  historischen  Sinn  vermuthen  und  damit  ist  man  ganz  auf  dem 
richtigen  Weg.  Es  wäre  nicht  zu  begreifen,  woher  er  kommen  und 
wo  er  Wurzel  fassen  sollte.  H.  Martineau  nennt  einmal  mit  Bezug 
auf  staatliche  Einrichtung  die  Verwirklichung  des  noch  nicht 
Dagewesenen  und  für  uns  sogar  Unwahrscheinlichen  die  grosse 
geschichtliche  Aufgabe  der  V.  St.  Sie  trifft  damit  ganz  das  Richtige. 
Die  V.  St.  sind  mit  allem,  was  sie  von  der  Cultur  der  Alten  Welt 
ererbt  haben,  etwas  nie  Dagewesenes.  Eine  Republik  fast  so  gross 
wie  Europa  und  mit  45  Millionen  aus  allen  Enden  der  Erde  zu- 
sammengewürfelter Bewohner  ist  an  und  für  sich  ein  Ding,  das 
schnurstracks  den  Lehren  der  Schule  zuwiderläuft.  So  sind  es  die 
meisten  Einrichtungen  des  staatlichen,  religiösen,  materiellen,  geistigen 
Lebens,  Ein  Geist  der  Neuerung  ist  beständig  an  der  Arbeit,  er 
ist  ganz  unhistorisch,  völlig  rational.  Dürfen  wir  es  anders  erwarten  ? 
Aber    er   ist  an  und  für  sich  nicht  unvereinbar   mit   dem  geistigen 


\^ 


1)  Coloiiieii,  Colouialpolitik  u.  Auswanderung,   Berlin  1856,  Abth.  I.  Cap.  V. 


544  XV.  Das  geistige  Leben. 

Schaifen.  Im  Gegentheil ,  er  zeigt  sich  fruchtbar  in  zahllosen 
Neuerungen,  die  manchmal  Zeugniss  ablegen  von  hohem  idealen 
Schwung.  Ist  nicht  die  innere  Ausgestaltung  des  grossen  Freistaates 
mindestens  in  den  ersten  60  Jahren  seiner  Existenz,  vor  der  Zeit 
der  grossen  politischen  Corruption,  eine  grosse  ideale  That?  Und 
ist  es  minder  die  Befreiung  der  Sklaven?  Es  würde  falsch  sein, 
dem  Amerikaner  Mangel  an  Begeisterung  vorzuwerfen;  er  ist  ihrer 
in  vielen  Beziehungen  in  höherem  Grade  ftlliig  als  z.  B.  der 
kritischere,  reflektivere  Deutsche.  Wir  sehen,  dass  diese  colonialen 
Eigenthümlichkeiten  nicht  an  und  für  sich  dem  geistigen  Leben 
und  Schaffen  hinderlich  sind.  Sie  leiten  es  nur  in  etwas  andere 
Bahnen  als  bei  älteren  Völkern.  Grossentlieils  schädlich  muss 
dagegen  eine  weitere  Thatsache  wirken,  die  ebenfalls  innig  zu- 
sammenhängt mit  der  colonialen  Entwickelungsstufe.  Es  ist  die 
Jagd  nach  Geld,  welche  den  Sinn  vieler  Hochbegabter  abwendig 
macht  von  der  Verfolgung  rein  idealer  Ziele  auf  geistigem  Gebiete. 
In  dieser  Hinsicht  erhält  man  das  Hecht,  von  einem  weitverbreiteten 
^Mangel  an  Idealität  zu  sprechen  ,  den  übrigens  Niemand  leugnet, 
der  die  Amerikaner  kennt.  Er  liegt  nicht  in  ihrer  Natur,  aber  in 
^^hren  Verhältnissen.  Ich  habe  sogar  L.  Agassiz,  der  sonst  so  viel 
von  den  Bürgern  seines  Adoptiv -Vaterlandes  hielt,  diesen  Fehler 
bitter  tadeln  hören.  Sogar  in  die  Studien  trägt  man  den  kauf- 
männischen Geist,  von  dessen  weiter  Verbreitung  schon  gesprochen 
wurde  (s.  S.  456).  Es  gibt  noch  viel  zu  Wenige,  die  bloss  studiren 
um  zu  wissen,  nicht  um  zu  erwerben.  Die  geräuschvolle,  haschende, 
kurzathmige  Lebens-  und  Thätigkeitsart  kann  der  stillen  Arbeit- 
des  Geistes  nicht  förderlich  sein.  Wenn  neunundneunzig  Procent 
einer  Bevölkerung  von  einem  Wirbel  erfasst  sind,  der  sie  rastlos 
herumtreibt,  wird  es  dem  Hundertsten  selten  vergönnt  sein,  sich 
y  die  Sammlung  zu  bewahren,  in  der  sich  Gedanken  schöpfen  und 
wissenschaftliche  Probleme  ausspinnen  lassen,  auch  wenn  er  am 
Ufer  stehen  bleibt.  Wer  das  amerikanische  Leben  mitgemacht  hat, 
wird  eher  geneigt  sein,  sich  zu  wundern  über  die  grosse  Zahl  der- 
jenigen, die  Kraft  gehabt  haben,  den  Lockungen  materieller  Lebens- 
ziele nicht  zu  folgen,  und  entschlossen  sind,  vom  Geräusch  des 
dortigen  Lebens   sich   nicht   stören  zu  lassen.     Die  Zahl  der  feiner 


XV.  Bas  geistige  Leben.  545 

Empfindenden  ist  im  Wachsen,  aber  ihr  Einfluss  auf  die  Klärung 
der  geistigen  Atmosphäre  ist  bis  jetzt  noch  ein  sehr  geringer.  — 
Dass  diese  Geldsucht,  die  so  schädlich  solange  sie  dauert,  mit 
einem  Theile  dessen,  was  sie  zusammengetragen,  den  Wissenschafton 
und  Künsten  wieder  zu  Nutzen  wird,  mildert  nur  wenig  den  Schaden, 
den  sie  dem  Geiste  des  Volkes  zufügt.  Zwar  macht  der  R.eich- 
t  h  u  m  der  Nordamerikaner  sich  bereits  auf  dem  Gebiete  der  Kunst 
und  Wissenschaft  dadurch  geltend,  dass  prächtige  Sammlungen  an- 
gelegt werden,  deren  Benützung  aber  leider  immer  nur  eine  sehr 
beschränkte  ist  und  die  oft  schlecht  unterhalten  werden').  Die 
besten  Bilder  moderner  Maler  wandern  nach  Nord -Amerika,  die 
Einfuhr  alter  kunstgewerblicher  Gegenstände  ist  bereits  sehr  er- 
heblich, die  Resultate  ganzer  wichtiger  Ausgrabungsunternehmungen, 
wie  z.  B.  die  Cesnola's  auf  Cypern,  sind  bereits  in  New  York  vereiijigt. 
Musiker  und  Maler  heimsen  dort  die  reichsten  Ernten  ein.  Die 
einheimische  Kunst  und  Kunstindustrie  sind  vollauf  beschäftigt  und 
die  Vorliebe  für  monumentale  Bauten  2)  gibt  besonders  den  Bau- 
meistern reichliche  Gelegenheit  zur  Entfaltung  ihrer  Kunst.  Nicht 
weniger  empfindet  die  schöne  Literatur  diese  Förderung,  die  Werke 
populärer  Dichter  erfahren  eine  ungemein  weite  Verbreitung,  sie 
haben  nicht  über  Vernachlässigung  zu  klagen.  Trägt  das  auch  oft 
mehr  den  Stempel  der  Protzenmunificenz  als  den  eines  feinsinnigen 
und  verständnissvollen  Mäcenatenthums ,  so  nützt  er  doch.  Nach 
allen  Anzeichen  ist  es  die  Förderung  derjenigen  Zweige  geistigen 
Schaffens,    die    mehr  auf  Reproduktion,    Ausbreitung,    Massenher- 


1)  Es  gab  eine  Zeit,  in  der  der  wissenschaftliche  Luxus  eben  so  primitiv 
war  wie  der  künstlerische.  Daraals  waren  die  Museen  Raritätencabinete.  Einige 
Krystalldrusen ,  Mammuthknochen ,  die  man  in  beliebiger  Menge  haben  kann, 
indianische  Waffen  und  Trachten,  Büffelfelle,  ausgestopfte  Vögel  und  in  Spiritus 
gesetzte  Schlangen,  Wachsstatuen  Washington's  und  Jackson's,  schlechte  Stiche 
nationaler  und  lokaler  Berühmtheiten  setzten  ein  solches  Museum  zusammen, 
(S.  M.  Chevalier's  Beschreibung  des  Museums  von  Cincinnati  im  Jahr  1835  in  '^ 
Lettres  de  FAm.  I.  316.; 

2)  Der  Wunsch   monumentale  Bauten   zu  errichten    hat   sich   mit    der   Zeit 
geradezu  zur  Leidenschaft  gesteigert   und  von  vielen  Seiten  wird  geklagt,    dass 
die  reichen  Stiftungen  zu  Unterrichts-  und  Forschungszwecken  in  der  Regel  zur     , 
Hälfte   oder  noch  mehr  von  den  Baukosten  verschlungen  werden.     (Vgl.  Lyell,  ^ 
Travels  1845.  I.  110.) 

Ratzel,   Amerika  II.  ok 


546  X^-  I^^s  geistige  Leben. 

Stellung  ausgehen,  also  der  Unterrichtsmittel  und  -anstalten  aller 
Art,  der  Architektur  und  des  Kunstgewerbes,  was  als  nächste 
und  bedeutendste  Frucht  des  goldenen  Thaues  sich  zeigen  wird. 
Die  congeniale  Atmosphäre  für  höchste  Schöpfungen  des  Genies 
kann  dieselbe  natürlich  nicht  erzeugen,  doch  vermag  sie  durch  Ver- 
feinerung der  Sitten  und  des  Geschmackes  mit  auf  die  Herbei- 
führung derselben  hinzuwirken. 

Wie  steht  es  aber  mit  dem,  was  die  Grundbedingung  ist  einer 
fruchtbaren  Wirksamkeit  aller  dieser  begünstigenden  Faktoren,  mit 
der  Begabung?  Die  Antwort  ist  in  den  folgenden  Ausführungen 
zu  suchen.  Hier  ist  so  viel  vorauszuschicken,  dass  die  Nordameri- 
kaner als  Sprösslinge  der  begabtesten  Völker  Europas  nach  den 
Gesetzen  der  Vererbung  mindestens  ebenso  begabt  sein  werden  wie 
ihre  altweltlichen  Vorfahren.  Es  könnten  aber  die  Lebensverhält- 
nisse, unter  denen  sie  sich  seitdem  befunden,  einen  hindernden  oder 
fördernden  Einfluss  auf  die  Entfaltung  dieses  Erbtheils  gewirkt 
haben.  In  dieser  Beziehung  ist  Folgendes  zu  bemerken:  Es  sind 
immer  die  Unternehmenderen,  Intelligenteren,  die  politisch,  religiös 
oder  wirthschaftlich  Regsamsten  und  Denkendsten  gewesen,  die  aus- 
wanderten.   Man  kann  also  eher  erwarten,  dass  durch  diese  unwill- 

^  kür  liehe  Auswahl  eine  Steigerung  des  Grades  der  Begabung  statt- 
gefunden habe,  als  eine  Minderung.  Dasselbe  lässt  sich  von  der 
Mischung  angelsächsischen,  deutschen,  keltischen,  romanischen  Blutes 
erwarten.  Dass  der  Einfluss  der  Naturumgebung  und  der  Lebens- 
bedingungen mindestens  kein  ungünstiger  war,  ist  bereits  nach- 
gewiesen (s.  0.  S.  45  f.).  Die  körperliche  wie  geistige  Constitution 
des  Nordamerikaners  ist  im  Vergleich  zu  der  der  Europäer  eine 
verfeinerte  und  beweglichere.  Er  selbst  hält  sich  für  viel  intelli- 
genter. Die  Leistungen  haben  zu  zeigen,  was  wahr  daran  ist.  So  viel 
ist   zuzugeben,    dass   er  rascher  denkt  und  handelt  als  der  germa- 

^  nische  Europäer,  dass  er  mit  Phantasie  reich  begabt  ist  und  dass 
in  sehr  geringem  Grade  seine  geistige  Thätigkeit  Hemmung  erfährt 
durch  die  sinnliche  Seite  seiner  Natur. 

IL  Die  Unterrichtsanstalten.  Der  Nordamerikaner  ist  ganz  vor- 
züglich ein  lernender  und  zwar  ein  viel  lernender  Mensch.  Sein  offener 
Sinn  lässt  ihn   auf  Schritt  und  Tritt  den  Werth   der  Kenntnisse  für  das 


XV,  Das  geistige  Leben.  547 

praktische  Leben  richtig  erkennen.  Von  Natur  regsam,  im  reichen  öffent- 
lichen Leben  tagtäglich  zum  Denken  angeregt,  wird  sein  Geist  von  einer 
Menge  von  Eindrücken  bestürmt.  Er  ist  aber  zugleich  von  den  besten 
Gelegenheiten  umgeben,  denselben  zu  nähren  und  zu  bilden:  Unentgeld-  ^y^ 
liehe  Schulen  und  Bibliotheken,  billige  Bücher  und  Zeitungen,  die  sich  ihm 
geradezu  aufdrängen,  Vorträge  über  alles,  leichtere  Möglichkeit  des  Um- 
ganges mit  Höhergebildeten  kommen  seinen  Wünschen  entgegen.  Das  ganze 
Leben  fordert  mehr  als  in  der  Alten  Welt  und  bietet  aber  auch  mehr. 
Sogar  der  Staat  nimmt  sich  des  Unterrichtes  mit  Kraft  an,  selbst  die 
Bundesregirung  hat  gewagt,  eine  der  allgemeinen  Angelegenheiten  in  ihm 
zu  erblicken,  auf  die  sie  ihre  Sorge  erstrecken  darf.  Der  Elementar- 
unterricht ist  überall  umsonst  zu  haben  und  zum  höheren  ist  der  Zutritt 
leicht.  Einige  Staaten  haben  sogar  den  Schulzwang  eingeführt.  Man  hat 
die  Nordamerikaner  als  den  Typus  eines  Volkes  bezeichnet,  bei  dem 
die  Unwissenheit  der  grossen  Masse  gering  und  dafür  die  Leute  von 
hoher  und  verfeinerter  Bildung  verhältnissmässig  selten  sind,  wo  also  ein 
möglichst  gleichmässiges  Niveau  erreicht  ist ,  was  das  Wissen  betrifft  *). 
In  der  Berechtigung  dieser  Charakterisirung,  die  man  zugeben  muss,  liegt 
der  beste  Beleg  für  die  grosse  Rolle  des  Unterrichtes  in  diesem  Volke 
und  gleichzeitig  ein  Zeugniss  für  seine  Erfolge.  Aber  es  würde  nicht 
dem  regen,  selbstthätigen  Charakter  des  Amerikaners  entsprechen,  das 
was  er  wissen  will,  bloss  in  der  Schule  zu  suchen.  Er  glaubt  ebenso- 
viel ausserhalb  derselben  lernen  zu  können  wie  in  ihr,  und  dementsprechend 
wird  ihm  auch  vielerlei  geboten.  Fortbildungsschulen  jeder  Art,  Vor- 
lesungen und  eine  grosse  Masse  von  populärer  Literatur  kommt  seinem 
Trieb  entgegen.  Dafür  sind  aber  regelmässige  Bildungsgänge,  die  von 
den  Elementen  bis  hinauf  zu  den  höchsten  Wissenschaften  die  Schulen 
durchmachen,  seltener.  So  vorzüglich  daher  die  Leistungen  der  Volks- 
schule, so  lückenhaft  sind  grossentheils  diejenigen  der  höheren  Unterrichts- 
anstalten. Natürlich  spielt  dabei  eine  Rolle  die  Schwierigkeit,  diese  mit 
den  Kräften  zu  besetzen,  welche  geeignet  sind,  die  höheren  Unterrichts- 
zwecke zu  fördern.  Nun  ist  zwar  der  Nordamerikaner  das  beste  Material 
zu  einem  Seifmade  Man  und  ist  das  öffentliche  Leben  der  V.  St.  ein 
Boden,  auf  dem  solche  kräftigen  Pflanzen  gut  gedeihen,  aber  dennoch 
schlägt  die  Erkenntniss  durch,  dass  auch  der  höhere  Unterricht  eine 
nicht  zu  verachtende  Mitgabe  fürs  Leben  sei  und  dass  er  aber  auch  sorg- 
fältig gepflegt  sein  wolle.  Diese  Einsicht  ist  in  den  älteren  Staaten  ver- 
hältnissmässig leicht  zu  gewinnen,  da  es  hier  gute  höhere  Schulen  gibt, 
die  in  einigen  vortrefflichen  Beispielen  sogar  fast  an  unsere  Hochschulen 
heranreichen.     Aber   in   den  jüngeren  Landestheilen  ist  dies  noch   nicht 


1)  H.  Th.  Bukle,  Gesch.  d.  Civihsation  in  England.  (L  Cap.  V.) 

35 


548  XV.  Das  geistige  Leben. 

erreicht  und  hier  ist  die  Schätzung  einer  wirklich  gediegenen  Bildung 
noch  weit  zurück  und  ihre  Erlangung  ist  keineswegs  leicht.  Aber  die 
Fürsorge  für  die  Schulen  ist  auch  hier  eine  achtunggebietende:  Es  ist 
überall  für  die  Dotation  derselben  eine  gleiche  Grundlage  geschaffen  durch 
die  Zuweisung  für  Schulzwecke  seitens  des  Bundes  von  1  Sektion  (GIO  A.) 
Land  an  jede  Township.  Es  sind  auf  diese  Weise  ca.  12  Mill.  A.  für 
diesen  guten  Zweck  bei  Seite  gesetzt  und  hat  dadurch  jeder  Staat  bzw. 
Territorium  von  vornherein  einen  Schulfonds,  in  den  dazu  noch  Stiftungen 
u.  a.  Zuweisungen  fliessen.  Später  sind  noch  andere  Schenkungen  von 
Seiten  des  Bundes  zum  Besten  des  technischen  Unterrichtes  gemacht 
worden*).  Die  Einzelstaaten  und  Gemeinden  ihrerseits  haben  jedoch  den 
grössten  Theil  des  Aufwandes,  den  sie  für  Unterrichtszwecke  machen, 
durch  Steuern  zu  decken  (s.  o.  S.  509)  und  die  Opfer,  die  von  den  Staaten, 
Gemeinden  und  Privaten  für  Schulsachen  gebracht  werden,  sind  beträcht- 
lich. So  wurden  im  Staat  New  York  1877  7,9  Mill.  D.  für  Lehrerbesol- 
dungen und  1,4  Mill.  für  Instandhaltung  der  Schulhäuser  u.  s.  f.  aus- 
gegeben. Die  Zahl  der  Schulhäuser  betrug  11833,  der  Lehrer  49  898, 
der  Schüler  1146  914,  der  Personen  zwischen  5  —  21  Jahren  1586  234. 
Es  besuchten  also  von  diesen  letzteren  65  Proc.  die  Schulen.  In  Privat- 
schulen waren  11  Proc.  der  schulbesuchenden  Kinder.  In  Massachusetts 
gab  es  1876/77  5556  Volksschulen  (staatl.)  mit  7544  weiblichen  und 
1176  männlichen  Lehrern  und  307  832  Schülern,  ausserdem  216  Mittel- 
schulen (High  Schools)  mit  19160  Seh.,  92  Abendschulen  mit  5305  Seh., 
44  Academies  mit  3939  Seh.  und  285  Privatschulen  mit  15  228  Seh.  Die 
Gesammtkosten  des  Unterrichtes  sind  auf  5,6  Mill.  D.  zu  schätzen,  also 
3,4  Doli.  p.  Kopf  der  Bevölkerung.  Ohio  zahlte  1876/77  für  seine  Staats- 
schulen 8  Mill.  D.,  beschäftigte  23  003  Lehrer,  baute  490  neue  Schulhäuser 
und  schätzte  den  Gesammtwerth  der  Staatsschulen  auf  21,1  Mill.  D.    Wis- 


1)  Der  Congress  genehmigte  am  2.  Juli  1862,  dass  jedem  Staat  ein  Theil 
■  des  in  seine  Grenzen  fallenden  Oeffentlichen  Landes  übergeben  werden  solle 
zu  dem  Zweck,  mit  dem  Ertrage  desselben  Anstalten  für  den  Unterricht  in 
y/jickerbau  und  Industrie  zu  gründen  oder  zu  unterstützen.  Die  Staaten  sollten 
nach  der  Zahl  ihrer  Vertreter  bedacht  werden  und  zwar  nach  dem  Massstab, 
dass  für  jeden  Senator  oder  Kepräsentanten  einem  Staate  30  000  A.  zuzuweisen 
seien.  Von  den  Erträgnissen  sollte  nichts  auf  Gebäulichkeiten  irgend  welcher 
Art,  sondern  alles  nur  auf  die  innere  Ausstattung  der  Schule  verwandt  und  es 
sollte  die  letztere  innerhalb  5  Jahren  nach  Erlass  dieses  Gesetzes  begründet 
sein.  Unter  anderen  technischen  und  Ackerbauschulen  wurden  unter  diesem 
Gesetz  gegründet  oder  erheblich  erweitert :  Cornell  University  in  Ithaka  N.  Y., 
Sheffield  Scientific  School  in  New  Haven  Conn.,  Delaware  State  College  in 
Newark  Del.,  Illinois  Industrial  University  in  Urbana  Hl,  Massachusetts  Institute 
of  Technology  in  Boston  und  Massachusetts  Agricultural  College  in  Amherst, 
University  of  Wisconsin  in  Madison  Wisc. 


XV.  Das  geistige  Leben.  549 

consin  gab  1876  2,1  Mill.  D.  für  seine  Schulen  aus,  Californien  2,7  Mill. 
Man  kann  sagen,  dass  in  den  n.  und  w.  Staaten  durchschnittlich  3—4  D. 
p.  Kopf  der  Bevölkerung  für  Staatsschulen  ausgegeben  werden.  Aus  dem 
S.  liegen  wenig  neuere  Zahlen  über  die  Schulausgaben  vor,  doch  leiden 
dieselben  ohne  Zweifel  wie  alle  anderen  Verpflichtungen  des  Staates  unter 
der  schlechten  Finanzlage.  Dazu  kommt  die  Last,  welche  der  Unterricht 
der  Farbigen  diesen  Staaten  aufbürdet.  Im  Vergleich  zu  diesen  Schwie- 
rigkeiten sind  ihre  Bemühungen  für  den  Volksunterricht  höchst  achtungs- 
werth.  S.  Carolina,  einer  der  bedrängtesten  von  diesen  Staaten,  machte 
Nov.  1877  einen  Zusatz  zur  Verfassung,  durch  welchen  eine  Steuer  von 
Vi 000  auf  jeden  D.  steuerbaren  Besitzes  für  Schulzwecke  erhoben  werden 
sollte.  Dieser  Zusatz  wurde  mit  169  000  gegen  7000  Stimmen  genehmigt. 
Es  wird  damit  eine  Summe  von  350  000  D.  jährlich  flüssig  gemacht.  Hier 
war  freilicli  Hülfe  nöthig,  denn  von  der  schulfähigen  weissen  Bevölkerung 
des  Staates  (84000)  besuchten  46000  und  von  der  der  farbigen  (144000) 
57  000  die  Schule.  Dabei  waren  die  Schulen  durchschnittlich  nur  3  Monate 
im  Jahre  offen.  In  Alabama  ist  ebenfalls  1877  das  Volksschulwesen  neu 
geordnet  worden.  Hier  ist  ausser  kleineren  Zuweisungen  eine  Kopfsteuer 
von  1,5  D.  auf  jeden  männlichen  Einwohner  von  21  —  45  Jahren  gelegt, 
die  an  die  Counties  für  Schulzwecke  vertheilt  wird.  Es  wurde  ein  Super- 
intendent des  Schulwesens  für  den  ganzen  Staat,  entsprechende  Beamte 
für  jede  County  gewählt.  In  allen  Südstaaten  sind  die  Schulen  für  Weisse 
und  Farbige  selbstverständlich  getrennt  und  selbst  der  Ertrag  der  Kopf- 
steuern wird  in  Alabama  gesondert  an  beide  Rassen  vertheilt. 

Die  Fürsorge  für  das  Schulwesen  hat  im  Allgemeinen  seine  erste  Grund- 
lage in  der  local  responsihiUty  der  einzelnen  Gemeinden,  so  wie  sie  in  dem 
neuengländischen  Township-System  verstanden  wird.  Man  betrachtete  es 
als  natürlich,  dass  jede  Gemeinde  für  den  Unterricht  ihrer  Jugend  in  der 
gebührenden  Zahl  von  Schulen  Sorge  trage.  Die  Aufbringung  der  Kosten, 
der  Bau  der  Schulhäuser,  die  Wahl  des  Lehrers  und  der  Schulbücher 
und  alles  Aehnliche  war  der  Gemeinde  vorbehalten,  welche  Schulen  er- 
richtete. Aber  der  Staat  verlangte  von  jeder  Gemeinde,  dass  sie  dies 
thue.  Der  grosse  Vortheil  dieses  Systems  war  die  Erweckung  einer 
grossen  Theilnahme,  aber  auf  der  anderen  Seite  war  es  natürlich  nur  im 
Stande  sehr  ungleichartige  Anstalten  zu  schaffen.  Während  in  reicheren 
und  älteren  Gemeinden  Schulen  in  grosser  Zahl  entstanden,  blieben  ärmere 
Gemeinden  ohne  dieselben  und  das  vorzüglich  in  jener  weiten  Zone  der 
jungen  vorrückenden  Cultur.  Diese  Ungleichheit  rief  der  Staatshülfe, 
welche  auf  anderen  Gebieten  mit  Eifersucht  zurückgewiesen,  hier  aber  mit 
Eifer  gesucht  wurde.  Das  Gefühl  für  die  Nothwendigkeit  des  Unterrichts 
womöglich  aller  Bürger  konnte  nicht  fehlen  in  demokratischen  Ge- 
meinwesen wi«  diese,    wo  Alle  ihren  Antheil  an  (ier  politischen  Verant- 


550  XV.  Das  geistige  Leben. 

wortlichkeit  haben  *).  Aus  diesem  Gefühl  heraus  und  ferner  aus  der 
Erkenntniss  des  Nutzens,  welchen  jedem  Einzelnen  der  Unterricht  in  der 
Verfolgung  seiner  Lebensziele  bietet,  widmeten  die  Staaten  der  Volks- 
schule steigende  Beachtung.  Es  wurden  Schulfonds,  Erziehungsämter, 
Schulinspektionen  gegründet.  Die  Fürsorge  und  Oberaufsicht  der  Unter- 
richtsangelegenheiten blieb  immer  Sache  des  Staates.  Der  Bund  griff  in 
dieselben  nur  durch  seine  Landschenkungen  und  seit  1867  auch  dadurch 
ein,  dass  er  es  unternahm,  durch  ein  Board  ofEducation  eine  berathende 
Behörde  einzusetzen,  die  zugleich  die  Statistik  des  Unterrichtes  zu  be- 
sorgen hat.  Bis  1870  hatte  der  Congress  79,5  Mill.  A.  (124000  e.Q.M.) 
für  Schulzwecke  gegeben.  (Adams,  Free  Shools  1874.  59.)  Zu  weiterem 
Eingreifen  besteht  keine  Lust  und  sind  noch  1871  und  72  Anträge  auf 
Einführung  eines  gemeinsamen  Systems  des  öffentlichen  Unterrichts  und 
Gründung  eines  Bundes-Schulfonds  im  Congress  entschieden  abgelehnt 
worden.  Das  Mass  der  Theilnahme  des  Staates  an  dem  Unterricht  seiner 
künftigen  Bürger  ist  ein  sehr  verschiedenes.  Unter  allen  Umständen  stellt 
er  das  Unterrichtssystem  fest,  bildet  die  Schulbezirke  und  bestimmt  das 
schulpflichtige  Alter.  Während  in  den  älteren  Staaten,  vorzüglich  denen 
Neu-Englands,  vielfach  der  Grundsatz  befolgt  wird,  dass  der  Staat  bloss 
für  die  ersten  und  einfachsten  geistigen  Bedürfnisse  des  Volkes  zu  sorgen 
und  keineswegs  das  Recht  habe,  darüber  hinauszugehen,  sind  von  den 
/jungen  Staaten  des  Westens  sogar  die  höchsten  Unterrichtsanstalten  ge- 
gründet und  unterhalten*). 


1)  Schulzwang  besteht  jetzt  in  den  Neuengland  -  Staaten ,  New  York ,  New 
Jersey,  Michigan,  Texas,  Nevada  und  Californien.  Aber  er  scheint  nicht  recht 
ernst  durchgeführt.  1870  war  Vß  der  über  10  Jahre  alten  Bevölkerung  des  Lesens 
und  Schreibens  unkundig.  In  Georgia  waren  56,  in  Maine  4  Proc,  dieser  Be- 
völkerung auf  dieser  Stufe.  Wo  Schulzwang  ist,  sollen  die  Wähler  lesen  können ; 
aber  1870  konnte  Vs  der  Stimmfähigen  nicht  lesen.  Missouri  war  bis  1877  der 
einzige  von  den  früheren  Sklavenstaaten,  in  welchem  diese  Forderung  auch  an 
die  farbigen  Wähler  gestellt  ist.  Leider  wurde  vom  Bunde  bei  der  politischen 
Berechtigung  der  Farbigen  die  Abhängigmachung  der  Ausübung  der  politischen 
Rechte  von  den  elementarsten  Kenntnissen  vom  Congress  nicht  beliebt.  Eben- 
sowenig ging  derselbe  auf  den  zu  öfteren  Malen  von  farbigen  Repräsentanten 
gestellten  Antrag  ein,  für  den  Unterricht  der  farbigen  Bevölkerung  des  S.  Fonds 
in  Gestalt  von  Landschenkungen,  ähnlich  denen  in  den  Weststaaten,  zu  schaffen. 

2)  Ein  gutes  Beispiel  dieser  spontanen  Entwickelung  gibt  die  Geschichte 
des  Educationcd  Board  der  Stadt  New  York ,  der  heute  ca.  500  Schulen  ver- 
waltet. Bis  1795  waren  alle  Schulen  im  Staate  New  York  Unternehmungen  von 
Privatleuten  oder  von  Körperschaften,  am  öftesten  natürhch  von  Kirchen;  in 
diesem  Jahre  aber  bewilligte  die  Legislatur  zum  ersten  Male  50  000  D.  für 
Schulzwecke  und  zehn  Jahre  später  wurde  für  dieselben  Zwecke  der  Ertrag 
aus    dem  allmählichen  Verkauf   von  500  000  A.  Staatsländereien  bestimmt.     Zu 


XV.  Das  geistige  Leben.  551 

In  den  Volksschulen  (Public  Schools)  ist  der  Lehrgang  folgender: 
In  den  Kinderschulen  (Primary  Schools),  die  unseren  einfachen  Volks- 
schulen entsprechen,  ist  der  Unterricht  in  sechs  halbjährige  Abschnitte 
getheilt ;  schon  im  dritten  Halbjahre  beginnt  das  Kopfrechnen,  im  sechsten 
sollen  sie  die  vier  Species  vollkommen  kennen,  fangen  Geographie  an, 
werden  die  Masse  und  Gewichte  gelehrt  und  wie  mit  denselben  zu  han- 
tiren.  Dieser  ganze  Unterricht  geht  überhaupt  klar  darauf  aus,  die 
praktisch  nothwendigsten  Dinge  möglichst  einzuprägen,  wie  denn  z.  B.  im 
letzten  Halbjahre  jeder  Schüler  unter  jede  Seite,  die  er  mit  seinen 
Schreibübungen  füllt,  seinen  Namen  zu  setzen  hat  und  wie  in  dem  Lehr- 
plane für  die  drei  letzten  Halbjahre  die  Einübung  dieser  Unterschrift  und 
des  Ortes  und  Datums  immer  wieder  besonders  aufgeführt  ist.  Der  An- 
schauungsunterricht erfreut  sich  in  diesen  Schulen  einer  hervorragenden 
Pflege.  Zimmerturnen  ist  vorgeschrieben  und  eine  Classe  soll  nicht  über 
75  Schüler  umfassen. 

Die  Knaben-  und  Mädchenabtheiluugen,  die  nach  dieser  einfachen 
Volksschule  folgen  und  Grammatikschulen  (Grammar  Schools)  genannt 
werden,  haben  ihren  Lehrgang  in  acht  halbjährige  Abschnitte  getheilt  und 
stehen  nach  ihren  Zielen  und  Leistungen  etwa  zwischen  unseren  erwei- 
terten Volksschulen  und  höheren  Bürgerschulen.  Sie  fügen  in  den  ersten 
zwei  Jahren  den  elementaren  Fächern  das  Bruchrechnen,  die  Geographie  v- 
von  Nord- Amerika  und  Anfänge  der  Naturgeschichte  zu,  so  dass  sie  in 
dieser  Zeit  das  erreichen,  was  unsere  besseren  Volksschulen  vor  sich  zu 
bringen  pflegen,  gehen  dann  zur  englischen  Grammatik,  Vaterlands- 
geschichte, angewandtem  Rechnen,  Physik  über,  rühren  in  den  zwei  letzten 
Halbjahren  auch  an  Astronomie,  Chemie,  physikalische  Geographie  und  ^ 
lehren  noch  die  Verfassung  der  V.  St.,  einiges  aus  der  allgemeinen  Ge- 
schichte und  Buchführung  kennen ;  in  der  Mathematik  kommen  sie  zu 
den  einfachen  Gleichungen  und  zu  den  Anfangsgründen  der  ebenen  Geo- 
metrie.    In  den  Mädchenabtheilungen  darf  daneben  auch  Nähen  gelehrt 


dieser  Zeit  entstanden  in  der  Stadt  New  York  verschiedene  Gesellschaften ,  die 
sich  die  Erziehung  der  Armen,  der  Farbigen  u.  dgl.  vorsetzten,  wie  denn  schon 
1787  eine  Schule  für  Farbige,  1802  eine  Mädchenschule  für  Arme,  später  zahl- 
reiche Kinderschulen  auf  diesem  Wege  gegründet  wurden,  und  unter  ihnen 
wurde  der  Freie  Schulverdn,  später  Volksschulverein  der  Stadt  New  York,  durch 
tüchtige  Leitung  und  rege  Thätigkeit  so  bedeutsam,  dass  er  bald  zu  einer  Art 
obersten  Schulbehörde  wurde,  in  deren  Hände  Staat  und  Stadt  die  Mittel  nieder- 
legten, mit  denen  er  dann  Schulen  schuf  und  erhielt.  Erst  1842,  nachdem  dieser 
Verein  sein  hohes  Amt  37  Jahre  zur  Zufriedenheit  der  Bürger  verwaltet  hatte, 
wurde  ein  amtlicher  Erziehungsrath  bestellt,  der  11  Jahre  neben  jenem  arbeitete, 
bis  beide  sich  vereinigten;  bei  dieser  Gelegenheit  gab  der  erstere  ein  Capital 
von  GOO  000  D.  in  die  Kasse.  Er  hatte  in  den  49  Jahren  seines  Bestehens  weit 
über  einer  halben  MiUion  Kinder  zu  Unterricht  und  Erziehung  verholfen. 


552  XV.  Das  geistige  Leben. 

werden.  Dort  wo  eine  nicht- englische  Bevölkerung  in  grösserer  Zahl 
vertreten  ist,  wie  z.  B.  im  W.  die  deutsche,  kommt  häufig  noch  deren 
Sprache  als  obligatorischer  Lehrgegenstand  hinzu.  —  Man  sieht,  dass 
eine  grosse  Menge  von  Gegenständen  gelehrt  wird.  Es  ist  diese 
Mannigfaltigkeit  dadurch  möglich,  dass  man  auf  Gründlichkeit  im  Ein- 
zelnen verzichtet  und  soviel  wie  möglich  sich  auf  das  Lehrbuch  verlässt, 
welches  womöglich  ganz  auswendig  gelernt  wird.  Diese  Methode  ist  den 
deutschen  Lehrern  ein  Gräuel,  und  auch  in  Amerika  findet  sie  genug 
Widerspruch.  Im  Bericht  des  Board  of  Education  für  1875  heisst  es: 
„Die  Schüler  lernen  bis  zum  Ueberfluss  auswendig,  aber  sie  studiren  nicht 
genug.  .  .  Die  Schüler  gehen  in  die  Schule,  um  Aufgaben  herzusagen,  und 
die  Lehrer,  um  dieses  Hersagen  anzuhören."  Auf  der  anderen  Seite  fehlt 
es  nicht  an  Verfechtern,  die  ihr  eine  tiefe  Begründung  in  dem  Charakter 
und  den  Bedürfnissen  des  Amerikaners  zumessen.  Sie  bezeichnen  als 
das  amerikanische  Princip  des  Unterrichtes,  dass  der  Zweck  desselben 
nicht  so  sehr  in  dem  zu  suchen  sei,  was  er  für  den  Schüler  leiste,  als 
in  dem,  wozu  er  denselben  befähige.  „Je  eher  wir  den  Knaben  dazu 
bringen,  dass  er  seinen  Bildungsgang  selbständig  verfolge,  desto  bälder 
mögen  wir  ihn  aus  der  Schule  entlassen;  darum  ist  der  Hochschulunter- 
richt in  unserem  Lande  weniger  verbreitet  als  in  Europa.  Die  gedruckte 
Seite  ist  das  Mittel,  und  die  Fähigkeit  dieselbe  zu  lesen  und  zu  ver- 
stehen die  Vorbereitung  zum  Eintritt  in  das  Reich  des  Geistes.  Wir  geben 
dem  Schüler  den  Vortheil  einer  beständigen  Selbsterziehung.  Mit  diesem 
Grundstock  kann  er  seine  schlummernden  Kräfte  ins  Endlose  entfalten. 
Daher  wird  die  Bibliothek  bei  uns,  was  die  Universität  vor  Alters  war. 
Der  Stolz  Amerikas  sind  seine  selbstgebildeten  Männer.  So  gross  die 
Uebelstände  des  Lehrbuchsystems  sein  mögen,  so  wenig  sind  sie  zu  ver- 
gleichen mit  denen  der  mündlichen  Methode.  Nach  Selbstbestimmung 
streben  wir  in  unseren  Schulen,  nicht  bloss  in  den  theoretischen  Dingen, 
sondern  auch  in  der  Sphäre  des  Willens"  *).  Man  muss  übrigens  dabei 
auch  die  Eigenthümlichkeiten  der  Schüler  und  Lehrer  mit  in  Betracht 
ziehen.  Jene  machen  den  Stoff,  der  dem  Lehrer  in  die  Hand  gegeben 
wird,  zu  einem  von  einer  deutschen  Schuljugend  sehr  verschiedenen.  In 
den  unteren  Abtheilungen  sind  Kinder  der  verschiedensten  Altersstufen 
vereinigt,  da  nur  das  grössere  oder  geringere  Interesse  der  Eltern  an 
der  Bildung  ihrer  Kinder  es  bedingt,  ob  und  wann  und  wie  regelmässig 
sie  dieselben  die  Schule  besuchen  lassen  wollen.  Die  Mehrzahl  besucht  die 
Schulen  nicht  lange  genug,  viele  arbeiten  ein  paar  Monate  für  ihre  Eltern, 
um  dann  wieder  eine  Zeit  lang  sich  unterrichten  zu  lassen,  und  es  kommt 
die  Leichtigkeit,   mit  der  Familien  hier  den  Wohnsitz  ändern,  hinzu,   um 


1)  Dr.  Harris  cit.  in  N.  Am.  Review  1876.  L  210. 


XV.  Das  geistige  Leben.  553 

die  Schuljugend  zu  einem  sehr  veränderlichen  Faktor  des  Unterrichts  zu 
machen,  ferner  die  nachlässige  Familienerziehung  oder  der  völlige  Mangel 
aller  Erziehung  bei  den  ärmeren  amerikanischen  Kindern,  dann  ihre 
Frühreife.  Unter  diesen  Verhältnissen  hat  das  Textbook -System  ohne 
Zweifel  eine  grössere  Berechtigung  als  bei  unserem  viel  gleichmässigeren 
Material  von  Schülern.  Es  erklärt  sich  aus  diesen  Verhältnissen  auch  die 
ungemein  stramme  Disciplin,  welche  in  den  Volksschulen  gehalten  wird 
und  die  in  einem  sehr  auffallenden  Gegensatze  steht  zu  der  Lockerheit 
der  Familienerziehung.  —  Die  Mehrzahl  der  Volksschullehrer  sind 
Frauen.  Li  Massachussetts  sind  84  Proc.  der  Lehrstellen  mit  Frauen 
besetzt.  Bei  der  verhältnissmässig  geringen  Bezahlung  *)  ist  es  nicht 
häufig,  dass  ein  Mann  den  Elementarunterricht  zum  dauernden  Berufe 
macht,  meist  ist  er  nur  Durchgangspunkt  für  Aufstrebende  und  bildete 
als  solcher  allerdings  einen  bedeutsamen  Abschnitt  im  Leben  manches 
hervorragenden  Mannes  in  diesem  Lande.  Natürlich  muss  bei  diesem 
System  die  Voraussetzung  einer  unter  allen  Umständen  bis  ans  Ende 
gleichmässigen  Pflichterfüllung  sowie  eines  in  durchschnittlich  gleicher 
Zahl  und  Güte  jederzeit  vorhandenen  Lehrkörpers  aufgegeben  werden. 
Während  manche  in  ihrer  Lehrwirksamkeit  noch  dadurch  gehemmt  sind, 
dass  sie  erst  lernen  müssen,  wie  sie  lehren  sollen,  erlahmen  andere  bald 
in  ihrem  Eifer,  weil  sie  ihr  eigentliches  Lebensziel  weit  über  die  Mauern 
eines  Schulhauses  hinaus  versetzt  haben.  Höhere  Schulen  leiden  freilich 
hierunter  weniger,  weil  sie  durch  die  hohen  Löhne,  welche  sie  bieten, 
in  den  Stand  gesetzt  sind,  sorgsamer  zu  wählen  und  die  Fähigen  an  ihre 
Zwecke  zu  fesseln,  aber  ganz  ausgenommen  sind  sie  von  den  Einflüssen 
des  Systems  der  freien  Wettbewerbung  nicht  und  vor  allem  werden  sie 
den  Mangel  eines  einheitlichen  Geistes  in  ihrem  Lehrkörper,  den  Mangel 
überhaupt  eines  einheitlichen  Lehrerstandes  mit  seinen  festen  Tradi- 
tionen und  Bestrebungen  vermissen.  Wenn  dennoch,  wie  die  Ergebnisse 
erkennen  lassen,  Genügendes  geleistet  wird,  so  scheint  es,  als  habe  auch 
hier  Amerika  sich  nicht  am  wenigsten  darum  so  frei  entwickeln  können, 
weil  es  der  Früchte  langer  und  mühseliger  Arbeiten,  die  in  der  Alten 
Welt  gezeitigt  wurden,  sofort  als  es  ihrer  bedurfte,  in  voller  Reife  theil- 
haftig  wurde.  Oder  würde  je  eine  Wissenschaft  der  Pädagogik  im  Kreise 
eines  so  bunten,   ungleichen  und  immer  fluktuirenden  Lehrerstandes  vom 


1)  In  New  York  sind  die  Besoldungen  nach  einer  jüngst  stattgehabten  Er- 
höhung jetzt  für  Vorsteher  von  Grammatikschulen  auf  3000,  für  Vorsteherinnen 
auf  bis  2000,  für  Vorsteher  von  Primarschulen  (fast  durchaus  Frauen)  auf  bis 
1800  D.  festgesetzt.  Männliche  Lehrer  erhalten  1400 ,  weibliche  von  600  bis 
850  D.  im  Jahre.  In  Massachusetts  sind  die  durchschnittlichen  Monatslöhne  für 
Volksschullehrer  82,  für  Lehrerinnen  34,  in  S.  Carolina  für  jene  28,  für  diese 
27  D. 


v^ 


554  XV.  Das  geistige  Leben. 

Keime  an  heraufgepflegt  und  zu  oft  so  vollkommener  Entwickelung  ge- 
bracht worden  sein  können,  wie  es  in  der  Ruhe  unserer  befestigten  Zu- 
stände geschah?  Würde  ein  solcher  Lehrerstand  das  Nöthige  haben 
leisten  können,  wenn  Europa  ihm  nicht  die  Mittel  an  die  Hand  gegeben 
und  die  Wege  gewiesen  hätte?  —  Immerhin  ist  aber  auch  zu  bedenken, 
dass  ein  so  praktisches  und  schnelllebendes  Volk  wie  die  Amerikaner 
viel  tiefer  als  wir  den  bedeutenden  Sinn  beherzigt  haben  wird,  der  in 
einem  unserer  guten  alten  Sprichwörter  liegt:  „Mit  vielem  kommt  man 
aus,  mit  wenig  hält  man  Haus."  Es  tritt  einem  hier  als  die  Grundlage 
so  vieler  Einrichtungen  der  Trieb  entgegen,  das  Nothwendige  aus  den 
zufälligen  Hüllen  herauszuschälen,  in  die  Gewohnheit  es  gehüllt  hat,  in 
jedem  Wirken  nur  das  Erforderliche,  dieses  aber  entschieden  und  rasch 
zu  thun,  dass  man  es  ohne  weiteres  auch  in  den  Schulcinrichtungen  ver- 
muthet.  Sie  verlangen  in  der  That  vom  Lehrer  kein  anderes  Wissen, 
als  man  zum  Lehren  nöthig,  und  ob  einer  das  A-b-c  und  Einmaleins 
kräftig  eini)rägen  könne,  gilt  ihnen  bei  der  Wahl  desselben  für  eine 
wichtigere  Frage,  als  wo,  wie  und  wann  er  es  gelernt  und  was  er  etwa 
ausserdem  noch  weiss. 

Der  mittlere  und  höhere  Unterricht  wird  von  Lehranstalten 
besorgt,  welche  ungefähr  mitteninne  stehen  zwischen  unseren  Gymnasien 
und  Hochschulen,  aber  meist  erheblich  näher  den  ersteren  als  den  letzteren. 
Man  kann  hierhin  zählen  die  High  Schools  und  Academies,  eine 
Art  Gymnasien,  die  Normal  Schools  (Seminarien)  und  die  Colleges 
und  Universities.  Letztere  sind  höhere  Schulen  nach  englischem  Muster, 
in    denen    das  vorgeschriebene  Lernen   unter   der  Aufsicht  von  Rektoren 

v^und  Tutoren  mehr  betrieben  wird  als  das  freie,  selbständige  Studium. 
Sie    sind   nicht   bloss  Unterrichts-,    sondern   immer    auch    bis    zu   einem 

gewissen  Grade  Erziehungsanstalten,  ihre  Disciplin  ist  wenigstens  in  der 
Theorie  überall  stramm.  Verbreitung  allgemeiner  Bildung  in  grösseren 
Mengen  von  Schülern  ist  ihr  Ziel;  viel  weniger  ist  es  die  Förderung 
specieller  Studien  und  selbständiger  Forschung  bei  Wenigen.  Sie  stehen 
häufig  in  enger  Beziehung  zu  einer  der  vielen  Sekten ,  in  welche  das 
Christenthum  drüben  zersplittert  ist,  und  bei  den  ehrwürdigsten  und  besten 
von  ihnen  ist  eine  oder  die  andere  christliche  Denomination  nicht  bloss 
Pathen  gestanden,  sondern  es  war  auch  der  Bedarf  an  classisch  gebildeten 
Geistlichen  überhaupt  der  erste  Grund  ihres  Inslebentretens.  Aber  freilich 
haben  die  Gemeinwesen  ganz  wie  bei  der  Volksschule  auch  bei  diesen 
von  Anfang  an  unterstützend  und  ordnend  mit  eingegriffen,  bis  vielleicht, 
wie  es  bei  den  von  den  betreffenden  Colonialbehörden  mit  Gesetzen  und 
Rechten  begabten  Colleges  Harvard  und  Yale  der  Fall  war,  die  eigenen 
Einkünfte  jede  Unterstützung  überflüssig  erscheinen  Hessen.  In  den  neuen 
Staaten  des  W.  sind  derartige  Anstalten  nicht  selten  von  vornherein  von 


XV.  Das  geistige  Leben.  555 

Staatswegen  gegründet  und  vorwiegend  mit  Staatsmitteln  unterhalten 
worden.  Dennoch  ist  eine  grosse  Zahl  von  dem,  was  dort  sich  College 
oder  University  nennt,  auch  heute  dem  Sondergeist  der  Sekten  zu  ver- 
danken, welcher  unterstützt  wird  durch  reiche  Stiftungen,  und  der  nicht 
ruht,  als  bis  er  seine  Geistlichen  und  sein  Publikum  in  eigenen  höheren 
Schulen  herangebildet  hat.  Wenn  dabei  auch  manchmal  jede  unmittelbare 
confessioncUe  Färbung  des  Unterrichtes  fehlt,  so  muss  doch  mindestens 
die  grosse  Mehrzahl  der  Lehrer  der  betreffenden  Denomination  angehören 
und  Propaganda  wird  in  einer  oder  der  anderen  Form  gemacht.  Die  Zahl 
dieser  Anstalten  betrug  vor  dem  Unabhängigkeitskrieg  9,  um  1800  26, 
aber  1875  hatte  der  Commissioner  of  Education  über  374,  und  wenn  man 
die  Rechts-  und  Medicinschulen  und  die  Colleges  für  Frauen  hinzuzählt, 
545  zu  berichten  ^).  Die  Concurrenz  dieser  zu  übergrosser  Zahl  ange- 
wachsenen Colleges  und  die  durch  sie  bedingte  Zersplitterung  der  Mittel 
und  Kräfte  kann  natürlich  dem  Gedeihen  der  einzelnen  von  ihnen  in 
keiner  Weise  förderlich  sein.  Wenn  Oregon  mit  120000  E.  7  Colleges 
hat  und  wenn  Ohio  36  und  Iowa  18  aufweist,  so  fühlt  man  die  Achtung 
schwinden,  welche  in  der  Erinnerung  an  die  classischen  Institute  dieser 
Art,  wie  sie  in  England  und  selbst  in  den  älteren  unter  denY.  St.  einen 
sehr  ehrenvollen  Platz  behaupten,  denselben  gezollt  wird^).  Glücklicher- 
weise wird  ihnen  eine  bedeutende  Concurrenz  gemacht  von  den  meist  von 
Anfang  an  besser  ausgestatteten  Staatsanstalten  (gewöhnlich  State -Uni- 
versities  genannt),  welche  entstanden  sind  auf  Grund  einer  für  den  Zweck 
der  Errichtung  eines  Seminary  of  Advanced  Learning  von  Seite  der  V.  St.  an 
jenen  Staat  gemachten  Landschenkung.  Unter  ihnen  nehmen  einige  bereits 
eine  geachtete  Stellung  ein.  Uebrigens  scheint  der  Eifer  für  Errichtung  neuer 
Colleges  in  den  letzten  Jahren  einigermassen  nachgelassen  zu  haben  und 
jedenfalls  ist  derselbe  auf  Seite  der  verschiedenen  Denominationen  bei 
weitem  nicht  mehr  so  stark  wie  er  war.  Auch  in  dieser  Beziehung 
schälen  sich  die  V.  St.  aus  den  Schalen  ihrer  Geschichte  rasch  heraus. 
Die  einst  als  Sekten-Hochschulen  gegründeten  Universitäten  von  Harvard 
(Cambridge)  und  Yale  (New  Haven),  die  bedeutendsten  der  Y.  St.,  haben 
den  Sektencharakter  gänzlich  aufgegeben,  ebenso  die  Mehrzahl  der  State- 
Universities  im  Westen.  Das  bedeutendste  unter  den  jüngeren  Collegien, 
Cornell    University,    ist   grundsätzlich   nicht  sektirerisch.    Yielleicht 


1)  Das  Kriterium  eines  College  ist  die  gesetzlich  ihm  ertheilte  Befugniss, 
Grade  und  gelehrte  Titel,  wie  Magister  Artium,  Bachelor  of  Science,  Doctor 
u.  dgl.  zu  verleihen.  Man  fasst  sie  daher  auch  im  Gegensatz  zu  anderen  höheren 
Schulen,  die  diese  Befugniss  nicht  besitzen,  als  Degree-giving  Institiitions. 

2)  „Some  of  them  have  little  more  than  a  name,  a  charter  and  a  bias" 
sagt  von  diesen  kleinen  Colleges  IC.I  D/  Gilman  (Education  in  America  1776  to 
1876.  216). 


\^ 


556  XV.  Das  geistige  Leben. 

wird  mit  dieser  Zurückdrängung  confessioneller  Einflüsse  auch  eine^esuiide 
Zusammendrängung  der  höheren  Unterrichtsanstalten  in  einzelne  grosse 
Mittelpunkte  der  Geistesbildung  verknüpft  sein.  Achtungswerthe  Stimmen 
arbeiteten  bereits  in  der  Oeifentlichkeit  diesem  löblichen  Bestreben  vor  ^). 

Die  Entwickelung  der  nordamerikanischen  Collegien  in  der  Richtung 
^des  freien  üniversitätsstudiums  nach  deutschem  oder  schottischem  Muster 
ist  seit  einigen  Jahrzehnten  nicht  zu  verkennen  und  machte  besonders  in 
der  jüngsten  Zeit  grosse  Fortschritte.  Das  typische  CoUeg  mit  seinem 
vorgeschriebenen  Lehrgang,  in  welchem  Latein,  Griechisch  und  Mathe- 
matik die  grösste  Rolle  spielen,  während  der  Unterricht  in  den  übrigen 
Wissenschaften  nur  in  einer  kurzen  Einführung  besteht,  hat  an  vielen 
Punkten  freieren  Ideen  Eingang  verstattet.  Durch  Einführung  der  sog. 
Wahlfächer,  d.  h.  Unterrichts-  oder  Yorlesungsstunden,  welche  nicht  obli- 
gatorisch sind ,  sondern  aus  welchen  den  Schülern  eine  entweder  ganz 
freie  oder  durch  bestimmte  Regeln  beschränkte  Auswahl  freisteht,  wird 
der  starre  Unterrichtszwang  unterbrochen.  Man  legt  auf  Prüfungen  in 
manchen  Gebieten  mehr  Werth  als  auf  beständige  zwingende  Anleitung 
zum  Lernen.  Der  Kreis  der  Gegenstände,  in  denen  unterrichtet  wird,  hat 
sich  in  den  meisten  Anstalten  sehr  erheblich  erweitert  und  es  haben  vor- 
züglich die  Naturwissenschaften  eine  immer  grössere  Geltung  in  den  Unter- 
richtsplänen der  Collegien  erlangt.  Mit  ihnen  hat  sich  die  Anleitung  zu 
freier  und  selbständiger  Forschungsarbeit  in  den  Laboratorien  oder  in 
der  Natur  selbst  Eingang  verschafft.  Die  Anzahl  der  Lehr-  oder  Studien- 
gegenstände und  die  Freiheit  ihrer  Wahl  ist  in  den  fortgeschrittensten 
Anstalten  wie  Harvard  College  (Cambridge)  so  weit  gediehen,  dass  die 
Aehnlichkeit  mit  der  Universität  im  deutschen  Sinne  nachgerade  überwiegt. 

Was  den  in  einem  Lande  wie  Nord- Amerika  so  hochwichtigen  Faktor 
der  öffentlichen  Meinung  anbelangt,  so  möchte  es  scheinen,  als  ob  die 
Schenkungen  an  die  Collegien  genügsamen  Beweis  für  das  Vertrauen 
ablegten,  welches  man  ihnen  entgegenbringt.  Der  U.  S.  Commissioner  of 
Education,  der  amtliche  Unterrichtsstatistiker,  hat  für  1871  8V2,  1872 
nahezu  10,    1873  über  11,   1874  über  6  Hill.  D.   Stiftungen  und  Schen- 


^  1)  So  Präsident  White  von  Cornell  University,  einer  der  erfahrensten  Schul- 
männer von  Amerika:  „In  den  älteren  Staaten  sollten  öffentliche  und  private 
Unterstützungen  auf  eine  kleine  Zahl  der  breitest  und  festest  begründeten  An- 
stalten concentrirt  werden.  In  den  jungen  Staaten  lasse  man  regelmässig  und 
ohne  zu  knausern  staatliche  Unterstützung  den  Staatsanstalten  für  die  höhere 
literarische,  wissenschafthche  und  techniche  Heranbildung  angedeihen,  damit 
sie  vollständig  ausgestattet  und  von  den  confessionellen  Einflüssen  freigehalten 
werden  können."  Dr.  McCosh,  der  Vorstand  von  Princeton  College,  machte  in 
seiner  Einführungsrede  (1875)  den  Vorschlag,  die  Collegien  jedes  Staates  in  eine 
einzige  Universität  zu  vereinigen. 


XV.  Das  geistige  Leben.  557 

kungen  für  Unterrichtszwecke  zu  verzeichnen  gehabt.  Aber  ein  anderer 
Zweig  der  Statistik  hat  bewiesen,  dass  trotz  des  gewaltigen  Wachsthums 
der  Collegien  an  Zahl  ihr  Besuch  seit  Ende  der  60  er  Jahre  bis  1875 
(weitere  Erhebungen  scheinen  nicht  vorzuliegen)  allmählich  abgenommen 
habe,  statt  zuzunehmen,  wie  die  Zunahme  des  Reichthums  und  der  Be- 
völkerung zu  bedingen  scheinen.  Dass  im  Congress  und  den  Legislaturen 
in  neuerer  Zeit  die  Zahl  der  Coli ege-bred,  der  der  Collegebildung  sich 
erfreuenden  Mitglieder,  als  eine  unvorhältnissmässig  geringe  sich  auswies, 
ist  jedenfalls  eine  Sache,  die  weniger  mit  der  Güte  dieser  Anstalten  zu 
thun  hat,  als  man  zu  glauben  sich  den  Anschein  gibt.  Es  liegt  in  der 
Natur  der  politischen  Versammlungen,  dass  sehr  oft  andere  Faktoren  als 
Wissen  und  überhaupt  geistige  Bildung  den  Zugang  zu  ihnen  bestimmen. 
Auch  ist  seit  Jahren  das  allgemeine  Urtheil  über  die  geistige  und  mora- 
lische Hölie  dieser  Versammlungen  ein  so  ungünstiges,  dass  es  zunächst 
jedenfalls  nicht  gegen  die  Colles^ien  spricht,  wenn  sie  nicht  viele  von  ihren 
Leuten  in  dieselben  entsenden.  Bemerkenswerth  scheint  ein  anderer  Vor- 
wurf, der  der  College-Erziehung  nicht  selten  gemacht  wird,  dass  dieselbe 
nämlich  eine  gewisse  Scheu  vor  den  rauhen  Kämpfen  des  Lebens,  „eine 
Abneigung  gegen  die  Politik,  einen  Schrecken  vor  dem  Caucus"  erzeugen. 
Verdient  hier  die  Politik  den  Vorwurf  oder  die  Schule? 

Der  Unterricht  in  den  verschiedenen  Fächern  und  Wissenschaften  war 
im  Anfang  auf  das  Verhältniss  von  Meister  zu  Lehrling  gegründet  und  eigent- 
liche Fachschulen  sind  vorwiegend  erst  im  Laufe  unseres  Jahrhunderts 
entstanden.  Noch  heute  genügt  in  den  entlegeneren  Staaten  und  Territorien 
für  den  Geistlichen  die  Anleitung  eines  Amtsbruders  und  die  Anerkennung 
von  Seiten  der  Profession,  und  ähnlich  ist  es  beim  Rechtsanwalt  und  Arzt. 
Aber  überall,  wo  die  Möglichkeit  eines  besseren  Unterrichtes  besteht, 
sind  auch  die  Massstäbe  gewachsen,  welche  an  Kenntnisse  und  Fertig- 
keiten gelegt  werden.  1784  wurde  die  erste  nennenswerthe  Rechtsschule 
zu  Litchlield  (Conn.),  1794  der  Lehrstuhl  für  Rechtskunde  am  Columbia 
College  zu  New  York  gegründet.  Harvard  College  ernannte  erst  1816  einen 
juristischen  Professor.  1782  wurden  an  dem  letzteren  die  ersten  Schritte 
zur  Gründung  einer  Medicinschule  gethan;  New  York  erhielt  die  seine 
1807,  NewHaven  1813.  Eigene  Fachschulen  für  Geistliche  wurden  1791 
in  Baltimore  von  den  Katholiken,  1817  in  Cambridge  von  den  Presby- 
terianern  gegründet,  wiewohl  die  Graduates  an  dem  letzteren  Colleg,  dem 
von  Yale  u.  a.  schon  früher  theologischen  Unterricht,  aber  nicht  in  eigener 
Schule,    erhalten  hatten.     1876  gab  es  in  den  V.  St.  38  Rechtsschulen»), 


1)  Begreiflicherweise  zieht  das  Studium  der  Gesetze  die  grösste  Zahl  der 
intelligenten  und  strebsamen  Jünglinge  an.  Die  Rechtskunde  ist  die  fast  un- 
vermeidliche Vorstufe  zur  Bühne  des  politischen  Lebens  und  die  Ausübung  des 
Auwaltberufes  ^  gilt    als    die   beste  Schule    der    Redner.     Sogar    die    berühmten 


558  XV.  Das  geistige  Leben. 

113  theologische,  74  medicinische,  11  für  Zahnärzte  und  14  für  Pharm a- 
ceuten.  Polytechnische  Fachschulen  sind  ebenfalls  verhältniss- 
mässig  jung.  Die  Militär- Akademie  zu  West  Point  (New York),  gegründet 
1802,  war  von  Anfang  an  nicht  bloss  eine  Kriegsschule,  sondern  bildete 
auch  Topo-  und  Hydrographen  und  Ingenieure  (s.  o.  S.  498).  1826  wurde 
'^das  Bensselaer  FoJyteclmic  Institute  in  Troy  (New  York)  gegründet  und 
wurde  bald  zu  einer  Schule,  die  zahlreiche  Sprossen  in  anderen  Theilen 
des  Landes  trieb  und  einen  starken  Einfluss  auf  die  Ausbildung  der 
höheren  Techniker  übte.  Nach  und  nach  fügten  die  älteren  Colleges  sich 
Schools  of  Science,  gewissermassen  kleine  naturwissenschaftliche 
Fakultäten,  an,  in  welchen  auch  technische  Fächer  zum  Theil  gelehrt 
wurden.  Den  grössten  Ruhm  von  allen  diesen  Anstalten  hat  Lawrence 
Science  School  in  Cambridge  (Mass.)  durch  die  Wirksamkeit  von  Louis 
Agassiz,  dann  Sheffield  School  of  Science  in  New  Haven  (Conn.)  erlangt. 
Stevens  Institute  in  Hoboken  (bei  New  York)  ist  eine  grössere,  ausschliesslich 
dem  höheren  technischen  und  physikalischen  Handwerk  gewidmete,  vor- 
wiegend praktische  Schule.  Immerhin  gibt  es  noch  heute  in  keinem 
anderen  industriell  gleich  hoch  stehenden  Lande  so  wenige  wirklich  metho- 
disch geschulte  Techniker  wie  in  Nord-Amerika.  Die  zahlreichen  ameri- 
kanischen Erfindungen  lehren,  dass  die  Geschicklichkeit  viel  ersetzt ;  aber 
auf  der  anderen  Seite  scheinen  die  hohen  Stellungen,  zu  welchen  euro- 
päische, in  erster  Linie  deutsche  Ingenieure,  Architekten,  Bergleute  u.  dgl. 
in  den  V.  St.  gelangt  sind,  zu  bezeugen,  dass  die  technische  Erziehung 
daselbst  nicht  für  alle  Bedürfnisse  aufzukommen  vermag,  welche  gerade 
auf  diesen  Gebieten  die  rasche  Entwickelung  des  Landes  hervorruft. 

Der  Unterricht  der  Taubstummen  begann  in  den  V.  St.  im 
Jahre  1817  in  Hartford  Conn.  Rev.  Thomas  H.  Gallandet  war  sein 
Hauptförderer.  Gegenwärtig  gibt  es  45  Schulen  für  Taubstumme  mit 
durchschnittlich  5000  Schülern.  Ein  den  V.  St.  eigenthümliche  Einrich- 
tung ist  das  National  Beaf  Mute  College,  welches  1864  von  Bundeswegen 
in  Washington  D.  C.  gegründet  wurde.     Man  gibt  in  demselben  den  Taub- 


Selfmade  Men,  welche  eine  Rolle  auf  dieser  Bühne  spielten,  haben  fast  alle 
diese  Stufe  überschreiten  müssen.  Der  Anwaltstand  ist  natürlich  sehr  zahlreich, 
aber  wenn  man  klagt,  dass  derselbe  die  Processe  vermehre  und  verlängere, 
darf  man  nicht  vergessen,  dass  die  grosse  Wettbewerbung  die  Kosten  verringert 
und  somit  das  Rechtsuchen  bilhger  macht.  Nach  einer  Mittheilung  des  Albany 
Law  Journal  1877  gibt  es  in  den  V.  St.  33  000  Advokaten,  etwa  6  mal  soviel 
als  in  Deutschland.  Auf  jeden  Advokaten  kamen  1180  Köpfe  der  Gesamrat- 
bevölkerung.  Am  zahlreichsten  sind  sie  in  den  Staaten  New  York  (5913),  Mis- 
souri (3452),  Pennsylvanien  (3253),  Illinois  (2683),  Ohio  (2563)  und  in  den  Städten 
New  York  (1286),  Philadelphia  (992),  Chicago  (629),  St.  Louis  (564),  S.  Fran- 
cisco (433).  • 


XT.  Das  geistige  Leben.  559 

stummen  den  höheren  Unterricht  der  CoUegien  und  ertheilt  die  Grade 
wie  an  einer  Universität.  Das  erste  Blinden-Institut  der  V.  St.  war 
das  1829  gegründete  Perkins  Institute  in  Boston  Mass.,  in  welchem 
Dr.  S.  G.  Howe  seine  berühmte  Erziehung  der  armen  Laura  Bridgeman 
ausführte.     Gegenwärtig  gibt  es  21)  Blindeninstitute  im  Lande. 

Die  Bibliotheken  erfreuen  sich  besonderer  Aufmerksamkeit  seitens 
derer,  die  die  Volksbildung  zu  fördern  streben.  Man  hat  die  Schätzung 
aufgestellt,  dass  1800  alle  Colleges  zusammen  50000  Bände  besassen, 
während  heute  die  Bibliothek  von  Harvard  College  allein  240000  zählt. 
Die  Zahl  der  Bände  in  öffentlichen  Bibliotheken  zu  Boston  Mass.  und 
Cambridge  Mass.  wurde  1875  von  der  amtlichen  Unterrichtsstatistik  auf 
880000  angegeben,  während  1817  etwa  der  15.  Theil  anzunehmen  war. 
Die  National  Library  in  Washington  wurde  im  Anfang  unseres  Jahrhunderts 
gegründet  und  zählte  Ende  1877  331000  Bände.  New  York  ging  1835 
mit  einem  Gesetze  vor,  welches  Besteuerung  zu  Gunsten  von  Bezirks- 
Schulbibliotheken  vorsah,  und  10  andere  Staaten  sind  ihm  hierin  gefolgt. 
In  Massachusetts,  Connecticut,  Illinois  und  Wisconsin  sind  die  Gemeinden 
durch  Gesetz  ermächtigt,  Steuern  aufzulegen  zum  Zweck  der  Gründung 
von  Bibliotheken.  1870  zählte  man  164815  Bibliotheken  mit  45,5  MiU. 
Bänden.  56015  davon  sind  öffentlich.  Die  Einrichtungen  sind  meistens 
sehr  praktisch.  Selbst  in  unseren  grösseren  Städten  bleibt  viel  zu  thun, 
bis  dem  Wissbegierigen  Bücherschätze  und  Räume  zu  deren  Benützung 
zugänglich  gemacht  werden,  wie  sie  Boston,  New  York,  Cincinnati,  S.Louis 
und  andere  Städte  der  V.  St.  oft  in  mehrfacher  Zahl  dem  Publikum  dar- 
bieten. Man  geht  an  diesen  Orten  einfach  hin,  verlangt  die  und  die 
Zeitung,  dieses  oder  jenes  Buch  und  erhält  es  ohne  jede  Bedingung  und  For- 
malität zur  Benützung.  Bei  ihrer  Auswahl  scheinen  weder  religiöse  noch 
nationale  Engherzigkeiten  sich  geltend  gemacht  zu  haben.  In  Boston  mit 
seiner  verhältnissmässig  geringen  und  einflusslosen  deutschen  Bevölkerung 
fand  ich  z.  B.  Adalbert  Stifter's  Werke  in  der  öffentlichen  Bibliothek  und 
in  der  Astor-Bibliothek  zu  New  York  zählte  ich  ein  paar  Dutzend  Gesammt- 
und  Einzelausgaben  Goethe'scher  Werke  in  deutscher  Sprache.  Sach- 
kenner beloben  die  praktische  Aufstellung  der  Bücher  und  die  Kataloge, 
in  deren  Anfertigung  jede  mögliche  Rücksicht  auf  die  leichte  Aufiindbar- 
keit  der  Bücher  genommen  ist. 

Neben  den  Bibliotheken  kommen  zahllose  öffentliche  Vorträge 
dem  Bildungsbedürfniss  aller  Schichten  der  Bevölkerung  entgegen.  Sie 
zu  hören  ist  eines  der  Gebote  der  Sitte,  dem  sich  nicht  leicht  eine  Familie 
entzieht,  die  Anspruch  darauf  macht,  sich  einen  geistigen  Luxus  gönnen 
zu  können.  Wie  bei  uns  auf  einer  gewissen  Stufe  von  Wohlstand  oder 
socialer  Stellung  ein  Theater-  oder  Concert -Abonnement  zu  den  nothw en- 
digen Anschaffungen  gehört,  so  tritt  hier  an  Jeden,  der  nicht  als  roh  oder 
arm    angesehen   werden   will,   allwinterlich   die  unabweisbare  Forderung 


560  XV.  Das  geistige  Leben. 

heran,  einen  Cursus  von  Vorlesungen  mitanzuhören.  Der  amerikanische 
Unternehmungsgeist  hat  diese  Sitte  schaifen  helfen,  indem  er  dem  Be- 
dürfniss  nach  Vorlesungen  schon  vor  Jahren  mit  einer  Bereitwilligkeit 
entgegenkam,  welche  das  Vorleserthum  zu  einer  der  Institutionen  der 
Gesellschaft  stempelte.  Europa  ist  noch  heute  im  Vergleich  zu  den  V.  St. 
.  im  Stadium  des  Dilettantismus,  was  das  Vorlesungswesen  anbetrifft. 
Hier  gründete  man  Bureaux,  deren  Zweck  und  Einrichtung  den  Bureaux 
für  Arbeitsuchende  zu  vergleichen  ist.  Diesen  Bureaux  schickt  Jeder, 
der  sich  hierzu  berufen  glaubt,  seinen  Namen  und  sein  Repertoire  von 
Vorlesungen  nebst  Preisverzeichniss  ein  und  an  sie  wendet  sich  jede 
Gemeinde  oder  jede  Gesellschaft,  welche  etwas  vorgetragen  haben  will. 
Dieselben  zeigen  an,  was  gegenwärtig  zu  haben  sei  und  wie  die  Preise 
stehen;  man  wählt  nach  Wunsch,  Bedarf  und  Mitteln  und  zahlt  den  Betrag 
an  das  Bureau,  welches  seinerseits  dem  Vortragsreisenden  nach  Abzug 
von  Commissionen ,  Provisionen,  Procenten  und  anderen  schwerverständ- 
lichen Technical ities  die  Summe  ausbezahlt,  welche  ihm  vertragsmässig  zu- 
kommt. Nachdem  einmal  diese  Organisationen  ins  Leben  getreten  waren 
und  sich  bewährt  hatten,  wurde  es  natürlich  durch  ihre  Vermittelung 
leicht,  einerseits  Vorträge  irgend  einer  Art  an  den  Mann  zu  bringen  und 
andererseits  jedem  Kreise,  der  die  nöthige  Summe  aufbrachte,  Vortragende 
zu  sichern,  welche  anders  ihr  Licht  bloss  in  engeren  Bezirken  leuchten 
/liessen.  Der  Amerikaner  ist  ans  Redenanhören  gewöhnt  und  ist  nicht 
leicht  zu  übersättigen.  Er  ist  aber  leider  auch  ans  Reden  gewöhnt,  das 
er  ja  schon  in  den  Schulen  zu  lernen  pflegt,  und  hält  es,  wenn  er  nicht 
unter  dem  Mittelmass  von  Intelligenz  steht,  nicht  leicht  für  eine  Schwie- 
'  rigkeit,  zu  irgend  einer  Zeit  über  irgend  einen  Gegenstand  eine  Speech 
loszulassen.  Es  fehlte  daher  weder  an  Publikum  noch  an  Vortragenden 
und  die  Bureaux  sammt  den  Rednern  und  Vorlesern  machten  gute  Ge- 
schäfte, zumal  jene  nicht  verfehlten,  der  ganzen  Einrichtung  bald  den 
anfänglich  rein  belehrenden  Charakter  zu  nehmen  und  an  dessen  Stelle 
vielfach  ein  sensationelles  Element  hineinzubringen,  das  mehr  an  die 
Neugier  und  Skandalsucht  als  an  die  Wissbegier  des  Publikums  appellirte. 
Irgend  Jemand,  der  sich  berühmt  oder  berüchtigt  gemacht  hatte,  wurde 
zu  einer  Vortragsreise  eingeladen  und  sagte  jeden  Abend  vor  einem 
anderen  Publikum,  was  er  meinte  oder  wusste,  bis  er  herum  war.  Der 
unternehmende  Mann  aber,  der  das  Risico  des  Geschäftes  auf  sich  ge- 
nommen, begleitete  ihn  als  eine  Art  Impresario,  sorgte  für  das  Praktische 
des  Geschäftes,  für  die  Marktschreierei,  die  übliche  Musik,  welche  den 
Vortrag  einleitet  u.  s.  f.  Auf  diese  Weise  sind  alle  Art  Leute  mit  Vor- 
trägen durchs  Land  gereist  und  haben  oft  viel  Geld  gemacht;  Frauen- 
zimmer, an  die  sich  irgend  ein  Skandalinteresse  knüpft,  spielten  dabei 
eine  grosse  Rolle;  aber  die  Vorträge  selbst  verloren  an  Werth,  denn  da 
so  viele  geboten  wurden,    entstand   eine   grosse  Concurrenz,    welche   am 


XV.  Das  geistige  Leben.  561 

Ende  denn  auch  die  besseren  Geister,  wie  einen  Wendell  Philipps,  zu 
jener  übermässigen  Betonung  des  Anziehenden  und  Fesselnden  in  der 
Form  verleitete,  welche  doch  meistens  nie  ohne  eine  entsprechende  Ab- 
schwächung  des  Gehaltes  zu  erzielen  sein  wird.  Die  Popularitätshascherei 
und  der  Phrasencultus,  überhaupt  jener  unwahre  Ton,  den  die  ernsteren 
Leute  hier  an  so  vielen  Aeusserungen  des  öffentlichen  Lebens  als  Senti- 
mentalism  bezeichnen,  drängte  sich  in  der  unangenehmsten  Form  als  ein 
fast  unentbehrliches  Element  in  diese  Vorträge  ein  und  nahm  ihnen  viel 
von  dem  Werthe,  den  sie  für  die  Anregung  gebildeter  oder  in  ernstem 
Suchen  nach  Bildung  begriffener  Kreise  unter  gewissen  Einschränkungen 
immer  werden  beanspruchen  dürfen.  Man  spielte  mit  den  ernstesten 
Stoffen,  um  zu  gefallen,  und  man  entwürdigte  mit  der  Zeit  ernste  For- 
schung und  fleissiges  Lernen  in  den  Augen  eines  Publikums,  das  nur  zu 
bereit  war,  an  die  schmeichelnde  Lehre  zu  glauben,  dass  Bildung  nicht 
erkämpft  und  erarbeitet  zu  werden  brauche,  sondern  von  da  und  dort  je 
nach  Bedarf  en  detail  aus  literarischen  Fabriken  bezogen  werden  könne. 
Für  jene  flachen  Plaudereien ,  die  man  hier  small  talk  nennt  und  in 
denen  besonders  die  amerikanischen  Frauen  Meisterinnen  sind,  ist  die 
Art  von  Bildung,  welche  in  solchen  Vorlesungen  zu  gewinnen  ist,  von 
grossem  Werthe.  Für  jedes  ernstere  Bildungsstreben  ist  sie  von  geringer 
Bedeutung  geworden. 

IIL  Die  Wissenschaftspflege.  In  der  Alten  Welt  wird  den  Nord- 
amerikanern häufig  der  Vorwurf  gemacht,  dass  sie  in  der  Wissenschaft 
der  idealen  Ziele  entbehren,  dass  sie  vom  Abfalle  leben,  den  sie  bei  den 
Tischen  der  europäischen  Wissenschaft  sammeln ,  dass  ihre  eigenen 
Schöpfungen  unbedeutend  seien  und  die  grossen  Summen,  welche  frei- 
gebige Männer  ihren  Hochschulen  zur  Verfügung  stellen,  grossentheils  ver- 
schwendet würden.  Damit  stimmt  aber  schlecht  ein  Ausspruch,  den  1876 
ein  Forscher  ersten  Ranges,  Sir  William  Thomson,  nach  seiner  Rückkunft 
von  Philadelphia  vor  den  in  Glasgow  versammelten  britischen  Naturfor- 
schern that.  „Ich  bin  mit  tiefen  Eindrücken  von  dem  zurückgekehrt, 
was  ich  innerhalb  und  ausserhalb  der  Weltausstellung  gesehen  habe  und 
was  mich  mit  dem  echtesten  Forschertrieb,  Hingebung,  Originalität,  Er- 
findungsgeist ,  geduldiger  Durchführung  der  Arbeiten ,  Fähigkeit ,  die 
Leistungen  anderer  zu  schätzen,  grossmüthiger  Offenheit  und  Sympathie  — 
den  Quellen  der  grossen  Dinge  in  der  Wissenschaft  bekannt  gemacht  hat." 
Man  kann  gewiss  nicht  mehr  von  der  Wissenschaft  irgend  eines  Volkes 
sagen.  Man  bedenke,  dass  hier  die  Rede  ist  von  Leistungen  auf  keinem 
leicht  abzuerntenden  Gebiete,  auf  dem  Felde  der  mathematischen  Physik, 
Meteorologie,  Astronomie  und  Geophysik.  Indem  sich  dieser  Beurtheiler 
über  Einzelheiten  verbreitete,  zollte  er  besonderes  Lob  den  grossartigen 
wissenschaftlichen  Instituten,  wie  Coast  Survey,  Smithsonian,  Signal  Service, 

ß  a  t  7.  e  1 ,   Amerika  II.  o/? 


562  XV.  Das  geistige  Leben. 

Harvard  University,  Boston  Technolog.  Institute  u.  a.  Das  Bild,  das  er  von 
amerikanischer  Wissenschaft  entwarf,  war  hell  und  erfreulich.  Wenn  man 
aber  vielleicht  glauben  möchte,  er  habe  aus  irgend  einem  Grunde  über- 
trieben, so  frage  man  unsere  Geologen,  was  sie  von  Hall,  Whitney,  Owen, 
unsere  Paläontologen,  was  sie  von  Cope,  Meek,  Marsh,  unsere  Botaniker, 
was  sie  von  Asa  Gray,  Parry,  Watson,  Engelmann,  unsere  Meteorologen, 
was  sie  von  Henry,  Blodget,  Loomis,  unsere  Zoologen,  was  sie  von  Audubon, 
Baird,  Allen,  Packard  denken.  Ich  wage  zu  behaupten,  dass  die  wissen- 
schaftlichen Leistungen  der  Amerikaner  gering  anschlagen  heute  nichts 
anderes  heisst,  als  mit  dem  Stand  der  wissenschaftlichen  Arbeiten  unserer 
Zeit  überhaupt  nicht  vertraut  sein  *).  Dass  die  Wissenschaft  drüben  die 
Spuren  der  Jugend  vielfach  an  sich  trägt,  ist  nur  natürlich.  Sie  konnte 
in  Nord-Amerika  überhaupt  erst  von  dem  Augenblicke  an  gepflegt  werden, 
wo  eine  genügend  grosse  Menge  von  Menschen  über  ihre  ersten  materiellen 
Lebensziele  hinaus  zu  einem  Zustande  gelangt  war,  welcher  ihnen  die 
Müsse  gab,  sich  mit  Dingen  zu  beschäftigen,  welche  mit  diesen  Zielen 
nichts  zu  thun  hatten.  Indessen  tritt  damit  erst  die  Möglichkeit  wissen- 
schaftlicher Beschäftigung  ein  und  es  hängt  dann  noch  von  sehr  verschie- 
denen Umständen  ab,  ob  jene  nun  auch  unter  den  sehr  verschiedenen 
Dingen,  welche  sie  anlocken,  gerade  der  Wissenschaft  den  Vorzug  geben. 
Dies  hängt  von  den  geistigen  Neigungen  ab  und  der  Richtung,  in  der  die 
Begabung  eines  Volkes  liegt,  sowie  von  den  Zeitströmungen  und  den  ört- 
lichen Verhältnissen.  Nun  scheint  Ein  beachtenswerther  Grund  dafür  zu 
sprechen,  dass  für  abstrakte  Wissenschaften  die  Nordamerikaner  keine  so 
hervorragende  Neigung  und  Begabung  zeigen  wie  einige  ältere  Völker. 
Man  würde  nämlich  erwarten  dürfen,  dass  sie  in  den  mit  der  Religions- 
übung zusammenhängenden  theologischen  Wissenschaften  um  so  früher 
selbständig  arbeitend  aufgetreten  seien,  als  schon  in  den  ersten  kampf- 
reichen Jahrzehnten,  die  sie  in  der  Neuen  Welt  verlebten,  es  eine  ihrer 
Hauptsorgen  war,  zur  Heranbildung  von  Geistlichen  höhere  Schulen  zu 
gründen,  deren  Lehrern  durch  reichliche  Dotation  Müsse  zu  wissenschaft- 


1)  De  CandoUe  hat  in  seiner  Histoire  des  Sciences  et  des  Savants  depuis 
deux  Siecles  (1873)  die  Procentzahlen  berechnet,  mit  denen  die  Nordamerikaner 
nnter  den  auswärtigen  Mitgliedern  der  grossen  europäischen  wissenschaftlichen 
Akademien  vertreten  sind.  Im  Zeitraum  von  1G66  — 1870  nahmen  sie  Theil  mit 
2,2  Proc.  (ebensoviel  wie  Russland  und  Polen)  an  der  Pariser,  1869  mit  2  Proc. 
an  der  Londoner  (ebensoviel  wie  Niederland,  Belgien,  Italien  und  Russlandj, 
3  Proc.  an  der  Berliner  (ebensoviel  wie  Niederland  und  Italien),  4,6  Proc.  an  der 
Petersburger  (ebensoviel  wie  Schweiz,  Skandinavien).  Die  Bemerkungen  über 
y  die  Bedingungen  der  Wissenschaftspflege  in  den  V.  St. ,  welche  De  Candolle  in 
diesem  Werke  S.  234  f.  macht,  sind  die  besonnensten,  die  ich  in  irgend  einem 
europäischen  Buche  kenne. 


XV.  Das  geistige  Leben.  563 

lichem  Arbeiten  gegeben  war.  Diese  Fürsorge  hat  nie  nachgelassen  und 
heute  gibt  es  sicherlich  kein  Volk,  das  so  grosse  Mittel  für  die  wissen- 
schaftliche Bildung  seiner  Geistlichen  aufwendet  wie  eben  das  der  V.  St. 
Aber  merkwürdigerweise  steht  zu  diesem  Aufwand  in  einem  sehr  schwachen 
Verhältniss  die  wissenschaftliche  Arbeit,  welche  sowohl  die  zahlreichen 
für  alles  Religiöse  tief  interessirten  Laien  als  auch  die  Geistliclien  leisten. 
So  bedeutende  Leistungen  die  Nordamerikaner  auf  allen  Gebieten  der 
praktischen  Religion  aufzuweisen  haben ,  so  arm  ist  ihre  exegetische, 
kirchengeschichtliche,  kritische,  linguistische  Thätigkeit  auf  theologischem 
Gebiete.  Man  ist  berechtigt  hieraus  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  Thätig- 
keit  in  praktischer  Richtung  ihnen  mehr  entspricht  als  rein  wissenschaft- 
liche. Allerdings  erfährt  aber  dieser  Schluss  sofort  eine  Einschränkung 
durch  eine  Gabe ,  die  dem  Geiste  des  Nordamerikaners  in  besonders 
reichem  Masse  verliehen  ist  und  auf  anderem  Wege  als  dem  gründlich 
wissenschaftlichen  ihn  zu  hervorragend  wissenschaftlichen  Leistungen  be- 
fähigt hat.  Es  ist  der  Erfindungsgeist  (s.  o.  S.  363).  Die  Anzahl  der 
Erfindungen,  welche  von  Nordamerikanern  gemacht  sind,  ist  geradezu  er- 
staunlich, und  wenn  auch  die  Mehrzahl  derselben  technisch  ist,  so  liegt 
doch  auch  von  solchen,  die  die  Entwickelung  der  Wissenschaft  beschleunigt 
haben,  vielleicht  ohne  gerade  das  in  erster  Linie  zu  erstreben,  eine  ganz 
bedeutende  Zahl  vor.  Lässt  sich  doch  überhaupt  das  Erfinden  von  dem 
wissenschaftlichen  Entdecken  nicht  trennen.  B.  Franklin,  der  erste 
hervorragende  Naturforscher,  den  Nord -Amerika  aufweist,  ist  in  dieser 
Richtung  ein  charakteristischer  Vertreter  seines  Geistes.  Seine  Identifici- 
rung  des  Blitzes  mit  dem  elektrischen  Funken  ist  eine  grosse  wissen- 
schaftliche Entdeckung,  sein  Blitzableiter  eine  ausgezeichnete  Erfindung. 
Er  ist  kein  Gelehrter  gewesen  und  hat  doch  höchst  förderlich  auf  die 
Wissenschaft  eingewirkt.  Man  wird  ihn  immer  in  erster  Reihe  nennen 
unter  den  hervorragenden  Naturforschern  des  18.  Jahrhunderts.  Ihm 
ähnlich  war  in  manchen  Punkten  sein  Zeitgenosse  Rittenhaus  in  Phila- 
delphia, ein  mechanisches  Genie,  das  vortreffliche  Uhren  verfertigte  und 
dessen  Beobachtung  des  1769  er  Venusdurchganges  daneben  genauer  war 
als  die  der  geschulten  Astronomen  seiner  Zeit.  Rumford  kann  als  der 
dritte  genannt  werden  mit  seinen  wichtigen  Untersuchungen  über  die  Wärme 
und  seinen  praktischen  Erfindungen.  Das  waren  keine  Büchergelehrten, 
aber  Leute  von  grossem  praktischen  Geschick  und  in  hohem  Masse  mit 
der  combinirenden  Phantasie  ausgestattet,  welche  man  Erfindungsgabe 
nennt.  Ihnen  fehlte  nichts  als  die  ruhige  Vertiefung  und  die  gründliche 
Ausbildung  nach  einer  bestimmten  Richtung  hin,  um  sie  zu  grossen  Natur- 
forscliern  zu  machen.  Da  ihnen  beides  abging,  zersplitterten  sie  ihre 
Kräfte  auf  einer  Anzahl  von  Gebieten  menschlicher  Thätigkeit.  Sie  standen 
beide  in  so  hoher  Achtung,    dass   sie   mit  öffentlichen  Aemtern  geradezu 

36* 


564  XV.  Das  geistige  Leben. 

überladen  wurden,  was  viel  von  ihrer  Zeit  der  Wissenschaft  entzog.  Es 
ist  auch  das  Jahrzehnt  der  Revolution,  welches  einen  so  grossen  Theil 
ihres  Lebens  mit  unruhe  erfüllte,  in  dieser  Beziehung  nicht  zu  vergessen. 
Und  doch  war  dieses  Jahrzehnt,  das  den  Staaten  so  grosse  Opfer  auferlegte, 
nicht  geräusch-  und  opfervoll  genug,  um  der  philosophischen  Gesellschaft  von 
Philadelphia  jene  erste  Beisteuer  von  400  D.  verweigern  zu  lassen,  welche 
die  Legislatur  von  Pennsylvanien  ihr  1783  bestimmte.  10  Jahre  später 
erbaute  dieselbe  Gesellschaft  sich  ein  eigenes  Haus  für  ihre  Sammlungen 
und  Vorträge,  ein  Beweis  von  Gedeihen,  wie  ihn  nicht  viele  europäische 
Gesellschaften  jener  Zeit  aufweisen  konnten.  Merkwürdigerweise  folgte 
nun  ein  Zeitraum  von  einem  halben  Jahrhundert,  in  dem  sehr  wenig  ge- 
leistet wurde.  Die  Arbeiten  von  Franklin  und  Rittenhaus  fanden  nicht 
nur  keine  Fortsetzer,  sondern  auch  auf  anderen  Gebieten  der  Naturforschung, 
die  in  diesem  jungen  Lande  tausend  Aufgaben  stellte,  in  Botanik,  Zoologie, 
Geologie  trat  nichts  Bedeutendes  hervor.  Das  Volk  im  Ganzen  war  zu 
sehr  in  Anspruch  genommen  von  der  hohen  materiellen  Entwickelung, 
welche  auf  die  Zeit  der  Revolution  folgte.  Man  hatte  einige  sehr  tüchtige 
^Reisende  wie  Pike,  Long,  Lewis,  Clarke,  Schoolcraft,  welche  den 
Schleier  lüfteten,  der  den  fernen  Westen  jenseits  der  grossen  Steppen  des 
Missouri-Gebietes  verhüllte,  aber  diese  kühnen  Erforscher  trugen,  wie  sehr 
sie  auch  die  Kenntniss  des  Landes  förderten ,  wenig  bei  zur  Förderung 
der  Wissenschaft.  Die  Naturforscher,  welche  einigen  von  ihnen  beigegeben 
waren,  standen  nicht  auf  der  Höhe  der  gleichzeitigen  europäischen  For- 
schungsreisenden und  die  naturwissenschaftliche  Kenntniss  des  Landes  blieb 
daher  hinter  der  geographischen  noch  lange  zurück.  Die  Zoologie  der 
höheren  Thiere  jener  Westgebiete  ist  z.  B.  erst  seit  Maximilian  v.  Wied's 
Reise  (1828)  besser  bekannt  geworden.  Nur  vereinzelte  Grössen  ragen 
in  dieser  Zeit  hervor.  Bowditch,  der  die  M^canique  Celeste  Laplace's 
mit  einem  Commentar  übersetzte,  der  sie  dem  Vei:gtändniss  vieler  nahe 
brachte  und  sie  zu  einem  gesuchten  Buche  werden  liess;  Henry  (f  1878), 
der  mit  seinen  Entdeckungen  im  Gebiete  der  Elektricitätslehre  die  Grund- 
lage schuf  für  die  späteren  so  fruchtbaren  Arbeiten  von  Morse;  Bache 
(t  1867),  der  spätere  Direktor  der  Küstenaufnahmen  (U.  S.  Coast  Survey), 
eines  der  besten  Institute  dieser  Art.  Die  beiden  ersteren  waren  Auto- 
didakten, der  letztere  ein  Schüler  von  West  Point,  der  Militär-Akademie, 
die  auch  später  noch  hervorragende  Männer  der  Wissenschaft  in  grösserer 
Zahl  geliefert  hat.  Aber  allen  drei  ist  gemeinsam  eine  auffallende  Ver- 
einzeltheit ihrer  Stellung  unter  den  Zeitgenossen  und  ein  Mangel  an 
innerem  Zusammenhang  ihrer  Arbeiten.  Man  wird  nicht  fehl  gehen,  wenn 
man  in  dem  letzteren  eine  Wirkung  der  ersteren  sieht.  Es  bedarf  einer 
geistigen  Atmosphäre  von  grosser  Intensität,  um  jene  bei  europäischen 
Gelehrten  häufige  Vertiefung  in  einen  bestimmten  Gegenstand  zu  erzeugen, 
welche   sie   ihr  ganzes  Leben  demselben  widmen  lässt.     Sogar  die  Lehr- 


XV.  Das  geistige  Leben.  565 

thätigkeit  an  irgend  einem  CoUeg  bringt  in  Amerika  weniger  Anregung 
zu  forschender  Thätigkeit,  mehr  Zerstreuung  und  Zersplitterung  mit  sich 
als  bei  uns.  Die  Schüler  wollen  den  Lehrer  benützen,  um  zu  lernen, 
nicht  aber  geduldig  ihm  zur  Seite  stehen,  um  sich  an  ihm  selbst  heran- 
zubilden, indem  sie  ihm  in  seiner  Forschungsarbeit  behülflich  zu  sein 
streben.  Selbst  L.  Agassiz,  dem  man  die  Pflicht  seiner  Stellung  von 
vornherein  leicht  machte,  hat,  wie  er  oft  klagte,  unter  dem  Drucke  der 
praktischen  Arbeit  seine  rein  wissenschaftliche  Thätigkeit  immer  mehr 
sich  beschränken  sehen.  Ebenso  ward  Bache  von  den  Pflichten  der  Küsten- 
aufnahme, die  1832  unter  Hassler's  Leitung  ins  Werk  gesetzt  wurde, 
und  Henry  von  denen  eines  Leiters  des  Smithsonian  Institute  in  einer 
Weise  absorbirt,  die  ihr  Leben  für  die  Wissenschaft  weniger  fruchtbar 
werden  Hess,  als  es  nach  ihrer  Begabung  hätten  werden  können.  Aller- 
dings ist  die  Küstenaufnahme  (Coast  Survey)  der  V.  St.  eines  der 
grössten  und  vollendetsten  Werke  ihrer  Art  und  ebenso  steht  die  gross- 
artige Thätigkeit  des  Smithsonian  Institute  ganz  einzig  da  in  der  Greschichte 
der  gelehrten  Gresellschaften  (s.  u.  S.  571).  Was  die  Amerikaner  auf 
astronomischem  und  nautisch- physikalischem  Gebiete  geliefert  haben:  die 
Herstellung  der  Fernröhre  von  Fitz  und  Clark,  die  Entdeckung  zahlreicher 
kleiner  Planeten  und  die  der  Marsmonde ,  die  Untersuchungen  über  den 
Golfstrom,  mit  denen  der  Name  Maury's  unvergänglich  verknüpft  ist,  ^ 
ihre  Nordpolforschungen  u.  a.  lehnen  sich  vorwiegend  an  diese  beiden 
Anstalten  an  und  sind  von  Schülern  Henry's  und  Bache's  ausgeführt.  — 
Eine  bedeutende  Anregung  wurde  der  Pflege  der  Wissenschaften  in  den 
V.  St.  durch  die  Survey s  gegeben,  welche  von  Seiten  des  Bundes  und 
der.  Einzelstaaten  seit  1830  in  wachsender  Zahl  und  Ausdehnung  und  mit 
wachsenden  Mitteln  *)  veranstaltet  wurden.  In  erster  Linie  steht  hier 
immer  der  Coast  Survey  unter  Hassler  und  Bache,  der  eine  Masse  werth- 
voUen  Kartenmaterials  geschaffen  und  in  seinen  jährlichen  Berichten  zahl- 
reiche Beiträge  zur  Hydro-  und  Geographie,  zur  Physik  und  Meteorologie 
gegeben  hat.  Die'  Anwendung  der  Telegraphie  zur  Längenbestimmung, 
eine  epochemachende  Neuerung,  ist  von  dieser  Seite  zum  ersten  Mal  in 
ausgedehnter  Weise  erprobt,  geübt  und  zu  einer  wissenschaftlichen  Methode 
von  hoher  Vollendung  ausgebildet  worden.  Die  Surveys  der  Staaten  und 
Territorien  haben  sich  erst  später  zur  Höhe  wahrhaft  wissenschaftlicher 
Leistungen  erhoben,  denn  die  Ansprüche,  die  die  Auftraggeber  an  dieselben 
stellten  und  die  Ausführenden  an  ihre  eigene  Arbeit  machten,  stehen  in 
einem  leicht  zu  erkennenden  Verhältniss  zu  dem  allgemeinen  Stande   der 


1)  Pennsylvanien  zahlt  seit  einer  Reihe  von  Jahren  50  000  D.  jährlich  für 
seinen  topographischen  und  geologischen  Survey  und  in  New  York  ist  seit  1877 
ein  neuer  Survey,  zunächst  rein  topographisch,  in  Thätigkeit,  mit  einer  jährlichen 
Zuweisung  von  20  000  P. 


566  XV.  Das  geistige  Leben. 

Wissenschaftspflege.  Die  früheren  Landaufnahmen  waren  rein  geodätisch 
und  Hessen  selbst  in  dieser  Beschränkung  viel  zu  wünschen  übrig.  Irrthümer 
von  5—10  Graden  sind  in  den  älteren  Karten  keine  Seltenheit ').  Die 
erste  grosse  geologische  Aufnahme  eines  bedeutenderen  Gebietes  war  die 
des  Staates  Massachusetts  von  Ed.  Hitchcok  (1835).  An  wissenschaft- 
lichem Werthe  stand  aber  diejenige  New  Yorks  vorzüglich  durch  die 
schönen  paläontologischen  Arbeiten  von  James  Hall  (1847  —  52)  lange 
Zeit  in  erster  Linie.  Man  kann  wohl  sagen,  dass  das  Gesammtwcrk  der 
Natural  History  of  New  York  erheblich  beitrug  zu  der  grösseren  Schätzung, 
deren  die  Arbeiten  amerikanischer  Forscher  sich  allmählich  in  Europa 
erfreuten.  Sehr  viel  trug  indessen  dazu  auch  die  Werthschätzung  bei, 
welche  so  grosse  europäische  Autoritäten  wie  A.  v.  Humboldt  und  Charles 
^  Lyell,  letzterer  aus  wiederholter  eigener  Erfahrung  auf  grösseren  Reisen 
im  Lande,  den  Bestrebungen  der  Amerikaner  entgegenbrachten.  Unter 
den  späteren  Staats -Surveys  ragen  durch  wesentliche  Bereicherung,  die 
sie  der  Wissenschaft  brachten,  besonders  derjenige  von  Pennsylvanien 
unter  Rogers  (1858),  von  Michigan  unter  Whitney  und  Fester  (1851), 
Ohio  unter  Newberry  (1870),   Illinois  unter  Lesquereux,  Wisconsin  unter 

^  Owen  und  Whitney  (1852  und  62),  Iowa  unter  J.  Hall  und  Whitney  (1858) 
und  Californien  unter  Whitney  (1864)  hervor.  Zu  den  reichsten  Quellen 
für  Geographie,  Naturgeschichte  und  Völkerkunde  des  Landes  gehören 
aber  die  Berichte  der  von  Bundeswegen  in  die  w.  Territorien  entsandten 
Expeditionen,  von  denen  ältere,  vorzüglich  durch  wichtige  geographische 
Entdeckungen  berühmte,  schon  früher  genannt  wurden.  Fremont's  Exploring 
Expedition  (1843  —  44)  vermittelte  der  Welt  die  erste  eingehende  Kenntniss 
des  Felsengebirges,    Emory's  Mexican  Boundary   Survey  (1858)    ergänzte 

^dieselbe  im  Süden,  wie  Stansbury's  Expedition  es  in  der  Region  des 
Grossen  Salzsees  und  die  von  Verschiedenen  gelieferten  Berichte,   welche 

^  in  den  Pacific  Rail  Road  Reports  (1851  f.)  vereinigt  sind,  es  vorzüglich 
für  den  N.  und  NW.  thaten.  Hayden's  Expedition  arbeitete  im  Auftrag 
des  Landamtes,  die  Wheeler's  in  dem  des  Kriegsamtes  und  die  PowcU's 
in  dem  des  Inlandamtes,  bis  1879  der  Congress  eine  einzige  Stelle  für 
Landaufnahmen  schuf  unter  der  Leitung  des  Geologen  Clarence  King. 
Im  Verfolg  dieser  Arbeiten  sind  die  Geologie  und  Paläontologie  in  so 
erheblichem  Masse  gefördert  worden,  dass  die  V.  St.  auf  keinem  anderen 
Gebiete  gegenwärtig  so  bekannte  und  glänzende  Namen  zählen  wie  hier. 
Dana^),  James  Hall,  J.  D.  Whitney,  Gl.  King,   S.  Newcomb,   R.  Hayden, 


1)  Nach  James  T.  Gardner  (Rep.  of  the  Board  of  Commiss.  of  the  New  York 
State  Survey  1877)  sind  noch  auf  den  bisher  gebräuchlichen  Karten  Städte  wie  Al- 
bany,  Buffalo,  Syracuse  u.  a.  um  I1/2  — 3  e.  M.  von  ihrer  wahren  Lage  entfernt. 

2)  In  einem  geographischen  Werke  heisst  es  nicht  über  die  Grenze  schreiten, 
wenn  man   die  Verdienste  Dana's  für  die  physikalische  Geographie,    welche  in 


XV.  Das  geistige  Leben.  567 

0.  Marsh,  D.  Cope  gehören  unter  ihren  Fachgenossen  in  die  erste  Linie. 
Während  also  auf  diesen  Gebieten  eine  von  aussen  kommende  Anregung, 
nämlich  der  natürliche  Wunsch  aller  intelligenten  Bewohner  des  Landes 
nach  Kenntniss  des  Bodens  und  seiner  Schätze,  zu  grossen  wissenschaft- 
lichen Ergebnissen  führte  und  eine  ganze  Anzahl  höchst  achtenswerther, 
auch  nach  europäischen  Begriffen  hervorragender  Forscher  erstehen  liess, 
war  es  auf  einem  anderen,  den  praktischen  Bedürfnissen  fernerliegenden, 
fast  nur  die  reine  Liebe  zur  Wissenschaft,  welche  zu  ähnlich  bedeutenden 
Leistungen  den  Anstoss  gab.  Auf  biologischem  Gebiete  gab  das  Auftreten 
des  im  Jahr  1845  nach  Amerika  berufenen  !>.  Agassiz  den  Studien  einen 
bemerkenswerthen  Aufschwung.  Naturfreunde  von  scharfer  und  flcissiger 
Beobachtung,  wie  Audubon,  Bachmann  (Deutschamerikaner),  Gould,  hatten 
im  beschreibenden  Fach,  in  demjenigen,  welches  freilich  erst  das  Material 
für  die  denkende  Vergleichung  liefert,  schöne  Arbeiten  geliefert.  Aber  die 
vergleichende  Anatomie,  wie  Cuvier  sie  lehrte,  erhielt  erst  durch  L.  Agassiz 
eine  Heimat  in  Amerika.  Die  Gründung  des  Museum  of  Comparative 
Zoology,  die  Herausgabe  der  Contributions  to  the  Natural  History  of  the 
U.  S.,  die  zoologischen  Tiefseeforschungen  sind  nicht  bloss  Denkmale, 
welche  dieser  bedeutende  Mann  sich  gesetzt ,  sondern  ebensoviele 
Beispiele  zur  Nacheiferung.  Sehr  fruchtbar  ist  auch  Agassiz's  Thätigkeit 
als  Vortragender  im  populären  Stile  geworden.  Man  rühmt  ihm  mit 
Recht  nach,  dass  er  durch  seine  anregenden  Belehrungen  nicht  wenig 
beigetragen  habe  zu  der  grösseren  Ächtung,  welche  alle  Wissenschafts- 
pflege heute  in  Amerika  geniesst.  Zahlreiche  Schüler  von  ihm,  unter 
denen  sein  Sohn  A.  Agassiz,  dann  Packard,  Pourtales,  Verrill  auch  euro- 
päischen Ruf  haben,  wirken  an  verschiedenen  Hochschulen.  Wenn  man 
L.  Agassiz  den  Vorwurf  machte,  dass  er  durch  sein  allzuconservatives 
Festhalten  an  den  Cuvier'schen  Anschauungen  von  dem  Werden  und  den 
inneren  Beziehungen  der  organischen  Natur  der  fruchtbaren  neuen  Idee 
der  Entwickelung  den  Eingang  in  die  weiten  Kreise  verwehrt  habe, 
welche  er  in  Amerika  beherrschte,  so  widerlegen  diese  Ansicht  so  werth-  ^ 
volle  Beiträge  zur  darwinistischen  Literatur,  wie  sie  von  Asa  Gray  und 
Wright  in  den  letzten  Jahren  erschienen  sind.  Ausserhalb  des  engeren 
Gebietes  der  Vergleichenden  Anatomie  hat  die  Thierkunde  noch  rege 
Förderung  gefunden  im  Smithsonian  Institute,  aus  dessen  reichen  Samm- 
lungen vortreffliche  Arbeiten  über  höhere  Thiere  hervorgegangen  sind, 
ferner   durch   die  Conchyliological  Society,    deren  Veröffentlichungen   viel 


Europa  nicht  genügend  gewürdigt  zu  werden  scheinen,  besonders  hervorhebt. 
Seine  Behandlung  phys.-geogr.  Probleme  im  XL  Bde.  der  Report  son  Wilke's 
Exploring  Expedition  stellt  ihn  in  die  erste  Reihe  der  Geographen  unserer 
Zeit  und  in  der  Geologie  und  Mineralogie  nimmt  er  eine  hochgeachtete  Stel- 
lung ein. 


568  XV.  Das  geistige  Leben. 

Wertlivolles  enthalten,  und  auf  dem  Gebiet  der  Entomologie  durch  die 
Einzelarbeiten  von  Leconte,  Behr,  Hagen,  Riley  u.  v.  a.  In  dieser  Rich- 
tung sind  besonders  die  Arbeiten  über  schädliche  Insekten  hervorzuheben, 
die  durch  eigens  hierzu  vom  Bunde  und  von  einzelnen  Staaten  angestellte 
Entomologen  ausgeführt  und  veröffentlicht  werden. 

In  der  Pflanzenkunde  sind  floristische  Arbeiten  von  Werth  schon 
im  Anfang  unseres  Jahrhunderts  von  Michaux,  Nuttall,  später  auf  breiterer 
Grundlage  von  Torrey,  Engelmann,  Asa  Gray,  Brewer  u.  a.  ausgeführt 
worden.  In  Asa  Gray  besitzen  die  V.  St.  einen  der  geistvollsten  Biologen 
unserer  Zeit.  In  jenen  Zweigen  der  biologischen  Wissenschaften,  welche 
als  Hülfswissenschaften  der  Medicin  auftreten,  wie  Physiologie  und  Ana- 
tomie, hat  bis  heute  die  Thätigkeit  amerikanischer  Forscher  vielleicht  am 
wenigsten  Hervorragendes  geleistet.  Es  liegt  dies  daran,  dass  überhaupt 
die  medicinischen  Studien  in  den  V.  St.  durchaus  auf  einer  viel  tieferen 
Stufe  stehen  als  bei  uns.  Man  weiss  dort  nichts  von  den  strengen 
Prüfungen  und  dem  vorgeschriebenen  langen  Studiengang  unserer  Aerzte. 
Die  Ausübung  der  Heilkunst  ist  frei  wie  jedes  andere  Gewerbe,  und  man 
begreift,  dass  gerade  in  ihr,  wo  das  Können  neben  dem  Wissen  eine  so 
hervorragende  Rolle  spielt,  die  amerikanische  Befähigung  zu  dem  ersteren 
oft  bedeutende  Erfolge  erzielen  kann ,  wenn  auch  das  letztere  sehr 
mangelhaft  ist.  In  einzelnen  Zweigen,  wo  es  mehr  auf  sinnreiche  Vor- 
richtungen und  geschickten  Handgriff  ankommt  als  auf  gründliches  Wissen, 

,  also  z.  B.  in  der  Zahnheilkunde,  sind  die  Amerikaner  uns  weit  vorange- 
schritten, ebenso  sind  sie  wie  auf  anderen  Gebieten  auch  hier  in  hohem 
Grade  erfinderisch  gewesen  und  haben  in  verbesserten  chirurgischen  Werk- 
zeugen und  Methoden,  in  praktischen  Krankenbetten  und  -stuhlen  und 
vorzüglich  in  Lazaretheinrichtung  manches  Neue  hervorgebracht,  das  man 

>^in  Europa  sich  rasch  aneignete.  Die  Chloroformirung  ist  eine  amerikanische 
Entdeckung.  Auch  mit  ihren  Feldlazarethen  in  den  Jahren  des  Bürger- 
krieges haben  sie  uns  Muster  gegeben,  welche  wir  nicht  zauderten  anzu- 
nehmen. —  Wenig  hervorragend  sind  bis  heute  ihre  Leistungen  auf  dem 
Gebiete  der  reinen  Chemie.  Man  verdankt  ihnen  dagegen  eine  An- 
zahl von  werthvoUen  Anwendungen  in  der  Metallurgie  (s.  o.  S.  320)  und 
Technologie    (s.   o.   S.  384) ,    wogegen    entsprechend    der   bis   jetzt   noch 

>/  geringen  Intensität  des  Ackerbaues  die  Ackerbauchemie  weniger  ge- 
pflegt wird. 

Die  Geschichtsforschung  wird  in  zahlreichen  historischen 
Vereinen  gepflegt  und  ein  lebhafter  Sinn  für  die,  wenn  auch  manchmal 
junge,  Vergangenheit  der  Staaten ,  Counties  u.  s.  f.  bis  zu  den  leitenden 
Familien  herab  gibt  sich  kund,  lieber  die  Geschichtschreibung 
s.  u.  S.  575.  Für  die  Geschichte  und  Volkskunde  der  Indianer  ist 
durch  Regierungen  und  Einzelne  Bedeutendes  geschehen.  Die  Arbeiten 
von  Gallatin,   Schoolcraft,   Squier,    Dali,    Powers   über   die   indianischen 


XV.  Das  geistige  Leben.  569 

Alterthümer  (Mouiids,  Befestigungen  u.  dgl.)  und  über  die  lebenden 
Indianerstammc  sind  hervorragend.  Musterhaft  sind  diejenigen  Hecke- 
welder's  (Deutschamerikaner),  dessen  Vertiefung  und  Treue  in  der 
ganzen  amerikanischen  Literatur  nur  von  wenigen  Werken  erreicht  sind. 
Die  Indianersprachen,  deren  Kenntniss  früher  von  den  Missionären  gepflegt 
wurde,  sind  erst  neuerlich  wieder  in  den  Vordergrund  des  Interesses  ge- 
treten. Dass  allgemeine  Philologie  den  Amerikanern  fernliegt,  begreift 
man,  aber  ihr  Webster  hat  das  vcrbreitetste  Wörterbuch  der  englischen 
Sprache  nach  Johnston  geschaffen.  In  den  politischen  und  Rechts- 
wissenschaften sind  als  Schriftsteller  über  Völkerrecht  William 
H.  Lawrence  und  Franz  Lieber  (Deutschamerikaner)  nennenswerth. 
Das  englische  Recht  ist  in  den  V.  St.  vorzüglich  praktisch  nach  der  Seite 
der  Einfachheit  und  Menschlichkeit  (Abschaffung  der  Todesstrafe,  grössere 
Berechtigungen  der  Frauen)  entwickelt  worden.  Die  Codifikation  ist  hier 
früher  durchgeführt  worden  als  in  England.  Als  die  besten  juristischen 
Werke  der  Amerikaner  gelten  die  Commentaries  von  Josep  Story  und 
Chancellor  Kent.  Die  Volkswirthschaft  hat  vielleicht  durch  die 
einzige,  in  wirthschaftlicher  Beziehung  so  neue  und  überraschende  That- 
sache  der  Entwickelung  der  V.  St.  mehr  gewonnen  als  durch  die  wissen- 
schaftlichen Arbeiten,  die  sie  den  Bewohnern  derselben  verdankt.  Die 
Staatsmänner  der  älteren  Schule,  in  erster  Linie  Hamilton,  Jefferson  und 
Gallatin,  haben  über  volkswirth schaftliche  Gegenstände  geschrieben,  aber 
man  verdankt  ihnen  keinen  neuen  Gedanken,  so  treffend  manche  ihrer 
Anwendungen  sein  mögen.  Erst  von  1820  an  erschienen  zusammenfassende 
Werke  über  Volkswirthschaft.  Die  meisten  wiederholten  bloss  die  Lehren 
der  Engländer  und  Franzosen.  Nur  Henry  C.  Carey  macht  mit  seinem 
1858  veröffentlichten  Principles  of  Social  Science  eine  Ausnahme.  Er  ist 
vielleicht  ausserhalb  Amerikas  noch  einflussreicher  gewesen  als  in  seinem 
eigenen  Lande.  Ob  er  ein  wirklicher  Förderer  seiner  Wissenschaft  als 
solcher  gewesen,  steht  noch  dahin. 

Ueberblickt  man  die  Leistungen  der  Nordamerikaner  auf  wissenschaft- 
lichem Gebiete,  so  muss  man  nicht  vergessen,  dass  bis  heute  in  Amerika 
keine  wissenschaftliche  Körperschaft  sich  entwickeln  konnte,  in 
der  die  Wissenschaftspflege  eine  so  sichere  und  förderliche  Stätte  fände, 
wie  hier  in  Deutschland  in  unseren  Universitäten,  in  England  in  den 
gelehrten  Gesellschaften,  in  Frankreich  durch  die  Regierung.  In  Amerika 
sind  die  Universitäten  noch  zu  jung,  die  gelehrten  Gesellschaften  zu 
gemischt  und  zu  arm,  die  Regierungen  zu  wenig  überzeugt  von  dem  Wcrth 
und  der  Ehre,  welche  der  Förderung  rein  geistiger  Arbeit  entfliessen.  Das 
gebildete  Publikum  ist  die  einzige  Instanz,  an  die  die  Wissenschaft  sich 
um  Förderung  ihrer  Ziele  wenden  kann,  und  ohne  Zweifel  ist  von  dieser 
bisher  mehr  geschehen  als  bei  uns  auch  nur  denkbar  wäre.  Aber  auch 
in  diesem  Publikum  ist  das  Verständniss  für  die  Bedeutung  der  Wissen- 


/ 


570  XV.  Das  geistige  Leben. 

Schaftspflege  nur  erst  individuenweise   vertreten.     Es   ist  ganz  natürlich, 
dass  die  Zahl  derjenigen,  welche  eine  richtige  Anschauung  von  der  Thätig- 
kcit  der  Arbeiter  auf  wissenschaftlichen  Gebieten  haben,  sehr  gering  ist. 
Man   schätzt   ganz   im   Allgemeinen    die   Arbeit   der  Gelehrten   wie   man 
andere   nicht  ganz  niedrige  Arbeiten   schätzt,    aber   man  versteht  selten 
ihren  wahren-  Werth,  der  weit  hinausliegt  über  gewisse  praktische  Zwecke 
oder  über  die  Funktion  eines  Schmuckes  am  Gebäude   der  Gesellschaft, 
welche    der  Wissenschaft    wohl    auch   noch   zuerkannt   wird.      Es  gehört 
längere  Erfahrung  als  das  amerikanische  Volk  besitzt  dazu,   um  die  viel 
tiefer  greifende  Wirkung  zu  erkennen,  welche  der  Wissenschaft  in  jedem 
Volke  zukommen  muss,  das  überhaupt  lernfähig  ist.   Der  Wissenschaft  liegt 
es  ob,  ihre  bewährten  Methoden  des  Denkens  und  Schliessens  in  das  prak- 
tische Leben  zu  übertragen,  damit  sie  auch  hier  in  immer  weiteren  Kreisen 
zur  Anwendung  gelangen.     „Kein  Mangel,    an  dem  unser  Volk  leidet,    ist 
so  empfindlich  wie  der  einer  weiteren  Verbreitung  der  Ideen  und  Denk- 
methoden der  exakten  Wissenschaften,   und  nichts  ist  täuschender  als  in 
den  Resultaten   dieses  Denkens  nichts   anderes   zu   sehen   als  Sache  der 
Zierde,   als  Arabeske.     Ein   grosser  Theil   der  Arbeit  in  unserem  öffent- 
lichen Leben   besteht  in  der  Prüfung   und  Besprechung  von  socialen  Er- 
scheinungen, in  welcher  ein  sicheres  Ergebniss  nicht  erzielt  werden  kann 
ohne  die  logische  Schärfe  der  Ueberlegung,    welche  dem  täglichen  Leben 
gänzlich  fremd  ist.     Was  nothwendig  ist,   um   uns   vor  Fehlern  in  dieser 
Richtung  zu  bewahren,   ist  nicht  die  blosse  technische  Untersuchung  der 
Dinge,   sondern   die  Unterweisung  unserer  denkenden  und  einflussreichen 
Classen  in  einer  Disciplin,   wie  Mill's  Logik  sie  enthält.     Diese  Logik  ist 
verkörpert  in   den  Methoden  der  wissenschaftlichen  Untersuchung.     Von 
diesem  Gesichtspunkte  aus  erscheint  die  Wissenschaft  als  ein  System  freier 
Volkserziehung,  welches  aufrecht  erhalten  werden  soll  aus  denselben  Gründen 
wie  die  Erziehung  des  Einzelnen.   Die  Pflege  der  Wissenschaft  im  breitesten 
Sinn  soll  für  die  Zukunft  unseres  Volkes  dasselbe  leisten,  was  die  Mathe- 
matik für  den  Ingenieur,  die  Chemie  für  den  Arzt,  die  Mechanik  für  den 
Architekten"  *).     Die    verschiedenen   Zweige    der    Staatsverwaltung ,    des 
Bundes  sowohl  als  der  Einzelstarten ,   leiden   vielleicht  am  meisten  unter 
dem  Alleskönnenwollen   und  Nichtswissen.     Die  Klage  ist  sehr  oft  ausge- 
sprochen, dass  man  in  diesen  Regionen  sich  am  schwersten  von  der  Noth- 
wendigkeit  besonderer  Vorbildung  oder  Uebung  für  irgend  einen  Thätigkeits- 
zweig  überzeugen  will.   Die  Stärke  der  Papiergeldpartei  im  Senat  und  Reprä- 
sentantenhaus z.  B.  ist  ein  sprechender  Beweis  für  die  mangelnde  wissen- 
schaftliche Bildung  der  betreffenden  Politiker.     Die  Regierung  der  V.  St. 
hat  nur  ein  Mal  die  Nothwendigkeit  gefühlt,  sich  einen  wissenschaftlichen 
ßerathungskörper  beizugesellen,  der  eine  ähnliche  Funktion  wie  die  Aka- 


1)  S.  Newcomb,  Abstract  Science  in  America.    1876.  123, 


XV,  Das  geistige  Leben.  571 

demien  Europas  ihr  gegenüber  erfüllen  sollte.  Es  war  dies  im  Anfang  t^ 
des  Bürgerkrieges,  als  eine  Menge  von  Erfindungen  neuer  Kriegsmaschinen 
ihr  vorgelegt  wurde,  die  nicht  kurzer  Hand  zu  bewältigen  waren  und 
welche  man  auch  nicht  ungeprüft  zurückweisen  konnte.  Damals  kam  man 
auf  die  Idee,  eine  ständige  wissenschaftliche  Körperschaft  zu  gründen, 
welche  jede  Frage  aus  dem  Gebiet  der  Wissenschaften  und  Künste,  welche 
die  Regierung  ihr  vorlegen  werde,  zu  prüfen  und  darüber  zu  berichten 
habe.  So  entstand  die  National  Academy  of  Sciences,  welcher 
1863  vom  Congress  ein  Rechtsbrief  ausgestellt  wurde.  Leider  war  diese 
Organisation  von  vornherein  nicht  von  der  Art,  um  eine  wirkliche  Aka- 
demie der  Wissenschaften  aus  ihr  erwachsen  zu  lassen.  Die  Mitglieder 
sind  so  weit  über  das  Land  hin  zerstreut,  dass  mehr  als  1 — 2  Sitzungen 
im  Jahr  unmöglich  sind.  Eine  geradezu  unsinnige  Bestimmung  der  Charter 
lautet  ferner,  dass  die  Akademie  nie  irgend  eine  Art  von  Unterstützung 
oder  Belohnung  von  der  Regierung  für  ihre  Dienste  erhalten  solle,  und 
sie  wird  so  streng  aufrecht  erhalten,  dass  vor  einigen  Jahren  sogar  der 
Druck  einer  der  Schriften  der  National  Academy,  der  in  einer  Regie- 
rungsdruckerei bereits  angefangen  war,  unterbrochen  wurde,  um  diese 
Bestimmung  nicht  zu  verletzen.  Man  begreift,  dass  eine  Akademie,  deren 
Mitglieder  nur  der  geringsten  Zahl  nach  am  Orte  leben,  und  welche  keine 
Unterstützung  von  der  Seite  empfängt,  für  deren  Nutzen  sie  gestiftet  ist, 
bis  jetzt  keine  erhebliche  Thätigkeit  zu  entfalten  vermochte. 

Eine  ganz  merkwürdige  wissenschaftliche  Anstalt,  in  eigenartiger 
Thätigkeit  vortrefflich  sorgend  für  die  besonderen  Bedürfnisse  der  jungen 
Wissenschaftspflege  in  den  V.  St.,  ist  die  Smithsonian  Institution,^/ 
durch  Stiftung  eines  Engländers  geschaffen  und  unter  Verwaltung  des 
Bundes  stehend.  Ihre  Hauptarbeit  wird  im  Austausche  wissenschaftlicher 
Veröffentlichungen  und  wissenschaftlichen  Lehr-  und  Forschungsmaterials 
und  in  der  Veröffentlichung  werthvoller  wissenschaftlicher  Arbeiten  ge- 
leistet. Es  ist  vor  allem  gewissermassen  eine  Vermittelungsstelle  zwischen 
den  wissenschaftlichen  Vereinen,  den  Behörden  und  Privatpersonen  in 
Europa,  welche  ihre  Veröffentlichungen  an  Vereine,  Behörden,  Privat- 
personen in  Amerika  senden  und  umgekehrt.  Auf  diese  Art  knüpft  es 
Tauschverkehr  zwischen  erst  entstehenden  gelehrten  Gesellschaften  und  den 
älteren  Schwestern  in  Europa  an,  und  es  hatte  z.  B.  die  junge  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Califomien  1875  bereits  eine  Bibliothek  von  3000  Bänden 
durch  das  Smithsonian  Institute  erhalten.  Dies  ist  die  Hauptthätigkeit 
der  vortrefflichen  Anstalt,  aber  die  Veröffentlichung  ihrer  Berichte  und 
Schriften  ist  für  Amerika  insbesondere  gleichfalls  von  Bedeutung.  Sie 
veröffentlicht  jedes  Jahr  einen  Report,  in  welchem  mehrere  monographische 
Arbeiten  zusammengefasst  sind,  Arbeiten  zumeist,  für  die  der  Verfasser 
keinen  Verleger  oder  doch  keinen  gefunden  hätte,  der  sie  so  schön  aus- 
gestattet,   zu   so  billigem  Preise    und  in    solcher  Zahl  verbreitet   haben 


572  XV.  Das  geistige  Leben. 

würde,  wie  das  Smithson'sche  Institut.  Wo  es  uöthig,  zahlt  es  auch^Hono- 
rare  und  ist  dadurch  schon  manchem  aufstrebenden  Gelehrten  sehr  nütz- 
lich geworden.  Unter  den  Veröffentlichungen  sind  mit  die  besten  mono- 
>/ graphischen  Arbeiten  über  naturgeschichtliche  und  völkerkundliche  Zustände 
in  Amerika. 

An  wis-senschaftlicheu  Zeitschriften  besitzen  die  V.  St.  in 
erster  Linie  Silliman's  Journal  of  Science  and  Arts  (früher  von  Silliman, 
jetzt  von  Dana  u.  A.  herausgegeben)  und  daneben  eine  Anzahl  von  Zeit- 
schriften für  Chemie,  Metallurgie,  medicinische  Wissenschaften.  Den 
Charakter  einer  Zeitschrift  tragen  auch  in  gewissem  Sinne  die  Smith- 
sonian  Contributions,  welche  jährlich  erscheinen,  dann  die  verschiedenen 
jährlich  erscheinenden  Reports  wie  der  des  Smithsonian  Institute,  der 
Regierungs-Surveys  u.  ähnl.  Die  Akademieschriften,  deren  Zahl  gross, 
sind  im  Allgemeinen  von  geringer  Bedeutung,  entsprechend  dem  Vor- 
wiegen des  Dilettantenelementes  unter  ihren  Mitgliedern  und  den  ge- 
ringen Mitteln,  welche  zu  ihrer  Verfügung  stehen.  Am  bedeutendsten 
sind  die  der  Boston  Natural  History  Society.  Reich  vertreten  sind  da- 
gegen populär- naturwissenschaftliche  Zeitschriften,  die  viel  verbreiteter, 
reicher  an  Stoff  und  Ausstattung  und  in  dem  Falle  des  Populär  Science 
Monthly,  des  Artisan  u.  ähnl.  auch  besser  gemacht  sind  als  die  unserigen. 
Selbst  Tagesblätter  bringen  ziemlich  regelmässig  populär-wissenschaftliche 
Aufsätze  und  oft  aus  sehr  guten  Federn. 

Eine  hervortretende  Eigenthümlichkeit  der  amerikanischen  Wissen- 
schaftspflege ist  die  geringe  Menge  ihrer  literarischen  Hervorbringnisse. 
Man  hat  z.  B.  gesagt,  dass  „nicht  ein  Jahr  vergeht,  ohne  dass  die  deutsche 
Presse  eine  ausgedehntere  philosophische  Literatur  über  Darwinismus  her- 
vorbringt als  die  amerikanische  in  allen  den  Jahren  aufzuweisen  hat,  welche 
seit  dem  Anslichttreten  des  Origin  of  Species  verflossen  sind"  *).  Es  ist 
auch  hierin  ein  Beweis  für  die  noch  wenig  in  die  Breite  gegangene  Ent- 
wickelung  des  wissenschaftlichen  Lebens  in  den  V.  St.  zu  sehen.  Aber  die 
Frage  wird  erlaubt  sein,  ob  es  als  ein  Mangel  anzusehen  sei,  wenn  die 
paar  Tausend,  auf  deren  schreibfertigen  Händen  und  meist  ziemlich  hohlen, 
eben  deshalb  aber  sehr  leicht  producirenden  Geistern  die  grosse  Masse 
unserer  hypertrophisch  angewachsenen  literarischen  Produktion  beruht,  in 
Amerika  einem  nützlichen  bürgerlichen  Berufe  sich  zuwenden?  Jedenfalls 
ist  die  Armuth  der  Büchererzeugung  der  Amerikaner  gerade  auf  diesem 
darwinistischem  und  speculativ- philosophischem  Gebiet  keines  der  uner- 
freulichsten Zeichen  ihres  geistigen  Lebens. 

IV.  Literatur.    Der  Ausspruch  eines  französischen  Reisenden  in  den 
^V.  St.:  Les  J^tats-Unls  manquent  de  perspective,  pas  de  grandeur"^)  findet 

1)  S.  Newcomb,  Abstract  Science  in  America  1876.  110. 

2)  Ph.  Chasles,  Etudes  sur  la  Litt,  et  les  Mceurs  des  Anglo-Americains 
1851.    6. 


XV.  Das  geistige  Leben.  573 

nirgends  eine  deutlichere  Bestätigung  als  in  der  Literatur,  besonders  in 
der  schönen.  Der  Mangel  an  der  Perspektive  einer  langen  Geschichte 
macht  sich  hier  vielleicht  mehr  geltend  als  auf  irgend  einem  anderen 
Gebiete,  denn  nicht  bloss  die  Traditionen  der  literarischen  Arbeit,  sondern 
auch  der  Stoff  der  literarischen  Darstellungen  leidet  unter  demselben. 
Eine  Literatur  konnte  nicht  diesem  Boden  entwachsen  wie -eine  Pflanze, 
die  ihre  Keime  in  demselben  hat,  sondern  sie  konnte  nur  aus  fremder 
Erde  hierher  übertragen  und  mit  viel  Sorge  und  Kunst  allmählich  an 
denselben  gewöhnt  werden  —  ganz  wie  die  Sprache,  in  der  sie  sprechen 
sollte,  nicht  hier  geworden,  sondern  eingeführt  und  ganz  wie  die  Sitten, 
Anschauungen,  die  ganze  Cultur  künstlich  verpflanzt,  nicht  selbständige, 
natürliche  Entwickelung  ist.  Indem  der  Haupttheil  der  Colonisten  aus 
Grossbritannien  kam,  war  die  englische  Literatur  der  Stamm,  welcher  die 
Zweige  lieferte,  die  hier  eingepflanzt  wurden.  Bis  zum  Unabhängigkeits- 
krieg waren  die  Colonien  in  jeder  geistigen  Beziehung  abhängig  von  Eng- 
land und  dieses  Band  hat  nur  in  kleinen  Absätzen  sich  zu  lösen  begonnen 
und  ist  noch  heute  ein  sehr  festes.  Im  ersten  Jahrhundert  trugen  die 
letzteren  wenig  Früchte  und  diese  wenigen  waren  nicht  schmackhaft. 
Die  Paar  Leute  die  sich  literarische  Genüsse  verschaffen  konnten  und  ^ 
wollten,  lasen  englische  Bücher,  und  Nachahmungen  von  diesen  waren  es 
ausschliesslich,  die  im  Lande  selbst  erzeugt  wurden.  Man  hat  leider 
keine  Ahnung  von  der  Zahl  der  englischen  Bücher,  die  im  17.  und  18. 
Jahrhundert  eingeführt  wurden,  aber  es  ist  kein  Zweifel,  dass  die  schöne 
Literatur  zu  den  letzten  Luxusgegenständen  gehörte,  die  die  Ansiedler 
zur  Zierde  ihres  Daseins  nöthig  erachteten.  Es  ist  daher  auch  ganz 
charakteristisch,  dass  die  ersten  Werke  ihrer  Nationalliteratur,  die  diesen 
Namen  verdienten,  die  von  Benjamin  Franklin,  nichts  weniger  als 
poetische  Ergüsse,  sondern  nüchterne,  didaktische  Abhandlungen,  aller- 
dings von  erstaunlich  gesundem  Verstand,  sehr  klar  und  nützlich,  waren. 
Es  waren  die  Werke  eines  praktischen,  scharfsinnigen  und  wohlwollenden  ^ 
Mannes,  eines  Typus  von  gesundem  Menschenverstand.  Sie  wurden  die 
Muster  für  eine  ganze  Literatur  von  aufgeklärten,  nach  dem  Nützlichen 
strebenden  Schriften,  welche  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahr- 
hunderts die  Lieblingslektüre  des  Amerikaners  waren.  Jedes  Spiel  der 
Einbildungskraft  war  aus  ihnen  verbannt,  ebenso  jedes  allzutiefe  Eingehen 
in  Fragen,  die  jenseits  des  Kreises  des  täglichen  Lebens  und  der  Interessen 
des  Landes  lagen.  Franklin  und  Washington ,  die  berühmtesten  Nord- 
amerikaner des  18.  Jahrhunderts,  sind  Geister  von  diesem  massvollen, 
aber  phantasielosen  Typus.  In  der  Literatur  fand  derselbe  noch  einen 
bedeutenden  Ausdruck  in  Sir  John  Crevecoeur's  Letters  of  an  Ame-  - 
rican  Farmer  (1772),  einem  Werke,  das  durch  frische  einfache  Dar-' 
Stellung  sich  den  Franklin'schen  an  die  Seite  stellt  und  mit  ihnen  die 
weitreichende  Verbreitung  und  Volksthümlichkeit  theilte.   Derselbe  Typus 


574  XY.  Das  geistige  Leben. 

ist  allen  den  hervorragenden  Nordamerikanern  dieser  Zeit  eigen  und  ver- 
leiht ihren  Briefwechseln,  Denkschriften,  politischen  Pamphleten  einen 
eigenthümlichen  Charakter  und  zugleich  den  Vorzug  der  Klarheit  und 
Sachlichkeit.  So  gehören  die  Briefe  des  Governor  Morris  und  Ph. 
Jefferson's  aus  dem  Paris  der  Revolution,  die  Reden  und  Staats- 
schriften T.  Hamilton 's  zu  den  hervorragenden  Werken  ihrer  Zeit,  die 
ebensowohl  um  ihrer  Form  als  ihres  bestimmten,  sicheren  ürtheils  willen 
noch  heute  mit  Interesse  und  Nutzen  zu  lesen  sind.  Aber  sie  haben 
nichts  original  Amerikanisches,  sondern  könnten  ebensowohl  von  Lands- 
leuten und  Nachahmern  Addison's,    Goldsmith's  und  Burke's  geschrieben 

.sein.  Es  gilt  dasselbe  von  Washington  Irving,  von  dem  man  mit 
Recht  gesagt  hat,  dass  er  der  unamerikanischste  aller  bedeutenderen 
amerikanischen  Schriftsteller  sei.  Er  hat  freilich  in  seinen  Essays  und 
in  seinen  historischen  Werken  amerikanische  Stoffe  behandelt,  aber  sein 
Herz  gehörte  dem  England  Addison's  und  Goldsmith's.  Man  lese  seine 
Biographie   des   letzteren   oder  seine  Schilderungen   des  englischen  Land- 

^  lebens  im  Sketch  Book  und  man  wird  ganz  den  feinfühlenden,  wohlwol- 
lenden, massvollen  Gentleman  Altenglands,  aber  nichts  finden,  was  als 
entschieden    amerikanisch    hervorträte.     J.  Fenimore  Cooper   ist   im 

^  Gegensatz  zu  ihm  ausgeprägt  amerikanisch.  Er  hat  zum  ersten  Mal  die 
junge  Geschichte  der  Union  zum  Hintergrund  historischer  Romane  ge- 
macht. Er  ist  der  erste,  der  das  eigenthümlichste  Element  der  ameri- 
kanischen Dichtung    zur   Geltung   gebracht   hat,    die   Anlehnung    an   die 

/  Natur,  die  oft  nur  zu  innig  wird.  Er  ist  ein  ausgezeichneter  Schilderer 
der  Natur,  ebenso  treu  wie  packend,  seine  Bilder  beruhen  auf  einer  Beob- 

V  achtung  von  naturwissenschaftlicher  Schärfe.  In  seinen  Erzählungen, 
deren  Stoff  meist  der  älteren  Colonialgeschichte  entnommen  ist,  hat  die 
amerikanische  Lesewelt  einen  Ersatz  gefunden  für  den  Mangel  der  Epopöe. 
Aber  seine  echt  amerikanischen  Typen  aus  dem  Indianer-,  Waldläufer- 
und Seemannsleben  haben  auch  nicht  unwesentlich  dazu  beigetragen,  die 
Alte  Welt  einige  der  Quellen  von  Poesie  kennen  zu  lehren,  welche  in  der 
für  poetisch  öd  und  unfruchtbar  gehaltenen  Neuen  fliessen.  Im  Gegensatz 
zu  dieser  Klarheit  und  Wahrheit  stehen  Nathanael  Hawthorne's  Er- 
zählungen und  Schilderungen,  die  nie  ohne  einen  mystischen  Schimmer 
sind  und  bei  aller  Feinheit  der  Beobachtung  etwas  Blutloses  haben.  Ihre 
reine  Gesinnung  und  vortreffliche  Sprache  und  eine  melancholische  Poesie, 
die  sie  durchweht,  haben  H.  zum  Lieblingsschriftsteller  besserer  Leser 
sowohl  in  Nord-Amerika  als  in  England  gemacht.  Mehr  Kraft,  aber 
weniger  Feinheit    und   Durchbildung   zeigen    die  Erzählungen    von    Bret 

^ Harte,  die  übrigens  gezeigt  haben,  dass  mehr  Poesie  auch  im  modernsten 
amerikanischen  Leben  steckt  als  man  in  Europa  glauben  will.  W.  CuUen 
Bryant  hat  auf  lyrischem  Gebiet  den  charakteristisch  amerikanischen 
Zug  der  einseitigen  Naturliebe  bis  zur  religiösen  Naturverehrung  gesteigert. 


XV.  Das  geistige  Leben.  576 

Sein  melancholischer  Ton  kehrt  bei  Henry  WadsworthLongfellow 
wieder,  dem  berühmtesten  Lyriker  Amerikas,  der  mit  einer  ruhigen  und 
milden  Wärme  des  Gefühls  und  mit  Einfachheit  und  Wohlklang  der 
Sprache  eine  geistige  Höhe  verbindet,  welche  ihn  über  die  Tausende 
melancholischer  Lyriker  erhebt,  deren  beständiger  Gesang  an  die  mild- 
tönenden, aber  einförmigen  Froschconcerte  in  den  Sümpfen  des  atlanti- 
schen Tieflandes  erinnert.  Eine  schärfere  geistige  Physiognomie  trägt 
indessen  Ralph  Waldo  Emerson,  der  Essayist,  Fragmentist  und 
prophetisch-dithyrambische  Lyriker,  ein  Gemisch  von  Denker  und  Dichter, 
beides  in  hohem  Stil,  in  dessen  Zeilen  sich  tiefe  Gedanken  drängen,  die  -^ 
in  oft  glänzender,  oft  barocker,  aber  immer  anziehender  und  blendender 
Form  auftreten.  Er  ist  der  kühnste  und  originellste  v^n  allen  ameri- 
kanischen Dichtern  oder  Denkern;  ein  neuer  Typus  in  der  Literatur, 
der  höchstens  mit  Carlyle  zusammengestellt  werden  könnte.  So  wie  er 
ist,  ist  Emerson  nur  in  Amerika  möglich,  dessen  Scharfsinn  und  prakti-  >^ 
scher  Blick  in  ihm  seltsam  zusammengehen  mit  den  mystischen  Träumen 
des  Orients  und  der  philosophischen  Kühnheit  des  Occidents  —  ein  echtes 
Mischprodukt  der  Alten  und  Neuen  Welt.  In  seiner  Art  ist  Henry 
David  Thoreau  nicht  weniger  amerikanisch :  ein  bis  zur  bizarren 
Einsiedelei  leidenschaftlicher  und  einseitiger  Naturfreund,  ein  praktischer  - 
Rousseau,  in  der  Schilderung  oft  von  wunderbarer  Feinheit,  Vertiefung  und 
Glut,  aber  wie  im  Leben,  so  im  Stil  dem  Seltsamen  oft  zu  eifrig  nach- 
jagend. Edgar  A.  Poe  ist  als  Schilderer  des  Gespenstischen  und 
Räthselhaften  ausserordentlich  wirksam.  Er  hat  einige  der  besten  Cri- 
minalgeschichten  geschrieben,  die  es  gibt.  Als  Lyriker  ist  er  an  Kraft 
seines  Ausdruckes  in  einigen  der  besten  Sachen  unerreicht.  Sein  Baren 
ist  eines  der  öftest  deklamirten  und  citirten  Gedichte  der  Amerikaner. 
John  G.  Whittier  und  James  R.  Lowell  sind  als  politische  Lyriker 
vorzüglich  in  der  Zeit  des  Kampfes  gegen  die  Sklaverei  von  grosser  Wirk- 
samkeit gewesen.  Beide  haben  als  Essayisten  sich  hervorgethan.  Es 
gehört  zu  den  Erscheinungen,  die  man  erwartet,  dass  der  Geschicht- 
schreibung eine  bedeutende  Rolle  zugetheilt  ist  in  dem  geistigen  Schaffen 
eines  politisch  so  begabten  und  thätigen  Volkes.  Man  besitzt  zeitgenös- 
sische Aufzeichnungen  aus  den  beiden  ersten  Jahrhunderten  ihrer  Ge- 
schichte, die  Seitenstücke  zu  den  spanischen  Conquistadoren-Geschichten 
bilden.  Auf  die  theilweise  sehr  feinen  und  geistreichen  Memoiren  aus 
der  Revolutionszeit  wurde  schon  hingewiesen.  Aber  die  Geschichtschreibung 
als  Kunst  ist  erst  in  unserem  Jahrhundert  zu  pflegen  begonnen.  William 
n.  Pr  esc  Ott  (1716  —  59)  hat  die  nordamerikanische  Geschichtschreibung 
durch  seine  Werke  über  das  Zeitalter  der  Entdeckung,  Eroberung  und 
Besiedelung  Mittel-  und  Südamerikas  zuerst  in  Europa  bekannt  gemacht. 
George  B  an  er  oft  (1800—1877)  hat  die  vollständigste  und  quellen- 
mässigste  Geschichte  der  V. St.  geschrieben  (10  Bde.  1834  —  74).    George 


576  XV.  Das  geistige  Leben. 

Ticknor  (1791  —  1871)  verdankt  man  die  beste  Geschichte  der  spani- 
schen Literatur.  John  L.  Motley  (1814—77)  ist  in  seinen  Werken 
über  den  niederländischen  Unabhängigkeitskrieg  durch  Geist  und  warme, 
glänzende  Darstellung   ausgezeichnet.    Unter   den  Geschichtswerken  über 

.    die  Staaten  oder  Staatengruppen  der  Union  steht  Palfrey's  History  of  New 
England  allen  voran. 

Die  Kunst   der   Beredsamkeit  findet  in  den   Staatseinrichtungen 

^  der  V.  St.   volle  Gelegenheit   sich  zu  bilden  und  zu  entfalten.     Sie  wird 
als  Lehrgegenstand  in  den  Schulen  gepflegt  und  die  jungen  Männer  üben 
sich   in  den  Behating  Clubs  im  ölfentlichen   Reden.     Aber  Beredsamkeit 
ist  ebensosehr  Naturgabe  wie  jede  andere  Kunstbegabung  und  die  Nord- 
amerikaner zeigen  durch  die  Flüssigkeit  ihrer  Rede,  durch  ihre  thatsäch- 
liche,    bestimmte   Redeweise   und   andererseits  durch   den    oft   sogar   ins 
Lächerliche  gehenden  Flug  der  Phantasie,  zu   dem  sie   sich  bei  Gelegen- 
heiten erheben  können,  dass  diese  Gabe  nicht  selten  bei  ihnen  ist.    Dagegen 
lässt  sich  voraussehen,   dass  jene  Zierden  des  Redners,   welche  einerseits 
nur   aus    dem   gründlichsten  Wissen   und   andererseits  nur  aus  der  Ver- 
feinerung der  Sitten  hervorgehen  können :  der  Reichthum  und  die  Auswahl 
der  Thatsachen,   das  Masshalten  sowohl  in  den  Behauptungen  als  in  den 
Mitteln  der  Einwirkung  auf  seine  Hörer,  am  ehesten  den  Rednern  dieses 
Volkes  fehlen  werden.    Ebenso  kann  man  erwarten,  dass  die  Verführung 
zum  Vielsprechen  und  Sichwiederholen  bei  dem  so  sehr  regen  politischen 
Leben  häufig  sein  und  manche  Begabung  in  die  Breite  und  Verflachung 
führen  werde.     Unter  den  Rednern  der  Revolutionszeit  werden  Patrick 
Henry  und  James  Otis  als  die  grössten  genannt.    Unter  den  Späteren 
gilt  Daniel  Webster  mit  seiner  gediegenen,    zusammengefassten  und 
doch  feurige^  Rede  für  den  eigentlich  classischen  Redner.     Durch  feine 
/Form,   geistvolle  Gedanken  und   Dialektik   glänzte   John   C.   Calhoun. 
Als  Meister  in  der  vielgeübten  Kunst  der  Denkreden  gilt  Edw.  Everett. 
Als  Kunstredner  vom  Fach,  die  öffentliche  Vorlesungen  für  alle  möglichen 
Zwecke    halten,    sind  Wendeil  Phillips   und   Henry  W.  Beecher 
berühmt.   Unter  den  politischen  Rednern  der  neueren  Zeit  wird  die  Palme 
Charles  Sumner  und   Karl  Schurz  gereicht.    Von  den  zahlreichen 
hervorragenden  Kanzelrednern  ist  Channing  auch  als  origineller  Denker 
und  feiner  Stilist  bemerkenswerth ,   der  durch  seine  moralphilosophischen 
Schriften  einen  grossen  und  heilsamen  Einfluss  auf  die  nordamerikanische 
Gesellschaft  geübt  hat.     Unter  den  theologischen  Schriftstellern  sind  noch 
Edwards  (1703  —  58)  und  Theod.  Parker  zu  nennen. 

An  politischen  Schriftstellern  weisen  naturgemäss  die  V.  St. 
den  grösstmöglichen  Reichthum  auf.  Aber  mehr  noch  als  bei  anderen 
Völkern  hat  die  Tagesschriftstellerei  diesen  Zweig  der  Literatur  geschädigt, 
indem  sie  zu  Eintagserzeugnissen  drängt  und  den  politischen  Geistern  die 
Ruhe   nimmt,    die   zu   classischen  Hervorbringuugen  nöthig.     Der  grösste 


XV.  Das  geistige  Leben.  577 

auf  diesem  Gebiet  ist  AI.  Hamilton,  der  den  grössten  Theil  der  Auf- 
sätze für  den  berühmten  Federalist  lieferte,  ein  origineller  Denker  und 
feiner  Stilist,  ein  Staatsmann,  „der  zu  denen  gehört,  welche  die  leitenden 
Gedanken  und  die  Grundbedingungen  einer  Regierung,  die  ihres  Namens 
und  ihrer  Aufgabe  würdig  ist  am  besten  verstanden".  (Guizot).  Sein 
Gegner  Thom.  Jefferson  hat  mehr  geschrieben  als  er,  aber-  als  Schrift- 
steller erreichte  er  ihn  nicht. 

Bei  einem  Rückblick  auf  den  Gesamm  tcharakter  der  Literatur 
der  V.  St.  fällt  vor  allem  die  im  Vergleich  zu  anderen  Colonien  (man 
denke  an  die  geistige  Unfruchtbarkeit  Brasiliens,  Mexicos  u.  s.  f.)  grosse  '^ 
Menge  der  literarischen  Werke  auf.  Wir  denken  dabei  nicht  an  die 
ungezählten  Tausende  von  Lyrikern  (wohl  meist  Frauen),  die  kaum  ein 
einziges  Zeitungsblatt  gedichtlos  in  die  Welt  wandern  lassen,  sondern  an 
die  wirklich  hervorragenden.  Die  Dichter  und  Schriftsteller,  die  wir  im 
Vorangehenden  skizzirt  haben,  besitzen  eigenartige  literarische  Physiogno- 
mien und  ihre  Namen  und  theilweis  auch  ihre  Werke  (man  denke  an 
Irving,  Cooper,  Longfellow,  Prescott,  Motley)  sind  im  Ausland  wohl  bekannt. 
Diese  Thatsache  ist  neu  in  der  Geschichte  moderner  Colonien  und  ist 
daher  der  literarischen  Begabung  nnd  Empfänglichkeit  des  Volkes  der 
V.  St.  zuzuschreiben.  Kann  man  aber  schon  von  einer  Nationalliteratur 
sprechen?  Nicht  mit  vollem  Recht.  Die  nordamerikanische  Literatur 
entbehrt  nicht  gewisser  gemeinsamer  Züge,  die  den  meisten  ihrer  Grössen 
eigen  sind:  die  bis  zum  Naturgottesdienst  sich  erweiternde  Liebe  für  die  "^ 
Natur  (Thoreau,  Bryant,  Emerson,  Cooper),  welche  in  prächtigen  Natur- 
schilderungen Ausdruck  findet;  eine  weiche  melancholische  Stimmung,  die, 
unzufrieden  mit  der  prosaischen  Welt,  in  das  Reich  der  Träume,  flüchtet 
(Bryant,  Ha\\ifaiorne,  Poe,  Longfellow)  auf  der  einen,  ein  begeistertes  Er- 
fassen alles  Modernen,  bis  auf  die  Maschinen  und  Eisenbahnen,  um  es 
poetisch  zu  verklären  (Emerson,  die  politischen  Dichter,  Bret  Harte)  auf 
der  anderen  Seite,  sind  solche  kennzeichnenden  Züge.  Der  vielgenannte 
amerikanische  Humor  zeigt  sich  bei  seinen  besten  Vertretern  wie 
Washington  Irving  und  Oliver  W.  Holmes  in  warmherzigen,  mitfühlenden 
Schilderungen  von  Personen  und  Zuständen ,  denen  nur  eben  soviel  leise 
Ironie  beigemischt  ist,  um  die  Grenze  zwischen  Sentimentalität  und  Humor 
nicht  nach  der  Seite  der  ersteren  zu  überschreiten.  Es  ist  ein  drolliger 
Humor.  Aber  bei  den  sog.  echten  amerikanischen  Humoristen,  die  in 
ihrem  Lande  sich  einer  gewaltigen  Popularität  erfreuen,  wie  Artemus 
Ward,  Mark  Twain  u.  V.  a.,  ist  mehr  Wortwitz  und  Uebertreibung 
als  wahrer  Humor.  Ihr  einziger  Zweck  ist  lachen  zu  machen  und  diesen 
suchen  sie  unter  Umständen  sogar  durch  orthographische  Schnitzer  u.  dgl. 
zu  erreichen.  Das  beliebteste  Mittel  ist  aber  die  Uebertreibung,  die 
dem   amerikanischen  Geist   überhaupt  sehr  naheliegt.     Man  kann  ihnen 

K a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  nn 


578  XV.  Das  geistige  Leben. 

wohl  ein  starkes  Vorwalten  des  epigrammatisch  zugeschärften  Verstandes 
(Emerson,  die  Humoristen,  die  Redner)  zugesellen.  Aber  alle  diese  Gaben 
sind  noch  nicht  in  hochclassischen  Werken  zum  Ausdruck  gebracht  und 
sind  bei  den  hervorragendsten  Vertretern  der  Literatur  mit  mehr  oder 
weniger  deutlicher  Abhängigkeit  von  altweltlichen  Mustern  vermischt.  Im 
originellsten  von  allen,  Emerson,  kehrt  Carlyle  und  mancher  Anklang  an 
Deutsches  Wieder,  in  Cooper  W.  Scott,  in  Poe  Balzac,  in  Irving  Addison 
und  Goldsmith,  in  Longfellow  Tennyson,  Uhland  u.  a.  Auch  ist  die  nord- 
amerikanische Literatur  noch  zu  arm,  um  der  Nation  zu  genügen.  Man 
ist  zweifelhaft,  ob  Scott  oder  Cooper  zu  ihrer  Zeit  populärer  waren,  aber 
nicht  zweifeln  kann  man,  dass  die  Geschichten  Dickens'  und  Thackeray's 
populärer  waren  als  die  Hawthorne's  und  Poe's.  Ganze  Gebiete  liegen 
brach.  Von  dramatischer  Dichtung  ist  nichts  Nennenswerthes  vorhanden, 
ebenso  ist  das  Gebiet  des  Epos  unangebaut.  Von  Volksliedern  kann  man 
kaum  reden  ^).  Aber  auf  der  anderen  Seite  ist  im  Vergleich  zur  Jugend 
der  Nation  ihre  Literatur  eine  achtungswerthe.  Man  kann  von  der  Welt- 
literatur sprechen  und  dabei  alles  auslassen,  was  in  der  Neuen  Welt 
s.  vom  30.  Breitegrad  gedichtet  und  gedacht  worden  ist,  aber  man  würde 
unvollständig  sein,   wenn  man  dabei  vermiede  auf  die  V.  St.  einzugehen. 

Was  die  Stellung  der  Literatur  zum  Volke  anbetrifft,  so 
erfreuen  sich  die  Dichter  und  Schriftsteller  trotz  des  alles  beherrschenden 
Geschäftsgeistes  wohl  nicht  geringerer  Achtung  als  irgendwo  in  der  Alten 
Welt.  Man  mag  in  Nord- Amerika  das  praktisch  Nützliche  über  alles  halten, 
aber  es  wird  viel  gelesen  und  das  Schöne  findet  auch  hier  seine  Schätzer. 
Sogar  mit  Staatsämtern  sind  Dichter  wie  Hawthorne,  Lowell,  Bret  Harte 
und  Geschichtschreiber  wie  Bancroft  und  Motley  ausgezeichnet  oder 
belohnt  worden.  Auch  ist  es  für  die  Literatur  nicht  unwesentlich ,  dass 
der  Amerikaner  nicht  bloss  liest,  sondern  auch  kauft ^),  und  jedenfalls 
lässt  die  Nation  keinen  ihrer  grossen  Geister  am  Hungertuch  nagen.  Das 
materielle  Geschick  der  amerikanischen  Dichter  ist  kein  ungünstiges. 

Man  sieht  nach  alledem  keinen  Grund,  warum  nicht  die  V.  St.  eine 
Literatur   von   wachsender  Bedeutung   entwickeln   sollten.     Es  fehlt,    wie 


1)  Die  Nationalhymne  Hau  Cölumhia  ist  noch  künstlicher  als  solche  Gedichte 
überhaupt  zu  sein  pflegen  und  der  wohl  mehr  gesungene  Yankee  Doodle  ist  eine 
geschmacklose  Burleske.  Ein  volksthümliches  choralartiges  Lied  auf  John  Brown 
(s.  0.  S.  92)  begeisterte  die  Nordstaatlichen  im  Bürgerkrieg. 

2)  Von  Prescott's   Conquest  of  Mexico  sind  nach  Lyell's  Angabe   (Travels 
v^l845.  L  264)  4000  Exemplare  zu  6  D.  im  ersten   Jahr  nach    dem  Erscheinen 

abgesetzt  worden  —  ein  bei  einer  vorwiegend  hart  arbeitenden  Bevölkerung  von 
ca.  20Mill.  fast  unglaubliche  Thatsache,  die  allerdings  dadurch' einigerraassen 
erklärlich  wird,  dass  auch  bestimmte  Bücher  fashion  werden  und  dann  noth- 
wendig  von  einem  anständigen  Mann  besessen  oder  mindestens  gekannt  sein 
müssen. 


XV.  Das  geistige  Leben.  579 

wir  sehen,  weder  an  den  Gaben,  noch  an  den  nothwendigen  äusseren. 
Bedingungen.  Was  aber  die  schon  erwähnte  Klage  wegen  des  dem  ameri- 
kanischen Leben  angeblich  innewohnenden  Mangels  an  Poesie  betrifft, 
so  lassen  wir  hier  noch  einen  amerikanischen  Dichter  sprechen,  der  aller- 
dings in  seinen  eigenen  Werken  den  besten  Beweis  geliefert  hat,  dass 
dieser  Mangel,  wo  er  auftritt,  nur  subjektiv  ist.  John  G.  Whittier  sagt 
in  seinem  reizenden  Essay  über  den  schottisch  -  amerikanischen  Natur- 
dichter Dinsmore  (Prose  Works  1866.  L)  Folgendes :  „Wir  (Neuengländer) 
haben  keine  Lieder.  Amerikanisches  Stillleben  hat  nie  die  Weihe  und  Ver- 
klilrung  der  Poesie  erfahren.  Wir  haben  keine  Yankeepastorale.  Unsere 
Bäche  und  Flüsse  drehen  Mühlräder  und  führen  Flösse  zu  Thal  und  sind 
auch  in  mancher  anderen  Hinsicht  ganz  so  nützlich  wie  die  schottisclien, 
aber  keine  Ballade,  kein  einfachstes  Lied  erinnert  uns,  dass  Männer  und 
Frauen  auch  an  ihren  Ufern  sich  fanden,  liebten,  aus  einander  gingen, 
dass  unter  jedem  Dach  in  ihren  Thälern  Lust  und  Leid  des  Lebens 
empfunden  wurde.  Unsere  Poesie  ist  kalt,  eine  Nachahmungspoesie, 
erscheint  mehr  wie  das  Produkt  eines  überspannten  Geistes  als  wie  der 
unwillkürliche  Erguss  von  Herzen  voll  Liebeswärme,  von  Herzen,  die  tief 
mitfühlen,  was  Menschliches  um  sie  webt,  was  die  Menschen  empfinden 
und  leben,  die  alle  Tage  um  uns  sind.  Ihre  Aeusserungen  sind  dunkel 
wie  Orakelsprücke,  sie  will  prophetisch  sein,  sie  .spricht  von  seltsamer, 
unbestimmter  Sehnsucht  und  Empfindung.  Schaut  sie  nach  den  ge- 
wöhnlichen Zuständen  und  Erscheinungen  in  der  Natur,  so  ist  es  nur, 
um  irgend  eine  unbestimmte  Analogie  zwischen  ihnen  und  den  inneren 
Erfahrungen  herauszufinden.  Sie  gibt  thatsächliche  Kenntniss  und  Be- 
greiflichkeit auf,  um  geistergleich  um  die  ewig  verschlossenen  Thore  der 
Geheimnisse  zu  schweben.  —  Wie  sollen  wir  nun  diese  Tendenz  in  der 
Literatur  eines  praktischen,  vielgewandten  Volkes  erklären?  Entbehrt 
das  Leben  in  Neuengland  jener  Grundbedingungen  der  Poesie,  welche 
vielleicht  Zeit,  Ehrfurcht,  Aberglaube  in  der  Alten  Welt  geschaffen  haben? 
Kann  in  unseren  Thälern  kein  Tempe  noch  Arcadien  gefunden  werden 
und  sind  sie  nur  gut,  um  Mais,  um  Kartoffeln  zu  tragen?  Ist  unser  Volk 
zu  kühl,  zu  vorsichtig,  zu  verschlossen,  um  den  Stoff  zu  Gesängen  und 
Geschichten  zu  liefern,  und  sind  seine  mundartlichen  und  bildlichen  Rede- 
weisen nicht  das  Medium,  um  Gefühl  mit  Pathos  auszusprechen?  Es 
mag  so  sein.  Aber  immer  ist  der  Yankee  ein  Mensch  und  als  solcher 
muss  in  seiner  Geschichte,  könnte  man  ihn  erfassen,  mehr  oder  weniger 
poetischer  Stoff  verborgen  sein  und  am  Ende,  ob  er  es  weiss  oder  nicht, 
hebt  er  sich  doch  immer  vom  Hintergrund  einer  schönen  und  grossen 
Natur  ab.  Dem  Alltäglichsten  in  seinem  Leben  und  Weben  muss  eine 
poetische  Seite  abzugewinnen  sein  und  wer  ihn  näher  studirt,  wird  an 
seiner  anscheinend  so  prosaischen  Existenz  eine  Idylle  finden.  Als  Volk 
im  Ganzen  rühmt  man  uns  die  Fähigkeit  nach,  rasch  den  Kern  der  Dinge 

37* 


580  XV.  Das  geistige  Leben. 

zu  erfassen,  aber  unseren  Poeten  scheint  sie  zu  fehlen.  Können  sie 
nichts  aus  unserem  Ernt-  und  Dankfest,  dem  alljährlich  wiederkehrenden 
Tag  des  Wiedersehens  lang  getrennter  Verwandten  und  Freunde,  machen? 
Finden  sie  nichts  für  sich  in  den  ländlichen  Festen,  im  Beerensuchen, 
Maisschälen,  Aepfelernten,  in  den  Sommerausflügen  und  den  winterlichen 
Schlittenfahrten  ?  Ist  denn  nichts  für  sie  in  Klima,  Landschaft,  Sitten  und 
Gesetzen  dieses  Landes  ?  Tritt  der  Yankee  hart,  schlau,  voll  Speculations- 
geist  ins  Leben,  pallasgleich  für  alle  Kämpfe  und  Prüfungen  gewappnet? 
Haben  wir  nicht  Buben  und  Mädchen,  Schulfreundschaften  und  Liebeleien, 
Freien  und  Geloben,  Furcht  und  Hoffnung  und  alles  Spiel  menschlicher 
Leidenschaften  —  Gewinn-  und  Ehrsucht,  Sünde  und  Strafe,  Reue  und 
Läuterung?  Wer  kann  sagen,  dass  wir  nicht  allen  Kern  der  Poesie  hier 
haben?  Es  ist  nur  ein  ungeöffneter  Schacht,  ein  ungeerntetes  Saatfeld." 
V.  Kunst.  In  den  ersten  100  Jahren  der  Colonien  trat  hinter  der 
gebieterischen  Forderung  der  ersten  Nothwendigkeiten  des  Lebens  alles 
zurück,  was  auf  die  Ausschmückung  desselben  Bezug  hatte.  In  denjenigen 
Colonien,  welche  den  grössten  Einfiuss  auf  die  Richtung  des  öffe«ntlichen 
Geistes  in  Nord-Amerika  übten,  den  neuengländischen,  galt  die  Verschö- 
nerung des  Lebens  durch  Kunsterzeugnisse  irgend  welcher  Art  sogar  als 
unberechtigt.  In  diesen  starren  Reformern  zitterte  noch  etwas  vom  Geist 
der  Bilderstürmerei  nach.  Selbst  Portraits  wurden  selten  gesehen.  „Die 
Kraft  und  Energie  dieser  alten  Puritaner  hat  allerdings  ihre  Spuren  dem 
Lande  aufgedrückt,  aber  wir  zweifeln,  ob  irgend  welche  andere  von  ihren 
Eigenschaften  so  lange  das  Uebergewicht  behauptet  haben,  wie  ihre  ent- 
schiedene Abwendung  vom  Schönen  und  ihre  vollständige  Vernachlässigung 
der  Kunst.  Bis  auf  den  heutigen  Tag  sind  die  Spuren  ihres  vorherr- 
schenden Einflusses  in  dieser  Richtung  in  manchen  Theilen  des  Landes 
noch  zu  erkennen"*).  Was  die  Malerei  anbetrifft,  so  wird  1715  als  das 
Jahr  genannt,  in  welchem  zum  ersten  Mal  ein  Maler,  John  Watson,  in 
Perth  Amboy  seine  Werkstätte  aufschlug.  Gleich  allen  Malern  von  Copley 
und  West  war  er  nichts  anderes  als  ein  besserer  Schildermaler.  Wenn 
Fähigkeiten  vorhanden  waren,  fehlten  doch  die  guten  Muster  und  die 
Käufer.  Copley  soll  bis  zu  seinem  30.  Jahr  kein  gutes  Bild  gesehen 
haben  und  Trumbull  rieth  einem  Schüler,  „lieber  Schuhe  zu  machen  oder 
Kartoffeln  zu  hacken  als  in  diesem  Lande  Maler  zu  werden".  In  der 
That  gingen  die  wenigen  künstlerischen  Talente,  die  Nord-Amerika  im 
18.  Jahrhundert  erzeugte,  dem  Lande  verloren.  Copley,  West, 
Stuart,  die  bedeutendsten  von  ihnen,  verliessen  das  Land,  sobald  sie 
einen  Ruf  gewonnen  hatten.  An  ihre  Stelle  treten  im  Anfang  unseres 
Jahrhunderts  einige  Landschaftsmaler,  welche  die  vorher  fast  unbeachtet 
gebliebenen  Reize  der  amerikanischen  Landschaft:  die  glühenden  Sonnen- 


/ 


1)  The  Progress  of  Painting  in  America,   N.  Am.  Rev.   1877.  CXXIV.    452. 


XV.  Das  geistige  Leben.  581 

Untergänge,  die  Herbstfärbungen,  die  Urwaldscenen  in  einer  Weise  malten, 
welche  einheimische  Landschaftsbilder  zu  einer  Leidenschaft  des  Publikums 
werden  Hessen.  Doughty  ist  der  erste,  der  diese  Stoffe  mit  grossem 
Geschick  auffasste.  Gifford,  Inness,  Johnson  werden  in  erster  Reihe 
unter  seinen  Nachfolgern  genannt.  Diese  landschaftliche  Richtung  be-  ^^ 
herrschte  die  amerikanische  Malerei  bis  vor  etwa  20  Jahren.  Wenn  sie 
sehr  viel  Mittelmässiges  geliefert  hat,  so  ist  doch  unter  allen  Umständen 
die  Anregung  hochzuhalten,  welche  sie  dem  Naturgefühl  gegeben  hat.  Auch 
war  sie  die  berechtigste  Kunstform  in  einem  Volke,  dessen  junge  Ge- 
schichte arm  ist  an  grossen ,  zu  malerischer  Darstellung  begeisternden 
Momenten.  Mit  der  gesellschaftlichen  Gährung  durch  rasches  Anwachsen 
des  Reichthums,  stärkeres  Eindringen  europäischer  Sitten  und  Anschau- 
ungen, zunehmende  Corruption  im  politischen  und  Ueberspeculation  im 
wirthschaftlichen  Leben,  änderten  sich  auch  diese  ruhigen  idyllischen 
Neigungen.  Man  kann  die  Krise  von  1857  und  die  ihr  folgenden  Jahre 
sammt  der  Kriegszeit  von  1861 — 65  als  die  Zeit  bezeichnen,  in  der  diese 
Umsetzung  sich  stärker  zu  zeigen  begann,  und  ihr  entsprach  eine  gleich- 
zeitige starke  Aenderung  des  künstlerischen  Geschmackes,  die  in  ihrem 
engeren  Bezirke  auch  nicht  viel  weniger  als  eine  Umwälzung  bedeutete. 
Die  Summen,  die  für  Kunstgegenstände  ausgegeben  wurden,  verzehnfachten 
sich  in  Kurzem,  Kunstsammlungen  schössen  nur  so  auf  und  wurden  Specu- 
lationsgegenstände  wie  alles  andere.  Die  Einfuhr  von  Kunstsachen  aller 
Art  aus  Europa  gewann  dabei  am  meisten  *),  aber  auch  die  einheimischen 
Künstler  w'urden  viel  mehr  beschäftigt  als  früher.  Diese  zwang  die  Vor- 
liebe ihrer  Kundschaft  für  Europäisches  zur  Nachahmung  von  Mustern, 
die  man  bisher  kaum  gekannt  hatte,  und  es  datirt  von  dieser  Zeit  jene 
Mannigfaltigkeit  der  Stile  und  Versuche,  welche,  sehr  unähnlich  der 
Einseitigkeit  der  früheren  landschaftlichen  Richtung,  der  amerikanischen 
Kunst  plötzlich  einen  vielseitigen,  aber  auch  schwankenden  Charakter  auf- 
prägt. Optimisten  nennen  denselben  die  Renaissance  der  amerikanischen 
Kunst.  So  viel  lässt  schon  heute  sich  sagen,  dass  die  für  das  amerika- 
nische Volk  im  Ganzen,  bezeichnende  Mischung  der  Rassen  sich  auch  hier 
zur  Geltung  bringt,  denn  nicht  bloss  deutsche  (Bierstadt,  Leutze)  franzö-  ^ 
sische,  spanische  etc.  Namen  haben  die  Museen  und  Ausstellungen  von 
New  York  und  Boston  aufzuweisen,  sondern  es  entsprechen  denselben  auch 
offenbar  die  i^harakteristischen  Begabungen  der  betreffenden  Völker.  Nach 
allen  Analogien  wird  diese  Mischung  der  Begabungen  und  Bestrebungen 
sich  vorwiegend  zunächst  in  grosser  Vielseitigkeit  der  Bestrebungen  äussern, 
aus  der  im  günstigen  Falle  unter  Ueberwindung  der  Besonderheiten  der 
verschiedenen  Muster,  die  man  sich  vorhielt,   eine  neue  Richtung  hervor-    , 


1)  An  Gemälden,  Statuen,  Farbendrucken  und  Photographien  wurden  1877 
im  Hafen  von  New  York  625  930  D.  eingeführt. 


582  XV.  Das  geistige  Leben. 

gehen  kann,    für  die    vielleicht   die   Erfinderischkeit   der  Amerikaner  im 
Technischen  eine  eigenthümliche  neue  Grundlage  schaffen  könnte. 

Von  allen  bildenden  Künsten  ist  die  Baukunst  durch  die  Masse 
öffentlicher  Bauten,  welche  an  allen  Regierungssitzen  errichtet  wurden, 
die  Kirchen  u.  dgl.  am  meisten  gefördert  worden.  In  den  ersten  Jahr- 
zehnten der  "Republik   baute   man   die   ersteren  fast  nur  in  griechischem 

>  und  römischem  Stil  (das  grossartigste  Beispiel  dafür,  das  Kapitol  in 
Washington,  ist  nicht  ohne  edle  Grösse,  wenn  auch  stellenweise  entstellt), 
während  für  Kirchen  der  gothische  in  allen  denkbaren  Abwandlungen 
immer  der  beliebteste  blieb  *).  Der  herrschende  Natursinn  prägt  sich 
in  der  Vorliebe  für  einen  gewissen  pittoresken,  lebhaften,  landschaftlichen 
Charakter  aus,   den  man  den  Bauten  zu  gehen  sucht.     So  ist  bei  vielen 

,/  Kirchen  der  idyllische  Charakter  alter  englischer  Landkirchen  nachgeahmt, 
so  gleicht  das  Smithsonian  Institute  in  Washington  einem  grossen  pitto- 
resken Complex  von  Klostergebäuden  u.  s.  f.  In  den  grossen  Parkanlagen 
gibt  sich  entschiedener  Geschmack  kund.  Ein  See  von  1  e.  Q.  M.  inmitten 
einer  Stadt,    wie  in  Providence  R.  I. ,    die  alten  Ulmen  in  den  Strassen 

v/  von  Portland  Me.  oder  Cambridge  Mass.  sind  sehr  nach  dem  Geschmack 
des  Amerikaners.  An  reizenden  Landhäusern  ist  in  der  Umgebung 
grösserer  Städte   nirgends   Mangel..    Mit   dem  Hereinbrechen   des  Luxus 

v/in  das  öffentliche  und  Privatleben  seit  etwa  30  Jahren  hat  für  repräsen- 
tative Zwecke  auch  ein  üppigerer  Stil  Eingang  gefunden.  Regierungs- 
gebäude, Banken,  grosse  Handelshäuser  u.  dgl.  werden  jetzt  mit  Vorliebe 


1)  Leider  sind  die  Kirchen  in  den  V.  St.  durchschnittlich  ebenso  klein  als 
zahlreich.     Mächtige  Dome,    wie  man  sie  in  den  katholischen  Ländern  und  vor 

y  allen  auch  in  den  grösseren  Städten  Mittel-  und  Süd- Amerikas  findet,  sind  eine 
ganz  seltene  Erscheinung.  Nur  New  York  rühmt  sich ,  seit  Kurzem  in  seiner 
von  den  Katholiken  erbauten  334'  langen  und  hohen  Kathedrale  aus  weissem 
Marmor  eine  Kirche  zu  besitzen,  die  an  Pracht  und  Grösse  mit  jenen  gross- 
artigen Werken  wetteifern  kann.  Aber  die  Kirchen  der  vorherrschenden  Con- 
fessionen,  also  die  grosse  Masse,  sind  von  Einzelnen  oder  Gesellschaften  für 
kleinere  Kreise  erbaut,  bleiben  ihr  Eigenthum  und  sind  zum  grössten  Theil  von 

^  den  geschlossenen  Sitzen  (Pews)  eingenommen,  welche  den  einzelnen  Familien 
gehören,  Miteigenthümern  der  Kirche  oder  für  dieselben  Bezahlenden.  Für  das 
grosse  nicht  bezahlende  Publikum  wird  ein  je  nach  dem  Reichthum  der  be- 
treffenden Gemeinde,  Sekte  oder  Gesellschaft  grösserer  oder  kleinerer  Raum  auf 
den  Galerien  oder  im  Hintergrund  angewiesen.  Jene  geschlossenen  Sitze  werden 
verkauft  wie  jedes  andere  Eigenthum  und  ihre  Preise  schwanken  je  nach  der 
Gemeinde,  der  Sekte,  der  Nähe  bei  der  Kanzel,  der  Beliebtheit  des  Geistlichen, 
der  in  der  Kirche  predigt  u.  s.  f.  In  vielen  Fällen  gehören  diese  Sitze  der 
Kirche ,  welche  sie  vermiethet.  Ihre  Inhaber  zahlen  eine  jährliche  Steuer  für 
die  Bestreitung  der  oft  sehr  behaghchen  Ausstattung,  Erwärmung  und  Beleucli- 
tung  der  Kirclie  und  des  Gehaltes  des  Geistlichen. 


XV..  Das  geistige  Leben.  583 

in  irgend  einem  späteren  Renaissancestil  gebaut,  möglichst  reich  und 
kräftig  gegliedert.  Die  französischen  Mansardenbauten  haben  sich  epide- 
misch in  allen  jüngeren  Stadttheilen  von  Boston  bis  San  Francisco  ver- 
breitet. Wie  sehr  die  vorzüglichen  Materialien  der  Baukunst  zu  gute 
kommen,  bedarf  keiner  Hervorhebung.  Das  Eisen  findet  sehr  häufige  An- 
wendung. 

Für  die  Bildhauerei  ist  sicherlich  ein  guter  Boden  in  einem 
Lande,  wo  die  Denkmalmanie  wahrscheinlich  stärker  grassirt  als  irgendwo 
in  Europa.  Auch  scheint  etwas  Sentimentales,  Abstraktes  im  gewöhn- 
lichen amerikanischen  Kunstgeschmack  sich  sehr  zu  den  Marmorbildern 
liingezogen  zu  fühlen.  Leider  sieht  man  bis  jetzt  wenig  gute  Denkmäler ; 
die  meisten  grossen  Männer,  die  man  in  Erz  oder  Marmor  auf  den 
Plätzen  der  amerikanischen  Städte  stehen  sieht,  haben  eine  fatale  Familien-  ^  - 
bzw.  Fabrikähnlichkeit,  und  eine  gewisse  sentimentale,  neuerungssüchtige 
Unruhe  ist  gerade  der  Kunst  der  schönen  Ruhe  am  wenigsten  günstig. 
Unter  den  zahlreichen  Bildhauern  werden  R.  Ball  Hughes,  LR.  Rogers, 
Miss  H.  Hos m er  am  häufigsten  genannt  Bei  manchen  schönen  Leistungen 
soll  eine  gewisse  Unselbständigkeit,  die  übrigens  begreiflich  ist,  ihnen  allen 
gemein  sein. 

Die  Musik  als  Kunst  und  als  populäre  Kunst  hat,  man  darf  wohl  sagen, 
erst  durch  die  Deutschen  Eingang  in  den  V.  St.  gefunden.  Die  Amerikaner 
haben  offenbar  den  englischen  Mangel  an  musikalischer  Begabung  in  reichem  ^ 
Masse  mitbekommen  und  die  neuen  Einflüsse  des  Landes  und  der  Rassen- 
mischung haben  bis  jetzt  nichts  Eigenartiges  auf  diesem  Kunstgebiete 
entspriessen  lassen.  Es  müssten  denn  die  Riesenconcerte  mit  Kanonen 
und  tausendfachen  Hammerschlägen  sein.  Auch  ist  die  gute  öffentliche 
Musik  noch  vorwiegend  deutsch  und  die  Verbreitung  des  Geschmackes 
für  gute  Musik  gehört  zu  den  allseitig  anerkannten  Verdiensten  der 
Deutschen').  Es  hängt  diese  Rückständigkeit  zum  Theil  mit  der  Ab- 
neigung zusammen,  mit  der  man  das  Theater  behandelte.  Theater-^ 
spielen  war  bis  1794  in  Massachusetts  verboten.  1793  sah  eine  Gesellschaft, 
die  einen  Stall  zum  Theater  umgewandelt  hatte,  in  Boston  sich  gezwungen, 
ihre  Stücke  als  Moral  Ledures  anzukündigen,  um  nicht  straffällig  zu 
werden.  Die  Einführung  der  Oper  in  den  V.  St.  wird  von  der  ersten 
Darstellung  der  „Lucia"  in  New  York  (1844)  datirt.  Trotzdem  hat  Nord- 
Amerika  einige  hervorragende  Schauspieler  erzeugt  und  Shakespeare  ist 
in  Boston  eben  so  heimisch  wie  etwa  in  Liverpool.  Aber  es  entspricht 
ganz  dem  Wesen  des  Volkes,  dass  bei  den  Vorstellungen  selbst  classischer 
Stücke  nicht  der  harmonische  Gesammteindruck  das  Anziehende  ist, 
sondern   die  Leistung  irgend   eines   berühmten  Schauspielers,    der  dabei-  ' 


1)  M.  Wagner  gibt  in   seinen  Reisen  in  Nord-Amerika  (1854.  H.  Cap.  XV)  w^ 
eine  interessante  Schilderung  dieser  Kunstmission  der  Deutschen  in  Amerika. 


584  XV.  Das  geistige  Leben. 

nur  Coulissenreisser  zu  sein  braucht.  Daher  das  sog.  Star  Systmn,  nach 
v/ welchem  alle  Theatergruppen  zusammengesetzt  sind:  eine  oder  zwei  Be- 
rühmtheiten und  alle  Uebrigen  Stümper.  Zu  eigenen  dramatischen  Her- 
vorbringungen haben  sich  unter  diesen  Verhältnissen  die  Dichter  natürlicli 
nicht  begeistern  können.  Man  spielt  Anpassungen  von  europäischen  Stücken. 
VI.  Die  Presse.  Die  erste  Zeitung  in  Nord- Amerika  waren  die  Publick 
Occurences,  welche  1690  in  Boston  monatlich  erschienen.  Benjamin 
Franklin,  der  dem  Zeitungswesen  zuerst  geistigen  Halt  gab,  veröffentlichte 
1728  —  65  die  Pennsylvania  Gazette.  In  Philadelphia  erschien  1784  die 
erste  tägliche  Zeitung.  Der  Federalist  von  Hamilton,  Madison  und  Jay, 
drei  der  grössten  Redner  und  Staatsmänner  ihrer  Zeit,  entfaltete  in  der 
Verfassungskrise  von  1787  eine  Wirkung  von  solcher  Grösse,  dass  ihm 
ein  hervorragender  Platz  in  der  Geschichte  jener  Zeit  gebührt.  1816 
erschien  das  erste  von  jenen  religiösen  Wochenblättern,  die  jetzt  eine. so 
hervorragende  Rolle  in  der  Tagesliteratur  spielen.  In  den  30er  Jahren 
kam  das  System  der  Pennyblätter  auf,  die  durch  massenhafte  Verbreitung 
gewaltig  auf  die  tieferen  Schichten  des  Volkes  wirkten,  dadurch  aber 
die  Gefahr  nur  verstärkten,  die  aufklärehde  Aufgabe  der  Presse  in  eine 
demagogisch  aufwühlende  zu  verwandeln.  In  den  40  er  Jahren  gab  es  schon 
eine  ganze  Anzahl  von  grossen  Blättern,  welche  vorzüglich  in  der  Schnel- 
ligkeit ihrer  Nachrichten  wetteiferten.  Der  Vertrag  von  Guadalupe  Hidalgo 
(1849)  wurde  z.  B.  durch  den  N.  Y.  Herald  früher  veröffentlicht  als  er 
sogar  in  Regierungskreisen  bekannt  war.  Die  Erfindung  des  interviewen 
v^am  Mitte  der  50er  Jahre  und  wurde  bald  eine  lästige  Manie*).  1848 
wurde  die  Vereinigung  der  N.  Y.  Associated  Press  begründet  zum  Zweck 
billiger  Beschaffung  rascher  Nachrichten.  Dieselbe  hat  heute  ihr  Netz 
über  die  ganze  Erde  gespannt.  Sie  zahlte  1872  200000  D.  für  Kabel- 
telegramme. Ueberhaupt  hat  der  Telegraph  die  Thätigkeit  der  Presse 
in  den  V.  St.  ungeheuer  gesteigert.  Ihre  Leistungen  in  den  aufgeregten 
Zeiten  des  Bürgerkriegs  sind  als  so  bedeutend  für  die  Sache  der  beiden 
kämpfenden  Theile  anerkannt  worden,  dass  die  Presshyperbel  fast  wahr- 
scheinlich klingt,  „die  Zeitungen  seien  nur  hinter  den  Armeen  selbst  au 
Thätigkeit,  Aufopferung  und  Erfolg  zurückgestanden".  Seitdem  sind  sie 
aber  auch  in  den  ausseramerikanischen  Angelegenheiten  von  einer  erfolg- 
gekrönten Thätigkeit  gewesen,  welche  man  nicht  mit  Unrecht  den  europäi- 
schen Blättern  als  Muster  empfohlen  hat.  Man  braucht  nur  an  die 
Berichte  vom  deutsch -französischen  und    orientalischen  Kriegsschauplatz, 


.  1)  Der  erste  regelmässig  intervieivte  soll  Gerrit  Smith  gewesen  sein,  der- 
selbe, welcher  1859  in  das  John  Brown'sche  Unternehmen  gegen  Harpers  Ferry 
verflochten  war.  Der  im  Conversationston  abgefasste  Bericht  des  interviewenden 
Correspondenten  des  N.  Y.  Herald  machte  eine  sensationelle  Wirkung ,  welche 
rasch  zur  Nachahmung  anspornte.     (F.  Hudson,  Journalism  in  the  U.  S.  563.) 


XV.  Das  geistige  Leben.  585 

an  die  Leistungen  H.  E.  Stanley's,  des  Afrika-Forschers,  an  die  Thätig-^ 
keit  amerikanischer  Journalisten  in  dem  von  ihren  europäischen  Fach- 
genossen nie  besuchten  Mittel-Asien  u.  dgl.  zu  erinnern.  Ueber  ilir  quan- 
titatives Wachstlium  hat  zuletzt  F.  Steiger ')  verlassliche  Notizen  gegeben, 
der  für  Ende  1872  8081  periodische  Blätter  in  den  V.  St.  namentlich 
verzeichnet  1878  wurde  ihre  Gesammtzahl  auf  818:>  angegeben. 

Die  nordamerikanische  Presse  ist  in  hohem  Grade  verschieden  von 
dem,  was  man  in  Europa  und  besonders  in  Deutschland  mit  diesem  Namen 
belegt.  Aeusserlich  haben  die  amerikanischen  Tagesblätter  durch  die  ge- 
schickte Mache,  vorzüglich  was  den  Reichthum,  Mannigfaltigkeit  und  die 
möglichst  abwechselnde  Zurichtung  des  Stoffes  anbelangt,  ferner  in  dem 
Streben  nach  lebliafter,  unterhaltender,  selbst  sensationeller  Form  am 
meisten  Aehnlichkeit  mit  den  pariser  und  wiener  Durchschnittsblättern.  ^ 
An  Reichhaltigkeit,  an  lebhafter,  unterhaltender  Schreibweise  und  manch- 
mal auch  an  Gediegenheit  des  Inhaltes  stehen  selbst  die  Lokalzeitungen, 
welche  nur  ein-  bis  dreimal  die  Woche  erscheinen,  der  entsprechenden 
deutschen  Presse  weit  voran.  Aber  an  Gehalt  und  Ziel  sind  sie  trotzdem 
weit  von  jenen  verschieden.  Und  der  Unterschied  läuft  vorzüglich  auf 
folgende  Punkte  hinaus:  Innigere  Beziehung  zu  dem  politischen  Leben 
und  folgerichtig  zu  den  Parteien;  ausserordentlich  weite  Gelesenheit, 
besonders  nach  der  Tiefe  der  Volksmasse  hin;  Streben  nach  möglichst 
rascher  Vermittelung  der  Neuigkeiten  und  möglichst  grosser  Menge  der- 
selben. Die  nordamerikanische  Tagespresse  will  mit  der  energischen  \^ 
Einseitigkeit,  die  so  bezeichnend  für  jedes  Wirken  des  Nordamerikaners, 
auf  welchem  Gebiete  es  sei,  demTage  dienen.  Rasch  zu  verbreiten,  ix 
was  der  Tag  verlangt  und  was  er  bietet,  nicht  mehr  und  nicht  weniger, 
das  ist  ihr  Ehrgeiz.  Von  Unparteilichkeit  könnte  unter  diesen  Ver- 
hältnissen keine  Rede  sein,  auch  wenn  nicht  das  politische  Leben  in 
dem  Kampfe  der  Parteien  fast  restlos  aufginge.  Aber  die  Tagesblätter 
sind  mit  verschwindenden  Ausnahmen  Parteiorgane  und  selbst  diejenigen, 
denen  ein  bedeutender  Redakteur  den  Stempel  seines  Geistes  aufprägt, 
werden  dadurch  nur  weniger  schablonenhaft,  bleiben  aber  ganz  so  entschieden 
Parteiblätter  wie  alle  anderen.  Es  schliesst  dies  nicht  aus,  dass  Tages- 
blätter daneben  auch  anderen  Interessen  dienen  und  sogar  in  viel  weiterer 
Ausdehnung  als  bei  uns.  Einige  vertreten  Confessionen  oder  Sekten, 
andere  Nationalitäten,  andere  Classen  und  Stände  (Farmers,  Gross- 
industrielle, Geldleute),  andere  sogar  Rassen;  aber  die  Parteischeidung 
greift  so  tief  ein,  dass  ein  Lossagen  von  derselben  im  Allgemeinen  nicht 
möglich  ist.  Finden  wir  doch  selbst  in  Zeitungen,  die  nur  der  religiösen 
Erbauung  dienen  wollen  (meist  Wochenschriften)  fast  in  jeder  Nummer 
Abschweifungen  ins  politische  Gebiet,  ebenso  in  landwirthschaftlichen  und  ' 


1)  The  Periodical  Literature  of  the  U.  S.  1873. 


586  XV.  Das  geistige  Leben. 

technischen,  ja  fast  in  allen  periodisch  erscheinenden  Blättern.  l)ass  es 
an  Geist  in  dieser  Presse  und  selbst  an  Charakter  nicht  fehlt,  geht  schon 
daraus    hervor,    dass    sie    die    Schule    aller    Politiker   ist.     Untadelhafte 

^'Charaktere  selbst  der  jüngsten  Zeit,  wie  Greeley  und  Schurz,  sind  Jour- 
nalisten gewesen  und  mancher  bedeutende  Staatsmann  wurde  wieder  Editor, 
wenn  er  von  seinem  Amte  zurücktrat.  Der  geistig  bedeutendste  Amerikaner 
des  18.  Jahrhunderts,  Benjamin  Franklin,  war  Zeitungsmann!  Aber  diese 
Leute  ändern  die  Methode  des  amerikanischen  Journalismus  nicht  und  in 
der  Regel  sind  nicht  ihre  Blätter  die  geschäftlich  erfolgreichsten.  Dazu 
kommt,  dass  es  eine  grosse  nicht  nur  unabhängige,  sondern  beherrschende 
Zeitung,  wie  es  in  Europa  häufig  die  Blätter  der  Hauptstädte  sind,  in  den 
V.  St.  schon  der  grossen  Entfernungen  wegen  nicht  geben  kann.  Sie  sind 
alle  mehr  oder  weniger  Lokalblätter.  Selbst  die  new-yorker  Blätter  sind 
ausser  der  Stadt  nur  noch  im  Staate  von  Bedeutung  und  nur  einige  ganz 
hervorragende  erhalten  in  ihren  Sonntags-  und  Wochenausgaben  eine  weitere 
Verbreitung.     Es   ist   eine   oft   erwähnte  Thatsache,    dass   die   Sitte   des 

N/ Zeitungslesens  hier  in  viel  tieferen  Schichten  hinabreicht  als  irgendwo 
in  Europa')  und  es  erklärt  daher  schon  der  bedeutende  Absatz,  den 
dieselben  finden,  ihr  massenhaftes  Auftreten.  Nach  statistischen  Mitthei- 
lungen aus  dem  Jahre  1869  (denen  man  natürlich  nur  eine  annähernde 
Richtigkeit  zuschreiben  wird)  existirten  damals  in  den  V.  St.  63  Zeitungen 


1)  Einen  merkwürdigen  Beweis  für  die  ünentbehrlichkeit  der  Presse  bei 
den  Nordamerikanern  liefern  die  Armeezeitungen  welche  bei  keinem  Feldzuge 
fehlten;  so  wurden  z.  B.  1846  —  48  ein  Pioneer  in  Monterey,  eine  American 
Flag  in  Matamoros,  ein  Sentinel  in  Tampico,  ein  Eagle  in  Veracruz,  ein  Star 
in  Jalapa,  ein  Anglo-Saxou  in  Chihuahua  und  noch  manche  andere  heraus- 
gegeben. So  erschienen  unmittelbar  nach  der  Einnahme  von  New  Orleans  durch 
Banks. (1863)  Zeitungen  der  Eroberer  auf  die  Rückseite  von  Tapeten  gedruckt. 
Sogar  eine  Excursionsgesellschaft  von  Boston  nach  S.  Francisco  via  Pacific  R.  R. 

s/  aus  etwa  150  Köpfen  bestehend ,  liess  sich  im  Jahr  1870  während  der  ganzen 
Reise  ein  Tagblatt  drucken,  und  führte  für  diesen  Zweck  eine  vollständige 
Druckeinrichtung  mit  sich.  Der  Journalismus  breitet  sich  dabei  auf  Gebiete 
des  Lebens,  und  nicht  bloss  des  öffentlichen  aus,  wo  wir  ihn  noch  lange  nicht 
kennen.  Die  regelmässig  erscheinenden  Wochenschriften  der  Studenten  und- 
Studentinnen   der  Colleges  —  sogar   die  Schüler   des  Taubstummeninstituts  von 

n/ Louisiana  haben  ihren  Deaf  Mute  Pelikan  —  deren  manclie  dieser  höheren 
Schulen  mehrere  besitzen,  sind  keine  Kneipzeituugen  wie  bei  uns,  sondern  zum 
grössteu  Theil  ernstgehaltene  Repertorien  des  studentischen  Lebens,  in  denen 
mancher  Artikel  Zeugniss  ablegt  von  der  frühen  Reife  des  Geistes  und  der 
früherworbenen  Fähigkeit,  öffentliche  Fragen  zu  behandeln,  Dass  dabei  manches 
Jugendliche  mit  unterläuft  ist  nur  zu  natürlich,  aber  im  Allgemeinen  überwiegt 
auch  hier  ein  Lebensernst,  den  wir  auf  dieser  Stufe  bei  uns  nicht  zu  suchen 
ptiegen.  Staatsmänner  wie  D.  Webster  haben  in  solchen  Collegeblättern  ihre 
journalistischen  Sporen  verdient. 


XV.  Das  geistige  Leben.  587 

die  mehr  als  20000  Abnehmer  zählten.  In  New  York  gab  es  6  Blätter, 
die  zusammen  eine  Auflage  von  über  1  Million  hatten,  in  Philadelpliia  . 
hatten  3  Blätter  zusammen  857  000  Abnehmer.  Diese  weitverbreiteten 
Blätter  waren  Wochenblätter,  aber  von  den  hervorragenden  new-yorker 
Morgenzeitungen  hatte  die  Tribüne  eine  Auflage  von  43000,  die  Sun 
von  47  000,  die  News  von  48000,  der  Herald  von  68000,  und  von  jenen 
63  Zeitungen  waren  überhaupt  12  tägliche  Ausgaben.  Aber  dieses  Ent- 
gegenkommen des  Publikums  würde  die  Presse  nicht  so  üppig  gedeihen 
lassen,  wenn  nicht  aus  anderen  Quellen  ihr  beträchtliche  Nahrung  zuflösse. 
Das  Anzeigewesen  ist  hier  bedeutend  höher  entwickelt  als  in  Deutsch- u^ 
land,  wie  sich  bei  dem  ungemein  energischen  regsamen  Handelstrieb  von 
selbst  versteht*).  Viele  Artikel  finden  ja  nur  Abnehmer,  wenn  sie  ohne 
Unterlass  in  der  auffallendsten  Weise  angezeigt  werden;  die  Patentmedi- 
cinen,  welche  in  dieser  Gruppe  eine  hervorragende  Stelle  einnehmen, 
bringen  manchem  Blatte  tagtäglich  zwei  bis  drei  Spalten  voll  Anzeigen ;  v^ 
jüngere  Aerzte  und  Anwälte,  die  nicht  dauernd  annonciren,  Eisenbahn- 
und  Dampferlinien,  die  nicht  tagtäglich  ihre  Fahrtenpläne  bekannt  machen, 
Wirthe,  die  nicht  sehr  oft  in  den  Anzeigespalten  ihre  Freunde  zu  häufigem 
Besuch  ermahnen,  existiren  für  das  grosse  Publikum  gar  nicht.  Bis  zu 
einem  gewissen  Grade  herrscht  hier  in  dieser  Beziehung  eine  Anschauungs- 
weise, die  der  deutschen  geradezu  entgegengesetzt  ist.  Es  schadet  einem 
Geschäfte  nicht,  wenn  es  sich  in  einer  marktschreierischen  Weise  anzeigt,  ^ 
welche  bei  uns  sofort  Misstrauen  erwecken  würde.  Dass  die  grossen 
Geschäfte  jahraus  jahrein  bestimmte  Spalten  des  Anzeigetheils  für  ihre 
Anzeigen  gepachtet  haben  und  ihre  Empfehlung  zum  Ueberfluss  noch 
auf  jeden  Zaun  und  Stein  im  Lande  pinseln  lassen,  gereicht  ihnen  in  den 
Augen  der  Amerikaner  nur  zum  Lob  und  Vortheil.  Es  ist  erstaunlich, 
wie  gefüllt  mit  Anzeigen  selbst  die  Winkelblättchen  in  den  kleineren 
Städten  sind.  Viele  würden  sich  ohne  dieselben  gar  nicht  halten  können. 
Grosse  Anzeigeagenturen  wie  in  Deutschland  und  anderwärts  gibt  es  hier 
nicht.  Die  grösseren  Blätter  halten  Reisende  für  diesen  Zweck  und  die 
kleineren   setzen   die  Geschäftsleute   ihrer  näheren  Umgebung  in  Contri- 


1)  Das  System  mit  Geschäftsanzeigeu  sogar  die  freie  Natur  zu  verunstalten, 
welches  zuerst  in  England  zum  Zweck  der  Ersparung  der  Einrückungskosten 
aufgebracht  wurde  ist  in  den  V.  St.  zu  einer  wahren  Landplage  ausgewachsen.  ^^ 
Jeder  Fels,  jede  Klippe,  jeder  Zaun,  sogar  Punkte,  an  die  schwer  hinzugelangen  / 
ist,  sind  mit  fusslangen  Lettern,  meist  Geheimmittelanzeigen,  bekleckst.  Ausser- 
dem sind  in  den  Städten  selbst  Mauern,  Säulen,  das  Innere  der  Wagen,  die 
Gänge  der  öffentlichen  Gebäude  mit  Plakaten  tapezirt  und  in  den  Zeitungen  ist 
das  Anzeigewesen  zu  einer  Massenhaftigkeit  und  gleichzeitig  einer  fast  wissen- 
schaftlichen Gliederung  und  Methodik  entwickelt  wue  selbst  in  England  nicht. 
Man  behauptet,  dass  die  nordamerikanischen  Zeitungen  5 mal  soviel  Anzeigen 
enthalten  als  die  englischen. 


588  XV.  Das  geistige  Leben. 

butioii.  Gewöhnlich  ist  der  Country  Editor  kein  sehr  zartfühlendem  Mann 
v-Tind  weiss  sein  Blattchen  gefürchtet  zu  machen;  würde  ihm  einer  den 
Tribut  einer  Anzeige  verweigern,  so  könnte  er  schlecht  dabei  wegkommen, 
zumal  der  Herr  Editor  in  fast  allen  Fällen  aussichtsreicher  Candidat  für 
dieses  und  jenes  Amt  ist.  Im  41.  Congress  gab  es  8  Journalisten  im  Senat 
und  26  im  Kepraseutantenhaus ,  und  dass  aus  diesem  Element  oft  schon 
mehr  als  die  Hälfte  einer  Staatslegislatur  sich  zusammensetzte,  ist  That- 
sache  ^).  Da  an  die  Zeitungen  sehr  oft  die  Versuchung  herantritt,  von  einem 
Mann  oder  einer  Gesellschaft  für  Zwecke  gekauft  zu  werden,  welche  nicht 
ganz  und  gar  mit  den  öffentlichen  Interessen  zusammenfallen,  denen  die 
Zeitungen  naturlich  alle  zu  dienen  vorgeben,  und  da  die  weitaus  meisten 
besonders  von  den  grösseren  Blättern  diesen  Versuchungen  erliegen,  denkt 
man  von  der  Moral  der  Redakteure  im  Ganzen  nicht  sehr  hoch,  lässt  sich 
aber  mit  der  charakteristischen  Unbekümmertheit  von  derartigen  Bedenken 
nicht  im  mindesten  stören,  wenn  es  an  die  Wahlen  geht. 

Manchmal  bringt  ein  günstiger  Zufall  einen  ehrenhaften  und  fähigen 
Mann  gerade  an  die  Spitze  eines  solchen  kleineren  Blattes,  der  aus  mehr 
als  blossem  Geschäftsinteresse  sich  anstrengt,  den  Lesern  etwas  Ordentliches 
zu  bieten.  Hier,  wo  ein  politisches  Leben,  das  tief  in  die  Interessen  aller 
Bürger  eingreift,  den  Zeitungen  einen  grossen  Einfluss  und  dem,  was  sie 
sagen,  Kraft  und  Saft  thatsächlicher  Bedeutung  verleihen,  haben  sie  einen 
viel  präciseren,  praktischeren  Zweck.  Es  ist  nicht  immer  gut  und  schön, 
was  sie  sagen  und  noch  weniger  ist  es  die  Art  und  Weise,  wie  sie  es  sagen, 
v/aber  es  hat  einen  Zweck.  Da  unser  politisches  Leben  natürlicherweise  den 
kleineren  Zeitungen  nicht  so  viel  Stoff  und  Anregung  bietet,  ergibt  sich  ganz 
von  selbst  für  sie  die  Aufgabe  mannigfaltigerer  Stoffzusammenstellung, 
interessanterer  Schreibweise,  vor  allem  gediegener,  ernsthafter  Haltung. 
^/Man  kann  sie  als  ein  Volkslesebuch  ansehen,  von  dem  jährlich  ein  Band 
Blatt  für  Blatt  veröffentlicht  wird,  während  die  amerikanischen  Lokal- 
blätter Mittel  zum  Zweck  der  politischen  Aufrüttelung  und  Wachhaltung 
des  Volkes  sind.  Dieser  Unterschied  beschränkt  sich  aber  nicht  auf  die 
Lokalblätter.  Die  Idee  einer  Zeitung,  welche  sich  den  politischen  Ereig- 
nissen gegenüber,  statt  Agitator  und  Agitationsmittel  zu  sein,  wesentlich 
referirend  verhält,  ist  den  Nordamerikanern  durchaus  fremd;  ein  Blatt, 
das  grossen  Werth  auf  gute  Correspondenzen  aus  dem  In-  und  Auslande 
legen  würde  und  dessen  Leiter  dem  Leser  nicht  ihrUrtheil,  sondern  nur 


v  1)  1861    ernannte  Lincoln    nicht  weniger   als  6  Journalisten    zu  Gesandten 

bzw.  zu  Generalconsuln  und  zwar  wurden  die  Posten  in  Paris,  Rom,  Coustanti- 
nopel,  Rio,  La  Paz  und  Kairo  mit  denselben  besetzt.  Der  Eigenthümer  des 
N.  Y.  Herald  hatte  die  pariser  Gesandtenstelle  abgelehnt.  1872  war  Greeley 
vom  Präsidenten  Grant  zum  Gesandten  in  London  bestimmt  gewesen  und  1878 
wurde  der  berliner  Posten  dem  Herausgeber  der  N.  Y.  Times  angeboten. 


XV.  Das  geistige  Leben.  589 

die  Materialien  zur  unabhängigen  Bildung  desselben  darbieten,  würde 
hier  gewiss  keinen  Beifall  finden.  Das  innere  politische  Leben  in  der 
Gemeinde,  dem  Staate  und  der  Union  gibt  immer  Stoff  genug  zu  pikanten 
Leitartikeln  und  über  die  Zustände  der  fremden  Völker  hält  man  sich 
für  ganz  genügend  informirt,  wenn  man  über  die  wichtigsten  Vorkommnisse 
dann  und  wann  ein  Telegramm  vorfindet.  Nur  die  grössten  Blätter  haben 
in  letzterer  Richtung  sich  entschieden  gebessert. 

Die  Mache  einer  nordamerikanischen  Zeitung  ist  immer  die  folgende : 
Kurze  Leitartikel  und  Leitartikelfragmente,  die  in  der  Regel  sehr  ge- 
schickt, witzig,  pikant,  aber  in  den  Fällen,  die  ausserhalb  des  Gebietes 
der  Parteipolitik  liegen ,  meist  ohne  p]rnst  und  nicht  mit  hervorragender 
Sachkenntniss  geschrieben  sind ;  sehr  ausgedehnte  Lokalberichte ;  eine 
Masse  kurzer  Notizen  als  Mannigfaltiglceitcn,  Vermischtes  etc.;  zahlreiche 
Telegramme  und  endlich  eine  Masse  Reclamen,  die  diesen  bevorzugten 
Platz  bezahlen,  nehmen  den  Raum  einer  Zeitung  über  dem  Redaktions- 
strich ein.  Theater-  und  Concertberichte,  Auszüge  aus  Predigten  und 
Vorlesungen  und  in  seltenen  Fällen  eine  Correspondenz  aus  irgend  einem 
europäischen  Lande  schieben  sich  zu  Zeiten  dazwischen.  Handels-,  Schiff- 
fahrts-  und  Börsenberichte  nehmen  stets  einen  grossen  Raum  ein  und 
Anzeigen  sind  auf  allen  den  vier  oder  acht  Seiten  zu  finden.  Ein  Feuil- 
leton im  europäischen  Sinn  ist  nicht  vorhanden,  aber  in  den  Sonntags- 
nummern, und  bei  grösseren  Blättern  auch  in  anderen  Nummern,  finden 
sich  sehr  mannigfaltige  Mittheilungen  belletristischer  und  populärwissen- 
.^chaftlicher  Gattung. 

An  Achtung,  die  man  ihr  zollt,  steht  die  Presse  hier  bei  aller 
Freiheit,  deren  sie  geniesst,  und  die  man  praktisch  unbeschränkt  nennen 
kann,  thatsächlich  weit  tiefer  als  die  deutsche,  englische  oder  französische. 
Unter  den  grossen  und  einflussreicheu  Tagesblättern  der  V.  St.  sind  nur 
wenige,  von  denen  ein  anständiger  und  einigermassen  gebildeter  Mensch 
irgend  eine  Nummer  mit  voller  Befriedigung  lesen  könnte.  Keines  stellt 
sich  die  Aufgabe  möglichst  objektiv,  wahrheitsgetreu  und  gründlich  zu  sein 
und  in  seiner  Haltung  jene  gewisse  Würde  zu  wahren,  die  wir  am  wenigsten 
bei  einem  Diener  der  öffentlichen  Interessen  missen  möchten.  Jedes  dient 
rückhaltlos  einer  Partei,  jedes  will  so  rasch  als  möglich  seinen  Leserkreis  ^ 
erweitern  und  thut  dies,  indem  es  zu  den  Vorurtheilen  der  Masse  oder  zu 
Classenvorurtheilen  herabsteigt;  jedes  will  so  viel  als  möglich  und  so  rasch 
als  möglich  berichten  und  wird  durch  den  Wetteifer  in  dieser  Richtung  von 
jeder  Rücksicht  auf  Wahrheit  ui;d  Gründlichkeit  weggedrängt.  Die  Cor- 
ruption  der  Presse  ist  eine  nicht  minder  complicirte  Erscheinung  als 
die  des  ganzen  politischen  Lebens.  Nicht  ihre  Käuflichkeit  allein  oder 
vorzüglich  bedingt  diese  Corruption;  dieselbe  ist  nur  eine  Seite  von  ihr 
und  nicht  die  wichtigste.  Der  Mangel  an  Anstand  und  Ehrgefühl  ist  in 
der  Presse   wie   im  ganzen  politischen  Leben  die  verdächtigste  und  häss- 


590  XV.  Das  geistige  Leben. 

lichste  Erscheinung  und  dass  das  Publikum  im  Ganzen  ihn  nicht  fühlt, 
dass  es  sich  so  wohl  behagt  bei  der  Lektüre  der  Gemeinheiten,  die  ihm 
Tag  für  Tag  geboten  werden,  und  an  diesen  Blättern  noch  etwas  Rechtes 
zu  haben  glaubt,  macht  diesen  Mangel  doppelt  empfindlich.  Man  muss 
sich  am  Ende  doch  sagen,  dass  die  popuLären  Blätter  mehr  oder  weniger 
das  bieten,  was  dem  Volk  gefällt.  Wendet  man  sich  den  periodischen 
Erscheinungen  zu,  welche  über  das  alltägliche  Lese-,  Aufregungs-  und 
Antreibungsbedürfniss  hinausgehen ,  so  bemerkt  man  eine  Besserung 
sowohl  in  Form  als  Gehalt.  Der  Reiz  nach  Sensation,  der  Wunsch  Auf- 
sehen zu  machen,  fehlt  auch  hier  gar  nicht,  aber  der  Ton  ist  ruhiger, 
die  Prüfung  gründlicher,  das  Urtheil  abgewogener.     Schon  die  zahlreichen 

v^Wochenausgaben  der  Tagesblätter  machen  in  der  Regel  einen  besseren 
Eindruck  als  die  Tagesausgaben.  Einige  politisch  -  literarische  Wochen- 
blätter sind  sehr  gut  geschrieben  und  anständig.  Merkwürdig  tief  stehen 
aber  überall  noch  die  Witzblätter,  von  denen  trotz  des  so  regen  politischen 
Lebens  bis  jetzt  kein  einziges  grössere  Bedeutung  gewonnen  hat.  Die 
Literatur  der  illustrirten  Montlüys  ist  reich  und  weist  einige  gut  bediente 

^und  gut  geleitete  Organe  auf.  Das  Atlantic  Montlily  ist  die  Revue  des 
Deux  Mondes  des  feineren  Lesepublikums  in  den  V.  St.     Die   englischen 

,/Quarterlys  sind  achtungswerth  vertreten  in  der  North  American  Bevieiv 
(seit  1815).  Von  aussergewöhnlicher  Verbreitung  sind  Fachzeitschriften 
aller  Art,  besonders  landwirthschaftlicher  und  industrieller  Gattung.  Einige 
wissenschaftliche  Zeitschriften,  vor  allen  das  American  Journal  of  Science 
and  Arts  (seit  1818)  gehören  zu  den  auch  in  der  europäischen  Gelehrten- 
welt wohlangesehenen  Erscheinungen  ihrer  Art. 


1)  Gewisse,  sehr  einflussreiche  Blätter  wie  Horace  Greeley's  New  York 
Tribüne  verdankten  die  hohe  Stellung,  die  sie  einnahmen,  fast  ausschliesslich 
\/ihrer  Wochenaiisgabe ,  die  6 mal  so  verbreitet  war  wie  die  täghche.  Während 
der  moralische,  sogar  oft  ideale  Ton  des  Blattes  der  Handels-  und  Industrie- 
atmosphäre von  New  York  sehr  wenig  entsprach,  sagte  er  dem  hart  arbeitenden 
Farmer  des  Inneren  um  so  mehr  zu.  Durch  ausserordentlich  niedrige  Preise 
(2  Doli.),  den  sehr  hohe  Anzeigegebühren  aufwogen,  erreichte  diese  Wochenzeitung 
zeitweihg  Auflagen  von  über  200  000,  allerdings  nur  in  der  besten  Zeit,  als 
Greeley  das  officielle  Haupt  einer  grossen  Partei,  einer  der  populärsten  Männer 
der  Union  und  ein  geschickter  Redner  war,  der  in  ausgedehnten  Lecture 
Trips  persönlich  Reklame  für  sich  und  sein  Blatt  machte. 


XVI.  Das  Volk  •und  die  Gesellschaft. 

I.  Das  Volk.  Schwierigkeit,  den  Begriff  H^ordauierikaner  zu  bestimmen  591. 
Die  zwei  historischen  Schichten  592.  Die  Zusammensetzung  des  Volkes  der 
V.  St.  592.  Aneignung  und  Aufsaugung  der  fremden  Elemente  595.  Stellung  . 
der  Deutschen  596.  Volkstypen  598.  —  IL  Der  Einzelmensch.  Anthro- 
pologische Merkmale  600,  Körperlicher  Verfall  601.  Geistige  Merkmale  603. 
Die  Frühreife  und  das  frühe  Altern  604.  Freier  und  gebundener  Geist  605. 
Volksstimmung  606.  Geistige  Bereitschaft,  Beweglichkeit,  Reiselust,  Liebe  zum 
eigenen  Herd  606.  Die  Ermüdung  im  Aeusseren.  Die  Höflichkeit  und  Frauen- 
verehrung 607.  Die  Frau  608.  Sittlichkeit  610.  Familie  612.  —  IIL  Die  Ge- 
sellschaft. Die  3  Culturzonen  614.  Die  Gesellschaft  des  W.  615  Die 
gesellschaftliche  Gleichheit  617.  Die  Aristokratie  621.  Gleichartigkeit  der 
Sitten  622.  Einfluss  von  New  York  622.  —  IV.  Die  Physiognomie  des 
äusseren  Lebens.  Zerstreutheit  der  Culturmerkmale  622.  Rascher  Wechsel 
623.  Schönheit  624.  Charakter  der  Städte  und  des  städtischen  Lebens  625. 
Das  flache  Land  629.     Ruinen  630.     Die  Neigung  zum  Grossen  630. 

I.  Das  Volk.  Ein  Mann,  der  viel  über  Nord-Amerika  geschrieben 
und  neuen  Vorurtheilen  über  dasselbe  Nahrung  gegeben  hat,  indem  er 
die  alten  zu  zerstreuen  suchte,  hat  das  geflügelte  Wort  in  die  Welt  gesandt : 
„Die  V.  St.  sind  ein  neues  Reich,  aber  ein  altes  Volk"  ^).  Den  Vordersatz  ^ 
versteht  man,,  aber  den  Nachsatz  muss  man  dahin  erläutern,  dass  er  die 
Ilerübernahme  altweltlicher  Lebensformen,  Anschauungen,  Bildungselemente 
u.  s.  w.  meint.  Ist  es  aber  darum  gerechtfertigt,  das  Volk  der  V.  St. 
alt  zu  nennen?  Nur  Gründe  der  rhetorischen  Wirkung  vermöchten  dies, 
mit  denen  die  kühle  Erwägung  der  Dinge  nichts  zu  thun  hat.  Wahrer 
ist  jedenfalls  der  Ausruf  eines  anderen  Franzosen:  „Man  beruft  sich  auf 
Amerika;  ich  kenne  nichts  widerwärtigeres  als  diese  Lobsprüche,  die  man 
einem  kleinen  Kinde  ertheilt.  Lasst  es  erst  wachsen"  ^).  Will  man  die 
Völker  classificiren ,  so  sind  jedenfalls  die  Nordamerikaner  als  junges 
Volk  unter  die  jüngsten  zu  stellen.  Sie  selbst  weisen  sich  diese  Stel- 
lung zu.  Jung  sind  sie  als  Bewohner  ihres  Landes,  von  welchem  sie 
weite    Strecken    kaum    ein    Menschenalter    inne    haben;    jung   in    ihrer 


1)  Laboulaye,  Hist.  des  Etats  Unis.  1870.  I.  35. 

2)  J.  de  Maistre,  Consider.  sur  la  France  1797.  65. 


592  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellscliaft. 

ethnographischen  Zusammensetzung  aus  zahlreichen  Völkern  und  Rassen, 
deren  Verschmelzung  noch  lange  nicht  vollzogen  sein  wird ;  jung  in  ihren 
gesellschaftlichen,  wirthschaftlichen  und  politischen  Einrichtungen,  die  voll 
Neuerungen  sind,  welche  theilweise  sich  selbst  und  allesammt  ihre  Rück- 
wirkung auf  das  werdende  Volk  noch  zu  erproben  haben;  jung  in  ihrer 
Armuth  an  denjenigen  Besitzthümern,  die  naturgemäss  nur  im  Lauf  einer 
langen  Entwickelung  erworben  werden:  geschichtliche,  literarische,  künst- 
lerische, wissenschaftliche  Grösse.  Wir  haben  in  allen  diesen  Richtungen 
ernste  Anläufe   kennen  gelernt,    die  Grosses   versprechen,    aber  es    sind 

v/ Anläufe  und   man   kann  nicht   sagen,    was  dieses  Volk  noch  werden  und 
leisten  wird. 

Nord -Amerika  hat  bis  jetzt  nur  zwei  Schichten  in  seiner  Geschichte 
und  in  der  zeitlichen  Aufeinanderfolge  seiner  Bevölkerungen  aufzuweisen. 
Die  unterste,  die  indianische,  haben  wir  kennen  gelernt;  sie  ist  grossen- 
theils  von  der  rasch  anwachsenden  europäisch- amerikanischen  bei  Seite 
gedrückt  oder  wird  Avenigstens  so  dicht  von  derselben  bedeckt,  dass  sie 
nur  noch  im  W.  an  einigen  Punkten  hervorsieht,  wo  jene  noch  dünn  ist. 
Inwieweit  sie  sich  erhalten  oder  verdrängt  oder  aufgesogen  werden  wird, 
haben  wir  oben  Cap.  III  zu  bestimmen  gesucht.  In  der  Cultur  des  Landes 
ist  sie  gegenwärtig  ohne  Bedeutung,  aber  auf  die  Zusammensetzung  der 
Bevölkerung  des  W.  übt  sie  eine  nicht  unbedeutende  Wirkung,  wie  die 
40000  Mischlinge  anzeigen,  welche  ihre  Statistik  verzeichnet  (s.  o.  S.  160). 
Was  die  zweite  Schicht  anbetrifft,  die  noch  im  Wachsen  ist,  so  haben 
wir  ihre  Zusammensetzung  bereits  als  eine  sehr  bunte  kennen  gelernt. 
Wir  haben  die  Landesangehörigkeit  der  von  1820  —  76  Eingewanderten 
verzeichnet  (S.  163)  und  haben  gesehen,  dass,  wenn  man  die  Bevölkerung 
der  V.  St.  in  ihre  Elemente  £erlegt,  54  Proc.  auf  den  britischen  (wovon 
46  Proc.  ursprünglicher  Stamm),  16  auf  den  irischen,  13  auf  den  deutschen, 
12  auf  den  afrikanischen  Antheil  entfallen  (S.  169).  Der  Rest  von 
5  Proc.  vertheilt  sich  auf  die  Franzosen,  Spanier,  Chinesen  etc.  Der 
letzteren  dürfte  es  ca.  0,13  sein.  An  Indianern  kommen  ca.  0,5  Proc. 
hinzu.  Wir  haben  den  verschiedenen  Werth  dieser  Bestandtheile  zu 
bestimmen  gesucht  (S.  167  f.),  dabei  aber  hervorgehoben,  dass  der  unbe- 
dingt herrschende  derselben  immer  der  angelsächsische  bleibt.  Dieser 
macht  englische  Sprache,  Sitten  und  Anschauungen  herrschend  in  den 
V.  St.  und  jenen  Bruchstücken  ist  es  nur  gegönnt,  leichte  Aenderungen 
dieses  herrschenden  Typus  nach  einer  oder  anderen  Richtung  hervorzu- 
rufen. In  dieser  Beziehung  kommen  am  meisten  ins  Spiel:  ihre  Verthei- 
lung,  ihre  Beschäftigung,  ihre  Bildung  und  der  Grad  ihrer  Verwandtschaft 
mit  dem  anglo- amerikanischen  Charakter.  Suchen  wir  diese  kurz  zu 
überschauen : 

^         1.  Die  Irland  er.   Sind  am  stärksten  in  NewYork,  den  s.  Neuengland- 
Staaten  und  Californien;   in  allen  grossen  Städten  sind  sie  in  erheblicher 


u 


XVI   Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  593 

Zahl  vertreten.  Ihre  Beschäftigungen  suchen  sie  mit  Vorliebe  in  den 
Gewerben,  der  Fabrikarbeit,  der  niederen  Taglöhnerei  in  den  Städten. 
Einflussreich  sind  sie  in  den  höheren  Beschäftigungen,  in  der  Presse  und 
im  Anwaltstand  und  dadurch  in  der  Politik,  üeber  ihre  Bildung  und 
Beziehung  zu  den  Amerikanern  s.  o.  S.  167  und  169: 

2.  Die  Deutschen.  Am  stärksten  vertreten  im  W.:  Wisconsin, 
Missouri,  Illinois,  Minnesota,  Nebraska,  Texas  umschliessen  grosse  Massen 
von  Deutschen.  Kleinere  Gruppen  finden  sich  in  Ohio,  Pennsylvania  und 
Indiana.  Auch  sind  sie  in  den  Grossstädten  sehr  stark  vertreten,  vor 
allem  in  New  York.  Ihre  Hauptbeschäftigung  ist  Landwirthschaft,  besseres 
städtisches  Gewerbe  und  Handel.  Ein  bedeutender  Theil  des  Grosshandels 
in  den  Seestädten  ist  in  ihren  Händen.  Für  alle  höheren  Beschäftigungen, 
die  gründliche  Vorbildung  verlangen,  Aerzte,  Apotheker,  Ingenieure,  Che- 
miker, Bergleute,  Lehrer,  liefern  sie  das  beste  Material  und  ihre  Cultur- 
bedeutung  wird  dadurch  eine  hervorragende.  Dagegen  macht  sie  ihre 
mangelhafte  Bemeisterung  der  Landessprache  sowie  die  ihnen  mit  dem 
germanischen  Individualismus  angeborene  Uneinigkeit  wenig  geeignet  zur  v- 
politischen  Thätigkeit,  allerdings  mit  einigen  hervorragenden  und  ehren- 
vollen Ausnahmen.     Vgl.  o.  S.  163  f.  und  u.  S.  596  '). 

3.  Von  Franzosen  linden  sich  Reste  der  in  den  früher  französi- 
schen Theilen  von  Nord-Amerika  Angesiedelten  noch  am  stärksten  in 
Louisiana  und  gehen  von  da  in  die  Nachbarstaaten  hinein;  dann  in 
Illinois  und  Missouri.  Aufgesogen  sind  längst  die  an  Zahl  nicht  erheb- 
lichen französischen  Ansiedler  von  Florida  und  S.  Carolina  (Hugenotten). 
Neuer  Zufluss  von  franko-amerikanischer  Bevölkerung  ist  in  neuerer  Zeit 

in  Gestalt  von  Tausenden  von  Fabrikarbeitern  aus  den  französischen  y 
Theilen  von  Unter -Canada  und  Neubraunschweig  nach  den  Neuengland- 
Staaten  gekommen.  Alle  diese  französischen  Elemente  zeichnen  sich  aus 
durch  die  geringe  Stärke  ihres  Unternehmungsgeistes,  durch  ihre  geringe 
Beweglichkeit,  ihr  Festhalten  am  Alten,  Gewohnten.  Sie  sind  in  keiner 
Weise  dem  germanischen  Amerikaner  gewachsen  im  geschäftlichen  Leben, 
xiber  sie  erwerben  andererseits  eine  gewisse  Widerstandskraft  durch  ihren  >/ 
Zusammenhalt.  Sie  fühlen  sich  nur  in  Massen  behaglich.  Ihre  Lieblings- 
beschäftigung ist  der  Ackerbau.  Die  Franzosen,  welche  seit  der  Zeit 
eingewandert  sind ,  dass  Frankreich  seinen  politischen  Halt  in  Nord- 
Amerika  verloren  (es  wanderten  von  1820 — 76  300000  Franzosen  ein), 
sind  wohl  zu  Va  Elsässer  und  Lothringer,    die   sich   meist   dem  Landbau 


1)  Nach  der  neuesten  Zusammenstellung  besassen  die  Deutschen  1879  in 
den  V.  St.  451  Zeitschriften,  worunter  79  Tageszeitungen.  Die  deutsche  Presse 
ist  am  stärksten  vertreten  in  New  York,  Pennsylvania,  Illinois,  Ohio,  Wisconsin 
und  Missouri.  Ganz  ohne  deutsche  Blätter  sind  die  Territorien  und  die  Staaten 
N.  Carolina,  Florida,  Alabama,  Mississippi,  Maine  und  New  Hampshire. 

R  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  qq 


594  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

im  W.  zugewandt  haben.  Die  eigentlichen  Franzosen  haben  sich  zu  einem 
grossen  Theile  den  bekannten  Lieblingsbeschäftigungen  in  den  Städten 
zugewandt,  wo  man  sie  als  Gastwirthe,  Haarkräusler,  Schneider,  Sprach- 
und  Musiklehrer  u.  s.  f.  nicht  selten  findet.  Der  Versuch  einer  französi- 
schen Communistensekte  eine  französische  Ansiedelung  im  W.  zu  gründen 
ist  misslungen. 

4.  Die  spanische  und  portugiesische  Einwanderung  ist  gering. 
Sie  betrug  von  1820  —  76  34000.  Dafür  ist  ein  nicht  geringer  Rest  von 
altangesiedelten  Hispano -Amerikanern  und  hispanisirten  Indianern  und 
Mestizen  in  den  früher  spanischen  Landestheilen,  hauptsächlich  in  Neu- 
Mexico,  Californien  und  Texas  zu  finden.  Mehr  noch  als  in  den  anderen 
spanisch  -  amerikanischen  Ländern  ist  in  diesen  bis  vor  Kurzem  zu  den 
entlegensten  und  wenigst  einladenden  Provinzen  zählenden  Theilen  das 
Mischlingsthum  überwiegend.  Reine  Spanier  sind  selten.  Es  ist  ein  ganz 
besonderes  Geschlecht:  „Unter  den  reicheren  (bzw.  älteren)  Familien  ist 
der  indianische  Zug  fast  ganz  verschwunden.  Die  Züge  sind  etwas  dick, 
aber  der  Gesichtsausdruck  ist  mild.  Die  Farbe  ist  dunkel,  meist  bronze- 
artig, dr.s  Haar  ist  schwarz  und  straft'.  Von  den  Männern  sind  viele 
hübsch,  hochgewachsen,  breitschulterig,  starkknochig,  gesund  und  lang- 
lebig. Männer  und  Weiber  w^erden  im  Alter  fleischig.  Sie  sind  gut- 
müthig,  mild  und  gefällig  gegen  ihre  Freunde,  aber  ganz  out  of  i^lace 
unter  den  Amerikanern,  welche  besonders  im  Geschäft  zu  schlau  für  sie 
sind.  Statt  mit  der  Entwickelung  des  Landes  an  Reichthum  zuzunehmen, 
sind  die  Spanisch  -  Californier  rasch  ärmer  geworden  und  besitzen  nicht 
mehr  V20  von  dem  Grund  und  Boden,  den  sie  1848  hatten.  Damals 
besassen  sie  fast  alles,  jetzt  ist  kein  einziger  leitender  Kaufmann  unter 
ihnen.  ...  Sie  bilden  jetzt  eine  kleine  ohnmächtige  Minderheit  in  einem 
Volke,  das  ihnen  weit  überlegen  ist  in  Geschick  für  Ackerbau  und  Gewerbe 
und  in  Geschäftskenntniss ,  das  ihren  Reichthum  aufsaugt  und  sie  als 
Untergeordnete  betrachtet  und  behandelt.  Viele  hassen  die  Nordameri- 
kaner. In  den  Grafschaften,  wo  die  spanische  Bevölkerung  stark  war, 
herrschte  zu  mancher  Zeit  in  den  Jahren  1853  und  54  fast  der  Zustand 
offenen  Bürgerkriegs.  Die  meisten  Spanisch-Californier  leben  am  Lande; 
ihr  Hauptbesitz  besteht  in  Land  und  Heerden  und  die  Hauptbeschäftigung 
der  niederen  Classen  ist  das  Hüten  der  Heerden"  *).  Diese  Beschreibung, 
welche  zunächst  die  Spanisch-Californier  im  Auge  hat,  findet  eben  so  gut 
Anwendung  auf  die  spanischen  Texaner,  Neumexikaner  etc.  Man  hat 
mehrere  verächtliche  Ausdrücke  für  sie.  In  Californien  nennt  man  sie 
Greasers,  in  Neumexiko  Gringos.  Wie  man  aus  dieser  Schilderung  sieht, 
ist  ihre  Culturbedeutung  gleich  Null.  Dagegen  ist  ihr  Einfluss  auf  die 
Rasse   nicht  unbedeutend.    Ihre   schönen  und  gesunden  Weiber  erzeugen 

1)  Hittell,  The  Resources  of  California  1874.  40 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  595 

mit  Amerikanern  zahlreiche  Kinder  und  es  ist  dies  einer  der  Wege,  auf 
denen  nicht  nur  spanisches,  sondern  auch  indianisches  Blut  in  die  Adern 
des  neuen  nordamerikanischen  Volkes  eingeführt  wird.  Auch  scheinen  sie 
sich  in  die  englische  Sprache  rascher  hineinzufinden  als  die  Franzosen. 
Andererseits  sind  aus  der  ihrigen  zahlreiche  Wörter  in  das  amerikanische 
Englisch  übergegangen,  vorzüglich  Ausdrücke  für  topographische,  bergbau- 
liche, landwirthschaftliche  Dinge. 

Von  den  zahlreichen  kleineren  Volk  er  splittern,  die  ausser  diesen  der 
immer  noch  unfertigen  Masse  der  Bevölkerung  der  V.  St.  durch  die  Ein- 
wanderung zugeführt  werden,  haben  wir  o.  S.  163  die  bedeutendsten 
namhaft  gemacht.  Sie  verlieren  sich  natürlich  noch  rascher  im  Ameri- 
kanerthum  als  jene  durch  Zahl  oder  Beharrungskraft  stärkeren  Elemente. 
Aber  auch  diese  zerfallen  vielleicht  nirgends  so  rasch  in  ihre  Einzel- 
existenzen, die  sich  so  bald  als  möglich  der  amerikanischen  Nationalität 
anzuschliessen  suchen,  als  hier.  Das  raschere,  rücksichtslosere  amerika- 
nische Leben  tritt  mit  starken  Forderungen  an  den  europäischen  Ein- 
wanderer heran,  die  dieser  nicht  gewöhnt  ist.  Wir  haben  es  als  ein  in 
hohem  Grade  fortreissendes,  aneignendes  kennen  gelernt.  Er  wird  vom 
Strudel  des  fremden  Lebens  erfasst  und  für  einige  Zeit  in  die  Tiefen 
gerissen,  aus  denen  emporzutauchen  nur  nach  geraumer  Zeit  gelingt.  Wie 
viele  gehen  dabei  ganz  unter!  Dieses  unfreiwillige  Untertauchen  ist  fast  v  ' 
nothwendig  mit  dem  Aufgeben  manches  Bandes  verknüpft,  das  der  Ein- 
wanderer aus  seiner  Heimat  mit  hinübergebracht  hatte.  Mit  mancher 
Zurückgebliebenheit,  Ungeschicklichkeit,  falschen  Auffassung  der  Dinge 
u.  s.  f.  legt  er  auch  schon  in  dieser  ersten  Feuerprobe  manches  von  dem 
ab,  was  ihn  zum  Deutschen,  Franzosen  etc.  macht.  Es  ist  die  Vorschule 
des  Amerikanerthums ,  die  er  hier  durchmacht,  und  gewöhnlich  entlässt 
ihn  die  harte  Nothwendigkeit  nicht  eher  aus  derselben,  als  bis  er  sich 
vorgenommen,  heimische  Sprache  und  Sitte  so  rasch  wie  möglich  abzu- '" 
streifen  und  mit  grösster  Geschwindigkeit  den  Process  der  Amerikanisirung 
an  sich  zu  vollziehen.  Es  imponirt  ihm  so  vieles,  er  muss  bei  so  manchen 
P>scheinungen  des  alltäglichsten  Lebens  die  Ueberlegenheit  der  Ameri- 
kaner gerade  in  den  zum  praktischen  Leben  nothwendigen  Dingen  aner- 
kennen ,  dass  er  allzuleicht  Pessimist  der  Vergangenheit  und  Optimist 
der  Zukunft  gegenüber  wird.  Dies  gilt  am  meisten  von  jenen,  die  durch 
Intelligenz  und  Charakter  zu  voller  Theilnahme  an  der  Culturbewegung 
des  amerikanischen  Volkes  befähigt  sind,  während  die  minder  Fähigen, 
vor  allem  die  Franzosen,  sich  instinktiv  abschliessen  und  (wie  sich  in 
Canada,  Louisiana,  Missouri  so  trefifend  zeigt)  durch  die  Abschliessung 
zwar  ihr  Volksthum  bewahren,  aber  gleichzeitig  so  ohne  alle  Rückwirkung  ' 
auf  die  umgebenden  Völker  bleiben,  so  gründlich  versteinern  und  herunter- 
kommen,   dass   man  sich  fragen   muss,    ob   diese  zähe  Bewahrung  ihrer 

•       38* 


596  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

Sprache  und  Sitten,  die  für  sie  ohne  Zweifel  einen  Nachtheil,  ein  Zurück- 
gehen bedeutet,  für  ihr  Volk  im  Grossen  noch  von  irgend  welcher  Bedeu- 
tung ist.  Jeder,  der  diese  Völkerfossile  kennt,  muss  die  Frage  verneinen. 
Und  am  Ende  werden  doch  auch  sie  vom  Strome  zersetzt  und  fort- 
geführt *). 


1)  Was  speciell  unsere  Landsleute  betrifft,  für  welche  von  optimistischer,  oder 
besser,  phantastischer  Seite  sogar  die  Aufgabe  eines  transatlantischen  Neu-Deutsch- 
land  gestellt  ward,  so  möge  es  hier  gestattet  sein,  einige  Worte  zu  wiederholen,  die 
ich  1875  nach  unpartheiischer  Betrachtung  ihrer  Lage  und  Aussichten  nach  Deutsch- 
land schrieb:  Unsere  Landsleute  bauen  das  Feld  eines  fremden  Volkes.  Mit  allen 
Schulen,  Zeitungen,  Dichtern,  Lehrern,  Rednern  und  was  sie  alles  aufbieten,  geht 

^uns  die  zweite  Generation  zum  grossen  Theil,  die  dritte  vollständig  und  rettungslos 
verloren.  Nie  wird  deutsche  Sprache  und  Gesittung  in  den  V.  St.  eine  feste, 
sichere  Stätte  finden,  nie  sich  einwurzeln  können.  Die  kräftigen,  gesunden 
deutschen  Naturen  werden  das  Blut  des  Yankeevolkes  zwar  auch  in  Zukunft 
auffrischen  helfen,  und  herablassend  verleiht  ihnen  dieses  die  Gnade,  sich  als 
Amerikaner  betrachten  zu  dürfen,  und  die  Söhne  des  grössten  europäischen 
Volkes  schmeicheln  sich,  dass  diese  unvergohrene  Nation  sie  gar  unter  gewissen 
Einschränkungen  als  ihres  Gleichen  ansehen  will.  Hohe  Ehre!  Ich  behaupte 
nicht  zu  viel,  wenn  ich  sage :   Es  ist  heutzutage  für  einen  Deutschen,  der  etwas 

v^  auf  sein  Volk  hält,  die  Reise  durch  die  V.  St.  eine  Kette  von  traurigen  Er- 
fahrungen, von  Demüthigungen  und  Enttäuschungen.  Aeusserst  wenig  Licht- 
punkte sind  in  dieselbe  eingeflochten.  Die  Sache  ist  so  höchst  betrübend,  man 
muss  nach  den  Ursachen  forschen,  ob  vielleicht  dort  etwas  Tröstliches  zu  finden 
ist.  Leider  findet  man  bald,  dass  es  nur  die  Schattenseite  eines  unläugbaren  Vor- 
zuges, der  unsere  Landsleute  zu  der  raschen  Ablegung  der  heimischen  Sprache 
und  Sitten  disponirt.  Sich  in  das  Wesen  eines  fremden  Volkes  so  zu  schicken, 
dass  man  aus  den  Culturerrungenschaften  desselben  nicht  geringeren  Vortheil 
zieht,  als  seine  eigenen  Angehörigen,  erfordert  Verstand,  Fleiss  und  Ausdauer 
und  eine  Fähigkeit,  alte  Ideen  und  Anschauungen  mit  neuen  zu  vertauschen, 
welche  einer  gewissen  geistigen  Beweglichkeit  entfliesst,  die  unter  den  geistigen 
Gaben  einen  höheren  Rang  einnimmt  als  man  gewöhnlich  ihr  zuzuweisen  geneigt 
ist.  Die  Deutschen  haben  diese  Gaben  und  sind  durch  sie  ein  colonisirendes 
Volk  geworden,  dessen  Leistungen  in  Europa  von  keinem  anderen  Volke  erreicht 
werden.  Aber  der  Deutsche  schickt  sich  nicht  allein  in  fremde  Zustände,  er 
fügt  sich  ihnen  leider  auch  viel  mehr  als  nöthig,  bückt  sich  und  kriecht  selbst 
in  vielen  Fällen,  wenn  es  nicht  anders  geht,  um  sich  an  sie  anzupassen.  Es 
bleibt  abzuwarten,  in  wie  weit  sich  dies  durch  die  hohe  Stellung  ändern  wird, 
welche  wir  jetzt  unter  den  aktiven  Völkern  einnehmen.  Diese  unschöne  Gabe 
hilft  ihm  indessen  keineswegs  soviel  als  er  meint;  auf  den  untersten  Stufen 
kann  sie  nützlich  werden,  aber  weiterhin  schadet  sie,  zumal  sie  sich  mit  Zwie- 
tracht und  Neid  paart,  die  wie  ein  Fluch  auf  allen  Unternehmungen  ruhen, 
welche  die  Deutschen  in  der  Fremde  mit  vereinten  Kräften  anstreben.  Die 
verhältnissraässig  ungemein  geringe  politische  Bedeutung  der  Deutsch-Amerikaner 
erklärt  sich  aus  dieser  Thatsache,    eben  so   ein   grosser  Theil   der  Verachtung, 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  597 

Die  Mischehen  zwischen  Einheimischen  und  Ausländern  sind  schon 
in  der  ersten  Generation  häufiger,  als  sich  erwarten  lässt.  Der  Census 
von  1870  gibt  in  einer  Bevölkerung  von  38  558371  als  im  Ausland  geboren 
5  567  229,   als  Kinder  von  zwei  im  Ausland  geborenen  Eltern  9  734845 


mit  der  der  Amerikaner  (wenn  er  nicht  mit  Absicht  den  Angenehmen  spielt) 
noch  immer  auf  den  Diitchman  herabschaut.  Natürlich  ist  damit  nicht  geläugnet, 
dass  letzterer  auch  ungerechte  Vorurtheile,  Verständnisslosigkeit,  Missgunst  u.  dgl. 
zu  Grunde  liegen,  denn  der  Durchschnittsamerikaner  ist  in  vielen  Beziehungen 
national  noch  hornirter  als  der  Franzose.  Bei  alledem  müsste  der  Deutsche 
bei  seiner  Zahl,  seinem  Wohlstande,  seinen  grossen  natürlichen  Gaben  hier  in 
den  V.  St.  schon  längst  eine  ganz  andere  Stellung  einnehmen,  wenn  ihm  nicht 
eine  Apathie  gegenüber  den  allgemeinen  Interessen,  den  höheren  Interessen  der 
Gesammtheit  eigen  wäre,  welche  ihn  fast  überall,  wo  er  nicht  heerdenweis  auf- 
tritt, zu  einer  politischen  Null  macht.  Er  erweitert  nicht  gern  seinen  Horizont 
über  den  Kreis  der  Gemeinde  hinaus,  in  der  er  lebt,  wo  möglich  nicht  einmal 
über  die  Grenzen  seiner  vier  Pfähle.  Er  liebt  viel  weniger  als  der  Amerikaner 
die  Phrasen,  das  Schaumachen  mit  Gesinnungen  und  edeln  Absichten,  das  ruhe- 
lose und  zwecklose  Agitiren,  ohne  das  hier  zu  Land  weder  im  Kleinen  noch 
im  Grossen  ein  politischer  Erfolg  zu  erzielen  ist.  Seine  bedeutendsten  Grössen 
stehen  dem  sogar  feindlich  entgegen.  Der  Amerikaner  kann  sehr  gescheit  sein 
und  doch  die  Dinge  nicht  sehen  wie  sie  sind,  sondern  wie  sie  sein  sollen  oder 
wie  er  sie  haben  möchte,  der  Deutsche  ist  seiner  Natur  nach  realistisch,  forschend, 
grübelnd.  Er  sieht  zu  viel  vom  wirklichen  Wesen  der  Dinge,  um  auf  den  Schein 
AVerth  zu  legen,  der  für  die  Politik  hier  alles  ist.  Nichts  scheint  mir  den 
Deutschen,  gerade  wie  er  dem  Anglo -Amerikaner,  dem  feurig  aber  oberflächlich 
denkenden  und  handelnden  gegenübersteht,  schärfer  zu  charakterisiren,  als  die 
Eigenschaft  einer  certain  probity,  jener  gewissen  gründlichen  Ehrlichkeit,  welche 
der  geistvolle  R.  W.  Emerson  in  seinem  Essay  über  Goethe  uns  nachrühmt.  Aber 
diese  macht  keine  guten  Politiker  in  Amerika.  Dann  ist  auch  nicht  zu  ver- 
gessen, dass  die  Deutschen  hier  keinen  vollkommenen  gesellschaftlichen  Orga- 
nismus bilden.  Die  weitaus  grösste  Zahl  kommt  arm  herüber  und  bemüht  sich 
sorgfältig,  Geld  zu  machen,  wobei  die,  welche  an  Bildung  und  Geist  und  an 
Vaterlandsliebe  hervorragen,  in  der  Regel  am  wenigsten  Erfolg  haben.  Wer 
reich  wird  oder  eine  einflussreiche  Stellung  erlangt,  findet  seine  Standesgenossen 
in  den  fast  ausschliesslich  anglo -amerikanischen  besseren  Kreisen;  denn  selbst 
in  den  grossen  Städten  sind  wohlhabende  Famihen,  die  an  deutschem  Wesen  fest- 
halten, sehr  dünn  gesäet.  Auf  einer  gewissen  gesellschaftlichen  Stufe  ist  Ver- 
schwägerung mit  amerikanischen  Familien  keine  Seltenheit.  Der  Baum 
deutschen  Volksthums  bildet  also  keine  Krone;  seine  Wurzeln 
und  sein  Stamm  sind  kräftig,  aber  so  wie  er  das  Ziel  seines  Wachs- 
thums  zu  erreichen  beginnt,  knickt  eine  rauhe  Strömung  die 
Zweige  und  reisst  sie  fort  wie  ein  Sturm  die  Baumzweige.  Im 
Ganzen  und  Grossen  ist  deutscher  Sinn  nur  in  den  besseren 
Elementen  der  unteren  Schichten  und  bei  denen  zu  finden,  die 
drüben  schon   der  gebildeten  Gesellschaft  angehört  haben.  —  Mit 


598  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

und  als  Kinder  aus  Ehen,  wo  nur  eines  von  beiden  Eltern  im  Ausland 
geboren,  1 158 170,  so  dass  also  die  Sprösslinge  solcher  gemischten  Ehen 
doch  fast  genau  3  Proc.  der  Bevölkerung  ausmachen. 

Unabhängig,  wenigstens  zu  einem  grossen  Theile,  von  den  Einflüssen 
der  Mischung  mit  diesen  Fremdlingen,  haben  sich  in  den  V.  St.  zwei  oder 
drei  Volkstypen  herausgebildet,  an  deren  Entwickelung  klimatische  und 
sociale  Einflüsse  den  grössten  Antheil  gehabt  haben  dürften.  Früher 
sprach  man  nur  von  zwei  Typen,  dem  Neuengländer  oder  Yankee  und 
dem  Südländer,  den  man  imVirginian  am  charakteristischsten  verkörpert 
fand.  Geschichtlich  ist  diese  Scheidung  wohl  begründet,  denn  Virginien 
und  die  4  alten  Neuengland  -  Staaten  sind  gleichsam  die  Krystallisatious- 
kerne  der  älteren  Colonisation  gewesen  (s.  o.  S.  52  f.)  und  ausserdem  auch 
die  wichtigsten  Ausgangspunkte  neuer  Westwanderungen  (s.  o.  S.  172), 
welche  ihren  Einfluss  und  immer  auch  einen  guten  Theil  ihrer  Art  und 
ihrer  Sitten  und  Einrichtungen  in  das  weite  Land  hinein  trugen.  Die 
Verschiedenartigkeit  der  Abstammung  der  Virginier  und  Neuengländer, 
ihre  verschiedenen  politischen,  wirthschaftlichen  und  gesellschaftlichen 
Einrichtungen  und  Zwecke,  nicht  zuletzt  auch  der  Unterschied  ihres 
religiösen  Bekenntnisses  (Hochkirche  und  Puritanismus) ,  hat  zwei  sehr 
verschiedene  Volkstypen  aus  ihnen  gemacht.  Es  ist  übertrieben,  zu  sagen, 
dass  Virginier  und  Yankee  dieselben  Menschen  sind,  welche  sich  in  Alt- 
england unter  dem  Namen  Cavaliere  und  Bundköpfe  bekämpften,  aber 
sicherlich  ist  in  jenem  mehr  aristokratisches  Wesen,  in  diesem  mehr 
demokratisches.  Später  hat  der  allgemeine  Gegensatz  von  Nord  und  Süd, 
von  freier  und  Sklavenarbeit  diesen  Typenunterschied  theils  verschärft, 
theils  auch,  indem  er  ihn  in  jenem  allgemeineren  Gegensatz  aufgehen 
liess,  verdeckt.  Aber  das  mehr  offene,  heitere,  ritterliche,  feiner  gesittete, 
freigebige  und  gastfreundlicheWesen  vielerVirginier  steht  dem  verschlossenen, 
misstrauischen,  geschäftsbrütenden,  eckigen,  geldscharrenden  Wesen  vieler 
Neuengländer  oder  Yankees^)  noch  immer  mit  ganz  bestimmten  Merkmalen 
gegenüber  und   nicht  bloss  in  den  alten  Staaten,    wo  diese  Typen   sich 


geringen  Aenderungen    kann  Vorstehendes    von   allen    nicht    englisch  redenden 
Nationalitäten   in  den  V.  St.   behauptet  werden.     Sie  unterscheiden  sich  haupt- 
v/Sächlich  durch  die  verschiedene  Zeit,  welche  sie  brauchen,  um  in  der  Masse  der 
Anglo -Amerikaner  aufgenommen  zu  werden. 

1)  Yankee  findet  in  Nord -Amerika  selbst  nur  auf  den  Neuengländer  Anwen- 
dung. Man  hat  verschiedene  Herleitungen  dieses  Namens  aufgestellt,  von  denen 
keine  befriedigend  zu  sein  scheint.  Die  bekannteste  ist  folgende:  Yankee  bedeutet 
in  der  Massachusetts  -  Sprache  „stiller  Mann"".  Die  in  New  York  ansässigen 
Niederländer  nannten  so  die  eingewanderten  englischen  Puritaner  wegen  ihrer 
Geschwätzigkeit.     W.  Irving,  History  of  New  York  I.  102. 


XVI.  Das  A^olk  und  die  Gesellschaft.  599 

entwickelt  haben,  sondern  kaum  minder  entschieden  auch  in  den  jüngeren, 
wohin  die  Einwanderung  aus  jenen  sich  richtete.  Bis  an  den  Mississippi,^- 
hin  lassen  sich  die  vorwiegend  von  Neu-England  aus  colonisirten  Gebiete 
unterscheiden  von  denen,  welche  ihre  Bewohner  aus  Virginien  empfingen, 
und  viele  wollen  z.  B.  selbst  in  dem  Unterschiede,  der  sich  hinsichtlich  des 
Unternehmungsgeistes  und  der  geschäftlichen  Regsamkeit  zwischen  dem 
nördlichen  Chicago  und  dem  mehr  südlichen  S.  Louis  herrscht,  den  Gegen-  ^■^ 
Satz  dieser  beiden  Volkstypen  erkennen.  Sie  sind  gleichzeitig  die  bis  jetzt 
noch  am  wonigsten  mit  fremdem  Blut  versetzten,  die  am  reinsten  englisch 
gebliebenen  Theile  der  Bevölkerung  der  V.  St.  Dagegen  tritt  in  der 
Bevölkerung  der  mittleren  atlantischen  Staaten ,  die  zwischen  sie  sich 
einschiebt,  das  nichtenglische  Element  von  Anfang  an  einflussreich  auf:  in 
New  York  das  niederländische,  in  New  Jersey  das  schwedische,  in  Pennsyl- 
vanien,  Maryland  und  West-Virginien  das  deutsche.  Wie  sehr  auch  englische 
Sprache  und  Sitte  ihre  Hülle  um  diese  Nationalitätenunterschiede  gezogen 
haben  mögen,  das  Volk  ist  doch  ein  anderes.  Die  Abkömmlinge  der 
Niederländer  in  New  York  (die  Knkkcrbockers),  die  Pennsylvania  Dutchmen 
haben  die  schärfsten  Ecken  des  angelsächsischen  Wesens  abgeschliffen. 
Die  newyorker  ist  mit  der  Zeit  die  kosmopolitischste  unter  den  Bevölke- 
rungen der  V.  St.  geworden,  aber  im  Pennsylvanier  ist  am  meisten 
deutscher  Charakter ;  er  ist  durch  seine  Ruhe ,  seine  mehr  gemässigten  *'^ 
Ansichten  und  Handlungen  vom  ächten  Anglo-Araerikaner  weit  verschieden. 
Philadelphia  ist  neben  New  York,  Boston,  Chicago  u,  dgl.  arm  an  Unter- w 
nehmungs-  und  Geschäftsgeist.  Dieser  selbe  gemischte  Typus  findet  sich 
nun  im  W.  wieder  und  zwar  ist  er  am  stärksten  vertreten  in  dem  mitt- 
leren Strich,  durch  den  der  Ohio  zum  Mississippi  fliesst.  Hier  sind  Cin- 
cinnati  und  S.  Louis  die  Hauptstädte  der  deutschen  Bevölkerung.  Nö.  von 
hier  wiegt  der  neuengländische,  s.  der  virginische  Typus  vor.  Hier  entwickelt 
sich  wie  in  den  atlantischen  Mittelstaaten  ein  Mischvolk,  dessen  starker 
Antheil  deutschen  Blutes  unter  der  Hülle  der  englischen  Sprache  und 
Sitte  sich  zur  Geltung  bringt.  Nirgends  ist  die  Reaktion  gegen  das  eng- 
herzige Neuengländerthum  stärker  als  hier.  In  diesem  Strich  scheint 
also  eine  neue  deutsch  gefärbte  Mischbevölkerung  sich  zu  entwickeln, 
während  in  den  Staaten  am  atlantischen  Rand  die  dort  in  Massen 
einwandernde  und  mit  Vorliebe  in  den  Städten  sitzen  bleibende  irische  ^ 
Bevölkerung  alle  anderen  Mischungselemente  mit  der  Zeit  verdecken 
dürfte.  Von  Maine  bis  hinunter  nach  Florida  ist  das  irische  Element  in 
jedem  Staate  das  unter  den  Fremdgeborenen  am  stärksten  vertretene,  in 
allen  Staaten  des  Inneren  ist  es  das  deutsche.  Der  ferne  W.  und  vor- 
züglich Californien  ist  bis  jetzt  noch  zu  jung,  um  bereits  einem  besonderen 
Typus  Ursprung  geben  zu  können.  Doch  lässt  sich  schon  jetzt  voraus-  - 
sagen,  dass  nirgends  mannigfaltigere  Mischungselemente  vereinigt  sind 
wie  hier.     Indianische,  spanische  und  vielleicht  auch  mongolische  dürfteii 


600  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

den  künftigen  pacifischen  Zweig   des   nordamerikanischen  Völkerstammes 
stärker  beeinflussen  als  irgend  einen  anderen. 

II.  Der  Einzelmensch.  Der  Europäer- Amerikaner  in  der  Fassung 
des  Begriffes,  die  wir  eben  zu  bestimmen  suchten,  ist  bis  jetzt  nicht 
Gegenstand  eingehender  anthropologischer  Studien  gewesen  und  es  ist 
deshalb  nicht  möglich,  ihn  nach  den  etwaigen  Eigenthümlichkeiten  seines 
Skelets  und  sonstigen  Körperbaues  anthropologisch  zu  beschreiben.  Für 
den  Grundstock,  die  Anglo -Amerikaner,  kann  man  noch  nicht  hinausgehen 
über  die  Definition,  welche  Morton  vor  Jahren   gab:    „Die  Anglo -Ameri- 

^  kaner  gleichen  in  allen  charakteristischen  Eigenschaften  ihren  Stamm- 
eltern. Sie  haben  gleich  ihren  englischen  Ahnen  einen  längeren  Schädel 
als  die  ungemischten  Deutschen.  .  .  Das  Mittel  ihres  Schädelinhaltes  von 
90  Cub.  Zoll  entspricht  dem  der  Teutonic  Bace^^^).  Diese  Definition  ist  in 
der  That  ganz  zufriedenstellend,  wenn  man  unter  charakteristischen  Eigen- 
schaften die  bekannten  Grundmerkmale  der  germanischen  Stämme  versteht 
und  es  ist  insofern  keinem  Zweifel  unterworfen,  dass  alle  von  Germanen 
abstammenden  Nordamerikaner  der  Teutonic  JRace  Morton's  zuzurechnen 
sind.  Ebenso  zweifellos  sind  sie  aber  in  manchen  Eigenschaften  von  dem 
europäischen  Typus  dieses  Zweiges  der  kaukasischen  Rasse  abgewichen 
und  es  ist  möglich,  dass  mit  der  Zeit  eine  bestimmte  Yarietät  derselben  hier 
zur  Ausbildung  kommt.  Einige  Anthropologen  haben  von  den  germanischen 
Nordamerikanern  wie  von  einer  neuen  Rasse  gesprochen,  die  von  ihren 
europäischen  Anfängen  in  der  kurzen  Zeit  von  2  —  300  Jahren  sich  so  weit 
entfernt  haben  soll,  dass  sie  mit  deutlich  erkennbaren  Unterscheidungsmerk:- 
malen  derselben  gegenüber  gestellt  werden  könne.  Aber  die  Eigenthüm- 
lichkeiten, welche  dieselbe  charakterisiren  sollen,  sind  keineswegs  allgemein 
verbreitet.    Vorzüglich  die  Bewohner  der  Neuengland-Staaten,  welche  von 

^  allen  Nordamerikanern  die  reinste  englische  (nicht  irische)  Abstammung  auf- 
weisen können,  zeigen  in  der  Mehrzahl  jene  Merkmale  des  sog.Yankee-Typus, 
welche  irrthümlich  für  die  Merkmale  des  Nordamerikaners  überhaupt  ge- 
nommen werden :  Schlanker  Bau  mit  Neigung  zur  Hagerkeit,  lange  Glieder, 
schmales  regelmässiges  Gesicht,  scharfe  Züge,  weitgeöffnete,  sprechende 
Augen,  blasse  Gesichtsfarbe.  Man  spricht  auch  von  einem  allgemeinen 
Zurücktreten  der  Drüsen-  und  Fettentwickelung,  von  Verkürzung  der 
Kiefer  und  daraus  folgender  Unregelmässigkeit  der  Zahnstellung,  und 
davon,  dass  das  Zahnsystem  im  Allgemeinen  schwächer  sei  als  bei  den 
europäischen  Voreltern.  Nach  manchen  Schilderungen  ist  der  Nordameri- 
kaner überhaupt  seinem  körperlichen  V^^esen  nach  nichts  anderes  als  ein 
körperlich  heruntergekommener  Europäer.  Dass  die  Constitution  eines 
grossen  Theiles  der  nordamerikanischen  Bevölkerung  von  dem,  was 
man  bei  uns   als  Ausdruck   der  Gesundheit  und  Kraft   anzusehen   pflegt. 


1)  Morton  Mscr.  in  Nott  and  Gliddon,  Types  of  Mankind.  1854.  309. 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  601 

weit  entfernt  ist,  dürfte  bekannt  sein.  Die  gestreckten,  hageren,  lang- 
halsigen  Gestalten  der  eigentlichen  Yankees  sind  keine  Typen  von  Dauerhaf- 
tigkeit, wie  es  die  in  der  alten  Welt  vorherrschenden,  gedrungenen,  mehr 
ebenmässig  gebauten  Männer  sind.  Sie  erkennen  das  auch  selbst  an  und 
möchten,  dass  „der  immer  grösser  werdenden  Schlankheit  der  Formen, 
wenn  möglich ,  ein  Ziel  gesetzt  werde".  Ch.  Dilke ,  der  Verfasser  von  \y 
Greater  Britain,  welcher  der  angelsächsischen  Rasse  die  Weltherrschaft  in 
Aussicht  stellt,  kann  demnach  nicht  ohne  Bedenken  die  heutigen  Nord- 
amerikaner betrachten:  „Die  hohen  Schultern  und  die  bleichen  Gesichter 
der  Bostonmänncr  sind  sicherlich  nicht  unvereinbar  mit  mächtiger  Gehirn- 
entwicklung und  mit  dem  schärfsten  Verstand,  aber  es  ist  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  Talent  und  Energie  sich  auf  jene  Generationen  vererben 
werden ,  denen  die  ausgemergelten  (worn  out)  Männer  und  Frauen  von 
heute  Ursprung  geben  .  .  .  Jahr  für  Jahr  werden  die  Amerikaner  leichter, 
dünner,  kurzlebiger,  die  Frauen  noch  mehr  als  die  Männer".  —  Dr.  Nott, 
der  bekannte  Anthropolog  konnte  aus  den  Beobachtungen,  die  er  in  den 
älteren  Unionsstaaten  des  Nordens  anstellte,  keinen  anderen  Schluss  ziehen, 
als  dass  die  gemässigte  Zone  Nordamerikas  der  Entwickelung  der  ger- 
manischen Stämme  viel  weniger  günstig  sei,  als  diejenige  Europas;  was 
aber  die  Südstaaten  anbetrifft,  so  meint  er,  dass  in  diesen  eine  dauernde 
Akklimatisation  derselben  nicht  Statt  habe.  Bob.  Knox  ging  in  seiner 
Ueberzeugung  von  dem  Mangel  an  Lebensfähigkeit  der  Amerikaner  so 
weit,  dass  er  im  Geiste  bereits  den  rothen  Mann  wieder  in  seine  an- 
gestammten Jagdgründe  einziehen  sah.  Dasselbe  wird  von  den  Frauen 
noch  entschiedener  behauptet.  Die  nordamerikanischen  Frauen  ^ 
sind  ohne  Zweifel  viel  zarter  als  ihre  nord-  und  mitteleuropäischen 
Schwestern.  Sie  sind  schwächlicher,  nervöser,  mehr  Krankheiten  unter- 
worfen, ertragen  schwerer  das  Mutterwerden.  Dem  scharfsinnigen  Be- 
obachter. Hepworth  Dixon,  sagte  man:  „Aus  Mangel  an  Müttern  geht 
Amerika  zu  Grunde"  und  er  erhielt  Gelegenheit,  sich  zu  überzeugen, 
dass  diese  Klage  nicht  übertrieben  sei.  Unter  den  fashionablen  Frauen 
fand  er  sowohl  im  frommen  Boston  und  Philadelphia  als  im  weltlichen 
New  York  und  New  Orleans  eine  Art  mysteriöser  Verschwörung  gegen  das 
Mutterwerden,  und  er  bezeichnet  ihren  Widerwillen  gegen  den  Besitz  von 
Kindern  als  eine  jener  unbestreitbaren  Thatsachen,  die  man  bloss  hin- 
nehmen könne.  Allein  woher  kommt  dieser  unnatürliche  Widerwille? 
Wir  meinen,  dass  derselbe  Sittenschilderer  einen  deutlichen  Fingerzeig 
gibt,  wenn  er  von  den  Töchtern  des  Landes  sagt:  „Sehe  ich  diese  süssen  ^ 
Kinder,  so  kann  ich  das  Gefühl  nicht  unterdrücken,  dass  dieser  zarten 
Blässe,  so  reizend  und  poetisch  sie  in  der  weiblichen  Schönheit  einem 
Künstler  erscheinen  mag,  ein  Mangel  gesunder  Lebenskraft  sich  verbinden 
muss.  Ich  könnte  unseren  liebenswürdigen  Stammverwandten  recht  leicht 
eine  Spur  von  Röthe   auf  ihren  Wangen  verzeihen,  denn  so  wie  sie  sind, 


602  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

muss  man  fürchten,  dass  sie  beim  ersten  Worte,  das  man  zu  ihnen  spricht, 
unserem  Blick  entschweben."  —  Von  einem  Amerikaner  hörte  er  ein  noch 
schärferes  ürtheil,  als  er  selbst  zu  fällen  wagen  konnte :  „Unsere  Mädchen 
haben  keine  Knochen  und  keine  Sehnen,  ihnen  mangelt  Kraft  und  Saft, 
dafür  haben  sie  nur  Nerven.  Solche  Geschöpfe  sind  überhaupt  gar  nicht 
fähig  zu  leben,  und  man  darf  sich  nur  freuen,  dass  Aussicht  vorhanden 
ist,  es  werde  in  hundert  Jahren  kein  Nachkomme  mehr  von  ihnen  vorbanden 
sein."  Alle  unbefangenen  Urtheile  stimmen  mit  dem  überein,  was  hier 
berichtet  ist,  alle  bezeichnen  die  zunehmende  Zartheit  der  Constitution  als 
ein  offenbares,  allgemeines  Uebel,  das  nicht  ohne  schlimme  Folgen  bleiben 
könne.  Jene  Pest  der  Kinderabtreibung,  die  selbst  den  massigsten  Berichten 
nach  in  den  V.  St.  viel  verbreiteter  ist  als  irgendwo  in  der  Alten  Welt  und 
seit  Jahren  öffentlich  besprochen  und  zu  bekämpfen  gesucht  wird,  hat  in 
solcher  Schwächung  des  körperlichen  Lebens  wohl  ihre  Hauptursache.  Wägt 
man  alle  Angaben,  die  über  die  im  Obigen  berührte  Frage  der  Degene- 
ration des  nordamerikanischen  Volkes  vorliegen,  gegen  einander  ab,  so 
wird  kaum  ein  Zweifel  bestehen  bleiben  an  der  Wahrscheinlichkeit  eines 
Verfalles  im  Körperbau  eines  grossen  Theiles  desselben.  Der  Geist  kann 
hierbei  sich  frei  entwickeln,  obwohl  auch  er  eine  fast  zu  einseitig  regsame, 
fieberhafte  Thätigkeit  entfaltet  und  besonders  in  der  durch  eigenthümliche 
Erziehungsweise  noch  geförderten  Frühreife  des  jungen  Nachwuchses  eine 
für  Völker  gemässigter  Zone  und  germanischer  Abstammung  nicht  natür- 
liche Entwickelung  zeigt.  Fragt  man  nach  den  Ursachen  dieser  Erschei- 
nungen, so  wird  in  erster  Reihe  das  vom  europäischen  weitverschiedene 
Klima,  vielleicht  aber  auch  die  immer  weiter  fortschreitende  Würfelung 
der  verschiedensten  Nationen  und  Rassen  anzusprechen  sein.  Wir  wissen 
von  den  Hausthieren  her,  welche  Wirkungen  ungeregelte,  gehäufte  Kreu- 
zungen üben,  wie  sie  zuletzt  zur  Entstehung  untüchtiger  Rassen  hinleiten 
und  die  besten  Eigenschaften  untergraben  können,  und  es  ist  unwahr- 
scheinlich, dass  der  menschliche  Körper  in  dieser  Hinsicht  ganz  anderen 
Gesetzen  folge.  Dass  die  V.  St.  eine  so  grosse  Menge  von  Negern  um- 
schliessen  und  eine  rapid  anwachsende  Einwanderung  von  Chinesen  er- 
halten, ist  ein  Umstand,  der  in  dieser  Richtung  sicherlich  auch  nicht 
veredelnd  wirken  kann.  Jedenfalls  wird  man  sich  daran  zu  gewöhnen 
haben,  in  den  Spekulationen  über  die  Zukunft  der  Nordamerikaner  auch 
der  Erwägung  der  körperlichen  Verhältnisse  eine  Stelle  einzuräumen  und 
vorzüglich  in  Betracht  zu  ziehen,  dass  die  Akklimatisationsfähigkeit  des 
Menschen,  selbst  für  Regionen,  die  ähnliches  Durchschnittsklima  aufweisen, 
in  keiner  Weise  als  unbeschränkt  nachgewiesen  ist.  Dabei  ist  aber  keines- 
wegs von  vornherein  jener  pessimistischen  Anschauung  beizupflichten, 
welche  die  Nordamerikaner  auf  die  Aussterbeliste  stellt.  Sie  haben 
zweifellos  jetzt  einen  Akklimatisationsprocess  durchzumachen.  Aber  wer 
dürfte  behaupten,    dass   derselbe   nicht   zu   günstigen  Ergebnissen   fähren 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  603 

könne,  wenn  erst  die  Organisationen  sich  hinreichend  den  neuen  Be- 
dingungen angepasst  haben  werden?  Vielleicht  wird  gerade  die  Mischung 
sich  günstig  erweisen,  wenn  erst  dieser  Process  von  der  Mehrzahl  der 
Bevölkerung  überwunden  ist.  Rein  culturell  ist  sie  ja  schon  heute  als 
Erzeugerin  vielseitigster  Gaben  von  V ortheil. 

Geistige  Merkmale.  Bei  der  Beurtheihmg  der  neuen  Erschei- 
nungen im  Leben  und  Wesen  der  Nordamerikaner,  welche  manchmal 
ganz  entschiedene  Fortschritte  selbst  über  die  europaischen  Cultui  errungen- 
schaften  hinaus  zu  bezeichnen  scheinen,  ist  also  sein  körperliches  Wesen 
am  wenigsten  ausser  Acht  zu  lassen.  Wenn,  wie  man  drüben  oft  zu  sagen 
liebt,  eine  neue  höhere  Culturentwiekelung  in  der  Neuen  Welt  sich  vor- 
bereitet, so  kann  dies  nur  auf  Grund  einer  stärkeren  körperlichen  und 
geistigen  Beanlagung  geschehen.  Das  Mass  beider  ist  schwer  zu  be- 
stimmen. Was  die  körperliche  Seite  betrifft,  so  haben  wir  darüber  soeben 
gesagt,  was  gesagt  werden  kann.  Es  konnten  nach  der  Lage  der  Dinge 
nur  Andeutungen  sein.  Die  geistige  Seite  ist  im  vorigen  Capitel  (vgl.  be- 
sonders S.  546,  577)  und  zum  Theil  schon  in  früheren  besprochen  (z.  B. 
S.  318,  362  f.,  456).  Ohne  Zweifel  ist  der  germano-keltische  Nordameri- 
kaner, wie  er  uns  in  den  V.  St.  entgegentritt,  in  einigen  Beziehungen  den 
verschiedenen  europäischen  Völkern  überlegen,  aus  denen  seine  Elemente 
gezogen  sind.  Schon  der  oft  hervorgehobene  Gegensatz  in  der  langsamen 
Entwickelung  Canadas  und  der  so  viel  rascheren  der  von  der  Natur  im 
Ganzen  ähnlich  ausgestatteten  Neuengland- Staaten  lässt  mindestens  eine 
geschäftliche  Ueberlegenheit  auf  der  Seite  der  Yankees  erkennen.  In  der 
That  gelten  dieselben  überall  in  Canada  als  die  Unternehmenderen  und 
Erfolgreicheren  und  doch  sind  die  Naturbedingungen  ganz  ähnliche. 
Dasselbe  Zeugniss  stellt  ihnen  überhaupt  ihre  ganze  wirthschaftliche 
Entwickelung  aus,  welche  eben  so  sehr  auf  ihrer  eigenen  Tüchtigkeit 
als  der  Grossartigkeit  ihrer  Hülfsquellen  beruht.  Ihre  geschäftliche  Ueber- 
legenheit wird  von  fast  allen  europäischen  Beobachtern  anerkannt,  welche 
von  dieser  Seite  her  sie  kennen  lernten.  Zweifellos  sind  rastlose 
Thätigkeit,  Unternehmungsgeist,  Fähigkeit  grosse  Ent- 
würfe zu  ersinnen  und  durchzuführen  in  ihnen  vorhanden.  Ohne 
eine  hohe  geistige  Begabung  sind  diese  Eigenschaften  nicht  denkbar.  Ob 
aber  eine  höhere  geistige  Begabung  vorhanden  ist  als  durchschnittlich 
bei  den  europäischen  Völkern ,  sei  es  nun  nach  der  Tiefe  (einzelne 
geniale  Begabungen)  oder  nach  der  Breite  (allgemein  höheres  geistiges 
Niveau  der  Masse),  ist  für  jetzt  nicht  zu  entscheiden.  Was  die  Nord- 
amerikaner bis  heute  Bedeutendes  geleistet ,  würde  ein  europäisches 
Volk  wohl  ebenfalls  zu  leisten  vermocht  haben,  wenn  es  in  die  Nothwen- 
digkeit  versetzt  worden  wäre,  alle  seine  Fähigkeiten  aufzubieten.  Bis  jetzt 
scheint  es  uns,  dass  die  Nordamerikaner  keine  Ausnahme  von  der  Regel  der 
Beurtheilung  der  Völker  machen,  welche  lehrt,  dass  die  scheinbaren  Unter- 


604  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

schiede  ihrer  Begabung  weniger  in  der  Grösse   ihrer  geistigen  Kräfte  als 
^in   der   verschiedenen  Ausnützung   und  Anwendung   derselben   zu  suchen 
sind.     In  diesem  Sinne  kann  man   die  Nordamerikaner   als   ein  Volk  be- 
zeichnen,  das  mehr  als  alle  anderen  seine  Geisteskraft  auf  die  Probleme 
des  praktischen,  vorzüglich  des  Erwerbslebens,  concentrirt  und  in  welchem 
^  zugleich  die  -günstigen  Lebensverhältnisse  der  Einzelnen  eine  grosse  Masse 
von  Geist  für  alle  möglichen  Zwecke  verfügbar  machen,   in  welchem  also 
das  Verhältniss  des  freien  Geistes  zum  gebundenen  ein  sehr  günstiges  ist. 
Unzweifelhaft  überlegen   ist  es  allerdings  in  Einem  Punkte,    der  be- 
y  zeichnet  ist   durch   die   grössere  Frühreife   seiner  Jugend.    Indem 
der  Einzelne  zu  einer  Zeit  in  das  Leben  hinaustritt,  wo  er  bei  uns  noch 
auf  der  Schulbank   sitzt  oder   von   der  Familie   abhängig  ist,    gewinnt  er 
eine  frühe  Schulung  in  den  Fähigkeiten  und  Kenntnissen  des  praktischen 
öffentlichen  Lebens,  die  vielleicht  wenig  fruchtbar  für  seinen  Geist,  aber 
sehr  förderlich  ist   für  die  Bildung  seines  Charakters   und  die  Erringung 
seiner  Lebensziele.     In   den   Biographien   hervorragender  Amerikaner  ist 
^die    frühe    praktische  Bethätigung   ihrer  Gaben    ein    fast  immer  wieder- 
kehrender Grundzug.    Aber  auch  bei  denen,  welche  nicht  von  der  Noth- 
wendigkeit  früh  ins  Leben  hinausgezwungen  werden,  ist  die  Entwickelung 
des  Charakters  eine  viel  frühere   als  bei  uns.    Im  Allgemeinen  darf  man 
wohl  sagen,  dass  der  durchschnittliche  Amerikaner  mit  20  Jahren  ebenso 
fertig  ist  wie  der  durchschnittliche  Deutsche  mit  30.     Wenn   unsere  Sta- 
tistiker den  Beginn  des  produJäken  Alters,  d.  h.  desjenigen,  wo  der  Mensch 
sich  aus  eigener  Kraft  zu  ernähren  beginnt,  auf  das  25.  Jahr  ansetzen,  so 
darf  man  für  den  Nordamerikaner  die  Zahl  um  5  —  8  herunterrücken.    Es 
liegt  hierin  ohne  Zweifel  ein  grosser  wirthschaftlicher  Gewinn :  Die  Familien 
werden  bälder  von  der  Last  der  Kinderernährung  befreit  und  die  jungen 
Leute  treten  früher  in  die  Reihen  derer  ein,   die  an   der  Förderung  des 
Nationalreichthums  mitarbeiten.     Aber   es   ist  auch   ein  Gewinn   für  den 
Charakter  damit  verbunden,  der  vielleicht  werthvoUer  ist:  Es  wird  hintan- 
^  gehalten  die   Schlaffheit   und  das  unselbständige,   unentschlossene  Wesen, 
welche  dadurch  entstehen,  dass  die  Jugend  mit  ihrer  Unklarheit  und  Ab- 
hängigkeit zu  weit  in  das  Mannesalter  hinein  verlängert  wird. 

Das  frühe  Altern  der  Nordamerikaner,  welches  oft  behauptet 
wird,  darf,  wie  es  scheint,  nur  körperlich  genommen,  nicht  aber  auf  Geist 
und  Energie  übertragen  werden.  Wenn  man  die  Völker  eintheilen  wollte 
—  und  dieser  Eintheilungsgrund  wäre  mindestens  zulässig  —  in  solche, 
deren  Greise  durch  Frische  des  Geistes  und  des  Charakters  im  Stande  sind, 
durch  ihre  Lebenserfahrungen  ihrem  Volke  bis  ans  Ende  nützlich  zu 
werden  (Typus  der  Engländer)  und  in  solche,  wo  das  Greisenthum  den 
Stempel  der  Verlebtheit  in  Schlaffheit  des  Geistes  und  Charakters  trägt 
(Typus  der  Spanier),  so  würden  die  Nordamerikaner  sicherlich  der  ersteren 
Classe  beizuzählen   sein.     Tliatkräftige ,   frische  Greise   spielen   eine   her- 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  605 

vorragende  Rolle  in  ihrer  Geschichte.  Man  braucht  nur  an  Washington 
und  Jackson  zu  erinnern.  In  rein  körperlicher  Beziehung  dagegen  gehört 
frühes  Verblühen  der  Jugendreize  zu  den  Merkmalen  der  Xordamerikaner 
und  noch  mehr  im  weiblichen  als  im  männlichen  Geschlecht.  Die  mittlere 
I.ebensdauer  scheint  jedoch  von  der  durchschnittlichen  europäischen  nicht 
merklich  abzuweichen  (s.  o.  S.  184). 

Die  politischen  Fähigkeiten,  als  welche  o.  S.  516  f.,  vorzüglich 
der  Ordnungssinn  und  die  Fähigkeit  zu  gehorchen  und  die  Achtung  vor 
dem  Rechte  Anderer  und  dem  Gesetze,  sowie  ein  starkes  Nationalgefühl 
genannt  worden  sind,  haben  natürlich  ihre  geistigen  Grundlagen,  deren 
Uebereinstimmung  mit  den  vorhin  angegebenen  Grundlagen  der  wirth- 
schaftlichen  Befähigung  in  den  meisten  Beziehungen  sofort  einleuchtet. 
Man  kann  geradezu  behaupten,  dass  die  politischen  Einrichtungen  der 
V.  St.  nicht  denkbar  sein  würden,  ohne  das  hohe  Maass  freier  Intelligenz, 
welches  in  allen  Classen  der  Bevölkerung  vorhanden  ist.  Die  Schicht 
der  Bevölkerung,  in  welcher  überhaupt  nicht  politisch  gedacht  wird,  eine  ^'^ 
Schicht,  die  überall  in  Europa,  einerlei  wie  auch  sonst  die  geistige  Be- 
gabung liege,  sehr  weit  verbreitet  ist,  ist  in  den  V.  St.  sehr  gering. 
Fast  jeder  hat  von  dem  Verstand  und  der  Energie,  die  er  besitzt,  etwas 
für  politische  Zwecke  übrig.  Dies  hängt  zusammen  1.  mit  der  Gewöhnung 
an  reges  politisches  Leben,  wie  es  die  Republik  mit  sich  bringt,  aber 
auch  2.  mit  der  Grundstimmung  des  Volkes,  die  nicht  übersehen  t^ 
werden  darf.  Dieselbe  ist  hoffnungsvoll  bis  zum  Optimismus,  kühn,  unter-, 
nehmend  und  ein  entschiedenes  Wohlbefinden  drückt  sich  in  ihr  aus, 
das  zu  politischer  Thätigkeit,  wie  zur  Thätigkeit  in  jeder  Richtung  anregt. 
Niemand  wird  in  diesem  Wohlbefinden  eine  unmittelbare  Wirkung  der 
demokratischen  Verfassung,  des  allgemeinen  Stimmrechtes  oder  gar  der 
religiösen  Freiheit  sehen  wollen,  sondern  der  letzte  Grund  bleibt  immer, 
die  Weite  des  unbesiedelten  Landes,  das  nur  Arbeit  verlangt,  um  reich- "^ 
liehen  Lohn  zu  geben,  die  daraus  folgende  geringe  Dichtigkeit  der  Be- 
völkerung, der  Ellhogenraum,  den  der  Einzelne  findet,  die  Jugend  des  ^' 
Volkes  ^).    Dass  aber  freilich  selbst  dieser  grosse  Vorzug   durch  schlechte 


1)  „Jene  Achtung  der  Menschenwürde,  welche  in  Amerika  wenigstens  der 
weissen  Rasse  gewonnen  ist,  jenes  stolze  und  freie  Selbstgefühl,  welches  dort 
alle  Bürger  der  Republik,  vom  ersten  Beamten  derselben  bis  zum  ärmsten  Tag- 
löhner,  der  ihm  seine  Stimme  gegeben,  sittlich  adelt,  und  für  alle  Mühseligkeiten 
des  Lebens  entschädigt,  ist  in  einer  gealterten  Gesellschaft  nicht  möglich,  wo 
die  historische  Gewohnheit  sich  dagegen  stemmt.  Man  mag  Gesetze  macheu 
und  Verordnungen  erlassen,  welche  gleiche  Justiz  und  gleiche  Behandlung  gegen 
jeden  Staatsbürger,  von  welchem  Stande  und  Vermögen  er  immer  sei,  vor- 
schreiben, man  wird  nicht  hindern  können,  dass  der  Richter  und  der  Beamte 
sich  anders  benehmen  gegen  den  armen  Mann  als  gegen  eine  Person  der  höheren 
Gesellschaft."     (Wagner  und  Scherzer,  Reisen  in  Nord.- Amerika.  1854.  I.  12.) 


606  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

Gesetze  oder  durch  anders  geartete  Tendenzen  des  Volks-Charakters  auf- 
gehoben werden  könnte,  bedarf  keines  Beweises.  Man  braucht  nur  andere 
Colonien  zu  sehen,  die  gleiche  oder  ähnliche  Vorzüge  besitzen,  um  zu 
erkennen,  dass  auch  hier  der  Mensch  mindestens  ebensoviel  wie  das  Land 
für  seine  Entwickelung  thun  musste.  Man  denke  sich  die  V.  St.  von  Spanien 
aus  colonisirt!  Insofern  hat  das  Volk  selbst  allerdings  wieder  durch  seine 
eigenen  Gaben  einen  grossen  Antheil  an  seinem  Schicksal  und  seiner 
Stimmung. 

Mit  dem  Vorhandensein  einer  grossen  Masse  von  freiem  Geist,  das 
in  dieser  Stimmung  seinen  Ausdruck  findet,  hängt  innig  zusammen  die  be- 
ständige Bereitschaft  des  Geistes  und  Willens  der  Nordamerikaner, 
welche  zu  seinen  hervortretendsten  Merkmalen  gehört  und  zunächst  sich 
ausspricht  in  jener  grossen  und  ausdauernden  Beweglichkeit,  welche 
der  Ruhe  und  Erholung  in  unglaublich  geringem  Maasse  zu  bedürfen  scheint. 
Hierin  ist  der  Nordamerikaner  vom  typischen  Germanen  weit  verschieden. 

vMan  hat  ihn  einer  stets  aufgezogenen  Uhr  verglichen:  „Vertraut  mit  der 
Anstrengung,  stets,  selbst  in  den  gewöhnlichsten  Verrichtungen  seines  Be- 
rufes, eilfertig;  gewohnt  grosse  Entfernungen  in  wenigen  Stunden  zurück- 
zulegen,   seine  Mahlzeit  in  10  Minuten  einzunehmen,   immer  und  überall 

vzu  laufen,  besitzt  er  das  Monopol  der  Ortsveränderung.     Reisen  ermüdet 

v Und  langweilt  ihn  nicht  ^).  Für  die  weitere  Entwickelung  dieser  Gabe 
ist  allerdings  Amerika,  das  Land  riesiger  Entfernungen,  eine  vortreffliche 
Schule  und  nirgends  wird  so  viel  gereist.  Nahmen  doch  die  Eisenbahnen 
der  V.  St.  1877  allein  130  Mill.  Doli,  für  Beförderung  von  Reisenden  ein. 
Die  hohe  Entwickelung  alles  dessen,  was  mit  dem  Reisen  zusammenhängt, 
vor  allem  der  Verkehrswege,  Wagen,  Dampfschiife  u.  s.  f.  zeugt  für  die 
grosse  Rolle,  die  die  Ortsveränderung  spielt.  Man  hat  gesagt,  der  Voll- 
blutamerikaner habe  das  mit  dem  Tartaren  gemein,  dass  er  nicht  wohne, 
sondern  campire  auf  dem  Boden,  den  er  betritt,  und  allerdings  kann  dies 

^  mit  einem  gewissen  Recht  von  den  Bewohnern  der  jungen  Ansiedelungen 
gesagt  werden,  für  deren  erstaunliche  Beweglichkeit  wir  mehrfach  Belege 
zu  geben  hatten  (s.  o.  S.  247,  316).  Uebrigens  liegt  diese  Art  von  Be- 
weglichkeit, wie  wir  dort  gezeigt  haben,  zu  einem  guten  Theile  in  der 
Bewirthschaftungsweise  der  nordamerikanischen  Landwirthe  begründet. 
Im  0.,  wo  stabilere  Verhältnisse  Platz  gegriffen  haben,  zeigt  sie  sich  wohl 
vereinbar  mit  der  altgermaniscben  Liebe  zum  eigenen  Heim.  Neigung  zu 
selbständigem  Wohnen  ist  einer  der  gesunden  Züge  germanischen  Wesens, 
welcher  in  der  Natur  des  Nordamerikaners  tiefe  Wurzeln  behalten  hat. 

Wenig  scheint  mit  dieser  kühnen,  hoffnungsvoll  gespannten  Stimmung 
die  anscheinende  Verdrossenheit  und  Verschlossenheit  zu  vereinigen, 
welche    dem  Beobachter   des   nordamerikanischen  Lebens  wenigstens  bei 


1)  Hübner,  Spaziergang  um  die  Welt.     1875.  I.  81, 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  607 

den  Männern  so  ausgeprägt  entgegentritt.  Viele  sehen  überarbeitet,  er- 
müdet aus.  „Wir  sollten  eigentlich  glücklicher  sein  als  die  Engländer, 
aber  wir  sehen  nicht  so  aus,'*  sagte  ein  Neuengländer  zu  Lyell  > 
(Second  Visit.  I.  128)  und  der  letztere  findet  wie  alle  Beobachter  einen 
abgearbeiteten  Zug  in  ihrer  Physiognomie,  den  er  aber  zum  Theil  dem 
Klima  zuschreibt.  Manches  von  diesem  Aussehen  hängt  mit  der  nervösen 
Ueberreizung  zusammen,  die  ihre  natürlichen  Rückschwankungen  hat, 
manches  damit,  dass  der  Geist  beständig  mit  Geschäften,  Entwürfen  u.  dgl. 
beschäftigt  ist,  die  ihm  selten  Zeit  zur  Ausspannung  geben.  Dahin  gehört 
das,  was  deutsche  Beobachter  DoUarbrüten  genannt  haben.  In  der  That 
ist  die  laute  P>öhlichkeit  des  Franzosen  oder  Süddeutschen  oder  auch 
die  unveränderliche  behagliche  Vergnügtheit  der  Plattdeutschen  dem  Nord- 
amerikaner fremd.  Seine  beste  Stimmung  ist  die  gespannte ,  gleichsam  j^ 
elastische,  in  der  alle  Kräfte  auf  irgend  ein  Ziel  energisch  gerichtet  sind, 
aber  seine  Lustigkeit  ist  fieberhaft  aufgeregt  und  nur  sporadisch.  Des- 
halb findet  er  auch  die  dauerhafte  Fröhlichkeit  rasch  als  eines  der  auf- 
fallendsten Merkmale  des  Deutschen  und  Franzosen  heraus.  Er  scherzt, 
lacht,  singt  und  i)feift  viel  weniger  als  diese.  Während  aber  gerade  die 
Deutschen  unvortheilhaft  dadurch  ausgezeichnet  sind,  dass  sie  sich  nicht 
scheuen ,  ihren  Stimmungen  auch  im  geselligen  Verkehre  Ausdruck  zu  ,^- 
geben ,  und  am  offensten  leider  den  Übeln ,  ist  der  Nordamerikaner  im 
Gegensatz  zu  ihnen  der  Mann  der  vielleicht  kalten,  aber  ruhigen,  gleich- 
massigen  Höflichkeit.  Er  hat  mehr  ritterliche  Anlage  als  die  anderen. 
Es  ist  in  ihm  nicht  das  neidische,  verdrossene  Wesen,  welches  sich  am 
Nebenmenschen  reiben  muss  und  nicht  aufliört,  nach  allen  Seiten  zu 
knurren  und  kläffen,  sondern  er  hat  im  Gegentheil  ein  gutes  Bewusstsein 
ebensowohl  des  Werthes  als  der  Grenzen  seiner  Persönlichkeit;  so  wie 
er  sie  von  Anderen  geachtet  sehen  will,  achtet  er  sie  auch  selbst.  Darin 
zeigt  sich  wieder  jene  im  Politischen  hoch  bedeutsame  Anerkennung  des 
Rechtes  und  Werthes  der  Individualität.  Soviel  man  auch  vom  Protzen- 
thum  der  Nordamerikaner  sprechen  mag,  unzweifelhaft  ist  gerade  in  dieser 
Eigenschaft  etwas  Aristokratisches,  das  ihm  vorzüglich  dem  Deutschen  -^ 
gegenüber  eine  entschiedene  gesellschaftliche  Ueberlegenheit  verschafft. 
Die  ritterliche  Verehrung  der  Frauen,  erscheine  sie  noch  so  äusser- 
lich,  krönt  diese  höchst  achtungswerthe  Seite  seines  Wesens  in  einer 
erfreulichen  Weise.  Einer  der  schönsten  Züge  germanischen  Wesens  bricht 
hier  glänzend  durch  die  Farblosigkeit  des  Geschäftscharakters  und  wenn 
es  uns  Deutsche  auch  schwer  ankommt,  wir  müssen  doch  zugestehen,  dass 
jene  Hochhaltung  des  Weibes,  welche  Tacitus  als  eine  der  schönsten  unter 
den  Tugenden  der  Germanen  rühmt,  bei  diesem  jungen  Zweige  viel  ächter 
und  reicher  zur  Erscheinung  kommt  als  bei  uns,  dem  alten  Stamme. 

Für   die  weibliche  Hälfte    dieses  Volkes   erweckt  dieser   schöne  Zug 
seiner  Männer  von  vornherein    ein  günstiges  Vorurtheil.     In  der  That  ist 


608  XYI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

,  die  Nordamerikanerin  eine  in  vieler  Beziehung  bevorzugte  Ver- 
treterin ihres  Geschlechtes.  Schönheit  des  Gesichtes ,  geistiger  Aus- 
druck ,  edle  Haltung  sind  bei  ihnen  weiter  verbreitet  als  bei-  den 
Frauen  irgend  eines  andern  germanischen  Stammes.  Die  Magerkeit 
und  Sehnigkeit,  die  den  Mann  oft  unschön  macht,  thut  allerdings  auch 
ihren  Formen  Eintrag,  aber  nur  in  geringerem  Maasse.  Jedenfalls  sind 
sie  in  sehr  entschiedener  Weise  das  schönere  Geschlecht.  Mangelhaft  sollen 
aber  Haare  und  Zähne  sein.  Leider  hat  diese  Schönheit  sehr  oft  nicht 
die  Grundlage  eines  gediegen  gesunden  Körpers  (s.  o.  S.  601)  und  frühes 
Verblühen  ist  viel  häufiger  ihr  Schicksal  als  bei  uns.  Die  geistigen  Gaben 
sind  bedeutend.  Die  Nordamerikanerin  ist  mit  mehr  kühlem  Verstand 
begabt  als  die  durchschnittliche  Europäerin,  ebenso  mit  grösserer  Willens- 
kraft, Entschlossenheit  und  Unternehmungsgeist.  Keine  Frau  tritt  so  sicher 
auf,  wendet  sich  unbefangener  an  die  Oeifentlichkeit,  als  sie.  Was  wir  Weib- 
lichkeit nennen,  ist  daneben  weniger  entwickelt,  wenn  es  auch  zum  Theil 
durch  acht  weibliche  Grazie,  Sanftmuth  und  Reinheit  der  Gesinnung  er- 
setzt ist.  Die  Gemüthsseite  ist  am  schwächsten  vertreten.  Man  hat  mit 
Recht  gesagt,  dass  die  Amerikanerin  mehr  Feuer  als  Wärme,  mehr 
Aeusserliches  als  Innerliches  habe.  Indessen  ist  sie  nicht  en  masse  zu 
beurtheilen.  Wo  sie  mit  Charakter  sich  verbinden,  sind  jene  nach  aussen 
hin  gewandten  Gaben  nur  geeignet,  den  Eindruck  und  die  Wirkung  der 
Gesammtpersönlichkeit  zu  erhöhen,  wo  aber  jene  nur  allein  vorhanden 
sind ,  ist  der  Eindruck  eher  abstossend.  Man  könnte  darnach  zwei 
Gruppen  unterscheiden.  Doch  ist  etwas  Gemeinsames  in  beiden:  das 
starke  Streben  nach  einer  höheren  Stellung,  als  die  einfache  Erfüllung 
der  Mutter-  und  Hausfrauenpflichten  ihnen  zuweist.  Die  Minderheit 
sucht  aber  durch  ehrliche  Arbeit  in  Selbstbildung  des  Geistes  und 
Gemüthes  jene  Schranken  zu  erweitern,  während  viele  von  den  natür- 
lichen Pflichten  so  viel  abwerfen  als  möglich  und  die  Lücke  mit  imponiren 
sollenden  Nichtigkeiten  auszufüllen  suchen.  Jene  sind  es,  deren  ausge- 
zeichneter Charakter  vollauf  die  bevorzugte  Stellung  der  amerikanischen 
Frauen  rechtfertigt,  welche  von  diesen  anderen  dann  oft  unerträglich 
missbraucht  wird,  und  auf  ihren  bedeutenden  Einfluss  in  Familie  und 
Gesellschaft  ist  so  manche  oasenhafte  Erscheinung  in  der  Oede  des  ge- 
schäftigen Treibens  zurückzuführen.  Sie  sind  vielleicht  nicht  häufiger 
wie  ähnliche  Frauen  es  bei  uns  sind,  nur  treten  sie  energischer  und  mit 
mehr  äusserlichem  Geschick  mit  ihren  Gaben  hervor,  wissen  sich  und 
was  sie  erstreben  besser  zur  Geltung  zu  bringen.  Es  ist  hier  nicht  der 
Ort,  in  die  sehr  dunklen  Tiefen  der  Frauenfrage  auch  nur  ganz  ober- 
flächlich leuchten  zu  wollen,  und  ich  will  nur  die  Beobachtung  anknüpfen, 
ydass  hier  fast  ausnahmslos  die  Frau  in  allem,  was  man  Bildung  zu  nennen 
pflegt,  sehr  weit  über  dem  Manne  steht.  Ein  amerikanischer  Mann  mit 
Sinn  für  unverwerthbare  Wissenschaft,  Literatur  oder  irgend  eine  Kunst 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  609 

ist  selten,  gewöhnlich  hat  er  nicht  genug  von  dem  gelernt,  was  diesen 
Sinn  entwickeln  und  nähren  könnte,  und  in  den  Fällen,  wo  ihm  in  der 
Jugend  Zeit  und  Lust  hierzu  nicht  fehlten,  ist  das  Gelernte  über  den 
Geschäften  vergessen.  Bei  den  Frauen  ist  das  Entgegengesetzte  der 
Fall.  Bei  ihnen  ist  es  Erforderniss ,  gebildet  zu  sein,  und  da  die  Sitte 
des  Landes  ihnen  in  jeder  nicht  ganz  gedrückten  Lebensstellung  viel 
mehr  Müsse  zukommen  lässt  als  bei  uns,  würden  sie  sich  etwas  Erkleck- 
liches aneignen  können,  wenn  sie  den  rechten  Ernst  und  Liebe  mit- 
brächten und  genug  gute  Schulen  hätten.  Immerhin  kann  lernen,  wer 
lernen  will,  und  Manche  benutzen  die  Gelegenheit  aufs  beste,  und  das 
allgemeine  Resultat  ist  dann  eben  doch,  dass  die  Frauen  mehr  von  den 
Dingen  wissen,  die  idealen  Sinn  und  edle  Gesinnungen  nähren,  die  den 
Gesichtskreis  erweitern,  die  sie  auch  dazu  berechtigen,  in  besserer  Ge- 
sellschaft über  Manches  zu  reden ,  was  den  Männern  gar  nicht  verständ- 
lich. Wie  aber  dieses  abnorme  Yerliältniss  die  Frauen  vielfach  unzufrieden 
in  der  Ehe  macht ,  zur  Selbstüberschätzung  anleitet,  ihre  natürliche  Stel- 
lung verkennen  lässt,  ist  leicht  zu  denken.  Die  hochgeachtete  und  ein- 
flussreiche Stellung  der  nordamerikanischen  Frauen  ist  indessen 
damit  nur  zum  Theil  erklärt.  Ein  anderer,  oft  angeführter  Grund,  die 
anfänglich  geringe  Zahl  der  Frauen  in  den  Colonien,  welche  natürlicher- 
weise ihren  Werth  steigern  musste,  übt  ohne  Zweifel  noch  immer  ihren 
Einfluss  da,  wo  dieses  Missverhältniss  wirklich  besteht  (s.  o.  S.  185) 
und  ist  noch  wirksamer  durch  die  Art,  in  welcher  es  auf  die  Gestaltung 
der  Sitte  und  Anschauungen  einwirkte.  Die  wichtigste  Ursache  ruhte 
aber  oft'enbar  in  den  Frauen  selbst,  vorzüglich  in  ihrer  geistigen  Begabung 
und  ihrem  selbstbewussten ,  würdigen  Auftreten,  in  ihrer  Erziehung  zur 
Selbständigkeit  und  in  der  hohen  Schätzung,  die  das  Recht  jedes  Indi- 
viduums in  seiner  Umgebung  findet.  Nicht  bloss  im  Innern  des  Hauses 
zeigt  sich  diese  höhere  Stellung,  wo  der  Frau  viele  Leistungen  nicht  zu- 
gemuthet  werden,  die  sie  anderswo  zu  verrichten  hat,  sondern  auch  in 
mancherlei  Dingen  in  der  Oeffentlichkeit.  Man  sieht  keine  Frau  schwere 
Arbeit  verrichten,  man  sieht  sie  überall  mit  ritterlicher  Zuvorkommenheit 
behandelt,  Hunderttausende  von  ihnen  sind  in  den  Schulen  thätig,  die  ohne 
ihre  Wirksamkeit  schon  gar  nicht  denkbar  sein  würden,  als  Schriftstelle- 
rinnen und  Rednerinnen  erzielen  sie  grosse  Wirkungen,  in  den  Kirchen- 
und  Schulvorständen  entfalten  sie  grosse  Wirksamkeit.  Sie  haben  die 
Ehegesetzgebung  in  fast  allen  Staaten  günstiger  für  sich  gestaltet,  als  sie 
nach  englischem  Muster  war.  Nun  fehlen  nur  noch  zwei  Dinge :  Die 
politische  Gleichberechtigung  mit  den  Männern  und  das  Recht  auf  ein 
gleiches  Maass  von  Unterricht.  Für  die  erstere  wird  kräftig  agitirt,  aber 
bisher  sind  es  nur  einige  entlegene  Territorien,  welche  den  Versuch  ge- 
macht haben  oder  machen,  den  Frauen  die  Wahlrechte  zu  geben.   Kansas, 

ß  a  t  z  e  1 ,    Amerika  IL  qq 


610  XVI.  Bas  Volk  und  die  Gesellschaft. 

welches  früher  damit  vorgegangen  war,  hat  es  wieder  aufgegeben  und 
das  Territorium  Wyoming  ist  gegenwärtig  das  einzige  Gebiet,  wo  die 
Frauen  wählen  und  gewählt  werden  können;  bei  seiner  dünnen  Bevölke- 
rung will  indessen  dieses  Experiment  nicht  viel  besagen.  Die  Zusammen- 
Erziehung  der  Frauen  und  Männer  (Coeducation),  welche  den  ersteren 
gleiches  Maass  und  gleiche  Art  von  Bildung  gewähren  soll  wie  den 
letzteren,  ist  vereinzelt  versucht  worden.  Sie  könnte,  wenn  irgendwo,  hier 
Boden  gewinnen,  es  scheinen  aber  die  natürlichen  Hindernisse  auch  hier 
nicht  zu  beseitigen. 

Die  Sittlichkeit  eines  Volkes  ist  in  allen  Fällen  der  am  schwersten 
zu  beurtheilende  Zug  seines  Wesens.  Er  ist  dies  doppelt  bei  den  Nord- 
amerikanern, welche  als  junges  Volk  mit  Fehlern  behaftet  sind,  welche 
wahrscheinlich  ihrem  jugendlichen  Zustande  mehr  als  dem  Kern  ihres 
Wesens  zuzuschreiben  sind.  Zudem  fehlt  für  eine  etwaige  Sittenstatistik 
fast  jeder  Anhalt.  Man  darf  freilich  keinen  grossen  Werth  legen  auf 
die  Zahl  der  unehelichen  Geburten,  der  Verbrechen  jeder  Art,  der  Selbst- 
morde und  anderen  Handlungen,  die  gestörten  sittlichen  Anschauungen 
entspringen,  aber  immerhin  erschwert  ihr  Mangel  noch  die  Fällung  eines 
Urtheiles  über  die  sittlichen  Eigenschaften  eines  Volkes^).  Um  so  mehr 
müssen  wir  uns  beschränken,  hier  nur  andeutend  zu  verfahren.  Vor 
allem  ist  hervorzuheben,  dass  schon  die  innere  Ungleichheit  des  viel  ge- 
mischten Volkes  von  scharfem  Urtheil  zurückhalten  muss.  Wir  werden 
nicht  nur  die  Indianer  und  Neger  auszuschliessen  haben,  die  unter  den 
Bedingungen  einer  ganz  anderen  Naturanlage  stehen,  sondern  auch  die- 
jenigen  Volksbestandtheile ,   welche   die   herrschende   Sprache    und   Sitte 


1)  Der  Census  von  1870  gab  unter  „Aeeidents  and  Injuries"  2057  (4  von 
y  1000  Todesfällen)  durch  Tödtung  (Homicide)  und  31  (0,006  p.  1000)  durch  Hin- 
richtung. Es  ist  nicht  möglich,  den  Grad  von  Richtigkeit  zu  schätzen,  der  der 
ersteren  Angabe  zukommt,  wahrscheinlich  ist  sie  zu  niedrig,  da  die  verhältniss- 
mässig  zahlreichsten  Morde  in  den  jungen  Staaten  und  Territorien  des  W.  und 
ferner  im  S.  vorkommen,  wo  die  Genauigkeit  der  statistischen  Erhebungen  am 
geringsten  sein  dürfte.  An  und  für  sich  ist  dies  übrigens  keine  Zahl,  die  in 
der  Sittenstatistik  ohne  Zergliederung  in  gewisse  Gruppen  von  Fällen  Verwen- 
dung finden  kann.  Man  denke  an  die  in  jedem  Jahre  und  in  ziemlich  grosser 
Zahl  vorkommenden  Ermordungen  von  Weissen  durch  Indianer,  welche  hier 
mitgezählt  sind.  Von  Selbstmorden  wurden  für  1870  1145  aufgeführt.  Am 
wichtigsten  ist  aber  vielleicht  die  Zahl  1410,  welche  für  durch  Alkobolgenuss 
Gestorbenen  angegeben  wird.  Sie  deutet  zweifellos  auf  eine  starke  Verbreitung 
der  Trunksucht  hin,  welche  denn  in  der  That  als  eines  der  eingewurzeltsten 
und  verbreitetsten  Laster  dieses  Volkes  erscheint.  Die  Folgen  fehlen  nicht. 
Unter  49423  Verbrechern,  welche  1870  die  Gefängnisse  der  Stadt  New  York 
bevölkerten,  waren  30507  Trinker,  von  1093  Insassen  des  Zuchthauses  von 
Albany  in  1869/70  893. 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  611 

noch  nicht  angenommen  haben,  wie  z.  B.  die  Spanier  und  Mestizen  Cali- 
forniens,  die  Creolen  Louisianas  und  die  Deutschen  Pennsylvaniens ,  die 
Irländer  der  Grosstädte  des  0.  Nur  den  form-  und  massgebenden  Stamm, 
den  anglo-amerikanischen  und  die  in  ihm  bereits  völlig  tibergegangenen 
fremden  Bestandtheile  können  wir  hier  ins  Auge  fassen.  Auf  manches, 
was  zu  sagen  war  über  seine  geistige  und  Charakteranlage,  kann  als  seine 
sittliche  Anlage  beeinflussend  zurückverwiesen  werden.  Der  Einfluss  der 
Naturumgebungen  ist  S.  48  berührt,  das  mächtige  Herrschen  des  Er- 
werbs- und  Geschäftsgeistes  S.  363,  des  kaufmännischen  Sinnes  S.  456, 
der  politische  Rechts-  und  Ordnungssinn  S.  516,  die  geistige  Anlage  S.  546, 
der  religiöse  Sinn  S.  528,  die  Wohlthätigkeit  S.  532,  und  zusammen- 
fassend sind  andere  Anlagen  des  Charakters  und  Geistes  auf  den  vorher- 
gehenden Seiten  dieses  Abschnittes  behandelt.  Für  die  Beurtheilung  seines 
sittlichen  Charakters  ist  von  dem  allem  besonders  wichtig  die  Erkennt- 
niss,  dass  der  Anglo-Amerikaner  theils  aus  Anlage,  theils  aus  geschicht- 
licher Nothwendigkeit  vorzüglich  Verstandesmensch  ist;  er  neigt  dadurch  *^ 
zum  Kalten,  Berechnenden  und  zur  Rücksichtslosigkeit  im  Anstreben  seiner 
Zwecke;  in  Verbindung  mit  der  Sucht  zu  erraffen,  machen  ihn  diese 
Neigungen  leicht  gewissenlos  in  allen  Dingen,  wo  Geld  ins  Spiel  kommt. 
Andererseits  neigt  er  aber  mehr  zum  Verschwenden  als  zum  Geizen.  Es 
ist  ferner  ein  grosses  Maass  von  Selbständigkeit  ihm  eigen,  das  aber 
wieder  gemildert  wird  durch  eine  tief  eingewurzelte  Achtung  vor  denjenigen 
Dingen,  die  von  der  Gesammtheit  seiner  Mitbürger  geachtet  werden,  vor- 
züglich vor  dem  Selbstbestimmungsrecht  und  den  Meinungen  Anderer, 
sowie  vor  Allem,  was  in  das  religiöse  Gebiet  einschlägt.  Das  letztere 
wird  ihn  ebenso  oft  zum  Heuchler  werden  lassen,  wie  das  erstere  ihn  zur 
Selbstüberhebung  und  Gewaltthätigkeit  geneigt  macht.  Es  ist  bemerkens- 
werth  das  offenbar  mit  dem  Vorwiegen  des  Verstandes  verbundene  Zurück- 
treten der  Sinnlichkeit,  welches  die  Motive  einer  ganzen  Anzahl  von 
Ausschreitungen  vermindert;  vorzüglich  in  Verbindung  mit  der  Selbstän- 
digkeit der  Frauen  lässt  dasselbe  die  geschlechtlichen  Verhältnisse  und 
Missverhältnisse  viel  mehr  in  den  Hintergrund  treten  als  bei  allen  euro- 
päischen Völkern.  Selbst  in  der  Jugend  leben  die  beiden  Geschlechter  u^ 
so  frei  zusammen  wie  nirgends  sonst  und  die  Frauen  könnten  gesellschaft- 
lich nicht  freier  sein.  Dafür  hat  aber  die  kühlverständige  Art  der  letz- 
teren lockernd  auf  das  Band  der  Ehe  gewirkt,  und  die  Zahl  der  geschie- 
denen Ehegatten  oder  der  getrennt  lebenden  ist  sehr  gross.  In  demjenigen 
Staate,  wo  die  Statistik  des  Familienstandes  am  genauesten  durchgeführt 
wird,  in  Massachusetts ,  zählte  man  1875  2617  Geschiedene  und  2307 
unbekannten  Familienstandes.  Nach  der  Ansicht  des  Statistikers  sind  die 
letzteren  grösstentheils  zu  den  Geschiedenen  zu  rechnen.  Die  erstere  Zahl 
allein  beträgt  schon  0,4  Proc.  der  Verehelichten.    Bei  der  Erwägung  dieser 

39* 


612  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

Thatsachen  sind  die  oft  unglücklichen  Folgen  der  für  die  Sittlichkeit  des 
Volkes  im  Uebrigen  gewiss  günstigen  sehr  frühen  Eheschliessungen  nicht 
ausser  Betracht  zu  lassen.  Auch  erfordert  es  die  Gerechtigkeit  hervor- 
zuheben, dass  jene  Sekten,  welche  die  Verneinung  der  Ehe  oder  wenigstens 
der  Monogamie  in  ihre  Satzungen  aufgenommen  haben,  wie  die  Mormonen 
und  gewisse  Communistengemeinden,  immer  zu  einem  grossen,  oft  über- 
wiegenden Theil  aus  Nichtamerikanern  bestehen. 

Die  Familie  ist  diejenige  Erscheinung  des  gesellschaftlichen  Lebens, 
welche  bei  uns  in  der  Alten  Welt  bei  allen  Völkern  sich  am  ähnlichsten 
bleibt.  Dass  nun  gerade  sie  es  ist,  welche  bei  den  Nordamerikanern  die 
grössten  Unterschiede  erkennen  lässt,  gibt  sich  sofort  als  eines  der  auf- 
fallendsten Zeugnisse  kund  für  den  tiefen  Unterschied ,  welcher  die  Gesell- 
schaft der  Alten  "Welt  von  der  der  Neuen  trennt.  Man  findet  in  der 
nordamerikanischen  Familie  viel  mehr  Selbständigkeit  der  einzelnen  Glieder, 
der  Gatten  sowohl  als  der  Kinder,  welche  ihren  Grund  theils  in  den 
Charaktereigenschaften  der  Weiber  und  der  Frühreife  der  Kinder  findet, 
theils  in  dem  tiefgewurzelten  Begriff  von  persönlicher  Freiheit  und  Ver- 
antwortlichkeit, welcher  jedem  Lebensalter  seinen  eigenen  Rechtskreis 
zuweist.  Wenn  die  Kinder  der  nordamerikanischen  Familien  mehr  Frei- 
heit in  der  Wahl  ihrer  Berufe ,  der  Verehelichung  u.  s.  w.  gemessen  als 
bei  uns,  so  ist  dies  nicht  sofort  als  Aufhebung  der  gemüthlichen  Bezieh- 
ungen anzusehen,  welche  die  Familienglieder  verbinden  sollten.  Man 
wird  gut  thun  vorher  die  Frage  zu  beantworten:  Was  leistet  die  Familie? 
Wo  es  schwer  ist,  ins  Lmere  zu  sehen,  da  wird  der  in  aller  Völker- 
beurtheilung  werthvolle  Satz:  An  ihren  Früchten  sollt  ihr  sie  erkennen, 
doppelt  beherzigenswerth.  Die  werthvollste  der  materiellen  Früchte  eines 
gesunden  Familienlebens  ist  aber  der  Zusammenhalt  der  Glieder  einer 
Familie  zu  erspriesslicher  Thätigkeit.  Die  Familie  muss  in  einem  Volke 
sehr  gut  fundirt  sein,  wenn  nicht  die  Verlockung  zur  Absonderung,  zur 
Loslösung  von  allen  Rücksichten  der  Pietät  und  Sitte,  zur  Trägheit,  zur 
Missachtung  der  Heimat  und  des  häuslichen  Herdes,  welche  bei  der 
seit  zwei  Jahrhunderten  fast  unbeschränkten  Ausbreitung  über  ein  reiches, 
noch  unausgebeutetes  Land,  wie  bei  aller  Colonisation,  so  nahe  liegt,  zu 
einem  Rückfall  in  halbcivilisirte  Zustände  führt,  wie  man  sie  in  Mexico, 
Mittel-  und  Süd-Amerika  bei  Spaniern  und  Portugiesen  findet.  Die  Colo- 
nisation kann  mit  ihren  schweren  Aufgaben  und  mit  ihren  nicht  minder 
schwer  zu  ertragenden  Verlockungen  als  der  härteste  Prüfstein  eines  Volks- 
charakters bezeichnet  werden.  Wir  finden,  dass  von  unseren  colonisirenden 
i/Völkern  kein  anderes  als  das  Britische  sammt  dessen  amerikanischen 
Abkömmlingen  die  Probe  bestanden  hat.  Nur  Grossbritannien  hat  Colonien 
gegründet,  die  in  normaler  Entwicklung  zu  Culturstaaten  ausgewachsen 
sind  oder  im  Begriffe   stehen ,   es  zu  thun.     Die  V.  St.  machen   seit  den 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  613 

250  Jahren  ihrer  Existenz  eine  Colonialgeschichte  durch ,  deren  Schauplatz 
sich  durch  neue  Ansiedelungen  beständig  erweitert  hat,  und  sie  sind 
noch  heute  ihren  wesentlichsten  Merkmalen  nach  Colonien.  Sie  haben 
bis  heute  die  Probe  bestanden,  welcher  man  weder  Franzosen,  noch 
Spanier,  noch  Niederländer,  noch  Portugiesen  widerstehen  sah.  Sie  und  ihre^X 
Colonien  sind  gediehen.  Es  gehört  noch  kein  sehr  tiefer  Blick  in  das 
Innere  ihres  Lebens  dazu,  um  die  Rolle  zu  würdigen,  die  die  Familie 
in  diesem  Gedeihen  spielt.  Man  könnte  die  gelungene  nordamerikanische 
Colonisation  als  eine  familienhafte  der  familienlosen,  misslungenen  süd- 
und  mittelamerikanischen  gegenüberstellen.  Dort  eine  Verpflanzung  der 
europäischen  Cultur  durch  ein  Volk,  das  bei  allen  Berührungen  mit  den 
rohen  Eingeborenen  sich  wesentlich  rein  und  seinen  Aufgaben  gewachsen 
erhielt ,  hier  der  Untergang  der  Europäer  sammt  ihrer  Civilisation  in  einer 
Mischlingsbevölkerung,  die  über  die  Halbcultur  nicht  hinauskommt.  Das 
günstige  Resultat  in  Nord  -  Amerika ,  wäre  ohne  die  Hochhaltung  der  .- 
Familie  und  ohne  einen  darausfolgenden,  tiefgehenden  Einfluss  derselben 
auf  das  private  und  öffentliche  Leben  der  Einzelnen  nicht  möglich  gewesen. 
Der  Rückschluss  auf  die  Sittlichkeit  in  den  Beziehungen  der  Geschlechter 
liegt  nahe.  Man  ist  darüber  einverstanden,  dass  die  Literatur  eines 
Volkes  ein  wesentliches  Gewicht  in  der  Beurtheilung  seiner  Neigungen  sei. 
Zugegeben,  dass  sie  in  so  weit  täuschen  kann,  als  die  verschiedenen  Völker 
nicht  alle  gleich  offenherzig  in  dem  literarischen  Ausdruck  ihrer  Gefühle 
und  Gedanken  sind,  gibt  sie  doch  immer  und  unter  allen  Umständen 
interessante  Einblicke  in  die  Volksseele.  Die  nordamerikanischen  Dichter 
theilen  mit  den  englischen  die  Keuschheit  der  Phantasie.  Wie  würde  ein 
Franzose  das  sittliche  Problem  behandelt  haben ,  das  Hawthorne  in  seinem  ^ 
berühmten  Scarlet  Letter  darstellt?  Selbst  E.  A.  Poe,  der  geniale  Ver- ^ 
kommene ,  ist  in  seinen  Werken  rein.  Wie  bemerkenswerth  die  Umgehung 
jener  faulen  Stellen  am  socialen  Körper,  in  denen  man  anderwärts  mit 
Vorliebe  wühlt,  durch  so  fruchtbare  Romanschriftsteller  und  Novellisten 
wie  F.  J.  Cooper,  0.  W.  Holmes,  Bret  Harte!  Nur  die  gesunde  Ab- 
neigung des  Publikums  gegen  die  Ehebruchsromantik  und  ähnliche  Zweige 
der  schönen  Literatur  kann  dieselbe  erklären  und  es  ist  unmöglich,  nicht 
ein  günstiges  Zeichen  hierin  zu  sehen.  Wenn  im  Breitschlagen  des  Skan- 
dals durch  die  Presse  ein  Widerspruch  hiergegen  zu  liegen  scheint,  so 
bleibt  zu  erwägen,  dass  der  Skandalklatsch,  gesprochen  oder  gedruckt, 
bei  allen  Völkern  und  in  allen  Schichten  seinen  Reiz  behält.  Es  entspricht 
der  grossen  Macht  der  Presse  in  den  V.  St.,  wenn  sie  auch  die  sonst 
züchtig  verhüllten  Schäden  der  Gesellschaft  zum  Gegenstand  ihrer  sensa- 
tionellen Berichterstattung  macht.  Aber  man  muss  hinzusetzen,  dass  jede 
grössere  Stadt  ihr  gewissermassen  professionelles  Skandalblatt  besitzt,  - 
das  man  in  keinem  anständigen  Hause  trifft  wie  weit  es  auch  in  den 
tieferen   Schichten   verbreitet   sein   mag.     Die   besseren   Blätter   suchen 


614  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

^  dagegen  den  Anstand  zu  wahren,  soweit  es  mit  dem  allerdings  sehr  starken 
Neuigkeitsbedürfniss  zu  vereinigen  ist.  —  Man  pflegt  auch  die  häus- 
liche Erziehung  als  eine  der  Früchte  zu  bezeichnen,  an  denen  man 
die  Güte  der  Familie  messen  kann.  Wir  untersuchen  hier  nicht  den 
etwas  zweifelhaften  Werth  dieses  Massstabes.  Aber  es  verdient  Hervor- 
hebung, dass  die  Nordamerikaner,  an  denen  in  der  Jugend  so  viel  weniger 
erzogen  wird,  als  z.  B.  an  den  Deutschen,  die  letzteren  durchschnittlich 
an  dem  übertreffen,  was  man  im  gesellschaftlichen  Sinn  Wohlerzogenheit 
nennt.  Auch  kann  kaum  anders  als  günstig  auf  die  Familie  und  die 
Kindererziehung  der  Umstand  zurückwirken ,  dass  das  Kneipensitzen  selbst 
in  den  mittleren  Schichten  der  amerikanischen  Bevölkerung  nicht  für 
anständig  gilt  und  der  Vater  in  Folge  dessen  mehr  Zeit  mit  seiner 
Familie  verbringt  als  da,  wo  die  Begriffe  hierüber  lockerer  sind.  Dass 
der  Grundsatz  der  Selbständigkeit  des  Einzelnen  hinsichtlich  der  Kinder 
häufig  zu  weit  ausgedehnt  wird,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Aber  die 
weitgehende  Selbständigkeit  der  Jugend  dieses  Volkes  sogar  in  den  wich- 
tigsten Dingen,  wie  Eheschliessung,  Berufswahl  u.  s.  f.,  dürfte  in  ihren 
Ausschreitungen  kaum  verderblicher  sein,  als  die  bei  uns  herrschende 
Abhängigkeit,  welche  sogar  die  schon  selbständig  sein  sollenden  Kinder 
noch  immer  von  den  Eltern  zehren  lässt  und  welche  jedenfalls  weniger 
geeignet  ist,  Charaktere  zu  bilden;  Zuzugeben  ist  jedoch,  dass  das  Vor- 
walten der  Verstandessphäre  dem  amerikanischen  Familienleben  vielfach 
einen  ärmeren  und  kälteren  Ton  gibt.  Die  noch  immer  geringe  Pflege 
der  Musik  u.  a.  künstlerischer  und  geistiger  Interessen  im  Schosse  der 
echt  amerikanischen  Familie  kann  denselben  nur  noch  tiefer  stimmen. 

III.  Die  Gesellschaft.  Man  könnte  es  als  einen  der  Unterschiede 
zwischen  der  Neuen  und  Alten  Welt  bezeichnen,  dass  dort  die  verschie- 
denen Schichten  der  Gesellschaft  neben,  hier  über  einander  gelagert  sind. 
Wenn  es  möglich  wäre,  die  verschiedensten  Culturmassstäbe  wie  Bildung, 
Sitte,  Reichthum,  Arbeitsth eilung  u.  s.  f.  für  das  Gebiet  der  V.  St.  graphisch 
darzustellen,  so  würde  man  in  der  That  mit  ziemlich  grosser  Deutlich- 
keit drei  Culturzonen  neben  einander  gelagert  finden,  welche  von 
0.  nach  W.  in  der  Weise  auf  einander  folgen,  dass  die  Zone  höchster 
Cultur  im  äussersten  Osten,  eine  zweite  oder  mittlere  Zone  im  Seen-, 
Ohio-  und  Mississippi  -  Gebiet  und  eine  dritte  der  erst  werdenden  Cultur 
im  fernen  Westen  sich  ausbreitet.  Es  bestehen  Beziehungen  zwischen 
diesen  Culturzonen  und  den  Zonen  der  Bevölkerungsdichtigkeit  (s.  o. 
S.  187  f.),  sowie  den  Wirthschaftsgebieten  (s.  o.  S.  43).  Das  1.  Wirth- 
schaftsgebiet  und  die  4.  und  5.  Stufe  der  Bevölkerungsdichtigkeit  ent- 
sprechen der  östlichen  Culturzone,  die  Wirthschaftsgebiete  2  und  3  und 
die  2.  und  3.  Bevölkerungsstufe  der  mittlem,  die  Wirthschaftsgebiete  4 
und  5  und  die  1.  Bevölkerungsstufe  der  w.  Culturzone.  Natürlich  ist 
diese  dreifache  Zoneneintheilung  nur  ganz  allgemein  gedacht  und  so  gut 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  615 

es  dünnstbevölkerte  Striche  in  Maine,  New  York  oder  Florida  gibt,  finden 
sich  Bezirke  niederster  Cultur  in  die  fortgeschrittensten  Gebiete  ein- 
geschaltet. Was  nun  die  wirthschaftlichen  Grundeigenschaften  dieser 
Zonen  anbetrifft,  auf  denen  so  viel  von  ihren  Culturentwickelungen  beruht, 
so  sind  sie  o.  S.  43  genügend  gekennzeichnet.  Auch  manche  Merkmale 
ihrer  allgemeinen  Culturstellung  waren  im  Vorhergehenden  zu  berühren. 
So  vor  allem  die  Verhältnisse  der  landwirthschaftlichen  Bevölkerung, 
welche  der  mittleren  Zone  ihren  Stempel  aufdrückt,  im  VII.  Capitel  und 
viele  von  denen,  welche  für  die  oberste  bezeichnend  sind  in  den  Cap.  X 
bis  XIV  und  XV*).  Hier  mögen  nun  noch  die  hervortretendsten  Merk- 
male der  amerikanischsten  von  allen  diesen  Zonen,  der  westlichen,  kurz 
hervorgehoben  werden. 

Mag  in  den  älteren  Staaten  des  Ostens,  vor  allem  in  den  Neuengland- 
Staaten,  mancher  freundliche  Zug  vorhanden  sein,  der  anheimelnd  sogar 
an  die  besten  Seiten  europäischen  Lebens  erinnert,  so  wird  die  ameri- 
kanische Gesellschaft  doch,  je  weiter  man  sich  von  diesen  Mittelpunkten 
von  Bildung  und  Reichthum  entfernt,  immer  fremdartiger ;  und  zwar  nimmt 
diese  Fremdartigkeit  von  Stufe  zu  Stufe  einen  unangenehmeren,  roheren 
Charakter  an.  Immer  mehr  tritt  die  Jugendlichkeit  der  Staaten  und 
Gemeinden,  der  Mangel  eines  altangesammelten  Reiiihthums  und  damit 
der  Mangel  an  Menschen  hervor,  die  nicht  Charakter,  ruhige  Entwickelung, 
ideale  Hingebung  an  die  allgemeinen  Interessen  dem  leidenschaftlichen 
Wunsche  reich  zu  werden,  zum  Opfer  bringen.  •  Im  Süden,  wo  der  Bürger- 
krieg die  in  manchen  Beziehungen  von  sehr  guten  Traditionen  erfüllte^ 
Pflanzeraristokratie  zertrümmert  hat ,  welche  dem  Lande  bis  in  die 
neueste  Zeit  die  besten  Staatsmänner  und  Generale  gab,  sind  die  Gebil- 
deten verarmt  und  ist  eine  Classe  von  Menschen  in  den  Vordergrund 
gerückt,  welche  der  Amerikaner  treffend  FortuneseeJcers  d.  h.  Vermögen- 
sucher nennt ;  auf  den  Ruinen  der  alten  guten  Gesellschaft  macht  es  sich 
ein  Geschlecht  von  Menschen  bequem,  das  kein  anderes  Interesse  kennt, 
als  seine  zum  Theil  nicht  unbedeutenden  Gaben  und  die  selten  fehlende 
rücksichtslose  Energie  zum  möglichst  raschen  Zusammenscharren  von 
Reichthümern  zu  verwenden.  Im  Westen  ist  dieser  Zug  noch  schärfer 
ausgeprägt.  Staaten  und  Territorien  wie  Kansas,  Iowa,  Arkansas,  Texas, 
Colorado  u.  s.  f.  sind  im  Anfang  ihrer  Entwickelung  regelmässig  die 
Zufluchtsstätten  der  Vielen,   denen  die  Gesetze  und  Sitten  der  geregelten 


1)  Es  ist  in  dieser  Beziehung  auch  von  Interesse,  die  Staaten  nach  ihren 
Schulausgaben  zu  classificiren.  Man  findet  da  z.  B.  in  einer  Gruppe  mit  2,5  D. 
p.  Kopf  der  Bevölkerung  die  Neuengland-  und  Mittelstaaten  sammt  den  Staaten 
des  alten  Westens  und  Californien,  während  eine  Gruppe  mit  weniger  als  ID. 
p.  Kopf  alle  Südstaaten  sammt  Tennessee,  Kentucky,  Texas  und  Arkansas  und 
den  meisten  Territorien  umschliesst.  In  der  Mitte  stehen  mit  IV'2  —  2  D.  die 
jungen  Weststaaten,  Oregon  und  einige  Territorien. 


616  XVL  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

Staaten  des  Ostens  unbequem  werden.  Verbrecher  aller  Grade  sehen  in 
diesen  weiten  Gebieten ,  wo  kein  Gesetz  herrscht ,  als  das ,  welches  sie 
sich  selber  geben,  ihre  natürliche  Heimat.  Andere,  die  sich  vielleicht 
noch  nicht  conipromittirt  haben,  aber  zu  unruhig  und  herrenlos  sind,  um 
irgend  eine  Schranke  anzuerkennen,  gesellen  sich  ihnen  und  als  dritter 
Stand  drängt,  sich  in  diese  feine  Gesellschaft  das  Heer  der  Handelsleute 
und  Trödler^  denen  der  grössere  Gewinn  die  Unannehmlichkeiten  und 
häufige  Unsicherheit  des  Besitzthums  und  selbst  des  Lebens  an  den 
Grenzen  der  Civilisation  aufwiegt.  Auch  sie  sind  durchschnittlich  nicht 
von  der  besten  Sorte.  Ohne  Zweifel  bessert  das  bewegte,  entbehrungs- 
reiche Treiben  manchen,  den  die  Nothwendigkeit  jetzt  zum  erstenmal 
hart  und  mit  Geduld  arbeiten  lehrt  und  mit  der  Zeit  wird  doch  auch 
manches  gute  Element  hierher  verschlagen.  Gegen  die  schlimmsten  Ver- 
brecher hilft  sich  die  Gesellschaft  durch  Gesetze,  die  oft  mehr  als  dra- 
konisch, und  allmählich  schleifen  sich  dann  aus  Furcht  und  Interesse  die 
schärfsten  Ecken  der  Gesetzlosigkeit  ab. 

Bei    so   vielen   Mängeln   und  Unschönheiten    hat    diese   Gesellschaft 

v/aber  doch  immer  den  Vorzug  jung  zu  sein.  Das  will  viel  sagen  und 
schliesst  viel  bedeutsames  in  sich.  Am  Rande  des  atlantischen  Meeres, 
der  Europa  so  nahe  gerückt  ist,  erscheint  Amerika  schon  viel  älter  als  im 
Innern  und  der  Altersunterschied  alt-  und  neuweltlichen  Lebens  wird  sich 
bald  nur  noch  westlich  vom  Mississippi  so  fühlbar  machen,  wie  er  vor 
50  Jahren  im  ganzen  Lande  war.  Man  hat  treffend  gesagt:  Hier  haben 
die  Leute  noch  Lebensgeschichten.  Die  meisten  sind  nicht  an  dem  Orte 
geboren  wo  sie  leben,  sondern  sind  erst  in  reiferen  Jahren  zugewandert 
und  ihr  Leben  ist  dadurch   in   gewissem  Sinn  ein  zwiefaches   geworden, 

v/denn  Auswanderung  ist  Verpflanzung :  die  neue  Heimat  heischt  ein  neues 
Wurzelschlagen,  sie  bietet  andere  Aufgaben  als  die  alte  und  entwickelt 
andere  Kräfte.  Ein  begonnenes  Leben  wird  abgebrochen  und  ein  neues 
angefangen.  Aber  der  Zwischenzustand,  der  bis  zur  völligen  Befestigung 
in  den  neuen  Verhältnissen  dauert,  ist  für  viele  Menschen  der  Beginn 
eines  Lebensabschnitts,  in  welchem  Auswandern  und  Ansässigmachen  sich 
oft  viele  Jahre  hindurch  ablösen,  bis  er  durch  die  Auswanderung  nach 
einem  Lande  beschlossen  wird,  von  dem  man  sagt,  dass  selbst  die  Ruhe- 
losesten dort  Ruhe  finden.  Vor  Allen  die,  welche  aus  Europa  nach  diesen 
Gebieten  kommen,  finden  sich  selten  in  die  neuen  Verhältnisse  ohne  eine 

^^  Prüfungszeit  voll  wechselnder  Geschicke  durchgemacht  zu  haben.  Es  ist  in 
dieser  Richtung  ganz  charakteristisch,  dass  man  als  Regel  aufstellt,  es  fange 
einem  fremdländischen  Einwanderer  erst  von  der  Zeit  an  in  Amerika  wohl- 
zuergehen,  wenn  er  sein  mitgebrachtes  Geld  verlaborirt  habe  und  dadurch 
gezwungen  sei,  seine  Lehrzeit  ganz  von  unten  anzufangen.   Durch  die  grosse 

«•  Masse  derer,  die  hier  im  Westen  noch  in  die  Schule  des  Lebens  gehen  und 
keinen  bestimmt (}u  Entschluss  gefasst  haben  über  den  Weg,  den  sie  end- 


I 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  617 

gültig  einschlagen  wollen,  bekommt  die  ganze  Gesellschaft  einen  gewissen 
unruhigen  schlecht  fundirten  Charakter  und  es  sind  jene  Naturen,  von 
denen  berichtet  wird,  dass  sie  vor  der  anrückenden  Cultur  immer  weiter 
in  die  Wildniss  zurückweichen,  um  dem  gefahrvollen  Pionirleben  nicht 
entsagen  zu  müssen,  keine  Gebilde  der  Phantasie.  Dieses  wechselvolle 
Leben,  das  sich  um  so  weniger  Schranken  angelegt  glaubt,  je  weiter  der 
Raum,  in  dem  es  sich  bewegen  kann,  ohne  mit  fremden  Rechten  in 
Conflikt  zu  kommen,  dieses  Hinterwald-  und  Prärieleben  hat  in  der  That  ^ 
einen  grossen  Reiz,  und  nicht  bloss  für  die,  welche  es  leben.  Manche 
Leute  können  ihre  Vorliebe  für  Amerika  nicht  besser  begründen  als  durch 
den  Hinweis  auf  die  Poesie  dieses  schrankenlosen  Daseins,  das  viel  edlere 
Kräfte  in  Thätigkeit  rufe  als  das  gedrängte  Zusammenleben  in  unseren 
älteren,  höher  cultivirten  Staaten,  wo  keiner  sich  bewegen  könne,  ohne 
an  engherzigen  Gesetzen ,  Vorurtheilen  und  Herkommen  sich  wund  zu 
stossen.  Darin  ist  viel  Richtiges,  doch  muss  man  sich  hüten,  in  den 
Trappern  und  Holzhauern  des  Hinterwaldes  Wiederholungen  alter  Ger- 
manen oder  Grieclien  zu  sehen.  Die  Heroenzeitalter  wiederholen  sich  nicht, 
wie  heroisch  auch  Einzelne  sich  zu  jeder  Zeit  erweisen  mögen.  Moderne 
Anschauungen  und  Bedürfnisse  sind  hier  in  wunderbarer  Weise  mit  alter- 
thümlicher  Einfachheit  und  roher  Kraft  verquickt ;  aber  diese  Heroen  sind 
meistens  mit  den  Genüssen  der  Civilisation  gar  nicht  so  unbekannt,  wie^ 
es  scheinen  mag  und  viele  lieben  moderne  Dinge  wie  Geld,  Schnaps, 
Tabak  u.  a.  in  einer  Ausdehnung,  die  ihrem  heroischen  Charakter  einigen 
Eintrag  thut.  Ueberhaupt  ist  die  Waldursprünglichkeit  nur  geniessbar,  wo 
sie  so  viel  wie  möglich  unverfälscht  ist,  sobald  sie  sich  dagegen  mit  der 
Cultur  mischt,  wird  sie  unangenehm  und  wo  mit  viel  Cultur  und  besonders 
mit  den  vielen  Schattenseiten  der  Cultur  die  gesetzlose  Rohheit  und 
Rücksichtslosigkeit  des  Hinterwaldes  und  der  Prärie  sich  mischt,  entsteht 
ein  sehr  unschmackhaftes  Zwitterprodukt.  Es  tritt  dies  besonders  unange-»^ 
nehm  in  den  Bergwerksgebieten  und  Pilzstädten  des  fernen  Westens  hervor. 

Die  coloniale  Entwickelungsstufe  einer  Gesellschaft  ist  der  bürger-^/ 
liehen  Gleichheit  günstiger  als  irgend  eine  andere.  Man  kann  voraus- 
setzen, dass  die  ersten  Colonien  in  Nord-Amerika,  vor  allem  die  privaten 
und  rein  bürgerlichen  in  Neuengland,  zu  den  in  sich  gleichartigsten  gesell- 
schaftlichen Entwickelungen  gehört  haben,  die  es  je  gegeben  hat.  Die  That- 
sachen  bestätigen  das.  Die  Colonisten  fühlten  die  Gleichartigkeit  ihrer 
Anfänge  selbst  so  klar,  dass  in  einigen  Colonien  von  vorn  herein  eine 
communistische  Organisation  versucht  wurde  (s.  o.  S.  55).  In  der  That 
waren  sie  alle  im  Allgemeinen  auf  derselben  Stufe  von  Besitz  und  in  den 
ersten  Jahrzehnten  waren  die  Bedingungen  der  Erwerbung  von  Reichthum 
und  Ehren  für  alle  so  gleichartig,  dass  nur  geringe  Standesunterschiede  sich 
zur  Geltung  bringen  konnten.  Erst  in  dem  Maasse  als  Reichthum  sich  mehr 
und  mehr  ansammelte,  entstanden  grössere  Verschiedenheiten.    Der  erste 


Ql^  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

Stand,  der  sich  in  (iiesen  fast  durchaus  ernst  religiösen  Gesellschaften 
entschieden    absonderte,    war    der    der    Geistlichen.      Man   lese    die 

.Geschichte  einer  neuenglandischen  Colonie,  um  die  Macht  zu  begreifen, 
die  derselbe  besass.  Wie  sehr  er  aber  dem  Geiste  der  Gleichheit  wider- 
sprach, welcher  in  dem  Gross  der  Bevölkerung  lebte,  bezeugt  die  That- 
sache,  dass  .alle  jene  Kirchen,  in  denen  der  Stand  d^r  Geistlichen  sich 
als  ein  höher  gebildeter  und  einflussreicher  der  Gemeinde  gegenüberstellt, 
vor  allen  die  congregationalistische   und   episkopale,   schon  früh   in  Still- 

^stand,  theilweise  sogar  in  Rückgang  geriethen,  während  viel  mächtigere 
Sekten  auf  demokratischerer  Grundlage  sich  neben  ihnen  und  auf  ihre 
Kosten  entwickelten  (vgl.  o.  S.  537).  Neben  den  Geistlichen  war  höchstens 
noch  die  geringe  Anzahl  königlicher  Beamten,  bürgerlicher  und  militärischer, 
die  den  Anspruch  erheben  konnten,  einen  besonderen  Stand  zu  bilden. 
Indessen  wurden  viele  davon  aus  den  Colonien  genommen  und  ihre  Zahl 
Avar  immer  zu  gering,  um  eine  deutliche  gesellschaftliche  Schicht  zu 
bilden  *).  Die  Ständegliederung  konnte  in  allen  übrigen  Theilen  der  Gesell- 
schaft nur  auf  Unterschiede  des  Besitzes  sich  gründen  und  diese  konnten 
natürlich  in  einer  so  thätigen  Bevölkerung  nicht  zaudern,  sich  einzustellen. 
Doch  gab  es  einige  Gründe,  die  ihrer  Geltendmachung  entgegenwirkten. 
Im  S.,  wo  die  Sklaverei  rasch  anwuchs,  erlaubte  diese  zunächst  nur  die 
Scheidung  von  Freien  und  Sklaven.  Gegen  diesen  Unterschied  traten 
alle  anderen  zurück.  Im  N.  war  die  in  allen  Verfassungen  durchgeführte 
politische  Gleichberechtigung  der  Steuerzahler  in  dieser  Richtung  thätig 
und  in  kaum  geringerem  Grade  die  Ungewohntheit  derjenigen  Dinge, 
welche  die  Besitzunterschiede  nach  aussen  hin  zu  zeigen  bestimmt  sind. 
Man  erinnert  sich  der  republikanischen  Einfachheit  der  vorzüglichsten 
und  höchststehenden  Männer  aus  der  Zeit  des  Unabhängigkeitskrieges. 
Noch  1795  konnte  Winterbotham  sagen:  „Es  ist  wahrscheinlich,  dass  alle 

v^Juwelen  und  Diamanten,  welche  von  Bürgern  der  V.  St.,  ihren  Frauen 
und  Töchtern  getragen  werden,  einen  geringeren  Werth  besitzen  als  die- 
jenigen, welche  in  einigen  Ländern  Europas  Bestandtheil  der  Kleidung 
eines  einzelnen  Menschen  bilden"  (View  of  the  U.  S.  III.  308).  Die 
Einfachheit  gehört  zu  den  politischen  Tugenden.  Das  Volk  verlangte 
damals  noch  nicht,  dass  ein  leitender  Politiker  im«  Stande  sei  to  tap  the 
harrel,  d.  h.  das  Geldfass  anzuzapfen  für  Wahlbestechung  u.  dgl.,  sondern 
es  wachte  eifersüchtig  auf  den  Republikanismus  seiner  Vertreter  auch  im 


1)  Die  Worte  Gentleman  und  Lady  konnten  hier  nicht  anders,  als  eine  viel 
breitere  Bedeutung  annehmen,  als  die  ist,  welche  sie  in  engeren  und  befestigteren 
Gesellschaftszuständen  haben.  In  vielen  Kreisen  bezeichnen  sie  thatsächlich 
nichts  mehr  als  männliches  bzw.  weibliches  Individuum,  Im  aristokratischeren 
Süden  behielten  sie  mehr  von  ihrem  Werthe  und  die  Pflanzer  von  S.  Carolina 
liebten  es,  sich  mit  dem  stolzen  Titel  The  Gentlemen  of  America  zu  bezeichnen. 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  619 

Aeusserlichen.  Die  Ueberwachung  der  öffentlichen  Charaktere  geht  im 
Interesse  dieses  demokratischen  Gefühles  (dem  aber,  denn  es  handelt 
sich  um  Menschen,  der  Neid  häufig  nicht  fremd  ist)  sehr  weit.  Gründe 
der  Religion,  der  Philanthropie,  des  öffentlichen  Interesses,  der  bürger- 
lichen Gleichheit  werden  ins  Feuer  geführt,  um  die  Einbürgerung  ver- 
meintlich unchristlicher  oder  republikanischer  Gewohnheiten  zu  verhindern. 
Vor  50  Jahren  paradirte  ein  Billard,  das  John  Quincy  Adams  im  Weissen 
Hause  hatte  aufstellen  lassen,  unter  den  ernsthaften  Gründen,  welche 
man  gegen  seine  Wiederwahl  geltend  machte!  Die  Zeiten  haben  sich 
sehr  geändert.  Der  Reichthum  ist  eine  anerkannte  Macht  geworden  und 
der  Luxus  ist  schon  tief  eingedrungen.  Die  V.  St.  rühmen  sich,  einige 
der  reichsten  Männer  der  Erde  zu  den  ihrigen  zu  zählen.  Von  einem 
der  angestauntesten  von  diesen  Mächten,  dem  jüngstverstorbenen  Eisen- 
bahnkönig  Vanderbilt,  ist  das  Vermögen  auf  130  Mill.  D.  angegeben  worden. 
Das  demokratische  Gefühl  der  Gleichheit  hat  in  den  unteren  Classen 
etwas  weniger  unschädlichen  Tendenzen  Platz  gemacht.  Man  kann  sich 
wohl  denken,  dass  bei  der  vorwiegend  auf  einer  schon  sehr  erheblichen 
Verschiedenheit  der  Grösse  des  Besitzes  beruhenden  Ständegliederung  in 
den  V.  St.  die  Eifersucht  der  Aermeren  auf  die  Reicheren  natürlicher- 
weise ein  sehr  verbreitetes  und  tiefgehendes  Gefühl  ist.  Dass  ein  Mann 
nicht  für  irgend  ein  Amt  gewählt  wird,  weil  er  reich  ist,  oder  dass 
Jemand  unpopulär  wird,  weil  seine  Tochter  bessere  Kleider  trägt  als  die 
anderen  Misses,  ist  nicht  selten.  Diese  Gefühle  existiren  in  der  ganzen 
Welt,  aber  nur  hier  sprechen  sie  sich  ganz  klar  aus.  Einstweilen  hält 
ihnen  aber  immer  noch  die  Hoffnung  und  das  Bestreben  die  Wage,  es 
einst  den  Reichen  gleichthun  zu  können.  Eine  interessante  Aufgabe, 
welche  aber  an  dieser  Stelle  nicht  zu  lösen  ist,  würde  der  Nachweis  des 
Einflusses  sein,  der  in  der  Einführung  des  Luxus  und  in  dem  immer 
merklicheren  Hervortreten  der  Ständegliederung  je  nach  der  Möglichkeit 
grösseren  Aufwandes  den  Frauen  zufällt.  Er  ist  zweifellos  sehr  gross 
gewesen.  Das  goldene  Zeitalter  des  gleichen  Wohlergehens  Aller  hat 
sich    in    die   luftigen  Regionen   der    Hoffnung    zurückgezogen^).      Ausser 


1)  Dieses  goldene  Zeitalter  bestand,  ist  es  nöthig  zu  sagen  ?  in  Wirklichkeit  nie, 
aber  die  Verhältnisse  lagen  zeitweise  so,  dass  optimistische  Geister  es  wenigstens 
vermuthen  konnten.  Einen  geradezu  typischen  Ausdruck  gab  diesem  Optimismus 
Harriet  Martineau  in  ihrem  Society  in  America  (1837.  I.  15):  „In  alten  Ländern 
bleibt  die  Frage  offen,  ob  nicht  die  Menge  wegen  ihrer  Unwissenheit  in  einem  Zu- 
stand von  politischer  Knechtschaft  gehalten  werden  solle,  wie  Einige  wollen,  oder  ob 
sie  gradweise  für  politische  Freiheit  vorzubereiten  sei,  wie  Andere  denken,  durch 
Verbesserung  ihrer  Lage  und  durch  Schulunterricht;  oder  ob,  wie  Dritte  meinen, 
die  Ausübung  der  politischen  Rechte  und  Pflichten  nicht  die  einzig  möghche 
Art  der  politischen  Erziehung  sei.  In  der  Neuen  Welt  bleibt  keine  solche  Frage 
zu  erörtern.    Sie  besitzt  keine  grosse,  unterdrückte,  gereizte,  gefährliche  Classe 


620  XYI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

der  Hoffnung,  es  einst  eben  so  weit  bringen  zu  können,  welche  in  den 
Aermeren  durch  immer  neue  Beispiele  von  erfolgreichen  Seifmade  Men 
genährt  wird,  gibt  es  aber  glücklicherweise  noch  ein  anderes  kräftiges 
Mittel  gegen  allzuwucherndes  Wachsthum  des  Ciassenneides.  Es  liegt 
im  Charakter  des  Amerikaners  selbst,  der  sogar  als  GeJdmensch  weit 
entfernt  von,  dem  entsprechenden  Typus  der  alten  Gesellschaft.  Er 
scharrt  allerdings  auch  zusammen ,  aber  womöglich  nicht  mit  ängstlichen 
Mitteln,  sondern  im  Grossen.  Er  kauert  nicht  als  furchtsamer  Geiz- 
hals über  seinen  Schätzen.  Moliere's  „L'Avare"  würde  selbst  noch  heute 
vor  einem  echt  amerikanischen  Publikum  wenig  Verständniss  finden.  Man 
liebt  drüben  den  Besitz  nicht  um  seiner  selbst  willen,  sondern  weil 
^^er  Macht  gibt  und  Annehmlichkeiten  verschafft.  Es  liegt  darin  ohne 
Zweifel  eine  höhere  Entwickelung  des  Geldmenschenthums  und  dieselbe 
hat  einen  gesunden  Grundzug.  Sie  spornt  zur  Arbeitsamkeit  und  Unter- 
nehmung an  und  lässt  dann  die  sauer  erworbenen  Früchte  auch  Andere 
mitgeniessen.  Selbst  wo  sie  in  die  Uebertreibung  der  waghalsigen  Speku- 
lation oder  der  fieberhaften  Geschäftshast  übergeht,  versöhnt  noch  der 
Zug  der  Grossartigkeit,  der  dem  amerikanischen  Wesen  immer  innewohnt. 
Man  fragt  sich,  ob  sie  nicht  mit  allen  Auswüchsen  doch  noch  viel  besser 
sei  als  die  lendenlahme  Enthaltsamkeitsphilosophie,  welche  die  europäische 
Jugend  die  Missachtung  des  Besitzes  lehren  will  und  ihr  damit  den 
schärfsten   Antrieb   zur  Thätigkeit   nimmt*).     Mit  Recht  hat   ein   neuerer 


(von  Weissen),  welche  bei  der  geringsten  Gelegenheit  über  Agrarianisinus  schreit. 
In  der  ganzen  wunderbaren  Weite  dieses  Landes  sah  ich  keine  armen  Leute 
mit  Ausnahme  einiger  Bettler.  Ich  sah  einige  sehr  arme  Frauen,  aber  Gott  und 
Menschen  wissen,  wie  wenig  die  Zeit  gekommen  ist,  in  der  Frauen  auch  nur 
Gehör  finden.  Ich  sah  keine  Bettler  ausser  zwei  professionellen,  die  ihr  Glück 
in  den  Strassen  von  Washington  zu  machen  suchen.  In  den  ärmsten  Häusern 
sah  ich  keinen  Tisch  gedeckt,  auf  dem  nicht  Brot  und  Fleisch  erschienen.  Jedes 
Fabrikkind  hat  seinen  Regenschirm,  und  Schweinetreiber  tragen  Brillen.  Mit 
Ausnahme  des  fremden  Proletariats  in  den  Landungsstädten  und  den  in  sinn- 
lichen Lastern  Begrabenen,  von  denen  weder  die  Einen,  noch  die  Anderen 
politisch  gefährlich  sind,  gibt  es  Niemanden,  der  nicht  dasselbe  Interesse  an  der 
Sicherheit  des  Eigenthums  hätte,  wie  der  reichste  Kaufmann  von  Salem  oder 
der  Pflanzer  von  Louisiana  .  .  .  Gesetz  und  Ordnung  sind  ebenso  wichtig  für 
den  Mann,  der  das  Land  baut,  um  seine  Familie  zu  erhalten  oder  der  um  Lohn 
arbeitet,  damit  er  einst  auf  eigenem  Boden  sterbe,  wie  für  irgend  ein  Mitglied 
des  präsidenthchen  Cabinets." 

1)  „Man  muss  Amerika  die  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen,  dass,  wenn 
v/  auch  der  Wunsch  sich  zu  bereichern  allgemein ,  man  doch  in  den  wichtigeren 
und  nicht  ganz  jungen  Handels-  und  Verkehrsmittelpunkten  mehr  Gewissen  und 
vor  allem  weniger  Engherzigkeit  findet  als  bei  uns.  Der  amerikanische  Egoismus 
ist  breiter  als  der  unsere,  er  erniedrigt  sich  selten  zu  elenden  kleinlichen  Mitteln, 
er  schöpft  aus  dem  Vollen."  (M.Chevalier,  Lettres  L  272.) 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  021 

Reisender  gesagt:  Wenn  es  in  irgend  einem  Lande  der  Erde  als  unver- 
nünftig bezeichnet  werden  kann,  gegen  die  Geldaristokratie  und  gegen  die 
Gemeinheit  des  Goldes  und  Silbers  zu  predigen,  so  ist  es  hier,  denn  hier 
mehr  als  irgendwo  anders  ist  es  der  Fall,  dass  jedweder  sein  Geschäft 
hat.  Wer  Capitalien  hat,  bringt  sie  zur  Geltung  und  kann  dieselben 
weder  vermehren  noch  auch  selbst  erhalten  ohne  sehr  viel  Thätigkeit  und 
Wachsamkeit.  Der  Reichthum  eines  Mannes  steht  daher  hier  ziemlich 
allgemein  im  Verhältniss  zu  seiner  Wichtigkeit  und  dasselbe  gilt  von  seiner 
Fähigkeit  auf  dem  Gebiete  des  Ackerbaues,  der  Gewerbe  oder  des  Handels. 
Die  Geldmänner  haben  ihre  Fehler,  sie  sind  gewohnt  alles  mit  ihren 
Goldwagen  zu  wägen,  man  würde  sicherlich  ein  Volk  beklagen  müssen, 
das  nur  von  Kaufleuten  regiert  würde.  Aber  ein  Volk,  dessen  Regierer 
nichts  anderes  als  Advokaten  oder  Soldaten  wären,  würde  weder  glück- 
licher noch  freier  sein.  Wenn  in  der  Alten  Welt  die  alten  Interessen, 
die  militärischen,  die  buroaukratischen,  jene  alten  Interessen,  welche  unter 
allen  Formen  jedem  letzten  Winkel  ihren  Stempel  aufgedrückt  haben, 
sich  gezwungen  sehen,  zu  transigiren  mit  den  neuen  Interessen  der  Industrie, 
mit  der  Macht  des  Geldes,  wie  wäre  es  denn  möglich,  dass  in  der  Neuen 
Welt,  wo  die  Institutionen  der  Vergangenheit  nie  tiefe  Wurzeln  gefasst 
haben,  wo  alles  auf  den  Handel,  auf  das  Geld  hin  gerichtet  wird,  diese 
Macht  nicht  dazu  gelangte,  eine  Rolle  auf  der  politischen  Bühne  zu  spielen 
trotz  all  ihrer  Neider  und  Gegner?  Indessen  bei  allem  so  natürlich 
begründeten  Uebergewicht  der  Geldaristokratie  fehlt  nicht  die  Werth- 
schätzung  des  Geburtsadels,  die  ganz  natürlich  aus  dem  Wunsche 
besserer  Familien  sich  erklärt,  inmitten  des  allgemeinen  Strebens  nach 
Gleichheit,  irgend  einen  Grund  der  Absonderung  von  der  grossen  Masse, 
der  Auszeichnung  zu  finden.  Die  genealogische  Wissenschaft,  freilich 
nicht  über  die  Anfänge  des  17.  Jahrhunderts  hinausgehend,  wird  in  den 
V.  St.  ganz  so  ernst  betrieben  wie  in  Alt -Europa  und  die  Stammbäume, 
welche  zu  den  Cavalieren  der  ersten  Jahrzehnte  der  Old  Dominion  oder 
den  Puritanern  der  May  Flower  hinaufreichen ,  erfreuen  sich  hohen 
Ansehens.  Jeder  Staat  hat  seine  alten  Familien,  seine  Aristokratie.  „Ich 
habe,"  sagt  Hübner,  „nie  mit  jemand  dieser  Classe  Bekanntschaft  gemacht, 
ohne  sogleich  zu  hören:  „„Meine  Familie  ist  sehr  alt,  meine  Vorfahren 
kamen  vor  200  Jahren  nach  Amerika,  wir  haben  in  England  Verwandte, 
die  in  der  Pairskammer  sitzen,  oder  wir  stammen  von  hugenottischen 
Edelleuten,  welche  vor  dem  Widerruf  des  Edikts  von  Nantes  gut  gesehen 
waren  am  französischen  Hofe.""  Und  dieselben  Personen  zeichneten  sich 
durch  Erziehung  und  feine  Sitte  aus*)."  Eine  stark  entwickelte  Titel- 
sucht entspringt  demselben  Grunde.  Es  gibt  eine  Masse  betitelter 
Existenzen  wie  in  jedem  Freistaat  und  wer  einen  Titel  hat,   wird  immer 


1)  Spaziergang  um  die  Welt.  1875.  I.  51. 


622  XVI  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

bei  demselben  genannt.  Nur  die  Lächerlichkeit  der  ellenlangen  Titel  und 
^    der  Mittitulatur  der  Frauen  ist  bis  jetzt  nicht  eingedrungen. 

Man  ist  versucht  anzunehmen,  dass  der  nordamerikanischen  Gesell- 
schaft jene  gewisse  äussere  Gleich mässigkeit  der  Sitten  fehle, 
welche  das  Ergebniss  der  Herrschaft  zu  sein  pflegt,  welche  auf  diesem 
Gebiete  die-  Grossstädte  üben.  Aber  es  ist  dem  nicht  so.  So  gross 
die  Zersplitterung  in  jeder  politischen  und  religiösen  Hinsicht  sein  mag 
so  stark  ist  ■  der  Trieb  der  Nachahmung  gewisser  Muster  in  allen 
Aeusserlichkeiten.  Es  ist  kein  Volk  zu  denken,  bei  dem  eine  Mode,  auch 
die  bizzarste,  so  rasch  und  allgemein  zu  verbreiten  wäre  wie  bei  den 
Nordamerikanern.  Ein  starker  Nachahmungstrieb  ist  ihnen  eigen, 
ein  anglo- keltisches  Erbtheil  allem  Anschein  nach,  das  hier  aber  sich 
noch  bedeutend  vermehrt  hat  durch  die  in  Demokratien  den  niederen 
Classen  eigene  Sucht,  es  den  höheren  so  viel  als  möglich  gleich  zu  thun. 
Die  Stimmung  grosser  Theile  der  Bevölkerung,  ganzer  Staaten,  Parteien, 
Stände,  Landschaften,  Städte  nimmt  in  gewissen  Zeiten  bestimmte  gleiche 
Formen  an,  welche  den  Namen  Geistesepidemien  wohl  verdienen  würden. 
So  wie  alle  Geräthe  des  Hauses,  alle  Kleider  u.  s.  f.  durch  die  ganze 
Union  gleich  sind,  weil  sie  von  gleichen  Maschinen  in  gleichen  Fabriken 
hergestellt  sind,  so  werden  auch  die  Aeusserlichkeiten  im  Benehmen  u.  dgl. 
en  gros  bezogen.  Keiner  hat  Zeit  sich  speciell  damit  abzugeben,  jeder 
wählt  dasselbe  Muster.  Die  ganze  amerikanische  Gesellschaft  nimmt  sich 
^/  New  York  zum  Muster.  Die  Empire  City  bestimmt  die  Sitten  und  die 
Moden,  wie  es  in  ihren  Sphären  Paris,  London  oder  Wien  thun.  Einige 
Städte  haben  ihre  gesellschaftlichen  Vorzüge  vor  New  York,  wie  Washington, 
welches  eine  kosmopolitische,  politisch  angeregte,  Boston,  welches  eine 
literarisch  feiner  gebildete  und  geistig  regsame,  Richmond,  Baltimore 
und  Charleston,  Avelche  (wenigstens  in  Resten)  eine  aristokratischere, 
traditionenreichere,  oder  New  Orleans,  welches  eine  freiere,  heiterere 
Gesellschaft  hat.  Aber  New  York  übertrifft  an  Volkszahl,  Geschäftsthätig- 
keit,  Reichthum,  finanziellem  und  politischem  Einfluss,  Luxus  alle  anderen. 
Vielleicht  wird  sie  einst  ihre  Herrschaft  an  eine  von  den  neuen  Haupt- 
städten abtreten,  die  im  W.  in  der  Entstehung  begriffen  sind.  Heute  ist 
sie  aber  noch  in  jedem  anderen  Sinne  als  dem  formal  -  politischen  die 
Hauptstadt  der  V.  St.  und  vorzüglich  die  gesellschaftliche. 

IV.  Die  Culturphysiognomie  der  V.  St.  Jedes  Land  trägt  Spuren 
des  Daseins  und  des  Wirkens  des  Menschen  in  seinem  Aeusseren  und 
diese  Spuren  haben  erheblichen  Antheil  an  dem  allgemeinen  landschaft- 
lichen Charakter  des  Landes.  Diesen  Antheil  zu  bestimmen  ist  im 
L  Bande  versucht  (L  Bd.  S.  429),  hier  soll  die  etwas  speciellere  Frage 
beantwortet  werden,  welches  die  eigenthümlichen  Züge  sind,  die  das  Cultur- 
bild  der  V.  St.  von  dem  der  Länder  der  alten  Welt  unterscheiden.  Drei 
Merkmale  treten  uns  dabei  als  die  hauptsächlichsten  entgegen :  1.  Grössere 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  623 

Seltenheit  der  Zeugnisse  der  Cultur,  welche  besonders  dadurch  sich 
äussert,  dass  dieselben  überhaupt  weiter  zerstreut,  dann  aber  in  gewissen, 
wenig  besiedelten  Gegenden  noch  kaum  vorhanden  und  von  der  Natur 
überragt  sind.  2.  Geringere  Dauer  und  Stetigkeit  der  meisten  Schöpfungen 
des  Menschen,  die  selbst  auf  seine  eigenen  Wohnplätze  sich  ausdehnt, 
und  damit  zusammenhängend  zahlreiche  Belege  für  einen  rascheren  Ablauf 
aller  Lebens-  und  Thätigkeits-Aeusserungen.  3.  Mangel  der  Spuren  des 
Alters  der  Cultur  in  diesem  Lande. 

Die  grössere  Seltenheit  der  Culturschöpfungen  zeigt  sich 
nicht  überall  im  Einzelnen,  aber  sie  gehört  zu  den  entschiedenst  sich 
aufdrängenden  Eindrücken  einer  allgemeinen,  zusammenfassenden  Betrach- 
tung des  Landes.  Sie  entspricht  der  noch  immer  dünnen  Bevölkerung, 
die  selbst  in  den  dichtestbevölkerten  Theilen  noch  fern  ist  von  der  Dich- 
tigkeit der  Bevölkerung  in  den  volkreicheren  Theilen  von  Europa.  Sie 
wird  gefördert  durch  die  zwei  entgegengesetzten  Tendenzen  der  länd- 
lichen und  der  städtischen  Bevölkerungen :  Das  zerstreute  Wohnen  der  ^ 
ersteren  unter  möglichster  Vermeidung  der  Dörfer  und  das  Zusammen- 
drängen der  letzteren  in  möglichst  grossen  Städten.  Die  Mittel-  und 
Kleinstädte,  Marktflecken  und  grossen  Dörfer,  in  ihrer  Häufigkeit  so 
bezeichnend  z.  B.  für  Deutschland ,  treten  viel  mehr  zurück  in  den  V.  St. 
Strassen  und  Eisenbahnen,  auf  denen  mau  Hunderte  von  Meilen  menschen- 
armen Landes  durchfliegt,  um  von  einer  Grossstadt  nach  der  andern  zu 
gelangen,  gehören  zu  dieser  weiten  Zerstreuung  der  Culturschöpfungen. 
Nicht  minder  tritt  dieselbe,  und  noch  unverkennbarer,  hervor  in  dem 
Ueberragen  der  Natur  über  die  Werke  des  Menschen.  Die  letzteren  ver- 
schwinden in  den  Urwäldern,  Hochgebirgen  und  Steppen  fast  vor  der  Macht 
einer  noch  ungezähmten  Natur.  Aber  selbst  in  den  bevölkertsten  Theilen 
des  0.,  wo  fast  jeder  Wald  gelichtet,  jeder  Bach  überbrückt,  jeder  Fluss 
eingedämmt  ist,  ist  die  Natur  noch  nicht  so  weit  zurückgedrängt  wie  bei 
uns.  Sobald  sie  an  einem  Höhenzug,  einem  sumpfigen  Thal,  einem  Moor 
Halt  zu  gewinnen  vermag,  erscheint  sie  viel  ursprünglicher.  Noch  immer 
gibt  es  in  Staaten  wie  New  York  und  Pennsylvania  Hunderte  von  Quadrat- 
meilen Urwald  und  in  dem  altbesiedelten  Neuengland  ist  noch  immer  Maine 
der  echteste  Urwaldstaat.  Dass  man  in  einem  einzigen  Tage  von  einem  so 
vollkommen  weit-  und  grossstädtischen  Platz  wie  New  York  in  eine^^ 
menschenleere  Urwaldregion ,  wie  die  der  Adirondacks  zu  gelangen  vermag, 
gehört  zu  den  scharfen  Würzen  des  amerikanischen  Lebens.  Wie  diese 
Naturnähe  auf  den  Yolksgeist  wirkt  und  u.  a.  in  der  Literatur  zum  Aus- 
druck kommt  ist  auf  S.  51  angedeutet. 

Dauer    und    Stetigkeit    sind    den  Schöpfungen    der  Cultur   hier  X 
häufig  in  geringem  Grade   eigen.     Der  Grund   liegt  hauptsächlich   in   der  ' 
Beweglichkeit    der  Bevölkerung    selber    und    diese    entspringt    ihrerseits 
theils  einer  angeborenen  Raschheit  und  Rastlosigkeit,  theils  der  geringen 


624  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

Dichtigkeit.  Indem  der  einzelne  sich  noch  nicht  in  eine  dichte  Masse 
eingezwängt  findet,  hat  er  mehr  Lust  und  Grund  zur  Bewegung  und 
Veränderung.  Seine  Werke  nehmen  daran  Theil.  Ganze  Dörfer  und 
Städte  werden  versetzt  und  Tausende  sind  im  Stande  auf  einmal  heerden- 
weise  ihren  Wohnplatz  zu  ändern  (s.  o.  S.  .316).  Man  hat  mit  einiger 
UebertreibuHg  die  Nordamerikaner  als  Culturnomaden  bezeichnen  können. 
Noch  etwas  Anderes  kommt  hinzu:    das  Streben   nach  möglichst  rascher 

\/und  gewinnreicher  Ausbeutung  der  natürlichen  Reichthümer  des  Bodens, 
sei  es  an  Erzen  oder  an  Fruchtbarkeit.  Man  schöpft  von  einer  Unter- 
nehmung den  Rahm  ab,  um  schnell  nach  einer  anderen  zu  eilen.  Das 
eine  Unternehmen  zerfällt,  während  ein  anderes  aufblüht.  Daher  die 
Menge  von  „Cultur-Ruinen"  (s.  u.  S.  630),  die  über  das  Land  zerstreut 
sind.  Daher  auch  die  Leichtigkeit  und  Flüchtigkeit,  mit  der  man  in  den 
jüngeren  Gegenden  nicht  bloss  Häuser,  sondern  Städte  baut,  Brücken 
errichtet ,  Eisenbahnen  anlegt.    Alles  ist  nur  für  ein  paar  Jahre  bestimmt, 

"^^dann  wird  es  entweder  abgebrochen,  oder  sich  selbst  überlassen,  oder  aber 
es  treten  etwas  dauerhaftere  Schöpfungen  an  seine  Stelle.  Im  0.  baut  man 
in  den  grossen  Städten  bereits  viel  mehr  für  die  Dauer,  herrliche  Marmor- 
und  Granitpaläste  gehören  zu  ihren  Merkmalen,  aber  in  den  kleineren 
Orten  und  selbst  in  den  Vorstädten  grosser  Plätze  überwiegen  noch  die 
Holzbauten  ^).  Es  schiebt  sich  hier  noch  eine  andere  Eigenthümlickeit 
ein ,  das  minder  scharfe  Hervortreten  der  Sonderung  von  Stadt  und  Land, 
das  oben  schon  hervorgehoben  wurde  (S.  191).  Dieselbe  entspringt  zum 
Theil  demselben  Mangel  an  befestigtem ,  durch  Generationen  eingelebtem 
Dasein,  an  dem  historischen  Hauch,  der  bei  uns  die  Städte  vom  Lande 
scheidet,  zum  Theil  entspricht  sie  dem  jugendlichen  Charakter  des  hie- 
sigen Lebens,  das  es  noch  zu  keiner  so  entschiedenen  ständischen 
Scheidung  zwischen  städtischer   und  ländlicher  Bevölkerung  gebracht  hat. 

s/Der  Unterschied  von  Dorf  und  Stadt  schrumpft  hier  zu  dem  von  grösserer 
und  kleinerer  Wohnstätte  zusammen.  Das  Dorf  hat  unter  Umständen 
grosse  Kaufläden,  Banken,  Zeitungen  u.  dgl.  und  ist  in  Wirklichkeit  eine 
kleine  Stadt.  Der  flüchtige  Bau  der  Eisenbahnen,  Brücken,  Dämme 
u.  s.  w.  schliesst  sich  hier  an.     Die  Hauptsache  ist,  dass  alle  diese  Dinge 

y  dem  augenblicklichen  Zwecke  entsprechen ;  ihre  Dauer  ist  erst  in  weiterer 
Reihe  zu  suchen  und  ihre  Schönheit  kommt  zuletzt. 

Der  Schönheitssinn  möge  in  den  Zügen  der  Culturphysiognomie 
der  V.  St.  nicht  seine  Befriedigung  suchen.  Man  sieht  sich  an  vielen 
Punkten  umgeben  von  einer  schönen  Natur  und  häufig  begegnet  man 
schönen  Menschen,  aber  die  Werke  dieser  Menschen  machen  den  Eindruck 


1)  Die  Zählung  von  1875  wies  im  Staat  New  York  598013  Häuser  aus  Holz, 
98298  aus  Backstein  und  19  718  aus  Stein  nach.  Selbst  in  der  Stadt  New  York 
besteht  V4  der  Häuser  aus  Holz. 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  625 

der  Beschränkung  auf  das  Nothwendigste ,  wie  denn  z.  B.  unsere  Bahnhof- 
Paläste  oder  unsere  künstlerisch  verzierten  Brücken  dem  Amerikaner  als 
ein  heller  Unsinn  erscheinen.  Man  schätzt  den  Luxus,  aber  auch  dieser 
macht  sich  wenigstens  im  Aeusseren  des  Lebens  mehr  nach  der  Seite 
der  bequemen  als  der  schönen  Ausschmückung  des  Lebens  geltend.  Das 
wahrhaft  VIonumentale  ist  selten.  Der  Mangel  zahlreicher  hoher  Kirch- 
tliürme,  an  die  wir  in  unseren  grossen  Städten  gewöhnt  sind,  macht  sich 
überall  geltend,  wo  man  eine  der  Grossstädte  der  V.  St.  übersieht.  Die 
überaus  grosse  Zahl  der  Gotteshäuser  kommt  erst  zur  Wahrnehmung,  wenn 
man  in  die  Strassen  herabsteigt,  wo  man  freilich  oft  Mühe  hat,  die 
Kirchen  von  beliebigen  Privathäusern  zu  unterscheiden. 

^Yie  überall  verdichtet  sich  das  gesammte  Culturleben  in  den  Städten 
und  hier  ist  es,  dass  dasselbe  die  schärfste  Ausprägung  erlangt. 

Im  Gesammteiudruck  der  grössern  amerikanischen  Städte  wiegen,  von 
unwesentlichen   örtlichen  Besonderheiten   abgesehen,   vier   Erscheinungen 
unbedingt  vor.     Es  sind  die  geraden  und   breiten  Strassen,    der  starke  v 
Verkehr,    die  durchschnittlich    geringe   Grösse    der  Häuser,    die  scharfe,^ 
Sonderung  der  Geschäfts-  und  Wohnstrassen.    Die  grosse  Zahl  und  geringe 
Grösse  der  Häuser  ist  besonders  auffallend  in  wirklichen  Grosstädten  wie 
Philadelphia,  das  in  dieser  Hinsicht  einzig  unter  den  Grossstädten  der  Welt  "^ 
dasteht,    und  New  York.     Sie  beruht  auf  der  gesunden  Vorliebe   für  ge- 
schlossene Häuser,  Familienhäuser,  und  trägt  gewiss  viel  zum  körperlichen 
und  geistigen  Wohlsein  der  Bewohner  bei.     Aber  das  System  ist  auf  die,^ 
Dauer  nicht  in  der  Ausdehnung  haltbar,  welche  es  jetzt  einnimmt;  in  New 
York  nehmen  grosse  Miethshäuser ,     welche  das  Boden-   und  Baukapital 
besser  ausnützen,  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  überhand ').    Auch  die  Sonderung 
der  Geschäftshäuser  und  Wohnhäuser  nach  besondern  Strassen,  welche  oft 
weit  von  einander  entlegen  sind,    muss  zum  Wohlsein  der  Bevölkerungen 
beitragen,    den  Handelsverkehr  erleichtern  und  bequemes,    gesundes  und 
billiges  Wohnen  fördern.   Diese  Sonderung  ist  so  praktisch,  dass  sie  selbst 
in  kleinern  Städten  durchgeführt  erscheint,  setzt  aber  allerdings  die  zahl- 
reichen und  guten  Verkehrsmittel  voraus,  die  in  Gestalt  von  Dampf-  und 
Pferdeeisenbahnen  keiner  mittlem  oder  grössern  Stadt  fehlen.     Ihrerseits 
setzen   die  Pferdeeisenbahnen   breite   und   gerade   Strassen  voraus,    wenn 
sie  ihren  Zweck  gehörig  erfüllen  sollen.    Gasleitungen  und  Kanalisationen,  v- 
die  schon  in  viel  weitere  Kreise  gedrungen  sind   als  bei  uns,    ferner  die 
ebenfalls    sehr  häufigen  Wasserleitungen,    auf  welche  der  Amerikaner  so  >/ 
hohen  Werth  legt,    werden  gleichfalls  durch  die  regelmässige  Anlage  der 
Städte  erleichtert. 


1)  In  gewissen  Distrikten  von  New  York  ist  aber  schon  jetzt  die  Bevölkerung 
dichter  zusammengedrängt  als  selbst  in  London.  Nach  dem  1868er  Bericht 
des  Board  of  Health  waren  im  17  th  Ward  in  4210  Häusern  95091  Menschen, 
worunter  14016  Kinder   unter  5  Jahren. 

Patze  1,    Amerika  II.  40 


B26  XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft. 

In  kleinem  Städten  wiegt  durch  die  Niedlichkeit  und  Reinlichkeit  der 
Häuser,  welche  mit  Vorliebe  aus  weiss  getünchtem  Holz  erbaut  oder  mit 
solchem  verschalt  sind,  und  durch  die  Gärtchen,  welche  dieselben  aus- 
nahsmlos  umgeben,  ferner  durch  die  Reihen  der  Schattenbäume,   welche 

^^selten  in  einer  Strasse  fehlen,  der  freundliche,  ländliche  Charakter  vor. 
Ein  Schatten  dieser  Idylle  ist  durch  die  Baumreihen  in  den  Strassen,  die 
Rasenplätzchen  vor  den  Häusern   und  die  Schlingpflanzen  an  ihren   Bal- 

^  konen  selbst  noch  mitten  in  New  York  oder  Boston  und  in  ganz  hervor- 
ragender Weise  in  Philadelphia  festgehalten.  Selbst  in  S.  Francisco  hat 
man  trotz  des  trockenen  Dünenbodens  wenigstens  begnügsame  Eucalypten 
angepflanzt.  Blumen  an  den  Fenstern  sind  hingegen  viel  seltener  als  bei 
uns.  Mehr  noch  als  diese  grünen  und  schattigen  Säume  an  den  Strassen 
hin  lassen  uns  die  schönen  Parke  und  öifentlichen  Gärten  die  Naturnähe 
der  hiesigen  Cultur  und  die  Naturliebe  der  Amerikaner  empfinden ,  welche 
man  kaum  hinter  ihnen  suchen  würde,  wenn  sie  nicht  auch  als  der  aus- 
geprägteste Zug  in  ihrer  jungen  Literatur  wiederkehrte.  Man  hat  gewal- 
tige Summen  in  den  bedeutendem  Städten  für  Parke  und  Volksgärten 
ausgegeben,  und  selbst  den  Europäer,  der  den  Prater  oder,  das  Bois  de 
Boulogne  kennt,  wird  die  Grösse  und  Pracht  der  Fairmountanlagen  in 
v/ Philadelphia  oder  des  Centralparks  in  New  York  in  Erstaunen  setzen. 
Aber  auch  die  jungen  Städte  Cinciimati  und  S.  Louis  u.  v.  a.  haben  bereits 
schöne  Parkanlagen. 

Wie  diese  öffentlichen  Parke  und  Gärten  sind  auch  die  Kirchhöfe  in 
allen  einigermassen  bedeutenden  Städten  Nordamerikas  grossartig,  reich 
und  zum  Theil  mit  Geschmack  angelegt  und  gehalten.  Man  sieht  in 
ihnen  allgemein  das  Streben  wirksam ,  den  melancholischen  Charakter  des 
Grabfeldes  durch  allen  möglichen  landschaftlichen  und  künstlerischen 
Schmuck  zu  verwischen ,  und  der  einfache  Zweck ,  den  Todten  eine  unge- 
störte Ruhestätte  zu  bieten,  tritt  weit  hinter  dem  Bestreben  zurück,  die 
Kirchhöfe  zu  tröstlichen  Erholungsstätten  der  Lebenden  zu  maclien.  In 
den  grössern  Städten  sind ,  wenn  auch  nicht ,  wie  in  New  York ,  alle ,  so 
doch  einige  Kirchhöfe  auf  den  schönsten  Punkten  angelegt.  Von  dem 
berühmten  Greenwoodkirchhofe  in  der  Nähe  New  Yorks  geniesst  man 
einen  Blick  auf  New  York,  Brooklyn  und  das  Meer,  Avelchem  wenige 
Grossstädte  etwas  ähnlich  Schönes  zur  Seite  stellen  können.  In  Boston 
ist  der  Mount-Auburnkirchhof  viel  schöner  in  Lage  und  Bepflanzung  als 
Stadtpark   und  Public-Garden ,    in  Washington   und  Richmond  bieten   die 

./Kirchhöfe  die  schönsten  Aussichtspunkte  und  Parkanlagen.  Und  eine 
Fülle  reicher  Denkmale  ist  vorhanden  —  zu  viel  vielleicht,  um  nicht 
den  Eindruck  des  Gehäuften  und  des  Anspruchsvollen  zu  machen.  Jeden- 
falls ist  diese  Art  von  Kirchhöfen  eine  eigenthümlich  anziehende  Einrich- 
tung, welche  vor  allem  als  Aufhellung  und  Bereicherung  des  dumpfen 
Grossstadtlebens  erfreulich  wirkt. 


XVI.  Das  Volk  uiul  die  Gesellschaft.  027 

Minder  anziehend  als  diese  Rulie-  und  Erholungsstätten ,  mit  welchen 
die  amerikanischen  Städte  ohne  Zweifel  ihre  altern  europäischen  Schwestern 
zum  grossen  Theile  weit  hinter  sich  lassen,  sind  ihre  grossen  und  gross- 
artig oder  schön  sein  sollenden  öffentlichen  Bauten.  Lange  Zeit  zierte 
man  die  öffentlichen  Gebäude  nur  mit  griechischen  und  römischen  Säulen- 
hallen.  wie  man  noch  an  den  meisten  Bauten,  die  mehr'  als  dreissig 
Jahre  zurückdatiren,  besonders  in  Philadelphia,  Boston  und  Washington, 
sieht.  Selbst  für  Kirchen  war  dieser  echt  republikanische  Styl  beliebt,  v- 
Aber  seit  dieser  Zeit  hat  man  in  allen  möglichen  und  unmöglichen  Stylen 
experimentirt  und  mit  besonderer  Vorliebe  ganz  neue  Combinationen  auf- 
gesucht. Unruhe  und  Uebertreibung  gehen  durch  die  meisten  Bauwerke, 
die  etwas  vorstellen  sollen,  und  das  einfach  Schöne  und  Edle  muss  man 
an  bescheidenen,  anspruchslosen  Werken  suchen.  Den  in  Wahrheit  gross- 
artigsten Eindruck  machen  hier  die  Werke  der  Brückenbaukunst, 
welche  bekanntlich  in  Nordamerika  einige  ihrer  grössten  Triumphe  gefeiert 
hat.  Die  neue  Mississippibrücke  zu  S.  Louis  und  die  Ohiobrücken  von  s^ 
Louisville  und  Cincinnati  sind  unbedingt  erfreulicher  in  der  Gesammt- 
ansicht dieser  Städte  als  alle  ilire  Kirchthürme  und  Prachthäuser. 
Die  Riesenbrücke,  an  deren  Pfeilern  man  gegenwärtig  in  New  York 
und  Brooklyn  baut,  wird  dem  längst  schon  prachtvollen  Bilde  des  new- 
yorker  Hafens  einen  neuen  Zug  hinzufügen,  der  an  Grossartigkeit  alle 
andern ,  wie  überhaupt  alles  in  dieser  Art  Bestehende ,  übertreffen  wird. 
Die  geringfügige  Thatsache ,  dass  alle  grossen  und  kleinen  Flussdampfer 
hier  weiss  getüncht  sind,  ist  auch  erwähnenswerth.  In  der  Nähe  Verkehrs-  ^ " 
reicher  Städte,  die  an  grossen  Flüssen  liegen,  geben  diese  blanken  Fahr- 
zeuge, welche  in  Menge  vorhanden  zu  sein  pflegen,  der  Flussscenerie 
einen  heitern  Charakter,  —  das  Gegentheil  von  der  Wirkung,  welche 
unsere  schwarzen,  verrauchten  und  verstaubten  Dampfer  hervorbringen. 
Anscheinend  ebenfalls  geringfügig  ist  der  Umstand,  dass  man  in  diesen 
grossen  Städten  des  Ostens  vorzüglich  nur  pennsylvanische  Anthracitkohlen 
brennt,  welche  nicht  russen.  Es  ist  dies  aber  der  Grund,  weshalb  trotz 
seiner  grossen  Industrie  selbst  Philadelphia  nicht  im  mindesten  geschwärzt 
ist.  Cincinnati,  das  stark  russende  Kohlen  brennt,  sieht  dagegen  schon  ^ 
viel  älter  und  düsterer  aus  als  irgend  eine  der  östlichen  Grossstädte,  und 
in  noch  höherm  Grade  gilt  dies  von  Pittsburg  (vgl.  o.  S.  329). 

Die  Bevölkerung  aller  amerikanischen  Städte,  mit  Ausnahme 
der  südlichen,  in  denen  die  Neger  ihre  Faulheit  spazieren  tragen,  ist  aus- 
gezeichnet durch  ihr  bewegliches ,  thatkräftiges  ,  arbeitsames  Wesen.  Man 
kann  nicht  durch  eine  Strasse  gehen,  ohne  diesen  Charakterzug  wahrzu- 
nehmen, und  die  kleinen  Städte  nehmen  in  kaum  miiiderm  Grade  an  dem-  , 
selben  theil  als  die  grössten.  Es  fällt  ferner  ein  bedeutendes  Mass  von 
Wohlanständigkeit  in  Kleidung  und  Benehmen  auf.     Man  wird  auch  nicht 

40* 


628  XVI.  Bas  Volk  und  die  Gesellschaft. 

fehlgehen,  wenn  man  der  Bevölkerung  der  grossen  Städte  eine  inh  allge- 
meinen jugendlichere  Physiognomie  zuschreibt  als  der  der  kleinern  und 
des  flachen  Landes,  und  das  Zuströmen  zahlreicher  jüngerer  Einwanderer 
aus  Europa  und  aus  dem  Innern  erklärt  diese  Erscheinung  zur  Genüge.  — 
Für  ein  weitverbreitetes  mittleres  Mass  von  Bildung  spricht  der  grosse 
Absatz  von  billigen  Zeitungen ,  Zeitschriften  und  Büchern ,  welche  an  allen 
Ecken  und  Enden  feilgeboten  werden.  Dies  hindert  aber  nicht,  dass  die 
Kirchen  sich  reger  Theilnahme  und  Besuches  erfreuen.  —  Die  Schulhäuser 
aller  Art  zeigen  durch  ihre  Zahl,  Grösse  und  schöne  Ausstattung,  dass 
der  Volksunterricht  sich  einer  guten  Pflege  erfreut.  In  den  grössern  Städten 
fehlt  nie  eine  öffentliche  Bibliothek,  welche  entweder  Privat  Stiftung  oder 
von  der  Gememde  errichtet  und  Jedermann  zugänglich  ist.  Hingegen  sind 
mit  Ausnahme  New  Yorks  und  New  Orleans',  der  auch  in  dieser  Beziehung 
am  meisten  europäisirten  Städte,  die  Theater  unbedeutend,  sowohl  im 
Aeussern  als  in  den  Darstellungen.  Die  Musik  erfreut  sich  in  der  Oeffent- 
lichkeit  einer  massigen,  aber  in  rascher  Zunahme  befindlichen  Pflege. 
v/Oeffentliche  Yergnügungsorte ,  wie  Bier-  und  Kaffeegärten,  sind  nur  in 
denjenigen  Städten  zu  finden,  wo  eine  starke  deutsche  Bevölkerung  vor- 
handen. 

Auf  dem  Lande  erhöhen  die  Farmhäuser,  da  sie  in  den  meisten 
Gegenden  nicht  dorfartig  zusammengebaut,  sondern  nach  altsächsischcr 
Weise  zerstreut  sind,  zwar  den  Culturcharakter  nur  wenig,  aber  sie  geben 
gerade  durch  dieses  vereinzelte  Auftreten  manches  hübsche  Landschafts- 
bild. Die  verschiedenen  Arten  von  Farmhäusern  sind  o.  S.  243  geschildert. 
Die  Blockhäuser  finden  sich  nur  noch  in  jungbesiedelten  Theilen  des  W. 
häufig  und  selbst  hier  schreiten  die  Frame  Houses,  die  verschalten  oder 
Plankenhäuser,  begünstigt  durch  die  Arbeit  der  mit  zuerst  in  die  tiefsten 
Urwälder  dringenden  Sägmühlen  rasch  voran.  Aber  ihrer  angenehmen 
Eigenschaften  halber  werden  sie  auch  selbst  im  0.  und  im  alten  W.  noch 
von  conservativen  Naturen  den  letzteren  vorgezogen.  In  der  That  sind 
die  Blockhäuser,  wenn  gut  aufgeschlagen,  immer  comfortabel:  kühl  im 
Sommer,  warm  im  Winter,  leicht  warm  zu  halten  und  dazu  nicht  unschön. 
Ihre  Farbe   stimmt   sehr  gut   zum  Boden  und  zur  Vegetation.     In  vielen 

v/  Theilen,  wie  z.  B.  in  Michigan,  lässt  man  die  Rinde  an  den  Baumstämmen, 
aus  denen  ein  solches  Haus  gebaut  wird  und  erreicht  damit  einen  pitto- 
resken Beiz.  Die  bereits  viel  häufigeren  verschalten  Häuser,  die  selbst 
in  den  ödesten  Theilen  von  New  York  und  Neu-England  die  Blockhäuser 
fast  ganz  verdrängt  haben,   glänzen  ihrerseits  durch  weissen  Kalkanstrich 

/und  grüne  Fensterläden.  Eine  Veranda  (Piazza  genannt)  fehlt  wenigen 
von  ihnen.  Bei  aller  Einfachheit  sind  diese  Farmhäuser,  weil  aus  Holz 
gebaut,  das  leicht  in  angenehme  Formen  zu  bringen  und,  wenn  beschädigt, 
leicht  zu  ergänzen  und  zu  erneuern  ist,  meist  niedlich  in  ihrem  Aeussern 


XVI.  Das  Volk  und  die  Gesellschaft.  629 

und  die  meisten  stehen  wie  Gartenhäuser  inmitten  der  Mais-  und  Hafer- . 
felder.  An  deutsche  Scenea  gewöhnt,  vermissen  wir  nur  den  Schmuck 
der  Baumgärten  und  der  Obstbäume  um  die  Häuser;  es  ist,  wie  es  scheint,'^ 
hier  nicht  häufig  Sitte,  wie  es  bei  uns  ist,  Bäume  vor  die  Häuser  zu 
pflanzen,  und  wo  man  welche  pflanzt,  gibt  man  oft  den  grossen  Schatten- 
bäumen, Ulme,  Ahorn,  Eiche  den  Vorzug.  Freundlich  ist  aber  der  ^ 
Anblick  dennoch ,  und  nicht  am  wenigsten  durch  die  weisse  Farbe ,  mit 
der  man  hierzulande  auch  die  Häuser  mit  Vorliebe  anzustreichen  liebt. 
Im  Mittelpunkte  einer  i^nzahl  solcher  Niederlassungen  erhebt  sich, 
womöglich  erhöht,  das  Schulhaus  und  eine  oder  mehrere  Kirchen,  die 
ebenfalls  in  der  Regel  aus  Holz  gebaut  sind  und  kleinen  Kapellen  ähnlich 
sehen.  Dass  natürlich  das  Bild  einer  ländlichen  Ansiedelung  erheblich 
anders  in  den  holzarmen  Präriegegenden,  wo  man  mit  Bruchsteinen  oder 
Ziegeln  baut,  versteht  sich.  Es  ist  in  diesem  Fall  viel  reizloser.  Geradezu 
elend  und  unschön  sind  aber  die  Bug-outs,  die  halb  in  die  Erde  ver- 
grabenen engen  Hütten,  in  denen  die  spärlichen  Bewohner  der  Steppen 
sich  vor  den  Stürmen  zu  schützen  suchen. 

Die  Ruinen  sind  zwar  Amerika  in  einem  schönen  Verse  Goethe's 
abgesprochen  worden.  Zum  Unterschied  von  „Europa,  dem  alten",  soll 
es  ihrer  ebenso  entbehren  wie  der  Basalte.  Dies  trifft  heute  nicht  mehr 
so  ganz  zu.  Wenn  die  Cultur  hier  auch  jung  an  Jahren,  so  hat  sie  um 
so  rascher  .gelebt.  Die  Züge,  die  sie  da  und  dort  in  die  Physiognomie 
des  Landes  gegraben  hat,  mögen  weniger  die  Spuren  wirklichen  Alters 
als  früher  oder  verfrühter  Schicksale  sein:  sie  sind  nichtsdestoweniger 
ergreifend,  oft  nicht  minder  als  unsere  Ruinen.  Wie  viele  Ruinen  bergen 
nicht  die  Gold-  und  Silbergebiete  von  Californien  und  Colorado,  die  Oel- 
gebiete  von  Pennsylvanien  und  so  mancher  andere  erzreiche  Distrikt! 
Mit  dem  Reichthum  der  Gruben  schwand  die  Bevölkerung  und  hat  oft 
ganze  Städte  zurückgelassen.  So  hat  das  Riesenwerk  der  Pacific -Bahn 
eine  Menge  vergänglicher  Eisenbahnstädte  geschaffen,  die  mit  dem  Bau 
entstanden  und  mit  dem  Fortschreiten  der  Linien  wieder  verschwunden 
sind.  Im  S.  sind  zerfallene  Pflanzerwohnungen,  verödete  Kirchen  und 
Kirchhöfe  keine  seltenen  Erscheinungen.  In  den  einst  spanischen  Theilen 
des  S.  und  W.  liegen  die  Reste  spanischer  Adobe-  (Lehmziegel-)  Häuser, 
Klöster  und  Kirchen  in  Ruinen.  Und  dazu  noch  die  Masse  der  indiani- 
schen Grabhügel,  Schutzwälle  u.  s.  f.  Man  kann  in  der  That  nicht  vom^^ 
Mangel  der  Ruinen  sprechen.  Das  Land  hat  für  sein  Alter  deren 
mehr  als  genug. 

Wenn  in  vielen  Beziehungen   das  Kleine ,   Zerstückte ,    nur   für   den 
Augenblick  Geschaffene    unter  den   Culturschöpfungen ,    besonders    denen   , 
des  idealen  Gebietes,   überwiegt  und  hierin   ein  Merkmal  theils  der  der 
Jugendlichkeit  der  Cultur  entsprechenden  Zerstreuung   der  Kräfte,    theils 
des  eingeborenen  Individualismus  der  Bevölkerung,   auf  gesellschaftlichen^ 


630  XVI.  Das  A^olk  und  die  Gesellschaft. 

wie  politischem  Gebiete,  zu  erkennen,  ist,  so  tritt  dagegen  in  allem  was 
geschäftliche  Unternehmung  ist,  eine  Neigung  zum  Grossen,  Zusam- 
mengefassten  hervor,  welche  Zeugniss  ablegt  für  die  Fähigkeit  gross 
zu  entwerfen  und  mit  gewaltiger  Energie  zu  handeln.  So  schwer  es  bis 
jetzt  zu  sein  scheint,  in  diesem  Lande  eine  Summe  von  Kräften  auf  Ein 
Ziel  zu  vereinigen,  so  leicht  scheinen  dem  Einzelnen  die  grössten  Ent- 
würfe und  die  ungewöhnlichsten  Kraftanstrengungen  zu  fallen.  Und  das 
beschränkt  sich  nicht  auf  Eisenbahnen,  Brücken  und  ähnliche  Einrich- 
tungen, von  welchen  Nord -Amerika  die  grössten  und  kühnsten  mit  Stolz 
sein  nennt,  sondern  erstreckt  sich  selbst  auf  den  gewöhnlichen  Geschäfts- 
betrieb. Als  natürliche  Folge  des  külmen  Unternehmungsgeistes  und  der 
Rastlosigkeit  der  amerikanischen  Geschäftsleute  tritt  uns  in  allen  Zweigen 
/des  Handels  und  Verkehrs  die  Erscheinung  riesenhaft  ausgedehnter 
Geschäfte  entgegen,  von  denen  man  schwer  begreift,  wie  sie  nur  von 
Einem  Punkte  aus  geleitet  werden  können.  Auch  Europa  hat  seine  mer- 
kantilen und  industriellen  Grössen,  aber  es  ist  die  Grenzenlosigkeit  der 
Unternehmungslust  nicht  so  allgemein  und  wird  das  Bedeutende  nicht  so 
rasch  erreicht.  Aber  hier  lässt  das  Fieber  der  Spekulation  die  meisten 
nicht  ruhen,  bis  sie  entweder  das  Möglichste  erreicht  haben  oder  bei  all- 
zuktihnem  Wagen  auf  den  Anfang  zurückgeworfen  sind.  So  kommt  es, 
dass  gegenwärtig  z.  B.  in  New  York  nächst  der  katholischen  Kathedrale 
das  grossartigste  und  prächtigste  Marmorgebäude  ein  riesiges  Schnitt- 
waarengeschäft  ist.     Am  meisten  scheinen  aber  Gasthäuser  diesem  Gross- 

yhetrieb  günstige  Aussichten  zu  bieten,  vorzüglich  weil  gewisse  Einrichtungen, 
welche  die  Menschen  anziehen ,  im  Kleinen  nicht  leicht  zu  schaffen  sind 
und  weil  bei  ihnen  der  Ruf,  der  mit  der  Grösse  wächst,  ein  so  bedeutender 
Faktor  des  Erfolges  ist.  Es  sind  nicht  nur  in  den  Städten,  sondern  auch 
an  beliebten  Punkten  im  Gebirge,  an  der  Seeküste,  überall,  wo  grössere 
y  Mengen  von  Gästen  erwartet  werden,  riesige  Gasthäuser,  wahre  Karawan- 
serais  entstanden.  Hier  ist  nun  das  Grossartige  geschäftlich  berechtigt. 
Aber  in  anderen  Dingen  wird  das  Streben  nach  dem  hlgyest  thing  fast 
kindisch,  wie  denn  überhaupt  das  Interesse  an  dem  Aussergewöhnlichen, 
Ungeheuerlichen,  Aufsehenerregenden  beim  Amerikaner  in  beneidens- 
werther  Jugendlichkeit  vorhanden  ist.    Wir  kritischeren  Naturen  sind  viel 

.  mehr  gefeit  gegen  riesige  Plakate,  Wundermittel,  barnumsche  Sehenswür- 
digkeiten u.  dgl.  als  der  Amerikaner  es  mit  all  seiner  Geschäftsklugheit 
ist.  Diese  Dinge  gehören  für  ihn  zu  den  angenehmen  Aufregungen  und 
ihre  reichliche  Vertretung  —  z.  B.  die  riesenhaft  hingepinselten  Geschäfts- 
anzeigen in  den  fernsten  Urwald-  und  Gebirgseinsamkeiten  —  ist  einer 
von  den    hervortretenden  Zügen    des    nordamerikanischen  Lebens.     Das- 

yselbe  erhält  dadurch  etwas  Groteskes ,  welches ,  wie  alles  Originelle, 
die  Amerikaner  selbst  nicht  unangenehm  berührt. 


V.  Abschnitt. 

Einzelbesehreibung  der  Staaten 
und  Territorien. 


Erste  Gruppe. 
Die  Neuengland-Staaten. 

Die  Neuengland-Staaten  nehmen  den  NO.  der  V.  St.  ein  zwischen  dem 
atlantischen  Ocean  und  dem  Long  Island  Sund  im  S..,  der  Provinz 
Quebek  im  N.,  dem  Staat  New  York  im  W. ,  der  Provinz  Neubraun- 
schweig  und  dem  atlantischen  Ocean  im  0.  Sie  liegen  zwischen  48  und 
41"  n.  B.  und  74  und  67°  w.  L.  ,  bedecken  65  (XK)  e.  Q.M.  und  zählen 
3  487924  E.  (1870).  Rauhes  Klima  und  wenig  ergiebiger  Boden  begün- 
stigen den  Ackerbau  nur  in  geringem  Grade,  aber  der  Schiffahrt,  Fischerei 
und  dem  Handel  kommt  die  lange  Küstenlinie  von  700  e.  M.  und  der 
Hafenreichthum  zu  Gute,  während  im  Inneren  die  Industrie  in  hoher 
Blüte  steht.  Im  N.  ist  der  Waldreichthum  noch  bedeutend.  Die  Be- 
völkerung (Yankees  im  engeren  Sinne  s.  o.  S.  598)  ist  reiner  englisch 
als  anderswo  in  den  V.  St.,  körperlich  und  geistig  eigenartig  (s.  o.  S.  600), 
sehr  intelligent  und  regsam.  Neuengland  hat  die  dichteste,  industriellste 
und  gebildetste  Bevölkerung  in  Amerika.  Seine  geschichtliche  Rolle  s.  o. 
S.  57,  71.  Den  Namen  erhielt  diese  Landschaft  von  Capitain  John  Smith 
1614;  vorher  hiess  sie  North  Virginia. 

L  Maine  (M.),  1657  d.  Q.  M.  (35  000  e.),  626  915  E.  (1870).  Grenzen:  Im 
S.  der  Atlantische  Ocean,  im  N.  Quebek,  im  0.  Neubraimschweig,  im  W. 
New  Hampshire.  liänge  am  Meer  278  e.  M.,  durch  die  zahlreichen  fjordähn- 
lichen Einbuchtungen  zu  einer  Küstenlinie  von  2500  e.  M.  ausgedehnt.  Zahl- 
reiche Küsteninseln,  deren  grösste  Mt.  Desert  (60000  A.).  Boden  vorwiegend 
gebirgig  und  felsig  durch  die  N.  Alleghanies,  die  die  ganze  Breite  des  Staates 
einnehmen,  um  erst  gegen  N.  hin  nach  dem  Thale  des  S.  Johns  R.  abzu- 
dachen, höchster  Berg  Mt.  Katahdin  (1642  m).  ^'lo  mit  Wasser  bedeckt.  Flüsse : 
Penobscot,  Kennebec,  S.  Croix,  die  ins  Meer  münden.  Seen:  Moosehead, 
Chesuncook.  Khma:  Wärme:  Eatport  6,  Portland  6 ^C.  Niederschläge  dort 
1002,  hier  1215.  46,9  Proc.  der  Oberfläche  ist  Wald,  wovon  noch  viel  im  Ur- 
zustand. Landwirthschaft :  Ernte  von  1877  (in  1000  B.):  Kartoffeln  7000,  Hafer 
2412,  Mais  1680.  Gerste  650,  Weizen  350,  Buchweizen  400,  Heu  1138000  T., 
Werth  21  Mill.  I).  Viehstand  (in  1000) :  Rinder  360,  Schafe  526,  Schweine  62, 
Pferde  82.  Werth  16  Mill.  I).  ^A  des  Staates  in  Farmen  angelegt.  Berghau 
gering:  Granit,  Marmor,  Schiefer.  Gewerbe:  Man  berechnet,  dass  2,6  Mill. 
Pferdekräfte  in  den  Flüssen  von  M.  gegeben  seien,  aber  es  sind  bis  jetzt  nur 
ca.  80000  ausgenützt.     Haupterzeugnisse:  Sägholz  ca.  12,  Baumwollenwaaren  11, 


634  Erste  Gruppe.    Die  Neuenglaud-Staaten. 

WoUwaaren  8  Mill.  D.,  Kaff.  Zucker,  Seeschiffe,  Leder.  Gesammtwerth  ca. 
96  Mill.  D.  (1874).  Haudel  und  Verkehr:  M.  ist  mit  2878  Segel-  und  96  Dampf- 
schiffen (517000  T.)  (1876)  der  zweite  seefahrende  Staat.  In  seine  Häfen  liefen 
1876  196000  T.  in  der  Ktistenfahrt  und  154000  vom  Ausland  ein.  Es  hatte 
(1877)  997  e.  M.  Eisenbahn.  Ausfuhren :  Holz ,  Fische ,  Getreide.  Finanzen 
(1878):  Steuerwerth  164,  Schuld  5,8,  Einn.  1,20,  Ausg.  1,27.  Sparkassen  64  mit 
25  Mill.  D.  Einlagen.  Schulen  (1876)  4261,  Ausg.  1,1  Mill.  D.  Schulbesuch  ca. 
45  Proc.  der  Schulfähigen.  Die  Bevölkerung  ist  zu  87  Proc.  im  Staat  geboren, 
zu  8  Proc.  Ausländische.  Unter  letzteren  sind  54  Proc.  Canadier,  32  Proc. 
Irländer,  1,4  Proc.  Deutsche.  —  Bis  1651  war  M.  der  Schauplatz  verschiedener, 
meist  wenig  gedeihender  Ansiedelungen  der  Engländer  und  Franzosen  In  die- 
sem Jahr  kam  es  an  Massachusetts,  bei  dem  es  blieb,  bis  es  1820  als  Staat  in 
die  Union  eintrat,  in  welcher  es  4  Congressstimmen  hat.  Die  Verfassung  be- 
stimmt, dass  der  Governor,  die  Senatoren  und  Repräsentanten  für  1  Jahr,  die 
Richter  für  7  Jahre  vom  Volk  gewählt  werden. 

Portland,  30000  E.,  Haupthandelsstadt  von  M.,  auf  hoher  Halbinsel  am 
SW.  Ende  der  Casco  Bay.  Tiefer  Hafen  mit  3  Forts  zwischen  Hügeln  von 
50—55  m.  Rhederei.  Handel  am  bedeutendsten  mit  Grossbritannien  und  West- 
indien. Steuerwerth  31  Mill.  Augusta,  7815  E.,  Regierungssitz,  am  Ende  der 
Schiffbarkeit  des  Kennebec.  Grosse  Wasserkräfte.  In  der  Nähe  Kennebec 
Arsenal  der  V.  St,  Bau  gor,  20000  E.,  zweite  Handelsstadt  von  M.,  am 
Ende  der  Schiffbarkeit  des  Penobscot ,  60  e.  M.  vom  Meer ,  durchflössen  vom 
Kenduskeag,  Hauptmarkt  für  Holz.  Von  Langholz  werden  jährlich  durchschnitt- 
lich 250  Mill.  Fuss  über  liier  versandt.  11  Banken,  2  Tagblätter,  43  Schulen, 
14  Kirchen.  Sitz  eines  Theological  Seminary  der  Congregationalisten.  —  Von 
weiteren  Seeplätzen  sind  folgende  zu  nennen:  Biddeford,  über  10 000  E.  und 
Saco,  5757  E.,  einander  gegenüber  am  Saco  R.  Grosse  Wasserkräfte.  Baum- 
wollenfabriken.  4  Banken,  3  Zeitungen,  13  Kirchen.  Brunswick,  4727  E. 
Am  Ende  der  Gezeiten  im  Androscoggin  R. ,  der  hier  einen  Fall  von  12  m  hat. 
Sägemühlen.  In  der  Nähe  Bowdoin  College.  Bath,  11000  E.,  am  Kennebec, 
12  e.  M.  vom  Meer,  vorzüglicher  Hafen,  der  selten  vereist.  In  den  50  er  Jahren 
die  vierte  schiffebauende  Stadt  in  den  V.  St.,  ist  es  durch  den  Rückgang  der 
Rhederei  in  neuerer  Zeit  mehr  zur  Industrie  gedrängt.  Steuerwerth  6,4  Mill. 
7  Banken,  1  Tagblatt,  11  Kirchen.  Wiscasset,  1978  E.,  am  Sheepscot  R., 
12  e.  M.  vom  Meer.  Breiter  Hafen  von  12 — 20  Faden,  selten  vereist.  Einst  be- 
trächtlicher Handelsplatz,  jetzt  unbedeutend.  Pemaquid,  verlassene  Ansiede- 
lung und  Fort  auf  einem  Felsen  Vorgebirge,  Schauplatz  von  Indianer-  und  Piraten- 
kämpfen im  17.  und  18.  Jahrhundert.  Waldoboro,  über  4000  E.,  1753/54 
von  1500  Deutschen  gegründet,  deren  Nachkommen  noch  in  der  Stadt  leben. 
Lebhafter  Hafen.  Thomaston,  Sitz  des  Staatsgefängnisses  von  M.  Rock- 
land, 8000  E.,  an  Owls  Head  Bay.  4  Banken,  4  Zeitungen,  8  Kirchen.  Schiffs- 
bau, Kalkbrennerei.  Belfast,  5278  E. ,  im  SW.  Winkel  der  Penobscot  Bay. 
Schiffsbau.  2  Banken,  2  Zeitungen,  6  Kirchen.  Castine,  Dorfgemeinde  auf 
schmalem  Vorgebirg  in  der  Penobscot  Bay.  Schauplatz  von  Kämpfen  mit  In- 
dianern und  Franzosen  im  17.  und  18.  Jahrhundert.  Niederlage  der  Flotte  der 
V.  St.  1779  durch  die  Engländer.  Schiffsbau.  Mt.  Desert,  Insel  n.  von  Pe- 
nobscot Bay,   4000  E.,    einer  der  malerischsten  Punkte  der  V.  St.     Machias, 


Erste  Gruppe.    Die  Neuengland-Staaten.  635 

2530  E. ,  Dorf  am  gleichen  Fluss.  Gewerbtliätig.  S.  von  hier  Ma  chiasport, 
Hafen,  Schiffsbau.  Eastport,  3738  E.,  Gemeinde  an  der  Passamaquoddy  Bay, 
der  nördlichste  von  den  Seeplätzen  von  M. ,  nahe  bei  Quoddy  Head ,  dem 
östlichsten  Punkt  der  V.  St.,  in  der  Nähe  das  ü.  S.  Fort  Sullivan.  — 
Binnenplätze:  Lewiston,  20000  E.,  Fabrikstadt  am  Fall  des  Androscoggin, 
8000  Fabrikarbeiter.  5  Banken,  1  Tagblatt.  Skowhegan,  Gemeinde,  4000  E. 
3  Banken,  1  Zeitung,  5  Kirchen.  An  einem  9m  hohen  Fall  des  Kennebec. 
Gewerbthätig.  H  a  1 1  o  w  e  1 1 ,  3000  E. ,  am  Kennebec  bei  Augusta.  Berühmte 
Granitbrüche. 

II.  New  Hampshire  (N.  H.),  436  d.Q.M.  (9280  e.),  318300  E.  (1870). 
Liegt  zwischen  Quebek  im  N.,  Massachusetts  im  S.,  Maine  und  dem  Ocean  im 
ü.  und  Vermont  im  W.  Boden  vorwiegend  felsig.  An  derlSe.M.  langen  Küste 
ist  ein  bis  30  e.  M.  breiter  flacherer  Strich,  der  Rest  ist  gebirgig.  Berge:  Mt. 
Washington  in  den  White  Mts.,  der  höchste  Berg  Neuenglands,  Monadnoc, 
Kearsarge.  Flüsse :  Connecticut,  Merrimak,  Androscoggin,  Ammonoosuc.  Seen : 
Winnipiscogee,  Umbagog.  Klima :  Wärme  zwischen  3,3  (in  den  White  Mts.)  und 
9 "  C.  Wald :  37,2  Proc.  Landwirthschaft :  Boden  wenig  fruchtbar.  Haupt- 
erzeugnisse: Mais,  Hafer,  Kartoffeln,  Ahornzucker,  Butter  und  Käse,  Wolle; 
Werth  derselben  (1870)  22,5  Mill.  D.  Bergbau:  Nicht  sehr  bedeutend,  Magnet- 
eisen, Blei,  Silber,  Glimmer,  Graphit.  Gewerbe :  Begünstigt  durch  starke  Wasser- 
kraft, von  der  über  80000  Pferdekräfte  in  Benutzung.  1870  wurden  Baum- 
wollenwaaren  für  16,9,  Wollwaaren  für  8,7,  Schuhe  für  6,1,  Leder  für  3,7  Mill.  D. 
erzeugt.  Handel:  Portsmouth,  der  einzige  Hafenplatz,  hatte  1876  einen  Schiffs- 
verkehr von  6643  T.  und  der  Staat  besass  71  Segel-  und  8  Dampfschiffe  mit 
12317  T.  Die  Fischerflotte  zählte  22  Schiffe  mit  1143  T.  Bevölkerung:  76  Proc. 
im  Staate  geboren,  9  Proc.  Ausländer,  von  denen  43  Proc.  Canadier,  40  Proc.  Ir- 
länder  und  1,4  Proc.  Deutsche.  Reichthum  (1877):  Steuerwerth  193  Mill.  D., 
Sparkassen  67  mit  31  Mill.  Einlage.  Staatsschuld  3,5,  Einnahmen  0,49,  Aus- 
gaben 0,44  Mill.  D.  1870  gab  es  2452  Volksschulen,  die  von  Va  der  schulfähigen 
Jugend  besucht  wurden.  Die  Presse  zählt  8  Tagblätter  und  42  andere  Zeit- 
schriften. Governor,  Senat  und  Repräsentanten  (hier  General  Court  genannt) 
werden  für  1  Jahr  gewählt,  ebenso  5  Councilors  zur  Seite  des  Governor,  aber 
die  Richter  werden  vom  Governor  ernannt  und  der  Staatssekretär  von  den  Ver- 
tretungskörpern gewählt.  —  Dover  und  Portsmouth  wurden  1623  gegründet,  1641 
mit  Massachusetts  vereinigt,  seit  1741  besondere  Provinz. 

Concord,  14ÖÖ0  E.,  Staatshauptstadt,  am  Merrimak,  der  4 fach  überbrückt 
ist,  zugleich  Gewerbestadt  mit  2500  Arbeitern.  Steuerwerth  12  Mill.  12  Kirchen, 
2  Tagblätter,  2  Banken  und  5  Sparkassen.  Portsmouth,  9221  E.  Alter 
Platz  auf  einer  Halbinsel.  5  Kil.  von  der  Mündung  des  Pistaqua.  Hafen  vor- 
züglich, fast  stets  eisfrei,  25m  tief.  Schiffsverkehr  in  1876  6643  T.  Gegenüber 
P.,  auf  Continental  Isl.  ist  ein  U.  S.  Navy  Yard.  Manchester,  23509  E.,  am 
Merrimak.  S.  von  hier  Hampton  Beach,  Seebad.  Gewerbreichster  Platz  in 
N.  H.,  ca.  8000  Fabrikarbeiter.  Die  Baumwollfabriken  erzeugen  durchschnitt- 
lich 70  Mill.  Ellen  jährlich,  Baumwollconsum  40000  Ballen.  Ausserdem  Loco- 
motiv-,  Waagen-  u.  u.  Fabriken.  14  Kirchen,  45  Schulen,  3  Banken  und  4  Spar- 
banken, 3  Tagblätter.  Hooksett,  Dorf  am  Merrimak  mit  grossen  Baumwoll- 
fabriken und  Ziegeleien.     Nashua,    12000  E.,  an  demselben,  Wasserkraft  des 


636  Erste  Gruppe.     Die  Neuenglancl-Staaten. 

Nashua  R.,  ca.  3000  Arbeiter,  wovon  2000  in  Baumwollfabriken.  Grosse  Eisen- 
werke. 11  Kirchen,  2  Tagblätter.  Dover,  9000  E.,  Baumwollen-  und  Schuh- 
fabriken, älteste  Ansiedelung  des  Staates  (1633).  Von  den  im  Inneren  und  N. 
des  Staates  gelegenen  Plätzen,  die  wegen  ihrer  Landschaft  besucht  werden,  sind 
Centre  Harbor  und  Wolfboro  (Dorf  mit  2000  E.,  2  Banken  und  3  Kirchen) 
am  Winnepiscogee ,  North  Conway  und  G o r h a m  Ausgangspunkte  für  die 
Besucher  der  White  Mts. 

III.  Vermont  (Vt.),  481d.  Q.M.  (10212  e.),  330551  E.  Liegt  zwischen  Ca- 
nada  im  N. ,  Massachusetts  im  S.,  New  Hampshire  im  0.  und  New  York  nebst 
Lake  Champlain  im  W.  Boden  hügelig  und  gebirgig.  Die  Green  Mts.,  die  dem 
Staate  den  Namen  geben,  durchziehen  ihn  in  der  Mitte.  Am  L.  Champlain  ist 
ein  schmaler  Streifen  Flachland.  Der  Hauptfluss  ist  der  Connecticut,  aber  ein 
kleines  sw.  Stück  des  Staates  gehört  bereits  dem  Flussgebiet  des  Hudson  an. 
Seen:  Der  Champlainsee  ist  für  diesen  einzigen  binnenländischen  von  allen 
Neuengland-Staaten  als  Wasserstrasse  hochwichtig.  Der  Memphramagog  reicht 
von  Canada  herein.  Klima:  Die  Wärme  schwankt  zwischen  4,4  und  8"C.,  der 
Regenfall  zwischen  36  und  44e.Z.  Ackerbau:  Vt.  ist  der  in  landwirthschaft- 
licher  Beziehung  begünstigste  von  den  Neuenglandstaaten.  Hochentwickelt  ist 
die  Viehzucht.  Die  feinste  Wolle  der  V.  St.  wird  hier  erzeugt  (Merinos).  1877 
Zahl  der  Schafe  441,000.  Werth  der  Ackerbau-Erzeugnisse  35  Mill.  D.  Haupt- 
erzeugnisse: Mais,  Hafer,  Buchweizen,  Kartoffeln,  Hopfen,  Ahornzucker.  Berg- 
bau :  Marmor,  Granit,  Schiefer.  Gewerbthätigkeit  geringer  als  in  irgend  einem 
anderen  von  diesen  Staaten.  1870  verwandte  man  51 000  Pferdekräfte  und  der 
Werth  der  Erzeugnisse  betrug  32  Mill.  D.  Dieselben  bestanden  hauptsächlich 
aus  Mehl,  Leder,  Sägholz  und  Wollwaaren.  Handel:  Canada  ist  das  einzige 
ausländische  Gebiet,  mit  dem  Vt.  unmittelbar  Handel  treiben  kann.  1876 
hatten  die  Hafenplätze  von  Vt.  einen  Schiffsverkehr  von  82  962  T.,  wovon  74123 
vom  Ausland.  Seine  Flotte  zählte  12  Schiffe  mit  733  T,  Bevölkerung:  74  Proc. 
im  Staate  geboren,  14  Proc.  Ausländer;  unter  denen  60  Proc.  Canadier,  29  Proc. 
Irländer,  0,8  Proc.  Deutsche.  Steuerwerth  102  Mill,  D.  (1870).  Sparkassen  20 
mit  8,3  Mill.  Einlage  (1877) ;  Staatsschulden  0,03  Mill.  D.  Einnahmen  0,39,  Aus- 
gaben 0,38  Mill.  D.  (1879).  Schulen  2979,  Zeitungen  47,  wovon  3  Tagblätter.  — 
Der  Boden  Vt.'s  ist  zuerst  1535  von  Jacque  Cartier  betreten  worden ,  1609  von 
Champlain  explorirt.  Französisch-canadische  Colonien  hielten  sich  nicht.  Nach 
1760  wurde  Vt.  von  New  York  in  Anspruch  genommen,  trat  aber  1791  als 
14.  Staat  in  die  Union.  Governor,  Senatoren  und  Repräsentanten  (als  General 
Ässembhj  zusammengefasst)  werden  für  2  Jahre  vom  Volk,  ebenso  die  niederen 
Richter,  dagegen  Staatssekretär  und  die  Oberrichter  von  der  General  Assembly 
gewählt. 

Burlington,  15000  E.,  grösste  Stadt  von  Vt.,  am  L.  Champlain  gelegen. 
Der  oben  angegebene  Schiffsverkehr  von  82962  T.  gehört  fast  ganz  B.  an. 
Haupthandel  in  Holz,  von  welchem  jährlich  40—50  Mill.  Fuss  versandt  werden. 
Universität,  15  Kirchen,  2  Banken,  3  Zeitungen.  Montpelier,  Staatshaupt- 
ort, Dorf  von  4000  E.,  am  Winooski  R.  7  Kirchen,  2  Banken,  5  Zeitungen. 
In  der  Nähe  Waterbury,  Ausgangspunkt  für  den  Besuch  der  Green  Mts. 
und  besonders  Mt.  Mansfield's.  S.  AI  bans,  Dorf  mit  7000  E,,  Mittelpunkt  des 
Butter-  und  Käsehandels  von  Vt.,   grosse  Eisenbahnwerkstätten  der  Vt.  Central 


Erste  Gruppe.     Die  Neuengland-Staaten.  637 

R.  R.,  Marmorbrüche.  6  Kirchen,  3  Banken,  3  Zeitungen.  Park  in  Mitte  des 
Dorfes.  In  der  Nähe  mehrere  Heilquellen:  Sheldon  Springs,  Vermont 
Springs,  Alburgh  Springs.  Brattleboro,  4000  E.,  am  Connecticut,  der 
hier  überbrückt  ist.  Orgelwerke.  Staatsirrenhaus.  In  der  Nähe  von  Whiting- 
ham  ist  der  Geburtsort  Brigham  Young's. 

IV.  Massachusetts  (Mass.),  367  d.  Q.  M.  (7800  e.),  1457  351  E.')  (1875). 
Zwischen  Vermont  und  New  Hampshire  im  N.,  Connecticut  und  Rhode  Island 
im  S.,  New  York  im  W.  und  dem  Atlantischen  Ocean  im  0.  Küste  hafenreich. 
Grössere  Inseln:  Nantucket,  Marthas  Vineyard,  Penikese.  Boden  grossentheils 
felsig,  von  geringer  Fruchtbarkeit.  Die  fruchtbarsten  Strecken  in  den  Thälern 
des  Connecticut  und  Housatonic.  Gebirge:  Taconic  und  Hoosac  Range  im  W. 
des  Staates.  Flüsse:  Merrimac,  Housatonic,  Connecticut.  Klima:  Mitteltempe- 
ratur 7 — 10 ®C.  Ackerbau  erzeugt  hauptsächlich  Mais,  Hafer,  Roggen,  Kar- 
toffeln, Tabak.  Werth  der  Erzeugnisse  des  Ackerbaues  und  der  Viehzucht 
42  Mill.  (1875).  Wald  29,2  Proc.  Fischerei  erzeugte  1875  einen  Werth  von 
7JMill. D.  Bergbau  geringfügig:  Granit  und  Marmor.  Die  Gewerbthätigkeit 
von  M.  die  hervorragendste  in  den  V.  St.  1875  waren  233252  männliche  und 
83207  weibliche  Personen  gewerblich  beschäftigt.  In  Gewerben  angelegtes  Kapital 
267  Mill.  D.  3859237  Baumwoll-  und  15  606  Leinenspindeln.  In  den  Baumwoll- 
fahriken  80964,  in  den  Wollfabriken  8412  Arbeiter.  Haupterzeugnisse:  Schuh- 
waaren,  Baumwoll-  und  Wollenwaaren,  Eisenwaaren,  Papier.  Werth  der  Erzeug- 
nisse in  1875  592  Mill.  D.  Handel  und  Schiffahrt  sind  bedeutend.  Seeschifte  (ein- 
schliesslich Fischerboote)  2274  mit  423000  T.  Der  Aussenhandel  von  Mass.  ist 
nach  dem  von  New  York  der  bedeutendste.  Bevölkerung  zu  75  Proc,  aus  Ein- 
geborenen des  Staates  bestehend,  0,9  Proc.  Deutsche,  15  Proc.  Irländer.  Staats- 
schuld 34  Mill.  D.,  Einnahmen  4,12,  Ausgaben  4,54,  Gemeindeschulden  89  Mill. 
(1878),  Hauptsekte  die  Congregationalisten.  Das  Unterrichtswesen  ist  in  sehr 
blühendem  Zustand.  Die  beste  Hochschule  der  V.  St.,  5  Colleges,  4  Normal- 
schulen, 5556  öflentliche  Schulen  sorgen  für  den  Unterricht.  1877  gab  es 
176  Sparbanken  mit  245  Mill.  D.  Einlagen.  Steuerwerth  1872  1700,  Staats- 
schuld 33,  Einnahmen  7,2,  Ausgaben  5,8  Mill  D.  Governor,  Staatssekretär, 
Treasurer ,  Attorney  General ,  sowie  die  40  Senatoren  und  240  Repräsentanten, 
werden  jährlich  gewählt,  die  Richter  der  zwei  oberen  Höfe  von  Governor  und 
Senat  für  Lebenszeit  ernannt.  Das  Wahlrecht  steht  jedem  21  Jahre  alten  Bürger 
der  V.  St.  zu,  der  1  Jahr  im  Staate  verweilt.  Zahl  der  Repräsentanten  im 
Congress  9.  —  Mass.  ist  aus  2  der  ältesten  englischen  Colonien  in  Nordamerika, 
New  Plymouth  (1620)  und  Massachusetts  (1628  und  30)  durch  Vereinigung  1692 
entstanden.  Es  war  im  18.  Jahrhundert  die  leitende  Colonie  im  N.  wie  Vir- 
ginien  im  S.  Der  Anstoss  zum  Unabhängigkeitskrieg  und  später  zur  Antisklaverei- 
Bewegung  wurde  vorzüglich  von  hier  aus  gegeben.  Durch  Reichthum,  Thätigkeit, 
Bildung  und  Intelligenz  seiner  Bevölkerung  steht  es  noch  immer  in  erster  Reihe 
unter  den  Staaten  der  Union. 

Boston,  342  000  E.  (1876),  Hauptstadt  und  Haupthandelsstadt  von  Mass. 
(2,  Handelsstadt  der  V.  St.).  Seine  Vorzüge  für  den  Handel  s.  o.  S.  472.  An 
tiefer  P^inbuchtung    der  Massachusetts  Bay  gelegen,    auf  3  Halbinseln  (Boston, 

1)  Auch  die  Stüdtebevöltertingen  sind  in  diesem  Staat  für  1875  angegeben. 


G38  Erste  Gruppe.     Die  Neuengland-Staaten. 

East  Boston,  South  Boston)  besitzt  es  einen  geräumigen  Hafen,  in  welchem  1877 
2196  Schiffe  mit  868(XX)  T.  einliefen.  Einwanderung  1877  8044.  Regelmässige 
Dampfer- Verbindung  mit  Liverpool  und  Antwerpen.  Es  ist  im  Inneren  weniger 
regelmässig  angelegt  als  andere  nordamerikanische  Grosstädte  (ein  grosser  Theil 
ist  seit  dem  verheerenden  Brand  von  1872  neu  aufgebaut)  und  enthält  eine 
grössere  Anzahl  von  historischen  Denkmalen:  Faneuil  Hall  (The  Cradle  of 
American  Liberty),  wo  in  der  Revolutionszeit  die  Volksversammlungen  gehalten 
wurden,  Old  South  Church,  gleichfalls  durch  ihre  Volksversammlungen  aus  jener 
Zeit  berühmt,  das  alte  State  House,  Christ  Church  (1723  gebaut);  das  neue 
State  House  (1795)  überschaut  die  Stadt.  Boston  ist  eine  der  reichsten  Städte 
der  Union.  Der  Gesammtwerth  des  Areals  und  der  Gebäude  wurde  1877  auf 
G87  Mill.  D.  geschätzt.  197  Kirchen,  8  Tagblätter  und  167  andere  periodische 
Blätter.  Der  Stadttheil  South  Boston  liegt  jenseits  eines  Armes  des  Hafens. 
Die  frühere  Stadt  Charlesto  wn  (34000  E.)  wurde  1873  zu  Boston  geschlagen. 
Hier  ein  Werft  der  V.  St.  Li  der  Nähe  Bunker  Hill  mit  Denkmal  des  be- 
rühmten Gefechtes  von  1775.  Ebenfalls  Roxbury  wurde  1868  zu  Boston  ge- 
schlagen. Li  den  Umgebungen  Bostons:  Cambridge,  am  Charles  R.,  3e. M. 
von  Boston,  47838  E.,  Sitz  der  Harvard  University,  der  ältesten  und  vorzüg- 
lichsten Hochscliule  der  V.  St.  (gegründet  1638),  die  gegenwärtig  von  durcli- 
sclmittlich  1200  Studenten  besucht  wird.  1637  wurde  hier  die  erste  Presse  in 
Nordamerika  aufgestellt.  Bibliothek  von  200000  Bänden.  Steuerwerth  60Mill.D. 
Chelsea,  20737  E. ,  IVs  e.M.  von  Boston,  für  welches  es  Wohnvorstadt  ist. 
U.  S.  Marine  Hospital  bei  Lexington,  Dorf,  15  e.M.  nw.  von  Boston  und 
Concord,  Dorf  von  2500  E.,  20  e.M.  nw.  von  Boston,  Schauplatz  eines  folgen- 
reichen Gefechtes  in  1775.  Im  letzteren  Orte  lebten  R.  W.  Emerson,  H.  I). 
Thoreau  und  Nath.  Hawthorne  (s.  o.  S.  575).  Lynn,  32  600  E.,  9  e.M.  n.ö. 
von  Boston.  Mittelpunkt  der  Schuhwaarenfabrikation,  die  von  ca.  20000  Arbeitern 
betrieben  wird  und  jährlich  13—15  Mill.  Paar  erzeugt.  Rhederei.  Dedham, 
stille  Stadt,  12  e.M.  sw.  von  Boston.  In  Massachusetts  Bay  liegen  vor  dem 
Hafen  von  Boston  Castle  Island  und  Governors  Island,  beide  stark  be- 
festigt. —  Weitere  Küstenplätze :  S.  von  Boston:  New  Bedford  (Whaling  City 
genannt),  25875  E. ,  Hauptplatz  der  nordamerikanischen  Walfischfänger.  1876 
gehörten  hierher  und  in  die  nächste  Umgebung  von  denselben  132  Schiffe  mit 
34614  T.  Grosse  Gewerbthätigkeit ,  1600  BauniAvollarbeiter.  Nahebei  Pen  i- 
kese  Isl.  zoologische  Station  von  Harvard  University.  Edgartown  auf  der 
Insel  Marthas  Vineyard,  Gemeinde  von  2000  E.  Schiffahrt.  Bester  Hafen  auf 
der  Insel  Vineyard  Haven  oder  Holmes  Hole.  N a n t u c  k e t  auf  der  gleich- 
namigen Insel ,  welche  30  e.  M.  von  Marthas  Vineyard  entfernt  ist.  4200  E. 
Verfallendes  Schifferstädtchen.  P  r  o  v  i  n  c  e  t  o  w  n ,  6000  E.,  Fischerdorf  bei  Cape 
Cod.  Dieses  und  die  anderen  Orte  auf  der  Landzunge  (B a  r  n  s  t  ab  1  e,  T  r  u  r  o  etc.) 
haben  eine  Fischerflotte  von  286  Schiffen  mit  17  222  T.  Plymouth,  6370  E., 
hier  landeten  die  ersten  Puritaner  in  der  Mayflower  (1620).  Schiffahrt 
(70  Segel).  Salem,  25958  E.,  eine  der  ältesten  (1628  gegründet)  und  alter- 
thüralichsten  Städte  Neuenglands,  im  vorigen  Jahrhundert  hervorragend  im  Ost- 
indienhandel. Schift'sverkehr  1876  7700  T.  Fall  River,  45  340  E.  Sehr  glücklich 
am  Zusammentreffen  grosser  Wasserkraft  des  Taunton  R.  und  der  Schiffbarkeit 
gelegen.     Baumwollenfabriken   mit   15000  Arbeiter.    Rhederei    (136  Schiffe  mit 


Erste  Gruppe.     Die  Neuengland-Staaten.  '  639 

27  000  T.).  Maiblehead,  Gemeinde  von  8000  E.,  früher  bedeutend  durch 
Fischerei,  neuerdings  durch  Schuhfabrikation.  Fischerflotte  50  Schüfe  mit  1718  T. 
Gloucester,  1H754  E.  Auf  der  kleinen  Halbinsel  Cape  Ann.  Grösste  Fischer- 
tiotte  der  V.  St.  1876  413  Schiffe  mit  22  399  T.  Rockport,  Gemeinde  von 
4000 E.  Grosse  Granitausfuhr.     Newburyport,  13 323  E.  Verfallende  Seestadt. 

1876  hatte  der  Hafen  einen  Verkehr  von  ca.  5000  T.  Fischerflotte  v.on  24  Schiffen 
mit  1040  T.  —  Plätze  des  Inneren:  Worcester,  49  317  E. ,  an  Bevölkerung, 
Gewerbthätigkeit  und  Reichthum  die  2.  Stadt  von  Mass.  am  Blackstone  R., 
im  fruchtbarsten  Theil  des  Staates.  Knotenpunkt  der  Linie  Boston- Albany  und 
der  von  Providence  und  New  London  nordwärts  führenden.  Haupterzeugnisse: 
Baumwoll-  und  WoUwaaren,  Waffen,  Eisenbahnraaterial.  Die  Am.  Antiquarian 
Society  hat  hier  ihre  Sammlungen  und  Bibliothek  in  eigenem  Gebäude.  5  Tag- 
blätter. Lowell,  49  688  E.,  im  N.  0.  des  Staates  an  der  grossen  Wasserkraft 
des  Merrimak  R.,  Hauptplatz  für  Baumwoll-  und  Wollindustrie.  800000  Spindeln, 
15000  Arbeiter,  19000  Pferdekräfte.  Es  sind  hier  36  Schulen  und  27  Kirchen. 
Gleichfalls  am  Merrimak  unterhalb  Lowell  liegen  Lawrence,  34916  E.,  und 
Ilaverhill,  14628  E.,  jenes  durch  Baumwollenfabriken  (ca.  400000  Spindeln 
und  11000  Arbeiter),  dieses  durch  Schuhfabriken  (8000  Arbeiter)  berühmt,  in 
denen  es  nur  Lynri  nachsteht.  Springfield,  31038  E. ,  am  Connecticut  R., 
Waffenwerkstatt  der  V.  St.  (1500  Arbeiter),  Waffen-  und  Papierfabrikation. 
Steuerwerth  39,5  Mill.  20  Kirchen,  2  Tagblätter,  7  Banken.  Taunton, 
30445  E.,  am  gleichnamigen  Fluss.  Grosse  Wasserkräfte.  Metallverarbeitung, 
Locomotivbau ,  Kupferhämmer,  Nägelfabriken.  12000  Arbeiter.  An  der  von 
Boston  durch  den  Hoosak-Tunnel  westwärts  führenden  Bahn  Waltham,  Ge- 
meinde von  8000  E.  Baumwollen-  und  Uhrenfabriken.  Fitchbury,  12289  E., 
durch  die  Wasserkraft  des  Nashua  R.  ein  blühender  Fabrikplatz.  10  Papier- 
mühlen. Holyoke,  14000  E.,  am  Connecticut  R.  Reiche  Wasserkraft.  Papier- 
mühlen. Am  Connecticut  liegt  noch  Northampton,  11108  E.,  Gewerbstadt 
in  fruchtbarer  Umgebung,  einer  der  Eingangspunkte  in  die  Gebirgswelt  des  w. 
Massachusetts.  Amherst,  3937  E. ,  Dorf  mit  berühmtem  College,  in  welchem 
ausgezeichnete  naturwissenschaftliche  Sammlungen, 

V.  Connecticut  (Conn.),  223  d.  Q.M.  (4750  e.),  537  454  E.  Liegt  zwischen 
Massachussets  im  N.,  Long  Island  Sund  im  S.,  Rhode  Island  im  0.  und  NewYork 
im  W.  Boden  vorwiegend  gebirgig,  nur  das  Connecticut -Thal  enthält  ausge- 
dehnte Flachlandstrecken.  Man  kann  3  Regionen  unterscheiden:  hügeliges 
Hochland  von  200  — 250  m  Höhe,  das  Connecticut-Thal,  durchschnittlich  30  Kil. 
breit,  in  der  Mitte,  endlich  ein  zweites  Hügelland  im  0.  Die  unbedeutenden 
H()henzüge  von  Conn.  sind  nur  die  Ausläufer  der  grösseren  Erhebungen  im  N. 
der  Green  Mts.  und  White  Mts.  Küste:  Ohne  grosse  Einschnitte;  der  bedeu- 
tendste die  Bucht  von  New  Haven.  Flüsse :  Connecticut,  Farmington,  Thames  und 
Housatonic.  Klima:  Temperatur  zwischen  6  und  9*^  C.  Niederschläge  41,7  bis 
47,7".  Landwirthschaft:  Die  Fruchtbarkeit  ist  im  Ganzen  gering.  Nur  im  Thale 
der  Connecticut  ist  der  Ackerbau  in   grosser  Ausdehnung  möglich.     Ernte  von 

1877  (in  1000  B.) :  Kartoffeln  2100,  Mais  1950,  Hafer  1220,  Roggen  420,  Heu 
580000  T.;  Gesammtwerth  15  Mill.  D.  Bedeutend  auch  der  Tabaksbau.  Vieh- 
stand (in  1000):  Rinder  225,  Schafe  92,  Schweine  59,  Pferde  51;  Werth  13  Mill.  D. 
Wald :  21,2  Proc.  der  Oberfläche.     Gewerbe :  Conn.  ist  vorwiegend  gewerbthätig, 


640  Erste  Gruppe.    Die  Neuenglaud-Staaten. 

es  steht  an  Mannigfaltigkeit  seiner  Gewerbserzeuguisse  allen  anderen  Staaten 
voran  (s.  o.  S.  366).  Haupterzeugnisse :  Eisenwaaren,  Maschinen,  Waffen,  Uhren, 
Wagen ;  der  Gesammtwerth  ist  ca.  200  Mill.  D. ,  etwa  7  mal  so  gross  als  der 
der  landwirthschaftlichen  Erzeugnisse.  1870  gab  es  80000  Pferdekräfte  und 
90000  Arbeiter.  Handel:  Der  Handel  mit  dem  Ausland,  einst  besonders  mit 
West -Indien  bedeutend,  geht  immer  mehr  an  New  York  über.  1876  liefen  in 
die  Häfen  von  Connecticut  ein:  Vom  Ausland  8700  T.,  in  Küstenfahrt  18  700  1. 
In  demselben  Jahre  zählte  Conn.  734  Segelschiffe  mit  53 101  T.  und  80  Dampf- 
schiffe mit  26 117  T.  Eisenbahnen  (1877) :  1475  Kil.  Finanzen  (1878) :  Steuer- 
werth  533  Mill.  D.,  Staatsschuld  4,9  Mill.  D.,  Einn.  3,5,  Ausg.  2,7  Mill  D., 
Sparbanken  86  mit  77  Mill.  D.  Einlagen.  Volksschulen  (1878)  1629,  70  Proc. 
der  Schulpflichtigen  besuchen  Schulen.  Schulausgaben :  1,5  Mill.  D.  Yale  College, 
zweite  Universität  der  V.  St.  Bevölkerung:  20  Proc.  Ausländer,  worunter  62  Proc. 
Irländer  und  10  Proc.  Deutsche;  45  Proc.  der  Bevölkerung  sind  mit  Gewerben 
beschäftigt.  —  Die  Ansiedelung  begann  1633  gleichzeitig  durch  Niederländer 
und  Engländer.  1636  Hessen  sich  hier  dissentirende  Puritaner  aus  Massachusetts 
nieder,  1638  wurde  New  Haven  gegründet.  Die  beiden  getrennten  Colonien 
New  Haven  und  Hartford  wurden  1665  zu  Conn.  vereinigt.  Conn.  hat  3  Reprä- 
sentanten im  Congress.  Governor,  Senatoren  (21)  und  Repräsentanten  (237) 
werden  für  ein  Jahr  gewählt,  die  Richter  von  der  Gesetzgebung  ernannt. 

New  Haven,  50840  E.  (1870),  an  der  gleichnamigen  Bucht  des  Long 
Island  Sound,  in  der  Nähe  der  Mündung  des  Quinnipac  R.  Berühmt  durch  seine 
mannigfaltige  Industrie  (Wagen,  Orgeln,  Corsetten)  und  seine  Hochschule  Yale 
College  (gegründet  1701),  welche  von  durchschnittlich  700  Schülern  besucht 
wird.  Aehnlich  wie  Cambridge,  das  es  in  manchen  Beziehungen  sogar  überragt, 
ist  es  bereits  mehr  Universität  als  College.  Hervorragender  Seeplatz.  1876 
liefen  hier  3646  T.  vom  Ausland  und  13828  in  Küstenfahrt  ein.  Am  stärksten 
der  Dampferverkehr  mit  New  York.  5  Tagblätter.  Hartford,  45000  E.,  Staats- 
hauptstadt, am  Einfluss  des  Park  R.  in  den  Connecticut,  wo  letzterer  aufhört 
für  grosse  Schiffe  zugänglich  zu  sein.  Gilt  für  eine  der  reichsten  Städte  in  den 
V.  St.,  Sitz  einiger  Versicherungsgesellschaften,  stark  in  Papier-,  Wolle-,  Waffen- 
und  Eisenwaarenindustrien.  37  Kirchen,  17  Banken,  5  Tagblätter.  Küsten- 
plätze: New  London,  12000  E.,  an  der  Thames,  Hafen  von  5  Kil.  Länge 
(Pe(iuot  Harbour),  Seestadt  mit  180  Segelschiften  (9280  T.)  und  24  Dampfern 
(10  788  T.).  Von  der  Walerflotte  gehören  hierher  14  Schiffe  mit  2049  T.,  von 
der  Stockfischflotte  114  Schiffe  mit  2470  T.  1876  liefen  hier  2182  T.  vom  Aus- 
land ein.  Bridgeport,  25000  E.,  Hafen  nur  4  m  tief.  Grosse  Thätigkeit  in 
Nähmaschinen  und  Waftenfabrikation.  24  Kirchen,  2  Tagblätter.  In  der  Nähe 
Fairfield,  Gemeinde  von  5600  E." ,  in  dessen  Bezirk  201  Segelschifte  mit 
9041  T.  gehören.  Middletown,  Städtchen  mit  6923  E. ,  am  Connecticut, 
100  Segelschifte  mit  9679  T.,  Sitz  einer  Wesleyan  University.  Stonington, 
Dorf,  1561  E.  Zu  seinem  Zollbezirk  gehören  114  Schiffe  mit  9714  T.  —  Plätze 
im  Inneren:  Nor  wich,  16700  E.,  an  der  Thames,  die  hier  noch  schiffbar  ist 
und  zugleich  stai'ke  Wasserkraft  hat,  welche  von  Baumwoll-,  M  oll-  u.  a.  Fabriken 
ausgenützt  wird.  Waterbury,  10826  E. ,  am  Naugatuck  R.,  Wasserkraft. 
Draht-,  Uhren-,  Knopf-  u,  a.  Fabriken.  Danbury,  Flecken  von  10000  E.  am 
Still  R.     Grosse  Hutfabriken.     9  Kirchen^  4  Banken. 


Zweite  Gruppe.     Die  atlantischen  Mittelstaaten.  641 

VI.  Rhode  Island  (R.  L),  61  d.  Q.M.  (1306  e.),  258239  E.  (1875).  Im 
N.  und  0,  von  Massachusetts,  im  S.  vom  Meer,  im  W  von  Connecticut  umschlossen. 
Der  kleinste  Staat  der  Union.  Küste  tief  eingezackt  durch  Narragansett  Bay, 
welche  50  Kil.  tief  einschneidet.  Verschiedene  Inseln,  Canonicut,  Prudence, 
Aquitneck  (das  eigentliche  Rhode  Island)  u.  a.  liegen  in  dieser  Bucht.  Boden 
hügelig,  entsprechend  den  ö.  Theilen  von  Connecticut.  Flüsse:  Pawtucket  R. 
Klima:  Wärme  9  —  10«C.  Niederschläge  800  —  900  mm.  Wald:  24,2  Proc.  der 
Oberfläche.  Ackerbau :  Boden  massig  fruchtbar,  am  meisten  auf  den  Inseln  in 
der  Narragansett  Bay.  Ernte  1877  (in  1000  B.) :  Kartoffeln  750,  Mais  270, 
Hafer  127,  Roggen  22,  Heu  120000  T.;  Werth  3,1  Mill.  D.  Viehstand  1877 
(in  1000):  Rinder  37,  Schafe  24,  Schweine  18,  Pferde  16;  Werth  3,4  Mill. 
Bergbau :  Etwas  Anthracit  in  Newport  Co.  und  Graphit.  Gewerbe :  Im  Verhältniss 
zu  seiner  Bevölkerung  ist  R.  I.  der  gewerbthätigste  Staat  der  Union,  nach  dem 
Werth  seiner  Erzeugnisse  der  10.  Haupterzeugnisse :  BaumwoU-  und  Wollstoffe, 
Spinn-  und  Webmaschinen,  Gold-,  Silber-,  Kautschukwaaren,  Leder.  1875  wurden 
48000  Pferdekräfte  benützt.  Handel  und  Verkehr:  Eisenbahnen  (1877)  326  Kil. 
Rhederei  (1876)  228  Segelschiffe  mit  20264  T.  und  51  Dampfer  mit  21806  T. 
In  den  Häfen  von  R.  I.  liefen  (1876)  8623  T.  vom  Ausland  und  5387  in 
Küstenfahrt  ein.  Steuerwerth  (1878)  256  Mill.  D.  Staatshaushalt  (1878) :  Schuld 
2,5  Mill,  Einnahme  1,2,  Ausgabe  1,02  Mill.  D.  39  Sparbanken  mit  49  Mill. 
Einlagen.  Oeftentliche  Schulen  (1878)  789.  Schüler  40000.  Schulausgabe 
725000  D.  Bevölkerung:  56  Proc.  im  Staat  geboren,  25  Proc.  Ausländer, 
worunter  57  Proc.  Irländer,  19  Proc.  Canadier  und  2  Proc.  Deutsche.  —  Pro- 
vidence  wurde  1636  von  dem  wegen  religiösen  Zwistigkeiten  aus  Massachusetts 
auswandernden  Roger  Williams  gegründet  (s.  o.  S.  57),  gesinnungsverwandte 
Colonisten  gründeten  1638  Newport,  1642  Warwick.  1663  vereinigten  sich  diese 
Ansiedelungen  zur  Colonie  R.  I. 

Providence,  ca.  90 (XX)  E,  (1877),  an  der  Mündung  des  Providence  R, 
in  Narragansett  Bay.  An  Bevölkerung  und  Reichthum  die  zweite  Stadt  in 
Neu-England.  Send  -  Capital  des  Staates  *).  Sicherer,  aber  nicht  tiefer  Hafen, 
in  den  1876  8293  T.  vom  Ausland  und  5387  in  Küstenfahrt  einliefen,  38  Dampfer 
mit  19353  T.  gehören  hieher.  Grosse  Gewerbthätigkeit  in  Gold-  und  Silber- 
waaren  (s.  o.  S.  383),  Waffen,  Maschinen,  Baumwoll-  und  Wollwaaren.  44  Banken, 
21  Zeitungen.  Sitz  von  Brown's  University.  Newport,  12521  E. ,  auf  der 
Insel  Rhode  Island.  Seehafen.  Rhederei  (1876)  117  Segelschiffe  mit  4303  T. 
Von  der  Stockfiscliflotte  gehören  hieher  69  Schiffe  mit  1208  T.  Am  öftesten 
genannt  als  einer  der  beliebtesten  Seebadeplätze  der  Union.  Bristol,  Dorf  und 
Hafen  auf  einer  Landzunge   der  Narraganset  Bay.     In   der  Nähe  Graphitminen. 

Zweite  Gruppe. 
Die  atlantischen  Mittelstaaten. 

New  York,  Pennsylvania,  New  Jersey,   Delaware  und  Maryland  bilden  einen 
breiten  Streif,  der  vom  Atlantischen  Ocean  an  zwischen  Potomac  und  Connecticut 


1)  Der  Sitz  der  Regierung  wechselt  zwischen   hier  und  Nowport,    was  der  Amerikaner  durch  Settti- 
Capital  ausdrüclit. 

Uatzel,    Auierilia  II.  41 


642  Zweite  Gruppe.     Die  atlantischen  Mittelstaaten. 

hinüberzieht  nach  dem  Ontario-  und  Erie-See  und  die  ganze  mittlere  Alleghanie- 
Region  in  sich  fasst.  Derselbe  nimmt  5400  d.  Q.  M.  ein  und  umschliesst  über 
10  Mill.  E.  (1870  9,7  Mill.).  Das  atlantische  Küstenland  verbreitert  sich  stetig 
von  N.  nach  S.  zu  und  der  w.  Theil  zwischen  den  Alleghanies  und  den  Seen 
ist  ein  sanft  abgedachtes  Plateau.  Es  findet  also  hier  bei  Weitem  nicht  jenes 
Vorwiegen  des  Gebirgigen  und  Felsenhaften  statt  wie  in  Neu-England  und  tritt 
in  Folge  dessen  der  Ackerbau  als  gleichberechtigter  Zweig  der  Volkswirthschaft 
neben  die  Gewerbthätigkeit  und  den  Handel.  Der  Wcrth  der  Ackerbauerzeugnisse 
ist  etwa  */4  von  dem  der  Gewerbserzeugnisse.  In  Gewerbthätigkeit  stehen  (nach 
dem  Werth  der  Erzeugnisse  gemessen)  New  York  und  Pennsylvania  allen  anderen 
Staaten  voran.  Ihr  Reichthum  an  Kohlen  und  Eisen  ist  unübertroifen.  New 
York  ist  die  grösste  Geld-  und  Handelsstadt,  Philadelphia  und  Baltimore  ge- 
hören zu  den  ersten  Handelsstädten  der  Union.  Die  meisten  Canäle  und  über 
Vö  der  Eisenbahnen  der  V.  St.  gehören  diesem  Gebiete  an.  Nach  der  Bevölke- 
rungsdichtigkeit stehen  sie  vorwiegend  auf  der  zweithöchsten  Stufe,  wiewohl  die 
grösste  Dichtigkeit  von  manchen  industriellen  Bezirken  erreicht  wird.  Gemein- 
same geschichtliche  Erinnerungen  halten  diese  Staaten,  die  sich  sämmtlich  als 
besondere  Provinzen  bzw.  Colonien  entwickelt  haben ,  nicht  zusammen.  Das 
zusammenhaltende  Element  ist  die  Lage  und  der  Wirthschaftscharakter.  In  der 
Bevölkerung  sind  fremde  Elemente,  zumeist  Irländer,  dann  auch  Deutsche,  stark 
vertreten. 

VII.  New  York  (N.Y.),  2217  d..  Q.M.  (47000  e.),  470o208  E.  (1875),  be- 
grenzt vom  Ontario-See  und  Canada  im  N.,  vom  Meer  und  den  Staaten  Pennsyl- 
vanien  und  New  Jersey  im  S.,  von  Vermont,  Massachusetts  und  Connecticut  im  0. 
und  vom  Niagara  R.,  dem  Erie-See  und  Pennsylvanien  im  W.  Die  grosse  Insel 
Long  Island,  der  Küste  vorgelagert,  gehört  zu  N. Y.  Oberfläche  vorwiegend 
hügelig  und  gebirgig.  Die  Einsenkungen  des  Hudson-  und  Champlain-  und  des 
Mohawk -Thaies  sondern  den  Staat  in  einige  natürliche  Abschnitte.  Der  ö.  vom 
Hudson  liegende  Abschnitt  gleicht  in  der  Bodengestaltung  den  s.  Neuengland- 
Staaten,  ist  gleich  ihnen  von  den  Ausläufern  der  White  und  Green  Mts.  durch- 
zogen. Der  Theil  w.  vom  Hudson  besteht  aus  einem  hügeligen  Hochland, 
welches  allmählich  zum  Ontario-  und  Erie-See  hinabsinkt.  S.  vom  Mohawk  sind 
diesem  Hochland  die  Catskill  Mts.,  n.  die  Adirondacks  aufgesetzt.  Flüsse: 
Hudson  mit  Mohawk,  Oswego,  Genesee,  Niagara,  kleine  Theile  des  Susquehanna, 
Delaware,  S.  Lorenz.  Seen:  Erie  und  Ontario,  Champlain,  Seneca,  Cayuga, 
Oneida.  Klima:  Mittelwärme:  New  York  11,  West  Point  10,5,  Albany  9,  Utica 
7,5,  Potsdam  6,5 »  C.  Regenmengen-  West  Point  1290,  New  York  1072,  Utica 
1027 ,  Albany  1016 ,  Potsdam  715  mm.  Wald  27,6  Proc.  der  Oberfläche. 
Urwälder  noch  in  der  Gebirgs-  und  Seeregion  n.-ö.  vom  Mohawk.  Landwirth- 
schaft:  Ernte  1875  (in  1000  B.):  Hafer  48000,  Kartoffeln  39  300,  Mais  22  700, 
Weizen  12  800,  Gerste  6200,  Roggen  3300,  Aepfel  23118;  Heu  5250000  T., 
Hopfen  13,8  Mill.  Pfd.,  Tabak  3,1  Mill.  Pfd.  Viehstand  (1875)  in  1000:  Rinder 
2100,  Schafe  1518,  Schweine  975,  Pferde  890;  Werth  150  Mill.  D.  1874  wurden 
111  Mill.  Pfd.  Butter,  98,7  Mill.  Pfd.  Käse  und  7,3  Mill.  Pfd.  Wolle  erzeugt. 
Der  Werth  der  Farmen  wurde  auf  1221  Mill.  veranschlagt.  16  Mill.  Acres 
Land  waren  unter  Cultur.  Bergbau:  Grosse  Eisenlager  am  Champlain-See  und 
in   den   Adirondacks   (s.  o.  S.  323,  325),   Salz  in   der   Genesee-  und  Onondoga- 


Zweite  Gruppe.     Die  atlantischen  Mittelstaaten.  G4-J 

Kegion  (jäliiiich  12^15  Mill.  Ji.),  Gyps  ebendaselbst,  neuerdings  Erdöl  in  der 
Gegend  von  Buffalo  (s.  o.  S.  352)^  Blei  in  dem  Theil  ö.  vom  Hudson,  wird  wenig 
gewonnen.  Gewerbe :  N.  Y.  steht  hierin  nur  hinter  Pennsylvanien  zurück.  1870 
wurden  335000  Pferdekräfte  benützt  und  waren  352000  Arbeiter  beschäftigt. 
Haupterzeugnisse :  Maschinen ,  Mehl ,  Sägholz ,  raffinirter  Zucker,  Woll-  und 
Baumwollwaaren,  Cigarren,  Eisen waaren,  Bleiröhren,  Ackerbauwerkzeuge,  Schuh- 
waaren  und  Kleider.  Handel:  Die  Stadt  N, Y.  ist  der  erste  Handelsplatz 
von  ganz  Amerika,  wichtigster  Ein-  und  Ausfuhrhafen  der  V.  St.  Ein  zweiter 
Seehafen  von  Bedeutung  ist  nicht  vorhanden,  dagegen  mehrere  verkehrs- 
reiche Orte  am  Erie-  und  Ontario-See.  187G  liefen  in  die  Häfen  von  N.Y. 
1302000  T.  in  der  Küstenfahrt  und  3  923000  T.  vom  Ausland  ein.  Rhederei 
187Ö:  2950  Segelschilfe  mit  617367  T.  und  804  Dampfer  mit  348016  T.  Ueber 
die  Oanäle  von  N.Y.  und  die  Hudson-Schiffahrt  s.  o.  S.  405,  411.  Eisenbahnen 
gab  es  1878  8115  Kil.  Finanzen  1877:  Steuerwerth  2756,  Schuld  8,7,  Ein- 
nahme 25,  Ausgabe  26,2  Mill.  D.,  Schulden  der  Gemeinden  216  Mill.  D.  11 833 
Schulen,  schulbesuchende  Kinder  1,02  Mill.  (64  Proc.  der  Schulfähigen).  Bevöl- 
kerung :  68  Proc.  im  Staat  geboren,  28  Proc.  Ausländer.  Unter  letzteren  42  Proc. 
Irländer,  30  Proc.  Deutsche,  10  Proc.  Engländer  und  6  Proc.  Canadier.  — 
Die  Bucht  von  N.Y.  wurde  zuerst  1609  von  Hendrick  Hudson  besucht.  1613 
wurde  eine  Handelsstation  auf  der  Insel  Manhattan  gegründet  und  1614  die 
Ansiedelung  Neu-Niederland  benannt.  1664  nahmen  die  Engländer  N.Y.  weg, 
1674  wurde  es  endgültig  an  dieselben  abgetreten.  Im  jetzigen  Bundesstaat 
nimmt  N.Y.  durch  die  Grösse  seiner  Bevölkerung,  seine  Hülfsmittel  und  seinen 
Reichthum  und  nicht  am  wenigsten  dadurch,  dass  es  die  grösste  und  reichste 
Stadt  umschliesst,  eine  leitende  Stellung  ein,  der  es  den  Namen  The  Empire 
State  verdankt.  Das  Wahlrecht  steht  jedem  1  Jahr  im  Staate  weilenden  Bürger 
der  V.  St.  zu,  welcher  21  Jahre  überschritten.  Der  Governor,  die  Beamten  der 
Executive,  die  Senatoren  (32)  und  Repräsentanten  (128),  werden  für  2,  die 
Richter  für  15  Jahre  vom  Volk  gewählt.  Im  Congress  hat  N.  Y.  die  grösste 
Zahl  von  Repräsentanten  mit  28. 

New  York,  1041886  E.  (1875),  am  Ausfluss  des  Hudson  auf  dessen  Mün- 
dungsinsel Manhattan  in  40»  52'  n.  Br.,  74«  Ol'  w.  L.  Manhattan  ist  13  M. 
lang  und  ^2  —  2'/2  breit,  enthält  22  e.  Q.  M.  Sie  ist  umschlossen  im  0.  vom 
East  R.,  im  W.  vom  Hudson  oder  North  R,,  im  N.  vom  Haarlem  R.  Das  Süd- 
Ende  ist  17  e.  M.  von  der  offenen  See  entfernt.  Die  Stadt  nimmt  die  s.  6  e.  M. 
der  Insel  ein  und  ist  durch  deren  schmale  Gestalt  zu  starkem  Längenwachsthum 
gezwungen.  Die  Bucht  von  N.Y.  ist  1  —  5  e.  M.  breit  und  15  — 20  m  tief,  einer 
der  schönsten  Häfen  der  Welt.  Sie  umschliesst  mehrere  Inseln :  Staten  Island, 
Governors  I.,  Blackwells  I.  u.  a.,  wovon  mehrere  befestigt  sind.  20000  Schiffe 
mit  3,5  Mill.  T.  laufen  jährlich  hier  ein.  30  regelmässige  Dampferlinien,  l'eber 
die  Vorzüge  der  Lage  von  N.Y.  und  seinen  Handel  s.  o.  S.  472.  Rhederei: 
2713  Segel-  und  800  Dampfschiffe  mit  954000  T.  Steuerwerth  1100  Mill.  D 
Banken  (1870)  111,  wovon  32  Sparbanken  mit  114  Mill.  Einlagen.  Städtische 
Schuld  (1877)  132,  Steuern  (1870)  25  Mill.  D.  Kirchen  (1876)  370.  Schul- 
besuchende 277310.  5  Colleges,  wovon  Columbia  und  Free  Academy  bedeutend. 
Die  Länge  der  Strassen  ist  400  (Hauptstrasse  Broadway),  die  der  Wasserleitung 
340,    der  Strasseneisenbahnen  1250  e.  M.     Die  Polizei    zählt  2400  Köpfe.     Die 

41* 


644  Zweite  Gruppe.    Die  atlantischen  Mittelstaaten. 

Bevölkerung  umschliesst  43  Proc.  Ausländer,  worunter  44  Proc  Iren  und  37  Proc. 
Deutsche.  1870  waren  von  350556  Beschäftigten  145000  in  Gewerben.  Es 
wurden  29000  Pferdekräfte  beschäftigt  und  der  Werth  der  Erzeugnisse  betrug 
333  Mill.  D.  Haupterzeugnisse:  Kleider,  Möbel,  Schuhe,  Eisenguss,  Schmuck- 
sachen, raffinirter  Zucker,  Bleiröhren,  Nähmaschinen.  Mit  der  Stadt  N.  Y. 
gehören  nach  allen  Beziehungen  zusammen,  wenn  auch  politisch  getrennt,  einige 
Städte :  Brooklyn  auf  Long  Island,  Jersey  City  und  Hobokeu  in  New  Jersey.  Die 
letzteren  s.u.  S.  651.  Brooklyn,  482493  E.,  am  AVest-Ende  von  Long  Island, 
von  N.  Y.  durch  den  East  R.  getrennt,  drittgrösste  Stadt  der  V.  St.  haupt- 
sächlich Wohnstadt  von  N.  Y.,  mit  dem  es  in  Kürze  durch  Brücke  verbunden 
sein  wird.  Grosse  Docks  und  Schiffsbauanstalten,  worunter  die  Hauptwerft  der 
V.  St. -Flotte,  40  A.  bedeckend,  Zuckerraffinerien  etc.,  die  Kirchhöfe  von  N.  Y. 
(Greenwood  Cemetery),  2A0  Kirchen  (City  of  Churches),  12  Banken,  17  Zeitungen. 
Hauptstrasse  Fulton  Street.  Ausser  Brooklyn  ist  auf  Long  Island  noch  Sag 
Harbour,  Hafendorf,  1723  E.,  zu  nennen.  Auf  Staten  Island  (58\2  e.  Q.M.), 
welche  Insel  als  ländliche  Dependenz  N.  Y.'s  angesehen  werden  kann  (The  Ame- 
rican Isle  of  Wiyht),  ist  kein  nennenswerther  Platz.  Befestigt.  —  Plätze  am  Hudson 
undMohawk:  Albany,  86541  E.,  144  e.  M.  von  N.  Y.,  Staatshauptstadt.  End- 
punkt des  Erie  -  Canals  und  einer  Anzahl  w.  Eisenbahnen.  Grosse  Holz  -  und 
Viehmärkte  (drittgrösster  Holzmarkt  der  V.  St.),  Brauereien,  Eisenbahnwerk- 
stätten. Stehende  Hudsonbrücke.  62  Kirchen,  15  Banken,  8  Tagblätter.  T  r  o  y , 
48531  E.,  am  Ende  der  Schiffbarkeit  des  Hudson  R.,  6  e.  M.  von  Albany.  Grosse 
Wasserkraft,  welche  in  Papier-,  Woll-  und  Baumwollfabriken,  Mahlmühlen  u.  a. 
ausgenützt  wird.  Erzeugnisse  der  Gewerbe:  28  Mill.  D.  (1870).  45  Kirchen, 
14  Banken,  3  Tagblätter.  C  oho  es,  17493  E.,  an  der  Mündung  des  Mohawk 
und  am  Erie-Canal,  3  e.  M.  von  Troy.  Starke  Wasserkraft  in  Woll-  und  Baum- 
wollfabriken benützt.  (Werth  der  Erzeugnisse  10  Mill.  D.)  Water ford,  Fabrik- 
dorf, ca.  4000  E.,  4  e.  M.  von  Troy.  Zwischen  N.  Y.  und  Albany:  Yonkers, 
17237  E.,  Villenstadt  für  N.Y.  9  Kirchen,  1  Tagblatt.  Sing -Sing,  4696  E. 
(1870),  Dorf.  Staatsgefängniss.  West  Point,  Militär  -  Akademie  der  V.  St. 
(s.  0.  S.  498).  Newburgh  (Neuburg,  deutsche  Gründung  1709),  17322  E. 
23  Kirchen,  3  Tagblätter.  Grosser  Kohlenverkehr  von  Pennsylvanien  her. 
Poughkeepsie,  20022  E.,  enthält  mehrere  höhere  Erziehungsanstalten,  darunter 
Vassar  College,  Frauenuniversität.  24  Kirchen,  3  Tagblätter.  Hudson, 
8784  E.,  13  Kirchen,  2  Tagblätter.  Hochöfen.  Oberhalb  Albany  führt  das  Hudson- 
Thal  in  das  dünnbevölkerteHochland  des  n.  N.Y.  (Adn-ondacks).  N.  von  Albany 
das  Dorf  Saratoga,  ca.  9000  E.,  Heilquelle  und  fashionabler  Badeplatz.  In 
nächster  Verbindung  mit  Albany-Troy  stehen  die  Plätze  am  L.  Champlain  und  am 
Champlain-Canal:  Glens  Falls,  Dorf,  8000 E.,  an  15m  hohen  Fällen  des  Hudson, 
und  Whitehall  am  Champlain-Canal,  4500  E.,  Holzplätze.  Handel.  Cald- 
well,  Sommerfrische  am  malerischen  L.  George.  Im  N.  des  Staates  liegen 
w.  von  hier  Ogdensburgh,  10358  E. ,  am  Zusammenfluss  des  Oswegatchie 
und  S.  Lorenz.  Durchganspunkt  für  den  Getreidetransport  nach  Boston.  1876 
liefen  in  den  hiesigen  Zollbezirk  35  300  T.  ein.  Malone,  4000  E.,  gewerb- 
thätiges  Dorf.  Am  L.  Champlain:  Port  Henry,  sehr  wichtige  Eisenwerke 
(s.  0.  S.  325).  Plattsburgh,  6000  E.,  an  der  Mündung  des  Saranap  R.  Aus- 
gangspunkt   des   Verkehres    mit    der    Adirondack  -  Region.    —    Am    Mohawk: 


Zweite  Gruppe.     Die  atlantischen  Mittelstaaten.  645 

Scheuectady,  12  759  E.,  in  fruchtbarer  Gegend.  14  Kirchen,  2  Tagblätter. 
Zwischen  hier  und  Utica  eine  der  reichsten  Gegenden  des  Staates,  besonders 
durch  ihre  Käsefabrikation  berühmt  (Amsterdam,  Little  Falls,  Frankfort).  Utica, 
32496  E.,  Endpunkt  des  Chenango-Canals,  Hauptmarkt  des  fruchtbaren  Central 
N.  Y.  34  Kirchen,  7  Banken,  2  Tagblätter.  Starke  wallisische  Bevölkerung.  Von 
hier  in  der  wichtigen  niedrigsten  Einsenkung  der  Alleghanies  nach  Rome, 
12251  E.,  an  der  Verbindung  des  Black  R.  mit  dem  Erie-Canal.  In  fruchtbarer 
Umgebung.  Holzhandel.  Wasserkräfte.  14  Kirchen.  —  An  den  Kleinen  Seeti: 
Syracuse,®48255  E.  Treffliche  centrale  Lage  am  Süd-Ende  des  Onondaga- 
Sees,  am  Erie-  und  Oswego  -  Canal,  in  der  Nähe  reiche  Soolen,  5000  Arbeiter, 
Jahreserzeugniss  8  — 9  Mill.  B.  Gewerbthätig.  40  Kirchen,  9  Banken,  3  Tag- 
blätter. Auburn,  19649  E. ,  am  Ausfluss  des  Owasco-Sees,  reiche  Wasser- 
kräfte, Gewerbe,  Staatsgefängniss.  17  Kirchen,  5  Banken,  2  Tagblätter.  Am 
Seneca-See:  Waterloo,  4000  E.,  und  Geneva,  3521  E.;  an  den  Fällen  des 
Seneca  R. :  Seneca  Falls,  6000  E. ;  gewerbthätige  Dörfer.  Am  oberen  Ende 
des  Cayuga-Sees:  Ithaca,  12000  E.  Wasserkraft.  Cornell  University.  19 
Kirchen,  5  Banken,  4  Zeitungen.  Oneida,  4000  E.,  am  Oneida  Creek.  ~ 
Im  Susquehanna-Gebiet:  Bingharaton,  15  518  E.,  am  Einfluss  des  Shenango- 
Sees.  Grosses  Kohlen-  und  Eisengeschäft.  12  Kirchen,  6  Banken,  3  Tagblätter. 
Owego,  9715  E.  7  Kirchen,  4  Banken,  3  Zeitungen.  Elmira,  20436  E., 
am  Chemung  R.  und  Seneca-Canal.  12  Kirchen,  6  Banken,  3  Tagblätter.  In 
der  Nähe  Corning,  6811  E.,  Fabrikdorf  am  Chemung.  —  Am  Delaware: 
Middletown  am  Hudson-Delaware-Canal,  8000  E.  7  Kirchen.  Kohlentransport 
aus  Pennsylvanien  nach  New  York.  In  der  Nähe,  zwischen  Delaware  und  Hudson, 
Je r vis,  6049  E.  8  Kirchen,  3  Banken,  5  Zeitungen.  Eisenbahnknotenpunkt. — 
Im  Gebiet  des  Ontario-See :  Watertown,  9992  E.,  an  den  Fällen  des  Black  R. 
10  Kirchen,  10  Banken,  4  Zeitungen.  Gewerbthätigkeit.  Oswego,  22428  E., 
an  der  Mündung  des  Oswego  R.  und  -Canals,  Markt  für  Holz  und  Getreide, 
grosser  Hafen  (1876  liefen  322000  T.  ein),  11  Elevatoren.  Stärke-  u.  a.  Fabriken. 
Heilquellen.  16  Kirchen,  8  Banken,  2  Tagblätter.  Rochester,  81 722  E., 
7  e.  M.  vom  See,  am  Genesee  R.,  dessen  Wasserkraft  zahlreiche  Fabriken  und 
30  Mühlen  nährt  (Erzeugung  jährlich  1  Mill.  B.  Mehl,  Floiii'  City).  Grosse 
Handelsgärtnereien ,  die  jährlich  für  2,5  Mill.  D.  ausführen.  56  Kirchen ,  28 
Schulen,  6  Banken,  15  Zeitungen  (2  deutsche).  University.  Charlotte  ist 
der  Hafen  von  Rochester.  Lockport,  12553  E.,  der  Erie-Canal  steigt  hier 
in  zahlreichen  Schleusen,  Locks,  die  Lake  Ridge  herab.  14  Kirchen,  3  Banken, 
3  Tagblätter.  Niagara  Falls,  Dorf  an  den  Fällen  des  Niagara R.,  3006  E. 
Am  Erie-See:  Buffalo,  134557  E.,  am  Ausfluss  des  Niagara,  Wasserseite  von 
5  e.  M.,  trefflicher  Hafen,  in  den  1876  49000  T.  einliefen,  w.  Endpunkt  des 
Erie-Cauals  (s.  o.  S.  409f.),  1878  verliessen  8130  Canalboote  den  Hafen  und 
kamen  73  Mill.  B.  Getreide  an.  31  Elevatoren.  Fort.  Grosse  Mühlen-  und 
Eisenindustrie.  76  Kirchen  (16  deutsche),  10  Banken ,  9  Tagblätter  (3  deutsche). 
Dunkirk,  Gemeinde  von  5231  E. ,  zurückgekommener  Hafen,  in  den  1877 
1600  T.  einliefen. 

Vm.  New  Jersey  (N.J.),  391  d.  Q.  M.  (8320  e.),  906096  E.,  begrenzt 
n.  von  New  York,  s.  von  der  Delaware  Bay,  ö.  von  New  York  und  dem 
Meere   und  w.   von  Pennsylvanier^.    Oberfläche:    In   diegep^  Staate   tritt   zuerst 


646  Zweite  Gruppe.     Die  atlantischen  Mittelstaaten. 

die  atlantische  Küstenebene  als  besonderer  Theil  hervor^  die  hier  als  sandiges, 
föhrenbewachsenes  Flachland  und  als  Sumpfmarsch  erscheint.  Aus  ihr  erhebt 
sich  das  Land  zu  einem  welligen  Hügelland  in  der  Mitte  des  Staates,  um  im 
NW.  in  eine  Gebirgsregion  überzugehen,  welche  dem  AUeghany-System  angehört. 
Die  Küste  bildet  eine  flach  halbinselartige  Auswölbung  zwischen  den  Mündungs- 
buchten des  Hudson  und  des  Delaware,  deren  w.  beziehungsweise  ö.  Theile  zu 
N.  J.  gehören.  Vorwiegend  Dünen-  und  Marschküste  mit  Haffen,  die  für  die 
Küstenschiffahrt  zu  verwerthen.  Buchten:  Delaware  B.,  Newark  B.,  Raritan  B., 
Sandy  Hook  B.  Flüsse:  Hudson  und  Delaware  an  den  Grenzen,  Hackensack, 
Raritan.  Klima  vorwiegend  oceanisch  mild.  Mittelwärme  10— 130  C.  Nieder- 
schläge 1000—1300  mm.  Landwirthschaft :  »/s  des  Staates  Farmland.  N.  J. 
gehört  in  allen  ö.  vom  Gebirge  liegenden  Strecken  zu  den  fruchtbareren  Staaten. 
Ernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  9800,  Kartoffeln  5800,  Hafer  5250,  Weizen 
2200,  Roggen  525,  Heu  610000  T.  Werth  22,2  Mill.  D.  Viehstand  1877  in  1000: 
Rinder  233,  Schafe  128,  Schweine  154,  Pferde  und  Maulthiere  128.  Werth 
23,8  Mill.  D.  Bergbau  bedeutend:  Eisen  (s.  o.  323),  Zink,  Quarzsand,  Mergel. 
Gewerbe  (1870):  58000  Pferdekräfte,  76  000  Arbeiter.  Werth  der  Erzeugnisse 
169  Mill.  D.  Haupterzeugnisse:  Eisen  und  Eisenwaaren,  Leder,  Seidenwaaren, 
Gusstahl,  Thon-  und  Glaswaaren,  Zink-  und  Bleifarben,  Kautschukwaaren. 
Handel  und  Verkehr:  In  den  Häfen  des  Staates  liefen  1876  3100  T.  vom  Aus- 
land, 2800  in  Küstenfahrt  ein.  Die  Rhederei  umfasste  920  Segel-  und  99  Dampf- 
schiffe mit  78000  T.,  so  dass  in  dieser  Beziehung  N.  J.  die  7.  Stelle  einnimmt, 
1878  hatte  es  2660  Kil.  Eisenbahnen.  Finanzen  (1878) :  Steuerwerth  715,  Schuld 
2,7,  Einnahmen  3,4,  Ausgaben  2,8  Mill.  D.  (Die  Gemeindeschulden  und  -Steuern 
s.  0.  512)  Bevölkerung:  63Proc.  im  Staate,  20Proc.  im  Ausland  geboren,  unter 
letzteren  46  Proc.  Iren  und  28  Proc.  Deutsche.  —  N.  J.  wurde  zuerst  von 
Schweden  besiedelt,  ging  dann  an  die  Niederländer  über  und  gehörte  zu  New 
York  bis  es  1738  eine  selbständige  Colonie  wurde.  Es  sendet  6  Repräsentanten 
in  den  Congress.  Die  General  Ässemhly  besteht  aus  21  für  2  Jahre  gewählten 
Senatoren  und  60  für  1  Jahr  gewählten  Repräsentanten.  Der  Governor  wird 
für  3  Jahre  gewählt  und  ernennt  den  Staatssekretär  für  5  Jahre  und  die  oberen 
Richter  für  7  Jahre.     Den  Treasurer  wählt  die  General  Assembly. 

Newark,  105  059  E.,  am  Passaic,  7  Kil.  vom  Meer,  15  Kil.  von  New  York, 
mit  dem  es  durch  zahlreiche  Geschäftsinteressen  verbunden.  Grösste  Stadt  von 
New  Jersey,  13.  an  Volkszahl  in  der  Union,  in  gewissen  Gewerben  (Seiden- 
weberei, Kautschukwaaren,  Schmucksachen)  allen  anderen  voranstehend,  auch 
stark  in  Mühlenindustrie,  Brauerei,  Maschinenbau.  93  Kirchen  (14  deutsche), 
11  Banken,  9  Zeitungen.  Trenton,  32874  E. ,  Staatshauptstadt  am  oberen 
Ende  der  Schiffbarkeit  des  Delaware,  am  Raritan  und  Delaware  Canal.  Thon- 
waarenindustrie  mit  2000  Arbeitern  und  ca.  2,2  Mill,  D,  Jahreserzeugung.  ~ 
Am  Hudson  Jersey  City,  82546  E.,  und  Hoboken,  20297  E.,  gegenüber 
New  York,  Vorstädte  von  dieser  Metropole.  Beide  als  Endpunkte  der  von  W. 
nach  New  York  führenden  Eisenbahnen  wichtige  Verkehrsplätze,  zugleich  Wohn- 
städte dieser  Stadt,  Werfte  für  transatlantische  Dampfer,  vorzüglich  der  beiden 
deutschen  Linien.  Die  Bevölkerung  von  J.  C.  hat  sich  seit  1850  vervierzehn- 
facht.  In  J.  C.  sind  8  Proc,  in  H.  ca.  20  Proc.  der  Bevölkerung  Deutsche. 
22  Kirchen,    9  Zeitungen  (2  deutsche).     In   H.  Stevens   Technological  Institute. 


Zweite  Gruppe.    Die  atlantischen  Mittelstaaten.  647 

Elizabeth,  25000  E.,  5  km.  von  Newark  Bay,  22  von  New  York,  theil- 
weise  Wohnstadt  für  letzteres.  15  Kirchen;  8  Zeitungen.  In  der  Nähe  Rah- 
way,  Dorf^  2658  E.  Grosse  Wagenfabriken.  —  Im  Hudsongebiet:  Paterson, 
33579  E.  Die  Wasserkräfte  der  Passaic  Falls  nähren  eine  starke  Baumwoll- 
Leinen-  und  Seidenindustrie.  Die  grösste  Seidenfabrik  der  V.  St.  findet  sich 
hier.  34  Kirchen,  2  Banken,  2  Tagblätter.  In  der  Nähe  Hackensack,  Dorf, 
2000  E.,  Villendorf  der  New-Yorker,  bekannt  aus  dem  Unabhängigkeitskrieg. 
New  Brunswick,  19000  E.,  am  Raritan  R.,  wo  dieser  aufhört  schiffbar  zu 
sein  und  am  Delaware  und  Raritan  Canal.  Grösste  Kautschukindustrie  der  V.  St. 
17  Kirchen,  2  Tagblätter.  In  der  Nähe  Princeton,  3000  E.,  mit  Princeton 
College,  einer  der  besseren  hohen  Schulen  der  V.  St.  —  Auf  der  Halbinsel 
N.  J.  und  an  der  Küste:  Bridgeton,  8000  E.,  zahlreiche  Fabriken.  359  Segel- 
schiffe mit  17  746  T.  gehörten  1876  hierher.  Perth  Amboy,  2861  E.,  Mittel- 
punkt eines  beträchtlichen  Küstenhandels  und  starker  Rhederei.  284  Segel- 
schiffe und  43  Dampfer  mit  zusammen  24 000 T.  gehörten  1876  hierher.  Atlan- 
tic City,  eines  der  besuchtesten  Seebäder  (40000  Gäste).  An  der  Spitze  der 
Halbinsel  Cape  May,  Seebad.  Little  Egg  Harbour  und  Great  Egg 
Harbour,  2  günstig  gelegene  Häfen. 

IX.  Pennsylvania  (Pa.),  2166  d.  Q.  M.  (46  000  e.),  3521791  E.  (1870). 
Der  2.  Staat  der  Union  an  Bevölkerung  und  Reichthum;  der  1.  an  Mineral- 
schätzen, Industrie.  Liegt  zwischen  Erie-See  und  New  York  im  N.,  Delaware, 
Maryland  und  West-Virginia  im  S.,  dem  Meer,  New  York  und  New  Jersey  im  0., 
Ohio  und  West- Virginia  im  W.  Seine  Küste  umschliesst  wenig  mehr  als  die 
Delaware-Mündung.  Oberfläche:  Pa.  zerfällt  in  3  Abschnitte:  Küstentiefland 
im  0.,  200  e.  M.  breites  Gebirgsland  in  der  Mitte,  und  ein  Tafelland  im  W. 
In  dem  Küstentiefland  findet  sich  ein  geringer  Flachlandstrich  am  Delaware, 
aber  im  Ganzen  steigt  es  allmählich  zu  300  m  bis  am  Fuss  der  Kitatinny  Mts. 
an.  Das  Gebirgsland  besteht  aus  den  Mittel-Alleghanies,  die  hier  200  e.  M. 
Breite  erreichen  und  in  der  Mitte  von  dem  bis  30  e.  M.  breiten  Great  Valley 
durchzogen  sind.  Oe.  von  diesem  Thal  liegt  die  Anthracitregion,  zwischen  ihm, 
dem  Delaware  und  Lehig  die  Poco  Wilderness,  ein  sumpfiges  Hochland  von  600 
bis  700  m.,  w.  von  demselben  die  Juniata-Region,  deren  Berge  von  fruchtbaren 
Thälern  durchbrochen  sind.  Das  w.  Tafelland,  welches  V2  des  Staates  umfasst, 
bildet  den  Abfall  von  den  Alleghanies  zum  Erie-See  und  Ohio.  Flüsse:  Dem 
atlantischen  Gebiete :  Delaware,  Susquehanna-Juniata  (V2  des  Staates  drainirend), 
dem  Ohio-Gebiete  angehörend :  Monongahela-Alleghany,  die  bei  Pittsburg  den  Ohio 
bilden.  Klima:  Mittel  wärme  von  11  — 7"  C,  Niederschläge  875  —  1120  mm.  Wald: 
38,9 Proc.  der  Oberfläche.  Ackerbau:  Ernte  von  1877  (in  1000  B.) :  Hafer  42 400, 
Mais  41120,  Weizen  18200,  Kartoffeln  13500,  Roggen  3400,  Gerste  625,  Heu 
3Mill.  T.  Werth  99,1  MiU.  D.  Viehstand  (in  1000):  1529  Rinder,  1607  Schafe, 
937  Schweine,  614  Pferde.  Werth  100  Mill.  D.  39  Proc.  des  Staates  sind  unter 
Cultur.  Bergbau:  Für  Anthracit,  Steinkohlen,  Eisen  und  Petroleum  ist  Pa.  der 
weitaus  erste  Staat.  Vgl.  über  Lagerung  und  Ertrag  derselben  das  0.  S.  322, 
323,  329,  352  Gesagte.  Pa.  fördert  */6  der  Kohlen  der  V.  St.  und  hat  70  Proc. 
der  Hochöfen.  Seine  Erzeugung  von  Eisen  und  Eisen waaren  beträgt  mehr  als 
die  aller  anderen  Staaten  und  Territorien  zusammen.  Auch  seine  Salz-  und 
Marmorlager   sind   reich.     Es  erzeugte  1870  Anthracit  für  38,4,  Erdöl  für  18, 


(i48  Zweite  Gruppe.     Die  atlantisclien  Mittelstaaten. 

Steinkohlen  für  13,9,  Eisen  für  3,9^  Stein  und  Schiefer  für  1,6,  Zink  für 
0,2  Mill.  D.;  daneben  noch  Nickel,  Zink  und  1,7  Mill.  B.  Salz.  Der  AVerth  seiner 
Bergbauerzeugnisse  betrug  gegen  80  Mill.  D.  Gewerbe:  Pa.  ist  der  gewerb- 
reichste  Staat,  lieber  ^/s  seiner  arbeitenden  Bevölkerung  lebt  von  Bergbau  und 
Gewerbe.  Wasserkräfte,  Kohle  und  Eisen  vereinigen  sich  mit  günstigen  Ver- 
kehrsbedingungen. 1870  wurden  364000  Pferdekräfte  benützt  und  der  Werth 
der  Erzeugnisse  auf  712  Mill.  D.  geschätzt.  Haupterzeugnisse:  Guss-  und 
Schmiedeisen,  Woll-  und  Baumwollwaaren,  Teppiche,  gereinigtes  Erdöl,  raffinirter 
Zucker,  Leder,  Chemikalien.  Handel  und  Verkehr :  Philadelphia  ist  der  einzige 
Seehandelsplatz  des  Staates,  in  Ein-  und  Ausfuhr  der  6.  der  V.  St.  Dazu  kommt 
Erle  am  Erie-See.  Beide  zusammen  hatten  1876  einen  Schiffsverkehr  von 
863000  T.  Pa.  hat  956  Segel-  und  306  Dampfschiffe  mit  206 000  T.,  ferner 
9540  Kil.  Eisenbahnen  und  1536  Kil.  Canäle  (1878).  Bevölkerung  (1870)  ist  zu 
85  Proc.  im  Staate  geboren,  zu  15  Proc.  ausländisch.  Von  letzteren  sind  43  Proc. 
Irländer  und  29  Proc.  Deutsche.  Doch  ist  eine  grössere  Zahl  von  Deutschen  im 
Staate  altansässig.  Finanzen  (1877) :  Steuerwerth  1808,  Schuld  22,9,  Einnahmen 
5,7,  Ausgaben  6,4  Mill.  D.  Schulen:  17  783,  Besuch:  74  Proc,  Ausgaben: 
8,6  Mill.  D.  30  Universities  und  Colleges.  670  Zeitungen.  —  Das  Gebiet  von  Pa. 
wurde  von  Carl  H.  an  Penn  verliehen  und  1681  durch  Quäker  besiedelt,  empfing 
im  Laufe  das  18.  Jahrhunderts  eine  starke  deutsche  Besiedelung  und  war  im 
Anfang  unseres  Jahrhunderts  der  volkreichste  Staat  der  Union,  bis  er  von  N.  Y. 
überflügelt  wurde.  Das  Wahlrecht  steht  jedem  21  Jahre  alten  Bürger  der  V.  St. 
zu,  der  1  Jahr  im  Staat  wohnhaft.  Der  Governor,  Lt.  Governor  u.  a.  Beamte 
der  Executive  werden  für  4,  Senatoren  für  4,  Repräsentanten  für  2,  die  oberen 
Richter  für  21  Jahre  gewählt,  Staatssekretär  und  Attorney  General  vom  Governor 
und  Senat  ernannt.     22  Stimmen  im  Congress. 

Philadelphia,  674022  E.  (1870),  liegt  in  39»  57'  n.  B.  und  75^  10'  w.  L. 
zwischen  Delaware  und  Schuylkill  R.,  6  e.  M.  vom  Zusammenfluss  derselben, 
die  grösste  Industriestadt  der  Union  und  die  zweite  an  Bevölkerung.  Delaware 
R.  ist  hier  tief,  1  Kil.  breit,  doch  leidet  Ph.  als  Hafen  durch  Eis.  Es  liefen 
1876  in  denselben  579  728  T.  vom  Ausland  und  264,566  in  Küstenfahrt  ein. 
In  beiden  zusammen  ist  Ph.  der  2.  Seehafen  der  Union.  Die  Hauptbedeutung 
Ph.'s  liegt  in  seiner  Industrie.  Es  wurden  hier  1870  44  000  Pferdekräfte  benützt 
mit  188000  Arbeitern.  Der  Werth  aller  Gewerbserzeugnisse  betrug  322  Mill.  D. 
Die  für  den  Staat  angegebenen  Gegenstände  stehen  auch  bei  Ph.  in  erster  Linie. 
Ueber  den  Handel  s.  o.  S.  472.  Die  Anlage  Ph.'s  ist  eine  ungemein  weitläufige 
und  regelmässige.  Während  in  N.  Y.  14,7  Personen  auf  ein  Haus  kommen, 
v/sind  es  in  Ph.  nur  6;  letzteres  hat  trotz  seiner  geringeren  Bevölkerung  112  336 
Häuser,  während  jenes  deren  nur  64044  aufweist.  Strassenlänge  600  e.  M.  Haupt- 
strasse Market  Str.  Schuld  (1878)  61,4  Mill.  D.  1871  gab  es  437  öffentliche  Schulen 
und  die  Schulausgaben  betrugen  1,19  Mill.  D.  Höhere  Lehranstalten:  Girard 
College,  University  of  Pennsylvania  und  mehrere  Medicinschulen.  Die  Academy  of 
Natural  Sciences  (s.  o.  S.  564)  hat  prachtvolle  Sammlungen.  Die  Hauptmünzstätte 
der  V.  St.  befindet  sich  hier.  146  Zeitungen.  Die  Bevölkerung  umschloss  1870 
27  Proc.  Fremdgeborene,  worunter  52  Proc.  Irländer  und  27  Proc.  Deutsche. 
Bemerkenswerthe  Plätze  und  Gebäude :  Fairmount  Park,  im  Thal  des  Schuylkill, 
5  e.  Q.  M.   gross,    der   grösste    Stadtpark    in    den   V.  St.     Independence   Hall, 


Zweite  Gruppe.     Die  atlantischen  Mittelstaaten.  649 

wo  der  Continental  Congress  tagte,  U.  S.  Naval  Astflum,  Femif^iflvania  University 
(7—800  Studierende),  Eaatern  Penitentiary,  eines  der  ersten  Zellengefängnisse, 
Girard  College,  prachtvolle  Stiftung  (500  Studierende),  Old  Swedish  Church 
schwedische  Kirche  von  1700,  Laurel  Hill  Cemetery,  Hauptkirchhof  von  Pli.  — 
In  der  Umgebung  Ph.'s  Germantown,  n.  Vorstadt  von  Ph.  (Schlacht  1777). 
Am  Delaware  Frankfort  Arsenal,  ein  Waffenplatz  der  V.  St.  und  Fort 
Mifflin  auf  Mud  Island  hart  unterhalb  Ph.  Weiter  abwärts  ehester, 
12000  E.,  Werfte  für  den  Bau  eiserner  Schiffe.  Harrisburgh,  24796  E, 
Staatsliauptstadt ,     am    Susquehanna.      Stahl-    und    Walzwerke.      30    Kirchen, 

6  Banken,  10  Zeitungen.  Norristown,  10753  E.,  am  Schuylkill-Canal,  gewerb- 
thätig.  —  Am  Delaware  aufwärts  von  Ph.:  Euston,  12000  E.,  an  der  Mündung 
des  Lehigh.  18  Kirchen.  4  Banken,  6  Zeitungen.  Lafayette  College.  Am  Lehigh: 
Betl ehern,  10600  E.,  Hauptsitz  der  mährischen  Brüder  in  Amerika.  Allen - 
town,  17061  E.,  21  Kirchen,  3  Banken,  2  Tagblätter.  Die  Bevölkerung  gehört 
zu  einem  grossen  Theil  den  Deutsch  -  Pennsylvaniern  an.  Mühlenberg  College, 
pjiner  der  Mittelpunkte  der  Eisenindustrie.  Grosse  Tabakfabriken.  Catasouqua, 
6(X)0  E.,  Hokendauqua,  Copley.  Eisenindustrie.  Slatington,  2000  E., 
Mittelpunkt  der  Schiefergewinnung.  Manch  Chunk,  Dorf  von  3841  E.  am 
Lehig  R.  und  -Canal.  Mittelpunkt  der  Anthracitgruben.  Mahanoy  City, 
6000  E.  In  der  ('Umgebung  zahlreiche  Anthracitgruben.  Ebenso  bei  Delano, 
Hayleton  u.  a.  —  Im  Schuylkill  Gebiet:  Read  in  g,  38156  E.  30  Kirchen, 
4  Banken,  11  Zeitungen.  3.  Stadt  von  Pa.,  ein  Sitz  der  Eisenindustrie  und 
ausserdem  begünstigt  durch  die  Lage  in  sehr  fruchtbarer  und  wohlbebauter 
Gegend.  In  R.  und  Umgebung  zahlreiche  alte  pennsylvanisch  -  deutsche  An- 
siedelungen. Pottsville,  14  516  E.,  Hauptort  des  Schuylkill  -  Kohlenreviers. 
Es  werden  jährlich  durchschnittlich  5  Mill.  T.  Kohlen  von  hier  versandt. 
T  am  aqua,  5960  E.  Minenplatz  in  derselben  Region.  —  Im  Susquehanna- 
Gebiet:  York,  ca.  11003  E..  18  Kirchen.  Markt  für  eine  zahlreiche  deutsche 
Farmerbevölkerung  der  fruchtbaren  Landschaft  Lancaster,  20  233  E., 
21  Kirchen.  8  Zeitungen  (2  deutsche),  am  schiftbaren  Conestoga,  28  Kil.  vom 
Susquehanna,  gewerbthätig  in  Waffen,  Locomotiven,  Wagen  u.  a.  Columbia, 
6461  E.,  Hauptholzmarkt  des  Suquehanna-Gebietes,  Eisenwerke.  Harrisburg 
s.  0.  Williamsport,  16030  E.,  24  Kirchen,  4  Zeitungen  (2  deutsche),  Haupt- 
holzmarkt im  Staate  mit  Schwellung  für  300  Mill.  Fuss  Holz.  Jährlich  werden 
durschnittlich  250  Mill.  Fuss  Holz  von  hier  versandt,  meist  Föhre  und  Tanne. 
Lock  Haven,  70(X)  Einwohner,  Holzhandel,  Sägmühlen.  Die  beiden  letzteren 
Orte   am   w.  Arm    des   Susquehanna.     Am  ö. :  Danville,  8436  E.,    Eisenwerk, 

7  Hochöfen.  Wilkesbarre,  25000  E.,  18  Kirchen,  5  Banken,  schön  gelegene 
Wohnstadt  reicher  Industriellen  aus  den  nahen  Kohlen-  und  Eisengebieten. 
Pittston,  16000  E.,  (1876),  Mittelpunkt  eines  Kohlenbezirkes,  der  jährlich 
2,5  Mill.  T.  erzeugt.  Sc  ran  ton,  35092  E.,  31  Kirchen  (5  deutsche),  3  Tag- 
blätter. 7  Banken.  Eisenwerke  (70000  T.  Jahreserzeugung)  und  Maschinenbau. 
Carbon dale,  6393  E.,  inmitten  reicher  Kohlengruben.  Towanda,  3(KX)  E., 
Mittelpunkt  eines  von  Neuengländern  besiedelten  Ackerbaubezirkes.  —  Im 
Potomac- Gebiet:  Carlisle,  6500  E.,  in  der  Nähe  von  Eisenlagern  und  den 
Heilquellen  der  Carlisle  Springs  und  Perry  Warm  Springs.  Chambersbury, 
70(X)  E.,  Woll-   und  Baumwollfabriken.     Beide   Städte   im   fruchtbaren   Ciimher- 


650  Zweite  Gruppe.    Die  atlantischen  Mittelstaaten. 

land  Valley.  Gettysburg,  3300  E.  Schlachtfeld  von  1863.  In  der  Nähe  die 
Heilquellen  der  Katalysine  Springs.  —  Im  Ohio-  und  Seegebiet:  Pittsburg h, 
125000  E,  (1876),  am  Zusammenfluss  des  Monongahela  und  Alleghany  R.,  am 
Ende  der  Ohio-Schiffahrt.  Die  Nähe  von  Eisen,  Kohle  und  Erdöl  machen  P. 
zu  einer  der  gewerbsamsten  Städte  der  Union.  Für  Eisen  und  Stahl  ist  P.  der 
Markt  des  Landes,  ausserdem  bilden  die  Reinigung  des  Erdöls  und  die  Glas- 
fabrikation Hauptzweige  der  hiesigen  Gewerbthätigkeit.  Es  gibt  60  Eisen- 
giessereien,  30  Walzwerke,  6  Stahlwerke,  10  Nagelfabriken,  60  Oelraffinerien  etc. 
Auch  der  Schiffsbau  ist  bedeutend,  1876  erzeugte  P.  für  106  Mill.  D.  Waaren. 
P.  hat  205  Kirchen  (wovon  16  deutsch),  22  Banken,  10  Tagblätter  (3  deutsche). 
Zu  P.  gehört  die  jenseits  des  Allegheny  R.  gelegene  Vorstadt  Allegheny, 
55000  E.,  sowie  die  Vorstadt  Birmingham.  —  In  der  Oelregion  die  jungen 
Städte:  BradysBend  in  der  Modoc  Oil  Region,  1869  gegründet,  heute  5000  E., 
6  Kirchen,  2  Zeitungen.  Oil  City,  am  Eintiuss  des  Oil  Creek  in  den  Allegheny, 
2276  E.  Hauptpunkt  des  Handels  mit  Erdöl,  von  dem  jährlich  2  Mill.  Fässer 
versandt  werden.  Titusville,  Hauptstadt  des  Gebietes,  8630  E.,  9  Kirchen, 
4  Banken,  2  Tagbätter.  Corry,  am  Eingang  in  das  Oildorado,  1866  gegründet, 
6809  E.  —  In  der  Seeregion  Erie,  einziger  Hafen  von  Pa.  am  Erie-See,  20000  E., 
1876  liefen  hier  19000  T.  ein  und  es  gehören  hierher  23  Dampfer  mit  14500  T. 
Einfuhren:  Holz,  Eisenerz,  Weizen.  Der  Hafen  ist  durch  die  7  e.  Meilen  lang 
vorgelagerte  Insel  Presquile  geschützt. 

X.  Delaware  (Del.),  100  d.Q.M.  (2120  e.),  125  015  E.  Liegt  zwischen 
Pennsylvanien  im  N.,  Maryland  im  S.  und  W.,  dem  Delaware  und  seiner  Mün- 
dungsbucht im  0.  und  nimmt  also  den  ö.  Theil  der  Halbinsel  Delaware  ein. 
Oberfläche:  Küstentiefland  mit  leiser  Schwellung  nach  der  Mitte  der  Halbinsel. 
Flüsse  und  Seen:  Delaware  R. ,  der  Haffsee  Rehoboth  Bay.  Klima:  Mildes 
Seeklima.  Mittelwärme  11  — 12 <>  C.  Waldland  29  Proc.  Ackerbau:  Del.  ist 
vorwiegend  Ackerbaustaat.  Boden  im  N.  fruchtbar,  im  S.  mehr  sandig,  ^/i 
Farmland.  Ernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  3950,  Weizen  950,  Hafer  415, 
Kartoffeln  405,  Roggen  12,  Heu  40000  T.;  Werth  4,2  Mill.  D.  Viehstand  1877 
(in  1000):  Rinder  55,  Schafe  35,  Schweine  48,  Pferde  23;  Werth  3,8  Mill.  D. 
Bemerkenswerth  ist  noch  die  ausgedehnte  Pfirsichzucht,  welche  dem  Staate 
den  Namen  The  Peach  State  zugezogen  hat.  Gewerbe:  8500  Pferdekräfte, 
Werth  der  Erzeugnisse  17  Mill.  D.  Baumwoll-  und  Wollwaaren,  Eisenguss. 
Bedeutendster  Gewerbebetrieb  in  und  um  Wilmington.  Handel  und  Verkehr: 
In  den  Hafenplätzen  von  Del.  liefen  1876  3083  T.  ein  und  es  gehörten  den- 
selben 159  Segel-  und  16  Dampfschiffe  mit  13800  T.  Eisenbahnen  (1878) 
696  Kil.  Finanzen  (1877):  Steuerwerth  69,  Schuld  1,2  Mill.  D.  Schulen  350. 
Vs  der  Schulfähigen  besuchten  Schulen.  Werth  des  Schulbesitzes  451000  I). 
220  Kirchen.  Bevölkerung :  18  Proc.  Farbige,  7  Proc.  Ausländer,  wovon  65  Proc. 
Irländer  und  12  Proc.  Deutsche.  —  Del.  wurde  1638  von  den  Schweden  besiedelt, 
1655  von  den  Niederländern  und  1664  von  den  Engländern  erobert,  1682  an 
Pa.  gegeben,  1701  als  besondere  Provinz  wieder  von  Pa.  getrennt.  Bis  1865 
ein  Sklavenstaat,  ist  Del.  dennoch  der  Union  treu  geblieben.  Del.  hat  1  Congress- 
Repräsentanten.  Sein  Senat  hat  9,  sein  Repräsentantenhaus  21  Mitglieder,  für 
2  Jahre  gewählt,  sein  Governor  wird  für  4  Jahre  gewählt  und  ernennt  den 
Staatssekretär,  während  die  Gesetzgebung  den  Treasurer  und  Auditor  wählt. 


Zweite  Gruppe.    Die  atlantischen  Mittelstaaten.  651 

Wilmington,  40000  E.,  3  Kil.  vom  Delaware  R.  Hauptindustrie  der 
Bau  eiserner  Schiffe,  daneben  Mühlen,  Woll-  und  Baumwollfabriken.  Von  den 
24  Schiffen  mit  11212  T.,  welche  1876  in  Del.  gebaut  wurden,  entfallen  Vs 
auf  W.  36  Kirchen,  12  Zeitungen.     Dover,   Staatshauptort,  Dorf  von  2231  E. 

XI.  Maryland  (Md.),  523  d.Q.M.  (11 124  e.),  780894  E.  (1870).  Der  südlichste 
von  den  atlantischen  Mittelstaaten.  1634  gegründet,  bis  1863 -Sklavenstaat. 
Zerfällt  in  3  natürliche  Abschnitte:  1)  Easteni  Shore,  Halbinsel  zwischen  Susque- 
hanna  R.  und  Chesapeake  Bay;  2)  Western  Sharc,  Halbinsel  zwischen  Chesa- 
peake  Bay  und  Potomac  R.;  3)  Momitainous  District,  die  Gebirgsregion.  Die 
letztere  nimmt  36  Proc.  des  Areales  ein,  der  Rest  besteht  vorwiegend  aus  flachem, 
sandigem  Schwemmland.  Chesapeake  Bay  schneidet  120  e.  M.  tief  in  das 
Gebiet  von  Md.  in  s.  n.  Richtung  ein  und  ist  7 — 25  e.  M.  breit.  Nach  ihr  gehen 
die  Hauptflüsse:  Susquehanna,  der  den  n.  Theil  des  Staates  in  12  e.  M.  Länge 
schneidet,  der  Potomac,  der  die  S.  Grenze  bildet,  der  Patapsco,  (s.  Baltimore). 
Klima:  Mitteltemperatur  in  den  n.  Theilen  des  Staates  12,  den  mittleren 
13  ®  C.  Boden :  Sand  und  Thon.  Im  Allgemeinen  nicht  sehr  fruchtbar ,  am 
meisten  noch  in  den  höheren  Thalstrecken.  Mergel  stark  vertreten.  Erze :  Kohle 
und  Eisen  (s.  o.  S.  330),  Kaolin,  Nickel,  Kobalt  und  Zink  in  kleinen  Mengen. 
Ackerbau:  Ernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  13360,  Weizen  6780,  Hafer  4550, 
Kartoffeln  1525,  Roggen  310,  Heu  240  000  T.  und  Tabak.  Werth  21,6  Mill.  D. 
Viehstand  (1877)  in  1000:  Rinder  321,  Schafe  151,  Schweine  259,  Pferde  120. 
Werth  17  Mill.  D.  Die  Industrie  beschäftigte  1870  32  000  Pferdekräfte  und 
44000  Arbeiter.  Handel  und  Verkehr:  Im  Zollbezirk  Baltimore  liefen  1876 
668060  T.  ein  und  es  gehören  hierher  1634  Segel-  und  119  Dampfschiffe  mit 
141000  T.  Eisenbahnen  (mit  D.  Columbia  zusammen)  1878  1510  Kil.  Schulen 
(1877):  11  Colleges,  1827  Elementarschulen.  Ausgaben  über  1,5  Mill.  D.  Staats- 
haushalt (1877):  Einnahmen  2,11,  Ausgaben  2,18,  Schuld  (1878)  10,7  Mill.  D. 
Steuerwerth  (1876)  547  Mill.  D.  Md.  wurde  1631  von  Katholiken  besiedelt  und 
empfing  1649  den  Tolerations-Akt.  War  Sklavenstaat  bis  1863.  Von  der  Be- 
völkerung sind  22  Proc.  Neger,  80  Proc.  im  Staat  geboren,  13  Proc.  Ausländer, 
von  welchen  57  Proc.  Deutsche  und  28  Proc.  Irländer.  Governor,  Attorney 
General  und  Senatoren  (24)  sind  für  4,  Repräsentanten  (86)  für  2  Jahre  ge- 
wählt, Staatssekretär,  Comm.  of  the  Land  Office  und  höhere  Richter  vom  Go- 
vernor ernannt.    Md.  hat  5  Congress-Repräsentanten. 

Baltimore  in  der  gleichnamigen  County,  am  Aestuar  des  Patapsco,  20  km 
von  dessen  Vereinigung  mit  dem  Susquehanna  und  320  vom  offenen  Meere. 
390  17'  n.B.,  76 »  37'  w.  L.,  267 354  E.  (1870),  1878  auf  300000  geschätzt.  Ge- 
gründet 1729,  zum  Hafen  erhoben  1780.  1876  verkehrten  hier  Schiffe  von  über 
600000  T.  und  gehörten  hierher  846  Segel-  und  118  Dampfschiffe  von  120000  T., 
so  dass  B.  in  der  Rbederei  der  V.  St.  die  7.  Stelle  einnimmt  Ueber  die  Stellung 
B.'s  als  Handelsstadt  s.  o.  Mehrere  bedeutende  Bahnlinien  aus  dem  W.  laufen 
hier  zusammen,  der  Hafen  ist  vortrefflich  (der  Chesapeake  und  Delaware  Canal 
erleichtert  die  Verbindung  mit  dem  Meere).  Zur  Einfuhr  von  Binnen  her  ge- 
langen hier  u.  a.  jährlich  durchschnittlich  1  Mill.  T.  Kohlen,  10  Mill.  B.  Getreide, 

1  Mill.  T.  Mehl,   50000  Hogsh.  Tabak.     Grosse   Austerfischereien.     Auf   hüge- 
ligem Boden  malerisch  gelegen,    durch    die  Hauptstrasse,   Baltimore  Street,    in 

2  Hälften   getheilt.     Reich   an  öffentlichen   Gebäuden   und   Denkmalen  (City  of 


652  Dritte  Gruppe.     Die  atlantischen  Südstaaten. 

Monuments).  230  Kirchen.  Druid  Hill  Park  650  A.  Wissenschaftliche  Anstalten: 
Hopkins  University,  Un.  of  Maryland,  Peabody  Institute.  75  Elementarschulen. 
Industrie:  Eisen-,  Stahl-  und  Kupferschmelzen,  Tabak  und  Cigarren,  Leder, 
Maschinen.  20  Banken,  9  Sparbanken,  5  Tagblätter,  —  Staatshauptstadt  ist 
Annapolis,  5744  E.,  am  Severn  R.,  3  Kil.  von  der  Chesapeake  Bay.  Sitz  der 
U.  S.  Naval  Axademy.  6  Kirchen,  3  Zeitungen.  Cumberland,  8000  E.,  am 
Endpunkt  des  Chesapeake  and  Ohio  Canals.  Mittelpunkt  des  Kohlenfeldes  von 
Md.  (s.  0.  S.  331).  1876  wurden  von  hier  2,4  Mill.  T.  Kohlen  verschifft.  8  Kirchen, 
3  Zeitungen.  Freder  ick,  8526  E.,  am  Monocacy  R.,  einem  Zufluss  des  Po- 
tomac.    11  Kirchen,  3  Banken,  5  Zeitungen.     Gewerbthätig. 

Dritte  Gruppe. 

Die  atlantischen  Südstaaten. 

Die  Verbreiterung  des  Küstentieflandes  (Tidewoter,  Country,  Gezeitenland), 
welche  s.  vom  Hudson  begonnen,  schreitet  nach  S.  hin  immer  weiter  fort 
und  lässt  den  zwischen  den  Alleghanies  und  dem  Meere  gelegenen  Landstrich 
zunehmend  bedeutsamer  werden.  Die  s.  vom  Potomac  gelegenen  Staaten  sind 
sämmtlich  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  durch  diese  Verbreiterung  einen  breiten 
Tiefland-Antheil  an  ihrer  Ostseite  erhalten,  welcher  in  den  südlichsten  von  ihnen, 
in  Florida,  sogar  den  ganzen  Staat  einnimmt.  Der  grösste  Theil  ihrer  wirth- 
schaftlichen  Bedeutung  ruht  bis  jetzt  in  demselben,  und  in  dem  w.  daran  an- 
schliessenden Hügelland,  denn  er  ist  es  hauptsächlich,  der  jene  ungemein  ertrag- 
reichen Culturen  des  Tabaks,  der  Baumwolle,  des  Reises  und  Indigos  zuliess, 
welche  die  Grundlage  des  Rteichthums,  der  politischen  und  socialen  Bedeutung, 
zugleich  aber  auch  der  verderblichsten  Einrichtung,  der  Sklaverei,  bildete.  Ein 
sehr  günstiges  Klima  hommt  hinzu,  hinreichend  warm  und  feucht,  um  subtropische 
Culturen  zu  begünstigen.  Ist  auch  durch  z.  Th.  jahrhundertelange  Ausbeutung 
der  Boden  an  vielen  Punkten  verarmt,  so  dass  alle  diese  Culturen  ihren  SchAver- 
punkt  westwärts  verlegt  haben  (s.  o.  S.  243),  so  erzeugen  doch  immer  noch  diese 
Staaten  25  Proc.  der  Baumwolle,  70  Proc.  des  Reises  und  den  besten  Tabak  der 
V.  St.  Ihre  reichen  Föhrenwälder  tragen  in  zunehmendem  Masse  zur  Hebung  ihres 
Wohlstandes  bei.  Dieselben  sind  die  Stätten  der  grössten  Harz-  und  Terpentin- 
Erzeugung  der  V.  St.  In  den  südlichsten  Theilen  erlangt  die  Kultur  der  Süd- 
früchte wachsende  Bedeutung,  und  in  den  gebirgigen  Theilen  schreitet  der 
Getreidebau  und  die  Viezucht  vorwärts.  Die  Gewerbthätigkeit  ist  noch  in  ihrer 
Jugend,  aber  schon  steht  am  Austritt  der  Flüsse  aus  dem  Gebirge  eine  Anzahl 
von  Baumwollfabriken,  welche  die  reichen  Wasserkräfte  ausnützen.  Das  Canal-  und 
EisenbahnAvesen  ist  noch  wenig  entwickelt,  s.  von  Virginien  findet  man  keine 
Canäle  für  den  grossen  Verkehr,  und  die  Eisenbahnen  dieses  Gebietes  machen 
(1878)  nur  9  Proc.  derjenigen  in  der  ganzen  Union  aus.  Dafür  ist  eine  grosse 
Zahl  von  schiffbaren  Flüssen  und  von  theils  guten,  theils  genügenden  Seehäfen 
vorhanden.  Die  Rhederei  ist  gering.  Vom  Tonnengehalt  der  Segelschiffe  kommen 
2,5  Proc.  und  von  dem  der  Seedampfer  2,6  Proc.  diesem  Gebiete  zu.  Keine 
von  den  grössten  Handelsstädten  der  Union  fällt  in  dieses  Gebiet;  diejenigen, 
welche  vorhanden,  sind  von  mehr  örtlicher  Bedeutung,  z.  Th.  weil  sie  der  günstigen 


Dritte  Gruppe.     Die  atlantischen  Südstaaten.  653 

Hinterland -Verbindungen  entbehren.  Alle  Staaten  dieser  Kegion  gehörten  einst 
zu  den  Sklavenstaaten,  haben  deshalb  einen  starken  Autheil  farbiger  Bevölkerung 
und  leiden  neben  den  Folgen  des  Bürgerkrieges,  der  hier  am  heftigsten  wüthete, 
au  der  Schwierigkeit,  dieses  ungleichartige  Element  wirthschaftlich  und  politisch 
zu  assimiliren.  Grossentheils  dadurch  sind  die  Staatsfinanzen  in  zerüttetem  Zu- 
stande. Die  Volksbildung  ist  aus  demselben  Grunde  mit  auf  dem  niedrigsten 
Stande,  der  überhaupt  in  der  Union  zu  finden  ist.  Da  diese  Staaten  erst  in 
jüngster  Zeit  Zielpunkt  einer  stärkeren  Einwanderung  geworden,  ist  keiner  von 
den  Bevölkerungsbestandtheilen  europäischer  Abstammung  in  grösserer  Zahl 
vorhanden.  Am  häufigsten  davon  sind  die  Irländer.  Alle  diese  Staaten  mit 
Ausnahme  Floridas  gehören  zu  den  13  alten  Staaten.  In  den  Congress  senden 
dieselben  27  Repräsentanten. 

XII.  Virginia  (Va.),  38348  e.  Q.M.,  1225163  E.  Grenzen:  Im  N.  Mary- 
land und  West- V'irginia,  im  S.  N.Carolina  und  Tennessee,  im  0.  der  Atlantische 
Ocean,  im  W.  Kentucky  und  West- Virginia.  Der  Oberflächengestalt  nach 
theilt  man  den  Staat  herkömmlicherweise  in  6  Regionen,  die  paiallel  neben 
einander  zwischen  dem  Meere  und  der  W. -Grenze  liegen.  1)  Tidewater  Country, 
160  Kil.  breites  Tiefland,  durchschnitten  von  den  ästuarartigen  Unterläufen  der 
grösseren  Flüsse.  Ausgedehnte  Sümpfe  (Dismal  Swamp)  und  Föhrenwälder,  auch 
Dünenstrecken  sind  in  demselben  vertheilt.  Umfasst  12000  e.Q.M.  2)  Middle 
Country,  ein  Hügelland,  von  12000  e.  Q.M.,  welches  w.  an  das  vorige  sich  an- 
scliliesst,  vorwiegend  fruchtbar,  von  sehr  wechselnder  Gesteins-Zusammensetzung. 

3)  Piedmont  Country,  den  Saum  der  näheren  Vorberge  der  AUeghanies  von  150 
bis  400m  Meereshöhe  umfassend.  Fruchtbare,  mit  Laubwald  wohlbestandene 
Region,  sehr  gebrochenes  Terrain  mit  zahlreichen  breiten  Thaleiuschnitten  (Coves). 

4)  Blue  liidge^  der  ö.  Zug  des  Alleghany-Gebirges,  400  —  1500  m  hoch,  5  —  30  Kil. 
breit,  3000  e.Q.M.  bedeckend.  Laubwälder  überall  bis  zum  Kamm.  5)  The 
Valley  of  ^'irginia,  w.  von  der  Blue  Ridge,  510  Kil.  lang,  40  breit,  eine  Fort- 
setzung des  Great  Valley  of  the  AUeghanies,  300  — 600  m  hoch,  8000  e.  Q.M. 
bedeckend;  der  wenigst  angebaute  Theil  des  Staates.  6)  Appdlachian  Country, 
bedeckt  6000  Q.  M.  und  umfasst  den  ö.  Theil  der  AUeghanies,  zahlreiche  parallele 
schmale  Gebirgszüge  mit  engen  Thälern,  1000  —  1200  m  hoch,  eine  für  Viehzucht 
passende  Region.  Die  Bewässerung  von  Va.  geht  hauptsächlich  nach  der  Chesa- 
peake  Bay.  Der  Grenzfluss  Potomak  mit  dem  Shenandoah,  der  Rappahannock, 
James  und  York  R.  gehören  dahin.  Chowau  und  Roanoke  gehen  in  den  Albemarle- 
Sund.  Das  Äppalachian  Country  ist  von  oberen  Armen  des  Tennessee  bewässert. 
Klima :  Die  Mitteltemperatur  des  Tieflandes  ist  13  — 15  "^  C,  sie  sinkt  in  der 
Blue  Ridge  auf  9,  im  Äppalachian  Country  auf  11^.  Der  Regenfall  ist  800 — 1000  mm. 
Von  Mineralschätzen  wird  gegenwärtig  nur  Kohle  (s.  o.  S.  333)  und  Eisen  in  geringer 
Menge  gefördert.  Der  Ackerbau  ist  in  Va.  älter  als  irgendwo  in  den  V.  St.  und 
hat  einen  grossen  Theil  des  Landes  ausgesogen,  '/'s  desselben  ist  unter  Anbau. 
In  der  Erzeugung  des  Tabaks,  dieses  alten  Haupt-Erzeugnisses  des  Staates  ist  seit 
1860  ein  Rückgang  eingetreten,  theils  durch  Aussaugung  des  Bodens,  theils  durch 
Zerrüttung  der  Arbeiterverhältnisse.  1877  wurde  hier  ca.  V^  der  Gesammternte 
der  V.  St.  erzeugt.  Die  Getreideernte  (in  1000  B.)  betrug  1876/77:  Mais  19400, 
Weizen  9450,  Hafer  8000,  Roggen  585.  Werth  23  Mill.  D.  Der  Viehstand  betrug 
1877  (in  1000) :  671  Rinder,  422  Schafe,  759  Schweine,  235  Pferde  und  Maulthiere. 


ß54  Dritte  Gruppe.     Die  atlantischen  Südstaaten. 

"Werth  31  Mill.  D.  1870  war  der  Wertli  der  gesammten  Erzeugnisse  des  Acker- 
baues 52  Mill.  D.  Der  Walti  nimmt  in  Va.  49  Proc.  des  Bodens  ein.  Die  Ge- 
werbthätigkeit  ist  in  Va.  nicht  bedeutend.  Ihre  hervorragendsten  Leistungen  sind 
unten  bei  Richmond  erwähnt.  Haupterzeugniss :  Mehl,  Sägholz,  Tabakfabrikate. 
1870  betrug  der  Werth  ihrer  Gesammt-Erzeugnisse  38  Mill.  D.  und  waren  50000 
Pferdekräfte  in  Verwendung.  Eisenbahnen  gab  es  Anfangs  1878  2620  Kil.  Von 
Canälen  sind  in  Thätigkeit  nur  die  Küstencanäle.  Die  Rhederei  umfasste  1877 
971  Segel-  und  83  Dampfschiffe  mit  39  308  T.  In  die  Häfen  von  Va.  liefen  in 
demselben  Jahre  17000  T.  in  Küstenfahrt  und  21000  vom  Auslande  ein.  Haupt- 
gegenstände der  Ausfuhr:  Weizen,  Mehl,  Tabak,  Bauholz.  Finanzen  (1.  Oct.  1878) 
Steuerwerth  322,  Staatsschuld  29,3,  Einnahmen  3,02,  Ausgaben  2,99,  Staatssteuer 
2,5,  Schulausgaben  1,05  Mill.  D.  Schulbesuch  42  Proc.  Zahl  der  T  unterrichteten 
über  10  Jahren  445893.  Colleges  7  mit  966  Schülern.  129  Zeitungen.  Die  Be- 
völkerung von  Va.  bestand  1879  zu  42  Proc.  aus  Farbigen.  95  Proc.  waren  im 
Staate  (und  in  dem  1863  abgetrennten  West-Va.)  geboren.  Unter  den  13,754 
Ausländern  waren  5191  Irländer  und  4050  Deutsche.  —  Va.  ist  die  älteste 
Colonie  der  V.  St.  1607  gegründet,  war  sie  im  17.  und  18.  Jahrhundert  als 
die  Old  Dominion  das  bedeutendste  von  den  Gemeinw'esen,  die  am  atlantischen 
Rande  des  Continentes  gegründet  worden  waren ;  noch  im  Unabhängigkeitskrieg 
galt  es  für  den  ersten  der  13  alten  Staaten.  Aber  von  da  an  w^urde  es  erst 
an  Bevölkerungszahl  und  Reichthum,  dann  auch  an  politischem  Einfluss  schwächer 
gegenüber  Massachusetts,  New  York  und  Pennsylvania.  1861  sagte  es  sich  von 
der  Union  los  und  wurde  das  Haupt  der  conförderirten  Staaten,  die  Richmond 
zu  ihrer  Hauptstadt  machten.  1869  wurde  eine  neue  Verfassung  angenommen 
und  1870  ward  Va.  wieder  zur  Vertretung  im  Congress  zugelassen,  wo  es  heute 
8  Repräsentanten  hat.  Wahlberechtigt  ist  jeder  Bürger  der  V.  St.  von  21  Jahren, 
der  12  Monate  im  Staat  gewohnt  hat.  Die  Oberbeamten  werden  für  4,  z.  Th. 
für  2,  die  Glieder  der  General  Assembly  (43  Senatoren  von  den  40  Distrikten, 
138  Repräsentanten)  für  2  Jahre ,  die  Richter  durch  die  General  Assembly  für 
12  Jahre  gewählt. 

Richmond,  51038  E.,  wovon  45  Proc.  Farbige,  Stadt  und  Hauptort  von 
Henrico  Cy.,  am  Endpunkt  der  Schiffbarkeit  des  James  R.,  auf  Hügeln  am 
linken  Ufer  des  Flusses  gelegen.  Das  Capitol  steht  auf  dem  Shockoe  Hill  in- 
mitten von  Parkanlagen,  in  der  Halle  desselben  eine  1788  aufgestellte  Statue 
von  Washington.  Andere  öffentliche  Gebäude  von  Bedeutung  sind  City  Hall, 
Governors  House,  State  Armory.  R.  wurde  1742  als  Stadt  incorporirt  und  1779 
zur  Hauptstadt  erhoben.  Damals  war  sie  als  Hauptstadt  des  leitenden  Staates 
eine  der  bedeutendsten  Städte  der  Union.  Eine  noch  hervorragendere  Rolle 
spielte  R.  im  Bürgerkrieg,  wo  es  seit  1861  Hauptstadt  der  Conföderation  und 
damit  Zielpunkt  der  Bewegungen  der  Armeen  der  Union  war.  Die  wirthschaft- 
liche  Rolle  von  R.  besteht  hauptsächlich  in  dem  Vertrieb  der  Erzeugnisse  des 
Staates  (Ausfuhr  1877:  35442  Fässer  Tabak,  66  566  Fässer  Petroleum,  1476  B. 
Baumwolle,  138204  Fässer  Mehl;  Gesammtwerth  derselben  gegen  3  Mill.  D. 
Einfuhr,  direkte,  ca.  0,2  Mill.  D.)  und  in  einer  blühenden  Gewerbthätigkeit,  die 
mit  Mehlerzeugung,  mit  Verarbeitung  des  Tabaks  (ca.  3000  Arbeiter),  mit 
Maschinenfabrikation  und  Wollwaaren  hauptsächlich  sich  beschäftigt.  Oberhalb 
R.'s  hat  der  Fluss  starke  Wasserkräfte,  bis  nach  R.  ist  er  für  Schiffe  von  4,6  m 


Dritte  Gruppe.     Die  atlantischen  Südstaaten.  655 

zugänglich.  5  Eisenbahnen  treffen  hier  zusammen.  Rhederei  gering.  30  Kirchen,  33 
Zeitungen.  Norfolk,  19  299  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  N.  Cy.,  am  Elizabeth  R., 
gegenüber  Portsmouth,  51  Kil.  vom  Meere,  260  Kil.  von  Richmond,  wo  der  1,6  Kil. 
breite  Fluss  einen  trefflichen  Hafen  bildet.  N.  ist  Endpunkt  der  wichtigen 
Atlantic -Mississippi -Ohio- Eisenbahn,  welche  eine  direkte  Verbindung  mit  dem 
Ohio-Thale  herstellt  und  steht  mit  dem  Albemarle  -  Sund  durch  den  Dismal 
Swamp  Canal  in  Verbindung.  Bedeutendste  Hafen-  und  Handelsstadt  von  Va. 
1876  liefen  hier  in  Küstenfahrt  4719,  vom  Ausland  13,212  T.  ein.  7  Zeitungen. 
Portsmouth,  10492  E. ,  Stadt  in  Norfolk  Cy.,  gegenüber  Norfolk  am  Eli- 
zabeth R.  gelegen,  Fährenverbindung  mit  diesem,  täglich  Dampferverbindung  mit 
Richmond.  Ausgezeichneter  Hafen.  In  Gosport,  Vorstadt  von  P.  ist  ein 
Werft,  Trockendock  und  Seespital  der  V.  St.  H  a  m  p  t  o  n ,  2300  E,,  am  Hampton 
Creek  und  James  R. ,  nahe  bei  dessen  Einmündung  in  die  Chesapeake  Bay, 
152  Kil.  so.  von  Richmond.  Die  im  Bürgerkrieg  vielgenannte  Veste  Monroe 
ist  4  Kil.  ().  von  hier.  Williamsburgh,  1392  E.,  Hauptort  von  James  Cy., 
zwischen  York  R.  und  James  R. ,  98  Kil.  ö.  von  Richmond.  1632  gegründet, 
bis  1779  Staatshauptstadt.  Sitz  des  William  and  Mary  College  und  eines  Staats- 
irrenhauses. Alexandria,  13570 E.,  amPotomac,  11  Kil.  unterhalb  Washington. 
3  Eisenbahnen.  1877  liefen  hier  9165  T.  in  Küstenfahrt  ein.  6  Zeitungen.  Frede- 
ricksburgh,  4046  E.,  Hauptort  von  Spottsylvania  Cy.,  am  Rappahannock,  98  Kil. 
n.  von  Richmond.  Landstadt  in  fruchtbarer  Umgebung.  4  Zeitungen.  Schlacht 
am  13.  Dec.  1862  und  2.-4.  Mai  1864.  20  Kil.  von  hier  Spottsylvania 
Courthonse  und  Chancellorsville,  bekannt  durch  die  Schlacht  vom 
24.  Mai  1863.  Petersburgh,  19  850  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Dinwiddie  Cy., 
am  ApomattoxR. ,  der  bis  hier  schiffbar,  Eisenbahn-Kreuzung,  35  Kil.  s.  von 
Richmond.  Wasserkraft.  Tabakshandel.  6  Zeitungen.  Suffolk,  930  E.,  37  Kil. 
sw.  von  Norfolk,  Knotenpunkt  der  von  Norfolk  und  Portsmouth  nach  dem  Inneren 
führenden  Bahnen,  Hauptort  von  Nansemond  Cy.  —  Plätze  im  Inneren:  Lynch- 
burgh,  6825  E.,  Stadt  in  Campbell  Cy.,  am  oberen  James  R. ,  220  Kil.  von 
Richmond,  mit  dem  es  durch  den  Kanawha-Canal  verbunden.  Eisenbahnkreu- 
zung. Tabaksfabriken,  Mühlen,  Tahaks-  und  Weizenhandel.  9  Zeitungen. 
Staunton,  5120  E.,  in  schöner  Lage  an  einem  Arm  des  Shenandoa  R.,  an 
der  Chesapeake -Ohio -Eisenbahn.  Sitz  einer  Staats-Irren-  und  Taubstummen- 
Anstalt.  Fabriken ,  Erziehungsanstalten.  3  Zeitungen.  Covington,  Eisen- 
bahnkreuzung, in  Alleghany  Cy.,  1268  E.  Danville,  3463  E.,  in  Pittsylvania 
Cy.,  am  Dan  R.,  Wasserkraft.  Fabriken.  Grosse  Tabakscultur  in  der  Umgebung. 
Xm.  North  Carolina  (N.  C),  2386  d.  Q.M.  (50704  e).,  1071361  E.  Liegt 
zwischen  Virginia  im  N. ,  Süd-Carolina  und  Georgia  im  S.,  dem  Ocean  im  0. 
und  Tennessee  im  W.  Oberfläche:  N.  C.  zerfällt  in  die  4  natürlichen  orogra- 
phischen  Abschnitte,  die  bei  allen  diesen  südatlantischeu  Staaten  hervortreten: 
1)  Das  Küstentiefland  ist  hier  bereits  90 — 125  Kil.  breit,  reich  an  Sümpfen,  die 
zusammen  ca.  3  Mill.  A.  bedecken  (der  s.  Theil  des  Dismal  Swamp  und  der 
sog.  kleine  Dismal  Swamp  gehören  hierzu)  und  an  sandigen  Strecken,  die  be- 
sonders in  den  Nehrungen  vorwiegen,  welche  Pamlico  und  Albemarle  Sund 
vom  Meere  trennen.  2)  Mittelland.  Welliges  Hügelland,  das  den  grössten  Theil 
des  Staates  einnimmt.  3)  Piedmont  District  umfasst  in  30 — 50  Kil,  Breite  die 
Vorberge  der  Blue  Ridge  und  erhebt  sich  bis  600  m.    4)  Blue  Ridge.    Gebirgs- 


656  t)ritte  Gruppe.    Die  atlantischen  Südstaaten. 

land  mit  breiten  kesselartigen  Thälern  von  6—800  m  Höhe,  umschliesst  die 
grössteu  Erhebungen  des  Alleghany-Systems.  Flüsse:  Chowan  und  Roanoke  in 
den  Albemarle  Sd.,  Tar  und  Neuse  in  den  Pamlico  Sd.,  Cape  Fear  R.,  der  Ober- 
lauf des  Great  Pedee.  Klima:  Die  s.o.  Hälfte  des  Staates  hat  15—18^  Mittel- 
wärme, der  Piedmont  District  11,  die  Blue  Ridge  9.  Regenmenge  1000—1200  mm. 
Wald  64,2  Pfoc.  Dicht  bewaldet  sind  die  Gebirgsgegenden,  wo  es  grosse  Bezirke 
mit  80  Proc.  Wald  gibt,  und  die  sumpfigen  Tieflandstrecken.  Vorwaltend  Föhren 
und  Sumpfcederu.  Harz-  und  Theergewinnung  ist  ein  Hauptgewerbe  von  N.  C. 
Ackerbau:  \6  des  Staates  ist  angebaut,  fast  ^,3  in  Farmland.  Ausser  den 
Sümpfen  und  Sandböden  des  0.  und  den  höheren  Gebirgsregionen  des  W.  ist 
N.  C.  vorwiegend  fruchtbar.  Ernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  22800,  Hafer  3980, 
Weizen  3900,  Kartoffeln  853,  Roggen  385,  Heu  126  000  T.  Dazu  kommen  ca. 
3  Mill.  B.  Bataten,  150000  Ballen  Baumwolle  und  10—12  Mill  Pfd.  Tabak.  Der 
Gesammtwerth  der  landwirthschaftlichen  Erzeugnisse  betrug  1877  ca.  55  Mill.  D. 
Yiehstand  1877  (in  1000) :  Rinder  650,  Schafe  420,  Schweine  1180,  Pferde  197. 
Werth  27  Mill.  D.  Bergbau :  Wenig  entwickelt.  Eisen,  Kohle,  Kupfer,  Gold,  Seifen- 
stein. Gewerbe  (1870):  33000  Pferdekräfte  und  13  600  Arbeiter.  Werth  der 
Erzeugnisse  19  Mill.  D.  Haupterzeugnisse:  Mehl,  Sägholz,  Harz  und  Terpentin, 
Baumwollwaaren.  Handel  und  Verkehr :  In  den  Zollbezirken  Pamlico  und  Beau- 
fort  liefen  1876  1254  T.  in  Küstenfahrt  ein,  in  dem  von  Wilmington  2945  in 
Küstenfahrt  und  59 135  vom  Ausland.  Eisenbahnen  (1877)  1426  e,  M.  Rhederei 
(1876)  278  Segel-  und  22  Dampfschiffe  mit  10000  T.  Gebaut  wurden  27  Schifte 
mit  410  T.  Finanzen:  Schuld  (1877)  42,  Steuerwerth  148,  Einnahmen  0,53, 
Ausgaben  0,57  Mill.  D.  Steuerwerth  1870  130  Mill.  D.  Dürfte  sich  seitdem  kaum 
erhöht  haben.  Schulen:  1872  ca.  1800.  Nur  etwa  ^'a  der  schulfähigen  Be- 
völkerung besucht  dieselben.  Ausgaben  0,33  Mill.  D.  Bevölkerung:  37  Proc. 
Farbige,  96  Proc.  im  Staate  geboren,  0,2  Proc.  Ausländer.  —  N.  C.  wurde  von 
Virginien  aus  1650  besiedelt,  zur  Provinz  erhoben  1663,  Sklavenstaat  bis  1865, 
wieder  in  die  l  nion  aufgenommen  1868.  Nach  der  neuen  Verfassung  von  1868 
werden  Senatoren  (50)  und  Repräsentanten  (120)  2 jährig  gewählt,  die  oberen 
Beamten  4 jährig,  die  Richter  8jährig.  Im  Congress  hat  N.  C.  7  Repräsen- 
tanten. 

Wilmington,  13446  E.,  am  Cape  Fear  R.,  55  Kil.  vom  Meer.  Hafen  für 
Schiffe  von  4,2  m  Tiefgang  zugänglich.  Ausfuhrplatz  für  die  Erzeugnisse  des  Landes 
hauptsächlich  Harz,  Terpentin  und  Sägholz.  1877  wurde  ausgeführt:  113  733  B. 
Baumwolle,  537  696  F.  Harz,  101832  F.  Terpentinöl,  69991  F.  Theer  und 
17  024  061  Fuss  Holz.  Einfuhr  gering.  Es  liefen  hier  1876  2945  T.  im  Küsten- 
handel und  59135  vom  Auslande  ein.  1877  verkehrten  hier  249  fremde  Schifte, 
worunter  56  Deutsche.  Rhederei  wenig  bedeutend,  ca.  3000  T.  Die  farbige  Be- 
völkernng  überwiegt.  6  Zeitungen.  Raleigh,  7790  E.,  Staatshauptstadt.  In 
der  Nähe  des  Neuse  R.  und  im  Mittelpunkt  der  Baumwollenregion.  12  Zeitungen. 
New  Berne,  5849  E.,  am  Zusammenfluss  des  Neuse  und  Trent  R.  Terpentin- 
Destillerien  und  Verschiffungsplatz  für  Baumwolle  und  Holz.  Fayette  ville, 
4650  E.  Am  oberen  Ende  der  Schiftbarkeit  des  Cape  Fear  R.  In  Mitten  einer 
grossen  Föhrenregion  gelegen,  deren  Produkte  hier  verarbeitet  und  versandt 
werden.  Charlotte,  4473  E.,  Hauptort  von  Mecklenburg  Cy.  Grösster  Platz 
im  W.  des  Staates.   Knotenpunkt  von  3  Eisenbahnen  11  Zeitungen.    Beaufort, 


Dritte  Gruppe.    Die  atlantischen  Südstaaten.  657 

2430  E.,  am  Newport  R.     Washington,    2094  E.,  Hauptort  von  Beaufort  Cy. 
am  Pamlico-Sund. 

XIV.  Süd-Carolina  (S.  C),  1600  d.  Q.  M.  (34000  e.),  923447  E.  Im  N.  von 
Nord-Carolina,  im  S.  und  W.  von  Georgia,  im  0.  vom  Meere  begrenzt.  Ober- 
fläche: Dem  Küstentiefland  gehört  etwa  \'2  des  Staates,  dem  hügeligen  und  ge- 
birgigen Theil  die  andere  Hälfte  an.  Zu  dem  Küstentiefland  gehören  die  sog. 
Sea  Islands,  welche  durch  die  verflochtenen  Mündungsarme  der  Tieflandflüsse 
vom  Festland  getrejint  sind.  Eine  Linie  von  Hamburg  am  Savannah  R.  bis 
Chesterfield  an  der  N.  Grenze  bildet  ungefähr  die  natürliche  Scheide  zwischen 
beiden  Regionen.  In  das  Innere  der  Alleghanies  greift  S.  C.  nur  im  äussersten 
NW,,  wo  eine  Strecke  weit  die  Blue  Ridge  die  Grenze  bildet.  Flüsse:  Die 
viel  verzweigte  und  mit  weiten  Aestuarmündungen  versehenen  Santee,  Great  and 
Little  Pedee,  Cooper,  Ashley,  Edisto,  Coosawhatchie;  Grenzfluss  im  S.  Savannah. 
Klima:  Im  0.  20",  nach  NW.  zu  im  Hügelland  auf  15°  herabsinkend.  Nieder- 
schläge 12  bis  1500  mm.  Wald  60  Proc.  Vorwiegend  Föhreuwald.  Landwirth- 
schaft:  Das  Sumpf land  nimmt  etwa  den  15.  Theil  des  Staates  ein  und  ist  das 
übrige  Land  im  ganzen  fruchtbar,  am  wenigsten  das  sog.  Pine  Land  in  den 
hügeligen  Gegenden,  welches  etwa  Ve  des  Staates  einnimmt.  Die  grösste  Frucht- 
barkeit findet  sich  auf  den  Sea  Islands  der  Küste,  wo  die  beste  Baumwolle  ge- 
baut wird  (s.  o.  S.  280).  Ernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  11200,  Weizen  1210, 
Hafer  1020,  Roggen  46,  Kartoffeln  105,  Heu  21.  Bataten  wurden  1870  1342  000  B., 
Reis  32Mill.  Pfd.,  Baumwolle  225000  Ballen  erzeugt.  1876  erzeugte  S.  C.  7  Proc. 
der  Baumwollenernte  der  Union.  Der  Gesammtwerth  der  Ackerbauerzeugnisse 
betrug  (1870)  42  Mill.  D.  Viehstand  1877  (in  1000):  Rinder  320,  Schafe  175, 
Schweine  450,  Pferde  und  Maulthiere  108.  Werth  15  Mill.  D.  Bergbau  :  Gering. 
Nur  Phosphorite  werden  in  grösserer  Menge  gewonnen.  Gold  kommt  bei  Abbeville 
und  Edgefield,  Eisen  in  den  Alleghanies  bei  Spartanburg  und  Greenville  vor. 
Gewerbe  (1870):  15000  Pferdekräfte,  8100  Arbeiter,  10  Mill.  D.  Werth  der  Er- 
zeugnisse, unter  welchen  Mehl,  Baumwollwaaren  und  Terpentin  die  beträch tlichtsen 
waren.  Handel  und  Verkehr:  1876  liefen  in  den  Häfen  der  3  Zolldistrikte 
Charleston,  Georgetown  und  Beaufort  12274  T.  in  Küstenfahrt  und  148803  T. 
vom  Ausland  ein.  Ausfuhren:  Baumwolle  (13  Proc.  dieser  Ausfuhr  gehen  über 
Charleston),  Reis,  Holz,  Harz  und  Terpentin.  Rhederei :  S.  C.  hatte  1876  167 
Segel-  und  26  Dampfschiffe  mit  8900  T.  Eisenbahnen  (1878)  2250  km.  Finanzen 
(1877):  Steuerbarer  Besitz  (unamtliche  Schätzung)  136  Mill.  Einnahmen  755886, 
Ausgaben  232829,  Schuld  7  Mill.  D.  Schulen  (1877):  2163  mit  2674  Lehrern. 
Schulbesuch  nicht  ganz  ^2  der  schulfähigen  Bevölkerung.  Ausgaben  189  353  D, 
Bevölkerung:  1870  waren  55  Proc.  farbig,  96  Proc  im  Staate  geboren,  1,1  Proc. 
Ausländer.  Unter  letzteren  40  Proc.  Irländer  und  34  Proc.  Deutsche.  Die  beiden 
Carolinas  kamen  1665  durch  Schenkung  des  Striches  zwischen  36  und  38°n.  B. 
an  eine  Privatgesellschaft,  welche  1728  ihre  Rechte  an  die  Krone  abtraten, 
worauf  dieselben  eine  kgl.  Provinz  bildeten  bis  1732  die  Scheidung  in  N.  und 
S.  C.  beliebt  wurde.  S.  C.  war  der  erste  Staat,  der  1860  die  Fahne  der  Se- 
cession  erhob.  1868  gab  es  sich  eine  neue  Verfassung,  welche  alle  Rassenunter- 
schiede beseitigte  und  das  Stimmrecht  allen  Bürgern  über  21  Jahre  gab.  Die 
General  Assemhly  besteht  aus  124  zweijährig  gewählten  Repräsentanten  und 
33  Senatoren,   je   1   aus  jeder  Grafschaft,     Die   Beamten   sind  für  2—4  Jahre 

Katze  1,  Amerika  IL  42 


658  Dritte  Gruppe.    Die  atlantischen  Südstaaten. 

gewählt,  die  Richter  von  Governor  und  der  Assembly  ernannt.     S.  C.  hat  4  Re- 
präsentanten im  Congress. 

Charleston,  48956  E.  (1870),  grösste  Stadt  des  Staates,  Haupthandels- 
stadt der  atlantischen  Süd-Staaten,  liegt  auf  einer  flachen  Halbinsel  zwischen 
den  Küstenflüssen  und  Aestuarien  Cooper  und  Ashley  R.  1672  gegründet.  Der 
Hafen  ist  eine  natürliche  Einbuchtung,  deren  Eingang  durch  die  befestigten 
Inseln  Sullivan's  Is,  und  Morris  Is.  geschützt  ist  (Ft.  Sumter,  Ft.  Moultrie  u.  a.) 
und  lässt  Schiffe  von  5,5  m  Tiefgang  zu.  Hauptausfuhr-Gegenstand  Baumwolle. 
1876  wurden  13  Proc.  der  Ernte  über  Ch.  verschifft;  Werth  des  Handels  (1878) 
44Mill.  D.  1877  liefen  hier  11898  T.  in  Küstenfahrt  und  101 272  T.  vom  Aus- 
land ein.  Rhederei  unbedeutend.  145  Segelschiffe  mit  7030  und  22  Dampfer  mit 
3806  T.  Drei  grosse  Eisenbahnlinien  laufen  hier  zusammen.  Ch.  war  vor  dem 
Bürgerkriege  der  Sitz  einer  reichen  Pflanzer- Aristokratie  und  strebte  der  Bil- 
dungsmittelpunkt des  Staates  zu  werden.  Seitdem  ist  die  Stadt  durch  Ueber- 
wiegen  der  farbigen  Bevölkerung  (53  Proc.)  zurückgegangen,  ist  aber  in  den 
besseren  Theilen  noch  immer  eine  der  schönsten  Städte  des  S.  14 Zeitungen.  Co- 
lumbia, 9228  E.,  Staatshauptstadt  und  Hauptort  von  Richland  Cy.,  am  Endpunkt 
der  Schiffbarkeit  des  Congaree  R. ,  unterhalb  der  Einmündung  des  Saluda  und 
BroadR.  Knotenpunkt  der  Eisenbahn  Charlotte  -  Augusta  und  Charleston  -  Ham- 
burgh.  1865  auf  dem  Zuge  Shermans  nach  Atlanta  vom  Feuer  zerstört,  hat  C. 
viel  von  seiner  einstigen  Schönheit  verloren,  blüht  aber  neuerdings  vorzüglich 
durch  die  industrielle  Ausnützung  seiner  reichen  Wasserkraft  wieder  auf.  Aikeu, 
780  E.,  im  SW.  des  Staates ,  Hauptort  des  gleichnamigen  Bezirkes,  klimatischer 
Kurort.  Greenville,  2756  E.,  Hauptort  des  gleichnamigen  Bezirkes,  grösster 
Ort  des  hügeligen,  halb  gebirgigen  Ackerbaugebietes  im  NW.  des  Staates.  Beau- 
fort,  1739  E.,  Hauptort  des  gleichnamigen  Bezirkes,  im  S.  des  Staates  auf  Port 
Royal  Island  gelegen.  Guter  Hafen,  in  welchen  1877  47560  T.  (47  415  vom 
Ausland)  einliefen.  Hauptausfuhr  Föhren-  und  Cedernholz.  Port  Royal,  Dorf 
am  Eingang  in  den  Hafen  von  Beaufort.  Georgetown,  Hauptort  des  gleich- 
namigen Bezirkes,  2080  E.,  wenig  besuchter  Hafenplatz  (1877  347  T.  Einlauf), 
Mittelpunkt  des  Reisdistriktes.  Spaitanburg  Courthouse,  1080  E.,  im  N. 
/des  Staates,  in  Mitten  einer  einst  ergiebigen  Goldregion.  Walhalla,  760  E., 
Hauptort  des  Oconee-Bezirkes,  deutsche  Colonie  in  den  S.  Alleghanies. 

XV.  üeorgia  (Ga.),  2735  d.  Q.  M.  (58  000  e.),  1 184 109  E.  (1870).  Begrenzt 
im  N.  von  Tennesse  und  N.  Carolina,  im  S.  von  Florida,  im  0.  vom  Meer  und 
von  S.  Carolina,  im  W.  von  Alabama  und  Florida.  Der  Küste  (205  Kil.)  sind 
ähnlich  wie  bei  S.  Carolina  zahlreiche  kleine  Küsteninseln  vorgelagert.  Ober- 
fläche: Das  Küstentiefland  ist  hier  bereits  zwischen  160  und  250  Kil.  breit. 
Zahlreiche  sumpfige  Strecken  sind  in  dasselbe  eingeschaltet.  Dann  folgt  ein 
langsam  ansteigendes,  vorwiegend  sandiges  Land,  etwa  30  Kil.  breit,  welches 
nach  seiner  fast  ausschliesslichen  Bewachsung  mit  P'öhren  die  Region  der  Pine 
Barren  genannt  wird.  Dann  folgt  die  Hügelregion,  welche  die  bis  700  m  an- 
steigenden s. ö.  Ausläufer  des  Alleghanysystems  in  sich  fasst.  Flüsse:  Savannah, 
Grenzfluss  gegen  S,  Carolina,  Altamaha,  aus  Ocmulgee  und  Oconee  entstehend, 
Flint  und  Chattahochee ,  die  den  zum  Golf  abfliessenden  Appalachicola  bilden. 
Ein  kleiner  Theil  des  Staates  gehört  dem  System  des  Tennessee  an.  Klima  in 
der  Tieflandregion  18—20,    im  Hügelland  17"  C.     Niederschläge  12— 1300  mm. 


Dritte  Gruppe.    Die  atlantischen  Südstaaten.    .  659 

Wald  60,2  Proc.  der  Bodenfläche.  Vorwiegend  Föhren.  Bergbau:  Grosse  Eisen- 
lager in  Cass  und  Cherokee  Cy.,  Kupfer  im  sog.  Cherokee  Country  (Norden  des 
Staates),  Gold,  einst  in  beträchtlichen  Mengen  bei  Dahlonega.  Landwirthschaft : 
2,3  des  Landes  in  Farmen,  Vß  angebaut.  Im  Allgemeinen  von  grosser  Frucht- 
barkeit. Ga.  erzeugte  1876  11,3  Proc.  der  Baumwollernte  mit  fast  500000  Ballen. 
Getreide-Ernte  1877  (in  1000  B.) :  22400  Mais,  5300  Hafer,  3800  Weizen,  Heu 
21800  T.  Gesammtwerth  24,2  Mill.  D.  Ausserdem  ist  die  Reisernte  bedeutend 
(1870  22  Mill.  Pf.).  Viehstand  1876  (in  1000):  Rinder  677,  Schafe  383,  Schweine 
1586,  Pferde  und  Maulthiere  215.  Gesammtwerth  35  Mill.  D.  Gewerbe:  1870 
waren  18000  Arbeiter  beschäftigt  und  der  Wcrth  der  Erzeugnisse  betrug 
32  Mill.  D.  .Haupterzeugnisse :  Mehl,  Sägholz,  Baumwollenwaaren.  Handel  und 
Verkehr:  1876  liefen  in  den  Zollbezirken  Savannah,  Brunswick  und  S.Marys 
43522  T.  in  Küstenfahrt  und  255415  T.  vom  Ausland  ein.  Rhederei  1876: 
Ga.  hat  81  Segel-  und  31  Dampfschiffe  mit  24400  T.  Ausfuhren:  Baumwolle, 
Holz,  Reis.  Eisenbahnen  1878:  3745  Kil.  Finanzen:  Steuerfähiger  Besitz  (1878) 
236,  Schuld  10,6  Mill.  D.  Schulen  (1870) :  3  Universities,  18  Colleges,  123  Aca- 
demies,  1717  Volksschulen.  Schulausgaben  1,07  Mill.  D.  Bevölkerung:  46  Proc. 
Farbige,  87  Proc.  im  Staat  Geborene,  9,4  Proc.  Ausländer,  von  denen  46  Proc. 
Irländer  und  25  Proc.  Deutsche.  —  Ga.  wurde  1632  als  philanthropische  Colonie 
gegründet,  war  bis  1865  Sklavenstaat  und  wurde  1868  wieder  in  die  Union  auf- 
genommen,  nachdem  eine  neue  Verfassung  allen  Bürgern  das  Stimmrecht  ver- 
liehen. Die  Beamten  werden  4 jährig  gewählt,  ebenso  die  Senatoren  (44)  und 
2jährig  die  Repräsentanten.  Die  Richter  ernennt  der  Governor  zusammen  mit 
dem  Senat.     Ga.  hat  7  Repräsentanten  im  Congress. 

Savannah,  Haupthandelsstadt  und  grösste  Stadt  des  Staates,  28234  E. 
(47  Proc.  Farbige),  liegt  am  s.  Ufer  des  Savannah-Flusses,  30  Kil.  von  der  See, 
auf  einem  12  m  über  dem  Wasserspiegel  sich  erhebenden  sandigen  Plateau,  hat 
breite,  schattige  Strassen.  Hauptausfuhr  Baumwolle,  von  welcher  1877  486000  B. 
zugeführt  und  für  26  Mill.  D.  ausgeführt  wurden.  Es  kamen  ferner  Bauholz  für 
590000  D.,  Harz  für  250000,  Terpentinöl  224000  D.,  Reis  für  600000  D.  zur  Aus- 
fuhr. Die  Einfuhr  (Kaffee,  Guano  u.  a.)  übersteigt  um  wenig  1  Mill.  D.  In  Küsten- 
fahrt liefen  1877  39904  T.  ein,  vom  Ausland  169  684,  so  dass  S.  der  verkehrs- 
reichste von  den  südatlantischen  Häfen  ist.  Von  deutschen  Schiffen  verkehrten 
hier  40.  E  hederei  gering.  Dampf  boote  20  mit  9087  T.  Der  Hafen  für  Schiffe  von 
6  m.  Tiefgang  zugänglich.  3  Eisenbahn-Linien  von  Jacksonville,  Charleston  und 
Augusta  laufen  hier  zusammen.  11  Zeitungen.  Atlanta,  21789  E.,  10  Kil. 
vom  Chattanooga  R.,  1878  mit  grosser  Mehrheit  (gegen  Milledgeville)  als  Haupt- 
stadt des  Staates  bestätigt.  Hauptort  von  Fultou  Cy.  Wichtigster  Knotenpunkt 
der  Eisenbahnen  des  SO.;  es  laufen  hier  zusammen  Atlantic-Western,  Macon- 
Western,  Atlanta-Westpoint.  A.  hat  beträchtlichen  Inlandhandel  und  Gewerbe. 
13  Zeitungen.  Augusta,  15389  E. ,  am  Endpunkt  der  Schiffbarkeit  des  Sa-r 
vannah  R  ,  520  Kil.  von  der  See,  Hauptort  von  Richmond  Cy.  An  der  Kreuzung 
von  4  Eisenbahnen.  Grosse  Wasserkraft.  Baumwollfabriken.  5  Zeitungen. 
Columbus,  7401  E. ,  am  Chattahoochie  R. ,  Hauptort  von  Muscogee  Cy. ,  an 
der  Grenze  von  Alabama,  wo  die  Eisenbahnlinien  nach  Mobile  und  Opelica 
AI.  mit  denen  von  Augusta  und  Atlanta  zusammentreffen.  4  Zeitungen.  Für  die 
Versendung  der  reichen  Baumwollernten  des  w.  Georgia  der  Hauptplatz.    Macon, 

42* 


660  Dritte  Gruppe.     Die  atlantischen  Südstaaten. 

10  810  E.,  Hauptort  von  Bibb  Cy.  am  OcmulgeeR. ,  der  bis  hieher  schiffbar. 
Knotenpunkt  von  4  Eisenbahnlinien.  7  Zeitungen.  Grosser  Baumwollhandel. 
Baumwollfabriken.  Brunswick,  2348  E.,  Hauptort  von  Glynn  Cy.  Trefflicher 
Hafen  an  S.  Simons  Sound.  1877  wurden  von  hier  14700  B.  Baumwolle  aus- 
geführt. Darien,  Hafendorf  am  Altamaha  R.  1877  kamen  74  Mill.  Fuss  Bau- 
holz zur  Ausfuhir.  S.  Marys  am  gleichnamigen  Fluss,  702  E.  Milledge ville, 
2750  E.,  am  Oconee  R. ,  früher  Hauptstadt.  Grosse  Wasserkräfte  und  Baum- 
wollfabriken. Dahlonega,  471  E.,  Hauptort  von  Lumpkins  Cy.,  Mittelpunkt 
der  früher  ergiebigen  Goldbergwerke  und  einst  Sitz  einer  Münzstätte.  Gaines- 
ville,  472  E. ,  Hauptort  von  Hall  Cy.  Mittelpunkt  der  Gebirgsregiou  von  Ga. 
XYI.  Florida  (Fla.),  2795  d.  Q.M.  (59268  e.),  187  748  E.  Umschliesst  die 
Halbinsel  Florida,  die  sich  550  Kil.  zwischen  dem  Atlantischen  Meer  und  dem 
Golf  erstreckt  und  das  sog.  West-Florida,  einem  schmalen  Streifen,  der  sich  an 
der  Golfküste  bis  an  den  Perdido  R.  erstreckt.  Die  Binnengrenze  im  N.  und  "W . 
wird  von  Georgia  und  Alabama  gebildet.  Oberfläche;  Durchaus  Tiefland  und 
zwar  grossentheils  sehr  niedriges,  das  sich  um  eine  40  —  50  m  hohe  Backbone- 
Ridge  anlegt,  welche  die  Mitte  durchzieht.  Viele  Tausende  Q.M.  davon  sind 
schilfiges  Sumpf land  (Everglades  4000  e.  Q.  M.),  anderes  ist  ein  seichter  See 
(Okeechobee  ca.  1000  e.  Q.M.),  anderes  mit  Sumpfcedern  bewachsen.  An  anderen 
Stellen  waltet  dünenhafter  Sandboden  vor  und  die  einzige  Felsformation  ist  die 
der  Korallenriffe,  aus  denen  die  Halbinsel  offenbar  wenigstens  in  der  Südhälfte 
zusammengewachsen  ist.  Die  Keys  an  der  Südküste  sind  Koralleneilande  und 
ähnliche  erheben  sich  als  Hammochs  aus  den  Tieflandsümpfen.  Flüsse  und 
Seen:  S.  Johns  mit  Oklawaha,  Suwannee,  Appalachicola.  Lake  Okeechobee, 
Kissimee,  George,  Orange,  Fla.  ist  sehr  wasserreich.  Klima:  P'la.  umschliesst 
die  wärmsten  Theile  der  V.  St.  Mittelwärme  im  N.  20—21,  an  der  Südspitze 
24,5°  C.  Niederschläge  dort  12  —  1300,  hier  gegen  1000mm.  Wald:  50,6  Proc. 
der  Oberfläche.  In  der  Nordhälfte  Föhren,  im  S.  tropische  Ur-  und  Sumpfwälder. 
Landwirthschaft :  Durch  sumpfigen  und  sandigen  Boden  wenig,  sehr  dagegen 
durch  das  Klima  begünstigt.  Die  besten  Böden  die  sog.  Hummock- Böden  an 
Flüssen  und  Seen.  Charakteristischste  Cultur  die  der  Apfelsinen,  die  ca.  300000 
Bäume  zählt.  In  geringerer  Menge  werden  auch  andere  Südfrüchte  gezogen. 
An  der  Baumwollenernte  nimmt  Flo.  nur  mit  1,13  Proc.  Theil.  Ebenso  wird 
eine  geringfügige  Zuckerernte  gewonnen.  Getreideernte  1877  (in  1000  B.): 
Mais  3050,  Hafer  140;  Werth  2,3  Mill.  D.  Viehstand  1877  (in  1000):  Rinder  531, 
Schafe  56,  Schweine  190,  Pferde  und  Maulthiere  34;  Werth  8  Mill.  D.  Gewerbe: 
Nur  Sägholz  und  Mehl  kommen  in  Betracht.  Von  jenem  wurden  1870  für 
2,2  Mill.  D.  erzeugt.  Handel  und  Verkehr:  In  den  Zollbezirken  S.  Johns, 
Fernandina,  S.  Marks,  Key  West  und  Pensacola  liefen  1876  89717  T.  in  Küsten- 
fahrt und  252383  vom  Ausland  ein.  Rhederei :  251  Segel-  und  61  Dampfschiffe 
mit  20000  T.  Eisenbahnen  776  Kil.  Finanzen:  Schuld  1,3,  Einnahmen  0,31, 
Ausgaben  0,13,  Steuerwerth  30  Mill.  D.,  Steuern  496  000  D.  Schulen  (1874)  377 
mit  10132  Schülern.  Bevölkerung:  48  Proc.  Farbige,  97  Proc.  im  Staate  ge- 
boren, 2,7  Proc.  Ausländer,  worunter  15  Proc.  Irländer  und  12  Proc.  Deutsche. 
Fla.  kam  1821  durch  Kauf  von  Spanien  an  die  V.  St.  Es  schloss  sich  1861 
der  Secession  an  und  wurde  1868  nach  Annahme  einer  neuen  Verfassung  wieder 
in    die    Union    aufgenommen.      Nach    derselben   sind    Governor   und  Lieutenant 


Vierte  Gruppe.     Die  Golf  Staaten.  661 

Governor  für  4  Jahre  gewählt  und  ernennen  die  übrigen  Beamten,  sowie  die 
Richter,  letztere  zusammen  mit  dem  Senat.  Die  53  Glieder  der  Assembly  werden 
2 jährig,  die  24  Senatoren  4jährig  gewählt.  Fla.  hat  1  Repräsentanten  im 
Congress. 

Tallahassee,  2083  E.,  Hauptstadt  des  Staates  und  Hauptort  von  Leon  Cy., 
in  N.  Florida  auf  einer  ßodenschwelle  gesund  gelegen.  Eisenbahn  nach  Jackson- 
ville  und  S.  Marks.  Jackson  ville,  6912  E.,  Stadt  und  Haupthandelsplatz  von 
Fla.  am  S.  Johns  R.  Dampferverb,  auf  dem  Fluss,  nach  Savannah  und  Fernandina. 
Zahlreiche  Sägmühlen.  Klimatischer  Kurort.  6  Zeitungen.  S.  Augustine, 
1717  E.,  am  Matanzas  R.,  eine  alte  spanische  Gründung.  Handel  mit  Südfrüchten. 
Klimatischer  Kurort.  Pilatka,  720  E.,  Volusia,  minorkanische  Ansiedelung, 
Enterprise,  alle  3  Dörfer  am  oberen  S.  Johns  R.  in  Dampferverbindung  mit 
Jacksonvnlle.  Fernandina,  1722  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Nassau  Cy.  auf 
Amelia  Island  nw.  von  den  Mündungen  des  S.  Johns  und  S.  Marys  R,  Eisenbahn- 
Endpunkt.  Hafenplatz.  Baumwollausfuhr,  Baldwin,  Kreuzung  der  von  Jack- 
son ville  nach  Tallahassee  und  Cedar  Keys  führenden  Bahnen.  Cedar  Keys, 
440  E.,  auf  einer  Landspitze  in  der  Nähe  der  gleichnamigen  Inseln.  Endpunkt 
einer  quer  durch  die  Halbinsel  nach  Fernandina  führenden  Eisenbahn.  Key 
West,  5016  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Monroe  Cy.,  liegt  auf  der  westlichsten 
der  Florida  Keys.  Befestigter  Hafenplatz,  an  dessen  Eingang  Ft.  Taylor. 
Schwammfischerei,  Schildkrötenfang,  Cigarrenfabrikation.  Starker  Schmuggel-' 
handel  nach  Westindien.  New  York  —  New  Orleans,  Baltimore  —  Havanna  u.  a. 
Dampferlinien  berühren  K.W.,  dessen  Hafen  1877  einen  Einlauf  von  44000  T. 
hatte.  Pensacola,  3347  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Escambia  Cy.,  am  West- 
ufer der  gleichnamigen  Bucht,  Endpunkt  der  Pensacola  und  Louisville  Eisen- 
bahn, sicheistej  Hafen  an  der  Golfküste  mit  7  m  Wasser  am  Eingang.  Kriegs- 
hafen und  Werft  der  V.  St.  Starker  Holzhandel,  der  1877  für  2,3  Mill.  D.  zur 
Ausfuhr  brachte.     Einlauf:    590  Schüfe  mit  279000  T. 

Vierte  Gruppe. 
Die  Golfstaaten. 

Alabama,  Mississippi,  Louisiana  und  Texas,  in  seiner  Westhälfte  auch  Florida 
liegen  um  den  Golf  von  Mexico  und  bilden  dadurch  eine  natürliche  Staaten- 
gruppe, welche  schon  ihrer  räumlichen  Grösse  nach,  besonders  durch  die  grosse 
Territorialausdehnung  von  Texas,  dem  weitaus  grössten  aller  Staaten  der  Union, 
ein  grosses  Gewicht  erhält.  Sie  umfasst  mit  der  Hälfte  von  Florida  21  Proc. 
des  Gebietes  der  V.  St. ,  aber  nur  9  Proc.  ihrer  Bevölkerung.  Indem  zu  dem 
südalleghanyschen  Tiefland  hier  das  Tiefland  des  unteren  Mississippi  und  das 
texanische  Küstentiefland  kommt,  Avird  dieses  Gebiet,  das  ausgedehnteste  eigent- 
liche Tieflandgebiet  der  V.  St.  und  nur  das  Innere  von  Texas  gehört  in  weiter 
Erstreckung  einem  theils  welligen,  theils  hügeligen  Hochland  an,  welches  aber 
seine,  wenn  auch  leichte,  Anschwellung  schon  nahe  bei  der  Küste  beginnt, 
so  dass  alle  texanischen  Flüsse  geringe  Schiffbarkeit  haben.  Dagegen  sind 
Louisiana  und  Mississippi  die  ausgeprägtesten  Tieflandstaaten.  Die  Bewässe- 
rung ist  reichlich,  so  weit  Flüsse  in  Betracht  kommen.    Oestlich  vom  Mississippi 


662  Vierte  Gruppe.    Die  Golfstaaten. 

sind  auch  die  Niederschläge  ausgiebig  und  es  liegen  dort  sogar  die  nieder- 
schlagsreichsten Strecken  der  V.  St.  Aber  im  w.  Louisiana  und  in  Texas  werden 
sie  spärlicher  und  der  grösste  Theil  des  w.  und  n.  Texas  ist  Steppe,  stellen- 
weise sogar  Wüste.  Die  Vegetation  erreicht  dagegen  in  Florida  und  im  Missis- 
sippi- Delta  die  grösste,  fast  tropische  üeppigkeit.  Was  die  Wärme  anbetrifft, 
so  umschliesst  dieses  Gebiet  die  Orte  mit  der  grössten  mittleren  Jahreswärme  in 
den  V.  St.  Die  Hauptgegenstände  des  Ackerbaues  sind  Baumwolle,  von  welchen 
dieses  Gebiet  den  grössten  und  noch  immer  wachsenden  Antheil  liefert  (1876 
53,1  Proc.  der  Gesammternte ,  1869  46,9  Proc.  ohne  Florida).  Ausserdem  wird 
fast  aller  Rohrzucker  der  V.  St.  und  fast  die  Hälfte  des  Reises  hier  gebaut. 
Texas  ist  daneben  einer  der  bedeutendsten  Weizen-  und  Viehzuchtstaaten.  Mit 
Kohle  und  Eisen  ist  Alabama  und  wahrscheinlich  auch  Texas  reich  gesegnet. 
Gewerbe  bis  jetzt  unbedeutend.  Das  Eisenbahnnetz  bedarf  vorzüglich,  in  Texas 
noch  grosser  Ausdehnung.  Nur  Vis  der  gesammten  Meilenlänge  der  V.  St.  ist 
hier  vertreten  und  ein  grosser  Theil  des  naturgemäss  der  Golfküste  gehörigen 
Handels  ist  dadurch  nach  der  atlantischen  Seite  abgelenkt.  Die  Rhederei  dieser 
Staaten  (ausser  Florida)  beträgt  122000  T.  Eine  Anzahl  bedeutender  Handels- 
plätze, worunter  New  Orleans,  Mobile,  Galveston,  Pensacola,  liegen  an  dieser 
Küste.  Von  Grossstädten  ist  nur  New  Orleans  zu  nennen.  Die  Bevölkerung 
ist  stärker  mit  Negern  durchsetzt  als  in  irgend  einem  anderen  Theil  der  Union 
und  ausserdem  sind  in  Louisiana  und  Mississippi  französische  und  spanische 
Elemente  noch  stark  vertreten.  In  New  Orleans  und  in  Texas  sind  auch  die 
Deutschen  zahlreich.  Der  Bildungsstandpunkt  ist  niedrig,  die  Gesittung  im 
ganzen  nicht  minder.  Die  Sklaverei  und  die  auf  sie  folgende  Periode  corrupter 
Regierung  haben  keinen  günstigen  Einfluss  auf  die  Bevölkerung  geübt. 

XVIL  Alabama  {AD,  2386  d.  Q. M.  (50  722  e.),  996 992  E.  Im  N.  von  Ten- 
nessee, im  S.  vom  Golf  von  Mexico  und  von  Florida,  im  0.  von  Georgia  und 
im  W.  von  Mississippi  begrenzt.  Oberfläche:  Alabama  umschliesst  ein  weites 
Gebiet  des  Tieflandes  neben  den  äussersten  s.  Ausläufern  der  Alleghanies  und 
zerfällt  dadurch  in  2  natürliche  Abschnitte,  welche  getrennt  werden  durch  eine 
Linie  von  Tuscaloosa  bis  Girard  am  Cattahochee  R.  S.  von  dieser  Linie  findet 
man  ein  an  der  Küste  in  der  Breite  von  30  — 40  Kil.  nahezu  flaches  Tiefland, 
das  nach  dem  Inneren  zu  allmählich  wellig  und  hügelig  wird ;  n.  von  derselben 
findet  man  die  Alleghany- Ausläufer  in  Gestalt  zahlreicher  vorwiegend  nö. — sw. 
ziehender  Bergketten  von  3  —  400  m.  In  der  Mitte  dieser  Region  liegt  das  Kohlen- 
becken des  Black  Warrior  R.  Hervorragend  unter  diesen  sind  die  Züge  der 
Racoon  und  Lookout  Mts.  Der  nördlichste  Theil  des  Staates  gehört  dem  eben- 
falls noch  gebirgigen  oberen  Tennessee-Thale  an.  Hauptfluss  ist  Mobile  R.,  der 
aus  der  Vereinigung  des  Alabama  und  Tombigbee  entsteht  und  in  die  48  Kil. 
tief  von  S.  her  einschneidende  Mobile  Bay  mündet.  In  den  Golf  münden  noch 
Chattachochee ,  Escambia  und  Perdido,  während  im  n.  Theil  des  Staates  der 
Tennessee  fliesst,  der  keine  bemerkenswerthen  Nebenflüsse  erhält.  Klima:  Mo- 
bile hat  200  Mittelwärme  und  1610  mm  Niederschläge,  in  der  Mitte  des  Staates 
hat  Auburn  17  ^  und  630  mm  Niederschläge.  Bergbau :  Eisen  und  Kohlen  in 
grosser  Menge  (s.  o.  S.  326  f.)  aber  noch  wenig  entwickelt.  1875  nur  60000  T. 
Kohlen  gefördert.  Wald :  63,5  Proc.  der  Bodenfläche.  Im  Tiefland  Föhren, 
im  Gebirg  Eichen ,    vorzüglich  Chestnut  Oak.     Landwirthschaft :    Etwa  64  Proc. 


Vierte  Gruppe.     Die  Golfstaaten.  663 

der  Oberfläche  sind  Farmland;  Werth  der  Erzeugnisse  ca.  70  Mill.  D.  Getreide- 
ernte in  1877  (in  100  B.).  Mais  23000,  Hafer  1750,  Weizen  1400,  Heu  23500  T. ; 
Werth  18,8  Mill.  D.  1876  erzeugte  AI.  12  Proc.  der  Baumwollenernte.  1878 
wurden  ca.  380000  Ballen  geerntet.  Viehstand:  Rinder  483,  Schafe  270, 
Schweine  952,  Pferde  und  Maulthiere  214;  Werth  24  Mill.  D.  Gewerbe  1870: 
7740  Pferdekräfte  und  8248  Arbeiter.  Gesammtwerth  der  Erzeugnisse  13  Mill.  D. 
14  Baumwollfabriken,  eben  so  viel  Wollfabriken.  Sägholz  und  Baumwollwaaren 
sind  die  Haupterzeugnisse.  Handel  und  Verkehr:  Im  Zollbezirk  Mobile  liefen 
1876  35101  T.  in  Küstenfahrt  und  52651  vom  Ausland  ein.  Rhederei:  72  Segel- 
und  31  Dampfschiffe  mit  16000  T.  Eisenbahnen  2885  Kil.  Finanzen  1877: 
Schuld  9,7,  Einnahmen  1,03,  Ausgaben  0,88,  Steuerwerth  117  Mill.  D.  Schulen: 
Es  gibt  keinen  genauen  Bericht.  Ueber  die  Hälfte  der  schulfähigen  Bevölke- 
rung ist  ohne  Unterricht.  Universität  in  Tuscaloosa.  Bevölkerung :  50  Proc. 
Farbige,  1  Proc.  Ausländer,  wovon  40  Proc.  Irländer  und  26  Proc.  Deutsche. 
AI.  ist  ein  Theil  des  früheren  Mississippi-Gebietes,  das  in  die  Territorien  AI. 
und  Mississippi  getheilt  wurde.  1819  in  die  Union  aufgenommen,  1861  aus- 
geschieden, bis  1865  Sklavenstaat,  1868  wieder  aufgenommen.  Nach  der  Ver- 
fassung von  1868  sind  alle  Aemter  Wahlämter;  die  Richter  werden  für  6,  die 
Oberbeamten,  Senatoren  und  Repräsentanten  für  2,  Auditor  u.  a.  Beamte  für 
1  Jahr  gewählt.     In   den  Congress   sendet  AI.  6  Repräsentanten. 

Mobile,  32  034  E.,  wovon  44  Proc.  farbig,  Haupthandelsstadt  von  AI.  am 
w.  Ufer  des  Mobile  R.  bei  seiner  Einmündung  in  die  Mobile  Bay.  Der  Hafen 
ist  für  Schiffe  von  über  4,3  m  Tiefgang  nicht  zugänglich.  Tiefergehende  ankern 
50  Kil.  abwärts  in  der  Bay.  Hauptgegenstand  der  Ausfuhr  Baumwolle ,  von 
welcher  1878  nach  dem  Auslande  164093  und  nach  den  Nordstaaten  255  712  B, 
versandt  wurden.  Ausserdem  wurden  in  diesem  Jahr  an  Holz  11,5  Mill.  Fuss, 
Harz  49  257  Fässer,  Fassdauben  131435  Stück  verschifft.  In  der  Einfuhr  ist 
nur  der  Kaffee  bedeutend  (1878  51 400  Säcke).  Handel,  Verkehr  und  Rhederei 
s.  0.  das  für  den  Zollbezirk  M.  Angegebene.  1878  legten  52  Schiffe  mit  4  —  4,3  m 
Tiefgang  direkt  bei  der  Stadt  an.  9  deutsche  Schiffe  gingen  in  diesem  Jahre 
ein.  8  Zeitungen.  Montgomery,  10588  E.,  am  Alabama  R.,  570 Kil,  oberhalb 
Mobile,  Hauptstadt  des  Staates  und  von  Montgomery  Cy.  Endpunkt  der  Louis- 
ville,  Nashville  und  Gr.  Southern  R.  R.  und  Kreuzungspunkt  der  Mobile  und 
Montgomery  und  der  Western  Alabama  R.  R.  Bedeutender  Platz  für  die  Ver- 
frachtung der  Baumwolle  aus  dem  Inneren.  6  Zeitungen.  Selma,  6484  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Dallas  Cy. ,  am  Alabama ,  840  Kil.  von  der  Mündung. 
3  Zeitungen.  In  Mitten  der  Baumwollenregion  Cahawba,  471  E.,  in  derselben 
Cy.,  12  Kil.  von  Selma.  In  der  Nähe  grosse  Eisen-  und  Kohlenlager.  Tusca- 
loosa, 1689  E.,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.  am  Endpunkt  der  Schiffahrt 
des  Black  Warrior  R.  und  an  der  Alabama  und  Chattanooga-Eisenbahn.  War 
bis  1847  Hauptstadt  von  AI.  Sitz  der  Universität  von  AI.  Decatur,  671  E., 
Dorf  am  Tennessee.  An  der  Memphis  und  Charleston  und  der  Nashville  und 
Decatur  Eisenbahn.  Der  n.  Eintrittspunkt  der  Gebirgsregion  von  AI.  Hunts- 
ville,  Stadt  mit  4967  E.  im  Tennessee-Thal  und  an  der  Memphis  Charleston- 
Eisenbahn. 

XVIII.  Mississippi  (Miss.),  2124d.  Q.M.  (47156  e.),  827,922  E.  Im  N.  von 
Tennessee,  im  S.  von  Louisiana  und  dem  Meere,  im  0.  von  Alabama  und  im  W. 


664  Vierte  Gruppe.    Die  Golfstaaten. 

von  Louisiana  und  Arkansas  begrenzt.  Oberfläche :  Fällt  ganz  in  das  Tiefland- 
gebiet des  U.  Miss.  Von  NO.  her  fällt  das  Land  erst  sanft  und  wellig  gegen 
W.  ab,  um  gegen  den  Miss,  hin  mit  steilem  Abfall  (Bluffs)  in  das  Anschwem- 
mungsland dieses  Stromes  überzugehen.  Das  letztere  nimmt  bald  einen  breiten 
Raum,  bis  zu  150  Kil.  ein,  bald  treten  die  Bluffs,  wie  bei  Vicksburg  und 
Natchez,  dicht  an  den  Fluss  heran.  Ausgedehnte  Sümpfe,  wie  der  7000  e.  Q.  M. 
grosse  Yazoo  Bottom,  sind  in  das  Anschwemmungsland  eingelagert.  Flüsse:  Der 
Miss,  und  seine  Tiefland -Nebenflüsse  Yazoo  und  Big  Black.  In  den  nö.  Theil 
des  Staates  greift  derTombigbee  herüber.  Klima:  18  — 19*^  Mittelwärme,  12  bis 
1400  mm  Niederschläge.  Wald :  66  Proc.  der  Bodenfläche.  Meist  Laubwald. 
Landwirthschaft :  Der  Boden  gehört  zu  den  fruchtbarsten  mit  Ausnahme  eines 
sandigen  Küstenstriches  im  SO.  Etwas  über  ^,'3  waren  1870  Farmland.  Miss. 
ist  gegenwärtig  der  am  meisten  Baumwolle  erzeugende  Staat,  er  brachte  1876 
17  Proc.  der  Gesammternte.  Getreideernte  in  1877  (in  1000  B.):  Mais  20800, 
Hafer  860,  Weizen  450;  Werth  14  Mill.  D.  Viehstand  1877  (in  1000) :  Rinder  427, 
Schafe  250,  Schweine  1284,  Pferde  und  Maulthiere  193;  Werth  25  Mill.  D. 
Gewerbe:  Unbedeutend.  1870  gab  es  12  470  Pferdekräfte  und  die  Haupterzeug- 
nisse waren  Sägholz  und  Mehl.  Handel  und  Verkehr:  Im  Zollbezirk  Pearl  R. 
liefen  1876  vom  Ausland  25802  und  in  Küstenfahrt  16  028  T.  ein.  Flussdampfer 
hatte  der  Staat  24  mit  3345  T.,  Segelschiffe  102  und  Seedampfer  8  mit  zusammen 
4300  T.  Eisenbahnen  (1878)  1088  Kil.  Finanzen  (1878):  Schuld  0,9,  Ein- 
nahmen 0,86,  Ausgaben  0,56,  Steuerwerth  127  Mill.  D.  Schulen  1877:  Lehrer 
3761,  Ausgaben  0,44  Mill.  D.  Schulbesuch  45  Proc.  der  Schulpflichtigen.  Be- 
völkerung: 53  Proc.  farbige,  86  Proc.  im  Staat  Geborene,  1,3  Proc.  Ausländer, 
wovon  30  Proc.  Irländer  und  26  Proc.  Deutsche.  —  Das  Gebiet  von  Miss,  wurde 
zuerst  von  De  Soto  1540  entdeckt,  1716  von  Franzosen  besiedelt  und  fiel  1763 
an  England.  1798  zum  Territorium  erhoben  (zusammen  mit  Alabama)  wurde  es 
1817  als  Staat  aufgenommen  und  nach  der  Secession  in  1861  neuerdings  1868 
zugelassen.  Durch  seine  nicht  unbeträchtliche  farbige  Mehrheit  ist  es  seitdem 
einer  der  unruhigsten  und  schlechtest  regierten  Südstaaten  gewesen.  Seine  Ver- 
fassung von  1868  setzt  fest,  dass  alle  Bürger  der  V.  St.  über  21  Jahren,  die 
6  Monate  im  Staate  gewohnt  haben,  Wahlrecht  haben.  Die  103  Repräsentanten 
werden  für  2,  die  33  Senatoren  und  die  Oberbeamten  für  4  Jahre  gewählt.  Die 
Richter  werden  von  Governor  und  Senat  für  4  —  9  Jahre  ernannt.  In  den  Con- 
gress  schickt  Miss.  5  Repräsentanten.  Jackson,  4234  E.,  Staatshauptstadt  und 
Hauptort  von  Hinds  Cy.,  am  Pearl  R.  und  an  der  Kreuzung  der  New  Orleans  and 
Great  Northern  mit  der  Vicksburg  and  Meridian -Eisenbahn.  8  Zeitungen.  In 
Mitten  eines  der  fruchtbarsten  Baumwollgebiete  gelegen ,  deren  Erträgniss  in 
grosser  Menge  von  hier  verschifft  wird.  V  i  c  k  s  b  u  g ,  12  443  E. ,  Hauptort  von 
Warrens  Cy.,  an  der  Einmündung  des  Yazoo  in  den  Miss,  gelegen.  Die  Stadt 
wurde  1825  gegründet,  litt  stark  durch  die  langwierige  Belagerung  (1863)  hob  sich 
aber  wieder  zu  einer  der  verkehrsreichsten  Handelsstädte  am  Miss.  5  Zeitungen. 
Natchez,  9057  E.,  am  Ostufer  des  Miss.  160  Kil.  unterhalb  Vicksburg  und 
480  Kil.  oberhalb  New  Orleans,  auf  Bluffs,  die  60  m  aufsteigen.  Hauptort  von 
Adams  Cy.  3  Zeitungen.  Bedeutender  Handel  und  Verkehr.  Columbus, 
4812  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Lowndes  Cy.  in  der  Nähe  des  bis  hierher 
schiffljaren  Tombigbee  R.  an  der  Grenze   von  Alabama.     6  Zeitungen.     Starker 


Vierte  Gruppe.     Die  Golf  Staaten.  665 

Baumwollhaiulel.  Holly  Springs,  2406  E,,  Dorf  und  Hauptort  von  Marshall 
Cy.  an  der  Miss. -Central -Eisenbahn.  1  Zeitung.  Grenada,  1887  E.,  Dorf 
am  Yallabusha,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.  und  Eisenbahn-Knotenpunkt. 

XIX.  Louisiana  (La.) ,  1945  d.  Q.  M.  (41  346  e.) ,  726  915  E.  ümfasst  das 
Deltaland  des  Mississippi  und  ist  begrenzt  im,  N.  von  Arkansas  und  Mississippi, 
im  S.  vom  Meer,  im  0.  von  Mississippi  und  im  W.  von  Texas.  Oberfläche: 
Ausschliesslich  Tief-  und  Flachland.  Im  S.  und  0.  liegen  ausgedehnte  Gebiete, 
die  versumpft  und  den  Ueberschwemmungen  des  Mississippi  ausgesetzt  sind, 
während  der  N.  und  W.  etwas  höher  und  theilweise  von  mehr  welliger  Boden- 
gestalt ist.  Flüsse :  Mississippi,  Red  R.  von  Texas,  Calcasieu,  Washita.  Delta- 
und  Sumpfseen:  Pontchartrain,  Maurepas,  Grand  Lake.  Klima:  20  —  21'' Mittel- 
wärme, 12  — 1500  mm  Niederschläge.  Wald:59Proc.  Vorwiegend  Sumpfwald. 
Im  W.  prärieartige,  waldarme  Strecken.  Mineralschätze:  Salz,  Gyps,  Schwefel. 
Landwirthschaft:  La.  ist  der  ausgeprägteste  Plantagenstaat.  Seine  Bottoms 
gehören  zu  den  fruchtbarsten  Ländereien ,  am  wenigsten  fruchtbar  sind  die 
prärieartigen  Gegenden  im  W.  Es  erzeugt  ca.  90  Proc.  des  Zuckers  (1877 
127000  Hogsheads),  2/3  der  Molassen  und  12,5  Proc.  der  Baumwolle  in  den 
V.  St.  Getreideernte  von  1877  12,75  Mill.  B.  Mais;  Werth  7,16  Mill.  D.  Vieh- 
stand 1877  (in  1000):  387  Rinder,  125  Schafe,  350  Schweine,  157  Pferde  und 
Maulthiere;  Werth  16  Mill.  D.  Ca.  V*  des  Staates  liegt  in  Farmland.  Ge- 
werbe: Geringfügig.  1870  gab  es  25000  Pferdekräfte,  wovon  die  Mehrzahl  in 
Zuckermühleu.  ^ß  der  Gewerbserzeugnisse  bestehen  in  raffinirtem  Zucker, 
ausserdem  sind  nur  Sägholz  und  Mehl  von  Bedeutung.  Handel  und  Verkehr: 
La.  gehört  durch  seine  Lage  zu  den  handelsthätigsten  Staaten  der  Union.  In 
seine  beiden  Zollbezirke  New  Orleans  und  Teche  liefen  1876  177422  T.  in 
Küstenfahrt  und  428264  vom  Ausland  ein.  lieber  New  Orleans',  der  einzigen 
bedeutenden  Handelsstadt,  Handelsstellung  s.  u.  An  Segelschiffen  hat  der  Staat 
413,  an  Seedampfern  39,  an  Flussdampferu  138,  zusammen  83000  T.  Eisen- 
bahnen (1878)  790Kil.  Finanzen  (1877):  Steuerwerth  174,  Schuld  22,  Einnahmen 
26,  Ausgaben  2,7.  Schulausgaben  0,36  Mill.  D.  Schulbesuch  32  Proc.  6  Colleges 
mit  408  Schülern.  Bevölkerung:  50 Proc.  Farbige,  69  Proc.  im  Staat  Geborene, 
8,5  Proc.  Ausländer ,  worunter  30  Proc.  Deutsche  und  27  Proc.  Irländer.  —  La 
Salle  nahm  1682  vom  Unteren  Mississippi  Besitz  für  Frankreich,  1699  wurden 
die  ersten  Niederlassungen  hier  gegründet,  1803  wurde  der  ganze  französische 
Besitz  im  Mississippi-Gebiet  an  die  V.  St.  verkauft  und  1812  wurde  La.  als 
Staat  aufgenommen.  Es  trennte  sich  1861  von  der  Union  und  wurde  1868 
wieder  aufgenommen.  Unter  den  Folgen  der  Aufhebung  der  Sklaverei  hat 
dieser  echte  Plantagenstaat  am  meisten  gelitten,  doch  ist  seit  1876  die  Neger- 
regierung beseitigt.  Die  jetzt  gültige  Verfassung  setzt  4  jährige  Wahl  der  Ober- 
beamten und  (36)  Senatoren,  sowie  2jährige  der  (101)  Repräsentanten,  ferner 
Ernennung  für  8  Jahre  der  Richter  des  Gerichtshofes  fest.  Wahlberechtigt  ist 
jeder  männliche  Bürger  der  V.  St.  über  21  Jahre,  der  1  Jahr  im  Staate  lebt. 
Zahl  der  Repräsentanten  zum  Congress  5.  New  Orleans,  191418  E., 
(ca.  45  Proc.  Farbige),  Haupthandelsstadt  des  S.  und  vor  allem  der  Golfstaaten,. 
Hauptstadt  von  La.,  Hauptort  der  Orleans  Cy.  Am  linken  Ufer  des  Mississippi, 
190  Kil.  von  der  Mündung,  um  eine  halbmondförmige  Biegung  des  Stromes  ge- 
legen (daher  der  Beiname  Crescent  City).     Der  Baugrund  der  Stadt  liegt  4  e.  F. 


666  Vierte  Gruppe.     Die  Golfstaaten. 

unter  Hochwasser.  1718  gegründet  hatte  sie  1800  8000  E.  Ihre  Bedeutung  ent- 
springt vorzüglich  der  treiflichen  Lage  im  Mündungsgebiet  des  grössten  und 
verkehrsreichsten  Stromes  und  in  der  Nähe  des  Golfes  von  Mexico,  dessen 
Hauptstadt  N.  0.  ohne  Uebertreibung  genannt  werden  kann.  Von  Eisenbahnen 
laufen  hi^r  zusammen:  New  Orleans  and  Great  Northern,  Memphis  and  New 
Orleans,  Louisiana  and  Texas.  lieber  die  Vorzüge  und  Nachtheile  der  Handels- 
stellung von  N.  0  s.  0.  S.  473.  In  Ein-  und  Ausfuhr  nahm  diese  Stadt  1877 
6,5  Proc.  des  Gesammthandels  der  Union  in  Anspruch.  Aus  dem  Inland  zugeführt 
wurden  135  Mill.  D.  Die  Ausfuhr  umfasste  in  diesem  Jahre  für  63,4  Mill.  D.  Baum- 
wolle, je  1,6  Mill.  Tabak  und  Mais,  1  Mill.  Oelkuchen.  44  Proc.  der  Baumwoll- 
ernte wurden  nach  N.  0.  zugeführt.  In  der  Einfuhr  war  nur  Kaffee  (3,9  Mill.  D.) 
und  Zucker  (1,4  Mill.  D.)  nennenswerth.  Während  die  Ausfuhr  zunimmt,  ist  die 
Einfuhr  im  Rückgang,  hauptsächlich  in  Folge  der  günstigeren  Lage  der  atlanti- 
schen Häfen.  Der  Schiffsverkehr  in  N.  0.  betrug  1877  1092  Seeschiffe  und 
3000  Flussdampfer.  Deutschland  war  mit  29  P'ahrzeugen  zu  42000  T.  betheiligt. 
Die  Schlammbänke  an  den  Mississippi-Mündungen,  welche  früher  den  Zugang  der 
über  6  m  tiefgehenden  Schiffe  unmöglich  machten ,  sind  heute  durch  die  Jetties, 
so  weit  erniedrigt,  dass  Schiffe  von  7  — 8  m  einlaufen  können.  Die  Rhederei 
von  N.  0.  umfasste  1876/77  361  Segel-  und  156  Dampfschiffe  mit  81000  T.; 
davon  waren  138  mit  30000  T.  Flussdampfer,     N,  0.  hat  durch  seine  tiefe  Lage 

.Viind  die  Nähe  Westindiens  häufig  vom  Gelben  Fieber  zu  leiden,  durch  den 
Bürgerkrieg  und  die  ihm  folgende  Missregierung  ist  es  zurückgegangen  und 
hat  viel  von  seinem  Glanz  eingebüsst.  Immerhin  bleibt  es  eine  der  lebhaftesten 
und  interessantesten  Städte  der  Union.  Die  starke  Mischung  seiner  Bevölkerung 
(ca.  */3  Farbige,  Vs  französische  Kreolen,  \'6  Deutsche,  viele  Irländer  und 
Spanier),    der  Rest  französischer  Sitten  (Vorwiegen   des  Katholicismus,    starke 

^Vertretung  der  französischen  Sprache,  gute  Theater  und  Restaurants,  allgemein 
grössere  Behaglichkeit  des  Lebens),  die  subtropische  Lage  geben  ihm  etwas 
Eigenartiges.  Die  Bauart  ist  regelmässig,  die  Hauptstrasse  Canal  Street,  breit 
und  glänzend,  führt  rechtwinklig  auf  den  Mississippi;  Esplanade  Street  ist  die 
elegante  Wohnstrasse.  70  Kirchen,  worunter  die  grosse  Cathedrale  de  S.  Louis. 
Die  Universität  von  Louisiana  ist  eine  wenig  blühende  Anstalt.  1872  gab  es 
62  Volksschulen.  6  Tagblätter.  7  Kil.  s.  von  N.  0.  das  Schlachtfeld,  wo 
1815  General  Jackson  die  Engländer  schlug.  Nach  dem  Lake  Pontchartrain 
führt  eine  Lokalbahn  mitten  durch  ein  halbtropisches  Sumpfgebiet.  Vorstädte: 
Jefferson  City;  Carollton,  12  Kil.  oberhalb  N.  0.,  Hauptort  von  Jefferson 
Parish.  Baton  Rouge,  6489  E. ,  Stadt  und  Hauptort  des  gleichnamigen 
Parish,  210  Kil.  oberhalb  New  Orleans  auf  6  —  10  m  hohen  Bluffs  am  Mississippi 
gelegen.  Früher  Staatshauptstadt,  jetzt  Sitz  einiger  Klöster  und  des  Zucht- 
hauses. In  der  Nähe  Barracken  der  V.  St.  Armee.  Die  Umgegend  gehört  zu 
den  an  Zucker  und  Baumwolle  fruchtbarsten.  7  Zeitungen.  Shreveport, 
4607  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Caddo  Parish ,  am  rechten  Ufer  des  Red  R. 
1100  Kil.  oberhalb  New  Orleans  gelegen,  48  Kil.  unter  dem  Great  Baft,  welches 
den  Endpunkt  der  Schiftbarkeit  bildet.  Hauptmarkt  für  die  w.  Theile  von  La. 
und  die  ö.  von  Texas.  6  Zeitungen.  Donaldsonville,  1573  E.,  Stadt  und 
Hauptort  von  Ascension  Parish,  130  Kil.  oberhalb  New  Orleans  bei  der  Ab- 
zweigung des  Bayou  Lafourche  vom  Hauptstrom.     Vidalia  gegenüber  Natchez, 


Vierte  Gruppe.    Die  Golfstaaten.  667 

Hauptort  des  Coiicordia  Parisli.  Bedeutender  Baumwollmarkt.  Opelousas, 
1546  E.,  90  Kil.  w.  von  Baten  Rouge,  in  viehzüchtender  Präriegegend  des  w. 
La.  2  Zeitungen.  Natchitoches,  1401  E.,  Dorf  und  Hauptort  des  gleich- 
namigen Parish,  am  Old  Red  R. ,  110  Kil.  so.  von  Shreveport.  Reger  Schiff- 
fahrtsplatz. 2  Zeitungen.  New  Iberia,  1472  E.,  Dorf  und  Hauptort  des 
gleichnamigen  Parish,  am  Bayou  La  Teche  90  Kil.  wsw.  von  Baton  Rouge  in 
Mitten  einer  reichen  Zucker-  und  Baumwollengegend. 

XX.  Texas  (Tex.),  12931  d.  Q.M.  (277  356  e.),  818579  E.  T.,  der  grösste 
Staat  der  Union,  grenzt  im  N.  an  das  Indianer  -Territorium,  im  S.  an  das  Meer, 
im  0.  an  Arkansas  und  Louisiana,  im  W.  an  Mexico.  Oberfläche:  Von  der 
niedrigen,  sandigen  Küste,  die  reich  an  Lagunen  und  Küstensümpfen,  erhebt 
sich  das  Land  in  undeutlichen  Stufen  nach  W.  und  N.  zu.  60—100  Kil.  breit 
ist  die  Küstenebene,  dann  folgt  der  240  Kil.  breite  Präriegürtel,  der  aus  welligem 
Flach-  und  Hügelland  besteht  und  bis  zu  300  m  ansteigt.  Auf  diese  folgt 
dann  ein  rascheres  Ansteigen  zur  Felsplatte  des  Llano  Estacado  und  den  ver- 
einzelten Gebirgszügen  im  oberen  Pecos  und  Rio  Grande-Gebiet.  Flüsse:  Grenz- 
flüsse sind  Rio  Grande  gegen  Mexico,  Red  R.  gegen  Indianer  Terr.  und  Arkansas, 
Sabine  R.  gegen  Louisiana.  Ausser  dem  Red  R. ,  der  zum  Mississippi  geht, 
fliessen  alle  anderen  texanischen  Flüsse  dem  Golfe  zu.  Es  sind  ausser  den 
genannten  hauptsächlich:  Trinity,  Brazos ,  Colorado  (Texas-),  Guadalupe, 
S.  Antonio,  Nueces.  Klima:  Die  Isotherme  von  20°  C.  durchzieht  den  Staat 
von  der  Mündung  des  Sabine  R.  bis  zu  der  des  Pecos.  Im  S.  findet  man  bei 
Brownsville  24®,  im  NW.  im  Llano  Estacado  13°.  Die  Niederschläge  sind  an 
der  Küste  beträchtlich  (Brownsville  785)  um  nach  dem  Inneren  zu  auf  5  —  600 
und  im  Llano  Estacado  auf  viel  geringere  Mengen  herabzusinken.  Vegetation: 
Wald  26,7  Proc.  der  Bodenfläche.  Derselbe  findet  sich  hauptsächlich  im 
Küstentiefland,  dann  in  den  Thälern  und  in  Form  von  lichten  Eichenhainen 
auf  dem  Uebergaugsgebiet  vom  Tiefland  zur  Prärie.  Der  grösste  Theil  des 
Inneren  gehört  der  Prärie  und  der  Steppe  an.  Im  äussersten  Westen  treten 
selbst  kleinere  Wüstenbildungen  ein.  Landwirthschaft :  Der  0.  und  S.  von  Tex. 
sind  günstig  für  alle  Culturen  der  Baumwollenregion,  während  das  Innere  der 
Viehzucht  weite  grasreiche  Flächen  bietet.  In  der  Uebergangsregion  gedeihen 
dabei  alle  nö.  Getreide,  besonders  der  Weizen  vorzüglich.  Tex.  vereinigt  in 
Folge  dessen  drei  wichtige  Eigenschaften:  Es  hat  hat  starke  Baumwoll-  (es  ist 
gegenwärtig  mit  15  — 16  Proc.  der  Gesammternte  der  zweite  Baumwollenstaat 
der  Union)  und  Weizenerzeugung  und  starke  Viehzucht.  Getreideernte  von  1877 
(in  1000  B.):  Mais  49  000,  Weizen  4800,  Hafer  4300,  Heu  75000  T. ;  Werth 
29,7  Mill.  D.  Viehstand  (in  1000):  Rinder  4080,  Schafe  3674,  Schweine  1716, 
Pferde  und  Maulthiere  885;  Werth  53  Mill.  D.  Ausserdem  ist  die  Erzeugung 
von  Zucker,  Tabak  und  Reis  nicht  unbedeutend.  1870  wurde  der  Gesammtwerth 
der  landwirthschaftlichen  Erzeugnisse  auf  ca.  50  Mill.  D.  angeschlagen,  dürfte 
sich  aber  seitdem  mindestens  um  die  Hälfte  vergrössert  haben.  Nur  ca.  8  Proc. 
des  Landes  sind  Farmland.  Mineralschätze:  Noch  wenig  ausgebeutet.  Reiche 
Kohlen-  und  Eisenlager  finden  sich  um  Trinity  R.  Gewerbe  (1870):  Ca.  13000 
Pferdekräfte,  8000  Arbeiter,  Gesammtwerth  der  Erzeugnisse  11,5  Mill.  D.  Darunter 
am  wichtigsten:  Mehl,  Sägholz  und  präservirtes  Fleisch.  Handel  und  Verkehr: 
In  die  Zollbezirke  Galveston,    Saluria,    Brazos  de  S.  Jago,    Corpus  Christi  und 


668  Vierte  Gruppe.     Die  Golfstaaten. 

PasodelNorte  liefen  1876  78000  T.  in  Küstenfahrt  und  86  000  T.  vom  Ausland 
ein.  Rhederei:  267  Segelschiffe  und  37  Seedampfer  mit  18000  T,  Eisenbahnen 
(1878)  3540  Kil.  Finanzen :  Schuld  (1878)  5,07,  Einnahmen  1,96,  Ausgaben  1,76, 
Steuerwerth  303  Mill.  D.  "je  der  Schulfähigen  besuchen  Schulen  (?).  496,083  D. 
werden  für  Schulen  ausgegeben.  10  Colleges  mit  1650  Schülern  und  85  Lehrern. 
Bevölkerung:  30  Proc.  Farbige,  16  Proc.  im  Staat  Geborene,  7,6  Proc.  Aus- 
länder, worunter  38  Proc.  Deutsche  und  6,6  Proc.  Irländer.  Tex.  wurde  1694 
von  den  Spaniern  bei  S.  Antonio  besiedelt,  machte  sich  1836  von  Mexico  un- 
abhängig, wurde  1845  in  die  Union  aufgenommen  (s.  o.  S.  89),  löste  sich  1861 
los  und  wurde  1870  wieder  aufgenommen.  Die  neue  Verfassung  von  1869  gibt 
das  Wahlrecht  jedem  über  21  Jahre  alten  Bürger  der  V.  St.,  der  1  Jahr  im 
Staate  gelebt  hat.  Die  60  Repräsententen  sind  für  2,  die  30  Senatoren  für 
6  Jahre  mit  2jähriger  Drittels-Erneuerung  gewählt.  Governor,  Lieut.  Governor 
u.  n.  a.  Beamte  werden  für  4  Jahre  gewählt,  aber  der  Secretary  of  State  und 
Attorney  General  werden  vom  Governor  und  Senat  ernannt,  ebenso  Oberrichter 
und  Richter  für  9  und  8  Jahre.  Texas  sendet  5  Repräsentanten  in  den  Congress. 
Austin,  4428  E.,  Staatshauptstadt  und  Hauptort  von  Travis  Cy.  am  linken 
Ufer  des  Texas-Colorado,  der  hier,  400  Kil.  von  seiner  Mündung,  aufhört  schiffbar 
zu  sein.  Malerisch  gelegen,  370  Kil.  von  Galveston  entfernt.  6  Zeitungen. 
Galveston,  13818  E.,  Haupthandelsstadt  von  Texas  und  Hauptort  der  gleich- 
namigen Cy.  Liegt  auf  dem  Ostende  der  gleichnamigen  Insel,  welche  die  Galveston 
Bay  vom  Golf  trennt.  Der  Hafen  ist  der  beste  an  der  texanischen  Küste,  lässt 
aber  nur  Schiffe  von  6,5  m  Tiefgang  zu.  1877  betrug  die  Ausfuhr  13,3,  die  Einfuhr 
1,5  Mill.  D.  97  Proc.  der  Ausfuhr  sind  Baumwolle,  88  Proc.  der  Einfuhr  Kaffee. 
Der  Schiffsverkehr  zählte  139  Schiffe  mit  88000  T. ,  worunter  8  mit  2422  T. 
deutsche.  Rhederei:  191  Segel-  und  32  Dampfschiffe  mit  15000  T.  Sitz  der 
katholischen  Universität  S.  Mary's.  12  Zeitungen.  Houston,  9382  E.,  Stadt 
und  Hauptort  von  Harris  Cy.  am  Buffalo  Bayou  Knotenpunkt  der  texanischen 
Eisenbahnen  (Texas  und  New  Orleans,  Houston  und  Texas  Central,  Galveston, 
Houston  und  Henderson  laufen  hier  zusammen),  auch  von  Dampfschiffen  erreichbar 
und  in  Folge  dessen  bedeutender  Marktplatz  für  die  Erzeugnisse  der  sehr  frucht- 

^/ baren  Umgebung.    9  Zeitungen.     Washington,  4354  E.,  Navasotor,  1509  E. 

v/Beide  Dörfer  am  Brazos.  Brenham,  2221  E.,  Hauptort  von  Washington  Cy. 
Brazoria,  725 E.,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.  an  der  Mündung  des  Brazos. 
Boatrop,  1190  E.,  Dorf  und  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy. ;  Columbus, 
Hauptort  der  Colorado  Cy. ;  Wharton,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy. ;  alle  drei 
am  Colorado  R.  Matagorda,  386  E.,  Dorf  in  der  Nähe  der  Colorado-Mündung. 
S.  Antonio,  12256  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Bexar  Cy.  am  S.  Antonio 
Creek,  130  Kil.  ssw.  von  Austin.  Bedeutender  Platz  für  den  Inlandhandel  und 
den  Handel  mit  Mexico,  besonders  starker  Viehhandel.  Gilt  als  die  älteste  Stadt 
von  Texas,  hat  unbeträchtliche  spanische  Bevölkerung.  Zahlreiche  Deutsche. 
Arsenal  der  V.  St.  6  Zeitungen.  Neu  Braunfels,  Stadt  und  Hauptort 
der  Comal  Cy.  am  Comal  R.,  1  Kil.  oberhalb  dessen  Einfluss  in  den  Gua- 
dalupe.  Fruchtbare  Umgebung.  Von  Deutschen  gegründet.  1  Zeitung  (deutsch). 
Victoria,  2534  E.,  Dorf  und  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.  am  Guada- 
lupe  R.  Eisenbahn  nach  Indianola.  Gonzales,  1255  E. ,  Dorf  und  Hauptort 
der    gleichnamigen    Cy. ,    am    Zusammenfluss    des   Guadalupe    und    S.   Marcos. 


Fünfte  Gruppe,     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  669 

Goliad,  Dorf  und  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.  am  S.  Antonio  Creek,  in 
fruchtbarer  Prärieregion.  Berühmt  durch  die  hier  geschehene  Unabhängigkeits- 
erklärung der  Texaner  in  1834.  Indianola,  ander  Matagorda  Bay,  Dorf  und 
Hauptort  der  Calhoun  Cy.,  200  Kil.  sw.  von  Galveston.  Saluria,  in  derselben 
Cy. ,  auf  der  Nordspitze  der  Matagorda  -  Insel.  Corpus  Christi,  2140  E., 
an  der  gleichnamigen  Bucht,  unterhalb  der  Mündung  des  Nueces,  Dampferlinie 
nach  New  Orleans.  Brownsville,  4905  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Cameron 
Cy.  am  Rio  Grande ,  fast  gegenüber  Matamoras.  Beträchtlicher  Handel  mit 
Mexico ,  in  viehzüchtender  Prärieumgebung.  160  Kil  flussaufwärts  das  Dorf 
Rio  Grande.  Laredo,  2046  E. ,  Dorf  und  Hauptort  von  Webb  Cy.  am  Rio 
Grande.     Handel  mit  Mexico. 

Fünfte  Gruppe. 
Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

Tennessee,  Kentucky,  Arkansas  und  Missouri  bilden  eine  südliche,  Ohio, 
Indiana  und  Illinois  eine  nördliche  Untergruppe  und  die  natürlichen  Bedingungen 
sind  ebenso  wie  der  Culturzustand  in  einzelnen  Regionen  sehr  verschieden.  Ge- 
meinsam ist  allen,  dass  sie  Binnenstaaten,  dass  Mississippi  und  Ohio  sammt 
einigen  Nebenflüssen  ihre  natürlichen  Verkehrsadern ,  dass  Getreidebau  und 
Viehzucht  ihre  Hauptnahrungszweige  und  dass  sie  zu  den  jungen,  meist  erst  im 
Laufe  unseres  Jahrhunderts  besiedelten  Staaten  gehören.  Keiner  von  allen 
diesen  zum  Theil  schon  so  volksreichen  und  wichtigen  Staaten  wird  unter  den 
13  alten  Staaten  genannt,  welche  die  Unabhängigkeitserklärung  unterzeichneten. 
Man  fasst  sie  wohl  auch  als  Weststaaten  kurzweg  oder  als  Alter  Westen  zu- 
sammen. 

Südliche  Binnenstaaten. 

Tennessee,  Kentucky,  Arkansas  und  Missouri  ö.  und  w.  vom  Mississippi  und 
s.  vom  Ohio  und  (theilweise)  vom  Missouri  gelegen.  Umfassen  wenig  über 
10  Proc.  des  Areals  und  12  Proc.  der  Bevölkerung  der  Union.  Der  Hauptgrund, 
auf  den  hin  sie  zusammengestellt  werden  können,  ist  ihre  geschichtliche  Zusammen- 
gehörigkeit als  die  jüngeren  oder  icestlichen  Sklavenstaaten.  Sie  haben  in  Folge 
dessen  verhältnissmässig  bedeutend  grössere  Antheile  farbiger  Bevölkerung  (von 
6  —  27  Proc.)  als  die  anderen  Binnenstaaten,  eine  dünnere  Bevölkerung,  im 
Allgemeinen  ungünstigere  Culturzustände,  sowohl  in  wirthschaftl icher  (Verschul- 
dung, weniger  und  schlechtere  Verkehrswege,  ungünstigere  Besitzvertheilung, 
schlechte  Landpreise)  als  in  geistiger  Beziehung,  wie  die  anderen  Binnenstaaten. 
Auch  gehört  hierher  der  Antheil  der  zwei  südlichsten  von  ihnen  an  der  Baum- 
wollgewinnung; Ark.  und  Tenn.  erzeugten  1876  17  Proc.  der  Gesammternte.  — 
Der  Bodengestaltung  nach  gehen  sie  aus  einander,  insofern  Tenn.  und  Kent. 
dem  Westabhang  der  Alleghanies,  Missouri  dem  mittleren  Mississippi -Tiefland 
und  Ark.  dem  rechten  Missouri-Ufer  und  dem  Anstieg  nach  den  Steppeuregionen 
des  W,  angehören.  Aber  die  Ozark  Mts.  gehören  den  beiden  letztgenannten 
gemeinsam    an.      Sie   sind   alle  vier   keine   eigentlich   gebirgigen   Staaten.     Die 


6tO  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi  und  Ohiobeckeus. 

Prärien  treten  in  den  beiden  ö.  bereits  an  günstigen  Punkten  ein  und  finden  in 
den  beiden  w.  eine  weite  Verbreitung.  Das  Klima  ist  bereits  gegensatzreicher 
als  an  den  Küsten,  aber  auch  überall  hinreichend  feucht  für  alle  Zweige  des 
Ackerbaues.  Mit  Kohlen  sind  alle  vier  versehen,  Eisen  ist  in  Mo.,  Kent.  und 
Tenu.  in  Fülle  vorhanden,  Mo.  hat  auch  Blei  und  Zink.  In  Gewerbthätigkeit 
gehört  nur  Ark;  zu  den  zurückgebliebenen,  während  Mo.  durch  seine  Grossstadt 
S.  Louis  und  ihre  Umgebung  und  Kent.  durch  Louisville  mit  unter  die  gewerb- 
thätigsten  Staaten  des  W.  zählt.  An  Eisenbahnen  haben  die  vier  zusammen 
9  Proc.  der  gesammten  Meilenzahl  der  V.  St. ,  an  Flussdampfern  ca.  40  Proc. 
der  auf  den  Flüssen  des  W.  verkehrenden  Tonnenzahl.  In  den  Congress  senden 
sie  30  Repräsentanten.  Als  fünfter  Staat  lässt  sich  das  18G3  von  Virginien  ab- 
gesonderte West-Virginien,  wiewohl  durchaus  Gebirgsstaat,  hier  anreihen. 

XXI.  Tennessee  (Tenn.),  2145d.  Q.M.  (45  600  e.),  1258  520  E.  Bildet  einen 
langen  Streifen,  175  Kil.  breit,  von  einem  der  höchsten  Theile  der  Alleghanies 
im  0.  bis  zum  Mississippi  im  W.  und  wird  begrenzt  von  Kentucky  und  Virginien 
im  N.,  Georgia,  Alabama  und  Mississippi  im  S.,  N.  Carolina  im  0.  und  Arkansas 
und  Missouri  im  W.  Oberfläche:  Tenn.  gehört  zu  den  gegliedertsten  Theilen 
der  Union.  Man  kann  folgende  sechs  verschiedenen  Elemente  von  Gliederung 
von  0.  nach  W.  unterscheiden :  1.  Die  Gebirgskette  der  Unaka  Mts.  Parallele 
Gebirgszüge  von  1800  — 2000  m  Gipfelhöhe.  2.  Thal  von  0.  Tennessee.  Ein 
Theil  des  Grossen  Thaies  der  Alleghanies,  200  —  400  m  hoch,  ca.  Vs  des  Staates 
einnehmend.  Ein  Hochland  mit  parallelen  Hügelzügen.  3.  Das  Cumberlaud- 
Plateau  600  m  hoch.  Ein  Kalkplateau  mit  flachen  Höhenzügen  und  seichten 
Thälern.  ^iö  des  Staates.  4.  Mittel -Tennessee.  Eine  flache  Einsenkung,  die 
nach  W.  leicht  zum  Thale  des  Tennessee  ansteigt.  In  der  Mitte  des  Staates 
gelegen,  sehr  fruchtbar,  200  —  250  m*  hoch.  5.  West -Tennessee.  ^s  des  Staates. 
Fruchtbares  Tafelland  von  150  — 200  m.,  mit  Löss  bedeckt,  das  nachW.  hin  mit 
steilen  Bluffs  zum  6.  Mississippi  -Tiefland  abfällt.  Flüsse  :  Alle  gehören  dem 
Mississippi^-System  an:  Mississippi  selbst,  Tennessee  und  Cumberland  R.  Klima: 
Mittelwärme  in  Ost-Tenn.  14,  in  West-Tenn.  16".  Niederschläge  11— 1400  mm. 
Wald :  59,9  Proc.  Im  0.  in  den  gebirgigen  Theilen  waldreich,  auf  den  nach  W. 
abfallenden  Kalkplateaus  waldarm.  Laudwirthschaft :  1870  waren  24  Proc.  des 
Staates  unter  Cultur.  Mais,  Tabak  und  Baumwolle  sind  die  Stapelprodukte. 
Von  Baumwolle  erzeugte  Tenn.  1876  5,8  Proc.  der  Gesammternte.  Getreide- 
ernte 1877  (in  1000  B.):  Mais  50000,  Weizen  11400,  Hafer  6100;  Werth 
34,5  Mill.  D.  Viehstand  (in  1000):  Rinder  798,  Schafe  850,  Schweine  1900, 
Pferde  und  Maulthiere  428;  Werth  42  Mill.  D.  Mineralschätze:  Kohle  und 
Eisen  (s.  o.  S.  326,  331),  Marmor.  Gewerbe:  1870  gab  es  38000  Pferdekräfte 
und  19  000  Arbeiter  und  der  Werth  der  Erzeugnisse  betrug  34  Mill.  D.  Mehl, 
Sägholz,  Eisen  und  Leder  standen  in  erster  Linie.  Handel  und  Verkehr:  Tenn. 
hatte  1876  88  Flussdampfer  mit  14358  T.  Memphis  am  Mississippi  und  Nash- 
ville  sind  seine  Hauptplätze.  Eisenbahnen  gab  es  1878  2650  Kil.  Finanzen 
(1878):  Steuerwerth  237,  Schuld  26,8,  Einnahme  1,2,  Ausgabe  0,8  Mill.  D. 
Schulen:  Ausgaben  0,7  Mill.  D.,  Schulbesuch  32  Proc.  21  Colleges  mit  2853 
Schülern.  Bevölkerung  :  25  Proc.  Farbige,  80  Proc.  im  Staat  geboren,  1,5  Proc. 
Ausländer,  unter  welchen  8048  Irländer  und  4539  Deutsche.  —  Das  Gebiet  des 
heutigen  Tenn.  wurde  1784  von  N.  Carolina  an  die  V.  St.  abgetreten,  1796  auf- 


Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  671 

genommen  und  nach  der  Secession  1870  wieder  aufgenommen.  Die  Verfassung 
des  letzteren  Jahres  macht  jeden  Bürger  der  V.  St.  von  ^1  Jahren,  der  1  Jahr 
im  Staat  gewohnt^  wahlberechtigt.  Der  Governor  wird  für  2  Jahre  gewählt,  die 
anderen  Oberbeamten  werden  von  der  General  Assembly  gewählt,  die  ihrerseits 
für  2  Jahre  gewählt  ist.  Die  Richter  werden  für  8  Jahre  gewählt,  der  Attoruey 
General  und  der  Oberrichter  werden  vom  Sapreme  Court  ernannt. 

Nash  vi  He,  25865  E. ,  Staatshauptstadt  und  Hauptort  von  Davidson  Cy., 
am  Cumberiand  R. ,  330  Kil.  von  der  Mündung  und  an  4  Eisenbahnen  gelegen. 
Bei  hohem  Wasser  ist  der  Fluss  bis  N.  schiffbar.  Gewerbthätig  in  Baumwolle 
und  Eisen,  University  of  N.  mit  Medical  College.  23  Zeitungen.  Memphis, 
40226  E.  (36  Proc.  PVbige),  am  Mississippi,  auf  13m  hohen  Bluffs,  740  Kil. 
unterhalb  S.  Louis.  Direkte  Linien  von  Charleston,  New  Orleans.  Louisville  und 
Little  Rock  treffen  hier  zusammen.  Wichtigster  Handelsplatz  zwischen  New 
Orleans  und  S.  Louis.  1877  gehörten  61  Dampfer  mit  10068  T.  hierher,  doch 
ist  der  Geschäftsbetrieb  seit  den  beiden  verheerenden  Gelbfieberepidemien  von 
1878  und  79  sammt  der  Bevölkerung  stark  zurückgegangen.  23  Zeitungen. 
Chattanooga,  6093  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Hamilton  Cy.,  am  Tennessee  R., 
an  der  Grenze  von  Alabama,  in  reizender  Umgebung.  Eisenbahnen  von  Atlanta, 
Richmond,  Nashville  und  Memphis  treffen  hier  zusammen.  Handel  und  Gewerbe 
blühen,  letztere  durch  die  nahen  Kohlen-  und  Eisenlager  gefördert.  3  Zeitungen. 
Knoxville,  8682  E.,  Stadt  und  Hauptort  der  Knox  Cy.,  am  Holston  R., 
inmitten  des  fruchtbaren  und  schönen  Thaies  von  Ost-Tenn.,  an  den  Eisenbahnen 
nach  Richmond  und  Charlestoo.  University  of  East  Tenn.  Taubstummen -An- 
stalt. 6  Zeitungen.  Kleinere  Orte:  Green ville,  Hauptort  von  Greene  Cy. 
an  der  East  Tenn.  und  Virginia  Eisenbahn,  120  Kil.  von  Knoxville.  Sommer- 
ville,  954  E.,  Hauptort  von  Fayette  Cy.,  an  einer  Abzweigung  der  Memphis  und 
Charleston  R.  R.  Trenton,  1909  E.,  Hauptort  von  Gibson  Cy.,  an  der  Mobile- 
und  Ohio  Eisenbahn.  Gewerbe,  2  Colleges,  2  Zeitungen.  Clarksville,  3200  E., 
Hauptort  von  Montgomerie  Cy.,  am  Cumberiand  R.,  handelsthätig.  2  Zeitungen. 
Gallatin,  2313  E.,  Hauptort  von  Sommer  Cy. ,  an  der  Louisville  und  Nash- 
ville-Eisenbahn.  40  Kil.  von  Nashville.  Blühender  Ort.  2  Zeitungen.  Pitts- 
burg  Landing  in  Hardin  Cy.  Schlacht  am  6.  und  7.  April.  1862.  Pulaski, 
2070  E.,  Hauptort  von  Giles  Cy.  an  der  Louisville,  Nashville  und  Southern 
Eisenbahn.  Winchester,  2839  E.,  am  Elk  R.  und  der  W.  und  Alabama  Eisen- 
bahn. Hauptort  von  Franklin  Cy.  Einige  Frauencolleges.  Murfreesboro, 
2502  E.,  an  der  Nashville  und  Chattanooga-Eisenbahn,  Hauptort  von  Rutherford 
Cy.,    inmitten  eines  reichen  Ackerbaubezirkes. 

XXH.  Kentucky  (Ky.),  1772d.  Q.M.  (37  680  e.),  1321 011  E.  Grenzen:  Ohio, 
Indiana  und  Illinois  im  N.,  Tennessee  im  S.,  Virginia  und  West -Virginia  im 
0.,  Missouri  im  W.  Oberfläche:  Aehnlich  wie  Tennessee  ist  Ky.  ein  schmaler 
Streifen,  welcher  von  den  Alleghanies  zum  Mississippi -Tiefland  hinabzieht.  Im 
0.  findet  man  die  Westabhänge  der  Cumberiand  Mts.,  welche  gleich  ihren  vor- 
gelagerten Parallelketten  nicht  über  900  m  hinausgehen,  aber  von  tief  eingeschnit- 
tenen Thälern  zerklüftet  sind.  NachW.  folgt  ein  Kalkplateau  von  2— 300m, 
dessen  wellige  Oberfläche  ungefähr  in  der  Mitte  des  Staates  einer  flachen  Ein- 
senkung  Platz  macht,  der  bekannten  fruchtbaren  Blue  Grass  Region.  Bezeich- 
nend   für  dieses  Kalk-Tafelland    sind   die  öden    unfruchtbaren  Stellen,  Barrens, 


672  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

wo  der  Kalkfels  an  die  Oberfläche  tritt,  die  bis  20  m  tiefen  Sinklöcher,  SinJcholes, 
und  der  Reichthum  ai^  Höhlen.  Flüsse :  Fast  alle  gehören  dem  Ohio-System  an. 
Der  Ohio  selbst  bildet  die  ganze  Nordgrenze  in  der  Länge  von  nahezu  1000  Kil. 
Kentucky,  Cumberland,  Sandy,  Licking,  Green  und  Tennessee  (nur  im  untersten 
Lauf)  gehören  demselben  an.  Der  Mississippi,  welcher  die  Westgrenze  bildet, 
erhält  aus  Ky,  keinen  nennenswerthen  Zufluss.  Klima:  Mittelwärme  in  der 
Mitte  des  Staates  13  o.  Niederschläge  (Louisville)  1200  mm.  Waldlaud  49  Proc. 
Landwirthschaft :  Mit  Ausnahme  der  Barrens  und  der  steilen  Berghänge,  deren 
Ausdehnung  keine  sehr  erhebliche,  ist  Ky.  einer  der  fruchtbarsten  Staaten.  Die 
Thäler  des  Licking  und  Kentucky  R.  und  die  Blue  Grass  Region  gehören  zu  den 
fruchtbarsten  Gegenden  der  Union.  TJeber  Vs  des  Staates  ist  in  Anbau.  Mais 
und  Tabak  sind  die  Haupterzeugnisse.  Getreideernte  von  1877  (in  1000  B.): 
Mais  59500,  Hafer  7850,  Weizen  7150,  Roggen  1250,  Gerste  250;  Werth 
29,5  Mill.  D.  Heu  320000  T.  Auch  Tabak  und  Hanf  werden  in  grösserer 
Menge  erzeugt.  Viehstand  1877  (in  1000):  Rinder  712,  Schafe  900,  Schweine 
1950,  Pferde  und  Maulthiere  498;  Werth  54  Mill.  D.  1870  betrug  der  Gesammt- 
werth  der  landwirthschaftlichen  Erzeugnisse  87  Mill.  D.  Mineralschätze :  Kohle 
und  Eisen  (s.  o.  S.  326,  331).  Gewerbe:  1870  betrug  die  Zahl  der  Dampf- 
maschinen-Pferdekräfte 32000,  der  Arbeiter  30600;  Gesammtwerth  der  Erzeug- 
nisse 55  Mill.  D.  Haupterzeugnisse:  Mehl,  Eisen,  Sägholz,  Leder,  Branntwein, 
Tabakfabrikate.  Handel  und  Verkehr:  2420  Kil.  Eisenbahnen.  Von  Fluss- 
dampfern gehören  in  diesen  Staat  43  mit  10145  T.  Louisville  ist  die  Haupt- 
handelsstadt und  einer  der  bedeutenderen  Binnenhandelsplätzen  (s.  o.  S.  463). 
Finanzen  (1878):  Steuerwerth  357,  Steuern  1,4,  Schuld  1,8,  Einnahme  1,48, 
Ausgabe  1,45  Mill.  D.  Schulen  1877 :  Ausgabe  1,13  Mill.  D.,  Schulbesuch  48  Proc. 
13  Colleges  mit  1695  Schülern.  Volksschulen  gab  es  1871  5068.  Bevölkerung 
(1870):  17  Proc.  Farbige,  81  Proc.  im  Staate  geboren,  4,4  Proc.  Ausländer, 
worunter  30318  Deutsche  und  21642  Irländer.  Ky.  gehörte  bis  1784  zu  Vir- 
ginien,  wurde  1796  aufgenommen,  war  Sklavenstaat  bis  1863  und  gehörte  im 
Bürgerkrieg  zu  den  zweifelhaften  Staaten.  Die  Oberbeamten  und  Senatoren  (38) 
werden  für  4,  die  Repräsentanten  (100)  für  2,  die  Richter  für  4  —  8  Jahre  ge- 
wählt. Die  Gesetzgebung  versammelt  sich  alle  2  Jahre.  Wahlberechtigt  macht 
den  Bürger  der  V.  St.  der  2jährige  Aufenthalt  im  Staat.  In  den  Congress 
werden  8  Repräsentanten  gesandt. 

Francfort,  5396  E.,  am  Kentucky,  95  Kil.  oberhalb  der  Mündung,  Staats- 
hauptstadt, Sitz  des  Staatsgefängnisses  und  Staatsarsenals.  An  der  Louisville, 
Lexington  und  Cincinnati  Eisenbahn.  Louisville,  100753  E.  (25  Proc.  Aus- 
länder, 14380  Deutsche),  die  vierzehnt-grösste  Stadt  der  V.  St.,  am  Ohio, 
oberhalb  der  Fälle,  die  der  4  Kil.  lange  L.  und  Portland-Canal  umgeht,  224  Kil. 
unterhalb  Cincinnati,  620  Kil.  oberhalb  Cairo.  6  grössere  Eisenbahnlinien  laufen 
hier  zusammen  aus  Cincinnati ,  Nashville ,  Memphis,  Wheeling,  Chicago.  Her- 
vorragender Stapelplatz  der  Erzeugnisse  der  sehr  reichen  Umgebungen,  vorzüglich 
Tabak,  W^hiskey,  Schweine,  Pferde.  In  grossem  Masse  wird  Tabakfabrikation, 
Gerberei,  Giesserei,  Woll-  und  Baumwollfabrikation  betrieben.  Bedeutend  ist  auch 
der  Schiffsbau,  der  jährlich  12  — 15000  T.  liefert.  Die  Lage  von  L.  in  einer  Thal- 
weitung am  Südufer  des  Ohio  ist  lieblich.  Hauptstrasse  Jefferson  und  Market 
Streets.     Eine  4  Kil.  lange  Brücke  führt  über  den  Ohio.    University  of  Louisville 


Fünfte  Gruppe^    Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  673 

für  Medicin  und  Jus  seit  1837,  Medical  College,  eine  gute  höhere  deutsche 
Schule.  76  Kirchen.  5  Tagblätter,  von  denen  2  deutsch.  Lexington, 
14801  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Fayette  Cy.  an  3  Eisenbahnen,  am  Elkhorn  R. 
Sitz  der  University  of  Ky.,  der  Law  School,  Medical  School,  des  Staats-Irren- 
hauses. Als  Mittelpunkt  der  fruchtbaren  Blue  Grass -Region  hat  L.  starken 
Handel  mit  den  Erzeugnissen  des  Ackerbaues.  13  Zeitungen.  —  Am  Ohio : 
Hen de rson,  4171  E.,  Stadt  und  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy. ,  an  der 
Nashville  -  Eisenbahn  320  Kil.  unterhalb  Louisville.  Owensbor  o,  3473  E., 
Dorf  und  Hauptort  von  Daviess  Cy. ,  an  der  Rusellville  und  Ohio- Eisenbahn. 
Covington,  24505  E.,  unterhalb  der  Mündung  des  Licking  und  gegenüber 
Cincinnati,  mit  dem  es  durch  eine  grossartige  Hängebrücke  verbunden.  End- 
punkt von  2  Eisenbahnen.  Gewerbthätig  in  Baumwolle,  Seide,  Tabak.  W.  Theo- 
logical  College  (Baptisten).  Maysville,  4705  E.,  gegenüber  Aberdeen,  End- 
punkt der  Lexington-Eisenbahn.  Grösster  Hanfmarkt  des  Staates.  —  Am  Mis- 
sissippi: Columbus,  1574  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Hickmam  Cy.  End- 
punkt" der  Mobile  und  Ohio -Eisenbahn.  Starker  Holzhandel.  —  Im  Inneren: 
Princeton,  1012  E. ,  Eisenbahn,  im  Kohlenrevier.  Hopkinsville,  3136  E., 
am  Little  R.  und  an  der  Nashville-Eisenbahn.  Gewerbthätig.  2  Zeitungen.  An 
der  Nashville  und  Southern -Eisenbahn:  Russe  11  ville,  1843  E.,  Hauptort 
von  Logan  Cy.  Bowling  Green,  4574  E.,  am  schiffbaren  Big  Barxen  R. 
Tabakshandel.  2  Zeitungen.  Bardstown,  1835  E. ,  an  der  Beech  Fork  des 
Rolling  R.  Harrodsburg,  2205  E.,  Hauptort  von  Mercer  Cy.,  am  Salt  R. 
In  der  Nähe  berühmte  Heilquellen.  College.  Sommerset,  587 E.,  im  Kohlen- 
distrikt des  oberen  Cumberland  R. 

XXIII.  West  Virginia  (W.  Va.),  1082  d.  Q.  M.  (23000  e.),  442014  E. 
Grenzen:  Im  N.  Pennsylvania  und  Maryland,  im  S.  und  0.  Virginia,  im  W. 
Ohio  und  Kentucky.  Oberfläche :  W.  Va.  ist  ganz  Gebirgsstaat.  Der  0.  gehört 
den  eigentlichen  Alleghanies  an  und  entspricht  dem  Appalachian  Country  Vir- 
giniens.  Der  W.  senkt  sich  als  hügeliges  Tafelland  von  800  —  300  m  an  den 
Ohio  hinab.  In  beiden  Abschnitten,  besonders  im  letzteren,  sind  die  Thalgründe 
von  grosser  Fruchtbarkeit.  Flüsse :  Die  grössten  Flüsse  von  W.  Va.  sind  nur 
Grenzflüsse,  Ohio  gegen  Ohio,  und  Potomac  gegen  Maryland,  aber  beide 
empfangen  eine  grosse  Anzahl  von  Zuflüssen  aus  dem  Staate,  unter  denen 
Shenandoa  (Potomac)  und  Great  und  Little  Kanawha  und  Big  Sandy  (Ohio)  die 
bedeutendsten  sind.  Klima:  11  — 12'' Mittelwärme.  Niederschläge  11— 1200mm. 
Wald  55  Proc.  der  Bodenfläche.  Landwirthschaft :  18  Proc.  sind  in  Anbau.  Ge- 
sammtwerth  der  Erzeugnisse  1870 :  23  Mill.  D.  Getreideernte  von  1877  (in  1000  B.): 
Mais  9600,  Weizen  3850,  Hafer  3300,  Roggen  315.  Werth  10,5  Mill.  D.  Vieh- 
stand 1877  (in  1000) :  Rinder  371,  Schafe  549,  Schweine  281,  Pferde  und  Maul- 
thiere  120;  Werth  17  Mill.  D.  Mineralschätze:  Kohle  (1875  600000  T.),  Eisen, 
Salz  (durchschn.  jährlich  300000  B.),  Erdöl.  Gewerbe:  1870  wurden  27300 
l'ferdekräfte  und  11 700  Arbeiter  benützt.  Gesammtwerth  der  Erzeugnisse 
24  Mill.  D.  Haupterzeugnisse:  Eisen,  Mehl,  Salz,  Sägholz.  Handel  und  Ver- 
kehr: 1020  Kil.  Eisenbahn  (1878).  An  Flussdampfern  hatte  W.  Va.  1877  96 
mit  11  692  T.  Hauptplatz  Wheeling.  Finanzen  (1878):  Steuerwerth  270,  Einnah- 
men 0,69,  Ausgaben  0,57  Mill.  D.  Da  die  Frage,  welchen  Antheil  von  der  Schuld 
Virginiens  W.  Va.  zu  über  nehmen  habe,  nicht  gelöst  ist,  ist  gegenwärtig  dieser 

Eatzel,   Amerika  II.  43 


674  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

Staat  ohne  Schulden.  Schulen  (1877):  2959,  67  Proc.  Schulbesuch,  3  Colleges 
mit  279  Schülern ,  0,79  Mill.  D.  Schulausgaben.  Bevölkerung  (1870) :  4  Proc. 
Farbige,  86  Proc.  im  Staat  Geborene,  3,8  Proc.  Ausländer,  worunter  6832  Ir- 
länder  und  6232  Deutsche.  —  W.  Va.  wurde  1861  vom  alten  Staat  Virginia  ab- 
gelöst und  1863  als  Staat  in  die  Union  aufgenommen.  Die  Verfassung  von  1872 
lässt  als  stimmberechtigt  alle  Bürger  der  V.  St.  zu ,  die  1  Jahr  im  Staate  ge- 
wohnt haben.  Die  Oberbeamten  und  Senatoren  (24)  werden  für  4,  die  Glieder 
des  House  of  Delegates  (65)  für  2  Jahre  gewählt.  Die  Richter  werden  sämmt- 
lich  gewählt  für  4 — 12  Jahre.  In  den  Congress  werden  3  Repräsentanten 
gesandt. 

Charleston,  3162  E.,  Staatshauptstadt,  auch  Kanawha  Courthouse  ge- 
nannt, an  dem  bis  hierher  schiffbaren  grossen  Kanawha  und  der  Chesapeake  und 
Ohio-Eisenbahn.  Eisen,  Kohlen  und  Salz  in  der  Umgebung.  Wheeling,  19280  E., 
Hauptort  von  Ohio  Cy.,  grösste  Stadt  von  W.  Va.  an  der  Mündung  des  Wheeling 
Creek  in  den  Ohio  R.,  148  Kil.  unterhalb  Pittsburg.  Ein  Zweig  der  Baltimore 
und  Ohio-,  die  W.  und  Pittsburg,  und  Cleveland  und  Pittsburg- Eisenbahn 
laufen  hier  zusammen.  Hängebrücke  über  den  Ohio  nach  Bridgeport.  Rhederei 
von  96  Dampfern  mit  11632  T.  Eisen-  und  Kohlenlager  in  der  Nachbarschaft 
machen  W.  zu  einer  industriereichen  Stadt,  in  der  besonders  die  Eisen-  und 
Glaserzeugung  in  grossem  Masse  betrieben  werden.  9  Zeitungen.  Parkers- 
burg,  5546  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Wood  Cy.,  an  der  Mündung  des  Little 
Kanawha  in  den  Ohio  und  einem  Zweig  der  Baltimore  und  Ohio -Eisenbahn, 
160  Kil.  unterhalb  Wheeling.  Grosse  Eisenbahnbrücke.  Kohlenhandel  und  Eisen- 
industrie. 6  Zeitungen.  Point  Pleasant,  773  E.,  Hauptort  von  Mason  Cy., 
am  Ohio,  gegenüber  Gallipoli  0.,    Salz-  und  Kohlenhandel.     2  Zeitungen. 

XXIV.  Arkansas  (Ark.),  2462  d.  Q.  M.  (52 198  e.),  484471  E.  Wird  be- 
grenzt im  N.  von  Missouri,  im  S.  von  Louisiana,  im  0.  von  Mississippi  und 
Tennessee,  im  W.  von  Texas  und  dem  Indianer-Terr.  Oberfläche:  Die  ganze 
ö.  Grenze  wird  durch  den  Mississippi  gebildet ,  von  welchem  etwa  150  Kil. 
landeinwärts  reiches  Anschwemmungsland  sich  erstreckt.  Dann  beginnt  der  Boden 
zu  steigen  und  erhebt  sich  an  der  Westgrenze  zu  einem  Hochland  von  200  m 
Mittelhöhe,  dem  die  Höhenzüge  der  Ozark  Mts.  aufgesetzt  sind,  die  den  ganzen 
NW.  des  Staates  einnehmen.  Die  Hügelzüge  am  Nordufer  des  Arkansas  R. 
heissen  die  Boston  Mts.,  die  am  Südufer  die  Petit  Jean  Range.  Von  N.  her 
zieht  aus  Missouri  der  Hügelzug  der  Crowley  Ridge  herein.  Im  Allgemeinen 
zerfällt  also  der  Staat  in  ein  Tiefland-  und  ein  Hochlandgebiet,  die  auch 
klimatisch  und  ackerbaulich  scharf  geschieden  sind.  Flüsse:  Der  Mississippi 
fliesst  durch  Ark.  in  der  Länge  von  650  Kil.  und  empfängt  hier  den  Arkansas, 
White,  S.  Francis  und  RedR.;  in  den  letzteren  fliessen  Washita  und  Saline  R. 
Klima:  Die  Mittelwärme  im  n.  Theil  ist  14,  in  der  Mitte  16,  im  S.  18"  C.  Die 
Niederschläge  nehmen  rasch  von  0.  nach  W.  ab.  Im  Mississippi-Tiefland  über 
1400,  gehen  sie  im  NW.  bis  950  herunter.  Wald  58  Proc.  Landwirthschaft: 
Die  Anschwemmungsgebiete  von  Ark.  gehören  zu  den  fruchtbarsten  Ländereien 
der  Union,  aber  im  W.  und  den  Ozark  Mts.  gibt  es  viele  steinige  Strecken. 
Im  W.  werden  öfters  Dürren  dem  Ackerbau  schädlich.  Ark.  ist  der  sechste 
Baumwollenstaat,  er  lieferte  1876  11,3  Proc.  Getreideernte  1877  (in  1000  B.): 
Mais  22100,  Weizen  1610,  Hafer  1600,  Roggen  58;    Werth  123  Mill.  D.  Vieh- 


Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi  -   und  Ohiobeckens.  675 

stand  1877  (in  1000):  Kinder  577,  Schafe  285,  Schweine  1040,  Pferde  und 
Maulthiere  250;  Werth  24  Mill.  D.  1877  ^Yaren  22  Proc.  der  Bodenfläche  Farm- 
land. Bergbau:  Erst  in  der  Eutwickelung.  Kohlen,  Eisen,  Zink,  Blei, 
Kieselschiefer,  Kaolin,  zahlreiche  Mineralquellen.  Gewerbe:  1870  gab  es  nur 
6000  Pferdekräfte  und  3200  Arbeiter.  Mehl  und  Sägholz  waren  die  Haupt- 
erzeugnisse; Gesammtwerth  4,6  Mill.  D.  Handel  und  Verkehr:  Der  Handel 
von  Ark.  geht  hauptsächlich  nach  New  Orleans.  Auf  dem  Arkansas  und  Red  R. 
gehen  zahlreiche  Dampfboote,  aber  Ark.  besitzt  deren  keine  eigenen.  1878  hatte 
es  1235  Kil.  p]isenbahnen.  Finanzen  (Sept.  1877) :  Steuerwerth  94,  Schuld  4,1, 
Steuern  0,4  Mill.  D.  Schulen  (1876):  Schulausgaben  119403  D.,  Schulbesuch 
67  Proc.  Bevölkerung:  25 Proc.  Farbige  und  1  Proc.  Ausländer,  worunter  31  Proc. 
Deutsche  und  29  Proc.  Irländer  —  Ark.  kam  als  Theil  von  Louisiana  1803  au 
die  V.  St.,  1812  Territorium,  1836  Staat,  Sklavenstaat  bis  1865,  1861  losgelöst, 
1870  wieder  aufgenommen.  Die  Verfassung  des  letzteren  Jahres  setzt  die  Wahl 
der  Oberbeamten  und  der  (24)  Senatoren  für  4  und  der  (82)  Repräsentanten  für 
2  Jahre  fest.  Die  Gesetzgebung  tritt  alle  2  Jahre  zusammen.  Die  Oberrichter 
ernennt  der  Governor  allein  für  8,  die  niederen  zusammen  mit  dem  Senat  für 
4  Jahre.  Jeder  21  Jahre  alte  Bürger  der  V.  St. ,  der  6  Monate  im  Staate  sich 
aufhielt,  ist  wahlberechtigt.     In  den  Congress  sendet  Ark.  3  Repräsentanten. 

Little  Rock,  12380  E.,  Hauptstadt  des  Staates  und  einzige  incorporirte 
Stadt  desselben  überhaupt,  Hauptort  von  Pulasky  Cy.,  am  Südufer  des  Arkansas 
auf  15  m  hohen  Bluffs  ^gelegen.  Endpunkt  der  L.  und  Memphis -Eisenbahn. 
Rege  Handelsthätigkeit.  9  Zeitungen.  Helena,  2249  E.  Dorf  und  Hauptort 
von  Phillips  Cy.,  am  Mississippi,  130  Kil.  unterhalb  Memphis,  Endpunkt  der 
Arkansas  Central-Eisenbahn.  5  Zeitungen.  Hot  Springs,  1276  E.,  am  Hot 
Spring  Creek,  der  in  den  Washita  fliesst,  in  der  Nähe  30  —  40  Quellen  von 
50  — 700  C.,  die  als  Heilquellen  benützt  werden.  Washington,  720  E.,  Haupt- 
ort der  Hempstead  Cy.  190  Kil.  sw.  von  Little  Rock.  Pocahontas,  ca.  1000  E., 
am  Endpunkt  der  Schift'barkeit  des  Black  R.  Hauptort  von  Randolph  Cy.  Bates- 
ville,  881  E.,  Hauptort  der  Independence  Cy. ,  am  White  R.,  m  fruchtbarster 
Gegend.  Jacksonport,  769  E.,  am  Zusammeufluss  des  White  und  Black  R., 
schiffbar  bis  hierher,  130  Kil.  n.ö.  von  Little  Rock.  Fayetteville,  955  E., 
Hauptort  von  Washington  Cy.  und  des  ganzen  Gebirgsabschnittes  von  Ark. ,  am 
oberen  White  R.     3  Zeitungen.    In  der  Nähe  kommt  Kohle,  Eisen  und  Blei  vor. 

XXV.  Missouri  (Mo.),  3073  d.  Q.  M.  (65350  e.),  2085537  E.  (1876).  Durch 
den  Mississippi,  von  dem  es  w.  gelegen,  von  Illinois,  Kentucky  und  Teunessee 
getrennt,  im  N.  von  Iowa,  im  S.  von  Arkansas,  im  W. ,  wo  eine  Strecke  der 
Missouri  die  Grenze  bildet,  von  Nebraska,  Kansas  und  Ind.  Terr.  begrenzt.  Nach 
der  Bodenbeschaffenheit  zerfällt  der  Staat  in  2  Theile,  n.  und  s.  vom  Missouri. 
Der  kleinere  n.  Theil  hat  die  Bodengestaltung  von  Iowa,  ist  vorwiegend  wellige 
Prärie  mit  tief  eingeschnittenen  Thälern.  Der  s.  Theil  ist  in  den  Mississipjii- 
Niederungen  in  weiter  Erstreckung  Sumpf  land,  weiter  w.  wird  er  von  dem  zer- 
rissenen Hügelzug  der  Ozark  Mts.  bedeckt,  denen  sich  im  äussersten  W.  wieder 
wellige  Prärien  anschliessen.  Die  beiden  grössten  Flüsse  der  V.  St.,  Mississippi 
und  Missouri,  fliessen  an  oder  in  den  Grenzen  dieses  Staates,  dieser  320,  jener 
660  Kil.  lang.  Theilweise  gehören  von  den  Mississippi -Zuflüssen  White  und 
Francis  R.  diesem  Staate   an.     Der  Missouri   empfängt  in  diesem  Staat  von  N. 

43* 


676  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-   und  Ohiobeckens. 

Nodaway,  Platte,  Grand,  Cedar  R,  von  S.  Osage,  Sac,  Gasconade  R.  Das  Klima 
ist  extrem.  S.Louis  hat  12,8 °C.  mittlere  Jahreswärme  und  24"  Unterschied 
zwischen  Sommer  und  Winter.  Regenmenge  in  S.  Louis  1100  m,  sinkt  bis  zur 
"Westgrenze  auf  700.  Mit  Waldland  ist  Mo.  besser  versehen  als  alle  anderen 
Weststaaten.  Es  hat  45,4  Proc.  Häufig  und  werthvoll  sind  hier  Föhren,  Cy- 
pressen,  Cottoilwood  und  Eichen.  Zahlreiche  Oak-Opeuings  stammen  erst  aus  der 
sXZeit  nach  der  Besiedelung,  durch  welche  den  Präriefeuern  Einhalt  gethan  wurde. 
Am  raschesten  werden  die  Föhren  abgeholzt,  die  im  übrigen  Westen  so  selten 
sind.  Am  waldreichsten  sind  die  Flussniederungen ,  dann  folgen  die  hügeligen 
Theile  des  Südens  und  in  letzter  Linie  der  Westen.  Für  den  Ackerbau  sind 
die  Prärie-  und  Tieflandböden  die  besten;  wenig  erträglich  sind  weite  felsige 
Strecken  in  den  Ozark  Mts.  und  in  dem  Gebiete  des  Grand  Swamp  im  Missis- 
sippi-Thal. V*  d^s  Staates  ist  unter  Anbau.  Getreideernte  von  1877  (in  1000  B.): 
Mais  103000,  Hafer  20500,  Weizen  20000,  Roggen  720;  Werth  53  Mill.  D. 
Ausserdem  sind  Tabak  (41,4  Mill.  Pfd.  in  1876),  Wein  (228000  Gallonen  in  1876). 
Wolle  (2,7  Mill.  Pfd.  in  1876)  bemerkenswerthe  Erzeugnisse.  Viehstand  1877 
(in  1000):  Rinder  1581,  Schafe  1271,  Schweine  2585,  Pferde  und  Maulthiere  795; 
Werth  68  Mill.  D.  Unter  den  Mineralschätzen  des  Staates  sind  Eisen  (s.  o.  S.  323), 
Kohle,  Blei  und  Zink  die  wichtigsten.  1876  bestanden  19  Hochöfen  und  wurden 
68000  T.  Roheisen  erzeugt.  An  Kohle  förderte  Mo.  1875  750000  T.,  d.  h. 
1,58  Proc.  der  Gesammtförderung  der  V.  St.  Die  Bleierzeugung  bewerthete  1870 
642000  D.  Zink  wurden  1875  4055  T.  gewonnen.  Die  Gewerbe  beschäftigten 
1870  1638  Dampfmaschinen  und  65354  Arbeiter;  Werth  ihrer  Erzeugnisse 
206  Mill. D.  Haupterzeugnisse:  Mehl,  Tabak,  Bier,  Sägholz,  Branntwein,  Eisen 
und  Blei.  Eisenbahnen  (1878)  5120  Kil.  Flussdampfer  (1877)  159  mit  61 732  T. 
Bevölkerung:  Als  einstiger  Sklavenstaat  hatte  Mo.  1870  in  einer  Bevölkerung 
von  1721295  6  Proc.  Farbige*);  46  Proc.  waren  im  Staat,  13 Proc.  im  Ausland 
/geboren.  Unter  den  letzteren  waren  113618  Deutsche,  54983  Iren,  17  596  Eng- 
länder und  Schotten,  6293  Franzosen.  Finanzen  (1.  Jan.  1879):  Steuer  werth  614, 
Einnahmen  3,6,  Ausgaben  3,8,  Schuld  16,7  Mill.  D.  Die  Schulausgaben  betrugen 
1877  2,37  Mill.  D.  70  Proc.  der  Kinder  besuchen  Schulen.  Es  gibt  16  Colleges 
mit  2191  Schülern.  Zeitungen  erscheinen  297.  —  Mit  der  Cession  Louisianas 
an  die  V.  St.  gekommen,  wurde  Mo.  1820  zum  Staat.  Die  Verfassung  von  1865 
setzt  fest,  dass  die  oberen  Beamten  und  die  Repräsentanten  (138)  für  2,  die 
Senatoren  (34)  für  4 ,  die  Richter  für  6  und  10  Jahre  gewählt  werden.  Wahl- 
berechtigt ist  jeder  Bürger  der  V.  St.  von  21  Jahren  nach  1  jährigem  Aufenthalt 
im  Staate.     Im  Congress  hat  Mo.  11  Repräsentanten. 

Jeffer  son  City,  4420  E.,  Hauptstadt  von  Mo.  und  Hauptort  von  Cole  Cy., 
am  Missouri,  an  der  Atlantic  und  Pacific-  und  der  Chicago  und  Alton-Eisen- 
bahn, 200  Kil.  von  S.  Louis.  Kohlenlager  in  der  Nähe.  S.  Louis,  498 182  E. 
(1876),  grösste  Stadt  des  W.  und  Hauptort  von  S.  Louis  Cy.,  am  Westufer  des 
Mississippi,  25  Kil.  unterhalb  der  Einmündung  des  Missouri  gelegen ,  280  Kil. 
oberhalb  der  des  Ohio  und  1910  oberhalb  der  Mississippi-Mündung.  Mittelpunkt 
von  14  Eisenbahnen.  Stehende  Brücke  über  den  Mississippi.  1764  gegründet, 
1780  von  687,    1810  von  1400,    1830  von  6694,    1850  von  74439  E.    bewohnt. 


1)  Ausserhalb  S.  Lonis  gab  es  1876  103  307  Farbige,  1870  im  ganzen  Staat  118  071. 


Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-   und  Ohiobeckens.  677 

Das  deutsche  Element  ist  in  der  Bevölkerung  mit  ungefähr  20  Proc.  vertreten, 
hat  eine  Anzahl  von  eigenen  Schulen  und  Kirchen  und  3  Tagblätter.  Unter 
den  3  Hauptstädten  des  W.  ist  S.  Louis  diejenige,  wo  es  am  besten  und  stärksten 
vertreten  ist.  Unter  den  öffentlichen  Gebäuden  sind  hervorragend  das  U.  S. 
Arsenal,  City  Hall,  Court  House,  Custom  House,  Exchange,  Mercantile  Library. 
Unter  den  Parks  ist  der  grösste  Shaws  Garden  (Humboldt  -  Denkmal).  Von 
höheren  Unterrichtsanstalten  sind  nennenswerth :  O'Fallou  Polytechnic  Institute, 
Washington  University,  S.Louis  University,  zwei  Medical  Colleges,  eine  Law 
School,  verschiedene  theologische  Schulen.  Ferner  sind  Academy  of  Sciences 
und  Mercantile  Library  (50000  B.)  zu  nennen.  97  Zeitungen  erscheinen  hier. 
Die  Stadt  erstreckt  sich  22  Kil.  am  Mississippi  hin  und  bedeckt  nahezu  55  e.  Q.M. 
Der  Boden  erhebt  sich  in  3  Terrassen  bis  60  m.  Die  Lage  ist  die  denkbar  vor- 
züglichste für  eine  Grossstadt:  im  Mittelpunkte  der  grösseren  Osthälfte  des 
Continents,  wo  der  Hauptstrom  des  Westens  in  den  Hauptstrom  des  ganzen 
Landes,  den  Mississippi,  mündet.  Sind  solche  Vereinigungspunkte  schiffbarer 
Flüsse  überall  naturgesetzlich  zu  Trägern  bedeutender  Städte  bestimmt,  so 
kommt  hier  ausser  der  beherrschenden  Bedeutung  des  Missouri  und  Mississippi 
in  den  grössten  Gebieten  der  V.  St.  noch  die  ausgezeichnete  Mittelpunktslage 
hinzu.  Sie  liegt  ziemlich  genau  in  der  Mitte  zwischen  4  bedeutenden  Städten, 
welche  die  Ränder  des  Mississippi-Beckens  in  den  4  Himmelsrichtungen  be- 
zeichnen :  Pittsburg  im  0. ,  New  Orleans  im  S. ,  Denver  (Colorado)  im  W., 
S.  Paul  (Minnesota)  im  N.  Die  Lage  inmitten  der  fruchtbarsten  Gegenden  von 
Nord-Amerika,  auf  der  Grenze  des  Hügellandes  und  der  Prärien,  d.  h.  des 
Ackerbaues  und  der  Grossviehzucht,  sowie  die  Nähe  der  Einmündung  des  Illinois- 
Flusses,  der  einen  fast  fertigen  natürlichen  Canal  zwischen  der  Seeregion  und 
dem  Mississippi  bildet,  erhöht  die  Bedeutung  dieses  bemerkenswerthen  Punktes. 
Die  innige  Verbindung  mit  dem  S.  hat  S.  Louis,  solange  Mo.  Sklavenstaat  war, 
nicht  zu  voller  Entfaltung  seiner  natürlichen  Vorzüge  gelangen  lassen.  1860 
hatte  sie  erst  160000  E.  Heute  ist  S.  Louis  eine  Stadt  nach  dem  Typus  von 
New  York  und  Philadelphia,  voll  Leben,  die  grösste  Industriestadt  im  Inneren 
der  V.  St.  und  wahrscheinlich  die  zukuuftreichste  unter  den  3  Hauptstädten  des 
W.  —  S.  Louis  ist  wie  alle  Städte  des  W.  in  erster  Linie  Handelsstadt.  Es 
sendet  die  sog.  westlichen  Produkte,  wie  Salzfleisch,  Mehl,  Getreide,  vorzüglich 
den  Mississippi  hinab ;  mehr  als  die  Hälfte  dieses  Handels  nimmt  den  Flussweg. 
1875  versandte  es  auf  dem  Flussweg  1,3  und  p.  Bahn  4,5  Mill.  T.  Waaren 
(s.  0.  S.  463).  Hingegen  empfängt  es  die  grössten  Mengen  Colonialwaaren  und 
Gewerbserzeugnisse  aus  den  Häfen  des  0.  und  S.  und  vertheilt  sie  über  das 
Land.  Im  Jahre  1871  lieferten  27  Dampfmühlen  IV2  Mill.  Fässer  Mehl,  wovon 
Va  südwärts  gingen.  1871/72  wurden  in  den  Schlachthäusern  500000  Schweine 
zugerichtet;  seit  1861  hatten  sich  die  Leistungen  in  diesem  Gewerbszweige 
verzwanzigfacht.  An  Rindvieh,  Schafen  und  Schweinen  wurden  1871  nahezu 
1  Mill.  Stück  eingeführt.  Au  Bauholz  waren  am  1.  Januar  1871  120  Mill.  Fuss 
in  3  Holzhöfen  auf  Lager.  Die  Kaffeeausfuhr  betrug  im  genannten  Jahre 
149000  Sack.  Auf  dem  Gebiete  der  Grossindustrie  nimmt  S.Louis  unter  den 
nordamerikanischen  Städten  den  dritten  Rang  ein.  Es  kommt  unmittelbar  hinter 
New  York  und  Philadelphia.  Man  rechnete  1873,  dass  41000  Arbeiter  in 
Fabriken  beschäftigt  waren,  und  der  Werth   der  Erzeugnisse  wurde  damals  auf 


678  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi  -    und  Ohiobeckens. 

158  Mill.  D.  geschätzt.  Das  in  Fabriken  angelegte  Capital  hatte  sich  von 
1860 — 70  vervierfacht.  In  erster  Linie  steht  die  Eisenindustrie  mit  einem  Pro- 
dukte von  öV'iMill.  D.  (im  Jahre  1872);  1873  zählte  man  43  Hochöfen.  Die 
Bleiproduktion  ergab  1871  17  \'2  Mill.  Pfd.  Metall.  Eine  einzige  grosse  Zucker- 
raffinerie setzte  1872  33  Mill.  Pfd.  ab.  An  Leder  wird  jährlich  für  15  —  20 
Mill.  D,  erzeugt.  Selbst  an  Baumwolle  wurden  1871  schon  5000  B.  verarbeitet. 
Yon  Tauen  wurden  1870  40000  Rollen  ausgeführt.  An  Dampfbooten  besass 
S.Louis  1877  159  mit  61  723  T.  — Am  Mississippi:  Hannibal,  10215  E.,  Haupt- 
ort von  Marion  Cy.  3  Eisenbahnen.  Reiche  Kohlenlager  in  der  Nachbarschaft. 
Mühlen,  Tabakfabrikation.   3  Zeitungen.    S.  Genevieve,  1021  E.,  Dorf,  Haupt- 

^rt  der  gleichnamigen  Cy.,  Erz  von  Iron  Mt.  wird  hier  verschilft.  2  Zeitungen. 
Cape  Girardeau,  3585  E. ,  70  Kil.  unterhalb  Cairo,  Industrie,  S.Vincents 
College.  2  Zeitungen.  Louisiana,  3639  E.,  an  der  Louisiana-Missouri-P]isen- 
bahn.  3  Zeitungen.  Can  ton,  2363  E. ,  300  Kil.  oberhalb  S.Louis.  Noav 
Madrid,  634  E.,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.  60  Kil.  s.  von  Cairo.  Be- 
kannt durch  das  Erdbeben  von  1811.  —  Am  Missouri:  Independen  ce, 
3184  E.,  Stadt  an  der  Missouri-Pacific-Eisenbahn.  3  Zeitungen. Früher  wichtiger 
Stapelplatz  des  Karawanenhandels  nach  Neu -Mexico.  S.  Joseph,  19  565  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Buchanan  Cy.,  905  Kil.  (zu  Wasser)  von  S.  Louis. 
Wichtiger  Eisenbahn -Knotenpunkt.  Hannibal  -  S.  J.-Denver  City-,  S.  Louis- 
S.  J. -,  Kansas  City  -  S.  J.  -  Council  Bluffs  -  Eisenbahn  laufen  hier  zusammen. 
3  Banken,  10  Zeitungen  (1  deutsche).  Rege  Gewerb-  und  Handelsthätigkeit. 
Lexington,  4373  E. ,  an  der  Missouri-Pacific-Eisenbahn,  600  Kil.  Wasserweg 
von  S.Louis.  3  Zeitungen  Kansas  City,  32  296  E.,  am  Eintritt  des  Mis- 
souri in  den  Staat.  Die  Eisenbahnlinien  Missouri -Pacific.  Missouri -Ft.  Scott- 
Gulf,  S.  Joseph  -  Council  Bluff's  trefi*en  hier  zusammen.  K.  C.  ist  Mittelpunkt  der 
Eisenbahnen  des  W.  von  Mo.  Starke  Gewerbthätigkeit.  Beef  Packing  ist  hier 
eine  wichtige  Industrie.  17  Zeitungen.  —  An  der.  Atlantic  und  Pacific -Eisen- 
bahn:    Rolla,    1354  E.,    Dorf,    Hauptort   von  Phelps  Cy.^    in  einem  Hochofen- 

^ bezirk,  Sitz  der  Bergschule  des  Staates.  2  Zeitungen.  Westport,  1095  E., 
Stadt,  6  Kil.  s.  von  Kansas  City  auf  der  Grenze  von  Kansas,  einst  Rivale  von 
Independence  für  den  Karawanenhandel.  Warrens burgh,  2945  E.,  Hauptort 
von  Johnson  Cy^  3  Zeitungen.  Springfield,  5555  E.,  Hauptort  von  Greene 
Cy. ,  390  Kil.  sw.  von  S.Louis,  Sitz  eines  V.  St. -Landamtes.  Fabrikation  von 
Ackergeräthen.  Tabak  u.  a.  3  Zeitungen.  Neosho,  875  E. ,  118  Kil.  sw.  von 
Springfield,  Mittelpunkt  der  Bleiregion.  —  An  Hannibal  und  S.  Joseph  -  Eisen- 
bahn:  Palmyra,  2615  E.,  Hauptort  von  Marion  Cy:  2  Zeitungen.:  Macon 
City,  3678  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Macon  Cy.  Kreuzung  mit  der  S.  Louis- 
Kansas  City- Northern-Eisenbahn.  4  Zeitungen.  Sedalia,  4560  E,  Stadt  und 
Hauptort  von  Pettis  Cy.,  Eisenbahnkreuzung,  300  Kil.  w.  von  S.  Louis,  Mittel- 
punkt einer  Kohlen-  und  Ackerbauregion.  8  Zeitungen.  Pleasant  Hill, 
2554  E,,  56  Kil.  so.  von  Kansas  City.  Gewerbthätig.  Mexico,  2602  E.,  an 
der  N.  Missoury-  und  Missouri-Louisiana-Eisenbahn.  Wollhandel.  3  Zeitungen. 
Columbia,  2236  E.,  Hauptort  von  Boone  Cy. ,  Eisenbahn.  Sitz  der  Staats- 
Universität.     2  Zeitungen. 


Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  679 

Nördliche   Binnenstaaten  des   Ohio-Mississippi-Gebietes. 

Die  3  fruchtbarsten,  volkreichsten  und  cultivirtesten  Weststaaten  nehmen 
die  sanfte 'Landschwellung  ein,  die  im  N.  von  Erie-  und  Michigan -See  und  im 
S.  vom  Ohio-Thale  begrenzt  wird  und  nach  diesen  beiden  Grenzlinien  ebenso 
wie  nach  W.  sich  langsam  abdacht.  Es  sind  die  Staaten  Ohio/  Indiana  und 
Illinois.  Dieses  Gebiet  ist  im  0.  hügelig  und  wird  nach  W,  immer  mehr  flach - 
wellig.  Es  gehört  dem  Uebergangsgebiet  von  der  Wald-  zur  Prärieregion  an, 
deren  beiderseitige  Vortheile  es  zu  den  günstigsten  Bedingungen  des  Ackerbaues 
in  sich  vereinigt.  Der  Boden,  ähnlich  der  Schimrz-Ijrde  Südrusslands,  ist 
ebenso  fruchtbar  als  leicht  zu  bearbeiten,  das  Klima  ist  so  weit  Continental,  dass 
es  sich  regelmässiger  und  dadurch  für  den  Landmanii  zuverlässiger  zeigt  als  an 
der  atlantischen  Küste,  ohne  doch  der  Trockenheit  und  den  Stürmen  ausgesetzt 
zu  sein,  welche  weiter  w.  störend  eingreifen.  Der  mildernde  Einfluss  der  grossen 
Wasserflächen  ist  nicht  zu  vergessen.  Kohlen  sind  in.  allen  3  Staaten  vorhanden, 
in  geringerer  Menge  auch  Eisen.  21  Proc.  des  Roheisens  in  den  V.  St,  wurden 
1877  hier  erzeugt.  Durch  Reiclithum  an  beiden  ist  vor  allen  Ohio  ausgezeichnet. 
Ist  aucli  die  Gewerbthätigkeit  bereits  eine  bedeutende,  so  bleibt  doch  der  Acker- 
bau immer  der  weitaus  reichste  und  hervoiragendste  Zweig  des  Wirthschafts- 
lebens,  Weizen-  und  Maisbau  sowie  Viehzucht  liefern  hier  die  höchsten  Erträge 
und  diese  3  Staaten  verdienen  vollkommen  den  Namen  des  Gartens  der  V.  St. 
Sie  sind  in  der  That  der  Mittelpunkt  des  n.  Ackerbaues,  so  wie  etwa  Louisiana 
und  Mississippi  der  des  s.  sind.  Es  kommt  hiezu  als  begünstigender  Umstand, 
dass  diese  Staaten  zu  denen  gehören,  deren  Besiedelung  noch  nicht  so  alt,  um 
durch  lang  fortgesetzten  Kaubbau  den  Boden  schon  erschöpft  zu  haben,  die 
aber  doch  schon  bevölkert  genug,  um  diesen  reichen  Boden  intensiver  Ausbeu- 
tung unterwerfen  zu  können.  Sie  stehen  wahrscheinlich  gegenwärtig  auf  der 
Höhe  ihrer  Leistungsfähigkeit  in  dieser  Beziehung,  denn  die  Erschöpfung  ihres 
Bodens  wird  nicht  ausbleiben  und  der  Schwerpunkt  der  Getreideerzeugung  hat 
noch  Raum  sich  weiter  w.  zu  verlegen.  Einstweilen  erzeugte  1877  dieses  Gebiet 
35  Proc.  des  Maises  und  30  Proc.  des  Weizens  der  Gesammternte  und  besass 
26  Proc.  der  Schweine ,  17  Proc.  der  Schafe  und  18  Proc.  der  Milchkühe  der 
V.  St.  Das  Eisenbahnnetz  dieser  Staaten  ist  das  ausgedehnteste  der  V.  St. 
Die  Seen,  der  Mississippi  und  Ohio  umgrenzen  sie  fast  auf  allen  Seiten  mit 
schiftbaren  Wässerstrassen  und  einige  der  Zuflüsse  derselben  sind  noch  weit 
hinauf  schiffbar.  Einige  der  günstigsten  Verkehrslagen  der  V.  St.,  wie  das 
Südende  des  Michigan  -  Sees  oder  die  Ohio  -  Mündung ,  fallen  in  dieses  Gebiet. 
Illinois  umschliesst  in  Chicago,  Ohio  in  Cincinnati  zwei  der  Grossstädte  des 
W^.,  von  denen  die  erstere  in  raschem  Aufstreben  zu  einer  der  grössten  Städte 
des  Landes  begriffen  ist.  Die  indianische  Bevölkerung  ist  seit  50  Jahren  mit 
wenigen  Ausnahmen  verdrängt  und  die  weisse  ist  das  Produkt  der  verhält- 
nissmässig  neuen  Einwanderung,  die  erst  seit  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
grössere  Ausdehnung  angenommen.  Im  N.  dieses  Gebietes  sind  Neuengländer, 
im  S.  Pennsylvanier  und  Virginier  vertreten,  daneben  am  zahlreichsten 
Deutsche.  Von  den  alten  französischen  Ansiedlern  ist  fast  nichts  mehr  übrig. 
Da  diese  3  Staaten  das  Glück  hatten,  niemals  die  Sklaverei  in  ihren  Grenzen 
zu   sehen,   ist   ihre    wirthschaftliche    und   politische   Entwicklung  eine  ruhige 


680  Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

ununterbrochene   gewesen   und  ihre   farbige  Bevölkerung   ist   gering,    wenn    sie 
auch  seit  Aufhebung  der  Sklaverei  durch  Zuzug  im  Wachsen  begriffen  ist. 

XXVI.  Ohio  (0.),  1880d.  Q.M.  (39964  e.),  2665260  E.  (1870).  Erstreckt 
sich  vom  Ohio  zum  Erie-See  und  von  den  Alleghanies  zum  Wabash  R.,  im  N. 
begrenzt  von  Erie-See  und  Michigan^  im  S.  von  West  Virginia  und  Kentucky, 
im  0.  von  Pennsylvania  und  im  W.  von  Indiana.  Oberfläche :  Der  grösste 
Theil  von  0.  ist  ein  Tafelland  von  300  m  mittlerer  Höhe.  Nur  im  NW.  greift 
der  Staat  noch  in  das  AUeghany- Gebirge  ein,  ohne  indessen  dessen  höhere  Ab- 
schnitte zu  erreichen.  Die  Wasserscheide  zwischen  Erie-See  und  Ohio  ist  nur 
eine  Aufwölbung  des  Bodens.  N.  davon  sinkt  das  Land  allmählich  zum  Erie- 
See  ab,  während  der  s.  Theil  von  tiefen  Thälern  durchfurcht  ist.  Flüsse:  De^ 
Ohio  bildet  die  ganze  Südgrenze  des  Staates  und  ist  auf  dieser  ganzen  Strecke 
schiffbar.  Seine  wichtigsten  Nebenflüsse  sind  Muskingum,  Scioto,  Great  und 
Little  Miami.  Unter  den  Zuflüssen  des  Erie-Sees  sind  bemerkenswerth  Maumee 
und  Cuyahoga.  Klima:  Mittelwärme  10"  in  den  n.  und  12*^  in  den  s.  Theilen. 
Niederschläge  1000  — 1100.  Wald  28,4  Proc.  Landwirthschaft :  0.  gehört  in 
die  erste  Linie  der  Getreidestaaten.  Sein  Boden  ist  fruchtbar  in  der  ganzen 
Ausdehnung  des  Staates;  die  unfruchtbaren  Strecken  sind  gering,  während  die 
Bottomländer  des  Ohio  und  seiner  Nebenflüsse  zu  den  fruchtbarsten  Gegenden 
der  V.  St.  gehören.  Ernte  von  1877  (in  1000 B.):  Mais  97000,  Hafer  28500, 
Weizen  26000,  Kartoffeln  11300,  Roggen  475,  Gerste  39,  Heu  2100000  T., 
Werth  101  Mill.  D.  Viehstand  1877  .  (in  1000) :  Rinder  1474,  Schafe  3783 
Schweine  2250,  Pferde  und  Maulthiere  792;  Werth  113  Mill.  D.  1870  waren 
56  Proc.  des  Staates  unter  Cultur  und  der  AVerth  aller  landwirthschaftlichen 
Erzeugnisse  betrug  198  Mill.  D.  Ausser  dem  Getreide  sind  Rinder  und  Schweine, 
Wolle,  Butter  und  Käse,  sowie  Tabak  und  Obst  unter  denselben  hervorzuheben. 
Mineralschätze:  Kohle  und  Eisen  (s.o.  S.  324,  325,  331)  stehen  in  erster  Linie. 
0.  erzeugte  1875  4,8  Mill.  T.  Kohle  und  18  Proc.  des  Roheisens  der  V.  St. 
Ausserdem  Salz,  Erdöl,  Mühlsteine.  Gewerbe:  In  0.  sind  alle  Zweige  der  Ge- 
werbthätigkeit  in  grossem  Aufschwung.  Von  1860  —  70  vervierfachte  sich  der 
Werth  ihrer  Erzeugnisse  (1870  270  Mill.  D.).  In  dem  letzten  Jahre  waren 
174000  Pferdekräfte  und  137000  Arbeiter  in  Thätigkeit.  Haupterzeugnisse: 
Eisen,  Mehl,  Salzfleisch,  Sägholz,  raff.  Erdöl,  Leder,  Branntwein.  Handel  und 
Verkehr:  0.  hatte  Anfang  1878  7805  Kil.  Eisenbahnen.  Die  Canäle  sind  gegen- 
wärtig alle  aufgelassen.  An  Segelschiffen  auf  den  Seen  besass  0.  1876  276,  an 
Dampfern  118  und  an  Flussdampfern  96,  zusammen  124000  T.  In  den  Zoll- 
bezirken Miami,  Sandusky  und  Cuyahoga  liefen  1876  65986  T.  in  Küstenfahrt 
und  127  960  T.  vom  Ausland  ein.  Cincinnati  und  Cleveland  gehören  zu  den 
bedeutendsten  Binnenhaudelsplätzen.  Finanzen  1878:  Steuerwerth  1575,  Schuld 
6,5,  Einnahmen  5,6,  Ausgaben  5,6  Mill.  D.  Schulen  1877 :  23  003  Lehrer ,  Be- 
such der  Volksschulen  62  Proc,  Zahl  der  Colleges  32  mit  5906  Schülern,  Schul- 
ausgaben 7,4  Mill.  D.  Bevölkerung:  68  Proc.  im  Staat  Geborene  und  14 Proc. 
Ausländer,  unter  den  letzteren  182889  Deutsche  und  82674  Irländer.  —  0. 
Avurde  als  Theil  des  sog.  NW.  -  Territoriums  1783  organisirt  und  1802  als 
Staat  aufgenommen.  Es  ist  gegenwärtig  mit  einer  Stimmenzahl  von  17  im  Con- 
gress  der  politisch  einflussreichste  unter  den  w.  Staaten.  In  abwechselnden  Jahren 
werden   die  Oberbeamten  (sammt   dem  Secretary  of  State)  für  2  Jahre  gewählt, 


Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  681 

für  ebensoviel  die  Senatoren  (36)  und  Repräsentanten  (105),  für  5  Jahre  die 
Richter.  Stimmberechtigt  ist  jeder  21  Jahre  alte  Bürger  der  V.  St.,  welcher 
1  Jahr  im  Staat  gelebt  hat. 

C  0 1  u  m  b  u  s ,  31  274  E. ,  Staatshauptstadt  und  Hauptort  von  Franklin  Cy., 
am  Scioto  R.,  Endpunkt  des  Central  Ohio-Zweiges  der  Baltimore  und  Ohio-,  der 
C. ,  Cincinnati  und  Indianapolis-  und  der  C.  und  Hocking  Valley- ,  Station  der 
Pittsburg,  Cincinnati  und  S.  Louis-Eisenbahn.  Canal  von  Cleveland  nach  Ports- 
mouth.  194  Kil.  n.ö.  von  Cincinnati.  1812  gegründet.  Ausser  dem  Staatscapitol 
ist  ein  Arsenal  der  Y.  St.,  Zuchthaus,  Irrenhaus  u.  a  Staatsanstalten  bemerkens- 
werth.  Eisenindustrie,  Getreide-,  Woll-  und  Viehhandel.  Mehrere  höhere  Schulen. 
18  Zeitungen,  darunter  1  deutsche.  Cincinnati,  216239  E.  (1870),  Hauptstadt 
des  Ohio-Gebietes  und  Ilauptort  von  Hamilton  Cy.,  in  der  Mitte  des  schiffbaren 
Abschnittes  des  Ohio,  745  Kil.  unterhalb  Pittsburg  und  800  Kil.  oberhalb  Cairo 
111.  gelegen.  1788  gegründet,  1819  zur  Stadt  erhoben,  1840  mit  der  ersten 
Eisenbahn  versehen,  ist  es  rasch  zu  einer  der  drei  Hauptstädte  des  W.  heran- 
gewachsen, aber  in  den  letzten  Jahrzehnten  von  Chicago  und  S.  Louis  überflügelt. 
Seine  Lage  ist  nicht  die  unbedingt  herrschende  wie  dieser  beiden.  Dass  es 
hinter  S.  Louis  und  Chicago  zurücksteht,  wird  schon  durch  die  minder 
grosse  Verkehrsbedeutung  des  Stromes  bedingt,  an  dem  es  liegt,  und  durch 
seine  grössere  Entfernung  von  den  Thoren  des  Weltverkehrs  in  dieser 
Region  —  Hudson,  Lorenzstrom,  Mississippi.  Aber  er  liegt  selbst  für  die  Ohio- 
Schiffahrt  nicht  so  günstig  wie  das  weiter  flussabwärts  gelegene  Louisville,  das 
den  Endpunkt  der  unersch werten  Grossschiffahrt  bezeichnet,  und  andererseits 
steht  seine  industrielle  Zukunft  hinter  der  des  höher  am  Flusse  und  am  Endpunkte 
der  Ohio-Schiffahrt  überhaupt  gelegenen  Pittsburg  zurück,  das  mitten  in  die 
ausserordentlich  reiche  Kohlen-  und  Eisenregion  von  Pensylvanien  aufs  günstigste 
hineingepflanzt  ist  und  die  Radien  seines  Einflusses  fast  in  gleichen  Entfernungen 
nach  New  York,  Philadelphia,  Baltimore  im  0.,  Buffalo,  Cleveland,  Detroit  im  N., 
Cincinnati,  Indianapolis,  Chicago  im  W.  aussendet.  Cinc.  hat  daher  nicht  die 
Aussicht  auf  die  beherrschende  Stellung,  die  den  beiden  anderen  Grosstädten 
des  W.  gewiss  ist.  Es  muss  sich  mit  einem  bescheideneren  Range  begnügen 
und  sich  die  Wettbewerbung  jüngerer,  kleinerer  und  minder  berühmter  Städte 
gefallen  lassen,  die  ihrerseits  daran  denken  dürfen,  sich  dereinst  mit  der  ge- 
wesenen Hauptstadt  des  W.  auf  gleichen  Fuss  zu  stellen.  Die  Gründe  der 
raschen  Entwickelung  und  einst  so  grossen  Bedeutung  von  Cinc.  sind  zunächst 
in  der  Rolle  zu  suchen,  die  dem  oberen  und  mittleren  Ohio  in  der  Besiedelung 
des  W.  zugewiesen  war,  und  dann  in  der  Geschichte  dieser  Besiedelung  selber. 
Man  begreift,  wie  dieses  frühere  Wachsthum  des  mittleren  Ohio- Gebietes  auch 
der  Hauptstadt  desselben  eine  überwiegende  Bedeutung  geben  musste,  und  die 
beherrschende  Stellung,  zu  welcher  sicli  Cinc.  bis  zum  Eintritt  des  NW.  und 
des  oberen  Mississippi- Gebietes  in  die  grosse  Culturbewegung  Nord -Amerikas 
erhob,  ist  gewissermassen  nur  ein  Spiegelbild  der  Stellung,  welche  fast  in  der 
ganzen  ersten  Hälfte  unseres  Jahrhunderts  Ohio  unter  den  Staaten,  der  Ohio- 
Fluss  unter  den  Verkehrswegen,  die  Ohio-Strasse  unter  den  grossen  Einwanderer- 
wegen des  Landes  unbestritten  einnahmen.  Cinc.  hat  sich  in  den  letzten  Jahren 
viel  mehr  nach  S.  und  SW.  als  nach  0.  und  N.  hingewiesen  gesehen.  Die  Natur 
seiner  Lage  bestimmt  es  am  meisten  zu  einem  Mittelpunkt  des  cisalleghanischen 


682  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

Gebietes  s.  von  der  Seeregion  und  seine  Wege  an  den  Ocean  liegen  mehr  auf 
der  Seite  von  Baltimore,  Norfolk  und  Charleston  als  auf  der  von  New  York  und 
Philadelphia.  Dementsprechend  führen  auch  seine  wichtigsten  Eisenbahnver- 
bindungen nach  jenen  Plätzen.  Es  liegt  im  Knoten  von  14  Eisenbahnen,  ab- 
gesehen von  mehreren  schmalspurigen  Lokalbahnen,  die  es  mit  der  hügeligen 
Umgebung  verbinden.  Cinc.  liegt  in  einer  halbkreisförmigen  Einbuchtung  auf 
zwei  Thalterrassen,  12  und  32  m  über  dem  Flusse  und  ist  von  120  m  hohen,  steilen 
Thalwänden  umgeben,  die  von  lieblichen  Villen-Vorstädten  gekrönt  sind.  Die 
hervorragendsten  öffentlichen  Gebäude  sind  Court  House,  City  Hall,  Custom 
House,  City  Hospital.  Aber  die  Ohio-Hängebrücke  ist  wohl  das  hervorragendste 
unter  den  öffentlichen  Werken.  In  Fifth  Street  steht  die  monumentale  Davidson 
Fountain.  Unter  den  Parks  ist  Eden  Park  der  hervorragendste.  Unter  den 
höheren  Unterrichtsanstalten  sind  Cincinnati  College,  Medical  Coli,  of  0.,  Miami 
Medical  Coli.,  German  Catholic  Institute,  S.  Xavier  College  (Jesuiten)  u.  e.  a. 
72  Zeitungen  werden  hier  veröffentlicht.  In  der  Bevölkerung  ist  in  allen  Schichten 
das  deutsche  Element  stark  vertreten.  Dasselbe  hat  10  Kirchen  und  2  Tagblätter. 
Der  Handel  von  Cinc.  beschäftigt  sich  hauptsächlich  mit  dem  Vertrieb  der  Acker- 
bau- und  Viezucht-Erzeugnisse  des  Ohio-Gebietes,  sowie  mit  dem  der  Baumwolle, 
der  Kohle  und  des  Eisens,  dann  mit  der  Versorgung  der  Farmerbevölkerung 
des  W.  mit  Erzeugnissen  seiner  Gewerbthätigkeit  und  mit  Colonialwaaren.  p]s 
führte  1876  8,6  Mill.  B.  Getreide,  185376  Ballen  Baumwolle,  40,8  Mill.  Pfd. 
Schweinefleisch,  137  000  T.  Roheisen,  40  Mill.  B.  Kohlen  ein.  Zur  Ausfuhr 
kamen  3,6  Mill.  B.  Getreide  (hauptsächlich  Älais),  59103  Hogsh.  Tabak,  Baumwolle 
172000  Ballen,  Wolle  11  800  Ballen,  Leder  41000  Rollen.  Der  Umsatz  in  Eisen 
betrug  3,5  Mill.  D.  Die  grosse  Industrie  des  Pork-Packing  verarbeitete  1876/77 
505000  Schweine  und  steht  Cinc.  in  dieser  Beziehung  nur  hinter  Chicago  zurück. 
An  Vieh  kamen  zur  Ausfuhr  98000  Rinder  und  278000  Schafe.  Die  Gewerbe, 
welche  im  Grossen  betrieben  werden,  beschäftigten  1875  62218  Arbeiter  und 
erzeugten  146  Mill.  Werthe.  Am  stärksten  vertreten  sind  die  Brauereien  und 
Brennereien,  Eisen-,  Holz-  und  Lederindustrie,  Seifen-  und  Lichterfabrikation. 
Den  Flussverkehr  erschweren  zeitweilig  Seichtigkeit  des  Wassers  und  Treibeis. 
Derselbe  wurde  (1876)  von  316  Dampfern  mit  '78441  T.  besorgt.  —  Am  Ohio: 
Portsmouth,  10592  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Scioto  Cy.,  am  Einfluss  des 
Scioto  in  den  0.,  an  der  Eisenbahn  und  dem  Ohio-Erie-Canal.  Starke  Industrie 
in  Eisen-  und  Holzwaaren,  4  Banken,  6  Zeitungen.  Marietta,  5218  E, ,  an 
der  Mündung  des  Muskingum  in  den  0.  Eisenbahn.  Gewerbthätig.  4  Zeitungen. 
Belpre,  911  E.,  zunächst  bei  Marietta,  gegenüber  Parkersburg.  Steubenville, 
8107  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Jefferson  Cy.  Eisenbahnkreuzung.  Starker 
Handel  und  Verkehr,  Kohlenlager  in  der  Nähe.  Academy,  Frauenseminar. 
4  Zeitungen.  Pomeroy,  5842  E.,  Hauptort  von  Meigs  Cy  ,  Kohlen-  und  Salz- 
werke in  der  Umgebung.  Ironton,  5686  E.,  Hauptort  von  Lawrence  Cy., 
235  Kil.  oberhalb  Cinc,  Mittelpunkt  eines  Hochofendistriktes.  —  Am  Erie-See: 
Cleveland,  92829  E.,  an  der  Einmündung  der  Cuyahoga,  290  Kil.  von  Buft'alo, 
an  der  Lake  Shore  und  Michigan  Southern,  Endpunkt  melirerer  P^isenbahnen  und 
des  Ohio-Erie-Canals.  Auf  einer  Ebene  25  —  30  m  über  dem  See  gelegen,  ist  C. 
eine  der  schönsten  Städte  der  V.  St. ,  mit  regelmässigen ,  schattigen  Strassen. 
Guschäftsstrassen :   River  und  Merwin  Street.    Denkmal  des   Commodore  Perry. 


Fünfte  Gnippp.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  683 

C.  hat  starken  Handel  und  Verkehr,  vorzüglich  als  Tauschplatz  der  Erzeugnisse 
des  W.  mit  denen  des  0.  Schiffsverkehr  1877  141000  T.  Industrie  stark 
in  Eisengiessereien,  Walzwerken,  Steinölreinignng,  Schweine -Schlächtereien. 
5  Tagblätter  (1  deutsches).  Sandusky,  13000  E.,  au  der  gleichnamigen  Bucht 
des  Erie-Sees.  3  P^isenhahnen  laufen  hier  zusammen.  Der  Hafen  ist  vortreff- 
lich. Schiffsverkehr  1877  14300  T.  7  Zeitungen.  Toledo,  31584  E.,  6  Kil. 
vom  Erie-See  am  Maumee  R.,  der  sich  hier  zu  einem  Aestuar  erweitert,  welches 
einen  trefflichen  Hafen  bildet.  Die  (jetzt  meist  verkehrslosen)  Canäle  Wabash 
und  Erle  und  T.  ujul  Wabash  münden  hier  aus,  ebenso  mehrere  Eisenbahnen. 
Eine  Insel  von  öO  A.  oberhalb  der  Stadt  ist  Verkehrsmittelpunkt.  Schiffsverkehr 
1877  39000  T.  4  Banken.  16  Zeitungen.  —  Im  Inneren:  Tiffin,  5648  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Seneca  Cy.,  am  Sandusky  R.  Eisenbahn.  Inmitten  eines 
reichen  Ackerbaubezirkes.  Ken  ton,  i?610  E.,  am  Scioto,  Hauptort  von  Hardin 
Cy.  Eisenbahn.  2  Zeitungen.  Springfield,  12652  E.,  am  Zusammenfluss 
des  Mad  und  Lagonda  R. ,  Hauptort  von  Clark  Cy.,  Knotenpunkt  einiger 
Eisenbahnen.  Grosse  Wasserkräfte  in  beiden  Flüssen.  Mühlen,  Fabriken  von 
Ackerbaugeräthen.  7  Zeitungen,  Mansfield,  8029  E.,  Hauptort  von  Rich- 
land  Cy.,  am  Zusammentreffen  von  3  Eisenbahnen.  In  reichem  Ackerbaugebiet. 
3  Zeitungen.  C  an  ton,  8660  E.,  Hauptort  von  Stark  Cy. ,  an  Pittsburg,  Ft. 
Wayne  und  Chicago-Eisenbahn.  In  der  Weizenregion.  Mühlenindustrie.  3  Zei- 
tungen. Plamilton,  11081  E.,  am  Miami  und  der  Cincinnati  und  Richmoud- 
Eisenbahn,  Hauptort  von  Butler  Cy.  Industriell.  4  Zeitungen.  Dayton, 
30473  E.,  am  Zusammenfinss  des  Great  JNIiami  und  Mad  R.,  am  Miami- Canal. 
7  Eisenbahnen  treffen  hier  zusammen,  u.  a.  Cincinnati,  Sandusky  und  Cleveland. 
Atlantic  und  Great  Western,  Pittsburg,  Cincinnati  und  S.Louis.  95  Kil.  von 
Cincinnati.  Die  starke  Wasserkraft  des  Mad  R.  machen  D.  zu  einem  sehr  ge- 
werbreichen  Platz  (Maschinen,  Ackerbauwerkzeuge,  Mehl,  Eisenguss,  Papier). 
16  Zeitungen.  Piqua,  5976  E,  am  Miami,  Miami-Erie-Canal,  Pittsburg,  Cincinnati 
und  S.  Louis-  und  Cincinnati -Dayton -Eisenbahn.  2  Zeitungen.  Zanesville, 
10011  Fi.,  am  schiffbaren  Muskingum  R.  und  der  Eisenbahn.  Hauptort  von  Muskin- 
gum  Cy. ,  Walzwerke,  Glas-  und  Wollfabriken,  Maschinenfabriken.  7  Zeitungen. 
Circleville,  5407  E.,  105  Kil.  von  Zanesville,  am  Scioto  R.,  Ohio-Erie-Canal, 
Cinc.  und  Zanesville-Eisenbahn.  3  Zeitungen.  Chillicothe,  8920  E.,  am  Scioto  R. 
und  der  Eisenbahn,  Hauptort  von  Ross  Cy.  Reiche  Kohlen-  und  Eisenlager  in 
der  Nähe.  4  Zeitungen.  Akren,  10006  E,  in  der  Nähe  des  Cuyahoga  R.,  am 
Erie-Ohio-Canal,  in  den  hier  der  Pennsylvania  und  Ohio-Canal  mündet,  und  an 
der  Eisenbahn.  60  Kil.  von  Cleveland.  Mühlen,  WoU-  und  Maschinenfabriken. 
3  Zeitungen.  Xenia,  <i377  E.,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.,  in  Eisenbahn- 
verbindung mit  Springfield  und  Dayton.  2  Zeitungen.  Youngstown,  8075  E., 
am  Mahoning  R.  3  Eisenbahnen.  105  Kil,  nw.  von  Pittsburg.  Mittelpunkt  des 
Blockkohlenbezirkes.  Eisenindustrie.  3  Zeitungen.  Newark,  6698  E. ,  am 
Licking  R. ,  und  Ohio-Erie-Canal.  Eisenbahnkreuzuiig.  Kohlen-,  Getreide-  und 
Viehhandel.  2  Zeitungen.  Delaware,  5641  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  D.  Cy., 
am  Olentangy  R.,  in  Eisenbahnverbindung  mit  Springfield  und  Cincinnati.  Eine  ' 
Wesleyan  University  und  W.  Female  College.  Heilquellen.  4  Zeitungen.  Mas- 
sillon,  5185  E.,  am  Tuscarawas,  Ohio-Canal  und  Eisenbahn.  Im  Kohlen-  und 
Eisendistrikt.     2  Zeitungen.     Wooster,  5419  E.,  Hauptort  von  Wayne  Cy.,  am 


684  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

Kilbuck  Creek  und  der  Eisenbahn,  38  Kil.   von  Massillon.     Gewerbthätig  durch 
die  Nähe  der  Kohlen-  und  Eisenlager, 

XXVII.  Indiana  (Ind.),  1590  d.  Q.M.  (33809  e.),  1680  637  E.  Grenzen: 
Michigan-See  und  Staat  Michigan  im  N.,  Kentucky  im  S.,  Ohio  im  0.  und  Illinois 
im  W.  Die  Bodengestaltung  ist  ähnlich  wie  in  Ohio:  auf  der  einen  Seite  Ab- 
fall nach  der  S"eeregion,  auf  der  anderen  nach  dem  Ohio-Thal,  beide  sehr  sanft 
und  vermittelt;  ein  noch  allmählicherer  Abfall  findet  von  0.  nach  W.  gegen 
den  Mississippi  zu  statt.  Die  höchsten  Theile  des  Staates  liegen  im  0.  und 
erreichen  nicht  300  m.  V^  der  Oberfläche  sind  fast  flach  oder  leichtwellig,  der 
Rest  ist  in  {geringem  Masse  hügelig.  Die  grössten  Gegensätze  in  der  ßoden- 
gestaltung  werden  nur  von  den  Flüssen  erzeugt,  welche  in  tiefen  Thälern  fliessen. 
Als  River  Hills  bilden  die  steilen  Abhänge  dieser  Thäler  den  schärfsten  Zug 
in  der  Bodengestaltung  des  Staates.  Seiner  Bewässerung  nach  gehört  Ind.  zum 
grösseren  Theile  dem  Ohio -Mississippi,  zum  geringeren  den  Grossen  Seen  an; 
die  Wasserscheide  zwischen  beiden  ist  flach  wie  in  Ohio.  Zum  Michigan-See 
fliessen  S.  Joseph  und  Kalumet;  Ohio,  der  in  der  Länge  von  640  Kil.  die 
Südgrenze  bildet,  empfängt  den  Hauptfluss  von  Ind.,  den  Wabash,  der  seiner- 
seits Eel,  Tippecanoe,  Salamanie  u.  a.  aufnimmt.  Klima:  Mittel  wärme  12  — 14"  C, 
starke  Extreme  zwischen  Winter  und  Sommer.  Regenfall  1000 — 1100  mm.  Ind. 
gehört  dem  Uebergang  vom  Wald-  zum  Präriengebiet  an.  Sein  Waldland  beträgt 
35  Proc.  und  ist  in  rascher  Lichtung  begriffen.  Die  Wälder  bestehen  fast  aus- 
schliesslich aus  Laubholz  und  dünnen  sich  nach  W.  hin  stark  aus,  wo  bereits 
grössere  Prärien  auftreten.  Für  den  Ackerbau  ist  der  Boden  fast  durchaus  ergiebig. 
Die  Thalgründe  (Bottoms)  des  Ohio  und  Wabash  gehören  zu  den  reichsten  Böden 
des  Landes.  Ind.  ist  zur  Hälfte  völlig  angebaut  und  gehört  zu  den  mais-,  weizen-  und 
rinderreichsten  Staaten.  Ernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  96000,  Weizen  24600, 
Hafer  13  750,  Roggen  540;  Werth  64  Mill.  D.  Viehstand  1877  (in  1000): 
1196  Rinder,  1092  Schafe,  2422  Schweine,  732  Pferde  und  Maulthiere;  Werth 
78  Mill.D.  Gesammtwerth  der  landwirthschaftlichen  Erzeugnisse  (1870)  123  Mill.  D. 
Ind.  hat  einen  Antheil  des  Illinoiskohlenbeckens.  Die  Eisenerzeugung  betrug 
1875  nicht  1  Proc,  der  gesammten.  Von  den  Gewerbserzeugnissen  sind  die 
wichtigsten  Mehl,  Sägholz,  Salzfleisch,  Wollwaaren.  Gesammtwerth  in  1870 
42  Mill.  D.  In  demselben  Jahre  waren  2881  Dampfmaschinen  und  59000  Arbeiter 
in  den  Gewerben  beschäftigt.  Bevölkerung  (1870)  1680637,  wovon  14  Proc. 
farbig,  62  Proc.  im  Staat  und  9  Proc.  im  Ausland  geboren.  Unter  letzteren 
78056  Deutsche  und  28698  Iren.  Eisenbahnen  (1878)  6500  Kil.  1877  gab 
es  55  Flussdampfer  mit  6510  T.  An  der  Rhederei  auf  den  Grossen  Seen  hatte 
Ind.  keinen  unmittelbaren  Theil.  Die  Canäle  sind  gegenwärtig  alle  aufgelassen. 
Finanzen  1.  Nov.  1878:  Einnahmen  1,86,  Ausgaben  1,49,  Schuld  4,99,  Steuer- 
werth  640,  Schulausgaben  4,67  Mill.  D.  Ende  1877  gab  es  9476  Volksschulen, 
die  von  57  Proc.  der  schulfähigen  Jugend  besucht  wurden,  und  17  Colleges  mit 
1976  Schülern.  Ind.  bildete  einen  Theil  des  NW,-Territoriums  und  wurde 
1816  in  den  Bund  aufgenommen.  Von  1810  —  20  wuchs  seine  Bevölkerung 
von  24000  auf  147000.  Governor  und  Lieut.  Governor  werden  für  4,  die  anderen 
Oberbeamten  und  die  Glieder  der  Gesetzgebung  für  2  Jahre  gewählt,  die 
Richter  für  4,  6  und  7  Jahre.  Die  Gesetzgebung  (Senat  50,  Repräsentanten  98.) 
tritt  alle   2   Jahre  zusammen.     In  den  Congress  sendet  Ind.  11  Repräsentanten. 


Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-  und  Oliiobeckens.  685 

Indianapolis,  48244  E. ,  Hauptstadt  des  Staates  und  Hauptort  von 
Marion  Cy.,  am  W.  Fork  des  White  R.  10  Eisenbahnen  laufen  hier  zusammen. 
Die  Hauptverhindungen  gehen  nach  Chicago,  S.  Louis,  Ciucinnati,  Columbus  0. 
und  Cleveland  0.  Die  Stadt  liegt  in  einer  weiten,  fruchtbaren  Ebene,  wurde  1819 
gegründet,  1825  zum  Hauptort  von  Ind.  und  1836  zur  Stadt  gemacht.  Haupt- 
erwerbszweige:  Handel  mit  den  Landesprodukten,  Pork  -  Packing,  Fabrikation 
von  Bedarfsartikeln  für  die  grosse  Farmerbevölkerung  der  Umgebungen. 
Von  den  öffentlichen  Anstalten  sind  Rathhaus,  Irrenhaus,  Taubstummen- 
und  Blindenanstalt,  NW.  Christian  University  u.  a.  bemerkenswerth.  Ueber 
60  Kirchen.  Grossartiger  Bahnhof  (Union  R.  R.  Depot).  2  Kil.  von  der  Stadt  ein 
Y.  St. -Arsenal.  34  Zeitungen.  —  Am  Ohio:  Laurenceburg,  3153 E.,  Hauptort 
der  Dearborn  Cy.,  Endpunkt  des  White  Water  -  Canals,  an  2  Eisenbahnen. 
Grosse  Wasserkraft,  die  besonders  in  Holzindustrie  Verwendung  findet.  2  Zeit- 
ungen.    Vevay,  1200  E.,  Dorf  und   Hauptort  von  Switzerland  Cy.    Heumarkt. 

2  Zeitungen.  Madison,  10709  E.,  halbwegs  zwischen  Cinciunati  und  Louisville, 
Endpunkt  der  Jeffersonville  -  M.  -  Indianapolis-Eisenbahn.    Schiffahrt  und  Handel. 

3  Zeitungen.  NewAlbany,  15396  E.,  Hauptort  von  FloydCy. ,  an  derselben 
Eisenbahn  wie  Madison,  ausserdem  an  Louisville  -  N.  A.- Chicago -Eisenbahn. 
Schiffahrt  und  Handel.  3  Zeitungen.  Jeffersonville,  7254  E. ,  gegenüber 
Louisville ,  60  Kil.  unterhalb  Madison ,  Endpunkt  von  3  Eisenbahnen ,  Sitz  des 
Staatsgefängnisses  von  Indiana,  Lokomotiv-Werkstätte.  Gewerbthätig.  1  Zeitung. 
Evansville,  21830  E. ,  Hauptort  von  Vanderburg  Cy.  E. - Crawfordsville- 
und  S.  Louis-Southeastern-Eisenbahn  treffen  hier  zusammen.  Hauptpunkt  des 
sw.  Indiana  für  den  Handel  mit  Getreide  und  Viehzuchterzeugnissen.  Gewerb- 
thätig. 9  Zeitungen,  2  Tagblätter.  —  AmWabashR.:  La  Fayette,  13506  E, 
P^isenbahnkreuzung,  Hauptort  von  Tippecanoe  Cy.  7>Zeitungen.  Terre  Haute, 
16 103  E.,  Hauptort  von  Vigo  Cy.,  am  Wabash-Erie-Canal  und  beim  Zusammen- 
treffen von  4  Eisenbahnen  Grosse  Kohlenlager  in  der  Nachbarschaft,  frucht- 
bare Umgebungen.  9  Zeitungen.  V  i  n  c  e  n  n  e  s ,  5440  E.,  Hauptort  von  Knox  Cy., 
am  Rande  einer  fruchtbaren  Prärie-Region  gelegen,  Kreuzuugspunkt  der  Evansville- 
Crawfordsville-  und  der  Indianapolis -V.- Eisenbahn,  82  Kil.  oberhalb  Evansville. 
Aelteste  Ansiedelung  des  Staates,  17.35  von  französischen  Canadiern  gegründet, 
bis  1813  Hauptort  des  Territoriums.  Dampfschiffahrt  auf  dem  Wabash  reicht 
bis  hierher.  Beträchtlicher  Handel  mit  Landesprodukten.  6  Zeitungen.  New 
Harmony,  836  E.,  37  Kil,  von  Evansville,  von  den  Rappisten  gegründet.  — 
In  der  n.  Hälfte  des  Staates:  Michigan  City,  3985  E.,  am  Michigan-See,  2 
Eisenbahnen.  Starker  Handel,  besonders  in  Holz.  1877  liefen  hier  11847  T. 
ein,  56  Kil.  von  Chicago.  1  Zeitung.  South  Bend,  7206  E.,  Hauptort  von 
S.  Joseph  Cy.,  am  S.  Joseph  R. ,  136  Kil.  s.  ö.  von  Chicago ,  Endpunkt  der  Pen- 
insular-Eisenbahn  und  der  Schiffbarkeit  des  Flusses,  reiche  Wasserkräfte.  Notre 
Dame  College.  3  Zeitungen.  Kendallville,  2164  E.,  Eisenbahnkreuzung  am  Elkhart 
R.  45  Kil.  vonFt.  Wayne.  1  Zeitung.  La  Porte,  6581  E.,  Stadt  und  Hauptort  von 
La.  Porte  Cy.  Eisenbahnkreuzung.  Am  Rande  einer  sehr  fruchtbaren  Prärie. 
Ind.  Medical  College.  3  Zeitungen.  Elkhart,  3265  E. ,  Dorf,  Eiseubahn- 
kreuzuug.  Papier-  u.a.  Fabriken.  3  Zeitungen.  Goshen,  3133  E.,  Stadt  und 
Hauptort  von  Elkhart  Cy.,  am  Elkhart  R.,  Wasserkräfte,  Säg-  u.  a  Mühlen. 
2  Zeitungen.   W  a  t  e  r  1  o  o ,  1259  E,,  Dorf  und  Hauptort  von  De  Kalb  Cy.   Eisenbahn- 


686  Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

kreuzung.  1  Zeitung.  —  An  der  Pittsburg -Ft.  Wayne- Chicago -Eisenbahn:  Fort 
Wayne,  17718  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Allen  Cy.,  am  Zusammentiuss  des 
S.  Mary's  und  S.  Joseph  R.  zum  Maumee  R. .  3  Eisenbahnen,  am  Wabash-Erie- 
Canal.  Einer  der  wichtigsten  Knotenpunkte  der  w.  Eisenbahnnetze,  starker 
Verkehr.  9  Zeitungen.  Valparaiso,  2765  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Porter  Cy. 
Papier-  und  Wollfabriken.  86  Kil.  so.  von  Chicago.  Plymouth,  2482  E, 
Dorf,  Hauptort  von  Marshall  Cy. ,  am  Yellow  R.  Eisenbahnkreuzung.  Durch 
Lage  in  wohlbewaldeter  Gegend  starker  Holzhandel  und  Holzindustrie.  — 
An  der  Toledo  -  Wabash  -  Western  -  Eisenbahn  :  Wabash,  2881  E.,  Dorf 
und  Hauptort  von  Wabash  Cy. ,  am  Wabash  R.  und  Wabash -Erie-Canal. 
Eisenbahnkreuzung.  20  Kil.  von  Peru,  3617  E.,  Dorf  und  Hauptort  von 
Miami  Cy.,  am  Wabash  R.  und  Wabash-Erie-Canal.  Eisenbahnkreuzung.  25  Kil. 
ö.  von  Logansport,  8950  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Cass.  Cy.  am 
Wabash  R.  Wichtiger  Eisenbahn -Knotenpunkt.  112  Kil.  nw.  von  Indianapolis. 
Wasserkraft.  Starke  Versendung  von  Landesprodukten.  Grosse  Eisenbahn- 
werkstätte. 5  Zeitungen.  —  In  der  Südhälfte  des  Staates.  An  der  Cleveland- 
Columbus- Cincinnati- Indianapolis -Eisenbahn:  Muncie,  2992  E. ,  Dorf  und 
Hauptort  von  Delaware  Cy.  Eisenbahnkreuzung.  4  Zeitungen.  Anderson, 
3126  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Madison  Cy.,  57  Kil.  n.ö.  von  Indianapolis ,  am 
AVliite  R.  Eisenbahnkreuzung.  3  Zeitungen.  —  An  der  Pittsburg -Cincinnati- 
S.  Louis  -  Eisenbahn  :  R  i  c  h  m  o  n  d ,  9445  E. ,  Stadt  in  Wayne  Cy. ,  am  White 
Water  R.,  am  Zusammentreffen  von  5  Eisenbahnen.  Gewerbthätig.  7  Zeitungen. 
Ebenfalls  am  White  Water  R.  Conners ville,  2498  E.,  Stadt  in  Fayette  Cy. 
Eisenbahnkreuzung.  Wollfabriken.  Fruchtbare  Uoigebung  2  Zeitungen. — Ander 
Jeffersonville-Madison-Indianapolis-Eisenbahn:  Columbus,  3359  E.,  Dorf  und 
Hauptoft  von  Bartholomew  Cy. ,  an  der  Mündung  des  Fiat  Rock  Creek  in  den 
Blue  R.,  66  Kil.  s.o.  von  Indianapolis.  Wollfabriken ,  Gerbereien.  2  Zeitungen. 
Seymour,  2372  E. ,  Dorf  in  Jackson  Cy.  Eisenbahnkreuzung.  85  Kil.  n.  von 
Louisville.  Gewerbthätig.  3  Zeitungen.  Shelbyville,  2731  E. ,  Stadt  und 
Hauptort  von  Shelby  Cy.,  am  Big  Blue  R.  Eisenbahnkreuzung.  2  Zeitungen. 
Franklin  City,  2709  E.,  Eisenbahnkreuzung.  Fr.  College.  2  Zeitungen.  — An 
der  Louisville-New-Albany-Chicago-Eisenbahn:  Crawfords  ville,  3701  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Montgomery  Cy.  Fruchtbare  Umgebung.  Wabash 
College.  3  .  Zeitungen.  Green  castle,  Stadt  und  Hauptort  von  Putnam  Cy., 
an  der  Walnut  Fork  des  Eel  R.  Eisenbahnkreuzung.  62  Kil.  sav.  von  Indianapolis 
auf  fruchtbarem  Tafelland  gelegen. 

XXVIII.  TIHnois  (111.),  2606  d.  Q.M.  (55410  e.),  2539831  E.  (1870).  Zwischen 
Wisconsin  im  N.,  Kentucky  im  S.,  dem  Michigan-See  und  Indiana  im  0.,  Iowa 
und  Missouri  im  W.  gelegen,  ist  111.  einer  der  centralsten  Staaten  und  bildet 
den  Uebergang  sowohl  nach  S.  als  W.  aus  dem  Seengebiet  nach  dem  des 
Mississippi,  Noch  mehr  als  Indiana  ist  111.  seiner  Bodenbeschaffenheit  nach 
gleichförmig.  Kein  Punkt  geht  über  250  m  Höhe  hinaus,  der  niederste  überragt 
um  wenig  100m.  Alles  ist  Tiefland,  die  wellige  Oberfläche  wiegt  überall  vor, 
wo  nicht  die  Flüsse  ihre  Thäler  eingegraben  haben.  Nur  in  den  n.  Theil  ragt 
ein  Ausläufer  der  Felsplatte,  die  Wisconsin  durchzieht.  Die  Gewässer  von  111. 
gehen  fast  alle  zum  Mississippi,  da  die  Wasserscheide  zwischen  diesem  und 
den  Grossen  Seen  hier  sehr  nahe  an  den  Michigan-See  herantritt.    Der  grösste 


Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  687 

Fluss  •  ist  der  Illinois ,  der  oberhalb  Alton  in  den  Mississippi  mündet.  Von 
Wisconsin  her  durchfiiesst  Rock  R.  den  Staat,  um  sich  in  den  Mississippi 
zu  ergiessen.  Demselben  fliesst  auch  der  Kaskaskia  zu.  Ohio,  der  die  s.  Grenze 
bildet,  ebenso  wie  der  Mississippi  die  w. ,  empfängt  aus  111.  keinen  grösseren 
Zufluss.  Der  Wabash  empfängt  Little  Wabash,  Embarras  und  Rig  Vermillion. 
Das  Klima  ist  bereits  extrem.  In  der  Mittelwärme  ist  ein  grosser  Unterschied 
zwischen  N.  und  S.  des  Staates.  Chicago  hat  8,  Huntsville  15^*  C.  Unterschied 
zwischen  mittlerer  Sommer-  und  Wintertemperatur  schwankt  zwischen  19  und 
26  ®C.  Regenmenge  900 — 1060  mm.  Die  Prärie  überwiegt  bereits  stark  den 
Wald,  welcher  nur  17  Proc.  des  Bodens  bedeckt.  Es  gibt  ganze  Grafschaften 
mit  nicht  mehr  als  1  Proc.  Wald.  Dieser  ist  fast  ausschliesslich  Laubwald.  Die 
sog.  Grande  Prairie ,  eine  8  —  30  Kil.  breite  Reihe  von  Prärien,  zieht  auf  der 
Wasserscheide  zwischen  Wabash  und  Mississippi  fast  durch  den  ganzen  Staat. 
Der  Boden  ist  für  Ackerbau  trefflich  geeignet.  Man  nennt  111.  den  frucht- 
barsten Staat  der  Union  und  seine  Ernten  scheinen  dieses  Lob  zu  bestätigen. 
Fast  überall  findet  man  tiefgründigen  Moder-  oder  Lehmboden.  Am  reichsten 
sind  auch  hier  die  Thalniederungen  oder  Bottoms.  Der  American  Bottom, 
welcher  450e.  Q.M.  gross  am  Mississippi  hinzieht,  gilt  für  ein  Wunder  von 
Fruchtbarkeit.  Zugleich  erleichtert  die  gleichförmige  Bodengestalt  den  Anbau, 
wie  die  günstige  Lage  den  Vertrieb  begünstigt.  Schon  1870  war  über  die  Hälfte 
des  Staates  angebaut.  Getreideernte  1877  (in  1000  B.) .  Mars  260000,  Hafer 
59  200,  Weizen  33000,  Roggen  2844,  Gerste  2760;  Werth  126  Mill.  D.  Vieh- 
stand 1877  (in  1000):  Rinder  1962,  Schafe  1258,  Schweine  2000,  Pferde  und 
Maulthiere  1230;  Werth  136  Mill.  D.  Unter  den  Mineralschätzen  sind  nennens- 
wertli  die  Kohlen,  welche  den  Theil  des  Staates  einnehmen,  der  s.  vom  Rock  R. 
gelegen  (s.  o.  S.  332),  und  das  Blei,  das  in  Davis  Cy.  in  reichen  Lagern  auftritt. 
An  Gewerbthätigkeit  steht  111.  unter  den  Staaten  des  W.  mit  in  erster  Reihe. 
1870  waren  2330  Dampfmaschinen  und  83000  Arbeiter  in  Thätigkeit  und  der 
Werth  der  Erzeugnisse  betrug  206  Mill.  D.,  wovon  Chicago  fast  die  Hälfte  in 
Anspruoh  nahm.  Mehl,  Salzfleisch,  Sägholz,  Branntwein,  Ackergeräthe  sind  die 
Haupterzeugnisse.  Eisenbahnen  hatte  111.  (1878)  11 830  Kil. ,  mehr  als  irgend 
ein  anderer  Staat  der  Union.  Chicago  ist  der  grösste  Eisenbahn -Knotenpunkt 
des  Landes.  111.  hat  (1877)  auf  den  Seen  322  Segel-  und  100  Dampfschifi'e  mit 
88000  T.  und  auf  seinen  Flüssen  44  Dampfschiffe  mit  6670  T.  Im  Zollbezirk 
Chicago  liefen  1877  ein  in  Küstenfahrt  3629,  vom  Ausland  30618  T.  —  Die 
Bevölkerung  von  2539891,  die  seit  1850  sich  verdreifacht  hatte,  uraschloss  1870 
1,1  Proc.  Farbige,  47  Proc.  im  Staat  und  20  Proc.  im  Ausland  Geborene, 
unter  den  letzteren  203  758  Deutsche,  120162  Iren,  69599  Engländer  und 
Schotten,  29979  Schweden.  Finanzen  (1.  Okt.  1878):  Steuerwerth  862  Mill.  D., 
Einnahmen  3,3,  Ausgaben  3,2,  Schuld  0,5  Mill.  D.  Schulausgaben  7,4  Mill.  D 
70  Proc.  der  Jugend  besucht  die  Schulen.  Es  gibt  28  Colleges  mit  5077  Schülern. 
Im  Staate  erscheinen  627  Zeitungen.  —  111.  kam  1763  von  Frankreich  an 
Grossbritannien  und  wurde  1784  und  86  von  Virginien  und  Connecticut  an 
die  Union  abgetreten.  Als  Staat  zugelassen  1818.  Die  Oberbeamten  werden 
für  4,  ebenso  die  Senatoren  (51),  die  Repräsentanten  (153),  für  2  Jahre 
gewählt.     Die  Gesetzgebung  tritt  alle  2  Jahre  zusammen.     Das  Wahlrecht  wird 


688  Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-   und  Ohiobeckens. 

von  jedem   21   Jahre   alten  Bürger  der  V.  St.   durch   1jährigen  Aufenthalt  im 
Staate  erworben.     In  den  Congress  sendet  111.  16  Repräsentanten. 

Springfield,  17364  E.,  Staatshauptstadt  und  Hauptort  von  Sangamon  Cy., 
am  Rand  einer  weiten,  fruchtbaren  Prärie,  5  KU.  von  Sangamon  R.  und  296  Kil. 
von  Chicago.  Maschinen-  und  Uhrenfabrikation.  5  Eisenbahnen  kreuzen  sich 
hier.  Hauptlinien:  Chicago  -  Alton  und  Toledo -Wabash -Western.  Ausser  dem 
Capitol  sind  das  Staats- Arsenal  und  das  ü.  S.  Custom  House  bemerkenswerthe 
öffentliche  Gebäude.  1822  gegründet.  10  Zeitungen.  —  Städte  am  Michigan- 
See:  Chicago,  298977  E.  (1870),  die  Grossstadt  des  NW.,  die  raschest  auf- 
geblühte aller  w.  Städte.  Die  Lage  von  Ch.  ist  nicht  so  auffallend  gross- 
artig wie  die  von  S.Louis,  aber  es  ist  nicht  möglich,  sie  zu  übersehen.  Die 
Lage  am  Ufer  einer  grossen,  verkehrfördernden  Wasserfläche  muss  jeder 
Ansiedelung  zu  gute  kommen ,  aber  Ch.  hat  den  besonderen  Vorzug,  dass  es 
an  einem  der  natürlichen  End-  und  Ausgangspunkte  der  Schiffahrt  gelegen  ist. 
ph.  ist  für  die  Seeregion  der  wichtigste  Sararael-  und  Umsatzpunkt.  Nur  im 
Lake  Superior  führt  eine  Wasserstrasse  noch  weiter  nach  W.  hinaus,  aber  dieselbe 
fällt  schon  zu  weit  n.  in  dünnbevölkerte  und  zum  Theil  noch  unbesiedelte  Gebiete. 
Einstweilen  ist  daher  das  Südende  des  Michigan-Sees  der  passendste  Punkt,  um 
von  allen  Seiten  die  Erzeugnisse  des  Landes  zu  Schiff  zu  bringen.  Man  hat 
das  so  früh  herausgefunden,  dass  man,  ehe  Chicago  auch  nur  eine  Stadt  genannt 
werden  konnte,  Zukunftsgrossstädte  an  diesem  Punkte  aussteckte.  Ch.  ist 
durch  diese  Lage  nicht  nur  die  Metropole  des  Michigan-Sees,  sondern  die 
Hauptstadt  des  ganzen  NW.,  der  Kornkammern  Dlinois,  Michigan,  Iowa,  Wisconsin, 
Minnesota  und  zum  Theil  auch  Indianas  geworden.  Man  muss  bedenken,  wie 
ungemein  rasch  sich  diese  Staaten  bevölkert  haben.  Wir  haben  auf  diesem  Gebiete 
in  30  Jahren  eine  Zunahme  von  nicht  ganz  Vh  Mill.  auf  mehr  als  8  Mill.  Denkt 
man  sich  die  Arbeit  und  das  Gedeihen  einer  solchen  rasch  anwachsenden  Bevölke- 
rung im  Brennpunkte  der  Hauptstadt  dieses  Gebietes  gesammelt  und  dem  Unter- 
iiehmungsgeiste  verschwistert,  der  der  leitenden  Bevölkerung  gerade  dieser  Region 
in  so  hohem  Grade  eigen  ist,  so  verliert  die  erstaunliche  Entwickelung  Ch.'s  alles 
Wunderbare.  Gerade  wie  das  Aufblühen  Cincinnatis,  das  in  frühere  Jahrzehnte 
fiel,  der  concentrirte  Ausdruck  der  Thatsache  war,  dass  der  Strom  der  West- 
wanderung damals  vorwiegend  den  Ohio  entlang  ging,  so  ist  Ch.'s  Wachs- 
thum  nur  die  bis  heute  hervorragendste  Erscheinung  in  einer  ganzen  Reihe, 
deren  eigentlicher  Inhalt  die  Besiedelung  des  NW.  ist.  Wie  die  Besiedelung 
jeder  Region  Nord-Amerikas  ihren  besonderen  Ursprung,  Charakter  und  Folgen 
hat,  so  sehen  wir  auch  in  dieser  eigenthümliche  Züge  hervortreten.  Unter  ihnen 
sind  für  Ch.  diese  beiden  bedeutend  geworden:  Die  Besiedelung  des  NW., 
mit  den  dreissiger  Jahren  beginnend,  fiel  gerade  in  die  Zeit  der  ersten  Eisen- 
bahnbauten, und  diese  Region  war  daher  die  erste  von  allen  noch  unbesiedelten, 
die  von  Anfang  an  der  Früchte  der  neuen  Verkehrswege  theilhaftig  wurde.  Sei 
es  nun  durch  rasche  Zufuhr  von  immer  neuen  Einwandererscharen,  sei  es  durch 
die  Möglichkeit  ausgedehnter  Verwerthung  der  Erzeugnisse,  welche  der  junge 
Boden  in  ungemeiner  Fülle  ergab,  die  Eisenbahnen  förderten  in  hervorragender 
Weise  die  Besiedelung  des  NW.  Ferner  ist  kein  Theil  der  unbesiedelten  West- 
staaten der  Union  so  stark  mit  neuengländischen  Blute  versetzt.     Die  Seeregion 


Fünfte  Gruppe.     Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  689 

und  überhaupt  der  NW.  war  für  die  eigentlichen  Yankees,  was  das  Ohio-Thal 
für  die  Pennsylvanier  und  Virginier  war.  Da  es  anerkannt  ist,  und  nirgends 
mehr  als  unter  den  Amerikanern  selbst,  dass  an  allen  Gaben,  die  ein  Land 
rasch  der  Cultur  gewinnen,  die  Neuengländer  allen  übrigen  Bestandtheilen  des  -^" 
nordamerikanischen  Volkes  weit  tiberlegen  sind ,  so  ist  auch  die  "Herkunft  der 
Mehrheit  der  ursprünglichen  Ansiedler  des  NW.  eine  Thatsache,  die  Beachtung 
verdient.  In  zweiter  Reihe  sind  aber  auch  die  deutschen  Einwanderer  von 
grossem  Einfluss  auf  die  Cultur  des  NW.  gewesen,  da  dessen  Erschliessung  für 
die  Besiedelung  und  den  Verkehr  zusammenfällt  mit  der  Steigerung  und  dem 
höchsten  Stande  der  deutschen  Einwanderung  in  Nord-Amerika  überhaupt. 
Deutscher  Fleiss  und  Verstand,  gepaart  mit  neuengländischem  Scharfsinn  und  ^ 
Unternehmungsgeist,  übertreffen  an  colonisirender  Kraft  die  Eigenschaft  jedes 
anderen  Volkes  oder  Volksgemisches.  Die  Stadt  umschliesst  eine  grosse 
Zahl  von  Deutschen,  die  aber  vorwiegend  dem  Handwerkerstande  ange- 
hören, und  das  Gros  der  deutschen  Einwanderer  hat  sich  mit  der  entschiedenen 
Vorliebe,  die  sie  überall  kennzeichnet,  auf  die  Landwirthschaft  geworfen.  Es 
war  ein  weiteres  günstiges  Zusammentreffen  in  der  Entwickelung  von  Ch.,  dass 
sie  in  derselben  Zeit  begann,  in  der  New  York  seine  Stellung  als  Haupthandels- 
platz an  der  Ostküste  Nord-Amerikas  gegen  alle  Wettbewerbung  sichergestellt 
hatte.  Als  hauptsächlichstes  Mittel  zu  diesem  Zwecke  diente  der  Eriecanal,  der 
die  kürzeste  Verbindung  zwischen  dem  Lande  um  die  Grossen  Seen  und  der 
atlantischen  Küste  herstellte.  Ausser  der  Wasserverbindung  mit  diesem  wichtigen 
Canale,  deren  sich  Ch.  in  aller  wünschenswerthen  Ausdehnung  erfreut,  ist  es 
später  in  direkte  Eisenbahnverbindung  mit  Buffalo,  seinem  w.  Ausgangspunkte, 
und  dann  bald  mit  New  York  selbst  getreten.  Es  lag  in  der  geradesten 
Linie  von  New  York  nach  W.  und  ist  in  vielen  Beziehungen  gewissermassen 
ein  Bestandtheil  des  wirthschaftlichen  Organismus  von  New  York  geworden. 
Ch.  sammelt  den  Ueberfluss  des  W.  in  seine  Speicher  und  Lagerhäuser  und 
sendet  ihn  nach  New  York,  das  seinerseits  die  Verarbeitung  oder  die  Ver- 
theilung  über  das  Land  und  an  das  Ausland  besorgt.  Die  enge  Verbindung 
zwischen  den  beiden  Städten  hat  es  bewirkt,  dass  Ch.  jeden  Schritt,  mit 
dem  New  York  seiner  Bestimmung  als  einer  beherrschenden  Welthandelsstadt 
näher  kam,  als  eine  Erweiterung  seines  eigenen  Wirkungskreises  und  seines 
eigenen  Gedeihens  empfand.  In  nicht  minder  enge  Verbindung  ist  es  später 
mit  Boston  getreten,  das  in  den  letzten  Jahren  die  grössten  Anstrengungen 
macht,  um  von  dem  grossen  westlichen  Menschen-  und  Güterverkehre  ein 
Bächlein  in  sein  eigenes  Becken  zu  leiten.  Aber  von  grösserer  Bedeutung 
ist  die  Verbindung  mit  Quebek,  der  Mündungsstadt  des  S.  Lorenz,  die  ebenso 
am  meerwärts  gelegenen  Ende  der  grossen  Seekette  beherrschend  gelegen  ist 
wie  Ch.  am  südwestlichen  Binnenende.  Nachdem  ein  Canal  das  grosse  Verkehrs- 
hinderniss  des  Niagarafalles  umgangen  hat,  ist  durch  diese  Verbindung  Ch. 
selbst  für  kleine  Seeschiffe  zugänglich  geworden,  und  man  kann  ihm  nicht  mehr 
den  Namen  einer  Seehandelsstadt  verweigern.  Dazu  muss  man  dann  noch  rechnen, 
dass  ein  Canal  den  Theil  des  Sees,  an  welchem  Ch.  liegt,  mit  dem  Mississippi 
und  dadurch  mit  dem  Golf  von  Mexico  verbindet.  Die  Entwicklung  Ch.'s, 
welche  ein  Wachsthum  von  300  auf  60  000  Häuser  in  den  fünfunddreissig  Jahren 
zwischen  1836  und  1871  und  eine  gleichzeitige  Vermehrung  der  Bevölkerung  von 

Batzel,    Amerika  II.  44 


690  Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

3000  auf  300000  in  sich  fasst,  ist  noch  beispielloser,  erstaunlicher  als  die  von 
S.  Louis  oder  Cincinnati.  Als  1804  die  Bundesregierung  auf  dem  heutigen 
Gebiete  dieser  Stadt,  in  dem  flachen  sumpfigen  Terrain,  wo  der  Chicago- 
FIuss  in  den  Michigan -See  mündet,  ein  Fort  erbauen  Hess,  war  keine 
weisse  Seele  im  ganzen  Gebiete.  Als  1832  die  ganze  Ansiedlerbevölkerung  des 
n.  Illinois  sich  vor  einem  Indianeraufstande  nach  diesem  Fort  zurückzog, 
betrug  sie  700  Köpfe.  Die  Stadt  entstand  erst,  als  Tausende  von  Arbeitern 
hierher  kamen,  die  Arbeit  suchten  an  dem  grossen  Canale  zwischen  Mississippi 
und  Michigan-See  (Illinois-  und  Michigan-Canal) ,  der  damals  begonnen  wurde. 
Im  Jahre  1829  wurde  eine  Toivyi  Chicago,  also  ein  Dorf,  mit  einem  Flächenraume 
von  3/8  e.  Q.M,,  zuerst  ausgelegt;  1838,  im  ersten  Jahre  des  starken  Wachs- 
thums ,  wurden  150  Häuser  (d.  h.  Holzhütten)  gebaut ;  1837  wurde  Ch.  zur 
Stadt  erhoben  und  neuerdings  ausgelegt,  wobei  ihm  aber  nun  ein  Flächenraum 
von  10  e.  Q.M.  zugemessen  wurde;  1840,  als  Cincinnati  nahe  an  50000,  S.Louis 
16500  Bewohner  zählte,  hatte  es  Ch,  erst  auf  4853  gebracht;  1847  wurde 
aber  eine  neue  Erweiterung  nöthig  und  1850  waren  30  000  Einwohner  vorhanden. 
Dies  war  aber  auch  das  Jahr,  in  welchem  in  Ch,  die  erste  Eisenbahn 
eröffnet  wu^'de,  und  mit  dieser  Eröffnung  trat  nun  die  junge  Stadt  in  die  Bahn, 
auf  der  sie  in  Zeit  von  fünfundzwanzig  Jahren  eine  der  Grossstädte  von  Amerika 
werden  sollte.  Ch,  ist  das  echteste  Beispiel  einer  Eisenbahnstadt,  wie  man 
es  in  dieser  Vollendung  in  der  ganzen  Welt  vergeblich  suchen  würde.  12  Haupt- 
linien und  29  Zweigbahnen,  also  41  Eisenbahnen  münden  in  Ch.  aus.  Zu 
der  ebengenannten  ersten  Eisenbahn,  die  von  Ch.  ausging,  kamen  allein  im  Laufe 
der  50er  Jahre  noch  acht  weitere.  Und  zwar  nicht  durch  Vortheile  bewogen, 
die  man  ihnen  bot,  sondern  angezogen  durch  die  günstige  Lage  der  Stadt  und 
den  Unternehmungsgeist  ihrer  Bewohner,  der  sich  dieser  Gunst  der  Lage 
vollkommen  gewachsen  zeigte.  Fünf  Hauptlinien  laufen  jetzt  von  Quebec, 
NewYork,  Philadelphia,  Baltimore  in  Ch.  zusammen.  Dass  Ch.  die  wichtigste 
Mittelstation  zwischen  der  Ost-  und  Westhälfte  der  grossen  Continental-  oder  Pacific- 
bahn  geworden  ist,  ist  bekannt.  Nimmt  man  hinzu,  dass  im  Jahre  1873  11 851  Schiffe 
mit  3V4  Mill.  T.  den  Hafen  von  Ch.  verliessen,  und  ferner,  dass  ausser  der  prächtigen 
Wasserstrasse  des  Michigan-Sees  einer  der  wichtigsten  Canäle  von  Nord- Amerika, 
der  Illinois  -  Michigan  -  Canal,  in  Ch.  mündet,  ein  Canal,  der  das  Verbindungsglied 
zwischen  den  Grossen  Seen  und  dem  Mississippi  bildet,  so  kann  man  sich  eine 
Vorstellung  machen  von  der  Verkehrsbedeutung,  die  diese  Stadt  erlangt  hat. 
Ch.  liegt  an  der  sw.  Küste  des  Michigan-Sees,  wo  der  kleine  Chicago  R.  mit 
2  Armen  einmündet.  Die  Lage  ist  flach.  1856  —  58  wurde  der  gesammte 
Geschäftstheil  um  2  —  2,5  m  gehoben,  um  bessere  Drainirung  zu  erzielen,  Trink- 
wasser erhält  die  Stadt  aus  dem  Michigan  -  See.  Vom  s.  Arm  des  Chicago  R. 
führt  der  Illinois  -  Michigan  -  Canal  nach  dem  Illinois  R.  und  durch  diesen  nach 
dem  Mississippi.  Die  Anlage  von  Ch.  ist  sehr  regelmässig,  die  Strassen  meist 
25  m  breit,  einige  derselben  mit  die  schönsten  und  grossartigsten  in  ameri- 
kanischen Städten.  Die  Haupt-  und  Geschäftsstrasse  ist  State  Str. ,  während 
einige  Avenues,  wie  Michigan,  Wabash,  Prärie  Av.,  feine  Wohnstrassen  sind. 
Seit  dem  Brand  vom  8.  und  9.  Oktober  1871,  welcher  3000  A.  der  Stadt  mitten 
im  reichsten  Geschäftstheil  in  Flammen  legte,  ist  dieser  Kern  der  Stadt  präch- 
tiger als  früher  aufgebaut,   so  dass  Ch.  gegenwärtig  im  modern -amerikanischen 


Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens.  691 

Sinn  als  die  schönste  Stadt  der  V.  St.  bezeichnet  werden  kann.  Die  öffentlichen 
Gebäude  treten  hinter  den  grossen  Geschäftspalästen,  Gasthäusern  u.  dgl.  zurück, 
doch  sind  einige,  u.  a.  City  Hall,  U.  S.  Custom  House,  nennenswerth.  Die  Zahl 
der  Kirchen  wird  zu  gegen  200  augegeben.  Von  höheren  Bildungsanstalten 
findet  sich  in  Ch.  eine  University  of  Chicago,  die  mit  dem  Dearborn  Obser- 
vatory  verbunden  ist,  Seminare  der  Baptisten  und  Presbyterianer,  drei  Medical 
Colleges,  eine  Academy  of  Sciences.  105  Zeitschriften  wurden  hier  1872  ver- 
öffentlicht (darunter  Illinois  -  Staatszeitung  eines  der  verbreitetsten  deutschen 
Blätter  des  W.).  Von  öffentlichen  Parks  sind  South  Parks  die  grössten.  In 
commercieller  Beziehung  ist  Ch.  unter  den  Binnenstädten  der  Union  weitaus 
die  wichtigste  (s.  o.  S.  463).  Ch.  ist  gegenwärtig  der  grösste  Getreide-,  Holz- 
und  Fleischmarkt  der  Welt.  1877  versandte  es  (in  1000  B.) :  46532  Mais, 
15096  Weizen,  12721  Hafer,  4381  Gerste  und  1577  Roggen,  daneben  2  568  724  Fässer 
Mehl.  Die  Mühlen  von  Ch.  lieferten  293244  Fässer.  Der  Gesamratwerth  des 
1877  zugeführten  Schlachtviehs  betrug  99  Mill.  D.,  an  Bauholz  wurden  in 
diesem  Jahre  1065  Mill.  Fuss  zugeführt.  In  der  Grossindustrie  arbeiteten 
2338  Fabriken  mit  58249  Arbeitern.  Die  Schweinepökelei ,  die  Hauptindustrie 
Ch.'s,  verarbeitete  1877  3076439  Schweine  und  der  Werth  ihrer  Erzeugnisse 
betrug  43  Mill.  D.,  der  Werth  des  verpackten  Rindfleisches  6  Mill.  D.  Beträchtliche 
Werthe  erzeugten  ausserdem  die  Gewerbe  in  Metall  (32  Mill.),  Holz  (24  Mill), 
Leder  (11,5  Mill.),  Brauereien  und  Brennereien  (13  Mill.).  Der  Gesammtwerth 
der  Gewerbserzeugnisse  von  Ch.  wurde  (1877)  auf  204,  der  Umsatz  in  Roh- 
stoffen auf  212,  in  Waaren  auf  276  Mill.  D.  veranschlagt.  Es  gab  Ende  1877 
11  Spar-  und  11  Nationalbanken.  Im  Clearinghouse  wurden  über  1045  Mill,  D. 
Geschäfte  gemacht.  Im  Hafen  von  Ch.  liefen  1877  ein  10233  Schiffe  mit 
3274332  T.  Die  Rhederei  von  Ch,  bezifferte  389  Schiffe  mit  73000  T.  An 
Bundessteuer  wurden  1877  8,8  Mill,  D.  (6,8  von  Branntwein)  erhoben.  —  Am 
Michigan  -  See  :  Evanston,  Dorf  in  Cook  Cy. ,  Wohnstadt  von  Chicago. 
Waukegan,  4507  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Lake  Cy.,  auf  einem  Bluff  am 
See,  Eisenbahn.  Starke  Ausfuhr  von  Ackerbauerzeugnissen,  2  Zeitungen.  — 
Am  Des  Piaines  R. :  Joliet,  7263  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Will  Cy.,  am 
Illinois-Michigan-Canal,  Grosse  Steinbrüche.  Staatsgefängniss,  2  Zeitungen,  — 
Am  Mississippi:  Galena,  7019  E.,  am  Fevre  R.,  9  Kil.  von  seiner  Mündung 
in  den  Mississippi.  In  der  Bleiminenregion.  Steil  am  Flussufer  hinaufgebaut, 
die  Längsstrassen  durch  Treppen  verbunden.  Fevre  R.  bis  hierher  schiffbar. 
Eisenbahn.  6  Zeitungen.  Ro'ck  Island,  7890  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von 
R.  I.  Cy.  Die  Stadt  hat  den  Namen  von  einer  5  Kil.  langen,  parkartigen  Insel 
am  Fuss  der  oberen  Fälle  des  Mississippi,  die  auch  ein  V.  St.  -  Arsenal  umschliesst 
und  durch  Brücke  mit  der  Stadt  verbunden  ist.  Die  starke  Wasserkraft  wird 
in  zahlreichen  gewerblichen  Einrichtungen  ausgenützt.  Flussverkehr.  4  Eisen- 
bahnen (worunter  die  grosse  Linie  Chicago — R.  I.  —  Pacific).  Kohlenlager  in 
der  Umgebung.  M  o  1  i  n  e ,  4166  E. ,  Dorf  am  oberen  Ende  von  Rock  Island, 
gegenüber  Davenport  lo.  Wasserkraft.  3  Eisenbahnen.  1  Zeitung,  Warsaw,- 
3583  E,,  Dorf  in  Hancok  Cy,,  5  Kil,  unterhalb  Keokuk  lo,,  mit  welchem  Ver- 
bindung durch  Fähre  besteht,  2  Zeitungen.  Quincy,  24052  E. ,  Stadt  und 
Hauptort  von  Adams  Cy. ,  262  Kil.  oberhalb  S.  Louis ,  zweitgrösste  Stadt  des 
Staates,  auf  einem  Kalkfels  von  40  m  über  dem  Strom  prächtig  gelegen.    Starker 

44* 


692  Fünfte  Gruppe.    Staaten  des  Mississippi-  und  Ohiobeckens. 

Handel,  Flussverkehr,  Knotenpunkt  von  6  Eisenbahnen.  12  Zeitungen.  Alton, 
8665  E. ,  40  Kil.  oberhalb  S.  Louis ,  in  Madison  Cy.  Starke  Ausfuhr  von  Heu 
und  Getreide.  2  Eisenbahnen.  3  Zeitungen.  East  S.  Louis,  5644  E. ,  in 
S.  Clair  Cy.,  gegenüber  S.  Louis,  Eisenbahnvorstadt  des  letzteren,  in  welcher  alle 
Eisenbahnen  zusammenstrahlen,  die  vom  linken  Mississippi- Ufer  nach  S.  Louis 
führen.  Cairo,  6267  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Alexander  Cy.,  am  Einfluss 
des  Ohio  in  den  Mississippi,  wo  die  vorzügliche  Lage  nur  durch  kostbare  Damm- 
bauten dem  Ueberschwemmungsgebiet  abgewonnen  werden  konnte.  2  Eisen- 
bahnen. 5  Zeitungen.  —  Am  Ohio:  Mo  und  City,  1631  E.,  11  Kil.  oberhalb 
Cairo.  Sitz  der  Western  Naval  Station.  2  Zeitungen.  —  Am  Illinois  R.: 
Morris,  3138  E. ,  Dorf  und  Hauptort  von  Grundy  Cy. ,  am  Dlinois-Michigan- 
Canal.  Ausfuhr  von  Getreide  und  Yieh.  2  Zeitungen.  Ottawa,  7736  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Lassalle  Cy. ,  am  Illinois-Michigan-Canal  und  2  Eisen- 
bahnen, 134  Kil.  von  Chicago.  Wasserkraft.  Kohlenlager  in  der  Nachbarschaft. 
3  Zeitungen.  La  Salle,  5200  E.,  Stadt  in  L.  S.  Cy.,  158  Kil.  von  Chicago, 
am  Hlinois- Michigan -Canal  und  2  Eisenbahnen.  Kohlenlager.  2  Zeitungen. 
Peru,  3650  E.,  in  La  Salle  Cy. ,  Dorf  an  der  Mündung  des  Illinois-Michigan- 
Canals,  in  kohlen-  und  getreidereicher  Umgebung.  1  Zeitung.  Peoria,  22849  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  P.  Cy.,  307  Kil.  oberhalb  der  Mündung  des  Flusses, 
der  bis  hier  schiffbar  und  in  einen  See  sich  ausbreitet,  über  den  die  Stadt  auf 
plateauartiger  Unterlage  sich  erhebt.  Mit  6  Eisenbahnen  der  grösste  Eisenbahn- 
knotenpunkt in  der  Mitte  des  Staates,  grosse  Gewerb thätigkeit  (Giessereien, 
Maschinen,  Ackergeräthe,  Brennereien  u.  s.  f.).  13  Zeitungen.  Pekin,  5696  E., 
Dorf  und  Hauptort  von  Tazewell  Cy.,  20  Kil.  von  Peoria,  3  Eisenbahnen,  Fluss- 
schiffahrt. 2  Zeitungen.  Beardstown,  2528  E. ,  Dorf  und  Hauptort  von 
Cass  Cy. ,  Eisenbahnkreuzung.  2  Zeitungen.  —  Am  Rock  R. :  Rockford, 
11049  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Winnebago  Cy. ,  zu  beiden  Seiten  des  hier 
überbrückten  Flusses.  Wasserkraft.  Fabrikation  von  Ackerwerkzeug.  2  Eisen- 
bahnen. 5  Zeitungen.  Dixon,  4055  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Lee  Cy., 
Eisenbahnkreuzung.    156  Kil.  w.  von  Chicago.    Wasserkraft.    Zahlreiche  Mühlen. 

3  Zeitungen.  Sterling,  3998  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Whiteside  Cy. 
Starke  Wasserkraft  durch  Abdämmung  des  Flusses.  Stapelplatz  für  Getreide. 
2  Zeitungen.  —  Andere  Plätze  n.  vom  Illinois  R.:  Aurora,  11162  E. ,  am 
Fox  R.,  62  Kil.  von  Chicago.  6  Eisenbahnen.  Blühende  Industrie.  6  Zeitungen. 
Ebenfalls  am  Fox  R.  Elgin,  5441  E.,  Stadt.  Wasserkraft,  gewerbthätig  (Elgin 
Watch  Cy.).  3  Zeitungen.  Freeport,  7889  E.,  Stadt  und  Hauptort  von 
Stephenson  Cy.,  am  Peckatonica  R.,  193  Kil.  w.  von  Chicago.  In  fruchtbarer 
Prärieregion.  5  Eisenbahnen.  4  Zeitungen.  Mendota,  3546  E. ,  Dorf  in 
La  Salle  Cy.,  136  Kil.  sw.  von  Chicago,  Knotenpunkt  von  5  Eisenbahnen.  1  Zeitung. 
Amboy,  Dorf  in  Lee  Cy.,  an  der  Quelle  des  Green  R.,  26  Kil.  n.  von  Mendota. 
1  Zeitung.  —  Zwischen  Illinois  R.  und  Mississippi  R. :  Bush n eil,  Gemeinde 
von  2581 E.,  Knotenpunkt  von  6  Eisenbahnen,  115  Kil.  n.ö.  von  Quincy.  2  Zeitungen. 
Galesburg,  10156  E.,  Stadt  in  Knox  Cy.  In  sehr  fruchtbarer  Umgebung. 
Grosse  Eisenbahnwerkstätten.  Knox  College.  4  Eisenbahnen.  5  Zeitungen. 
Macomb,  2748  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Mc  Donough  Cy.,  93  Kil.  von  Quincy. 

4  Eisenbahnen.  2  Zeitungen.  Monmouth,  4662  E. ,  Dorf  und  Hauptort  von 
Warren   Cy.     Monmouth   College.     4   Eisenbahnen.      3    Zeitungen.    —    An   der 


Sechste  Gruppe.     Staaten  des  Nordwestens.  693 

lUinois  Central  -  Eisenbahn :  El  Paso,  1564  E.,  Stadt  in  Woodford  Cy.,  53  Kil. 
s.  von  La  Salle.  1  Zeitung  Bloomington,  14590  E. ,  Stadt  und  Hauptort 
von  Maclean  Cy.,  200 Kil.  sw,  von  Chicago,  7  Eisenbahnen.  Gewerbreich.  In 
der  Umgebung  grosse  Baum-  und  Handelsgärten.  8  Zeitungen.  Clinton, 
1800  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  De  Witt  Cy.  Knotenpunkt  von  6  Eisenbahnen. 
Decatur,  7161  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Macon  Cy. ,  am  Sangamon  R., 
7  Eisenbahnen.  Gewerbreich  und  in  fruchtbarer  Umgebung.  5  Zeitungen. 
Vandalia,  1771  E. ,  Dorf  und  Hauptort  von  Fayette  Cy.,  am  Kaskaskia  R., 
früher  Staatshauptstadt,  123  Kil.  n.ö.  von  S.  Louis.  2  Zeitungen.  Ebenfalls  am 
Kaskaskia  R.  Shelbyville,  2051  E.,  176  Kil.  n.ö.  von  S.Louis.  In  frucht- 
barer Umgebung.  2  Eisenbahnen.  2  Zeitungen.  Champaign,  4625  E.,  205Kil. 
s.  von  Chicago.  4  Eisenbahnen.  State  Industrial  University.  3  Zeitungen. 
Centralia,  3190  E.,  Stadt  in  Marion  Cy.,  414  Kil.  s.  von  Chicago.  Maschinen- 
fabrikation. Obstreiche  Umgebung.  2  Zeitungen.  —  An  der  Ohio-Mississippi- 
Eisenbahn:  Salem,  1182  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Marion  Cy.,  110 Kil.  n.ö. 
von  S.  Louis.  2  Zeitungen.  Belleville,  8146  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von 
S.  Clair  Cy.  Umgegend  fruchtbar  und  reich  an  Kohlen.  Gewerbthätig.  8  Zeitungen. 
Olney,  2680  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Richland  Cy.,  50 Kil.  von  Vincennes 
Ind.  1  Zeitung.  —An  der  Chicago  -  Dan  ville -Vincennes  -  Eisenbahn :  Watseka, 
1557  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Iroquois  Cy.,  am  Iroquois  R.  4  Eisenbahnen. 
2  Zeitungen.  Danville,  4751  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Vermillion  Cy.,  am 
Vermillion  R.,  136  Kil.  nw.  von  Indianapolis.  Kohlen-  und  waldreiche  Umgebung, 
Wasserkraft.  4  Zeitungen.  Paris,  3057  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Edgar  Cy., 
30  Kil.  von  Terre  Haute  Ind.  4  Eisenbahnen.  2  Zeitungen.  —  Litchfield, 
3852  E.,  Stadt  in  Montgomery  Cy.,  Kreuzung  der  Toledo -Wabash -Western - 
mit  Indianapolis- S.  Louis -Eisenbahn,  liegt  in  fruchtbarer  Prärie.  Dampfmühlen, 
Eisenbahnwerkstätten,  Kohlenlager.  3  Zeitungen.  Mt.  Carmel,  1640  E.,  Dorf 
und  Hauptort  von  Wabash  Cy.,  am  Westufer  des  Wabash  R.  Eisengiessereien, 
Wollfabriken.     Wasserkraft.    2  Zeitungen. 

Sechste  Gruppe. 
Staaten  des  Nordwestens. 

Nw.  und  w.  von  den  Grossen  Seen,  zum  Theil  noch  das  Ufer  derselben 
bildend,  liegen  die  Staaten  Michigan,  Wisconsin  und  Minnesota,  mit  denen  ge- 
wöhnlich noch  das  mehr  s.  gelegene  und  auch  in  anderen  Beziehungen  ab- 
weichende Iowa  zu  einer  Gruppe  der  Nordweststaaten  vereinigt  wird.  Auch 
Illinois  wird  oft  hinzugezählt,  schon  weil  seine  Grossstadt  Chicago  fast  in  jedem 
Sinn  die  natürliche  Hauptstadt  dieses  Gebietes  genannt  werden  kann.  Gemein- 
sam ist  den  3  erstgenannten  das  Eingreifen  in  die  n.  und  w.  Umgrenzung  der 
Seen,  wodurch  auch  sofort  ihrer  Bodengestaltung  der  gemeinsame  Zug  der  er- 
höhten Felsenunterlage  der  Seenplatte  zugeführt  wird,  der  in  den  nördlichen 
Hälften  überall  scharf  sich  ausprägt.  Gemeinsam  ist  ihnen  die  Bedeckung  eines 
grossen  Theiles  ihres  Gebietes  mit  Driftgebilden  und  damit  zusammenhängend 
ein  vielfach  ungleicher  Grad  von  Fruchtbarkeit.  Zahlreiche  Seen  und  Sümpfe 
und  zwischen  Seen  und  Flüssen  mitteninne  stehende  Gewässer  sind  dieser  Drift- 


694  Sechste  Gruppe.    Staaten  des  Nordwestens. 

region  eigen.  Das  Klima,  bereits  erheblich  rauher  als  am  Südufer  der  Grossen 
Seen,  begünstigt  mehr  den  Weizen-  als  den  Maisbau,  und  jener  ist  in  der  That 
die  Signatur  der  hiesigen  Landwirthschaft.  In  den  Wäldern  wiegen  Föhren 
und  Lärchen  vor.  Die  reichsten  Eisen-  und  Kupferlager  der  V,  St.  fallen  in 
dieses  Gebiet.  Für  den  Handel  ist  die  Lage  an  den  Seen  und  dem  Mississippi 
höchst  günstig.  Die  Besiedelung  ist  viel  jüngeren  Datums  als  im  Ohio -Gebiet 
und  reicht  mit  ihren  kräftigeren  Anfängen  nicht  über  das  Ende  der  20  er  Jahre 
hinaus.  In  der  anglo  -  amerikanischen  Bevölkerung  wiegt  das  neuengländische, 
in  der  fremd  eingewanderten  das  deutsche  stark  vor.  Neben  der  Grossstadt  des 
NW.,  Chicago,  ist  Milwaukee  als  zweitbedeutendste  Stadt  des  Gebietes  zu  nennen, 
welche  heute  über  100000  bereits  hinausgeschritten  sein  dürfte.  Im  Congress 
sind  die  4  Staaten  mit  24  Stimmen  vertreten ,  wobei  Michigan ,  Minnesota  und 
Iowa  mit  gleichen  Zahlen  erscheinen. 

XXIX.  Michigan  (Mich.),  2655d.  Q.M.  (56451  e.),  1334031  E.  (1875). 
Mich,  besteht  aus  2  Halbinseln,  der  sog.  oberen  oder  n.  und  der  unteren  oder  s. 
Halbinsel ,  von  denen  die  erstere  begrenzt  ist  im  N.  vom  Oberen  See,  im  S,  vom 
Michigan-  und  Huronen-See  und  der  Mackinaw-Strasse,  im  0.  von  S.  Mary's  R.  und 
im  W.  von  Wisconsin,  während  die  untere  im  S.  an  Ohio  und  Indiana,  im  0,  an 
Erie-See,  Detroit  R.,  S.  Clair  R.  und  Huronen-See,  im  W.  an  den  Michigan-See 
grenzt.  Isle  Royale  im  Oberen  See  gehört  gleichfalls  zu  diesem  Staate.  Die  Ober- 
fläche der  oberen  Halbinsel  ist  bergig  und  vielfach  felsig,  wiewohl  die  höchsten 
Erhebungen,  die  im  W.  gelegen  sind,  450  m  nicht  übersteigen.  Die  untere  Halb- 
insel ist  in  ihrem  n.  Theil  hügelig  (bis  180  m),  im  s.  liachwellig  bis  flach.  Die 
Gewässer  der  oberen  Halbinsel  entfliessen  einer  ausgedehnten  See-  und  Sumpf- 
region und  sind  von  kurzem,  unregelmässigem  Lauf  und  nur  flossbar.  In  den 
Oberen  See  münden  Presqu'  He,  Ontonagon,  Sturgeon,  in  den  Michigan-See  und 
Green  Bay  Menomonee,  Escanaba,  White  Fish,  Pine  u.  a.  Die  untere  Halbinsel 
hat  grössere,  weniger  von  Stromschnellen  u.  dgl.  durchsetzte  Flüsse:  Manistee, 
Pere  Marquette,  Muskegon,  Kalamazoo,  S.  Joseph  in  den  Michigan-See,  in  den 
Huronen-See  Cheboygan,  Thunder  Bay,  Saginaw,  in  den  S.  Clair  R.  Black  und 
Belle,  in  den  Erie-See  Huron  und  Raisin,  in  den  S.  Clair  L.  Clinton  R.  Das 
Khma  ist  durch  die  breite  Wasserumgebung  milder  als  die  n.  Lage  erwarten 
lässt.  Detroit  hat  8,5,  Ft.  Brady  und  Ft.  Mackinac  4,5  ^  C.  mittlere  Jahres- 
wärme. Regenfall  600  —  750  mm.  Die  obere  Halbinsel  gehört  noch  in  die 
Föhrenregion,  in  der  unteren  schieben  sich  Prärien  in  die  gemischte  Waldung  ein. 
Von  Wald  bedeckt  sind  47,1  Proc.  Die  werth volle  Weymouthföhre  (White  Pine) 
ist  nirgends  so  häufig  wie  in  diesem  Staate,  der  übrigens  in  seinen  südlichen 
Theilen  auch  Eichenhaine  in  grosser  Ausdehnung  besitzt.  Von  Mineralschätzen 
fördert  Mich.  ca.  15000  T.  Kohle  und  betheiligte  sich  1875  mit  5  Proc.  an  der 
Roheisenerzeugung.  Die  reichen  Kupferlager  des  Oberen  Sees  (s.  o.  S.  346)  ge- 
hören diesem  Staate  an.  Salz  wird  in  der  Nähe  von  Saginaw  reichlich  gewonnen. 
Für  den  Ackerbau  ist  die  obere  Halbinsel  durch  rauhes  Klima  und  felsigen 
Boden  wenig  geeignet,  um  so  mehr  die  untere,  welche  V^  des  Staates  einnimmt. 
Jene  ist  bis  jetzt  fast  nur  durch  Holz  und  Erzgewinnung  wichtig,  diese  um- 
schliesst  fast  die  ganze  ackerbauende  Bevölkerung  des  Staates.  Getreideernte 
von  1877  (in  1000  B.):  Weizen  21890,  Mais  20  750,  Hafer  16200,  Gerste  975, 
Roggen  250;    Werth   40  Mill.  D.     Heu  1160000  T.     Viehstand   1877  (in  1000): 


Sechste  Gruppe.     Staaten  des  Nordwestens.  695 

Rinder  761,  Schafe  1750,  Schweine  556,  Pferde  315;  Werth  52  Mill.  D.  ^h  des 
Staates  war  1870  angebaut.  Von  Gewerbthätigkeit  ist  in  Mich,  ausser  der  Holz- 
und  Eisen-  und  Kupfergewinnung  wenig,  diese  aber  sind  bedeutend.  1870  gab 
es  2215  Dampfmaschinen  und  64  000  Arbeiter.  Damals  wurden  für  9,2  Mill.  D. 
Kupfer,  33  Mill.  Holz  und  5,8  Mill.  D.  Eisen  erzeugt  und  der  Gesammtwerth 
der  gewerblichen  Erzeugnisse  betrug  118  Mill.  D.  Eisenbahnen  zählt  Mich. 
(1878)  5570  Kil.  An  Seeschiffen  zählte  es  1877  458  Segel-  und  391  Dampfschiffe 
mit  zusammen  125000  T.  In  seine  Häfen  liefen  345000  T.  in  Küstenfahrt  und 
1 288000  T.  vom  Ausland  ein.  1870  gab  es  in  einer  Bevölkerung  von  1184059 
1,4  Proc.  Farbige  und  Indianer,  43  Proc.  im  Staat  und  23  Proc.  im  Ausland 
Geborene.  Von  den  Letzteren  waren  88590  Canadier,  64 143  Deutsche,  42013 
Iren.  Finanzen  10.  Okt.  1878:  Steuerwerth  377,  Schuld  0,9,  Einnahmen  1,8, 
Ausgaben  2,3.  Schulausgaben  3,18  Mill.  D.  1878  verkaufte  Mich.  51000  A.  Land 
und  besass  noch  3,05  Mill.  A.  Volksschulen  gibt  es  5947  mit  357000  (82  Proc. 
der  Schulpflichtigen)  und  Colleges  9  mit  1538  Schülern.  —  Detroit  wurde  1690 
von  den  Franzosen  gegründet,  kam  1763  mit  Canada  an  England,  wurde  von 
Virginien  an  die  Union  abgetreten,  ward  1805  Territorium  und  1837  Staat.  Die 
Oberbeamten,  Senatoren  (32)  und  Repräsentanten  (100)  werden  für  2,  die  Richter 
für  6  und  8  Jahre  gewählt.  Die  Gesetzgebung  tritt  alle  2  Jahre  zusammen, 
Wahlberechtigung  gibt  3  monatlicher  Aufenthalt  im  Staat  jedem  über  21  Jahre 
alten  Bürger  der  V.  St,    In  den  Congress  sendet  Mich.  7  Repräsentanten. 

L  an  sing,  5241  E.,  Hauptstadt  des  Staates,  am  Zusammenfluss  des  Grand 
und  Cedar  R.  und  der  Vereinigung  der  Lake  Shore- Michigan  Southern-  mit 
Detroit -L. -Lake  Michigan  und  Peninsular -Eisenbahn.  136  Kil.  n.  von  Detroit. 
Grosse  Wasserkraft.  Mehl-  und  Sägmühlen,  Holzindustrie.  State  Agricultural 
College,  State  Reform  School.  2  Zeitungen.  Detroit,  79577  E.,  grösste  Stadt 
von  Mich.,  eine  der  für  Handel  und  Verkehr  bestgelegenen  Städte  der  V.  St.,  am 
Detroit  R.,  11  Kil.  unterhalb  S.  Clair  Lake  und  29  Kil.  oberhalb  Erie-See.  455  Kil. 
ö,  von  Chicago,  577  Kil.  w.  von  Buffalo,  Endpunkt  der  Michigan  Central-,  derDetroit- 
Milwaukee-,  der  Lake  Shore-Michigan-  und  der  Grand  Trunk-Eisenbahn  von  Ca- 
nada. Die  Stadt  ist  5  Kil.  weit  am  Flusse  hingebaut,  Mittelpunkt  The  Grand  Circus, 
von  dem  breite  Avenuen  ausstrahlen.  Hervorragende  öffentliche  Gebäude  das 
IJ,  S. -Zollhaus  und  der  400  m  lange  Frachtbahnhof  der  Michigan  Central-Eisen- 
bahn,  Gewerbthätigkeit  bedeutend  in  Sägholz,  Holzindustrien,  Kupferschmelzen, 
Tabak,  Starke  Ausfuhr  von  Getreide,  Holz,  Wolle,  Fleisch,  Kupfer.  Hafen- 
verkehr 1877  947000  T.  Rhederei  (1877)  182  Segelschiffe  und  128  Dampfer 
mit  zusammen  68000  T.  82  Kirchen ,  23  öffentliche  Schulhäuser,  30  Zeitungen. 
Am  anderen  Ufer  des  Flusses  die  canadischen  Städte  Windsor  und  Sandwich,  — 
Plätze  am  Erie  -  See :  Monroe,  5086  E,,  Stadt  und  Hauptort  von  Monroe  Cy,, 
am  RaisinR,  und  der  Plaisauce  Bay,  65  Kil.  sw,  von  Detroit,  Starker  Getreidehandel, 
3  Eisenbahnen.  2  Zeitungen.  —  Am  S.  Clair  R.:  PortHuron,  3937  E.,  Stadt 
und  Hauptort  von  S.  Clair  Cy.,  an  der  Mündung  des  Black  R.,  91  Kil.  von  Detroit. 
Holzhandel,  Schiffsbau.  St.  Clair,  1790  E.,  Dorf  an  der  Mündung  des  Pine  R, 
1  Zeitung,  —  Am  Huronen-See :  Bay  City,  7064  E.,  Stadt  und  Hauptort  von' 
Bay  Cy.,  am  Saginaw  R.,  Eisenbahn,  Holzhandel,  Fischfang,  Salzwerke  in  der 
Nachbarschaft.  5  Zeitungen,  Port  Austin,  Dorf  und  Hauptort  von  Huron  Cy., 
148  Kil.  n.  von  Port  Huron.     Mühlsteine,  Sägholz,   Salzgewinnung,     1  Zeitung. 


696  Sechste  Gruppe.    Staaten  des  Nordwestens. 

M  a  c  k  i  n  a  w ,  Dorf  und  Hauptort  von  Mackinac  Cy.,  480  Kil.  n.  von  Detroit,  auf 
der  Insel  M.  Fort  M.  auf  einer  Anhöhe  hinter  dem  Dorf.  —  Am  Michigan-See : 
New  Buffalo,  683  E.,  2  Eisenbahnen,  16  Kil.  n.  von  Michigan  City.  South 
Haven,  1576  E.,  Dorf  in  Van  Buren  Cy.,  ausgezeichneter  Hafen  an  der  Mündung 
des  Black  R.  2  Eisenbahnen.  1  Zeitung.  Grand  Haven,  3147  E.,  Stadt  und 
Hauptort  von  Ottawa  Cy.,  an  der  Mündung  des  Grand  R.,  2  Eisenbahnen,  305  Kil. 
nw.  von  Detroit.  Holz-  und  Getreidehandel.  3  Zeitungen.  Holland,  2319  E., 
Stadt  in  Ottawa  Cy.  Lebhafter  Handel  in  Holz  und  Getreide.  5  Zeitungen. 
Muskegon,  6002  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  M.  Cy.,  Eisenbahn,  9  Kil.  vom 
See  an  der  Bucht,  die  Muskegon  Lake  genannt  wird.  Grosser  Holzhandel. 
Sägmühlen.  3  Zeitungen.  Whitehall,  842  E.,  am  White  R.,  11  Kil.  vom  See, 
Sammelplatz  einer  Anzahl  von  Sägmühlen  mit  über  V2  Mill.  Fuss  Leistung  p. 
Tag.  1  Zeitung.  Manistee,  3343  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  M.  Cy.,  an  der 
Mündung  des  M.  R.  Holzhandel.  2  Zeitungen.  Es  c  an  ab  a,  ca.  1200  E.,  auf 
der  w.  Halbinsel,  an  der  Mündung  des  E.  R. -Eisenbahn.  Verschiffungsplatz  für 
Eisen  und  Holz.  —  Am  Oberen  See:  Sault  de  Sainte  Mary,  ca.  1213  E., 
Dorf  und  Hauptort  von  Chippewa  Cy.  An  den  Fällen  des  S.  Mary's  R.  M  a  r  - 
q  u  e  1 1  e ,  4000  E.  Wichtiger  Platz  am  Oberen  See,  20  Kil.  von  der  berühmten 
Eisenregion  i^s.  0.  S.  322),  650  Kil.  n.  von  Chicago.  2  Eisenbahnen.  1  Zeitung.  — 
Am  Grand  R.:  Jackson,  11447  E.,  122  Kil.  w.  von  Detroit,  4  Eisenbahnen. 
Wasserkraft.  Staatsgefängniss.  6  Zeitungen.  Portland,  1060  E.,  Dorf, 
2  Eisenbahnen.  Wasserkraft.  1  Zeitung.  lonia,  2500  E.,  Dorf  und  Hauptort 
von  lonia  Cy.,  200  Kil.  nw.  von  Detroit.  Ende  der  Schiffbarkeit  des  Grand  R. 
2  Eisenbahnen.  2  Zeitungen.  Grand  Rapids,  16507  E.,  Stadt  und  Hauptort 
von  Kent  Cy.,  Grand  Rapids -Indiana -Eisenbahn  kreuzt  hier  den  Fluss.  3  Eisen- 
bahnen. Sägmühlen.  Salz  -  und  Gypslager  in  der  ümgebupg.  8  Zeitungen.  — 
Am  Flint  R.:  Lapeer,  1772  E.,  Dorf  und  Hauptort  in  Lapeer  Cy.,  am 
Zusammenfluss    des   Flint    und    Farmers   R. ,     26  Kil.    von  Flint.     Eisenbahn. 

2  Zeitungen.  Flint,  5386  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Genesee  Cy.,  102  Kil.  von 
Detroit.  Wasserkraft.  Staats  -  Blinden  -  und  Taubstummenanstalt.    2  Eisenbahnen. 

3  Zeitungen.  —  Am  Saginaw  R.:  Sagin aw,  7460  E. ,  Stadt  und  Ilauptort 
von  S,  Cy.,  160  Kil.  nw.  von  Detroit.  3  Eisenbahnen.  Der  Fluss  ist  bis  hier 
schiffbar.  Holzhandel ,  Salzwerke.  2  Zeitungen.  —  Am  Kalamazoo  R. : 
Kalamazoo,  9181  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  K.  Cy.  3  Eisenbahnen.  Staats- 
Irrenanstalt,  V.  St.-Landamt,  College  (Baptisten).  5  Zeitungen.  Marshall, 
4928  E.,  Stadt  und  Hauptort  der  Calhoun  Cy.,  Eisenbahn,  Wasserkraft,  Fabriken. 
1  Zeitung.  Battle  Creek,  5838  E.,  Stadt  in  Calhoun  Cy.,  194  Kil.  von 
Detroit,  in  fruchtbarer  Umgebung.  7  Zeitungen.  —  Im  s.  Theil  des  Staates: 
Ann  Arbor,  7363  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Washeenaw  Cy.,  121  Kil. 
von  Lansing,  am  Huron  R.,  Wasserkraft,  fruchtbare  Umgebung.  Michigan 
University  mit  gutem  Observatorium.  4  Zeitungen.  Adrian,  8438  E.,  Stadt 
und  Hauptort  von  Lenawee  Cy.,  am  Raisin  R.,  in  trefflicher  W^eizengegend. 
116  Kil.  von  Detroit.  Eisenbahn.  3  Zeitungen.  Pontiac,  4867  E.,  Dorf  und 
Hauptort  von  Oakland  Cy.,  32  Kil.  nw.  von  Detroit.  Eisenbahn.  Wollmarkt. 
3  Zeitungen.  Ypsilanti,  5471  E.,  Stadt  am  Huron  R.,  2  Eisenbahnen,  48  Kil. 
sw.  von  Detroit.  Wasserkraft.  Sitz  einer  State  Normal  School.  2  Zeitungen. 
Hillsdale,  3518  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  H.  Cy.,  am  S.  Joseph  R.    2  Eisen- 


Sechste  Gruppe.    Staaten  des  Nordwestens.  697 

bahnen.  3  Zeitungen.  Jonesville,  1500  E.,  Dorf  in  Hillsdale  Cy.  2  Eiseu- 
bahnen,  1  Zeitung.  Coldwater,  4381  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Brauch 
Cy.,  am  CR.,  in  sehr  fruchtbarer  Prärie.  3  Zeitungen.  Niles,  4630  E.,  in 
Berrien  Cy. ,  am  S.  Joseph  R. ,  der  bis  hier  schiffbar.  3  Eisenbahnen.  Wasser- 
kraft.    3  Zeitungen. 

XXX.  AViscoiisin  (Wisc),  2536  d.Q.M.  (53924  e.),  1236599  E.  (1875). 
Zwischen  dem  Oberen  und  Michigan-See  und  dem  Mississippi  gelegen,  begrenzt 
von  Michigan  im  N. ,  Illinois  im  S. ,  Minnesota  und  Iowa  im  W.  Aehnlich  wie 
in  Michigan  ist  der  n.  Theil  des  Staates  der  höhere  und  in  Bodengestaltung 
mannigfaltigere,  aber  kein  Gipfel  des  zerklüfteten  und  theilweise  felsigen  Hügel- 
landes, das  ihn  erfüllt,  erreicht  600  m.  Ebenere  Theile,  der  Prärieregion  an- 
gehörig, worin  der  ebenste  und  zugleich  fruchtbarste  Boden,  finden  sich  im  S. 
und  0. ,  der  W.  und  N.  dagegen  ist  theils  durch  felsige  oder  bergige  Boden- 
beschaffenheit, theils  durch  Bedeckung  mit  Drift  weniger  fruchtbar.  Ein  eigen - 
thümlicher  Zug  der  Bodengestalt  von  Wisc.  ist  in  der  breiten  Senke  gegeben, 
welche  ö.  vom  Michigan-See  und  parallel  mit  diesem  zieht.  Wisc.  hat  320  Kil. 
Küstenlinie  am  Michigan  -  und  190  am  Oberen  See.  Seine  Hauptflüsse  sind 
Mississippi,  S,  Croix,  Rock,  Montreal,  Fox,  Louis  und  Bois  Brule  R.  Das  Klima 
zeigt  im  s.  Drittel  des  Staates  auf  7 — 8'  C.  mittlerer  Jahreswärme,  aber  im  N. 
sinkt  dieselbe  auf  5".  Niederschläge  7 — 900  mm.  Charakter  vorwaltend  trocken. 
Unterschied  zwischen  mittlerer  Sommer-  und  W^intertemperatur  26  ^  C.  In  der 
Pflanzendecke  überwiegt  im  N.  der  Wald,  im  S,  und  0.  die  Prärie,  im  W.  das 
Moor.  Der  Wald  bedeckt  20,9  Proc,  ist  reich  an  werthvoUem  Föhrenwald  und 
im  S.  auch  an  Laubwald,  in  welchem  indessen  Black  Walnut,  das  vorzüglichste 
der  Hölzer  des  W. ,  bereits  zurücktritt ,  während  die  Linden  häufiger  werden. 
An  Mineralschätzen  besitzt  Wisc.  hauptsächlich  Eisen  und  Blei.  1876  wurden 
in  14  Hochöfen  51261  T.  Eisen  erzeugt.  Blei  wird  jährlich  für  ca.  V2  Mill.  D. 
gewonnen.  Auch  Kupfer  ist  vorhanden.  Für  den  Ackerbau  kommt  für  jetzt 
vorwiegend  nur  die  s.  Hälfte  in  Betracht,  die  trefflich  dazu  geeignet  ist.  ^'5  des 
Staates  ist  unter  Anbau,  Getreideernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  28700, 
Hafer  30750,  Weizen  22000,  Gerste  4700,  Roggen  2700;  Werth  40  Mill.  D, 
Viehstand  1877  (in  1000):  Rinder  964,  Schafe  1323,  Schweine  635,  Pferde  und 
Maulthiere  370;  Werth  54  Mill.  D.  Die  Gewerbe  beschäftigten  1870  64  000  Pferde- 
kräfte und  44  000  Arbeiter,  Werth  der  Erzeugnisse  77  Mill.  D.  Die  wichtigsten 
darunter  sind  Mehl,  Sägholz,  Leder.  Eisenbahnen  4330  Kil,  283  Segel-  und 
74  Dampfschiffe  mit  64000  T.  auf  den  Seen,  daneben  32  Flussdampfer  mit 
3153  T.  1877  liefen  im  Zollbezirk  Milwaukee  853  T.  in  Küstenfahrt  und  12290 
vom  Auslande  ein.  —  Bevölkerung:  Unter  einer  Bevölkerung  von  1054670  befanden 
sich  1870  0,3  Farbige  und  Indianer,  43  im  Staat  und  35  Proc.  im  Ausland 
Geborene,  unter  den  Letzteren  168383  Deutsche  und  Schweizer,  48479  Iren, 
42843  Skandinavier.  Finanzen  (1.  Okt.  1878):  Steuerwerth  455,  Steuern  (Staat 
und  Gemeinden)  8,1,  Einnahmen  1,12,  Ausgaben  1,04,  Schuld  2,25  Mill,  D, 
Schulen :  Zahl  der  Lehrer  8634,  Schulausgaben  2,2  Mill.  D.,  Schulbesuch  60  Proc, 
Colleges  9  mit  1631  Schülern.  Zeitungen  236.  —  Die  erste  Ansiedelung  im 
Gebiet  von  Wisc,  wurde  1665  von  Franzosen  in  Green  Bay  gemacht.  1763  an 
England  abgetreten,  bildete  dieser  Staat  zuerst  einen  Theil  des  Nordwest- 
Territoriums,   dann    von   Indiana,   wurde   1833    eigenes   Territorium    und    1848 


698  Sechste  Gruppe.     Staaten  des  Nordwestens. 

Staat.  Die  Verfassung  ertheilt  das  Wahlrecht  allen  21  Jahre  alten  Bürgern 
der  Y.  St.  und  denen,  welche  ihre  Ahsicht  erklären,  Bürger  der  V.  St.  zu 
werden,  sowie  civilisirteu  Indianern,  die  ausser  Stammesverbindung  stehen.  Die 
oberen  Beamten,  Richter  und  Senatoren  sind  für  2,  die  Repräsentanten  für 
1  Jahr  gewählt.  Die  Gesetzgebung  tritt  jährlich  zusammen.  Wisc.  hat  im 
Congress  7  Repräsentanten. 

Madison,  9176  E. ,  Staatshauptstadt  und  Hauptort  von  Dane  Cy. ,  liegt 
malerisch  auf  einer  Landenge  zwischen  den  Seen  Mendota  und  Menona,  154  Kil. 
w.  von  Milwaukee.  6  Eisenbahnen,  vorzüglich  Chicago  —  Northwestern  und 
Milwaukee  —  S.  Paul.  Von  öffentlichen  Gebäuden  sind  bemerkenswerth  Capitol 
und  State  University.  Als  einer  der  gesündesten  und  angenehmsten  Plätze  des 
W.  berühmt.  8  Zeitungen.  Milwaukee,  71450  E.,  grösste  Stadt  von  Wisc. 
eine  der  Haupthandelsstädte  des  W.,  am  Michigan  -  See ,  wo  der  Milwaukee  R. 
mündet ,  135  Kil.  nw.  von  Chicago.  5  Eisenbahnen  ,  worunter  M.  —  S.  Paul, 
M.  — Detroit,  Western  Union.  Geräumiger  und  sicherer  Hafen.  Der  Fluss  bietet 
Wasserkraft,  die  gewerblich  ausgenützt  wird,  aber  die  Bedeutung  der  Stadt  liegt 
mehr  nach  der  Handelsseite.  M.  ist  einer  der  grössten  Weizenmärkte  der  Union, 
mit  grossartigen  Lager-  und  Ladeeinrichtungen.  Es  empfing  1878  22  Mill.  Busheis 
Weizen,  2,26  Mill.  Fässer  Weizenmehl  und  Massen  anderer  Ackerbauerzeugnisse, 
worunter  z.  B.  133000  Ctr.  Käse.  1877  liefen  13000  T.  ein.  60  Kirchen. 
Hervorragend  unter  den  öffentlichen  Gebäuden  ist  das  V.  St.-  Zollhaus.  25  Zeitungen, 
worunter  5  Tagblätter  (1  deutsches ;  es  lebten  hier  1870  22  599  in  Deutschland 
Geborene).  Weitere  Plätze  am  Michigan-See:  Kenosha,  4309  E. ,  Stadt  und 
Hauptort  von  Kenosha  Cy.  Ausgezeichneter  Hafen.  3  Eisenbahnen.  3  Zeitungen. 
Racine,  9880  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  R.  Cy. ,  35  Kil.  s.  von  Milwaukee. 
Der  Hafen  ist  das  Aestuar  des  Root  R.  Holzindustrie  ,  besonders  Ackerbau - 
geräthe.  Rac.  College.  5  Zeitungen.  3  Eisenbahnen.  Sheboygan,  5310  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Sh.  Cy. ,  an  der  Mündung  des  Sh.  R.,  100  Kil.  n.  von 
Milwaukee.  Holzhandel.  1  Eisenbahn.  5  Zeitungen.  Manitowoc,  5168  E., 
Dorf  und  Hauptort  von  M.  Cy.,  an  der  Mündung  von  M.  R.  Guter  Hafen,  Schiffsbau, 
Holzhandel.  5  Zeitungen.  1  Eisenbahn.  Green  Bay,  4666  E. ,  Stadt  und 
Hauptort  von  Brown  Cy.,  an  der  Mündung  des  Fox  R.  und  des  Canales,  der 
nach  Portage  City  am  Wisconsin  führt,  ferner  Endpunkt  der  Chicago-  und 
Nordwestern  -  Eisenbahn.  Trefflicher  Hafen.  Verschiffung  von  Föhrenholz. 
4  Zeitungen.  —  Am  Oberen  See:  Superior  City,  1122  E.,  Hauptort  von 
Douglas  Cy.,  11  Kil.  s.o.  von  Duluth  Minn.  Guter  Hafen.  1  Zeitung.  —  Am 
Mississippi:  La  Crosse,  7785  E.,  330  Kil.  unterhalb  S.Paul  Minn.  Handeis- 
Flusshafen,  Dampfschiff  bau.  4  Eisenbahnen.  7  Zeitungen.  Prairie  du 
Chien,  2700  E.,  Dorf  und  Hauptort  von  Crawford  Cy.,  1  e.  M.  oberhalb  der 
Mündung  des  Wisconsin  R. ,  96  Kil.  unterhalb  La  Crosse.  4  Eisenbahne]i. 
3  Zeitungen.  —  Am  Wisconsin  R.:  Grand  Rapids,  1115  E.,  Dorf,  Hauptort 
von  Wood  Cy.  Holzhandel.  2  Zeitungen.  Po r tage  City,  3945  E.,  Stadt  und 
Hauptort  von  Columbia  Cy. ,  an  der  Mündung  des  Fox  R.  -  Canals  in  den  Wis- 
consin R.  4  Eisenbahnen.  Holzhandel.  1  Zeitung.  In  der  Nähe  Ft.  Winne- 
bago.  —  Im  Inneren  des  Staates:  Apple  ton,  4518  E.,  Stadt  und  Hauptort 
von  Ontagamie  Cy.,  am  Fox  R.,  32  Kil.  sw.  von  Green  Bay.  Der  Fall  (Grande 
Chute)  liefert  ungeheuere  Wasserkräfte  und  der  Fluss  ist  bis  hierher  schiffbar. 


Sechste  Gruppe.     Staaten  des  Nordwestens.  699 

2  Eisenbahnen,  Lawrence  University.  G  Zeitungen.  Oshkosh,  12663  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Winnebago  Cy.,  am  Winnebago  -  See  bei  der  Mündung 
des  Fox  R.  3  Eisenbahnen.  Im  Sommer  mehrere  Dampferlinien.  Grosses  Holz- 
geschäft. Ueber  30  Säg-  und  Spaltmühlen.  5  Zeitungen.  Fond  du  Lac, 
12764  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Fond  du  Lac  Cy. ,  am  oberen  Ende  des 
Winnebago  -  Sees.  4  Eisenbahnen,  DampfschifFverbindung  durch  Fox  R.  nach 
Green  Bay,  zahlreiche  artesische  Brunnen  von  30  —  40m  Tiefe,  starker  Holz- 
handel. 7  Zeitungen.  Beaver  Dam,  3265  E.,  Stadt  in  Dodge  Cy.,  56  Kil.  von 
Portage  City,  am  Beaver  Creek,  der  reiche  Wasserkraft  liefert.  Sägmühlen. 
Wayland  University.  2  Zeitungen.  Watertown,  7550  E.,  Stadt  in  Jefferson 
Cy.,  amRockR.  Wasserkraft,  5  Eisenbahnen.  1  Zeitung.  Janesville,  8789  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Rock  Cy. ,  am  Rock  R. ,  in  dessen  Thal ,  überragt  von 
30  m  hohen  Bluffs ,  sie  angelegt  ist.  4  Eisenbahnen ,  Wasserkraft ,  Woll-, 
Maschinen-  u.  a.  Fabriken.  Staats  -  Blindenanstalt.  6  Zeitungen,  Beloit, 
4396  E. ,  67  Kil.  von  Madison,  am  Rock  R.  4  Eisenbahnen.  Gewerbthätig. 
B.  College. 

XXXL  Minnesota  (Minn.),  3929  d.  Q.  M.  (83531  e.),  597  407  E.  (1875). 
Grenzt  n.  an  Britisch- Amerika,  s.  an  Iowa,  ö.  an  den  Oberen  See  und  Wisconsin, 
w.  an  Dakota.  Es  liegt  ungefähr  in  der  Mitte  von  Nord-Amerika.  Die  Ober- 
fläche ist  nicht  gebirgig,  aber  auch  nicht  so  eben  wie  in  den  eigentlichen 
Präriestaaten.  Welliger  Prärieboden  waltet  in  einem  grossen  Theile  des  Staates 
vor,  aber  die  Bedeckung  der  Oberfläche  mit  Drift  (s.  Bd.  I)  schafft  zahlreiche 
Unebenheiten  und  mehr  noch  die  bis  500  m  hohe  Hochebene  der  Hauteur  des 
Terres,  welche  den  n  Theil  des  Staates  durchzieht  und  die  Quellen  des  Mis- 
sissippi, Red  R.,  Minnesota  u.  a.  Flüsse  nährt.  Die  Bewässerung  ist  eine  un- 
gemein reichliche.  Denn  ausser  den  4  schiffbaren  Strömen  Mississippi,  Minne- 
sota, Red  R.  und  S.  Croix  hat  Minn,  eine  Unzahl  kleinerer  Wasserläufe  und 
grösserer  und  kleinerer  Seen.  Eine  ganze  Kette  von  Seen  bildet  die  Nordgrenze 
(Rainy  Lake,  Lake  of  the  Woods  u.  a.).  Das  Klima  ist  bezeichnet  durch  harte 
und  trockene  Winter  und  verhältnissmässig  warme  und  feuchte  Sommer,  Ft. 
Snelling  hat  7''  mittlere  Jahreswärme,  28°  Unterschied  zwischen  Sommer  und 
Winter  und  645  mm  Regenfall.  In  der  Seegegend  sind  die  Extreme  gemildert. 
Duluth  hat  8,5  '^  mittlere  Jahreswärme,  Die  Niederschläge  erreichen  nirgends 
900  mm.  Der  Vegetationscharakter  von  Minn.  ist  bezeichnet  durch  das  Vor- 
wiegen der  Moore  und  der  nassen  Prärien,  Lärchen  und  Linden  sind  häufig, 
Wald  bedeckt  indessen  nur  17  Proc.  Im  Allgemeinen  sind  die  höheren  Lagen 
mit  Prärien,  die  tieferen  mit  Moor  und  Wald  bedeckt.  Dem  Ackerbau  ist  nicht 
tiberall  der  Boden,  aber  das  Klima  günstig.  Am  meisten  blüht  Weizenbau,  Vieh- 
zucht und  selbst  die  Zucht  härterer  Obstarten.  Ernte  von  1877  (in  1000  B.) : 
Weizen  33  325,  Mais  13  200,  Hafer  14700,  Gerste  1832,  Roggen  162;  Werth 
41  Mill.  D.  Viehstand  1877  (in  1000):  Rinder  539,  Schafe  300,  Schweine  180, 
Pferde  215;  Werth  27  Mill.  D.  Das  angebaute  Land,  das  sich  von  1860  —  70 
verdreifachte,  betrug  im  letzteren  Jahr  etwa  4V2  Proc.  der  Oberfläche.  An 
Mineralschätzen  hat  Minn.  Kohlen,  Eisen  (1870  1  Hochofen)  und  Kupfer,  die 
aber  bisher  fast  nicht  ausgebeutet  wurden.  Im  Red  R.-Thal  gibt  es  zahlreiche 
Salzquellen.  Der  Gewerbebetrieb  benützte  1870  20000  Pferdekräfte  und  11300 
Arbeiter.     Werth    der   Erzeugnisse    23   Mill.  D.     Hauptgegenstände   Mehl    und 


700  Sechste  Gruppe.     Staaten  des  Kordwestens. 

Sägholz.  Eisenbahnen  3515  Kil.  Segel-  und  Dampfschiffe  auf  den  Seen  und 
Flüssen  54  mit  5300  T.  Die  Bevölkerung  von  439  706  umschloss  1870  1,8  Proc. 
Farbige  und  Indianer,  28  Proc.  im  Staat  und  37  Proc.  im  Ausland  Geborene; 
unter  den  Letzteren  waren  58000  Skandinavier,  43  968  Deutsche  und  Schweizer, 
21746  Iren,  16,698  Canadier.  Finanzen  (1.  Dec.  78):  Steuerwerth  221,  Schuld 
0,57  (Gemeinden  4,8),  Einnahmen  1,47,  Ausgaben  1,56  Mill.  D.  Steuern  (Staat 
und  Gemeinden)  1,7  Proc.  Schulen  (1877)  3141,  Schulausgaben  1,18  Mill.  D., 
Schulbesuch  69  ^o,  Colleges  5  mit  667  Schülern.  Zeitungen  134.  —  Minn.  kam 
1783  mit  dem  Nordwest  -  Territorium  an  die  V.  St.,  wurde  von  diesen  durch 
Landkäufe  von  den  Indianern  vervollständigt,  1849  als  Territorium  und  1857 
als  Staat  zugelassen.  Die  Verfassung  gibt  das  Wahlrecht  Bürgern  der  V.  St., 
welche  4  Monate  im  Staat  verweilt  haben.  Die  oberen  Staatsbeamten  und 
Senatoren  (22)  werden  zweijährlich,  die  Repräsentanten  (47)  jährlich,  die 
Richter  alle  7  Jahre  gewählt.  Der  Staat  wählt  2  Repräsentanten  in  den  Congress. 
S.  Paul,  20030  E.,  Hauptstadt  und  grösste  Stadt  des  Staates  und  Haupt- 
ort von  Ramsey  Cy.,  am  n.  Ufer  des  Mississippi,  10  Kil.  unterhalb  der  Minnesota- 
Mündung,  14  Kil.  unterhalb  der  S.  Anthony  Falls  und  damit  am  Ende  der 
Schiffbarkeit  des  Mississippi,  3330  Kil.  von  der  Mündung  desselben  entfernt. 
Auf  3  Stufen  des  Uferabfalles  terrassenartig  erbaut,  von  Hügeln  umgeben. 
5  Eisenbahnen.  Flussschiffahrt.  Handels-  und  gewerbthätig.  Starker  Verkehr 
mit  den  weiter  nw.  gelegenen  Ansiedelungen  am  Red  R.  und  Winnipeg-Gebiet. 
Sitz  der  State  Reform  School.  21  Zeitungen  (1  deutsche).  Still  water, 
4124  E.,  am  Fluss  und  See  S.  Croix,  am  Ende  der  Schiffbarkeit  des  letzteren, 
30  Kil.  n.ö.  von  S.  Paul.  Holzhandel.  2  Zeitungen.  2  Eisenbahnen.  —  Plätze 
am  Mississippi:  Ft.  Ripley,  Posten  der  V.  St.,  24  Kil.  oberhalb  Little  Falls. 
Saint  Cloud,  2161  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Stearns  Cy.,  Eisenbahnbrücke, 
Normal  School.  Holzhandel.  3  Zeitungen.  St.  Anthony,  5013  E.,  vereinigt 
mit  Minneapolis,  das  1870  für  sich  allein  13036  E.  besass.  Beide  ca.  40000  E. 
(1878),  20  Sägmühlen,  5  Eisenbahnen,  eiserne  Brücke  von  205  m.  Hastings, 
3458  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Dakota  Cy.,  Eisenbahnkreuzung,  Sägmühlen, 
Getreidehandel,  Eisenbahnwerkstätten.  2  Zeitungen.  Red  Wing,  4260  E., 
am  Lake  Pepin,  2  Eisenbahnen,  Getreidehandel.  2  Zeitungen.  Win  on  a,  7162  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Winona  Cy.  Eisenbahnkreuzung.  Hauptweizenmarkt 
des  Staates.  Gewerbthätig.  Normal  School.  2  Zeitungen.  —  Am  Oberen  See : 
Duluth,  3131  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  S.  Louis  Cy.,  1971  Kil.  w.  von 
Buffalo,  an  der  Mündung  des  St.  Louis  R.,  ö.  Endpunkt  der  N.  Pacific,  ausserdem 
Eisenbahn  nach  S.  Paul.  Erst  1869  angelegt.  4  Zeitungen.  —  Am  Minnesota  R. : 
Neu- Ulm,  ca.  1000  E.,  Hauptort  von  Brown  Cy.,  Eisenbahn.  Handels-  und 
gewerbthätig.  Viele  Deutsche  in  der  Umgegend.  56  Kil.  oberhalb  Mankota, 
3482  E. ,  Hauptort  von  Blue  Earth  Cy.,  210  Kil.  von  Winona.  Bedeutender 
Lokalhandel.  3  Eisenbahnen.  3  Zeitungen.  —  Am  Red  R.  Breckenridge, 
Dorf  und  Endpunkt  der  S.  Paul -Pacific  R.  —  Im  SO.  des  Staates:  Rochester, 
3953  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Olmsted  Cy.,  am  Zumbro  R.  Eisenbahn  nach 
Winona,  das  80  Kil.  entfernt  ist.  3  Zeitungen.  Faribault,  3045  E.,  Eisen- 
bahnkreuzung, Staat-Taubstummeninstitut,  Episcopalian  College.  Gewerbreich. 
2  Zeitungen.  Owatonna,  2070  E.,  am  Straight  R.,  145  Kil.  w.  von  Winona, 
Eisenbahnkreuzung.     1  Zeitung. 


Sechste  Gruppe.     Staaten  des  Nordwestens.  701 

XXXII.  Iowa  (lo.),  2589  d.  Q.M.  (55045  e.),  1350 544 E.  (1875).  Zwischen  dem 
Mississippi  und  dem  Missouri  gelegen,  wird  lo.  begrenzt  von  Minnesota  im  N., 
Missouri  im  S.,  Illinois  und  Wisconsin  im  0.,  Dakota  und  Nebraska  im  W.  lo. 
ist  durchaus  Prärieland,  die  s.  Verlängerung  des  Coteau  des  Prairies,  welche 
wasserscheidend  von  N.  hereinragt,  ist  selbst  nur  eine  flache  Wölbung.  Die 
steilwandigen  Flussthäler  sind  die  einzige  Unterbrechung  in  den  weiten  Ebenen. 
Alle  Flüsse  haben  entweder  s.w.  oder  s.o.  Lauf  Zum  Mississippi-Gebiet  gehören 
etwa  ä/s,  zu  dem  des  Missouri  \3  des  Staates.  Der  grösste  ist  der  Des  Moines, 
Ausser  ihm  fliessen  demselben  noch  zu  Iowa  und  Cedar,  Skunk  und  Maquoteka  R. 
In  den  Missouri  gehen  Chariton ,  Grand  und  Big  Sioux  R.  Der  Staat  ist  reich 
an  kleinen  Seen.  Das  Klima  ist  extrem,  aber  in  den  einzelnen  Jahreszeiten 
regelmässig,  vorwiegend  trocken,  ohne  dem  Ackerbau  ungünstig  zu  sein.  Mittel- 
wärme 8—11",  Niederschläge  900  —  1100  mm.  Der  W^ald  ist  spärlich,  er  be- 
deckt 14,1  Proc.  Fast  nur  Laubwälder  bzw.  Haine,  in  denen  Eichen,  Gottonwood 
und  Linden  am  häufigsten  sind.  Die  ersteren  bedecken  die  Tieflandstrecken  der 
Flussthäler,  während  das  zerstreute,  hainartige  Wachsthum  den  höheren  Lagen 
eigen  ist.  Für  den  Ackerbau  ist  dieser  Staat  fast  ausnahmslos  sehr  günstig  be- 
anlagt, der  Boden  fruchtbar,  bei  seiner  Flachheit  leicht  zu  bebauen,  das  Klima 
regelmässig,  nur  manchmal  zu  trocken.  Die  einzige  grosse  Schädlichkeit  sind  die 
Heuschreckenschwärme,  welche  nicht  selten  verheerend  auftreten.  Getreide- 
ernte von  1877  (in  1000  B.):  Mais  156000,  Hafer  42  000,  Weizen  37  810,  Gerste 
5300;  Werth  82  Mill.  D.  Viehstand  1877  (in  1000):  Rinder  1680,  Schafe  560, 
Schweine  2950,  Pferde  und  Maulthiere  775;  Werth  97  Mill.  D.  1870  waren  26  Proc. 
des  Staates  in  Anbau,  '^/s  der  Bevölkerung  widmet  sich  dem  Ackerbau.  Von 
Mineralschätzen  sind  Kohle  (Fortsetzung  des  Missouri -Kohlenfeldes)  und  Blei 
hervorragend.  Der  Gewerbebetrieb  beschäftigte  1870  899  Dampfmaschinen  und 
der  Werth  seiner  Erzeugnisse  betrug  47  Mill.  D.  Haupterzeugnisse:  Mehl,  Säg- 
holz, Salz,  Fleisch.  Eisenbahnen  6620  Kil.  Flussdampfer  40  mit  3009  T.  Von 
den  1194020  E.  in  1870  waren  0,5  Farbige,  36  Proc.  im  Staat  und  18  Proc.  im 
Ausland  Geborene,  unter  den  Letzteren  66160  Deutsche,  40124  Irländer, 
28356  Skandinavier,  17 907  Britisch  -  Amerikaner.  Finanzen:  1877  wurden 
10,7  Mill.  D.  Steuern  vom  Staat  und  Gemeinden  erhoben.  Einnahmen  1,07, 
Ausgaben  1,06,  Schuld  0,5  Mill.  D.  Schulausgaben  ca.  5  Mill.  D.  75  Proc.  der 
Kinder  besuchen  Schulen.  Zahl  der  Volksschulen  10296,  Colleges  gibt  es  18 
mit  3301  Schülern.  Zeitungen  390.  —  Wahlberechtigt  ist  jeder  6  Monate 
im  Staat  sich  befindende  Bürger  der  V.  St.  Die  oberen  Beamten  und  Re- 
präsentanten (200)  werden  für  2,  die  Senatoren  (49)  für  4,  die  Richter  für 
4  und  6  Jahre  gewählt.  Die  Gesetzgebung  tritt  alle  2  Jahre  zusammen.  lo. 
wählt  7  Repräsentanten  in  den  Congress. 

Des  Moines,  12035  E,,  Hauptstadt  des  Staates  und  Hauptort  von  Polk  Cy., 
am  Einfluss  des  Raccoon  in  den  Des  Moines  R.,  in  hügeliger  Lage,  an  der 
Chicago -Rock  Island -Pacific -Eisenbahn.  Gewerbthätig  in  Maschinen-,  Papier- 
u.  a.  Fabriken.  14  Zeitungen.  —  Plätze  am  Mississippi:  Mac  Gregor, 
3000  E.,  gegenüber  Prairie  du  Chien,  96  Kil.  oberhalb  Dubuque.  3  Eisenbahnen, 
Eisenbahnwerkstätten.  4  Zeitungen.  Dubuque,  18434  E. ,  300  Kil.  w.  von 
Chicago,  theilweis  im  Thalgrund,  theilweis  auf  den  Bluffs  (65  m  über  Hoch- 
wasser) erbaut,    Mittelpunkt  der  Bleiregion  von  lo.  und  Wisc.     Starker  Handel 


702  Sechste  Gruppe.    Staaten  des  Nordwestens. 

und  Verkehr.  Episcopal  Seniiiiary.  4  Eisenbahnen.  9  Zeitungen.  Lyons, 
3260  E.,  Stadt  in  Clinton  Cy.,  3  Kil.  oberhalb  Clinton,  Chicago -NW. -Eisen- 
bahn kreuzt  hier  den  Mississippi.  Female  College.  2  Zeitungen.  Clinton, 
6129    E..     Eisenbahnwerkstätten,     Sägmühlen,     Holzhandel.      3   Eisenbahnen. 

5  Zeitungen.  Stadt  und  Hauptort  von  Cl.  Cy.  Davenport,  20038  E.,  Stadt 
und  Hauptort  von  Scott  Cy.,  gegenüber  Rock  Island,  500  Kil.  oberhalb  S.  Louis 
und  292  Kil.  w.  von  Chicago.  Eisenbahnbrücke  nach  Rock  Island.  Zusammen 
mit  Rock  Island  und  Des  Moines  der  grösste  Eisenbahnknotenpunkt  am  oberen 
Mississippi.  Der  Stapelplatz  für  den  Getreidehandel  des  oberen  Mississippi- 
Beckens.  Wasserkraft.  Fabriken  von  Ackergeräthen ,  Wollfabriken.  Griswold 
College  und  ein  katholisches  College.  4  Zeitungen.  Muscatine,  6718  E.,  Stadt 
und  Hauptort  von  M.  Cy.,  48  Kil.  unterhalb  Davenport.  Pork-Packing,  Holzhandel. 

4  Zeitungen.  Burlington,  14  930  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Des  Moines  Cy., 
332  Kil.  w.  von  Chicago.    Handelsthätig.    Burlington  University.    5  Eisenbahnen. 

6  Zeitungen.  Ft.  Madison,  4011  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Lake  Cy., 
38  Kil.  oberhalb  Keokuk,  30  Kil.  unterhalb  Burlington.  Gewerbe  und  Handel. 
Staatsgefängniss.  2  Zeitungen.  Keokuk,  12  766  E.,  Stadt  und  Hauptort  von 
Lee  Cy.,  oberhalb  der  Des  Moines  -  Mündung,  332  Kil.  oberhalb  S.  Louis, 
1900  Kil.  von  New  York.  Endpunkt  der  Schiffahrt  für  die  grössten  Dampf- 
boote, am  Fuss  der  unteren  Stromschnellen.  4  Eisenbahnen,  Eisenbahnbrücke, 
Giessereien,  Dampfmühlen.  6  Zeitungen.. —  Am  Missouri:  Sioux  City,  3401  E., 
Stadt  und  Hauptort  von  Woodbury  Cy. ,  am  Endpunkt  der  schweren  Dampf- 
schiffahrt, 155  Kil.  w.  von  Council  Bluffs  und  520  Kil.  w.  von  Dubuque. 
Supply  Point  des  oberen  Missouri-Gebietes,  inmitten  einer  fruchtbaren  Gegend. 
3  Zeitungen.  Council  Bluffs,  10020  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Potta- 
wattomie  Cy. ,  im  Thalgrund  des  Stromes,  5  Kil.  von  demselben,  am  Fusse 
steiler  Bluffs,  770  Kil.  von  Chicago,  gegenüber  Omaha,  dem  Endpunkt  der  Union 
Pacific  -  Eisenbahn.  4  Eisenbahnen,  worunter  Chicago  —  Rock  Island  —  Pacific. 
Eisenbahnbrücke  über  den  Strom.  Knotenpunkt  eines  starken  Verkehrs.  Staats- 
Taubstummenanstalt.  7  Zeitungen.  —  Am  Des  Moines  R. :  Fort  Dodge, 
3095  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Webster  Cy.,  207  Kil.  w.  von  Dubuque.  Wasser- 
kraft. V.  St.-Landamt.  3  Eisenbahnen.  3  Zeitungen.  Oskaloosa,  3204  E., 
Hauptort   von  Mahaska  Cy. ,    in   der  Kohlen-  und  Eisenregion,   4  Eisenbahnen, 

5  Kil.  vom  Fluss.  3  Zeitungen.  Ottumwa,  5214  E.,  Stadt  und  Hauptort  von 
Wapello  Cy.,  4  Eisenbahnen,  Eisenbahnbrücke.  Gewerbe  und  Handel.  4  Zeitungen. 
—  Am  Iowa  R. :  Iowa  City,  Stadt  und  Hauptort  von  Johnson  Cy.,  192  Kil. 
ö.  von  Des  Moines,  auf  hohen  Bluffs  des  bis  hier  schiffbaren  Flusses.  State 
University.  7  Zeitungen.  —  Am  Cedar  R.:  Ce dar  Falls,  3070  E.,  Stadt 
in  Black  Hawk  Cy. ,  4  Eisenbahnen,  Wasserkraft,  160  Kil.  w.  von  Dubuque. 
2  Zeitungen.  Water loo,  4337  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Black  Hawk  Cy., 
zu  beiden  Seiten  des  hier  überbrückten  Flusses.  In  einer  der  fruchtbarsten 
Gegenden  des  Staates.  4  Eisenbahnen.  Eisenbahnwerkstätten.  148  Kil.  w.  von 
Dubuque.  3  Zeitungen.  Cedar  Rapids,  5940  E. ,  Stadt  in  Linn  Cy., 
5  Eisenbahnen,  350  Kil.  von  Chicago.  Gewerbthätig.  Starker  Schiffs-  und  Eisen- 
bahnverkehr. 6  Zeitungen.  —  Kleinere  Plätze :  Fairfield,  2226  E.,  Hauptort 
von  Jefferson  Cy.,  am  Big  Cedar  Creek.  4  Eisenbahnen.  Female  Seminary. 
2  Zeitungen.     Glenwood,  1294  E.,  Stadt  und  Hanptort  von  Mills  Cy.,  433  Kil.  w. 


Siebente  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  und  Steppenregion.     703 

von  Burlington.  1  Zeitung.  Independence,  2945  E.,  Stadt  und  Hauptort 
von  Buchanan  Cy.,  am  Wapsipinicon  R.,  in  fruchtbarer  Umgebung,  110  Kil  w. 
von  Dubuque.  4  Eisenbahnen.  2  Zeitungen.  Marshalltow n,  3218  E., 
Hauptort  von  Marshall  Cy.,  110  Kil.  w.  von  Cedar  Rapids,  Eisenbahnkreuzung. 
2  Zeitungen.  Maquoketa,  1756  E.,  am  Maquoketa  R.,  72  Kil.  n.  von  Da- 
venport.  Gewerbreich.  Eisenbahnkreuzung.  2  Zeitungen.  Waverly,  2291  E., 
auf  beiden  Seiten  des  Red  Cedar  R.,  Stadt  und  Hauptort  von  Bremer  Cy. 
2  Eisenbahnen.  2  Zeitungen.  Winterset,  1485  E.,  Hauptort  von  Madison  Cy., 
an  einem  Zweig  der  Chicago-Rock  Isl.-Pacific-Eisenbahn,  42  Kil.  w.  von  Somerset. 
1  Zeitung. 

Siebente  Gruppe. 

Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  und 
Steppenregion, 

Vier  Staaten  und  Territorien  folgen  in  einer  Reihe  von  N.  nach  S.  auf  ein- 
ander :  Dakota,  Nebraska,  Kansas,  Indianer-Territorium.  Sie  haben  das  Gemein- 
same, dass  sie  in  das  Grenzgebiet  zwischen  Prärie  und  Steppe  fallen.  Der 
oftgenannte  100.  Längengrad  (s.  o.  S.  228)  durchschneidet  sie  fast  in  der  Mitte. 
Ihre  ö.  Hälften  gehören  noch  jener,  ihre  w.  bereits  dieser  an.  Im  0.  sind 
sie  fruchtbar  und  schon  verhältnissmässig  stark  besiedelt,  im  W.  sind  sie  nur 
mit  Hülfe  künstlicher  Bewässerung  in  beschränkten  Gebieten  anbaufähig.  In 
ihren  ö.  Hälften  gehören  sie  zu  den  stärksten  Mais-  und  Weizenerzeugern  der 
Union  (Kansas  und  Nebraska  erzeugten  1877  5,5  Proc.  der  ganzen  Weizen-  und 
10,2  Proc.  der  ganzen  Maisernte).  Sie  sind  als  junge  Staaten,  abgesehen  von 
dem  unter  besonderen  Verhältnissen  stehenden  Indianer-Terr. ,  unter  den  raschest 
wachsenden:  Kansas  und  Nebraska  haben  von  1860  —  70  ihre  Bevölkerung 
nahezu  vervierfacht.  Diese  beiden  Staaten  sind  die  ausschliesslichsten  Prärie- 
und  Steppenstaaten  und  werden  immer  zu  den  einseitigst  ackerbauenden  Gegenden 
der  V.  St  gehören,  da  sie  weder  Wald  noch  grosse  Mineralschätze  oder  Wasser- 
kräfte, noch  vortreffliche  Verkehrslagen  besitzen.  Dagegen  reichen  Dakota  und 
Indianer-Terr.  bereits  in  die  östlichsten  Ausläufer  der  grossen  Gebirge  des  W. 
hinein  und  umschliessen  mineralreiche  Gebiete.  In  den  beiden  ersteren  Staaten 
ist  die  indianische  Bevölkerung  ganz  in  die  Peripherie  zurückgedrängt,  in  den 
beiden  anderen  ist  sie  noch  stark.  Die  weisse  Bevölkerung  umschliesst  zahl- 
reiche Deutsche.  Grosse  Städte  haben  sich  hier  noch  nicht  entwickelt.  Grosse 
Verkehrswege  durchziehen  dieses  Gebiet,  aber  sie  treffen  hier  nicht  zusammen 
(Union  Pacific  -  Eisenbahn ,  Missouri-,  Kansas  Pacific),  da  alle  w.  und  ö.  Rich- 
tungen einschlagen. 

XXXIII.  Dakota  (Dak.),  11 353  d.Q.M.  (150  932  e.),  14  181  E.  (1870).  Liegt 
zwischen  der  canadischen  Grenze  im  N.,  Nebraska  im  S.,  Minnesota  und  Iowa  im 
0.,  Wyoming  und  Montana  im  W.  auf  der  Grenze  zwischen  Prärie  und 
Steppe  und  entspricht  in  der  Oberflächengestalt  den  Staaten  Kansas  und 
Nebraska ,  denen  es  sich  als  nördlichster  Abschnitt  des  Grenzstriches  zwischen 
Prärie  und  Steppe  wie  eine  Fortsetzung  nach  N.  hin  anschliesst.  Doch  greifen 
in  sein  Gebiet  schon  grössere  Erhebungen,  theils  Vorläufer  des  w.  Hochgebirges, 


704    Siebente  Gruppe.     Staaten  und  Territoren  der  Prärie-  und  Steppenregion. 

theils  Theile  der  Hochebenen,  ein,  welche  von  N.  her  in  die  Prärieregion  über- 
greifen. So  haben  wir  die  ca.  300  Q.M.  bedeckenden  und  über  2000  m  hohen  Black 
Plills  im  SW.,  den  Coteau  des  Prairies  an  der  Ostgrenze,  den  Coteau  du  Missouri 
im  SO.,  längst  des  die  Südgrenze  bildenden  Missouri.  Der  Missouri  durchfliesst 
in  s.o.  Richtung  das  ganze  Gebiet,  dessen  Südostgrenze  er  bildet.  Die  übrige 
Südgrenze  wird  vom  Niobrara  und  die  Hälfte  der  Ostgrenze  vom  Red  R.  gebildet. 
Ausser  dem  letzteren  kommen  diese  Flüsse  sammt  ihren  Nebenflüssen  wegen  ihrer 
Wasserarmuth  für  die  Schiffahrt  nicht  in  Betracht,  wenn  auch  der  Missouri  bei 
Hochwasser  bis  über  die  Westgrenze  des  Gebietes  hinaus  schiffbar  ist.  Von 
Seen  finden  sich  einige  grössere  auf  der  Ostseite  des  Gebietes,  welche  noch  an 
die  Seenplatte  hinreicht.  L.  Traverse  und  Miniwakon  sind  die  bedeutendsten. 
Das  Klima  ist  steppenhaft  extrem  und  von  0,  nach  W.  zunehmend  trockener. 
In  der  ö.  Hälfte  genügt  der  Regenfall  nicht  mehr  für  den  Ackerbau.  Der 
Waldbestand  wird  zu  nur  3  Proc.  angenommen.  Der  Ackerbau  hat  in  den 
letzten  Jahren  in  der  Osthälfte  von  Dak.  stark  zugenommen  und  sind  es  be- 
sonders die  Thäler  des  Red  R.,  Dakota  R.,  Big  Sioux  u.  a.,  welche  vortrefflichen 
Weizenboden  bieten.  Leider  fehlt  aus  der  jüngsten  Zeit  jede  genauere  Statistik. 
1870  gab  es  bereits  43000  A.  angebautes  Land  mit  1720  Farmen.  Ueber  die 
Riesenfarmen  dieser  Region  s.  o.  S.  261.  Damals  wurde  der  Werth  der  land- 
wirthschaftlichen  Erzeugnisse  auf  0,49  und  der  des  Viehstandes  auf  0,78  Mill.  D. 
veranschlagt.  Haupterzeugniss  wird  in  immer  grösserem  Masse  Weizen.  Die 
Gewerbthätigkeit  und  der  Handel  sind  bis  jetzt  unbedeutend.  An  Mineralschätzen 
sind  die  Black  Hills  reich ,  deren  Goldwäschen  seit  1875  ca.  5  Millionen  ergeben 
qaben.  Eisenbahnen  sind  nur  465  Kil.  vorhanden ;  Hauptlinie  ist  ein  bis  Bismarck 
reichender  Ausläufer  der  N.  Pacific  R.  R.  Die  Schulausgaben  betrugen  1877 
38000  D.,  Schulbesuch  58  Proc.  Zeitungen  1878  24  (gegen  17  in  1877).  —  Die 
Bevölkerung,  welche  durch  den  Zuzug  nach  den  Black  Hills  sich  in  Zahl  und 
Zusammensetzung  seit  1874  erheblich  verändert  hat,  betrug  1870  14 181,  worunter 
4815  Ausländer,  999  Indianer  und  90  Neger.  Dak.  ist  1861  als  Territorium 
organisirt,  nachdem  die  ersten  weissen  Ansiedelungen  1858/59  bei  Vermillion, 
Yankton  und  Sioux  Falls  gemacht  worden  waren.  Governor,  Staatssekretär  und 
Richter  ernennt  der  Präsident  der  V.  St. ,  während  die  übrigen  Beamten  durch 
Wahl  besetzt  werden. 

Yankton,  737  E.,  Hauptstadt  des  Territoriums  und  Hauptort  von 
Yankton  Cy. ,  am  Missouri,  11  Kil.  von  der  Einmündung  des  Dakota.  Eisen- 
bahn. 4  Zeitungen.  Fargo,  am  Red  R. ,  inmitten  der  fruchtbarsten  Weizen- 
region des  Terr. ,  Pembina  Cy.,  gegenüber  der  S.Paul-Eisenbahn.  Bismarck, 
am  Missouri,  d.  Z.  Endpunkt  der  N.  Pacific -Eisenbahn.  V.  St. -Forts  längs 
des  Missouri:  Ft.  Randell,  Lookout,  St.  Pierre,  Mandan.  Custer  City,  neuer 
Platz  in  der  Goldregion  der  Black  Hills. 

XXXIV.  Nebraska  (Nebr.),  3618  d.  Q.M.  (75  995  e.),  257  747  E.  (1875).  Ist 
zwischen  Dakota  im  N.,  Kansas  und  Colorado  im  S.,  Iowa  und  Missourri  im  0., 
Wyoming  im  W.  gelegen.  Seine  Oberflächengestalt  ist  gleich  derjenigen  von  Kansas, 
mit  Ausnahme  des  äussersten  NW.,  in  welchen  die  merkwürdige  salzige  Wüsten- 
region der  Bad  Lands  oder  Mauvaises  Terres  (s.  Bd.  I  S,  594)  hereinragt.  Der 
Missouri  bildet  einen  Theil  der  n.  und  die  ganze  ö.  Grenze  und  empfängt  inner- 
halb  des  Staates   die  Nebenflüsse   Niobrara    und   Platte    (oder  Nebraska).     Der 


Siebente  Gtruppe.    Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  und  Steppenregion.     705 

letztere  ist  der  Hauptfluss  des  Staates,  dem  er  mit  Recht  den  Namen  gegeben, 
und  nimmt  u.  a.  Elkhorn,  Wood,  Loup  Fork  auf.  Der  s.  Theil  von  Nebr.  ist 
von  dem  Republican  Fork  des  Kansas  R.  durchflössen,  der  hier  Big  Blue,  Big 
Sandy  u.  a.  Zuflüsse  aufnimmt.  Klimatisch  ist  Nebr.  gleich  Kansas  in  eine 
fruchtbare  Ost-  und  eine  trockenere  Westhälfte  zu  theilen.  Die  Regenmenge 
von  Omaha  u.  a.  Orten  im  0.  (800  —  1000)  sinkt  im  W.  des  Staates  auf  die 
Hälfte.  Die  mittlere  Jahreswärme  ist  im  N.  8,  im  S.  des  Staates  12".  Verderblich 
sind  die  Weststürme,  welche  besonders  im  Winter  mit  gewaltiger  Kraft  wehen 
und  plötzliche  grosse  Temperaturerniedrigungen  hervorrufen.  Der  Vegetations- 
charakter ist  entsprechend  diesen  Verhältnissen  im  0.  die  Prärie,  im  W.  die 
Steppe.  Der  Wald,  ausschliesslich  Laubholz,  nimmt  nur  5,2  Proc.  des  Bodens 
ein.  Der  Ackerbau  findet  die  gleichen  Bedingungen  wie  in  Kansas:  er  ist  ohne 
Bewässerung  nur  in  der  ö.  Hälfte  des  Staates  möglich  (vgl.  o.  S,  231).  Gegenwärtig 
dürften  ca.  Vis  des  Staates  in  Anbau  sein.  Getreideernte  von  1877  (in  1000  B): 
Mais  38500,  Weizen  5640,  Hafer  5400,  Gerste 520 ;  Werth  12,5  Mill.  D.  Viehstand  1877 
(in  1000):  Rinder  298,  Schafe  62,  Schweine  256,  Pferde  undMaulthierel26;  Werth 
17  Mill.  D.  Wie  in  Kansas  tritt  auch  hier  ein  äusserster  w.  Theil  des  Missouri- 
Kohlenbeckens  auf,  aber  in  wenig  ergiebiger  Gestalt.  Salz  wird  aus  Seen  und 
Quellen  reichlich  gewonnen.  Die  Gewerbthätigkeit  ist  wenig  entwickelt.  1870 
beschäftigte  dieselbe  2300  Pferdekräfte  und  2700  Arbeiter  und  erzeugte  einen  Werth 
von  5,6  Mill.  D.  Eisenbahnen  (1877)  2060  Kil.  und  Flussdampfer  (auf  dem  Missouri) 
22  mit  4621  T.  —  Bevölkerung:  Von  122,993  E.  in  1870  waren  0,4  Proc. 
Farbige  und  Indianer  (seit  1877  sind  aber  mehrere  1000  Farbige  hier  einge- 
wandert), 15  Proc.  im  Staat  und  25  Proc.  im  Ausland  Geborene.  Von  den 
letzteren  waren  11547  Deutsche  und  Schweizer,  4999  Irländer  und  2858 
Skandinavier.  —  Finanzen  (1.  Dec.  78) :  Steuerwerth  74,  Einnahmen  0,90,  Aus- 
gaben 0,88,  Schuld  0,59  Mill.  D.  Staatssteuer  6  p.  Mille.  Schulen :  Volksschulen  2496, 
Schulbesuch  62  Proc,  Colleges  5  mit  478  Schülern,  Schulausgaben  0,86  Mill.  D. 
Zeitungen  113.  Die  Staatsbeamten  und  Senatoren  sind  für  2,  die  Repräsen- 
tanten für  1,  die  Richter  für  4  —  6  Jahre  wählbar.  In  den  Congress  sendet 
Nebr.  1  Repräsentanten.  1854  als  Territorium  organisirt,  wurde  Nebr.  1868  als 
Staat  aufgenommen. 

Lincoln,  2441  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Lancaster  Cy.,  s.  vom  Platte  R. 
in  fruchtbarer  Umgebung.  5  Eisenbahnen,  University,  Agricult.  College,  Salz- 
werke, die  die  reiche  Soole  benachbarter  Salzquellen  verarbeiten.  8  Zeitungen. 
Omaha,  16083  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Douglas  Cy.,  oberhalb  der  Mündung 
des  Platte  R.  in  den  Missouri,  am  w.  Ufer  des  letzteren,  gegenüber 
Council  Bluffs,  ö.  Endpunkt  der  Union  Pacific  R.  R. ,  Eisenbahnbrücke  über 
den  Missouri.  Bei  Hochwasser  ist  Dampfschiffverbindung  mit  dem  1310  Kil. 
entfernten  S.  Louis  möglich.  0.  liegt  auf  15  m  über  dem  Fluss  sich  erhebendem 
Plateau.  Durch  seine  Lage  am  Endpunkte  der  Pacific-Bahn  und  als  einer  der 
am  weitesten  nach  W.  vorgeschobenen  grösseren,  gewerb-  und  handelthätigen 
Plätze  ist  es  ein  Supphjing  Centre  für  die  Steppen-  und  Gebirgsterritorien  bis 
Salt  Lake  City  hingewordeu.  5  Eisenbahnen.  14  Zeitungen.  Nebraska  City, 
6050  E. ,  Stadt  am  Missouri,  Hauptort  von  Otoe  Cy. ,  137  Kil.  s.o.  von  Omaha. 
3  Eisenbahnen.  5  Zeitungen.  Plattsmouth,  1944  E. ,  Dorf  und  Hauptort 
von    Cass    Cy. ,     am    Einfluss    des    Platte    R.    in    den    Missouri.     Eisenbahn- 

R  a  t  z  e  1 ,    Amerika  II.  45 


706    Siebente  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  und  Steppenregion. 

kreuzung.  5  Zeitungen.  Brownville,  1305  E.,  Hauptort  von  Nemaha  Cy., 
am  Missouri,  im  SO.  des  Staates,  10  Kil.  oberhalb  Nemaha.  2  Zeitungen. 
Niobrara^  Hauptort  von  Knox  Cy. ,  an  der  Mündung  des  Niobrara  in  den 
Missouri.  Fremont,  1195  E.,  am  Platte  E.  und  der  Union  Pacific -Eisenbahn, 
Kreuzung  von  3  Eisenbahnen,  75  Kil.  nw.    von  Omaha.     1  Zeitung. 

XXXV.  Kansas  (Kans.),  81318  e.  Q.  M. ,  528437  E.  (1875).  Grenzen: 
Nebraska  im  N.,  Indianer  -  Territorium  im  S.,  Missouri  im  0.,  Colorado  im  W. 
Der  Boden  von  Kans.  ist  durchaus  von  der  Natur  des  Prärie-  und  Steppenbodens, 
eine  wellige  Ebene,  die  allmählich  von  0.  nach  W.  von  200  auf  1000  m  zu  an- 
steigt und  von  den  breiten  Thälern  der  meist  nach  SO.  zu  fliessenden  Gewässer 
durchschnitten  ist.  Die  letzteren  gehören  alle  dem  System  des  Mississipi  an, 
und  zwar  fliessen  sie  diesem  durch  die  drei  grossen  Zuflüsse  des  Missouri, 
Kansas  und  Arkansas  zu.  Der  Kansas  nimmt  den  Saline,  Solomon,  Republican 
Fork,  der  Arkansas  den  Neosho  auf.  Das  Klima  ißt  innerhalb  der  Staatsgrenzen 
zwischen  0.  und  W.  sehr  verschieden.  Der  0.  hat  genügend  feuchtes,  der  W. 
bereits  steppenhaft  trockenes  Klima.  Der  scharfe  Gegensatz  der  Jahreszeiten 
ist  beiden  gemein,  aber  er  ist  schärfer  im  W.  als  im  0.  Leavenworth,  das  den 
0.  repräsentiren  kann,  hat  11,5  mittlere  Jahreswärme,  22  ®  Unterschied  zwischen 
mittlerer  Sommer-  und  Wintertemperatur  und  bis  zu  1200  mm  Niederschläge. 
Im  W.  geht  die  Regenmenge  nicht  über  700  mm  hinaus  und  die  Extreme  des 
Winters  und  Sommers  erreichten  z.  B.  in  Osage  Cy.  bereits  27*^.  Die  geringe 
Procentzahl  des  Waldbodens,  5,6  Proc,  zeigt  zur  Genüge,  dass  das  Klima  dem 
Waldwuchs  ungünstig.  Derselbe  gehört  im  Allgemeinen  nur  den  Thalniederungen 
an.  Ueber  die  ackerbaulichen  Möglichkeiten  dieses  Gebietes  s.  o.  S.  229.  Nur  die 
Osthälfte  kann  für  den  Ackerbau  ohne  künstliche  Bewässerung  in  Betracht 
kommen,  und  hier  kommt  viel  guter  Boden  vor;  die  Westhälfte  hat  bis  jetzt 
nur  Werth  als  Weideland,  und  beschränkte  Strecken  können  mit  grossem  Capital 
der  künstlichen  Bewässerung  zugänglich  gemacht  werden.  1877  war  höchstens 
Vio  in  Anbau.  Getreideernte  von  1877  (in  1000  B.):  Mais  98900,  Weizen  14400, 
Hafer  12200,  Roggen  2410,  Gerste  1910;  Werth  36  Mill.  D.  Yiehstand  1877 
(in  1000):  Rinder  800,  Schafe  156,  Schweine  431,  Pferde  und  Maulthiere  264; 
Werth  33  Mill.  D.  An  Mineralschätzen  ist  Kans.  arm.  Die  äussersten  Enden 
des  Missouri-Kohlenbeckens  erstrecken  sich  über  seine  Grenzen,  doch  scheint 
es  nicht,  dass  bauwürdige  Flöze  vorhanden.  Gross  scheint  der  Salzreichthum 
zu  sein.  1870  gab  254  Dampfmaschinen  und  6844  Arbeiter,  die  gewerblich 
beschäftigt  waren.  Der  Werth  ihrer  Erzeugnisse  war  11,7  Mill.  D.  Bloss 
Mehl  erreicht  eine  beträchtliche  Ziffer.  Eisenbahnen  3770  Kil.  Flussdampfer 
gehören  diesem  Staate  keine  an,  wiewohl  schiffbare  Flüsse  vorhanden.  —  Be- 
völkerung: Unter  364399  E.  hatte  Kans.  1870  7,3  Proc.  Farbige,  17  Proc.  im 
Staat  und  13  Proc.  im  Ausland  Geborene.  Unter  den  Letzteren  waren  12  775 
Deutsche  und  10950  Irländer.  Finanzen  (1.  Juli  78):  Steuerwerth  138,  Ein- 
nahmen 1,20,  Ausgaben  1,27,  Schuld  1,18  Mill.  D.,  Staatssteuern  0,5  Proc. 
Schulen  (1877):  Schulausgaben  1,33  Mill.  D.,  Schulbesuch  68  Proc,  Volks- 
schulen 3800,  Colleges  8  mit  925  Schülern.  Zeitungen  171.  —  Kans. 
(früher  Theil  des  Nebraska-Territoriums)  wurde  1858  nach  heftigen  Kämpfen 
zwischen  Freesoilers  und  Sklavenpartei  ausgeschieden  und  als  Staat  aufgenommen. 
Seit  1878  hat    dunh  Zuwanderung   aus  dem  S.  seine    farbige  Bevölkerung  sehr 


Siebente  Gruppe,     Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  und  Steppenregion.     707 

stark  zugenommen.  Zum  Wahlrecht  ist  V2 jähriger  Aufenthalt  im  Staate  noth- 
wendig.  Oberheamte  und  Senatoren  (25)  werden  für  2,  Repräsentanten  (75)  für 
1  Jahr,  Richter  für  6  und  4  Jahre  gewählt.  Die  Gesetzgebung  tritt  jährlich 
zusammen.    In  den  Congress  sendet  der  Staat  2  Repräsentanten. 

Topeka,  5790  E.,  Hauptstadt  des  Staates  und  Hauptort  von  Shawnee  Cy., 
am  Kansas  R.,  48  Kil,  w.  von  Lawrence  und  an  der  Kreuzung  der  Kansas 
Pacific-  mit  der  Atchinson-Topeka-Santa  Fe-Eisenbahn.  V.  St. -Landamt.  Mühlen, 
Giesserei,  Eisenbahnwerkstätten.  Lincoln  College  und  T.  Female  Institute.  In 
der  Nähe  Steinbrüche  und  Kohlenlager.  8  Zeitungen.  —  Städte  am  Missouri : 
Pa  ola,  1811  E.,  sw.  Hauptort  von  Miami  Cy.,  Eisenbahnkreuzung,  72  Kil.  sw.  von 
Kansas  City.  3  Zeitungen.  Wyandotte,  2940  E.,  in  der  Nähe  der  Mündung 
des  Kansas  R.,  7  Kil.  von  Kansas  City.  Eisenbahnkreuzung.  2  Zeitungen. 
Leavenworth,  17  873  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  L.  Cy.,  5  Eisenbahnen, 
Eisenbahnbrücke,  in  fruchtbarster  Umgebung,  62  Kil.  von  Kansas  City.  Handels- 
mittelpunkt für  einen  grossen  Theil  des  W.,  der  von  hier  seine  Waaren  bezieht. 
Sägmühlen,  Maschinen  Werkstätten.  Grösste  Stadt  im  Staate.  Zwei  Corbmercial 
Colleges,  ein  Female  Seminary.  16  Zeitungen.  —Am  Kansas  R. :  Lawrence, 
8320  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Douglas  Cy.  Eisenbahnkreuzung.  Gewerbe. 
State  University.  8  Zeitungen.  Lecompton,  971  E.,  Gemeinde  in  Douglas  Cy., 
16  Kil.  nw.  von  Lawrence  L.  Fort  Riley,  560  E.,  am  Zusammenfluss  des 
Smoky  Hill  und  Republican  Fork.  Fort  der  V.  St.  Eisenbahn.  Sali  na,  918  E., 
am  Smoky  Hill  Fork.  V.  St.  -  Landamt.  1  Zeitung.  Eisenbahn.  Brookville, 
24  Kil.  w.  von  Salina,  eine  der  vorgeschobensten  Ansiedelungen  an  der  Kansas 
Pacific -Eisenbahn.  Ottawa,  2941  E.,  von  Franklin  Cy.,  am  Osage  R.  Eisen- 
bahnkreuzung. 2  Zeitungen.  —  Am.  Wege  nach  Texas  (vorz.  Missouri -Ft. 
Scott  -  Gulf  R.  R.) :  Fort  Scott,  4174  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Bourbon  Cy., 
156  Kil.  von  Kansas  Cy.  Eisenbahnkreuzung.  Holz-  und  kohlenreiche  Umgebung. 
Bedeutender  Handelsplatz  für  den  SW. ,  Giesserei,  Mühlen  etc.  6  Zeitungen. 
Baxter  Springs,  1284  E.,  Dorf  in  Cherokee  Cy.,  240  Kil.  von  Kansas  City, 
nahe  der  Eisenbahn,  Ladeplatz  für  texanisches  Vieh,  in  holz-  und  wasserreicher 
Umgebung,  Bleiminen  in  der  Nähe.  2  Zeitungen.  Emporia,  2168  E.,  Dorf 
in  Lyon  Cy.,  Eisenbahnkreuzung,  am  Neosho  R.,  98  Kil.  sw.  von  Topeka. 
1  Zeitung. 

XXXVL  Indianer -Territorium,  3328  d.  Q.M.  (68901  e.),  ca.  71000  E. 
(1878).  Liegt  zwischen  Kansas  und  Colorado  im  N. ,  Texas  im  S.,  Texas  und 
Colorado  im  W.,  Missouri  und  Arkansas  im  0.  Seiner  Oberflächengestalt  nach 
gehört  der  grösste  Theil  dieses  Gebietes  der  schiefen  Ebene  an,  welche  von  den 
Gebirgen  des  W.  sich  allmählich  gegen  das  Thal  des  Mississippi  zu  abdacht. 
Hügelgruppen,  meist  vulkanischer  Natur,  wie  die  Washita,  Sans  Bois  und 
Poteau  Mts.,  unterbrechen  die  Einförmigkeit  des  welligen  Prärie-  und  Steppen- 
bodens in  der  Region  zwischen  Red  R.  und  Canadian  R.  Die  Flussthäler  sind 
tief  eingeschnitten.  Der  Arkansas  durchfliesst  das  Gebiet  in  s.o.  Richtung  und 
empfängt  hier  an  Nebenflüssen  den  Cimarron,  Canadian,  Verdigris  und  Neosho, 
während  der  Washita  dem  Red  R.  des  S.  zufliesst,  welcher  den  grössten  Theil 
der  Südgrenze  bildet.  Das  Klima  ist  warm  und  trocken.  Im  SO. ,  wo  es  am 
wärmsten,  herrscht  eine  Mitteltemperatur  von  15",  im  NW.  von  13".  Die 
Regenmenge    nimmt   von    1300   im   SO.    auf  875  in  der  Mitte  und  weniger  als 

45* 


708    Siebente  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  nnd  Steppenregion. 

450  im  W.  ab.  Der  Vegetationscbarakter  ist  der  der  Prärie  und  der  Steppe. 
Der  Waldbestand  beträgt  nur  8  Proc.  In  der  w.  Hälfte  ist  das  Territorium 
ganz  holzarm;  in  der  ö.  ist  der  einzige  ziemlich  gut  bewaldete  Strich  der 
Bezirk  der  Choctaws ,  der  50  Proc.  Wald  haben  soll.  Für  den  Ackerban  sind 
daher  die  Bedingungen  sehr  ungleich  vertheilt.  Der  0.  ist  ungleich  günstiger 
begabt  als  der  W.  Es  dürfte  nicht  viel  mehr  als  Vs  des  Gebietes  ohne  künstliche 
Bewässerung  anbaufähig  sein  und  der  Rest  umschliesst  viel  unfruchtbares  Land. 
Das  Committee  des  ersten  General  Council  des  Ind.  Terr.  von  1870,  dem  die  Auf- 
gabe gestellt  wurde,  über  die  Hülfsquellen  und  Bedürfnisse  des  Ackerbaues  im 
Ind.  Terr.  zu  berichten,  bedauerte  zwar  sagen  zu  müssen,  dass  es  keine 
Daten  besitze,  „welche  es  befähigen,  auch  nur  oberflächlich  die  Menge  des 
Landes  zu  bestimmen,  welches  innerhalb  der  Grenzen  desselben  unter  Anbau 
sich  befindet,"  gab  aber  doch  zu,  dass  ein  grosser  Theil  des  Territoriums  anbau- 
fähig sei  und  dass  der  Ackerbau  innerhalb  der  Grenzen  desselben  noch  einen 
grossen  Aufschwung  erwarten  lasse.  Von  den  verschiedeneu  Stämmen  werden 
die  Cherokees,  Chickasaws,  Choctaws,  Creeks,  Delawares,  Ottawas,  Quapaws, 
Seminoles,  Senecas,  Shawnees,  ferner  die  conföderirten  Peorias,  die  Kaskaskias, 
Piankeshaws  und  Weas  als  dem  Ackerbau  und  der  Viehzucht  sich  widmend 
geschildert,  während  die  Osages,  Foxes,  Sacs  und  der  Rest  erst  anfangen 
aus  dem  nomadischen  Leben  herauszutreten.  Das  Haupterzeugniss  des  Acker- 
baues ist  Mais,  welcher  trotz  der  mangelhaften  Culturweise  30  —  60  B.  p.  A. 
mittleren  Ertrags  liefert;  Weizen  wird  wegen  der  grösseren  Sorgfalt,  die  sein 
Anbau  erfordert,  und  wegen  des  Mangels  an  Mühlen  weniger  gebaut.  Die  Baum- 
wollencultur  war  früher  bedeutend  in  den  Thälern  des  Red,  Arkansas  und 
Canadian  R,,  ging  aber  während  des  Krieges  zurück;  1870  wurde  die  Baum- 
wollenernte der  Chickasaws  auf  5000  Ballen  geschätzt.  Die  Viehzucht,  welche 
nach  Bodenbeschaffenheit  und  Volkscharakter  der  hervorragendste  Zweig  der 
Wirthschaftsthätigkeit  im  Territorium  sein  sollte,  ist  durch  den  Krieg  mehr  als 
jeder  andere  gebrochen.  Bezüglich  der  allgemeinen  wirthschaftlichen  Verhältnisse 
sind  für  1875/76  in  den  amtlichen  Berichten  folgende  Angaben  gemacht : 
Die  Zahl  der  von  den  Indianern  und  Mischlingen  im  Ind.  Terr.  bearbeiteten 
Felder  belief  sich  auf  217000  A.,  ihr  Viehstand  auf  118000  Pferde,  779000 
Rinder  und  204000  Schweine,  das  Erträgniss  ihres  Ackerbaues  auf  52  000  B. 
Weizen,  nahezu  2  Mill.  B.  Mais,  35000  B.  Hafer  und  Gerste,  87000  T.  Heu; 
an  Holz  wurden  6^3  Mill.  F.  gefällt  und  versägt,  für  107  000  D.  Felle,  vorzüglich 
Büffel,  verkauft.  An  Eisenbahnen  besass  das  Gebiet  1878  440  Kil.  Die  4  Haupt- 
stämme des  Gebietes :  Cherokees,  Creeks,  Choctaws  und  Seminolen,  verausgabten 
1877  155332  D.  für  Schulzwecke.  Mehrere  Zeitungen  werden  in  indianischer 
Sprache  veröffentlicht.  Die  Regierung  des  Territoriums  ist  noch  immer  nicht 
geordnet.  Eine  1865  von  Abgesandten  der  Hauptstämme  entworfene  Verfassung 
blieb  Entwurf.  Der  Bericht  des  Commissioner  of  Indian  Affairs  für  1875/76 
spricht  sich  über  die  wünschenswerthe  Form  der  Regierung  des  Ind.  Terr.  in 
folgender  Weise  aus:  „Das  erste  Bedürfniss  dieses  Territoriums  ist  heute  eine 
möglichst  einfache  Regierung  und  meiner  Meinung  nach  würde  diesem  Territorium 
am  besten  eine  Regierung  entsprechen ,  sowohl  wegen  ihrer  Einfachheit  als 
Billigkeit,  wie  sie  einst  für  das  Territory  of  the  U.  S.  Northicest  of  the  Biver 
Ohio  eingerichtet  wurde.     Dieselbe  bestand  aus  einem  Governor,  einem  Sekretär 


Siebente  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Prärie-  und  Steppenregion.     709 

und  Richter,  welche  die  Ermächtigung  besassen,  in  dem  Territorium  diejenigen 
Gesetze  der  V.  St.,  bürgerliche  und  Strafgesetze,  zur  Anwendung  zu  bringen, 
welche  sie  für  nothwendig  und  den  Umständen  des  Territoriums  am  besten 
augepasst  hielten ;  diese  Gesetze  mussten  von  Zeit  zu  Zeit  dem  Congress  vorgelegt 
und  konnten  nicht  anders  aufgehoben  werden  als  unter  Billigung  dieser  Körper- 
schaft; der  Governor  hatte  die  Macht,  Richter  und  andere  noth wendige  bürger- 
liche Beamte  zu  ernennen.  Der  abnorme  Zustand  des  Territoriums,  in  gesell- 
schaftlicher sowohl  als  politischer  Hinsicht,  lässt  eine  Regierungsform  wie  die 
eben  beschriebene  den  Umständen  und  Bedürfnissen  viel  besser  angepasst 
erscheinen,  als  eine  auf  Wahl  und  Vertretung  beruhende  es  noch  für  Jahre 
hinaus  sein  kann.  Von  den  71000  Indianern  sind  alle  bis  auf  7000  so  weit  in 
der  Cultur  vorgeschritten,  dass  sie  eine  Regierung  dieser  Art  schätzen  und  davon 
Nutzen  ziehen  können.  Der  Rest  von  wilden  und  ganz  ungebildeten  Stämmen 
würde  seinerseits  die  Wirksamkeit  derselben  in  den  Einschränkungen  zu  fühlen 
haben,  welche  sie  ihm  auferlegt,  und  der  Erziehung,  die  sie  ihm  angedeihen 
liesse.  Eine  auf  Wahlen  begründete  Verfassung  würde  Vertreter  von  35  ver- 
schiedenen Stämmen  zusammenbringen,  denen  jedes  Gesetz  und  jede  Diskussion 
in  eben  so  viele  verschiedene  Sprachen  übersetzt  werden  müsste.  Aber  ein 
ernsthafteres  und  wahrscheinlich  geradezu  verderbliches  Hinderniss  würde  in 
den  Eifersüchteleien  der  verschiedenen  Gruppen  und  Stämme  zu  fürchten  sein, 
welche  um  so  stärker,  je  grösser  die  Unwissenheit  ist.  Dieselben  würden  die 
meisten,  wenn  nicht  alle  Beschlüsse  eines  Vertretungskörpers  unter  diesen  35 
Völkchen  praktisch  werthlos  machen.  Jene  einfache  Regierungsform  kann  stark 
und  wirksam  gemacht  werden  und  wird  das  Experiment  eines  sich  selbst  regie- 
renden Bundes  unmöglich  machen,  für  welches  die  Indianer  nicht  reif  sind  und 
welches  sicherlich  in  Streit  und  Unordnung  auslaufen  würde.  Jedenfalls  müsste 
aber  dafür  gesorgt  werden,  diese  Regierung  so  weit  einzuschränken,  dass  ihre 
einzige  Funktion  darin  besteht,  Gesetze  zu  machen  und  anzuwenden  für  die 
Verhinderung  der  Eindrängung  Weisser,  den  Schutz  der  Rechte  und  Interessen 
der  Indianer  nach  aussen  und  die  Abgrenzung  und  Ausführung  der  Verpflichtungen, 
welche  die  Indianer  gegen  einander  haben.  Diese  selbe  Regierung  müsste  ver- 
hindert werden,  irgend  welche  Rechte  oder  Privilegien  an  Einzelne  oder  Körper- 
schaften zu  verleihen,  welche  nicht  gesetzlich  Glieder  eines  der  Indianerstämme 
des  Territoriums  sind."  Der  Bericht  der  Indian  Commissioners  für  1876/77  ^)  entwirft 
folgendes  statistische  Bild  der  Verhältnisse  unter  der  Bevölkerung  des  Ind.  Terr. 
im  Jahre  1876:  I.  Zahl.  A.  Reine  Indianer :  18672  Cherokees,  16000  Choctaws, 
14000  Creeks,  5800  Chickasaws,  2679  Osages,  2553  Seminolen,  2209  Cheyennes, 
2026  Pawnees,  1703  Arapahoes,  1738  Comanches,  1090  Kiowas,  854  Shawnees, 
580  Caddos  und  Delawares,  443  Kaws,  417  Sacs  und  Foxes,  373  Apaches^ 
312  mexikanische  Kickapoos,  258  Wyandottes ,  240  Senecas,  235  Quapaws, 
217  Wichitas,  202  conföderirte  Kaskaskias,  Piankeshows,  Weas,  Peorias  und 
Miamis,  155  Keechies  und  Wacos,  140  Ottawas,  131  Pottawatomies,  117  Modocs, 
100  Tawacanies;  zusammen  73266,  B.  Mischlinge:  11000  bei  den  Choctaws, 
10010  bei  den  Cherokees,  3000  bei  den  Creeks,  1800  bei  den  Chickasaws,  244 
bei  den  Osages,  je  100  bei  den  Seminolen  und  Pawnees,  504  bei  verschiedenen 


1)  Execut.  Doc.  2^    Session  ii^^  Congr.  ßepr.  Secr.  Interior  Vol.  I.  381  f. 


710  Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge. 

kleineren  Stämmen;  zusammen  26  658.  Von  den  Vollblut-Indianern  sind  Männer 
35806,  weiblich  37460.  Bei  den  Mischlingen  ist  das  Geschlecht  nicht  angegeben. 
Tahlequah,  Hauptort  des  Volkes  der  Cherokee,  800  E.  Keine  Kirchen. 
„Alle  Coüfessionen  halten  ihre  Kirche  in  der  Freimaurerhalle."  Zeitung:  The 
Cherokee  Advotate.  Auf  einer  Anhöhe  bei  der  Stadt  das  State  Capitol,  das 
im  Gesammtansehen  etwa  einem  besseren  Court-House  im  Inneren  von  Missouri 
oder  Illinois  entspricht.  Eisenbahn.  1  Zeitung.  Ockmulgee,  Hauptort  des 
Volkes  der  Muskegee,  Weiler  von  50  Block-  und  4  als  Kaufläden  benützten 
Backsteinhäusern.  In  der  Mitte  eines  öffentlichen  Platzes  das  Capitol,  ein 
doppeltes  Blockhaus  unter  einem  Dach.  1  Zeitung.  Von  Forts  der  V.  St.  sind 
Gibson,  Arbuckle,  Towson,Washita  hervorzuheben,  die  in  gewöhnlichen 
Zeiten  eine  Garnison  von  zusammen  etwa  1500  Köpfen  haben. 

Achte  Gruppe. 
Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge. 

2  Staaten  und  6  Territorien  erfüllen  den  Raum,  der  zwischen  49  und  30  <> 
n.  Br.  und  zwischen  dem  Kamm  der  Sierra  Nevada  und  den  ö.  Ausläufern  der 
Felsengebirge  von  den  mächtigen  Hochländern  und  Hochgebirgen  der  Cordilleren- 
Region  eingenommen  ist.  Hochebene  und  Hoch  gebirg  ist  allen  gemeinsamer 
Grundzug  der  Bodengestaltung,  trockenes  und  extremes  Klima  theilen  sie 
ebenfalls  alle,  ihr  Pflanzenkleid  ist  überall  steppenhaft,  wo  nicht  Flüsse  von 
den  Gebirgen  her  Feuchtigkeit  bringen  oder  ihre  Gebirge  sich  in  höhere  nieder- 
schlagsreichere Luftschichten  erheben.  Sie  sind  alle  waldarm  und  in  keinem 
von  ihnen  ist  der  Ackerbau  anders  als  oasenhaft  bei  künstlicher  Bewässerung 
möglich.  Dagegen  sind  sie  reich  an  Metallen.  Fast  die  ganze  gewaltige  Silber- 
erzeugung der  V.  St.  und  ein  grosser  Theil  ihrer  Gold-  und  Bleierzeugung  ruht 
auf  ihnen.  In  allen  ist  die  Mehrzahl  der  Bevölkerung  mit  Bergbau  und  den 
damit  zusammenhängenden  Gewerben  beschäftigt.  Nur  Utah,  diese  grosse 
Oase,  scheint  bis  heute  noch  eine  Ausnahme  zu  machen.  Schiffbare  Flüsse 
fehlen  fast  ganz.  Die  Bevölkerung  ist  noch  auf  einer  niedreren  Culturstufe  als 
in  irgend  einem  anderen  Theile  der  V.  St.  Nirgend  sind  die  wilden  Indianer 
so  zahlreich  wie  hier.  Der  Erwerb  der  Weissen  ist  vielfach  ein  mit  vielen 
Schwierigkeiten  verknüpfter  und  unsicherer.  Die  Gesellschaft  ist  sehr  jung, 
denn  die  ältesten  festen  Ansiedelungen  sind  kaum  30  Jahre  alt.  In  den  3 
südlichsten  der  hier  in  Betracht  kommenden  Gebiete  linden  sich  noch  in  der 
Bevölkerung  erhebliche  Reste  der  Mexikaner,  denen  dieselben  bis  1848  politisch 
zugehörten. 

XXXVH.  Montana  (Mont.),  6766  d.  Q.M.  (143776  e.).  Grenzen:  Britisch- 
Amerika  im  N.,  Wyoming  im  S  ,  Dakota  im  W.,  Idaho  und  Washington  im  W.  Gleich 
Wyoming  und  Colorado  gehört  Mont.  im  W.  den  höchsten  Theilen  des  Felsen- 
gebirges an,  während  im  0.  noch  die  Steppe  und  die  kleineren  Gebirgsausläufer 
in  seine  Grenzen  fallen.  Das  Felsengebirge  durchzieht  sein  Gebiet  in  zwei 
grossen  Gebirgsmassen,  welche  durch  eine  Reihe  von  hochgelegenen  Thälern 
von  einander  gesondert  sind.  Die  Gesammthöhe  des  Gebirges  ist  bedeutend 
niedriger   als    in  Col.  und    Wyom.  (Mt.  Kishnena  2614),   aber    die  Pässe    haben 


Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge.  711 

noch  immer  2000  bis  über  2300  m  Höhe.  Die  durchschnittliche  Höhe  der  Thäler 
sinkt  nicht  unter  1000  m,  aber  die  Steppe  ist  bedeutend  niedriger  als  weiter 
s.,  sinkt  bis  800  ra.  Missouri  und  Columbia  haben  hier  ihre  Quellgebiete 
und  zwar  liegt  die  Wasserscheide  auf  dem  ö.  der  beiden  Gebirgszüge.  Missouri 
selbst,  Flathead  und  Kootenay  sind  die  Hauptflüsse.  Von  Seen  sind  Kalispelm 
und  Flathead  die  grössten.  Das  Klima  ist  trocken,  aber  bei  geringerer  Meeres- 
höhe wärmer  als  in  den  mehr  s.  Gebirgsregionen.  Mittlere  Jahreswärme  in 
1000  —  1200  m  8,5-70,  Niederschläge  4  — 500  mm.  Soweit  sich  bis  jetzt  ab- 
sehen lässt,  ist  für  den  Ackerbau  ohne  künstliche  Bewässerung  wenig  zu  hoffen, 
aber  für  die  Viehzucht  scheint  Mont.  günstige  Verhältnisse  zu  bieten.  Der 
Werth  des  Viehstandes  betrug  1876  2,9  Mill.  D.  Die  Zahl  der  Rinder  ist 
160647,  der  Schafe  51558.  Der  Ackerbau  erzeugte  (in  1000  B.)  195  Weizen, 
303  Hafer,  112  Kartoffeln,  39  000  T.Heu,  100000  Pfd.  Wolle.  Es  gab  10  Mahl-,  32 
Säg-  und  30  Quarzmühlen.  Haupterwerbszweig  der  Bevölkerung  ist  zunächst 
nur  der  Bergbau.  Mont.  lieferte  1877  ca.  2  Mill.  D.  Gold  und  0,8  Mill.  D. 
Silber.  Finanzen  :  Steuerwerth  9,9,  Einnahmen  0,050,  Ausgaben  0,027,  Schuld 
0,117,  Schulausgaben  0,054  Mill.  D.  Schulbesuch  90  Proc.  12  Zeitungen.  Die 
nicht-indianische  Bevölkerung  bestand  1870  aus  18306  Weissen,  1949  Chinesen, 
183  Farbigen.  Von  den  Weissen  wären  nur  9  Proc.  im  Territorium  geboren, 
1635  stammten  aus  Irland,  1233  aus  Deutschland  und  1172  aus  Britisch- 
Nordamerika.     Das    Territorium   wurde    1864   als    solches  organisirt. 

Deer  Lodge  City,  788 E.,  Hauptstadt  des  Territoriums  und  Hauptort  von 
Deerlodge  Cy.,  am  Hellgate  R.,  99  Kil.  sw  von  Helena,  in  einem  malerischen  Thale. 
Virginia  City,  867  E.,  Hauptort  von  Madison  Cy.,  am  Alder  Creek,  im  oberen 
Missouri-Gebiet,  190  Kil.  s.  von  Helena,  1740  m  über  dem  Meere.  Goldreiche  Um- 
gebung. Helena,  3106  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Lewis  und  Clarke  Cy.,  in 
1300  m  Meereshöhe,  50  Kil.  ö.  von  Missouri.  4  Zeitungen.  Inmitten  der  reichsten 
Goldminen  des  Territoriums.  Bozeman,  am  East  Gallatin  R.  Gold-  und 
kohlenreiche  Umgebungen.  Feste  Garnisonen  der  V.  St.:  Ft.  Benton  am  Mis- 
souri (bis  hierher  können  bei  Hochwasser  Dampfer  gehen),  Ft.  Owen  am  Bitter 
Root,  die  Fts.  Smith  und  Sarpy  am  Yellowstone. 

XXXVIII.  Wyoming  (Wyo.),  97980  e.  Q.  M.,  9118  E.  (1870).  Liegt 
zwischen  Montana  im  N.,  Colorado  und  Utah  im  S.,  Dakota  und  Nebraska  im  0., 
Montana,  Idaho  und  Utah  im  W.  Wyo.  ist  im  Ganzen  ein  gebirgiges  Terr.  Von 
dem  flach  welligen  Steppenlande,  das  hier  wie  in  Colorado  dem  Felsengebirge 
vorgelagert  ist,  gehört  nur  ein  schmaler  Streif  zu  Wyo.  und  selbst  dieser  ist 
schon  hoch  gelegen.  Am  Fuss  des  Felsengebirges  befindet  man  sich  in  Cheyenne 
bei  1850  m  Höhe.  Selbst  diese  Steppe  ist  noch  unterbrochen  durch  die  Black 
Hills,  deren  w.  Theil  noch  in  die  Grenzen  dieses  Gebietes  fällt.  Das  Felsen- 
gebirge unterbricht  hier  der  South  Pass,  durch  den  der  Sweetwater  R.  nach 
dem  North  Platte  hinausfliesst.  Indem  dadurch  der  in  Colorado  festgehaltene 
geschlossene  Charakter  aufgegeben  wird,  zerfällt  das  Gebirge  in  eine  Reihe  von 
Ketten  und  Gruppen,  von  denen  die  bedeutendste  die  Wind  R. -Gruppe,  die  ' 
Heart  und  Big  Hörn  Mts.  n.  vom  Sweetwater  R.,  die  Laramie,  Black,  Elk  und 
Medicine  Bow  Mts.  s.  von  demselben.  In  der  Höhe  sehr  verschieden  ist  ihnen 
allen  gemein  die  Grundlage  einer  zu  1700  —  2000  m  ansteigenden  Hochebene,  die  in 
den  Laramie  Plains  u.  a.  kleineren   Ebenen    als  vollkommene    Steppe    zur  Er- 


712  Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge. 

sclieinung  kommt.  Die  Flüsse  haben  alle  den  Charakter  von  Gebirgsfiüssen, 
auch  dort,  wo  sie  das  Gebirge  bereits  verlassen  haben.  Der  grösste  Theil  ge- 
hört dem  System  des  Missouri,  der  kleinere  im  SW.  dem  des  Colorado  zu. 
Einige  der  grössten  oberen  Zuflüsse  des  ersteren,  wie  North  Platte,  Niobrara, 
Big  Sheyenne,  Zuflüsse  des  Yellowstone,  wie  Big  Hörn  und  Powder  R.,  gehören 
dem  Terr.  an,  während  im  SW.  der  Green  R.  und  Yampa  dem  Colorado  zu- 
fliessen.  Das  Klima  ist  durch  die  Höhenlage  zugleich  Hochebenen-  und  Steppen- 
klima: Extrem,  kühl  und  trocken.  Am  Fuss  des  Felsengebirges  herrscht  eine 
mittlere  Jahrestemperatur  von  2 — 3^  C,  die  im  SW,  sich  zu  6  und  im  0.  zu  1'^ 
erheben.  An  der  Ostgrenze  ist  die  Regenmenge  400,  im  Inneren  des  Terr.  er- 
hebt sie  sich  nicht  über  300  mm.  Die  Pflanzendecke  ist  die  der  Steppe  und  nur 
in  der  nächsten  Nähe  der  Flüsse  und  auf  den  Kämmen  der  Gebirge  erscheint 
der  Waldwuchs,  dessen  Procentzahl  auf  8  geschätzt  wird.  Das  dem  Ackerbau 
zugängliche  Land  ist  sehr  beschränkt,  da  überall  künstliche  Bewässerung  nöthig 
(s.  0.  S.  232).  1870  gab  es  175  Farmen,  von  denen  aber  164  unter  10  A.  gross 
waren  und  die  im  Ganzen  nicht  mehr  als  338  A.  angebautes  Land  umschlossen. 
Der  grösste  Theil  der  Brotstoffe  wird  zugeführt,  da  der  Getreidebau  nicht  mit 
Vortheil  zn  betreiben.  Ergiebiger  ist  die  Viehzucht,  die  1877  90000  Rinder 
und  68000  Schafe  zählte.  Wyo.  enthält  Braunkohlen,  Eisen  und  Gold  (1876 
700000  D.).  Gewerbe  und  Handel  nur  von  örtlicher  Bedeutung.  Eisenbahnen 
gibt  es  745  Kil.,  die  den  beiden  Hauptlinien  Denver-Cheyenne  und  Union  Pacific 
angehören.  Finanzen  (1877) :  Steuerwerth  9,27,  Einnahmen  0,052,  Ausgaben  0,050, 
Staatssteuer  0,027  Mill.  D.  Schuld  des  Terr.  ist  nicht  vorhanden.  Schulaus- 
gaben 0,016  Mill.  D.  Zahl  der  Schulbesuchenden  1690.  7  Zeitungen.  —  Die  Be- 
völkerung bestand  1870  ausser  aus  ca.  2400  wilden  Indianern  aus  8726  Weissen 
(worunter  1102  Irländer  und  652  Deutsche),  183  Schwarzen,  143  Chinesen  und 
66  Indianera  Der  Council  besteht  aus  9,  das  Repräsentantenhaus  aus  13  Mit- 
gliedern. Governor  und  Staatssekretär  werden  vom  Präsidenten  der  V.  St.  er- 
nannt. Wyo.  ist  1865  als  Territorium  organisirt  worden  und  verdankt  seine 
Bevölkerung  und  damit  seine  Existenz  fast  nur  der  Pacific  -  Bahn,  die  mitten  durch 
sein  Gebiet  hindurchführt. 

Hauptort  Cheyenne  City,  1450  E. ,  an  der  Kreuzung  der  Union  Pacific 
mit  der  von  Denver  kommenden  Linie ,  Hauptort  von  Laramie  Cy. ,  825  Kil. 
von  Omaha.  In  der  Nähe  Kohlen-  und  Eisenlager.  3  Zeitungen.  Weiter  liegen 
noch  an  der  Eisenbahn  die  unbedeutenden  Ansiedelungen  Laramie,  Benton 
City,  Ft.  Steele,  Green  R.  Station  (am  Green  R.)  und  Aspen,  alles 
Eisenbahnstationen.  Im  N.  des  Staates  Ft.  Fetterman,  Ft.  Laramie  und 
Ft.  Connor.  Hier  auch  auf  der  Grenze  gegen  Montana  die  berühmte  Reser- 
vation des  Yellowstone  Park  mit  den  grossartigen  Geisern,    Sinterquellen  u.dgl. 

XXXIX.  Colorado  (Col.)  4917  Q.  M.,  39  864  E.  Grenzt  im  N.  an  Wyoming  und 
Nebraska,  im  S.  an  Neu-Mexico  und  das  Indianer-Terr.,  im  0.  an  Kansas  und 
Nebraska,  im  W.  an  Utah.  Der  w.  Theil,  etwa  7?  des  Ganzen,  gehört  dem  Felsen- 
gebirge ,  der  ö.  dem  Steppenhochlande  an,  das  dem  Gebirge  vorgelagert  ist.  Die 
verschiedenen  Ketten  und  Gruppen  des  Felsengebirges  (s.  Bd.  I  S.  71)  umschliessen 
innerhalb  der  Grenzen  dieses  Gebietes  die  höchsten  Berge,  welche  ö.  von  der 
Sierra  Nevada  vorkommen  (Bianca  Peak  4394  M.),  und  der  ganze  Gebirgsbau  ist 
steiler  und  massiger  als  in  irgend  einem  anderen  Tlieile  der  Union.     Eigenthüm- 


Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge.  713 

lieh  sind  die  weiten  Thäler,  welche  in  2500— 3000  m  Höhe  im  Gebirge  vor- 
kommen (Parks).  In  dem  noch  wenig  bekannten  äussersten  W.  des  Gebietes 
gehen  dieselben  in  steppenhafte  Hochebenen  über.  Eine  Anzahl  von  kleineren 
(meist  wohl  vulkanischen)  Berggruppen  ist  ö.  dem  Felseugebicge  vorgelagert. 
Die  Steppe  ist  in  der  Nähe  des  Gebirges  hügelig,  weiter  hinaus  wird  sie  eben  so 
einförmig  wellig  wie  in  Kansas  oder  Nebraska.  Die  Flüsse  von  Col.  gehen 
theils  zum  Missouri  und  Arkansas,  theils  zum  Colorado.  Die  hauptsächlichsten 
sind  der  s.  Arm  des  Platte  R.,  der  obere  Arkansas  mit  dem  Purgatorio,  der 
Grand  R.  und  der  obere  Rio  Grande.  Die  mittlere  Jahrestemperatur  am  Fuss  des 
Felsengebirges  ist  8 — 10**,  die  Extreme  sind  sehr  scharf,  die  Niederschläge, 
welche  hauptsächlich  im  Frühling  und  Herbst  fallen,  schwanken  zwischen  300 
und  700  mm  und  lassen  den  Sommer  trocken.  Die  Vegetation  ist  die  der 
Steppe  und  die  10  Proc.  Wald,  die  für  diesen  Staat  angegeben  werden,  gehören 
fast  ganz  dem  Gebirge  an,  in  welchem  zwischen  2500  und  3500  m  eine  werthvolle 
Waldzone  hinzieht.  Für  den  Ackerbau  ist  nur  ein  sehr  kleiner  Theil  des  Staates 
verfügbar,  weil  überall  künstliche  Bewässerung  nothwendig  (s.  o.  S.  230).  Der 
Werth  der  Ackerbau-Erzeugnisse  wurde  1877  zu  3,2,  der  Rinder  nnd  Pferde 
zu  7,4,  der  Wolle  zu  0,75  Mill.  D.  angegeben  und  Grundsteuer  wurde  für 
1,5  Mill.  A.  bebautes  Land  gezahlt.  Die  Mineralschätze  sind  hauptsächlich 
Gold,  Silber,  Blei  und  Braunkohle.  1877  wurden  an  Gold  und  Silber  7,5, 
an  Kohle  0,6  Mill.  D.  gewonnen.  Von  Gewerbthätigkeit  ist  nur  diejenige 
nennenswerth ,  welche  mit  dem  Bergbau  und  der  Metallgewinnung  zusammen- 
hängt. Anfang  1878  gab  es  1672  Kil.  Eisenbahnen,  wovon  610  Kil.  schmal- 
spurig. Der  Steuerwerth  betrug  (1877)  45,7,  Einnahmen  0,15,  Ausgaben  0,19, 
Steuern  0,155  Mill.  D.  Die  Schulausgaben  betrugen  1877  0,215  Mill.  D.,  der 
Schulbesuch  65  Proc,  eine  State  üniversity  ist  durch  75000  A.  Landschenkung 
seitens  der  V.  St.  und  durch  eine  Steuer  von  ^/so  p.  Mille  gestützt,  ausserdem 
gibt  es  eine  Bergschule  in  Golden,  eine  Taubstummenanstalt  in  Colorado  Springs 
und  eine  Ackerbauschule  in  Ft.  CoUins.  39  Zeitungen  (1878).  Col.  wurde  1861 
als  Terr.  organisirt  und  1877  als  Staat  aufgenommen.  1870  war  die  Bevölkerung 
39864  stark,  worunter  15  Proc.  Fremdgeborene  (1685  Iren,  1465  Deutsche). 
Governor,  die  anderen  Oberbeamten,  Senatoren  und  Repräsentanten  werden  für 
2,  die  Richter  für  3—9  Jahre  gewählt,  alle  vom  Volk.  Congressrepräsentanten :  1. 
Denver,  hatte  1870  4759  E.  und  1878  (nach  Schätzung)  12000,  Staats- 
hauptstadt und  Hauptort  von  Arapahoe  Cy.,  liegt  am  Einfluss  des  Cherry  Creek 
in  den  S.  Platte  R. ,  in  der  Steppe  am  Fuss  des  Felsengebirges.  Knotenpunkt 
von  4  Eisenbahnen  nach  Kansas,  Cheyenne  (zur  Union  PacifxC-Eisenbahn),  Neu- 
Mexico  und  die  Bergwerksgebiete  des  nahen  Gebirges.  1475  Kil,  von  S.  Louis 
und  170  von  Cheyenne.  Stapelplatz  für  den  Staat,  vor  allem  für  die  Bergwerks- 
gebiete. Sitz  einer  Militär-Division  und  einer  Münzstätte.  16  Zeitungen.  — 
Am  Fuss  des  Gebirges:  Colorado  City,  Hauptort  von  El  Paso  Cy.,  96  Kil. 
s.  von  Denver.  Boulder,  beim  Eingang  in  das  gleichnamige  Thal,  das  nach 
Golden  und  Caribou  führt,  38  Kil.  von  Denver.  Eisenbahn.  Colorado  Springs, 
ca.  2000  E.,  in  derselben  Cy.  In  der  Nähe  berühmte  warme  Quellen.  Hauptplatz 
der  Landschaft  um  Pike's  Peak.  Eisenbahn.  Pueblo,  am  Arkansas  R.  und 
der  Eisenbahn,  Hauptort  von  Pueblo  Cy.,  Verkehrsmittelpunkt  für  das  s.  Col. 
Hatte  1870  666,  jetzt  ca.  2000  E.     Ft.  Garland,  im  San  Luis  Park  und  am 


714  Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge. 

Trenchura-Fluss^  auf  der  Grenze  gegen  Neu-Mexico.  Eisenbahn.  —  Im  Bergwerks- 
gebiet: Golden  City,  Hauptort  von  Jefferson  Cy.,  in  der  Nachbarschaft  reicher 
Goldminen,  deren  Erze  hier  verarbeitet  werden,  ca.  1500  E.  Bergschulo. 
Caribou,  Bergwerksdorf  in  3000m  Höhe.     Leadville. 

XL.  Neu-Mexico  (N.Mex.),  5700  d.  Q.  M.  (121 201  e.),  91874  E.  Grenzen: 
Colorado  im  N.,  Mexico  und  Texas  im  S.,  Texas  und  Indianer -Terr.  im  0., 
Arizona  im  W.  N.  Mex.  ist  ein  gebirgiges  Land,  von  N.,  0.  und  NW.  her  von 
Gebirgen  eingeschlossen,  aber  es  ist  kein  Gebirgsland  in  dem  Sinne  wie  Colorado. 
Die  Berge  sind  nicht  mehr  so  hoch  und  so  massig  wie  dort.  Das  Ganze  ist 
eine  Hochebene  von  durchschnittlich  1000  m,  welcher  Kämme  und  Gipfel  von 
in  der  Regel  zwischen  500  und  1500  m  schwankender  Höhe  aufgesetzt  sind. 
Ein  solches  Gebiet  kann  in  der  geographischen  Breite  von  32  bis  37 '^  noch 
klimatisch  so  begünstigt  sein,  dass  der  Ackerbau  in  den  meisten  in  der  gemässigten 
Zone  üblichen  Richtungen  möglich  ist.  Mais  z.  B.,  der  in  dem  höher  und  gleich- 
zeitig weiter  n.  zwischen  37  und  41 "  n.  Br.  gelegenen  Colorado  wegen  der  kurzen 
Vegetationsperiode  nur  noch  in  den  geschützten  Lagen  gedeiht,  kommt  in 
N.  Mex.  vortrefflich  fort.  Die  Bewässerung  ist  indessen  karg.  Rio  Grande, 
Pecos  und  Canadian  haben  ihre  Quellen  in  diesem  Gebiete,  aber  sie  alle  sind 
keiile  wasserreichen  oder  gar  schiffbaren  Flüsse.  Die  fruchtbarsten  Gebiete 
liegen  in  den  Thälern  des  Rio  Grande,  des  Oberen  Pecos,  des  Rio  Mora  und 
Canadian,  doch  gibt  es  ausserdem  kleinere  Oasen  von  Fruchtbarkeit  an  allen 
sei  es  von  Natur  oder  durch  Kunst  bewässerten  Punkten.'  Ueberall  ist,  der 
vorwaltenden  Trockenheit  des  Klimas  entsprechend,  der  Boden  leicht  und  stark 
mit  Sand  gemischt;  tiefer  Humusboden  kommt,  und  auch  nur  in  beschränkter 
Ausdehnung,  in  den  Flussniederungen  vor;  diese  sind  gleichzeitig  am  leichtesten 
zu  bewässern  und  stellen  dadurch  die  für  den  Ackerbau  günstigsten  Punkte  des 
Territoriums.  Man  hat  in  ihnen  Baumwolle  mit  Erfolg  gebaut.  Indessen  liegt 
die  eigentliche  Zukunft  N.  Mex.'s  in  der  Vieh-  und  besonders  der  Schafzucht. 
1870  waren  nur  143007  A.  unter  Cultur,  fast  alle  im  Thal  des  Rio  Grande. 
Der  Werth  aller  Ackerbau-Erzeugnisse  wurde  damals  auf  nahezu  2  Mill.  D. 
geschätzt.  Der  Wertli  des  Viehstandes  betrug  2,4  Mill.  D.  1877  wurde  die  Zahl 
der  Schafe  auf  1 200  OCO  Stück  geschätzt,  die  der  Rinder  auf  60000.  Das  Wald- 
land beträgt  6  Proc.  Von  2000  m  aufwärts  sind  die  Höhen  mit  Föhren  und 
Rothcedern  dünn,  unter  dieser  Grenze  nur  am  Rande  der  fliessenden  Wasser 
mit  Cottonwood  bestanden.  Fortschritte  hat  in  den  letzten  Jahren  der  Bergbau 
gemacht,  der  1877  379000  D.,  meist  in  Silber,  ergeben  hat.  Die  Gewerbthätig- 
keit  ist  gering,  aber  einige  halbcivilisirte  Indianerstärame  sind  geschickt  in 
Weberei  und  Färberei  und  vertreiben  ihre  Waaren  nach  Mexico.  Die  erste 
Eisenbahn  N.  Mex.'s  ist  von  Ft.  Garland  (Denver  and  Rio-Grande)  nach  Santa  Fe 
im  Bau.  Es  gibt  86  Postanstalten.  Finanzen  (1877):  Einnahmen  0,059,  Aus- 
gaben 0,026,  Schuld  0,046.  Schulausgaben  0,019  Mill.  D.,  Schulbesuch  21  Proc. 
9  Zeitungen.  Die  Indianerbevölkerung  betrug  1876  25144  reine  Indianer  und 
3506  Mischlinge.  Weisse  gab  es  1870  90393,  worunter  3903  Mexikaner,  582 
Deutsche,  543  Irländer.  Die  Mehrzahl  der  Weissen  besteht  aus  Nachkömmlingen 
der  spanisch  redenden  Bevölkerung,  deren  Zahl  zur  Zeit  der  Annexion  von 
N.  Mex.  ca.  50000  betrug,  ca.  */5  der  Indianer  führen  in  Dörfern  (Pueblos) 
ein   sesshaftes  Leben,   während  der  Rest  nomadisch   ist.     Die  Spanier  -  drangen 


Achte  Gruppe.    Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge.  715 

zuerst  zwischen  1536  und  40  bis  nach  N,  Mex.  vor,  1595  wurde  es  in  Neu- 
spanien einverleibt,  1848  an  die  V.  St.  abgetreten  und  1870  als  Territorium 
organisirt. 

Santa  Fe,  4765  E.,  Hauptstadt,  am  Rio  Chico,  32  Kil.  ö.  vom  Rio 
Grande,  träger,  meist  von  Spanisch-Amerikanern  bewohnter  Platz.  Postwagen- 
verbindung mit  Ft.  Garland  und  Albuquerque.  Früher  Endpunkt  einer  von 
S.  Louis  durch  die  Prärie  führenden  Karawanenstrasse.  1  Zeitung.  Hart  daneben 
Ft.  Marcy.  Albuquerque,  1307  E.,  am  Ostufer  des  Rio  Grande,  120  Kil. 
s.  von  Sa.  Fe.  Mittelpunkt  einer  viehzüchtenden  Region.  1  Zeitung.  Taos 
(Fernandez  de  Taos),  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.,  am  Fuss  der  Moro  Peaks. 
Socorro,  921  E.,  240  Kil.  s.  von  Sa.  Fe,  am  Rio  Grande.  Dofia  Anna, 
728  E.,  am  Rio  Grande.  Gold-  und  Kupferminen  in  der  Nähe.  Franklin, 
kleiner  Grenzplatz  gegenüber  Paso  del  Norte.  Feste  Garnisonen  der  V.  St.: 
Ft.  Union,  Ft.  Fillmore,  Thorn,  Tulerosa,  Craig. 

XLI.  Arizona  (Ar.),  5360  d.Q.M.  (133  916  e.),  9658  E.  (1870).  Südwestlichstes 
Territorium  der  V.  St.,  liegt  zwischen  Nevada  und  Utah  im  N.,  Mexico  im  S.,  Neu- 
Mexico  im  0.  und  Californien  im  W.  Die  Oberflächengestalt  wird  bestimmt  durch 
das  Auftreten  einer  Anzahl  von  Hochebenen ,  denen  Bergzüge ,  meist  nw.  —  s.o. 
streichend,  in  grösserer  Zahl  aufgesetzt  sind.  Diese  Bergzüge  tragen  häufig 
durch  Abflachung  ihrer  Gipfel  den  Charakter  von  Mesas.  Die  Hochländer 
sind,  soweit  sie  in  das  Gebiet  des  Calorado  fallen,  der  das  ganze  Gebiet 
durchfliesst  und  einen  Theil  seiner  Westgrenze  bildet,  von  diesem  und 
seinen  Nebenflüssen  in  tiefen  Canons,  Schluchtenthälern,  bis  nahe  2000m  tief, 
eingeschnitten.  Grossartig  und  pittoresk,  wie  diese  Thäler  sind,  haben  sie  grosse 
wirthschaftliche  Nachtheile :  Sie  machen  das  Land  unwegsam  und  lassen  das  wenige 
fliessende  Wasser,  das  aus  den  Hochgebirgen  herabkommt,  in  sehr  geringem  Masse 
für  die  künstliche  Bewässerung  und  andere  Zwecke  nützlich  werden.  Die  Haupt- 
flüsse sind  Colorado  und  Gila.  Die  Ausdehnung  des  nutzbaren  Bodens  ist  bei  dieser 
Oberflächenbeschaffenheit  sehr  gering.  Ohnehin  ist  das  Klima  dem  Ackerbau 
nicht  günstig.  Die  Niederschläge  erreichen  im  unteren  Colorado  -  Gebiet  nicht 
100  mm  und  tägliche  Temperaturschwankungen  bis  zu  42^^  sind  keine  Seltenheit. 
Nur  6  Proc.  des  Bodens  sind  mit  Wald  bedeckt  und  dieser  kommt  nur  auf  den 
höheren  Gebirgen  und  Mesas  vor.  Der  Ackerbau  wird  vereinzelt  und  schwach 
von  einigen  Indianerstämmen  im  unteren  Colorado-  und  Gila- Gebiet  und  an  der 
mexikanischen  Grenze,  sowie  von  wenigen  Ansiedlern  betrieben.  Ausgedehnter 
ist  die  Viehzucht,  für  welche  indessen  keine  neuere  Statistik  vorliegt.  1870 
wies  die  Statistik  nur  14  585  A.  angebautes  Land  auf.  Die  Gewerbthätigkeit  ist 
unbedeutend.  1870  beschäftigte  sie  5  Dampfmaschinen.  Der  Bergbau  ist  bisher 
wenig  entwickelt,  wiewohl  Gold,  Silber  und  andere  Metalle  nachgewiesen  sind. 
Seit  1877  führt  die  erste  Eisenbahn  von  der  californischen  Seite  herein.  Indessen 
bleibt  fürerst  noch  der  Colorado  die  Hauptverkehrsader.  Die  mehr  als  20  (KX) 
selbständigen  Indianer,  welche  für  Ar.  der  Bericht  der  Ind.  Comm.  für  1876/77 
angibt,  sind  neben  dem  armen  Boden  und  dem  Klima  der  Hauptgrund  des 
langsamen  Fortschreitens  der  Colonisation  in  diesem  Territorium.  Aber  auch 
unter  den  9658  weissen  Einwohnern  von  1870  waren  4339  geborene  Mexikaner,  meist 
Mestizen.  Erst  die  Durchführung  der  Eisenbahn  bis  zum  Rio  Grande  wird  der  Cultur 
einen  kräftigeren  Anstoss  geben.    Immerhin  wurden  1877   62  843  D.  für  Schulen 


716  Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge. 

ausgegeben.  Schulbesuch  30  Proc.  Es  gab  5  Zeitungen.  Steuerwerth  (1870) 
1,4  Mill.  D.  Das  Territorium  wurde  1863  organisirt.  Hauptort  ist  Tucson, 
3324  E.,  inmitten  der  reichsten  Bergwerksregion  des  Staates,  am  Santa  Cruz  E, 
1  Zeitung.  Prescott,  700  E.,  Bergflecken,  225  Kil.  ö.  vom  Colorado.  1  Zeitung. 
War  eine  Zeit  hindurch  Hauptort  des  Gebietes,  A  r  i  z  o  n  a  C  i  t  y ,  ca.  1000  E.,  am 
Zusammenfluss  des  Colorado  und  Gila,  390  Kil.  ö.  von  S.  Diego.  Gold-  und 
Silber-Bergbau  in  der  Nähe.  1  Zeitung.  C  a  1 1  v  i  1 1  e ,  Endpunkt  der  Schiffbarkeit 
des  Colorado. 

XLH.  Nevada  (Nev.),  4019  d.Q.M.  (112090  e.),  52540  E.  (1875).  Nev.  nimmt 
den  sw.  Theil  des  Grossen  Beckens  ein  und  liegt  daher  zwischen  Oregon 
und  Idaho  im  N. ,  Arizona  im  S. ,  Utah  und  Arizona  im  0.  und  Californien 
im  W.  Naturgrenzen  sind  die  Sierra  Nevada  im  W. ,  das  Salzseegebiet  im  0., 
der  Colorado  im  SO.  Die  Oberflächengestalt  ist  überall  bestimmt  durch  die 
Hochebene,  der  ganze  Staat  liegt  in  1000  — 1.500  mittlerer  Höhe  und  dieser 
Basis  sind  Gebirgszüge  von  meist  paralleler  S.  —  N.- Richtung  in  grosser  Zahl  und 
unzusammenhängend  aufgesetzt.  Die  höchsten  Erhebungen  finden  sich  im 
Humboldt-Gebirge.  Man  berechnet,  dass  ungefähr  gleichviel  der  Oberfläche  des 
Staates  ebenes  Hochland  und  Gebirge  sei.  Die  Bewässerung  ist  sehr  spärlich. 
Im  SO.  fliesst  der  Virgen  dem  Colorado  zu.  Das  Wasser  zahlloser  kleiner 
fiumarenartiger  Rinnsale  sammelt  der  Humboldt  R, ,  der  die  Mitte  des  Staates 
in  ö.  —  w.  Richtung  durchfliesst  und  das  grösste  fliessende  Gewässer  des  Staates 
darstellt.  Da  die  meisten  Flüsse  und  Bäche  keinen  Ausweg  zum  Meere 
finden,  sammelt  sich  ihr  Wasser  in  Salzseen  und  Salzsümpfen  (Humboldt-, 
Pyramid-,  Walkers-,  Mono-,  Owens  Lake  und  viele  kleinere).  Das  Klima  ist 
das  trockenste  und  extremste  in  diesem  durch  trockenes  und  extremes  Klima 
ausgezeichneten  Hochlandgebiet.  Die  durchschnittliche  Regenmenge  erreicht 
nicht  200  mm.  Der  Sommer  ist  in  der  Regel  fast  regenlos.  Die  Vegetation 
ist  durchaus  die  der  Steppe.  Waldland  5  Proc.  Nur  in  den  Theilen  des  Staates,  die 
am  Ostabhange  der  Sierra  liegen,  ferner  auf  den  höheren  Abhängen  der 
Humboldt  Mts.,  kommen  nennenswerthe  Bestände  von  Föhren  und  Roth- 
cedern  vor,  die  aber  durch  den  Holzbedarf  des  Bergbaues  wohl  schon  um  die 
Hälfte  vermindert  sein  dürften.  Das  Laubholz  (fast  nur  Cottonwood)  entlang 
den  Flussläufen  ist  nur  in  dünnen  und  gleichfalls  schon  sehr  gelichteten  Streifen 
vorhanden.  Der  Ackerbau  ist  nur  bei  künstlicher  Bewässerung  möglich  und 
selbst  dann  noch  durch  den  raschen  Temperaturwechsel  gefährdet.  Heu  ist  das 
werthvollste  Erzengniss.  1870  gab  es  92000  A.  angebautes  Land  und  heute 
dürfte  dasselbe  nicht  über  1  p.  Mille  des  Staates  einnehmen.  Der  fast 
alleinige  Erwerbszweig  ist  der  Bergbau,  der  1875  40,  1876  49,  1877  52  Mill.  D. 
ergab,  hauptsächlich  in  Silber,  daneben  auch  in  Gold  und  Blei,  Die  gegen- 
wärtig ergiebigsten  Silberminen  der  Welt  im  Comstock  Lode  bei  Virginia  City 
gehören  Nevada  an  (vgl.  o,  S.  341  f,).  Die  Gewerbthätigkeit  dient  gleichfalls 
hauptsächlich  dem  Minenbetrieb,  mehr  als  *'5  ihrer  Erzeugnisse  bestehen  aus 
gemahlenem  Quarz,  raff.  Blei  u.  dgl.  Eisenbahnen  gab  es  1878  1010  Kil,  Die 
Central  Pacific -Eisenbahn  durchzieht  den  n.  Theil  des  Staates.  Daneben  ist 
der  Wagenverkehr  noch  immer  gross,  für  den  die  weiten,  flachen  Hochebenen 
günstige  Bedingungen  bieten.  Finanzen  (1877):  Einnahmen  0,72,  Ausgaben  0,64, 
Schuld    0,64,    Staatssteuern  0,60  Mill,   D.     Der   Steuerwerth   wurde   1872    auf 


Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge.  717 

22,8  Mill.  D.  veranschlagt.  Für  Schulen  gab  1877  der  Staat  162  716  D. 
aus  und  der  Schulbesuch  betrug  65  Proc.  Es  gibt  im  Staat  ein  College 
mit  35  Schülern.  Zeitungen  (1878)  25.  Von  42491  E.  waren  1870  5  Proc. 
im  Staat  und  44  Proc.  im  Ausland  geboren.  Unter  den  letzteren  waren 
5035  Irländer,  2549  Engländer,  2356  Britisch-Amerikaner  und  2181  Deutsche. 
Nev.  wurde  1861  als  Territorium  organisirt  und  1864  als  Staat  zugelassen. 
Die  Gesetzgebung  besteht  aus  18  Senatoren,  die  für  4,  und  36  Repräsen- 
tanten, die  für  2  Jahre  gewählt  sind.  Sie  tritt  alle  2  Jahre  zusammen.  Die 
Oberbeamten  und  Richter  werden  für  4,  die  Oberrichter  für  6  Jahre  gewählt. 
1  Repräsentant  im  Congress. 

Carson  City,  3042  E.,  Hauptstadt  des  Staates  und  Hauptort  von  Ormsby 
Cy.,  44  Kil.  s.  von  der  Station  Reno  an  der  Pacific -Eisenbahn,  am  Ostfuss 
der  Sierra,  5  Kil.  von  Carson  R.  In  der  Nachbarschaft  reiche  Silberlager. 
Virginia  City,  7048  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Storey  Cy.,  Mittelpunkt  der 
reichen  Silber-  und  Goldbergwerke  des  Comstock  Lode.  Handels-  und  Geldmittel- 
punkt des  Staates.  Ausser  der  Bergwerksindustrie  noch  grosse  Maschinen- 
fabrikation. 5  Zeitungen.  Storey  Cy.  erzeugte  1877  34  Mill.  D.  Gold  und 
Silber.  Gold  Hill,  4311  E.,  liegt  im  Washoe-Gebirge  inmitten  der  reichsten 
Silberregion,  10  Kil.  sw.  von  Virginia  City,  gleich  dieser  in  Storey  Cy.  1  Zeitung. 
Washoe  City,  552  E.,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.,  in  der  Nachbar- 
schaft von  Silberminen.  Eisenbahn.  Dayto  n,  918  E.,  Hauptort  von  Lyon  Cy., 
am  Carson  R.  und  Endpunkt  der  von  der  Central  Pacific-Eisenbahn  abzweigenden 
Eisenbahnlinie.  Aurora,  160  E.,  Mittelpunkt  der  Silber-  und  Goldminen 
der  Esmeralda  Cy.,  n.  vom  Monosee,  180  Kil.  s.o.  von  Carson  City.  Austin, 
1324  E. ,  Stadt  und  Hauptort  von  Lander  Cy. ,  am  Fuss  der  Toyabee  Mts., 
Mittelpunkt  der  Silberregion  des  Reese  R.  Eureka,  800  E.,  neu  aufblühender 
Ort,  130  Kil.  ö.  von  Austin,  in  der  neuen  Eureka  Cy.,  in  welcher  1877  2,6  Mill.  D. 
erzeugt  wurden.  —  Als  Stationen  an  der  Central  Pacific-Eisenbahn  nennens- 
werth  :   Reno,  Humboldt. 

XLHL  Utah  (üt.),  3975  d.  Q.M.  (84476  e.),  86  786  E.  Umgeben  im  N. 
von  Wyoming  und  Idaho,  im  S.  von  Arizona,  im  0.  von  Colorado  und  im  W. 
von  Nevada.  Ut.  bildet  einen  Theil  der  Hochebene  des  Grossen  Beckens  und 
zwar  umschliesst  es  einen  der  tiefst  eingesenkten  Theile  (Great  Salt  Lake  1280  m) 
und  zugleich  in  der  Wahsatch-Kette  einige  der  höchsten  desselben  (Belknap  Mt. 
3628  m).  Ausser  der  letzteren  umschliesst  es  noch  die  Uintah-Kette  mit  einigen 
über  4000  m  hohen  Gipfeln  und  daneben  im  S.  eine  ganze  Reihe  von  kleineren 
Gebirgszügen.  Im  Allgemeinen  ist  der  0.  des  Territoriums  der  gebirgigere,  der 
W.  der  flachere  Theil.  Der  erstere  ist  mehr  vom  Typus  des  Gebirgslandes  von 
Colorado,  dieser  von  "dem  des  wüstenhaften  Nevada.  Unter  den  nur  durch  zer- 
streute kleinere  Gebirge  unterbrochenen  Steppen  und  Wüstenflächen  des  w.  Theiles 
ist  die  Grosse  Salzseewüste  von  ca.  500  d.  Q.M.  die  ausgedehnteste.  Der  Hauptzug 
in  der  Bewässerung  des  Territoriums  ist  der  Grosse  Salzsee  (15 — 1600  Q.Kil.), 
der  höher  gelegene  Utah  L. ,  der  durch  den  Jordan  R.  in  jenen  sich  ergiesst^ 
dann  der  Bear  R.,  der  die  Wahsatch  Mts.  drainirt  und  nach  dem  Grossen  Salzsee 
abfliesst,  und  der  zum  Colorado  gehörige  Green  R. ,  welcher  dem  Colorado 
angehört  und  den  ganzen  0.  des  Territoriums  durchfliesst.  Das  Gebiet  w.  vom 
Grossen  Salzsee   ist   wasserarm.     Das   Klima   ist  trocken  und  extrem.     Mittlere 


718  Achte  Gruppe.     Staaten  und  Territorien  der  Westgebirge. 

Jahreswärme  bei  Salt  Lake  City  in  1400  m  Höhe  10— 11  o.  Unterschied  zwischen 
Januar  und  Juli  26,4^.  Die  Regenmenge  ist  nicht  genau  beobachtet,  doch  weiss 
man,  dass  sie  für  den  Ackerbau  nicht  genügt  (s.  o.  S.  230).  Die  Vegetation  ist 
Steppenhaft.  Wälder,  10  Proc.  des  Bodens  bedeckend,  nur  in  den  Gebirgen. 
Föhren  und  Rothcedern  in  den  Canons  der  Gebirge  und  an  den  höheren  Abhängen, 
sehr  beschränkte  Cottonwood-Bestände  in  dünnen  Streifen  längs  der  Flüsse.  Für 
Bergwerks-  und  Eisenbahnbedarf  ist  die  Nachfrage  grösser  als  gut  ist.  Summit 
County  lieferte  1875  gegen  3  Mill.  Eisenbahnschwellen,  lieber  den  hiesigen 
Ackerbau  liegen  seit  1870  keine  eingehenden  Berichte  mehr  vor.  Damals  gab  es 
4908  Farmen  mit  119  000  A.  angebautem  Land,  der  Werth  ihrer  Erzeugnisse 
wurde  auf  1,97  Mill.  D.  geschätzt.  Weizen,  Kartoffeln,  Wolle  und  Heu  sind  die 
bedeutendsten.  Im  s.  Theil  des  Territoriums  soll  Baumwolle  gedeihen.  Der 
Bergbau  ist  auch  in  diesem  Territorium  eine  wichtige  Nahrungsquelle.  Er 
liefert  Gold,  Silber,  Blei  und  Braunkohle  und  zwar  1877  allein  von  den  beiden 
ersteren  8,1  Mill.  D.  Die  Gewerbthätigkeit  ist  ausserdem  nur  in  der  Holz- 
sägerei  bedeutend.  Von  Eisenbahnen  sind  816  Kil.  vorhanden.  Finanzen  (Anfang 
1878) :  Steuerwerth  22,5,  Steuern  0,057,  Ausgaben  0,56  Mill.  D.  Schulausgaben 
127480.  Schulbesuch  64  Proc.  Colleges  1  mit  188  Schülern.  Zeitungen  (1878)  15. 
Die  Bevölkerung  bestand  1870  aus  48  Proc.  im  Staat  und  36  Proc.  im  Aus- 
land Geborenen.  Unter  den  Letzteren  waren  18164  Engländer  und  Schotten, 
2403  Schweden  und  Norweger,  509  Schweizer  und  358  Deutsche.  —  Ut.  wurde 
1847  von  der  aus  Illinois  vertriebenen  Sekte  der  Mormonen  zuerst  besiedelt  und 
die  1850  auf  11000  und  1860  auf  40273  gestiegene  Bevölkerung  war  fast  ganz 
mormonisch.  Ausser  ihnen  befand  sich  nur  in  den  V.  St.  -  Forts  eine  kleine 
Zahl  von  Weissen.  Erst  seit  dem  Bau  der  Pacific-Bahn  haben  sich  in  zunehmender 
Menge  auch  andere  Einwanderer  dort  niedergelassen  und  es  ist  vorzüglich  die 
hohe  Entwickelung  des  Bergbaues,  welche  eine  starke  Zuwanderung  aus  den 
V.  St.  und  Europa  anzog.  Die  Mormonen,  deren  Zahl  18,70  auf  über  87  000 
angegeben  wurde ,  sind  bereits  an  vielen  Punkten  des  Territoriums  in  der 
Minderheit  und  der  Governor  des  Territoriums  sammt  seinen  Beamten  ist  selbst- 
verständlich eine  Nichtmormone.  Nachdem  die  Gerichtshöfe  der  V.  St.  die 
Polygamie  als  ungesetzlich  erklärt  haben,  scheint  die  Zahl  der  Bekenner  dieses 
seltsamen  Glaubens  in  rascher  Abnahme  begriffen  zu  sein. 

Salt  Lake  City,  Hauptstadt  des  Terr.  und  Hauptort  von  Salt  Lake  Cy. 
Liegt  oberhalb  der'Mündung  des  Jordan  R.  in  den  Gr.  Salzsee,  am  Fuss  des 
Wahsatch-Gebirges  und  an  der  Utah  Central  -  Eisenbahn ,  160  Kil.  von  Ogden. 
1846  von  Mormonen  gegründet,  ümschliesst  den  Haupttempel  der  Mormonen 
The  Tabernade,  hat  40  m  breite,  schattige,  von  Bächen  durchflossene  Strassen. 
Eisengiessereien,  Wollfabrik.  Handelsmittelpunkt  für  das  ganze  Territorium.  2 
Zeitungen.  Ogden  City,  3127  E.,  Hauptort  von  Weber  Cy.,  an  der  Verbindung 
des  Weber  und  Ogden  R.,  Westende  der  Union  Pacific-,  Anfang  der  Central 
Pacific -Eisenbahn  und  Einmündung  der  von  Salt  Lake  City  kommenden  Eisen- 
bahn, 1400  Kil.  von  S.  Francisco,  1050  Kil.  von  Omaha.  Stapelplatz  des  Handels 
von  Utah  nach  0.  und  W.  Mühlen,  Wollfabrik.  Pro vo  City,  2384  E.,  am 
Ostrande  des  Utah-Sees,  60  Kil.  s.  von  Salt  Lake  City.  Lehi  City,  1085  E., 
in  der  Nähe  des  Jordan  R.,  Endpunkt  der  Utah  Central -Eisenbahn.  FiUmore 
City,    Hauptort  von  Miliard  Cy. ,    240  Kil.   s.   von  Salt  Lake  City.     Corinne, 


Neunte  Gruppe.     Pacifische  Staaten  und  Territorien.  719 

783  E. ,  am  Bear  R.  und  an  der  Pacific -Eisenbahn,  40  Kil.  nw.  von  Ogden, 
Endpunkt  der  Stage-Line  nach  Montana.  An  der  Pacific-Eisenbahn :  Ft.  Bridger, 
Echo,  Monument  Point. 

XLIV.  Idaho  (Id.),  4060  d.  Q.  M.  (86294  e.),  14999  E.  (1870).  Liegt  zwischen 
Brit.  Columbia  im  N.,  Nevada  und  Utah  im  S. ,  Montana  und  Wyoming  im  0., 
Washington  und  Oregon  im  W.  Id.  nimmt  denjenigen  Theil  des  sog.  Grossen 
Beckens  ein ,  welcher  zwischen  der  grossen  Südbiegung  des  Snake  R.  und  den 
Bitter  Root  Mts.  u.  a.  ö.  Parallelketten  des  Felsengebirges  gelegen  ist.  Die 
Bodeugestaltung  gleicht  der  von  Nevada,  indem  die  Hochebene  hervortritt, 
während  die  Gebirge  mehr  als  vereinzelte  Züge  erscheinen,  welche  durch  weite 
Thäler  getrennt  sind.  In  höherem  Grade  gebirgig  ist  nur  der  äusserste  N.  und 
NO,  der  in  das  eigentliche  Felsengebirge  hineinreicht.  Doch  scheinen  gelbst 
hier  die  höchsten  Gipfel  nicht  über  2200  m  hinauszugehen.  Flüsse :  Snake  R. 
mit  Powder  und  Salmon  R. ,  im  SO.  Bear  R. ,  im  NW.  Clarke's  Fork.  Das 
Klima  ist  trocken  und  rauh.  Die  Vegetation  ist  steppenhaft,  das  Waldland  be- 
deckt 15  Proc.  Aehnlich  wie  in  Montana  sind  für  Ackerbau  und  Viehzucht  die 
klimatischen  und  Bodenverhältnisse  günstiger  als  sie  im  Allgemeinen  in  Utah  und 
Nevada  sind.  Aber  es  waren  1877  nur  erst  ca.  80000  A.  angebaut.  Der  wichtigste 
Erwerbszweig  ist  noch  immer  der  Bergbau.  1877  wurden  ca.  l\'2Mill.  D.  Gold 
und  0,3  Mill.  D.  Silber  gewonnen.  Eisenbahnen  sind  noch  nicht  vorhanden.  Ein 
flachgehender  Dampfer  befährt  den  Snake  R.  unterhalb  der  Mündung  des  Powder  R. 
Ueber  den  Stand  der  Finanzen  liegen  neuere  Berichte  nicht  vor.  1877  wurden 
für  Schulen  16590  D.  ausgegeben.  Zeitungen  5.  1870  bestand  die  Census- 
Bevölkeruug  aus  10618  Weissen,  4274  Chinesen  und  60  Negern.  1877  betrug  die 
Zahl  der  Indianer  6570.  Unter  den  Ausländern  waren  1233  Deutsche,  986  Iren, 
653  Engländer  und  Schotten.  Id.  wurde  1863  als  Territorium  organisirt.  — 
Boise  City,  Hauptstadt,  995  E.,  am  Boise  R. ,  Verbindung  mit  Winnemuka 
Nev.,  500  Kil.  n.  von  Salt  Lake  City.  2  Zeitungen.  Ft.  Boise  ist  in  der  Nähe 
gelegen.  Idaho  City,  889  E.,  57  Kil.  n.ö.  von  Boise  City.  Minenplatz.  1  Zeitung. 
Von  hier  Wagenverbindung  nach  Winnemuka  Nev.  und  Umatilla  Or.  Cen- 
treville,  474  E.,  in  Boise  Cy.  Lewis  ton,  am  Snake  R.,  145  Kil.  von  Walla 
Walla  W.  T. 

Neunte  Gruppe. 
Pacifische  Staaten  und  Territorien. 

Durch  Sierra  Nevada  und  Cascaden  -  Gebirge  auf  der  einen  und  das  Stille 
Meer  auf  der  anderen  Seite  abgegrenzt,  erfreuen  sich  Californien,  Oregon  und 
Washington  Terr.  der  deutlichsten  und  wirksamsten  Naturgrenzen,  die  irgend 
einer  der  grösseren  Staatengruppen  der  Union  zukommen.  Eigenartige  klimatische 
Verhältnisse,  die  in  der  s.  Hälfte  ein  dem  Mittelmeerklima  ähnliches  trockenes, 
warmes,  aber  fruchtbares  Klima  erzeugen,  während  in  der  n.  übermässige  Nieder- 
schläge mit  oceanischer  Milde  gepaart  sind,  merkwürdige  Eigenthümlichkeiten 
der  Pflanzen -und  Thierwelt  helfen  dazu,  dem  Gebiete  einen  sehr  eigenartigen 
Charakter  aufzuprägen.  Ebenso  wie  die  Gebirgsgrenzen  sind  auch  diese  Be- 
sonderheiten   am  schärfsten  ausgesprochen   in   Californien,    welches   auch    nach 


720  Neunte  Gruppe.     Pacifische  Staaten  und  Territorien. 

Grösse,  Volkszahl,  Reichthum  und  Einfluss  die  anderen  überragt.  In  wirtli- 
schaftlicher  Beziehung  ist  die  Gewinnung  von  Edelmetallen  die  ursprüngliche 
Grundlage,  auf  der  dann  Landwirthschaft,  Gewerbe  und  Handel  kräftig  auf- 
geblüht sind.  Noch  1877  erzeugte  dieses  Gebiet  29  Proc.  der  Edelmetalle  und 
58  Proc.  des  Goldes,  sowie  alles  Quecksilber  in  den  V.  St.  Aber  die  rasche 
Zunahme  der  Bevölkerung  und  die  für  Ackerbau,  Gewerbe  und  Handel  günstigen 
Verhältnisse  Hessen  es  nicht  auf  der  Stufe  des  Mining  Coimtry  stehen  bleiben. 
Es  erzeugte  1877  9  Proc.  des  Weizens  der  V.  St.  und  besass  20  Proc.  aller  Schafe. 
Auch  im  Bau  von  Wein  und  Südfrüchten  steht  es  fast  allen  anderen  voran.  In  der 
Gewerbthätigkeit  ist  es  durch  die  Bedürfnisse  der  Bergbau-Gegenden  und  durch 
die  Entfernung  von  den  ö.  Industriecentren  schon  früh  zu  grosser  Selbständig- 
keit gedrängt  worden.  Mit  3  Proc.  nimmt  dieses  Gebiet  am  Eisenbahnnetz  der 
V.  St.  Theil.  Die  geistige  Cultur  ist  besonders  in  Californien  rasch  fortgeschritten. 
Californien  gehört  zu  den  am  meisten  für  Schulen  aufwendenden  Staaten,  in 
dem  ganzen  Gebiet  gibt  es  20  Colleges  und  4  Proc.  der  Zeitungen  erscheinen 
hier.  Die  Bevölkerung  beträgt  ca.  1,5  Proc.  der  Gesammtbevölkerung  und  ist 
eine  der  jüngsten  und  gemischtesten.  Die  Gegenwart  zahlreicher  Chinesen  und 
die  Reste  der  einst  hier  colonisirenden  Spanisch-Amerikaner  gibt  ihr  eine  eigen- 
thümliche  Färbung.     Im  Congress  hat  das  Gebiet  5  Repräsentanten. 

XLV.  California  (Cal.),  8889d.Q.M.  (188981  e.),  582031  E.  (1870)  i).  Grenzen: 
Oregon  im  N.,  Mexico  im  S.,  der  Stille  Ocean  im  W.,  Nevada  und  Arizona  im  0. 
Nach  der  Oberflächengestalt  zerfällt  Cal.  in  4  Abschnitte,  nämlich  in  das  Küsten- 
gebirge, die  Sierra,  das  zwischen  beiden  liegende  Hügel-  und  Flachland  und 
das  jenseits  der  Ausläufer  der  Sierra  zum  Colorado  hinüberziehende  sw.  Steppen- 
und  Wüstengebiet.  Die  3  ersten  Abschnitte  bilden  in  gleicher  Richtung  neben 
einander  hinziehende  Strecken,  welche  den  Staat  von  der  s.  bis  zur  n.  Grenze  ein- 
nehmen. 1.  Das  Küstengebirge  tritt  überall  nahe  an  das  Meer  heran,  so  dass  die 
Küste  grossentheils  Steil-  und  Felsküste,  und  Küstentiefland  ist  nirgends  vor- 
handen. Die  Gebirgszüge  des  Küstengebirges  nehmen  einen  Strich  von  60 — 70Kil, 
Breite  ein  und  bestehen  aus  zahlreichen  kleineren  Gebirgsketten  und  -gruppen. 
Sie  erheben  sich  nirgends  über  1500  m.  2.  Der  zweite  Gebirgsantheil  von  Cal., 
die  Sierra  Nevada,  bildet  in  der  Länge  von  350  Kil.  ein  Band  an  der  ö.,  wie  das 
Küstengebirge  an  der  w.  Grenze.  Die  Grenze  zwischen  Cal.  und  Nevada  verläuft 
grossentheils  auf  dem  Kamm  des  Gebirges,  so  dass  von  demselben  der  ö.  Abhang 
in  das  Gebiet  Cal. 's  fällt.  Die  Sierra  Nevada  umschliesst  die  höchsten  Berggipfel 
der  V.  St.  (Mt.  Whitney  4575)  mit  Ausnahme  Alaskas,  ist  aber  durch  zahlreiche 
zwischen  1600  und  3660  hohe  Pässe  durchbrochen.  Zahlreiche  Thäler,  von 
denen  einige  voll  grossartiger  und  schöner  Scenen,  ziehen  sich  in  ihre  höchsten 
Theile  hinauf  und  die  Bewaldung  geht  bis  3600  m.  Der  Abfall  nach  dieser, 
der  ö.  Seite,  ist  viel  sanfter  als  nach  der  w.  und  ist  in  Folge  dessen  auch  die 
Zugänglichkeit  und  die  Möglichkeit  des  Anbaues  auf  der  californischen  Seite 
grösser  als  auf  der  von  Nevada.  3.  Indem  die  Sierra  mit  dem  Küstengebirge 
s.  beim  Tejonpass  und  n.  in  der  Vulkanregion  von  Mt.  Shasta  und  Lassens 
Peak  zusapamentritt,  schliessen  diese  beiden  Gebirge  ein  thalartig  zwischen  ihnen 


1)  Am  10.  September  1878,   dem   28.  Jahrestag   des    Eintrittes   Californiens    in    die  Union,    wurde 
seine  Bevölkerung  auf  8.50  000  veranschlagt. 


Neunte  Grupppe.    Pacifische  Staaten  und  Territorien.  721 

liegendes  Gebiet  ab,  welches  als  The  Central  Valley  oder  The  California  Plains 
bezeichnet  zu  werden  pflegt  und  theils  von  Flachland,  theils  von  den  Vorhügeln 
der  Gebirge  eingenommen  wird.  Die  Meereshöhe  desselben  ist  im  Allgemeinen 
gering,  weite  Gebiete  sind  Ueberschwemmungen  unterworfen.  Seine  Länge  be- 
trägt 650  Kil.,  sein  Flächeninhalt  ca.  40000  Q.Kil.  4.  Die  Region  des  SO. 
umschliesst  die  s.  Ausläufer  des  Küstengebirges  und  der  Sierra,  welche  an  der 
Küste  warme  und  trockene,  aber  noch  fruchtbare  Thäler  eiuschliessen.  Aber 
ö.  von  hier  nach  dem  Colorado  zu  erstreckt  sich  eine  von  unregelmässigen, 
niedrigen  Gebirgszügen  durchzogene  Ebene,  welche  steppenhaft  und  zu  einem 
erheblichen  Theile  (Mohave  Desert)  sogar  echte  Wüste  ist.  Beschränkte  Be- 
zirke in  der  Nähe  des  Colorado  liegen  sogar  unter  dem  Meeresspiegel.  Die 
Bewässerung  Cal.'s  wird  durch  die  eben  geschilderte  Bodengestalt  eine  ziem- 
lich einfache.  Die  Steppen  -  und  Wüstenregion  des  S  0.  erstreckt  sich  bis 
zum  Colorado,  hat  aber  ausser  einigen  Fiumaren,  die  in  Salzlacken  münden, 
kein  nennenswerthes  fliessendes  Gewässer.  Vom  Küstengebirge  seewärts  fliessen 
beim  Mangel  eines  Küstentieflandes  meist  nur  kurze  Gebirgswässer.  Nennens- 
werth  sind  Klamath,  der  aus  Oregon  kommt,  Mud,  Eel,  Russian,  Salinas  R.  Die 
Hauptmasse  seiner  Gewässer  vereinigt  sich  mit  den  von  der  Sierra  herabkom- 
menden zu  den  2  einzigen  grösseren  Flüssen  Cal.'s,  dem  S.  Joaquin  und  Sacra- 
mento,  die  gemeinsam  in  den  grossen  Naturhafen  der  Bucht  von  San  Francisco 
münden,  nachdem  sie  das  Central  Valley,  jener  von  S.,  dieser  von  N.  kommend, 
durchflössen  haben.  Nennenswerthe  Nebenflüsse  des  Sacramento  sind  Pit, 
Feather  und  American,  des  S.  Joaquin  Kings,  Fresno,  Tuolumne  R.  Von  Seen 
sind  ausser  Tulare,  der  in  den  S.  Joaquin  abfliesst,  nur  der  Salzsumpf  der 
Mohave-Wüste  und  Tahoe  L.  in  der  Sierra  zu  nennen.  Das  Klima  von  Cal. 
hat  in  Bd.  I.  337  f.  ausführliche  Darstellung  gefunden.  Es  gibt  in  diesem  Ge- 
biete 2  klimatische  Regionen :  die  eines  feuchten  und  kühlen  Ktistenklimas  und 
die  eines  unserem  Mittelmeerklima  zu  vergleichenden  warmen  und  trockenen 
Binnenklimas.  Dass  in  den  höheren  Theilen  der  Sierra  ein  ausgesprochenes 
Gebirgsklima  sich  hinzugesellt,  ist  selbstverständlich.  Das  Küstenklima  ist  be- 
zeichnet durch  geringen  Unterschied  von  Sommer  und  Winter  (S.  Francisco  hat 
15®  m.  Monatswärme  im  Juli,  10°  im  Januar  bei  13,5  m.  Jahreswärme),  ver- 
hältnissmässig  langdauernde  Regenzeit  und  nicht  sehr  geringe  Niederschläge 
(6—900),  sowie  häufige  Nebelbildungen.  Es  beherrscht  das  Küstengebiet  von 
der  Nordgrenze  bis  über  die  Bucht  von  S.  Francisco  hinaus,  erstreckt  sich  aber 
nicht  über  das  Gebirge.  Im  Inneren  und  im  S.  herrscht  das  trockenere  (S.  Diego  150 
bis  300  mm.  Niederschläge),  wärmere  (Sacramento  16",  S.Diego  16,5  *^m.  Jahres- 
wärme) und  gegensatzreichere  Klima  (Sacramento  20,  S.  Diego  25 "  Unterschied  zw, 
Sommer-  und  Wintertemperatur).  Der  Boden  ist  für  den  Ackerbau  in  den 
ebeneren  Theilen  des  Staates  und  in  den  Gebirgsthälern  fast  überall  günstig, 
aber  das  Klima  ist  es  im  S.  wegen  der  Trockenheit  und  an  der  n.  Küste  wegen 
des  Mangels  an  Sonnenwärme  in  viel  geringerem  Grade.  Man  nimmt  an,  dass 
in  der  w.  Hälfte  von  Cal.  etwa  ^/s,  in  der  ö.  gebirgigeren  aber  nicht  mehr  als' 
V20  des  Landes  anbaufähig  seien.  Und  selbst  diese  Bruchtheile  sind  grösstentheils 
nur  mit  Hülfe  künstlicher  Bewässerung  fruchtbar  zu  machen.  Es  sind  bereits 
Hunderte  von  Kil.  Bewässerungscanäle  angelegt.  Der  Bau  eines  durch  das  ganze 
w.  Joaquin-Thal  zu  legenden  Bewässerungscanales  ist  gegenwärtig  in  der  Aus- 
Rat  z  e  1 ,   Amerika  II.  46 


722  Neunte  Gruppe.    Pacifisclie  Staaten  und  Territorien. 

fülirung.  1876  wurden  durch  Dammbauten  im  unteren  S.  Joaquin-Gebiet  allein 
70000  A.  Land  dem  Anbau  gewonnen.  Die  Getreideernte  erreichte  1876/77  die 
Höhe  (in  1000  B.)  von  28600  Weizen,  7020  Hafer,  1472  Mais,  1277  Koggen  im 
Werth  von  38  Mill.  D.  Cal.  ist  also  einer  der  grössten  Weizenstaaten  der  Union. 
Ausserdem  hat  es  die  grösste  Weinerzeuguiig  (1870  1,8  Mill.  Gall.),  erzeugt 
Südfrüchte  (1876  7  Mill.  Apfelsinen)  und  Obst,  die  in  grossem  Masse  zur  Aus- 
fuhr kommen,  und  in  steigender  Menge  auch  Baumwolle.  Der  Viehstand  betrug 
(in  1000)  1877:  Rinder  1390,  Schafe  6561,  Schweine  438,  Pferde  und  Maul- 
thiere  288 ;  Werth  53  Mill.  D.  Die  Schafzucht  von  Cal.  ist  grösser  als  die 
irgend  eines  anderen  Theiles  der  V.  St.,  18  Proc.  sämratlicher  Schafe  entfallen 
auf  diesen  Staat.  An  Mineralschätzen  ist  Cal.  ungemein  reich  (vgl.  o.  S.  337). 
Es  erzeugte  1878  ca.  18  Mill  D.  Gold,  1876  1,8  Mill.  Silber  und  1877  78000  Flaschen 
Quecksilber.  Die  Gesammt-Erzeugung  der  californischen  Bergwerke  betrug  1876 
19  Mill.  D.  Es  besitzt  ausserdem  reiche  Kupferlager,  Braunkohle  und  Borax. 
Die  Gewerbthätigkeit  ist,  wenn  auch  jung,  so  doch  in  kräftigem  Aufblühen. 
Schon  1870  wurden  in  ganz  Cal.  604  Dampfmaschinen  mit  18493  Pferde- 
kräfte ausgenützt,  sowie  25392  Arbeiter.  1877  waren  in  den  Fabriken  S. 
Francisco's  allein  28000  Arbeiter  beschäftigt.  Haupterzeugnisse  sind  Mehl, 
Sägholz,  Schuhe,  Maschinen,  Cigarren,  in  neuester  Zeit  auch  Webstoffe, 
Cal.  hatte  1878  3328  Kil.  Eisenbahnen,  welche  über  12  Mill.  T.  Fracht  be- 
förderten. In  seinen  Häfen  verkehrten  1878  343000  T.  in  Küstenfahrt  und 
297  000  T.  vom  Ausland.  Die  Rhederei  umfasst  828  Segel  -  und  172  Dampf- 
schiffe mit  zusammen  196000  T.  Ueber  den  Aussenhandel  s.u.  bei  S.  Francisco. 
Ausfuhrgegenstände  sind  hauptsächlich  Weizen,  Wolle,  Holz,  Edelmetalle, 
Quecksilber,  Maschinen,  Früchte.  —  Finanzen  1878:  Steuerwerth  des  ganzen 
Staates  595,  die  Staatsschuld  3,4,  die  Staatssteuern  4,37,  die  Einnahmen  3,91, 
die  Ausgaben  3,79  Mill.  D.  Eingezahltes  Capital  sämmtlicher  Banken  48,7, 
Depositen  137  Mill.  D.  Die  Ausgaben  für  Schulen  erreichten  1877  2,7  Mill.  D. 
Schulbesuch  7  Proc.  13  Colleges  mit  1733  Schülern.  State  University  in  Ber- 
keley. Die  Verfassung  von  1850  (1879  wurde  eine  neue  von  der  radikalen  und 
Arbeiterpartei  entworfene  durch  allgemeine  Abstimmung  mit  geringer  Mehrheit 
angenommen)  lässt  die  oberen  Beamten  und  Senatoren  (40)  für  4,  die  Repräsen- 
tanten (80)  für  2,  die  Richter  für  4  —  10  Jahre  wählen  und  ertheilt  das  Wahlrecht 
jedem  21  Jahre  alten  Bürger  der  V.  St.,  der  6  Monate  im  Staate  verweilt.  Cal. 
kam  durch  den  Vertrag  von  Guadalupe  Hidalgo  1848  von  Mexico  an  die  V.  St. 
und  wurde  1850  als  Staat  aufgenommen.  Es  sendet  4  Repräsentanten  in  den  Con- 
gress.  Die  Bevölkerung  von  Cal.  betrug  1870  582  931  E.  und  wurde  Anfang 
1878  auf  800000  geschätzt.  Unter  jenen  waren  28  Proc.  im  Staat  und  36  Proc. 
im  Ausland  Geborene,  unter  den  Letzteren  26  Proc.  Irländer,  19  Proc.  Chinesen, 
14  Proc.  Deutsche,  10  Proc.  Engländer  und  Schotten,  5  Proc.  Britisch- Amerikaner, 
4  Proc.  Mexikaner  und  2  Proc.  Italiener.  1877  wurde  die  Zahl  der  Chinesen  auf 
93000  geschätzt.  Die  Einwanderung  betrug  1875  65000,  1876  35000,  1877  18000. 
S  a  c r a m  e  nt 0 ,  16  283  E. ,  Staatshauptstadt  und  Hauptort  von  Sacr.  Cy., 
am  Ende  der  Schiffbarkeit  des  Sacr.-Flusses,  1  e.  M.  von  seinem  Zusammen- 
fluss  mit  dem  American  R.,  am  Austritt  der  Central  Pacific-Eisenbahn  aus  dem 
Gebirge  und  an  3  weiteren  Eisenbahnen.  Ursprünglich  durch  Goldwäscher 
im  Ueberschwemmungsgebiet   des  Flusses  erbaut   (in  der  Nachbarschaft  wurden 


Neunte  Gruppe.    Pacifische  Staaten  und  Territorien.  723 

die  ersten  Goldfünde  gemacht)  und  mehrmals  durch  Ueherschwemmungen  halb 
•  zerstört,  ist  S.  durch  systematische  Hebung  um  3  m  in  gesichertere  Lage  gebracht. 
S.  ist  der  Sitz  bedeutender  Gewerbthätigkeit  in  Mehl,  Wollwaaren,  Eisenguss, 
Rübenzucker,  die  Eisenbahn-Werkstätten  der  Central  Pacific-Eisenbahn  befinden 
sich  hier.  7  Zeitungen.  San  Francisco  hatte  1870  149473  E.,  nach  Schätzung 
von  1877  260000.  In  der  ersteren  Zahl  befanden  sich  25  864Irländer,  13602  Deutsche 
und  12022  Chinesen.  Die  Lage  der  Stadt  an  der  Nordspitze  der  dünenartigen 
Halbinsel,  welche  die  Bucht  von  S.  F.  vom  Meere  trennt,  beim  Eingang  (Golden 
Gate)  in  diese  Bucht,  in  welche  S.  Joaquin  und  Sacramento  münden,  ist  vor- 
trefflich, die  Bucht  selbst  einer  der  besten  Häfen  der  Welt.  Der  Boden  von 
S.  F.  sind  Sandhügel,  deren  höchster,  Telegraph  Hill,  90  m  hoch  am  Nordende  der 
Stadt  sich  erhebt.  Viele  Strassen  sind  in  Folge  dieser  Lage  hügelig.  Mont- 
gomery  Str.,  die  n.-s.  läuft,  ist  die  Hauptstrasse,  Front  und  Kearney  Str.  sind 
die  Geschäftsstrassen.  Wohnvorstadt  von  S.  F.  ist  Oakland  und  zugleich  der 
Endpunkt  der  vom  Inneren  kommenden  Eisenbahnen,  welche  durch  Fährboote  mit 
der  Stadt  verkehren.  Die  Seeseite  der  Stadt  wird  ca.  2800  m  lang  in  Kurzem 
von  steinernen  Länden  eingefasst  sein.  Von  öffentlichen  Gebäuden  sind  be- 
merkenswerth  City  Hall,  Börse,  U.  S.  Treasury,  Münze,  U.  S.  Marine  Hospital. 
Unter  den  nahezu  100  Kirchen  ist  die  katholische  S.  Marys  Cathedral  die  her- 
vorragendste. Geschäfts-,  Gasthäuser  u.  dgl.  sind  ganz  wie  in  den  Städten  des 
0.  mit  der  Richtung  auf  das  Hiesige  gebaut.  Die  schmutzigen  Chinesenquartiere 
liegen  zwischen  Kearny  und  Dupont  Str.  Reste  der  katholischen  Mission  Dolores 
und  der  Ansiedelung  Yerba  Buena,  welche  1845  zu  150  Seelen  gediehen  war, 
sind  noch  vorhanden.  Der  Name  S.  Francisco  wurde  der  Ansiedelung  1848  bei- 
gelegt. Diese  Stadt  ist  heute  die  grösste  Handels-,  Geld-  und  Gewerbsstadt 
am  ö.  Ufer  des  Stillen  Meeres.  Die  seewärtige  Ausfuhr  an  Waaren  betrug 
1877  30,  an  Edelmetall  57,7,  die  Einfuhr  57,7  Mill.  D.  Haupt -Ausfuhrgegen- 
stände: Weizen  (über  V^  des  Gesammtwerthes),  Mehl,  Quecksilber,  Wolle, 
Wein,  Bauholz.  In  den  Einfuhren  sind  34 Mill.  vom  Ausland,  unter  welchen 
Kaffee,  Zucker,  Theo,  Rohseide  und  Fabrikate  die  ersten  Stellen  einnehmen. 
Die  Ausfuhr  zu  Lande,  soweit  sie  geschätzt  werden  kann,  wird  auf  12,  die  Ein- 
fuhr auf  18  Mill.  D.  angegeben.  Die  Gewerbthätigkeit  ist  in  S.  F.  sehr  rege 
und  beschäftigte  1877  25000  Arbeiter.  Haupterzeugnisse;  Raff.  Zucker,  Bau- 
schreinereien, Schuhe,  Guss-  und  Walzeisen,  Conserven,  Wollwaaren,  Möbel, 
Leder,  Cigarren.  Als  Hauptmarkt  eines  grossen  Edelmetalle  erzeugenden  Gebietes 
ist  S.  F.  einer  der  grössten  Geldplätze  der  V.  St.  29  Banken  besassen  1877 
163  Mill.  D.  Capital.  In  den  Sparbanken  gab  es  64  Mill.  D.  Capital  (850  D. 
p.  Einleger).  Die  V.  St. -Münze  prägte  1877  für  49,8  Mill.  D.  Der  mittlere  Zins- 
fuss  ist  7  —  9  Proc.  Das  steuerbare  Eigenthum  von  S.  F.  betrug  1877  260,  die 
Stadt.  Steuern  3,6  Mill.  D.  Der  Umsatz  des  Clearing  House  betrug  996  Mill.  D. 
Der  Schiffsverkehr  S.  Fs.  belief  sich  1877  im  Einlauf  auf  1631000  T.  und 
4036  Schiffe.  Die  Hälfte  kam  aus  einheimischen  pacifischen  Häfen,  unter  den 
übrigen  waren  als  Herkunftsländer  am  stärksten  vertreten  einheim.  atlant.  Häfen, 
Brit.  Columbia,  Australien,  China,  Grossbritannien,  Panama.  Es  kamen  zur  See 
an  17 902  Passagiere.  Die  Rhederei  umfasste  815  Segel-  und  166  Dampfschiffe 
mit  194000  T.  (Deutsche  Einfuhr  zur  See  (1877)  806  613,  Ausfuhr  1.^)0000, 
deutsche  Schiffe  liefen  ein  9).  -^  Andere   Küstenplätze:    Monterey,    1112  E., 

46* 


724  Neunte  Gruppe.    Pacifische  Staaten  und  Territorien.  ~ 

Hauptort  von  M.  Cy. ,  125  Kil.  s.o.  von  S.  Francisco.  Küstenhandel.  1  Zei- 
tung. S.  Luis  Opisbo,  Hauptort  der  gleichnamigen  Cy.,  400  Kil.  s.o.  von 
S.  Francisco.  1  Zeitung.  Sa.  Barbara,  2672  E.,  Hauptort  von  Sa.  B.  Cy. 
Hafen  unsicher.  Inmitten  einer  frucht-  und  weinreichen  Umgebung.  3  Zeitungen. 
S.  Diego,  2300" E.,  Hauptort  von  S.  D.  Cy.,  800  Kil.  s.o.  von  S.  Francisco.  1769 
gegründet.  Nächst  S.  Francisco  der  beste  Hafen  an  der  cal.  Küste.  Kriegshafen  der 
V.St.  4Zeitungen.  Crescent  City,  458  E.,  Hauptort  von  Del  Norte  Cy.,  ander 
Nordgrenze  des  Staates.  Guter  Hafen.  —  Plätze  des  Inneren :  0  a  k  la  n  d,  10500  E., 
Stadt  in  Alameda  Cy. ,  am  ö.  Ufer  der  Bucht  von  S.  Francisco ,  Endpunkt  der 
Central  Pacific  -  Eisenbahn,  11  Kil.  von  S.  Francisco,  Wohnplatz  für  diese  Stadt. 
State  University,  Taubstummen-Anstalt,  Stockton,  10066  E.,  Stadt  und  Haupt- 
ort von  S.  Joaquin  Cy. ,  5  Kil.  von  dem  Ende  der  Schiffbarkeit  des  S.  Joaquin, 
145  Kil.  ö.  von  S.  Francisco,  an  der  Central  Pacific-Eisenbahn  und  Knotenpunkt 
der  s.  und  n.  laufenden  Eisenbahn.  Hauptplatz  in  der  fruchtbarsten  Weizen- 
gegend des  Staates.  Center  of  Supplies  für  den  S.  und  die  Sierra.  San  Jose, 
9089  E.,  Stadt  und  Hauptort  von  Sa.  Clara  Cy.,  am  Guadalupe  R.,  80  Kil.  von 
S.  Francisco,  an  der  S.  Pacific-Eisenbahn,  State  Normal  School.  Schöne,  obst- 
und  weinreiche  Umgebungen.  Los  Angeles,  5614  E.,  Stadt  und  Hauptort 
der  gleichnamigen  Cy.,  am  Los  Angeles  R.  und  der  S.  Pacific-Eisenbahn,  680  Kil. 
s.o.  von  S.  Francisco.  Mittelpunkt  der  an  Südfrüchten  und  Wein  ergiebigsten 
Theile  von  S.  Cal.  Vallejo,  6391  E.,  Stadt  in  Solano  Cy.,  70  Kil.  n.ö.  von 
S.  Francisco,  am  Napa  Creek  und  an  der  S.  Pablo  Bay.  Guter  Hafen.  Das 
gegenüberliegende  Mare  Island  beherbergt  die  V.  St.-Werft  für  die  Pacif.  Flotte, 
Napa  City,  1879  E,,  Dorf  und  Hauptort  von  Napa  Cy,  am  Napa  R.,  Eisenbahn, 
59  Kil.  n.ö.  von  S.  Francisco.  Mittelpunkt  des  Weinbaues  in  Mittel -Cal. 
Fresno  City,  am  Fresno  R.  und  der  S.  Pacific-Eisenbahn.  Mittelpunkt  eines 
baumwollbauenden  Bezirkes.  Marysville,  4738  E.,  Dorf  und  Hauptort  von 
Yuba  Cy. ,  am  Feather  R. ,  Endpunkt  der  Schiffbarkeit,  Eisenbahnkreuzung. 
Mittelpunkt  der  n.  Minenbezirke.  Yreka,  1063  E.,  Dorf  am  Yreka  Creek, 
40  Kil.  s,  von  der  Grenze  von  Oregon,  an  der  Poststrasse  nach  Oregon,  Wechsel- 
punkt des  Landverkehres  zwischen  Californien  und  Oregon. 

XLYI.  Oregon(0r.),  (95274 e.)4769d.  Q.M.,  104 920 E. (1875).  Grenztim  W.an 
das  Stille  Merr,  im  N.  an  Washington  Terr.,  im  S.  an  Californien  und  Nevada 
und  im  0.  an  Idaho.  Seine  Oberflächengestaltung  hat  mit  der  Californiens 
einige  Aehnlichkeit :  Das  Hochgebirge  der  Cascade  Mts.  im  0.,  das  Küsten- 
gebirge im  W.  und  zwischen  beiden  eine  Einsenkung,  die  von  Willamette, 
Umpqua,  Rogue  u.  a.  Flüssen  durchströmt  wird.  Das  Küstengebirge  ist  hier 
weder  so  zusammenhängend  massig  noch  so  trocken  wie  in  Californien.  Unge- 
fähr Vs  des  Staates  fällt  auf  das  Land  diesseits  der  Sierra  und  davon  ist 
die  Hälfte  als  anbaufähig  zu  bezeichnen.  Dagegen  ist  das  Land  jenseits  der 
Sierra  eine  trockene  Hochebenensteppe,  in  welcher  nur  einige  Einsenkungen 
und  Thäler  (Grande  Ronde,  Powder  R,  Valley  u.  a.)  hinreichend  Feuchtigkeit 
bieten.  Der  höchste  Berg  in  Or.  ist  Mt.  Hood  (2880)  des  Cascadengebirges. 
Das  Küstengebirge  erhebt  sich  nicht  über  1300  m.  Die  Pässe  der  beiden  Gebirge 
sind  niedrig.  Das  Klima  ist  sehr  verschieden  in  den  Theilen  Or.'s ,  die  dies- 
und  jenseits  des  Cascadengebirges  liegen.  Diesseits  herrscht  ein  feuchtes  und 
wenig  extremes  Klima;    man  hat  durchschnittlich  131  Regentage,  an  der  Küste 


Neunte  Gruppe.    Pacifische  Staaten  und  Territorien.  725 

Regenmengen  von  1800  —  2000  mm,  die  nach  dem  Gebirge  hin  sich  auf  2/3  ver- 
mindern. Die  mittlere  Jahrestemperatur  schwankt  von  7^  am  Fusse  des  Gebirges 
bis  10^  an  der  Küste,  die  mittlere  Sommertemperatur  (19  — 21*>)  ist  aber  nur 
15  — 17**  von  der  mittleren  Wintertemperatur  entfernt.  Ganz  entgegengesetzt 
ist  das  Klima  des  ö.  vom  Cascadengebirge  gelegenen  Theiles :  Scharfe  Gegensätze 
der  Jahreszeiten  und  Mangel  an  Feuchtigkeit.  Dieser  Theil  gehört  schon  völlig 
in  das  Klimagebiet  des  Grossen  Beckens  (Bd.  I.  329).  Die  Vegetation  zeigt 
sich  entsprechend  steppenhaft  im  0.,  waldreich  im  W.  des  Staates.  Man  findet 
über  70  Proc.  Wald  in  den  Cies.  des  W.,  2  —  10  in  denen  des  Inneren.  Ganz 
Or.  hat  25  Proc.  Wald  und  die  Ausfuhr  von  Bauholz  ist  ein  schwunghafter 
Zweig  seines  Wirthschaftslebens.  1870  waren  1,8  Proc.  des  Staates  unter  Cultur. 
Haupterzeugniss  ist  Weizen.  Die  Ernte  von  1876/77  betrug  in  (1000  B.): 
Weizen  6875,  Hafer  3600,  Gerste  4800,  Mais  128,  Roggen  19;  Werth  9,7  Mill.  D. 
Der  Viehstand  betrug  in  demselben  Jahre  (in  1000) :  Rinder  279,  Schafe  1074, 
Schweine  198,  Pferde  102;  Werth  11,8  Mill.  D.  Von  Erzeugnissen  des  noch 
wenig  entwickelten  Bergbaues  sind  Gold,  Silber  und  Braunkohle  zu  nennen. 
Die  Gewerbthätigkeit  ist  nicht  erheblich.  Es  gab  1878  3  Wollfabriken, 
1  Flachsspinnerei,  1  Eisenschmelzwerk,  mehrere  Maschinenbau- Anstalten ,  die 
aber  meistens  nur  für  den  örtlichen  Bedarf  arbeiteten.  Nennenswerth  ist  die 
Industrie  der  Fischconserven.  Die  Lachsfischerei  lieferte  1878  1,8  Mill.  Thiere. 
Die  grösste  Industrie  ist  die  der  Holzsägen,  die  besonders  zahlreich  an  der 
Coos  Bay  und  am  unteren  Umpqua  R.  gelegen  sind.  Der  Handel  von  Or.  brachte 
1878  nach  dem  Ausland  zur  Ausfuhr:  Weizen  für  2,6,  Mehl  für  0,47,  Salm 
für  1,19,  Verschiedenes  für  0,17;  zusammen  für  4,4  Mill.  D.  Die  Ausfuhr  an 
Edelmetallen  betrug  über  4  Mill.  D.  üeber  den  Werth  der  Ausfuhr  nach 
Californien  liegen  keine  Angaben  vor.  Die  Einfuhr  aus  dem  Auslande  betrug 
gegen  V2  Mill.  D.  Die  Häfen  von  Or.  gehören  nicht  zu  den  besten  an  der 
pacifischen  Küste.  Die  beiden  grössten,  Astoria  und  Portland,  sind  wegen  einer 
Sandbarre  vor  der  Columbia-Mündung  schwer  zu  erreichen.  1877  liefen  in  die 
Häfen  von  Or.  10800  T.  in  Küstenfahrt  und  19186  T.  vom  Ausland  ein.  Die 
Rhederei   des   Staates  beträgt  29  Segel-   und  66  Dampfschiffe    mit   21000   T. 

1877  wurden  20  Schiffe  mit  5926  T.  gebaut.  Eisenbahnen  hat  Or.  396  Kil.  Ein 
Canal  zur  Umgehung  der  Cascaden  des  Columbia  R.  ist  vom  Congress  bewilligt. 
Die  6  Banken  des  Staates  gaben  1878  4,7  Mill.  D.  eingezahltes  Capital  an.  — 
Finanzen  (1878) :  Gesammter  Steuerwerth  43,3,  Staatssteuer  0,3,  Staatsschuld  0,3. 
Einnahmen  (für  2  Jahre)  0,8,  Ausgaben  (für  2  Jahre)  0,7  Mill.  D.  Schul- 
ausgaben 0,24  Mill.  D.,  Schulbesuch  90  Proc.  Es  gibt  in  Or.  6  Colleges  mit 
870  Schülern.  State  University  in  Eugene.  Zeitungen  werden  49  veröffentlicht. 
Die  Bevölkerung  von  Or.  betrug  1870  90923,  1875  104920.  In  der  Zahl  von  1870 
befanden  sich  95  Proc.  Weisse  und  3,6  Proc.  Chinesen.  Im  Staate  geboren 
waren  37155,    Ausländer  11600,    wovon   1967    Irländer  und   1875  Deutsche. 

1878  sollen  28000  (?)  Einwanderer  angekommen  sein.  —  Or.  wurde  1848  als 
Territorium  organisirt.  1852  in  Or.  und  Washington  Terr.  getheilt  und  das' 
erstere  1859  in  die  Union  aufgenommen.  Jeder  weisse  Bürger  der  V.  St.  ist  nach 
6  monatlichem  Aufenthalt  im  Staate  stimmfähig.  Die  Oberbeamten  und 
Senatoren  (16)  werden  für  4,  die  (34)  Repräsentanten  für  2,  die  Oberrichter 
für  6  Jahre  gewählt.    In  den  Congress  sendet  Or.  1  Repräsentanten. 


726  Neunte  Gruppe.    Pacifische  Staaten  und  Territorien.  ~ 

Salem,  1139  E.,  Hauptstadt  von  Or.  und  Hauptort  von  Marion  Cy.,  am  ö. 
Ufer  des  Willamette  K.,  98  Kil.  vom  Columbia  und  85  Kil.  von  Portland  gelegen. 
Einen  Theil  des  Jahres  ist  der  Fluss  bis  hierher  schiffbar.  Wasserkraft. 
Fruchtbare  Umgebung.  Willamette  University.  5  Zeitungen.  Portland, 
18  300  E.  (1878),  Stadt  und  Hauptort  von  Multnomah  Cy.,  grösste  Stadt  und 
Haupthandelsstadt  von  Or.,  am  Willamette  R.,  24  Kil.  von  der  Mündung  in  den 
Columbia.  Die  Entfernung  von  S.  Francisco  ist  auf  dem  Seeweg  1030  Kil.  Der 
Hafen  von  P.  ist  einen  grossen  Theil  des  Jahres  nicht  zugänglich  für  Schiffe 
von  6  m  Tiefgang,  daher  grosse  Schiffe  ihre  Ladung  in  Astoria  (s.  u.)  einnehmen. 
Der  Schiffsverkehr  P.'s  betrug  1878  203  Schiffe  mit  250129  T.,  wovon  63  vom 
Auslande.  Rhederei  in  Segelschiffen  unbedeutend.  Dampfboote  gehören  48  mit 
18214  T.  hierher.  60  Proc.  der  Ausfuhren  gehen  über  P.  Hauptausfuhr  ist 
Weizen.  Die  Gewerbthätigkeit  arbeitet  vorzüglich  für  den  örtlichen  Bedarf. 
13  Zeitungen.  Albany,  122  Kil.  s.  von  Portland,  am  Einfluss  des  Calapuja 
in  den  Willamette.  Fruchtbare  Umgebung.  Mühlen.  2  Zeitungen.  Oregon 
City,  1382  E.,  Hauptort  von  Clackamas  Cy.,  an  den  Fällen  des  Willamette  R.., 
die  bei  12  m  Höhe  bedeutende  Wasserkraft  liefern.  Hauptplatz  für  das  obere 
Willamette-Gebiet.  Eisenbahn.  1  Zeitung.  Eugene  City,  891  E.,  Hauptort 
von  Lane  Cy. ,  an  der  Coast  Fork  des  Willamette.  Eisenbahn.  1  Zeitung. 
Staats-Universität.  Hafen  am  Columbia:  Astoria,  639  E.  (1870),  Dorf  und 
Hauptort  von  Clatsop  Cy.,  16  Kil.  von  der  Columbia  -  Mündung.  Zweiter  Hafen 
von  Or.,  hat  7m  Zugänglichkeit.  (Die  Barre  des  Columbia  hat  8V2m.)  1878 
liefen  hier  ein  134  Schiffe  mit  194  781  T.,  wovon  15  mit  18407  von  fremden 
Häfen.  Hauptausfuhr  Lachs  und  Weizen.  Im  s.  Theil  des  Staates  ist  Jackson - 
ville,  Hauptort  von  Jackson  Cy.,  der  Mittelpunkt  eines  Goldminen -Distriktes, 
der  in  wachsender  Ausbeutung  ist.  1  Zeitung.  Empire  City,  8  Kil.  vom 
Meer,  an  Coos  Bay.  In  der  Nähe  grosse  Sägmühlen,  deren  Erzeugniss  von  hier 
versandt  wird.  Gardin  er,  an  der  Mündung  des  Umpqua.  Gleich  dem  vorigen 
ein  kleiner  Hafenplatz   in    der  Nähe   eines   grossen  Wald-  und   Säge-Bezirkes. 

XL VII.  Washington  (Wash.),  (69  994  e.)  3152  d.  Q.  M.,  29  935  E.  (1870).  Wird 
im  N.  von  Brit.  Columbia,  im  S.  von  Oregon,  im  W.  vom  Stillen  Meer 
und  im  0.  von  Idaho  begrenzt.  Ueber  die  Grenzlinie  in  der  Fuca- Strasse 
s.  0.  S.  479.  Gleich  Oregon  ist  auch  Wash.  von  dem  Cascadengebirge  im  0. 
und  von  einem  näher  der  Küste  zu  gelegenen  Gebirge  im  W.  durchzogen.  Von 
beiden  fallen  die  höchsten  Erhebungen  in  dieses  Gebiet :  Mt.  Rainier  mit  4404 
und  Mt.  Olympus  mit  2840  m.  Getrennt  werden  sie  im  N.  durch  die  viel 
zertheilte,  mehr  als  die  Hälfte  des  Territoriums  zerschneidende  Bucht  des  Puget 
Sound  (450  Kil.)  und  durch  das  Tlial  des  Cowlitz  R.  Indem  das  Küstengebirge 
seine  strenge  S. — N.-Richtung  aufgibt,  zertheilt  es  sich  in  eine  Anzahl  von  Quer- 
ästen, zwischen  denen  grössere  w.— ö.  gehende  Flüsse  Raum  gewinnen  (Chehalis  R., 
Skokomish).  Das  Gebiet  ö.  von  den  Gebirgen  ist  im  N.  gebirgig  und  im  S.  zum 
grössten  Theil  von  der  grossen  Steppe  Piain  of  the  Columbia  eingenommen. 
Der  Charakter  dieser  ö.  Hälfte  des  GeLletes  ist  ein  durch  reichlichere  Bewässerung 
gemildeter  Steppencharakter.  Die  beiden  grossen  Arme  des  Columbia,  Snake  R. 
und  der  n.  Columbia,  fliessen  hier  zusammen  uud  nehmen  Spokane,  Yakima, 
Palouse  u.  a.  grosse  Nebenflüsse  auf.  Das  Klima  ist  mild  und  feucht  in  der  w. 
Hälfte.     Die  Mittelwärme  nimmt  von  S.  bis  N.  von  9—6*^  C.  ab.     In  47^  n.  ßr. 


Neunte  Gruppe.    Pacifische  Staaten  und  Territorien.  727 

ist  der  Unterschied  des  wärmsten  und  kältesten  Monates  15®.  132  Regentage. 
1200 — 3000  mm  Niederschläge.  Landeinwärts  nehmen  die  Extreme  der  Tempera- 
turen zu,  so  dass  schon  bei  den  Dalles  des  Columbia  die  Niederschläge  auf  350 
herabgesunken  und  die  Extreme  der  Winterkälte  auf  —  27«  gestiegen  sind.  Der 
Waldbestand  beträgt  33  Proc.  Sehr  wohl  bewaldet  an  den  Küsten,  wo  es 
Grafschaften  mit  60  Proc.  vorzüglich  hochstämmigen  Waldwuchses  gibt,  dagegen 
schwach  im  Inneren.  Fichten,  Föhren,  Cedern  und  Ahorn  sind  die  hauptsäch- 
lichsten Hölzer,  die  in  grosser  Menge  gefällt  und  überseeisch  versandt  werden. 
Braunkohlen  kommen  bei  Bellingham  und  Seattle  vor.  Der  Ackerbau  ist  bisher 
fast  nur  in  den  Thälern  des  Columbia  und  Cowlitz  betrieben  worden.  1870  gab 
es  3127  Farmen  und  nur  etwa  0,04  Proc.  des  Landes  waren  in  Anbau.  Der 
Werth  aller  Erzeugnisse  der  Landwirthschaft  wurde  auf  2,1  Mill.  D.  geschätzt. 
Haupterzeugnisse  (in  1000  B.):  217  Weizen,  255  Hafer,  280  Kartoffeln,  56  Gerste, 
22  Mais.  Daneben  1630  Ctr.  Wolle  und  30000  T.  Heu.  Aber  die  Weizenernte 
der  ö.  Hälfte  allein  wird  für  1878  auf  50000  T.  geschätzt.  Neben  dem  Ackerbau 
wird  die  Schafzucht  stark  betrieben.  Die  Gewerbthätigkeit  liefert  hauptsächlich 
Holz  und  Mehl.  1870  gab  es  53  Säg-  und  20  Mahlmühlen.  1877  soll  für 
2,5  Mill,  D.  Sägholz  geliefert  worden  sein.  Ausserdem  ist  das  Einmachen  von 
Fischen  (Lachsen)  eine  blühende  Industrie.  Holz,  Mehl  und  eingemachte  Fische 
sind  die  Hauptgegenstände  der  Ausfuhr,  deren  Werth  indessen  2  Mill.  D.  nicht 
übersteigen  dürfte.  Der  Schiffsbau  ist  weniger  bedeutend  als  der  Holz-  und 
Hafenreichthum  erwarten  lässt.  Es  wurden  1877  im  Territorium  nur  2  Schiffe 
mit  2309  T.  gebaut.  Die  Rhederei  umfasste  1877  31  Dampf-  und  71  Segelschiffe 
mit  22800  T.  und  es  liefen  in  die  Häfen  des  Territoriums  ein  138  550  T.  in 
Küstenfahrt  und  17  740  vom  Ausland.  Eisenbahnen  215  KU.  —  Finanzen  1877 : 
Steuerwerth  17,  Steuern  0,067,  Einnahmen  0,109,  Ausgaben  0,108  Mill.  D. 
1870  gab  es  170  öffentliche  Schulen.  1877  gab  das  Territorium  7890  D.  für 
Lehrergehalte  und  15(X)  D.  für  die  University  aus.  Schulbesuch  41  Proc. 
Zeitungen  23.  —  Die  Bevölkerung  soll  gegenwärtig  nach  Einigen  50000,  nach 
Anderen  nur  gegen  40000  betragen.  Die  weite  Entfernung  lässt  die  Einwanderung 
nur  langsam  vor  sich  gehen.  1870  belief  sich  die  weisse  Bevölkerung  auf  23  995, 
die  der  Indianerstämme  auf  ca.  14000.  Unter  den  ersteren  waren  5024  Fremd- 
geborene, worunter  1121  Britisch- Amerikaner ,  1047  Irländer,  1080  Engländer 
und  Schotten  und  645  Deutsche.  Wash.  wurde  von  Oregon  abgetrennt  und  als 
eigenes  Territorium  organisirt  in  1853.  1879  wurde  eine  Staatsverfassung  ent- 
worfen und  sollte  die  Aufnahme  in  die  V.  St.  nachgesucht  werden,  welche 
indessen  für  jetzt  nicht  wahrscheinlich.  Die  bisherige  Verfassung  gab  dem 
Territorium  das  Recht  der  Wahl  der  Beamten  und  der  Gesetzgebung  (9  Members 
of  Council  und  30  Repräsentanten),  während  die  V.  St.-Regierung  den  Governor 
und  Staatssekretär  ernennt. 

Hauptort  Olympia,  1203  E.,  auch  Hauptort  von  Thurston  Cy.,  am  s.  Ende 
des  Puget  Sound,  192  Kil.  von  Portland.  7  Zeitungen.  Seattle,  1107  E.,  am 
ö.  Ufer  des  Puget  Sound,  in  der  Nähe  der  Mündung  des  Duwamish  R. ,  96  Kil.  - 
n.n.ö.  von  Olympia.  Territorial  University.  Holz- und  Kohlenplatz.  Steilacoom 
City,  314  E.,  am  Puget  Sound,  50  Kil.  von  Olympia  City.  Kalama,  am 
K.-Fluss,  in  Clarke  Cy.,  70  Kil.  n.ö.  von  Portland,  s.  Endpunkt  der  N.  Pacific- 
Eisenbahn.    New  Tacoma,  n.  Endpunkt  derselben,  in  Pierre  Cy, 


728  Zehnte  Gruppe.    Besondere  Staatsgebilde. 

Zehnte  Gruppe. 
Besondere  Staatsgebilde. 

XLYIII.  District  of  Columbia,  3  d.  Q.  M.  (64  e.),  131 700  E.  Im  N.,  0.  und  W. 
von  Maryland,  iin  S.  vom  Potomac  eingeschlossen,  ein  im  0.  ebenes,  nach  W. 
gebirgiges,  nahezu  quadratisches  Stück  Land,  welches  vom  Potomac  und  Rock  R. 
bewässert  wird.  Mittlere  Jahreswärme  13 '^  C. ,  Niederschläge  947  mm.  Der 
Boden  ist  fruchtbar  und  zu  ca.  V*  angebaut.  Eisenbahnen  s.  o.  unter  Maryland. 
Ausgaben  1878/79  1250  000  D.  Schulausgaben  370996  D.,  Schulbesuch  67  Proc. 
4  Colleges  mit  416  Schülern.  Die  Bevölkerung  bestand  1870  zu  33  Proc.  aus  Farbigen. 
Unter  den  im  Ausland  Geborenen  waren  8218  Iren,  4918  Deutsche,  1769  Engländer 
und  Schotten.  Der  Distrikt  wurde  1791  aus  Theilen  von  Maryland  und  Virginia  ge- 
bildet, um  einen  neutralen  Boden  für  die  Hauptstadt  der  V.  St.  zu  schaffen.  1871 
wurde  dem  Distrikt  eine  territoriale  Regierung  gewährt,  unter  einem  vom  Präsidenten 
ernannten  Governor  und  llgliedrigen  Rath,  sowie  22  gewählten  Delegaten. 
Ebenso  wurde  1863  ein  eigenes  vom  Präsidenten  zu  ernennendes  Gericht  für 
den  Distrikt  gebildet.  Der  ganze  Distrikt  bildet  zugleich  Washington  Cy.,  deren 
Hauptort  Washington,  der  Sitz  der  Regierung  und  Volksvertretung  der  V.  St. 
109199  E. ,  deren  Mehrzahl  in  einer  oder  anderer  Weise  mit  der  Regierung 
und  dem  Beamtenthum  (nahezu  6000  Beamte)  zusammen-  oder  von  ihr  abhängt. 
Die  Lage  am  Potomac  ist  für  den  Handel  sehr  günstig,  aber  derselbe  wird  von 
Baltimore  besorgt.  Auch  die  Gewerbthätigkeit  sorgt  nur  für  den  örtlichen 
Bedarf.  W.  ist  grossartig  angelegt,  aber  es  hat,  von  den  öffentlichen  Gebäuden 
abgesehen,  wenig  Grossstädtisches.  Für  die  breiten  und  langen  Strassen  sind 
die  Häuser  zu  klein  und  zu  wenig  zahlreich  (The  City  of  magnißcent  Distances). 
Das  hervorragendste  von  den  öffentlichen  Gebäuden  ist  das  auf  einem  Hügel 
stehende  731  e.  F.  lauge  und  mit  396  e.  F.  hohem  Dome  gekrönte  Capitol,  worin 
Senat  und  Repräsentantenhaus  ihre  Sitzungen  halten  ;  hier  auch  die  Congressional 
Library.  2V2  Kil.  von  hier  das  Weisse  Haus,  die  Wohnung  des  Präsidenten. 
Am  Potomac  eine  Werft  von  27  A.  und  das  Arsenal.  Hervorragend  sind  unter 
den  übrigen  öffentlichen  Gebäuden  State  Department,  Patent  Office,  Treasury 
Dep.,  Smithsonian  Institute  (s.  0.  S.  571).  Zahlreiche  Denkmäler.  W.  ist  der 
Sitz  verschiedener  wissenschaftlichen  Anstalten,  wie  Coast  Survey ,  National  Ob- 
servatory.  National  Academy  of  Sciences,  Signal  Service,  die  im  Smithsonian 
vereinigten  Sammlungen  der  amtlichen  Surveys,  eines  botanischen  Gartens ,  Colum- 
bian  College ,  Howard  University  (für  Farbige).  26  Zeitungen.  Georgetown, 
15000  E.,  am  Potomac,  Endpunkt  des  Chesapeake -  Ohio  -  Canals ,  eine  Vorstadt 
von  Washington,  getrennt  von  dieser  durch  Rock  Creek.     1  Zeitung. 

XLIX.  Terr.  Alaska,  22  715  d.  Q.  M. ,  70  461  E.  (1870,  s.  u.  S.  731). 
Grenzen:  Allgemein  gesprochen  ist  das  Terr.  Alaska  begrenzt  vom  Nörd- 
lichen Eismeer  im  N.,  von  der  Behringsstrasse ,  dem  Behringsmeer  und  dem 
Stillen  Ocean  im  W.  und  S.  und  von  dem  Hudsonsbai  -  Land  im  0.  Der  Ab- 
tretungsvertrag vom  20.  Juni  1867  setzt  jedoch  folgende  Grenzen  fest:  Von 
der  Südspitze  von  Prince  Wales  Island,  welches  noch  zu  Alaska  gehört,  und 
dessen  südlichster  Punkt  bei  54 <>  40'  n.  Br.  liegt,  steigt  die  Grenzlinie  zwischen 
131  und  1330  w.  L.  im  Portland  Channel  nach  N.  an,  bis  sie  bei  56 <>  n.  Br. 
das  Festland  trifft.    Von  da  an  folgt  sie  dem  Kamm  des   Gebirges ,- welches 


Zehnte  Gruppe.    Besondere  Staatsgebilde.  729 

parallel  der  Küste  zieht,  bis  sie  auf  den  141. <^  w.  L.  trifft,  dem  sie  dann  bis 
zum  N.  Eismeer  folgt.  Wo  der  Kamm  der  Gebirge  weiter  als  10  Seemeilen  von 
der  Küste  sich  entfernt,  soll  eine  Grenzlinie  gelten ,  welche  in  einer  Entfernung 
von  10  Seemeilen  dem  Lauf  der  Küste  folgt.  Die  "Westgrenze  läuft  von  einem 
Punkte  der  Behringsstrasse  unter  65  "^  30'  n.  Br.  und  unter  dem  Meridian, 
welcher  mitten  zwischen  Ignabuk  oder  der  Krusensten-Insel  und  Nunarbuk  oder 
der  Ratmanoff-Insel  durchgeht,  gerade  nach  N.  Von  demselben  Punkte  aus 
geht  sie  in  der  Weise  durch  die  Behringsstrasse,  dass  sie  mitten  zwischen 
der  nw.  Spitze  der  S.  Lawrence  -  Insel  und  dem  Cap  Tschugotskoi  bis  zum  172 " 
w.  L.  und  von  hier  sw.  zwischen  der  Insel  Atta  und  der  Kupfer-Insel  (in  der 
Kommandorski-Gruppe)  durch  bis  193^  w.  L.  verläuft,  so  dass  also  alle  Inseln 
der  Aleuten-Gruppe,  welche  ö.  von  diesem  Meridian  gelegen  sind,  zum  Terr. 
Alaska  gehören.  Es  umschliesst  also  dieses  Gebiet  ausser  dem  eben  be- 
grenzten Küstenstrich,  der  eigentlichen  Halbinsel  Alaska  und  dem  grossen, 
vom  Jukon  durchflossenen  nw.  Vorsprung  Nord- Amerikas,  noch  die  Inselgruppen 
der  Aleuten,  die  Inseln  Schumagin,  die  Eudoxischen  Inseln  s.  von  der  Halbinsel 
Alaska,  die  Sitka- Inseln  an  der  Südgrenze,  die  Prybilow-Inseln ,  Matthews  und 
S.  Lorenz  -  Insel  n.  von  den  Aleuten,  die  Diomeds-Insel  in  der  Behringsstrasse. 
Vulkanisch  sind  die  Aleuten  und  die  Eudoxischen  Inseln.  Felsig  und  wenig 
für  den  Ackerbau  geeignet  sind  sie  mehr  oder  weniger  alle.  Thätige  Vulkane 
finden  sich  9  auf  den  Inseln  und  3  auf  der  Halbinsel.  Die  Bodengestaltung 
ist  durchaus  gebirgig  bis  n.  von  der  Halbinsel  Alaska,  dann  flacht  sie  sich  ab 
und  das  Jukon-Gebiet,  in  welches  die  letzten  Ausläufer  der  Cordilleren  herein- 
ragen, steigt  nach  dem  Inneren  zu  so  allmählich  an,  dass  grössere  Schiffe  über 
1000  Kil.  landeinwärts  zu  gelangen  vermögen.  Die  höchsten  Erhebungen  des 
ganzen  Gebietes  liegen  in  dem  Winkel  zwischen  der  Südgrenze  und  der  Halb- 
insel Alaska.  Durch  das  steile  Ansteigen  der  Küste  ist  die  pacifische  Wasser- 
scheide Alaskas  viel  geringer  als  diejenige  nach  der  Behringssee.  Von  S.  nach 
N.  gehend,  begegnen  wir  von  bemerkenswertheren  fliessenden  Gewässern  zu- 
nächst dem  Na'sse  K.,  der  sehr  fischreich  und  V*  seines  Laufes  schiffbar,  dann 
dem  Stikine,  der  über  400  Kil.  lang,  aber  nur  40  Kil.  schiffbar  ist  und 
unter  56 "  n.  Br.  mündet.  Die  Halbinsel  Alaska  und  die  Inseln  besitzen  keine  grösseren 
Flüsse.  Dagegen  durchfliesst  den  breiten  nw.  Landvorsprung  der  grösste  Fluss  von 
Alaska,  der  Jukon  (Yukon),  der  unter  58 "  n.  Br.  auf  britischem  Gebiete  entspringt, 
durch  Schluchten  und  Seen  nw.  bis  zum  Ft.  Jukon,  dann  in  glatterem  Lauf  sw.  fliesst, 
um  mit  grossem  Delta  unter  den  Namen  Kwikpak  in  den  Norton-Sund  unter 
65*^  n.  Br.  zu  münden.  Wird  über  1000  Kil.  aufwärts  von  den  Kähnen 
der  Pelzhändler  befahren.  N.  davon  fliessen  noch  einige  kleinere,  wenig  be- 
kannte Flüsse:  Inland,  Colville,  Kok  R.,  s.  vom  Jukon  Kuskaqua  R.  —  Klima: 
Man  kann  3  Klimaregionen  unterscheiden:  1)  die  Jukon  -  Region ;  2)  die  der 
Halbinsel  Alaska  und  der  Aleuten;  3)  die  Region  ö.  und  s.  von  der  Halbinsel 
Alaska.  In  der  Jukon -Region  machen  sich  die  mildernden  Einflüsse  des 
Meeres  nur  etwa  50  Kil.  weit  ins  Innere  hinein  geltend  und  das  Innere  hat 
ein  entschieden  continentales  Klima.  Ft.  Jukon  (2000  Kil.)  landeinwärts 
in  66^  34'n.  Br.  hat  — 8,4  <>  mittlere  Jahreswärme,  S.Michael  am  Morton-Sund 
63 <^  28'  n.  Br.  hat  —1,5".  Dali  gibt  als  die  grösste  Kälte,  die  überhaupt  in 
der  Jukon -Region  jemals  gemessen  wurde,  —57*^  C.  an.     Die  mittlere  Jahres- 


730  Zehnte  Gruppe.    Besondere  Staatsgebilde.  - 

temperatur  derselben  schätzt  er  auf  etwa  —  4  ^^  C.  Der  Eegenfall  ist  im  Sommer 
an  der  Küste  viel  grösser  als  im  Inneren.  Dagegen  ist  der  Schneefall  hier 
grösser  als  dort.  Für  Nulato  werden  von  November  bis  Ende  April  2V2  —  SVa  m 
Schnee  angegeben.  Die  Region  der  Halbinsel  Alaska  und  der  Aleufen  hat 
ein  im  Verhältniss  zu  ihrer  Lage  feuchtes  und  warmes  Klima.  Chamisso  gibt 
die  Schneegrenze  zu  1070  m  an.  Auf  der  Insel  Unalaschka  wurde  als  die 
niedrigste  Temperatur  — 18,  als  die  höchste  -}-  25  <>  C.  gemessen.  Die  mittlere 
Jahrestemperatur  von  Alaska  (Station)  kann  als  zwischen  -\-  2  und  +  4*^  C. 
schwankend  angegeben  werden.  Für  Illuluk  (Unalaschka)  werden  150  Regen- 
tage mit  etwa  1050  mm  Regenmenge  angegeben.  In  der  Region  von  Sitka  ist 
in  der  s.  Hälfte  das  Klima  mild,  aber  regnerisch.  Der  jährliche  Regenfall 
schwankt  in  Sitka  selbst  zwischen  1525  und  2415  mm  und  die  Zahl  der  Regen- 
tage zwischen  190  und  285.  Die  mittlere  Jahrestemperatur  für  Sitka  (57^  3' 
n.  Br.)  ist  +  6,2 ;  die  mittlere  Temperatur  des  kältesten  Monates,  des  Januar, 
wird  zu  0,  die  der  wärmsten,  des  August,  zu  13,2  ^^  C.  angegeben.  Eis  bildet 
sich  nur  wenig  und  auf  kurze  Zeit,  selbst  die  Schneedecke  verschwindet  öfters 
im  Verlauf  des  Winters.  Vegetation:  Die  Jukon- Region  gehört  ihrer  grössten 
Ausdehnung  nach  der  Waldregion  an.  Der  verbreitetste  Waldbaum  ist  Abies 
alba.  In  geringer  Entfernung  von  der  Küste  gedeiht  derselbe  so  gut,  dass  seine 
mittlere  Höhe  10  — 12  m  erreicht.  Die  Nordgrenze  dieses  Baumes  liegt  an  der 
Küste  bei  66  <>  44'.  Der  zweitwichtigste  Baum  ist  Betula  glandulosa,  die  selten 
über  12  m  H.  erreicht.  Mehrere  Espen  sind  häufig,  ebenso  Populus  balsamifera 
und  P.  tremuloides.  Aber  häufiger  als  diese  sind  Weiden  und  Erlen.  Alnus 
viridis  verschwindet  am  Polarkreis;  Weiden  gehen  weiter,  sind  aber  bei  69^ 
nicht  mehr  meterhoch ,  während  am  unteren  Jukon  noch  Bäume  bis  20  m  H. 
gefunden  werden,  —  Die  Thierwelt  erlangt  sehr  grosse  Bedeutung  durch  die 
Pelzthiere  und  die  Fische.  Auf  die  ersteren  gründet  sich  bis  jetzt  fast  ausschliess- 
lich der  wirthschaftliche  Werth  dieses  Gebietes  für  die  V.  St.,  während  die 
letzteren  die  Hauptnahrung  der  Bevölkerung  ausmachen.  Die  Einnahmen  der 
V.  St.  aus  der  Verpachtung  des  Pelzrobbenfanges  betrugen  1877/78  360000  D. 
An  Mineralschätzen  ist  bis  jetzt  nichts  Erhebliches  gefunden.  Ackerbau  ist  in 
ertragsamer  Ausdehnung  wegen  der  kühlen  Sommer  nicht  möglich.  Die  Be- 
völkerung besteht  im  N.  und  an  der  n.  und  nw.  Küste  aus  Eskimos,  aus  Aleuten 
auf  der  gleichnamigen  Inselkette  und  auf  Alaska,  aus  Koluschen,  Tschugaschen 
u.  a  hyperboräischen  Stämmen  an  der  Westküste  und  im  Inneren.  Die  Zahl  der 
Eingeborenen  wird  neuerdings  erheblich  geringer  als  früher,  nur  auf  etwas  über 
27000  gescliätzt  (s.  o.  S.  141).  Russen,  Amerikaner  und  sog.  Kreolen,  d.  h. 
Mischlinge  von  Eingeborenen  und  Weissen,  zählt  man  ca.  2000.  1870  betrug  die 
weisse  Civilbevölkerung  471.  —  Sitka  (früher  Novo  -  Archangelsk),  gegen  1000  E., 
an  der  Westküste  der  Baranoflf- Insel,  Sitz  der  militärischen  Terr. -Regierung. 
Ft.  Jukon,  am  Jukon,  1795  Kil.  oberhalb  der  Mündung,  Handelspostender  Hud- 
sonsbai-Gesellschaft auf  amerikanischem  Gebiet.  Nuklukayette,  am  Jukon, 
1055  Kil.  oberhalb  der  Mündung,  Handelsposten.  Ft.  Michael,  an  der  Jukon- 
Mündung. 


Register. 


Aasgeier  31. 

Aberglaube  49. 

Abolitionistengesellschaft  200. 

Academies  554. 

Academy  of  Sciences,  National,  571. 

Ackerbau,  amerikanische  Methoden  240. 
A.  der  Indianer  132.  A. -Amt  252, 
489.  A.-Werkzeuge  365,  379.  A.-Er- 
zeugnisse,  Ausfuhr  451.  A.-liche. Mög- 
lichkeiten 227. 

Acequia  418. 

Adair  142. 

Adams,  Charles  F.,  395.  A.,  John,  79. 
A.,  Sam.,  72. 

Adayes  137,  138. 

Addeman,  Joshua  M.,    183. 

Adirondacks,  die,  321,  325. 

Adrian  Mich.  696. 

Aemterjagd  523. 

Afrika,  Handel  mit,  442,  468,  469. 

Afrikaner,  s.  Neger. 

Agassiz,  L.,  565,  567. 

Agaven  25,  282. 

Ahorn  304.     A.-Zucker  25,  133,  245. 

Aiken  S.  C.  658. 

Akron  0.  415,  683. 

Alabama  662.,  Bergbau  322,  323,  324, 
326,  331,  335,  350.  Bevölkerung  173, 
174,  181,  187.  Geschichtlich  82,  94. 
Lage  43.   Neger  198,  208,  215.   Land- 


wirthschaft  247,  258,  260.  Polit.  Stel- 
lung 549.  Verkehr  435,  437,  438. 
Wald  304.  —  A.  Southern -E.B.  429. 
A.  River  406. 

Alaska  728,  102,  140,  193,  436,  437, 
438,  480,  493. 

Albany  N.  Y.  644,  71,  237,  356,  411, 
428.     A.  Or.  726. 

Albemarle-Sund  413.  A.  -  Chesapeake- 
Canal  413. 

Albia  lo.  430. 

Albuquerque  N.  Mex.  715. 

Alburgh  Springs  Vt.  637. 

Alexandria  Louis  403.  A.  Va.  428,  444, 
655. 

Algonkin-Stämme,  die,  135,  138,  144. 

Alleghauies,  die,  225.  A.  River  412. 
A.  Valley -E.B.  428. 

Allegheny  Pa.  650. 

Allen  27. 

Allentown  Pa.  325,  649. 

Alpacas  253. 

Alton  111.  692. 

Amboy  111.  692. 

Amherst  Mass.  639. 

Amphibien  33. 

Anderson  Ind.  686. 

Ansiedler,  Leben  des,  244. 

Ann  Arbour  Mich.  696. 

Annapolis  Md.  652,  435,  499. 


732 


Register. 


Anthracit  312.  A. -Gebiet  329,  413. 
Aesthetischer  Vorzug  des  A.  329. 

Antietam  Va,  96. 

Antilopen  28. 

Antilocapra  28. 

Antimon  348. 

Apaches  136. 

Apfelbaum  287.     A.-sinen  288. 

Appalachian  Country  653. 

Appalachicola  5. 

Appalachische  Kohlenfeld,  das,  330. 

Appleton  Wisc.  698. 

Appomatox  Courthouse  Va.  98. 

Aprikose  288. 

Aquidneck  Mine,  die,  329, 

Arapahoes  136,  138. 

Arbeit  in  den  Südstaaten  21.  Arbeiter- 
Löhne  262.  Mangel  362.  Parteien  372, 
518.     Stellung  371. 

Argentinien,  Handel  mit,  468,  470,  472. 

Aristokratie  d.  Geburt  621.  A.  d.  Geldes 
620.     A.-scher  Typus  53,  607. 

Arizona  140,  141,  152,  180,  187,  229, 
337,  341,  345,  715.      A.  City  Ar.  716. 

Arkansas  674.  Bergbau  332,  333,  335, 
348.  Bevölkerung  173,  181, 187.  Eisen- 
bahnen 397.  Geschichtlich  82,  94. 
Landwirthschaft  247,  258.  Neger  203, 
215.  Schulen  615.  Verkehr  419, 431.  — 
A.  R.,  Verkehr  398,  401,  403. 

Arme,  Zahl  533. 

Armee  der  V.  St  494.     Miliz  498. 

Arnold  75. 

Artemisia  Plains,  die,  230. 

Ashland  Ky.  324,  330.     A.  Wisc.  429. 

Astoria  Or.  726. 

Atchinson  Mo.  432.  A.,  Topeka  and  Sa 
Fe-E.B.  426. 

Athapaska  136,  138. 

Athens  0.  415. 

Atherton  Gag  201. 

Atlanta  Ga.  659,  97,  341,  429. 

Atlantic  City  N.  J.  647.  A.  and  Great 
Western-E.B.  427.  A.  undGolf-E.B. 
429.  A.,  Mississippi  und  Ohio-E.  B.  427. 

Atlantische  Mittelstaaten  642.  A.  Süd- 
staaten  652. 


Attacapas  137. 

Auburn  N.  Y.  645. 

Audubon  567.     A.  und  Bachmann  27. 

Augusta  Ga.  406,  429,  659.    A.  Me.  634. 

Aurora  111.  692.    A.  Nev.  717. 

Ausfuhren  276,  277,  285,  287,  294,  356, 

451,  467. 
Austern  34. 

Austin  Nev.  717.     A.  Tex.  406,  668. 
Australien,    Handel  mit,    442,  468,  470, 

471. 
Auswandererstrassen  42,  431. 
Avery  Island  349. 
Axt,  die,  241. 

Bache  564. 

Bachmann  27,  567. 

Bärentraube  26. 

Bainbridge  Ga. 

Baird,  Spencer  F.,  32. 

Baldwin  Fla.  661. 

Baltimore   651,   7,   104,  270,   325,  353. 

392,  406,  413,  427,  434,  436,  444,  464, 

472,  622.    B.,  Lord,  59,    B.-Ohio-E.B. 

392,  427,  429. 
Bancroft,  G.,  144,  196,  575. 
Bangor  Me.  428,  434,  443,  634. 
Banken  460. 
Bankerotte  257,  458. 
Bannocks,  die,  143. 
Bardstown  Ky.  673. 
Barnstable  Mass.  441,  444,  6.^58. 
Baptisten  535,  539. 
Bartlett,  J.  C,  321. 
Bataten  279. 
Batesville  Ark.  675. 
Bath  Me.  634,  434,  438,  443. 
Baton  Rouge  La.  666. 
Battle  Creek  Mich.  696. 
Baukunst  545,  582.    B.,  kirchliche,  531. 
Baumwolle    239,    247,    267,    280,    357. 

Ausfuhr  198.     Erträge  280.     Gewerbe 

360,    373.     Preise   281.     Samen   281. 

Verbrauch  373.     B.  -  Staaten   44.    B. 

und  Sklaverei  212. 
Bausteine  350. 
Baxter  Springs  Kans.  707. 


Register, 


733 


Bay  City  Mich.  695. 

Beamte  421. 

Beardstown  111.  692. 

Beaufort  N.  C.  444,  656.    B.  S.  C.  444, 

658. 
Beaver  330.     B.  Dam  Wisc.  699. 
Beecher,  Henry  W.,  531,  576. 
Beerenfrüchte  26,  290. 
Befestigungen  497,  499. 
Behm  und  Wagner  194. 
Behr  568. 

Belfast  Me.  634,  434,  438,  441,  443. 
Belgien,  Handel  mit,  441,  468,  470,  471. 
Belgier  163. 
Belle  Isle  417. 
Belleville  111.  693. 
Bellingham  Bay  335. 
Beloit  Wisc.  699.  ,' 

Belpre  0.  682.  ^- 

Benton  City  Wyom.  712. 
Bergbau    193.      Gesetzgebung  315.      B. 

und  sociale  Verhältnisse  315. 
Berghaus,  H.,  533. 
Bergschafe  28. 
Berkeley,  Lord,  60. 
Berkshire  Sandstone  386. 
Bethlehem  Pa.  325,  348,  649. 
Beverley  Mass.  359,  443. 
Bevölkerung  Cap.  V.  B.  der  Goldregiouen 

315.  Mittelpunkt  191.    Typen  21.  Ver- 

theilung  44.     Zahl  4.     Zunahme  84. 
Bewässerun_g,  die,  232. 
Biber  29. 
Bibliotheken  559. 
Biddeford  Me.  634. 
Bienenzucht  301. 
Bier  277,  384. 
Bierstadt  581. 
Bierwirth  166. 
Big  Muddy  -  Region,  die,  332.    B.  Sioux, 

Schiffbarkeit  401. 
Bildhauerei  583. 
Bildung  s.  Nordamerikaner. 
Binghamton  N.Y.  645.  412. 
Binnenstaaten  669. 
Birmingham  Pa.  650. 
Birnbaum  287. 


Bismarck  Dak.   426,  704.    B.  Mo.  430. 

Bison  americanus  27, 

Black  Belt  208.  B.  Bird  31.  B.  Flie 
35.  B,  Hawk  152.  B,  Hills  316.  B. 
River  -  Canal  412.  B.  Warrior  -  Kohlen- 
feld 324,  330.     B.  Warrior  River  406. 

Blackband-Bezirk  326.     B.  Ore  322. 

Blaugras,  das,  236. 

Blei  347. 

Blinden-Unterricht  559  (Perkins  Institute). 

Block -Häuser,  die,  243.  B.  Island  150. 
B.-Kohlen  326. 

Bloomingdale  349. 

Bloomington  111.  693. 

Blossom,  the,  317, 

Blue  Bird  31.  B.  Lead  338.  B.  Water 
River  401. 

Bluffs,  die,  225. 

Board  of  Trade  440. 

Bobalink  31. 

Boise  City  Id.  719. 

Bonanza  Mines  344. 

Boonton  325. 

Borax  349. 

Boston,  Bevölkerung  176,  177.  Geistige 
Bedeutung  533.  Gesellschaft  622.  Ge- 
werbe 353.  Handel  464,  472.  Harbour 
Bill  72.  Schiffahrt  434,  436,  438,  441, 
443.  Verkehr  428,  432.  Wissen- 
schaft 572.  —  B-Albany-E.B.  428. 

Bostrop  Tex.  668. 

Bottoms,  die,  240. 

Boulder  Col.  713. 

Bowditch  564. 

Bowley  Mass.  357. 

Bowling  Green  Ky.  673. 

Bozeman  Mont,  341,  711. 

Bradford  0.  429. 

Brady's  Bend  Pa.  650. 

Brasilien,  Handel  mit,  441,  468,  470,  471. 

Brattleboro  Vt.  637. 

Braun  -  Eisensteine  322.    B.-Kohlen  334. 

Brazil  332.     B.  S.  S.  Cy.  440. 

Brazoria  Tex.  668. 

Brazos  R. ,  Schiffbarkeit  406.  B.  de 
S.  Jago  Tex.  445. 

Breckenridge  Minn.  430,  700. 


734 


Kegister. 


Brenham  Tex.  668. 

Brewer  568. 

Bridgeport  Conn.  640. 

Bridgeton  N.  J.  647. 

Bristol  R.  I.  641;  B.  Tenn.  427.  B. Va.  428. 

Broad-Top  325. 

Broja  330. 

Brom  349. 

Brombeeren  26. 

Bromwell,  W.  J.,  162. 

Brooklyn  N.Y.  644,  75,  104. 

Brookville  Kans.  707. 

Brown,  John,  92,  202,  578. 

Brownstone  350. 

Brownsville  Nebr.  430,  706.    B.  Tex.  669. 

Brücken  430,  433. 

Brunswick  Ga.   660.     B.   N.  J.  413.     B. 

Me.  634. 
Bryant,W.  Ciillen,  50,  574,  577. 
Buchanan  93,  202.     B.  Va.  415. 
Buchdruck  386. 
Bücher  386. 
Buchweizen  278. 
Buckle,  H.  Th.,  48,  547. 
Buena  Vista  90. 
Büffel  27.    B.-Gras  236,  290. 
Buffalo  N.  Y.  645,  171,  325,  352.   Handel 

466,473.  Platform92.   Schiffahrt  435. 

Verkehr  409,  411,  426,  427.     Wachs- 

thum  391. 
Bull  Run  95,  96. 
Bunker  Hill  Mass.  74,  638. 
Bürgerkrieg  177.     B. -recht  483. 
Burgoyne  75. 
Burlington  lo.  429,  433,  702.     B.   N.  J. 

437.     B.  Vt.  636.     B.-Cedar  Rapids- 

Northern-E.B.  429. 
Bushneil  111.  692. 
Bussarte  31. 
Butler,  General,  202. 
Butter-Nuss  25. 

Cabot,  Johann,  52.     C,  Sebastian,  52, 

Caddos,  die,  137,  138. 

Cahawba  AI.  663,  C.-Becken,  das,  330, 331. 

Cairo  111.  692,  429,  436. 

Caldwell  N.  Y.  644. 


Calhoun,  J.  C,  87,  576. 

Californien,  Baumwolle  231.  Bergbau  315, 
316,  334,  335,  336,  337,  345,  347,  349. 
Bevölkerung  180,  181,  187,  188,  194. 
Bewässerung  418.  Eisenbahnen  419, 
420,  425  f.  Schiffahrt  436,  437,  438, 
441.  Geschichtlich  90,  104.  Indianer 
140,  141,  146,  152.  Krankheiten  184. 
Landwirthschaft  228,  231,  236,   238, 

260,  261,  271,  276,  277,  282,  287,  288. 
Löhne  316.  Polit.  Stellung  506.  Sklaverei 

261.  Strassen  431.  Survey  566.  üntern.- 
Geist  368.  Unterricht  549,  550,  571. 
Verkehrsgebiet  42.  Wald  304.  Wein- 
bau 289.  —  C,  Halbinsel  6,  9,  14,  43. 
C.ische  Staaten  504. 

Callville  Ar.  406,  716. 

Caltha  palustris  24. 

Cambridge  Mass.  638,  357,  555,  558,  567, 

582. 
Camden  S.  C.  76,  406.     C.  Penn.  348. 
Canada,  Handel  mit,  468,  470,  471,  473, 

636.     Schiffsverkehr  441,  445. 
Canadian  R.  -  Strasse  431.     Verkehr  398. 
Canadier  26. 
Canadische  Seen  5,  407. 
Canäle  387.   408.     C.  und  Eisenbahnen 

393,   410,   415.    Küsten- C.  411,  413- 
Canis  latrans  30.     C.  lupus.  30. 
Canton  Mo.  678. 
Canvas  Back  33. 
Cap  Girardeau  Mo.  678.  C.  May  N.  J.  647. 

C.  S.  Vincent  N.Y.  444. 
Carbon  335. 

Carbondale  Pa.  330,  649. 
Cardinalis  virginianus  31. 
Carey,  Henry  C,  196,  569. 
Caribou  Col.  316,  344,  714. 
Carlisle  Pa.  649. 
Carolina  Central -E.B.  428. 
Carollton  La.  666. 
Caroll  0.  415. 
Carpet  -  Baggers,  die,  206. 
Carson  City  Nev.  343,  717. 
Carteret,  Lord,  60. 
Carya  olivaeformis  25. 
Cassenovia  -  See  411, 


Begister. 


735 


Castanea  americana  25.     C.  pamila  25. 

Castine  Me.  634,  434,  441.  443. 

Castle  Island  Mass.  638. 

Catasouqna  Pa.  649,  325. 

Catawbas,  die,  137,il38, 144.  C.  Grape289. 

Cat  fish  34. 

Cathartes  atratus  31. 

Cayuga  L.  412.    C.  and  Seneca-Canal412. 

Cayugas  136. 

Cecidomyia  35. 

Cedar  Falls  lo.  702.     C.  Keys  Fla.  661. 

C.   Mountain   96.      C,  Rapids   lo.  703. 

C.  Rapids- Missouri -E.B.  430. 
Centralia  111.  693. 
Central  of  Iowa -E.B.  430. 
Centre  Harbour  N.  H.  636. 
Centreville  Id.  719. 
Cerasus  prostrata  26. 
Cereus  giganteus  25. 
Cervus  canadensis  28.    C.  virginiana  28. 
Chads  Ford  75. 
Chambersburg  Pa.  649. 
Champaign  111.  693. 
Champlain  -  See  321,  323,  408,  437,  412. 

Ch.-Canal  410,  412. 
Chancellorsville  Va.  97,  655. 
Channing  576. 

Charakter,  s.  Nordamerikaner. 
Charaton  R.,  Schiffbarkeit  401. 
Charleston  S.  C.  658,  7,  75,  76,  97,  177, 

267.    Deutsche  165.    Gesellschaft  623. 

Handel  464.    Schiffahrt  435,  436,  444. 

Verkehr  427.     Ch.  W.  Va.  674.     Ch.- 

Cincinnati-E.  B.  417. 
Charlestown  Mass.  638. 
Charlotte  N.  C.  428,  656.    Ch.  N.  Y.  645. 
Chasles,  Phil.,  50,  572. 
Chattahochee  R.,  Schiffbarkeit  406. 
Chattanooga  Tenn.  97,  262,   326,   428, 

429.  671. 
Chatworth  111.  284. 
Chaudiere  R.  342. 
Chelsea  Mass.  638. 
Chemie  568. 

Chemung-Canal  410,  412. 
Chenango-Canal  412. 
Chenopodien  24. 


Cheraw  S.  C.  406. 

Cherokees,  die,  138,  144,  145, 155.  Ch.  als 
Sklavenhalter  203. 

Cherrystone  Va.  434. 
I  Chesapeake  Bay  5,  413.    Ch,  -  Delaware- 
Canal  411,  413.    Ch.-Ohio-Canal  413. 
414.   Ch.-E.B.  427. 

ehester  Pa.  323,  649. 

Chetimachas  137. 

Cheyenne  Wyom.  425,  712. 

Chevalier,  Michel,  319,  367,  371,  420,  620. 

Chicago  687,  104,  193,  323,  327,  332, 
bez.  zu  New  York  369.  Entwickehing 
367.  Finanzen  511.  Handel  463,  464, 
466.  Schiffahrt  435,  436,  445.  Ver- 
kehr 385,  404,  408,  415,  416,  417, 
426  f.  —  Ch.  -  Alton  -  E.  B.  429.  Ch.  and 
Canada  Southern  -  E.  B.  427.  Ch.  and 
Northwestern-E.  B.428.  Ch.-Burlington- 
Quincy-E.B.  429.  Ch. -Clinton -Du- 
buque  -  Minnesota  -  P].  B.  429.  Ch. -L. 
Huron-E.B.  429.  Ch.  -  Michigan  -  L. 
Shore-E.B.  429.  Ch.,  Milwaukee  and 
S.  Paul -E.B.  428.  Ch.,  Rock  Island 
and  Pacific  -  E.  B.  426.  Ch.,  S.  Louis  and 
New  Orleans  -  E.  B.  427.  —  Ch.  Junctiou 
0.  429.     Ch.  R.  416. 

Chicamanga  97. 

Chickasas,  die,  144. 

Chile,  Handel  mit,  468. 

Chillicothe  0.  683. 

China  9.  Handel  mit  Ch.  468,  470,  471. 
Schiffsverkehr  442. 

Chinesen  38, 163,  316,  535.  Einwanderung 
und  Zahl  215.  Beschäftigungen  216. 
Sterblichkeit  184.  Verbreitung  217. 
Ihre  Bedeutung  217.  Die  Chinesen- 
frage 218,  373. 

Chinook,  die,  137,  139. 

Chippewahs  136. 

Choctaws  137,  138,  144. 

Christians  535. 

Chromerze  349. 

Cincinnati  681,  104,  193,  328.  Ent- 
wickelung  371.  Handel  463.  Schiffahrt 
436.     Verkehr  403,  415,  416 

Cinnamom  Bear  29. 


736 


Register. 


Circleville  0.  683. 

Citronen  237. 

Civil  Rights  Bill  205 ,  200.  C.  Service 
Reform  520. 

Claim  343. 

Clark,  S.  N.,  145. 

Clarksville  Tenn.  671. 

Clay,  H.,  88. 

Clearings,  die,  243. 

Cleveland  0.  682.  Gewerbe  323,  326, 
353.  Handel  466.  Verkehr  415,  429. 
Cl.-Columbus  -  Cincinnati  -  Indianapolis- 
E.B.  429.    Cl.- Pittsburg -E.B.  429. 

Clinton  111.  693.  Cl.  lo.  429,  433,  702. 
Cl.  Ore  321,  325. 

Coal-Measures  328. 

Coalport  413. 

Coalville  335. 

Coast  Survey  493. 

Co-Education  610. 

Cohoes  K  Y.  412,  644. 

Coldwater  Mich.  697. 

Colleges  555. 

Colombia,  Handel  mit,  468,  470,  471. 
Schiffsverkehr  442. 

Colonien,  die,  64  f. 

Colonisation,  anglo-  und  hispano- ameri- 
kanische, 149,  153.  Colonisationspläne 
175. 

Colorado  712.  Bevölkerung  181,  186, 
187.  Bergbau  307,  315,  334,  335,  337, 
340,  344,  347,  348,  349.  Eisenbahnen 
426.  Geschichtlich  103,  104.  Indianer 
141, 146.  Landwirthschaft  230.  Strassen 
431.  -  C.  City  713.  C.-Käfer  34.  C.  R. 
(Tex.),  Schiffbarkeit  406.  C.  R.  (West), 
Verkehr  400,  406.  C.  Springs  Col.  713. 

Colterville  Cal.  431. 

Columbia,  Britisch-,  9, 136.  C,  District  of, 
Bevölkerung  180,  181.  Farbige  208. 
Sklaven  203.  Schiffahrt  435,  437.  C, 
District  of,  477,  728.  C.  Mo.  678. 
C.  Penn.  413,  649.  C.  R  ,  Mündung  8; 
Schiffbarkeit  43;  Verkehr  397,  398. 
C.  S.C.  658. 

Columbus  Ga.  406,  659.  C.  Ind.  686. 
C.  Ky.  427,  673.    C.  Miss.  664.    C.  0. 


681,  415,  429.  C.  Tex.  406,  668.  C.- 
Chicago -  Indiana  Central  -  E.  B.  429. 

Comanches  136. 

Commissioners  of  Immigration,  die,   166. 

Communisten  535. 

Compromisse,  politische,  85,  104. 

Comstock-Lode  313,  341. 

Concord  N.  H.  635,  391,  73. 

Conestoga  Penn.  295. 

Conföderirten  Staaten,  die,  94. 

Congress  der  Colonien  72.  C.  der  V.  St. 
485,  501. 

Congregationalisten  535,  536. 

Connecticut,  Auswanderung,  173,  176, 
180,  181,  185,  Bevölkerung  186,  188. 
Geschichtl.  58.  Laudw.  224,  251,  260. 
Schiffahrt  435,  437,  438,  441.  Mine- 
ralschätze 346,  350.  Sklaven  196. 
Wald  304.  —  C.  R.,  Schiffbarkeit  393. 

Connelsville  326. 

Connersville  Ind.  686. 

Conservativismus  517. 

Conshohocken  Pa.  325. 

Constitutional  Population  139. 

Consulate  486. 

Continental  Army  74.     C.  Congress  74. 

Cooper,  J.  F.,  114,  124,  144,  574,  577, 
578.     C,  P.,  361. 

Coos  Bay  335. 

Coosa  330. 

Cope,  D.,  567. 

Copley,  Maler,  580.     C.  Pa.  649. 

Corduroy  Road  431. 

Corinne  Ut.  718. 

Corinth  Tenn.  95,  96. 

Corliss,  G.  H.,  378. 

Corn  274.     C.  Bread  275. 

Cornell  University  555. 

Corning  N.  Y.  645,  412. 

Cornwall  321,  323. 

Cornwalliser  316. 

Corpus  Christi  Tex.  445,  669. 

Correy  Pa.  650. 

Corruption  101,  102,  410,  508,  512,  521, 
524.     C.  der  Presse  589. 

Cotta,  B.  V.,  50. 

Cotton-Gin  359,  380.     C.  Worm  35. 


Kegi&ter. 


73' 


Coues  32. 

Council  Bluffs  lo.  430,  702. 

County  510. 

Covington  Ky.  673.     C.  Va.  655,  413 

Coyote  30. 

Cranberries  290,  C.-Ore  321. 

Crawfurdsville  Ind.  686. 

Credit  366,  368. 

Credner,  R.,  341. 

Creeks,  die,  27,  137,  155. 

Crees  136. 

Crescent  City  Cal.  724. 

Crevecoeur,  J.,  573. 

Crooked-See  412.     C.-S.-Canal  412. 

Crossbill  31. 

Crown  Point  323. 

Cuba  92.  Handel  mit  C.  468,  470,  471. 
Schiffahrt  441. 

Cultur -Entwickeluug,  natürliche  Be- 
dingungen 3.  C- Macht  10.  C- Pflan- 
zen 22,  266.  C- Physiognomie  623.  C.- 
Schöpfungen (geringe  Dauer,  Seltenheit) 
623.     C- Stufe  249.     C- Zonen  614. 

Cultusstätten  d.  Ind.  122, 

Cumberland  Md.  331,  413,  427,  652^. 
C.-Region  325.  C.  R.,  Schiffbarkeit  404. 

Curtis,  Dr.,  24. 

Cuyahoga  0.  435,  436,  444. 

Dachs  29. 

Dänemark,  Handel  mit,  468,  469.  Schiffs- 
verkehr 441,  446.  Dänen  163.  Dänische 
Antillen  102. 

Dahlonega  Ga.  660. 

Dakota  703.  Bevölkerung  180,  181,  186, 
187,  194.  Bergbau  341.  Eisenbahnen 
419.  Fruchtbarkeit  232,  233.  Indianer 
136,  141,  143,  146.    Wald  304. 

Dakotas,  die,  138. 

Dale  Rev.  529. 

Dali,  W.  H.,  Cpt.,  143,  568. 

Dampfboote  407,  436. 

Dampfmaschinen,  Verbesserung  378.  Zahl 
377. 

Dampfschiffahrt  (Erfindung)  359,  360. 

Dana,  J.  D.,  333,  566,  572.  D.,  Richard  H., 
523. 

Ra  t  zel,   Amerika  II. 


Danbury  Conn.  640. 

Danville  111.  693.  D.  Pa.  322,  325,  649. 
D.  Va.  428,  655. 

Darien  Ga.  660. 

Darwin  Ch.  30. 

Davenport  lo.  702,  186. 

Davis,  Jefferson,  94,  98. 

Dayton  Nev.  717.    D.  0.  427,  683. 

Debating  Clubs  576. 

Debert  R.,  Schiffbarkeit  401. 

De  Candolle,  A.  de,  562. 

Decatur  AI.  663.     D.  111.  693. 

Declaration  of  Rights  73. 

Dedham  Mass.  638. 

Deep  R.  334. 

Deer  Lodge  City  Mont.  711. 

Defiance  a  415,  416. 

De  la  Hontan  142. 

Delaware  650.  Bevölkerung  180,  181, 
186.  Deutsche  164.  Farbige  208. 
Krankheiten  184  Lage  43.  Landwirth- 
schaft  288.  Schiffahrt  435,  437,  438, 
444.  Sklaven  198.  Wald  304.  —  D. 
River  5.  D.-Division-Canal.  D.  -Raritan- 
Canal  413.  D.  R.  413.  D.  und  Hudson- 
Canal  413,  414.    D.  0.  683. 

Delawaren,  die,  136,  151,  154,  155. 

Del  Mar  342. 

De  Maistre,  J.,  591. 

Demokraten  482,  518,  520. 

Denver  Col.  713,  349,  426,  428,  432.  D. 
and  Rio  Grande -E.B.  428. 

Department  of  the  Inferior  488. 

Derby,  Harket,  393. 

Des  Moines  lo.  701.     D.  M.-Canal  417. 

Des  Piaines  R.  416. 

Detroit  Mich.  695,  188,  327,  427,  466, 
473. 

Deutsche  Abstammung  169.  D.  als  Bevölk.- 
Bestandtheil  168,  593;  als  Gewerb- 
treibende  316,  355,  357,  361,  385,  433. 
D.  Einwanderung  163.  D.  Gesellschaft 
166,  533.  D.  im  Mohawk-Thal  136, 
134.  D.  in  Pennsylvanien  195,  288. 
Kirchl.  Leben  539,  540.  D.  Kunst- 
mission 583.  D.  Zeitungen  593.  D. 
Zukunft  596. 

47 


738 


Hegister. 


Deutschland,  Handel  mit,  468,  469,  471. 

Schiffsverkehr  441,  445. 
Devils  Lake  (Dakota)  146. 
Diamanten  349. 
Dickens,  Ch.,  535. 
Diefenbach  382. 
Dietrich  433. 
Diggers,  die,  137,  139. 
Dilke,  Charles,  601., 
Diman,  J.  B.,  531. 
Dinsmore,  R.,  579. 
Dixon,  Hepworth,  601.     D.  111.  692. 
Dodge-Mine,  die,  342. 
Dörfer  192. 
Dog  Wood  26. 
Donaldsonville  La.  666. 
Donna  Anna  N.  Mex.  715.     ' 
Doughty  581. 
Dover  Del.  323,  651.    D.  N.  H.  635.   D.- 

Canal  326. 
Drake,  E.  L.,  352.    D.,  S.  G.,  142. 
Drama  578. 
Draper  80. 

Dred  Scott -Fall,  der,  202. 
Dubuque  lo.  433,  436,  701. 
Düngung,  die,  250. 

Duluth  Minn.  231,  417,  426,  445,  700. 
Dunkirk  N.  Y.  426,  444,  645. 
Dunleith  111.  429. 
Durch- Verkehr  465. 

Eads,  James  B.,  402. 

East  Jersey  176. 

Easton  Pa.  325,  413. 

East  Ptattmouth  111.  429.     E.  Port  Me. 

633,  635.     E.  S.  Louis  111.  429,   692. 

E,  Tennessee,    Virginia  and   Georgia- 

E  B.  428. 
Ebeling,  C.  D.,  270. 
Echo  Ut.  719. 
Eddyville  413. 
Edelhirsch  28. 

Edelmetalle-Verarbeitung  382. 
Edgartown  Mass.  441,  638. 
Egg  Harbour  N.  J.  647.     Egg-Plant  279. 
Ehescheidungen  507,  611. 
Eichhörnchen  29.     Fuchseichhorn  29. 


Einbürgerung,  die,  von  Gewächsen  252. 

Einförmigkeit  der  Bevölkerung  47. 

Einfuhr  281,  282,  288,  360,  374,  375,  469, 
581.     E.-Gegenstände  467. 

Einwanderung,  die,  64, 162.  E.  im  Süden 
214.  E.,  Mission 539.  Vermehrung  durch 
dieselbe  178,  183.  Werth  der  E.  167, 
170. 

Einzäunen,  das,  243. 

Einzelstaaten,  Aufnahme  500.  Befug- 
nisse 483,  504.  Entstehung  502.  Grenzen 
502.  Grösse  500.  Gesetzgebung  506. 
Gruppirungen  503.  Partikularismus  12, 
505.     Vertretung  im  Congress  501. 

Eisen,  Erzeugung  357,  359,  376.  Regionen 
ders.  322.  Vorkommen  33,  313,  322,  333. 

Eisenbahnen,  Ausdehnung  419,  420.  Bau 
421.  Elevated  433.  Erträge  394.  Fahr- 
preise 424.  Geschichtliches  392.  Kosten 
394,  420.  Monopole  395.  Schienen 
(Erzeugung)  377.  Schmalspurige  430. 
Schneewehen  420.  Sicherheit  423,  424. 
Spurweite  422.     Statistik  419,  425. 

Elenthier  28. 

Elgin  111.  692. 

Elizabeth  N.  J.  647. 

Elk  28. 

Elkhart  Ind.  685. 

Elliott,  E.B.,  178,  179,  184. 

Elmira  N.  Y.  412,  413,  645. 

El  Paso  111.  693.    El  Paso  Mex.  42,  426. 

Emancipation,  die,  196.     s.  Sklaven. 

Embargo,  das,  80. 

Emerson,  R.W.,  46,  50,  575,  577,  578, 
597. 

Emory  566. 

Empire  City  Or.  726. 

Emporia  Kans.  707. 

Endicott  Mills.  392. 

Enfaula  Ga.  429. 

Engelmann  568. 

Engländer  163. 

Englisch-französische  Grenzkriege  67. 

Enten  33. 

Enterprise  Fla.  406,  661. 

Entfernung  von  Europa  8,  447.  E.  von 
Halifax  11.    E.  von  Havana  447.  E.  von 


Register. 


739 


Panama  447.    E.  von  Yictoria  11.    E. 

von  Jokuhama  447.  E,  n.  im  Inneren  15. 
Entlegenheit,  räumliche,  14. 
Episcopale  535,  536. 
Erdbeben  48.  E  -beeren  290.  E.-nuss  289. 
Erfinder  366. 
Ericaceen  26. 
p]ricsson  361. 
Erie  Pa.  428,   436,  444,  650.    E.-Bahn 

409,  422,  427.    E.-Canal  361,  390,  408, 

411.  E.  Ring  101    E.-See  407,  412,  415; 

Seesieg  81. 
Ernährung  244,  370.  Brot  276,  277.  Cider 

287.     Hominy  275.     Perry  287.     Pork 

and  Beans  278.     Pies  280. 
Erziehung,  häusl.,  614. 
Escanaba  Mich.  696. 
Esmeralda  344. 
Eugene  City  Or.  726. 
Eulen  31. 

Eureka  Nev.  307,  717. 
Europa    und'^  Nordamerika,    Klima    18. 

Entfernung  447,  8. 
Euston  Pa.  649. 
Evangelicals  535. 

Evans,  Oliver,  359,  380.     E.-Pass  42. 
Evanston  111.  335,  691. 
Evansville  Ind.  416,  429,  466,  685. 
Everett,  E.,  576. 
Extensions  314. 

Fabriken  193,  365. 

Fachschulen  557. 

Fairfield  lo.    702.      F.  Conn.    434,    444, 

640. 
Fair  Oakes  96. 
Falken  31. 

Fall  River  Mass.  374,  435,  443,  688. 
Falmouth  Kent.  404.    F.  Mass.  432.    F. 

Me.  434,  441,  443. 
Familie  612.  F.  d.  Indianer  118.   F.-hafte 

Colonisation  613. 
Fargo  (Dakota)  261,  704. 
Faribault  Minn.  700. 
Farmer  254.     F.  des  S.  257. 
Fayetteville  Ark.  675.     F.  N.  C.  656. 
Featherstonehaugh  199,  244. 


Föderalist,  The,  584. 

Fernandina  Fla.  445,  661. 

Feuersbrünste  49,  461. 

Fieber,  gelbes,  20,  185.   ' 

Fillmore,  Präsident,  91. 

Fillmore  Ky.  427.     F.  City  Ut.  718. 

Finanzen  der  V.  St.  104,  493. 

Fische  33.    Fishing  Banks  34. 

Fischerflotte  441. 

Fitchbury  Mass.  639. 

Fitz  and  Clark  .565. 

Flachs  281,  374. 

Flint   Mich.    696.     Fl.  -  Pere  Marquette- 

E.B   429. 
Florida  660.    Bevölkerung  173,  181,  185, 

187.      Canal  418.     Einwanderer   174. 

Eisenbahnen  397, 419.    Erwerbung  198. 

Farbige   208,  215.     Geschichtlich  82, 

94, 103.  Indianer  141,  152.  Landwirth- 

schaft  224,   247,  260,  283,  285,  288, 

311.     Rhederei  435,  437.     Wald  304. 
Flotte,  Fischer-Fl.  441.   Handels-Fl.  443. 

Kriegs -Fl.  499.     Fl.  -  Stationen  499. 
Floyd  R.,  Schiffbarkeit  401. 
Flüsse,  Schiffbarkeit  40,  400. 
Föderalisten  518. 
Föhren  304. 

Fond  du  Lac  Wisc.  405,  699. 
Forster  566. 
Forts  497. 
Ft.  Arbuckle  I.  T.  710.    Ft.  Benton  Mont. 

711.     Ft.  Berthold  232.    Ft.  Boise  Id. 

719.    Ft.  Bridger  Ut.  719.     Ft.  Craig 

N.  Mex.  715.     Ft.  Connor  Wyom.  712. 

Ft.  Dequesne  (Pittsburg)  68.   Ft.  Dodge 

lo.  702.    Ft.  Donelson  95.    Ft.  Fetter- 

man  Wyom.  712.    Ft.  Fillmore  N.  Mex. 

715.    Ft.  Garland  Col.  428,   713.    Ft. 

Gibson  I.  T.  710.    Ft.  Kays  Kans.  230. 

Ft.  Howard  Wisc.  423.     Ft.  Jukon  AI. 

730.  Ft.  Kerney  231.   Ft.  Lookout  Dak. 

704.   Ft.  Madison  lo.  702.   Ft.  Mandan , 

Dak.  704.    Ft.  Marcy  N.  Mex.  715.    Ft. 

Michael  AI.  730.    Ft.  Mifflin  Pa.  649. 

Ft.  Monroe  Va.   655.     Ft.  Osage  674. 

Ft.  Owen  Mont.  711.   Ft.  Randall  Dak. 

704.    Ft.  Riley  Kans.  707.    Ft.  Ripley 
47* 


740 


Hegister. 


Minn.  700.    Ft.  S.  Pierre  Dak  704.  Ft. 

Sarpy  Mont.  711.     Ft.  Scott  Kans.  707. 

Ft.  Smith  Mont.  711.   Ft.  Steele  Wyom. 

712.    Ft.  Sullivan  Me.  635.   Ft.  Sumter 

Va.  95.    Ft.  Thorn  N.  Mex.  715.    Ft. 

Towson  I.  T.  710.     Ft.  Union  N.  Mex. 

715.  Ft.  Washita  I.  T.  710.  Ft.  Wayne 

Ind.  429,  686.  Ft.  Winnebago  Wisc.  698. 
Fox  R.-Canal  417. 
Francis  R.,  Schiffbarkeit  404. 
Frankfort  Arsenal  Pa.  649.    F.  Ky.  672. 
Franklin,  B.,  71,  74,  563,  573,  584.     F. 

N.  J.  323.     F.  N.  Mex.  715.     F.  City 

Ind.  686. 
Frankreich,  Bündniss  mit,   76.     Handel 

mit,  468,  469,  471.    Schiffsverkehr  441, 

445. 
Franzosen  67,  163,  169,  593. 
Fraserfluss,  der,  316,  335. 
Frauen,    Charakter   607.     Einfluss    528. 

Gaben  608.  Körperbau  601.  Als  Lehrer 

553.    Stellung  609.    Ueberwiegen  185. 

F.  Verehrung  607. 
Frederick  Md.  652. 
Fredericksburg  Va.  96,  655. 
Freedmens-Bureaus,  die,  99. 
Freeport  111.  692. 
Freesoilers  92,  201,  518. 
Freiheit  69. 

Fremont  93,  202,  236,  566.  F.  Nebr.  706. 
Frenchmans  Bay  Me.  434.  441. 
Fresno  City  Cal.  406,  724. 
Friede  von  Utrecht  67.    F.  von  Paris  68. 

F.   von   Gent  82.     F.   von  Guadalupe 

Hildalgo  90. 
Frösche  33. 
Fruchtbarkeit    des   Bodens     222,   225. 

Die  f.  Zone  225. 
Fruchtwechsel  252. 
Frühes  Altern  604.     Frühreife  604. 
Fuchs  30. 
Fulton  359. 

Gadsden  Purchase  479.  • 

Gainesville  Ga.  96,  660. 

Galena  111.  436,  691.     G.  Limestone  347. 

Galesburg  111.  692. 


Galion  0.  429. 

Gallatin,  A.,  132,  389,  515,  568.  G. 
Tenn.  671. 

Gallandet,  T.  H.,  558. 

Galveston  Tex.  435,  436,  445,  668.  G.- 
Harrisburg  -  S.  Antonio  -  E.  B.  430. 

Gap  348. 

Garrison  201. 

Gasconnade,  Schiffbarkeit  401. 

Gardiner  On  726. 

Gardner,  J.  T.,  566. 

Gatschet,  A.  S.,  134. 

Gebhard,  G.,  375. 

Geburten,  Zahl  der,  179,  182. 

Geistige  Merkmale  603.  G.  Begabung 
546,  563.  Der  Indianer  122.  G.  Leben 
542. 

Geld  der  V.  St.  490. 

Geldsucht  544,  620.     G.  Verkehr  460. 

Gemeinden  509. 

Genesee  N.  Y.  444.  G.  R.  411,  412.  G. 
Valley  Canal  412. 

Geneva  N.  Y.  287,  645. 

Genf,  Schiedsgericht  von,  102. 

Gentleman  und  Lady  618. 

Georgetown  D.  C.  413,  444,  728.  G.  S.  C. 
444,  658. 

Georgia  658.  Bergbau  311,  321,  326, 
335,  347.  Bevölkerung  181,  187,  188, 
194.  Deutsche  164.  Einwanderung  173, 
174.  Eisenbahnen  420.  Farbige  196, 
198,  204,  208,  215.  Geschichtlich  63, 
87,  94.  Indianer  141.  Landwirthschaft 
247,  258,  260,  267,  286.  Rhederei 
435, 437,  438.  Wald  304.  —  G.  Central- 
E.B.  429.    G.-E.B.  429. 

Gerichte  486,  527. 

Germantown  Pa.  649,  75,  164. 

Gerste  235,  277. 

Geschichtsforschung  568.  G. -Schreibung 
568,  575. 

Geschlechter,  Zahl  der  beiden,  185.  Be- 
ziehungen zwischen  denselben  611. 

Gesellschaft,  die,  591,  614. 

Gesundheit,  Oeffentl.,  513. 

Getreidebau,  Gebiet  des,  18.  G.-Böden 
226.     G.-Erzeugung,  Grösse  der,  273. 


Register. 


741 


Gettysburg  Penn.  97,  276,  650. 

Gewerbe  21,  39,  43,  70,  193,  355,  vgl. 
Inhaltsverzeichniss  X.  G. -Austeilun- 
gen 361,  362.  Geschichte  des  G.355. 
Werth  der  G.  -  Erzeugnisse  361. 

Gibraltar,  Handel  mit,  468. 

Gifford  581. 

Giftpflanzen  26. 

Gila  R.  418. 

Gilman,  ßj^.,  555. 

Girdling  (der  Bäume)  133. 

Glasindustrie  355,  356. 

Gleichheit  66,  bürgerliche  527,  617 ;  poli- 
tische 514.    G.  d.  Sitten  622. 

Glens  Falls  N.  Y.  644. 

Glenwood  lo.  702. 

Gliederung,  geogr.,  13. 

Gloucester  Mass.  434,  443,  639. 

Gold,  Vorkommen  37,  45,  312,  336,  341. 
G.-Gräber316.  G. -Erzeugung  310,  337. 

Gold  Hill  Nev.  717. 

Golden  City  335,  714. 

Goldsboro  N.  C.  428. 

Golf-Staaten  661.  Bevölkerung  187.  Ge- 
treidebau 248.     Krankheiten  184. 

Goliad  Tex.  669,  89. 

Gonzales  Tex.  669. 

Gophers  29. 

Goshen  Ind.  685. 

Gosport  Va.  655. 

Gould  567. 

Governors  Island  638. 

Grammar  Schools  551. 

Grand  Haven  Mich.  696.  G.  Osage, 
Schiffbarkeit  401.  G.  Rapids  Mich.  696. 
G.  Rapids  Wisc.  698.  G.  Rapids -In- 
diana-E.  B.  429.  G.  Tower  326.  G. 
Trunk-E.B.  473.  G.  Riviere,  Schiff- 
barkeit 401. 

Grangers  256,  395. 

Grant,  U.  S.,  101,  158. 

Graphitlager  348. 

Gräser  292.  Bermuda-Gr.  292.  Natchez- 
Gr.  292. 

Gray,  Asa,  567. 

Greasers  594. 

Great  Bend  of  the  Tennessee  481. 


Great  Pedee  R.  406. 

Greeley,  H.,  102,  586,  588,  590. 

Green  Bay  Wisc.  417,  429,  697,  698. 
G.  Bay  -  Minnesota  -  E.  B:  429, 

Greencastle  Ind.  686. 

Greenpoint  N  Y.  385. 

Green  R.,  Schiffbarkeit  398,  404.  G.  R. 
Station  Wyom.  712. 

Greensburg  Kent.  404. 

Greenville  S.  C.  658.     G.  Tenn.  671. 

Gregg,  J.,  431,  474. 

Grenada  Miss.  665. 

Grenzen  4,  89,  477.  Länge  11.  Sicher- 
heit 11. 

Greytown  92. 

Griechenland,  Handel  mit,  469.  Schiffs- 
verkehr 442,  446. 

Gringos  594. 

Grizzly  29. 

Grossbritannien,  Handel  mit,  468,  469, 
470.     Schiffsverkehr  441,  445. 

Grossindustrie,  die,  317.  G.-muth  620. 
G.-Städte  44.  G.  Salzsee,  Schiffahrt  408. 

Grothe,  H.,  379,  380,  386. 

Grouse  32. 

Grundbesitz,  Vertheilung  215. 

Grundhörnchen  29. 

Grünsand  251,  350. 

Guadalupe  Hidalgo,  Friede  von,  90. 

Guajana,  Handel  mit,  468,  470,  472. 
Schiffsverkehr  442. 

Guano,  der,  251.    Fledermaus-G.  350. 

Gütergemeinschaft  55. 

Hackensack  N.  J.  647. 

Hadley  Falls  Conn.  378. 

Hafer  235,  278. 

Hafenreichthum  7. 

Hagen  568. 

Hagerstown  96. 

Häher  31. 

Hakluyt,  Richard  52. 

Halifax  N.  C.  406. 

Hall  143.     H.,  James,  566. 

Hallowell  Me.  635. 

Hallville  Wyom.  335. 

Hamburg  S.  C.  427. 


742 


Register. 


Hamilton,  A.,  79,  360,  569,  577,  584. 

H.,  0.,  683. 
Hampton  Va.  655.     H.  Beach  N.  H.  635. 
Handel  193,   450-f.,   s.  Inhaltsverz.  XU. 

Handelskammern  459. 

Handelskrisen  93. 

Hanf  282. 

Hanging  Rock -Region  324. 

HannibalMo.  430,  433,  678.  H.- Kansas 
City -Council  Bluffs -E.B.  430.  H.-S. 
Joseph-E.  B.  430. 

Hardyville  Ar.  406, 

Harpers  Ferry  W.V.  93,  406. 

Harrisburg  Pa.  649.     H.  Tex.  430. 

Harrison,  Gen.,  116,  515. 

Harrodsburg  Ky.  673. 

Harte,  Bret,  574,  577. 

Hartford  Conn.  640. 

Harvard  C.  555,  567. 

Harz  308. 

Haselnuss  25. 

Hasen  28. 

Hassler  565. 

Hastings  Minn.  700.    H.  Nebr.  430. 

Haverhill  Mass.  639. 

Hausbau  243, 244,  356,  382,  624.  H.-  Ge- 
werbe 281,  360.    H.-thiere  26. 

Havre  de  Grace  413. 

Hawaii'sche  Inseln.  Handel  468,  470 
Schiffsverkehr  442,  446. 

Hawthorne,N.,50,487,574,  577,  578,  613. 

Hayden,  R.,  307,  335,  566. 

Hayes,  R.,  103,  454,  463. 

Hayti,  Handel  mit,  468,  470,  471.  Schiffs- 
verkehr 442,  446. 

Hazelton  330. 

Hebron  348. 

Hechte  34. 

Heckewelder  116,  569. 

Heimstättengesetz,  das,  263,  306. 

Helena  Ark.   675.     H.   Mont.   341,   711. 

Henderson  Ky.  673. 

Henry,  J.,  564.  H.,  Patrick,  72,  325,  576. 

Hermelin  30. 

Hemmung  durch  Eis  408,  409. 

Hessenfliege  35. 

Heu  233,  292.    H.-schreckeu  35. 


Hickman  Ky.  428. 

Hickory  25,  304. 

High  Schools  554. 

Hillsdale  Mich.  696. 

Himbeeren  26. 

Hirsch  28. 

Hitchcock,  Ed.,  566. 

Hittell  594. 

Hoboken  N.J.  558,  646. 

Hochkirche  536. 

Hokendauqua  Pa.  649,  325. 

Holland  Mich.  696. 

Holländer  163,  356. 

Holly  Springs  Miss.  665. 

Holmes,  0.  W.,  577.    H.  Hole  Mass.  638. 

Holst,  V.,  78,  198,  258. 

Holyoke  Mass.  639. 

Holzindustrie   307.      H. -verbrauch   307. 

Homestead  Law  263,  306. 

Honesdale  413. 

Hongkong,  Handel  mit,  468. 

Hooksett  N.  H.  635. 

Hopfen  282,  285. 

Hopkinsville  Ky.  673. 

Hosmer,  Miss  H.,  583. 

Hot  Springs  Ark.  675. 

Houston  Tex.  430,  668.  H.-Texas  Cen- 
tral-E.  B.  430. 

Howe,  Elias,  381. 

Hübner,  v.,  606. 

Hudson,  F.,  448.  H.,  Hendrick,  54,  58 
405,  643.  H.  N.  Y.,  644.  H.  R.,  5, 
7,  411,  413.    Schiffbarkeit  405. 

Hugenotten  535,  593. 

Hughes,  R.  B.,  583. 

Hülsenfrüchte  278. 

Humboldt,  A.  v.,  344,  566.  H.  Nev.  717. 
H.  R.,  Verkehr  398, 

Hunde  301.    Indianer-H.  30. 

Hungersnoth  48. 

Huntington  W.Va.  427. 

Huntsville  AI.  663. 

Huron  Mich.  436,  445.     H. -Irokesen  136. 

Hydraulic  Mining,  das,  313,  340. 

Icacopflaume  25. 

Idaho  719.    Bergbau  315,  337,  341,  345, 


Register. 


743 


348.  Bevölkerung  180,  187.  Indianer 
140,  141.  Landwirthschaft  231.  Ver- 
kehr 420.   Wald  304.  —  I.  City  Id.  719. 

Illinois  686.  Bergbau  321,  324,  326, 
335,  348.  Bevölkerung  181,  188.  Ca- 
näle  40,  411,  415,  416.  Einwanderung 
174.  Eisenbahnen  419.  Farbige  198, 
207.  Finanzen  512.  Geschichtlich  82, 
103, 104.  Gewerbe  366,  385.  Kohlen- 
feld 332.  Landpreis  262.  Land- 
wirthschaft 260,  275,  276,  277,  278, 
284,  301.  Rhederei  436,  437,  438. 
Survey  566.  Unterricht  559.  Vieh- 
zucht 294,  297,  300.  Weinbau  289. 
—  L  Central  -  E.  B.  429.  I.  -  Michigan- 
Canal  411,  415,  416.    I.  R.  416. 

Impeachment  484. 

Improved  Land  255.  Improvements,  In- 
ternal, 85. 

Indented  Servants  53. 

Independence  lo.  703.    I.  Mo.  431,  678. 

Independenten  518. 

Indian  Office  154,  488.  I.  Poke  26. 
I.  Tobacco  26.     L  R.  418. 

Indiana  684.  Bergbau  321,  326,  332, 
335.  Bevölkerung  180,  181,  188.  Ca- 
näle  415.  Einwanderung  174.  Eisen- 
bahnen 419.  Geschichtlich  104.  Farbige 
198.  Indianer  141.  Lage  41.  Land- 
preis 262.  Landwirthschaft  246,  260, 
275,  276,  284.  Rhederei  437,  438. 
Steuern  508.  Viehzucht  297,  300.  Wald 
304.     Wasserstrassen  401. 

Indianapolis  Ind.  429,  685.  L-Blomington- 
Western-E.B.  429. 

Indianer,  die,  107,  s.  Inhaltsverzeichn.  III. 
I.  -  Agenturen  157.  L -Brot  25.  I.- Ge- 
biete 480.     I. -Mischlinge  160. 

Indianer-Territorium  707.  Bergbau  332, 
333, 335.  Geschichtlich  140, 141, 146,155. 
Landwirthschaft  229. 

Indianola  Tex.  669. 

Indien,  Niederl.,  Handel  mit,  468,  470, 
472.  Schiffsverkehr  442.  I.,  Ost-, 
Handel  mit,  468,  470;  Schiifsverkehr 
442.  L,  West-,  Handel  mit,  468,  470, 
471.    Schiffsverkehr  442. 


Indigo  267,  286. 

Industrie,  s.  Gewerbe. 

Ingalls,  G.  W.,  143,  155. 

Inflation  Bill  103. 

Inness  581. 

Insekten  34.    L,  schädliche,  34. 

Internal  Revenue  489. 

International  -  Great  Northern -E.B.  4o0. 

Interviewen,  das,  584. 

Inventors,  die,  193,  317. 

Invoice  488. 

Iowa  701.  Bergbau  332,  335,  348,  350. 
Bevölkerung  181,  187,  188,  193.  Eisen- 
bahnen 419.  Farbige  207.  Geschicht- 
lich 104.  Indianer  141.  Landwirth- 
schaft 260,  261,  275,  276,  278,  282. 
Rhederei  437,  438.  Survey  566.  Ver- 
kehr 395.  Viehzucht  295,  300.  Wald 
304.    Weinbau  289.  —  I.  City  lo.  702. 

Iowas  136. 

Irländer  163,  167,  169,  592,  599. 

Irokesen,  138,  142,  144,  151. 

Iron  Mt.  321,  323. 

Ironton  0.  324,  682. 

Irving  Wash.  574,  577,  578,  598. 

Island  Nr.  10  96. 

Isländer  163. 

Isle  Royale  345. 

Itakolumit  349. 

Italien,  Handel  mit,  468,  470, 471.  Schiffs- 
verkehr 441,  446. 

Italiener  163,  174. 

Ithaca  N.Y.  645. 

Jackson,  Präsident  82,  87,  89,  259,  518. 

J.  Miss.  664. 
Jacksonport  Ark.  675. 
Jacksonville  Fla.  7,  406,  661.    J.  Or.  726. 
Jacob  I.  52. 

Jacques  R.,  Schiff  bar keit  401. 
James  R.  413.    Schiffbarkeit  406.     J.  R. 

and  Kanawha  -  Canal  413. 
Jamestown  Va.  195,  355. 
Janesville  Wisc.  699. 
Japan  9.     Handel  mit  J.  468,  470,  471. 

Schiffsverkehr  442. 
Japaner  163, 


744 


Register. 


Jarvis,  E.,  178. 

Jay  31,  72,  246,  247,  275. 

Jefferson,  Th.,  79,  80,  197,  480,  515,  530, 
537,  569,  574,-577.  J.  City  La.  666. 
J   City  Mo.  676. 

Jeffersonville  Ind.  685.  J.  -  Madison  -  In- 
dianapolis -  E.  B.  429. 

Jersey  City  N.  J.  426,  646. 

Jervis  N.Y.  645. 

Jetty-Canal  402. 

Johannisbeeren  26. 

Johnson,  Audr.,  98. 

Johnstown  325. 

Joliet  111.  691,  327,  429. 

Jonesville  Mich.  697. 

Jonia,  Mich.,  696. 

Journalisten  193. 

Juden  535,  511. 

Juglaus  nigra  25. 

Juniata  R.  413. 

Käfer  34. 

Kaffeebäume  254. 

Kalama  W.  T.  426,  727. 

Kalamazoo  Mich.  696. 

Kalapuyas,  die,  137,  139. 

Kameele  253. 

Kansas  706.  Bergbau  332,  333,  334, 
335.  Bevölkerung  180,  181,  187,  193. 
Eisenbahn  426.  Einwanderung  174. 
Farbige  207.  Fruchtbarkeit  229.  Ge- 
schichtlich 92,  93,  104.  Indianer  136, 
140,  141,  260,  261.  Krankheiten  184. 
Landwirth Schaft  275,  282.  —  K.  and 
Topeka-E.B.  173.  K.  Pacific  -  E.  B. 
173,  229.  K.  City  Mo.  426,  430,  678. 
K.  Pacific -E.B.  426,  496. 

Kapp,  Ernst,  6.  K.,  Friedrich,  68,  163, 
166,  171,  172,  193,  196,  198,  410,  521. 

Karns  City  Penn.  430. 

Kartoffeln  278.    K.,  süsse,  279. 

Kastanie  25,  288,  304. 

Kasuä  137. 

Katholische,  Griechisch-  535;  Röraisch- 
103,  535,  539. 

Katzen  30.    K.,  wilde,  30.    K.-vogel  31. 

Kautschuk-Gewerbe  381. 


Kawitschen-Gruppe  137 

Kendallville  685. 

Kennebec  Arsenal  634. 

Kenney,  Mc,  143. 

Keuosha  Wisc.  698. 

Kent,  Chancellor,  569. 

Kenton  0.  683. 

Kentucky  671.  Bergbau  324,  326,  331, 
332,  335,  351,  352.  Bevölkerung  180, 
181,  186,  188,  198.  Einwanderung 
173.  Eisenbahn  397.  Farbige  207, 
208.  Geschichtlich  94,  95.  Krank- 
heiten 184.  Landwirthschaft  260,  271, 
277,  282,  284,  285,  288,  300.  Rhederei 
437,  438.  Unterricht  501.  Viehzucht 
301.  Wald  304.  —  K.-  und  Virginia- 
Beschlüsse  79. 

Keokuk  433.     K.  lo.  401,  417,  702. 

Keramik  385. 

Kernbeisser  31. 

Keys  5. 

Key  West  Fla.  435,  444,  661. 

Kickapoes  136,  144,  155. 

King,  Clarence,  566. 

Kingsbury  Rapids  406. 

Kingston  N.  C.  406. 

Kiowas  136,  143. 

Kirche,  die,  528.  K.-Bau  531.  K.- 
Plätze  531.     K.  und  Staat   529,   538. 

Kirsch    26,  288,  304. 

Kitunahas,  die,  137,  139. 

Klamath  137,  139. 

Klee  292.    K.-Arten,  die,  236. 

Klima.  Unmittelbare  Wirkungen  19.  K. 
und  Landwirthschaft  17,  222  f.,  288. 
K.  und  Krankheiten  20.  K.  und  Ver- 
kehrsleben 19,  420,  501  f. 

Klippart,  J.  H.,  246. 

Klöster  540. 

Knickerbockers  599. 

Knistenaux  136. 

Knownothings,  die  Partie  der,  92. 

Knoxville  Tenn.  262,  404,  671. 

Kobalt  348. 

Koch  343. 

Kohlen,  s.  Steinkohlen. 

Kolb  512. 


Register. 


745 


Kolibri  31. 

Korkeiche  289. 

Kornkammern,    die,  Nordamerikas    227. 

Körperbeschaffenheit  546. 

Körperschaften,    wissenschaftliche,    571. 

Kosten  des  Lebens  370. 

Krankheiten,  deren  geographische  Ver- 
breitung, 184. 

Kriegsamt  493. 

Krokodile  33. 

Kuhvogel  31. 

Kuklux-Clan  101. 

Kunst  545,  580. 

Kupfer  37,  346.  Am  Oberen  See  312,  345. 

Kupka  421. 

Kürbis  279. 

Küsten-Aufnahme  564,  565.  K. -Beleuch- 
tung 493.  K.-Gliederung  5.  K.-Gestalt 
8.    K.  -Vertheidigung  497. 

Laboulaye  591. 

Labrax  34. 

Lachse  34. 

Lackawanna- Becken  330.     L.  R.  413. 

La  Crescent  lo.  429. 

La  Crosse  Wisc.  433,  436,  698. 

Lafayette  Ind.  685. 

Lage,  Sicherheit  der,  10.  L.,  geogra- 
phische, 16.  L.,  innere  polit.  Wir- 
kungen 11. 

Lake  Shore  and  Michigan  Southern  -  E.  B. 
426. 

Lancaster  Pa.  649. 

Land-Arbeiter  254.  L.  Office  488.  L.- 
Preis 83,  193,  261.  L.-strassen  387. 
L.-wirthschaft  221,  240,  245,  s.  In- 
haltsverz.  VIL 

Lansing  Mich.  332,  695. 

Lapeer  Mich.  696, 

Laporte  Ind.  685. 

Laramie  Wyom.  712. 

Lärche,  die,  305. 

Laredo  Tex.  669. 

La  Salle  111.  348,  415,  692.  L.  S.-Distrikt 
332. 

La  Soledad  137. 

Laurenceburg  lud,  685. 


Lavabetten  231. 

Laveta-Pass  420. 

Lawrence,  H.,   569.     L.  K&ns.   707.     L. 

Mass.  374,  639. 
Leadville  Col.  316,  714. 
Leavenworth  Kans.  707. 
Lecompton  Kans.  707. 
Leconte  568. 

Leder-Gewerbe  381.    L.,  Hemlock-,  381. 
Ledum  latifolium  26. 
Lee  98,  259. 
Lehi  City  Ut.  718. 
Lehigh  Caual  413,  414.    L.  R.  392,  413. 

L.  Valley  324,  330. 
Lehrer  553.    L. -Besoldungen  553. 
Lehrmethode  552. 
Leinen  -  Gewerbe  374. 
Leisler,  Jacob,  164. 
Leontodon  24. 

Lepus  americanus  28.     L.  silvaticus  29. 
Lesquereux  566. 
Leutze,  E.,  581. 
Levin's  Cave,  die,  348. 
Lewis  564.     L.  and  Clarke's-Pass  42. 
Lewisia  rediviva  24. 
Lewiston  Id.  719.     L.  Me.  635. 
Lexington  Ky.  673.     L.  Mass.   638.    L. 

Mo.  678. 
Liberal- Republicans,  die  Partei  der,  102. 
Liberia  200,  207.     Handel  mit  L.  469. 
Licking  R.,    Schiffbarkeit  404. 
Lieber,  Franz,  569. 
Lincoln  94,  98,  257.     L.  Nebr,  705. 
Linden  304. 
Lionsfalls  N.  Y.  412. 
Litchfield  111.  693. 
Literatur  573.    L.,    Stellung   zum   Volk 

578.   L.  und  Sittlichkeit  613.   Literar. 

Hervorbringungen,  geringe  Zahl  572. 
Lithographiesteine  386. 
Little  Rock  Ark.  675. 
Lobelia  cardinalis  26. 
Local  Respongability  549. 
Located  Land  264. 
Locke  63. 

Lock  Haven  Pa.  414,  649. 
Lockport  N.  Y.  411,  645. 


746 


Register. 


Logansport  Ind.  686. 

Löher,  F.,  165,  166. 

Löhne  263,  316,  369.    L.  der  Neger  214. 

Long  564. 

Longfellow,  H.  W.,  575,  577,  578. 

Longview  Tex.  420. 

Loon  33. 

Lorenz -Strom,  Schiffbarkeit  404. 

Los  Angeles  Cal.  90,  724. 

Louisiana  665.  Bevölkerung  181,  187, 
188,  193.  Einwanderung  173,  174. 
Eisenbahn  394.  Geschichtl.  80,  82, 
94,  103,  479.  Handel  433.  Indianer 
152.  Landpreis  262.  Landwirthschaft 
227,  247,  260,  267,  283,  286,  288. 
Neger  198,  203,  204,  205,  206,  208, 
215.  Rhederei  435,  437.  Schiffahrt 
438.    Wald  304.  —  L.  Mo.  678. 

Louisville  Ky.  300,  326,  403,  417,  427, 
429,  672.  L.-New  Albany-Chicago- 
E.B.  429.    L.  and  Nashville-E.B.  427. 

Lowell,  J.  R.,  575.  L.  Mass.  374,  379, 
639. 

Loxia  curvirostra  31. 

Ludington  Mich.  429. 

Lupinus  littoralis  24. 

Lutheraner  535,  539. 

Lutra  canadensis  30. 

Lycoperdon  solidum  25. 

Lyell,  Ch.,  49,  193,  244,  245,  255,  329, 
545,  566,  578,  607. 

Lynchburgh  Va.  415,  655. 

Lynn  Mass.  357,  638. 

Lyons  lo.  702. 

Mac  Farlane  335.     M.  Gregor  lo.    701. 
Machias  Me.    434,   438,    443,   634.     M. 

Port  635. 
Mackinaw  Mich,  696. 
Macomb  111.   692. 

Macon  Ga.  406,  429,  659.    M.  Mo.  678. 
Madison  584.  M.  Ind.  685.  M.  Mich.  698. 
Maginnis,  A.  J.,  447. 
Mahanoy  Pa.  330,  649. 
Mahoning  326,  330. 
Mahony-Thal  415. 
Mährische  Brüder  535.. 


Maine  633.  Bevölkerung  180,  181,  188. 
Fischerflotte  441.  Geschichtlich  58,  82. 
Gewerbe  251.  Küste  5.  Landwirthschaft 
260.  Rhederei  435,  437.  Schiffahrt 
438.  Wald  304.  —  M.  Central -E.  B. 
428. 

Mais  44,  248,  271,  274.     M.-zucker  284. 

Mallery,  Col.  G.,  142. 

Malone  N.  Y.  644. 

Mammoth  Bed,  das,  328. 

Manchester  N.  H.  635. 

Mandans  136, 

Mandeln  289. 

Mandrake  24. 

Manhattan  5,  58,  150. 

Manistee  Mich.  696. 

Manitowoc  Wisc.  698. 

Mankota  Minn.  700. 

Manly  Junction  lo.  429. 

Mansfield  0.  683. 

Maquoketa  lo.  703. 

Marblehead  Mass.  441,  443,  639. 

Marder  30. 

Maricopas  418. 

MariettaO,  97,682.  M.-Cincinnati-E.B. 
429. 

Märineamt  498. 

Marmor  350. 

Marquette  144,  323,  327,  696. 

Marschthee  26. 

Marsh,  0.,  567. 

Marshalls  335. 

Marshall  Mich.  696.     M.  Tex.  426. 

Marshalltown  lo.  703. 

Marthe  12. 

Martineau,  H.,  199,  204,  543,  619. 

Maryland  651.  Bergbau  322,  324,  325, 
331,  335.  Bevölkerung  176,  177,  180, 
181.  Eisenbahnen  420.  Geschichtlich 
57,  59,  95.  Krankheiten  184.  Lage  43. 
Landwirthschaft  270,  285,  288.  Neger 
198,  208.  Rhederei  434,  435,  437. 
Steuern  508,  509.  Schiffahrt  438. 
Wald  304. 

Marysville  Cal  724. 

Mascalonge  34. 

Maschinenarbeit  363,  364.     M.-bau  377. 


Register. 


747 


Massachusetts   637.     Bergbau  321,  327, 

348.  Bevölkerung  176,  180,  181,  185, 
186,  188,  191,  193.  Census  182. 
Eisenbahn  419,  420.  Fischerflotte  441. 
Geschichtlich  56,  73,  103.  Gewerbe 
251,  366,  374,  381.  Landwirthschaft 
224,  260,  261,  274.  Neger  196,  208. 
Polit.  Stellung  506,  507.  Rhederei  435, 
437.  Schiffahrt 438.  Survey  566.  Unter- 
richt 548.  Verkehr  393,  433.  Wald  304. 
—  M.  Bay  266. 

Masse  und  Gewichte  492,  505. 

Mässigkeitsvereine  533. 

Massillon  0.  326,  683. 

Matagorda  Tex.  668. 

Manch  Chunk  Pa.  392,  413,  649. 

Maulbeere  26,  288. 

Maumee  R.  415,  503. 

Maury  565. 

Maysville  Ky.  673. 

Medicin  568. 

Melone  279.    M.-baum  25. 

Memphis  96,    427,    429,   433,   436,   527, 

671.   Handel  466.     M.  and  Charleston- 

E.  B.  429. 
Menasha  Wisc.  429. 
Mendham  349. 
Mendota  111.  692. 
Mephitis  virginiana  29. 
Merced  Cal.  431. 
Meridian  Miss.  429. 
Merrimak  R.  378. 
Methodisten  535,  538. 
Mexico,  Handel  mit,  468,  470,  471,  474. 

Schiffsverkehr  442, 443,  446.    M.,  polit. 

Beziehungen  88,  90,  102,  201.  M.  Mo. 

678. 
Miami  0.  436,  444.    M.-Canal  415.     M. 

River  415. 
Michigan  694.    Bergbau  324,  332,  335, 

349.  Bevölkerung  181,  193.  Eisen- 
bahn 419.  Geschichtlich  92,  104. 
Kohlenbecken  332.  Krankheiten  184. 
Landpreis  262.  Landwirthschaft  260, 
276,  285.  Neger  198.  Rhederei  436, 
437.  Schiffahrt  438.  Survey  566. 
Unterricht  550.  Viehzucht  300.    Wald 


304.  —  M.  Central -E.  B.  427.  M.City 
111.  429.     M.  Ind.  434,  436,  445,  685. 

Middlessex  Canal  326,  388;  391. 

Middleton  Conn.  434,  436,  444,  640. 

Middletown  N.  Y.  428,  645.  M.  Penn. 
413. 

Mildthätigkeit  534,  556. 

Mill  Creek  Bridge  0.  429. 

Milledgeville  Ga.  188,  660. 

Milwaukee  Wisc.  300,  327,  434,  436,  445, 
463,  466,  698. 

Mine  R.,  Schiffbarkeit  401. 

Mineralschätze  35. 

Mineralische  Düngstoffe  251. 

Minister  485,  486  f. 

Mink  30. 

Minneapolis  Minn.  700. 

Minnesota  Wisc.  699.  Bevölkerung  174, 
181,  187,  188, 193.  Geschichtlich  104. 
Indianer  141,  158.  Krankheiten  184. 
Landwirthschaft  233,  260,  276,  282. 
Rhederei  436.  Schiffahrt  438,  445. 
Wald  304,  306. 

Minnewit,  P.,  164. 

Mischehen  597. 

Missiones  153.     Missionswesen  532. 

Mississippi,  663.  Bevölkerung  173,  175, 
180,  181, 187, 188.  Eisenbahn  394,  419. 
Geschichtlich  80,  82,  94.  Krankheiten 
184.  Landwirthschaft  247,  260.  Neger 
198,  205,  208,  215.  Rhederei  435,  437. 
Schiffahrt  438.  Verkehr  399.  Wald  304. 
M.  River  5,  10,  36.  M.- Becken  13. 
M.,  Eisbedeckung  401.  Dämme  402. 
Boote  403.  Schiffbarkeit  41,  397,  401. 
Tiefe  402.  —  M.  u.  S.  Lorenz  416. 

Missouri  675.  Bergbau  305,  311,321,  323, 
324,  332,  335,  347,  348.  Bevölkerung 
173,  180,  181,  187,  188,  194.  Eisen- 
bahn 394,  419.  Geschichtlich  82,  94, 
95.  Kohlenfeld  322.  Landpreis  262. 
Landwirthschaft  271,  275,  278,  282, 
284,  285,  301.  Neger  198,  203,  207, 
208.  Rhederei  437.  Schiffahrt  438, 
439.  Viehzucht  297,  300.  Weinbau  289. 
—  M.-Compromiss,  83,  92,  200,  201. 
M.-Region,  326.    M.,  Kansas  u,  Texas- 


748 


Register, 


E.ß.   428.    M.  Pacific-  E.B.  430.    M. 

River,  Schiffbarkeit  397,  401,  404. 
Mittel- Amerika,  Handel  mit,  468, 470,  472. 
Mittelstaaten  504.    Atlantische  504.    M. 

des  Inneren  504.  M.,  Eisenbahnen  419, 

420.   Schulen  615.  Wasserstrassen  401. 
Mobile  AI.  5,  427,  436,   445,  464,   527, 

663.     M.  and  Ohio-  E.  B.  427. 
Modoc-Krieg  155. 
Mohawks  136. 
Mohawk  R.  411. 
Mohicans  135. 
Moline  111.  691. 
Molothrus  pecoris  31. 
Molybdän  349. 
Mongoloiden,  die,  108,  112. 
Monitors  361. 
Monmouth  111.  76,  692. 
Monongahela,  Schiffbarkeit  404. 
Monroe,  James,  82,  515.     M.-Doktrin  87. 

M.  Mich.  429,  695.    M.  Va.  498. 
Montana  710.     Bergbau  315,   337,  341, 

345,  347.     Bevölkerung  180,  186,  187. 

Fruchtbarkeit  232.     Indianer  141,  146. 

Verkehr  420.    Wald  304. 
Monterey  Cal.  723.     M.  in  Coahuila  90. 
Montezuma  N.  Y.  412. 
Montgomery  75.     M.  AI.  663. 
Montpelier  Vt.  636. 
Montreal,   Durchgangshandel,   473.     M. 

Cau.,  Handel  417. 
Monument  Point  Ut.  719. 
Moose  28. 

Moqui  Pueblos  136. 
Morgan,  H.,  110. 
Mormonen,  die,  93,  230,  535. 
Morris  -  Essex  Canal  413,  414.    M.  Gov., 

574. 
Morse  361,  448. 
Morton  601. 

Morus  nigra  26.     M.  rubra  26. 
Moschusratte  29. 
Moskitos  35. 
Mosler,  C,  334,  376. 
Motley,  J.  L.,  576,  577. 
Mound  City  111.  692. 
Mounds  109. 


Mt.  Carbon  Penn.  414.     Mt.  Carmel   111. 

693.     Mt.  Desert  Me.  634.  Mt.  Diablo 

Mines  335. 
Movers  House  245. 
Mühlgewerbe  359,  380,  384. 
Mulatten,  Farbige  208. 
Muncie  Ind.  686. 
Münzen,  Colonial-,  358. 
Murfreesboro  Tenn.  97,  671. 
Muscatine  lo.  702. 
Muschelthiere  34. 
Muscle  Shoals  Tenn.  404. 
Musik  583. 
Muskegon  Mich.  696. 
Muskogees,  die,  137,  144. 
Mustela  pennanti  30.  M.  americana  30. 
Mutsun,  die,  137,  139. 

Nachtfröste  223. 

Nadowessi  143. 

Nähmaschinen  381. 

Nahrung,  s.  Ernährung. 

Nanticoke  330. 

Nantucket  Mass.  638. 

Napa  City  Cal.  724. 

Nashua  N.  H.  635. 

Nashville  Tenn.  671,  97,  186,  188,  326, 
404,  436.     N.  -  Chattanooga  -  E.  B.  428. 

Natchez,  die,  137,  138,  144.  N.  Miss.  664. 

Natchitoches  La.  667. 

Nationalbank,  die,  85,  460. 

Natur,  ihre  unmittelbaren  Wirkungen  auf 
den  Geist  des  Volkes  19,  45.  N.-be- 
dingungen  des  Verkehrs  40, 420.  N.  -  er- 
scheinungen  (grosse)  48,  49.  N.-gebiete 
13,47.    N.-gefühl  50,  577. 

Navajos  136. 

Naval  Academy  499. 

Navasotor  Tex.  668. 

Nebraska  704.  Bergbau  332,  334,  335, 
349.  Bevölkerung  180,  181,  187,  194. 
N.Bill  92,202.  Einwanderung  174. 
Geschichtlich  92,  104.  Indianer  140, 
141.  Krankheiten  184.  Landwirth- 
schaft  231,  275.  Neger  208.  Rhederei 
437.  Schiffsbau  438.  Wald  304.  — 
N.  City  Nebr.  705. 


Register. 


749 


Neger,   174,  195  f.  s.  Inhaltsverz.  VI.   N, 


als  freie  Arbeiter  211.  Freigelassene 
199,  203,  205.  Mischlinge  174,  209. 
Polit.  Stellung  205.  Schulen  199,  201, 
552.  Sklaven  53,  195,267.  Sterblichkeit 
184. 

Nemoa  U.,  Schiffbarkeit  401 

Neosho  Mo.  678. 

NeponsetR.  392. 

Neu  -  Almaden  345.    Neu  -  Amsterdam  58. 
Neu  -  Braunfels  Tex.    668.      Neuburg  ; 
(Deutsche)  164.  | 

Neuengland  -  Staaten  633.  Bevölkerung  : 
176,  188.  Canäle  391.  Eisenbahnen ' 
419,  420.  Fruchtbarkeit  224.  Ge- i 
schichtlich  52,  54.  Gewerbe  373,  374.  ' 
Indianer  150.  Kohlen  329.  Krank- 1 
heiten  184.  Lage  43.  Landwirthschaft  i 
526,  246,  248,  277.  Löhne  263,  369.  1 
Schulen  504.  Sklaverei  295.  Wasser- 1 
Strassen  401.     Neuengländer  172,598.1 

Neue  Welt  und  Alte  Welt  23,  27  f.  i 

Neu-Idria  345. 

Neu -Mexico  714.  Bergbau  334,  345, 
347.  Bevölkerung  181,  187.  Eisen- 
bahn 420,  426.  Geschichtlich  90,  92. 
Landwirthschaft  229.  Sklaven  201. 
Wald  304. 

Neu -Ulm  Minn.  700. 

Neuse  R.,  Schiffbarkeit  406. 

Nevada  716.  Bergbau  307,  315,  316, 
318,  335,  337,  341,  342,  349.  Bevöl- 
kerung 180,  181,  187,  193.  Eisen- 
bahn 419.  Geschichtlich  104.  Indianer 
141.  Landwirthschaft  230.  Schulen 
550.     Strassen  431. 

Nevassa  Island  251. 

Newark  N.  J.  646,  348,  436,  444,  512. 
N.  0.  683. 

New  Albany  Ind.  429,  685.  N.  Bedford 
Mass.  434,  441,  444,  638.  Newberry 
566.  N.  Brunswick  N.  J.  647.  N.  Buf- 
falo  Mich.  429,  696.  Newburgh  N.  Y. 
164,  644.  Newburyport  Mass.  345, 
441,  443,  639.  Newcomb,  S.,  566, 
570,  572.    N.  Geneva  Penn.  404. 

New  Hampshire  635.     Bevölkerung  176, 


181.     Bergbau    342,   348.     Geschicht- 
lich  58,    73.      Landwirthschaft    224. 
Rhederei  435,  436, 437, 441.   Wald  304. 
New  Harmony  Ind.  685.   N.  Haven  Conu. 
435,  444,  555,  558,  640.    N.  Haven  Ky. 
540. 
New-Hope  Church  97. 
New  Iberia  La.  667. 

New  Jersey  645.  Bergbau  321,  323,  324, 
325,  346,  348,  350.  Bevölkerung  176, 
177,  180,  181,  188,  193.  Finanzen  512. 

I  Geschichtlich  60.  Gewerbe  374.  Krank- 
heiten 184.  Lage  43.  Landwirthschaft 
251,  288,   290.    Rhederei   435,   437. 

j      Schiffsbau  438.    Unterricht  550.    Wald 

'     304. 

I  New  London  Conn.   434,  441,  444,  640. 

I      N.  Madrid  Mo.  185,  678.     N.  Meileray 

I      lo.  540. 

I  New  Orleans  665,  7,  82,  95.  Bevölkerung 

j      186,    188.    Gesellschaft  622.    Handel 

I      464,  675.     H.-Stellung  472.     Rhederei 

,      434,  436.     Schiffsverkehr  445.     Ver- 
kehr 396,  402,  403,  427. 
Newport  R.  I.  428,  435,  441,  444,   641. 

N.  Tacoma  W.  T.  727. 
Newton,  Henry,  325. 
New  York  (Staat)  642.  Bergbau  321, 
322,  324,  325,  349,  351,  352.  Bevöl- 
kerung 176,  180,  181,  186,  188,  193. 
Canäle  391,  411.  Einwanderung  171, 
174.  Eisenbahnen  419,  420.  Ge- 
schichtlich 58,  84,  103,  104.  Gewerbe 
281,  366,  374,  385.  Indianer  140,  141, 
146,  150.  Krankheiten  184.  Lage  43. 
Landpreis  262.  Landwirthschaft  237, 
246,  261,  266,  270,  277,  278,  285,  286, 
287,  288,  301.  Politik  506.  Rhederei 
435,  436,  437,  438,  441.  Schulen  548, 
550,  559.  Schiffsbau  438,  439.  Spar- 
banken 369.  Steuern  508,  509.  Strassen- 
eisenbahnen  433.  Survey  465,  566. 
Verkehr  360.  Viehzucht  294,  297,  300. 
Wald  304.  Wasserstrassen  401.  Wein- 
bau 289. 

New  York  (Stadt)  643.  Bevölkerung  177. 
Finanzen  511.    Geist.  Hauptstadt  622. 


750 


Registei*. 


Geschichtlich  59,  104.  Gewerbe  353, 
375.  Hafen  7.  Handel  417,  464. 
Handelsstellung  15,  472.  Kirchen  536, 
582.  Lage  8,  24.  Milde  Werke  534. 
Politik  521.  Rhederei  434, 436.  Schulen 
550.  Verkehr  397,  411.  Wachsthum 
391,  410. 

New  York  -  Buffalo  -  Strasse  432.  N.  Y. 
Central  and  Hudson  R.-E.B.  409,  427, 
465.  N.  Y.  and  Oswego  Midland -E.B. 
428. 

Nez  Perces  133,    Nez  Per ces  -  Krieg  155. 

Niagara  R.  411.    N.  Falls  N.  Y.  645. 

Nickel  348. 

Niederlande,  Handel  mit,  468.  Schiffs- 
verkehr 442. 

Niles  Mich.  697. 

Nimmo  465. 

Niobrara  Nebr.  606. 

Nodowa  R.,  Schiffbarkeit  401. 

Nomadischer  Zug  706. 

Non-Importation  Societies  358. 

Nordamerikaner,  der,  Abstammung  513. 
Anthrop.  Merkmale  600.  —  Begabung : 
Beredsamkeit  517,  576.  Erfindungs- 
geist 379,  563.  Erwerbssinn  458. 
Findigkeit  219.  Handelstalent  454, 
456.  Lerntrieb  547.  Nachahmungs- 
trieb 622.  Opferfähigkeit  517.  Ord- 
nungssinn 516.  Politische  Fähigkeiten 
513,  605.  Talent  für  Politik  513,  für 
Religion  528,  529.  Unternehmungs- 
geist 367. —  Bildung  547,  557.  Un- 
gründlichkeit  570.  —  Charakter  :  Be- 
geisterungsfähigkeit 544.  Beweglich- 
keit 316,  606.  Egoismus  611.  Ge- 
horsam 516,  519.  Geldsucht  544,  620. 
Grossmuth  620.  Grundstimmung  605. 
Höflichkeit  607.  Optimismus  367,  619. 
Sentimentalism  561.  Titelsucht  622. 
Verstandesmensch  611.  —  Jugend,  die, 
des  Volkes  183,  616.  Körperbeschaf- 
fenheit 546.  Mittlere  Lebensdauer  257. 

N.  Carolina  655.  Bergbau  308,  321, 
326,  334,  335.  Bevölkerung  176,  177, 
181,  188.  Einwanderung  173,  174. 
Eisenb.  420,  428.    Freigelassene  215. 


Fruchtbarkeit  224.  Geschichtlich  62, 
94.  Indianer  141.  Landwirthschaft 
247,  251,  258,  285,  301.  Neger  196, 
198,  208.  Rhederei  435,  337.  Schiffs- 
bau 438.     Wald   304.     Weinbau  289. 

Nordhoff,  Ch.,  211,  213. 

Nördliche  Binnenstaaten  679.  Nördl. 
Mittelstaaten,  Getreide  248. 

Nord  und  Süd  13,  78,  83,  84,  503.  N. 
u.  S. -Länder  21. 

Nordwest-Grenze  102.  NW.-Staaten  277, 
504,  693.     Neue  NW. -St..  504. 

Norfolk  Me.  434.  N.  Va.  655,  7,  413, 
427,  434,  436,  444,  464. 

Normal  Schools  554. 

Norristown  Pa.  649. 

Northern  Pacific -E.B.  426. 

Northampton  Mass.  639. 

Northwood  lo.  430. 

Norweger  163. 

Norwich  Conn.  640. 

Nott  und  Gliddon  199. 

Nueces  R  ,  Schiffbarkeit  406. 

Nullification  79,  505. 

Nuklukayette  AI.  730. 

Nutzholz,  das,  308. 

Oakland  Cal.  723,  724 

Oberer  See,  Eisen  313,  321,  322.  Kupfer 

312.     Schiffahrt  407. 
Obstbau,  der,  237,  287. 
Oceanische  Culturstellung  6. 
Ockmulgee  L  T.  710.    0.  R.  406. 
Oeff.  Ländereien   263,    481,    548.     Oeff. 

L.  an  Eisenbahngesellschaften  264. 
Oelbaum,  der,  253,  267,  289. 
Ogden  City  Ut.  425,  718. 
Ogdensburgh  N.  Y.  644,  428. 
Ohio  680.     Bergbau  324,  331,  335,  349, 

351,  352.    Bevölkerung  180,  184,  186, 

188.    Canäle  411,  415.   Eisenbahn  419. 

Finanzen  512.     Geschichtlich  84,  104. 

Gewerbe  384,   385.     Krankheiten  184. 

Lage  43.     Landwirthschaft  246,   260, 

261,  269,  275,  276,  277,  278,  284,  285, 

288.    Neger  208.     Rhederei  436,  437. 

Schiffsbau   438.     Schulen  548.    Vieh- 


Register. 


751 


Zucht  295,  297,  300.  Wald  304.  Wein- 
bau 289.  —  O.-Canal  415.  O.-Com- 
pagnie  68.  0.- Gebiet  171.  Landwirth- 
schaft  248,  276,  283.  O.-Mississippi- 
E.B.  429.  O.R.,  Schiffbarkeit  404. 

Oil  City  Pa.  428,  650. 

OldColony-E.  B.  428. 

Olean  N.  Y.  412. 

Olney  111.  693. 

Olympia  W.  T.  727. 

Oneida  N.Y.  136,  645. 

Omaha  Nebr.  705,  231,  404,  425,  426,  436. 

Oneida  N.  Y.  294. 

Onondaga  N.  Y.  136,  394. 

Onophylla  25. 

Oenothera  24. 

Ontario-See,  Verkehr  411,  412. 

Opelousas  La.  667. 

Opferfähigkeit  517. 

Opossum  29. 

Optimismus  367,  619. 

Opuntien  25. 

Orangen  237. 

Ordinanz  von  1787  82. 

Ordnungssinn  516. 

Oregon  724.  Bergbau  335,  337,  341,  349. 
Bevölkerung  180,  181,  187.  0.  Bill  90. 
Eisenbahn  419.  Geschichtlich  89,  90, 
104.  Grenzfragen  479.  Indianer  140, 
141.  Landwirthschaft  232,  260,  276, 
282.  Rhederei  436,  437.  Schiffsbau  438. 
Wald  304.  —  0.  City  Or.  726.  O.- 
California -  E.  B.  430. 

Oriol  31. 

Ortyx  virginianns  32,  33. 

Osages  136. 

Oshkosh  Wisc.  699. 

Oskaloosa  lo.  702. 

Oesterreich,  Handel  mit,  468.  Schiffs- 
verkehr 442.     Oesterreicher  163,  165. 

Oswegatchie  N.  Y.  444. 

Oswego  N.  Y.  412,  428,  436,  437,  444, 
645. 

Oswego -Canal  410,  412. 

Otis,  James,  71,  576. 

Ottawa  111.  692. 

Otter  30. 


Ottumwa  lo.  702. 

Otus  vulgaris  31. 

Owatonna  Minn.  700. 

Owego  N.Y.  645. 

Owen,  D.,  566. 

Owens  R.,  das  Minengebiet  am,  344. 

Owensboro  Ky.  673. 

Pacific-Bahn  419,  421,  425.  P.  Mail  S. 
S.  Cy.  440.  P.  Slope  14,  45.  P.  Station 
Mo.  430. 

Pacifische  Küste  9,  248.  P.  Staaten 
504.  Eisenbahnen  419, 420.  Landwirth- 
schaft 248,  263,  276,  370. 

Packard  567. 

Pah-Utes,  die  Sprache  der,  143,  156. 

Paine,  Thomas,  74. 

Palfrey  124,  576. 

Pamlico  N.  C.  435,  444.     P.-Sund  413. 

Palmetto  (Chamaerops)  25. 

Palo  alto  90. 

Panama -Congress  88. 

Panoche  25. 

Panther  30. 

Paola  Kans.  707. 

Papageien  31. 

Papaya  vulgaris  25. 

Papiergeld  77. 

Paris  111.  348,  693. 

Parker  352. 

Parker,  Theod.,  576. 

Parkersburg  W.  Va.  674. 

Parks  50. 

Parteien,  die,  517. 

Partikularismus  505,  514. 

Partridges  32. 

Paso  del  Norte  Mex.  90,  399,  406,  444. 

Passamoquoddy  Mex.  435,  441,  443. 

Patapsco  R.,  Schiffbarkeit  406. 

Patente  365.    P.-Amt  365,  366,  489. 

Paterson  N.  J.  375,  647. 

Pawnee  137,  138. 

Pawtucket  R.  I.  374. 

Pay  dirt  340. 

Pea-Nut  289. 

Peapack  349. 

Pedigree  of  the  U.  S.  169. 


752 


Begister. 


Pearl  R.  Miss.  435,  445. 

Pekan  -Nuss  25. 

Pekin  111.  429,  692. 

Pelzwerk  308. 

Pemaquid  Me.  634. 

Pend-Oreilles,  die,  146. 

Penikese  Island  Mass.  638. 

Penn,  William,  60,  61,  71,  150. 

Pennsylvania  647.  Bergbau  321,  323, 
325,  331,  335,  348,  349,  350,  351. 
Bevölkerung  176,  177,  180,  181,  186, 
188.  Canäle  412.  P.-Canal  410,  412, 
413,414.  Dutchmen  164,599.  Eisenbahn 
419,  420.  Geschichtlich  61,  83,  104. 
Gewerbe  281,  366,  374,  385.  Indianer 
140,  150.  Krankheiten  184.  Lage  43. 
Landwirthschaft  246,  261,  270,  276, 
278.  Rhederei  435,  437.  Schiffsbau  438. 
Sklaven  196.  Survey  565,  566.  Ver- 
kehrswege 391.  Viehzucht  294,  297, 
300.  Wald  304.  Weinbau  289.  — 
P.-E.B.  427,  465. 

Pensacola  Fla.  7,  82,  444,  661. 

Pentwater  Mich.  429. 

Peonen  -  Arbeit,  die,  205. 

Peoria  111.  692. 

Pequod  Conn.,  Gewerbe  357. 

Pequod  -  Kriege  (Indianer)  150. 

Perch  34. 

Perryville  96. 

Persiraon  25. 

Perth  Amboy  N.J.  436,  444,  647. 

Peru,  Handel  mit,  468,  470,  472.  P.  111. 
692.    P.  Ind.  686. 

Peschel,  0.,  23,  26. 

Petersburg  Penn.  413.  P.  Va.  98, 444,  655. 

Petit  Sioux,  Schiffbarkeit  401. 

Petosky  Mich.  429. 

Petrolia  Penn.  430. 

Pfirsiche  237,  287. 

Pflanzen,  nutzbare,  22,  26. 

Pflanzer,  die,  259. 

Pflaume,  K.,  242. 

Pflaumenbaum  25,  26,  288. 

Pferde  295. 

Philadelphia  648.  Bevölkerung  171,  176, 
177.    Finanzen  511.    Gesellschaft  622. 


Geschichtlich  104.  Gewerbe  350,  353, 
374.  Handel  464.  H.-Stellung  472.  Lage 
7,  472.  Landpreis  262.  Rhederei  434, 
436,  437.  Schiffsverkehr  444.  Strassen 
433.  Verkehr  391,  413.  —  Ph.  and 
Erie-E.B.  428.  Ph.-Reading-E.B. 
410,  424,  428.  Ph.-Pittsburg-Strasse 
432. 

Philipp,  König,  150. 

Philippinen,  Handel  mit,  468,  470,  472. 
Schiffsverkehr  442. 

Philippsburg,  N.  J.,  313,  325.  Ph.  Penn. 
413. 

Phillips,  Wenden,  576. 

Phosphorit  251,  350. 

Photographie  384. 

Phytolacca  24. 

Piedmont  Country  653. 

Pike  564. 

Pilatka  Fla.  661. 

Pilot  Knob  321,  323,  326. 

Pirnas  418. 

Pine  Barrens  225.     P.  Lands  306. 

Pifions  25. 

Pinus  edulis  25,  Lambertiana  26. 

Piqua  0.  683. 

Pirol  31. 

Pittsburg  Pa.  650.  P.  Bed,  das,  328. 
Bergbau  323,  325,  326,  331,  351.  Erdöl 
353.  Fort  Dequesne  68.  Handel  466. 
Rhederei  436.  Schiffsverkehr  444.  Ver- 
kehr 391,  403,  404,  414,  429.  —  ?.- 
Cincinnati-S.  Louis -E.  B.  429.  P.,  Ft. 
Wayne  and  Chicago -E.  B.  427.  P.  Lan- 
ding  Tenn.  95,  671. 

Pittston  Pa.  330,  649. 

Plank  Road  431. 

Platte  R.,  Verkehr  398,  401. 

Plattsburgh  N.Y.  644. 

Plattsmouth  Nebr.  705. 

Pleasant  Hill  Mo.  678. 

Plovers  33 

Plymouth  Ind.  686.  P.  Mass.  638.  Colonie 
V.,  52,  54,56.  Bevölkerung  176.  Fischer- 
flotte 441.     Schißsverkehr  443. 

Pocahontas  Ark.  675. 

Poco  Wilderness  647. 


Register. 


753 


Podophyllum  callicarpum  24. 

Poe,  E.A.,  575,  577,  578,  613. 

Poesie  der  Indianer  124.    P.  des  Lebens 

der  Nordamerikaner  579.    P.  der  Oert- 

lichkeiten  543. 
Point  Pleasant^  W.  Va.  674. 
Poison  Ivy  26. 
Politik  85,  513.   P.  Fähigkeiten  513,  605. 

P.Leben  588.     P.  Undankbarkeit  515. 
Polk,  Präsident,  89. 
Poll  Tax  508. 
Pomeroy  0.  682. 
Pornos  137.    P.,  die,  139. 
Pontchartrain  -  Canal  418. 
Pontiac  Mich.  151,  696. 
Poor,  H.  V.,  508. 
Poore,  B.  P.,  265. 
Porcher,  Dr.,  26. 
Port  Austin  Mich.  695.    P.  Carbon  Penn. 

413.     P.  Henry  N.Y.  644.    P.  Hudson 

97.     P.    Huron   Mich.   429,    695.    P. 

Royal  S.  C.  658.   P.  Washington  0.  326. 
Portage  Wisc.  698. 

Porter  and  Allen  379.     P.,  R.  P.,  507. 
Portland  Me.    428,   434,   436,  441,  443, 

474,  582,  633,  634.   P.  Mich.  696.    P. 

Or.    430,    726.     P.  -  Louisville  -  Canal 

417. 
Portorico,  Handel  mit,  468,  470,  471. 
Portsmouth  N.  H.  635,  443.     P.  0.  329, 

415,  682.    P.  Va.  436,  655. 
Portugal,    Handel    mit,     468.      Schiffs- 
verkehr 442, 
Portugiesen  163,  594. 
Post  447.    P. -Dampfer  440,  448. 
Potomac  413.     Schiffbarkeit  388,  406. 
Pottsville  Pa.  322,  325,  413,  428,  649. 
Poughkeepsie  N.  Y.  644. 
Pourtales  567. 
Powell,  J.  W.,  143,  155. 
Powers  568. 
Prachtfink  31. 
Präriebrennen,    das,    242.      P. -Farmer 

242.     P.- Gräser  236.      P.-Huhn    32. 

P.- Lerche  3L     P. -Staaten  279,   504, 

705.     P.  du  ChienWisc.  433,  698. 
Präsident  der  V.  St.  484.     P.-Wahl  522. 

K  a  t  z  e  1 ,  Amerika  II. 


Presbyterianer  535,  536. 

Prescott,  W.  H.,  575,  577,  578.  P.  Ar.  716. 

Presse,    die,    584.      Anzeigewesen   587. 

Corruption   589.     Grundgedanke   585. 

Skandal -P.  613.     Stellung  588. 
Primary  Schools  551. 
Princeton  N.J.  647.     P.  Ky.  673. 
Procyon  lotor  29. 
Prospector  317. 
Providence  R.  L  641,  57,  330,  374,  383, 

444,  436,  582. 
Provincetown  Mass.  638. 
Provo  City  üt.  718. 
Prunus  chicasa  26. 
Public  Schools  551. 
Pudget  Sound  8. 
Pueblo  Col.  713. 
Pueblos  153.    P.- Sprachen  137. 
Puget  W.  T.  436,  444. 
Pujuni  137. 
Pulaski  Tenn.  671. 
Puma  30. 
Puritaner  55,  528. 
Putorius  30. 

Quail  32,  33. 

Quäker,  Sklaverei  195,  535. 
Quebek  68. 

Quecksilber  37,  312,  313,  345. 
Quercus  castanea  25. 
Queres  137. 

Quincy  111.    429,   433,   691.     Qu.  Mass. 
392.     Qu. -Missouri -Pacific  430. 

Raccoon  29. 

Racine  Wisc.  429,  696. 

Rahway  N.  J.  512,  647. 

Raleigh  N.  C.  349,  656.   R.,  Walter,  52. 

Ralston  Creek  335. 

Randolph,  P.,  72. 

Raritan  R.  413. 

Rattoons  283. 

Raubthiere  29. 

Raymond,  R.  W.,  321,  331,  337,  342. 

Reading  Penn.  325,  413,  649. 

Rebe,  die,  236. 

Rebhuhn  33. 

48 


1U 


Register. 


Recht  507.  R.  -  Anschauungen  313.  R.- 
Anwälte 558.  R.- künde  557.  R. -sinn 
515. 

Reconstruction  99,  100,  101. 

Redbird  31. 

Red  Bluif  Cal.  406.  R.  R.  City  Tex.  430. 
R.  R.  of  the  N.,  Schiffbarkeit  397. 
R.  R.  Tex.,  Schiffbarkeit  403. 

Reed,  H.,  13. 

Reese  R.  344. 

Reformirte  535,  539. 

Regierung,  die,  der  Indianerstämme  120. 

Reichthum  545,  619. 

Reis  286.    Berg-R.  291.     R.  -  vogel  31. 

Religions  -  Freiheit  60,  513.  R.  Leben 
530.  R.  und  politisches  Leben  538. 
R.- Sekten,  grosse  Zahl  der,  532.  R.- 
Vorstellungen der  Indianer  121.  Reli- 
gious  Tests  529,  530. 

Reno  Nev.  343,  717. 

Rensselaer  Polytechnic  Institute  558. 

Renthier  28. 

Reports  of  the  Department  of  Agriculture 
252. 

Reptilien  33. 

Republikaner  482,  518,  520.  Republika- 
nische Partei  92^  93. 

Resaca  97. 

Reservationen  154,  503. 

Resumption  491. 

Rettung  Schiffbrüchiger  493. 

Reuleaux,  F.,  363,  364,  378,  382. 

Rhabarber  279. 

Rhederei  434,     Rückgang  440. 

Rhode  Island  641.  Bergbau  327,  335. 
Bevölkerung  176,  180;  181,  183,  185, 
188,  193.  Geschichtlich  57,  73.  Ge- 
werbe 374.  Landwirthschaft  251,  260. 
Rhederei  435,  437.  Schiffsbau  438. 
Sklaven  196.    Sparbanken  369. 

Rhus  toxicodendron  26,  venenata  26. 

Richardson  30. 

Richmond  Ind.  686.  R.  Va.  96,  186,  188, 
333,  406,  413,  444,  622,  654. 


Richthofen,    F. 
339,  340. 

Riley  568. 


319,   320,    336,    337, 


Rinder  292. 

Ringwalt,  Colonel,  295. 

Ringwood  325. 

Rio  Grande  90.   Verkehr  398,  399,  406, 
R.  G.  Tex.  669. 

Rittenhaus  361,  563. 

Roanoke  R.,  Schiffbarkeit  406. 

Robbinstown  Me.  432. 

Robin  31. 

Rohling  361. 

Roccus  34. 

Rochester  Minn.  700.     R.  N.  Y.  276,  391, 
411,  412,  645. 

Rock  Fish  34. 

Rockford  111.  692. 

Rock  Island  111.  401,  419,  433,  691.    R.  I 
Junction  111.  429. 

Rockland  Me.  634. 

Rockport  Mass.  639. 

Rock  Springs  335. 

Roger  Williams  (Indianer)  57,  150. 

Rogers  566.    R.,  J.  R.,  583.    ~ 

Roggen  235,  277. 

Roheisenerzeugung  310,  324. 

Rohstoffe  der  Gewerbe  39,  386. 

Rohrzucker  271. 

Rolland,  G.,  334. 

Rome  N.Y.   411,   412,   428,    645.     R., 
Watertown  and  Ogdensburg  -  E.  B.  428. 

Römer,  F.,  455. 

Röscher,  W.,  543. 

Roseburg  Or.  430. 

Rotheisenstein  am  Oberen  See  321. 

Rothwell,  R.  P.,  331,  334. 

Round  Valley  Reservation  145. 

Roxborough  Penn.,  Gewerbe  357. 

Roxburg  Mass.  638. 

Rubus  deliciosus  26. 

Ruinen  624. 

Rumford,  Graf,  563. 

Russellville  Ky.  673. 

Russland,   Handel   mit,   468.      Schiffs- 
verkehr 442. 

Saatkrähen  31. 
Saccomys  29. 
Saco  Me.  443 


Register. 


755 


Sacramento  Cal.  284,  406,  425,  722.  S. 
R.,  Verkehr  399,  406. 

Sag  Harbour  N.  Y.  434,  441,  644. 

Sagiuaw  Mich.  696. 

Saguarro  25. 

Sahaptin  136.     S.,  die,  138. 

S.  Albans  Vt.  636.  S.  Anthony  Minn. 
430,  700.  S.  Augustine  Fla.  661.  S. 
Clair  Mich.  695.  S.  Cloud  Minn.  700. 
S.  Genevieve  Mo.  678.  S.  Joaquin  R., 
Verkehr  399,  406.  S.  Johns  R.,  Schiff- 
barkeit 400,  406,  445.  S.  Joseph  Mo. 
430,  678.  S.  Joseph -Western-E.  B.  430. 
S.  Lorenz,  Verkehr  400.  —  S.  Louis 
676.  Bevölkerung  186,  188,  194. 
Geschichtlich  104.  Gewerbe  323,  326, 
333,  348.  Handel  463,  465,  466,  474, 
Rhederei  436.  Schiffsbau  438.  Verkehr 
401,  403,  416,  429,  403,  431.  S. 
L.-Alton-Terre  Haute  -  E.  B.  429.  S.  L.- 
Indianapolis -  E.  B.  429.  S.  L.-Iron  Mt- 
Southern-E.B.  430.  S.  L.-Kansas  City- 
Northern  -  E.  B.  430.  S.  L.-  S.  Francisco- 
E.B.  430.  S.L.-Santa  Fe -Strasse  431. 
S.  L. -South  Eastern-E.  B.  429.  — 
S.  Marks  82.  S.  Mary's  Ga.  432,  435, 
660.  S.  Mary's  R.  Mich.  405,  407,  417. 
S.  Paul  Minn.  231,  397,  401,  428,  700. 
S.Paul-Pacific-E.  B.  430. 

Salamanca  N.  Y.  427. 

Salary  Act  102. 

Salem  111.  693.  S.  Mass.  56,  441,  443, 
638.    S.  Or.  726. 

Salina  Kans.  707. 

Salt  Lake  City  üt.   718. 

Saluria  Tex.  445,  669. 

Salz  351,  412. 

Samana-Bucht  92. 

Sammlungen,  wissenschaftl.,  545,  567. 

San  Antonio  Tex.  228,  430,  668.  S. 
Bernardino  348.  S.  Diego  Cal.  426, 
445,  724.  S.  Domingo  102,  Handel  mit, 
469.  —  S.  Francisco,  Bucht  von,  6,  8. 
Geschichtlich  90,  104.  Handelslage 
345,  473.  Rhederei  434,  436,  441.  Ver- 
kehr 397,  425,  426,  432,  445.  — 
S.  Jacinto,   die  Schlacht  von,   89.     S. 


Jose  Cal.  724.  S.  Lazaro  Mts.,  die, 
335.  S.  Luis  Opisbo  137,  345,  724. 
S.  Miguel  137,  431.     S.  Raphael  137. 

Sandemanianer  535. 

Sandusky  0.  445,  683.  " 

Sa.  Barbara  Cal.  345,  724.  Sa.  Cruz  Is- 
land 137.  Sa.  Fe  N.  M.  42,  397,  398, 
399,  431,  474,  715. 

Santee  R.  406. 

Saratoga  N.  Y.  75,  644. 

Sauer,  Christoph,  357. 

Sauk  Cy.  Wisc.  284. 

Sault  de  St.  Mary  Mich.  696. 

Savannah  Ga.  7,  76,  97,  406,  429,  432, 
444, 464,  659.   S.  R.,  Schiffbarkeit  406. 

Saw-Gin-Maschine,  die,  267. 

Schafe  297,  301. 

Schatzamt  489. 

Schawanoe  152. 

Schekomeko  (Deutsche)  164 

Schenectady  N.Y.  392,  411,  645. 

Schiffahrt  401,  434. 

Schiffsbau  356,  438. 

Schildkröten  33. 

Schlangen  33. 

Schnurrvögel  31. 

Schoharie -Thal,  Deutsche  im,  164. 

Schoolcraft,  R.,  139,  564. 

Schotten  163. 

Schröder  421. 

Schuld  der  V.  St.  490.  Seh.  der  Staaten 
507.    Seh.  der  Gemeinden  511. 

Schulen  546.    Ausgaben  615. 

Schulzwang  550. 

Schurz,  Karl,  104,  306,  576,  586. 

Schutzzollpolitik  86. 

Schuylkill-Becken,  das,  330.  Sch.-Canal 
410,  413,  414.     Seh.  River  413. 

Schwämme,  essbare,  24, 

Schweden-Norwegen,  Handel  mit,  468. 
Schiffsverkehr  442. 

Schwedische  Colonien  164. 

Schwefel  349. 

Schweine  298. 

Schweizer  163,  165. 

Schwenkfelder  535. 

Schwerspath  350. 

48* 


756 


Register. 


Scott,  Gen.,  90,  91. 

Scotts  Landing  0.  429. 

Scranton  Pa.  325,  330,  649. 

Sea  Islands,  die,  208.  S.  I.  -  Baumwolle 
die,  239,  280. 

Seattle  W.T.  335,"  727. 

Secession  94,  505. 

Second  Adventists  535. 

Sedalia  Mo.  678. 

Seeadler  31. 

Seeger,  E.,  369. 

Seelhorst  386. 

Seen,  Grosse.  Canäle  417.  Schiffahrt  407. 
Schiifsunfälle  407.  S.-Fischerei  34.  S.- 
Staaten 504. 

Seewege  von  New  York  und  San  Fran- 
cisco 453. 

Seidengewerhe  375.  S.-zucht  267,  301. 
S.-schwanz  31. 

Seife,  Verbrauch  384. 

Sekten -Schulen  555. 

Select  Men  510. 

Seifmade  Men  547,  558. 

Selish  136,  138. 

Selkirk  Can.  428. 

Selma  AI.  188,  663. 

Seminolen  137,  142.    S. -Kriege,  die,  200. 

Senecas,  die,  136,  154. 

Seneca  Falls  N.  Y.  645.    S.-See411,  412. 

Sentimentalism  561. 

Sequoia  304. 

Serpentin  351. 

Settled  Area  189. 

Seven  Pines  96. 

Sevier  Cy.  348. 

Seybert  270. 

Shakers  535. 

Shamokin  330. 

Sharon  326. 

Sharpsville  326. 

Shawnees  136. 

Sheboygan  Wisc.  698. 

Sheffield  School  of  Science  558. 

Shelby  N.  C.  428.     Sh.  Iron  324. 

Shelbyville  111.  693.     Sh.  Ind.  686. 

Sheldon  Springs  Vt.  637. 

Shenandoa  Cy.  330. 


Shenango-Thal,  das,  325,  326 

Sherman  W.  T.  495. 

Shoshones,  die,  136,  138,  156,  159. 

Shreveport  Louis.  403,  666. 

Siala  31. 

Silber  37,  310,  312,  318,  342.  S.  Bill 
492. 

Signal  Office  494,  497. 

Silliman,  B.,  349,  572. 

Silver  Islet  345.     S.  Mt.  344. 

Sing-Sing  N.  Y.  644. 

Sioux  136.  S.,  die,  138, 143.  S.  City  lo.  702. 

Sitka  (Alaska)  730. 

Sittenstatistik  610.     Sittlichkeit  610. 

Skandinavier,  die,  168. 

Sklaven  und  Sklaverei  66, 95, 195.  Arbeits- 
leistung 279.  Befreiung  205.  Bei  den 
Cherokees  203.  S. -Einfuhr  198.  S.- 
Frage 99.  S.-Jagd  201.  S.  in  Cali- 
fornien  201.  S. -Märkte  199.  Zahl  197. 
Sklaverei  und  Zuckerbau  284. 

Skowhegan  Me.  635. 

Skunk  Cabbage  26. 

Slater  359. 

Slatington  Pa.  649. 

Smith,  Capt.,  52,  53,  54.     S.,  Gerrit,  584. 

Smithsonian  Institute  512,  571. 

Snags  401. 

Snipes  33. 

Socialistische  Parteien  104. 

Socorro  N.  Mex.  715. 

Soda  349. 

Soetbeer  342. 

Sommerlöhne,  die,  263. 

Sommerset  Ky.  673. 

Sommerville  Tenn.  671. 

Sonnenfische  34. 

Sonnenuntergänge  49. 

Sonntagsheiligung  532. 

Sonora  9. 

Sorghum  203. 

South  Bend  Ind.  685.    S.  Haven  Mich.  696. 

Southern  Pacific -E.B.  426. 

Southwestern-E.  B.  429. 

Spadra-Coal  333. 

Spanien  68,  76.  Sp.,  Handel  mit,  468, 
470,  471.   Schiffsverkehr  442.    Spanier 


Register. 


757 


163,  174,  594.  Spanisch-Californier 
316,  594.   Spanische  Abstammung  169. 

Sparbanken  369. 

Spartanburg  S.  C.  658. 

Sperber  31. 

Spielhagen  50. 

Spiritualisten  535. 

Spottsylvania  Va.  655. 

Spottvogel  31. 

Springfield  111.  685.  Spr.  Mass.  639. 
Spr.  Mo.  678.     Spr.  0.  683. 

Squier    109,    .568.      S.    and   Davis    109. 

Staar  31. 

Staatswesen  der  V.  St.  477 ,  s.  Inhalts- 
verz.  XIII.  Staat  und  Schule  550. 
Staaten -Souveränität  94. 

Stachelbeeren  26.     St. -seh wein  29. 

Stadt  und  Land,  Bevölkerung  191. 

Städte  15,  192,  511. 

Stahl  365,  376. 

Stamp  Act,  die,  71. 

Standard  Woods  308. 

Standing  Rock  Dak.  158. 

Stanley,  H.  E.,  585. 

Stansbury  566. 

Star  System  584. 

State  Department  486. 

Staten  Island  5,  644. 

Staunton  Va.  655. 

Steiger,  F.,  585. 

Steilacoom  W.  T.  727. 

Steinkohlen-Formation  36.  St.  -Lager  37, 
327. 

Steinöl  350. 

Steppenregion  13,  44,  227,  Staaten  der 
St.  703. 

Sterblichkeit,  die,  184. 

Stereoskop,  Verbreitung  386. 

Sterling  111.  692. 

Steubenville  0.  325,  682. 

Steuern  103,  370.  St.  der  V.  St.  489. 
St.  der  Staaten  508.  St.  der  Gemein- 
den 510. 

Stevens  142.  St.  Institute  558. 

Stevenson  AI.  429. 

Stewart,  F.  L.,  284. 

Stikin- Territorium  9. 


Still  water  Minn.  700. 

Stinkthier  29. 

Stockton  Cal.  406,  724.  St.  Schooners 
431. 

Stonington  Conn.  441,  444,  640. 

Store  192.     Storekeeper  455. 

Story,  Joseph,  569. 

Strassen  430.     Str. -Eisenbahnen  432. 

Stratton,  L.,  28. 

Strodtmann,  A.,  50. 

Stuart  580. 

Sturbridge  349. 

Sturgeon  Ray  -  Ship  Canal  417. 

Stürme,  schwere,  233. 

Sturnella  magna  31. 

Südamerika,  Handel  mit,  400. 

S.  Carolina  657.  Bergbau  350.  Bevöl- 
kerung 176,  180,  181,  188,  193.  Ein- 
wanderung 173,  174.  Farbige  205,  208. 
Freigelassene  215.  Geschichtlich  62, 
87,  94,  100,  103.  Indianer  150.  Land- 
wirthschaft  247,  251,  272,  283,  286. 
Polit.  Stellung  506.  Rhederei  435,  436. 
Unruhen  206.  Sklaven  96.  Unterricht 
549.    Wald  304. 

Süden,  der,  22,  82,  198. 

Südl.  Ackerbauregion  44.  Südl.  Mittel- 
staaten, Getreide  248.  Südl.  Theil  der 
V.  St.  226. 

Südstaaten  82,  503.    Canäle  417.    Confes- 
sionen    536.     Eisenbahnen   419,   420. 
Gewerbe    374.     Indianer    146.     Land- 
wirthschaft  276,  277,  279.   Löhne  263, 
369.   Nördliche  Südst.  14,  503.  Wasser- 
strassen 401. 
I  Suffolk  Va.  655. 
I  Sumach  357. 
I  Summit-Pass  42. 

Sumner,  Gh.,  576. 
j  Sumpfländereien  224. 
I  Sunbury  Penn.  428. 
!  Superior  City  Wisc.  436,  698. 

Suscasanna  323. 

Susquehanna  412,  413.  S.-Canal  410, 
413. 

Sutro  -  Stollen,   der,  344. 

Suwanee  R.  417. 


758 


Register. 


Swedenborgianer  535. 
Symplocarpus  foetidus  26. 
Syracuse  N.  Y.  287,  412,  645. 

Tabak  53,  133,  271,  285. 

Tacoma  Wash.  426. 

Tahlequah  I.  T.  710. 

Talatui  337. 

Tallahassee  Fla.  661. 

Tamaqua  Pa.  330,  649. 

Tamias  29. 

Tammany-Ring  101. 

Tampa  Ray  418. 

Tannen  305. 

Taos  N.Mex.  715. 

Tappan  201. 

Tar  R.,  Schiffbarkeit  406. 

Tarandus  rangifer  28. 

Tarborough  N.  C  406. 

Tariffrage,  die,  86. 

Taschenmäuse  29. 

Taubstummen-Schulen  558.  T.- Zeitung 
586. 

Taunton  Mass.  639. 

Taxidea  americana  29. 

Taylor,  Präsident,  91. 

Teche  La.  436,  445. 

Tecumseh  81,  152. 

Telame  117.     T.,  die,  139. 

Telegraphen  449,497, 584.  Unterseeische 
T.  448. 

Tellur  349. 

Tennessee  670.  Raumwolle  247.  Rergbau 
322,  324,  326,  331,  335,  346,  350,  351, 
352.  Revölkerung  181,  186,  188.  Ein- 
wanderung 173,  174.  Geschichtlich 
82,  94.  Indianer  141.  Krankheiten 
184.  Landwirthschaft  258,  262,  283, 
284,  285.  Neger  198,  208  Rhederei 
437.  Schiffsbau  438.  Wald  303.  — 
T.R.,  Schiffbarkeit  404. 

Terre  Haute  Ind.  415,  416,  429,  685. 

Territorien  140,  509. 

Teton  R.,  Schiffbarkeit  401. 

Texarkana  Tex.  430. 

Texas  667.  Raumwolle  247.  Rergbau 
334,  349,  350.    Revölkerung  181,  185, 


187,  188,  193.  Einwanderung  173. 
Farbige  201,  208.  Die  Freigelassenen 
215.  Geschichtlich  88,  94,  98.  Indianer 
141.  Das  Kohlenfeld  von  T.  333. 
Lage  43.  Landwirthschaft  225,  228, 
260,  283.  Rhederei  335,  437.  Schiff- 
barkeit der  Flüsse  41, 406,  Schiffsbau 
438.  Unterricht  550.  Wald  303.  —  T. 
and  Pacific -E.R.  426. 

Thames,  Rattle  of  the,  81. 

Theater  583.     . 

Theepüanze,  die,  253. 

Theer  308. 

Thiere,  nutzbare,  22. 

Thomaston  Me.  634. 

Thomson,  Sir  William,  561. 

Thoneisenstein  322. 

Thoreau,  H.  D.,  50,  575,  577. 

Through  Freight  Lines  465. 

Ticknor,  G.,  575. 

Tiffin  0.  683. 

Timber  Act,  die,  71. 

Tinne  136,  138. 

TiogaR.  412. 

Tippecanoe,  Schlacht  bei,  81,  152. 

Titusville  Pa.  352,  650. 

Tocqueville  50. 

Toledo  0.  415,  416,  429,  466,  683.  T.- 
Peoria-Warsaw-E.R.  429. 

Tomahawk  130. 

Tomato  279. 

Tonkawa  137,  138. 

Toombs,  R.,  198. 

Topeka  Kans.  707. 

Torrey  568. 

Totanus,  Arten  33. 

Towanda  Pa.  649. 

Towers,  W.  H.,  366. 

Township  509. 

Trans-Mississippi,  Gebiet  248. 

Trenton  N.  J.  75,  385,  413,  646.  T. 
Limestone  347.     T.  Tenn.  671. 

Tuscaloosa  AI.  663. 

Tringa  33. 

Trochilus  colubris  31. 

Troy  N.Y.  644. 

Trunksucht  610. 


Begister. 


759 


Truro  Mass.  638. 

Truthahn  32.     Wasser-T.  33. 

Tuckahoe  25. 

Tucson  Ar.  716. 

Tunas  25. 

Turbinen  378. 

Turdus  migratorius  31. 

Türkei,  Handel  mit,  468. 

Turkey  32. 

Turks  Islands,  die,  349. 

Tuscaloosa  AI.  406. 

Tuscaroras  136,  150. 

Twain,  Mark,  577. 

Tyrannus  carolinensis  31. 

Ueberschwemmungen  48,  283. 

Uhrenfabrikation  363,  385. 

Uintas,  die,  144. 

Umatilla  Or.  719. 

Umrissgestalt  4. 

Unitarier  535. 

United  Brethren  535. 

Universalists  535. 

Universitäten  554.     U.- Zeitung  586. 

Unterrichts  -  Amt  488,  550.  U.  -  Anstalten 
546.  U.  der  Neger  199.  U.,  eine  poli- 
tische Nothwendigkeit  549. 

Urbarmachung  240. 

Ursus  americanus  29.     U.  ferox  29. 

Uruguay,  Handel  mit,  469,  470,  471. 
Schiffahrt  442. 

Utah  707.  Bergbau  315,  334,  335,  337, 
341,  344,  345,  347,  349.  Bevölkerung 
180, 181, 187.  Bewässerung  418.  Eisen- 
bahn 419.  Geschichtlich  92.  Indianer 
140,  141.  Landwirthschaft  230,  232, 
260. 

Utes,  die,  156,  159. 

Utica  N.  Y.  412,  645. 

Valparaiso  Ind.  686. 

Vallejo  Cal.  724. 

Vandalia  111.  693. 

Vanille,  die,  254. 

Yassar  College  644. 

Venezuela,  Handel  mit,  468,  470,  471. 

Vera  Cruz  90. 


Veratrum  viride  26. 

Verbreitung  der  Cultur  614. 

Vereinsleben,  das,  254. 

Verfassung  der  V.  St.  481. 

Verkehr  zwischen  Nord -Amerika  und 
Europa  8. 

Verkehrswege  387.  Geschichtliches  387. 
Natürliche  Grundlinien  39,  389,  396. 

Vermont  636.  Bergbau  346,  350.  Be- 
völkerung 180,  181,  186,  188.  Land- 
wirthschaft 260,  284.  Rhederei  436, 
437.  Schiffsverkehr  443.  Sklaven  196. 
Viehzucht  294.  Wald  304.  —  V. 
Central -E.B.  473. 

Verrill  567. 

Versailles,  Vertrag  zu,  76. 

Versicherungswesen  460. 

Vevay  Ind.  685. 

Vicksburg  Miss.  97,  436,  664. 

Victoria  Tex.  669. 

Vidalia  La.  666. 

Viehstand,  Grösse  des,  273. 

Viehzucht,  die,  233,  292. 

Vielfrass  29. 

Vincennes  Ind. -685. 

Vineyard  Haven  Mass.  638. 

Vinita  Ind.  Terr.  430. 

Virginian  598. 

Virginia  653.  Bergbau  311,  312,  321, 
323,  335,  346,  349.  Bevölkerung  176, 
177,  181,  188.  Einwanderung  173. 
Farbige  198,  205,  207,  208.  Ge- 
schichtlich 53,  62,  74,  83,  84,  94. 
Gewerbe  28 1,357.  Indianer  149.  Krank- 
heiten 184.  Landwirthschaft  260,  269, 
285,  288.  Politische  Stellung  506. 
Rhederei  435.  Schiffsbau  438.  Sklaven 
196.  Wald  304.  Wasserstrassen  401. — 
V.  City  Mont.  711.  V.  City  Nev.  341, 
343,  717.    V.  Consolidated  343. 

Vogel,  Prof.,  386. 

Vögel,  nützliche,  31. 

Volkslied  578. 

Voigth  361. 

Volusia  Fla.  661. 

Volk,  das,  591,  s.  Nordamerikaner.  Ge- 
schichtliche  Schichten    592.      Jugend 


760 


Hegister. 


592.  Zusammensetzung  592.  —  Volks- 
typen 598. 

Völkerwanderungen,  die,  109. 

Vorträge,  öffentliche,  559. 

Vulkane  48. 

Vulpus  fulvus  30. 

Wabash-E.B.  429.  W.- Erie-Canal  415, 
416.   W.  River  415,  416.   W.  Ind.  686. 

Waffen  d.  Ind.  109.  W.- Fabrikation  382. 

Wagner,  Hermann,  12.  W.,  Moritz,  172, 
583.     W.  u.  Scherzer  240,  605. 

Wahlen,  die,  520.  Wahlfälschungen  103, 
521.     W.  d.  Präsidenten  522. 

Wahlrecht,  Allgemeines,  515,  523. 

Waitz  114,  123. 

Wald  302,  s.  Inhaltsverz.  VIII. 

Waldbrände,  die,  307. 

Waldschutz  306. 

Waldoborough  Me.  434,   438,  443,  634. 

Walfischfänger  441,  442. 

Walhalla  S.  C.  658. 

Walker,  Fr.  A.,  177,  178,  183,  189. 

Walliser  316. 

Walnuss  304. 

Waltham  Mass.  383,  639. 

Wandertaube  32. 

Wandern  der  Farbigen  208.  W.  ins 
Innere  171.  W.  nach  Westen,  das  des 
Ackerbaues,  247. 

Ward,  Artemus,  577. 

Warren  0.  415. 

Warrensburg  Mo.  678. 

Warsaw  111.  429,  691. 

Warwick  R.  I.  641. 

Waschbär  29. 

Washburne,  E.,  257. 

Washington  Ark.  675.  W.  D.  C.  728. 
Bibliotheken  559.  Kapitel  582.  Lage 
15.  Verkehr  406.  W. ,  Vertrag  von, 
102.  W.,  George,  68,  72,  74,  79,  82,  388, 
505.    W.  N.  C.  657. 

Washington  Terr.,  Bergbau  335,  341.  Be- 
völkerung 180,  181,  187,  194.  Eisen- 
bahnen 419.  Indianer  140,  158,  295. 
Landwirthschaft  232.  Rhederei  436, 
437.     Schiffsbau  438.     Wald  304. 


Washington  Tex.  406,  668.  W.,  Virginia 
and  Great  Southern  -  E.  B.  428. 

Washoe  City  Nev.  717.  W.- Minen -Di- 
strikt, der,  320,  344. 

Wasserkräfte  377. 

Wasserreis  24. 

Waterbury  Conn.  640.     W.  Vt.  636. 

Wateree  R.  406. 

Waterford  N.Y.  644. 

Water  Hemlock  26. 

Waterloo  Ind.  685.  W.  lo.  702.  W.  N.  Y. 
645. 

Watertown  N.Y.  645.     W.  Wisc.  699. 

Watseka  111.  693. 

Watson,  John,  580. 

Waukegan  111.  691. 

Waverley  lo.  703. 

Wayilatpus  137,  139. 

Webster,  Dan.,  569,  576. 

Weiden  282. 

Weigert,  Max,  373 

Weinbau  267,  289,  357. 

Weinreben  25. 

Weizen  44,  234,  248,  276.    Reifezeit  276. 

Welcker  111. 

Weiland -Canal  405,  407,  417,  473. 

Welse  33. 

Werkzeug  364.     W. -Maschinen  382. 

Wernich,  A.,  149. 

West,  B.,  580. 

Western  Union -E.B.  429. 

West  -  Indien,  Brit.,  Handel  mit,  468,  470, 
471.  W.-L,  Dan.,  Handel  mit,  469, 
470,  472.  W.-I.,  Franz.,  Handel  mit, 
468,  470,  472.    Westindier  163. 

West  Point  498,  558,  564,  644. 

Westport  Mo.  678. 

West  S.  Joseph  Kans.  430. 

Weststaaten  42.  Eisenbahnen  419,  420, 
422.     Verkehr  42. 

West-Texas  229. 

W.  Virginia  673.  Bergbau  321,  324,  326, 
331,  335,  349,  351,  352.  Bevölkerung 
180,  181,  187.  Eisenbahnen  419.  Ge- 
schichtlich 95.  Krankheiten  184.  Rhe- 
derei 437.  Schiffsbau  438.  Sklaven 
203.     Wald  304. 


Register, 


761 


Westwanderung  367. 

Wetumpka  AI.  406. 

Wharton  Tex.  668. 

Wheatland  326. 

Wheeler,  Lt.,  566. 

Wheeling  V/.  Ya.  325,  427,  436,  674. 

Whigs  518. 

Whippoorwill  32. 

Whiskey -Krieg  525.     W.-Ring  526. 

White   Barth -Reservation   in   Minnesota 

158. 
Whitehall  Mich.  696.     W.  N.Y.  412,  644. 
White  R.,  Schiffharkeit  401,  403. 
Whitney,  Eli,  359,  380.    W.,  J.  D.,  333, 

566. 
Whittier,  J.  G.,  575,  579. 
Wickliffe  27. 
Wied,  Max  v.,  26,  564. 
Wiesel  30. 
Wiesenhau  291. 
Wiesengräser,  die,  235. 
Wigwam  131. 

Wildniss,  die  Schlacht  in  der,  98. 
Wilkesharre  Pa.  330,  414,  649. 
Willamette    0.    444.      W.    R. ,   Verkehr 

399,  400. 
Willets  Point  498. 
Williamshurg  Va.  655. 
Williamsport  Pa.  649. 
Wilmington  Del.   392,    651.     W.    N.   C. 

97,  185,  428,  444,  656. 
Wilmot  Proviso  90. 
Winchester  Tenn.  671. 
Windmühlen  356,  379. 
Winnemuka  Nev.  719. 
Winnipeg- Region  397. 
Winona  Minn.  428,  429,  433,  700.    W.- 

S.  Peter -E.B.  439. 
Winslow  348. 

Winterbotham  196,  270,  618. 
Wintergrün  26. 
Winterset  lo.  703. 
Wirthschaft,   geograph.  Vertheilung  43. 

W.-  Fragen,  Uebergewicht  der,  69. 
Wiscasset  Me.  435,  634. 
Wisconsin  697.     Bergbau  322,  324,  326, 

348.    Bevölkerung  181,  187,  188,  193. 


Einwanderung  174.  Farbige  198.  Ge- 
schichtlich 92,  104.  Indianer  140,  141, 
146.  Landwirthschaft  246,  247,  260, 
276,  277,  278,  286.  Rhederei  436, 
437.  Schiffsbau  438.  Survey  566. 
Unterricht  549,  550,  559.  Viehzucht 
295,  300.  Wald  304.  —  W.  Central- 
E.B.  429.     W.  R.-Canal  417. 

Wismuth  348. 

Wissenschaftspflege  561,  570. 

Witch  Hazel  25. 

Wöhler  349. 

Wohnung,  Kosten  370. 

Woll  -  Erzeugung  298.  W.  -  Gewerbe  359, 
374.     W.- Verbrauch  374. 

Wolf  29. 

Wood  (bei  Palfrey)  266. 

Woodchuk  29. 

Woodcock  33. 

Woodhouse  27. 

Wooster  0.  683. 

Worcester  Mass.  349,  432,  639. 

Wrigley,  H.  E.,  351. 

Wright  567. 

Wyandots,  die,  154. 

Wyandotte  Kans.  707. 

Wyoming -Becken,  das,  330.  W.-Thal, 
das,    312.    W.  Penn.  414. 

Wyoming  Terr,  711.  Bergbau  334,  335, 
341.  Bevölkerung  180, 186, 187.  Land- 
wirthschaft 230,  231,  260.    Wald  304. 

Xenia  0.  683. 

Yakama  -  Revervation  158. 

Yale  College  555,  640. 

Yankee  598,  603.     Y.  Doodle  578. 

Yankton  Dak.  232,  704. 

Yazoo  R.,  Schiffbarkeit  404. 

Yonkers  N.  Y.  644. 

York  Pa.  649. 

Yorktown  Va.  76,  96,  435. 

Youghiogheny  404, 

Young,  E.,  168,  169,  369. 

Youngstown  0.  326,  683. 

Ypsilanti  Mich.  696. 

Yreka  Cal.  724. 

Yuma  Ar.  426. 

48** 


762 


Register. 


Zanesville  0.  683. 

Zeitschriften,  wissenschaftliche,  572,  590. 

Ziegenmelker  32. 

Zinkerze,  die,  348.  . 

Zinn  348 

Zinsfuss  723. 

Zizania  aquatica  24. 


Zobel  30. 

Zölle  360,  361,  461,  499.    Z.  -  Tarife  461 . 

Zucker,  Ahorn -Z.  25,  284.     Erzeugung 

385.      Z.- Föhre    26.      Z.- Hirse    283. 

Z.-Rohr    267,    282.      Z.-Rübe    284. 

Z.-Verbrauch  283. 
Zwetschge  288. 


Verbesserungen. 


S.     89  Z.     1  V.  u.  lies  IV.  statt  III. 

Davenport  „      Devonport 

F.  „      J. 

kleine  „     keine 

Grand  R.  „      Green  K. 

Michigan  Ind.      „     Michigan  Mich. 

Th.  ,     „     Ph. 

Im  V.  Abschnitt  sind  neben  den  amtlichen  Zahlen  folgende  Bevölkerungszahlen  einzuschalten, 
welche  aber  nur  Anspruch  auf  annähernde  Richtigkeit  erheben,  da  sie  auf  municipalen  oder  privaten 
Zählungen  bezw.  Abschätzungen  beruhen:  Philadelphia  (1876)  817  448,  Chicago  (1875)  ca.  410000, 
Washington  (1878)  131  947,  Newark  N.J.  (1875)  123  310,  Detroit  Mich.  (1874)  101255,  Milwaukee  Wisc 
(1875)  100  798  E. 


89  Z. 

1  V.  u. 

186  „ 

15  V.  u. 

320  „ 

11  V.  u. 

335  „ 

13  V.  0. 

399  „ 

1  V.  0. 

435  „ 

2  V.  0. 

574  „ 

4  V.  0. 

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