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981467
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung,
Von
Paul Mentz.
(Schluss.)
XI. Die willkürliche Aufmerksamkeit.
Dekon früher haben wir gesehen, dass bei unwillkürlicher Auf-
merksamkeit Pulsverlängerung und bei willkürlicher Pulsverkür-
zung auftritt. Ist dies wirklich der Fall, so muss es auch möglich
sein, bei einem und demselben Reiz je nach Anweisung des Reagenten
bald die eine, bald die andere Erscheinung hervorzubringen, und
dies gelang in der That schon beim ersten Versuch, ohne dass dem
Reagenten mehr gesagt wurde, als dass das erste Mal »starke Auf-
merksamkeit« anzuwenden, beim zweiten Male aber, wenn derselbe
Reiz wiederkehrte, nur insoweit aufzumerken sei, »als der Reiz
selbst dazu veranlasse«.
Beispiel 60. Reagent: H. Gale, Geschwindigkeit: V. Reiz:
Metronomschläge mit der Geschwindigkeit MM. 156, zwei Mal
wiederholt, das eine Mal 24, das andere Mal 22 Secunden lang an-
dauernd. Dazwischen eine Pause von 12 Secunden. Der Anfangs-
puls war: Min. — 2,1, Max. = 2,6, Mw. = 2.4.
Die Pulsänderungen waren: zuerst bei willkürlicher Aufmerksam-
keit Pulsverkürzung um — 0,3, — 0,3, — 0,3; darauf bei unwill-
kürlicher Aufmerksamkeit eine Pulsverlängerung um + 0,1, + 0,2,
02.
564 Paul Mentz, !
Gerade, dass hier die Geschwindigkeit des Metronoms ein
ziemlich große war (MM. 156), setzt die Sache ins rechte Licht
denn sonst könnte man vermuthen, es sei etwa die Lust die Ursac
der Pulswirkung beim zweiten Male, falls nämlich die Geschwindi
keit nahe dem Lustmaximum gewesen wäre, oder aber lediglich di
Ruhe, wie man vielleicht aus den Affeetversuchen folgern könn
Aber es fand ja auch schon in Bsp]. 27 bei MM. 165 zweimal eine Ve
längerung statt, was ebenfalls für einen andern Sachverhalt sprich
Um nun aber auch die willkürliche Aufmerksamkeit, soweit die
Pulswirkung es erlaubt, näher verfolgen zu können, wurden noch
folgende weitere Versuche angestellt.
Beispiel 61. Reagent: G. Funk, Geschwindigkeit: II. Reiz:
»Vergleichung« je zweier durch Metronomschläge derselben Ge-
schwindigkeit ausgefüllten Zeitstrecken. Diese Geschwindigkeiten
waren: MM. 120 und gegen Schluss der Trommel MM. 174. Die
Zeitstrecken enthielten 10—35 Schläge und waren jedes Mal um
2 bis höchstens 5 Schläge verschieden. Es erfolgte die Anweisung,
nicht etwa die Schläge zu zählen. Die Ausmessung zeigte: Während
der ersten Strecke jedesmal Pulsverlängerung, während der zweiten
Pulsverkürzung. Waren z. B. die normalen Längen: Min. — 5,2,
Max. — 6,2, Mw. — 5,7, so fand sich bei der ersten Strecke eine Ver-
längerung um + 0,2, + 0,1, —+ 0,5, bei der zweiten eine Verkürzung
um — 0,5, — 0,4, — 0,9, während die reizlose Zwischenzeit von
15 Secunden den normalen Puls zeigte.
Dieses Ergebniss wird verständlich, wenn man sich die psycho-
logische Aufgabe des Reagenten vergegenwärtigt. Da dieser näm-
lich nach jedem Versuch auszusagen hatte, welche Zeitstrecke die
längere gewesen sei, so hatte er zunächst den ersten Reiz auf sich
wirken zu lassen, daher die Verlängerung der »unwillkürlichen Auf-
merksamkeit«. Wührend der reizlosen Zwischenzeit konnte er sich
erholen, wenn er wollte, musste aber während der zweiten Zeitstrecke
die Aufmerksamkeit »willkürlich« anspannen, um mittels irgend
welcher Merkzeichen, wie sie ja auch beim räumlichen Vergleichen
und Auffassen vorhanden sind, die Reproduction des ersten Reizes
und dadurch die weitere eines »lünger« oder »kürzer« in sich ent-
stehen zu lassen. Ein solches Merkzeichen konnte z. B. die Inner-
vation gewisser Muskeln durch den Reiz sein, SB der Stirnmuskeln,
Eye
7 |
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 565
der zum Hören oder Sprechen gebrauchten oder am Rhythmus be-
theiligten wie der Sprach- und Athmungsmuskeln. Wie dem auch
sein mag, jedenfalls findet hier, wie auch die Ausmessung zeigte,
die das eigentliche Vergleichen ausmachende willkürliche An-
strengung der Aufmerksamkeit statt.
Ist jedoch der Gegenstand des Vergleichens ein schwieriger,
so findet schon jedes Mal beim ersten Reiz, und unter Umständen
auch in der reizfreien Pause die Anstrengung willkürlicher Auf-
merksamkeit statt, wie schon die Erfahrung des gewöhnlichen
Lebens beim Vergleichen z. B. zweier optischer oder räumlich-
plastischer Gegenstände zeigt.
Beispiel 62. Reiz: »Vergleichung« je zweier durch den Ap-
punn’schen Tonmesser gegebenen Tonhöhen. Diese Tonhöhen
dauerten je 6 Secunden und waren jedes Mal um nur 2 oder
4 Doppelschwingungen verschieden. Die Ausmessung ergab: Während
beider Reize jedes Mal Pulsverkürzung, die jedoch gegen Ende der
Trommel in Folge der Uebung in solchem Vergleichen oder auch
wegen stetiger Anspannung der Aufmerksamkeit geringer wurde.
So z. B.:
Reagent: G. Funk. Geschwindigkeit: I.
Reiz Min. Ma= | Mw: 7 A022 °7 | mP ma
| |
7,0 82: 176 42/| ı8 I1342|75 |327
240 alte Ana
176 Dopp.-Schw. {| 5,8 6,7 6,2 12/,| 71/a | 46,4 16,2 23
5,7 6,3 5.9 73/4 | 331, 1198,9 | 5,9 26* |
Min. Max.
566 Paul Mentz.
Da die Töne als nicht in musikalischen Verhältnissen stehende
Zungenpfeifentöne dem Reagenten ungewohnt sein mussten, so war
hier das Festhalten der ersten Tonhöhe ein ziemlich anstrengendes,
wie auch die beträchtliche Verkürzung beweist. Auch beim Auf-
treten des zweiten Reizes war die Anstrengung der Aufmerksamkeit
nicht gering, um mittels irgend welcher helfender Merkzeichen
eine Reproduction des ersten Reizes und dadurch die weitere eines
»höher« oder »tiefer« in sich entstehen zu lassen. Ein solches
Merkzeichen konnte z. B. die Innervation von Muskeln durch den
Reiz sein, etwa der zum Hören oder zum Singen dienenden. So
verbirgt sich auch hier wieder unter demselben Wort, nämlich
» Vergleichen«, ein verschiedener psychologischer Thatbestand: nur bei
der ersten Tonhöhe der ganzen Trommel, als der Reiz noch neu
war, fand sich hier eine Verlängerung, sonst aber durchweg eine
auf willkürliche Aufmerksamkeit hinweisende Pulsverkürzung.
In weiteren Beispielen wurde als Aufgabe »Kopfrechnen« ge-
nommen, um bei dem Reagenten »willkürliche Aufmerksamkeit:
herbeizuführen. Schon vielfach wurde dasselbe bereits von Physio-
logen als Aufgabe gewählt, doch hat es nicht an Einwänden
gefehlt, welche die dabei auftretende Verkürzung oder sonstige Puls-
änderung auf Nebenaffecte zurückführen wollten, die mit der Sache
eigentlich nichts zu thun hätten. Wenn diese Einwände einigen
Grund gehabt zu haben scheinen, so lag dies jedoch an der bisher
meist angewandten Sorglosigkeit bei der Anstellung solcher Versuche
und der Nichtberücksichtigung etwaiger aus der Lust, Unlust und den
Affecten entstehender Fehlerquellen, wie wir schon bei den Pupillen-
versuchen von Schiff und Foä zu bemerken Gelegenheit hatten. -
Will man z. B. bei der Aufforderung zum »Multiplieiren« beim
Reagenten ungehörige Nebenaflecte vermeiden, so muss vor allem
diese Aufforderung in ruhigem Tone geschehen. Es muss ferner
der Reagent bereits an Versuche einfacherer Art gewöhnt und dem-
nach im Stande sein, sowohl vor als nach den Reizen durchaus
»indifferent« zu sein. Es wird ferner bei derartigen Versuchen von
Nutzen sein, wenn das Verhültniss des Reagenten zum Experimen-
tirenden nicht etwa das des Schülers zum Lehrenden ist, da sonst
zu leicht Ehrgeiz und dergleichen beim Reagenten auftritt, sondern
mehr ein Verhältnis der Gleichstellung, bei dem die Furcht vor
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 567
einem »Sichblamiren« und dergleichen ausgeschlossen ist. Aus
diesem Grunde ist es auch gut, dem Reagenten bereits vor dem
Versuche zu sagen, dass es auf die Richtigkeit des Resultates
nicht wesentlich ankäme, sondern vor allem darauf, dass eben ein
»Multipliciren« stattfände.
Alle diese Vorsichtsmaßregeln wurden bei unseren Versuchen
angewandt und waren von gutem Erfolge begleitet. Das Ergebniss
war, wie bei den auch sonst so vorzüglich angestellten Versuchen
Mosso’s, eine mit dem Verlauf des Rechnens und der sich dabei
häufenden Schwierigkeit zunehmende Pulsverkürzung.
Beispiel 63. Reiz: Zuerst Multipliciren von 15 mit 15, dann
19 mit 19 (also Quadriren), unter den bereits angeführten Vorsichts-
maßregeln. Ergebniss:
Reagent: Dr. J. Cohn. Geschwindigkeit: I.
mP |
Reiz | Min. | Max. | Mw.
05 +0
6,8 7,6 1,2 51/,|113/4| 83,4 | 7,1 15*
52,6 | 6,6 15*
72 7,9 75 1|52%1121/4| 92,0 |7,6 15
|
nA .r| L mP | mA
51/4 | 161/ 1111,2
16/4) 71/2| 42,3
All 1 1367
7
Wundt, Philos. Studien. XI. 38
568 Paul Mentz.
Dies Ergebniss wird verständlich, wenn man sich wieder die
psychologische Aufgabe vergegenwärtigt. Soll z. B. 15 mit 15 mul-
tiplieirt werden, so sind zunächst die geläufigen Reproduetionen
aus dem gelernten kleinen Einmaleins zu vollziehen, z. B. 10 x 15
— 150 und 5x 5 =5x1+5x5=50-+25. Die jeweiligen
Ergebnisse sind im Gedüchtniss »festzuhalten«e und darauf in ge-
wohnter Weise die Schlussaddition, (50 + 25) + 150, also noch eine
weitere Reproduction mit willkürlicher Aufmerksamkeit zu voll-
ziehen. Es wird sich demnach im Verlaufe der Rechnung, weil
sich die zu merkenden Zahlen häufen, die Schwierigkeit steigern,
und das stimmt mit den Ergebnissen der Ausmessung genau überein.
Beispiel 64. Um eine solche Schwierigkeit auch einmal
künstlich herbeizuführen, wurde bei demselben Reagenten im Ver-
laufe der Rechnung absichtlich mit einem Bleistifte erst 3, dann
2 Mal auf den Tisch geklopft, jedoch so, dass es ganz wie zufällig
erscheinen musste. Dies ergab denn auch eine vorübergehende
beträchtliche Verkürzung (— 0,6 beim Minimum, statt — 0,2 — 0,1
— 0,2, bei der Geschwindigkeit : I). Aerger fand, wie der Reagent
später aussagte, hierbei keineswegs statt, es war nur eine »größere
Aufmerksamkeitsanstrengung nöthig«, um trotz des Geräusches im
Geleise der Rechnung zu bleiben.
Auch als Pupillenwirkung zeigt sich die willkürliche Aufmerk-
samkeit beim Rechnen:
Beispiel 65. Reiz: Zuerst eine Reihe von Metronomschlägen
von der Geschwindigkeit 152, bei welchen gut aufgemerkt werden
sollte, so dass »kein Schlag für das Bewusstsein verloren geht«, und
dann Multiplication von 7 mit 16 und 9 mit 18, also eigentlich
Aufgaben leichterer Art. Ergebniss:
Reagent: Dr. Th. Elsenhans.
i
I
Reiz Pupillenweiten | arith. Mittel
1,8111 1,911 2,21 |
|
I
|
MM. 152{| 2,01 2,1 2,2117 2,311
Multipl. N 2,01 2,211 2,31
| 1,91
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 569
Diese Werthe sind wieder mit 2 zu multipliciren, um die ge-
messenen Distanzen in mm zu erhalten.
Weitere Beispiele für die Verkürzung des Pulses beim Rechnen
ergibt die Ausmessung der Curven Mosso’s: so, außer den Bei-
spielen zweier älterer Veröffentliehungen !), in der »Diagnostik des
Pulses« TafelI Reihe 1 und im »Kreislauf des Blutes« Fig. 19, 20,
46 und Tafel III 5, IV 7, VIII 30 (hierunter auch Hirnpulse).
Ferner findet sich diese Verkürzung beim Rechnen in den Curven
von Thanhoffer?, und Gley?).
Bei leichteren Multiplicationsaufgaben ist natürlich die Ver-
kürzung eine geringere und dann findet auch keine Zunahme der-
selben im Verlauf der Rechnung statt, da eben die Aufgabe rasch
abgethan wird. So bei Mosso in Fig. 19 und Taf. IV 7 (Aufgaben:
8 mal 12 und 9 mal 13). Ebenso wird in Folge von Wiederholung
und Uebung die Verkürzung eine geringere.
Nach Aufhören des Rechnens tritt oft eine geringe Pulsver-
längerung ein, theils aus rein physiologischen Gründen, theils als
Lust an der Erholung und Vollendung. So auch bei Mosso.
Fig. 19, Tafel IV 7 und VIII 30. Bei den Versuchen Than-
hoffer’s tritt zuweilen auch statt dessen eine Verkürzung auf, die
wohl als Unlust an der Unthätigkeit oder Langeweile zu deuten ist.
Je einwurfsfreier die Versuchsbedingungen sind, um so weniger wird
natürlich dergleichen auftreten, ist jedoch nicht immer ganz zu
vermeiden.
Als weitere Versuche wurden willkürliche Reproductionen auch
aus anderen Gebieten den Reagenten als Aufgabe gestellt, um zu
sehen, ob auch bei solchen complicirteren Aufgaben dieselben Puls-
änderungen zu finden sind:
Beispiel 66. Der Reagent erhielt die Anweisung, auf den
Zuruf »jetzt« hin jedesmal in einem gewählten Stoffgebiet »mehr
zwanglos reproductiv« zu verfahren, auf den Zuruf »genau sachlich«
jedoch »ganz apperceptiv, ohne jede Lücke und auch in guter Dar-
1) Mosso, Sopra un nuovo metodo per scrivere movimenti dei vasi san-
guigni, Torini 1875, Fig. 2, 3,4, und Archives de physiologie norm. et pathol.
Bd. 12, 1875, S. 178, Fig. 3.
2) a.a.0.
31.2.8..0,
38*
570 Paul Mentz.
stellung« den betreffenden Gegenstand zu verfolgen, alles natürlich
ohne irgend ein Wort zu äußern.
Der Reagent nahm, wie er nachher aussagte, als Stoffgebiet zu-
nächst »Geschichte der Pädagogik« (ganz allgemein), und sodann
»Darstellung der Lehre Descartes’«. Das besonders Charakte-
ristische der erfolgenden Pulsänderungen sei als Auszug mitge-
theilt:
Reagent: G. Funk. Geschwindigkeit: I.
dueiren
genau
sachliches
Repro-
dueiren
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 571
Der genauere Verlauf war: Zuerst »mehr zwangloses Reprodu-
eiren« (Pulsverkürzung, dann geringe Pulsverlängerung), nach einer
Pause dasselbe. Die Traube’schen Schwankungen bleiben ziemlich
während dieser Zeit bestehen. Darauf nach einer Pause »genau
sachliches Reprodueiren« (größere Pulsverkürzung, dann immer noch
etwas Pulsverlängerung), nach einer Pause dasselbe (lediglich Puls-
verkürzung und zunehmend). Die Traube’schen Schwankungen
werden hier fast ganz unterdrückt. Es findet also bei dem »genau
sachlichen Reproduciren« die größere Wirkung auf den Puls statt.
Auch die absoluten Pulslängen zeigen dies. Zu Anfang war
der Puls: Min. = 7,3, Max. = 8,2, Mw. = 7,5. Zu Ende des ersten
mehr zwanglosen Reproducirens: 6,8 7,8 7,6. Zu Ende des zweiten:
6,9 7,4 7,1. Zu Ende des »genau sachlichen Reproducirens «
schon: 6,3 6,8 6,4. Zu Ende des zweiten: 4,9 5,1 5,0. Es hat
also infolge der willkürlichen Aufmerksamkeit die Pulslänge ganz
bedeutend abgenommen.
Auch Folgendes zeigt den Unterschied. Während des »mehr zwang-
losen Reprodueirens« traten ab und zu aus den übrigen herausfallende
Pulsverlängerungen auf, nämlich: 8,0, 8,7, 8,5 und 8,6, 8,9, 8,3,
9,3, 8,3, entsprechend den hier ganz natürlich ab und zu auftreten-
den Ruhepausen oder auch wegen Lust über diesen oder jenen Ein-
fall. Bei dem »genau sachlichen Reproduciren« dagegen ab und
zu aus dem Uebrigen herausfallende Pulsverkürzungen, nämlich:
5,4, 5,3, 5,7 und: 5,7 4,7, 5,4, entsprechend den größeren Anstren-
gungen der willkürlichen Aufmerksamkeit, die hier ab und zu nöthig
sind, um gerade dieses und nichts anderes zu finden, und vielleicht
auch wegen Unlust, dass sich ein Gesuchtes nicht einstellen will.
Im Ganzen zeigt sich also hier, dass bei dem »mehr zwanglosen
Reproduciren« willkürliche Aufmerksamkeit auftritt, dass sie aber
bei dem »genau sachlichen Reproduciren« vorwiegend ist. Wesent-
lich war hierbei die Schwierigkeit der beiden gewählten Stoffgebiete.
Auch bei Mosso findet bei Fig. 18, Reihe 3 wahrscheinlich
ein Grübeln des Reagenten und daher bedeutende (8 Pulse lange)
und dann etwas nachlassende (14 Pulse lange) Verkürzung bei
Arm- und Hirnpuls statt. Er fragte nämlich seinen Reagenten
Bertino einige Zeit, nachdem das schon erwähnte Läuten der
Kirchenglocken stattgefunden hatte, ob er sonst um diese Zeit ein
572 Paul Mentz.
‚Ave Maria« bete. Dies hat wahrscheinlich Bertino zu einem
Nachgrübeln veranlasst (entsprechend seinem sonstigen etwas miss-
trauischen Charakter), was mit dieser Frage eigentlich beabsichtigt
sei, und vielleicht auch noch, was denn überhaupt solche Experimente
für einen besonderen Zweck hätten.
Auch bei Beobachtung der Pupille ergibt sich eine dem Obigen
entsprechende, reciproke Wirkung:
Beispiel 67. Reiz: Reproduction und Nachdenken üher ein
kürzlich gelesenes Capitel aus Descartes. Ergebniss:
Reagent: G. Funk.
arith. Mittel
1,8111 1,9ıv 2,011 2,1 1:9
+ 0,3
Nachdenken | 21ı 22 23n 24 | 22
| 1,811: 1,911 2,01 110
Beispiel 68. Reiz: Lesen mehrerer Seiten aus Fechner’s
»Zendavesta«, Vorher und nachher Pupillenbeobachtung: im letz-
teren Falle Weiternachdenken über das Gelesene, bis ein >»halt«
zugerufen wurde.
Reagent: H. Gale.
Pupillenweiten arith. Mittel
1,21 1,3 1,417 1,6 | 1,4 .
+ 0,2
Nachdenken | 1,5 1,6 1,7 1,8 | 1,6
1,21 1,3v 1,41 1,6 1,3
|
Nebenaffecte waren dabei ausgeschlossen.
Wenn demnach, wie aus allem Bisherigen hervorgeht, willkür-
liche Aufmerksamkeit eine ihrer Stärke entsprechende Pulsverkürzung
hervorruft, so muss es auch möglich sein, sie entweder durch ge-
eignete Anordnung der Versuchsumstände oder rein willkürlich,
wie bei den Affeceten, graduell zu steigern. Es sei hier zunächst
das Erstere behandelt:
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 573
Beispiel 69. Reiz: In der Höhe des Ohres des sitzenden
Reagenten wird eine Taschenuhr in der Entfernung von je 1, 2, 3,
4 m angebracht, in der Zwischenzeit aber jedes Mal durch ein den
Schall schlecht leitendes Material verhüllt. Der Reagent erhält An-
weisung, immer das Uhrticken zu hören, wobei übrigens 3 m die
Grenze der eben merklichen Hörbarkeit bildete und bei 4 m nichts
mehr zu hören war. So tritt denn auch bei 4 m eine sehr bedeu-
tende Verkürzung auf. Ergebniss:
Reagent: Dr. A. Wenzel. Geschwindigkeit: IV.
Reiz | Min. Max. Mw.
2,4
Kr:
m:3 {]1,8
1,9
Auch der erste Reiz zeigte hier eine große Verkürzung, wegen
der Ungewohntheit der Umstände und der anstrengenden Neuheit
des Versuchs, während später das Tiktak durch Reproduction dem
574 Paul Mentz.
Reize schon gleichsam entgegengebracht wird. In der durch punk-
tirte Linie bezeichneten Zwischenpause trat Besuch ein, und hier-
von blieb denn auch eine Pulsverlängerung beim Wiederbeginn der
Versuche zurück. Bei der gewählten Entfernung 1 m tritt, weil
hier das Tiktak sehr laut und daher gut wahrnehmbar war, die
Verlängerung der unwillkürlichen Aufmerksamkeit ein, vielleicht
kam auch noch Lust an der Leichtigkeit hinzu. Erst die Ent-
fernungen über I m erfordern die Anstrengung der willkürlichen
Aufmerksamkeit.
Ferner kann man rein subjectiv diese Aufmerksamkeitssteige-
rungen herstellen, während der Reiz immer derselbe bleibt:
Beispiel 70. Reiz: Metronomschläge von angenehmer Ge-
schwindigkeit (MM. 128). Der Reagent wird angewiesen, die Auf-
merksamkeit willkürlich und in möglichst gleichen Abstufungen zu
steigern und nachher jedes Mal anzugeben, welcher Grad es gewesen
sei. Dass wir die Stärke der Aufmerksamkeit nach der Intensität
der Spannungsempfindungen messen, bemerkt bereits Wundt!). Je
weniger Stufen genommen werden, desto rascher geht natürlich die
Steigerung vor sich. Je mehr Stufen aber man nimmt, desto weniger
gleichmäßig werden dieselben sein.
Reagent: Dr. ©. Ayer. Geschwindigkeit: IV.
Max. | Mw. nA up. L mP mA
|
|
| i
samkeit
|
Aufmerk- Min
Au
| 3,4 2,9 31/14 [40,7 |2,9 11
2,8
{17 ' = 0,0 + 0,0 + 0,0 z0
Stufe 0 12,8 3,4 2,9 2/9112 |34,7|29 11
2,2 2,9 2,7 217/11 [29,1 2,7 I12*
—01) —0j1 — 01 | — 0,2 —3
I 12,1 2,8 2,6 5 lıs [451125 9
|
2,3 31 2,7 aa 37,2 [2,7 10
81/4132
13, 3,0 |32/, 114
— (0,5 — 05 —04|
i 8. | 64/41 31'/2 | 95,8
I) Wundt, System der Philosophie. Leipzig 1889. 8. 100.
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 575
Die Stufe 0 zeigt gar keine Pulswirkung. Diejenige der höchst-
möglichen Stufe (im angeführten Beispiel :3) war bei den verschie-
denen Reagenten bei derselben Geschwindigkeit fast immer gleich.
Es ist dies durchaus verständlich, da die Reagenten hier durchweg
von fast derselben Befähigung und Bildungsstufe waren.
Es sei noch ein Beispiel angeführt, welches dadurch interessant
ist, weil hier zuweilen bei den höheren Stufen der Aufmerksam-
keit Verlängerungen, statt der sonstigen Verkürzung, auftraten:
Beispiel 71. Reiz: Steigerung der Aufmerksamkeit in 5 Stufen
bis zur höchstmöglichen hinauf. Metronomgeschwindigkeit: 85.
Nach dieser Steigerung wieder allmähliches Zurückgehen auf die
Stufe 0.
Reagent: Dr. A. Wenzel. Geschwindigkeit: II.
Aufmerk- =
samkeit Fe is
Min | Max. | Mw.
nA|inP | mP | mA
2 4,2 3,7 5 126 1921 3,6 18
+ 0,0 +0,0 0,0 N. — 0,1 eg
Stufe 0 {13,2 4,2 3,7 4 |1% 158,41|3,5 15*
3,3 4,3 3,8 33/4119 | 66,6 13,5 18
=0,0 — 0,4 —0,1 — 0,1 —1
1.133 3,9 3,7 14/4\10 | 34,7|3,4 17
3,3 4,2 3,4 24/4114 | 47,1|3,4 16*
—01| —04 — 0,1 — 0,3 +3
ZAl 38 3,8 8:37 1 [EN 9 19*
576 Paul Mentz.
|
m h L | mP | mA
[er [al
>,
fr
Aufmerk- | yyin, Max.
samkeit
21% „ 14 | 4,8 |3,3
— 01
#2 1752132
»,|l14 | 397128
be 2
32,123 | 658129
31/420 58,220
33/, | 211% u
37,4|2,8
Bei der Wiederholung treten also dieselben Pulswirkungen auf,
nur infolge der Abstumpfung oder Uebung geringer.
Was die Pulsverlängerung betrifft, die bier 3 Mal bei den
Stufen 3 und 4 statt der Verkürzung auftritt, so rührt sie wahr-
scheinlich daher, dass der Reagent, um eine Steigerung der Auf-
merksamkeit möglich zu machen, sich, zumal da er sehr musikalisch
ist, etwas Lustvolles in die Metronomschläge hineingedacht hat.
Er selbst vermochte einen Tag später keine bestimmte Auskunft
mehr zu geben, sagte aber, dass gerade die Steigerung bei den
höheren Graden etwas schwer Herzustellendes gewesen sei.
Dies führt denn auf die Frage nach dem Wesen dieser Puls-
wirkungen überhaupt. Die unwillkürliche Aufmerksamkeit (oder
passive) ist zunächst nichts anderes als das durch den Reiz
veranlasste Bewusstsein desselben, dabei aber noch mit einiger
Innervation verbunden. Aus ersterem Grunde tritt wahrscheinlich
man vergleiche die Wirkung der Intensitäten eines Tones, Ge-
räusches u. s. w. an sich) die in dieser Arbeit beobachtete Puls-
verlängerung auf. Auch Lust und Unlust können natürlich die
Ursachen dieser Veränderung bei der unwillkürlichen Aufmerksam-
keit sein, und etwas wird die erstere wahrscheinlich {als Lust an
der 'Thätigkeit) bei diesen Versuchen mitgewirkt haben.
Ist die Innervation, psychisch das Sichzusammennehmen des
Individuums stärker, wozu Lust und Unlust oder Affecte die
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 577
vorzüglichsten Anlässe sein werden, so geht die unwillkürliche
Aufmerksamkeit, bei der ja auch sicherlich schon Innervationen
stattfinden, in die willkürliche (oder active) über. Dass hier
keine scharfe Grenzlinie besteht, hat bereits Wundt nachdrück-
lichst hervorgehoben. Vielfach hat man die Aufmerksamkeit mit
»Interesse« identificirtt, so z. B. Ribot, und in der That werden
Lust oder sich ihr anschließende Affecte vielfach die Anlässe
von activer Aufmerksamkeit sein. So war auch z. B. bei den
Pulsverlängerungen des vorhergehenden Beispiels Lust, wenn auch
nur hineingedacht, als Mithilfe mit im Spiel. Vielfach jedoch
auch werden Unlust oder sich ihr anschließende Affecte, wie Sorge,
Zwang und dergl. die Anlässe der activen Aufmerksamkeit sein,
oder auch bloß die Vorstellung, dass es nöthig sei, hier aufzu-
merken. Dieser Selbstzwang, den das Individuum im letzteren
Falle auf sich selber ausübt, muss natürlich die in dem Vorher-
gehenden so vielfach beobachtete Pulsverkürzung herbeiführen, und
es wird so bei sich steigerndem Selbstzwang oder auch nur einer
durch äußeren Anlass herbeigeführten Steigerung (wie in Beispiel 69)
diese Pulsverkürzung zunehmen. So wird active Aufmerksamkeit
mit ihrer Richtung auf die betreffenden Sinnesorgane, einer all-
gemeinen Innervation der Muskeln und insbesondere mehr oder
minder der Stirnmuskeln bei an und für sich interesselosen Gegen-
ständen vorhanden sein, wie es ja vielfach diese Reize an sich,
z. B. als bloße Reihenfolge von Metronomschlägen, waren. Oder
aber der Reiz war ursprünglich angenehm, so wird doch die ein-
tretende Abstumpfung einen Selbstzwang veranlassen. Oder aber
die äußeren Schwierigkeiten nehmen zu, wie in Beispiel 67 und
bei dem Klopfen während des Multiplicirens (Beispiel 64), oder es
wird eine mehr oder minder :große Genauigkeit gefordert, wie in
Beispiel 65 in Bezug auf das Auffassen aller Einzelschläge des
Metronoms, oder aber beim Multipliciren, bei dem man bestrebt
ist, nur richtige Reproductionen und nicht etwa falsche (nicht etwa
ein Verrechnen, ähnlich dem »Verschreiben«) zu liefern. In allen
diesen Fällen wird mehr oder minder der Selbstzwang willkürlicher
Aufmerksamkeit vorhanden sein.
Soviel über unwillkürliche und willkürliche (passive und active)
Aufmerksamkeit, soweit eben die Versuche dieser Arbeit dazu
578 Paul Mentz.
Anlass geben. Jedenfalls erklären sich so die an und für sich
zuweilen etwas sonderbaren Erscheinungen der genaueren Messung.
Während z. B. bei den Beispielen der Abstumpfung (Cap. I) die
unwillkürliche Aufmerksamkeit mit ihrer Verlängerung in >
willkürliche übergeht, wie wir so vielfach gesehen haben, um
eben die Abstumpfung zu compensiren, tritt der umgekehrte Ueber-
gang in Beispiel 15 auf, in welchem der zeitliche Eintritt der Ab-
stumpfung untersucht wurde. Denn wie die zweite der dortigen
Tabellen zeigt, trat gegen Ende der Trommel wegen Ermüdung
nach dem zweiten »jetzt« Verlängerung statt Verkürzung auf und
ebenso in der dritten der dortigen "Tabellen, weil der Reagent an-
gewiesen wurde, dem Reize gegenüber »mehr passiv« zu sein. Hier
ist also die willkürliche Aufmerksamkeit in die unwillkürliche
übergegangen. Genau dasselbe zeigte sich in dem folgenden
Beispiel, ebenfalls wegen Ermüdung:
Beispiel 72. Dieser Versuch fand ausnahmsweise spät Abends,
nämlich zwischen 8 und 9 Uhr statt, nachdem der Reagent auch
schon vorher an anderen Versuchen im Institut Theil genommen
hatte. Infolge dessen und anstrengender Tagesarbeit war der Rea-
gent ziemlich ermüdet, wünschte jedoch, als Verf. dies bemerkte,
ein unentwegtes Weiterführen des Versuchs. Anweisung war, »gut
auf die Reihen Metronomschläge aufzumerken«. Ergebniss: |
Reagent: H. Gale. Geschwindigkeit: II.
| Min. | Max. | Mw. nd|nP| 2. mP mA
Ten ee! a Wr a
5,3 6,4 5,8 5 |221/, |129,8 | 5,8 26
00270 | — 02 —3
MM. 67 | 5,2 62 5,6 5 | 201% 1113,1 | 5,6 23
a —023| Te
N 4,8 15,8 5,4 3 Jıı 589154 20
£ | —02| —02 — 0,4], — 0,4 —i
'8 114,6 5,6 5,0 41/5 |169%/,| 80,1 | 5,0 19
| 031 AS — 04 ii
4,4 5,4 14,7 123/,| 914] 44,214,8 ı7 7
02 — 02) —01 | — 0,2 z0
| 12 5,2 14,6 5121 1959/46 17
84; + 0,2 +0,2| + 0,1
| 4, ‚A 4,7 213, 1103,24,
+ 0,2 F 0,2 | + 0,2
j . \ KR ‚9 > v, r
| |
| +03)
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 579
Es ist hier also zuerst durchweg der Anweisung entsprechend
Pulsverkürzung vorhanden als Zeichen der willkürlichen Aufmerk-
samkeit, bei den letzten beiden Geschwindigkeiten jedoch nur
Anfangs, worauf jedes Mal, sicherlich in Folge der großen Er-
müdung des Reagenten, Pulsverlängerung eintrat, weil eben die
willkürliche Aufmerksamkeit versagte, und nur der Eintritt eines
neuen Reizes wieder die Kraft zu erneutem Aufraffen gab. Auch
dass beim Beginn des letzten Reizes die Pulsverkürzung so groß
ist (— 0,4 — 0,4 — 0,2), ist ein Beweis dafür, dass es hier gegen
Schluss der Trommel sehr viel Anstrengung erforderte, willkürliche
Aufmerksamkeit anzuwenden.
In noch einem weiteren Falle trat das Gleiche auf, aber dieses
Mal aus anderer Ursache:
Beispiel 73. Reiz: Wieder Reihen von Metronomschlägen
mit verschiedener Geschwindigkeit. Reagent: Dr. W. Weygandt.
Es war dies der erste Versuch, den der Reagent in Bezug auf
Metronomgeschwindigkeiten mitmachte. Es war Anweisung gegeben,
»dem Reize gegenüber mehr passiv zu sein«, absichtlich ohne jede
weitere Angabe. Auf die nach Schluss der Versuche übliche Frage
sagte Reagent aus, er habe eigentlich »nur beim Beginn jedes neuen
Reizes« aufgepasst. Auch hier fand sich durchweg nur zu Anfang der
verschiedenen Geschwindigkeiten Pulsverkürzung, nachher jedoch
jedes Mal die bekannte Verlängerung. Es spricht dies für die oben er-
örterte Auffassung willkürlicher und unwillkürlicher Aufmerksamkeit.
Erwähnt seien noch die Versuche Delabarre’s!) über die
bei Aufmerksamkeit eintretenden Athemänderungen. Nach ihm
soll bei der Aufmerksamkeit auf »Sinnesreize« der Athem an Häufig-
keit und Tiefe zunehmen, bei »geistiger« Thätigkeit jedoch an Häufig-
keit zunehmen und an Tiefe abnehmen. Es stimmt dies zwar viel-
fach, jedoch keineswegs immer und ist auch ohne exacte Messung
gar nicht sicher feststellbar. In dieser Beziehung sagt Mosso
bereits 11 Jahre früher?) viel exacter, dass er bei seinen Versuchen
über die »Athemänderungen bei geistiger T'hätigkeit« trotz aller
Bemühungen zu keinem »befriedigenden« Ergebniss gekommen sei.
1) Revue philosophique. Bd. 33. 1892. S. 639.
2) Mosso, Kreislauf des Blutes u. s. w. S. 70.
550 Paul Mentz.
Es kann dies ja auch gar nicht ohne eingehendste Analyse aller in
Betracht kommenden Factoren möglich sein.
XII. Anhören ganzer Compositionen.
Um eine Art Nachprüfung für alles Bisherige zu erhalten,
wurden schließlich ganze Compositionen zu Gehör gebracht.
Sie wurden auf dem Harmonium und zwar, wo nicht etwas anderes
gesagt ist, stets mit strengster Einhaltung des Taktes vorgespielt.
Es wurden auch nur solche Stücke gewählt, welche auf dem Har-
monium zu einiger Wirkung kommen können, oder aber, wie dies
in einem Falle (Serbischer Volkstanz) geschah, solche, welche durch
Contrast mit der Eigenart des Harmoniums in ihrer eigenthümlichen
Wirkung noch gesteigert werden.
a. Die Wirkung des Anhörens im Ganzen.
Was die Wirkung des Anhörens im Ganzen betrifit, so
zeigte sich ein großer Unterschied in der Puls- und Athemwirkung,
je nachdem, sei es in Folge der äußeren und inneren Umstände,
oder aber in Folge besonderer Anweisung nur unwillkürliche
oder willkürliche Aufmerksamkeit in Bezug auf das Zuhören
vorhanden war.
Zunächst erhielt der Reagent nur die Anweisung, sich »so zu
verhalten, als wenn er im Concertsaale wäre«, ohne jeden weiteren
Zusatz, um ihn nicht von vornherein irgendwie zu beeinflussen.
Das Ergebniss war, dass bei unwillkürlicher Aufmerksam-
keit Pulsverlängerung beim Zuhören vorhanden war, jedoch ging
diese vielfach in Folge der allmählich eintretenden Abstumpfung und
dadurch nöthig werdenden willkürlichen Aufmerksamkeit in Puls-
verkürzung über. Fand jedoch, wie die spätere Aussage ergab,
ein Analysiren statt, zum Zwecke eingehenderen Genusses, so
war gleich von Anfang an Pulsverkürzung vorhanden. Es ist
dies um so erklürlicher, als die Reagenten meist musikalisch waren,
der Musikalische aber vielfach gern die Compositionen in Bezug auf
die Schönheit und Feinheit des Rhythmus, der Melodie und Harmonie
mit willkürlicher Aufmerksamkeit verfolgt, genau so wie es der
Kunstkenner bei einem Gemälde oder anderen Erzeugnisse der bil-
denden Kunst thut.
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung, 581
Die Compositionen, bei denen dies eintrat, waren sowohl ernster
als auch trauriger und heiterer Art, so dass ein Einfluss der Stim-
mung im Ganzen nicht sehr dabei vorhanden gewesen sein kann:
Beispiel 74. Reagent: H. Gale, Geschwindigkeit III. Reiz:
Präsentir- und Parademarsch aus dem Jahre 1806 vor Friedrich
Wilhelm III. Der Charakter der Composition ist fest und sicher,
schon nach ihrem Rhythmus. Ergebniss: Beim Eintritt des Reizes
geht der Puls sofort von den Längen Min. — 4,2, Max. —= 5,4, Mw.
— 4,6 auf die größeren Werthe: Min. = 4,4, Max. = 5,7, Mw. —
4,8 über und bleibt auch dabei. Also eine Verlängerung um + 0,2
1.03 +02.
Beispiel 75. Reagent: Derselbe. Geschwindigkeit: III.
Reiz: Trio des »Marche funebre« aus Sonate Op. 35 von Chopin.
Der Charakter dieses Trios ist sanfte Wehmuth, was möglicher-
weise auch etwas mitgewirkt haben könnte. Ergebniss: Es tritt
sofort Pulsverlängerung ein, nämlich von 4,2 5,4 4,6 zu 4,3 5,6 4,5,
also um + 0,1 + 0,2 + 0,2.
Beispiel 76. Reagent: Derselbe. .Geschwindigkeit: II b.
Reiz: »Serbischer Volkstanz«. Charakter desselben: leicht, lustig,
fast hüpfend, durch Contrast mit der Eigenart des Harmoniums in
dieser Wirkung geradezu bis ins Komische gesteigert. Ergebniss:
Es tritt sofort Pulsverlängerung ein, nämlich von 4,2 5,3 4,8 zu 4,6
5,7 5,2, also um + 0,4 + 0,4 + 0,4. An dieser starken Wirkung
mag wieder die Lust ihren Antheil haben. Alle diese Stücke haben
aber eine große Leichtigkeit in der Schreibweise gemeinsam, und
dies wird die Hauptursache für die Entstehung von nur »unwill-
kürlicher«e Aufmerksamkeit und der ihr entsprechenden Pulsver-
längerung gewesen sein.
Beispiel 77. BReagent: Derselbe.e Geschwindigkeit: III
Reiz: Der eben erwähnte Serbische Volkstanz, jedoch 8 Wochen
später. Nach Aussage des Reagenten nach Schluss des Versuches
hatte er jedoch dieses Mal »stärkere Aufmerksamkeit« angewandt.
Ergebniss: Es tritt sofort Pulsverkürzung ein, nämlich von 3,6 4,1
3,8 auf 3,2 3,7 3,4, also um — 0,4 — 0,4 — 0,4. Diese Pulsver-
kürzung steigert sich sogar noch zu 3,1 3,6 3,3. Als nur 8 Tage
später dasselbe Stück wiederholt wurde, war, wie bei aller in kür-
zerer Zeit erfolgenden Wiederholung, die Wirkung geringer. Es
532 Paul Mentz.
trat nämlich nur eine Pulsverkürzung ein von: 3,7 4,3 3,8 auf 3,6
4,2 3,7, und schließlich auf 3,3 4,1 3,6.
Beispiel 78. Reagent: Derselbe. Geschwindigkeit: III. Reiz:
»Marcia funebre« /auf den Tod eines Helden) aus Sonate Op. 26
von Beethoven. Auch hier trat nach Aussage des Reagenten
stärkere Aufmerksamkeit ein. Ergebniss: Pulsverkürzung von 3,7
4,4 4,1 auf 3,6 4,3 3,8, also um — 0,1 — 0,1 — 0,3, und später
auf 3,3 3,9 3,6, ja am Schlusse auf 3,2 3,6 3,4:
Reagent: H. Gale. Geschwindigkeit: III.
Reiz | Min.
Beethoven,
Mareia
funebre 4 02)
3,4 ı123/, 146,6
3,4 43), | 161/,| 56,4
| |
Als auch hier nur $ Tage später dies Stück wiederholt wurde,
dies Mal im Sinne des von Liszt und Wagner geforderten voll-
kommensten Ausdruckes!), war ebenfalls die Wirkung in Folge
des abstumpfenden Einflusses der Wiederholung geringer. Es trat
nämlich nur eine Pulsverkürzung ein: von 3,9 4,7 4,3 auf 3,6 4,5
4,2 und später auf 3,4 4,2 3,7, ja wegen der vielfachen Wieder-
holung innerhalb des Stückes selber trat bei derselben von Takt
Il an nur noch die geringere Verkürzung 3,6 4,2 3,9 und von Takt
20 an sogar nur 3,6 4,3 4,0 auf. Der Auftakt ist übrigens bei dieser
Zählung als Takt 1 mitgerechnet.
Beispiel 79. Reagent: G. Tawney. Geschwindigkeit: II.
Reiz: Amerikanisches Nationallied »Yankee-Doodle«e. Ergebniss:
Pulsverlängerung, nämlich von 4,1 4,6 4,3 auf 4,3 5,6 4,7, also um
+ 0,2 + 1,0 +0,41. Wegen Abstumpfung der unwillkürlichen und
I) Pohl, Ges. Schriften, Bd. 2: Liszt. Leipzig 1883. S. 47 ff, 114. Rich.
Wagner, Ges. Schriften u. Diehtungen. Leipzig 1873. Bd. 8, S. 359.
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 583
der dadurch nöthig werdenden willkürlichen Aufmerksamkeit später
Rückgang der Pulsverlängerung und schließlich sogar die Puls-
verkürzung 4,0 4,5 4,2, also gegenüber dem Anfang um — 0,1
nor
Nach Aussage des Reagenten war »später« bei ihm »etwas
Analyse« in musikalischer Hinsicht aufgetreten.
Beispiel 80. Reagent: Derselbe. Geschwindigkeit: IIb. Reiz:
Die ersten 18 Takte aus Liszt’s symphonischer Dichtung »Prome-
theus« (Klavierauszug). Ergebniss: Pulsverkürzung, nämlich von
5,6 6,3 5,8 auf 5,3 6,0 5,6, also um — 0,3 — 0,3 — 0,2, und später
sogar auf 5,1 5,7 5,4, also um weitere — 0,2 — 0,3 — 0,2. Nach
Aussage des Reagenten war »Analyse« vorhanden,
Beispiel 81. Reagent: Derselbe. Geschwindigkeit: IIb. Reiz:
Die ersten 10 Takte des Theiles »Molto espressivo« aus Liszt's
symphonischer Dichtung »Die Ideale« (Klavierauszug). Ergebniss:
Pulsverkürzung, nämlich von 4,6 5,4 5,1 auf 4,6 5,2 4,7, dann so-
gar 4,2 4,7 4,6. Aussage wieder: Analyse.
Beispiel S2. Reagent: Derselbe. Gesehwindigkeit: III. Reiz:
Die ersten 13 Takte aus Liszt’s symphonischer Dichtung »Les
Preludes«e nach Lamartine. Das Ergebniss zeigt die folgende
Tabelle:
Reagent: G. Tawney. Geschwindigkeit II.
I:
Reiz | Min. | Max. | Mw. nA\nP| _L mP
|
3,7 4,8 4,2 22/4 | 161/2| 67,7
03 +01 1703
3,5 4,7 4,0 34/, | 241/ | 98,8
Liszt, | TEEN N
Les Pre- /| 3,4 4,3 3,6 33/4| 24 | 88,7
ae
Iudes | an 13,9 3,3 2. | 12 | 46,8
Aussage: Analyse: entsprechend zunehmende Pulsverkürzung.
Aus allen diesen Versuchen geht hervor, dass auch hier bei
unwillkürlicher Aufmerksamkeit Pulsverlängerung auftritt, na-
mentlich eben bei leichteren oder bekannteren Stücken und bei
Wiederholungen, sei es eines ganzen Stückes, was oben nicht weiter
angegeben ist, oder innerhalb eines und desselben Stückes. Ist
Wundt, Philos. Studien. XI. 39
84 Paul Mentz.
jedoch, um die Einzelheiten musikalisch zu verfolgen, willkürliche
Aufmerksamkeit vorhanden, so tritt die uns schon bekannte Puls-
verkürzung ein, so auch z. B. im Verlaufe eines sonst wegen der
erfolgenden Abstumpfung mit unwillkürlicher Aufmerksamkeit auf-
gefassten Stückes.
Man kann sogar dem Reagenten direct die Anweisungen geben,
in diesem Falle stärker und bis in die Einzelheiten, und in jenem
nur im Ganzen und soweit das Stück selbst Anlass geben würde,
aufzumerken, und es zeigen sich dann dieselben Gesetzmäßigkeiten.
Beispiel $3. Reagent: H. Gale. Geschwindigkeit: IIb.
Reiz: Mareia funebre (auf den Tod eines Helden) aus Beethoven’s
Sonate Op. 26. Anweisung an den Reagenten, sich jedes specielleren
Eingehens auf das Stück zu enthalten, es vielmehr nur als Ganzes
aufzufassen und zu genießen. Ergebniss: Pulsverlängerung, näm-
lich von 4,4 5,4 4,5 zu 4,6 5,6 5,0, also um + 0,2 +0,2 + 0,2.
Nachdem darauf noch einige andere Stücke, ebenfalls bei nur un-
willkürlicher Aufmerksamkeit und mit derselben Pulswirkung ge-
geben waren, trat die andere Anweisung ein, die folgenden Stücke
im Einzelnen zu genießen. Es wurde aber nur noch derselbe Beet-
hoven’sche Trauermarsch gegeben, da die Trommel sich dem
Ende näherte. Ergebniss: Pulsverkürzung von 4,2 5,4 4,7 auf 3,7
5,2 4,5, also um — 0,5 — 0,2 — 0,2.
b. Die Wirkungen des Anhörens im Einzelnen.
Um den Verlauf der Pulswirkung auch im Einzelnen verfolgen
zu können, wurde |schon bei den obigen Stücken) eine Copie der
betreffenden Composition mit Taktzahlen versehen neben die Trommel
gelegt und nach ihr und dem Gehörten selber der Verlauf der Com-
position im Einzelnen durch kurze Zeichen auf der Trommel fest-
gehalten. Es ergaben sich so folgende Pulswirkungen im Einzelnen:
Beispiel 54. Reagent: G. Tawney. Geschwindigkeit: II.
Reiz: Beginn von Liszt's symphonischer Dichtung »Les Preludes«
nach Lamartine, schon als Beispiel 82 oben angeführt.
Um die Pulswirkungen hier verstehen zu können, ist es nöthig,
auf den Aufbau der Composition etwas näher einzugehen, ohne uns
jedoch an die gebräuchlichen musikalischen Ausdrücke zu binden,
wenn der Sachverhalt auf andere Weise in klareres Licht gestellt
0
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Atmung. 585
werden kann. Bass und Sopran gehen hier fast denselben Gang,
nämlich:
Takt 1—2 zweimaliges e ec’ die Grundstimmung angebend;
Takt 3—6 in Arpeggio auslaufende Melodie, mit reichem Accord
abschließend (a’ c”’ e”’ a’ c’”);
Takt 6—9 die gleiche Melodie, nur harmonisch reicher ge-
staltet und zwei Mal gegeben mit fast dem gleichen Accord
abschließend;
Takt 10—11 zweimaliges dd’ die Grundstimmung angebend;
Takt 12—13 in Arpeggio auslaufende Melodie, ähnlich Takt
3—6, mit dem Accord b’ d’f”’ d”’ abschließend u. s. w.
Dementsprechend traten gegenüber der allgemeinen Pulswirkung,
wie sie in Beisp. 82 besprochen wurde, folgende gleichsam heraus-
fallende Pulsverlängerungen auf:
Takt 1 bei dem Klang ce’, als Anfang, in Folge unwillkürlicher
Aufmerksamkeit.
Takt 6 bei dem erwähnten abschließenden Accord als Zeichen
einer Lust an der Vollendung.
Takt S—9 bei dem erwähnten abschließenden und ihm vorher-
gehenden, bereits vorbereitenden Accord, wieder als Zeichen
einer Lust an der Vollendung.
Takt 10 als Anfang der um eine Stufe höher liegenden Wieder-
holung.
Takt 12 als weitere, ebenfalls höher liegende Wiederholung,
nämlich die Melodie von Takt 3—6 u. s. w.
Sonst aber zeigte der Puls die bereits als Beisp. S2 gegebene
Verkürzung der willkürlichen Aufmerksamkeit.
Beispiel 85. Reagent: Derselbe. Geschwindigkeit: IIb. Reiz:
Beginn des Theiles »Molto espressivo« aus Liszt's symphonischer
Dichtung »Die Ideale«, schon als Beispiel S1 besprochen.
Während der Bass im Klavierauszug ein fortwährendes, die
Grundstimmung angebendes Arpeggio zeigt, aufgebaut auf dem an-
genehmen Accorde fac’f’ (vergl. das oben über Verschmelzung
Gesagte), ist im Sopran, auf dem Accord f’ a’ c” aufgebaut, wieder-
kehrende Melodie vorhanden, nämlich:
Takt 1—2 Klang a’ (lange ausgehalten), die Grundstimmung
angebend;
39 *
556
Paul Mentz.
Takt 2—3 Melodie a’ c” Y’ a’, auf dem Accord (f') a’ c” aufge-
baut, mit der Abwechslung gebenden Zwischenote ®;
Takt 4—5 geringe Abänderung der Melodie, auf dem Accord
f a’ (c”) aufgebaut, mit der Abwechslung gebenden Zwischen-
note #;
Takt 6—7 Melodie a’ c”’ ” a’, genau so wie in Takt 2—3;
Takt 7 dasselbe, nur etwas abgeändert und weit schneller,
und dies Mal mit der Zwischennote ®®, und mit e” schließend.
Takt 7—S dasselbe, nur etwas abgeändert, nämlich dies Mal
in höherer Lage (von d’ ausgehend, mit der Zwischennote
eis und mit a” abschließend);
Takt S—9 stimmungsvoller arpeggioartiger Triolenlauf (von a”
heruntergehend, und mit f abschließend);
Takt 9—10 stimmungsvoller, arpeggioartiger Triolenlauf (noch
einmal Aufschwung gebend von a’ heruntergehend, und mit g
abschließend) ;
Takt 10. Abschluss durch zweimaliges ege’g’ und Zuende-
führen des Laufes im Basse (in Octavengang) und dann ein-
tretendes Aaa’, um zur Erhöhung der ersten Melodie auf b’
überleiten zu können (Takt 11—20) u. s. f.
Dementsprechend traten bei allen Motivschlüssen beim Pulse
Verlängerungen auf, wieder als Zeichen der Lust am Abschluss d. h.
der Vollendung:
weg
Takt i bei dem Klang a’, als Anfang, nämlich: 6,2.
Takt 3 bei dem Abschluss a’, nämlich: 6,1; 7,3.
Takt 5 bei dem Abschluss a’, nämlich: 6,6; 7,2.
Takt 6 bei dem Abschluss a’, nämlich: 5,3.
Takt 7 bei dem Abschluss e”, nämlich: 5,1; 5,1.
Takt $ bei dem vorübergehenden Abschluss a”, nämlich: 5,6;
6,7; 5,6.
Takt 9 bei dem vorübergehenden Abschluss f’, nämlich: 6,2.
Takt 10 bei dem vorübergehenden Abschluss g, eg e’ g’, näm-
lich: 6,2; 6,3; 6,4.
,
Sonst zeigte der Puls, wie schon früher erwähnt wurde, durch-
die Verkürzung 4,6 5,2 4,7 und später sogar, entsprechend der
Zunahme der willkürlichen Aufmerksamkeit, 4,2 4,7 4,6. Auch
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 587
dem normalen Puls von Beginn des Stückes gegenüber, 4,6 5,4
5,1, sind diese Pulsänderungen bei den Schlüssen Verlängerungen,
und dies spricht auch dafür, dass hier deutliche Lust an den Ab-
schlüssen vorhanden war, zumal da ja auch bei denjenigen später
besprochenen Stücken, bei denen die Melodie durchaus continuirlich
war, ebenfalls bei den Abschlüssen solche sicheren Pulsverlängerungen
auftraten.
Wenn diese Pulswirkungen im Einzelnen dabei aber nicht
durchaus gleichmäßig erscheinen, so liegt dies daran, dass sie auf
verschiedene Stellen der Athemphasen des Pulses aufgesetzt sind
und dazu noch andere Factoren hinzukommen, nämlich in Takt 7
statt des bloßen a’ der Accord f’ a’ e”, in Takt 8 der Accord a’ d’’ a”,
ın Takt 10 der Accord ege’g’, was die Lust am Abschluss noch
erhöhen und gegenüber der fortschreitenden Pulsverkürzung der
willkürlichen Aufmerksamkeit doch wieder so große Längen hervor-
bringen muss, wie es 6,7; 6,2; 6,3; 6,4 sind. Das Schließen mit
Accorden ist ja überhaupt eins von den Mitteln, einen festeren Ab-
schluss zu gewähren.
Beispiel 86. Reagent: Derselbe. Geschwindigkeit: III. Reiz:
Amerikanische Nationalhymne »Yankee-Doodle«, als Beispiel 79
schon vorhin angeführt. Der Aufbau ist in der Satzart, die vorlag,
folgender: Bass und Sopran zeigen meist ein Miteinander, vielfach
jedoch auch ein Gegeneinander, doch sei hier nur die Grundmelo-
die berücksichtigt, der Auftakt als Takt 1 mitgerechnet:
Takt 1—5 Melodie mit dem Klang a’ als Auftakt beginnend,
auf dem Accord (a’) d’ fis’ (a’) aufgebaut, aufsteigend, mit den Ab-
wechslung gewährenden accordfremden Zwischennoten ®', ©" und
mit dem ähnlich wie Arpeggio auseinandergezogenen Accord (a) d
fis ad” abschließend;
Takt 5—9 dasselbe, nur etwas abgeändert und dies Mal mit
dem Accord d fis’ d’ und dad’ fis’ a’ d” fest abschließend;
Takt 10—13 Melodie, mit dem zum vorigen Accord gehörigen
Klang d” beginnend, zunächst Zwischenmelodie, dann auf dem
Accord fis’ a’ d’ aufgebaut, weit höher liegend, theils auf-, theils
heruntersteigend, mit den Zwischennoten © und ®, €, mit dem
ähnlich wie Arpeggio auseinandergezogenen Accord d (fis) a d’a”
abschließend;
588 Pan! Mentz.
Takt 14—17 dasselbe, nur etwas abgeändert und dies Mal mit
dem Accord d fis ad” und d fis a fis’ a’ d’ fest abschließend;
Takt 18-25 Wiederholung der Melodie Takt 1—5 und dann
5—9 in ausschmückender Art mittelst Octavenlegatos;
Takt 26-33 Wiederholung der Melodie Takt 10—13 und dann
14—17 in ausschmückender Art mittelst Octavenlegatos.
Dementsprechend traten beim Pulse folgende Pulsverlängerungen
als Zeichen der Lust an den Abschlüssen, d. h. der Vollendung
auf: Takt 5 bei (d fis a) d”, 9 bei (d fis’ a’) d”, 13 bei (d fis’ d’) a’,
17 bei (d fis’ a’) d”, 25 bei (d d” fis” a”) d’’, 33 bei (d d” fis” a”) d’”.
Ferner trat Pulsverlängerung beim Beginn von Takt 10 beim
Eintritt der höheren Tonlage ein, welche eine Art Zwischenmodu-
lation darstellt, wegen Lust an der dadurch hervorgebrachten Ab-
wechslung. Schließlich trat auch noch Pulsverlängerung ein
beim Beginn der Takte 18 und 26 beim Beginn der Octavenlegatos
‘d” d’”’ und d” d’””). Wäre hier die Wiederholung allein die Ursache
der Pulsänderung, so müsste sie anhaltend sein, so aber ist sie nur
am Beginn beider Takte vorhanden, als Zeichen der Lust an der Ab-
wechslung, als eines hinzukommenden Factors.
Wenn die früheren Beispiele eine mehr unterbrochene Melodie
darstellten und demnach die Deutung der Pulsverlängerung an den
Schlüssen wegen der eintretenden Pausen nicht so sicher war, ob-
gleich oft im Bass dabei keine Unterbrechung stattfand, so ist hier
vor allem in Takt 5 und 13 keine Unterbrechung oder Pause vor-
handen und gleichwohl zeigte sich jene Pulsverlängerung als Zeichen
einer Lust an der Vollendung. Auch haben wir dieselbe ja schon
in Beisp. 28 und 29 gegen Schluss der dort als Reiz angewandten
Tonleitern beobachtet. Wenn hier schließlich in Takt 21 und 29
keine solche Verlängerung auftrat, so liegt dies daran, dass hier in
der That die Melodie durchaus continuirlich weitergeht.
Beispiel 57. Reagent: H. Gale, Geschwindigkeit: III. Reiz:
»Marcia funebre« (auf den Tod eines Helden) aus Sonate Op. 26
von Beethoven, schon als Beispiel 78 angeführt. Der Aufbau der
Composition ist folgender:
Rhythmisch liegt ein langsames, dreimalig wiederholtes 3 J
zu Grunde, welches mit einer halben Note oder drei Viertelnoten
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 589
der gleichen Art jedes Mal abschließt und mit seiner festen Be-
tonung des ersten und dritten Viertels im #4 Takt einen langsamen
feierlichen Marsch darstellt.
Harmonisch liegt der nicht immer ganz ausgeführte und da-
durch Abwechslung bietende Accord As’ As ces esas ces’ es’ zu
Grunde, welcher auch den Schluss (Takt 31) bildet.
Melodisch ist, wenn man wieder den Auftakt als Takt I mit-
rechnet, folgender Aufbau vorhanden:
Takt 1—3 Melodie es’ “ es’, es’ ® es’, es’ es’, es’, in den
+4 Takt eingeordnet, mit arpeggioartigem, von Es ausgehendem, in
Es abschließendem Lauf im Bass zu Weiterem überleitend;
Takt 3—5 ebenso, nur dies Mal mit den drei Viertelnoten es’
es’ es’ (statt mit einer halben und dem Lauf) abschließend;
Takt 5—7 ebenso, mit arpeggioartigem, von Es ausgehendem,
in es abschließendem Lauf im Bass zu Weiterem überleitend;
Takt 7—9 ebenso, nur dies Mal durch das naheliegende des
des" des’ zu ces’ heruntergehend, wie zunehmende Düsterheit und
größere Gliederschwere, und mit den naheliegenden drei Viertelnoten
ces’ ces’ ces’ abschließend;
Takt 9—11 Melodie fis’ fs fis’, fis &' fis‘, fis’ f' fis’, fis’, also
höhere Lage, wie eine ferner liegende, etwas frohere Erinnerung,
etwa an das Leben des Helden, wieder mit arpeggioartigem, von
Fis ausgehendem, mit fis’ abschließendem Lauf im Bass zu Weiterem
überleitend;
Takt 11—13 ebenso, nur mit einiger Veränderung und dies Mal
mit den drei Viertelnoten fis’ fis’ fis’ abschließend;
Takt 13—15 ebenso, nur dies Mal durch e’ und fis’ zu dem
naheliegenden Klang e’g’ übergehend, wieder mit arpeggioartigem
von E ausgehendem, mit e abschließendem Lauf im Bass zu Weiterem
überleitend ;
Takt 15—17 g’® fis’, fis@® e’, a’ ® d’, @ d, also heruntersinkend,
wie wieder zur Gegenwart zurückkehrend und zu deren Trauer, da-
durch aber etwas ruhiger, dass hier das feste Dur eintritt;
Takt 17—19 ces” ©" ces”, b’ # g’, also wieder heruntersinkend,
dadurch aber, dass während dessen an f’ hier immer festgehalten
wird und wegen der dadurch entstehenden zunehmenden Accord-
verengerung wie ein Zusammensinken des Lebensmuthes wirkend;
90 Paul Mentz,
Takt 19—20 dasselbe, also Zusammensinken oder Zusammen-
gepresstwerden der Brust, nur hier an Stärke zunehmend (sforzando
und fortissimo);
Takt 20-—21 dasselbe, Zusammensinken oder Zusammengepresst-
werden der Brust (ganz in fortissimo);
Takt 21—22 heruntersinkender Lauf, von fes’ zur Grundstim-
mung als As’ Asas wieder zurückführend, wie als Wiederzurück-
kehren zur traurigen Gegenwart, welche durch das Fortissimo hier
wie als unabänderlich vorhanden hingestellt ist;
Takt 22—23 dasselbe wie Takt 2—3, also wieder der feierliche
langsame 'Trauermarsch selbst;
Takt 23—25 dasselbe wie Takt 3—5, Trauermarsch selbst;
Takt 25—27 dasselbe, wie Takt 5—7, Trauermarsch selbst,
durch das naheliegende des’ und es’ zu fes’ übergehend, um das
Folgende vorzubereiten;
Takt 28 nach nochmaligem fes’, Forteaccord des’ fes’ bb’ des’,
hochliegend, wie ein plötzliches Hinausschreienwollen des Schmerzes
und ein Hinaufschreienwollen gen Himmel, vielleicht als Scene am
Grabe selber zu denken;
Takt 29 nach demselben nochmals gegebenen Accord die noch
höhere und schrille Fortissimodissonanz b’ des” es” b’ als der eigent-
liche, schrille, sich gleichsam über Alles hinwegsetzende Schmerz-
schrei hinauf in die Luft;
Takt 29—30 nach derselben nochmals gegebenen Dissonanz Hin-
aufsteigen zu dem etwas beruhigteren, etwas lichteren ces” es”, wie
ein geringes Sichfassen ;
Takt 30—31 darauf von dem nahe gelegenen b’b” durch ««
und as’ as’, wie ein letztmaliges Schwanken, zu dem abschließenden
As’ Asas’ as”, dann As’ Asesas und dem gleichsam verklingenden
As’ As, als wäre nun alles vorüber.
Zwar trägt auch die harmonische Ausgestaltung manches Weitere
zu dem zu erweckenden Vorstellungs- und Affeetverlauf bei, doch
soll hierauf, als für unseren Zweck weniger wesentlich, nicht näher
eingegangen werden.
Dem obigen Aufbau entsprechend zeigten sich nun Pulsver-
längerungen bei allen Abschlüssen, der Lust an der Vollen-
dung entsprechend, ferner bei plötzlich zunehmender Tonstärke
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 591
und bei vollkommenen Consonanzen; eine Pulsverkürzung aber bei
jener schrillen starken Dissonanz, die wie ein Aufschrei des Schmer-
zes wirkt. Die aus der sonstigen Pulsverkürzung (vergl. Beisp. 78)
herausfallenden Pulsveränderungen waren nämlich folgende:
Takt 3 Anfang und Mitte Pulsverlängerung, einmal als Ab-
schluss, sodann weil wegen des langen Aushaltens als halbe Note
der Accord als eine etwas stärkere Intensität erscheint, als er in
Wirklichkeit ist, ja sicherlich auch schon so gespielt wird. Dem
gegenüber tritt die Unlustseite dieses Accordes (Septimaccord) zu-
rück.
Dazu kommt noch, dass während des Aushaltens des Accordes
im Sopran, im Bass der arpeggioartig ausgezogene Esduraccord er-
scheint: einmal ist er als Dreiklang lustvoll, gegenüber dem vor-
hergehenden Septimaccord (Contrast), sodann als Dur lustvoll
gegenüber dem bisherigen schweren Moll (wenigstens nach unserem
europäischen Gefühl), sodann auch spielend leicht und darum Er-
leichterung der Aufmerksamkeit mit Lust bewirkend, gegenüber den
bisherigen schwerfälligen vier- bis sechsstimmigen Accorden. Auch
alles dies muss Verlängerung des Pulses bewirken.
Takt 7 Anfang und Mitte Pulsverlängerung, aus den gleichen
Gründen, wie eben, nur dass hier der Accord Es moll statt Es dur
vorhanden ist.
Takt 9 Ende Pulsverlängerung einmal wegen Lust am Ueber-
gang zur höheren Terz (Modulation), da ja jedes Aufsteigen der
Stimme in die Höhe productiv vor allem bei Lust geschieht und .
daher auch reproductiv für den Organismus lustvoll ist und wie
eine Erhebung, Befreiung, Freude u. dergl. wirkt, sodann als Wieder-
holung und zudem noch Abwechslung.
Takt 11 Anfang und Mitte Pulsverlängerung wegen der ganz
ähnlichen Verhältnisse, wie Takt 3 und 7. Dazu kommt noch, dass
hier der Fisduraccord vorhanden und ein forte vorgeschrieben ist.
Takt 13 Anfang und Mitte Pulsverlängerung einmal wegen
Lust an der Vollendung, sodann als drei Mal wiederholter Fisdur-
accord, gegenüber dem Vorigen, auch schon wegen der höheren
Terzlage, wie eine Erinnerung, vielleicht an den früheren schönen
Zustand des Lebens des Helden erscheinend, gleichsam als em
schöner Traum.
599 Paul Mentz,
Takt 15 Anfang bis Ende Pulsverlängerung, wegen ganz ähn-
licher Verhältnisse wie schon in Takt 3, sodann aber auch noch
wegen des hier eintretenden Dur und des am Schluss auftretenden
Urescendos.
Takt 17 Anfang und Mitte Pulsverlängerung, einmal wegen
Lust an der Vollendung, sodann weil der hier drei Mal wiederholte
Accord D dd’ wegen seiner Einfachheit und seines Dur-Charakters
etwas Erleichterung bewirkt.
Takt 23 Anfang und Mitte Pulsverlängerung, wegen ganz ähn-
licher Verhältnisse wie schon in Takt 3, sodann wegen der größeren
Tonstürke f#')), was hier noch begünstigend hinzukommt.
Takt 27 dagegen zeigt trotz ähnlicher Verhältnisse beim Pulse
nichts Besonderes, weil hier durch das Hinaufgehen der Melodie
im Sopran auf fes und des dies Mal auf Des liegenden und arpeggio-
artigen Bassaccordes kein eigentlicher Abschluss vorhanden ist, viel-
mehr, wie auch noch ein hinzukommendes Crescendo zeigt, etwas
Weiteres und Besonderes hier angekündigt wird.
Takt 28 Anfang Pulsverlängerung wegen des nun eintretenden
Forteaccordes, der dazu noch höher hinaufgeht, als hier je zuvor
ein Klang.
Takt 29 Anfang Pulsverkürzung, einmal wegen der sehr starken
Dissonanz, sodann weil letztere nach all dem Vorhergehenden repro-
duetiv wie ein schriller Schmerzaufschrei erscheint, wozu auch
noch die sehr hohe, gegenüber dem vorigen nur im höchsten Affeet
zu erreichende Klanglage mitwirkt. Das Fortissimo, hier weit da-
von entfernt, Verlängerung zu bewirken, trägt im Gegentheil zur
Verkürzung bei, weil den Aufschrei noch schneidender machend.
Takt 30 Anfang und Takt 31 Anfang schließlich wieder Puls-
verlängerungen, einmal weil hier harmonisch eine vollständige Auf-
hellung eintritt, sodann weil beide Accorde Abschlüsse gewähren
(As as ces‘ ces und As As as’ ces’ as”), also Lust an der Vollendung
eintritt, wozu noch das einmalige Fortissimo bei dem ersten der
beiden Accorde beiträgt.
Besonders erwähnt sei noch, dass alle diese Pulsveränderungen
I} Vebrigens ist die dynamische Bezeichnung hier in den verschiedenen
Ausgaben Beethoven’s etwas verschieden.
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 593
sowohl auftraten, als diese Composition mit strengem Einhalten des
Taktes vorgespielt wurde, wie alle vorigen, als auch dann, wenn
sie acht Tage später nach der Forderung Liszt’s und Wagner’s!) im
Sinne des »vollkommensten Ausdruckes« gespielt wurde. Ja es waren
sogar im zweiten Falle die Pulsänderungen durchweg geringer, weil
ein solches Spielen für unsere Zwecke der Pulsmessung alles zu
sehr in Stimmung und Affect auflöst und demnach gleichsam das
Normale innerhalb des Stückes fehlt, von dem aus sich die Puls-
änderungen erst deutlich abzeichnen.
Dasselbe ließ sich auch bei dem zweimaligen Spielen des Ser-
bischen Volkstanzes, schon als Beispiel 77 angeführt, bei den ge-
nannten zwei Arten des Vortrags erkennen. Es braucht wohl kaum
erwähnt zu werden, dass auch hier die Pulswirkungen dieselben
waren, wie in den weiter ausgeführten Beispielen. So war z. B.
Pulsverlängerung vorhanden bei einer ansprechenden vorschlagähn-
lichen Wendung, sodann beim Beginn einer Wiederholung inner-
halb der Composition, sodann beim Beginn einer Modulation in der
höheren Quinte, sodann beim Schlussaccord und schließlich noch
bei einem auf den Anfang der Composition wiederum überleitenden,
Abwechslung und Erholung darbietenden leichten Lauf.
Was schließlich die Wirkung auf den Athem betrifft, so war
dieser in allen diesen Fällen, selbst als im Sinne des vollkommen-
sten Ausdruckes gespielt wurde, erstaunlich regelmäßig durch die
ganzen Compositionen hindurch, entsprechend dem gleichmäßigen
Genusse und der gleichmäßigen Aufmerksamkeit der Reagenten.
Nur bei dem Beethoven ’schen Trauermarsch zeigte sich ganz gegen
den Schluss hin in beiden Fällen eine deutliche, schräg nach oben
zu steigende Niveauerhöhung des Athems als einzige Unregelmäßig-
keit, welche nach so viel Schwerem sicherlich als eine innerliche
Erleichterung und sehr lebhafte Lust an der schließlichen Vollen-
dung zu deuten ist.
Demnach waren folgende Einzelwirkungen auf den Puls
vorhanden:
1. Bei bedeutenden Intensitätsänderungen, nämlich bei
crescendo, sforzando, forte, fortissimo Pulsverlängerung.
1) a.2a. 0.
59 Paul Mentz.
2. Bei ausgesprochener Lust oder Unlust an der Quali-
tät Pulsverlängerung bei vollkommenen Consonanzen, namentlich
wenn noch Lust am Abschluss hinzukam, und Pulsverkürzung bei
starken plötzlichen Dissonanzen.
\ Beim Uebergang der willkürlichen Aufmerksamkeit
in unwillkürliche abnehmende Pulsverkürzung oder gar Puls-
verlängerung, bei leichten Uebergängen, bei Wiederholungen inner-
halb der Compositionen selbst, z. B. als Modulation in der Quinte,
wozu dann noch die Lust an der Leichtigkeit kommt, und überhaupt
bei Wiederholung von ganzen Compositionen in kurzer Zwischenzeit
x. B. nach einigen Minuten.
Bei der Auffassung selber zeigte sich ferner die Lust an der
Abwechslung und, schon früher in zwei Fällen gefunden (Bei-
spiel 285 und 29), die Lust am Abschluss. Es wirft dies ein
Licht auf ein noch unklares Gebiet der Aesthetik, für die ja über-
haupt diese Ausdrucksmethode von Wichtigkeit werden kann. Bis-
her hat man immer von der Forderung der »Einheit und Mannig-
faltigkeit« bei Kunstwerken gesprochen, ohne sich klar zu werden,
wie zusammengesetzt sie eigentlich ist. Zunächst setzt diese Forde-
rung nümlich voraus, dass überhaupt etwas da sei, was in uns Er-
lebniss wird oder Thätigkeit ist, und dem entspricht die Lust an
der Thätigkeit oder dem Erlebniss, die sicherlich zum Theil
bei der durch einfache Geräusche, Töne und Klänge (Capitel III)
hervorgebrachten Pulsverlängerung mitwirkt. Es geht namentlich
aus den Geschmacksversuchen hervor, dass, wenn nur die Intensi-
tät eine gut gewählte ist, zunächst mit einer Empfindung immer
Lust verbunden ist, und dies entspricht auch der Grant Allen-
Lehmann schen Auffassung'!). Auf der anderen Seite entspricht
ıhr die Unlust bei gezwungener Unthätigkeit oder der durch zu
lange Dauer hervorgebrachten Eintönigkeit eines Reizes, die oben
auch als Pulsverkürzung beobachtet wurde.
Dazu kommt die Lust am Wechseloderan der Abwech selung,
welche aus dem Vorigen mit Hinzunahme der eben geschilderten
Uhatsache der Abstu mpfung hervorgeht. Ein Wechsel bringt
I Grant Allen, Physiological Aestheties. London 1877. $. 21. Lehmann,
2.0 8150 ff
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 595
eberi immer ein stärkeres Erleben mit sich und demnach Lust, die
oben als Pulsverlängerung mehrfach beobachtet wurde. Auf der
anderen Seite entspricht ihr die Unlust der Uebermüdung oder Zer-
splitterung durch eine zu große Abwechslung. Natürlich wird dies
bei den verschiedenen Individuen, verschiedenen Ständen und Cul-
turstufen verschieden sein.
Schließlich tritt noch Lust beim Vollenden, dem Abschluss
oder dem Vollendetsein auf, die ebenfalls aus der ersten Art
Lust mit Hinzunahme der zweiten hervorgeht. Sie setzt nämlich
voraus, dass alles Störende bei der Thätigkeit oder dem Erleben
ferngehalten ist, und ein passender Abschluss stattfindet, der Er-
holung ermöglicht. Auch hier also spielt die Abstumpfung als
bedingendes Moment sehr wesentlich mit. Auf der andern Seite
ist wieder Unlust bei der Nichtvollendung oder der Unfertigkeit
vorhanden.
Weil schon nervenphysiologisch begründet, spielen diese Lust-
und Unlustarten sowohl im Leben wie in der Kunst eine sehr
große Rolle. Sie bestimmen im Kunstwerk in letzter Linie die An-
ordnung, wie auch aus den obigen musikalischen Analysen zur Ge-
nüge hervorgehen dürfte. Aus ihnen allen zusammen geht die Lust
an der richtigen Einheit und Mannigfaltigkeit hervor, die demnach
ein Prineip höherer Ordnung ist und also mit Unrecht noch von
Fechner an den Anfang seiner »Aesthetik von unten« gestellt
wurde. Wie beim Vorspielen mit »vollkommenstem Ausdrucks,
so tritt unter Umständen die Wirkung der Stimmungen und Af-
fecte besonders in den Vordergrund, vor allem bei Hauptstellen
aus Musikdramen. So fand Warthin!) an Hypnotisirten Puls-
beschleunigung beim Anhören des Walkürenritts und des Feuer-
zaubers von Wagner (was excitirende Affecte zur Folge hatte),
Pulsverlangsamung aber bei langangehaltenen, beängstigend wir-
kenden Mollaccorden, besonders dem B-Mollaccord und bei der
Todesverkündigung an Sigmund (Affect großer Bangigkeit mit Vor-
stellung des nahenden Todes auch bei dem hypnotisirten Reagenten):
Ergebnisse, die mit den Untersuchungen über die Pulswirkung der
Affecte (Capitel X) im Einzelnen gut übereinstimmen.
1) Medical News (amerik. Zeitschr.) 1894.
596 Paul Mentz.
XIII. Schlusserörterung.
Bei einer Erörterung der Ergebnisse dieser Arbeit in physio-
logischer und psychologischer Hinsicht ist es zunächst nöthig auf
die Frage näher einzugehen, ob nicht vielleicht alle in den obigen
Versuchen festgestellten Pulsänderungen nur eine Folge der
Athmungsänderungen seien; denn dies würde dem ganzen
Sachverhalt ein anderes Ansehen geben.
Wenn man nun, ähnlich wie es Dogiel that, dieselben Ver-
suche noch ein Mal machen würde, indem man dies Mal den Rea-
genten veranlasste, die Athmung anzuhalten, so würde dies doch,
falls sich wie bei Dogiel dieselben Erscheinungen, nur etwas
geschwächt, vorfinden sollten, wenig zur Entscheidung der Frage
beitragen. Durch das FERTR der Athmung werden ja die Vor-
gänge im Großhirn und verlängerten Mark nur sehr unwesentlich
beeinflusst, vielmehr wird dadurch lediglich eine der Wirkungs-
äußerungen dieser Vorgänge durch willkürliches Anhalten der
Thorax- und sonstigen Athmungsmuskeln beseitigt, während die
centralen Wirkungen höchst wahrscheinlich ungestört fortdauern.
Viel wichtiger ist die Thatsache, dass die Pulswirkungen auch
dann vorhanden sind, wenn die Athmung keinerlei Veränderung
in ihrer Form, sondern höchstens in ihrer zeitlichen Vertheilung
erleidet, und dies wurde in der That bei den obigen Versuchen
über die Intensitäten (vergleiche Beispiel 20 A und B) und bei
dem Anhören von Compositionen beobachtet. Gerade beim Anhören
von Compositionen ist, wie dort besonders hervorgehoben wurde,
der Athem erstaunlich regelmäßig, und gleichwohl finden sich Puls-
wirkungen der verschiedensten Art und, wie auch bei den Inten-
sitätsversuchen, an den verschiedensten Stellen der Athemphasen.
Einen dergestalt sehr regelmäßigen Athem kann man vielfach auch
an sich selbst beim Anhören von Musik im Concertsaal beobachten,
und gleichwohl findet man sich in diesem Falle wieder in der
mannigfaltigsten Weise ergriffen. Auch die Herzwirkungen bei den
Affeeten, namentlich das starke Herzklopfen bei Furcht, während
der Athem durchaus nicht so starke Veränderungen erleidet, sprechen
für ein bloßes Nebeneinandergehen der Wirkung auf die
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung, 597
Gefäße und auf die Athmung. Schließlich ist noch in einer
großen Reihe anderer Fälle, die man fast in jedem der obigen
Beispiele, oft sogar mehrmals beobachten kann, die gewöhnliche
Pulswirkung vorhanden, während der Athem ihr nicht entsprechende,
andere Wege geht. Es sind dies nämlich alle in den obigen
Tabellen bereits mit einem (*) bezeichneten Fälle. Verfolgt man
nämlich diese Fälle näher, so findet man, dass diese auffallenden
Abweichungen daher rühren, dass der Athem in viel selbständigerer
Weise noch als der Puls ein Zu- und Abnehmen in seiner Dauer
und Tiefe zeigt. Man verfolge nur die Tabellen jedes Mal durch
die Columne m A und man wird ein überraschend regelmäßiges
Zunehmen, Abnehmen und Wiederzunehmen u. s. f. schon allein
in den Athemlängen finden. So hat man z. B. in Beispiel 25 fol-
gende Aenderungen:
13,17, 16 (statt, der Pulsänderung entsprechend, 18)*, 12, 15, 17, 15 (statt 17) *,
15, 13, 16, 14 (statt 16)*, 11, 12,
und in Beispiel 36 folgende:
18, 19, 19, 18 (statt, der Pulsänderung entsprechend, 19) *, 19, 19 (statt 21)*,
19 (statt 17)*, 20, 18 (statt 20)*, 16, 17, 19, 20, 19 (statt 20)*, 21, 20, 19 (statt 20) *,
20, 20 (statt 17)*, 24, 20, 23, 21 (statt 25) *,
und ebenso in allen übrigen Fällen. Es wurde diese Regelmäßig-
keit auch schon in Beispiel 20 A und B und in Beispiel 34 be-
sonders hervorgehoben (vergleiche die dortigen Zahlenauszüge). Es
sind dies, wenn man so sagen darf, die Traube-Hering’schen
Schwankungen der Athmung, veranlasst jedenfalls durch eine
Summation rein physiologischer Impulse im verlängerten Mark,
ohne dass man sonst darüber schon genaueres sagen könnte.
Während aber der Puls sich in seinen Schwankungen von den
sonstigen Reizen in erster Linie beeinflussen lässt, wenigstens
im Ganzen genommen als »Pulslänge«, ja diese Beeinflussung die
Schwankungen, wie wir bei der willkürlichen Aufmerksamkeit sahen,
sogar mehr oder minder zu unterdrücken im Stande ist, verhält
sich die Athmung in dieser Beziehung viel selbständiger, was man
sich aus der größeren Anzahl ihrer Centren, ihrer zweckmäßigen
Anpassung an die Bedürfnisse des Organismus oder sonst einer
Ursache erklären mag. Wenn, wie oben auseinandergesetzt, der
598 Paul Mentz.
Puls bei Sinnes- und sonstigen Reizen seine gewohnten Ver-
änderungen zeigt, während die Athmung theilweise ihre eigenen
Wege geht, so muss man hieraus als ziemlich sicher folgern, dass
die Pulsänderungen bei den Sinnes- und den sonst in
dieser Arbeit angewendeten Reizen den Athemänderungen
eigentlich nur parallel gehen, aber ihnen nicht ihren
Ursprung verdanken. Pr
Auch sonst noch liegen in diesen Versuchen Pulsänderungen
vor, die nur so kurze Zeit dauern, dass sie nur einen geringen
Bruchtheil der Athemphase einnehmen und deren Anlässe genau
so wie beim Anhören der Compositionen sehr verschiedenartige
sind: so in den Beispielen 3, 15, 25, 28, 29, 32, 35, 44 und 63.
Auch sie sprechen für die Richtigkeit der obigen Annahme.
Für die Frage, in welcher Weise die Pulsänderungen
eigentlich vor sich gehen, liefern nun, außer den Versuchen
Mosso’s!), noch besonders die folgenden dankenswerthes Material:
Istomanow und Tarchanoff?) fanden am Menschen, dass
bei unangenehmen Gerüchen und bitteren und saueren Geschmäcken
eine Abnahme des Volumens der Extremitäten und eine Erweiterung
der Hirngefäße eintritt. Bei angenehmen Gerüchen und süßem
Geschmack jedoch tritt das Entgegengesetzte ein. Es handelt sich
hier also vor allem um die Lust- und Unlustwirkung von Reizen,
Wenn nach diesen beiden Forschern aber auch bei optischen und
akustischen Eindrücken das Erstere eintritt, so müssen wir be-
zweifeln, ob die psychologische Analyse genügend war, denn selbst
bei den saueren und bitteren Geschmäcken erfolgt ja keineswegs
immer dieselbe Wirkung, vielmehr sind sie in geringeren Concen-
trationen von Lustwirkung begleitet.
Aus Couty und Charpentier's®) Versuchen am Thier mit
Eingriffen in den Organismus geht hervor, dass die von ihnen
beobachteten Blutdruckänderungen bei Einwirkung von Sinnesreizen
physiologisch vom Großhirn ausgehen. Nach Cauterisation, nach
Zusammendrücken desselben, nach Unwegsammachen seiner Ge-
füße durch Lycopodiumembolie, wobei jedoch jedes Mal das ver-
längerte Mark intact gelassen wurde, blieb nämlich die Wirkung
1) a. a. OÖ. (Siehe oben 8. 61.) 2) a.a. 0. 3) a... O0.
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung, 599
auf den Blutdruck aus, während die Faradisation eines peripheren
Nerven noch die gewöhnliche Wirkung hatte. Ferner sind nach
diesen Forschern diese Blutdruckänderungen nur vorhanden, wenn
der Verlauf der Processe des Großhirns überhaupt ungestört ist
(einschließlich der Bewusstseinsvorgänge), denn nach schwachen
Chloraldosen blieben diese Blutdruckänderungen aus, während wie-
e»rum die Faradisation ihre gewöhnliche Wirkung hatte. Es ent-
spricht dies durchaus der in Beispiel 13 erwähnten Beobachtung,
nach der bei nebensächlichen Schallreizen die entsprechende Puls-
wirkung nur dann vorhanden war, wenn der Reiz beim Reagenten
bis zum Bewusstsein vorgedrungen war. Also auch hier war ein
regelrechter Ablauf der psychophysischen Processe des Großhirns
nöthig.
Es ist hiermit durchaus nicht im Widerspruch, wenn wir aus
Mosso’s Versuchen fanden, dass die plethysmographische Wirkung
im Schlafe gleichwohl bei seinen Reagenten eintrat; denn bei nicht
sehr tiefem Schlafe sind ja vielfach Bewusstseinsvorgänge, wenn
auch in geringerem Maße vorhanden, zumal wenn man einen
Fremden in demselben Zimmer weiß. Es braucht dies jedoch nicht
immer nothwendig der Fall zu sein, wie ja auch die hypnotische
Anästhesirung und die tiefere Chloroformnarcose zeigen, und dem
entsprechen denn auch die bereits (S. 88) angeführten Pupillen-
beobachtungen von Sander, Hirschberg u. A., die hierdurch
erst erklärt werden.
Ferner aber fanden Couty und Charpentier, dass die Wir-
kung auf die Gefäße bei Sinnesreizen die primäre ist und die
Wirkung auf das Herz erst secundär durch den Vagus erfolgt,
denn als dieser durchschnitten wurde, fand eben die Herzwirkung
nicht mehr statt. Es scheint hiernach der psychophysische Process
im Großhirn das Gefäß- und das Athmungscentrum des verlängerten
Marks, welche ja nahe bei einander liegen, und zugleich mehr oder
minder die herzhemmenden oder beschleunigenden Nerven in Mit-
leidenschaft zu ziehen. Letzteres besonders stark bei den
Affecten. Ferner aber, und darauf sei besonders aufmerksam ge-
macht, liegen ja im verlängerten Mark außer mehreren centripetal
erregbaren Centren auch diejenigen des Lidschlusses, der Schweib-
absonderung und der Reflexcoordination. Es ist nicht unmöglich,
Wundt, Philos. Studien. XI. 40
600 Paul Mentz.
dass sie bei ihrer nahen räumlichen Beziehung bald in dieser, bald
in jener Weise zusammen erregt werden.
So findet nach allem Obigen bei Intensitäten im allgemeinen
und bei Lust normaler Weise eine Gefäßerweiterung statt. Fere
fand durch seine dynamometrischen Untersuchungen!) in diesen
Fällen auch eine Verstärkung der Innervation der Muskeln, Tar-
chanoff schließlich eine Verstärkung der Schweißsecretion ?), und
dass nicht nur das Herz indirect beeinflusst wird, sondern auch der
Vagus wirkt, geht aus den Mittheilungen von Couty und Char-
pentier®) hervor. Bei der Unlust ist eine Gefäßverengerung,
eine Herabsetzung der Innervation der Muskeln (Fer£) und jeden-
falls auch directe Herzwirkung durch den Accelerans vorhanden ;
über die Schweißsecretion aber ist in diesem Falle bis jetzt nichts
Näheres bekannt.
Bei den Affecten wurden die verschiedensten Gefäß- und
Herzwirkungen beobachtet, man denke nur an die Herzhemmung
bei Schreck, die Beschleunigung bei Furcht, Freude, Zorn; ebenso
verschiedenartige Innervationsänderungen, nämlich eine Verstärkung
der Innervation bei Freude, Zorn, Wuth, eine Schwächung bei
Trauer, Aufhebung der richtigen Coordination bei Verlegenheit,
Verwirrung, stark vermehrte Schweißsecretion bei Furcht, Angst,
sowie unwillkürlicher Lidschluss bei mehr passiven Affecten, wie
Schreck, Ertapptwerden auf Unwahrheit, Scham. Leider ist das
Material hier noch sehr unvollständig.
Bei der willkürlichen Aufmerksamkeit schließlich ist
Gefäß- und Herzbeschleunigung vorhanden, bei Uebertreibung leicht
zu sog. Herzklopfen führend, ferner starke Schweißsecretion (Tar-
chanoff), wie man auch namentlich an Stirn und Scheitel an sich
selbst nach längerer geistiger Arbeit beobachten kann.
Auch noch andere Muskeln, wie die der Vesica, werden nach
Mosso und Pellacani*') bei Affecten und Aufmerksamkeit stark
1) a... ©.
2) Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 46. 1889. S. 46,
3) a.a. 0.
4) R. Accad. dei Lincei. Bd. 12. 1881. Aufsatz: Sulle funzioni della ve-
scica. Auszug davon bei Hofmann und Schwalbe, Jahresberichte Bd. 10, 1881.
8. 93 (Physiolog. Theil).
Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. 601
in Mitleidenschaft gezogen. Selbst über Bewegungen des Foetus
liegen bei Fer&!) mehrere Mittheilungen vor, und ist dieselbe bei
stärkeren Affecten den Aerzten bereits lange bekannt. Schließlich
sei noch an die Pupillenwirkungen in den verschiedenartigen Fällen
erinnert, doch gehen diese sehr wahrscheinlich zum Theil erst in-
direct durch Vermittlung der Gefäßinnervation vor sich.
Jedenfalls geht aus allem diesem hervor, dass man mit Fere?)
die Wirkungen von Empfindungen, Lust, Unlust, Affecten,
willkürlicher Aufmerksamkeit sich im Organismus viel
weiter verbreitet vorstellen muss, als man bisher geneigt
war. Leider ist aber das Material in dieser Beziehung noch sehr
lückenhaft und zum Theil auch wegen des Mangels an psychologi-
scher Analyse der Beobachtungen unzuverlässig.
Wenn nun auch bei weiterer Sammlung der hierhergehörigen
Thatsachen einerseits die Masse des zu Erklärenden für die Phy-
siologie und Psychologie wächst, so wird doch andererseits durch
solche Untersuchungen die Aussicht eröffnet, mit der Zeit ein
eingehenderes und einheitlicheres Verständniss der Vorgänge zu
gewinnen, als es bis jetzt möglich gewesen ist. Hierzu stehen aber
im Ganzen noch folgende Wege offen: Im Gebiet der Kreis-
laufsversuche sind, wie es in vorliegender Arbeit in Bezug
auf das akustische Gebiet versucht worden ist, auch die
anderen Sinnesgebiete möglichst gründlich durchzuarbeiten. Da-
bei wird es sich empfehlen, die von Benedict, v. Kries und
v. Frey empfohlene multiple Pulsschreibung anzuwenden, d.h. das
Ansetzen mehrerer Instrumente an passenden Körperstellen, weil nur
so umfassende Auskunft über den Zustand des ganzen Kreislauf-
systems gewonnen werden kann. Auch multiple Athemschreibung
ist wünschenswerth, z. B. außer mit dem Pneumatographen mit dem
Bert’schen Zirkelstethographen oder Kronecker's und Marck-
wald’s Zwerchfellhebel, da ja, wie jeder Gesangs- und Decla-
mationslehrer weiß, beim Athmen, entsprechend der großen Zahl
der verwerthbaren Muskeln, große individuelle Verschiedenheiten
vorhanden sind.
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2a 028.58, 71, St £, 104, 118.
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Unbedingt nöthig bei diesen Versuchen ist es, wie | ai
stets geschah, ein ganz geräuschlos laufendes Kymograph
RE. zuwenden. Als Verf. mit einem neuen, nicht ganz geräu
x "laufenden einige Controllversuche anstellte, fand sich, Pre
Wirkungen z.B. bei Intensitäten zwar noch regelmäßig vorl
aber weit geringer als sonst waren, weil das Uhrwerkgeräusch scl
NE an sich selbst Reiz ist.
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QP Mentz, Paul
356 Die Wirkung akustischer
MA Sinnesreize auf Puls und
Biological Athmung
& Medical
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