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Dr. Bennett F. Davenpcrt
^SJ TÄEMONT 8T
BOSTON, - - MAsS:
Digitized by the Internet Archive
in 2011 with funding from
Open Knowledge Commons and Harvard Medical School
http://www.archive.org/details/diewissenschaftlOOschl
f
Die wissenschaftliche Ausbildung
des
Apothekerlehrlings
und seine
Vorbereitung zum Oehilfenexamen.
Mit Eücksickt auf die neuesten Anforderungen
bearbeitet von
0. Schlickum,
Apotheker.
Dritte verbesserte und stark vermehrte Auflage.
Erste Hälfte (Bog-. 1—22 inel.)
V
Leipzig
Ernst Grünther's Verlag
1884.
Preis des (Ms Ende 1883) vollständigen Werkes: 10 Mark.
Vor kurzem erschien in demselben Verlage:
Schlickums Kommentar zur Pharm ac. Germ. Ed. IIa- Mit vollständiger
Text-Übersetzung und einer Anleitungzur Massanalyse. M.10. — ,eleg.Halbfzbd.M.12. —
Snppleilientlbaild zu vorigem Werk: Bereitung und Prüfung der in der Pharm.
Germ. Bd. II nicht enthaltnen Arzneimittel. Bearbeitet von 0. Schlickum.
(In 5 Lieferungen ä 2 Mark.)
Apothekerkalender für das deutsche Reich, herausgegeben von o. Schlickum.
III. Jahrgang. 1884. In eleg. Leinwandband. M 2. —
Der reichhaltige, gediegene Inhalt, sowie die elegante und praktische Ausstattung, in Verbindung
mit dem massigen Preise, wird unsern Kalender, wie wir hoffen, bald als ein notwendiges Requisit für
jeden Pharmazeuten erscheinen lassen.
Der neue Jahrgang 1884 enthält u. a. :
Übersichts-Kalender. — Notiz-Kalender. — Kassabuch. — Die Münzen aller Länder. — Übersicht der
Briefportosätze. — Gebührentarif für Telegramme. — Sammel- und Arbeits -Kalender. — Ferner: I. Die
Arzneistoffe nach Darstellung (Ph. Germ. Ed. II) und Verordnungs weise. — II. Die Aufbewahrung der
Arzneistoffe. — III. Gifte und Gegengifte. — IV. Formeln und Molekular -Gewichte der pharmazeutisch-
chem. Präparate. — V. Die wichtigsten chemischen Elemente mit Zeichen und Atomgewichten. —
VI Löslichkeitstabelle. — VII. Saturationstabelle. — VIII. Tropfentabelle. — IX. Mass und Gewicht. —
X. Abkürzungen und Rezeptformeln. — XI. Vergleichung der Thermometerskalen. — XII. Tabellen über
den Prozentgehalt verschiedener Lösungen bei 15° C. — XIII. Die Verdünnungsgleiebung. — XIV. Tabelle
über die Veränderungen der spez. Gewichte offizineller Flüssigkeiten. — XV. Prüfung der Arzneistoffe
nach der Ph. Germ. Ed. II. — XVI. Reaktionstabellen der chemischen Präparate. — XVII. Verzeichnis
der Apotheker des deutschen Reiches. — XVIII. Namens-Register der Apotheker Deutschlands. —
Inserate. —
SchreibtafeL — Centralstift (halb Schiefer halb Blei).
Im Erscheinen begriffen sind:
Hagers Untersuchungen. Ein Handbuch der Untersuchung, Prüfung und Wert-
bestimmung aller Handelswaren, Natur- und Kunsterzeugnisse, Gifte, Lebensmittel,
Geheimmittel etc. etc. Mit zahlr. Holzschnitten. Zweite umgearbeitete, stark
vermehrte und verbesserte Auflage von Dr. H. Haffer u. A. Gawalovski.
Vollständig in 15 Lieferungen zu 2 Mark.
Der Name der Verfasser u. die Aufnahme, welche die erste Autlage gefunden hat7
lassen wohl jede Empfehlung als überflüssig erscheinen. Durch Kooptierung des Herrn
A. Gawalovski hat Herr Dr. Hager.es überdies verstanden, dem Werke einen
auch über die pharmazeut. Kreise hinausgehenden Wert für jeden Chemiker und ge-
bildeten Laien zu sichern und es damit auf die Höhe der betr. Wissenschaft zu bringen.
In Vorbereitung befindet sich:
Die neueren in- und aussereuropäischen Pharmakopoen, verglichen mit
derDeutschenReichs-PharmakopÖe, herausgegeben von Dr. B.Hirsch.
^^^^ Zugleich als Supplement zu Hagers Manuale. ^^^
Die wissenschaftliche Ausbildung
des
Apothekerlehrlings
und seine
Vorbereitung zum ßehilfenexamen.
Mit Rücksicht auf die neuesten Anforderungen
bearbeitet von
0. Sclilickinn,
Apotheker.
Dritte umgearbeitete und verbesserte Auflage.
Mit 560 Holzschnitten.
Leipzig
Ernst Grünther's Verlag*
1884.
/^y 6J
Ein Wort zum Unterrichtsplan.
(Vorrede zur ersten Auflage,)
Wenn ein neues Lehrbuch dem pharmazeutischen Publikum
geboten wird, bedarf es wohl keiner Rechtfertigung, zunächst aus
dem allgemeinen Grunde, weil eine Bereicherung an Lehrmitteln
dem Lernenden stets vorteilhaft ist, sodann aus dem besonderen
Bedürfnis, welches sich in den letzten Jahren, nach der be-
deutenden Verschärfung der Anforderungen, dem Lehrling fühlbar
gemacht. Es ist vor allem ein Lehrbuch notwendig, welches,
unter Ausscheidung des Fernerliegenden, dem Eleven nur dasjenige
bietet, was er zunächst wissen muss — und dies in möglichst
prägnanter Kürze, -um ihn nicht durch Dickleibigkeit des Buches
und langatmige Abhandlungen abzuschrecken. In wie weit es
mir gelungen sei, dieser Aufgabe gerecht zu werden, wird die Be-
urteilung ergeben; für jetzt will ich mich darauf beschränken,
die näheren Ziele, sowie den einzuschlagenden Unterrichtsplan
nach meiner Ansicht in Kürze darzulegen.
Die Lehrzeit des Pharmazeuten ist jetzt auf drei, für die
Abiturienten auf zwei Jahre festgestellt, — eine scheinbar lange,
aber angesichts der Fülle des zu bewältigenden Stoffes dennoch
kurze Frist; zumal, wenn man bedenkt, dass die erste Zeit dem
Eleven verstreicht über der Umschau in dem Arzneischatze und
der Geschäftspraxis, der Erlernung der Handgriffe u. s. f. Es geht
daraus klar hervor, dass man nicht zeitig genug mit dem Unter-
richte in den pharmazeutischen Wissenschaften beginnen kann,
keineswegs aber damit bis kurz vor dem Gehilfenexamen warten
darf, in welchem Falle nur elende Stümperei erzielt Avürde.
Unsere Fachwissenschaften zerfallen in folgende fünf: Physik,
Chemie, Botanik, Pharmakognosie und spezielle Pharmazie (Rezeptur
und Defektur).
Nach diesen Pachtungen hin ist die Ausbildung des angehenden
Apothekers zu verfolgen. Es erwächst uns nun die erste Frage:
Welches Ziel hat der Eleve bis zum Gehilfenexamen zu
erreichen, wenn letzteres weder mit einer übermässigen Nach-
sicht, noch mit einer inhumanen Strenge gehandhabt werden soll?
Die Aufgabe der Lehrzeit lässt sich dahin präzisieren,
dass in den verschiedenen Hilfswissenschaften die allgemeine
Grundlage gewonnen, die Kenntnis der wichtigsten Naturgesetze,
sowie eine Überschau über die Naturreiche erworben werden muss,
dagegen in allen Fragen und Gegenständen, welche in unserem
Fache ein direktes Interesse beanspruchen, speziell und eingehend
zu verfahren ist.
Treten wir nun an die einzelnen Wissenschaften heran und
untersuchen , in wie weit sie Gegenstand des Lehr- Unterrichts
— IV —
und in welcher Weise der letztere am besten einzurichten sei,
so möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass ich hierbei nur
meine unmassgeblichen, aber in der Praxis bewährten Anschauungen
wiederzugeben in der Lage bin.
Für den ersten Winter der Lehrzeit eignet sich vor allem
das Studium der Physik, die mehr oder weniger die Vorschule
der Chemie bildet und nur geringe Schwierigkeiten darbietet.
Sie kann deshalb auch recht wohl in einem halben Jahre ihrem
Hauptumrisse nach durchgearbeitet werden, während Ode Chemie,
zugleich mit ihr beginnend, sich durch die ganze Lehrzeit hinzieht.
In jener Wissenschaft sei das Studium vorzugsweise auf die
Kenntnis der allgemeinen Naturgesetze, sodann auf die
gebräuchlichsten Instrumente, wie Barometer, Luftpumpe,
Hebel, Thermometer, Dampfmaschine, Lupe und Mikroskop,
galvanische Batterie u. a. m., beschränkt. Man erstrebe eine
klare Anschauung, worauf die Naturerscheinungen, die uns täglich
vor Augen treten, und worauf die Nutzanwendungen, die wir von
den Naturkräften ziehen, sich gründen. Nur in wenigen Partien,
wesentlich bei der Bestimmung des spezifischen Gewichtes, bei
der Wage u. dgl., ist ein spezielleres Eingehen geboten, da hieraus
die praktische Pharmazie besonders Nutzanwendungen zieht.
In vorliegendem Buche wurden die physikalischen Artikel
nach dieser Richtung hin ausgewählt und bearbeitet; am Schlüsse
derselben nahm ich leicht ausführbare „Versuche" auf, fügte auch
„Fragen und Aufgaben" hinzu, wodurch ich das Interesse der
jungen Fachgenossen zu erregen, sowie auf einzelne Punkte der
vorausgeschickten Abhandlung näher einzugehen beabsichtigte.
Wenden wir uns von der Physik zur Chemie, so treten
wir gewisserm assen aus der Vorhalle des Tempels in dessen Inneres
ein. Neben den allgemeinen sind hier sehr spezielle und ein-
gehende Kenntnisse zu erwerben, neben dem Wissen praktische
Fertigkeiten in erweitertem Masse.
Zunächst hat der Lehrling die chemischen Elemente mit
ihren Verbindungen — Säuren, Basen, Salzen — sich anzu-
eignen , er lernt den chemischen Prozess in seinen haupt-
sächlichsten und häufigsten Formen kennen, studiert die Rolle
des Sauerstoffs, des Schwefels, der Salzbildner —
und dies alles an der Hand der Formeln, welche seinem Wissen
erst die sichere Grundlage gewähren. Ich wählte im vorliegenden
Buche die (neuen) Molekularformeln, nicht in der Meinung, die
(älteren) Äquivalentformeln seien überlebt und nicht mehr passend,
sondern in der Erwägung, dass beim steten Fortschreiten der
Wissenschaft Stillstand Rückgang sei.
Um die Formeln recht handhaben zu lehren und den Anfänger
in das wichtige Kapitel der Stöchiometrie praktisch einzuführen,
— Y —
wurden auch den chemischen Artikeln „Fragen und Aufgaben"
angefügt.
Neben der Bereicherung seines Wissens soll der Lehrling
auch seine Fertigkeiten ausbilden; daher hat das Studium
der ChemieHand in Hand zu gehen mit praktischen
Übungen. Am Schlüsse jedes Artikels folgen einige instruktive
Experimente, welche so gewählt und durchgeführt wurden, dass
der Anfänger sie selbst in einem weniger reichlich ausgestatteten
pharmazeutischen Laboratorium anzustellen imstande ist. Auch
aus dem Gebiete der pharmazeutisch-chemischen Technik wurden
„praktische Übungen" ausgesucht, um dem Lehrlinge die leider
gar häufig mangelnde Gelegenheit zu geben, sich in chemischen
Arbeiten eine gewisse Fertigkeit zu erwerben. Ich halte es für
dringende Pflicht des Apothekers, seinem Lehrlinge die zu solchen
Arbeiten nötige Zeit und Hilfe zu gewähren. Die Führung des
Elaborationsjournals lässt sich damit aufs beste verbinden
und gewährt eine schöne Gelegenheit zu selbständiger Wiedergabe
des Ausgefährten, wodurch sich nicht allein manche zu Tage
tretende Lücken ausfüllen, sondern auch das Ganze dem Gedächt-
nisse tiefer einprägen wird.
Wie bereits oben bemerkt, begleitet das Studium der Chemie
den Eleven vom Beginn seiner Lehrzeit bis zu deren Ende. Es
lässt sich füglich derart einteilen, dass mit der Hälfte der Lehr-
zeit die unorganische Chemie zur Beendigung gelangt, das darauf
folgende Jahre alsdann der organischen Chemie und dem ana-
lytischen Teile vorbehalten bleibt, welcher dem Buche bei-
gefügt ist. In demselben wurde vornehmlich auf die Erkennung
und Reinheits-Prüfung der Arzneimittel, sowie auf die vo-
lumetrische Analyse Bezug genommen, wie solche unsere deutsche
Pharmacopöe vorschreibt. Dabei gab ich durch Aufnahme eines
gedrängten „analytischen Ganges" dem strebsamen Schüler das
Mittel, durch einfache, leicht ausführbare Reaktionen die Chemi-
kalien erkennen zu lernen. Ein tieferes Eingehen in die chemische
Analyse kann einem späteren Studium vorbehalten bleiben.
Gehen wir über zur Besprechung des botanischen Unter-
richtes, so leuchtet ein, dass derselbe vorzugsweise ein Sommer-
studium ist, da nur in dieser Jahreszeit lebende Pflanzen als
Material dazu sich bieten. Fleissiges Botanisieren zum Zwecke
der Herbeischaffang derselben ist notwendige Bedingung, aber es
müssen die eingesammelten Pflanzen auch studiert und vollstän-
dige Exemplare zu einem Herbarium getrocknet werden.
Nächste Aufgabe des jungen Pharmazeuten ist, ein Gewächs
terminologisch bestimmen zu lernen: den Stengel, die
Blätter und Blüten mit den richtigen Ausdrücken zu beschreiben.
Zu diesem Behufe dient im ersten Sommer das Studium der all-
— VI —
gemeinen Pflanzen -Organograp hie und Terminologie7
wie es im ersten Teile des III. Abschnittes dieses Buches sich
findet. Am Schlüsse eines jeden Kapitels folgen „terminologische
Bestimmungen", worin die notwendigste Anzahl terminologischer
Ausdrücke ihre Erklärung und Zeichnung erhalten hat. Solche
Ausdrücke muss der Lehrling nicht allein nach Form und Be-
schreibung sich einprägen, sondern auch neben den deutschen
die lateinischen termini memorieren, da er sie allenthalben in der
Pharmacopöe antrifft.
Hat der Eleve einen Sommer mit diesen botanischen Yorbe-
reitungsstudien verbracht, so ist er im darauffolgenden Sommer
befähigt, einen Schritt weiter zu gehen zur botanischen Syste-
matik, und zwar zunächst zum Linneschen Systeme. Da-
bei wird durch ein fortgesetztes Einsammeln einheimischer
Gewächse und Durchstreifen der Umgegend eine Übersicht über
die Gewächse der eigenen Umgebung gewonnen. War der Lehr-
ling bisher darauf angewiesen, sich die ihm unbekannten Gewächse
von kundiger Seite benennen zu lassen, so vermag er nun bald,
sie an der Hand einer Lokalflora selber zu bestimmen. Läuft
dabei anfänglich auch mancher Irrtum mit unter, so reguliert sich
derselbe doch im "Weiterschreiten der Kenntnisse bald von selbst
Bei der Frage, welches System der Anfänger benutzen soll
— ob das Linnesche, ob das Jussieusche oder de Candollesche — ,
fasst sich mancherlei pro et contra sagen; jedoch haben sich
die Ansichten dahin abgeklärt, dass das Linnesche System
unübertrefflich sich eignet zur Bestimmung unbekannter Gewächse,
das natürliche System dagegen ausschliesslich einen richtigen
Überblick über die Pflanzenwelt und die stufenweise Entwick-
lung derselben gewährt. Daraus geht hervor, dass man beider
Systeme mächtig sein muss, des Linneschen, um es auf botanischen
Exkursionen zu benutzen , des natürlichen für das Studium der
Familien. Wegen des leichteren Erlernens und des direkten
Nutzens beim Botanisieren hat der Eleve zunächst sich die Kennt-
nis des Linneschen Systems zu verschaffen. Erst wenn eine
gewisse Anzahl Gewächse gekannt ist, wird das Studium des
natürlichen Systems möglich sein.*)
Im vorliegenden Buche folgte ich nicht ausschliesslich dem
Jussieuschen, de Candolleschen oder Endlicherschen Systeme, son-
dern fasste das ihnen Gemeinsame zusammen und beschrieb die
grösseren Familien eingehend, die kleineren nur anhangsweise.
*) Vgl. meine Exkursions flora für Deutschland. Kurze Charak-
teristik der im Deutschen Reiche wildwachsenden und häufiger kultivierten
C4efässpflanzen nebst Anhang: Bestimmung der Gattungen nach leicht er-
kennbaren Merkmalen. 1881. Mit zahlr. Holzschn. In Taschenform. M. 5
in Lwdbd. M 6.
— VII —
Grossen "Wert lege ich auf die beigegebenen Illustrationen
sämtlicher einheimischer offiz ine Her Gewächse, sie ge-
währen ein besseres Bild des Gegenstandes als die gelungenste
Beschreibung.
Die Anlegung eines Herbars gehört, wie die Führung
des Elaborationsjournals, zu den vom Lehrling verlangten behörd-
lichen Erfordernissen, und beides mit grossem Rechte, trotz aller
Kontroversen. Wie das Journal den Eleven zwingt, die Anfertigung
der Präparate nach eigenem Konzepte auszuarbeiten und dabei
der Einzelheiten um so klarer, des Ganzen um so mächtiger zu
werden, so zwingt ihn die Anlegung eines eigenen Herbars zum
Einsammeln, Bestimmen, Trocknen und Ordnen von Gewächsen,
wobei sein Geist längere Zeit bei dem Lehrstoffe verweilt und ihn
besser erfasst. Zum Einlegen einer Pflanze muss ein vollständiges
Exemplar (d. i. mit Blüten und möglichst auch mit Frucht) ge-
wählt und zwischen Fliesspapier gepresst werden, welches mehr-
mals zu wechseln ist. Nachdem es getrocknet, klebt man es mit
Streifen von Gummipapier in einen weissen Papierbogen und
beschreibt denselben mit der Etikette. Letztere enthalte den latei-
nischen wie deutschen Namen der Pflanze , ihren Standort und
ihre Sammelzeit. Auf die Yorderseite dieses Bogens notiert man
in der Mitte nochmals den lateinischen Namen der Spezies , an
der oberen Ecke denjenigen der Familie. Schliesslich werden die
zur nämlichen Familie gehörigen Spezies in einen Bogen farbigen
Papiers geschlagen, betitelt und eine oder mehrere Familien, je
nach ihrer Grösse, in Mappen gebracht.
An die terminologische und organographische Botanik schliesst
sich die Pharmakognosie enge an, sie kann nur durch sie
richtig verstanden werden. Wenn ich für den Lehrling von einem
tieferen Eindringen in diese Wissenschaft absehe, wozu auch ein
sehr eingehendes Studium der Pflanzen an atomie erforderlich ist,
so muss von dem angehenden Apothekergehilfen verlangt werden :
1. dass er die verschiedenen Droguen richtig zu erkennen und
von einander zu unterscheiden weiss, 2. dass er ihre Abstammung
und Heimat, 3. die hauptsächlichsten Handelssorten und häufiger
vorkommenden Verwechslungen kennt und 4. ihre Verwendung
in der Pharmazie anzugeben vermag. Die Pharmakognosie kann
schon im zweiten Lehrjahre begonnen und im dritten vollendet
werden. Notwendig ist für den Anfänger, aus den Geschäftsvor-
räten eine kleine Droguen Sammlung zusammenzustellen, um daran
die angegebene Charakteristik zur Anschauung zu bringen. Dem
Studium der Droguen muss die Beschäftigung mit der Pflanzen -
anatomie vorausgehen, welche aber für die nächsten Zwecke
nur eine kurze zu sein braucht. Zur besseren Anschauung habe
ich für denjenigen, dem ein Mikroskop zur Verfügung steht, „mikro-
— VIII —
skopische Übungen" beigefügt, welche wenig Schwierigkeiten
bieten dürften.
Der letzte Abschnitt des Buches behandelt die Rezeptur und
Defektur, welche nicht allein praktisch gehandhabt sein wollen,
sondern auch der Eegeln und Erklärungen bedürfen. Es sollen
die angegebenen Regeln das bisher praktisch Erlernte und Ge-"
übte befestigen und vervollständigen. Daher eignet sich dieser
Abschnitt für die zweite Hälfte der Lehrzeit und fasst zum Examen
das zerstreut Erlernte zusammen.
Eine Repetition des gesamten Lehrmaterials vor dem Examen
lässt sich sehr gut verbinden mit einer Übung im Anfertigen von
Aufsätzen, wie solche im Gehilfenexamen verlangt werden.
Als allgemeine Disposition mag gelten
a) für die physikalischen Aufsätze: 1. Erklärung des
obwaltenden Naturgesetzes, 2. dessen Äusserungen, 3. die sich
darauf gründenden Instrumente, 4. ihre Nutzanwendung.
b) Für die chemischen Aufsätze: 1. Zusammensetzung
und Formel, 2. Vorkommen resp. Bereitung, nebst Erklärung des
chemischen Prozesses, 3. physikalische und chemische Eigenschaften,
4. häufiger vorkommende Verunreinigungen und ihr Nachweis.
c) Für die botanisch-pharmakognostischen Auf-
sätze: 1. Stammpflanze, ihre Familie und Heimat, 2. Charakte-
ristik, 3. Unterscheidung ähnlicher Droguen resp. Gewächse. 4. An-
wendung in der Pharmazie und wirksame Bestandteile.
Was nun den Unterricht selbst betrifft, so ist Verfasser
weit davon entfernt, vorliegendes Buch für allein ausreichend und
grössere Werke für unnötig zu halten ; vielmehr erachtet derselbe
den Nutzen des Studiums ausführlicher Werke zur Unterstützung
des Unterichts für ungemein und rät den Lehrherren dringend an,
ihren Eleven die Gelegenheit zu bieten, einzelne wichtige Partien
in grösseren Werken nachzulesen. Hierzu liefert unsere Fach-
literatur eine Reihe ausgezeichneter Bücher und Atlanten.
Ausserdem halte jeder Prinzipal für seine Pflicht, dem Lehr-
linge durch mündliche Unterweisung unter die Arme zu greifen.
Für die Fälle, dass dieselbe unmöglich ist, soll vorliegendes Buch
den Unterricht nach Thunlichkeit ersetzen, und hat Verfasser sich
bemüht, durch klare Diktion und methodischen Aufbau der Wissen-
schaften das Buch zum Selbstunterrichte geeignet zu machen.
So wandere denn das Werk zu den Fachgenossen, bittend
um günstige Aufnahme und billige Beurteilung. Wie ich es mit
Lust und Liebe ausgearbeitet habe, so möge es seinerseits gleiche
Lust und Liebe zur Wissenschaft in den Herzen derer erwecken,
für die es bestimmt ist.
Winningen a, d. Mosel. Weihnachten 1876.
Der Verfasser.
Vorrede
zur dritten Auflage.
Nachdem in wenigen Jahren bereits zwei Auflagen vor-
liegenden Lehrbuches vergriffen wurden, konnte ich bei der dritten
Auflage die durch die zweite Auflage der deutschen
Pharmakopoe eingetretenen Veränderungen berücksichtigen,
sodass das Werk wieder völlig auf das Niveau der Gegenwart
gerückt ist. Ausserdem hat das Buch mancherlei Bereicherung
erfahren. In der Physik sind einzelne Partien eingehender
behandelt und mit Illustrationen bereichert worden. Der die
Chemie behandelnde Abschnitt hat zum Eingang eine Um-
arbeitung erfahren, welche die Übersichtlichkeit erhöhen möchte.
Bei den einzelnen Präparaten wurden die Prüfungsmethoden der
neuen deutschen Pharmakopoe berücksichtigt, auch im analytischen
Teile die Massanalyse herangezogen. In der Botanik erfreut
sich der zweite, die Pflanzenanatomie behandelnde Abschnitt einer
eingehenderen Darlegung, während die übrigen Abschnitte, wie
auch der pharmakognostische Teil im ganzen wenig ver-
ändert wurden; desgleichen die spezielle Pharmazie. Die statt-
gefundenen Veränderungen beschränken sich hier auf die gesetzlich
notwendigen.
So möge denn das Buch im gewohnten Rahmen zum dritten
Male vor die Fachgenossen treten und zu den alten Freunden
neue hinzugewinnen !
Winningen, im Dezember 1883.
Der Verfasser.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Abteilung: Physik.
A. Die Kräfte der Materie 1
B. Erscheinungen des Gleichgewichtes und der Bewegung . 15
C. Erscheinungen der Wärme 36
D. Erscheinungen der Schwingung 48
E. Elektrische Erscheinungen 68
II. Abteilung: Chemie.
Allgemeines 88
A. Unorganische Chemie 116
a) Nichtmetalle. . . .- 116
b) Mefalle 163
B. Organische Chemie 246
Erkennung und Prüfung der chemischen Präparate:
A. Qualitative Analyse 302
B. Massanalyse 340
III. Abteilung: Botanik.
I. Organographie und Terminologie 349
IL Pflanzenanatomie 408
III. Botanische Systematik 433
Die offizineilen Gewächse nach dem natürl. System . . . 447
IV. Abteilung: Pharmakognosie.
A. Die Droguen des Pflanzenreichs 543
B. Die Droguen des Tierreichs 630
V. Abteilung: Spezielle Pharmazie.
A. Die pharmazeutischen Zubereitungen (Defektur) .... 636
B. Bereitung der Arzneien 651
Tl. Abteilung: Amtliche Bestimmungen.
1. Vorbildung, Lehrzeit und Prüfung der Lehrlinge . . . 674
2. Über den Geschäftsbetrieb in der Apotheke 680
Verbesserungen.
Seite
35
Zeile
2
von
unten lies:
; 7853,15 statt 314.
35
1
unten „
31415 statt 1256.
94
)l
20
n
unten „
10,9 statt 10,6.
132
9
oben „
thönemen statt eisernen.
141
12
M
unten „
H,PO, statt HPO.
141
V
o
o
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unten „
3(KHÖ -f- HoO) statt 3KHO.
3KH.,P09 statt 3KPO.
142
21
oben „
3HoPO, statt 3HPO,.
168
17
unten schalte nach den Worten: „schwimmt es"
ein: (spez. C4. 0,86).
181
71
11
"
oben lies
: 12 statt 6.
587 statt 590.
187
1)
12
3)
oben „
(14 + 3) statt (14 + 4),
208
M
2
M
oben „
Fe2Cl6 statt Fe6Clfi.
212
n
2
J)
unten ,,
1 kq stat 1 (f.
212
1
unten ,,
4415 statt 4261.
213
1
oben „
1 ha statt 1 g.
218
"
19
»
unten ,,
2H,'S04 statt HS04.
2H.0 statt HoO.
221
M
20
;j
oben ,,
3929 statt 390"5.
222
„
3
„
oben ,,
Wismutsalz statt Wismutmetall.
240
17
,.
oben „
166 statt 266.
240
)j
21
„
oben „
271 statt 272.
251
23
oben „
459 statt 429.
266
J5
15
)j
unten ,,
gefüllten statt versetzten.
281
?)
6
?*
unten ,,
260 statt 248; 150 statt 138;
577 statt 556.
281
)5
4
>!
unten
260 statt 248; 377 statt 395.
514
?J
17
j;
oben „
Baccae statt Syrupus.
541
Fig.
461
ist umzudrehen.
558
Zeile
11
von
i unten lies
: Cyperaceae statt Cyperacea.
560
Fig.
497 a ist umzudrehen.
574
Zeile
11
VC)]]
unten lies
: Solaneae für Solanae.
576
?)
4
unten ,,
439 statt 440.
577
5
unten ,,
albus statt alba.
623
,,
3
J
unten „
Chokolade statt Schokolade.
654
11
))
oben „
Natrii statt Natri.
655
9
oben „
Kalii statt Kali.
656
}1
12
?)
oben „
Natrii statt Natri.
659
.,
20
)?
oben „
Magnesiae statt Magnesia.
664
672
»
15
5
"
unten \
oben / "
Natrii statt Natri.
ORUCK VON EMIL HERRMANN SEN., LEIPZII
APR 30 1917
I. Abteilung.
Physik.*)
Die Physik ist der Teil der Naturlehre, welcher über diejenigen Vorgänge
in der Körperwelt handelt, bei denen nicht zugleich eine stoffliche Ver-
änderung stattfindet.
A. Die Kräfte der Materie.
1. Die allgemeinen Eigenschaften der Körper. Mass und Gewicht.
§ 1. Welches sind die allgemeinen Eigenschaften? In der gesam-
ten Körperwelt finden wir gewisse Eigenschaften, welche ein jeder
Körper besitzt, die also zu seiner Wesenheit gehören. Sie heissen :
Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Porosität, Teil-
barkeit, Beharrungsvermögen, Schwere.
1. Ein jeder Körper nimmt einen bestimmten Raum ein, den
zur selben Zeit kein anderer erfüllen kann.
In diesem Satze vereinigen wir die beiden erstgenannten all-
gemeinen Eigenschaften. Ein jeder Körper nimmt einen bestimm-
ten Raum ein — hierdurch charkterisiert er sich als etwas im
Räume Bestehendes, als etwas Materielles; fehlte ihm diese Eigen-
schaft, so gehörte er nicht mehr in das Reich des Körperlichen.
Es kann aber ein Raum nicht von zwei verschiedenen Körpern
zugleich erfüllt sein (Undurchdringlichkeit). Wir sehen
zwar, dass in einem Badeschwamme auch Luft enthalten ist; aber
hier ist die Luft neben und zwischen der Materie des Schwammes,
nicht mit derselben gleichzeitig in denselben Raumteilen.
2. Ein jeder Körper besitzt Poren, d. i. leere Zwischenräume.
Dieselben sind nicht von der Materie des Körpers , sondern
von dem ihn umgebenden Medium (Luft, Wasser u. a.) erfüllt.
Biese Poren sind häufig mit blossen Augen sichtbar, wie beim
Brot, Badeschwamm; in anderen Eällen überzeugen wir uns von
ihrer Gegenwart durch gewisse Erscheinungen : so dringt z. B.
*) Physik = Naturlehre, von epuais (Natur).
Schlickum, Apothekerlehrling. 1
— 2 -
eine Flüssigkeit beim Filtrieren durch die Poren des Papiers. Wir
können durch die unsichtbaren Poren des Leders Quecksilber
pressen; auch tierische und pflanzliche Membrane (Häute) sind
für Flüssigkeiten durchdringlich, z. B. Pergamentpapier, Schweins-
blase. (Endosmose.) Diese Durchdringbarkeit gilt für Salz-
lösungen, nicht aber für leimige und gummöse Flüssigkeiten.
Man kann daher die krystallisierbaren Stoffe durch Tierblase oder
Pergamentpapier von den amorphen Substanzen trennen; jene
gehen durch die Membran hindurch, diese werden von ihr zurück-
gehalten. (Dialyse.)
Eine Folge der Porosität ist die Z usammen drückbar -
keit und Ausdehnbarkeit der Körper, welche freilich sehr
verschieden gross ist Flüssigkeiten besitzen diese Eigenschaft
in höchst geringem Grade; Wasser lässt sich kaum zusammen-
pressen Ist ein Körper bestrebt, nach erlittener Ausdehnung oder
Zusammendrückung seine ursprüngliche Grösse wiederzuerlangen,
so nennen wir ihn elastisch. Während Kautschuk, Stahl u. a.
diese Eigenschaft in hohem Grade besitzen, die Gase sogar jeder
Veränderung des Raumes folgen, finden wir auch die Elastizität
bei den Flüssigkeiten nur sehr gering.
3. Die Körper sind einer fortgesetzten Teilung fähig.
Durch mechanische Hilfsmittel sind wir imstande, einen
Körper stetig zu verkleinern. Die neuere Wissenschaft hat der
Teilbarkeit jedoch eine Grenze gesetzt, indem sie annimmt, dass
ein jeder Körper aus kleinsten Masseteilchen , die man Mole-
küle*) nennt, und welche mechanisch nicht mehr teilbar seien,
bestehe. Wir sind freilich noch niemals durch Teilung zu solchen
Molekülen gelangt; durch ihre Kleinheit entziehen sie sich jeder
menschlichen Beobachtung und Behandlung.
4. Ein Körper verharrt in seinem Zustande, sei es Ruhe oder
Bewegung, bis eine äussere Kraft denselben ändert.
Dieses Beharrungsvermögen erklärt uns die ewige Be-
wegung der Erde um sich selbst, wie um die Sonne. Dass ein
ruhender Körper so lange in Ruhe bleibt, bis eine Kraft ihn in
Bewegung versetzt, ist uns nach allen irdischen Yorgängen klar;
dass aber ein bewegter Körper auf der Erde nicht immerwährend
sich fortbewegen kann, vielmehr über kurz oder lang von selbst
zum Stillstand kommt, liegt in der Eeibung, die der bewegte
Körper mit seiner Umgebung, Unterlage u. dgl. ausführt. Eine
abgeschossene Kugel reibt sich mit der Luft, ein rollendes Rad
mit der Bodenfläche. Je glatter die Oberflächen, um so
geringer die Reibung. Darauf beruht das Schmieren der
Axen, wobei aber zu beachten ist, dass Schmiermittel, die in den
*) molecula, Masseteilchen.
_ 3 —
Körper einziehen, die Reibung nicht mindern; daher schmiert man
Holz mit Talg oder harter Seife, nicht mit Öl.
Das Beharrungsvermögen verursacht, dass ein an einem
Faden geschwungener Stein diesen Faden straff anzieht, weil er
stetig gezwungen wird , seine Richtung zu ändern und sich im
Kreise zu drehen. Diesen Widerstand, den das Beharrungsvermögen
eines rotierenden Körpers äussert, um ihn in gerader Richtung
fortzubewegen, nennt man Centrifugalkraft. Man bedient
sich ihrer in der Technik, um feuchte Körper zu trocknen, indem
man sie auf einer Kreisplatte, sog. Cen tri fugalm aschine,
rotieren lässt ; die leichter bewegliche Flüssigkeit trennt sich dabei,
zufolge der Centrifugalkraft, von den festen Teilen und fliesst am
Rande ab.
5. Ein jeder Körper besitzt Schwere.
Absolut gewichtslose Materie giebt es nicht. Wir bezeichnen
das Verhältnis des Gewichtes zur Masse eines Körpers als seine
Dichte. Je grösser das Gewicht eines Gegenstandes bei gleicher
räumlichen Ausdehnung, je schwerer also der Körper, um so
grösser ist seine Dichte. Je mehr Raum ein Pfund einnimmt,
um so weniger dicht ist der betreffende Körper.
§ 2. Vom Mass der Körper. Wir messen einen Körper nach
drei Richtungen : nach seiner Linear-, Flächen- und Körper-
ausdehnung, je nachdem wir nur eine oder zwei oder alle drei
Ausdehnungen zugleich zur Geltung bringen.
Bei der grossen Mannigfaltigkeit der gebräuchlichen Masse hat
zuerst die Wissenschaft, später auch die deutsche Gesetzgebung als
Einheit des Längenmasses das französische Meter*) angenommen.
Das Meter ist der zehnmillionste Teil eines Erdquadranten**).
Man teilt das Meter nach der Zehnteilung ein in 10 Deci-
meter, 100 Centimeter, 1000 Millimeter.
Das Meter ist gleich 38 V4 rheinischen Zollen.
Als Flächenraum bildet das Quadratmeter, als Körper-
mass das Kubikmeter die Einheit. Für Flüssigkeiten bedient
man sich der Hohl masse, deren Einheit das Liter***) darstellt.
Das Liter ist gleich einem Kubikdecimeter.oder 1000 Kubikcentimeter.
§ 3. Vorn Gewicht der Körper. Den Druck, den ein Körper
auf seine Unterlage ausübt, nennen wir sein Gewicht und zwar
sein absolutes Gewicht, im Gegensatz zum spezifischen
Gewichte. Letztere Bezeichnung drückt die Dichte eines Körpers
aus, d. i. das Verhältnis seiner Schwere zu seiner Ausdehnung.
*) (jti-cppv, Massstab.
**) Erdquadrant = der 4. Teil e. Meridians (Entfern, des Pols vomÄquator).
***) Xnrpa (Pfund), ein Mass der Griechen.
1*
- 4
Bas absolute Gewicht ist der Druck des Körpers auf seine
Unterlage; das spezifische Gewicht zeigt an, wieviel schiverer oder
leichter er ist, als eine gleich grosse Menge eines anderen, zur Ver-
gleichung dienenden Körpers.
Bei festen und flüssigen Körpern nimmt man zur Bestimmung
des spezifischen Gewichtes das Wasser zum Vergleich und be-
zeichnet dessen Dichte mit 1,00. Bei den Gasen dient die at-
mosphärische Luft als Einheit. Hiernach besagt also das
spezifische Gewicht des Quecksilbers = 13,5, dass das Queck-
silber 13,5 mal schwerer sei als eine gleichgrosse Wassermenge.
Als Einheit des absoluten Gewichtes hat man an Stelle des
früher gebräuchlichen Pfundes, in Übereinstimmung mit dem
Hohlmass, das Gramm angenommen.
Bas Gramm ist das Geioicht eines Kubtkcentimeters Wasser im
Zustande seiner grössten Bichte (bei -f- 4°).
Da nun 1000 ccm ein Liter bilden, so geht
hieraus hervor, dass ein Liter Wasser bei -j- 4°
genau 1000 g d. i. ein Kilogramm wiegt.
Ein Pfund beträgt ein halbes Kilogramm
= 500 g.
Früher bediente man sich eines besonderen
Medizinalgewichtes, dessen Pfund (libra) in
12 Unzen (iincia), die Unze in 8 Drachmen
(drachma), die Drachme in 3 Skrupel (scru-
pidus), der Skrupel in 20 Gran (granum) zerfiel.
1 Skrupel = 20 Gran.
1 Drachme = 3 Skrupel = 60 Gran.
1 Unze=8 Drachmen=24 Skrupel = 480 Gran.
Das Gramm beträgt etwa 163/4 Gran.
Nach der amtlich festgestellten Reduktion beträgt
eine Unze (3i) 30,00 g
eine Drachme (3i) 3,75 „
ein Skrupel (91) 1,25 „
ein Gran (gr. i) 0,06 „
Versuche.
Fig. 1.
1. Endosniose. (Fig. 1.) Ein Medizinglas mit
abgesprengtem Boden (b) oder einen Lampencylinder
verschliesse man unten mit feuchter Schweinsblase oder Pergamentpapier
und verbinde die obere Öffnung mittelst eines durchbohrten Korkes luft-
dicht mit einer offenen Glasröhre (a). Man fülle das Glas mit einer Kupfer-
yitriollösung bis zum Halse an, hänge es in der Weise, wie die Figur zeigt,
in ein grösseres Gefäss (Becherglas) und fülle letzteres mit Wasser (bis n)
an, sodass beide Flüssigkeitsschichten gleich hoch stehen. Nach Verlauf
eines Tages findet man die Kupferlösung (bis r) in die Glasröhre gestiegen,
andrerseits auch das äussere Wasser bläulich gefärbt. Es hat also ein
— ö —
wechselseitiger Austausch stattgefunden, aber mehr in der Richtung nach
der dichteren Kupfervitriollösung zu, weshalb diese an Menge zunahm.
2. Dialyse. Man überbinde die eine Öffnung eines Lampencylinders
mit feuchter Schweinsblase oder Pergamentpapier, fülle ihn dann mit einer
ZuckerlösuDg teilweise an, gebe Gummischleim hinzu und hänge ihn so in
ein Gefäss mit reinem Wasser, dass beide Flüssigkeiten gleichhoch stehen.
Allmählich geht der Zucker in das äussere Wasser über und erteilt demselben
einen süssen Geschmack, während die Flüssigkeit im Cylinder ihre Süssig-
keit verliert, aber schleimig bleibt.
Fragen.
1. Wieviel wiegt ein Liter Quecksilber, welches 13,5 mal schwerer als
das Wasser ist? — Antw. 13,5 kg.
2. Woher kommt es, dass ein umgekehrt in Wasser eingetauchtes leeres
Medizinglas sich nicht mit Wasser anfüllt? — Antw. Weil die im Glase
eingeschlossene Luft es verhindert; erst beim Neigen desselben entweicht
die Luft in Blasen und macht dem Wasser Platz.
3. Weshalb wird eine Ast am Stiele befestigt, wenn man denselben
aufschlägt? — Antw. Beim Aufschlagen stösst der plötzlich in Ruhe ge-
brachte Stiel sich in die Axt ein, welche sich noch in Bewegung befindet.
4. Woher kommt es, dass beim Anlanden eines Kahnes die Insassen
einen Ruck nach vorn erhalten? — Antw. Die Insassen, welche die Be-
wegung des Kahnes teilen, befinden sich noch in Bewegung, während der
Kahn zur Ruhe gelangt.
2, Die Anziehungskräfte,
Kohäsion, Adhäsion, Schwerkraft.
§ 4. Was nennt man Kohäsion? Die Ursache des Zusammen-
haltens der einzelnen Teilchen eines Körpers führt man auf eine
Kraft zurück, die Kohäsion, welche zwischen den Molekülen
anziehend wirkt. Ihr steht eine andere Kraft entgegen, welche
die Moleküle von einander zu entfernen strebt und Repulsiv-
kraft genannt wird.
Kohäsion und Repulsivkraft heissen , da sie zwischen den
Molekülen eines und desselben Körpers wirken, Molekular-
kräfte. Je nach der Stärke der beiden besitzt ein Körper die
feste, flüssige oder Gas-Form. Man nennt diese drei Formen die
Aggregatzustände und definiert sie folgenderweise:
1. Ein fester Körper besitzt ein bestimmtes Volumen und eine
bestimmte Form, die er nicht freiwillig verändert.
Wir vermögen die Teilchen eines festen Körpers nur durch
äussere Gewalt von einander zu trennen; die Kohäsion herrscht
in ihnen vor und verhindert möglichst jeden Zerfall der Moleküle,
auch jede Verschiebung und Änderung der Form.
Wir nennen einen Körper, je nachdem er äusserem Drucke
nachgiebt, weich oder hart. Lässt er sich leicht ausdehnen,
ohne dabei zu zerreissen, so ist er dehnbar, wie z. B. die
Metalle; den Gegensatz dazu bildet ein spröder Körper, wie
das Glas, welcher bei äusserer Gewalt leicht zerbricht. Elastisch
>_ 6 —
nennen wir solche Körper, welche ihre frühere Form wieder an-
nehmen , sobald diese durch äussere Kraft verändert worden ist.
Die Festigkeit eines Körpers beurteilen wir nach dem Wider-
stände, den er leistet a) beim Zerreissen (absolute Festigkeit),
b) beim Zerbrechen (relative Festigkeit), c) beim Zerdrücken,
(rückwirkende Festigkeit), d) beim Zerdrehen (Torsions-Festigkeit).
2. Ein tropfbar flüssiger Körper besitzt ein bestimmtes
Volumen, aber unbestimmte Form, die er dem Gefässe anpasst.
Die Teilchen einer tropfbaren Flüssigkeit lassen sich mit
Leichtigkeit verschieben, sodass dieselbe stets die Form des
Gefässes annimmt, worin sie sich befindet. Kohäsion und Re-
pulsivkraft halten sich hier das Gleichgewicht; letztere macht die
Teilchen leicht trennbar, erstere verhütet ihren Zerfall. An der
Tropfenbildung lässt sich erkennen, dass die Flüssigkeiten
noch Kohäsion besitzen.
3. Ein gasförmiger Körper besitzt unbestimmte Form und
Volumen, den ihm gestatteten Baum völlig ausfüllend.
Die Teilchen der Gase lassen sich nicht allein mit grösster
Leichtigkeit verschieben, sondern fliehen einander geradezu. Die
Repulsivkraft ist bei den Gasen übermächtig und lässt dieselben
jeden Raum, in dem sie sich befinden, ausfüllen. Nur äusserer
Druck hält die Gase zusammen und giebt ihnen Form. Man hat
sie deshalb auch elastische Flüssigkeiten genannt, weil
sie in hohem Grade elastisch und jederzeit bemüht sind, ihr Vo-
lumen zu vergrössern. Dieses Bestreben, Tension (Spannung)
genannt, wird in demselben Masse grösser, in welchem man das
Volumen vermindert (Mariottesches Gesetz). Drückt man
ein Gas auf ein halbes Volumen zusammen, so verstärkt sich die
Tension d. i. der Druck auf die Gefässwandung aufs Doppelte;
bei einer Zusammenpressung auf den vierten Teil des Volumens
erhöht sich die Tension auf das Vierfache u. s. f.
Gase, welche durch starken Druck resp. Volumverminderung,
oder durch starke Abkühlung tropfbarflüssig werden, nennt man
coercibile*) Gase; die übrigen, bei denen dies noch nicht ge-
lungen ist, permanente Gase. Zu den coercibilen gehört z. B.
die Kohlensäure , das Chlor ; zu den permanenten zählte man
bisher die atmosphärische Luft, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff.
Seitdem es jedoch neuerdings gelungen ist, Sauerstoff-, Wasserstoff-
und Stickstoffgas durch gleichzeitige Anwendung von Druck und
Kälte zu verflüssigen, lässt sich die Ansicht nicht mehr abweisen,
dass es wirklich permanente Gase gar nicht gebe.
Solche Gase, welche erst durch Erhitzung aus Flüssigkeiten
der festen Körpern entstehen und durch Abkühlung zur gewöhn-
*) Bezwingbar, von coerceo bezwingen.
_ 7 —
liehen Temperatur wieder fest oder flüssig werden , nennt man
Dämpfe. Sie gehorchen nicht dem Mariotte sehen Gesetz;
drückt man sie zusammen , so verdichtet sich ein Teil , während
der gasförmig bleibende Rest die frühere Spannung bewahrt.
§ 5. Was ist Adhäsion? Bei der Berührung zweier Körper findet
Anziehung statt, zufolge deren sie aneinander haften bleiben.
Diese Äusserung der Anziehungskraft nennt man Adhäsion. Sie
ist um so stärker, je glatter die sich berührenden Flächen sind,
je mehr Berührungspunkte sie sich also bieten. Zwei polierte
Glasscheiben (Spiegelscheiben) , frische Schnittflächen von Kaut-
schuk , haften so stark an einander, dass sie sich oft kaum mehr
trennen lassen. Da durch Benetzen, Ölen u. dgl. die Berührung
inniger wird, so vermehrt sich dadurch die Adhäsion.
"Wenn Flüssigkeiten an festen Körpern adhärieren, so tritt Be-
il e t z u n g ein ; wir bemerken hierbei eine Hebung des Flüssig-
keitsniveaus am festen Körper. Tauchen wir einen Stab in Wasser,
so zieht sich dasselbe etwas an dem Stabe in die Höhe. In
einer Bohre bildet das Wasser eine konkave Kurve. Man versteht
unter Kapillarität, Haarröhrchen -Anziehung, die Kraft,
mit welcher sehr enge Glasröhrchen das Wasser hoch in sich
emporsteigen lassen und zwar um so höher, je enger sie sind.
Diese Eigenschaft feiner Röhrchen äussert sich bei vielen be-
kannten Erscheinungen, z. B. beim Aufsaugen von Flüssigkeiten
durch einen Badeschwamm , durch ein Stückchen Zucker , durch
Fliesspapier , einen Lampendocht u. s. f. , Stoffe , deren Teilchen
feinste Porengänge besitzen, welche als Haarröhrchen wirken.
Zwischen Quecksilber und Glas findet keine Benetzung statt,
d. h. die Kohäsion des Quecksilbers übertrifft seine Adhäsion
gegen feste Körper. Daher bildet dieses Material überall, wo es
die Gefässwand berührt, Tropfenform und in einer Glasröhre eine
konvexe Kurve; wir nennen diese Erscheinung, zufolge deren das
Quecksilber an der Gefässwand niedriger steht, seine Depression;
wir sehen sie sehr deutlich beim Barometer. Aus demselben Grunde
steigt das Quecksilber auch nicht in die Haarröhrchen empor,
steht sogar darin tiefer, wie ausserhalb.
Zwischen zwei Flüssigkeiten bewirkt die Adhäsion allmähliche
Mischung, wenn sie auch vorsichtig übereinander geschichtet werden.
Dasselbe beobachten wir bei Gasen (Diffusion der Gase),
welche sich in kurzer Zeit gleichmässig durchdringen und mischen.
Nicht alle Flüssigkeiten adhärieren an einander ; so ist die Adhäsion
zwischen fettem Öle und Wasser sehr gering , erhöht sich aber
durch Zusatz eines schleimigen Stoffes. Wird Öl mit einer Lö-
sung arabischen Gummis zusammengeschüttelt oder anhaltend
gerührt, so zerteilt es sich in sehr feine Tröpfchen, welche sich
— 8 —
in der wässerigen Flüssigkeit gleichmässig verteilen und eine
milchähnliche Mischung, Emulsion, geben. Die Milch ist eine
derartige Emulsion des Butterfettes.
Auf der Adhäsion beruht auch die Auflösung fester Stoffe
in Flüssigkeiten, sowie die Absorption der Gase durch Flüssig-
keiten und poröse Körper. Holzkohle, Platinschwamm u. a. ver-
dichten viele Gase an ihrer Oberfläche zum vielfachen (oft hunder-
fachen) Volumen. Die Auflöslichkeit der Gase in Flüssigkeiten
wird durch erhöhten Druck verstärkt, durch Erhitzen aber ver-
mindert. Wasser verschluckt bei gewöhnlicher Temperatur etwa
sein gleiches Yolum Kohlensäure, bei doppeltem Atmosphärendruck
sein doppeltes , bei fünffachem Drucke sein fünffaches Yolum ; in
der Siedhitze verliert es aber alles gelöste Gas. Den Luftgehalt
des Wassers erkennt man an den Gasbläschen, welche beim Ver-
mischen desselben mit Weingeist entweichen.
§ 6. Wie äussert sich die Schwerkraft? Der Erdkörper übt auf
alle in seinem Bereiche befindlichen Gegenstände Anziehung aus,
zufolge deren sie auf ihre Unterlage drücken und, im Falle ihnen
diese Unterlage entzogen wird , fallen. Der Angriffspunkt der
Schwerkraft wird der Schwerpunkt des Körpers genannt.
Der SchiverpunM eines Körpers ist derjenige Punkt, bei dessen
Unterstützung er vor dem Fallen bcioahrt wird.
Wir finden den Schwerpunkt eines Körpers, wenn wir ihn
nacheinander an zwei verschiedenen Punkten seiner Masse auf-
hängen und jedesmal die Vertikallinie ziehen; wo beide Linien
sich schneiden, liegt der Schwerpunkt. Regelmässige Körper von
gleichmässiger Beschaffenheit (Kugel, Scheibe etc.) haben ihren
Schwerpunkt im mathematischen Mittelpunkte.
Je nachdem wir den Schwerpunkt eines Körpers unterstützen,
befindet sich derselbe im stabilen, labilen oder indiffe-
renten Gleichgewichte. Hängen wir einen Körper auf, so
liegt der Schwerpunkt unterhalb des Unterstützungspunktes und
nimmt, aus seiner Lage gebracht, nach einigen Pendelschwingungen
leicht wieder seine frühere Stellung ein — das Gleichgewicht ist
stabil. Stellen wir aber den Körper auf eine Unterlage, so
liegt sein Schwerpunkt über dem Unterstützungspunkt und er
kann durch geeignetes Neigen dauernd aus seiner Lage gebracht
werden (umfallen) ; ein solches Gleichgewicht wird daher labil
genannt. Je breiter die Grundfläche des stehenden Körpers, um
so geringer ist die Gefahr des Umfallens. Unterstützen wir aber
den Körper in seinem Schwerpunkt selbst, wie das Wagenrad in
seiner Axe, so befindet er sich im indifferenten Gleichgewichte,
da dasselbe niemals gestört werden kann.
Bei den tropfbarflüssigen Körpern äussert sich die Schwerkraft
— 9 —
im gleichen Niveau; wenn eine Flüssigkeit sich inzweikom-
muni zier enden Röhren befindet, so ist auch hierin ihr Niveau
gleich hoch, bei ungleichartigen Flüssigkeiten aber für die schwerere
Flüssigkeit um so tiefer, je schwerer sie ist, wie die andere.
Die Höhen der Flüssigkeitssäulen verhalten sich umgekehrt wie ihre
spezifischen Gewichte. Auf diesem Gesetze des gleichen Niveaus
beruht der Springbrunnen; jedoch erreicht der springende Wasser-
strahl niemals die Höhe des anderen Schenkels, sowohl wegen der Rei-
bung mit der Gefässwand, als auch wegen des Widerstands der Luft.
Versuche.
1. Tropfenbildung. In einem Becherglase schichte man gleiche
Volumen Weingeist und Wasser mit der Vorsicht über einander, dass sie
sich nicht sofort mischen; darauflasse man einige Tropfen Olivenöl langsam
einfallen. Das Ol wird in der Mitte der Flüssigkeit in kugeligen Tropfen
schwimmen. — Spritzt man Wasser auf eine mit Bärlapp bestreute Glas-
scheibe, so bildet es kuglige Tropfen auf derselben.
2. Stabiles Gleichgewicht. In einen Korkstopfen steche man zwei
Gabeln unter schiefen Winkeln einander gegenüber: alsdann kann man
ziemlich sicher den Kork auf einer Nadelspitze balancieren lassen, da der
Schwerpunkt unterhalb des Unterstützungspunktes fällt.
3. Kommunizierende Röhren. In einen mit Wasser gefüllten Glas-
cylinder stelle man eine offene Glasröhre: sie wird sich gleichhoch mit
Wasser anfüllen. Giesst man dann Äther in die innere Glasröhre, so drückt
derselbe das Wasser so tief in ihr herab, dass die Höhe der ganzen Äther-
schicht sich zur Differenz des Wasserniveaus in und ausser der Röhre
verhält, wie 11:8, d. i. umgekehrt wie das spezifische Gewicht des Äthers
(0,72) zu dem des Wassers (1,00).
Fragen.
1. Worauf beruht das Leimen und Kitten? — Antw. Darauf, dass
man durch eine flüssige Materie die Adhäsion zwischen zwei festen Körpern
verstärkt, welche Materie durch nachfolgendes Erhärten die Flächen dauernd
verbindet.
2. Wie verhalten sich zwei Flüssigkeiten, welche keine Adhäsion zu
einander besitzen, z. B. Äther und Wasser? — Antw. Die schwerere
Flüssigkeit (Wasser) bildet eine Schicht unter der leichteren (Äther); nach
dem Schütteln trennen sie sich alsbald wieder.
3. Welches Niveau zeigt das Wasser, welches dagegen das Quecksilber
in einer Glasröhre? — Antw. Wasser zeigt ein konkaves Niveau, Queck-
silber ein konvexes.
4. Woher rührt das starke Aufschäumen, wenn man Zuckerpulver in
kohlensäurehaltigem Wasser auflöst? — Antw. Von der Adhäsion des auf-
gelösten kohlensauren Gases an die Zuckerpartikel, bei deren Schmelzen
es in Bläschen entweicht.
5. Wo liegt der Schwerpunkt einer Kugel, einer Walze, eines Ringes?
— Antw. Im Centrum der Kugel, im Mittelpunkt des die Walze halbierenden
Querschnitts, im Mittelpunkte des Kreises, dessen Peripherie der betreffende
Ring darstellt.
6. Wie hoch stellen sich in einer zweischenkligen Röhre Wasser
und Quecksilber? — Antw. Das Quecksilber steht in dem einen Schenkel
13 mal niedriger als das Wasser in dem andern Schenkel.
— 10 -
3. Krystallbildung und Krystallformen.
§ 7. Was ist ein Krystall?*) Wenn ein Körper aus dem flüssigen
oder dampfförmigen Zustande in den festen übergeht , so nimmt
er entweder bestimmte Formen an, er krystallisiert, oder er
scheidet sich formlos , amorph, aus. Ersteres thun die meisten
Salze, letzteres die leimartigen, gummösen, gallertigen Körper.
Ein Krystall ist ein von ebenen Flächen und geraden Kanten
begrenzter Körper.
An jedem Krystalle lassen sich mehrere Richtungen erkennen,
nach denen er jedesmal in zwei symmetrische Hälften zerteilt
werden kann; alsdann liegt jeder Fläche, Kante und Ecke eine
entsprechend gestaltete Fläche, Kante und Ecke gegenüber. Diese
Richtungen nennt man die Axen des Krystalls. In der Regel
zeigt jeder Krystall drei Axen : eine Höhen-, Längen- und Breiten-
axe. Stellen wir ihn aufrecht vor uns , so verlaufen die beiden
letzteren Axen in einer Horizontalebene, auf der die Höhenaxe
vertikal steht. Dieser horizontale Schnitt, in welchem die Längen-
und Breitenaxe verläuft, heisst die Grundfläche des Krystalls.
Die Flächen, welche einen Krystall begrenzen, sind bald Drei-
ecke, bald Quadrate, Rhomben , Parallelogramme, auch wohl Tra-
peze, Fünfecke (Pentagone) und Sechsecke (Hexagone).
§ 8. Wann bilden sich die Krystalle? Es giebt zwei Wege der
Krystallbildung :
1. durch Verdampfung aufgelöster Körper,
2. durch Erstarrung flüssiger oder dampfförmiger Körper.
Während die Schneebildung ein Beispiel des zweiten Falles
ist, begegnen wir dem ersten Falle ungemein häufig, zumal bei
chemischen Operationen in den Laboratorien.
Jedes Lösungsmittel kann bei einer und derselben Tempe-
ratur nur eine gewisse Menge des festen Körpers lösen ; ist diese
Grenze erreicht, so nennt man die Lösung eine gesättigte. In
den meisten Fällen nimmt ein Lösungsmittel in der Wärme mehr
von dem Körper auf, als in der Kälte; in diesem Falle scheidet
eine heissgesättigte Lösung beim Abkühlen einen Teil des Körpers
in Krystallen ab.
Ein wesentliches Moment zur Erzielung grösserer, schön aus-
gebildeter Krystalle ist Ruhe; je langsamer die Lauge erkaltet,
je weniger sie dabei bewegt wird, um so grösser und regelmässiger
fallen die Krystalle aus. Bewegt man dagegen die erkaltende
Lauge lebhaft durch Quirlen mit einem Stabe , so entsteht ein
Hauienwerk kleinster Kry ställchen, sogenanntes Kry stallmehl.
*) xpuaraXXos, der Krystall, d. i. das durchsichtig Gefrorene.
— 11 —
In der Zusammensetzung und Form stimmen beide völlig überein,
das Krystallmehl ist aber in der Regel reiner, da es weniger von dem
Lösungsmittel (Mutterlauge) einschliesst, als die grösseren Krystalle.
Körper, welche sich in der Wärme kaum leichter lösen, wie
in der Kälte, z. B. das Kochsalz, lassen sich nicht durch Abkühlen
krystallisieren, sondern nur durch Abdampfen der Lösung.
Viele Krystalle besitzen Krystallwasser d. i. Wasser,
welches in die Krystallgestalt mit eingegangen ist. Dieses Krystall-
wasser entweicht in vielen Fällen schon an trockner Luft in ge-
wöhnlicher Temperatur, was aber stets mit dem Zerfalle der Kry-
stalle verbunden ist — die Krystalle verwittern. So verwittert
die Soda, das Glaubersalz, das Bittersalz, unter Verlust ihres halben
Gewichtes zu einem weissen Pulver. In der Siedhitze des Was-
sers verlieren die meisten Krystalle ihr Krystallwasser, in einigen
Fällen wird aber ein Rest festgehalten und erst in schwacher Glüh-
hitze fahren gelassen, z. B. beim Alaun, Zink- und Eisenvitriol.
Auch finden wir den Fall nicht selten , dass der Krystall-
wassergehalt verschieden ist, je nach der Temperatur, in welcher
die Krystallisation stattfindet. So krystallisiert das Glaubersalz bei
-+- 10° mit 10 Molekülen Krystallwasser, bei + 33° ohne Wasser.
§ 9. Wie teilt man die Krystalle ein? Als Hauptformen, welche
in allen Systemen wiederkehren, betrachtet man:
1. die Doppelpyramide oder die Oktaederform, aus
zwei mit ihren Grundflächen auf einander gestellten Pyramiden
gebildet und durch Dreiecksflächen begrenzt;
2. die Säulenforrn oder das Prisma, aus Parallelogramm-
flachen zusammengesetzt, von denen je zwei einander parallel laufen.
Die verschiedenen Doppelpyramiden und Prismen lassen sich
nach der Stellung und Länge ihrer Axen unterscheiden. So ist
der Würfel eine vierseitige Säule mit senkrecht sich kreuzenden
und gleichlangen Axen; durch Verkürzung oder Verlängerung
seiner Höhenaxe wird er zur quadratischen Säule, welche im
ersteren Falle tafelförmig, im letzteren langgestreckt erscheint.
Kreuzen sich die horizontalen Axen in schräger Richtung, so wird
die Grundfläche zum Rhombus, der Würfel zur rhombischen Säule;
verläuft alsdann die Höhenaxe geneigt, so entsteht daraus die
schiefe rhombische Säule.
Beim Oktaeder endigen die Axen in den Ecken, bei der Säule
in den Mittelpunkten der beiden Endflächen und der Längskanten.
Sämtliche Krystallformen lassen sich in sechs Krystall-
sy steine ordnen, welche sich durch die Stellung und Länge
ihrer Axen unterscheiden. Bezeichnen wir nach § 7 den Quer-
schnitt* durch den Kry stall als Grundfläche, so stellen Längen-
und Breitenaxe deren Diagonallinien vor.
— 12 —
A. Drei Axen vorhanden : eine vertikale Hauptaxe und zwei
horizontale Nebenaxen.
a) Grundfläche ein Quadrat, dessen Diagonalen (die
beiden Nebenaxen) sich rechtwinklig schneiden
und gleich lang sind.
a) Die Hauptaxe steht senkrecht und ist mit den Neben-
axen gleich lang . . . /. regulären System.
ß) Die Hauptaxe steht senkrecht, ist aber länger
oder kürzer als die Nebenaxen:
II. quadratisches System.
b) Die Grundfläche ist ein Rhombus, dessen Dia-
gonalen (die beiden Nebenaxen) sich rechtwinklig
schneiden, aber von ungleicher Länge sind.
«) Die Hauptaxe steht senkrecht auf den Neben-
axen III. rhombisches System.
ß) Die Hauptaxe steht geneigt auf den Nebenaxen:
IV. Jclinorhombisches System.
c) Die Grundfläche ist ein geschobenes Recht-
eck (Rhomboid), dessen Diagonalen (die beiden
Nebenaxen) ungleich lang und schiefwinklig
zu einander sind. Die Hauptaxe steht ebenfalls
geneigt zur Grundfläche: V. rhomboidisches System.
B. Yier Axen vorhanden: eine vertikale Hauptaxe und drei
horizontale Nebenaxen.
Grundfläche ein regelmässiges Sechseck
(Hexagon), dessen drei Diagonalen die drei gleich-
langen, sich unter gleichem Winkel (60°) schnei-
denden Nebenaxen vorstellen. Die Hauptaxe steht
senkrecht zur Grundfläche. VI. Hexagonalsystem.
Die Hauptformen des regulären Systems sind:
1. das reguläre Oktaeder oder der Achtflächner
(Fig. 2). aus acht gleichseitigen Dreiecksflächen gebildet;
2. der Würfel, Kubus oder Hexaeder (Fig. 3), aus
sechs Quadratflächen gebildet.
Ihnen schliessen sich an: der Rhombendodekaeder mit
zwölf rhombischen Flächen, der Pentagondodekaeder mit
zwölf fünfseitigen Flächen u. a. m.
Da im regulären System alle drei Axen gleichlang und senk-
recht zu einander sind , so besitzen diese Formen gleiche Höhe,
Länge und Breite, sodass man eine Kugelfläche um sie be-
schreiben kann. Das Oktaeder finden wir beim Alaun , den
Würfel beim Kochsalz, Jodkalium u. a.
Die Oktaeder und Säulen (Prismen) der übrigen Systeme :
Vom regulären Oktaeder und Würfel weicht das quadratische
Oktaeder und die quadratische Säule nur durch die
13
ungleichlange Vertikalaxe (Hauptaxe) ab; ist dieselbe länger als
die Nebenaxen , so erscheint das Oktaeder resp. die Säule ver-
längert, ist sie kürzer, so wird die Form verkürzt, die Säule zur
Tafel. Die (gerade) rhombische Säule unterscheidet sich
von der quadratischen Säule durch die rhombische Grundfläche;
die klinorhombische oder schiefe rhombische Säule
(Fig. 4) ausserdem durch die schiefgestellte Hauptaxe. In jener
krystallisiert das Bittersalz, in dieser die Soda, das Glaubersalz,
der Zucker. Die rhomboidale Säule ähnelt der schiefen
rhombischen Säule, unterscheidet sich aber durch die Grundfläche,
welche kein Rhombus, sondern ein Rhomboid (gestreckter Rhom-
bus) darstellt Wir finden sie beim Kupfervitriol.
Fisr. 2.
Fisr 3.
Fisr. 4.
Fisr. 6.
Fig. 5.
Im Hexagonalsystem finden wir als Hauptformen: 1. die
sechsseitige Doppel pyramide (Fig. 5) mit zwölf Dreiecks-
flächen, sowie 2. die hexagonale oder sechsseitige Säule
(Fig. 6) mit sechs Rechtecks- und zwei Hexagonal-Flächen. In
diesen Formen krystallisiert der Quarz (Bergkry stall).
Die Ery stalle zeigen häufig Abstumpfungen von Kanten
und Ecken durch Flächen, Zuschärfungen und Zuspitzungen
von Flächen durch dachförmige Flächen. Diese Abänderungen
finden an den gegenüberliegenden Stellen gleichzeitig und gleich-
massig statt. Die Säulen erhalten in dieser Weise oben und
unten sehr häufig pyramidale Zuspitzungen oder an je zwei
Kanten Flächen-Abstumpfungen. So sehen wir beim Salpeter die
- 14 —
rhombische Säule durch Abstumpfimg zweier Längskanten in eine
sechsseitige verwandelt, welche sich jedoch leicht von der hexa-
gonalen Säule unterscheidet, da ihre Erdflächen keine regulären
Sechsecke sind.
Besondere Formen sind die Halb flächner (Hernieder),
welche aus der Oktaederform dadurch entstehen , dass die Hälfte
ihrer Flächen auswächst, die zwischenliegenden verschwinden.
So entsteht aus dem achtflächigen Oktaeder (Fig. 7) das vier-
flächige Tetraeder (Fig. 8), aus der zwölfflächigen Doppelpyra-
mide (Fig. 9) das. sechsflächige Rhomboeder (Fig. 10), dessen
sämtliche Flächen Rhomben darstellen.*) Als Tetraeder kristalli-
siert der Brechweinstein, als Rhomboeder der Chilisalpeter.
Fig. 7. Fig. 8.
Fig. 9. Fig. 10.
Man giebt daher dem Tetraeder die senkrechte Lage, indem
man ihn auf eine Kante stellt, dem Rhomboeder dadurch, dass
man ihn auf eine der beiden Ecken stellt, welche der sechsseitigen
Doppelpyramide entlehnt sind. Im Tetraeder verbinden die Axen
die Mitten der Kanten; im Rhomboeder thun dies nur die
Nebenaxen. "
§ 10. Wie lautet das Erystallisationsgesetz ? Der krystallierende
Körper kann sämtliche Formen annehmen , welche dem System
angehören, worin er krystallisiert. Im allgemeinen lässt sich der
Satz aufstellen :
*) In Fig. 7 wachsen die Flächen o, n und eine auf der anderen Seite,
die übrigen verschwinden; in Fig. 8 wachsen r, t, u und drei auf der anderen
Seite, die nicht mit ihnen zusammenstossen.
- 15 —
Ein jeder Körper krystallisiert nur in den Formen eines vnd
desselben Systems.
Ausnahmen sind nicht häufig. Vermag1 ein Körper in zwei
verschiedenen Systemen zu krystallisieren , so nennt man ihn
dimorph. Der Schwefel krystallisiert z. B. im rhombischen und
klinorhombischen System , die Kohle als Diamant im regelmässi-
gen, als Graphit im Hexagonalsystem.
Es giebt Reihen von Körpern, die im gleichen Systeme kry-
stallisieren und sich gegenseitig in ihren Verbindungen vertreten,
ohne die Kry stallform zu ändern. Solche heissen isomorph.
Beispiele: die Alaune von Thonerde, Chromoxyd und Eisenoxyd;
die Salze von Zinkoxyd, Eisenoxydul und Magnesia, die der Phos-
phorsäure und Arsensäure. Thonerdealaun , Chromalaun und
Eisenalaun krystallisieren als reguläre Oktaeder und können sich
gegenseitig auswechseln und mischen, ohne die äussere Form zu
ändern.
Fragen.
1. Wie bestimmt man das System, zu welchem ein vorliegender
Kry stall gehört?
Antw. Man halte den Krystall so vor sich hin, dass sein Querschnitt
resp. seine Grundfläche genau in die Horizontale zu liegen kommt; dann
konstruiere man die Form dieser Grundfläche, wobei etwaige Abstumpfungen
von Ecken und Zuschärfungen von Seiten zu berücksichtigen sind, und sehe
zu, ob die Vertikalaxe senkrecht oder schief auf ihr stehe.
A. Die Vertikalaxe steht senkrecht auf der Grundfläche;
a) Grundfläche quadratisch:
a) Vertikalaxe mit den Horizontalaxen gleichlang; alle Dimensionen
des Krystalls sind sich gleich: . . . . Reguläres System.
ß) Vertikalaxe verkürzt oder verlängert; die Krystalle sind nieder-
gedrükt oder langgezogen: . . . Quadratisches System.
b) Grundfläche rhombisch: Rhombisches System.
c) Grundfläche ein reguläres Sechseck: . . Hexagonales System.
B. Die Vertikalaxe steht schief auf der Grundfläche;
a) Grundfläche eingeschobenes Quadrat: Klino rhombisches System.
b) Grundfläche ein geschobenes Rechteck: Rhomboidales System.
2. Wie unterscheiden sich die Flächen des Rhomboeders von denen
des Würfels?
Antw. Die Flächen des Rhomboeders sind 6 Rhomben, die des
Würfels sind 6 Quadrate.
B. Erscheinungen des Gleichgewichts und der
Bewegung.
4. Hebel und Wage.
§ 11. Was nennt man einen Hebel? Unter einem Hebel ver-
steht man jede unbiegsame Stange, an welcher zwei entgegenge-
setzte Kräfte, Kraft und Last, wirken, während jene an einem
— 16 —
Punkte unterstützt ist. Je nachdem die beiden Kräfte auf zwei
verschiedenen oder auf derselben Seite vom Stützungspunkte an-
greifen, unterscheiden wir zwei Arten Hebel:
a) Beim zweiarmigen Hebel liegt der Stützpunkt zwi-
schen Kraft und Last. Liegt er genau in der Mitte zwischen
beiden , sodass die sog. Hebelarme gleich lang sind , wird der
Hebel ein gleicharmiger genannt; wir finden ihn bei der
gewöhnlichen Wage. Befindet sich der Stützpunkt nicht in der
Mitte zwischen Kraft und Last, so ist der Hebel ein ungleich-
armiger. Einen solchen, an welchem der eine Arm zehnmal
länger ist als der andere, finden wir bei der Dezimalwage.
b) Beim einarmigen Hebel liegt der Stützpunkt auf der
einen Seite , Kraft und Last auf der anderen. Suchen wir mit
dem Hebebaum oder Brecheisen etwas zu heben, mit dem
Schneidemesser etwas durchzuschneiden, so wenden wir einarmige
Hebel an.
m
~~* jg § 12. Wie lautet das Gesetz des Hebels? Fig.
I 11 stellt einen ungleicharmigen Hebel hg vor,
ni| dessen Stützpunkt in m liegt; am längeren
™ Hebelarm mg wirkt die kleinere Kraft p, am
p kürzeren Arm mh hängt die grössere Last P.
Der Hebel befindet sich alsdann im Gleich-
Fig. 11. gewicht, wenn die Last P um so viel grösser
ist als die Kraft p, wie der Hebelarm mg länger ist als der Arm mh.
Wir drücken dies aus durch die Proportion p : P = mh : mg;
daraus folgt ,die Gleichung : p . mg. = P . mh, was wir folgender-
weise in Worte fassen :
Der Hebel befindet sich im G-leichgeivicht, wenn das Produkt der
Kraft mit ihrem Hebelarm gleich ist dem Produkt der Last mit
ihrem Hebelarm.
Die Produkte der Kraft resp. Last mit ihren Hebelarmen
nennt man auch wohl die statistischen*) Momente. Der
Hebel befindet sich also dann im Gleichgewicht, wenn seine
statistischen Momente einander gleich sind.
An einem längeren Hebelarm bedarf man einer kleineren
Kraft , an einem kürzeren Arm einer grösseren Kraft , um eine
gewisse Last zu heben. Diese Kraft ersparnis ist aber mit
einem grösseren Zeitaufwand verbunden, da ein längerer Hebel-
arm grössere Räume durchwandern muss. »Was beim Hebel an
Kraft gewonnen wird, geht an Zeit verloren.« Wir sehen dies
sehr deutlich am Wellrade, mit dem wir bedeutende Lasten,
welche an einer Walze hangen, mittelst geringer Kraftäusserungen
crcams, das Stillstehen, Gleichgewicht.
17 —
an einem grösseren Bade oder nur an dessen Speichen zu heben
vermögen. Je mehr der Halbmesser des Rades (resp. die Länge
der Speichen) denjenigen der "Walze übertrifft, eine um so ge-
ringere Kraft genügt zur Hebung der Last , aber auch um so
mehr Zeit ist dazu erforderlich.
Zrl gßG
§13. Gleicharmige Wage. Die gewöhnliche Wage ist
ein gleicharmiger Hebel, bestehend aus dem Wage balken
mit der Zunge; sie ruht mit dem Zapfen auf den Pfannen,
welche wie jener aus poliertem Stahl gearbeitet sind. An den
Enden des Wagebalkens hängen die Bügel mit den Wage-
schalen. Die einzelnen Teile müssen folgende Bedingungen er-
füllen, wenn die Wage brauchbar, und gut sein soll:.
1. Die Arme des Balkens müssen genau gleiche Länge besitzen.
2. Zapfen und Bügel müssen in einer geraden Linie liegen.
o. Der Ruhepunkt soll etwas über dem Schwerpunkt der
ganzen Wage sich befinden. Wenn der Schwerpunkt in den
Unterstützungspunkt hinein fällt, so herrscht indifferentes Gleich-
gewicht; liegt er über ihm, so ist das Gleichgewicht ein labiles.
Es muss aber stabiles Gleichgewicht herrschen, d. i. die
Wage muss aufgehängt sein. Je tiefer der Schwerpunkt unter
den Stützpunkt rückt, um so weniger empfindlich wird die Wage,
was man bei stärkerer Belastung beobachten kann, denn:
Je mehr die Wage - belastet ivirä , um so toeniger empfindlich
ist sie.
Man bestimmt die Empfindlichkeit einer Wage nach dem
kleinsten Gewichte, womit sie bei völliger Belastung einen merk-
baren Ausschlag giebt. -*) In den Apotheken dürfen nur , sog.
Präz isions wagen zur Anwendung gelangen, welche bei 20 g
Maximalbelastung noch mit 0,08 >g^ bei 200 g Maximalbelastung
noch mit 0,4 g einen deutlichen Ausschlag geben.
§ 14. Ungleich.-
armige Wagen.
Die Dezimal-
wage, welche
man auch als
Brückenwage
gebraucht fe-
' ■ ■ ■ , ■
B ; Ivb : c
i e — frf~ ' 1
§ I '.rieh as 89
\ I
\ a . r _ .
I f~~ rIfp~4l
-(-,
3- Q
sitzt einen un-
a'
gleicharm "gen Fig. 12.
Wagebalken; der Arm, woran die Gewichte wirken, ist zehn-
— - ; - : ujim fiihq 9i
*) Ist dieses kleinste Gewicht p, die volle Belastung Q, so drückt man
den Grad der Empfindlichkeit durch den Bruch p/2Q aus.
S ch-lic kum, Apothekerlehrling. 2
— 18 — L<
mal länger als derjenige, woran die Last hängt; Ki=10Kb/
(Fig. 12). Die auf ab ruhende Last wirkt sowohl durch den Punkt
b auf V, als durch den Punkt a auf c resp. c' ; da nun a' d : cd
= KV : Kc', so wird der bei a resp. c' drückende Teil der
Last durch den einarmigen Hebel D wirken, als ob er auch in b'
angriffe. Das Resultat dieser Verbindung der drei Hebel A, B,
D ist also, dass die gesamte Last in V angreifend gedacht werden
kann d. i. zehnmal schwächer wirkt, als die Kraft C.
Ähnlich ist die Anwendung des ungleicharmigen Hebels bei
der sog. Schnellwage, an deren kürzerem Balken die zur Auf-
nahme der Last bestimmte Schale hängt, während am längeren
Balken ein Gewichtstück, der sog. Läufer, wirkt und durch seine
Entfernung vom Ruhepunkt der Wage das Gewicht der Last an-
zeigt. Übereinstimmend hiermit ist die, jedoch gleicharmige,
Sattelwage, deren Sattel auf den verschiedenen Teilstrichen
des Balkens Decigramme anzeigt, wenn er selbst 1 g schwer ist.
Praktische Regeln beim Gebrauche|der Rezepturwagen.
1 . Man beachte vor dem Wägen, dass die Schalen richtig mit dem Bügel
einhangen. Es trifft sich nicht selten, dass die Schnüre der Handwagen
sich am Bügel verstricken, oder dass die Bügel der Tarierwagen ausgehakt
u. dgl. sind.
2. Man halte die Handwagen mit der linken Hand so, dass die Zunge
zwischen zwei Fingern spielt; bei der Tarierwage lege man den Zeigefinger
der linken Hand sanft auf die schwebende Wageschale; alsdann fühlt man
das Herannahen des Gleichgewichts und kann sich vor zu starkem Über-
gewicht hüten.
3. Bei genauen Wägungen arretiere man die Wage vor der Beurteilung.
Handwagen senke man zu diesem Behufe mit ihren Schalen auf die Tischplatte.
4. Gefässe tariere man nie mit Gewichtstücken. Auch ist der Ge-
brauch der Reiter hierzu nicht zu empfehlen.
Versuche.
1. Man teile die linke Balkenseite einer Wage von dem Zapfen bis
zum Bügel genau in zehn gleiche Teile, dann nehme man ein Stück Messing-
draht von genau 1 g Schwere, biege es an einem Ende um und hänge
es an dem geteilten Balken auf. Hängt der Haken am ersten Teilstriche,
so genügt die Belastung der rechten Wagschale mit 0,1 g, hängt er am
fünften resp. siebenten Teilstrich, so genügt links die Belastung mit 0,5 resp.
0,7 g, um die Wage ins Gleichgewicht zu bringen. In dieser Weise kann
man mit Häkchen von 1 ^jSchwere cg wiegen.
: Fragen.
1. Wie prüft man^eine Wage auf ihre Richtigkeit? — Antw. Man
setze einen Gegenstand gegen Gewichtsstücke genau ins Gleichgewicht,
alsdann vertausche man beide mit einander; es muss die Wage im Gleich-
gewicht bleiben. Neigt sich^dagegen eine Seite nieder, so ist dieser Arm
etwas länger als der andere.
2. Wie prüft man eine Wage auf ihre Genauigkeit? — Antw. Man
gebe der Wage ihre Maximalbelastung, stelle sie genau ein und sehe zu,
welches kleinste Gewichtsstück sie zum bemerkbaren Ausschlag veranlasst.
— 19 —
3. Wie kann man auf einer Wage mit ungleichem Balken dennoch
richtig wiegen? — Antw. Man tariere den Gegenstand genau mit Schrot
u. dgl. und ersetze ihn dann durch Gewichtsstücke; diese geben das rich-
tige Gewicht des Gegenstandes an.
4. Wenn auf einer Wage 100 g einerseits und 99 g andrerseits sich
das Gleichgewicht halten, um wie viel ist jener Arm kürzer als dieser? —
Antw. Um yioo des längeren Armes.
5. Das spezifische Gewicht und seine Bestimmung.
§ 15. Worauf gründet sich die Bestimmung des spezifischen Gewichtes ?
Das spezifische Gewicht ist die Zahl, welche angiebt, um
wie viel leichter oder schwerer ein Körper ist als die gleiche
Masse eines andern Körpers. Zur Yergleichung nimmt man für
die festen und flüssigen Stoffe das Wasser, für die Gase die
atmosphärische Luft als Einheit an. Wenn also das spezi-
fische Gewicht des Quecksilbers — 13,5 ist, so will das sagen,
dass das Quecksilber 13,5 mal mehr wiegt als ein gleiches Quan-
tum Wasser ; ist das spezifische Gewicht des Weingeistes = 0,83,
so bedeutet dies soviel, als dass der Weingeist nur 83/ioo so viel
wiegt als ein gleiches Yolumen Wasser.
Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes vergleicht also
die Gewichte gleicher Yolum-Mengen des fraglichen Körpers und
des Wassers resp. der Luft. Für die Pharmazie hat die Be-
stimmung für Flüssigkeiten hohen praktischen Werth , und soll
daher im folgenden vorzugsweise berücksichtigt werden.
Will man das spezifische Gewicht einer Flüssigkeit be-
stimmen, so muss man also zunächst feststellen, wie viel
gleiche Yolumquantitäten Wassers und der fraglicnen Flüssigkeit
wiegen, und alsdann das Gewicht des Wassers in das der Flüssig-
keit dividieren.
Die verschiedenen Bestimmungsmethoden unterscheiden sich
durch die Art und Weise, das Gewicht gleicher Yolumquanta
Wassers und der Flüssigkeit zu rinden. ffl
Einer jeden muss aber eine gewisse Tem- jff
peratur zu Grunde liegen : 12° R = 15° C, Jj|
weil die Wärme verändernd auf die Dichte Jgf
einwirkt. j§*
§ 16. Bestimmung des spezifischen Gewichtes
der Flüssigkeiten; 1) durch das Pyknometer.
Die der Theorie nach einfachste und
sicherste Bestimmung des spezifischen Ge-
wichtes der Flüssigkeiten geschieht durch
ein Glas, welches bei 15° C genau 10 resp. Fig. 13.
— 20 -
100 g destilliertes "Wasser fasst und Pyknometer genannt
wird. (Fig. 13.) Entweder fasst das Glas die betreffende Wasser-
menge bis zu einer Marke im Halse oder bei völliger Anfüllung.
Füllt man das genau tarierte oder in seiner Tara bekannte Glas mit
der zu prüfenden Flüssigkeit an und wägt dieselbe genau, so
erhält man mittelst Division des gefundenen Gewichtes durch 10
resp. 100 das gewünschte spezifische Gewicht.
Beispiel. Fasst ein Pyknometer bei 15 ÜC 10 g Wasser,
dagegen 8,3 g Weingeist, so ist das spezifische Gewicht des
letzteren = 0,83.
Sehr bequem sind Pyknometer mit einem Thermometer am
Stöpsel.
2) Bestimmung durch Mohrs hydrostatische Wage. An eine Tarier-
wage, deren rechte Wagebalkenhälfte genau in zehn gleiche Teile
eingeteilt ist, hängt mittelst Platindraht ein kleines, mit Queck-
silber oder Schrot beschwertes Senkgläschen. Wird es in Wasser
untergetaucht , so kommt die Wage aus dem Gleichgewicht, in-
dem die Seite, woran das Senkglas hängt, gehoben wird. Die
Ursache beruht in dem von Archimedes (250 v. Chr. in Syra-
kus) gefundenen und nach ihm benannten Satze:
Ein in eine Flüssigkeit untergetauchter Körper verliert so viel an
seinem Gewichte, als die verdrängte Flüssigheitsmenge schwer ist.
Wenn wir also das Senkgläschen in Wasser untertauchen,
so wird es um so viel leichter, als das verdrängte Wasser wiegt.
Um die Wage wieder ins Gleichgewicht zu bringen, müssen wir
die Seite, woran das Senkglas hängt, mit einem Stück Messing-
draht beschweren, und dieses Stück besitzt dann genau das Ge-
wicht des durch das Glas verdrängten Wassers.
Lassen wir das Senkgläschen in eine andere Flüssigkeit
untertauchen , so haben wir abermals eine Belastung nötig, um
das gestörte Gleichgewicht herzustellen. Ist die Flüssigkeit
leichter als Wasser, so genügt eine geringere Belastung; ist sie
schwerer, so wird eine grössere Belastung erforderlich.
Bei leichteren Flüssigkeiten stellen wir das Gleichgewicht
wieder her, indem wir den Messinghaken auf einen der Teil-
striche des Balkens aufhängen, und erhalten alsdann die erste
Dezimalstelle; die zweite Stelle finden wir durch ein zehnmal
leichteres, die dritte durch ein hundertfach leichteres Häkchen.
Beim Weingeist, dessen spezifisches Gewicht = 0,883 ist, hängt
also der erste Haken auf dem achten Teilstrich, die beiden leich-/
teren Häkchen auf dem dritten Teilstrich.
Bei schwereren Flüssigkeiten verfährt man ebenso, nur dass
ein zweiter, dem ersten gleich schwerer Haken am Bügel neben
dem Senkglase aufgehängt werden muss. Beim Chloroform,
dessen spezifisches Gewicht = 1,486 ist, wird also der eine Haupt-
— 21 -
haken am Bügel, der andere am vierten Teilstrich, die leichteren
Häkchen am achten und sechsten Teilstrich aufgehängt.
Während Dr. Mohr zu seiner Wage eine gewöhnliche Tarier-
wage benutzte, deren rechte Wageschale durch das Senkgläschen
ersetzt wird, weicht die Westphalsche Wage, die im übrigen
auf den nämlichen Prinzipien beruht, dadurch ab, dass der linke
Wagebalken keine Schale trägt und gegen eine Spitze spielt,
dadurch die Gleichgewichtslage anzeigend. Bei ihr fehlt darum
auch die Zunge.
3) Bestimmung durch das Aräometer. Der Gebrauch des Aräo-
meters oder der Senkwage gründet sich ebenfalls auf das
Archimedische Gesetz. Ist ein Körper leichter als Wasser, so
schwimmt er und taucht dabei so weit unter, dass die verdrängte
Wassermenge genau so viel wiegt wie der ganze Körper.
Ein schivimmender Körper verdrängt soviel Flüssigkeit, als er
selber wiegt.
Senkt man einen schwimmenden Körper in
eine schwerere Flüssigkeit, so taucht er darin
weniger tief ein wie in eine leichtere , weil er
immer nur so viel Flüssigkeit verdrängt, als sein
eigenes Gewicht beträgt. Hierauf beruht das
Aräometer, eine gläserne, hohle Spindel, unten
mit Quecksilber oder Schrot beschwert und in
Flüssigkeiten schwimmend. Wie tief es in eine
Flüssigkeit eintaucht, erkennt man an einer Skala,
welche das spezifische Gewicht direkt anzeigt.
Für den Weingeist gebraucht man häufig sog.
Alkoholometer, d. h. Aräometer mit direkter
Angabe des Weingeistgehaltes. Ist das Aräo-
meter nicht mit einer Skala verbunden, sondern
wird es durch Gewichte beschwert, dass es bis
zu einer gewissen Marke eintaucht, so stellt es
das sog. Nicholsonsche Aräometer (Fig. 14)
dar. Man legt die Gewichtsstücke auf einen Teller
(A), den das Instrument (B) oben trägt. Je
spezifisch schwerer die Flüssigkeit, um so mehr
Gewicht muss aufgelegtwerden.
Fig. 14.
§ 17. Wie bestimmt man das spezifische Gewicht fester Körper und
der Gase? Für feste Körper bedient man sich der hydrosta-
tischen Wage, einer Tarier wage, an welcher der zu prüfende Körper
aufgehängt wird. Zuerst wägt man ihn in der Luft genau ab, dann
lässt man ihn in untergestelltes Wasser völlig untertauchen und
gleicht den entstehenden Gewichtsverlust durch Auflegen von
Gewichtsstücken aus. Dieser Gewichtsverlust ist das Gewicht des
vom Körper verdrängten Wassers (nach dem oben angegebenen
Archimedischen Gesetz); dividiert man denselben in das absolute
Gewicht des Körpers, so erhält man dessen spezifisches Gewicht.
Man hat also nur nötig , festzustellen , wie viel der Körper
unter Wasser leichter wird, um das Gewicht der ihm gleich grossen
Wassermenge zu finden. Letzteres, in das absolute Gewicht des
Körpers dividiert, ergiebt dessen spezifisches Gewicht. Ein 50 g
schweres Stück Blei verliert unter Wasser 4,5 #, also ist das
spezifische Gewicht des Bleies = 5/4;5 = 11.
Man kann sich zur Bestimmung des spez. Gew. fester Körper auch mit
Vorteil des Nicholsonschen Aräometers (Fig. 14) bedienen. Man legt den
Körper zuerst oben auf den Teller und beschwert denselben dann noch so
stark, dass das Instrument bis zur Marke untertaucht; nimmt man ihn dann
weg und ersetzt ihn durch Gewicht, so zeigt letzteres das absolute Ge-
wicht desselben an. Dann legt man den Körper unten in das Körbchen
und sieht zu, wie viel Gewicht man nun auflegen muss; es wird weniger
sein. Diese Differenz ist das Gewicht des verdrängten Wassers; dividiert man
sie in das absolute Gewicht des Körpers, so resultiert daraus dessen spezi-
fisches Gewicht.
Das spezifische Gewicht der Gase wird bestimmt, indem man
einen luftleer tarierten Ballon zuerst mit Luft erfüllt wägt, dann
mit dem Gas anfüllt und abermals wägt; schliesslich dividiert
man das Gewicht der Luft in das des Gases.
Versuche.
1. Man hänge ein Zwanziggrammstück mit einem Faden an eine
Wageschale und lasse es in ein mit Wasser gefülltes Becherglas unter-
tauchen; man wird bemerken, dass es alsdann nur noch 17,6 g wiegt. —
Dass das Gewichtsstück genau 2,4 g Wasser verdrängt, erkennt, man durch
folgenden Versuch:
Einen in Zehntel-Kubikcentimer abgeteilten Glascylinder fülle man
bis zu einer bestimmten Höhe mit Wasser. Lässt man das Zwanziggramm-
stück in letzteres hineinfallen, so steigt das Wasser genau um 2,4 ccm.
2. Tariert man ein mit Wasser teilweise gefülltes Becherglas genau
auf einer Wage, und taucht an einem Faden ein Zwanziggrammstück in
dasselbe unter, so senkt sich der Wagebalken. Es tritt erst dann wieder
Gleichgewicht ein, wenn auf der anderen Seite 2,4 g aufgelegt werden. Wasdas
Gewichtsstück, selbst an Schwere verliert, erhöht das Gewicht des Wassers.
3. Man fülle einen weiten Reagiercylinder mit Weingeist, tauche einen
schmalen Reagiercylinder in denselben ein und beschwere ihn mit so viel
Schrot, dass er gerade bis zum Halse untertauche. Wechselt man dann den
Weingeist mit Wasser, so taucht der enge Cylinder nur zu 4/5 seiner
Länge darin unter. In einer Kochsalzlösung oder in Zuckerwasser taucht er
noch weniger tief ein.
Aufgaben.
1. Welches spezifische Gewicht besitzt eine Flüssigkeit, von welcher
100 g den Raum von 120 q Wasser einnehmen, also in einem graduierten
Cylinder 120 ccm Raum füllen? — Antw. 100/120 = 0,833.
2. Welches spezifische Gewicht besitzt ein fester Körper, von welchem
ein 20 g wiegendes Stück, in einen graduierten und mit Wasser gefüllten
Cylinder gebracht, das Wasser um 8 ccm steigen macht? — Antw. 20/s = 2,5.
— 23*L—
3. Wenn das spezifische Gewicht des Goldes = 19, das des Silbers = 10
angenommen wird, wieviel verliert eine aus reinem Golde, wieviel eine
halb aus Gold, halb aus Silber gefertigte Krone unter Wasser?*) — Antw.
Eine Krone aus reinem Golde verliert 1/19 ihres Gewichtes, eine solche halb
aus Gold, halb aus Silber verliert i/.2 (1/19 -|- ^io) — 29/W
4. Mischt man 50 Volumteile Weingeist, dessen spezifisches Gewicht
0,79 ist, mit 50 Volumteilen Wasser, so verdichtet sich die Mischung zu
96 Volumteilen. Wie gross ist das spezifische Gewicht dieses 50 volum-
prozentigen Branntweins? — . 50 + (50 X 0,79) „ nn
r & Antw. no '=0,93.
9o
6, Vom Fall der Körper.
§ 18. Der freie Fall. Wird einem ruhenden Körper seine
Unterstützung entzogen, so fällt er. Die dabei innegehaltene
Richtung hat den Erdmittelpunkt zum Ziel. Im luftleeren
Raum fallen alle Körper gleich schnell; in der Luft
finden sie aber durch die stattfindende Reibung und Überwindung
des Luftwiderstandes eine Verzögerung, die um so grösser ist,
je voluminöser und leichter der fallende Körper.
1. Die Fallbewegung ist eine gleichmässig beschleunigte.
Ein fallender Körper fällt mit jedem Zeitabschnitt schneller,
so dass seine Geschwindigkeit am Ende der zweiten Sekunde
zweimal so gross, am Ende der dritten dreimal so gross ist, wie
nach der ersten Fall Sekunde.
Der Raum, den ein fallender Körper in der ersten Sekunde
zurücklegt, d. i. der Fallraum der ersten'Sekunde, be-
trägt 4,9 Meter (155/8 rhein. Fuss); er wächst im weiteren Ver-
lauf des Falles, sodass er am Schluss der zweiten Sekunde 4mal
4,9 »m, am Schluss der dritten Sekunde 9mal 4,9 m, am Schluss
der vierten Sekunde 16mal 4,9 m beträgt. Allgemein ausgedrückt
lautet das zweite Fallgesetz :
2. Die Fallräume 'wachsen mit den Quadratsahlen der Sekunden.
Man findet daher den Fallraum für n Sekunden Fallzeit,
wenn man den Fallraum der ersten Sekunde (4,9 m) mit dem
Quadrate von n multipliziert. Daraus ergiebt sich die Fallzeit,
wenn man den gesamten Fallraum durch den Fallraum der ersten
Sekunde (4,9 w?) dividiert und aus dem Quotienten die Quadrat-
wurzel zieht.
Die Anfangsgeschwindigkeit der ersten Sekunde ist = o, die
Endgeschwindigkeit derselben == 2 g , wenn g den Fallraum der
*) König Hiero in Syrakus liess eine Krone aus Gold anfertigen und
übergab sie Archimedes zur Untersuchung. Da sie unter Wasser 1/ii
ihres Gewichtes verlor, so wurde sie von Archimedes als eine Legierung
aus 11 Teilen Gold und 9 Teilen Silber erkannt. (Erste Anwendung des
„Archimedischen Prinzips").
— 24 —
«ersten ; Sekunde (4,9 m) bezeichnet, denn der Fallraurn ist das
arithmetische Mittel zwischen der Anfangs- und der Endgeschwin-
digkeit. Da nun die Endgeschwindigkeit der zweiten Fallsekunde
doppelt so gross ist als die der ersten Sekunde, so beträgt sie
4 g, daraus folgt der Fallraum der zweiten Sekunde — 3 g d. i.
das Mittel zwischen Anfangs- (2 g) und Endgeschwindigkeit (4 g).
Da die Endgeschwindigkeit der dritten Fallsekunde 6 g, die An-
fangsgeschwindigkeit 4 g ist, so ist der Fallraum derselben — 5 g.
"Wir finden den Fallraum der vierten Sekunde == 7 g, den der
fünften Sekunde 9 g u. s. f. Daraus formulieren wir das Gesetz :
I. Die Fallräume der einzelnen Sekunden wachsen wie die un-
geraden Zahlen: 1 g\ 3 #, o-p, 7 g, 9 g, 11 g, u. s. f.
Addieren wir, um die gesamten Fallräume am Schlüsse der
Sekunden zu finden, so ist:
Der Fallraum der ersten Sekunde g
der ersten zwei Sekunden g -\- 3 g = 4g
der ersten drei Sekunden g + 2g + 5g= . . 8g
der ersten .vier Sekunden g -(- 3 g + 5 g + 7 g = 16g
nach n Sekunden n2g
Hieraus folgt das zweite Gesetz :
II. Die gesamten Fallräume wachsen mit den Quadratzahlen
der Fallsekunden.
Bezeichnet h den gesamten Fallraum in Sekunden, so ist
demnach :
1. h = g. n2;
und hieraus folgt: i /' h
2. n =
§ 19. Der Fall auf der schiefen Ebene. Rollt ein Körper auf
einer gegen den Horizont geneigten Ebene herab , so erlangt- er
nicht dieselbe Geschwindigkeit wie beim freien Fall. Je kleiner
der Neigungswinkel der Ebene, um so langsamer die Bewegung,
aber um so grösser der Druck des rollenden Körpers auf die
Ebene selbst, Bewegung und Druck stehen also im entgegen-
gesetzten Verhältnis zu einander, und zwar, genauer ausgedrückt,
verhält sich die Fallgeschwindigkeit zum Drucke wie die Höhe
der schiefen Ebene zu ihrer Basis.
Die Fallgeschwindigkeit auf der schiefen Ebene ist gleich
dem Produkte aus der Fallgeschwindigkeit beim freien Fall mit
dem Sinus des Neigungswinkels; der Druck auf die schiefe Ebene
ist gleich dem Produkt aus dem Gewicht des Körpers mit dem
Cosinus des Neigungswinkels. Der Sinus verhält sich zum Co-
sinus wie die Höhe der schiefen Ebene zu ihrer Basis.
Das Gesetz der schiefen Ebene finden wir beim Keil und
der Schraube. Der Keil stellt eine zweifache schiefe Ebene
— 25 —
dar, deren Höhe dem halben Rücken, und deren Länge einer
Seitenfläche gleich ist. Treibt man einen Keil ein, so zwingt man
den Gegenstand, die schiefe Ebene desselben emporzusteigen. Je
schmaler der Keil, um so kleiner der Neigungswinkel, um so
geringer die Kraft, die zu seiner Handhabung nötig ist.
Die Schraube lässt sich betrachten als eine um eine "Walze ge-
zogene schiefe Ebene, deren Länge der Umfang der Walze, deren Höhe
die Entfernung zweier Schraubengäuge ist. Je näher die letzteren
bei einander stehen, um so geringere Kraftäusserung ist nötig,
die Last die Schraubenlinie hinaufzuwinden. Daraus folgt, dass
eine Schraube um so leichter sich anziehen lässt, je enger ihre
Windungen und je grösser ihr Durchmesser ist, aber zugleich er-
fordert auch ihre Arbeitsleistung mehr Zeit.
§ 20. Das Pendel. Das Pendel ist ein um seinen Aufhänge-
punkt schwingender schwerer Punkt (mathematisches Pendel); in
der Wirklichkeit existieren nur physische Pendel d. i. an einem
Faden oder einer Stange aufgehängte Körper, deren Schwerpunkt
den obengenannten Schwingungspunkt darstellt. Ein Pendel,
dessen Schwingung genau eine Sekunde währt, heisst ein Se-
kundenpendel; es misst in Europa, am Meeresnfer , nahezu
ein Meter. Da die Schwingungsdauer von der Fallgeschwindig-
keit abhängt, und diese eine Folge der Anziehungskraft der Erde
ist, so wird ein Pendel um so langsamer schwingen, je entfernter
es vom Erdmittelpunkt ist (auf hohen Bergen). Man benutzt
daher ein Sekundenpendel zu Höhenbestimmungen der Gebirge,
wie man auch durch die Verschiedenheit seiner Schwingungs-
dauer wahrgenommen hat, dass der Erdkörper an den Polen ab-
geplattet ist.
Für das Pendel gelten folgende Gesetze*):
1) Kleine Schwingungen eines Pendels besitzen gleiche Bauer.
Das in Bewegung gesetzte Pendel vollzieht seine ersten Schwing-
ungen in derselben Zeit, wie die späteren, schwächer werdenden.
2) Mit der Länge des Pendels nimmt die Schtvingungsdauer zu.
Ein viermal längeres Pendel schwingt doppelt langsam, ein neun-
mal längeres dreimal so langsam. Die Schwingungszeiten wachsen
wie die Quadratwurzeln aus den Pendellängen. Man reguliert
eine Pendeluhr, deren Gang zu sehr beschleunigt ist, durch Ver-
längerung des Pendels.
Versuche.
1. Alle Körper fallen gleich schnell. Man schneide eine Scheibe
aus Papier, etwas kleiner als eine Münze, lege sie auf dieses Geldstück
und lasse beide wagerecht auf den Tisch fallen; das Papier kommt mit der
*) Die Gesetze des freien Falles und des Pendels wurden von Galilei,
Professor in Florenz, zu Ende des 16. Jahrhunderts entdeckt.
— 26 —
Münze zugleich auf der Tischplatte an, da der Luftwiderstand durch estere
überwunden ist.
2. Fallmaschine. Einen über eine Rolle laufenden Bindfaden belaste
man beiderseitig mit Gewichtsstücken oder dgl., sodass das eine bei gelindem
Anstoss herunter sinkt urjd das andere emporhebt. Lässt man nun das erstere
an einem längeren Massstabe herablaufen, während man gleichzeitig zu
zählen beginnt, so nimmt man wahr, dass, wenn der sinkende Körper zur
Zurücklegung des ersten Decimeters eine Sekunde gebraucht, er in der
zweiten Sekunde drei Decimeter, in der dritten Sekunde deren fünf zurücklegt.
Aufgaben.
1. Wie tief steht das Wasser eines Brunnens unter dessen Rande, wenn
man einen herabgefallenen Stein erst nach 3 Sekunden ins Wasser fallen hört?
— Antw. 4,9X9 = 44,1 m.
2. In wieviel Sekunden fällt ein Stein von einer 78 m hohen Felswand
herab? — Antw. 1/ ttt — 4 Sekunden.
'■VS-
3. Wie verhalten sich die Geschwindigkeiten, mit denen ein und derselbe
Körper zwei verschieden geneigte, aber gleichhohe schiefe Ebenen herabrollt?
— Antw. Umgekehrt wie die Längen derselben.
4. Wenn ein Sekundenpendel 1 m misst, wie lang muss ein Pendel sein,
dessen Schwingung eine halbe Sekunde währen soll? — Antw. 1fi m.
7. Der Luftdruck und das Barometer.
§ 21. Wie äussert sich die Schwere der Luft? Wie jeder irdische
Körper, so besitzt auch die atmosphärische Luft Gewicht. Mit
Luft gefüllt wiegt ein Ballon schwerer als im luftleeren Zustande.
Infolge dieser Schwere übt die Luft auf jeden Quadratcenti-
meter einen Druck von 1 leg (auf einen Quadratzoll etwalö Pfund)
aus. Dieser Druck kommt aber nur dort zu sichtbarer Wirk-
samkeit, wo er ein sei tig wirkt. Yermöge des einseitigen Luft-
drucks sind wir imstande, mit dem Stechheber aus einem
Gfefässe Flüssigkeit herauszuziehen ; wir tauchen ihn völlig darin
unter oder saugen ihn voll, verschliessen alsdann die obere Öff-
nung mit dem Finger und heben ihn heraus. Die von unten
drückende Luft verhindert das Auslaufen ; beim Wegnehmen des
Fingers fliesst der Inhalt aus, weil der von unten wirkende Luft-
druck durch den nun auch von oben wirkenden ausgeglichen
wird. Aus demselben Grunde vermag sich ein Medizinglas, wel-
ches wir mit Wasser völlig anfüllen und verschlossen in um-
gekehrter Lage unter Wasser öffnen , nicht zu entleeren , da der
auf das äussere Wasser wirkende Luftdruck den Druck der im
Glase befindlichen Flüssigkeit überwindet.
Wie müssen wir uns die Wirkung des Luftdruckes vorstellen? Die
Luft drückt vermöge ihrer Spannkraft (Tension) von allen Seiten
auf einen Körper ; sie findet daher, wenn sie allerseits Zugang zu
demselben hat, in der eigenen Festigkeit des Körpers den nötigen
I- 27 -
Widerstand, um ihn nicht zusammenzudrücken, und vermag ihn
wegen ihres allseitigen Angriffes auch nicht von der Stelle zu
rücken. Hat die Luft aber nur von einer Seite her Zugang zu
einem Körper, so nimmt man ihren Druck wahr; ruht die Luft
von oben auf dem Körper, so vereinigt sich ihr Druck mit der
Wirkung der Schwerkraft; drückt sie aber von der Seite oder von
unten her auf den Körper, so wirkt sie der Schwerkraft entgegen
und hebt sie mehr oder weniger auf.
§ 22. Was ist das Barometer? Das Barometer*) ist ein Instru-
ment, womit man den Luftdruck misst ; eine zweischenklige Glas-
röhre, deren längerer Schenkel gegen 1 m lang und oben ver-
schlossen , deren kurzer Schenkel dagegen offen ist. Neben
diesem Heberbarometer benutzte man früher auch Gefässbaro-
meter, bei welchen eine meterlange, oben geschlossene Glasröhre
in ein mit Quecksilber gefülltes Gefäss eintaucht.
Das Barometer wird mit Quecksilber völlig angefüllt, welches
beim Umwenden der Röhre durch den Luftdruck am Ausfliessen
gehindert wird. Das Quecksilber steht in dem Instru-
mente nur 760 Millimeter (28 Pariser Zoll) über dem
Niveau des andern Schenkels (oder des Gefässes); somit vermag
die Luftsäule einer 760 mm hohen Quecksilbersäule das Gleichge-
wicht zu halten. Über dem Quecksilber befindet sich im Baro-
meter ein völlig luftleerer Raum, die sog. Toricellische Leere.**)
Der Luftdruck ist gleich dem Geivichte einer 760 mm hohen
Quecksilbersäule.
Man benutzt das Barometer als Messer des Atmosphären-
drucks. Da derselbe je nach dem Wasserdampfgehalt und der
Erwärmung des Luftmeers schwankt, so ist auch der Stand des
Q.uecksilbers nie konstant. Je kälter die Luft ist, je weniger
Wasserdampf sie enthält, um so stärker ist der Druck auf das
Quecksilber, um so höher der Stand des Barometers. Wir finden
ihn in unseren Gegenden am höchsten , wenn der kältere und
trocknere Nordostwind weht; er ist am niedrigsten beim wär-
meren , feuchten Südwestwind. Daher dient das Barometer zur
Wetterbeobachtung. Hat die Luft sich mit Wasserdampf gesättigt,
und das Barometer seinen tiefsten Stand erreicht, so ist baldiger
Regen in Aussiebt; nach stattgefundener Verdichtung des Wasser-
dampfes zu Regenwolken steigt aber das Quecksilber im Barometer.
Da mit der örtlichen Erhebung über den Meeresspiegel der
Luftdruck abnimmt, so zeigt das Barometer in höher gelegenen
*) Schweremesser, von ßapu? (schwer) und (xerpov (Mass).
**) Toricelli in Bologna konstruierte 1644 das erste Barometer und
erklärte die Erscheinungen des Luftdrucks, die man vordem auf einen
.horror vacui" (Abneigung vor der Leere) zurückgeführt hatte.
28
Fig. 15.
Gegenden sowie beim Empor-
steigen im Luftballon ein um so
stärkeres Fallen, in je höhere
Luftschichten man sich begiebt.
Das Barometer dient daher auch
allgemein zu Höhenmessungen.
Das Anero'idbarometer*) (Fig.
15) besitzt eine kreisförmig gebogene,
luftleere Metallröhre (A B C), welche
bei stärkerem Druck der äusseren Luft
sich mehr streckt, bei schwächerem
Drucke sich mehr krümmt. Diese Be-
wegung überträgt die Röhre durch
einen Hebel (E D) und ein Zahnrad
(ik) auf einen Zeiger, der an einer
Skala den Atmosphärendruck anzeigt
Der Skala giebt man die Einteilung
des gewöhnlich enBarometers. Solange
die Metallröhre völlig luftleer bleibt,
bewahrt das Anero'idbarometer seine
Empfindlichkeit. Es lässt sich durch
seine handliche Form sehr bequem zu
Höhemnessunffen verwenden.
§ 23. Wie benutzt man den Luftdruck? Man benutzt den Luft-
druck zu einer Reihe von Instrumenten, von denen folgende Er-
wähnung verdienen :
1. Der Saugheber, eine zweischenklige Röhre, deren kür-
zerer Schenkel in eine Flüssigkeit eingetaucht wird, während man
an dem längeren saugt. Sowie sich der Heber völlig mit der
Flüssigkeit angefüllt hat, lässt er sie so lange ununterbrochen aus
dem längeren Schenkel ausfliessen, bis ihr Niveau an beiden Schenkeln
gleich steht oder der kürzere Schenkel nicht mehr in sie ein-
taucht. Diese Wirkung des Instrumentes gründet sich darauf,
dass die Flüssigkeitssäule des längeren Schenkels, als die schwerere,
den Luftdruck überwindet und die Flüssigkeit des kürzeren Schen-
kels sich nachzieht.
2. Die Saug- und die Druckpumpe. Sie beruhen auf dem
Emporheben einer Wassersäule mittelst des Luftdrucks. Da das
Wasser 13,5 mal leichter ist als das Quecksilber, so vermag der
Atmosphärendruck einer Wassersäule von 10 Meter
(32 Fuss) das Gleichgewicht zu halten. Auf eine grössere
Höhe kann daher eine einfache Pumpe das Wasser nicht heben.
Die Saugpumpe besteht aus einem (eisernen) Cylinder,
dem sog. Stiefel, in welchem sich ein durchbohrter Kolben luft-
dicht auf- und abbewegt. Sowohl der Kolben, als auch die Basis
des Stiefels, welche durch ein Leitungsrohr mit einem Wasser-
*) avaspaeiSifjs = luftleer.
29
behälter in Verbindung steht, besitzen eine nach oben bewegliche
Klappe. Beim Emporziehen des Kolbens steigt das Wasser aus
dem Behälter in den Stiefel , die Klappe hebend , um den im
Stiefel entstehenden luftleeren Raum auszufüllen, da die über dem
Kolben befindliche Luft durch die Kolbenklappe, welche sich nur
nach oben öffnen kann, abgesperrt ist. Beim Niederdrücken presst
sich das im Stiefel vorhandene Wasser, da die an seinem Grunde
befindliche Klappe mittlerweile sich wieder geschlossen hat, durch
den Kolben und dessen Klappe hindurch, steigt über den Kolben
und wird beim nächsten Hube bis zur Ausflussröhre gehoben.
Die Druckpumpe unterscheidet sich von der Saugpumpe
dadurch, dass der Kolben nicht durchbohrt, der Stiefel aber an
seinem unteren Teile mit einer seitlichen, durch eine Klappe ab-
geschlossenen Steigröhre versehen ist, in welche das Wasser beim
Niederdrücken des Kolbens gehoben wird.
Auf der Erscheinung des Saugens beruht auch der Inhala-
tion sapparat. Zwei fein ausgezogene Glasröhren stossen in
einem rechten Winkel mit ihren Spitzen auf einander; während
die senkrecht stehende Bohre in eine Flüssigkeit eintaucht, wird
durch die wagerecht laufende Röhre aus einem Wasserkessel
Wasserdampf oder aus einem Kautschukballon ein anhaltender Luft-
strom geleitet. Durch letzteren wird der auf der senkrecht stehen-
den Röhre lastende Atmosphärendruck geschwächt, infolge dessen
die Flüssigkeit durch dieselbe emporgesogen und durch den an-
haltenden Dampfstrom in einen Sprühregen verwandelt wird.
Einen künstlich erzeugten Luftdruck benutzt man bei der Spritz-
flasche (Fig. 16). Sie ist eine gewöhnliche
Glasflasche mit doppelt durchbohrtem
Stopfen, durch welchen zwei gebogene
Glasröhren geführt sind. Die eine der-
selben endigt dicht unter dem Stopfen
und dient dazu, Luft in die Flasche zu
blasen ; die andere reicht bis gegen den
Boden der Flasche, in die darin befind-
liche Flüssigkeit. Bläst man nun in
die erstere Röhre, so steigt die Flüssig-
keit in der letzteren empor und fliesst
daraus im Strahle aus. Man benutzt
die Spritzflasche zum Abspülen von
Krystallen, zum Sammeln und Aus-
waschen eines Niederschlages auf dem
Filter u. a. m.
Fig. 16.
Yersiiche.
1. Man gebe in eine zweischenkbge Glasröhre Wasser; es wird, sofern
beide Schenkel offen sind, in beiden gleichhoch stehen. Verschliesst man
— 30 —
dann den einen Schenkel mit dem Finger und neigt denselben derartig, dass
alles Wasser in ihn eintritt, so wird bei aufrechter Stellung das Wasser in
dem Schenkel zurückgehalten, sofort aber wieder in den leeren Schenkel
übertreten, wenn man den Finger wegzieht. Man kann denselben Versuch
mit Quecksilber wiederholen; wendet man dann aber eine meterlange Röhre
an, so sinkt das Metall in dem verschlossenen Schenkel bis zur Höhe von
760 mm und lässt über sich einen luftleeren Raum.
2. In ein 200 g fassendes Medizinglas gebe man 1 g Äther, schwenke
ihn darin um, damit sein Dampf das Glas ganz erfülle, füge dann 10 bis
15 g Wasser hinzu und schüttele wohl um, das Glas mit dem Daumen
fest verschliessend; öffnet man es alsdann in umgewendeter Lage unter
Wasser, so stürzt dasselbe geradezu hinein und füllt es zum grossen
Teile an. (Das Wasser hatte den Atherdampf absorbiert und einen luft-
verdünnten Raum geschaffen, der darauf vom eindringenden Wasser
eingenommen wurde.)
Fragen.
1. Warum fühlen wir an unserem Körper den Luftdruck nicht? —
Antw. Weil die in unserem Körper allenthalben vorhandene Luft die-
selbe Spannung hat wie die äussere Luft und ihr das Gleichgewicht
hält. — Auf sehr hohen Bergen, wo die äussere Luft verdünnter ist, drängt
die im Körper befindliche Luft das Blut aus Mund, Nase und Haut.
2. Worauf beruht das Atmen und Saugen? — Antw. Beim Ein-
atmen erweitern wir den Brustkorb und verdünnen dadurch die in der
Brusthöhlung befindliche Luft, infolge dessen die äussere Luft durch Mund
und Nase hereindringt; beim Ausatmen pressen wir einen Teil der einge-
schlossenen Luft aus der Brusthöhlung, indem wir das Zwerchfell und die
Rippen emporziehen. — Beim Saugen verdünnen wir die Luft im Munde,
wodurch der äussere Luftdruck zur Geltung gelangt.
3. Wenn bei gewöhnlichem Druck (einem Atmosphärendruck) 1 l
Luft 1,2 g wiegt, wie viel wiegt dasselbe Quantum unter fünffachem At-
mosphärendruck; ? — Antw. Da unter fünffachem Druck die Dichte fünf-
mal grösser ist, so wiegt 1 / Luft unter solchem Druck 5X1,2 = 6^.
4. Worauf hat man bei genauen Barometermessungen stets Rücksicht
zu nehmen? — Antw. Dass sich mit der Veränderung des Quecksilber-
standes auch das untere Niveau ändert, von dem ab die Höhe der Queck-
silbersäule gemessen wird.
8. Die Luftpumpe.
§ 24. Welches sind die Teile der Luftpumpe? Die Luftpumpe,
im 17. Jahrhundert von Otto v. Gruerike, Bürgermeister von
Magdeburg, zuerst konstruiert, beruht auf dem Prinzipe, in einem
geschlossenen Räume nach Art des Saugens die Luft nach und
nach zu verdünnen. Es gelingt aber mit ihr nicht, einen Raum
vollständig luftleer zu machen. Ihre wesentlichen Teile sind
folgende: 1. der Stiefel, ein metallener Oylinder, in welchem
sich luftdicht ein durchbohrter Kolben auf- und abbewegt, der
mit einer nach oben sich öffnenden Klappe geschlossen ist;
2. die Verbindungsröhre, welche den Stiefel verbindet mit
31
3. dem Teller, auf welchem der Rezipient, eine Glasglocke,
steht, dessen Luft ausgepumpt werden soll.
Je nachdem die Yerbindungsröhre mit dem Stiefel durch ein
sich nach oben öffnendes Ventil oder durch einen drehbaren Hahn
verbunden ist, bezeichnet man die Luftpumpe als eine Ventil-
oder als eine Hahnenluftpumpe.
Fig. 17
Fig. 17 stellt eine doppelstiefelige Ventilpumpe vor. D und S
sind ihre beiden Stiefel, deren Kolben beim Hin- und Herdrehen
der Handhaben abwechselnd auf- und niederbewegt werden; F
ist ein Hahn, welcher die Yerbindungsröhre öffnet und schliesst,
sie auch mit der äusseren Luft in Kommunikation setzen kann;
R der Rezipient und g ein eingeschaltetes Barometer, zur Be-
obachtung des Yerdünnungsgrades der Luft.
§ 25. "Wie wird die Luftpumpe gehandhabt? Nachdem der Rezi-
pient fest auf den Teller aufgesetzt worden, hebt und^senkt man
— 32 —
abwechselnd den Kolben. Beim Emporziehen desselben entsteht
unter ihm im Stiefel ein luftleerer Raum, so dass die im Rezi-
pienten befindliche Luft die Klappe der Verbindungsröhre hebt;
nachdem sie eingetreten, senkt sich diese Klappe wieder durch
ihr eigenes Gewicht. Bei der Hahnenluftpumpe hat man nach
jedem Kolbenhube den Hahn so zu stellen, dass zwischen Ver-
bindungsröhre und Stiefel Kommunikation stattfindet, darauf aber
wieder den Hahn zu schliessen. "Wird nun der Kolben wieder
gesenkt, so zwingt er die unter ihm im Stiefel eingeschlossene
Luft, durch Öffnen der Kolbenklappe zu entweichen. Bei Wieder-
holung dieses Spieles verdünnt sich die Luft des Rezipienten
immer mehr^ was man am Sinken des Quecksilbers im einge-
schalteten Barometer wahrnehmen kann.
§ 26. Welche Versuche kann man mit der Luftpumpe anstellen?
In dem möglichst ausgepumpten Rezipienten verlöscht eine
brennende Kerze, da ihr der zum Yerbrennen notwendige Sauer-
stoff entzogen ist; eine Vogelfeder fällt darin ebenso schnell zu
Boden wie ein Stück Blei, da der Luftwiderstand fehlt; Tiere
(Vögel, Mäuse) sterben in kurzer Zeit durch Erstickung; eine
bewegte Schelle tönt nicht, da ihre Schwingungen nicht fortge-
leitet werden können ; lauwarmes Wasser siedet, weil kein Druck
mehr auf ihm lastet, der die Dampf bildung zurückhält. Der
Rezipient selbst ist durch den Druck der äusseren Luft auf den
Teller fest gepresst.
§ 27. Was ist eine Kompressionspumpe? Die Luftpumpe in etwas
veränderter Form dient als Kompressjonspumpe, um Luft
oder andere Gase in einen geschlossenen Raum bis zur möglich-
sten Verdichtung hineinzupumpen. Bei einer Hahnenluftpumpe
mit un durchbohrtem Kolben braucht man nur den Hahn so zu
stellen, dass er beim Niedergänge des Kolbens die Kommunikation
zwischen Stiefel und Verbindungsröhre herstellt; beim Aufgange
schliesst man diese Verbindung und setzt den Stiefel mit der
äusseren Luft in Kommunikation. Dadurch wird beim Empor-
ziehen des Kolbens von aussen Luft aufgesogen und diese beim
Niedergange desselben in den Rezipienten gedrückt — Eine
Ventilkompressionspumpe unterscheidet sich von der Ventilluft-
pumpe durch entgegengesetzte Richtung der Klappen, sodass beim
Emporziehen des Kolbens die äussere Luft in denselben eintritt',,
beim Niedergange in den Rezipienten gedrückt wird.
Fragen.
1. Warum vermag man nicht den Rezipienten der Luftpumpe völlig
luftleer zu machen? — Antw. Weil in der Durchbohrung des Kolbens
beim tiefsten Stande desselben immerhin noch etwas Luft von der Dichte
— 33 -
der Atmosphäre zurückbleibt , sodass sich diese beim Emporziehen des
Kolbens im Stiefel verbreitet. Über diesen Grad der Verdünnung lässt
sich auch für den Rezipienten nicht hinausgehen. In einem gut ausge-
pumpten Rezipienten bleibt etwa fünfhundertfach verdünnte Luft zurück.
2. Wieweit kann eine Ventilluftpumpe die Luft im Rezipienten ver-
dünnen? — Antw. Bis zu dem Grade, dass die Spannung der Luft
nicht mehr hinreicht, die Ventile zu heben. Daher leistet eine Hahnenluft-
pumpe mehr.
3. Mit welcher Kraft werden zwei Halbkugeln, deren Durchmesser 1 dem
beträgt, zusammengehalten, nachdem sie luftleer gemacht wurden?*) —
— Antw. Die Oberfläche beider Halbkugeln ist (nach der Formel 4 k r2)
= 31,25 qcm; daher der Luftdruck auf beide = 31,25 kg.
9. Die Dampfmaschine.
§28. Worauf gründet sich die Dampfmaschine? Durch den Druck
erhöht sich die Spannkraft der Dämpfe nicht, da sie unter Druck
sich zum Teil verdichten, wobei der restierende Dampf die Span-
nung wie zuvor behält; aber durch Erhitzung vermehrt sich ihre
Tension und zwar in zunehmender Progression. Der Wasser-
dampf, welcher bei 100° C die Spannung eines Atmosphären-
drucks besitzt, erlangt schon bei 121° die doppelte (von zwei
Atmosphären), bei 135° bereits die dreifache (von drei Atmo-
sphären), bei 145° C die vierfache Spannung (von vier Atmosphären).
Eine grossartige Anwendung dieser Dampfspannung macht
man bei der Dampfmaschine. Man entwickelt Wasserdampf,
dem man durch Erhitzung in einem geschlossenen Kessel eine
höhere Temperatur und dadurch eine erhöhte Tension giebt, und
leitet diesen erhitzten Wasserdampf bald über, bald unter einen
sich auf- und niederbewegenden Kolben, dessen Bewegung man
in geeigneter Weise auf ein Rad überträgt.
§ 29. Welches sind die wesentlichen Teile einer Dampfmaschine?
1. Der Dampfkessel, -in welchem das Wasser zum Sieden
erhitzt wird. Da derselbe völlig geschlossen ist, so erhöht sich
der Druck des entwickelten Dampfes, und das Sieden findet in
einer 1003 C übersteigenden Temperatur statt. Zur Sicherheit ist
der Kessel mit einem Sicherheitsventil versehen, einer Öff-
nung, welche durch einen einarmigen, am Ende stark beschwerten
Hebel geschlossen gehalten wird. Die Beschwerung ist derartig
bemessen, dass sie gehoben wird, wenn der eingeschlossene Dampf
eine dem Kessel bedrohliche Spannung annehmen würde.
*) Otto v. Guerike maehte auf dem Regensburger Reichstag 1654
zwei kupferne Halbkugeln von 20 Zoll Durchmesser (bekannt als Magde-
burger Halbkugeln) luftleer, welche alsdann von 8 Paar Pferden nicht aus-
einander gerissen werden konnten, da die Luft sie mit einer Kraft von
50 Centnern zusammenhielt.
Schlickum, Apothekerlehrling. 3
— 34 —
Durch den Dampfkessel der Lokomobilen und Lokomotiven
führt eine Anzahl wagerechter Röhren, welche die von der Feuerung
erhitzte Luft empfangen und das sie umspülende Wasser zum
Sieden bringen.
2. Der Cylinder mit dem Kolben, welcher sich in jenem
luftdicht auf- und niederbewegt. Bevor der Dampf in den Cylinder
eintritt, passiert er das Schieberventil, um abwechselnd über und
unter den Kolben zu gelangen und diesen dadurch bald herauf-,
bald herabzudrücken. Der Schieber dieses Yentils wird von der
Maschine selber geführt, in der "Weise, dass er den oberen Zu-
gang zum Cylinder gerade beim höchsten Stande des Kolbens
öffnet, ihn aber wieder verschliesst , wenn der Kolben unten an-
langt, und zugleich den unteren Zugang öffnet, um nun den
Dampf unter den Kolben treten zu lassen.
3. Die Übertragung der geradlinigen Bewegung des Kolbens
auf die Kurbel, welche ein Rad umdreht, ist verschieden. Bei
den Dampfboten und stehenden Dampfmaschinen geschieht sie
durch einen zweiarmigen Hebel, den sog. Balancier.
§ 30. Wie unterscheidet man die Dampfmaschinen? Man konstru-
ierte die ersten Dampfmaschinen*) in der Weise, dass man den
Dampf unter den Kolben treten liess und nach dessen Hebung
kaltes Wasser einspritzte, wodurch eine Yerdichtung des Dampfes
und ein verdünnter Raum im Cylinder entstand, infolge dessen
der Atmosphärendruck den Kolben hinabschob. (Diese Maschine
wird die atmosphärische Dampfmaschine genannt.) Später
verbesserte man sie durch abwechselnde Dampfleitung, bald über,
bald unter den Kolben. Je nachdem der verbrauchte Dampf in
einen besonderen Behälter, den Kondensator, abgeleitet und
daselbst verdichtet, oder in die Atmosphäre abgelassen wird, unter-
scheidet man Niederdruck- und Hochdruckmaschinen.
Erstere besitzen einen Kondensator, einen kalten Raum, worin
der verbrauchte Dampf zu Wasser abgekühlt wird; sie bedürfen
keiner so hohen Spannung des Dampfes , da durch die Konden-
sation dessen Widerstand mehr aufgehoben wird, als bei den
Hochdruckmaschinen, wo die atmosphärische Luft, in die man
den verbrauchten Dampf leitet, der Kolbenbewegung entgegen-
wirkt. Dagegen beanspruchen letztere Maschinen weniger Raum
und werden deshalb bei den Lokomotiven benutzt.
§ 31. Wie misst man die Spannung des Dampfes? Man misst die
Dampfspannung mittelst des Manometers, welcher verschieden
*) Savari baute 1688 die erste Dampfmaschine, später konstruierte
Newkomen die atmosphärische Maschine, James Watt verbesserte sie 1763
zur Niederdruckmaschine und übertrug die Kolbenbewegung auf eine Kurbel.
— ÖD —
konstruiert sein kann. Die Metallmanometer besitzen eine ge-
bogene und luftleere Röhre, welche bei stärkerem Dampfdruck sich
streckt, bei geringerem Drucke sich mehr krümmt. Ein Zeiger,
der mit den beiden Enden der Röhre in Kommunikation steht,
zeigt den Druck an. Auch benutzt man als Metallmanometer
elastische Metallplatten, die durch den Dampfdruck emporgehoben
werden und durch einen Hebel mit einem Zeiger in Verbindung
stehen. — Die Quecksilbermanometer sind doppelt gebogene,
einerseits geschlossene und mit Quecksilber versehene Glasröhren,
die mit ihrem offenen Ende mit dem Dampfkessel in Yerbindung
stehen; ohne Druck steht das Quecksilber in beiden Schenkeln
gleichhoch, es steigt aber in dem geschlossenen Schenkel um so
höher, je stärker der Dampfdruck auf es einwirkt.
Man berechnet den Dampfdruck nach dem Drucke der At-
mosphäre, und redet von einem zweifachen u. s. w. Atmo-
sphärendrucke. Die Leistung der Dampfmaschine drückt man
gewöhnlich in Pferdekräften aus; eine Pferdekraft gilt gleich
500 Fusspfund = 75 Kilogrammmeter (kgm) d. i. der Kraft, welche
500 Pfund 1 Fuss resp. 75 kg 1 m hoch in der Sekunde zu
heben vermag.
Man erteilt den Bewegungen der Dampfmaschine Gleich-
mässigkeit teils durch ein Schwungrad, teils durch Vereinigung
zweier Cylinder an derselben Kurbel, in denen die Kolben einen
verschiedenen Stand haben.
Um durch eine zu schnelle Dampfen twicklung den Gang der
Maschine nicht ungleichmässig zu beschleunigen, bringt man im
Zuleitungsrohr eine Klappe an, durch deren teilweises Schliessen
weniger Dampf in den Cylinder eintritt. Man lässt die Maschine
selbst diese Klappe handhaben , indem man mit der Hauptaxe
eine Centrifugalmaschine verbindet, deren Schenkel um so weiter
auseinanderweichen, je schneller die Umdrehung stattfindet, und
in diesem Masse die Klappe schliessen.
Fragen.
1. Wonach berechnet man die Leistung einer Dampfmaschine? —
Antw. Nach dem Durchmesser und der Höhe des Cylinders, wodurch die
Grösse der der Dampfspannung ausgesetzten Kplbenfläche, sowie dessen Hub
bedingt ist.
2. Wie gross ist der Dampfdruck auf den Kolben, wenn die Spannung
4- Atmosphären und der Durchmesser des Kolbens 1 in beträgt? — Antw.
Die Kolbenfläche beträgt 314 qcm, der Druck des Dampfes auf 1 qcm
= 4 kg, also der Gesamtdruck auf den Kolben = 1256 kg.
— 36 —
C. Erscheinungen der Wärme.
10. Von der Wärme.
§ 32. Wie entsteht die Wärme? Die Quellen der Wärme sind:
1. Das Sonnenlicht. Das Licht besitzt Wärmestrahlen,
welche um so mehr von den Körpern verschluckt werden, je
senkrechter sie auffallen, und je dunkler und unebener die Ober-
fläche der Körper ist. Auf dem Neigungswinkel beruht eine der
Hauptursachen der Wärmedifferenz der Jahreszeiten, nächst der
Dauer der Bescheinung. Wie sehr die Farbe Einfluss auf die
"Wärmeabsorption besitzt, erkennen wir bald daran, dass unter
schwarzem Tuche sich im Sonnenlichte die Körper schneller und
stärker erhitzen als unter weissem.
2. Mechanische Kraftäusserungen. Überall, wo eine
Kraft verbraucht wird, zumal bei der Reibung, beim Zusammen-
pressen, oder wenn eine Bewegung gestört wird, wie beim An-
prall eines fortbewegten Körpers — entsteht ein entsprechendes
Quantum Wärme. Bekanntlich erzeugen wilde Völkerschaften ihr
Feuer durch Zusammenreiben von Hölzern. Wasser kann man
zum Sieden erhitzen, wenn darin eine Kurbel längere Zeit rasch
umgedreht wird. Auf der Erhitzung zusammengepresster Luft
beruht das pneumatische Feuerzeug.
Genaue Untersuchungen haben das "Verhältnis des Kräfte -
Verbrauchs zur Wärmebildung — das sogenannte Wärmeäqui-
valent — festgestellt. Als Wärmeäquivalent gilt 425 hgm
d. h. die Kraft, welche 425 hg 1 m hoch hebt, vermag sich in die-
jenige "Wärmemenge überzusetzen, welche 1 leg Wasser um 1°0
höher erhitzt. Eine solche Wärmemenge nennt man eine K al o rie.
3. Chemische Vereinigung. Verbinden sich zwei Kör-
per chemisch miteinander, so tritt Erwärmung ein, deren Grad
abhängig ist von der Verwandtschaft der Körper zu einander..
Wir finden diesen Vorgang bei der Verbrennung, welche in den
meisten Fällen eine feurige Verbindung der Körper mit dem Sauer-
stoff der Luft ist. Jedoch kann auch eine Verbrennung der anderen
Medien stattfinden, z. B. feingepulvertes Antimon verbrennt im
Chlorgase, Kupferblech im Schwefeldampf. Wärmeentwicklung
durch chemische Vereinigung erzeugt sich auch beim Kalklöschen,
wobei der Kalk sich mit Wasser zu Kalkhydrat verbindet.
4. Elektrizität. Sowohl bei der Vereinigung der beiden
entgegengesetzten Elektrizitäten (beim Blitz, elektrischen Funken),
als bei der Störung der elektrischen Leitung wird Wärme frei.
Je schlechter ein Metall den elektrischen Strom leitet, um so
stärker erhitzt es sich; die verschwundene Elektrizität geht in
Wärme über.
— 37 —
§ 33. Welches sind die Wirkungen der Wärme? Die Wärme äussert
sich in zweifacher "Weise: a) durch räumliche Ausdehnung,
b) durch Veränderung des Aggregatzustandes.
a) Je mehr ein Körper sich erhitzt, um so mehr dehnt sich
sein Volumen aus ; bei Wärmeabnahme verringert es sich wieder.
Diese Ausdehnung ist nicht bei allen Körpern gleich; sie findet
sich am schwächsten bei den festen, am stärksten bei den gas-
förmigen. Die Yergrösserung, die ein Körper bei Zunahme seiner
Temperatur um 1° erleidet, nennt man seinen Ausdehnungs-
co effizient. (So ist der lineare Ausdehnungscoeffizient des
Eisens = 0,0000123, d. i. eine eiserne Stange verlängert sich um
V123000 beim Erwärmen um 1°. Der kubische Ausdehnungs-
coeffizient des Olivenöls ist = 0,0008, der Luft = 0,0036). Die
Ausdehnung des Wassers wird von der der weingeistigen und
ätherischen Flüssigkeiten bedeutend übertroffen. So zeichnen sich
der Äther, Schwefelkohlenstoff, namentlich aber das Petroleum,
Benzin und der Petroleumäther durch grosse Volumvermehrung
beim Erwärmen aus. Daraus geht die für den Apotheker sehr
wichtige Kegel hervor, die Standgefässe mit solchen Flüssigkeiten
nur au 4/5 anzufüllen, andernfalls bei einem Temperaturwechsel
Gefahr des Zerspringens naheliegt.
Mit der Zunahme der Temperatur hält die Abnahme des
spezifischen Gewichtes gleichen Schritt; der Körper behält bei
erhöhter Wärme sein Gewicht, nimmt aber an Volumen zu, wird
also relativ leichter.
Je mehr ein Körper sich erwärmt, um so spezifisch leichter
ivird er.
Die Abnahme des spezifischen Gewichtes beim Erwärmen
sehen wir deutlich am Aufsteigen der unteren Schichten von
Flüssigkeiten, welche wir über eine Flamme halten, am Empor-
steigen des Bauches in den Kaminen u. s. f. Eine Kerzen-
flamme, in die schwach geöffnete Thür einer geheizten Stube
gehalten, neigt sich dicht über dem Fussboden nach der Stube
hin, weiter oben aber nach aussen, indem die kalte Luft unten
herein-, die warme oben hinausgeht.
Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel bildet eigen-
tümlicherweise das Wasser, dessen grösste Dichte bei nahe 4°
Wärme liegt. Sowohl unter, wie über dieser Temperatur nimmt
das spezifische Gewicht des Wassers ab. Folge davon ist, dass
es beim Gefrieren völlig damit angefüllte Gefässe sprengt; dass
ferner, wenn Wasser erkaltet, der stetige Wechsel in der Lagerung
der sich abkühlenden Schichten eine Grenze findet, sobald die
unterste Schicht 4° Wärme erlangt hat. Wir finden daher diese
Temperatur auf dem Grunde tiefer Gewässer, welcher Umstand
— 38 —
dieselben vor dem vollständigen Gefrieren sichert. Eis schwimmt
stets auf kaltem Wasser.
b) Bekanntlich werden die festen Körper bei zunehmender
Wärme flüssig, d. h. sie schmelzen. Der Schmelzpunkt
ist für jeden Körper ein bestimmter, sich stets
gleich b<l ei bender. Bei weiterem Erhitzen geraten die Flüssig-
keiten ins Sieden, d. i. sie werden gasförmig. Da beim Sieden
der Luftdruck überwunden werden muss , so folgt daraus , dass
bei vermindertem Luftdruck (auf hohen Gebirgen, unter dem
Eezipienten der Luftpumpe) das Sieden früher eintritt.*)
Eine Flüssigkeit siedet in der Temperatur, in welcher ihr Dampf
den Druck der über ihr tastenden Luft überwindet.
Daher tritt das Sieden viel später in einem festverschlossenen
Kessel ein , z. B. im Dampfkessel der Dampfmaschine , oder im
sog. Papinschen Topf, worin man Knochen gar kochen kann.
Der Übergang in Gasform findet übrigens in Gestalt der
Verdunstung bei jeglicher Temperatur, sogar in der Kälte statt.
Eis und Schnee verdunsten wie das flüssige Wasser. Das Mass
dieser Erscheinung hängt von der Grösse der Oberfläche, sowie
von dem Grade der Sättigung der darüber liegenden Luftschicht
ab. Je mehr wir die Oberfläche einer Flüssigkeit vergrössern, und
je weniger gesättigt die über ihr lagernde Luftschicht ist , eine
um so stärkere Verdunstung findet statt.
. § 34. Was nennt man latente "Wärme? Soll ein fester Körper
schmelzen , ein flüssiger sieden oder verdampfen , so ist dazu
Wärme notwendig. Diese Wärme verschwindet für das Gefühl,
wie für das Thermometer, man nennt sie daher latente oder
gebundene Wärme.
1. Beim Übergange in einen weniger dichten Aggregatsustand
tvird Warme gebunden (latent).
Eis beansprucht zum Schmelzen soviel Wärme, wie hinreichen
würde, eine gleiche Wassermenge von 0° auf 80° zu erhitzen.
Zum Sieden erfordert das Wasser eine siebenmal grössere
Wärmemenge als zum Schmelzen.
Diejenige Wärme , welche beim Verdunsten gebunden wird,
entzieht sich der Umgebung und kühlt sie ab. Man nennt diese
durch Verdunstung eintretende Temperaturerniedrigung Ver-
dunstungskälte. Man nimmt sie wahr beim Besprengen der
Strassen, nach einem Hegen , beim Heraussteigen aus dem Bade
u. a. m. Sehr flüchtige Körper, z. B. Äther, rufen ein so starkes
Erkalten hervor, dass die Gefässe sich wie mit Tau beschlagen.
Wenn man lösliche Substanzen, z. B. Kochsalz, Salpeter,
*) Auf dem St. Bernhardhospiz, bei einem Barometerstande von 504 mm
(20 par. Zoll) siedet das Wasser schon bei 92°.
— 39 —
Salmiak, in Wasser auflöst, so tritt ebenfalls Abkühlung ein;
dieselbe wird noch grösser, wenn man statt des "Wassers Schnee
oder Eis anwendet, da diese alsdann beim Schmelzen ebenfalls
Warme binden. Solche Kältemischungen sind z. B. 1 Teil
Kochsalz und 3 Teile Schnee, welche von 0° bis — 17° erkalten;
5 Teile Salmiak, ebensoviel Salpeter und 19 Teile Wasser, welche
sich um 22 Grade abkühlen. Auch Glaubersalz mit Salzsäure
ruft eine grosse Kälte hervor. Man muss übrigens grössere
Mengen Substanzen anwenden , um die Ausgleichung der Tem-
peratur mit der Umgebung möglichst zu verzögern.
2. Beim Übergang in einen dichteren Aggregatzustand ivird
Wärme frei.
Wenn der Dampf sich wieder verdichtet, so tritt dieselbe
Wärmemenge, welche zur Dampf bildung verwendet wurde, wieder
frei auf. Daher die Erhitzung des Kühlwassers bei der Destillation.
Das nämliche findet beim Gefrieren nnd Krystallisieren statt; da
aber zum Schmelzen nicht soviel Wärme verbraucht wurde als
zum Sieden, so ist auch die beim Erstarren frei auftretende
Wärme geringer als bei der Verflüssigung des Dampfes.
§ 35. Was nennt man spezifische Wärme? Zur Erwärmung um
einen Grad bedürfen die verschiedenen Stoffe verschiedener Wärme-
mengen. Man nennt dies die Wärmekapazität oder spezi-
fische Wärme der Körper und nimmt die des Wassers zur
Einheit, welche = 1 gesetzt wird. Hiernach wurde gefunden :
die spezifische Wärme des Quecksilbers = 0,03, des Eises = 0,50,
des Wasserdampfes = 0,47, der Luft = 0,24 u. s. f. Es will dies
also besagen : Wenn man gleiche Gewichtsmengen Wasser und
Quecksilber um 1° höher erwärmt, so bedarf man dazu beim
Quecksilber nur 3/100 = 0,03 so viel Wärme als beim Wasser;
oder was dasselbe ist, man kann mit derselben Wärmemenge
100 g Quecksilber ebenso hoch erhitzen als 3 g Wasser. Das
Wasser besitzt die grösste Wärmekapazität.
Die Bestimmung der spezifischen Wärme geschieht mit Hülfe
des Kalorimeters, entweder in der Weise, dass man eine be-
stimmte Menge des zu prüfenden Körpers , von bestimmter Tem-
peratur, mit einer gewissen Menge Wasser mischt und dessen
Wärmez unahine beobachtet; oder dass man die Menge Wasser
bestimmt, welche eine gewisse Quantität Eis liefert, nachdem es
mit dem erwärmten Körper zusammengebracht worden.
Je grösser die spezifische Wärme eines Körpers, um so lang-
samer erkaltet er und giebt ein um so grösseres Quantum Wärme
beim Verkühlen ab. Daher erhitzt sich bei der Destillation von
Wasser das Kühlfass viel stärker als bei derjenigen von Wein-
geist oder Äther.
— 40 —
§ 36. Wie pflanzt sich die Wärme fort? Die Fortpflanzung der
Wärme geschieht auf zweifache Weise:
1. Durch Leitung von einem wärmeren Körper zu kälte-
ren, die er berührt. Es tritt ein Austausch zwischen beiden ein,
bis in ihnen ein gleicher Wärmegrad herrscht.
Die Leitung ist verschieden nach den einzelnen Stoffen. Es
giebt gute und schlechte Wärmeleiter; zu den ersten ge-
hören vornehmlich die Metalle, zu den letzteren Glas, Holz, Seide,
Stroh, Papier, Federn, Wasser, Luft u. a. m. Bringen wir einen
guten Wärmeleiter, z. B. einen eisernen Draht, an einem Ende in
eine Flamme, so vermögen wir ihn nicht lange in der Hand zu
halten, da er sich auch auf grössere Entfernung hin erhitzt; um-
wickeln wir ihn aber mit Papier, Stroh u. dgl. , oder geben wir
ihm einen hölzernen Griff, so empfinden wir keine Erwärmung.
Eine andere Nutzanwendung der schlechten Wärmeleiter besteht
in dem Schutze der Eiskeller durch Stroh, sowie in der Beklei-
dung unseres Körpers, wozu wir Wolle, Baumwolle, Seide ge-
brauchen und dadurch den Haar- und Wollpelz der Tiere ersetzen.
Das spröde Glas macht durch seine schlechte Wärmeleitung in
der Erhitzung besondere Vorsicht nötig. Giessen wir siedendes
Wasser in eine leere, kalte Glasflasche, so zerspringt sie, wärmen
wir sie aber zuvor durch lauwarmes Wasser an, so beugen wir
der Gefahr des Zerspringens vor; auch darf man die Flasche, in
welche man heisse Flüssigkeiten giessen will, nicht auf eine Un-
terlage von Stein u. dgl. , sondern auf einen schlechten Wärme-
leiter (Holz) stellen. Beim Erhitzen gläserner Gefässe über direkter
Flamme ist aus demselben Grunde grosse Vorsicht geboten. Je
dünner die Glaswandung, um so geringer die Gefahr; Ungleich-
heiten in der Dicke sind gewöhnlich Ursachen des Zerspringens
beim Erwärmen. Um die Erhitzung durch direktes Feuer gleich-
massiger zu verteilen , stellt man das Glasgefäss auf ein Draht-
netz oder in heissen Sand (Sandbad). Glas- und Porzellangefässe
zerspringen aber nicht allein, wenn ohne Vorwärmung heisse
Flüssigkeiten eingegossen werden, sondern auch, wenn sie erhitzt
plötzlich mit einer kalten Flüssigkeit gefüllt werden. — Poröse
Körper, wie Asche, sind vermöge der vielen Luft, die sie ein-
schliessen, sehr schlechte Wärmeleiter. Der schlechteste Wärme-
leiter ist eine ruhige Luftschicht (Nutzanwendung bei den Doppel-
fenstern).
2. Durch Strahlung. Dieser Weg ist ein unmittelbarer
Übergang der Wärme auf entfernte Körper; ein in den Weg
gestelltes Hindernis hält die Wärmestrahlen ab. Nähern wir uns
einem geheizten Ofen, so fühlen wir dessen Strahlung nicht mehr,
wenn wir einen Schirm dazwischen schieben.
Die Wärmestrahlen pflanzen sich geradlinig fort. Glatte
— 41 —
Flächen absorbieren sie zum kleineren Teil und reflektieren sie
zumeist; rauhe, unebene Flächen verschlucken aber mehr "Wärme,
als sie reflektieren. In gleichem Masse strahlen nun auch warme
Flächen die Wärme um so weniger leicht aus, je glätter sie sind.
(Geschliffene Öfen heizen nicht so gut wie rauhe.) Russ und be-
russte Flächen nehmen die "Wärmestrahlen am leichtesten an
und geben sie auch am leichtesten wieder ab.
Versuche.
1. Ausdehnung durch die Wärme, a) Eine kleine Retorte
spanne man, mit dem Halse abwärts gerichtet und einige Linien tief in
ein Schälchen mit Wasser mündend, in einen Retortenhalter und erwärme
den bauchigen Teil durch eine Weingeistflamme; die Luft dehnt sich so
stark aus, dass ein Teil derselben in Blasen entweicht. Nach der Ent-
fernung der Flamme zieht sie sich wieder zusammen, das Wasser wird
durch den äusseren Luftdruck in den Retortenhals getrieben und nimmt
den Raum der entwichenen Luft ein.
b) Von zwei Probiercylindern, welche in ccm eingeteilt sind, fülle man
genau 10 ccm Wasser in den einen, Weingeist in den anderen, und bringe
beide in erwärmtes Wasser. Beträgt dessen Temperatur 20° mehr als die
ursprüngliche der Flüssigkeiten, ist jene z. B. 40°, diese 20°, so steigt das
Volumen des Wassers um 0,1 ccm, das des Weingeistes, um 0,2 ccm. Benzin
dehnt sich dabei um 0,3 ccm aus.
2. Dichte des Wassers. Ein grösseres Glas fülle man halb mit
Wasser, die obere Hälfte mit kleinzerschlagenem Eis, und halte zwei Ther-
mometer hinein, den einen bis zum Boden, den andern nur bis zur Mitte
des Eises; nach kurzer Zeit zeigt jenes -j- 4°, dieses 0°.
3. Sieden unter vermindertem Druck. Ein Kölbchen fülle
man zum Drittel mit Wasser, lasse sieden und verschliesse es während
des Siedens fest mit einem Kork. Kehrt man dann das Kölbchen um und
giebt kaltes Wasser oder einen nassen Schwamm auf die Bodenfläche, so
beginnt das Sieden wieder (infolge der durch die teilweise Kondensation
des Wasserdampfes eingetretenen Druckverminderung.)
4. Verdunstungskälte. In ein Becherglas gebe man Äther, stelle
ein Thermometer hinein und blase durch eine rechtwinklig gebogene Glas-
röhre kräftig und anhaltend in die Flüssigkeit hinein. Man sieht das
Thermometer sehr schnell sinken, sogar bis unter 0°; zugleich beschlägt
sich das Glas aussen stark mit Feuchtigkeit.
5. Schlechte Wärmeleitung des Wassers. Einen ziemlich langen
Reagiercylinder fülle man bis gegen den oberen Rand mit Wasser an,
lasse ein Stückchen Eis, welches durch Umwickeln mit Draht schwer ge-
macht ist, auf den Boden gleiten und erwärme nun durch eine kleine
Flamme den oberen Teil des Wassers; dieser wird ins Sieden geraten,
während das Eis noch ungeschmolzen bleibt.
6. Gute Wärmeleitung der Metalle. In eine Flamme halte
man der Quere nach ein freies eisernes Drahtnetz; jene wird wie abge-
schnitten erscheinen, indem sie sich durch das Netz nicht fortzusetzen
vermag, zufolge der starken Wärmeableitung desselben.
Fragen.
1. Worauf gründet sich die Methode, einen festsitzenden Glasstöpsel
durch Erwärmen oder Reiben des Flaschenhalses zu lockern? — Antw.
— 42 —
Auf der dabei stattfindenden Ausdehnung des Flaschenhalses, während der
Stöpsel noch kalt bleibt.
2. Warum gelangt ein auf eine glühende Metallplatte gespritzter
Wassertropfen nicht sofort zur Verdampfung, sondern fährt lebhaft zischend
umher? (Leydenfr ostscher Tropfen.) — Antw. Weil er sich sofort
durch eine Dampfschicht von der Platte trennt und dadurch deren Wärme
nur langsam annimmt.
3. Woher stammt der Tau und Reif? — Antw. Aus dem in der
Luft enthaltenen Wasserdampf, der sich bei allmählicher Abkühlung der
Luft an die festen Körper der Erdoberfläche in Tropfen oder Eisnadeln
ansetzt. Bei bewölktem Himmel ist die Abkühlung der Luft geringer, es
findet daher keine Taubildung statt.
4. Warum fassen sich metallische Gegenstände stets kalt an? —
Antw. Weil sie die Wärme der Hand schnell wegleiten.
5. Wenn man 1 kg Wasser von 30° mit 3 kg Wasser von 10° mischt,
welche Temperatur besitzt die Mischung? — Antw. 15°.
11. Das Thermometer.
§ 37. Worauf gründet sich das Thermometer? Die Eigenschaft
der Körper, beim Erwärmen sich auszudehnen , benutzt man zur
Messung der Wärme, und bedient sich zu diesem Zwecke des
Thermometers*). An der Ausdehnung einer in einer
Glasröhre eingeschlossenen Flüssigkeit misst man
denG-rad der Erwärmung. Dabei ist vorzüglich dafür Sorge
zu tragen, dass die zu wählende Flüssigkeit eine gleichmässige
Ausdehnung zeige. Dies thun nun nicht alle Körper, zumal
nicht Flüssigkeiten in der Nähe ihres Siedepunktes. Die gleich-
massigste Ausdehnung besitzt die Luft, daher ist das Luft-
thermometer der genaueste Wärmemesser, aber weniger prak-
tisch. Es besteht aus einem lufterfüllten Kolben, dessen mit
einer engen Glasröhre verbundener Hals in ein mit gefärbter
Flüssigkeit gefälltes Gefäss eintaucht und mit einer Skala ver-
sehen ist.
Das gewöhnlich gebrauchte Thermometer stellt eine feine
gläserne Köhre dar, beiderseits geschlossen und unten in eine
Kugel ausgeblasen, zum Teil mit Quecksilber oder rotgefärbtem
Weingeist gefüllt und darüber luftleer**). Sie muss kalibriert d. h.
überall von gleicher Weite sein. Das Quecksilberthermo-
meter eignet sich sehr gut zur Messung der Wärme zwischen
dem Gefrierpunkt und Siedepunkt des Wassers, da in diesen
Temperaturen die Ausdehnung des Quecksilbers sehr gleichmässig
verläuft. Für den Weingeist stimmt dies nur in den niedrigen
*) Wärmemesser, von d-sp[j.6c, (warm) und pirpov (Mass).
**) Man bewirkt dies, indem man die Röhre nach dem Füllen soweit
erhitzt, dass der Inhalt überläuft, worauf man sie dann schnell zuschmilzt.
— 43 —
Temperaturen, daher das Weingeistthermometer vorzugs-
weise zum Messen der Kältegrade dient.
§ 38. Wie ist das Thermometer eingeteilt? Die älteste Eintei-
lung des Thermometers rührt vom Erfinder desselben, Fahren-
heit in Danzig (1715), her, welcher sein Instrument in eine
Mischung von (3 T.) Kochsalz und (1 T.) Schnee stellte und diesen
Stand zum Nullpunkt der Einteilung machte , während er den
Siedepunkt des Wassers mit 212 bezeichnete. Das Fahren-
heitsche Thermometer ist jetzt noch in England ausschliesslich
im Gebrauch.
In Deutschland und Frankreich bedient man sich noch sehr
häufig des Reaumurschen Thermometers. Der Franzose Reau -
mur (gestorben 1757) nahm den Punkt, welchen das in schmelzen-
des Eis gestellte Instrument zeigt, also den G-efri erpunkt des
Wassers, zum Nullpunkt und bezeichnete den Siedepunkt des
Wassers mit 80°, weil er die Ausdehnung des Weingeistes, dessen
er sich bediente , von 1000 Teilen auf 1080 Teile bestimmte.
Gleiche Grade brachte er unter 0° an, nannte sie „Kältegrade"
und unterschied sie durch Yorsetzung des Zeichens ( — ) von den
„Wärmegraden" über 0°, mit dem Zeichen (+).
In der Wissenschaft bedient man sich jetzt der Einteilung
nach dem Schweden Celsius, welcher gleichfalls den Gefrier-
punkt des Wassers zum Nullpunkt machte, den Abstand zwischen
dem Gefrier- und Siedepunkt aber in 100 Grade einteilte. Diese
Centesimaleinteilung wurde in allen wissenschaftlichen Werken
angenommen, und gilt auch für die Angaben der Pharmacopoea.
Will man bezeichnen, welche Gradeinteilung man gebraucht,
so setzt man hinter die Zahl das Zeichen F für Fahre nheitsche,
R für Reau mur sehe, C für Celsius sehe Grade. Die Umrech-
nung derselben ist nicht schwierig, wenn man bedenkt, dass 4
Reau mur sehe Grade = 5 Celsius sehen sind, da 80° R
= 100° C. Daraus gehen die Regeln hervor:
1. Man verivandelt Beaumursche Grade in Celsiiissche, tvenn
man sie mit 5 multipliziert und durch 4 dividiert.
2. Man verivandelt Celsiussche Grade in Beaumursche , wenn
man sie mit 4 multipliziert und durch 5 dividiert.
Die Umrechnung der Fahrenheitschen Grade erfordert weitere
Rerücksichtigungen , da der Nullpunkt des Fahrenheit-
schen Thermometers nicht mit dem Nullpunkte des
Reaumurschen und Celsiusschen zusammenfällt. Der
Nullpunkt Fahrenheits liegt bei — 14° R oder — 17,5° C;
der Nullpunkt von Reaumur und Celsius bei 32° F. Ton
da ab giebt es bis zum Siedepunkt des Wassers (212° F) 180
Grade nach Fahrenheit. Es sind also 9 Fahrenheitsche
— 44 —
Grade gleich 5 Celsius sehen und 4 ßeaumur sehen.
Will man daher Fahr en hei tsche Grade umrechnen, so gilt fol-
gende Regel:
3. Man verwandelt Fahrenheitsche Grade in Celsiussche resp.
JReaiimursche, indem man von jenen 32 subtrahiert und den Best mit
5/9 resp. 4/9 multipliziert. - — Man verwandelt Celsiussche resp. Re-
aumursche Grade in Fahrenheitsche, indem man sie mit 9/5 resp.
% multipliziert und schliesslich 32 dazu addiert.
Vergleichende Tabelle.
Reaumur Celsius Fahrenheit
— 32 o — 40 ° —
- 14° — 17,5° 0°
0 ° 0 ° 32 °
+ 8° +10° 50°
-f 16° +20° 68°
+ 24° +30° 86°
+ 32° +40° 104°
4-40° +50° 122°
+ 80 ° -f- 100 ° 212 °
§ 39. Wie bestimmt man hohe Hitzegrade? Wahrend man sehr
niedrige Temperaturen durch das Weingeistthermometer richtig be-
stimmen kann, da der Weingeist noch nicht zum Gefrieren ge-
bracht wurde (das Quecksilber gefriert bei — 40 ° C = 32 ° R),
ist es dagegen äusserst schwierig, sehr hohe Hitzegrade annähernd
genau zu bestimmen. Weil das Quecksilber bei + 360° C siedet,
kann man das Quecksilberthermometer nur bis 300° mit Sicher-
heit gebrauchen. Für höhere Temperaturen ist man auf das Luft-
thermometer angewiesen. Auch bedient man sich der Platinstangen,
deren lineare Ausdehnung die Hitze abschätzt, da das Platin
erst in sehr hoher Temperatur schmilzt. Wedgwood hatte ein
sog. Pyrometer konstruiert, indem er Thonstückchen zwischen
zwei nach unten sich nähernden Linealen hinabgleiten liess. Der
Thon sintert nämlich in der Hitze zusammen und gleitet um so
tiefer herab, je höher die Temperatur steigt. (1 ° W ist anfangendes
Glühen, etwa 500° C; 5° W ist Rotglühhitze, 9° W Weissglüh-
hitze.) Dieses Instrument giebt aber nur unsichere Resultate.
Nach der Farbe des glühenden Eisens unterscheidet man:
1. dunkle Rotglühhitze (Kirschrotglühhitze), etwa bei 500°;
2. helle Rotglühhitze und 3) Weissglühhitze, etwa bei
1000° C.
Versuche.
Luftthermometer. Durch den Korkstopfen einer zur Hälfte mit
Glycerin gefüllten Flasche werde eine beiderseits offene Glasröhre luftdicht
bis nahe zum Boden geführt. Der Stopfen werde dann mit Siegellack
überzogen, sodass die Flasche luftdicht verschlossen ist. Bei steigender
Temperatur dehnt sich die in ihr eingeschlossene Luft aus und drückt das
Grlycerin in die Glasröhre empor. Die Erwärmung durch die Hand reicht
— 45 —
schon hin, dasselbe weit emporzutreiben. (Man färbe das Glycerin durch,
etwas Kupferlösung blau, um seinen Stand besser beobachten zu können.)
Aufgaben.
1. Wie lange zeigt das Thermometer 0°, wenn man es in schmelzen-
des Eis resp. Schnee bringt? — Antw. So lange, bis alles Eis ge-
schmolzen ist.
2. Wieviel Celsius sehe Grade besitzen die heissen Quellen v»n
Gastein und Ems, wenn erstere 38° R, letztere 45 ° R zeigen? — Antw.
Erstere 47,5 ° C, letztere 56,25 ° C.
3. Wieviel Reaumursche Grade besitzen die heissen Quellen von
Wiesbaden und Wildbad, wenn erstere 70 ° C, letztere 37 ° C zeigen? —
Antw. Erstere 56° R, letztere 29,6° R.
4. Wieviel Reaumursche Grade sind 59° F? - Antw. (59—32)
% = + 12 o R.
5. Wieviel Celsiussche Grade sind 12° F? — Antw. (12—32)
s/9 = — 10 ° C.
12. Destillation und Sublimation.
§ 40. Destillation und Sublimation. Lassen wir die Yerflüch-
tigung eines Körpers in geschlossenen Gefässen vor sich gehen,
welche die Dämpfe desselben ableiten nnd durch Abkühlung
wieder verdichten, so nehmen wir eine Destillation vor, so-
fern die Dämpfe sich zu einer Flüssigkeit verdichten, — dagegen
eine Sublimation, wenn die Dämpfe in den festen Aggregat-
zustand übergehen.
Man vollzieht die Destillation zur Abscheidung flüchtiger
Flüssigkeiten von nichtflüchtigen; häufig wird zum Zwecke der
Reinigung die destillierte Flüssigkeit nochmals der Destillation
unterworfen. Man nennt alsdann diese zweite Destillation eine
Rektifikation und spricht von einer rektifizierten Flüssigkeit.
Bei jeder Destillation kommen folgende Gerätschaften in An-
wendung :
1. Ein Gefäss, worin die Flüssigkeit zum Sieden erhitzt wird.
Bei metallenen Geräten bedient man sich der sog. Destillier-
blase (vesica), deren Mündung mit dem sog. Hut oder Helm
(alembicus) verschlossen wird; jene besteht aus Kupfer, wenn die
Destillation über freiem Feuer stattfindet; sonst ist Zinn das für
Blase und Helm angewandte Metall. Bei gläsernen Geräten ver-
wendet man Retorten (retortae), gläserne Ballons mit seitlich
zurückgebogenem Rohr ; ist der Ballon mit einer verschliessbaren
Öffnung (tubulus) versehen , so nennt man die Retorte eine
tubulierte. (Fig. 18r).
2. Eine Röhre, in welcher sich der Dampf durch Abkühlung
verdichtet — das sog. Kühlrohr. Dasselbe verläuft durch einen
mit kaltem Wasser gefüllten Behälter, das Kühlfass. Retorten
verbindet man mit dem nach Lieb ig benannten Kühler (Fig. 18b),
- 46 -
Fig. 18.
der unten mit einer Zuflussröhre (d) für kaltes Wasser, oben mit
einer Abflussröhre (c) für das erhitzte "Wasser versehen ist und
dadurch einen anhaltenden Strom kalten Wassers erlaubt. Leicht
verdichtbare Dämpfe gestatten den Wegfall des Kühlgefässes, in-
dem man die Retorte
direkt mit einem Kol-
ben (Cucurbita) ver-
bindet, jedoch so, dass
zwischen der Retorten-
röhre und dem Kolben-
halse ein luftdichter
Verschluss stattfindet.
Fig. 19. (Fig. 19.)
3. Ein Gefäss zur Aufnahme der verdichteten Flüssigkeit,
die sog. Vorlage (ex&'pulum) (Fig. 18f). Wird im Laufe der
Destillation die Vorlage gewechselt, um eine Trennung des
Destillates zu bewerkstelligen, so heisst die Destillation eine
faktionierte.
Die Erhitzung des Destillationsgefässes kann geschehen:
a) Über freiem Feuer, unbedenklich bei kupfernen Destil-
— 47 —
lierblasen, gefährlich bei Retorten. Man vermindert die Gefahr des
Zerspringens indem man die Retorte auf ein Drahtnetz setzt, welches
die Wärme gleichmässig verteilt. Übrigens dürfen die Re-
torten nur dann über freiem Feuer erhitzt werden,
wenn ihr Inhalt keine festen Substanzen besitzt.
b) Aus dem Sandbade, d. i. aus einer Schicht erhitzten
Sandes, in welche man die Retorte teilweise einsenkt. Stets die
sicherste, wennschon zeitraubendere Methode. (Fig. 18 d.)
c) Aus dem Wasser- oder Dampfbade, d. i. aus oder
über siedendem Wasser, worin resp. worüber die Retorte, Destil-
lierblase oder der Kolben gehängt ist. Hierbei kann die Erhitzung
den Siedepunkt des Wassers nicht übersteigen , daher nur die-
jenigen Flüssigkeiten, welche leichter flüchtig sind als Wasser,
aus dem Wasserbade sich destillieren lassen, z. B. Weingeist, Äther.
Der in pharmazeutischen Laboratorien gebräuchliche Bein-
dorfsche Dampfapparat besteht aus einem grösseren Wasser-
kessel von Kupferblech, unter welchem die Feuerstätte sich befin-
det, die das Wasser in ihm zum Sieden bringt. In diesem Wasser-
kessel hängt eine zinnerne Destillierblase, die mit jenem durch ein
Dampfleitungsrohr in Yerbindung gesetzt werden kann. Dieses
Dampfrohr endigt dicht über dem Boden der Blase, unter einem
perforierten Zwischenboden , auf welchen bei der Bereitung der
destillierten Wässer die Substanzen gebracht werden. Die im
kupfernen Kessel entwickelten Wasserdämpfe gelangen durch das
Rohr auf den Boden der Blase und sind gezwungen, die auf dem
Zwischenboden lagernden Substanzen zu durchdringen und deren
flüchtige Teile aufzunehmen. Der Blase ist ein zinnerner Helm
aufgesetzt, der in das Kühlrohr leitet. Wendet man das Dampf-
leitungsrohr und den Zwischenboden nicht an , so kann man die
Blase zur Destillation von Flüssigkeiten aus dem Wasserbade be-
nutzen; alsdann öffnet man eine besondere Ableitungsröhre, für
die Dämpfe des äusseren Wasserkessels , zur gleichzeitigen Ge-
winnung destillierten Wassers.
Zur Sublimation benutzt man, wie beim Jod, eine Re-
torte nebst Yorlage, an deren Wände das Sublimat sich ansetzt;
oder, wie beim Kampfer und Salmiak, einen Kessel mit gewölbtem
Deckel, an dessen Unterseite ein kompakter Kuchen ansublimiert.
Beim Schwefel werden die in einem Kessel entwickelten Dämpfe
seitwärts in eine grosse , kalte Kammer geleitet , an deren Wan-
dungen sie sich als feiner Staub (Schwefelblumen) absetzen.
Versuche.
1. In eine kleine Glasretorte bringe man eine Mischung von 20 g
Spiritus aethereus und 30 g Wasser und verbinde sie lose mit einem kleinen
Kolben nacb Art der Fig. 19. Während man den Kolben mit einem nassen
Tuche bedeckt, senke man die Retorte in lauwarmes Wasser; es wird
- 48 —
eine kleine Quantität Äther überdestillieren und sich im Kolben verdichten.
Wenn keine Tropfen mehr übergehen, entleere man den im Kolben ange-
sammelten Äther und erneuere die Destillation, jedoch mit dem Unter-
schiede, dass man nun die Retorte in oder über siedendes Wasser hänge.
Es werden nun neue Quantitäten übergehen, die sich als Weingeist er-
weisen. Nach einiger Zeit hört die Destillation wieder auf und in der
Retorte finden wir reines Wasser als Rückstand vor.
2. In einem trocknen Kölbchen erhitze man eine Messerspitze
Schwefelblumen gelinde. Der Schwefel gerät zuerst in Fluss, dann ver-
dampft er und beschlägt die obere Kolbenwandung mit einem gelben,
feinen Sublimate. Wiederholt man den Versuch mit Jod, so bemerkt man,
wie der violette Joddampf im kälteren Teile des Kölbchens sich in dunklen
Kryställchen ansublimiert.
Fragen.
1. Was bezwecken Destillation und Sublimation? — Antw. Die Rein-
darstellung eines flüchtigen Körpers. Somit lassen sich Destillation und
Sublimation mit der Krystallisation vergleichen, jene bewirken bei den
flüchtigen Stoffen dasselbe, was die letztere bei den krystallisierbaren.
2. Wie trennt man zwei Flüssigkeiten von verschiedener Flüchtig-
tigkeit? — Antw. Man erhitzt die Retorte resp. Destillierbla.se vorsichtig
in der Weise, dass die leichter flüchtige Flüssigkeit vollständig abdestilliert,
bevor die schwerer flüchtige zum Sieden gelangt. Aus dem Wasserbad
kann man z. B. vom Weine den Weingeist vollständig abdestillieren,
während die wässerigen Teile in der Blase zurückbleiben.
3. Ist aber diese Scheidung eine vollständige und wie kann sie zu
einer vollständigen gemacht werden? — Antw. Da beim Übergehen der
leichter flüchtigen Flüssigkeit stets ein Teil der schwerer flüchtigen zu-
gleich verdampft, so enthält das Destillat stets mehr oder weniger von
der schwerer flüchtigen Flüssigkeit. Nur durch eine (oft mehrfach) wieder-
holte Destillation (Rektifikation) kann letztere abgetrennt werden.
D. Erscheinungen der Schwingung.
13. Vom Schall.
§ 41. Wodurch entsteht der Schall? Die Ursache des Schalles
liegt in der Schwingung der Körper; um aber einen Schall
hervorzurufen, muss die schwingende Bewegung einen gewissen
Grad von Geschwindigkeit besitzen. Zur Erzeugung eines Tones
ist erforderlich , dass der tönende Körper in der Sekunde minde-
stens 15 Schwingungen macht.
Die Schwingungen eines Körpers verbreiten sich nach Art
von Wellen; die Schallschwingungen nennt man Schallwellen.
Sie pflanzen sich teils wie die Wellen des bewegten Wassers
fort (transversale Schwingungen) , wobei wir Wellenberge und
Wellenthäler unterscheiden , teils schwingen die Teilchen in der
Schallrichtung selber hin und her (longitudinale Schwingungen).
Ersterer Art sind die Schallwellen bei den festen und flüssigen
Körpern, letzterer Art die der Luft. Bei dieser finden wir daher
- 49 —
keine Wellenberge und Wellenthäler, sondern abwechselnde Ver-
dichtungen und Verdünnungen (der Luft).
Die Wellenbewegung ist an sich keine fortschreitende,
sondern scheint nur fortzuschreiten ; die einzelnen Körperteilchen
schwingen hin und her , vollziehen dabei einen Kreis oder eine
Ellipse, bei den transversalen Schwingungen senkrecht zur Schall-
richtung, bei den longitudinalen dagegen in dieser Richtung
selbst. Jedes schwingende Teilchen versetzt das nächstfolgende
durch Anstoss ebenfalls in Schwingung, letzteres befindet sich
aber wegen des späteren Beginnes nicht in demselben Schwingungs-
stadium wie das vorhergehende, sondern sein Schwingungsstadium
folgt ihm etwas nach. Das geht so fort von Teilchen zu Teilchen,
sodass in gewissen Abständen die schwingenden Teilchen im
entgegengesetzten Stadium stehen, d, i. die einen am höchsten
über der Schalllinie, die anderen am tiefsten unter derselben.
Jene bilden dann den Wellenberg, diese das Wellenthal. Indem
nun jedes Teilchen bald über, bald unter die Schalllinie gelangt,
folgen sich die Wellenberge und Wellenthäler, wodurch das schein-
bare Fortschreiten der Wellenbewegung entsteht; sie schreitet
also an sich nicht fort, wovon man sich auch leicht dadurch
überzeugt, dass ein Stock, der in Wellen schlagendem Wasser
schwimmt, kaum von der Stelle kommt, aber teilweise gehoben
und gesenkt wird. — Bei den longitudinalen Schwingungen
schallender Luft bewegen sich die Luftteilchen in der Schalllinie
abwechselnd hin und her und erzeugen, wenn dieselbe aufeinander
zukommen, Luftverdichtungen ; wenn sie sich aber von einander
entfernen, Luftverdünnungen. Jene entsprechen den Wellenbergen,
diese den Wellenthälern.
§ 42. Wovon hängt die Höhe des Tones ab? Die Dauer der ein-
zelnen Schwingungen bedingt die Tonhöhe.
1. Je schneller die Teilchen schivingen, um so höher tönen sie.
Wir können uns davon leicht überzeugen , wenn wir über
eine gespannte Yiolinseite streichen. Je gespannter die Seite, je
dünner und leichter sie ist, um so höher klingt der Ton, weil ihre
Teilchen dann vermöge grösserer Elasticität schneller die Schwing-
ungen vollziehen. Desgleichen giebt eine Trompete einen um so
höhern Ton, je kräftiger in sie hineingeblasen wird.
2. Jeder Ton besitzt die doppelte Schwingungszahl seiner tieferen
Oktave.
Das Verhältnis der Schwingungszahlen in den Tönen der
Tonleiter ist folgendes : Nehmen wir an , der Ton C mache 40
Schwingungen in einem gewissen Zeitabschnitt, so machen die
Töne; E 50, G 60 und C 80 Schwingungen in der nämlichen Zeit.
Die Terz macht mithin den vierten Teil , die Quinte die Hälfte
Schlickum, Apothekerlehrling. 4
— 50 -
der Schwingungen mehr als der Grundton, und die Octave die
doppelte Zahl.
§ 43. Wie wirken die verschiedenen Instrumente? Wir unter-
scheiden :
1. Saiteninstrumente, z. B. Violine, Guitarre, Laute,
Zither, Harfe, Pianoforte. Bei ihnen wird der Ton hervorgerufen
durch die transversalen Schwingungen der Saiten und fortgeleitet
durch die longitudinalen Schwingungen der Luft.
2) Scheibeninstrumente, z. B. Glocke, Schelle, Trommel.
Der Ton entsteht durch die transversalen Schwingungen von Flächen
und wird fortgeleitet durch die longitudinalen Luftschwingungen.
3. Blasinstrumente, z. B. Flöte, Trompete, Klarinette,
Orgel. Der Ton entsteht durch die longitudinalen Schwingungen
der Luft, die man teils als schmalen Strom einbläst, wie bei der
Flöte und Trompete, teils durch ein elastisches Metallplättchen,
wie bei der Clarinette, ins Schwingen versetzt, der eingeblasene
Luftstrom wird infolge der Schwingungen des Plättchens ab-
wechselnd unterbrochen. Bei der Orgel wirken die Lippenpfeifen
nach ersterer, die Zungenpfeifen nach letzterer Art.
Die menschliche Stimme lässt sich auf die Zungenpfeifen
zurückführen und entsteht durch die Schwingungen der ausge-
atmeten Luft, welche zwischen den in der Stimmritze straff an-
gezogenen, elastischen Stimmbändern durchgeht. Die Artikulation
der Sprache geschieht dann durch den Gaumen, die Zunge, Zähne
und Lippen.
Zur Verstärkung des Tones sind die meisten Instrumente mit
einem Resonanzboden versehen, dessen Mittönen die den
Schall fortleitenden Luftschwingungen verstärkt. Bei den Saiten-
instrumenten dient der elastische Holzkasten als Besonanzboden,
bei der Trommel das Gestell, bei den Blasinstrumenten die Holz-
resp. Metallröhre, bei den Kirchenglocken der Glockenturm.
§ 44. Wie wird der Schall fortgepflanzt? Der durch Schwing-
ungen von Saiten, Flächen oder Luftschichten erzeugte Ton pflanzt
sich in geradliniger Richtung durch die Luft fort. Ein luftleerer
Raum leitet daher den Schall nicht. Die Schallwellen verbreiten
sich vom tönenden Körper nach allen Seiten hin, aber mit stetig
abnehmender Kraft, infolge der Zerstreuung.*)
Je dichter die Körper sind, um so besser leiten sie den Schall
fort ; am stärksten also thun dies die festen Körper, im geringeren
Masse die Flüssigkeiten , am schlechtesten die Luft. Man kann
sich hiervon durch einen einfachen Versuch überzeugen , indem
*) Die Intensität nimmt im quadratischen Verhältnis der Entfernung
ab; ein Ton Wird in doppelter Entfernung nur in Viertelstärke vernommen,
APR 30 1917
— 51 -
man einen eisernen Stab an dem einen Ende mit zwei Fäden
versieht, die man mit dem Finger ins Ohr führt; wenn man den
Stab durch Anstossen an eine Metallfläche ins Tönen versetzt,
vernimmt man einen Ton wie von einer Glocke.
Der Schall legt in der Luft 338 Meter (1080 Fuss) in der
Sekunde zurück.
Da das Licht die irdischen Entfernungen in kaum messbarer
Geschwindigkeit zurücklegt, so lässt sich die Entfernung einer
abgefeuerten Kanone, eines Blitzes u. dgl. leicht an der Zeit-
differenz berechnen zwischen dem Aufleuchten und dem Ver-
nehmen des Donners.
Durch das Mittönen von Flächen, gegen welche die Schall-
wellen anschlagen, entsteht der Nachhall und der Wied er-
hall. Ist nämlich die getroffene Fläche weniger als 19 m
(60 Fuss) vom tönenden Körper und unserem Ohre entfernt, so
vermischt sich der von ihr reflektierte Schall mit dem direkt vom
tönenden Körper in unser Ohr gelangenden — es geht daraus
eine Verstärkung des Tones, der sog. Nachhall, hervor. Be-
findet sich die reflektierende Fläche aber weiter als 19 m vom
tönenden Körper und unserem Ohre entfernt , so vernehmen wir
den reflektierten Ton gesondert und nennen ihn Wiederhall,
Echo. Liegen mehrere Flächen an verschiedenen, je 19 m
von einander entfernten Orten, so wiederholt sich das Echo. Je
nach der Silbenzahl, welche das Echo wiedergiebt, unterscheiden
wir ein einsilbiges und mehrsilbiges Echo; grössere
Entfernungen verursachen ein mehrsilbiges Echo.
Zur Direktion des Schalles nach einer bestimmten Richtung,
um ihn daselbst stärker wirken zu lassen, bedient man sich des
Sprachrohrs, einer geraden, kegelig sich erweiternden Röhre.
§ 45. Wie hört man den Schall? Das Hören der Schallwellen
ist ein Akt der Gehörnerven und geschieht im Ohre. Die wesent-
lichen Teile des menschlichen Ohres sind:
1. Das äussere Ohr, bestehend aus der Ohrmuschel und
dem Hörgange, welcher kurz und gewunden ist.
2. Das innere Ohr, vom äusseren durch eine elastische, ge-
spannte Haut, das Trommelfell, geschieden. In seiner Höhlung
(Trommelhöhle) liegen drei mit einander und dem Trommelfell
verbundene Knöchelchen, genannt Hammer, Ambos und
Steigbügel. Die Innenseite der Höhlung nimmt das sogenannte
Labyrinth ein, dessen Teile Vorhof und Schnecke heissen.
Der Vorhof besteht aus drei Bogengängen und einer fensterähn-
lichen Öffnung, dem ovalen Fenster, an welches sich der
Steigbügel anlehnt. Die Schnecke ist ein gewundener Kanal,
dessen Innenfläche der Hörnerv überkleidet. Das Labyrinth
4*
— -52 —
findet sich mit einer Flüssigkeit erfüllt, welche die Schallwellen,
die durch Trommelfell und Gehörknöchelchen zu ihr fortgeleitet
werden, auf den Gehörnerven überträgt.
Schwerhörige Menschen bedienen sich des Höhrrohrs,
einer ohrmuschelförmigen Köhre, zur besseren Auffangung der
Schallwellen.
Aufgaben.
1. Wenn G anderthalbmal so viele Schwingungen in der Sekunde macht
als C, welcher Ton macht dreimal so viele Schwingungen als C? — Antw. Gf'.
2. Wenn der tiefste musikalische Ton (des Contrabasses) 41, der höchste
(der Piccoloflöte) 4752 Schwingungen in der Sekunde macht, wie viele
Oktaven liegen dazwischen? — Antw. 41 X 2 X = 4752; x = log 116 __
nahezu 7. log 2
3. Wieweit ist ein Gewitter von uns entfernt, dessen Blitz 16 Sekunden
vor dem Donner gesehen wird? — Antw. 16 X 338 = 5,4 km (1 Wegstunde.)
4. Nach wieviel Sekunden wird der Knall einer 2 km von uns entfernten
Kanone nach dem Aufblitzen gehört? — Antw. Nach nahezu 6 Sekunden.
5. Wieviel Zeit gebraucht das Echo einer 19 m entfernten
Wand, um nach dem ursprünglichen Tone gehört zu werden? — Antw.
-^~ = Va Sekunde.
14. Das Licht.
§ 46. Was ist das Licht? Früher hielt man, nach Isaac
Newton (1701), das Licht für eine äusserst feine, unwägbare
(imponderabile) Materie (Emanationstheorie); später wurde es von
Euler als Schwingungserscheinung, analog dem Schalle erkannt
(Vibrationstheorie). Die Schwingungen des Lichtes sind aber
nicht, wie die des Schalles, Schwingungen der wägbaren Moleküle
der Materie, sondern solche eines, das ganze Weltall erfüllenden
und alle Körper durchdringenden, unwägbaren Stoffes, den man
den Äther genannt hat. Dieser sog. Weltäther umgiebt die
Moleküle der Körperwelt wie das Meer die Inseln ; er durchsetzt
selbst die dichtesten Stoffe und ist an sich ein integrierender
Bestandteil der Materie, deren feinste Verteilung.
Bas Licht besteht in den {transversalen) Schwingungen des die
Moleküle umgebenden Äthers.
Da der Äther auch den leeren Weltraum durchsetzt, so ver-
mag das Licht sich in demselben fortzupflanzen. Die Ge-
schwindigkeit des Lichtes ist eine ungeheure, da es in
der Sekunde einen Weg von 42000 Meilen durchläuft. Seine
.Fortpflanzung ist geradlinig, seine Stärke nimmt aber, wie die
des Schalles, mit der Entfernung ab.*)
*) Die Lichtstärke nimmt ab mit den Quadraten der Entfernungen.
Eine Fläche empfängt in der doppelten Entfernung von der Lichtquelle
nur jj4 so viel Licht.
- 53 -
§ 47. Wie verbalten sich die Körper zum Lichte? Trifft das Licht
auf einen Körper, so tritt ein Dreifaches ein : ein Teil des Lichtes
wird durchgelassen, ein zweiter Teil zurückgeworfen, das übrige
verschluckt (absorbiert).
Je nachdem das eine oder andere in hervorragenderem
Masse geschieht, bezeichnen wir die Körper als durchsichtig
oder undurchsichtig, als spiegelnd oder nicht spiegelnd.
Alle Materien strahlen mehr oder weniger Licht zurück — wodurch
sie erst sichtbar werden. "Was kein Licht reflektiert, wie die
Luft, ist unsichtbar. Je öfter ein Lichtstrahl verschiedene
Medien passieren muss, um so mehr wird er durch stattfindende
Absorption geschwächt, bis er völlig verschwindet. Daher er-
scheint der Schnee oder zerstossenes Bis undurchsichtig, weil
zwischen seinen einzelnen Partikeln Luftschichten sich befinden,
sodass das Licht bei seinem Durchgange durch den Körper wieder-
holt aus Luft in Eis und wieder aus Eis in Luft treten muss,
dabei aber immer mehr absorbiert wird.
§ 48. Wie geschieht die Reflexion des Lichtes? Je ebener die
Oberfläche eines Körpers ist, um so mehr Licht wird von ihr
reflektiert; polierte Flächen, die ruhige Oberfläche des Wassers,
besonders aber des Quecksilbers, stellen daher gute Spiegel vor.
Das Zurückwerfen des Lichtes geschieht nach folgendem Gesetz :
Das Licht wird unter demselben Winkel reflektiert, unter welchem
es auffällt.
Errichtet man in dem Punkte n |p
(Fig. 20), wo der Lichtstrahl f n die
Spiegelfläche ss' trifft, den Perpen- A
dikelpn, so nennt man den Winkel N>.
i den Einfallwinkel, den Win- \s
kel r, welchen der reflektierte Strahl \
n d mit der Lotrechten bildet, den \
Au sf all winkel. Nach obigem B
Gesetze müssen beide Winkel ein- 1
ander gleich sein. ~"_ ~- -.— - — ::-=^=^zz°=zZ^g=S;
Aus diesem Reflexionsgesetz geht
hervor, dass ein senkrecht auffallen- Fig. 20.
der Lichtstrahl in sich selbst zurückgeworfen wird; schräg auf-
fallende Strahlen reflektieren sich unter gleicher Neigung nach der
anderen Seite der Lotrechten.
Auf die Spiegelung eines leuchtenden Gegenstandes übt die
Form der Spiegelfläche den grössten Einfluss aus. Ebene Spie-
gelflächen geben ein Bild des Gegenstandes, welches denselben
höchst übereinstimmend kopiert. Der leuchtende Körper erscheint
in getreuer Form und scheinbar ebensoweit hinter dem Spiegel,
- 54
wie er sich in der Wirklich-
keit vor demselben befindet.
Anders reflektieren kon-
kave und konvexe Spiegel-
flächen. Konkave oder
Hohlspiegel brechen die
parallel mit der Krümmungs-
axe einfallenden Strahlen in
Fig. 21. einen einzigen Punkt, in den
sog. Brennpunkt (Focus, F in Fig. 21) zusammen, welcher
Punkt in der Axe selbst und zwar in der Mitte zwischen dem
Krümmungsmittelpunkt (C) und der Spiegelfläche liegt.
Hält man einen Hohlspiegel gegen die Sonnenstrahlen, so
lässt sich in seinem Brennpunkte Zunder entzünden.
Konvexe Spiegel lassen alle Gegenstände verkleinert er-
scheinen, wie man dies an hohlen, innen schwarz lackierten Glas-
kugeln sehr gut sehen kann.
§ 49. Was nennt man die Brechung des Lichtes? Beim Ein-
tritt des Lichtes in einen durchsichtigen Körper erleidet es eine
Ablenkung von seiner Richtung, die man Brechung nennt;
nur senkrecht auffallende Strahlen gehen ungebrochen durch.
Bezeichnet in Fig. 22 pP die Lot-
rechte, das sog. Einfallslot, In den
,! auffallenden, n s den durchgehenden Licht-
strahl, so wird der Winkel i der Ein-
fallswinkel, r der Brechungswinkel
genannt.
Im Falle der Lichtstrahl In aus der
Luft in Wasser oder Glas übergeht, ist
der Brechungswinkel (r) kleiner als
der Einfallswinkel (i) ; geht aber der Strahl
umgekehrt aus dem Wasser oder Glas
in die Luft, s n in n 1 über, dann ist r der
Einfallwinkel und grösser als der Brech-
ungswinkel i. Allgemein ausgedrückt:
1. Geht der Lichtstrahl aus einem
dünneren in ein dichteres Medium über,
so wird er nach dem Einfallslote hin gebrochen.
2. Geht der Lichtstrahl aus einem dichteren in ein dünneres
Medium über, so ivird er vom Einfallslote ab gebrochen.
Ein durch ein offenes Fenster ins Zimmer dringender Licht-
strahl erlangt sofort eine etwas veränderte Richtung, wenn das
Fenster geschlossen wird. Ein halb unter Wasser getauchter
Stab erscheint wie gebrochen, und zwar unter der Wasserfläche
Fig. 22.
00
emporgebogen, weil das von diesem Teile kommende Licht beim
Austritt aus dem Wasser in die Luft von der Lotrechten ab, nach
der Horizontallinie hin gebrochen wird, wir aber den unterge-
tauchten Teil des Stabes in der Richtung des gebrochenen
Strahles, also in mehr wagerechter Linie erblicken.
Das Licht wird von den verschiedenen Medien nicht in glei-
cher Stärke gebrochen. Das Yerhältnis vom Einfall- zum Brech-
ungswinkel nennt man den Brechungsexponenten. Er ist
für Luft und Wasser 4/3, für Luft und Glas 3/2.
Der Brechungsexponent ist gleich dem Quotient aus dem
Sinus des Einfallswinkels durch den Sinus des Brechungswinkels.
Ist der Winkel, den ein Lichtstrahl beim Austritt aus einem
dichteren Medium, z. B. aus Glas oder Wasser in Luft, bildet,
so gross, dass der aus-
tretende Strahl in der
Richtung der Horizon-
talebene verläuft, also
der Ausfallwinkel =
90° ist, so nennt man
ihnden„Grenzwinkelu,
weil bei einem noch
grösseren Einfalls-
auszutreten vermögen,
wie Fig. 23 zeigt, son- |[
dern nach innen reflek-
tiert werden: totale
Reflexion, eine Re- „. 2o
flexion , welche an lg'
Vollständigkeit jede Reflexion auf Spiegelflächen übertrifft.
§ 50. Was ist polarisiertes Licht? Während ein gewöhnlicher
Lichtstrahl seine Schwingungen in den verschiedensten Ebenen,
die sich durch seine Richtung legen lassen, vollzieht, schwingt
das polarisierte Licht nur in einer einzigen Ebene.
Das Licht von glühenden festen Körpern (nicht von flammenden
Gasen) ist polarisiert.
Gewöhnliches Licht kann auf zweierlei Weise in polarisiertes
verwandelt werden: a) durch Brechung, b) durch Reflexion.
a) Alle Krystalle, welche nicht zum regelmässigen System
gehören, brechen das Licht doppelt. Wenn man einen Punkt,
eine Linie u. dgl. durch einen Kalkspatkrystall (isländischen
Doppelspat) betrachtet, so erblickt man sie doppelt. Trifft ein
Lichtstrahl einen solchen Krystall, so spaltet er sich in zwei
— 56 —
Strahlen , von denen einer der gewöhnlichen Brechung folgt
(ordinärer Strahl), während der andere (der extraordinäre Strahl)
abweicht. Beide Strahlen sind polarisiert.
Gewöhnlich benutzt man zur Polarisation die Turrnalin-
zange, welche aus zwei parallel mit der Hauptaxe geschnittenen
Turmalm-Plättchen besteht. Das durch eines der Plättchen ge-
gegangene Licht ist polarisiert und vermag nur dann das zweite
Plättchen zu durchdringen, wenn ihre Axen parallel verlaufen;
dreht man letzteres aber derartig, dass sich ihre Axen kreuzen,
so lässt es das polarisierte Licht nicht durch. — Man bedient sich
zu grösseren Polarisationsap paraten zweier eigentümlich
geschliffenen Kalkspatprismen (Nicoischer Prismen), welche
nur den extraordinären Strahl durchlassen. Das erstere Prisma
(Fig. 24 bei p), welches den Lichtstrahl polarisiert, heisst Polari-
sator, das zweite (bei a) Analysator.
Fig. 24.
Viele Substanzen besitzen die Eigenschaft, das polarisierte
Licht in farbige Strahlen aufzulösen und zugleich zu drehen
d. i. seine Richtung zu verändern. Man unterscheidet rechts-
und linksdrehende Stoffe; zu ersteren gehört z. B. der Rohrzucker,
zu letzteren der Traubenzucker. Schaltet man ihre Lösungen in
das Rohr (r) zwischen die beiden Nicoischen Prismen des
Polarisationsapparates ein, so muss man, um die volle Stärke des
polarisierten Lichtes zu erlangen , das analysierende Prisma (a)
drehen, welches mit einem Zeiger (z) verbunden ist, der den
— 57 -
Grad der Drehung an einer Scheibe mit Kreiseinteilung' anzeigt.
Die Grösse dieser Drehung zeigt dann die Stärke der Lösung an.
Da zugleich mit der Drehung das polarisierte Licht in farbige Strahlen
aufgelöst wird , nimmt mau das blaue Licht als massgebend an.
b) Lässt man einen Lichtstrahl unter einem gewissen Winkel*) auf
eine spiegelnde Fläche auffallen, so wird er als polarisiertes Licht zurück-
geworfen und, auf einem zweiten Spiegel auffallend, je nach dessen Stel-
lung, von demselben bald reflektiert, bald verschluckt (daher der Name:
polarisiert). Hält man nämlich den zweiten Spiegel (Analysator) dem
ersten (Polarisator) parallel, so reflektiert er den polarisierten Strahl und
erscheint daher bell; dreht man ihn um 90°, so verschluckt er das pola-
risierte Licht und wird dunkel; bei der Drehung auf 180° erleuchtet er
sich wieder, um bei weiterer Umdrehung auf 270° abermals dunkel, bei
Rückkehr zur ersten Stellung wieder hell zu werden.
Alles von festen Körpern reflektierte Licht ist unvollkommen pola-
risiert, d. i. es enthält mehr oder weniger viel polarisierte Strahlen.
Versuche.
1. Photometer. Ein mit einem Fettfleck versehenes Blatt Papier
halte man in einem dunklen Zimmer zwischen zwei verschieden starke
Flammen, und suche die Stellung, worin der Fettfleck nicht mehr gesehen
wird. Dann verhalten sich die Flammen in ihrer Lichtstärke wie die
Quadrate ihrer Entfernungen vom Papier. Stellt man einerseits eine,
andrerseits vier brennende Kerzen, so verschwindet der Fettfleck dann,
wenn die vier Kerzen in doppelter Entfernung vom Papier stehen wie die
andere Kerze. — Der Fettfleck wird dann unsichtbar, wenn er genau
soviel Licht durchlässt, als seine Umgebung zurückstrahlt.)
2. Doppelte Spiegelung einer Glastafel. Hält man zur Seite
einer Kerzenflamme eine blanke Glastafel in der Richtung eines halben
rechten Winkels, so erblickt man deutlich zwei Flammen scheinbar hinter
der Tafel. Das eine Bild rührt von der Spiegelung der vorderen, das
andere von derjenigen der hinteren Fläche der Glastafel her. Da man
durch dieselbe zugleich hindurchsehen kann, so erblickt man das Flammen-
bild in einem dahintergestellten Gegenstande , beispielsweise in einer
mit Wasser gefüllten Flasche, an der Spitze einer nicht angezündeten
Kerze u. dgl.
3. Brechung des Lichtes. Auf den Boden einer Schüssel lege
man ein Geldstück und halte das Auge so, dass die Gefässwand es gerade
verdeckt; wird dann Wasser in die Schüssel gefüllt, so tritt das Geldstück
wieder sichtbar hervor, scheint aber höher zu liegen. (Der beim Austritt
aus dem Wasser mehr horizontal gerichtete , vom Geldstück kommende
Lichtstrahl trifft alsdann das Auge, verlegt den Gegenstand aber scheinbar
in seine Verlängerung nach rückwärts.)
4. Totale Reflexion. Taucht man einen leeren Reagiercy linder
*) Dieser Winkel (Polarisationswinke]) ist für jeden Körper verschieden,
für Glas muss der Einfallwinkel 56" betragen. Bei der Polarisation durch
Reflexion wird das in allen Ebenen schwingende gewöhnliche Licht beim
Auffallen auf die Spiegelfläche in zwei Strahlen zerlegt, welche beide po-
larisiert d. i. in einer einzigen Ebene schwingend sind; der eine dieser
Strahlen wird reflektiert; der andere geht gebrochen durch die Spiegel-
fläche hindurch. Diese Polarisation tritt dann ein, wenn der re-
flektierte Strahl auf dem gebrochenen senkrecht steht.
- 58 —
in "Wasser und blickt von oben herab, so erscheint der untergetauchte
Teil glänzend, wie mit Quecksilber gefüllt. Bringt man etwas Wasser in
den Cylinder, so erstreckt sich diese Erscheinung nicht mehr auf den
untersten, das Wasser enthaltenden Teil, welcher durchsichtig geworden
ist. (Das vom äusseren Wasser in den Cylinder eintretende Licht erleidet
zum Teil totale Reflexion, wird in aufwärtsgehender Richtung wieder re-
flektiert und gelangt in unser Auge.)
Fragen und Aufgaben.
1. In wie viel Zeit gelangt das Sonnenlicht zu der 20 Millionen
Meilen entfernten Erde? — Antw. In nahezu 8 Minuten.
2. Wie lang ist der Kernschatten der Erde, wenn der Sonnenhalb-
messer 112 mal grösser als der Erdhalbmesser ist? — Antw. 180180 Meilen.
3. Weshalb erscheint ein Fettfleck auf Papier beim Daraufblicken
dunkel, gegen ein Licht gehalten aber hell? — Antw. Weil er weniger
Licht reflektiert als er durchlässt, das nichtgeölte Papier aber das Licht
zumeist reflektiert und kaum durchlässt.
4. Wenn man zwei Spiegel unter einem Winkel zusammenstellt, wie
oft sieht man dann einen zwischen ihnen befindlichen Gegenstand? —
Antw. So oft, als der Neigungswinkel der beiden Spiegel in 360° ent-
halten ist. Beträgt dieser Winkel l/.2 R, so sieht man den Gegenstand
8 mal, d. i. ausser ihm selbst noch 7 Bilder; dieselben bilden ein regel-
mässiges Achteck.
5. a. Woher rührt es, dass wir den Boden eines Wasserbehälters
weniger tief erblicken, als er wirklich liegt? — Antw. Wir erblicken die
Bodenfläche in der Richtung des beim Austritt in die Luft mehr horizontal
gebrochenen Lichtstrahles.
b. Wie verhält sich die scheinbare Tiefe zur wirklichen? — Antw.
Umgekehrt wie der Brechungsexponent, also beim Wasser wie 3 : 4.
15. Die Farben.
Aus welchen Farben besteht das Sonnenlicht? Das weisse
Licht der Sonne
ist aus sieben far-
bigen Strahlen zu-
sammengesetzt,
was man erkennt,
wenn man es durch
ein dreiseitiges
Glasprisma gehen
lässt.
Tritt durch eine
runde Öffnung b
(Fig. 25), die im
Fensterladen einer
dunklen Stube an-
gebracht ist, ein
Fig. 25. Sonnenstrahl in
- 59 —
dieselbe, so kann man ihn auf der entgegenstehenden Wand als
weisses, rundes Sonnen bild d (Spektrum) auffangen. Sowie
man aber hinter die Öffnung ein dreiseitiges Glasprisma anbringt,
dann verlängert sich das Spektrum (rv) und erscheint nicht mehr
weiss, sondern in sieben Farben, von oben nach unten in folgen-
der Eeihenfolge: rot, orange, gelb, grün, blau, indigo, violett.
Da diese Farben auch den Regenbogen zusammensetzen, so
nennt man sie die sieben Regen bogenfarben. Lässt man ein
solches Spektrum abermals durch ein Prisma treten, welches um-
gekehrt wie das erste gerichtet ist, so vereinigen sich die Regen-
bogenfarben wieder zu weissem Lichte und bilden ein rundes Spektrum.
Man nennt diese Farbenzerstreuung die Dispersion des
Lichtes. Sie beruht darauf, dass das Sonnenlicht aus Strahlen
von verschiedener Brechbarkeit zusammengesetzt ist. Das rote
Licht ist das wenigst-brechbare, das violette das brechbarste. Je
brechbarer ein Lichtstrahl , um so geringer seine Schwingungs-
dauer. Wir erkennen hieraus, dass je nach der Schwingungs-
geschwindigkeit und dadurch bedingten Brechbarkeit die Licht-
strahlen in unserm Auge den Farbeneindruck hervorrufen. Die am
schnellsten schwingenden und brechbarsten Strahlen erscheinen
uns violett, die am wenigsten brechbaren und weniger schnell
schwingenden rot; zwischen beiden liegen die übrigen Farben.
Nicht allein ein Glasprisma zerstreut das Sonnenlicht; wir
vermögen die Dispersion durch viele andere Medien hervorzu-
rufen. Wasser bewirkt nur eine schwache, Benzin, Anisöl
Schwefelkohlenstoff dagegen eine kräftige Farbenzerstreuung. Füllt
man ein Glaskästchen in Gestalt eines dreiseitigen Prismas mit
Schwefelkohlenstoff, so kann man sehr schöne Spektra herstellen.
Auch an vierseitigen Glasflaschen , die Benzin oder Schwefel-
kohlenstoff enthalten, bemerkt man eine starke Farbenzerstreuung;
ebenso am Diamant.
Die Entstehung des Regenbogens erklärt sich durch die
Dispersion der Sonnenstrahlen beim Durchgange durch die in
der Luft schwebenden Dunstbläschen, deren hintere Wand sie
reflektiert. Die Sonne befindet sich dabei stets hinter dem Be-
obachter.
§ 52. Woher rührt die Färbung der Körper? Wenn ein Körper
das auf ihn fallende Sonnenlicht gleichmässig reflektiert, so er-
scheint er weiss; reflektiert er wenig Licht, sondern verschluckt
es, so ist er schwarz. Daher sind Weiss und Schwarz keine
eigentlichen Farben.
Farbig erscheint der Körper, welcher nur gewisse Licht-
strahlen reflektiert, die übrigen verschluckt. Ein roter Körper
strahlt nur die roten Strahlen, ein blauer nur die blauen zu-
— 60 —
rück. Wir sehen einen Körper in der Farbe des von
ihm reflektierten Lichtes.
Das Wasser ist zwar in kleineren Quantitäten farblos, in
grossen Massen aber wirft es das blaue Licht etwas mehr zurück
wie die übrigen Strahlen; daher erscheint das Meer blau. Die
Bläue des Himmels kommt nicht etwa von einer Färbung der
Luft, sondern ist Folge der Reflexion der blauen Lichtstrahlen
an dem Wasserdunst der Atmosphäre. In hohen Luftregionen,
welche wenig Dünste enthalten, sieht man daher den Himmel
nicht blau, sondern fast schwarz.
§ 53. Was ist Fluorescenz? Es giebt gewisse Flüssigkeiten,
welche bei auffallendem Lichte eine andere Färbung zeigen wie
bei durchgehendem. Man nennt sie schillernd, fluores-
cierend. Eine farblose, wässerige Lösung des schwefelsauren
Chinins erscheint beim Daraufblicken bläulich, ebenso das Petro-
leum. Stark schillernd ist Wasser, worin frischgeschälte Ross-
kastanienrinde wenige Minuten gelegen hat.
Da im allgemeinen alle gefärbten durchsichtigen Körper das-
selbe Licht reflektieren, wie durchlassen, daher die nämliche Fär-
bung beim Daraufsehen wie beim Hin durchsehen zeigen, so leitet
man die Fluorescenz von der Eigenschaft der schillernden Körper
her, das reflektierte Licht in seiner Schwingungsdauer zu ver-
ändern und dadurch dessen Farbe zu wechseln.
§ 54. Spektralanalyse. Untersuchen wir die Spektra verschie-
dener Flammen, so nehmen wir drei Arten von Spektra wahr:
1. Feste und flüssige Körper geben ein zusammenhängendes
Spektrum, ohne Unterbrechung durch dunkle Linien.
2. Glühende Gase liefern nur verschieden gefärbte helle
Partien, welche durch dunkle Zwischenräume getrennt sind.
3. Das Sonnenspektrum ist ein kontinuierliches, aber mit
feinen dunklen Linien quer durchsetztes Bild. Man nennt diese
dunklen Linien nach dem Entdecker Frauenhofersche Linien.
Sie sind konstant und werden mit den Buchstaben des Alphabets
bezeichnet*). An den Stellen ihres Yerlaufs fehlen also dem
Spektrum die betreffende Strahlen.
Wir vermögen ein dem Sonnenspektrum ähnliches, mit dunklen
Linien durchsetztes Spektrum hervorzurufen, wenn wir vor einen glühenden
festen Körper die Flamme eines Gases oder Dampfes einschieben; das
vorher kontinuirliche Spektrum des festen Körpers erhält alsdann an der
Stelle, wo das Spektrum des Dampfes hinfällt, eine dunkle Linie. Die
Flamme des letzteren absorbiert daher die Lichtstrahlen, die er selber aus-
sendet, die eigenen zugleich vernichtend, bleibt aber für die übrigen
*) A, B, C liegen im Rot, D im Orange, E im Grün, F im Blau, G
im Indigo, H im Violett.
— 61 —
Strahlen des glühenden festen Körpers durchsichtig. Schiebt man zwischen
das Drummondsche Kalklicht oder elektrische Licht und das Glasprisma
eine Kochsalzflamme ein, so tritt eine dunkle Linie (D) dort auf, wo die
Kochsalzflamme für sich allein einen gelben (Natrium-) Streifen hinwirft.
Daraus schliesst man, dass die Frauenhof er sehen Linien im Sonnen-
spektrum daher rühren, dass der feste oder flüssige, leuchtende Sonnen-
kern von einer Dampfatmosphäre umgeben sei, welcher solche Stoffe ange-
hören, die an den Stellen jener Linien eigene helle, farbige Streifen
liefern. D in Orange gehört beispielsweise dem Natrium an; mithin ist
dieses Metall in der Sonnen- Atmosphäre vorhanden.
Fig. 26.
Die irdischen Körper besitzen im glühenden Zustande sämt-
lich ihr bestimmtes Spektrum. So zeigt die durch Kochsalz gelb
gefärbte Gasflamme an Stelle der Frauenhof er sehen Linie D zwei
gelbe Linien; die durch Kalisalze violett gefärbte Gasflamme zeigt
eine rote (in der Nähe der Linie A) und eine blaue Linie.
Höchst geringe Mengen dieser Elemente und ihrer Yerbindungen
genügen, um die betreffenden Spektra hervortreten zu lassen, und
verraten dadurch ihre Gegenwart.
Den gewöhnlich gebrauchten Spektralapparat zeigt Fig. 26.
Die von den Flammen F, f durch einen feinen Spalt in die Röhre
A gelangenden Lichtstrahlen erleiden durch das Glasprisma P eine
Farbenzerstreuung und werden durch das Fernrohr B wahrge-
nommen. Die Rühre C führt eine Skala, das Sonnenspektrum
vorstellend, zur Yergleichung und Bestimmung der Lage der be-
obachteten Spektrallinien.
§ 55. Was nennt man komplementäre Farben? Da die Mischung
— 62 —
der sieben Regenbogenfarben weisses Licht giebt, dem eine mittlere
Schwingungsgeschwindigkeit zukommt, so müssen auch je zwei
Farben, deren mittlere Schwingungsdauer die nämliche ist, weisses
Licht geben. Solche Farben nennt man komplementäre (d. i.
sich ergänzende); z. B. Rot und Grün, Orange und Blau, Gelb
und Indigo.
Yon der komplementären Farbe überzeugt man sich , wenn
man einige Zeit anhaltend auf einen Gegenstand von intensiver
Färbung geblickt hat und darauf das Auge auf eine weisse
Fläche wendet ; der im Gedächtnis haftende Eindruck lässt uns
denselben Gegenstand auf dieser Fläche wieder erscheinen, aber
in seiner komplementären Farbe. Einen blauen Gegenstand sieht
man alsdann orangegelb, einen grünen rot u. s. f., weil das Auge
für einige Zeit unempfindlich geworden ist für die zuerst ange-
schaute Farbe.
Betrachtet man einen farbigen Körper durch ein anders ge-
färbtes Glas, so erblickt man ihn nicht in seiner wirklichen,
sondern in der Mischfarbe; besitzt jener die Komplementärfarbe
des Glases, so erscheint er weiss. Gold sieht, durch ein blaues
Glas gesehen, weiss aus, eine Silbermünze aber blau.
Versuche.
Flamme nfärbun gen. In eine Weingeistflamme halte man das zu
einer Öse umgebogene Ende eines Platindrahtes, das man vorher befeuchtet
in gepulverten Kalisalpeter eingetaucht hatte. Die Flamme nimmt als-
dann eine violette Färbung an. In gleicher "Weise verfahre man mit Koch-
salz, welches die Flamme hochgelb färbt, mit Chlorbaryum oder Borsäure,
welche sie grün färben, endlich mit salpetersaurem Strontian, welches sie
schön karminrot macht.
Fragen.
1. Warum können wir beim Kerzenlicht Grün von Blau nur sehr
schwierig unterscheiden? — Antw. Da das Kerzenlicht nicht weiss,
sondern gelblich ist, mischt sich dem Blau das Gelbe des Lichtes bei und
nähert es dem Grün.
2. Warum werden farbige Körper in pulverisierter Gestalt heller?
— Antw. Die vom Pulver eingeschlossene Luft absorbiert das Licht und
macht den Körper undurchsichtig- weisslich.
16. Das Mikroskop.
§ 56. Wie wird das Licht durch Glaslinsen gebrochen? Die Linsen
sind geschliffene Gläser mit ein oder zwei gekrümmten Flächen;
ist die Krümmung konkav, so nennt man sie Zerstreuungs-
linsen, ist sie konvex, so heissen sie Sammellinsen. "Wir
unterscheiden, je nachdem beide Flächen gekrümmt oder die eine
von ihnen eben ist, bikonkave, bikonvexe, plankonkave und plan-
63
konvexe Linsen. Die Sammellinsen sind stets in der Mitte am
dicksten, die Zerstreuungslinsen daselbst am dünnsten.
Das Licht wird beim Durchgang durch eine Linse gebrochen,
nur der Axenstrahl d. h. der in der Krümmungsaxe auffallende
Lichtstrahl geht ungebrochen durch. Die Brechung durch Sammel-
linsen ist eine durchaus verschiedene von der durch Zerstreu-
ungslinsen , jene machen die Lichtstrahlen konvergierend, letztere
divergierend.
1. Sammellinsen brechen die Lichtstrahlen nach der Axe zu.
2. Zerstreuungslinsen brechen das Licht von der Axe ab.
Betrachten wir zuerst die Lichtbrechung durch die Sammel-
linsen , so sehen wir die Strahlen hinter der Linse sich nach der
Axe zu vereinigen — die Linse sammelt die Strahlen.
Strahlen, welche parallel mit der Axe einfallen, vereinigen
sich hinter der Linse in einem Punkte, dem Brennpunkte
(Foeus, Fin
Fig. 27). Der-
selbe befindet
sich in der Axe
selbst u. fällt
bei bikonve-
xen Linsen
beiderseits m
dem Krüm-
mungscentrum zusammen. Die Entfernung des Brennpunktes
hinter der Linse wird die Brennweite genannt und beträgt bei
bikonvexen Linsen nahezu den einfachen, bei plankonvexen Linsen
den doppelten Krümmungshalbmesser.
Beim Durchgang der Strahlen durch Zerstreuungslinsen (Fig 28)
werden sie hinter den Linsen
auseinanderweichen. Parallel
mit der Axe einfallendes Licht
wird derartig divergent, dass
seine Verlängerung nach
rückwärts einen Punkt (F)
ergiebt, von welchem es
auszugehen scheint, den sog.
uegativenBrennpunkt.
Fig. 28.
§ 57. Wie erblickt man einen Gegenstand durch eine Sammellinse?
Das Bild eines durch eine Sammellinse gesehenen Gegenstandes
hängt ganz von seiner Entfernung von der Linse ab. Es lassen
sich hier drei Fälle unterscheiden:
1. Der Gegenstand befindet sich zwischen Brenn-
punkt und Linse, in der Brennweite (Fig. 29 AB); seine
64
sehr divergie-
rend auf die
Linse fallen-
den Strahlen
werden weni-
ger divergent;
ihre Verlänge-
rungen nach
rückwärts
Fig. 29. konstruieren
ein weiter entferntes Bild (ab), welches den Gegenstand ver-
grössert, im übrigen aber in seiner natürlichen Stellung er-
scheinen lässt.
2. Der Gegenstand liegt im Brennpunkt der Linse;
alsdann werden seine Strahlen durch die Linse parallel (Fig. 27}
und vereinigen sich gar nicht; es entsteht kein Bild.
Fig. 30.
3. Der Gegenstand befindet sich vor dem Brenn-
punkte (Fig. 30 AB); die Strahlen vereinigen sich hinter der
Linse zu einem Bilde (ab), welches umgekehrt erscheint und
auf einer Wand , Glastafel u. dgl. aufgefangen werden kann.
Liegt ein Gegenstand nicht weit vom Brennpunkt entfernt, so ist
das Bild vergrössert, wie Fig. 30 zeigt; bei doppelter Brenn-
weite ist das Bild mit dem Gegenstande gleichgross, bei weiterer
Entfernung verkleinert.
§58. Was ist ein Mikroskop*)? Wir unterscheiden ein ein-
faches und ein zusammengesetztes Mikroskop. Das erstere,.
auch Lupe genannt, ist eine Sammellinse, die einen Gegen-
stand zwei- bis dreimal vergrössert, wenn er sich in ihrer Brenn-
weite befindet.
Das zusammengesetzte Mikroskop erlaubt eine bedeutend
stärkere, oft vielhundertfache Vergrösserung. Es besteht aus
*) Von fjuxpo? (klein) und axo^e'to (sehen). — Das erste Mikroskop wurde
1646 von Galilei konstruiert.
65 —
zwei Teilen, der Objektivlinse und der Okularlinse.
Beide sind bikonvexe Sammellinsen, von denen die erstere (Fig 31
ab) das Objekt in ihr Gesichtsfeld fasst, während die Okularlinse
(c d) dazu dient, das von jener entworfene Bild für das Auge des
Beschauers nochmals zu vergrössern. Man stellt die Objektiv-
linse so ein, dass der Gegenstand (rs) etwas über den Brenn-
punkt hinaus zu liegen kommt; dann entwirft jene ein um-
gekehrtes, vergrössertes Bild (SR), welches in die Brennweite der
Okularlinse (cd) fällt und durch
diese (als Lupe) vergrössert (S'R')
geschaut wird. Wir erblicken
daher den Gegenstand ver-
grössert, aber umgekehrt. Ob-
j ektivund Okular sind durch Röhren
fest mit einander verbunden. Bei
vollständigeren Instrumenten ist
zwischen beiden eine dritte Sam-
mellinse, die Kollektivlinse,
eingeschaltet, welche die im Ob-
jektiv gebrochenen Strahlen kon-
vergenter macht, das Bild näher
bringt und dadurch die Entfernung
des Okulars verringert.
Unter der Platte, auf welcher
der Gegenstand liegt, befindet sich
ein Spiegel, um das Objekt von
unten zu beleuchten. Man bringt s'*--
den zu vergrössernden Gegenstand
mit etwas Wasser auf ein Glas-
plättchen , deckt ein zweites da-
rauf und betrachtet ihn bei durch-
gehendem Lichte, wenn er durch-
sichtig ist, andernfalls bei auf-
fallendem Lichte. FlS- 3L
§ 59. Das Fernrohr. Um weit entfernte Gegenstände deutlich
sichtbar zu machen , hat man Fernrohre, Teleskope, aus
optischen Linsen konstruiert, welche in ähnlicher Weise wie beim
Mikroskop wirken, nur mit dem Unterschiede, dass in den Fällen,
wofür man das Fernrohr gebraucht, das Objekt weit hinter dem
Brennpunkt der Objektivlinse sich befindet, daher ein verklei-
nertes, umgekehrtes Bild des Gegenstandes durch die bikonvexe
Objektivlinse entworfen wird , welches nun durch die Okularlinse
zur Vergrösserung und näheren Betrachtung gelangt. Wir finden
also beim Fernrohr die nämlichen Teile wie beim Mikroskop,
Sohlickum, Apothekerlehrling- 5
— m —
jedoch mit verstellbarem Okular, dessen Entfernung von der Ob-
jektivlinse sich nach der Entfernung des gesehenen Gegenstandes
richten muss.
Ein aus zwei bikonvexen Linsen bestehendes Fernrohr lässt,
wie das Mikroskop , die Gegenstände verkehrt erscheinen und
eignet sich daher nur als astronomisches Fernrohr. Für
die irdischen Gegenstände ist eine Umkehr ung des Bildes nötig
und wird bald durch Einschaltung einer dritten bikonvexen Linse
zwischen Objektiv- und Okularlinse, bald durch Anwendung
einer konkaven Okularlinse bewirkt.
Das älteste Fernrohr ist das holländische oder Galileische
Fernrohr, fast gleichzeitig von holländischen Physikern und
Galilei (1609) konstruiert. Es besteht aus einer bikonvexen Ob-
jektivlinse und einer bikonkaven Okularlinse; letztere befindet
sich in der Brennweite der Objektivlinse und fängt die Strahlen,
welche sich zu einem umgekehrten verkleinerten Bilde vereinigen
würden, zuvor auf, sie zur Divergenz bringend, so dass das Bild
aufrecht und vergrössert gesehen wird. Dieses Instrument eignet
sich für Taschenteleskope und Operngucker.
Das Erdfernrohr ist aus drei bikonvexen Linsen zusammen-
gesetzt; das von der Objektivlinse entworfene umgekehrte, verklei-
nerte Bild wird von einer Mittellinse, ähnlich wie vom Objektiv
eines Mikroskops, aufgefasst, dadurch wieder umgewendet und
nun vom Okular in der natürlichen Lage erblickt.
Zu den Mikroskopen und Teleskopen benutzt man zur
Yermeidung der Farbenzerstreung sog. achromatische Linsen.
Bei gewöhnlichen Linsen erscheinen die gesehenen Gegenstände
mit farbigen Bändern umgeben. Die achromatischen Linsen
werden aus zwei verschiedenen Glassorten, aus Flintglas und
Crownglas zusammengesetzt; das erstere Glas zerstreut nämlich
das Licht doppelt so stark als das Crownglas. Man kombiniert
also zwei entgegengesetzte Linsen, diejenige aus Crownglas aber
in doppelter Dicke. Dann wird die Farbenzerstreuung der Crown-
glaslinse durch die dünne Flintglaslinse gänzlich ausgeglichen,
ihre Strahlenbrechung zwar geschwächt, aber nicht aufgehoben.
Vom Sehen.
§ 60. Das Auge. Das Auge ist eine aus mehreren Häuten
gebildete, mit einer gallertigen Flüssigkeit gefüllte Kapsel. Die
äusserste Haut (Hornhaut) ist am vorderen Teile durchsichtig
und lässt daselbst die farbige, sehr reizbare Begenbogenhaut
(Iris) durchblicken, welche in der Mitte ein rundes Loch, die
Pupille, hat. Durch Zusammenziehen der Regenbogenhaut er-
— 67 -
weitert sich die Pupille, mehr Licht ins Auge einlassend ; bei zu
starker Beleuchtung verengt sich die Pupille, indem die Regen-
bogenhaut etwas erschlafft.
Dicht hinter der Pupille liegt ein kleiner , ünsenförmiger,
durchsichtiger Körper, die Krystalllinse, welche das ein-
dringende Licht ganz analog einer Glaslinse bricht. Im Innern
des Auges ruht auf der Hornhaut zunächst eine mit schwarzem
Pigment versehene Schicht (Aderhaut), welche jede Lichtreflexion
verhindert und das Auge zu einer dunklen Kammer macht; auf ihr
breitet sich der von hinten eintretende Sehnerv als Netzhaut
aus und empfängt das Bild der äusseren Gegenstände. Die Augen-
höhlung ist erfüllt mit einer durchsichtigen Gallerte (Glaskörper),
welche sich ebenfalls an der Brechung des Lichtes beteiligt.
Die Hornhaut sowohl wie die Krystalllinse wirken als Sammel-
linsen und werfen ein verkleinertes , umgekehrtes Bild der ge-
sehenen Gegenstände auf die Netzhaut, welche den Eindruck des-
selben dem Gehirn übermittelt.
§ 61. Wann findet deutliches Sehen statt? Will man einen Ge-
genstand deutlich sehen, so muss er sich in einer gewissen Ent-
fernung befinden , sodass sein Bild genau auf die Netzhaut fällt.
Diese Entfernung wird die Sehweite genannt und beträgt für
ein gesundes Auge 30 — 40 com. Ist sie kürzer, so leidet der
der Mensch an Kurzsichtigkeit, da das Auge eine zu starke
Brechung verursacht und das Bild nicht auf, sondern vor die
Netzhaut wirft. Solche Leute bedienen sich konkaver Linsen als
Brillen, um die Konvergenz der Lichtstrahlen zu mindern. —
Bei zu grosser Sehweite leidet man an Weitsichtigkeit, da
die Augenhaut durch eine zu schwache Wölbung das Licht nicht
stark genug bricht, sodass das Bild hinter die Netzhaut fällt.
Solche Leute bedienen sich konvexer Linsen als Brillen, um die
Konvergez der Strahlen zu vermehren.
Die scheinbare Grösse eines Gegenstandes hängt von der
Sehweite ab. Man nennt den Winkel, welchen die vom Auge
nach den Endpunkten des Gegenstandes gezogenen Linien bilden,
den Sehwinkel. Je weiter der Gegenstand entfernt ist, um so
kleiner wird1 offenbar dieser Winkel; er giebt das Mass der schein-
baren Grösse an.
Versuche.
Brechung durch eine Lupe. 1. Man lege eine Lupe auf ein be-
schriebenes Blatt Papier und hebe sie langsam senkrecht in die Höhe; an-
fänglich sieht man die Schrift in natürlicher Lage, aber vergrössert (so-
lange sie sich noch in der Brennweite befindet); in einer gewissen Ent-
fernung verschwindet sie aber vollständig (wenn sie gerade im Brenn-
punkte liegt), kehrt dann bei zunehmender Entfernung der Lupe ver-
grössert, aber in umgekehrter Lage, wieder, bis sie endlich immer kleiner
5*
— 68 —
wird, in der umgekehrten Lage verharrend. Dabei hat man aber stetig
das Auge zugleich mit der Lupe zu erheben.
2. In einem verfinsterten Zimmer halte man eine Lupe seitlich neben
eine Kerzenflamme und bewege sie langsam von ihr fort, mit einem Blatt
dunkelfarbigem Papier das Flammenbild auffangend. Anfangs entsteht
kein Bild, sondern nur ein erleuchteter Kreis, bis endlich die umgekehrte
Flamme auf dem Papier sichtbar wird, zuerst vergrössert, bei zunehmender
Entfernung sich verkleinernd. Auch hier hat man das Papier beim Fort-
rücken der Lupe in grössere Entfernung zu bringen.
3. Man halte eine Lupe in direktes Sonnenlicht und hinter ihr einen
dunklen Hintergrund; , man findet ihren Brennpunkt, wenn ein kleines,
kräftiges Sonnenbild auf dem Hintergrunde erscheint.
Fragen.
1. Um wieviel vergrössert eine Lupe, wenn man sie dicht an das
Auge hält und den Gegenstand in die Nähe des Brennpunktes bringt (wo
die Vergrösserung am stärksten ist?) — Antw. Da das Auge das Bild in
seiner Sehweite erblickt, so verhält sich der Gegenstand zu seinem Bilde,
wie die Brennweite der Lupe zur Sehweite des Auges. Die Vergrösserung
ist gleich dem Quotient aus der Brennweite in die Sehweite.
2. In welchem Verhältnisse steht die Vergrösserung zweier Lupen
von verschiedener Krümmung? — Antw. Im umgekehrten Verhältnisse
ihrer Brennweiten, resp. ihrer Krümmungshalbmesser. Eine Linse von
halb so grossem Krümmungshalbmesser vergrössert um das Doppelte.
E. Elektrische Erscheinungen.
17. Die Eeibungs-Elektrizität.
§ 62. Was ist die Elektrizität? Die Elektrizität ist eine an
der Oberfläche der Körper haftende Kraft, welche durch gewisse
Ursachen erregt wird und sich in Erscheinungen der Anziehung
und Abstossung äussert. Franklin erklärte diese Erscheinungen
aus dem örtlichen Mangel resp. Überschuss einer einzigen, un-
wägbaren elektrischen Materie (unitäre Theorie). Jetzt nimmt man
aber zwei entgegengesetzte Elektrizitäten an, eine po-
sitive (4- E) und eine negative ( — E).*) Nach dieser dua-
listischen Theorie (von Symmer) sind beide Elektrizitäten im
gewöhnlichen Zustande der Körper gegenseitig gebunden
(o E=±E), in erregtem, elektrischem Zustande aber frei. Im
letzteren Falle nennt man die Körper elektrisch geladen.
1. Gleichnamige Elektrizitäten stossen sich ab, ungleichnamige
ziehen sich an.
*) Die beiden Elektrizitäten lassen sich unterscheiden durch die sog.
Lichtenberg sehen Figuren, welche entstehen, wenn man eine elektrisch
geladene Fläche mit einem leichten Pulver (Bärlappsamen, Schwefelblumen)
bestreut; -\~ E ruft eine sternförmig strahlige Figur, — E konzentrische
Ringe hervor.
— 69 —
Alle elektrischen Erscheinungen beruhen auf dem Bestreben
freier ungleichnamiger Elektrizitäten, sich zu + E zu vereinigen.
Daher die Anziehung von + E zu — E, die Abstossung von
+ E und + E oder von — E und — E.
2. Die Vereinigung entgegengesetzter Elektrizitäten geschieht durch
einen Funken, wenn die Leitung unterbrochen ist.
Die freie Elektrizität strömt leicht aus spitzen, dagegen schwer
aus stumpfen, abgerundeten Enden elektrisch geladener Körper;
letztere geben daher Funken.
§ 63. Wie entsteht freie Elektrizität? Fast jede körperliche
Aktion ist vun einer grösseren oder geringeren elektrischen Er-
regung begleitet. Vorzugs weise wird aber freie Elektrizität erzeugt :
1. durch Reibung (zweier Nichtleiter),
2. durch Berührung (zweier Leiter).
Beide Methoden liefern aber die Elektrizität in verschiedener
Beschaffenheit, die Reibung erzeugt Elektrizität von
hoher Spannung, die Berührung einen elektrischen
Strom von kontinuierlicher Dauer, aber geringer Spannung.
Bei jeder Elektrizitätserregung spaltet sich + E beider Körper,
die — E tritt in den einen, die -f- E in den andern über, so dass
wir nun einen negativ und einen positiv geladenen Körper naben.
Die Elektrizität wurde zuerst als Reibungselektrizität beim
Reiben des Bernsteins mit Wolle u. dgl. erkannt und führt vom
Bernstein (griechisch y\lsMQov) ihren Namen. Geriebener Bern-
stein , Siegellack und andere Harze laden sich beim Reiben mit
— E, die man deshalb auch Harzelektrizität genannt hat;
geriebenes Glas nimmt + E, sog. Glaselektrizität, an.
§ 64. Elektrische Leitung. Gute Leiter der Elektrizität laden
sich bei der Berührung mit einem elektrisierten Körper sofort
über ihre ganze Oberfläche , verlieren aber auch ihre freie Elek-
trizität bei der Berührung mit einem ungeladenen Leiter voll-
ständig. Sämtliche Metalle, dichte Kohle, Wasser und alle feuchten
Materien (feuchte Erde, der menschliche Körper, feuchte Luft)
leiten die Elektrizität.
Nichtleiter nehmen bei Berührung mit einem geladenen
Körper nur an der Berührungsstelle selbst eine geringe Menge
Elektrizität an, verlieren im elektrisierten Zustande ihre Elektrizi-
täten aber dem entsprechend auch nur sehr langsam. Hierhin
gehören Harz, Glas, Seide, Wolle, Haare, Schwefel, trockne Luft.
Man nennt sie Isolatoren, weil man einen geladenen Körper
durch Umgebung mit Nichtleitern im elektrischen Zustande
dauernd erhalten kann. Zum Isolieren gebraucht man Glas- oder
Porzellanfüsse, seidene Schnüre u. dgl. Nichtleiter bedürfen im
elektrisierten Zustande keiner Isolierung.
— 70 -
Zwischen den Leitern und Nichtleitern halten die Halb-
leiter die Mitte, z. B. trockne Erde, Papier, Stein.
Die Geschwind ig keit der Elektrizität in einem guten
Leiter beträgt 60000 Meilen in der Sekunde, die grösste uns be-
kannte Geschwindigkeit.
§ 65. Elektrische Verteilung und Mitteilung. Nähert man einen
isolierten Metallstab einem elektrisch geladenen Leiter , z. B. dem
positiv geladenen Konduktor der Elektrisiermaschine, so spaltet sich
+ E im Metallstabe derartig, dass die gleichnamige positive
Elektrizität nach dem entferntesten Ende des Stabes abgestossen,
die ungleichnamige negative Elektrizität nach der dem Konduktor
genäherten Seite des Stabes angezogen wird. Man nennt diesen
Vorgang elektrische Vertheilung (Influenz). Die angezogene
entgegengesetzte Elektrizität wird vom Konduktor gebunden ge-
halten, die gleichnamige dagegen äussert sich frei. Daraus folgt,
dass in der Nähe eines geladenen Leiters ein zweiter
Leiter mit gleichnamiger Elektrizität geladen auftritt.
Entfernt man den Stab (isoliert) , so hört die Verteilung auf,
und jener erscheint durch Vereinigung seiner Elektrizitäten wieder
unelektrisch.
Berührt man aber den Metallstab , so lange er sich in der
„elektrischen Atmosphäre" des Konduktors befindet, mit der Hand,
so entziehen wir ihm die gleichnamige (positive) Elektrizität, wor-
auf er, vom Konduktor entfernt, nun mit freier ungleichnamiger
(negativer) Elektrizität geladen auftritt. Bedingung dafür ist, dass
wir die Berührung aufheben, so lange sich noch der Stab in der
Nähe des Conduktors befindet. Hieraus folgt:
1. Man ladet einen isolierten Leiter mit der ungleichnamigen Elek-
tricität, wenn man ihn in der Nähe eines geladenen Leiters berührt
und nach Aufhebung der Berührung wieder entfernt.
Bringt man den Metallstab aber noch näher an den (positiv)
geladenen Konduktor, so gelangt er in dessen „Schlagweite", worin
durch Überspringen eines elektrischen Funkens die Elek-
trizität des Konduktors mit der ungleichnamigen (negativen) des
Stabes sich vereinigt, sodass in letzterem die gleichnamige (positive)
Elektrizität übrig bleibt. Hieraus folgt:
2. Wir laden durch Mitteilung einen Körper mit der gleich-
namigen Elektrizität.
Die Grösse der Schlagweite richtet sich nach der Stärke der elek-
trischen Ladung ; bei schwacher Ladung ist Berührung erforderlich.
§ 66. Was ist das Gewitter? Die Gewitterwolken sind mit freier
Elektrizität geladen und wirken auf den unter ihnen befindlichen
Erdboden verteilend ein, sodass die ihnen entgegengesetzte Elek-
— 71 —
trizität an der Oberfläche desselben sich ansammelt. Sobald ein
irdischer Gegenstand in die Schlagweite der Wetterwolken gelangt,
Fig. 32.
tritt durch einen Blitz eine örtliche Entladung und Vereinigung
Ton + E und — E ein. Der Blitz ist also ein elektrischer Funken,
der durch die hohe Erhitzung der Luftschichten eine Erschütterung
derselben erzeugt, deren Ton und Echo als Donner gehört wird.
_ 72 —
Zur Ableitung des Blitzes wendet man eiserne Drähte mit
vergoldeter Spitze, sog. Blitzableiter an, die in das feuchte
Erdreich hinabgeführt sind. Ihre Wirkung beruht in der guten
Leitung des Metalles, welches die Blitze gefahrlos in die Erde
leitet, besteht aber zugleich in einer allmählichen, äusserlich
nicht wahrnehmbaren Ausgleichung der entgegengesetzten Elek-
trizitäten der "Wetterwolken einerseits, des Erdbodens andrerseits,
begünstigt durch das leichte Ausströmen der Elektrizität aus
feinen Spitzen.
§ 67. Welches sind die -wichtigsten elektrischen Apparate?
1. Die Elektrisiermaschine.*) (Fig. 32.) Sie beruht auf
der Elektrizitätserregung durch Eeibung zweier Nichtleiter und
Ansammlung derselben auf einem isolierten Leiter.
Ihre wesentlichen Teile sind: a) Eine gläserne Scheibe
oder Walze, durch eine gläserne Axe (e i) , die auf einem Grlas-
fusse (s) ruht, drehbar und sich am Reibzeug (p), einem ledernen,
mit Zinnzinkamalgam überzogenen Kissen, reibend.
b) Der metallene Konduktor (a), eine hohle Messingkugel, die
mit einer metallenen, ringförmigen, in eine der Scheibe zugewen-
deten Spitze auslaufenden Saugvorrichtung (d) verbunden ist
und gleichfalls auf einem Glasfusse (g) ruht.
Bei Handhabung der Maschine setzt man das Reibzeug durch
eine eiserne Kette mit dem Erdboden in leitende Verbindung, um
dessen Elektrizität abzuleiten , und dreht die Scheibe. Letztere
ladet sich mit + E, das
Reibzeug mit — E ; jene
wird von der Saugvor-
richtung aufgenommen
und im Konduktor ge-
sammelt.
2. Das Elektro-
phor**) (Fig. 33), eine
Elektrisiermaschine ein-
fachster Konstruktion,
bestehend aus einer
metallenen Platte oder
Schüssel (c), die mit
Fl=- 3S- einem Harzkuchen (a)
überdeckt ist; auf letzteren passt eine metallene Scheibe, der
Deckel (b), mit gläsernem Isoliergriff oder an drei seidenen
Schnüren aufgehangen.
*) Die erste Elektrisiermaschine wurde von Otto von Guerike, dem
Erfinder der Luftpumpe konstruiert (1670),
**) Elektrizitätsti äger, von fjXExtpov und epopo? (tragend).
- 73 —
Fig. 34.
Das Elektrophor wird geladen, indem man den Harzkuchen
mit einem Pelze peitscht ; er wird dabei negativ elektrisch. Setzt
man dann darauf den Deckel auf und hebt ihn nach einmaliger Be-
rübrung mit dem Finger wieder isoliert ab, so ist er durch „Ver-
teilung1' positiv elektrisch geworden. Beim Annähern an die negativ
elektrische, metallene Unterlage (Schüssel)
springt ein Funken über.
3. Die Ver Stärkung s f lasche, auch
Leidener oder Kleistsche Flasche*)
genannt. (Fig. 34.) Ein gläsernes G-efäss,
aussen und innen bis zu 2/3 Höhe mit Stanniol
belegt, sodass der obere Rand frei bleibt.
Die Öffnung ist mit einem Metalldraht ver-
sehen, der bis zum inneren Belege führt und
oben in einen Knopf endigt.
Diese Flasche dient zur Ansammlung
grösserer Elektrizitätsmengen. Mau fasst
das äussere Beleg • mit der Hand an und
nähert den Knopf einem geladenen Konduktor oder dem Deckel
des Elektrophors , wobei ein Funken überspringt. Dadurch dass
das äussere Beleg mit dem Erdboden in leitende Verbindung ge-
setzt wurde, vermag die in das innere Beleg übergeführte Elek-
trizität eine gleiche Menge entgegengesetzter Elektrizität am
äusseren Beleg anzusammeln und zu binden. Dadurch tritt eine
elektrische Spannung zwischen beiden Lagen ein , welche bei zu
starker Ladung die Flasche zertrümmern kann.
Man entladet die geladene Flasche durch gleichzeitiges Be-
rühren des äusseren Überzugs und des Knopfes ; dabei nimmt
man ein Zucken der Muskeln wahr. Bilden mehrere Personen
eine Reihe, deren erstes Glied das äussere Beleg, das letzte den
Knopf berührt, so geht die Entladung mit der Muskelerschütterung
durch sämtliche Glieder.
4. Das Elektroskop (Elektrometer), zur Prüfung eines
Körpers auf freie Elektrizität. Das gebräuchlichste Instrument
ist das Goldblatt elektroskop, zwei nebeneinander an einer
Metallplatte aufgehängte Goldblättchen, zum Schutze in einem
Glase eingeschlossen. Wird die Platte einerseits mit einer ge-
riebenen Siegellackstange, andrerseits einmal mit dem Finger be-
rührt, so wird die — E abgeleitet, die Goldblättchen behalten ihre
+ E und weichen, nach Aufhebung der Berührung, der Abstossung
gleichnamiger Elektrizitäten folgend, auseinander. Nähert man
nun der Platte einen negativ geladenen Körper, so fallen die
*) Sie wurde 1745 vom Domherrn v. Kleist erfunden und darauf von
Muschenbroek zu Leiden angewendet.
- 74 —
Blättchen zusammen, da ihre + E von der — E des genäherten
Körpers angezogen und in der Platte angesammelt wird. Besitzt
der genäherte Körper -f- E, so weichen die Blättchen infolge ver-
mehrter Abstossung, noch weiter auseinander. Ein nicht elek-
trischer Körper wirkt auf die spreizenden Blättchen kaum ein.
Statt der Goldblättchen wendet man auch Korkkü gel-
chen an.
Versuche.
1. Elektrische Anziehung und Abstossung. Man reibe ejne
Siegellackstange eine kurze Weile mit einem wollenen Lappen und halte
sie dicht über ein Häufchen kleinster Papierschnitzel: dieselben werden
lebhaft angezogen und nach einigen Momenten wieder abgestossen werden.
Den Versuch wiederhole man mit einem geriebenen Glasstabe; er wird
das Nämliche ergeben.
Ein kleines, aus Kork (besser noch Hollundermark) geschnittenes
rundes Kügelchen hänge man an einem Zwirnfaden auf (elektrisches Pendel)
und nähere ihm eine geriebene Siegellackstange-, es wird lebhaft ange-
zogen. Eine geriebene Glasstange bewirkt ein Gleiches. Hält man zur
einen Seite die Siegellack-, zur anderen die Glasstange, so kann man das
Kügelchen abwechselnd hin und her pendeln lassen.
Die Siegellackstange, noch mehr aber die Glasstange, verlieren, zumal
bei feuchter Luft, ihre Elektrizität sehr schnell.
2. Elektroskop. Man wähle ein kurzhalsiges Kochfläschchen oder
ein Opodeldokglas, dessen Öffnung man mit einem Kork verschliesst, durch
welchen man einen mehrzölligen Messingdraht steckt. Der letztere muss
aber zuvor mit Schellack zur Isolierung gegen den Kork dick überzogen
werden. Das obere Ende des Drahtes versehe man mit einer kleinen glatt-
geschnittenen Bleikugel oder löte ein kleines Messingplättchen auf; das
untere Ende werde plattgeschlagen und mittelst Gummilösung zwei
Streifen echtes Blattgold angeklebt. Vorsichtig, unter Vermeidung jeden
Luftzuges, bringe man schliesslich an dem so behandelten Korkstopfen
die Goldblättchen in das völlig ausgetrocknete Glas.
Berührt man den Knopf (die Platte) des Elektroskops mit einer ge-
riebenen Siegellackstange ( — E), so weichen die Blättchen auseinander,
infolge Ansammlung von — E, während die -f- E im Knopfe von der
— E der Stange gebunden gehalten wird. Nach Entfernung des Siegel-
lacks vereinigen sich die beiden Elektrizitäten im Elektroskop wieder, und
dessen Blättchen fallen zusammen.
Berührt man den Knopf mit der geriebenen Siegellackstange und
zugleich mit dem Finger, so leitet man die gleichnamige — E ab; wird
der Finger weggezogen und dann erst der Siegellack entfernt, so bleibt
das Elektroskop mit -f- E geladen, diese wird frei und treibt (beim Ent-
fernen der Stange) die Goldblättchen auseinander. In dieser Weise erteilt
man dem Elektroskop die entgegengesetzte, nämlich -f- E.
Nähert man einem so geladenen Elektroskope einen gleichnamig
(positiv) elektrischen Körper, z. B. eine geriebene Glasstange, so weichen
die Blättchen noch weiter auseinander; ein ungleichnamig (negativ) elek-
trisierter Körper, z. B. eine geriebene Siegellackstange (Schwefel, Harz),,
bewirkt beim Annähern ein Zusammenfallen der Blättchen. Bei sehr_
starker Ladung kann im letzteren Falle ein abermaliges Auseinanderfahren
eintreten, wenn der elektrische Körper zu schnell oder zu nahe herange-
bracht wird.
— 75 —
3. Elektrophor. Eine flache, kreisrunde Blechschüssel (Form) von
etwa 20 cm Durchmesser und 1,5 — 2 cm hohem Rande giesse man mit einer
Harzmasse aus gleichen Teilen Kolophonium und schwarzem Pech nahezu
voll. Es ist dabei vorzugsweise darauf zu achten, dass die Form ganz
horizontal stehe und nach dem Erkalten die Harzfläche völlig eben sei.
(Etwa entstehende Blasen entferne man durch Darüberhalten eines heissen
Eisens.) Auf die letztere passe man eine Blechscheibe von etwas kleinerem
Durchmesser, deren Rand um einen Draht herumgebogen ist. Man löte
auf diesen Deckel entweder einen Glasstab mit Siegellack, oder hänge ihn an
drei seidenen Schnüren auf, die oben an seinem Rande befestigt und durch
einen gemeinsamen Knoten verbunden sind. Vor allem sei der Deckel eben.
Man ladet den Elektrophor durch Peitschen des Kuchens mit einem
Fuchsschwanz oder Katzenfell, wobei weniger stark, als schnell geschlagen
werde. Bei trockener Witterung behält er seine Ladung tagelang.
Setzt man den Deckel auf, berührt ihn kurz mit dem Finger und hebt
ihn ab, so hat er freie (entgegengesetzte) -j- E. Nähert man ihn dem Rande
der Form oder dem Fingerknöchel, so springt ein kleiner Funke über.
4. Leidener Flasche. Man wähle ein mittelgrosses sog. Zucker-
glas (Einmachglas), beklebe es innen und aussen bis zu 2/3 Höhe, sowie auch
den innern Boden mit Stanniol, den man in Streifen geschnitten und mit
Stärkekleister bestrichen hat; den oberen Teil des Glases überziehe man
mit einer Schellacklösung. Dann löte man einem ziemlich dicken Messing-
draht (etwa 7.3 länger, als die Höhe des Glases beträgt) eine glattge-
schnittene Bleikugel, besser noch einen Messingknopf an, stecke ihn durch
einen Kork oder eine dicke Pappscheibe, welche auf die Öffnung des
Glases passt, und bringe ihn am untern Ende durch ein kurzes metallenes
Kettchen mit dem Boden des Gefässes in leitende Verbindung. Schliess-
lich befestige man den Kork oder die Pappscheibe mit Siegellack am
Glasrande und überziehe sie mit Schellackfirniss.
Zum Laden der Flasche genügen 50 — 100 Funken aus dem Elektro-
phordeckel. Zur Entladung der Flasche dient der sog. Auslader, in
einfachster Konstruktion ein gebogener Messingdraht mit zwei Messing-
knöpfen am Ende, in der Mitte mit einem isolierenden Glas- oder Holz-
griff. Legt man den einen Knopf an die äussere Belegung und nähert
dann den andern dem Knopfe der Flasche, so schlägt ein Funke über,
der die Flasche entladet. Bringt man zuvor zwischen die äussere Belegung
und den Auslader ein Stückchen Briefpapier, so findet man dasselbe vom
Funken durchbohrt.
Fragen.
1. Weshalb laden sich zwei Metaüstücke beim Reiben nicht mit
Elektrizität? — Antw. Weil sie, als gute Leiter, letztere sofort ableiten.
2. Weshalb ruhen bei der Elektrisiermaschine Konduktor und Scheibe
auf Glasfüssen? — Antw. Um sie zu isolieren, damit sie ihre Elektrizität
nicht alsbald wieder verlieren.
3. Weshalb muss beim Laden der Deckel des Elektrophors, nach-
dem er auf den Harzkuchen gesetzt ist, berührt werden? — Antw. Die
Berührung leitet die — E des Deckels ab ; fände sie nicht statt, so würde
der Deckel nach dem Abheben wieder unelektrisch werden.
4. Welchen Gegenständen folgt der Blitz vorzugsweise? — Antw.
Zunächst den hervorragenden Spitzen, z. B. Bäumen, Türmen u. dgl. So-
dann guten Leitern, z. B. Metallstangen, auch Wassermassen.
— 76 —
18, Der Gralvanismus,*)
§ 68. Was ist eine galvanische Kette? Wenn zwei Leiter der Elek-
trizität sich auf der einen Seite direkt berühren, auf der andern
Seite durch Wasser oder eine angefeuchtete Pappscheibe u. dgl.
miteinander in Verbindung gesetzt sind, so wird die + E der
beiden Leiter zerteilt, freie -f- E geht in den einen derselben,
— E in den anderen über; durch den feuchten Zwischenleiter
findet zwar darauf ein Ausgleich statt, da aber die Zerteilung eine
andauernde ist, so entstehen kontinuierliche elektrische
Ströme, ein positiver und ein negativer, von entgegengesetzter
Richtung. So lange die Berührung der beiden Leiter in obiger
Weise stattfindet, gehen diese Ströme von denselben aus und
durch den Zwischenleiter wieder zu ihnen zurück.
Als Erreger — Elektromotoren — wendet man gewöhnlich
zwei Metalle an und nennt ihre Yerbindung mit dem feuchten
Zwischenleiter ein galvanisches Element oder eine ein-
fache galvanische Kette, die erregte Elektrizität einen gal-
vanischen Strom.
Wird ein Kupferstreifen an einen Zinkstreifen gelötet und
die beiden umgebogenen Enden in Wasser getaucht, welches
durch einige Tropfen Säure oder etwas Kochsalz besser leitend
gemacht ist, so geht die + E an der Lötstelle vom Kupfer zum
Zink, im Zwischenleiter vom Zink zum Kupfer zurück; die — E
beschreibt den umgekehrten Weg, vom Zink zum Kupfer und
durch den Zwischenleiter vom Kupfer zum Zink zurück. Man sagt :
>-f- E geht mit dem Alphabet d. i. von K (Kupfer) zu Z (Zink).«
Die galvanische Elektrizität, welche bei Berührung der Elek-
tromotoren entsteht, unterscheidet sich von der mittelst Reibung
erzeugten durch geringere Spannung, aber kontinuierliche Dauer.
Indem man den Zinkstreifen einer Kette mit dem Kupfer-
streifen einer anderen Kette in ein Glas mit Wasser eintaucht,
lässt sich eine grössere Anzahl von Ketten zu einer galva-
nischen Batterie verbinden. Die Endglieder derselben ver-
sieht man mit Metalldrähten, den sog. Schliessungsdrähten.
Werden die letzteren miteinander direkt oder durch einen feuchten
Zwischenleiter verbunden, so schliesst man die Batterie, und die
elektrischen Ströme treten auf; trennt man die Drähte, so öffnet
*) Galvanismus , galvanische Elektrizität, abgeleitet von
Galvani, Professor der Medizin in Bologna. Derselbe fand 1789, dass
präparierte Froschschenkel, die mittelst kupferner Haken an einem eisernen
Geländer hingen, in Zuckungen gerieten, wenn sie zufällig das Geländer
berührten. Galvani erklärte diese auffallende Erscheinung durch tierischen
Magnetismus, bis Volta die Elektrizität als Ursache erkannte und durch
Versuche konstatierte.
— 77 -
sich die Batterie, und die elektrischen Ströme verschwinden. Die
Endpunkte der beiden Schliessungsdrähte heissen die Pole, und
zwar ist der Zinkpol der negative, der Kupferpol der
positive Pol, da an der Berührungsstelle beider Leiter die — E
vom Zink zum Kupfer, die + E vom Kupfer zum Zink übertritt.
Wendet man als Zwischenleiter , statt reines Wasser , eine
Salzlösung oder verdünnte Säure an, so verstärkt sich der elek-
trische Strom bedeutend. (Elektrochemische Kette.) Im
übrigen wächst die Stromstärke mit der Anzahl der Glieder und
der Grösse der Metallplatten. Die einzelnen Metalle sind nicht
gleich in der elektrischen Spannung. Es lässt sich folgende Reihe
aufstellen :
-f- E Zink, Blei, Zinn, Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Platin,
Kohle — E.
In dieser Reihe ladet sich jedes Glied elektropositiv gegen
die nachfolgenden, elektronegativ gegen die vorhergehenden Glieder.
Je weiter zwei Metalle in obiger Spannungsreihe auseinander
stehen, um so grössere Elektrizitätsmengen liefern sie bei ihrer
Verbindung zu einer Kette.
§ 69. Was ist eine konstante Kette? Die aus Zink und Kupfer
konstruierten Ketten haben den Nachteil, in kurzer Zeit ihre
Wirksamkeit zu schwächen und endlich ganz einzustellen. Die
Ursache hiervon liegt in der zugleich vor sich gehenden che-
mischen Wasserzersetzung, infolge deren das Kupfer sich mit einer
dünnen Wasserstoffschicht überzieht und allmählich ausser Be-
rührung mit dem Zwischenleiter kommt. Diesem Übelstande hilft
man dadurch ab, dass eine Flüssigkeit als Zwischenleiter angewendet
wird, welche auf den entwickelten Wasserstoff oxydierend wirkt
(Kupfervitriollösung, Salpetersäure u. a.). Zugleich muss das Zink,
um nicht zu stark aufgelöst zu werden, von diesem oxydierenden
Zwischenleiter räumlich abgetrennt werden, ohne jedoch ausser
Leitung mit dem Kupfer zu gelangen, — Bedingungen, welche
durch porösen Thon erfüllt werden. Man konstruiert hiernach
sogenannte konstante Ketten, indem man den Kupfercylinder
(Fig. 35 K) in ein Glas mit Kupfervitriollösung, den Zinkcylinder
(Z) in einen Thonbecher (T) mit verdünnter Schwefelsäure eintaucht.
Diese Kette aus Zink und Kupfer nennt man nach ihrem Erfinder
Daniel Ische Kette. Der Kupfercylinder trägt einen kupfernen
Streifen (p) mit Klemmschraube (s), welche dazu dient, den an
den Zinkcylinder angelöteten Metallstreifen (m) des nächsten Be-
chers anzuschrauben. Solcherweise verbindet man eine beliebige
Zahl von Bechern miteinander.
Die Meidingersche Kette ist eine Zink -Kupferkette ohne Thon-
cylinder. Der Zinkcylinder taucht in eine Bittersalzlösung, der Kupfer-
— 78 -
cylinder in eine Kupfervitriollösung, beide Salzlösungen mischen sich zu-
folge ihres verschiedenen spez. Gewichtes nur wenig. Diese Kette ist zwar
nur schwach, aber von jahrelanger Wirksamkeit, da die Metallcylinder nur
unbedeutend angegriffen werden.
lliliMlJiiill
Fig. 35. Fig. 36.
Wendet man statt des Kupfers dichte Kohle an, so erhält
man die sog. Bunsensche Kette (1842 von Bunsen konstruiert.)
Jeder Becher besteht aus einem Glase (Fig. 36), in welchem ein
Zinkcylinder in verdünnte Schwefelsäure eintaucht; innerhalb
desselben steht ein Thoncylinder mit Salpetersäure, worin ein
Stück kompakte Kohle gesetzt ist. Mittelst Schrauben lassen sich
diese Becher durch Metalldraht verbinden , und zwar der Zink-
cylinder des einen Bechers mit der Kohle des nächstfolgenden.
Der vom Zink kommende Schliessungsdraht bildet den negativen,
der vom Kupfer resp. der Kohle kommende Draht den positiven Pol.
Der positiv elektrische Strom wandert also vom Kupfer zum
Zink, alsdann durch den Zwischenleiter wieder zum Kupfer; der
negative Strom beschreibt den entgegengesetzten Weg.
§ 70. Was ist die Volt asche Säule? Volta konstruierte (1800)
eine galvanische Kette in Säulenform, indem er Zink- und Kupfer-
platten aufeinander schichtete und nach jedem Plattenpaare eine
mit Kochsalzlösung getränkte Pappscheibe folgen liess. Es muss
streng dieselbe Ordnung beibehalten werden : Kupfer, Zink, Papp-
79 —
scheibe u. s. f. An dem einen Ende liegt
eine einfache Kupferplatte , am andern
eine einfache Zinkplatte, an denen die
beiden Schliessungsdrähte angelötet sind.
Hiernach ist die Säule wie folgt aufgebaut:
— E Zink
Pappscheibe
Kupfer
Zink
Pappscheibe
Kupfer
Zink
Pappscheibe
Kupfer
Zink
Pappscheibe
-f- E Kupfer.
Auch hier ist der yom Kupfer
kommende Draht der positive, der
vom Zink kommende der negative
Pol, da die + E von oben nach unten,
uie — E von unten nach oben die Säule
durchläuft.
§ 71. Welche "Wirkungen äussert der elek- £• •
trische Strom? Die Wirkungen des Stromes sind dreifacher Art:
a) Physiologische Wirkungen: Muskelzucken, welches
eintritt, sowie man mit angefeuchteten Fingern die beiden Pol-
enden anfasst ; beim Loslassen bemerkt man abermals ein Zucken.
Während des Yerlaufs wirkt der elektrische Strom auf die Nerven
nicht ein, sondern nur beim Schliessen und Öffnen der Kette.
b) Physikalische Wirkungen: Erzeugung von Licht und
Wärme. An den Polen einer kräftigen Batterie bemerkt man
beim Schliessen wie beim Öffnen einen Funken. Der Schliess-
ungsdraht erleidet eine um so höhere Erhitzung, je stärker der
Strom, je dünner der Draht und je schlechter leitend sein Metall
ist. Man kann ihn zum Glühen, sogar zum Schmelzen bringen.
Zwischen den auf einige Millimeter genäherten Polenden be-
merkt man einen Lichtbogen — elektrisches Licht, indem
die schlecht leitende Luft ins Glühen kommt. Die Farbe dieses
Lichtes hängt ab von der Natur der Polenden. Bewaffnet man
die Polenden mit Kohlenspitzen, so gelangen diese selbst in ein
höchst intensives Glühen — elektrisches Kohlen-Licht.
Zu seiner Erzeugung sind jedoch Batterien aus 80—100 Ele-
menten nötig.
— 80 -
c) Chemische Wirkungen: Zersetzung des Zwischen-
leiters. Das Wasser zerlegt sich in Wasserstoffgas, welches am
negativen Elemente (Kupfer) entwickelt wird, und Sauerstoff,
welches an das positive Element (Zink) tritt und dasselbe oxydiert.
Metalle werden aus ihren Salzlösungen metallisch ausgeschieden,
und zwar am negativen Pole. Aus den geschmolzenen Salzen
der Alkalien und alkalischen Erden kann man in dieser Weise
ebenfalls ihre Metalle gewinnen ; wenn aber Wasser zugegen ist,,
zerfallen sie in Säure und Metalloxyd.
Die chemische Zerlegung durch den elektrischen Strom nennt
man Elektrolyse, das vom Kupfer kommende (positive) Pol-
ende wurde von Farad ay als Anode, das vom Zink kommende
(negative) Polende als Kathode*) bezeichnet. Man versieht
beide mit Platinplättchen , welche von den bei der Elektrolyse
auftretenden Stoffen nicht angegriffen werden.
§ 72. Galvanoplastik. Man benutzt die elektrolytische Metall-
ausscheidung am negativen Pole (Kathode) zur Nachbildung von
Figuren. Bei langsamer Ausscheidung von Kupfer aus einer Kupfer-
vitriollösung entsteht nämlich eine dichte, zusammenhängende
Kupferschicht, welche genau die Form der Kathode besitzt, nur
im entgegengesetzten Sinne, da die erhabenen Teile der Kathode
vertieft, ihre vertieften Teile erhaben erscheinen. Diesen nega-
tiven Abdruck wendet man wieder als Kathode an und gewinnt
dann einen zweiten Abdruck, der den ursprünglichen Gegenstand
völlig getreu wiedergiebt. Metallische Körper, wie gestochene
Kupferplatten , lassen sich direkt als Kathode benutzen und mit
dem vom Zink kommenden Schliessungsdraht verbinden. Holz-
schnitte müssen zuvor durch Bepinseln mit Graphitpulver leitend
gemacht werden.
Wendet man statt der Kupferlösung eine Gold- oder Silber-
lösung an, so überzieht sich die Kathode mit einer dünnen Gold-
resp. Silberschicht — galvanische Vergoldung und Ver-
silberung. Vorzugsweise sind die Cyanverbindungen genannter
Edelmetalle**) dazu am tauglichsten, weil sie am leichtesten durch
den elektrischen Strom zersetzt werden. An der Kathode scheidet
sich das edle Metall, an der Anode Cyangas aus.
Versuche.
1. Aufbau einer Voltaschen Säule. Kreisrunde,! — 2 mm dicke
*) Anode von avooo? Aufgang, weil am -\- Pol Sauerstoffgas ent-
wickelt wird; Kathode von xaö-oöog Hinabgang, weil sich am — Pol die
Metalle ausscheiden.
**) Die Goldlösung gewinnt man aus 1 Teil Chlorgold, 6 Teilen
Ferro cyankalium und 200 Teilen Wasser; die Silberlösung aus Silber-
salpeter, dessen wässerige Lösung mit soviel Cyankalium versetzt wird,,
dass der entstehende weisse Niederschlag wieder aufgelöst ist.
- 81 —
Platten von Zink und Kupfer, in gleicher Grösse, putze man blank und
tränke ebenso viele und gleich grosse Scheiben dicken Pappdeckels mit
einer Kochsalzlösung. Auf eine Glastafel lege man zunächst eine Kupfer-
scheibe, woran ein Kupferdraht angelötet ist, darauf eine Pappscheibe
und schichte nun die übrigen Platten, stets in der Ordnung: Zink, Kupfer,
Pappe. Oben endige man mit einer Zinkscheibe, an der ein Kupferdraht
angelötet ist. — Man schliesst die Säule, indem man beide Pole mit an-
gefeuchteten Händen berührt. In demselben Momente bemerkt man ein
leichtes Zucken der Muskel; ebenso beim Öffnen der Säule.
Die Säule verliert nach einigen Stunden an "Wirksamkeit. Nach dem
Auseinandernehmen scheure man die Metallplatten mit Wasser und Sand blank.
2. Bau einer galvanischen Kette. Eine höchst einfache, wenn-
gleich stromschwache Kette stellt man aus 6 — 10 schmalen Streifen aus
Zink- und Kupferblech her, die man zu je zwei an einem Ende zusammen-
lötet und daselbst umbiegt. Ein Kupfer- und ein Zinkstreifen bleiben
getrennt, an jeden wird aber ein längerer Kupferdraht angelötet. Die
verbundenen Streifen setze man in genäherte Glas- oder Porzellannäpfchen
oder in Probiercylinder, die mit Kochsalzlösung gefüllt sind: die einzelnen
Streifen bilden den Anfang und das Ende. Ein jedes Gefäss muss einen
Zink- und einen Kupferstreifen erhalten; es ist aber darauf zu sehen, dass
dieselben im Gef ässe sich nicht berühren, — was durch zwischengeschobene
Korke verhütet werden kann.
3. Versuche mit dem galvanischen Strome. Mit einer
Voltaschen Säule (aus etwa 20 Plattenpaaren) oder mehreren Bun sen-
schen resp. Daniel! sehen Bechern, auch wohl mit der eben angegebenen
galvanischen Kette, lassen sich folgende Versuche anstellen:
a) Geschmacksempfindung. Den einen Draht lege man quer
über die Mitte der Zunge, den andern an die Zungenspitze; an letzterer
nimmt man dann einen beissenden Geschmack wahr, der säuerlich ist beim
negativen, brennend scharf beim positiven Poldraht.
b) Elektrolyse. Eine nicht zu enge Glasröhre biege man in der
Mitte knieförrnig um, fülle sie mit einer Glaubersalzlösung, die man durch
etwas Lackmustinktur (wässerigen Auszug von Lackmus) gefärbt hat, und
lasse zu beiden Seiten die mit Platin streifen (auch wohl Platindraht) be-
setzten Poldrähte eintauchen. Am -j- Poldraht färbt sich die Flüssigkeit
rot, am — Poldraht blau.
Lässt man die mit Platinstreifen versehenen Poldrähte in eine Kupfer-
vitriollösung eintauchen, so dass sie noch 1 — 2 cm von einander entfernt
stehen, so überzieht sich das Platin der Kathode mit einer dünnen Kupfer-
schicht, die man beim Herausnehmen aus der Lösung wahrnimmt. Ver-
tauscht man später die Platinstreifen, sodass das verkupferte Stück nun
mit dem positiven (vom Kupfer kommenden) Poldraht in Verbindung ge-
setzt wird, so verschwindet das niedergeschlagene Kupfer, und der andere
Platinstreifen überzieht sich damit.
c) Versilberung. Einen Messingknopf oder andern metallischen
Gegenstand verbinde man mit dem negativen Poldrahte und tauche ihn
in eine Lösung von Höllenstein unter, während man in einiger Entfernung
den andern Poldraht eintauchen lässt. Nach kurzer Zeit hat sich der
Knopf versilbert. Man kann statt dessen auch jeden andern Gegenstand
verwenden, wenn man ihn mit Graphitpulver bestäubt.
4. Galvanoplastik. Einen etwa 10 cm langen, dicken Zinkstreifen
löte man an einen dreimal längeren Kupferblechstreifen, biege letzteren
nahe der Lötstelle hakig gegen den Zinkstreifen und gegen sein anderes
Ende abermals rechtwinklig um. Alsdann verschliesse man einen Glas-
Schlickuin, Apothekerlehiling. Q
— 82 —
cylinder einerseits mit feuchter Blase und hänge ihn aufrecht in ein
grösseres, eine gesättigte Kupfervitriollösung enthaltendes Glasgefäss,
während man in den Cylinder sehr verdünnte Schwefelsäure (1 : 16) giesst.
Der Metallstreifen wird so über den Rand des Cylinders gehängt, dass
das Zink in die Säure, das Kupfer in die Vitriollösung eintaucht. Legt
man auf das umgebogene Ende des Kupferstreifens eine zuvor mit Ol ein-
geriebene und wieder abgetrocknete Münze, so überzieht sie sich in einigen
Tagen mit einem negativen Kupferabdruck. In die Vitriollösung sind
einige Kupfervitriolkrystalle zu legen, auch ist die Säure zu erneuern,
sobald sie nicht mehr auf das Zink wirkt.
Fragen.
1. Wo liegt der positive Pol einer galvanischen Batterie resp.
Volta sehen Säule aus Kupfer und Zink? — Antw. Im Schliessungsdraht,
der vom Kupfer kommt; im Zwischenleiter befindet er sich dagegen am Zink.
2. Weshalb verliert die Voltasche Säule nach einiger Zeit ihre
Wirksamkeit? — Antw. Weil durch das Gewicht der Metallplatten die
Pappscheiben trocken gepresst werden.
3. Was schliessen wir daraus, dass der Strom der elektrochemischen
Kette stärker ist als bei der einfach galvanischen, welche reines Wasser
als Zwischenleiter besitzt? — Antw. Dass der Galvanisnius nicht an der
Berührungsstelle der beiden Metalle, sondern an der Berührungsfläche der
Metalle mit dem Zwischenleiter entsteht und ein Produkt des daselbst
waltenden chemischen Prozesses ist.
19. Der Magnetismus.
§ 73. Was ist ein Magnet?*) Seit alten Zeiten kannte man ge-
wisse Eisenerze (Magneteisenstein, Magnetkies), welche die Fähig-
keit besitzen, Eisenstücke in geringer Entfernung anzuziehen.
Mit solchen natürlichen Magneten war man imstande, Stahl durch
Bestreichen künstlich magnetisch zu machen.
Der Magnet zeigt zwei Stellen, wo die Anziehungskraft am
stärksten waltet — man nennt sie seine Pole. Zwischen ihnen
giebt es eine Stelle ohne magnetische Kraft, den sog. Indifferenz-
punkt. Die Pole eines stabförmigen Magneten liegen an dessen
Enden, der Indifferenzpunkt in der Mitte. Ein freischwebender
Magnetstab nimmt eine konstante Richtung an: von Norden
nach Süden. Hiernach bezeichnet man seine Pole als Nord-
pol und Südpol. Ein eigentümliches Verhalten zeigen zwei
freischwebende Magnete zu einander; nähert man sie mit ihren
Nordpolen, so stossen sie sich ab, ebenso an ihren Südpolen;
dagegen zieht der Nordpol des einen Magneten den Südpol des
anderen an. Daraus resultiert das Gesetz:
Gleichnamige Pole stossen einander ab, ungleichnamige ziehen sich an.
Die Anziehungskraft eines Magneten beschränkt sich nicht
auf Eisen, sondern äussert sich auch, wenngleich schwächer,
*) XtO-o; [i.ayvr]?, der Magnetstein (natürlicher Magnet).
— 83 -
auf Kobalt und Nickel. Sie findet auch statt, wenn der Magnet vom
Eisen durch eine Zwischenwand, z. B. ein Blatt Papier, getrennt ist.
§ 74. Erdmagnetismus. Die konstante nordsüdliche Lage eines
frei aufgehängten Magneten , in welche er nach jeder Ablenkung
wieder zurückkehrt, lässt schliessen, dass die Erde selbst
magnetische Kraft besitze und als ein grosser Magnet
anzusehen sei, dessen Pole mit den geographischen Polen zu-
sammenstimmen. Zur Beobachtung des Erdmagnetismus bedient
man sich einer feinen, magnetisierten Stahlnadel, der sog. Mag-
netnadel, die, in ihrem Schwerpunkte unterstützt, frei schwebt.
Je nachdem man sie aufhängt, unterscheidet man:
a) Die Deklinationsnadel, eine wagerecht aufliegende
Magnetnadel, welche die Eichtung von Norden nach Süden be-
hauptet. Man nennt sie Deklinationsnadel, weil sie die Abweichung
(Deklination) der magnetischen Pole von den geographischen Polen
anzeigt. Beiderlei Pole fallen nämlich nicht zusammen. Der
magnetische Nordpol liegt im hohen Norden Amerikas (70° n.
Br., 97° w. L.); daher weicht bei uns die Magnetnadel westlich
ab. Der ^magnetische Südpol befindet sich im südöstlichen
Australien, mithin jenem Nordpole nicht diametral gegenüber.
Man gebraucht die Deklinationsnadel allgemein als Kompass.
b) Die Inklinationsnadel, eine im Schwerpunkt aufge-
hängte Magnetnadel, welche ausser der nordsüdlichen Richtung
noch die stärkere Einwirkung eines Erdpols durch ihre geneigte
Lage (Inklination) angiebt. Sie hängt nämlich nur im magnetischen
Äquator, d. i. gleich weit von den Polen entfernt, völlig wage-
recht; auf der nördlichen Halbkugel senkt sie dagegen ihr Nord-
ende, auf der südlichen ihr Südende herab, da der näher gelegene
Pol stärker auf sie einwirkt als der entferntere. Am magnetischen
Erdpole selbst hängt die Nadel senkrecht herab.
§ 75. Wie wird Eisen magnetisch? Man kennt zwei Mittel, ein
Stück Eisen magnetisch zu machen :
1. Durch Magnetisierung mittelst eines Magneten.
Der Stahl erlangt, wenn man ihn mit einem Magneten bestreicht,
selbst magnetische Kraft und hält diese mit Zähigkeit fest; Stab-
eisen besitzt diese Fälligkeit nicht, es bleibt nur so lange mag-
netisch, als es in Berührung mit dem Magneten sich befindet.
Man unterscheidet den einfachen und den doppelten
Strich; zu ersterem benutzt man einen geraden Magnetstab, mit
dessen einem Pole man die eine Hälfte des zu magnetisierenden
Stahles, mit dessen anderem Pol man die andere Hälfte desselben
bestreicht. Das Streichen muss stets in gleicher Weise geschehen :
Man setzt den Pol auf die Mitte des Stahles und fährt nach dessen
Ende zu; dies wiederholt man öfters.
6*
— 84 —
Der doppelte Strich geschieht mit einem Hufeisenmagnet,
d. i. einem hufeisenförmig gebogenen Magnetstabe; man setzt den-
selben auf die Mitte des Stahlstücks auf, fährt wiederholt über
dasselbe hin und her und hebt schliesslich in der Mitte ab.
Ein Hufeisenmagnet wird mit einem eisernen Anker ver-
sehen und mit Gewichten behängt. Durch allmählich verstärkte
Belastung (Armatur) erhöht man seine magnetische Kraft. Man
darf jedoch den Anker niemals abreissen , sondern schiebe ihn
seitlich ab. — Glühhitze hebt den Magnetismus dauernd auf.
2. Durch den elektrischen Strom. Wenn man den
elektrischen Strom spiralig um ein Stück Eisen führt, so wird
dasselbe magnetisch.
Ist der (behufs Isolierung) mit Seide umsponnene Leitungsdraht
einer galvanischen Kette in dicht genäherten Windungen um
ein hufeisenförmiges Stück Stabeisen gewunden, so wird letzteres
magnetisch , sobald man die Kette scbliesst , verliert seinen
Magnetismus aber wieder beim Öffnen der Kette. Eine solche
Vorrichtung wird ein Elektromagnet genannt. Würde man
statt Stabeisen Stahl verwenden, so behielte dieser den erzeugten
Magnetismus längere Zeit, auch nach dem Öffnen der Kette.
Diese Verhältnisse lassen uns jeden Magneten als einen Körper er-
scheinen, um dessen Teilchen nach ein und derselben Richtung elektrische
Ströme kreisen. Hieraus erklärt sich die magnetische Anziehung und Ab-
stossung als Folge der elektrischen Anziehung und Abstossung; auch
stimmt damit die Thatsache überein, dass ein elektrischer Strom eine in
seiner Nähe befindliche Magnetnadel aus ihrer nordsüdlichen Richtung
ablenkt. Auf dieser Ablenkung beruht das Galvanometer oder der
Multiplikator, ein Instrument, mittelst dessen selbst die kleinsten Mengen
galvanischer Elektrizität sich nachweisen lassen (Fig. 38 M). Für die Ab-
lenkung gilt die Amperesche Regel: Denkt man sich so in den -j- Strom
gelegt, dass er von den Füssen zum Kopfe geht und man der Magnetnadel
das Gesicht zuwendet, so wendet sich das Nordende derselben nach links ab.
§ 76. Elektrischer Telegraph. Die wesentlichen Punkte der elek-
trischen Telegraphie beruhen in Folgendem:
Zwei Stationen (A, B) stehen durch einen isolierten Eisen-
draht mit einander in leitender Verbindung, deren Endungen zur
Herstellung der Rückleitung in das feuchte Erdreich hinabgeführt
sind. Auf der Station A befindet sich eine konstante Batterie,
in B ein Elektromagnet in jene Drahtleitung eingeschaltet. Sobald
man nun in A die Kette geschlossen hat, wird in B der Elektro-
magnet magnetisch und zieht einen eisernen Anker an, der durch
einen passenden Mechanismus mit dem Zeiger eines Zifferblattes
oder mit einem Druckapparate in Verbindung steht. Wird in A
die Kette geöffnet, so verliert der Elektromagnet in B seine Kraft
und lässt den Anker fallen. Durch beliebig wiederholtes Öffnen
und Schliessen der Batterie in A wird mithin in B nach dem-
— 85 —
selben Tempo der Anker angezogen und gesenkt, welche Bewegung
sich auf den Zeiger oder den Druckapparat überträgt.
Die ältesten elektrischen Telegraphen waren Zeigertele-
graphen, deren Zeiger an einem Zifferblatte herumgeführt wurde,
an welchem die Buchstaben des Alphabetes, sowie die Zahlen von
1 — 10 verzeichnet standen. Jetzt bedient man sich vorzugsweise
des Morseschen Drucktelegraphen, welcher mit einem Stifte
auf einen sich abrollenden Papierstreifen Punkte und Striche, als
Symbole der Buchstaben, aufdruckt.
Zum Schliessen und Unterbrechen des Stromes dient der Morsesche
Schlüssel oder Taster, ein zweiarmiger Hebel aus Metall, welcher in
die elektrische Leitung eingeschaltet ist. Im ruhenden Zustande (Ruhe-
kontakt) berührt er mit seinem einen Ende einen Metallknopf und stellt
die Verbindung mit der Erdleitung her; drückt man aber auf das andere
Ende, so wird jene Verbindung gehoben, der Schlüssel berührt dann einen
zweiten Metallknopf (Arbeitskontakt) und stellt die Verbindung mit der
Batterie her d. h. öffnet den Strom, der sofort geschlossen wird, wenn
man den Schlüssel wieder in den Ruhekontakt versetzt.
Der galvanische Strom pflanzt sich, vermöge seiner geringeren
Spannung, viel weniger schnell fort, als die Reibungselektrizität;
er legt in der Sekunde 3700 Meilen zurück.
Eine andere passende Verwendung findet der Elektromagnet
beim Haustelegraphen (elektrische Klingel), dessen Anker an
eine Glocke schlägt, aber so eingerichtet ist, dass er in demselben
Momente die elektrische Leitung aufhebt und sich dadurch vom
Elektromagneten wieder entfernt. Es entsteht also ein einzelner
Glockenschlag, der sich aber stets wiederholt, so lange man mit-
telst eines Tasters den Strom geöffnet hält.
Zum Haustelegraphen erzeugt man den elektrischen Strom, der nur
schwach zu sein braucht, mittelst einer Meidinger sehen Kette. Dagegen
benutzt man zur Telegraphie eine Batterie aus Dan i eil sehen Ketten.
Das Telephon nach Bell besteht aus einem Magneten und einer sehr
dünnen, höchst elastischen Metallplatte. Man verbindet die Stationen,
deren jede ein solches Instrument besitzt, ähnlich dem Telegraphen mit
einem Leitungsdraht. Spricht man an der einen Station in das Telephon,
so gerät die Metallplatte desselben durch die Schallschwingungen in eine
zitternde Bewegung, welche die Intensität des nahen Magnetes beeinflusst;
da derselbe mit dem Telephon der anderen Station in leitender Verbindung
steht, so erteilt er dem Magnete desselben die gleichen Veränderungen,
welche dieser der ihm zugehörigen Platte mitteilt, worauf die letztere in
gleiche Schwingungen gerät, wie sie durch das Sprechen in der Platte der
ersten Station entstehen. Daher vernimmt das Ohr an der zweiten Station
dieselben Töne und Worte, welche die erste Station empfangen hat.
§ 77. Induktion. Umgiebt man eine Drahtspirale (Fig. 38 B)
mit einer zweiten Spirale (A) — beide durch Umspinnen mit
Seide isoliert und jede für sich geschlossen — und leitet durch die
innere Spirale (B) einen elektrischen Strom (aus der Kette E), so
entsteht in der äusseren Spirale (A) ein zweiter elektrischer, sog.
induzierter Strom, als Folge stattgefundener elektrischer Ver-
teilung. Der induzierte Strom besitzt eine dem Hauptstrom ent-
gegengesetzte Richtung und nur eine momentane Dauer,
da er lediglich beim Öffnen und Schliessen der Kette entsteht. Er
giebt sich durch die momentane Ablenkung der Magnetnadel eines
damit verbundenen Galvanometers (M) zu erkennen.
Fig. 38.
Da dem induzierten Strome vorzügliche physiologische Wir-
kungen auf Nerven- und Muskelsystem zukommen, hat man zu
diesem Zwecke sog. Induktionsapparate konstruiert. Die
Enden der äusseren Drahtspirale sind bei ihnen mit messingenen
Handhaben versehen, die man anfasst, um den Strom durch den
Körper zu leiten. Damit der induzierte Strom anhaltende Dauer
erlange, wird der Hauptstrom rasch hinter einander wiederholt
geöffnet und geschlossen, was man durch eine sinnreiche Vorricht-
ung (den Hammer) bewerkstelligt. Durch das wiederholte Öffnen
und Schliessen des Hauptstromes bilden sich nun rasch aufeinander-
folgende induzierte Ströme.
§ 78. Magneto-Elektrizität. Man kann auch durch Annäherung
und Entfernen eines kräftigen Magneten in einer geschlossenen
Drahtspirale einen induzierten elektrischen Strom erzeugen. Hie-
rauf gründet sich der magneto-elektriche Eotationsapparat,
in welchem eine Drahtspirale um ein hufeisenförmiges Stück weichen
- 87 —
Eisens gewunden ist, dem ein Hufeisenmagnet gegenübersteht.
Durch Umdrehen des letzteren wird das weiche Eisen abwechselnd
magnetisch und unmagnetisch , erzeugt daher in der Drahtspirale
rasch hintereinander induzierte Ströme,
Indem man die Umdrehung des Magneten durch eine Dampfmaschine
oder einen anderen Motor bewirkt, ist man imstande, einen recht kräftigen
elektrischen Strom hervorzurufen, wobei man die aufeinanderfolgenden,
entgegengesetzten Ströme durch einen sog. Stromwender in eine gleiche
Richtung bringt. Mittelst eines solchen magneto-elektrischen Stromes
kann man die Wagen einer elektrischen Eisenbahn in Bewegung
setzen; auch benutzt man ihn neuerdings zum elektrischen Lichte.
Von Eddison werden luftleere Glasglocken konstruiert, in denen eine Bast-
faser eingeschlossen ist. Leitet man den Strom durch letztere, so gerät
sie ins Glühen, ohne jedoch zu verbrennen (wegen des Luftmangels).
Versuche.
1. Magnetische Anziehung. Einen geraden Magnetstab lege
man in Eisenfeile; er bedeckt sich mit derselben und hält sie auch beim
Herausheben fest. Am dichtesten bedeckt er sich an den Enden (Polen),
wenig in der Mitte.
Man lege eine Stahlnadel auf ein Blatt Papier und fahre mit einem
Magneten unter demselben her: die Nadel folgt allen seinen Bewegungen.
2. Anziehung und Abstossung. Man hänge eine Magnetnadel,
die man sich leicht durch regelrechtes Bestreichen einer Stahlnadel mit
einem Magneten herstellen kann, frei auf und nähere ihr einen geraden
Magnetstab oder eine zweite Magnetnadel; es findet Anziehung der ungleich-
namigen, Abstossung der gleichnamigen Pole statt.
3. Inklinationsnadel. Eine Stricknadel hänge man genau in
ihrer Mitte (Schwerpunkt) an einem dünnen Zwirnfaden auf, sodass sie
wagerecht hängt. Magnetisiert man sie dann durch Bestreichen mit einem
Magneten, so nimmt sie nicht allein eine nordsüdliche Richtung an, sondern
neigt sich mit ihrem Nordende stark zur Erde.
4. Ablenkung durch den elektrischen Strom. Nähert man
eine Magnetnadel dem Leitungsdraht einer geschlossenen galvanischen Kette,
so erleidet sie eine Ablenkung. Läuft der -f- Strom von Nord nach Süd, und
über die Nadel hin, so wird ihr Nordende östlich abgelenkt; hält man
dann die Nadel über den Strom, so findet eine westliche Ablenkung statt.
Fragen.
1. Wie kann man eine Magnetnadel unabhängig vom Erdmagnetismus
machen? — Antw. Indem man unter oder über ihr eine zweite, ihr gleiche
Magnetnadel anbringt, jedoch mit entgegengesetzten Enden. (A statische
Nadel.) Daher ist das Nordende der unteren Nadel durch das über ihr
befindliche Südende der oberen Nadel gebunden und gehorcht nicht mehr
dem Erdmagnetismus.
2. Worauf beruht die stete Stromunterbrechung durch den Hammer
des Induktionsapparates? — Antw. Der Hammer ist der zum Elektro-
magneten gehörige Anker und zugleich in die Stromleitung eingeschaltet.
Bei auftretender Wirksamkeit des Stromes reisst der Elektromagnet den
Anker an sich und aus der Leitung heraus, sodass sich dadurch der Strom
selbst unterbricht. Alsdann aber hört die Wirksamkeit des Elektromagneten
wieder auf, der Anker fällt ab und tritt in die Stromleitung zurück. Hier-
durch beginnt der Strom wieder und das Spiel geht von neuem von statten.
II. Abteilung.
Chemie.*)
Die Chemie ist derjenige Teil der Naturlehre, welcher die Vorgänge der
Körperwelt behandelt, die mit einer stofflichen Veränderung verbunden sind.
1. Die chemischen Elemente,
§ 79. Was nennt man ein Element? Die Wissenschaft versteht
unter einem Elemente einen einfachen Körper, den sie nicht
weiter in verschiedenartige Bestandteile zerlegen kann. Die
Philosophen des Altertums nahmen vier Grundstoffe oder
Elemente an, aus denen alles auf der Erde zusammengesetzt sei,
und zwar rechneten sie hierzu: die Luft, das Wasser, die
Erde und das Feuer. Aber gerade von diesen Stoffen wissen
wir jetzt, dass sie keine Grundstoffe sind. Wir haben gelernt,
die Luft in zwei Gasarten zu scheiden, deren Gemenge sie ist,
und deren eine (das Sauerstoffgas) wir täglich zum Atmen ge-
brauchen ; wir haben das Wasser als die Verbindung zweier Gase,
des Wasserstoffs und Sauerstoffs, erkannt; die Erde als das
mannigfaltigste Gemenge der verschiedensten Materien, und end-
lich das Feuer als gar keinen Stoff, sondern nur als einen Zu-
stand , in den alle irdischen Körper geraten können , wenn sie
nämlich Licht und Wärme ausstrahlen.
Die chemischen Elemente sind einfache Körper, welche sich nicht
in verschiedene Bestandteile zerlegen lassen.
Von denjenigen Stoffen , welche wir jetzt als Elemente an-
sehen , geben sich vielleicht bei fortschreitender Naturforschung
manche als zusammengesetzt zu erkennen, wie bisher öfters der
Fall eingetreten , dass sich das , was man früher für einen ein-
fachen Körper gehalten , infolge verbesserter Untersuchungsme-
thoden als zusammengesetzt erwies.
§ 80. Zahl und Vorkommen der Elemente. Die Zahl der bis jetzt
bekannten Elemente beträgt 63. Ihr grösster Teil findet sich
*) Chemie von yiw giessen, flüssig machen, auflösen.
— 89 —
in der Natur nur spärlich und sehr zerstreut ; die kleinere Hälfte
dagegen ist allenthalben verbreitet. Während der Sauerstoff den
fünften Teil des Luftmeeres und dazu 8/9 alles Wassers ausmacht,
treffen wir die seit alters bekannten Metalle meist nur an ge-
wissen Orten , und über 30 Elemente als seltene Vorkommnisse.
In neuester Zeit haben wir vier Metalle (Rubidium, Cäsium,
Thallium, Indium) durch die Spektralanalyse entdeckt, da sie in
der Natur nur in kleinsten Mengen verteilt sind.
Mit dem häufigeren Vorkommen läuft die Zeit ihrer Bekannt-
schaft nicht parallel. Die Mehrzahl der Schwermetalle wurde be-
reits im Altertum benutzt, dagegen entdeckte man die allgemein
verbreiteten Elemente : Sauerstoff, Wasserstoff, Chlor, Kiesel, Ka-
lium , Natrium , Calcium , Aluminium u. a. m. erst in neuerer
Zeit, meist in diesem Jahrhundert.
§ 81. Wie teilt man gewöhnlich die Elemente ein? Die gewöhn-
liche Einteilung der chemischen Elemente scheidet sie in Metalle
undNichtmetalle (Metalloide). Wenngleich diese Unterscheidung
mehr auf ihrem physikalischen Charakter, als auf chemischen Unter-
schieden beruht, so hat man sie doch vieler Vorteile wegen bis-
her allgemein beibehalten« Wegen der unbestimmten Grenzen
beider Abteilungen zählt man häufig gewisse Metalle trotz ihres
metallischen Aussehens zu den Metalloiden, z. B. das Selen und
Tellur zur Seite des Schwefels, auch wohl das Arsen zur Seite
des Phosphors.
Der Gesamtcharakter der Metalle beruht auf folgenden phy-
sikalischen Eigenschaften: Undurchsichtigkeit, Metallglanz,
Schmelzbarkeit, Geschmeidigkeit, gute Leitungsfähig-
keit für Wärme und Elektrizität. Die Nichtmetalle besitzen
keinen solchen Gesamtcharakter, sind teils durchsichtige Gase,
teils spröde, feste Körper, teils Flüssigkeiten.
Die Metalle teilt man nach ihrem spez. Gewicht in Leicht-
und Schwermetalle ein, je nachdem das spez. Gewicht unter
oder über 5 ist. Bei den Schwermetallen unterscheidet man un-
edle und edle Metalle, je nachdem sie an der Luft ihren Glanz
verlieren oder behalten.
Jedes Element besitzt ein chemisches Zeichen, gemeinlich
die Anfangsbuchstaben seines lateinischen Namens. Im folgen-
den sind diese Zeichen den Elementen beigesetzt.
Aufzählung der chemischen Elemente.
A. Nichtmetalle {Metalloide).
1. Sauerstoff (Oxygenium) O
2. Wasserstoff (Hydrogen. ) H
3. Stickstoff (Nitrogenium) N
4. Schwefel (Sulfur) . . . S
5. Selen (Selenium) . . . . Se
6. Tellur (Tellurium) . . . . Te
90
7.
8.
9.
10.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
55.
56.
57.
58.
Phosphor (Phosphorus)
Chlor (Chlorum) . . . Cl
Brom (Bromum) . . . . Br
Jod (Jodurn) J
B. Metalle.
P 11. Fluor (Fluorum)
12. Bor (Borum) .
13. Kohle (Carho) .
14. Kiesel (Silicium)
a. Leichtmetalle {spez. Gew. unter 5,0).
Kalium K 23. Magnesium ....
Natrium Na 24. Aluminium ....
Lithium Li 25. Beryllium
Rubidium Rb 26. Yttrium
Cäsium Cs 27. Erbium
Baryum Ba | 28. Thorium
Strontium Sr 29. Zirconium
Calcium Ca |
b. Schwermetalle (spez. Gew. über 5,0).
a. Unedle Metalle.
Ce I 43. Indium
La I 44. Kupfer (Cuprum) . .
Di | 45. Wismut (Bismuthum)
U ! 46. Antimon (Stibium) .
Cer (Cerium) . . ,
Lanthan (Lanthanum)
Didym (Didymum)
Uran (Uranum) . .
Mangan (Manganum)
Eisen (Ferrum) . .
Kobalt (Cobaltum)
Nickel (Niccolum)
Zink (Zincum) . .
Kadmium (Cadmium
Zinn (Stannum)
Blei (Plumbum)
Thallium .....
Mn
Fe
Co
Ni
Zn
Cd
Sn
Pb
Tl
47. Arsen (Arsenium)
48. Titan (Titanum) . . .
49. Tantal (Tantalum) . .
50. Niob (Niobium) . . .
51. Wolfram (Wolframium)
52. Molybdän (Molybdaenium)
53. Vanadin (Vanadium) . .
54. Chrom (Chromium) .
Quecksilber (Hydrar
gyrum)
Silber (Argentum)
Gold (Aurum) . .
Platin (Platinum)
Edle Metalle.
59. Iridium . .
60. Rhodium .
61. Ruthenium
62. Palladium
63. Osmium
Hg
Ag
Au
Pt
F
B
C
Si
Mg
AI
Be
T
E
Th
Zr
In
Cu
Bi
Sb
As
Ti
Ta
Nb
W
Mo
V
Cr
Ir
Rh
Re
Pd
Os
Wie wurden die Elemente im Laufe der Zeit entdeckt?
Die Beantwortung dieser Frage begreift zugleich einen kurzen Abriss
der Geschichte der Chemie in sich.
Bereits im grauen Altertume kannte man eine Anzahl von Schwer-
metallen, teils solche, welche die Natur gediegen liefert, wie das Gold,
Silber, Quecksilber, teils solche, deren Reduktion man frühe lernte,
wie das Eisen, Kupfer, Zinn und Blei; von den Nichtmetallen war
der Schwefel und der Kohlenstoff bekannt.
Seit dem Untergange des römischen Reiches flüchtete die Natur-
wissenschaft zu, den Arabern. Der berühmte Geber, ein Mesopotamier,
lehrte im 8. Jahrh. zu Sevilla; er besass eine Menge empirischer Kennt-
nisse, z. B. der Alkalien und Säuren, und huldigte dem Glauben an eine
Umwandlung der unedlen Metalle in edle. Derselbe ward verhängnisvoll
für die sich nun ausbildende „Alchemie". Durch das ganze Mittelalter
suchte man die Goldmacherkunst, den Stein der Weisen, das Lebenselixier.
— 91 —
In diesem vergeblichen Bemühen war auch der kenntnisreiche Paracel aus
(im 16. Jahrhundert) befangen. Während dessen hatte man kennen gelernt:
Arsen, Wismut, Antimon und Zink.
Gegen Schluss des 17. Jahrhunderts zeigte endlich Boyle, dass die
Alchemie vom Pfade wahrer Naturwissenschaft ablenke, und wurde, nach
dem Wesen der Gase und Verbrennung forschend, der Begründer der
neueren Wissenschaft. In diese Zeit fiel die Entdeckung des Phosphors
durch den Alchymisten Brand (1670).
Im 18. Jahrhundert herrschte die Phlogistontheorie Stahls. Indem
dieser Gelehrte den Prozess der Verbrennung zu erklären suchte, nahm er
einen unwägbaren Stoff, das Phlogiston, an, welcher aus dem ver-
brennenden Körper entweichen sollte. In dieser Zeit wurden die Metalle
Kobalt, Nickel und Mangan, von Cavendish 1766 der Wasserstoff,
vom grossen schwedischen Chemiker Scheele das Chlor, der Stickstoff
und Sauerstoff, letzterer gleichzeitig auch von Priestley 1774 in England
entdeckt. Ihnen schlössen sich zu Ende des Jahrhunderts mehrere seltenere
Metalle an: Platin mit Iridium, Rhodium, Palladium und Osmium,
svwie Uran, Chrom, Molybdän, Wolfram, Titan, Tantal, Tellur,
an deren Entdeckung die Chemiker Elaproth, Wbllaston und Scheele
partizipieren.
Der wichtigste Zeitabschnitt in der Geschichte der Chemie fällt in
das Ende des 18. Jahrhunderts, als 1787 Lavoisier (zu Paris) durch eine
Reihe glänzender Versuche im Sauerstoff den Hauptfaktor bei der Ver-
brennung kennen lehrte und dadurch die Phlogistontheorie stürzte. Durch
seine Methode der Untersuchung brach sich der richtige Gebrauch der
Wage und damit die analytische Chemie Bahn.
Im Anfange des 19. Jahrhunderts führte der neuentdeckte Galvanismus
den berühmten Engländer Davy zur Isolierung von Kalium und Natrium
(1807), sowie des Bor. Zwei Jahre später (1809) wies er die elementare
Natur des Chlors nach, welches Scheele für oxydierte Salzsäure gehalten
hatte; zugleich wurde das Magnesium entdeckt. Courtois fand (1811)
das Jod, 15 Jahre später Baiard das Brom. Berzelius isolierte (1823)
das Silicium und entdeckte (1817) das Selen und Lithium.
Mit der künstlichen Darstellung des Harnstoffs durch Wähler (1828)
wurde die organische Chemie das Feld zahlreicher Entdeckungen, zumal
da Liehig die Elementaranalyse der organischen Körper zu einem hohen
Grade der Vervollkommnung brachte. Währenddessen gelang die Isolierung
des Calcium, Aluminium und Baryum.
Der neuesten Zeit endlich war es vorbehalten, mittelst der durch
Bunsen und Kirchhof eingeführten Spektralanalyse noch vier Metalle zu
entdecken: Caesium, Rubidium, Thallium und Indium, welche in
fib minimalen Mengen durch die Natur verbreitet sind, dass ihre Gegen-
wart sich bisher aller Wahrnehmung entzogen hatte und erst durch»
Spektrum erkannt wurde.
2. Atom und Äquivalent.
§ 82. Was ist ein Atom? Die Moleküle*) der Körper,
welche durch physikalische Kräfte unteilbar sind, lassen sich je-
*) molecula, kleine Masse.
— 92 -
doch durch chemische Vorgänge in Atome zerlegen. Atom*)
nennt man nämlich das kleinste Teilchen eines Ele-
mentes, welches in einem Molekül enthalten sein kann. Be-
zeichnen wir mit Molekül die kleinste Menge eines Körpers,
welche im Eaume frei für sich existieren kann, so sind die
Atome die Bestandteile der Moleküle. Die Moleküle der Elemente
werden demgemäss aus (zwei) gleichartigen Atomen bestehend an-
gesehen , z. B. ein Schwefelmolekül aus zwei Schwefelatomen,
ein Sauerstoffmolekül aus zwei Sauersoffatomen, ein Kohlemolekül
aus zwei Kohleatomen; die Moleküle der chemischen Yerbindungen
bestehen aber aus verschiedenartigen Atomen, z. B. ein Schwefel-
kohlenstoffmolekül aus Schwefelatomen und Kohleatomen, ein
Wassermolekül aus Wasserstoffatomen und Sauerstoffatomen.
Bei der chemischen Vereinigung zweier Elemente
verändern sich ihre Moleküle durch Umtausch der
Atome. Mischen wir Kohle mit Schwefel, so bleiben die Kohle-
moleküle und Schwefelmoleküle nach wie vor, jene aus Kohle-
atomen, diese aus Schwefelatomen zusammengesetzt; verbinden
sich aber beide Elemente zu Schwefelkohlenstoff, so lösen sich
ihre Moleküle auf und gruppieren ihre Atome zu Schwefelkohlen-
stoffmolekülen, indem ein Kohleatom (C) mit zwei Schwefel-
atomen (S) sich verbindet.
(CC) + 2 (SS) = (CS2) + (CS2).
In jedem chemischen Prozesse, sei es eine Vereinigung
oder Trennung, spalten sich demnach die Moleküle der betreffen-
den Körper in ihre Atome, welche sich dann anders gruppieren
und dadurch andere Körper erzeugen.
§ 83. Was nennt man Atomgewichte? Die Atome eines Ele-
mentes besitzen ein bestimmtes Gewicht, welches bei den ein-
zelnen Elementen verschieden ist. So wiegt ein Schwefelatom
das Doppelte eines Sauerstoffatoms. Am leichtesten ist das
Wasserstoffatom; man nimmt es deshalb als Einheit an, um
damit das Gewicht der übrigen Elementatome zu vergleichen.
Die resultierenden Zahlen nennt man Atomgewichte; selbst-
redend sind es keine absoluten, sondern relative Zahlen. Wenn
es z. B. heisst, das Atomgewicht des Sauerstoffs sei == 16, das-
jenige des Schwefels = 32, so bedeutet dies, dass das Sauerstoff-
atom 16 mal , das Schwefelatom 32 mal so viel wiegt als das
Wasserstoffatom, dessen Atomgewicht = 1 ist.
Wissen wir, aus wie viel Atomen ein Molekül zusammen-
gesetzt ist, so erhalten wir durch Addition der betreffenden Atom-
gewichte das Gewicht dieses Moleküls — sein Molekularge-
*) Atom von aTojj.0? (unteilbar).
- 93 —
wicht. Besteht das Chlorwasserstoffmolekül aus 1 Atom Chlor
(Cl) und 1 Atom Wasserstoff (H), so ist das Molekulargewicht
des Chlorwasserstoffs = 35,5 + 1 = 36,5, da das Atomgewicht
des Chlors = 35,5 ist. Besteht das Wassermolekül aus 2 Atomen
Wasserstoff (H) und 1 Atom Sauerstoff (0), so ist das Molekular-
gewicht des Wassers = 2 x 1 -f 16=1 8.
H = 1 2H = 2
Cl = 35,5 0 = 16
HCl = 36,5 H?0 = 18.
Die Atomgewichte gebraucht man bei jedweder chemischen
Operation, um die obwaltenden chemischen Gewichtsverhältnisse
zu berechnen. Man nennt diesen Teil der chemischen Wissen-
schaft die Stöchiometrie und legt ihr hohen Wert bei. Will
man eine Verbindung herstellen, so lehrt sie uns, wie viel von
jedem der Anteil nehmenden Stoffe zugegen sein muss, wie sie
uns auch von vornherein berechnen lässt, wieviel das Produkt
betragen wird. Bildet Chlor mit Wasserstoff H Cl, so wissen wir
aus der Stöchiometrie, dass H = 1, Cl = 35,5, also 1 Gewichtsteil
Wasserstoff sich mit 35,5 Gewicbtsteilen Chlor verbindet und
1 -j- 35,5 = 36,5 Gewichtsteile Chlorwasserstoff erzeugt.
§ 84. Was versteht man unter Äquivalent? Die Mengen, in denen
zwei Körper gleichen Wert besitzen, sind äquivalent (gleich-
wertig). Legt man Eisen in eine Kupferlösung, so scheiden 56
Teile Eisen , indem sie sich auflösen , 63,5 Teile Kupfer metal-
lisch aus. Das Eisen tritt an die Stelle des Kupfers und zwar
sind 56 Teile Eisen 63,5 Teilen Kupfer äquivalent,
Äquivalente Mengen sind solche, die sich- gegenseitig vertreten
können.
Geht man die Reihe der Elemente durch, wie sie sich gegen-
seitig in ihren Verbindungen vertreten, so nimmt man wahr, dass
bei vielen 1 Atom des einen 1 Atom eines anderen Elementes
äquivalent ist. 1 Atom Chlor ist äquivalent 1 Atom Jod, 1 Atom
Brom, 1 Atom Kalium, 1 Atom Wasserstoff u. a. Man nennt
daher das Chlor, Brom, Jod, Kalium, Wasserstoff einwertige,
Univalente Elemente.
Andererseits giebt es Elemente, von denen 1 Atom 2 Atomen
Wasserstoff, Chlor oder eines andern einwertigen Elementes
äquivalent ist; dahin gehört der Sauerstoff, Schwefel u. a. Man
nennt sie daher zweiwertige, bivalente Elemente.
1 Atom Stickstoff, Phosphor u. a. vermag drei Atome Wasser-
stoff zu vertreten, es sind dies daher dreiwertige, trivalente
Elemente; die Kohle, der Kiesel u. a. sind 4 Atomen Wasser-
stoff äquivalent, mithin vierwertige, quadrivalente Ele-
mente. Nicht selten kommt es vor, dass Elemente in zwei
94
verschiedenen Werten auftreten. So erhöht der Stickstoff, Phos-
phor u. a. ihre Dreiwertigkeit häufig zu Fünf Wertigkeit ; das Eisen
und Mangan ihre Zweiwertigkeit zu Yierwertigkeit.
Die Unterscheidung der Elemente nach ihrer Valenz gehört der Neu-
zeit an. Yor zwei Jahrzehnten noch bediente man sich der Äquivalent-
gewichte, statt der Atomgewichte. Damals waren die letzteren bei den
zwei- und vierwertigen Elementen nur halb so gross, also für Sauerstoff 8
(statt 16), für Schwefel 16 (statt 32), für Kohlenstoff 6 (statt 12).
Die Atomgewichte der wichtigsten Elemente.
A. Einwertige Elemente.
Kalium (K) 39
Natrium (Na) 23
Lithium (Li) 7
Silber (Ag) 108
Wasserstoff (H) . . . 1
Chlor (Cl) 35,5
Brom (Br) 80
Jod (J) 127
B. Zweiwertige Elemente.
Sauerstoff (0) .... 16
Schwefel (S) 32
Baryum (Ba) 137
Calcium (Ca) 40
Magnesium (Mg)
Zink (Zn) . .
Kupfer (Cu)
Quecksilber (Hg)
Kohle (C) 12
Kiesel (Si) 28
Zinn (Sn) 118
24
65
63,5
200
Zwei- und vierwertige Elemente.
Mangan (Mn) 55 I Blei (Pb) 207
Eisen (Fe) 56 |
C. Dreiwertige Elemente.
Wismut (Bi) .... 210 Bor (B) 10,6
Gold (Au) 196,5
Drei- und fünfwertige Elemente.
Stickstoff (N) 14 | Arsen (As) 75
Phosphor (P) 31 | Antimon (Sb) 122
. D. Vierwertige Elemente.
Platin (Pt) 197
Chrom (Cr) 52,5
Aluminium (AI) . . . 27,5
Die Molekulartheorie.
Die heutige Anschauung der Chemie gründet sich auf die sogen.
Molekulartheorie. Dieselbe stellt folgende Sätze auf:
1. Die im Räume frei existierenden kleinsten Teilchen — die Moleküle
— sind chemisch aus Element- Atomen zusammengesetzt.
Nicht allein die Moleküle der Verbindungen bestehen aus den Atomen
ihrer Bestandteile, sondern auch die Moleküle der freien Elemente bestehen
aus Atomen, jedoch aus gleichartigen Atomen. Beispiele:
1 Mol. Wasserstoff (HH) ' 1 Mol. Chlorwasserstoff (HCl)
1 ., Chlor (C1C1) 1 „ Wasser (H00)
1 „ Sauerstoff (OO) 1 „ Ammoniak (NH3)
— 95 -
2. Im Molekül halten sich die Atome in gegenseitiger Bindung.
In der Salzsäure bindet sich 1 einwertiges Chlornatron mit 1 ein-
wertigen Wasserstoffatome ; im Kalk bindet sich 1 zweiwertiges Sauerstoff -
atom mit 1 zweiwertigen Calciumatome :
Chlorwasserstoff H — Cl Kalk Ca — 0
Dagegen bindet im Wassermolekül 1 zweiwertiges Sauerstoffatom
2 einwertige Wasserstoffatome ; im Ammoniak bindet 1 dreiwertiges Stick-
stoffatom 3 einwertige Wasserstoffatome:
Hx H^
Wasser )0 Ammoniak H N
3. Die Moleküle besitzen im gasförmigen Zustande (bei gleichen Wärme-
und Druckverhältnissen) ein gleiches Volumen d. i. sie sind in Gasform
gleichgross.
1 Molekül Wasserstoffgas besitzt unter gleichen äusseren Verhältnissen
dieselbe Grösse wie 1 Molekül Wassergas, 1 Molekül Chlorwasserstoffgas
und 1 Molekül Ammoniakgas. Man kann diesem Satz auch folgende
Fassung geben:
1 / Wasserstoffgas enthält bei gleicher Temperatur und unter gleichem
Drucke ebenso viele Moleküle, wie 1 l Sauerstoffgas, 1 l Wassergas, 1 l
Chlorwasserstoffglas, 1 / Ammoniakgas.
Hieraus ergiebt sich, dass die Molekulargewichte des Sauerstoffs, Chlor-
wasserstoffs, Wassers, Ammoniaks sich zu dem des Wasserstoffs genau
ebenso verhalten, wie die spezifischen Gewichte der genannten Gase zu
dem des Wasserstoffgases. Nämlich:
Molekülformel Molekular-Gewicht spez. Gew.
Wasserstoffgas (HH) 2 0,069
Sauerstoffgas (0 0) 32 1,100
Chlorwasserstoffgas (HCl) 36,5 1,250
Wassergas (H20) 18 0,620
Ammoniakgas (H3N) 17 0,590
Nun verhalten sich aber die Zahlen 32 : 2 wie 1,100 : 0,069, 18 : 2
wie 0,620 : 0,069 u. s. f., sodass, wenn wir das spez. Gew. des Wasserstoffs,
statt desjenigen der atmosphärischen Luft, zur Einheit nehmen, die darauf-
hin umgerechneten spez. Gew. der Gase mit deren Molekulargewichten
geradezu übereinstimmen. Ein Gas ist um so viel schwerer als das Wasser-
stoffgas, als sein Molekulargewicht dasjenige des Wasserstoffs (HH = 2)
übertrifft.
4. Bei der Vereinigung zweier Elemente findet keine Verdichtung
statt, wenn beide gleichwertig sind; ist aber das eine Element mehrwertig
wie das andere, so tritt bei ihrer Verbindung Volumverminderung ein.
Dieser Satz wird vom Experiment bewahrheitet. Vereinigt sich
1 Molekül Chlor mit 1 Molekül Wasserstoff, so entstehen daraus 2 Mole-
küle Chlorwasserstoff, ohne Veränderung des Volumens;
(HH) -f (C1C1) = (HCl) + (HCl).
Verbindet sich aber 1 Molekül Sauerstoffgas mit 2 Molekülen Wasser-
stoffgas, so entstehen 2 Moleküle Wassergas:
(HH) + (HH) + (00) = (HaO) + (H20)
Hier resultieren aus der Vereinigung von 3 Molekülen elementarer
Stoffe nur 2 Moleküle der Verbindung; es findet mithin eine Volumver-
minderung (Verdichtung, Kondensation) und zwar von 3 : 2 statt.
5. Werden solche Verbindungen, welche mehr als 2 Atome enthalten,
in ihre Bestandteile zerlegt, so findet Volumvermehrung [Ausdehnung) statt.
Zerlegt man Wassergas (H20) in seine beiden Bestandteile: Wasser-
— 96 —
stoff- und Sauerstoffgas, so liefern je 2 Volumina Wassergas 3 Gasvolumina
(2 Volumina H und 1 Volumen 0) wobei also Ausdehnung von 2 : 3 eintritt.
Ammoniakgas (NH3) dehnt sich bei seiner Zerlegung in Stickstoff
und Wasserstoff aufs doppelte aus, indem 2 Volumina NH3 in 1 Volumen
Stickstoff- und 3 Volumina Wasserstoffgas zerfallen:
(NH3) + (NH3) = (NN) + (HH) + (HH) + (HH)
3, Die chemischen Verbindungen.
§ 85. Unterschied zwischen einer chemischen Verbindung und mecha-
nischen Mischung. Vereinigt man zwei verschiedene Körper mit
einander, so resultiert daraus entweder eine mechanische
Mischung-, oder eine chemische Verbindung. Mischt man
Schwefel mit Zucker, so erhält man ein Gemenge beider, verbrennt
man Schwefel im Sauerstoff der Luft, so entseht eine chemische Ver-
bindung, schwefligsaures Gas mit dem bekannten erstickenden Geruch.
Worin beruht der Unterschied?
In einem mechanischen Gemenge lassen sich die einzelnen
Bestandteile durch unsere Sinne oder andere einfache Mittel
äusserlich wahrnehmen. Obwohl eine feingepulverte Mischung aus
Schwefel und Zucker wie ein einheitlicher Körper aussieht, lässt
sie sich doch durch Wasser scheiden, welches den Zucker auflöst
und den Schwefel zurücklässt. Unser Geschmacksorgan findet
aus dem Gemenge den Zucker, unser Auge den Schwefel heraus.
Anders verhält es sich mit dem schwefligsauren Gase, das
wir durch Verbrennen des Schwefels an der Luft erhalten. Es
ist ein völlig veränderter Körper, in welchem wir weder den
Schwefel, noch den Sauerstoff wiederfinden. Bei der chemischen
Vereinigung von Schwefel mit Sauerstoff ist ein ganz neuer Kör-
per entstanden, ein farbloses, stechend riechendes Gas.
1. Eine chemische Verbindung unterscheidet sich von einer mecha-
nischen Mischung zunächst dadurch, dass ihre Bestandteile die frühe-
ren Eigenschaften eingebüsst haben und einen neuen Körper bilden.
Ein zweiter Unterschied liegt darin , dass mechanische Ge-
menge sich in allen Gewichtsverhältnissen anfertigen lassen, aber
chemische Verbindungen stets an gewisse, bestimmte Gewichts-
und Volumverhältnisse gebunden sind. Schwefel und Zucker
können wir in beliebigen Mengen mischen; verbrennen wir aber
Schwefel an der Luft, so vereinigt sich stets 1 Teil Schwefel
mit 1 Teil Sauerstoffgas zu zwei Teilen schwefligsaurem Gase.
War mehr Sauerstoff zugegen, so geht der Überschuss nicht mit
in die Verbindung ein; genügt die Sauerstoffmenge nicht, so
verbrennt der Schwefel nicht völlig.
2. Wenn sich zwei Elemente chemisch mit einander verbinden,
so geschieht dies in fest bestimmten Verhältnissen.
— 97 -
Den Grund hierzu finden wir in der Thatsache, dass die Ele-
mente sich nach Atomen verbinden. Beim Y erbrennen des
Schwefels an der Luft vereinigt sich je 1 Atom Schwefel mit 2 Atomen
Sauerstoff zu 1 Mol. schwefligsaurem Gase (S02). Der Schwefel
hat das Atomgewicht 32, der Sauerstoff 16, also vereinigen sich
stets 32 Gewichtsteile Schwefel mit 2 x 16 = 32 Teilen Sauerstoff,
d. i. es verbinden sich gleiche Gewichtsteile Schwefel und Sauer-
stoff zu schwefligsaurem Gase.
Es können sich zwei Elemente auch in mehr als in einem
Yerhältnisse vereinigen ; so bildet der Schwefel mit dem Sauer-
stoff nicht nur die schweflige Säure , sondern auch einen sauer-
stoffreicheren Körper, die Schwefelsäure. In letzterem verhält sich
die Menge des Schwefels zu der des Sauerstoffs wie 1 : 1,5.
Dal ton drückte dies durch folgendes Gesetz aus:
3. Verbinden sich zwei Elemente in mehr als in einem Verhält-
nisse, so stellen die Gewichtsmengen der höheren Verbindungen Mul-
tipla der niedrigsten dar. (Gesetz der multiplen Proportionen.)
Ein schönes Beispiel hierzu liefert der Stickstoff, welcher mit
dem Sauerstoff folgende fünf Yerbindungen eingeht:
28 Teile Stickstoff mit 1x16=16 Teilen Sauerstoff
,, „ ,, ,, ^Xlo = o2 ,, ,,
„ „ ,, ,, oxlo = 4o ,, ,,
,, ,, ,, ,, 4xlo — b4 ,, „
,, ,, ,, „ OXlb— ol) „ ,,
Da nun das Atomgewicht des Stickstoffs = 14, das des Sauer-
stoffs = 16 ist , so erhalten wir für obige Gewichtsverhältnisse
folgende Atomverhältnisse :
2 At. N (2x14 = 28 Teile) + 1 At. 0 (=16 Teile) zu N20
ri ii ii » ii ~H 2 ,, ,, (=32 „ ) „ JNoU2
ii ii ii ii n+3 „ „ (=48 „ ) „ N2O3
„ „ „ „ „ + 4 „ „ (=64 „ ) „ N204
ii ii ii ii „ + 5 „ „ (-=80 „ ) „ N205
§ 86. Wie unterscheidet man die Verbindungen? Nach ihrem
physikalischen Charakter sind die chemischen Yerbindungen sehr
von einander verschieden. Jedoch lassen sich aus ihrer grossen
Zahl einige Gruppen herausheben, ausgezeichnet durch gemeinsane
Eigenschaften sowohl physikalischer, wie chemischer Art. Dies sind :
1. Die Säuren. Eine Reihe von Yerbindungen saurer
Natur; sie zeigen in dem Masse, wie sie sich in Wasser zu lösen
vermögen , einen sauren Geschmack und mehr oder weniger
ätzende Wirkung auf die Haut. Sie vermögen verschiedene Earbe-
stoffe zu röten, vornehmlich das blaue Lackmus, die blauen
Yeilchenblumen, den Saft der Kreuzdornbeeren; Kochenilletinktur
färben sie gelbrot.
Schlickum, Apothekerlehrling. 7
— 98 —
Die Säuren besitzen sämtlich ein oder mehrere Atome Wasser-
stoff, weicher sich leicht durch Metalle umtauschen lässt, wodurch
Salze entstehen.
Säuren nennt man solche Wasserstoff-Verbindungen, welche durch
Aufnahme von Metall an Stelle des Wasserstoffs Salze bilden,
Bsp. Die Verbindung des Chlors mit dem Wasserstoff, HCl,
ist eine starke Säure, die sog. Salzsäure. Bringt man Zink
mit derselben zusammen , so treibt dieses Metall den Wasserstoff
gasförmig aus und erzeugt ein Salz, das Chlorzink.
2. Die Basen. Hierhin zählen Yerbindungen der Metalle
mit Sauerstoff oder Schwefel. Sie zeichnen sich durch einen
laugenhaften Geschmack aus, sofern sie sich in Wasser auf-
zulösen vermögen, und machen dann die Haut schlüpfrig (ähnlich
der Seife). Auf Farbstoffe wirken sie gerade den Säuren entgegen-
gesetzt, stellen das von letzteren gerötete Lackmusblau
wieder her, färben die Yeilchenblumen und den Saft der Kreuz-
dornbeeren grün, den gelben Farbstoff der Kurkuma braun,
Kochenilletinktur violett und Phenolphtaleinlösung intensiv rot.
Mit den Säuren erzeugen die Basen Salze, indem sie zugleich
Wasser oder Schwefelwasserstoff (aus dem Wasserstoff der Säure
und dem Sauerstoff resp. Schwefel der Base) bilden.
Basen nennt man Metallverbindungen des Sauerstoffs resp.
Schtvefels , welche mit den Säuren Salze zu bilden vermögen, unter
Abscheidung von Wasser resp. Schwefelwasserstoff.
Zu den stärksten Basen zählt das Kaliumoxyd (K20) und
Schwefelkalium (K2S), welche mit der Salzsäure (HCl) ein Salz
das Chlorkalium (KCl) bilden, nebenbei Wasser resp. Schwefelwasser-
stoff erzeugend aus dem Wasserstoff der Salzsäure und dem Sauer-
stoff resp. Schwefel der Base. Basischen Charakter und die Fähig-
keit, mit Säuren Salze zu bilden, besitzt auch das Ammoniak (NH3).
3. Die Salze. Sie entstehen durch »Sättigung« einer Säure
mit einer Base d. i. durch Aufnahme von Metallatomen an Stelle
des Wasserstoffs der Säuren.
Die Salze bilden sich aus den Säuren durch Vertauschung ihres
Wasserstoffs mit einem Metalle.
Die in Wasser löslichen Salze zeichnen sich durch Krystalli-
sierbarkeit und einen Salzgeschmack aus; die grosse Zahl der
unlöslichen Salze entbehrt dieselben. Gegen Pflanz enfarben ver-
halten sich die meisten Salze indifferent, d. i. sie besitzen neu-
trale Reaktion. Ausnahmen hiervon bilden die Salze, welche
aus schwachen Säuren, z. B. der Kohlensäure, mit sehr kräftigen
Basen, z. B. von Kalium und Natrium, hervorgehen; diese Salze
verhalten sich gegen Pflanzenfarben wie Basen, d. i. sie bläuen
das gerötete Lackmus , röten Phenolphtalei'n u. s. f. Umgekehrt
reagieren die Salze aus starken Säuren , wie die Schwefelsäure,
und schwachen Basen , wie die Oxyde der Schwermetalle , sauer.
— 99 -
Verbindungen , welche weder zu den Säuren , noch zu den
Basen und Salzen gehören, sind indifferente Körper.
Versuche.
1. Man wäge genau 4 g Quecksilber und 5 g Jod ab und verreibe sie
in einem Porzellanmörser, unter Befeuchten mit einigen Tropfen Weingeist,
kräftig zusammen: es entsteht ein karminrotes Pulver, das rote Jod-
quecksilber. Fügt man zu demselben nochmals 4 q Quecksilber und fährt
mit dem Verreiben fort, so verwandelt sich das rote Pulver in ein grün-
lichgelbes, in das gelbe Jodquecksilber.
Das rote Jodquecksilber enthält 4 Teile Quecksilber auf 5 Teile Jod,
das gelbe Jodquecksilber enthält 8 Teile Quecksilber, also die doppelte
Menge, auf das gleiche Quantum Jod.
2. Man wäge 15 g offizinelle reine (30prozentige) Salpetersäure in
ein Becherglas; ein Streifen blaues Lackmuspapier wird beim Eintauchen
stark gerötet ; Kurkumapapier aber bleibt dabei unverändert. Ihr Geschmack
ist scharf sauer.
Andrerseits wäge man 2 g weissen, gebrannten Kalk, der durchs
Lagern noch nicht mürbe geworden, sondern noch steinhart ist, bringe ihn
in ein Porzellanschälchen und tröpfele 16 — 20 Tropfen Wasser darauf; in
kurzer Zeit beginnt der Kalk zu rauchen und zerfällt unter Zischen zu
einem lockeren, weissen Pulver. Man füge nun noch soviel Wasser hinzu,
dass ein dünner Brei entsteht: taucht man einen Streifen rotes Lackmus-
papier hinein, so bläut sich derselbe stark; Kurkumapapier färbt sich
braun. Sein Geschmack ist scharf laugenhaft.
Alsdann giebt man die abgewogene Säure portionenweise zu dem Kalk-
brei, wodurch eine allmähliche Auflösung des gelöschten Kalkes unter
starker Erwärmung erfolgt. Ist die Säure bis auf 2 — 3 g eingetragen,
so tauche man nach jedem Zusätze rotes Lackmuspapier ein, um dessen
Bläuung zu konstatieren. Wenn die Flüssigkeit klar geworden und das
rote Lackmuspapier nicht mehr gebläut wird, tauche man blaues Lackmus-
papier ein, welches nun auch unverändert bleiben muss. War der Kalk
ganz rein, so wird das abgewogene Quantum der Salpetersäure zur Sättigung
verbraucht werden.
Die resultierende Flüssigkeit schmeckt stark salzig. Dampft man sie
zur Trockne, so hinterlässt sie ein weisses Salz — salpetersauren
Kalk — , dessen Gewicht gegen 6 g beträgt.
4, Die Konstitution der chemischen Verbindungen,
§ 87. Verbindungsgesetz. Im allgemeinen lässt sich der Satz
aufstellen, dass sich die Elemente nach ihrer Yalenz mitein-
ander vereinigen. Im Molekül müssen die verschiedenen Atome
sich in gegenseitiger Bindung halten ; nur wenige chemische Ver-
bindungen existieren, die hiervon eine Ausnahme machen und
ungesättigte Verbindungen darstellen, z. B. das Kohlenoxydgas (CO).
1. Gleichwertige Elemente vereinigen sich zu je 1 Atom.
Bsp.: Chlorwasserstoff (HCl); Jodkalium (KJ); Kalk (CaO).
2. Ungleichwertige Elemente vereinigen sich im umgehehrten Ver-
hältnisse ihrer Valenz.
— 100 —
1 zweiwertiges Atom verbindet sich mit 2 einwertigen Atomen.
1 dreiwertiges „ „ „ „ 3 „ „
1 vierwertiges „ „ „ „ 4 „ „
Bsp.: Wasser (H20); Ammoniak (NH3); Kohlenwasserstoffgas (CH4)
2 dreiwertige Atome verbinden sich mit 3 zweiwertigen Atomen.
1 vierwertiges Atom verbindet sich mit 2 ,, „
Bsp.: Thonerde (A1203); Kohlensäure (C02). Arsenik (As203);
Schwefelkohlenstoff (CS2).
Charakteristik der Verbindungen nach ihren Bestandteilen,
§ 88. Die Verbindungen der Salzbildner. Zu den Salzbildnern
zählen folgende einwertige .Nichtmetalle : Chlor, Brom, Jod,
und Fluor. Sie zeichnen sich durch die beiden Eigenschaften aus:
1. Die Sahbildner vereinigen sich mit den Metallen zu Sahen
(sog. Haloidsalzen).
Im allgemeinen bezeichnet man die Verbindungen des Chlors
als Chloride, die des Broms als Bromide, die des Jods als
Jodide, die des Fluors als Fluoride. Metalle mit doppelter
Valenz bilden zwei Reihen von Haloidsalzen ; die an Chlor, Brom,
Jod, Fluor ärmeren Verbindungen werden dann als Chlorüre,
Bromüre, Jodüre, Fluorüre unterschieden.
Bsp.: Kaliumchlorid KCl Kaliumjodid KJ
Calciumchlorid CaCl2 Calciumüuorid CaF2
Eisenchlorür FeCl2 Zinnchlorür SnCl2
Eisen chlorid Fe2Cl6*) Zinnchlorid SnCl4
Quecksilberchlorür Hg2Cl2**) Quecksilber) odür Hg2J2
Quecksilberchlorid HgCl0 Quecksilber Jodid HgJ0
Goldchlorid AuCl3 Platinchlorid PtCl4
In den Haloidsalzen enthält jedes Molekül soviel Atome des
Salzbildners, als das Metallatom "Werte besitzt.
2. Die Salzbildner vereinigen sich mit dem Wasserstoff zu (gas-
förmigen) Säuren.
Chlorwasserstoffsäure (Salzsäuregas) HCl
Bromwasserstoffsäure HBr
Jodwasserstoffsäure HJ
Fluorwasserstoffsäure (Flusssäure) HF
§ 89. Die Verbindungen des Sauerstoffs. Der Sauerstoff bildet
mit den übrigen Elementen Oxyde. Dieselben sind nach der
Valenz zusammengesetzt, indem das zweiwertige Sauerstoff-
atom 2 einwertige resp. 1 zweiwertiges Element-Atom zu binden
vermag. Mehrwertige Elemente beanspruchen mehr als 1 Sauer-
stoffatom , und zwar vermag der Sauerstoff mit ein - und zwei-
**) Hg — Cl
Hg- Cl
— 101 —
wertigen Elementen, z. B. mit Chlor, Schwefel u. a., sich in mehr-
fachen Verhältnissen zu verbinden, wobei man eine gegenseitige
Bindung von Sauerstoffatomen, vielleicht auch eine Erhöhung der
Yalenz des anderen Elementes annehmen muss.
Es können nun folgende Fälle eintreten :
1. Der Sauerstoff ist nur mit 1 Elemente verbun-
den — die Verbindung ist ein Oxyd.
Bsp.: Wasserstoffoxyd (Wasser) H20*)
Kaliumoxyd (Kali) K20
Natriumoxyd (Natron) Na20
Calciumoxyd (Kalk) CaÖ
Zinkoxyd ZnO
Aluminiurnoxyd (Thonerde) A1.,03**)
Platinoxyd PtÖ2
Im Falle das mit dem Sauerstoff verbundene Element mehrere
Werte hat und mithin mehrere Oxyde bildet, nennt man das sauerstoff-
ärmere derselben 0 xy dul, das sauerstoffreichere Oxyd. Besitzt das
betreffende Element ausserdem eine ungesättigte Sauerstoffverbin-
dung , so heisst dieselbe S u b o x y d ; übersättigte Verbindungen
heissen Superoxyde. Suboxyde und Superoxyde besitzen keine
basischen resp. sauren Eigenschaften. Ausserdem bezeichnet man
mehrfache Oxyde auch wohl mit der vorgesetzten Silbe prot-, di-
(deut-), tri-, tetr-, pent-, je nach der Zahl der Sauerstoffatome.
Bsp.
Eisenoxydul
FeO
Schwefeldioxyd
so,t)
Eisenoxyd
Fe,03
Schwefeltrioxyd
so3tt)
Quecksilberoxydul
Hg9Ö***)
Pbospbortrioxyd
P2Q3
Quecksilberoxyd
HgÖ
Phospborpentoxyd
p2o5
Zinnoxydul
SnO
Stickstofftrioxyd
N203
Zinnoxyd
Sn09
Stickstoffpentoxyd
N205
Bleisuboxyd
Pb,Ö
Manganoxydul
MnO
Bleioxyd
PbO
Manganoxyd
Mn203
Bleisuperoxyd
PbO,
Mangansuperoxyd
Mn<%
2. Der Sauerstoff ist teilweise mit Wasserstoff, teil-
weise mit einem anderen Element verbunden — die Ver-
bindung ist bald eine Säure, bald eine B a s e , je nachdem das dritte
Element einen elektronegativen (nichtmetallischen), oder einen elektro-
positiven (metallischen) Charakter besitzt. Die hierhin gehörigen Körper
lassen sich mithin als HO- Verbindungen, d. i. als Hydroxyde
eines nichtmetallischen oder eines metallischen Elementes ansehen.
1. Die Sauerstoffsäuren sind Verbindungen des Sauerstoffs mit
Wasserstoff und einem elektronegativen (nichtmetallischen) Elemente.
Bildet ein Element mehrere Säuren, so nennt man die sauer-
stoffärmere — ige oder Unter — säure, unter Umständen unter-
— ige Säure, sehr sauerstoffreiche Säuren Über — Säuren.
*) EL n **) A1=0 ***) Hg t) 0 ft) 0\
AL=0 Hg^ 0 ~ U/
102
Unterchlorige Säure HCIO
Chlorige Säure
Chlorsäure
Überchlorsäure *)
HC102 =
HCIO, =
HCIO, =
Schweflige Säure H2S03 =
Schwefelsäure
Phosphorige Säure
Phosphorsäure **)
H,S04
H3PO3
H3P04 =
H \o
Cl / u
CIO/ u
cioj u
C103} °
SO /Ü2
SO, / Ui
P f U3
PO / U3
Je nach dem Gehalte an Wasserstoffatomen bezeichnet man die
Säure als ein-, zwei-, dreibasisch; so sind die Säuren des
Chlors einbasisch, die des Schwefels zweibasisch, die des Phosphors
dreibasisch. Die Säuren sind als die Verbindungen von 1, 2 oder
3 HO mit einem Nichtmetalle oder einer negativen Atomgruppe,
d. i. als Hydro xy de derselben zu betrachten.
2. Die Sauer sto ff b äsen sind Verbindungen des Sauerstoffs mit
Wasserstoff und einem eleJctropositiven (metallischen) Elemente.
Man betrachtete früher diese Metallhydroxyde als Oxyd-
hydrate, d. i. Verbindungen der Metalloxyde mit "Wasser, wie
man auch die Säuren für Hydrate der Mchtmetalloxycle ansah, z. B.
die Schwefelsäure (H2S04) für das Hydrat des Schwefeltrioxyds
(der sog. wasserfreien Schwefelsäure) mit der Formel (S03 + H20).
So nannte man das Calciumhydroxyd (Ca2H0) in gleicher Weise
Kalkhydrat und gab ihm die Formel (CaO-f-H20).
Solche Formeln widerstreiten aber den Anschauungen der
Molekulartheorie , welche zwischen den einzelnen Atomen des
Moleküls eine gleichmässige Bindung, jedoch keine Scheidung in
,,nähereu Bestandteile zulässt.
Kaliumhydroxyd (Kalihydrat) KHO
Ca2H0 =
Calciumhydroxyd (Kalkhydrat)
Aluminiumhydroxyd (Thonerdehydrat) ***) Al26HO
% } o=
*) H
>0
Cl' _
Unterchlorige S.
**) H Q
(s-O)Gd
H>u
Schweflige S.
H- u
Kalmmhy dr oxy d
(Cl— 0)>u (Cl— 0— 0)^u
Chlorige S. Chlorsäure
H— 0\
H— 0— P
H— Of
Phosphorige S
H0N
H
(S-
Schwefelsäure
H
Ca
H
>0
>0
Al,\
H6/
H^-o
(Cl— 0— 0— 0)<u
Üherchlorsäure
H— 0.
H— 0-P = 0
H— 0 '
Phosphorsäure
/HO
Calciumhydroxyd
HO— AI— AI— HO
HO' XH0
Aluminiumh y droxyd
— 103 —
Man findet meist die Formel der Hydroxyde, indem man dem
Metallatom so viele HO beigiebt, als es Werte besitzt. Sie tragen
alle einen basischen Charakter.
3. Die Sauerstoffsalze sind Verbindungen des Sauerstoffs mit
zwei Elementen, einem, nichtmetallischen und einem metallischen, ent-
standen durch Eintritt eines Metalles an die Stelle des Wasserstoffs
in einer Sauerstoffsäure.
Wird eine Sauerstoffsäure mit dem Oxyd oder Hydroxyd
eines Metalles versetzt, so nimmt sie dessen Metallatom an Stelle
ihres Wasserstoffs an ; letzterer vereinigt sich dabei mit dem Sauer-
stoff des Metalloxyds zu Wasser.
HNO3 + KHO = KN03 + H20
Salpetersäure Kaliumhydroxyd Kaliumnitrat Wasser
EL^SO^ H- ZnO = ZnS04 -f- H20
Schwefelsäure Zinkoxyd Zinksulfat Wasser
Früher betrachtete man die Sauerstoffsalze als bestehend aus
Säure und Base; man gab ihren Formeln einen dualistischen
Ausdruck und drückte die Trennung in zwei Bestandteile auch
im Namen aus. So bezeichnete man das aus dem Zinkoxyd und
der Schwefelsäure entstandene Satz als „schwefelsaures Zinkoxyd"
mit der Formel: (ZnO + S03). Hierbei lag die Anschauung zu
Grunde, dass das Schwefeltrioxyd (S03) eine Säure sei. Yon dieser
Betrachtungsweise ist die neuere Chemie abgekommen, und es gilt
für die Salze das Nämliche, was oben über die Hydroxyde gesagt
wurde. Demgemäss bezeichnet man neuerdings die Salze
der Salpetersäure (HN03) als Nitrate
„ salpetrigen Säure (HN02) ,, Nitrite
„ Chlorsäure (HC103) „ Chlorate
,, chlorigen Säure (HC102) „ Chlorite
„ unterchlorigen Säure (HC10) „ Hypochlorite
„ Schwefelsäure (H2S04) „ Sulfate
,, schwefligen Säure (H2S03) „ Sulfite
„ Kohlensäure (H2C03) „ Karbonate
„ Phosphorsäure (H3P04) „ Phosphate.
Man findet die Formel der Salze leicht, wenn man in die Formel
der Säure das Metall einsetzt für H. Bei einwertigen Metallen treten
so viele Metallatome ein, als H- Atome in der Säure sind:
Kaliumnitrat (salpetersaures Kali) KN03
Kaliumsulfat (schwefelsaures Kali) K2SO4
Kaliumphosphat (phosphorsaures Kali) K3P04
Bei mehrwertigen Metallen und einbasischen Säuren verlangt
das Metallatom so viel Säuremoleküle, als es Werte besitzt, z. B.
104
Calciurnnitrat (salpetersaurer Kalk) Ca2N03
Calciumsulfat (schwefelsaurer Kalk) CaS04
Calciurnphosphat (phosphorsaurer Kalk) Ca32P04
Wismutnitrat (salpetersaures Wismutoxyd) Bi3N03
Wismutsulfat (schwefelsaures Wismutoxyd) Bi23S04
Wismutphosphat (phosphorsaures Wismutoxyd) BiP04
Zwei- und dreibasische Säuren vermögen mehrere Salze zu
bilden, je nachdem sie ihre Wasserstoffatome ganz oder nur teil-
weise durch Metallatome ersetzen. Bei vollständiger Substitution
entstehen die neutralen oder normalen Salze, wie sie zuvor
betrachtet wurden. Bei teilweiser Substitution entstehen saure
Salze, welche mithin noch vertretbaren Wasserstoff enthalten und
sich durch sauren Geschmack und saure Beaktion auf Pflanzen-
farben von den neutralen Salzen unterscheiden. Findet eine Säure
so viel Base vor, dass sie mit ihr ein neutrales Salz bilden kann,
so spricht man von einer Sättigung (Saturation) der Säure. Bei
der Bildung saurer Salze findet demnach keine völlige Sättigung statt
Man bezeichnet sie durch Yorsetzung der Silbe bi— resp. tri — :
Kaliumsulfat
Kaliumbisulfat
Natriumphosphat
Natriumsesquiphosphat n 2/P04 (anderthalb-
Natriumtriphosphat
K2S04 (neutrales schwefelsaures Kali)
tt / S04 (saures schwefelsaures Kali)
NaaPO,! (neutrales
phosphorsaures
Natron)
Na\po
H2 /^
(dreifach-
[
Mehrwertige Metallhydroxyde vermögen auch , neben voll-
ständiger Sättigung mit einer Säure, nur teilweise sich mit Säure
zu sättigen, teilweise im Zustande des Hydroxyds d. i. verbunden
mit HO, zu bleiben. Es entstehen dann sog. basische Salze,
die man durch die Yorsilbe sub — bezeichnet.
Wismutnitrat Bi3N03 (neutrales ")
\N03
Wismutsubnitrat Bi > n-nf) (basisches (
salpetersaures Wismutoxyd).
§ 90. Die Verbindungen des Schwefels. Der Schwefel ist, gleich
dem Sauerstoff, ein zweiwertiges Element, welches mit den
übrigen Elementen sich zu Sulfiden verbindet, deren Zusammen-
setzung den Oxyden entspricht. Folgende Gegenüberstellung diene
zur Erläuterung:
Oxyde Sulfide
H.,0 Schwefelwasserstoff
Kaliumsulfid
Wasser
Kaliumoxyd
K?0
Calciumoxyd (Kalk) CaO
Kohlendioxyd C02
Calcium sulfid
Kohlensulfid
H2S
K2S
CaS
CS,
— 105 —
Die Elemente mit wechselnder Valenz bilden mehrere Sulfide,
deren schwefelärmere als — ige Sulfide oder Sulfüre unter-
schieden werden, z. B.
Antimoniges Sulfid . . . Sb2S3 Antimonsulfid . . . Sb2S5
( Antimo nsulfür)
Arseniges Sulfid .... As2S3 Arsensulfid .... As2S5
(Arsensulfür)
Zinnsulfür SnS Zinnsulfid .... SnS2
Den Hydroxyden (Oxydhydraten) entsprechen die Hydro-
sulfide (Sulfhydrate), welche basischen Charakter tragen und
Sulfobasen darstellen; z. B.
Kaliumhydrosulfid K ( q Natriumhydrosulfid Na I „
(Kaliumsulfhydrat) | '" (Natriumsulfhydrat) H )
Den Sauerstoffsalzen entsprechen die Sulfosalze, Yer-
bindungen basischer mit sauren Sulfiden, in denen der Schwefel
teilweise mit einem positiven Metalle, teilweise mit einem Nicht-
metalle oder negativen Metalle verbunden ist; z. B.
Sauerstoffsalze Sulfosalze
Kaliumkarbonat K2C03 Kaliumsulfokarbonat KCS3
(kohlensaures Kali) (kohlenschwefliges Schwefelkalium)
Kaliumarsenit K3As03 Kalium sulfarsenit K3AsS3
(arsenigsaures Kali) (arsenigschwefliges Schwefelkalium).
§ 91. Verbindungen des Stickstoffs. Der Stickstoff bildet mit
dem Wasserstoff verbunden das Ammoniak (NH3), ein Gas mit
stechendem Geruch, stark basischen Eigenschaften und dem Ver-
mögen , Säuren zu sättigen und mit ihnen krystallisierbare Salze
zu erzeugen. Es löst sich reichlich in Wasser auf (Salmiakgeist).
Die Sättigung der Säuren durch das Ammoniak vergleicht sich
aber nicht mit der Sättigung der Säuren durch Metalloxyde; sie
besteht nämlich nicht im Austausch des Wasserstoffs der Säure
durch ein Metall, sondern in der Addition der Säure zum Am-
moniak, indem das Wasserstoffatom der Säure zu den 3 Atomen H
des Ammoniaks hinzutritt, damit ein einwertiges Radikal, das sog.
Ammonium (NH4) bildet, dessen Bestehen aber ein hypothe-
tisches ist. Somit entsteht aus dem Ammoniak und einer Säure
das betreffende Salz des Ammoniums. Dieses letztere spielt mit-
hin die Rolle eines Metalles.
Das Ammoniak verbindet sich mit den Säuren zu Ammonium-
salzen, in denen das Radikal (NH^) angenommen wird.
1. Ammoniak -f- Chlorwasserstoff = Chlorammonium
NH3 + HCl (NH4)C1
— 106 —
2. Ammoniak -f- Salpetersäure = Ammoniunmitrat
NH3 + HN03 = (NH4)N03
Mit Wasser bildet das Ammoniak Ammoniumoxydhydrat, mit
Schwefelwasserstoff Ammoniumsulfhvdrat ; nämlich :
NH3 + H20 = NH4 \ n NH3 + K>S = NH4 \ Q
H /U H /b
Das Ammonium ist kein für sich bestehender Körper,
sondern ein einwertiger Atomenkomplex, der die Solle eines metal-
lischen Elementes spielt und daher ein zusammengesetztes
Eadikal genannt wird.
Das Ammoniak verdankt die Fähigkeit , sich mit Säuren,
"Wasser und Schwefelwasserstoff zu verbinden, der Eigenschaft des
Stickstoffs, fünfwertig aufzutreten zu können. Wenn sich bei-
spielsweise das Ammoniak, in welchem das Stickstoffatom drei-
wertig ist, mit Chlorwasserstoff zu Chlorammonium*) vereinigt, so
erhöht sich die Yalenz des Stickstoffs, zur Bindung von 4 Atomen
Wasserstoff und 1 Atom Chlor.
§ 92. Verbindungen des Kohlenstoffs. Die Kohle ist ein vier-
wertiges Element, dessen normale Wasserstoffverbindung
das Grubengas oder Sumpfgas, auch leichtes Kohlen-
wasserstoffgas genannt, mit der Formel (CH4) ist. Da in
dieser Verbindung 1 Atom H durch Chlor , Brom , Jod , sowie
andere einwertige Atomgruppen vertretbar ist, woraus Verbin-
dungen eines zusammengesetzteu Radikals (CH3), des sog. Methyls,
hervorgehen , bezeichnet man CH4 mit dem wissenschaftlichen
Namen Methylwasserstoff oder Methan.
Methylwasserstoff CH4 = (CH3)H
Chlormethyl (CH3)C1
Methylhydroxyd (Holzgeist) (CH3)HO
Durch gegenseitige Bindung von Kohlenatomen unter sich
entsteht eine grosse Zahl von Kohleverbindungen und darin ent-
haltenen Radikalen; die Kohlenatome sind meistens mit 1 oder
2 Valenzen kettenartig unter sich verbunden, seltener (wie im
Benzol) zu einem geschlossenen Ringe.
Äthylwasserstoff C9H6**) = (C2H5)H Äthylen (Olgas) C,H4***);
Chloräthyl (C2H5)C1 Propylen C3H6
Äthylhydroxyd (Weingeist) (C2H5)HO
Phenylwasserstoff (Benzol) C6H6t) = (C6H5)H
Phenylhydroxyd (Phenol) (C6Hs)HO
*)
N=
=H4
^Cl
**)
C:
I
c
= H3
***\
C =
II
c =
t)
H-
H
^C
-c
H
= C
^C-
-H
H H
— 107 -
Hierhin gehören auch die organischen Säuren, Hydroxyde
sauerstoffhaltiger Kohleradikale; z. B.
Ameisensäure C H90., = (CHO)HO
Essigsäure C2H4(X = (C,H30)HO
Oxalsäure CoH,0T4 = (Cf,02)2HO
Weinsäure C4H(t06 = (C4H4Ö4)2HO
Citronensäure C6Hs07 = (C6H504)3HO
Von besonderer Wichtigkeit ist das Cyan (CN) , die Ver-
bindung von Kohle mit Stickstoff, welche als ein einwertiges
Radikal die Rolle der Salzbildner (Chlor, Brom, Jod, Fluor) nach-
ahmt und mit Wasserstoff, sowie mit den Metallen analoge Ver-
bindungen, sog. Cyanide, schliesst; z. B.
Cyanwasserstoffsäure (Blausäure) HCN*)
Cyankalium KCN
Durch Aufnahme von Schwefel geht das Cyan in Sulfocyan
oder Rhodan (CISTS) über.
Sulfo cyankalium (Rhodankalium) KONS.
§ 93. Isomerie. Man trifft nicht selten Verbindungen an, deren
prozentische Zusammensetzung völlig gleich ist, obschon ihre
physikalischen Eigenschaften gänzlich von einander abweichen.
Solche Körper nennt man isomer,**) und das Sachverhältnis
Isomerie. In der unorganischen Chemie giebt es solcher Fälle
nur wenige, bei denen wir denn auch den Grund der Verschieden-
heit in einem verschiedenen Krystallisationsverhältnis finden, z. B.
die glasige (amorphe) und porzellanartige (krystallinische) arsenige
Säure, das schwarze (amorphe) und rote (krystallisierte) Schwefel-
quecksilber, das schwarze (krystallisierte) und orangerote Antimon-
sulfür u. a. m. Bei den organischen Körpern treffen wir zahlreichere
Fälle, bei denen wir keinen Grund für die äussere Verschieden-
heit kennen; so sind z. B. Holzfaser (Cellulose), Stärke und Gummi
isomere Verbindungen mit der Formel (C12H2001C).
In häufigen Fällen lässt sich die Verschiedenheit organischer
Körper bei gleicher Zusammensetzung in einer anderen Grup-
pierung der Atome erkennen; solche Körper heissen metamer,
und dieses Sach Verhältnis Metamerie.
Bsp.: prozentische Formel rationelle Formel
Methylessigäther C3H602 (CH3)C2H302
Äthylameisenäther C3H602 (C2H5)CHO,
Wenn bei Elementen Verschiedenheiten in der äusseren Er-
scheinung vorkommen, z. B. beim Phosphor, Schwefel, Kohlenstoff,
so spricht man von allo tropischen***) Zuständen.
*) isomer = aus gleichen Teilen zusammengesetzt, von hoc (gleich)
und p'po; (Teil). **) P=N
***) ätiotrop = äXXoxpo-oc andersgeartet.
— 108 -
Die elektrochemische Theorie.
Der berühmte schwedische Chemiker Berzelius hatte zu Anfang des
19. Jahrhunderts, gestützt auf die grossen Entdeckungen im Gebiete der
galvanischen Elektrizität, namentlich auf die Elektrolyse und die zumal
durch Davy so glücklich ausgeführte Isolierung der Alkalimetalle, seine
sog. elektrochemische Theorie aufgestellt, welche er auf den elektri-
schen Gegensatz der Elemente und Verbindungen gründete. Die Atome
der Elemente glaubte er mit verschiedenen Mengen -f- E und — E beladen,
so dass die einen vorwiegend positiv, die anderen mehr negativ elektrisch an-
zusehen seien. Er teilte demgemäss die sämtlichen Elemente in zwei Gruppen:
a) Elektropositive Elemente, welche bei der Elektrolyse am
negativen Pole frei werden.
Hierhin gehören die Mehrzahl der Metalle. Unter ihnen lässt sich
folgende Spannungsreihe aufstellen, anhebend mit dem am stärksten posi-
tiven Kalium:
-(-E Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Zink, Eisen, Blei,
Kupfer, Silber, Gold — E.
b) Elektronegative Elemente, welche bei der Elektrolyse am
positiven Pole frei werden.
Hierhin gehören die Nichtmetalle und einige Metalle. Ihre Span-
nungsreihe lautet, anhebend mit dem am meisten negativen Sauerstoff:
— E Sauerstoff, Chlor, Schwefel, Stickstoff, Phosphor, Arsen,
Antimon, Wasserstoff, Kohle -|- E.
Je elektronegativer ein Element, um so grösser ist seine chemische
Verwandtschaft zu den elektropositiven Metallen; je positiver ein Metall,
um so grösser seine Verwandtschaft zum Sauerstoff, Chlor, Schwefel. Da-
her scheiden die Alkalimetalle (Kalium, Natrium) sämtliche Schwermetalle
aus ihren Verbindungen, desgleichen der Sauerstoff den Schwefel.
Denselben Gegensatz, wie ihn die Elemente bieten, fand Berzelius
auch in ihren Verbindungen wieder. Er unterschied zwei besonders kräftig
wirkende Gruppen nichtmetallischer, höchst elektronegativer Elemente:
1. Die Gruppe der Salzbiidner: Chlor, Brom, Jod und Fluor.
Ihre Verbindungen mit Wasserstoff sind die sog. Wasserstoff-
stoffsäuren, z. B. Chlorwasserstoff (Salzsäure), Brom-, Jod-, Fluorwasser-
stoff (Flusssäure). Mit den Metallen bilden sie direkt Salze, z. B. Chlor-
kalium, Chlornatrium, Fluorcalcium u. a. Diesen Salzen wohnt keine
elektrische Spannung mehr inne, vielmehr sind sie als elektrisch neutrale
Körper anzusehen.
2. Die Gruppe der Basenbildner: Sauerstoff und Schwefel (mit
Selen und Tellur).
Sie verbinden sich mit den elektronegativen Elementen (Nichtmetallen
und wenigen Metallen, wie Antimon, Arsen) zu elektronegativen Oxyden
und Sulfiden, sog. Säuren, z. B. Schwefelsäure, Salpetersäure, Phosphor-
säure; mit den elektropositiven Elementen (Metallen) vereinigen sie sich zu
elektropositiven Oxyden und Sulfiden, sog. Basen, z. B. Kali, Natron,
Kalk, Schwefelkalium.
Säuren und Basen vereinigen sich mit einander zu Sau er st off salzen
resp. Schwefelsalzen, welche also zwei elektrisch entgegengesetzte Be-
standteile aufweisen: eine Säure und eine Base. So besteht nach der
elektrochemischen Theorie der Salpeter aus Salpetersäure und Kali, ist also
salpetersaures Kali; der Eisenvitriol besteht aus Schwefelsäure und Eisen-
oxydul, ist also schwefelsaures Eisenoxydul. Diese Bezeichnungsweise ist,
wenngleich auf die neuere Anschauungsweise der Molekulartheorie nicht
mehr passend, doch noch gangbar geblieben.
- 109 —
Dieser dualistischen Befrachtung entsprechen auch die von Berzelius
eingeführten Formeln, welche die näheren Bestandteile, Base und Säure,
dualistisch sondern. Der Eisenvitriol (FeS04) erhielt als schwefelsaures
Bisenoxydul die Formel (FeO,SO;j), d. h. FeO = Eisenoxydul, S03 =
Schwefelsäure.
Die Typentheorie.
Gegenüber der elektrochemischen Theorie vollzog sich nach der Hälfte
des 19. Jahrhunderts eine Wandlung der Ansichten über die Konstitution
der chemischen Verbindungen, hauptsächlich durch den französischen Che-
miker Gerhardt, den Schöpfer der sog. Typentheorie. Derselbe nahm
für alle zusammengesetzten Körper einige einfache Verbindungen als Muster,
Typen, an und stellte drei solcher Typen auf, denen man später einen
vierten zugesellte. Diese Typen sind:
1. Der Chlorwasserstoff-Typus tt \
Durch Substituierung des Chlors mit den analogen Elementen Brom,
Jod und Fluor erhält man die Säuren:
Bromwasserstoff „ \ Jodwasserstoff T >
Durch Substituierung des Wasserstoffs mit Metallen entstehen die
Salze des Chlors, Broms, Jod, Fluors.
Kl TT \ Kl
Chlorkalium p, > Bromkalium R > Jodkalium T >
Bei mehrwertigen Metallen ist ein mehrfacher Typus anzuwenden:
Chlorcalcium ™ \ Fluorcalcium ^ \
2. Der Wasser-Typus ^ | 0
Durch vollständige Substitution des Wasserstoffs mit einem anderen
Elemente entstehen die Oxyde, z. B.
K I (
Kaliumoxyd tt- > 0, Calciumoxyd (Kalk) Ca j 0
Durch teilweise Substitution des Wasserstoffs mit einem anderen
Elemente entstehen die Oxydhydrate, welche bei eintretendem elektro-
negativen Elemente (resp. Atomgruppe) Säuren, bei eintretendem positiven
Elemente Basen vorstellen, z. B.
TT | TT I
Salpetersäure ,™ > 0 Kalihydrat tt}0
Schwefelsäure <w \ 02 Kalkhydrat J^ \ 02
Phosphorsäure pk > 03 Eisenoxydhydrat tt \ 03
Durch doppelte Substitution des Wasserstoffs einerseits mit einem
negativen, andrerseits mit einem positiven Elemente (resp. Atomgruppe)
entstehen die Sauerstoffsalze, z. B.
Salpetersaures Kali ^^ > 0
Schwefelsaurer Kalk q^ > 02
Wird im Wassertypus der hinter der Klammer stehende Sauerstoff
durch den ihm analogen Schwefel vertreten, so entsteht der
TT I
Nebentypus des Schwefelwasserstoffs tt > S,
110 —
woraus in ähnlicher Weise die verschiedenen Schwefelverbindungen sich
ableiten lassen, z. B.
TT I i
Schwefelkalium ^ J S Schwefelcalciurn Ca > S
3. Der Ammoniak-Typus N | H3
Wird der Wasserstoff durch Chlor, Brom, Jod vertreten, so entstehen
die Stickstoffverbindungen dieser Elemente, z. B.
Chlorstickstoff N \ Cl3 Jodstickstoff N } J3
Infolge Substitution des Stickstoffs durch Phosphor, Arsen, Antimon
gehen die Wasserstoffverbindungen dieser Elemente hervor, z. B.
Phosphorwasserstoff P I H3 Arsenwasserstoff As i H3
4. Der Kohlenwasserstoff-Typus C i H4
Durch Vertretung des Wasserstoffs entstehen daraus zahlreiche
organische Körper, z. B.
Chlormethyl C 1 ^f
Aus dieser Typentheorie entwickelte sich die Lehre von der Valenz
der Elemente, welche sie später verdrängte, da der Rahmen der 4 Typen
zu enge wurde für die zahlreichen chemischen Verbindungen. Die Lehre
von der Valenz ist aber ein Eckstein der jetzt geltenden Molekulartheorie.
5, Der chemische Prozess.
§ 94. Wie bilden sich chemische Verbindungen? Die erste Be-
dingung zur Vereinigung zweier Elemente ist, dass sie Verwandt-
schaft (Affinität) zu einander haben. Dieselbe Anziehungs-
kraft, welche die Erde gegen die irdischen Körper als Schwerkraft
(Attraktion) äussert, welche zwischen zwei sich berührenden
Körpern als Adhäsion, zwischen den einzelnen Molekülen eines und
desselben Körpers als Kohäsion sich äussert, tritt als chemische
Affinität zwischen den Atomen verschiedener Elemente auf.
Diese Affinität ist je nach der Wahl der Elemente von verschiedener
Stärke, fehlt auch wohl gänzlich ; so vereinigt sich der Sauerstoff
mit grosser Begierde mit Phosphor , Kalium u. a. , nur auf in-
direktem Wege mit den edlen Metallen Silber, Gold, Platin, und
gar nicht mit dem Fluor.
Die zweite Bedingung zur Vereinigung ist eine möglichst
innige Berührung, wie sie gewöhnlich nur im flüssigen und
gasförmigen Zustande möglich wird. Daher der alte Lehrsatz:
Corpora non agunt nisi fluida. — Nur flüssige Körper wirken
aufeinander.
Wir drücken diesen Satz jetzt in folgender Weise aus:
Um einen chemischen Prozess eintreten zu lassen, muss wenigstens^
der eine Körper flüssig oder gasförmig sein.
— 111 —
Schwefel und Kohle können sich im gewöhnlichen Zustande
nicht mit einander verbinden, da dies ihr fester Aggregatzustand
verhindert ; leitet man aber Schwefeldampf durch glühende Kohlen,
so verbinden sich beide Elemente mit einander und zwar je
64 Teile Schwefel (2 Atome) mit 12 Teilen Kohle (1 Atom) zu
76 Teilen Schwefelkohlenstoff (CS2). Ein anderes Beispiel bietet
uns das bekannte Brausepulver, dessen Bestandteile nur dann auf
einander wirken, wenn Wasser hinzukommt.
Daher sind Erhitzen und Auflösen die vorzüglichsten und
häufigst angeordneten Operationen in der Chemie ; durch Erhitzen
bewirken wir einen feuerflüssigen, oft auch gasförmigen Zustand,
durch Auflösen in gleicher Weise eine Verflüssigung.
In den meisten Fällen besitzt die geschlossene Verbindung
einen dichteren Aggregatzustand als ihre Bestandteile im Mittel
haben; alsdann nimmt man bei der chemischen Vereinigung eine
Erhitzung, d. i. das Freiwerden von Wärme wahr. So
verbrennt der Phosphor leicht, unter starker Erhitzung, zu (fester)
Phosphorsäure, deren Aggregatzustand dichter ist, als der des
Phosphors und Sauerstoffgases. Den höchsten Hitzegrad erreicht
die Verbrennung von Wasserstoffgas im Sauerstoffgase, wobei sich
beide Gase zum (tropfbarflüssigen) Wasser vereinigen.
In selteneren Fällen ist das Produkt flüchtiger resp. weniger
dicht als seine Komponenten, wie wir beim (flüssigen) Schwefel-
kohlenstoff sehen , der aus zwei festen Körpern , Schwefel und
Kohle, gebildet wird; alsdann ist eine Zufuhr von Wärme nötig.
§ 95. Worin besteht der chemische Prozess? Bei jedem chemischen
Prozesse werden neue Körper geschaffen.
Die hierbei stattfindenden Vorgänge können sein :
a) Vereinigung zweier Körper zu einem dritten;
b) Umbildung zweier Körper in zwei neue Verbindungen.
Der erste Vorgang besteht also in einer Addition zweier
Stoffe zur Bildung eines neuen Körpers ; der zweite Vorgang be-
steht im Umtausch der Bestandteile, wodurch aus zwei Körpern
zwei andersgeartete Stoffe hervorgehen.
Addition finden wir 1. bei der Vereinigung zweier Elemente
zu einer Verbindung, 2. bei der Aufnahme eines Elementes in
eine niedere Verbindung zur Erzielung einer höheren Verbindung.
Bsp. : Wasserstoff und Chlor vereinigen sich zu Chlorwasser-
stoff, Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser:
(HH) + (C1C1) = 2 (HCl)
2(HH) + (00) = 2 (H20)
Chlor wird von Eisenchlorür aufgenommen zum Eisenchlorid :
2(FeCl,) -j- (C1C1) = Fe2Cl6
— 112 -
Ammoniak verbindet sich mit Chlorwasserstoff zu Chloram-
monium :
(NH3) + (HCl) = (NH4C1).
Umtausch der Atome finden wir 1. bei der Zerlegung einer
Verbindung durch ein Element — sog. Zersetzung durch ein-
fache Wahlverwandtschaft; 2. bei der gegenseitigen Zerlegung
zweier Verbindungen — sog. Zersetzung durch doppelte Wahl-
verwandtschaft.
Bei der Zersetzung durch einfache Wahlverwandtschaft wird
die Verbindung AB durch das Element C zerlegt; es bildet sich
die Verbindung AC und das Element B wird ausgeschieden. Chlor
scheidet z. B. aus dem Jodkalium Jod aus und bildet Chlorkalium:
KJ + Cl = KCl + J.
Bei der Zerlegung durch doppelte Wahlverwandtschaft zer-
setzen sich die Verbindungen AB und CD durch gegenseitigen
Umtausch in die Verbindungen AC und BD. Eisensulfat und
Kaliumkarbonat zerlegen sich gegenseitig in Eisenkarbonat und
Kaliumsulfat :
FeSO-4 + K2C03 == PeC03 + K2S04.
Bei jedem chemischen Prozesse spielt die Valenz der Elemente
eine wichtige Bolle , da sich in den Verbindungen die Element-
atome in gegenseitiger Bindung halten und hierbei die Valenz
derselben massgebend ist. Wenn sich daher zwei Elemente (durch
Addition) mit einander vereinigen, so geschieht dies in äquivalenten
Mengen: 1 Atom Chlor verbindet sich mit 1 Atom Wasserstoff
zu 1 Molekül Chlorwasserstoff'; 1 Atom Sauerstoff verbindet sich mit
2 Atomen Wasserstoff zu 1 Mol. Wasser. Wenn zwei Körper gegen-
seitig sich zersetzen , so tauschen sich ihre Atome gemäss ihrer
Valenz um; so vermag 1 Atom Chlor an die Stelle von 1 Atom
Jod zu treten, wenn es dasselbe aus dem Jodkalium frei macht;
zerlegt sich ein Eisensalz gegen ein Kaliumsalz, so tauscht sich
das zweiwertige Eisenatom gegen 2 einwertige Kaliumatome
aus. Löst man Eisen in Chlorwasserstoffsäure auf, so scheidet
1 Atom Eisen 2 Atome Wasserstoff aus derselben aus:
Fe + 2(HC1) == PeCl, + 2H.
Die Hauptformen des chemischen Prozesses.
1. Die Elemente vereinigen sich bei der Verbrennung an der Lufl
mit dem Sauerstoff derselben zu Oxyden.
Entzündet man den Schwefel, den Phosphor, die Kohle, das Wasser-
stoffgas an der Luft, so verbrennen sie zu Schwefeldioxyd (wasserfreie
schweflige Säure), Phosphorpentoxyd (wasserfreie Phosphorsäure), Kohlen-
dioxyd (wasserfreie Kohlensäure) resp. Wasser.
S -f 20 = SO, C + 20 = C02
2P + 5 0 = P2Ö5 2H -|- O = H20
Die Metalle verbrennen in der Glühhitze zu Oxyden, mit Ausschluss
— 113 —
der edlen Metalle, welche nebst den Salzbildnern (Chlor, Brom, Jod, Fluor)
nicht brennbar sind, d. i. nicht direkt mit Sauerstoff sich verbinden können.
2. Die Oxyde der nichtmelaUischen Elemente vereinigen sich unter
geeigneten Umständen mit Wasser zu Säuren, die Oxyde der Metalle zu
basischen Hydroxyden.
Das Schwefeldioxyd verbindet sich mit Wasser zu schwefliger Säure,
das Schwefeltrioxyd zu Schwefelsäure, das Phosphorpentoxyd zu Phos-
phorsäure ;
SO., + H.,0 = HoSOo
SO3 + h.;o = h.;so4
P205 -\- 3H20 = 2(H3P04)
Das Calciumoxyd verbindet sich mit Wasser unter Erhitzung zu
Calciumhydroxyd (Kalkhydrat) :
CaO + H20 = Ca2HO.
In vielen anderen Fällen lassen sich die Säuren und Metallhydroxyde
nicht durch direkte Vereinigung des entsprechenden Oxyds mit Wasser ge-
winnen, sondern nur indirekt durch Zerlegung der Salz Verbindungen herstellen.
Die Alkalimetalle haben eine so starke Verwandtschaft zum Sauer-
stoff, dass sie sogar das Wasser zersetzen und den Wasserstoff frei machen ;
das Produkt dieser Zersetzung ist das betreffende Hydroxyd:
K -|- H20 = KHO + H.
3. Eine indirekte Oxyuation geschieht durch die Salpetersäure,
welche sich dabei zu Stickstoff oxyd reduziert.
Erhitzt man ein Element mit Salpetersäure (HN03), so oxydiert es
sich, der Säure die Hälfte ihres Sauerstoffs entreissend und sie zu Stick-
stoffoxyd (NO) reduzierend, welches dabei gasförmig entweicht. Die Salpeter-
säure zerfällt in Wasser, Stickoxyd und Sauerstoff, letzteres oxydiert
das Element:
2 (HNO3) = H20 -f 2 (NO) +3 0.
So wird Schwefel zu Schwefelsäure, Phosphor zu Phosphorsäure,
Antimon zu Antimonoxyd, nämlich:
S + 2(HN03) = H.,S04 + 2 (NO)
2 Sb + 2 (HN03) = Sb203 + H20 + 2 (NO)
Niedrigere Oxyde werden durch die Salpetersäure in ähnlicher Weise
höher oxydiert, z. B. Eisenoxydul in Eisenoxyd übergeführt:
6FeO + 2HN03 = 3Fe203 -j- H20 -f 2 NO.
4. Erhitzt man die Oxyde mit Kohle, so geben sie an dieselbe ihren
Sauerstoff ab und werden zu Elementen reduziert.
In der Glühhitze reduziert die Kohle alle Oxyde, indem sie sich mit
deren Sauerstoff zu Kohlenoxydgas (CO) resp. Kohlendioxydgas (C02) ver-
bindet und als solches entweicht. Die Phosphorsäure liefert bei diesem
Keduktionsprozesse Phosphor, das Kaliumoxyd metallisches Kalium, Eisen-
oxyd metallisches Eisen, Zinkoxyd Zink u. s. f.
K,0 + C = 2K -f CO
ZnO + C = Zn + CO
Fe203 + 2C = 2Fe CO + C02
P205 -f 3C = 2P -f 2C02 4 co-
5. Der Schwefel verbindet sich beim Zusammenschmelzen mit den
meisten übrigen Elementen direkt zu Sulfiden.
Schmilzt man Eisen mit Schwefel zusammen, so erhält man Schwefel-
eisen, ebenso beim Antimon; Quecksilber verbindet sich schon beim an-
haltenden Verreiben mit Schwefel zu schwarzem Schwefelquecksilber.
Fe -f S = FeS
2Sb -f 3S = Sb2S3
Schlickum, Apothekerlehrling. 3
— 114 —
Mit dem Kohlenstoff vereinigt sich der Schwefel in der Glühhitze zu
Kohlensulfid (CS2) , einer stark lichtbrechenden Flüssigkeit. Mit dem Wasser-
stoff verbindet sich der Schwefel nur indirekt zu Schwefelwasserstoffgas (H2S).
6. Die Sahbildner: Chlor, Brom, Jod, Fluor vereinigen sich mit den
Metallen direkt zu Salzen (Haloid salzen).
Das Chlor bildet beim Zusammentreffen mit Kalium und Natrium
sofort Chlorkalium resp. Chlornatrium; das Jod verbindet sich, bei Gegen-
wart von Wasser, direkt mit Zink, Eisen u. a. zu Jodzink, Jodeisen u. a.,
beim Verreiben mit Quecksilber bildet es, je nach der angewendeten
Menge, gelbes Quecksilberjodür und rotes Quecksilberjodid:
Fe-j-2J = FeJ2.
7. Die Säuren verbinden sich mit den basischen Oxyden zu Salzen,
wobei zugleich Wasser entsteht.
Die Sauerstoffsäuren sättigen sich mit den basischen Oxyden zu
Sauerstoffsalzen und Wasser; z. B. die Salpetersäure mit Kalihydrat zu
Kaliumnitrat Zinksulfat, und Wasser:
KHO + HN03 = KN03 + H20
ZnO + H2S04 = ZnS04 + H20
Die Wasserstoffsäuren der Salzbildner sättigen sich mit den basischen
Oxyden zu Haloidsalzen und Wasser; z. B. Chlorwasserstoffsäure (Salzsäure)
mit Kalihydrat zu Chlorkalium, mit Zinkoxyd zu Chlorzink und Wasser:
KHO + HCl = KCl -|- H,0
ZnO + 2HC1 = ZnCL, + H20
Hierbei tauscht sich das Metall des Oxyds mit dem Wasserstoff der
Säure um.
8. Die Schwefelsäure, als die stärkste Säure, zerlegt die Salze der
übrigen Säuren, unter Abscheidung der betreffenden Säure und Bildung
eines schwefelsauren Salzes f Sulfates).
Die Sauerstoffsalze und Haloidsalze werden von der Schwefelsäure
zerlegt; das Metall des Salzes tritt an die Stelle des Wasserstoffs in die
Schwefelsäure und bildet damit das entsprechende Sulfat, während durchEintritt
des Wasserstoffs die andere Säure entsteht. Das Kaliumnitrat (Salpeter) ver-
wandelt die Schwefelsäure in Kaliumsulfat und scheidet Salpetersäure aus :
2KN03 + H2S04 = 2HN03 + K.2S04
Das Chlornatrium bildet mit ihr Natriumsulfat und scheidet Chlor-
wasserstoffsäure aus:
2NaCl -f H2S04 = 2 HCl -f Na2S04
Aus den kohlensauren Salzen, z. B. Calciumkarbonat, entwickelt
die Schwefelsäure Kohlensäure Gas und bildet Calciumsulfat:
CaC03 -f H2S04 = C02 4- CaS04 -f- H20
Die kohlensauren Salze werden in gleicher Weise auch von den
anderen Säuren z. B. von Salpetersäure, Essigsäure, Weinsäure zersetzt,
wobei das kohlensaure Gas unter Auf brausen entweicht. (Vgl. Brausepulver!)
9. Die Hydroxyde ( Oxydhydrale) der Alkalimetalle, als die stärksten
Basen, zerlegen die Salze der übrigen Metalle, unter Abscheidung des be-
treffenden Metallhydroxyds und Bildung des Alkalisalzes.
Kaliumhydroxyd (Kalihydrat, Atzkali) scheidet aus dem Kupfersulfat
Kupferhydroxyd (Kupferoxydhydrat) aus, unter Bildung von Kaliumsulfat:
2 KHO + CuS04 = Cu2HO + K2S04
Das Eisenchlorid zerlegt sich mit Kaliumhydroxyd in Chlorkalium
und scheidet Eisenoxydhydrat ab:
Fe2Cl6 + 6 KHO = 6 KCl 4- Fe2 6 HO.
10. Das Ammoniak vereinigt sich mit den Säuren zu Salzen, wobei
kein Wasser entsteht.
— 115 —
Mit Chlorwasserstoff verbindet sich das Ammoniak zu Chlorammonium,
mit Salpetersäure zu Ammoniumnitrat, mit Schwefelsäure zu Ammoniumsulfat:
NH3 + HCl = NH4C1
NH3 + HN03 = NH4NO,
2NH3 + H2SÖ4 = (NH4)2S04
Ahnlich den Alkalihydroxyden scheidet das Ammoniak aus den
Salzen der Schwermetalle deren Oxydhydrate aus, unter Bildung des be-
treffenden Ammoniumsalzes; dabei nimmt Wasser Anteil an der Zersetzung:
Fe2Cl6 -j- 6NH3 + 6H20 == Fe26HO -f- 6 NH4C1.
11. Die Schwefelmetalle lösen sich in Säuren auf, unter Knibindung
von Schwefelwasserstoffgas und Bildimg eines Salzes der betreffenden Säure.
Schwefeleisen löst sich in verdünnter Schwefelsäure, unter Entwick-
lung von Schwefelwasserstoffgas, zu Eisensulfat auf, Schwefelantimon in
gleicher Weise in Chlorwasserstoff zu Chlorantimon:
FeS + H,S04 = H2S -j- FeS04
Sb2S3 _ -f 6HC1 = 3H2S + 2SbCl3
Hierbei findet ein gegenseitiger Umtausch des/ Metalles mit dem
Wasserstoff der Säure statt.
12. Das Schwefelwasserstoffgas bildet mit den Metalloxyden Schwefel-
metall (Sulfid) und Wasser.
Leitet man Schwefelwasserstoffgas über QuecksilberoxjTl, so entsteht
Schwefelquecksilber; in Kaliumhydroxyd eingeleitet, bildet es Kaliumsulfid
resp. Kaliumsulf hydrat, je nach seiner Quantität:
HgO + H2S = HgS + H>0
2KHO + H9S = K9S -j- 2H20
KHO -4- H^S = KHS -4- H20.
Mit Ammoniak bildet der Schwefelwasserstoff in ähnlicher Weise
Schwefelammonium resp. Ammoniumsulf hydrat:
2NH3 -j- H2S = (NH4)2S
NH3 + H2S = NH4HS
13. Die den basischen Oxyden entsprechenden Schwefelmetalle (Sulfo-
basen) verbinden sich mit den den Säuren entsprechenden Sulfiden (Sulfo-
säuren) zu Salzen (Sulfo salzen).
Zu den Sulfobasen zählen in erster Reihe die Sulfide der Alkali-
metalle, z. B. Schwefelkaliurn, Schwefelnatrium; zu den Sulfosäuren ge-
hören die Sulfide des Arsens, Antimons u. a. Das bekannteste Sulfosalz
ist das Natriumsulfantimoniat (Na3SbS4), aus Natriumsulfid (Na2S) und
Antimonsulfid (Sb.2S5) gebildet. Säuren zerlegen die Sulfosalze unter Ab-
scheidung der Sulfosäure und Entbindung von Schwefelwasserstoffgas:
2Na3SbS4 + 6 HCl =; 6 NaCl -4- Sb2S5 + 3H2S
14. Zwei Salze zerlegen sich gegenseitig , unter Umtausch ihrer
Metalle, wenn eine unlösliche Verbindung sich ausscheiden kann.
Da die kohlensauren Salze der Schwermetalle, und alkalischen Erden
in Wasser unlöslich sind, so werden sie ausgeschieden, wenn man die
kohlensauren Alkalien (Kalium-, Natriumkarbonat) zu den Salzlösungen
der Schwermetalle fügt; aus Natriumkarbonat und Kupfersulfat entstehen
Natriumsulfat und Kupferkarbonat, ersteres bleibt in Lösung, letzteres
scheidet sich aus:
Na2C03 + CuS04 = _ Na2S04 -f CuC03 _
In ähnlicher Weise scheiden die kohlensauren Alkalien aus dem
Kalkhydrat Calciumkarbonat aus und verwandeln sich dabei in Hydroxyde:
Na2C03 -4- Ca 2 HO = CaC03 + 2NaHO.
8*
116
A. Unorganische Chemie.
a) Nichtmetalle.
6. Die atmosphärische Luft und der Sauerstoff.
§1,96. Woraus besteht die atmosphärische Luft? Die atmosphärische
Luft ist ein permanentes Gas, ohne Geschmack, Geruch und Farbe;
1 l wiegt bei 0° nahezu 1,3 g. Sie ist ein Gemenge zweier
Gase: des Sauerstoffs und des Stickstoffs. Zahl-
reiche Untersuchungen haben ergeben, dass allenthalben die
Gemengteile der Luft gleichmässig gemischt sind, sowohl in den
tiefsten, wie in den höchsten Regionen. Man schloss früher hier-
aus, dass die Luft eine chemische Verbindung beider Elemente
sei ; aber hiergegen spricht nicht allein der Umstand , dass wir
beim Atmen, durch Verbrennung u. a. m. ihr den Sauerstoff zu
entziehen vermögen, sondern vorzugsweise auch die Thatsache,
dass die vom Wasser aufgenommene Luft viel reicher ist an Sauer-
stoffgas — für das Leben der Fische von grösster Bedeutung.
Die allenthalben gleiche Mischung der Luft ist Folge der Diffusion
der Gase, durch welche in kurzer Zeit zwei Gase, die man mit-
einander in Berührung bringt, sich innigst mischen.
Die atmosphärische Luft ist ein Gemenge von
21 Volumprozenten oder 23 Gewichtsprozenten Sauerstoff
79 „ 77 „ Stickstoff.
Die Verschiedenheit der Zahlen für Volum- und Gewichts-
prozente rührt daher, dass das Sauerstoffgas etwas schwerer ist
als das Stickstoffgas.
Ausser diesen beiden integrierenden Bestandteilen enthält die
Luft stets etwas Kohlensäure (0,04—0,30%), sowie wechselnde
Mengen Wasserdampf ('/2 — 1°/0) , weshalb hygroskopische Körper
(wie die Pottasche) an der Luft allmählich feucht werden.
§ 97. Was ist die Verbrennung? Wird ein Körper an der Luft
verbrannt, so verbindet er sich mit dem Sauerstoffgase derselben
und zwar unter Licht- und Wärmentwicklung. Man nennt die
Vereinigung mit Sauerstoff eine Oxydation, und das Produkt
derselben , die Sauerstoffverbindung , ein Oxyd.*) Mithin lässt
sich sagen:
Die Verbrennung eines Körpers an der Luft ist eine feurige
Oxydation.
Früher betrachtete man das Feuer als eine höchst feine Materie,
und noch im vorigen Jahrhundert (1730) stellte Stahl seine berühmte
Theorie vom Phlogiston (von epXo£ Flamme) auf, welches ein brennbarer
*) Oxyd von o?u? sauer.
— 117 —
Körper besässe und das er beim Verbrennen verliere; sei ein Körper ver-
brannt, so sei er seines Phlogistons beraubt, depblogistisiert. (Hiernach
spielte das Phlogiston die entgegengesetzte Rolle des Sauerstoffs). Erst
die Entdeckung des Sauerstoffs durch Priestley (1774) und Lavoisiers
Grundversuche brachen der jetzigen Wissenschaft Bahn.
Lavoisier zeigte 1789 durch exakte Versuche , dass das
rote Quecksilberoxyd beim Erhitzen in Quecksilber und Sauer-
stoffgas zerfällt, welche zusammen genau soviel wiegen, wie das
angewendete Quecksilberoxyd; ferner dass man, wenn das daraus
gewonnene Metall abermals durch geeignete Mittel in Oxyd ver-
wandelt wird, genau die ursprünglich angewendete Oxydmenge
wieder erhält. Hierdurch hatte Lavoisier bewiesen, dass ein
Körper beim Yerbrennen Sauerstoff aus der Luft aufnimmt und
um dessen Gewicht schwerer wird.
Wenn ein verbrennender Körper den festen Aggregatzustand
bewahrt, wie z. B. die Kohle, so glüht er nur; ist er aber gas-
förmig, wie das Wasserstoffgas, oder nimmt er in der Verbrennungs-
hitze Dampfform an, wie der Phosphor und Schwefel, so brennt
er mit Flamme, denn die Flamme ist brennendes (leuch-
tendes) Gas.
Die Lichtstärke einer Flamme hängt von der Menge der
in ihr schwebenden glühenden festen Partikel ab; brennendes
Wasserstoffgas, welches gar keine festen Stoffe enthält, leuchtet
nur sehr schwach; auch die Weingeistflamme besitzt nur eine
geringe Lichtstärke. Das Leuchtgas, die Flamme des Steinöls,
der Kerzen, des Holzes u. a. scheiden in der Verbrennung feine
Kohleteilchen ab, die sich an kalte, in die Flamme gehaltene
Gegenstände als Russ ansetzen; diese aber leuchten in der
Flamme stark und erteilen ihr hohe Helligkeit.
Zur Entzündung ist eine gewisse Temperatur notwendig.
Nur sehr wenige brennbare Körper entzünden sich in gewöhn-
licher Temperatur an der Luft, wie das Phosphorwasserstoffgas.
Die grosse Mehrzahl erfordert eine höhere Temperatur zur Ent-
zündung. So gerät der Phosphor schon bei 60°, der Schwefel
erst bei 300° von selbst in Entzündung. In der Mitteilung der
hierzu nötigen Temperatur besteht das sog. Anzünden, schein-
bar eine Übertragung der Flamme. — Je unverdünnter das Sauer-
stoffgas ist, um so leichter und intensiver findet die Verbrennung
statt; daher verbrennen die Körper im reinen Sauerstoffgase viel
leuchtender als in der Luft.
Nicht alle Oxydationen treten als Verbrennungen auf; es
giebt auch langsame, nicht feurige Oxydationen, bei
denen nur eine schwache Temperaturerhöhung wahrzunehmen ist.
So zerfliesst der Phosphor beim Liegen an der Luft, sich lang-
sam oxydierend. Organische Materien unterliegen bei der Ver-
moderung und Verwesung einer allmählichen Oxydation und
— 118 —
verwandeln sich in Humus. Im allgemeinen sind die Produkte
der langsamen Oxydation sauerstoffärmer als die der Yerbrennung.
Mit Sauerstoff gesättigte Körper sind nicht mehr
brennbar, wenn sie auch ihren Sauerstoff nicht durch Verbrennung
erhalten haben, sondern durch indirekte oder langsame Oxydation.
Nicht brennbar sind ferner: der Stickstoff, das Chlor,
Brom, Jod, Fluor, sowie die edlen Metalle; sie vereinigen sich in
keiner Temperatur direkt mit Sauerstoff. Indirekt kann man
sie aber oxydieren (mit Ausschluss des Fluor).
§ 98. Wie gewinnt man reines Sauerstofigas '? Die verschiedenen
Darstellungsmethoden des reinen Sauerstoffs gehen alle davon
aus, dieses Element aus einem Oxyde auszutreiben ; man gewinnt
das Sauerstoffgas:
1. Durch Glühen des roten Quecksilberoxyds
(HgO), welches dabei in seine Bestandteile: Quecksilber und
Sauerstoff, zerfällt; beide verflüchtigen sich, das Quecksilber ver-
dichtet sich aber, während der Sauerstoff gasförmig bleibt.
2. Durch Glühen des Braunsteins. Derselbe ist
Mangansuperoxyd (Mn02) und verliert in der Glühhitze den
dritten Teil seines Sauerstoffs. Erhitzt man ihn mit Schwefel-
säure, so verliert er die Hälfte seines Sauerstoffs, schwefelsaures
Manganoxydul hinterlassend.
3. Durch Schmelzen des chlorsauren Kalis (KC103)
welches bei fortgesetztem Erhitzen seinen ganzen Sauerstoffgehalt
verliert und Chlorkalium (KCl) zurücklässt.
Der reine Sauerstoff (Oxygenium*)) ist ein färb-,
geruch- und geschmackloses Gas, etwas schwerer als die Luft
(spez. Gew. 1,10). In ihm verbrennen selbst Körper, die an der
Luft nur sehr schwierig zur Verbrennung gelangen. Er ist der
Unterhalter des tierischen Lebens, insofern er beim Atmen vom
Blute in den Lungen aufgenommen und zum Stoffwechsel benutzt
wird. Der Stoffwechsel im Tierkörper ist im allgemeinen ein
Oxydationsprozess. Atmosphärische Luft, welcher der Sauerstoff
entzogen worden, ist weder zum Atmen dienlich, noch vermag
sie die Verbrennung unterhalten.
Es glückte den Chemikern Pictet zu Genf und Cailletet
zu Paris, durch starken Druck (550 Atmosphären) bei grosser
Kälte (- 140°) das Sauerstoffgas tropfbarflüssig zu machen (1877).
Versuche.
1. Sauerstoffabsorption durch Verbrennung. (Fig. 39.)
Man stürze eine Glasglocke vorsichtig über ein brennendes Kerzchen,
welches in einer Schale auf Wasser schwimmt. Bald darauf brennt das
Licht trübe und erlischt, beim Abkühlen steigt das Wasser innerhalb der
*) Oxygeniurn, Säurebildner, von o?u? (sauer) und ysvvaw (erzeugen).
119
Fig. 40.
Glocke empor, um den Raum des verzehrten Sauerstoffs
einzunehmen. (Die Glocke muss geräumig sein; als Licht
kann man ein Kerzchen oder Nachtlicht auf einer Nussschale
oder dgl. benutzen.)
2. Sauer stoffabsorption durch Phosphor.
Ein erbsengrosses Stückchen Phosphor bringe man in einen
längeren Glascylinder, den man durch Ritzen mit Feuerstein
oder angeklebte Papierstreifen in 5 gleiche Teile eingeteilt
hat. Nachdem man darauf den Cylinder mit einem gut schliessenden Stopfen
verschlossen, stelle man ihn einen Tag bei Seite. Um den Posphor nimmt
man die Bildung weisser Nebel (phosphorige Säure) wahr. Schliesslich öffne
man den Cylinder unter Wasser, die Mündung in dasselbe eintauchend;
dann steigt das Wasser in den Cylinder hinein und füllt gerade den
fünften Teil an, sofern man ihn so tief eintaucht, dass das Wasser innen
und aussen gleichhoch steht.
3. Sauerstoffentbindung aus Quecksilber-
oxyd (Fig. 40). In einem Probiercy linder erhitze
man eine Messerspitze voll rotes Quecksilberosj^d
über der Lampe, die Öffnung mit dem Daumen lose
verschliessend. Führt man nach einer Weile ein
glimmendes Holzspänehen in den Cylinder ein, so
leuchtet es hell auf, bricht auch wohl in Flamme
aus. Im oberen Röhrenteil nimmt man einen grauen
Anflug feinster Quecksilberkügelchen wahr.
4. Sauerstoffentbindung aus chlorsaurem
Kali. (Fig. 41). Etwa 10 Gramm chlorsaures Kali erhitze man in einem
kleinen Kölbchen oder Retörtchen über der Gasflamme oder der Weingeist-
lampe mit doppeltem Luftzug. Das Gefäss verbinde man durch einen luft-
dichten Kautschuk- oder Korkstopfen, mit einer Glasröhre, deren anderes
Ende in eine Wanne
mit Wasser — sog.
pneumatischeWanne
— untertaucht. Sowie
das chlorsaure Kali ge-
schmolzen ist , stürze
man über das Ende der
Röhre einen mit Wasser
voll angefüllten Glas-
cylinder oder eine
Flasche. (Man fülle das
Gefäss zuerst mit Wasser
bis zum Überlaufen, ver-
schliesse es dann, kehre
um und öffne es unter
dem Wasserspiegel der
Wanne). Das ent- ^ 41-
wickelte Sauerstoffgas steigt in Blasen in das Glasgefäss und drängt das
Wasser heraus. Ist es mit Gas angefüllt, so verschliesse man es noch
unter Wasser und ersetze es durch ein anderes bereit gehaltenes, mit
Wasser gefülltes Glas.
Beim Nachlassen der Gasentbindung hebe man die Glasröhre aus
dem Wasser heraus, bevor man die Lampe löscht, damit nicht das Wasser
der Wanne in die Retorte zurücksteige. Der Salzrückstand lässt sich durch
heisses Wasser entfernen.
— 120 —
Rascher und reichlicher geht die Grasentbindung von statten, wenn
man das chlorsaure Kali mit gleichviel grobgepulvertem Braunstein ver-
mischt anwendet.
5. Versuche mit dem Sauerstoffgase, a) Am Ende eines Drahtes
führe man einen glimmenden Holzspan in ein mit Sauerstoffgas ge-
fülltes Glas ein; er bricht in Flammen aus. Ein Stückchen Holzkohle
verbreDnt mit starkem Glänze. — b) Einen spiralig gedrehten feinen
Eisendraht versehe man mit etwas glimmendem Zunder und führe ihn
in eine mit Sauerstoffgas gefüllte Flasche, deren Boden mit etwas Wasser
bedeckt ist; das Eisen verbrennt mit heftigem Funkensprühen. — c) Ein
linsengrosses Stückchen Phosphor führe man in einer kleinen eisernen
Schale mit langem Drahte in Sauerstoff ein, nachdem man es durch Be-
rühren mit einem heissen Drahte zuvor entzündet hat; der Phosphor ver-
brennt mit ausgezeichnetem Glänze zu weissem Rauche (Phosphorsäure).
Fragen und stöchiometrische Aufgaben.
1. Ist der Sauerstoff selbst brennbar? — Antw. Nein, er dient
nur zur Verbrennung anderer Körper.
2. Wann erlischt ein brennender Körper? — Antw. Wenn ihm
die Sauerstoffzufuhr entzogen oder er unter die zum Verbrennen erforder-
liche Temperatur abgekühlt wird.
3. Wenn man einen Körper mit der Flamme eines anderen brennenden
Körpers anzündet, empfängt er dann die Flamme desselben? — Antw.
Nein, er empfängt nur die Erhitzung, die zu seiner Entzündung nötig ist.
Hält man Papier in einen sehr heissen Raum, so entzündet es sich, ohne
eine Flamme berührt zu haben.
4. Wie viel g Sauerstoffgas liefern 10 q Quecksilberoxyd bei voll-
ständiger Zersetzung? — Antw. HgO = 216 (da Hg = 200, 0 = 16);
216 HgO liefern 16 0, also 10 g HgO Hefern 0,74 g 0.
5. Wieviel ccm Raum nimmt der aus 10 g Quecksilberoxyd ge-
wonnene Sauerstoff ein, wenn 1 / dieses Gases 1,44 g wiegt? — Antw.
514 ccm, da 0,74 g Gas gewonnen werden.
7. Das Wasser und der Wasserstoff,
§ 99. Wie findet sich das Wasser in der Natur? Das Wasser ge-
hört zu den am weitesten verbreiteten Stoffen in der Natur ; nicht
allein dass es 2/3 der Erdoberfläche bedeckt, auch die Länder-
komplexe sind vielfach mit Strömen, Flüssen und Bächen durch-
zogen, und das Luftmeer enthält stets Wasserdampf und Wolken.
Je nach Abstammung und Reinheit unterscheidet man:
1. Regenwasser, das reinste aller natürlich vorkommen-
den Wässer, frei von Salzen, arm an Kohlensäure.
2. Quell- und Brunnenwasser, stets kohlensaure- und
kalkhaltig. Der kohlensaure Kalk scheidet sich beim Kochen als
Kesselstein oder Pfannenstein aus, da sein Lösungsmittel,
die freie Kohlensäure, beim Sieden aus dem Wasser entweicht.
Bei grösserem Kalkgehalt wird das Wasser hart, bei geringerem
weich genannt; man unterscheidet es schon durch den Ge-
schmack. Da hartes , kalk- und zumal gipshaltiges Wasser die
— 121 —
Seife zersetzt, erkennt man es leicht daran, dass ein kleiner Zu-
satz von Seifenspiritus eine Trübung und Abscheidung von Kalk-
seife hervorruft. Darum eignet sich hartes Wasser nicht zur
Wäsche. Übelriechendes Wasser wird mittelst Filtration durch
Kohle und Sand geruchlos gemacht.
3. Flusswasser, weniger reich an Kohlensäure und Kalk,
als das Quellwasser, daher ein „weiches" Wasser, aber stets durch
organische Moderstoffe verunreinigt.
4. Meerwasser, mit einem Gehalte von über 3°/0 Salzen,
mit etwa 2% Chlornatrium (Kochsalz), ausserdem schwefelsaurer
Magnesia (Bittersalz), deswegen von bitterlich salzigem Geschmack.
5. Mineralwasser, besondere Quellen, ausgezeichnet durch
gewisse Salze, Kohlensäure u. a. — a) Kohlensäurereiche Wässer
nennt man Säuerlinge, Sauerwasser: enthalten sie daneben
kohlensaures Eisenoxydul, so heissen sie Eisensäuerlinge
und setzen an ihren Abflüssen rostfarbiges Eisenoxydul ab.
Säuerlinge mit kohlensaurem Natron sind alkalische Säuer-
linge (wie das Selterser Wasser); führen sie schwefelsaures
Natron oder Chlornatrium, so heissen sie salinische Säuer-
linge (wie das Kissinger, Marienbader und Karlsbader Wasser);
enthalten sie schwefelsaure Magnesia (Bittersalz), so besitzen sie
einen bittersalzigen Geschmack und heissen Bitterwässer
(z. B. das Hunyadi-Janos , Friedrichshaller Wasser), b) Mineral-
wässer mit Schwefelwasserstoff riechen und schmecken nach faulen
Eiern; man nennt sie Schwefel wässer (wie das Mineralwasser
von Aachen, Teplitz, Warmbrunn u. a.)
Chemisch reines Wasser wird, als destilliertes Wasser,
Aqua destillata, durch Destillation des gemeinen Wassers ge-
wonnen. Dasselbe ist färb-, geschmack- und geruchlos, und hinter-
lässt beim Verdampfen keinen Kückstand.
Das destillierte Wasser muss frei sein von Ammoniak (Quecksüber-
chlorid trübt weiss), Chlornatrium (Silbernitrat trübt weiss), Kohlensäure
(giebt weisse Trübung mit Kalkwasser).
§ 100. Wie ist das Wasser zusammengesetzt? Erst im Jahre 1800
glückte es,*) das Wasser direkt in seine chemischen Bestandteile
zu zerlegen und zwar durch die Voltasche Säule. Leitet man
nämlich den galvanischen Strom durch Wasser, indem man die
beiden Pole mit Platinplättchen armiert und, wie Fig. 42 zeigt,
gefüllte Glascylinder über sie stürzt, so entwickeln sich an ihnen
zwei farblose Gase und zwar am negativen Pole stets die doppelte
Volummenge wie am positiven Pole. Bei näherer Untersuchung
dieser Gase stellt sich eine grosse Verschiedenheit zwischen ihnen
*) Das Wasserstoffgas war schon im 16. Jahrhundert Paracelsus be-
kannt und 1766 von Cavendish näher erforscht.
- 122
heraus: Das am negativen Pole in doppelter Menge entwickelte
Gas lässt sich entzünden und verbrennt mit schwach leuchtender
Flamme — es ist Wasserstoffgas; das am positiven Pole
entwickelte Gas brennt selbst nicht, erhöht aber das Brennen
anderer Körper — es ist Säuerst off gas.
1. Das Wasser zerlegt sich durch
den elektrischen Strom in zwei
Volumteile Wassersto ff gasund einen
Volumteil Sauerstoffgas.
Da das "Wasserstoffgas
16 mal leichter ist als das
Sauerstoffgas, so zerlegt
sich das Wasser in 1 Ge-
wicht steil Wasser stoffgas
und 8 Gewichtsteile Säuer-
st off gas.
Was die Analyse des Wassers
lehrt, bestätigt seine Synthese.
Entzündet man Wasserstoffgas an
der Luft, so verbrennt es zu
Wasser, wovon man sich leicht
überzeugt, wenn man eine kalte
Glasplatte über die Flamme hält
— sie beschlägt sich mit Wasser-
dunst.
2. Ein Teil Wasserstoffgas liefert
beim Verbrennen neun Teile Wasser.
Entzündet man ein Gemenge
aus 2 Volumteilen Wasserstoff-
und 1 Volumteil Sauerstoff-
gas, so entsteht Wasserdampf,
welcher sich beim Abkühlen zur
Fig. 42.
Flüssigkeit verdichtet. Die Vereinigung beider Elemente ist aber
mit so grosser Wärmeentbindung verbunden und eine so plötzliche,
dass eine Verpuffung (Detonation) stattfindet, infolge deren Glas-
gefässe zersprengt werden. Man nennt daher ein Gemenge von
Wasserstoffgas mit Sauerstoffgas (oder auch atmosphärischer Luft)
Knallgas. Vereinigt man aber beide Gase erst im Momente der
Entzündung, indem man sie aus getrennten Behältern in eine feine
Spitze leitet und anzündet, so nimmt die Verbrennung einen
ruhigen Verlauf. Wegen der höchst intensiven , bis jetzt noch
unübertroffenen Hitze" verwendet man dieses sog. Knallgas-
gebläse zum Schmelzen von Platin und anderer äusserst
schwerflüssiger Stoffe. Ein in die Flamme gehaltenes Stück Kreide
— 123 —
oder Kalk gerät in lebhaftes Glühen und dient (Drummonds
Kalklicht) zur Beleuchtung grosser Mikroskope u. a. m.
3. Bas Wassermolekül besteht aus 2 Atomen Wasserstoff und
1 Atom Sauerstoff. Seine Formel ist daher H20.
Wenn zwei Yolumteile Wasserstoffgas sich mit einem Voluin-
teil Sauerstoffgas zu Wasser vereinigen, so entspricht dies den
Gewichtsverhältnissen von 2 Wasserstoff und 16 Sauerstoff. Hieraus
geht die Formel des Wassers (H20) hervor, da das Atomgewicht
des Wasserstoffs = 1, das des Sauerstoffs == 16 ist.*)
§ 101. Wie gewinnt man reines Wasserstoffgas? Bringt man zum
Wasser ein Element, welches grössere Verwandtschaft zum Sauer-
stoff besitzt, als der Wasserstoff, so wird der letztere aus dem
Wasser abgeschieden , und es bildet sich das Oxyd des andern
Elements. Yor allem sind es die Alkalimetalle (Kalium, Natrium),
welche das Wasser zersetzen; beim Kalium findet dabei eine
solche Erhitzung statt, dass das entweichende Wasserstoffgas sich
entzündet. In der Rotglühhitze vermag auch das Eisen Wasser-
dampf zu zersetzen; leitet man solchen durch ein rotglühendes
eisernes Rohr, so entweicht Wasserstoffgas, und das Rohr über-
zieht sich mit Eisenoxyd.
Die gewöhnliche Darstellungsweise des Wasserstoffs ist die
Entbindung aus Zink und verdünnter Schwefelsäure,
wobei das Zink sich in der Säure zu Zinksulfat auflöst. Die statt-
findende Zersetzung lässt sich durch folgende Gleichung darstellen:
Zn + HaS04 ZnS04 + 2H
Zink Schwefelsäure Zinksulfat Wasserstoff.
Statt des Zinkes kann man sich auch des Eisens bedienen.
Das reine Wasserstoffgas (H.ydrogenium**)) ist ein ge-
ruch-, geschmack- und farbloses, brennbares Gas und der leich-
teste Körper (spez. Gew. = 0,069). Aus einer feinen Spitze
ausströmend verbrennt es, angezündet, mit ruhiger, sehr heisser,
aber schwach leuchtender Flamme ; mit Luft oder Sauerstoffgas
gemengt (Knallgas) detoniert es beim Anzünden sehr heftig, da
durch die starke Erhitzung und Gleichzeitigkeit der Vereinigung
an allen Punkten eine plötzliche, gewaltsame Ausdehnung des
gebildeten Wasserdampfes erfolgt.
Durch starken Druck bei sehr grosser Kälte gelang es 1878,
das Wasserstoffgas zu verflüssigen und teilweise fest zu machen
(durch die eigene Verdunstung).
*) In graphischer Darstellung ist die Formel des Wassers: H — 0 — H,
in typischer Schreibweise tt } 0. Die ältere Formel des Wassers (die Aqui-
valentformel, nach welcher 0 = 8) war: HO.
**) Hydrogenium, Wasserbildner, von uowp (Wasser) und ysvvaw (erzeugen).
124
Versuche.
1. Wasserstoffentbindung aus Zink und Schwefelsäure.
(Fig. 43). Man fülle ein Kölbchen halb mit verdünnter Schwefelsäure
(5 Teile Wasser, in welche 1 Teil englischer Schwefelsäure langsam, in
dünnem Strahle und unter Umschwenken eingegossen wird,) füge einige
Schnitzel Zinkblech, Zinkstückchen oder Eisenfeile hinzu, und
verschliesse es mit einem Kork oder Kautschukstopfen, durch
welchen eine feine, enge, in eine feine Spitze auslaufende
Glasröhre luftdicht geführt ist. Das entwickelte Wasser-
stoffgas lasse man so lange entweichen, bis es alle Luft aus
dem Gefässe verdrängt hat, dann erst entzünde man es.
(Ein zu frühzeitiges Anzünden hat eine Zerschmetterung des
Entwicklungsgefässes zur Folge; man warte daher etwas
länger mit dem Entzünden.) Ein über die Flamme gehaltener
Porzellandeckel beschlägt sich mit Wassertröpfchen.
2. Versuche mit dem Wasserstoffgas. a) Man halte
über das ausströmende (nicht angezündete) Gas wenige Se-
kunden einen umgekehrten Probiercylinder, damit er sich
1§' " zur Hälfte mit dem Gase fülle; nähert man ihn dann schnell
einer Flamme, so entsteht ein schwacher Knall — infolge der Verpuffüng
des im Cylinder entstandenen Knallgases. — b) Man halte über die Flamme
des Gases einen LampencyKnder; es entsteht ein scharfer, gellender Ton,
dessen Höhe zunimmt, je weiter man die Flamme im Cylinder hinaufrücken
lässt. (Chemische Harmonika.) — c) Die Entwicklungsflasche versehe man
mit einer nicht zu engen Glasröhre, in deren Ende ein Strohhalm einge-
führt ist, dessen überstehenden Teil man in vier kurze Streifen zerschneide
und sternförmig ausbreite. Betupft man diese Öffnung mit Tropfen gequirlten
Seifenwassers, so entstehen mit Knallgas gefüllte Seifenblasen, welche bei
Annäherung eines brennenden Fidibus mit schwachem Knalle detonieren.
3. Döbereinersche Zündmaschine. (Fig.
44.) Vor der Einführung der Streichzündhölzchen
diente sie als Feuerzeug. Sie gründet sich auf die
Entzündung von Wasserstoffgas durch Platinschwamm
(schwammförmig lockeres Platin), welcher sich durch
die Fähigkeit auszeichnet, in seinen Poren Gase zu
verdichten. Die dabei eintretende Erhitzung — zu-
folge der Verdichtung — entzündet das Wasserstoffgas.
Die Zündmaschine besteht aus einem grösseren, gerad-
wandigen Glasgefässe (a), an dessen Messingdeckel
ein beiderseits offener Glascylinder (b) angekittet
*ig. 44. -gj.^ worjn an einem Haken ein Stück Zink hängt.
Im äusseren Gefässe befindet sich verdünnte Schwefelsäure, deren Zutritt
zum Zink Wasserstoffgas im Cylinder entwickelt. Durch einen Druck auf
die Feder e wird dem Gase ein Ausweg nach oben gegeben ; es strömt
durch eine feine Öffnung des Deckels seitlich zum Platinschwamm in d,
sich daran entzündend. Beim Nachlassen des Druckes auf die Feder
schliesst sich die Öffnung wieder, das Gas sammelt sich im Cylinder und
drückt die Säure nach unten, bis sie ausser Berührung mit dem Zink ge-
kommen ist. Ein erneuter Druck auf die Feder setzt den ganzen Vorgang
abermals in Aktion.
Fragen und stöchioinetrische Aufgaben.
1. Woran erkennt man hartes Wasser? — Antw. Es trübt sich mit
Seifenspiritus stark.
— 125 —
2. Wie unterscheidet man Brunnenwasser von destilliertem oder
Regenwasser? — Antw. Salpeter saures Silberoxyd trübt das Brunnenwasser
wegen seines Kochsalzgehaltes, nicht aber das destillierte oder Regenwasser.
^ 3. Wie muss man einen mit Wasserstofferas gefüllten Glascylinder
halten, damit das Gas nicht entweiche? — Antw. Mit der Öffnung nach
unten, da das Gas 14 mal leichter ist als die Luft.
4. Wieviel g Wasserstoffgas und Sauerstoffgas liefert 1 g Wasser bei
der galvanischen Zersetzung? — Antw. H.,0 = 18 zerfällt in 2H = 2
und 0 = 16; mithin zerlallt 1 g H20 in 0,11 g H und 0,89 g 0.
5. Wieviel ccm betragen beide Gase, wenn 1 l Sauerstoffgas 1,44 g.
\1 Wasserstoffgas 0,09 g wiegt? — Antw. H = 1222 ccm. 0 = 618 ccm.
6. Wieviel Wasser liefert 1 / Wasserstoffgas bei der Verbrennung?
- Antw. 1 / H wiegt 0,09 g; 2 H : H,0 oder 2 : 18 = 0,09 : x; x = 0,81 g,
8, Der Schwefel.
§ 102. Eigenschaften des Schwefels. Der Schwefel (Sulfur),
ein altbekanntes, nichtmetallisches Element, kann in drei Formen
(allotropischen Zuständen) auftreten:
a) Als gewöhnlicher Schwefel (S a), in hellgelben
rhombischen Oktaedern kristallisiert, doppelt so schwer als
das Wasser, bei 111° zu einer blassgelben, dünnen Flüssigkeit
schmelzend, bei 420° siedend, nicht in Wasser, Weingeist, leicht
in Schwefelkohlenstoff löslich.
6) Lässt man geschmolzenen Schwefel ruhig erkalten, so
krystallisiert er (als S ß) in gelben, schiefen rhombischen
Säulen, welche ein etwas geringeres spezifisches Gewicht haben
als der oktaedrische Schwefel. Er geht mit der Zeit allmählich
in letzteren über.
c) Als amorpher Schwrefel (Sy), eine zähe, braune Masse,
worin sich der geschmolzene Schwefel verwandelt, wenn man ihn
bis 260 ° erhitzt. Beim Erkalten geht er allmählich in S ß über
und wird wieder gelb ; kühlt man ihn aber plötzlich ab (durch
Eingiessen in kaltes Wasser), so bewahrt er seine zähe Be-
schaffenheit und braune Farbe. Er ist gelöst in Oleum Lini
sulfuratum. Schwefelkohlenstoff nimmt ihn nicht auf.
§ 103. Wie gewinnt man den Schwefel? Ein sehr bedeutender
Teil des Schwefels findet sich gediegen in der Natur, zumal in
Sizilien*), als Produkt früherer vulkanischer Thätigkeit. Er wird
daselbst in gusseisernen Kesseln oder Schachtöfen geschmolzen,
von den sich absetzenden erdigen Yerunreinigungen abgeschöpft
und als Rohschwefel in den Handel gebracht. Seine weitere
*) Die reichsten Schwefellager finden sich auf Sizilien in der Gegend
von Girgenti; die Insel führt jährlich anderthalb Millionen Centner
Schwefel aus.
— 126 —
Reinigung geschieht durch Sublimation aus gusseisernen
Kesseln, aus welchen sein Dampf in grosse gemauerte Kammern
geleitet wird, an deren Wänden er sich dann als Schwefel-
blumen ansetzt. Bei fortgesetztem Betriebe erwärmen sich die
Wände, der sublimierte Schwefel schmilzt und wird in hölzerne
Formen gegossen — Stangenschwefel.
Man gewinnt den Schwefel bei uns häufig aus dem Schwefel-
kies, einem Mineral, welches aus einem Atom Eisen und zwei
Atomen Schwefel besteht (FeS2) und in Böhmen, Schlesien u. a. 0.
in grossen Massen gefunden wird. Der Schwefelkies giebt beim
Erhitzen die Hälfte seines Schwefels ab und reduziert sich zu
FeS. Man nimmt die Operation gewöhnlich in Thonröhren vor,
die in einem Ofen liegen und in einen eisernen Kasten mit Wasser
einmünden, worin der Schwefeldampf sich verdichtet. Im Schwefel-
kies findet sich häufig Arsen (als Arsenkies), dann zeigen die
daraus gewonnenen Schwefelblumen einen Arsengehalt ; in geringen
Mengen ist der in Schweden vorkommende Schwefelkies von
Selen begleitet.
Das Selen ist ein metallglänzendes, schwärzliches, in fein-
verteiltem Zustande rotes, seltenes Nichtmetall, das sich in seinen
Eigenschaften und chemischem Verhalten dem Schwefel enge
anschliesst.
§ 104. Wie reinigt man den Schwefel zum medizinischen Gebrauch?
Die käuflichen Schwefelblumen, Sulfur suhlimatum (Flores
Sulfuris) sind durchgängig mit anhaftender Schwefelsäure ver-
unreinigt, daher von schwach säuerlichem Geschmack und Lack-
muspapier rötend; zuweilen enthalten sie auch etwas Arsen.
Zum innerlichen Gebrauche reinigt man sie durch Abwaschen
mit Wasser; um etwa vorhandenes Schwefelarsen zu entfernen,
digeriert man sie zuvor mit verdünntem Salmiakgeist, worin sich
jenes löst. Das ausgewaschene und getrocknete Präparat ist der
gereinigte Schwefel, Sulfur depuratuni (Sulfur lotum),
von den gewöhnlichen Schwefelblumen durch völlige Trockenheit,
neutrale Eeaktion und Geschmacklosigkeit unterschieden. Prüfung
wie beim präzipitierten Schwefel (vgl. § 106).
§ 105. Chemisches Verhalten des Schwefels. Die grosse Mehrzahl
der Elemente vermag sich mit dem Schwefel direkt zu Sulfiden
zu vereinigen. Phosphor, Jod, die Metalle lassen sich mit ihm
zusammenschmelzen, wobei zuweilen Feuererscheinung eintritt.
So verbrennt feingewalztes Kupferblech im Schwefeldampf mit
grossem Glänze zu Schwefelkupfer — also eine Verbrennung
ohne Sauerstoff! Eisenfeile erglüht in schmelzendem Schwefel
zu Schwefeleisen.
Die gewöhnliche Methode der Gewinnung von Schwefel-
— 127 —
alkalien ist, Schwefel und Ätzalkali zusammen zu kochen
oder zu schmelzen. Beim Zusammenschmelzen kann man auch
die kohlensauren Alkalien anwenden, da in der höheren Tem-
peratur der geschmolzene Schwefel die Kohlensäure austreibt.
Je nach der angewendeten Schwefelmenge erhalten wir ein höheres
oder niedrigeres Sulfid. Da aber das Alkalimetall mit Sauerstoff
verbunden ist, so entsteht neben dem Sulfide auch ein Alkalisalz
der unterschwefligen Säure resp. Schwefelsäure, denn der Schwefel
vermag den Sauerstoff wohl in eine andere Verbindung zu bringen,
nicht aber auszutreiben.
Der Schwefel bildet in der Schmelzhitze mit den Alkalien ein
Mehr fach- Schwefelkali neben unterschivef 'ligsaurem , in der Gühhitze
neben schwefelsaurem Alkali.
a) Kocht man Schwefel mit Kalkmilch (gelöschtem, mit Wasser
angerührtem Kalk), so erhält man Mehrfach-Schwefelcalciuui und
unterschwefligsauren Kalk.
CaO
CaO
CaO
+
12 8
= Ca S.2 03 + CaS5
CaSä
Kalk
Schwefel
unterschwef ligsaurer Fünffach-
Kalk Schwefelcalcium
b) Schmilzt man Schwefel mit kohlensaurem Kali (K2C03)
zusammen, so entweicht kohlensaures Gas (C02), und das Kali
(K2 0) bildet Mehrfach-Schwefelkalium neben schwefelsaurem Kali.
Solche zusammengeschmolzene Gemenge von Schwefelalkalien
nennt man, da sie in der Hitze eine leberbraune Farbe besitzen,
Schwefelleber (Hepar Sulfuris).
Eine eigene Darstellung der Alkalisulfide gründet sich, auf die Ent-
sauerstofiung (Reduktion) der schwefelsauren Alkalien durch Glühen
mit Kohle. Letztere nimmt allen Sauerstoff an sich und entweicht, je
nach der Menge der Kohle, als Kohlendioxyd (C02) oder Kohlenoxyd (CO)
gasförmig, Schwelelmetall zurücklassend.
K2S04 -j- 2 C = K2S + 2 C02
schwefelsaures Kali Kohle Kaliumsulfid Kohlenoxyd.
Durch Kohle reduziert sich das schwefelsaure Natron zu Natrium-
sulfid, der schwefelsaure Kalk zu Galciumsulfid, der schwefelsaure Baryt zu
Baryumsulfid. Wird ein Üherschuss an Kohle angewendet, so bleibt das
Schwefelmetall mit Kohle gemengt als sog. Pyrophor zurück, mit der
Eigenschaft, sich an der Kuft von selbst zu entzünden.
§ 106. Was ist die Schwefelmilch? Wenn man die Lösung
eines Mehrfach-Schwefelalkalis durch eine Säure zersetzt,
so wird Schwefel gefällt, während das Alkalisalz der Säure in
Lösung bleibt und Schwefelwasserstoffgas entweicht; aller Schwefel,
der mehr vorhanden ist, als im einfachen Sulfide, wird mit
weisslichgelber Farbe, in feinstverteiltem Zustande, als sogenannte
Schwefelmilch (Lac Sulfuris) präzipitiert.
- 128 —
I)ie Supersulfide der Metalle scheiden bei der Zersetzung mit
Säuren Schwefel ab.
Zur Darstellung des offizinellen präzipitierten Schwefels,
Sulfur praecipitatam, wird der Schwefel mit Kalkmilch bis zur
Auflösung gekocht und zur Flüssigkeit, welche neben unter-
schwefligsaurem Kalke Calciumquintisulfid enthält so viel Chlor-
wasserstoffsäure hinzugefügt, dass nur das Calciumquintisulfid zur
Zersetzung gelangt. Es entweicht dabei Schwefelwasserstoffgas, und
4 Atome Schwefel fallen von jedem Molekül CaS5 nieder.
CaS5 + 2 H Cl =. Ca Cl2 + H2 S -f- 4 S
Calciumquinti- Chlorwasser- Chlorcalcium Schwefel- Schwefel-
sulfid. Stoff Wasserstoff. milch.
Der Schwefel wird wohl ausgewaschen und getrocknet. Die
Schwefelmilch unterscheidet sich durch die hellere Farbe und
grössere Feinheit von den Schwefelblumen.
Prüfung: Der präcipitierte Schwefel darf blaues Lackmuspapier nicht
röten {Schwefelsäure), auch an Ammoniak kein Arsen abgeben, welches
nach Ansäuern mit Chlorwasserstoff sich als gelbes Schwefelarsen wieder
ausscheiden würde ; war das Arsen als arsenige Säure im Schwefel, so entsteht
in dem übersäuerten ammoniakalischen Auszuge erst auf Zusatz von Schwefel-
wasserstoffwasser ein gelber Niederschlag von Schwefelarsen. (Das Schwefel-
arsen ist zwar in Ammoniak löslich, nicht aber in sauren Flüssigkeiten.) Beim
Verbrennen darf der Schwefel keinen Rückstand {erdige Beimengungen)
hinterlassen.
§ 107. Wie entsteht der Schwefelwasserstoff? Der Schwefel-
wasserstoff (H2S)*) ist ein Gas mit dem Geruch nach faulen
Eiern, angezündet mit blauer Flamme zu Wasser und Schwefel-
oxyd verbrennend , etwas schwerer als die Luft , nicht atembar
und in Wasser löslich. Die wässerige Lösung, Schwefel-
wasserstoffwasser, Aqua hydrosulfurata, besitzt den
Geruch des Gases und schwach saure Reaktion. Man verwendet
dasselbe sehr häufig als Reagens zur Ermittlung von Schwer-
metallen, die es aus ihrer Lösung als Schwefelmetalle ausscheidet;
man muss es aber in wohlverschlossenen Gefässen aufbewahren, am
besten in liegenden oder umgewendeten Gläsern , da es aus der
Luft begierig Sauerstoff anzieht, seinen Geruch allmählich verliert
und (weisslichen) Schwefel absetzt. Die Oxydation beschränkt
sich hierbei auf den Wasserstoff. (H2S + 0 == H20 + S.)
Das Schwefelwasserstoffgas entsteht nicht durch direkte Ver-
einigung der beiden Elemente, sondern nur bei der Zerlegung
eines Schwefelmetalles durch eine Säure. Dabei verbindet sich
der Schwefel mit dem Wasserstoff der Säure, während das Metall
an dessen Stelle in die Säure eintritt.
*) Die ältere Formel war HS, da das Atomgewicht von S = 16 an-
genommen wurde.
— 129 —
Die Schwefelmetalle werden durch Säuren zersetzt; es entsteht ein
Sah der Satire und Schwefelwasserstoff gas entweicht.
Eisensulfid (Einfach-Schwefeleisen) löst sich in verdünnter
Schwefelsäure zu schwefelsaurem Eisenoxydul , unter Schwefel-
wasserstoffentbindung, auf. Nämlich:
FeS + H2S04 FeS04 + H2S
Schwefeleisen Schwefelsäure schwefelsaures Schwefel-
Eisenoxydul Wasserstoff.
§ 108. Wie verhält sich der Schwefelwasserstoff zu den Metalloxyden?
Mit den Metalloxyden bildet der Schwefelwasserstoff Schwefel-
metall und "Wasser, indem sich der Schwefel mit dem Metalle,
der "Wasserstoff mit dem Sauerstoff des Oxydes vereinigt. Man
kann auf trocknem, wie auf nassem "Wege verfahren. Leitet man
Schwefelwasserstoffgas über Antimonoxyd, Kupferoxyd, Zinkoxyd
u. dgl., so gehen sie in die entsprechenden Sulfide über. Nämlich:
Sb203 H- 3H2S = SbaSafc.rj- 3H20
Antimonoxyd Schwefel- Schwefelantimon Wasser.
Wasserstoff
Leitet man Schwefelwasserstoffgas in Kalilauge, so entsteht
Schwefelkalium , bei fortgesetztem Einleiten Kaliumhydrosulfid,
nämlich :
I. 2KHO + H2S = K2S + 2H20
Kaliumhydroxyd Kaliumsulfid Wasser.
IL KaS + H2S = 2KHS
Kaliumsulfid Schwefelwasserstoff Kaliumhydrosulfid.
Leitet man Schwefelwasserstoff in die Lösungen der Schwer-
metalle, so scheiden sich nur solche Schwefelmetalle aus, welche
in verdünnten Säuren unlöslich sind, da bei der Umsetzung von
H2S mit den Salzen neben dem Schwefelmetall freie Säure ent-
steht. Daher können die Eisensalze durch Schwefelwasserstoff nicht
zerlegt, werden, weil die frei werdende Säure das Schwefeleisen so-
fort wieder auflösen würde ; Kupfer-, Blei-, Silber-, Quecksilber-
salze scheiden aber Schwefelmetalle ab.
CuS04 + H2S == CuS + H02S4
schwefelsaures Schwefel- Schwefel- Schwefelsäure.
Kupferoxyd Wasserstoff Kupfer
Fügt man zu schwefelsaurem Eisenoxydul aber ein Schwefel -
alkali, so entsteht schwefelsaures Alkali, und Schwefeleisen scheidet
sich zufolge doppelter "Wahlverwandtschaft ab.
Man verwendet daher das Schwefelwasserstoffwasser
als allgemeines Reagens auf die Schwermetalle. Es scheidet die
Sulfide aus ihren Salzlösungen, und zwar:
1. aus saurer Lösung 2. aus neutraler od. alkal. Lösung
schwarz gelb orange
schwarz
fleischfarbig
weiss
Blei Arsen Antimon
Eisen
Mangan
Zink
Kupfer Zinn
Kobalt
Wismut Kadmium
Nickel
die Edelmetalle
Schlickum, Apothekerlehrimg.
- 130 —
Versuche.
Versuche mit dem Schwefel, a) Man schmelze in einem Glas-
kölbchen über der Weingeistflamme etwas Schwefel; die anfangs hellgelbe
und dünne Flüssigkeit wird bald braun und zähe, sodass man das Gefäss
umwenden kann, ohne dass sie ausfliesst. Siedet der Schwefel, so wird
man den Kolbeninhalt mit einem dunkelgelben Dampfe erfüllt und den
Kolbenhals innen mit einem feinen gelben Anflug (sublimiertem Schwefel)
bedeckt sehen. — b) Schüttelt man in einem Glase einige g Schwefelkohlen-
stoff mit einer Messerspitze Schwefelblumen, giesst die klare Lösung in eine
Porzellanschale und lässt sie an freier Luft verdunsten, so bleibt ein Haufen-
werk kleinster Schwefel- Oktaeder zurück. — c) Einen kleinen Porzellan -
tiegel fülle man nahezu mit Schwefelblumen an, erhitze ihn bedeckt über
der Lampe, bis der Schwefel völlig geschmolzen ist, lasse ihn dann langsam
erkalten und durchsteche die Oberfläche, sobald sie erhärtet ist, mit einem
Glasstabe, worauf man das noch flüssige Innere ausgiesst. Die Innenwände des
Tiegels zeigen sich dann mit gelben, säulenförmigen Krystallen (S ß) bekleidet.
Praktische Übungen.
1. Bereitung von Schwefeleisen. In einer eisernen Pfanne
erhitze man ein inniges Gemenge von 3 Teilen Eisenpulver mit 2 Teilen
Schwefelblumen. Sobald der Schwefel völlig geschmolzen ist, beginnt die
ganze Masse von einem Punkte aus zu erglühen; alsdann entferne man
die Lampe und bedecke die Pfanne. Die aus Schwefeleisen bestehende
Masse steche man noch heiss mit dem Spatel los und bringe sie erkaltet
in ein Glasgefäss.
2. Darstellung des Schwefelwasserstoffwassers (Fig. 45). In
eine weithalsige Glasflasche (A) bringe man etwa 20 g grobgepulvertes
Schwefeleisen und 100 g Wasser, verschliesse sie mit einem Kork (resp.
Kautschukstopfen), durch welchen luftdicht eine Trichterröhre (D), sowie
das Ende einer rechtwinklig gebogenen Glas-
röhre (c) geführt ist, deren anderes Ende in
ein etwa 1 Pfd. ausgekochtes und wieder ab-
gekühltes Wasser enthaltendes Glas (B) hinab-
reicht. Ist die ganze Vorrichtung zusammen-
gesetzt, so giesse man 20 g engl. Schwefelsäure
durch die Trichterröhre, worauf die Gasent-
wicklung beginnt. Wegen der Belästigung,
die das nicht absorbierte Schwefelwasserstoffgas
in der Umgebung bereitet, nehme man die
Operation im Freien vor. Man schüttele häufig
das Auffanggefäss (B), mit dem Daumen ver-
schliessend, kräftig um, damit das über dem
Wasser befindliche Gas zur Absorption gelange.
Ob das Wasser gesättigt sei, nimmt man daran
wahr, dass nachsolchem Umschütteln derDaumen
nicht mehr eingezogen wird.
Aus der im Entwicklungsgef äss restierenden
Flüssigkeit krystallisiert schwefelsaures Eisenoxydul (Eisenvitriol) in blau-
grünen Krystallen aus.
3. Versuche mit dem Schwefelwasserstoff. Man löse folgende
Salze, jedes für sich, in kleinen Mengen in destilliertem Wasser auf: essig-
saures Bleioxyd, schwefelsaures Kupferoxyd, Brechweinstein, schwefelsaures
Zmkoxyd und schwefelsaures Eisenoxydul. Zu jeder Lösung setze man
Schwefelwasserstoffwasser; in den beiden ersten Salzen nimmt man dann
— 131 —
einen schwarzen Niederschlag (Schwefelblei, Schwefelkupfer) wahr, die
übrigen Lösungen bleiben klar. Fügt man nun zum Brechweinstein etwas
verdünnte Schwefelsäure, so fällt orangerotes Schwefelantimon; setzt man
zur Zink- und Eisenlösung Kalilauge, so scheidet erstere weisses Schwefel-
zink, letztere schwarzes Schwefeleisen aus.
Stöchiometrische Aufgaben.
a) Wieviel g Schwefelwasserstofi'gas liefern 20 g Schwefeleisen?
b) Wieviel / betragen sie, wenn ein l des Gases 1,55 g wiegt?
c) Wieviel Wasser kann man damit sättigen, wenn letzteres sein 2I/o-
faches Volum Gas verschluckt?
Antw. d) FeS : H.,S = 88 : 34; also 88 : 34 = 20 : x; x = 7,72 q.
7 79
b) * =. '-Tf. = h l — c) x = 2 kg.
1,55
9, Die Schwefelsäure.
§ 109. Die Sauerstofi'verbindungen des Schwefels. Beim Verbrennen
bildet der Schwefel das Schwefeldioxyd (S02) , ein farbloses
Gas von sehr stechendem Gerüche, das zweimal so schwer als die
Luft, in der Kälte flüssig ist und vom Wasser begierig verschluckt
wird. Diese wässerige Lösung enthält nun schweflige Säure,
in die das Schwefeldioxydgas bei seinem Zusammentreffen mit
Wasser übergegangen ist. Daher nennt man auch wohl das Gas
wasserfreie schweflige Säure.
S02 + H2 0 = H2 S03
Schweleldioxyd Wasser schweflige Säure.
Die Auflösung der schwefligen Säure besitzt saure Eigen-
schaften , riecht wie das Gas und verbindet sich mit basischen
Oxyden zu schwefelsauren Salzen, Sulfiten. Man benutzt
die schweflige Säure zum Bleichen von Strohgeflechten, Gespinsten
u. dgl., da sie sich mit vielen Farbestoffen verbindet.
An der Luft verliert die wässerige Lösung der schwefligen
Säure allmählich ihren Geruch, indem sie Sauerstoff aufnimmt
und sich in Schwefelsäure (H2S04) verwandelt.
H2S03 + 0 = H2S04.
Ausser diesen beiden Säuren giebt es noch fünf andere Säuren
des Schwefels, in denen zwei bis fünf Atome Schwefel enthalten sind :
Unterschweflige Säure (dithionige Säure) . H2S203
Unterschwefelsäure (Dithionsäure) .... H2S206
Trithionsäure . H2S306
Tetrathionsäure H2S406
Pentathionsäure H2S506
Die wichtigste dieser letzteren Säuren ist die unterschwef-
lige Säure, welche nur in Salz verbin düngen (Hypo Sulfiten
oder Th io Sulfaten) , nicht aber isoliert bekannt ist. Zerlegt
man nämlich die unterschwefligsauren Salze durch eine stärkere
9*
132
Säure, so zerfällt die unterschwellige Säure im Momente des Frei-
werdens in schweflige Säure und abscheidenden Schwefel.
H2S203 = H2S03 + S.
§ 110. Wie gewinnt man die Schwefelsäure? In früherer Zeit
gewann man die Schwefelsäure aus dem Eisenvitriol (schwefel-
saurem Eisenoxydul). Dieses Salz liess man verwittern , um das
Krystallwasser zu entfernen , röstete es, um das Eisenoxydulsalz
durch Sauerstoffaufnahme aus der Luft in Oxydsalz überzuführen
(da dieses sich leichter zersetzt als jenes) und glühte es in eisernen
Betorten. Schwefelsäure destilliert über und rotes Eisenoxyd bleibt
in der Retorte zurück, als Totenkopf (Colcothar, caput mortuum)
ein gebräuchliches Farbmittel.
Diese aus dem Vitriol dargestellte Schwefelsäure , das sog.
Vitriolöl (Oleum Yitrioli), auch Nordhäuser Schwefel-
säure genannt (wegen der ersten Fabrikation in Nordhausen),
ist Acidum sulfuricum fumans, eine bräunliche, ölig flies-
sende Flüssigkeit, mit dem spez. Gew. 1,90. Sie enthält wasser-
freie Schwefelsäure (Schwefeltrioxyd S03) aufgelöst,
welche bei gelindem Erhitzen abdestilliert werden kann und eine
weisse, schneeähnliche, mit Wasser stark zischende Masse darstellt.
Fig. 46.
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts führte man, zuerst in
England, die Darstellung der Schwefelsäure aus Schwefel ein.
Die Bildung derselben gründet sich auf die Oxydation der schwef-
ligen Säure durch Untersalpetersäure (N02), welche zu Stickoxyd
(NO) reduciert wird, nach folgender Gleichung:
H9S0,
L2kJV/3
schweflige
Säure
NO., = H9S0<
Schwefelsäure
+ —2
Untersalpeter-
säure.
Bedingung dazu ist Gegenwart von "Wasser,
den Durchschnitt einer Schwefelsäurefabrik.
NO
Stickoxyd.
Fig. 46 giebt
Man verbrennt
- 133 —
im Ofen a den Schwefel, leitet das S 0^ durch das Rohr b in die
Bleikammer c und d, worin es sich mit Wasserdampf mischt und
zu schwefliger Säure wird. In d fliesst aus y Salpetersäure in
staffeiförmig gestellte Gefässe z herab und wird sofort zu Unter-
salpetersäure reduziert. Das Gasgemenge aus schwefliger und
Untersalpetersäure tritt nun in die Bleikammern e, f, g, wohin
aus dem Kessel o durch die Röhren r, t, u Wasserdampf einströmt.
Hier geht die Oxydation der schwefligen Säure durch die Unter-
salpetersäure von statten. Durch Zufuhr atmosphärischer Luft
wird das entstandene Stickoxydgas sofort wieder zu Untersalpeter-
säure (NO + 0 = NOo), sodass neue Mengen schwefliger Säure
in Schwefelsäure übergeführt werden können. Bei fortgesetzter
Zuleitung frischer Luft, Wasserdampf und schwefliger Säure unter-
hält eine beschränkte Menge Untersalpetersäure den ganzen Pro-
zess ununterbrochen, den aus der Luft ausgenommenen Sauerstoff
auf die schweflige Säure übertragend.
I. NO + 0 = N02
StickBtoffoxyd Sauerstoff Untersalpetersäure.
IL H2S03 + N02 = H2S04 -f NO
schweflige Säure Untersalpetersäure Schwefelsäure Stickoxyd.
Die in den Kammern sich ansammelnde Schwefelsäure wird
in Bleipfannen, später in Platingefässen eingedampft, bis Schwefel-
säuredämpfe zu entweichen beginnen. Diese Säure ist Acidum
snlfuricum crudum, gewöhnlich englische Schwefelsäure
genannt, ein farbloses, ölig füessendes, schweres Liquidum vom
spec. Gew. 1,83, welches stets etwas schwefelsaures Bleioxyd,
häufig auch Salpetersäure und , im Falle arsenhaltiger Schwefel
benutzt wurde, arsenige Säure (Arsenik) enthält. Beim Verdünnen
mit Wasser oder Weingeist wird das Bleisalz als weisses Pulver
abgeschieden, weil dieses in der verdünnten Säure nicht löslich ist.
Durch Rektifikation aus Glasretorten reinigt man die englische
Schwefelsäure, wobei das Bleisalz zurückbleibt und die Salpeter-
säure, zu Anfang übergehend, durch Wechseln der Vorlage ent-
fernt wird. Die so gewonnene reine Schwefelsäure, Acidum
snlfuricum (purum), hat das spez. Gew. ],840, während die rohe
Säure etwas wasserhaltig und leichter ist. Bei 0° erstarrt sie.
§ 111. Eigenschaften der Schwefelsäure. Die Schwefelsäure ist eine
stark ätzende, giftige, geruch- und farblose, organische Materien
(z. B. Zucker, Kork) unter Schwärzung (Verkohlung) zerstörende
Flüssigkeit, die man in Flaschen mit Glasstopfen aufbewahrt. Sie
siedet bei 326° in weissen Dämpfen. An der Luft verdunstet sie
nicht, sondern zieht begierig den Wasserdampf derselben an , ihr
Volumen dabei stark vermehrend und sich verdünnend ; überhaupt
ist die Säure ausgezeichnet durch ihre hygroskopischen Eigen-
schaften , dient daher häufig zum Austrocknen von Gasen oder
— 134 —
anderer feuchter Körper ; jene leitet man über mit Schwefelsäure
befeuchtete Bimsstein stücke , diese stellt man unter einer Glas-
glocke einige Zeit neben ein Glas mit Schwefelsäure auf.
Erhitzt man die Schwefelsäure mit Metallen oder Kohle, so
giebt sie an dieselben Sauerstoff ab und reduziert sich zu Schwefel-
dioxydgas. Es beruht darauf eine bequeme Darstellung des-
selben, indem man englische Schwefelsäure in einer Retorte mit
Holzkohlenstückchen erhitzt und die entweichenden Gase — Schwefel-
dioxyd und Kohlendioxyd (Kohlensäuregas) — in Wasser leitet;
ersteres wird davon verschluckt, letzteres entweicht:
2H2S04 + C = 2S0a + C02 + 2H20
Schwefelsäure Kohle Schwefeldioxyd Kohlendioxyd Wasser.
Mit Wasser mischt sich die Schwefelsäure, unter starker Er-
hitzung zu einem zweiten Hydrate (H2S04 + 2H20) sich ver-
dichtend. Da es gefährlich ist , Wasser einer grösseren Säure-
menge zuzumischen, so merke man sich die Regel:
Bei der Verdünnung der Schwefelsäure ist stets die Säure in
Meinen Portionen dem Wasser, aber niemals timgeJcehrt das Wasser
der Säure zuzusetzen !
Mit der fünffachen Menge Wassers vermischt, bildet die
Schwefelsäure die officinelle verdünnte Schwefelsäure,
Acidum sulfuricura dilutum.
Die Schwefelsäure ist die stärkste Säure in gewöhnlicher
Temperatur. Sie bildet meist lösliche Salze (Sulfate); durch
Schwerlöslichkeit ausgezeichnet sind ihre Yerbindungen mit Baryt,
Strontian, Kalk und Bleioxyd. Der schwefelsaure Kalk findet
sich als Gips vielfach in der Natur vor.
Erkennung der Schwefelsäure. Auf der Unlöslichkeit des schwefel-
sauren Baryts beruht die Erkennung der Schwefelsäure. Man
benutzt daher die Barytsalze, namentlich den salpetersauren Baryt,
um sowohl die freie Säure, als ihre Salze nachzuweisen; sie
rufen einen weissen Niederschlag (schwefelsauren Baryt) hervor,
der sich weder in Wasser, noch in Säuren auflöst.
Prüfung der Schwefelsäure: Sie darf sich mit Weingeist nicht
trüben (weisser Bodensatz: Bleisulfat), in wässeriger Verdünnung Kalium-
permanganat nicht entfärben (schweflige Säure), weder durch Schwefelwasser-
stoff sich verändern (schwärzliche Trübung: Bleisulfat), noch durch Silber-
nitrat (weiss: Chlorwasserstoff), noch, nach Übersättigung mit Ammoniak,
durch Schwefelammonium (schwarz: Eisen); sie darf beim Überschichten
mit Eisenvitriollösung keine braune Mittelzone bi\äeTa.(Salpetersäure), schliess-
lich muss sie mit Zink ein Wasserstoffgas entwickeln, welches konz. Silber-
lösung nicht gelb oder schwarz färben darf (Arsen, vgl. beim Arsen!).
Praktische Übungen.
1. Acidum sulfuricum dilutum. In 5 Teile Wasser tröpfle man, unter
Abkühlung des Mischgefässes und Umrühren mit einem Glasstabe, 1 Teil
konzentr. Schwefelsäure. Die Mischung erhitzt sich sehr merklich. Grössere
— 135 —
Mengen mische man, indem man die Säure langsam durch einen Trichter ein-
tropfen lässt, der durch einen passenden Glasstab nahezu verstopft wurde.
2. Mixtura sulfurica acida. In derselben Weise werde 1 Teil
konzentr. Schwefelsäure in 3 Teile Weingeist getröpfelt; es erfolgt eben-
falls eine starke Erhitzung.
Fragen und stöchioinetrische Aufgaben.
1. (i) Wieviel schwefligsaures Gas liefert 1 kg Schwefel beim Ver-
brennen? b) Wieviel /beträgt dasselbe, wenn 1 /des Gases 2,75 g wiegt?
— Antw. a) S : SO., = 32 : 64; also x = 2 kg. b) 2,75 : 2000 = 1 : x;
x = 727 /.
2. Wieviel Schwefelsäure liefert ein kg Schwefel? — Antw.
S : H2S04 = 32 : 98; also x = 3 kg.
3. Wodurch erkennt man die verdünnte Schwefelsäure? — Antw.
Dadurch, dass eine Lösung von salpetersaurem Baryt einen weissen Nieder-
schlag in ihr hervorruft.
10. Der Stickstoff und die Salpetersäure.
§ 112. Der Stickstofi'. Der Stickstoff (NU rogeniu m*)) ist
ein färb- , geruch- und geschmackloses Gas , welches weder für
sich brennbar, noch imstande ist, die Verbrennung anderer Körper
zu unterhalten (daher sein Name.) Er macht 77% der atmo-
sphärischen Luft aus, als deren Bestandteil er zuerst von Priestley
und Scheele 1774 erkannt wurde (»verdorbene Luft«). Er zählte
bisher zu den permanenten Gasen, jedoch gelang es in neuester
Zeit, unter Anwendung hohen Druckes (200 Atmosphären), gleich-
zeitig bei starker Kälte ( — 300°), den Stickstoff tropfbarflüssig zu
machen.
Um den Stickstoff darzustellen , entzieht man einem abge-
schlossenen Quantum atmosphärischer Luft den Sauerstoff, was
durch Phosphor, rotglühendes Kupfer u. a. geschehen kann.
Reines Stickgas gewinnt man durch Erhitzen des salpetrigsauren
Ammoniaks (Ammoniumnitrit, NH4N02), welches dabei in Wasser
und Stickstoff zerfällt,
NB^NOa = 2H20 = 2N
Ammoniumnitrit Wasser Stickstoff.
In chemischer Beziehung zeichnet sich der Stickstoff durch
grosse Passivität aus; er verbindet sich direkt mit keinem anderen
Elemente, ist auch in keiner Temperatur brennbar. Bemerkens-
wert ist die Erzeugung geringer Mengen Ammoniumnitrits (sal-
petrigsauren Ammoniaks) in der atmosphärischen Luft nach starken
Blitzschlägen. (Dasselbe bildet sich aus dem Stickstoff und den
Elementen des Wassers.) Jedoch spielt der Stickstoff in den
organischen Körpern eine grosse Rolle, da er von den zum Leben
wichtigsten Materien einen nötigen Bestandteil ausmacht. Beim
*) Nitrogenium von nitrum (vixpov), Salpeter.
— 136 —
Faulen und Verwesen dieser organischen Stoffe entsteht die Wasser-
stoffverbindung des Stickstoffs, das Ammoniak (NH3), welches
in seinem Verhalten dergestalt den Alkalien sich anscbliesst, dass
man es „flüchtiges Alkali" genannt hat. (Es findet daher auch
bei den Alkalien seine nähere Erörterung.)
In seinen chemischen Verbindungen zeigt sich der Stickstoff
vorzugsweise als drei- und fünfwertiges Element. Im Am-
moniak tritt er dreiwertig, in den Ammoniumverbindungen fünf-
wertig auf. Mit dem Sauerstoff bildet er indirekt 5 Oxyde und
2 Säuren, nämlich:
N.,0
NO
N.,03 Salpetrige Säure HNO.,
NÖo
N.2Ö5 Salpetersäure HN03
Stick(stofl')oxydul
Stick(stofi)oxyd
Stickstofftrioxyd
Stickstofftetroxyd
Stickstoffpentoxyd
§113. Die Salpetersäure. Die Salpetersäure (HN03*)) kommt
in der Natur nicht frei, aber vielfach in Salz verbin düngen vor
— Nitrate. In der Nähe der Düngergruben bildet sich durch
langsame Oxydation des von denselben ausdünstenden Ammoniak-
gases (NH3) an kalkhaltigen Mauern salpetersaurer Kalk (Calcium-
nitrat) als sog. Mauersalpeter. In analoger Weise findet sich das
salpetersaure Kali, gewöhnlich Salpeter (Nitrum) genannt, in Ost-
indien, und das salpetersaure Natron, der Chilisalpeter, in den
westlichen Küstenländern Südamerikas.
Fig. 47.
Darstellung der Salpetersäure. Man stellt die Salpetersäure aus dem
Salpeter durch Destillation mit Schwefelsäure dar.
Im Grossen führt man diese Destillation in Glasretorten aus,
die — wie Fig. 47 zeigt — in einem sog. Galeerenofen im Sand-
bade , oder in gusseisernen Cy lindern mit Thonröhren stehen,
welche die Dämnfe der Säure zur Verdichtung in Glasballons
*) Die ältere Formel der Salpetersäure war: (HO,N05)0=8.
— 137 —
oder Steinzeuggefässe leiten. Gewöhnlich wendet man, um eine zu
grosse Erhitzung zu vermeiden, so viel Schwefelsäure an, dass saures
schwefelsaures Kali (Kaliumbisulfat) im Rückstande bleibt. Nämlich :
KN03 4- H2S04 = KHS04 + HN03
Kaliumnitrat Schwefelsäure Kaliumbisulf'at Salpetersäure.
Das Destillat ist die rohe Salpetersäure, Acidum nitri-
cum crudum , auch Scheidewasser (Aqua fortis) genannt
(weil sie Gold von Silber scheidet), eine starksaure und ätzende,
rauchende, wegen des selten im Salpeter fehlenden Kochsalzgehalts
meist mit Salzsäure verunreinigte, schwachgefärbte Flüssigkeit mit
etwa 50Proz. Salpetersäure. Verwendet man reine Materialien und
gläserne Destilliergefässe, oder rektifiziert man die rohe Säure und
verwirft die zuerst übergehende, salzsäurehaltige Partie, so ge-
winnt man die reine Salpetersäure, Acidum nitricum
(purum), welche bis zum spez. Gew. 1,185 mit "Wasser verdünnt
wird und 30 Proz. Säure enthält. Alsdann bildet sie eine farblose,
nicht rauchende, sehr saure Flüssigkeit, welche man in Gefässen
mit Glasstopfen aufbewahrt.
Prüfung der Salpetersäure: Salpetersaurer Baryt zeigt durch,
weisse Trübung einen Gehalt an Schwefelsäure, salpetersaures Silberoxyd
in gleicher Weise Chlorwasserstoff (Salzsäure), Schwefelwasserstoffwasser
durch dunkle Trübung Kupfer oder Blei an; Schwefelammonium trübt die
mit Ammoniak übersättigte Säure schwärzlich, wenn sie Eisen enthält;
Chloroform wird beim Schütteln mit einer jodhaltigen Salpetersäure (von
Jodnatrium im Chilisalpeter) violettrot gefärbt; ist Jodsäure zugegen, so
tritt diese Färbung erst beim Erwärmen mit etwas Zinnfeile ein, wodurch
die Jodsäure reduziert wird.
Unverdünnt stellt die Salpetersäure eine rauchende, stark
ätzend saure Flüssigkeit dar, anderthalb mal so schwer wie Wasser
und noch unter dessen Siedepunkt flüchtig (kocht bei 85°). Mit
Wasser verdünnt steigt ihr Kochpunkt bis zu 120°. Sie ist sehr
empfindlich gegen das Sonnenlicht, in welchem sie sich unter
Sauerstoffentbindung teilweise reduziert und gelb färbt.
Erkennung der Salpetersäure. Die Salpetersäure ist besonders
ausgezeichnet durch ihre oxydierende Kraft, die sie gegen alle
oxydierbaren Körper äussert; sie löst die meisten Metalle auf,
ätzt und färbt die tierischen Gewebe gelb, entfärbt den Indigo
u. s. w. Man erkennt die Salpetersäure an diesen Zersetzungen
und weist sie dadurch nach , dass man sie mit Kupferspänen er-
wärmt, welche sie unter Entbindung gelbroter Dämpfe (Untersal-
petersäure) zu einer blauen Flüssigkeit (Kupfernitrat) auflöst.
Auch benutzt man Eisenvitriol (schwefelsaures Eisenoxydul) als
Reagens auf Salpetersäure und deren Salze; indem jenes
Salz zu Eisen oxyd salz sich oxydiert, reduziert es die Salpeter-
säure zu Stickoxyd, durch welches Gas die Eisen vitriollösung
dunkelbraun gefärbt wird.
— 138 —
Diese Reaktion gelingt nur bei grösster Konzentration, weshalb man
die zu prüfende Flüssigkeit mit lj2 Vol. konzentr. Schwefelsäure versetzt
und dann die konzentr. Eisen vitriollösung vorsichtig überschichtet; an der
Berührungsstelle beider Flüssigkeiten tritt dann eine dunkelbraune Mittel-
zone auf. (Auch kann man einen Eisenvitriolkrystall beigeben).
§ 114. Die Untersalpetersäure. Bei ihren Oxydationen wird die
Salpetersäure zu den niederen Stickstoffoxyden reduziert und zwar
meistens zu Stickoxydgas (NO), einem farblosen, erstickend
riechenden Gras, welches an der Luft sofort Sauerstoff aufnimmt
und sich zunächst in Stickstofftrioxyd (N203), bei genügendem
Luftzutritt in Stickstofftetroxyd (N02), zwei gelbrote, er-
stickend riechende Gase, verwandelt. Das Sticktsofftrioxyd wird
salpetrigsaures Gas genannt, weil es mit basischen Oxyden
salpetrigsaure Salze (Nitrite) erzeugt. Das Stickstofftetroxyd
führt gewöhnlich den Namen Untersalpetersäure, aber fälsch-
lich, da sie keine Salze zu bilden vermag.
Die Salpetersäure wirkt oxydierend, zu farblosem Stickoxydgas
sich reduzierend, welches an der Luft sofort in rotgelbe Untersalpeter-
säure übergeht.
Bei der Reduktion zu Stickoxyd (NO) geben 2 Moleküle Sal-
petersäure 3 Atome Sauerstoff ab , liefern 1 Molekül Wasser und
entwickeln 2 Moleküle Stickoxydgas ; nämlich :
!hno3 zerfallen in m + H*° + 30 •
Die Dämpfe der Untersalpetersäure (N02) lösen sich leicht
in Salpetersäure auf, werden durch Wasser aber zersetzt (in Stick-
oxydgas und Salpetersäure). Eine Untersalpetersäure enthaltende
Salpetersäure ist die sog. rauchende Salpetersäure, Acidum
nitricum fumans, eine dunkelbraunrote Flüssigkeit, welche
erstickende , rotgelbe Dämpfe ausstösst. Durch Verdünnung mit
Wasser wird sie erst grün, dann farblos, infolge der Zersetzung der
Untersalpetersäure. — Man gewinnt die rauchende Salpetersäure,
indem man Untersalpetersäure-Dämpfe durch Erwärmen von Salpeter-
säure mit Stärkemehl entwickelt und in starke Salpetersäure einleitet.
Früher gewann man die „rauchende Salpetersäure" durch Destillation
aus dem Salpeter, indem man demselben nur soviel Schwefelsäure zugab,
dass neutrales schwefelsaures Kali zurückblieb. Dabei muss, um sämtliche
Salpetersäure auszutreiben, eine so hohe Erhitzung angewendet werden,
dass die letzten Partieen der überdestillierenden Säure in Untersalpetersäure
und freien Sauerstoff zerfallen ; erstere löst sich in der zuvor übergegangenen
Säure auf, letzterer entweicht.
Das Stickoxydulgas (N20) ist farblos, ohne Geruch, atembar,
aber berauschend (daher Lustgas genannt) und wird an der Luft
nicht höher oxydiert. Rein gewinnt man es durch vorsichtiges
Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak, welches dabei geradezu
in Wasser und Stickoxydul zerfällt. (NH4N03 = 2H20 + N20.)
— 139 —
Versuche.
1. Reduktion der Salpetersäure zu Stickoxyd. (Fi
Man übergiesse in einem Glasgefässe,
dessen Öffnung mit einem durchbohrten
Kork- oder Kautschukstopfen verschlossen
wird, Kupferdrehspäne mit Salpetersäure.
Durch den Stopfen ist eine rechtwinklig
gebogene Glasröhre luftdicht geführt,
deren Ende man in einer Wanne unter
Wasser münden lässt. Aus der Säure
steigt lebhaft Stickoxydgas empor, dessen
Blasen man nach Art eines früheren
Versuches (siehe Entwicklung von gauer- °'
stoffgas) in einer mit Wasser gefüllten Flasche auffange.
Das farblose Stickoxydgas wird sofort gelbrot, wenn man mittelst
einer Glasröhre Luft in das Glas bläst; schüttelt man dann das Gas mit
Wasser, so zerlegt sich die gebildete salpetrige Säure und es reduziert sich
wieder zu farblosem Stickoxydgas.
Stöchiometrisclie Aufgaben.
1. Wieviel Salpetersäure liefert 1 kg salpetersaures Kali bei seiner
Zersetzung durch Schwefelsäure? — Antw. KN03 : HN03 = (39 + 14 -f
48) : (1 -4- 14 + 48); daraus 101 : 63 = 10C0 g : x; x — 623,7 g.
2. Wieviel offizinelle 30prozentige Salpetersäure giebt diese Menge?
— Antw. 30 : 100 = 623,7 : x; x = 2079 g.
11. Der Phosphor und die Phosphorsäure.
§ 115. Eigenschaften des Phosphors. Der Phosphor, Phos-
phor u s *) , ist ein festes Nichtmetall , welches man in mehreren
allotropischen Zuständen kennt.
1. Der gewöhnliche Phosphor, offizineil als Phos-
phorits, erscheint im Handel in farblosen, anfangs durchscheinen-
den , später oberflächlich undurchsitigen Stangen , die sich mit
dem Messer schneiden lassen. (Dieses Schneiden geschehe jedoch
stets unter "Wasser!) Er schmilzt in lauwarmem Wasser (bei
44° C), entzündet sich beim Erhitzen an der Luft, sowie durch
Keibung und wird deshalb zu Streichzündhölzchen verwendet.
(Man überzieht die Köpfchen der geschwefelten Hölzchen mit
einem flüssigen Brei aus Phosphor mit Mennige oder Braunstein.
Will man den Phosphor pulvern , so schmilzt man ihn in einer
mit heissem Wasser völlig angefüllten Flasche und schüttelt die-
selbe anhaltend bis zum Erkalten. Feinzerteilter Phosphor leuchtet
im Dunkeln mit bläulichem Scheine. Beim Liegen an der Luft
stösst er weisse, nach Knoblauch riechende**) JSTebel (phosphorige
*) oojatpopo;, Lichtträger.
**) Der Geruch des Phosphors ist weder ihm, noch der entstehenden
phosphorigen Säure eigentümlich, sondern dem sich nebenbei bildenden
— 140 -
Säure) aus und zerfliesst endlich zu einer sauren Flüssigkeit (Phos-
phorsäure). Man bewahrt daher den Phosphor stets
unter Wasser auf, worin er sich wenig verändert. Er löst
sich nicht in Weingeist, nur unbedeutend in Äther, etwas mehr
in fetten Ölen, sehr leicht und reichlich in Schwefelkohlenstoff.
Er ist ein starkes Gift und wird im Keller gesondert in einem
verschlossenen Wandschränkchen aufbewahrt: er befindet sich in
einem Glase mit Wasser, welches wieder in einem Blechgefässe steht.
Man benutzt den Phosphor zu Phosphor öl und Phosphorpasta. Hier-
bei ist jede Berührung desselben mit blossen Händen zu ver-
meiden! Zu Oleum phosphoratum wird ein Teil Phosphor durch
Betupfen mit Fliesspapier wohl abgetrocknet, dann in einem Glase mit
80 Teilen Mandelöl übergössen, durch Eintauchen in heisses Wasser ge-
schmolzen und bis zum Erkalten wiederholt geschüttelt. Vom restierenden
erhärteten Phosphor wird schliesslich das Öl abgegossen. — Die Phos-
phorpasta, ein bekanntes Rattengift, wird aus 1 Teil Phosphor bereitet,
den man unter 50 Teilen heissem Wasser schmilzt und dann mit 40 Teilen
Weizenmehl mischt.
2. Der amorphe Phosphor ist ein rotes, schwer ent-
zündliches, geruchloses, an der Luft unveränderliches Pulver, ohne
giftige Eigenschaften. Man gewinnt ihn durch längeres Erhitzen
des gewöhnlichen Phosphors in einer mit Kohlensäuregas gefüllten
Retorte. Dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt, geht der ge-
wöhnliche Phosphor, wenn er in violetten Gläsern aufbewahrt
wird, in amorphen über. Durch Destillation verwandelt sich der
amorphe Phosphor wieder in gewöhnlichen
§"116. Wie gewinnt man den Phosphor? Der Phosphor findet sich
nicht frei in der Natur, jedoch weitverbreitet in phosphorsauren
Salzen. So macht der phosphorsaure Kalk 2/3 der Knochen aus
und bleibt bei deren Einäscherung — als Knoche nasche —
zurück. Auch im Urin*) sind phosphorsaure Salze enthalten, die
beim Faulen desselben sich (als pbosphorsaure Ammoniak - Mag-
nesia) ausscheiden.
Man gewinnt den Phosphor aus der Knochenasche (phosphor-
saurem Kalk) durch Reduktion mittelst Kohle , nachdem man die
Phosphorsäure durch Schwefelsäure vom Kalke getrennt hat. Zu-
nächst wird die Knochenasche mit Schwefelsäure gemischt, die
Phosphorsäurelösung von dem sich abscheidenden schwefelsauren
Ozon. Letzteres nimmt man auch wahr, wenn ein Blitz oder anhaltend
elektrische Funken durch die Luft fahren, wenn die Elektrisiermaschine
gedreht wird u. s. f. Das Ozon ist verdichteter Sauerstoff. Nach
Gewittern ist die Luft ozonreicher, ebenso die Waldluft und die über
weite Schneefelder hinstreichende Luft. Dem Ozon kommen erhöhte
oxydierende Kräfte zu, es bläut Jodkaliumstärkepapier und färbt mit
Guajaktinktur befeuchtetes Papier blaugrün.
*) Im Urin entdeckte der Alchymist Brand in Hamburg 1670 den
Phosphor zufällig, als er den Stein der Weisen suchte.
- 141 —
Kalke abgegossen, für sich eingekocht und dann, mit Kohle ge-
mischt, in thönernen Retorten der Glühhitze ausgesetzt. Die
Kohle entzieht der Phosphorsäure den Sauerstoff und entweicht
als Kohlenoxydgas ; der reduzierte Phosphor destilliert über, da er
bei 290° siedet, und verdichtet sich in der Vorlage, die man mit
Wasser gefüllt hält. Noch flüssig giesst man ihn unter Wasser
in Stangenformen.
2H3P04 + 5C = 2P + 3HaO + 5CO
Phosphorsäure Kohle Phosphor "Wasser Kohlenoxyd.
§ 117. Verbindungen des Phosphors. Der Phosphor ist, analog
dem Stickstoff, ein dreiwertiges Element, welches aber auch
fünf wertig auftreten kann. Mit Wasserstoff bildet er das, dem
Ammoniakgase analog zusammengesetzte Phosphorwasser-
stoffgas (PH3), ausserdem aber noch einen flüssigen und
festen Phosphorwasserstoff.
Kocht man Phosphor mit Ätzalkalien (Kalilauge, Natronlauge, Kalk-
milch), so löst er sich teilweise zu unterphosphorigsaurem Salze auf*'),
teilweise entweicht er als Phosphorwasserstoffgas, welches an der Luft
sich von selbst entzündet und zu weissen Nebeln (Phosphorsäure) verbrennt.
Diese Selbstentzündung rührt von einer kleinen Beimischung flüssigen
Phosphorwasserstoffs her und kann dem Gase entzogen werden, wenn man.
es durch Terpentinöl leitet. Das Phosphorwasserstoffgas riecht nach faulen
Fischen und wirkt, selbst zu lj.2 Proz. der Luft beigemischt, tötlich.
Verbrennt der Phosphor bei ungenügendem Sauerstoffzutritt,,
so bildet er weisses, festes Phosphortrioxyd (P203), auch.
,, wasserfreie" phosphorige Säure genannt, welche mit Wasser
krystallisierbare phosphorige Säure (H3P03) erzeugt.
Verbrennt der Phosphor bei genügendem Sauerstoffzutritt,.
z. B. an offener Luft , so bildet er weisses , festes Phos p hör -
pentoxyd (P205) , „wasserfreie Phosphorsäure" genannt, da es.
mit Wasser Phosphor säure (H3PO/J erzeugt:
P205 + 3H.20 = 2H3P04.
Demnach kennen wir drei Säuren des Phosphors:
unterphosphorige Säure H P 0
phosphorige Säure H3 P 03
Phosphorsäure H3P04.
§118. Die Modifikationen der Phosphorsäure. Man kennt die Phos-,
p hör säure in drei Formen, die sich durch verschiedenen Wasser-
stoffgehalt und Basicität unterscheiden, nämlich:
a) Die dreibasische (gewöhnliche) Phosphorsäure
(H3P04), eine starksaure, aber nicht ätzende, syrupartige, krystal-
lisierbare Flüssigkeit.
4P -f 3 KHO
= 3 KPO
+ PH3
Phosphor Kalihydrat
unterphosphorig-
Phosphorwasser
saures Kali
stoffgas.
— 142 —
h) Die zweibasische oder Pyrophosphorsäure*) (H3P04
-f- HP03 = H4P207), eine zerfliessliche, farblose Krystallmasse, worin
die gewöhnliche Säure übergeht, wenn sie bis 200° erhitzt wird.
c) Die einbasische oder Metaphosphorsäure**) (HP03),
eine zerfliessliche, eisartige Masse — daher auch Eisphosphor-
säure genannt — , durch schwaches Glühen der Phosphorsäure
gewonnen; sie fällt Eiweisslösung.
Die wässerigen Lösungen der Pyro- und Metaphosphorsäure
gehen allmählich, beim Kochen schnell, in gewöhnliche Phosphor-
säure über. Diese drei Phosphorsäuren unterscheiden sich auch
durch ihre Silbersalze; phosphorsaures Silberoxyd (Ag3P04) ist
ein gelber Niederschlag, welchen phosphorsaures Natron mit
salpetersaurem Silberoxyd hervorbringt. Pyro- und metaphosphor-
saures Silberoxyd sind dagegen weisse Niederschläge.
§ 119. Die offizinelle Phosphorsäure. Die offizineile Phosphor-
säure, Acidum phosphoricum, ist eine farblose, geruchlose,
saure , aber nicht ätzende Flüssigkeit , mit dem spez. Gew. =
1,120, und einem Gehalte an 20 Proz. (H3P04). Man gewinnt sie
durch Auflösen des Phosphors in Salpetersäure, wobei Stickoxyd-
gas entweicht.
3P + 5HN03 + 2H20 = 3HP04 + 5NO
Phosphor Salpetersäure Wasser Phosphorsäure Stickoxyd.
Da nun der Phosphor sehr häufig Arsen beigemischt enthält,
welches hierbei zu Arsensäure oxydiert wird , so muss man die
Phosphorsäure, nachdem man die überschüssige Salpetersäure
durch Eindampfen verjagt hat, mit Schwefelwasserstoff sättigen
und einige Zeit in die Wärme stellen, wodurch die Arsensäure
sich als Schwefelarsen niederschlägt. Nachdem durch Erhitzen
der Schwefelwasserstoff verjagt ist, filtriert man und verdünnt
mit Wasser zum spez. Gew. 1,120.
Erkennung der Phosphorsäure. Man erkennt die (gewöhnliche)
Phosphorsäure daran, dass ihre Alkalisalze mit Silbernitrat gelbes
Silberphosphat abscheiden, welches sowohl bei Zusatz von Salpeter-
säure, wie von Ammoniak sich wieder auflöst.
Prüfung der Phosphorsäure: Schwefelwasserstoffwasser, mit der
Säure längere Zeit digeriert, zeigt durch gelbe Trübung einen Gehalt an
Arsensäure an; trübt salpetersaurer Baryt, so ist Schwefelsäure zugegen.
Silbernitrat verrät durch eine weisse Trübung Salzsäure, durch eine
*) Abgeleitet von t.\j? (Feuer).
**) Abgeleitet von [j.e-ca, welches in der Zusammensetzung eine Ver-
änderung anzeigt. — Die älteren Formeln der drei Phosphorsäuren lauteten
zur Zeit, da das Atomgewicht des Sauerstoffs = 8 angenommen wurde:
einbasische Phosphorsäure HO,P05
zweibasische „ (HO)2P05
dreibasische „ (HO)3P05.
- 143 —
schwärzliche Trübung beim Erhitzen phosphorige Säure. Die Gegenwart
von Salpetersäure erkennt man an einer dunklen Mittelzone, die beim
Überschichten der mit konzentr. Schwefelsäure versetzten Phosphorsäure
mit Eisenvitriollösung entsteht. Übersättigt man die Säure mit Ammoniak
und fügt oxalsaures Ammoniak hinzu, so verrät sich Kalk durch weisse
Trübung. (Eine aus der Knochenasche durch verd. Schwefelsäure dargestellte
Phosphorsäure ist stets kalkhaltig.) Auf Arsen prüft man speziell durch Zink
und Schwefelsäure nach der Weise, wie beim Arsen angegeben werden wird.
Versuche.
Versuche mit dem Phosphor, a) Man löse ein sehr kleines
Phosphorstückchen in einigen g Schwefelkohlenstoff auf, tränke damit
Fliesspapier und lasse dies an der Luft liegen. Nach dem Abdunsten des
Schwefelkohlenstoffs entzündet sich der restierende, höchst feinverteilte
Phosphor von selber. — b) Man bringe ein kleines Phosphorstückchen in
ein Kölbchen mit Wasser, verschliesse dasselbe durch einen durchbohrten
Stopfen, der mit einer doppelt gebogenen Glasröhre verbunden ist, deren
längeren Schenkel man durch ein gläsernes Kühlrohr (etwa eine umge-
stürzte Medizinflasche mit abgesprengtem Boden) hindurchgehen und in
ein daruntergestelltes Glasgefäss als Vorlage hineinreichen lasse. Bringt
man nun das im Kolben befindliche Wasser zum lebhaften Sieden, während
man das Kühlrohr mit kaltem Wasser füllt, so destilliert der Phosphor
mit den Wasserdämpfen über und verdichtet sich in der Vorlage zu feinen
Kügelchen. Dort, wo die Glasröhre in das Kühlwasser eintritt, bildet sich
ein im Finstern leuchtender Ring. (Mitscherlichs Phosphorermitt-
lung.) — c) Ein linsengrosses , mit Fliesspapier wohl abgetrocknetes
Stückchen Phosphor werde, in einer Schale liegend, durch Berührung mit
einem heissen Drahte entzündet, darauf ein weiter Glastrichter darüber
gehalten: der aufsteigende Rauch beschlägt die Innenfläche des Trichters
als weisser Anflug (P205), der sehr bald Feuchtigkeit anzieht und sich durch
etwas Wasser als saure Flüssigkeit (Phosphorsäure) entfernen lässt.
Praktische Übungen.
Acidum phosphoricum. In einem langhalsigen Kolben, den man
in heisses Wasser oder in heissen Sand gestellt, erwärme man 12 Teile
reine Salpetersäure mit 1 Teil Phosphor, ohne jedoch die Säure sieden zu
lassen. Der Phosphor schmilzt und löst sich allmählich zu Phosphorsäure
auf, unter Entbindung von gelbroter salpetriger Säure, für deren Abzug
man Sorge trage. Ist der Phosphor nahezu aufgelöst, so lasse man erkalten,
giesse die Flüssigkeit vom Phosphorrückstand in eine Porzellanschale ab
und dampfe sie an einem luftigen Orte über der Lampe ein, bis keine
sauren Dämpfe mehr entweichen, von Zeit zu Zeit etwas Salpetersäure in
die Mitte der Flüssigkeit tröpfelnd, so lange dadurch rote Blasen entstehen.
Die rückständige Säure verdünne man mit Schwefelwasserstoffwasser, stelle
sie längere Zeit an einen warmen Ort (zur Abscheidung vorhandenen
Schwefelarsens) und filtriere sie schliesslich, worauf man durch abermaliges
Erhitzen den Schwefelwasserstoff entferne und die geruchlose Flüssigkeit
mit dest. Wasser zum spez. Gew. 1,12 verdünne.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel 20 prozentige Phosphorsäure gewinnt man aus 1 Pfd. Phos-
phor? - Antw. P : H3P04 = 31 : (3 + 31 + 64) = 500 : x; x = 1580;
^X 1580 = 790°-
144
12. Das Chlor.
§ 120. Wie gewinnt man das Chlor? Das Chlor findet sich nirgends
frei in der Natur, aber sehr verbreitet in Chlorrnetallen, zumal als
Chlornatrium (Kochsalz, Steinsalz, Seesalz). Aus dem letzteren
gewinnt man durch Erhitzen mit Schwefelsäure die Chlorwasser-
stoffsäure, sog. Salzsäure, aus der man gewöhnlich das Chlor durch
Behandlung mit Braunstein (Mangan superoxyd) darstellt. "Wirkt
nämlich Salzsäure (HCl) auf Mangansuperoxyd (Mn02) in gelinder
Wärme ein, so erzeugt dasselbe Chlormangan (MnCl.2) und Wasser,
der freiwerdende Sauerstoff oxydiert eine andere Partie Salzsäure
zu Wasser und macht das Chlor frei. Nämlich :
1. Mn02 + 2HC1 = MnCl2 + H20 -j- 0
Braunstein Chlorwasserstoff Chlormangan Wasser Sauerstoff.
2. 0 + 2HC1 = H20 + 2C1
Sauerstoff Chlorwasserstoff Wasser Chlorgas.
Im Ganzen zerlegt 1 Molekül Braunstein 4 Moleküle Salzsäure, die
eine Hälfte oxydierend, mit der andern Hälfte ein Salz bildend.
Die älteste Chlorbereitung geschah aus Kochsalz, Braunstein und
Schwefelsäure. Durch die letztere wird das Kochsalz zerlegt in schwefel-
saures Natron und Salzsäure und diese durch den Braunstein oxydiert.
2NaCl 4- Mn02 4- 2H2S04 = Na2S04 4- MnS04 4- 2H20 + 2C1
Man nimmt die Operation in einem mit Braun stein Stückchen
angefüllten Kolben vor, den man bis zur Hälfte mit Salzsäure
füllt und im Sandbade gelinde erhitzt. Das entwickelte Chiorgas
wird durch eine luftdicht angepasste Glasröhre abgeleitet.
§ 121. Eigenschaften des Chlors. Das Chlor*), Chlorum, ist
ein nicht brennbares, grünlich gelbes Gas, von erstickendem Geruch
und höchst gefährlich einzuatmen, da nur wenige Blasen unver-
dünnten Gases hinreichen, einen Menschen zu töten. (Gegengift:
weingeistige Ammoniaklösung !) Unter starkem Druck, sowie bei
der Temperatur des gefrierenden Quecksilbers verdichtet es sich
zu einer tiefgelben Flüssigkeit. Es ist 2'/2 mal schwerer als die
atmosphärische Luft (spez. Gew. = 2,46;, sinkt darin also unter.
Mit kaltem Wasser (unter + 4°) bildet es eine feste krystallinische
Verbindung, gelbes Chlorhydrat (Cl 4- 5H20) ; in Wasser von
mittlerer Temperatur löst sich das Chlorgas auf zu Chlorwasser,
welches Farbe, Geruch und Eigenschaften des Gases besitzt.
§ 122. Das Chlorwasser. Man bereitet das Chlorwasser,
Aqua chlor ata (Aqua oxy muri atica*)), durch Einleiten von
*) yXwpöc, grünlich gelb.
**) Aqua oxymuriatica = oxydiertsalzsaures Wasser. — Scheele,
welcher 1774 das Chlor entdeckte, hielt dasselbe für oxydierte Salzsäure. Erst.
1809 wurde durch H. Davy die elementare Natur desselben festgestellt.
— 145 -
Chlorgas in Wasser bis zur vollständigen Sättigung. Da ein Ge-
halt an Luft der Absorption des Chlorgases hinderlich ist, so muss
das zu sättigende Wasser durch Auskochen luftfrei gemacht und
verschlossen bis zur mittleren Temperatur (15° C) abgekühlt werden.
Wegen der grossen Belästigung des entweichenden Chlorgases
nehme man die Operation im Freien vor, aber nicht im direkten
Sonnenlichte, da hierin das Chlor zur Wasserzersetzung disponiert
wird (infolge deren Salzsäure und freies Sauerstoffgas entsteht).
Deshalb dispensiert man auch Chlorwasser in geschwärzten Gläsern.
Das Chlor wasser ist eine grünlichgelbe, stark nach Chlor
riechende Flüssigkeit, welche Lackmuspapier sofort bleicht und bei
15° C ihr doppeltes Volumen Chlorgas gelöst enthält. Um es gut
zu erhalten, bewahrt man es in ganz angefüllten Flaschen, deren
Glasstöpseln aufs beste schliessen (Kork wird vom Chlor sehr
schnell zerstört), sowie vom Lichte entfernt auf. In halbgefüllten
kleineren Gefässen wird es bald färb- und geruchlos, indem das
Chlor Salzsäure bildet und Sauerstoffgas frei macht. Ein solches
Wasser reagiert sauer. Beim Schütteln des Wassers mit Queck-
silber wird das Chlor gebunden (zu unlöslichem Quecksilberchlorür),
und ein Gehalt an Salzsäure lässt sich durch die Rötung des
Lackmus nachweisen.
Prüfung des Chlorwassers auf seinen Chlorgehalt: Das Chlor
macht aus JodkaHum eine äquivalente Menge Jod frei , Chlorkaliuni
bildend; man fügt also eine bestimmte Quantität, z. B. 25 g Chlorwasser,
zu einer Jodkaliumlösung, giebt Stärkelösung hinzu und bestimmt das frei
gewordene, die Stärke bläuende Jod massanalytisch durch Zehntelnormal-
Natriumthiosulfatlösung. (Vgl. die massanalytischen Operationen.) Die
Pharm. Germ, fordert mindestens 0,4 Proz. Chlor.
§123. Verbindungen des Chlors. Das Chlor ist ein einwertiges
Element, ausgezeichnet durch die Fähigkeit, direkt
mit Metallen salzartige Verbindungen einzugehen
und. mit Wasserstoff eine Säure zu erzeugen. Man
nennt es daher auch ein Halogen oder einen Salzbildner.
Alle Metalle und metallischen Gerätschaften werden vom Chlor
heftig angegriffen, worauf beim Arbeiten mit Chlor sehr zu achten
ist! Die Chlorverbindungen der Metalle sind nach der Valenz der
letzteren zusammengesetzt, entsprechen daher auch den Oxyden
und Sulfiden, nur mit dem Unterschiede, dass 2 Atome Chlor für
1 Atom 0 resp. S in ihnen enthalten sind. Man nennt die chlor-
ärmeren derselben Chlor üre, die chlorreicheren Chloride,
wenn nämlich ein Metall zwei Chlorverbindungen besitzt.
Mit Wasserstoffgas vereinigt sich das Chlor ebenfalls direkt,
im Sonnenlicht sogar unter Explosion, zu salzsaurem Gase. Auf
seiner Verwandtschaft zum Wasserstoff beruht seine Bleichkraft,
die sich bei allen Geweben und Pflanzenfarben äussert, und zur
Schi ickum, Apothekerlehrling. 10
— 146 —
Schnellbleiche technisch benutzt wird, sowie seine desinfi-
zierende Kraft, durch die es Miasmen und Eontagien (die An-
steckungsstoffe epidemischer Krankheiten) zerstört. Man gebraucht
zur Desinfektion Chlorräucherungen, Fumigationes
Chlori, deren es zwei giebt: eine stärkere, aus gleichen Teilen
Kochsalz und Braunstein, die mit 2 Teilen engl. Schwefelsäure
und 1 Teil Wasser übergössen werden; eine schwächere, aus
Chlorkalk und Essig.
Mit dem Sauerstoff vermag sich das Chlor nur indirekt zu
vereinigen und bildet dann 4 Säuren:
unterchlorige Säure HCIO Chlorsäure HC103
chlorige Säure HC102 Überchlorsäure HC104
Da in diesen Yerbindungen das Chlor nur sehr schwach an den
Sauerstoff geknüpft ist, besitzen dieselben im hohen Grade ex-
plosive Eigenschaften. Die unterchlorige und chlorige
Säure bilden Gase von dunkelgelber Farbe, ebenso die sog.
Unterchlorsäure (C102), Euchlorine. Die Chlorsäure ist
eine Flüssigkeit, welche beim Erhitzen explodiert.
Praktische Übungen.
1. Darstellung von Chlorgas (Fig. 49). Man fülle einen (kleinen)
Kolben mit erbsengrossen Braunsteinstücken,
gebe bis zur Hälfte Salzsäure hinzu und ver-
schliesse ihn mit einem Kautschukstopfen, durch
welchen eine doppeltgebogene Glasröhre luft-
dicht geführt ist. Diese Leitungsröhre reiche in
eine mehr hohe als weite, leere Flasche bis
nahe zum Boden. Erwärmt man nun den Kolben
im Sandbade oder über der Lampe auf einem
Drahtnetz, so füllt sich die Vorlage mit dem
Chlorgase.
2. Zur Bereitung von Chlorwasser
big. 4y. fülle man die Vorlage zur Hälfte mit Wasser
an, welches zuvor durch Aufkochen luftleer gemacht und wieder erkaltet
ist. Sobald der Raum über dem Wasser grüngelb erscheint, wechsle man
die Vorlage mit einer ähnlichen und schüttle die erstere verschlossen
kräftig um. Dieses Verfahren setze man mit beiden Flaschen abwechselnd
fort, bis bei beiden kein Gas mehr absorbiert wird, was am Emporheben
des Stöpsels nach dem Schütteln erkannt wird.
Versuche.
1. Versuche mit Chlorgas. a) In eine mit Chlorgas gefüllte
Flasche bringe man nach und nach einen Streifen Kattun, blaues Lackmus-
papier, farbige Blumen, z. B. Rosen, und verschliesse die Flasche. Bald
sind sämtliche Gegenstände gebleicht. — b) In eine mit Chlorgas gefüllte
Weinflasche schütte man eine kleine Menge feingepulvertes Antimon; das-
selbe verbrennt mit Sprühregen zu weissen Chlorantimondämpfen. —
c) In eine mit Chlorgas gefüllte Weinflasche führe man an einem feinen
Messingdraht etwas zusammengefaltetes unechtes Blattgold (Messingblech)
oder unechtes Blattsilber (Stanniol) ; sie verbrennen unter Funkensprühen
zu Chlormetall. — d) Füllt man eine weisse Flasche halb mit Chlorgas,
— 147 —
halb mit Wasserstofl'gas, bei Abhaltung des Lichtes durch einen Schirm,
und stellt sie wohlverschlossen einen Tag ins zerstreute Tageslicht, so
findet man nachher salzsaures Gas in ihr. Wirft man sie aber aus einem
Pappfutteral zur Mittagszeit hoch in die von der Sonne hellerleuchtete
Luft, so wird sie mit heftigem Knall zertrümmert.
2. Mischt man Chlorwasser mit Schwefelwasserstoffwasser, so trübt
sich die Flüssigkeit durch ausgeschiedenen Schwefel, wird geruchlos und
reagiert sauer (durch entstandene Salzsäure).
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel / Chlorgas gewinnt man aus 1 Pfd. 30prozentiger Salzsäure
mittelst Braunsteins, wenn das l Chlorgas 3 g wiegt? — Antw. MnP -j-
4HC1 geben 2C1, also 2HC1 : Cl = 2 X 36,5 : 35,5; x = 73 g = 24 /.
2. Wieviel Prozente Chlor enthält vollständig gesättigtes Chlorwasser
(bei 15° um sein doppeltes Volum chlorhaltig)? — Antw. 0,6 Proz.
13, Die Salzsäure.
§ 124. Was ist die Salzsäure? Eine gewisse Reihe von Salzen,
von denen das Kochsalz am bekanntesten und verbreitetsten ist,
liefert beim Zersetzen mit Schwefelsäure eine eigentümliche, gas-
förmige Säure, die man, weil aus dem Kochsalz entstanden, Salz-
säure, Acidum muriaticum, genannt hat. Als man noch mit
Lavoisier alle Säuren für Sauerstoffverbindungen hielt, glaubte
man, dass auch die Salzsäure sauerstoffhaltig sei, und nannte das
Kochsalz, die Natrium verbin düng derselben, salzsaures Natron
(Natrum muriaticum). In diesem Jahrhundert wurde dann
die Wahrnehmung gemacht, dass weder in der Salzsäure, noch im
Kochsalz Sauerstoff vorhanden, dass vielmehr die Salzsäure
aus Wasserstoff und Chlor, und das Kochsalz aus
Natrium und Chlor besteht.
Die Formel der Salzsäure ist (HCl), die des Kochsalzes (Na Cl).
Die Salzsäure oder Chlorwasser st off säure stellt ein
saures, farbloses Gas dar, von stechendem Geruch, nicht brennbar,
unter starkem Drucke sich verflüssigend. Vom Wasser wird
es mit grösster Begierde verschluckt; dasselbe nimmt
nahezu sein öOOfaches Volum auf, was etwa 4/5 seines Gewichtes
beträgt, weil das spez. Gew. des Gases === 1,27 ist. Eine solche
gesättigte Lösung raucht an der Luft und giebt beim Erhitzen
einen Teil ihres Gases ab, darauf destilliert eine verdünnte salzsaure
Flüssigkeit (etwa von der Stärke der offizineilen reinen Säure) über.
§ 125. Wie gewinnt man die Salzsäure? Bei der Sodafabrikation
ist die Salzsäure Nebenprodukt, indem man das Kochsalz mit Schwefel-
säure zerlegt und den freiwerdenden Chlorwasserstoff in Wasser leitet.
2NaCl + H2S04 = Na2S0, + 2HC1
Chlornatrium Schwefelsäure schwefelsaures Chlorwasserstoff
(Kochsalz) Natron (Salzsäure).
10*
— 148 —
Man nimmt die Zersetzung in eisernen Cylindern oder ge-
mauerten Flammenöfen vor und leitet die salzsauren Dämpfe in
thönerne Vorlagen oder gemauerte Bassins, worin sich Wasser
befindet. Schwefelsaures Natron (Glaubersalz) bleibt zurück. Die
vom Gase gesättigte Lösung kommt als rohe Salzsäure, Aci-
dum hydrochloricum crudum, in den Handel. Sie ist eine
rauchende, meist gelbliche, sehr saure Flüssigkeit, die meist
durch Eisen, Schwefelsäure, auch wohl Chlorarsen verunreinigt ist.
(Das Arsen rührt aus arsenhaltiger Schwefelsäure her.) Ihr spez.
Gew. schwankt zwischen 1,16 und 1,17 ihr Gasgehalt zwischen
30 und 33 %.
Die rohe Salzsäure wird auf Arsen geprüft, indem man sie mit etwas
Zinnchlorür erhitzt, es wird dem Chlorarsen das Chlor entzogen und Arsen
als braunes Pulver ausgeschieden.
Zerlegt man das Kochsalz durch Schwefelsäure in gläsernen
Retorten oder Kolben, oder rektifiziert man die rohe Salzsäure,
so erhält man die reine Salzsäure, Acidum hydrochloricum
(purum) , welche mit Wasser zum spez. Gew. 1,125 verdünnt
wird, wobei sie 25 Proz. salzsaures Gas enthält und eine farblose,
nicht rauchende, saure Flüssigkeit darstellt.
Prüfung der Salzsäure auf Reinheit: Schwefelwasserstoffwasser
zeigt durch eine gelbe Trübung Arsen, durch eine schwarze Trübung Blei
und Rupfer, Schwefelammonium in der mit Ammoniak übersättigten Säure
durch dunkle Trübung Eisen an. Baryumnitrat scheidet etwa vorhandene
Schwefelsäure als weissen Niederschlag (schwefelsauren Baryt) aus. Ent-
hält die Salzsäure freies Chlor so entsteht durch Jodzinkstärkelösung freies
Jod, welches die Stärkelösung blau färbt. Das durch ein Stückchen reines
Zink aus der Säure entwickelte Wasserstoffgas darf ein mit konzentr.
Silberlösung befeuchtetes Papier nicht gelb färben noch schwärzen, in
welchem Falle arsenige Säure (welche als Arsenwasserstoff entweicht und
aue der Silberlösung arsenigsaures Silber resp. metallisches Silber aus-
scheidet) zugegen wäre.
§ 126. Verhalten der Salzsäure zu den Metallen. Die Leichtmetalle,
sowie von den Schwermetallen das Eisen, Zink u. a. lösen sich
mit Leichtigkeit selbst in verdünnter Salzsäure auf, indem sie den
Wasserstoff derselben frei machen. Wie sich also Zink und Eisen
in verdünnter Schwefelsäure, unter Wasserstoffentbindung, zu
schwefelsauren Salzen auflösen, so bilden sie mit verdünnter Salz-
säure, unter gleichem Prozesse, Chlormetalle.
Zn + 2HC1 = ZnCL + 2H
Zink Salzsäure Zinkchlorid Wasserstoff.
Zinn löst sich ebenfalls unter Wasserstoffentbindung in heisser
konzentrierter Salzsäure zu Zinnchlorür.
Solche Metalle, welche die Salzsäure nicht zu zersetzen ver-
mögen , z. B. Antimon , Gold , Platin u. a. , lösen sich in einer
Mischung aus 3 Teilen Salzsäure und 1 Teil Salpetersäure, welche
— 149 -
Salpeter-Salzsäure oder Königswasser (Acidum chloro-
nitrosum, Aqua regia) genannt wird, weil sie das Gold, denKönig
der Metalle, aufzulösen imstande ist. Der Prozess ist folgen-
der: Die Salpetersäure reduziert sich zu Stickoxyd, welches ent-
weicht, und oxydiert dabei die Salzsäure zu Wasser und freiem
Chlor. Die "Wirkung des Königswassers ist also die-
jenige des freien Chlors.
3HC1 + HN03 = 3C1 + 2H20 + NO
Salzsäure Salpetersäure Chlor Wasser Stickoxyd.
§ 127. Verhalten der Salzsäure zu den Metalloxyden. Eine der
häufigst angewendeten Methoden, Chlormetalle darzustellen, ist die
Auflösung eines Metalloxydes in Salzsäure ; der Sauerstoff des Oxyds
bildet mit dem Wasserstoff der Salzsäure Wasser, das Metall mit
dem Chlor ein Chlorid. Lösen wir Eisenoxyd in Salzsäure, so er-
halten wir Eisenchlorid und Wasser. Nämlich:
Ee203 + 6HC1 = Fe2Cle + 3H20
Eisenoxyd Salzsäure Eisenchlorid Wasser.
Statt der reinen Oxyde kann man auch die kohlensauren
Salze anwenden, wobei kohlensaures Gas entweicht.
CaC03 + 2HC1 = CaCl2 + H20 + C02
kohlensaurer Kalk Salzsäure Chlorcalium Wasser . Kohlensäuregas.
§ 128. Verhalten der Salzsäure zu den Sulfiden. Die Zerlegung
der Schwefelmetalle durch Salzsäure ist von der Entbindung von
Schwefelwasserstoffgas begleitet. Der Vorgang hierbei ist dem im
vorigen § analog, mit dem Unterschiede, dass nicht Wasser, sondern
Schwefelwasserstoff gebildet wird. Ein Schwefelmetall löst
sich in Salzsäure zu Chlormetall auf, unter Entbindung
von Schwefelwasserstoffgas.
Sb2S3 + 6HC1 = 2SbCl3 + 3H2S
Antimon- Salzsäure Antimon- Schwefelwasserstoff,
sulfür chlorür
§ 129. Erkennung der Salzsäure und Chlormetalle. Die Chlormetalle
lösen sich fast sämtlich in Wasser auf; in kaltem Wasser schwer-,
aber in heissem Wasser leichtlöslich ist das Chlorblei, unlöslich
in Wasser wie in verdünnten Säuren das Chlorsilber und Queck-
silberchlorür. Hierauf gründet sich die Erkennung der Chloride;
sowohl die Salzsäure, wie die Chlormetalle werden dadurch nach-
gewiesen, dass Lösungen mit Silbernitrat einen weissen Nieder-
schlag (Chlorsilber) abscheiden, der sich nicht in verdünnter Sal-
petersäure, aber mit Leichtigkeit in Ammoniakflüssigkeit auflöst
(Unterschied vom Brom- und Jodsilber).
Versuche.
1. Direkte Bildung der Salzsäure. Man entwickele nach Art
'des früheren Versuches in einem Kölbchen (Fig. 50, a) aus Braunstein und
150
Fig. 50.
Salzsäure durch schwa-
ches Erhitzen Chlorgas
und leite dasselbe durch
die Glasröhre c in einen
mit Wasser völlig an-
gefüllten und in umge-
kehrter Lage in der
pneumatischen Wanne
stehenden Cylinder oder
Glasflasche, bis das Gas
die Flasche zur Hälfte
gefüllt hat. Damit nicht
zuviel Chlorgas vom
Wasser verschluckt
werde , benutze man
lauwarmes Wasser zur
Füllung von Cylinder
und Wanne.
Ist der Cylinder zur Hälfte mit Chlor gefüllt, so wechsele man die
Chlor-Entwicklungsflasche mit einer solchen, worin aus verdünnter Schwefel-
säure und Zink Wasserstoffgas entwickelt wird (wobei eine Erhitzung nicht
nötig ist), und fülle die untere Hälfte des Cylinders mit Wasserstoffgas,
mit dem Bedacht, dass noch etwas Wasser im Cylinder bleibe. Dann
kehrt man den Cylinder, nachdem man seine Öffnung noch unter Wasser
mit einem Stöpsel oder einer passenden Glastafel verschlossen, wieder
aufrecht und stellt ihn einen Tag ins zerstreute Tageslicht.' Öffnet man
später den Cylinder, so findet man keines der beiden Gase mehr vor,
sondern Salzsäuregas, welches sich in dem wenigen Wasser, das im Cylinder
geblieben, aufgelöst hat und dasselbe stark sauer macht. Bei direkter
Bescheinung durch das Sonnenlicht würde die Vereinigung beider Gase
plötzlich, unter Explosion stattfinden.
Wenn der Cylinder gut verschlossen gehalten war, so dass keine
Luft von aussen eintreten konnte, während die beiden Gase sich ver-
einigten, kann man die Absorption des entstandenen Salzsäuregases durch
das wenige Wasser sehr schön dadurch konstatieren, dass man den Cylinder
in umgewendeter Lage unter Wasser öffnet, worauf das letztere mit Vehe-
menz in das Gefäss eindringt und dessen leeren Raum ausfüllt.
Stöchioinetrische Aufgaben.
1. Wieviel / Salzsäuregas liefert 1 kg Kochsalz bei seiner Zersetzung
mit Schwefelsäure, wenn das / des Gases 1,63 g wiegt? — Antw. NaCl :
HCl == (23 -j- 35,5) : (1 -f- 35,5); x = 624 g = 382 l
2. a) Wieviel 25prozentige Salzsäure lässt sich damit herstellen?
b) wieviel Wasser ist dazu nötig? — Antw. a) x = 4 X 624 = 2496 g,
b) x = 3 X 624 = 1872 g.
14. Brom, Jod, Fluor.
§ 130. Was sind Brom, Jod und Fluor? Zu den Salzbildnem,
deren Musterbild das Chlor ist, rechnen sich noch drei andere
nichtmetallische Elemente: das Brom, Jod und Fluor. Sie
bilden mit den Metallen Salzverbindungen : Bromide, Jodide
151 —
und Fluoride, welche den Chloriden analog zusammengesetzt
sind; die Wasserstoffverbindungen stellen drei, dem Chlorwasser-
stoff entsprechende Säuren vor.
Das Brom, Bromum*), eine rote, starkrauchende, erstickende,
gefährlich einzuatmende Flüssigkeit, ist dreimal so schwer wie
Wasser, worin es untersinkt und eine gesättigte, 2 1/2 prozentige
wässerige Lösung (Bromwasser, Aqua bromata) über sich
bildet, es siedet bei 63° und erstarrt in der Kälte (bei — 8°) zu
einer blaugrauen Masse. Mit Äther, Chloroform und Schwefel-
kohlenstoff mischt es sich leicht zu gelbgefärbten, bei grösserem
Gehalte gelbroten Lösungen. Da es Kork und andere organische
Materien, ähnlich dem Chlor, zerstört, bewahrt man das Brom in
Gefässen mit Glasstopfen und stellt zur grösseren Vorsicht das
Gefäss in ein grösseres hinein.
Das Jod, Jodum**), bildet dunkel stahlglänzende Krystall-
tafeln, welche 5 mal schwerer als Wasser sind, sich beim Erhitzen
in violetten Dämpfen verflüchtigen und sublimieren. In Äther,
Chloroform und Schwefelkohlenstoff löst es sich leicht zu violett-
roten Flüssigkeiten ; Weingeist löst Vm J°d mit dunkelbraunroter
Farbe zu Jodtinktur, Tinctura Jodi. Wasser nimmt es kaum
auf, bekoüimt jedoch eine gelbliche Färbung; enthält das Wasser
aber Jodmetalle, so nimmt es reichlicher Jod auf. (1 Teil Jod-
kalium löst 3/4 Teil Jod!) Mit Stärkekleister verteilt sich das Jod
sehr fein zur tiefblauen Jodstärke — bestes Erkennungs-
mittel freien Jodes.
Man gebraucht die Jodtinktur äusserlich zum Pinseln ; inner-
lich wirkt sie giftig.
Das Fluor, isoliert noch unbekannt, da seine starken Affini-
täten es sofort mit der Gefässsubstanz verbindet, ist wahrschein-
lich ein Gas.
§ 131. Wie gewinnt man Brom und Jod? Beide Elemente finden
sich nicht frei in der Natur. Das Brom ist als Bromnatrium im
Meerwasser und gewissen Mineralquellen (z. B. von Kreuznach),
vorzugsweise auch im Toten Meer enthalten; das Jod begleitet
das Brom, wird aber vorzugsweise von den Tangen und Meeralgen
aufgenommen, aus deren Asche man es gewinnt.
Die Mutterlauge des Meerwassers liefert uns das Brom,
nachdem das Chlornatrium auskrystallisiert ist. Man unterwirft
sie der Destillation mit Schwefelsäure und Braunstein, wobei die
er stere das Bromnatrium zerlegt, Bromwasserstoffsäure frei machend :
2NaBr + H2S04 == Na2S04 + 2HBr
Bromnatrium Schwefelsäure Natriumsulfat Bromwasserstoff.
*) Brom, von ßpwjj-o; (Gestank), wurde 1826 von Baiard entdeckt.
**) Jod, von ftSSss (veilchenblau), wurde 1881 von Courtois, einem
Sodafabrikanten in Paris, entdeckt.
— 152 —
Die Bromwasserstoffsäure wird vom Braunstein zu Wasser
oxydiert und das Brom frei gemacht, welches überdestilliert.
2HBr + 0 + H20 + 2Br
Bromwasserstoff. Sauerstoff Wasser Brom
Zur Jodgewinnung benutzt man die Asche der Seetange
und Badeschwämme (in Schottland Kelp, in der Norman die
Yarech genannt), welche durch ihren Gehalt an kohlensaurem
Natron früher als natürliche Soda hohen Wert hatte. Man
lässt dieses Salz mit dem Chlornatrium auskrystallisieren und
unterwirft die Mutterlauge der Destillation' mit
Schwefelsäure und Braunstein. Der Yorgang ist
derselbe wie bei der Bromgewinnung. Die Jod-
dämpfe treten aus der, in einer Sandkapelle
(Fig. 51 k) befindlichen Retorte (r) in eine Yor-
lage (v) , welche über dem Boden einen Sieb-
boden zum Durchlassen des kondensierten
Wassers und zur Seite einen Ausgang (t) zum
Flg- pl- Entweichen des dampfförmigen Wassers besitzt.
Auch benutzt man als Yorlage birnförmige Glasballons (sog.
Aludeln) in der Anordnung, dass der hintere mit dem Halse
in die Bodenöffnung des vorderen hineinreicht. Das in der Yor-
lage verdichtete Jod wird zur Reinigung nochmals sublimiert.
In Frankreich scheidet man das Jod aus der, das Jodnatrium
enthaltenden Mutterlauge mittelst Chlorgas ab, welches man in
jene einleitet. Dem Chlor kommen stärkere Affinitäten zu als
dem Brom und Jod, weshalb es dieselben aus ihren Salzverbin-
dungen verdrängt:
NaJ + Cl = NaCl + J
Jodnatrium Chlor Chlornatrium Jod.
Hierbei ist aber ein Überschuss von Chlor sorgfältig zu ver-
meiden, da derselbe das ausgeschiedene Jod zu leichtlöslichem
Chlorjod auflösen würde.
§ 132. Erkennung von Brom und Jod. Auf der Ausscheidung von
Brom und Jod durch Chlor beruht ihr Nachweis. Man setzt
zu der fraglichen Flüssigkeit etwas Chlorwasser, jedoch nicht im
Überschuss (da ein solcher das ausgeschiedene Brom resp. Jod in
Chlorbrom und Chlorjod überführen würde), und schüttelt mit
einigen Tropfen Chloroform oder Schwefelkohlenstoff: Brom giebt
sich durch eine gelbe, Jod durch eine violette Fär-
bung desselben zu erkennen. Jod kann man statt dessen
auch durch die Bläuung mit etwas Stärke kl ei st er nachweisen.
An Stelle des Chlorwassers lässt sich auch die rauchende Salpeter-
säure, und für das Jod (nicht aber für das Brom) Eisenchlorid-
lösung anwenden.
— 153 —
§ 133. Verbindungen von Brom und Jod. Brom lind Jod ahmen
in allen Stücken dem Chlor nach, nur mit schwächeren Verwandt-
schaften. Mit den Metallen verbinden sie sich direkt zu Bromiden
und Jodiden. Kalium und Natrium verbrennen im Joddampfe
zu Jodkalium resp. Jodnatrium; Quecksilber vereinigt sich mit
dem Jod beim Zusammenreiben; Eisen oder Zink werden von Brom
und Jod, bei Gegenwart von Wasser, unter Erhitzung aufgelöst.
Die meisten Brom- und Jodmetalle lösen sich in Wasser auf;
ausgenommen sind das Brom- und Jodsilber, welche dem Chlor-
silber analog als gelblichweisse Niederschläge entstehen, wenn die
Lösung eines Bromids und Jodids mit salpetersaurem Silber-
oxyd versetzt wird. Bromsilber und Jodsilber unterscheiden sich
aber vom Chlorsilber nicht nur durch ihre gelbliche Färbung,
sondern auch durch ihr Verhalten zu Salmiakgeist; während der-
selbe das Chlorsilber mit Leichtigkeit auflöst, nimmt er das Brom-
silber nur sehr schwierig, das Jodsilber gar nicht auf. Übergiesst
man daher ein Gemenge von Chlorsilber und Jodsilber mit Sal-
miakgeist, so löst sich nur das Chlorsilber auf und kann aus
dem Filtrate durch Ansäuerung (mit Salpetersäure) wieder aus-
geschieden werden. (Nachweis des Chlors neben dem Jod.)
Mit Ätzalkalien vereinigen sich Brom und Jod zu einem
Gemenge von Brom- resp. Jodmetall mit bromsaurem resp.
jodsaurem Alkali. Nämlich :
6J + 6KHO === 5KJ + KJ03 -f- 3H20
Jod Kalihydrat Jodkalium jodsaures Kali Wasser.
Mit dem Wasserstoff vermögen sich Brom und Jod nicht
direkt, sondern nur indirekt zu verbinden. Bromwasserstoff
(HBr) wie Jodwasserstoff (HJ) sind dem Chlorwasserstoff sehr
ähnliche Gase , lösen sich , wie dieses , reichlich in Wasser auf,
zeigen aber ein starkes Bestreben , Sauerstoff aus der Luft anzu-
ziehen, und ihre Lösungen werden schon in kurzer Zeit an der
Luft braunrot, zufolge freien Broms oder Jods. Auch lassen sie
sich nicht unzersetzt aus den Brom- und Jodmetallen durch
Destillation mit konzentrierter Schwefelsäure destillieren , da sie
auf die letztere reduzierend (zu S02) einwirken und sich selbst
zu Wasser und Brom oder Jod oxydieren.
Die gewöhnliche Darstellungsweise von wässeriger Brom-
resp. Jodwasserstoffsäure besteht darin, in Wasser, worin
sich Brom oder Jod befinden, Schwefelwasserstoffgas einzuleiten. Jene
scheiden den Schwefel ab und verbinden sich mit dem Wassertoff.
Durch Abdampfen lassen sich dann die Lösungen konzentrieren.
H2S + 2J = 2HJ + S
Schwefelwasserstoff Jod Jodwasserstoff Schwefel.
Mit dem Schwefel lässt sich das Jod zu Jodschwefel, Sulfur
jodatum (SJ), zusammenschmelzen; eine krystallinische, stahlgraue Masse,
- 154 —
welche schon beim Liegen an der Luft Jod abdunstet, an Weingeist alles
Jod abgiebt und den Schwefel zurücklässt.
§ 134. Verhalten des Jods gegen Natriumthiosulfat. Ton beson-
derem Interesse und für die Massanalyse von grosser Wichtigkeit
ist die Zersetzung des Natriumthiosuifats (auch Natriumhypo-
sulfit oder unterschwefligsaures Natron genannt) durch
freies Jod. Beide Körper geben bei ihrem Zusammentreffen so-
fort eine farblose Lösung von Jodnatrium und tetrathionsaurem
Natron. Nämlich :
2Na?S203 + 2J = 2NaJ + Na2S406
unterschwefligsaures Natron Jod Jodnatrium tetrathionsaures Natron.
§ 135. Verbindungen des Fluors. Das Fluor kommt in der Natur
vorzugsweise als Pluorcalcium vor, ein unter dem Namen Fluss-
spat bekanntes und nicht seltenes Mineral. Man verwendet das-
selbe bei verschiedenen Glüh- und Schmelzprozessen wegen seiner
Leichtschmelzbarkeit als Flussmittel.
Mit konzentrierter Schwefelsäure zerlegt sich das Fluorcalcium
in schwefelsauren Kalk und Fluorwasserstoff (HF), ein farb-
loses, äusserst ätzendes Gas, dessen wässerige Lösung Fluss-
säure genannt wird.
CaF.2 + H.2S04 ■+- CaS04 + 2HF
Fluorcalcium Schwefelsäure schwefelsaurer Kalk Fluorwasserstoff.
Man kann deren Darstellung nur in Blei- oder Platingefässen
vornehmen, da alle anderen Materien, vorzugsweise das Glas, von
der Fluorwasserstoffsäure stark angegriffen werden. Man benutzt
die Flusssäure (oder auch ein Gemenge von gepulvertem Fluss-
spat mit englischer Schwefelsäure) zum Ätzen von Glas, um
auf demselben Zeichnungen, Schriftzüge u. s. w. anzubringen,
wobei man die übrigen Teile durch Überziehen mit Wachs vor
der Säure schützen muss.
Mit Sauerstoff lässt sich das Fluor weder direkt noch indirekt
verbinden.
Versuche.
1. Ausscheidung von Brom und Jod durch Chlor. Einige
Bromkalium- und Jodkaliumkry stalle löse man, jedes für sich, in Wasser,
füge einige Tropfen Schwefelkohlenstoff oder Chloroform hinzu und dann
portionenweise Chlorwasser. Nach jedesmaligem Zusätze desselben gut
umschüttelnd, bemerkt man eine starke gelbrote resp. violettrote Färbung
der unteren Schicht, bis sie bei starkem Vorwalten des Chlors wieder
farblos wird.
2. Ätzen mit Flusssäure auf Glas. Man übergiesse in einem
Bleinäpfchen oder Platintiegel feingepulverten Flussspat mit soviel engl.
Schwefelsäure, dass ein Brei entsteht; denselben streiche man auf eine
Glasfläche, die man zuvor dünn mit geschmolzenem Wachs überzogen, in
das man die gewünschte Schrift oder Zeichnung hinein radierte. Nach
einigen Stunden wasche man die Fläche ab und reinige sie vom Wachs;
die radierten Züge treten dann sichtbar hervor.
- 155 -
Stöchioinetrische Aufgaben.
1. Wieviel Chlorgas erfordert 1 kg Jodnatriurn zur Jodausscheidung
— Antw. NaJ : Cl = (23 + 127) : 35,5; x == 250 g.
2. Wieviel Jod wird dabei ausgeschieden? — Antw. NaJ : J =
(23 + 127) : 127; x = 8462/3 g.
3. Wieviel Brom ist in 1 Pfd. Bromnatrium enthalten? — Antw.
NaBr : Br = (23 + 80) : 80; x = 388V3 g.
15. Die Kohle und Kohlensäure.
§ 136. Eigenschaften der Kohle. Die Kohle ist ein Element,
welches in drei allotropischen Zuständen auftritt, nämlich:
1. Als Diamant (Ca), kristallisiert in farblosen, durchsich-
tigen, regelmässigen Oktaedern, der härteste Körper, stark licht-
brechend, unlöslich in allen Lösungsmitteln, unschmelzbar, in sehr
hohen Hitzegraden zu Kohlensäure verbrennlich.*) Er findet sich
in Brasilien, Südafrika, Ostindien; künstlich wurde er noch nicht
dargestellt. Spez. Gew. = 3,5.
2. Als Graphit (Cß), krystallisiert in bleigrauen, metall-
glänzenden sechsseitigen Tafeln, unlöslich, noch schwerer ver-
brennlich als der Diamant, Leiter der Elektrizität. Er findet sich
in grossen Lagern natürlich ; künstlicher Graphit schwitzt aus ge-
schmolzenem Gusseisen beim Erstarren aus (Hochofengraphit).
Spez. Gew. = 2.
3. Als amorphe Kohle (Cy), durch Yerkohlung organischer
Materien entstanden, nach denen man sie bezeichnet als Kien-
russ, Holzkohle, Tierkohle (Knochenkohle), Fleisch-
kohle u. s. f. Der Kienruss (Fuligo) ist, wenn nochmals
geglüht, die reinste amorphe Kohle, leicht brennbar, porös und
leicht. Die Holzkohle (Carbo vegetabilis) bildet das Produkt
der Verkohlung des Holzes (vorzugsweise des Kiefernholzes) in
Meilern, d. i. in Haufen, die angezündet und mit Rasen bedeckt
werden , sodass bei geringem Luftzutritt (durch einige offene
Stellen) das Holz langsam verkohlt. Die gepulverte Holz-
kohle, Carbo pulveratus, ist die nach nochmaligem Glühen
gepulverte Holzkohle. Die Knochenkohle (Ebur ustum
nigrum), auch Spodium genannt, enthält neben der Kohle den
ganzen Gehalt der Knochen an phosphorsaurem Kalk. Kocht
man sie mit sehr verdünnter Salzsäure, so bleibt die gereinigte
Knochenkohle zurück. Die Fleischkohle, Carbo ani-
malis, resultiert durch Yerkohlen von Kalbfleisch, dem man die
Kalbsknochen zufügt; Blut liefert die Blutkohle, Brot die
*) 1694 verbrannte man zuerst den Diamant in Florenz im Brenn-
punkt grosser Brennspiegel.
— 156 —
Brotkohle, Badeschwämme die jodhaltige Schwammkohle
(Carbo Spongiae). Amorphe Kohle ist ferner Hauptbestandteil
der Steinkohlen und Braunkohlen, die man als Heizmaterial
benutzt. Ausgeglühte Steinkohlen sind die Coaks.
Die amorphe Kohle ist durch zwei Eigenschaften besonders
ausgezeichnet: 1. Gase in ihren Poren zu verdichten,
2. Farbstoffe und trübende Materien aus Flüssigkeiten
auf sich niederzuschlagen. Die Absorption von Gasen ist
am stärksten bei der porösen Holzkohle, welche ihr neunfaches
Volum Sauerstoffgas, sogar ihr neunzigfaches Yolum Salzsäuregas
oder Ammoniakgas verschluckt. Das Entfärbungs- und Klärungs-
vermögen finden wir am stärksten bei der Knochenkohle; man
bedient sich daher ihrer zur Verbesserung verdorbenen, stehenden
Wassers, zur Entfuselung des "Weingeistes, Entfärbung und Klärung
des Zuckersaftes und der Alkaloide, wobei aber nicht geringe
Mengen der letzteren von der Kohle zurückgehalten werden.
(Durch Kohle filtriertes fauliges Wasser ist zwar geruchlos ge-
worden, aber nicht frei von Zersetzungs- und Ansteckungsstoffen
niederen Organismen). *
§ 137. Verbindungen der Kohle. 1. Die Kohle ist ein vier-
wertiges Element, welches bei Luftmangel zu einer ungesättig-
ten Verbindung, dem Kohlenoxydgas (CO), bei genügendem
Luftzutritt zu Kohlendioxyd gas (C02) verbrennt* Letzteres
nennt man gewöhnlich kohlensaures Gas. Das Kohlenoxydgas
ist, wie das Kohlendioxyd, färb- und geruchlos, unterscheidet sich
aber von letzterem durch seine Brennbarkeit, indem es beim An-
zünden mit blauer Flamme zu Kohlensäuregas verbrennt. Es
ist ferner ein sehr giftiges Gas, welches selbst verdünnt einge-
atmet lähmend und tötlich wirkt. Da sich dieses Gas überall
bildet, wo Kohlen bei ungenügendem Luftzutritt verbrennen, wie
z. B. beim Schliessen der Klappe eines brennenden Ofens, so ist
seine Giftigkeit sehr zu beachten.
2. Mit dem Wasserstoff vermag sich die Kohle nicht direkt
zu verbinden. Wir kennen aber eine grosse Zahl Kohlenwasser-
stoffverbindungen, die freilich zumeist dem organischen Keiche
angehören, von denen aber zwei hier erwähnt werden sollen: das
leichte und das schwere Kohlenwassersto f f g a s , CH4
und C2H4. Ersteres, ein farbloses Gas, halb so schwer wie die
Luft, bildet sich in Sümpfen und findet sich häufig in Kohlen-
gruben, worin es durch zufällige Entzündung Explosionen (schla-
gende Wetter) hervorruft. Man nennt daher dieses leichte Kohlen-
wasserstoffgas (CH4) Sumpf luft oder Grubengas. Seine Ex-
plosion findet nur statt, wenn es mit Luft gemischt entzündet
wird, ähnlich dem Knallgase. Zum Schutze der Bergleute kon-
— 157 —
struierte H. Davy die Sicherheitslampe, deren Grubenlicht
mit einem Cylinder von feinem Drahtnetz umgeben ist.*)
Das schwere Kohlenwasserstoffgas (C2H4) ist farb-
los, von unangenehmem Geruch, fast gleich schwer mit der Luft,
Hauptbestandteil des Leuchtgases, dessen hellleuchtende, weisse
Flamme von ihm herstammt. Diesem Gase verdanken alle unsere
Beleuchtungsflammen ihre Leuchtkraft. Man nennt das Gas ge-
wöhnlich Olgas, weil es sich mit Chlorgas zu einer ätherischen
Flüssigkeit, dem Äthylenchlorid (C2H4C12, dem sog. Öl der
holländischen Chemiker) verbindet.
3. Mit dem Schwefel verbindet sich die Kohle zu Schwefel-
kohlenstoff (Kohlensulfid), Carboneum sulfuratum
(CS2) , einer farblosen , stark lichtbrechenden und äusserst brenn-
baren, feuergefährlichen, ätherischen Flüssigkeit, mit dem Gerüche
nach faulem Kohl, bei 46 ° siedend, mischbar mit Weingeist, Äther
und Ölen, in Wasser untersinkend (spez. Gew. 1,27) und darin
unlöslich. Mari gewinnt ihn durch Destillation , indem man
Schwefeldämpfe durch glühende Kohlen leitet. Seine ältere Be-
zeichnung war Schwefelalkohol (Alcohol Sulfuris).
Man gebraucht ihn in der Technik zum Vulkanisieren des
Kautschuks, zum Entfetten der Wolle u. a. m. In der Analyse
dient er beim Nachweise des Broms und Jods (vgl. § 134).
§ 138. Eigenschaften der Kohlensäure. Die Kohlensäure**)
(C02) ist ein färb- und geruchloses, nicht brennbares Gas, andert-
halbmal so schwer wie die Luft (spez. Gew. 1,529), nicht tauglich
zum Atmen, erstickend, wenngleich nicht eigentlich giftig. Unter
starkem Drucke verflüchtigt sie sich und erstarrt dann durch
eigene Verdunstung zu einer schneeähnlichen Masse, eine Kälte
von — 79 ° erzeugend.
In Wasser löst sich das Gas wenig auf, bei gewöhnlicher
Temperatur nur zum gleichen Volumen, in der Wärme noch
weniger, dagegen unter Druck bedeutend mehr, z. B. unter
3 Atmosphärendruck zum dreifachen , unter 5 Atm. zum fünf-
fachen Volumen. Alles tellurische Wasser enthält mehr oder
weniger Kohlensäure gelöst; beträgt der Gehalt mehr, so nennt
man die Quelle einen Säuerling. Solches Wasser lässt beim
Hineinbringen pulveriger Gegenstände (z. B. Zuckerpulver) ver-
möge der Adhäsion sein Gas unter Schäumen entweichen. Künst-
*) Wenn sich eingedrungenes Grubengas an der Flamme entzündet,
so verhindert das Drahtnetz, durch seine Wärmeableitung, die Fortpflanzung
der Entzündung nach aussen, ähnlich, wie man eine Weingeistflamme durch
ein quer hineingehaltenes Drahtnetz gleichsam abbrechen kann.
**) Die Kohlensäure, früher Luft säure, fixe Luft genannt, wurde
von Black und Scheele in ihrer Eigentümlichkeit erkannt (1772) und
von Lavoisier (1774) ihrer Natur nach festgestellt.
— 158 —
liches Sauerwasser stellt man durch Einpumpen von Kohlen-
säuregas in Wasser unter mehrfachem Atmosphärendrucke dar.
Das mit dem Grase gesättigte Wasser kennzeichnet sich durch
säuerlichen, prickelnden Geschmack und rötet vorübergehend Lack-
muspapier.
Man unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von Mineralwasser-
apparaten, nämlich Pumpenapparate und Selbstentwickler. Die
Pumpenapparate sammeln das im sog. Generator aus Magnesit oder Marmor
und Schwefelsäure entwickelte kohlensaure Gas, nachdem es durch mehrere
mit Wasser gefüllte Waschgefässe geleitet und gewaschen (geruchlos ge-
macht) worden ist, in einem Gasometer über Wasser und pumpen es aus
demselben mittelst einer Druck- und Saugpumpe in den Mischcylinder,
worin sich das zu sättigende Wasser befindet und durch Umrühren mit
einer Rührwelle mit dem Gase in Berührung gebracht wird. Ein Manometer
zeigt den Gasdruck im Mischcylinder an. Nach der Sättigung wird das
Wasser mittelst einer besonderen Vorrichtung auf Flaschen abgefüllt, die
mit der Maschine verkorkt werden. — Bei einem „Selbstentwickler" fehlt der
Gasometer und die Pumpe. Das im Generator entwickelte kohlensaure Gas
wird direkt in den Mischcylinder geleitet zur Absorption durch das darin
befindliche Wasser. Bei diesen Apparaten müssen daher sämtliche Ge-
fässe so stark sein, dass sie einen mehrfachen Atmosphärendruck aus-
zuhalten vermögen. Die Selbstentwickler sind niemals so leistungfähig,
wie die Pumpenapparate.
§ 139. Chemisches Verhalten der Kohlensäure und ihre Erkennung.
Die Kohlensäure wird von basischen Oxyden begierig verschluckt,
kohlensaure Salze, Karbonate, mit ihnen bildend. In
Wasser lösen sich nur die kohlensauren Alkalien, die übrigen
Karbonate n icht. (Kohlensaurer Kalk, kohlensaures Magnesia und
kohlensaures Eisenoxydul lösen sich etwas in kohlensäurehaltigem
Wasser auf.)
Man erkennt die kohlensauren Salze leicht am Aufbrausen
beim Übergiessen mit einer Säure ; das dabei entweichende, farb-
und geruchlose Gas rötet befeuchtetes Lackmuspapier schwach und
vorübergehend. In wässeriger Lösung befindliche kohlensaure
Alkalien erzeugen mit Kalkwasser einen weissen Niederschlag
(kohlensauren Kalk).
§ 140. Wie gewinnt man die Kohlensäure? Die Kohlensäure, das
Yerbrennungsprodukt der Kohle und kohlehaltiger organischer
Materien, bildet sich bei den vielfachen Yerbrennungsprozessen
in der Natur, bei der Atmung der Tiere und Menschen (in der
ausgeatmeten Luft zu 3,5 Proz.), bei der Gährung von Bier und
Wein, bei der Verwesung und Vermoderung u. s. f. Daher ist
sie ein konstanter Bestandteil der Atmosphäre (im Mittel darin
zu 0,03 Proz. enthalten).
Künstlich gewinnt man sie aus ihren Salzen durch Zersetzung
derselben mit Schwefelsäure oder einer andern stärkeren Säure,
— 159
denn sie gehört zu den schwächsten Säuren, entweicht auch aus
den Karbonaten der Schwermetalle durch blosses Erhitzen. Der
kohlensaure Kalk selbst verliert in der Glühhitze die Säure und
lässt Kalk zurück. (CaC03 = CaO + C02).
Das gewöhnliche Material zur Darstellung der Kohlensäure ist
der kohlensaure Kalk (Kalkstein, Kreide, Marmor) oder die kohlen-
saure Magnesia (Magnesit) mit Schwefelsäure, seltener Salzsäure.
MgCO, + H2S04 = MgS04 + H20 + C0.2
kohlensaure Schwefelsäure schwefelsaures Wasser Kohlensäure
Magnesia Magnesia
CaC03 + 2HC1 = CaClg + H20 + CO,
kohlensaurer Kalk Salzsäure Chlorcalcium Wasser Kohlensäure.
Das kohlensaure Gas entweicht unter Aufbrausen, besitzt
aber häufig einen üblen Geruch, zumal bei Anwendung von
Kreide. Man befreit es von demselben, indem man es durch
Wasser streichen lässt.
Versuche.
1. Kohlensäureentwicklung aus kohlensaurem Kalk (Fig. 52.)
Man übergiesse in einem Glaskolben
oder Medizinglase Marmorstückchen oder
zerbröckelte Kreide mit sehr verdünn-
ter Salzsäure, die Mündung sofort mit
einem Stopfen verschliessend, durch
welchen eine doppelt gebogene Glasröhre
luftdicht geführt ist, deren anderes Ende
man in eine Wanne mit Wasser tauche,
eine mit Wasser gefüllte Flasche dar-
überhaltend. Das entwickelte kohlen- -p- ^
saure Gas sammelt sich in letzterer
an. Ist sie grösstenteüs davon angefüllt, so wechsele man sie mit einer
anderen, bereit gehaltenen.
Eine in das Gas getauchte Flamme erlischt sofort. Das unter ihm
befindliche Wasser schmeckt säuerlich prickelnd und rötet blaues Lack-
muspapier vorübergehend; mit Kalkwasser gemischt, verursacht es eine
starke Ausscheidung weissen kohlensauren Kalkes.
2. Verbrennung von Schwefelkohlenstoff inüntersalpeter-
säure dampf. Man entwickele nach früher angegebener Weise Stickoxyd-
gas aus Kupferspänen und Salpetersäure, leite dasselbe in einen aufrecht-
stehenden Glascylinder, worin es sich durch die vorhandene Luft zu Unter-
salpetersäure oxydiert. Ist der Cylinder völlig mit rotgelbem Gase ange-
füllt, so bringe man wenige Tropfen Schwefelkohlenstoff mittelst eines
kleinen Löffels (nicht aus der Vorratflasche!) hinein; sie verbrennen sofort
mit starker Flamme, die Gefässwand mit ausgeschiedenem Schwefel bedeckend
Stöcliiometrische Aufgaben.
1. Wieviel / Kohlensäure liefert 1 k kohlensaurer _ Kalk bei seiner
Zersetzung durch Säure, wenn das / des Gases 2 g wiegt? — Antw.
CaC03 : C02 = (40 -j- 12 + 48) : (12 + 32); x = 440 g = 220 l.
2. Wieviel Schwefelkohlenstoff liefert 1 kg Schwefel? — Antw. 2S:
CS2 = (2 X 32) : (12 + 64); x = 1187 g.
160
16. Kiesel und Bor.
§ 141. Eigenschaften von Kiesel und Bor. Kiesel (Silicium*)
und Bor (Borain **) sind zwei, der Kohle sich enge anschliessende,
nichtmetallische Elemente und, wie jene, in drei allotropischen
Zuständen bekannt: diamantartig, graphitähnlich und amorph
(pulverig). Beide Elemente kommen nicht frei in der Natur vor,
sondern werden künstlich gewonnen durch Reduktion ihrer Sauer-
stoffverbindungen , besser noch ihrer Pluorkaliumverbindungen
mittelst Kalium oder Natrium , welche den Kiesel resp. das Bor
abscheiden und sich an ihre Stelle setzen.
Bor wurde zuerst von Davy(1807), Kiesel von Berzelius
(1823) isoliert.
Der Kiesel ist, wie die Kohle, vierwertig, das Bor
dreiwertig. Beide verbinden sich mit dem Sauerstoff nur in
einem Yerhältnisse zu Oxyden, denen je eine Säure entspricht:
Kieseldioxyd Si02 Kieselsäure H4Si04
wasserfreie Borsäure B203 Borsäure H.,B03.
§ 142. Wie kommt die Kieselsäure vor? Die Kieselsäure ist
in Yerbindung mit Basen als Silikat (kieselsaure Salze) unge-
mein verbreitet in der Natur. In den in Wasser löslichen kiesel-
sauren Alkalien tritt sie zweibasisch auf, analog der Kohlensäure:
kieselsaures Kali (sog. Kieselfeuchtigkeit) K2Si03.
Sie bildet aber vorzugsweise saure Salze: Bisilikate, Trisili-
kate, in denen kein Wasserstoff enthalten ist, welche vielmehr
als Yerbindungen des neutralen Salzes mit 1,3 Mol. wasserfreier
Kieselsäure dastehen — ein Verhalten, welches wir bei der Bor-
säure und Chromsäure wiederfinden. Hiernach sind:
Vierfach kieselsaures Natron (Wasserglas) qc-(-\3 / = Na2Si409
Doppelkieselsaurer Kali-Kalk (Crownglas) rt2o-rf \ 2Si02 = K2CaSi4O10
'vi
Kieselsaures Kali-Bleioxyd (Flintglas) pgfjo3 f 3Si02 = K2PbSi5°i
Kieselsaure Kali-Thonerde (Feldspat) A?Üi03 \ 2Si02=K2Al2Si6016***)
Scheidet man die Kieselsäure aus den löslichen Silikaten
durch eine Säure ab, so stellt sie eine gallertige Masse, Kiesel-
gallerte (H4Si04), dar, welche man durch Dialyse rein gewinnen
kann. In diesem hydratischen Zustande löst sie sich in 100 Th.
*) Silicium von silex, Kieselstein.
**) Borum von Borax.
***) Die ältere Formel des Feldspats war (KO,Si03 + A1033Si03) dem
Alaun analog. Damals hatte man das Atomgewicht des Kiesels = 22,3
angenommen, sodass die Formel der wasserfreien Kieselsäure Si03 war.
— 161 —
Wasser auf , verliert aber schon beim Eintrocknen Wasser , wird
zu (H2Si03) und schwer löslich. Beim Verdampfen zur Trockne
geht sie in Kieseldioxyd oder „wasserfreie Kieselsäure",
auch Kieselerde genannt (Si0.2), über, welche in Wasser unlös-
lich ist, von heissen Ätzalkalien jedoch leicht aufgelöst wird.
Diese Kieselerde ist feuerbeständig, schmilzt nur im Knallgasge-
bläse und treibt in der Glühhitze aus fast allen Salzen die Säuren
aus, Silikate bildend.
In der Natur findet sich die Kieselerde (Si02) krystallisiert
(in Hexagonalsäulen) , im reinsten Zustande als Bergkrystall,
weniger rein als Quarz, der sich in Form von Sand aus dem
niessenden Wasser absetzt; durch verschiedene Metalloxyde gefärbt
als Amethyst, Chalcedon. Amorphe Kieselerde stellt der
Feuerstein und Achat dar. Diese Mineralien zeichnen sich
durch grosse Härte aus, worin sie nur von den Edelsteinen über-
troffen werden ; daher giebt z. B. der Stahl am Feuerstein Funken.
§ 143. Was ist das Glas? Glas ist ein Doppelsilikat,
künstlich zusammengeschmolzen einerseits aus Kieselerde, anderer-
seits aus Salzen von Alkalien und Erden, auch Schwermetalloxyden.
Wenn die alten Phönizier zufällig Entdecker des Glases wurden,
als sie Salpeter und Sand zusammenschmolzen, so hatten sie im
Salpeter die alkalische Base (Kali) , im Sand die Kieselerde , mit
kalkigen und thonigen Beimengungen. Auch jetzt noch bestehen
die Hauptingredienzen des „Glassatzes" aus Sand, Kalk-, Magnesia-
und Thonerde-Gestein, teils mit Pottasche, teils mit Soda.
Wir unterscheiden zwei Glassorten: Kaliglas, welches mit
Pottasche oder Chlorkalium bereitet ist, und Natronglas, wozu
man Soda oder Kochsalz benutzt. Das weisse französische Glas
ist Natronglas und ausgezeichnet durch seine leichte Schmelz-
barkeit; Kaliglas schmilzt schwieriger. Das schöne Krystallglas
ist ein Kaliglas .mit Bleisilikat, ebenso das zu optischen Zwecken
dienende Flintglas, das zu gleichem Zweck gebrauchte Crownglas
dagegen Kaliglas mit Kalksilikat.
Farbige Glassorten entstehen durch Beimischung gewisser
Metalloxyde ; so ist Eisenoxydul im grünen Flaschenglas, Eisenoxyd
im braunroten, Kupferoxydul im rubinroten, Kupferoxyd oder Chrom-
oxyd im grünen, Kobaltoxyd im blauen Glase enthalten. Milch-
glas besitzt beigemengte Knochenasche oder Zinnoxyd.
§ 144. Wie gewinnt man die Borsäure? Die Borsäure kommt
natürlich vor und wird in Toskana an gewissen Orten gewonnen,
wo sie von Wasserdämpfen (sog. Fumarolen) aus der Erde geführt
wird ; diese Dämpfe brechen aus künstlich angelegten kleinen
Seeen (sog. Lagoni) hervor und schleudern deren Wassermassen in
Schliokum, Ap othe kerlehr ling. 1]
— 162 —
Strahlen empor. Man legt diese Lagoni als terrassenförmig über-
einander gemauerte Wasserbehälter an , in deren "Wasser die
Borsäure zurückgehalten wird. Durch Abdampfen der Lösung
gewinnt man sie krystallisiert und verarbeitet sie mit Soda zu
Borax (doppeltborsaurem Natron).
Die medizinisch als antiseptisches (fäulniswidriges) Mittel
angewendete Borsäure, Acidum boricum (H3B03), stellt man
durch Zerlegung des Borax mit Salpetersäure dar; salpeter-
saures Natron bleibt in Lösung, die Borsäure krystallisiert aus.
Sie erscheint in durchsichtigen, farblosen, perlmutterglänzenden,
sechsseitigen Tafeln, löst sich ziemlich schwer in kaltem, leicht
in heissem Wasser und verflüchtigt sich teilweise mit den Wasser-
dämpfen, obgleich sie, für sich geschmolzen, feuerbeständig ist
Ihre wässerige Lösung rötet Lackmuspapier und färbt Curcuma-
papier (erst nach dem Trocknen) braunrot.
Prüfung: Die wässerige Lösung der Borsäure darf nicht durch
Baryumnitrat oder Silbernitrat getrübt (weiss: Schwefelsäure resp. Salz-
säure), noch durch H2S verändert (dunkle Trübung: Schwermetalle), noch
durch Schwefelcyankalium gerötet (Eisen), noch durch überschüssiges Am-
moniak gebläuet (Kupfer) werden.
Schmilzt man die Borsäure für sich, so bläht sie sich unter
Wasserverlust stark auf zu Metaborsäure (HB02) und hinterlässt
endlich in der Rotglühhitze wasserfreie (anhydrische) Bor-
säure (B203) als farbloses Glas*). Freie Borsäure erteilt der
Weingeistflamme eine eigene, gelbgrüne Färbung — ihr bestes
Erkennungsmittel !
Mit den basischen Oxyden bildet sie bor saure (Borate),
vorzugsweise doppeltborsaure (Biborate) Salze, die, den
Bisilikaten analog, aus normalem Salze und wasserfreier Borsäure
bestehen. So ist der Borax doppeltborsaures Natron:
Na2B204 I _/ w E Q
B 0 ( ~ i-Na2.D4<j7.
§ 145. Fluorverbindungen von Kiesel und Bor. Die Fluorwasser-
stoffsäure ist ein sehr gutes Lösungsmittel für Kieselsäure und Borsäure,
sowie deren Salze, damit zwei gasförmige Verbindungen eingehend, Fluor-
kiesel (SiF4) und Fluorbor (BF3). Übergiesst man feingepulverten Fluss-
spat (Fluorcalcium) und Quarz (oder zerstossenes Glas) mit konzentr.
Schwefelsäure, so entweicht Fluorkieselgas.
Si02 + 2CaF2 2H2S04 = SiF4 -f 2CaS04 + 2H20
Kiesel- Fluorcalcium Schwefel- Fluorkiesel schwefelsaurer Wasser,
säure säure Kalk
_0-H _Q
*) 1. B— 0— H = B=n w + H»°-
2- B-g_H=B+g_H = |>0 + H20.
— 163 -
Dieses Gas ist farblos, raucht an der Luft (durch Wasserdampfanziehung)
und zersetzt sich mit Wasser in Kieselsäure (welche sich abscheidet) und
Kieselfluorwasserstoffsäure (2 HF -|- SiF4), eine saure Flüssigkeit,
welche mit Basen eigene Salze bildet, z. B. mit Kali Kieselfluorkalium
(2KF + SiF4).
3SiF4 + 4H20 = H4Si04 + (2 HF + SiF4)
Fluorkiesel "Wasser Kieselsäure Kieselfluorwasserstoffsäure.
Das Fluorbor verhält sich völlig analog und erzeugt mit Wasser die Bor-
fluorwasserstoffsäure (HF -j- BF3).
Praktische Übungen.
Acidum boricum. Man löse 5 Teile Borax in 15 Teilen heissem
Wasser und füge 6 Teile reine Salpetersäure hinzu. Beim Erkalten kry-
stallisiert die Borsäure in Schuppen aus. Man sammle sie auf einem locker
verstopften Trichter und trockne auf Fliesspapier.
Stöchiometrische Aufgabe.
Wieviel Borsäure gewinnt man aus 1 Pfd. Borax (Na2B407 -j-
10H2O)? — Antw. (Na,B407 + 10H,O) : 4 (H3B03) = (46 + 43,6 +
112 + 180) : 4 (3 + 10,9 + 48); x = 325 g.
b) Metalle.
17. Eigenschaften und Einteilung der Metalle.
§146. Was versteht man unter einem Metalle? Im gewöhnlichen
Leben versteht man unter einem Metalle einen dichten, schweren,
undurchsichtigen, glänzenden, unlöslichen, schmelzbaren, unter
dem Hammer dehnbaren und geschmeidigen, die Wärme gut fort-
leitenden Körper. Yon dieser Definition müssen wir, seit der
Entdeckung der Leichtmetalle, manchen Punkt streichen, da die
letzteren weder in der Schwere , noch in der Unlöslichkeit mit
den altbekannten Schwermetallen übereinstimmen.
So bleiben uns noch folgende allgemeine Eigenschaften
der Metalle übrig:
1. Die Metalle sind undurchsichtig und metallglänzend.
Die Metalle sind nicht allein im festen Aggregatzustande,
sondern auch im flüssigen, geschmolzenen Zustande undurch-
sichtig, wie dies das Quecksilber zeigt. Feingeschlagenes Gold
(Blattgold) schimmert übrigens mit grünem Lichte durch, wenn
man es gegen die Sonne hält.
Der Metallglanz ist vorzugsweise den polierten Metall-
flächen eigen und fehlt dem pulverigen Metalle. Reibt man aber
ein gepulvertes Metall unter starkem Drucke, so nimmt es wieder
Glanz an. Der Metallglanz ist wesentlich an die Eigenschaft der
völligen Undurch sichtigkeit gebunden; bei durchsichtigen oder
auch nur durchscheinenden Körpern bezeichnet man den Glanz
als Glasglanz, Fettglanz u. s. w.
11*
— 164 —
2. Die Metalle sind schmelzbar.
Während das Quecksilber in gewöhnlicher Temperatur flüssig
ist. und nur unter — 40° fest wird, kommen die meisten Metalle
erst in der Glühhitze zum Schmelzen. Am leichtflüssigsten unter
den bekannteren Schwermetallen ist das Zinn , dessen Schmelz-
punkt bei 200 ° liegt ; dann folgen das Wismut , Blei und Zink.
In der Weissglühhitze (bei 1000°) schmelzen Kupfer, Silber, Gold;
in höherer Temperatur das Eisen; das Platin erst im Knall-
gasgebläse Beim Abkühlen krystallisieren viele Metalle im
regulären System.
3. Die Metalle sind dehnbar und geschmeidig.
Die Metalle besitzen sehr verschiedene Geschmeidigkeit,
Kupfer und Eisen setzen dem Ziehen und Zerreissen den grössten
Widerstand entgegen, sie sind am zähesten, Zink und Blei da-
gegen wenig zähe, aber weich. In gewöhnlicher Temperatur lassen
sich die Metalle durch Hämmern dehnen, wobei sie dichter und
spezifisch schwerer werden. Dagegen giebt es einige Metalle —
Antimon, Wismut, Arsen — , welche unter dem Hammer zer-
springen und sich pulvern lassen; man hatte sie deswegen früher
Halbmetalle genannt. Eisen und Platin sind ausgezeichnet
durch das Vermögen, in der Glühhitze weich zu werden und sich
dann zusammen seh weissen zu lassen.
4. Die Metalle sind gute Leiter für Wärme und Elektrizität.
Wenngleich die kompakte Kohle auch die Elektrizität fort-
leitet, so geschieht dies doch mehrere tausendmal schlechter als
beim Eisen, welches seinerseits zu den schlechteren Elektrizitäts-
leitern unter den Metallen zählt. Das beste Leitungsvermögen
für die Elektrizität besitzt das Silber, nächstdem Zink, Gold und
Kupfer. Die Wärme wird von keinem Nichtmetalle fortgeleitet.
§ 147. Wie teilt man die Metalle ein? Man teilt die Metalle
zunächst nach ihrer spezifischen Schwere in zwei grosse Ab-
teilungen :
A. Leichtmetalle, deren spez. Gew. unter 5 liegt,
B. Schwermetalle, deren spez. Gew. über 5 liegt.
Während Kalium und Natrium auf dem Wasser schwimmen,
das Aluminium nur 2llimal schwer als Wasser ist, übersteigt das
Gewicht des Eisens und Zinks dasjenige des Wassers 7 mal, das
des Silbers und Bleies 11 mal, das des Quecksilbers 13 mal, das
des Goldes 19 mal.
A. Die Leichtmetalle vermögen alle das Wasser zu zer-
setzen, den Sauerstoff an sich nehmend und den Wasserstoff frei
machend. Kalium entwickelt dabei eine solche Wärme, dass das
Wasserstoffgas zur Entzündung gelangt und verbrennt. Alumi-
nium zersetzt dagegen nur siedendes Wasser und langsam. Die
— 165 —
dabei entstehenden Oxydhydrate (Hydroxyde) lassen eine Unter-
scheidung der Leichtmetalle in drei Gruppen zu:
a) Alkalimetalle. Ihre Oxydhydrate, Alkalien genannt,
lösen sich sehr leicht im Wasser, zerfliessen sogar an der
Luft; auch ihre kohlensauren Salze sind im Wasser löslich.
Hierhin Kalium, Natrium, Lithium. .
Ihre Oxyde heissen: Kali, Natron, Lithion.
h) Alkalische Erdmetalle. Ihre Oxydhydrate, alka-
lische Erden genannt, lösen sich nur schwierig in
Wasser, erteilen demselben aber alkalische Reaktion ;'y ihre
kohlensauren Salze lösen sich in reinem Wasser nicht auf.
Hierhin : Baryum , Strontium , Calcium , Magnesium. Ihre
Oxyde heissen: Baryt, Strontian, Kalk, Magnesia.
c) Erdmetalle. Ihre Oxydhydrate, Erden genannt,
lösen sich in Wasser nicht auf.
Hierhin: Aluminium. Sein Oxyd heisst Thonerde.
B. Die Schwerin etalle vermögen weder in gewöhnlicher
Temperatur, noch in der Siedhitze das Wasser zu zerlegen. Man
teilt sie nach der Oxydierbarkeit an der Luft in zwei Gruppen:
a) Die unedlen Metalle überziehen sich an feuchter
Luft allmählich mit einer Oxydschicht, die man beim
Eisen Rost, beim Kupfer Grünspan nennt. Ihre Oxydhydrate
lösen sich in Wasser nicht auf. — Man teilt ihre grosse Zahl in
folgende Untergruppen ein:
a) Metalle, welche sich in verdünnten Säuren unter
Wasserstoffentbindung auflösen. Sie zersetzen den
Wasserdampf in der Glühhitze.
Hierhin : Eisen, Kobalt, Nickel, Mangan, Chrom, Zink, Kadmium.
ß) Metalle, welche sich nicht in verdünnten Säuren lösen,
aber von der Salpetersäure unter Stickoxy dentbin-
dung zu salpetersauren Salzen aufgelöst werden.
Hierhin: Kupfer, Blei, Wismut.
y) Metalle, welche von Salpetersäure, unter Stick-
oxy dentbindung, zwar oxydiert, aber nicht als sal-
petersaure Salze aufgelöst werden.
Hierhin : Zinn, Antimon, Arsen.
b) Die edlen Metalle überziehen sich an der Luft
mit keiner Oxydschicht, sondern bewahren ihren Glanz.
Hierhin: Quecksilber, Silber, Gold, Platin.
Yon diesen lösen sich die ersteren beiden leicht in Salpeter-
säure, unter Stickoxydentbindung, zu salpetersauren Salzen auf.
Gold und Platin werden aber nur von Königswasser (3 Teile
Salzsäure und 1 Teil Salpetersäure) zu Chlormetallen aufgelöst.
166
18. Gewinnung der Metalle.
§ 148. Wie kommen die Metalle in der Natur vor? Die wenigsten
Metalle finden sich gediegen in der Natur, wie das Gold, Pla-
tin, Quecksilber und Wismut. Die grosse Mehrzahl kommt ver-
erzt, teils oxydisch, teils geschwefelt, teils in Salz-Ver-
bindung vor. Die Erze bedürfen daher der Reduktion, um
metallisch zu werden. Je nachdem man die Metalle gebraucht,
ist eine solche Reduktion Gegenstand eines hüttenmännischen
Betriebes oder wird nur in den Laboratorien der Chemiker vor-
genommen.
Die hüttenmännische Metallgewinnung benutzt in der Regel
die Kohle, seltener ein anderes Metall, wie z. B. Eisen, zur
Reduktion. In den chemischen Laboratorien kommen zur An-
wendung: Alkalimetalle, Oxydulsalze, Wasserstoff-
gas, der elektrische Strom. Über letzteren wurde das
Nötige schon im § 71 mitgeteilt.
§ 149. Reduktion der Metalle durch Kohle. Man reduziert alle
oxydischen Erze im hüttenmännischen Betrieb durch Kohle,
wobei Kohlenoxydgas oder Kohlensäure entweicht, während das
reduzierte Metall zusammenschmilzt zum Metallkönig (Regu-
1 u s), wie man es früher nannte — woher noch jetzt der Ausdruck
regulinisches Metall stammt. Um dieses geschmolzene Metall
vor dem oxydierenden Einflüsse der Luft zu schützen, sorgt man
für die Bildung einer Schlacke, die auf ihm schwimmt. Bedingung
eines guten Verlaufs des Prozesses ist Leichtschmelzbarkeit der
Schlacke, wodurch ein Zusammengehen der Metallpartikel ermög-
licht wird. Die Schlacke ist stets eine Art Glas, aus den sandigen und
erdig-kalkigen Teilen der sog. Gangart gebildet. Da häufig schwer-
flüssige, erdige Stoffe zugegen sind, so benutzt man in den meisten
Eällen einen sog. Zuschlag zum Erze, indem man ihm bald Kalk,
bald Sand beigiebt, je nachdem die Gangart vorzugsweise reich an
Quarz oder alkalischen resp. erdigen Bestandteilen ist. Besondere
sog. Flussmittel, die bei Arbeiten im kleinen zur Anwendung
gelangen (wobei man sich der Tiegel bedient), sind : Borax, Fluss-
spat, Glas.
Die Reduktion mit Kohle wird im kleinen in hessischen
Tiegeln vorgenommen, worin man die mit Kohlenpulver ge-
mischten Oxyde glüht; oder man erhitzt die Oxyde in Graphit-
tiegeln (Passauer Tiegel).
Die hüttenmännische Reduktion geschieht in besonderen Öfen,
in mehr hohen als weiten Schachtöfen, in denen die mit Kohle
gemischten Erze niedergeschmolzen werden. Bei der Eisengewinnung
trägt man in den sog. Hochofen schichtweise Erz und Kohle ein ;
. — 167 —
das geschmolzene Metall sammelt sich im unteren Teile und wird
von Zeit zu Zeit abgelassen.
Bei den flüchtigen Metallen, Kalium, Natrium und Zink, ge-
staltet sich der Prozess zu einer Destillation. Die mit Kohle ge-
mengten Erze werden in Röhren oder Cylindern geglüht, aus
denen durch seitlich angebrachte Abzüge die Metalldämpfe in die
Vorlage entweichen.
Gelangen Schwefelmetalle, z. B. Grauspiessglanzerz
(Sb2S3), Blende (ZnS), Bleiglanz (PbS), zur Verhüttung mit Kohle,
so müssen sie zuyor entschwefelt und in oxydische Erze verwan-
delt werden. Man nennt diesen Prozess Rösten und führt ihn
entweder in Flammenöfen oder in Rösthaufen (Stadeln) aus. Das
Rösten besteht im Abbrennen des Schwefels durch den Sauerstoff
der Luft, wobei schweflige Säure entweicht, während das Metall
sich oxydiert. In Flammen Öfen setzt man die schwefelhaltigen
Erze der Einwirkung der Flamme aus; die Rösthaufen formiert
man in Form abgestumpfter Pyramiden aus abwechselnden Schichten
von Erz und Brennmaterial, welches man entzündet. Dabei darf
die Erhitzung nicht bis zum Schmelzen der Masse gesteigert
werden. Das geröstete, oxydische Erz schmilzt man schliesslich
mit Kohle im Schachtofen nieder.
§ 150. Reduktion durch ein anderes Metall. Wenn man einer Me-
tallverbindung ein anderes Metall zusetzt, welches mit grösserer
Affinität ausgerüstet ist, so setzt sich das letztere in äquivalenter
Menge an die Stelle des ersteren, es metallisch ausscheidend. So
vermögen Zink und Eisen alle übrigen Schwermetalle aus ihren
Salzen zu verdrängen. Legt man einen Eisenstab oder Zinkblech
in eine Kupferlösung, so wird Kupfer darauf abgeschieden und
eine äquivalente Menge Eisen resp. Zink aufgelöst.
CuS04 + Fe = Cu + FeS04
schwefelsaures Eisen Kupfer schwefelsaures
Kupferoxyd Eisenoxydul.
Man kann die Schwermetalle nach folgender Reihe ordnen,
in der jedes Glied die nachfolgenden aus ihren Verbindungen aus-
scheidet, durch die vorhergehenden aber selbst ausgeschieden wird:
Zink und Eisen, Zinn, Kupfer, Wismut, Antimon, Queck-
silber, Silber, Gold.
Legt man eine Kupfermünze in eine Quecksilber- oder Silber-
lösung, so überzieht sie sich bald mit einer weissen Metallschicht.
Hüttenmännisch wird diese Methode beispielweise beim Blei-
glanz, Spiessglanz und anderen Schwefelmetallen benutzt, welche
man mit Eisen zusammenschmilzt. Über dem regulinischen Blei,
Antimon u. a. schwimmt das gebildete Schwefeleisen als Schlacke.
PbS + Fe = Pb + FeS
Schwefelblei Eisen Blei Schwefeleisen.
— 168 -
Die Metalle der Erden, z. B. das Aluminium und Magnesium,
gewinnt man durch Schmelzen ihrer Chloride oder Fluoride mit-
telst Natriums, wobei Chlor- resp. Fluornatrium das regulinische
Metall als Schlacke bedeckt.
§ 151. Reduktion durch Wasserstoffgas. Sämmtliche Schwermetalle
werden in höherer Temperatur durch »Wasserstoffgas reduziert;
die Oxyde liefern dabei Wasser, die Schwefelmetalle Schwefel-
wasserstoffgas :
Fe203 + 6H = 2Fe + 3H20
Eisenoxyd Wasserstoff Eisen Wasser
Sb2S3 + 6H = 2Sb + 3H2S
Schwefelantimon Wasserstoff Antimon Schwefelwasserstoff
Man leitet das Wasserstoffgas über die erhitzte Metallverbind-
ung. Pulveriges Metall bleibt zurück. Bei den oxydischen Ver-
bindungen gelingt diese Reduktion noch beim Eisen und Zink,
aber weder beim Mangan , noch bei den Leichtmetallen , welche
in umgekehrter Weise mit Leichtigkeit das Wasser zersetzen. Bei
den Schwefelmetallen ist die Reduktion durch Wasserstoffgas nicht
in dem Umfange statthaft wie bei den Oxyden und gelingt schon
beim Schwefelkupfer, Schwefeleisen und Schwefelzink nicht mehr.
19. Kalium und seine Verbindung.
§ 152. Eigenschaften und Gewinnung des Kaliums. Das Kalium*)
ist ein weiches, mit dem Messer schneidbares, auf frischer Schnitt-
fläche glänzendes Matall, welches sich an der Luft sehr schnell
oxydiert und deshalb unter Steinöl aufbewahrt wird. Auf dem
Wasser schwimmt es, zischend hin und her fahrend und das ent-
wickelte Wasserstoffgas infolge der starken Erhitzung entzündend ;
dabei löst sich Kaliumhydroxyd (Kalihydrat) im Wasser auf.
K + H20 = KHO + H
Kalium Wasser Kaliumhydroxyd Wasserstoff.
Beim Erhitzen schmilzt das Kalium (bei 62°) zu einer queck-
silberähnlichen Flüssigkeit, welche sich in noch höherer Temperatur
verflüchtigt ; bei Luftzutritt verbrennen seine Dämpfe mit violetter
Flamme zu Kaliumoxyd (Kali). Mit derselben violetten Flamme
verflüchtigen sich alle Kaliumsalze.
Das Kalium wurde nebst dem Natrium zuerst 1807 von
H. Davy mittelst galvanischer Zersetzung des Kali's isoliert; es
findet sich nicht frei in der Natur, aber vielfach in Salzverbind-
ungen, zumal mit Kieselsäure und Thonerde als Feldspat
(Doppelsilikat von Kali und Thonerde), ein wesentlicher Ge-
*) „Kali" ist arabischen Ursprungs (Aschensalz) ; „Alkali" heisst
„das Kali".
— 169 -
mengteil im Granit (Urgebirge); bei dessen Verwitterung ge-
langt das Kali, mit der Kohlensäure der Atmosphäre sich ver-
bindend, im Quellwasser zur Lösung, wird von der Pflanzenwelt
aufgenommen und im Pflanzenkörper an organische Säuren ge-
bunden. Durch Einäschern der Pflanzen gewinnen wir es wieder
als kohlensaures Kali, wesentlichsten Bestandteil der Holzasche.
Man nannte deshalb das Kali in früherer Zeit vegetabilisches
Alkali. Erhitzt man ein inniges Gemenge von kohlensaurem
Kali mit Kohle (wozu man den verkohlten Weinstein benutzt) in
einer eisernen Flasche, die mit seitlichem Abzugsrohr versehen
ist, so reduziert sich das Kalium, seine grünen Dämpfe verdichten
sich in der mit Steinöl versehenen kupfernen Vorlage zu Tropfen
und erstarren darin.
Das Kalium ist ein einwertiges Metall, welches sich
mit den Salzbildnern zu Haloi'dsalzen , mit Sauerstoff zu einem
Suboxyd, Oxyd und Superoxyd verbindet, von denen nur das
Oxyd, gewöhnlich Kali genannt (K20) und dessen Hydrat, das
Kaliumhydroxyd (HKO) für uns wichtig sind. Seine Ver-
bindungen bewirken eine Verstärkung des Herzschlags, sind da-
her in grossen Gaben gesundheitsgefährlich.
Zut- Darlegung der Kaliumverbindungen diene folgende Zu-
sammenstellung einiger derselben*):
KCl Chlorkalium K20 Kaliumoxyd KHO Kaliumhydroxyd
KBr Bromkalium K2S Kaliumsulfid KHS Kaliumhydrosulfid
KJ Jodkalium
KN03 Kaliumnitrat K2C03 Kaliumkarbonat
KCIO3 Kaliumchlorat K2S04 Kaliumsulfat.
Erkennung der Kaliumverbindungen: Von den Kalisalzen zeichnen
sich durch Schwerlöslichkeit das doppeltweinsaure Kali und Kalium-
platinchlorid aus, daher dienen Weinsäure und Platinchlorid als
Reagentien auf Kali; jene erzeugt einen weissen, dieses einen
gelben Niederschlag, im Falle die Lösungen nicht zu sehr ver-
dünnt sind. Andererseits erkennt man Kaliumverbindung an
der violetten Färbung, welche sie der Weingeistflamme erteilen,
wenn man sie am Öhr des Platin drahts in dieselbe einführt.
§ 153. SauerstoflVerbindungen des Kaliums, a) Das in der Holz-
asche enthaltene Kaliumkarbonat oder kohlensaure Kali
(K2C03) wird mit Wasser ausgelaugt, zur Trockne eingedampft
und als Pottasche (Cineres clavellati) in den Handel gebracht.
Es bildet dann eine weisse, oft bläuliche, stark laugenhafte, an
der Luft feucht werdende, krümliche Masse, welche mit Säuren
*) Die frühere Äquivalentformel war für das Kali (KO), für das Kali-
hydrat (KO,HO); für das salpetersaure Kali (KO,N05), für das schwefelsaure
Kali (KO,S03); für das kohlensaure Kali (KO,C02); für das doppeltkohlen-
saure Kali (KO,2C02).
— 170 —
stark aufbraust und (nicht selten bis zu) J/3 — i/b schwefelsaures
und kieselsaures Kali sowie Chlorkalium enthält.
Zur Keinigung davon wird das rohe kohlensaure Kali mit gleich-
viel "Wasser zwölf Stunden stehen gelassen, die klare Lösung von
dem Bodensatz (schwefelsaurem Kali) abgegossen und in einem
eisernen Kessel zur Trockne verdampft. Diese gereinigte Pott-
asche ist das rohe kohlensaureKali, Kalium carbonicum
crudum der Pharm. Germ. II, mit noch kleinen Mengen kieselsaurem
Kali und Chlorkalium, und klarlöslich in gleichviel Wasser. Die Pharm.
Germ, verlangt mindestens 90% K2C03 und bestimmt diesen Ge-
halt durch massanalytische Sättigung mit Normalsalzsäure.
b) Leitet man Kohlensäuregas in eine klare Pottaschelösung,
so krystallisiert das Kaliumbikarbonat oder doppeltkohlen-
saure Kali, Kalium bicarbonicum (KHC03), aus; die Verun-
reinigungen der Pottasche (Chlorkalium u. a.) bleiben in der
Mutterlauge.
K\ro -uro -j-^ln — KHC03
K/ tUs + t0a + H/ U — KHCO3
Kaliumkarbonat Kohlensäuregas Wasser Kaliunibikarbonat.
Das doppeltkohlensaure Kali stellt farblose, luftbeständige
Prismen dar. Es wird bei Bereitung vieler Kalipräparate an Stelle
des reinen kohlensauren Kalis (welches aus ihm erst gebildet wird)
angewendet, und darf in ihm (nach Übersättigung mit Säure)
weder durch Barytsalze ein Gehalt an schwefelsaurem Kali, noch
durch Silbersalze Chlorkalium nachgewiesen werden; auch sei es
frei von Kaliumkarbonat.
c) Aus dem doppeltkohlensauren Kali gewinnt man durch Er-
hitzen in einem eisernen Kessel reines kohlensaures Kali,
Kalium carbonicum (purum) (K2C03), wobei Kohlensäuregas
und "Wasserdampf entweichen. Früher bereitete man dieses Salz
durch Verpuffen von "Weinstein mit Salpeter und nannte es Wein-
steinsalz (Sal Tartari, Kali carbonicum e Tartaro). Eine
33% ige wässerige Lösung des reinen kohlensauren Kalis ist der
Liquor Kalii carbonici, mit dem spez. Gew. = 1,33.
Prüfung des Kaliumkarbonats: Die wässerige Lösung darf sich
nicht verändern mit Schwefelammonium (dunkle Färbung: Eisen) und
kohlensaurem Ammoniak (weisse Trübung: Magnesia), sie muss rein weiss
gefällt werden durch Silbernitrat (Bräunung beim Erwärmen: unter-
schweflig säur es Kali); die angesäuerte Lösung darf nicht getrübt werden
durch H2S (schwarz: Kupfer, Blei), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures
Kali), Silbernitrat (weiss: Chlorkalium); ausserdem wird es geprüft auf
Cyankalium und Salpeter durch Eisensalze.
d) Wird in eine siedende Pottaschelösung gelöschter Kalk ein-
getragen, so scheidet sich kohlensaurer Kalk aus, während Kali-
hydrat (KHO) in Lösung bleibt:
K03C2 + Ca2HO = CaC03 -+- 2KHO
kohlensaures Kali Kalkhydrat kohlensaurer Kalk Kalihydrat.
— 171 -
Man dampft die klar abgegossene Flüssigkeit bis zum spez.
Gew. 1,144 ein, wo sie nahezu 15% KHO enthält und die Kali-
lauge, Liquor Kali caustici, darstellt. Dampft man sie in
silbernen Schalen soweit ein, dass die Masse ruhig schmilzt, und
giesst sie in Stangenformen, so erhält man das geschmolzene
Ätzkali, Kalium causticum fusum , in Form weisser, stark
ätzender, an der Luft zerfliessender Stängelchen.
Beide Präparate dürfen, mit Säure übersättigt, nicht gefällt werden
durch Silbernitrat (weiss: Chlorkalium) oder Baryuinnitrat (weiss: schwefel-
saures Kali); sie dürfen nur so wenig Kohlensäure enthalten, dass nach
dem Kochen mit der 4 resp. 15 fachen Menge Kalkwasser das Filtrat mit
Säure nicht mehr aufbrause. Auf Salpeter werden sie mit Eisenvitriol-
lösung geprüft.
e) Das Kaliumnitrat oder salpetersaure Kali, Kalium
nitricum (KN03), gewöhnlich Salpeter (Nitrum) genannt, findet
sich fertig gebildet in der Natur, zumal in Ostindien. Ein farb-
loses , leicht in Wasser , nicht in Weingeist lösliches Salz , von
kühlend salzigem Geschmack, krystallisiert in sechsseitigen, ge-
streiften und zugespitzten Säulen, deren Grundfläche ein Rhom-
bus ist. Es ist ein wesentlicher Gemengteil des Schiesspulvers
(75% Salpeter, 12% Schwefel, 13% Kohle), bei dessen Yerpuffung
die Kohle zu Kohlensäure oxydiert wird ; der Schwefel bleibt mit
dem Kalium als Schwefelkaüum zurück, der Stickstoff entweicht
gasförmig. Auf glühende Kohlen gestreut, ruft der Salpeter eine
ähnliche Verpuffung unter Funkensprühen hervor. Für sich ge-
glüht, verliert er Sauerstoff, wird erst zu salpetrigsaurem Kali,
schliesslich zu Kali (K20) ; sein Glührückstand besitzt daher stark-
alkalische Eigenschaften. (Unterschied vom chlorsauren Kali).
Prüfung des Salpeters: Seine Lösung darf sich nicht trüben durch
H2S (dunkel: Kupfer, Blei), Silbernitrat (weiss: Chlornatrium, die gewöhn-
lichste Verunreinigung des Salpeters), Baryumnitrat (weiss: schwefel-
saures Kali),
f) Das Kaliumsulfat oder schwefelsaure Kali, Kalium
sulfuricum (K2S04), früher Doppelsalz (Sal duplicatum),
auch Tartarus vitriolatus genannt, ist ein Nebenprodukt bei
der Pottaschereinigung, bei der Destillation der Salpetersäure und
anderen Operationen. Ein hartes , luftbeständiges, farbloses Salz
in rhombischen Säulen, welches sich in Wasser ziemlich schwer löst.
Prüfung des Kaliumsulfats: Die Lösung darf sich nicht trüben
durch Schwefelammonium (schwarz: Eisen, Blei, Kupfer), noch durch Am-
moniumoxalat (weiss: Kalk), noch durch Silbernitrat (weiss: Chlorkalium);
auch wird sie mit Eisenvitriol auf Salpeter geprüft.
g) Das Kaliumchlorat oder chlorsaure Kali, Kalium
chloricum (KC103), krystallisiert in weissen, glänzenden Blättchen
oder Tafeln, welche sich in kaltem Wasser etwas schwer lösen. Es
bildet sich beim Einleiten von Chlorgas in heisse Kalilauge ; dabei
- 172 —
entstehen chlorsaures Kali und Chlorkaliuni; ersteres krystallisiert
als schwerlösliches Salz aus, letzteres bleibt in der Mutterlauge.
6KHO + 6C1 == KCIO3 + 5KC1 + 3H20
Kalihydrat Chlor Kaliumchlorat Chlorkalium Wasser.
Das chlorsaure Kali giebt beim Erhitzen seinen ganzen Sauer-
stoffgehalt ab-, sich in Chlorkalium verwandelnd; wenn es mit
brennbaren Körpern (Schwefel, Kohle, Phosphor, Schwefel metallen,
Zucker, Stärkemehl u. dgl.) zusammengerieben oder geschlagen
wird, geschieht dies unter heftiger Explosion, so dass man solche
Mischungen nur mit äusserster Vorsicht anfertigen darf. Man
zerreibe stets das chlorsaure Kali für sich und mische es
dem übrigen Gemenge leichthin mit dem Löffel (!) bei. Auf
glühende Kohlen geworfen, verpufft es mit violetter Flamme unter
Funkensprühen wie der Salpeter. Man benutzt es zu bengalischem
Feuer*), sowie zu den schwedischen Zündhölzchen, deren mit chlor-
saurem Kali und Schwefelantimon bestrichene Köpfe an einer
amorphen Phosphor enthaltenden Reibfläche gestrichen werden.
Prüfung des Kaliumchlorats: Seine Lösung darf nicht getrübt
werden durch H2S (dunkel: Kupfer, Blei), oxalsaures Ammoniak (weiss:
Kalk), Silbernitrat (weiss; Chlor kalium); geglüht darf es keinen alkalisch
reagierenden Rückstand hinterlassen {Salpeter).
h) Das essigsaure Kali oder Kaliumacetat, Kalium ace-
ticum (KC2H302), ist ein weisses, sehr leicht zerfliessliches Salz,
dessen 33% wässerige Lösung den Liquor Ealii acetici dar-
stellt. Sowohl das trockne Salz wie seine Lösung wird durch
Sättigung des doppeltkohlensauren Kalis mit verdünnter Essig-
säure gewonnen, wobei die Kohlensäure entweicht.
KHCO3 + H(CH302) = K(CH302) + H,0 + CO,
Kaliumbikarbonat Essigsäure Kaliumacetat Wasser Kohlensäure
Prüfung: Die wässerige Lösung des Kaliumacetats darf sich nicht
trüben durch H2S (schwarz: Blei, Kupfer) oder Schwefelammonium (schwarz:
Eisen); die angesäuerte Lösung desgleichen nicht durch Baryum- und
Silbernitrat (weiss: Kaliumsulf at resp. C/^örkalium).
§ 154. Haloidsalze des Kaliums. Löst man Brom resp. Jod in
Kalilauge auf, so entsteht Brom- resp. Jodkalium, neben brom-
saurem oder jodsaurem Kali; wird die gewonnene Lösung zur
Trockne verdampft und mit etwas Holzkohlenpulver schwach ge-
glüht, so reduziert sich das bromsaure resp. jodsaure Kali zu Brom-
resp. Jodkalium. Beim Auflösen des Glührückstandes resultiert
dann eine reine Bromkalium- resp. Jodkaliumlösung, aus der das
Salz durch Krystallisation gewonnen wird.
*) Rotfeuer aus 662/3°/o salpetersaurem Strontian, 22°/0 Schwefel,
3°/0 Kohle, 8^3 0/0 chlorsaurem Kali.
Weissfeuer aus 69 °/0 Salpeter, 21 °/0 Schwefel, 10°/0 Schwefelantimon.
Grünfeuer aus 57% salpetersaurem Baryt, 1 9 °/0 Schwefel, 24°/0
chlorsaurem Kali.
- 173 —
I. 6KH0 + 6J
= 5KJ + KJO3 +
3H2C
Kalihydrut Jod
Jodkalium jodsaures Kali
Wasser
II. KJÖ3 -j- 3C
= KJ + 3C0
jodsaures Kali Kohle
Jodkalium Kohlenoxydgas.
Das Bromkalium, Kalium bromatum (KBr), sowie das
Jodkalium, Kalium jodatum (KJ), stellen einander sehr ähnliche,
weisse, kubische Kry stalle dar, die sich leicht in Wasser, schwie-
riger in Weingeist auflösen.
Prüfung von Brom- und Jodkalium: Das Salz darf befeuchtetes
Lackmuspapier nickt bläuen (kohlensaures Kali), am Ökr eines Platin-
drahts erhitzt die Flamme nicht gelb färben (Natrium), noch durch verd.
Schwefelsäure sich gelb färben resp. Stärkelösung bläuen (Rückhalt an
bromsaurem resp. jodsaurem Kali, durch welche Brom resp. Jod frei ge-
macht und die Flüssigkeit färben würde). Man prüft das Bromkalium
auf einen Gehalt 1. an Chlorkalium durch Titrieren mit Zehntelnormal-
Silberlösung; ein grösserer Gebrauch derselben zeigt nämlich Chlor an,
weil dieses wegen seines bedeutend kleineren Atomgewichtes mehr Silber-
nitrat zur Fällung beansprucht, als das Brom mit seinem doppelt so hohen
Atomgewicht (Cl = 35,5; Br = 80; also KCl = 74,5; KBr = 119. Mithin
erfordert KCl anderthalb soviel AgN03 wie KBr). 2. An Jodkalium durch
Versetzen der Lösung mit einigen Tropfen Eisenchlorid und Chloroform;
letzteres färbt sich bei Gegenwart von Jod violett. — Das Jodkalium
wird auf beigemischtes Chlorkaltum geprüft, indem man seine Lösung in
Ammoniak durch Silbersalpeter ausfällt, wobei etwa entstandenes Chlor-
silber im Ammoniak gelöst bleibt, nicht aber das Jodsilber. Säuert man
das Filtrat mit Salpetersäure an, so scheidet sich das aufgenommene Chlor-
silber wieder aus.
§ 155. Schwefelverbindungen des Kaliums. Das Kalium bildet mit
dem Schwefel ein Monosulfid: Einf ach-Schwefelkalium
(K.2S), und 4 Supersulfide : Zweifach-, Dreifach-, Vierfach-
und Fünf f ach-Schwefelkalium (K2S2, K283, K2S4, K2S5,).
Offizinell sind nur Gemenge dieser Supersulfide mit schwefelsaurem
Kali, wie man sie durch Zusammenschmelzen von 2 Teilen Pott-
asche mit 1 Teil Schwefel gewinnt. Wegen der leberbraunen Farbe
der geschmolzenen Masse wurde sie Schwefelleber genannt.
4K2C03 + 10S = K2S04 -f- 3K2S3 + 4C02
Kaliumkarbonat Schwefel Kaliumsultat Kaliumtrisulfid Kohlensäure.
Die gewöhnliche Schwefelleber Kalium sulfuratum (ad
balneum), aus roher Pottasche und sublimiertem Schwefel bereitet,
ist zu Waschwasser und Schwefelbädern bestimmt.
Das reine Kalium sulfuratum, aus reinem kohlensauren
Kali und gereinigten Schwefelblumen bereitet, dient zum inner-
lichen Gebrauch.
Sie stellen grünlich gelbe, an der Luft zerfliessliche und nach
Schwefelwasserstoff riechende, in Wasser völlig lösliche Stücke dar.
Weingeist nimmt nur das Dreifach -Schwefelkalium mit gelbroter
Farbe auf. Unter schlechtem Verschluss oxydiert sich die Schwefel-
leber allmählich zu geruchlosem, weisslichem, unterschwefligsaurem
Kali (K2S3 + 30 = K2S203 + S.)
174
Versuche.
1. Wasserzersetzung durch Kalium. Man werfe ein erbsen-
grosses Stückchen Kalium in eine Wanne mit Wasser; es fährt zischend
auf dessen Oberfläche umher, das entweichende Wasserstoffgas entzündend
und die Flamme durch sein eigenes Verdampfen violett färbend. Schliess-
lich zergeht es unter Dekrepitation, wogegen man sich durch eine Glas-
tafel schützen muss, wenn man sich nicht in gewisser Entfernung halten
will. Das Wasser, worin sich das Kali gelöst hat, bläuet rotes Lackmuspapier.
2. Verbrennung von Kalium. Ein kleines Stück Kalium schmelze
man in einem eisernen Pfännchen über der Lampe; es entzündet sich bald
nach dem Flüssigwerden und verbrennt mit violetter Flamme zu Kali
(K20), einer festen Masse, die sich in wenig Wasser zu einer laugenhaften
Flüssigkeit auflöst.
3. Versuche mit chlorsaurem Kali, a) Ein linsengrosses Stück-
chen Phosphor trockne man mit Fliesspapier ab und bedecke es an einem
feuersicheren Orte im direkten Sonnenlichte mit einer Messerspitze voll
chlorsaurem Kali ; unter starkem Knall wird sich der Phosphor entzünden.
— b) In ein Champagnerglas gebe man eine Messerspitze voll chlorsaures
Kali, darauf Wasser und ein linsengrosses Phospborstückchen; nun lasse
man aus einer Pipette vorsichtig englische Schwefelsäure zum Salz herab-
fliessen, es entwickelt sich gelbes Unterchlorsäuregas, worin der Phosphor
unter Wasser verbrennt.
Praktische Übungen.
1. Kali carbonicum purum. Grobgepulvertes doppeltkohlensaures
Kali erhitze man in einem (tarierten) blanken eisernen Kessel, unter Um-
rühren, so lange noch Wasserdämpfe entweichen, bis 69 Proz. restieren;
den Rückstand bringe man noch heiss in das wohl zu verschliessende
Standgefäss.
2. Liquor Kali caustici. Man lasse 2 Teile Pottasche mit gleich-
viel Wasser über Nacht stehen, giesse dann klar ab, koliere den Rest und
bringe die Flüssigkeit in einem blanken eisernen Kessel zum Sieden, nach-
dem sie mit 20 Teilen Wasser verdünnt worden. In die siedende Lauge
trage man 1 Teil gebrannten, zuvor mit 4 Teilen Wasser zum Brei ge-
löschten Kalk portionenweise ein, bis eine filtrierte Probe mit verdünnter
Schwefelsäure nicht mehr aufbraust. Alsdann hebe man den Kessel vom
Feuer, lasse bedeckt absetzen, giesse die klare Lauge ab (am besten mit
einem Heber), rühre den Bodensatz nochmals mit 4 Teilen Wasser an und
dekantiere ihn nach einiger Zeit. Die vereinigten Flüssigkeiten koche
man in dem gereinigten Kessel bis auf etwa 4 Teile ein, sodass ihr spez.
Gewicht 1,33 betrage.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Prozent kohlensaures Kali hinterlässt doppeltkohlensaures
Kali beim Erhitzen? — Antw. 2KHC03 : K,C03 = 2 (39 + 1 + 12 +
48) : (78 -4- 12 -+- 48); x = 69 Prozent.
2. Weshalb vermag der Kalk dem kohlensauren Kali die Kohlen-
säure zu entreissen, da doch das Kali die stärkste Base ist? — Antw.
Weil der kohlensaure Kalk unlöslich in der Flüssigkeit ist.
— 175 -
20. Das Natrium und seine Verbindungen.
§ 156. Was ist das Natrium? Das Natrium*) ist ein weisses,
in allen Dingen dem Kalium ähnliches Metall, aber etwas schwerer
(spez. Gew. 0,97) , mit etwas höherem Schmelzpunkte und gelber
Färbung seiner Dämpfe. Man gewinnt es, wie das Kalium, durch
Destillation eines Gemenges aus kohlensaurem Natron mit Kohle.
Kaltes Wasser wird zwar vom Natrium zersetzt , jedoch gelangt
dabei das entwickelte Wasserstoffgas nicht zur Entzündung; bei
Anwendung heissen "Wassers tritt Entzündung ein, und das Gas
brennt mit der gelben Flamme des Natriums.
Das Natrium ist, gleich dem Kalium, ein einwertiges
Metall, dessen Yerbindungen mit Sauerstoff: Natron (Na20,**),
sowie die mit Schwefel (1 Monosulfid und 4 Supersulfide) und den
Salzbildnern denen des Kaliums entsprechen. In der Natur kommt
es vorzugsweise an Chlor gebunden — Chlornatrium, NaCl — vor,
ausserdem als salpetersaures, doppelt borsaures und anderthalb
kohlensaures Salz. Sein Vorkommen ist also vornehmlich ein
mineralisches, während das Kali dem vegetabilischen Reiche an-
gehört. In früherer Zeit hiess daher das Natron Alkali minerale.
Erkennung der Natriumverbindungen : Man unterscheidet die
Natriumverbindungen von denen des Kaliums: 1. durch die gelbe
Färbung, welche sie der Weingeistflamme erteilen; 2. durch ihre
Leichtlöslichkeit in Wasser, selbst bei dem sauren weinsauren Natron.
§ 157. Haloidsalze des Natriums. 1. Das Chlornatrium, Na-
trium chloratum (NaCl), findet sich a) als Steinsalz in oft
mächtigen Lagern z. B. bei Wieliczka (bei Krakau), wo es berg-
männisch in grossen, durchscheinenden, farblosen oder rötlichen
Stücken gewonnen wird; b) als Seesalz im Meerwasser (zu 2,5%),
woraus es beim Eindunsten in abgeschlossenen Bassins (an der
spanischen und französischen Küste) auskrystallisiert ; c) als Koch-
salz, gewonnen aus den S alz s ölen (Solquellen) durch Ein-
kochen. Letzteres enthält stets mechanisch eingeschlossenes Wasser,
sog. Decrepitationswasser, welches beim Erhitzen ein Yerknistern
der Salzkrystalle verursacht.
Gewinnung des Kochsalzes. Salzsolen von höherem
Gehalte gelangen sofort zum Versieden; geringhaltige unterwirft
man zuvor einer Konzentration, indem man sie wiederholt durch
hochaufgeschichtetes Dornreisig — sog. Gradierwerke — herab-
träufeln lässt, wobei die durchstreifende Luft eine bedeutende
*) Natrium von Trona, dem natürlich vorkommenden kohlensauren
Natron.
**) Die ältere Äquivalentformel war für Natron (NaO), für Natronhydrat
(NaO,HO), kohlensaures Natron (NaO,C02), schwefelsaures Natron (NaO,S03).
— 176 —
Verdunstung veranlasst. Der in der Sole enthaltene kohlensaure
Kalk setzt sich dabei fest auf das Reisig an. Ist der Salzgehalt
auf 15—20% gestiegen, so ist die Sole siedwürdig und kommt
zum Yersieden. Das Salz krystallisiert dabei in kleinen, treppen-
förmig gehäuften Würfeln.
Das Steinsalz ist das reinste der genannten Sorten. Das Koch-
salz, noch mehr das Seesalz, führen meistens Chlormagnesium und
bekunden dies durch ihr Feuchtwerden an der Luft. Man reinigt
das Kochsalz durch Versetzen seiner Lösung mit etwas Soda,
worauf die von der abgeschiedenen kohlensauren Magnesia ab-
filtrierte Flüssigkeit zur Trockne verdampft wird.
Prüfung: Die Lösung des Chlornatriurns, mit Ammoniak versetzt,
darf weder mit phosphorsaurem Natron, noch mit oxalsaurem Ammoniak
eine Trübung geben {Magnesium, Calcium); sie muss auf Zusatz von
Schwefelwasserstoffwasser sowi.e von Scbwefelammonium klar bleiben
(Trübung : Schwermetalle !) .
"Wasser löst etwa seinen dritten Teil Chlornatrium auf und
zwar — was bemerkenswert ist — in der Siedhitze nur wenig
mehr als in gewöhnlicher Temperatur. Eine heissgesättigte Lösung
lässt daher beim Abkühlen kein Salz auskrystallisieren.
2. Das Bromnatrium, Natrium bromatum (Na Br), ist
ein in Wasser , auch in Weingeist lösliches , weisses Salzpulver,
welches analog dem Bromkalium dargestellt und in ähnlicher Weise
auf seine Reinheit geprüft wird.
3. Das Jodnatrium, Natrium jodatum (NaJ), stellt ein
weisses, an der Luft leicht feucht werdendes, in Wasser und in
Weingeist leicht lösliches Salzpulver dar. Seine Darstellung und
Prüfung stimmt mit derjenigen des Jodkaliums vollständig über-
ein. Man kann das Jodnatrium auch in ausgebildeten Krystallen
erhalten ; dieselben enthalten 2 Moleküle Krystallwasser und ver-
wittern sehr schnell.
§ 158. Sauerstofiverbindungen des Natriums, a) Aus dem Koch-
salz bereitet man zunächst durch Zersetzung mit Schwefelsäure
in Flammenöfen das Natriunisulfat oder schwefelsaure
Natron, Natrium sulfuricum (NaäS04 + 10 aq.), gewöhnlich
nach seinem Entdecker, dem Arzte Glaub er (1604 — 1670),
Glaubersalz (Sal mirabile Glauberi), genannt. Dieses
Salz krystallisiert in wasserhellen, schiefen rhombischen Säulen
mit 10 Molekül Krystallwasser.
2NaCl + H2S04 = Na2S04 + 2HC1
Chlornatrium Schwefel- schwefelsaures Chlor-
säure Natron Wasserstoff.
Die Glaubersalzkrystalle lösen sich im Wasser leicht auf, am
meisten bei lauer Wärme, worin das Wasser sein drei-
faches Gewicht von dem Salze löst; von Weingeist werden
- 177 —
sie nicht aufgenommen. Um beigemengtes Chlornatrium völlig zu
entfernen, reinigt man das rohe Glaubersalz durch Umkry-
stallisierung aus heissgesättigter Lösung.
Prüfung: Die Lösung des Natriumsulfates darf weder getrübt werden
durch H2S resp. Schwefelammonium (dunkle Trübung: Kupfer und Blei,
resp. Eisen), noch durch oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk); mit Ammoniak
versetzt auch nicht durch phosphorsaures Natron (weiss : Magnesia). Silber-
nitrat darf sie höchstens etwas trüben (weiss: Chlornatrium).
Beim Erhitzen schmilzt das Glaubersalz leicht in seinem Kry-
stallwasser und wird nach dessen Yerjagung bei 100 ° wieder fest
(zu wasserfreiem schwefelsauren Natron).
An trockener Luft verwittert das Glaubersalz, unter Verlust
seines Krystallwassers (56%), und zerfällt schliesslich zu einem
weissen, nur das halbe Gewicht betragenden Pulver, dem ge-
trockneten Glaubersalz, Natrium sulfuricum siccum
(Na2S04). Man gebraucht dasselbe zu Pulvermischungen.
b) Das Natriumkarbonat oder kohlensaure Natron
(Na2C03 -f- 10 aq.), gemeinlich Soda genannt, wurde früher aus-
schliesslich aus der Asche von Seetangen (Varech) und gewisser
Strandpflanzen z. B. Salsola- und Salicornia-Arten (Barilla in
Spanien, Salicor und Blanquette in Frankreich) gewonnen; es
findet sich als anderthalbkohlensaures Salz (sog. T r o n a) in einigen
Seeen der Berberei. Die grosse Menge der Soda, welche jetzt
gebraucht wird, bereitet man künstlich aus dem Glaubersalz, nach
folgender, 1791 von Le Blanc erfundener Methode:
Sodafabrikation. Das aus Kochsalz und Schwefelsäure
erzielte schwefelsaure Natron wird mit Kohle und kohlensaurem
Kalk (Kalkstein, Kreide) innig gemengt und in Flammöfen ge-
glüht. Dabei wirkt die Kohle reduzierend auf das schwefelsaure
Natron, es entsteht Kohlenoxydgas und Schwefelnatrium; letzteres
setzt sich mit dem kohlensauren Kalk um in kohlensaures Natron
und Schwefelcalcium :
I. Na2S04 + 4C =
Natxiumsulfat Kohle
IL Na,S + CaC03 =
Schwefelnatriuin Calciumkarbonat
Das Schwefelcalcium findet noch überschüssigen kohlensauren
Kalk vor und verwandelt sich in Calciumoxysulfid (2CaS-|-CaO),
welches bei der nachfolgenden Behandlung der Schmelzmasse mit
Wasser ungelöst bleibt, während das kohlensaure Natron davon
aufgenommen wird und nach dem Eindampfen auskrystallisiert.
Die im Handel vorkommende Soda, das rohe kohlensaure
Natron, Natrium carbouicum crudum, ist noch mit schwefel-
saurem Natron und Chlornatrium verunreinigt. Durch Um-
krystallisierung aus heissgesättigter Lösung gewinnt man das
reine Natrium carbonicum, wobei jene Verunreinigungen in der
Schlickum, Apothekerlehrling. 12
Na2S +
4CÜ
S ch we f elnatrium
Kohlenoxyd
Na2C03 +
CaS
Natriumkarbonat
Schwefelcalcium.
— 178 —
Mutterlauge bleiben. Die Soda erscheint, wie das Glaubersalz,
in wasserhellen, schiefen rhombischen Säulen, welche sich in lau-
warmem Wasser ebenso leicht wie jenes auflösen; sie unterscheidet
sich von ihm durch ihren langenhaften Geschmack, stark alkalische
Eeaktion und Aufbrausen mit Säuren.
Prüfung: Die gereinigte Soda muss frei sein von Schwermetallen,
darf daher mit H2S-wasser und Schwefelammonium keine Trübung geben;
die angesäuerte Lösung darf weder durch Silber-, noch durch Barytsalze
getrübt werden (weiss: Chlornatrium resp. schwefelsaures Natron). Die nötige
Alkalität wird durch Sättigung mit Normalsalzsäure festgestellt.
An trockner Luft verwittert die Soda, unter Yerlust von
Krystallwasser (63%), und zerfällt schliesslich zu einem, das
halbe Gewicht betragenden weissen Pulver, der trocknen Soda,
Natrium carbonicum siccum (Na2C03+aq.). Ganz wasserfrei
erhält man sie nur durch stärkeres Erhitzen. Die krystallisierte
Soda schmilzt in lauer Wärme in ihrem Krystallwasser , welches
in höherer Temperatur wegkocht und die sog. kalcinierte
Soda zurücklässt.
c) Leitet man Kohlensäuregas in eine konz. Sodalösung, so
krystallisiert das Natriumbikarbonat oder doppeltkohlen-
saure Natron, Natrium bicarbonicum (NaHC03), in Krusten aus.
Na2C03 + H,0 -f C02 = 2NaHC03
Natriumkarbonat Wasser Kohlenoxyd Natriumbikarbonat.
Es stellt ein weisses, in 14 Teilen Wasser lösliches Salz
dar, welches beim Erhitzen Kohlensäure verliert und wieder zu
neutralem kohlensauren Natron wird.
Das sog. englische doppeltkohlensaure Natron ist ein lockeres
Pulver, welches aus verwitterter Soda gewonnen wird, indem
man dieselbe in Räumen, wo Wein, Bier u. dgl. gähren, der
Einwirkung der Kohlensäure aussetzt. Es besitzt stets einen
Rückhalt an einfach kohlensaurem Natron, giebt deshalb mit
Quecksilberchlorid einen ziegelroten Niederschlag.
Prüfung des Natriumbikarbonats: Es darf mit Natronlauge kein
Ammoniak entwickeln; die übersäuerte Lösung darf sich nicht trüben mit
Silbernitrat (weiss: Chlornatrium), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures
Natron) und H2S (dunkel: Schwermetalle); die wässerige Lösung darf sich
durch Quecksilberchlorid nicht rot trüben (einfach kohlensaures Natron).
Wird Kalkmilch in eine siedende Sodalösung eingetragen,
so scheidet sich kohlensaurer Kalk aus, und das Natron wird zu
Ätznatron oder Natronhydrat (NaHO):
Na2C03 + Ca2HO = 2NaHO + CaC03
kohlensaures Natron Kalkhydrat Natronhydrat kohlensaurer Kalk.
Die vom Bodensatz abgegossene und zum spezif. Gew. 1,16
eingedampfte Flüssigkeit ist die Ätznatronlauge, Liquor Natri
caustici, ein der Kalilauge ähnliches, ätzendes, stark alkalisches,
schweres Liquidum mit 15 Proz. NaHO.
Man prüft die Natronlauge in ähnlicher Weise wie die Kalilauge.
— 179 —
e) Das Natriumnitrat oder Salpetersäure Natron,
Natrium nitricnm (NaN03), findet sich in bedeutenden Mengen
in Chili und Peru natürlich, unter Thon lagernd ; daher nennt man
das Salz Chilisalpeter oder, wegen seiner dem Würfel ähnlichen
Krystallform (Rhomboeder) Nitrum cubicum. Man reinigt das
sehr unreine rohe Salz durch Umkrystalüsieren. Die wasserhellen
Krystalle lösen sich leicht in Wasser und schmecken kühlend-salzig.
Prüfung: Die wässerige Lösung des Natriurnnitrats darf sich nicht
trüben durch Schwefelwasserstoffwasser (dunkel: Schwermetalle), oxalsaures
Ammoniak (weiss: Kalk), Baryum resp. Silbernitrat, (weiss: schwefelsaures
Natron resp. Chlornatrium); mit etwas Zinnfeile und Salpetersäure versetzt
und mit Chloroform geschüttelt, darf sich letzteres nicht violett färben,
(jodsaures Natron, das durch das Zinn zu Jodnatrium reduziert wird).
f) Leitet man schwefligsaures Gas in eine Sodalösung, so
entweicht die Kohlensäure und Natriumsulfit oder schweflig-
saures Natron (Na2S03) wird gebildet, welches man beim Ein-
dampfen in weissen Krystallen gewinnt. Durch Kochen der Lösung
mit Schwefelblumen entsteht Natriumthiosulfat (Natriumhypo-
sulfit) oder unterschwefligsaures Natron (Na2S203), welches
in grossen, wasserhellen Krystallen mit 5H20 krystallisiert. Beide
Salze gebraucht man in der Analyse.
g) Das Natriumphosphat oder phosphorsaure Natron,
Natrium phosphoricum (Na2HP04 + 12 aq.), wird durch Sätti-
gung der Soda mit Phosphorsäure in farblosen , leichtlöslichen
und leichtver witterbaren Krystallen erhalten und ist ein neutrales
Salz , trotzdem es schwach alkalisch reagiert. Es wird durch
Silbernitrat gelb (Silberphosphat) gefällt.
Na2C03 + H3P04 = Na2HP04 + H20 + C02
kohlensaures Natron ■ Phosphorsäure phosphorsaures Natron Wasser Kohlendioxyd.
Prüfung: Die angesäuerte Lösung darf sich nicht trüben durch H2S
(schwarz: Kupfer, gelb: Arsen), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Natron),
Silbernitrat (weiss : Chlornatrium) ; die mit Ammoniak versetzte Lösung darf
sich nicht trüben durch Schwefelammonium (schwarz : Eisen) und oxalsaures
Ammoniak (weiss: Kalk); auf Arsen wird noch besonders durch Zink und
Schwefelsäure geprüft.
Beim Glühen verliert das phosphorsaure Natron nicht sowohl
sein Kry stallwasser, sondern auch noch ein weiteres halbes Mol.
ILO, wodurch es in pyrophosphorsaures Natron, Natrium
pyrophosphoricum (Na4P307) übergeht. (2Na2HP04 zerfallen
in Na4P207 und H20.) Dieses Salz krystallisiert aus seiner Lösung
in luftbeständigen Säulen mit 10 Mol. Wasser. Es wird durch
Silbernitrat weiss (Silberpyrophosphat) gefällt.
h) Der Borax, Borax, ist doppeltborsaures Natron
(Na2B407 -j- 10 aq.). Er findet sich natürlich (sog. Tinkal) in
einigen Seeen Hochasiens , wird aber gewöhnlich durch Sättigung
von Soda mit Borsäure bereitet, da er als Flussmittel und zum
Löten grosse Verwendung findet. Seine Krystalle sind farblos,
12*
— 180 —
in Wasser ziemlich schwierig, in Zuckersäften leicht löslich, ober-
flächlich verwitternd und von alkalischer Reaktion. Beim Erhitzen
verlieren sie ihr Wasser, blähen dabei stark auf und schmelzen
schliesslich zu farblosem Glase.
Prüfung des Borax: Die wässerige Lösung darf sich nicht trüben
durch H0S (dunkel: Schwermetalle) und kohlensaures Ammoniak (weiss:
Kalk, Magnesia) ; die angesäuerte Lösung desgleichen nicht durch Baryum-
nitrat (weiss: schwefelsaures Natron) und Silbernitrat (weiss: Chlornatrium);
auch darf die Lösung beim Ansäuern nicht aufbrausen {kohlensaures Natron).
i) Das Natronwasserglas, Liquor Natrii silicici, ist
eine dickflüssige Lösung von kieselsaurem Natron (Natriumsilikat).
Man schmilzt Quarz mit kalcinierter Soda zusammen, wobei die
Kohlensäure entweicht, und kocht die Schmelzmasse mit Wasser aus.
k) Das essigsaure Natron, Natriumacetat, Natrium
aceticum, (NaC2H302-f-3aq.) ist ein Salz in wasserhellen, ver-
witternden Säulen, welche sich in Wasser leicht lösen. Man stellt
dieses Salz, welches in der Färberei in grosser Menge zur Beize
gebraucht wird (unter dem Namen Rotsalz), durch Sättigen von
Holzessig mit Soda dar und reinigt es von den brenzlichen Be-
standteilen des Holzessigs durch Erhitzen und wiederholtes Um-
krystallisieren.
Prüfung: Die Lösung darf sich nicht trüben mit Schwefelwasserstoff
und Schwefelammonium (dunkel: bchwermetalle), Baryum- und Silbernitrat
(weiss: Natriums«//^ und CA/ornatrium) und oxalsaurem Ammoniak (weiss:
Äal&salze) .
Versuche.
Wasserzersetzung durch Natrium. Man werfe ein Stückchen
Natrium auf Wasser ; es tährt zischend hin und her und
löst sich allmählich auf, schliesslich dekrepitierend.
Wendet man heisses Wasser an, so kommt das ent-
wickelte Wasserstoffgas zur Entzündung und brennt
durch das mit verdampfende Natrium mit gelber
Flamme. — ■ Um das Wasserstoffgas aufzufangen,
ä0& |l!flIIP§^J bringe man ein Stückchen Natrium in einen um-
\^BB^gBBjjr gestürzten, mit kaltem Wasser völlig angefüllten
\% - 1 Glascy linder (Fig. 53), am besten mit Hilfe eines
gebogenen Drahtes; das Metall steigt empor und
füllt den Cylinder mit Wasserstoffgas an. (Sehr
p- ro darauf zu achten ist, dass keine atmosphärische Luft
°' ' in den Cylinder gelange!) Beim Neigen des Gefässes
tritt das Gas in Blasen heraus, die man beim Zerplatzen auf der Wasser-
fläche mit einem brennenden Fidibus anzünden kann.
Praktische Übungen.
1. Liquor Natri caustici. Man bereitet sie nach Art der Atz-
kalilauge aus 4 Teilen Soda, 1 Teil Kalk und 18 Teilen Wasser.
2. Natrum carbonicum purum. Man löse 1 Teil Soda in
1^2 Teilen lauwarmem Wasser, filtriere und stelle es an einen kühlen Ort
zur Krystallisation hin. Die Krystalle lasse man auf einem Trichter ab-
tropfen und trockne sie auf Fliesspapier, ohne Wärme anzuwenden.
— 181 -
3. Natrium chloratum purum. Feingepulvertes Kochsalz uber-
giesse man in einem locker verstopften Trichter wiederholt mit kleinen
Mengen Wassers, bis das Ablaufende durch Sodalösung nicht mehr getrübt
wird; alsdann trockne man es in einer Porzellan schale im Wasserbad.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Glaubersalz liefert 1 kq Kochsalz mit Schwefelsäure? —
Antw. 2NaCl : (Na,S04 + 10H2O) = 2 (23 + 35,5) : (46 -f- 32 + 64 +
180) ; x = 2752 g. "
2. Wieviel doppeltkohlensaures Natron erhalten wir aus 1 kg Soda
durch Einleiten von Kohlensäuregas? — Antw. (Na,C03 -j- 1ÖH90) :
2(NaHC03) = (46 + 6 -f- 48 -f 180) : 2(23 -j- 1 + 12 + 48); x = 590 g.
3. Wieviel Soda ist erforderlich zur Sättigung von 1 kg 20prozentiger
Phosphorsäure? — Antw. 10%0 H3P04 : (Na,C04 + 10H,O) = 10%0 (3 +
31 -f 64) : 286; x = 583.?.
5. Wie unterscheidet sich der Chilisalpeter vom Kalisalpeter? —
Antw. Der Chilisalpeter krystallisiert würfelförmig, der Kalisalpeter
säulenförmig; jener verpufft auf glühenden Kohlen mit gelber, dieser mit
violetter Flamme.
21. Das Ammoniak und seine Verbindungen.
§ 159. Eigenschaften des Ammoniaks. Das Ammoniak (NH3)
ist ein an der Luft nicht brennbares, farbloses, stechend riechen-
des Gas, fast halb so leicht als die Luft (spez. Gew. 0,59), in
grosser Kälte oder unter starkem Drucke flüssig werdend, sogar
erstarrend. Es löst sich ungemein reichlich in Wasser auf, wel-
ches sein 700faches Yolum Ammoniakgas verschluckt und den
Geruch sowie die Eigenschaften desselben annimmt.
In chemischer Beziehung besteht das Charakteristicam des
Ammoniaks in seinen basischen Eigenschaften. Es reagiert
stark, aber vorübergehend alkalisch, wirkt laugenhaft ätzend auf
die tierische Haut und sättigt Säuren, ähnlich den Alkalien.
Man hat es deshalb flüchtiges Alkali (Alkali volatile)
genannt. Seine Affinitäten stehen denen der Alkalien jedoch
nach, selbst denen des Calciums, übertreffen aber die der Schwer-
metalle; daher zersetzt das Ammoniak die Yerbindungen der
letzteren ebenso wie Kali und Natron, wird aber aus seinen eigenen
Yerbindungen durch Kali, Natron, sowie Kalk ausgeschieden.
Das Ammoniak vereinigt sich mit den Säuren zu sahartigen
Verbindungen und zwar durch Addition.
Während die basischen Oxyde und Hydroxyde ihr Metall-
atom gegen den Wasserstoff der Säure austauschen und neben
einem Salze auch Wasser erzeugen, vereinigt sich das Ammoniak
direkt mit den Säuren , den Wasserstoff derselben zu seinen
3 Atomen Wasserstoff hinzu addierend. Es geht daraus die Ver-
bindung NH4 hervor, die man Ammonium genannt hat, mit
- 182 —
dem Zeichen Am. Die Ammoniaksalze ähneln den Metall-
salzen, mit dem Unterschied, dass dort d a s Ammonium, eine
einwertige Atonigruppe, an Stelle des Metalles steht.
I. NH? + HCl = NH4C1
Ammoniak Chlorwasserstoff Chloramomnium.
IL NH3\ . tt Qn NH4) on
NH3} + HsS0* = NHj S0*
Ammoniak Schwefelsäure Ammoniumsulfat.
§ 160. Wie gewinnt man das Ammoniak? Das Ammoniak ent-
wickelt sich aus stickstoffhaltigen organischen Materien bei ihrer
Fäulnis und Verwesung; wir finden es daher reichlich an
allen Aborten, in der Mistjauche, in Düngerhaufen u. dgl. , teils
frei, teils an Schwefelwasserstoff und Kohlensäure gebunden. Das
aus dem Dünger stammende Ammoniak wird begierig von der
Ackererde (Humusboden) aufgesogen und den Gewächsen zugeführt,
welche dasselbe zum Aufbau ihrer wichtigsten Organe verwenden
und mit seiner Hilfe ihre stickstoffhaltigen Bestandteile (Eiweiss-
stoffe u. a.) bereiten. Bei der Verwesung geben sie es dann
später wieder als Ammoniak der Natur zurück.
Eine zweite, für die chemische Technik vorzugsweise wichtige
Ammoniakquelle liefert die Leuchtgasfabrikation, bei welcher
Steinkohlen der trocknen Destillation ausgesetzt werden. Hier
finden wir freies und kohlensaures Ammoniak im wässerigen
Destillate, dem sog. Gaswasser, wie auch im Leuchtgase selber,
wo es freilich als Verunreinigung betrachtet wird. Man gewinnt
zunächst schwefelsaures Ammoniak, (]SiH4)2S04, indem man das
Leuchtgas durch verdünnte Schwefelsäure streichen lässt, oder
das Gaswasser damit sättigt.
Das reine Ammoniak wird aus dem Chlorammonium (NH4C1)
durch Zersetzung mit Ätzkalk (Ca2HO) gewonnen. Es entweicht
Ammoniakgas, und Chlorcalcium bleibt zurück. Nämlich:
NH4Ci r fHO _ NH3 , CaC] H20
NH4C1 + ua \HO ~ NH3 + ua012 H20
Chlorammonium Kalkhydrat Ammoniak Chlorcalcium Wasser.
Man leitet das entwickelte Ammoniakgas zur Absorption in Wasser
und erzielt eine wässerige Lösung derselben, die Ätzammoniak-
flüssigkeit, Liquor Animonii caustici, den sog. Salmiak-
geist (Spiritus Salis ammoniaci), eine farblose, starklaugen-
hafte und stechend riechende, völlig flüchtige Flüssigkeit. Ihr Ge-
halt wird auf 10 °/o Ammoniakgas gestellt; alsdann besitzt sie das
spez. Gew. 0,960. Im Handel kommt auch ein Salmiakgeist von
doppelter Stärke vor, der vor dem Gebrauche mit gleichviel "Wasser
zu verdünnen ist. Beim Erhitzen giebt dieser doppelte Salmiak-
geist zuerst die Hälfte seines Ammoniakgeistes gasförmig ab, dann
destilliert der Rest mit 10 % Ammoniak gieichmässig über.
— 183 —
Prüfung des Salmiakgeistes auf Reinheit: Trübung beim Zu-
satz von Kalkwasser konstatiert Kohlensäure. Der mit Salpetersäure genau
gesättigte Salmiakgeist darf weder durch Schwefelwasserstoffwasser, noch
Schwefel ammonium getrübt werden (Abwesenheit von Schwermetallen), auch
durch oxalsaures Ammoniak (zeigt Kalk an), sowie durch salpetersaures
Silberoxyd (weisse Trübung: Chlorammonium) nicht oder nur höchst unbe-
deutende Trübung erleiden. Brenzliche Stoffe machen sich nach der
Sättigung mit Salpetersäure durch den Geruch bemerklich.
Eine weingeistige lOprozentige Lösung des Ammoniakgases ist
der Liquor Ammonii caustici spirituosus, nach seinem
ersten Darsteller Spiritus Ammonii Dzondii genannt.
§ 161. Charakter und Erkennung der Ammoniakverbindungen. Alle
Ammoniakverbindungen sind beim Erhitzen flüchtig, durch einen
stechenden Geschmack ausgezeichnet und entwickeln mit ätzendem
Alkali oder Ätzkalk freies Ammoüiak, kenntlich am Geruch,
sowie an der Bläuung des darübergehaltenen roten Lackmuspapiers
und an den weissen Nebeln, die ein mit etwas Salzsäure be-
feuchteter Glasstab beim Darüb erhalten erzeugt.
§ 162. Die Ammoniaksalze, a) Das Chlorammonium, Ammo-
nium chloratum (NH4C1), gewöhnlich Salmiak (Sal ammo-
niacum)*) genannt, wird aus dem schwefelsauren Ammoniak
mittelst Kochsalz teils durch Sublimation in durchscheinenden,
faserig kristallinischen, konvexen Kuchen, teils durch Krystalli-
sation in weissen Nadeln gewonnen.
NH4 \ «n ' , NaCl NH4C1 , XT Qn
NH4 J ÖU4 "*" NaCl — NH4C1 "+" iNa^u*
Ammoniumsulfat Chlornatrium Chlorammonium Natriumsulfat.
Der Salmiak löst sich leicht in "Wasser, nicht in Weingeist
und schmeckt stechend salzig.
Prüfung des Chlorammoniums: Seine wässerige Lösung darf sich
weder trüben durch H2S (schwarz: Kupfer, Blei), Baryumnitrat (weiss:
schwefelsaures Ammoniak), verdünnte Schwefelsäure (weiss: Ghloxbaryum),
Schwefelammonium (schwarz: Eisen), noch röten mit Eisenchlorid (Schwefel-
cj/«?«ammonium). Das Salz muss beim Erhitzen völlig flüchtig sein.
b) Das Bromammonium, Ammonium bromatum (NH4Br),
ist ein dem Chlorammonium ähnliches, grobes Salzpulver, welches
entweder durch Sublimation des schwefelsauren Ammoniaks mit
Bromkalium oder durch direkte Einwirkung von Brom auf Atz-
ammoniakflüssigkeit gewonnen wird. Bei letzterem Vorgange
entweicht Stickstoff, nämlich:
4NH3 + 3Br = 3NH4Br + N
Ammoniak Brom Bromammonium Stickstoff.
Prüfung auf Reinheit in ähnlicher Weise wie beim Bromkalium.
*) So benannt nach dem Tempel des Juppiter A m m o n in der liby-
schen Wüste, wo man in uralten Zeiten durch Verbrennen von Kamelmist
Salmiak bereitete.
— 184 —
Wie verhält sich Ammoniak zu den Salzbildnern?
Leitet man Chlorgas in Salmiakgeist, so entstehen Salzsäure und
Stickstoff; nämlich:
4NH3 + 3C1 = 3HC1 + N.
Die Salzsäure bildet mit dem überschüssigen Ammoniak Chlorammo-
nium; der Stickstoff entweicht gasförmig. Bei Überschuss an Chlor ent-
steht aber Chlorstickstoff (NC13), eine ölartige, höchst explosive und
sehr gefährliche Flüssigkeit, welche bei der geringsten Veranlassung, selbst
unter Wasser, mit furchtbarer Gewalt in ihre Elemente zerfällt.
NH3 + 6C1 = 3 HCl -f- NC13.
Ein ähnliches Verhalten zeigt überschüssiges Brom; dasselbe erzeugt
den sehr explosiven Bromstickstoff (NBr3).
Jod bildet mit Ammoniak, selbst wenn letzteres im Überschuss ist,
den gefährlichen, explosiven Jodstickstoff (NJ3), ein schwärzliches Pulver.
Man hüte sich daher vor Mischungen von Jodtinktur mit
wässerigem Salmiakgeist!
c) Das kohlensaure Ammoniak, Ammoniumkar-
bonat, Ammonium carbonicuiii, auch flüchtiges Laugen-
salz (Sal volatile) genannt, ist kein neutrales, sondern andert-
halbkohlensaures Salz = (NH4)3H2C03. Das neutrale Salz
existiert nicht in fester Gestalt.
Man gewinnt es aus dem schwefelsauren Ammoniak durch
Sublimation mit kohlensaurem Kalk (Kreide), in Form durch-
scheinender, weisser, faserig - krystallinischer , konvexer Kuchen,
welche stark nach Ammoniak riechen und an der Luft, unter
Ammoniakverlust, zu einem weissen, geruchlosen Pulver, dop-
peltkohlensaurem Ammoniak, verwittern.*) Das andert-
halbkohlensaure Salz löst sich leicht in Wasser (Liquor Am-
monii carbonici), das doppeltkohlensaure Salz ist aber in
"Wasser schwer löslich.
Prüfung: Die angesäuerte Lösung darf sich nicht trüben durch
H2S (schwarz: Schwermetalle), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Ammo-
niak), oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk), Silbernitrat (weiss: Chlorammo-
nium) ; mit Chlorwasser und Chlorform geschüttelt, darf sich letzteres nicht
violett färben (Jodammonium).
Das früher durch trockne Destillation von Hörn , Knorpeln
u. dgl. gewonnene , mit brenzlichem Öle getränkte kohlensaure
Ammoniak, sog. Hirschornsalz (Sal cornu Cervi) und dessen
Lösung, das wässerige Destillat jener Operation, den Hirsch-
horngeist (Liquor cornu Cervi), hat man jetzt unter der
Bezeichnung brenzlich kohlensaures Ammoniak, Ammo-
nium carbonicum pyrooleosum, resp. Liquor Am-
monii carbonici pyrooleosi, durch Gemenge aus kohlen-
saurem Ammoniak mit V32 Teil ätherischem Tieröle ersetzt.
d) Das phosphorsaure Ammoniak, Ammoniumphos-
*) (NH4)3H2C03 giebt NH3 ab und hinterlässt 2NH4HC03.
— 185 —
phat, Ammonium phosphoricum (NH4)2HP04, dem phos-
phorsauren Natron analog zusammengesetzt, krystallisiert aus dem
mit Phosphorsäure gesättigten Salmiakgeiste beim Abdampfen in
farblosen, neutralen Ery stallen.
Ein Doppelsalz desselben mit dem Natriumphosphat, das sog.
Phosphorsalz (Na, NH4, HP04 + 4 aq.) , ein in der pyrochemi-
schen Analyse gebräuchliches Salz, krystallisiert, wenn eine Lösung
von phosphorsaurem Natron mit Chlorammonium versetzt wird,
wobei Chlornatrium in Lösung bleibt. (Na,HP04 + NH4C1 =
NaNH4HP04 + NaCl).
e) Das essigsaure Ammoniak, Ammoniumacetat
(NH2C0H3O2), nur in Lösung als Liquor Ammonii acetici
offizinell, wird durch Sättigung von Salmiakgeist mit verdünnter
Essigsäure gewonnen. Das feste Salz lässt sich durch Ein-
dampfen derselben nicht darstellen, da es sich mit den Wasser-
dämpfen verflüchtigt. Beim spez. Gew. 1,032 — 1,034 besitzt der
Liquor 15 % Salzgehalt.
Prüfung: Der Liquor darf sich weder trüben mit H2S (dunkel:
Schrvermetalle), noch mit Baryum- oder Silbernitrat (weiss: schwefelsaures
Ammoniak resp. 67?forammonium).
§ 163. Schwefelverbindungen des Ammoniums. Das Ammonium
verbindet sich leicht mit Schwefelwasserstoff zu Ammonium-
sulfhydrat (Hydrothionammoniak), einem stark nach
Mistjauche riechenden, flüchtigen Körper (NH4HS).
I. NH3 + H.2S = NH4HS
Ammoniak Schwefelwasserstoff Ammoniumsulfhydrat.
Man gewinnt es in Lösung, wenn man Salmiakgeist mit Schwefel-
wasserstoffgas völlig sättigt. Setzt man diesem Sulfhydrate ein
gleiches Quantum Ammoniakflüssigkeit zu, so resultiert Schwefel-
ammonium, (NH4).2S, als Liquor Ammonii sulfurati in
der Analyse gebräuchlich, um Eisen, Mangan, Zink als Schwefel-
metalle aus ihren Lösungen auszuscheiden.
IL NH4HS + NH3 = 2(NH4)2S
Ammoniumsulf hydrat Ammoniak Ammoniumsulfid.
Die Schwefelammoniumlösung zieht begierig Sauerstoff aus
der Luft an, verliert zugleich Ammoniak und verwandelt sich in
gelbesAmrnoniumbisulfid*); bei fortschreiten der Oxydation
scheidet die Flüssigkeit allen Schwefel ab, riecht dann rein
ammoniakalisch und erscheint wieder farblos**), ist aber als Eeagens
verdorben.
*] (NH4);S + ° = (NH4)2S2 + 2NH3 + H20.
*) (NHjäo + 0 = 2NH3 + H20 + 2S.
— 186 —
Praktische Übungen und Versuche.
1. Liquor Ammonii caustici (Fig. 54). Man lösche 3 Teile Kalk
mit 5 Teilen Wasser, bringe den Brei in einen geräumigen Kolben (a),
der davon noch kaum zur Hälfte gefüllt werden darf, füge dann 3 Teile
Salmiak in kleinen Stückchen hinzu und verschliesse durch einen Stopfen,
durch welchen eine doppelt gebogene Glasröhre (e) luftdicht geführt ist,
deren anderes Ende man in eine mit 5 Teilen Wasser versehene Flasche
bis nahe zum Boden reichen lasse. Der Kolben werde im Sandbade ge-
linde erwärmt und zwar möglich gleichmässig, damit das Wasser der
Vorlage nicht in den Kolben zurücksteige. Um dies unschädlich zu machen
und zugleich das Ammoniakgas zu waschen, schiebt man auch wohl eine
halb mit Wasser angefüllte dreihalsige sog. Woulfsche Waschflasche (b)
zwischen Kolben (a) und Vorlage (c), durch deren mittlere Öffnung die
offene Sicherheitsröhre (f) tief eingeführt ist. Lässt der Gasdruck nach,
so dringt die äussere Luft durch f und b und aus dieser Waschflüssigkeit
in den Kolben (e und f reichen in das Wasser von b hinein). Bei schwach
werdender Gasentbindung nehme man die Vorlage weg und verdünne die
in ihr befindliche, auf 8 Teile vermehrte Ammoniaklösung mit (1 Teil)
Wasser bis zum spez. Gew. 0,960.
Fig. 54.
2. Versuche mit Salmiakgeist, a) Man bringe etwa 1 g Sal-
miakgeist in ein Arzneiglas, schwenke dasselbe um und führe dann einen
mit Salzsäure angefeuchteten Glasstab in den leeren Raum des Gases ein:
er wird sich mit weissem Nebel (Chlorammonium) füllen. Giebt man dann
Wasser in das Glas und schüttelt gut um, so löst dies den Nebel auf, und
der Raum über dem Wasser erscheint wieder hell. — b) Man fülle einen
Probiercylinder zum dritten Teile mit Salmiakgeist, den übrigen Raum
mit gutem Chlorwasser, verschliesse ihn sofort mit dem Daumen und
öffne ihn umgestürzt unter Wasser. Es sammelt sich im oberen Teile ein
farbloses Gas (Stickgas), während die Flüssigkeit durch Salmiakgehalt
stechend salzig schmeckt. — c) Man bringe etwas Salmiakgeist in einen
Probiercylinder, dazu 3 — 4 Tropfen (!) Jodtinktur und die mehrfache Menge
Wasser; den sich ausscheidenden Jodstickstoff sammle man auf einen
kleinen Filter und lasse ihn auf demselben trocken werden. Legt man
— 187 —
das trockene Filter alsdann in den Sonnenschein oder betupft es mit einem
mit Schwefelsäure benetzten Glasstabe, so verpufft es mit Knall.
3. Liquor Ammonii sulfurati. • Man entwickele (Fig. 45) aus
Schwefeleisen und verdünnter Schwefelsäure Schwefelwasserstoffgas, welches
man in Salmiakgeist bis zur Sättigung einleite, wiederholt umschüttelnd,
bis dabei der Daumen resp. Stöpsel nicht mehr eingezogen wird. Schliess-
lich verdünne man die Flüssigkeit (Ammoniumsulfhydrat) mit einer gleichen
Menge Salmiakgeist.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. a) Wieviel l Ammoniakgas liefert 1 kg Salmiak, wenn das l 0,77 g
wiegt? b) Wieviel Salmiakgeist erhält man daraus? — Antw. a) (14 -j-
4 -f 35,5) : (14 + 4) = 1000 : x; x = 317 g = 11 /. b) x = 317 X 10 g.
§ 164. Lithium. Zu den Alkalimetallen gehört noch das
Lithium, nebst den mittelst der Spektralanalyse 1860 und 1861
von Bunsen und Kirchhof entdeckten und nach der Farbe
ihrer Linien benannten Metallen Cäsium und Bubidium.*)
Das Lithium**) ist dem Kalium und Natrium ähnlich, aber
leichter und mit karminroter Flamme verbrennend. Es findet
sich in sehr geringen Mengen im Lithionglimmer (Lepidolith),
Petalith und wenigen anderen seltenen Mineralien, sowie in ge-
wissen Mineralquellen (z. B. von Kissingen, Franzensbad, Karls-
bad, Kreuznach).
Mit Sauerstoff verbindet es sich zu Lithion (Li20), dessen
Hydrat (LiHC) schwerer löslich ist als Kali- und ISTatronhydrat.
Oifizinell ist das Lithiumkarbonat oder kohlensaure
Lithion, Lithium carbonicum (Li2C03), ein weisses Pulver
von alkalischer Beaktion, welches sich nur schwierig in "Wasser
löst (!). Hierdurch bildet das Lithion den Übergang der Alkalien
zu den alkalischen Erden.
Prüfung des kohlensauren Lithions auf Reinheit: Das durch
etwas verdünnte Schwefelsäure in schwefelsaures Salz übergeführte Präparat
muss sich in Weingeist völlig auflösen (Rückstand: Kalium- und Natrium-
sulfat). In der salpetersauren Lösung desselben erzeuge weder Baryum,
noch Silbernitrat eine Trübung (weiss: schwelelsaures Salz resp. Chlorid),
nach Übersättigung mit Ammoniak auch nicht Schwefelammonium (schwarz :
Eisen), noch oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk).
22, Der Kalk und seine Salze.
§ 165. Was ist der Kalk? Der Kalk, Calcaria usta (CaO),
eine harte, poröse, weisse oder weissliche Masse, ist das Oxyd des
schwierig darstellbaren, zuerst 1845 isolierten Metalles Calcium.
*) caesius, graublau; rubidus, dunkelrot.
**) Entdeckt 1817 von Arfvedson und benannt nach seinem Vor-
kommen im Steinreich (Xifro? Stein).
188
Fig. 55.
Der Kalk, in der Natur nicht frei, aber in grossen Mengen
gebunden an Kohlensäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure und
Kieselsäure vorkommend, wird aus dem kohlensauren Kalke, wie
er als „Kalkstein" sich findet, durch Glühen gewonnen. Dabei
entweicht die Kohlensäure als Gas und hinterlässt das reine Oxyd.
CaC03 = CaO + C02
kohlensaurer Kalk Kalk Kohlensäuregas.
Das Kalkbrennen wird in besonders ge-
mauerten Öfen vorgenommen. Fig. 55 stellt
einen solchen Kalkofen mit unterbrochenem
Gange dar; sein Inneres g wird mit dem Kalk-
stein derartig angefüllt, dass man über dem Feuer-
raume a eine Art Gewölbe aus grösseren Kalk-
steinstücken aufbaut und durch die Gicht h die
kleineren Stücke daraufschüttet. Fig. 56 stellt
einen Ofen mit ununterbrochenem Gange dar;
a b d sind die Teile des Feuerraums, g der
Schacht, h die Gicht, wo man den Kalkstein ein-
füllt, e f untere Öffnung zum Herausnehmen des
gebrannten Kalkes.
Beim Kalkbrennen ist auf die Temperatur
zu achten ; steigt sie im Anfang zu hoch, so
tritt teilweise Schmelzung und bei vorhandener
Kieselerde (Quarz) Silikatbildung ein. Ein solcher
Kalk heisst totgebrannt, weil er sich mit
Wasser nicht löscht. Mager nennt man den
mit Thon verunreinigten Kalk, welcher sich
weniger gut löscht, als der fette Kalk.
Der Kalk zieht beim Liegen an der Luft
allmählich Kohlensäure und Wasserdampf an
und zerfällt zu Pulver — zerfallener Kalk (Kalkhydrat mit
kohlensaurem Kalk). Man muss ihn deshalb in verkorkten Krügen
oder Flaschen aufbewahren.
Mit Wasser „löscht sich" der Kalk, d. i. er vereinigt sich
mit demselben*) unter starker Wärmeentbindung zu Kalkhydrat,
sog. Ätz kalk (Ca2HO), einem Pulver, welches mit wenig
Wasser den Kalkbrei, mit mehr Wasser die Kalkmilch, mit
5 — 600 Teilen Wasser das Kalkwasser, Aqua Calcariae,
bildet, eine klare Lösung von stark alkalischer Eeaktion und
schrumpfend laugenhaftem Geschmacke. Da das Kalkhydrat in
heissem Wasser schwerer löslich ist als in kaltem, so trübt sich
ein gutes Kalkwasser beim Aufkochen. Aus der Luft zieht das
Kalkwasser begierig Kohlensäure an und setzt bei schlechtem
Fig. 56.
*) CaO +
£}° =
P \ HO
Ca / HO.
— 189 —
Verschlusse allmählich seinen ganzen Kalkgehalt als weissen,
kohlensauren Kalk ab. Aus demselben Grunde trübt es sich mit
dem kohlensäurehaltigen Brunnenwasser.
Man prüft das Kalkwasser auf einen Minimalgehalt an Kalkhydrat,
indem man 100 g mit 3,5 — 4 cc Normalsalzsäure versetzt und blaues Lack-
muspapier eintaucht: dieses darf sich nicht röten.
§ 166. Die Kalksalze. Der Kalk bildet mit Schwefelsäure ein
schwerlösliches, mit Kohlensäure, Oxalsäure und Phosphorsäure in
reinem Wasser unlösliche, in Säuren lösliche Salze; der salpeter-
saure Kalk, das Chlorcalcium u. a. lösen sich dagegen in Wasser
sehr leicht auf.
Nachweis des Kalks. Man erkennt die Anwesenheit von
Kalksalzen durch die weissen Niederschläge, welche kohlensaures
und phosphorsaures Natron, zumal aber oxalsaures Ammoniak
in neutralen (nicht sauren!) Flüssigkeiten erzeugt. Essigsäure löst
den Oxalsäuren Kalk nicht auf, Mineralsäuren dagegen sofort.
Aus nicht zu verdünnten Lösungen wird der Kalk in gleicher
Weise durch verdünnte Schwefelsäure ausgeschieden.
a) Der kohlensaure Kalk, das Calciumkarbonat
(CaC03), findet in der Natur sehr bedeutende Yerbreitung; nicht
allein, dass er in jedem Quellwasser, zufolge der darin vorhan-
denen freien Kohlensäure, in geringen Mengen aufgelöst ist, wor-
aus er sich beim Abkochen als Kesselstein absetzt; er bildet
auch grosse Lager, sogar ganze Gebirge, und zwar im dichten
Z ustande als Kalkstein, erdig als Kreide, körnig kry stal-
linisch als Marmor. Er krystallisiert aus heissen Flüssigkeiten
als Arragonit in rhombischen Säulen, aus kalten Flüssigkeiten
als Kalkspat in Rhomboedern. (Der kohlensaure Kalk
ist also dimorph!) Auch das Tierreich liefert ihn bei seinen
niederen Organismen als Muscheln, Korallen, Krebssteine,
Schneckenhäuser und dgl.; die Yögel bilden aus ihm die Eier-
schalen. Die Austerschalen, Conchae, sind kohlensaurer
Kalk mit etwas phosphorsaurem Kalke.
Löst man den natürlichen kohlensauren Kalk in verdünnter
Salzsäure und versetzt die entstandene Chlorcalciumlösung mit
Soda, so scheidet sich reiner, sog. präzipitierter kohlen-
saurer Kalk, Calcium carbonicum praecipitatum (Ca C 03),
als weisses feines Pulver aus.
I. CaC03 + 2HC1 == CaCl2 + H20 + C02
IL CaCla + Na2C03 = CaC03 + 2NaCl.
Beim Auflösen des natürlichen Kalksteins in Salzsäure bleiben
die erdigen Verunreinigungen ungelöst, auch vorhandenes Eisen-
oxyd, sofern man den kohlensauren Kalk im Überschuss anwendet.
Prüfung. Das Calciumkarbonat darf nicht alkalisch reagieren (Rück-
halt an kohlensaurem Natron) ; die essigsaure Lösung darf sich nicht trüben
— 190 —
mit Baryunmitrat {schwefelsaurer Kalk), noch Silbemitrat [Chlor calcium)',
die salzsaure Lösung darf sich beim Übersättigen mit Ammoniak nicht
trüben (weiss: Thonerde), auch nicht bei Zusatz von Schwefelammonium
(schwarz: Eisen).
b) Der schwefelsaure Kalk (CaS04) findet sich, selbst
Gebirge bildend, vielfach in der Natur als Gips, mit 2 Mol.
Krystall wasser , welche beim Erhitzen entweichen. Der ge-
brannte Gips, Calcium sulfuricum ustum, ein weissliches
Pulver, zieht, wenn man ihn mit Wasser anrührt, sein Krystall-
wasser wieder an und erhärtet. Man benutzt ihn deswegen zu
Verbänden, Abdrücken, Gipsfiguren, Stuckatur. "War die Er-
hitzung zur Rotglühhitze vorgeschritten , so ist der Gips totge-
brannt, d. i. er erhärtet mit Wasser nicht mehr.
Der schwefelsaure Kalk löst sich im Wasser nur sehr wenig
auf (etwa in 500 Teilen) zu sog. Gipswasser, welches für
Baryt- und Strontiansalze als Reagens gebraucht wird, da es in
deren Lösungen noch Niederschläge erzeugt. — Alabaster ist
schneeweisser, feinkörniger Gips. —
c) Mit Phosphorsäure geht der Kalk mehrere Verbindungen
ein. Der normale phosphorsaure Kalk (Ca32P04) bildet die
Hauptmasse der Wirbeltier- Knochen, bei deren Einäscherung er
als Knochenasche (Ebur ustum album) zurückbleibt. Ein
weisses, in Wasser unlösliches, in Säuren lösliches Pulver, welches
als Calcium phosphoricum crudum offizineil ist. Es findet
sich auch als Phosphorit natürlich, in Verbindung mit Fluor-
calcium.
Der anderthalb phosphorsaure Kalk ist offizinell als
Calcium phosphoricum (CaHP04); seine Zusammensetzung
entspricht dem phosphorsauren Natron. Er ist ein weisses, in
Salpetersäure ohne Aufbrausen lösliches Pulver (Unterschied von
kohlensaurem Kalk) und wird aus einer Chlorcalciumlösung auf
Zusatz von phosphorsaurem Natron ausgeschieden:
CaCl2 + Na2HP04 = CaHP04 + 2NaCl
Chlorcalcium Natriumphosphat Calciumphosphat Chlornatrium.
Durch Glühen geht der phosphorsaure Kalk über in pyro-
phosphorsauren Kalk; daher färbt sich das Präparat mit Silber-
nitratlösung gelb (phosphorsaures Silber), nach dem Glühen aber
bleibt es weiss (pyrophosphorsaures Silber).
2CaHP04 = Ca2Pa07 -f H20
Phosphors. Kalk pyrophosphors. Kalk "Wasser.
Das Präparat wird auf seine Reinheit in ähnlicher Weise geprüft wie
das Calciumkarbonat.
§ 167. Was ist der Chlorkalk? Unter der Bezeichnung Chlor-
kalk, Calcaria chlprata, kommt im Handel ein Präparat vor,
welches man durch Überleiten von Chlorgas über gelöschten Kalk
gewinnt, der in dünner Schicht den Boden steinerner Kisten be-
— 191 —
deckt. Bei der Absorption des Chlors verwandelt sich das Kalk-
hydrat in ein Gemenge von Calciumhypochlorit oder
unterchlorigsaurem Kalke (Ca2C10) und Chlorcalcium
(Ca Cl2), zum Teil bleibt es hydratisch diesem Gemenge beigemischt.
Ca2HO + 4C1 = Ca2C1° + CaC1* h!0
Kalkhydrat unterchlorigsaurer Chlor- "Wasser.
Kalk calcium
Daher besteht der Chlorkalk des Handels aus drei Gemeng-
teilen: unterchlorigsaurem Kalk (Ca2C10), Chlorcalcium (CaCl2) und
Kalkhydrat (Ca2HO). Je mehr von ersterem Bestandteil vorhanden
ist, um so besser ist der Chlorkalk, denn nur im unterchlorigsauren
Kalke beruht seine Wirksamkeit als Bleichmittel. Vernachlässigen
wir das im Chlorkalk enthaltene Kalkhydrat, so können wir dem-
selben die Formel geben: (Ca2C10 + CaCla) oder kürzer: (CaCl20)*).
Das Sonnenlicht schädigt den Chlorkalk, indem es seinen unter-
chlorigsauren Kalk, unter Sauerstoffentwicklung, zu Chlorcalcium
reduziert; Erwärmung beeinträchtigt ihn gleichfalls, indem der
unterchlorigsaure Kalk dadurch in chlorsauren Kalk und Chlor-
calcium, zwei Körper ohne Bleichkraft, verwandelt wird. (3Ca2C10
= Ca2C103 + 2CaCl2.)
Säuren entwickeln aus dem Chlorkalke Chlorgas, nämlich:
(Ca2C10 + CaCl2) + 2H2S04 == 2CaS04 + 2H20 + 4C1
Chlorkalk Schwefelsäure schwefelsaurer Wasser Chlor.
Kalk
Der Chlorkalk ist ein weisses, leicht feucht werdendes und
schwach nach Chlor riechendes Pulver, von starkem Bleichver-
mögen, welches sich nur teilweise in Wasser (unter Zurücklassung
des Kalkhydrats) auflöst. Wegen des Gehaltes an Kalkhydrat
trübt sich eine klare Chlorkalklösung mit Brunnenwasser, infolge
Ausscheidung von kohlensaurem Kalke. Völlig gesättigter Chlor-
kalk enthält 32% wirksames Chlor; die Pharm. Germ, verlangt
mindestens 20%.
Die Prüfung des Chlorkalkes auf seinen Gehalt an wirksarnern
Chlor geschieht nach der Ph. Gr. II dadurch, dass man durch Zusatz von
Jodkaliurn und Salzsäure eine dem Chlor äquivalente Menge Jod frei macht
und dieses Jod durch unterschwefiigsaures Natron bestimmt. 0,5 Chlorkalk
muss 28,5 ccm Zehntelnormal-Natriumthiosulfat verbrauchen.
Das reine Chlorcalcium — nicht zu verwechseln mit dem
Chlorkalke — stellt eine Salzmasse dar, welche in ausgezeichnetem
Grade Wasser anzieht und zerfliesst. Man gebraucht daher das
geschmolzene Chlorcalcium zum Austrocknen von Gasen Ent-
wässern weingeistiger und ätherischer Flüssigkeiten u. s. f.
Praktische Übungen.
1. Calcaria carbonica praecipitata. Man löse soviel Kreide-,
*) In graphischer Darstellung: Ca~/-v pi
— 192 —
Marmor- oder Kalksteinstückchen in Salzsäure, welche mit gleichviel Wasser
verdünnt worden, dass noch ein Teil ungelöst bleibe. Lässt man dann
einige Stunden stehen, so scheidet der überschüssige kohlensaure Kalk alles
etwa vorhandene Eisenoxyd aus. Der klar abgegossenen Chlorcalciumlösung
gebe man dann soviel Sodalösung (11 Teile Soda auf 10 Teile reine Salzsäure)
bei, dass rotes Lackmuspapier schwach gebläut wird. Man wäscht den ge-
fällten kohlensauren Kalk wiederholt mit Wasser aus, indem man nach
dem Absetzen klar abgiesst, schliesslich ihn auf einen Filter bringt und
so lange destilliertes Wasser aufgiebt, bis es geschmacklos abläuft: dann
trockne man ihn in der Wärme.
2. Calcaria phosphorica. Man verfährt ebenso, fällt jedoch mit
phosphorsaurem Natron.
Fragen und stöchiometrische Aufgaben.
1. Womit ist das Zerfallen des Kalkes an der Luft begleitet? —
Antw. Mit einer bedeutenden Vermehrung der Masse.
2. Wieviel kohlensauren Kalk liefert 1 kg Kalk, wenn er durch
Kohlensäure-Aufnahme darin übergeht? — Antw. CaO : CaC03 =(40 + 16):
(40+12+48); x = 1785 g.
3. Woher rührt die starke Wärmeentbindung beim Kalklöschen? —
Antw. Durch die eintretende Verdichtung, weil das flüssige Wasser mit
dem Kalke festes Kalkhydrat liefert.
23. Die Magnesia und ihre Salze.
§ 168. Was ist die Magnesia? Die Magnesia (MgO) ist das
Oxyd des Magnesiums*), eines silberweissen, leichten Metalles,
welches an trockner Luft unverändert bleibt und nur heisses
Wasser langsam zerlegt. Es wurde zuerst 1808 von Davy isoliert.
Das Magnesium findet sich, wie das Calcium, in der Natur viel-
fach verbreitet, in Verbindung mit Chlor im Meerwasser, sodann
als kohlensaure, schwefelsaure und kieselsaure Magnesia; letztere
kommt als Asbest, Talk, Meerschaum, Speckstein, Ser-
pentin u. a. vor.
Die gebrannte Magnesia, Magnesia usta (MgO), wird,
ähnlich dem Kalke, durch Erhitzen der kohlensauren Magnesia
gewonnen, wobei Kohlensäuregas entweicht. Die Erhitzung ge-
schieht in Tiegeln und braucht weniger stark als anhaltend zu
sein, da die Substanz zu den schlechten Wärmeleitern gehört;
sie wird so lange fortgesetzt , bis eine herausgenommene
Probe mit verdünnter Schwefelsäure nicht mehr aufbraust. Man
nennt sie auch Bittererde, da ihre Salze einen bittersalzigen
Geschmack zeigen. Sie stellt ein sehr voluminöses, weisses,
erdiges, geschmackloses Pulver dar, welches mit Säuren nicht
aufbrausen darf, an der Luft begierig Kohlensäure anzieht und
in wohlverschlossenen Gefässen aufbewahrt werden muss. Mit
*) Magnesium von [j.ayvrj?, womit man den Braunstein bezeichnete,
der für ein Magnesiumerz galt.
— 193 —
"Wasser in Berührung verwandelt sie sich allmählich, ohne Tem-
peraturerhöhung, in Magnesiahydrat (Mg2HO), welches
alkalisch reagiert und sich nur sehr wenig in Wasser auflöst. —
Mit "Wasser angerührt ist dasselbe als Eeagens bei der Prüfung
des Bittermandelwassers gebräuchlich (Magnesium hydricum
pultiforme).
Prüfung: Die gebrannte Magnesia darf mit Säuren nicht aufbrausen
(Rückhalt an Kuhlensäure); im übrigen wird sie geprüft wie die kohlen-
saure Magnesia.
§ 169. Magnesiasalze. Charakter und Erkennung- Die Magnesium-
verbindungen verhalten sich ähnlich den Kalksalzen; wie diese
werden sie durch kohlensaures und phosphorsaures Natron nieder-
geschlagen, unterscheiden sich aber von ihnen durch die Löslich-
keit der schwefelsauren Magnesia und dadurch, dass ihre Lösungen
durch kohlensaures Ammoniak nicht gefällt werden , da sie mit
Ammoniak leichtlösliche Doppelsalze bilden. Daher erzeugt auch
Ammoniak in den Magnesialösungen keinen Niederschlag, wenn
sie mit einer hinreichenden Menge Chlorammonium versetzt sind.
Fügt man nun zu dieser ammoniakalischen Flüssigkeit phosphor-
saures Natron , so entsteht ein weisser Niederschlag von phos-
phorsaurer Ammoniak-Magnesia. (Mg,NH4,P04-j-ÖH20);
derselbe wird aber von Säuren aufgelöst.
a) Die schwefelsaure Magnesia, das Magnesium-
sulfat, Magnesium sulfuricum (MgS04 -+- 7aq.), wegen des
bitterlichen Geschmackes B i 1 1 e r s a 1 z (Sal amarum) und wegen
des Yorkommens in einigen englischen Mineralwässern (von Epsom
u. a.) englisches Salz (Sal anglicum) genannt, findet sich
auch in deutschen und ungarischen Mineralquellen, den sog Bitter-
wässern (z. B. von Seidlitz, Friedrichshall, Hunyadi-Janos), au^elöst.
Ausserdem gewinnt man das Salz aus Chlormagnesium führenden
Salzsolen, deren Mutterlauge man mit Glaubersalz versetzt, wo-
bei Bittersalz auskrystallisiert und Chlornatrium in Lösung bleibt.
Auch erzeugt die künstliche Mineralwasserfabrikation, welche
die Kohlensäure aus Magnesit und Schwefelsäure darstellt, das
Bittersalz als Nebenprodukt.
Das Magnesiumsulfat erscheint in farblosen, rhombischen
Säulen krystallisiert, welche sich leicht in Wasser, nicht in Wein-
geist auflösen. An trockner, warmer Luft verwittern sie, unter
teilweisem Yerlust ihres Krystallwassers, und zerfallen zu einem
weissen Pulver, dem getro ckneten Bittersalz e , Magnesium
sulfuricum siccum. Von den 7 Mol. Krystallwasser bleibt da-
rin 1 Mol. zurück und entweicht erst in der Glühhitze. Ein
ähnliches Y erhalten zeigen die isomorphen schwefelsauren Salze
von Zink und Eisen. Dieses 1 Mol. Wasser begleitet diese Sul-
fate auch in ihre Doppelsalze.
Schlickum, Apothekerlehrling. \Q
— 194 —
Prüfung: Die wässerige Lösung der schwefelsauren Magnesia darf
weder getrübt werden durch Schwefelwasserstoffwasser (dunkle Trübung:
Kupfer, Blei), noch durch Schwefelammonium (dunkle Trübung: Eisen),
noch durch Silberlösung (weisse Trübung: Chloride). Das Salz darf die
Weingeistflamme nicht gelb färben {Natriumsulfat).
b) Die kohlensaure Magnesia, das Magnesiumkar-
bonat, kommt in der Natur als Magnesit (MgC03), in Ver-
bindung mit kohlensaurem Kalk als Dolomit (MgC03 -f- CaC03)
vor , den man auch Bitterspat nennt. Dagegen erhält man
bei der Fällung der Magnesiasalze durch kohlensaure Alkalien
nicht neutrale, sondern nur basisch kohlensaure Magnesia. Letztere
ist als weisse Magnesia, Magnesium carbonicum offizinell
und hat die Formel: Mg5 < 9x1 q3 i sodass sie angesehen wer-
den kann als Doppelverbindung von 4MgC03 mit Mg2HO
(Magnesiahydrat). Man gewinnt sie durch Fällung einer heissen
Bittersalz- oder Chlormagnesiumlösung mit Soda und bringt sie
als weisse, sehr leichte, geschmacklose, vierkantige Stücke in den
Handel. In reinem Wasser löst sie sich nicht auf, jedoch zu 1%
in kohlensäurehaltigem Wasser (zu Aqua Magnesiae carbouicae).
Prüfung der kohlensauren Magnesia: Sie darf beim Schütteln
mit Wasser nichts Lösliches an dasselbe abgeben (kohlensaure Alkalien),
die essigsaure Lösung trübe sich weder mit Schwefelwasserstoffwasser (Kupfer,
Blei), noch mit Schwefelammonium (dunkle Trübung: Eisen), auch nur
unbedeutend mit Baryt- und Silbersalzen (schwefelsaure Salze und Chloride).
Die ammoniakalisch gemachte salzsaure Lösung darf sich nicht trüben mit
oxalsaurem Ammoniak (Kalkkarbon ai).
Praktische Übungen.
Magnesia usta. Man fülle einen hessischen Tigel, den man zwischen
glühe^ ien Holzkohlen (in einem Windofen) aufgestellt , mit kohlensaurer
Magnesia und glühe ihn, bedeckt, bis eine (mit einem Spatel heraus-
genommene) Probe mit verdünnter Schwefelsäure nicht mehr aufbrause.
Auch kann man sich eines eisernen Grapens über dem Herdfeuer bedienen ;
alsdann muss die Erhitzung etwas länger andauern. Schliesslich entleere
man den Inhalt mit einem eisernen Löffel und fülle den Tiegel mit einer
neuen Portion kohlensauren Magnesia, womit man fortfahre, bis die ganze
Menge der letzteren gebrannt ist.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Prozente Magnesia hinterlässt die kohlensaure Magnesia
(Mg54C03, 2HO + 4H20) beim Glühen? — Antw. (Mg5 4C03, 2HO+4H20):
5MgO = 466 : 5 X 40 ; x = 42,9%.
2. Wieviel Prozente Krystallwasser enthält das Bittersalz? — Antw.
(MgS04 + 7H20) : 7H20 = 246 : 126 ; x = 51%.
§ 170. Baryum und Strontium. Zu den Metallen, deren Oxyde
alkalische Erden genannt werden, zählen ausser dem Calcium
und Magnesium noch Baryum und Strontium, zwei analog
sich verhaltende Metalle von viel geringerer Yerbreitung als Cal-
— 195 —
cium und Magnesium. Ihre Oxyde heissen Baryt (BaO) und
Strontian (Sr 0).
Das Baryum kommt am häufigsten vor als Schwerspat*),
schwefelsaurer Baryt (BaS04), ein nicht seltenes Mineral von
ziemlicher Schwere und Glasglanz, in Wasser und Säuren unlös-
lich. Man reduziert es, mit Kohle gemengt, in der Weissglühhitze
zu Schwefelbaryum (BaS), aus welchem man die übrigen Ba-
ryumverbindungen gewinnt. Seltener findet sich der kohlensaure
Baryt als Witherit (BaC03), welcher ebenfalls zur Darstellung
der Baryumsalze dient; er ist, wie alle löslichen Baryumsalze, giftig.
Der salpetersaure Baryt, Baryum nitricum
(Ba2N03), als Reagens auf Schwefelsäure gebräuchlich, wird durch
Auflösen von Schwefelbaryum oder kohlensaurem Baryt in Sal-
petersäure, in farblosen Krystallen gewonnen. In starker Glüh-
hitze verliert er seine Säure und hinterlässt Baryt (BaO) als
grauweisses Pulver, das mit Wasser ein Hydrat giebt und sich
zu einer stark alkalischen Flüssigkeit, dem Barytwasser, auf-
löst. Dasselbe zieht, ähnlich dem Kalkwasser, begierig Kohlen-
säure aus der Luft an und trübt sich alsdann.
Das Chlorbaryum, Baryum chloratum (BaCl2 -\~2 aq.),
krystallisiert in farblosen, luftbeständigen, leichtlöslichen Säulen,
welches man aus Schwefelbaryum oder aus kohlensaurem Baryt
durch Auflösen in Salzsäure und Abdampfen der Lösung gewinnt.
In Weingeist ist es nicht löslich.
Das Strontium ähnelt in seinen Verbindungen völlig dem
Baryum, von welchem es sich durch die karminrote Färbung
unterscheidet, die seine Yerbindungen der Flamme erteilen. Es
findet sich teils als Strontianit (kohlensaurer Strontian), teils
als Cölestin (schwefelsaurer Strontian). Man gebraucht den
salpetersauren Strontian (Sr2jST03 ) zu bengalischem Rotfeuer.
Erkennung von Baryt und Strontian: Die Baryt- und Strontian-
salze werden aus ihren Lösungen durch verdünnte Schwefelsäure
oder schwefelsaure Salze gefällt. Da der schwefelsaure Baryt und
Strontian viel weniger löslich ist, als der schwefelsaure Kalk, so
erzeugt selbst Gipslösung in den Baryt- und Strontianlösungen
weisse Trübungen. Kohlensaure Alkalien scheiden aus ihnen weisse
Karbonate ab.
24. Thonerde und Alaun.
§ 171. Was ist die Thonerde? Die Thonerde (A1203) ist das
Oxyd des Aluminiums, eines silberweissen , leichten , luftbe-
*) Daher der Name Baryum (ßapug, schwer).
— 196 —
ständigen Metalles, welches das Wasser in gewöhnlicher Tem-
peratur nicht zersetzt.
Man gewinnt das Aluminium aus dem Kryolith (Fluoralumi-
nium mit Fluornatriuin) durch Schmelzen mit Natrium. Es wurde
zuerst von Wo hier (1827) isoliert.
Die Thonerde kommt in der Natur unrein vor als Smirgel
(Lapis Smiridis), rein und krystallisiert als Korund, ein wert-
voller Edelstein, dessen blaue Varietät Saphir, dessen rote
Kubin genannt wird. Diese Mineralien übertreffen selbst den
Quarz an Härte, weshalb man den Smirgel als Schleif- und
Poliermittel für Glas benutzt.
In Verbindung mit Kieselsäure ist die Thonerde ein fast nie
fehlender Bestandteil der Silikatgesteine. Der Feldspat, ein
wesentlicher Gemengteil des Granits und Syenits (sog. Urge-
birge) , stellt ein Doppelsilikat des Kaliums und Aluminiums dar
(K20,Al203,6Si02). Durch seine Verwitterung entsteht der T h o n ;
das Kali wird nämlich durch die Kohlensäure der Luft und des
Wassers im Laufe der Zeit als kohlensaures Kali der Pflanzenwelt
zugeführt, während die kieselsaure Thonerde liegen bleibt. Der
Thon ist unreine, wasserhaltige, kieselsaure Thon-
erde. Lagert er am Orte seiner Entstehung, so stellt er eine
weisse, erdige Masse, die Porzellanerde, dar, aus der man das
echte Porzellan bereitet. Dasselbe zeichnet sich dadurch
aus, dass es infolge einer beim Brennen beginnenden Schmelzung
im Bruche glasartig und durchscheinend geworden ist. Man er-
teilt ihm gewöhnlich eine Glasur aus feinpräpariertem Feldspat.
Unglasiertes Porzellan heisst Bisquit-Porzellan.
Wird der Thon aber vom Orte seiner Bildung fortgeschwemmt,
so vermengt er sich mit erdigen Teilen und wird unrein. Er
stellt dann den gewöhnlichen Thon dar und, mit Sand ge-
mengt, den Lehm. Aus dem gemeinen Thone bereitet man
durch Brennen die verschiedenen Thonwaren, mit porösem,
erdigem, nicht durchscheinendem Bruch und einer Glasur not-
wendig bedürfend. Die beste Sorte ist die aus eisenfreiem, weissem
Thon bereitete Fayence, welche aus Quarz und Mennige eine
Bleiglasur erhält. Das Töpfergeschirr, aus rotem, eisenhaltigem
Thone, bekommt ebenfalls Bleiglasur. Das Steingut wird nicht
glasiert, da der zur Verwendung gelangende Thon beim Glühen
eine dichte, glasige Masse bildet. Dagegen erteilt man den ge-
ringeren Steinzeugwaren eine Natronglasur mittelst Kochsalz.
Weisser, ziemlich reiner Thon ist als weisser Bolus, Ar-
gilla oder Bolus alba officinell, eine abfärbende, an der Zunge
haftende, angefeuchtet plastische, erdige Masse. Mit braunrotem
Eisenoxyd gemengter Thon ist der rote Bolus (Bolus rubra).
— 197 -
§ 172. Alaun und Aluminiumsulfat, a) Unter AI aun, AllllilUH,
versteht man zunächst ein Doppelsalz aus Kalium und Aluminium-
sulfat, schwefelsaure Kali-Thonerde (K2A124S04 + 24 aq.), in
wasserhellen, regelmässigen Oktaedern krystallisiert, von säuerlich
herbem Geschmack, in kaltem Wasser schwer-, in heissem leichtlöslich.
Der Alaun findet sich nicht natürlich. Man fabriziert ihn in
Deutschland auf eigenen Hütten aus den sog. Alaunerzen,
die man je nach ihrer schieferigen oder erdigen Struktur als
Alaunschiefer oder Alaunerde bezeichnet. Diese Erze
stimmen darin überein, dass sie Gemenge aus Thon, Schwefelkies
(EeS2) und Braunkohle sind. Der Thon liefert bei der Alaun-
fabrikation die Thonerde, der Schwefelkies die Schwefelsäure, die
Braunkohle das Brennmaterial; das Kali muss zugesetzt werden.
Die Hauptzüge der Alaunfabrikation sind folgende: Die
Alaunerze werden zu Haufen geschichtet und geröstet, wozu sie
in der Braunkohle das Brennmaterial mitbringen. Bei der Röstung
oxydiert sich der Schwefelkies (Zweifach-Schwefeleisen) in schwefel-
saures Eisenoxydul und freie Schwefelsäure, nämlich:
FeS2 + H20 + 70 = FeS04 + H2S04
Eisenbisulfld Wasser Sauerstoff Eisensulfat Schwefelsäure.
Die entstandene freie Schwefelsäure zersetzt den Thon, schei-
det die Kieselsäure aus und löst schwefelsaure Thonerde
(A123S04) auf. Beim Auslaugen des Rohproduktes wird also
schwefelsaure Thonerde und schwefelsaures Eisenoxydul aufgelöst;
man entfernt das letztgenannte Salz durch Krystallisation und
bringt es als Eisenvitriol in den Handel; die schwefelsaure Thon-
erde verbleibt, weil sehr löslich, in der Mutterlauge. Nun wird der
letzteren schwefelsaures Kali beigegeben , worauf der schwerlös-
liche Alaun sich ausscheidet, den man durch Auflösen in mög-
lichst wenig heissem Wasser umkrystallisiert.
Prüfung des Alauns: Die wässerige Lösung darf sich nicht trüben
durch BUS (dunkel: Kupfer, Blei), nicht bläuen mit Ferrocyankalium {Eisen),
noch mit Natronlauge Ammoniak entwickeln; auch die alkalische Lösung
durch H2S nicht getrübt werden (schwarz: Eisen).
Der Alaun schmilzt beim Erhitzen in seinem Krystallwasser,
bläht sich dann, unter Verlust desselben, stark auf (ähnlich dem
Borax) und hinterlässt eine weisse, leichte, poröse Masse, den
gebrannten Alaun, Alunien ustum (K2A124S04). In Wasser
löst sich derselbe nur langsam auf.
Es existiert eine grössere Zahl dem Alaun isomorpher Doppelsalze,
Doppelsulfate zweier Metalle, eines einwertigen und eines dreiwertigen,
sämtlich mit 24 Mol. Krystallwasser und Oktaederform; man be-
zeichnet sie alle als Alaune und unterscheidet den Kali - Thonerdealaun
als Kalialaun, den Ammoniak- Thonerdealaun (welchen man erhält, wenn
man der schwefelsauren Tonerdelösung schwefelsaures Ammoniak zusetzt)
als Ammoniakalaun; ist die Thonerde durch Chromoxyd oder Eisenoxyd
vertreten, so haben wir den Chromalaun und Eisenalaun. Letzterer
— 198 —
ist als Ferrum sulfuricum oxydaturn ammoniatum, Amnioniak-
Eisenalaun, hier und da gebräuchlich und besitzt die Formel:
(NH4)2Fe44S0.2 + 24 aq.
b) Die schwefelsaure Thonerde, das Aluininiuinsulfat,
Aluminium sulfuricum (A123S04 -j- 18 aq.) ist ein farbloses, in
Wasser leichtlösliches, in Weingeist unlösliches Salz, welches in
Säulen krystallisiert und aus dem Kryolith durch Behandlung
mit Schwefelsäure gewonnen wird. Es dient zur Darstellung der
essigsauren Thonerdelösung, Liquor Alumiuii acetici,
welche durch Zersetzung des Aluminiumsulfats mit Essigsäure
und kohlensaurem Kalk bereitet wird. Dabei entweicht die Kohlen-
säure des letzteren und schwefelsaurer Kalk scheidet sich ab.
AL3S04 + 4HC,H302 + 3CaC03 =
Aluminiumsulfat Essigsäure Calciumcarbonat
AL- (4(9HO°i + 3CaS04 + 3C02 + H20
'J-n-^ Calciumsulfat Kohlensäure Wasser.
Aluminiumaeetat
Im Liquor ist das Aluminiumaeetat als ein basisches Salz
enthalten.
§ 173. Thonerdehydrat. Das Th ob er d ehy drat, Alumina
hydrata (AL6HO) ist ein weisses, voluminöses, geschmackloses,
unlösliches Pulver, welches sich ausscheidet, wenn man eine
Alaunlösung mit einem kohlensauren Alkali versetzt; da die Thon-
erde sich mit der Kohlensäure nicht verbinden kann, scheidet sich
Thonerdehydrat ab und die Kohlensäure entweicht unter Aufbrausen.
Das Thonerdehydrat verbindet sich leicht mit organischen
Farbstoffen zu sog. Lackfarben. Man gebraucht deshalb
den Alaun, häufig auch die essigsaure Thonerde, als Beize in der
Färberei. Bringt man nämlich Gespinste zuerst in eine Alaun-
lösung, darauf in eine Farbbrühe, so verbindet sich der Farbstoff
mit der auf der Gespinstfaser haftenden Thonerde und schlägt
sich als Lackfarbe darauf nieder.
Erkennung der Thonerde: Das Thonerdehydrat löst sich nicht
allein in verdünnten Säuren (zu Thonerdesalzen), sondern auch in
Ätzalkalien zu sog. Aluminaten; mit Kali bildet es lösliches
Kaliumaluminat (K2A1204), mit Natron Natriumaluminat u. s f. Mit
Ammoniak vereinigt es sich aber nicht. Daher löst sich der durch
Ätzkali (Natron) in einer Alaunlösung hervorgerufene Niederschlag
in einem Überschusse des Ätzkalis wieder auf; wird diese Flüssig-
keit nun mit einer Chlorammoniumlösung versetzt, so scheidet
sich Thonerdehydrat wieder ab, da das Chlorammonium sich mit
dem Natronhydrat in Chlornatrium und freies Ammoniak umsetzt.
Praktische Übungen.
Alumen ustum. Man fülle eine weisse, flache Schale von un-
glasiertem Thon, — beispielsweise einen Blumentopf- Untersatz — zum dritten
— 199 —
Teile mit grobgepulvertem Alaun und stelle sie auf eine gelinde erhitzte
Platte. Das Salz schmilzt zu einer dünnen Flüssigkeit, die allmählich
dicklich wird; ist sie sehr zähe geworden, so verstärke man das Feuer,
damit sie aufschwelle und zu einer. weissen, porösen Masse aufblähe, die
sich nach dem Erkalten leicht vom Gefässe ablöst. Beim Schmelzen darf
nicht umgerührt werden.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wie viel gebrannter Alaun wird aus 1 kg Alaun erhalten? —
Antw. (K2A124S04 + 24H20) : (K2A124S04) = 949 : 517; x = 544 g.
§ 174. Mangan. Das Mangan*) ist ein, gegen das Ende
des vorigen Jahrhunderts entdecktes Schwermetall, welches sich
im Braunstein befindet. Mit Sauerstoff verbindet es sich zu
zwei Oxyden, einem Superoxyde und zwei Säuren, nämlich zu
Manganoxydul MnO Mano-ansänre MnO
Mano-anoxvd Mn 0 iviangansaure iv±nu3
■n/r ö J 3 iv/r2/-»3 Übermangansaure H MnO.
Mangansuperoxyd Mn(J2 ° 4
a) Der Braunstein, Manganum hyperoxydatum, Mn02,
ist Mangansuperoxyd und das hauptsächlichste Manganerz ; er
findet sich zerstreut in Europa (z. B. bei Giessen), bald in spies-
sigen Krystallen (Pyrolusit), die sternförmig gruppiert sind, bald
in derben Massen, oft gemengt mit kalkigen und thonigen Erd-
arten. Grauschwarz, metallglänzend, abfärbend ; giebt in der Glüh-
hitze den dritten Teil seines Sauerstoffs ab, zu Manganoxyduloxyd
sich reduzierend ; mit Salzsäure erwärmt, löst er sich zu Mangan-
chlorür und liefert freies Chlor. (Vgl. § 120.)
b) Das schwefelsaure Manganoxydul, Mangan-
sulfat, Manganum sulfuricum (MnS04 + 4H20), entsteht beim
Erhitzen von Braunstein mit konz. Schwefelsäure, wobei Sauer-
stoff entweicht.
Mn02 + H2S04 = MnS04 + H.20 + 0
Maugan- Schwefelsäure schwefelsaures Wasser Sauerstoff
superoxyd Manganoxydul
Der Rückstand wird mit Wasser ausgelaugt; die Lösung
liefert in lauer Wärme das Salz in rötlichen Krystallen, welche
leicht verwittern und in Wasser sich leicht lösen. In der Kälte
krystallisiert das Salz mit 7H20, zerfliesst aber schon bei 18°.
c) Erhitzt man Braunstein mit chlorsaurem Kali und Ätzkali,
so giebt das chlorsaure Kali seinen Sauerstoff an das Mangan-
superoxyd ab, und es entsteht neben Chlorkalium mangan-
saures Kali, K2Mn04, sog. Chamäleon, welches sich mit
grüner Farbe in Wasser auflöst; bei vorsichtiger Sättigung mit
Kohlensäure oder Salpetersäure wird diese Lösung purpurrot,
indem das mangansaure Kali in übermangansaures Kali,
Kaliumpermanganat, Kalium permanganicum (KMn04),
*) Mangan, früher Manganesium, abgeleitet von magnes, womit man
den Braunstein bezeichnete. Isoliert 1775 von Gähn.
— 200 —
übergeht, unter Abscheidung von Mangansuperoxyd*). Das Kalium-
permanganat kristallisiert in stahlgrauen Säulen, welche sich mit
purpurner Farbe in Wasser auflösen. In hohem Grade durch
oxydierende Eigenschaften ausgezeichnet, wird es durch oxydier-
bare Substanze unter Entfärbung zu Mangansuperoxyd, bei Gegen-
wart von Säure zu einem Manganoxydulsalz**) reduziert. Man ver-
wendet es daher zur Desinfektion, sowie als Reagens zum Nachweis
oxydierbarer Substanzen. Nicht allein, dass es Oxydulsalze (z. B.
Eisenvitriol) in Oxydsalze , schweflige und phosphorige Säure in
Schwefel und Phosphorsäure überführt, oxydiert es die organischen
Materien, z. B. Oxalsäure zuKohlensäure(H,C204+0=H20-}-2C02).
§ 175. Chrom. Das Chrom ist ein im Chromeisenstein
(FeO,Cr203) enthaltenes, nicht häufig vorkommendes Schwermetall,
welches mit Sauerstoff Chromoxyd (Cr203) und Chromsäure
(Cr03) bildet. — Man stellt aus dem Chromeisenstein durch Glühen
mit Salpeter doppeltchromsaures Kali, Kalium bichromicum
(K2Cr04, Cr03) = (K2Cr20?), fabrikmässig dar***). Das Kalium-
dichromat krystallisiert in gelbroten Säulen, die sich in "Wasser
mit derselben Farbe auflösen. Mit kohlensaurem Kali liefert es
gelbes einfach chromsaures Kali (K2Cr04), Kalium chromi-
cum. Yersetzt man es mit konz. Schwefelsäure, so krystallisiert
wasserfreie Chromsäure, Acidnm chromicnni (Cr03), in
roten, an der Luft zerflies suchen Nadeln aus. Die Chromsäure,
wie ihre Kalisalze zeichnen sich durch oxydierende Eigenschaften
aus, wobei sie sich zu Chromoxyd reduzieren. Doppeltchromsaures
Kali mit Schwefelsäure giebt an oxydierbare Substanzen Sauerstoff
ab und wird dabei zu violettrotem Chromalaun (schwefelsaurem
Kali-Chromoxyd) :
K2Cr207 + 4H2S04 = K2Cr24S04 + 4H20 + 30
doppeltchroms. Kali Schwefelsäure Chromalaun Wasser Sauerstoff,
Mit Salzsäure erwärmt, liefert das doppeltchromsaure Kali:
Chlorkalium, grünes Chromchlorid und freies Chlor:
K2Cr207 + 14HC1 = 2KC1 + Cr2Cl6 -f- 7H20 + 6C1
doppeltchroms. Chlor- Chlorkalium Chrom- Wasser Chlor.
Kali Wasserstoff chlorid
Die Chromverbindungen zeichnen sich durch gelbe, rote oder
grüne Färbung aus — daher der Name des Elementes (x^oo^a,
Farbe), welches 1797 zuerst von Yauquelin isoliert wurde.
Chromsaures Bleioxyd dient in der Färberei als Chromgelb,
basisch chromsaures Blei als Chromrot — zwei giftige Farbmittel.
*) 3K,Mn04 + 2CO, = 2KMn04 -J- MnO, -f- 2E2C03.
•*) 2KMn04 + 3H9SÖ4 = K9S04 + 2MnS04 -f 3H20 + 50.
*) Cr903 + 2KNO3 tk K>CrvÖ7 -f 2 NO.
— 201
25. Das Eisen und seine Verbindungen,
§ 176. Wie gewinnt man das Eisen? Das Eisen, ein altbe-
kanntes Metall, findet sich nur selten gediegen, wie im Meteoreisen,
in Verbindung mit Nickel und Kobalt; die gewöhnlichen Eisen-
erze, welche zur Eisengewinnung dienen, sind:
Roteisenstein (Eisenoxyd),
Brauneisenstein (Eisenoxydhydrat),
Spateisenstein (kohlensaures Eisenoxydul).
Es giebt auch schwefelhaltige Eisenmineralien, wie der
Schwefelkies (FeS2) und Magnetkies, sowie phosphorhaltige,
wie das Raseneisenerz (phosphorsaures Eisenoxyduloxyd);
jedoch eignen sich dieselben nicht zur Metallbereitung, da schon
Va Proz- Schwefel das Eisen rotbrüchig (in der Glühhitze spröde),
Phosphor dasselbe kaltbrüchig (in der gewöhnlichen Temperatur
nicht hämmerbar) macht.
Die Eisengewinnung besteht in
der Reduktion der genannten oxydischen
Erze durch Kohle und wird in sog. Hoh-
öfen (Fig. 58) vorgenommen. Dieselben
sind Schachtöfen, an deren oberer Öffnung
a (Gicht) abwechselnd die Eisenerze und
Kohlen eingetragen werden. Das Mauer-
werk (m) verengert sich nach unten in
das „Gestell" g, woselbst der eigentliche
Schmelzprozess vor sich geht. Daselbst
wirken zwei Gebläse (an den sog. „For-
men" f). Das geschmolzene Metall sam-
melt sich am Boden des „Gestelles", dem
sog. „Herd", der nach vorn vom „Tümpel-
stein" t und „Wallstein" w, zwei feuer-
festen Steinen, begrenzt ist. Durch eine
Rinne neben dem Wallsteine — die sog. Fig. 58.
„Stichöffnung" — wird der Herd, wenn er gefüllt ist, entleert.
Die Eisenerze erhalten stets einen Zuschlag bald quarziger,
bald kalkiger Gangart, um eine leichtflüssige Schlacke zu erzeugen,
welche das abgelassene Metall bedeckt und vor der oxydierenden
Wirkung der Luft schützt.
Das Produkt des Hohofenprozesses ist das Roheisen, auch
Gu ss eisen genannt, Eisen mit 3 — 5 Proz. Kohle, welche zum
Teil mit dem Eisen in chemischer Verbindung steht. Es ist leicht
schmelzbar und spröde; beim Auflösen in Säure entweicht der
chemisch gebundene Kohlenstoff mit dem entwickelten Wasser-
stoff als (übelriechendes) Kohlenwasserstoff gas; die mechanisch bei-
gemischte Kohle bleibt dagegen als schwarzer, kohliger Rückstand.
— 202 -
Aus dem Roheisen stellt man durch den sog. Frisch-
pro z e s s das Stabeisen dar , dessen Kohlegehalt nur 1j2 Proz.
beträgt. Dieser Frischprozess ist eine Oxydation, indem man das
Roheisen, unter Zuschlag oxydischer Eisenverbindungen, z. B.
Hammerschlag (Eisenoxyduloxyd), vor der Gebläseluft wiederholt
niederschmilzt, bis das Metall zähflüssig geworden ist. Dabei ver-
brennt der Kohlenstoff. Man nimmt diesen Prozess in Flammen-
öfen (sog. Puddlingsöfen), früher in offenen sog. Frischherden vor.
Das Stabeisen ist sehr strengflüssig, aber geschmeidig und zähe.
Zwischen Roheisen und Stabeisen hält der Stahl die Mitte ;
er besitzt die Schmelzbarkeit des ersteren, die Geschmeidigkeit
des letzteren, übertrifft sie aber an Härte und Elastizität. Sein
Kohlenstoffgehalt schwankt zwischen 1 und 2 Proz. Man gewinnt
den Stahl teils aus dem Roheisen durch einen dem Frischprozess
ähnlichen, aber nicht soweit fortgesetzten Vorgang, teils aus dem
Stabeisen durch Erhitzen mit Kohlenpulver in verschlossenen
Kisten. Ersteres Verfahren giebt den sog. deutschen Stahl,
letzteres den englischen oder Cementstahl. Nach dem
Hämmern erfordert der Stahl ein schnelles Abkühlen, wodurch er
seine Härte und Sprödigkeit gewinnt; lässt man ihn langsam er-
kalten, wird er so weich wie Stabeisen. Zu den verschiedenen techni-
schen Zwecken giebt man dem Stahl dadurch die gewünschte Härte,
dass man ihn bis zu gewissen Temperaturen erhitzt, ihn ,,anlässtu,
und dann schnell abkühlt. Diese Hitzegrade geben sich durch
Farbennüancen zu erkennen, vom Purpurrot bis Tiefblau.
Zu den Präparaten des Eisens verwendet man teils Eisen-
draht (Ferrum in filis), teils Eisenfeile (Ferrum lima-
tum, Limatura Martis), beide aus Stabeisen bestehend. Zum
innerlichen Gebrauche dienen: a) das Eisenpulver, Ferrum
pulveratum, ein schweres, bläulichgraues, feines Pulver, durch
Stossen und Beuteln der Eisenfeile dargestellt und durch noch-
maliges Reiben metallisch glänzend gemacht; b) das reduzierte
Eisen, Ferrum reductum, durch Reduktion des Eisenoxyds
mittelst Wasserstoffgas in rotglühenden Porzellanröhren gewonnen
(Fe203 +6H = 2Fe + 3H50), ein dunkelgraues, glanzloses Pulver,
häufig aber infolge unvollendeter Operation durch einen Rückhalt
an Eisenoxyduloxyd schwarz.
Prüfung des metallischen Eisens. 1) Das Ferrum pulveratum
muss sich in Salzsäure völlig auflösen (Rückstand: Kohle), das dabei ent-
bundene Wasserstongas färbe nicht Silbernitrat (Schwärzung: 6c hwe feieisen);
die salzsaure Lösung trübe sich nicht mit H2S (dunkle Trübung: Kupfer, Blei);
mit Salpetersäure höher oxydiert und durch Salmiakgeist ausgefällt, darf
Schwefelammonium im Filtrate keine Trübung (weiss : Zink) mehr erzeugen.
Löst man den Rückstand, den die Salzsäure löst, in Salpetersäure, so darf
H2S diese nicht trüben (dunkle Trübung: Blei, Kupfer), überschüssiges
Ammoniak nicht bläuen ( Kupfer).
— 203 —
2. Das Ferrum reductum entwickele ebenfalls beim Lösen in Salz-
säure ein Wasserstoffgas, welches Silbernitrat nicht färben darf (schwarz:
Schwefeleisea) ; sein Gehalt an metallischem Eisen wird durch Kaliumper-
manganat bestimmt, nachdem man das metallische Eisen durch Digestion
mit Quecksilberchlorid als Eisenchlorür in Lösung übergeführt hat. (Fe -j-
2HgCl, = FeCL + Hg2Cl2).
§ 177. Eigenschaften des Eisens. Das chemisch reine Eisen be-
sitzt eine glänzend weisse Farbe; der Stahl nimmt nächst dem
Silber die schönste Politur an. Das spezifische Gewicht des Roh-
eisens ist 7,1, des Stabeisens 7,7, des Stahls 7,8. An trockner
Luft bleibt das Metall unverändert, überzieht sich aber an feuchter
Luft mit Rost (Eisenoxydhydrat mit kohlensaurem Eisenoxydul);
in der Glühhitze verbrennt es oberflächlich , das entstehende
schwarze Eisenoxyduloxyd springt darauf beim Hämmern als
Hammerschlag ab. In der Glühhitze zersetzt das Metall den
Wasserdampf, Wasserstoffgas entweicht, und Eisenoxyd entsteht.
Verdünnte Säuren lösen das Eisen, unter Entbindung
ihres Wasserstoffs, auf und bilden Eisenoxydul-
salze, welche an der Luft durch Sauerstoffaufnahme allmählich
in Oxydsalze übergehen.
Das Eisen ist in seinen Oxydul(Ferro)-Yerbindungen zwei-
wertig, in seinen Oxyd(Ferri)-Salzen vierwertig, wenn aber ein
Doppelatom Eisen in ihnen enthalten ist, halten sich 2 Yalenzen
gebunden und das Doppelatom tritt sechswertig auf. Daher die
Formel des Eisenoxyduls FeO, des Eisenoxyds Fe203.
Mit Schwefel verbindet sich das Eisen zu Eisensulfid, FeS
(schwarzem Schwefeleisen), und zu Eisenbisulfid, FeS2
(Schwefelkies); jenes löst sich leicht in verdünnten Säuren, dieses
nur in Königswasser.
Erkennung der Eisensalze: Die Salze des Eisens werden durch
Schwefelwasserstoff nur unvollständig, aus saurer Lösung gar nicht
gefällt (wegen der Löslichkeit des Schwefeleisens in Säuren).
Schwefelammonium scheidet jedoch schwarzes FeS aus ihnen
aus. — Die Eisenoxydulsalze besitzen meist eine hellgrüne Farbe,
die Oxydsalze eine braunrote. Durch Schwefelcyankalium färben
sich die Eisen oxyd salze blutrot, ebenso durch essigsaure Salze
(Liquor Ferri aceticü). Gelbes Blutlaugensalz (Ferrocyankalium)
erzeugt mit den Eisenoxydsalzen, rotes Blutlaugensalz (Ferri-
cyankalium) mit den Eisenoxydulsalzen tiefblaue Niederschläge
(Berlinerblau) — Mittel zur Unterscheidung der Oxyd- von den
Oxydulsalzen des Eisens !
Als wesentlicher Bestandteil des Blutfarbstoffs dient das Eisen
zur besseren Blutbereitung und ist in seinen zahlreichen Präparaten
ein geschätztes Mittel gegen Blutarmut, Bleichsucht u. s. w.
— 204 —
§ 178. Die Sauerstoffverbindungen des Eisens. Das Ferrosulfat
oder schwefelsaure Eisenoxydul (FeS04 -f- 7aq.), ge-
wöhnlich Eisenvitriol oder grüner Yitriol genannt, krystal-
lisiert in hellgrünen, rhombischen, leicht in Wasser, nicht in
Weingeist löslichen Säulen, dem Bittersalze isomorph. Das im
Handel vorkommende rohe Salz, Ferrum sulfuricum crudum, ist
ein Nebenprodukt bei der Alaunfabrikation, beim Cementkupfer
(daher seine Bezeichnung „Kupferwasser'1, „Kupferrauch"), bei der
Schwefel- und Schwefelsäuregewinnung aus dem Schwefelkies,
dessen Rückstand (FeS) der Röstung unterworfen wird.
Das reine Salz, Ferrum sulfuricum (purum), entsteht unter
Wasserstoffentbindung bei Auflösung von Eisen in verdünnter
Schwefelsäure.
Fe + H2S04 = FeS04 -+- 2H
Eisen Schwefelsäure Eisensulfat Wasserstoff.
Fügt man der klaren Lösung Weingeist hinzu, so fällt das
Salz als grünlichweisses Krystallmehl nieder, da es sich darin
nicht auflöst. Im Wasserbade trocknet es ein zu einem weiss-
lichgrauen Pulver, dem entwässerten schwefelsauren
Eisenoxydul, Ferrum sulfuricum siccum (FeS04 -j- aq.),
welches noch 1 Mol. Krystallwasser zurückbehält.
An der Luft oxydiert sich der Eisenvitriol leicht zu basisch
schwefelsaurem Eisenoxyd, eine gelbliche Farbe annehmend.*)
Um ihn davor zu schützen, wäscht man die Krystalle mit Wein-
geist ab und trocknet sie im direkten Sonnenlichte. Oxydierende
Mittel, wie Salpetersäure, Chlor (infolge Salzsäurebildung durch
Wasserzersetzung) , übermangansaures Kali u. a. , führen das
schwefelsaure Eisenoxydul in neutrales Oxydsalz über, sofern
freie Schwefelsäure zugegen ist. Nämlich:
2FeS04 + H2S04 + 0 = Fe23S04 + H20
schwefelsaures Schwefel- Sauer- schwefelsaures Wasser.
Eisenoxydul säure Stoff Eiseooxyd
Prüfung des schwefelsauren Eisenoxyduls. Man erhitzt die kon-
zentrierte Lösung des Salzes mit Salpetersäure zur völligen Oxydierung
und fällt die mit Wasser verdünnte Flüssigkeit mit überschüssigem Sal-
miakgeist aus; das Filtrat darf weder blau gefärbt erscheinen {Kupfer),
noch durch Schwefelammonium getrübt werden (schwarzer Niederschlag:
Kupfer, weisser Niederschlag: Zink), auch keinen Glührückstand hinterlassen.
b) Das Ferrisulfat oder schwefelsaure Eisenoxyd
(Fe23S04), als Liquor Ferri sulfarici oxydati offizineil, eine
braune, schwere Flüssigkeit, wird durch Erhitzen einer Eisen-
vitriollösung mit reiner Schwefelsäure, unter Zugabe von Salpeter-
säure, gewonnen. Die Salpetersäure führt das Oxydulsalz in
Oxydsalz über, sich zu Stickoxyd reduzierend, welches Gas anfäng-
lich von dem noch vorhandenen Oxydulsalze mit dunkelbrauner
*) FeS04 n _ v i 2S04
FeSO* + H20 + 0 _ ie2 | mQ
— 205 —
Farbe zurückgehalten wird, bis gegen Ende der Oxydation, wenn
kein schwefelsaures Eisenoxydul mehr zugegen ist, sämtliches
Stickoxydgas stürmisch entweicht und an der Luft in braunrote
Untersalpetersäure übergeht.
6Fe,S04 + 3H2S04 + 2HN03 = 3Fe23S04 4- 4H20 + 2NO
Ferrosulfat Schwefelsäure Salpetersäure Ferrisulfat Wasser Stickoxydgas.
Zur Vertreibung der überflüssigen Salpetersäure dampft man
dann die Flüssigkeit zu einer dicken Masse ein und verdünnt
sie mit Wasser bis zum spec. Gew. 1,428 — 1,430, mit 10 Proz. Fe.
Prüfung: Die Abwesenheit jedweder freien Säure wird dadurch kon-
statiert, dass man einige Tropfen mit unterschwefligsaurer Natronlösung
erhitzt, wobei einige braune Eisenoxyd-Flocken sich ausscheiden müssen.
Mit Wasser verdünnt, darf der Liquor weder durch Ferridcyankalium (blau:
Eisenoxydulsalz), noch durch Silbernitrat (weiss: Eisenchlorid) getrübt
werden; mit Ammoniak ausgefällt, darf das Filtrat mit Schwefelsäure und
Eisenvitriol keine Salpetersäure anzeigen, noch angesäuert durch Ferro-
cyankalium getrübt werden (braunrot: Kupfer).
Man gebraucht den Liquor zu Antidotum Arsenici, zu welchem
Behufe in jeder Apotheke 1 Pfd. Liq. Ferri sulf. oxyd. vorrätig
sein muss.
c) Versetzt man eine Lösung von schwefelsaurem Eisen-
oxydul mit einem kohlensauren Alkali, so fällt Ferrokarbonat
oder kohlensaures Eisenoxydul (FeC03) als anfangs weisser,
sehr bald graugrünlicher Niederschlag, während schwefelsaures
Alkali in Lösung bleibt. Dasselbe Salz befindet sich (ähnlich
dem kohlensauren Kalk) in den Stahlwässern oder Eisen-
säuerlingen, von der überschüssigen Kohlensäure aufgelöst.
An der Luft oxydiert sich das kohlensaure Eisenoxydul mit
grösster Begierde, unter Abgabe von Kohlensäure, zu braunrotem
Eisenoxydhydrat. Ein Zusatz von Zucker verzögert diese Zer-
setzung, weshalb das Salz als Ferrum carbonicum saccharatuin
mit 80 Proz. Zucker vorrätig gehalten wird. Ist dieses Präparat
braun geworden, so ist es durch Kohlensäureverlust und Sauer-
stoffaufnahme verdorben.
d) Versetzt man eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd
mit einem kohlensauren oder ätzenden Alkali, so fällt Eisen-
oxydhydrat (Fe203,3H20) als voluminöser braunroter Nieder-
schlag, während die Kohlensäure entweicht, da kein kohlensaures
Eisenoxyd besteht. Beim Trocknen verliert dieses Terhydrat des
Eisenoxyds den dritten Teil des Wassers und wird zu Bihydrat
(Fe203,2H20), als Ferrum oxydatum fuscum offizinell.
F23S04 + 6NH3 + 6H20 = Fe2033H20 -f 3(NH4)3S04
schwefeis. Eisenoxyd Ammoniak Wasser Eisenoxydterhydrat schwefeis. Ammoniak.
Bei 100° getrocknet geht das Bihydrat in Monohydrat (Fe203,
H20), in der Glühhitze in Eisenoxyd (Fe203) über. Das Terhydrat
verbindet sich mit schwächeren Säuren, z. B. Essigsäure, Citronen-
säure, arseniger Säure, mit denen das getrocknete Bihydrat sich
- 206 —
nicht vereinigt ; daher bereitet man das als Gegengift des Arseniks
dienende Eisenoxydterhydrat — Antidotum Arsenici —
vorkommenden Falles frisch durch Zersetzung der schwefelsauren
Eisen oxydflüssigkeit mittelst gebrannter Magnesia.
Das Eisenoxyd findet sich in der Natur weit verbreitet als
Roteisenstein, dessen faserige Modifikation der Blutstein
(Lapis Haematitis) darstellt; bei der Destillation der Nord-
häuser Schwefelsäure bleibt es als Totenkopf (Caput mor-
tuum), ein rotes Farbmaterial, zurück.
a) Der Eisen zuck er, Ferrum oxydatum saccharatum
solubile, ist Eisensaccharat, d. i. eine chemische Verbindung des
Rohrzuckers mit Eisenoxyd, die sich in Wasser leicht auflöst
und entsteht, wenn man feuchtes Eisenoxydhydrat mit Zucker-
pulver eintrocknet. Daher scheidet ein ätzendes oder kohlensaures
Alkali aus einer mit Zucker versetzten Eisenoxydlösung kein
Eisenoxydhydrat aus, weil dasselbe als Eisenzucker in Lösung
verbleibt. — Das offizineile Präparat enthält 3 Proz. Eisen und
muss sich klar in Wasser lösen zu einer rotbraunen Flüssigkeit,
die beim Sieden Eisenoxydhydrat abscheidet.
f) Das phosphorsaure Eisenoxydul, Ferrum phosphoricum,
fällt beim Versetzen einer Eisenvitriollösung mit pbosphorsaurem Natron
als weisser Niederschlag (3Fe2P04), welcher beim Trocknen bläulich wird,
indem das Salz durch Sauerstoffanziehung in phosphorsaures Eisenoxydul-
oxyd übergeht.
g) Das pyrophosphorsaure Eisenoxyd (2Fe.23P207) entsteht als ein
weisser Niederschlag, wenn man eine Eisenoxydsalzlösung mit pyrophos-
phorsaurem Natron versetzt. Dieses Eisensalz löst sich in einem Überschuss
des pyrophosphorsauren Natrons zu einem leichtlöslichen Doppelsalze, dem
pyrophosphorsauren Eisenoxyd-Natron, Natrum pyrophospho-
ricum ferratum, welches aus seiner Lösung durch Weingeistzusatz als
weissliches Pulver ausgeschieden wird; es löst sich auch in citronensaurem
Ammoniak zu einer grünlichen Flüssigkeit, die man auf Glasplatten oder
Porzellantellern zu Lamellen eintrocknet: Ferrum pyrophosphoricum
cum Ammonio citrico. Atzalkalien scheiden aus dessen Lösung kein
Eisenoxydhydrat, zerlegen es aber beim Sieden: Ammoniak entweicht, und
gelbliches phosphorsaures Eisenoxyd setzt sich ab.
h) Löst man frischgefälltes Eisen oxydhydrat in verdünnter
Essigsäure, so erhält man die essigsaure Eisenoxydflüssig-
4P TT O
keit, Liquor Ferri acetici, welche basisches Salz Fe2 ( oWÄ 2)
enthält. Beim Erhitzen zersetzt sie sich, unter Abscheidung von
Eisenoxydhydrat; bei vorsichtigem Eintrocknen lässt sie sich
indessen in feste Form bringen. Sie enthält beim spez. Gew.
1,082 etwa 5 Proz. Fe. Das essigsaure Eisenoxyd zeichnet sich
durch seine blutrote Färbung aus, verliert sie aber (zum Unter-
schied von Sehwefelcyaneisen) auf Säurezusatz.
§ 179. Haloidsalze des Eisens, a) Löst man Eisen in verdünn-
— 207 —
ter Salzsäure auf, so bildet sich unter Wasserstoffentwicklung
eine grünliche Flüssigkeit, welche, zur Trockne eingedampft,
grünlichesEisenchlorür, Ferrum chloratum (FeCl2), liefert.
Dasselbe zieht aus der Luft begierig Sauerstoff an, wird gelb,
und schwerlöslich.
b) Das Eisen chlorid, Ferrum sesquichloratuni (Fe2
Cl6 -f- 12 aq.) krystallisiert in gelben, zerfliesslichen Massen, welche
sich leicht in Wasser, Weingeist und ü.ther lösen. Seine wässerige
Lösung ist Eisenchloridflüssigkeit, Liquor Ferri sesqui-
chlorati vom spez. Gew. 1,23, eine safrangelbe, fast ölig fliessende
Flüssigkeit. Man gewinnt sie durch Einleiten von Chlorgas in
eine Eisenchlorürlösung :
2FeCL + 2C1 = Fe2Cl6
Eisenchlorür Chlor Eisenchlorid
oder auch durch Eintragen von Salpetersäure in die mit Salzsäure ver-
setzte Eisenchlorürlösung, wobei die Salzsäure zu Chlor oxydiert
und die Salpetersäure zu Stickoxydgas reduziert wird. Hierbei
wird das Stickoxydgas mit braunschwarzer Farbe gelöst gehalten,
solange noch Eisenchlorür vorhanden ist; beim letzten Zusatz
von Salpetersäure entweicht alles Gas in stürmischer Weise.
6FeCl2 + 6HC1 + 2HN03 = 3Fe2Cle + 4H20 + 2NO
Eisenchlorür Chlorwasserstoff Salpetersäure Eisenchlorid Wasser Stickoxydgas.
Prüfung der Eisenchloridflüssigkeit: Ein mit Ammoniak befeuchteter
Glasstab darf beim Darüb erhalten keine weissen Nebel bilden {freie Salz-
säure), auch mit Jodzinkstärkelösung benetztes Papier darf sich nicht
bläuen {freies Chlor); einige Tropfen des Liquor, mit unterschweüigsaurer
Natronlösung erhitzt, müssen einige braune Flocken Eisenoxyd abscheiden
(verlangte Neutralität). Mit Wasser verdünnt und angesäuert darf sie sich
durch Ferridcyankaliuni nicht bläuen {Eisenchlorür); nach dem Ausfällen
mit Ammoniak darf das Filtrat keinen Grlührückstand lassen, auch mittelst
Schwefelsäure und Eisenvitriollösung keine Salpetersäure anzeigen und
angesäuert weder durch Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Eisenoxyd),
noch durch Ferro cyankalium getrübt werden (braunrot: Kupfer).
c) Löst man frisch gefülltes Eisenoxydhydrat in wenig Salz-
säure auf, so gewinnt man das Eisenoxychloricl, Liquor
Ferri oxychlorati,eine dunkelrotbraune Flüssigkeit mit 3,5 Proz.
Fe, welches als sehr basisches Eisenchlorid darin aufgelöst ist.
Silbernitrat fällt aus derselben kein Chlorsilber aus. Man hat
das gleiche Präparat auch durch Dialyse dargestellt und Ferrum
dialysatum genannt
Zur Darstellung des dialysierten Eisens wird eine Eisen chlorid-
lösung portionenweise mit Ammoniak versetzt, so lange sich der anfangs
entstehende Niederschlag (Eisenoxydhydrat) beim Stehen wieder auflöst.
Schliesslich bringt man die klare Flüssigkeit, welche neben dem gebildeten
Chlorammonium Eisenoxychlorid (basisches Eisenchlorid) enthält, auf einen
Dialysator (vgl. S. 5); das Chlorammonium tritt allmählich in das äussere
Wasser über, das Eisenoxychlorid bleibt auf dem Dialysator zurück.
d) Der Eisen salmiak, Ammonium chloratum ferratum,
- 208 —
ist ein hygroskopisches, orangegelbes Doppelsalz aus Salmiak
(NH4C1) und Eisenchlorid (Fe6Cl6).
e) Lässt man Eisen mit Jod und Wasser in Berührung, so
lösen sie sich zu einer grünlichen Flüssigkeit, indem sie sich zu
Eisenj odür, Ferrum jodatum (FeJ2), verbinden. (Solange noch
freies Jod zugegen ist, erscheint die Lösung rotbraun, wird aber
grünlich, wenn die nötige Menge Eisen aufgelöst ist.) Dieses
Salz nimmt mit grösster Begierde Sauerstoff aus der Luft an
und scheidet Jod aus. Dagegen hält sich das Eiseüjodür in
Mischung mit Zucker länger in guter Beschaffenheit, teils trocken
als Ferrum jodatum saccharatum (8 Teile Milchzucker -4-2
Teile Eisenjodür) , teils in Lösung als Syrupus Ferri jodati
(mit 5 Proz. Eisenjodür). Ähnlich wie der Zucker, wirkt das
Sonnenlicht auf die Eisenoxydulsalze konservierend, auf die Eisen-
oxydsalze reduzierend, weshalb die letzteren in geschwärzten
Gläsern, die ersteren möglichst im Lichte aufzubewahren sind.
Eisenjodür wird ex tempore bereitet aus 3 Teilen Eisen und
8 Teilen Jod; Summa 10 Teile Eisenjodür.
Praktische Übungen.
1. Ferrum sulfuricum purum. Man verdünne 3 Teile englische
Schwefelsäure mit 12 Teilen Wasser, füge 3 Teile metallisches Eisen —
Nägel, Draht oder Feilspäne — hinzu und erwärme gelinde; wenn die
Gasentbindung nachlässt, filtriere man schnell. Beim Erkalten krystallisiert
das schwefelsaure Eisenoxydul in grünen Säulen aus. Rührt man aber die
verkühlende Lauge anhaltend um, so scheidet sich das Salz als hellgrünes,
feinkörniges Krystallmehl aus, ebenso wenn die Flüssigkeit mit dem dritten
Teil Weingeist versetzt und umgerührt wird. Die Krystalle trockne man
auf Fliesspapier an der Luft.
2. Liquor Ferri sesquichlorati. Man erwärme 11 Teile Eisen
— Nägel, Draht, Feilspäne — mit 52 Teilen reiner Salzsäure, filtriere nach
vollendeter Lösung und beendigter Gasentwicklung die grünliche Flüssig-
keit schnell von dem geringen Rückstand ab und gebe 26 Teile reine
Salzsäure hinzu; dann tröpfle man, während die Flüssigkeit in einer ge-
räumigen Schale unter freiem Himmel erhitzt wird, soviel Salpetersäure
(12 Teile) in kleinen Portionen zu, bis die anfangs entstehende dunkle
Färbung in rotgelb umgeändert und reichlich Stickoxydgas entbunden
wird. (Eine kleine Probe, mit Wasser verdünnt, darf einen Tropfen über-
mangansaure Kalilösung nicht mehr entfärben, sondern muss sich damit
röten.) Nun dampft man die Flüssigkeit bis auf 49 Teile ab (worauf an
einem kühlen Orte wasserhaltiges Eisenchlorid auskrystallisieren würde),
und verdünnt sie mit Wasser zu 100 Teile.
3. Ferrum jodatum saccharatum. Man übergiesse in einem
Kölbchen 3 Teile Eisenpulver mit 10 Teilen Wasser und gebe nach und
nach 8 Teile Jod hinzu, anfänglich schwach erwärmend. Das Jod löst sich
in dem entstehenden Eisenjodür mit braunroter Farbe auf, bis schliesslich
das Ganze in grünliche Eisenjodürflüssigkeit übergegangen ist. Dann
filtriere man dieselbe schnell vom restierenden Eisen ab in eine Schale,
worin sich 40 Teile Milchzuckerpulver befinden, wasche das Filter mit
wenigem Wasser aus und dampfe die Masse im Wasserbad zur Trockne.
— 209 —
4. Ferrum oxydatum fuscum. Man verdünne 40 Teile schwefel-
saure Eisenoxydlösung (oder 21,5 Teile Eisenchloridfliissigkeit) mit 160
Teilen destilliertem Wasser und giesse unter kräftigem Umrühren eine
Mischung aus 32 Teilen Salmiakgeist und 64 Teilen Wasser hinzu, so dass
alkalische Reaktion eintritt. Nach dem Absetzen giesse man die klare
Salzlauge ab und wasche den Niederschlag durch wiederholtes Aufgeben
destillierten Wassers, Absetzenlassen und Dekantieren gut aus, bis das
Ablaufende keinen Geschmack mehr zeigt. Alsdann sammle man das
Eisenoxydhydrat auf ein leinenes Tuch, lasse wohl abtröpfeln, schlage das
Tuch zusammen und presse den Inhalt langsam trocken, worauf man ihn
in sehr gelinder Wärme völlig trockne.
5. Ammonium chloratum ferratum. Man mische 16 Teile Chlor-
ammonium mit 4,5 Teilen Eisenchloridflüssigkeit in einer Porzellanschale
und dampfe im Wasserbad unter stetem Umrühren mit einem Glasstabe
zur Trockne ein.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Eisenvitriol gewinnt man durch Auflösen von 1 kg Eisen
in verdünnter Schwefelsäure? — Antw. Fe : (FeS04 + 7H20) = 56 : 278;
x = 5 kg.
2. Wieviel entwässertes Salz erhält man aus 100 g Eisenvitriol? —
Antw. (FeS04 + 7 H20) : (FeS04 -4- H,0) = 278 : 170; x = 61 g.
3. Wieviel Eisenjodür liefern 100 ^ Jod? — Antw. 2J : FeJ, =
(2 X 127) : (56 + 2 X 127); x = 122 g.
26. Zink und seine Salze,
§ 180. Wie gewinnt man das Zink? Das Zink, bereits im 16.
Jahrhundert dem berühmten Paracelsus bekannt, findet sich
nicht gediegen in der Natur. Seine Erze sind: der G-almei
(kohlensaures Zinkoxyd) und Kieselgalmei (kieselsaures Zink-
oxyd), sowie die Zinkblende (Schwefelzink).
Den Galmei reduziert man direkt mit Kohle, die Blende be-
darf jedoch zuvor der Röstung , um in Zinkoxyd überzugehen
und dann mit Kohle reduziert zu werden. Da das Zink in der
"Weissglühhitze flüchtig ist, gestaltet sich der Eeduktionsprozess
zu einer Destillation, welche man teils in horizontalliegenden
thönernen Röhren (belgisches Verfahren), teils in Tiegeln (eng-
lisches Yerfahren) , teils in Muffeln (schlesisches Verfahren) vor-
nimmt.
In Belgien beschickt man eine Anzahl reihenweise neben
einander in einem Ofen liegender Röhren aus feuerfestem Thon
mit Zinkerz und Kohle; ihre vorderen Enden sind mit Vorlagen
zur Ansammlung kondensierten Zinkes verbunden, und diese
wieder mit wagerechten offenen Röhren, sog. Allongen, worin
sich die verbrannten Zinkdämpfe als Zinkblumen (Oxyd) ansetzen.
In England benutzt man Tiegel mit durchbohrtem Boden,
dessen Loch mit einem hölzernen Pfropf verschlossen wird; der
Schlickum, Apothekerlehrling. 14
— 210 —
letztere verkohlt in der Glühhitze und lässt die Zinkdämpfe durch-
treten, welche sich in einem System von Röhren verdichten und
abfliessen.
Die in Schlesien gebräuchlichen Muffeln bestehen aus feuer-
festem Thon, werden von der Flamme des Ofens umspielt und
lassen durch ein oberseits angesetztes Rohr, welches sich senk-
recht herab verlängert, die Zinkdämpfe in den Kondensations-
raum treten.
Die Reduktion des Zinkoxyds durch Kohle beruht auf der
Gleichung :
ZnO + C = Zn + CO
Zinkoxyd Kohle Zink Kohlenoxyd.
§ 181. Eigenschaften des Zinks. Das Zink ist ein bläulich-
weisses Metall mit krystallinischem Gefüge, in der Kälte spröde,
zwischen 120° und 150° hämmerbar, in beginnender Rotglühhitze
schmelzend, in der Weissglühhitze siedend. Wo sein Dampf
mit der Luft in Berührung gelangt, verbrennt es zu Zinkoxyd,
welches sich als sog. Zinkblüten, Flor es Zinci, an kalte
Körper ansetzt. An trockner Luft hält sich das Metall unver-
ändert, an feuchter überzieht es sich allmählich mit einer weissen
Oxydschicht. In verdünnten Säuren löst es sich, wie
das Eisen, unter Wasserstoffentwicklung, zu einem
Zinkoxydsalz auf. Spez. Gew. 7,0.
Das Zink ist ein zweiwertiges Element, welches sich
direkt mit Sauerstoff zu Zinkoxyd (ZnO), mit Schwefel zu
Zinksulfid (ZnS) verbindet. Mit Chlor vereinigt es sich zu
Zinkchlorid (ZnCl2), mit Jod zu Zinkjodid (Zn J2).
Erkennung des Zinks: Die Zinks alze werden aus ihren Lösungen
durch Schwefelwasserstoff nur unvollständig, durch Schwefelammo-
nium vollständig als weisses Schwefelzink gefällt; mit Salzsäure
oder Schwefelsäure angesäuert, werden sie jedoch durch H2S nicht
getrübt. Essigsaures Zinkoxyd wird aber durch H28 vollständig aus-
gefällt. — Ätzende Alkalien, auch Ammoniak, fällen aus den Zink-
lösungen weisses Zinkoxydhydrat (Zn2HO); ein Überschuss des
Alkalis löst aber dasselbe mit Leichtigkeit wieder auf. Schwefel-
wasserstoffwasser oder Schwefelammonium scheidet aus dieser
Lösung weisses Schwefelzink aus.
Die Zinksalze wirken äusserlich ätzend, innerlich giftig.
§ 182. Das Zinkoxyd. Das durch Verbrennen des Zinkdampfes
erzeugte Zinkoxyd ist das käufliche Zinkoxyd, Zincum oxy-
datum cradum (ZnO), im Handel als Zinkweiss bekannt und
an Stelle von Bleiweiss zu Ölfarben und Lacken benutzt, da es
sich durch Schwefelwasserstoff - Einwirkung nicht schwärzt. Es
— 211 —
stellt ein weisses, beim Erhitzen vorübergehend gelb werdendes
Pulver dar, welches sich nicht in Wasser, aber leicht in Säuren
und auch in Ätzalkalien löst. Man gewinnt es im Grossen, indem
man Zink in irdenen Betörten erhitzt und seine Dämpfe mit
einem erhitzten Luftstrom zusammenführt, worin sie verbrennen;
das gebildete Oxyd wird vom Luftstrom in Kammern fortgeführt,
an deren Wände es sich absetzt.
Das reine Zinkoxyd, Zincnm oxydatum (purum), aus-
schliesslich zum inneren Gebrauche bestimmt, wird ähnlich der
gebrannten Magnesia gewonnen. Zunächst fällt man Zinkvitriol mit
Soda, wäscht und trocknet das ausgeschiedene basisch kohlensaure
Zinkoxyd und glüht es in Tiegeln bis zur Vertreibung der Kohlensäure.
Prüfung des Zinkoxyds auf Reinheit: 1. Das reine Zinkoxyd
darf keine löslichen Stoffe (zufolge mangelhaften Auswaschens) enthalten;
schüttelt man es mit Wasser, so darf das Filtrat weder mit Baryt- noch
mit Silberlösung getrübt werden (weiss: schwefelsaures Natron resp. Chlor-
natrium). Das Zinkoxyd muss sich ohne Aufbrausen (Kohlensäure) in
Essigsäure lösen, werde daraus durch überschüssiges Ammoniak nicht und
dann durch Schwefelwasserstoffwasser weiss ausgeschieden — ein dunkler
Niederschlag zeigt Eisen, Blei an; die ammoniakalische Lösung darf sich
nicht trüben durch oxalsaures Ammoniak und phosphorsaures Natron (weiss :
Kalk resp. Magnesia). 2. Das käufliche Zinkoxyd löse sich völlig und
ohne Aufbrausen in Essigsäure und werde durch überschüssige Natronlauge
I nicht daraus ausgeschieden (Trübung: Magnesia); Jodkalium darf die essig-
saure Lösung nicht trüben (gelb: Bleiweiss).
§ 183. Zinksalze, a) Das Zinksulfat oder schwefel-
saure Zinkoxyd, Zincum sulfuricum (ZnS04 -f- 7aq.), krystal-
i lisiert in leichtlöslichen , farblosen , nadeiförmigen Säulen , von
gleicher Form wie Bittersalz und Eisenvitriol, saurer Reaktion
und metallischem Geschmack. Man stellt den Zinkvitriol entweder
durch Auflösung von käuflichem Zinkoxyd oder von metallischem
Zink in verdünnter Schwefelsäure dar ; im letzteren Falle entweicht
Wasserstoffgas.
I. ZnO + H2S04 = ZnS04 + H20
II. Zn + H2S04 = ZnS04 + 2H.
Da das metallische Zink selten eisenfrei ist und das Eisen-
sulfat vom Zinksulfat durch Krystallisation nicht getrennt werden
kann (als isomorphe Salze) , so sättigt man die gewonnene Salz-
lösung mit Chlorgas, zur Überführung des schwefelsauren Eisen-
oxyduls in Eisenoxydsalz, dann setzt man etwas Zinkoxyd zu,
welches das Eisenoxyd ausscheidet ; die filtrierte Flüssigkeit wird
schliesslich zur Krystallisation eingedampft.
In unreinem Zustande gewinnt man den Zinkvitriol durch
geeignetes Rösten der Zinkblende und bringt ihn in entwässer-
ten Klumpen (ZnS04 + aq.) in den Handel als weissen Vitriol
(Galitzenstein).
14*
— 212 —
Prüfung des Zinkvitriols: Die Lösung bleibe mit überschüssigem
Salmiakgeist klar und gebe darauf mit Schwefelwasserstoffwasser einen
weissen Niederschlag (ein dunkelfarbiger Niederschlag zeigt Eisen oder
Kupfer an) ; phosphorsaures Natron trübe nicht die ammoniakalische Lösung
(weiss: Magnesia). Die wässerige Salzlösung trübe sich nicht mit Silber-
nitrat (weiss: Chloizink) ; mit Chlorwasser und Salzsäure erhitzt, verändere
sie sich nicht durch Schwefelcyankalium (Rötung: Eisen), noch durch H2S
(dunkle Trübung: Blei, Kupfer). Das Salz darf, mit Natronlauge erhitzt,
kein Ammoniak abgeben, auch keine Salpetersäure verraten durch Bläuung
nach Zusatz von Schwefelsäure, Zink und Jodzinkstärkelösung. (Durch die
Wasserstofientwicklung wird die Salpetersäure zu Untersalpetersäure und
diese macht aus dem Jodzink das Jod frei, welches die Stärke bläut.)
b) Das essigsaure Zinkoxyd, Zinkacetat, Ziiicum
aceticum (Zn2C2H302 -4-3aq.), krystallisiert aus der Auflösung
des käuflichen Zinkoxyds in verdünnter Essigsäure als farblose
Säulen, welche sich in Wasser leicht auflösen.
Prüfung: Die Lösung muss mit Schwefelwasserstoff einen weissen
Niederschlag geben (dunkelfarbig: Eisen, Kupfer, Blei) und das Filtrat
beim Verdunsten keinen Rückstand hinterlassen (fremde Salze).
c) Das Chlor zink, Zilien in chloratum (ZnCl2), ist ein
stark hygroskopisches und zerfüessliches Salzpulver, welches man
durch Auflösen von Zinkoxyd in Salzsäure und Abdampfen zur
Trockne gewinnt; leicht löslich in Wasser und Weingeist, stark
ätzend. Beim Abdampfen über freiem Feuer entweicht stets
etwas Salzsäure und bleibt basisches Zinkchlorid übrig, welches
sich in Wasser nicht mehr klar löst.
Das Chlorzink wird auf seine Reinheit ähnlich geprüft wie das Zinkvitriol.
Versuche und praktische Übungen.
1. Zinkblüten. Man erhitze ein kleines Zinkstück in einem be-
deckten hessischen Tiegel zwischen glühenden Kohlen. Nachdem der Tiegel
glühend geworden, hebe man ihn heraus; nach dem Erkalten findet man
die Wandung des Tiegels wie die Unterfläche des Deckels dicht bedeckt
mit schneeweissem, sehr lockerem Oxyde.
2. Darstellung von Zincum sulfuricum. Man löse 1 Teil eisen-
freies Zink in 8 Teilen verdünnter Schwefelsäure, zuletzt unter Erwärmen,
und stelle das Filtrat zur Krystallisation bei Seite. — Auch kann man
1 Teil Zinkweiss in 7,5 Teile verdünnter Schwefelsäure lösen, einige Stunden
mit einem Zinkstückchen digerieren (zur Ausscheidung vorhandenen Bleies)
und das Filtrat zum Krystallisieren abdampfen. Die gewonnenen Krystalle
trockne man auf Fliesspapier, ohne Wärme anzuwenden.
3. Zincum oxydatum purum. Man löse 40 </ Zinkvitriol in 120
Teilen Wasser, giesse sie in eine Lösung von 50 g reiner Soda in 600 g
Wasser unter kräftigem Umrühren und lasse einige Stunden digerieren.
Den Niederschlag sammle man auf ein leinenes Tuch, übergiesse ihn wieder-
holt mit heissem Wasser, bis dasselbe geschmacklos abläuft, lasse es gut
abtröpfeln, presse den Niederschlag aus, trockne ihn in der Wärme und
erhitze ihn in einer Porzellanschale, bis 11 g übrig bleiben.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Zinkvitriol liefert 1 g Zink beim Auflösen in Schwefel-
säure? — Antw. Zn : (ZnS04 -j- 7H20) = 65 : 287; x = 4261 g.
— 213 —
2. Wieviel englische Schwefelsäure verlangt 1 <j Zinkoxyd zur Lösung?
— Antw. ZnO : H2S04 = 81 : 98; x = 1210 #.
3. Woran erkennt man das Zinkoxyd? — Antw. Daran, dass es
beim Erhitzen gelb, darauf beim Erkalten wieder weiss wird.
§ 184. Kadmium. Das Kadmium*) ist ein zinnweisses,
dehnbares Metall, welches sich dem Zink eng anschliesst und,
wie dieses, in verdünnten Säuren unter "Wasserstoffentwicklung
auflöst. Es begleitet die schlesischen Zinkerze und wird, da es
flüchtiger ist als das Zink, bei deren Destillation zuerst ge-
wonnen. Sein Dampf verbrennt an der Luft zu braunem Kad-
miumoxyd (CdO).
Das schwefelsaure Kadmiumoxyd, Cadmium sul-
furicum (CdS04 + 4 aq.), krystallisiert aus der Lösung des
Kadmiums in verdünnter Schwefelsäure in Form farbloser, leicht-
löslicher Säulen, welche an der Luft leicht verwittern. Aus ihrer
Lösung scheidet Schwefelwasserstoff gelbes Schwefelkadmium
(CdS) aus, welches sich von dem ihm ähnlichen Schwefelzinn
und Schwefelarsen durch seine Unlöslichkeit in Ammoniakflüssig-
keit unterscheidet.
27. Das Blei und seine Verbindungen.
§ 185. Wie gewinnt man das Blei? Das Blei, seit den ältesten
Zeiten bekannt, findet sich nicht gediegen in der Natur, sondern
an Sauerstoff, mehr aber noch an Schwefel gebunden. So ist
der Bleiglanz (Schwefelblei, PbS), das wichtigste Bleierz, ein
bleigraues, in Würfeln kry stallisiertes , metallglänzendes Mineral.
Die Gewinnung des Metalles aus dem Bleiglanz geschieht
hauptsächlich nach zwei Methoden: entweder man schmilzt das
Erz mit Eisen zusammen — sog. Niederschlagsarbeit, wobei
metallisches Blei sich ausscheidet und Schwefeleisen als Schlacke
darauf schwimmt ; oder man röstet den Bleiglanz , wobei der
Schwefel als schwefligsaures Gras entweicht, das Blei aber sich
zu Bleioxyd oxydiert. Das Röstprodukt wird schliesslich nicht
durch Kohle reduziert, sondern mit ungeröstetem Bleiglanz ein-
geschmolzen; dabei vereinigt sich der Sauerstoff des Bleioxyds
mit dem Schwefel des Schwefelbleies zu schwefliger Säure, während
das gesamte Blei metallisch niederschmilzt, nämlich:
2PbO + PbS = 3Pb + S02
Bleioxyd Schwefelblei Blei schweflige Säure.
§ 186. Eigenschaften des Bleies. Das Blei ist ein bläulich
weisses, sehr weiches und dehnbares Metall, schwerer als Eisen,
*) Kadmium, abgeleitet von -/.aö^Eta (Galmei), wurde 1818 zuerst isoliert.
— 214 —
Zink und Kupfer, denn sein spez. Gew. = 11,3. Es schmilzt
bei beginnender Rotglühhitze leichter wie Zink, etwas schwieriger
als Zinn; geschmolzen überzieht es sich an der Luft mit einer
Haut aus Bleis üb oxyd (Pb20), oxydiert sich aber unter der
Einwirkung der Gebläseluft zu Bleioxyd (PbO). Angesäuertes
Wasser greift das Blei nicht an, aber lufthaltiges veranlasst, zu-
mal bei Gegenwart von Kohlensäure, eine allmähliche Oxydation,
daher eignet sich das Blei nicht für Brunnenröhren. Schwefel-
säure greift das Metall wenig an (wegen der Unlöslichkeit des
schwefelsauren Bleioxyds), weshalb man in der Technik bei Ver-
wendung der Schwefelsäure die Behälter mit Bleiplatten aus-
schlägt. Salpetersäure löst das Blei, unter Stickoxydentwicklung,
leicht zu salpetersaurem Bleioxyd auf. In Berührung mit
organischen Säuren, vorzugsweise Essigsäure, oxy-
diert sich das Blei allmählich durch den Sauerstoff
der Luft und bildet mit der Säure ein Salz.
Das Blei ist ein zweiwertiges Metall, welches sich mit
Sauerstoff in mehreren Yerhältnissen verbindet, aber nur ein
basisches Oxyd, das gelbe Bleioxyd (PbO), bildet, dessen Hy-
drat (Pb2HO) weiss ist. Sauerstoffärmer ist das Bleisub-
oxyd (Pb20), sauerstoffreicher das Bleisuperoxyd (Pb02),
ein dunkelbraunes Pulver, welches Salpetersäure aus der Mennige
abscheidet. — Mit Schwefel verbindet sich das Blei zum unlöslichen,
braunschwarzen Schwefelblei (PbS). — Yon den Bleisalzen,
die meistens farblos sind, lösen sich sehr viele, z. B. das schwefel-
saure Bleioxyd (PbS04) , das kohlensaure und phosphorsaure
Bleioxyd, in Wasser nicht auf; das Chlorblei (PbCl2) sowie das
orangegelbe Jodblei, Plumbum jodatum (PbJ2), lösen sich leichter
in heissem, sehr schwer in kaltem Wasser auf. Sie wirken sämt-
lich innerlich giftig, auf die Gewebteile eintrocknend, sind daher
geschätzte äusserliche Mittel.
Erkennung des Bleis: Die Lösungen der Bleisalze werden durch
verdünnte Schwefelsäure und schwefelsaure Salze weiss gefällt (Blei-
sulfat), ebenso durch kohlensaure Alkalien (Bleikarbonat) ; mit
Schwefelwasserstoff oder Schwefelammonium scheiden sie schwarzes
Schwefelblei ab.
§ 187. Was sind Bleiglätte und Mennige? a) Die Bleiglätte,
Lithargyrum , ist halbgeschmolzenes Bleioxyd (PbO), welches
beim sog. Abtreiben des silberhaltigen Bleies als Nebenprodukt
gewonnen wird. Man setzt nämlich das silberhaltige Blei im
geschmolzenen Zustande auf dem sog. Treibherd der oxydierenden
Wirkung der Gebläseluft aus, wobei alles Blei, zu Bleioxyd oxy-
diert, als Bleigiätte abfliesst, während das Silber metallisch zu-
rückbleibt, weil es als edles Metall nicht direkt oxydierbar ist.
— 215 —
Die Glätte bildet eine kleinschuppige, gelbe, mehr oder weniger
ins Rötliche (Silberglätte oder Goldglätte, je nachdem sie etwas
Mennige enthält) spielende Masse, die feinpräpariert ein schweres
Pulver ist. An der Luft zieht sie allmählich Kohlensäure an,
lässt sie aber bei nochmaligem schwachen Erhitzen wieder ent-
weichen.
Prüfung der Bleiglätte: Die salpetersaure Lösung der Bleiglätte
wird mit Schwefelsäure versetzt, so lange noch, ein Niederschlag entsteht,
worauf man filtriert und das Filtrat mit Ätzammoniak übersättigt; erscheint
dann die Flüssigkeit blau, so ist die Glätte kupf erhaltig; entstehen
braune Flocken, so ist sie eisenhaltig. Kocht man Bleiglätte wiederholt
mit Essigsäure, so löst sie sich völlig auf, etwa vorhandenes metallisches
Blei bleibt dabei zurück.
b) Die Mennige, Minium (Pb304), gewinnt man aus der
Glätte durch länger dauerndes, vorsichtiges Erhitzen unter der
Einwirkung der Gebläseluft in eigenen Mennigbrennereien, wobei
das Bleioxyd noch Sauerstoff aufnimmt und zu Mennige wird.
Ein orangerotes, schweres Pulver, dessen charakteristische Eigen-
schaft in seinem Verhalten zu Salpetersäure besteht. Diese Säure
trennt sie nämlich in Bleioxyd und Bleisuperoxyd; ersteres
wird als salpetersaures Salz gelöst, letzteres als braunschwarzes
Pulver abgeschieden.
Pb304 = 2PO + Pb02
Mennige Bleioxyd Bleisuperoxyd.
Bei Gegenwart von Zucker oder Oxalsäure reduziert sich
jedoch die Mennige zu Bleioxyd, welches sich in der Säure auf-
löst, während Kohlensäure entweicht.
Pb304 + H2C204 = 3PbO + H20 + 2C0.2
Mennige Oxalsäure Bleioxyd Wasser Kohlensäure
Hinterlässt die Mennige bei der Behandlung mit Salpetersäure und
Zucker einen Rückstand, so ist die Mennige mit Ziegelmehl, Ocker, Bolus
u. dgl. verfälscht.
§ 188. Was ist Bleiweiss? Das Blei weiss, Cerussa, ist ba-
sisch kohlensaures Bleioxyd, ein schweres, weisses Pulver,
welches sich nicht in Wasser, aber unter (schwachem) Aufbrausen
in Säuren, ohne Aufbrausen in ätzender Alkalilauge löst. Neu-
trales kohlensaures Bleioxyd (PbC03) findet sich natürlich (Weiss-
bleierz).
Bieiweissfabrikation. Nach der ^g^ggg^^gg^
holländischen Methode werden spi- ^g=^j* ^ *_
ralig aufgerollte Bleiplatten (Fig. 58 b) in "^
Töpfe (A) über etwas Essig (a) aufgestellt
und eine grössere Zahl so beschickter Töpfe
in Behälter (Loggen = Mistbäder) reihen-
weise neben und über einander geordnet.
Unter jedem Topfe lagert eine Schicht Fl£* 58-
Pferdedünger oder gährende Lohe, darüber zunächst Bleiplatten
(d), dann auf Brettern (h) abermals Pferdedünger. Letzterer liefert
— 216 —
die Kohlensäure, welche sich mit dem durch die Essigdämpfe
angegriffenen und in Oxyd übergegangenen Blei zu Bleiweiss
verbindet. Nach etwa einem Monat klopft man dasselbe ab.
Nach der französischen und englischen Methode
leitet man Kohlensäuregas in Bleiessig resp. über ein feuchtes
Gemenge von Bleizucker mit Bleiglätte ; dabei entsteht neben dem
Bleiweiss neutrales essigsaures Bleioxyd, welches abermals mit
Bleiglätte behandelt und der Kohlensäure ausgesetzt wird.
Prüfung des Bleiweisses auf Reinheit: Beim Auflösen in Sal-
petersäure bleiben Beimengungen wie Schwerspat, schwefelsaures Bleioxyd,
Gips, zurück; wird die essigsaure Lösung durch Schwefelsäure völlig aus-
gefällt, so zeigt Ferro cyankalium im Filtrate einen Zinkweissgehalt, über-
schüssiges Ammoniak Thonerde durch weisse Trübung an. Die salpeter-
saure Lösung giebt mit Natronlauge einen Niederschlag (Pb2HO), der sich
in überschüssigem Natron völlig lösen muss (Rückstand: Kalk).
§ 189. Was sind Bleizucker und Bleiessig? Löst man Bleiglätte
in einer genügenden Menge Essig auf, bis neutrale Reaktion er-
zielt ist, so krystallisiert nach dem Eindampfen das essigsaure
Bleioxyd, Bleiacetat, Plumbum aceticum (Pb2C2H30.2
-f- 3 aq.) , in farblosen , leichtlöslichen Säulen aus. Dieses Salz
wurde wegen seines süsslichen Geschmackes Bleizucker (Sac-
charum Saturni) genannt, wirkt aber innerlich giftig, wie
alle Bleiverbindungen. An der Luft verwittert es oberflächlich,
zugleich Kohlensäure anziehend und sich mit weissem Pulver
bedeckend, welches beim Auflösen zurückbleibt. Beim Erhitzen
schmilzt der Bleizucker in seinem Krystallwasser , verliert aber
in höherer Temperatur seine Essigsäure.
Prüfung des Bleizuckers auf Kupfer: seine Lösung darf sich durch
überschüssigen Salmiakgeist nicht bläuen und muss mit Ferrocyankalium
einen rein weissen (keinen rötlichen) Niederschlag geben.
Mit Bleiglätte digeriert oder zusammen geschmolzen, löst sich
der Bleizucker als basisch essigsaures Salz, sog. Bleiessig,
Liquor Plumbi subacetici, Acetum plumbicum, auf. Eine
farblose, schwere Flüssigkeit von alkalischer Reaktion, an der Luft
sehr begierig Kohlensäure anziehend und einen weissen Boden-
satz (kohlensaures Bleioxyd) abscheidend. In 50facher Ver-
dünnung mit destilliertem Wasser liefert der Bleiessig das Blei-
wasser, Aqua Plumbi; bei Anwendung von Brunnenwasser
wird die Mischung durch kohlensaures Bleioxyd weisslich trübe
(Aqua Goulardi).
Versuche und praktische Übungen.
1. Der Bleibaum. Man löse einige g Bleizucker in einem Pfunde
destilliertem Wasser auf und stelle einen Streifen Zinkblech in die mit
der Flüssigkeit gefüllte Flasche. Nach wenigen Stunden hat der Zinkstreifen
sich völlig mit grauglänzenden Bleikrystallen überdeckt, die ihn nach einem
Tage baumartig verästelt umhüllen, während essigsaures Zinkoxyd in Lösung
übergegangen ist.
- 217 -
2. Liquor Plumbi subaceti. Man mische genau 3 Teile zer-
riebenes essigsaures Bleioxyd und 1 Teil feingepulverte Bleiglätte, erhitze
dann das Gemenge in einer Porzellanschale im Wasserbad wohlbedeckt
zum Schmelzen und füge schliesslich 10 Teile heisses destilliertes Wasser
portionenweise hinzu. Nach dem Erkalten werde die Flüssigkeit filtriert,
wobei man den Trichter mit einer Glasplatte bedeckt halte.
Fragen und stöchiometrische Aufgaben.
1. Wodurch erkennt man die Mennige von ähnlich gefärbten Stoffen?
— Antw. Dadurch, dass sie durch Salpetersäure braun wird.
2. Wieviel Bleizucker gewinnt man beim Auflösen von 1 kg Blei-
glätte in Essig? — Antw. PbO : (Pb2C0H309 + 3H20) = 223 : 379;
s = 1700 ^.
3. In welchen Verhältnissen zerlegen sich Bleizucker und Zinkvitriol
vollständig? — Antw. Zu gleichen Molekülen: (Pb2C9H30 + 3H,0) =
379 und (ZnS04 + 7H20) == 287. Daher kommen auf 379 Teüe Bleizucker
287 Teile Zinkvitriol, d. i. annähernd auf 4 Teile des ersteren 3 Teile des
letzteren.
28, Kupfer und seine Salze.
§ 190. Wie gewinnt man das Kupfer? Das Kupfer, ein altbe-
kanntes Metall, findet sich zwar hier und da gediegen, aber über-
wiegend vererzt, teils in Sauerstoffverbindung, wie der Malachit
und die Kupferlasur (beide kohlensaures Kupferoxyd), vor-
zugsweise jedoch an Schwefel gebunden als Kupferkies und
Buntkupfererz (beide aus Schwefeleisen und Schwefelkupfer
bestehend).
Das wichtigste Kupfererz ist der Kupferkies, worin sich
Kupfer und Eisen an Schwefel gebunden befinden. Man röstet
das Erz unvollständig und schmilzt es für sich ein; dabei tritt
der noch vorhandene Schwefel an das Kupfer zu leichtschmelz-
barem Schwefelkupfer — dem sog. „Stein", während der bei
der Röstung aufgenommene Sauerstoff sich mit dem Eisen ver-
einigt und dasselbe mit dem in der Gangart vorhandenen Quarz
als Silikat in die Schlacke führt. Durch wiederholtes unvoll-
ständiges Rösten des „Steines" und Einschmelzen gelingt es
schliesslich, reines Schwefelkupfer (sog. Konzentrationsstein) zu
erhalten, aus welchem alles Eisen entfernt ist. Diese Trennung
der beiden Metalle beruht darauf, dass das Kupfer eine grössere
Yerwandtschaft zum Schwefel, das Eisen eine solche zum Sauer-
stoff hat.*) Durch vollständiges Rösten des Konzentrationssteines
führt man ihn in Kupferoxyd über und reduziert dieses mittelst Kohle.
Ein sehr reines Kupfer, das sog. Cementkupfer, wird aus
Kupfervitriollösungen durch Hineinlegen metallischen Eisens ge-
*) Fe -f Cu + S -f- 0 = FeO + CuS.
— 218 —
wonnen, welches sich an die Stelle jenes Metalles setzt und zu
Eisenvitriol auflöst: CuS04 + Fe = FeS04 + Cu.
§ 191. Eigenschaften des Kupfers. Das Kupfer ist ein hartes,
sehr zähes und dehnbares Metall von rötlicher Farbe und vor-
züglichem Leitungsverinögen für Elektrizität und Wärme. Sein
spezifisches Gewicht = 8,95. Es schmilzt erst in der Weiss-
glühhitze und bedeckt sich in der Rotglühhitze bei Luftzutritt
mit einer Oxydschicht. An feuchter Luft oxydiert es sich allmählich,
Grünspan (kohlensaures Kupferoxyd) ziehend; die Gegenwart
verdünnter Säuren oder Salze begünstigt die Oxy-
dation des Kupfers, infolge dessen saure Speisen beim Stehen
in kupfernen Geräten sehr bald kupferhaltig werden; jedoch ist
keine Verunreinigung zu befürchten, wenn man die Speisen sofort
nach dem Garkochen eutleert. Weder Salzsäure noch ver-
dünnte Schwefelsäure wirken bei Luftabschluss auf
das Kupfer ein, dagegen leicht Salpetersäure und heisse eng-
lische Schwefelsäure. Die Salpetersäure löst das Kupfer mit Heftig-
keit unter Stickoxydgasentwicklung zu blauem salpetersauren
Kupferoxyd, nämlich:
3Cu + 8HN03 = 3(Cu2N03) + 2NO + 4H20
Kupfer Salpetersäure aalpetersaures Stickoxyd- Wasser.
Kupferoxyd gas
Konz. Schwefelsäure löst in der Hitze Kupfer auf zu schwefel-
saurem Kupferoxyd, während ein Teil von ihr in schweflige Säure
reduziert wird und entweicht.
Cu + H2S04 == CuS04 + H20 + S02
Kupfer Schwefelsäure schwefelsaures Wasser schweflig-
Kupferoxyd saures Gas.
Das Kupfer ist ein zweiwertiges Metall, welches jedoch
auch, infolge gegenseitiger Bindung zweier Kupferatome, ein-
wertig auftreten kann. Es bildet daher mit Sauerstoff zwei salz-
bildende Oxyde: rotes Kupferoxydul (Cu20) und schwarzes
Kupferoxyd (CuO); mit Schwefel zwei schwarze Sulfide:
Kupfersubsulfid (Cu2S) und Kupfersulfid (CuS) oder
Halb- und Einf ach-Schwefelkupfer. Mit den Salzbildnern
in ähnlicher Weise Kupferchlorür (Cu2CJ2) und Kupferchlorid
(CuCla) u. s. f. Die Kupferoxydulsalze sind meist unlöslich und
ziehen an der Luft begierig Sauerstoff an, in Oxydsalze über-
gehend. Die Kupferoxydsalze zeichnen sich durch blaue
oder grüne Färbung aus und wirken alle innerlich giftig.
Erkennung des Kupfers: Charakteristisch ist die tiefblaue Fär-
bung, mit welcher sich Kupferoxyd in Ammoniak auflöst. Die
Kupfersalzlösungen werden daher leicht daran erkannt, dass sie
mit überschüssigem Salmiakgeist eine tiefblaue Flüssigkeit geben.
Schwefelwasserstoff scheidet aus ihnen, selbst bei Gegenwart freier
— 219 —
Säure, schwarzes Schwefelkupfer aus. Ein blanker Eisenspatel
überzieht sich in ihnen kupferrot (mit einer Kupferschicht).
§ 192. Technische Verwendung des Kupfers. Wegen seiner Zähig-
keit, Dehnbarkeit und Schwerschmelzbarkeit findet das Kupfer
in der Technik, zu Gerätschaften u. dgl. ausgedehnte Verwen-
dung. Diese vorzüglichen Eigenschaften überträgt es auf seine
Legierungen. Legierungen nennt man Metallgemische; von
denen des Kupfers sind hervorzuheben:
das Messing, aus Kupfer (c. 70%) und Zink (c. 30%);
der Tombak, kupferreicher als das Messing;
die Bronze, aus Kupfer, Zinn, Zink und Blei;
das Neusilber (Argentan), aus Kupfer, Zink und Nickel.
Ausserdem sind noch zu nennen das Ka'nonen- und Glocke n-
metall, aus Kupfer und Zinn.
Zu den Kupfermünzen benutzt man Kupfer mit etwas
Zinn (4%) und Zink (1%) ; zu den Nickelmünzen des deutschen
Keiches Kupfer (75%) und Nickel (25%).
§ 193. Offizinelle Kupferverbindungen, a) Das Kupferoxyd,
Cuprum oxydatum (CuO), stellt ein schwarzes, in Wasser un-
lösliches Pulver dar, welches man durch Erhitzen des aus Kupfer-
vitriol durch Soda gefällten kohlensauren Kupferoxyds oder auch
durch Glühen des salpetersauren Kupferoxyds gewinnt.
I. CuS04 + Na2C03 = CuC03 + Na2S04
Kupfersulfat Natriumkarbonat Kupferkarbonat Natriumsulfat.
IL CuC03 = CuO + C02
Kupferkarbonat Kupferoxyd Kohlensäure.
Versetzt man die Lösung eines Kupfersalzes mit ätzendem
Alkali, so scheidet sich blaugrünes Kupferoxydhydrat (Cu2HO)
aus, welches bei 100°, selbst in siedendem Wasser, in schwarzes
Kupferoxyd übergeht: Cu2HO = CuO +H20.
Das Kupferoxyd muss sich ohne Aufbrausen {Kohlensäure) in Salpeter-
säure lösen-, auf fremde Salze wird es wie der Kupfervitriol geprüft; beim
Erhitzen auf Platinblech darf es keine gelbrote Dämpfe [salpetrige Säure)
abgeben — herrührend von ungenügendem Erhitzen des Kupfernitrats.
b) Das schwefelsaure Kupferoxyd, Kupfersulfat,
Cuprum sulfuricum (CuS04 + 5aq.), krystaillsiert in lasurblauen
Säulen, weshalb man es auch blauen Yitriol, Kupfer-
vitriol, nennt. Das reine Salz gewinnt man durch Auflösung
von Kupfer in erhitzter englischer Schwefelsäure; das rohe Salz
wird durch Auslaugen verwitterten Kupferkieses zugleich mit
Eisen vitrol erhalten und von demselben durch Krystallisation ge-
trennt, bleibt aber gewöhnlich damit verunreinigt. Der Kupfer-
vitriol löst sich leicht in Wasser, nicht in Weingeist auf. Yersetzt
man seine Lösung mit Honig oder Zucker, so scheiden Ätzalkalien
— 220 —
kein Kupferoxydhydrat aus; wird die alkalische Flüssigkeit aber
erhitzt, so reduziert der Zucker das Oxyd zu Kupferoxydul,
welches als rotes Pulver niederfällt. (Trommers Zuckerprobe.)
Prüfung des Kupfervitriols auf Reinheit : Man fällt seine
Lösung mit Schwefelwasserstoffwasser völlig aus (bis die Mischung stark
nach H2S riecht) und filtriert. Das Filtrat darf beim Abdampfen keinen
Rückstand hinterlassen.
Yersetzt man eine Kupfervitriollösung mit Ätzammoniak, so
erfolgt die Ausscheidung von Kupferoxydhydrat, welches sich in
einem Überschuss des Ammoniaks wieder löst. Dann befindet
sich neben dem entstandenen schwefelsauren Ammoniak auch
Kupferoxyd- Ammoniak (Cu02HN3) in der tiefblauen Flüssigkeit.
Ein Weingeistzusatz entzieht beiden Yerbindungen das Lösungs-
mittel und scheidet ein dunkelblaues Kry stallmehl , schwefel-
saures Kupferoxyd-Ammoniak, Cuprum sulfuricum
ammoniatum, aus, dem man die Formel [(NH4)2S04 + Cu02]S"H3]
geben kann.
c) Das essigsaure Kupferoxyd, Cuprum aceticum,
(Cu2C2H302 +aq.), krystallisiert aus der Auflösung von Grünspan
in verdünnter Essigsäure als blaugrüne Säulen ; man nannte daher
dieses Salz krystallisierten Grünspan (Aerugo crystalli-
sata). Es löst sich klar und völlig in Wasser auf.
Im Handel existieren zwei Arten Grünspan, Aerugo: der
blaue und der grüne. Beide sind basische Yerbindungen
der Essigsäure mit Kupferoxyd. Der grüne Grünspan
bildet sich, wenn man Kupferblech mit Essig benetzt und an
einen warmen Ort stellt. Der blaue Grünspan entsteht bei der
Schichtung von Kupferplatten mit gährenden Weintrebern, welche
Essigsäure aushauchen; eine blaugrüne Masse in Broten oder
Kugeln, völlig in Essig, in Ammoniaklösung, aber nur unvoll-
ständig in Wasser löslich.
d) Der Kupferalaun, Cuprum aluminatum, ist ein
zusammengeschmolzenes Gemenge von Kupfervitriol, Alaun und
Salpeter, mit kleinem Kampferzusatz. Es wird zu Augenwässern
(als Lapis divinus) gebraucht.
Versuche.
Kupferreduktion durch
Wasserstoffgas. (Fig. 59.) Man
verbinde eine ziemlich weite Glas-
röhre beiderseits durch Kork- oder
Kautschukstopfen luftdicht mit zwei
engeren Röhren , von denen eine
gerade verläuft, während die andere,
rechtwinkelig gebogen, ein erFlasche
Fig. 59. luftdicht angepasst wird, worin man
aus Zink und verdünnter Schwefelsäure Wasserstoffgas entwickelt. In die
weite Röhre bringe man eine Messerspitze voll schwarzes Kupferoxyd und
— 221 —
erhitze dasselbe, sobald das Wasserstoffgas alle Luft aus dem Apparate
verdrängt bat, zum schwachen Glühen; es verwandelt sich allmählich in
rotes, pulveriges Metall, welches unter dem Drucke zu kleinen Kupfer-
blättchen zusammengeht. Das zugleich gebildete Wasser entweicht mit
dem überschüssigen Wasserstoffgase.
Praktische Übungen.
1. Cuprum sulfuricum ammoniatum. Man trage 1 Teil zer-
riebenen Kupfervitriol in 3 Teile Salmiakgeist ein und rühre um; es ent-
steht eine tiefblaue Lösung, zu der 6 Teile Weingeist gemischt werden.
Den entstehenden dunkelblauen Niederschlag sammle man auf einem Filter,
ohne ihn auszuwaschen, lasse ihn abtropfen und trockne ihn zwischen
einigen Lagen Fliesspapier, ohne Anwendung von Wärme.
2. Cuprum aceticum. Man löse 6 Teile Grünspan in 40 Teilen
heissem Wasser, unter Zugabe von 6 — 8 Teilen verdünnter Essigsäure,
filtriere heiss und stelle an einen kühlen Ort. Beim Erkalten krystallisiert
das Salz aus; es werde auf einem Trichter gesammelt und in gewöhnlicher
Temperatur getrocknet.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Kupfervitriol gewinnt man aus 1 kg Kupfer? — Antw.
Cu : (CuS04 + 5H20) = 63,5 : 249,5 : x = 3905 <?.
2. Woran erkennt man das schwarze Kupferoxyd vor ähnlichen
Stoffen? — Antw. Es löst sich in verdünnter Schwefelsäure zur bläulichen
Flüssigkeit, die durch überschüssiges Ammoniak tiefblau wird.
3. Wieviel Prozente metallisches Kupfer hinterlässt das Kupferoxyd
bei seiner Reduktion? — Antw. CuO : Cu = 79,5 : 63,5; x = 80 %.
29. Das Wismut und seine Salze.
§ 194. Wismutmetall. Das Wismut, bereits im 15. Jahr-
hundert bekannt, findet sich in der Natur meist gediegen und
wird durch gelindes Glühen in schwach geneigten Röhren, welche
neben einander in einem Ofen (Saigerofen) liegen, von der Gang-
art abgeschmolzen (gesaigert). Das Metall ist rötlichweiss , von
krystallinischem Gefüge, zerspringt unter dem Hammer und lässt
sich leicht pulvern. Sein spez. Gew. = 9,8. Es schmilzt bei be-
ginnender Rotglühhitze und verflüchtigt sich in der Weissglüh-
hitze, dabei zu gelbem Oxyd verbrennend, wenn seine Dämpfe
an die Luft treten. In trockner Luft hält es sich unverändert,
löst sich nicht in verdünnten Säuren, leicht aber in
Salpetersäure, auch in heisser konzentr. Schwefelsäure, ähnlich
dem Kupfer. Ausgezeichnet ist es durch die Eigenschaft, mit
anderen Metallen leicht flüssige Legierungen zu bilden;
so schmilzt das sog. Rose sehe Metall , aus Wismut , Blei und
Zinn bestehend, schon in kochendem Wasser.
Das Wismut ist ein dreiwertiges Metall, welches sich
mit dem Sauerstoff zu gelbem Wismutoxyd (Bi203), mit dem
— 222 —
Schwefel zu schwarzem Wismutsulfid (Bi2S3) verbindet. Das
Wismutoxydhydrat scheidet sich als weisser Niederschlag ab,
wenn man ein Wismutmetall mit einem ätzenden Alkali vesetzt ;
beim Erhitzen verliert es Wasser und wird zu gelbem Wismutoxyd.
§ 195. Wismutsalze. Alle Wismutsalze zeichnen sich dadurch
aus, dass sie Wasser milchig trüben ; sie scheiden nämlich damit
weisses basisches Salz ab, während ein sehr saures Salz in Lösung
geht. Je mehr und je heisser das Wasser angewendet wird, um
so basischer ist der Niederschlag.
Löst man Wismut in Salpetersäure auf, so entweicht Stick-
oxydgas, und neutrales Salpeter saures Wismutoxyd
(Bi3N03) geht in Lösung:
Bi + 4HNOa = Bi3N03 + 2H20 + NO
Wismut Salpetersäure Salpeters. Wismutoxyd Wasser Stickoxyd.
Nach dem Abdampfen schiesst dieses Salz in wasserhellen
Säulen mit 5 Mol. Erystallwasser an. Mit der 25 fachen Menge
heissem Wasser gemischt, zerfällt dasselbe und scheidet basisch
salpetersaures Wismutoxyd, Wismutsubnitrat, Bis-
muthum subnitricum, früherMagisterium Bismuthi genannt,
als schweres, weisses, in Wasser unlösliches, in Salpetersäure lös-
liches Pulver ab, ein Gemenge von Bi l <r>-rrh mit Bi < q 3
Um aus dem oft Arsen enthaltenden Wismut ein arsenfreies
Subnitrat zu gewinnen, schreibt die Ph. Germ. II vor, das ge-
pulverte Wismut mit Natronsalpeter zu erhitzen, wobei neben
Wismutoxyd arsenige Säure entsteht; letztere wird durch nach-
folgendes Auskochen mit Natronlauge als arsenigsaures Natron
aufgelöst und entfernt, während das Wismutoxyd ungelöst bleibt.
Prüfung: Bismuthuin subnitricum löse sieb, obne Aufbrausen (Kohlen-
säure) und völlig in Schwefelsäure (Rückstand: Schwerspat, Bleisulfat,
Gips u. dgl.); diese Lösung trübe sieb weder mit salpetersaurem Baryt,
noeb mit Silberlösung (weisse Niederscbläge : Schwefelsäure resp. Chlor, Blei) ;
mit Ammoniak ausgefällt, darf das Filtrat dureb H2S sich nicht trüben
(schwarz: Kupfer); wird durch überschüssiges Schwefelwasserstoffwasser
alles Wismut als Schwefelwismut ausgefällt, so darf das Filtrat nach dem
Abdampfen keinen Rückstand {Kalk, Magnesia) hinterlassen. Mit Natron-
lauge erhitzt, gebe es kein Ammoniak ab.*) Auf Arsen prüft man, indem
man das Präparat mit Natron zerlegt, zum Filtrat Zink und Wasser bei-
giebt und in das entweichende Wasserstoffgas einen mit Silberlösung be-
tupften Streifen Papier hineinhängt: wird die Silberlösung schwarz, so ist
das Wasserstoffgas arsenhaltig, zufolge eines Arsengehalts des Präparates..
*) Die saure Mutterlauge, die von dem ausgeschiedenen Wismutsub-
nitrat abfiltriert worden, enthält noch Wismut als saures Salz; neutralisiert
man sie mit Ammoniak, so wird nochmals ein Quantum Subnitrat gewonnen,,
dieses ist aber ammoniakhaltig.
223 —
Praktische Übungen.
Bismuthuni subnitricum. Man übergiesse gepulvertes Wismut in
einem Kolben mit der 4^2 fachen Menge Salpetersäure; es entweicht mit Leb-
haftigkeit Stickoxydgas, an der Luft gelbrot werdend, während das Metall
sich langsam auflöst. Nach beendigter Lösung, die man zuletzt durch Er-
wärmen unterstützt, gebe man so lange Wasser zu, bis ein weisser Nieder-
schlag entstehen will, giesse nach dem Absetzen die klare Flüssigkeit aus,
dampfe sie zum dreifachen Gewicht des angewendeten Metalles ab und
lasse an einem kühlen Orte krystallisieren. Die gewonnenen, mit etwas
angesäuertem Wasser abgespülten Krystalle zerreibe man, löse sie in der
vierfachen Wassermenge auf und giesse in die 21 fache Menge heissen
destillierten Wassers ein. Den entstehenden weissen Niederschlag sammle
man nach dem Erkalten auf einem Filter, wasche ihn mit etwas Wasser
aus und trockne ihn in sehr lauer Wärme.
Fragen und stöchiometrische Aufgaben.
1. Wie unterscheidet man das Wismutmetall vom Blei, Zink und
Antimon? — Antw. Das Wismut unterscheidet sich vom Blei und Zink
durch seine Sprödigkeit, vom Antimon durch seine rötliche Farbennüance.
2. Wieviel 30prozentige (offizinelle) Salpetersäure verlangt 1 Pfd.
Wismut zur völligen Lösung? — Antw. Bi : 4HN03 = 210 : 4 X 63; x =
3<>o/30 X 600 </ = 4 Pfd.
§ 196. Das Zinn. Das altbekannte Zinn kommt in der Natur
nur oxydiert vor, als sog. Zinn stein (Zinnoxyd), vorzugsweise
auf der Insel Banka (Ostindien) und in Cornwall (England). Man
reduziert das Erz mit Kohle. (Sn02 + 2C = Sn + 2CO.) Es ist
ein weisses, glänzendes, weiches und hämmerbares Metall, welches
bei 200° schmilzt und in der Glühhitze sich mit einer Oxydschicht
bedeckt. Spez. Gew. 7,29. Das Zinn löst sich nicht in
verdünnten Säuren, auch nicht unter Sauerstoff-
anziehung aus der Luft (wie das Blei). Man verfertigt
wegen dieser Unangreifbarkeit gegen saure Speisen u. dgl. die
Kochgerätschaften aus Zinn oder verwendet verzinnte Eisenge-
schirre. Starke Salzsäure löst aber in der Hitze das Zinn unter
Wasserstoffentbindung zu Zinnchlorür auf; Salpetersäure oxydiert
es mit Lebhaftigkeit zu Zinnoxyd, löst dieses aber nicht.
I. Sn + 2HC1 = SnC]2 + 2H
Zinn Chlorwasserstoff Zinnchlorür Wasserstoff
IL 3Sn + 4HN03 = 3Sn02 + 2H20 + 4NO
Zinn Salpetersäure Zinnoxyd Wasser Stickoxydgas.
Das in der Technik gebräuchliche Zinn wird mit (20%) Blei
legiert, dessen Gehalt nicht ein Viertel übersteigen darf. Feinge-
walztes Zinn (Zinnfolie) heisst Stanniol, unechtes Blattsilber.
Das Zinn ist ein zwei- und vierwertiges Metall, welches
mit Sauerstoff zwei Oxyde bildet: Zinnoxydul (SnO), dessen
Hydrat weiss ist, sowie Zinnoxyd (Sn02), ein weisses, in Säuren
unlösliches Pulver. Mit Schwefel vereinigt es sich zu braunem
— 224 —
Zinnsulfür (SnS) und zu gelbem Zinns ulfid (SnS2), das als
Musivgold zum Bronzieren gebraucht wird.
Das Zinnchlorür, Stannumchloratum (SnCl2 + 2 aq.),
wird in der Färberei gebraucht; es krystallisiert aus der heissen,
salzsauren Lösung des Zinns in weissen Säulen aus, löst sich
leicht in Wasser, zieht aber begierig Sauerstoff aus der Luft an
und geht dann in weisses, unlösliches, basisches Chlorid (SnCl20)
über. Letzteres scheidet sich aus der Zinnchlorürlösung mit der
Zeit aus. Das Zinnchlorür besitzt ein grosses Bestreben, durch
Aufnahme von Chlor in Zinnchlorid (SnCl4) überzugehen, und
vermag den höheren Chloriden Chlor zu entreissen ; so reduziert es das
Quecksilberchlorid zu Quecksilberchlorür, in Zinnchlorid übergehend.
SnCl? + 2HgCl2 = SnCl4 + Hg.2Cl2
Zinnchlorür Quecksilberchlorid Zinnchlorid Quecksilberchlorür.
30. Das Antimon und seine Verbindungen.
§197. Gewinnung des Antimons. Das Antimon oder der Spiess-
glanz, bereits im 15. Jahrhundert bekannt, findet sich nicht ge-
diegen in der Natur, sondern vorzugsweise in Verbindung mit
Schwefel als Grauspiessglanzerz, Antimonium crudum
(Dreifach-Schwefelantimon), einem stahlgrauen, metallglänzenden,
spiessig-krystallinischen Mineral. Man trennt das Erz von der
Gangart durch gelindes Erhitzen in schwach geneigten Röhren
(Saigerung) und schmilzt es entweder mit Eisen ein oder röstet
es und reduziert den Eückstand mit Kohle.
Beim Zusammenschmelzen des Spiessglanzerzes mit metalli-
schem Eisen gewinnt man metallisches Antimon und eine Schlacke
aus Schwefeleisen, nämlich:
Sb2S3 + 3Fe = 28b -f- 3FeS
Schwefelantimon Eisen Antimon Schwefeleisen.
Böstet man dagegen das Spiessglanzerz , so verbrennt der
Schwefel zu schwefliger Säure und das Antimon zu Antimon-
oxyd (sog. Spiessglanzasche) ; letzteres bleibt zurück und liefert,
mit Kohle eingeschmolzen, Antimonmetall.
Da das Grauspiessglanzerz gewöhnlich Arsen und Blei ent-
hält, so ist auch das Antimon sehr häufig arsen- und bleihaltig.
§ 198. Eigenschaften des Antimons. Das Antimon ist ein silber-
weisses Metall, von blätterig krystallinischem Gefüge, unter dem
Hammer zerspingend und leicht pulverisierbar. Es ist leichter
wie Zinn, Zink und Eisen, denn das spez. Gewicht = 6,7. In
schwacher Rotglut schmilzt es, verflüchtigt sich in der Weiss-
glühhitze und verbrennt dann an der Luft zu weissem Antimon-
oxyd. An trockner Luft hält sich das Metall unverändert, zerlegt
in keiner Weise das Wasser, noch verdünnte Säuren; dagegen
— 225 —
verwandelt es sich, mit heisser englischer Schwefelsäure behandelt,
unter Entbindung schwefliger Säure, in schwefelsaures Antimon-
oxyd. Salzsäure greift das Metall nicht an, Salpetersäure
oxydiert es zu Antimonoxyd, ohne dieses zu lösen —
gleiches Verhalten wie beim Zinn!
Das Antimon ist ein Bestandteil, des Lettern- oder
Schriftmetalls; auch des sog. Britanniametalls.
§ 199. Charakter der Antimonverbindungen. Das Antimon ist
ein dreiwertiges Metall, welches auch fünf wertig auftreten
kann. Mit dem Sauerstoff verbindet es sich in zwei Verhältnissen:
zu Antimonoxyd (Sb203) und Antimonsäure („wasser-
freie", Sb205); mit dem Schwefel in ähnlicher Weise zu Anti-
monsulfür (Dreifach-Schwefelantimon, Sb2S3) und Antimon-
sulfid (Fünffach - Schwefelantimon , Sb2S5). Die Verbindungen
des dreiwertigen Antimons sind teils basischer Natur — so
verbindet sich das Antimonoxyd mit Säuren zu Antimon-
oxydsalzen, zu denen der Brechweinstein gehört — , teils
saurer Natur, insofern das Antimonoxyd mit den Alkalien,
das Antimonsulfür mit den Schwefelalkalien antimonigsaure
Salze (Antimonite) resp. Sulfantimonite bilden. Die An-
timonsäure ist eine Sauerstoffsäure, und das Antimon-
sulfid eine Sulfosäure; jene bildet Antimoniate, dieses Sul-
fantimoniate.
Erkennung des Antimons. Aus den Salzlösungen des Antimons
scheidet Schwefelwasserstoff orangerotes Schwefelantimon aus. Mit
Wasserstoffgas vermag sich das Antimon in statu nascenti zu
vereinigen, d. i. im Momente, wo beide Elemente aus ihren
Verbindungen ausgeschieden werden. Versetzt man ein Anti-
monsalz mit Zink und verdünnter Säure, so wird einerseits
das Antimon vom Zink metallisch niedergeschlagen, andrerseits
durch die Einwirkung der Säure auf das Zink Wasserstoffgas
entwickelt. Antimon und Wasserstoff verbinden sich alsdann zu
Antimonwasserstoff gas (SbH3), einem farblosen Gas, welches
angezündet mit grünlicher Flamme zu Wasser und Antimonoxyd
verbrennt, in der Glühhitze schwarzes Antimon absetzt.
§ 200. OffizineUe Antimonpräparate, a) Das Antimonchlo-
rür, Liquor Stibii chlorati (SbCl3), auch Spiessglanzbutter
(Butyrum Antimonii) genannt, weil es im wasserfreien Zustande
eine butterweiche, weisse Masse vorstellt, ist eine farblose, stark
ätzende, destillierbare Flüssigkeit, welche sich mit Salzsäure
mischen lässt, von Wasser aber ähnlich den Wismutsalzen zer-
legt wird und Antimon oxychlorür (SbCIO) = V3 (SbCl3 + Sb203)
als weisses, unlösliches Pulver (Algarotpulver) abscheidet.
Schi iekum, Apothekerlehrling. 15
— 226 —
Man stellt das Antimonchlorür durch Auflösung von Grau-
spiessglanzerz (Sb2S3) in heisser Salzsäure dar; dabei entweicht
Schwefelwasserstoffgas.
Sb2S3 + 6HC1 == 2SbCl3 + 3H2S
Antimonsulfür Chlorwasserstoff Antimonchlorür Schwefelwasserstoff.
War das Erz bleihaltig, so krystallisiert Chlorblei beim Er-
kalten als schwerlösliches Salz aus. Vom begleitenden Arsen
befreit man die Flüssigkeit durch Eindampfen , da das Arsen-
chlorür bedeutend flüchtiger ist als das Antimonchlorür. Der
Rückstand wird schliesslich mit Salzsäure bis zum spez. Gew.
1,34 — 1,36 verdünnt. Man gebraucht die Antimonbutter äusser-
lich als starkes Atzmittel.
b) Das weinsaure Antimonoxyd-Kali, Tartarus sti-
biatus, gewöhnlich Brech wein st ein (Tartarus emeticus) genannt,
ist ein Doppelsalz , hervorgegangen aus dem Weinstein , dessen
Wasserstoff durch die einwertige Atomgruppe (SbO) aus dem
Antimonoxyd vertreten ist, ähnlich wie dieser Wasserstoff im
Seignettesalz durch Natrium substituiert ist. Die Formel des
Brechweinsteins ist mithin: [(K,SbO)T + aq.]. Wir bereiten ihn
durch Digestion des reinen Antimonoxyds mit Weinstein.
Er krystallisiert in farblosen Rhomboedern, welche sich in
Wasser ohne Zersetzung, aber etwas schwierig — in 15 Teilen —
auflösen. Weingeist fällt den Brechweinstein aus seiner Lösung
unverändert aus, starke Säuren scheiden Weinstein ab, Kalksalze
(auch kalkhaltiges Brunnenwasser) weinsauren Kalk, Gerbsäure
und gerbstoffhaltige Flüssigkeiten (Chinadekokt, Thee, Kaffee) gerb-
saures Antimonoxyd. Deshalb bedient man sich der letzteren
als Gegengift des giftigen Brechweinsteins. Organische Säuren,
ätzende und kohlensaure Alkalien zersetzen ihn nicht, auch Schwefel-
wasserstoff fällt nur bei Säurezusatz orangerotes Schwefelantimon.
In kleinen Gaben dient der Brechweinstein als Beizmittel zur
Schleimabsonderung der Luftwege; als Brechmittel wird er bis
0,20 g, in gebrochenen Gaben bis 0,5 g gegeben.
Zur Darstellung eines reinen Brechweinsteins ist reines
Antimonoxyd (Sb203) nötig. Man löst zu diesem Zwecke
Grauspiessglanzerz in heisser Salzsäure, giesst nach dem Erkalten
die Flüssigkeit vom auskrystallisierten Chlorblei klar ab, dampft
sie ein, giesst sie in die 20 fache Wassermenge und digeriert das
abgeschiedene Algarotpulver mit Soda, wobei, unter Entweichung
der Kohlensäure, Chlornatrium und Antimonoxyd entstehen: jenes
löst sich auf, dieses wird ausgewaschen und getrocknet, ein weiss-
liches, unlösliches Pulver. Etwa vorhandenes Arsen wird als
arsenigsaures Natron hierbei mit der Lösung entfernt. Arsen-
haltiger Brechweinstein lässt sich durch Umkrystallisieren nicht
reinigen, da die arsenige Säure mit dem Weinstein ein dem
— 227 -
Brechweinstein isomorphes Doppelsalz (weinsaures Arsenigsäure
Kali) erzeugt.
Der ganze Prozess der Brechweinsteinbildung lässt sich in
folgenden vier Gleichungen zusammenfassen:
I. Sb2S3 + 6HC1 = 2SbCl3 + 3H2S
Antimonsulfür Salzsäure Antimonohlorür Schwefelwasserstoff
II. SbCl3 + H20 = SbCIO + 2HC1
Antinionchlorür Wasser Antimonoxychlorür Salzsäure
III. 2SbC10 + Na2C03 = Sb203 + NaCl -f- C02
Antimonoxychlorür Soda Antimonoxyd Chlornatrium Kohlensäure
IV. Sb203 + 2KHT == 2KSbÖT + H20
Antimonoxyd Weinstein Brechweinstein Wasser.
Prüfung des Brechweinsteins auf Arsen: Seine Lösung in Salz-
säure darf durch einige Tropfen Schwefelwasserstoffwasser nicht gelb ge-
färbt oder getrübt werden. Schwefelarsen , welches sich in der Salzsäure
nicht löst; — Schwefelantimon löst sich in der Salzsäure).
4 c) Das Dreifach - Schwefelantimon, Antimonsulfür,
Stibium suli'uratum nigrum (Sb2S), findet sich als Grau-
spiessglanz natürlich, jedoch vielfach verunreinigt, zumal
mit Blei und Arsen. Durch Zusammenschmelzen von (12 Teilen)
reinem Antimonmetall mit (5 Teilen) Schwefel wird es rein darge-
stellt und durch Schlämmen in ein höchst feines , schweres,
schwarzes Pulver verwandelt.
Das amorphe Antimonsulfür (Dreifach-Schwefelantimon), wie
es aus Antimonoxydsalzlösungen durch Schwefelwasserstoff nieder-
geschlagen wird, ist von derselben orangeroten Färbung wie der
Goldschwefel.
Ein Gemenge dieses amorphen Antimonsulfürs mit Anti-
monoxyd stellt der Min eralkermes, Stibium sulfuratum
rubeum, dar, ein bräunlichrotes Pulver, welches unter der Lupe
die beigemengten weissen Antimonoxydkryställchen erkennen lässt.
Dieses Präparat scheidet sich aus einer mit schwarzem Schwefel-
antimon gekochten Sodalösung beim Erkalten ab. Die Soda löst
nämlich einen Teil des Antimonsulfürs zu Natriumantimonit (Anti-
monoxyd-Natron) und Natriumsulfantimonit auf:
2Na20 + 2Sb2S3 == NaSb02 + 3NaSbS2
Natron Antimonsulfür Natriumantimonit Natriumsulfantimonit
Beide Salze lassen beim Abkühlen einen Teil des Antimon-
oxyds und Antimonsulfürs fallen.
d) Das Antimonsulfid, Stibium sulfuratum aurantia-
cum (SbaS5), ist ein orangerotes Pulver und trägt den Trivialnamen
Goldschwefel (Sulfur auratum Antimonii). Es löst sich
nicht in Wasser und verdünnten Säuren, leicht aber (als Sulfo-
säure) in ätzenden und Schwefel - Alkalien. Salzsäure zersetzt
es, unter Abscheidung von Schwefel und Entbindung von Schwefel-
wasserstoff, zu Antimonchlorür :
Sb2S5 + 6HC1 = 2SbCl3 -+- dK^S + 2S.
15*
— 228 —
Mit Schwefelalkalien bildet das Antimonsulfid lösliche Schwefel-
salze, sog. Sulfantimoniate. Löst man es in ätzender Al-
kalilauge, so entsteht durch Umtausch von S und 0 antimon-
saures Alkali neben dem Sulfantimoniat ; nämlich:
3K20 + 3Sb2S5 = KSb03 -f 5KSbS3
Kali Antimonsulfid Kaliumantimoniat Kaliumsulfantimoniat.
Erhitzt man den Goldschwefel für sich in einer Glasröhre,,
so sublimiert gelber Schwefel , und schwarzes Schwefelantimon
bleibt zurück — einfachstes Erkennungszeichen desselben !
BereitungdesGold schwefeis. Geschlämmtes schwarzes
Schwefelantimon wird mit Ätznatronlauge und Schwefel gekocht;
aus letzteren entsteht unterschwefligsaures Natron und Schwefel-
natrium, welches das Antimonsulfür auflöst und bei dem Über-
schuss an Schwefel in Antimonsulfid überführt. Aus der er-
kalteten Lauge krystallisiert dann Natriumsulfantimoniat
(Na3SbS4 + 9 aq.) , das nach dem Entdecker Schlippesches
Salz genannt wird, in farblosen Tetraedern aus, während die
übrigen Stoffe, unterschwefligsaures Natron und Mehrfach-Schwefel-
natrium, in Lösung bleiben. Man löst das Schlippesche Salz in
Wasser und zerlegt es durch verdünnte Schwefelsäure, wobei
Schwefelwasserstoff entweicht und Antimon sulfid niederfällt, wäh-
rend schwefelsaures Natron in Lösung bleibt.
Diese Vorgänge lassen sich in folgenden Gleichungen darstellen :
I. 6-NaHO + 4S = 2Na2S + Na2S203 + 3H20
Natronhydrat Schwefel Schwefelnatrium unterschweflig- Wasser
saures Natron
IL 3Na2S + Sb2S3 + 2S = 2Na.,SbS4
Schwefelnatrium Antimonsulfür Schwefel Natriumsulfantimoniat
III. 2Na3SbS4 + 3H«S04 == Sb2S5 + 3H.2S + 3Na2S04
Natriumsulfanti- Schwefelsäure Antimonsulfid Schwefel- schwefelsaures
moniat Wasserstoff Natron
Die Krystallisierbarkeit des Schlippeschen Salzes erlaubt
nicht allein die Befreiung des Goldschwefels vom Arsen, da letzteres
in der Mutterlauge bleibt, sondern auch von überschüssigem,
freiem Schwefel, der sich stets beimengt, wenn man die Lauge,,
welche zugleich Mehrfach-Schwefelnatrium enthält, direkt mit der
Säure fällt.
Prüfung des Goldschwefels: Er rnuss sich völlig in Salmiakgeist
auflösen (Rückstand: Schwefel), ebenso in Schwefelamrnoniuni (Rückstand:
erdige Beimengungen); aus der ammoniakalischen Lösung durch Salzsäure
ausgeschieden und dann mit kohlensaurem Ammoniak geschüttelt, darf er
an dasselbe kein Arsen abgeben, welches sich mit gelber Farbe (Schwefel-
arsen) wieder ausscheiden würde, wenn das Filtrat mit Salzsäure über-
säuert wird, oder auch erst auf Zusatz von Schwefelwasserstoffwasser (wenn
es als arsenige Säure zugegen ist).
Praktische Übungen.
1. Liquor Stibii chlorati. 1 Teil feingepulverter schwarzer
Schwefelspiessglanz werde in einem Kolben im Sandbad mit 5 Teilen reiner
— 229 —
Salzsäure erhitzt, so lange noch Schwefelwasserstoffgas entweicht; dann
lasse man absetzen und giesse klar ab, den Rest durch einen Trichter
filtrierend, in den man ein Päuschchen Asbest eingedrückt. Man dampfe
die saure Flüssigkeit in einer Porzellanschale unter freiem Himmel zu
Vj2 Teilen ab, stelle sie (zum Auskrystallisieren vorhandenen Chlor-
bleies) einen Tag bei Seite und erhitze das klar abgegossene Liquidum in
einer Retorte mit lose vorgelegtem Kolben, worin sich etwas Wasser be-
findet, so lange, bis das Überdestillierende im vorgeschlagenen Wasser eine
milchige Trübung hervorruft — herrührend von übergehendem Chlorantimon.
Alsdann lasse man erkalten und verdünne den Rückstand in der Retorte
mit verdünnter Salzsäure (aus gleichen Teilen reiner Salzsäure und destil-
lierten Wassers) zum spez. Gew. 1,34 — 1,35.
2. Stibium sulfuratum rubeum. Man koche in einem eisernen
Kessel 1 Teil feingepulverten schwarzen Schwefelspiessglanz zwei Stunden
lang mit einer Lösung von 25 Teilen Soda in 250 Teilen Wasser, unter
Ersatz des verdampfenden Wassers. Alsdann werde die Flüssigkeit siedend
heiss in einen Topf filtriert, worin sich schon etwas heisses Wasser be-
findet, und nach völligem Erkalten von dem inzwischen abgesetzten roten
Kermes dekantiert und filtriert. Letzteren wasche man mit Wasser solange
aus, als das ablaufende noch rotes Lackmuspapier bläut; nach dem Ab-
tropfen presse man das Filter mit dem Inhalte zwischen Fliesspapier und
trockne an einem dunklen, lauwarmen Orte.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Weinstein erfordert 1 Pfd. Antimonoxyd zur Auflösung?
— Antw. Sb203 : 2(KHC4H406) = 292 : 2 X 188; x = 64:4 g.
2. Wieviel Brechweinstein gewinnt man dabei? — Antw. Sb203 :
2(KSbOC4H406 + H20) = 292 : 2 X 343; x = 1175 g.
31. Arsenik,
§ 201. Was ist der Arsenik? In der Natur finden sich nicht
selten gewisse Eisen-, Kobalt- und Nickelerze, in denen diese
Metalle mit Arsen verbunden sind; zuweilen kommt das Arsen-
metall auch gediegen vor: Scherbenkobalt, Fliegenstein.*)
Die wichtigsten Erze sind: der Mispickel (FeAsS). Speis-
kobalt (CoAs2) und Kupfernickel (NiAs2). Der Mispickel,
auch Arsen kies genannt, begleitet häufig den Schwefelkies und
macht dann den von letzterem gewonnenen Schwefel resp. Schwefel-
säure arsenhaltig.
Bei der Köstung der genannten Erze verbrennt das Arsen
zu arseniger Säure (As203) welche sublimiert und sich in
grossen Kammern als weisses Pulver, sog. Giftmehl, an die
"Wandungen absetzt. Dieses Giftmehl wird in eisernen Gefässen
umsublimiert und kommt als eine farblose, glasige Masse, weisser
Arsenik, Arsenicum album, Acidum arsenicosum (A203),
in den Handel.
*) Das metallische Arsen war schon Paracelsus (im 16. Jahrh.) bekannt.
— 230 —
Die arsenige Säure ist wasserfrei (anhydrisch) , frisch subli-
miert glasartig durchsichtig (amorph) , später porzellanartig un-
durchsichtig (krystallinisch) ; benetzt sich schwer mit Wasser, löst
sich auch nur schwierig darin auf, da sie 15 Teile siedendes
"Wasser verlangt, beim Erkalten sich aber grösstenteils krystalli-
nisch wieder abscheidet. Salzsäure löst sie reichlicher auf, am
leichtesten ätzende und kohlensaure Alkalien , mit ihr arsenig-
saure Salze (Arsenite) bildend. Offizineil ist das arsenig-
saure Kali als Liquor Kalii arsenicosi, sog. Fowlersche
Tropfen (Solutio arsenicalis Fowleri), welche 1 Proz. Arsenik
enthalten.
Der Arsenik und seine Salze sind heftige Griffe. Sie wirken
ätzend auf tierische Gewebe. Als Gegenmittel gebraucht man
frischgefälltes (!) Eisenoxydhydrat, da nur das Terhydrat (Fe2
6 HO) des Eisens sich mit der arsenigen Säure zu unschädlichem
arsenigsauren Eisenoxyd verbindet. Zu diesem Behufe gebraucht
man alsAntidotum Arsenici eine bei der Dispensation voll-
zogene Mischung aus 100 Teilen Eisensulfatflüssigkeit mit 15
Teilen gebrannter Magnesia.
§ 202. Das Arsen und seine Verbindungen. Das Arsen ist ein
stahlgraues Metall von krystallinischem Gefüge und dem spez.
Gew. = 5,7. Es verflüchtigt sich beim Erhitzen, ohne zu schmelzen,
und verbrennt dann bei Luftzutritt mit bläulicher Flamme zu
arseniger Säure. Charakteristisch für das Arsen ist der
bei seinem Yerbrennen auftretende Knoblauchge-
ruch. Streut man ein Körnchen Arsenik auf glühende Kohlen,
so verbreitet der an der Luft sich wieder oxydierende Arsendampf
sofort diesen Geruch. Erhitzt man etwas Arsenik mit Holzkohlen-
stückchen in einer Glasröhre, so beschlägt der Arsendampf den
kälteren Teil der Röhre als glänzend schwarzer Metallspiegel.
Das Arsen ist ein dreiwertiges Metall, welches aber auch
fünfwertig auftreten kann, ähnlich dem Antimon, dem es sich
in vielen Stücken anschliesst. Seine Verbindungen sind
alle flüchtig resp. sublimierbar. Es bildet mit Sauer-
stoff zwei dreibasische Säuren:
1. die arsenige Säure, nur anhydrisch (As203) bekannt;
2. die Arsensäure, anhydrisch = As205, hydratisch =
H3As04, in ihren Salzen der Phosphorsäure isomorph.
Yon den Salzen der arsenigen Säure ist das grüne a r s e n i g -
saure Kupferoxyd in Verbindung mit essigsaurem Kupferoxyd
die beliebte, aber höchst giftige, grüne Farbe, das Schwein-
furter oder Scheelsche Grün. Dasselbe löst sich mit Leichtig-
keit in Ätzammoniak zu einer tiefblauen Flüssigkeit auf.
— 231 -
Mit dem Schwefel vereinigt sich das Arsen in dreierlei "Weise
zu Sulfiden, welche Sulfosäuren darstellen, nämlich:
1. Zweifach-Schwef elarsen, unterarseniges Sul-
fid (As2S2), eine rubinrote Masse (Arsenicum rubrum), welche
als Farbmittel, Realgar, Rauschrot, benutzt wird.
2. Dreifach-Schwefelarsen, arseniges Sulfid(A2S3),
eine zitronengelbe Masse (Arsenicum citrinum), als Farb-
mittel, Auripigment, Operment, Rauschgelb, benutzt,
früher auch zum äusserlichen Arzneigebrauche.
3. Fünffach-Schwefelarsen, Arsensulfid (As2S5), gelb.
Man findet das Realgar und Operment öfters natürlich, gewinnt
sie aber auch künstlich durch Zusammenschmelzen von Schwefel
mit arseniger Säure, wobei schweflige Säure entweicht.
Nachweis des Arsens : 1 . Durch Schwefelwasserstoff. Die
Sulfide des Arsens lösen sich nicht in Wasser oder Salzsäure,
leicht aber in Ätzalkalien, Schwefelalkalien, Ätzammoniak und
kohlensauren Alkalien. Sie scheiden sich als gelber Niederschlag aus,
wenn man Arsenlösungen mit Schwefelwasserstoff versetzt.
2. Ähnlich dem Antimon verbindet sich das Arsen mit dem
Wasserstoff zu Arsen wasserst off gas (AsH3), wenn man zu
einer arsenige Säure*) enthaltenden Flüssigkeit Zink und Säure
(oder Alkalilauge) bringt. Das Zink entwickelt dann Wasserstoff-
gas und reduziert zugleich das Arsen, worauf diese beiden Ele-
mente sich in statu nascenti vereinigen. Das Arsenwasserstoffgas
ist farblos, nach Knoblauch riechend, höchst giftig, verbrennt
beim Anzünden mit bläulicher Flamme zu arseniger Säure und
Wasser, scheidet in der Glühhitze das Arsen als schwarzen Me-
tallspiegel ab und reduziert aus den Silbersalzen schwarzes, fein-
verteiltes Silber. In seiner Erzeugung beruht die empfindlichste
Prüfung auf Arsen (Marsh sehe Probe). Ist ein Körper arsen-
haltig, so löst man ihn in Säure, fügt ein Stück Zink (arsen-
freies!) hinzu und verschliesst den Glascylinder mit Fliesspapier,
welches mit einem Tropfen Silberlösung betupft worden. Bei
Gegenwart von Arsen bildet sich Arsenwasserstoffgas, welches die
Silberlösung schwärzt. (Man überzeuge sich zuvor in gleicher
Weise, dass das Zinkstück arsenfrei ist ; auch darf nicht Schwefel-
wasserstoff zugleich entwickelt werden , welcher auch die Silber-
lösung schwärzt, Schwefelsilber bildend.) Konzentrierte Silber-
lösung erzeugt nicht sofort einen schwarzen, sondern zuerst einen
gelben Fleck (arsenigsaures Silberoxyd), der sich vom Rande aus
allmählich schwärzt.
*) Wohl zu beachten ist, dass das Arsen in Sauerstoffverbindung
nicht als Schwefelarsen zugegen ist, auch darf kein Ammoniak zugleich ent-
wickelt werden (aus Salpetersäure in alkalischer Lösung), weil dieses die
Wirkung des Arsenwasserstoffs auf Silberlösung stören würde.
232 —
1. Ar
Versuche.
(Nachweis des Arsens.)
senreduktion. In einen engen Probiercylinder oder eine
einerseits zugeschmolzene Glasröhre bringe man aut
einige Körnchen Arsenik mehrere kleine Kohlen-
splitter (kein Kohlenpulver!) und erhitze (Fig. 60)
zuerst die Kohle zum Glühen, dann auch den Arsenik;
es entsteht im oberen Teile der Röhre ein schwarzer
Arsenspiegel.
Man benutzt zur Arsenanalyse besondere, in eine
feine Spitze ausgezogene, sog. Arsenröhrchen.
(Fig. 61 zeigt ein solches; a der Ort für den Arsenik,
k für die Kohle, bei S bildet sich der Spiegel.)
2. Marsh sehe Probe, a) Die einfachste Form
Fig. 61.
derselben ist, wie sie Fig. 62 darstellt. In ein Medizinglas oder Kölbchen
bringe man die arsenhaltige Flüssigkeit, z. B. Fowlersche Tropfen, mit einem
Stückchen Zink und Salzsäure oder Schwefelsäure, versehliesse dann die
Öffnung mit einem Stopfen, durch welchen luftdicht eine
kurze, enge, in eine feine Spitze ausgezogene Glasröhre
f geführt ist, und zünde das entweichende Gas an, sobald
dasselbe die Luft aus dem Apparate ver-
drängt hat. Hält man eine Porzellanplatte quer in
die Flamme, so setzen sich glänzend schwarze Arsen-
flecken darauf an. Es unterscheiden sich diese Arsen-
flecke durch den Glanz von den ähnlichen, matten An-
timonflecken ; ausserdem noch durch folgende Reaktionen:
Betupft man einen Arsenfleck mit Liquor Natri
chlorati (Bleichflüssigkeit), so löst er sich auf; Antimon-
Hecke verschwinden nicht.
Betupft man einen Arsenfleck mit Schwefelamm oniuni-
und trocknet bei 100° ein, so wird er gelb, nicht orange-
rot, wie die Antimonflecken.
Hält man die Porzellanplatte über die Flamme, so beschlägt sie sich
mit weisser, sublimierter, arseniger Säure, welche durch Schwefelwasserstoff
zu gelbem Schwefelarsen wird.
b) In vollständigerer Form zeigt Fig. 64 den Marsh sehen Apparat.
Die Entwickelungsflasche p enthält Zink mit verdünnter Schwefelsäure; sie
ist verschlossen mit einem Kork, durch welchen sowohl eine gerade Trichter-
röhre t, als eine gebogene Röhre k luftdicht geführt ist; letztere steht in
Verbindung mit einem Glasrohr b, worin sich Baumwolle befindet, um die
fortgeführte Feuchtigkeit zurückzuhalten. Sobald durch die Trichterröhre t
die Arsenlösung eingegossen worden, erhitzt man die Ableitungsröhre durch
eine Lampe zum Glühen; der Arsen setzt sich dann hinter dieser Stelle,
bei a, ab. Entzündet man das Gas bei f, so kann man auch Arsenflecke
auf Porzellanplatten erzeugen, wenn man sie quer in die Flamme hält.
Fig. 65 stellt einen Marshschen Apparat ohne Trockenröhre dar.
233 —
Fiar. 64.
Fig. 63.
Praktische Übungen»
Liquor Kalii arsenicosi. Man erhitze in einem Reagiercylinder
je 1 g gepulverte arsenige Säure, kohlensaures Kali und Wasser, bis die
Lösung eingetreten ist, dann gebe man 40 g Wasser hinzu, lasse erkalten,
versetze mit 15 g Karmelitergeist und ergänze das Ganze im tarierten
Gefässe mit Wasser auf 100 g, die man nach einigen Tagen filtriere.
32, Quecksilber und seine Salze.
§ 203. ..-Wie findet sich da.s Quecksilber? Das seit den ältesten
Zeiten bekannte Quecksilber findet sich in der Natur teils
gediegen , teils an Schwefel gebunden als Zinnober. Haupt-
fundorte sind Almaden in Spanien, Idria in Krain, Kalifornien u. a.
Man gewinnt das Metall aus dem Zinnober durch Kosten, wobei
der Schwefel zu schwefligsaurem Gase verbrennt, das Quecksilber
sich aber nicht oxydiert. Man kondensiert die Quecksilberdämpfe
zu Idria in gemauerten Kammern, zu Almaden in thönernen
Yorlagen (sog. Aludeln).
Das käufliche Quecksilber, Hydrargyrum*), ist gewöhn-
lich mit kleinen Mengen Blei, Zinn u. a. legiert und zieht ein (sich
stets erneuerndes) Häutchen — das Amalgam genannter Metalle.
Man reinigt das Quecksilber von den metallischen Bei-
*) Hydrargyrum von uSwp (Wasser) und apyupo? (Silber) abgeleitet,
also = flüssiges Silber.
— 234 —
mengungen teils durch Destillation (aus irdenen Retorten mit
eingelegtem Eisendraht, um das Aufstossen des siedenden Queck-
silbers zu verhindern), teils auf nassem Wege, durch dreitägige
Digestion des käuflichen Metalles mit 10% verdünnter Salpeter-
säure; dabei lösen sich die fremden Metalle, wie auch etwas
Quecksilber, als salpetersaure Salze auf. Gereinigtes Queck-
silber bewahrt stets seine spiegelnde Oberfläche und lässt beim
Glühen keinen Rückstand.
§ 204:. Eigenschaften des Quecksilbers. Das Quecksilber ist ein
starkglänzendes, in gewöhnlicher Temperatur flüssiges Metall,
welches bei — 40° gefriert und bei 360° siedet. Spez. Gew. 13,5.
Wasser und verdünnte Säuren wirken nicht auf das Metall einr
auch oxydiert es sich nicht an der Luft*), sein Oxyd
verliert sogar in der Glühhitze den Sauerstoff. Salz-
säure greift es ebenfalls nicht an, selbst nicht im Kochen, dagegen
löst Salpetersäure das Quecksilber, unter Stickoxyd-
entwicklung, leicht auf und zwar in gewöhnlicher Tem-
peratur zu Oxydulsalz, beim Erwärmen zu Oxydsalz.
I. 6Hg + 8HN03 = 3(Hg22N03) + 2NO + 4H20
Quecksilber Salpetersäure salpetersaures Stickoxyd Wasser
Queck silb er oxy dul
IL 3Hg + 8HNO3 = (3Hg2N03) + 2NO + 4H20
salpetersaures Quecksilberoxyd
Konz. Schwefelsäure verwandelt das Quecksilber beim Erhitzen
in schwefelsaures Quecksilberoxyd, unter Entbindung schweflig-
sauren Gases:
Hg + 2H2S04 = HgS04 + H20 + S02
Quecksilber Schwefelsäure schwefelsaures Wasser schweflige
Quecksilberoxyd Säixre.
Das Quecksilber lässt sich durch anhaltendes Reiben mit
pulverigen Materien in feinste Kügelchen zerteilen, wie z. B. mit
Zucker, Weinstein, Graphit, Kreide. Solches Gemisch nannte man
Äthiops und die Operation das „Töten des Quecksilbers". Man
verreibt es mit Fett zur grauen Quecksilbersalbe, Un-
guentum Hydrargi cinereum, sowie mit Terpentin zur Bereitung
des Quecksilberpflasters, Emplastrnm Hydrargyri. In
beiden darf man mit blossem Auge keine Metallkügelchen erkennen.
— Mit den meisten Metallen legiert sich das Quecksilber leichtr
jedoch nicht mit Eisen. Ein goldener Ring überzieht sich bei
Berührung mit Quecksilbersalbe sofort weiss. Man nennt die
Quecksilberlegierungen Amalgame. Das Zinnamalgam benutzt
*) Eine direkte Oxydation erleidet das Quecksilber nur dann, wenn
es längere Zeit einer hoben, dicht unter seinem Siedepunkte gelegenen
Temperatur ausgesetzt wird. Man nannte das solcherweise gewonnene
Quecksilberoxyd Mercurius praecipitatus per se.
— 235 —
man zum Belegen der Glasspiegel; man schüttet Quecksilber auf
Stanniol und schiebt die Spiegelscheibe darüber.
§ 205. Die Verbindungen des Quecksilbers. Sämtliche Verbin-
dungen des Quecksilbers sind, wie das Metall selbst, beim
Erhitzen flüchtig und subli mierbar.
Das Quecksilber ist ein zweiwertiges Metall, welches aber
auch durch gegenseitige Bindung zweier Metallatome einwertig
auftreten kann, ähnlich dem Kupfer. Es erzeugt daher zwei
Oxyde: das schwarze Quecksilberoxydul (Hg20)*) und das
rote Quecksilberoxyd (HgO), sowie zwei Reihen Salze: Mercuro-
oder Quecksilberoxydulsalze mit einem Doppelatom Queck-
silber, und Mercuri- oder Quecksilberoxydsalze. Mit den
Salzbildnern vereinigt sich das Metall direkt zu analogen Salzen:
Chlorür und Chlorid, Jodür und Jodid u. s. f.
Die Quecksilbersalze sind giftig und von altersher an-
gesehene Arzneimittel; man gab dem Quecksilber das Zeichen und
den Namen des Merkur. (So hiess z. B. das metallische Queck-
silber Mercurius vivus.) Die Oxydulverbindungen (Chlorür
und Jodür) wirken milder als die Oxydsalze (Chlorid und Jodid).
Sie gehen in alle Sekrete des Tierkörpers über und erzeugen bei
längerem Gebrauche Speichelfluss.
Mit dem Schwefel vereinigt sich das Quecksilber beim
Verreiben direkt zu Quecksilbersulfid (HgS), welches wegen
seiner Unlöslichkeit in "Wasser und in verdünnten Säuren nicht
giftig wirkt.
Erkennung des Quecksilbers: Aus den Quecksilberlösuugen scheidet
der Schwefelwasserstoff schwarzes Schwefel quecksilber (Hg2S
und HgS) aus, welches sich weder in sauren, noch in alkalischen
Flüssigkeiten auflöst und nur von Königswasser gelöst wird. Zink,
Eisen, Kupfer reduzieren aus ihnen metallisches Quecksilber; zum
Nachweis benutzt man gewöhnlich Kupferblech, welches sich in
ihnen alsbald weiss überzieht.
§ 206. Sauerstoffverbindungen des Quecksilbers. Das salpeter-
saure Quecksilberoxydul (Mercuronitrat) , Hydrargyrum
nitricum oxydulatum (Hg22N03 + 3aq.), ein farbloses, ätzend-
giftiges Salz, krystallisiert aus der in gewöhnlicher Temperatur
vollzogenen salpetersauren Lösung des Quecksilbers aus. Es löst
sich nur unter Zersetzung in Wasser, basisches Salz abscheidend,
dagegen leicht und völlig in Salpetersäure enthaltendem Wasser.
Diese Lösung (Liquor Hydrargyri nitrici oxydulati)
*) Graphische Darstellung der Formel: Hg^
I o.
Hg/
— 236 —
zieht an der Luft allmählich Sauerstoff an, Oxydsalze bildend,
rauss daher zur Abgabe stets frisch bereitet werden. Ätzalkalien
scheiden aus ihr schwarzes Quecksilberoxydul (Hg20),
Chlorverbindungen weisses Quecksilberchlorür (Hg2Cl2) aus.
b) Das salpetersaure Quecksilberoxyd (Mercurinitrat),
bildet sich beim Auflösen von Quecksilber in heisser Salpeter-
säure. Es verliert in schwacher Glühhitze seine Säure und hinter-
lässt Quecksilberoxyd, Hydrargyrum oxydatum (HgO), früher
roter Quecksilberpräzipitat (Mercurius praecipitatus ruber)
genannt. Dasselbe stellt ein gelbrotes, schweres, in Wasser un-
lösliches Pulver vor, welches in der Glühhitze in Sauerstoffgas
und Quecksilberdampf zerfällt.
Prüfung des Quecksilberoxyds: Es darf mit Schwefelsäure und
Eisenvitriollösung keine braune Zone bilden (salpetersaures Oxyd); die
salpetersaure Lösung darf durch Silbernitrat nur leicht getrübt werden
(weiss : Quecksilberchlorid).
Wird das Quecksilberoxyd auf nassem Wege aus den Oxyd-
salzen oder dem Quecksilberchlorid mittelst eines Ätzalkalis aus-
geschieden, so besitzt es feinere Yerteilung und eine mehr gelbe
Farbe. Dieses Hydrargyrum oxydatum via bumida paratum
wird aus einer Quecksilberchloridlösung durch Ätznatronlauge nieder-
geschlagen; es ist in Aufschwemmung enthalten in Aqua phage-
daenica, einer Mischung aus Quecksilberchlorid mit über-
schüssigem Kalkwasser (3000 Teile), welche zu Umschlägen eiteriger
Geschwüre gebraucht wird. Die dabei stattfindende Zersetzung
erklärt folgende Gleichung:
HgCl, + CaO = HgO + CaCl2
Quecksilberchlorid Kalk Quecksilberoxyd Cblorcalcium
Das durch Fällung dargestellte Quecksilberoxyd verbindet
sich mit der Oxalsäure zu weissem oxalsaurem Salze, während
das auf trocknem Wege dargestellte Oxyd gegen Oxalsäure in-
different ist.
Aqua phagedaenica nigra ist ein Gemisch aus Queck-
silberchlorür mit Kalkwasser (60 Teilen) und enthält das schwarze
Quecksilberoxydul (Hg20) aufgeschwemmt.
§ 207. Haloidsalze des Quecksilbers. a) Das Quecksilber-
chlorid, Ilydrargyrum bickloratnm (HgCl2), bekannt als ätzen-
der Quecksilbersublimat (Mercurius sublimatus corrosivus)
und ein sehr giftiger Körper, kommt in den Handel in Form
weisser, gewichtiger Stücke, von strahlig-krystallinischem Gefüge,
welche beim Ritzen einen weissen Strich geben. (Unterschied
vom Quecksilberchlorür.) — Es löst sich etwas schwierig in kaltem
Wasser (16 Teilen), leicht in heissem Wasser, in Weingeist und
Äther. Seine wässerige Lösung wird durch Eiweiss, Gerbstoff und
— 237 -
gerbstoffhaltende Getränke (Kaffee, Thee) gefällt, weshalb man
diese Mittel als Gegengift gebraucht.
Die Bereitung des Ätzsublimats im grösseren Betriebe
besteht aus zwei Prozessen : zunächst wird das metallische Queck-
silber durch Erhitzen mit englischer Schwefelsäure in schwefel-
saures Quecksilberoxyd übergeführt:
I. Hg + 2H2S04 == HgS04 + 2H20 -j- S02
Quecksilber Schwefelsäure Schwefels. Wasser schweflige
Quecksilheroxyd Säure,
sodann wird das gewonnene schwefelsaure Salz mit Chlornatrium
der Sublimation unterworfen:
IL HgS04 + 2NaCl = HgCL2 + Na2S04
schwefeis. Chlornatrium Quecksilber- schwefeis.
Quecksilberoxyd chlorid Natron.
Dabei bleibt schwefelsaures Natron zurück, und Quecksilberchlorid
sublimiert. Man nimmt diese Operation in Glasretorten vor und
zwar, wegen der Giftigkeit der Dämpfe, in festverschlossenen
Räumen.
Prüfung des Quecksilberchlorids: Es muss sich in Wasser klar
lösen (Rückstand: kalomel). Man fällt die Lösung mit Schwefelwasserstoff-
gas ganz aus; das Filtrat darf keinen Rückstand (Alkalisalze) beim Ver-
dampfen hinterlassen; Ammoniak, geschüttelt mit dem Schwefelquecksilber,
darf nach dem Ansäuern mit H2S keine gelbe Trübung geben (Arsen).
b) Das Qu eck silber chlor ür, Hydrargyrum chloratum
(Hg2Cl2), auch Kalomel, versüsstes Quecksilber (Mer-
curius dulcis), mildes Chlorquecksilber (Hydrargyrum mu-
riaticum mite) wegen der milderen Wirkung genannt, stellt
weisse, schwere, strahlig - krystallinische Stücke dar, die beim
Ritzen einen gelblichen Strich geben. Feinzerrieben und mit
Wasser geschlämmt bildet es ein weisses Pulver, mit. einem Stich
ins Gelbliche; es ist unlöslich in Wasser, Weingeist und ver-
dünnten Säuren.
Man gewinnt das Quecksilberchlorür durch Sublimation eines
innigen Gemenges von (3 Teilen) Quecksilber mit (4 Teilen)
Quecksilberchlorid :
HgCl2 + Hg = Hg2Cl2.
Man nimmt die Operation in Glaskolben vor, welche im
Sandbade stehen und mit Kreidestopfen lose verschlossen sind.
Die später folgende Schlämmung mit Wasser nimmt jegliche
Beimengung von Sublimat hinweg.
Wird bei der Sublimation der Kalomeldampf zugleich mit
einem Strome Wasserdampf in eine geräumige seitliche Kammer
geleitet, so verdichtet sich der erstere in höchst feiner Zerteilung.
Dieses Hydrargyrum chloratum vapore paratum besitzt eine rein
weisse Farbe und grössere Feinheit, aber auch stärkere Wirkung
als das präparierte Kalomel.
Noch heftiger wirkend, weil noch feiner verteilt, ist das auf
— 238 —
nassem Wege, durch Fällung- einer salpetersauren Quecksilber-
oxydullösung mit Chlornatrium oder Salzsäure gewonnene Queck-
silberchlorür.
Das Quecksilberchlorür wird am Licht grau, infolge einer
teilweisen Zersetzung in Quecksilberchlorid und metallisches Queck-
silber. Man bewahrt es deshalb in schwarzen Gläsern auf.
Prüfung des Kalomels: Auf Platinblech erhitzt, muss es sich ohne
Rückstand (erdige Beimengungen) verflüchtigen ; mit Atznatronlauge werde
es schwarz (zu Hg20), ohne Ammoniak abzugeben (Unterschied vom weissen
Quecksilberpräzipitat); auf blankem Eisen gebe es keinen schwärzlichen
Fleck (Quecksilberchlorid).
c) Der weisse Quecksilberpräzipitat, Hydrargyrum
praecipitatum album, ist Mercurammoniumchlorid d. i. die Chlor-
verbindung eines Ammoniums, worin 1 Hg- Atom an die Stelle
von 2 H- Atomen getreten ist = (NH2HgCl). Man gewinnt ihn
als weissen, in Wasser unlöslichen Niederschlag, wenn eine Queck-
silberchloridlösung mit Ätzammoniak übersättigt wird; Chlor-
ammonium bleibt dabei in Lösung :
HgCl2 + 2NH3 = NH,HgCl + NH4C1
Quecksilber- Ammoniak Mercurammonium- Ammonium-
chlorid chlorid chlorid.
Der Quecksilberpräzipitat scheidet beim Erhitzen mit Kali-
lauge gelbes Quecksilberoxyd ab und entwickelt Ammoniak.
Prüfung auf Reinheit: Das Präparat muss sich in heisser Salpeter-
säure leicht auflösen (Rückstand: erdige Beimengungen) und darf an Wasser
oder Weingeist beim Schütteln nichts abgeben (fremde Salze). Beim Er-
hitzen auf Platinblech verflüchtige er sich ohne Rückstand und ohne dabei
zu schmelzen.
d) Das Quecksilberjodür, Hydrargyrutm jodatum (Hg2J2),
ist ein unlösliches, grünlich gelbes Pulver, welches man durch
anhaltendes Zusammenreiben von (8 Teilen) Quecksilber mit
(5 Teilen) Jod darstellt. Da es am Licht sich allmählich in Jodid
und metallisches Quecksilber spaltet, so bewahrt man es in
schwarzen Gläsern auf.
Um das Jodür von dem zugleich entstandenen Jodid zu befreien,
wäscht man es mit Weingeist aus, worin sich letzteres auflöst. Man prüft
es auf einen Jodidgehalt, indem man das Präparat mit Weingeist schüttelt
und das Filtrat mit Schwefelwasserstoffwasser versetzt: es darf keine
schwarze Trübung entstehen.
e) Das Quecksilberjodid, Hydrargyrum bijodatum?(HgJ.,),
wird als scharlachroter Niederschlag beim Vermischen einer Queck-
silberchloridlösung mit Jodkalium gewonnen. Es löst sich nicht in
Wasser, aber in Weingeist, wie auch in Jodkaliumlösung farblos auf.
HgCl, + 2KJ = HgJ2 + 2KC1
Quecksilberchlorid Jodkalium Quecksilberjodid Chlorkalium.
Prüfung des Quecksilberjodids: Es muss sich beim Erhitzen
völlig verflüchtigen und in Weingeist völlig auflösen (Rückstand: fremde
Beimischungen z. B. Zinnober, Mennige) ; an Wasser darf es beim Schütteln
— 239 —
nichts abgeben, das Filtrat sich weder durch H2S, noch durch Silbernitrat
trüben ( Quecksilberchlorid J .
§ 208. Schwefelquecksilber. Verreibt man Quecksilber mit
Schwefelblumen anhaltend, so vereinigen sich beide Elemente zu
Quecksilbersulfid (HgS). Eine derartige Verreibung gleicher
Teile stellt das Hydrargyrum sulfuratum nigrum (Aethiops
mineralis, Quecksilbermohr) vor und ist ein Gemenge
von schwarzem Schwefelquecksilber mit vielem überschüssigen
Schwefel, da zur Bildung des Sulfids auf 100 Teile Quecksilber
nur 16 Teile Schwefel erforderlich sind. — Eine Mischung gleicher
Teile Hydr. sulfur. nigr. und Stib. sulf. nigr. wurde als Aethiops
antimonialis früher gebraucht.
Sublimiert man das amorphe, schwarze Schwefelquecksilber,
so geht es in die krystallinische Modifikation, in den roten Zin-
nober, Cinnabaris, Hydrargyrum sulfuratum rubrum,
über. Man kann diesen Übergang auch auf nassem Wege be-
wirken, wenn man schwarzes Schwefelquecksilber mit Schwefel-
leberlösung digeriert. Der Zinnober findet sich natürlich (zu Idria,
Almaden u. a. 0.).
Versuche.
Quecksilberreduktion. (Vgl. Fig. 60.) Man zerreibe eine Messer-
spitze voll ungelöschten Kalk mit gleich viel Zinnober und erhitze das
Gemenge in einem trockenen Probiercylinder über der Weingeistflamme.
Es entsteht im oberen Teile der Röhre ein glänzender, grauer Metallspiegel
feinster, unter der Lupe wahrnehmbarer Quecksilberkügelchen. Die rück-
ständige Masse wird grau (Schwefelcalcium und schwefelsaurer Kalk). Vor
dem Einatmen des Quecksilberdampfes sei gewarnt!
Praktische Übungen.
1. Hydrargyrum nitricum oxydulatum. Man übergiesse 1 Teil
Quecksilber mit 1 Teil reiner Salpetersäure in einer Porzellanschale und
lasse während zweier Tage in gewöhnlicher Temperatur stehen. Es hat
sich alsdann eine weisse Krystallmasse von salpetersaurem Quecksilber-
oxydul gebildet, die man durch gelinde Erwärmung zum Schmelzen bringt,
vom rückständigen Metalle abgiesst und zur abermaligen Krystallisation
zur Seite stellt.
2. Hydrargyrum jodatum. Man verreibe 8 Teile Quecksilber und
5 Teile Jod anhaltend in einer porzellanenen Reibschale, unter Befeuchten
mit einigen Tropfen Weingeist, bis die gelbgrünliche Masse keine Metall-
kügelchen mehr zeigt. Zugleich gebildetes Quecksilberjodid werde durch
kalten Weingeist ausgewaschen und das Pulver an einem dunklen lau-
warmen Orte getrocknet.
3. Hydrargyrum bijodatum. Man löse 5 Teile Jodkalium in
16 Teilen Wasser und giesse die Flüssigkeit unter Umrühren in eine
filtrierte Lösung von 4 Teilen Quecksilberchlorid in 72 Teilen destilliertem
Wasser. Den entstehenden roten Niederschlag sammle man auf einem
Filter, wasche ihn mit Wasser wohl aus, bis das Ablaufende auf Platin-
blech ohne Rückstand verdampft, lasse ihn dann abtropfen und trockne
ihn auf Fliesspapier, ohne Wärme anzuwenden.
4. Hydrargyrum oxydatum via humida paratum. Man löse
- 240 -
1 Teil Quecksilberchlorid in 6 Teilen heissem destillierten Wasser und
giesse dies unter starkem Umrühren in eine Mischung aus 1 Teil Ätznatron-
lauge und 6 Teilen destilliertem Wasser. Den entstehenden rotgelben Nieder-
schlag sammle man auf einem Filter und wasche ihn so lange mit warmem
Wasser aus, bis das Ablaufende auf Platinblech ohne Rückstand verdampft.
Nach dem Abtropfen trockne man das Filter mit seinem Inhalte auf Fliess-
papier in gelinder Wärme.
5. Hydrargyrum praecipitatum album. Man löse 2 Teile
Quecksilberchlorid in 40 Teilen warmem destillierten Wasser, filtriere und
giesse unter Umrühren 3 Teile Salmiakgeist hinzu, sodass alkalische Reak-
tion eintrete. Den weissen Niederschlag sammle man auf einem Filter,
gebe nach dem Abfliessen der Flüssigkeit zweimal je 18 Teile destilliertes
Wasser auf und trockne ihn schliesslich auf Fliesspapier an einem
dunklen Orte.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Jodkalium verlangt 1 Pfd. Quecksilberchlorid zur Zer-
setzung? — Antw. HgCl2 : 2KJ == 271 : 2 X 266; x = 612,5^.
2. Wieviel Quecksilberjodid liefert es dabei? — Antw. HgCl2 :
HgJ2 = 271 : 454; x = 837,5 g.
3. Wieviel Quecksilberoxyd geben 100 Teile Quecksilberchlorid bei
Fällung durch Ätzalkalien? — Antw. HgCl2 : HgO = 272 : 216; x =
100 Teile.
33, Silber und Gold.
gjä § 210. Gewinnung und Eigenschaften des Silbers. Das altbekannte
Silber findet sich sowohl gediegen, wie (an Schwefel gebunden)
vererzt. Das meiste Silber wird aus silberhaltigen Blei- und
Kupfererzen gewonnen. Aus dem silberhaltigen Bleiglanze
resultiert ein silberhaltiges Blei, welches man auf dem sog. Treib-
herde vor der Gebläseluft niederschmilzt und der oxydierenden
"Wirkung der letzteren aussetzt. Dabei fliesst das sich bildende
Bleioxyd als Bleiglätte ab, während das Silber metallisch zu-
rückbleibt. (Die Beendigung dieses „Abtreibens" zeigt das in
Kegenbogenfarben schillernde Aufleuchten des rückständigen Silbers
sog. Silberblick.) Aus den Kupfererzen wird in Amerika das
Silber mittelst Quecksilber extrahiert, das entstandene Silberamalgam
durch Erhitzen in eisernen Röhren zerlegt und das angewendete
Quecksilber überdestilliert. (Amalgamationsverfahren.)
Das Silber ist ein sehr glänzendes, reinweisses Metall, mit
dem spez. Gew. = 10,5. Es schmilzt in der Weissglühhitze,
zerlegt das Wasser in keiner Temperatur, hält sich an der
Luft unverändert und verhält sich gegen Säuren wie das
Kupfer: es wird weder von Salzsäure, noch verdünnter Schwefel-
säure angegriffen; dagegen wirkt die Salpetersäure heftig
auf das Silber ein, dasselbe unter Stickoxydentwicklung als
salpetersaures Salz auflösend. Ebenso verwandelt heisse kon-
zentrierte Schwefelsäure das Metall in schwefelsaures Oxyd.
— 241 —
Das Silber ist ziemlich weich und sehr dehnbar; feinge-
schlagen stellt es das Blattsilber, Argentum foliatum, dar, wo-
von 1000 qcm 0,15 g wiegen. (Unechtes Blattsilber ist Zinn-
folie, Stanniol.)
Wegen seiner Weichheit wird das Silber mit Kupfer legiert.
Die Silbermünzen des deutschen Reiches enthalten 10°/o Kupfer.
Gewöhnlich berechnet man den Silbergehalt des Werksilbers nach
der Zahl der Lote, welche ein halbes Pfund (16 Lot) enthält.
16 Lot reines Silber nennt man eine feine Mark, 16 Lot
legiertes Silber eine rauhe Mark. Das meiste Werksilber ist
13 lötig, d. h. es enthält auf 13 Lot Silber 3 Lot Kupfer.
§ 211. Die Verbindungen des Silbers. Das Silber ist ein ein-
wertiges Metall, welches sich mit dem Sauerstoff indirekt zu
Silberoxyd (Ag20), mit dem Schwefel direkt zu Silbersulfid
(Ag2S) vereinigt. In Berührung mit Schwefelwasserstoff oder
Schwefelalkalien überzieht sich metallisches Silber sofort mit einer
schwarzen Schicht von Schwefelsilber. Ausgezeichnet sind die
Haloidsalze . des Silbers durch ihre Unlöslichkeit in Wasser und
verdünnten Säuren. Salzsäure, wie alle Chlormetalle, scheiden
aus den Silbersalzen unlösliches weisses Chlorsilber (AgCl),
Brommetalle gelblich- weisses Bromsilber (AgBr), Jodmetalle
gelbliches Jodsilber ( AgJ) aus. Das Chlorsilber löst sich in
Salmiakgeist leicht auf, das Bromsilber nur schwierig, das Jod-
silber gar nicht.
Die Unlöslichkeit des Chlorsilbers erlaubt es, auf leichtem
und sicherem Wege chemisch reines Silber darzustellen.
Man löst gewöhnliches Werk- oder Münzsilber in Salpetersäure,
fällt aus der Flüssigkeit durch Chlornatrium das Silber als Chlor-
silber aus, wobei das Kupferchlorid in Lösung bleibt, und redu-
ziert das Chlorsilber. Diese Reduktion kann auf nassem Wege
geschehen durch Zink, welches man auf das feuchte Chlorsilber
legt, oder durch Glühen des getrockneten Niederschlages mit
trockner Soda (resp. Kreide) und Kohle.
Erkennung des Silbers: Man erkennt die Silbersalze daran,
dass sie selbst in angesäuerter Lösung mit Schwefelwasserstoff
einen schwarzen, mit Salzsäure oder Chlornatrium einen weissen
Niederschlag geben, der in Ammoniak leicht löslich ist (Unterschied
des Silbers vom Quecksilber und Blei).
§212. Was ist der Höllenstein? Höllenstein (Lapis in-
fernalis) wird das in Stangenform gebrachte Silbernitrat oder
Salpeter saure Silberoxyd, Argentum nitricum fosum
(AgN03) genannt, ein häufig gebrauchtes Ätzmittel. Es stellt
weisse, auf dem Bruch strahlig krystallinische Stängelchen dar,
Schliokum, Apothekerlehrling. Jg
— 242 —
welche sich sehr leicht in Wasser und in Weingeist auflösen. Am
Lichte werden sie durch beginnende Silberreduktion grau, endlich
schwarz. Wenn man organische Materien mit Höllensteinlösung
bestreicht, so scheidet sich Silber aus, und die Materie wird unter
Schwärzung durch Oxydation zerstört. (Ätzung durch Höllenstein.)
Auf der Reduktion der Silbersalze durch das Sonnenlicht be-
ruht die Photographi e.*) Innerlich gebraucht man den Höllen-
stein bei Magen- und Darmgeschwüren. Er besitzt einen sehr
widrigen metallischen Geschmack und wirkt giftig.
Man gewinnt den Höllenstein durch Auflösen yon reinem
Silber in Salpetersäure, wobei Stickoxydgas entweicht:
3Ag + 4HN03 = 3AgN03 + 2H20 + NO
Silber Salpetersäure salpetersaures Wasser Stickoxyd-
Silberoxyd gas.
Die Lösung wird zur Yerjagung der überschüssigen Säure ein-
gedampft, das rückständige Salz in einer Porzellanschale über
der Lampe geschmolzen und in Stangenform gegossen.
Prüfung des Silbernitrats: Es muss sich in Salmiakgeist völlig
und farblos auflösen (blaue Färbung: Kupfer); seine wässerige Lösung
darf, nach dem Ausfällen mit überschüssiger Salzsäure, Abfiltrieren und
Eindampfen, keinen Rückstand hinterlassen (Salpeter u. dgl.); verdünnte
Schwefelsäure darf die wässerige Lösung nicht trüben (Blei).
Setzt man dem Höllenstein sein doppeltes Gewicht salpeter-
saures Kali zu und giesst es geschmolzen in Stangenform, so er-
hält man den salpeterhaltigen Höllenstein, Argentum
nitricum cum Ralio nitrico weisse Stängelchen ohne krystal-
linisches Gefüge, die sich völlig in Wasser lösen; Weingeist
lässt den Salpeter zurück ('2/3 Teile).
Scheidet man aus der Lösung das Silber durch Salzsäure aus, so muss
das Chlorsüber getrocknet mindestens 27°/0 betragen. Die Pharm. Germ. IL
prüft den Silbergehalt massanalytisch durch Kochsalzlösung.
Das krystallisierte salpetersaure Silberoxyd, Ar-
gentum nitricum crystallisatum, besitzt kein Krystallwasser.
Man gewinnt es in Form farbloser, 4— 6 seifiger Tafeln, wenn man
eine konzentrierte Höllensteinlösung zur Krystallisation eindampft.
*) In einer geschlossenen Kammer (Camera obscura) werden die vom
erleuchteten Gegenstande reflektierten Lichtstrahlen durch eine Sammel-
linse auf eine Glasplatte geworfen, welche mit einer Jodsilber enthaltenden
Kollodiumschicht überzogen ist ; die am stärksten erleuchteten Partien der-
selben erleiden dabei die stärkste Reduktion. Darauf folgt ein Bad in
Eisenvitriollösung , welche die begonnene Silberreduktion vollendet und
ein negatives Bild des Gegenstandes hervorruft. Das überschüssige Silbersalz
wird später durch unterschwefligsaures Natron entfernt. Vom gewonnenen
Negativ erhält man positive Bilder, indem man mit Chlorsilber impräg-
niertes Papier durch die Glasplatte bescheinen lässt. Dabei reduzieren die
dunklen Partien durch die Beschattung wenig, die hellen stärker, wodurch
das, was auf der Glasplatte dunkel ist, auf dem Papiere hell erscheint und
umgekehrt.
- 243 —
Die Höllensteinlösung zersetzt sich mit den meisten Körpern.
Ätzende Alkalien scheiden braunes Silberoxydhydrat (AgHO)
aus, welches beim Trocknen in schwarzes Silberoxyd (Ag20)
übergeht; Ätzammoniak löst im Überschuss den Niederschlag
mit grosser Leichtigkeit wieder auf. Salzsäure, sowie Chlormetalle
fällen weisses Chlorsilber, leichtlöslich in Ammoniak.
§ 213. Gewinnung und Eigenschaften des Goldes. Das altbekannte
Gold findet sich meistens gediegen in der Natur, vorzugsweise
in Kalifornien, Australien u. a. 0., im Sande der Flüsse und
Bäche, woraus man es als Goldkörnchen auswäscht.
Das Gold stellt ein glänzendes, gelbes, höchst dehnbares Me-
tall dar, welches in der Weissglühhitze schmilzt und ein sehr
hohes spez. Gew. (nämlich 19,5) besitzt. Wegen seiner Weich-
heit legiert man es mit Silber oder Kupfer ; in jenem Falle erhält
es einen blasseren, in diesem Falle einen höheren Farbenton.
Die Goldmünzen des deutschen Reiches bestehen aus 90 Prozent
Gold und 10 Prozent Kupfer. *) Blattgold, Aurum foliatum,
ist höchst fein geschlagenes, reines Gold, welches mit grünem
Lichte durchschimmert.
Das Gold oxydiert sich nicht an der Luft und löst
sich weder in verdünnten Säuren, noch in Salpetersäure, konzen-
trierter Schwefelsäure oder Salzsäure. Das einzige Lösungs-
mittel des Goldes ist Salpeter-Salzsäure, sog. Königs-
wasser, welches es als Goldchlorid aufnimmt. (Yergl. § 126.)
§ 214. Verbindungen des Goldes. Das Gold ist ein dreiwer-
tiges Metall, welches mit Sauerstoff nur indirekt Goldoxyd
(Au203) bildet, welches sich in ätzenden Alkalien zu goldsauren
Salzen (Auraten) auflöst. Ebenso ist das Goldsulfid (Au2S3)
eine Sulfosäure und bildet mit Schwefelalkalien Sulfosalze.
Das Goldchlorid (AuCl3) entsteht durch Auflösen des
Goldes in Königswasser; dabei entweicht Stickoxvdgas :
Au ■+ 3 HCl -f- HNO 3 = AuCl3 + 2H,0 4- NO
Gold Salzsäure Salpetersäure Goldchlorid Wasser Stickoxyd.
Reines Chlorgold ist rot und an der Luft zerfliesslich, in
Wasser löst es sich mit gelber Farbe auf. Mit Eisenvitriollösung
versetzt, scheidet es metallisches Gold pulverig aus: Darstellung
des chemisch reinen Goldes! Bei dieser Reduktion entsteht
Eisenchlorid und schwefelsaures Eisenoxyd. (AuCl3 + 3FeS04 =
Au -4- Fe23S04 + FeCl3). Erhitzt man Goldchlorid, so verliert
*) Man giebt den Goldgehalt des verarbeiteten Goldes gewöhnlich in
Karaten an. Eine Mark Gold (^2 Pfund) wird in 24 Karate eingeteilt;
hiernach besteht 21karätiges Gold (frühere preussische Friedrichsd'or) aus
21 Teilen Gold und 3 Teilen Silber resp. Kupfer.
16*
- 244 —
es Chlor und wird zu Goldchloriir (AuCl), in der Glühhitze
lässt es reines Gold zurück.
Offizinell ist ein Gemenge von Goldchlorid mit gleichviel
Chlornatrium : Chlor goldnatrium, Auro- Natrium chloratum
ein orangegelbes, in Wasser völlig lösliches Pulver, welches an
Weingeist und Äther nur Goldchlorid abgiebt. Man gewinnt es
durch Auflösen von (65 Teilen) reinem Golde in Königswasser,
Eindampfen und Zumischung von (100 Teilen) Clornatrium.
Weingeist löst aus dem Präparat nur das Goldchlorid auf.
Den Goldgehalt des Präparates prüft man durch Glühen und Aus-
waschen des Rückstandes; hierbei muss 30°/o metallisches Gold restieren.
Die Goldsalze werden durch Zinnchloriir purpur- violett bis
-braun gefällt; dieser Niederschlag (zinnsaures Goldoxydul) dient
als sog. Cassius scher Purpur in der Porzellanmalerei.
Tersuche.
1. Silber reduktion. Man löse eine kleine Silbermünze in einer
Porzellanschale in der dreifachen Menge reiner Salpetersäure durch gelindes
Erwärmen auf; zu der durch den Kupfergehalt bläulich erscheinenden
Flüssigkeit gebe man, nachdem sie stark mit "Wasser verdünnt worden, so
lange Salzsäure, als noch ein weisser, käsiger Niederschlag (Chlorsilber)
entsteht. Man filtriere denselben ab und wasche ihn mit Wasser aus.
Das noch feuchte Chlorsilber wird in kurzer Zeit reduziert, wenn
man einige Tropfen verdünnte Salzsäure und ein Stückchen (reines) Zink
dazu bringt. Der Niederschlag gehe allmählich in graues, pulveriges Silber
über, welches beim Drucke im Mörser Metallglanz annimmt.
Sehr lehrreich ist die Reduktion durch den galvanischen
Strom. Man bringt das Chlorsilber noch feucht in einen
unten mit Tierblase oder Pergamentpapier zugebundenen
Glascylinder (Fig. 65), stellt denselben in ein grösseres Glas
derartig, dass er nicht auf dem Boden aufsitze, und füllt
beide gleichhoch mit Wasser, welches mit etwas Salzsäure
versetzt ist. Darauf wird in das äussere Gefäss ein Stückchen
Zink gelegt und mit etwas Silberdraht umwickelt, dessen
anderes Ende in den Niederschlag hinein reiche. So stellt
hig. 65. ^g (]j-anze eine geschlossene einfache galvanische Kette
(Zink- Chlorsilber) dar, da die Blase für den Strom durchgängig ist. Es
tritt Elektrolyse des Chlorsilbers ein, welche nach einigen Tagen die Re-
duktion des Silbers beendigt; das Chlor verbindet sich mit dem Zink.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel 30 prozentige Salpetersäure verlangt 1 Teil Silber zur
Lösung? — Antw. 3Ag : 4HN03 = 3 X 108 : 4 X 63; x = 2,6 Teile.
2. Wieviel Höllenstein wird daraus erzielt? — Antw. Ag : AgN03
= 108 : 170; x = 1,57 Teile.
3. Wieviel Chlorgold liefern 65 Teile Gold? — Antw. Au : AuCl3
= 197 : 303,5; x - 100 Teile.
4. Warum lässt sich die Echtheit einer Goldmünze an ihrem abso-
luten Gewichte erkennen? — Antw. Zufolge der bekannten Grösse der
Münzen schliesst die einfache Wägung eine Bestimmung des spez. Gew.
in sich; bei dem hohen spez. Gew. des Goldes giebt dasselbe sofort Auf-
schluss über etwa vorhandene fremde Metalle.
— 245 -
§ 215. Das Platin. Dem Golde schliesst sich das schon im
vorigen Jahrhundert bekannte, seltene und teure Platin*) enge
an. Auch dieses Metall findet sich meist gediegen in der
Natur, z. B. am Ural, in Südamerika, häufig legiert mit den
selteneren edlen Metallen : Iridium, Osmium, Rhodium,
Ruthenium, Palladium — als sog. Platinerz.
Das Platin ist ein grauweisses, sehr dehnbares Metall, welches
nur im Knallgasgebläse schmilzt, sich aber in der Weissglühhitze
schweissen lässt wie das Eisen. Sein spez. Gew. ist höher als
das des Goldes, nämlich = 21,5. An der Luft hält es sich un-
verändert, wird von Säuren nicht angegriffen und, wie das Gold,
nur von heissem Königswasser gelöst zu Platinchlorid,
Platinum bichloratum (PtCl4), einem gelbroten Salze,
welches sich in Wasser mit gelbroter Farbe auflöst. Beim Glühen
hinterlässt das Platinchlorid metallisches Platin. Das Salz bildet
leicht Doppelsalze mit- anderen Chlormetallen , von denen sich das
Kaliumplatinchlorid und Ammoniumplatinchlorid durch
ihre Schwerlöslichkeit in Wasser auszeichnen. Man wendet daher
das Platinchlorid zur Erkennung der Kali- und Ammoniaksalze
an, mit denen es einen gelben krystallinischen Niederschlag erzeugt.
Das Ammoniumplatin chlorid zersetzt sich in der Glühhitze
und hinterlässt, unter Entweichung von Chlorammoniumdämpfen
und freiem Chlor, metallisches Platin als sehr lockere, poröse,
schwammähnliche Masse — sogen. Platin schwamm, welcher
in hohem Grade befähigt ist, Gase in seinen Poren zu verdichten.
Durch Kondensation von Sauerstoff aus der Luft übt der Platin-
schwamm in vorzüglichem Grade oxydierende Wirkungen aus,
wie sie schon bei der Döbereiner sehen Zündmaschine (Fig. 44)
erwähnt wurden. Ähnlich verhält sich das sogen. Platinmohr
oder Platinschwarz, höchst feinpulveriges Platin, weichesaus
einer Platinchloridlösung durch Zink ausgeschieden wird.
Man benutzt das Platin vielfach zu chemischen Gerätschaften,
Schalen, Tiegeln u. dgl., da es von Säuren nicht angegriffen wird.
Ätzende Alkalien, Schwefelalkalien, Schwefel, Jod,
Metalle und Chlor erzeugende Gemische dürfen aber
nicht in Platingefässen erhitzt werden, da das Platin
hiervon angefressen wird, so,wie mit dem Schwefel und den Me-
tallen leicht zusammenschmilzt.
*) Piatina, Diminutivwort von Plata (span. Silber).
246 —
ß. Organische Chemie.
(Chemie der Pflanzen- und Tierstoffe und der von ihnen abgeleiteten Körper.)
34, Cellulose, Stärkemehl, Gummi, Zucker.
§ 216. Die Kohlenhydrate. Das Pflanzenreich liefert uns eine
gewisse Zahl sehr verbreiteter Körper, welche aus Kohle,
"Wasserstoff und Sauerstoff bestehen, und zwar die
letzteren beiden Elemente in einem Mengeverhältnisse enthalten,
in welchem sie Wasser bilden. Man bezeichnete sie daher
als Kohlenhydrate, ohne jedoch sagen zu wollen,- dass sie
aus Kohle und fertig gebildetem Wasser beständen. Zu den
Kohlenhydraten zählen: Celulose (Holzfaser), Stärkemehl,
Gummi, Zucker.
Die prozentiscbe Zusammensetzung dieser Körper ist nahezu
übereinstimmend, trotz der grossen Verschiedenheit ihrer Eigen-
schaften. Cellulose, Stärke und Gummi besitzen dieselbe Formel
(C12H20O10), Eohrzucker und Milchzucker (C^H^On) , Trauben-
zucker und Fruchtzucker Ct2H24012). Man nennt solche Fälle
Isomerie, und verschiedene Körper von gleicher Zusammen-
setzung isomer (vergl. § 93). Künstlich können wir oben-
genannte Körper aus ihren Elementen oder aus rein unorgani-
schen Verbindungen nicht darstellen , wie dies die Pflanze thut,
welche sie aus Kohlensäure und Wasser aufbaut, im Sonnenlichte
einen Teil des Sauerstoffs aushauchend. Wir vermögen aber die
Kohlenhydrate künstlich in einander überzuführen und zwar aus
der Cellulose Stärke, und daraus Zucker zu bilden.
Die Kohlenhydrate kommen im Pflanzenkörper teils im Safte
gelöst vor, wie das Gummi und der Zucker, teils organisiert, wie
die Cellulose und Stärke.
§217. Cellulose. Die Cellulose bildet die äussere Wan-
dungderPflanzenzellen. Ziemlich rein tritt sie in der Baum-
wolle, im Hollundermark u. a. auf; im Holze ist sie in verhärteten
Holzstoff (Lignin), im Kork in elastischen Korkstoff (Suberin) über-
gegangen. Wir verarbeiten die Cellulose zu Papier, Gespinsten
u. dgl. Konz. Schwefelsäure löst sie auf; taucht man jedoch
Papier nur wenige Sekunden lang in diese Säure, so wird es
tierischer Blase ähnlich (Pergamentpapier). Starke Salpeter-
247 —
säure oder ein Gemisch aus Salpetersäure mit konz. Schwefel-
säure verwandelt die Cellulose in Nitrocellulose, in welcher
2 resp. 3 Wasserstoffatome durch ebensoviele N02 substituiert sind,
je nach der Dauer der Einwirkung*.
Ci2H20O10 + 3HN03 = C12H17(NO2)3O10 + 3H20
Cellulose Salpetersäure Trinitrocellulose Wasser.
Die Nitrocellulose, aus der Baumwolle angefertigt, nennt man
wegen ihrer Explosivität Schiessbaumwolle; sie ist der ge-
wöhnlichen Baumwolle äusserlich ähnlich, aber beim Erhitzen
explodierend und mit Funkensprühen verbrennend. Die ätherische
Lösung der Dinitrocellulose (Kollodiumwolle) stellt das Kollodium
dar und wird als Wundmittel gebraucht, da es zu einer festen
Haut eintrocknet; zum Sprengen wird die explosivere Trinitro-
cellulose gebraucht.
§ 218. -Das Stärkemehl. Das Stärke-
mehl (C12H2oOl0) findet sich in den
Pflanzenzellen als mikroskopische Körn-
chen abgelagert und zwar in der Kar-
toffelin Form eiförmiger, geschichteter
Körnchen mit excentrischem Kerne (Fig.
66 in 200facher Yergrösserung) ; im
"Weizen als Weizenstärke, Amylum
Tritici in Form linsenförmiger, sehr un-
gleich grosser Scheibchen (Fig. 67); in
derMarantawurzelals Arrowroot,
Amylum Marantae, in Form
eiförmiger, geschichteter Körnchen,
ähnlich der Kartoffelstärke (Fig. 68
in 400 fach er Yergrösserung). Wir
finden sie ausserdem im Reis, Sago,
Tapiocca u. a.
Das Stärkemehl wird aus den
zerriebenen Pflanzenteilen mittelst
Wasser ausgewaschen und setzt
sich dann als feines „Satzmehl"
ab. Siedendes Wasser verwandelt es in Kleister, der durch
freies Jod tiefblau gefärbt wird. Diese Bläuung durch
Jod erleiden auch die Stärkekörner und lassen sich deshalb durch
einen Tropfen Jodtinktur unter dem Mikroskope leicht erkennen.
In den Wurzeln der Kompositen (Alant, Cichorie, Löwen-
zahn u. a. m.) findet sich eine eigene Art Stärkemehl, das Inu-
lin, welches mit siedendem Wasser keinen Kleister, sondern eine
klare Lösung giebt und beim Erkalten sich wieder abscheidet.
Fig. 66.
Fig. 67.
— 248 —
§ 219. Das Dextrin. Wird die Stärke mit verdünnten Säuren
oder Malz längere Zeit erwärmt, so geht sie in einen isomeren,
aber klar löslichen Körper über, der das polarisierte Licht
nach rechts dreht und deshalb Dextrin genannt wurde. Dasselbe
entsteht auch durch blosses Erhitzen der Stärke auf 200° (sog.
Leiocom), weshalb es sich im Brot und anderen Bäckerwaren
findet ; es stellt eine gummiähnliche Masse dar und wird durch Jod
nicht gebläut. In Weingeist löst es sich nicht auf, weshalb eine
Dextrinlösung durch Weingeist gefällt wird.
§ 220. Das Grumrai. Das reine Gummi (C12H20O10) stellt
eine amorphe Masse, ohne Geschmack und Geruch dar, die sich
in Wasser zu einer klebrigen Flüssigkeit auflöst. Es findet sich
als sog. Ar ab in im arabischen Gummi, als C er a sin im Kirsch-
und Pflaumengummi, als Pflanzenschleim in vielen Wurzeln
(Althäwurzel , Salepknollen) und Samen (Quitten-, Leinsamen).
Die Arabinlösung verdickt sich durch Borax, der Pflanzenschleim
aber nicht. Weingeist löst kein Gummi auf. Neutrales essig-
saures Bleioxyd fällt nur die Lösungen des Pflanzenschleims,
nicht aber die des Arabins; Bleiessig fällt dagegen beide.
Der Tragant enthält ein in Wasser stark aufquellendes,
gallertbildendes Gummi , sog. Bassorin. — In den Algen ist
die Cellulose durch Pflanzengallerte vertreten; daher quellen
diese Gewächse (Carrageen u. a. m.) in Wasser stark auf und
lösen sich im Sieden darin zum Teil, welche Lösung beim Er-
kalten gelatiniert. Ein ähnliches Verhalten finden wir beim is-
ländischen Moose, worin sich eine besondere Stärkemehlart, das
Lichenin oder die Moosstärke, befindet.
§ 221. Der Zucker. Wir bezeichnen als Zucker solche
Kohlenhydrate , welche sich durch klare Löslichkeit in
Wasser, süssen Geschmack und Gährungsfähigkeit
auszeichnen. Sie finden sich im Zellsafte gelöst.
a) Der Rohrzucker, Saccharum*) (C^H^On) , findet
sich in vielen Gewächsen, vorzugsweise im Mark des Zucker-
rohrs und in den Runkelrüben. In Amerika und Ostindien wird
das Zuckerrohr kultiviert; den ausgepressten Saft klärt man mit
Kalk, filtriert ihn durch Kohle und dampft ihn zur Krystalli-
sation ein. Als Kolonialzucker nach Europa gebracht, erleidet
er eine Raffinierung, übereinstimmend mit der Reinigung des
bei uns gewonnenen Rübenzuckers. Durch Krystallisierung in
Hutform gewinnt man die Raffinade (Saccharum albissimum)
als erste, den weniger harten Melis (Saccharum album) als zweite
*) Saccharum, to aaxyapov, der aus dem Bambusrohr ausschwitzende
Zuckersaft (Tabaschir der Araber).
— 249 —
Ausbeute. Durch Auslaugen („Decken") mit aufgegossener
Zuckerlösung wird aus dem Hutzucker die gefärbte Mutterlauge
als Melasse, brauner Syrup (Syrupus communis) entfernt.
Die letzte Krystallisation liefert den bräunlichen oder gelblichen
Farin (Kochzucker).
Überlässt man die Zuckerlösung einer langsamen Krystalli-
sation , so erhält man den Kandis, in harten , rhombischen
Säulen, die sich in Fäden ankrystallisieren, welche man durch
die Zuckerlösung hängt.
Da die Rohrzuckerlösung das polarisierte Licht nach rechts
dreht, so wird in den Zuckerfabriken das Polarimeter zur Bestim-
mung des Zuckergehaltes benutzt. (Ygl. § 50). Beim Erhitzen
schmilzt der Rohrzucker zu einer glasigen Masse , in höherer
Temperatur geht er aber in dunkelbraunen, bittern Karamel
über, dessen weingeistige Lösung (Zuckertinktur) zum Färben
von Rum u. a. gebraucht wird.
Mit vielen Oxyden verbindet sich der Rohrzucker zu leicht-
löslichen sog. Saccharaten, z. B. mit Kalk, Eisenoxyd u. a.
(Vgl. § 178). Beim Erhitzen mit verdünnten Säuren geht der
Rohrzucker in Traubenzucker (sog. Invertzucker) über , sodass
wir in allen mit sauren Pflanzensäften dargestellten Syrupen
(Syr. Cerasorum, Rubi Idaei u. a.) mehr oder weniger Trauben-
zucker an Stelle des Rohrzuckers antreffen.
Yon konz. Schwefelsäure wird der Rohrzucker verkohlt.
Dampft man daher Zucker mit verdünnter Schwefelsäure ein, so
bleibt ein kohliger Rückstand — Prüfung auf freie Schwefelsäure
im Essig u. a., sowie auf Rohrzucker im Milchzucker u. a.
b) Der Milchzucker, Saccharum lactis (C12H22011), findet
sich nur in der Milch (bis zu 8%) und wird aus den Molken
durch Abdampfen in harten, weissen Krystallen (mit 1 Mol. H20)
gewonnen. Er löst sich nicht in Weingeist, sowie erst in 6 Teilen
Wasser; sein Geschmack ist weniger süss. Auch wird er nicht,
wie der Rohrzucker, von konz. Schwefelsäure verkohlt.
c) Der Fruchtzucker (C12H24012), in allen süssen Früchten
enthalten, kennzeichnet sich durch seine Unfähigkeit zu krystalli-
sieren. Im Honig bildet er den flüssig bleibenden Teil.
d) Der Traubenzucker oder die Q-lykose*) (C,.2H24012)
ist neben dem Fruchtzucker in allen süssen Früchten und im
Honig enthalten und findet sich bei der sog. Zuckerruhrkrankheit
im Harn (daher auch wohl Harnzucker genannt). Er krystalli-
siert in krümlichen Massen (deshalb auch Krümelzucker ge-
nannt), mit 1 Mol. H,0 und verursacht das Festwerden des
Honigs. Künstlich erzeugt man ihn aus dem Stärkemehl durch
*) Glykose von ykuy.üc (süss).
— 250 —
Einwirkung von Malz oder verdünnten Säuren, wobei anfänglich
Dextrin entsteht, später aber, unter Aufnahme von Wasseratomen,
Glykose (Stärkezucker). Fabrikmässig führt man die Kar-
toffelstärke durch Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure in
diesen Zucker über und entfernt nachher die Säure durch kohlen-
sauren Kalk als Gips. Yom Rohrzucker unterscheidet sich der
Traubenzucker leicht durch sein Verhalten zu Ätzkalilauge, welche
den Traubenzucker beim Erhitzen bräunt. Konz. Schwefelsäure
dagegen verkohlt den Traubenzucker ebenso wenig wie den
Milchzucker.
Unterscheidung der Zuckerarten durch ihre Form:
1. Harte, farblose Krystalle,
a) sehr löslich in Wasser und sehr süss .... Rohrzucker;
b) weniger löslich in Wasser und wenig süss . . Milchzucker.
2. Krümliche Massen Traubenzucker.
8. Süsser Syrup Fruchtzucker.
Nur der Frucht- and Traubenzucker sind direkt gährungs-
fähig; Rohr- und Milchzucker müssen zuvor in Glykose über-
geführt werden , was durch Erwärmen mit verdünnten Säuren
leicht geschieht. Der Zucker reduziert in der Wärme
das Kupferoxyd aus alkalischer Lösung zu Kupfer-
oxydul. Versetzt man eine Traubenzuckerlösung mit etwas
Kupfervitriol und überschüssiger Alkalilauge, so scheidet sich
kein Kupferoxydhydrat, beim Erhitzen aber rotes Kupferoxydul
aus. (Trommers Zuckerprobe). (Rohrzucker erfordert dazu
längeres Kochen.) In ähnlicher Weise wird Wismutsubnitrat in
siedender alkalischer Flüssigkeit durch Milch- und Traubenzucker
zu metallischem Wismut reduziert, was sich durch Schwärzung
zu erkennen giebt.
§ 222. Glykoside. Man kennt eine grössere Anzahl organischer
Stoffe , welche unter dem Einflüsse von Säuren , Basen oder
Gährungserregern die Elemente von Wasser aufnehmen und sich
in Zucker (Glykose) und einen anderen Stoff spalten. Man nennt
diese Körper Glykoside; sie als Verbindungen des Zuckers
mit dem anderen Spaltungsprodukte anzusehen, geht nicht an,
weil sie zu ihrer Zersetzung Wasser aufnehmen müssen. Zu
diesen Glykosiden zählen u. a. : Amygdalin in den bitteren
Mandeln, Salicin in der Weidenrinde; ersteres spaltet sich unter
dem Einflüsse des Eiweisses der Mandeln , bei Gegenwart von
Wasser, in Zucker und blausäurehaltiges Bittermandelöl. Auf-
fallend ist der bittere Geschmack der meisten Glykoside.
Zum Schlüsse seien noch einige süss schmeckende Stoffe
erwähnt, welche man aber nicht zum Zucker zählt : Der Mannit
in der Manna, das Glykyrrhizin im Süssholz und Lakriz.
Diese unechten Zuckerarten sind nicht gährungsfähig, reduzieren
- 251 —
auch eine alkalische Kupferlösung nicht. In der Zusammen-
setzung steht der Mannit dem Zucker nahe. (Mithin genügt zur
Charakterisierung des Zuckers nicht der süsse Geschmack.)
Versuche.
1. Nitrocellulose. In eine Mischung aus 90 g gepulvertem Kali-
salpeter und 200 g engl. Schwefelsäure, nachdem sie sich in einer Porzellan-
schale bis zu 40° erwärmt hat, trägt man 10 g feingezupfte Baumwolle
(Watte) ein, arbeitet sie mit einem Glasstabe gut unter und lässt eine
halbe Stunde stehen. Dann übergiesst man das Ganze mit vielem Wasser
und wäscht die Baumwolle unter einer Pumpe mit Wasser vollständig aus,
bis sie durchaus nicht mehr sauer reagiert, wobei darauf zu achten ist, dass
keine Knöllchen in ihr bleiben. Nachdem man sie schliesslich gut ausge-
drückt hat, befeuchtet man sie mit Weingeist, presst sie scharf aus und
trocknet sie an der Luft.
2. Mannit. Man übergiesse in einem Kölbchen ausgelesene Manna-
stückchen mit Weingeist, erhitze denselben zum Sieden und giesse ihn kochend
in ein Becherglas ab. Sollte er beim Erkalten noch keinen Mannit ab-
scheiden, so gebe man die Flüssigkeit auf eine neue Portion Manna und
verfahre in gleicher Weise. Beim Erkalten krystallisiert der Mannit in
farblosen, in Wasser leicht löslichen Massen aus.
Stöchiometriscne Aufgaben.
1. Wieviel Schiessbaumwolle erhält man aus 1 kq Baumwolle? —
Antw. C12H20O10 : C12H17Ng016 = 324 : 429; x = 1416^.
2. Wieviel Dextrin liefert das Stärkemehl? — Antw. Gleichviel.
35, Alkohol,
§ 223. Was ist der Alkohol? Der Alkohol*) stellt im wasser-
freien Zustande, als wasserfreier Weingeist, Alcohol
absolutus, eine wasserhelle, dünne, flüchtige und leicht
brennbare Flüssigkeit dar, welche bei 78° siedet und das spez.
Gew. 0,79 besitzt. Seine Zusammensetzung entspricht der
Formel (C2H60).
Mischt man den Alkohol mit Wasser, so erhöht sich sein
spez. Gew. , aber nicht gleichmässig , da bei der Mischung
Wärme frei wird und Verdichtung stattfindet. Die grösste Ver-
dichtung tritt beim Mischen gleicher Teile Alkohol und Wasser
ein, so dass, wenn man 50 Massteile Alkohol mit 53,72 Mass-
teilen Wasser mischt, die 103,72 Teile sich auf 100 Teile zu-
sammenziehen.
§ 224. Die officinellen Sorten Weingeist. Der wasserhaltige Al-
kohol stellt die verschiedenen Sorten Weingeist dar, und zwar
sind offizineU:
*) Alkohol (al-kohol) arabisch = das Feinste.
— 252 —
1. Spiritus, höchstrektifizierter Weingeist (Spiri-
tus Vi nirectificatissimus), mit dem spez. Gew. 0,830 — 0,834
und 90 — 91 Volumprozenten Alkohol;
2. Spiritus dilutus , verdünnter oder rektifizierter
"Weingeist (Spiritus Vini rectificatus) , mit dem spez.
Gew. 0,892 — 0,896 und 67,5 — 69 Volumprozenten Alkohol; eine
Mischung aus 7 Teilen Alkohol mit 3 Teilen Aqua destillata.
Je verdünnter der Alkohol ist, um so höher steigt sein Siede-
punkt. Man hat also zwei Mittel, um den Weingeistgehalt
einer Spirituosen Flüssigkeit zu prüfen: Die Bestimmung des
spez. Gew. und die des Siedepunktes. Erstere führt man mit
dem Aräometer aus und benutzt häufig sog. Alkoholometer,
d. i. Aräometer mit direkter Angabe der Volumprozente (nach
Tralles) oder der Gewichtsprozente (nach Richter) des abso-
luten Alkohols. Die Weingeistbestimmung nach der Spannkraft des
Dampfes wird mit dem sog. Vaporimeter ausgeführt. (Über
einem Wasserkesselchen erhitzt man eine kleine Probe der zu prü-
fenden Flüssigkeit, wodurch Quecksilber an einer Skala in die
Höhe gedrückt wird; je alkoholreicher die Flüssigkeit, um so stärker
ihr Dampfdruck und um so höher steigt das Quecksilber.)
§ 225. Wie bildet sich der Alkohol? Alle zuckerhaltigen Pflan-
zensäfte erleiden , bei Luftzutritt und in mittlerer Temperatur,
nach kurzer Zeit eine Selbstentmischung, die man geistige
G ä h r u n g nennt, da das Produkt eine spirituöse Flüssigkeit ist.
Es tritt alsbald Trübung des an sich klaren Saftes ein, und Hefe
senkt sich zu Boden , kleine Gasbläschen emporsendend. Dieses
Gas ist Kohlensäure ; zugleich bildet sich in der Flüssigkeit Wein-
geist, am Gerüche wahrnehmbar. Kohlensäure und Wein-
geist sind die Produkte der geistigen Gährung, sie stammen
aus dem Zucker.
Bei der Gährung zerfällt 1 Mol. Zucker in 4 Mol. Kohlen-
säure und 4 Mol. Alkohol.
C12H24012 = 4C02 + 4C2H60
Zucker Kohlensäure Alkohol.
Die geistige Gährung besteht demnach im Zerfalle des
Zuckers; sie wird hervorgerufen durch die mikroskopisch kleinen
Pilzkeime, welche zu Millionen in der Luft schweben, aus der-
selben in die zuckerhaltige Flüssigkeit geraten, darin keimen und
zur Hefenpflanze auswachsen, denn die Hefe ist eine Pilz-
pflanze. Bedingungen für den Eintritt der Gährung sind:
1. mittlere Temperatur (S i e d h i t z e zerstört die Pilzkeime,
Eiskälte hält ihre Entwicklung auf); 2. Luftzutritt, wenigstens
zu Anfang, um die Pilzkeime in die Flüssigkeit gelangen zu
lassen (in völlig gefüllten und hermetisch verschlos-
- 253 —
senen Gefässen tritt keine Gährung ein, ebenso wenig,
wenn man die zutretende Luft durch Baumwolle filtriert, da die-
selbe die Keime zurückhält) ; 3. Gegenwart eiweissartiger Stoffe
(die keinem Pflanzensafte fehlen), welche den Pilzkeimen zur
Nahrung notwendig sind und zum Gährungserreger, Ferment,
werden. (Eine reine Zuckerlösung gährt nicht.)
Die Ausscheidung der Hefe findet bei mittlerer Sommerwärme
an der Oberfläche der Flüssigkeit statt — Obergährung (wie
beim Bier) ; bei kühlerer Temperatur (-f- 6 bis 12°) setzt sie sich
zu Boden — Untergährung (wie beim Wein).
§ 226. Gegohrene Flüssigkeiten. Produkte der geistigen Gäh-
rung sind gewisse Flüssigkeiten, die zu geistigen Getränken
dienen, wie der "Wein und das Bier, oder auf Weingeist ver-
arbeitet werden.
Der Wein, Vinum, ist der vergohrene Traubensaft des
Weinstocks. Er ist entweder hellfarbig (Weiss wein), oder rot
(Rotwein). Wenn man die Weintrauben sogleich auspresst
(keltert), so gewinnt man den Weisswein; der Rotwein stammt
von roten und blauen Trauben, welche erst nach der GähruDg
gekeltert werden , nachdem sich der Farbstoff in der weingeist-
haltigen Flüssigkeit gelöst hat (er ist in Wasser nicht löslich).
Die spanischen Weine, wie der Sherry, Yinum Xerense (von
Xeres de la Frontera), besitzen eine bräunliche Färbung und un--
vergohrenen Zucker, da sie sehr alkoholreich (15 — 18 Proz.) sind.
(Wenn der Alkoholgehalt ein grösserer geworden, verhindert er
die Yollendung der Gährung.) Rheinweine besitzen im Mittel
9 — 10 Proz., Moselweine 7 — 8 Proz. Alkohol und mehr oder weniger
Weinsäure, aber keinen Zucker mehr.
Das Bier ist der vergohrene Auszug des Malzes, durch
Hopfenbitter gewürzt. Man extrahiert das, die Bezeichnung ,,Malz"
führende, gekeimte Gerstenkorn, in welchem ein Teil des Stärke-
mehls in Zucker übergeführt ist. Durch Einwirkung des in der
Gerste vorhandenen Eiweissstoffes (Diastase) wird das noch vor-
handene Stärkemehl in Dextrin und zugleich der Zucker in Gäh-
rung übergeführt. Daher besitzt das Bier reichlich Dextrin neben
Alkohol (3 — 6 Proz.), Kohlensäure und Hopfenbitter.
Wird Getreide, Reis , Kartoffel oder eine andere stärkemehl-
haltige Substanz mit Malz digeriert, so geht das Stärkemehl in
Dextrin und darauf in Zucker über, welcher sofort die Gährung
erleidet und eine geistige „Maische" liefert, aus der man durch
Destillation die verschiedenen Arten Branntweine gewinnt.
Gegohrener Roggen giebt den Kornbranntwein, gegohrener
Reis den Arrak, gegohrene Kartoffeln den Kartoffelbrannt--
— 254 -
wein, gegohrene Melasse (brauner Syrup) den Rum, "Wein den
C o g n a k. Der Alkoholgehalt derselben ist sehr verschieden,
zwischen 30 und 50 Volumprozenten schwankend. Jeder dieser
Branntweine ist von dem einen oder anderen Fuselöle begleitet.
So giebt es ein Getreide-, Kartoffelf uselöl u. a., sämtlich
schwerer flüchtig als der Alkohol. Im Rum, Arrak und Cognak
sind gewisse, leichtflüchtige Ätherarten enthalten.
§ 227. "Weingeistdestillation. Man gewinnt den Weingeist aus
Branntwein oder direkt aus der Kartoffel-Maische durch Destil-
lation. Da der Weingeist flüchtiger ist und einen niedrigeren
Siedepunkt hat wie das Wasser, so nimmt er zuerst Dampfform
an, und es geht zu Anfang eine alkoholreiche Flüssigkeit über
(der sog. Vorlauf), während eine rein wässerige in der Retorte
zurückbleibt — sog. Phlegma (Schlempe). Bei der einfachen
Destillation wird aus dem Branntwein zuerst rektifizierter
Weingeist, aus diesem durch abermalige Destillation höchst-
rektifizierter Weingeist gewonnen.
Bei den jetzt üblichen vervollkommneten Dampfdestillatio-
nen werden die Destillierblasen durch Dampf geheizt oder stehen
direkt im Dampfkessel. Aus den Blasen gelangen die Weingeist-
dämpfe in Behälter, worin sich Maische befindet, und dunsten, durch
letzter erhitzt, ihren Weingeist ab; die dadurch alkoholreicher
gewordenen Dämpfe werden nun durch ein System von Röhren
geleitet (sog. Dephlegmatoren), in denen sie sich zum Teil ver-
dichten, d. i. ihre wässerigen Teile abscheiden, während der Alkohol
gasförmig bleibt und später durch Abkühlung im Schlangenrohr
verflüssigt wird. So gelingt es, direkt aus der gegohrenen Maische
einen 90— 95 volumprozentigen Alkohol zu erhalten. Die ver-
dichteten wässerigen Teile fliessen aus den schräg gerichteten
Dephlegmatoren in die Destilliergefässe zurück. Sie werden von
den schwerflüchtigen Fuselölen begleitet, so dass durch die De-
stillation zugleich möglichste Reinigung des Weingeistes vom
Fuselöl erzielt wird. Früher bediente man sich zu letzterem
Zwecke frisch geglühter Holzkohlen, welche das Fuselöl absorbieren.
Aus dem käuflichen 90 proz entigen Weingeist gewinnt man
den wasserfreien Alkohol, wenn man ihn wiederholt über
geschmolzenem Chlorcalcium rektifiziert, welches ihm das Wasser
entzieht und sein spezifisches Gewicht auf 0,79 erniedrigt.
Prüfung des Weingeistes: Er darf nach dem Abdampfen mit
Kalilauge beim Übersäuern nicht den Geruch nach Fuselöl geben ; konzen-
trierte Schwefelsäure darf ihn nicht rot färben, übermangansaures Kali
sich durch ihn nicht entfärben (fremde organische Materien), Ammoniak
ihn nicht färben (gelb : Gerbstoff — aus dem Fasse), H2S ihn nicht trüben
(dunkel: Schwermetalle); auch sei er vollständig flüchtig.
— 255 —
§ 228. Was nennt man Alkoholradikale? Aus den verschiedenen
Umsetzungen, die der Alkohol durch Säuren, Salzbildner, Alkalien
u. a. erleidet, geht hervor, dass er als das Oxydhydrat (Hydroxyd)
eines einatomigen Radikals mit der Formel (C2H5) und dem Namen
Äthyl anzusehen ist.
empirische Formel : rationelle Formel :
C2H60 = ..(C2Hä)HO
Alkohol Äthyloxydhydrat.
Wir können zwar den Alkohol das Oxydhydrat des Äthyls
nennen, da er zum Äthyl sich verhält wie das Kalihydrat (KHO)
zum Kalium; aber ebenso wie das freie Äthyl durch neutrales
Verhalten sich auszeichnet, stellt auch sein Oxydhydrat, der
Alkohol, einen indifferenten Körper dar.
Dem Weingeist sind eine Reihe anderer Körper analog zu-
sammengesetzt, als Oxydhydrate organischer Radikale. Da für
sie die Bezeichnung Alkohole gemeinsam geworden ist, tragen
ihre Radikale den Namen Alkoholradikale.
Die Alkohole sind anzusehen als die Oxydhydrate {Hydroxyde)
gewisser Radikale, der sog. Alkoholradikale.
Dem Äthylalkohol (Weingeist) entsprechen zunächst folgende
Alkohole , welche mit ihm eine homologe Reihe, die sog.
Methylreihe bilden, deren Radikale sich nur durch einen Mehr-
gehalt von (CH2) von einander unterscheiden:
Methyl CH3 . . Methylalkohol (Holzgeist) CH40
Äthyl C2H5 . . Äthylalkohol (Weingeist) C2H60
Propyl C3H7 . . Propylalkohol CgHgO
Butyl C4H9 . . Butylalkohol C4H10O
Aniyl CgH^ . . Amylalkohol (Kartoffelfuselöl) C5H120
Die allgemeine Formel der Radikale dieser Methylreihe ist
mithin (CnH2n+I), diejenige der Alkohole (CnH2n+20)*).
Versuche.
1. Prüfung von Wein oder Bier auf den Weingeistgehalt.
Man bestimmt zunächst das spez. Gew. der Flüssigkeit genau und auf 4
Decimalstellen ; dann wird eine genau gewogene Menge auf ein Drittel
eingekocht und nach dem Erkalten der Gewichtsverlust mit destilliertem
*) In den Alkoholradikalen befinden sich die Kohleatome in ketten-
artiger Bindung mit je 1 Valenz, sodass die Endglieder noch mit je 3
Valenzen, die mittleren Glieder mit je 2 Valenzen begabt sind. Während
also das Anfangsglied C an 3 H, die nachfolgenden C an je 2 H gebunden
sind, bleiben dem Endgliede C noch 2 H übrig, während seine dritte
Valenz durch die einwertige Atomgruppe OH (Hydroxyl) gesättigt wird. Also :
Methylalkohol Äthylalkohol Propylalkohol
P=H3 C=H3 C H3
— OH | |
C Ho C^H>
OH |
C-H2
—OH.
— 256 —
Wasser wieder genau ersetzt, worauf man abermals spez. Gew. bestimmt,
welches nun etwas grösser ausfallen wird. Man subtrahiert beide Zahlen
von einander, zieht die erhaltene Differenz von 1,0000 ab und sucht für
die sich ergebende Zahl in der der Pharm. Germ, angehängten Tabelle
den entsprechenden Weingeistgehalt.
Stöchioinetrische Aufgaben.
1. Wieviel wasserfreien Weingeist liefert 1 kq Zucker bei der Gährung?
— Antw. (C12H24012) : 4(C2H60) = 360 : 4 X. 46; x = 511 #.
2. Wieviel Prozente wasserfreien Weingeist erhält ein Wein, dessen
Most 20 Prozente Zucker besass? — Antw. 1000 : 511 = 20 : x; x = 10,2%.
3. Wieviel l kohlensaures Gas liefert 1 kg Zucker bei der Gährung,
wenn das l des Gases 2 g wiegt? — Antw. (C12H24012) : 4C09 == 360 :
4 X 44; x = 489 # = 244,5 L
4. Wie gross ist der Weingeistgehalt eines Weines, dessen spez.
Gew. vor dem Abkochen 0,9935, nach dem Abkochen 1,0080 ist? — Antw.
1,0080—0,9935 = 0,0145; 1,0000—0,0145 = 0,9855, welche Zahl nach der
Tabelle 8,87% Alkohol entspricht.
36, Die Essigsäure.
§229. Wie bildet sich die Essigsäure? Die Essigsäure
(C2H402) entsteht aus dem Weingeist durch Oxydation^
wenn die geeigneten Umstände vorhanden sind. Reiner Wein-
geist geht an der Luft nicht in Essigsäure über; be-
findet er sich aber in grosser Verdünnung mit Wasser, zugleich
mit dem geeigneten Gährungserreger, so zieht er Sauerstoff aus
der Luft an und geht in Essigsäure über. Der hierzu notwendige
Gährungserreger ist eine besondere Art der Hefe, die Essig-
mutter (Mycoderma Aceti).
Die ältere Methode der E ssigb er eitung bestand
darin, dass man zu einer Quantität Essig, welche stets etwas
Essigmutter enthält (nur zum Sieden erhitzter Essig ist davon
frei), stark verdünnten Branntwein setzte und die Mischung in
einem offenen Passe an einem lauwarmen Orte einige Zeit stehen
liess. Von Woche zu Woche zapfte man eine Quantität als Essig
ab und ersetzte sie durch eine gleiche Menge verdünnten Brannt-
wein. So ging die Essigfabrikation ununterbrochen fort. Den
ganzen Prozess nannte man Essiggährung.
Das Produkt ist der Essig, Acetum, eine saure, 6% freie
Essigsäure enthaltende Elüssigkeit. Unterwirft man Wein oder
Bier dem Oxydationsprozesse oder der Essiggährung, so erhält
man den Wein- und Bieressig.
Die neuere Schnellessigfabrikation benutzt die Eigen-
schaft stark poröser Körper, in ihren Poren Sauerstoff zu ver-
dichten, um den Weingeist zu oxydieren. Man lässt verdünnten
Branntwein durch ein mit Buchenholzspänen gefülltes Pass.
— 257
(Fig. 69 b) rinnen, welches
einen oberen Siebboden (a)
mit Röhrchen (c) zum Ent-
weichen der Luft besitzt, sowie
seitliche Luftlöcher (ee), unter
diesen einen zweiten Sieb-
boden und ein Abzugsrohr
(g) für den fertigen Essig.
Ein solches Fass heisst
Essigbildner.
Prüfung des Essigs: Er
darf sich nicht trüben mit H2S
(dunkle Trübung: Schwermetalle),
keinen bedeutenderen , scharf-
schmeckenden Rückstand beim
Verdampfen hinterlassen (scharfe
Pflanzenstoffe), nur geringe
Mengen schwefelsaurer Salze und
Chloride enthalten, muss eine „. fiQ
alkalische Asche geben (neutrale £'
oder saure Reaktion: freie Mineralsäuren) und 6% Essigsäure enthalten
(10 g Essig müssen sich mit 10 ccm Normalkali sättigen).
§ 230. Theorie der Essigbildung. Wenn der Weingeist in Essig-
säure übergeht, so verliert er zwei Atome Wasserstoff und nimmt
an deren Stelle ein Sauerstoffatom auf. Hiernach besteht
die Essigbildung aus zwei Momenten: aus der Oxyda-
tion zweier Wasserstoffatome, welche als Wasser austreten,
und an deren Stelle ein Sauerstoffatom eintritt. Auf der
Mitte zwischen" beiden, zeitlich auf einander folgenden Momenten
steht ein Körper, das Aldehyd*) (C2H40), welches weniger
Wasserstoff wie der Weingeist, weniger Sauerstoff wie die Essig-
säure besitzt.
Das bei der Essigbildung als Mittelstufe sich bildende Aldehyd
ist eine sehr flüchtige, nicht saure, ätherisch riechende Flüssig-
keit, deren Dämpfe man in jeder Essigsiederei wahrnimmt.
Hiernach stellt sich der Prozess der Essigsäurebildung dar:
I. C2H60 + 0 = C2H40 -f- H20
Alkohol Sauerstoff Aldehyd Wasser
IL C2H40 + 0 = C.2H402
Aldehyd Sauerstoff Essigsäure.
Bei der Oxydation des Alkohols geht derselbe zuerst {unter
Wasserstoff vertust) in Aldehyd, daraxif (unter Sauerstoffaufnahme)
in Essig säure über.
*) Aldehyd wurde von seinem Entdecker Liebig nach den Anfangs-
buchstaben von Alkohol und dehydrogenatus (wasserstoffberaubt)
benannt.
Schlickum, Apothekerlehrling. 17
— 258 —
Das Aldehyd besitzt ein so grosses Bestreben, Sauerstoff auf-
zunehmen, dass es an der Luft in kurzer Frist säuert und zu
Essigsäure wird.
§ 231. Die offizineile Essigsäure. Man stellt die reine Essig-
säure durch Destillation des essigsauren Katrons mit Schwefel-
säure dar, wobei schwefelsaures Natron in der Eetorte zurückbleibt.
2NaC2H302 + H,S04 == Na2S04 + 20,H402
essigsaures Schwefelsäure schwefelsaures Essigsäure.
Natron Natron
Je nachdem man das krystallisierte oder das entwässerte
essigsaure Natron anwendet, gehen daraus verschieden konzen-
trierte Säuren hervor:
a) Die verdünnte Essigsäure, Acidum aceticum dilutum,
früher konzentrierter Essig (Acetum concentratum)
genannt, ist eine 30prozentige Essigsäure, mit dem spez.
Gew. = 1,041, welche sich mit gleich viel Liquor Kali carbonici
genau sättigt. Man stellt diese Säure durch Destillation des
krystallisierten essigsauren Natrons mit gewässerter Schwefel-
säure dar. Das Destillat wird zum genannten spez. Gew. mit
Wasser verdünnt.
b) Die konzentrirte Essigsäure, Acidum aceticum, wegen
ihres Erstarrens bei 0° Eisessig (Acetum glaciale) genannt,
eine ätzend saure, farblose Flüssigkeit von stechend saurem Ge-
ruch, welche Citronenöl (7to Teil) und andere ätherische Öle auf-
löst. Spez. Gew. = 1,064 bei 96 °/0 Essigsäure. Man gewinnt
sie durch Destillation des entwässerten essigsauren Natrons
mit englischer Schwefelsäure. Sie siedet bei 117°.
Prüfung der Essigsäure: Übermangansaures Kali entfärbe sich
nicht mit der (mit Wasser verdünnten) Säure, andernfalls sie schweflige
Säure enthält; sie trübe sich nicht mit Baryumnitrat (weisse Trübung:
Schwefelsäure), Silberlösung (weisse Trübung: Salzsäure), Schwefelwasser-
stoflwasser (dunkle Trübung: Schwermetalle). Ihren Säuregehalt stellt man
fest durch Sättigung mit Normalkalilösung.
Beim Verdünnen der Säure mit Wasser zieht sie sich an-
fänglich zusammen, ihr spez. Gew. erhöhend, bis dasselbe 1,073
erreicht hat (C2H402 -f- H20). Von da ab nimmt bei fernerem
Wasserzusatz die Dichte gleichmässig ab. Daher kommt es, dass
eine Säure vom spez. Gew. 1,064 sowohl die 96prozentige, als
auch eine verdünnte (und zwar 54prozentige) sein kann. Letztere
vermag aber nicht mehr Citronenöl aufzulösen.
Die Essigsäure ist eine einbasische Säure : CaH402 ==
(C2H30)HO. Ihre Salze sind sämtlich in Wasser löslich und
heissen Acetate; so ist das essigsaure Natron Natriumacetat =
NaC2H302. In der Essigsäure nimmt man ein sauerstoffhaltiges
Radikal (C2H30), Acetyl, an, welches mit HO (Hydroxyl) ver-
bunden die Säure darstellt, ähnlich wie das Äthyl (C2H5) mit HO
— 259 —
verbunden den Alkohol bildet. Das Acetyl unterscheidet sich da-
durch vom Äthyl, dass zwei Wasserstoffatome durch ein Sauer-
stoffatom vertreten sind, welches das Radikal säurebildend macht.*)
Man erkennt die Essigsäure und ihre Salze an der blut-
roten Farbe des essigsauren Eisenoxyds (Liq. Ferri acetici) ; man
gebraucht daher die Eisenchloridlösung als Reagens auf die
essigsauren Salze, welche dadurch blutrot gefärbt werden. Be-
dingung ist neutrale Reaktion, da freie Säure diese Färbung auf-
hebt. Freie Essigsäure ist daher vor Zusatz des Eisenchlorids
mit Ammoniak oder kohlensaurem Alkali genau zu neutralisieren.
§ 232. Zu welchen Säuren gehört die Essigsäure? 'Die Essigsäure
ist das zweite Glied einer Säurereihe, welche mit der Ameisen-
säure beginnt und daher Ameisensäurereihe genannt wird:
Ameisensäure CH,02 = (CHO)HO
Essigsäure C,H402 = (C2H30)HO
Propionsäure C3H602 = (C3H50)HO
Buttersäure C4H802 = (C4H70)HO
Baldriansäure C5H10O2 = (C5H90)HO
Die weiterhin folgenden Glieder dieser Reihe stellen fettige
Körper, sog. Fettsäuren, dar, und zwar die zunächst folgenden
flüchtige, die späteren nichtflüchtige Fettsäuren. (Bei den
Fetten wird, näheres über sie mitgeteilt.)
Sämtliche Säuren dieser Reihe sind einbasisch, mit der
allgemeinen Formel (CnH2n02). Das in ihnen enthaltene Säure-
radikal besitzt also die Zusammensetzung (CJEI^n^O) und unter-
scheidet sich von, dem entsprechenden Alkoholradikale der Methyl-
reihe wie das Acetyl vom Äthyl, d. i. dadurch, dass an die
Stelle zweier Wasserstoffiatome ein Sauerstoffatom getreten ist.
Die Säuren der Ameisensäurereihe gehen aus den Alkoholen der
Methylreihe durch Oxydation hervor.
"Wie der Äthylalkohol (Weingeist) durch Oxydation in Essig-
*) Die Strukturformeln für das Äthyl und den Weingeist, sowie für das
Acetyl und die Essigsäure sind folgende:
C ==H-3 C^Hjj
C-H2 C=H2
~ O.H
Äthyl Weingeist
C - Hg C=H3
c=o r=0
Acetyl — O.H
Essigsäure
Der Weingeist und die Essigsäure sind Hydroxyde (Verbindungen
der Atomgruppe HO, vgl. § 89), ersterer vom Äthyl (C2H5), letztere vom
Acetyl (C2H3q), wie auch die Typenformeln für beide lauteten:
Weingeist t| \ 0 Essigsäure V > 0
Es herrscht jedoch der Unterschied zwischen ihnen, dass beim Wein-
geist HO zugleich mit 2 H an das (zweite) Kohleatom gebunden ist;
bei der Essigsäure ist das HO zugleich mit 0 an das Kohleatom ge-
bunden. Hierüber geben obige Strukturformeln den besten Aufschluss.
17*
— 260 —
säure übergeht, so liefert der Methylalkohol (Holzgeist) durch
Oxydation Ameisensäure, der Amylalkohol (das Kartoffelfuselöl)
Baldriansäure. Nämlich:
Methylalkohol
CH40 + 20 -.
= Ameisensäure
CH202 + BLjO
Äthylalkohol
C,H60
Essigsäure
C2H402
Propylalkohol
QffiO
Propionsäure
03^6^2
Butylbalkohol
C4H10O
Buttersäure
^4ßs^2
Amylalkohol
C5H120
Baldriansäure
CöH^Oo
§ 233. Die der Essigsäure verwandten Säuren. Die Ameisen-
säure (CH202), Acidum formicicum (von formica, Ameise), ist
eine ätzend saure, farblose Flüssigkeit, der Essigsäure ähnlich,
•wie diese beiO0 gefrierend und bei 105° siedend; sie findet sich
frei in den Ameisen — daher ein Bestandteil des Spiritus und
der Tinctura Formicarum — in den Stacheln der Bienen
und Wespen, den Brennhaaren der Nessel und in den Tannen-
nadeln. Sie ist das Oxydationsprodukt des Methylalkohols (Holz-
geist), sowie sehr vieler organischer Stoffe. In reichlichem Masse
gewinnt man sie mittelst Destillation von Glycerin mit Oxal-
säure, sowie von Stärkemehl mit Braunstein und verdünnter
Schwefelsäure. Man verdünnt sie zum spez. Gew. 1,060, wobei
sie 25% Säure enthält. Sie reduziert Silbersalze und Queck-
silberoxyd (Unterschied von der Essigsäure, mit der sie die
Färbung durch Eisenchlorid gemeinsam hat); die Reduktion tritt
beim Erhitzen sofort unter Kohlensäureentbindung ein, nämlich:
HgO + CH,02 = Hg + C02 + H20
Queeksüberoxyd Ameisensäure Quecksilber Kohlensäure Wasser.
Prüfung der Ameisensäure: Sie darf durch Silbernitrat nicht
sofort gefällt werden (weiss: Salzsäure ); mit Ammoniak gesättigt darf sie
sich nicht trüben durch Chlorcalcium (weiss: Oxalsäure) und H2S (schwarz:
Schwermetalle).
Die Buttersäure (C4H80.2) findet sich frei im Schweiss,
im Johannisbrot und in ranziger Butter. Eine stark saure
Flüssigkeit, welche zugleich nach Essigsäure und ranziger Butter
riecht; sie lässt sich mit Wasser mischen.
Die Baldriansäure, Acidum valerianicum (C5H10O2),
ist eine ölige, saure Flüssigkeit, welche auf Wasser schwimmt und
sich darin schwer löst, mit Weingeist aber in allen Yerhältnissen
sich mischen lässt; von saurem, zugleich an faulen Käse er-
innerndem Geschmack. Sie findet sich fertig gebildet in der Bal-
drianwurzel und geht bei deren Destillation mit dem Wasser über.
Künstlich gewinnt man sie durch Oxydation des Amylalkohols
(Kartoffelfuselöl) mittelst Schwefelsäure und doppeltchromsauren
Kalis. Dabei destilliert die Baldriansäure über, während schwefel-
saures Kali-Chromoxyd (Chromalaun) zurückbleibt. (Vgl. § 175).
C5Ht2Ö + 20 = C5Ht0O2 + H20
Amylakohol Baldriansäure
— 261 -
Das baldriansaure Zinkoxyd, Zincum valerianicum (Zn2C5H902),
ist ein Salz in perlmutterglänzenden, nach Baldriansäure riechenden Blätt-
chen, welches als schwerlöslich auskrystallisiert, wenn Zinkvitriollösung
mit baldriansaurem Natron versetzt wird. Auf Zusatz von Salzsäure scheidet
es Baldriansäure als Ölschicht ab.
Versuche.
1. Aldehyd. Man bringe 10 g in kleine Stückchen zerbrochenes
doppeltchromsaures Kali nebst 40 g Wasser in eine kleine tubulierte Re-
torte, lege ein Kölbchen lose vor und giesse ein abgekühltes Gemisch aus
13 g engl. Schwefelsäure und 7 q Weingeist in kleinen Portionen durch
den Tubulus hinzu, nach jedem Zusätze den Tubulus sofort verschliessend.
Der Inhalt gerät von selbst ins Sieden und liefert Aldehyd als ein wasser-
helles, ätherisch riechendes Destillat. In der Retorte bleibt grüne Chrom-
alaunlösung zurück.
Praktische Übungen.
1. Acidum aceticum dilutum. (Fig. 18 auf S. 46.) Man gebe 10 Teile
krystallisiertes essigsaures Natron in eine Retorte (r), giesse eine Mischung
aus 4 Teilen engl. Schwefelsäure und 2 Teilen Wasser — man gebe die
Säure zum Wasser, nicht umgekehrt! — hinzu und destilliere aus dem
Sandbad, nachdem man die Ingredienzien über Nacht hatte auf einander
wirken lassen. (Bei Anwendung einer nicht tubulierten Retorte ist darauf
zu sehen, dass ihr Hals rein bleibe; man gebe in diesem Falle das Salz
durch eine Papierrolle, die Säure durch einen langröhrigen Trichter hinein.)
Den Hals der Retorte verbinde man mit einem sog. Liebigschen Kühler
(b), in welchem man durch Einfluss kalten Wassers (aus e in die Röhre d
und Ausfluss des erhitzten durch c ) eine stetige Abkühlung erzeugt ; der
unteren Röhrenöffnung (m) füge man eine sog. Allonge (t) an, welche in
die Vorlage (f) hineinreicht.
Sowie 8 Teile überdestilliert sind, werde die Destillation beendigt
und das Destillat mit Wasser zum spez. Gew. 1,040 verdünnt.
Der Salzkuchen in der Retorte lässt sich durch Eingiessen heissen
Wassers entfernen.
2. Acidum aceticum (concentratum). Man lasse 14 Teile
essigsaures Natron in einer eisernen Schale bei gelindem Feuer schmelzen
und trockne das Salz, sowie es wieder fest zu werden beginnt, unter Um-
rühren völlig aus. Es restieren 8 Teile, die man zu Pulver verreibt und
in eine tubulierte Retorte bringt, die damit nur halb gefüllt werden darf;
schliesslich giebt man 5 Teile englische Schwefelsäure hinzu, welche das
Salz gut durchdringen muss, und destilliert aus dem Sandbad, bei gelinder
Hitze, in einen lose vorgelegten Kolben. Dieser werde, nachdem etwa
2 Teile übergegangen sind, gewechselt; das nun Überdestillierende besitzt
die nötige Stärke d. i. löst i/10 Citronenöl klar auf. Die zuerst übergehende
Partie ist schwächer.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Essigsäure liefert 1 kg essigsaures Natron bei der Zer-
setzung mit Schwefelsäure? — Antw. (NaC,H3Oo -|- 3H20) : (C<,H409) =
136 : 60; x = Ul g.
2. Wieviel offizinelle verdünnte Essigsäure wird aus 1 kg essigsaurem
Natron gewonnen? — Antw. 30 : 100 = 441 : x; x r= 1470 #.
3. Wieviel Essigsäure liefert 1 Teil Weingeist bei der Oxydation?
— Antw. C2H60 : C2H402 = 46 : 60; x = 1,30.
262 -
Fig. 70.
37. Der Äther.
§ 234. Eigenschaften des Äthers. Der Äther, Aether*)
(C4H| 00), ist eine farblose, indifferente, neutrale, dünne
und höchst flüchtige Flüssigkeit, von starkem, eigenem
Geruch und brennendem Geschmack. Er siedet schon
in lauer "Wärme (bei 35°), verdunstet daher sehr schnell
und erzeugt dabei bedeutende Abkühlung ; er besitzt
das spez. Gew. 0,72, schwimmt daher auf dem Wasser,
womit er sich nicht mischt. Er löst sich leicht in
Weingeist und Ölen, verlangt aber sein zehnfaches
Yolum Wasser zur Lösung. Da weingeisthaltiger
Äther vom Wasser leichter gelöst wird, so prüft
man ihn auf einen Weingeistgehalt, in-
dem man gleiche Yolumteile Äther und Wasser in
einem graduierten Glascylinder (Ätherproberöhre, Fig.
70) zusammenschüttelt; das (unten befindliche) Wasser
darf dann nicht mehr als um i/Xo (1 Teilstrich) zu-
nehmen.
Der Äther ist höchst brennbar, da er
leicht verdampft und sein Dampf mit Luft gemengt
beim Entzünden ähnlich dem Knallgas explodiert,
wesshalb es gefährlich ist, ihm eine Flamme
zu nähern, was beim Umfüllen von Äther bei Licht
wohl beachtet werde!
Prüfung des Äthers: Er darf nach dem Verdunsten auf Fliesspapier
keinen Geruch hinterlassen (fuseliger Geruch: Weinöl), Lackmuspapier
nicht röten (Schwefelsäure, Essigsäure), an ein gleiches Volumen Wasser
nur 1/10 abgeben (wenn mehr: Weingeist).
§ 235. Wie gewinnt man den Äther? Der Äther entsteht beim
Erhitzen von Weiugeist mit konz. Schwefelsäure. Man mischt
4 Teile vom ersterem mit 3 Teilen der letzteren und destilliert
aus einem Kolben (Fig. 71b), durch dessen Tubulus (k) man
aus einem höher gestellten Gefässe (a) Weingeist nachfliessen
lässt, bis im ganzen viermal soviel Weingeist verbraucht ist,
als man Schwefelsäure angewendet hat. In der Vorlage (d) sam-
melt sich der gebildete Äther mit Wasser und unverändertem
Weingeist, von denen jener durch eine Rektifikation getrennt
werden muss. Man rektifiziert aus dem Wasserbad, so lange
noch reiner Äther übergeht.
*) Äther, atörjp, die oberste Luftschicht, dann überhaupt: Luft, Dunst.
- 263
Fig. 71.
Theorie der Ätherbildung. Der Äther stellt das Oxyd des im
"Weingeist enthaltenen Äthvls (C2H5) dar:
C4H1nO = (C2H5)20
Äther Äthyloxyd.
Wie geht nun der Weingeist (Äthylhydroxyd) in Äther
(Äthyloxyd) über? Früher glaubte man, dass die konz. Schwefel-
säure vermöge ihrer wasseranziehenden Kraft dem Weingeist
Hydratwasser entzöge; da aber die wasseranziehende Kraft der
Schwefelsäure in der Wärme geringer als in der Kälte ist, so
kann die Säure den Weingeist wohl nicht durch Wasser-
entzieh ung ätherifizieren, weil dies nicht in der Kälte ge-
schieht. Die Ätherbildung besitzt vielmehr zwei getrennte Mo-
mente : 1. die Bildung von Äthylschwefelsäure aus Schwefelsäure
— 264 —
und Weingeist beim Vermischen, 2. die Zersetzung derselben
beim Sieden. Mischt man nämlich Weingeist mit konzentrierter
Schwefelsäure, so entsteht Äthylschwefelsäure (saures schwefel-
saures Äthyloxyd):
I. C2H60 + H2S04 = (C2H5)HS04 + H20
Weingeist Schwefelsäure Äthylschwefelsäure Wasser.
Beim Sieden zersetzt sich die Äthylschwefelsäure mit Wein-
geist in Äther und Schwefelsäure.
IL (C2H5HS04 + C2H60 = (C2H5)20 + H2S04
Äthylschwefelsäure Weingeist _ Äther Schwefelsäure.
Der Äther entsteht aus der AthyJschwefelsäure beim Sieden.
Während bei der Ätherdestillation durch den stetig ein-
fliessenden Weingeist am Rande der Retorte die Temperatur
niedrig gehalten und daselbst stets Äthylschwefelsäure gebildet
wird, zerlegt sich dieselbe fortwährend, sobald sie in der Mitte
der Retorte zum Sieden gelangt. So finden wir bei der Äther-
destillation beide Prozesse gleichzeitig neben einander verlaufen.
Die Äthylschwefelsäure, gewöhnlich Ätherschwefel-
säure oder Weinschwefelsäure genannt [(C2H5)HS04] , ist
in der Mixtnra sulfurica acida enthalten und sättigt sich mit
Kalk und Baryt zu löslichen (!) Salzen.
§ 236. Was nennt man Ätherarten? Wird der Weingeist mit
starken Säuren erhitzt, so entstehen ätherartige Verbin-
dungen des Äthyls mit den angewendeten Säuren.
Diese sog. zusammengesetzten Äther oder Ätherarten
stellen mithin Äthylsalze dar. Ähnlich wie eine Säure sich
mit Kalihydrat zu einem Kalisalze sättigt, verbindet sich die
Säure mit dem Weingeist (Äthyloxydhydrat) zu Äthylsalz und
Wasser. Offizin eil sind:
1. Der Essigäther, essigsaures Äthyl, Äthylacetat,
Aether aceticns [(C2H5)C2H302]. Eine farblose, neutrale, flüch-
tige Flüssigkeit, die bei 74° siedet, das spez. Gew. 0,90 besitzt
und durchdringend riecht. Er schwimmt auf dem Wasser, worin
er sich eben so schwer wie der Äther löst. Man prüft ihn da-
her auf einen Weingeistgehalt in gleicher Art, wie beim Äther
angegeben wurde.
Der Essigäther wird dargestellt durch Destillation von essig-
saurem Natron mit Schwefelsäure und Weingeist. Die Schwefel-
säure macht aus dem Natronsalze die Essigsäure frei, schwefel-
saures Natron bildend; die Essigsäure wirkt alsdann auf den
Weingeist, ihn in Essigäther und Wasser umsetzend:
(C,H5)HO + C,H40, = (GH6)C2H302 + H90
Weingeist Essigsäure Essigäther Wasser.
Der Essigäther wird durch Schütteln mit Wasser von dem
unverändert übergegangenen Weingeist getrennt, die aufschwim-
— 265 -
mende Ätherschicht abgegossen und für sich aus dem Wasserbad
rektifiziert. Man prüft ihn ähnlich wie den Äther.
2. Der Salpeteräther ist salpetrigsaures Äthyl, Äthyl-
nitrit [(C2H5)N02], eine nach Äpfeln riechende, flüchtige
Flüssigkeit und im versüssten Salpetergeist, Spiritus
Aetheris nitrosi, enthalten. Man stellt diesen Spiritus durch
Destillation von Weingeist mit Salpetersäure dar, wobei die
letztere sich zu salpetriger Säure reduziert, Sauerstoff an den
Weingeist abgebend und einen Teil desselben zu Aldehyd
(C2H40) oxydierend. Die salpetrige Säure verwandelt einen anderen
Teil des Weingeistes in salpetrigsaures' Äthyl und Wasser:
I. HN03 + C,H60 = HN02 + C2H40 + H,0
Salpeter- Weingeist salpetrige Säure Aldehyd Wasser,
säure
IL HNO, + C2H60 = C,H5NO, -f- H20
salpetrige S. Weingeist salpetrigs. Äthyl Wasser.
Der Salpeteräther destilliert mit dem Aldehyd über. Da das
Aldehyd durch Sauerstoffanziehung aus der Luft allmählich in
Essigsäure übergeht, wird der versüsste Salpetergeist bei der
Aufbewahrung sauer. Man bewahrt ihn deshalb über etwas
weinsaurem Kali auf, welches die entstehende Essigsäure bindet,
saures weinsaures Kali (Weinstein) ausscheidend.
3. Das salpetrigsaure Amyl, Amylnitrit, Amylium
nitrosum [(C5H11)N02], wird erhalten durch Einwirkung sal-
petriger Säure auf Kartoffelfuselöl (Amylalkohol); eine schwach-
gelbliche, ätherische Flüssigkeit, deren Dampf beim Einatmen
starken Blutandrang nach dem Kopfe erzeugt, daher gefährlich
ist. Es säuert leicht bei Luft- und Lichtzutritt, wird deshalb
ebenfalls über weinsaurem Kali aufbewahrt.
Der Butteräther (das buttersaure Äthyl) ist im Rum, der Ameisen-
äther (ameisensaures Äthyl) im Arrak enthalten; der Baldrianamyl-
äther (baldriansaures Amyl) dient als sogen. Apfelöl, der Essigsäure-
amyläther (essigsaures Amyl) als sogen. Birnöl zur Aromatisierung.
Praktische Übungen.
1. Aether aceticus. (Fig. 72.) Man mische 20 Teile englische
Schwefelsäure portionenweise und vorsichtig zu 12 Teilen Weingeist und
giesse die Mischung in einen Kolben zu 25 Teilen grobgepulvertem krystal-
lisierten essigsauren Natron. Dem Kolben füge man luftdicht eine gebogene
Glasröhre an, deren anderes Ende in eine in Wasser gestellte leere Flasche
reiche, erhitze ihn dann in einem Gefässe mit siedendem Wasser und
destilliere, so lange etwas übergeht. Das Destillat werde mit kohlensaurem
Kali neutralisiert, dann mit gleichviel Wasser geschüttelt und mittelst
eines Trichters die oben schwimmende Ätherschicht von der wässerigen
getrennt. Um den Äther wasserfrei zu machen, schüttele man ihn mit
trocknem Chlorcalcium und rektifiziere ihn schliesslich aus dem Wasser-
bad in derselben Weise wie zuvor.
266
iiifjiitiwii'i''
Fig. 7 2.
Versuche.
1. Die Flüchtigkeit des
Äthers geht sehr deutlich aus
folgendem Versuche hervor. Man
giesse einen Theelöffel Äther in
ein leeres 300 g -Glas, schwenke
dasselbe gut um, sodass der
Äther alle Wandungen benetzt
und möglichst zur Verdunstung
gelangt, darauf gebe man etwa
30^ Wasser in das Glas, schüttele
es, wohl verschlossen, stark und
öffne es schliesslich umgewendet
unter Wasser — sofort wird
letzteres gewaltsam in das Glas
gedrückt werden und es grossen-
teils füllen. Der Ätherdampf
hatte die atmosphärische Luft
aus dem Gefässe entfernt und,
nachdem er durch das Schütteln
mit Wasser verschluckt worden,
einen luftverdünnten Raum ge-
schaffen, welcher beim Offnen
des Glases vom Wasser einge-
nommen wird.
2. Die Verdunstungskälte, welche verdampfender Äther erzeugt,
wird wahrgenommen: a) Man lasse einen Theelöffel Äther in einer offenen
Porzellanschale verdunsten — die Unterseite der Schale wird sich mit
Tau bedecken, herrührend von der Luftfeuchtigkeit des Raumes, b) Man
umgebe die Kugel eines Thermometers mit etwas Fliesspapier, welches
dann mit Äther benetzt wird; das Quecksilber fällt stark, beispielsweise
von + 15° auf — 3°.
3. Siedepunkt des Äthers. Man tauche einen mit etwas Äther
versetzten Probiercylinder in lauwarmes Wasser; der Äther gelangt zum Sieden.
Vorsichtsniassregeln beim Gebrauche des Äthers.
1. Wegen seiner Feuergefährlichkeit öffne man nie eine Ätherflasche
in der Nähe eines Lichtes, am wenigsten bei einer offenen Flamme.
2. Wegen seiner Ausdehnbarkeit fülle man die Ätherflaschen nur
zu 5/6 an, anderenfalls leicht der Stöpsel abgehoben wird, wenn man die
Flasche aus einem kalten Raum (Keller) in einen erwärmten bringt.
3. Wegen seiner Leichtbeweglichkeit bediene man sich beim Um-
füllen des Äthers stets eines Trichters.
4. Wegen seines niedrigen Siedepunktes rektifiziere man den Äther
nur aus einem lauwarmen Wasserbade, wobei Sorge zu tragen ist, dass
das Wasserbad beim Einbringen der Retorte resp. Destillierblase nicht
schon heiss, sondern noch kalt sei und erst allmählich angewärmt werde.
Dies ist zumal bei der Wiedergewinnung des Äthers aus ätherischen
Extrakten zu beachten.
— 267
38. Ohloral und Chloroform.
§ 237. Wie wirkt freies Chlorgas auf Alkohol? Leitet man Chlor-
gas durch verdünnten Weingeist, so entstehen verschiedene chlor-
haltige Produkte, deren wichtigste der leichte und schwere
Salzäther — Chloräthyl und Chloral — sind.
Das Chlor entzieht einem Molekül Weingeist zwei Wasser-
stoffatome, welche in Verbindung mit dem Chlor als Salzsäure
austreten, während der Weingeist zu Aldehyd wird. Auf
letzteres wirkt Chlor weiter ein, ihm Wasserstoff entziehend und
Salzsäure bildend ; an die Stelle des ausgeschiedenen Wasserstoffs
tritt Chlor in die Atomgruppe des Aldehyds ein, eiü gechlor-
tes Aldehyd bildend. Das Trichloraldehyd wurde vom Ent-
decker Liebig Chloral*) genannt und hat zur Formel (C2HC130)
Der Prozess erhellt aus folgender Gleichung:
I. C4H60 + 8C1 = C2(HC13)0 4- 5HC1
Alkohol Chlor Chloral Salzsäure.
Neben diesem Vorgang verläuft ein zweiter, indem die ent-
stehende Salzsäure auf unzersetzten Alkohol einwirkt und Äthyl-
chlorid (C2H5C1) neben Wasser erzeugt. Nämlich:
II. C2H60 + HCl = C2H5C1 + H20
Alkohol Chlorwasserstoff Äthylchlorid Wasser.
§ 238. Chloral und Chloräthyl. Das Chloral ist eine neu-
trale, farblose, flüchtige Flüssigkeit, von durchdringendem Geruch,
mit Wasser in allen Verhältnissen mischbar, aber schwerer als
dieses, daher auch schwerer Salzäther genannt. — Das
Chloräthyl bildet eine höchst flüchtige, schon in mittlerer
Temperatur siedende Ätherart, welche leichter ist wie Wasser,
daher auch leichter Salzäther genannt wird. Beide Pro-
dukte sind in folgenden Präparaten enthalten:
1. Versüsster Salzgeist, Spiritus Aetheris chlorati, ein
Destillat aus Weingeist mit Salzsäure und Braunstein. Diese
chlorliefernde Mischung erzeugt aus dem Weingeist Chloral und
Chloräthyl, welche mit unverändertem Weingeist überdestillieren.
Man neutralisiert das Salzsäure enthaltene Destillat mit Kalk-
hydrat und rektifiziert es. Das Präparat stellt eine wein-
geistige Lösung von Chloral und Äthylchlorid dar.
2) Ätherische Chloreisen tinktur, Tinctura Ferri
chlorati aetherea, eine Mischung aus ätherhaltigem Weingeist mit
Eisenchloridflüssigkeit, welche durch direktes Sonnenlicht farblos
gemacht wird und nachher im Schatten allmählich wieder eine
gelbliche Farbe annimmt. Durch Einwirkung des Lichtes redu-
ziert sich nämlich das Eisenchlorid zu Chlorür; das abgegebene
*) Chloral aus Chlor und den Anfangsbuchstaben von Alkohol gebildet.
— 268 —
Chlor erzeugt mit Weingeist Chloral und Chloräthyl, welche in
der Tinktur gelöst bleiben. Im Schatten zieht das Eisenchlorür
aus der Luft Sauerstoff an und geht in gelbliches Eisenoxychlorid
(F2C140) über.
§ 239. Chloralhydrat. Wenn zu 1 Teil Chloral 4/8 Teil Wasser
gesetzt wird, so gesteht es zu einem Krystallbrei , Chloral-
hy drat, Chloratum hydratum (C2HC130,H20), welches farblose,
durchsichtige Kry stalle von durchdringendem Geruch und beissen-
dem Geschmack bildet, sich leicht in Wasser und Weingeist löst,
bei 56—58° schmilzt und nahe bei 95° siedet. Konz. Schwefel-
säure entzieht ihm das Wasser und scheidet farbloses flüssiges
Chloral ab. Es wirkt in kleinen Gaben beruhigend und ein-
schläfernd, in grösseren anästhesierend.
Wichtig ist das Yerhalten des Chloralhydrats gegen ätzende
Alkalien. Erwärmt man es mit Kalilauge, so scheidet sich Chlo-
roform (CHC13) ab, und ameisensaures Kali geht in Lösung
über. Die Spaltung des Chloralhydrats in Chloroform und
Ameisensäure, unter dem Einflüsse starker Basen, erklärt
sich folgendermassen :
C2HC130,H20 = CHCI3 + CH202
Chloralhydrat Chloroform. Ameisensäure.
Darstellung des Chloralhydrats: Man leitet Chlor-
gas bis zur vollständigen Sättigung durch wasserfreien Weingeist;
dabei bleibt das entstehende Chloral in Yerbindung mit Weingeist
(Chloralalkoholat) im Gefässe zurück , während die sich bildende
Salzsäure nebst Chloräthyl mit dem nicht absorbierten Chlorgase
entweicht. Aus dem rückständigen Chloralalkoholat wird durch
konz. Schwefelsäure das Chloral abgeschieden, letzteres alsdann
rektifiziert und mit 1/s Teil Wasser gemischt zur Krystallisation
bei Seite gestellt.
Prüfung des Chloralhydrats: Seine wässerige Lösung röte nicht das
blaue Lackmuspapier (Salzsäure), und scheide, mit Salpetersäure ange-
säuert, mit Silberlösung keinen 'weissen Niederschlag (CA/orsilber) ab. Beim
Erhitzen auf Platinblech darf es nicht mit gelber Flamme brennen (Chloral-
alkoholat).
§240. Chloroform und Jodoform. Das Chloroform*), Chloro-
form ium (CHC13), ist eine farblose neutrale Flüssigkeit, von äthe-
rischem Geruch, im Wasser untersinkend und darin kaum lös-
*) Chloroform wurde von Liebig nach Chlor und den Anfangs-
buchstaben von Formyl (CH), welches als das Radikal der Ameisensäure
galt, benannt, als dessen Chlorid er es ansah.
Jetzt betrachtet man das Chloroform als Kohlenwasserstoff (Methan,
CH4), in weclhem drei Atome Wasserstoff durch Chlor vertreten sind; man be-
TT
zeichnet es hiernach alsTrichlormethan; seine Strukturformel ist: C=v^
— 269 —
lieh, leicht mischbar mit Weingeist, Äther, ölen, bei 62° siedend.
kSpez. Gewicht 1,50, bei einem kleinen G-ehalte an Weingeist
1,485=1,489. Es wirkt auf den tierischen Organismus anästhe-
sierend (Gefühl- und Bestimmungslosigkeit hervorrufend) ein.
Am Lichte zersetzt sich reines Chloroform allmählich, weingeist-
haltiges aber weit langsamer.
Man gewinnt das Chloroform:
1. Durch Destillation des Chloralhydrats mit Alkalien (vgl. § 239).
2. Aus verdünntem Weingeist durch Destillation mit Chlorkalk.
Hierbei entsteht durch Einwirkung des Chlors auf den Weingeist
Chloral, welches sich mit dem Kalke in ameisensauren Kalk und
Chloroform umsetzt:
2C2HC130 + CaH202 = 2CHCL, -+- Ca2(CH02)
Chloral Kalkhydrat Chloroform ameisensaurer Kalk.
Das aus Cloralhydrat dargestellte Chloroform hat den Yorzug
grösserer Reinheit.
Prüfung: Das mit Chloroform geschüttelte Wasser darf weder blaues
Lackmuspapier röten (Salzsäure), noch durch Silberlösung sich trüben
(weisse Trübung: CV^orsilber); mit Jodkaliumlösung in Berührung ge-
brachtes Chloroform röte sich nicht (anderenfalls es freies Chlor enthält,
"welches aus dem Jodkalium Jod ausscheidet, das sich mit roter Farbe im
Chloroform auflöst). Konzentrierte Schwefelsäure darf sich beim Schütteln
mit Chloroform nicht bräunen (fremde gechlorte Produkte).
Dem Chloroform entspricht das Jodoform, Jodoformium
(CHJ3) , ein jodartig riechender, im Wasser unlöslicher, nicht
ätzender Körper, welcher in gelben Blättchen krystallisiert. Es
scheidet sich aus, wenn man Jod mit sehr verdünntem Weingeist
und kohlensaurem Alkali erhitzt; zugleich entsteht Jodid und
ameisensaures Alkali (durch Zersetzung des zunächst sich bilden-
den Jodais).
I. C.2H60 + 8J + 5KHC03 = C2HJ30 + 5KJ + 5H20 + 5C02
Weingeist Jod Kalibikarbonat Jodal Jodkalium Wasser Kohlensäure.
IL C2HJ30 + KHC03 = CHJ3 + KCH02 -4- C02
Jodal Kalibikarbonat Jodoform ameisens. Kali Kohlensäure.
Wenn man ein Gemenge gleicher Volumteile Chlorgas und schweres
Kohlenwasserstoffgas (Olgas, C2H4) dem direkten Sonnenlichte aussetzt, so
verbinden und verdichten sie sich zu einer ölartigen Flüssigkeit, dem
Äthylenchlorid, Aethylenum chloratum (C2H4C12). Man nennt die-
selbe, da sie von holländischen Chemikern entdeckt wurde, holländische
Flüssigkeit (Liquor hollandicus), auch Ol der holländischen
Chemiker, Elaylchlorid. Ein in seiner Wirkung und sonstigen Eigen-
schaften dem Chloroform sehr ähnliches Liquidum, aber leichter (spez. Gew.
1,27) und mit höherem Siedepunkte (85°).
Versuche und praktische Übungen.
1. Chloroform aus Chloralhydrat. Man übergiesse etwa 10 g
Chloralhydrat in einem Kölbchen mit gleichviel Kali- oder Natronlauge,
verdünne mit Wasser und erwärme gelinde. Die sich trübende Flüssigkeit
scheidet beim Stehenlassen eine Chloroformschicht unter sich ab, die man
durch einen Trichter von der Salzlösung trennen kann.
— 270 —
2. Darstellung von Jodoform. Man übergiesse 1 Teil doppelt-
kohlensaures Kali in einem Probiercylinder mit 7,5 Teilen Wasser, füge
2,5 Teile Weingeist hinzu, erwärme gelinde und gebe 12 Teile Jod in
kleinen Portionen hinzu, jedesmal die Entfärbung der sich bräunenden
Flüssigkeit abwartend. Bleibt zuletzt die Farbe stehen, so füge man noch
etwas kohlensaures Kali zu. Es scheidet sich gelbes Jodoform ab, welches
nach dem Erkalten abfiltriert werde. Die Flüssigkeit liefert bei starkem
Eindampfen Jodkaliumkrystalle.
Fragen unfl stöchioinetrisclie Aufgaben.
1. Worauf beruht die schlaf bringende Wirkung des Chloralhydrats?
— Antw. Auf seiner allmählichen Zersetzung in Chloroform durch das
alkalische Blut.
2. Wieviel Chloroform erhalten wir aus 1 kq Chloralhydrat ? —
Antw. C2HC130, H20 : CHC13 = 165,5 : 119,5; x = 1.722 #.
3. Wie unterscheidet man Chloroform vom Athylenchlorid durch
eine einfache Probe? — Antw. Man giebt einige Tropfen in Liq. Kali
carbon. : Chloroform sinkt darin unter, Athylenchlorid schwimmt auf demselben.
39. Die Fette und das Glycerin,
§ 241. Wie charakterisieren sich die Fette? Unter Fetten ver-
steht man Körper, welche 1. sich fettig anfühlen, auf Papier
einen bleibenden Fettfleck machen, 2. auf dem Wasser
schwimmen und sich nicht darin auflösen, aber sehr
leicht von Äther aufgelöst werden, 3. neutrale Reaktion
besitzen und 4. sich nicht verflüchtigen. Was man das
„Sieden" des Fettes nennt, ist kein Übergang desselben in Dampf-
form, sondern eine, etwa bei 300° eintretende Zersetzung desselben.
Man findet die Fette sowohl im Tierreich wie im Pflanzen-
reich weit verbreitet. Man schmilzt sie aus den tierischen Ge-
weben, z. B. dem Netze und der Partie um die Meren oder der
Leber (wie den Leberthran), oder presst sie aus Früchten (z. B.
Oliven) und Samen (z. B. Leinsamen, Mohnsamen, Rübsamen,
Rizinussamen) u. s. f.
Nach ihren Eigenschaften teilt man die Fette in drei
Gruppen :
a) Fette Öle, welche in gewöhnlicher Temperatur flüssig sind.
Je nach ihrem Verhalten an der Luft unterscheidet man sie wieder als :
a. Nichttrocknende Öle, welche an der Luft nicht ein-
trocknen. Zu ihnen gehören das Olivenöl (Oleum Olivarum)
aus den Oliven, das Mandelöl (Ol. Amygdalarum) aus den
süssen wie bitteren Mandeln, das Rüböl aus dem Rübsamen,
der Leberthran (Ol. Jecoris Aselli) aus der Leber des
Kabeljau, Dorsch und Köhler, das Knochenöl aus dem Knochen-
marke. Diese Öle zeigen ein besonderes Yerhalten gegen sal-
petrige Säure, wodurch sie in festes Fett (Elaidin) übergehen;
wenn man ein nichttrocknendes Öl mit rauchender Salpetersäure
— 271 —
oder mit Salpetersäure und Kupferschnitzeln schüttelt, so gesteht
es nach mehreren Stunden (Elai'dinprobe).
ß) Trocknende öle, welche an der Luft zu einer festen
Haut eintrocknen. Hierhin gehören das Leinöl (OL Lini) aus
dem Leinsamen, das Mohnöl (Ol. Papaveris) aus dem Mohn-
samen, das Ricinusöl (Ol. Ricini) aus dem Ricinussamen.
Wegen des Eintrocknens benutzt man sie zu Firnisüberzügen
und erhöht diese Eigenschaft durch Erhitzen der Öle mit Blei-
zucker (gekochtes Leinöl!).
b) Schmalze und Butter, halbweiche, in gelinder Wärme
schmelzende Fette. Hierhin gehören das Schweineschmalz
(Adeps suillus) aus dem Netze und der Nierenumgebung des
Schweines, die Butter (Butyrum) aus der Milch, das Lor-
beeröl (Ol. Lauri) aus den Lorbeeren, das Muskatnussöl
(Ol. Myristicae) aus den Muskatnüssen, das Kokosöl (Ol.
Cocois) aus den Kokosnüssen.
c) Talge, feste Fette Ton mehr oder weniger krystallinischer
Natur. Hierhin: der Talg (Sebum) aus der Nierenumgebung
des Schafes, Rindes und Hirsches, der Walrat (Cetaceum)
aus dem flüssigen Fette der Schädelhöhlen des Potwals, das
Kakaoöl (Oleum Cacao) aus den Kakaobohnen, das Wachs
(Cera), ein Sekret der Bienen, sowie das japanische und chi-
nesische Wachs, beides Pflanzenwachse.
§ 241. Wie sind die Fette zusammengesetzt? Die Zusammen-
setzung der Fette ähnelt derjenigen der zusammesgesetzten Äther.
Sie sind nämlich Yerbindungen eines organischen Radikals
mit einer Fettsäure. Das basische Radikal ist in den meisten
Fetten das dreiwertige Glyceryl (C3H5), welches bisher noch,
nicht isoliert worden ist. Es bildet in Verbindung mit den Fett-
säuren, vorzugsweise der flüssigen Ölsäure, derfesten Palmitin-
säure, Margarinsäure und Stearinsäure die verschie-
denen Fette.
In den Ölen herrscht das Ölsäure Glyceryl, Olein ge-
nannt, vor und bildet z. B. 75% des Mandelöls, 72% des Oliven-
öls. Im Ricinusöl finden wir drei besondere Fettsäuren:
Ricinölsäure, Ricinsäure und Ricinstearinsäure. Im Krotonöl ist
neben dem Olein noch die scharfe, flüchtige Krotonsäure ent-
halten. In den trocknenden Ölen nimmt man statt der Ölsäure
Olinsäure an.
Die Schmalze bestehen vorzugsweise aus palmitinsaurem
und margarinsaurem Glyceryl, sog. Palmitin und
Margarin. Die Butter enthält daneben buttersaures Glyceryl
(Butyrin), das Muskatnussöl besitzt noch myristicinsaures, das
Lorbeeröl laurosterinsaures Glyceryl.
— 272 —
In den Talgen herrscht das stearinsaure Glyceryl, sog.
Stearin*), vor, mehr oder weniger gemengt mit margarin- und
palmitinsaurem Glyceryl. Der Walrat ist keine Glycerylverbin-
dung, ebensowenig das Wachs. Der Walrat besteht aus pal-
mitinsaurem Cetyl, das Wachs aus palmitinsaurem
Melissyl (Myricyl), mit etwas Cerotinsäure gemengt.
§ 243. Wie zersetzen sich die Fette? Unter dem Einflüsse
starker Basen, sowie bei höherer Erhitzung werden die Fette zer-
setzt und scheiden ihre Säuren ab. Diese Zersetzung ist der
einer Salzverbindung analog: einerseits entsteht eine Fett-
säure, andererseits das Oxydhydrat des Glyceryls, das
sog. Glycerin.
Bei der Zerlegung der Fette durch eine Base erfolgt die Ab-
scheidung von Glycerin.
Je nachdem die Base ein Alkali (alkalische Erde) oder ein
Schwermetalloxyd (namentlich Bleioxyd) ist, nennen wir die Ope-
ration Yerseifung oder Pflasterbildung, da man das fettsaure
Alkali Seife, fettsaures Bleioxyd Pflaster nennt. Es leuchtet
ein, dass bei solchen Zersetzungen Wasser zugegen sein muss,
damit sich Glyceryloxydhydrat bilden kann. Aus ölsaurem
Glyceryl und Natronhydrat entstehen also ölsaures Natron (Na-
tronölseife) und Glycerin; nämlich:
I. C8H53ÖI + 3NaH0 = 3NaÖ~l + C3H803
ölsaures Glyceryl Natronhydrat ölsaures Natron Glycerin.
Aus ölsaurem Glyceryl und Bleiglätte, unter Zugabe von
Wasser, entstehen ölsaures Bleioxyd (Bleipflaster) und Glycerin;
nämlich :
IL 2C3H53Öi H- 3PbO + 3H20 = 3Pb2Öl + 2C3H803
ölsaures Glyceryl Bleioxyd Wasser ölsaures Bleioxyd Glycerin.
Auch überhitzter Wasserdampf zerlegt die Fette und zwar
in freie Fettsäure und Glycerin, nämlich :
III. C3H5301 + 3H20 = 3HÖI + C3H803
ölsaures Glyceryl Wasser Ölsäure Glycerin.
Das Ranzigwerden der Fette ist eine ähnliche Zersetzung,
wobei die Fettsäure frei wird und dem ranzigen Fette saure
Reaktion erteilt.
Wenn aber die Glycerylverbindungen, ohne Gegenwart von
Wasser, durch Bleioxyd zersetzt werden oder im sogenannten
Sieden der freiwilligen Zersetzung unterliegen, so kann sich kein
Glycerin bilden, sondern das Glyceryloxyd, von der Fettsäure ge-
trennt, entweicht (unter Verlust von 1 Wasserstoff- und 1/2 Sauer-
*) Man verwechsle dieses Stearin nicht mit dem Stearin des Han-
dels, welches Stearinsäure ist.
— 273 -
stoffatom) als Acrol (C3H40) in Form höchst scharf riechender
und thränenreizender Dämpfe.
§ 244. Seifen und Pflaster. Die Seifen sind fettsaure Al-
talien. Sie entstehen durch Einwirtimg heisser, ätzender Altali-
laugen auf die Fette. Bei Anwendung von Kalilauge gewinnt
man die Kali seifen, welche sich durch grössere Weichheit
auszeichnen und die Schmierseife, die schwarze oder grüne
Seife, Sapo kalinus (Sapo viridis), darstellen. Man gewinnt
sie durch Kochen von geringwertigen Ölen (technisch aus Palmöl
und Fischthran) mit Kalilauge. Eine Scheidung der gebildeten
Seife vom Glycerin findet hierbei nicht statt. — Die Natron-
seifen sind härter und lassen eine Trennung von Grlycerin zu,
indem man die aus Natronlauge und Fett gewonnene Seifen-
lösung mit Kochsalz versetzt („aussalzt"); da die Seife in einer
gesättigten Kochsalzlösung nicht löslich ist, so scheidet sie sich
alsdann aus und bildet nach dem Ertalten eine starre Decke
über der glyeerinhaltigen Unterlauge. In früherer Zeit, als Soda
und Natron noch sehr teuer waren, stellte man die Seife aus-
schliesslich mit Kalilauge her ; beim Aussalzen ging die Kaliseife
in Natronseife über, eine entsprechende Menge Chlornatrium in
Chlortalium (Seifensiederfluss) verwandelnd. (KOI -f- NaCl =
NaÖl + KCl.)
Aus den geringwertigen Olivenölsorten stellt man in Süd-
frantreich und Italien die spanische oder venetianische
Seife, Sapo oleaceus (hispanicus, venetus), eine 01-
natronseife, her. In verdünntem Weingeist aufgelöst bildet die
Natronseife den Seifenspiritus, Spiritus saponatus. Aus
dem Talge tocht man die Hausseife, Sapo domesticus, eine
Stearinnatronseife.
Die medicinische Seife, Sapo medicatus, ist eine im
pharmazeutischen Laboratorium durch Digestion von Olivenöl und
Schweineschmalz mit Ätznatronlauge dargestellte und mit Koch-
salz ausgesalzene Ölnatronseife, dem Wesen nach übereinstimmend
mit der spanischen Seife, aber ohne Rückhalt an Ätznatron und
Kochsalz, welche sich durch einen scharfen resp. salzigen Ge-
schmact verraten würden. Schwefelwasserstoffwasser darf die
wässerige Seifenlösung nicht verändern (dunkle Trübung : Schwer-
metalle!), Quecksilberchlorid keinen roten Niederschlag (kohlen-
saures und ätzendes Alkali) hervorrufen. — Eine heiss bereitete
weingeistige Lösung der medizinischen Seife gelatiniert beim Er-
kalten (Opodeldoc).
Man verwendet die Seifen zur Reinigung, da sie sich im
Wasser zerlegen und unter Abscheidung von saurem fettsauren
Alkali, welches das Seifenwasser trübe macht, freies Alkali an
Schlickum, Apothekerlehrling. 18
— 274 —
das Wasser abgeben. Mit wenig warmem Wasser liefern
sie dagegen einen Kleister, den sog. Seifen leim. Die Kalk-
und Magnesiaseifen lösen sich nicht in Wasser auf.
Daher wirkt kalkhaltiges Brunnenwasser zersetzend auf die Seife
ein und giebt mit Seifenlösungen (Seifenspiritus) Niederschläge.
Ätzammoniak liefert mit den Fetten keine Seife, son-
dern nur eine emulsionsartige Mischung, flüchtiges Liniment,
Linimeutum ammoniatum.
Das Bleipflaster, Emplastrum Lithargyri (Plumbi),
wird aus Öl und Schweineschmalz durch mehrstündiges Kochen
mit Bleiglätte und Wasser dargestellt. Das G-lycerin entfernt sich
beim Auswaschen des gewonnenen Pflasters mit Wasser (beim
Malaxieren). Wird das Fett mit Bleiweiss gekocht, so geht bei
etwa 125° die Pflasterbildung ebenfalls vor sich, wobei das Blei-
weiss sich in Bleioxyd und neutrales kohlensaures Bleioxyd spaltet ;
ersteres vollzieht die Pflasterbildung, letzteres mischt sich dem
gebildeten Pflaster bei — Bleiweisspflaster, Emplastrum Ce-
russae. Wenn beim Pflasterkochen kein Wasser zugesetzt wird,
wie beim Kochen des Öls mit Mennige zu Mutterpflaster,
Emplastrum fuscum, so bildet das Glyceryloxyd kein Glycerin,
sondern Acroldämpfe (vgl. S. 272); zugleich schwärzt sich die
Pflastermasse durch die höhere Temperatur.
§ 245. Die Fettsäuren. Zu den nicht flüchtigen Fettsäuren
gehören :
Die Palmitinsäure (C16H32Oä), eine weisse, krystalli-
nische Fettmasse, die bei 62° schmilzt.
Die Margarinsäure (C17H340.2), der vorigen sehr ähn-
lich, in perlmutterglänzenden Schuppen krystallisiert.
Die Stearinsäure (C18H3602), das Stearin des Han-
dels, eine weisse, starre Masse, die bei 71° schmilzt. Man ver-
wendet sie zu Stearinkerzen. Bei der Stearinfabrikation zer-
setzt man den Talg mit Ätzkalk, wobei sich unlösliche Talgkalk-
seife abscheidet, welche man mit verdünnter Schwefelsäure erwärmt ;
über dem Gips schwimmt alsdann die Stearinsäure, sie wird ab-
gezogen und in die Formen gegossen.
Die Ölsäure (C18H3402), eine flüssig-ölige, ursprüngüch
farblose Masse, die sehr schnell an der Luft Sauerstoff anzieht
und sich mit der Zeit immer dunkler färbt.
Die Lösungen der Fettsäuren in Weingeist reagieren sauer.
§ 246. Glycerin. Das Glycerin, Glycerinum (C3H803), vom
Entdecker Scheele wegen seines süssen Geschmackes Ölsüss
genannt, bildet im reinen, konzentrierten Zustande eine farb-
und geruchlose , völlig indifferente und neutrale , syrupdicke
Flüssigkeit. Es ist als das Oxydhydrat des dreiwertigen
— 275 -
Glyceryls (C3H803 = C3Hä3HO*)) zu betrachten, und da es
sich zu demselben verhält wie der Alkohol zum Äthyl, so hat
man es auch Glycerylalkohol genannt.
Man gewinnt das Glycerin bei der Zersetzung der Fette als
Nebenprodukt, daher in der Seifensiederei als Bestandteil der koch-
salzhaltigen Unterlauge, beim Pflasterkochen im Wasser, womit
das Bleipflaster malaxiert wurde, in der Stearinfabrikation u. s. f.
Das rohe Glycerin ist stets verunreinigt mit Kochsalz, Kalk, Blei-
oxyd, je nachdem es bei einer der genannten Operationen erhalten
wurde; ausserdem ist es mehr oder weniger mit übelriechenden
und braun färbenden Materien beladen (herrührend von den
geringwertigen Fettstoffen). Man befreit es von den letzteren
durch Filtration durch Tierkohle, von den unorganischen Verun-
reinigungen durch Auskrystallisieren der Salze, Einleiten von
Schwefelwasserstoff u. dgl.
Zum medizinischen Gebrauch darf nur destilliertes Gly-
cerin verwendet werden. An der Luft lässt sich zwar das Gly-
cerin nicht unzersetzt verflüchtigen, da es sich beim Erhitzen in
Acrol (C3H40) und Wasser zerlegt; aber in einer Wasserdampf-
atmosphäre siedet es bei 200°. Man destilliert es also mittelst
überhitzten Wasserdampfes, der in das in einer Betorte befindliche
Glycerin geleitet wird, und dampft es zum spez. Gew. 1,225 — 1,235
ein. Noch reiner gewinnt man das Glycerin durch Krystallisation ;
konz. Glycerin krystallisiert nämlich bei 0°.
Prüfung des G-lyeerins: Die wässerige Lösung sei neutral, erleide
keine Trübung durch Schwefelwasserstoffwasser (dunkle Trübung: Bleioxyd)
und Schwefelamraonium, (dunkle Trübung: Eisen), noch durch, oxalsaures
Ammoniak (weisse Trübung: Kalk), Silbernitrat (weisse Trübung: Chloride),
Baryumnitrat (weisse Trübung: Sulfate) sowieCblor calcium (weisse Trübung:
Oxalsäure) ; sie werde beim Erwärmen mit Atznatronlauge nickt bräunlich
(Traubenzucker). Das Glycerin darf, mit verdünnter Schwefelsäure erwärmt,
nicht nach Buttersäure riechen, aus einer mit Salmiakgeist versetzten
Silberlösung kein Silber ausscheiden (schwärzliche Färbung: Acrol). Auf
Platinblech verbrannt, darf es keinen kohligen Rückstand hinterlassen
(Rohrzucker, Gummi).
Das Glycerin trocknet wegen seiner hygroskopischen Eigen-
schaften nicht ein, findet daher als Mittel gegen Hautkrankheiten,
als Glycerinsalbe und Glycerin seife , sodann zur Konservierung
mikroskopischer und anatomischer Präparate (an Stelle des Wein-
geistes), von Früchten u. dgl., zur Füllung von Gasuhren und
vielen anderen Zwecken technische Verwendung.
*) Die Strukturformel des Glycerins ist: C — ■ C C
II \ /\ II \
H2(OH) H(OH) H2(OH)
In ihm befinden sich 3 Hydroxyl (OH) neben H an die 3 C-Atome
gebunden.
18*
— 276 —
Wird das Glycerin vorsichtig und unter starker Abkühlung mit
konzentrierter Salpetersäure gemischt, so verwandelt es sich in das höchst
explosive Nitroglycerin (Sprengöl), worin 3H-Atome durch 3N02 sub-
stituiert sind. Man verwendet dasselbe, mit Infusorienerde vermengt, unter
der Bezeichnung „Dynamit" zum Sprengen; als solches leistet es viermal
mehr als Schiesspulver.
Versuche und praktische Übungen.
1. Stearinsäure. Man löse 10^ feste, trockene Hausseife in 50 g
heissem Wasser, giesse diese Lösung in 500 g kaltes Wasser und füge 5 g
oder so viel Salzsäure hinzu, dass die Flüssigkeit blaues Lackmuspapier
schwach röte. Die trübe Mischung werde durch Leinwand koliert und die
darauf zurückbleibende Stearinsäure fest ausgedrückt, worauf man sie in
30 g Weingeist bei gelinder Wärme auflöst. Bei langsamem Erkalten
krystallisiert die Fettsäure in weissen, glänzenden Schüppchen. Die wein-
geistige Lösung reagiert sauer.
2. Sapo medicatus. In einer Porzellanschale erhitze man 120^
Natronlauge im Wasserbade, gebe dann 50 g Schweineschmalz und 50 g
Olivenöl hinzu und nach halbstündiger Erhitzung 12 g Weingeist, wodurch
die Masse gleichmässig wird. Darauf verdünne man sie mit 200 g heissern
Wasser und fahre mit dem Erhitzen 4 — 6 Stunden fort, von Zeit zu Zeit
umrührend und durch Wasserzusatz das verdampfende Wasser ergänzend.
Nachdem die Masse durchscheinend und gleichförmig geworden und eine
Probe in der mehrfachen Menge heissem Wasser sich löst, ohne Öl abzu-
scheiden, giebt man eine filtrierte Lösung von 25 q Kochsalz und 3 g Soda
in 80 g Wasser unter Umrühren zu und stellt bei Seite. Nach einem Tage
hat sich die Seife als feste Decke abgeschieden; man hebt sie ab, spült
sie mit etwas Wasser ab, presst sie zwischen Leinewand scharf aus und
trocknet sie.
40. Die Fruchtsäuren,
(Weinsäure, Äpfelsäure, Citronensäure, Oxalsäure.)
§ 247. Die Weinsäure. Die Weinsäure, Acidum tartaricum
(C4H606)*), ist eine zweibasische Säure, sowohl frei, wie in Ver-
bindung mit Kali als Weinstein (doppeltweinsaures Kali) im
Weintraubensafte und den Tamarinden enthalten und dadurch ein
wesentlicher Bestandteil des Weines. Beim Lagern desselben scheidet
sich der grösste Teil des Weinsteins in harten Krystallen an die
Fasswandung ab, während die freie Weinsäure gelöst bleibt.
Man gewinnt die Weinsäure aus dem Weinstein, indem
man diesen zunächst in weinsauren Kalk überführt, welcher als-
*) Die Strukturformel der Weinsäure ist:
c c c c
/ \\ A A //\
(OH)0 (OH)H (OH)H O(OH)
In ihr befinden sich 4 Hydrosyl (OH) an 4 C-Atomen gebunden,
von denen aber nur 2 Säurehydroxyle sind, d. i. ihr H (in der Salzbildung)
durch Metalle vertreten lassen und zwar sind dies die beiden, welche neben
O an C gebunden sind.
- 277 —
dann durch Schwefelsäure zerlegt wird. Den Weinstein digeriert
man zuerst mit kohlensaurem Kalk bis zur Sättigung , wobei
neutrales weinsaures Kali in Lösung geht, weinsaurer Kalk sich
abscheidet und Kohlensäure entweicht:
I. 2K04H506 + CaC03 = K9C4H406 -f- CaC4H406 + H20 + C0.2
Weinstein kohlensaurer weinsaures weinsaurer Kalk Wasser Kohlen-
Kalk Kali säure.
Zur Lösung wird dann hinreichend Chlorcalcium gesetzt, wo-
durch abermals weinsaurer Kalk gefällt wird und Chlorkalium in
Lösung bleibt:
IL K.2C4H406 + CaCl, == 2KC1 + CaC4H406
weinsaures Kali Chlorcalcium Chlorkalium weinsaurer Kalk.
Beide Niederschläge von weinsaurem Kalk zerlegt man
schliesslich mit verdünnter Schwefelsäure, trennt die Weinsäure-
lösung vom ausgeschiedenen Grips und dampft sie zur Krystalii-
sation ein:
III. CaC4H406 + H.2S04 = CaS04 + C4H606
weinsaurer Kalk Schwefelsäure schwefelsaurer Weinsäure.
Kalk
Die Weinsäure krystallisiert in farblosen, schiefen rhombischen
Säulen, welche sich sehr leicht in Wasser, auch in Weingeist auf-
lösen, stark sauer schmecken und beim Erhitzen mit dem Gerüche
nach verbranntem Zucker verkohlen. Charakteristisch für sie ist
die Schwerlöslichkeit ihres sauren Kalisalzes (des Weinsteins),
sowie des weinsauren Kalkes. Letzterer löst sich (zum Unter-
schiede vom Oxalsäuren Kalke) in kalter Natronlauge auf. Man
benutzt daher (überschüssiges) Kalkwasser zur Erkennung der
freien Weinsäure, mit deren Lösung es einen weissen Nieder-
schlag (weinsauren Kalk) giebt; essigsaures Kali erzeugt mit ihr
eine kristallinische Ausscheidung von Weinstein, welche bei ver-
dünnten Flüssigkeiten erst nach starkem Schütteln und längerem
•Stehen erfolgt. Bei neutralen wein sauren Salzen ist die Flüssig-
keit mit Essigsäure anzusäuern.
Prüfung der Weinsäure: Die wässerige Lösung darf nicht getrübt
werden durch schwefelsauren Kalk (weisse Trübung: Oxalsäure), noch durch
salpetersauren Baryt (weisse Trübung: Schwefelsäure), noch durch oxal-
saures Ammoniak (weisse Trübung: Kalk). Die gepulverte Säure darf sich
beim Übergiessen mit Schwefelwasserstoffwasser nicht dunkel färben (Blei).
§ 248. Die weinsauren Salze. Die weinsauren Salze werden
Tartrate genannt. Zu den pharmazeutisch wichtigen gehören:
1. Der Weinstein, Tartarus depnratus, ist Kaliumbitar-
trat oder doppeltweinsaures Kali (KC4H506). Man ge-
winnt es durch Reinigung des rohen Weinsteins (Tartarus
crudus), der sich in harten, gelblichen oder (aus Rotwein) röt-
lichen Krystallkrusten in den Weinfässern ausscheidet. Ausser
mit Farbstoff ist der rohe Weinstein mit oft grösseren Quantitäten
— 278 —
weinsauren Kalkes verunreinigt, von welchen er durch Auswaschen
mit verdünnter Salzsäure befreit werden kann.
Der gereinigte Weinstein stellt gewöhnlich ein weisses, feines
Krystallmehl dar, besitzt einen säuerlichen Geschmack, rötet blaues
Lackmuspapier und löst sich sehr schwierig in kaltem, leichter
in heissem Wasser auf; dagegen nehmen ihn alkalische Flüssig-
keiten — Ätzalkalilaugen, Salmiakgeist — leicht auf, ebenso
kohlensaure Alkalien (unter Verlust der Kohlensäure), weinsaure
Doppelsalze bildend.
Prüfung des Weinsteins: Das damit geschüttelte Wasser darf sich
nach dem Ansäuern kaum trüben durch Silbernitrat und Baryumnitrat
(weisse Trübung: Chloride, Sulfate); die ammoniakalische Lösung darf sich
durch Schwefelammonium nicht verändern (dunkle Färbung resp. Trübung:
Eisen), die essigsaure Lösung durch oxalsaures Ammoniak nicht trüben
(weisse Trübung: Kalk). Mit Natronlauge erwärmt, darf der Weinstein
kein Ammoniak abgeben.
Kocht man eine Weinsteinlösung ein, so scheidet dieselbe
das Salz in harten, weissen Krystallen an ihrer Oberfläche ab
(Crystalli Tartari, Cremor Tartari, Weinsteinrahm).
Beim Erhitzen verkohlt der Weinstein mit dem Gerüche
nach verbranntem Zucker und hinterlässt einen stark alkalischen
kohligen Rückstand, ein Gemenge von kohlensaurem Kali mit
Kohle, welches mit Säuren aufbraust.
2. Sättigt man den Weinstein mit kohlensaurem Kali, so
entsteht das neutrale wein saure Kali oder Kalium-
tartrat, Kalium tartaricum (K2C4H406), welches nachdem Ab-
dampfen in wasserhellen Säulen krystallisiert, die sich in Wasser
leicht auflösen, aber nicht in Weingeist. Die Kohlensäure ent-
weicht gasförmig.
KHC4H406 + KHC03 = K2C4H406 + H20 + C02
Kaliumbitartrat Kaliumbikarbonat Kaliumtartrat Wasser Kohlensäure.
Die wässerige, nicht zu verdünnte Lösung dieses Salzes
scheidet auf Säurezusatz Weinstein ab. In der Glühhitze verhält
sich das Salz wie der Weinstein.
3. Durch Sättigung des Weinsteins mit Soda bildet sich unter
Kohlensäureentbindung ein Doppelsalz, das weinsaure Kali-
Natron, Tartarus natronatus, Natro-Kalium tartaricum,
gewöhnlich Seignettesalz (Sal polychrestum Seignetti) genannt,
mit der Formel: (KNaC4H406 -j-4Aq.); ein leichtlösliches Salz
in grossen, durchsichtigen, wasserhellen, rhombischen Säulen.
2KHC4H406 + Na2C03 = 2KNaC4H406 + H20 + C02
doppeltweins. Kali kohlens. Natron weins. Kali-Natron Wasser Kohlensäure.
Beim Erhitzen verhält sich das Salz wie der Weinstein, der
kohlige Bückstand enthält jedoch neben dem kohlensauren Kali
auch noch kohlensaures Natron, färbt also die Flamme gelb.
Die konz. Salzlösung scheidet auf Säurezusatz Weinstein ab.
— 279 —
Man prüft die beiden letzteren Salze auf ihre Reinheit ähnlich wie
den Weinstein.
4. Der "Weinstein vermag sich auch mit dem Borax zu ver-
einigen. Löst man 1 Teil Borax und 2 Teile "Weinstein in
heissem Wasser, so entsteht der Boraxweinstein, Tartarus
boraxatus, ein leichtlösliches Salz, welches einen sauren Geschmack
und sehr hygroskopische Eigenschaften zeigt. Man kann es be-
trachten als ein Gemenge von weinsaurem Kali-Natron und wein-
saurer Kali - Borsäure , worin also die Borsäure die Rolle einer
Base übernimmt. Es zeigt die Reaktionen des Weinsteins, wie
die des Boraxes.
Yon Brechweinstein wurde bereits beim Antimon ge-
handelt.
§ 249. Die Äpfelsäure. Die Äpfelsäure (H2C4H405) findet
sich in den Äpfeln, Vogelbeeren, Berberitzen, Hollunderbeeren,
sowie in den meisten unreifen Früchten. Sie unterscheidet
sich von der Weinsäure durch den Mindergehalt eines Sauerstoff-
atoms, und bildet eine stark saure, farblose, syrupdicke Flüssig-
keit, die nur schwierig in krümlichen, zerfliesslichen Massen
krystallisiert. Ihr Kali-, wie ihr Kalksalz lösen sich in Wasser
leicht auf. Im äpfelsauren Eisenextrakt, Extractum
Ferri pomatuni , ist äpfelsaures Eisenoxyduloxyd enthalten.
Man gewinnt dasselbe durch Digestion von Äpfelsaft mit Eisen-
pulver, wobei letzteres unter Wasserstoffentwickelung sich zu
äpfelsaurem Eisenoxydul auflöst und durch den Sauerstoff der
Luft in Oxyduloxydsalz übergeht.
Erhitzt man die Apfelsäure vorsichtig auf 150°, so geht sie unter
Wasserverlust in die Fumarsäure über, welche sich im Erdrauch natürlich
findet; in höherer Temperatur verkohlt sie.
§ 250. Die Citronensäure. Die Citronensäure, Acidum
citricum (C6H807), ein dreibasische Säure*), findet sich vorzugsweise
im Safte der Citronen (bis zu 8 %). In Italien gewinnt man sie
aus demselben durch Sättigen mit Kalk und Zersetzung des
citronensauren Kalkes durch verdünnte Schwefelsäure, ähnlich der
Weinsäure. Sie krystallisiert, mit 1 Mol. H20, in färb- und geruch-
losen, sehr sauren, durchsichtigen, rhombischen Säulen, welche sich
leicht in Wasser und Weingeist auflösen. Bei vorsichtigem Erhitzen
(HO)-c
0= ^
*) Strukturformel: C C C C
(HO)^b H H(OH) H? O(OH)
In ihr sind 3 Säurehyclroxyle (HO) zugleich mit 0 an SC- Atome
gebunden.
— 280 —
bis zu 175° geht sie in die Akonit säure über, welche sich
auch natürlich findet im Sturmhut und Schachtelhalm ; in höherer
Temperatur verkohlt sie. Überschüssiges Kalkwasser trübt die
Lösung der Citronensäure in gewöhnlicher Temperatur nicht;
erhitzt man aber, so scheidet sich weisser citronensaurer Kalk
aus, um sich beim Erkalten wieder aufzulösen. >,
Die Prüfung der Citronensäure geschieht wie die der Weinsäure;
essigsaures Kali weist in ihrer wässerigen Lösung durch weissen Nieder-
schlag Weinsäure nach.
Von den citronensauren Salzen (Citraten) sind bemerkens-
wert: a) die citronensäure Magnesia (Mg32C6H507), durch
Sättigung von Citronensäure mit kohlensaurer Magnesia in Lösung
erhalten, daraus aber in kurzer Zeit als schwerlösliches Salz sich
ausscheidend. Das Magnesium citricum effervescens ist eine
Brausepulvermischung aus citronensaurer Magnesia mit Natrium-
bikarbonat, Citronensäure und Zucker.
b) Löst man frischgefälltes Eisenoxydhydrat in Citronensäure
auf und lässt diese Lösung auf Porzellantellern eintrocknen, so
gewinnt man das citronensäure Eisenoxyd, Ferrum citricum
oxydatum, in roten Lamellen, welche sich in Wasser leicht
lösen. Ammoniak scheidet aus dieser Salzlösung kein Eisenoxyd-
hydrat ab, wegen Bildung leichtlöslicher Doppelverbindungon.
§ 251. Die Oxalsäure. Die Oxalsäure, Acidum oxali-
cum, (CaH204), eine zweibasische Säure*) findet sich frei oder
gebunden in vielen Gewächsen, so als schwerlösliches doppelt oxal-
saures Kali (Kleesalz, Oxalium) im Sauerklee (Oxalis Ace-
tosella) und Sauerampfer — daher auch Kleesäure genannt — ,
als oxalsaurer Kalk im Rhabarber. Künstlich gewinnt man sie
durch Erhitzen von Stärkemehl oder Zucker mit Salpetersäure,
wobei Stickoxydgas entweicht**), sowie durch Schmelzen von
Sägespänen mit ätzendem Alkali.
Die Oxalsäure krystalliert in färb- und geruchlosen, sehr
sauren, schiefen rhombischen Säulen, mit 2 Mol. Krystallwasser,
welche bei 100° entweichen. Sie löst sich leicht in "Wasser,
zerfällt in höherer Temperatur, sowie beim Erwärmen mit
konz. Schwefelsäure, ohne Rückstand zu hinterlassen, in Wasser,
Kohlensäure und Kohlenoxydgas. Ihre Salze verwandeln
*) C12H22On + 12HN03 = 6C2H204 + 11H20 + 12 NO
Rohrzucker Salpetersäure Oxalsäure Wasser Stickoxyd.
**) Strukturformel: C=q,H
C=0
~O.H
— 281 —
sich beim Erhitzen in kohlensaure Salze, ohne zu verkohlen.
(Unterschied zwischen Weinstein und Kleesalz.)
C2Ha04 = CO2 + CO -4- H,0
Oxalsäure Kohlensäure Kohlenoxyd Wasser.
Das oxalsaure Ammoniak oder Animo niumoxalat, Am-
monium oxalicum, (NH4)2C204, ist ein aus dem mit Oxalsäure
gesättigten Salmiakgeist in weissen Nadeln auskrystallisierendes
Salz, welches als Reagens auf Kalk benutzt wird, da der oxal-
saure Kalk in Wasser ganz unlöslich ist; Säuren lösen ihn aber
auf. Selbst Gripslösung fällt die Oxalsäure und ihre Salze weiss
— Unterschied von der Weinsäure. Umgekehrt wendet man
eine Chlorcalcium- oder Gipslösung als Reagens auf die Oxalsäure
und ihre Salze an.
Innerlich wirkt die Oxalsäure , wie das Kleesalz , ätzend
giftig. Weil das Kleesalz das Eisenoxyd leicht auflöst, verwendet
man es zur Tilgung von Tinten- und Rostflecken.
Versuche und praktische Übungen.
1. Kohlensaures Kali aus Weinstein. Ein inniges Gemisch
aus 2 Teilen Weinsteinpulver und 1 Teil Salpeter formiere man in einem
eisernen Tiegel zum Kegel, den man durch Auflegen einer glühenden
Kohle an der Spitze entzünde. Allmählich verpufft die Masse zu einem
schwarzen Rückstand. Man übergiesse denselben mit Wasser, filtriere nach
einiger Zeit die Lösung des entstandenen kohlensauren Kalis ab und
dampfe sie in einer blanken, eisernen Schale über dem Feuer zur Trockne.
2. Zersetzung der Oxalsäure. Man übergiesse 1 q krystallisierte Oxal-
säure: in einem kleinen Kölbchen mit 6 g engl. Schwefelsäure und verschliesse
die Öffnung mit einem Kork, durch welche eine spitz aus-
laufende Glasröhre luftdicht geführt ist. (Fig. 73.1 Erhitzt
man das Gefäss vorsichtig über der Lampe, so zerlegt sich «
die schmelzende Oxalsäure unter starker Gasentbindung. Das
ausströmende Kohlenoxydgas , mit einem Fidibus entzündet,
verbrennt mit blauer Flamme.
Leitet man das entweichende Gas in Kalkwasser, so
trübt sich dasselbe stark durch die darin enthaltene Kohlensäure.
3. Ammonium oxalicum. Man löse Oxalsäure in
der zweifachen Menge heissem Wasser auf, setze bis zur
schwach alkalischen Reaktion Salmiakgeist hinzu und stelle
zum Kristallisieren bei Seite. Beim Erkalten schiesst das Salz
in feinen weissen Säulen an.
Fig. 73.
Fragen und stöchionietrische Aufgaben.
1. Wieviel Weinsäure gewinnt man aus 1 kg weinsaurem Kalk"? —
Antw. (CaC4H406 + 4H20) : (H2C4H406) = 248 : 138; x = 556^.
2. Wieviel englischer Schwefelsäure bedarf man dazu? — Antw
(CaC4H4Ofi -f 4HoO) : H2S04 = 248 : 98; x = 395^.
4L Gerbstoffe.
§ 252. Allgemeiner Charakter der Gerbstoffe. Im Pflanzenreich
ist eine gewisse Klasse von Körpern stark verbreitet, die man
— 282 -
Gerbstoffe oder, da sie schwache Säuren darstellen, Gerb-
säuren nennt. Sie zeichnen sich durch folgende gemeinsamen
Eigenschaften aus:
a) Sie besitzen einen zusammenziehendenGeschm a ck.
b) Sie machen Eiweiss- und Leimlösungen gerinnen.
c) Sie verwandeln tierische Haut in Leder — gerben.
d) Sie färben und fällen Eisensalze schwarz oder
dunkelgrün.
Die Gerbstoffe reagieren in Lösungen sauer, sind amorph, nicht
krystallisierbar, in Wasser und in Weingeist leichtlöslich, und oft
sehr schwer zu isolieren. Ihre Bleisalze sind in Wasser unlös-
lich , weshalb essigsaures Bleioxyd in Gerbsäure enthaltenden
Pflanzenaufgüssen Niederschläge von gerbsaurem Bleioxyd her-
vorrufen. Plumbum tannicum pultiforme ist ein solcher
durch Bleiessig in einer Abkochung von Eichenrinde (Lohe) er-
zeugter Niederschlag. — Nach ihrem Verhalten zu Eisensalzen
unterscheidet man eisenschwärzende undeisengrünen de
Gerbsäuren.
1. Eisenschwärzende Gerbsäuren: Gallusgerbsäure
in den Galläpfeln; Eichengerbsäure in der Eichenrinde; die
Gerbstoffe der Granatwurzelrinde, Nelken würz el, Bären-
traubenblätter, des chinesischen Thees und der Rosen.
2. Eisengrünende Gerbsäuren: Chinagerbsäure in
der Chinarinde; Kinogerbsäure in Kino, Catechugerbsäure
im Catechu; Kaffeegerbsäure in den Kaffeebohnen; die Gerb-
stoffe der Tormentillwurzel, Ratanhawurzel und des Rha-
barbers.
§ 253. Tannin. Die Galläpfel, sowohl die türkischen und
europäischen (Auswüchse auf Eichen infolge des Stiches einer
Gallwespe), wie auch die chinesischen (Auswüchse auf einer Su-
machart durch den Stich einer Blattlaus), enthalten die Gallus-
gerbsäure, Acidum tannicum, gewöhnlich Tannin genannt.
Man extrahiert sie am besten durch Äther, da Wasser und Wein-
geist auch andere Bestandteile der Galläpfel auflösen. Der äthe-
rische Auszug hinterlässt das Tannin beim Eindampfen als eine
weissliche, pulverige Masse, welche sich leicht in Wasser, Wein-
geist und weingeisthaltigem Äther, schwieriger in reinem Äther
auflöst. Schüttelt man daher Tannin mit Äther, welcher mit
etwas Wasser versetzt ist, so entsteht eine wässerige, dickliche
Lösung, über der der Äther mit wenigem Tannin lagert.
Prüfung auf Reinheit: Das Tannin löse sich klar und vollständig
in Wasser (zumal beim Erwärmen); diese Lösung werde weder auf Zusatz
von Weingeist getrübt, noch wenn man darauf Äther zufügt. {Gallussäure
wird vom Äther ausgeschieden.)
— 283
Beim Kochen mit Salzsäure , sowie auch durch Gähmng
eines wässerigen Auszugs der Galläpfel liefert das Tannin, unter
Aufnahme von Wasserelementen, Gallussäure (A cid um gal-
1 i c u m), da es als Digallussäure d. i. als Gallussäure mit Gallus-
säureanhydrid zu betrachten ist.
CI4H10O9 + H20 = 2C7H605
Gallusgerbsäure Wasser Gallussäure.
Die Gallussäure krystallisiert in langen, weissen, glänzenden
Nadeln, die sich sehr schwer in Wasser lösen, Eisensalze schwarz
fällen, aber den Leim nicht gerinnen machen.
Beim Erhitzen zersetzt sich das Tannin und liefert als Sub-
limat die Pyrogallu s säure, Acidum pyrogallicum (C6H603),
in Form weisser, in Wasser leichtlöslicher Blättchen, deren
Lösung, zumal nach Zusatz von Alkali, sich durch lebhafte Sauer-
stoffanziehung aus der Luft schnell braun färbt. Sie wirkt auf Silber-
salze schon in der Kälte reduzierend; innerlich ist sie ein Gift.
§ 254. Technische Verwendung der Gerbstoffe.
eisenschwärzende Eigenschaft der Gal-
lusgerbsäure zur Bereitung der
schwarzen Gallustinte. Ein
wässeriger Gallusäpfelauszug wird mit ^
Eisenvitriol und arabischem Gummi
versetzt; die anfänglich blasse Flüssig-
keit schwärzt sich allmählich durch
Sauerstoffaufnahme aus der Luft, gallus-
gerbsaures Eisenoxyd abscheidend,
welches durch das Gummi in der
Schwebe gehalten wird. Die sogen.
Alizarintinte ist eine Gallustinte,
welche durch etwas Oxalsäure entfärbt
und dann mittelst Indigolösung (resp.
Indigkarmin d. i. indigschwefelsaures
Alkali) grünblau gemacht wird. Beim
Trocknen tritt die schwarze Farbe
wieder ein, da sich die Oxalsäure
allmählich zu Kohlensäure oxydiert.
In grossem Massstabe verwendet
man die Gerbstoffe, insbesondere die
Eichengerbsäure , zur Bereitung
Man benutzt die
des Leders in der Rotgerberei.
Man
schichtet die tierischen Häute von Rind
und Pferd in besondere Gruben mit
Lohe (gemahlener Eichenrinde) und
lässt sie längere Zeit darin liegen.
Fig. 74.
— 284 —
Die Weissgerberei (Bereitung von Schafleder u. a.) benutzt
statt der Lohe Alaun, womit die Felle eingerieben werden.
Praktische Übungen.
1. Acidum tannicum. In einem sog. Scheidetrichter (Fig. 74),
dessen untere Öffnung mit einem Kork verschlossen worden, übergiesse man
gepulverte Galläpfel mit Äther, welchem man etwas Wasser und Weingeist
beigegeben, sodass sie völlig damit überdeckt sind, und verschliesse dann
die obere Öffnung. Nach 24 Stunden lasse man, unter Wegnahme beider
Stöpsel, die gesättigte Lösung abfliessen und gebe, nachdem man unten
wieder verschlossen hat, eine neue Portion obiger Äthermischung zu den
Galläpfeln, die man abermals nach einem Tage ablasse. Die Gerbsäure-
Lösungen werden in gelinder Wärme vorsichtig (damit der Ätherdampf
nicht Feuer fange!) zur Trockne gebracht.
42, Die Cyanverbindungen.
§ 255. Wie sind die Cyanverbindungen zusammengesetzt? Das
Cyan*) ist ein aus Kohle und Stickstoff (CN) bestehendes ein-
wertiges Radikal**), welches das Zeichen Cy erhalten hat.
Es bildet wie die Salzbildner mit Wasserstoff eine Säure, die
Cyanwas serstoffsäure (Blausäure) HCy; mit den Me-
tallen Cyanide, z. B. Kaliumcyanid (Cyankalium) KCy, Queck-
silbercyanid HgCy2. Aus dem Cyanquecksilber kann man das
Cyan isolieren, da es beim Erhitzen in metallisches Quecksilber
und Cyangas zerfällt, ähnlich wie sich das Quecksilberoxyd durch
die Hitze in Metall und Sauerstoff zerlegt. Das Cyangas ist
farblos, nach Pfirsichblüten riechend, jedoch höchst giftig, ver-
brennt angezündet mit purpurner Flamme (zu Kohlensäure und
Stickstoff.) Mit Sauerstoff verbindet sich das Cyan nur indirekt
zu Cyansäure; das Cyankalium zieht nämlich beim Schmelzen
Sauerstoff aus der Luft an und geht in cyansaures Kali über
(KCy + 0 = KCyO). Aus demselben lässt sich aber die Cyan-
säure nicht durch Säuren isolieren, da sie alsdann unter Wasser-
aufnahme in Ammoniak und Kohlensäure zerfällt (HCNO -f- H20 =
KE3+C03).
Cyankalium KCy Cyanwasserstoff HCy
Cyanammonium NH4Cy Cyansäure HCyO
Cyansilber AgCy
Eisencyanür FeCy2 Quecksilbercyanid HgCy2
Eisencyanid Fe2Cy6 Goldcyanid AuCy3
Die einfachen Cyanverbindungen zeichnen sich
durch grosse Giftigkeit aus. Nicht giftig sind aber die
*) Cyan von 7.üa.voc, (blau) wegen seines Vorkommens im Berlinerblau.
**) Im Cyan sind die 4 Werte des Kohlenstoffatoms durch die 3 Werte
des Stickstoffatoms bis auf einen Wert gesättigt: (N = C — ?). Sein
Atomgewicht = 12 -f- 14 = 26.
— 285 -
eisenhaltigen Cyanverbindungen, welche sich auch ausserdem durch
völlig verändertes Verhalten von den einfachen Cyaniden unter-
scheiden. Das Eisen ist nämlich im Radikal enthalten
und lässt sich weder durch Schwefelammonium als Schwefeleisen,
noch durch Ätzalkalien als Eisenoxydhydrat, noch durch Gerb-
stoffe ausscheiden. Erst in der Glühhitze zerlegen sich jene
Verbindungen , und dann ist das Eisen in gewöhnlicher Weise
nachweisbar. Der eisenhaltigen Cyan-Radikale giebt es zwei:
1. Ferrocyan, FeCy6 = Cfy, bestehend aus 6 Cyanatomen,
welche durch ein zweiwertiges Eisenatom verbunden sind
und daher vi er wertig auftreten*). Beispiel:
Ferrocyankalium (gelbes Blutlaugensalz) K4FeCy6 = K4Cfy.
2) Ferridcyan, Fe2Cy12 = Cfdy, bestehend aus 12 Cyan-
atomen, durch ein Doppelatome des dreiwertigen Eisens
verbunden und daher sechswertig auftretend. Beispiel:
Ferridcyankalium (rotes Blutlaugensalz) K6Fe2Cy12 = KeCfdy.
Berzelius betrachtete das gelbe Blutlaugensalz als ein Doppelsalz
zwischen Cyankalium und Eisencyanür (FeCy2), nannte es daher Kalium-
eisencyanür und gab ihm die Formel: (4KCy -\- FeCy2). Das rote Blut-
laugensalz betrachtete er als ein Doppelsalz zwischen Cyankalium und
Eisencyanid (Fe2Cy6), nannte es daher Kaliumeisencyanid und gab ihm
die Formel: (6KCy -f- Fe2Cyfi).
§ 256. Wie bilden sich die Cyanverbindungen? Der Ausgangs-
punkt sämtlicher Cyanverbindungen ist die -stickstoffhaltige Kohle,
wie sie beim Verkohlen stickstoffhaltiger organischer Materien
z. B. des Fleisches, Blutes, der Knochen u. s. f. als Blutkohle,
Knochenkohle u. a. gewonnen wird. Es ist bis jetzt noch
unbekannt, in welcher näheren Verbindung der Stickstoff in dieser
Tierkohle enthalten ist.
Wird die Tierkohle mit kohlensaurem Kali geglüht und nach
Zugabe von Eisen mit Wasser gekocht, so krystallisiert aus der
Flüssigkeit ein gelbes Salz, das gelbe Blut laugensalz,
Ferrocyankalium. Beim Glühen der Stickstoff kohle mit dem
Alkali entsteht nämlich Cyankalium, welches bei der nachfolgenden
Behandlung mit metallischem Eisen in Ferrocyankalium übergeht.
Schmilzt man das gelbe Blutlaugen salz (Ferrocyankalium) in
einem verschlossenen Tiegel in der Rotglühhitze, so wird das
Eisen als Kohlenstoffeisen ausgeschieden und die abgegossene
Schmelzmasse erstarrt zu weissem Cvankalium:
K4Fe(CN)6 = 4KCN + FeC, + 2Kf
Ferrocyankalium Cyankalium Kohleneisen Stickgas.
Strukturtormel des Ferrocyan: /? — C— N | N- C— ?\
II II * II II
N C — Fe — C N
- C=N N=C — ?
- 286 -
Wird dem schmelzenden Ferrocyankalium jedoch Pottasche zugesetzt,
so scheidet sich metallisches Eisen ab und die Schmelzmasse erstarrt nach
dem Abgiessen zum sogen. Liebigschen Cyankalium, einem Gemenge
aus Cyankalium mit cyansaurem Kali:
K4FeCy? + K2C03 = 5KCy + KCyO + Fe -f C02
Ferrocyankalium kohlensaures Cyankalium cyansaures Eisen Kohlensäure.
Kali Kali
Interessant ist die Entstehung des Cyankaliums, wenn man Stickstoff
in der Weissglühhitze über ein Gemenge von Kohle und kohlensaurem
Kali leitet, wobei Kohlenoxydgas entweicht (K>C03 -f- 4C -\- 2N =
2KCN + 3 CO).
Das Cyankalium (KCy) ist ein weisses, an der Luft zer-
fliessliches Salz, welches nach Blausäure riecht, in Wasser sehr
leicht, in Weingeist kaum löslich ist und höchst giftig wirkt,
da es auf Zusatz der schwächsten Säuren Blausäure abgiebt.
§257. Die Blausäure. Die Cyan Wasserstoff säure (Acidum
hydrocyanicum) , HCy, gewöhnlich Blausäure (Acidum
borussicum) — abgeleitet vom Berlinerblau — genannt, wurde
1782 von Scheele entdeckt und bildet eine schon bei 26°
siedende Flüssigkeit von höchster Giftigkeit, die schon in
geringster Menge eingeatmet tötet. Man hält sie zuweilen in den
Apotheken in 2prozentiger Lösung vorrätig, die man durch
Destillation des gelben Blutlaugensalzes mit verdünnter Schwefel-
säure als eine klare, farblose Flüssigkeit gewinnt, deren bitter-
mandelähnlicher Geruch sich besonders im Gaumen bemerkbar
macht. Sie fällt, ähnlich der Salzsäure, aus Silbersalzen weisses,
unlösliches Cyansilber (AgCy), welches aber von Cyankalium
leicht aufgelöst wird zu einem Doppelsalze: (KCy + AgCy).
Die Lösung der Blausäure ist wenig haltbar, zumal im Lichte;
sie bräunt sich allmählich und setzt schliesslich einen braunen
Bodensatz ab, zugleich ameisensaures Ammoniak bildend (HNC
-\- 2H20 = NH4, CH02). Einige Tropfen Schwefelsäure erhöhen
ihre Haltbarkeit. Sicherer ist ihre Anwendung im blausäure-
haltigen Bittermandelöle, welches im Bittermandelwasser aufge-
löst enthalten ist.
§258. Die Blutlaugensalze. Das Ferrocyankalium, Kalium
ferrocyanatum (K4Cfy + 3aq.), gelbes Blutlaugensalz
oder blausaures Eali (Kali borussicum) genannt, krystallisiert
in gelben, quadratischen Prismen, die sich im Wasser leicht auf-
lösen. Versetzt man seine Lösung mit Metallsalzen, so entstehen
die Ferrocyanide dieser Metalle ; so bildet es mit Zinkvitriol einen
weissen Niederschlag, das Ferrocyanzink*), Zincum ferro-
cyanatum (Zn2Cfy), nicht zu verwechseln mit dem giftigen
*) K4Cfy -|- 2ZnS04 = 2K2S04 + Zn2Cfy.
287 —
reinen Cyanzink (Zincum cyanatum sine ferro!); mit Eisenoxyd-
salzen giebt es das tiefblaue Berlinerblau, Ferocyaneisen
(Fe4Cfy3), einen für die Eisenoxydsalze charakteristischen Nieder-
schlag, der zur Erkennung der Eisenoxydsalze dient und auch
in der Färberei häufig zur Anwendung gelangt.
3K4Cfy + 2Fe2Cle = Fe4Cfy3 + 12KC1
Ferrocyankalium Eisenchlorid Ferrocyaneisen Chlorkalium.
(Berlinerblau)
Durch Chloreinleitung in eine Ferrocyankalium - Lösung
entsteht das Ferridcyankalium, Kalium ferricyanatum
(K6Cfdy), neben Chlorkalium.
2K4FeCy6 + 2C1 = K?Fe2Cy12 + 2KC1
Ferrocyankalium Chlor Ferridcyankalium Chforkalium.
Dasselbe krystallisiert in granatroten Säulen und trägt daher
den Namen rotes Blutlaugensalz. Man gebraucht es als
Reagens auf Eisenoxydulsalze, mit denen es einen dem Berliner-
blau sehr ähnlichen, tiefblauen Niederschlag, das Ferridcyan-
eisen (Fe3Cfdy), hervorbringt. Mit Eisenoxydsalzen giebt es
aber keine Fällung.
K6Cfdy + 3FeS04 = Fe3Cfdy + 3K2S04
Ferridcyankalium Eisenvitriol Ferridcyaneisen schwefelsaures Kali.
In beiden Blutlaugensalzen besitzen wir sehr wertvolle
Reagentien auf die Eisensalze. Das gelbe Ferrocyankalium ruft
in Eisenoxydsalzen, das rote Blutlaugensalz in Eisenoxydulsalzen
dunkelblaue Niederschläge hervor ; bei grösserer Verdünnung tritt
eine blaue Färbung ein. Ausserdem ist das Ferrocyankalium ein
empfindliches Reagens auf Kupfersalze, in deren Lösung es braun-
rotes Ferrocyankupfer niederschlägt.
Nachweis des Cyan: Auf der Erzeugung von Berlinerblau
beruht eine Prüfung auf Cyanverbindungen. Man ver-
setzt die auf Cyan zu untersuchende Flüssigkeit mit etwas Eisen-
vitriol und Eisenchlorid , darauf mit überschüssiger Natronlauge
und erwärmt ; hierdurch scheidet sich Eisenoxyduloxydhydrat aus,
welches mit dem Cyan Berlinerblau bildet, wenn man mit Salz-
säure übersättigt.
§259. Cyanquecksilber. Das Cy anquecksilber, Hydrargy-
rura cyanatum (HgCy2), ist ein in Wasser, sowie in Weingeist
lösliches Salz in weissen Krystallen, welches beim Erhitzen in
Cyan und Quecksilber zerfällt und sehr giftig wirkt. Man ge-
winnt es durch Kochen von Berlinerblau mit Quecksilberoxyd
und Abdampfen der Lösung zur Krystallisation.
§ 260. Schwefelcyan. Schmilzt man Cyankalium oder gelbes
Blutlaugensalz (mit und ohne Beigabe von kohlensaurem Kali)
mit Schwefel zusammen, so entsteht die Verbindung des Kaliums
— 288 —
mit Schwefelcyan (R h o d a n) , einem einwertigen Radikal
(CNS) = Rd.
Das Schwefelcyankalium, auch Sulfocyankalium oder
Rhodankalium genannt, Kalium sulfocyanatum (rho-
danatum), KCNS=KRd*), krystallisiert in farblosen, zerniess-
Hchen Säulen, welche sich leicht in Wasser und Weingeist lösen.
Man gebraucht es als Reagens auf Eisenoxydulsalze, mit denen es
blutrotes E i senrhodanid (Pe2Rd6) hervorbringt. Eisen-
oxydulsalze werden durch Rhodankalium nicht gefärbt;
Versnche und praktische Übungen.
1. Blausäuredestillation. Man übergiesse in einem Kölbchen
10 g zerbröckeltes gelbes Blutlaugensalz mit 30 g Wasser, 60 g Weingeist
und 10 g engl. Schwefelsäure und destilliere, nacb Anpassung einer doppelt-
gebogenen Glasröhre (Fig. 75), bei massiger
Flamme oder aus dem Wasserbad, 50 — 60 g
in ein als Vorlage dienendes Fläschchen über,
welches man von aussen kühl halte. (Man hüte
sich sorgsam vor dem Einatmen der Dämpfe!)
2. Kalium sulfocyanatum. Man mische
2 Teile zerriebenes gelbes Blutlaugensalz mit
1 Teil gereinigtem Schwefel und schmelze sie
in einer Porzellanschale über schwachem Feuer.
Wenn die Masse flüssig und schwärzlich ge-
worden ist, lasse man erkalten, pulvere sie und
koche sie mit 20 — 30 Teilen Wasser aus, worauf
man filtriert und auf wenige Teile eindampft; das Rhodankalium krystalli-
siert in spiessigen Krystallen aus, die man in einem bedeckten Trichter
gut abtropfen lässt (nicht abwäscht) und auf Fliesspapier schnell trocknet.
43, Die ätherischen Öle.
§ 261. Allgemeiner Charakter der ätherischen Öle. Zahlreiche Ge-
wächse besitzen gewisse Riechstoffe, welche man ätherische
Öle, Olea aetherea, nennt, und welche sich durch folgende
Gesamteigenschaften auszeichnen :
1. Sie sind öliger Natur, lösen sich nur wenig in Wasser,
leicht aber in absolutem Alkohol, Äther und fetten Ölen und er-
zeugen auf Papier einen Fettfleck, der wieder verschwindet.
2. Sie sind flüchtiger Natur, verdunsten an der Luft,
verflüchtigen sich mit den Wasserdämpfen, sieden aber, für sich
allein erhitzt, erst in einer 100° weit übersteigenden Temperatur.
Die ätherischen Öle sind grossenteils tropfbarflüssig, einige
ganz starr (wie der Kampfer), andere ein festes Öl enthaltend
und dasselbe in der Kälte ausscheidend. Man nennt dann den
*) Strukturformel: C=N
I
S— K
- 289 —
krystallinischen Teil Stearopten, den flüssig gebliebenen
Elaeopten. So besteht das Anisöl fast nur aus Stearopten
und erstarrt in der Kälte völlig; dasselbe Stearopten findet sich
im Fenchelöl, aber mit Elaeopten gemischt.
Die ätherischen Öle sind meist leichter als "Wasser und
schwimmen auf demselben; jedoch sinken darin unter: das Zimtöl,
Nelkenöl, Bittermandelöl und Senföl. Wasser nimmt nur wenig
von den ätherischen Ölen auf, nimmt aber ihren Geruch an;
Weingeist löst sie reichlicher, viele klar, andere nur trübe (wie
das Wacholderöl und Terpentinöl).
Bei längerer Aufbewahrung nehmen die ätherischen Öle
Sauerstoff aus der Luft auf, werden dickflüssig, verharzen und
verlieren an Geruch. Sie wandeln einen Teil des aufgenommenen
Sauerstoffs in Ozon um, wie ihre bleichende Einwirkung auf die
Korkstopfen zeigt. (Ozonträger!)
§ 202. Wie sind die ätherischen Öle zusammengesetzt? Die äthe-
rischen Öle zeigen in ihrer Zusammensetzung wenig Übereinstim-
mung. Dazu kommt, dass sie meistens Gemenge mehrerer verschie-
dener Öle sind, in welche sie sich oft nur schwierig trennen lassen.
Man unterscheidet:
a) Nur aus Kohle und Wasserstoff bestehende ätherische
Öle. Hier begegnen wir einer Gruppe, deren Glieder nach der
Formel CÖH8 oder C10H16 zusammengesetzt sind und im allge-
meinen Camphene oder Terpene genannt werden. Es rechnen
sich hierzu die Öle der Koniferen, wie das Terpentinöl,
Sadebaumöl, Wacholderöl. Solche Camphene sind ferner
(neben einem sauerstoffhaltigen Öle) im Bergamottöl, Ci-
tronenöl, Kümmelöl enthalten.
b) Aus Kohle, Wasserstoff und Sauerstoff bestehende
ätherische Öle. Hierhin gehören die Öle der Labiaten, wie das
Pfefferminz- und Krauseminzöl, Lavendelöl, Ros-
marinöl, Thymian öl; ferner einige sauer reagierende oder
mit der Zeit säuernde, wie das Nelkenöl (mit der Nelkensäure),
Zimtöl (mit der Zimtsäure) ; endlich der Kampfer, ein reines Stea-
ropten, das Oxyd der Camphene (C10H]6O). Letzterem schliesst
sich der Kantharidenkampfer oder das Kantharidin in den
spanischen Fliegen, sowie der Alantkampfer oder das Helenin
in der Alantwurzel an.
Im Thymianöl findet sich das in Alkalien lösliche Thymol,
Thymolum, welchem antiseptische (gährungswidrige) Wirkungen
zukommen. Man sondert es aus dem Thymianöl durch Schütteln mit
Natronlauge und scheidet es von derselben durch Säure aus. Es
krystallisiert in farblosen Säulen, die sich nicht in Wasser, leicht
in Weingeist auflösen.
Schlickum, Apothekerlehrling. 19
- 290 -
Eine besondere Erwähnung verdient das giftige blausäure-
haltige Bittermandelöl, das Aldehyd der Benzoesäure. Durch
Destillation mit Kalk kann demselben die Blausäure entzogen
werden (als Cyancalcium) ; dann gewinnt man das Benzaldehyd
rein — als ein im Gerüche nicht abweichendes, aber nicbt giftiges
Öl. Wässerige Lösungen des Bittermandelöls sind 1. das Bitter-
mandelwasser, Aqua Amygdalaruni amararum, ein wäs-
seriges Destillat der bitteren Mandeln, 2. das Kirschlorbeer-
wasser, Aqua Lauro-Cerasi, ein wässeriges Destillat der
frischen Kirschlorbeerblätter. Der Blausäuregehalt dieser destil-
lierten Wässer soll 1 pro Mille betragen.
Bestimmung des Blausäuregehaltes im Bittermandel- und
Kirschlorbeerwasser: Man fällt die Blausäure durch Silberlösung, sammelt
den Niederschlag auf einem bei 100° getrockneten und genau gewogenen
Filter, trocknet bei 100° und wägt ihn. 5 Teile Cyansilber entsprechen
1 Teil Blausäure,
Schneller verfährt man massanalytisch durch Anwendung einer
Silberlösuug von bestimmtem Silbergehalte. 1. Nach Liebig: Man ver-
setzt Bittermandelwasser mit Kalilauge und tröpfelt so lange Silberlösung
(0,32: 100) zu, bis der entstehende Niederschlag (AgCy) nicht mehr verschwindet.
Dann ist gerade die Hälfte der Blausäure in Cyansilber übergegangen,
welches von der zweiten Hälfte des entstandenen Cyankaliums aufgelöst
gehalten wird. 1 ccm Silberlösung = 0,001 g HCy. Ein weiterer Zusatz
von Silbernitrat erzeugt bleibende Trübung, da sich kein Cyankalium mehr
zur Auflösung des entstehenden Cyansilbers vorfindet. — 2. Nach Mohr
und Pharm. Germ. II. : Man giebt dem Bittermandelwasser etwas Magnesia-
hydrat hinzu (um Cyanmagnesium zu bilden), darauf einige Tropfen chrom-
saure Kalilösung und so lange volumetrische Silbernitratlösung, bis der
weisse Niederschlag (Cyansilber) anfängt, rötlich zu werden (durch be-
ginnende Ausscheidung von rotem chromsauren Silber). 1 ccm Silberlösung
giebt 0,001 g HCy an.
c) Aus Kohle, Wasserstoff und Schwefel bestehende
ätherische Öle, Verbindungen des Kadikais Allyl*) (C3H5), welches
mit dem Grlyceryl gleich zusammengesetzt, aber einwertig ist; das
Knoblauchöl ist Schwefelallyl , das ätherische Senf öl dem
Rhoclanallyl oder Schwefelcyanallyl (C3H5CNS) isomer.
§ 263. Wie gewinnt man die ätherischen Öle? Die grosse Mehr-
zahl der ätherischen Öle findet sich in den Pflanzen fertig ge-
bildet vor. Sehr häufig sind sie im ganzen blühenden Kraute,
z. B. in Dost, Thymian, Quendel, Salbei, Minze, Melisse; oder nur
in den Blüten, z. B. bei Rosen, Kamillen ; auch wohl in den Früchten,
z. B. beim Kümmel, Fenchel, Anis, Sternanis, den Pomeranzen,
Citronen; oder in den Samen, wie den Muskatnüssen, enthalten.
Bei den Koniferen finden wir sie im Holze, in den Nadeln u. a.,
beim Zimt in der Rinde, beim Baldrian in der Wurzel.
In seltenen Fällen lässt sich das ätherische Öl aus den
*) Allyl von allium, Lauch.
— 291 -
Pflanzenteilen mechanisch auspressen, wie das Citronenöl,
Bergamottöl und Pomeranzenschalenöl aus den Schalen der Citrone,
Bergamotte und Pomeranze. Die übrigen ätherischen Öle ge-
winnt man durch Destillation mit Wasserdampf. Früher
weichte man die zerkleinerten Pflanzenteile direkt in Wasser und
destillierte über freiem Feuer ; jetzt leitet man gespannte Wasser-
dämpfe durch die trockenen Pflanzenteile. Man erhält alsdann
neben dem ätherischen Öle ein damit geschwängertes
destilliertes Wasser; beide werden mechanisch durch den
sog. Scheidetrichter getrennt.
Zwei der offizinellen ätherischen Öle finden sich nicht in
den Gewächsen fertig gebildet, sondern entstehen erst, wenn
man die gepulverten Pflanzenteile mit Wasser anrührt, durch
Einwirkung eines Eiweissstoffes infolge einer Art Gährung. Es
sind dies das Bittermandelöl und Senf öl. Das Bitter-
mandelöl entsteht aus dem in den bitteren Mandeln enthaltenen
Bitterstoffe, dem Ainygdalin, welches den süssen Mandeln
fehlt. Bührt man zerstossene bittere Mandeln mit Wasser an,
so entwickelt sich das Bittermandelöl, von welchem zuvor keine
Spur vorhanden war , zufolge der Einwirkung eines in den
Mandeln enthaltenen Eiweissstoffes (Emulsin) auf das Amyg-
dalin. Letzteres ist ein Glykosid und spaltet sich, unter Auf-
nahme von Wasserelementen, in Zucker und blausäurehaltiges
Bittermandelöl. Nämlich :
aoE^NOn + 2H20 = C7H6Ü,HCF -f- CA.C^ .
Amygdalin Wasser Bittermandelöl Zucker.
Ähnlich verhält es sich mit dem Senföle. Im schwarzen
(nicht im weissen) Senf finden sich my ronsau res Kali*),
neben einem Eiweissstoffe (Myrosin) , dessen Einwirkung bei
Wasserzutritt sofort eine Spaltung des myronsauren Kalis in
schwefelsaures Kali und ätherisches Senföl hervorruft. Rührt
man das Senfpulver mit Wasser an, zur Anfertigung eines Senf-
teiges (Sinapismus), so tritt diese Gährung ein und liefert Senföl.
Das ätherische Senföl lässt sich auch künstlich darstellen
durch Destillation des Jodallyls mit Rhodankaliuni , wobei Jod-
kalium in der Retorte zurückbleibt und Senföl überdestilliert.
Versuche.
1. Aniygdalin undJBittermanclelöl. Man zerstosse 100 g bittere
Mandeln, presse das fette Öl möglichst vollständig ab und koche den zer-
riebenen Rüchstand zweimal mit 150 g Weingeist aus, die Lösung heiss
filtrierend. Man dampfe die gemischten Flüssigkeiten auf ihren sechsten
Teil ein und mische dem erkalteten Rückstande sein halbes Volum Äther
zu. Das Amygdalin wird ausgeschieden und kann durch Umkrystallisieren
aus heisser, weingeistiger Lösung gereinigt werden.
*) Myronsäure von [/.upov, Senf.
19*
— 292 —
Fügt man einige dg desselben zu Mandelmilch oder mit Wasser ver-
dünntem Mandelsyrap, so tritt alsbald der Geruch nach Bittermandelöl auf.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel Prozent Amygdalin enthalten die Mandeln wenn 1 kg
derselben 1 g Blausäure liefert? — Antw. HCN : (C^H^NOn -j- 2aq.) =
27 : 488; x = 1,8%.
2. a) Wieviel salpetersaures Silberoxyd erfordert 0,001 g Blausäure
zur Fällung? b) Wieviel Cyansilber wird dabei gebildet? — Antw.- a)
HCN : AgN03 = 27 : 170; x = 0,0063 g. b) HCN : AgCN = 27 : 134;
x = 0,005 g.
3. Wieviel salpetersaures Silberoxyd verlangt 0,10 g Blausäure zur
Bildung von (KCy -j- AgCy)? — Antw. 2 HCN : AgN03 = 2 X 27 :
170; x = 0,315^.
44. Die Harze.
§ 264. Was sind Harze? Es findet sich im Pflanzenreiche
eine Klasse von Körpern verbreitet, die man Harze nennt; zu-
mal sind einzelne Familien, wie die Koniferen und Terebinthaceen,
reich an solchen und lassen sie häufig freiwillig aus den Rissen
und Verwundungen der Stämme und Äste ausfliessen und an der
Luft erhärten.
Die Harze bestehen aus Kohle, "Wasserstoff und Sauerstoff;
sie sind im reinen Zustande fest, farblos und geruchlos, amorph
(nicht krystallinisch), unlöslich im Wasser, leichtlöslich in Wein-
geist, viele auch in Äther. Wird eine weingeistige Harzlösung
in Wasser gegossen, so scheidet sich das Harz in Verbindung
mit Wasser, Harzhydrat, als amorphes Pulver ab.
In ihrem chemischen Verhalten sind die Harze zum Teil in-
different, zum Teil saurer Natur, insofern sich solche in Ätzalkali-
laugen zu sogen. Harz seifen auflösen, aus welcher Lösung sie
durch Säuren ausgeschieden werden.
Die Harze schmelzen in der Wärme, sind aber nicht flüchtig ;
angezündet verbrennen sie mit stark russender Flamme.
§ 265. Wie teilt man die Harze ein? Die Harze finden sich in
der Natur selten rein, gewöhnlich mannigfaltig vermischt und
durch fremdartige Materien verunreinigt. Je nach diesen Bei-
mengungen lassen sie sich unterscheiden in:
a) Hartharze, spröde und hart, meist Gemenge mehrerer
Harze und sehr häufig saurer Natur (in Ätzalkalien löslich) ; an
Wasser geben sie nichts ab. Hierhin gehören die Harze der
Koniferen: Fichtenharz (aus einem sauren Harze, der Abietin-
säure, bestehend), durch Schmelzen in Kolophonium sich ver-
ändernd (mit Kolopholsäure), Sandarak, Dammarharz; die
Harze der Terebinthaceen: El ein i, Mastix; ferner Benzoe
— 293 —
(mit 20 % Benzoesäure, die einer braunen Harzmasse eingebettet
ist), Guajakharz (aus zwei sauren Harzen), Jalapenharz,
Podophyllin, Kopal, Schellack. Hierhin gehört auch der
Bernstein, das Harz einer vorweltlichen Konifere (Pinus succi-
nifera), mit einem Gehalt an Bernsteinsäure.
b) Schleimharze oder Gummiharze, Gemenge aus
Harzen mit Gummi, häufig auch ätherisches Öl führend. Sie
lassen sich mit "Wasser zu einer Emulsion verreiben; Weingeist
löst aus ihnen die harzigen Bestandteile, mit Zurücklassung des
Gummi. In gelinder Wärme erweichen sie, ohne jedoch ein voll-
ständiges Schmelzen zu gestatten. Hierhin gehören aus der
Familie der Doldengewächse: Stinkasant (mit einem schwefel-
haltigen ätherischen Öle), Ammoniakgummi und Galbanum;
aus den Terebinthaceen : Weihrauch und Myrrhe; ferner
Euphorbium und Gutti.
c) Balsame, dickflüssige Lösungen von Harz in ätherischem
Öle. Sie lassen sich nicht im Wasser mischen, lösen sich aber
in Weingeist, Äther, Terpentinöl u. a. Hierhin gehören der Ter-
pentin (Eichtenharz in Terpentinöl gelöst), Kopaivabalsam,
Perubalsam, flüssiger Storax (beide letzteren mit Zimtsäure).
Den Harzen reihen sich zwei Körper eigener Konstitution an :
das Kautschuk und die Guttapercha. Beide bestehen nur aus
Kohle und Wasserstoff; sie lösen sich weder in Wasser, noch in
Weingeist, kaum in Äther, dagegen in ätherischen Ölen (Benzin,
Terpentinöl), Chloroform und Schwefelkohlenstoff. Es sind erhärtete
Milchsäfte südländischer Gewächse und zeichnen sich durch grosse
Elastizität aus ; die Guttapercha erweicht in heissem Wasser und
schmilzt bei 100°, erhärtet aber beim Erkalten wieder.
§ 266. Die Bernsteinsäure. Im Bernstein (Succinum) ist eine
besondere organische Säure enthalten, die Bernsteinsäure,
Acidum succinicum (C4H604), welche sich von der Apfel-
säure durch den Mindergehalt eines Sauerstoffatoms unterscheidet.
Bei der Erhitzung des Bernsteins, zur Bereitung von Bernstein-
firnis, sublimiert die Säure in gelblichen Krusten, getränkt von
brenzlichem Bernsteinöl (Oleum Succini), welches ihr seinen
empyreumatischen Geruch erteilt. Durch Umkrystallisieren aus
heissgesättigter wässeriger Lösung erhält man sie reiner und
weniger stark riechend. Die chemisch reine Bernsteinsäure ist
dahingegen färb- und geruchlos und wird durch Gährung des
äpfelsauren Kalkes mit faulem Käse gewonnen.
Die Bernsteinsäure löst sich leicht in Wasser und in Wein-
geist; beim Erhitzen sublimiert sie. Ihre neutralen Salzlösungen
werden durch Eisenchlorid braun gefällt; Salzsäure löst jedoch
das bernsteinsaure Eisenoxyd wieder auf.
- 294 —
Von den bernsteinsauren Salzen wird das bernsteinsaure
A m m o n i a k in Lösung, Liquor Ammonii succinici, arznei-
lich gebraucht. Man stellt es dar durch Sättigung des brenzlich
kohlensauren Ammoniaks mit Bernsteinsäure ; es ist beladen mit
ätherischem Bernsteinöl und Tieröl.
§ 267. Die Benzoesäure. Im Harz der Benzoe liegt eine orga-
nische Säure, die Benzoesäure, Aciclum benzoicum (C7H60.2),
eingebettet. Man kann sie durch Auskochen des gepulverten
Harzes mit Kalkmilch, Filtrieren und Zusatz von Salzsäure als
kristallinischen Niederschlag in weissen feinen Nadeln erhalten.
Diese Säure riecht noch schwach nach der Benzoe ; sie löst sich
leicht in Weingeist, sowie in siedendem Wasser, woraus sie beim
Erkalten grösstenteils auskrystallisiert ; beim Erhitzen sublimiert
sie in weissen, zu Husten reizenden Dämpfen. Sie hat mit der Bor-
säure das gemeinsam, dass sie sich beim Kochen ihrer wässerigen
Lösung teilweise mit den Wasserdämpfen verflüchtigt. Ihre neu-
tralen Salzlösungen verhalten sich zu Eisenchlorid wie die Bern-
steinsäure: sie werden braungelb gefällt; Salzsäure löst aber das
benzoesaure Eisenoxyd wieder auf.
Offizineil ist nur die durch Sublimation aus der Benzoe
gewonnene Säure, früher Elores Benzoe genannt. Dieselbe
zeigt eine etwas gelbliche Farbe und einen starken, aromatischen,
schwach brenzlichen Geruch, von einem ätherischen Öle herrührend,
welches aus dem schmelzenden Benzoeharze sich entwickelt. Man
führt die Sublimation in einem flachen eisernen Grapen aus, über
welchem ein Hut aus starkem Papier oder ein hölzerner, innen
mit Glanzpapier ausgefütterter Kasten zur Aufnahme der ver-
dichteten Säure angebracht wird.
Die Benzoesäure entsteht auch künstlich aus der Hippur-
säure, durch Kochen mit Alkalien, wobei dieselbe in Benzoe-
säure und Glykokoll (Leimsüss) zerfällt. Da die Hippursäure aus
dem Harn der Pferde gewonnen wird, so haftet der ihr entstam-
menden Benzoesäure (Acidum benzoicum ex urina) hartnäckig
ein Harngeruch an. Chemisch reine Benzoesäure ist ohne Geruch
und wird aus Toluol (eine dem Benzol ähnliche Flüssigkeit aus
dem Steinkohlentheer) dargestellt.
Prüfung der Benzoesäure: Sie muss ohne Rückstand sich sub-
limieren lassen (ein kohliger Rückstand: Hippursäure) ; mit übermangan-
saurem Kali erwärmt darf sie nicht den Geruch nach Bittermandelöl ab-
geben (Zimt säure), auch muss ihre wässerige Lösung mit einem kleinen
Zusatz von Kaliumpermanganat sich in einiger Zeit entfärben (zufolge des
Gehaltes an brenzlichem Öle; künstliche und die durch Krystallisation aus
der Benzoe gewonnene Benzoesäure entfärbt das Kaliumpermanganat nicht).
Ton den benzoesauren Salzen, Benzoaten, ist das benzoesaure
Natron, Natriumbenzoat, Natrium benzoicum (NaC;Hä02), offi-
— 295 —
zinell. Man gewinnt es durch Sättigung der (künstlich dargestell-
ten) Benzoesäure mit kohlensaurem Natron und Abdampfen der
Lösung als weisses Salz, welches sich in Wasser leicht auflöst.
Säuren scheiden aus seiner Lösung die Benzoesäure als weissen
Krystallbrei ab.
§ 268. Der Benzoesäure verwandte Säuren, a) Durch den Mehr-
gehalt von einem Sauerstofiatom unterscheidet sich von der Benzoe-
säure die ihr sehr ähnliche, geruchlose, weisse Salicylsäure,
Acidum salicylicum, die als vorzügliches antiseptisches (gährungs-
widriges) Mittel angewendet wird. Ihre Formel ist daher (HC7H503).
Sie löst sich noch schwieriger in kaltem "Wasser wie die Benzoe-
säure, leichter in siedendem Wasser, sehr leicht in Weingeist und
Äther. Man gewinnt die Salicylsäure aus der Karbolsäure, durch
Einwirkung von Kohlensäure*); ihren Namen führt sie vom
Sali ein, einem in der Weidenrinde enthaltenen Glykoside, aus
dem man sie zuerst darstellte. Die Salicylsäure hat mit der
Karbolsäure die Beaktion gemeinsam, durch Eisenchlorid blau-
violett gefärbt zu werden.
Yon den salicylsauren Salzen hat das salicylsäure Natron,
Natriumsalicylat, Natrium salicylicum (NaC7H503), medizinische
Anwendung gefunden. Ein weisses, in Wasser sehr leicht lös-
liches, mikrokrystallinisches Salz, durch Sättigung der Salicyl-
säure mit kohlensaurem Natron dargestellt. Die Lösung dieses
Salzes wird bei Erhitzen und Abdampfen braun, zumal bei einem
Überschuss an Alkali, wesshalb der letztere sehr zu vermeiden ist.
b) Die Zimtsäure vertritt die Benzoesäure in den aus
Sumatra stammenden Benzoesorten, nähert sich in ihrer Zusammen-
setzung sehr derselben, ist ihr auch in ihren äusseren Eigen-
schaften ungemein ähnlich, aber leicht von ihr zu unterscheiden
durch ihr Verhalten zu oxydierenden Mitteln, durch welche die
Zimtsäure in Benzaldehyd (Bittermandelöl) übergeführt wird**).
Erhitzt man Zimtsäure mit einer Lösung von übermangansaurem
Kali, so entwickelt sich der Geruch nach Bittermandelöl.
§ 269. Einige eigentümliche Säuren. Es mögen an dieser Stelle
noch folgende eigentümliche organische Säuren Erwähnung finden :
1. Die Chrysophansäure findet sich im Rhabarber u. a.
und erscheint in goldgelben Nadeln, die sich nicht in Wasser,
aber mit dunkelroter Farbe in kohlensauren und ätzenden Alkalien
lösen. (Daher erscheint die mit Kaliumkarbonat bereitete wässerige
*) C6H60
+ C°2 =
C7H603
Karbolsäure
Kohlensäure
Salicylsäure.
**) C9H802
+ 40 =
C-H60 +
H20
+ 2C0,
Zimtsäure
Sauerstoff
Benzaldehyd
Wasser
Kohlensäure
296
Rhabarbertinktur dunkelrot.) Künstlich entsteht sie durch Oxy-
dation aus dem Chrysarobin, dem sog. Goapulver aus Brasilien.
Letzteres findet sich daselbst in Hohlräumen eines gewissen Baumes
und wird durch Auflösen in Benzol gereinigt; ein gelbes, in
Wasser unlösliches Pulver , dessen Lösung in Kalilauge aus der
Luft Sauerstoff anzieht und allmählich durch Übergang in Chry-
sophansäure rot wird.*)
2. Das Santonin, Saiitoninum , Anhydrid der S anton-
säur e, findet sich als wirksames Prinzip im Wurmsamen. Man
gewinnt es durch Auskochen des letzteren mit Kalkmilch und
Versetzen des Piltrates mit Salzsäure, wobei sich das Santonin
abscheidet. Es bildet farblose, geruchlose, glänzende Blättchen,
die sich sehr schwer in Wasser, leicht in Weingeist, Äther, Chloro-
form lösen und im Lichte gelb werden, ohne sich dabei
chemisch zu verändern. Man bereitet durch Auflösen von Santonin
in Natronlauge und Krystallisierung das in Wasser lösliche san-
tonsaure Natron, Natrium santonicum.
Versuche und praktische Übungen.
1. Sublimation der Benzoesäure.
Den einfachsten Apparat, wie er zu einem
Versuche im Kleinen genügt, zeigt Fig. 77.
Man überklebe einen flachen, möglichst
niedrigen eisernen Tiegel (a), dessen Boden
man gleichmässig mit zerstossener Benzoe
bestreut hat, zunächst mit einem Bogen
recht lockeren Fliesspapiers oder Gaze (b),
dann mit einem aus dichtem Papier, inner-
seits Glanzpapier, gefertigten Hut (c), den
man (bei d) fest aufbinde. Das Ganze
werde ohne die geringste Erschütterung
auf einer eisernen Platte (e), welche dünn
mit Sand bestreut worden, mehrere Stunden
gelinde erhitzt. Nimmt man alsdann den
Hut vorsichtig ab, so findet man seine
Innenfläche mit zarten, weissen Nadeln
von Benzoesäure überzogen.
2. Krystallisierte Benzoesäure. Man löscht 1 Teil Kalk, mischt
2 Teile gepulverte Benzoe hinzu und kocht mit je 50 Teilen Wasser
mehrere Male aus; die filtrierten Auszüge werden gemischt, auf 40 Teile
abgedampft und mit soviel Salzsäure versetzt, bis kein Niederschlag mehr
entsteht. Die ausgeschiedene Benzoesäure wird auf Leinwand gesammelt,
ausgedrückt und in ihrer 20 fachen Menge siedendem Wasser gelöst, woraus
sie beim Erkalten auskrystallisiert.
3. Natrium salicylicum. Man verreibe gleiche Gewichtsmengen
krystallisierter Soda und Salicylsäure in einem Porzellanmörser kräftig_ und
lasse die durch die entweichende Kohlensäure schaumig werdende, teigige
Masse in lauer Wärme eintrocknen. Will man das Salz krystallisiert
Fie. 76.
*) C30H26O7 + 40 = 2C15H1U04 + 3H20
Chrysarobin Sauerstoff Chrysophansäure Wasser.
— 297 —
erhalten, so übergiesse man den trocknen Rückstand in einem Kolben mit
der 5 — 6 fachen Menge Weingeist, erhitze im Wasserbade und giesse die
heisse Lösung ab; beim Erkalten scheidet letztere einen Teil des aufge-
nommenen Salzes in feinen Krystallblättchen ab. Man giebt die von den-
selben abgegossene weingeistige Flüssigkeit auf den zuvor gebliebenen
Salzrückstand, erhitzt nochmals und lässt wieder krystallisieren.
Stöchiometrische Aufgaben.
1. Wieviel salicylsaures Natron liefert 1 kg Salicylsäure? — Antw.
(C7H603) : (NaC7H503) = 138 : 160; x = 1160 0.
2. Wie lässt sich dieses Verhältnis vereinfachen? — Antw. 6 Teile
Salicylsäure liefern 7 Teile Natriumsalicylat.
45. Die Alkaloide.
§ 270. Allgemeiner Charakter der Alkaloide. Im Pflanzenreiche
findet sich eine zahlreiche Gruppe von Körpern, welche mehr
oder weniger starke alkalische Eigenschaften zeigen und
mit den Säuren wohl ausgebildete Salze hervorbringen.
Man hat sie deshalb Alkaloide (d. i. Alkalien ähnlich) oder
organische Salzbasen genannt. Ihnen reihen sich eine
noch grössere Zahl künstlich darstellbarer organischer
Basen an, an denen man die eigentümliche Natur der ganzen
Gruppe erforscht hat
Als gemeinsame Eigenschaften sind anzuführen:
Die Alkaloide sind teils fest und nicht flüchtig, teils flüssig
und flüchtig — zu ersteren gehört die Mehrzahl der offizinellen,
zu letzteren Coniin und Nikotin — , oft von stark bitterem Ge-
schmack, in Wasser mehr oder weniger schwer- oder unlöslich,
dagegen leicht löslich in verdünnten Säuren, in Wein-
geist und meistens in Chloroform, oft auch in Äther.
Die Salze der Alkaloide werden sowohl von Wasser, wie von
Weingeist leicht aufgenommen, nicht aber von Äther; sie kry-
stallisieren leicht, werden durch ätzende und kohlensaure Alkalien
unter Abscheidung des Alkaloids zerlegt. Allgemeine Fällungs-
mittel der Alkaloide sind:
1. Gerbsäure, welche weisses, gerbsaures Alkaloid nieder-
schlägt — daher sind gerb stoff haltige Aufgüsse (Thee, Kaffee)
Gegengifte gegen giftige Alkaloide.
2. Jodlösung, Jodtinktur, besser noch eine Jodlösung in
Jodkalium, welche in Alkaloidlösungen einen kermesbraunen,
gallertartigen Niederschlag hervorruft, der sich nach einigen Stunden
fest auf die Gefässwand anschlägt. Kocht man denselben mit einer
verdünnten Säure, so gewinnt man eine Salzlösung des Alkaloids,
indess Joddämpfe entweichen. (Mittel zum Nachweis giftiger
Alkaloide in Speisen und Getränken!)
— 298 —
§ 271. Wie sind die Alkaloide zusammengesetzt? Die Alkaloide
enthalten sämtlich Stickstoff, daneben stets Kohle und
Wasserstoff, oft auch Sauerstoff.
Die Alkaloide sind anzusehen als Ammoniak, in welchem an
Stelle von 1, 2 oder 3 Wasserstoffatomen eine äquivalente Menge
eines organischen Radikals getreten ist.
Bei den künstlich darstellbaren Alkaloiden kennt man die
betreffenden Radikale; so existieren von den Alkoholradikalen
(Methyl, Äthyl, Propyl, Amyl u. a.) eine grössere Reihe von
Alkaloiden, je nachdem 1, 2, 3 Wasserstoffatome des Ammoniaks
von denselben vertreten ist. Hiernach unterscheidet man:
1. Amidbasen, N mit 2 H und 1 Radikal, z. B.
Methylamin N / ^H3 Propylamin N [ *gH7
Äthylamin N / ^5 Phenylamin (Anilin) N / ^H5
2. Imidbasen, N mit 1 H und 2 Radikal, z. B.
Dimethylamin N / |CH3 Diäthylamin N ||C2H5
3. Nitrilbasen, N mit 3 Radikalatomen, z. B.
Trimethylamin NJ3CH3 Triätliylamin NJ3C2H5
Während wir bei den künstlich darstellbaren Alkaloiden die
Natur der in ihnen enthaltenen Radikale kennen, wissen wir bei
den natürlich vorkommenden Alkaloiden kaum etwas genaueres
über ihre Radikale. Man bezeichnet sie daher durch kurze Zeichen
mit darüber gesetztem +•
Die Salzbildung geschieht bei den Alkaloiden in derselben
Weise wie beim Ammoniak, nämlich durch Addition des Alkaloids
zur Säure. Beispiel: +
Anilin n(§Ä M°rpMn Mph
Salzsaures Anilin (n/£[6H)hC1 Salzsaures Morphin MphHCl
SchwefelsauresAnilin^NJg5 5)2H2S04 Schwefelsaures Morphin Mph2H2S04
§ 272. Wie gewinnt man die Alkaloide? Die flüchtigen Alka-
loide (Coniin, Nikotin) stellt man durch Destillation aus den be-
treffenden Pflanzenteilen mittelst Ätzkali dar; das Destillat wird
mit Salzsäure gesättigt, eingedampft und nach Zusatz von Alkali
abermals destilliert.
Die nicht flüchtigen Alkaloide extrahiert man mit ver-
dünnten Säuren oder mit Weingeist aus den betreffenden Pflan-
zenteilen; der Auszug wird eingedampft, resp. der Weingeist ab-
destilliert, worauf man den Rückstand mit einem ätzenden oder
kohlensauren Alkali oder einer alkalischen Erde behandelt. Das
dadurch ausgeschiedene Alkaloid wird durch Weingeist ausge-
— 299 —
zogen, das Eil trat mit einer Säure gesättigt, nach Abdestillierung
des Weingeistes mittelst Tierkohle entfärbt und das Alkaloid
aus konzentrierter Lösung durch ein Alkali wieder gefällt.
§ 273. Die Alkaloide des Opiums. Im Opium findet sich eine
grössere Anzahl von Alkaloiden, von denen die wichtigsten sind:
+
1. Das Morphin, Morphinuni*) Mph, zu 10— 15°/0 im
Smyrnaer Opium als mekonsaures Morphin, enthalten, wurde
1804 von Sertürner entdeckt als erstbekanntes Alkaloid. Es
geht sowohl in das wässerige Opiumextrakt, wie in die Opium-
tinktur über. Die Pharm. Germ, verlangt im Opium 10°/o Mor-
phin. Um es zu gewinnen, extrahiert man das Opium mit kaltem
Wasser, fällt den eingeengten Auszug durch Ätzammoniak,
reinigt das ausgeschiedene Morphin in salzsaurer Lösung durch
Tierkohle und fällt es abermals durch Ammoniak. Ätzkali
und Ätznatron, auch Ätzkalk, lösen das Morphin leicht auf,
sind daher zur Fällung nicht anwendbar. Keines Morphin
kristallisiert in weissen Prismen, löst sich kaum in Wasser oder
Äther, leicht in Weingeist und verdünnten Säuren. Konz. Schwefel-
säure nimmt es farblos auf, auf Zusatz von einer Spur Salpeter-
säure tritt aber Rötung ein. Es ist giftig, wie alle seine Salze.
Yon den Salzen des Morphins werden medicinisch angewendet :
das salzsaure Morphin, Morphinum hydrockloricum
+
(MphHCl-j-3aq.), und das schwefelsaure Morphin, M. sulfu-
+
ricum (Mph2H2S04 + 5aq.), beide in weissen Krystallnadeln.
Sie lösen sich leicht in Wasser und in Weingeist. Früher ge-
brauchte man auch das essigsaure Morphin; es ist aber
weder krystallisierbar, noch haltbar, da es bei der Aufbewahrung
Essigsäure verliert und sich dann nicht mehr klar in Wasser auflöst.
Das Morphin geht in höherer Temperatur in Berührung mit
konz. Salzsäure in eine neue Base über, die man Apo morphin
genannt hat. Die Salze derselben zeichnen sich durch ihr Ver-
halten an der Luft aus, ihre Lösungen nehmen an derselben all-
mählich eine grüne Farbe an. Alkalien nehmen das Apomorphin
wie das Morphin leicht auf, färben sich aber bald purpurrot.
Das salzsaure Apomorphin, Apomorphinum hydrocliSori-
€iim, wird als starkes Brechmittel, in geringen Dosen zur Beför-
derung des Schleims der Luftwege, gebraucht.
2. DasKodein, Codeinum**), ansehnliche, farblose Krystalle,
welche sich in Wasser, nicht aber in fixen Alkalien lösen und
*) Abgeleitet von Mopoeuc, Gott des Schlafes und der Träume, wegen
er einschläfernden Wirkung.
**) Abgeleitet von xwSsia (Molinkopf).
— 300 —
aus der Mutterlauge des Morphins gewonnen werden. Es findet
sich nur spärlich (zu 4/a %) im Opium.
3. Das Narkotin*) kommt nächst dem Morphin am reich-
lichsten im Opium vor (6 — 10%), aber ungebunden. Es ist un-
löslich in "Wasser, löslich in Weingeist, wird durch Wasser
nicht aus dem Opium extrahiert und ist daher nicht im wässerigen
Opiumextrakt enthalten, dagegen wohl in der Opiumtinktur.
§274. Die Alkaloide der Chinarinden. In den Chinarinden
finden sich vier Alkaloide: Chinin, Cinchonin, Chinidin
(Conchinin) und Cinchonidin, gebunden an Chinasäure neben
China g erbsäure. In der Königschina und roten China herrscht
das Chinin vor, in der braunen Chinarinde dagegen das Cinchonin,
neben wenigem Chinin. Die Pharm. Germ, verlangt in der China-
rinde mindestens 3,5 Proz. Chinin.
Man extrahiert die Chinarinde mit salzsäurehaltigem Wasser,
scheidet die Alkaloide aus dem Auszug durch Kalk aus, löst sie
in Weingeist, sättigt sie mit Schwefelsäure, destilliert den Wein-
geist ab und lässt das schwefelsaure Alkaloid auskrystallisieren.
+
1. Das Chinin, Chinin um, Ch, ein weisses, krystallinisches
Pulver, löst sich kaum in Wasser, leicht in Weingeist, auch in
Äther (Unterschied vom Cinchonin!). Seine Salze zeichnen sich
durch einen stark bitteren Geschmack aus und färben sich durch Chlor-
wasser und darauf hinzugefügtes überschüssiges Ammoniak grün.
Das schwefelsaure Chinin, Chininsulfat, Ciiminum sul-
+
furicum (Ch2H2S04 -f- 8aq.), in feinen, weissen, glänzenden
Nadeln, schwerlöslich in Wasser, leicht in Weingeist. Mit 2/3 Teil
verdünnter Schwefelsäure löst es sich als doppeltschwefel-
+
saures Chinin, Ciiminum bisulfuricuni (ChH2S04), in Wasser
leicht zu einer bläulich schillernden Flüssigkeit auf.
Prüfung des Chininsulfats: Es darf sich weder mit Salpetersäure
(Morphin), noch mit konzentrierter Schwefelsäure röten (Salicin). In einer
Mischung aus Chloroform und Alkohol muss es sich völlig beim Erwärmen
lösen (Rückstand: unorganische Salze). Das schwefelsaure Chinidin ähnelt
dem Chininsulfate sehr, löst sich aber leichter in Wasser; eine Beimengung
desselben erkennt man daher, wenn man 2 Teile Chininsulfat mit 20 Teilen
kaltem Wasser schüttelt und 5 Teile Filtrat mit 7 Teilen Ätzammoniak-
flüssigkeit versetzt, an einer dauernden Trübung (durch ausgeschiedenes
Chinidin). Ein Cinchonin gehalt wird beim Fällen der sauren Lösung mit
Salmiakgeist und Schütteln mit Äther durch eine Trübung konstatiert, da
sich zwar das Chinin, aber nicht das Cinchonin im Äther auflöst.
4- Das salz saure Chinin, Cliiniimm hydrocfoloricum
(ChHCl + 2 aq.), bildet feine, weisse, glänzende KrystaUnadeln, die
*) So genannt, weil man ihm (fälschlich) die narkotischen Eigen-
schaften des Opiums zuschrieb.
— 301 -
sich in 20 Teilen Wasser lösen. Man stellt es aus dem schwefel-
sauren Chinin durch Zersetzung mit Chlorbaryum dar; schwefel-
saurer Baryt scheidet sich dabei aus und die heiss abfiltrierte
Flüssigkeit lässt beim Erkalten das Chininsalz auskrystallisieren.
Das gerbsaure Chinin, Chininum tannicum, erhält
man als gelblichen, pulverigen Niederschlag beim Vermischen
einer Chininsulfatlösung mit Tannin. +
2. Das Cinchonin, Cinchoninum, Cin, unlöslich in
Wasser wie in Äther, löslich in Weingeist; das schwefelsaure
Cinchonin, Cinchoninum sulfuricum, kristallisiert in harten,
glasglänzenden Säulen, die sich nur schwierig in reinem Wasser,
aber leicht bei Säurezusatz auflösen.
3. Durch Ätzammoniak wird aus den Mutterlaugen der Chinin-
bereitung ein Gemenge amorpher Chinabasen, das sog. Chinioidin,
Chinioidinum, als harzähnliche, braune, in Wasser unlösliche
Masse ausgefällt, welche sich in Weingeist, wie auch in ver-
dünnten Säuren völlig auflöst und als wesentlichen Bestandteil
Chinidin (Conchinin) enthält. Unorganische Beimengungen ver-
raten sich durch einen Eückstand beim Einäschern, welcher nur
sehr gering sein darf.
§ 275. Die Alkaloide der Strychnaceen. In den Strychnosarten
wurden (von Pelletier und Caventou 1818) zwei giftige
Alkaloide, das Strychnin und Brucin, an eine Säure (Milch-
säure oder Igasursäure?) gebunden, entdeckt. Man gewinnt sie
aus den Strychnossamen (Brechnüssen, Nuces vomicae), Ignatius-
bohnen u. a. Da sich das Brucin, nicht aber das Strychnin in
Wasser auflöst, so bleibt letzteres in der Mutterlauge, nachdem
das Strychnin auskrystallisiert ist. +-
a) Das Strychnin, Strychninum, Str, in weissen Krystal-
len von stark bitterem Geschmack, löst sich am besten in ver-
dünntem Weingeist, nicht in wasserfreiem Alkohol, Äther und
Wasser. Konz. Schwefelsäure löst es farblos, wird aber auf Zu-
satz eines Körnchens Braunstein oder eines Tropfens chromsaurer
Kalilösung blau, darauf violett, endlich rot. Chromsaures Kali
fällt aus seinen Salzlösungen schwerlösliches chromsaures Strychnin.
+ Das salpetersaure Strychnin, Strychninum iiitricum
(StrHN03), kristallisiert in weissen, seidenglänzenden Nadeln und
löst sich leicht in heissem Wasser.
b) Das Brucin*), von milderer Wirkung wie das Strychnin, ist
vorzugsweise im wässerigen Strychnosextrakte vorhanden und färbt
Salpetersäure oder salpetersäurehaltige konz. Schwefelsäure rot. (Färbt
Salpetersäure die Strychninsalze rot, so sind dieselben brucinhaltig.)
*) Abgeleitet von Brucea ferruginea, einem Strauche, von dem die
giftige „ falsche Angusturarinde" stammt.
- 302 —
§ 276. Alkaloide der Colchicaceen. In der Herbstzeitlose (Colchi-
cum auturrmale) ist das giftige Colchicin, im Sabadillsamen
Yeratrin nebst Sabadillin enthalten. In der weissen Nieswurz
(Rhizoma Yeratri) findet sich neben dem J ervin ein Alkaloid, das
man früher für Yeratrin hielt.
Das scharfgiftige Yeratrin, Yeratrinum, ist ein weisses
Pulver, von welchem selbst die kleinste Menge in der Nase hef-
tiges Niesen erzeugt; leichtlöslich in Weingeist und Äther, nicht
in Wasser. Konz. Schwefelsäure löst es mit anfangs gelber,
bald roter, später violetter Farbe. Dieselbe Reaktion besitzt
Sabadillin, es löst sich aber nicht in Äther auf.
§ 277. Alkaloide der Ranunculaceen. Im Sturmhut (Aconitum
Napellus) findet sich das stark giftige Akonitin, Aconitinum,
ein weisses Pulver, welches in heissem Wasser zuerst wie ein
Harz schmilzt und dann sich darin löst. Konz. Schwefelsäure
löst es mit gelbroter, später braunroter Farbe (nicht karminrot, wie
beim Yeratrin!). Mit Phosphorsäure erwärmt, färbt es sich violett.
§ 278. Alkaloide der Solanaceen. Zahlreiche giftige Alkaloide
finden sich in den Solanaceen, so das Atropin in der Tollkirsche
(Atropa Belladonna), Daturin im Stechapfel (Datura Stramonium),
Solanin im Nachtschatten (Solanum nigrum) und Kartoffelkraut,
Hyoscyamin im Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), sowie das
flüssige und flüchtige Nikotin im Tabak (Nicotiana Tabacum).
+
Das Atropin, Atropinum, At, ist ein weissliches, in Wasser
sehr schwer lösliches Pulver, welches selbst in kleinster Menge
eine Erweiterung der Pupille bewirkt. Beim Erhitzen entwickelt
es einen weissen Dampf mit einem feinen Blumenduft (nach Lilien).
+ Das schwefelsaure Atropin, Atropinum sulfuricuin
(At2H2S04), löst sich leicht in Wasser und besitzt die Reaktionen
des Atropins.
§ 279. Alkaloide der Umbelliferen. Das dem Nicotin sehr ähn-
liche, flüssige und flüchtige, höchst giftige Co nun, Coniinum,
ist in allen Teilen des gefleckten Schierlings (Conium maculatum)
enthalten. Es riecht nach Mäuseurin, löst sich in vielem Wasser
auf und bräunt sich allmählich an der Luft.
§ 280. Alkaloide der Rubiaceen. Im Kaffee, chinesischen Theet
in der Ghiarana, sowie in den Cocablättern befindet sich ein ge-
meinsames Alkaloid als wirksamer Bestandteil, das K äffe in r
Coffeinum. Es krystallisiert aus der heissgesättigten wässerigen
Lösung in weissen, glänzenden Nadeln. Mit konz. Salpetersäure
übergössen oder mit Chlorwasser im Wasserbade abgedampft,
— 303 -
*
hinterlässt es einen gelben Rückstand, der sich durch Ammoniak
purpurn färbt. (Gleiche Reaktion mit der Harnsäure!)
In der Brechwurzel (Rad . Ipecacuanhae) findet sichdasEmetin,
im unreinen Zustande als Extractum Ipecacuanhae offizineil.
§ 281. Alkaloide der Papilionaceen. In der Kalabarbohne be-
findet sich das sehr giftige Physostigmin (Eserin), dessen
"Wirkung auf die Augen (es verengert die Pupille) benutzt wird.
Seine Salzlösungen werden durch Sauerstoffanziehung an der
Luft rot, endlich braun; am haltbarsten ist das salicylsaure Salz,
Physostigminum salicylicum, in weissen Kry stallnadeln, leicht
in heissem, schwer in kaltem Wasser löslich.
§ 282. Alkaloide der Rutaceen. In den Jaborandiblättern (von
Pilocarpus pennatifolius) ist das Pilokarpin enthalten. Das
salzsaure Salz , Pilocarpinum hydrochloricuiii , stellt farblose,
an der Luft sehr zerfliessliche Krystalle dar, welche einen starken
Schweiss bewirken.
Praktische Übungen.
1. Prüfung des Opiums auf den Morphingehalt, a) Man
digeriere einige Stunden lang 10 g feinzerriebenes Opium mit der zehn-
fachen Wassermenge, unter Beigabe von 2 — 3 g gepulverten Kalks, filtriere
darauf, den Rückstand mit destilliertem Wasser nachspülend, und gebe
zum klaren Filtrate 7 g Salmiak, worauf das Morphin auskrystallisiert.
Man sammle es auf einem kleinen (gewogenen) Filter und wäge es nach
dem Trocknen. — b) Nach Pharm. Germ. IL Man maceriert 8 g gepulvertes
Opium mit 80 g Wasser 12 Stunden lang, filtriert 42,5 g davon ab und
giebt 12 g Weingeist, 10 g Äther und 1 g Salmiakgeist hinzu, worauf man
in einem verschlossenen Becherglase 12 Stunden stehen lässt. Das dann
abgeschiedene Morphin wird auf einem gewogenen Filterchen gesammelt,
nach dem Auswaschen getrocknet und gewogen.
2. Prüfung der Chinarinde auf Chinin. 20 ^gepulverte China-
rinde werden in einem verschlossenen Glase mit 170 g Äther, 20 g Wein-
geist und 10 g Salmiakgeist 1 Tag maceriert und öfters umgeschüttelt.
Dann giesst man 120 g klar ab, säuert mit Salzsäure an, verdampft den
Äther und fällt aus dem filtrierten Rückstände das Chinin durch Kali-
lösung aus; nachdem der Niederschlag abfiltriert und etwas ausgewaschen
ist, lässt man ihn lufttrocken werden (auf untergelegtem Fliesspapier),
dann trocknet man ihn im Wasserbade auf einem tarierten Uhrglase.
Erkennung der offlzinellen Alkaloide.
Man übergiesst eine kleine Probe des Alkaloids resp. seines Salzes
auf einem Uhrglase mit 5 — 10 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure und
sucht durch Umrühren mit einem Glasstab die Lösung zu bewirken.
Schliesslich betrachtet man, das Uhrglas auf ein Blatt weisses Papier
stellend, die Färbung der Probe.
A. Die Probe nimmt eine gelbrote Färbung an; dieselbe wird
a) bald karminrot, schliesslich violett .... Veratrinwn;
b) später braunrot Aconitinum.
B. Die Probe bleibt farblos; man giebt ihr einen Tropfen verdünnte
Salpetersäure zu.
— 304 —
4
a) Die Probe färbt sich rot.
a) Die wässerige Lösung bleibt mit überschüssiger Kalilauge
farblos und klar, giebt aber auf Zusatz von Chlorammonium
krystallinische Ausscheidung Morplünum.
ß) Die wässerige Lösung wird durch überschüssige Kalilauge
gerötet, nicht getrübt Apomorphin.
b) Die Probe färbt sich gelb. Eine andere Lösung in Schwefel-
säure, mit einer Spur Eisenchloridlösung versetzt und erwärmt,
färbt sich blau Codeinum.
c Die Probe bleibt farblos; man giebt einen Tropfen chrom-
saures Kali oder etwas Braunstein hinzu,
a) Die Probe färbt sich vorübergehend violettblou, dann
rot Stri ,'ininum.
ß) Die Probe färbt sich nur gelb oder grünlich.
aa) Die wässerige saure Lösung färbt .sich auf Zusatz von
Chlorwasser und überschüssigem Atzammoniak grün:
Chininum.
bb) Statt der grünen Färbung erscheint eine gelbe
Trübung: Cinchoninum.
cc) Es tritt weder Färbung noch Trübung ein.
aa) Auf Platinblech erhitzt, stösst die Substanz einen
weissen Rauch und Blütenduft aus: Atropinum.
ßß) Mit Chlorwasser eingedampft, lässt sie einen gelb-
lichen Rückstand, der durch eine Spur Ätzammo-
niak purpurn wird: Coffeinum.
yy) In rauchender Salpetersäure löst sich die Substanz
mit blassgrünlicher Farbe . . Pilocarpinum.
46. Die tierischen Nährnüssigkeiten.
Blut, Fleischflüssigkeit, Milch.
§ 282. Was ist das Blut? Das Blut der höheren Tierklassen,
wie des Menschen, ist eine an sich nur schwach gelb gefärbte
Flüssigkeit, in welcher Milli-
onen sehr kleiner, roter
Zellen, die sog. Blutkör-
perchen, schwimmen. Die
Form der letzteren ist, wie
Fig. 77 zeigt, bei den ver-
schiedenen Tieren verschie-
den. (A die Blutkörperchen
des Menschen, B des Vogels,
C einer Amphibie, E wirbel-
loser Thiere, D Pilzzellen
— alle unter mehrhundert-
facher Yergrösserung.) Bei
den Wirbeltieren besitzen
Pl„ 77- die Blutzellen eine tiefrote
— 305 —
Farbe, welche sie vermöge ihrer grossen Zahl dem ganzen Blute
gleichmässig erteilen.
Die eigentliche Blutflüssigkeit, das Blutplasma, ist eine stroh-
gelbe, wässerige Auflösung zweier Eiweissstoffe : des Albumins
(Eiweiss) und Fibrins (Faserstoff), welche neben Kohle, Wasser-
stoff und Sauerstoff auch Stickstoff und Schwefel (J/2 — 172%)
enthalten. Man kennt die nähere Zusammensetzung und Formel
für diese Stoffe noch nicht genauer. Mulder (ein holländischer
Chemiker) hielt sie für Verbindungen des Sauerstoffs und Schwefels
mit einem hypothetischen Radikal, dem er den Namen Protein
gab; daher nannte man sämtliche Eiweissstoffe Proteinkörper.
Jedoch gelang es nicht, diese Theorie zu begründen.
Das Eiweiss oder Albumin zeichnet sich durch die Eigen-
tümlichkeit aus, aus seiner wässerigen Lösung in der
Siedhitze zu gerinnen. Man kann das geronnene Albumin
durch die Verdauungsflüssigkeit des Magens, welche Pepsin ent-
hält, wieder in Lösung überführen. Das Eiweiss findet sich,
ausser im Blute, auch in den Vogeleiern, bei deren Abkochung
es zu einer weissen Umhüllung des Dotters gerinnt, sowie in fast
allen Pflanzensäften (als Pflanzenalbumin) gelöst.
Das Fibrin charakterisiert sich durch seine freiwillige Ge-
rinnung, solbald das Blut dem Einflüsse des Körpers entzogen
worden, veranlasst daher die Gerinnung des erkaltenden Blutes.
In koagulierter Form findet es sich in den Muskeln (als Muskel-
fibrin), auch im Samen (im Getreide als Kleber!).
Die Blutkörperchen enthalten neben einem Eiweisskörper
(Globulin) einen roten Farbstoff, den Blutfarbstoff (Hämoglobin),
welcher Eisen zu seinen Elementarbestandteilen zählt und beim
Einäschern rotes Eisenoxyd zurücklässt.
Überlässt man das Blut ruhigem Erkalten, so gerinnt es,
d. h. es scheidet ein tiefrotes Coagulum, den Blutkuchen
(Cruor), ab, über welchem eine gelbliche Flüssigkeit, das Blut-
wasser (Serum), steht. Der stattfindende Prozess besteht in der
freiwilligen Gerinnung des Fibrins, welches dabei die Blut-
körperchen umschliesst und mit sich herabzieht. Wird dagegen
frischgelassenes Blut mit einem Besen gequirlt, so schlägt sich
das gerinnende Fibrin als zähe, weisse Fäden an das Reisig an,
und das flüssig bleibende Blut bewahrt seine rote Färbung.
Die Blutkörperchen besitzen die für das Leben höchst wichtige
Eigenschaft, beim Atmen Sauerstoffgas anzuziehen und als Ozon
zu kräftigen Oxydationen — worin der Stoffwechsel zum Teil
besteht — zu benutzen. Sie verdanken diese Eigenschaft dem
Blutfarbstoff, der sich mit dem aufgenommenen Sauerstoff ver-
bindet (zu Oxyhämoglobin). Sauerstoffaufnahme macht das Blut
hellrot (arterielles Blut); beim Kreislauf durch den Körper ver-
Schlickum, Apothekerlehrling. 20
— 306 —
braucht es diesen Sauerstoff zr.r Oxydierung der im Stoffwechsel
abgängig gewordenen Teile , beladet , sich dafür mit Kohlensäure
und wird blaurot (venöses Blut). Beim Passieren durch die Lungen
giebt letzteres seine Kohlensäure ab und nimmt dafür wieder
Sauerstoff auf (Atmungsprozess). Kohlenoxydgas, Blausäure,
Arsen- und Schwefelwasserstoffgas wirken auf das Oxyhärnoglobin
zersetzend ein und benehmen den Blutkörperchen die Eigen-
schaft, bei der Atmung Sauerstoffgas aufzunehmen. Dadurch
verhindern sie den Stoffwechsel und wirken tödlich (erstickend).
Kohlensäure, Wasserstoffgas, Stickstoff zerlegen aber das Oxy-
hämoglobin nicht, wirken daher nicht direkt giftig, sondern nur
dann erstickend, wenn sie in grösserer Menge zugegen sind (durch
Abwesenheit des notwendigen Sauerstoffes).
§ 283. Fleischflüssigkeit. Die Muskelfaser birgt eine Flüssigkeit,
welche Ei weiss enthält, neben gewissen organischen, stickstoff-
haltigen Körpern, die man früher unter der Bezeichnung Osmazom
zusammenfasste, jetzt aber in Kreatin*) und Kreatinin unter-
scheidet. Beide sind krystallisierbar , das letztere eine starke
Salzbase (Alkaloid) und leicht aus dem Kreatin hervorgehend.
Ausserdem finden wir in der Fleischflüssigkeit Milchsäure und einen
eigenen Zucker (Inosit), neben vielen Kalisalzen.
Die Bestandteile der Fleischflüssigkeit sind, mit Ausschluss
des Eiweisses, im Liebigschen Fleischextrakt, Extractum
Carnis Liebig, enthalten. Man gewinnt dasselbe durch wieder-
holtes Anstossen des zerhackten Fleisches mit kaltem Wasser,
Auspressen, Aufkochen des Saftes, wobei das Eiweiss ausgeschieden
wird, und Eindampfen des Filtrates zur Extraktkonsistenz. Amerika
(Buenos-Ayres) sowie Australien liefern Fleischextrakt, ersteres aus
Büffelfleisch, letzteres aus Schaffleisch.
§ 284. Was ist die Milch? Die Milch ist eine emulsionartige
Mischung feinverteilter Fett-Tröpfchen in einer wässerigen Flüssig-
keit. Das Fett ist Butterfett, die Flüssigkeit eine Lösung von
Käsestoff (Kasein) und Milchzucker nebst Salzen. Infolge
der gleichmässigen Verteilung der Fettkügelchen und wässerigen
Flüssigkeit erscheint die Milch undurchsichtig, da das Licht durch
das fortwährende Passieren ungleicher Medien absorbiert wird.
Der Käse stoff, Kasein, gehört zu den Eiweissmaterien und
unterscheidet sich vom Albumin und Fibrin dadurch, dass er
weder freiwillig, noch beim Erhitzen gerinnt; dagegen gerinnt er
durch Säuren, sowie durch den Labmagen des Bindes oder die
daraus bereitete Labessenz (Liquor seriparus). Er findet sich
auch im Pflanzenreich (in den Mandeln als Emulsin, im Senf-
samen als Myrosin u. a. m.).
*) Kreatin von xpe'a? (Fleisch).
— 307 -
Auf der Koagulierurg des Käsestoffs beruht die Gerinnung
der Milch; dabei umschliesst das Kasein das Butterfett und scheidet
sich als Käse ab von einer schwach trüben, wässerigen Flüssig-
keit, den Molken, Serum L actis. Der Käse besteht also aus
Kasein und Butterfett, die Molken enthalten den Milchzucker nebst
den Salzen gelöst. Man unterscheidet süsse Molken, die man
durch Zusatz von Labessenz zu der 200 fachen Menge lauwarmer
Milch bereitet, und saure Molken, Serum Lactis acidum,
durch Zusatz von 1 Proz. "Weinstein zu siedend heisser Milch ge-
wonnen. Nimmt man statt des Weinsteins Alaun, so erhält man
die Alaunmolken, Serum Lactis aluminatum; bei An-
wendung von Tamarindenmus die Tamarindenmolken, Se-
rum Lactis tamarindinatum.
Die freiwillige Gerinnung der Milch gründet sich auf die Selbst-
säuerung derselben, indem der Milchzucker in Milchsäure übergeht.
Man nennt diese Selbstsäuerung saure Gährung; als
Gährungserreger wirkt der Käsestoff; der Vorgang selber ist das
Zerfallen eines Moleküls Milchzucker in 4 Mol. Milchsäure:
C^H^O^ = 4HC3H5O3
Zucker Milchsäure
Diese Gährung ist von keiner Gasentwicklung begleitet und er-
fordert zum günstigen Fortgang laue Wärme (30° — 40°). Wir
finden die Milchsäure dann sowohl in den Molken, wie im abge-
schiedenen Käse. Bei niederer Temperatur tritt geistige Gährung
und Bildung von Essigsäure, bei höherer Wärme Bildung von
Buttersäure ein.
§ 285. Die Milchsäure. Die Milchsäure, Acidum lacticum
(C3H603), ist eine färb- und geruchlose, sehr saure, syrupdicke
Flüssigkeit, welche sich nicht verflüchtigen, mit Wasser und Wein-
geist in allen Verhältnissen mischen lässt.
Die Milchsäure entsteht nicht allein bei der Säuerung der
Milch, sondern auch bei der des Sauerkrautes, der Bohnen, Gurken
u. a. m., stets von deren Zucker herstammend. Übrigens findet sie
sich frei im Magensafte (neben Salzsäure) und der Fleischflüssigkeit.
Man gewinnt die Milchsäure aus der säuernden Milch unter
Zusatz von Milchzucker, indem man sie bei 30 — 40° stehen lässt
und von Zeit zu Zeit durch kohlensauren Kalk sättigt; aus dem
Filtrate erhält man den milchsauren Kalk durch Krystallisation
und zersetzt denselben durch verdünnte Schwefelsäure. Weingeist
trennt schliesslich die freie Milchsäure vom ausgeschiedenen Gips
und lässt jene beim Abdampfen zurück.
Die Milchsäure bildet nur lösliche Salze, Laktate, von
denen sich das Eisenoxydul- und Zinksalz am schwierigsten in
Wasser auflösen. Man unterscheidet daher die Milchsäure von
20*
— 308 -
den meisten anderen Säuren dadurch, dass sie durch Bleizucker-
lösung nicht gefällt wird. Ein besonderes Erkennungsmittel ist,
dass sie durch übermangansaures Kali zu Aldehyd oxydiert wird.
Prüfung der Milchsäure auf Reinheit: Schwefelwasserstoff-
wasser darf sie nicht trüben (dunkle Trübung: Eisen, Blei, Kupfer- u. a.,
weisse Trübung: Zink); auch soll ihre wässerige Lösung nicht getrübt
werden durch Baryumnitrat (weisse Trübung: Schwefelsäure), salpetersaures
Silberoxyd (weisse Trübung: Salzsäure), oxalsaures Ammoniak (weisse
Trübung: Kalk), überschüssiges Kalkwasser, weder in der Kälte (weisse
Trübung: Phosphorsäure, Weinsäure), noch beim Erhitzen ( Citronensäure);
beim Erwärmen der Säure nehme man nicht den Geruch nach Essigsäure
oder Buttersäure wahr. Mit Zinkoxyd im Wasserbad eingedampft, darf sie
an Weingeist kein Glycerin abgeben.
§ 286. Milchsaure Salze. Das milchsaure Eisenoxydul,
Ferrolaktat, Ferrum lacticnm (Fe2C3H503 + 3aq.), krystal-
lisiert aus einer Mischung von milchsaurem Natron mit Eisen-
chlorür oder Eisenvitriol in gelblich grünen Krusten ; ein schwer-
lösliches Salz von schwachem, eigentümlichem Gerüche. (Das
milchsaure Eisenoxyd löst sieh leicht in Wasser.)
Prüfung des Ferrolaktates : Die Lösung darf sich nicht trüben mit
essigsaurem Bleioxyd (weisse Trübung: Sulfat, Chlorid u. a), noch ange-
säuert mit H2S (dunkle Trübung: Kupfer, Blei). Ein Gehalt an Zucker
wird durch die Trommersche Kupferprobe erforscht.
Das milchsaure Zinkoxyd, Zincum lacticum, wird
aus der Lösung des Zinkoxyds in Milchsäure als weisse, nadelige
Kry stalle gewonnen, die sich in Wasser schwierig lösen.
Praktische Übungen.
Ferrum lacticum. Man lässt mehrere / Milch säuern, koliert, löst
in aer Flüssigkeit 100 — 200 g Milchzucker auf und neutralisiert täglich
durch doppeltkohlensaures Natron (welches man in Stückchen anwende,
und dessen Menge man notiere). Das Ganze befinde sich beständig in
lauer Wärme (35°). Wenn keine weitere Säuerung mehr eintritt, koche
man auf, koliere und enge zur Syrupsdicke ein. Auf 3 Teile des ver-
brauchten doppeltkohlensauren Natrons werden 5 Teile reiner Eisenvitriol
in seinem doppelten Gewichte warmen Wassers gelöst und der milchsauren
Natronlösung beigemischt, worauf man einen Tag stehen lässt und in
einem Seihtuche das krystallinisch ausgeschiedene milchsaure Eisenoxydul
abpresst, worauf man dasselbe, wenn es Geruch besitzen sollte, nochmals
mit etwas verdünntem Weingeist abwäscht, wieder abpresst und trocknet.
Fragen und Aufgaben,
1. Wieviel Milchsäure liefert der Milchzucker bei der Gährung? —
Antw. Eine gleichgrosse Menge.
2. Wenn man in der Milch 8°/0 Milchzucker annimmt und zu 1 /
derselben noch 100 g Milchzucker zugiebt — wieviel doppeltkohlensaures
Natron wird zur Sättigung der entstehenden Milchsäure nötig sein? —
Antw. In 1/ Milch sind hiernach 80^ Zucker; mithin entstehen 180^
Milchsäure, HC3H503 : NaHC03 = 90 : 84; x = 168 g.
309
47. Die tierischen Absonderungen,
Magensaft, Galle, Harn.
§ 287. Was enthält der Magensaft? Im Magensafte befindet sich
eine mehr oder weniger grosse Menge freier Säure, Salzsäure und
Milchsäure, daneben noch ein eigentümlicher Körper, in welchem
das verdauende Prinzip liegt und dem man den Namen Pepsin*)
gegeben hat. Es besitzt die Kraft, im Verein mit der Salzsäure
die genossenen Eiweisskörper (Fleisch, Eier, Milch) aufzulösen
und zur Verdauung zu bringen.
Das Pepsin, Pepsinuni, wird als weisses Pulver durch
Extraktion der Magenschleimhaut gewonnen, und zwar benutzt
man hierzu den Magen des Schweines, sowie den vierten Magen
(sog. Labmagen) des Kalbes. Durch Auflösen des Pepsins in Wein
stellt man den Pepsinwein, Vinum Pepsini, dar. Auch ist
das Pepsin der wirksame Bestandteil der Labessenz (Liquor
seriparus), die man durch Behandlung der Schleimhaut des Käl-
berlabs mit Wein gewinnt.
§ 288. Was ist die Galle? Die Galle, das Sekret der Leber,
bildet eine dickliche, gelbe oder grüngelbe Flüssigkeit von höchst
bitterm Geschmack, die beim Schütteln schäumt. Sie enthält,
neben etwas un verseif barem Fett (Gallenfett, Cholesterin), Schleim
und Gallenfarbstoff, als wesentlichen Bestandteil zwei Natronsalze:
glycocholsaures und taurocholsaures Natron. Die Gly-
cocholsäure und Taurocholsäure sind gepaarte Säuren,
indem sie durch Kochen mit Alkalien oder Säuren in Ch Öl-
säure**) und einen stickstoffhaltigen Paarung zerfallen. Dieser
Paarung ist bei der Glycocholsäure das stickstoffhaltige Glyco-
coll (Leimsüss), bei der Taurocholsäure das Stickstoff- und schwe-
felhaltige Taiirin. In der Ochsengalle herrscht das glycochol-
säure, in der menschlichen Galle des taurocholsäure Natron vor.
Die Galle reagiert frisch neutral, wird aber beim Stehen bald
missfarbig, übelriechend und durch Ammoniakbildung stark alka-
lisch. Hervorgerufen wird diese sog. Gallengährung durch den
sich zersetzenden Gallenschleim.
§ 289. Die Ochsengalle. Wird die frische Ochsengalle koliert
und zur Extraktdicke eingedampft, so gewinnt man die eingedickte
Ochsengalle, Fei Tauri inspissatum. Wenn man aber
die Galle mit einer gleichen Menge Weingeist mischt, die filtrierte
Flüssigkeit, nach Abdestillation des Weingeistes durch Tierkohle
*) Pepsin ist von neiis (Verdauung) abgeleitet.
**) Von yöloc, Galle, abgeleitet.
— 310 —
entfärbt und zur Trockne eindampft, so gewinnt man die ge-
reinigte Ochsengalle, Fei Tauri depuratum siccum,
als gelbliches, hygroskopisches Pulver. Der "Weingeist schlägt
aus der Galle den Schleim nieder, die Tierkohle entzieht ihr zum
grössten Teil den Farbestoff, sodass das Präparat fast nur aus
dem glycocholsauren und taurocholsauren Natron besteht. Beim
Yerbrennen hinterlässt es eine geringe, weisse, alkalisch reagie-
rende Asche (kohlensaures Natron).
§ 290. Was ist der Harn? Der Harn, das Exkret der Nieren,
bildet eine schwachgelbe, etwas sauer reagierende Flüssigkeit von
eigentümlichem Geruch. Er enthält in wässeriger Lösung Harn-
stoff (3%), Harnsäure (0, l°/0), sowie gewisse unorganische
Salze (bis 2%), von denen hervorzuheben sind: Chlornatrium und
Phosphate von Natrium, Calcium und Magnesium. Der Gehalt
an diesen Stoffen wechselt nach Art und Menge der genossenen
Speisen ; am grössten findet er sich im Morgenharn und bei tieri-
scher Kost. Die pflanzenfressenden Tiere, wie die Pferde, Rinder,
Schafe, führen im Harne Hippursäure statt der Harnsäure.
(Vgl. § 267.)
Manche Salze gehen nach dem Genüsse unverändert in den
Harn über, z. B. Jodkalium, während die pflanzensauren (wein-
sauren, citronensauren) Alkalien als kohlensaure Salze darin ent-
fernt werden; genossene Benzoesäure erscheint im Harne als
Hippursäure.
§ 291. Der Harnstoff. Der Harnstoff (Urea) ist ein neutraler
Körper, der mit Säuren krystallisierbare Yerbindungen einzugehen
imstande ist. Nach seiner Zusammensetzung ist er das Amid
der Kohlensäure, Karbamid, (NH2)2CO, aus dem kohlensauren
Ammoniak, (NH4)2C03 , durch Austritt zweier Wassermoleküle
entstanden. Der Harnstoff geht auch bei der Selbstentmischung
des Harns wieder in kohlensaures Ammoniak über, indem er
zwei Wassermoleküle aufnimmt. Nämlich:
(NH2)2CO + 2H20 = (NH4)2C03
Harnstoff Wasser kohlensaures Ammoniak.
Man kann den Harnstoff auch künstlich erhalten durch Er-
hitzen des cyansauren Ammoniaks, welches mit ihm isomer ist.
(NH,)CNO = ™2 } CO
cyansaures Ammoniak Harnstoff.
Der Harnstoff krystallisiert in farblosen , durchsichtigen , in
Wasser leicht löslichen Säulen von salzigem Geschmack.
Wenn man Harn sich selbst überlässt, so zersetzt er sich
freiwillig (Harngährung) , wird durch Übergang des Harnstoffes
— 311 —
in kohlensaures Ammoniak alkalisch, nimmt den Geruch nach
Ammoniak an und trübt sich durch reichliche Ausscheidung
phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia (MgNH4P04 -{- 6 aq.).
Letzteres Doppelsalz löst sich nur schwer in reinem, nicht in
ammoniakalischem "Wasser. Die Harngährung wird durch den
sich zersetzenden Schleim des Harnes eingeleitet und besteht in
der Umwandlung des Harnstoffes in kohlensaures Ammoniak.
§ 292. Harnsäure. Die Harnsäure ist eine stickstoffhaltige
organische Säure, ein weisses, in "Wasser kaum lösliches Pulver,
welches in geringer Menge durch die Phosphate im Harn gelöst
gehalten wird und auf Salzsäurezusatz sich abscheidet. Die
Schlangenexkremente, sowie der Yogelmist und Guano bestehen
fast ausschliesslich aus Harnsäure und harnsaurem Ammoniak.
Es giebt eine grosse Zahl Oxydationsprodukte der Harnsäure,
je nach Wahl und Einwirkung der Agentien: sie lassen auf eine
sehr komplizierte Zusammensetzung der Harnsäure schliessen.
Die Reaktion auf Harnsäure ist dieselbe wie auf das Kaffein;
man dampft die Probe mit Salpetersäure zur Trockne und betupft
den Rückstand mit Ammoniak, derselbe nimmt dann eine Purpur-
farbe an (Murexid).
§ 293. Harnuntersuchung. In manchen Krankheiten enthält
der Harn gewisse Bestandteile, welche für jene charakteristisch sind.
So zeigt der Harn in der Zuckerruhr Glykose (Traubenzucker),
in andern Leiden Albumin, Gallenbestandteile u. a. m.
Man konstatiert die Gegenwart von Zucker durch die
sog. Trommersche Probe, indem man den Harn mit wenig
Kupfervitriollösung und dann mit überschüssigem Ätzkali ver-
setzt und erhitzt; der Zucker zeigt sich durch Ausscheidung
roten Kupferoxyduls an.
Die Anwesenheit von Eiweiss giebt sich an der Trü-
bung des Harns beim Aufkochen zu erkennen. Um keine Täu-
schung durch phosphorsaure Salze zu erleiden, ist der Harn vor
dem Kochen mit etwas Essigsäure schwach anzusäuern. — Auch
kann man zum Harne Salpetersäure setzen, welche einen volu-
minösen Niederschlag hervorruft, wenn Eiweiss zugegen ist.
Gallenbestandteile verursachen eine hochgelbe Färbung
des Harns und starkes Schäumen beim Schütteln.
Die Harnsedimente, sowie Harnsteine, können bestehen
aas Harnsäure , harnsaurem Ammoniak , phosphorsaurem oder
oxalsaurem Kalk, phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia (krystalli-
siert) u. a. m. Harnsedimente enthalten oft Schleim, Eiter, Blut,
Samenfäden u. dgL, welche am besten durch eine mikroskopische
Untersuchung erkannt werden.
— 312 -
[!■ Praktische Übungen.
Fei Tauri depur. siccum. Man verdünne eine Quantität frischer
Öchsengalle mit dem gleichen Gewichte Weingeist, filtriere nach einiger
Zeit und verdampfe den Weingeist im Dampfbade (bei grösseren Mengen
destilliere man ihn ab). Der rückständigen Flüssigkeit gebe man so viel
gereinigte Tierkohle bei, bis sich eine filtrierte Probe nur mehr schwach
gelb gefärbt zeigt; dann filtriere man sie und dampfe sie im Dampf bade
unter Umrühren zur Trockne ein.
Die gereinigte Tier kohle bereitet man durch Eintragen schwarz-
gebrannter Knochen (Ebur ustum nigrum) in eine 1 — l1./^ fache Menge
Salzsäure, unter Zugabe der 5 fachen Menge Wassers; nach einigen Tagen
giesse man die Flüssigkeit ab, wasche die Kohle sorgfältig mit Wasser
aus und trockne sie in der Wärme.
48. Die Produkte der trocknen Destillation.
§ 294. Was ist die trockne Destillation? Wenn man orga-
nische Körper in Retorten, bei Abschlnss von Luft und Wasser,
erhitzt, so setzt man sie der trocknen Destillation aus.
Es entwickeln sich dabei zahlreiche Substanzen, zumal von kom-
pliziert zusammengesetzten Materien. Der Sauerstoff derselben
tritt bei Beginn der Destillation, in der anfänglich noch geringe-
ren Hitze, mit dem Wasserstoff zu Wasser, mit der Kohle zu
Kohlensäure und Kohlenoxydgas zusammen; es entstehen daher
anfangs wässerige und gasförmige Produkte. Bei allmählich ge-
steigerter Temperatur bilden sich aus der Kohle und dem Wasser-
stoff schwererflüchtige, öl-harzige Kohlenwasserstoffverbindungen,
sowie leichtes und schweres Kohlenwasserstoffgas. Schliesslich
re'stiert in der Retorte Kohle.
Yon den sich bildenden Produkten sind viele, wie Wasser,
Essigsäure, Kohlensäure, Kohlenwasserstoffe, Ammoniak u. a.,
allgemeine Erzeugnisse einer jeden trocknen Destillation; andere
Körper sind hinwiederum der Destillation gewisser organischer
Materien eigentümlich, so stammt z. B. das Kreosot aus dem
Buchenholze, das Naphthalin aus den Steinkohlen u. a. m.
§ 295. Allgemeine Produkte der trocknen Destillation. Bei jeder
trocknen Destillation erhält man viererlei:
1. ein. Gas, — 2. ein wässeriges Destillat, — 3. ein
harzig-öliges Destillat, den Teer, — 4. rückständige Kohle.
Während die gasförmigen Produkte die Destillation von An-
fang bis zu Ende begleiten, erscheint das wässerige Destillat zu
Anfang und nimmt an Menge immer mehr ab, dem Teer Platz
machend; schliesslich geht gar keine wässerige Flüssigkeit, son-
dern nur Teer über. Kommt die Retorte in die Glühhitze, so ber
endigt sich die ganze Operation, und Kohle restiert in der Retorte.
91 'J>.
Der Teer ist ein dunkelgefärbter Balsam, aus einem äthe-
rischen Öle, dem Brandöle, bestehend, worin sich harzige
Stoffe, Brandharze, aufgelöst befinden. Destilliert man den
Teer mit Wasser, so geht das Brandöl mit den "Wasserdämpfen
über, während das Brandharz zurückbleibt.
Für die näheren Bestandteile dieser allgemeinen Produkte
ist es von höchstem Belang, ob die der trocknen Destillation
unterworfene Substanz Stickstoff enthält oder nicht. Der Stick-
stoff veranlasst nämlich die Bildung von Ammoniak und ammo-
niakalischen organischen Salzbasen, während stickstofffreie Materien
saure Produkte mit vorwaltender Essigsäure erzeugen.
1. Die Produkte der trocknen Destillation stickstofffreier orga-
nischer Körper sind vorwiegend satirer Natur.
Die Gase bestehen teils aus Kohlenwasserstoffen, teils
aus Kohlensäure und Kohlenoxydgas. Die wässerige
Flüssigkeit enthält freie Essigsäure, der Teer sowohl sauer-
stoffhaltige Brandöle, zumal Karbolsäure, als auch sauerstoff-
freie, z. B. Benzol, Paraffin und Naphthalin. Die rückständige
Kohle ist stickstofffrei.
2. Die Produkte der trocknen Destillation stickstoffhaltiger orga-
nischer Körper sind vorwiegend arnvnoniakalischer Natur.
Die Gase führen, ausser Kohlenwasserstoffen, freies
Ammoniak, das wässerige Destillat reagiert durch freies und
kohlensaures Ammoniak alkalisch und enthält ausserdem
essigsaures Ammoniak, sowie auch Cyanammonium.
Im Teer finden wir eine grössere Anzahl von Amid-, Imid-
und Nitrilbasen z. B. Phenylamin (Anilin). Die rückständige
Kohle ist stickstoffhaltig. — Sofern die organischen Stoffe auch
Schwefel enthalten, tritt in den Gasen auch Schwefel was s er-
st off resp. Schwefelammonium auf.
Auf die Beschaffenheit der restierenden Kohle ist das Ver-
halten der verwendeten Materien von bestimmendem Einflüsse.
Gelangen diese nämlich ins Schmelzen, wie z. B. der Zucker, so
erscheint ihre Kohle aufgequollen, glänzend, porös, ist leicht pul-
verisierbar, aber schwer verbrennlich und entbehrt der Eigen-
schaft, Farbestoffe und Gerüche aufzunehmen. — Schmelzen die
Körper zwar nicht, enthalten sie aber schmelzende Bestandteile,
wie das harzreiche Fichtenholz, so behält die Kohle wohl die ur-
sprüngliche Form bei, ist aber glänzend, dicht und taugt eben-
falls wenig zur Entfärbung und Desinfektion. — Sobald aber
gar keine Schmelzung eintritt, wie beim harzlosen Holze, bei den
Knochen u. a., behält die Kohle die ursprüngliche Form des
Körpers, erscheint stark porös und besitzt in hohem Grade die
Fähigkeit, Flüssigkeiten zu entfärben und Gase in sich zu verdichten.
- 314
§ 296. Die trockne Destillation des Holzes. Je nachdem man
das wässerige und ölige Destillat oder die restierende Kohle be-
zweckt, nimmt man die Destillation des Holzes in geschlossenen
Behältern oder in sogenannten Meilern vor. Die Produkte sind
saurer Natur, nämlich:
1. Der Holzessig.
Zur Gewinnung des
wässerigen Destillates
und Teers bedient
man sich der Vor-
richtung, wie sie Fig.
78 zeigt. Das Holz
wird in dem eisernen
Cy linder a erhitzt; die
Dämpfe entweichen
seitlich durch das Rohr
c indieKondensations-
röhre d, welche nach
Art des L i e b i g sehen
m Kühlers (g h i) abge-
kühlt wird. Dabei ent-
weichen die Gase bei
¥iS- 78- o, das verdichtete De-
stillat sammelt sich aber in den Yorlagen h und e.
Der gewonnene rohe Holzessig, Acetum pyrolignosum
crudum, ist eine saure, wässerige Flüssigkeit von dunkler Farbe,
in welcher mehr oder weniger Teerbestandteile schwimmen. Von
letzteren wird er durch Rektifikation gereinigt und liefert den
rektifizierten Holzessig, Acetum pyrolignosum rectifi-
catum, eine klare, schwachgelbe Flüssigkeit. Der Teer bleibt in
der Retorte zurück.
Der Holzessig enthält, neben der Essigsäure (6%), Me-
thylalkohol*) (Holzgeist), essigsauren Methyläther, Aceton,
etwas Karbolsäure u. a. Der Holzgeist ist zu 1% darin enthal-
ten und geht bei der Rektifikation im ersten Zehntel über. Dem
Karbolsäuregehalt verdankt der Holzessig den brenzlichen Geruch,
sowie seine gährungs- und fäulniswidrigen (antiseptischen) Eigen-
schaften.
Das Aceton ist eine farblose, flüchtige Flüssigkeit von ätherischem
Geruch, mischbar mit Wasser und ohne Reaktion auf Lackmus. Man ge-
winnt es rein durch Erhitzen trocknen essigsauren Kalkes, wobei kohlen-
saurer Kalk zurückbleibt:
Ca2C2H30.2 = CaCOg + C,HR0
essigsaurer Kalk kohlensaurer Kalk
■y3XA6v
Aceton.
*) Methyl abgeleitet aus jj-stoc, welches in der Zusammensetzung eine
Veränderung anzeigt, und ua/, (Holz).
— 315 —
2. Holzteer. Dem Holzessig folgt im weiteren Verlaufe
der Destillation der braunschwarze Holzteer, Pix liquida.
Für sich der Destillation unterworfen , trennt derselbe sich in
Brandöl, welches tibergeht, und Brandharz, welches zurückbleibt.
Durch geeignete Fraktionierung gelingt es, das Brandöl in seine
verschiedenen Bestandteile zu trennen.
Man unterscheidet zunächst leichtes und schweres
Brandöl, je nachdem es auf dem Wasser schwimmt oder darin
untersinkt. Das erstere destilliert vor dem letzteren über. Das
leichte Brandöl besteht aus Benzol, Xylol u. a., das schwere aus
Karbolsäure, Kreosot, Paraffin u. a. Betrachten wir diese Be-
standteile näher:
a) Das Benzol") (C6H6), auch Steinkohlen-Benzin genannt,
bei 60 — 80° übergehend, ist eine neutrale, farblose, ätherisch
riechende, dünne Flüssigkeit, welche sich leicht entzünden lässt,
auf dem Wasser schwimmt und mit demselben sich nicht mischt.
Das Petroleum-Benzin, stammt vom Steinöl, Petro-
leum (Oleum Petrae), welches in Amerika, seit alter Zeit auch
in Persien und Italien, aus der Erde quillt und ein Gemenge ver-
schiedener Kohlenwasserstoffe ist. Tom rohen Steinöl werden zu
Beleuchtungs-Zwecken die flüchtigeren Bestandteile durch Ab-
destillieren getrennt; was schon bei 50 ° übergeht, wird unter dem
Kamen Petroleumäther (Aether Petrolei) in den Handel
gebracht; das Benzin destilliert in etwas höherer Temperatur,
bei 60 — 80°. Was erst über 100° übergeht, wird als gereinigtes
Steinöl zur Beleuchtung verwendet. Nachdem das gereinigte
Steinöl überdestilliert ist, bleibt ein schwerflüchtiger Rückstand,
*) Abgeleitet von Benzoesäure, da es durch Erhitzen des benzoe-
sauren Kalkes entdeckt wurde. Die Strukturformel des Benzols ist:
H— C=C— H
/ \
H— C C— H
\ //
H— C— C— H
Hier finden wir die Kohlenatome nicht in offener Reihe mit einander
verbunden, sondern einen geschlossenen Ring (Benzolkern) bildend, worin
sie sich abwechselnd mit einfacher und doppelter Valenz binden. Werden
die Wasseratome des Benzols vertreten
a) durch Salzbildner z. B. Chlor, so entstehen die verschiedenen
Chlorbenzole (C6H5C1 bis C6C16);
b) durch Hydroxyl (OH), so entstehen die sog. Phenole z. B. die
Karbolsäure (CH5,OH);
c) durch N02, so entstehen r\itrokörperz. B. Nitrobenzol (C6H5.N02);
d) durch NH2, so entstehen Amidokörper z. B. Anilin, (C6H5,NH2).
Da man die Atomgruppe (C0H5) Phenyl genannt hatte, betrachtete
man früher die Karbolsäure als Oxydhydrat des Phenyls, das Anilin als
Phenylamin.
— 316 -
der erst bei 300° übergeht und das Vaselinöl, Parafflnum
liquidum, darstellt; ein färb- und geruchloser, ölartiger, neutraler
Kohlenwasserstoff.
b) Vom schweren Brandöl, welches erst über 100 ° siedet,
ist der wesentlichste Bestandteil die Karbolsäure, auch Phenol*)
genannt, mit der Formel C^H^O =— CfiH5,HO. Der Zusammen-
setzung nach wurde die Karbolsäure als der Alkohol eines Radikals
Phenyl (C6H5) betrachtet; von den Alkoholen unterscheidet sie
sich aber sehr wesentlich dadurch, dass sie die Eigenschaften einer
Säure hat und kein Aldehyd bildet.
Die rohe Karbolsäure, Acidum carbolicum cruduiu,
ist eine dunkelfarbige, ätherisch-ölige Flüssigkeit, mit wechseln-
dem Gehalte an reiner Karbolsäure. (Die Pharm. Grerm. IL ver-
langt 90 °/n und stellt dies durch Schütteln der rohen Karbolsäure
mit verd. Natronlauge fest.) Man gewinnt daraus die reine Karbol-
säure durch Bindung an Ätzkali, welches die Karbolsäure löst,
aber nicht die indifferenten, übelriechenden Brandöle. Was Ätz-
kalilauge vom schweren Teeröle aufnimmt, wird durch Schwefel-
säure wieder abgeschieden und davon die reine Karbolsäure,
Aciduni carbolicum crystallisatum, durch Rektifikation bei
180 ° abgetrennt. Im wasserfreien Zustande krystallisiert dieselbe
in nadelig-krystallinischen, farblosen Massen, welche in gelinder
Wärme schmelzen, sich schwierig in Wasser, leicht in Weingeist,
Äther, Glycerin und Ölen lösen und mit Eisenchlorid sich violett-
blau färben. Die Karbolsäure muss sich in 20 Teilen Wasser
klar auflösen und ohne unangenehmen Geruch sein — anderen-
falls enthält sie fremde Brandöle. Die Karbolsäure zeichnet sich
in hohem Grade durch fäulnis- und gährungswidrige (antisep-
tische) Eigenschaften aus, koaguliert Eiweiss und ist der konser-
vierende Bestandteil des Rauches. Brom scheidet aus ihrer Lö-
sung Tribromphenol (C6H3Br30) in weissen Flocken aus.
Mit konzentr. Schwefelsäure mischt sich die Karbolsäure zu
Karbolschwefelsäure, die der Ätherschwefelsäure analog
zusammengesetzt ist (G^H^HSO«) und wie diese mit Baryt und
Kalk lösliche Salze bildet. Das karbolschwefelsaure Zink-
oxyd, Ziucum sulfocarbolicurn, ähnelt dem schwefelsauren
Zinkoxyd, riecht jedoch meistens schwach nach Karbolsäure, löst
sich in Wasser und auch in Weingeist auf und färbt Eisenchlorid
violettblau.
Im Buchenholzteer ist die Karbolsäure vertreten durch
Kreosot, Kreosotum**), eine ätherisch-ölige, von der Karbol-
säure im Geruch und in der Zusammensetzung etwas abweichende
*) Phenol abgeleitet von oaivw (leuchten), als Produkt bei der Be-
reitung des Leuchtgases; Karbolsäure von carbo (Kohle) und oleum (Öl).
**) Kreosot von -/.psa? (Fleisch) und cnotrjp (Erhalter).
- 317 —
ähnliche Flüssigkeit, mit ebenfalls stark antiseptischen Eigenschaften
begabt. Es unterscheidet sich von der Karbolsäure durch viel
geringere Löslichkeit in Wasser (1 : 100), Unlöslichkeit in Glycerin,
Mischbarkeit mit Kollodium (womit die Karbolsäure eine Gallerte
bildet) und schmutzig grüne Färbung mit Eisenchlorid. Es ist
ein Gemenge aus Kreosol und Guajakol.
c) In höherer Hitze als die Karbolsäure destilliert aus dem
Holzteer das Paraffin, ein fester Kohlenwasserstoff, ohne Ge-
ruch und Geschmack, weiss, wachsartig, in sehr gelinder Wärme
schmelzend und weder von Alkalien, noch von Säuren angreifbar
— daher sein Name : parum (wenig) affinis (verwandt). — Einen
etwas höheren Schmelzpunkt (bei 75°) besitzt das off. Paraffiuum
soli du in , welches durch Reinigung des natürlich vorkommenden Erd-
wachses (Ozokerit) gewonnen und im Handel Ceresin genannt wird.
d) Der Rückstand der Teerdestillation liefert, abgedampft,
das Scbiffspech, Pix navalis (P. nigra), ein schwarzes,
sprödes Harz mit Teergeruch.
Übergiesst man den Holzteer mit heissem Wasser, so er-
hält man das schwachgelbe, säuerlich schmeckende und nach
Teer riechende Teerwasser, Aqua Picis, welches karbol-
säurehaltig ist.
In Russland gewinnt man den Teer des Birkenholzes und
gebraucht ihn als Oleum Rusci, einen dunkelbraunen Balsam.
3. Die bei der Verkohlung in Meilern restierende Kohle ist
die Holzkohle (Carbo vegetabilis).
§297. Die trockne Destillation der Steinkohlen. Die Steinkohlen,
die verkohlten Reste einer untergegangenen, vorzeitlichen Vege-
tation, finden sich häufig gemengt mit eingestreutem Schwefelkies
und zeigen auch einen Gehalt an Stickstoff. Daher weichen die
Produkte der trockenen Destillation der Steinkohlen von denen
des Holzes durch den Gehalt einiger Bestandteile ab. Man nimmt
die Operation zum Zwecke der Leuchtgasbereitung in den
sog. Gasfabriken vor.
1. Das gewonnene Gas, das Leuchtgas, besteht aus
schwerem Kohlenwasserstoffgas (Olgas), welchem es
seine Leuchtkraft verdankt, gemengt mit leichtem Kohlenwasser-
stoffgase, reinem Wasserstoff, Kohlenoxyd, Ammoniak, Schwefel-
wasserstoff, Schwefelkohlenstoff; von den drei letzteren muss es
gereinigt werden. Man lässt es zunächst durch lange Röhren
streichen, worin der Schwefelkohlenstoff mit den abgedun steten
Brandölen (Benzol u. a.) sich absetzt; dann leitet man das Gas
durch Kalkmilch, zur Absorption des Schwefelwasserstoffs und
der Kohlensäure, schliesslich durch verdünnte Schwefelsäure, zur
Absorption des Ammoniaks.
— 318 —
2. Das wässrige Destillat, das Gaswasser, enthält kohlen-
saures und essigsaures Ammoniak, Schwefelammonium, neben Cyan-
tind Chlorammonium gelöst. Man verarbeitet es auf Ammoniak.
3. Der Steinkohlenteer, der Gasteer, besteht aus
ähnlichen Stoffen wie der Holzteer. Für sich destilliert, liefert
er das Steinkohlenbrandöl oder Teer öl, welches man in
getrennten Portionen auffängt. Das leichte Teeröl enthält Benzol
(Steinkohlenbenzin), Xylol u. a., das schwere Teeröl Karbol-
säure*) und an Stelle des Paraffins das Naphthalin, einen
krystallinischen, fettartigen Kohlenwasserstoff, von brennendem
Geschmack und eigentümlichem Geruch. Im Teeröle finden wir
auch eine Anzahl stickstoffhaltiger Salzbasen; vor allen zu nennen
das Anilin (NH2C6H5), eine farblose, flüchtigölige Flüssigkeit von
gewürzigem Geruch und alkalischer Reaktion, welche durch Oxy-
dationsmittel die verschiedenen Anilinfarben liefert.
4. Die rückständige Kohle, Kohks, führt mehr oder weniger
Schwefeleisen und verbrennt schwerer als die Steinkohlen selbst.
§ 298. Trockne Destillation tierischer Substanzen. Werden tie-
rische Abfälle, wie Hörn, Knochen, Blut u. dgl. erhitzt, so ent-
stehen durch den Stickstoff-Reichtum dieser Materien stark ammo-
niakalische Produkte. Man gewinnt aus jenen Abfällen die Blut-
kohle und Knochenkohle als Rückstand, eine Stickstoffkohle,
die zur Bereitung des Blutlaugensalzes, sowie als Entfärbungs-
mittel Anwendung findet. Nebenprodukte dieser Fabrikation sind:
1. Ein wässeriges Destillat, früher als Hirschhorngeist,
Spiritus Cornu Ger vi, offizinell, eine mit Tier-Brandöl ge-
schwängerte Lösung von kohlensaurem Ammoniak.
2. Ein festes Sublimat, als Hirschhornsalz, SalCornu
Cervi, ehedem gebräuchlich, ein mit Tier-Brandöl getränktes
kohlensaures Ammoniak, welches sich in der Vorlage in Krusten
ansetzt.
3. Ein Teer, stinkendes Tieröl oder Hirschhornöl,
Oleum animale foetidum, ein braunschwarzer Balsam von
höchst unangenehmem Geruch. Mit Wasser destilliert, liefert er
ein ätherisches Brandöl, das ätherische Tieröl, Oleum
animale aethereum, ein anfangs farbloses, aber sehr bald
an der Luft sich bräunendes ätherisches Öl, ein Gemenge von
alkalischen Amid-, Imid- und Nitrilbasen.
Das Hirschhornsalz, wie der Hirschhorngeist, werden jetzt
aus dem reinen kohlensauren Ammoniak durch Zusatz des äthe-
*) Dieses karbolsäurehaltige, schwere Teeröl, welches bei 150° siedet,
führt im Handel den Namen Steinkohlenteerkreosot, ist aber vom
echten Kreosot (aus Buchenholz) wohl zu unterscheiden.
— 319 —
rischen Tieröls bereitet und führen die Namen Ammonium
carbonicum pyrooleosum, Liquor Amm. carb. pvroo-
1 e o s i. Sie bräunen sich ebenfalls sehr bald an der Luft und
riechen sowohl nach Ammoniak wie nach Tieröl.
Übersicht der Produkte der trocknen Destillation.
Material
gasförmige
Produkte
wässeriges
Destillat
öliges
Destillat
Holz
(stickstofffrei)
CO,C02
(a,H4,CH4
H
brenzliche
Essigsäure.
[Holzessig.)
Benzol, Xylol,
Karbolsäure,
Paraffin.
(Holzteer.)
Rückstand
Holzkohle
Steinkohlen
(stickstoffarm,
schwefelhaltig)
CO,C2H4,
CH4,NH3
H?S,H.
(Leuchtgas.)
kohlensaures
und essig-
saures Ammo-
niak, Schwe-
felammonium
u. a.
(Gaswasser.)
Benzol, Xylol,
Karbolsäure,
Naphthalin,
Anilin.
(Steinkohlen-
teer.)
Kohks
Hörn, Knochen,
Blut u. dgl.
(stickstoffreich)
CO,C.2H4,
CH4,NH3
H
j kohlensaures,
essigsaures
und freies Am-
moniak, Cyan-
[ ammonium.
i (Hirschhorn-
geist.)
flüchtige
Amid-, Imid-
und Nitril-
basen.
(Hirschhom-
öl.)
Blutkohle
Knochenkohle
Praktische Übungen.
1. Zincum sulfocarbolicum. Man bereitet zunächst Karbol-
schwefelsäure, indem man 6 Teile konzentr. Schwefelsäure mit 5 Teilen
reiner Karbolsäure mischt und 8 Tage in mittlerer Temperatur stehen
lässt. Dann wird die Mischung mit ihrer zehnfachen Wassermenge ver-
dünnt, durch kohlensauren Kalk (Kreide) gesättigt und nach der Filtration
auf 10 Teile eingedampft. Man filtriert abermals (von dem aasgeschie-
denen Gips) und giebt soviel Zinkvitriollösung (höchstens 7l/2 Teile Zink-
vitriol) hinzu, bis kein Niederschlag mehr entsteht; die von dem ent-
stehenden Gips abfiltrierte Flüssigkeit wird schliesslich zur Krystallisation
abgedampft.
320 -
Erkennung und Prüfung
der chemischen Präparate.
A. Qualitative Analyse.
§ 299. Qualitative und quantitative Analyse. Die Untersuchung
eines Körpers auf seine chemischen Bestandteile ist Gegenstand
der qualitativen chemischen Analyse. Hierbei handelt
es sich ausschliesslich darum , welche chemischen Körper zu-
gegen sind. Ist dies festgestellt, so folgt die zweite Frage, in
welchen Mengeverhältnissen die Bestandteile mit einander ver-
bunden oder gemischt sind; die Beantwortung dieser Frage ist
Gegenstand der quantitativen chemischen Analyse.
Für den Pharmazeuten hat die qualitative Analyse haupt-
sächlichen Wert:
1. Zur Erkennung der chemisch-pharmazeutischen Präpa-
rate resp. Feststellung ihrer Identität.
2. Zur Prüfung derselben auf ihre Reinheit.
I, Die Erkennung der chemischen Präparate.
A. Allgemeine Prüfung. (Vorprüfung.)
§ 300. Physikalische Charaktere. Man leitet die allgemeine
Prüfung der chemisch-pharmazeutischen Präparate mit der Prüfung
ihrer physikalischen Charaktere ein und berücksichtigt
hierbei der Reihe nach den Aggregatzustand, die Farbe, den Ge-
ruch und Geschmack, sowie das spez. Gew. des Körpers und
sein Verhalten an der Luft.
1. Der Aggregatzustand giebt sehr häufig wesentliche
Erkennungsmerkmale ab. Hierbei muss zunächst beachtet werden :
a) ob der Körper tropfbar flüssig, oder
b) ob er fest ist; im letzteren Falle ob er
a) krystallisiert oder
ß) amorph ist.
Die tropfbaren Flüssigkeiten zeigen häufig eine besondere
Konsistenz ; so finden wir eine dickliche, ölige Beschaffenheit bei
Acidum sulfuricum, Aciclum tacticum, Liquor Ferri sesquichlorati
und sulfurici oxydati; Dünnflüssigkeit finden wir beim Aether,
Aether aceticus, Chloroformium u. a.
Für die krystallisierten Körper ist die Krystallgestalt
häufig charakteristisch. Als Beispiele mögen dienen:
- 321 -
in regelmässigen Würfeln: Kalium jodatum, K. bromatum,
in regelmässigen Oktaedern: Alumen;
in quadratischen Tafeln : Kalium ferrocyanatum ;
in rhombischen Tafeln: Jodum, Baryum chloratum, Kalium
chloricum, Zincum aceticum, Acidum boricum;
in rhombischen Säulen: Kalium nitricum (in längsstreifigen,
abgestumpften, sechsseitigen Säulen), Magnesium sulfuricum, Zincum
sulfuricum, Natrium sulfuricum, Natrium aceticum u. v. a.
in Rhomboedern : Natrium nitricum (sehr ähnlich dem Würfel) ;
in sublimierten Stücken mit strahligem Gefüge : Hydrargyrum
chloratum und H. bichloratum; mit faserigem Gefüge: Ammonium
chloratum.
2. Durch eine besondere Färbung zeichnen sich aus:
grün : Eisenoxydidsalze (hellgrün), manche Kupferoxydsalze
(blaugrün), gewisse Chromoxydverbindungen;
blau : Kupferoxydsalze ;
rot: übermangansaure Salze (violettrot), Chromsäure;
gelb : Eisenoxydsalze (braungelb), neutrale chromsaure Salze
(hellgelb), Gold- und Platinsalze.
3. Am Gerüche sind viele chemischen Körper sofort sicher
zu erkennen: Liquor Ammonii caustici durch seinen stechenden
Geruch ; Chlorum durch seinen erstickenden Geruch, Chlor oformium,
Aether aceticus durch ihren belebenden Geruch, Acidum benzoicum
durch ihren benzoeartigen Geruch u. s. f.
Was den Geschmack betrifft, so lässt sich derselbe wegen
der häufigen Giftigkeit der Chemikalien nur mit grosser Yorsicht
ermitteln. Sämtliche Sclnvermetallsalze besitzen einen widrigen,
sog. metallischen Geschmack, Eisensalze schmecken tintenartig,
Bleisalze süsslich herbe, Thonerdesalze schrumpfend, Magnesiasalze
bitterlich.
4. Das spezifische Gewicht ist bei Flüssigkeiten häufig
charakteristisch. Durch eine bedeutende Eigenschwere zeichnen
sich aus: Acidum sulfuricum, Chloro formium u. a., durch eine sehr
geringe: Aether, Benzinum u. a. Durch sein höheres spez. Gew.
unterscheidet sich z. B. das Chloroform von den ihm äusserst
ähnlichen Äthylenchlorid.
5. Das Verhalten an der Luft kennzeichnet manche
chemischen Körper. So tritt ein:
schleuniges Yerdunsten bei Aether, Aether aceticus, Chloro-
formium, Benzinum;
Feuchtwerden und endlich Zerfliessen infolge von Wasser-
anziehung bei Kalium carbonicum, Tartarus boraxatus, Acidum
chromicum u. a. ;
Zerfallen infolge von Yerwitterung bei Natrium phosphoricum
Natrium carbonicum u. a.
Schlickum, Apothekerlehrling. 21
- 322 —
§ 301. Verhalten beim Erhitzen. Nachdem man die sinnlichen
Eigenschaften des fraglichen Körpers festgestellt hat, fährt man
in der Vorprüfung fort durch Erhitzen einer kleinen Probe auf
Platinblech oder in einem porzellanenen Glühschälchen. Hier-
bei können folgende Fälle eintreten:
1. Der Körper verflüchtigt sich ohne Eückstand.
Hierhin gehören die meisten Mineralsäuren (excl. Chromsäure
und Phosphorsäure), sämtliche Ammoniak- und Arsenverbindungen,
Quecksilber und seine Verbindungen, Jod und Brom.
2. Der Körper verbrennt resp. verkohlt.
Hierhin zählen die organischen Körper. Hinterlassen sie auch
in der Glühhitze einen fixen Rückstand, so liegt das Salz einer
organischen Säure vor und zwar hinterlassen die Alkalisalze kohlen-
saures Alkali als Rückstand, kenntlich an der alkalischen
Reaktion nach dem Anfeuchten mit Wasser. Die organisch-
sauren Schwermetalle lassen aber reines Metalloxyd zurück, die
der leicht reduzierbaren Metalle (Blei, Antimon u. a.) ergeben
regulinisches Metall. (Solche Verbindungen darf man nicht auf
Platinblech glühen, da letzteres mit dem Metalle zusammenschmilzt
und durchlöchert wird.)
3. Der Körper schmilzt und hinterlässt dann einen festen
Rückstand. Es liegt ein Körper mit Krystallwasser vor, z. B.
Natrium carbonicum, sulfuricum, phosphoricum u. a., "welche in
ihrem Krystallwasser schmelzen, dasselbe verdampfen lassen und
dann wasserfrei zurückbleiben.
4. Der Körper bläht sich stark auf.
Dies thut Borax und Alumen.
5. Der Körper verändert seine Färbung.
Hierhin das Zincum oxydatum, welches gelb wird, beim Er-
kalten aber seine weisse Farbe wieder annimmt; Cerussa wird
dauernd gelb.
6. Der Körper verändert sich nicht.
Hierhin die Oxyde der Schwermetalle, der alkalischen Erden,
Thonerde, viele Salze.
§ 302. Verhalten zu Lösungsmitteln. Als Lösungsmittel wendet
man zuerst reines Wasser an; wirkt dasselbe nicht in gewöhn-
licher Temperatur, so erhitzt man zum Sieden. Beobachtet man
auch dann keine Veränderung resp. Lösung, so fügt man Sal-
petersäure portionenweise zu und erhitzt nötigenfalls. Hier-
nach unterscheidet man:
1. In Wasser lösliche Körper: die ätzenden und kohlen-
sauren Alkalien, die meisten Säuren, alle salpetersauren und essig-
sauren Salze, die meisten schwefelsauren Salze und Chlormetalle,
die Salze der Alkaloide u. a. m.
323 —
2. Nicht in Wasser, aber in verdünnten Säuren
lösliche Körper: die kohlensauren, phosphor sauren, weinsauren
alkalischen Erden und Schwermetallsalze, die reinen Alkalo'ide, Schwer-
tnetalloxyde u. a. m.
3. Weder in Wasser, noch in verdünnten Säuren
lösliche Körper: Schwefel, Kohle, Zinnober, Quecksilber chlor ür
und -jodür, die Sulfate von Bart/um, Strontium, Blei u. a.
B. Spezielle Untersuchung.
§ 303. Was ist ein Reagens? Die spezielle Prüfung bedient
sich der Reagentien. Man versteht unter einem Eeagens
ein Mittel, mittelst dessen man die Anwesenheit eines fraglichen
Körpers konstatieren kann. Durch ein Reagens wird bei An-
wesenheit des gesuchten Körpers irgend eine Erscheinung hervor-
gerufen, sei es ein Niederschlag, eine Gasentbindung, eine Färbung
oder dgl. Bleibt die erwartete Erscheinung aus, so ist damit die
Abwesenheit des fraglichen Stoffes nachgewiesen.
Man unterscheidet unter den Reagentien allgemeine und
besondere. Erstere zeigen eine ganze Gruppe von Körpern
an, letztere nur einen bestimmten Stoff.
Zu den allgemeinen Reagentien zählen in erster Reihe die
Reagenspapiere, welche freie Säuren resp. Ätzalkalien an-
zeigen. Man benutzt hierzu:
1. blaues Lackmuspapier, mit einem wässerigen Aus-
zuge von Lackmus (Lackmustinktur) getränktes Schreibpapier,
ein Reagens auf freie Säuren und saure Salze, durch die es gerötet wird ;
2. rotes Lackmuspapier, mittelst verdünnter Säure ge-
rötetes Lackmuspapier, ein Reagens auf ätzende Alkalien und
kohlensaure Alkalien (auch borsaure und kieselsaure Alkalien),
durch die es gebläuet wird;
3. Kurkumapapier, mittelst Kurkumatinktur gelb gefärbtes
Schreibpapier, welches von alkalischen Flüssigkeiten gebräunt wird.
Bevor man zur weiteren Untersuchung schreitet, muss mit-
telst der genannten Reagenspapiere die Lösung des fraglichen
Körpers auf seine Reaktion geprüft werden.
Die übrigen Reagentien sind teils
Säuren: verd. Essigsäure, Salzsäure, Salpetersäure,
Schwefelsäure, Gerbsäure, Weinsäure;
Gaslösungen: Chlor- Schwefelwasserstoffwasser;
Ätzalkalien: Natronlauge, Kalkwasser, Ätzammoniak;
Schwefelalkalien : Schwefelammonium;
Salzlösungen: kohlensaures Natron, kohlensaures
Ammoniak, phosphorsaures Natron, oxalsaures Am-
moniak, essigsaures Kali, übermangansaures Kali,
salpetersaurer Baryt, schwefelsaurer Kalk, schwefel-
21*
— 324 —
saure Magnesia, schwef elsauresEisenoxydul, schwefel-
saures Kupferoxyd, essigsaures Bleioxyd, salpeter-
saures Silberoxyd;
Chlorammonium, Chlorcalcium, Eisenchlorid>
Platinchlorid, Quecksilberchlorid, Jodkalium, Ferro-
cyankalium, Ferridcyankaliuni, Rhodankalium;
Metalle: Zink, Kupfer, Eisen.
1. Auffindung des metallischen Bestandteils.
§ 304. Analytische Einteilung der Metalle.
1. Gruppe: Durch Schwefelwasserstoff aus saurer
Lösung fällbare Metalle:
Blei, Kupfer, Kadmium, Wismut, Zinn, Antimon, Arsen,
Quecksilber, Silber, Gold, Platin.
2. Gruppe: Nicht durch Schwefelwasserstoff aus saurer
Lösung, jedoch durch Schwefelammonium fällbare Metalle:
Zink, Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel, Chrom, Aluminium.
3. Gruppe: "Weder durch Schwefelwasserstoff, noch durch
Schwefelammonium, jedoch durch kohlensaures Natron fällbare
Metalle:
Baryum, Strontium, Calcium, Magnesium.
4. Gruppe: Weder durch Schwefelwasserstoff, noch Schwefel-
ammonium, noch kohlensaures Natron fällbare Metalle:
Kalium, Natrium, Lithium {Ammonium).
I. Gruppe.
Durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung fällbare Metalle.
§ 305. Verhalten der hierhin gehörigen Metalle gegen Salzsäure.
Die Ansäuerung der Lösung, welche mit Schwefelwasserstoff be-
handelt werden soll, geschieht durch Salzsäure. Da hierdurch
einige der hierhin gehörigen Metalle als Chlormetalle ausgefällt
werden, giebt uns die Ansäuerung durch Salzsäure ein Mittel zur
Erkennung der in Frage kommenden Metalle.
Durch Salzsäure werden als Chlormetalle weiss gefällt:
Silber-, Blei und Quecksilberoxydsalge.
Man unterscheidet diese Metalle am Verhalten des Nieder-
schlages 1. zu heissem "Wasser, 2. zu Ätzammoniak. Z?Ze«chlorid
löst sich nämlich in siedendem "Wasser leicht auf, Äföerchlorid
wird dagegen yon Salmiakgeist leicht aufgenommen, während
Quecksilber chlorür von letzterem schwarz gefärbt wird (Quecksilber-
oxydul-Ammoniak)
Die Bleisalze charakterisieren sich ausserdem durch ihr Verhalten
zu Schwefelsäure, welche weisses Bleisulfat fällt, sowie zu Jodkalium,
welches gelbes Jodblei fällt.
Schwefelwasserstoff scheidet sämtliche drei Metalle als schwarze
Sulfide aus.
— 325 —
§ 306. Unterscheidung der durch Salzsäure nicht fällbaren Metalle.
Die übrigen durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung fäll-
baren Metalle, welche nicht durch Salzsäure niedergeschlagen
werden, sind:
Quecksilberoxyd-, Kadmiumoxyd- , Kupferoxyd-, Wismut-
oxyd-, Zinnoxydul-, Zinnoxyd-, Goldoxyd-, Platinoxyd-, An-
timonoxyd-, arsenigsaure und arsensaure Sähe.
Man unterscheidet diese Salze 1. nach der Farbe des Nieder-
schlages, den Schwefelwasserstoff erzeugt, 2. nach dessen Löslich-
keit in Schwefelammonium. Es sind:
a) Orangerot, löslich in Schwefelammonium : Antimonsulfür
und Antimonsulfid;
b) Gelb,
a) löslich in Schwefelammonium: Zinnsulfid, Arsensulfid,
ß) unlöslich in Schwefelammonium: Kadmiumsulfid;
c) Kaffeebraun, in gelbem Schwefelammonium löslich:
Zinnsulf ür;
d) Schwarz,
a) löslich in Schwefelammonium: Gold- und Platinsulfid,
ß) unlöslich in Schwefelammonium: Quecksilber sulfid,
Kupfer- und Wismutsulfid. Man unterscheidet sie
durch das Yerhalten ihrer Salzlösungen zu Wasser
und zu Ammoniak. Wasser trübt die Wismutsalze
milchig; Ätzammoniak fällt die Quecksilberoxydsalze
weiss, die Kupfersalze bläulich, löst aber, im Über-
schuss angewendet, das Kupferoxydhydrat mit tief-
blauer Farbe wieder auf.
Ein empfindliches Reagens auf Kupfersalze ist das Ferro-
«yankalium, welches sie noch in grösster Yerdünnung rot-
braun (Ferrocyankupfer) fällt.
2. Gruppe.
Durch Schwefelammoniuni fällbare, durch Schwefelwasserstoff aus saurer
Lösung nicht fällbare Metalle.
§ 307. Unterscheidung der hierhin gehörenden Metalle. Yon den
durch Schwefelammonium (nicht aber aus saurer Lösung durch
Schwefelwasserstoff) fällbaren Metallen werden gefällt:
1. Als Sulfide: Zink, Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel;
2. als Oxydhydrate: Chrom und Aluminium;
und zwar:
a) weiss,
u) unlöslich in Natronlauge: Zinksulfid;
ß) löslich in Natronlauge: Thonerde;
b) blaugrün, löslich in Natronlauge: Chromoxyd;
c) fleischfarbig, unlöslich in Natronlauge: Mangansulfid;
— 326 —
d) schwarz,
a) leichtlöslich in kalter verd. Salzsäure : Eisensulfid;
ß) darin unlöslich: JSickel- und Kolaltsulfid.
Die Zink- und Tlionerdesalze unterscheiden sich durch ihr
Verhalten zu den Alkalien ; überschüssige Kali- und Natronlauge
lösen das anfänglich ausgeschiedene Zinkoxyd resp. Thonerde-
hydrat wieder auf, Ammoniak löst aber nur das Zinkoxyd, nicht
die Thonerde. Fügt man also Chlorammonium zur alkalischen
Lösung, so geht dieselbe in eine ammoniakalische über (durch
Bildung von Chlorkalium resp. Chlornatrium) und vorhandene
Thonerde scheidet sich als weisser gallertiger Niederschlag aus,
Zinkoxyd bleibt aber gelöst.
Zur Unterscheidung der Eisenoxydul- von den Eisenoxydsalzen
dienen die Blutlaugensalze. Ferrocyankalium fällt die Eisen-
oxydulsalze hellblau, die Eisenoxydsalze tiefblau, Ferridcyan-
kalium fällt die Eisenoxydulsalze tiefblau, die Eisenoxydsalze gar
nicht; Schwefelcyankalium färbt nur die Eisenoxydsalze blutrot.
§ 308. Verhalten gewisser Salze der alkalischen Erden. Im Falle
der zu prüfende Körper ein phosphorsaures, borsaures,
oxalsaures, weinsaures Salz einer alkalischen Erde
(Baryt, Strontian, Kalk, Magnesia) ist, wird derselbe durch
Schwefelammonium in ähnlicher Weise wie die im vorigen § be-
handelten Metalle ausgeschieden. Diese Salze lösen sich näm-
lich nicht in Wasser, aber in verdünnten Säuren auf; wird
nun die zur Lösung dienende Säure durch das Schwefelammonium
neutralisiert, so entzieht sich jenen Salzen, das Lösungsmittel,
und sie scheiden sich wieder aus. Da sie weiss von
Farbe sind, sich auch nicht in Ätzalkalien auflösen, kann man
sie nicht wohl mit Thonerde- und Zinksalzen verwechseln.
Beim Glühen verwandeln sich die oxal- und weinsauren alkalischen
Erden, letztere unter Schwärzung, in kohlensaure Salze, sodass der Rück-
stand mit Salzsäure aufbraust. Die phosphorsauren und borsauren alka-
lischen Erden verändern sich beim Glühen nicht.
Üff 3. Gruppe.
Weder durch Schwefelwasserstoff, noch durch Schwefelammonium, aber
durch kohlensaures Natron fällbare Metalle — alkalische Erden.
§ 309. Unterscheidung der hierhin gehörigen Metalle. Die durch
kohlensaures Natron fällbaren alkalischen Erden verhalten sich
gegen kohlensaures Ammoniak verschieden. Baryt, Strontian
und Kalk werden durch dasselbe als Karbonate ebenso nieder-
geschlagen, wie durch kohlensaures Natron ; die Magnesia dagegen
wird durch kohlensaures Ammoniak nicht gefällt, da sie mit Am-
moniak leichtlösliche Doppelsalze bildet.
— 327 -
Man unterscheidet Kalk, Baryt und Strontian durch die ver-
schiedene Löslichkeit ihrer schwefelsauren Salze. In nicht zu
sehr verdünnter Lösung werden sie sämtlich durch verdünnte
Schwefelsäure ausgefällt; es bleibt aber immerhin noch soviel
schwefelsaurer Kalk gelöst, dass oxalsaures Ammoniak im
Filtrat eine weisse Trübung von oxalsaurem Kalke erzeugt, so-
fern man die überschüssige Säure durch Ätzammoniak übersättigt
hat. (Der Oxalsäure Kalk wird nämlich durch freie Mineralsäuren
aufgelöst gehalten.)
Um den Baryt und Strontian zu erkennen, dient eine Lösung
von schwefelsaurem Kalke, das sog. Gipswasser. Dasselbe
erzeugt in i?ar^lösungen sofort, in StronäanYösimgen erst bei
längerem Stehen einen weissen Niederschlag; Kalksalze lässt es
ungetrübt. — Die Anwesenheit des Sirontians lässt sich leicht
durch die karminrote Färbung erkennen, die seine Salze (zumal
Chlorstrontium) der "Weingeistflamme erteilen.
Wird zu der mit kohlensaurem Ammoniak versetzten, klar
gebliebenen MagnesiaYö&wng phosphorsaures Natron ge-
fügt, so scheidet sich phosphorsaure Ammoniak-Magnesia als
schwerlöslicher, weisser Niederschlag krystallinisch aus.
4. Gruppe, jp
Weder durch Schwefelwasserstoff, noch durch Schwefelamrnonium und
kohlensaures Natron fällbare Metalle. — Alkalien.
§ 310. Unterscheidung der hierhin gehörigen Metalle. Die Alkalien
lassen sich am besten durch die Färbung unterscheiden, die sie
(zumal nach dem Befeuchten mit Salzsäure) der Flamme erteilen,
wenn man eine kleine Probe im Öhr des Platindrahts in die
Weingeistflamme hält. Kalium färbt sie schwachviolett, Natrium
gelb, Lithium karminrot. Da die gelbe Natriumflamme die Fär-
bungen der beiden andern Alkalien verdeckt, so muss man die
Flamme durch ein blaues Glas betrachten , wenn man Kali und
Lithion zugleich neben Natron erkennen will. (Alsdann erscheint
die Kaliflamme rot; die gelbe Natronflamme wird durch das
Blau als komplementäre Farbe farblos gemacht.)
Um Kalium von Natrium auf nassem Wege zu unterschei-
den, dient Platinchlorid oder Weinsäure; ersteres erzeugt
mit Kalisalzen einen gelben, letztere einen weissen Niederschlag.
Bemerkenswert ist, dass beide Keagentien mit Ammoniaksalzen dieselbe
Reaktion hervorrufen. Will man mit ihnen also auf Kalium untersuchen,
so hat man zuvor die Prüfung auf Ammoniak anzustellen und bei dessen
Gegenwart durch Glühen sämtliche Ammoniaksalze zu verjagen.
§ 311. Erkennung des Ammoniaks. Den Alkalien schliesst sich
das Ammoniak an, ausgezeichnet durch die Flüchtigkeit aller seiner
- 328 —
Verbindungen beim Glühen. Man weist es in seinen Salzen
dadurch nach, dass man es mittelst Ätzalkalien frei macht,
entweder durch Erhitzen der Salzlösungen, mit Natronlauge, oder
des trockenen Salzes mit gepulvertem Kalk.
Das freie Ammoniak giebt sich zu erkennen:
1. durch seinen stechenden Geruch;
2. durch die (vorübergehende) Bläuung von befeuchtetem
roten Lackmuspapier, welches man über die Probe hält;
3. durch die Bildung weisser Nebel, wenn man einen
mit Salzsäure befeuchteten Glasstab in den Beagiercylinder über
die Probe einführt.
2. Auffindung der Säuren, resp. der sie vertretenden
Nichtmetalle.
§ 312. Analytische Einteilung der Säuren. Man teilt die Säuren
resp. die sie vertretenden Nichtmetalle (Salzbildner, Schwefel) in
folgende Gruppen ein :
A. Unorganische Säuren (beim Glühen nicht verkohlend).
1. Gruppe. Durch Chlorbaryum aus neutraler Lö-
sung fällbare Säuren:
Schwefelsäure, arsenige und Arsensäure, Phosphorsäure,
Borsäure, Oxalsäure*), Kohlensäure, Kieselsäure, Chromsäure.
2. Gruppe. Durch salpetersaures Silberoxyd auch
aus saurer Lösung fällbare Säuren;
Chloride, (Chlorwasserstoff), Bromide, Jodide, Cyanide
{Cyanwasserstoff), Schwefelmetalle und Schwefelwasserstoff.
3. Gruppe. Weder durch Chlorbaryum, noch durch salpeter-
saures Silberoxyd fällbare Säuren:
Chlorsäure, Salpetersäure.
B. Organische Säuren, (beim Glühen verkohlend).
4. Gruppe. Durch Chlorcalcium resp. Kalkwasser
fällbare Säuren:
Weinsäure, Citronensäure (Oxalsäure).
5. Gruppe. Nicht durch Chlorcalcium fällbare, sich durch
Eisenchlorid in neutraler Lösung anzeigende Säuren.
Benzoesäure, Bernsteinsäure, Baldriansäure, Essigsäure, Amei-
sensäure, Salicylsäure, Karholschwefelsäure, Gerosäure.
6. Gruppe. Weder durch Kalksalze, noch durch Eisenchlo-
rid sich anzeigende Säuren:
Milchsäure, Äpfelsäure.
*) Die Oxalsäure zählt in der Analyse zu den unorganischen Säuren,
da sie und ihre Salze, auf Platinblech geglüht, nicht geschwärzt werden.
329
1. Gruppe.'
Unorganische Säuren, die durch Baryumnitrat aus neutraler Lösung ge-
fällt werden.
§ 313. Untersuchung der hierhin gehörigen Säuren. Man unter-
scheidet die Säuren dieser Gruppe nach dem Verhalten des durch
Baryumnitrat aus neutraler (resp. mit Ammoniak neutralisierter)
Lösung hervorgerufenen Niederschlags gegen verdünnte Salpeter-
säure. Es können hierbei drei Fälle eintreten:
1. Der Niederschlag wird von der Salzsäure weder gelöst,
noch verändert: Schwefelsäure.
2. Der Niederschlag wird von der Salzsäure unter Zer-
setzung gelöst: Kohlensäure, Kieselsäure.
Der kohlensaure Baryt löst sich unter Aufbrausen, der kiesel-
saure Baryt unter Abscheidung gallertartiger Kieselsäure in Salz-
säure auf.
3. Der Niederschlag wird von der Salzsäure anscheinend
ohne Zersetzung gelöst. Phosphorsäure, Borsäure, Oxalsäure,
Chromsäure, arsenige und Arsensäure.
Die Chromsäure giebt sich durch die gelbe Farbe des Baryt-
salzes und die rote Farbe des Silbersalzes zu erkennen.
Zur weiteren Unterscheidung der genannten Säuren wendet
man das salpetersaure Silberoxyd an, welches der ursprüng-
lichen neutralen resp. genau mit kohlensaurem Natron neutrali-
sierten Salzlösung zugegeben wird. Der erzeugte Niederschlag ist
a) weiss: bei Borsäure, Oxalsäure;
b) gelb: Phosphorsäure, arsenige Säure ;
c) ziegelrot: Arsensäure.
Für die Borsäure ist charakteristisch : die gelbgrüne Färbung,
welche freie Borsäure oder mit konz. Schwefelsäure befeuchtete
borsaure Salze der Weingeistflamme erteilen; sodann die eigen-
tümlich rötliche Färbung des Kurkumapapiers, welche die freie
Säure resp. ihre mit Salzsäure versetzten Salze hervorbringen.
2. Gruppe.
Unorganische Säuren, die durch salpetersaures Silberoxyd aus angesäuerter
Lösung ausgefällt werden.
§ 314. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. Fügt man
zu der mit Salpetersäure angesäuerten Lösung etwas
salpetersaures Silberoxyd, so erfolgt ein Niederschlag bei Chlor-,
Brom-, Jod-, Gyan-, Schioefelmetallen resp. Chlor-, Brom-, Jod-,
Cyan-, Schwefelivasserstoff. Man unterscheidet sie an der Farbe
des Niederschlages und dessen Löslichkeit in Ätzammoniak. Der
Niederschlag ist:
a) weiss und in Salmiakgeist leichtlöslich
a) in heisser Schwefelsäure unlöslich : G^orverbindungen ;
ß) in heisser Schwefelsäure löslich: C^/awverbindungen ;
b) gelblichweiss oder gelblich, in Salmiakgeist schwer- oder
unlöslich: Brom- und Jbdverbindungen.
c) schwarz bei Äc/m-e/e/verbinduEgen.
Um speziell Brom- und Jbrfmetalle von einander zu unter-
scheiden, dient Chlorwasser, welches man portionenweise der
wässerigen Lösung zugiebt. Es wird dadurch Brom resp. Jod
frei gemacht; wenn nun die Mischung mit Chloroform resp. Schwefel-
kohlenstoff geschüttelt wird, löst sich, das Brom mit gelber,
das Jod mit violettroter Farbe darin auf. Das freigemachte Jod
lässt sich auch durch Stärkelösung nachweisen, welche durch
dasselbe dunkelblau gefärbt wird.
Ist ein Bromnietall mit einem Jodmetalle gemischt, so wird das Jod
durch das Chlorwasser zuerst ausgeschieden, bei Mehrzusatz des Chlor-
wassers wieder als farbloses Chlorjod gelöst, worauf die Bromausscheidung
erfolgt, um vom überschüssigen Chlorwasser ebenfalls zu farblosem Chlor-
brom wieder gelöst zu werden. Statt des Chlorwassers kann man auch
rauchende Salpetersäure zur Ausscheidung von Jod resp. Brom an-
wenden.
3. Gruppe.
Unorganische Säuren, welche weder durch Chlorbaryum, noch durch salpeter-
saures Silberoxyd gefällt werden.
§ 315. Erkennung der hierhin gehörigen Säuren. Hierhin gehören
die Salpetersäure und Chlorsäure. Ihre Salze besitzen die gemein-
same Eigenschaft, auf glühenden Kohlen zu verpuffen.
Glüht man dieselben auf Platinblech, so hinterlassen die chlor-
sauren Salze Chlormetall, sodass der in Wasser gelöste Glührück-
stand durch salpetersaures Silberoxyd weiss gefällt wird. Die
salpetersauren Salze hinterlassen beim Glühen Metalloxyd; da-
her reagiert der Glührückstand der salpetersauren Alkalien stark
alkalisch.
Erwärmt man die salpetersauren Salze mit Salzsäure, so
entwickeln sich gelbrote Dämpfe der Untersalpetersäure. Mit
konz. Schwefelsäure versetzt, giebt sich die Salpetersäure in ihren
Salzlösungen dadurch zu erkennen, dass eine Eerrosulfatlösung
(oder auch ein Krystall) dunkle Färbung hervorruft (vgl. § 113).
Mit den chlorsauren Salzen erzeugt Salzsäure freies Chlor
und grüngelbe Färbung (Unterchlorsäure).
4. Gruppe.
Organische Säuren, welche mit Kalkwasser resp. Chlore alciuni einen Nieder-
schlag geben.
§ 316. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. Die freien
Säuren werden mit Kalkwasser im Überschuss, dagegen die
- 331 —
neutralen Salzlösungen mit Chlorcalcium versetzt; entsteht
sofort ein weisser Niederschlag, so ist die Säure Weinsäure oder
Oxalsäure ; bleibt die Probe klar, so erhitzt man zum Sieden; ein
alsdann entstehender Niederschlag zeigt die Citronensäure an.
— Die Oxalsäure trübt sich durch Gripswasser, welches die
Weinsäure und ihre Salze klar lässt. Auch scheidet die Wein-
säure durch essigsaures Kali aus angesäuerter Lösung kri-
stallinischen Weinstein ab. Beim Erhitzen auf Platinblech ver-
kohlt die Weinsäure nebst ihren Salzen mit dem Geruch nach
verbranntem Zucker. Die Oxalsäure verkohlt auf Platinblech nicht.
5. Gruppe.
Organische Säuren, welche durch Eisenchlorid in neutraler Lösung an-
gezeigt werden.
§ 317. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. In ihren
neutralen Salzlösungen, nicht immer aber als freie Säuren, geben
mit Eisenchlorid
1. Einen Niederschlag: Die B ernstein &äure, Benzotsäure und
Baldriansäure. Der entstehende Niederschlag ist bräunlich und
voluminös; verdünnte Säuren zersetzen ihn. Man unterscheidet
diese Säuren, indem man sie durch Salzsäure aus ihren Salz-
verbindungen ausscheidet, an ihren physikalischen Eigenschaften:
die Bernsteinsäure bleibt aufgelöst, die Benzoesäure scheidet sich
als weisse, krystallinische Masse, die Baldriansäure als farblose
Ölschicht aus welche sich durch ihren eigentümlichen Geruch zu
erkennen giebt.
2. Eine Färbung, und zwar:
a) blutrote Färbung zeigt an: Essigsäure und Amei-
sensäure. Säurezusatz hebt die Färbung auf (Unterschied von
den Schwefelcyanveibmd\mgen). Man unterscheidet beide Säuren
durch Silbernitrat, womit man sie erwärmt; die Ameisensäure
schwärzt sich dann durch Silberreduktion, die Essigsäure erleidet
keine Schwärzung.
b) blauviolette Färbung zeigt an: Salicylsäure, Kar-
bolsäure und Karbolschwefelsäure. Die Salicylsäure scheidet sich
aus ihren Salzlösungen durch Salzsäure in feinen Krystall-
nadeln aus, leichtlöslich in siedendem Wasser oder in Weingeist.
Die Karbolschwefelsäure wird durch Salzsäure nicht ausgeschieden.
c) schwärzliche Färbung und Trübung zeigt Gerb-
säure an.
6. Gruppe.
Organische Säuren, welche weder durch Kalksalze noch durch Eisenchlorid
angezeigt werden.
§ 318. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. Hierhin ge-
hören : Milchsäure, Äpfelsäure.
— 332 -
Die Milchsäure liefert beim Erhitzen mit übermangan-
saurem Kali den Geruch nach Aldehyd. Die Apfelsäure giebt
mit essigsaurem Bleioxyd einen weissen Niederschlag, der
beim Aufkochen harzartig schmilzt. (Die milchsauren Salze wer-
den durch Bleisalz nicht gefällt.)
IL Die Prüfung der Chemikalien auf Reinheit.
§ 319. Allgemeine Gesichtspunkte. Soll ein chemisches Präpa-
rat auf seine Reinheit geprüft werden, so lassen sich folgende
allgemeine Regeln aufstellen:
a) In Wasser lösliche Präparate müssen mit der hin-
reichenden Menge Wasser klare Lösungen geben. Rückstände
oder Trübungen verraten fremde Beimengungen. Löst sich z. B.
Acidum arsenicosum nicht vollständig in 15 — 20 Teilen sieden-
dem Wasser, so ist es verunreinigt.
b) In Wasser unlösliche, aber in verdünnten
Säuren oder in Weingeist lösliche Körper dürfen beim
Schütteln resp. Kochen mit Wasser nichts an dasselbe abgeben.
So darf Wasser mit Zincum oxydatum geschüttelt oder mit
Magnesium carbonicum gekocht, beim Yerdampfen (auf Platin-
blech) keinen Rückstand hinterlassen, andrenfalls enthalten jene
Präparate zufolge ungenügenden Auswaschens Mutterlaugensalze.
c) Gränzlich unlösliche Körper dürfen an Wasser, Wein-
geist, Säuren resp. Alkalien nichts abgeben z. B. Carbo pulveratus.
d) Flüchtige Körper dürfen beim Erhitzen (auf Platin-
blech oder in Grlühschälchen) keinen feuerbeständigen Rückstand
hinterlassen. Z. B. Acidum aceticum, Acidum hydrochloricum,
Acidum nitricum, Acidum sulfuricum, die Ammonium-Präparate,
Qnecksilberverbindungen.
e) Yerbrennliche Körper dürfen, wenn sie auf Platin-
blech verbrannt werden, keinen Grlührückstand hinterlassen. Z. B.
Sulfur, Glycerin, sämtliche Alkaloide und deren Salze.
§ 320. Spezielle Prüfung. Die Prüfung auf bestimmte Verun-
reinigungen geschieht nach denselben Methoden, welche bei der
Erkennung der Chemikalien befolgt werden und im Vorhergehen-
den erörtert wurden.
Am häufigsten finden Untersuchungen auf folgende Stoffe statt:
1. Arsen. Hierauf sind zu prüfen: Acidum hydrochloricum,
Sulfur, Acidum sulfuricum, Acidum phosphoricum, Natrium phos-
phoricum, Bismuthum subnitricum, Stibium sulfuratum aurantiacum,
Tartarus stibiatus. Die Salzsäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure,
deren Natronsalz, sowie das Wismutsubnitrat prüft man mittelst
— 333 —
Zink und Säure, um eine etwaige Beimengung von Arsenwasser-
stoffgas durch eine gelbe resp. schwarze Färbung eines aufFliess-
papier gebrachten Tropfens Silbernitratlösung zu konstatieren.
(Vgl. S. 231.) Wo das Arsen in Verbindung mit Schwefel zu-
gegen ist, extrahiert man das Schwefelarsen durch Ammoniak (bei
Sulfur) oder kohlensaures Ammoniak (wie beim Goldschwefel) und
scheidet es aus dem Filtrate durch überschüssige Salzsäure als
gelben Niederschlag aus. Brechweinstein wird mit Schwefelwasser-
stoffwasser in stark salzsaurer Lösung versetzt; dabei scheidet
sich das in Salzsäure ganz unlösliche Schwefelarsen ab, während
das Schwefelantimon in Lösung gehalten wird.
2. Kupfer. Extrakte prüft man mit einem blanken Eisen-
spatel auf Kupfer; Silbernitrat, Zinkvitriol, Eisenvitriol u. a. mit
überschüssigem Ammoniak auf blaue Färbung; Säuren und
Alkalisalze mit Schwefelwasserstoffwasser auf dunkle Trübung;
Bleiacetat mittelst Ferrocyankalium auf rotbraunen Niederschlag.
3. Blei. Säuren und Alkalisalze prüft man mit Schwefel-
wasserstoffwasser auf dunkle Trübung.
4. Eisen. Salmiak, Kalkkarbonat und Kalkphosphat, Wein-
stein, Seignettesalz u. a. prüft man mittelst Schwefelammonium auf
dunkle Trübung; Alaun mittelst Ferrocyankalium auf Bläuung,
Zinkvitriol und Zinkoxyd durch Ammoniak auf braune Flocken
von Eisenoxydhydrat, Bittersalz mit Schwefelcyankalium auf
Rötung u. s. f.
5. Alkalische Erden, speziell Kalk. Citronensäure,
Weinsäure und deren Salze u. a. durch oxalsaures Ammoniak
auf weisse Trübung.
6. Alkalien. Pottasche, Brom- und Jodkalium prüft man
mittelst der Weingeistflamme auf die gelbe Natriumfärbung.
Die Natronsalze prüft man in gleicher Weise, durch ein blaues
Glas blickend, auf die rote Kalium färbung.
7. Schwefelsäure, Citronensäure, Weinsäure, Salzsäure,
Salpetersäure, Essigsäure, Phosphorsäure prüft man mit Baryum-
nitrat, deren Salze desgleichen; jedoch unter Ansäuerung mit
Salpetersäure.
8. Chlorverbindungen, Salzsäure. Essigsäure, Sal-
petersäure, Schwefelsäure prüft man mit Silbernitrat ; deren Salze
desgleichen, jedoch unter Ansäuerung mit Salpetersäure. Jod-
kalium und Jodnatrium werden in ammoniakalischer Lösung mit
Silbernitrat ausgefällt und das Filtrat, worin sich das etwa vor-
handene Chlorsilber befindet, mit Salpetersäure angesäuert, wo-
durch dasselbe ausgeschieden wird. Brommetalle prüft man
massanalystisch mit Silberlösung, von der mehr verbraucht wird,
wenn die Salze chlorhaltig sind, da das Chlor durch sein viel
— 334 -
geringeres Atomgewicht mehr Silbernitrat zur Ausfällung bedarf,
als das Brom.
9. Jodsäure, Bromsäure im Jodkalium resp. Bromkalium.
Man übergiesst das Salz oder seine Lösung mit verdünnter
Schwefelsäure; in Gegenwart von jod- und bromsaurem Kali ent-
steht gelbe Färbung durch frei gewordenes Jod resp. Brom. (Die
Schwefelsäure macht zu gleicher Zeit Jodsäure und Jodwasser-
stoffsäure frei, die sich gegenseitig in Jod und Wasser zersetzen.)
10. Salpetersäure. Man prüft mit konz. Schwefelsäure
und Eisen vitriollösung auf die braune Färbung. (Ygl. Seite 138.)
11. Kohlensäure. Die gebrannte Magnesia, Kali- und
Natronlauge, Zinkoxyd, Bleiglätte u. a. prüft man durch Über-
giessen mit Säure auf eintretendes Aufbrausen.
12. Cyan. Kohlensaures Kali, Jodkalium u. a. prüft man
durch Erwärmen mit Eisenvitriol und Eisenchlorid in alkalischer
Flüssigkeit; beim Übersäuern tritt alsdann Berlinerblau auf, im
Falle Cyankalium zugegen war.
Analytischer Gang
zur Erkennung der chemischen Präparate.
1. In Wasser oder verdünnten Säuren lösliche Körper,
A. Auffindung des metallischen Bestandteils.
I. Reagens: Salzsäure. Man fügt zur Lösung etwas Salzsäure.
1. Es entsteht ein weisser Niederschlag. — Man verdünnt die Mischung
mit Wasser und erhitzt zum Sieden.
a) Der Niederschlag löst sich im Sieden: Bleioxyd.
b) Der Niederschlag löst sich nicht;
Man fügt überschüssigen Salmiakgeist hinzu.
a) Der Niederschlag löst sich auf: Silbe roxyd.
ß) Der Niederschlag wird schwarz: Quecksilberoxydul.
2. Es entsteht kein Niederschlag. Man geht zu TL über.
IL Reagens: Schwefelwasserstoff. Man fügt zu der mit Salzsäure
angesäuerten Probe Schwefelwasserstoffwasser.
1. Es entsteht ein gefärbter Niederschlag, und zwar ist derselbe:
a) Orangerot: Antimonoxyd.
b) Gelb; man übergiesst den Niederschlag mit überschüssigem
kohlensauren Ammoniak.
a) Er löst sich auf: Arsenige Säure.
ß) Er löst sich nicht, verschwindet aber beim Erhitzen mit
Salzsäure: Kadmiumoxyd.
c) Kaffeebraun, in gelbem Schwefelammonium löslich und daraus
durch Salzsäure gelb (Zinnsulfid) fällbar: Zinnoxydul.
d) Weiss, bei grösserem Zusatz von H2S gelb , dann braun, end-
lich schwarz werdend: Quecksilberoxyd.
— 335 —
e) Sofort schwarz. Man prüft portionenweise die ursprüngliche
Lösung.
a) Atzammoniak im Überschuss färbt tiefblau: Kupferoxyd.
ß) Verdünnte Schwefelsäure fällt sie weiss; Bleioxyd.
y) Viel Wasser trübt sie milchig: Wismutoxyd,
o) Zinnchlorür fällt sie braunviolett: Goldoxyd,
s) Chlorammonium fällt sie gelb: Platinoxyd.
2. Es entsteht kein Niederschlag oder nur eine weisse Trübung
(Schwefel); man geht zu III. über.
III. Reagens: Schwefelammonium. Zu der mit Schwefelwasserstoff
wasser versetzten Probe gebe man überschüssigen Salmiakgeist und
wenige Tropfen Schwefelammonium.
1. Es entsteht ein Niederschlag; derselbe ist:
a) Schwarz. Man prüfe die ursprüngliche Lösung.
a) Ferrocyankalium fällt sie tiefblau: Eisenoxyd.
ß) Ferridcyankalium fällt sie tiefblau: Eisenoxydul.
b) Fleischrot: Manganoxydul.
c) Graugrün: Chromoxyd.
d) Weiss. Man übersättige die ursprüngliche Lösung mit über-
schüssiger Natronlauge.
a) Der anfangs sich bildende Niederschlag löst sich wieder
auf. Man giebt zu dieser alkalischen Lösung Chlor-
ammonium,
aa) Es entsteht ein gelatinöser Niederschlag: Thonerde.
bb) Die Mischung bleibt ungetrübt, aber giebt mit
Schwefelammonium einen weissen Niederschlag:
Zinkoxyd.
ß) Der Niederschlag löst sich , i überschüssigem Kali (Natron)
nicht wieder auf. Die reme Substanz löst sich nur in
verdünnter Salz- oder Salpetersäure, welche Lösung durch
Schwefelsäure gefällt wird. Auf Platinblech geglüht un-
veränderlich: phosphorsaurer Kalk.
2.|Es entsteht keine Fällung. Man geht zu IV. über
IV. Reagens: Kohlensaures Natron. Die reine, nicht zu kon-
zentrierte Lösung wird mit kohlensaurem Natron versetzt.
1. Es entsteht ein weisser Niederschlag. Man löst ihn in Salzsäure
und übersättigt mit kohlensaurem Ammoniak.
a) Es erfolgt eine weisse Trübung. Man fügt zur ursprünglichen
Lösung Gipswasser.
a) Es tritt sofort Trübung ein: Baryt.
ß) Es tritt nach einiger Zeit Trübung ein: Strontian.
y) Es tritt keine Trübung ein, dagegen ruft oxalsaures
Ammoniak in der wässerigen oder essigsauren Lösung
weissen Niederschlag hervor: Kalk.
b) Es entsteht keine Trübung; man fügt darauf phosphorsaures
Natron zur Mischung und schüttelt kräftig um.
Es entsteht ein weisser, krystallinischer Niederschlag:
Magnesia.
2. Es entsteht keine Trübung. Man geht zu V. über.
V. Prüfung auf Alkalien. Man erhitzt die reine Probe mit Natron-
lauge oder Atzkalk.
1. Ein stechender Geruch zeigt an: Ammoniak.
2. Es entweicht kein Ammoniakgas. Man giebt zur ursprünglichen
Lösung überschüssige Weinsäure und schüttelt kräftig um.
- 336 —
a) Es entsteht ein weisser, krystallinischer Niederschlag: Kali.
b) Es entsteht kein Niederschlag. Man bringt den Körper in
die Weingeistflamme.
a) Die Flamme färbt sich gelb: Natron.
ß) Dieselbe erscheint karminrot: Lithion.
B. Auffindung der Säure resp. des Nichtmetalls.
a) Es tritt beim Erhitzen auf Platinblech keine Verkohlung resp.
Yerbrennung ein.
I. Reagens: Salzsäure. Man übergiesst die trockene, gepulverte
Substanz mit Salzsäure und erwärmt gelinde.
1. Es entweicht ein Gas, bemerkbar am Aufbrausen oder am Geruch.
a) Das Gas ist ohne Farbe und Geruch: Kohlensäure.
b) Das Gas besitzt einen
a) Geruch nach faulen Eiern: Schwefel(metalle).
ß) Geruch nach brennendem Schwefel.
aa) Zugleich trübt sich die Probe nicht:
Schweflige Säure»
bb) Die Probe trübt sich dabei weiss (durch ausge-
schiedenen Schwefel): Unterschweflige Säure,
y) Gerach nach Bittermandelwasser: Cyan(nietalle).
6) Geruch nach Chlor.
aa) Der Körper ist farblos und färbt sich durch die
Salzsäure gelb: Chlorsäure.
bb) Der Körper ist gelb oder gelbrot, wird durch die
Salzsäure grün: Chromsäure.
cc) Der Körper ist violettrot, wird durch die Salzsäure
farblos: Übermangansaure.
e) Geruch und gelbe Dämpfe der Untersalpetersäure:
Salpetersäure.
2. Es findet weder ein Aufbrausen, noch die Entwicklung eines
Geruches statt. Man geht zu H. über:
IL Reagens: Salpetersaurer Baryt. Man giebt zur neutralen
Lösung Baryumnitrat.
1 . Es entsteht ein weisser Niederschlag. Man giebt Salpetersäure hinzu.
a) Der Niederschlag löst sich nicht auf: Schwefelsäure.
b) Der Niederschlag verschwindet. Man fügt zur reinen, völlig
neutralen Lösung salpetersaures Silberoxyd.
a) Es entsteht ein gelber Niederschlag. Die ursprüngliche
Probe hat mit Schwefelwasserstoff gegeben
aa) keine Trübung: Phosphorsäure.
bb) einen gelben Niederschlag: Arsenige Säure.
ß) Es entsteht ein ziegelroter Niederschlag: Arsensäure..
y) Es entsteht ein weisser Niederschlag.
aa) Die mit Salzsäure angesäuerte Probe färbt Kurkuma-
papier nach dem Trocknen rötlich: Borsäure,
bb) Die mit Essigsäure angesäuerte reine Probe (bei
saurer Reaktion der Probe fügt man essigsaures
Natron zu) wird durch Gipslösung weiss gefällt:
Oxalsäure»
2. Es entsteht kein Niederschlag. Man geht zu III. über.
— 337 —
III. Reagens: Salpetersaures Silberoxyd. Man säuert die reine
Probe mit Salpetersäure an und prüft mit Silbemitrat.
1. Es entsteht ein weisser oder gelber Niederschlag.
a) Der Niederschlag löst sich in Salmiakgeist leicht auf:
Chloride.
b) Der Niederschlag löst sich in Salmiakgeist wenig oder gar
nicht. Man giebt zur reinen Probe etwas Chlorwasser und
Chloroform; letzteres färbt sich
a) gelb: ßromide.
ß) violett: Jodide.
2) Es entsteht ein schwarzer Niederschlag: Schwefelmetalle.
b) Es tritt beim Erhitzen auf Platinblech Verbrennung
resp. Yerkohlung ein.
I. Reagens: Kalkwasser resp. Chlorcalcium. Die freie Säure
übersättige man mit Kalkwasser; zur neutralen Salzlösung setze man
etwas Chlorcalcium.
1. Es entsteht ein weisser Niederschlag, der sich in Natronlauge
löst. Essigsaures Kali fällt die saure resp. mit Essigsäure versetzte
Probe weiss: Weinsäure.
2. Die Probe bleibt klar. Man erhitze sie zum Sieden.
a) Es entsteht in der Siedhitze ein weisser Niederschlag:
Citronensäure.
b) Es entsteht keine Trübung. Man geht zu IL über.
IL Reagens: Eisenchlorid. Man füge einige Tropfen Eisenchlorid
zur neutralen oder genau mit Na2C03 neutralisierten Probe.
1. Es entsteht ein Niederschlag.
a) Er ist hellbräunlich. Manfügt zur neutralen Salzlösung Salzsäure.
a) Es tritt weisse Fällung ein, die beim Aufkochen ver-
schwindet: Benzoesäure.
ß) Es scheidet sich eine baldrianartig riechende Ölschicht
oben ab: Baldriansäure.
y) Es findet keine Ausscheidung statt: Bernsteinsäure.
b) Es entsteht ein schwarzer Niederschlag: Gerbsäure.
c) Es entsteht ein tiefblauer Niederschlag: Ferro Cyanide.
2. Es entsteht kein Niederschlag, aber eine Färbung.
a) Eine blauviolette Färbung. Man fügt zur neutralen Lösung
Salzsäure.
a) Es erfolgt eine weisse Fällung, welche sich beim Er-
hitzen auflöst: Salicylsäure.
ß) Es wird nichts abgeschieden: Karbolschwefelsäure.
b) Eine blutrote Färbung, die durch Salzsäure verschwindet. Zur
reinen Salzlösung giebt man Silbernitrat und erhitzt.
aa) Die Flüssigkeit bleibt klar: Essigsäure,
bb) Es tritt Schwärzung ein: Ameisensäure.
3. Es erfolgt weder ein Niederschlag, noch eine Färbung. Man fügt
zur neutralen Probe essigsaures Bleioxyd.
a) Es entsteht ein weisser Niederschlag, der sich beim Auf-
kochen harzartig zusammenballt: Apfelsäure.
b) Es entsteht kein Niederschlag; übermangansaures Kali und
verdünnte Schwefelsäure entwickeln beim Erhitzen Aldehyd:
Milchsäure.
Schlickum, Apothekerlehrling. 22
- 338
2, In Wasser und verdünnten Säuren unlösliche Körper.
I. Man erhitzt eine trockene Probe im Probiercylinder.
1. Es findet Sublimation statt.
a) Der Körper ist gelb,
a) löslich in Schwefelkohlenstoff: Schwefel.
ß) unlöslich in Schwefelkohlenstoff: Quecksilber] odür.
b) Der Körper ist weiss, in Königswasser löslich:
Quecksilberchlorür.
c) Der Körper ist rot, liefert beim Erhitzen mit Kalk Queck-
silberspiegel.
a) Erlöst sich in warmem Weingeist : Quecksilber] odid.
ß) Er löst sich nicht in Weingeist auf: Zinnober.
d) Der Körper ist schwarz, liefert beim Erhitzen mit Kalk Queck
silberspiegel : schwarzes Schwefelquecksilber.
e) Der Körper ist glänzend, schwarz, in violetten Dämpfen
flüchtig: Jod.
2. Es tritt keine Sublimation ein. Man geht zu IL über.
n. Man erhitzt eine Probe auf Platinblech zum Glühen.
1. Der Körper ist schwarz, verbrennlich : Kohle.
2. Der Körper ist weiss, unveränderlich. Feingepulvert mit Wasser
geschüttelt giebt er ein Filtrat, das durch oxalsaures Ammoniak
sich weiss trübt: schwefelsaurer Kalk.
Regeln beim Analysieren.
1. Zur Vorprüfung auf dem Platinblech verwende man die Substanz
gepulvert.
2. Zum Auflösen einer Substanz, deren Löslichkeit nicht bekannt ist,
verwende man die Substanz gepulvert und nur in geringer
Quantität.
3. Man versäume niemals, sich von der Reaktion einer Probe zu ver-
gewissern, bevor man mit Reagentien prüft.
4. Gewisse Reagentien z. B. Schwefelwasserstoffwasser, sind in grösserer
Menge zuzusetzen; in den meisten Fällen genügt eine geringe Menge
des Reagenzes, beim Silbernitrat, Schwefelammonium u. a. sogar
wenige Tropfen. (Ausgenommen hiervon sind die Fälle, in denen
eine vollständige Ausfällung bezweckt wird.)
5. Färbungen beobachte man über einem hellen, Trübungen über einem
dunklen Untergründe: jene bei durchfallendem, diese bei auf-
fallendem Lichte.
6. Bei krystallinischen Niederschlägen, z. B. Weinstein, warte man einige
Zeit, da sie aus verdünnten Flüssigkeiten sich erst allmählich aus-
scheiden. Kräftiges Schütteln befördert ihre Bildung.
7. Die Schichtmethode d. i. das vorsichtige Überschichten des Rea-
genzes über der Probe (mittelst langsamen Herabrinnens , sicherer
mittelst der Pipette) empfiehlt sich:
a) Beim Aufsuchen von Spuren eines Körpers, da die in der Mittel-
schicht entstehende Reaktion durch den Vergleich mit den Schichten
unter und über ihr sehr deutlich hervortritt. (Bsp. : H2S auf Metalle)
b) Wenn das Reagens erst bei einem gewissen Überschüsse die
beabsichtigte Reaktion giebt, da man durch Schichtung am sicher-
sten zum Ziele gelangt. (Bsp.: Salpetersäureprobe durch Ferrosulfat.)
— 339 —
c) Im Falle das Reagens im Überschusse die Reaktion wieder
aufhebt, gelangt die Reaktion stets in der Mittelschicht zur Wahr-
nehmung. (Bsp.: NH3 auf Zinksalze, KJ auf Quecksilberchlorid.)
8. Beim Erhitzen halte man den Reagiercylinder quer über die
Flamme, damit diese nicht ausschliesslich den Boden erhitze.
9. Um eine Flüssigkeit auf fixe Bestandteile zu prüfen, verdampfe
man einige Tropfen auf einem blanken Platinbleche._
10. Zur Prüfung der Flammenfärbung führe man das Ohr des Platin-
drahts angefeuchtet in die gepulverte Substanz und dann in die
Flamme.
1 1 . Werden Niederschläge weiter untersucht, so versäume man niemals ,
sie zuvor gehörig auszuwaschen. Sollen sie getrocknet und gewogen
werden, so verwende man nur ein glattes Filter (kein Sternfilter).
12. Spuren eines abdunstenden Gases nimmt man am sichersten wahr,
nachdem man den Reagiercylinder eine Weile mit dem Finger ver-
schlossen gehalten hat.
Aufgaben.
Wie unterscheidet man analytisch:
1. Verdünnte Schwefelsäure und Phosphorsäure? — A.ntw. Die
Schwefelsäure giebt mit Baryumnitrat sofort einen weissen Niederschlag,
die Phosphorsäure erst bei Zusatz von Ammoniak.
2. Schwefelsaures und kohlensaures Natron? — Antw. Das kohlen-
saure Natron braust mit Salzsäure auf, das schwefelsaure Salz nicht.
3. Salpetersaures Kali und salpetersaures Natron? — Antw. Das sal-
petersaure Kali scheidet mit Weinsäure krystallinischen Weinstein ab,
das Natronsalz nicht.
4. Kohlensauren, phosphorsauren und schwefelsauren Kalk? — Antw.
Der kohlensaure Kalk löst sich in Salpetersäure unter Aufbrausen, der
phosphorsaure Kalk löst sich ohne Aufbrausen, der schwefelsaure Kalk
löst sich nicht.
5. Schwefelsaures Natron und schwefelsaure Magnesia ? — Antw. Das
schwefelsaure Natron bleibt bei Zusatz von kohlensaurem Natron klar, die
schwefelsaure Magnesia wird weiss gefällt.
6. Salpetersaures Kali und Chlorammonium? — Antw. Das Chlor-
ammonium entwickelt mit Natronlauge Ammoniak, das salpetersaure Kali
sprüht Funken auf glühenden Kohlen.
7. Bromkalium und Jodkalium? — Antw. Beim Schütteln mit Chlor-
wasser und Chloroform färbt sich letzteres durch Bromkalium gelb, durch
Jodkalium violettrot.
8. Schwefelsaures Zinkoxyd und essigsaures Bleioxyd? — Antw.
Essigsaures Bleioxyd giebt mit verd. Schwefelsäure weissen Niederschlag,
das Zinksalz nicht.
9. Weinstein und Brechweinstein ? — Antw. Der Brechweinstein
scheidet mit Schwefelwasserstoffwasser, bei Zusatz einiger Tropfen Salzsäure,
orangerotes Schwefelantimon ab; der Weinstein bleibt weiss.
10. Weinsäure und Citronensäure ? — Antw. Die Weinsäure scheidet
mit überschüssigem Kalkwasser (bis zur alkalischen Reaktion) sofort weissen
Niederschlag ab, die Citronensäure erst beim Aufkochen.
11. Benzoesaures und salicylsaures Natron? — Antw. Das benzoe-
saure Natron scheidet mit Eisenchlorid einen gelbbraunen Niederschlag ab,
das salicylsaure Salz färbt sich damit blauviolett.
12. Schwefelsaures und karbolschwefelsaures Zinkoxyd? — Antw.
Das schwefelsaure Zinkoxyd giebt mit Baryumnitrat weissen Niederschlag,
das karbolschwefelsaure Salz färbt sich mit Eisenchlorid blauviolett.
22*
— 340 —
13. Schwefelsaures und salzsaures Chinin? — Antw. Die mit etwas
Salpetersäure bewirkte wässerige Lösung des schwefelsauren Chinins wird
durch Baryumnitrat, die des salzsauren Chinins durch Silbernitrat weiss gefällt.
14. Zinkweiss und Bleiweiss? — Antw. Das Zihkweiss färbt sich
beim Erhitzen nur vorübergehend gelb, das Bleiweiss dauernd gelb; beim
Übergiessen mit Salpetersäure braust das Bleiweiss auf, das Zinkweiss nicht
oder kaum; die gewonnene Lösung wird durch Schwefelwasserstoffwasser
geschwärzt, wenn Bleiweiss vorlag.
15. Wismutsubnitrat und Kalomel? — Antw. Das Wismutsubnitrat
löst sich in verdünnter Salpetersäure und wird dann durch viel Wasser
milchig getrübt; das Kalomel löst sich nicht in der Säure und wird durch
Ammoniak schwarz.
16. Mennige und Quecksilberoxyd? — Antw. Mennige färbt sich mit
Salpetersäure braun, Quecksilberoxyd löst sich darin auf.
17. Quecksilberjodid und Zinnober? — Antw. Quecksilberjodid löst
sich in Jodkaliumlösung, Zinnober nicht.
18. Braunstein und Grauspiessglanzerz? — Antw. Der Braunstein
entwickelt mit Salzsäure Chlor, das Grauspiessglanzerz Schwefelwasserstoff.
19. Kupferoxyd und Kohle? — Antw. Das Kupferoxyd löst sich in
Salzsäure zu einer blaugrünen Flüssigkeit, die Kohle nicht auf.
20. Salzsaures Chinin und Morphin? — Antw. Man löst etwas in
konzentrierter Schwefelsäure und fügt einen Tropfen Salpetersäure hinzu,
beim Morphin färbt sich die Probe rot, beim Chinin nicht. Löst man et-
was in verdünnter Schwefelsäure, giebt Chlorwasser und dann Ammoniak
zu, so färbt sich das Chininsalz grün.
B. Massanalyse.
(Quantitative Analyse.)
§ 321. Gewichts- und Massanalyse. Zur Bestimmung der Menge
eines Körpers d.i. zur quantitativen Analyse dienen zwei
Methoden: die Gewichtsanalyse und die Massanalyse.
Erstere sucht den betreffenden Körper in einer bestimmten Form
auf die Wage zu bringen und setzt sein Gewicht fest; entweder
scheidet sie ihn in einer unlöslichen Yerbindung ab, z. B. die
Schwefelsäure als schwefelsauren Baryt, das Chlor als Chlorsilber,
oder sie gewinnt ihn als Yerdampfungs- und Glührückstand, wie z. B.
die Alkalien als Sulfate. Hierbei vergeht aber über dem Aus-
waschen und Trocknen der Niederschläge, dem Eindampfen und
Glühen viel Zeit.
Die Massanalyse bestimmt dagegen die vorhandene Menge
eines Körpers nach dem Verbrauch eines Reagenzes, z. B. ein
Alkali nach der zur Sättigung nötigen Säuremenge, und um-
gekehrt eine Säure nach dem zur Sättigung derselben nötigen
Quantum eines Alkalis.
§ 322. Die Methoden der Massanalyse. Eine Säure durch Sätti-
gung mit einem Alkali zu bestimmen, nennt man Acidimetrie;
— 341 —
die Bestimmung eines Alkalis durch Sättigung mit einer Säure
heisst Alkalimet rie.
Zur Ausführung dieser Analysen benutzt man also eine ge-
wisse alkalische resp. saure Massflüssigkeit (Titreflüssigkeit)
und zwar zur Bestimmung der Säuren Normalkalilösung , zur Be-
stimmung eines Alkalis Normalsalzsäure (oder auch Normalsal-
petersäure). Man nennt diese Massflüssigkeiten normale, weil
sie im l genau so viele g Substanz enthalten, als das Äquiva-
lent gewicht derselben beträgt. Da das Äquiv. KHO == 56,0,
das Äquiv. HCl = 36,5 ist, so enthält
1 l Normalkalilösung 56 g Kalihydrat,
1 l Normalsalzsäure 36,5 g Salzsäuregas.
Da sich nun die Säuren und Basen nach ihren Äquivalenten
sättigen, so lässt sich leicht die verlangte Menge einer Säure
finden, wenn man weiss, wieviel cem Normalkali sich mit ihr
sättigen, da jeder cem Normalkali 56 mg (= 0,056 g) KHO enthält.
Ausser den Sättigungsanalysen führt man auch Oxyda-
tionsanalysen durch übermangansaures Kali oder Jod aus, indem
man bestimmt, wie viel von diesen Körpern beansprucht wird,
um eine oxydierbare Substanz zu oxydieren, z. B. Eisenoxydul-
salze in Eisenoxydsalze, arsenige Säure in Arsensäure überzuführen.
Substanzen, welche aus Jodkalium Jod ausscheiden, z. B.
freies Chlor, bestimmt man aus der Menge des freigemachten
Jodes, welches man durch unterschwefligsaures Natron bindet, von
dem man eine Zehntel-Normallösung vorrätig hält. Auf letztere
ist die Jodlösung auch in Zehntelstärke gestellt. Diesen Zweig der
Analyse nennt man Jodometrie.
Man führt auch Fällungen massanalytisch aus, z. B. die des
Chlors durch eine Zehntel-Normalsilberlösung, die des Silbers durch
eine Zehntel -Normalkochsalzlösung. Beide enthalten !/io Äquiv.
AgN03 resp. NaCl im l gelöst.
Die massanalytischen Operationen.
§ 323. Acidimetrie. Zur Bestimmung der Säuren dient die
Normalkalilösung, eine soweit verdünnte Kalilauge, dass
davon gerade 1 Äquivalent = 56 g KHO im l enthalten sind
und genau 15,8 cem hinreichen zur Sättigung von 1 g krystalli-
sierter Oxalsäure.
Da die Gegenwart der Kohlensäure auf das Lackmus störend
wirkt, muss die Lauge möglichst kohlensäurefrei sein.
Die aeidimetrische Prüfung geschieht unter Anwendung eines
sogen. Indikators, gewöhnlich der Lackmustinktur, durch
deren Übergang aus dem Gelbroten ins Blaue der Eintritt der
Sättigung angezeigt wird. Zu der in ein Becherglas gewogenen
und mit Wasser verdünnten Säure wird etwas Lackmustinktur
— 342 —
gefügt und dann so lange Normalkali aus der Bürette oder Mess-
pipette zugetröpfelt, bis die rötliche Farbe der Flüssigkeit gerade
in Blau übergegangen ist.
In neuerer Zeit benutzt man häufig als Indikator das Phe-
nolphtalei'n, von dessen weingeistiger Lösung einige Tropfen
angewendet werden, welche durch das Auftreten einer rötlichen
Färbung die Sättigung anzeigen. Alkalien färben dasselbe intensiv
rot, Säuren gar nicht; überschüssiges Alkali ruft daher eine Eötung
der zuvor farblosen Probe hervor. Auch kann man sich der
Kochenilletinktur bedienen, welche durch Alkalien violett
wird ; bei der Anwendung zeigt der Übergang der gelbroten in
die violette Farbe das Ende der Eeaktion an.
Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter Normal-
alkali werde mit dem Äquivalentgewicht der Säure multipliziert; das Pro-
dukt giebt die Menge der letzteren in Milligrammen an. — Bsp. : Sättigen
10 ccm Normalalkali genau 10 com Essig, so sind in letzteren 10X60
= 600 Milligramm Essigsäure (C2H40.2 = 60) enthalten; der Essig ist
also 6prozentig.
§ 324. Alkalimetrie. Zur Bestimmung der Alkalien dient
die Normalsalzsäure, darzustellen durch Verdünnung von
140,0 g Acidum hydrochlorimm {purum) zu 1 l.
Die ällcalimetrische Prüfung geschieht gleichfalls unter Zu-
ziehung von Lackmustinktur als Indikator. Man löst eine ge-
wisse Menge des Alkalis in einem Becherglase in Wasser auf,
fügt etwas Lackmustinktur hinzu und dann aus der Bürette oder
Messpipette vorsichtig Normalsalzsäure, bis die blaue Farbe
gelbrot geworden ist.
Auch die kohlensauren Alkalien lassen sich titrimetrisch be-
stimmen , da die Kohlensäure bei der Sättigung entweicht. Um
hierbei die störende Einwirkung derselben zu vernichten , muss
die Probe, nachdem sie zwiebelrot geworden ist, bis nahe zum
Sieden erhitzt werden , worauf die blaue Farbe wieder erscheint
und einen neuen Zusatz der Normalsäure erheischt. Man fährt
damit so lange fort, bis die zwiebelrote Färbung beim Erhitzen
nicht mehr in die blaue zurücktritt.
Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter der Normal-
salzsäure werde mit dem Äquivalentgewicht des Alkalis resp. kohlensauren
Alkalis multipliziert; man erhält dann dessen Menge in Milligrammen. —
Bsp.: Sättigen 23,5 ccm Normalsalzsäure 4 g Ätzammoniakflüssigkeit, so
sind in letzterer 23,5X17 = 399 mg Ammoniakgas (NH3 = 17) enthalten,
d. i. sie ist nahezu lOprozentig.
§ 325. Oxydimetrie. Man bestimmt das Eisen durch Über-
führung in Oxydsalz mittelst Kaliumpermanganat! ösung,
von der man so lange zur Probe zutröpfelt, bis die rote Farbe
nicht mehr verschwindet. Eines besonderen Indikators bedarf es
— 343 —
hierbei also nicht, da das Reagens selbst ihn bildet. Die Kalium-
permanganatlösung wird nicht nach dem Äquivalent dargestellt,
sondern empirisch durch Auflösen von 1 g des Salzes zu 1 l
Flüssigkeit. Yon dieser Yerdünnung werden 56 ccm verbraucht,
um die frisch bereitete schwefelsaure Lösung von 0,1 g Eisendraht
höher zu oxydieren.
Die Prüfung mit Kaliumpermanganat ist daher eine äusserst
einfache und besteht im Zusätze desselben bis zum Eintritt einer
bleibenden Rötung. Bedingungen sind: starke Yerdünnung
der Probe und Ansäuerung mit verdünnter Schwefelsäure. Orga-
nische Stoffe werden ebenfalls von Kaliumpermanganat oxydiert,
sind deshalb fernzuhalten, ebenso die niederen Oxydationsstufen
des Stickstoffs. Die Kaliumpermanganatlösung wird aus einer
Stehbürette (Gay - Lussacschen , englischen , Blasebürette) oder
Messpipette zugetröpfelt.
Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter Kalium-
permanganatlösung, durch 56 dividiert, giebt die in der Probe als Oxydul-
salz vorhandene Menge metallischen Eisens in Decigrammen an. — Bsp.:
Werden 112 ccm Kaliumpermanganatlösung verbraucht, um die Lösung von 1 g
Eisenvitriol zu röten, so sind in letzterem 112/56 = 2 Decigramm metallisches
Eisen als Oxydulsalz enthalten, der Eisenvitriol also ein reines Oxydulsalz.
§ 326. Oxydimetrie durch Jod. Zur oxydimetrischen Bestimmung
der arsenigen Säure dient ; die Zehntel-Normaljodlösung,
welche im Liter 12,7 g ( 1/1 0 Äquiv.) Jod mittelst Jodkalium ge-
löst enthält. Sie oxydiert alkalische Lösungen der arsenigen
Säure zu Arsensäure, in Jodmetall übergehend.
As203 + 4J + 4NaHC03 == As205 + 4NaJ + 4C02 + 2H20.
Bedingung ist also Gegenwart eines Alkalis, das man aber als
Bikarbonat zuzugeben hat, um dessen Nebenwirkung auf das Jod
zu vermeiden.
Die Prüfung mittelst Jodlösung geschieht unter Anwendung
einiger Tropfen Stärkelösung als Indikator; wenn kein Jod
mehr durch die arsenige Säure in Jodid übergeführt wird, tritt
die Blaufärbung der Stärke durch das freie Jod ein. Man fügt
also zur Lösung der arsenigen Säure eine genügende Menge dop-
peltkohlensaures Natron nebst etwas Stärkelösung und tröpfelt
aus der Stehbürette oder Messpipette so lange Jodlösung zu, bis
die Probe bläulich gefärbt erscheint.
Berechnung: Da 4J auf As203 nötig sind, so giebt jeder verbrauchte
Kubikcentimeter Jodlösung den vierzigsten Teil des Aquiv. der arsenigen
Säure in Müligrammen = 198/4o d. i. nahezu 5 mg an. — Bsp. : Entfärben
5 g Fowlersche Lösung 10 ccm Jodlösung, so enthalten sie 5 X ^-0 = 50 mg
d. i. 1 °/0 arsenige Säure.
§ 327. Jodometrie. Unter Jodometrie versteht man die Be-
stimmung des Jods durch Natriumthiosulfat (unterschweflig-
— 344 —
saures Natron). Von letzterem stellt man durch Auflösung von
24,8 g zu 11 eine Zehntel-Normallösung her, welche genau auf
die kurz zuvor erwähnte Zehntel-Normaljodlösung eingestellt ist,
sodass sich beide Lösungen, Kubikcentimeter gegen Kubikcenti-
meter, Tropfen gegen Tropfen, binden. Das unterschwefligsaure
Natron führt bekanntlich das Jod in Jodnatrium über, dabei selber
in tetrathionsaures Natron sich verwandelnd.
2Na2S203 + 2J = Na2S406 + 2NaJ.
Die jodometrische Prüfung geschieht unter Zuhilfenahme von
Stärkelösung als Indikator, weil jede kleinste Menge freies
Jod mit derselben blaue Jodstärke bildet. Die Natriumthiosulfat-
lösung ist vor dem Gebrauche stets einer Urprüfung zu unter-
ziehen, da das Salz selten rein genug im Handel vorkommt.
Man löst 0,3 g Jod nebst einer gleichen Menge Jodkalium in
Wasser auf, fügt Stärkelösung hinzu und tröpfelt aus der Mess-
pipette oder Stehbürette so lange Natriumthiosulfatlösung hinzu,
bis die Probe sich entfärbt hat. Hierzu müssen 23,6 ccm
verbraucht werden, anderenfalls ist die Normallösung darnach
mit Wasser zu verdünnen resp. durch Salz zu konzentrieren.
Aber man kann auch 10 ccm der Zehntel-Normaljodlösung mit
etwas Stärkelösung versetzen und mit der Natriumthiosulfat-
lösung farblos titrieren; es müssen genau 10 ccm derselben ver-
braucht werden.
In derselben Weise lässt sich das freie Chlor bestimmen,
da dasselbe eine äquivalente Menge Jod aus Jodkalium frei macht,
welche alsdann durch Natriumthiosulfatlösung gemessen wird.
Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter Zehntel-
Natriumthiosulfatlösung giebt, mit dem zehnten Teil des Äquivalentgewichts
des Jods resp. des Chlors multipliziert, dessen Menge in Milligrammen an.
— Bsp. : Wenn zur Bindung des durch 25 g Chlorwasser aus 1 g Jodkalium
frei gemachten Jods 28,2 ccm Zehntel-Natriumthiosulfatlösung verbraucht
werden, so sind in den 25 g Chlorwasser 28,2X3,55 = 100 mq Chlor d. i.
in 100 g desselben 400 mg = 0,4°/0 Chlor enthalten.
§ 328. Fällungsanalysen. 1. Zur Bestimmung des an Metalle
resp. Wasserstoff gebundenen Chlors, Broms, Jods und
Cyans dient die Zehntel-Normalsilberlösung, welche 17,0 g
Silbernitrat im Liter enthält. Dieselbe fällt eine äquivalente
Menge der genannten Salzbildner als weissen resp. gelblichen
Niederschlag aus.
Die Ausführung der Analyse besteht im Zusätze der Silber-
lösung bis zur völligen Ausscheidung, welche in neutralen
Flüssigkeiten daran erkannt wird, dass bei Gegenwart von chrom-
saurem Kali ein weiterer Zusatz der Silberlösung rotes chrom-
saures Silber ausscheidet. Man wendet also einige Tropfen chrom-
saurer Kalilösung als Indikator an und beendet die Operation
— 345 -
dann, wenn der Niederschlag eine rötliche Färbung anzunehmen
beginnt. So lange nämlich noch ein Chlorid, Bromid, Jodid oder
Cyanid in der Probe gelöst vorhanden ist, wechselt dasselbe
sich mit dem etwa gebildeten chromsauren Silber um, sodass
letzteres dann erst dauernd entstehen kann, wenn die Ausschei-
dung der Salzbildner komplet geworden ist. Bedingung ist
neutrale Reaktion der Flüssigkeit, da das chromsaure Silber durch
Säuren gelöst wird.
Berechnung: Die Anzahl der verbrauchten Kubikcentimeter Silber-
lösung giebt durch Multiplikation mit dem Zehntel des Äquivalentgewichtes
vom Chlorid resp. Bromid, Jodid, Cyanid die davon vorhandene Menge in
Milligrammen an. — Bsp.: Wenn 27 g Bittermandelwasser zur Ausfällung
10 ccm Zehntel-Normalsilberlösung verbrauchen, so enthalten sie 10X2,7
= 27 mg Blausäure (HCN = 27) d. i. 1 pro Mille derselben.
2. In umgekehrter Weise dient die Zehntel-Normalkoch-
salzlösung zur Bestimmung des Silbers. Man stellt sie durch
Lösen von 5,85 g Chlornatrium zu 11 dar und verfährt in der
nämlichen Weise wie zuvor. 10 ccm dieser Massflüssigkeit
müssen nach Zugabe einiger Tropfen chromsaurer Kalilösung
genau 10 ccm Zehntel -Normalsilberlösung bis zur schwachen
Bötung des Niederschlags verbrauchen.
Bsp.: Wenn 1,0 g salpeterhaltiger Höllenstein durch 20 ccm der
Zebntel-Normalkochsalzlösung völlig ausgefällt wird, sodass nach Zugabe
von Kaliumchromat ein weiterer Zusatz der Silberlösung den Niederschlag
rot färbt, so sind im ersteren 20 X 1? — 340 mg Silbernitrat enthalten d. i.
das Präparat besitzt 34 Proz. davon.
Die massanalytischen Instrumente.
A. Zur Anfertigung der Massflüssigkeiten dienen:
1. Die Literflasche, eine Glasflasche, welche bis zu einer Marke im
verengerten Halse bei 15° genau 1 / Wasser fasst;
2. eine Mischflasche und
3. ein Mischcylinder,
beide von unten nach oben abgeteilt und von verschiedener Grösse. Die
grösseren fassen 500 oder 1000 ccm und sind in 10 oder 50 ccm geteilt,
die kleineren fassen 100 ccm oder weniger und sind in einzelne ccm geteilt.
Man gebraucht sie, wenn Flüssigkeiten in einem bestimmten Verbältnisse
herzustellen oder mit Wasser zu verdünnen sind. Hat man z. B. eine
Normalsäure, welche um 1/10 zu stark ist, so giebt man in der Mischflasche
zu je 100 ccm derselben 10 ccm dest. Wassers. Auch kann man sich dieser
Gefässe zur Anfertigung kleinerer oder grösserer Mengen von Normal-
lösungen bedienen.
B. Bei Ausführung der Analysen benutzt man:
1. Gläserne Büretten, in ccm von oben nach unten eingeteilte Röhren
von gleicher Weite, welche zum Abmessen der angewendeten Massflüssigkeit
dienen. Man hat sie von verschiedener Form und zwar:
a) Die Mohrsche Quetschhahnbürette (Fig. 78), eine beiderends
offene Röhre, aus welcher man die Titreflüssigkeit durch ein unten ange-
fügtes Stück Gummischlauch auslaufen lässt.
Der Gummischlauch ist mit einem kleinen, spitz zulaufenden Aus-
346
flussröhrchen verbunden und mit einem Quetschhahne (Fig. 80) versehen,
welcher im gewöhnlichen Zustande den Schlauch zusammendrückt und
dadurch die Bürette schliesst. Beim Gebrauche drückt man mit dem
Daumen und Zeigefinger auf die beiden Plättchen des Quetschhahns, wo-
durch derselbe Flüssigkeit austreten lässt und zwar je nach dem Druck
im Strahle oder tropfenweise.
Fig. 78.
Mohrsche Quetschhahn Bürette.
Fig. 79.
Englische Bürette.
Man kann diese Bürette in allen Fällen gebrauchen, mit Ausnahme
bei Jod- und Kaliumpermanganatlösung, weil dieselben das Gummi an-
greifen. Für diese Fälle dienen Glas hahnbüretten , welche an der Stelle
des Gummischlauchs nebst Quetschhahn einen Glashahn besitzen.
b) Stehbüretten. Die Gay-Lussacsche Bürette eine unten ge-
347 —
schlosserte, daselbst mit einem Holzfusse versehene Glasröhre, welche von
unten herauf eine feine Ausflussröhre zur Seite hat, aus der beim Neigen
der Bürette die Massflüssigkeit ausläuft.
Eine andere Form der Stehbürette ist die englische Bürette
(Fig. 79), welche keine besondere Ausflussröhre besitzt, daher weniger
zerbrechlich ist. Sie läuft am oberen Ende in eine umgebogene, feine Aus-
flussspitze aus, neben welcher ein kurzes
Eingussrohr sich befindet. Beim Gebrauche
fasst man die Bürette mit der linken Hand
vorn an, mit dem Daumen die Eingussröhre
verschliessend; neigt man sie dann, so kann
man durch sanftes Lüften des Daumens das Aus-
Fig. 80. fliessen der Flüssigkeit nach Wunsch bewirken.
10 CC
Fig. 81.
Messpipette.
Fig 82.
Vollpipetten.
— 348 —
2. Messpipetten (Fig. 81), gläserne, beiderends offene und gleich-
weite Röhren, welche in ccm eingeteilt sind. Man gebraucht sie zum näm-
lichen Zwecke, wie die Büretten, in der Weise, dass man sie durch An-
saugen mit der Massflüssigkeit anfüllt und darauf die obere Öffnung mit
dem (befeuchteten) Zeigefinger der rechten Hand fest verschliesst; durch
schwaches Lüften des Fingers wird die Flüssigkeit bald im Strahle, bald
tropfenweise zum Abfüessen gebracht.
3. Vollpipetten (Fig. 82), Glasröhren mit bauchiger Erweiterung,
welche bis zu einer Marke ein bestimmtes Quantum Flüssigkeit fasst. Am
meisten benutzt man Vollpipetten zu 10 ccm; auch ist eine grössere zu
50 ccm (zur Karbolsäurebestimmung) nötig. Während die Masscylinder
auf die Aufnahme eines gewissen Flüssigkeitsvolums geeicht sind, dienen
die Vollpipetten zum Ausfiiessenlassen eines solchen und müssen genau
geprüft werden, ob sie dieses Quantum beim ruhigen Auslaufen, oder beim
darauffolgenden Anstrich an die Gefässwandung, oder erst beim Ausblasen
abgeben. Hiernach sind die Pipetten zu bezeichnen.
Eegeln beim Titrieren.
1. Beim Ablesen des Flüssigkeitsstandes bringe man zunächst
das Auge genau in die Höhe des betreffenden Teilstriches; sodann beobachte
man den unteren Rand der Kurve, da dieser den Stand der Flüssig-
keit anzeigt.
2. Man fülle beim Gebrauch der Bürette resp. Messpipette
das Instrument etwas über den Nullpunkt der Teilung an und lasse dann
bis zu demselben exakt ablaufen. Bei Ausführung der Analyse lasse man
zuerst nahezu das nötige Quantum der Massflüssigkeit (im vollen Strahle)
einlaufen; alsdann vollende man die Analyse durch vorsichtiges Eintröpfeln
der Normallösung. Bei den Messpipetten hebe man den Finger niemals
völlig weg, selbst dann nicht, wenn man die Flüssigkeit im Strahle aus-
laufen lässt; stets bewirke man das Ausfliessen nur durch ein Nachlassen
des Fingerdruckes. Ein Einfetten des verschliessenden Fingers mit
etwas Talg eignet sich noch besser als das Anfeuchten desselben. Eine
durch unvorsichtiges Einlaufenlassen überstürzte Analyse ist zu kassieren;
sie rektifizieren zu wollen, ist stets ein unsicheres Unternehmen.
3. Soll in der zu untersuchenden Flüssigkeit eine Färbung erkannt
werden, wie bei den Sättigungs-, Jod-, Kaliumpermanganat- Analysen, so
stelle man das Becherglas auf einen Bogen weisses Papier oder man
arbeite in einer weissen Porzellan schale. Handelt es sich aber um den
Eintritt einer Trübung, wie bei der Lieb ig sehen Cyan -Probe, so stelle
man das Becherglas auf schwarzes Papier oder halte es gegen einen
dunklen Hintergrund. Färbungen erkennt man am besten gegen einen
hellen, Trübunfin gegen einen dunklen Hintergrund.
III. Abteilung.
Botanik.
Die Botanik ist die Lehre von den Pflanzen, organischen Wesen,
■welche sich ernähren und fortpflanzen, denen aber Empfindung und
■willkürliche Bewegung mangelt.
I. Organographie und Terminologie.
1. Wurzel und Stamm.
§ 329. Was stellen Wurzel und Stamm einer Pflanze vor? Bei allen
höher organisierten Gewächsen lassen sich die vegetativen Organe
nach zwei Richtungen hin unterscheiden ; je nachdem sie die Axe
des Pflanzenkörpers bilden oder seitliche Verbreiterungen , be-
zeichnet man sie als Axenorgane oder als Seitenorgane
der Pflanze. Zu ersteren zählen Wurzel und Stamm, zu
letzteren die Blätter.
Wurzel und Stamm bilden die Axenorgane des Pflanz enkörp er s.
Wurzel und Stamm sind enge mit einander verbunden, eine un-
unterbrochene Linie darstellend, welche sich bei der Wurzel nach
unten, beim Stamme nach oben unbegrenzt verlängert. Sie dienen
zugleich der Pflanze zur Befestigung im Boden, zum Halt und
zur Aufnahme und Portleitung des Nahrungssaftes.
Es giebt aber auch Gewächse ohne Wurzel und Stamm, zu
denen die Pilze, Algen und Plechten zählen. Ihren Pflanzenkörper
nennen wir ein Trieblager (thallus), welches bald einem Stengel,
bald einem Blatte gleicht (wie beim irländischen und isländischen
Moose), häufig aber auch eigenartige Formen annimmt (wie bei den
Pilzen). Diese Gewächse heissen desshalb Lagerpflanzen
(Thallophyta) und besitzen wohl nicht selten Haftzasern, mit
denen sie auf dem Boden sitzen, niemals aber eine eigentliche
Wurzel, welche Nahrung aufnimmt.
Die Wurzel (Radix).
§ 330. Wie unterscheidet sich die Wurzel vom Stamm? Gemein -
lich nennt man den ganzen unter dem Erdboden befindlichen
— 350 —
Teil der Pflanze Wurzel, den oberirdischen Teil der Axe Stamm.
Dieser Unterschied ist aber wissenschaftlich unhaltbar ; wir können
nur denjenigen Teil der Axe Wurzel nennen, welcher das Wachs-
tum nach unten besitzt und die Nahrung aus dem Erdreich aufnimmt.
Die Wurzel wächst nach unten, der Stamm nach oben.
Wenn beim Keimen des Samens das junge Pflänzchen heran-
wächst, verlängert sich sein Würzelchen (radicula) abwärts ins
Erdreich, während der obere Teil, das Knöspchen (plumula), den
beblätterten Stamm erzeugt und aufwärts strebt. Dabei verbreitert
er sich seitlich durch die Blattorgane, die an seinen Knoten ent-
springen. Man kann also nach äusseren Merkmalen folgenden
Unterschied zwischen Stamm und Wurzel aufstellen: Der Stamm
besitzt von Strecke zu Strecke Knoten, an denen
seitlich Blätter entspringen; solche Knoten und
Blätter fehlen der Wurzel stets.
Die Wurzel hat die Aufsaugung des Nährsaftes aus
dem Erdreich zur Aufgabe. Sie verästelt sich zu diesem Zwecke
in feine Wurzelzasern, deren Enden von einer zarten Oberhaut
bekleidet sind, durch welche die Bodenfeuchtigkeit mittelst Endos-
mose eindringt. Die Spitzen dieser Wurzelzasern finden wir mit
der sog. Wurzelhaube bedeckt, welche sich durch die Ablösung
der äussersten Grewebschichten bildet und, nur an der Spitze selber
mit der Wurzel zusammenhängend, sie gewissermassen als Häub-
chen umhüllt. Daher erscheinen die Enden der Wurzelzasern
etwas verdickt.
§ 331. Wie viele Arten der Wurzel unterscheidet man? Wenn die
ursprüngliche Wurzel der Pflanze auswächst und während ihrer
ganzen Lebensdauer funktioniert, so nennen wir sie eine Haupt-
wurzel (radix primaria). Wir finden solche z. B. bei der
Möhre, den einheimischen Strauch- und Baumgewächsen. Sie lässt
sich bis zu ihrer Spitze verfolgen und teilt sich mehr oder weniger
in Yerästelungen.
Bei manchen Pflanzen verkümmert jedoch frühzeitig die
ursprüngliche Wurzel, und der unter der Erde befindliche Teil
des Stammes treibt aus seinen Knoten Wurzelzasern, sog.
Neben wurzeln aus, welche die Aufsaugung des Nährsaftes
besorgen. Eine solche Wurzel nennen wir eine zusammen-
gesetzte Wurzel (radix composita) und finden sie z. B. bei
den Farnkräutern und Zwiebelgewächsen, beim Baldrian u. a. m.
Wenn der unterirdische Axenteil, aus dem die Nebenwurzeln
entspringen, sich wenig entwickelt, so gewinnt die ganze Wurzel
das Ansehen, als ob sämtliche Nebenwurzeln von einem Punkte
ausgingen, und heisst dann eine faserige Wurzel (radix
fibrosa), wie bei den Getreidearten. Wenn aber der unter-
— 351
irdische Stammteil mehr oder minder sich verdickt oder verlängert
und im Boden hinkriecht, so bezeichnen wir diesen Axenteil als
Wurzelstock (rhizoma); die eigentlichen "Wurzeln sind dann
die Neben wurzeln (Wurzelzasern). Man kann den Wurzelstock
als Stammteil leicht an den Blattresten erkennen, die sich an
seinen Knoten noch häufig vorfinden.
Der Wurzelstock ist der in der Erde befindliche Teil des Stam-
mes, welcher Nebenwurzeln treibt, wenn keine Hauptwurzel ausgebildet
wurde. Er unterscheidet sich von der Hauptwurzel durch die ihm
anhängenden Blattreste.
Eine eigene Form gewinnt der Wurzelstock, wenn die Pflanze
unter der Erde Knospen bildet und aus denselben sog. Wurzel-
sprossen (soboles) oder kriechende Wurzeln (radices
repentes) treibt; dieselben laufen alsdann im Erdboden hin und
senden aus ihren Knoten abwärts Nebenwurzeln, aufwärts Blätter.
Fig. 83.
So bei der Quecke und Segge (Fig. 83). Verschieden hiervon sind
die Schösslinge (sarmenta) oder Ausläufer (stolones),
welche, vom Wur-
zelstock ausge-
hend, über den
Erdboden hinkrie-
chen, an den Kno-
ten nach unten
Nebenwurzeln in
die Erde treiben,
nach oben Stengel
erheben.Wirfinden
solche beim März-
veilchen, der Erd-
beere (Fig. 84) u.a.
— 352 -
§ 332. Was sind falsche Wurzeln? Bei einigen Gewächsen ent-
springen aus dem oberirdischen Stamme wurzelähnliche Ge-
bilde. Gewisse Schmarotzerpflanzen treiben Saugwurzeln (hau-
st o r i a) in das Gewebe der Nährpflanze, um deren Saft sich anzu-
eignen; so die Flachsseide (Cuscuta europaea), welche den Klee,
Ginster, Lein u. a. heimsucht und auf deren Kosten sich ernährt.
Diese Schmarotzergewächse wurzeln im Boden und unterscheiden
sich dadurch als unechte Schmarotzer von den echten Schma-
rotzern, welche auf der Nährpflanze selbst keimen und noch
ihre Wurzel in deren Gewebe eindringen lassen. Zu letzteren ge-
hört die bekannte Mistel (Ylscum album) auf unseren Obstbäumen.
Eine zweite Art falscher Wurzeln besitzt das Epheu. Es
treibt aus seinem Stamme Klammer wurzeln, mit denen es
sich am Gemäuer, an Felsen oder Bäumen festhält. Diese wurzel-
ähnlichen Gebilde dienen durchaus nicht zur Nahrungsaufnahme,
vielmehr nur zur Befestigung, und versehen denselben Dienst
wie die Ranken des Weinstocks und der Gurken.
Der Stamm (Cormus).
§ 333. Wie bezeichnet man den Stamm? Nach der Beschaffen-
heit des Gewebes und der Lebensdauer bezeichnet man den
Stamm als:
1. Krautstengel (caulis), wenn er krautartige Beschaffen-
heit besitzt. Er lebt nur eine Wachstumsperiode hindurch und
stirbt im Herbst, wenn die Pflanze geblüht und gefruchtet hat,
ab. Bei den Grasgewächsen besitzt er sehr entfernte Knoten
und wird Halm (culmus) genannt.
2. Holzstamm (truncus), wenn er holzig und ausdauernd
ist. Bei den meisten Gewächsen verzweigt er sich baumartig,
bei den Palmen und Baumfarnen bleibt er jedoch bis zur Spitze,
welche eine Blätterkrone treibt, unverästelt — Palmstamm.
§ 334. Wie teilt man die Gewächse nach ihrem Stamme ein? Nach
der Beschaffenheit des Stammes teilt man die Pflanzen ein in:
a) Krautgewächse (herbae) mit krautigem Stengel.
Wenn nach einmaligem Blühen und Fruchtreifen das Kraut
völlig abstirbt, so nennt man es einjährig (h. annua), mit
dem Zeichen © , sofern seine ganze Lebensdauer nur auf ein
einziges Jahr beschränkt ist, z. B. bei der Kamille, der Klatsch-
rose, der Gerste, dem Roggen und Weizen; wenn seine Lebens-
dauer aber auf zwei Jahre sich ausdehnt, wie bei der Möhre,
beim Bilsenkraut, so nennt man es zweijährig (h. biennis)
und giebt ihm das Zeichen 0. Zweijährige Kräuter treiben im
ersten Jahre nur eine Wurzel mit Blattrosette, erst im zweiten
Jahre den Stengel mit Blüten und Früchten.
— 353 —
Im Gegensatz zu den ein- und zweijährigen Kräutern stehen
die ausdauernden Kräuter oder Stauden (herbae peren-
nes), welche jährlich bis auf die Wurzel absterben, deren Wurzel
aber lebensthätig bleibt und in jedem Frühling einen neuen Stengel
hervorbringt, der zum Blühen und Fruchttragen gelangt. Bei
solchen Gewächsen erscheint die Wurzel durch die Beste der
früheren, abgestorbenen Stengel vielköpfig (radix multiceps). Man
bezeichnet die Stauden mit dem Zeichen des Jupiter: 2J.. Bei-
spiele sind die Erdbeere, Tollkirsche, Kainfarn.
b) Holzgewächse, mit holzigem, ausdauerndem Stamme.
Zeichen des Saturn: t). Übersteigt der Stamm 15 Fuss und
verästelt er sich erst in einer gewissen Höhe, so nennt man das
Gewächs einen Baum (arbor); verzweigt er sich aber sofort
über dem Boden und bleibt niedriger, so ist es ein Strauch
(frutex). Bei manchen Gewächsen ist nur der untere Teil des
Stammes holzig , während die oberen Zweige krautartig bleiben
und alljährlich absterben; ein solches Gewächs heisst ein Halb-
strauch (suffrutex), z. B. die Heidelbeere, der Quendel (Feld-
thymian), bittersüsser Nachtschatten.
Terminologische Bestimmungen.
1. Der Stengel kann sein:
A. Nach seiner Richtung:
a) Aufrecht (caulis erectus), und zwar, wenn er schnurgerade empor-
steigt, steifaufrecht (c. strictus), wie bei Yerbascum thapsiforme.
b) Aufsteigend (c. adscendens), wenn sein unterer Teil wagrecht
verläuft und der obere sich im Bogen erhebt, wie bei Malva vulgaris.
c) Niederliegend, gestreckt (c. prostratus, decumbens), wenn
horizontal auf dem Boden liegend, wie bei Thymus Serpyllum.
d) Schwimmend (c. natans), in stehendem; flutend (c. fluitans),
in üiessendem Wasser.
e) Kriechend (c. reptans), über den Erdboden hinkriechend und von
Stelle zu Stelle Wurzeln treibend, wie bei Potentilla reptans.
f) Kletternd (c. scandens), wie beim Weinstock und Epheu.
g) Windend (c. volubilis), wie beimHopfen und der Schneidebohne,
(Zur Beurteilung, ob der Stengel sich nach rechts oder links windet, ver-
setze man sich selbst in die Axe, um welche er sich windet.)
h) Hin- und hergebogen (c. flexuosus), wie bei Solanum Dulcamara.
i) Geneigt (c. cernuus), mit der Spitze gegen den Horizont geneigt,
wie bei Anemone Pulsatilla.
k) Nickend, überhangend (c. nutans), mit der Spitze herabgeneigt,
wie bei Anemone pratensis.
1) Hängend (c. pendulus), herabhängend, wie bei Linaria Cymbalaria.
B. Nach der Verästelung:
a) Einfach (c. simplex), unverzweigt, wie bei der Lilie und Tulpe.
b) Ästig (c. ramosus) wie bei der Rose.
c) Sparrig (c. squarrosus), wenn die Äste nach allen Richtungen
hin auseinander weichen, wie bei der Eiche.
d) Gedrungen (c. coarctatus), wenn die Verzweigungen dicht zu-
sammengedrängt sind, wie beim Sadebaum.
Schlickum, Apothekerlehrling. 23
— 354 -
e) .Gabelästig (c. dichotoruus), wenn der Stengel sich wiederholt in
zwei Äste teilt, wie bei der Mistel.
C. Nach dem Durchschnitt:
a) Stiel rund (c. teres), wie bei Mistel, Schierling.
b) Zweischneidig (c. anceps), wie bei Hypericum perforatum.
c) Kantig (c. angulatus), und zwar dreikantig (c. triangularis,
trigonus) oder, bei scharfen Kanten und konvexen Flächen, dreischnei-
dig (triquater), wie bei Carex; vierkantig (c. quadrangulus,
tetragonus), wie bei Galeopsis, Gratiola, Lamium u. a.
d) Gerillt (c. striatus) mit oberflächlichen Längslinien versehen.
e) Gefurcht (c. sulcatus), mit tieferen Längsstreifen.
2. Die Hauptwurzel kann sein:
A. Nach der Gestalt:
a) Fadenförmig (radix filiformis), wie der Polygala amara.
b) "Walzenförmig (r. cylindrica), ziemlich gleich dick, wie die
Hauhechel-, Enzian-, Kletten-, Pimpinell-, Süssholz-, Löwenzahnwurzel u. a.
(Fig. 91). Die Senegawurzel (Fig. 92) ist walzenförmig und gewunden
(r. voluta); die Brechwurzel (Rad. Ipecacuanhae, Fig. 93) ist hin und
her gebogen (r. flexuosa) und geringelt (r. annulata).
c) Spindelförmig (r. fusiformis), kegelig spitz zulaufend, wie bei
der Möhre (Fig. 94).
d) Knollig (r. tuberosa), wie die weisse Rübe (Fig. 95).
B. Nach der Verästelung und Ausdehnung:
a) Einfach (r. simplex), unverzweigt, z. B. die Bertram wurzel.
b) Ästig (r. ramosa), z. B. Angelikawurzel. Ist die Verzweigung nur
schwach, so sagt man fast einfach (r. subsimplex).
c) Sehr verlängert (r. praelonga, longissima), z. B. Süssholz,
Enzianwurzel.
d) Abgebissen (r. praemorsa), wenn kurz und dick.
e) Vielköpfig (r. multiceps), wenn das obere Ende durch die abge-
storbenen jährlichen Stengel vielknotig ist, wie bei der Senegawurzel (Fig. 92.)
C. Nach der Oberfläche und dem Durchschnitt:
a) Stielrund (r. teres), mit kreisförmigem Querschnitt, z.B. SeifenwurzeL
b) Längsfurchig (r. sulcata), z. B. Hauhechelwurzel.
c) Gestreift (r. striata) mit feinen Längsstreifen, z.B. Belladonnawurzel.
d) Gerin gelt (r. annulata), mit Querringen versehen, z. B. Brechwurzeh
e) Runzelig (r. rugosa), wie das Süssholz.
3. Der Wurzelstock kann sein:
a) Walzenförmig (rhizoma cylindricum) und mit Nebenwurzeln
besetzt, wie die Wohlverleihwurzel (Fig. 97), Kalmuswurzel u. a. Die
virginische Schlangenwurzel ist dabei hin- und hergebogen (flexuosum).
b) Vierkantig (rh. tetragonum s. quadrangulum), wie die Hasel-
wurzel.
c) Verdickt (rh. incrassatum) oder knollig (tuberosum), wie die
Baldrianwurzel (Fig. 99); man nennt ihn dann Knollstock (cormus).
d) Kegelig (rh. conicum), wie die weisse Nieswurz (Fig. 98.)
e) Gegliedert (rh. artieulatum), wobei jedes Glied einen Jahres-
trieb darstellt, wie bei Rhizoma. Iridis.
f) Zusammengedrückt (rh. compressum), wie bei der Meisterwurzel.
g) Kriechend (rh. repens), mit entfernten Knoten, aus denen Wurzel-
fasern und Blattscheiden entspringen, wie bei der Quecke und Sandseerge
(Mg. 89). g * gg
355
Fig. 91. Fig. 92. Fig. 93.
Walzenförmige Wurzel. Gewundene Wurzel. Geringelte Wurzel.
Fig. 94. Fig. 95.
Spindelige Wurzel. Rübenförmige Wurzel.
Fig. 96.
Faserige Wurzel.
Fig. 97. Fig. 98. Fig. 99.
Walzenförmiger Wurzelstock. Kegeliger Wurzelstock. Knolliger Wurzelstock.
23*
— 356 —
2, Die Knospen, Zwiebeln und Knollen.
§ 336. Wie unterscheidet man die Knospen? DieKnospe(gemma)
wird aus einem verkürzten Axenteil gebildet, welcher dicht be-
setzt ist von Blattansätzen; aussen umschliesseu sie häutige
Schuppen, sog. Knospendecken (tegmenta). Die Knospe be-
zweckt die Vermehrung des Gewächses durch Sprossung, auf unge-
schlechtlichem Wege, wobei man wohl berücksichtigen muss, dass
ein Baum, welcher zur Frübjahrszeit durch Knospenbildung sich
vergrössert, als eine mehr oder weniger grosse Gruppe von Indi-
viduen anzusehen ist, mit gemeinsamer Wurzel — insofern immer-
hin jede Knospe unter günstigen Umständen auch zur selbst-
ständigen Pflanze auswachsen kann.
Die Knospen entwickeln sich teils in den Blattwinkeln —
achselständige Knospen (gemmae axillares); teils an den Zweig-
enden — endständige Knospen (g. terminales) ; zuweilen an un-
bestimmten Stellen des Stammes — Beiknospen (g. adventivae),
aber stets aus dem Stamme oder dessen Yerzweigungen.
Die Wurzel treibt niemals Knospen; die sog. Wurzel-
knospen sind stets Rhizomknospen.
Entwickelt sich die Knospe zu einem beblätterten Zweige,
so nennt man sie Blattknospe, erzeugt sie eine Blüte, so heisst
sie Blütenknospe. Eine besondere Modifikation d er Blattknospe
ist die bei der Kiefer im Erühling erscheinende sog. Sprosse
(turio): dieselbe wächst nämlich zu einem mit Schuppen bedeckten
Triebe aus und entwickelt dann später aus den Achseln der Schup-
pen die Nadelbüschel. Die Narben der später abfallenden Schup-
pen bleiben am Aste sichtbar.
§ 337. Worauf beruht das Pfropfen, Okulieren und die Vermehrung
durch Stecklinge und Schösslinge? Die ungeschlechtliche Vermehrung
mittelst der Knospen setzt nicht allein, wie die Fortpflanzung
durch Samen, die Pflanze als Art (Spezies) fort, sondern begabt
sie auch mit allen individuellen Eigentümlichkeiten der Mutter-
pflanze. Samen kultivierter Kirschenarten erzeugen beim Keimen
Wildlinge der Kirsche , indem sie die Kirsche nur als Art fort-
pflanzen ; pfropft man aber das Reis einer veredelten Kirsche auf
diesen Wildling, so wächst es zu derselben edlen Abart aus.
Samen pflanzen nur allgemein die Art, Knospen dagegen die
Varietäten (Abarten) fort.
Nachdem im Frühling dem Wildling alle eigenen Knospen
abgeschnitten, erteilt man ihm entweder durch Okulieren oder
durch Pfropfen Knospen veredelter Abarten. Das Okulieren
geschieht durch Knospen, das Pfropfen durch Edel-
reiser, d. i. Zweige der edlen "Varietät. Man verfährt beim
357 —
Okulieren in der Weise, dass man die Knospe mit der sie um-
gebenden Rinde und dem Stützblatte von der edlen Pflanze ab-
löst, in eine T- förmige Spalte des Wildlings einschiebt und wohl
verbindet (Okulieren auf das treibende Auge). Thut man dies
im Herbst, dann nimmt man dem Wildling erst im kommenden
Frühjahr die eigenen Augen (Okulieren auf das schlafende Auge). —
Beim Pfropfen schiebt man ein unten zugespitztes Edelreis in
eine Spalte des Wildlings, so dass Splint auf Splint kommt, und
verbindet das Ganze.
Stecklinge sind abgeschnittene Edelreiser, welche einfach
in die Erde gesteckt werden, um zu neuen Gewächsen heran-
zuwachsen, nach unten Wurzel zu treiben, nach oben sich zum
Stamme zu entwickeln. So verfährt man bei der Anpflanzung
von Weinreben. Biegt man die Zweige, bevor man sie ab-
schneidet, zum Boden herab, sodass ihre Spitze aus der Erde
wieder hervorragt, und lässt sie aus einer verwundeten Stelle
Wurzeln treiben, so nennt man dies Yermehrung durch Ab-
leger, Absenker. Man benutzt sie bei Rosen u. a.
Schösslinge, Ausläufer (sarmenta, stolones), ent-
stehen bei gewissen Pflanzenarten, z. B. bei der Erdbeere, Him-
beere, Brombeere, Märzveilchen, indem Knospen des Wurzelstocks
(Rhizomknospen) zu Zweigen auswachsen, welche über die Erde
hinkriechen, von Stelle zu Stelle Wurzeln schlagen und aufwärts
Blätter und Zweige treiben. (Fig. 99.) Hierdurch entstehen neue
Individuen, anfangs noch in Yerbindung mit der Mutterpflanze,
später aber sich loslösend von derselben. Man benutzt sie eben-
falls zur Yermehrung edler Yarietäten.
§ 338. Was sind Zwiebeln? Die Zwie-
bel (bulbus) ist eine fleischige
Knospe, bestehend aus einem plattge-
drückten Axenteile, dem sog. Zwiebel-
kuchen (Fig. 100b), welcher nach unten
Wurzeln treibt, nach oben zu aber mit
fleischigen Blattansätzen, den Zwiebel-
schalen, besetzt ist.
Die Zwiebeln bilden sich gewöhnlich
unterirdisch, als Rhizomknospen, indem
a sie in den Achseln der Schalen der Mutter-
--j, zwiebel sich entwickeln, als Brutzwiebeln
(Fig. 100 a). Bei zahlreichen Gewächsen,
z. B. den Lilien, Tulpen und Laucharten,
ist diese Yermehrung die gewöhnliche und
überwiegt die Fortpflanzung durch Samen
bedeutend. Die fleischigsaftige Beschaffen-
heit der Zwiebelschalen setzt die Zwiebel
Fig. 100.
— 358 -
in den Stand, losgelöst von der Mutterzwiebel längere Zeit fort-
znvegetieren (zu überwintern) und im Frühling selbständig Wurzel-
zasern und einen beblätterten Stengel zu treiben. Demnach sind
die Zwiebelgewächse einjährige Pflanzen, welche aber durch die
alljährliche Neubildung von Zwiebeln ausdauernd erscheinen.
Wenn sich der Zwiebelkuchen knollig verdickt, so nennt
man die Zwiebel eine Zwiebelknolle (bulbotuber), wie wir
sie bei der Herbstzeitlose finden (Fig. 101). Die Schalen treten
dann gegen den knolligen Kuchen sehr zurück
und bleiben gewöhnlich auf wenige Zwiebel-
decken reduziert. Bei der Zeitlosen-Zwiebelknolle
entsteht die junge Zwiebel im Sommer, seitlich
an der Mutterzwiebel, in einer Einne, treibt im
Herbst eine Blüte und im darauffolgenden
Frühling einen beblätterten Stengel mit Frucht,
worauf sie im Sommer in seitlicher Rinne eine
neue Brutzwiebel erzeugt, welche denselben
Lebenslauf beginnt. Im Herbst ausgegrabene
Zwiebelknollen der Zeitlose zeigen daher eine seitliche Rinne, im
Frühling ausgegrabene nicht. Die alte Zwiebelknolle welkt all-
mählich ein, bleibt aber zunächst noch mit der neuen von einer
Schale umschlossen.
Zuweilen entwickeln sich Zwiebeln am oberirdischen Stengel,
wie bei der Feuerlilie und beim Zahnwurz (Dentaria bulbifera)
in den Blattachseln, beim Knoblauch sogar an Stelle der Früchte.
Man nennt solche oberirdische Zwiebeln Zwiebelknospen.
Sie trennen sich im Herbst von der Mutterpflanze los und ent-
wickeln im nächsten Frühling im Erdboden eine neue Pflanze.
§ 339. Was sind Knollen? Knollen (tubera) sind an sich
keine Knospen, sondern knollig verdickte, fleischige Wur-
zelstöcke oder Äste derselben, welche eine oder
mehrere Knospen — sog. Augen — tragen. Blattansätze
fehlen den Knollen gänzlich, wodurch sie sie sich von den
Zwiebelknollen (Zwiebeln mit knolligem Zwiebelkuchen) unter-
scheiden.
Bei der Kartoffelpflanze entwickeln sich die Knollen an den
Enden der untersten Stengel-Äste, welche sich noch im Erdreiche
befinden. Diese Knollen — die bekannten Kartoffeln — tragen
an verschiedenen Orten ihrer Oberfläche mehrere Knospen, die
man im gewöhnlichen Leben Augen nennt. Gelangt die Kartoffel
im folgenden Frühling in den Erdboden, so dient sie den aus-
wachsenden Knospen zur Nahrung und wird resorbiert, während
jedes „Auge" zu einer neuen Kartoffelpflanze auswächst. Beim
Lagern im Keller finden wir um dieselbe Zeit „ausgewachsene"
— 359 —
Kartoffeln, deren Augen Stengel treiben, welche wegen des Licht-
mangels Mass gefärbt sind.
Bei den übrigen Knollengewächsen , z. B. den Orchis- Arten,
(Fig. 102 und 103) beim Sturmhut (Aconitum Napellus) u. a., ent-
wickeln sich die Knollen am Grunde des Stengels, neben der alten
Knolle, und wachsen im folgenden Jahre zu einer neuen Pflanze
Fig. 102.
Kugelige Knollen.
Fig. 103.
Handförniige Knollen.
aus. Demnach sind die Knollengewächse, ähnlich den Zwiebelge-
wächsen, von einjähriger Dauer, erscheinen aber ausdauernd, weil
jedes Jahr neben der alten Pflanze eine neue erscheint. In der
Regel findet man die Knollen zu zwei zusammenhängend, deren eine
die neue, deren andere die vorjährige darstellt, jene frisch, prall,
dicht — diese halb verwelkt, leicht, mehr oder weniger zu-
sammengeschrumpft.
3. Das Blatt.
§ 340. Wie bezeichnet man das Blatt nach seinem Stande? Die
Blätter (folia) sind seitliche Ausbreitungen des
Stammes, aus welchem sie heraustreten. Nach dem Stande
ihres Ursprungs bezeichnet man sie als:
a) "Wurzelblätter (f. radicalia), wenn sie aus dem
"Wurzelstocke oder dem untersten, noch unter dem Erdboden be-
findlichen Stammteile heraustreten.
b) Stengel- oder Laubblätter (f. caulina), wenn sie
am oberirdischen Stengel stehen.
c) Nebenblätter (stipulae), wenn sie zu beiden Seiten
des Blattstiels eines Blattes aus dem Stengel entspringen, wie
bei der Erbse (Fig. 104), bei der sie an Grösse das eigentliche
Blatt bedeutend übertreffen, bei der Rose (Fig. 105), wo sie dem
Blattstiele angewachsen sind, bei den Knöterichgewächsen (Fig.
- 360 —
107), wo sie um den Stengel zu einer Scheide, der sog. Tute
(ochrea), verschmelzen.
d) Deckblätter (bracteae), wenn sie die Blüten unter-
stützen und in der Form von den Stengelblättern abweichen.
Bei der Linde finden wir das Deckblatt mit dem Blütenstiel zur
Hälfte verwachsen.
Stehen die Deckblätter in einem Kreise rings um den Stengel,
so bilden sie eine Blütenhülle (involucrum), wie wir sie
bei der Möhre (Fig. 110) sehen; verwachsen sie aber zu einer
Scheide, so nennen wir sie Blütenscheide (spat ha), z. B.
bei der Calla (Fig. 109), beim Aron, Lauch u. a.
§ 341. Welches sind die Teile des Blattes? Man unterscheidet
am Blatte den Blattstiel (p etiolus) und die Blattspreite
oder Blattfläch e (lamina). Ist jener sehr verkürzt, so nennt
man das Blatt sitzend (f. sessile), im Gegensatze zum ge-
stielten Blatte (f. petiolatum).*)
Der Blattstiel ist dem Stamme entweder durch ein Glied
eingelenkt (petiolus articulatione insertus), oder in ununter-
brochener Verbindung mit ihm (p. continuus) ; im ersteren Falle
löst er sich beim Abwelken des Blattes ab, wie dies bei den Wal-
nussblättern der Fall ist.
Verbreitert sich der Blattstiel zu einer den Stengel mehr
oder minder umschliessenden Röhre, so bildet er eine Blatt-
scheide (vagina), welche wir besonders bei den Doldenge-
wächsen (Fig. 106) und Gräsern (Fig. 108) finden. Bei den
Gräsern erscheint an der Stelle, wo die Blattscheide (a) in die
Blattfläche (d) übergeht, ein blasses, dünnes Häutchen, das sogen.
Blatthäutchen oder Blattzüngelchen (ligula), Fig. 108b.
§ 342. Nervatur des Blattes. Die Blattfläche wird von den
Blattrippen oder Blattn erven (nervi) durchzogen, welche
die Fortsetzung des Blattstiels darstellen und die Blattsubstanz
zwischen sich aufnehmen. Je nach dem Verlaufe dieser Nerven
unterscheidet man eine vierfache Nervatur des Blattes:
1. Beim parallelnervigen Blatt (f. parallelinervium),
Fig. 114, treten alle Nerven nebeneinander in die Blattfläche
ein und verlaufen unverzweigt bis zur Spitze. Solche finden
wir bei den Gräsern, Lilien u. a. m.
2. Beim handnervigen Blatt (f. palmatinervium), Fig.
126—128, treten 3, 5 oder 7 Nerven zugleich in die Blattfläche
und verzweigen sich in ihrem Verlaufe beiderseitig. So beim
Epheu, Weinstock, Ahorn, Sturmhut u. a.
*) nicht folium stipitaturn!
361
£\>v
Fig. 105.
Angewachsene Nebenblätter.
Fig. 104. Freie Nebenblätter.
m )
Eig. 106. Blattscheide.
Fig. 107. Tute. Fig. 108. a Elatt, b BlatthäutohBn,
c Knoten, d Blattspreite.
Fig. 109. Blutenscheide.
Fig. 110. Hülle und Hüllchen.
— 362 —
3. Beim fussnervigen Blatt (f. pedatinervium), Fig. 129,
treten am Grunde zwei Nerven in die Blattfläche ein, nach zwei
entgegengesetzten Richtungen auseinanderweichend, und senden
nach vorn Seitennerven aus. So beim Nieswurz (Helleborus).
4. Beim fiedernervigen Blatt (f. pinnatinervium), Fig.
111 — 113, durchzieht ein Mittelnerv die Blattfläche und schickt
nach beiden Seiten hin Seitennerven aus.
Wenn die Nerven Verästelungen — Adern (venae) — ein
feines Netz bilden, so nennt man das Blatt netzadrig (f. reti-
culatum), wie bei Fig. 115.
Terminologie des Blattes.
A. Die Blattform.
1. In Bezug auf den Umfang kann das Blatt sein:
a) Kreisrund (folium rotundum), wie Fig. 111.
b) Oval oder elliptisch (f. ovale, ellip ticum), halbmal länger
als breit, wie die Salbeiblätter. Ist das Blatt dabei nach dem Grunde zu
breiter, so heisst es eiförmig (f. ovatum), wie Fig. 112.
c) Länglich (oblongu m), zwei- bis dreimal länger als breit, wie die
Pomeranzen- und Pfefferminz blätter.
d) Lanzettlich (lanceolatum). Fig. 113, vier- bis fünfmal länger
als breit, wie die Ligusterblätter.
e) Lineal (lineare), Fig. 114, lang und schmal, wie die Grasblätter.
f) Verkehrteiförmig (obovatum), Fig. 115, nach vorn breiter,
wie die Bärentraubenblätter.
g) Eckig (angulatum) und zwar : dreieckig (trianguläre, de 1-
toideum), Fig. 114; viereckig, rautenförmig (rhomboideum) etc.
h) Spateiförmig (spathulatum), Fig. 116, aus breiter Spitze nach
dem Grunde zu plötzlich verschmälert.
i) Keilförmig (cuneatum), Fig. 117, wie bei der Rosskastanie,
k) Schwertförmig (ensi forme), wie die Blätter der Schwertlilie.
2. In Bezug auf den Blattgrund:
a) Abgerundet (basi rotundatum), Fig. 102.
b) In den Blattstiel verschmälert (in petiolum attenua-
tum), Fig. 116. wie die Fingerhutblätter.
c) Herzförmig (cordatum), mit herzförmiger Bucht und abgerundeten
Lappen, wie die Lindenblätter Fig. 120, sowie Fig. 123.
d) Nieren förmig (renatum, reni forme), Fig. 121, mit abge-
rundeten Lappen und tiefer, abgerundeter Bucht, wie die Haselwurzblätter.
e) Pfeilförmig (sagittatum), Fig. 119, mit spitzen, nach hinten
gerichteten Lappen, wie die Sauerampferblätter.
f) Spiessförmig (hastatum), mit spitzen, seitlich gerichteten Lappen,
wie die Aronbiätter.
g) Schief (obliquum) oder ungleichhälftig (dimidiatum),
Fig. 120, wenn die eine Blatthälfte mehr ausgebildet ist als die andere,
wie die Ulmen- und Lindenblätter.
h) Halbherzförmig (semicordatum), halb spiessförmig
(semihastatum), halbpf eilförmig (semisagitt atum), wenn nur
eine Blatthälfte jene Ausbildung hat.
3. In Bezug auf die Blattspitze:
a) Stumpf (ob t us um), wie die Salbeiblätter, Fig. 125.
363
X m
Fig. 113.
Fig. 111. Bundes Bl. Fig. 112. Eiförmiges Bl. Lanzettliches Bl.
Fig. 114.
Lineales Blatt.
Fig. 116. Fig. H7.Keilfg. Bl. Fig. 118. Dreieckiges Bl. Fig. 119. Pfeilfg. Bl.
Spatelfg. Bl.
Fig. 120. Herzförmiges Bl.
Fig. 121. Nierenföriniges Bl.
— 364 —
b) Abgerundet (apice rotundatum) wie die Bärentraubenblätter,.
Fig. 115.
c) Ausgerandet (emarginatu m), an der Spitze sanft ausgebuchtet,
wie die Blumenblätter der Rose; ist der Einschnitt spitz, so heisst das
Blatt verkehrt herzförmig (obcordatum), wie beim Sauerklee.
d) Spitz (acutum), wie die Buchenblätter, Fig. 112.
e) Zugespitzt (acuminatu m), mit vorgezogener Spitze , wie die
Blätter der Rosskastanie, Fig. 117.
f) Bespitzelt, stachelspitzig (apiculatum, mucronatum),
wenn einem stumpfen Blatte ein Kraut- resp. Stachelspitzchen aufgesetzt ist.
4. In Bezug auf den Blattrand:
a) Ganzrandig (integerrimum), Fig. 111, 113, 114, 115, 119, 122,
ohne alle Einschnitte , wie die Tollkirschen- , Pomeranzen-, Bärentrauben-
blätter.
b) Gekerbt (er e na tum), Fig. 123, mit kurzen, abgerundeten Zacken
zwischen spitzen Einschnitten, wie die Malvenblätter, und zwar: feinge-
kerbt (crenulatum) und grobgekerbt (grosse crenatum).
c) Gezähnt (dentatu m), Fig. 124, mit kurzen, spitzen Zacken zwischen
gerundeten Einschnitten, wie die Huflattig- und Eibischblätter. F e i n g e -
zahnt (denticulatum) und grob gezähnt (grosse dentatum).
d) Gesägt (serratum), Fig. 125, mit kurzen, spitzen Zacken zwischen
spitzen Einschnitten, wie die Pfefferminz- und Lindenblätter, und zwar: f ein-
gesägt (serrulatum), grobgesägt (grosse serratum), doppelt
gesägt (biserratum), wenn die Sägezähne abermals gesägt sind.
e) Buchtig (sinuatu m), durch abgerundete Einschnitte ausgebuchtet,
wie die Eichenblätter. Wenn dabei die Ausschnitte spitz sind, so heisst
das Blatt buchtig gezähnt (sinuato- dentatum), Fig. 118.
f) Wellig (undulatum) und in höherem Grade kraus (crispum),
wie die Krauseminzblätter.
5. In Bezug auf die Blatt-Teilung:
a) Ungeteilt (integrum), ohne tiefer gehende Einschnitte, wobei der
Blattrand alle Modifikationen zeigen kann. Fig. 111 — 125.
b) Gelappt (lobatum), mit breiten, stumpfen, nicht über die Mitte
der Blattfläche einschneidenden Zipfeln, wie die Wein-, Epheu- und Malven-
blätter, Fig. 126. — Man unterscheidet: zweilappig (bilobum), drei-
lappig (trilobum); f'ünflappig (quinquelobum), wie beim Epheu;
siebenlappig (septemlobum); im allgemeinen handlappig (palma-
tilobum), wie das Malvenblatt, Fig 126.
c) Gespalten (fissum), mit schmalen und spitzen , bis zur Mitte
einschneidenden Zipfeln. — Man unterscheidet: handspaltig (palma-
tifidum), Fig. 127, wie die Blätter der Ricinusstaude und fieder-
sp altig (pinnatifidum), wie die Blätter vom Giftlattich. Wiederholt
sich bei den Zipfeln die Teilung, so ist das Blatt ein doppelt fieder-
spaltiges (bipinnatifidum), wie bei Papaver Rhoeas. Sind die Zipfel
abwärts gerichtet, wie beim Blatt vom Taraxacum, so nennt man es ein
schrotsägezäh niges (runcinatu m).
d) Geteilt (partitum), wenn die Teilung bis nahe zum Grunde resp.
Mittelnerv reicht, so dass die Zipfel nur durch einen schmalen Streifen
Blattsubstanz zusammenhängen. — Man unterscheidet : handteilig(pal-
matipartitum), Fig. 128, wie das Blatt des Sturmhuts, fussteilig(pe-
datip artitum), Fig. 129, wie die Blätter der Nieswurz; fiederteilig
(pinnatipartitum), wie das Blatt von Brassica nigra, welches man,
da der Endzipfel viel grösser ist als die seitlichen, 1 ei er förmig fieder-
365
Fig. 122. Fig. 123-
Ganzrandig. Blatt. Gekerbtes Blatt.
Fig. 124.
Gezähntes Blatt.
Fig. 125.
Gesägtes Blatt.
Fig. 126. Gelapptes Blatt.
Fig. 127. Handspaltiges Blatt.
Fig. 128. Handteiliges Blatt.
Fig. 129. Fussteiliges Blatt.
— 366 —
teilig (lyratipartitum) nennt. Wenn die Fiederteilung sich ein-
oder zweimal wiederholt, so sagt man doppelt fiederteilig (bipinna-
tipartitum), drei fach fiederteilig (tripinnatipartitum), wie
die Blätter des Wermuts und Schierlings.
e) Zusammengesetzt (compositum), wenn das Blatt aus völlig
getrennten Teilblättchen (foliola) besteht , deren Blattstielchen
(petioluli) aus der gemeinsamen Spindel (petiolus communis) entspringen.
Wir sehen dies bei den Blättern des Klees, der Rosskastanie, Rose, Brom-
beere u. a. m. Mit Rücksicht auf die Nervatur bezeichnet man das zu-
sammengesetzte Blatt:
a) Bandförmig (palmatum), wenn die Teilblättchen alle aus einem
Punkte entspringen. Man zählt die Blättchen : dreizählig (ternatum),
wie beim Klee (Fig. 130), fünf zählig (quinatum), wie beim „ wilden"
Wein (Ampelopsis hederacea) ; bei fünf und mehr Blättchen , wie bei
Rosskastanie und Hanf (Fig. 131), gebraucht man den Ausdruck gefingert
(digitatum); dopp eldr eizählig (biternatum) bei Akelei und
Aegopodium Podagraria (Fig. 132), wenn die Teilung sich wiederholt.
ß) Gefiedert (pinnatum) , bei Fieder - Nervatur , wie bei der Rose,
Robinia Pseud-Acacia (Fig. 133). Bei abwechselnd grösseren und kleineren
Blättchen: unterbrochen gefiedert (interrupte p.), wie die Blätter
der Kartoffel. Bei wiederholter Teilung: doppelt gefiedert (bipinna-
tum), wie bei der Mimose (Fig. 134) und dreifach gefiedert (tri-
pinnatum), wie Fig. 135. — Endet der gemeinsame Blattstiel in eine
Spitze, so nennt man das Blatt paarig gefiedert (pari pinnatum),
Fig. 134, läuft er aber in ein Endblättchen (folium terminale) aus, so
heisst das Blatt unpaarig gefiedert (impari pinnatum), Fig. 133,
135, und, sofern das Endblättchen die seitlichen an Grösse bedeutend über-
ragt, leierförmig (lyratum), wie bei Geum urbanum.
B. Anlieft ung und Stellung des Blattes.
1. In Bezug auf die Anheftung kann das Blatt sein:
a) Gestielt (folium petiolatum), mit einem Blattstiel versehen.
b) Schildstielig (f. peltatum), Fig. 136, wenn der Blattstiel nicht
an den Rand, sondern mitten in die Blattfläche hineintritt, wie bei der
Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus).
c) Sitzend (f. sessile), ohne Blattstiel.
d) Herablaufend (decurrens), wenn der Blattgrund am Stengel sich
herabzieht, wie bei der Wollblume, Symphytum officinale u. a. Man unter-
scheidet: ganz herablaufend und halb herablaufend (semidecurrens),
jenachdem das Blatt das nächsttiefere erreicht oder nicht.
e) Stengelumfassend (f. amplexicaule), wenn der Blattgrund um
den Stengel herumreicht, Fig, 139, bei nicht völligem Umfassen halbum-
fassend (f. semiamplexicaule), wie die Stengelblätter von Cochlearia
officinalis.
f) Durchwachsen (f. perfoliatum), wenn der Blattgrund um den
Stengel herum zusammen gewachsen ist, wie Fig. 137, oder wenn zwei
gegenüberstehende Blätter um den Stengel herum mit einander verwachsen
sind, wie die Blätter des Geisblatts (Lonicera Caprifolium), Fig. 138.
2. In Beziehung auf die Stellung zu einander können die
Blätter sein:
a) Abwechselnd, wechselständig (folia alterna), wenn sie in un-
gleicher Höhe entspringen, Fig. 140, wie beim Schöllkraut, Mohn.
b) Zerstreut (f. sparsa), wenn sie rings um den Stengel ohne be-
367 —
Kg. 130. Dreizänliges Bl. Fig. 131. Gefingertes Bl. Fig. 132. Doppelt dreizähliges Bl.
Fig. 134. Doppeltgefiedertes Bl.
Fig. 135. Dreifachgefiedertes Bl.
- 368 —
sondere Anordnung dicht gestellt sind, wie beim Leinkraut (Linaria vulg.),
bei Euphorbia Cyparissias.
c) Gegenständig (f. opposita), wenn sie zu zweien einander in gleicher
Höhe gegenüberstehen, Fig. 141, wie beim Geisblatt, Tausendgüldenkraut,
Gottesgnadenkraut u. a. m.
d) Wirtelständig (f. verticillata), wenn sie zu 3, 4 oder mehr in
gleicher Höhe entspringen, Fig. 142, wie beim Labkraut, Waldmeister u. a.
e) Büschelig (f. fasciculata), wenn sie zu 2, 3 oder mehreren aus
einem Punkte kommen, wie die Nadeln 'der Lärche, Fig. 143.
f) Rosettig (f. rosulantia), zu vielen stemartig zusammengedrängt,
wie die Wurzelblätter von Polygala amara, Sempervivum u. a.
g) Dachziegelig (f. imbricata), sich deckend, wie die Ziegel eines
Daches, wobei die Spitze des unteren Blattes die Basis des oberen bedeckt,
wie beim Lebensbaum (Thuja).
C. Konsistenz und Farbe des Blattes.
1. In Bezug auf die Konsistenz kann das Blatt sein:
a) Blattartig (foliuni foliaceum).
b) Papierartig (f. chartaceum), dünn und grün.
c) Häutig (f. membranaceum), dünn und blass.
d) Rauschend, trockenhäutig (f. scariosum), dünn, blass und
starr, wie die Hüllkelchblättchen der Immortelle.
e) Lederig (f. coriaceum), wie die Lorbeerblätter.
f) Nadelig (acerosum) wie die Blätter der Tanne, Fichte, Lärche,
Wacholder, deren Spitze oft stechend (pungens) ist.
g) Fleischig-saftig (f. succulentum, succosum), wie beim Mauer-
pfeffer, dessen Blatt stielrund (teres) ist.
2. In Bezug auf die Farbe kann das Blatt sein:
a) Grün (viride), wie die Grasblätter.
b) Blaugrün, graugrün, meergrün (glaucum), wie beim Rosma-
rin, die Unterfiäche der Schöllkrautblätter ; bei Annäherung an diese Farbe:
blaugrünlich (glaucescens).
c) Grau (canum, incanum, canescens), wie beim Wermut.
d) Glanzlos (opacum).
e) Glänzend (splendens), wie die Kirschlorbeerblätter.
4, Die Bekleidung des Pflanzenkörpers.
§. 342. Die Haarbekleidung. Die Haare (p i 1 i)
sind sehr verlängerte, stielrunde Fortsätze der Ober-
haut, meist unverzweigt und teils gerade verlaufend,
teils gekräuselt. Zu den Kräuselhaaren gehört der
Filz (t o m e n t um) und die W o 1 1 e (1 a n a). Stechende
Haare heissen Borsten (setae); die eigentlichen
Brennhaare, wie wir sie bei der Brennessel finden,
sind starre Haare mit spröder Spitze und einem ätzen-
den Safte als Inhalt, welcher sich aus der bei der Be-
rührung abbrechenden Spitze in die Wunde ergiesst
(Fig. 144 in sehr starker Yergrösserung.) Häufig
Fig. 144. tragen die Haare eine Drüse in Form eines Köpfchens,
— 369 -
Fig. 136. Schildstielige Blätter
Fig. 137. Durchwachsenes Blatt.
Fig. 141.
Gegenständige Blätter
Fig. 142. Fig. 143.
WirtelBtändige Blätter. Büschelige Blätter.
Sc hlickum, Apothekerlehrling
24
— 370 —
sog. Drüsenhaare (pili glanduliferi), wie sie auf den
Blütenstielen der Centifolienrose deutlich zu sehen sind. Stern-
förmig verästelte Haare, sogen. Sternhaare (pili stellati), finden
wir z. B. bei der Wollblume.
§ 343. Besetzung mit anderen Organen. Drüsen (glandulae)
nennt man kleine Bläschen, die mit einem flüssigen Inhalte ge-
füllt sind. Saftlose Erhabenheiten heissen Warzen (Verrucae)
oder, wenn hornartig verhärtet, Schwielen (calli). Erlangen
die Drüsen eine bedeutende Grösse und zeichnen sie sich durch
einen wasserhellen Inhalt aus, so werden sie zu Blattern (pa-
pulae), wie bei der Eispflanze.
Die Stacheln (aculei) unterscheiden sich von den Dor-
nen (spinae) dadurch, dass sie reine Oberhautgebilde sind
und sich mit der Kinde abziehen lassen, während die Dornen,
als stechende Holzteile, stehen bleiben. Die Dornen gehen aus
verkümmerten Zweigen, Blatt- oder Blütenstielen hervor. Bei
der Rose finden wir sowohl (kleinere, gerade) Stacheln wie
(grössere, meist sichelig gebogene) Dornen. Beim Schlehdorn und
Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) stellen die Dornen die starren,
stechenden Spitzen der jungen Zweige dar und werden im fol-
genden Jahre durch deren Yerästelung gabelständig. Beim Sauer-
dorn (Berberis) gehen die dreiteiligen Dornen aus der Verküm-
merung von Blattstielen hervor und unterstützen die Blattbüschel.
Bei der Robinia Pseudacacia verwandeln sich die Nebenblätter
in Dornen.
Ranken (cirrhi) nennt man fädliche, spiralig aufgewundene
Nebenorgane, welche zum Festhalten dienen. Beim Weinstock
gehen sie aus fehlgeschlagenen Blütenstielen hervor und stehen
den Blättern gegenüber; bei Lathyrus Aphaca verwandelt sich
der Blattstiel in eine Ranke, bei der Erbse und Wicke endigt
er dagegen in eine Ranke, als rankentragendes Blatt (folium
cirrhiferum). Bei den Gurken und der Zaunrübe stellen die
Ranken blattwinkelständige Äste dar.
Terminologische Bestimmungen.
1. Die Behaarung kann sein:
a) Flaumhaarig (pubescens), mit kurzen, wenig sichtbaren, ange-
drückten Haaren besetzt, wie das Kraut von Galeopsis ochroleuca.
b) Sa m methaarig (holosericeus), kurz, aber sehr dicht behaart,
wie die Früchte der Aprikose.
c) Kurzhaarig (hirtus), mit derben, kurzen Haaren besetzt, wie
Viola hirta.
d) Steifhaarig (hirsutus), borstenhaarig (hispidus), mit
längeren steifen oder borstigen Haaren besetzt, wie die Blütenstiele von
Papaver Rhoeas.
e) Seidenhaarig (sericeus), mit langen, weichen, anliegenden
Haaren besetzt, dadurch seidenglänzend, wie die Blätter des Wermut.
— 371 -
f) Zottig (villosus), mit langen, weichen, dichtgestellten Haaren
besetzt, wie das Bilsenkraut.
g) Filzig (tomentosus) mit kurzen , weichen , gedrängten und in
einander verwirrten Haaren besetzt, wie die Althäablätter. Die Unterseite
der Huf lattichblätter ist weiss filzig , die der Fingerhutblätter grau-
filzig, die des Porsches (Ledum palustre) rotfilzig.
h) Flockig (floccosus), wenn der Filz abwischbare Flocken bildet,
wie bei Verbascum floccosum.
i) Wollig (lanatus), mit dicht gedrängten, langen, gekräuselten
Haaren besetzt, wie die kleineren Staubfäden von Verbascum.
k) Spinnwebig (arachnoideus), gleichsam mit Spinnenfäden über-
zogen , wie die Köpfchen der kleinen Klette und die Blätter der Kardo-
benedikte.
1) Bärtig (barbatus), mit einem Haarbüschel versehen, wie die
inneren Perigonblätter der Schwertlilie. — Im Gegensatze hierzu: bart-
los (imberbis).
m) Sternhaarig (stellatim pilosus), mit strahlig verzweigten
Haaren besetzt, z. B. die Wollblumenblätter.
n) Gewimpert (ciliatus), am Rande mit einer Haarzeile besetzt.
Dem allgemeinen Ausdrucke behaart (pilosus) steht gegenüber:
kahl (g laber), ohne jegliche Behaarung, wie z. B. das Schierlings- und
Gottesgnadenkraut. Die Ausdrücke : rauh (asper) und scharf (scaber)
beziehen sich auf mikroskopische Haare, die durch das Gefühl wahrnehm-
bar sind; ihnen gegenübersteht: glatt (laevis).
2. Besetzung mit anderen Organen:
a) Schuppig (squamatus), mit verkümmerten Blättern besetzt, z. B.
der Schaft von Tussilago Farfära, Petasites officinalis u. a. i
b) Geflügelt (alatus), mit häutigem Rande, z. B. der Blattstiel der
Pomeranze, die Frucht der Ulme. Gegensatz: ungeflügelt (exalatus).
c) Bekammt (cristatus), mit einem gekerbten oder gezähnten,
blattartigen Anhängsel.
d) Geschwänzt (caudatus), in einen fadenförmigen Fortsatz endend.
wie die Früchtchen der Pulsatilla. Gegensatz: ungeschwänzt (ecaudatus).
e) Geschnäbelt (rostratus), in einen starren, geraden Schnabel
auslaufend. Gegensatz: ungeschnäbelt (erostris).
f) Gehörnt (cornutus), mit einem starren, gebogenen Fortsatz ver-
sehen; kleingehörnt (corniculatus).
g) Rankig (cirrhosus), vielfach gewunden und fädlich, wie der Blatt-
stiel der Waldrebe ; bei der Wicke und Erbse verlängert sich der Blattnerv
in eine Ranke, und das Blatt heisst rankentragend (cirrhifer).
h) Stachelig (aculeatus), mit stechenden Auswüchsen der Rinde
besetzt, wie die Blätter der Disteln.
i) Weichstachelig (muricatus), mit krautigen Spitzen besetzt,
z. B. die Früchte des Spinats.
k) Igelstachelig (echinatus), nach allen Richtungen hin bestachelt.
1) Widerhakig (glochidiatus), mit hakig umgebogenen Borsten
oder Stacheln besetzt, z. B. die widerhakig-igelstacheiige Frucht von Geum
urbanurn.
m) Dornig (spinosus), mit spitzen, holzigen Fortsätzen, z. B. die
Nebenblätter von Robinia Pseudacacia, die Zweige des Schwarz- und
Weissdorns.
n) Begrannt (aristatus), mit gerader, fadenförmiger Granne, wie
die Ähren vieler Gräser, zumal des Getreides.
24*
- 372 —
o) Wehrlos (muticus, inermis), ohne Stacheln, Dornen, Grannen
u. dgl.
p) Drüsig (glandulosus), mit Drüsen besetzt, wie die Kirschlorbeer-
blätter auf der Unterseite am Grunde. Sind die Drüsen in das Gewebe
eingesenkt, wie bei den Pomeranzenschalen, Pomeranzenblättern u. dgl.,
so heissen diese drüsig-punktiert (glanduloso-punctatus) oder,
wenn die Drüsen durchscheinend sind, wie bei Hypericum, durchschei-
nend-punktiert (pellucido-punctatus).
5. Die Blütenstände.
§ 344. Was nennt man einen Blütenstand? Die Blüte (f 1 0 s)
steht entweder einzeln (flos solitarius), und zwar im Winkel
eines Blattes, oder an der Spitze des Stengels oder eines Zweiges,
oder sie ist zu mehreren zu einem Blütenstand (inflo-
rescentia) gruppiert. Diese Blütenstände, sind selbst wieder
blattwinkelständig oder am Ende des Stengels resp. eines Zweiges
befindlich.
Die Blüte ist entweder gestielt (flos pedunculatus)
oder sitzend (flos sessilis). Der Blütenstiel (pedun-
culus) ist ein Zweig des Stammes.
Entspringt der Stiel einer einzelnen Blüte oder eines Blüten-
standes aus dem Winkel eines Wurzelblattes, so trägt er keine
Laubblätter, sondern nur Deckblätter oder Schuppen ; man nennt
ihn einen Schaft (scapus). Wir sehen einen solchen beim März-
veilchen und Löwenzahn ; beim Huflattich erscheint der Schaft im
März, bedeckt mit braunen Schuppen, während die Blätter erst
im Mai nachfolgen. Man nennt solche schafttragende Gewächse
stengellos (plantae acaules).
§ 345. Wie teilt man die Blütenstände ein? Man unterscheidet
zweierlei Blütenstände, je nach der Entfaltung ihrer einzelnen
Blüten. Bei der einen Art von Blütenständen schliesst die Axe
derselben nicht mit einer Blüte ab, sondern entwickelt gegen
ihre Spitze zu noch Blüten, während die unteren Blüten schon
aufgeblüht sind, sodass das Aufblühen von unten nach oben,
resp. vom Umkreis nach der Mitte zu fortschreitet. Man nennt
einen solchen Blütenstand centripetal (inflorescentia centri-
peta). Bei der anderen Art von Blütenständen schliesst die Axe
mit einer Endblüte ab, welche zuerst aufblüht, worauf sich dann
unter ihr seitliche Blüten entwickeln , deren Ausbildung später
erfolgt, sodass dieses Aufblühen von oben nach unten resp. von
innen nach aussen fortschreitet. Man nennt daher diese Blüten-
stände centrifugal (inflorescentia centrifuga).
§ 346. Welche Blütenstände gehören zu den centripetalen? Vor-
zugsweise rechnen sich zu den centripetalen Blütenständen: Die
— 373 -
Ähre, das Kätzchen, der Kolben, die Rispe, der Eben-
stran ss, die Dolde, das Köpfchen nnd der Blütenkuchen.
Man kann sie in folgender Weise unterscheiden :
Axe verlängert: Axe verkürzt:
AVit'p i i
Kätzchen \ Blüten sitzend / KöPfchen.
Kolben . . Axe fleischig . . Blütenkuchen
Traube . ( 1
Ebenstrausss Blüten gestielt > Dolde.
Rispe . \ J
1. Die Ähre (spica) besteht aus ungestielten Blüten,
welche der Länge nach an einer verlängerten Spindel sitzen.
Bsp. bei Yerbena officinalis (Fig. 145). Bei den Gräsern bestehen
die Ähren nicht aus einzelnen Blüten, sondern wieder aus Ährchen,
den Grasährchen (spicula) (Fig. 146).
Wenn die Ähre nach beendigter Lebensfunktion gänzlich,
mit den Blüten resp. Früchten abfällt, so heisst sie ein Kätz-
chen (amen tum). Bsp. bei Walnuss, Eiche (Fig. 148), Buche.
Wenn bei der Fruchtreife die Kätzchenschuppen (Deckblätter)
sich vergrössern, wie beim Hopfen, oder ihre Konsistenz verändern,
wie bei der Erle, wo sie verholzen, so nennt man das Kätzchen
einen Zapfen (strobilus).
Wenn die Spindel der Ähre fleischig und verdickt erscheint,
sodass die Blüten ihr mehr oder weniger eingesenkt sind, so
wird sie zum Kolben (spadix). Bsp. bei Calla (Fig. 147), Arum.
2. Die Traube (racemus) besteht aus gestielten
Blüten, die der Länge nach an einer verlängerten Spindel
stehen. Bsp. bei der Johannistraube (Fig. 151).
Verästelt sich die Traube und nimmt pyramidale Gestalt an,
so nennt man sie eine Rispe (panicula), wie bei Alisma Plan-
tago (Fig. 152), die männlichen Blüten des Hopfens u. a. m.
Sind die unteren Blüten einer Traube so lang gestielt, dass
sämtliche Blüten ziemlich in einer Höhe stehen, so wird der
Blütenstand ein Ebenstrauss, auch Doldentraube oder
Schirmtraube (corymbus) genannt. Bsp. bei Ornithogalum
umbellatum (Fig. 150), beim allgemeinen Blütenstand der Schaf-
garbe und des Rainfarn.
3. Die Dolde (umbell a) wird gebildet aus Blüten, deren
Blütenstiele aus einem Punkte entspringen, sodass die
Blüten in gleicher Höhe stehen. Einfach ist sie z. B. bei
der Schlüsselblume, zusammengesetzt bei der Möhre (Fig. 153).
In letzterem Falle besteht die Dolde (umbella) aus D ö 1 d c h e n
(umbellulae); die Hülle (involucrum) unterstützt die ganze
Dolde, die Hüllchen (involucella) unterstützen die Döldchen.
4. Das Köpfchen (capitulum) besteht aus ungestiel-
— 374 —
ten Blüten, die auf einer verkürzten Spindel sitzen.
Bsp. beim Klee, der Skabiose (Mg. 149).
Bei den Kompositen wird das Köpfchen von einer Hülle
kelchartig umschlossen, sodass der ganze Blütenstand den
Eindruck einer Einzelblüte macht; man nennt ihn
deshalb eine zusammengesetzte Blüte (flos compositus),
auch wohl ein Körbchen (calathium, anthodium). Bsp.
bei der Kamille, dem Löwenzahn, Disteln. Die kelchartige Hülle
heisst Hüllkelch (periclinium, peranthodium), die Spindel
gemeinsamer Blütenboden (receptaculum commune).
Nimmt die Spindel fleischig- verdickte Beschaffenheit an, so
nennt man den Blütenstand einen Blütenkuchen (coenan-
thium); er schliesst bei der Feige birnförmig die Blüten ein.
§ 347. Welche Blütenstände gehören zu den centrifugalen? Ton
den centrifugalen Blütenständen verdienen Erwähnung: die
Trugdolde, der Knäuel und der Wickel.
Die Trugdolde (cyma) ist ein doldenartiger Blüten-
stand mit centrifugaler Entwicklung. Dicht unter einer
end ständigen, zuerst aufblühenden Blüte entspringen mehrere
Blütenstiele; gewöhnlich verzweigen sich diese primären Blüten-
stiele nach dem nämlichen Gesetze, woraus eine zusammengesetzte
Trugdolde (Fig. 154*)) hervorgeht , wie beim Schneeball, Hollunder,
der Wolfsmilch.
Die Trugdolde lässt sich mit der Dolde leicht verwechseln; man wird
sich nicht täuschen, wenn man die Entwicklung der einzelnen Blüten
beobachtet. Bei einer Dolde sehen wir stets die randständigen Blüten am
weitesten in der Entwicklung begriffen und schon verblüht, wenn die
inneren Blüten erst aufblühen ; bei der Trugdolde finden wir das Umge-
kehrte: die centralen Blüten eines jeden Astchens sind weiter entwickelt
als die umstehenden seitlichen Blüten.
Der Knäuel (glomerulus) kennzeichnet sich durch zahl-
reiche, kleine Blüten, welche köpf chen artig gedrängt zusammen-
stehen. Bsp. beim Gänsefuss.
Der Wickel (cincinnus, cyma scorpioidea) findet sich
vorzugsweise bei den Boragineen, z. B. Yergissmeinnicht (Fig.
155); er ähnelt einer Traube mit schneckenförmig eingerollter
Spindel und entsteht durch einseitiges Wachstum einer ein-
zigen Seitenaxe unterhalb der centralen Blüte, die hier zu unterst
erscheint, welcher Yorgang sich bei jeder höheren Blüte wiederholt.
Gemischte Blütenstände bilden sich aus Trugdolden und
Knäueln, wenn sie zu einem centripetalen Blütenstande — Ähre
oder Traube — gruppiert sind; man nennt sie bei gestielten
Blüten Strauss (thyrsus), wie beim Liguster, spanischen Flie-
*) In dieser Figur sind die centralen Blüten bereits verblüht und reifen
die Frucht, während die seitlichen blühen.
375
Fig. 152. Rispe.
Fig 153. Zusammengesetzte Dolde.
- 376 —
der; bei sitzenden Blüten Blütenschwanz (anthurus),
beim Weiderich, der Wollbhime.
wie
Fig. 154.
Trugdolde.
Fig. 155.
Wickel.
Terminologische Bestimmungen.
1. Die einzelständige Blüte (flos solitarius) kann sein:
a) Endständig (ü. terminalis), wie bei der Pulsatilla, Pfingstrose.
b) Blattwinkelständig (fl. axillaris), wie bei Viola tricolor.
c) Wirtelig (flores verticillati), rings um den Stengel in gleicher
Höhe entspringend, wie bei Rumex. Sobald aber die Blüten nur in den
Winkeln zweier gegenständiger Blätter entspringen, sich dicht um den
Stengel drängend, bilden sie einen Scheinwirtel (verticillastrum),
wie bei den meisten Labiaten.
d) Wurzelständig (fl. radicalis), aus dem Wurzelstock kommend,
wie beim Märzveilchen.
2. Die Ähre (spica) kann sein:
a) Locker (laxa), wie beim Eisenkraut (Verbena off.).
b) Gedrängt (densa, conferta), wie beim Roggen, Weizen, Gerste.
c) Verlängert (elongata), im Gegensatz dazu v e r k ü r z t (abbre-
viata), jenes bei der wilden Minze, dieses bei der Pfefferminze.
d) Fadenförmig (filiformis), wie bei Polygonum, Hydropiper.
3. Der Kolben (spadix) kann sein:
a) Bescheidet (spathatus), mit einer Blütenscheide (spatha) ver-
sehen, wie bei Calla, Arum. Bei letzterem ist der Kolben oben nackt
(superne nudus), d. i. nicht mit Blüten bedeckt, und von der Scheide
eingehüllt.
b) Unbescheidet (espathatus), wie beim Kalmus.
4. Das Kätzchen (amentum) besitzt die Formen der Ähre. Man
bezeichnet es als frühzeitig (praecox), wenn es vor den Blättern,
gleichzeitig (coetaneum), wenn es gleichzeitig mit den Blättern er-
scheint. Beispiele beider liefert die Weide.
5. Die Traube (racemus) ahmt in ihren Formen der Ähre nach.
Einseitig (unilateralis) ist sie, wenn alle Blütchen auf derselben Seite
entspringen; entspringen sie aber ringsum, wenden sich jedoch nach einer
- 377 —
Seite hin, so ist die Traube einseitswendig (secundus), wie beim
Honigklee (Melilotus).
6. Die Dolde (umbella) ist:
a) Armblütig (pauciflora) und einfach (simplex) bei dem Schöll-
kraut, der Kirsche (zweiblütig).
b) Zusammengesetzt (composita) bei den Umbelliferen.
c) Strahlend (radians), wenn die am Saume befindlichen Blüten
grösser sind als die inneren, z. B. bei Heracleum Spondyliuin, Coriandrum.
Die Hülle (involucrum) kann sein: armblätterig, wie beim
Kümmel, wenn nur aus 1 — 3 Blättchen bestehend; reichblätterig,
wenn aus mehr Blättchen gebildet, wie beim Schierling. Sie ist bei der
Hundspetersilie (Aethusa Cynapium) einseitig und herabgeschlagen
(unilaterale, pendulum).
7. Das Köpfchen (capitulum) hat ähnliche Formen wie die ein-
fache Dolde. — Zahlreicher sind die terminologischen Bestimmungen des
Kompositen-Körbchens (anthodium). Es kann sein:
A. Nach der Gestalt der Blütchen (flosculi):
a)Röhrenblütig (tubuliflorumj, wenn sämtliche Blütchen röhren-
förmig sind, wie bei der Klette, den Disteln, dem Rainfarn, Wermut u. a.
b) Strahlblütig (ra diät um), wenn
die randständigen Blütchen zungenförmig,
die inneren röhrenförmig sind; jene bilden
den Strahl (radius), diese die Scheibe
(d i s c u s). Bsp. Kamille , Wucherblume,
Schafgarbe u. a. (Fig. 156). Nicht selten
gehen durch Kultur die röhrigen Scheiben-
blütchen in Zungenblütchen über; solche
Körbchen nennt man gefüllt (luxu-
rians).
c) Zungenblütig (liguliflorum),
wenn sämtliche Blüten zungenförmig sind,j|
wie beim Löwenzahn. 1
B. Nach dem Hüllkelch (peranthodium) : i
Die Hüllkelchblättchen (phylla) sind : y
einreihig (peranthodium simplex),^
wie bei Senecio ; zweireihig (p. duplex), wie bei Tragopogon, Arnica ;
vielreihig (p. multiseriale) ; nach der Länge: gleich (p. ae quäle),
wie bei Tragopogon ; dachziegelig (p. imbricatu m), wenn die unteren
Blättchen kürzer sind als die oberen, wie bei Bellis, Artemisia, Achillea.
Wenn die äusserste Reihe der Hüllkelchblättchen absteht oder, wie beim
Löwenzahn, zurückgeschlagen ist, nennt man sie Aussenkelch. Bei
Carlina finden wir die innersten Hüllkelchblättchen strahlig ausgebreitet:
strahlend (peranthodium radians).
Die Hüllkelchblättchen sind ihrer Konsistenz nach meist blatt artig
(foliacea), öfters trockenhäutig (scariosa), wenigstens am Rande,
bei den Disteln dornig (spinosa), bei der Klette hakig (h am ata).
C. Der gemeinsame Blütenboden (receptaculum) kann sein : f 1 a c h (p 1 a-
n u m), gewölbt (convexu m), wie bei Chrysanthemum ; kegelig (coni-
cum), wie bei der Kamille (Fig. 157 a.); kugelig (globo sum) u. s. f. Im
Innern: dicht (solid um), wie bei der Hundskamille (Fig. 157b); hohl
(cavum), wie bei der Kamille (Fig. 157a.). — Nach seiner Besetzung mit
spreuartigen Deckblättchen, den sog. Spreublättchen (paleae): nackt
— 378 —
(nuduni), wie bei der Kamille (Fig. 157a.); spreublätterig (palea-
ceum), wie bei der Hundskamille (Fig. 157b.); zottig (villosum), wie
beim Wermut.
8. Die Trugdolde (cyma) kann sein: Gabelspaltig (dicho-
toma), wenn unterhalb der Centralblüte zwei Nebenaxen heraustreten,
die sich nach gleicher Weise teilen, wie bei Silene, Cerastium (Fig. 154);
dreistrahlig, fünfstrahlig u. s. f., wie bei der Wolfsmilch, dem Hollun-
derund Schneeball, nach der Zahl der Nebenasen. Beim letzteren ist die
Trugdolde strahlend (ra dians), zufolge der grösseren Randblüten. Ver-
längert sich einer der Äste einer Trugdolde über die anderen Blüten, so
nennt man sie sprossend (prolifera), wie bei Spiraea Ulmaria. Bei
den Binsen nennen wir sie dann Spirre (anthela).
5. Die Blütenkreise.
§ 348. Welches sind die Teile der Blüten? Die Blüte besteht
aus einer verkürzten Axe, Blütenaxe, Blütenboden (recep-
taculum floris, thalamus), an welcher die Geschlechtsorgane
in Form veränderter Blätter eingefügt sind.
Die Geschlechtsorgane sind gewöhnlich durch einen oder
mehrere Kreise blattartiger Hüllen, Kelch (calyx) und Blume
(coro IIa), unterstützt, welche jedoch auch fehlen können.
Die Geschlechtsorgane sind die wesentlichen Teile, Kelch und
Blume die unwesentlichen Teile der Blüte.
Die männlichen Geschlechtsorgane sind die Staub-
ge fasse (stamina) , die weiblichen die Stempel (pistilla).
Alle diese Teile der Blüte sind aus Blättern hervorgegangen und
stehen auf der Blütenaxe.
§ 349. Wie sind die Blütenteile an der Axe geordnet? Alle Blüten-
teile entspringen in "Wirtein aus der Blütenaxe, welche in Form
zusammengedrängter Spirallinien dieselbe umlaufen. Zu äusserst
liegt der Kelchwirtel, demselben folgt nach innen der Blu-
menwirtel, dann der Staubgefässkreis, endlich zu innerst
der Wirtel der Stempel.
Sämtliche Kreise umziehen die Axe in einfacher oder dop-
pelter, öfters auch mehrfacher Spirale, wodurch die Zahl ihrer
Glieder sich verdoppelt oder vervielfältigt. Enthält eine Blüte
doppelt so viele Staubgefässe als Blumenblätter, so befinden sich
jene in zwei Wirtein; bei zahlreichen Staubgefässen existieren
mehrere Wirtel derselben. So finden wir beim Lein 5 Kelch-
blätter, 5 Blumenblätter, 5 Staubgefässe und einen 5 gliederigen
Stempel (mit 5 Griffeln) ; bei der Lichtnelke 5 Kelchzipfel, 5 Blumen-
blätter, 10 Staubgefässe (also in zwei Spiralen), einen fünf-
griffeligen Stempel; beim Hahnenfuss 5 Kelchblätter, 5 Blumen-
blätter, zahlreiche Staubgefässe und zahlreiche Stempel (also beide
in mehreren Spiralen).
— 379 —
Die Glieder der aufeinanderfolgenden Kreise wechseln mit ein-
ander in der Stellung ab,
sodass die Blumenblätter
mit den Kelchblättern
wechselständig,dieStaub-
gefässe aber wieder den
Kelchblättern gegenstän-
dig sind , wie dies die Figu-
ren 158 und 159 zeigen,
Durchschnitte einer drei
resp. fünfzähligen Blüte.
Fi?. 160.
§ 350. Wie sind die Blütenkreise der Blütenaxe eingefügt? Man
unterscheidet eine dreifache Einfügung (Insertion) der Blüten-
kreise, je nachdem die Entwicklung derselben stattgefunden hat:
1. Die Einfügung auf den Blütenboden, auch unter-
weibige (hypogynische) Insertion genannt, bei welcher
alle Blütenkreise in ihrer natürlichen Reihenfolge aus der Blüten-
axe hervortreten : Zu unterst der
Kelch, dann die Blume, darauf
die Staubgefässe, zu oberst die
Stempel. Kelch, Blume und
Staubgefässe sind unter dem
Stempelkreise eingefügt und
bilden also eine unterstän-
dige Blüte, in deren Mitte
der Kreis der Stempel frei steht.
Bsp. Hahnenfuss (Fig. 160),
Pfingstrose, Linde, Lein.
2. Die Einfügung der Blume und Staubgefässe auf die
Kelchröhre, den sogenannten Unter k eich (hypanthium),
aus dessen Rande die Kelchzipfel, Staubgefässe und Blumenblätter
entspringen, während die Stempel im Centrum der Kelchröhre
sich befinden.
a) Wenn die Stempel in der Kelchröhre frei stehen, so heisst
die Insertion umweibig (perigynisch); so Fig. 161 bei der
Kirschblüte, welche nur einen Stempel besitzt, Fig. 162 bei der
Rose, mit zahlreichen Stempeln.
b) Verwächst aber der Stempelkreis mit der Kelchröhre, wie
Fig. 163 zeigt, so entsteht die oberweibige (epigynische) In-
sertion. Hier scheinen die Staubgefässe, Blume und
Kelchzipfel auf dem Fruchtknoten zustehen; eine Folge
davon ist, dass bei der Reife die Frucht vom Ke Iche gekrönt
wird. Man nennt die Blüte eine oberständige und den
Fruchtknoten unterständig. Bsp. Hollunder, Heidelbeere.
380
Fig. 161. Fig. 162. Fig. 163.
Der Unterkelch ist eigentlich eine Bildung des Blüten-
bodens, welcher sich bald als hohle Eöhre um die Stempel
emporhebt, bald als Scheibe sich flach ausbreitet; ersteres finden
wir bei der Rose (Fig. 161), letzteres bei der Brombeere und
Himbeere.
Terminologische Bestimmungen.
1. Die Blüte kann nach dem Vorhandensein der Geschlechtsorgane sein:
a) Zwitterig (flos hermaphroditus), wenn beide Geschlechts-
organe in ihr vorhanden sind, wie bei der Erdbeere, Brombeere.
b) Eingeschlechtig (fl. diclinus), wenn nur ein Geschlecht in
ihr vertreten ist , wie bei der Nessel, Walnuss ; und zwar ist sie alsdann
entweder männlich (fl. masculus) mit dem Zeichen des Mars: J1, oder
weiblich (fl. femineus) mit dem Zeichen der Venus: $ , je nachdem
sie nur Staübgefässe oder nur Stempel birgt.
c) Einhäusig (fl. monoicus), wenn dasselbe Pflanzenindividuum
männliche und weibliche Blüten trägt, wie die Buche, Haselnuss, Walnuss.
d) Zweihäusig (fl. dioicus), wenn die männlichen und weiblichen
Blüten auf zwei verschiedene Individuen verteilt sind, wie beim Wacholder,
Hopfen, Hanf, der Weide und Pappel.
e) Vielehig (fl. polygamus), wenn neben eingeschlechtigen Blüten
auch zwitterige vorhanden sind, wie bei der Kamille, deren Strahlblütchen
weiblich, deren Scheidenblütchen zwitterig sind.
2. Nach der Ausbildung der Blütendecken :
a) Nackt (fl. nudus), wenn weder Kelch noch Blume vorhanden ist,
sodass die Blüte allein aus den Geschlechtsorganen besteht, z. B. bei den
Gräsern, deren Blüten von den trockenhäutigen Deckblättchen (Spelzen)
umschlossen werden.
b) Unvollständig (fl. incompletus), wenn die Blütendecke nicht
aus zwei verschiedenen Kreisen (Kelch und Blume), sondern aus einem ein-
zigen, gleichartigen besteht, der bald kelchähnlich ist, wie beim Gänsefuss
und Ampfer, bald blumenähnlich, wie bei der Lilie und Tulpe.
c) Vollständig (fl. completus), mit Kelch und Blume begabt, wie
bei der Eose, Pfingstrose, Erdbeere.
d) Gefüllt (fl. luxurians), wenn die Staubfäden in Blumenblätter
übergegangen sind, wie bei der Centifolienrose.
— 381 —
3. Nach der Zahl der Glieder eines einzelnen Blütenkreises :
a) Dreizählig(fl. t r im er us), Fig. 158, wenn jeder Wirtel drei Glieder
zählt, z. B. bei der Schwertlilie und Lilie.
b) Vierzählig (fl. tetr ainerus), z. B. beim Weidenröschen.
c) Fünfzählig (fl. pentamerus) Fig. 159, z. B. beim Lein, Mauer-
pfeffer.
4. Nach der Einfügung der Kreise:
a) Unter stand ig (fl. inferus), bei unterweibiger Insertion, wenn
keine Verschmelzung zwischen Kelchröhre und Stempel stattfindet; Fig.
160 — 162, z. B. Hahnenfuss, Rose, Brombeere.
b) Oberständig (fl. superus), wenn der Fruchtknoten des Stempels
mit der Kelchröhre verwächst (epigynische Insertion), Fig. 163 ; wie bei
Apfel und Birne, Heidelbeere.
7. Kelch und Blume,
§ 351. Was stellen Kelch und Blume vor? Der Kelch (calyx)
und die Blume (coro IIa) sind die beiden Blattkreise der
Blüten , welche die Geschlechtsorgane umschliessen. Man nennt
Kelch den äussersten, gewöhnlich grünen, krautartigen Kreis;
Blume den innern, meist zarten und anders gefärbten (weissen,
roten, blauen) Kreis, dessen Oberfläche durch zahlreiche, höchst
feine Erhabenheiten (Papillen) , zufolge des Lichtreflexes , ein
samtartiges Aussehen besitzt. Fehlen diese Papillen, so erscheint
die Blume trockenhäutig (scariosa), wie beim Wegerich.
Sehr häufig besitzt auch der Kelch blumenartige Beschaffenheit
und Farbe, wie bei Polygala, Aquilegia, Aconitum. Wir nennen
ihn dann einen blumenartigen Kelch (calyx corollinus).
§ 352. Was ist ein Perigon? Bei vielen Gewächsen lassen
sich die blattartigen Blütenwirtel nicht in Kelch und Blume
trennen, sondern sie stellen eine gleichartige Blütendecke,
Perigon (perigonium), dar, z. B. bei der Lilie und Tulpe.
Bei diesen ist das Perigon blumenartig (perigonium corolli-
num), dagegen kelchartig (p. calycinum) beim Ampfer, Hanf,
Hopfen. Jussieu bezeichnete das Perigon stets als Kelch
(calyx) und die perigon blühenden Pflanzen als blumenlose
(plantae apetalae).
§ 353. Die Ausbildung von Blume und Kelch. Je nach der Zer-
teilung unterscheidet man den Kelch, die Blume, resp. das
Perigon als:
a) Einblätterig, verwachsenblätterig (calyx mono- seu
gamosepalus, corolla mono- s. gamopetala, perigonium mono- s.
gamophyllum) , wenn der ganze Blütenkreis in eine Röhre ver-
wachsen und mehr oder minder tief in Zipfel gespalten ist. Man
382 -
unterscheidet dann zwei Teile: die Eöhre (tubus) und den Saum
(limbus); die Öffnung selber nennt man den Schlund (faux).
b) Mehrblätterig, getrenntblätterig
(calyx poly- seu dialysepalus , corolla poly- s.
dialypetala, perigonium poly- s. dialyphyllum), wenn
die einzelnen Glieder eines jeden Kreises un verbunden
sind. Man unterscheidet also Kelchblätter (se-
pala) und Blumenblätter (petala). Bei den
Blumenblättern bezeichnet man den unteren Teil,
wenn er plötzlich sich verschmälert, als Nagel
(unguis), wie wir ihn bei den Nelken und Kohl-
pflanzen gut ausgebildet finden. (Kg. 164).
Je nach der Gestalt der einzelnen Glieder unter-
Fig. 164. scheidet man Kelch, Blume und Perigon als:
1. Regelmässig (regularis), wenn alle Teile eines Wirteis
völlig übereinstimmend gestaltet sind , selbst wenn diese Form
von der gewöhnlichen abweicht , z. B. bei der Akelei , deren
Blumenblätter sämtlich gespornt sind, bei der Schwertlilie, deren
äussere Perigonzipfel zurückgeschlagen und deren innere aufrecht
und kleiner sind.
2. Unregelmässig (irregularis), wenn die einzelnen Glie-
der eines Wirteis abweichend von
einander gebaut sind. Las st sich
der Wirtel in zwei gleichgestaltete
Hälften teilen, so ist er symme-
trisch ; so die zweilippige Blume der
Labiaten , die Schmetterlingsblume
der Papilionaceen.
§ 354. Was sind Honiggetässe?
Die Blume sondert häufig einen süssen
Saft, den Honigsaft (nectar), aus,
den die Bienen und Wespen auf-
suchen. Er sammelt sich in gewissen
Drüsen organen anf dem inneren
Grunde der Blumenblätter, die als
rundliche Honigdrüsen bei den
Kruciferen und Heidekräutern er-
scheinen; als Schuppen, Honig-
schuppen, bei vielen Arten des
Hahnenfusses ; als kleine Gruben,
Honiggruben, bei der Kaiserkrone;
als Falten oder Furchen, Honig-
falten oder Honigfurchen, bei
Fig. 166. der Lilie. Häufig sondert auch der
— 383 —
Blütenboden selbst den Honigsaft aus, zumal wenn er scheiben-
förmig verdickt ist — eine sog. Honigscheibe, z. B. beiden
Boragineen und Labiaten unterhalb des Stempels, welcher auf
ihr ruht.
§ 355. Was ist die Nebenblume? Die Blume trägt häufig ge-
wisse Anhängsel, die man Nebenblume (paracorolla) oder,
wenn getrenntblättrig und sofern sie blumenartige Form besitzen,
Nebenblumenblätter (parapetala) nennt, wie die glockige
Nebenblume der Narcisse (Fig. 165). Zeigen sie dagegen die Ge-
stalt von Staubgefässen, wie bei der Parnassie (Fig. 166), so nennt
man sie Nebenstaubfäden (parastemones). Bei den Nelken
stellen sie ein sogen. Krönchen (coronula) vor, bei vielen Bora-
gineen (z. B. Symphytum, Borago) verschliessen sie als sogen.
Deckklappen (fornices) den Blumenschlund.
§ 356. Was ist die Federkrone? Bei den Kompositen und beim
Baldrian finden wir auf der (unterständigen) Frucht einen meist
haarförmigen Schopf, die sog. Federkrone (pappus), hervor-
gehend aus den Nerven der Kelchzipfel, die sich bei der Frucht-
reife verlängern und zwischen denen das Blattgewebe verschwun-
den ist. Die Federkrone erscheint in mannigfachen Formen
(Fig. 179 — 181), fehlt auch bei vielen Gattungen.
Terminologische Bestimmungen.
1. Nach der Form bezeichnen wir den Kelch, die Blume, wie das
Perigon :
A. Regelmässige Formen.
Die einblätter ge Blütenhülle, Blume oder Kelch kann sein:
a) Röhrig (tubulosus), wie die Blütchen der Disteln, die Seheiben-
blütchen der Kamille, Fig. 169.
b) Kugelig (globosus), Fig. 167, wie die Blume der Heidelbeere.
c) Krug förmig (urceolatus), oval mit eingeschnürtem Saume, wie
die Blume von Erica, Fig. 168.
d) Aufgeblasen (in flatus, ampullaceus), wie der Fruchtkelch
der Judenkirsche, Fig. 177.
e) Kreiseiförmig (turbinatus), wie der Kelch Fig. 172.
f) Glockig (campanulatus), mit bauchig erweiterter Röhre, wie
der Kelch des Bilsenkrautes, Fig. 170, die Blume von Campanula.
g) Trichterig (infundibuliformis), Fig. 171, so die Blume der
Winde, des Stechapfels u. a.
h) Tellerförmig (hypocraterimorphus), wenn die Zipfel einer
röhrigen Blume sich flach ausbreiten , wie beim Seidelbast , spanischen
Flieder, Singrün.
i) Radförmig (rotatus), wenn die Blume ohne Röhre flach ausge-
breitet ist, wie beim Nachtschatten, Borretsch, Hollunder.
Die Blätter eines mehrblätterigen Kelches resp. Blume können alle
Formen eines Blattes besitzen.
Bei der Feder.krone der Kompositen unterscheidet man hauptsäch-
lich folgende Formen:
- 384 —
a) Haar förmig (pappus pilosus), -wenn sie aus haarfeinen Strahlen ■
besteht, wie beim Habichtskraut, Fig. 179.
b) Fe der ig (p. plumosus), wenn aus gefiederten Strahlen, wie bei
Scorzonera, Fig. 180.
c) Grannig (p. aristatus), wenn aus wenigen, starren Strahlen, wie
bei Bidens, Fig^ 181.
d) Kr önchenförmig (cor onif ormis), wenn in Form eines Haut-
randes, wie bei Chrysanthemum.
e) Spreuig (p. paleaceus), ein Kreis von Spreublättchen.
Häufig ist sie gestielt (p. stipitatus), wie in Fig. 180; im Gegen-
satz dazu: sitzend (p. sessilis), wie in Fig. 179.
B. Unregelmässige Formen:
a) Gespornt (calcaratus), nach unten in einen Sporn (calcar)
vorgezogen, wie der Kelch der Kapuzinerkresse, Fig. 176, die Blume des
Veilchens, das Perigon von Orchis.
b) Gehelmt (galeatus), helmartig gewölbt, wie das obere (blumen-
ähnliche) Kelchblatt des Sturmhuts und die Oberlippe bei Fig. 174.
c) Zweilippig (bilabiatus), wenn das Organ nach zwei Seiten hin
ausgebildet ist, die sich als Oberlippe und Unterlippe gegenüber-
stehen, wie Kelch und Blume vieler Labiaten und Personaten. Man
unterscheidet hierbei den Schlund der Unterlippe als Gaumen, die Blumen-
röhrenöffnung als Rachen; schliesst der Gaumen den Rachen, wie beim
Löwenmaul, Fig. 175, so heisst die Blume maskiert (c. personata); ist
der Rachen offen, so wird sie rachig (ringens) genannt, wie Fig. 174.
d) Einlippig (labiatus), wenn nur ein Teil als Lippe (labium,
labellum) vorragt, wie bei dem Perigon der Orchideen, der Aristolochia.
e) Zungenförmig (ligulatus), nach einer Seite in ein langes,
flaches Band, die Zunge (ligula), vorgezogen, wie bei den Strahlblütchen
der Kompositen, Fig. 173.
f) Flügelartig (alaeformis), wie die blumenartigen Kelchblätter
von Polygala.
g) Schmetterlings förmig (papilionaceus), wie die Blume der
Papilionaceen, aus fünf Blumenblättern bestehend, deren oberstes als Fahne
(vexillum) zurückgeschlagen ist ; die beiden seitlichen heissen Flügel (alae)
die beiden unteren sind zu einem kahnförmigen sog. S c h i f f c h e n (c a r in a)
verbunden.
2. Nach der Dauer:
a) Abfallend (deciduus), beim Abblühen abfallend, wie dies für
die Blume Regel ist.
b) Hinfällig (caducus), schon bei der Entfaltung der Blüte ab-
fallend, wie der zweiblätterige Kelch des Mohns, Fig. 178, die Blumen-
blätter der Weinrebe, welche, am Grunde sich ablösend, wie ein Mützchen
sich abheben.
c) Bleibend (persistens), bei der Fruchtreife häufig auswachsend
und die Frucht unterstützend , wie der Kelch der Nieswurz , der Juden-
kirsche, Fig. 177. Wenn die Blume bleibt, so nennt man sie verwel-
kend (marcescens), wie beim Tausendgüldenkraut.
3. Nach der Konsistenz und Farbe: Krautartig (herbaceus);
blatt artig (foliaceus); trockenhäutig (scariosus), wie die Blume des
Wegerich, der Kelch der Strandnelke ; blumig (corollinus), wie der Kelch
von Polygala, _ Aconitum, das Perigon der Lilie , Tulpe, Herbstzeitlose;
spelzen artig (glumaceus), trockenhäutig und braun (selten weiss) ge-
färbt, wie das Perigon der Simsen ; — weiss (albus, candidus) ; weiss-
385
S c h 1 i c k n m , Apothekerlehrlin<r
- 386 -
lieh (albidus); schwarz (niger, ater); schwärzlich (nigricans, nigre-
scens); grau (incanus, canus, canescens) ; aschgrau (cinereus, griseus);
blass (pallidus); hellfarbig (laetus); schmutzig (sordidus); braun
(fuscus, badius, fuliginosus) ; braunrot (rufus, ferrugineus) : g e 1 b (luteus,
citrinus, flavus); goldgelb (aureus); gelbweiss (ochroleucus) ; gelb-
lich (lutescens, luteolus, flavescens); fahlgelb (falvus); orangerot
(aurantiacus) ; grün (viridis); blau grün (glaueus, glaucescens) ; grün-
lich (virescens); blau (coeruleus, azureus) ; bläulich (caesius, coerule-
scens); v i o 1 e 1 1 (violaceus) ; rot (ruber, phoeniceus, coccineus, sanguineus):
fleischrot (roseus, incarnatus); purpurrot (purpureus).
Fig. 182.
klappige,
Fig. 183.
dachziegelige,
Fig. 184.
gedrehte Lasre.
4. Nach der Knospenlage (aestivatio) kann Kelch und Blume sein :
a) Klappig (valvaris), wenn die einzelnen Blätter sich mit den
Rändern nicht decken, Fig. 182.
b) Dachig, dachziegelig (imbricata), wenn die Ränder der
äusseren die inneren bedecken, Fig. 183.
c) Gedreht (contorta), wenn jedes Blatt einerseits bedeckt wird,
andrerseits selbst deckt, Fig. 184.
8. Die Staubgefässe.
§ 357. Was stellen die Staubgefässe vor? Die Staubgefässe
(stamina) bilden den auf die Blume folgenden Kreis der Blüten-
organe und stellen die männlichen Geschlechts Werk-
zeuge dar. Sie sind ursprünglich blattartige Gebilde und kehren
bei den sogen, gefüllten Blüten, wie z. B. bei der Centifolie,
in die Form der Blumenblätter zurück. (Rückschreitende
Metamorphose.) Gemäss dem Ursprung aus einem Blatte
besteht das einzelne Staubgefäss aus einem fädlichen Teile,
dem Staubfaden (filamentum), welcher dem Blattstiel
entspricht, und einem verbreiterten Teile, dem Staub-
beutel (anthera), welcher aus der Blattfläche hervor-
geht. Fig. 185 zeigt ein Staubgefäss, a Staubfaden, b
Staubbeutel.
Fig. 185. Wenn der Staubbeutel fehlt, so nennt man das Staub-
gefäss beutellos; verkümmert der Staubbeutel in Missgestal-
— 387 -
tung, so spricht man von einem Staminodium, wie beim
fünften Staubgefäss von Scrophularia.
§ 358. Vom Staubbeutel. DerStaubbeutel (anthera) ist
der wesentlichste Teil des Staubgefäss es, da er den
befruchtendenBlütenstaub birgt. Der Staubfaden kann
fehlen, wie dies bei der Mistel der Fall ist, wo der Staubbeutel
dem Blumenblatte aufsitzt.
Der Staubbeutel enthält in der Regel zwei Fächer (anthera
bilocularis), worin sich der Blütenstaub befindet, zu dessen Ver-
stäuben sie sich öffnen. Diese Staubbeutelfächer sind durch
das Mittelband (connectivum) mit einander verbunden.
Seltener tritt der Staubbeutel, infolge von Verkümmerung, ein-
fächerig auf (anthera unicularis), wie bei den Malven. der
Wollblume (Fig. 202).
§ 359. Vom Blütenstaub. Der in den Staubbeutelfächern ent-
haltene Blütenstaub (p ollen) besteht aus unzähligen mikro-
skopisch kleinen Körnchen, den Pollenkörnern, welche sich
zu je vier in einer Zelle des Antherenfaches bilden und infolge
eintretender Resorption der Zellwand später frei werden. Die
Pollenkörner treten beim Verstäuben als gelber, feiner Staub auf.
Sie führen einen schleimig-körnigen Inhalt (Befruchtungsstoff,
fovilla) in doppelter Umhäutung; die innere Haut (intina) ragt
gewöhnlich durch Öffnungen der äusseren (extina) warzenförmig
hervor. Fig. 186 zeigt verschiedene Formen des Pollens :
Fig. 187-
a vom Kürbis, b von der Passionsblume, c von Cuphea, d von Dip-
sacus. Bei den Orchideen trennen sich aber die Pollenkörner nicht,
sondern bleiben in Zusammenhang mit einander, Pollen-
massen (pollinaria) bildend, welche als wachsartig, als körnig
oder als mehlig beschrieben werden; je nachdem die einzelnen
Körner zusammengeklebt sind. Sie sind häufig gestielt und
am Ende des Stiels mit einer Drüse versehen, die am Grunde
25*
.... 388 —
des Staubbeutelfaches in einem Beutelohen (bursicula) liegt, wie
dies Orchis zeigt (Fig. 187).
Terminologische Bestimmungen.
1 . Die Staubgefässe sind ihrer Zahl nach:
a) Gleichzählig (stamina isomer a), in gleicher Anzahl wie die
Blumenblätter; so beim Lein und Borretsch, bei denen wir je 5 Kelch-
und Blumenblätter und 5 Staubgefässe in der Blüte finden. Plantago,
Asperula, Galium besitzen deren je 4.
b) Doppelzählig (st. dupla), in doppelter Zahl wie die Blumenteile ;
so bei der Nelke, welche 5 Blumenblätter und 10 Staubgetässe besitzt.
c) Zahlreich (st. numerosa), wie bei Hahnenfuss, Kirsche, Apfel,
Rose, bei denen 5 Blumenblätter und 20 — 50 Staubgefässe vorhanden sind.
2. Nach der Anheftung:
a) Bodenständig (thalamo inserta), der Blütenaxe eingefügt,
Fig. 160.
b) Kelchständig (calyci inserta), Fig 161 — 168, der Kelchröhre
eingefügt.
c) Der Blume eingefügt (corollae inserta), wie bei der Schlüssel-
blume, Wollblume. Die abgepflückten Blumenkronen tragen die Staubgefässe,
3. Nach der Grösse:
a) Gleichlang (st. aequalia), wie in den meisten Fällen.
Häufig ist der äussere Kreis kürzer als der innere, z. B. beim
Storchschnabel, Sauerklee, Nelke, Fig. 188.
b) Zweimächtig (st. didynama), wenn von 4 Staubgefässen zwei
länger, zwei kürzer sind, wie beim Fingerhut, den Labiaten, Fig. 189.
c) Viermächtig (tetradynama), wenn von 6 Staubgefässen 4 länger,
2 kürzer sind, wie bei den Cruciferen, Fig. 190.
4. Nach der Verwachsung der Staubfäden:
a) Frei (st. libera), ohne alle Verwachsung.
b) Einbrüderig (st. monadelpha), wenn alle Staubfäden in eine
einzige Röhre verbunden sind, die nach oben sich in die einzelnen Fäden
auflöst; so bei der Malve, Fig. 191.
c) Zweibrüderig (st. diadelpha), wenn die Staubfäden in zwei
Bündel verwachsen sind, wie beim Erdrauch, der Polygala, oder wenn ein
einziger Staubfaden frei, die übrigen in eine Röhre verbunden sind, wie bei
vielen Schmetterlingsblütlern (Bohne, Erbse, Wicke), Fig. 192.
d) Mehrbrüderig (st. polyadelpha), wenn die Staubfäden in mehr
als zwei Bündel verwachsen sind, wie bei der Pomeranze, Fig. 193.
5. Die Staubbeutel können sein:
a) Angewachsen oder fortlaufend (anthera accreta seu con-
tinua), wenn das Mittelband die direkte Verlängerung des Staubfadens
bildet, Fig. 192—200.
b) Beweglich (mobilis), wenn das Mittelband durch Gliederung mit
dem Staubfaden verbunden ist und dadurch eine gewisse Beweglichkeit
erlangt; so bei den Riedgräsern u. a., Fig. 190.
c) Aufliegend (incumbens), wenn ein beweglicher Staubbeutel hori-
zontal auf den Staubfäden liegt, wie bei den Gräsern, der Lilie, u. a..
Fig. 202.
d) Verwachsen (antherae connatae), wie bei den Kompositen, wo
die 5 Beutel in eine hohle Röhre verwachsen sind, durch welche der Griffel
hindurchgeht, _ Fig. 196. Beim Kürbis, Fig. 197, finden wir sowohl die
Staubfäden, wie die Beutel mit einander verwachsen.
389
Fig. 189. Fig. 190. Fig. 191. Fig. 192. Fig. 193.
Zweimächtige Viermächtige Einbrüdrige Zweibrüdrige Mehrbrüdrige
Staubgef. Staubgef. Staubgef. Staubgef. Staubgef.
Fig. 194.
Spreizende
Staubbeutel.
' Wk
.,!{,-;
Fig. 196. Fig. 197.
a Verwachsene Staubbeutel Staubgef. mitver-
b Staubbeutelröbre auf- wachsenen Staub-
geschnitten, beuteln.
Fig. 199. Fig. 200. Fig. 201.
Spaltige In Löchern auf- Klappig auf-
Staubbeutel, spring. Beutel.' spring. Beutel.
- 390 —
6. Die Fächer des Staubbeutels können sein:
a) Gleichlaufend (locula parallela) wie in Fig. 188.
b) Spreizend (1. divergentia) wie in Fig. 194.
c) Getrennt (discreta). wie bei Salvia, Fig. 195, deren Mittelband
fädlich und quer aufliegend ist.
d) Gegenüberstehend (opposita), an zwei entgegengesetzten Seiten
des Mittelbandes, Fig. 185.
e) Nebenstehend (apposita), wenn auf derselben Seite des Mittel-
bandes, Fig. 198; man unterscheidet alsdann auswärts gerichtet (ex-
trorsa) und einwärts gerichtet (introrsa), je nachdem sie nach dem
Umkreis oder nach dem Centrum der Blüte gewendet sind. Jenes finden
wir beim Hahnenfuss, dieses bei der Pfingstrose.
f) Schildständig (peltata), wenn die Fächer der Unterseite eines
schildstieligen Mittelbandes angeheftet sind, wie beim Wacholder.
Der Staubbeutel zeigt zuweilen Fortsätze: zweihörnig (anth. bi-
cornis), wie bei Vaccinium, Fig. 200, an der Spitze; gespornt (cal-
carata) wie bei Erica, Fig. 199, am Grunde; geschwänzt (caudata), wenn
das Mittelband in einem Schweif endigt, wie beim Oleander.
7. Das Aufspringen des Staubbeutels kann geschehen:
a) Der Länge nach (anth. longitudinaliter dehiscens) Fig. 198.
Dies ist der gewöhnliche Fall. Wenn sich die Längsspalte nur teilweise
öffnet, so bezeichnet man das Aufspringen als ein spaltiges (anth. rimis
dehiscens), wie bei Erica, Fig. 199.
b) In Löchern (anth. poris dehiscens), wie beim Nachtschatten,
der Heidelbeere, Fig. 200, deren Beutelfächer an der Spitze mit einem
Loche aufspringen. Bei der Mistel geschieht das Aufspringen in zahl-
reichen Löchern und wird ein bienenzelliges genannt (anth. favose
dehiscens).
c) In Klappen (anth. valvis dehiscens), wenn sich die äussere
Fachwandung von unten nach oben deckelartig emporhebt, wie beim Lor-
beer, Fig. 201.
d) Der Quere nach (anth. transversim dehiscens), wenn ein ein-
fächeriger Staubbeutel an der Spitze in einer Querspalte aufspringt, Fig. 202.
9. Der Stempel.
§360. Was stellt der Stempel vor? Der Stempel (pistillum)
ist das weibliche Geschlechtsorgan der Blüte, aus dem
innersten Blütenkreise gebildet und in das Centrum derselben
gestellt, in seiner Höhlung die Samenknospen um-
schliessend.
Der Stempel besteht , ähnlich den Staubgef ässen , aus ver-
änderten Blattorganen, die man Fruchtblätter, Karpell-
blätter genannt hat. Solche Fruchtblätter sind einzeln oder
zu mehreren in der Blüte und bilden, je nachdem sie getrennt
bleiben oder mit einander verwachsen, mehrere getrennte oder
einen vereinigten Stempel. Der Stempel ist demnach:
a) Einkarp ellig, wenn er nur aus einem einzigen Frucht-
blatt besteht. Alsdann trägt er nur eine Narbe. Bsp. Erbse.
b) M e h r k a r p e 11 i g , wenn er aus zwei oder mehreren Frucht-
391 -
blättern zusammengesetzt wird. Alsdann trägt er gewöhnlich
ebenso viele Narben, als Fruchtblätter vorhanden sind. Bsp. Apfel.
§ 361. Die einzelnen Teile des Stempels. Der Stempel zeigt
drei Teile : 1 . einen unteren , bauchig aufgeschwollenen , den
Fruchtknoten (Ovarium, germen), Fig. 203a; 2. einen
stielförmigen, den Griffel (stylus), Fig. 203c, und
3. eine verschieden geformte, drüsig-klebrige Spitze,
die Narbe (stigma), Fig. 203b. Oft fehlt der Griffel;
dann heisst die Narbe sitzend (stigma sessile).
Der Fruchtknoten entsteht aus dem Karpellblatt
durch seitliche Verwachsung der beiden Ränder und
stellt ein hohles Organ dar, in dessen Höhlung die
Samenknospen sich befinden. Der Griffel, sowie die
Narbe entstehen aus der mehr oder weniger lang-
gezogenen Spitze des Karpellblattes, als hohle Ver-
längerung des Fruchtknotens, und sind von dem sog.
Griffelkanal durchzogen, einem mit zartem Gewebe
erfüllten Gange, welcher von der Narbe zur Frucht-
knotenhöhle herabführt.
Die Samenknospen (Ovula) auch Eichen genannt,
sprossen aus dem Ende der Blütenaxe; diese bleibt entweder
als Säulchen im Mittelpunkte des Stempels, mit den Samen-
knospen bedeckt, stehen, Fig. 208, oder löst sich in eben so viele
Stränge auf, wie Karpellblätter vorhanden sind, welche Stränge,
Samenträger (spermophora) genannt, sich auf die Ränder
der Karpellblätter schlagen und in ihrem Verlaufe die Samen-
knospen entsenden. (Fig. 205—207).
§ 362. Bildung des Fruchtknotens. Der Stempel ist ein-
karp ellig, wenn er aus einem einzigen Fruchtblatt besteht;
wir finden ihn bald einzeln in der Blüte, wie bei der Bohne und
Erbse, bald zu mehreren bis vielen, wie bei dem Hahnenfuss,
Nieswurz , Sturmhut ; er ist dagegen mehrkar pellig,
wenn er sich aus zwei oder mehreren Karpellblättern zu-
sammengesetzt hat. Im letzteren Falle lässt sich die Zahl
der Karpellblätter gewöhnlich aus der Anzahl der Narben,
immer aus derjenigen der Nähte und Samenträger erkennen.
Bei einkarpelligen Stempeln unterscheiden wir zwei
Nähte: 1. die aus der Verwachsung der Blattränder hervor-
gegangene Bauchnaht (sutura ventralis) , in welcher
der Samen trag er verläuft, stets dem Centrum der
Blüte zugewendet; 2. die dem Mittelnerv des Frucht-
blattes entsprechende Rückenn aht (sutura dorsalis), welche -pig.
der Peripherie der Blüte zugewendet ist. Als Beispiel 204.
— 392 —
seien die Bohne und die Erbse erwähnt. Fig. 204 zeigt einen
solchen Stempel im Längsschnitt. Der Samenträger ist in
ihm stets wandständig (spermophorum parietale). Solche
Stempel finden wir bei der Pfingstrose, beim Nieswurz und Sturm-
hut zu mehreren, beim Hahnenfuss zu vielen in einer Blüte.
Schliessen sich aber die Karpellblätter einer Blüte zu einem
einzigen, mehrkarpelligen Stempel zusammen, so können sie einen
mehrfächerigen oder einen einfächerigen Fruchtknoten bilden.
Dies geschieht folgendermassen :
a) Die Karpellblätter haben sich , jedes für sich, zu Kar-
pellen geschlossen und seitlich rings um die Axe zu einem
mehrfächerigen Fruchtknoten (ovarium pluriloculare)
verwachsen, wie Fig. 205 zeigt. Die Bauchnähte der einzelnen
Karpellen fallen in das Centrum, die Rückennähte sind von
aussen sichtbar. Die Scheidewände (dissepimenta) ent-
stehen aus den Karpellblättern selbst und zeigen doppelte Wan-
dung. Die Samen träger, in der Zahl mit den Karpellen über-
einstimmend, sind central (spermophora centralia). So
besitzt die Lilie einen dreifächerigen (Fig. 205), der Apfel einen
fünffächerigen Fruchtknoten.
b) Die Karpellblätter haben sieh nicht zu Karpellen zusam-
mengeschlagen, sondern verwachsen seitlich mit ihren Rändern
zu einem einfächerigen Fruchtknoten (ovarium uni-
lo ciliare), an dessen Aussenwand sowohl die Bauch- wie die
Rückennähte sichtbar sind. In den meisten Fällen folgen die
Samen träger als einzelne Stränge den Bauchnähten — wand-
s tändige Samenträger (spermophora parietalia); Fig.
206 und 207 zeigen einen solchen zwei-, resp. dreikarpelligen
Fruchtknoten im Querschnitt. Beisp. Stachelbeere, Veilchen.
Seltener sprossen die Samenknospen aus einem centralen
Säulchen (columella), wie bei den Nelken (Fig. 208).
Fig. 205.
206.
Fio-. 207.
Für. 208.
Solche mehrkarpellige , einfächerige Fruchtknoten lassen zu-
weilen die Samenträger mehr oder weniger weit in die Höhlung
als falsche Scheidewände (Spermophora septiformia) hinein-
ragen und werden zu einem unvollständig fächerigen
Fruchtknoten, wie ihn der Mohn zeigt.
393
Terminologische Bestimmungen.
1. Der Fruchtknoten (ovarium) kann sein:
a) Ober ständig (super um), wenn er frei in der Kelehröhre steht,
z. B. bei der Kirsche.
b) Unterständig (inferum), wenn er mit der Kelchröhre oder dem
Perigon verwachsen ist, wie beim Apfel, Hollunder, der Heidelbeere.
2. Der Griffel (stylus) kann sein:
a) Endständig (terminalis), wie in den meisten Fällen.
b) Seitenständig (lateralis), wie bei der Erdbeere,
Fig. 209.
c) Central (centralis), aus der vertieften Mitte eines
geteilten Fruchtknotens, wie bei den Labiaten.
d) Abwärts geneigt (declinatus), wie bei Dictamnus.
e) Gekrümmt (curvatus), wie beim Kümmel.
f) Gekniet (geniculatus), wie bei Geum.
g) Spiralig gerollt (spiralis), wie beim Ginster und der Schneidebohne,
h) Auswachsend (excrescens) bei der Fruchtreife, wie bei der
Küchenschelle und Waldrebe.
3. Die Narbe (stigma) kann sein:
a) Sitzend (sessile), wenn der Griffel fehlt, wie beim Mohn, Hollunder.
b) Kopfförmig (capitatum), als kleines Knötchen, wie bei der
Schlüsselblume.
c) Keulenförmig (clavatum), nach oben verdickt, wie bei Viola
tricolor.
d) Schildförmig (peltatum), wie beim Mohn, wo sie zugleich strah-
lig gelappt (radiate lobatum) ist.
Fig. 210. Fig. 211. Fig. 212. Fig. 213.
e) Fädlich (filiforme), wie bei Luzula, Fig. 210.
f) Pinselig(penicillatum), bei Rumex, und sprengwedelig (asper-
gilliforme), wie bei manchen Gräsern, Fig. 211.
g) Federig (plumosum), wie bei manchen Gräsern, Fig. 212.
h) Blumenblattartig (petaloideum), wie bei der Schwertlilie,
Fig. 213.
394
10. Die Frucht.
§363. Was ist die Frucht? Die Frucht (fructus, griech.
y.aQTrdg) ist der während der Frnchtreife ausgewachsene
Fruchtknoten, welcher die Samen birgt. Bei der Zeiti-
gung der Frucht finden mannigfache Veränderungen an dem
Fruchtknoten statt : a) einfaches Yergrössern, ohne dabei die
Konsistenz zu verändern ; b) Verschmelzen des Fruchtknotens
mit der Samenschale, wie bei vielen einsamigen Früchten (Fenchel,
Anis); c) Verhärtung des Gewebes, wodurch nussartige Früchte
entstehen (Haselnuss, Hanf); d) Fleischig- und Saftigwerden des
Gewebes, bei den Beeren (Weinbeere, Johannisbeere), Kürbissen,
Äpfeln, Kirschen und Pflaumen.
§ 364. Aus welchen Teilen besteht die Frucht? Die Frucht be-
steht aus zwei Teilen :
a) der Fruchtschale (pericarpium),
b) den Samen (semin a).
An der Fruchtschale lassen sich drei Schichten erkennen :
1. eine dünne, häutige Aussenschicht, die äussere Fruchthaut
(epicarpium); 2. eine meist mehr oder weniger dicke, oft flei-
schige oder saftige Mittelschicht, die mittlere Frucht haut
(mesocarpium) ; 3. eine ebenfalls dünne, hautartige Innen-
schicht, die innere Fruchthaut (endocarpium). Das Epi-
und Endocarpium entsprechen der Ober- und Unterhaut der
Blätter, das Mesocarpium dem inneren Blattgewebe.
An der Fruchtschale lassen sich die Nähte des Fruchtknotens
unterscheiden, sowohl die Bauch naht, hervorgegangen aus der
Verwachsung der Karpellränder, welche innen die Samenträger
mit den Samen zeigen; als auch die Bückennähte, die Mittel-
nerven der einzelnen Karpellblätter bezeichnend. Beide Nähte
sind beispielsweise an der Bohne, einer einkarpelligen Frucht,
sehr wohl wahrzunehmen. Ist eine Frucht durch Verwachsung
mehrerer Karpelle entstanden, so bilden sich dort, wo die Scheide-
wände an die Peripherie treten, sogenannte Seitennähte.
War der Fruchtknoten ein fächerig, so ist dies auch die
Frucht; aus mehrfächerigen Fruchtknoten entstehen mehr fäche-
rige Früchte. Die Scheidewände (dissepimenta) teilen die
Frucht in radialer Bichtung, der Länge nach. Wir finden aber
auch zuweilen Qu er Scheidewände (septa), welche die Frucht
der Quere nach in zwei oder mehrere Abteilungen trennen, z. B.
beim Rettig. Dasselbe zeigt die Bohne, das Johannisbrot, die
Tamarinde — in den letzteren Fällen handelt es sich aber nicht
um wirkliche, schon in der Blüte vorhandene Querscheidewände,
sondern das Mesocarpium hat sich zwischen die Samen eingewuchert.
395
Auch die Bildung der Samenträger findet sich in der Frucht
ebenso wieder, wie im Fruchtknoten während der Blütenzeit.
Sie sind demnach bald wandständig (spermophora parietalia),
wie bei der Bohne, Erbse, beim Veilchen; bald central (sp.
centralia), wie beim Apfel, der Birne und Quitte.
Die Fruchtformen.
§ 865. Wie unterscheidet man die Früchte nach ihrer Form? Die
Beschaffenheit der Fruchtschale, ihr Aufspringen und ihr Ver-
hältnis zu den Samen bedingen die Verschiedenheit der Früchte,
die sich in fünf Hauptrubriken teilen lassen:
Frucht ein sämig, nicht auf- j Schal fr ucht
springend | S chlies sfrucht.
Frucht mehrsamig, in den
Nähten aufspringend . Kapseltrucht.
Konsistenz der
Fruchtschale nicht
verändert
Frucht in ihre Karpelle „ -, , r ■, ,
zerfallend . . . . . Spaltfrucht.
Fruchtschale
mit veränderter
Konsistenz
( Fruchtschale verholzt .
! Fruchtschale fieischig-
{ saftig
N u s s.
Fleischfrucht.
A. Die Schal fr ucht und Schliessfrucht.
§ 363. Was charakterisiert die Schalfrucht hezw. Schliessfrucht?
Wenn die Fruchtschale nur einen einzigen Samen um-
schliesst, so verschmilzt sie gewöhnlich mit demselben und
springt bei völliger Reife nicht auf. Wir nennen daher diese
Frucht, welche sich beim Getreide, den Kompositen und in den
Teilfrüchten der Umbelliferen findet, im gewöhnlichen Leben
Samen oder Korn (z. B. Fenchelsamen, Anissamen, Boggen-
korn, Weizenkorn), da man sie bei oberflächlicher Betrachtung
für einen Samen hält. Man nennt diese Frucht bald Schal -
frucht , bald Schliessfrucht, je nachdem sie vom Kelche frei,
oder vom Kelche gekrönt ist.
a) Im Fall der Fruchtknoten mit dem
Kelche nicht verwachsen ist, nennt man
diese Frucht eine Schalfrucht (Caryop-
sis*)), wie beim Getreide; auch wohl ein
aussehen, sofern die Schale härtlich ist,
wie beim Hanf. Fig. 2l4a zeigt den Durch-
schnitt der Schalfrucht des Hahnenfusses.
2) Im Fall der Fruchtknoten unter-
ständig, mit der Kelchröhre verwachsen ist,
heisst die Frucht eine Schliessfrucht,
Achäne (Achaenium), wie wir sie, mit dem Pappus gekrönt,
bei den Kompositen finden (Fig. 214 b). Auch die Teilfrüchte
Fig. 214.
*) caryopsis. nussähnlich, von xapuov (Nuss) und oii? (Gestalt).
396 -
der Umbelliferen sind Schliessfrüehte, wie beim Fenchel, Anis,.
Kümmel.
B. Die Kapsel fr ucht.
§ 367. Was charakterisiert die Kapselfrucht? Die Kapsel-
frucht (Capsula) ist eine mehr sämige, trockene Fruchtr
welche bei völliger Reife in ihren Nähten aufspringt.
Das Aufspringen (dehiscentia) geschieht in der Bauchnaht
oder, bei mehrfächerigen Früchten, in den Seitennähten, zuweilen
auch in der Rückennaht. Die dadurch gebildeten Abschnitte der
Fruchtschale heissen Klappen (valvae) und lösen sich in der
Regel von der Spitze nach dem Grunde hin ab (Fig. 215
und 217); seltener vom Grunde nach der Spitze hin (Fig. 216).
Im Gegensatz zu diesem Aufspringen steht das Zerfallen
der querfächerigen Früchte in Querglieder, wie Fig. 218
Fig. 215.
Für. '216.
Fig. 217.
Fig. 218. Fig. 219.
zeigt. An dasselbe schliesst sich das Auf-
springen mit einem Deckel (dehi-
scentia operculata) an, wie beim Bilsenkraut
(Fig. 219).
§ 2GS. Besondere Formen der Kapsel.
a) Die Hülse (legumen) ist eine
einfächerige, e in karp ellige Frucht,
welche sowohl in der Bauchnaht wie in der
Rückennaht aufspringt, daher in zwei Klappen
zerfällt. Die Samen sitzen an der Bauch-
naht in doppelter Zeile, sodass jede Klappe
397 —
eine Sanienreihe trägt. Bsp. : Bohne, Erbse, Linse. (Fig. 215.)
Die Hülse ist die Fruchtform der sog. Hülsenfrüchtler.
Durch Querwände aus Fruchtmark wird die Hülse öfters
querfächerig, wie bei der Schneidebohne und dem Johannisbrot.
Wahre Querfächer finden wir bei den sogen. Glied hülsen (lo-
menta), welche bei der Reife nicht in Klappen, sondern in Quer-
glieder zerfallen (Fig. 218).
b) Die Schote (siliqua) ist eine z weikarpellige Frucht,
welche durch eine dünne Haut in zwei Längsfächer geteilt
wird, an deren Rändern die Samen sitzen (Fig. 216). Sie
springt, wie die Hülse, in zwei Klappen auf, aber vom
Grunde nach der Spitze zu, wobei die Scheidewand mit
den Samen stehen bleibt. Übertrifft die Länge der Schote die
Breite nur wenig, so wird sie ein Schötchen (silicula) ge-
nannt. Der Unterschied zwischen Schote und Schötchen beruht
also nicht auf den Grösseverhältnissen derselben, sondern auf
dem Yerhältnisse der Länge zur Breite, sodass es kleine Schoten
und grosse Schötchen giebt. Die Schote ist die Fruchtform der
Cruciferen.
Eine querfächerige Schote finden wir beim Rettig und nennen
sie Glied schote (siliqua lomentacea); sie öffnet sich nicht der
Länge nach, sondern zerfällt bei der Reife in ihre Querglieder.
C. Die Spaltfrucht.
§ 369. Was charakterisiert die Spaltfrucht? Wenn eine mehr-
karpellige Frucht bei der Reife in ihre Karpelle zer-
fällt, gleichviel, ob diese sich öffnen oder nicht, so nennen wir sie
eine Spalt fr ucht (schizocarpium*)) und die einzelnen Kar-
pelle Teilfrüchte (mericarpia**)).
Wir finden die Spaltfrucht bei den Umbelliferen aus zwei
Schliessfrüchtchen bestehend,
die an einem zweispaltigen fäd-
lichen Fruchtträger aufge-
hangen sind, weshalb diese
Frucht auch Hänge fr ucht
(cremocarpium) genannt
wurde. Der Fruchtträger kommt
erst bei der Trennung der Teil-
früchte zur Erscheinung. (Fig.
220.) Die Schliessfrüchtchen
springen hierbei nicht auf. —
Die Spaltfrüchte der Gerania-
ceen sind ebenfalls einsamig, Fi§'- 22°-
*) Von ayi£w (spalte) und aocp^o; '(Frucht).
**) Von [jioo; (Teil) und xap^o? (Frucht).
— 398
öffnen sich aber in ihrer Bauchnaht, nachdem sie sich von der
Mittelsäule, an welcher sie zuvor befestigt waren, elastisch abge-
hoben haben. Fig. 221 zeigt die Spaltfrucht von Geranium, a vor
und b nach der Reife. Auch bei Euphorbia und Mercurialis trennt
sich die Frucht in zwei oder drei Knöpfe, die in der Bauch-
und Rückennaht elastisch aufspringen.
D. Die Nu ss.
§ 370. Was charakterisiert die Nuss? Die Nu SS (nux) ist eine
meist einsamige Frucht mit verhärteter Schale welche nicht
aufspringt. So die Eichel (Fig. 222), Haselnuss, Kastanie;
bei diesen wird sie von einer Hülle, der Becherhülle (cupula),
unterstützt, welche die Haselnuss glockenförmig umgiebt, die
Eichel nur am Grunde umfasst, die Kastanie aber völlig ein-
schliesst. Ist die Nuss mit einem Hautrande umgeben, wie bei
der Ulme (Fig. 223), so bezeichnet
man sie als Flügelfrucht (Sama-
ra). Eine solche besitzt auch der
Ahorn und die Esche.
E. Die Fleischfrucht.
§ 371. Welche Früchte gehören zu
den Fleischfrüchten? Je nachdem die
ganze oder nur die äussere Hälfte
der Fruchtschale fleischigsaftig wird,
unterscheidet man zwei Fruchtformen :
*ig. U6. x Die Beere (bacca), mit
völlig saftiger Fruchtschale. Bsp. Johannisbeere, Heidelbeere,
Citrone, Weinbeere. Sie ist teils mit dem Kelche gekrönt, wie
die drei erstgenannten, teils vom Kelche frei, wie die beiden
letzteren. Durch eigentümliche Samenträger
zeichnet sich die Kürbisfrucht (pepo) aus,
deren Querschnitt in Fig. 224 zeigt, wie die
drei Samenträger der dreifächerigen Beere
vom Centrum aus sich als Scheidewand gegen
die Peripherie fortsetzen , daselbst nach zwei
Richtungen umbiegen und wandständige
Samen tragen.
2. Die Steinfrucht (drupa), deren
Fruchtschale aus einem äusseren, fleischig-
saftigen Teile und einem harten, inneren Steine besteht, der die
Samen birgt. An der steinharten Partie hat ein Teil des Meso-
carpiums mit dem Endocarpium teilgenommen; stellt sie ein ein-
ziges Gebilde dar, so wird sie Stein (put amen) genannt, wie
wir ihn bei der Kirsche, Pflaume, "Walnuss sehen. Enthält die
Fig. 222.
Fig. 224.
399
Fier. 225.
Ficr. 226.
Frucht mehrere Steine, so
heissen diese St einfacher
(pyrenae) und die Frucht
eine Steinbeere (bacca
pyrenata), wie die Hollunder-,
Faulbaum- und Kreuzdorn-
beere. (Fig. 225, a von der
Seite, b vom Grunde, c im Querschnitt gesehen.)
Eine zusarnmmengesetzte Beere (bacca composita), her-
vorgegangen aus mehreren beerenartigen Früchtchen, die der-
selben Blüte angehören, finden wir bei der Himbeere und Brom-
beere (Fig. 226 im Längsschnitt).
Nicht zu verwechseln mit der fleischig gewordenen Frucht-
schale ist das sog. Mus (pulpa), welches in vielen Früchten als.
lockeres , zelliges Gewebe die innere Höhlung ausfüllt und die
Samen eingebettet enthält, wie bei den Tamarinden.;
Scheinfrüchte und Fruchtstände.
§ 372. Was sind Scheinfrüchte? Wenn an der Fruchtschale
noch andere Organe Anteil genommen haben, die nicht zum
Stempel gehören, so resultiert eine Scheinfrucht. Bei der
Erdbeere ist es der Blütenboden, bei der Hagebutte die Kelch-
röhre, bei der Maulbeere das Perigon, c
welche an der Fruchtbildung sich be-
teiligen und dieselbe saftig machen.
Zu den Scheinfrüchten gehören : die
Apfelfrucht, Hagebutte undSchein-
beere.
1. Die Apfelfrucht (pornum) ist
eine fleischig - saftige Frucht, mit dem
Kelche (Fig. 227 C) gekrönt, hervorge-
gangen aus mehreren , in der Knospe
getrennten Karpellen (E), welche mit der
sie umschliessenden , fleischig gewor-
denen Kelchröhre (T) verwachsen.
Wir finden die Apfelfrucht bei dem Kernobst, und zwar mit
pergamentartigen Karpellen (Kernapfel) bei dem Apfel, mit
steinharten Karpellen bei der Mispel und dem Weissdorn,
2. Die Hagebutte, Fruchtform der Rose, nähert sich dem
Apfel, jedoch tritt keine Verschmelzung der fleischigen Kelchröhre
mit den Karpellen ein.
3. Die Scheinbeere (bacca spuria), eine beerenartige
Frucht, welche aus verschiedenen Elementen hervorgehen kann.
Bei der Erdbeere wächst der kugelige Blütenboden zur
saftigen Frucht heran und trägt die zahlreichen, nussartigen Schal-
Fig. 227.
Fig
hat d
400 —
früchteben an seiner Oberfläche. Bei
der Maulbeere werden die Peri-
gone der kätzchenartig verbundenen
Blüten saftig und bilden eine zu-
sammengesetzte Scheinbeere.
(Fig. 228). Bei der Wacholder-
beere stammt die Fruchtschale aus
den Karpellblättern dreier Blüten,
die, in der Blütezeit getrennt, bei
der Fruchtreife seitlich mit einander
verwachsen. Am Wirtel der Schein-
beere erkennt man noch die Spitzen
der drei Fruchtblätter. (Fig. 229.) (Man
ie Scheinbeere des Wacholders auch Beeren zapfen genannt.)
§ 373. Fruchtstände. Gewisse Fruchtstände gewinnen das Aus-
sehen einer Einzelfrucht, wie die Feige und der Zapfen.
Die Feigenfrucht (syconium*)) ist ein birnförmiger, an
der Spitze von Schuppen
verschlossener Fruchtstand,
ein sog. Fruchtkuchen,
aus einem Blütenkuchen ent-
standen, und im Innern zahl-
reiche Nüsschen bergend. Fig.
230 zeigt sie im Längsschnitt.
Der Zapfen (conus) der
Nadelhölzer ist ein Frucht-
stand, aus verholzenden
flachen Karpellblättern ge-
bildet, die an ihrem inneren
Grunde nackte d. i. nicht vom
Fruchtknoten umschlossene
Samen bergen. So bei der
Kiefer (Fig. 231), Tanne,
Fichte, Lärche.
Fig. 230.
Fig. 231.
Wir finden den Zapfen, d. i. ein verholztes Fruchtkätzchen,
auch bei einigen Laubhölzern, z. B. der Erle , nennen ihn dann
aber einen Laubholzapfen (strobulus, nicht conus). Yiele
rechnen auch das Fruchtkätzchen des Hopfens zur Zapfenfrucht
(Strobuli Lupuli).
*) Von Guzov (Feige,).
401
Terminologische Bestimmungen.
1. Das Aufspringen (dehiscentia) der Kapselfrucht kann erfolgen:
A. Der Länge nach:
a) Zweiklappig (bivalvis), wie bei der Schote und Hülse.
b) Dreiklappig (trivalvis), wie beim Veilchen.
c) Vierklappig (quadrivalvis), fünfklappig (quinquevalvis)
u. s. f. — Je nach dem Verhältnis der Klappen zu den Scheidewänden
unterscheidet man bei mehrfächerigen Kapseln:
Fig. 232. Fig. 233. Fig. 234.
a) scheidewandspaltig (septicida), wenn die Fächer sich in den
Scheidewänden von einander trennen, Fig. 232, z. B. bei der Zeitlose;
ß) fachspaltig (loculicida), wenn die Fächer in den Rückennähten
aufspringen, so dass die Scheidewände auf der Mitte der Klappen stehen
bleiben, Fig. 233, z. B. bei der Schwertlilie;
y) scheidewandabreissend (septifraga), wenn die Klappen sich
von den Scheidewänden ablösen, während diese in der Axe verbunden
bleiben , Fig. 234. Lösen sich nach Art der Schote die beiden Klappen
einer einfächerigen Frucht vom Samenträger, wie von einem Rahmen ab,
so nennt man die Kapsel schotenartig (c. siliquae-
formis), das Aufspringen ein fensterartiges (fene-
stralis), wie beim Schöllkraut, Fig. 235. —
d) In Zähnen (indentibus) wenn die Klappen nur
an der Spitze sich trennen, wie bei Cerastium, Fig. 236.
e) Spaltig (in rimis), wenn die Klappen in der
Mitte in Spalten sich trennen, wie bei Saxifraga, Oxalis.
f) In Löchern (in poris), wie beim Mohn, wo
sich die Löcher unter der Narbe befinden.
g) In Knöpfen (in coccis), wenn eine mehr-
karpellige Frucht bei der Reife in mehr oder weniger
kugelige Karpelle, Knöpfe (cocca), zerfällt, wie bei
der Wolfsmilch.
B. Der Quere nach:
h) In Querglieder, (lomentacea), bei quer-
fächerigen Früchten, Fig. 218.
i) Mit einem Deckel (operculata) oder rings-
umschnitten (circumscissa), wie beim Bilsenkraut, -p-
Fig. 219. '
2. Der Form nach kann die Frucht sein:
a) Kugelig (globosus), wie die Heidel- und Wacholderbeeren
b) Eiförmig (ovatus), nach unten breiter, wie der Anis.
c) Länglich (oblongus), wie der Fenchel, Kümmel.
d) Kegelig (conicus), wie der spanische Pfeffer.
Schlickum, Apothekerlehrling. 26
235. Fig. 236.
— 402 —
e) Birnförniig (pirifomis), wie die Feige.
f) Dreiseitig (trigonus), wie die Kardamomen.
g) Stielrund (teres), wie der Wasserfenchel.
h) Gedunsen (turgidus), wie die Schötchen von Cochlearia.
i) Zwei- und dreiknöpfig (di- und tricoccus), aus zwei resp. drei
kugeligen Teilfrüchtchen bestehend, wie beim Bingelkraut und der Wolfsmilch.
k) Kahnförmig (cymbiformis), wie das Schötchen von Capsella bursa
pastoris, die Karpelle des Sternanis.
3. Der Oberfläche nach:
a) Glatt (laevis), ohne alle Erhabenheiten und Vertiefungen.
b) Bereift (pruinosus), wie die Pflaume, Wacholderbeere.
c) Warzig (verrucosus), mit rundlichen Erhabenheiten bedeckt.
d) Runzelig (rugosus), mit unregelmässigen Erhabenheiten,
ej Stachelig (aculeateus), wie der Stechapfel.
f) Genabelt (umbilicatus), an einer Stelle nab eiförmig eingedrückt,
wie die Heidelbeere, oder mit vorgezogenem Nabel, wie die Citrone.
g) Gestreift (striatus), mit feinen Linien überzogen, wie Kardamomen,
h) Rippig (costatus), mit vorspringenden Riefen versehen, wie der
Kümmel, Fenchel.
11. Der Same,
§ 374. Die Teile des Samens. Der Same (semen) geht aus
der befruchteten Samenknospe hervor und besteht aus
zwei Teilen: der Samenschale (spermo dermis*)) und dem
Samenkern (nucleus).
Die Samenschale zeigt drei Schichten, deren mittlere (testa)
derb, häufig hart, und gefärbt ist, während die oberste (epi-
dermis seminalis) und innerste (tegmen) dünne, zarte,
blasse Häute bilden. Die Konsistenz und Farbe der Samenschale
hängt also von der testa ab.
Der Samen kern (nucleus) ist der von der Samenschale
umschlossene Teil des Samens und enthält den wesentlichen
Teil des Samens, nämlich den Keim (embryo). In vielen
Fällen besteht der Kern aus dem Keime allein, wie bei Mandeln,
Walnüssen, Bohnen, in allen eiweisslosen Samen; häufig aber,.z. B.
im Getreide, befindet sich neben dem Keime ein besonderes Ge-
webe, das man aus Analogie mit dem Hühnerei Eiweisskörper
(albumen) genannt hat, obschon es nicht aus Eiweiss-Stoffen,
sondern meist aus Stärkemehl besteht. Nach dem Fehlen oder
Vorhandensein dieses Körpers unterscheidet man eiweiss-
h altige (semina albuminosa) und eiweisslose Samen (s. exal-
buminosa). Jene finden wir, ausser beim Getreide, bei den So-
lanaceen, Umbelliferen und Ranunculaceen ; eiweisslose bei den
Rosaceen, Hülsenfrüchtlern und Kruziferen.
Der Eiweisskörper steht mit dem Keim nicht in organi-
schem Zusammenhang und stellt gewöhnlich ein weisses, stärke-
*) Von a-ep[j.a (Same) und oip[j.a. (Haut).
403
Fig. 237.
mehl- oder ölreiches Zellgewebe dar. Er wird beim Keimen der
jungen Pflänzchen als erste Nahrung resorbiert.
§ 375. Anhängsel des Samens.
Häufig bemerkt man an der
Samenschale gewisse Anhängsel,
zu denen zu rechnen sind : a) der
Samenschopf (coma semi-
nalis), ein haarförmiger Besatz,
b) der Samenmantel (aril-
lus), eine Umhüllung des Samens.
Den Samenschopf finden wir bei
Gossypiuni und benutzen ihn
als Baumwolle; die Samen der
"Weiden besitzen einen solchen
am Grunde, die von Cynanchum
an der Spitze. Bei Evonymus
treffen wir einen roten, fleischigen
Samenmantel ; in ähnlicher Weise
umhüllt die als Macis bekannte
Ware (fälschlich Muskatblüte ge-
nannt) den Samenkern (die JNTuces
moschatae , Muskatnüsse) , wie
Fig. 237 in der geöffneten Frucht von Myristica fragrans zeigt.
Die Stachelbeere besitzt einen gallertartigen Samenmantel.
§ 376. Vom Keim. Der Keim (embryo) bildet entweder
allein den Samenkern, oder in Gemeinschaft mit dem Eiweiss-
körper. Im ersteren Falle ist er mehr oder weniger dick, markig-
fleischig, oft mehlreich; im letzteren Falle gewöhnlich dünn, blatt-
artig, oft sehr klein. Die Grösse des Keims steht zu der des
Eiweisskörpers im umgekehrten Yerhältnisse.
Der Keim ist die Anlage zu einer neuen Pflanze.
Der Keim stellt ein oft mikroskopisch kleines Pflänzchen dar,
das Keimpflänzchen, welches mit einem blattartigen Organe,
dem Keimblatt oder Samenlappen, organisch verbunden ist.
Das Keimblatt ist das erste
Blatt desKeimpflänzchens, über-
trifft es aber gewöhnlich sehr an Grösse.
Das Keimpflänzchen (blastema)
ist eine Pflanze im kleinen; es zeigt
ein Würzelchen (radicula), das
beim Keimen zur Hauptwurzel aus-
wächst, sowie ein Knöspchen (gem-
mula, plumula), welches zum Stengel
- 404 -
wird. Zwischen beiden Teilen liegt die Stelle, wo das Wachstum
nach unten sich von demjenigen nach oben scheidet; (Urknoten,
Vegetationspunkt) dicht über dieser Stelle hängt das Keimpflänz-
chen mit dem Keimblatte (Samenlappen) organisch zusammen.
(Fig. 238 und 239: a Würzelchen, b Keimblatt, c Knöspchen.)
Das Keimblatt oder der Samenlappen (cotyledo)
findet sich bald einzeln am Keimpflänzchen, dasselbe scheiden-
artig umfassend (Fig. 239), bald gepaart, zu zwei gegenständig
(Fig. 238), selten zu mehreren wirtelig. Hiernach unterscheidet
man einsamenlappige Gewächse (Monokotyledonen)
und zweisamenlappige Gewächse (Dikotyledonen); die
mit quirlständigen Keimblättern hat man auch wohl als viel-
samenlappige (Polykotyledonen) von letzteren abgetrennt.
Es ist mehr die gegenständige Stellung, weniger die absolute
Zahl, welche die zweisamenlappigen von den einsamenlappigen
Gewächsen unterscheidet.
Bei den eiweisshaltigen Samen treten gewöhnlich die Samen-
lappen beim Keimen als erste Blätter mit dem jungen Pflänz-
chen über die Erde hervor; bei den eiweisslosen Samen sind sie
meist fleischig, dick und bleiben unter der Erdoberfläche, dem
jungen Pflänzchen an Stelle des Eiweisskörpers zur ersten Nahrung
dienend. (Oberirdische und unterirdische Samenlappen,
cotyledones epi- und hypogaeae.)
Die Entwicklung der Samenknospen zu Samen.
§ 377. Die Bildung der Samenknospen. Die ursprünglichste Form
einer Samenknospe ist ein hervorragender, stumpfer Kegel, der mittelst eines
fädlichen Stieles, des Nabelstranges (funiculus), am Samenträger be-
festigt ist. Die Stelle, wo der Nabelstrang in die Samenknospe eintritt,
wird Nabel (hilum) genannt.
Gewöhnlich umgiebt sich die Samenknospe mit einer einfachen oder
doppelten Haut, der Eihaut. Ist sie zweifach, so heisst die äussere Haut
Primine, die innere Secundine. Der von diesen Häuten umschlossene,
wesentliche Teil der Samenknospe bildet den Ei kern (nucellus). Die Stelle,
wo der die äussere Eihaut im „Nabel" durchbohrende Nabelstrang die innere
Eihaut trifft, wird der Hagelfleck (chalaza*)) genannt. Letzterer stellt
den organischen, der Nabel den mathematischen Grund der Samenknospe
dar. Beide Punkte, Nabel wie Hageineck, liegen häufig dicht hinter
einander, häufig aber auch diametral gegenüber ; man erkennt im letzteren
Falle die Fortsetzung des Nabelstranges zwischen den beiden Eihäuten
als Nabelstreifen (raphe). Es giebt eine Stelle an der Samenknospe,
wo die Eihäute eine Öffnung lassen, an welcher der Eikern unbedeckt ist ;
man nennt dieselbe den Ei murid oder das Keimloch (micropyle), und
sieht in ihr die organische Spitze der Samenknospe. Je nach der Lage von
Nabel, Hagelfleck und Keimloch unterscheidet man dreierlei Verhältnisse:
a) Bei der geradläufigen Samenknospe (ovulum ortho-
tropum) liegt der Hagelfleck dicht hinter dem Nabel, das Keimloch ihnen
*) Yon /aXa£w (spalten).
- 405
a
241. Fig
umgewendet ,
242.
dass der
gegenüber. (Fig. 240 a Keimsack im Eikern, b Primine, c Sekundine,
f Keimloch.) Die Axe der Samenknospe ist gerade.
b) Bei der krumm -
läufigen Samenknospe
(ovulum campylotro-
pum) liegen alle drei Punkte
nabe zusammen, der Hagel-
fleck dicht hinter dem Nabel,
das Keimloch (Fig. 241b)
zur Seite, infolge einer VSäf/ W
Krümmung der Axe. \}( e J
c) Bei der gegen- .
läufigen Samenknospe &• v- •
(ovulum anatropum) hat sich der Eikern umgewendet, so
Hagelfleck (Fig. 242 c) dem Nabel gegenüber, das Keimloch (b) neben ihn
zu liegen kommt. Die Axe ist gerade geblieben, aber der Nabelstrang hat
sich als Nab elstreifen zwischen den beiden Eihäuten (d) fortgesetzt und
ist äusserlich als ein den Samen halbumziehender Streifen wahrzunehmen.
Im Innern des Eikerns bildet sich ein langer, dünner Darm, der Keim-
sack (sacculus embryonalis), auf Kosten der übrigen Kernmasse aus, die oft
nur mehr als Haut, sogen. Kernhaut (Tercine) übrig bleibt. Im Keim-
sack entwickelt sich der künftige Keim.
§ 378. Die Befruchtung der Samenknospen. Die Befruchtung
der Samenknospen geschieht durch den Blütenstaub. Über die dabei statt-
findenden Vorgänge ist erst in diesem Jahrhundert Licht verbreitet worden,
und unsere genauere Kenntnis stammt aus mikroskopischen Untersuchungen
der letzten Jahrzehnte.
Der Blütenstaub fällt auf die Narbe und schwillt durch
deren Feuchtigkeit in der Art an, dass durch die Poren
der Aussenhaut ein Teil des Innern als zarter Schlauch,
Pollenschlauch, austritt (Fig. 243). Durch Saftauf-
nahme wächst dieser Pollenschlauch lang aus, dringt durch
den Griffelkanal in die Fruchtknotenhöhle bis zu den Samen-
knospen, an deren Keimloch er sich eng anlegt (Fig. 244
ps). Währenddessen haben sich im Keimsacke der Samen-
knospe, in der Nähe des Keimlochs, zwei kleine Bläschen,
Keimbläschen (Fig. 244k), ausgebildet, von denen in der
Fig. 243.
I. II.
Fig. 244.
et.
Fig. 245.
— 406 -
Regel nur eins befruchtet wird. Die Befruchtung selber besteht in der endos-
motischen Überführung des Pollenschlauchinhaltes in das Keimbläschen,
worauf dieses zum Keim auswächst. Zu letzterem Behufe teilt es sich
zunächst (Fig. 244 II) in zwei Zellen , deren untere allmählich sich ver-
längert zu dem langgezogenen Embryoträger (Fig. 245 et), an dessen
unterem Ende der Keim (e) sich ausbildet.
§ 379. Bildung des Keims. Der Keim entsteht in dem be-
fruchteten Keimbläschen in der Lage, dass das Würz eichen dem Keim-
loch, das Knöspchen dem Hagelfleck zu gewendet ist. Daher ist
seine Axe bei gerad- und gegenläufigen Samen gerade, bei krummläufigen
gekrümmt. Während der Ausbildung des Keims verschwindet der Embryo-
träger allmählich, sodass schliesslich der Keim frei im Samen liegt.
Der Keimsack geht währenddessen entweder in eine Haut (Quintin e)
über, oder er wuchert aus zum Eiweisskörper (sogen. Endosperm);
seltener entsteht letzterer aus dem übrigen Teile des Samenkerns (als sogen.
Perisperm). In noch seltneren Fällen, z. B. beim Pfeffer, ist das Eiweiss
sowohl Endosperm wie Perisperm, deshalb zweischichtig.
Die beiden Häute der Samenknospe werden zur Samenschale, an der
wir den Nabel, Hagelfleck, Nabelstreifen und Keimloch mehr
oder weniger kenntlich wahrnehmen.
Das Keimen der Samen.
§ 380. Bedingungen des Keimens. Das Keimen ist an gewisse
Bedingungen geknüpft, vorzugsweise an hinreichende Feuchtigkeit,
Luft und Wärme. Der Keim befindet sich im Samen im Ruhe-
zustande ; wenn der Same in feuchtes, warmes Erdreich, nicht zu
tief unter die Oberfläche gelangt, sodass die Luft noch Zutritt hat,
beginnt er zu keimen, d. h. das Keimpflänzchen zur neuen Pflanze
auszubilden. Bei den meisten Gewächsen erfordert das Keimen
eine gewisse Zeitdauer, bis das neue Pflänzchen aus dem Boden
hervorkommt. Bei den Kruciferen erscheint es am zehnten, bei
den Kompositen am zwölften, bei den Hülsenfrüchten am vierzehn-
ten, bei den Gräsern am fünfzehnten Tage, bei vielen Obstbäumen
(Pfirsiche, Kastanien u. a.) erst nach einem Jahre.
§ 381. Keimprozess. Das Würzelchen des Keims wächst beim
Keimen abwärts zur Wurzel, das Knöspchen aufwärts zum be-
blätterten Stengel aus. Dabei treten die blattartigen Samenlappen
gewöhnlich als erste Blätter (cotyledones epigaeae) über die Erde,
wie bei den meisten eiweisshaltigen Samen, deren Eiweiss dabei
als erste Nahrung des Pflänzchens resorbiert wird. Bei fehlendem
Eiweiss übernehmen die alsdann fleischigen Samenlappen in der
Kegel diese Aufgabe und bleiben in der Erde (cotyledoneshypogaeae).
Die Monokotyledonen entfalten beim Keimen die ent-
stehenden Blättchen scheidenartig, wie Tuten in einander
gerollt, den Stengel umschliessend. Wir sehen dies beim keimen-
den Gras, den Zwiebeln u. a. und nennen daher diese Gewächse
auch wohl Spitzkeimer (Acroblastae). Das Würzelchen wächst
— 407 —
bei ihnen nicht aus, wird aber bald von sekundären Wurzel-
fasern durchbrochen, welche alsdann die Funktionen der Wur-
zel übernehmen. Daher finden wir bei den Monokotyledonen
keine Hauptwurzel, sondern nur Nebenwurzeln.
Die Dikotyledonen entfalten die ersten Blättchen beim
Keimen blattartig, nicht scheidenartig. Man bezeichnet sie
daher auch wohl als Blattkeim er (Phylloblastae).
Terminologische Bestimmungen.
1. Der Form nach kann der Same (semen) sein:
a) Kugelig (globosum), wie bei der Zeitlose, dem Senf. — b) Vier-
kantig (tetragonum), wie beim Bockshorn. — c) Oval (ovale), wie die
Muskatnuss. — d) Eiförmig (ovatum), wie bei der Quitte ; zugleich zu-
sammengedrückt (compressum), wie bei den Mandeln und dem Lein-
samen. — e) Scheibenförmig (discoideum) und kreisrund (orbi-
eulare), wie bei den Brechnüssen. — f) Nierenförmig (reniforme), wie
beim Bilsenkraut und Stechapfel.
2. Nach der Oberfläche ist der Same:
a) Glatt (ovale), wie die Musskatnuss. — b)Feingrubig (scrobi-
culatum), wie beim Senf, Mohn, Bilsenkraut. — c) Seidenhaarig (seri-
ceum), wie die Brechnüsse. — d) Matt (opacum), ohne Glanz, wie die
Quittensamen. — e) Bestäubt (pulverulentum), wie die Mandeln. —
f) Glänzend (nitidum), wie der Leinsamen.
3. Nach der Lage und Anheftung ist der Same:
a) Aufrecht (erectum). — b) Hängend (pendülum). — c) Wage-
recht (horizontale), — d) Schildstielig (peltaturn) in der Mitte an
den Nabelstrang angeheftet, wie die Brechnüsse.
Fig. 246. Fig. 247. Fig. 248. Fig. 249.
4. Der Keim (embryo) kann sein:
A. Nach seiner Axe: — a) Gerade (rectus), wie bei den Mandeln.
— b) Gekrümmt (curvatus), wie beim Senf, Bockshornsamen.
B. Nach seiner Lage zum Eiweiss:
a) I m Eiweiss eingeschlossen (albumine inclusus), wie beim
Zeitlosensamen (Fig. 246), den Brechnüssen und Muskatnüssen.
b) Neben dem Eiw eis s und zwar: a) grundständig (basilaris),
wie beim Getreide (Fig. 248); ß) endständig (apicalis); y) ringförmig
um das Eiweiss (periphericus), wie bei den Sileneen (Fig. 247).
C. Nach den Samenlappen:
a) Flach (planus), wie bei den Mandeln. — b) Gefaltet (plicatus),
wie beim Senf. — c) Spiralig (spiralis), wie beim Hopfen (Fig. 249).
408 —
II. Pflanzen-Anatomie.
12. Zellen und Zellgewebe.
§ 382. Was ist eine Zelle? Der ganze Pflanzenkörper baut
sich aus unzähligen kleinen Elementarorganen auf, die man
Zellen (cellulae) nennt. Jeder Teil eines Gewächses besteht
aus Zellen und war in seinem Ursprung eine einzelne Zelle. Es
giebt Pflanzen, die zeitlebens nur aus einer Zelle gebildet sind
(einzellige Algen und Pilze); die grosse Mehrzahl der Gewächse
zählen viele Tausende von Zellen. Das Wachstum des Stengels
geschieht durch fortwährende Neubildung von Zellen aus seinen
Enden, ebenso das der Blätter.
1. Der Pflansenkörper mit allen seinen Organen baut sich aus
Zellen auf.
Die Zellen finden sich in der Pflanze in den mannigfachsten
Abänderungen, die sich jedoch alle aus der primären Zelle ableiten.
Im primären Zustande stellt die Zelle ein kugeliges
Bläschen von mikroskopischer Kleinheit dar, mit doppelter
Wandung; die äussere Zellwand besteht aus Cellulose
(Pflanzenfaser), ist verhältnismässig derber Natur, zeigt nirgends
Poren, ist aber mittelst Endosmose für
Flüssigkeiten durchdringbar (permeabel) ; die
innere Zellwand ist gallertartig,
besteht aus eiweissartiger Materie und wird
Protoplasma genannt. Beide Wandungen
umschliessen einen wässerigen Zellsaft, der
im jugendlichen Zustande trübe ist und sich
mit dem schleimigen Protoplasma nicht mischt.
Eig. 250 zeigt eine mehrhundertfache Ver-
grösserung einer jugendlichen Zelle; a deren
Cellulosewand, b das Protoplasma. In letz-
terem bemerkt man eine verdickte Stelle, den
Zellkern (c) und in demselben ein oder mehrere Körperchen, die
sog. Kernkörperchen. Solange die Zelle fortbildungsfähig
bleibt, zeigt die Zellsaft und Zellkern; sind beide verschwunden,
so hört die Portbildungsfähigkeit der Zelle auf — sie ist mor-
phologisch tot und führt Luft. Im Protoplasma gewahrt man
Strömchen von verdickten Streifen, in gewisser Bewegung begriffen.
Fig. 250.
— 409 —
2. Die Zellen sind Bläschen aus einer schleimigen Protoplasma-
schicht mit einem Zellkern gebildet und von einer Cellulosehaut umgeben.
Die Zelle ist der Ort der Lebensfähigkeit der Pflanze, welche
alle ihre Stoffe in ihr bildet.
Erst durch Anwendung sehr kräftiger Mikroskope entdeckte man die
Teile der Zelle. Hooker gab im 17. Jahrhundert zuerst Aufklärung über
das Leben der Zelle, aber erst dem 19. Jahrhundert blieb es vorbehalten,
durch die Arbeiten Schleidens, Meyens, von Mohls u. a., die auf ihr
ruhenden Geheimnisse zu entdecken.
§ 383. Veränderungen der Zellform. Die ursprünglich kugelige
Zelle verändert ihre Gestalt je nach ihrer Ernährung und zwar
kann sie elliptisch, flachgedrückt oder walzenförmig gestreckt
werden, je nachdem die Ernährung von allen Seiten, nur nach
zwei Richtungen oder nur in der Längsrichtung (von unten nach
oben) stattfindet.
k_=.
V
r
Fig. 251.
Fig. 252.
a) Bei allseitiger Ernährung entstehen elliptische Zellen,
wie sie die niedrigsten Pilze zeigen (Eig. 251). Die höheren
Gewächse bauen über und neben einander Schichten auf, in
denen durch den gegenseitigen Anschluss vielseitige (polyed-
rische) Zellen (Eig. 252) entstehen. Bei regelmässiger An-
ordnung nehmen die letzteren die Eorm von Zwölfflächnern
(Dodekaedern) an und erscheinen auf dem Querschnitt als
regelmässige Sechsecke, ähnlich den Bienenwaben.
Ein aus solchen Zellen bestehendes Gewebe nennt man Par en-
chym (Würfelgewebe) und unterscheidet das aus kugeligen oder
elliptischen Zellen gebildete unvollkommene Parenchym
(Eig. 251) der Pilze, Algen und Elechten von dem aus eng zusammen-
schliessenden polyedrischen Zellen gebildeten vollkommenen
Parenchym der höheren Gewächse (Fig. 253c). Letzteres
findet sich vorzugsweise im Marke und der Rinde des Stammes,
in den Blättern, im Fruchtfleisch u. a.
Das Parenchym ist das verbreitetste Gewebe der Pflanze ; es
bildet die Grundlage aller Organe und erhält sich in allen flei-
schigen, saftigen und markigen Pflanzenteilen. Ist es durch un-
— 410 —
regelmässige Luftlücken unterbrochen, so nennt man es schwamm-
förmiges Parenchym; man findet dasselbe auf der Unterseite
der Blätter.
Fisr. 253.
Fig. 254.
Fig. 255.
b) Bei zweiseitiger Ernährung (nur nach der Länge und
Breite), entstehen flache, niedergedrückte, tafelförmige Zellen
(Fig. 253 a, b), deren Querschnitt ein mehr oder weniger lang-
gezogenes Rechteck darstellt. Aus solchen Zellen setzt sich das
tafelförmige Parenchym der Markstrahlen und Oberhaut,
sowie des Korkes (Fig. 253 a) zusammen. Die flachen Zellen
schliessen sich seitlich knapp an einander an.
c) Bei einseitiger Ernährung (in der Längsrichtung) entstehen
cylindrische Zellen (Fig. 254), welche bei fortgesetztem
Wachstum fadenförmig, bandförmig oder prismatisch
(Fig. 255) werden, je nach ihrem Querschnitt. Aus solchen
fadenförmigen Zellen bestehen die Schimmelpilze; dort sind sie
zu einem lockeren Gewebe durcheinander gewirrt (Fig. 254.) Im
Holze der höheren Gewächse setzt sich aus ihnen das Fasergewebe
zusammen, welches Prosen chym genannt wird, wenn die Zellen
mit ihren spitzen Enden sich zwischen einander schieben (Fig. 255),
während die Faserzellen des Bastes mehr stumpf endigen,
auch nicht starr werden, sondern biegsam bleiben.
Die Verschiedenheit der Ernährung lässt sich leicht erklären, denn
dort, wo der Strom des Nährstoffes verläuft und von Zelle zu Zelle dringt,
dehnt sich die Zellwand aus; wo sie nicht mit dem Nährsafte, sondern
mit Luft zusammentrifft, plattet sie sich ab. Alle angeführten Formen,
mit Ausnahme der abgerundeten (kugeligen, elliptischen, fädlichen), ent-
stehen bei der Vereinigung von Zellen dadurch, dass sich die Flächen
gegenseitig abplatten.
§ 384. Veränderung der Zellwand. Sobald die Zelle eine ge-
wisse Ausdehnung erlangt hat, verwendet sie den ihr zugeführten
Nährstoff nicht sowohl zur weiteren Yergrösserung, als vorzugs-
weise zur Verdickung der Zellwand, durch wiederholtes Ablagern
neuer Celluloseschichten auf die Innenfläche der Cellulose-
— 411 —
wand. Man nennt diese Ablagerungen Yerdickungsschichten.
Solche bilden aber keine zusammenhängende Haut, sondern lassen
vielfach Lücken und erscheinen mehr oder weniger einem Spiral-
band ähnlich. Anfangs liegen dessen Windungen eng zusammen,
werden aber bei fortschreitendem Wachstum der Zelle mehr oder
minder auseinandergezogen. Hiernach nehmen die Yerdickungs-
schichten folgende Formen an:
a) Die Zelle wächst nach der Ablagerung der Spirale noch
bedeutend; in diesem Falle entstehen je nach der Stärke des
Wachstums ringförmige, spiralige oder netzartig ver-
zweigte Verdickungsschichten. Wir bezeichnen die mit den-
selben versehenen fadenförmigen Faserzellen als Ringfaser-
zellen, Spiralfaserzellen (Fig. 256 und 257) und Netz-
faserzellen (Fig. 258).
Fig. 256.
Fig. 257.
Fig. 258.
b) Die Zelle dehnt sich nach
Ablagerung der Spirale nicht
oder nur wenig mehr aus; in
diesem Falle weichen die Ver-
dickungsschichten nur in Spalten
und Löchern von einander, ver-
schmelzen im übrigen zu einer
fast zusammenhängenden Schicht.
Hierdurch entstehen poröse
Zellen, von denen sich eine be-
sondere Form im Holz der
f@
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8
Fig. 259.
412
Tannen und Kiefern vorfindet, die man Tüpfelzellen (Fig. 259)
nennt. Die Poren dieser Zellen, sogen. Tüpfel, zeigen zwei
konzentrische Kreise ; der innere Kreis ist die eigentliche Pore in
der Yerdickungsschicht (nicht in der ursprünglichen Zellwand),
der äussere Kreis begrenzt einen rundlichen Raum (Tüpfelraum),
wo die angrenzenden Zellen etwas von einander weichen. In der
Regel resorbiert sich an letzterer Stelle die Zellwand. Fig. 260
erläutert das Yerhältnis des Tüpfelraums zu den beiden Kreisen
im Querschnitt, (a Zellwand, b Tüpfelraum, c dessen Profil.)
c) Findet keine Aus-
dehnung der Zellen bei immer
fortschreitender Yerdickung
statt, so füllt sich das Innere
der Zelle mehr oder weniger
ganz aus, woraus die sogen,
dickwandigen Zellen
hervorgehen, wie wir sie
vielfach im Baste finden.
(Fig. 261 zeigt den Quer-
schnitt einer Bastzelle der
Lärche.) Yerknöchert dabei
die Wandung, so nennen wir
sie Stein zellen, die wir
nicht selten im Rindenkörper,
besonders aber in den steini-
gen Konkretionen der Birnen
(Fig. 262) finden.
Fig. 261.
Fig. 262.
§ 385. Veränderung der Konsistenz und des Inhalts der Zellen.
Die Zelle führt nicht zeitlebens einen wässerigen Inhalt, sondern
nur so lange, wie sie fortbildungsfähig bleibt. Im Laufe der Zeit
ändert sie ihren Inhalt in feste Sekrete um, z. B. in fette oder
ätherische Öle, Harz, Balsam, Stärkekörner, Kleber und dergl.,
oder sie führt Luft. Zugleich wandelt sich auch die Cellulose-
wand häufig in Holz- und Korksubstanz um, wodurch sie ent-
weder starr oder biegsam wird.
Gefässbildung: Zahlreiche Zellen dienen, vermöge dieser
Yerholzung ihrer verdickten Wandungen, zur Stütze des Pflanzen-
körpers, analog dem Knochengerüste der Tiere. Solche Zellen
führen stets Luft und füllen sich nur zur Zeit des Saftüber-
schusses im Frühling mit flüssigem Inhalt. Durch Resorption der
dünnen Zwischenwandungen entsteht aus einer Längsreihe solcher
langgestreckter, luftführender Zellen eine einzige langge-
streckte Röhre, ein sog. Gefäss (vas). Diese Kanäle hielt
man nämlich früher für die Saftgänge, analog den Adern der
- 413
Tiere. Je nach der Form der Verdickung^ -
schichten bezeichnet man die Gefässe als Ring-
gefässe (vasa annulifera) Fig. 263b, Spiral-
gefässe (v. spirifera) Fig. 263a, Net z ge-
fässe (v. retifera), poröse G-efässe (v. porosa)
Fig. 264a, Spaltgefässe oder Treppengänge
(v. scalaria) Fig. 264 b (in mehrhundertfacher
Vergrösserung). Wir finden die Gefässe im Holze,
die Ringgefässe vorzugsweise in schnellwach-
senden Stengeln, z B. der Kürbisse, die Spiral-
gefässe besonders an der Grenze zwischen Holz
und Mark, die Netz- und porösen Gefässe im
späteren Holze, dessen Bildung in eine Zeit
fällt, worin der Stamm sich nur wenig mehr ver-
längert.
Eine besondere Erwähnung verdienen die
Siebröhren, welche sich bei vielen Gewächsen
in den jüngsten Bast -Partien der Gefässbündel
vorfinden und aus übereinander gelagerten Zellen
gebildet werden, deren Querscheidewände nicht
völlig resorbiert, sondern siebartig durchlöchert
sind und aussen eine Anschwellung zeigen. Man
nennt diese Scheidewände Sieb- a
platten. (Vgl. Fig. 274 Bg.)
Mikroskopische Übungen.
Zur Verdeutlichung des Textes und
ersten Übung im Gebrauche des Mikroskops
mögen folgende Untersuchungen angestellt
werden, im Falle ein bis zur hundertfachen
Vergrösserung reichendes Instrument zur
Verfügung steht.
Man beobachte die Präparate, welche
mit einem sehr scharfen Messer (etwa einem
Rasiermesser) in möglichst dünnen Schich-
ten herzustellen und mit einem Tropfen
Wasser anzufeuchten sind, zwischen zwei Glasplättchen bei durchfallendem
Lichte.
1. Ein Tropfen Hefe oder ein winziges Partikelchen Presshefe ver-
teile man in einigen Wassertropfen und beobachte bei einer mindestens
100 fachen Vergrösserung. Die Hefe erscheint dann als ein Haufenwerk
sehr kleiner runder Zellen, teils einzeln, teils kettenartig zusammenhängend,
jede mit einem dunklen Zellkern. — Der Bärlappsamen erscheint unter
dem Mikroskop in tetraedrischen Zellen mit gewölbter Grundfläche und
netzig rauher Oberfläche.
2. Feine Schnitte aus Hollundermark, der Kartoffel, der Meer-
zwiebel, dem weissen Innern der Pomeranzenschale oder dem
Mark der Althäwurzel zeigen unter dem Mikroskop ein sehr schönes,
aus weiten polyedrischen (sechsseitigen) Zellen mehr oder weniger regel-
Fic?. 264.
- 414
massig zusammengefügtes, dünnwandiges und wasserhelles Parenchym. (Der
Schnitt ist sehr dünn auszuführen.)
3. Ein sehr feiner Schnitt aus Kork (eines Stopfens) zeigt ein sehr
regelmässiges Parenchym aus kleinen, vierseitigen, flach niedergedrückten
Zellen, mit nur wenig verdickten Wandungen.
4. Man zerzupfe mit der Nadel kleine Stückchen Leinen-, Baum-
wollen- und Hanf faden (gewöhnlichen Strick) und bringe sie getrennt
unter eine etwa 100 fache Vergrösserung. Sie erscheinen als feine, sehr
lange Faserzellen, die Lein-
und Hanffaser stielrund, letztere
dicker als erstere, die Baum-
wolle aber bandartig flach oder
öfters umgebogen. Fig. 265 zeigt
unter 300 fach er Vergrösserung
L Leinfaser, H Hanffaser, J
Jutefaser, B Baumwolle.
5. Ein sehr feiner Längs-
schnitt aus Tannenholz (eines
Streichzündhölzchens) zeigt bei
mindestens lOOfacher Ver-
grösserung sehr schön getüpfelte
Faserzellen. (Fig. 259.) Die-
selben erscheinen wasserhelL
wenig verdickt und mit einer
Längsreihe von kreisrunden
Tüpfeln, deren innerer Kreis
sich wohl erkennen lässt.
6. Man führe einen sehr
feinen Längsschnitt durch den
Mittelnerven eines Blattes z.B. der Nussblätter aus; er zeigt bei lOO-
facher Vergrösserung neben verdickten Faserzellen langgezogene Spiralgefässe.
u r
Fiar. 265.
13. Der anatomische Aufbau des Pflanzenkörpers.
§ 386. Die Lagerpflanzen. Die niedrigsten Formen der Pflanzen -
gebilde sind die Lagerpflanzen (Thallophy ta), zu denen
die Pilze, Algen und Flechten gehören. Ihr vegetativer Teil
scheidet sich nicht in Stengel, Wurzel und Blätter, sondern
stellt ein mehr oder weniger gleichförmiges Gewebe dar, Trieb-
lager (thallus) genannt, dessen Gestaltung in der Regel die
genannten Organe höherer Pflanzen nachahmt, mithin bald sten-
gelig erscheint, wie bei den grünen Wasserfäden (Konferven),
bald wurzelartig, wie manche Pilze, bald blattartig, wie viele
Flechten, z. B. das isländische Moos. Bei den allereinfachsten j
Gewächsen dieser Art besteht das Ganze aus einer einzigen
Zelle, wie bei der Hefepflanze, bei manchen Algen u. a. Das
Trieblager vieler übrigen wird gebildet von einfachen oder ver-
zweigten, fadenförmigen, mehr oder weniger zusammengedrängten j
415
Zellen, wie bei den Pilzen, deren Lager aus sog. Flocken (hyphae)
besteht. (Fig. 266.) Diese Zellen bilden anfänglich ein ziemlich
lockeres Gewebe, welches in dem Substrate, worin der Pilz wuchert
— Erdboden, Nährpflanze, altes Holz u. dgl. — mehr oder weniger
tief eindringt und dasselbe durchsetzt. Später entwickeln sich aus
demselben verschiedengestaltete Fruchtlager (stroma) von meist
festerer Begrenzung und dich-
terem Gewebe, so der Hut der
Hutpilze, die kugeligen Ge-
bilde der Bauchpilze (Hirsch-
brunst, Trüffel), auf resp. inner-
halb deren sich die Sporen
erzeugen. Den Schimmel- und
Staubpilzen mangeln solche
Fruchtlager.
Bei den Flechten unter-
Fisr. 266.
Fig. 267.
scheiden wir ein krustenartiges, blattartiges und stenge-
liges Trieblager. Das erstere finden wir bei den auf Felsen und
Steinen sitzenden Schriftflechten u. a. , in Form von Warzen,
Strichen und Linien, die aus rundlichen Zellen bestehen. Das
blattartige Lager der Wandflechte, des isländischen Mooses u. a.
zeigt mehrere Zellenscbichten ; die mittlere (Fig. 267 c) setzt sich
aus locker durcheinandergewebten cylindrischen Zellen zusammen
und stellt ein sog. wergartiges Gewebe dar, die wir Mark-
schicht nennen. Beim isländischen Moose finden wir über und
unter demselben ein sog. straffes Gewebe (b), aus dichtge-
drängten Faserzellen bestehend. Die Rindenschicht (a)
wird aus unregelmässig rundlichen Zellen gebildet; sie fehlt manchen
Flechten, zumal den glatt niederliegenden, bei denen einzelne Fasern
der Markschicht als falsche Wurzeln, Haftzasern, hervor-
treten. Die stengeligen Flechten, z. B. die an den Bäumen herab-
hängende Bartflechte, das Rentiermoos u. a., zeigen stets eine untere
und obere Rindenschicht, welche die Markschicht umschliessen.
Bei den Algen (Wasserpflanzen), deren es zahlreiche ein-
zellige giebt, bestehen die mehrzelligen entweder aus einzelnen,
langen Zellenreihen, welche in Form langer, gegliederter, grüner
Fäden als Konferven (Wasserfäden) bekannt sind;
oder aus stengeligen, zuweilen blattartig ausge-
breiteten Geweben (wie bei Laminaria), welche nicht
selten mehrere Schichten wahrnehmen lassen, indem
die äussere Rindenschicht aus kleineren Zellen be-
steht, die Mittelschicht dagegen aus fadenförmigen
Zellen, welche durch eine Gallertmasse gewisser-
massen verschmolzen sind). Fig. 268 auf dem Quer- Fig. 268.
— 416 —
schnitt). Solche dreischichtigen Trieblager finden wir bei den
Tangen, olivengrünen oder braunen Meeralgen, deren Asche (Kelp,
Yarech) auf Jod verarbeitet wird. Die Gallertmasse bildet in deren
Mittelschicht die Zellwände selbst, da diesen Gewächsen die Cellu-
lose fehlt.
§ 387. Die höheren Gewächse (Stockpflanzen). Bei sämtlichen
höher organisierten Pflanzen, von den Moosen bis zu den Baum-
gewächsen , finden wir ein aus Stengel und "Wurzel bestehendes
Axenorgan und seitliche Blattorgane. Wir nennen diese Gewächse
Stockpflanzen (Cormophyta), im Gegensatz zu den vorhin
beschriebenen Lagerpflanzen.
Die Organe der höheren Gewächse enthalten sämtliche Zellen-
arten und Gewebe. Ihre Anordnung soll im folgenden kurz und
übersichtlich angegeben werden.
Wir treffen bei den Moosen die einfachsten Yerhältnisse.
Ihre Wurzeln erscheinen als haarförmige Gebilde, innen hohl und
ohne Querwände, also fädliche Zellen, fähig, allerorten aus dem
Stengel hervorzutreten. Der Stengel ist gestreckt, aus faden-
förmigen, reihenweise neben- nnd übereinander liegenden Zellen
gebildet und seitlich mit Blättern besetzt, welche aus Parenchym
bestehen und von einem oder wenigen einfachen Nerven durch-
zogen sind, deren Zellen sich durch ihre grössere Länge und
geringere Breite auszeichnen. Bei den höheren Moosen treffen
wir im Mittelpunkte des Stengels ein aus langgestreckten Zellen
bestehendes centrales Bündel. Dieses leitet uns über zum Baue
der sog. Gefässpflanzen.
Sämtliche höhere Gewächse bilden die grosse Abteilung der
Gefässpflanzen, benannt nach dem steten Yorkommen von
Gefässen in ihren Organen (Wurzel, Stengel, Blätter). Diese Ge-
fässe bilden sich bekanntlich aus den Paserzellen durch später
erfolgende Resorption der zwischenhegenden Querwände zufolge
des Saftstromes. Wir müssen uns nun die Yerhältnisse folgen-
dermassen vorstellen:
Man denke sich die Axenorgane in ihrer Grundmasse aus
Parenchym gebildet, in welchem von unten nach oben, also
in der Richtung der Axe selber, Bündel von Faserzellen
und Gefässen, sogenannte Gefässbündel, verlaufen, deren
Längsrichtung mit der Axe zusammenfällt. Diese Gefässbündel
stellen durch ihr dichtgedrängtes Beisammenstehen den Holz-
körper dar und umschliessen im Centrum der Axenorgane das
aus Parenchym gebildete Mark, während sie nach aussen von
der ebenfalls aus Parenchym gebildeten Rinde bedeckt sind. Die
Rinde ist selbst wieder überkleidet mit der Oberhaut.
— 417 —
Binde und Mark besieht aus Parenchym, das Holz enthält die
Gefässbündel — Faserzellen und Gefässe.
Sehr häufig sind die Gefässbündel im Holzkörper mit ver-
holztem Parenchym, sogen. Holzparenchym, untermischt.
§ 388. Das Gefässbündel und seine Teile. Die Gefässbündel
(fasciculi vasorum) sind faserige Stränge, welche das Parenchym
der höher organisierten Pflanzen in der Richtung der Axe durch-
ziehen und seitlich in die Äste und Blätter (als Blattnerven) aus-
treten. Sie verfolgen den Stamm von der Wurzelspitze bis zu
den äussersten Enden, dem Dochte einer Kerze vergleichbar. —
"Wir finden die Gefässbündel bei allen höheren Gewächsen, die
man deshalb Gefässpflanzen (plantae vasculares) nennt;
sie fehlen den Pilzen, Algen, Flechten und Moosen, die nur aus
Parenchymgewebe bestehen und im Gegensatz zu jenen Z eilen -
pflanzen (pl. cellulares) heissen.
Jedes Gefässbündel besteht aus einer Anzahl Gefässen
und Faserzellen. Letztere sind teils Prosenchym-, teils
Bastzellen, je nachdem sie verholzen oder biegsam bleiben.
Die ersteren umschliessen gewöhnlich die Gefässe , welche bald
Ring- und Spiralgefässe , bald netzförmige und poröse Gefässe
sind. Dadurch trennt sich jedes Gefässbündel in zwei Teile:
1. einen nach aussen liegenden B a s 1 1 e i 1 (Phloem-Teil), aus
biegsamen Faserzellen gebildet;
2. einen nach innen liegenden Holzteil (Xylem-Teil) , aus
verholzenden Prosenchymzellen und zwischenliegenden Gefässen
bestehend.
Zwischen beiden verlaufen in jedem Gefässbündel die in der
Fortbildung begriffenen Zellpartien als sogenanntes :
3. Bildungsgewebe (cambi um), welches die Verlängerung
und Verdickung des Gefässbündels alljährlich besorgt. Seine Zellen
werden teils zu Bast-, teils zu Prosenchymzellen resp. Gefässen.
Wir finden dieses Bildungsgewebe regelmässig an der unteren
und oberen Spitze des Gefässbündels, aber auch oft im Verlaufe
desselben; es kennzeichnet sich durch seine dünnen Zellwände
und strotzt von trübem Nahrungsaft.
Die Gefässe zeichnen sich auf dem Querschnitt durch ihre
Weite aus, worin sie die Bast- und Prosenchymzellen bedeutend
übertreffen und häufig schon mit blossen Augen als feine Poren
sichtbar sind. Sie befinden sich, wie oben angegeben, stets im
Holzteil der Gefässbündel.
§ 389. Das kryptogame und rnonokotyledonische Gefässbündel. Bei
den Gefässkryptogamen und Monokotyledonen durchziehen die
Gefässbündel Stamm und Wurzel einzeln, zerstreut und von
Schliokum, Apothekerlehtling. 27
418 -
einander durch parenchyma-
tisches Gewebe getrennt. Fig.
269 zeigt sie als ovale Partien,
wie sie auf dem Querschnitt
eines Monokotyledonen-Sten-
gels mit der Lupe sichtbar sind.
Den Gefässbündeln der K r y p-
t o g a m e n mangeln die Faser-
zellen; sie bestehen nur aus
Gefässen, welche umgeben sind
von parenchymatischem Ge-
webe (herrührend vom Bildungsgewebe). Die Ge-
fässbündel der Monokotyledonen zeigen eine be-
stimmte Anordnung ihrer Teile : Nach der Peripherie
des Stammes zu stehen die Bastzellen, nach dem
Centrum des Stammes zu das Prosenchym mit den
Gefässen ; zwischen beiden Teilen liegt das Bildungs-
gewebe, welches aber nur an der Spitze der
Wurzel wie des Stammes fortbildungsfähig
bleibt, im Zwischenverlaufe sich aber frühzeitig in
ein klares, fortbildungsunfähiges Gewebe umgesetzt
hat. Daher kommt es, dass der Stamm der Mono-
kotyledonen und Kryptogamen in seinen späteren
Lebensperioden nicht mehr in die Dicke, sondern nur mehr in die
Länge wächst. Die Palmen und baumartigen Farne werden von
Jahr zu Jahr höher, ohne viel an Dicke zuzunehmen. De Can-
dolle nannte diese Gewächse Innenwüchsige (Endogenae),
sich stützend auf den Yerlauf der Gefässbündel , welche sich in
einem langgestreckten Bogen aus dem Innern nach aussen be-
geben und in die Blätter eintreten, wie Fig. 270 im Längs-
schnitte zeigt.
§ 390. Das dikotyledonische Gefässbündel. Bei den Dikotyle-
donen sind die Gefässbündel in einen Kreis gestellt;
ihre Bastzellen liegen nach aussen zu, ihr Holzteil mit den Ge-
fässen nach innen, zwischen beiden Teilen das Bildungsgewebe,
welches zufolge der ringförmigen Anordnung der Gefässbündel
durch seitliches Zusammenstossen eine ringförmige Schicht um
den Holzteil bildet und nicht allein an den Endpunkten, sondern
im ganzen Verlauf der Gefässbündel fortbildungs-
fähig bleibt, wodurch jährlich nicht allein das Gefässbündel sich
verlängert, sondern auch verdickt, indem das Kambium alljährlich
nach aussen neue Bastzellen, nach innen neue Holzzellen und
Gefässe ansetzt. Der Gefässbündelkreis (Fig. 271 und 272) schliesst
in dem Centrum das parenchymatische Mark ein und ist selbst
Fig. 270.
419
; Fig. 271. Fig. 272.
Querschnitt eines Dikotylenstengels Querschnitt eines Dikotylenstengels
im ersten Jahre. im zweiten Jahre.
a Mark, b Rinde, c Markstrahlen, d Kambiumring.
wieder von der Kinde umgeben. Die Dikotyledonenstämme, zu
denen unsere sämtlichen europäischen Holzgewächse zählen, zeigen
daher nicht allein alljährlich eine Verlängerung, sondern auch eine
Verdickung. De Candolle hat sie deshalb Aussenwüchsige
(Exogenae) genannt.
Wenn der Dikotyledonenstamm ausdauert und sich von Jahr
zu Jahr verdickt, wie dies unsere Bäume thun, so nähern sich
ihre Grefässbündel zu einem Einge; ihre Bastteile schliessen sich
zu einem Bastringe, ihre Holzteile zu einem Holzring zu-
sammen, zwischen beiden liegt der Kambiumring. Dadurch wird
das zwischen den einzelnen Gefässbündeln restierende Parenchym
zu den sogen. Markstrahlen zusammengedrückt , welche vom
Mark strahlenförmig zur Rinde treten und zufolge des Druckes
aus tafelförmigen Zellen bestehen.
Mikroskopische Übungen.
1. Die Wurmfarn wurzel (Rhiz. Filicis) zeigt unter der Lupe auf
dem Querschnitt ein gleichförmiges markiges Gewebe, in welchem in 1 — 2
Kreisen einzelne Gefässbündel zu erkennen sind (Fig. 273 a Durchschnitt
durch den Wurzelstock, b durch die Wedelreste).
Unter dem Mikroskope erblickt man rundliche, polyedrische Paren-
chymzellen, in denen die einzelnen Gefässbündel liegen, durch enge ver-
holzte und dunkle Zellen scharf abgegrenzt und ziemlich weite, auf dem
Längsschnitt als Treppengänge erkennbare Gefässe enthaltend.
2. Durchschneidet man den Stengel eines Schachtelhalms und be-
trachtet ihn bei mehrhundertfacher Vergrösserung, so bietet sich das Bild
von Fig. 274. Neben dem grossen centralen Luftgange (L) verlaufen Spiral-
gefässe (G), daneben Parenchym (Bg), Siebröhren (Bg) und zu äusserst Bast-
fasern (Bf).
3. Die Sarsaparillwurzel zeigt auf dem Querschnitte des Holz-
rings bei mehrhundertfacher Vergrösserung, (Fig. 275) zunächst der Kern-
scheide (Sp), die aus nahezu quadratischen Zellen gebildet ist, den Bastteil
(Bp) eines Gefässbündels mit Siebröhren (Bg), umgeben von engen, dick-
27*
— 420
- c.
Fig. 273.
wandigen Holzparenchyruzellen,
welche nach Innen zu einzelne weite
Gefässe umgrenzen; letztere zeigen
sich auf dem Längsschnitte als
Treppengänge.
4. Die Bittersüss-Stengel (Stip.
Dulcamarae) zeigen bei mehrhundert-
facher Vergrösserung , (Fig. 276) zu
äusserst eine von der Oberhaut (a) be-
deckte Korkschicht (b) von braunen,
tafelförmigen Zellen, unter denselben
grünes Rindenparenchym (c), da-
runter den Bast (d) in engen Röhren,
durch das Kambium
(e) vom Holzteile ge-
trennt; letzterer be-
steht aus langen ,
starkverdickten Pro-
sen chymzellen (f) mit
einzelnen , weiten ,
porösen Gefässen (g),
zu innerst Spiralge-
fässe (g') zeigend. An
letztere schliesst sich
das Mark (C) aus regel-
mässigem Parenchym
gebildet.
Auf dem Längs-
schnitte erkennt man
ausserdem die Mark-
strahlen (x) aus quer-
gestreckten Paren-
chymzellen.
Fig. 275.
Sp. Kernscheide, Bp. Bastparenchym, Bg Siebröhren,
G Gefässe.
— 421
Fig. 276.
Querschnitt (oben)
und dem entsprechen-
der Längsschnitt (un-
ten) durch einen Diko-
tylenstamm.
A. Rinde (cortex).
a) Oberhaut (epider-
mis)
b) Kork (periderma)
c) Mittelrinde (meso-
phloeum)
d) Bast (über)
e) Kambiumring (an-
nulus cambialis).
B. Holz (lignum).
f) Prosenchym (Holz-
zellen)
g) Poröse Gefässe
g1) Spiralgefässe
x) Markstrahlen (radii
medulläres).
C. Mark (medulla).
Fig. 276.
14. Spezielle Anatomie der Pflanzenorgane.
§ 391. Anatomischer Bau von Wurzel und Stamm. Die Axenor-
gane der höher organisierten Pflanzen, Wurzel und Stamm, be-
stehen aus drei konzentrischen Schichten; sie zeigen
1. zu äusserst die Rinde (cortex), aus Parenchym ge-
bildet und von der Oberhaut bedeckt;
2. unter ihr eine Gefässbündelschicht, das sog. Holz (lignum);
3. im Mittelpunkte das Mark (medulla), aus Parenchym-
zellen bestehend.
Bei den Gefässkryptogamen und Monokotyledonen verlaufen
die Gefässbündel zerstreut zwischen Rinde und Mark, so zwar,
dass sie nach dem Marke zu weniger dicht gedrängt stehen, wo-
durch das Mark keine feste Umgrenzung besitzt. Die Rinde be-
steht bei diesen Gewächsen nur aus regelmässigem Parenchym,
ist von der Oberhaut überdeckt und von der Gefässbündelschicht
(Holzkern) durch eine aus einer oder wenigen Zellreihen be-
stehenden sog. Kern scheide (Endodermis) gesondert.
Bei den Dikotyledonen haben sich die Gefässbündel zu einem
— 422 —
Kreise zusammengeschlossen, welcher durch das alljährliche Ver-
dicken der Gefässbündel immer dichter wird und das zwischen-
liegende Parenchym in schmale Markstrahlen zusammen-
drängt. Durch den Kambiumring, dessen Lebensdauer anhält,
findet nun im Gefässbündelkreis eine Scheidung statt, sodass der
aussen befindliche Bastteil desselben als Bastring sich abtrennt
und beim Abschälen der Rinde mit dieser zusammen sich ablöst,
da hierbei die Scheidung innerhalb des saftigen Kambiums statt-
findet. Der Bast bildet daher gewissermassen eine innere Rin-
denschicht und wird Innenrinde (cortex interior) genannt.
Er besteht nur aus Faserzellen und ist, wie das Holz, von den
Markstrahlen durchzogen.
Hiernach enthält das Holz der Dikotyledonen nur das Pro-
senchym mit den Gefässen, und zwar nach innen
zu mit Ring- und Spiralgefässen , nach der
Peripherie zu mit porösen Gefässen. Das ältere
Holz liegt innen und zeichnet sich durch seine
Härte aus: Hartholz (duramen); das junge
Holz liegt aussen und ist weicher : Splint
(alburnum.)
Durch das jährliche Ansetzen neuer Holz-
partien von Seiten des Kambiumrings entstehen
die Jahresringe, die wir an dikotylischen Holz-
-p. 977 stammen wahrnehmen. (Fig. 277). Das Holz wird
von den Markstrahlen (r) radial durchschnitten.
Während im Monolwtyledonenstamm das Mark nicht fest um-
grenzt ist, auch weder Markstrahlen, noch Bastring vorhanden sind,
die Binde daher einfach ist, sehen wir beim Bikotyledonen-Holzstamm
einen Bastring als Innenteil der Binde, sowie strahlig geordnete
Markstrahlen und ein festumgrenztes Mark.
Die Grenzlinie zwischen dem Holzring und dem Mark der
Dikotyledonen heisst Markscheide.
§ 392. Intecellularsystem. Durch das Auseinanderweichen be-
nachbarter Zellen entstehen im Parenchym Lücken — Inter-
cellularräume, meist grössere, unregelmässige Räume, die
durch Intercellulargänge, dreieckige enge Kanäle, mit
einander in Verbindung stehen.
Es bilden sich auch vielfach grössere Lücken im Parenchym
durch Rücksaugung von Zellen; diese sind alsdann mit Luft
erfüllt und heissen Luftlücken Wir finden sie in vielen
Stengeln, in denen der Wasserpflanzen als weite Luftgänge.
Wenn sich gewisse Zellenreihen oder auch Intercellulargänge
mit Harz, Gummi oder Schleimharz füllen, so entstehen die Harz-
tmd Balsamgänge (ductus oder receptacula balsamifera), welche
— 423 —
sich reichlich im Bast und Holz der Koniferen, Terebintbaceen
und Mimosen finden. In den Früchten vieler Umbelliferen sind
gewisse Zellgänge mit ätherischem Öle gefüllt, sogen. Ölstriemen
(vittae). Im Baste mancher Gewächse existieren veränderte
Bastzellen mit einem weissen Milchsafte, sogen. Milchsaft-
gefässe. Dieser Milchsaft (latex) cirkuliert Eicht in der
Pflanze und fiiesst aus den Verwundungen, die man dem Stengel
beigebracht , aus ; er besteht aus kleinen Harztröpfchen , die in
einer gummihaltigen Flüssigkeit schwimmen , wie die Butter-
kügelchen in der Milch. Wir finden einen weissen Milchsaft bei
der Euphorbia, einen orangegelben bei Chelidonium. Der Milch-
saft von Ficus elastica liefert durch Eintrocknen den Kautschuk,
derjenige von Isonandra Gutta die Guttapercha, derjenige der
Mohnköpfe das Opium u. s. f.
§ 393. Der Bau der Rinde. Die Binde der Kryptogamen und
Monokotyledonenist aus Parenchym gebildet, einschichtig und von
der Oberhaut überlagert. Bei den Dikotyledonen unterscheiden wir:
1. Die Oberhaut als Aussenrinde,
2. das eigentliche Bindenparenchym als Mittelrinde,
3. die Bastschicht als I n n e n r i n d e.
Beim Ablösen der Binde wird nämlich wegen der saftigen
Beschaffenheit des zwischen Bast und Holz gelegenen Kambiums
ersterer von letzterem getrennt.
Im Bindenparenchym finden wir häufig Konkretionen, körnige
Massen, aus sog. Steinzellen gebildet, deren Wandungen sehr
verdickt und verholzt sind. (Fig. 262.)
Durch die alljährliche Ablagerung neuer Bastschichten von
Seiten des Kambiums gewinnt der Bast eine geschichtete Fü-
gung aus sehr dünnen Bastringen. Auch wird er von den
Markstrahlen durchsetzt, ähnlich wie das Holz. Je nach der
näheren Beschaffenheit der Bastfasern und Bastschichten gestaltet
sich die Bruchfläche der Rinden. Man unterscheidet nämlich :
a) einen band faserigen Bruch, mit lang hervorragenden,
bandartigen Bastschichten , wie bei der Eichenrinde, dem Seidel-
baste; b) einen steiffaserigen Bruch, mit vielen feinen,
starren Fasern im Baste, wie bei der Chinarinde; c) einen blät-
terigen Bruch, mit kurzvorragenden, blätterigen Bastschich-
ten, wie bei der Angosturarinde ; d) einen glatten Bruch, wie
bei der Granatrinde, dem Zimt, der Kaskarille.
§ 394. Die Oberhaut. Die oberste Schicht sämtlicher Pflanzen-
organe wird von einer sehr dünnen Zellenlage gebildet und ist
im jugendlichen Zustande aus sehr zartwandigen Zellen
mit wasserhellem Safte zusammengesetzt, welche enge zusam-
menschliessen, ohne Öffnungen zu lassen. Man nennt
- 424 —
diese Schicht Epithelium und findet sie auf allen jugendlichen
Pflanzenteilen, an denen sie sich aber sehr bald umändert. Stark
absondernde Organe, vorzugsweise die Blumenkrone und Narbe,
bewahren übrigens ihre Epithelschicht dauernd.
An den Wurzelzasern verändert sich das Epithelium in derb-
wandige, tafelförmige Zellen, ohne Zwischenöffnungen, und heisst
dann Epiblema. Es löst sich an den Endspitzen der Zasern
beständig ab, während unter ihm neue Epiblemaschichten ent-
stehen; jene älteren umgeben die Spitze als sog. Wurzelhaube
und erteilen ihr ein schwach angeschwollenes Aussehen.
An den der Luft ausgesetzten Pflanzenorganen platten sich
die Zellen der Oberhaut ebenfalls ab, werden nach aussen hin
derbwandig durch Ansetzung von Yerdickungsschichten (Kutikular-
schichten) und sondern ein gleichförmiges, äusserst feines Häutchen
(cuticula) ab, an dem man weder Schichtung noch zelligen Bau
wahrnehmen kann. Fig. 278 zeigt unter sehr starker Yergrösserung
eine Keihe Oberhautzellen (a) mit den Kutikularschichten (b) und
der cuticula (c). Häufig bedeckt sich letztere noch mit einer
dünnen Lage wachsartiger Körnchen, der Wachsschicht, welche dem
Organe ein bereiftes Aussehen erteilt. Was diese Oberhaut
(epidermis) sämtlicher oberirdischer Teile besonders charakteri-
siert, sind die Spaltöffnungen (stomata), nämlich die Aus-
Fig. 278.
Fig. 279.
Fig. 280.
gänge der Intercellularräume , welche die Kommunikation des
Inneren mit der äusseren Luft gewähren und besonders zahlreich
auf der Unterfläche der Blätter sich finden. Die Spaltöffnungen
werden von zwei halbmondförmigen Zellen (Fig. 279) gebildet.
Fig. 280 zeigt eine solche im Durchschnitt ; a die halbmond-
förmigen Schliesszellen, b der Intercellularraum (Atemhöhle).
§ 395. Der Kork. In der Rinde sehr vieler Gewächse, massen-
haft bei der Korkeiche, entsteht bei zunehmendem Alter ein
eigenes Zellgewebe, der Kork. Er fehlt allen jugendlichen
— 425 —
Pflanz enteilen; -wo er sich bildet, veranlasst er das Absterben der
überliegenden Kindenschichten , die sich dann als sogen. Borke
(rhytidoma) in ganzen Stücken ablösen. Beispiele liefert uns die
Mehrzahl der Baumgewächse , deren Rinde im späteren Lebens-
alter rissig oder auch lederartig glatt erscheint. Man unterschei-
det nämlich zwei Arten von Kork: Schwammkork (suber)
und Lederkork (periderma). Beide bestehen aus tafelför-
migen, mit Luft erfüllten, nur schwach verdickten Zellen, deren
Wandung in Korksubstanz übergegangen ist (Fig.
253a). Die Zellen des Schwammkorks liegen in vielen Schichten
übereinander, sind kaum verdickt und wenig dehnbar; diejenigen
des Lederkorks bilden nur wenige Zellenschichten, zeigen stärkere
Verdickungen und grössere Dehnbarkeit. Daher tritt der Schwamm-
kork massig auf (wie besonders bei der Korkeiche), wird aber
später rissig; Gewächse mit Schwammkork, z. B. Birnbäume,
ISTussbäume, zeigen deshalb auch stets eine zerrissene, aufgebor-
stene, borkige Rinde. Der Lederkork bleibt stets dünn und be-
wahrt der Rinde eine glatte, glänzende Aussenfläche, wie sie der
Kirschbaum, die Birke und Buche zeigen.
Borke wie Kork sind schon am lebenden Baume trocken;
erstere unterscheidet sich vom Korke durch deutliche Schichtung,
da sie aus ganzen Rindenpartien besteht. Bei den Platanen löst
sich die Borke jährlich in grossen Platten ab (Plattenborke), beim
Weinstock dagegen ringförmig (Ringborke), während der Schwamm-
kork der Korkeiche niemals abblättert.
§ 396. Anatomie der Blattorgane. Die Blätter bestehen 1. aus
Gefässbündeln, die als Blattnerven vom Blattstiel aus die Blatt-
fläche durchziehen und zumal reich an Spiralgefässen sind, sowie
2. aus Parenchym, welches die Blattsubstanz zwischen den Ner-
ven bildet. Das Blattparenchym ist zumal reich an Chloro-
phyll, welches dem ganzen Gewebe die intensiv grüne Farbe er-
teilt. Man erkennt an dem Blattparenchym eine obere, sowie
eine untere Oberhaut, aus eng zusammengestellten, tafel-
förmigen Zellen gebildet; zwischen beiden befindet sich die
Mittelschicht, deren obere Zellenlagen enger ^"^pprTTTTFrTIS
beisammenstehen, während die unteren Lagen
zahlreiche Luftlücken zeigen, welche mit den
vielen Spaltöffnungen (Fig. 281a) der
Blattunterfläche kommunizieren und die Respi-
ration des Pflanzenkörpers vermitteln helfen. Fig.
281 zeigt einen sehr vergrösserten, senkrechten
Schnitt durch eine Blattfläche. Nur die schwim- «• '<*• «■■
inenden Blätter der Wasserpflanzen besitzen Fig< 2Sl-
die Spaltöffnungen auf ihrer Oberfläche. Bei den meisten Blättern
426 —
sind die Parenchymz eilen dünnwandig- und bilden ein lockeres
Gewebe ; die 1 e d e r i g e n Blätter zeigen zahlreiche Zellschichten
mit verdickter "Wandung, zumal in der Oberhaut. Bei den dicken
fleischigen Blättern ist das dünnwandige Parenchym der Mittel-
schicht stark vermehrt.
Mikroskopische Übungen.
1. Die Hauhechelwurzel (Rad. Ononidis) zeigt auf dem Querschnitt
unter der Lupe betrachtet (Fig. 282) ein sehr kleines Mark, von welchem
abwechselnd hellere und dunklere Strahlen bis zur dünnen Rinde ausgehen;
zugleich bemerkt man einen oder mehrere Jahresringe. Nimmt man einen
feinen Quer- und Längsschnitt unter das Mikroskop, so findet man die
dunkleren Holzstrahlen bestehend aus dickwandigen Holzzellen und weiten
porösen Gefässen, die helleren Partien aus Parenchym.
2. Die Seifenwurzel (Rad. Saponariae) zeigt auf dem Querschnitt
unter der Lupe (Fig. 283) ein centrales Mark, strahliges Holz und ziemlich
dicke Rinde, die sich deutlich in Bast und Mittelrinde trennt; letztere ist
mit einer dünnen, rotbraunen Aussenrinde bedeckt. Unter dem Mikroskop
zeigt das Mark, wie die Mittelrinde Parenchym, die Holzstrahlen neben
Holzzellen poröse Gefässe, der Bast schmale Faserzellen.
3. Die Löwenzahnwurzel (Rad. Taraxaci) zeigt unter der Lupe auf
dem Querschnitt (Fig. 284) einen gelben Holzkörper ohne Mark, umgeben
von sehr dicker, aus konzentrischen Kreisen bestehender Rinde. Unter
dem Mikroskop zeigt die Rinde nach aussen zu weitere, nach innen zu
dagegen enge, regelmässig geordnete, zusammenschliessende Parenchym-
zellen, unterbrochen durch tangentiale, dunkler getärbte Kreise. Das Holz
zeigt im Längsschnitt zahlreiche Spiral- und Netzgefässe.
Fig. 282.
Fig. 283.
284.
Fi<?. 285.
Fig. 286.
4. Die Engelwurzel (Rad. Angelicae) zeigt unter der Lupe auf dem
Querschnitt ein centrales Mark (Fig. 285 m), einen mit Strahlen durch-
setzten Holzring (h), der von der dicken Rinde (r) durch den Kambiumring
(k) getrennt ist. Die Baststrahlen, kenntlich durch gelbbraune Färbung,
enthalten zahlreiche Balsamschläuche in Form gelber Punkte (auf dem
Querschnitt).
Unter dem Mikroskop zeigt das Holz strahlig- geordnete Gefässbündel
mit weiten Gefässen, zwischen ihnen dunklere, kleinzellige Markstrahlen.
Die Rinde erscheint im Längsschnitt als ein aus ziemlich grossen Zellen
bestehendes parenchymatisches Gewebe mit langfaserigen Bastpartien, welche
sehr weite, lange, mit gelbem Balsam erfüllte Schläuche enthalten. (An den
Wurzelästen sind diese Verhältnisse sehr gut zu erkennen.)
5. Die Sarsaparillwurzel zeigt unter der Lupe auf dem Querschnitt
(Fig. 286) ein weisses, centrales Mark (m), umschlossen von einem gelben
Holzring (h), von dem die weisse, bastlose, nicht strahlige Rinde (r) durch
die Kernscheide scharf abgetrennt ist.
- 427
Auf dem Querschnitt erkennt man durch das Mikroskop die Rinde wie
das Mark aus weiten Parenchymzellen bestehend; die Kernscheide stellt
eine einzige Reihe vierseitiger, bei der Sarsaparilla von Honduras nahezu
quadratischer Zellen (Fig. 275 Sp) dar; der Holzring besteht aus dicht-
gedrängten Gefässbündeln mit engen, dickwandigen Holzparenchymzellen
und einzelnen, weiten Gelassen, welche sich auf dem Längsschnitt als
Treppengänge zeigen; Markstrahlen fehlen vollständig. Jedes Gefäss-
bündel besitzt nach der Kernscheide zu ein Bastbündel (Bp, Bg).
6. Die Sandseggenwurzel (Rhiz. Caricis) zeigt unter der Lupe auf
dem Querschnitt eine breite Rinde mit einer Reihe weiter Luftgänge
(Fig. 2871); dieselbe umschliesst durch die Kernscheide (k) ein rundes
Centrum (m) mit zerstreuten Gefässbündeln (h), welche durch markiges
Gewebe getrennt sind.
Unter dem Mikroskop erkennt man auf
dem Querschnitt die Rinde aus einer gelben
dichteren Aussen- und weissen lockeren Mittel-
rinde bestehend, gebildet aus Parenchym,
ohne Bast. Die Kernscbeide zeigt eine Reihe
verdickter gelblicher Zellen : die Gefässbündel
enthalten 2 — 3 weite poröse Gefässe, um-
geben nach innen von engen Holzfaserzellen,
nach aussen von Bastzellen. Zwischen den
einzelnen Gefässbündeln erkennt man Pa-
renchym, ähnlich dem in der Mittelrinde.
7. Die Faulbaumrinde (Cort. Frangulae) zeigt unter
der Lupe auf dem Querschnitt (Fig. 288) eine dünne, rot-
braune Korkschicht (o), darunter eine farblose Mittelrinde
(m), welche allmählich in die Bastschicht übergeht; letztere
wird von schmalen, gelben Markstrahlen radial durchzogen.
Unter dem Mikroskop erkennt man auf dem Querschnitt
die Zellen der Korkschicht, dicht gedrängt, klein, die äusseren dunkel braun-
rot, die inneren farblos; ohne Übergang folgen die dickwandigen Zellen
der Mittelrinde, auf diese der Bast, dessen Röhren (auf dem Längsschnitt
kenntlich) lang und verdickt, in tangentiale Reihen gestellt und von Paren-
chymzellen umgeben sind. Die Markstrahlen erscheinen als goldgelbe, radial
gestreckte Zellen in schmalen, einzeiligen Reihen.
8. Von der Unterfläche eines Blattes ziehe man die blasse, sehr
dünne Oberhaut ab und betrachte sie durch das Mikroskop. Man nimmt
die unregelmässige, geschlängelte Umgrenzung der Oberhautzellen nebst
zahlreichen Spaltöffnungen wahr. (Fig. 279.) — Spaltet man die Spaltfläche
in zwei halbe Schichten, so erkennt man an jeder das mit Chlorophyll ge-
füllte Parenchym, zwischen dem die langgestreckten Gefässe und Faser-
zellen der Nerven verlaufen.
Fiff. 287.
Fig. 288.'
15, Das Leben der Pflanzenzelle.
§ 397. Wie entstehen die Zellen? Die Frage, ob sich in einer
organische Nährstoffe (Eiweiss, Zucker, Salze) enthaltenden Flüs-
sigkeit Zellen von selbst erzeugen können (Generatio aequi-
voca), ist noch eine vielbestrittene. Gleichwohl neigt man sich
mehr ihrer Verneinung zu, indem erwiesen ist (durch Pasteurs
Versuche) , dass in einer zuckerhaltigen Flüssigkeit keine Hefen-
- 428 —
bildung und Gährung eintritt, sofern die zutretende Luft durch
Baumwolle filtriert wird, weil die in der Luft schwimmenden
Keime der Schimmelpilze (welche die Hefe erzeugen) darin zurück-
gehalten werden. Man kann daher mit grosser Wahrscheinlichkeit
den Satz aufstellen:
Eine Zelle bildet sich nur innerhalb einer Mutterzelle.
Die Art der Zellvermehrung im Pflanzenreich ist im allge-
meinen die nämliche: es teilt sich die Mutterzelle in
mehrere Tochterzellen und wird nach deren Ausbildung
resorbiert. Der Ausgangspunkt der Teilung ist der Zellkern,
daher auch Zellen, deren Zellkern nicht mehr vorhanden, fort-
bildungsfähig geworden sind. Der Zellkern teilt sich in zwei oder
mehr Partien, zwischen denen alsdann, vom Protoplasma aus,
Scheidewände sich bilden, sodass der Raum der Mutterzelle völlig
in zwei oder mehrere Tochterzellen geteilt wird. Die Umgrenzung
jeder Tochterzelle mit einer äusseren Celluloseschicht vollendet
den Akt, und der Zusammenhang der einzelnen Tochterzellen
hört mit dem Yerschwinden der Mutterzelle auf. Man nennt
diesen Vorgang Zellbildung durch Teilung, im Gegensatz
zu der freien Zellbildung, die nur in seltenen Fällen*)
stattfindet und darin besteht, dass in der Mutterzelle neue Zell-
kerne entstehen, um welche das Protoplasma Hüllen bildet, die
zu neuen Zellen auswachsen, während die Mutterzelle noch be-
stehen bleibt. (Die Tochterzellen füllen hierbei nicht den ganzen
Raum der Mutterzelle aus.)
§ 398. Wie findet die Ernährung der Zellen statt? Da die Zellen
geschlossen sind, geschieht die Aufnahme des Nahrungs-
saftes durch die Zellwand mittelst Endosmose, wie auch bei
dialytischen Yersuchen die Durchdringbarkeit der pflanzlichen
Membran benutzt wird. Die Zellen der Wurzelzasern saugen in
dieser Weise die Nahrungsflüssigkeit aus dem Erdreich und fäh-
ren sie von Zelle zu Zelle durch den ganzen Pflanzenkörper hin-
durch bis zu dessen Zweigspitzen und Blättern. In letzteren
erlangt der Saft durch Verdunstung grössere Konzentration.
Dies ist der aufsteigende Saftstrom, dem ein schwächerer,
abwärts steigender in der Rinde entspricht, wodurch die letztere
eine bereits verarbeitete, konzentriertere Nährflüssigkeit erhält.
In den der Oberfläche angrenzenden Zellschichten, vorzugs-
weise in den Blättern, findet eine Aufnahme atmosphärischer
Luft statt, deren Bestandteile wesentlich zur Ernährung des
Pflanzenkörpers beitragen, wie ja die Flechten ausschliesslich
*) Die Keimbläschen im Embryosack, die Sporen in den Sporen-
schläuchen der Pilze.
— 429 —
durch diese Respiration leben und ihrer Unterlage keine Nähr-
stoffe entziehen.
§ 399. Worin besteht die Nahrung des Pflanzenkörpers? Die Be-
standteile des Pflanzenkörpers sind teils stickstofffreie, teils stick-
stoffhaltige organische Körper. Zu den erster en gehören vorzugs-
weise die Kohlenhydrate: Cellulo se, Stärkemehl, Pflanzen-
schleim, Gummi, Zucker; sodann die Pflanzensäuren
(Weinsäure, Citronensäure, Apfelsäure, Oxalsäure u. a.), Gerb-
stoffe, fette und ätherische Öle, Wachs, Harze. Zu
den stickstoffhaltigen organischen Stoffen rechnen sich die Ei-
weisskörper (Kleber, Eiweiss, Pflanzencasein).
Alle diese Bestandteile des Pflanzenkörpers sind Erzeugnisse
der Lebensthätigkeit aus den von der Natur gelieferten Nah-
rungsstoffen.
Die Nahrung ssto ff e der Pflanze sind: Wasser , Kohlensäure,
Ammoniak und gewisse mineralische Salze.
Das Wasser liefert für die organischen Körper Wasserstoff
und Sauerstoff, die Kohlensäure Kohle und Sauerstoff, das Am-
moniak Wasserstoff und Stickstoff. Die Salze sind namentlich
schwefelsaure und salzsaure Alkalien und alkalische Erden, vor
allem Kalisalze, welche bei später erfolgender Einäscherung als
Pottasche zurückbleiben.
Der Assimilations- und Zersetzungsprozess genannter Nah-
rungsmittel findet in den Zellen selbst statt, zumal unter dem
Einflüsse des Lichtes. Da die organischen Körper weniger Sauer-
stoff im Verhältnis zu ihrem Wasserstoff und Kohlenstoff besitzen,
als das aufgenommene Wasser und die Kohlensäure, so ist ein
grosser Teil des darin enthaltenen Sauerstoffs für die Pflanze
überflüssig und entweicht unverbraucht aus den Spaltöffnungen
der Blätter. Diese Absonderung des Sauerstoffgases geschieht
unter dem Einflüsse des Lichtes und ist an die Ablagerung der
Chlorophyllkörner gebunden. Bereits zu Ende des vorigen Jahr-
hunderts hatte Saussure die Entdeckung gemacht:
Alle grünen Pflanzenteile hauchen bei Tage Sauerstoffgas aus.
Bei Nacht findet keine Assimilation statt, alsdann entweicht
die aufgenommene Kohlensäure unverändert aus den Blattorganen.
§ 400. Welches sind die Produkte der Zellenthätigkeit ? Die Assi-
milation des Nahrungssaftes und die Erzeugung der verschiedenen
Bestandteile des Pflanzenkörpers findet in dem Protoplasma statt.
Die erzeugten Produkte sind hauptsächlich folgende:
A. Stickstofffreie organische Materien:
1. Cellulose (Holzfaser), die äussere Zellwand bildend,
«ine sehr biegsame, wasserhelle und durchsichtige, unlösliche
430 -
In den Holzteilen geht
, im Korkgewebe in die
Haut, für Flüssigkeiten durehdringbar.
sie in den starren Holzstoff (Lignin
elastische Korksubstanz über.
2. Stärkemehl, in Form fester, eigentümlich gebildeter Körn-
chen in den Zellen abgelagert. Sie werden durch Jodlösung gebläut
Fig. 290.
Fi ff. 291.
In den Kartoffelknollen finden wir sie eiförmig, mit einem
nach dem spitzen Ende zu liegenden Mittelpunkt, um den zahl-
reiche konzentrische Schichten sichtbar sind. (Fig. 289.) Ähnlich
erscheinen die Stärkekörner in dem Wurzelstock der Maranta
arundinacea, des sog. Arrow-root (Fig. 291), deren Mittelpunkt
jedoch mehr nach dem breiten Ende zu liegt. Die Stärkekörner
im Getreide, z. B. im Weizen (Fig. 290), stellen flache, rundliche
Scheiben von sehr ungleicher Grösse dar, welche kaum eine
Schichtung erkennen lassen.
Stärkekörner finden wir ausschliesslich im Parenchym, sowohl
in Wurzeln, Wurzelstöcken, Knollen, Zwiebeln, als im Marke von
Stengeln, im Eiweisskörper und in den Samenlappen. In den
Wurzeln der Kompositen finden wir Körner von Inulin an
Stelle der Stärke.
3. Pflanzenschleim und Gummi erscheinen bald in ein-
zelnen Zellen, z. B. in der Althaewurzel und den Salepknollen,
bald in grösseren Zellpartien, wie bei Acacia und Astragalus,
welche ihren Inhalt aus der verwundeten Einde als arabisches
Gummi resp. Traganth ausfliessen lassen. Ebenso findet sich die
Manna in der Manna-Esche, die Gummiharze bei vielen Um-
belliferen (Ammmoniacum , Galbanum, Asa foetida) und Terebin-
thaceen (Myrrha, Olibanum). Früher glaubte man, diese Stoffe
würden in besonderen Behältern, sog. Gummigängen, gebildet;
aber sie sind Produkte der Rückbildung der Zellmem-
bran, zumal in den äusseren Bastschichten ganze Zellgänge
anfüllend.
Verschieden hiervon ist die Pflanzengallerte, welche wir
beim isländischen Moose und den Seealgen, z. B. Laminaria,
— 4ol —
Carageen, finden, deren Zellwände nicht aus Cellulose, sondern aus
diesem G-allertstoffe bestehen; in Wasser quellen solche Pflanzen
stark auf und geben beim Kochen eine Gallerte.
4. Zucker, im Zellsafte gelöst, bei vielen Gewächsen be-
sonders reichlich, wie im Marke des Zuckerrohrs, im Parenchym
der Rüben, Möhre, imFrüblingssafte des Zuckerahorns und der Birke.
5. Farbstoffe. Yor allen ist das Chlorophyll oder
Blattgrün zu nennen, welches die grüne Farbe der
Blattorgane erzeugt, selten die Zellwände gleichmässig
überzieht, sondern gewöhnlich in Form von Körnchen
im Protoplasma enthalten ist, wie Fig. 292 zeigt. Diese
Chlorophyllkörner sind Stärkekörner, welche sich mit
dem Chlorophyll überkleidet haben. Sie entstehen nur
in den Zellschichten der Oberfläche. In der Rinde ist
ein ähnlicher Körper mit gelber oder brauner
Farbe enthalten. FiS- 292.
Gelbe oder rote Farbstoffe sind oft harziger Natur und
dann als Kügelchen in den Zellen enthalten; blaue Farbestoffe
finden sich meistens gelöst im Zellsafte. Weiss erscheinen mit
Luft gefüllte Zellen, z. B. in Blumenblättern.
6) Gerbstoffe, Sekrete, welche keinen thätigen Anteil an
der Gesamtnährung nehmen und in den Zellen der Rinde, vieler
Hölzer und besonderer Auswüchse (gallae) enthalten sind.
7. Die Pflanzensäuren finden sich teils frei , zumal im
Fruchtparenchym, aufgelöst im Zellsafte, teils an Basen gebunden
und krystallisiert. So insbesondere der Oxalsäure und weinsaure
Kalk, das saure weinsaure Kali in feinen, bündelweise vereinigten
Kry stallen (sog. Raphiden), oder zu sternförmigen Drusen
verbunden und die Zellen häufig vollständig ausfüllend.
8. Fette und ätherische Öle füllen als Sekrete (abge-
lagerte Stoffe) gewöhnlich besondere Parenchymzellen an, vor-
zugsweise im Samen, zuweilen im Fruchtfleisch (bei den Oliven).
Die ätherischen Öle finden wir häufig in Drüsen enthalten und
den Blättern, Blüten und Fruchtschalen eingesenkt. Zu den
Sekreten gehören auch die Balsame und Harze, welche
grössere Zellräume, die sog. Balsam- resp. Harzgänge anfüllen,
die wir im Baste der Tannen und Kiefern besonders zahlreich
sehen. Der Kautschuk verhält sich in gleicher Weise, als
wesentlicher Bestandteil des Milchsaftes vieler tropischen Gewächse.
Bestimmte Zellen secernieren den Balsam (Harz, Milchsaft) und
ergiessen ihn in die Intercellulargänge.
B. Stickstoffhaltige organische Materien.
9. Pflanzeneiweiss, -fibrin und -casein. Sie treten
sowohl gelöst im Zellsafte auf, als auch im abgelagerten
Zustande, wie der Kleber des Getreidekorns, welcher in
432
den äusseren Zellschichten des Sameneiweisses enthalten ist. Ausser-
dem besteht das Protoplasma mit dem Zellkern immer aus Ei-
weissstoffen. Diese Materien werden durch Jodlösung gelb gefärbt.
Mikroskopische Übungen.
1. Bringt man einen feinen Schnitt der Kartoffel
oder der Alt haewurzel unter das Mikroskop, so bemerkt
man in den Parenchymzellen eine grosse Anzahl Körnchen
von Stärkemehl, welche sich sofort intensiv blau färben,
wenn man zur Probe einen kleinen Tropfen Jodlösung (am
besten Jod in Jodkaliumlösung) hinzugefügt hat.
2. Man bringe einen feinen Querschnitt des Lein-
samens mit einem Tropfen Wasser unter das Mikroskop.
Die oberste Schicht (Oberhaut) zeigt sich als eine Reihe
anschliessender, radial gestreckter, durchscheinender und
farbloser Zellen, die infolge des Schleims, den sie enthalten,
aufquellen und sich teilweise von den unterliegenden gelben
und braunroten, starkverdickten Zellenlagen der testa ab-
lösen. Der Samenkern giebt sich als ein kleinzelliges,
dichtes, von Öltröpfchen strotzendes Parenchymgewebe
zu erkennen.
Einen zweiten Schnitt betröpfele man mit Äther, um
das fette Ol zu lösen; es erscheint dann der Samenkern
klarer, aber noch mit kleinen Körnchen Klebersubstanz
(Aleuron) bedeckt, die sich jedoch auf Zusatz eines Tropfens
Atzkali schnell auflösen, sodass die Zellwandungen scharf
hervortreten.
Ähnliche Bilder liefern die Mandeln.
3. Man beobachte einen feinen Querschnitt
des Weizenkorns, nachdem man einen Tropfen
Jodlösung zugesetzt hat. Die Oberhaut zeigt
eine Zeile eng anschliessender, farbloser Zellen, die
Fruchtschale eine gelbe, verdickte Schicht, unter
der das Parenchym des Samenkorns liegt, dessen
äussere Zellenlage durch den Gehalt an Kleber
von der Jodlösung gelb gefärbt, das Innere durch
den grossen Stärkemehlgehalt dunkel gebläut wird.
4. Beobachtet man einen feinen Schnitt der
Meerzwiebel, so nimmt man innerhalb der rund-
lich-eckigen Parenchymzellen hier und da Raphiden
(Fig. 293) wahr. Einige Körnchen feines Meer-
zwiebelpulver, in Wasser eingeweicht, zeigen ähnliche Krystallnadeln von
oxalsaurem Kalk (Fig. 294).
Fragen.
1. Wie unterscheidet sich der Zucker vom Gummi im Zellenleben der
Pflanze? — Antw. Die Zuckerlösung dringt von Zelle zu Zelle, da die
Zellmembran für sie durchdringbar ist; die Gummilösung ist der Endos-
mose nicht fähig, muss also in den Zellräumen, worin sie sich befindet,
verbleiben. Ein Gleiches gilt für die Balsame und Milchsäfte, fetten und
ätherischen Öle.
2. Welcher Zusammenhang besteht zwischen _ Stärkemehl und Zucker?
— Antw. Im Pflanzenleben findet häufig ein Übergang aus Zucker in
Fig. 294.
— 433 —
Stärkemehl und umgekehrt statt. Bei der Samenreife geht der Zucker des
Nährsaftes in Stärkemehl über und lagert sich als solches im Sameneiweiss
an. Bei Keimprozess verwandelt sich letzteres wieder in Zucker und dient
dem jungen Pflänzchen zur Nahrung.
3. Welche Wege schlägt der Saftstrom ein? — Antw. Die Pflanze
besitzt keine Saftgefässe, den Adern des Tierkörpers entsprechend ; vielmehr
steigt der Nährsaft, von Zelle zu Zelle dringend, zwischen Rinde und Holz
empor. Einen absteigenden Saftstrom finden wir nur in sehr unterge-
ordnetem Masse innerhalb der Rinde.
III. Botanische Systematik.
16. Linnes künstliches Pflanzensystem.
§ 401. Art und Gattung. Die Natur bringt nur Individuen
hervor. Solche Individuen, die in ihrem gesamten Bau bis auf
wenige zufällige Eigenschaften — Grösse, Verästelung Mastigkeit
— mit einander übereinstimmen und durch Samen gleichgestaltete
Individuen erzeugen, gehören zu derselben Art (species).
Solche Arten, welche in ihrem Blüten- und Fruchtbau wesent-
lich übereinstimmen, zählt man zu einer Gattung (genus).
Die verschiedenen Arten derselben Gattung differieren also nur
im Bau der vegetativen Organe (Wurzel, Stamm, Blätter), nicht
der Fortpflanzungswerkzeuge.
Art und Gattung sind hiernach nur Begriffe, die wir uns zur
besseren Überschau und Einteilung des Gewächsreiches bilden.
Je nach unserem Standpunkt lassen sich die Arten und Gattungen
verschieden umgrenzen, sodass der eine zwei Arten zu derselben
Gattung zählt, während der andere aus jeder der beiden Arten
eine eigene Gattung macht, gewisse Verschiedenheiten im Blüten-
oder Fruchtbau für wichtig genug haltend zur Aufstellung be-
sonderer Gattungen. So zweigte Beauvois die Quecke, welche
Linne zur Gattung Triticum (als Triticum repens) zählte, als
besondere Gattung Agropyrum ab und nannte sie Agropyrum
repens. Aus diesem Grunde pflegt man jeder Art den Autor-
namen beizufügen.
Eine jede Pflanze trägt also zwei Namen, deren ersterer die
Gattung, der letztere die Art bezeichnet.
Die Gattungscharaktere werden der Beschaffenheit der Fort-
pflanzungsorgane, die Artcharaktere derjenigen der vegetativen
Organe entlehnt.
§ 402. Was ist eine Varietät? Wenn Individuen derselben Art
in unwesentlichen Merkmalen, z, B. in Grösse, Färbung, Behaa-
rung u. s. w. abweichen und diese Abweichungen in regel-
Schlickum, Apothekerlehrling. 28
— 434 —
massiger Wiederkehr auf ihre Nachkommen vererben, so bilden
sie eine Abart oder Varietät der Art. Beispiele: der Kohl
(Brassica oleracea L.) variiert als Weisskohl, Rotkohl, Blumenkohlr
Wirsing, Kohlrabi; der Raps (Brassica Rapa L.) variiert als Winter-
und Sommerraps, sowie als weisse Rübe; die Runkelrübe (Beta
vulgaris L.) variiert als Mangold oder römischer Kohl, als dicke
Rübe, rote Rübe, Zuckerrübe.
§ 403. Die Pflanzensysteme. Man ordnet die Gattung in ver-
schiedener Weise zu Systemen, deren man zweierlei Arten
unterscheidet: künstliche und natürliche. Bei den künst-
lichen Systemen stellt man die Gattung in Klassen und Ord-
nungen, je nach der Ausbildung eines einzelnen Organes;
bei den natürlichen Systemen gruppiert man nach ihren Gesamt-
eigenschaften die nahe verwandten Pflanzen zu Familien und
stellt diese nach ihrer Verwandtschaft in Klassen und Ordnungen.
Der Unterschied zwischen dem künstlichen und dem natürlichen
Pflanzensysteme beruht darin, dass die Gewächse im künstlichen
Systeme nach der Beschaffenheit eines Organes, im natürlichen da-
gegen nach ihrer Gesamt-AhnlichJceit geordnet sind.
Während wir durch das künstliche System eine Pflanze
schnell und sicher erkennen und bestimmen können, giebt uns
das natürliche System den geeignetsten Überblick über das Reich
der Gewächse.
§ 404. Worauf gründet sich Linnes künstliches System? Linne
baute 1735 sein künstliches Pflanzen System auf die Beschaffen-
heit der Blüte, speziell der Staubgefässe — weshalb man es
Sexualsystem nannte. Er teilte das Pflanzenreich in 24 Kl a s -
sen, indem er zuerst das Yorhandensein von Blüten zum Ein-
teilungsgrunde nahm, die Gewächse ohne Blüthen in seine XXIV.
Klasse brachte und aus den Blütenpflanzen 23 Klassen bildete.
Den weiteren Einteilungsgrund entlehnte Linne der Yerteilung
der beiden Geschlechter; den Gewächsen mit Zwitterblüten räumte
er die ersten 20 Klassen ein, die 21. — 23. Klasse den einge-
schlechtig blühenden Gewächsen vorbehaltend. Die Einteilung
der ersten 20 Klassen wurde von Linne zunächst nach der Ver-
wachsung der Staubgefässe getroffen, indem er die Gewächse mit
freien Staubgefässen in die ersten 15 Klassen brachte, aus denen
mit verwachsenen Staubgefässen dagegen die 16. bis 20. Klasse
bildete, je nachdem die Verwachsung nur die Staubfäden (16. — 18.
Klasse), oder die Staubbeutel (19. Klasse) oder Staubfäden und
Griffel (20. Klasse) trifft. Die 15 ersten Klassen mit freien Staub-
gefässen werden nach der Zahl und Grösse derselben bestimmt.
Folgende Übersicht zeigt die nähere Einteilung.
— 435 -
Die 24 Klassen des Linneschen Systems.
B.
[ [ Ein einziges Staubgefäss
Zwei Staubgefässe
Drei „
Yier „
Fünf „
Sechs „
Sieben „
Acht „
Neun „
Zehn ,,
Zwölf „
Zwanzig u. mehr, kelchständige
Zahlreiche blütenbodenständige
bb) Zwei längere, zwei kürzere St.
cc) Yier längere, zwei kürzere St.
( Staubfäden einbrüd. verwachsen
„ zweibrüderig ,,
„ mehrbrüderig „
2) Staubbeutel verwachsen
1
l)
Staubfäden mit dem Griffel ver-
wachsen
b)Blüten einhäusig männlichu. weiblich auf
1 Stock)
C) Blüten zweihäusig (männlich u. weiblich
auf 2 Stöcken)
d) Blüten vielehig (männlich u. weiblich neben
zwitterigen)
Blüten fehlen
2.
3.
4.
o.
Monandria
(Einmännigkeit)
Diandria
(Zweimännigkeit)
Triandria
(Dreimännigkeit)
Tetrandria
(Viermännigkeit)
Pentandria
(Fünfmännigkeit)
Hexandria
(Sechsmännigkeit)
Heptandria
(Sie b enmännigkeit)
Octandria
(Achtniännigkeit)
Enneandria
(Neunmännigkeit)
Dekandria
(Zehnmännigkeit)
Dodekandria
(Zwölfmännigkeit)
Ikosandria
(Zwanzigmännigkeit)
13. Polyandria
(Vielmännigkeit)
Dy dinamia
(Zweimächtigkeit)
Tetradynamia
(Viermächtigkeit)
16. Monadelphia
(Einbrüderigkeit)
Diadelphia
(Zweibrüderigkeit)
Poliadelphia
(Mehrbrüderigkeit)
Syngen esia
(Verbundenheit)
Gynandria
(Weibmännigkeit)
21. Monoecia
(Einhäusigkeit)
Dioecia
(Zweihäusigkeit)
23. Polygamia
(Vielehe)
24. Eryptogamia
(Verborgenehe).
28*
<;.
8.
9.
10.
11.
12.
14.
15.
17.
18.
19.
20.
22
- 436 —
Fig. 295—311 zur Erläuterun,
II. Diandria. III. Triandria.
IV. Tetrandria. V. Pentandria.
"VI. Hexandria.
VIII. Octandria. X. Dekandria.
XII. Ikosandria.
XIII. Polyandria.
— 437 —
der Linneschen Klassen.
XV. XVI. XVII. XVIII.
Tetradynamia. MonadelpMa. Diadelpliia. Polyadelphia.
XX. Gynandria.
II. Blüte von Fraxinus.
HI. Grasblüte.
IV. Längsschnitt durch ein Köpf-
chen der Scabiosa.
V. Blüte von Convolvulus.
VI. dgl. von Luzula.
VIII. Paris quadrifolia.
X. Staubgefässe von Oxalis.
XII. Längsschnitt der Blüte von Rosa.
XIII. dgl. von Ranunculus.
XIV. Staübgetässe von Digitalis.
XXI. u. XXII.
Monoecia Dioecia.
XV. Staubgefässe von Cheiranthus.
XVI. Staubfädensäule der Malvaceae.
XVII. Staubgefässe der meisten
Papilionaceae.
XVIII. Staubgefässe von Citrus.
XIX. Zungenblüte einer Cornposite.
XX. Stempel und Staubgefässe von
Aristolochia (nachdem das Perigon
abgeschnitten).
XXI. XXII. Männliche und weibliche
Blüten von Bryonia.
438
Die Ordnungen der Linneschen Klassen.
§ 405. Wie teilte Linne seine Klassen ein? Für die ersten 13
Klassen, bei denen die Zahl der (freien) Staubgefässe entscheidet,
gründen sich die Ordnungen auf die Anzahl der Griffel oder,
wenn dieselben fehlen, der sitzenden Narben, und heissen:
1.
Ordn.
Monogynia -
- Blüte mit 1 Griffel.
2.
ii
Digynia
15
„ 2 Griffeln
3.
ii
Trigynia
55
55 3 „
4.
51
Tetragynia
55
4
55 ^ 11
5.
11
Pentagynia
55
55 5 55
6.
11
Polygynia
55
„ vielen „
Die 14. und 15. Klasse bilden je zwei Ordnungen nach der
Gestalt der Frucht und zwar:
XIV. Klasse Didynamia:
1. Ordn. Gymno spermia*), Frucht aus vier Nüsschen (von
Linn§ für nackte Samen gehalten).
2. Ordn. Angiospermi a**), Frucht eine vielsamige Kapsel.
XY. Klasse Tetradynamia:
1. Ordn. Siliculosa, Frucht ein Schötchen (rund oder oval).
2. Ordn. Siliquosa, Frucht eine Schote (lineal).
Von der 16. Klasse ab repetieren die Ordnungen die Charaktere
und Namen der ersten 13 Klassen, und heissen also Monan-
dria, Diandria u. s. f. Nur die 19. Klasse macht davon
eine Ausnahme, indem sie fünf Ordnungen nach folgender Ein-
teilung zählt:
XIX. Klasse, Syngenesia:
1. Ordn. Polygamia aequalis, alle Blüten des Köpf-
chens zwitterig.
2. Ordn. Polygamia superflua, Rand-Blüten (Strahl) des
Köpfchens weiblich, die übrigen (Scheibe) zwitterig.
3. Ordn. Polygamia fru str an ea, Rand-Blüten des Köpf-
chens geschlechtslos, die übrigen zwitterig.
4. Ordn. Polygamia necessaria, Rand-Blüten des Köpf-
chens weiblich, die übrigen männlich.
5. Ordn. Polygamia segregata, Blüten des Köpfchens
durch besondere Hüllen getrennt.
Bei Linnes Bezeichnung dieser Ordnungen der XIX. Klasse finden wir:
1. gleiche Vielehe für die gleichmässig zwitterblütigen Köpfchen;
2. überflüssige Vielehe für zwitterblütige Köpfchen, deren weibliche
Randblütchen gleichsam überflüssig sind;
2. vergebliche Vielehe für zwitterblütige Köpfchen, deren ge-
schlechtliche Randblütchen gleichsam vergebens dastehen;
*) Gymnospermia = Nacktsamigkeit.
**) Angiospermia = Hüllsamigkeit.
— 439 —
4. notwendige Vielehe, wenn bei der Unfruchtbarkeit der inneren
Blütchen die weiblichen Randblüteben notwendig sind;
5. getrennte Vielehe bei Trennung der einzelnen Blütchen durch
Hüllchen.
Die XXIV. Klasse, Kryptogamia, wird in 4 Ordnungen
nach der natürlichen Verwandtschaft geteilt: 1. Filices, Farn-
kräuter. 2. Musci, Moose. 3. Algae, Flechten und Algen.
4. Fungi, Pilze.
Aufgabe.
Wie bestimmt man die einer Pflanze zugehörige Linne-
sche Klasse?
Antw. Man hat sich folgende Fragen der Reihe nach zu beantworten:
1. Frage: Erzeugt die Pflanze Blüten oder nicht?
Antw.: a) Sie erzeugt keine Blüten XXIV. Kl.
b) Sie erzeugt Blüten. Man geht zur zweiten Frage über.
2. Frage: Sind die Blüten eingeschlechtig oder zwitterig?
Antw.: a) Sie sind eingeschlechtig und zwar:
oc) männliche u. weibliche auf demselben Individum XXI. Kl.
ß) männliche und weibliche auf verschiedenen Individuen
XXII. Kl.
y) neben männlichen u. weiblichen auch zwitterige Blüten
XXIII. Kl.*)
b) Sie sind zwitterig. Man geht zur dritten Frage über.
3. Frage: Zeigen die Staubgefässe irgend eine Verwachsung?
Antw. A. Sie zeigen eine Verwachsung.
a) Die Staubfäden sind verwachsen und zwar
a) in eine Röhre XVI. Kl.
ß) in zwei Bündel XVII. Kl.
y) in drei oder mehrere Bündel XVIII. Kl.
b) Die Staubbeutel sind in eine Röhre verwachsen XIX. Kl.
c) Die Staubbeutel stehen neben der Narbe zufolge der Ver-
wachsung der Fäden mit dem Griffel . . . XX. Kl.
B. Sie zeigen keine Verwachsung. Man geht zur vierten Frage über.
4. Frage: Ist die Zahl der Staubgefässe bestimmt?
Antw. A. Ihre Zahl ist bestimmt, 1—12 I— XL Kl.
Steht die Länge der Staubgefässe dabei in einem bestimmten
bältnis, so finden wir:
a) zwei längere und zwei kürzere . . . . . XIV. Kl.
b) vier längere und zwei kürzere XV. Kl.
B. ihre Zahl ist grösser als 12, unbestimmt. Man geht zur
fünften Frage über.
5. Frage: Worauf sind die zahlreichen Staubgefässe eingefügt?
Antw.: a) Auf der Kelchröhre (Unterkelch) XII. Kl.
b) Auf dem Blütenboden XIII. Kl.
*) Wegen der Schwierigkeit der Bestimmung wurde diese Klasse
später gestrichen und ihre Gewächse in die entsprechenden zwitterblütigen
Klassen verteilt.
— 440
Übersicht des Linneschen Systems.
Klasse
Ordnung
Beispiele
I. Monandria.
IL Diandria.
III. Triandria.
IV. Tetrandria.
Y. Pentandria.
1. Monogynia.
1. Monogynia.
2. Diandria.
1. Monogynia.
2. Digynia.
1. Monogynia.
4. Tetragynia.
1. Monogynia.
2. Digynia.
3. Trigynia.
5. Pentagynia.
Veronica officinalis (Ehrenpreis).
Gratiola officinalis (Gottesgnadenkraut).
Salvia officinalis (Salbei).
Anthoxanthum odoratum (Ruchgras).
Valeriana officinalis (Baldrian).
Iris Pseud-Acorus (Schwertlilie).
Crocus sativus (Safran).
Agropyrum repens (Quecke).
Seeale cereale (Roggen).
Triticum vulgare (Weizen).
Hordeum vulgare (Gerste).
Asperula odorata (Waldmeister).
Scabiosa Columbaria (Taubenskabiose).
Plantago (Wegerich).
Hex Aquifolium (Hülsen, Stechpalme).
Rhamnus Frangula (Faulbaum).
Vitis vinifera (Weinrebe).
Ribes rubrum (Johannisbeere).
Pulmonaria officinalis (Lungenkraut).
Symphytum officinale (Beinwell).
Solanum Dulcamara (Bittersüss-Nacht-
schatten).
Atropa Belladonna (Tollkirsche).
Hyoscyamus niger (Bilsenkraut).
Datura Stramonium (Stechapfel).
Verbascum thapsiforme (Wollblume).
Erythraea Centaurium (Tausendgülden-
kraut).
Menyanthes trifoliata (Fieberklee).
Primula officinalis (Schlüsselblume).
Viola odorata (Veilchen).
Conium maculatum (Schierling).
Cicuta virosa (Wasserschierling).
Aethusa Cynapium (Hundspetersilie).
Petroselinum sativum (Petersilie).
Carum Carvi (Kümmel).
Pimpinella Saxifraga (Bibernell).
Oenanthe Phellandrium (Wasserfenchel).
Foeniculum capillaceum (Fenchel).
Daucus Carota (Möhre).
Sambucus nigra (Hollunder).
Linum usitatissimum (Lein).
— 441 —
Klasse
Ordnung
Beispiele
VI.
Hexandria
1.
3.
Monogynia.
Trigynia.
Berberis vulgaris (Berberitze).
Convallaria majalis (Maiglöckchen).
Lilium candidum (Lilie).
Allium sativum (Knoblauch).
Acorus Calamus (Kalmus).
Colchicum autumnale (Zeitlose).
Rumex Acetosa (Sauerampfer).
VII
Heptandria
1.
Monogynia.
Aesculus Hippocastanum (Rosskastanie).
VII
\. Octandria
1.
3.
4.
Monogynia.
Trigynia.
Tetragynia.
Daphne Mezereum (Seidelbast).
Vaccinium Myrtillus (Heidelbeere).
Polygonum Bistorta (Knöterich).
Paris quadrifolia (Einbeere).
IX.
Enneandria
1.
Monogynia.
Lauras nobilis (Lorbeer).
X.
Oekandria
1.
2.
3.
5.
Monogynia.
Digynia.
Trigynia.
Pentagynia.
Arctostaphylos Uva Ursi (Bärentraube).
Saponaria officinalis (Seifenkraut).
Dianthus (Nelke).
Stellaria (Sternmiere),
Lychnis (Lichtnelke).
Oxalis Acetosella (Sauerklee).
Sedum acre (Mauerpfeffer).
XL
Dekandria
1.
2.
3.
Monogynia.
Digynia.
Trigynia.
Asarum europaeum (Haselwurz).
Lythrum Salicaria (Weiderich).
Agrimonia Eupatoria (Odermennig).
Reseda (Wau).
XII
Ikosandria
1.
2.
3.
Monogynia.
Di- bis Pen-
tagynia.
Polygynia.
Prunus Cerasus (Sauerkirsche).
Amygdalus Persica (Pfirsich).
Pirus Malus (Apfel).
Cydonia vulgaris (Quitte).
Rubus Idaeus (Himbeere).
Rosa Centifolia (Rose).
Fragaria vesca (Erdbeere).
Potentilla Tormentilla (Tormentille).
Geum urbanum (Nelkenwurz).
Xni. Polyandria
1.
2.
3.
Monogynia.
Di- bis Pen-
tagynia.
Polygynia.
Tilia (Linde).
Papaver Rhoeas (Klatschrose).
Chelidonium majus (Schöllkraut).
Helleborus viridis (Niesswurz).
Paeonia officinalis (Pfingstrose).
Aconitum Napellus (Sturmhut).
Ranunculus (Hahnenfuss).
Anemone Pulsatilla (Küchenschelle).
XIV. Didynamia
1.
Gymnosper-
mia.
Mentha piperita (Pfefferminze).
Thymus Serpyllum (Quendel).
Melissa officinalis (Melisse).
Glechoma hederacea (Gundelrebe).
442 -
Klasse
Ordnung-
2.Angiospermia.
XV. Tetrady-
namia
1.
2.
Siliculosa.
Siliquosa.
XVI. Monadel-
phia
1.
2.
Dekandria.
Polyandria.
XVII. Diadel-
phia
1.
2.
3.
Hexandria.
Octandria.
Dekandria.
XVIII. Polya-
delphia
XIX. Syngenesia
XX. Gynandria
XXI. Monoecia
Polyandria.
1. Polygamia
aequalis.
j 2. Polygamia
superflua.
3. P. frustranea.
4. P. necessaria.
5. P. segregata.
1. Monandria.
3. Hexandria.
1. Monandria.
2. Diandria.
3. Triandria.
4. Tetrandria.
Beispiele
Lamium album (Taubnessel).
Galeopsis ochroleuca (Hohlzahn).
Ajuga reptans (Günsel).
Linaria vulgaris (Leinkraut).
Digitalis purpurea (Fingerhut).
Capsella bursa pastoris (Hirtentäschel).
Cochlearia officinalis (Löffelkraut).
Brassica Rapa (Raps).
Sinapis nigra (Senf).
Ononis spinosa (Hauhechel).
Malva silvestris (Käspappel).
Althaea officinalis (Eibisch).
Fumaria officinalis (Erdrauch).
Polygala amara (Kreuzkraut).
Melilotus officinalis (Honigklee).
Trifolium pratense (Wiesenklee).
Medicago sativa (Luzerner Klee).
Pisum sativum (Erbse).
Phaseolus vulgaris (Schneidebohne).
Hypericum perforatum (Johanniskraut).
Taraxacum officinale (Pfaffenröhrchen).
Lactuca virosa (Giftlattich).
Lappa (Klette).
Artemisia Absinthium (Wermut).
Tanacetum vulgare (Rainfarn).
Bellis perennis (Gänseblümchen).
Matricaria Chamomilla (Kamille).
Anthemis arvensis (Hundskamille).
Achillea Millefolium (Schafgarbe).
Tussilago Farfara (Huflattich).
Arnica montana (Wohlverleihkraut).
Centaurea Cyanus (Kornblume).
Calendula officinalis (Ringelblume).
Orchis Morio (Knabenkraut).
Aristolochia (Osterluzei).
Euphorbia (Wolfsmilch).
Arum maculatum (Aron).
Pinus silvestris (Kiefer).
Larix decidua (Lärche).
Carex arenaria (Segge).
Urtica (Nessel).
Morus (Maulbeerbaum).
443 —
Klasse
Ordnung
Beispiele
6.
7.
Polyandria.
Polyadelphia.
Quercus (Eiche).
Juglans regia (Walnuss).
Cucumis sativus (Gurke).
Cucurbita Pepo (Kürbis).
XXII. Dioecia
1.
4.
5.
6.
Diandria.
Tetrandria.
Pentandria.
Polyandria.
Salix (Weide).
Viscum album (Mistel).
Humulus Lupulus (Hopfen).
Cannabis sativa (Hanf).
Juniperus communis (Wacholder).
Populus (Pappel).
XXIII. Krypto-
gamia
1.
2.
3.
4.
Filices.
Musci.
Algae (et Li-
chenes).
Fungi.
Polypodium vulgare (Engelsüss).
Aspidium filix mas (Wurmfarn).
Lycopodium clavatum (Bärlapp).
Cetraria islandica (Isländisches Moos).
Chondrus crispus (Irländisches Moos).
Agaricus campester (Champignon).
Polyporus fomentarius (Feuerschwamm).
Elaphomyces granulatus (Hirschbrunst).
Claviceps purpurea (Mutterkornpilz).
17, Das natürliche Pflanzensystem,
§ 406. Was nennt man ein natürliches System? Ordnet man die
Gewächse nicht nach der zufälligen Ausbildung eines oder weniger
Organe, sondern nach der natürlichen Verwandtschaft
in Familien, so entsteht ein natürliches Pflanzensystem.
Ob eine Gattung 6, 8 oder 9 Staubgefässe in der Blüte zählt, wie
beispielsweise Runiex, Polygonuni und Rheum, hindert nicht, sie
wegen ihres ähnlichen Gesamtcharakters zu einer Familie zu rechnen.
Während das künstliche System durch seine streng logische
Gliederung das Bestimmen unbekannter Gewächse sehr erleichtert,
gewährt ausschliesslich das natürliche System einen Einblick in
den Zusammenhang der Gewächse, indem es die verwandten
Pflanzen zusammengruppiert und die dadurch gewonnenen Familien
nach ihrer Entwicklung ordnet.
§ 407. Welches sind die wichtigeren natürlichen Pflanzensysteme?
Nachdem Linne selbst durch Aufstellung einer Reihe ähnlicher
Gattungen das Bedürfnis , der natürlichen Verwandtschaft der
Gewächse Rechnung zu tragen, anerkannt hatte, stellte der Fran-
zose A. L. Jussieu (1789) das erste natürliche Pflanzensystem
auf. Er beachtetete darin vorzugsweise die Verhältnisse des Samens
und teilte das ganze Pflanzenreich in drei grosse Abteilungen:
— 444 —
1. Acotyledones (samenlappenlose Gewächse), deren
Samen — sog. Sporen — keine Samenlappen besitzen.
2. Monocotyledones (einsam enlappige Gewächse),
deren Samen einen einzigen Samenlappen besitzt.
3. Di cotyledones (zweisamenlappige Gewächse),
deren Samen zwei gegenständige Samenlappen besitzt. Diese Ab-
teilung zerfällt nach der Ausbildung der Blumenkrone wiederum
in drei Klassen:
a) Apetaiae (blumenlose Dikotyledonen) , deren Blü-
ten mit einem Perigon versehen oder nackt sind.^
b) Monopetalae (einb lumenblättrige Dikotyledo-
nen), deren Blumenkrone verwachsenblätterig ist.
c) Polypetalae (mehrblumenblättrige Dikotyledo-
nen), deren Blume aus getrennten Blumenblättern besteht.
Im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts stellte der Genfer
Aug. Pyramen deCandolle ein natürliches Pflanzensystem auf,
dessen Haupteinrichtung er dem anatomischen Baue des Stammes
entlehnte. Er teilte zunächst das Gewächsreich nach dem Fehlen
oder Yorhandensein von Gefässen in zwei grosse Abteilungen:
1. Cellulares, Zellenpflanzen, welche aus Zellgewebe
ohne Gefässe gebildet sind.
2. Vasculares, Gefässpflanzen , welche aus Zellenge-
weben mit Gefässen bestehen. Diese zweite, grössere
Abteilung zerfällt nach der Ausbildung und dem Wachs-
tum des Stammes in zwei Klassen:
a) Endogenae (Innen wüchsige) , deren Stamm von
innen heraus, nur an der Spitze, wächst. (Mono-
kotyledonen.)
b) Exogenae (Aussenwüchsige), deren Stamm im Um-
fange wächst. (Dikotyledonen.) Diese Klasse wurde
nach dem Bau und der Einfügung der Blumenkrone
in 4 Ordnungen geteilt:
a) Monochlamydeae (Einhüllblütige), mit nackten
Blüten oder einem Perigon. (Apetalen.)
ß) Corolliflorae (Kronblütige) , mit einblättriger,
bodenständiger Blumenkrone*
y) Calyciflorae (Kelchblütige) , mit kelchständiger
Blume.
ö) Thalamiflorae (Bodenblütige), mit netzblätte-
riger, bodenständiger Blume.
Später (1838) stellte Stephan Endlicher ein ähnliches na-
türliches System auf, dessen beide Hauptgruppen er nach der
Ausbildung oder dem Mangel einer Stammaxe schuf.
1. Thallophyta (Lagerpflanzen), Gewächse mit einem
Trieblager, ohne Unterscheidung in Wurzel, Stamm und Blätter.
— 445 -
2. Cormophyta (Stockpflanzen), Gewächse mit Wurzel,
Stamm und Blättern.
§ 408. Wie stimmen diese natürlichen Systeme zu einander? Ver-
gleicht man die genannten Systeme mit einander und mit d«m
Linneschen Sexualsysteme, so fallen die grösseren Abteilungen
und Klassen vielfach zusammen, und zwar:
I. "Vergleicht man Jussieus System mit dem Linneschen,
so erkennt man, dass die Akotyledonen mit der XXIV.
Klasse, Kryptogamia, zusammenfallen, während die
Monokotyledonen und Dikotyledonen sich in die ersten 23 Linne-
schen Klassen verteilen.
IL Vergleicht man das de Ca nd olle sehe System mit dem
Jussieu sehen,, so bemerkt man, dass die Endogenen mit
den Monokotyledonen, die Exogenen mit den Diko-
tyledonen zusammenfallen, während die Cellulares den
grösseren Teil der Akotyledonen, nämlich die 2. bis 4. Ordnung
der XXIV. Klasse, Kryptogamia, ausmachen.
III. Vergleicht man das Endlich er sehe System mit den
übrigen, so ergiebt sich, dass die Thallop hyta eiüen Teil der
Cellularen resp. Akotyledonen, nämlich die 3. und 4. Ord-
nung der XXIV. Klasse, Kryptogamia, bilden.
Vergleichende Zusammenstellung der verschiedenen Pflanzensysteme.
Nach Linne\
Nach Jusieu. 1 Nach de Candolle.
Nach Endlicher.
4. Ordn.
XXIV. Kl. 3. „
Acotyledones.
Cellulares.
Thallophyta.
Krypto- 2. Ordn.
gamia.
1. Ordn.
Cormophyta.
I— XXIII. Kl.
Monocotyle-
dones.
Endogenae.
Phanerogamia.
Dicotyledones.
Exogenae.
§ 409. Welche Gruppen der Gewächse sind konstant? Die ange-
stellte Vergleichung der verschiedenen Pflanzensysteme ergiebt,
dass gewisse Gruppen, selbst von den verschiedensten Seiten be-
leuchtet, sich konstant erwiesen haben. Es sind dies gewisser-
massen die Stufenfolgen der Entwicklung des Gewächsreiches,
wie sich aus folgender Darstellung ergiebt:
Die unterste Stufe nehmen die Pilze, Flechten und Algen
— 446 —
ein, deren vegetativen Organe nur aus Zellgewebe, ohne Ge-
fässe bestehen und keine Unterscheidung in "Wurzel,
Stamm und Blätter zulassen, wenngleich ihre Form nicht selten
an derartige Organe erinnert. Endlicher nannte daher diese
Gewächse Lagerp flanzen(Thallophyta). Blüten fehlen ihnen.
Die zweite Stufe bilden die Moose, Zellenpflanzen ohne
Gefässe, aber mit wahrer Wurzel, Stengel und Blättern,
jedoch ohne Blüten.
Auf der dritten Stufe stehen die Farnkräuter, welche sich
von den Moosen durch ihre Gefässbündel unterscheiden, vermöge
deren sie baumartig werden können. Sie tragen keine Blüten.
Auf der vierten Stufe beginnen die Phanerogamen
mit der Familie der Coniferen (Nadelhölzer), deren Samen nicht
von einer Fruchthülle umschlossen, sondern frei liegt.
Auf der fünften Stufe stehen die übrigen Phanero-
gamen, deren Same von einer Fruchthülle umschlossen wird.
Sie zerfallen in:
1. Monökotyledonen , deren Gefässbündel zerstreut durch
den Stamm verlaufen und sich jährlich nur verlängern, ohne zu
verdicken. Blätter vorzugsweise parallelnervig; Blütenkreise
dreizählig ; Samen mit 1 Samenlappen.
2. Dikotyledonen , deren Gefässbündel kreisförmig im
Stamme angeordnet sind und sich alljährlich verlängern und ver-
dicken. Blätter vorzugsweise winkelnervig (fieder-, fuss-, hand-
nervig); Blütenkreise vier- und fünfzählig; Samen mit zwei
gegenständigen Samenlappen.
§ 410. Unsere Einteilung des Pflanzenreiches:
1. Abteilung: Kryptogamae, Pflanzen ohne Blüten,
durch Sporen sich fortpflanzend.
1. Klasse: Thallophyta, Pflanzen mit Trieblager.
2. Klasse: Musci, Stengelpflanzen ohne Gefässe.
3. Klasse: Cryptogamaevasculares, gefässführende
Kryptogamen.
IL Abteilung: Phanerogamae, Pflanzen mit Blüten
und Samen.
4. Klasse: Mono cotyledon es, Keim mit 1 Samen-
lappen.
5. Klasse: Dicotyledon es, Keim mit 2 gegenständigen
Samenlappen.
1. Ord. Apetalae, mit Perigonblüten.
2. Ord, Mo n apetalae, mit verwachsenblättriger
Blume.
3. Ord. Polypetalae, mit getrennten Blumenblättern.
— 447 —
Die offieinellen Gewächse, nach dein natürlichen
System geordnet.
I. Abteilung. Kryptogamen.
Pflanzen ohne Blüten, durch Sporen sich fortpflanzend.
Die Klasse der Lagerpflanzen (Thallophyta).
Zellen-Pflanzen ohne Wurzel, Stamm und Blätter.
Analytische Übersicht der Ordnungen.
Wasserpflanzen Algae.
Landpflanzen auf Steinen, Bäumen u. dgl Lichenes.
Schmarotzer mit flockigem Gewebe Fungi.
Die Algen, Algae; Flechten, Lichenes; Pilze, Fungi.
§411. Von den Algen. Die Algen, Algae, sind zellige,
gefässlose "Wassergewächse, welche sowohl in süssem, wie
im Meerwasser leben.
In der einfachsten Form stellen die Algen einzellige, mikro-
skopisch kleine Pflanzen dar, wie die Bacillarien, mit Kiesel-
panzer, die K ernaigen (Protococcus, Palmella), die in zahlloser
Menge als farbiger Schleim auf feuchten Unterlagen sitzen, sowie
die Gallertalgen, die zu Perlschnüren aneinander gereiht in
Schleimmassen liegen.
Zu den mehrzelligen Süsswasseralgen gehören die Kon fer-
nen, grüne, schleimige, unverzweigte, lange Fäden, fast in jedem
Bache und Sumpfe, an Steinen u. dgl. finden; die Armleuchter-
gewächse (Charen), gleich quirlästigen Fäden; die Ulven, mit
blattartigem Lager feuchte Wände überkleidend , grünen , kraus-
randigen Teppichen ähnlich.
Grössere Dimensionen nehmen die Meeralgen an, deren man
vorzugsweise zweierlei unterscheidet:
1. Blütenalgen, rötlichgefärbte, stengelige, gabelästige,
oder baumartig verzweigte Gewächse, wie das irländische Moos
und das Wurmmoos.
2. Tange, olivenbraune, getrocknet schwarze, lederige, oft
mit Luftblasen begabte Algen, wie der Blasentang u. a. Ihre Zell-
häute quellen , vermöge ihres Schleimgehaltes , in Wasser stark
auf. Man benutzte früher die Asche der Tange zur Gewinnung
der natürlichen Soda, jetzt aber zur wichtigen Jodfabrikation, und
— 448 —
bringt sie von den Küsten der Norrnandie und Schottlands als
Yarech oder Kelp in den Handel.
1. Chondrus*) crispus, Knorpeltang \ off. Carra-
2. Gi gartina**)mammillosa, Warzentang/ geen.
Zwei an den Küsten der Nordsee und des atlantischen Ozeans häufig
vorkommende Blütenalgen, erstere kraus und gabelteilig, letztere flach,
rinnig und mit gestielten Warzen besetzt. Synonym mit beiden sind:
Sphaerococcus crispus und Sph. mammillosus.
3. Sphaerococcus***) Helminthochortos off. Helmin-
thochorton.
Eine fadliche Blütenalge im MitteLmeer.
4. Laminariaf) Cloustoni, Riementang\ . . off. Lami-
5. „ digitata / . . naria.
Zwei Tange im atlantischen Ozean, mit fussbreiter Blattfläche an
einem langen Stiele; bei letzterer Art ist das Blatt fingerig geteilt.
§ 412. Von den Flechten. Die Flechten, Lichenes , sind
Zellenpflanzen ohne G efässbündel, aus lockerem Parenchym
gebildet. Sie haften auf Steinen, Felsen, Bäumen u. dgl. , ohne
jedoch durch ihre Haftzasern (fälschlich Wurzeln genannt) Nah-
rung aus ihrem Substrate zu ziehen, da sie von der Feuchtigkeit
und den Gasen der atmosphärischen Luft leben. Sie schrumpfen
bei grosser Trockenheit völlig ein, ihr Leben fristend, bis sie durch
feuchte Luft wieder erwachen. Man könnte sie daher Luft-
pflanzen nennen.
Das Lager der Flechten ist verschieden, bald krustenartig,
bald blattartig, bald stengelig. Hierauf teilt man die Flechten
in drei Gruppen:
1. Krustenflechten, welche in Form krustiger Überzüge
Steine, Felsen u. dgl. bekleiden.
Hierhin die Schüsselflechte (Lecanora), Warzenflechte (Verru-
caria), Schrift flechte (Graphis), welche letztere gleich Schriftzeichen auf
den Felsen sitzen.
2. Lager flechten, blattartige Gebilde.
Hierhin die an Baumrinden gar häufige Schild flechte (Parmelia),
die auf der Erde wachsende Moosflechte (Cetraria) und Lungen-
flechte (Lobaria) u. a.
3. Stiel flechten, stengelige Gebilde.
Hierhin die von alten Bäumen herabhängende Bartflechte (Usnea),
die auf Steinen sitzende Becherflechte (Cenomyce), das baumartig ver-
zweigte Rentiermoos (Cladonia) u. a. m.
*) Chondrus von yßvüpoc, (Knorpel), wegen der Beschaffenheit.
**) Gigartina von yiyapxov (Weinbeerkern) wegen der Ähnlichkeit der
Warzen.
***) Sphaerococcus von a<pa"tpa (Kugel) und xoxxoc- (Knopf), wegen der
kugelig-knopfförmigen Sporenbehälter,
f) Laminaria von lamina (Platte).
— 449 —
Die Zellhäute der Mittelschicht des isländischen Mooses be-
stehen ans Pflanzengallerte, welche sich beim Abkochen löst und
beim Erkalten gelatiniert. Ausserdem enthalten die Zellen der
Flechten häufig Bitterstoffe (wie ebenfalls im isländischen Moose),
sowie Farbstoffe: Lackmus, Orseille. Auf letztere verarbeitet man
in Holland mehrere Arten der Schüsselflechte (Lecanora),
sowie in Südeuropa die auf Klippen des Mittelmeeres wachsende
Färberflechte (Roccella tinctoria).
Die Fortpflanzung der Flechten geschieht durch Sporen,
embryolose, dem Pollenkorn ähnliche Keimkörner, welche aus
einer einzigen Zelle bestehen und in Sporenschläuchen
eingeschlossen sind. Solche Schläuche stehen, mit gegliederten
Fäden (sog. Saftfäden) untermischt, zu sehr vielen aufrecht neben
einander und bilden eine Fruchtschicht, sog. Apothecie, welche
sich teils dem Lager völlig eingesenkt findet, teils in Form von
Schüsselchen, Knöpfchen oder Schildchen dem übrigen Lager
aufsitzend, sich von demselben durch die meist braune oder rote
Farbe unterscheidet.
Cetraria islandica, isländisches Moos, . off. Liehen
islandicus.
Eine auf den höheren deutschen Gebirgen, im Norden in der Ebene
wachsende, aufrechte Flechte, mit lederigem, glatten Lager (Fig. 312) und
bräunlichen, flachen Apothecien.
§ 413. Von den Pilzen. Die Pilze, Fungi, sind zellige,
gefässlose Pflanzen, welche überall dort wuchern, wo organi-
sche Materien verwesen. Sie sind daher Schmarotzerge-
wächse abgestorbener oder auch lebender Organismen, die durch
ihr schnelles Entstehen und Vergehen wesentlich zum Zerfall der
organischen Körper beitragen. Sie besitzen alle mögliche, oft
brennende Färbungen, sind aber niemals grün (Unterschied
von den Algen).
Die einfachste Form eines Pilzes besitzt der Hefenpilz
(Cryptococcus, Mycoderma), ein mikroskopisch kleiner, einzelliger
Organismus, häufig zu vielen aneinander gereiht (Oberhefe), aber
auch einzeln auftretend (Unterhefe).
Die mehrzelligen Pilze bestehen aus flockenartig verschlun-
genen, fadenförmigen Zellen, die ein Pilzlager (Mycelium)
bilden. Ihre Zellreihen sind vielfach verzweigt und entwickeln
an ihren Astendungen die Sporen, entweder in Schläuchen
(asci) zu 4 oder 8, oder abgeschnürt aus sogen. Basidien (auf-
gedunsenen Endzellen), in Form von 4 Ausstülpungen. Die
Sporen schlauche resp. Basidien befinden sich bei den niedrig
*) Cetraria von cetra (kleiner Schild) wegen der schildförmigen
Apothecien.
Schliekuin, Apothekerlehrling. 29
— 450 -
organisierten Pilzen (Schimmel-, Staubpilzen) am Ende der freien
Pilzfäden , bei den höher organisierten aber im Innern einer
dichten, mehr oder weniger kugeligen Fruchthülle (wie bei
den Bauchpilzen), oder auf einer besonderen Fruchthaut (hy-
menium), welche die Unterseite, seltener die Oberseite eines hut-
förmig gestalteten Fruchtlagers überkleidet (wie bei den Hutpilzen).
Man teilt die Pilze nach ihrer Form ein in:
1. Staubpilze (Coniomycetes). Ihre Sporen befallen
lebende Pflanzenteile, durchziehen sie mit ihrem Flockengewebe
und reifen in Häufchen, die äusserlich die Pflanzen wie ein
Schorf bedecken, oder, unter der Oberhaut befindlich, schliesslich
hervorbrechen.
Hierhin gehört der Flugbrand oder Russ, als schwärzlicher Staub
auf den Getreideähren; der Schmier br and, als schmierige, dunkelfarbige
Masse im Innern des "Weizenkornes; der Rost, als rötliche Streifen oder
Häufchen auf Stengeln und Blättern vieler Gewächse.
2. Schimmelpilze (Hyphomycetes). Ein lockeres Pilz-
gewebe, dessen Zweig -Enden perlschnurartige Sporenreihen ab-
schnüren. Hierhin der bekannte Brotschimmel, sowie der
Kartoffelpilz (Perenospora infestans), dessen Fäden die Kar-
toffeln durchziehen, als sog. Kartoffelkrankheit das Kraut befallend.
3. Kernpilze (Pyrenomycetes). Mikroskopische Pilze, die
ihre Sporen in wachsartigen oder schleimigen Kernen entwickeln.
Hierhin der Meltau, sowie der Pilz des Mutterkorns, Cla-
viceps*) purp urea, sogenannt von Tulasne, der seine Ent-
wicklung erforschte. Die Sporen dieses Pilzes befallen den
Fruchtknoten des Roggens und bilden denselben zum bekannten
Mutterkorn, Seeale cornutum, am; dieses hat die Bestimmung, zu
überwintern ; es entwickelt im Frühling , im feuchten Erdreich
liegend, den eigentlichen Pilz als kleine, gestielte Köpfchen,
deren Inneres die Sporen birgt.
4. Bauchpilze (G-astromycetes). Das lockere Pilzgewebe
wuchert im Erdreich und bildet stellenweise kopfartige, dichte
Gebilde mit mehr oder minder harter Hülle, die im Innern die
Sporen teils in Schläuchen enthalten , teils aus Basidien ent-
wickeln, später frei bergen und beim Öffnen als feinen Staub
verstreuen.
Hierhin gehören: Elaphomyces**) granulatus, Hirschbrunst,
als Boletus cervinus, mancherorts gebräuchlich, um die Brunst der Tiere
zu erwecken; der Bovist, die wohlschmeckende Trüffel u. a.
5. Die Hutpilze (Hymenomycetes). Ihr in der Erde wu-
cherndes Pilzlager treibt ein kompaktes Gebilde, den Hut, der
gewöhnlich auf der Unterfläche, seltener auf der Oberseite mit
*) Claviceps = Keulenkopf.
**) Abgeleitet von eXaepos (Hirsch) und [xus«]? (Pilz).
— 451 —
der Fruchthaut gebildet aus senkrecht neben einander gestellten
Sporenschläuchen oder Basidien, überkleidet ist.
1. Polyporus fomentarius, Zunder, off. Fungus Chirurgorum..
Ein auf Bäumen, zumal in Böhmen, sitzender ungestielter Hutpilz,
durch seine lederigzähe Beschaffenheit von dem sehr ähnlichen, aber brüchigen
P. igniarius unterschieden.
2. Polyporus ofi'icinalis, Lärchenschwamm, off. Fungus
Laricis.
Ein auf den Lärchen des südöstlichen Europa wachsender, ungestielter
Löcherschwamm.
Zu den Hutpilzen zählt a) die grosse Gattung Blatt er schwamm (Aga-
ricus), deren Hut auf der Unterseite strahlige Lamellen zeigt. Zu ihr
gehören mehrere essbare Pilze, wie der Champignon (Ag. campester),
Kaiserpilz (Ag. caesareus), Reizker (Ag. deliciosus) ; aber auch eine
grössere Anzahl sehr giftiger Pilze: Fliegenschwamm (Ag. muscarius),
Speiteufel (Ag. emeticus), Täubling (Ag. foetens) u. a., welche durch
grelle Farben, schmieriges Anfühlen, üblen Geruch oder blaues resp. rotes
Anlaufen der Schnittfläche warnen.
b) Zum Löcherschwamm (Boletus), dessen Hut auf der Unterseite
feine Löcher (Poren) zeigt, zählen ebenfalls sowohl giftige Pilze wie z. B. der
Santanspilz (B. satanas), wie essbare, z. B. der Steinpilz (B. edulis);
demselben reihen sich an: der Ziegenbart (Ciavaria flava), der Hirsch-
schwamm (Hydnuni imbricatum), die Morchel (Morchella esculenta)
und Faltenmorchel (Helvella esculenta).
Die Klasse der Gefässkryptogamen.
Gefässe führende kryptogamische Gewächse mit Wurzel, Stamm und Blättern.
Analytische Übersicht der Familien.
1. Früchte auf der Unterseite der Blätter .... Filices.
2. Früchte in Ähren.
a) Stengel beblättert Lycopodiaceae.
b) Stengel blattlos, mit Scheide besetzt .... Equisetaceae.
Die Farnkräuter, Filices.
§414. Familien-Charakter der Farne. Die Farnkräuter,
Filices, sind kryptogamische Gefässpflanzen, die sich durch
eigentümliche Formen vor allen übrigen Gewächsen auszeichnen.
Sie treiben aus einem kriechenden Wurzel stock, der sich bei
tropischen Farnen oft baumartig erhebt, gestielte Blätter, meist mit
Fiederteiiung und in der Jugend schneckenförmig eingerollt,
welche auf ihrer Unterfläche die Fruchthäufchen (sori) tragen.
Wegen dieser Tereinigung mit dem Fruchtstiel nennt man die
Blätter der Farnkräuter Wedel (frons).
Wir finden bei den Farnkräutern (wie auch bei den Moosen) einen
Wechsel geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung — sogen.
Generationswechsel. Die erste Generation schliesst mit einer ge-
29*
— 452 -
schlechtlich befruchteten Keimzelle, die zweite Generation mit einer
ungeschlechtlich entstandenen Zelle, der Spore. Letztere keimt nämlich
zum sog. Vorkeim, einem blattartigen Gebilde mit männlichen und weib-
lichen Geschlechtswerkzeugen; ersteres sind kugelige oder längliche, warzen-
förmige Erhebungen, sogen. Antheridien, mit zahlreichen, sehr kleinen,
spiralig gewundenen und bewimperten Schwärmfäden. (Jene entsprechen
den Antheren, diese den Pollenkörnern.) Die weiblichen Organe, Ar che -
gonien, ähneln einem Pistill und bergen im Innern die Keimzelle. Die
Befruchtung geschieht durch Eindringen eines Schwärmfadens zu dieser
Keimzelle, aus der sich alsdann das Farnkraut entwickelt. Auf demselben,
also auf der zweiten Generation, entstehen ohne Befruchtung die Sporen,
eingeschlossen in besonderen Behältern, den Sporangien, welche beider
Reife sich öffnen und die Sporen, pollenartige Zellen, entleeren. Solcher
Sporangien stehen viele in Häufchen (sori) vereinigt, gemeinlich durch rote
Färbung kenntlich und sehr häufig mit einem blassen Häutchen, dem
Schleierchen (indusium) bedeckt. Nach Lage, Gestalt und Bedeckung
der Fruchthäufchen unterscheidet man die Gattungen der Farnkräuter.
Die Farnkräuter lieben vorzugsweise feuchte und schattige
Plätze. Sie sind in wenig zahlreichen Arten in der gemässigten
Zone, aber um so zahlreicher in den Tropenländern, zumal auf den
Inseln der heissen Zone vertreten, finden sich auch reichlich in
den Ueberresten der vorweltlichen Flora.
1. Polyp odium*) vulgare, Tüpfelfarn, off. Rhiz. Polypodii.
An felsigen Orten häufig, mit einfach gefiedertem Wedel und rund-
lichen Fruchthäufchen ohne Schleierchen. Fig. 314.
2. Aspidium (Polystichum**)) filix mas,
"Wurmfarn, Schildfarn off. Rhiz. Füicis.
Häufig in schattigen Wäldern und kenntlich am doppelt gefiederten
Wedel mit nierenförmigen Schleierchen über den Fruchthäufchen. Fig. 315.
Dem Wurmfarn ähnlich ist der weibliche Streifenfarn (Asple-
nium filix femina), aber mit dreifach gefiedertem Wedel und läng-
lichen Fruchthäutchen. — Die Mauerraute (Asplenium Ruta muraria)
findet sich häufig an Mauern. — Der Adler farn (Pteris aquilina) ist das
grösste Farnkraut Deutschlands; seine Gefässbündel zeigen auf dem Quer-
schnitte eine adlerartige Zeichnung. — In Südeuropa wächst das Venus-
haar (Adianthum capillus Veneris), früher off. als Herba Capilli Vener is.
§ 415. Verwandte Familien. 1. Die B ärlappge wachse ,
Lycopodiaceae, sind moosähnliche Gewächse.
Lycopodium clavatum, Bärlapp, . . off. Lycopodium.
Ein kriechendes Kraut auf Gebirgsheiden , an den Zweigspitzen mit
je zwei Ähren, in deren Fruchtbehältern der pollenähnliehe Bärlappsamen,
Lycopodium, enthalten ist. Fig 313.
2. Die Schafthalme, Equisetaceae, blattlose, quirlästige
Gewächse, mit Scheiden und an der Spitze mit einer Ähre.
Der Acker-Schafthalm (Equisetura arvense), auf sandigen
Ackern, treibt im Frühling einen blassen, einfachen Schaft, später einen
grünen, quirlästigen, unfruchtbaren Stengel.
*, -r> ■■ j- -i - / -„n\ j ' rt? \ f Von den zahlreichen
^Polypodiumvon^oXuS(viel)und7:ou;(Fuss).J Wedelresten und Nar.
) Polystichum von ™lu? und «fco« (Zeile). | bßn deg Wurzelstocks.
Aspidium von aajuoiov (kleiner Schild), wegen der Schleierchen.
453 -
Lichenes.
Lycopodiaceac.
Fig. 312.
Cetraria islandica. Isländisches Moos,
a Apothecie im Durchschn., vergr.
Fig. 313.
Lycopodium clavatum. Bärlapp.
(Links ein Blatt, rechts ein Deckblatt
mit Kapsel, daneben vergr. Sporen.)
Filices.
Mg. 314.
Polypodium vulgare. Tüpfelfarn.
Mg. 315.
Polystichum Filix mas. Wurmfarn.
(Links die Unterseite eines Wedelstückes). (Links die Unterseite eines Wedelstückes
rechts ein Fruchthäufchen vergr.)
454
II. Abteilung. Phanerogamen.
Gewächse mit Blüten und Samen.
A. Die Klasse der Monokotyledonerc.
Samen mit einem einzelnen Samenlappen; beim Keimen entfalten sich die
Blätter tutenartig (Spitzk eimer). Die Gefässbündel wachsen nur durch
Verlängerung, die Blätter sind vorzugsweise parallelnervig und die Blüten
dreigliederig.
Analytische Übersicht der Familien.
A. Blüten nackt, von Spelzen eingeschlossen.
a) Halm stielrund, hohl: Blattscheidengespalten Gramineae.
h) Halm 3 kantig , markig ; Blattscheiden ge-
schlossen Cyperaceae.
B. Blüten einem fleischigen Kolben aufsitzend.
a) Stamm verkürzt; Blüten nackt Aroideae.
b) Palmstamm; Blüten mit Kelch und Blume . Palmae.
C. Blüten mit blumigem Perigon.
a) Perigon regelmässig.
1. Perigon unterständig; 6 Staubgefässe.
a) 1 Stempel mit 1 Griffel.
aa) Beerenfrucht Asparageae.
bb) Kapselfrucht Liliaceae.
£s) 3 Stempel, 3 Griffel Colchicaceae.
2. Perigon lippenförmig, oberständig;
3 Staubgefässe Irideae.
b) Perigon lippenförmig, oberständig; 1 Staubf.
a) Griffel mit dem Staubfaden verwachsen . Orchideae.
ß) Griffel und Staubfaden frei Scitamineae,
Marantaceae.
Die Grasgewächse.
§ 416. Allgemeiner Charakter der Grasgewächse. Die Graspflanzen
sind Kräuter mit einem einfachen, entfernt knotigen H a 1 m , von
dessen hervorragenden Knoten Blattscheiden bis zum nächst
höheren heraufreichen und daselbst in ein Blatt auslaufen. Die
Wurzel ist stets eine Nebenwurzel, bald faserig, bald den Knoten
eines kriechenden Wurzelstockes entstammend. Im ersteren Falle
bilden die Gräser Rasen. Die Blüten entbehren des Kelches
und der Blume ; sie sind eingeschlossen von zwei trockenhäutigen
Spelzen, drei männig und mit 1 — 2 Griffeln oder sitzenden
Narben versehen. (Fig. 316.) Solche Blüten stehen einzeln oder
zu mehreren in einem Grasährchen zusammen, welches am
Grunde von zwei leeren Spelzen, den sog. Hüllspelzen, unter-
stützt ist. Die Grasfrucht ist eine Schal fr u cht (Caryopse) d. i.
- 455 —
eine einsaniige Frucht, deren Fruchtschale
mit der Samenschale verwächst. Der Same
birgt reichliches Ei weiss und einen kleinen
Keim (am Grunde der Frucht).
Die Grasgewächse führen im Samen, V
oft auch im Wurzelstocke, viel Stärkemehl,
gehören deswegen zu den wichtigsten Nahr-
pflanzen; die Blätter und Halme verdanken
ihre Härte und Schärfe einem Gehalt an
Kieselsäure. Gewürze fehlen diesen Pflanzen Fig. 316.
gänzlich, nicht aber der Zucker, welcher Grasblüte b, b' Spelzen
sich im Marke des Zuckerrohrs sowie im b" Granne.
Wurzelstock der Quecke findet.
§ 417. Unterscheidung der Grasgewächse. Man teilt die gras-
artigen Pflanzen in zwei Familien ein :
1. Die echten Gräser, Gramineae. Der Halm ist hohl*)
und stielrund; die Blattscheiden sind der Länge nach gespalten;
der Stempel trägt zwei Narben. Wir finden daher die Gräser
in der Triandria Digynia nach Linne.
Die Gräser bilden in Europa durch ihr geselliges Auftreten grosse
Wiesenflächen, während sie in den Tropenländern vereinzelt wachsen, aber
eine bedeutendere Höhe erreichen.
Triticum (Agropyrum**)) repens,
Quecke . . * off. Rliig. Graminis.
Ein durch seinen weithin kriechenden Wurzelstock sehr lästiges Un-
kraut, vorn Lolche (Lolium) durch die seitlich zur Spindel gewendeten
Ährchen unterschieden, welche beim Lolch der Spindel den Rücken zu-
kehren. Fig. 317.
Man teilt die Gräser in zwei Gruppen ein:
a) Ährengräser, deren Ährchen in eine einzige Ähre gestellt sind.
Hierhin die Getreidearten: der Roggen (Seeale cereale), der Weizen
(Triticum vulgare), die Gerste (Hordeurn vulgare), der Spelt (Triticum
Spelta) u. A.
b) Rispengräser, deren Ährchen eine mehr oder weniger ausge-
breitete Rispe bilden. Hierhin der Hafer (Avena sativa), der Reis (Oryza
sativa), die Hirse (Panicum miliaceum), der Mais oder türkische Weizen
(Zea Mais), sowie die grosse Zahl unserer Wiesengräser z. B. das zweimän-
nige Ruchgras (Anthoxantum odoratum), welches dem Heu den Geruch
erteilt; das Schilf (Phragmites communis) und das Zuckerrohr (Saccha-
rum ofneinarum) , welches wegen seines zuckerreichen Markes in den
meisten Tropenländern angebaut wird.
2. Die Binsen oder Kiedgräser, Cyperaceae. Der Halm
ist markig und meistens dreikantig; die Blattscheiden sind
nicht gespalten; der Stempel trägt 1 Griffel, der oberwärts in
*) Ausnahme davon macht das markige Zuckerrohr.
**) Von aypo? (Acker, Feld) und -upö; (Weizen) = wilder Weizen.
— 456 —
2 oder 3 Narben sich auflöst. Daher finden wir diese Gewächse
in 'der Triandria Monogynia L.
Die Riedgräser oder Binsen lieben nassen, sumpfigen Boden und
gemessen bei den Landwirten als sog. Sauergräser wegen ibrer Härte
geringe Wertschätzung.
Carex arenaria, Sandsegge .... off. Waiz. Caricis.
Dieses Gras trägt durch seinen kriechenden Wurzelstock sehr zur Be-
festigung der Sanddünen der norddeutschen Küste bei. Fig. 318.
Hierhin noch die Binse (Scirpus), sowie die in Moorgegenden häufige
Wollbinse (Eriophorurn).
Die kolbenbliitigen Monokotyledonen.
§ 418. Von den Arongewächsen. Die Familie der Aronge-
wächse, Aroideae, umfasst Sumpfpflanzen mit kriechendem
oder knolligem Wurzelstock, deren Blüten einem fleischigen Kolb en
mehr oder weniger eingesenkt sind. Der Kolben ist häufig von einer
Blütenscheide umgeben, wie beim Aron. Die Frucht ist eine Beere.
Während Europa nur wenige, krautartige Vertreter dieser
Familie besitzt, erreichen die tropischen Formen grössere Höhe
und schöne Ausbildung. ' Allen ist eine flüchtige Schärfe eigen,
die durch Rösten, oft schon beim Trocknen, verschwindet, wie z. B.
bei den im frischen Zustande giftig scharfen, nach dem Trocknen
völlig unschädlichen Knollen des Arons.
1. Acorus Calamus, Kalmus*), . . off. Rhis. Calami.
Eine aus dem Orient stammende, schillähnliche Pflanze, welche an
Teichen und Bächen wuchert. Der Stengel verlängert sieb über den finger-
langen, nackten Kolben hinaus in ein Blatt. Fig. 319.
2. Ar um maculatum, Aron . . . obsol. Tubera Ari.
Ein niedriges Kraut mit sebarfgiftiger, getrocknet unschädlicher
Knolle, spiessförmigen , braungefleckten Blättern und einem bescheideten
Kolben, der am Grunde weibliche Blüten (nackte Stempel), darüber männ-
liche Blüten (nackte Staubbeutel) trägt. Fig. 320.
§ 419. Von den Palmen. Die Familie der Palmen, Palmae,
gewissermassen die baumartige Form der Aroideen, ist ausschliess-
lich auf die heissen Länder beschränkt und zeichnet sich durch
den unverzweigten Bau des Stammes aus , der an seiner Spitze
einen Büschel von Blättern und Blütenscheiden trägt. Die Blätter
sind teils gefiedert, teils fächerförmig, die Blüten stehen auf Kolben,
mit Kelch und Blume umgeben, die Früchte sind beeren- oder
steinfruchtartig.
*) axopov (der Kalmus), /.aXatxos (Rohr) wegen der Ähnlichkeit mit
dem Schilf.
457
Gramineae.
Cyperaceae.
U- * I
Fig. 317.
Triticum repens. Quecke Links mit
Einzelblüteu, rechts mit einem Ährchen.
Fig. 318.
Carex arenaria. Sandsegge.
Rechts mit männl. Blüte, links mit
Ährchen, weibl. Blüte und Frucht.
Aroideae.
Fig. 319.
Acorus Calamus. Kalmus.
Fig 320.
Arum maculatum. Aron.
Nebst einzelner Blüte, einer staubgefäss- Links der entblösste Kolben, darüber der
tragenden Perigonschuppe Fruchtstand; rechts die Knolle, Staubbeutel,
und Frucht (links). Stengel und eine durchschnittene Beere.
— 458 —
Die Hauptbestandteile der Palmen sind : Stärkemehl im Marke
der Stämme (Sago), fettes Öl im Samen (Palmöl, Kokosöl), Zucker
in den Blütenscheiden und Früchten (Datteln) u. a. m.
1. Cocos nucifera, Kokospalme,. . . off. Ol. Cocos.
Eine vorzugsweise an den tropischen Küsten wachsende hohe Palme,
deren Nuss die Kokosmilch birgt, und deren Samen das Kokosöl liefern.
2. Calamus*) Draco, Drachenpalme, off. Sanguis Draconis.
Ein stacheliger Kletterstrauch in Ostindien, deren Früchte das Drachen-
brut ausschwitzen.
Erwähnung verdienen noch: Die Dattelpalme (Phoenix dactylifera)
im Orient; die Katechupalme (Areca Catechu) in Ostindien, deren Samen
— Arekanüsse — zum Betelkauen daselbst benutzt werden; die Sago-
palme auf den Molukken, aus deren Mark man den Sago gewinnt; die
Olpalme in Guinea und Brasilien, deren Same das Palmöl liefert.
Die lilienartigen Gewächse.
§420. Allgemeiner Charakter der Gruppe. Eine grössere Anzahl
monokotyledonischer Gewächse zeichnet sich durch ihre schön-
gefärbte,regelmässigeBlütenhülle (Perigon) aus, wie wir
sie bei der Lilie und Tulpe wahrnehmen. Diese Familien gruppieren
sich daher ungezwungen um die genannten Zierpflanzen und wer-
den im allgemeinen Lilien genannt. Ihre Gewächse besitzen
gewöhnlich einen knolligen oder zwiebeligen "Wurzelstock;
die Blätter sitzen mit breiter Scheide wechselständig am Stengel
oder sind auch ausschliesslich grundständig, im welchem Falle die
Blüten auf einem Schafte sitzen. Die Blüten sind zwitterig,
von einem regelmässigen, sechs gliederigen Perigon um-
geben, mit 3 oder 6 Staubgefässen (in 1 oder 2 Wirtein)
versehen und besitzen 3 Karpellblätter, welche sich bald zu
einem einzigen Stempel verschmolzen haben, bald 3 Stempel bilden.
Die Frucht ist im ersten Falle dreifächerig, im letzteren aus 3
Balgkapseln zusammengesetzt.
Wegen der Schönheit der Blütenhüllen finden wir in dieser
Gruppe zahlreiche bekannte und beliebte Zierpflanzen.
§ 421. Die Giftlilien. Die Familie der Giftlilien, Colckicaceae,
zeichnet sich durch ein unterständiges, sechsgliederiges, blumiges
Perigon aus, welches 6 Staubgefässe und 3 mehr oder
weniger getrennte Stempel, je mit einem Griffel, umschliesst.
Man findet daher diese Gewächse in der VI. Linneschen Klasse,
3. Ordnung — Hexandria Trigynia. Die Frucht besteht aus
drei Kapseln, die häufig am Grunde mit einander verbunden sind, bei
der Eeife aber zerfallen und dabei an der inneren Naht aufspringen,
wie wir dies bei den Sabadillfrüchten sehr wohl sehen können.
*) Calamus = Rohr; die Stengel von C. rudentum liefern das sog.
spanische Rohr.
— 459 —
Zu dieser Familie zählen zahlreiche Giftpflanzen; ihre Wur-
zelstöcke sind häufig knollenartig-, wie bei der Zeitlose, oder zwie-
belartig, wie bei der Sabadille.
1. Colchicum*) autumnale, Herbst-
zeitlose off. Semen Colchici.
Eine, im Herbst die rosigen Blüten direkt aus der Knollzwiebel (ob-
solet : Bulbus Colchici) entsendende Wiesenpflanze, welche im darauffolgenden
Frühling die Kapselfrucht auf kurzem Stiele zwischen breitlinealen Blättern
trägt. Fig. 321.
2. Veratrum album, weisse Nieswurz, off. Rhiz. Veratri.
Eine Staude auf den Alpenwiesen, mit weissen Blüten in reich ver-
zweigter Rispe. Fig. 322.
3. Sabadilla officinalis, Sabadille**), off. Fruct. Sabadillae.
Ein Zwiebelgewächs auf den Gebirgen Mexikos.
§ 422. Die eigentlichen Lilien. Die eigentlichen Lilienge-
wächse, Liliaceae, sind Zwiebelpflanzen mit 6 Staubgefässen,
1 Griffel und einer Kapselfrucht. (Hexandria Monogynia.)
1. Scilla (Urginea) maritima, Meer-
zwiebel, off. Bulbus Scillae.
Ein Zwiebelgewächs am Gestade des mittelländischen Meeres.
2. Aloe ferox, A. spicata)
vulgaris, A. Lingua / A1°^ ' • öS. ÄloB.
Diese Aloe -Arten wachsen im Kaplande; Sträucher mit fleischigen,
stachel-gezähnten Blättern, deren Saft durch Eindampfen die Aloe liefert.
Hierhin gehören ausserdem zahlreiche Zierpflanzen: die weisse Lilie
(Lilium candidum), Tulpe (Tulipa Gesneriana), Kaiserkrone (Fritillaria
imperalis) ; ferner die für den Küchengebrauch wichtigen Arten der Gat-
tung Allium, wie: der Knoblauch (A. sativum), Schnittlauch (A.
Schoenoprasum), Küchenlauch (A. Porrum), die Küchenzwiebel oder
Bolle (A. Cepa). Von dem im südlichen Europa wachsenden Allermanns-
harnisch (Allium Victoriaiis) gebrauchte man früher die längliche Zwiebel
als Bulbus victorialis longus.
§ 423. Von den Spargelgewächsen. Die Spargelgewächse,
Asparageae, unterscheiden sich von den Lilien durch ihre Beeren-
frucht. (Hexandria Monogynia.)
1. Smilax officinalis u. a. Arten off. Radix Sarsaparillae.
2. — China off. Rhu. Chinae.
Zur Gattung Smilax, Stechwinde, gehören stachelige Klettersträucher
mit knolligem Wurzelstock und gestielten Blättern. Sie kommen in zahl-
reichen Arten im tropischen Amerika (Brasilien, Columbia, Centralamerika
und Mexiko) vor und liefern daselbst die verschiedenen Sorten der Sar-
saparillwurzel. — Im östlichen Asien wächst Smilax China.
*) Colchicum von der kleinasiatiachen Landschaft Kolchis.
**) Sabadilla, span. Cebadilla (kleines Getreidekorn).
- 460 —
Von den einbeimischen Asparageen seien erwähnt:
Der Spargel (Asparagus officinalis); das Maiglöckchen (Conval-
laria majalis), Fig. 323; die Einbeere (Paris quadrifolia) mit einer ein-
zelnen 8 männigen Blüte und einer giftigen schwarzen Beere, Fig. 324.
§ 424. Von den Schwertlilien. Die Schwertlilien, Irideae,
besitzen ein oberständiges Perigon und nur 3 Staubgefässe.
(Triandria Monogynia.)
1. Iris germanica, I. pallida, I. florentina,
Schwertlilie, off. Hhiz. Iridis.
Die genannten Arten der Schwertlilie werden in Ober-Italien, zumal
bei Florenz und Verona, gebaut. Iris germanica trägt dunkelviolette,
Iris pallida blassblaue, Iris florentina weisse Blüten. — Unsere deutsche
Iris Pseud-Acorus besitzt dagegen gelbe Blüten. Vgl. Fig. 325.
2. Crocus sativus, Safran, ..... off. Crocus.
Ein Zwiebelgewächs des Orients, in Europa der Narben (Crocus)
wegen gebaut, z. B. in der französischen Landschaft Oatinais. Fig. 326.
Hierhin gehört auch der Schwertel (Grladiolus communis), eine be-
kannte Zierpflanze mit roten Blüten, deren Zwiebel früher als Bulbus Vic-
torialis rotundus gebraucht wurde.
Die Orchideen.
§ 425. Charakter der Familie. Die Familie der Orchisge-
wächse, Orchideae, ist durch die auffallenden Formen ihrer un-
regelmässigen Blüten ausgezeichnet. Sie findet sich über die ganze
Erde verbreitet, in den Tropenländern nicht selten als Schmarotzer
auf Bäume klimmend, wie die Vanille.
Es sind Kräuter, oft mit zwei gepaarten Knollen am Grunde
des Stengels; die Blätter bescheidet, wechselständig, die Blüten
meist schön gefärbt, mit einem oberständigen Perigon, von
dessen 6 Blättern sich das vordere nach Art einer Lippe
(labellum) vorstreckt und häufig nach hinten in einen Sporn aus-
läuft. Die Staubgefässe schlagen bis auf einen einzigen (seltener
bis auf zwei, wie bei Cypripedium) fehl; dabei verwächst der
Staubfaden derartig mit dem Griffel, dass der Staubbeutel
über oder hinter die Narbe zu stehen kommt. Die beiden, oft
weit getrennten Staubbeutelfächer enthalten keine freien Pollen-
körner, sondern körnig oder wachsartig verklebte sog. Pollen-
massen (pollinaria) , die nicht selten gestielt sind und in einer
Drüse entspringen. — Gynandria Monandria (und Diandria).
1. Orchis Morio*), 0. militaris, j
— mascula, 0. ustulata, > off. Tubera Salep*
— (Anacamptis) pyramidalis, j
*) Orchis von opyt; (Hode). Morio von ;j.6pLov (Geschlechtsteil).
461
Colchicaceae.
Fig. 321. Fig. 322.
Colchicum autumnale. Herbstzeitlose. Veratrum album. Weisse Nieswurz,
Eechts der Stempel, links die Kapselfrucht. Germer. Oben rechts eine einzelne
Blüte, links eine Kapselfrucht.
Asparageae.
H7^ —
Fig. 323. Fig. 324.
Convallaria majalis. Maiglöckchen. Paris quadrifolia, Einbeere.
Links eine einzelne Blüte, sowie dieselbe (II Wurzelstock, IH Stempel mit einem
im Längsschnitt. Hechts eine Beere, Blattwirtel und 1 Blüte.)
sowie ein Staubgefäss.
— 462 —
Die artenreiche Gattung Orchis zeichnet sich durch ihre gespornte
3 gipfelige Lippe aus und trägt am Grunde des Stengels gepaarte Knollen,
"welche bei obengenannten Arten kugelig, bei Orchis maculata und 0.
latifolia zweispaltig (handförmig) sind. Fig. 327 und 328.
Die verschiedenen Orchis-Arten finden sich auf Wiesen und grasigen
Waldstellen häufig.
2. Piatanthera bifolia, Breitkölbchen, off. Tub. Salep.
Bei der Gattung Piatanthera*) befinden sich die beiden Staub-
beutelfächer von einander getrennt; die Lippe ist ungeteilt, hinten mit
langem und dünnem Sporn. Auf Waldwiesen häufig.
3. Vanilla planifolia, Vanille, . . off. Fruct Vanillae.
Ein Schmarotzerkraut in Mexiko, welches mit seinen Luftwurzeln an
den Bäumen emporklimmt.
§ 426. Verwandte Familien. Den Orchideen schliessen sich
folgende tropische Familien enge an, deren Perigon ebenfalls
Lippen form zeigt, und deren Staubgefässe auch bis auf 1
fehlgeschlagen sind, ohne dass aber der Staubfaden mit dem Griffel
verwachsen ist. (Monandria Monogynia).
I. Die Gewürzlilien, Scitaniineae, schilfähnliche Gewächse
mit gewürzreichen, knolligen Wurzelstöcken, wegen deren sie in
den Tropenländern vielfach kultiviert werden.
1. Alpinia officinarum, Galgant, off. Rhiz. Galangae.
2. Curcuma Zedoaria, Zitwer, . off. Ullis. Zedoariae.
3. longa u. C. viridiflora off. Rhiz. Curcumae.
4. Zingiber officinale, Ingwer,, off. Rhiz. Zingiberis.
5. Elettaria Cardamomum, Kar-
damom off. Fruct. Cardamomi.
Die genannten Gewächse sind alle in Ostindien und im südlichen
China einheimisch, teilweise aber durch Kultur auch über das tropische
Amerika verbreitet, wie der Ingwer.
IL Die Blumenbinsen, Marantaceae, schilfähnliche Ge-
wächse ohne Gewürz, Vertreter der Gewürzlilien in der neuen Welt.
Maranta arundinacea**), Pfeilwurz, off. Amylum, Marantae.
Einheimisch im heissen Amerika, durch die Kultur auch über das
tropische Afrika und Asien verbreitet, liefert aus dem kriechenden Wurzel-
stock das Arrowroot {Amylum Marantae).
*) Piatanthera von ^Xa-ni? (breit) und anthera.
**) Arundinaceus (schilfartig) von arundo (Schilf).
463
Irideae.
Fig. 325.
Iris. Schwertlilie.
Längsschnitt durch die Blüte.
(a Fruchtknoten.)
Fig. 326.
Crocus sativus. Safran.
Kechts die Narben, links ein Staubgefäs
Orchideae.
Fig. 327. Fig. 328
Orchis Morio. Knabenkraut. Orchis maculata.
(Nebst einzelner Blüte). Geflecktes Knabenkraut (Nebst einzelner Blüte.)
— 464
B. Die Klasse der Dikotyledonen.
Samen mit 2 gegenständigen Samenlappen; beim Keimen entfalten sich
die Blätter blattartig (Blattkeim er). Die Gefässbündel verlängern und
verdicken? sieb alljährlich. Die Blätter zeigen eine verzweigte Nervatur; die
Blüten sind vorzugsweise 4- oder 5 gliederig.
1. Ordnung. Apetalen (Monoehlainydeen).
Blüten nackt oder mit einem Perigon.
Analytische Übersicht der Familien.
A. Blüten getrenntgeschlechtig, ausnahmsweise zwitterig.
a) Blüten in Kätzchen.
a) Fruchtkarpelle flach, Samen nackt . . Coniferae.
ß) Frucht mit Becherhülle Cupuliferae.
y) Steinfrucht Juglandeae.
o) Kapsel mehrsamig Salicineae.
b. Blüten in Kolben Piperaceae.
c. Blüten in Ähren oder Rispen, mit Perigon.
a) Frucht nussartig oder fälsche Beere . . Urticaceae.
ß) Frucht 2 — 3 knöpfig Euphorbiaceae.
B. Blüten zwitterig, ausnahmsweise getrennt-
geschlechtig.
a. Perigon unterständig.
a) Frucht nussartig.
Blätter mit einer Tute ...... Polygoneae.
Blätter ohne Tute Chenopodeae.
ß) Frucht beerenartig.
Staubbeutel klappig aufspringend . . . Laurineae.
Staubbeutel längsritzig Thymelaeae.
b. Perigon oberständig.
a) Schmarotzersträucher mit Beeren . . . Loranthaceae.
ß) Kräuter mit Kapselfrucht Aristolochieae.
Die Nadelhölzer, Coniferae.
§ 427. Charakter der Nadelhölzer. Die Familie der Nadelholz er,
Coniferae, umlässt harzreiche Sträucher und Bäume mit
immergrünen, schuppigen oder nadeligen Blättern. Der Stamm
besitzt ein weiches Holz, aus getüpfeltem Prosenchym gebildet,
mit nur wenigen Gefässen (in der Markscheide). Die einge-
schlechtigen Blüten stehen in Kätzchen, ohne Perigon, die
männlichen sind aus Staubgefässen , die weiblichen aus flachen
Karpellblättern gebildet, welche sich nicht zu einem Frucht-
knoten geschlossen haben, sondern nackte Samenknospen an
ihrem inneren Grunde tragen. Bei der Eeife verholzen die Kar-
pellblätter entweder zu einem sog. Zapfen (conus), wie bei der
Kiefer und Fichte, oder werden fleischig, zu einer Scheinbeere
(Beerenzapfen), wie beim Wacholder und der Eibe. Der
— 465 —
Same enthält einen Keim mit (bis 12) quirlständigen Samen-
lappen (daher auch Polykotyledonen genannt).
Die Nadelhölzer finden sich über die ganze Erde verbreitet, von
den Tropenländern bis zum höchsten Norden und zur Schneegrenze
im Hochgebirge. Charakteristisch ist das reichliche Vorkommen
von Balsam und Harz, welche ganze Zellpartien im Baste (Harz-
gänge) füllen, in den Nadeln aber in eigenen Drüsen enthalten sind.
1. Juniperus communis, Wacholder, off. Fruct. Juniperi,
2. Juniperus Sabina, Sadebaum, off. Summitates Sabinae.
Die Gattung Juniperus charakterisiert sich durch diöcische Blüten
und Beerenfrucht. Beim Wacholder (Fig. 329) stehen die Nadeln zu
drei quirlständig, beim Sadebaum stehen sie vierzeilig, anfangs schuppig
angedrückt, später sparrig abstehend und stechend.
Erwähnung verdienen der ebenfalls beerentragende Eibenbaum (Taxus
baccata), Fig. 330, der vielfach in Parkanlagen gepflanzt wird und aus
dessen Blättern früher Extr actum Taxi bereitet wurde; sowie der abend-
ländische Lebensbaum (Thuja occidentalis) , ein Zierstrauch aus Ka-
nada, mit horizontal flachen Zweigen (bei der Thuja orientalis sind sie
vertikal gerichtet), aus denen man Tinctura Thujae bereitet.
3. Pinus silvestris, Kiefer, . . 1 off. Therebinthina.
— Taeda, P. australis, . / Besina Pini.
— Pinaster, P. Laricio, . j Turiones Pini.
Coniferae.
Fig. 329. Fig. 330.
Juniperus communis, Wacholder. Taxus baccata, Eibe.
Links ein weiblicher Zweig mit ganzer und Links ein männlicher, rechts ein weiblicher
halbierter Frucht. Rechts ein männlicher ^weig, sowie ein männliches, wie
Zweig nebst einzelner Blüte. weibliches Kätzchen.
Schlickum, Apothekerlehrling.
30
— 466 -
Bei der Gattung Pinus finden wir zu 2 oder 5 gepaarte Nadeln und
verholzende Zapfenfrüchte. P. silvestris (Fig. 331) wächst in Deutschland,
P. Pinaster (Seestrandskiefer) im südlichen Frankreich, P. Laricio
(Schwarzföhre) in Niederösterreich, P. Taeda und P. australis in Nord-
amerika. Sie lassen aus der verwundeten Rinde im Sommer Terpentin, im
Herbst und Winter Fichtenharz ausfliessen.
Die Gattung Abi es unterscheidet sich durch einzeln stehende Nadeln.
Zu ihr gehören die Rottanne oder Fichte (Abies excelsa), Fig. 333, mit
spitzen Nadeln, sowie die Edeltanne oder Weisstanne (Abies pecti-
nata) Fig. 334, mit kammförmig gestellten stumpfen Nadeln.
4. Laris decidua (L. europaea), Lärche, off. Terebintinalaricina.
Die Lärche kennzeichnet sich durch ihre büschelig gestellten
Nadeln; sie lässt aus dem angebohrten Holze den Lärchenterpentin ausfliessen.
5. Dammaraalba.D. orientalis, \ „. „ . -r.
r rr ■„ n„-t-u„ tt „„i„ j-i / oft. Besma Dammar.
6. Hopeamicrantha, H. splendicla /
Fichtenähnliche Bäume auf den ostindischen Inseln, deren geborstene
Rinde das Dammarharz ausfliessen lässt.
7. Callitris quadrivalvis off. Sandaraca.
Ein Strauch auf dem Atlasgebirge im nördlichen Afrika, der aus
Einschnitten des Stammes das Sandarakharz ausfliessen lässt.
Die Laubhölzer. Amentaceae.
§ 428. Allgemeiner Charakter der Laubhölzer. Unsere Laub-
hölzer, namentlich die Lieferanten des Nutz- und Brandholzes,
zählen zu den kätzchenblühenden Apetalen. Es sind Bäume,
seltener S trau eher, mit abwechselnd gestellten Blättern , deren
Mittelnerv starke, wenig verzweigte Seitennerven entsendet; die
Blüten sind eingeschlechtig, bald ein-, bald zweihäusig,
und stehen in Kätzchen zusammen. Der Same enthält einen
Eiweisskörper.
Man unterscheidet die hierhinzählenden Familien nach der
Fruchtform.
§ 420. Von den Becherfrüchtlern. Die Familie der Becher-
früchtler, Cupuliferae, charakterisiert sich durch die eigen-
tümliche Fruchthülle, die sogen. Becherhülle (cupula),
welche die Nussfrucht bald völlig einschliesst (wie die stachelige
Hülle der Buche und Kastanie), bald nur am Grunde becher-
förmig umschliesst (wie bei der Eiche) , oder sie blattartig ein-
hüllt (wie bei der Haselnuss und Hainbuche). Die Blüten sind
einhäusig, die männlichen in Kätzchen, die weiblichen einzeln
oder gehäuft (Haselnuss, Eiche). — Monoecia Polyandria.
Grösstenteils der nördlichen gemässigten Zone angehörend
und die Waldbestände Europas und Nordamerikas bildend , ent-
halten die Becherfrüchtler vorherrschend Gerbstoffe, wie vor allen
die Eiche; in den Samen der Buche und Haselnuss finden wir
auch fettes Öl.
— 467 —
Coniferac.
Fig. 231.
Pinus silvestris. Kiefer.
Fig. 232.
Larix decidua. Lärche.
Links ein Nadelpaar, männliches Kätzchen Blühender und fruchttragender Zweig,
und Staubbeutel. Bechts eine weibliche nebst Fruchtschuppen mit Samen.
• Blüte und Fruchtblatt mit Samen.
Fig. 333
Abies excelsa. Kottanne.
Fig. 334.
Abies pectinata. Weisstanne-
Nebst einem Zapfen, einer Fruchtschuppe Nebst einem Teile des Zapfens, einer
(oben links) und einem Samen (rechts). Fruchtschuppe (links) und einem
Samen (rechts).
30*
— 468 —
1. Quere us Robur, Eiche, ... off. Gortex Quercus
a) peduneulata, Stieleiche,. . G-landes Quercus
ß) sessiliflora, Steineiche,
2. Quercus lusitanica
y) infectoria, Galleiche, . . . off. G-allae.
Die Gattung Quercus zeichnet sich aus durch die napfförniige
Becherhülle. Die beiden obengenannten Varietäten von Qu. Robur, auch
als besondere Arten aufgestellt, wachsen in Deutschland häufig. Fig. 335. —
Auf der immergrünen Galleiche in Kleinasien entstehen durch den Stich
einer Gallwespe an den jungen Trieben die Galläpfel. — Von der Kork-
eiche (Quercus Suber) in Spanien wird der Kork geschält.
Zu den Becherfrüchtlern zählen noch: die Buche (Fagus sylvatica),
die essbare Kastanie (Castanea vesca), die Hainbuche (Carpinus
Betulus) und Haselnuss (Corylus Avellana).
Die Birken unterscheiden sich von den Becherfrüchilern durch den
Mangel der Becherhülle. Hierhin die Birke (Betula alba), deren glatte,
weisse Rinde durch trockene Destillation den Birkenteer, Oleum Rusci, liefert.
Die Erle in zwei Arten: Schwarzerle (Alnus glutinosa) mit kahlen
Blättern, Weisserle (Alnus incana), mit unterseits graufilzigen Blättern.
§ 430. Von den Walnüssen. Die kleine Familie der Wal-
nüsse, Juglandeae , zeichnet sich durch eine Steinfrucht, ge-
fiederte Blätter und bitter - aromatische Bestandteile aus. Die
Blüten sind einhäusig , die männlichen in Kätzchen , die weib-
lichen zu wenigen gehäuft. Die Samen führen fettes ÖL
Juglans regia, Walnuss, .... off. Folia Juglandis.
Der Walnussbaum (Fig. 336) ist ein mächtiger Baum, aus dem
Orient stammend. Man benutzt die grüne Fruchtschale zu Extractum
nueum Juglandae.
§ 431. Von den Weiden. Die Familie der "Weiden, Salici-
neae, ist am weitesten in die kälteren Regionen hinein verbreitet
und umfasst zw ei häusige Bäume und Sträucher, bei denen so-
wohl die männlichen wie die weiblichen Blüten in Kätzchen stehen ;
die Kapselfrucht birgt viele beschopfte Samen. Diese Gewächse
sind reich an herben, gewürzigen und bitteren Stoffen. — Dioecia.
Zu den Weiden gehören zwei Gattungen:
1. DieWeide, Salix, mit zweimännigen Blüten (Dioecia Diandria L ).
Mehrere Arten liefern die jetzt obsolete Cortex Salicis; so: die Bruch weide
(S. fragilis), Fig. 337, deren Zweige am Grunde leicht abbrechen; die
Silberweide(S. alba), mit lanzettlichen, unterseits silberweissen Blättern;
die Lorbeerweide (S. pentandra) mit fünfmännigen Blüten; die Pur-
purweide (S. purpurea), mit roten Staubbeuteln u. a. m.
2. Die Pappel, Populus, mit acht- oder zwölfmännigen Blüten
(Dioecia Octandria L.). Die Schwarzpappel (P. nigra), Fig. 338, mit
dreieckig -eiförmigen Blättern; die Zitterpappel oder Espe (P. tremula)
mit rundlichen Blättern an schwanken Stielen; die Silberpappel
(P. alba) mit unterseits weissfilzigen Blättern; die gemeine Pappel (P.
pyramidalis) an Alleen gepflanzt. Ihre Blattknospen (Gemmae populi)
wurden früher zu Unguentum Populi verwendet.
— 469
Cupuliferae.
Juglandcat
Eig. 335. Fig. 336.
Quercus pedunculata. Stieleiche. Juglaiis regia. Walnuss.
Ein Blüten- und Fruchtzweig, Links zwei Staubgefässe und eine weibliche
links eine männliche, rechtsTeine Blüte. Bechts : Teil eines männlichen
weibliche Blüte. Kätzchens, sowie die Steinfrucht im Längsschnitt.
Salicineae.
Fig. 337. Fig. 338.
Salix fragilis. Bruchweide. Populus nigra. Schwarzpappel.
Bechts eine männliche, links eine weibliche Links eine männliche, rechts eine
Einzelblüte. weibliche Einzelblüte.
- 470 -
§ 432. Verwandte Familien. Den Kätzchen bäumen schliessen
sich folgende ausländische Familien an :
1. Die ßalsamifluae, Bäume mit balsamreicher Rinde.
Liquidambar Orientale .... off. Styrax liquidus.
Ein platanenähnlicher Baum in Kleinasien, dessen abgelöste Kinde
beim Auskochen den Storax liefert.
2. Die Pfeffergewächse, Piperaceae, Klettersträucher
heisser Klimate, mit knotig gegliedertem Stengel; den Blättern
gegenüber hängen kurzgestielte Ähren mit fleischiger Spindel
herab; ihre Frucht ist eine einsamige Beere.
Cubeba officinalis (Piper Cubeba) . . . off. Cubebae.
Ein Kletterstrauch auf Java, dessen Beeren die Kubeben darstellen.
Der Pfeffer (Piper nigrurn), auf der Malabarküste einheimisch,
wird in Ostindien, wie unser Hopfen, an Stangen gezogen; die getrocknete
unreife Beere liefert den schwarzen, der reife Same den weissen Pfeffer.
— Yom langen Pfeffer (Piper longum) gebrauchte man früher die langen,
den Birkenkätzchen ähnlichen Fruchtkolben.
Die Nessel gewächse, Urticaceae.
§ 433. Von den Nesseln. Die Familie der Nesseln, Urti-
caceae, umfasst Kräuter und Bäume mit rauhen Blättern,
hinfälligen Nebenblättchen und kleinen, meist eingeschlechtigen
Blüten, welche mit einem kelchartigen Perigon versehen und
in Trauben, Ähren oder Rispen, nicht aber in Kätzchen gestellt
sind. Die Früchte stellen Meine Nüs sehen dar, wie sie Fructus
Oannabis im grösserem Massstabe zeigt; sie sind häufig durch
das fleischig gewordene Perigon oder Blütenlager in eine falsche
Fleischfrucht umgewandelt, wie bei der Maulbeere und Feige.
(Monoecia und Dioecia L.)
Diese Gewächse zeichnen sich durch lange, biegsame Bast-
fasern aus und erlangen, wie der Hanf, die Nessel und der
japanische Papiermaulbeerbaum , mehrfache technische Anwen-
dung ; andere strotzen von Milchsaft, der bald geniessbar ist (wie
beim Kuhbaum auf den polynesischen Inseln), bald giftig (wie
beim Upasbaum auf Java), auch häufig auf Kautschuk verwertet
wird (wie bei Ficus elastica in Ostindien). Durch ihre saftigen
Früchte bieten der Feigen- und Maulbeerbaum im Orient, der
Brotfruchtbaum den Südsee-Insulanern Genuss und Nahrung.
§ 434. Einteilung der Nesselgewächse. Nach der Fruchtbildung
unterscheidet man die Nesselgewächse in mehrere Gruppen, welche
von anderen als besondere Familien betrachtet werden :
471
Urticaceae.
Eig 339 Fis- 34°-
Humulus Lupulus. Hopfen. Cannabis satiya. Hanf
Nebst einer männlichen und weiblichen Nebst männlicher und weiblicher Einzelblute.
Einzelblüte und einer Nuss am Grunde
ihres Deckblättchens.
Eig. 341. Fig. 342.
Ulmus campestris. Ulme, Küster. Monis nigra. Schwarzer Maulbeerbaum.
Links oben Einzelblüte, unten Flügelfrucht. Links oben männliche, unten weibliche
Einzelblüte ; rechts Eruchtstand.
— 472 —
I. Echte Nesseln, mit trockner Nussfrucht.
1. Humulus Lupulus, Hopfen, off. Glandulae Lupuli.
Eine zweihäusige , rechtswindende Kletterstaude, deren männliche
Pflanze eine grosse Blütenrispe trägt; man kultiviert die weibliche Pflanze
zur Gewinnung der Hopfenähre (Strobidi Lupuli), deren Blättchen mit dem
Hopfenmehl bestreut sind. Fig. 339.
2. Cannabis sativa, Hanf, . off. Fructus Cannabis.
Herba Cannabis indicae.
Ein zweihäusiges Kraut, welches seines Bastes wegen kultiviert wird.
Die in Ostindien wachsende weibliche Pflanze schwitzt an den Blüten-
ähren ein narkotisches Harz aus, welches dem bei uns gebauten Hanfe
fehlt. Fig. 340.
Hierhin gehören noch die Brennessel, Urtica urens, mit rundlichen,
Urtica dioica mit herzförmigen Blättern.
II. Ulmen, Bäume mit zwitterigen Blüten und geflügelter
Frucht.
Von den beiden einheimischen Arten der Ulme, Ulmus campestris
und U. effusa, benutzte man ehedem den Bast (Cort. TJlmi inferior) Fig. 341.
III. Maulbeergewächse mit Beere oder Fleischfrucht.
Ficus Carica, Feige, off. Caricae.
Ein Strauch des Orients, dessen fleischige Fruchtkuchen als Feigen
zu uns kommen.
Der schwarze Maulbeerbaum (Monis nigra) dient mit seinen
schwarzroten Beeren zu Syrupus Mororum; Fig. 342. Der weisseMaul-
beerbaum (Morus alba) wird zur Züchtung der Seidenraupe gebaut.
Die Wolfsmilchgewächse, Euphorbiaceae.
§ 435. Von den "Wolfsmilchgewächsen. Die Wolfsmilchge-
wächse, Euphorbiaceae, sind in ihrer äusseren Erscheinung
sehr wechselnd, bald krautartig, oft kaktusähnlich, bald Sträucher
und Bäume, entweder mit Blume und Kelch, oder mit Perigon,
auch nacktblütig, stimmen jedoch darin überein, dass ihre Frucht
in mehrere Knöpfe zerfällt. Ihre Blüten sind ein-
geschlechtig, mit wechselnder Zahl der nicht selten verwach-
senen Staubgefässe. (Monoecia und Dioecia L.)
Die Euphorbiaceen besitzen meistens reichlichen Milchsaft,
welcher vielfach Kautschuk liefert, wie von Siphonia elastica
in Südamerika ; bei der Gattung Euphorbia zeichnet er sich
durch grosse Schärfe aus. Die Samen der Euphorbiaceen
sind reich an fettem Öl (statt des Stärkemehls), häufig von
drastisch wirkenden Stoffen begleitet — so das Ricinus- und
Crotonöl.
— 473 —
1. Ricinus communis off. Oleum Eicini.
Ein mannshoher Strauch., in Ostindien einheimisch, im heissen Amerika
und in Italien kultiviert, in unseren Gärten nur einjährig, liefert durch
Auspressen der Samen das Ricinusöl.
2. Croton Eluteria . . . . off. Gortex Cascarillae.
Ein strauchartiges Bäumchen auf den westindischen Inseln.
3. Croton Tiglium (Tiglium officinale) off. Oleum Crotonis.
Ein Bäumchen in Ostindien, aus dessen Samen Crotonöl gepresst wird.
4. Mallotus Philippensis (Rottlera
tinctoria) . off. Kamala.
Ein Baum in Ostindien, dessen Früchte kleine rote Drüsen tragen,
welche man abbürstet und als Kamala zum Färben der Seide, sowie als
Bandwurmmittel verwendet.
5. Euphorbia resinifera .... off. Euphorbium.
Die Gattung Wolfsmilch, Euphorbia, ausgezeichnet durch einen
scharfen, weissen Milchsaft, besitzt scheinbar zwitterige Blüten, worin eine
nackte weibliche Blüte, von zahlreichen Staubgefässen (nackten einmän-
nigen Blüten) umgeben, in einer glockigen Hülle steht. (Monoecia Mo-
nandria, nachLinne: Dodekandria Trigynia.) Die marokkanische E. resi-
nifera ähnelt einem Kaktus und lässt aus der verwundeten Rinde den
scharfen Milchsaft ausfüessen, welcher an den Stacheln der Pflanze ein-
getrocknet das Euphorbium darstellt. — Von den einheimischen Euphorbia-
Arten seien erwähnt: Euphorbia Cyparissias und E. Esula.
Die deutsche Flora besitzt ausserdem den Bus bäum (Buxus semper-
virens) und das Bingelkraut (MercuriaUs).
Erwähnung verdienen noch: der Gummilackbaum (Aleurites lacci-
fera Willd.) auf den Molukken, dessen Zweige infolge des Schildes der Lack-
schildlaus den Gummilack absondern, aus welchem man den Schellack aus-
schmilzt; der Kautschukbaum (Siphonia elastica) in Südamerika, dessen
Saft Kautschuk liefert; der Cassavestrauch (Jatropha Manihot) eben-
daselbst, aus dessen Wurzel ein Stärkemehl, die Tapiocca gewonnen wird.
Die knöterigartigen Gewächse, Polygoneae.
§436. Die Knöteriche. Die Familie der Knöteriche, Poly-
goneae, umfasst Krautgewächse, über deren Blätter eine Scheide,
als sog. Tute (ochrea), sich um den Stengel
emporzieht. (Fig. 343.) Die zwitterigen
Blüten sind bei Polygonum mit einem blumigen,
bei Rumex mit einem kelchartigen Perigon versehen,
welches auch die nussartige Frucht bedeckt.
Same eiweisshaltig , oft stärkemehlreich (wie beim
Buchweizen]. Die Zahl der Staubgefässe schwankt
(bei Polygonum 5 — 8, bei Rumex 6, bei Rheum 9).
Bemerkenswert ist das Vorkommen oxalsaurer Salze; Fl§- 343-
so des doppeltoxalsauren Kalis (Kleesalz) im Sauerampfer, des
Oxalsäuren Kalkes im Rhabarber.
— 474 —
Rheum officinale off. Bad. Rhei.
Die Gattung Rheum gehört zur IX. Linneschen Klasse und ist in
Asien durch viele Arten vertreten. Jetzt leitet man die echte Rhabarber-
wurzel ab von Rh. officinale in Tibet und der hohen Tatarei sowie auch
von Rheum palmatum Var. Tanguticum in Hochchina.*) — Rheum Rha-
ponticum, in Kleinasien, lieferte früher Bad. Bhapontici. Die Rheum-
Arterj findet man nicht selten bei uns in Gärten; es sind mannshohe Kräuter
mit grossen Blättern und weissen, rispigen Blüten.
Von den einheimischen Polygoneen verdienen Erwähnung: Der Buch-
weizen (Polygonum Fagopyrum); die Natterwurz (Polygonum Bi-
storta), Fig. 345, deren Wurzel ehedem als Bad. Bistortae off. war; der
Sauerampfer (Rumex Acetosa L.), ein bekanntes Küchenkraut. Die
früher gebräuchliche Bad. Lapathi acuti entnahm man dem stumpf-
blättrigen Ampfer (Rumex obtusifolius), Fig. 346.
§ 437. Verwandte Familie. Hier schliessen sich die Gänse-
fu ss ge wachse, CJlienopodeae, an, Kräuter mit grünen, unan-
sehnlichen Blüten in knäuelichen Ähren.
Manche derselben sind als gemeine Unkräuter bekannt, wie der weisse
Gänsefuss (Chenopo dium**) album) , andere dagegen geschätzte
Küchengewächse, wie die Garten-Melde (Atriplex hortensis), der Spinat
(Spinacia oleracea), sowie der teils als Gemüse, teils als Futter oder zur
Zuckergewinnung (Runkelrübe) gebaute Mangold (Beta vulgaris).
Chenopodium ambrosioides ist ein wohlriechendes Kraut
Mexikos und als Jesuitenthee (Herba Chenopodii ambrcsioidis) gebräuchlich.
Die Lorbeergewächse, Laurineae.
§ 438. Von den Lorbeergewächsen. Die Familie des Lorbeers,
Laurineae, gehört ausschliesslich wärmeren Klimaten an und um-
fasst gewürzreiche Sträucher und Bäume mit immergrünen
Lederblättern. Die zwittrigen Blüten sind neun-
oder zwölfmännig mit gelblichem oder weissem
Perigon; ihre Staubbeutel springen in Klappen
auf (Fig. 344). Die Frucht ist eine Beere oder
Steinfrucht.
Die gewürzigen Produkte der Laurineen
machten seit den ältesten Zeiten einen grossen
Teil des überseeischen Handels aus. Es findet sich
ätherisches Öl im Holze, in den Blättern, Blüten
und Samen, welche letztere zugleich fettes Öl
Fio-" 344 führen (z. B. beim Lorbeer).
*) Diese Art Rheum wurde bereits im 13. Jahrhundert von dem be-
rühmten Venetian er Marco Polo entdeckt, dann 1873 durch Przewalski
wieder aufgefunden. — Von Rheum officinale kamen zuerst 1867 frische
Wurzeln nach Paris.
**) Chenopodium von yfy (Gans) und 7:00c (Fuss).
— 475 —
Polygon eae.
"Fig. 345.
Polygonum Bistorta. Natterwurz.
Nebst einer einzelnen Blüte,
und einem Stempel.
Fig. 346.
Bumex obtusifolius.
Stumpfblätteriger Ampfer. Links oben eine
einzelne Blüte, rechts unten eine Frucht.
Thymelaeae.
Lorantaceae.
Fig. 347. Fig. 348.
Daphne Mezereum. Seidelbast. Viscum album. Mistel.
Rechts eine einzelne Blüte; links dieselbe Rechts eine männliche Blüte, darüber
im Längsschnitt, darüber Stempel und ein Staubbeutel; links eine weibliche Blüte,
längsdurchschnittne Beere. sowie eine Beere.
476 —
1. Laurus nobilis, Lorbeerbaum, . off. Fructus, Oleum,
Folia Lauri.
Ein strauchartiger Baum, einheimisch im Orient und durch Kultur
im ganzen südlichen Europa verbreitet.
2. Cinnamomum Cassia (Laurus Cassia),
der Zimtbaum, ... off. Gortex und Oleum Cinnamomi.
Ein Baum, wild und kultiviert im südlichen China und Hinterindien;
liefert den chinesischen Zimt (Zimtkassie). Von Cinnamomum Zey-
1 an i c u m (Laurus Cinnamomum), aufZeylon in Plantagen kultiviert, kommt
der Bast als Ceylonzimt (Cort. Cinnamomi zeylanici) zu uns.
3. Camphora officinarum (Laurus Camphora),
der Kampferbaum, off. Camphora.
Ein hoher Baum, der an der Küste Chinas und Japans dichte Wal-
dungen bildet, birgt im Holze und in den Blättern den Kampfer krystalli-
nisch abgelagert; man scheidet ihn im Mutterlande durch Sublimation ab.
4. Sassafras officinale (Laurus Sassafras.)
off. Lianum Sassafras.
Ein gewürzreicher Baum in den vereinigten Staaten Nordamerikas.
§ 439. Verwandte Familien. I. die Seidelbastgewächse,
Thymelaeae, Bäume und Sträucher mit gefärbten Perigonblüten.
Daphne Mezereum, Seidelbast, . . off. Cort. Mezerei.
Dieser Strauch, Fig. 347, ziert schon im März und April unsere Berg-
wälder durch seine wohlriechenden, roten Blüten, die vor den Blättern an
den Zweigspitzen erscheinen; Beeren rot und
scharfgiftig.
II. Die Muskatnüsse, Myristica-
ceae, tropische Bäume, deren Same von
einem fleischigen Samenmantel umhüllt ist.
Myristica fragran s, Muskatnuss-
baum, off. Macis,
Nuces moschatae, Oleum Nucistae.
Ein hoher Baum auf den Molukken, dessen
gelbe Beeren den Samen — die Muskatnüsse
— in einem roten Samenmantel (Macis) bergen.
III. Die Mistel ge wachs e, Loran-
thaceae, Schmarotzersträucher unserer
Obst- und Waldbäume, mit Beeren.
Die Mistel (Viscum album), Fig. 348, ein
gabelästiges, zweihäusiges Gewächs mit weissen
Beeren, welche Vogelleim liefern, früher ge-
bräuchlich als Viscum album.
Fig. 349. Asarum europaeum. XY. j)[e Osterluzeigewächse,
Rechts die ?iüStfr^;gS8chnttt;Aristolochiaceae, kraut- und strauch-
links der Stempel ; ein staubgefass artige Gewächse mit kriechendem oder
und diKlpBe?Ä!hnittene knolligem Wurzelstock, dessen Bestand-
— 477 —
teile meist bitter, scharf oder kampferartig (Asantkampfer in der
Haselwurz!); die Blüten sind gefärbt, bei Aristolochia zungen-
förmig, mit 6 oder 12 Staubgefässen.
1. Asarum europaeum, Haselwurz, . off. BMz. Asari.
Ein niedriges Kraut mit nierenförmigen Wurzelblättern und einzelner,
rotbrauner Blüte. Fig. 349.
2. Aristolochia Serpentaria,
virginische Schlangenwurz . . off. Bad. Serpentariae.
Ein Kraut in den Wäldern Virginiens , woselbst die Wurzel gegen
den Biss giftiger Schlangen dient.
2. Ordnung-. Monopetalen.
Blüten mit Kelch und einblättriger Blume.
a) Monopetalen mit unte rständiger Blume.
(Corollifloren.)
Analytische Übersicht der Familien.
I. Staubgefässe in nicht grösserer Zahl als Blumenzipfel.
A. Staubgelässe gleichlang; Blume regelmässig.
a) Staubgefässe 5, Blume 5 zipfelig.
a) Fruchtknoten 4 teilig Boragineae.
ß) Fruchtknoten ungeteilt.
1. Frucht 2 fächerig, vielsamig . . Solaneae.
— armsamig . Convolvulaceae.
2. Frucht 1 fächerig, Samen central Primulaceae.
— — Samen wandständig Gentianeae.
y) Fruchtknoten 2, mit gemeinsamer
Narbe Asclepiadeae.
b) Staubgefässe 4, Blume 4 zipfelig.
a) Kapselfrucht ; Blume trockenhäutig Plantagineae.
ß) Beerenfrucht Aquifoli aceae.
c) Staubgefässe 2. Blume 4 zipfelig . . Oleaceae.
B. Staubgefässe 2 mächtig, Blume meist
unregelmässig.
a) Fruchtknoten 4 teilig Labiatae.
b) Fruchtknoten ungeteilt.
a) Frucht eine mehrsamige Kapsel . Scrophularineae.
ß) Frucht in 4 Nüsse zerfallend . . Verbenaceae.
IL Staubgefässe in doppelter Zahl als Blumen-
zipfel - . . . Ericaceae.
Die Nachtschattengewächse, Solaneae.
§ 440. Charakter der Nachtschattengewächse. Die Familie der
Nachtschattengewächse, Solaneae, umfasst Pflanzen mit
regelmässigen, fiinfgliederigen Blüten und abwechselnd ge-
stellten Blättern. Die fünflappige oder fünfteilige Blume welkt
nach dem Verblühen schnell ab; sie trägt 5 Staubgefässe und
— 478 —
birgt einen zweifächerigen Stempel mit 1 Griffel. Da-
her finden wir diese Familie in der Pentandria Monogynia
nach Linne. Die Frucht ist bald eine zwei- bis vierfächerige
Kapsel, wie beim Stechapfel, Tabak und Bilsenkraut, bald eine
Beere, wie beim Nachtschatten und der Tollkirsche; sie enthält
zahlreiche, etwas platte Samen.
Die Solaneen zeichnen sich durch mancherlei giftige Alka-
loi'de aus (Atropin in der Tollkirsche, Daturin im Stechapfel,
Nikotin im Tabak, Solanin im Nachtschatten und den Keimen
der Kartoffel u. a. m.) , stellen daher dem Arzneischatze ein
grosses Kontingent von Griffen. Bei uns ist die Familie durch
einige Gattungen vertreten, zu denen nur Kräuter zählen; die .
meiste Verbreitung findet sie in Südamerika, in der Heimat der
Kartoffelpflanze und des Tabaks.
§ 442. Einteilung der Familie. Je nach der Fruchtform zer-
fallen die Solaneen in Kapseltragende und Beer entragende.
a) Mit Beeren:
1. Solanum Dulcamara, Bittersüss-
Nachtschatten off. Stipitcs Dulcamarae.
Die Gattung Solanum trägt flache Blüten mit kegelig zusammen-
neigenden und vorstehenden Staubgefässen : S. Dulcamara, Fig. 351, ist
ein windender Halbstrauch mit blauen Blüten und roten Beeren, dessen
untere Stengelteile verholzen und medizinische Anwendung finden. — S,
nigrum ist ein allenthalben verbreitetes Unkraut mit weissen Blüten und
schwarzen Beeren. — S. tuberosum ist die Kartoffelpflanze.
2. Atropa*) Belladonna, Tollkirsche,
off. Folia, Bad. Belladovnae.
Ein perennierendes Kraut in Waldschlägen, mit braunroten, glockigen
Blumen und schwarzen, glänzenden Beeren. Fig. 350.
b) Mit Kapselfrucht:
3. Nicotiana**) Tabacum, Tabak,
off. Folia Nicotianae.
Im heissen Amerika einheimisch, auch in Deutschland (in der Rhein-
pfalz) gebaut.
4. Hyoscyanius ***} n i g e r , Bilsenkraut,
off. Herba, Sew. Hyoscyami.
Ein zweijähriges, klebrig-zottiges Kraut auf Kirchhöfen u. a., mit gelben,
dunkelgeaderten Blumen und bedeckelter Kapselfrucht. Fig. 352.
*) Atropa nach der Parze Atropos, die den Lebensfaden abschneidet.
**) Nicotiana nach J. Nicot, der 1560 die Tabakssamen nach Frank-
reich brachte und zuerst das Rauchen empfahl.
***) Hyoscyamus von Sc (Schwein) und xuap.oc (Bohne).
— 479 -
Solaneae.
Fig. 350. Fig. 351.
Atropa Belladonna. Tollkirsche. Solanum Dulcaniara. Bittersüss-Nachtschatten.
Kechts mit einer aufgespaltenen Blume; Hechts mit der Beere; links mit dem Stempel
links mit dem Stempel sowie der Beere, und einem Staubbeutel,
letztere auch im Querschnitt.
Fig 352.
Hyoscyamus niger. Bilsenkraut.
Nebst Staubgefässen und Kapsel
(im durchschnittenen Kelche).
Fig. 353.
Datura Stramonium. Stechapfel.
Nebst Stengel, aufgesprungener und
querdurchschnittener Kapsel.
_ 480 —
5. Datura Stramonium, Stech-
apfel off. Folia Stramonii.
Ein einjähriges Kraut auf unbebauten Plätzen in der Nähe mensch-
licher Wohnungen, ausgezeichnet durch seine langtrichterige weisse Blume
und stachelige Kapsel. Fig. 353.
6. Capsicum annuum \Beissbeere oft fruct. Capsici.
7. „ longum J {Piper hispamcum).
In Westindien und Südamerika einheimische und daselbst, wie auch
in vielen anderen Tropenländern gebaute Kräuter.
Den Nachtschattengewächsen schliessen sich enge an:
§ 443. Die Boretschgewächse. Die Familie der Boretschge-
wächse, Boragineae, umfasst rauhhaarige Kräuter mit
fünfmännigen Blüten, welche sich von denen der Nachtschatten
nur durch die Yierteilung des Fruchtknotens unter-
scheiden. (Pentandria Monogynia L.)
Diese, in der gemässigten Zone sehr verbreitete Familie
entbehrt jeglicher aromatischen Bestandteile; ihre Glieder lassen
sich leicht erkennen an den schneckenförmig eingerollten Blüten-
trauben (sog. Wickel) und den Deckklappen im Schlünde der
Blume, welche nur selten fehlen (bei Echium).
Boragineae.
Fig. 354.
Borago officinalis. Boretsch.
liinks unten die Staubgefässe nebst
den Deckklappen.
Fig. 355.
Pulmonaria officinalis. Lungenkraut.
Links eine aufgespaltene Blume, rechts der
vierteilige Fruohtknoten mit dem Griffel.
— 481 —
Alkanna tinctoria off. Rad. AMcannae.
Ein Kraut in Kleinasien, dessen Wurzel zum Rotfärben der Fette dient.
Von den einheimischen Gewächsen verdienen Erwähnung: der blau-
blühende Boretsch (Borago officinalis), Fig. 354, in Gärten gezogen. —
— Das Lungenkraut (Pulmonaria officinalis), Fig. 355, mit anfangs roten,
dann blau werdenden, trichterigen Blumen, ein Frühlingskraut unserer Wälder,
früher gebräuchlich (flerba Pulmonariae). — Beinwell (Symphytum offici-
nale), an Ufern, mit glockig- walzenförmigen, weissen oder rötlichen Blumen,
früher gebräuchlich (Radix Consolidae). — Hundszunge (Cynoglossum
officinale), mit braunroten Blüten und stacheligen Früchtchen, früher ge-
bräuchlich (Rad. Cynoglossi). — Der blaublühende Natterkopf (Echium
vulgare) und das artenreiche Vergissmeinnicht (Myosotis).
§ 444. Die Winden. Die Familie der Winden, Convol-
vulaceae, schliesst sich den Nachtschattengewächsen nahe an;
sie nmfasst windende Kräuter mit trichterigen Blumen.
1. Convolvulus Scammonia . off. Radix Scammoniae.
Eine niedrige Winde in Kleinasien und Syrien, aus deren dickwalzen-
förmiger Wurzel schon in alter Zeit ein drastisches Harz (Scammotiium) ge-
wonnen wurde.
2. Ipomoea*) Purga (Convolvulus Purga)
off. Tubera Jalapae.
Eine Winde auf den mexikanischen Gebirgen.
§ 445. Von den Enzianen. Zur Familie des Enzians, Gen-
tianeae, gehören Kräuter mit regelmässigen, schönfarbigen, fünf-
männigen Blüten, deren Blumen in der Knospe gedreht sind und
nach dem Verblühen nicht abfallen. (Pentandria nach Linne.)
Die Gentianeen finden sich von den heissesten Steppen bis
zur Schneegrenze; in allen Teilen der Pflanzen herrscht Bitter-
stoff vor, weshalb man sie auch Bitterlinge genannt hat und
vielfach arzneilich verwendet.
1. Gentiana lutea, G. purpurea
G. Pannonica, G. punctata
Enzian, off. Radix Gentianae.
Perennierende Kräuter auf den Alpen und anderen höheren Gebirgen.
Fig. 356 und 357.
2. Erythraea Centaurium**),
Tausendgüldenkraut, . + .... off. Herba Centaurii.
Ein zweijähriges Kraut mit roten, doldentraubigen Blüten; in Berg-
wäldern. Fig. 358.
*) Ipomoea von "iL (Wurm) und oüioiog (ähnlich).
'**) Erythraea von Ipu^pö? (rot). — Centaurium von centum und aureus.
Schlicktim, Apothekerlehrling. 31
— 482 —
3. Menyanthes*) trifoliata,
Bitterklee, off. Folia Trifolii fibrini.
Ein Kraut an sumpfigen Orten, mit weissbärtigen Blüten und drei-
zähligen grundständigen Blättern. Fig. 359.
§ 446. Verwandte Familien. Hier reihen sich noch folgende
Familien an:
1. Die Asclepiadeae , eine in Deutschland nur wenig ver-
tretene Familie.
Gonolobus Cundurango. . . off. Cortex Condttrango.
Ein Schlingstrauch auf den Gebirgen Ekuadors in Südamerika.
Zu den einheimischen Gliedern zählt die Schwalbenwurz (Cynan-
chum Vincetoxicum L.), deren Wurzel (Radix Vincetoxici) ehedem ge-
braucht wurde.
2. Die Stryehnaceae umfassen tropische, stark giftige Bäume.
Strychnos nux vomica off. Sem. Strychni.
Ein Baum in Ostindien, mit apfelgrossen Beeren, in deren Mus die
Samen, früher Nuces vomicae genannt, eingebettet liegen. — Auf den Phi-
lippinen wächst Strychnos St. Ignatii, dessen Samen die stark giftigen
Ignatiusbohnen darstellen. Von anderen Strychnosarten bereiten die Javaner,
wie auch die südamerikanischen Indianer Pfeilgiß {Curare).
3. Die Schlüsselblumen, Primnlaceae, einheimische
Kräuter mit schönen Blumen. (Pentandria Monogynia nach Linne.)
Primula officinalis, Schlüsselblume, off. Flor. Primulae.
Dieses bekannte Frühlingskraut trägt gelbe Blüten in einfacher Dolde,
mit konkaven Blumenzipfeln. Die höhere Primula elatior, auf Wald-
wiesen, hat flache Blumenzipfel.
Die Ölbaumgewächse, Oleaceae.
§ 447. Von den Ölbaumgewächsen. Die Familie des Öl-
baums, Oieaceae, umfasst Sträucher und Bäume mit gegen-
ständigen Blättern und regelmässigen, viergliederigen Blüten.
Die Blume ist vierspaltig, nur zwei Staubgefässe tragend;
der Fruchtknoten zweifächerig, mit 1 Griffel. Frucht verschieden,
bald eine Beere (wie beim Liguster) oder Steinfrucht (wie beim
Ölbaum), bald eine Kapsel (wie beim spanischen Flieder) oder
Flügelfrucht (wie bei der Esche). — Diandria Monogynia
nach Linne.
Die Oleaceae gehören der nördlichen gemässigten Zone an,
ihre Blätter und Rinden sind reich an adstringierenden Stoffen,
die Samen an fettem Öl (statt des Stärkemehls), welches im
Fruchtfleisch der Olive reichlich vorhanden ist. Auf ihnen lebt
vorzugsweise die spanische Fliege.
*) Menyanthes von pjvuw (verraten, d. i. sumpfige Orte) und avito? (Blüte).
- 483
Gentianeae.
Fig. 356. Fig. 357.
Gentiana lutea. Gelber Enzian. Gentiana purpurea. Purpurner Enzian.
Nebst einzelner Blüte, Blatt und Wurzel. Nebst den inneren Blütenteilen.
Fig. 358. Fig. 359.
Erythraea Centaurium. Tausendgüldenkraut. Menyantbes trifoliata. Fieberklee.
Links eine einzelne Blüte, sowie der Stempel; Links mit dem Stempel und der Frucht;
rechts der Fruchtknoten im Querschnitt rechts mit dem Fruchtknoten im
und die aufgespaltete Blume. Querschnitt und der aufgespalteten Blume.
— 484 —
1. Eraxinus Ornus, Manna-Esche,. ... off. Manna.
Ein kleiner Baum im südlichen Europa, welcher an der Nordküste
Siziliens in besonderen Plantagen kultiviert wird; aus Einschnitten, die
man in die Rinde macht, gewinnt man ihren Saft, den man zur Manna ein-
trocknen lässt. — Fraxinus excelsior ist die bei uns einheimische
Esche, ein starker Baum mit Fiederblättern.
2. Olea europaea, Ölbaum, ... off. Oleum Olivarum.
Ein weidenähnlicher Baum, der aus dem Orient stammt, im süd-
lichen Europa vielfach kultiviert wird. Seine pflaumenähnliche Frucht be-
sitzt ein ölreiches Fleisch. Fig. 360.
Zu den einheimischen Oleaceen gehören: Der Liguster (Ligu-
strum vulgare), ein Strauch mit weissen Blüten und schwarzen Beeren.
Fig. 361. Ein bekannter Zierstrauch ist der spanische F 1 i e d e r (Syringa
vulgaris).
§ 448. Verwandte Familien. I. Die Stechpalmen, Aqui-
foliaceae, unterscheiden sich von den Ölbaumgewächsen durch
ihre 4 Staubgefässe ; Bäume und Sträucher mit unansehnlichen
Blüten und immergrünen, lederigen Blättern.
Der einzige deutsche Vertreter ist die Stechpalme (Ilex Aqui-
folium), auch Hülsen genannt, bekannt durch ihre dornigen Lederblätter
und roten Steinbeeren.
Oleaceae.
Fig. 360,,
Olea europaea. Ölbaum.
Mit zwei Blüten, und der Steinfrucht,
dieselbe geöffnet und der Stein im Längsschnitt.
Fig. 361.
Ligustrum vulgare. Liguster.
Hechts mit ganzer und aufgespalteter
Blüte, links mit Stempel und Beeren.
- 485 -
IL Die Styraceae sind tropische Holzgewächse mit Stein-
früchten.
Styrax Benzoin off. Benzo'e.
Ein Baum auf den ostindischen Inseln, dessen Stamm aus Einschnitten
das Benzoeharz ausfliessen lässt.
III. Die Wegeriche, Plantagin eae, sind Kräuter mit
viermännigen Blüten in dichten Ähren.
Die allenthalben häufigen Arten des Wegerichs sind: Plantago
major mit lauggestielten, eiförmigen Blättern; PI. media mif ellipti-
schen Blättern; PI. lanceolata mit lanzettlichen Blättern. Die Blüten-
ähren stehen bei ihnen auf einem Schafte. In Südeuropa wachsen auch
bestengelte Arten, wie PI. Psyllium, dessen schleimreiche Samen als
Flohsamen (Semen Psyttii) früher gebräuchlich waren.
Die Lippenblütler, Labiatae.
§ 449. Charakter der Lippenblütler. Die Familie der Lippen-
blütler, Labiatae, umfasst einjährige oder ausdauernde Kräuter,
seltener Halb sträucher , mit meistens vierkantigem Stengel,
gegenständigen Blättern und scheinwirteligen Blüten.
Die zweilippige Blume, deren oft helmartig gewölbte Ober-
lippe nur bei wenigen Gattungen (Teucrium, Ajuga) fehlt, trägt
4 zweimächtige Staubgefässe, von denen bei Salvia nur
zwei vorhanden sind. Der eingriffelige Fruchtknoten zeigt (ähn-
lich den Boragineen) eine Vierteilung, so dass die Frucht aus
4 einsamigen Nüsschen besteht. Da Linne dieselben für
nackte Samen gehalten hatte, bildete er aus diesen Gewächsen
die erste Ordnung der 14. Linneschen Klasse: Didynamia
Gymnospermia.
Diese Familie gehört vorzugsweise dem Mittelmeergebiete an,
ist aber auch in Deutschland durch zahlreiche Arten vertreten.
Alle oberirdischen Pflanzenteile, zumal die Blätter, besitzen zahl-
reiche, mit ätherischem Öle gefüllte Drüsen, wodurch die Lippen-
blütler zu höchst gewürzreichen Gewächsen werden; giftige
Bestandteile fehlen ihnen gänzlich. Sie liefern daher dem Arze-
neischatze ein grosses und wichtiges Kontingent aromatischer
Mittel, jedoch kein narkotisches. Hierdurch unterscheiden sich
die Labiaten wesentlich von den Boragineen, mit denen sie in
der Fruchtform übereinstimmen. Ein anderer Unterschied zwischen
beiden Familien beruht in der Richtung des Wurzelchens im
Samen, welches bei den Labiaten nach der Fruchtbasis, bei den
Boragineen nach der Fruchtspitze gewendet ist. Ausserdem finden
wir bei den Labiaten 4, bei den Boragineen 5 Staubgefässe; die
Gestalt der Blumenkrone ist dagegen nicht entscheidend , wenn-
gleich sie bei den Boragineen vorzugsweise regelmässig, bei den
Labiaten vorzugsweise zweilippig ist.
— 486 —
§ 450. Einteilung der Familie. Man teilt die Lippenblütler
nach der Gestalt der Blume und Staubgefässe ein.*)
1. Mentha piperita, Pfefferminze,
off. Folia Menthae piperitae.
2. Mentha crispa, Krauseminze,
off. Folia Menthae crispae.
Die Pfefferminze, Fig. 362, in England wild, bei uns kultiviert,
unterscheidet sich von der ähnlichen Mentha silvestris durch kurz-
gestielte, ganz kahle Blätter; bei beiden bilden die Blütenquirle Ähren. —
Die Krauseminze, bestehend aus Abarten durch Kultur veränderter
wilder Minzen, kennzeichnet sich durch krause, ungleich gesägte und un-
stielte Blätter. — Von den wildwachsenden Minzen besitzt Mentha aqua-
tica köpf artig gedrängte Blüten quirle , Mentha Pulegium und M.
arvensis entfernte Quirle und niedergestreckten Stengel.
3. Thymus Serpyllum, Quendel,. . off. Herba Serpylli.
4. Thymus vulgaris, Thymian, . . off. Herba Thymi.
Der Feldthymian oder Quendel, Fig. 363, ist ein überall gemeines,
niedergestrecktes Kraut mit roten, kopfähnlichen Blütenquirlen. — Der
Thymian, ein südeuropäisches Kräutlein, wird bei uns in Gärten gezogen.
5. Origanum vulgare, Dost, ... off. Herba Origani.
6. Origanum Majorana, Meiran, . off. Herba Majoranae.
Der gemeine Dost, Fig. 364, ist ein aufrechtes, doldentraubiges
Kraut. — Der Meiran, aus Nordafrika stammend, wird als Küchenkraut
in Gärten gezogen.
7. Melissa officinalis, Melisse, . . off. Folia Melissae.
Die Melisse, Fig. 365, ist ein südeuropäisches, bei uns in Gärten
gezogenes, wohlriechendes Kraut mit weissen Blüten in den Blattwinkeln.
*) Einteilung der Gattungen der Labiaten.
A. Blume trichterig-glockig, fast regelmässig.
Gatt.: Mentha.
B. Blume zweilippig.
a) Staubgefässe abwärts geneigt.
Gatt.: Lavandula.
b) Staubgefässe abwärts spreizend.
Gatt.: Thymus, Origanum.
c) Staubgefässe oberwärts zusammenneigend.
Gatt.: Melissa, Calamintha u. a.
d) Staubgefässe genähert und parallel,
a) Nur 2 Staubgefässe vorhanden.
Gatt.: Salvia, Rosmarinus.
ß) Staubgefässe 4.
Gatt.: Glechoma, Lamium, Galeobdolon,
Galeopsis, Stachys, Betonica,
Ballota, Marrubium, Brunella u. a.
C. Blume einlippig (ohne Oberlippe).
Gatt.: Ajuga, Teucrium.
- 487
Labiatae.
Fig. 362.
Mentha piperita. Pfefferminze.
Links eine einzelne Blüte,
rechts dieselbe nach Entfernung der Blume.
Fig. 363.
Thymus Serpyllum. Quendel.
Rechts mit einzelner Blüte,
links dieselbe nach Entfernung d
Kelches ; links unten ein Blatt.
Fig. 364.
Origanum vulgare. Dost.
Rechts mit einzelner Blüte, sowie
dieselbe nach Entfernung der Blume.
Fig. 365.
Melissa officinalis. Melisse.
Links eine einzelne Blüte, sowie der Kelch,
rechts eine Blüte von vorn gesehen.
— 488 —
8. Lavandula vera, Lavendel, off. Oleum, Flores Lavandulae.
Der Lavendel, ein Halbstrauch mit hellblauen Blüten in endständiger
Ähre, wird ebenfalls in Gärten gezogen. Aus den Blüten destilliert man
in Südfrankreich das Lavendelöl.
9. Salvia officinalis, Salbei, ... off. Folia Salviae.
Die Salbei, ein Halbstrauch aus Südeuropa, Fig. 365, bei uns in
Gärten, unterscheidet sich durch ihre feingekerbten, länglichen Blätter
und hellblauen Blüten von der dunkelblau blühenden Wiesensalbei
(Salvia pratensis) mit herzeiförmigen Blättern.
10. Rosmarinus officinalis, Rosmarin, Oleum Bosmarini,
obs. Folia, Flores Bosmarini.
Der Rosmarin, ein südeuropäisches Sträuchlein, liefert durch
Destillation der Blüten ein ätherisches Öl; ehedem gebrauchte man auch
seine Blätter und Blüten.
11. Galeopsis*) ochroleuca, Hohlzahn,
off. Herba Galeopsidis.
Der gelblichweisse Hohlzahn, Fig. 367, dessen Blume am Grunde
der Unterlippe zwei hohle Zähne zeigt, unterscheidet sich von den übrigen,
rotblühenden Hohlzahnarten (G. Ladanum, G. Tetrahit u, a.) durch lange,
blassgelbe Blumen.
Von der weissen Taubnessel (Lamium album), Fig. 368, mit
zahnförmigen Seitenzipfeln der Unterlippe, wurden die weissen Blumen ehe-
dem als Nesselblumen (Flores Lamii) gebraucht; ebenso das Kraut der
Betonie (Betonica officinalis), kenntlich an der endständigen Ähre,
dasjenige der blaublühenden Gundelrebe (Glechoma hederacea), ehedem
off. als Herba Hederae terrestris ; sowie der filzige, weissblühende Andorn
(Marrubium album L.). Fig. 369, häufig in Gärten.
Der kriechende Günsel (Ajuga reptans), ein auf Wiesen häufiges
Frühlingskraut mit bläulichen Blüten, war früher gebräuchlich. Ebenso
mehrere Arten des Gamanders (Teucrium), z. B. der Katzenga-
mander (Teucrium Marum), aus Südeuropa, früher off. als Hb. Mari veri.
Die Larvenblütler, Scrophularineae (Personatae).
§ 451. Charakter der Larvenblütler. Die Familie der Larven-
blütler, Scrophularineae (Personatae), schliesst sich durch
ihre zweimächtigen Staubgefässe den Lippenblütlern enge an, ist
jedoch durch den ungeteilten Fruchtknoten von ihnen unterschieden.
Es sind Kräuter mit teils vierkantigem, teils stielrundem
Stengel, gegenständigen oder abwechselnden Blättern und vier-
gliederigen Blüten. Die vierspaltige oder vierteilige Blume er-
innert nicht selten an die regelmässige Form — bei Woll-
blume und Ehrenpreis radförmig, bei der Braun würz kugelig,
beim Fingerhut röhrig-glockig, — ist aber meistens deutlich
zweilippig und dann vorzugsweise mit geschlossenem Gaumen
(corolla personata) , wie beim Löwenmaul , Leinkraut u. a.
*) Galeopsis von galea (Helm) und od/ts (Aussehen), wegen der helm-
förmigen Oberlippe.
489 -
Labiatae.
Fig. 366.
Salvia officinalis. Salbei.
Nebst einzelner Blüte, längsgespalteter Blume,
dem Stempel und der Frucht.
Fig. 367.
Galeopsis ochroleuca. Hohlzahn.
Nebst einzelner Blüte
und einem Staubbeutel.
Fig. 368
Lamiuni album. Taubnessel.
Nebst einzelner Blüte (rechts)
und dieselbe im Längsschnitt i links)
sowie einem Staubbeutel.
Fig. 369.
Marrubium album. Andorn.
Nebst einzelner Blüte (links)
und dem Kelch (rechts).
— 490 -
Die Staub gefässe sind zw ei mächtig, zu 2 und 2,
bei der Wollblume zu 2 und 3, oder es sind ihrer überhaupt
nur zwei ausgebildet, wie bei Veronica und Gratiola. Der Frucht-
knoten ist zweifächerig, mit 1 Griffel; die Frucht eine zwei-
fächerige, vielsamige Kapsel — daher Didynamia Angiospermia L.
Die Personaten bilden zufolge ihres geselligen Auftretens
einen bemerkenswerten Bruchteil der deutschen Flora.
Die aromatischen Bestandteile, welche die Lippenblütler in
so hohem Grade auszeichnen, finden sich bei ihnen höchst selten;
die meisten enthalten Gerbsäure, einige (z. B. Gratiola, Digitalis)
bittere und giftige Stoffe, andere (z. B. Verbascum) viel Schleim.
§ 452. Einteilung der Larvenblütler. Man teilt die Larven-
blütler in mehrere Gruppen , die von anderen als besondere
Familien genommen werden: Antirrhineae, Rhinanthaceae
und Yerbasceae.
A. Staubgefässe 4 oder 2, mit zweifächerigen Beuteln.
a) Staubbeutel wehrlos Antirrhineae.
b) Staubbeutel am Grunde bestachelt . . . Rhinanthaceae.
B. Staubgefässe 5, mit einfächerigen Beuteln. . Verbasceae.
A. Antirrhineae.
1. Linaria vulgaris, Leinkraut, . . off. Herbä Linariae.
Ein an Wegen häufig wachsendes Kraut mit linealen Blättern und
gelben, gespornten Blättern, Fig. 270. — Nahe verwandt ist das in Gärten
gezogene Löwenmaul (Antirrhinum majus).
2. Digitalis purpurea, Fingerhut, . off. Folia Digitalis.
Ein zweijähriges Kraut mit purpurnen, röhrig-glockigen Blüten, in
Gebirgswäldern des westlichen Deutschland, Fig. 371.
3. Yeronicaofficinalis, Ehrenpreis, off. Herba Veronicae.
Die Gattung Veronica, Ehrenpreis, ist kenntlich an den blauen,
radförmigen, zweimännigen Blüten: Veronica officinalis, ein nieder-
liegendes, weichhaariges Kraut sonniger Abhänge, Fig. 372. — V. Chamae-
drys, auf Wiesen nicht selten, unterscheidet sich durch eine doppelte Haar-
zeile am Stengel. — In Gräben findet man häufig die Bachbunge, V.
Beccabunga, in allen Teilen kahl.
4. Gratiola officinalis, Gottesgnadenkraut,
off. Herba Gratiolae.
Ein kahles Kraut auf nassen Wiesen, mit zweimännigen, weissen,
röhrig-lippigen Blüten in den Blattwinkeln, Fig. 373.
B. Rhinanthaceae.
Der Augentrost (Euphrasia officinalis), ein niedriges Kraut
aufwiesen, war früher officinell {Herba Euphrasiae.). Ebenso der Klapper-
topf (Rhinanthus major und Rh. minor) und das Läusekraut (Pedicularis).
— 491
Scrophularineae (Antirrhineae).
Fig. 370. Mg. 371.
Linaria vulgaris. Leinkraut. Digitalis purpurea. Fingerhut.
r Links mit längsgespalteter Blüte und einer Links mit dem Stempel, rechts mit den
durch sog. Pelorienbildung fünfspornigen Blüte. Staubgefässen und querdurchschnittener
Bechts mit einer Kapsel, ganz und im Kapsel.
Querschnitt, sowie einem Samen.
Fig. 372.
Veronica offlcinalis. Ehrenpreis.
Bechts mit einzelner Blüte, sowie
dieselbe im Längsschnitt. Links mit
Stempel, Kapsel und dieselbe im
Querschnitt.
Fig. 373.
Gratiola officinalis. Gottesgnadenkraut.
Nebst einzelner Blüte und Längsschnitt
durch dieselbe, um die 2 fruchtbaren u.
2 fehlschlagenden Staubgefässe zu zeigen.
492
C. Yerbasceae.
Yerbascum th
t h a p s lf o rm e \ Wollblume off Flores verhasci.
phlomoides J '
Die Gattung Verbascum besitzt flachausgebreitete Blumen, mit 2
längeren, kahlen und 3 kürzeren, wollig behaarten Staubfäden. Bei den
genannten Arten sind die Blumen ansehnlich gross und die Beutel der
längeren Staubläden etwas am Faden herablaufend. V. Thapsus hat viel
kleinere Blüten, ebenso die rispig verzweigte V. Lychnitis. Bei allen diesen
Arten sind die Staubfäden weisswollig, bei V. nigrum dagegen violettwollig.
Die Braunwurz (Scrophularia nodosa) kennzeichnet sich durch braun-
rote, kugelige Blüten.
§ 453. Zwischen • den Larven- und Lippenblütlern stehen die
Yerbenaceae, deren Frucht bei der Reife in 4 ein sämige Kar-
pelle zerfällt.
Das Eisenkraut (Verbena officinalis), Fig. 375, früher officinell,
besitzt kleine, bläuliche Lippenblüten in langer, schmaler Ähre.
Die Heidekräuter, Ericaceae.
§ 454. Charakter der Heidekräuter. Die Familie der Heide-
kräuter, Ericaceae, ist weitverbreitet und auch in Europa
stark vertreten. Es gehören zu ihr immergrüne Sträucher
und Halbsträucher mit lederigen, oft nadeligen Blättern und
regelmässigen, 4 — ögliedrigen Blüten mit 8 oder 10 Staub-
gefässen, deren Staubbeutel häufig ein hörn- oder spornartiges
Anhängsel besitzen und sich an der Spitze in Löchern öffnen.
Der Fruchtknoten ist oberständig, bei der Heidelbeere unter-
ständig, 4— öfächerig, die Frucht eine mehrfächerige, viel-
samige Beere oder Kapsel.
Diese Gewächse unterscheiden sich demnach von den vor-
hergehenden durch die doppelte Anzahl Staubgefässe als Blumen-
zipfel; sie stehen daher in der Octandria und Dekandria
Monogynia nach Linne. Yorzugsweise der Heide und Sumpfflora
angehörig, bedingen sie durch geselliges Auftreten den Charakter
dieser Landschaften und tragen wesentlich zur Torfbildung bei.
In den Blättern wie in den Beeren finden wir vielfach Gerbstoffe.
§ 455. Einteilung der Heidekräuter. Man hat die Ericaceae in
mehrere Gruppen geteilt, welche von manchen Botanikern zu be-
sonderen Familien erhoben wurden, so die Ericineae, Yac-
cineae und Pirolaceae. Bei den Yaccineae ist die Frucht
vom Kelche gekrönt (unterständig), bei den Ericineae vom Kelche frei.
A. Ericineae.
1. Arctostaphyios Uva Ursi, Bärentraube, off. FoliaUvaeUrsi.
Ein Sträuchlein auf Heiden und in Fichtenwäldern Norddeutschlands,
mit kleinen, fleischroten Blüten und roten Beeren, Fig. 376.
493 -
Verbasceae.
Verbenaceae.
Fig. 374.
Verbascum thapsiforme. Wollblume.
Nebst Staubgefässen (links oben),
Stempel (rechts unten) und Kapsel
(rechts oben).
Fig. 375.
Verbena officinalis. Eisenkraut.
Nebst einzelner Blüte (rechts) und dieselbe
im Längsschnitt (links).
Ericaceae.
Fig. 376. Fig. 377.
Arctostaphylus Uva Ursi. Bärentraube. Vaccinium Myrtillus. Heidelbeere.
Nebst einzelner Blüte, Staubgefäss und Beere Mit einem Staubgefässe, dem Stempel
(auch im Querschnitt). . und der Beere.
— 494 —
Hierhin zählen: das allgemein bekannte Heidekraut (Calluna vulgaris
= Erica vulgaris), die in 2 Arten die Alpengehänge zierende Alpenrose
(Rhododendron), sowie der Porsch (Ledum palustre), ein narkotischer
Strauch mit weissen Blüten, dessen rotfilzige Blätter früher officinell waren-,
in Norddeutschland auf Torf.
B. Vaccineae.
2. Vaccinium Myrtillus, Heidelbeere, off. Fruct. Myrtüli.
Die Heidelbeere, Fig. 377, trägt blauschwarze Beeren, die Preisseibeere
(Vaccinium Vitis idaea) rote Beeren, welche zu Kompott eingemacht werden.
b. Monopetalen mit oberständiger Blume.
(Monopetalische Calycifioren).
Analytische Übersicht der Familien.
A. Frucht einsamig (Schliessfrucht).
a) Staubbeutel verwachsen Compo sitae.
b) Staubbeutel frei.
a) Blüten in Köpfchen Dipsaceae.
ß) Blüten in Trugdolden Valerianeae.
B. Frucht mehrsamig.
a) Blätter gegenständig oder quirlständig.
a) Frucht 2fächerig Rubiaceae.
ß) Beere 3 steinig Caprifoliaceae.
b) Blätter wechselständig.
a) Blume regelmässig Campanulaceae».
ß) Blume lippig Lobeliaceae.
Die Korbblütler, Compositae.
§ 456. Charakter der Korbblütler. Die Familie der Korbblüt-
ler, Compositae, die grösste phanerogamische Familie, umfasst
Kräuter mit meist abwechselnd gestellten Blättern und zu-
sammengesetzten Blüten (flos compo situ s). Ihre Blüten
stehen nämlich in einem Köpfchen so
knapp von einer Hülle, sog. Hüllkelch,
(peranthodium, periclinium), umschlossen,
dass der ganze Blütenstand wie eine einzige
Blüte (anthodium) aussieht. Die Blume ist ober-
ständig, bald röhrig (Fig. 378 A), bald zungen-
förmig (B), wonach man sie als Bohren- oder
Zungenblume unterscheidet; sie trägt fünf
Staubfäden, deren Beutel in eine nach,
innen aufspringende Bohre verwachsen
sind, durch welche der zweispaltige Griffel
IUI emporsteigt (Fig. 378 B). Die Frucht ist eine
Schliessfrucht (Achäne), gekrönt mit den
Kelchzipfeln, die hier nur als Blattnerven vor-
handen sind und die Federkrone (pappus),
Fig. 378
— 495 -
bilden. Letztere ist bald haarförmig, bald federig, bald grannig,
bald krönchenförmig, d. i. in der Form eines schmalen Hautrandes.
Die Korbblütler finden sich über die ganze Erde verbreitet;
in ihren Arten walten sehr verschiedene Stoffe vor: die einen
sind reich an Milchsaft (z. B. Lactuca, Cichorium, Taraxacum),
die andern enthalten ätherisches Öl (z. B. Absinthium, Cina,
Chamomilla), viele Bitterstoff (z. B. Cnicus, Absinthium). In den
Wurzeln der meisten ist das Strärkemehl durch Inulin vertreten.
§ 457. Einteilung der Korbblütler. Linne teilt diese Familie,
welche seine 19. Klasse, Syngenesia, bildet, in 5 Ordnungen
und zwar nach dem Geschlechte der einzelnen Blütchen eines
Köpfchens. (Vgl. § 405.) Von diesen Linneschen Ordnungen
kommen vorzugsweise nur die ersten beiden in Frage, da die
drei letzten nur wenige Gattungen umschliessen.
Nächst der Verteilung des Geschlechts der einzelnen Blüt-
chen eines Köpfchens ist die Form der Blume für die Einteilung
der Familie wichtig. Ein Köpfchen kann sein:
a) röhrenblütig, nur aus Röhrenblütchen bestehend,
b) zungenblütig, nur aus Zungenblütchen bestehend,
c) strahlblütig, am Rande mit Zungenblütchen, in der
Mitte mit Röhrenblütchen. (Fig. 379.]
Erstere bilden den Strahl (radius),
letztere die Scheibe (discus).
Nach Jus sie u zerfallen die Kom-
positen in 3 Unterfamilien:
A. Cichoraceae. Köpfchen mit
zungenförmigen Zwitterblüt-
ch e n. Griffelschenkel zurückgerollt.
B. Cynarocephalae (Disteln). Fl£- 379-
Köpfchen mit röhrenförmigen Zwitterblütchen. Griffel
unter den Schenkeln knotig verdickt.
C. Corymbiferae. Köpfchen mit röhrenförmigen
Zwitterblütchen und mit zungenförmigen weiblichen
Strahlblütchen. Griffel nicht verdickt.
Die beiden ersten Unterfamilien finden wir in der 1. Ordn.
der XIX. Klasse, die letzte in der 2. Ordn. (Polygamia superflua).
A. Cichoraceae.*)
*) Einteilung der Gattungen der Cichoraceen. .
a) Federkrone haarförmig und
a) gestielt: Gatt. Taraxacum, Lactuca.
ß) sitzend: Gatt. Hieracium, Soncbus, Crepis.
b) Federkrone federig: Gatt. Tragopogon, Scorzonera, Picris,
Leontodon.
c) Federkrone fehlend: Gatt. Lapsana, Cichorium.
— 496 —
1. Taraxacum officinale,
Pfaffenröhrchen, off. Bad. Taraxaci c. herba.
Dieses, vou Linne Leontodon Taraxacum genannte Kraut, Fig. 380,
ist eine gemeine Wiesenpflanze, mit einköpfigem, gelbblühendem Schafte
und gestielter Federkrone.
2. Lactuca virosa, Giftlattich, off. Herba Lactucae virosae.
Lactucarium.
Ein zweijähriges Kraut Fig. 381, mit gelben Köpfchen in pyramidaler
Rispe, welche beim Gartensalat (Lactuca sativa) doldentraubig er-
scheint; der wilde Lattich (Lactuca Scariola L.) unterscheidet sich
durch vertikal gerichtete Blätter.
Zu erwähnen sind: die blau blühende Cich orie (Cichorium Inty-
bus), die Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica), die artenreichen
Gattungen Habichtskraut (Hieracium), Pipau (Crepis), Gänse-
distel (Sonchus), den Bocksbart (Tragopogon pratensis), das
Bitterkraut (Picris hieracioides), den allenthalben häufigen Rain-
kohl (Lapsana communis) und Herbst-Löwenzahn (Leontodon
autumnale).
B. Cynarocephalae.*) (Distelgewächse.)
3. Lappa major, L. minor,
L. tomentosa, Klette, off. Bad. Bardanae.
Die Klette-Arten zeichnen sich durch hakige Hüllkelchblättchen aus,
welche bei L. major, Fig. 382, kahle, bei minor spinnwebige, bei Lappa
tomentosa (Arctium Bardana Willd.) wollig sind.
4. Carlina acaulis, Eberwurz, . . .off. Bad. Carlinae.
Eine fast stengellose Alpenpflanze mit weissstrahligem Hüllkelch;
die bestengelte Carlina vulgaris wächst in Norddeutschland häufig.
Ferner gehören hierher: die zahlreichen Arten Disteln (Carduus und
Cirsium); die in Gärten gezogene Mariendistel (Silybum Marianum)
mit weissgefleckten Blättern, deren Früchtchen (Sem. Gardui Mariae) hier
und da gebraucht werden.
Die Gattung Centaurea charakterisiert sich durch einen Strahl ge-
schlechtloser Blütchen (Polygamia frustranea!). C. Cyanus ist die blaue
Kornblume, deren Blüten früher gebräuchlich waren (Flor es Cyani).
5. Cnicus benedictus, Kardobenedikte,
off. Herba, Cardui benedicti.
Ein einjähriges Kraut aus dem Orient, welches hier und da in Gär-
ten gezogen wird.
*) Unterscheidung der Gattungen der Distelgewächse:
a) Federkrone einzeilig, haarförmig oder federig.
a) Federkrone am Grunde in einen Ring verwachsen.
Gatt. Lappa, Silybum, Cirsium, Carduus, Onopordon.
ß) Federkrone bündelweise verwachsen . . . Gatt. Carlina.
b) Federkrone mehrzellig, nicht selten fehlend. (Randblüten ge-
schlechtlos.) Gatt. Centaurea, Cnicus u. a.
497 —
Compositae.
Fig. 380.
Taraxacum offlcinale. Pfaffenröhrchen.
Links mit einer Einzelblüte, Früchtchen
und den Narben; rechts eine Achäne vergr.
Fig. 381.
Lactuca virosa. Giftlattich.
Nebst einem Früchtchen und
Querschnitt der Achäne.
Fig. 382. Fig. 383.
Lappa officinalis. Klette. Cnicus benedictus. Kardobenedikte.
Nebst einem einzelnen Blütchen und Nebst einem Hüllkelchblättchen,
dessen Narben (links unten), einer Achäne einzelnem Blütchen und Federkrone vergr.
(rechts) und einem Hüllkelchblättchen
(links oben).
Schlickum, Apothekerlehrling.
32
— 498 -
C. Corymbiferae.*)
6. Artemisia**) vulgaris, Beifuss, . off . Rad. Artemisiae-
7. Artemisia Absinthium, "Wermut, off. Herb. AbsinihiL
8. Artemisia maritima (Yar.), . . .off. Flor. Cinae.
Die Gattung Artemisia kennzeichnet sich durch kleine strahllose
Köpfchen in rispigen Trauben. A. vulgaris ist eine Staude mit oberseits
dunkelgrünen, unterseits weissfilzigen Blättern, Fig. 384. — A. Absinthium,
Fig. 385, unterscheidet sich durch grauseidenhaarige Blätter und nickende,
halbkugelige Köpfchen. — ■ Von einer kahlen Varietät, der A. maritima
in Turkestan (vom Kaspi- und Aralsee), kommen die unaufgeschlossenen
Köpfchen (nicht Samen) als Wurmsamen zu uns.
9. Tanacetum vulgare, Rainfarn , off. Tt lorcs Tanaceti.
Ein perennierendes Kraut mit halbkugeligen, gelben, strahllosen Köpf-
chen in einer Doldentraube; an Ufern häufig. Fig. 386.
10. Spilantbes oleracea, Parakresse, off. Herb. Spilanthis.
Ein westindisches Kraut, als Paraguay-roux gebräuchlich.
11. Gnaphalium arenarium (Helichrysura
arenarium), Sand-Rubrkraut . . .off. Flor. Stöchados.
Ein graufilziges Kraut auf Sandfeldern mit goldgelben Köpfchen. Das
Katzenpfötchen (Gnaphalium dioicum) unterscheidet sich durch seine
weissen Oder rötlichen Köpfchen.
12. Matricaria C'hamomilla, Kamille, off. Flor. Chamomillae.
Die echte Kamille, Fig. 387, ist ein auf bebautem Lande häufiges
Kraut mit weissen Strahl- und gelben Scheibenblüten auf einem kegeligen,
spreublattlosen, innen hohlen Blütenboden. Durch letzteren unterscheidet
sie sich von: 1. der geruchlosen Wucherblume (Chrysanthemum ino-
dorum Smith); 2. der Hundskamille (Anthemis arvensis L.), mit dichtem,
spreublätterigem Blütenboden.
Erwähnung verdienen noch: die weisse und gelbe Wucherblume
(Chrysanthemum Leucanthemum und Chr. segetum), sowie das bekannte
Massliebchen oder Gänseblümchen (Bellis perennis).
*) Unterscheidung der Gattungen der Corymbiferen :
A. Griffel der Scheibenblütchen mit pinselig gestutzten Schenkeln.
a) Federkrone fehlend oder ein Hautrand,
a) Strahlblüten nicht zungenförmig.
Gatt. Artemisia, Tanacetum.
ß) Strahlblütchen zungenförmig.
Gatt. Anthemis, Matricaria, Achillea, Chrysanthemum.
b) Federkrone grannig Gatt. Bidens_
c) Federkrone haarförmig.
a) Strahlblütchen nicht zungenförmig.
Gatt. Gnaphalium, Filago.
ß) Strahlblütchen zungenförmig . . Gatt. Arnica, Senecio..
B. Griffel der Scheibenblütchen mit linealen, fast flachen Schenkeln.
Gatt. Inula, Solidago, Bellis, Aster, Erigeron.
C. Griffel der Scheibenblütchen mit keuligen Schenkeln.
Gatt. Tussilago, Petasites, Eupatorium.
D. Griffel der unfruchtbaren (Polygamia necessaria) Scheibenblütchen
ohne Schenkel Gatt. Calendula.
**) Artemisia von Artemis (Diana), Göttin der Jagd.
499
Compositae
Fig. 384.
|Artemisia vulgaris. Beifuss.
Nebst einem Blütenköpfchen (links),
einer einzelnen weiblichen, sowie einer
zwitteiigen Blüte und deren Griffel.
Fig. 385.
Artemisia Absinthium. "Wermut.
Nebst einem Blütenköpfchen (links oben),
einer einzelnen zwitterigen uud einem
weiblichen Blütchen (rechts unten).
Fig. 386.
Tanacetum vulgare. Bainfarn.
Nebst einem Blütenköpfchen (rechts),
einem einzelnen zwitterigen (links)
und einem weiblichen Blütchen (unten),
sowie einem Früchtchen.
Fig. 387.
Matricaria Chamomilla. Kamille.
Rechts mit einem einzelnen zwitterigen ™
Blütchen und dessen Griffel; links mit
einem Blütchen; unten mit einem Früchtchen '
!2*
— 500 -
13. Antheniis nobilis . off. Flor, Chamomülae Bomanae.
Ein perennierendes Kraut im südlichen Europa, daselbst -wie unsere
Kamille gebräuchlich, wird mit gefüllten Köpfchen kultiviert.
14. Anacyelus*) officinarum, Bertramwurz,
off. Bad. Pyrethri.
Ein einjähriges, südeuropäisches Kraut, welches in Sachsen gezogen wird.
15. Achill ea Millefolium**), Schafgarbe,
off. Herb., Flor. Millefolii.
Ein perennierendes Kraut, an Wegen häufig, mit wollig behaarten,
mehrfach fiederspaltigen Blättern und schirmtraubig gestellten, weiss-
strahligen Köpfchen, Fig. 388. An Wiesen findet sich Achillea Ptar-
mica mit ungeteilten, lanzettlichen, scharfgesägten Blättern.
16. Inula Helen i um, Alant, . . off. Bad. Helenii.
Eine mannshohe Staude des südöstlichen Europa mit grossen, gelb-
strahligen Köpfchen, wird bei uns kultiviert, Fig. 389.
17. Solidago Yirgaurea, Goldrute, obs. Herb. Virgaureae.
Ein Kraut mit traubigen, gelbstrahligen Köpfchen,
18. Arnica***) montana, Wohlverleihkraut,
off. Flor., Bad. Arnicae.
Ein Kraut auf Gebirgswiesen , mit länglichen Wurzelblättern und
einzelnen orangefarbigen Köpfchen, Fig. 390.
19. Tussilago f) Earfara, Huflattich,
off. Folia, Flor. Farfarae.
Ein perennierendes Kraut, Fig. 391, welches bei Beginn des Frühlings
einen schuppigen Schaft mit einzelnen gelbstrahligen Köpfchen treibt;
später (im Mai) erscheinen die handgrossen Blätter, welche sich durch
ihren weissen, unterseitigen Filz von den noch grösseren, nierenförmigen,
graufilzigen Blättern der Pestwurz, Petasites officinalis (Tussilago
Petasites), unterscheiden, deren Körbchen einen Strauss bilden.
§458. Verwandte Familien. Den Korbblütlern schliessen sich an:
1. Die Kardengewächse, Dipsaceae, Kräuter mit köpf-
chenartigem Blütenstande, aber 4 freien Staub-
gefässen. (Fig. 392.) Tetrandria Monogynia L.
Hierhin gehöreu: die rötlichblühende Tauben-
scabiose (Scabiosa Columbaria) mit 5 spaltiger Blume;
die Ackerscabiose (Scabiosa arvensis oder Knautia
arvensis) mit 4 spaltiger Blume ; der blaublühende T e u -
felsabbiss (Succissa pratensis), eine Herbstpflanze; in
der Weberei wird die Weberkarde (Dipsacus Fullo-
Fie 392. num) benutzt.
*) Anacyclus = avSy.Tjy.iot (Kreis) wegen des kreisrunden Strahles.
**) Achillea nach Achilles genannt. Millefolium == Tausendblatt,
wegen der starken Zerteilung des Blattes.
***) Arnica von äppsvizo; (männlich, kräftig, heilsam),
t) Tussilago von tussis (Husten).
— 501
Compositae.
Fig. 388. Fig 389.
Achillea Millefolium. Schafgarbe. Inula Helenium. Alant.
Rechts mit einem Blütenköpfchen und einem Nebst einem zwitterigen und weiblichen
zwittrigen Blütchen ; links mit einem Blütchen und Früchtchen,
weiblichen Blütchen,
dem Griffel und einem Früchtchen.
Fig. 390. Fig. 391.
Arnica montana. Wohlverleihkraut. Tussilago Farfara. Huflattich.
Nebst einem zwitterigen und weiblichen Nebst einem zwitterigen (links) und weiblichen
Blütchen (Techts) und einem Blütchen (rechts) und deren Griffel.
Früchtchen (links).
— 502 —
2. Die Glockenblumen, Campanulaceae, Kräuter
mit schöngefärbten Blumen, die nicht selten in Köpfchen häufig aber
auch in Trauben oder Eispen stehen. Pentandria Monogynia L.
Zu erwähnen: die artenreiche Gattung Glockenblume (Campanula),
die Rapunzel (Phyteuma), der Frauenspiegel (Specularia Speculum),
und Jasione montana mit blauen Blütenköpfchen.
3. Die ausländische Familie der Lobeliaceae, Kräuter mit
unregelmässiger Blume.
Lobelia inflata, off. Herbei Lobeliae.
Ein einjähriges Kraut im nördlichen Amerika, mit bläulichen Lippen-
blumen und aufgeblasener Kapselfrucht.
Die Krappge wachse, Kubiaceae.
§459. Allgemeiner Charakter der Familie. DieKrappgewächse,
llubiaceae, sind teils Kräuter, teils Sträucher und Bäume mit
gegenständigen oder wirtelständigen Blättern und
regelmässigen Blüten in Trugdolden, Rispen oder im Winkel der
Blätter. Die 4- oder 5 lappige Blume ist oberständig und trägt
4 resp. 5 Staubgefässe. Die Frucht zeigt sehr verschiedene
Bildung, aber stets 2 Fächer.
Diese Familie zeichnet sich durch grosse Mannigfaltigkeit
ihrer Bestandteile aus7 zufolge deren sich viele ihrer Glieder einer
ausgedehnten Anwendung in der Ökonomie, Medizin und Ge-
werbthätigkeit erfreuen. Manche von ihnen, wie der Kaffee und
die Chinarinden, sind wichtige Handelsartikel geworden.
In ihrer Verbreitung erstreckt sich die Familie über die
ganze Erde; in Europa finden wir jedoch nur die Unterfamilie
der Stellatae.
§ 460. Einteilung der Krappgewächse. Man trennt nach der
Fruchtform die Familie des Krapps in mehrere Unterfamilien, die
von anderen zu besonderen Familien erhoben worden sind.
A. Stellatae. Frucht 2 knöpfig. Blätter quirlständig.
Hierhin gehören mehrere einheimische Kräuter, wie der duftende
Waldmeister (Asperula odorata), Fig. 393, früher gebräuchlich als Stern-
leberkraut (Berba Bejjathicae stellatae); sowie die artenreiche Gattung
Galium (Labkraut) u. a. Sie stehen wegen ihrer 4 zähligen Blüten sämt-
lich in der Tetrandria Monogynia. — Der Krapp (Rubia tinetorum), Fig,
394, wird wegen seiner Wurzel, die zum Rotfärben dient, früher auch
arzneilich gebraucht wurde {Radix Rubiae), gebaut.
B. Cinchonaceae. Frucht eine Kapsel. Blätter gegenständig.
1. Cinchona succirubra . . off. Cortex Ghinae ruber.
2. „ Calisaya . . . off. Cort. Ghinae regius.
3. „ officinalis u. a. off. Cort. Ghinae fttscus.
— 503
Rubiaceae.
Fig. 393.
Asperula odorata. Waldmeister.
Nebst einer einzelnen Blüte und deren
Stempel (links), sowie der Frucht (rechts).
Valerianeae.
Fig. 394.
Kubia tinctorm. Krapp.
Nebst einer einzelnen Blüte und deren
Stempel (rechts), sowie der Frucht (links).
Caprifoliaceae.
Fig. 395.
Valeriana officinalis. Baldrian.
Nebst einer einzelnen Blüte (rechts),
dem Stempel (links) sowie der Frucht
(links unten) und deren Querschnitt.
Fig. 396.
Sambucus nigra. Hollunder.
Nebst einer einzelnen Blüte, dem Stempel
(unten), sowie der Beere (links oben).
- 504 —
Die artenreiche Gattung Cinchona*), umfasst die verschiedenen
Chinabäume , auf dem östlichen Abhänge der südamerikanischen Anden
einheimisch, jetzt auch in Ostindien und Java kultiviert. C. succirubra
wächst vorzugsweise in Ekuador, C. Calisaya in Bolivia, C. officinalis in
Peru. Es sind Bäume von 7 — 20 Meter Höhe.
4. Uncaria**) Gambir off. Catechu.
Ein Kletterstrauch in Ostindien (Sumatra), aus dessen Blättern man
das sog. Gambir-Catechu als Extrakt gewinnt.
C. Coffeaceae. Frucht eine Steinbeere.
5. Coffea arabica, Kaffeebaum, . . off. Semen Coffeae.
Einheimisch in Arabien und Ostafrika, wird der Kaffeebaum jetzt in
allen Tropenländern kultiviert. Er trägt ovale, rote Beeren mit 2 Stein-
kernen, in denen die Kaffeebohnen als Samen enthalten sind.
6. Psy chotria***) Ipecacuanha
(Cephaelisf) Ipecacuanha . . . off. Radix Ipecacuanha e.
Ein Halbstrauch in den Wäldern Brasiliens, mit Köpfchenblüten.
Chiococcaff) racemosa ein mexikanischer Kletterstrauch, u. a.,
liefert die (obsolete) Radix Caincae.
§ 461. Verwandte Familien. Den Rubiaceae schliessen sich
folgende Familien enge an:
I. Die Baldriangewächse, Yalerianeae, Kräuter mit
gegenständigen Blättern und 3 männigen Blüten. (Triandria
Monogynia L.)
Valeriana officinalis, Baldrian, off. Rad. Valerianae.
Eine meter- bis mannshohe Staude mit fleischroten Trugdolden. Fig 395.
Bekannt ist noch der als Frühlingssalat gebräuchliche kleine, blau-
blühende Feldsalat (Valerianella Olitoria).
II. Die Geisblattgewächse, Caprif oliaceae , Sträucher
mit gegenständigen Blättern, 5 männigen Blüten und Steinbeeren.
(Pentandria nach Linne.)
Sambucusnigra, Hollunder, . off. Flor., Succ. Sambuci.
Ein Strauch mit gefiederten Blättern, weissen Blüten in fünfstrahligen
Trugdolden und schwarzen Beeren, deren Saft man eindampft. Fig. 396.
— Der Zwerqhollunder (S. Ebulus) unterscheidet sich durch violette Staub-
beutel und dreistrahlige Trugdolden; der Traubenhollunder (S. racemosa)
durch einen traubenförmigen Blütenstand und rote Beeren.
Hierhin noch: der Schneeball (Viburnum Opulus) mit handlappigen
Blättern und weissen, strahlenden Trugdolden; das gemeine Geisblatt
(Lonicera Xylosteum) mit gepaarten, gelblichen, lippenförmigen Blüten,
sowie das an Lauben gezogene windende Geisblatt (Lonicera Capri-
folium) mit rötlichen Blüten.
*) Cinchona nach der Gräfin Chinchon, die durch China geheilt wurde.
**) Uncaria von uncus (Haken) wegen des gekrümmten Fruchtstiels.
***) Psychotria von <\uyy\ (Seele) und Ja-rot« (Heilung).
t) Cephaelis von xsoaXr, (Kopf),
ttj Chiococca von yjwv (Schnee) und xoz/.os (Beere).
- 505 -
3. Ordnung. Polypetalen.
Blüten mit Kelch und mehrblätteriger Blume,
a) Polypetalen mit kelchständiger Blume (Calycifloren).
Analytische Übersicht der Familien.
A. Blüte regelmässig.
1. Staubgef'ässe ebenso viel als Blumenblätter (4 — 5).
a) Frucht eine Spaltfrucht Umbelliferae.
b) Frucht eine Beere oder Steinfrucht,
a) Fruchtfächer 1 sämig.
Staubgefässe 5 Araliaceae.
Staubgefässe 4 Corneae.
ß) Fruchtfächer mit vielen Samen.
Blüten zwitterig Grossularieae.
Blüten eingeschlechtig Cucurbitaceae
2. Staubgefässe zahlreich.
a) Frucht unterständig (vom Kelche gekrönt).
a) Griffel 2 — 5 Pomaceae.
ß) Griffel 1 Myrtaceae.
b) Frucht vom Kelche frei.
a) Stempel 1; Steinfrucht Amygdaleae.
ß) Stempel zahlreich; Sammelfrucht . . Rosacea e.
B. Blüte schmetterlingsförmig; Hülsenfrucht . . Papilionaceae.
Die Doldengewächse, Umbelliferae.
§ 462. Charakter der Doldengewächse. Die Familie der Dolden-
gewächse, Umbelliferae , besteht zumeist aus zweijährigen
oder ausdauernden Kräutern mit abwechselnd gestellten
Blättern, deren Blattstiele gewöhnlich in eine Scheide ver-
breitert sind, und deren Spreite vorzugsweise die Fiederteilung
zeigt. Die kleinen Blüten stehen in zusammengesetzten, selten
einfachen D o 1 d e n , welche sowohl durch eine allgemeine Hülle
(involucrum), als auch durch besondere Hüll che n (involucella)
unterstützt werden. Zuweilen fehlt die Hülle, in anderen Fällen
Hülle und Hüllchen.
Die Blütenkreise sind fünfzählig, die Kelchröhre mit dem
Fruchtknoten verwachsen, daher die fünf blätterige Blume,
sowie die fünf Staubgefässe oberständig. Der Frucht-
knoten trägt zwei Griffel. Hiernach stehen diese Gewächse
in der Pentand ria Digynia nach Linne. (Fig. 397.)
Die Frucht ist eine in zwei Seh Hess fruchte zerfal-
lende Spaltfrucht. (Fig. 398.) Da die Teilfrüchtchen (meri-
carpia) an ihrer Spitze an einem fadenförmigen Fruchtträger
hangen, so nennt man die Frucht auch wohl eine Hänge fr ucht
(cremocarpium). Die Yerbindungsfläche der beiden Teilfrüchte
- 506
heisst die Fuge. Jede Teilfrucht zeigt äusserlich fünf Rippen
oder Riefen (juga, nervi), zwischen denselben 4 Thälchen
(valleculae, sulcus) ; in den letzteren verlaufen unterhalb der Ober-
fläche die mit ätherischem Öle gefüllten Ölstriemen (vittae),
welche auf dem Querschnitt der Frucht als dunkle Punkte zu
erkennen sind (Fig. 399 o). Zuweilen erheben sich in den vier
Thälchen 4]STebenrippen (j uga secundaria). Jede Teilfrucht birgt
1 Samen mit reichlichem E i w e i s s (Fig. 399e) mit sehr kleinem Keim.
Fig. 397.
Umbellif erenblüte .
Fig. 398.
Umbelliferenfrucht.
Fig. 399.
Umbelliferenfrucht im Querschnitt,
e Eiweiss, o Ölstriemen.
Die Umbelliferen gehören vorzugsweise der nördlichen ge-
mässigten Zone an und zeichnen sich durch einen Gehalt an
ätherischem Öle (in den Ölstriemen der Frucht), Balsam und Harz
(in den Balsamschläuchen der Wurzel), einige auch, wie der Schier-
ling, die Hundspetersilie, durch giftige Alkaloide aus.
§ 463. Einteilung der Umbelliferen. Man teilt die Doldengewächse
nach den Yerhältnissen der Frucht ein.*)
1. Foeniculum capillaceum
(F. officinale), Fenchel, . .off. Fruct., Oleum Foeniculi.
Der Fenchel, Fig. 400, ist ein ein- bis zweijähriges Kraut, aus Süd-
europa, mit gelben Blüten und haarfeinen Blattzipfeln, durch die stielrunde
Frucht sich unterscheidend von dem ganz ähnlichen Dill (Anethum
graveolens), dessen Frucht linsenförmig ist.
2. Oenanthe Phellandrium,
Wasserfenchel, off. Fruct. Pkellandrii.
Der Wasserfenchel, ein zweijähriges Kraut, Fig. 401, wächst an
Bächen und Sümpfen und kennzeichnet sich durch seine stumpfrippigen Früchte.
3. Petroselinum sativum,
Petersilie, off. Fruct. Petroselini.
Die Petersilie, Fig. 402, wird zum Küchengebrauche allenthalben
in Gärten gezogen. Ihr ähnlich ist die giftige Hundspetersilie (Aethusa
*) Einteilung der Gattungen der Umbelliferen.
A. Auf dem Querschnitte der Frucht erscheint der Eiweisskörper gegen
die Fuge flach oder convex. (Orthospermae.)
1. Dolde einfach. Gatt. Sanicula, Eryngiuni, Astrantia.
507 —
Umbelliferae.
Fig. 400. Pig 401.
Foeniculuni officinale. Fenchel. Oenanthe Phellandriuni. Wasserfenchel.
Nebst einzelner Blüte (rechts) Frucht (links) Nebst einzelner Blüte und Frucht,
und Querschnitt einer Teilfrucht (oben rechts).
v\
Fig. 402.
Petroselinum sativum. Petersilie.
Nebst einzelner Blüte und Frucht (oben),
sowie deren Querschnitt (unten rechts).
Fig. 403.
Carum Carvi. Kümmel.
Nebst einzelner Blüte, der Frucht
und deren Querschnitt (oben rechts).
— 508 -
Cynapium*), kenntlich an den glänzend dunkelgrünen, nicht gewürzigen
Blättern und den schlaff herabhängenden Hüllblättchen.
4. Carum Carvi**), Kümmel, . . off. Fruct., Oleum Carvi.
Der Kümmel Fig. 403, auf Wiesen wild und auch kultiviert, kenn-
zeichnet sich durch weisse Dolden ohne Hülle und Hüllchen.
5. PimpinellaAnisum, Anis, . off. Fruct. Oleum Anisi.
6. Pimpinella Saxifraga) „.. „ «,,,•.,, „. . ,,
7. Pimpinella magna jBibernell, off. Rad. Ptmpznellae.
Der Anis stammt aus dem Orient und wird an manchen Orten gebaut.
— Die beiden genannten Arten Bibernell wachsen bei uns wild, P. Saxi-
fraga, mit niedrigem, feingerilltem Stengel, an trocknen, steinigen Gras-
plätzen; P. magna, mit meterhohem, gefurchtem Stengel, an feuchten Orten.
Fig. 404 u. 405.
8. Levisticumofficinale, Liebstöckel, off. Rad. Lcvistici.
Eine mannshohe Staude mit gelben Blüten, aus Südeuropa, bei uns
in Gärten gezogen. Fig. 406.
9. Ar ck angelica***) officinalis
(Angelica Archangelica), Engelwurz, off. Rad. Angelicae.
Eine mannshohe Staude der norddeutschen Ebene, in Thüringen
kultiviert. Fig. 407.
2. Dolde zusammengesetzt.
a) Jede Teilfrucht nur mit 5 Hauptrippen.
a) Spaltfrucht stielrund (auf dem Querschnitte).
Gatt. Foeniculum, Oenanthe, Aethusa, Meum.
ß) Spaltfrucht seitlich zusammengedrückt.
Gatt. Petroselinum, Apium, Cicuta, Sium,
Aegopodium, Carum, Pimpinella.
y) Spaltfrucht vom Rücken her zusammengedrückt,
aa) mit doppeltem Randüügel.
Gatt. Levisticum, Angelica. Archangelica.
ßß) Frucht linsenförmig, am Rande 1 flügelig.
Gatt. Peucedanum, Imperatoria, Ferula,
Heracleum, Pastinaca, Anethum.
b) Jede Teilfrucht mit 5 Hauptrippen und 4 stacheligen oder
geflügelten Nebenrippen. Gatt. Daucus, Laserpitium.
B. Auf dem Querschnitte der Frucht erscheint der Eiweisskörper gegen
die Fuge mit einer Furche versehen. (Campylospermae).
a) Jede Teilfrucht nur mit 5 Hauptrippen.
Gatt. Conium, Chaerophyllum, Anthriscus.
b) Jede Teilfrucht mit stacheligen Haupt- und Nebenrippen.
Gatt. Caucalis, Torilis.
C. Auf dem Querschnitte der Frucht erscheint der Eiweisskörper halb-
mondförmig ausgehöhlt. (Coelospermae). Gatt. Coriandrum.
*) Aethusa von eülQ-w (glänzen) ; Cynapium von xiwv (Hund) und ixr.iov
(Sellerie).
**) Carum (zapov) und Carvi (franz.) = Kümmel.
***) Archangelica == beste Angelika (apyi = Vorsilbe Erz-).
509 -
Umbelliferae.
Fig. 404.
Pimpinella Saxifraga. Kleine Bibernell.
Nebst einzelner Blüte und der Frucht.
Fig. 405.
Pimpinella magna. Grosse Bibernell.
Nebst einzelner Blüte und der Frucht
(links), sowie dem Querschnitte einer
Teilfrucht (rechts).
A a^llil&i&Es
Fig. 406.
Levisticum officinale. Liebstöckel.
Nebst einzelner Blüte und der
querdurchschnittenen Frucht.
Fig. 407.
Archangelica officinalis. Engelwurz.
Nebst einzelner Blüte (rechts),
der Frucht und dem Querschnitt
einer Teilfrucht (links).
— 510 —
10. Imperatoria Ostruthium*)
Meisterwurz, off. Rhizoma Imperatoriae.
Eine mannshohe Staude auf den Alpenwiesen, mit weissen Blüten.
11. Coriandrum sativum, Koriander, off. Fruct. Coriandri.
Ein einjähriges Kraut aus Südeuropa, bei uns mancherorts gebaut,
mit weissen strahlenden Dolden, frisch nach Wanzen riechend. Fig. 408.
12. Daucus Carota, Möhre, . . obs. Succus Dan ciinspüs.
Ein bei uns häufig wildwachsendes (mit holziger Wurzel) und vielfach
in Gärten gezogenes (mit fleischiger Wurzel) Kraut mit borstigen Früchten.
13. Conium maculatu.ni, Schierling, off. Herba Conii.
Ein meterhohes, giftiges Kraut an unbebauten Orten, dessen Stengel
an den unteren Teilen braungefleckt, im übrigen aber nebst den dreifach-
gefiederten Blättern gänzlich kahl ist. Fig. 409. Durch seine kugeligen
Früchte mit wellig gekerbten Rippen unterscheidet er sich von dem wilden
Kerbel (Anthriscus Silvester), Fig. 410, mit länglicher, rippenloser Frucht,
sowie vom Kälberkropf (Chaerophyllurn temulum) Fig. 411, mit läng-
licher, stumpfrippiger Frucht. — Früher wurde der an Ufern wachsende,
ebenfalls stark giftige Wasserschierling (Cicuta virosa) in gleicher Weise
wie Conium gebraucht (Herba Cicutae).
14. DoremaAmmoniacum off. Ammoniacum.
15. Ferula Scorodosma ")
(Ferula Asa foetida) ..... „ . '■„ .. ,
16. Ferula Narthex Asant' öS. Asa foettda.
(Narthex Asa foetida) . . J
17. Ferula galbaniflua . .\ „ _ „
18. - Fubricaulis . . ./ • ■ ■ oK Galbanum.
Sämtlich Stauden in den persisch- turanischen Ländern, welche au&
Einschnitten die Gummiharze ausfliessen lassen.
Die Kürbisse, Cucurbitaceae.
§ 464. Von den Kürbissen. Zur Familie der Kürbisse,.
Cucurbitaceae, zählen Kräuter, mit kletternden, spiraligen
Ranken, die neben den rauhen handlappigen Blättern
entspringen. Die oft ansehnlichen Blüten sind getrennten
Geschlechtes, fünfgliederig, mit 5 verwachsenen Staubgefässen.
(Monoecia Polyadelphia Linne.) Die Frucht ist eine un-
terständige Beere mit wandständigen , eiweisslosen Samen — ein
sogenannter Kürbis (Pepo).
1. Citrullus Colocynthis
(Cucumis Colocynthis), Koloquinte, off. Fruct. Colocynthidis.
Ein rankendes Kraut in Nordafrika und Kleinasien, dessen goldgelbe-
Beeren geschält in den Handel kommen.
*) Ostruthium von axpou^tov (Strauss).
511
Umbelliferae.
Fig. 40S.
Coriandrum sativum. Koriander.
Nebst einzelner Blüte, der Frucht
und dem Querschnitt einer Teilfrucht
(unten links).
Fig. 409.
^Conium maculatum. Schierling.
Nebst einzelner Blüte, der Frucht
und dem Querschnitte einer Teilfrucht.
Fig. 410. Fig. 411.
Anthriscus silvestris. "Wilder Kerbel. Chaerophyllum temulum. Kälberkropf.
Nebst einzelner Blüte, der Frucht Nebst einer einzelnen Blüte, der Frucht
und dem Querschnitte einer Teilfrucht und dem Querschnitt einer Teilfrucht
(unten rechts). (unten links).
512 -
2. Bryoniadioica\r7 .., , _, " _
o _ alba l ^aunru':)e, • obs. Bad. Bryoniae.
Rankende Kräuter an Zäunen, ersteres mit roten, letzteres mit
schwarzen Beeren, beide mit dicker, rübenförmiger Wurzel, welche im
frischen Zustande drastische Wirkung ausübt. Fig. 413.
4. Ecballion Elaterium, Springgurke, obs. Elaterium.
Ein niedriges Kraut in Südeuropa, ohne Ranken, dessen Beeren bei
der Reife vom Stiele abbrechen und ihren Saft elastisch fortschleudern. Der
eingedickte Saft wurde ehedem als drastisches Mittel gebraucht. {Elaterium).
Zu den Küchengewächsen zählen: Die Gurke (Cucumis sativus) und
der Kürbis (Cucurbita Pepo), jene mit scharfrandigen Samen in länglichen
Beeren, dieser mit wulstigberandeten Samen in kugeligen Beeren.
§ 4.65. Verwandte Familien. Hier schliessen sich folgende klei-
nere Familien an:
1. Die S tachelbe er ge w äch se, Grossularieae, Sträucher
mit unterständigen Beeren.
Die Stachelbeere (Ribes Grossularia) , sowie die rote Johannis-
traube (Ribes rubrum), aus deren Beeren man einen Syrup (Syrujrus
Rubium) kocht.
2. Die Kornelkirschen, Corneae, mit Steinfrüchten.
Hierhin die Kornelkirsche (Cornus mas), ein Zierstrauch aus Süd-
europa, mit gelben Blüten. — Der Hornstrauch (Cornus sanguinea), mit
weissen Trugdolden, häufig in unseren Hecken.
3. Die Epheugewächse, Araliaceae, Sträucher mit Beeren.
Das Epheu (Hedera Helix) klettert mittelst Klammerwurzeln an
Mauern und Bäumen empor, ohne jedoch aus ihnen Nahrung zu ziehen.
Die Rosengewächse, Rosaceae.
§ 466. Charakter der Rosengewächse. Zur Familie der Rosen,
Rosaceae, zählen kraut- und strauchartige Gewächse, die sich
durch zahlreiche kelchständige Staubgefässe auszeichnen. Die
Blätter sind abwechselnd gestellt, mit Neben-
blättchen versehen und in der Regel ge-
fiedert, seltener gefingert; die Blüten regel-
mässig, fünfghederig, mit zahlreichen, dem
Kel chschlunde eingefügten Staubge-
fässe n und mehreren (oft vielen) getrennten
Stempeln, die entweder, wie bei der Rose (Fig.
412), von der Kelchröhre eingeschlossen werden,
oder auf einer flach ausgebreiteten Kelchröhre
stehen , wie bei Rubus. Daher finden wir diese
Gewächse in der Linneschen Klasse Ikosandria
Polygynia L. Die Frucht wird aus nüsschen-
oder steinfruchtartigen Früchtchen zusammengesetzt
Fig. 412. (Sammelfrucht), mit je 1 eiweisslosen Samen.
513
Cucurbitaceac
Rosaceae.
Fig. 413.
Bryonia dioica. Zaunrübe.
Oben ein Zweig mit weiblichen Blüten,
darunter ein solcher mit männlichen Blüten,
nebst einer einzelnen weiblichen,
wie männlichen Blüte.
Mg. 414.
Kubus Idaeus. Himbeerstrauch.
Nebst einem Stempel, Blumenblatt
und einer Beere.
'Rosaceae.
Fig. 415.
öeum urbanum. Nelkenwurz.
Nebst einem Blumenblatt und
einem Früchtchen.
Fig. 416.
Potentilla Tormentilla. Tormentille.
Nebst einzelner Blüte und
Blumenblatt.
Schlickum, Apothekerlehrling
33
— 514 -
Die Rosaceen finden sich hauptsächlich in der nördlichen
gemässigten Zone und gehen bis hinauf zu den Schneefeldern der
Polarländer und der Alpen. Ihre Blüten duften oft von ätherischem
Öle (z. B. Rosa, Spiraea), ihre "Wurzeln und Blätter führen vor-
herrschend adstringierende Stoffe (z. B. Geum, Tormentilla).
§ 467. Einteüung der Familie.
I. Echte Rosen (Rosaceae).
1. Rosa centifolie, Centifolie, . . off. Flores Bosae.
2. Rosa damascena. off Oleum Rosae.
Die Centifolie ist ein bekannter Zierstrauch unserer Gärten, mit
gefüllten Blüten (durch Rückverwandlung der Staubgefässe in Blumenblätter).
— R. damascena wird zur Gewinnung des Rosenöls an den Südabhängen
des Balkans in der europäischen Türkei im grossen gezogen. — Von den
einheimischen Rosen ist die Hundsrose (R. canina) die bekannteste. An
ihr bilden sich durch den Stich einer Wespe Auswüchse, der sog. Rosen-
schwamm (Fungus Cynosbati).
3. Rubus Idaeus, Himbeere, . off. Syrupus Rubi Idaei.
Die Gattung Rubus kennzeichnet sich durch die aus zahlreichen
Steinfrüchten bestehende Sammelfrucht: Der Himbeerstrauch, Rubus
Idaeus, Fig. 414, mit roten, flaumhaarigen Früchten ; — der Brombeer-
strauch, Rubus fruticosus, mit glänzendschwarzen Früchten.
4. Geum urbanum, Nelkenwurz, obsol. Rad. Caryophyllatae.
Bei der Nelkenwurz, Fig. 415, einem Kraute mit gelben Blüten,
dessen nach Nelken riechende Wurzel man früher gebrauchte, verleihen
die hakig gekrümmten Griffeln der Sammelfrucht ein klettenartiges Aussehn.
5. Potentilla Tormentilla, Tormentille,
off. Rhiz. Tormenüllae.
Die Tormentille ist ein kriechendes Kraut mit vi er blätteriger,
gelber Blume, von den übrigen Potentilla- Arten mit 5 blätterigen Blumen
leicht zu unterscheiden. Fig. 416.
Hierbin zählen noch: die Erdbeere (Fragaria vesca) mit saftiger
Frucht (hervorgegangen aus dem Blütenboden) ; die duftende Spierstaude
(Spiraea Ulmaria) und der Odermennig (Agrimonia Eupatoria).
6. Hagenia abyssinica
(Brayera anthelmintica) .... off. Flor. Koso.
Ein diöcischer abyssinischer Baum dessen weibliche Blütenrispen als
Koso (Kusso) zu uns kommen.
H. Wiesenknopfgewächse (Sanguisorbeae), ohne Blumenblätter.
Hierhin: der Frauenmantel (Alchemilla vulgaris), mit fächerförmig ge-
falteten Blättern; der Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) , mit läng-
lichen, dunkelroten Blütenköpfchen, und die Becherblume (Poterium
Sanguisorba), mit kugeligen, grünlichen Köpfchen; beide auf Wiesen häufig.
§ 468. Verwandte Familien. Den Rosaceae schliessen sich an :
1. Die Familie des Steinobstes, Amygdaleae, Bäume
und Sträucher mit vielmännigen Blüten, deren jede aber nur
— 515 —
Amygdaleae.
Fig. 417. Fig. 418.
Prunus Amygdalus. Mandelbaum. Prunus spinosa. Schlehdorn.
A Blüte, B längsdurchschnittene Frucht. Ein blühender und ein fruchttragender
C Querdurchschnittener Stein. D Same Zweig, sowie eine Blüte
im Querschnitt. E Same im Längsschnitt. im Längsschnitt.
Pomaceae.
Fig. 419.
Pirus Malus. Apfelbaum.
Nebst Stempel und Frucht.
Fig. 420.
Cydonia vulgaris. Quittenbaum.
Nebst Blüte und Frucht.
33*
— 516 -
1 Stempel besitzt — daher zur Ikosandria Monogynia
gehörig. Frucht eine Steinfrucht.
Die Heimat des Steinobstes ist Mittelasien, von wo es jedoch
schon in frühen Zeiten nach Europa verpflanzt wurde. Alle
Pflanzenteile führen mehr oder weniger Amygdalin, vorzugsweise
die Samen, aber auch die Blätter mancher Gewächse (z. B. des
Kirschlorbeers, des Pfirsichbaumes).
1. Prunus Amygdalus (Amygdalus communis);
Mandelbaum, .... off. Amygddlae antarae u. dulces.
Der Mandelbaum existiert in 2 Varietäten, von denen die eine bittere;
die andere süsse Mandeln trägt. Die filzigen, saftlosen Früchte bergen
einen löcherigen Stein, der die Mandeln enthält. Fig. 417.
2. Prunus Cerasus, Sauerkirsche, .... off. Cerasa.
Die Sauerkirsche unterscheidet sich von der Süsskirsche (Prunus
avium) durch ihre sauren Früchte, aus denen man Kirschsyrup bereitet.
3. Prunus Lauro-Cerasus,
Kirschlorheer, off. Fol.x Lauro-CerasL
Ein Strauch aus Südeuropa mit immergrünen, glänzenden, lederigen
Blättern, aus denen man das Kirsclilorbeerwasser destilliert.
4. Prunus spinosa, Schlehdorn, . obsol. Flor. Acaciae.
Ein bekannter Strauch, dessen weisse Blüten vor den Blättern er-
scheinen. Fig. 418.
Hierhin zählen noch: der Aprikosenbaum (Prunus Armeniaca),
Pfirsichbaum (Prunus Persica), Pflaumenbaum (Prunus insititia),
Zwetschenbaum (Prunus domestica), die Ahlkirsche (Prunus Padus).
IL Die Familie des Kernobstes, Pomaceae, Bäume
und Sträucher mit fleischig-saftiger Frucht, welche vom
Kelche gekrönt ist. Ihre vielmännigen lauten bergen einen un-
terständigen, 2 — 5 fächerigen Fruchtknoten mit 2— 5 Griffeln.
Daher finden wir das Kernobst in der Ikosandria Di- bis
Pentagynia nach Linne.
Das Kernobst gehört der nördlichen gemässigten Zone an und
fehlt den Tropenländern.
1. Pirus Malus, Apfelbaum, .... off. Poma acida.
Von den sauren Äpfeln bereitet man das Exlr actum TPerri pomatvm.
Durch die Form der Frucht unterscheidet sich der Apfelbaum (Fig. 419)
vom Birnbaum (P. communis).
2. Cydonia vulgaris (Pirus Cydonia),
Quittenbaum, off. Semen Cydoniafi.
Die Quitte unterscheidet sich vom Apfel und der Birne dadurch, dass
bei ihr die Samen zu mehreren im Fache liegen, während Apfel und Birne
nur je 2 Samen im Fruchtfache bergen. Fig. 420.
Hierhin zählen noch: der Weissdorn (Crataegus Oxyacantha), die
Eberesche (Sorbus Aucuparia) mit ihren roten, sauren Beeren in Trug-
dolden, und die Mispel (Mespilus germanica).
— 517 —
III. Die Myrte ngewächse, Myrtaceae, Bäume und Sträu-
cher heisser Klimate, reich an Wohlgeruch und Gewürz. Ihre Blätter
sind meist lederig und drüsig-punktiert. (Ikosandria Monogynia L.)
1. Punica Granat um, Granatbaum, . off. Cort. Granati.
Ein Baum der Mittelrneerländer, mit scharlachroten Blüten (früher
oft'. Flor. Balauslii) und lederschaligen Beeren (früher off. Cort. Balaustii).
2. Eugenia caryophyllata (Caryophyllus
aromaticus), Gewürznelkenbaum, ... off. Caryophylli.
Ein auf den Molukken einheimischer, in vielen Tropenländern (Süd-
amerika) gepflanzter Baum, dessen Blütenknospen die Gewürznelken darstellen,
3. Melaleuca Leucadendron*),
Kajeputbaum, off. Oleum Cajeputi.
Ein weissherindeter Baum auf den Molukken, dessen Zweige, der
Destillation unterworfen, das Kajeputöl liefern.
4. Eucalyptus**) Globulus, off. Folia u. Oleum Eucalypti.
Ein hoher Baum Neuhollands, der zur Austrocknung sumpfiger Gegenden
auch anderwärts gepflanzt wird.
Die Schmetterlingsblütler, Papilionaceae.
§ 469. Charakter der Schmetterlingsblütler. Die Familie der
Schmetterlingsblütler, Papilionaceae, eine der wichtigsten
und grössten , umfasst Gewächse mit abwechselnd gestellten,
teils dreizähiigen, teils gefiederten Blättern, welche
von Neben blättchen begleitet sind , die zuweilen (wie bei
der Erbse) das Blatt an Grösse übertreffen , zuweilen aber (wie
bei der Robinie) in einen Dorn verwandelt sind. Die Blüten
besitzen eine schmetterlingsförmige Blume (corolla papili-
onacea), deren oberes, halb empor-
gerichtetes Blumenblatt Fahne
(vexillum) genannt wird, während
die beiden seitlichen Blumenblätter
die Flügel (alae), die beiden un-
teren, in der Regel kahnförmig
verbunden, das Schiffchen oder
den Kiel (carina) bilden (Fig. 42 1).
— Die 10 Staubt äden sind bald
sämtlich in eine Röhre ver-
wachsen, bald nur zu 9 ver-
wachsen, wie Fig. 422 zeigt, wäh-
rend einer frei bleibt, welcher in der Spalte der Staubfadenröhre
liegt. Linne stellte diese Gewächse in dieDiadelphia Dekandria.
Fig. 421.
a Fahne b Flügel
Schiffchen.
Fig. 422.
*) Melaleuca von fiäXa; (schwarz) und Xsuxo? (weiss). — Leucadendron
von Xsu*o; (weiss) und oavSpov (Baum).
**) Eucalyptus von suxaXÜ7ctos (wohlbedeckt, mit schöner Haube).
— 518 —
— Die Frucht ist eine Hülse d. i. ein einzelnes
Karpellblatt, welches die Samen an der Bauchnaht
trägt und bei der Reife in zwei Klappen aufspringt
(Fig. 423). Der Same enthält kein Eiweiss,
häufig fleischige Samenlappen (wie dieErbsen,
Bohnen, Linsen), sowie einen gekrümmten Keim.
Die Schmetterlingsblütler finden sich über die
ganze Erde verbreitet ; sie bilden auch in Deutsch-
land einen wesentlichen Bestandteil der Yegetation
und der Kulturgewächse. Zum Teile sind es
Futterkräuter (wie der Klee, Luzerne, Esparsette,
Wicke), zum Teil wegen des Stärkemehl- und
Proteingehaltes ihrer Samen allenthalben gezogene
Nährpflanzen (wie die Erbse, Bohne, Linse). Bei
einigen Arten treffen wir aromatische Bestandteile
an, wie z. B. das (auch im Waldmeister enthaltene)
Cumarin in den Blüten von Melilotus , den Samen von Faenum
graecum und den Tonkabohnen, auf welchen letzteren es häufig
auskrystallisiert. Giftige Stoffe zeigt die Calabarbohne.
§ 470. Einteilung der Schmetterlingsblütler. Man teilt die Gat-
tungen nach der Form der Blätter, Hülsen und Samen ein.*)
1. Ononis spinosa, Hauhechel, ... off. Rad. Ononidis.
Die Hauhechel, Fig. 424, ist ein dorniges, rosablühendes Kraut
unserer Wiesen und unterscheidet sich durch ihren einzeilig behaarten
Stengel von der zottigen, niederliegenden Ononis repens.
2. Melilotus**) officinalis,Honigklee,l ^ „ 7 „, ,., .
3. - a 1 1 i s s im u s (macrorrhizus) f off- Herh' Metlloü'
Zwei Kräuter an Wegen und Rainen, mit kleinen gelben Blüten in
langen, einseitswendigen Trauben; erstere mit strohgelben, kahlen Hülsen,
Fig. 423.
*) Einteilung der Gattungen der Schmetterlingsblütler.
A. Samenlappen blattartig.
1. Hülse der Länge nach aufspringend.
a) Staubfäden in 1 Bündel verwachsen.
Gatt. Genista, Sarothamnus, Cytisus, Ononis,
Anthyllis.
b) Staubfäden zweibrüderig.
a) Blätter dreizählig.
Gatt. Trifolium, Lotus, Melilotus, Medicago,
Trigonella.
ß) Blätter gefiedert.
Gatt. Glycyrrhiza, Galega, Astragalus.
2. Hülse in Querglieder zerfallend.
Gatt. Onobrychis, Hedysarum, Coronilla.
B. Samenlappen dick, fleischig. Blätter gefiedert, mit Wickelranke.
Gatt. Vicia, Cicer, Ervum, Pisum, Lathyrus, Phaseolus.
**) Melilotus von jjieXt (Honig) und Xwxo? (Klee).
— 519 -
Papilionaceae.
Fig. 424.
Ononis spinosa. Hauhechel.
Nebst einer Blüte, dem Stempel (rechts)
und der Frucht (links unten).
Fig. 425.
Melilotus officinalis. Honigklee.
Nebst einer Blüte (rechts) und
Hülse (links).
Fig. 426.
Trigonella Faenum Graecum. Bockshornklee.
Nebst einer Blüte (links), Hülse
und Samen (rechts).
Fig. 427.
Glycyrrhiza glabra. Glattes Süssholz.
Nebst einer Blüte (links), dem längs-
durchschnittenen Stempel und den
Geschlechtsorganen (rechts).
— 520 —
letztere Art mit schwarzen, weichhaarigen Hülsen. Fig. 425. Weisse Blüten
hat Melilotus alba.
4. Trigonella*) Faenum Graecum,
Bockshornklee, off. Sem. Faenugraeci.
Ein Kraut Fig. 426, aus den Mittemieerlänclern stammend und bei
uns kultiviert, zeichnet sich durch langschnablige Hülsen aus.
Hierhin gehört auch der Wiesenklee (Trifolium pratense), der an
Wegen häufige, weissblühende kriechende Klee (Trifolium repens), der
allenthalben auf Wiesen wachsende Schotenklee (Lotus corniculatus)
mit gelben einfachen Dolden, sowie der Besenstrauch oder Ginster
(Sarothamnus scoparius) mit grossen, gelben Blüten, die hier und da ge-
bräuchlich sind [Hör es Spartii seu Genistete). Von Gemüsepflanzen und
Futterkräutern verdienen noch Erwähnung: die Erbse (Pisum sativum),
die Linse (Ervuni Lens), die Hausbohne oder Saubohne (Vicia Faba),
die Schneidebohne (Phaseolns communis), die Esparsette (Onobrychis
sativa), der Luzerner Klee (Medicago sativa).
5. Glycyrrhiza**) glabra, Süssholz,
off. Rad., Saccus Liquiritiae.
6. var. glandulifera, Rad. Liquiritiae mundata.
Das spanische Süssholz kommt von Glycyrrkiza glabra, Fig. 427,
einem Kraute in Südeuropa, aus deren frischer Wurzel man in Italien den
Lakriz bereitet. Eine Varietät (Gl. glandulifera) , welche im südöstlichen
Europa wächst, liefert das sog. russische Süssholz. (Früher leitete man
dasselbe von Glycyrrhiza echinata ab).
7. Astragalus verus, A. gummifer.
A. ascendens, A. leioclados,
A. brachycaly x, A. microcephalus,
A. py enociados u. a., Tragantsträucher, off. Tragacantha.
Dornige Sträuchlein, die beiden erstgenannten vorzugsweise in Klein-
asien und Armenien, die übrigen in Armenien und Persien. Sie lassen aus
Einschnitten des Stammes einen schleimigen Saft ausfliessen, der erhärtet
als Tragant in den Handel gebracht wird. In Griechenland liefert
A. creticus eine geringwertige Sorte Tragant.
8. Toluifera P^ereirae,
(Myroxylon Pereirae), off. Bals. Peruvianum.
9. Toluifera Balsam um,
(Myroxylon toluiferum), .... off. Bals. Tolutanum.
Zwei ansehnliche Bäume, ersterer in Centralamerika, an der Küste
von San Salvador, letzterer im nördlichen Teile Südamerikas (aar Magdalenen-
strom); sie lassen aus Einschnitten den Balsam ausfliessen, beim Perubalsam
durch Anbrennen unterstützt.
10. Pterocarpus Marsupium off. Kino.
Ein hoher Baum in Ostindien, aus dessen rotbrauner Rinde das Kino
gewonnen wird. — Pt. santalinus, ebendaselbst; liefert das rote Santelholz.
*) Trigonella von xpiywvp; (dreieckig).
*) Glycyrrhiza von yXux.u? (süss) und pita (Wurzel).
— 521 —
ll.AndiraAraroba off. Chrysarobinum.
Ein Baum in Brasilien, der in inneren Spalten und Hohlräumen ein
dunkelbraungelbes Pulver, sog. Goapulver, birgt, welches durch Auflösen
in heissem Benzol gereinigt das Chrysarobin darstellt.
12. Physostignia venenosum . off. Faba Calobarica.
Ein Schlingstrauch (ähnlich unserer Schneidebohne) an der west-
afrikanischen Küste, dessen Samen, die sehr giftigen Kalabarbohnen, daselbst
zu Gottesurteilen benutzt werden. Man bereitet aus ihnen das Alkaloi'd
Physostigmin.
Zu erwähnen sind noch: Dipterix odorata, ein Baum in Guyana,
mit wohlriechenden Samen, den sog. Tonkabohnen. — Indigo fera tinc-
toria, ein Strauch Ostindiens, durch Kultur auch nach Afrika und West-
indien verpflanzt, liefert durch Gährung der Blütenzweige den Indigo.
§ 471. Verwandte Familien. Den Schmetterlingsblütlern stehen
durch die gleiche Fruchtbildung — Hülse — nahe:
Die Caesalpiniaceae, fiederblätterige Bäume und Sträucher
warmer Klimate, deren Blüten unregelmässig, aber nicht schmetter-
lingsförmig sind.
1. Ceratonia Siliqua, Johannisbrotbaum, off. Siliqua dulcis.
Ein Baum der Mittelmeerländer, von Spanien bis zum Orient, dessen
süsse, fleischige Hülsen das Johannisbrot darstellen.
2. Tamarinduslndica, Tamarinde, off. Pulpa Tarn arindorum.
Ein hoher Baum Ostindiens, durch Kultur über alle Tropenländer, auch
der neuen Welt verbreitet; man benutzt das säuerliche Mus seiner Hülsen.
'S. Haematoxyl on Campechian um,
off. Lignum Campechianum.
4. Caesalpinia Brasiliensi s, off. Liqmim Femambuci.
Zwei Farbhölzer, erstere Art in Centralamerika (Campechebay), letztere
Art in Brasilien.
5. Copaifera officinalis,
C. Guianensis u. a., . . . off. Bals. Gopaivae.
Hohe, harzreiche Bäume in Brasilien und Westindien, welche aus den
angehauenen Stämmen den Balsam ausfliessen lassen.
6. Cassia acutifolia (C. lenitiva),! „, - lV, ,,. „
7. Cassia angustifolia, j off' Foha Sennae-
Die Alexandriner und Tripolitaner Sennesblätter sind die Fieder-
blättchen von dem in Nubien und Sennaar wild wachsenden Strauche
Cassia acutifolia. untermischt mit Blättern der Ar gelpflanz e (Soleno-
stenirna Argel), einer Asclepiadee. — Die spitzblätterigen, lanzettlichen
Indischen Sennesblättcr sind die Blättchen der in Ostindien kultivierten, in
Arabien wildwachsenden Cassia angustifolia. — Von Cassia obovata
in Egypten und Syrien kommen die verkehrteiförmigen Aleppischen oder
Italienischen Sennesblätter.
- 522 —
II. Die Mimosaceae, Sträucher und Bäume heisser Länder,
mit regelmässigen , vielmännigen Blüten und vielpaarig gefieder-
ten Blättern.
Acacia Senegal (A. Yerek), . . off. Gummi arabicum.
Zahlreiche Arten der Gattung Acacia wachsen im nördlichen Afrika,
welche aus Rissen der Rinde einen Schleim ausfliessen lassen, der zum
arabischen Gummi erhärtet; es sind dornige Sträucher und Bäume vom
Senegal bis zum Nil, sowie auch in Arabien. Das officinelle Gummi arabicum
stammt aus den oberen Nilländern, von der oben angegebenen Art. —
Aus der rotbraunen Rinde und dem dunkelbraunen Holze der Acacia
Catechu, einem hohen Baume in Ostindien, wird durch Auskochen das
Pegu-Catechu (Terra japonica) gewonnen.
b. Polypetalen mit bodenständiger Blume (Thalamifloren).
Analytische Übersicht der Familien.
A. Staubgefässe in bestimmter Zahl.
1. Staubgefässe ebensoviel als Blumenblätter, 5.
a) Frucht beerenartig.
a) Klettersträucher Ampelideae.
ß) Aufrechte Sträucher und Bäume.
Staubbeutel längsritzig Rhamneae.
Staubbeutel klappig aufspringend . Berberideae.
b) Frucht kapselig.
a) Blume regelmässig, Griffel 5, . . . Lineae.
ß) Blume unregelm., Griffel 1 . . . . Violarieae.
2. Staubgefässe halbmal mehr als Blumenblätter, 6.
a) Staubgefässe frei, viermächtig .... Cruciferae.
b) Staubgefässe 2 brüderig Fumariaceae.
3. Staubgefässe doppelt so viele als Blumenblätter, 8 oder 10.
a) Blüte regelmässig.
a) Griffel 1 Rutaceae.
ß) Griffel 2—5 Caryophylleae.
(Kelch einblätterig Sileneae.)
(Kelch 4 — 5 blätterig Aisin eae.)
b) Blüte unregelm., Staubgef. 2brüderig . Polygaleae.
B. Staubgefässe zahlreich.
1. Staubgefässe unverbunden.
a) Stempel 2 — 5 oder zahlreich Ranunculaceae.
b) Stempel 1.
a) Blume 4 blätterig, Kelch 2 blätterig . Papaveraceae.
ß) Blume und Kelch 5 blätterig . . . Tiliaceae.
2. Staubgefässe einbrüderig Malvaceae.
3. Staubgefässe mehrbrüderig verwachsen.
a) Griffel 1 Aurantiaceae.
b) Griffel 3 — 5 Hypericineae.
- 523
Fig. 428.
Die Nelken, Caryophylleae.
§472. Von den Nelken. Die Familie der Nelken, Caryo-
phylleae, umfasst Kräuter mit ungeteilten, gegenständigen
Blättern und regelmässigen Blüten mit 5 benagelten Blumen-
blättern, 10 Staubgefässen und
einem Stempel mit 2 — 5 Griffeln
(Fig. 428 zeigt die Nelkenblüte im
Längsschnitt). Die Staubgefässe
stehen zu je 5 in zwei Zeilen; der
Stempel besteht aus 2 — 5 Frucht-
blättern, die sich zu einem ein-
fächerigen Fruchtknoten verbunden
haben; die Griffel sind frei ge-
blieben. Wir finden daher diese
Gewächse in der Linn eschen Klasse
Dekandria, Ordn. Di- bis Pen-
tagynia. — Die Frucht ist eine
einfächerige, vielsamige Kapsel,
deren Samen einem Mittelsäulchen aufsitzen.
Die Nelkengewächse gehören vorzugsweise Europa an und
bilden durch ihr häufiges Vorkommen einen wesentlichen Bruch-
teil der deutschen Krautflora. Durch ihre schönen Blüten eine
Zierde der Landschaft, entbehren sie aber meist des Wohlgeruches.
Man teilt die Familie nach der Bildung des Kelches in zwei
Gruppen, welche sehr häufig als besondere Familien aufgestellt werden.
I. Sileneae. Kelch einblätterig, fünfzähnig.
Saponaria officinalis, Seifenkraut, off. Bad. Saponariae.
Das Seifenkraut. Fig. 429, wächst häufig an Wegen und kenn-
zeichnet sich durch fleischrote Blüten mit je zwei Griffeln.
Ebenfalls zweigriffelig ist die artenreiche Gattung Nelke (Dianthus),
dagegen dreigriffelig das Leinkraut (Silene), fünfgriffelig die Lichtnelke
(Lychnis) und die violettblühende Kornrade (Agrostemma Githago), ein
bekanntes Unkraut der Kornfelder.
IL Alsineae. Kelch fünf blätterig.
Erwähnt sei die gemeine und die grossblütige Sternmiere
(Stellaria media und St. Holostea) mit weissen, zweispaltigen Blumenblättern
und 3 Griffeln. Der letzteren ist das Acker-Hornkraut (Cerastium arvense)
sehr ähnlich, jedoch mit 5 Griffeln versehen.
§ 473. Anschliessende Familien.
I. Die Leingewächse, Lineae, sind von den Nelken durch
das Fehlschlagen einer Staubgefässzeile unterschieden, sodass ihre
Blüten nur 5 männig sind. (Pentandria Pentagynia L.)
— 524 —
Linum usitatissimuni , Lein, . off. Sem., Oleum Lini.
Ein Kraut Fig. 430 mit blauen Blüten, welches zur Gewinnung der
Bastfaser (Flachs) gebaut wird. Aus den Samen wird Öl geschlagen.
II. Die Rautengewächse, Rutaceae, gewürzreiche Pflanzen
mit gefiederten, drüsigpunktierten Blättern und 10 männigen Blüten,
die aber nur 1 Griffel enthalten. (Dekandria Monogynia L.)
1. Ruta graveolens, Raute, ... off. Folia Batae.
Ein duftendes Kraut Südeuropas, bei uns in Gärten gezogen, mit
gelben Trugdolden, deren Centralblüte 10 männig ist, während die übrigen
nur 8 männig sind. Fig. 431.
2. Pilocarpus*) pennatifolius . off'. Folia Jäborandi.
Ein Strauch in Brasilien.
Hierhin zählen noch: der Diptam (Dictamnus albus), an felsigen
Orten, dessen Wurzel ehedem gebräuchlich war. — Bukko sträucher
im Kapland, von denen Barosma crenulata die breiten, B. serratifolia
die langen Folia Bucco liefert. — Von Galipea officinalis, einem
Baum am Orinoko, kam früher die Cortex Angosturae zu uns.
III. Die Zygopbylleae **)., ohne Öldrüsen in den Blättern.
Guajacum officinale L., . off. Lignum, Resina Guajaci.
Ein Baum auf den westindischen Inseln, mit blauen Blüten.
IY. Die Simarubeae, Holzgewächse fremder Länder.
1. Quassia amara ) ™ T . ~
o t>- «#*^ i } • off. Lianum Quasszae.
2. Picraena***) excelsa/ J *
Erstere Art ist ein strauchartiges Bäumchen in den Wäldern Surinams
(Südamerika), letztere Art ein hoher Baum auf Jamaika. — Simaruba offi-
cinalis, im nördlichen Südamerika, lieferte ehedem Cortex Simarubae.
V. Die Terebinthaceae , Holzgewächse mit gefiederten
Blättern und harzreichem Safte.
1. Balsamea My rrha (Balsamodendron M.)-j-) off. Myrrha.
Ein dorniges Bäumchen im' glücklichen Arabien (Südwestspitze Arabiens)
und der gegenüberliegenden afrikanischen Küste (Somaliländer) ; es lässt die
Myrrhe aus Rissen der Rinde ausfüessen.
2. Boswelliaj"j-) sacra off. Olibanum.
Ein Baum in denselben Landstrichen, wie die vorhin angeführte Art;
er lässt aus Rissen der Rinde den Weihrauch ausfüessen.
3. Pistacia Lentiscus off. Mastix.
Ein Baum der Mittelmeerländer, auf der Insel Chios kultiviert zur
Gewinnung des Mastix, welches aus Rissen der Rinde quillt. — Von Pistacia
vera, in Südeuropa, werden die Samen, sog. Pistazien, genossen.
*) Pilocarpus von r.ikoq (Kugel) und /.apTro; (Frucht).
**) Zygophyllum von 'Cuyov (Joch) und ©bXXov (Blatt) wegen der Fieder-
blätter.
***) Picraena von raxpaivw (bitter machen),
t) Balsamea von balsameus (balsamreich). Balsamodendron von ßaX^
aap.ov (Harz) und os'vopov (Baum).
ff) Boswellia nach Dr. J. Boswell.
525
Caryophylleae.
Lineae-
Fig. 429.
Saponaria officinalis. Seifenkraut
Nebst dem Stempel (links).
RittftCi'ftr.
b d
Fig. 430.
Fig. 431. Linum usitatissimum. Lein.
Euta graveolens. Baute. Nebst der Kapselfrucht und den inneren
Nebst einer Blüte (rechts), der Frucht Blütenorganen (a Staubgefässe, b Zähnchen,
(links) und einem Samen (unten). aus verkümmerten Stau1 fädchen
hervorgegangen )
— 526 —
4. Rhus Toxicodendron*),
Giftsumach , off. Folia Toxicodendri.
Ein nordamerikanischer Strauch , der bei uns nicht selten in Park-
anlagen angetroffen wird und in seinen Blättern einen an der Luft schwarz
werdenden Milchsaft von solcher Schärfe besitzt, dass schon das Abpflücken
der Blätter mit blossen Händen gefährliche Hautanschwellungen verursacht.
Eine ähnliche Schärfe enthalten die nierenförmigen Früchte von
Anacardium occidentale, einem südamerikanischen Baume , sowie
die Nuss von Semecarpus Anacardium in Ostindien; jene bekannt
als Anacardia occidentalia, diese als Anacardia orientalia, auch Elephanten-
läuse genannt.
Die Kreuzdorngewächse, Rhanineae.
§ 474. Von den Kreuzdorngewächsen. Die Familie der Kreuz-
dorngewächse, Khamneae, umfasst Sträucher und Bäume
mit ungeteilten Blättern und kleinen, unansehnlichen Blüten,
deren Staubgefässe mit der Zahl der Blumenblätter überein-
stimmen, daher 4 oder 5 sind. Die Frucht ist eine Stein-
beere. (Pentandria Monogynia.)
Die Rhamneen besitzen oft abführende Bestandteile (Cathartin)
z. B. der Kreuzdorn in seinen Früchten, der Faulbaum in seiner Rinde.
1. Rhamnus cathartica, Kreuzdorn, off. Fruct. Bhamni cath.
2. Rhamnus Frangula, Faulbaum, off. Gort, Frangulae.
Der Kr euz dorn, Fig. 432, ist ein dem Schlehdorn ähnlicher Strauch
mit grünlichen, viermännigen , eingeschlechtigen Blüten und schwarzen,
viersteinigen Beeren, aus denen Syrupus Rhamni (Spinae cervinae) bereitet
wird. — Der Faulbaum, Fig. 433, ist dornlos, mit weissen, fünfmännigen
Blüten und dreisteinigen Beeren.
§ 475. Anschliessende Familien.
I. Die Reben, Ampelideae, Klettersträucher mit Gabel-
ranken und Beerenfrucht. (Pentandria Monogynia L.)
Yitis vinifera, Weinstock, off. Vinum.
Der Weinstock, Fig. 434, wird in vielen Varietäten gebaut. Die
eingetrockneten Weintrauben kommen als Rosinen (Passulae majores), die-
jenigen einer kernlosen Varietät in Griechenland als Korinthen (P. minores)
in den Handel. Aus den weissen Trauben bereitet man den Weisswein,
aus den roten Trauben den Rotwein.
IL Die Berberitzen, Berberideae, mit 6 gliederigen,
6 männigen Blüten und Beerenfrucht. (Hexandria Monogynia L.)
1. Berberis vulgaris, Berberitze, off. Fruct. Berberidis.
Ein Strauch mit dreiteiligen Dornen, gelben Blütentrauben und sehr
sauren, roten Beeren, aus denen Syrupus Berberidis gekocht wird, Fig. 435.
2. Podophyllum peltatum ... off. Podophyllinum.
Ein nordamerikanisches Kraut, aus dessen Wurzel ein drastisch wir-
kendes Harz, das Podophyllin, ausgezogen wird.
*) Toxicodendron von tö^xo? (giftig) und Se'vSpov (Baum).
527
Rhamneae.
Fig. 432. Fig. 433.
Rhamnus cathartica. Kreuzdorn. Rhamnus Frangula. Faulbaum.
Nebst einer männlichen und weiblichen Blüte, Mit einer Blüte und^Beere.
sowie Beeren.
Ampelideae.
A
Berberideae.
Fig. 434. Fig. 435.
Vitis vinifera. "Weinstock. Berberis vulgaris. Berberitze.
Nebst einigen Blüten, von denen zwei ihre Nebst einzelner Blüte, Blumenblätter,
Blumenblätter abzuwerfen im Begriffe sind, Staubgefäss, Stempel und Beere,
die dritte dieselben schon abgeworfen hat.
Oben rechts eine Beere, dieselbe quer- und
längsdurchschnitten; links unten ein Same.
528
Die Kreuzblütler, Cruciferae,
§ 476. Charakter der Familie. Die Familie der Kreuzblüt-
ler, Cruciferae, enthält Krautgewächse mit abwechselnd
gestellten Blättern und regelmässigen Blüten, 4 benagelten
Blumenblättern und 4 Kelchblättern, sowie 6 Staubgefässen in
zwei Zeilen, vor denen die beiden der äusseren Zeile kürzer
sind als die vier der inneren Zeile, Fig. 436; daher bilden diese
Fig. 436. Fig. 437.
a Cruciferenblüte von oben gesehen, b dies, im Längsschnitt. Aufspringende Schote*
Gewächse die Linnesche Klasse Tetradynamia. Ausserdem
charakterisiert sich die Familie durch die Frucht, eine zwei-
fächerige, von unten nach oben aufspringen de Schote
(Siliqua) mit zwei wandständigen Samenleisten, welche
beim Abspringen der Fruchtklappen auf der Scheidewand bleiben
(Fig. 437). Die Samen sind eiweisslos, reich an fettem Öle und
enthalten einen gekrümmten Keim.
Die Glieder dieser wohlausgeprägten und artenreichen Familie
zeichnen sich durch einen Gehalt an scharfem (schwefelhaltigem)
ätherischem Öle aus, dienen daher häufig zum Küchen- und
Arzneigebrauche, werden auch durch den Eeichtum ihrer Samen
an fettem Öle vielfach kultiviert. Der Verbreitungsbezirk er-
streckt sich über die ganze Erde, vorzugsweise Europa.
§ 477. Einteilung der Kreuzblütler. Linne teilte seine
XY. Klasse Tetradynamia in zwei Ordnungen: 1. Siliculosa,
mit ovalen oder rundlichen Schötchen ; 2. Siliquosa mit langen,
linealen Schoten.
Die Gattungen mit nicht aufspringenden Schötchen wurden
— 529
später als Nuss früchtige (Nucamentaceae) , diejenigen, deren
Schoten in Querglieder zerfallen, als G-liedsckoten früchtige
(Lomentaceae) abgetrennt.*)
A. Schotenfrüchtige (Siliqu osae). Schoten viel länger als breit.
1. Brassica nigra (Sinapis nigra) . . off. Sem. Sinapis.
2. Brassica Rapa und Br. Napus . off. Oleum Bapae.
Der schwarze Senf, Fig. 438, ist ein hohes, einjähriges Kraut mit
gelben Blüten und angedrückten Schoten. Der weisse Senf (Sinapis alba),
mit schwertschn abeligen Schoten, wird wegen der Samen (Sem. Erucae)
kultiviert, während der Ackersenf (Sinapis arvensis) zu den gemeinsten
Unkräutern gehört. — Der Kohl (Brassica oleracea) wird in vielen
Abarten teils als Blattgemüse (Wirsing, Weisskohl, Rotkol, Blumenkohl),
teils als Knollengewächs (Kohlrabi) gezogen. — Den Raps (Brassica
Rapa) und Rübsamen (Brassica Napus) kultiviert man sowohl zur
Samenzucht (für Ruböl), als auch zur Knollenzucht (weisse Rübe).
Von den wildwachsenden Arten seien erwähnt: die Rauke (Sisym-
brium officinale), ein?sparriges Kraut mit gelben Blüten und angedrückten
Schoten; der Knoblau chshedrich (Sisymbriurn Alliaria) mit rundlich
nierenförmigen Blättern und weissen Blüten; das Wiesen- Schaumkraut
(Cardamine pratensis), mit lilafarbigen Blüten ; die weissblühende Brunnen-
kresse (Nasturtium officinale), der Goldlack (Cheiranthus Cheiri).
*) Einteilung der Gattungen der Cruciferen.
I. Schotenfrüchtler.
A. Keim seitenwurzelig. (Würzelchen zur Seite der flachen
Samenlappen.)
a) Schotenklappen nervenlos.
Gatt. Nasturtium, Cardamine, Dentaria.
b) Schoten mit 1 Nerven auf jeder Klappe.
Gatt. Cheiranthus, Arabis, Barbaraea.
B. Keim rückenwurzelig. (Würzelchen auf dem Rücken
der flachen Samenlappen).
a) Schotenklappen 1 nervig. Gatt. Erysimum.
b) Schotenklappen 3 nervig. Gatt. Sisymbriurn.
C Keim gefaltet. (Samenlappen zusammengefaltet, Würzel-
chen in der Falte).
a) Schotenklappen 1 nervig. Gatt. Brassica.
b) Schotenklappen 3 — 5 nervig. Gatt. Sinapis.
IL Schötchenfrüchtler.
A. Schötchen breitwandig. (Scheidewand in der Breitseite
des Schötchens. Fig. 442 a).
a) Schötchen kugelig aufgedunsen. Gatt. Cochlearia.
b) Schötchen flach. Gatt.Draba, Alyssum, Lunaria.
B. Schötchen schmalwandig. (Scheidewand in der Schmal-
seite des Schötchens Fig. 442b).
a) Keim seitenwurzelig. Gatt. Thlaspi.
b) Keim rückenwurzelig.
Gatt. Capsella, Lepidium.
C. Schötchen einfächerig, nicht aufspringend.
Gatt. Isatis.
III. Schoten quergliederig. Gatt. Raphanus.
Schlickum, Apothekerlehrling. 34
Fig. 442
— 530 —
B. Schötchenfrüchtler (Siliculosae). Schötchen oval oder rundlich.
3. Cochlearia officinalis, Löffelkraut, off. Herba Cochleariae.
Das Löffelkraut, Fig. 439, eine Seestrandpfianze, dient zur Bereitung
des Spiritus Cochleariae. — Der Meerrettig (Cochlearia Armoracia),
Fig. 440, wird zum Küchengebrauch kultiviert (obs. Rad. Armoraciae).
Das Hirtentäschchen (Capsella Bursa pastoris), Fig. 441, ist
ein gemeines Unkraut mit dreieckigen Schötchen, früher off. {Herba Bursac
pastoris). — Die Gartenkresse (Lepidium sativum) wird zum Küchen-
gebrauch kultiviert. Der Waid (Isatis tinctoria), ein Kraut mit flachen,
geflügelten Schötchen, wurde früher auf Indigo verarbeitet.
C. Gliedschotenfrüchtler (Lomentaceae). Frucht in Querglieder
zerfallend.
Der Rettig (Raphanus sativus) wird in mehreren Varietäten
(schwarzer, weisser Rettig, Radieschen) kultiviert.
Die Mohngewächse, Papaveraceae.
§ 478. Charakter der Familie. Die Mohngewächse, Papa-
veraceae, sind Kräuter mit abwechselnden Blättern und regel-
mässigen Blüten. Der Kelch besteht nur aus
zwei Blättern, welche bei der Entfaltung der vier-
blätterigen Blume sich ablösen (Fig. 443); die
Staubgefässe sind zahlreich vorhanden, Stempel
nur einer. (Polyandria Monogynia Lin.)
Die Mohngewächse kommen nur in der nördlichen
gemässigten Zone vor und stellen durch ihren Eeichtum
an narkotisch giftigem Milchsafte dem Arzneischatze
ein wertvolles Kontingent. Im Samen ist das Stärke-
mehl durch fettes Öl vertreten.
1. Papaver somniferum, Mohn, off. Gapita, Semen u.
Oleum Papaveris; Opium.
2. Papaver Rhoeas, Klatschrose, off. Flor. Bhoeados.
Die Gattung Papaver charakterisiert sich durch eine
rag. 44d. schildförmige, vielstrahlige Narbe, unterhalb deren die viel-
samige Kapsel in Löchern sich öffnet. Der Mohn, P. somniferum, Fig. 444,
stammt aus dem Orient und wird in Kleinasien zur Opilim-Gewirmwng ge-
baut; man ritzt daselbst die noch unreifen Kapseln an und lässt den aus-
tretenden Milcbsaft eintrocknen, worauf man ihn zu Kuchen zusammenknetet.
In Deutschland kultiviert man die Pflanze wegen der Samen, aus denen
man das Mohnöl presst. — Die Klatschrose, P. Rhoeas, mit scharlach-
roten Blumen (Fig. 445), ist ein bekanntes Unkraut in der Saat.
3. Chelidonium majus, Schöllkraut, off. Herba ChelidoniL
Das Schöllkraut, Fig. 446, eine gemeine Schuttpflanze, ist voll
gelben Milchsaltes, mit gelben Blüten in einfachen Dolden und schoten-
ähnlicher Frucht, dient zu Extractum Chelidonii.
531 -
Cruciferae.
Fig. 438. Fig. 439.
Brassica nigra. Schwarzer Senf. Cochlearia officinalis. Löffelkraut.
Nebst einzelner Blüte und Schote (oben), Nebst einer einzelnen Blüte, einem
sowie die letztere im Querschnitt, und ein Blumenblatte, Schötchen, Samen und
Same, sowie in dessen Querschnitt (unten). dessen Keim.
Fig. 440. Fig. 441.
Cochlearia Armoracia. Meerrettig.^ Capsella Bursa pastoris. Hirtentäschchen.
Nebst einer einzelnen Blüte (oben links), Nebst einer einzelnen Blüte, einem
Schötchen und dessen Längsschnitt (rechts), Blumenblatt (rechts) und einem auf-
Samen und dessen Querschnitt. gesprungeneu Schötchen (links).
34*
— 532 —
Familien mit unregelmässigen Blüten.
§ 479. Familien mit unregelmässigen bodenständigen Blumen. Einige
Familien zeichnen sich durch eine unregelmässige Form ihrer
Blumenblätter aus. Es gehören hierhin folgende kleinere Familien:
I. Die Erdrauchgewächse, Fumariaceae. Ihre Blüten,
auch mit zweiblätterigem Kelche und vierblätteriger Blume ver-
sehen, charakterisieren sich durch ihre gespornte Blume und Zwei-
brüderigkeit der 6 Staubgefässe. (Diadelphia Hexandria L.)
Fumaria officinalis, Erdrauch, obsol. Herba Fumariae.
Ein gemeines Unkraut mit kleinen violetten Blüten und kugeligen
Nüsschen Fig. 447.
Der Lärchensporn (Corydalis), mit gespornten Blüten, trägt Knollen.
IL Die Yeilchen, Violarieae, sind in Europa nur durch
die Gattung Viola vertreten; diese zeichnet sich durch fünf Staub-
gefässe und eine gespornte Blume aus. (Pentandria Mono-
gynia L.) Frucht eine einfächerige, vielsamige Kapsel.
Yiolatricolor off. Herba Violae tricoloris.
Das dreifarbige Veilchen, Fig. 448, auch Stiefmütterchen oder
Freisamkraut genannt, findet sich allenthalben auf Äckern, bald drei-
farbig (mit blauen, am Grunde gelben und weissen Blumen), bald einfarbig
(weisslichgelb) blühend. Letzteres ist die Varietät arvensis M. — Das
wohlriechende Veilchen (Viola odorata) ist, wie die geruchlose
Viola hirta, stengellos.
Fig. 448.
Viola tricolor. Dreifarbiges Veilchen.
Nebst dem gespornten Blumenblatt (links),
den Geschlechtsorganen und querdurch-
schnittenen Fruchtknoten (rechts).
Fig. 449.
Polygala amara. Bittere Kreuzblume.
Nebst einer einzelnen Blüte und den
Staubgefässbündeln.
— 533
Papaveraceae.
Fig. 444.
Papaver somniferum. Mohn.
Nebst der Kapsel.
Fig. 446.
Papaver Khoeas. Klatschrose.
Nebst dem Stempel (links oben)
und der Kapsel (unten).
Papaveraceae.
Furnariaceae.
Fig. 446.
Chelidonium majus. Schöllkraut.
Nebst der Schote und dieselbe
im Querschnitt, sowie ein Same.
Fig. 447.
Fumaria officinalis. Erdrauch.
Nebst einer Blüte, einem Nüsschen
(unten rechts) und Samen (links).
534
III. Die Bitterlinge, Polygaleae, umfasse Kräuter mit
sehr un regelmässigen Blüten und einsamigen Nussfrüchten.
In Europa ist diese kleine Familie nur durch die Gattung Poly-
gala vertreten, welche eine Art Schmetterlingsblüte mit zwei-
brüderig verwachsenen Staubgefässen besitzt.
1. Polygala amara,
bittere Kreuzblume ... off. Herba Polygalae amarae.
2. Polygala Senega ... off. Bad. Senegae.
Die Gattung Polygala charakterisiert sich durch zwei üügelartige,
blaurot oder weiss gefärbte Kelchblätter, eine verwachsenblätterige Blume
und 8 Staubbeutel, die zu je 4 in 2 Bündel verwachsen sind. (Diadelphia
Octandria Linne.) — Die bittere Kreuzblume, Fig. 449, lässt sich
durch ihre verkehrt- eiförmigen Wurzelblätter von P. vulgaris leicht unter-
scheiden. — Polygala Senega ist ein Kraut in den östlichen Vereinigten
Staaten Nordamerikas.
3. Krameria triandra
off.
Bad. Batanhiae.
Ein kleiner, sparrig verzweigter Strauch auf den Gebirgen Perus, die
er mit seinen roten Blüten schmückt.
Die Hahnenfussgewächse, Ranunculaceae.
§ 480. Charakter der Familie. Die Familie der Hahnenfuss-
gewächse, Ranunculaceae , wird gebildet von scharfgiftigen
Kräutern mit meist geteilten Blättern und bald regelmässigen,
bald unregelmässigen Blüten,
welche zahlreiche Staub-
gefässe und mehrere, oft
zahlreiche Stempel ent-
halten. Fig. 450. Daher stehen
diese Gewächse in der Linne-
schen XIII. Klasse, Polyan-
dria, 2. und 3. Ordn., Di- bis
Polygynia. Die Früchtchen
sind teils einsamig und nüss-
chenartig, teils mehrsamig und
kapselig. Die Samen besitzen
viel Eiweiss und einen sehr kleinen Keim.
Diese sehr formenreiche Familie gehört vorzugsweise der
nördlich gemässigten Zone an und zeichnet sich durch scharf-
giftige Bestandteile aus, besonders im Kraute, vor und bei Beginn
der Blütezeit. Narkotische Alkaloide finden wir bei Nieswurz,
Sturmhut, Rittersporn, eine flüchtige Schärfe bei der Küchenschelle,
dem Hahnenfuss und vielen anderen.
Fig. 450.
— 535 —
§ 481. Einteilung der Familie. Man unterscheidet die Gattungen
nach der Fruchtform und der Bildung der Blume, ob die Blüte
eine Perigonblüte ist, oder Kelch und Blume besitzt; ob in regel-
mässiger Ausbildung, oder unregelmässig (wie bei Aconitum und
Delphinium)*).
2.' Anemone pratensis ]K™her>Sche\le, oft. Herb.Pulsatülae.
Zwei Kräuter mit violetten Blüten, die bei erstgenannter Art aufrecht
(Fig. 451), bei letztgenannter Art überhängend sind (Fig. 452). Aus beiden
bereitet man Extrakt, da sie eine flüchtige Schärfe besitzen. Sie unter-
scheiden sich durch ihre bärtig geschweiften Früchtchen von dem Wind-
röschen (Anemone nemorosa), einem Frühlingskräutlein mit offener,
weisser Blüte.
Es schliessen sich hier an: Der scharfe Hahnenfuss (Ranun-
culus acris) mit handteiligen Blättern, scharfgiftig. — Das Scharbock-
kraut (R. Ficaria) auf nassen Wiesen, mit rundlichen, herzförmigen
Blättern.
Einer grossen Ranunkel ähnlich ist die Dotterblume (Galtha palustris).
Zu dieser Gruppe der Ranunculaceen zählen auch einige Kletter-
sträucher, wie die Waldrebe (Clematis Vitalba) mit rankenden Blattstielen
und weissen Blüten.
*) Einteilung der Ranunculaceen.
A. Früchtchen nussartig, 1 sämig.
a) Blüte mit blumenartigem Kelche, ohne Blumenblätter.
Gatt. Clematis, Anemone, Thalictrum.
b) Blüte mit Kelch und Blume.
Gatt. Ranunculus, Adonis.
B. Früchtchen kapselartig, mehrsamig.
a) Kelch blumenartig.
c.) Blüten regelmässig.
aa) Blumenblätter fehlen, Kelch blumenartig.
Gatt. Caltha.
bb) Blumenblätter klein röhrig.
Gattt. Helleborus, Nigella.
cc) Blumenblätter alle gespornt.
Gatt. Aquilegia.
ß) Blüten unregelmässig.
aa) Blüten gespornt. Gatt. Delphinium.
bb) Blüten halmförmig. Gatt. Aconitum.
b) Kelch krautartig. Gatt. Paeonia.
**) Anemone von avs;j.o; (Wind).
— 536 —
3. Hell eb orus viridi s , grüne Nieswurz, off. Bad. Hellebori vir.
Die Gattung Helleborus zeichnet sich durch ihre fussteiligen Blätter
aus. Dieselben sind bei der grünen Nieswurz scharfgesägt (Fig. 453),
bei der schwarzen Nieswurz (Helleborus niger), deren Wurzel früher
gebraucht wurde, lederig und nur gegen die Spitze hin schwach gesägt.
4. Aconitum Napellus, Eisenhut,. . off. Tub. Aconiti.
Ein Kraut der Gebirge, in Gärten als Zierpflanze, kennzeichnet sich
durch seinen blauen, helmförmigen Kelch, welcher zwei langgestielte, kapuzen-
artige Blumenblätter birgt. Seine Wurzel besteht aus zwei Knollen. Fig. 455.
Erwähnung verdienen noch der blaue Rittersporn (Delphinium
Consolida), von dem eine südeuropäische Art, Delphinium Staphis agria,
die giftigen Stephanskörner (Sem. Staphidis) liefert; sowie der Schwarz-
kümmel (Nigella sativa), dessen gewürzige Samen früher gebraucht wurden
{Semen Mgellae), und die blaue Akelei (Aquilegia vulgaris) mit 5 gespornten
Kelchblättern.
Die Pfingstrose (Paeonia officinalis), Fig. 454, eine bekannte
Zierpflanze unserer Gärten, lieferte früher Radix und Semen Paeoniae.
§ 482. Verwandte Familien. Den Hahnenfussgewächsen schlies-
sen sich folgende fremdländische Familien an:
I. Die Magnoliaceae, Bäume und Sträucher mit schönen Blüten.
Illicium anisatum, Sternanis, off. Fruct. Anisi stellati.
Ein gewürzreicher Baum in China und Cochinchina. Sehr ähnliche,
aber giftige Früchte trägt Illicium religiosum (Sikimibaum) in Japan.
IL Die Menispermeae, Klettersträucher heisser Länder, mit
zweihäusigen, rispigen Blüten.
Jateorrhiza*) Calumba (Cocculus palmatus)
off. Bad. Colombo.
Ein Kletterstrauch der Küste Mozambique im östlichen Afrika, in
Ostindien wegen der Wurzel kultiviert.
Von Menispermum**) Cocculus, in Ostindien, kommen die giftigen
Früchte, sog. Kockelskörner (Cocculi indici), zu uns.
Die Malven, Malvaceae.
§ 483. Charakter der Malven. Die Familie der Malven, Mal-
vaceae , zeichnet sich aus durch einen zweireihigen Kelch und
zahlreiche Staubgefässe, deren Staubfäden in eine Röhre
verwachsen sind. Daher gehören diese Gewächse nach Linne
in die Monadelphia Polyandria. Der Kelch ist doppelt
(Calyx duplex), die Blume fünfblätterig, am Grunde verwachsen
und in der Knospung gedreht ; die zahlreichen Staubgefässe tragen
einfächerige Beutel, die Stempel stehen quirlig um eine Mittel-
säule gruppiert, mit getrennten Griffeln.
*) Von Iö.q[xixi (heilen) und pf(a (Wurzel).
**) JJ.7JV (Mond) und cnzip^a. (Same), wegen der gekrümmten Früchte.
537
Ranunculaceae,
Fig. 451. -
Anemone Pulsatilla. Küchenschelle.
Nebst einem Staubgefäss und Früchtchen
\
Mg. 453.
Helleborus viridis. Grüne Nieswurz.
Nebst einem Blumenblatt (links unten)
und den Stempeln (oben).
Mg. 454.
Paeonia officinalis. Pfingstrose.
Nebst der "Wurzel, den Stempeln
und einem Früchtchen.
Mg. 452.
Anemone pratensis. Küchenschelle.
Nebst einem Staubgefäss und dem Frucht-
stande, sowie einem Früchtchen.
Mg. 455.
Aconitum Napellus. Sturmhut.
Nebst dem Knollen und der Frucht.
- 538 —
Die einheimischen Malven sind schleimreiche Kräuter mit
handlappigen Blättern; in den Tropenländern finden sich
aber auch Sträucher und Bäume. Scharfe, giftige Stoffe fehlen
ihnen durchaus, ebenso Gewürze und ätherische Öle. Bei man-
chen Arten sind die Bastfasern stark ausgebildet, wichtiger aber
noch ist die Wolle, in welche die Samen vieler Arten gehüllt
sind, wie bei der Baumwollenstaude (Gossypium) und dem Woll-
baum (Bombax).
1. Malva vulgaris, gemeine Malve, off. Fol. Malvae.
2. Malva silvestris, wilde Malve, off. Fol, Flor. Malvae.
Die Gattung Matva charakterisiert sich durch einen drei blätterigen
Aussenkelch. M. vulgaris (M. rotundifolia), Fig. 456, und M. sil-
vestris, Fig. 457, besitzen handlappige Blätter, die von beiden Arten
officinell sind. Von M. vulgaris unterscheidet sich M. silvestris durch grössere
Blüten (frisch rosarot, trocken blau), welche nur von dieser letzteren Art
gebräuchlich sind.
'6. Althaea officinalis, Eibisch, off. Bad., Fol. Althaeae.
4. Althaea rosea, Stockrose, . off. Flor. Malvae arboreae.
Die Gattung Althaea charakterisiert sich durch einen vielspaltigen
äusseren Kelch. Althaea officinalis, Fig. 458, ist eine filzig - zottige
Staude mit rosafarbigen Blüten und wird zum Arzneigebrauche kultiviert.
— Von der Stockrose, Althaea rosea, Fig. 459, einer Zierstaude, mit
roten, weissen und dunkelpurpurnen Blüten, wendet man nur die
letzteren an.
5. Gossypium herbaceum, G. ar bore um u. a.,
Baumwollenstaude, .... off. Gossypium depuratum.
Die Baumwollen staude wird in den Tropenländern in mehreren
Arten zur Gewinnung der Baumwolle kultiviert, welche als lange Haare
die Samen umhüllt.
§ 484. Von den Orangen. Die Familie der Orangen, Auran-
tiaceae, umfasst Sträucher und Bäume mit drüsig-punk-
tierten, unpaarig gefiederten Blättern, welche bei der
Gattung Citrus auf das Endblättchen reduziert erscheinen, indem
die seitlichen Fiederblättchen als Blattstielflügel mit dem Blatt-
stiele verwachsen sind. Die regelmässigen Blüten enthalten meist
zahlreiche, in mehrere Bündel verwachsene Staubge fasse,
daher stehen die Orangen in der XVII. Linneschen Klasse Polya-
d e 1 p h i a. Die Frucht ist eine vielfächerigeBeere mit leder-
artiger, drüsig-punktierter Schale.
Bei diesen Gewächsen finden wir einen reichen Gehalt an
ätherischem Öle sowohl in den Blüten als in besonderen Öldrüsen
der Blätter und Fruchtschalen abgelagert. Aus letzteren gewinnt
man dasselbe durch Auspressen, aus den Blüten durch Destillation.
Die Orangenfrüchte enthalten im Safte häufig Citronensäure , in
der äusseren Schale Bitterstoff.
— 539
Maloaceae
Fig. 456.
Malva vulgaris. Gemeine Malve.
Nebst einzelner Blüte (unten)
und Eni cht (oben).
Fig. 457.
Malva silvestris. "Wilde Malve.
Nebst dem Stempel (oben), der Staub-
fadensäule und der Frucht (unten).
Fig. 458.
Althaea officinalis. Eibisch.
Nebst dem Kelche mit den Stempeln,
sowie der Frucht.
Fig. 459.
Althaea rosea. Stockrose.
- 540 -
1. Citrus vulgaris, Pomeranzenbaum, off. Fol, Oleum flor.,
Fruct. immat, Gort, fruct. Aurantii.
2 Citrus Limonuml Citronenba um off .Qort.fruct „Olcort.Citri.
3. Citrus medica !
4. Citrus Bergamia, Bergamotte,. . off. Ol. Bergamottae.
Sämtlich Bäume der Mittelmeerländer. Citr. vulgaris, Fig. 460, mit
breiten Blattstielflügeln, und durch die bittere Frucht von Citr. Aurantium,
dem Apfelsinen- oder Orangenbaum unterschieden. Die übrigen Arten
sind ohne Blattstielflügel; Citr. Limonum trägt sehr saure Früchte, die
als Citronen zu uns kommen; bei Citr. medica sind die Früchte nur
■wenig sauer, bei Citr. Bergamia dagegen süss.
§ 485. Verwandte Familien. An die Malven- und Orangenge-
wächse schliessen sich mehrere Eamilien mit vielmännigen
Blüten an, deren Staubgefässe oft mehrbrüderig verbunden sind.
I. Die Linden, Tiliaceae, Bäume mit zahlreichen, un-
verbundenen Staubgefässen. (Polyandria Monogynia.)
1. Tilia parvifolia, Winter-Linde \ off T
2. — grandiiolia, Sommer-Linde, /
Die Gattung Tilia kennzeichnet sich dadurch, dass der Blütenstiel
auf einem blassgrünen, dünnen Deckblatte steht, mit denen er zur Hälfte
verwachsen ist. — T. parvifolia (T. ulmifolia), Fig. 461, trägt kleinere,
kahle Blätter, bei T. grandifolia (T. platyphyllos) sind dieselben grösser
und unterseits flaumhaarig. Linne hatte beide Arten zu einer einzigen,
T. europaea, vereinigt.
IL Die Hypericineae mit zahlreichen mehrbrüderigen Staub-
gefässen.
Hypericum perforatum, Johanniskraut, obs. Herba Hyperica
Das Johanniskraut, Fig. 462, häufig an unbebauten Orten, zeichnet
sich durch durchscheinend punktierte Blätter und goldgelbe Blüten aus,
mit denen man früher Öl rot färbte {Oleum Hyyerici).
III. Die Guttiferae , Milchsaft führende Bäume der Tropen.
Garcinia Morella, off. Gutti.
Ein hoher Baum in Hinterindien (Siam), dessen Stamm aus Einschnitten
einen gelben Milchsaft ausfliessen lässt, den man in Bumbusröhren auffängt
und eingetrocknet als Qutti in den Handel bringt.
IY. Die Buettneriaceae sind tropische Gewächse.
Theobroma*) Ca cao, Kakaobaum, off. Oleum Cacao.
Der Kakaobaum ist in Westindien sowie im nördlichen Südamerika
einheimisch und vielfach kultiviert. Seine Samen (Kakaobohnen) werden
zur Chokolade verarbeitet und liefern beim Auspressen die Kakaobutter.
Y. Die Cameliaceae sind immergrüne Sträucher Ostasiens.
Thea Bohea, Th. viridis und stricta sind die Theesträucher
Chinas, deren Blätter den Chinesischen Thee liefern.
*) Theobroma von •0-so; (Gott) und ftowp] (Speise)
- 541 —
Fig. 460.
Citrus vulgaris. Pomeranzenbaum. Nebst einer einzelnen Blüte und einem
Staubfadenbündel, a Frucht, b Querschnitt derselben.
Fig. 461. Fig. 462.
Tilia parvifolia. Winter-Linde. Hypericum perforatum. Johanniskraut.
Nebst einer einzelnen Blüte, dem Stempel Nebst einem Blumenblatte und der Kapsel
(oben) und der Frucht. (rechts); links das Stück eines Blattes
und der Stempel.
- 542
Vergleichung des Linneschen Systems mit den wichtigeren
Familien,
Diandria Monogynia Oleaceae.
Triandria Monogynia Valerianeae, Irideae, Cype-
raceae.
Digynia Grramineae.
Tetrandria Monogynia Plantagineae, Dipsaceae, Stellatae.
Pentandria Monogynia Boragineae, Solanaceae,Convol-
vulaceae, Gentianeae, Campanu-
laceae, Ampelideae, Rhamneae,
Violariaceae, Caprifoliaceae.
Digynia Umbelliferae.
Pentagynia Lineae.
Hexandria Monogynia Liliaceae, Asparageae.
Trigynia Colehicaceae.
Heptandria Monogynia ..... Hippocastaneae.
jN i ■, . > Monogynia Ericaceae, Rutaceae.
Dekandria Di, Pentagynia . . . Caryophylleae.
Ikosandria Monogynia Amygdaleae, Myrtaceae.
Di-, Pentagynia . . . Pomaceae.
Polygynia Rosaceae.
Polyandria Monogynia . . . . Tiliaceae, Papaveraceae.
Di-, Polygynia . . . Ranunculaceae.
Didynaniia Gymnospermia . . . Labiatae.
Angiospermia . . . Scrophularineae.
Tetradynamia Cruciferae.
Monadelphia Polyandria . . . . Malvaceae.
Diadelphia Hexandria Fumariaceae.
Octandria Polygaleae.
Dekandria ..... Papilionaceae.
Polyadelphia Polyandria .... Hypericineae, Aurantiaceae.
Syngenesia Compositae.
Gynandria Monandria . . . . Orchideae.
Monoecia\ / Coniferae, Cupuliferae, Juglan-
Dioecia / \ deae, balicmeae, Urticaceae, Lu-
\ phorbiaceae, Cucurbitaceae.
IV. Abteilung.
Pharmakognosie.
Die Lehre von den Droguen (Arzneistoffen).*)
A. Die Droguen des Pflanzenreichs.
I. Unterirdische Pflanzenteile.
1. Die offizinellen Wurzeln (Eadices).
Sie werden im Herbste oder bei Beginn des Frühlings gesammelt.
A. Hauptwurzeln.
a. Wurzeln mit strahligem, faserigem Holze. Es erscheint auf dem Quer-
schnitt ein strahliger Holzkörper, meist ohne Mark.
a) Konsistenz der Wurzel holzig-faserig. — Wurzeln ohne Geruch.
Radix Liquiritiae (glabrae). Spanisches Süssholz.
Glycyrrhiza glabra (Papilionaceae). — Südeuropa (Ka-
labrien).
Fast un verzweigte, walzenförmige, bis finger-
dicke "Wurzeln, aussen graubräunlich, längsrunzelig;
innen gelb. Die Rinde ist dreimal dünner als das
langfaserige, dichte Holz, welches ein kleines
Mark umschliesst, von dem sehr zahlreiche linien-
förmige Markstrahlen ausgehen. (Fig. 463.) — Ge- j?ig. 453.
schmack süss, etwas kratzend. Rad. Liquiritiae
Bestandteile: Glycyrrhizin (Süssholzzucker). m^Sh "er'gr.
Anwendung: In Theemischungen gegen Schleim-
haut-Entzündungen (Katarrh) und als Yersüssungsmittel.
Radix Liquiritiae mundata. Russisches Süssholz.
Glycyrrhiza glabra var. glandulifera (Papilionaceae).
— Südosteuropa, südliches Russland.
*) Die Pharmakognosie lässt sich nur an den Droguen selbst studieren ;
ein stetes Vergleichen der Beschreibung mit der naturellen Drogue ist un-
bedingt erforderlich. — In Betreff des anatomischen Baues der Pflanzenteile
muss auf die früheren Kapitel der Pflanzenanatomie verwiesen werden.
— 544 —
Eine mit dem spanischen Süssholz ziemlich übereinstimmende,
aber dickere (bis 4 cm), leichtere, im Handel stets ge-
schält vorkommende Wurzel, in Form gelber, ein-
facher, walzenfömiger Stücke von starkfaserigem Bruche.
Bestandteile und Anwendung: wie beim spanischen Süssholz.
Radix Ononidis. Hauhechelwurzel.
Ononis spinös a. (Papilionaceae). — Europa.
Eine sehr lange, tief längsfurchige, kantige und oft ge-
drehte, vielköpfige Wurzel von grosser Zähigkeit, aussen
graubraun, innen weiss. Die Rinde ist sehr dünn, das Holz
starkfaserig, auf dem Querschnitte deutlich und fächerartig
gestrahlt, das Mark sehr klein und oft excentrisch. (Fig. 464.)
Geschmack: etwas herbe, kratzend.
Bestandteile: Harz, zwei eigentümliche Stoffe (Ononin und
Ononid).
Anwendung: Zu Species ad decoctum lignorum.
Fig. 464. Fig. 465.
Rad. Ononidis. Querschnitt, a. Peruanische Ratanhiawurzel; b. R. aus
mehrfach vergr. Granada; c. R. aus Brasilien in Querschnitten.
Radix Ratanhiae. Ratanhiawurzel.
Krameria triandra. (Polygaleae). — Peru.
Ziemlich dicke , vielköpfige Wurzeln mit langen , walzlichen,
fingerdicken Ästen, aussen rotbraun, mit hellem Holze. Die
Rinde sechs- bis achtmal dünner als das feinstrahlige,
dichte Holz. (Fig. 465 a.). — Die Rinde besitzt einen herben,
bitterlichen Geschmack.
Verwechslungen: 1. Die Ratanhia aus Neu- Granada
(Fig. 465 b) sog. Sabanilla-R. , mit dem Stich ins Violette.
2. Die Ratanhia aus Brasilien (c), dunkler, mehr braun. Beide
sind mit dickerer Rinde versehen.
Bestandteile: eisengrünende Gerbsäure und Ratanhia-Rot
(deren Spaltungsprodukt) nur in der Rinde. (Die Sabanilla-R.
hat eisen schwärz ende Gerbsäure.)
Anwendung: Als kräftig ad strin gierendes Mittel, zu Extrakt.
545
Fkf. 466.
ß) Konsistenz der Wurzel fleischig, trocken spröde, oft kornartig.
aa) Mit Balsamsclüäuchen durchsetzte, daher gewürzige Wurzeln.
aa) Verästelte 'Wurzeln.
Radix Angelicae. Engelwurzel.
Archangelica officinalis. (Umbelliferae). — Europa.
Ein dicker, fingerlanger Knollstock, mit zahlreichen, langen,
federkieldicken Ästen; dunkel-, fast schwärzlich-
braun, innen weiss, etwas schwammig. Auf
dem Querschnitte zeigt die dicke Rinde zahlreiche
gelbe Balsamschläuche, deren Öffnungen deut-
lich sichtbar sind und die Gefässöffnungen an "Weite
übertreffen. (Fig. 466.) — Geschmack bitterlich,
brennend; Geruch eigentümlich gewürzhaft.
Verwechslungen: Die Wurzel vonAngelica
silvestris ist viel kleiner, dünner, holzig, wenig Rad. Angelicae.
geWÜrzhaft. Querschnitt.
Bestandteile: äther. Öl, Harz (Angelicin), Angelikasäure. —
Die Wurzel ist in Blechgefässen aufzubewahren.
Anwendung: Zu Spiritus Angelicae comp.
Radix Levistici, Liebstöckelwurzel.
Levisticum officinale. (Umbelliferae). — Europa,
Eine finger- bis handlange, 3 — 4 cm dicke
Wurzel, mit wenig Ästen, gelbbraun, innen
weiss, schwammig. Die dicke, zerklüftete
Rinde zeigt zahlreiche, kreisförmig geordnete, gelbe,
sehr enge Balsamschläuche. (Fig. 467.)
— Geschmack süsslich, brennend ; Geruch eigen-
tümlich gewürzhaft.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Extraktivstoff. Rad levistici
— Man bewahrt die "Wurzel in Blechgefässen. Querschnitt.
Anwendung: ZuSpec. diureticae und anderen Theemischuagen.
ßß) Wurzeln unverzweigt.
Radix Pimpineliae. Pimpineilwurzel.
Pimpinella Saxifraga und P. magna.
(Umbelliferae). — Europa,
Die Wurzel ist ziemlich lang, über feder-
kieldick, bei der erstgenannten Art einfach, bei
der zweiten öfters ve r z wei gt, oben stets mehrköpfig
und schwach geringelt, der Quere nach warzig;
aussen braun gelb, innen weiss. Auf dem Quer-
schnitt (Fig. 468) zeigt die dicke Rinde gelbliche,,, , %• ^8-,
kleine Balsamschläuche in radialer Anord- RadQuPeSSt
nung. Geruch eigentümlich, bockartig; Ge- mehrf. vergr.
schmack süsslich, hintennach scharf b eissend.
Schlickum, Apothekerlehrling.
35
— 546 —
Verwechslungen: 1. Die Wurzel von Peuce da n um Oreo-
selinum ist grösser, weniger scharf und zeigt einen Holzkörper
aus getrennten, keilförmigen, strahlig geordneten Gefässbündeln.
— 2. Die Wurzel von Heracleum Sphondylium ist ockergelb,
innen schwammig und nicht strahlig, mit grobporigem Holze.
Bestandteile: äther. Öl, Harz.
Anwendung: Zu Tinctura Pimpinellae (auch Extractum), gegen
Heiserkeit.
Radix Pyrethri. Bertramwurzel.
Anacyclus officinarum. (Compositae). — Europa.
Eine einfache, höchstens federkieldicke, leicht zerbrechliche Wurzel,
oben mit Blattstielresten beschopft, graubraun, innen blassbraun.
Auf dem Querschnitte zeigt die dicke Rinde einen Kreis von Balsam-
schläuchen. — Geschmack brennend scharf, speichelziehend.
Geruch fehlt.
Verwechslungen: Die sog. italienische Bertramwurzel von
Anacyclus Pyrethrum ist von doppelter Dicke, tiefgefurcht und hart, fest,
sonst aber von gleicher Güte (in Italien off.).
Bestandteile: scharfes Harz (Pyrethrin), Inulin.
Anwendung: zu Pilulae odontalgicae, Tinct. Spülanthis comp., gegen
Zahnweh.
Radix Carlin ae. Eberwurzel.
Carlina acaulis. (Compositae). — Alpen.
Eine einfache, daumendicke, lange Wurzel, oben vielköpfig, braun,
innen blässer, längsrunzelig und mit blossgelegtem, netzartig
welligem Holze, das auf dem Querschnitte strahlig erscheint und braun-
rote Harzgänge zeigt. — Geschmack bitter, brennend scharf; Geruch
eigentümlich, unangenehm.
Bestandteile: äther. Öl, Harz.
Anwendung: früher hochgeschätzt, jetzt obsolet.
bb) Wurzeln ohne Balsamgänge, daher gewürzlos.
aa) Holzkörper die Rinde überwiegend.
Radix Senegae. Senegawurzel.
Polygala Senega. (Polygaleae). — Nordamerika.
Eine federkieldicke, armästige, häufig gewundene Wurzel,
auf der Innenseite der Biegung
scharf gekielt, auf der Aussen-
seite höckerig; mehrköpfig, gelb-
lich. Der durch die Biegung geführte
Querschnitt (Fig. 469 a) zeigt einer-
seits den aus Rindenschichten ge-
bildeten Kiel; auf der gegenüber
a Fig. 469. b befindlichen Seite erscheint das Holz
, n ^td' Sene^aße: unvollständig und ausgeschnitten.
a Querschnitte an einer Biegung; ~*+w~ ö 0
d am oberen Teüe; (h Holz, r Rinde). — Geschmack kratzend.
Beimischung: Die rübenförmige Radix Ninsi (von Panax
quinquefolia).
547 —
Bestandteile: Senegin (== Saponin), Harz, Gummi.
Anwendung: Extractum und Syrupus Senegae; gegen Husten .
Radix Saponariae. Seifenwurzel.
Saponaria officinalis. (Caryophylleae). — Europa.
Eine sehr verlängerte, federkieldicke Wurzel mit gegenstän-
digen Knoten, an denen die Wurzelzasern entspringen; die rotbraune,
innen weisse Rinde umschliesst ein gelbliches Holz. Häufig hangen ihr
noch Stengelreste an, mit angeschwollenen Knoten. — Geschmack
kratzend, süsslich, nachher bitterlich. Die Abkochung schäumt wie
Seifenwasser.
Bestandteile: Saponin (in Glykosid, dessen Lösung schäumt), Gummi.
Anwendung: jetzt obsolet; technisch zur Fleckenreinigung.
Radix Bardanae. Klettenwurzel.
Lappa officinalis (L. major), L. minor und L.
tomentosa (Arctium Bardana). Compositae. — Europa, r
Eine einfache, fingerdicke, lange Wurzel, grau- £J
braun, innen blassbräunlich ; auf dem Querschnitte
(Fig. 470) zeigt die dicke, zerklüftete Rinde eine
weiss filzige Auskleidung ihrer Lücken; das strahlige ~h
Holz umgiebt ein dünnes, weisses, zerrissenes Mark.
— Geschmack süsslich, schleimig.
Bestandteile: Inulin, Schleim u. a. m.
Anwendung: zu Species ad decoct. lignorum.
Radix Alkannae. Alkannawurzel. ^S- 470.
Alkanna tinctora. (Boragineae). — Orient. Rad- Bardanae.
Eine einfache spindelige, fingerdicke Wurzel, mit <4uersc
leicht sich abblätternder, weicher, dunkelroter Rinde und hartem,
weissem Holze.
Bestandteile: Alkannin (ein roter, in Weingeist und Ölen, aber
nicht in Wasser löslicher Farbstoff).
Anwendung; zur Färbung von Fetten, z. B. Ceratum Cetacei rubr.
ßß) Rinde den Holzkörjier überwiegend.
Radix Taraxaci, Löwenzahnwurzel.
Taraxacum officinale (Leontodon Taraxacum)
sitae. — Europa.
Eine fusslange, fingerdicke, spindelige Wurzel, viel-
köpfig, arm ästig, dunkelbraun. Auf dem Quer-
schnitte (Fig. 471) zeigt die dicke, innen weisse
Rinde zahlreiche konzentrische Schichten,
welche sie schwammig-blätterig machen; das
centraleHolz ist citronengelb, strahlig. —Geschmack Fig. 471.
bitterlich. Rd- Taraxaci.
Bestandteile: Inulin, Bitterstoff, Salze.
Anwendung: Nebst dem Kraute frisch zu Extrakt.
Radix Ipecacuanhae. Brechwurzel.
Psychotria (Cephaelis) Ipecacuanha. (Rubiaceae). —
Brasilien.
35*
Compo-
— 548
Eine hin- und hergebogene, federkieldicke, einfache, nach
oben wie nach unten verschmälerte, dunkelgraue Wurzel, mit vielen
wulstigen Ringen, welche sie unvollständig umziehen und
tiefe, oft bis auf den Holzkörper reichende Einschnitte
zeigen. (Fig. 472.) Die graue, dicke Rinde
umschliesst ein dünnes, hellgelbes Holz. —
Geschmack widerlich bitter, Geruch schwach.
Fig. 472. Fig. 473. Fig. 474.
Rad. Ipecacuanh. grisea. Rad. Ipecac. imdulata. Rad. Ipecac. nigra.
Verwechslungen: 1. Rad. Ipecacuanhae undulata
(Fig. 473), von Richardsonia scabra, unterscheidet sich durch die
seichten Einschnitte zwischen den schwachen Wülsten und die
weisslicbgraue, mehlige, süssliche Rinde. — 2. Rad. Ipecacuanhae
nigra oder striata (Fig. 474) von Psychotria emetica ist an-
sehnlich dicker, schwärzlich, mit dickerem Holzkörper, aussen dicht
längsgestreift; frei von Stärkemehl, daher auf dem Bruche fast
hornartig. Beiden fehlt das Emetin.
Bestandteile: lV2°/o Emetin (fast nur in der Rinde, daber
beim Pulvern das restierende Holz weggeworfen wird), viel Stärke-
mehl. Daher wird der salzsaure Auszug der Wurzel durch Chlor-
kalk gerötet (Emetin), durch Jodlösung gebläut (Stärke.) Im
wässerigen Auszug ruft Jodkalium-Quecksilberjodid eine Trübung
hervor (Emetin).
Anwendung: In sehr kleinen Gaben die Sekretion der Luft-
wege befördernd, in grösseren Gaben als Brechmittel. Zu Syrup,
Tinktur und Vinum.
b) Wurzeln mit markigem, ungestrahltem Hohe, in welchem die
Gefässbündel verteilt liegen. — Consistenz nicht holzig,
a) Wurzel walzenförmig, nicht selten längsgespalten; gewürzlos.
Radix ASthaeae. Eibischwurzel.
Althaea officinalis. (Malvaceae). — Europa.
Fingerdicke, lange, walzenförmige Wurzeln, welche durch das
— 549
Fig. 475.
Rad. Althaeae.
Querschnitt.
Abschälen der äusseren Rinde weiss erscheinen und einen
faserigen Bast besitzen. Auf dem Querschnitte zeigt der grosse,
mehlige Holzkörper in seinem markigen Gewebe
Poren (zerstreute Gefässe). — Geschmack süsslicb,
schleimig.
Bestandteile: Schleim, Stärkemehl, Asparagin,
Salze. Ein kaltbereiteter wässeriger Auszug ist schlei-
mig, ohne das Stärkemehl zu enthalten ; die wässerige
Abkochung ist dagegen kleisterhaltig, wird daher durch
Jodlösung gebläut.
Anwendung: Als Infusum bei gereizten Schleim-
häuten; zu Syrup.
Radix Gentianae. Enzianwurzel.
Gentiana lutea, G. pannonica, G. purpurea und G.
punctata (Gentianeae). — Alpen.
Charakteristik: Eine über fingerdicke, sehr lange, arm-
ästige, oft im Handel gespaltene, oberwärts dicht
geringelte, gelbrötliche, innen braungelbe
Wurzel, welche im frischen Zustande fleischig, ge-
trocknet etwas schwammig ist. Auf dem Quer-
schnitt scheidet sich die Rinde vom markigen Holz-
körper durch einen dunklen Ring (Bast). (Fig. 476.)
— Die graubraunen und dünneren Wurzeln ent-
stammen den drei letztgenannten Arten,
schmack stark bitter.
Bestandteile: Bitterstoff (Gentiopikrin), Earbestoff (Gentisin)
Zucker.
Anwendung: Als Bittermittel zu Extrakt und Tinktur.
Radix Belladonnae. Tollkirschenwurzel.
Atropa Belladonna. (Solanaceae). — Europa.
Eine ziemlich dicke und lange, ästige Wurzel, welche meist gespalten
im Handel vorkommt, frisch fleischig, getrocknet innen mehlig und beim
Zerbrechen stäubend; aussen gelblich grau, innen weisslich. Die
Kinde ist mit halbringförmigen Korknarben bedeckt und umschliesst
ein Holz, dessen gelbliche Gefässbündel im Umkreis ringförmig geordnet,
nach innen zu zerstreut sind. Eine holzige, schwärzliche, zähe Wurzel
ist zu verwerfen; auch darf sie nicht geschält werden. — Geschmack süss-
lich, nachher kratzend.
Bestandteile: Atropin (0,3°/o)» Atropasäure.
Anwendung: Ein stark narkotisches Mittel, die Pupille erweiternd.
Radix Scammoniae. Skammoniawurzel.
Convolvulus Scammonia. (Convolvulaceae). — Kleinasien, Syrien.
Eine walzenförmige, sehr lange, fingerdicke Wurzel, längsriefig,
bräunlich, innen blässer und harzig punktiert. Auf dem Quer-
schnitt umschliesst die dünne Rinde ein aus getrennten gelben Ge-
fässbündeln bestehendes Holz; die einzelnen Bündel sind strahlig und
Eig. 476.
Q.g_ Rad. Gentianae.
Querschnitt.
— 550 —
durch Parenchymgewebe von einander geschieden. (Fig. 477 B.) — Geschmack
kratzend, süsslich herbe.
Verwechslungen: Radix Turpethi (von Convolvulus Turpethum)
unterscheidet sich durch ein centrales , strahliges Holz und dickere Rinde,
worin einzelne Holzbündel zerstreut verlaufen.
Bestandteile: Harz (Jalapin), Zucker, Gerbsäure.
Anwendung1: Zur Darstellung von Resina Scammoniae.
Fig. 477. Fig. 478.
A.Rad. Scammoniae; B. Querschnitt ders. A. Rad. Helenii; B, Querschnitt ders.
ß) Wurzel knollig, aa) Wurzel gewürzig.
Radix Helenii. Alantwurzel.
Inula Helenium. (Compositae). — Europa.
Die dicke Hauptwurzel kommt im Handel geschält und der
Länge nach zerschnitten, nebst den dünneren walzlichen, geschäl-
ten Ästen vor. Sie ist weisslich gelb, frisch fleischig, trocken
hart und spröde, feucht geworden zähe. Auf dem Querschnitte
wird die ziemlich dicke Kinde durch einen dunklen King vom
fleischigen Holzkörper getrennt; letzterer zeigt breite Markstrahlen.
(Fig. 478 B.) Die Rinde ist mit vielen glänzenden, braunen
Ölgängen und weissen Krystallen (Alantkampfer) durchsetzt.
— Geschmack bitter, Geruch eigentümlich ge würzig.
Bestandteile: Alantkampfer (Helenin), Inulin (statt der
Stärke), Bitterstoff.
Anwendung: Als harntreibendes und schleimlösendes Mittel,
zu Extrakt.
bb) Wurzel gewürzlos.
Radix Colombo. Kolombowurzel.
Jateorrhiza Calumba. (Menispermeae). — Ostafrika, in
Ostindien kultiviert.
Die fusslange, knollige Wurzel kommt in Querscheiben
551
zerschnitten zu uns, welche kreisrund, aussen runzelig, graubraun,
auf der Schnittfläche grünlichgelb, markig-mehlig sind.
Zwischen Einde und Holz verläuft ein dunkler, radial durchstreif-
ter Ring (Kambium); im Holzkörper bemerkt man konzentrisch
geordnete Gefässbündel, aber keine Jahresringe. (Fig. 484.) Unter
•dem Mikroskop zeigt das Gewebe der Wurzel ansehnliche Stärke-
körnchen, welche bei Zusatz von Jodlösung sich bläuen. —
Geschmack schleimig, stark bitter.
Verwechslungen: Die am erikanische Kolo mb o wurzel
{von Frasera Carolinensis) ist mehr fahlgelb , ohne dunklen Kam-
biumring, und wird durch Jodlösung gebräunt (nicht gebläut). —
Die Radix Bryoniae ist weisslich, mit konzentrischen Kreisen
(Jahresringen).
Bestandteile: Berberin (ein Alkaloi'd), Columbin (Bitterstoff),
Stärkemehl
Anwendung: Als bitteres Tonicum gegen Diarrhöe , Magen-
und Darmkatarrh, zu Dekokten und Extrakt.
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Fig. 479.
Rad. Colombo.
r Rinde, k Kambium, h Holz.
Fig. 480.
Querschnitt der echten Rhabarber.
Radix Rhei. Rhabarberwurzel.
Rheum officinale. (Polygoneae). — Hochasien (Quellgebiet
des Hoangho).
Die knollige Wurzel kommt mehr oder weniger geschält
(mundiert) und in Stücken zerschnitten zu uns, welche mit einem
Bohrloche versehen, gelb, mit weissen und roten Strichelchen
marmoriert und oft flammig gezeichnet sind. (Fig. 480.)
Radiale Strahlen fehlen. Konsistenz dicht markig, nicht holzig;
zwischen den Zähnen knirschend und den Speichel gelbfärbend.
Geschmack bitter, herbe; Geruch eigentümlich.
Die Wurzel gelangt aus den chinesischen Häfen (vorzugs-
weise aus Schanghai) zur See über England zu uns (Chinesische
Rhabarber). Früher kam eine sehr gute, ausgelesene Rhabar-
ber über Sibirien und Russland nach Europa (Russische Rha-
barber), welche tiefer geschält, daher gelber, weicher und mehr
552
bestäubt erschien und einen hohen Preis behauptete. Seit 1860
hörte deren Zufahr auf.
Verwechslungen: Die europäische Rhabarber : a) Die öster-
reichische (von Rheum palmatum u. a. A.) (Fig. 481), unter-
scheidet sich durch die auf dem Querschnitt ganz gerade und
regelmässig sternförmig verlaufenden, roten Markstrahlen.
b) Die englische Rha-
barber ist der vorigen ähn-
lich, zeigt aber auf dem Quer-
schnitte die Strahlen nur im
Umkreise, sowie weisse wie
rote Punkte in der Mitte.
Bestandteile: Chryso-
phan säure (löslich in Atz-
alkalien mit roter Farbe),
Emodin (löslich in kohlen-
sauren Alkalien mit roter
Farbe),Harze, eisengrünende
Gerbsäure,Stärkemehl, oxal-
saurer Kalk u. a. m.
Anwendung: Ein in
kleinen Gaben tonisches
Mittel, in grösseren Gaben
(1—3 g) Stuhlgang erzeu-
gend; zu Extrakt, Syrup,
Tinctura Rhei aquosa und
vinosa.
Fig. 481.
Europäische Rhabarber
mit ihrem Querschnitte (B).
B. Zusammengesetzte Wurzeln.
a. Nebenwurzeln mit den Wurzelstöcken gebräuchlich.
a) Wurzel gewürzig.
Radix Valerianae. Baldrianwurzel.
Valeriana officinalis. (Valerianeae). — Europa.
Ein kurzer, knolliger "Wurzelstock, mit zahlreichen,
langen, dünnen, stielrunden Neben wurzeln besetzt, aussen und
innen braun, fleischig (nicht holzig). Auf dem Längs-
schnitte (Fig. 482 B) und Querschnitte (C) des Wurzelstockes
zeigt der fleischige und braune Holzkörper einen Kreis getrennter,
heller Gefässbündel und umschliesst ein weites, braunes Mark.
Die Nebenwurzeln zeigen auf dem Querschnitte (D) eine dicke
Rinde und dünnen, centralen Holzkörper. — Geschmack bitter,
gewürzhaft; Geruch eigentümlich, stark.
Beimischungen: Nicht selten ähnliche, aber hellfarbige und
geruchlose Wurzeln von Ranunkeln und Cynanchum Vincetoxicum.
OOO —
Bestandteile: äther. Öl mit Baldriansäure, Harz, Gummi,
ExtraktivstofF. Man bewahrt die Wurzel in Blechbüchsen.
Anwendung: Als krampfstillendes, nervenberuhigendes Mittel;
liefert Extrakt, Öl und zwei Tinkturen.
Fig. 482. _ Fig. 483.
A. Rad. Valerianae; Rad. Serpentariae ;
B. Längsschnitt, C. Querschnitt des Wurzelstocks; a Querschnitt des Wurzelstocks.
D der einer Netzwurzel.
Radix Serpentariae. Virginische Schlangenwurzel.
Aristolochia Serpentaria. (Aristplochiaceae). — Nordamerika.
Ein federkieldicker, gewundener Wurzelstock, oberwärts mit kurzen
Stengelresten, nach unten mit zahlreichen, fast fingerlangen, zerbrech-
lichen Nebenwurzeln besetzt; gelbbraun. Auf dem Querschnitt des
Wurzelstocks umschliesst die Rinde ein breit- und fächerförmig ge-
strahltes Holz mit excentrischem, mehr nach oben liegendem Mark.
Fig. 483. — Geschmack bitter, Geruch kampferartig.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Extraktivstoff. — Man bewahrt die
Wurzel in Blechbüchsen auf.
Anwendung: Als anregendes Mittel, in Nordamerika gegen den
Schlangenbiss.
Radix Arnieae. Wohlverleihwurzel.
Arnica montana. (Compositae). — Europa.
Einfederkieldicker, schief oder horizontal verlaufender, harter,
biauner Wurzelstock, nur nach unten mit zahlreichen, zerbrechlichen
Nebenwurzeln besetzt. Auf
dem Querschnitte des
Wurzelstocks (Fig. 484 B)
umgiebt die ziemlich dicke,
weisse Rinde (r) ein gelbes,
strahliges Holz (h) mit einem
Kreis von Balsam-
schläuchen (g); zuinnerst
liegt ein weites, weissliches
Mark (m). — Geschmack
bitterlich gewürzhaft, krat- A Fg. 484. B
zend; Geruch eigentümlich A. Rad. Arnieae; B. Quersichn. d. Wurzelstocks.
— 554 —
Verwechslungen: Die Wurzeln von Achyrophorus maculatus
(Hypochoeris rnaculata), Betonica officinalis, Fragaria vesca, Soli-
dago Virgaurea, Eupatorium cannabinum und Hieraciuni- Arten
sind zum Teil dicker, aber stets ohne den Kreis von Balsamgängen; auch
stehen die Nebenwurzeln allseitig. Am ähnlichsten ist noch die Erdbeer-
wurzel, aber ohne Schärfe und Gewürz.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure.
Anwendung: ähnlich den Woblverleihblüten, jedoch, weil gerbstoff-
reicher, gegen Durchfall.
Radix Asari. Haselwurzel.
Asarum europaeum. (Aristolochieae). — Europa.
Fig. 485.
A. Radis Asari; B. Querschnitt des Wurzelstocks.
Ein dünner, stumpf vierkantiger, ausläuferartiger Wurzelstock;
graubraun, lang gegliedert, an den entfernten Knoten mit helleren
Nebenwurzeln besetzt und an dem oberen Ende mit je zwei gestielten,
nierenförmigen Blättern, welche vor der Dispensation abzuschneiden
sind. Auf dem Querschnitt des Wurzelstocks (Fig. 485 B) wird die dicke
Rinde durch einen braunen Ring vom schmalen, strahligen Holzkörper ge-
trennt, welcher ein weites Mark umschliesst. — Geschmack pfefferartig,
brennend; Geruch kampferartig.
Bestandteile: Asantkampfer (Asarin).
Anwendung: als abführendes und harntreibendes Vieharzneimittel.
ß) Wurzel gewürzlos.
Radix Hellebon viridis.
Grüne Nieswurzel.
Helleborus viridis.
(Ranunculaceae.) — Europa.
Ein nach oben ästiger
Wurzelstock, dicht besetzt
mitlangen, dünnen, zer-
brechlichen Neben wurzeln,
braunschwarz, innen weiss-
lich. Auf dem Querschnitt des
Wurzelstocks (Fig. 486 a) ist
die ziemlich dicke Rinde vom
weiten Mark durch einen
schmalen , aus keilförmigen,
Fig. 486.
Rad. Helleb. vir.
a Quersohn. d. Wurzelstocks ; b. einer Nebenwurzel.
555 —
Holzbündeln gebildeten Ring getrennt. Der Querschnitt einer Nebenwurzel
(b) zeigt ein centrales Holz, ohne Mark. — Geschmack bitter (nicht scharf!).
Verwechslungen: Um die grüne Nieswurzel von der früher gebräuch-
lichen, sehr ähnlichen, aber bitter-scharf schmeckenden Wurzel von Helle -
borus niger zu unterscheiden, soll sie noch mit den fussförmigen Wurzel-
blättern versehen sein, deren Blättchen am ganzen Rande scharfge-
•sägt sind, während die Blättchen von Helleborus niger lederig und
nur gegen die Spitze hin schwachgesägt sind. - — Adonis vernalis
und Actaea spicata, deren Wurzeln ähnlich sind, ermangeln der fuss-
förmigen Blätter.
Bestandteile: Helleborin und Helleborein.
Anwendung: ein narkotisches Mittel, zugleich drastisch wirkend.
Liefert eine Tinktur und ein Extrakt.
Radix Sarsaparillae. Sarsaparillwurzel.
Smilax- Arten (Asparageae). — Central amerika (Honduras).
Sehr lange, federkieldicke, längsstreifige, gelb-
braune, innen weisse Nebenwurzeln, teils ohne den knolligen
Wurzelstock , teils mit demselben im Handel vorkommend und
dann nach zwei Seiten auseinander gebogen und über den Wurzel-
stock nochmals umgeschlagen, so dass letzterer in die Mitte zu
liegen kommt.
Der Querschnitt (Fig. 487) zeigt eine breite, weisse, mehlige,
hornartige Rinde (r), einen Holzring (h) ohne Markstrahlen und
ein fast ebenso breites weisses Mark (in).
Fig. 487. Fig. 488. Fig. 489. Fig. 490.
Honduras-Sarsaparille. Caracas -Sars. Lissaboner Sars. Mexikanische Sars.
Verwechslungen: Andere Handelssorten sind:
1. Sarsaparille von Caracas (Venezuela), hell- oder röt-
iichbraun ; auf dem Querschnitt mit ähnlichen Verhältnissen wie
bei der offizineilen Honduras-Sarsaparille. (Fig. 488.) Sie kommt
mit dem "Wurzelstock vor, zu mehreren zusammengelegt und mit
einigen Wurzeln lose umwickelt.
2. Sarsaparille von Para (Brasilien), sogen. Lissaboner
S., rötlich tiefbraun, auf dem Querschnitt ist das Mark 3 — 8 mal
breiter als der Holzring. (Fig. 489.) Sie kommt ohne den Wurzel-
stock vor, in beiderseits abgeschnittenen Bündeln (sogen. Puppen).
3. Sarsaparille von Vera- Cruz (Mexiko), tiefgefurcht,
meist mit dem Wurzelstock in loser Verpackung und mit Erde
überdeckt; auf dem Querschnitt ist das Mark schmäler als der
Holzring. (Fig. 490.)
556 —
Bestandteile: 1 — 2% Smilacin , Parillinsäure (Salseparin),
Stärkemehl.
Anwendung: Gegen syphilitische Leiden, im Decoctum Sarsa-
parillae comp. (Dec. Zittmanni).
b) Nur die Nebenwurzeln gebräuchlich.
Radix Artemisiae. Beifusswurzel.
Artemisia vulgaris. (Compositae.) — Europa.
Sehr lange, dünne, hin und her gebogene, wenig ver-
ästelte, aussen blassbraune, innen weisse Nebenwurzel, auf deren
Querschnitt (Fig. 491) das schmale centrale Holz mit ringförmig
geordneten braunroten Balsamschläuchen umgeben er-
scheint. — Geschmack süsslich scharf; Geruch schwach.
Fig. 491. Diese Nebenwurzeln entspringen aus einem walzenförmigen,
holzigen, bis zolldicken Wurzelstock, von welchem sie im frischen
Zustande, ohne abgewaschen zu werden, abzuschneiden sind. Jährlich zu
erneuern !
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure (in der Rinde, weshalb
beim Pulvern der restierende Holzkörper weggeworfen werde).
Anwendung: als mildes Tonicum, spezifisch gegen Epilepsie gerühmt.
Schlüssel zur Bestimmung der Wurzeln.
A. Hauptwurzeln oder nur Nebenwurzeln.
I. Wurzel geschält (der Aussenrinde beraubt).
a) Wurzel weich, weiss, mit faserigem Bast. Rad. Althaeae.
b) Wurzel gelb, faserig holzig Rad. Liquiritiae mund.
c) Wurzel weisslich, hornartig spröde . . Rad. Helenii.
d) Gelbe, weiss- und rotmarmorierte, markige
Stücke Rad. Rhei.
IL Ungeschälte Wurzeln.
A. Wurzel aussen hochrot, innen blasser.
a) Rinde purpurn, blätterig Rad. Alkannae.
b) Rinde braunrot, dünn; Holz fest . . . Rad. Ratanhiae.
B. Wurzel aussen braun, grau oder gelb.
a) Wurzel innen gelb.
a) Wurzel walzenförmig, holzig-faserig . Rad. Liquiritiae glabr.
ß) Wurzel in Scheiben geschnitten, mehlig Rad. Colombo.
b) Wurzel innen bräunlich, markig-fleischig.
a) Wurzel aussen netzig- wellig .... Rad. Carlinae.
ß) Wurzel oberwärts querrunzelig . . . Rad. Gentianae.
c) Wurzel innen weiss oder weisslich.
a) Wurzel federkieldick, meist unverzweigt,
aa) Wurzel spindelig, fingerlang.
1. Wurzel schwach r gewunden.
aa) Wurzel sehr dünn, geruchlos Rad. Pyrethri.
ßß) Wurzel cpierwarzig, gewürzig Rad. Pimpinellae.
2. Wurzel gebogen und gekielt . Rad. Senegae.
bb) Wurzel verlängert-walzenförmig.
1. Wurzel rötlichbraun.
aa) Wurzel mit gegenständigen
Knoten Rad. Saponariae.
ßß) Wurzel ohne Knoten, längs-
gestreift Rad. Sarsaparillae.
— 557
2. Wurzel graubraun, dünn . . .
3. Wurzel dunkelgrau, wulstig ge-
ringelt
ß) Wurzel fingerdick und darüber.
aa) Wurzel von gewürzigem Geruch.
aa) Wurzel kurz, dick, mit Asten
dicht besetzt, dunkelbraun .
ßß) Wurzel gelb, armästig . .
bb) Wurzel geruchlos.
1. Rinde dünner wie das Holz.
aa) Wurzel zähe faserig, tiefge-
furcht . .
ßß) Wurzel fest, innen mit ge-
trennten , gelben Holzbündelu
yy) Wurzel innen zerklüftet und
weissfilzig
oo) Wurzel innen mehlig-markig,
bei Zerbrechen stäubend
2. Rinde blätterig, dicker als das
gelbe Holz
Rad. Artemisiae.
Rad. Ipecacuanhae.
Rad. Angelicae.
Rad. Levistici.
Rad. Ononidis.
Rad. Scammoniae.
Rad. Bardanae.
Rad. Belladonnae.
Rad. Taraxaci.
B. Wurzelstöcke mit Nebenwurzeln.
A. Wurzelstock dicht mit Nebenwurzeln besetzt,
a) Wurzelstock gestreckt, federkieldick, innen
weiss.
Rad.
Rad.
Hellebori viridis.
Arnicae.
Rad. Serpentariae.
Rad. Valerianae.
a) Wurzelstock dunkelbraun, geruchlos (mit
fussteiligen, scharfgesägten Blättern)
ß) Wurzelstock braun, gewürzig .
y) Wurzelstock gelb, gewunden, kampfer
artig riechend
b) Wurzelstock kurz, knollig, innen braun
B. Wurzelstock nur an den entfernten Knoten
bewurzelt, graubraun, kampferartig riechend Rad. Asari.
2. Die offizmellen Wurzelstöcke (Rhizornata).
Man sammelt sie im Herbste oder zu Beginn des Frühlings und trocknet
sie nach Entfernung der Nebenwurzeln.
A. Dikotyledonisclie Wurzelstöcke.
Auf dem Querschnitte zwischen Rinde und Mark ein Kreis von Gefässbündeln.
Mark fest umgrenzt und mit der Rinde durch Markstrahlen verbunden.
Rhizoma Imperatoriae. Meisterwurzel.
Imperatoria Ostrutkium. (Urnbelliferae).
— Alpen.
Ein gestreckter, fingerdicker, etwas
flach gedrückter, graubrauner, warziger
und geringelter Wurzelstock, von fleischiger
(nicht holziger) Konsistenz, auf dem Querschnitt
(Fig 492) blassgelb. Zwischen der dünnen
Rinde (a) und dem weitern Mark (c) verläuft ein Rh%*3Jtt°me'
schmaler Holzring (b) ; Rinde und Mark sind mit
Fig. 492.
— 558 —
grossen Balsam schlauchen (d) durchsetzt. — Geschmack bitter-
lich, brennend; Geruch stark gewürzig.
Bestandteile: äther. Öl, Imperatorin (krystallinischer , in-
differenter Stoff von scharfem Geschmacke).
Anwendung: Früher ein berühmtes Anregungs- und Schweiss-
mittel.
Rhizoma Torrnentillae, Tormentillwurzel.
Potentilla Tormentilla. (Rosaceae) — Europa.
Ein knolliger Wurzelstock , bald einfach, bald verzweigt,
bald rundlich, bald walzenförmig und dann meist gekrümmt,
fingerdick und höchstens fingerlang, fest und hart, aussen
dunkelbraun, höckerig und von den abgeschnittenen Neben-
wurzeln genarbt, innen braunrot. Auf dem Querschnitt be-
merkt man zwischen der dünnen Rinde und dem grossen, tief-
roten Marke mehrere (oft in mehrere Keinen geordnete) helle
Holzbündel. — Geschmack sehr herbe; Geruch fehlt.
Bestandteile: Gerbsäure.
Anwendung: Gegen den Durchfall der Haustiere.
B. Monokotyledonische Wurzelstöcke.
Auf dem Querschnitte zeigen sie einen Holzkörper mit zerstreut geordneten
Qefässbündeln, ohne Mark strahlen. Mark ohne feste Umgrenzung. Zwischen
Rinde und Holzkörper verläuft als dunkle Linie die Kernscheide
a) Halmartige Wurzelstöcke. (Wurzelstöcke mit entfernten Knoten.)
Rhizoma Graminis, Queckenwurzel,
Triticum repens. (Gramineae). — Europa.
Ein halm artiger, stielrunder, röhrig-hohler,
strohgelber Wurzelstock , dessen Querschnitt ein e
weisse Rindenschicht, einen schmalen, nach innen zu
nicht scharf abgegrenzten Holzring und ein einge-
Pig. 493._ schrumpft es Mark zeigt (Fig. 493). Meist kommt
RQuMs^itt1S er *m Handel zerschnitten vor.
Bestandteile: Zucker, Gummi, Salze.
Anwendung: Zu Extractum Graminis.
Rhizoma Caricis. Sandriedgraswurzel, rothe Quecke.
Carex arenaria. (Cyperacea). — Europa.
Ein halmartiger, ästiger, graubrauner Wurzelstock, der nur an
den enfernt stehenden Knoten mit braunen, zerfetzten Blattscheiden
und Nebenwurzeln besetzt ist. Auf dem Querschnitt (Fig. 494) zeigt er
eine Rinde mit einem Kreise weiter Luftgänge (1), unter der Kernscheide
(k) einen weissen Holzkörper mit zerstreuten Gefässbündeln (h) und einem
Mark (rn) ohne feste Begrenzung. — Geschmack süsslich, später bitterlich,
kratzend.
Verwechslung: Der Wurzelstock von Carex hirta ist aussen
braunrot, auch zwischen den Knoten bewurzelt und ohne Luft-
gänge in der Rinde.
Fig. 494. Fig. 495.
Rhiz. Caricis. Querschnitt. Rhiz. Calami. Querschnitt.
Bestandteile: Harz, Stärkemehl, Extraktivstoff.
Anwendung: harn- und schweisstreibend, obsolet.
b) Wurzelstock nicht halmartig.
a) Wurzelstock walzenförmig.
Rhizoma Calami, Kalmuswurzel.
Acorus Calamus. (Aroideae). — Europa.
Ein walzenförmiger, über fingerdicker, etwas zusammen-
gedrückter Wurzelstock, mit grünlicher, rötlicher oder bräunlicher,
dicht geringelter Rinde, welche durch die Blattnarben in drei-
eckige Felder geteilt ist. Innen erscheint der Wurzelstock weiss-
lich und durch zahlreiche Luftgänge schwammig. Auf
dem Querschnitt (Fig. 495) zeigt er unter der porösen Rinden-
schicht ein ebenfalls poröses Holz mit zerstreuten Gefässbündeln.
— Geschmack bitter; Geruch gewürzhaft.
Bestandteile: äther. Öl, Harz u. a., aber kaum Gerbstoff:
Anwendung: Bitteres und aromatisches Mittel, zu Extractum,
Oleum und Tinctura Calami.
ß) Wurzelstock knollig, aa) Wurzelstock ohne TJarzzellen.
Rhizoma Iridis. Veilchenwurzel.
Iris florentina, I. pallida und
I. germanica. (Irideae). — In Ober-
italien (bei Florenz) kultiviert.
Ein harter, aus knollig verdickten,
rundlich plattgedrückten Jahres-
trieben gegliederter Wurzelstock;
durchAbschälen der gelblichen Rinde
aussen und innen weisslich, unter-
seits von den abgeschnittenen Neben-
wurzeln genarbt. (Fig. 496 numeriert
die Jahres triebe). Auf dem Querschnitte
erscheint eine dichte Rinde und mehliges
Holz mit zerstreuten Gefässbündeln. —
Geschmack bitterlich- schleimig, etwas
scharf; Geruch veilchenartig.
Fig. 496. Rhiz. Iridis.
560
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Extraktiv stoff, Stärkemehl.
Anwendung: Zu Spec. pecorales, als Volksmittel für zahnende
Kinder.
Rhizoma Veratri, weisse Nieswurzel.
Veratrum album. (Colchicaceae). — Alpen.
Ein kegeliger, fast fingerlanger, oben 2 — 3 cm dicker, nicht
selten mehrköpfiger und oberwärts verzweigter, daselbst durch
Blattreste kurz geschöpfter Wurzelstock, aussen dunkelgrau,
mit vielen weissen Narben der abgeschnittenen Neben würz ein, innen
weisslich, hart. Auf dem Längsschnitt (Fig. 497 a) und Quer-
schnitt (b) zeigt der markige Wurzelstock zwischen der Rinde und
dem Holzkörper eine braune Kernscheide und im Holze zerstreute
bräunliche Gefässbündel, dazwischen aber, wie auch in der Rinde,
zahlreiche Lücken. — Geschmack brennend scharf und bitter.
Das Pulver erregt sehr heftiges Niesen.
Bestandteile: Jervin, Veratrin (nach Dragendorf Vera-
troidin), Harz, Gerbsäure u. a. m.
Anwendung: Innerlich ein scharfes Narcoticum ; äusserlich
gegen Krätze und als Niespulver.
Fig. 497. Fig. 498.
Rhiz. Veratri. a. Längsschnitt; b. Querschnitt. Rhiz. Galangae. Querschnitt.
bb) Wurzelstock mit Harzzellen durchsetzt.
Rhizoma Galangae, Galgantwurzel.
Alpinia officinarum. (Scitamineae). — China.
Ein fingerdicker, kurzer, schwach verzweigter, stielrunder,
oft knieförmig gebogener, rotbrauner, weisslich ge-
ringelter Wurzelstock, auf dem Querschnitt (Fig. 498) zimt-
braun, mit braunen Harzgängen punktiert, mit sehr faserigem
Bruch. Ein dunkler Ring (Kernscheide) trennt die breite Rinde
vom Holzkörper. — Geschmack und Geruch gewürzhaft, bitter.
Bestandteile: äther. Öl, Harz.
Anwendung: Zu Tinct. aromatica.
561
Fig. 499.
Khiz. Zingiberis.
Querschnitt.
Rhizoma Zingiberis, Ingwerwurzel.
Zin giber officinale. (Scitamineae). — Ostindien, China
Ein zweizeilig verzweigter, etwas flacher, derber und
schwerer Wurzelstock, gelbbraun, ganz oder nur auf den Flächen
(nicht am Rande) geschält, innen gelblich oder weisslich und
durch sehr viele gelbe Harzgänge punktiert. Auf dem
Querschnitt (Fig. 499) scheidet ein dunkler Kreis (Kernscheide) die
Rinde vom Holzkörper. Nur der einfach ge-
trocknete Wurzelstock ist innen markig-mehlig
und hellfarbig; der abgebrühte Wurzelstock
erscheint innen schwärzlich und hörn artig spröde
(schwarzer Ingwer). — Geruch und Ge-
schmack ge würz ig, brennend.
Bestandteile: äther. Öl, Harz.
Anwendung: Zu Tinctura Zingiberis und
Tin ct. aromatica.
Rhizoma Zedoariae, Zittwerwurzel.
Curcuma Zedoaria. (Scitamineae). — Ostindien.
Ein ovaler, knolliger Wurzelstock, der in zollbreite
Querscheiben zerschnitten zu uns kommt.
Der Wurzelstock ist fest, aussen bräunlich,
auf der Schnittfläche gelblich, durch
Harzgänge braun punktiert. Zwischen der
Rinde (Fig. 500 a) und dem helleren Holz (h)
verläuft ein dunkler Ring (Kernscheide, k).
Geruch und Geschmack gewürzhaft,
brennend.
Bestandteile: äth. Öl, Harz, Stärkemehl.
Anwendung: Zu Tinctura amara.
Rhizoma Curcumae, Kurkumawurzel.
Curcuma longa und C. A
viridiflora. (Scitamineae). —
Ostindien.
Ein ovaler, walnussgros-
ser, knolliger Wurzelstock
mit walzenförmigen , f i n g e r -
dicken Asten; beide gelb-
braun, schwach geringelt, fest
und schwer, auf dem Quer-
schnitt (Fig 501 B) pomeran-
zengelb und hornartig; die
dicke Rinde (r) wird vom Holz-
körper (h) durch einen dunklen
Kreis (Kernscheide) getrennt. —
Geschmack bitterlich gewürzig;
Geruch schwach. Färbt den Fig. 501.
Speichel gelb. A Rhiz. Curcumae; B Querschnitt ders.
Schliokum, Apothekerlehrling. 36
Fig. 500.
Rhiz. Zedoariae.
Querschnitt.
562
Fig. 502.
Khiz. Chinae.
Bestandteile: harziger Farbestoff, der sich durch
Alkalien bräunt.
Anwendung: zum Färben von Salben (Ungt.
flavum), sowie zu Charta exploratoria lutea (Kurkuma-
papier).
Rhizoma Chinae, Chinawurzel.
Smilax China. (Asparageae). — China, Japan.
Ein v e r s c h i e d e n gestalteter, knolliger Wurzel-
stock, fest und schwer, aussen von den Nebenwurzeln
befreit, oft auch teilweise geschält, rotbraun, auf dem.
Querschnitt rötlichweiss, mit b raunen Punkten
(Harzzellen) bestreut. — Geschmack schleimig- süsslich,
Geruch fehlt.
Bestandteile: Smilacin, Stärkemehl.
Anwendung: wie die Rad. Sarsaparillae, obsolet.
C. Kryptogamische Wurzelstöcke.
Auf dem Querschnitte zeigen sie einen Kreis isolierter Gefässbündel.
Rhizoma Filicis, Wurnifarnwurzel.
Aspidium (Polystichum) Filix mas. (Filices). — Europa.
Ein zolldicker, gestreckter Wurzelstock, frisch von fleischiger,
getrocknet von schwammiger Konsistenz*), dicht besetzt mit
nach oben gerichteten, kantigen und innen fleischigen, glänzend
schwarzbraunen Wedelresten und braunen Spreu-
blättchen. Auf dem Querschnitt (Fig. 503 B) erscheinen sowohl
B
Fig. 503.
A Rhiz. Filicis; B Querschn. des Wurzelstocks (a) u. der Wedelreste (b).
*) Die übrigen einheimischen Farnkräuter besitzen keinen fleischigen
Wurzelstock.
- 563 —
der Wurzelstock (a), wie die Wedelreste (b) grünlich und zeigen
einen Kreis von isolierten, weisslichen Gefässbündeln im grünen
Parenchynigewebe. Im Alter ändert die grüne Farbe des letzteren
in eine zimtbraune um. — Geschmack süss-bitterlich, herbe.
Geruch eigentümlich. — Der Wurzelstock ist im Herbste zu
sammeln und alljährlich zu erneuern. Man entfernt die Spreu-
blättchen und Nebenwurzeln, und trocknet den Wurzelstock sowie
die Wedelreste vorsichtig. Zur Pulverisierung werden sie geschält.
Bestandteile: fettes und wenig äther. Öl, Harz, Gummi,
Zucker, Gerbsäure.
Anwendung: Gegen Bandwürmer, zu Extractum Filicis,
welches bei längerer Aufbewahrung krystallinische Filixsäure
absetzt und dann vor dem Gebrauche gut umzuschüttein ist.
Schlüssel zur Bestimmung' der Wurzelstöcke.
I. Knollige oder kurz walzenförmige Wurzelstöcke.
1. Wurzelstock innen weiss.
a) Wurzelstock geschält, etwas platt, wohlriechend Rhiz. Iridis.
b) Wurzelstock schwärzlichbraun, kegelig . . . Rhiz. Veratri.
2. Wurzelstock innen bräunlich punktiert.
a) Wurzelstock zweizeilig verzweigt, platt, grau Rhiz. Zingiberis.
b) Wurzelstock knieförinig, rotbraun, geringelt . Rhiz. Galangae.
c) Wurzelstock rötlichbraun, schwer, dicht . . Rhiz. Chinae.
d) Wurzelstock in Scheiben, gewürzig .... Rhiz. Zedoariae.
3. Wurzelstock innen hochgelb ....... Rhiz. Curcumae.
4. Wurzelstock innen tiefrot, aussen dunkelbraun . Rhiz. Tormentillae .
IL Verlängert-walzenförmige Wurzelstöcke.
a) Wurzelstock gefeldert, innen weisslich, gewürzig Rhiz. Calami.
b) Wurzelstock dunkelbraun, innen grünlich, markig Rhiz. Filicis.
c) Wurzelstock graubraun, platt, stark riechend . Rhiz. Imperatoriae.
III. Wurzelstock halmartig.
a) W. graubraun, mit braunen Blattscheiden . . Rhiz. Caricis.
b) Wurzelstock glänzend, strohgelb, hohl .... Rhiz. Graminis.
3. Die offizinellen Knollen (Tubera).
Knollige Wurzeläste mit Knospen. Vergl. § 339, Man sammelt sie
während der Blütezeit.
Tubera Salep, Salepknollen.
Orchis Morio, 0. mascula, 0. militari s u. a.
Piatanthera bifolia. (Orchideae). — Europa.
Eirunde oder längliche, höchstens zollgrosse Knollen (vgl.
Fig. 102), durch das dem Trocknen vorausgegangene Abbrühen
durchscheinend und hornartig fest; innen und aussen
schmutzig weiss. — Geschmack schleimig fade; Geruch fehlt.
36*
564 —
Fig. 504. Tub. Aconiti.
Querschnitt einer älteren (a) u. jüngeren
(b) Knolle.
Beimischung: Wegen gleichen Standortes finden sich zuweilen
die Zwiebelknollen der Herbstzeitlose (Colchicum autum-
nale) beigemischt, kenntlich an der braunen Aussenseite, der
mehligen Beschaffenheit und dem bitteren Geschmack.
Bestandteile: Bassorin, Stärkemehl.
Anwendung: Gegen Diarrhoe, als Mucilago Salep.
Tubera Aconiti, Eisenhutknollen.
Aconitum Napellus. (Ranunculaceae). — Europa.
Zu zwei zusammenhängende, kegelige Knollen (vgl. Fig. 453),
deren eine (diesjährige) schwer, dicht, innen weisslich, die andere
(vorjährige) leicht, oft hohl, innen bräunlich ist: beide 2 cm
breit, zoll- bis fingerlang, aussen b r a u n ; auf dem Quer-
schnitt (Fig. 504) sowohl der älteren
(a) wie der jüngeren Knollen (b) findet
sich ein sternförmig umgrenz-
te s , weites Mark, umgeben von einem
schmalen Holzring mit stark vor-
gestreckten Strahlen. — Ge-
schmack scharf; Geruch fehlt.
Verwechslungen: Die Knollen
von Aconitum Cammarum (A.
variegatum) sind viel kleiner, die von Aconitum Stoerkeanum
weit länger, beide zeigen auf dem Querschnitt ein rundliches (kein
sternförmiges) Mark und Holz.
Bestandteile: Bis 1% Aconitin (giftiges Alkaloid).
Anwendung: Gegen Rheumatismus, in Extrakt und Tinktur.
Tubera Jalapae, Jalapenknoilen.
Ipomoea Purga. (Convolvulaceae). — Mexiko.
Kugelige oder birnförmige, auch wohi walzenförmige,
dichte, schwere Knollen, aussen braun und runzelig, in den
Runzeln mit dunklem Harz überkleidet, innen
hellbraun, mit zahlreichen konzen frischen,
dunkleren, glänzenden Harzringen (Fig.
505) durchzogen, hornartig spröde. —
Geschmack kratzend; Geruch eigentümlich,
schwach.
Verfälschungen: Knollen, aus denen
das Harz teilweise extrahiert worden, sind
leichter, aussen gleichmässig mit dunklem Harz
überzogen, innen oft schwammig zerklüftet.
— Jalapenstengel heissen die langen,
faserig-holzigen, spindelförmigen Wurzeln von
Ipomoea Orizabensis , welche zwar nicht mit
Fig. 505.
Tub. Jalapae.
Querschnitt.
— 565 —
den Jalapenknollen sich verwechseln lassen, deren Harz (Jalapin)
aber zur Verfälschung des Jalapenharzes dienen kann, jedoch in
Äther löslich ist.
Bestandteile: In Äther unlösliches Harz (Convolvuliü),
welches 10% betragen soll und sich in Ätzalkalien als lösliche
Convolvulinsäure auflöst.
Anwendung: Als drastisches Laxiermittel.
4. Die offizinellen Zwiebeln (ßulbi).
Bulbus Scillae, Meerzwiebel.
Scilla (Urginea) maritima. (Liliaceae). — Südeuropa.
Die mittleren Zwiebelschalen stellen im zerschnittenen Zu-
stande hörn artige, leicht feucht und biegsam werdende, durch-
scheinende, weissliche Stücke dar, von bitterem, schleimigem
Geschmack, ohne Geruch. (Die frische Zwiebel besitzt flüchtige
Schärfe.) In Österreich ist die rotschalige Varietät officinell.
Bestandteile: Bitterstoff (Scillitin) , Schleim, Zucker, oxal-
saurer Kalk (in „Raphiden").
Anwendung: Als ein die Schleimabsonderung beförderndes,
harntreibendes, in grösseren Gaben Brechen erregendes Mittel in
Extrakt, Essig, Sauerhonig und Tinktur.
II. Oberirdische Pflanzenteile.
5. Die offizinelleii Stengel (Stipites) und Hölzer (Ligna).
A. Stengel.
Stipites Dulcamarae, Bittersüss-Stengel.
Solanum Dulcamara. (Solanaceae). — Europa.
Federkiel dicke, schwach fünfkantige, längsstreifige oder gefurchte,
hin und her gebogene, häufig hohle Stengel, mit grünlicher oder
bräunlicher Korkschicht (Fig. 506 k), welche die anfangs grüne,
später weissliche Mittel-Rinde (z) bedeckt. Unter
letzterer verläuft ein Kreis von Bastzellen (b), ^^^^^^fe^-^
darunter der Kambiuroring (i). Im grünen, später /^ :'V -- . "~^
gelblichen Holze (h) erblickt man weite Poren (Ge- - : ^>"*
fässöffnungen) und häufig Jahresringe ; das Mark (m) '•■"•''■ ^i-^ v- *
ist meist resorbiert. — Die Blattnerven stehen
abwechselnd am Stengel. — Geschmack der
Rinde bitter; des Holzes süss; Geruch fehlt. -big. 50b.
Verwechslung: Die ebenfalls windenden °trp. Dulcamarae
Holzstengel von Lonicera P ericlyrnenum sind <*aetBo m vergr.
stielrund und mit gegenständigen Blattnarben besetzt.
Bestandteile: Bitterstoff (in der Rinde), Dulcamarin (Alkaloid).
Anwendung: Zu Extractum Dulcamarae; Mittel zur Beförderung des
Schleims der Luftwege.
566
B. Höher.
a) Harzreiche Hölzer.
Lignum Guajaci. Guajakholz.
Guajacuni officinale. (Zygophylleae). — Westindien.
Grosse , schwere Stücke , mit blassgelbem Splinte und
grünlich braunem Kernholze. Letzteres ist harzreicher
und schwerer als ersterer, sinkt im Wasser unter! Das Holz
lässt sich nicht spalten, sondern bricht unregelmässig und
nicht faserig; die hellbraune Farbe der frischen Schnittfläche
läuft an der Luft (durch deren Ozon) olivengrün an. Die käuf-
lichen Raspelspäne dürfen nicht zu viel von den weisslichen Splint-
stückchen oder beigemengten anderen Hölzern (zumal von Gua-
jacuni sanctum) enthalten. — Geschmack kratzend; Geruch beim
Erwärmen benzoeartig.
Bestandteile: Guajakharz, Guajacin (Bitterstoff), Guajaksäure.
Anwendung: Zu Tinktur und Spec. lignorum; Mittel gegen
Syphilis, zur Hebung der Haut-, Darm- und Merenthätigkeit.
b) Bitterhölzer.
Lignum Quassiae. Quassien-Holz.
Quassia amara und Picraena excelsa. (Simarubeae).
— Westindien und nördliches Südamerika (Surinam).
Das Holz der erstgenannten Art, das sog. surinamen-
sische Quassienholz, kommt zu uns in fingerlangen,
cylindrischen , weisslichen, leichten Stücken , oft noch mit
grauer, dünner, leicht sich abblätternder Rinde bedeckt.
Das Holz der zweiten Art , das sog. jamaikanische
Quassienholz, ist dem vorigen sehr ähnlich, aber in fuss-
langen, dicken Blöcken, die mit dicker, fest aufsitzender,
holziger Rinde bedeckt sind. Beide Hölzer kommen sowohl ge-
schnitten, wie geraspelt zu uns und besitzen einen stark und
anhaltend bitteren Geschmack, keinen Geruch.
Bestandteile: Bitterstoff (Quassiin).
Anwendung: Als bitteres Tonicum, zu Extrakt.
c) Aromatische Hölzer.
Lignum Sassafras. Sassafrasholz.
Sassafras officinale (Laurineae). — Nordamerika.
Das leichte, schwammige, blassbraunröt liehe
Wurzelholz, in verschieden grossen, gebogenen, mit rissiger
Rinde bedeckten Stücken, auf der Schnittfläche Jahresringe mit
deutlichen Poren (Gefässöffnungen) zeigend. — Geschmack süss-
lich; Geruch fenchelartig.
— 567 -
Verwechslung: Das auch im Handel vorkommende Stamm-
holz ist dunkler, schwerer, schwach an Geruch.
Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure, Harz.
Anwendung: Zu Spec. lignorum.
d) Farbhöher.
Lignum Campechianum, Blauholz.
Haematoxylon Campechianum. (Caesafpiniaceae). — Centralame-
rika (Campechebay).
Grosse,- aussen blauschwarze, innen braunrote, harte und schwere,
grobfaserige Stammstücke, auf deren Querschnitt nahe an einander
wellige Jahresringe sichtbar sind und mit den Markstrahlen sich kreuzen.
Es kommen im Handel meist nur Raspelspäne des Holzes vor, nicht selten
mit einem metallglänzenden, grünlichgelben Anflug. — Geschmack etwas
herbe, süsslich; Geruch beim Raspeln eigentümlich, veilchenartig. Beim
Kauen färbt sich der Speichel violett.
Verwechslungen: 1. Das Lignum Fernambuci, Rotholz (von
Caesalpinia brasiliensis, in Brasilien) ist feinfaserig, mehr gelbrot und
geruchlos; färbt beim Kauen ebenfalls den Speichel rot. — 2. Das Lignum
Santali rubrum, rotes Santelholz (von Pterocarpus santalinus, in
Ostindien), ist von blutroter Farbe und färbt den Speichel nicht.
Bestandteile: Hämatoxylin (roter Farbstoff, welcher durch Alkalien
violett, durch Alaun blau, durch Eisensalze schwarz wird).
Anwendung: Zu Extrakt, als mild adstringierendes Mittel.
6. Die offizineilen Binden (Cortices).~
Die einheimischen Rinden werden im Frühling gesammelt.
A. Rinden mit glattem, ebenem oder körnigem Bruche.
a) Gewürzige Rinden.
Cortex Cascarillae. Kaskarillrinde.
Croton Eluteria. (Euphorbiaceae). — Westindien.
Einnige oder eingerollte, bis 2 mm dicke Stücke, mit
weisser, dünner, teilweise abgelöster Korkschicht (Fig. 507 o),
sich kreuzenden Längs- und Querrissen,
mit rötlichbrauner Mittelrinde (m) und °-~jA
Bastschicht (a), die auf dem Querschnitte ™'~jim
strahlig gestreift und auf dem Bruche
hornartig erscheint. Die Bastschicht zeigt
keilförmige, in die Mittelrinde vordringende
Markstrahlen. — Geschmack bitter ge- ^T^
würzig, brennend; Geruch gewürzhaft. Cascarfllae. Cort.
Verwechslungen: Die Kop alchirin de Querschnitt vergr.
(von Croton niveus) kommt in fusslangen, breiten und dicken
Röhren zu uns und zeigt einen grob strahligen Bruch und in der
Mittelrinde Steinzellengruppen.
Bestandteile: Bitterstoff, äther. Öl, Harze, Gerbsäure, Salze.
Anwendung: Als anregendes Mittel zu Tinktur und Extrakt.
568 —
Cortex Cinnamomi (Cassiae). Zimtkassie
Cinnamomum Cassia. (Laurineae). — Süd-China, Cochinchina.
Einfach gerollte, bis 1% mm dicke Röhrenstücke,
gelbbraun, mit abgelöster Korkschicht. Auf dem Querschnitte
bemerkt man zwischen Bast (Fig. 508 d) und Rindenparenchym
(b) eine aus Steinzellen gebildete Körner-
schicht (c). In der Mittelrinde verlaufen,
jedoch innerhalb derselben, einzelne Bast-
fasern (x). — Geschmack und Geruch süss-
ge wür zig, herbe.
Verwechslung: Der H olz zimt (Cassia
lignea) ist dicker, teilweise noch mit der glän-
zenden Korkschicht bedeckt, von schleimigem
Geschmacke.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure.
Anwendung: Als Gewürz, zu Aqua, Oleum, Syrupus und
Tinctura Cinnamomi.
Fig. 508.
Zimtkassie
Querschnitt vergr.
Cortex Cinnamomi Zeylanici, Zeylonzimt.
Cinnamomum Zeylanicum. (Laurineae). — Zeylon.
Zu mehreren zusammengerollte Zweigrinden von nur 1/2 mm
Dicke, von der Korkschicht, und der äusseren Mittelrinde entblösst, so-
dass die in letzterer zerstreut verlaufenden Bast-
fasern (Fig. 509 x) als blasse Längslinien
auf der gelbbraunen Oberfläche sichtbar sind.
Der Querschnitt zeigt über dem Baste (d) nur
die aus Steinzellen gebildete Körnerschicht (c).
— Geruch und Geschmack süss gewürzig,
kaum herbe.
Fig. 509.
Querschn. d. Zeylon-Zimts.
Bestandteile: äther. Öl, Harz.
b) Gewürzlose Rinden.
Cortex Condurango Kondurangorinde.
Gonolobus Cundurango. (Asclepiadeae). — Ekuador.
Röhrenförmige oder rinnige Stücke, aussen und innen
weisslichgrau, mit einer dünnen Korkschicht bedeckt, auf
dem Bruche weiss, mehlig körnig, zahlreiche bräunliche Stein-
zellengruppen zeigend. — Geschmack bitterlich, etwas kratzend,
Bestandteile: Harz, Gerbstoff, Bitterstoff.
Anwendung: Im Dekokt gegen den Krebs.
Cortex Granati. Granatwurzelrinde.
Punica Granatum. (Myrtaceae). — Mittelmeerländer.
Teils Stammrinde, teils Wurzelrinde, in rinnig gebogenen,
dünnen, aussen grau gelben, warzig-rauhen, rissigen, innerseits
blasszimtbraunen, glatten Stücken, mit gleichmässigem Bruch;
— 569 —
auf dem Querschnitt grünlichgelb, nicht strahlig gestreift.
Die Stammrinde zeigt auf ihrer Aussenfläche Krusten-Flechten in
Form von rilligen, an Schriftzeichen erinnernden , schwärzlichen
Vertiefungen ; ausserdem längsverlaufende Korkleisten. Die Wurzel-
rinde entbehrt beide, oft hängen ihr jedoch innerseits Holzsplitter an.
— Geschmack bitter, sehr herbe; der Speichel wird gelbgefärbt.
Verwechslungen: Die Wurzelrinde des Sau erdorns(Berberis
vulgaris) ist ebenfalls innen gelb, aber rein bitter, ohne herben Ge-
schmack. — Die Buxbaumrinde färbt den Speichel nicht gelb.
Bestandteile: Gerbsäure, Punicin (ölig-harzig).
Anwendung: Im Dekokt gegen den Bandwurm.
B. Rinden mit faserigem Bruche, ohne Gewürz.
a) Bruch weich und kurzfaserig.
Cortex Franguiae. Faulbaumrinde.
Rhamnus Frangula. (Rhamneae). — Europa.
Zusammengerollte, dünne, aussen dunkelgraue Röhren-
stücke, mit kleinen, weissen, querlaufenden Rinden-
höckerchen (Korkwarzen) regelmässig bedeckt; mit gelbroter,
sehr glatter Innenfläche; auf dem Bruche bräunlichgelb,
kurzfaserig, mit citronengelben Fasern. — Geschmack bitter;
der Speichel wird gelb gefärbt.
Verwechslung: Der Erlen rinde fehlen die Korkwarzen,
auch ist sie auf dem Bruche nicht faserig.
Bestandteile: Cathartin (Abführen bewirkend), Frangulin,
Emodin. In der frischen Rinde findet sich auch ein Brechen er-
zeugender Stoff, der sich nach 1 — 2 jähriger Lagerung verliert.
Anwendung: Im Aufguss als Abführmittel.
a) Bruch weich- und langfaserig.
Cortex Quercus. Eichenrinde.
Quere us Robur (Quercus peduneulata und Qu. sessiliflora).
(Cupuliferae). — Europa.
Bandförmige Streifen mit sehr dünner, abtrennbarer,
silbergrau glänzender Korkschicht (Lederkork), brauner
Mittelrinde , in welcher Schichten von Steinzellen sich befinden,
und gelbbraunem Baste, der auf dem Bruche band fa serig d. i.
in dünne, schmale, biegsame Bänder sich zerteilt. Durch die hier
und da hervortretenden Markstrahlen , welche den Bast regel-
mässig durchsetzen, zeigt die Innenfläche der Rinde leisten -
artige Längsstreifen. — Geschmack bitter, zusammenziehend.
Bestandteile: Gerbsäure, Bitterstoff (Quercin).
Anwendung: Als adstringierendes Mittel, zu Bädern u. dgl.
- 570 —
Cortex Mezerei, Seidelbastrinde.
Daphne Mezereum. (Thymelaeae). — Europa.
Bandförmige Streifen von ziemlicher Länge, mit dünner, rot-
bräunlicher, leicht abtrennbarer Korkschicht (Lederkork), grünlicher,
dünner Mittelrinde und sehr zähem, langfaserigem, biegsamem,
weisslich-seidenartigem Baste. — Geschmack sehr scharf.
Bestandteile: scharfes Harz, Paphnin (krystallinisch).
Anwendung: äusserlich , in Essig eingeweicht, als hautrötendes
Mittel; sowie zu Extrakt.
b) Bruch splitterig {steif faserig).
Cortex Chinae. Chinarinde.
Cinchona succirubra. (Rubiaceae). — Einheimisch in Süd-
amerika, kultiviert in Ostindien (Yorderindien, Java).
Stamm- und Zweigrinden (Fig. 510) in Gestalt von rinnigen
oder röhrenförmigen, bis 60cm langen, 1 — 4cm breiten und
2 — 4 mm dicken Stücken, welche auf ihrer Aussenseite mit einer
grauen oder bräunlichen, dünnen Kork schiebt bedeckt
und mit groben Längsrunzeln und kurzen Querrissen durch-
setzt sind. Die Innenfläche besitzt eine faserige Beschaffenheit
und braunrote Farbe. Auf dem Querschnitte (Fig. 511) be-
merkt man unter der Korkschicht (o) eine rotbraune Mittelrinde
(m) und darunter den braunroten Bast (a), dessen Bündel in
radialen Reihen als dunkle Streifen sichtbar sind. Der Bruch ist
in der äusseren Hälfte glatt, in der inneren Hälfte (im Baste)
kurz- und steifsplitterig. — Geschmack bitter und herbe;
Geruch schwach.
Fig. 510. Cort. Chinae. Fig. 511. (juerschn. ders.
Handelssorten und Verwechslungen: Die beschriebene Rinde
stimmt auf die aus Ostindien ausgeführten Rinden der dort kulti-
vierten Cinchona succirubra, welche sich durch die braunrote
Färbung des Bastes besonders auszeichnet. Man kultiviert auch
die Cinchona Calisaya daselbst, deren Rinde einen mehr rötlich-
gelben Bast besitzt.
Ton den südamerikanischen Chinarinden soll, da ihr Alkaloid-
gehalt ein viel geringerer ist, Abstand genommen werden. Man
unterschied bisher hauptsächlich drei Gruppen von Chinarinden :
— 571 -
a) Die Königschina (China regia, Cortex Chinae Calisayae),
Ton Cinchona Calisaya, ausgezeichnet durch die rötlichgelbe Farbe
des Bastes, sowohl in röhrenförmigen Stücken (Zweigrinden), vor-
zugsweise aber in flachen Stücken, die durch die abgelöste Borke
flachmuschelige Vertiefungen auf ihrer Aussenfläche zeigen und
fast nur aus Bast bestehen (Stammrinden, sog. unbedeckte China).
— Aus Bolivia. — Die Königschina gehört zur Gruppe der gelben
Chinarinden, von denen die China flava sich durch einen ocker-
gelben Bast kennzeichnet.
b) Die rote China (China rubra), von Cinchona succirubra,
ausgezeichnet durch die braunrote Färbung des Bastes, in flachen
oder etwas röhrigen Stücken (Stamm- und Astrinde), die bald
mit einer weisslichgrauen, harten, gefelderten Borke (China rubra
dura), bald mit braunroter, korkartiger, grobwarziger Borke (China
rubra suberosa) besetzt sind. — Aus Ekuador.
c) Die braune China (China fusca, Cortex Chinae fuscus),
von Cinchona micrantha, C. officinalis u. a., ausgezeichnet durch
die zimtbraune Färbung des Bastes, in eingerollten Bohren , von
der Dicke eines Federkiels bis zu der eines Fingers. (Zweigrinden.)
— Aus Peru und Ekuador..
Man unterscheidet vorzugsweise zwei Handelssorten, und zwar
nach dem Ausfuhrgebiete:
a) Huanuco-China, in fingerdicken, längsfurchigen Röhren;
ß) Loxa-China, in aschgrauen, federkieldicken Bohren.
Bestandteile: Chinin, Chinidin, Cinchonin, Cinchonidin (vier
Alkaloide), Chinasäure und Chinagerbsäure. Letztere bedingt den
herben, die Alkaloide den bitteren Geschmack der Rinde. Nach
der Ph. Germ. Ed. II soll die Chinarinde mindestens 3,5 % Alka-
loide , vorzugsweise Chinin enthalten. Die südamerikanischen
Chinarinden zeigen diesen Gehalt selten, nämlich:
Königschina aus Südamerika mit Chinin 2 — 3 °/0
(chininreich, cinchoninarm) Cinchonin 1/2 °/0
Rote China aus Südamerika mit Chinin 2 °/0
(chininreich, cinchoninarm) Cinchonin 1ji — 2 °/0
Braune China aus Südamerika mit Chinin l/2 %
(chininarm, cinchoninreich) Cinchonin bis l1/.2 °/0.
Bei der kultivierten ostindischen China steigt der Alkaloidgehalt
nicht selten bis 8 %•
Anwendung: Im Dekokt zur Kräftigung geschwächter Ver-
dauung, desgleichen zu Extrakt, Tinktur und Wein.
572 —
Schlüssel zum Bestimmen der Rinden.
Rinde gewürzig.
a) Rinde bittergewürzig , in rötlichbraunen,
aussen weisslichen Röbren Cort. Cascarillae.
b) Rinde süss gewürzig, gelbbraun.
a) Röbren einfach, bis 1/2 mm, dick . . . Cort. C'innamomi Cassiae.
ß) Röhren zu mehreren eingerollt, sehr dünn Cort. Cinnamomi Zeylan.
Rinde geruchlos, nicht gewürzig.
a) Rinde mit glänzender Innenseite.
a) Bast seidenglänzend, langfaserig . . . Cort. Mezerei.
ß) Bast kurzfaserig Cort. Frangulae.
b) Rinde auf der Innenseite glanzlos.
a.) Rinde mehr oder weniger braun.
aa) Innenseite längsstreifig, bandfaserig Cort. Quercus.
bb) Bast von splitterigem Bruche . . Cort. Chinae.
ß) Rinde hellgrau-weisslich Cort. Condurango.
y) Rinde gräulichgelb Cort. Granati.
7, Die offizinellen Kräuter (Herbae) und Zweigspitzen (Summitates).
Man sammelt die Kräuter in der Regel zur Blütezeit, mit Stengel, Blättern
und Blüten.
A. Kräuter aus der Familie der Cowpositen.
(Blüten in Köpfchen mit Hüllkelch).
Herba Absinthii, Wermut.
Artemisia Absinthium. (Compositae, Corymbiferae). —
Europa.
Das blühende Kraut ohne die dickeren Stengel mit grau-
seidenhaarigen Blättern, deren oberste ungeteilt sind, wo-
gegen die mittleren und unteren Blätter 2 — ofach fiederspaltig
und mit spateiförmigen Endzipfeln versehen sind. Die
gelben, strahllosen Blütenköpfchen stehen in Rispen, halb-
kugelig und nickend. (Tgl. Fig. 386.) — Geruch eigentümlich
gewürzig; Geschmack stark bitter.
Verwechslungen: Arte misia vulgaris besitzt oberseits grüne,
unterseits weissfilzige Blätter. — Bei den Blättern von Artemisia
Abrotanum sind die Endzipfellineal. - Artemisia campestris
unterscheidet sich durch ovale, aufrechte Körbchen. Allen diesen
Arten fehlt der eigentümliche Wermutgeruch, sowie die Bitterkeit.
Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff.
Anwendung: Als Bittermittel zu Extractum und Tinctura
Absinthii, sowie zu Elixir Aurantii comp.
— 573 —
Herba Cardui benedicti, Kardobenediktenkraut.
Cnicus benedictus. (Compositae , Cynarocephalae). —
Europa, aus dem Orient stammend.
Die Blätter sind länglich-lanzettlich, in den Blattstiel
verschmälert, buchtig- fiederspaltig, stachlig gezähnt
und spinnewebigbehaart. Die gelben Röhrenblütchen stehen
in Köpfchen , dicht eingehüllt von grossen , breiten Deckblättern
und fiederdornigen Hüllkelchblättchen. (Vgl. Fig. 383.)
Geschmack bitter, salzig; Geruch fehlt.
Bestandteile: Bitterstoff, Salze (Kali-, Kalksalze, äpfelsaure
— Magnesia).
Anwendung: Als bitteres Tonicum, zu Extrakt.
Herba Lactucae, Giltlattich.
Lactuca vi rosa. (Compositae, Cichoraceae.) — Europa.
Das rispige Kraut enthält viel weissen Milchsaft; seine blaugrünen
Blätter sind stengelumfassend, länglich, ungeteilt oder buchtig ausge-
schnitten, stachelspitzig gezähnt, auf den Mittelnerven stachelig.
Die Köpfchen mit gelben Zungenblütchen stehen in grosser pyramidaler
Rispe. (Vgl. Fig. 381.) — Geschmack bitter, salzig; Geruch unangenehm
narkotisch.
Verwechslungen: Lactuca Scariola hat tiefer gebuchtete, vertikal
gestellte Blätter. — Die Blätter des Gartensalats (Lactuca sativa) sind
denen des Giftlattichs ähnlich, aber auf dem Mittelnerven meist stachellos;
auch stehen die Köpfchen des Gartensalats in einer Doldentraube.
Bestandteile: Harz, Bitterstoff, Salze, Lactucasäure.
Anwendung: frisch zur Bereitung von Extrakt.
Herba Spilanthis, Parakresse.
Spilanthes oleracea. (Compositae, Corymbiferae.) — Westindien.
Ein ästiges Kraut mit gegenständigen, gestielten, breit eiförmigen,
ausgeschweift gekerbten, dreinervigen Blättern und blattwinke] ständigen,
langgestielten, grossen eiförmigen Köpfchen, mit biaunen, später
gelben Röhrenblütchen, ohne Strahl. — Geschmack brennend, speichel-
ziehend, Geruch eigentümlich.
Bestandteile: äther. Öl, Harz.
Anwendung: zu Tinctura Spilanthis composita (Paraguay-Roux).
B. Kräuter aus der Familie der Labiaten.
(Blüten zweilippig, in Scheinwirt ein: Blätter gegenständig.)
Herba Serpytli, Quendel, Feldthymian.
Thymus Serpyllum. (Labiatae). — Europa.
Stengel dünn, niederliegend, mit kleinen, gegenständigen,
länglichen, kahlen, am Grunde gewimperten Blättern. Die roten
Lippenblumen bilden köpfchenartig an den Zweigspitzen zu-
sammengedrängte Scheinquirle. Kelch zweilippig. (Fig. 363.) —
Geschmack bitterlich, herbe; Geruch ge würz ig.
Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff, Gerbsäure.
Anwendung: Äusserlich zu Umschlägen, sowie zu Spir. Serpylli.
— 574 —
Herba Thymi, Gartenthymian.
Thymus vulgaris. (Labiatae). — Südeuropa.
Stengel dünn, aufrecht, mit kleinen, gegenständigen, am
Rande eingerollten, fast nadeligen, grauflaumhaarigen
Blättern und blattwinkeligen Scheinwirteln hellvioletter Blumen.
— Geschmack und Geruch stark gewürzig.
Bestandteile: äther. Öl.
Anwendung: Als anregendes Mittel zu Kräuterkissen, Bädernr
Bestandteil der Species aromaticae.
Herba Majoranae, Meiran.
Origanum Majorana. (Labiatae). — Südeuropa.
Ein rispiges, graufilziges Kraut, mit gegenständigen, oval-länglichen,
ganzrandigen, stumpfen Blättern ; die Scheinwirtel sind am Ende der Zweige
zu filzigen, rundlichen Köpfchen zusammengedrängt. — Geruch und
Geschmack gewürzhaft.
Bestandteile: äther. Öl, Gerbstoff.
Anwendung: Als Gewürz, zu Species aromaticae, Unguent. Majoranae.
Herba Galeopsidis, Hohlzahn.
Galeopsis ochroleuca. (Labiatae.) — Europa.
Stengel vierkantig , weichhaarig , unter den Knoten nicht an-
geschwollen; Blätter gegenständig, eiförmig-länglich bis lanzett-
lich, flaumhaarig und gelblichgrün, grobgesägt; Blüten in blattwinkelstän-
digen Scheinwirteln, mit stachelspitzigen Kelchzähnen und viermal
längeren, gelblichweissen, weichhaarigen Lippenblumen. (Vgl. Fig.
— Geschmack bitterlich, salzig; Geruch schwach.
Verwechslungen: Galeopsis Ladanum mit kleineren, purpurnen
Blumen ; G. versicolor und G. Tetrabit mit steif haarigem, unter den
367.) Knoten angeschwollenem Stengel.
Bestandteile: Extraktivstoff, Salze.
Anwendung: 1810 vom Regierungsrat Lieber gegen die Lun-
genschwindsucht als Geheimmittel angepriesen — daher Liebersche Kräuter
genannt.
C. Kräuter aus anderen Familien.
a) Kräuter mit einblätteriger Blume.
Herba Hyoscyami, Bilsenkraut.
Hyoscyamus niger. (Solanae). — Europa.
Ein aufrechtes Kraut mit eiförmig-länglichen, buchtig ge-
zähnten, klebrig-zottigen, abwechselnden, sitzenden Blättern,,
die im trocknen Zustande meist gelbgrün erscheinen. Die Blüten
stehen in den oberen Blattwinkeln, zu einer beblätterten Traube;
die Blume ist gelblich, violett geädert. (Vgl. Fig. 352.) — Geruch
narkotisch, Geschmack bitter.
Bestandteile: Hyoscyamin (giftiges Alkaloid).
Anwendung: Frisch zu Extrakt; auch äusserlich zu Oleum
Hyoscyami. Man gebraucht das Mittel besonders bei Entzünd-
lichkeit der Luftwege.
575
Herba Centaurü, Tausendgüldenkraut.
Erythraea Centaurium. (Gentianeae). — Europa.
Stengel kantig, mit den Blättern völlig kahl; Blätter
gegenständig, sitzend, ovallänglich, 3— 5 nervig. Die
roten Blüten stehen in einer doldenartigen Trugdolde;
nach dem Verblühen sind die Staubbeutel spiraliggedreht.
(Ygl. Fig. 358.) — Geschmack bitter.
Bestandteile: Bitterstoff.
Anwendung: Als Bittermittel, zu Extrakt.
Herba Lobeliae, Lobelien-
kraut.
Lobelia inflata. (Lobelia-
ceae). — Nordamerika.
Das über Neu- York in vier-
eckigen Paketen zu uns kom-
mende zerschnittene Kraut (Fig.
512 A) ist oben fast kahl, mit
kantigem, zum Teil rötlichem
Stengel, zerstreuten, fast sitzen-
den, länglichen, gesägten
Blättern und kleinen Blüten
(B) in endständiger Traube: Der
Kelch ist nebst der zweilip-
pigen, blassvioletten Blume
(C) oberständig , linealzipfelig ;
die Staubgefässe (D) sind mit
ihren Beuteln verbunden ; die
Kapsel (F) ist aufgeblasen.
— Geschmack mild, später scharf.
Bestandteile: Lobelm ,
(flüssiges, dem Nikotin ähnliches
Alkaloid), Lobeliasäure, flüchtige
Schärfe (Lobelacrin).
Anwendung: Ein milderes
Mittel als der Tabak, zu Tinktur.
Fig. 512. Lobelia inflata.
A Obererteil des blühenden Krautes.
B Blüte. E Kelch mit dem Stempel.
C Blume. F Kapselfrucht.
D Staubgefäss.
Herba Gratiolae, Gottesgnadenkraut.
Gratiola officinalis. (Scrophularineae). — Europa.
Stengel vierkantig, kahl; Blätter gegenständig, sitzend, lan-
zettlich, entfernt gesägt. 3 — 5 nervig (nicht fiedernervig), kahl; Blüten
gestielt, einzeln in den Blattwinkeln, mit röhriger, fast lippenförmio-er,.
weisslicher Blume. (Vgl. Fig.373.) — Geschmack unangenehm bitter,
brennend.
Bestandteile: Bitterstoff', Harz, Gerbsäure, Salze.
Anwendung: als drastisches Purgiermittel, zu Extrakt.
— 576 -
Herba Linariae, Leinkraut.
Linaria vulgaris. (Scrophularineae). — Europa.
Ein Kraut mit zahlreichen, kahlen, gedrängten, linealen Blättern
und einer Traube von gelben, gespornten Maskenblumen (vgl. Fig.
370). (Nicht blühendes Kraut ähnelt der Euphorbia Cyparissias , welche
jedoch Milchsaft enhält.) — Geschmack bitter, etwas scharf.
Bestandteile: Bitterstoff, Gerbsäure, Salze und Säuren.
Anwendung: zu Unguentum Linariae aus dem frischen Kraute.
Herba ConÜ, Schierlingskraut.
Conium maculatum. (Umbelliferae). — Europa.
Ein ganz kahles Kraut (vgl. Fig. 409) mit sti eirundem, nach
unten zu braun oder rot geflecktem Stengel. Die
abwechselnd gestellten Blätter sind am Grunde be-
scheidet, mehrfach fiederteilig, mit oval-
länglichen, eingeschnittengesägten , stachel-
spitzigen Endzipfeln. (Fig. 513 a.) Die doldigen
Blüten sind weiss und klein , ihre Fruchtknoten
und halbreifen Früchte (b) mit kerbigenRippen
versehen und fast halbkugelig (nicht länglich!).
— Geschmack scharf, bitterlich; Geruch un-
angenehm (nach Mäuse-Urin).
Fl&- 513- Verwechslungen: Anthriscus silvestris,
Chaerophyllum temulum, Aethusa Cynapium und
■Cicuta virosa (Wasserschierling) unterscheiden sich durch den
Mangel des eigentümlichen Schierlingsgeruches. Ausserdem fehlt
ihren Früchten die Kerbung der Rippen. Chaerophyllum temulum
gleicht zwar dem Schierling sehr, zeigt aber Behaarung. Bei
Anthriscus silvestris und Aethusa Cynapium sind die Blattzipfel
nicht oval , sondern schmallanz ertlich. Der eigentümliche Geruch,
in Verbindung mit der völligen Kahlheit und den ovalen Blatt-
zipfeln kennzeichnet das echte Schierlingskraut.
Bestandteile: Zwei giftige Alkaloide: Coniin und Conydrin.
Wegen deren Flüchtigkeit ist das Kraut in Blechkästen aufzubewahren.
Anwendung: Als stark narkotisches Mittel, meist äusserlich
zu zerteilenden Umschlägen , zu Extractum (aus dem frischen
Kraute), Emplastrum und Unguentum Conii.
Herba Cochleariae, Löffelkraut.
Cochlearia officinalis. (Cruciferae). — Europa.
Die Wurzelblätter sind lang gestielt, schwach herz-
förmig, buchtig gezähnt; Stengelblätter sitzend, eiförmig. Blüten
weiss, in einer Doldentraube; Schötchen kugelig gedunsen.
(Vgl. Fig. 440.) — Geschmack kresseartig brennend; Geruch
beim Zerreiben scharf.
Bestandteile: Ein schwefelhaltiges ätherisches Öl.
Anwendung: Frisch zur Bereitung von Spiritus Cochleariae.
— 577 -
Herba Chelidonii, Schöllkraut.
Chelidonium majus. (Papaveraceae.) — Europa.
Stengel knotig, schwach behaart, mit gelbem Milchsafte; Blätter
fiederteilig, mit grossem, dreilappigem Endzipfel, unterseits blau-
grün und auf den Nerven flaumhaarig. (Vgl. Fig. 446). Blüten in einfachen
Dolden, mit 4 gelben Blumenblättern. — Geschmack bitter, scharf.
Bestandteile: Zwei Alkaloi'de, deren eines (Chelidonin) nicht giftig
ist, während dem anderen (Chelerythrin) die wegen der sehr geringen Menge
nur schwach narkotische Eigenschaft des Milchsaftes zukommt; Farbstoff,
Salze, Chelidonsäure.
Anwendung: Frisch zur Darstellung des Extraktes.
Herba Pulsatillae, Küchenschelle.
Anemone Pulsatilla und A. pratensis. (Ranunculaceae). — Europa.
Die mehrfach fiederspaltigen Wurzelblätter sind zur Blütezeit noch
nicht ausgewachsen; der einblütige Schaft trägt etwa in der Mitte
eine vielteilige Hülle; das Perigon ist bei der erstgenannten Art mehr
geöffnet, violettblau, nickend, bei der letzteren Art glockig, dunkel-
violett, aussen zottig. ("Vgl. Fig. 451, 452.) — Geschmack heftig brennend ;
Geruch beim Zerreiben scharf.
Bestandteile: äther. Öl (Anemonin, Pulsatillenkampfer), welches
beim Trocknen des Krautes entweicht: Anemonsäure.
Anwendung: Frisch zur Bereitung des Extraktes.
B. Blume unregelmässig.
Herba Violae tricoloris, Freisamkraut.
Yiola tricolor mitder Abart arvensis. (Yiolaceae), — Europa.
Der Stengel ist kantig, mit zerstreuten, gestielten, länglichen
und gekerbten Blättern und leierförmig geteilten Neben-
blätter n. (Ygl. Fig. 448.) Die Blüten sind blattwinkelständig,
gespornt, dreifarbig — blau mit gelbem und weissem
Grunde — , bei der Yarietät arvensis gleichfarbig gelblich.
— Geschmack bitterlich, salzig.
Bestandteile: Schleim, Salze.
Anwendung: Bei Hautausschlägen der Kinder, im Aufguss.
Herba Meliloti, Steinklee.
Melilotus officinalis und M. altissimus. (Papilionaceae.)
— Europa.
Die blühenden Zweige mit dreizähnigen Blättern und pfriem-
lichen ISTebenblättchen ; die kleinen gelben Schmetterlingsblüten
stehen in einer langen, einseitswendigen Traube. Hülse
kurz , querrunzelig , bei der ersteren Art braun , kahl , bei der
letzteren Art schwärzlich behaart. (Ygl. Fig. 425.) — Geschmack
schleimig bitterlich; Geruch waldmeisterähnlich.
Verwechslungen: Melilotus alb a unterscheidet sich durch
weissliche Blüten.
Bestandteile: Cumarin (Tonkasäure, der Riechstoff des Wald-
meisters und der Tonkabohnen) Melilotsäure.
Anwendung: Zu Species emollientes.
Sohlickum, Apothekerlehrling. 37
— 578 —
Herba Polygalae, Kreuzblumenkraut.
Polygala amara. (Polygaleae). — Europa.
Die dünne, gelbliche Wurzel treibt fingerlange, dünne Stengel, sowie
eine Blattrosette verkehrt eirunder oder spatelförmiger, ziem-
lich grosser, grundständiger Blätter. (Vgl. Fig. 449.) Die Stengel sind mit
kleinen, lanzettlichen Blättern besetzt und tragen in endständigen Trauben
kleine, blaue oder weisse Blüten mit je zwei blumenblattartigen Kelch-
blättern (sog. Flügel). — Geschmack stark bitter.
Verwechslung: Polygala vulgaris entbehrt der grundständigen
Blattrosette und des bitteren Geschmackes.
Bestandteile: Bitterstoff (Polygamarin).
Anwendung: als bitteres Magenmittel.
Herba Cannabis Indicae, Indischer Hanf.
Cannabis sativa. (Urticaceae). Gebraucht wird nur die
weibliche, in Ostindien wachsende Pflanze, da nur diese
das Harz ausschwitzt.
Die blühenden oder fruchttragenden Zweige sind rauh, durch
eine Harzmasse zu dichten , etwas zusammengedrückten Blüten-
schweifen verklebt, mit lanzettlich-linealen, gesägten Blättern und
rotbraun drüsigen Deckblättchen. — Geruch zumal beim Erwärmen
narkotisch.
Dem in Europa kultivierten Hanfe fehlt die Aus-
schwitzung der Harzmasse gänzlich. Unter der Lupe erblickt man
auf dem ostindischen Hanfe reichliche Harztröpfchen.
Bestandteile: Harz von narkotischen Eigenschaften.
Anwendung: Als beruhigendes, schlafbringendes Mittel, wel-
ches in grösseren Gaben Delirien erzeugt und im Orient geraucht
und genossen wird (sog. Haschisch); zu Extra ctum und Tinc-
tura Cannabis indicae.
c) Kräuter mit blumenlosen Blüten.
Herba Chenopodii ambrosioidis, Mexikanisches Traubenkraut.
Chenopodium ambrosioides. (Chenopodeae). — Mexiko.
Ein verzweigtes Kraut mit hellgrünen , länglichen bis lanzett-
lichen, beiderseits verschmälerten, buchtig gezähnten, kahlen Blättern,
deren Unterseite mit gelben Drüsen besetzt ist. Die kleinen,
grünen Blüten stehen in blattwinkeligen Knäueln. — Geschmack bitter-
lich, Geruch stark balsamisch.
Verwechslung: Chenopodium Botrys (in Südeuropa) mit fieder-
spaltigen Blättern von schwächerem Gerüche.
Bestandteile: ätherisches Öl, Salze. Man bewahrt das Kraut in
Blechkästen auf.
Summitates Sabinae, Sadebaumspitzen.
Juniperus Sabin a. (Coniferae). — Südeuropa.
Zweigspitzen mit dichtgedrängten Blättern, welche im jüngeren
Alter rautenförmig, in vier Zeilen dachziegelig ange-
drückt und stumpf, später abstehend und nadeligstechend
— 579
Fig. 514. Sum. Sabinae.
Nebst einem Fruchtzweige
und einzelnen Nadeln.
sind und auf dem Rücken eine
vertiefte Öldrüse tragen. (Fig. 514.)
— Geschmack unangenehm, harzig-bitter;
Geruch stark. Besonders aromatisch
sind die dunkelblauen Beeren.
Verwechslungen: Juniperus
Yirginiana, ein hoher, sparrig- und
lockerästiger Baum aus Virginien, hat
ähnliche Zweigspitzen und wird in Amerika
statt der Sabina gebraucht, besitzt jedoch
nur eine undeutliche Drüse auf dem
Rücken der Nadeln und viel schwächeren
Geruch. (Yergleichung mit echtem Sade-
baum gewährt allein sichere Unter-
scheidung.)
Bestandteile: äther. Öl, Gerb-
säure, Harz. — Die Spitzen sind in
Blechkästen aufzubewahren.
Anwendung: Als ein die Menstrua-
tion beförderndes Mittel, zu Extr., Un-
guent. und Oleum Sabinae.
Summitates (Herba) Thujae, Lebensbaumspitzen.
Thuja occidentalis. (Coniferae). Zierstrauch aus Nordamerika.
Horizontal abgeflachte Zweige mit vierzeilig anliegenden, schup-
penförmigen Blättern, welche auf dem Rücken mit einer erhabenen
Drüse versehen sind. — Geschmack gewürzig, bitter; Geruch beim Zer-
reiben balsamisch.
Verwechslungen: Thuja orientalis, Zierstrauch aus Ostasien, un-
terscheidet sich durch vertikal abgeflachte Zweige und eine Furche auf dem
Rücken der Blätter.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure.
Anwendung: zu Tinctura Thujae.
Turiones Pini, Kiefersprossen.
Pinus silvestris. (Coniferae). — Europa.
Die fingerlangen Jahrestriebe, deren grüne Spindel dicht besetzt
ist mit dachziegeligen, braunroten, trockenen Schuppen, die in ihrer
Achsel die Knospe eines Nadelpaares bergen; frisch klebrig. — Geruch
harzig -balsamisch.
Verwechslungen: Die Sprossen der Rottanne (Abies excelsa) und
Weisstanne (Abies pectinata) sind höchstens zolllang.
Bestandteile: Balsam, Bitterstoff. — Man bewahre die Sprossen in
Blechkästen auf.
Anwendung: zu Tinctura Pini composita.
Gemmae Populi, Pappelknospen.
Populus nigra (Schwarzpappel), P. tremula (Zitterpappel, Espe),
P. pyramidalis (italienische Pappel). (Salicineae). — Europa.
37*
580 —
Kegelige Knospen mit braunen, dachziegeligen, harzig-klebrigen
Schuppen; wohlriechend.
Bestandteile: Gelber Balsam.
Anwendung: zu Unguentum Populi.
Schlüssel zum Bestimmen der Kräuter und Spitzen.
I. Blätter nadelig oder schuppenförmig.
a) Zweige nicht abgeflacht Summitates Sabinae.
b) Zweige abgeflacht Summitates Thujae.
II. Blätter blattartig.
A. Blätter ungeteilt.
a) Blüten unscheinbar, grün.
a) Blütenzweige verklebt Hb. Cannabis indicae.
ß) Blätter unterseits gelbdrüsig, duftend Hb. Chenopodii ambr.
b) Blüten in Köpfchen.
a) Köpfchen mit gelben Zungenblütchen;
Blätter blaugrün Hb- Lactucae.
ß) Körbchen gross, eirund, strahllos . . Hb. Spilanthis.
c) Blüten einfach; gefärbt.
a) Blätter gegenständig.
aa) Blüten blattwinkelig, weisslich . Hb. Gratiolae.
bb) Blüten in Doldentrauben, rot . Hb. Centaurii.
cc) Blüten in Quirlen, lippenförmig.
aa) Stengel dünn, Blätter kahl . Hb. Serpytti.
Blätter unten grauflaumhaarig Hb. Thymi.
ßß) Stengel vierkantig.
Blätter grau, gewürzig . . . Hb. Major anae.
Blätter behaart, geruchlos . Hb. Galeopsidis.
ß) Blätter abwechselnd oder zerstreut,
aa) Blüten blattwinkelständig.
Blätter klebrig-zottig Hb. Hyoscyami.
Bl. mit fiederteiligen Nebenblättern Hb. Violae tricoloris.
bb) Blüten in Doldentrauben, weiss . Hb. Cochleariae.
cc) Blüten in Trauben.
Blüten gelb, gespornt, Blätter lineal Hb. Linariae.
Blüten blau, Blätter länglich . . Hb. Lobeliae.
Blätter rosettig, spatelig . . . Hb. Polygalae.
B. Blätter geteilt oder zusammengesetzt.
a) Blätter einfach fiederspaltig.
a) Blätter spinnewebig behaart . . . Hb. Cardui bened.
ß) Blätter unterseits bläulichgrün, Blüten
gelb, doldig Hb. Chelidonii.
b) Blätter dreizählig.
Blüten gelb, in einseitigen Trauben. . . Hb. Meliloti
c) Blätter mehrfach fiederteilig.
a) Blüten in nickenden, halbkugeligen
Köpfchen; Blätter grau seidenhaarig Hb. Absinthii.
ß) Blüten weiss, doldig, klein; Blätter
kahl, von widerlichem Gerüche . . Hb. Conii.
y) Blüten einzeln, gross, violett . . . Hb. Pidsatillae.
581
8. Die offizinellen Blätter (Folia).
Man sammelt die Blätter, ohne den Stengel, während der Blütezeit.
A. Blätter ungeteilt,
a) Blätter fiedernervig, a) Blätter getvürzig.
Foüa Melissae, Melissenblätter.
Melissa officinalis. (Labiatae). — Südeuropa.
Langgestielte herz-eiförmige Blätter mit kerbig-gesäg-
tem Bande und kleinen Öldrüsen in der Fläche; sie sind nur
an den Nerven etwas behaart, grün, unterseits blässer.
(Vgl. Fig. 365.) — Geschmack bitterlich, Geruch gewürzig.
Verwechslung: Nepeta Cataria besitzt ähnlichen Geruch,
aber unterseits graufilzige Blätter.
Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure. — Man bewahrt die
Blätter in Blechkästen auf.
Anwendung: Zu Aqua und Spiritus Melissae.
Folia Menthae piperitae, Pfefferminzblätter.
Mentha piperita. (Labiatae). — Europa.
Kurzgestielte, längliche Blätter mit regelmässig gesäg-
tem Rande, nur spärlicher Behaarung und Öldrüsen in der
Fläche. (Vgl. Fig. 362). — Geschmack kampferartig kühlend;
Geruch stark gewürzig.
Yerwechslung: Mentha viridis unterscheidet sich durch
sitzende, Mentha silvestris durch weichhaarige Blätter.
Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure. —Man bewahrt die Blätter
in Blechkästen auf.
Anwendung: Als blähungtreibendes Mittel, zu Aqua, Oleum,
Rotulae, Syrupus, Tinctura, Trochisci Menthae pip.
Folia Menthae crispae, Krauseminzblätter.
Mentha crispa. (Labiatae). — Europa.
TJngestielte, herzförmige, längliche , mehr oder weniger spitze
Blätter, mit blasig-runzeliger, Öldrüsen enthaltender Fläche
und wellenförmigem und zerschlitzt-gesägtem Rande.
— Geschmack brennend (nicht kühlend); Geruch stark ge-
würzig.
Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure. — Man bewahrt die Blätter
in Blechkästen auf.
Anwendung: Wie bei der Pfefferminze.
Folia Salviae, Salbeiblätter.
Salvia officinalis. (Labiatae). — Südeuropa.
Gestielte, längliche Blätter mit feingekerbtem Rande,
- 582 —
runzeliger Fläche und dünnfilziger Behaarung. (Vgl. Fig. 366.)
— Geschmack herbe, bitterlich; Geruch gewürzig.
Die Blätter werden vor dem Aufblühen (Mai) gesammelt.
Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure, Bitterstoff.
Anwendung: Im Aufgusse als Mund- und Gurgelwasser, zu
Aqua, Oleum.
Folia Rosmarini, Rosmarinblätter.
Rosmarinus officinalis. (Labiatae). — Südeuropa.
Lineale, starre, runzelige, hellgrüne Blätter, mit zurückge-
rolltem Rande und weissfilziger Unterseite. — Geschmack und Geruch
kampferartig gewürzig, etwas herbe.
Bestandteile; äther. Ol, Gerbsäure.
Anwendung: zu aromatischen Bädern ; zu Oleum, Spiritus Rosmarini
u. a. m.
Folia Eucalypti, Eukalyptusblätter.
Eucalyptus globulus. (Myrtaceae.) — Australien.
Lineale oder lanzettliche, oft sichelig gebogene, ganzrandige,
kahle Blätter von lederiger Konsistenz und durchscheinend drüsig-
punktiert. — Geruch und Geschmack kampferartig-ge würzhaft.
Bestandteile: ätherisches Öl, Gerbstoff.
Anwendung: als anregendes Mittel, zu Tinktur.
Folia Aurantii, Pomeranzenblätter.
Citrus vulgaris. (Aurantiaceae.) — Mittelmeerländer.
Längliche, spitze, kahle, bläulich grüne, durchscheinend drü-
sig-punktierte Blätter, von dünn-lederartiger Konsistenz, mit dem ge-
flügelten Blattstiele durch ein Gelenk verbunden. Die Blattstielflügel
sind verkehrt herz- oder eiförmig und fünf Millimeter breit (vgl. Fig. 460).
Geruch und Geschmack bitterlich gewürzig.
Verwechslungen: Bei den Citronenblättern fehlen die Blatt-
stielflügel.
Bestandteile: ätherisches Öl, Bitterstoff.
Anwendung: als aromatisches Bittermittel.
ß) Blätter gewürzlos.
Folia Belladonnae, Tollkirschenblätter.
Atropa Belladonna. (Solanaceae). — Europa.
Ovale, in den Blattstiel verschmälerte, spitze,
ganzrandige, oberseits dunkelgrüne Blätter, im jugend-
lichen Zustande weichhaarig, im älteren fast kahl. (Vgl. Fig. 350).
— Geschmack bitterlich, unangenehm; Geruch schwach narkotisch.
Bestandteile: Atropin (giftiges Alkaloid) ; Asparagin, Salze.
Anwendung: Ein stark narkotisches, die Pupille erweiterndes
Mittel , zu Emplastrum , Extractum , Tinctura und Unguentum
Belladonnae.
Folia Nicotianae, Tabaksblätter.
Nicotiana Tabacum. (Solanaceae). — Amerika.
Grosse, länglich- 1 anzettliche, spitze, nach dem
— 583 -
Grunde verschmälerte, ganzrandige, drüsig- behaarte Blät-
ter, getrocknet von brauner Farbe. — Geschmack scharf, ekelhaft
bitter; Geruch betäubend.
Nur der (unpräparierte) Virginische Tabak (Rollenknaster)
darf angewendet werden. Der übrige Rauchtabak ist präpariert.
Verwechslungen: Nicotiana macrophylla (der sog.
Marvland-Tabak) mit breiteren , am Grunde geöhrelten Blättern ;
Nicotiana rustica mit herz-eiförmigen, stumpfen, langgestiel-
ten Blättern.
Bestandteile: Nicotin (2 — 6 °/0).
Anwendung: Als krampfstillendes Mittel, in grösseren Gaben
giftig.
Folia Stramonii, Stechapfelblätter.
Datura Stramonium. (Solanaceae). — Europa.
Gestielte, bis handgrosse, eiförmige, spitz -buchtig-
gezähnte, oberseits dunkelgrüne, unterseits blassere, fast
kahle Blatte (Vgl. Fig. 353). — Geschmack widerlich, salzig bitter;
Geruch betäubend.
Verwechslungen: Solanum nigrum L. hat viel kleinere,
stumpf lappige Blätter.
Bestandteile: Daturin (ähnlich dem Atropin). — Man be-
wahrt die Blätter in Blechkästen auf.
Anwendung: Narkotisches, die Respiration anregendes Mittel,
zu Extrakt und Tinktur.
Folia Digitalis, Fingerhutblätter.
Digitalis purpurea. (Scrophularineae). — Europa.
Längliche, in den Blattstiel verschmälerte Blätter
mit gekerbtem Rande, runzeliger Oberfläche und mehr oder
weniger filziger Unter fläche, auf welcher sich die Blattnerven
weisslich filzig hervorheben, in deren Maschen beim Hindurch-
sehen ein helles, noch feineres Adernetz bemerklich wird
(Fig. 515). — Geschmack ekelhaft bitter; Geruch schwach.
Verwechslungen: Die in Gärten gezoge-
nen Fingerhutblätter sind fast kahl. — Syinphy tum
officinale hat rauhhaarige, ganzrandige Blätter.
Die Wollblumenblätter sind stark sternhaarig,
brüchig, gelbgrün. Allen diesen und anderen Blättern
fehlt das durchscheinende feinere Adernetz.
Bestandteile: Digitalin, Digitalem, Gerbsäure. Fig. 515.
— Man bewahrt die Blätter in Blechkästen, nicht über ein
Jahr, auf.
Anwendung: Zur Herabsetzung der Nerven- und Herzthätig-
keit; als Acetum, Extractum und Tinctura Digitalis.
— 584 -
Folia Uvae Ursi, Bärentrauben blätter.
Arctostaphylos Uva Ursi. (Bricaceae). — Mittleresund
nördliches Europa.
Verkehrt-eif örmige,ganzrandige,kahle, leder-
artige, beiderseits glänzende Blätter mit vertieftem,
feinmaschigem Adernetze. (Fig. 516). — Geschmack
bitterlich, herbe.
Verwechslungen: Die Blätter von Yaccinium
Yitis Idaea (Preisseibeere) sind am Eande zurückge-
Fig. 516 rollt, mit glanzloser, braunpunktierter Unterseite, ohne
Fol. Uvae das feine Adernetz. Die Buxblätter (von Buxus
Ursi. sempervirens) unterscheiden sich durch ihre ovale Form
und den Mangel des Adernetzes.
Bes tandteile: Gerbsäure, Gallussäure, Arbutin (ein Glykosid).
Anwendung: Gegen Harnbeschwerden.
Folia Laurocerasi, Kirschlorbeerblätter.
Prunus Laur ocerasus. (Amygdaleae). — Südeuropa.
Kurzgestielte, glänzend lederartige, längliche, 8 — 16 cm lange
Blätter, mit entfernt gesägtem Rande, unterseits mit 1 oder 2 brau-
nen Flecken (Drüsen) auf jeder Seite des Mittelnerven, nahe am Blatt-
grunde. Geschmack herbe-bitter, Geruch beim Zerreiben bittermandelartig.
Verwechslungen: Bei anderen Prunus-Arten fehlen den Blättern un-
terseits am Grunde die braunen Drüsen.
Bestandteile: Amygdalin, welches bei der Umsetzung blausäure-
haltiges Bittermandelöl liefert.
Anwendung: frisch zu Aqua Laurocerasi.
b) Blätter handnervig.
Folia Althaeae, Eibischblätter.
Althaea officinalis. (Malvaceae). — Europa.
Gestielte, eiförmige, fast herzförmige, spitze Blätter
mit ungleich gezähntem Bande, die unteren spitz fün flappig,
die mittleren drei läpp ig, die obersten ungeteilt, sämtlich bei-
derseits mit weichem, grünem Filze bedeckt. (Ygl. Fig. 458.)
— Geschmack schleimig.
Bestandteile: Schleim.
Anwendung: Zu Species emollientes
Folia Malvae, Malvenblätter.
Malva vulgaris und M. silvestris. (Malvaceae). — Europa.
Langgestielte, rundliche, 4 — 7 lappige Blätter, mit herz-
förmigem , fast nierenförmigem Grunde , gesägtem Rande und
sc hwach er Behaarung. Die Lappen sind bei ersterer Art stumpf,
bei letzterer vorgestreckt. (Ygl. Fig. 456, 457.) — Geschmack schleimig.
Bestandteile: Schleim.
Anwendung: Zu Species emollientes.
- 585 —
Folia Farfarae, Huflattichblätter.
Tussilago Farfara. (Compositae, Corymbiferae). — Europa.
Gestielte, rundliche, buchtig siebeneckige, schwärzlich
gezähnte Blätter, mit herzförmigem Grunde, hellgrüner Oberseite
und weissfilziger Unterseite. (Vgl. Fig. 391.) — Geschmack
etwas herbe und bitter, schleimig.
Verwechslungen: Petasites officinalis hat viel grössere,
am Grunde herz-nierenförmige , unterseitig nur wenig behaarte
Blätter. Petasites tomentosus mit zwar unterseits weiss-
filzigen, aber nierenförmigen Blättern.
Bestandteile: Schleim, Gerbsäure, Bitterstoff.
Anwendung: Zu Species pectorales.
B. Blätter geteilt.
a) Blätter fiederteilig.
Folia (Herba) Millefolii, Scharfgarbenkraut.
Achill ea Millefolium. (Compositae, Corymbiferae). — Europa.
Doppelt-fiederspaltige, im Umfang lanzettliche Blätter, mit
lanzettlichen, weiss bespitzelten Endzipfeln, unterseits auf den Nerven
und am Blattstiele zottig. (Vgl. Fig. 388.) — Geschmack bitter, herbe ;
Geruch schwach. — Man sammelt das Kraut im Juni vor der Blütezeit.
Bestandteile: etwas äther. Öl, Bitterstoff.
Anwendung: nur mehr Volksheilmittel zur sog. Blutreinigung.
Folia Rutae, Rautenblätter.
Ruta graveolens. (Rutaceae). — Südeuropa.
Dreifach fiederteilige Blätter, mit spateiförmigen Endzipfeln,
kahl, graugrün, drüsig punktiert. (Vgl. Fig. 431.) — Geschmack bitterlich;
Geruch aromatisch.
Bestandteile: äther. Öl. — Man sammelt die Blätter vor der
Blütezeit (im Mai und Juni) und bewahrt sie in Blechgefässen.
Anwendung: als anregendes Mittel.
b) Blätter dreizählig.
Folia Trifolii fibrini, Fieberkleeblätter.
Menyanthes trifoliata. (Gentianeae). — Europa.
Gestielte, dreizählige, hellgrüne, kahle Blätter, mit un-
gestielten, dicklichen, oralen, stumpfen, beinahe ganzran-
digen Teilblättern. (Vgl. Fig. 359.) — Geschmack sehr bitter.
Bestandteile: Bitterstoff (Menyanthin, ein Glykosid).
Anwendung: Als magenstärkendes Bittermittel, zu Extrakt.
Folia Toxicodendri, Giftsumachblätter.
Rhus Toxicodendron. (Terebinthaceae). — Nordamerika.
Langgestielte, dreizählige Blätter, deren Teilblätter oval, dünn,
etwas durchscheinend, ganzrandig oder buchtig gezähnt, langgespitzt
und kahl sind; das mittlere ist gleichhälftig und länger gestielt als
die ungleichhälftigen, seitenständigen Teilblättchen. — Geruch schwach.
— 586 -
Die frischen Blätter besitzen eine flüchtige Schärfe in ihrem an der Luft
sich schwärzenden Milchsafte, dürfen daher nicht mit blossen Händen
abgepflückt werden; bei vielen Personen erzeugt ihre Berührung eine
roseartige Aufschwellung der Haut. Die Berührung der getrockneten Blät-
ter ist ohne üble Folgen. — Man verwahrt die Blätter nicht über ein Jahr auf.
Verwechslungen: Die Blätter des ebenfalls nordamerikanischen Hop-
fenbaumes, Ptelea trifoliata, sind ähnlich, aber durch das sitzende
mittlere Teilblatt unterschieden.
Bestandteile: flüchtiger, scharfer Stoff (Cardol?), Gerbsäure, Salze.
Anwendung: als Excitans in kleinen Dosen; in grösseren narkotisch,
zu Tinktur.
c) Blätter gefiedert.
Folia Juglandis, Walnussblätter.
Juglans regia. (Juglandeae). — Europa.
Unpaarig gefiederte Blätter mit eingelenkten (meist 4)
Blättchenpaaren und einem Endblättchen ; die Teilblätter
gross, eiförmig-länglich, ganzrandig, zugespitzt, fast kahl,
nur an den Achseln der Adern unterseits etwas bärtig. ("Vgl. Fig.
336.) — Geschmack bitter, herbe; Geruch balsamisch.
Bestandteile: Gerbsäure, Bitterstoff. Da die noch nicht völlig
ausgewachsenen Blätter am reichhaltigsten sind , sollen sie im
Juli und August gesammelt und, um nicht braun zu werden, in
dünnen Schichten schnell getrocknet werden.
Anwendung: Gegen Skrofeln.
Folia Jaborandi, Jaborandiblätter.
Pilocarpus pennatifolius. (Eutaceae). — Brasilien.
Ein aus 3 bis 4 Blättchenpaaren gebildetes Blatt, dessen Teil-
blätter eiförmig bis lanzettlich, vorn ausgerandet, lederig und
durchscheinend punktiert, die seitlichen sitzend, das End-
blättchen gestielt ist.
Verwechslungen: Die Blätter von Serronia Jaborandi (in
Brasilien) entbehren der durchscheinenden Punktierung.
Bestandteile: Pilokarpin, ätherisches Ol.
Anwendung: Als Speichel- und schweisstreibendes Mittel.
Folia Sennae, Sennesblätter.
1. Cassia acutifolia (C. lenitiva). (Caesalpiniaceae). —
Nubien , Sennaar (im oberen Nielgebiete), von wo die Sennes-
blätter teils über Egypten, teils über Tripolis zu uns gelangen:
a) Alexandriner Sennesblätter, mit Argheiblättern;
b) Tripolitaner Sennesblätter, ohne Argheiblätter.
Die Fiederblättchen (Fig. 517) sind fast lederig, oval oder
länglich, am Grunde ungleichhälftig, in der Mitte am
breitesten, mit einer feinen Spitze versehen, aderig, schwach
behaart, von blassgrüner Farbe. Geschmack unangenehm
587
bitterlich; Geruch eigentümlich. — Den Alexandriner Sennes-
blättern finden sich stets die Blätter von SolenostemmaArghel
(Asclepiadeae) (Fig. 518) beigemischt, welche lanzettlich, am Grunde
gleich, einnervig (mit undeutlichen Seiten nerven),
grauflaumhaarig und steifer sind als die Sennesblätter.
Man braucht sie nicht auszulesen , da sie ähnliche Wirkung mit
letzteren haben.
Fig. 517. Fig. 518.
Alexandriner- Sennesblätter. Argheiblätter.
Fig. 519.
Indische Sennesblätter.
2. Cassia angustifolia, ein in Arabien wildwachsender
Strauch liefert die sog. Mekka-Sennesblätter, wird aber auch
in Vorderindien (Landschaft Tinnevelly) gebaut, von wo die In-
dischen oder Tinnevellyschen Sennesblätter zu uns kom-
men. Die Fiederblättchen sind länger wie die vorigen, mehr
lanzettlich, zugespitzt, gegen den Grund hin am breitesten
(Fig. 519), im übrigen mit der vorigen übereinstimmend.
Verwechslungen: Cassia obovata, in Syrien, liefert ver-
kehrt - eiförmige Blättchen (Fig. 520) , die Aleppo-Sennes-
blätter, welche auchltalienische heissen,
da die Pflanze früher in Oberitalien gebaut
wurde. Sie finden sich gewöhnlich den Tri-
politanischen Sennesblättern beigemischt. —
Die sog. kleinen Sennesblätter sind
der abgesiebte Bruch der verschiedenen
Handelswaren und oft unrein.
Bestandteile: Cathartin, Harz.
Anwendung: Als Abführmittel, zu Elec- Fj„ 520.
tuarium, Infusum, Syrup, Spec. St. Germain. Aleppo-Sennesblätter.
588 -
Schlüssel zum Bestimmen der Blätter.
I. Blätter ungeteilt oder nur seicht gelappt, oder einzelne Teilblätter.
A. Blätter ganzrandig.
a. Blätter mehr oder weniger lederartig, steif.
a) Blätter verkehrt eirund, netzadrig . . Fol. Uvae TJrsi.
ß) Blätter oval oder länglich-langzettlich
aa) Am Grunde ungleiche Teilblätter . Fol. Sennae.
bb) Blätter einem geflügelten Blattstiele
eingefügt, drüsig punktiert, gross . Fol. Aurantii.
cc) Bl. sichelig, durchscheinend punktiert Fol. Eucalypti.
y) Blätter fast nadelig, am Rande umgebogen,
hellgrün Fol. Rosmarini.
b) Blätter krautartig.
a) Blätter oval, beiderseits spitz, fast kahl Fol. Belladonnae.
ß) Blätter lanzettlich, gross, braun, drüsig Fol. Mcotianae.
B. Blätter gesägt, gezähnt oder gekerbt.
a) Blätter lederig, länglich, glänzend .... Fol. Laurocerasi.
b) Blätter krautartig.
a) Blätter rundlich herzförmig,
aa) Blätter buchtig eckig, unten weissfilzig Fol. Farfarae.
bb) Blätter 5 — 7 lappig, kaum behaart . Fol. Malvae.
ß) Blätter eiförmig.
aa) Blätter samtartig filzig, oft 3 — 5 lappig Fol. Althaeae.
bb) Blätter fast kahl, buchtig gezähnt . Fol. Stramonii.
cc) Blätter fast kahl, gezähnt, gewürzig Fol. Melissae-
y) Blätter länglich.
aa) Blätter fast kahl, gewürzig.
aa) Blätter kraus, ungleich gesägt . Fol. Menthae crispae.
ßß) Blätter gesägt, gestielt .... Fol. Menthae pip.
bb) Blätter graufilzig, runzelig, gekerbt Fol. Salviae.
cc) Blätter unterseits schwachfilzig, in den
Blattstiel herablaufend, gekerbt . . Fol. Digitalis.
IL Blätter 2 — 3 fach fiederteilig.
a) Blätter graugrün, kahl, mit spateligen Zipfeln Fol. Rutae.
b) Blätter weichhaarig, mit spitzen Zipfeln . Herb. Millefolii.
in. Blätter zusammengesetzt.
A. Blätter dreizählig.
a) Teilblätter stumpf, hellgrün, dicklich . . Fol. Trifolii fibr.
b) Teilblätter zugespitzt, dünn Fol. Toxicodendri.
B. Blätter unpaarig gefiedert, gross
a) Blätter dünn, nicht punktiert Fol. Juglandis.
b) Blätter lederig, durchscheinend punktiert. FoL Jaborandi.
9. Die offizineilen Blüten (Mores) und Blütenteile.
A. Ganze Blutenstände.
a) Köpfchen der Kompositen.
Flores Chamomillae (vulgaris), Kamillenblumen.
Matricaria Chamomilla. (Coropositae, Corymbiferae). —
Europa.
— 589
Fig. 521.
Durchschnitt durch
den Blütenboden der
echten Kamille (a) u.
Blütenköpfchen , mit kegelförmigem,
h ohlem, nacktem (spreublattlosem) Blüten-
boden (Fig. 521 a), weissen, zungenförmigen
Strahl blütchen und gelben, röhrigen Scheiben-
blütchen, ohne Federkrone. (Vgl. Fig. 387.) —
Geschmack bitterlich, Geruch gewürzig.
Verwechslungen: Die Hundskamille
(Anthemis arvensis) ähnelt sehr der echten
Kamille, besitzt jedoch nicht deren Geruch der Hundskamille '(b).
und unterscheidet sich durch ihren markigen (nicht hohlen) Blüten-
boden, der zwischen den einzelnen Blütchen mit kleinen Spreu-
blättchen besetzt ist (Fig. 521 b).
Bestandteile: blaues äther. Öl, Bitterstoff.
Anwendung: Als krampfstillendes, blähungtreibendes Mittel,
zu Aqua, Oleum und Syrupus Chamomillae.
Flores Chamomillae Romanae, Römische Kamillen.
Anthemis nobilis. (Compositae, Corymbiferae). — Südeuropa.
Durch die Kultur gefüllte Blütenköpfchen, deren gelbe, röhrige
Scheibenblütchen grösstenteils in weisse, zungenförmige Strahl-
blütchen übergegangen sind. Fruchtboden gewölbt, mit stumpfen, zer-
schlitzten Spreublättchen besetzt; Federkrone fehlt. — Geschmack
stark bitter; Geruch gewürzig, kamillenähnlicb.
Bestandteile: blaues äther. Öl, Bitterstoff.
Anwendung: ähnlich wie die der Kamillen.
Flores Millefolii, Schafgarbenblüten.
Achill ea Millefolium. (Compositae). — Europa.
In eine Doldentraube geordnete Blütenköpfchen, mit ovalem Hüll-
kelche, dessen Schuppen am Rande trockenhäutig erscheinen, mit 5 weissen
oder rötlichen, rundlichen Strahlblütchen, sowie wenigen, gelben,
röhrigen Scheibenblütchen, ohne Federkrone. (Vgl. Fig. 388.) Geschmack
bitter; Geruch gewürzig.
Bestandteile: blaues äther. Öl, Bitterstoff.
Anwendung: zu Thee.
Flores Cinae. Wurmsamen, Zittwerblüten.
Eine Abart von Artemisia maritima. (Compositae). -
Turkestan , von wo die Ware über Astrachan und Bussland
sog. Levantischer Wurmsamen zu uns gebracht wird.
Geschlossene, 2 mm lange, kahle,
etwas glänzende, längliche, arm-
blutige Blütenköpfchen, von gelb-
grünlicher oder bräunlicher
Farbe. Die dachziegeligen, gekielten,
häutig berandeten Hüllkelchblättchen
tragen auf dem Bücken kleine goldgelbe
DrüseD ; die unteren sind kürzer als
— Geschmack unangenehm, wie der Geruch kampferartig gewürzig.
als
Fig.
a Levantischer,
c u. d berberischer Wurmsamen,
a — c vergr.
die inneren. (Fig. 522 a)
590
Verwechslungen : 1. Der ostindische Wurm samen (Fig.
522 b) ist breiter , durch schwache Behaarung glanzlos. 2. Der
berberische Wurmsamen (aus Nordafrika) ist halbkugelig, grau-
filzig. (Fig. 522 c, d.)
Bestandteile: Santonin, äther. Öl, Bitterstoff, Harz.
Anwendung: Zum Abtreiben der Spulwürmer.
b) Trugdolden oder Bispen.
Flores Koso. Kusso.
Hagenia aby ssinica (Brayera anthelminthica). (Kosa-
ceae). — Abyssinien.
Die in Bündeln
verpackten weib-
lichen Blüten-
rispen, welche sehr
verzweigt, zottig be-
haart und vielblütig
sind. Die rundlichen
Deckblättchen, sowie
die äusseren Kelch-
blätter (Fig. 523 a, b, c)
zeichnen sich durch
häutige Konsistenz,
blass rötliche oder
grünliche Färbung
und feines Adernetz
aus. — Geschmack
widerlich und krat-
zend bitter ; Geruch
eigentümlich.
Verwechslung: Die männlichen (nicht offizinellen) Rispen
sind weniger rötlich, weil bei ihnen die äusseren Kelchblätter
sich nicht vergrössern.
Bestandteile: Kossin.
Anwendung: Zur Abtreibung des Bandwurms.
Flores Sambuci, Hollunderblumen.
Sambucus nigra. (Caprifoliaceae). — Europa.
Fünfstrahlige, reichblütige Trugdolden mit kleinen,
fünfmännigen, gelblichweissen, radförmigen Blüten (Vgl. Fig.
395). — Geschmack bitterlich; Geruch eigentümlich.
Verwechslung: Sambucus Ebulus hat drei strahlige Trug -
dolden und violette Staubbeutel.
Bestandteile: äther. Öl.
Anwendung: Als schweisstreibendes Mittel, zu Aqua Sambuci,
Spec. laxantes.
Fig. 523.
A Flor. Koso, a Einzelne Blüte in natürl. Grösse,
b u. c dieselbe vergr., von oben resp. seitl. gesehen.
— 591 —
Flores Tiliae, Lindenblüten.
Tilia parvifolia und T. grandifolia. (Tiliaceae). — Europa.
Armblütige Trugdolden mit 3 — 7 vielmännigen , weiss-
lichgelbenBlüten; sie sitzen auf der Mitte eines papierartigen,
länglichen, gelbgrünlichen, netzaderigen Deckblattes. (Vgl.
Fig. 461.) — Geschmack süsslich; Geruch schwach.
Verwechslungen: Die Blüten von Tilia argentea (T. to-
mentosa) im südöstlichen Europa , unterscheiden sich durch ihre
etwas filzigen, nach vorn verbreiterten Deckblätter.
Bestandteile: Etwas äther. Öl, Gerbsäure, Zucker. — Man
bewahrt die Blüten in Blechkästen, nicht über ein Jahr, auf.
Anwendung: Als schweisstreibendes Mittel, zu Aqua T.
B. Einzelne Blüten.
a) Entwickelte Blüten, a) Gewürzige Blüten.
Flores Arnicae, Wohlverleihblumen.
Arnica montana. (Compositae Corymbiferae). — Europa.
Die einzelnen dottergelbenBlütchen, teils weibliche, zungen-
förmige Strahlblütchen mit dreizähniger Zunge, teils zwit-
terige, röhrenförmige Scheibenblütchen, alle mit haar-
förmiger, rauher, zerbrechlicher Feder kröne versehen. (Vgl.
Fig. 390.) Der Hüllkelch mit dem Blütenboden ist zu entfernen. —
Geschmack bitter, scharf; Geruch eigentümlich, zum Niesen reizend.
Verwechslungen: Ähnlich gefärbte Blüten, wie von Calendula
officinalis, Anthemis tinctoria, entbehren der Federkrone.
Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff, Harz.
Anwendung: Anregendes Mittel für das Nerven- und Gefäss-
System, äusserlich als zerteilendes Mittel zu Tinktur.
Flores Lavandulae, Lavendelblüten.
Lavandula vera. (Labiatae). — Südeuropa.
Die noch un aufgeschlossenen Blüten mit röhrigem, ge-
streiftem, violettem, zottig behaartem, ungleich fünfzähnigem
Kelche und zweilippiger, blauer Blumenkrone. — Geschmack
und Geruch gewürzhaft.
Bestandteile:, äther. Öl.
Anwendung: Äusserlich zu Kräuterkissen, Räucherspezies,
Bädern, Spiritus Lavandulae, Aqua und Spec. aromaticae.
Flores Aurantii, Pomeranzenblüten.
Citrus vulgaris. (Aurantiaceae). — Südeuropa.
Kelch klein, fünfzähnig; Blumenblätter 5, länglich, drüsig
punktiert, etwas fleischig, weiss; Staubgefässe zahlreich, mehrbrüderig;
Stempel 1. Geschmackund Geruch sehr angenehm, verschwindet beim Trocknen.
Bestandteile: äther. Öl.
Anwendung: frisch zur Destillation von Aqua und Oleum fl. Aurantii.
592
ß) Gewürzlose Blüten.
Flores Malvae vulgaris, gemeine Malvenblüten.
Malva silvestris. (Malvaceae). Europa. —
Kelch doppelt: der äussere dreiblätterig, der innere fünf-
spaltig; Blume fünfblätterig , lilablau (im frischen Zustande
rosenrot), viermal länger als der Kelch. Staubgefässe ein-
brüderig. (Vgl. Fig. 457.) — Geschmack schleimig.
Verwechslungen: Die Blumen von Mal va vulgari s (M.
rotundifolia) sind höchstens doppelt so lang als der Kelch.
Bestandteile: Schleim.
Anwendung: Zu Gurgelwasser, Thee und dergl.
Flores Malvae arboreae, Stockrosen.
Althaea rosea. (Malvaceae). — Europa.
Kelch doppelt: äusserer und innerer 5— 7spaltig; Blume fünf-
blätterig, schwarzbraun, nicht selten gefüllt, gross (etwa 5 cm Staub-
gefässe einbrüderig. (Vgl. Fig. 459.) — Geschmack schleimig, etwas herbe.
Bestandteile und Anwendung: wie bei vorigen.
b) Blütenknospen.
Caryophylli, Gewürznelken.
Eugeniacaryophyllata (Caryophyllus aromaticus). (Myr-
taceae). — Ost- und "Westindien.
Ein cylindrischer , fast vierkantiger Unterkelch, in vier
Kelchzipfel endend, oft noch mit den kugelig geschlossenen,
leicht abfallenden Blumenblättern versehen; von brauner Farbe,
schwerer als Wasser, beim Drücken mit dem Fingernagel äther.
Öl abgebend. — Geschmack und Geruch stark gewürzig.
Verfälschung: Die bereits abdestillierten Gewürznelken sind
leichter, schwimmen auf dem Wasser (quer, nicht mit dem Köpf-
chen nach oben) und lassen beim Drucke mit dem Fingernagel
kein ätherisches Öl austreten, sind aber häufig, des bessern Aus-
sehens wegen, mit fettem Öl abgerieben („feuchte" Gewürznelken).
Eingeschrumpfte Ware ist geringwertig.
Bestandteile: äther. öl (mit Nelkensäure), Gerbsäure.
Anwendung: Als Gewürz, zu Zahnmitteln; zu Oleum Car.,
eingehend in viele gewürzigen Auszüge.
G. BlumenJcronen.
Flores Verbasci, Wollblumen.
Verbascum thapsiforme und V. phlomoides. (Scro-
phularinae). — Europa.
— 593 —
Fast regelmässige, rad förmige, fünfspaltige, einen Zoll
im Durchmesser messende, goldgelbe Blumen, denen fünf Staub-
gefässe aufsitzen, drei kürzere, weisswollig behaart, die
beid en längeren kahl und mit lang herablaufenden Staub-
beuteln versehen (Tgl. Fig. 374). — Geschmack schleimig, süsslich^
Geruch schwach.
Verwechslungen: Verbascum Thapsus und Y. Lych-
n i ti s haben zwar auch weisswollige Staubfäden , aber nur halb
so grosse Blumen, deren Staubbeutel nicht herablaufen. Bei V.
nigrum ist die Staubfadenwolle violett.
Bestandteile: Zucker, Gummi, Salze. — Man bewahrt die
Blüten in Blech oder Glas.
Anwendung: Als Thee gegen Husten, zu Species pectorales.
Flores Primulae. Schlüsselblumen.
Primula officinalis (Primulaceae). — Europa.
Trichterige, zolllange Blumen, von citronengelber Farbe, innen
im Schlünde vor den 5 Zipfeln mit 5 safrangelben Flecken; 5 Staub-
gefässe tragend. — Geschmack süsslich ; Geruch honigartig, nach dem Trocknen
fast verschwunden.
Verwechslung: Primula elatior trägt gelbe Blumen mit flachem
(nicht konkavem) Saume, ohne die safrangelben Flecken.
Bestandteile: äther. Oel.
Anwendung: als Thee für Brustkranke u. a.
Flores Rosae, Rosen.
Rosa Centifolia. (Rosaceae). — Europa.
Verkehrt-eiförmige, ausgerandete , blassrötliche
Blumenblätter. — Geschmack herbe; Geruch duftend.
Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure.
Anwendung: Getrocknet (in Blechbüchsen aufbewahrt) zu Mel
rosatum, als adstringierendes Mittel.
Flores Rhoeados, Klatschrosen.
Papaver Rhoeas. (Papaveraceae). — Europa.
Rundliche, bis 2 Zoll breite, frisch scharlachrote, getrock-
net schmutzig purpurne, schwarzbenagelte Blumenblätter. — Ge-
schmack schwach bitterlich; Geruch nach dem Trocknen verschwunden.
Verwechslung: Die Blumenblätter von Papaver Argemone sind
viel schmaler und von hellerer Farbe.
Bestandteile: Farbestoff, Schleim.
Anwendung: Frisch zu Syrupus Rhoeados.
D. Narben.
CroCUS, Safran.
Crocus sativus. (Irideae). — Südeuropa; auch in Frank-
reich (Gatinais bei Orleans) kultiviert.
Etwa zolllange, fast rinnige, nach der Spitze zu verbrei-
terte und gekerbte Narben, von dunkel orangeroter
Schlickum, Apothekerlehrling. 38
- 594
Farbe, zu drei dem gelben Griffel aufsitzend (Fig. 524).
Geschmack bitterlich; Geruch stark; beim Kauen
färbt sich der Speichel gelbrot. — Man bewahrt den
Safran in Blechbüchsen ; an der Sonne bleicht er. Sein
Auszug (1 : 10) erteilt noch 10 000 Teilen Wasser eine
gelbe Farbe.
Verfälschungen: 1. Bereits ausgezogener
Safran, kenntlich an schwächerem Geruch und ge-
ringerem Farbevermögen; 2. zu starke Beimischung
Fig. 524. des gelben Griffels (sog. Feminell); 3) Narben
Crocus. ancierer Crocus- Arten, an den Spitzen zu er-
kennen; 4) Kunstprodukte, z. B. fein zerschnittene Blumen-
blätter des Safflors, Granatbaums u. a., beim Aufweichen in
"Wasser leicht zu erkennen; 5) getrocknete Fleischfasern.
Bestandteile: äther. öl; Farbestoff (Polychroit).
Anwendung: Krampfstillen d7 zu Syrup und Tinktur, ein-
gehend in Empl. oxycroceum, Tinct. Opii crocata u. a. m.
Schlüssel zur Bestimmung der officinellen Blüten.
B.
I. Blütenköpfchen.
A. Mit weissen Strahlblütchen.
a) Blütenboden kegelig, hohl, nackt ....
b) Blütenboden gewölbt, markig, spreublätterig
a) Körbchen gefüllt
ß) Strahl arrnblütig
ohne Strahl, kahl, klein, geschlossen ....
II. Blüten in Trugdolden oder Rippen.
A. Blütenstiele dem Deckblatte aufsitzend . . .
B. Blütenstand ohne Deckblatt.
a) Trugdolde fiinfstrahlig, mit weissen Blüten Fl
b) Rispe mit rötlichen, netzaderigen Blüten Fl,
III. Blüten einzeln, ganz.
A. Blume weiss, fünfblätterig FL
B. Blume orangerot , teils zungenförmig , teils
röhrig, klein, Pappus haarig Fl.
C. Blume blau.
a) Kelch violettblau, gestreift, walzenförmig
b) Kelch doppelt, grün
D. Blume schwarzpurpurn, Kelch doppelt . .
IV. Blumen ohne Kelch.
A. Gelbe, 5 Staubgef. tragende Blumen.
a) Blume fünfteilig, mit sehr kurzer Röhre
b) Blume walzenförmig, trichterig ....
B. Einzelne Blumenblätter.
a) Blume tiefrot Fl.
b) Blume rosenrot Fl
Fl. Chamomillae vulg.
Chamomillae Rom.
Millefoln.
Cinae.
Fl. Tiliae.
Fl.
Fl.
Fl.
Sambuci.
Koso.
Aurantii.
Arnicae.
Lavandulae.
Malvae vulg.
Malva arboreae.
Fl.
Fl.
Verbasci.
Primulae.
Rhoeados.
Rosae.
595
10. Die offizinellen Früchte (Fructus) und Fruchtteile.
A. Trockene Früchte.
a) Spaltfrüchte der Umbelliferen.
S p al t f r ü ch t e , aus zwei S chli e s sf r üc h t en bestehend,
welche an einem zweispaltigen, fädlichen Fruchtstielchen aufgehangen sind.
In jeder Teilfrucht ist ein Same mit der, Fruchtschale verwachsen. Jede
Teilfrucht zeigt 5Hauptrippen (costae), zwischen denselben 4 Furchen
oder Thälchen (sulcus, valleculae), unter deren Oberfläche häufig Ölkanäle,
sogen. Ölstrieinen (vittae), verlaufen und auf dem Querschnitte erkannt
werden.
Fructus Anisi vulgaris, Anis.
Pimpinella Anis um. (ümbelliferae). — Europa.
Kleine (2 mm grosse), eiförmige, grauflaumhaarige
Spaltfrüchte, deren stumpfrippige Teilfrüchte gewöhnlich zusam-
menhängen. — Geschmack und Geruch süss ge würz haft.
Bestandteile: ätherisches Öl (in den Ölstriemen), fettes Öl
(im Samen-Eiweiss).
Anwendung: Zu Spec. pectorales und Spec. laxantes, sowie
zu Oleum Anisi, welches eingeht in Liquor Ammonii anisatus
und Tinct. Opii benzoica.
Fructus Carvi, Kümmel.
Carum Carvi. (ümbelliferae). — Europa.
Längliche (4 mm lange), meist in ihre Teilfrüchte zerfallene
Spaltfrucht mit weisslichen, fadenförmigen Rippen und brau-
nen Furchen, in welchen je eine Ölstrieme liegt. — Geschmack
und Geruch gewürzig.
Bestandteile: äth. Öl (in den Ölstriemen), fettes Öl (im Samen).
Anwendung: Zu Oleum Carvi.
Fructus Foeniculi, Fenchel.
Foeniculum capillaceum (F. officinale). (ümbelliferae).
— Südeuropa.
Längliche (4mm lange), grünliche oder bräunliche,
meist in ihre Teilfrüchte zerfallene Spaltfrucht, mit hellen,
scharfen Rippen. — Geruch und Geschmack ge würz haft.
Bestandteile: äth. Öl (in den Ölstriemen), fettes Öl (im Samen).
Anwendung: Als blähungtreibendes Mittel, zu Aqua, Oleum,
Syrupus Foeniculi.
Fructus Phellandrii, Wasserfenchel.
Oenanthe Phellandrium. (ümbelliferae). — Europa.
Längliche (4 mm lange), deutlich mit den Kelchzähnen
38*
- 596 —
gekrönte, stielrunde, meist nicht gespaltene, stumpfrippige,
braune Spaltfrüchte. — Geschmack bitterlich, wie der Geruch
unangenehm ge würz ig.
Verwechslungen: 1. Cicuta virosa (Wasserschierling) hat
grünliche, mehr kugelige Früchte. 2. Sium latifolium mit
eiförmigen, grünen Früchten. Beide Pflanzen haben mit Oenanthe
Phellandrium gleichen Standort.
Bestandteile: äther. Öl (in den Striemen), fettes Öl (im Samen.)
Anwendung: Gegen Husten.
Fructus Petroselini, Petersiliensamen.
Petroselinum sativum. (Umbelliferae.). — Europa.
Kleine (1 — 2mm lange) einförmige, grünliche, meist in die Teil-
früchte gespaltene Früchte, mit fädlichen, helleren Rippen und ein-
striemigen Furchen. — Geschmack und Geruch stark gewürzig.
Bestandteile: äth. Öl (in den Striemen), fettes Öl (in den Samen).
Anwendung: als blähung- und urintreibendes Mittel, zu Aqua P.
Fructus Coriandri , Koriander.
Coriandrum sativum. (Umbelliferae.) — Südeuropa.
Kugelige, gelbliche, sich meist nicht spaltende, innen hohle
Früchte mit vielen schwachen Rippen. — Geschmack süsslich, wie der Ge-
ruch gewürzig.
Bestandteile: äth. Öl (in den Striemen) fettes Öl (in den Samen).
Anwendung: als blähungtreibendes Mittel.
b) Nussfrüchte.
Fructus Cannabis, Hanfsamen.
Cannabis sativa. (Urticaceae). — Europa.
Eiförmige, etwas gekielte, kahle und glatte, glänzende
grünliche, weissgeaderte einsamige Nüsschen. Die zerbrechliche
Schale birgt einen öligen Kern von süssem Geschmacke.
Bestandteile: fettes Öl, Zucker, Eiweiss (im Samen).
Anwendung: zu Emulsionen.
c) Hülsen.
Fructus Ceratoniae, Johannisbrot.
Ceratonia Siliqua. (Caesalpiniaceae). — Südeuropa.
Flache, auf dem Querschnitt vierkantige, verlängerte, kastanien-
braune, glänzende Hülsen, deren Mittelschicht fleischig ist und in
Querfächern die Samen einzeln birgt. Samen sehr hart, glänzend braun.
— Geschmack süss; Geruch nach Buttersäure.
Bestandteile: Zucker (über 5 °/0 in der Mittelschicht), Buttersäure.
d) Kapselfrüchte.
Fructus Papaveris immaturi, Mohnköpfe.
Papaver somniferum. (Papaveraceae). — Europa.
Die unreifen, walnussgrossen, fast kugeligen Kapseln,
gekrönt mit vielstrahliger, s childstieliger Narbe, unter
der sie in Löchern aufspringen; blaugrün, kahl. Die vielen
— 597 —
kleinen Samen sitzen an zahlreichen , flügelartig in die Höhlung
hineinragenden, wandständigen Samenleisten, — Geschmack wider-
lich bitter; Geruch frisch schwach narkotisch.
Bestandteile: Spuren von Opiumbestandteilen.
Anwendung: Als beruhigendes, einschläferndes Kindermittel,
zu Syrupus Papaveris.
Fructus Vanillae, Vanille.
Yanilla planifolia. (Orchideae). — Mexiko und nördliches
Südamerika.
Die noch nicht völlig reifen, etwas fleischigen, ver-
längerten, dreiseitig zusammengedrückten, gestreiften Kap-
seln von schwarzbrauner Farbe, oft mit kleinen, weissen
Krystallen (Yanillin) bedeckt (beste Sorte !). Innen ist die Frucht
mit einem dicken Mus erfüllt, welches von sehr angenehmem
Geruch und Geschmack und aus unzähligen, winzigen, schwar-
zen Samen gebildet ist, die durch eine dünne Balsamschicht
aneinander kleben.
Zu verwerfen sind die noch ganz unreifen , dünnen , sehr
trocknen, sowie die völlig reifen und bereits zweiklappig aufge-
sprungenen, auch die mit Perubalsam oder öl abgeriebenen Früchte.
Von geringerem Werte sind die kurzschotigen Sorten, zu denen
die Guayra- oder Pompona-Vanilla zählt, von stärkerem,
aber weniger feinem Gerüche.
Bestandteile: Vanillin*) (Riechstoff der Vanille), fettes Öl.
Anwendung: Als Gewürz, sowie Aphrodisiacum, zu TincturaV.
Fructus Cardamomi (minoris), (kleiner) Kardaniom.
Elettaria Cardamomum. (Scitamineae). — Ostindien (Ma-
labarküste.)
Ovale, etwa 1 — 2 cm lange, stumpf dreikantige, gestreifte
Kapseln mit strohgelber, papierartiger Fruchtschale, welche
in drei Fächern etwa 5 — 6 kleine, stumpfkantige, runzlige,
braune Samen birgt. (Fig. 525.) Nur die Samen besitzen einen
stark gewürzigen Geruch und Geschmack.
Verwechslungen: 1. Der runde Kardamom (von Amomum
Cardamomum) aus Siam in Hinterindien , von der Grösse des
kleinen Kardamom, aber rundlich, so breit wie lang. (Fig. 526.)
2. Der Javanische Kardamom (von Amomum inaximum),
ist rundlich, von brauner Farbe und 2—3 cm gross. (Fig. 527.)
3. Der lange oder Zeylon-Kardamom (von Elettaria major)
ist bis 4 cm lang, graubraun und samenreich. (Fig. 528.)
*) Es ist geglückt, aus dem im Kambiumsafte der Fichten enthaltenen
Coniferin durch oxydierende Mittel Vanillin künstlich darzustellen.
— 598
Fig. 525.
Kleiner Kardamom.
Fig. 526.
Runder Kardamom.
Fig. 527. Fig. 528.
Javanischer Kardamom. Langer Kardamom.
Wegen dieser Verwechslungen dürfen die Samen nicht aus
den Kapseln herausgenommen gekauft werden.
Bestandteile: äther. und fettes Öl.
Anwendung: Als Gewürz zu Electuarium Theriaca, Tinctura
aromatica und Tinctura Rhei vinosa.
Fructus Sabadillae, Sabadillsamen.
Sabadilla officinalis. (Colchicaceae).
Mexiko.
Eine aus drei, oben klaffenden
Karpellen bestehende Frucht mit papier-
artiger, blassbrauner Fruchtschale, welche
länglich gebogene, braunschwarze, etwa
V2 cm lange Samen (Fig. 529 c) enthält. —
Geschmack der Samen sehr bitter und an-
B. Querschn. dexa., c Ein Same, haltend scharf; Geruch fehlt.
Bestandteile: Veratrin, Sabadillin, fettes Öl, Harz.
Anwendung: zur Darstellung des Veratrins.
Fructus Anisi stellati, Sternanis.
Illicium anisatum. (Magnoliaceae). — China und Cochinchina.
Meist zu 8 sternförmig gruppierte Fruchtkarpelle, kahnförmig
zusammengedrückt und an der oberen Naht (Bauchnaht) geöffnet, ein-
samig. Die Aussenschale ist graubraun, runzelig; die Innenschale
glatt; der Same kastanienbraun, glänzend, mit spröder Samenschale und
öligem Kern. — Geschmack süsslich ; Geruch anisartig.
Verwechslung: Die ganz ähnlichen , aber giftigen Früchte von
Illicium religiosum in Japan , die sogen. Sikimifrüchte,
schmecken nicht süss aromatisch, sondern bitterlich, etwas nach Kubeben.
Bestandteile: äth. Öl (in der Fruchtschale), fettes Öl (im Samen).
Anwendung: wie der Anis.
Fig. 529.
A Fruct. Sabadillae ;
— 599
B. Fleischig-saftige Früchte.
a) Saftlose Beeren.
FructllS Capsici, spanischer Pfeffer.
Capsicum an nimm und C. longum. (Solanaceae). —
Tropisches Amerika,
Kegelförmige, fingerlange, rote, glänzende, trockene
Beeren, innen hohl und unvollständig 3 — 4fächerig, mit zahl-
reichen, flachen, gelblichen Samen. Fruchtschale lederig, von stark
brennendem Geschmack, gepulvert Niesen erregend.
Verwechslungen: Der Cayennepfeffer (von Capsicum fru-
tescens u. a. A.) ist ähnlich, aber nur zolllang.
Bestandteile: Capsicin (scharfes Öl).
Anwendung: Als starkes Eeizmittel für die Verdauungs-
organe und Harnwege; äusserlich als Tinctüra Capsici gegen Prost
und Zahnschmerzen.
Fructus Colocynthidis, Koloquinten.
Citrullus Colocynthis (Cucumis Colocynthis). (Cu-
curbitaceae). — Syrien und Egypten.
Apfelgrosse, kugelige Beeren, deren goldgelbe Aussenschale
entfernt worden, mit schwammigem, trocknem, leichtem,
weissem Fleische von sehr bitterem Geschmacke; mit zahl-
reichen, flachen, gelblichen Samen an wandständigen Samenträgern.
Da die Samen wenig wirksam sind, werden sie vor dem Gebrauche
entfernt und die samenarmen, fleischreicheren Früchte vorgezogen
(sog. egyptische Koloquinten).
Bestandteile: Colocynthin (Bitterstoff), Harz.
Anwendung: Als drastisches Mittel, zu Extrakt und Tinktur.
b) Fleischfrüchte.
Caricae, Feigen.
Ficus Carica. (Urticaceae). — Südeuropa.
Birnförmige, fleischige Fruchtbehälter, die im Innern zahl-
reiche, kleine Steinfrüchtchen enthalten.
Handelssorten: 1 Smyrnaer Feigen, in Schachteln ver-
packt, gross, sehr fleischig und sehr süss. 2. Kranzfeigen, aus Morea,
auf Bastbänder gereiht und platt gedrückt , weniger süss , aber haltbarer.
Bestandteile: Fruchtzucker , womit sie sich beim Lagern über-
ziehen.
c) Steinfrüchte.
Cubebae, Kubeben.
Cubeba officinalis. (Piperaceae). — Java.
Getrocknete, pfeffergrosse, fast kugelige, einsamige Stein-
früchte, welche unten in einen % cm langen, die Frucht
— 600 -
anLänge übertreffenden Frucht-
stiel auslaufen, welcher sich nicht ab-
lösen lässt. Die Fruchtschale ist grau-
braun, netzig runzlig. (Fig. 530.) —
Geschmack brennend; Geruch gewürz-
Fig. 530. Fig. 531. haft.
_ a Kubebe; Kreuzdorn- Verwechslungen: 1. Eine verwandte
bim Längsschnitt beeren. ^ Cubeba canina, trägt kleinere,
weniger runzlige, kürzer gestielte, mehr anisartig riechende Früchte.
2. Die Kreuzdornbeeren (Fig. 531) ähneln entfernt, enthalten
aber 4 Steine und tragen einen ablösbaren Stiel.
Bestandteile: äther. Öl, Kubebensäure (der wirksame Be-
standteil), Cubebin (dem Piperin ähnlich, kristallinisch, geruch-
und geschmacklos).
Anwendung: Gegen Gonorrhöe, zu ätherischem Extrakte.
Fructus Rhamni catharticae, Kreuzdornbeeren.
Rhainnus cathartica. (Rhamneae). — Europa.
Kugelige, schwarze Beeren, von der Grösse der Schlehen,
mit violett-grünem Safte und vier stumpf-dreikantigen Stein-
kernen. — Geschmack süsslich bitter.
Verwechslungen: Die ähnlichen Beeren von Rhamnus Fran-
gula (Faulbaum) besitzen nur 2— 3 Steinkerne. Die Liguster-
beeren, mit violettem Fleische, enthalten keine Steinkerne.
Bestandteile: Farbstoff, Cathartin (der abführende Stoff der
Sennesblätter), Zucker, Fruchtsäuren.
Anwendung: Frisch und reif zu Syrupus Rhamni.
Cerasa acida, Sauerkirschen.
Prunus Cerasus, "Var. austera, die Morellenkirsche
(Amarelle). (Amygdaleae). — Europa.
Kleine Kirschen von dunkelroter Farbe, mit dunkel-
purpurnem, bitterlich saurem Safte.
Bestandteile: Zucker, Fruchtsäuren.
Anwendung: Frisch zu Syrupus Cerasi.
Fructus Lauri, Lorbeeren.
Laurus nobilis (Laurineae). — Südeuropa.
Ovale, kirscbgrosse , braunschwarz e Steinfrüchte, mit
eingetrockneter, runzliger, dünner Fleischschicht, papier-
artiger, braunroter Steinschale und einem leicht in beide
fleischige Samenlappen zerfallenden Samenkern. — Ge-
schmack bitter, ölig; Geruch gewürzhaft.
Bestandteile: äther. und fettes Öl (im Samen).
Anwendung: Als magenstärkendes Mittel.
- 601 —
Fructus Sambuci, Hollunderbeeren.
Sambucus nigra. (Caprifoliaceae). — Europa.
Schwarze, glänzende, kugelige Beeren , mit dunkel vio-
lettrotem Saft und. 3 Samen auf fünfstrahliger Trugdolde. Geschmack
süss-säuerlich ; Geruch eigentümlich.
Verwechslung: Die ähnlichen Beeren von Sambucus E b u-
1 u s stehen auf dreistr ah liger Trugdolde.
Bestandteile: Farbestoff, Zucker, Apfelsäure.
Anwendung: zu Succus Sambuci inspissatus.
d) Saftige Beeren.
Fructus Juniperi, Wacholderbeeren.
Juniperus communis. (Coniferae). — Europa.
Kugelige, erbsengrosse , an der Spitze dreihöckerige
(herrührend von den 3 verwachsenen Karpellblättern), schwarze,
graublau bereifte, dreisamige Scheinbeeren. Samen
hart, dreikantig, mit öldrüsen besetzt. — Geschmack süsslich bit-
terlich; Geruch gewürzhaft. — Die noch unreifen, grünen,
beim Trocknen grau oder rot werdenden Früchte sind zu verwerfen.
Bestandteile: äth. Öl (in den Samen), Zucker (im Fruchtfleisch).
Anwendung: Harn- und schweisstreibend; zu Räuche-
rungen. Liefern Succus Juniperi inspissatus, Ol. und Spir. Juniperi.
Poma acida, saure Äpfel, Holzäpfel.
Pirus Malus. (Pomaceae). — Europa.
Saure Äpfel, am besten von dem wilden Apfelbaum, sog.
Holzäpfel.
Bestandteile: Zucker, Äpfelsäure.
Anwendung: Frisch zu Extractum Ferri pomatum.
Fructus Rubi Idaei, Himbeeren.
Eubus Idaeus. (Rosaceae). — Europa.
Eine aus zahlreichen Steinfrüchtch en zusammengesetzte
Beere, vom schwammigen Blütenboden sich leicht ablösend; von
hellroter Farbe und eben solchem Safte. — Geschmack süss-
säuerlich; Geruch duftend.
Bestandteile: Zucker, äther. Öl, Fruchtsäure.
Anwendung: Frisch zu Syrupus und Aqua Rubi Idaei.
Fructus Aurantii immaturi, unreife Pomeranzen.
Citrus vulgaris. (Aurantiaceae). — Südeuropa.
Die unreifen, kugeligen, harten, runzligen, dun-
kelgrünen Früchte, von der Grösse einer Erbse bis zu der
einer Kirsche. Man verwendet die unreif vom Baume fallenden
Pomeranzen. — Geschmack bitter; Geruch gewürzig.
Bestandteile: Bitterstoff, äther. Öl.
Anwendung: Als magenstärkendes Mittel, zu Tinctura amara.
- 602 —
Fructus Citri, Citronen.
Citrus Limonum. (Aurantiaceae). — Südeuropa.
Länglich ovale , an der Spitze spitzenförmig genabelte,
10 — 12fächerige Beeren, deren gelbe Fruchtscbale durch zahlreiche
eingesenkte Öldrüsen runzlig erscheint und ein weisses, markiges Zellge-
webe umschliesst. Die Fächer sind mit einem sehr sauren, lockeren,
geruchlosen Brei erfüllt.
Bestandteile: äther. Ol (in der gelben Schale), Citronensäure
(im Fruchtbrei).
Anwendung: frisch zu Succus Citri und Syrupus Citri.
Fructus Myrtilli, Heidelbeeren.
Vaccinium Myrtillus. (Ericaceae resp. Vaccineae). — Europa.
Kugelige, erbsengrosse , durch den kreisrunden Kelchsaum
gekrönte, glänzend schwarze, trocken runzelige, mehrsamige Beeren,
mit blaupupurnem Fleische. — Geschmack säuerlich-süss, etwas herbe.
Bestandteile: Farbstoff, Zucker, Fruchtsäuren.
Anwendung: Gegen Durchfall.
G. Fruchtschalen.
Cortex fructus AurantÜ, Pomeranzenschale.
Citrus vulgaris. (Aurantiaceae). — Südeuropä.
Die in 4 elliptische Stücke gespaltene Aussen schale
der reifen Pomeranzen, aussen von gelbbrauner Farbe,
durch zahlreiche, eingesenkte Öldrüsen punktiert, innen mit einer
weissen, schwammigen, geschmack- und geruchlosen Markschicht,
welche vor dem Gebrauche abzuschälen ist. Alsdann heisst die
gelbe Aussenschicht Cort. Fr. Aurantii expulpatus (Flavedo
Aurantii). — Geschmack bitter; Geruch gewürzhaft.
Verwechslungen: 1. Die grünen Cu rassao-S chal en, von
einer in Westindien wachsenden Varietät des Pomeranzenbaumes,
sind zwar vorzüglich, aber im Handel meist durch eine grün-
schalige französische Spielart oder unreife Schalen ersetzt und
daher nicht anzuwenden. 2. Die Apfelsinenschalen sind mehr
orangerot und kaum bitter.
Bestandteile: Bitterstoff und äther. Öl (in der gelben Schicht).
Anwendung: Als verdauungsbeförderndes Mittel, zu Elixir
Aurantii comp., Extractum Syrupus und Tinctura cort. Aurantii.
Cortex fructus Citri, Citronenschale.
Citrus Limonum (Aurantiaceae). — Südeuropa.
Die in spiraligen Streifen abgeschälte Aussenschale
der reifen Früchte, aussen gelb, durch zahlreiche vertiefte Öl-
drüsen punktiert, innen weiss, schwammig. — Geschmack bitter;
Geruch schwach.
Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff.
Anwendung: Als Geschmackscorrigens beim Zittmannschen
Dekokt. Aus der frischen Schale wird in Italien Ol. Citri gepresst.
— 603 —
Cortex fructus Juglandis, grüne Walnuss-Schale.
Juglans regia. (Juglancleae). — Europa.
Die Fleischschicht der reifen Walnuss , aussen grün, innen
weisslich, etwas schwammig, die Haut bräunend. — Geschmack säuer-
lich, bitter, herbe; Geruch gewürzig.
Bestandteile: Farbstoff, Salze.
Anwendung: frisch zu Extractum nucum Juglandis.
D. Fruchtmus.
Pulpa Tamarindorum, Tamarindenmus.
Tamarindus Indica. (Caesalpiniaceae). — Ostiadien.
Ein braunschwarzes, mit papierartigen Querwänden und
kastanienbraunen, glänzenden, harten, vierkantigen Samen unter-
mischtes Fruchtmus, von einer krusten artigen Fruchtschale
eingeschlossen, welche entfernt wird. — Geschmack sauer, etwas
herbe; Geruch weinig.
Handelssorten: 1 . Die ostindischen Tamarinden, die beste
und ofüzmelle Sorte, von dunkler Farbe und stark saurem Ge-
schmacke. — Zu verwerfen sind: 2. Die egyp tischen Tama-
rinden, in braunen, flachen Kuchen; 3. die westindischen
Tamarinden, schmierig, hellbraun, weiss, mit Zucker versetzt und
dadurch oft in Gährung begriffen.
Verunreinigung: mit Kupfer. Man weicht das Mus in Wasser
auf, eine blanke Eisenklinge darf darin nicht kupferrot werden.
Bestandteile: Zucker, Citronensäure, Weinstein.
Anwendung: Als kühlendes und schwach abführendes Mittel,
gereinigt als Pulpa Tamarindorum depurata, zu Electuarium
e Senna und Serum Lactis tamarindin atum.
Schlüssel zum Bestimmen der offlzinellen Früchte.
(Einschliesslich der frisch gebrauchten.)
I. Fruchtstände.
Fleischfrucht, härtlicbe Früchtchen einschliessend Caricae.
IL Aus einer einzigen Blüte hervorgegangene Früchte.
A. Einsamige, samenähnliche Karpelle.
1. Frucht nüsschenartig , grünlich, glänzend . Fr. Cannabis.
2. Frucht in 2 Teilfrüchte zerfallend, rippig.
a) Frucht länglich, etwa 4 mm lang.
a) Frucht scbarfrippig, grünlichbräunlich Fr. Foeniculi,
ß) Frucht braun, mit helleren Rippen . Fr. Carvi.
y) Frucht braun , stumpfrippig , zu-
sammenhaltend Fr. Phellandrii.
b) Frucht einförmig, bis 2 mm lang.
a) Frucht grün, mit helleren Rippen . Fr. Petroselini.
ß) Frucht grau, flaumig, stumpfrippig . Fr. Anisi vulg.
c) Frucht kugelig, hohl, stumpfrippig gelb Fr. Coriandri.
— 604 —
B. Einsamige Früchte mit fleischiger Aussenschale.
1. Einfache Frucht (Steinfrucht).
a) Frucht kugelig, erbsengross, netzigrunzlig,
gestielt Cubebae.
b) Frucht oval, braun, glänzend, runzlig . Fr. Lauri.
2. Zusammengesetzte Frucht, aus sternförmig
gruppierten Karpellen Fr. Anist stellatL
C. Mehrsamige Früchte.
1. Schotenartige (hülsenartige) Früchte.
a) Flach vierkantige, glänzendbraune, etwas
fleischige Hülsen Fr. Ceratoniae.
b) Dreiseitig, lang und schmal, dunkelbraun Fr. Vanittae.
2. Ovale oder kugelige Kapseln.
a) Kugelig, blaugrün mit strahliger Narbe Fr. Papaveris.
b) Oval, strohgelb, gestreift, dreikantig . Fr. Cardamomi.
c) Eiförmig, bräunlich, aus 3 oben klaffen-
den Karpellen bestehend Fr. Sabadillae,
3. Beeren oder fleischige Früchte.
a) Trockene Beeren.
a) Kirschgross, hart, dunkelgrün . . . Fr. Aurantii immat.
ß) Apfelgross, geschält, innen schwammig Fr. Colocynthidis .
y) Kegelig, glänzendbraunrot Fr. Capsici.
b) Fleischige oder kugelige Beeren.
a) Mit der Kelcbnarbe gekrönt, rot-
saftig Fr. Myrtilli.
ß) An der Spitze dreihöckerig, dreisamig,
gewürzig Fr. Juniperi.
y) Am Grunde mit kreisförmiger Scheibe,
4 steinig, violettsaftig Fr. Rhamni. cath.
11. Die offizinellen Samen (Semina).
A. Eüveisshaltige Samen.
Sie enthalten neben oder in dem Eiweisskörper einen kleinen Keim.
a) Feingrubige Samen.
Semen Colchici, Zeitlosensamen.
Colchicum autumnale. (Colchicaceae). — Europa.
Fast kugelige, kleine, sehr harte, dunkelbraune, feingrubigeT
innen weissliche Samen, deutlich bespitzelt, etwas klebrig, aber
nach längerer Aufbewahrung beim Zusammendrücken in der Hand
nicht mehr aufeinanderhaftend. — Geschmack unangenehm bitter.
Bestandteile: Colchicin, fettes Öl.
Anwendung: Ein narkotisches Mittel gegen Rheumatismus;
zu Acetum, Yinum, Tinctura Colchici.
Semen Papaveris, Mohnsamen.
Papaver somniferum. (Papaveraceae). — Europa.
— 605
Kleine, nierenförmige, feingrubige, weissliche
Samen, von süss-öligem Geschmack.
Bestandteile: fettes Ol, Gummi.
Anwendung: Zu Emulsionen.
Semen Hyoscyami, Bilsensamen.
Hyoscyamus niger. (Solanaceae). — Europa.
Kleine, flache, fast nierenförmige, feingrubige, bräunliche
Samen, von bitterem, öligem Geschmack.
Bestandteile: fettes Öl, Hyoscyamin.
Semen Stramonii. Stechapfelsamen.
Datura Stramonium. (Solanaceae). — Europa.
Flache, nierenförmige, feingrubige, schwarze, innen weisse
Samen, von widerlich, bitterlichem Geschmack.
Bestandteile: fettes Öl, Daturin.
Anwendung: wie Stechapfelblätter, zu Tinktur.
b) Glatte, glänzende Samen.
Semen Lini, Leinsamen.
Linum usitatissimum. (Lineae). — Europa.
Eiförmige, flache, glänzende, kastanienbraune
Samen, welche im Wasser schlüpfrig werden und Schleim abgeben.
— Geschmack ölig, schleimig.
Beimischung: Die Spelzenfrüchte von Lolium arvense (Un-
kraut in den Leinfeldern) sind zu entfernen.
Bestandteile: .fettes Öl (im Kern), Schleim (in der Schale).
Anwendung: Ausserlich zu erweichenden Umschlägen.
c) Behaarte Samen.
Semen Strychni (Nuces
vomicae), Strychnossamen (Krä-
henaugen).
Strychnos Nux vomica.
(Strychnaceae). — Ostindien.
Elache, scheibenför-
mige, kreisrunde, zollbreite
Samen, mit centralem Nabel und
sehr dichter, seidenartiger,
kurz angedrückter und nach dem
Mittelpunkt gerichteter, gelb-
lich grauer Behaarung; Fig. 532.
von hornartiger Beschaffen- A Sem. Strychni; B im Längsschnitt;
heit, innen weiss und mit einer c ü* Querschnitt,
grossen Spalte. (Fig. 532.) — Geschmack höchst bitter.
Bestandteile: Strychnin und Brucin, Igasursäure.
Anwendung: In kleinen Gaben als Bittermittel zu Extrakt
und Tinktur ; in grösseren Mengen Starrkrampfund Tod hervorrufend.
- 606
B. Ehveisslose Samen.
Der Samenkern besteht nur aus dem Keim, mit fleischigen Samenlappen,
a) Über lKcm grosse Samen.
Amygdalae dulces, süsse Mandeln.
Amygdalus communis a) dulcis. (Amygdaleae). —
Südeuropa.
Eilängliche, etwas flache, braungelbliche, glanzlose
Samen , mit weissem , ölig-fleischigem , aus zwei grossen Samen-
lappen bestehendem Kerne, dessen Geschmack süss ölig ist.
Mit Wasser zerrieben geruchlos.
Bestandteile: Fettes Öl (45— 55°/0) Emulsin, Zucker.
Anwendung: Zu Emulsionen ; zu Oleum und Syrupus Amygd.
Amygdalae amarae, bittere Mandeln.
Amygdalus communis ß) amara. (Amygdaleae). —
Südeuropa.
Den süssen Mandeln völlig ähnlich, aber von bitterem Ge-
schmack und, mit Wasser zerrieben, nach Bittermandelöl riechend.
Bestandteile: Fettes Öl (30 — 40%) Emulsin, Amygdalin.
Anwendung: Als Zusatz zu Mandelemulsionen; zu Aqua
Amygd. amar.
Faba Calabarica, Calabarbone.
Physostigma venenosum (Papili-
onaceae). — Westküste Afrikas.
Längliche, schwach nierenförmige, etwas
flache, grosse, braune, etwas glän-
zende, körnig runzelige Samen, einer-
seits mit einer tiefen, randständigen
Längsfurche (Nabelstreifen) versehen -r
zwei weissliche, ovale Samenlappen ber-
gend (Fig. 533.) Geschmack fade.
Be standteile : Physostigmin (Eserin).
" " Anwendung: als verengernd wirkend
Fig. 533. auf die Pupille, Gegengift gegen Belladonna
Calabarbohne, A von der Seite und Atropin.
u. B vom Rande gesehen.
b) Samen von 1/s — 1/2 cm Grösse.,
Semen Faeni Graeci, Bockshornsamen.
Trigonella Faenum Graecum (Papilionaceae). — Europa.
Vierkantige, rautenförmige, gelbbräunliche, sehr harte
Samen, mit hakig gekrümmtem Keime, dessen Würzelchen
— 6G7 -
ausserlich deutlich hervortritt. — Geschmack bitter, schleimig;
Geruch nach Honigklee (Melilotus).
Bestandteile: Schleim, äther. Öl, Bitterstoff, Gerbsäure.
Anwendung: Zu Viehpulvern, namentlich für Schafe.
Semen Cydoniae, Quittensamen.
Cydonia vulgaris. (Pomaceae). — Europa.
Keilförmige, flache oder kantige, kastanienbraune, glanzlose
Samen, welche im Wasser stark aufquellen und dasselbe schleimig
machen. Sie kleben meist zu mehreren zusammen. — Geschmack
fade, etwas nach bitteren Mandeln.
Verwechslungen: Apfel- und Birnsamen sind glänzend, nicht zu-
sammenklebend.
Bestandteile: Schleim. .
Anwendung: zu Mucilago, Cydoniae.
c) Winzig kleine Samen.
Semen Sinapis, schwarzer Senf.
Brassica nigra. (Sinapis nigra) (Cruciferae). — Europa.
Winzige, kugelige, feingrubige, dunkelbraun-
rote, innen gelbe Samen, welche ein gelbgrünes Pulver
geben und gekaut anfänglich bitterölig, darauf brennend scharf
schmecken. Geruch des Samens erst beim Anrühren mit
Wasser scharf.
Verwechslungen: Die Rübsamen (von Brassica Rapa und
Br. Napus), wie auch die Samen der schwarzsamigen Varietät des
weissen Senfes (Sinapis alba), unterscheiden sich durch be-
deutendere Grösse und Glätte. Auch entwickeln sie mit Wasser
kein Senföl; ihr scharfer Geschmack rührt von Sinapin her.
Bestandteile: Myronsaures Kali, Myrosin, fettes Öl.
Anwendung: Zur Hautreizung als Sinapismus (Senfteig) und
Senfpapier; zu Oleum Sinapis und Spiritus Sinapis.
C. Samenkerne und Samenmantel.
Semen Myristicae (Nuces moschatae), Muskatnuss.
Myristica fragrans. (Myristicaceae). — Ostindien.
Ovale, aussen netzig runzlige, weissbestäubte, innen
blassbräunliche Samenkerne, deren bräunlicher Eiweisskörper von
der dunkel pomeranzengelben, dünnhäutigen, inneren Samenhaut
unregelmässig durchsetzt ist, sodass er auf dem Querschnitte
heller und dunkler braun marmoriert erscheint. — Geschmack
und Geruch stark gewürzig.
Verwechslungen: Die längeren und grösseren sog. männ-
lichen oder wilden Muskatnüsse (von Myristica fatua auf der
Insel Bourbon) sind im Aroma schwächer.
— 608 —
Bestandteile: Fettes und äther. Öl.
Anwendung: Als Gewürz und zu Oleum Nucistae, das
man in Ostindien auspresst und in viereckigen, von Pisangblättern
umwickelten Stücken nach Europa bringt.
Macis, Muskatblüte.
Der Samenmantel der Muskatnuss.
Eine eiförmige, am Grunde verwachsene und mit einem Loch
versehene, nach oben zerschlitzte, vielgestaltige Hülle,
welche den Samen mantelförmig umschliesst ; pomeranzengelb,
fettglänzend, hornartig zerbrechlich, dünn. — Geschmack
und Geruch gewürzig.
Bestandteile: Jettes und äther. Öl.
Anwendung: Als Gewürz, zu Oleum Macidis, das in
Ostindien destilliert wird.
Semen Quercus (Glandes Quercus), Eicheln.
Quercus pedunculata und Qu. sessiliflor a. (Cupuliferae). —
Europa.
Der aus der pergamentartigen Fruchtschale herausgenommene Samen-
kern, aus zwei grossen, plankonvexen, hellbraunen, fleischigen Samen-
lappen mit kleinem Keimling bestehend. — Geschmack zusammenziehend.
Bestandteile: Gerbsäure.
Anwendung: zu Sem. Quercus tostum (Eichelkaffee).
Schlüssel zum Bestimmen der offlcinellen Samen.
A. Winzig kleine Samen, nur 1 mm messend
a) Kugelig, braunrot Sem. Sinapis.
b) Flach, nierenförmig, feingrubig,
a) Weisslich, süss Sem. Papaveris.
ß) Graubräunlich, bitter Sem. Hyoscyamis.
B. Mittelgrosse Samen, 2 — 6 mm messend.
a) Braun.
a) Kugelig bespitzelt Sem. Colchici.
ß) Keilförmig, kantig Sem. Cydoniae.
y) Flach, glänzend Sem. Lini.
b) Gelb, vierkantig Sem. Faeni Graeci.
c) Schwarz, flach nierenförmig Sem. Stramonii.
C. Grössere Samen, 2 — 4 cm messend.
a) Flach, oval, glanzlos braun.
°0 Süss * Amygdalae clulces.
ß) Bitter Amygdalae amarae.
b) Flach, kreisrund, grauseidenhaarig . . . Sem. Stryehni.
c) Oval oder länglich, nicht flach.
a) Braun, glänzend, körnig , runzlig , einer-
seits am Rande rinnig Faba Caldbarica.
ß) Weiss bestäubt, netzigaderig .... Sem. Myristicae.
609
12. Offizinelle kryptogamische Gewächse.
A. Blattarüge Trieblager.
Liehen Islandicus, Isländisches Moos.
Cetraria Islandica. (Lichenes). — Nordeuropa.
Ein blattartiges, zerschlitztes, am Rande franziges, schwach
rinnen förmiges Trieblager, mit brauner, glänzender
Oberfläche, blasser und grubiger Unterfläche, im trocknen
Zustande starr und zerbrechlich, feucht zähe und weichlederig.
Mit Wasser gekocht liefert es beim Erkalten eine Gallerte. —
Geschmack bitter, schleimig.
Bestandteile: In der Markschicht Pflanzengallerte (sog. Flech-
ten stärke oder Lichinin), in der Rinden schiebt Cetrarsäure (bitter).
Anwendung: Gegen Brustleiden als Gallerte
Liehen Islandicus ab amaritie liberatus ist das
durch Mazeration mit kohlensaurer Kalilösung von der bitteren
,Cetrarsäure befreite isländische Moos.
B. Stengelige Trieblager.
Carrageen, Irländisches Moos.
Chondrus crispus und Gigartina mammillosa. (Algae).
— Küsten des atlantischen Ozeans.
Ein gabelästiges Trieblager, mit linealen oder keil-
förmigen Zipfeln, im trocknen Zustande knorpelig, gelb-
lichweiss, im Feuchten aufquellend und erweichend, mit Wasser
gekocht beim Erkalten gelatinierend. Das Lager der letztgenannten
Art ist rinnig, das der ersteren flach. — Geschmack schleimig,
etwas salzig.
Bestandteile: Gallerte (die Zellwände bildend).
Anwendung: Als Gallerte (Gelatina Carrageen) gegen Darm-
katarrh und Lungenschwindsucht.
Lamlnaria, Riementang.
Laminaria Cloustoni. (Algae). — Meeresgestade.
Sehr lange, fingerdicke, stielrunde, grob gefurchte
und runzlige, braune Stengel, von hörn artiger, kaum elasti-
scher Beschaffenheit , in Wasser bis zum Vierfachen aufquellend
und grün werdend. In den tieferen Furchen oft mit weissem
Seesalz überzogen.
Bestandteile: Gallerte (die Zellwände bildend).
Anwendung: Mechanisch als Sonde, zum Verstopfen oder
Erweitern von Öffnungen und Kanälen des Körpers.
Schlickum, Apothekerlehrling. 39
610
G. Pilzlager.
Secale cornutum, Mutterkorn.
Claviceps purpurea*). (Fungi). — Europa.
Stumpf dreikantige, 2 — 3 cm lange, etwas gekrümmfe,
matt schwarzviolette, innen weissliche Körper. An der
Spitze befindet sich ein weiches , schmutzig weisses Anhängsel
{sog. Mütze) , welches aber meist abgefallen ist. — Geschmack
schwach, unangenehm; Geruch eigentümlich.
Man bewahrt es, wegen Eanzig-
werden des Öles, in Blech oder Glas-
gefässen auf und sammelt es, wenn
möglich, alljährlich frisch. Das Pulver
wird mittelst Äther entölt, wobei es ca.
30°/0 an Gewicht verliert.
Bestandteile: Ergotin und Ecbolin
(zwei Alkaloide) , Sclerotinsäure, Zucker
(sog. Muköse), fettes Öl (V3 Teil).
Anwendung: Gegen Blutungen, zur
Verstärkung der Wehen, als Extrakt und
Tinktur.
Fungus Laricis (Agaricum) , Lärchen-
schwamm.
ig. 5o4. . Polyporus officinalis. (Fungi). —
m -i -i <?g' Lan^1.s- Europa, an Lärchenbäumen sitzend. (Fig. 534.)
a Teil der Sporenschicht, vgr. Schwammig-faseriges, leichtes,
gelblichweisses, zerreibliches Gewebe des geschälten und der Sporen-
schicht beraubten Hutes. ■ — Geschmack süsslich, dann bitterlich.
Bestandteile: Harz ('/3 Teil), Fruchtsäuren.
Anwendung: Als drastisch purgierendes Mittel.
Fungus Chirurgorum, Wundschwanmi.
Polyporus fomentarius. (Fungi). — Europa (Böhmen,
Ungarn).
Eostbraune, weich faserige, lederig-zähe Stücke, ohne
Geschmack und Geruch. Sie werden zur Bereitung von Zunder
gesammelt, weich geklopft und häufig noch mit Salpeterlösung
getränkt. (Salpeterhaltiger Feuerschwamm sprüht beim Anzünden ;
er ist mit Wasser auszuwaschen und zu trocknen.)
Anwendung: Zum Blutstillen.
*) Die Lebensgeschichte dieses Pilzes s. § 413.
— 611
III. Zellige Pflanzengebilde,
deren morphologische Bedeutung schwer zu erkennen ist.
A. Ausivüchse des Pflanzenkörpers.
Gallae, Galläpfel.
Quercus Lusitanica, ß) infectoria. (Cupuliferae). —
Kleinasien.
Kugelige, warzig-stachelige Gebilde, welche an den
Blattknospen durch den Stich einer Gallwespe (Cynips Gallae
tinctoriae) als Auswüchse hervortreten , in ihrem Innern die Eier
der Wespe bergend;- später verlassen deren Larven die Galläpfel
durch ein Loch, das sie sich bohren.
Sie sind je nach ihrem Alter entweder graugrün, schwer,
hart und ohne Loch, oder rötlichgelb, leichter und mit einem
Loch (Flugloch des Insekts) versehen. — Geschmack stark
herbe; Geruch fehlt.
Verwechslung: Die deuts ch en, istrischen und griechi-
schen Galläpfel sind heller, leichter, ohne Höcker und ärmer an
Gerbsäure.
Bestandteile: Gallusgerbsäiire (bis 65%), etwas Gallussäure.
Anwendung: Als adstringierendes Mittel, technisch zur
schwarzen Tinte.
B. Mikroskopische Körnchen.
a) Sporen.
lycopodium, Bärlappsamen.
Lycopodium clavatum. (Lycopodiaceae). — Europa.
Sehr kleine, unter dem Mikroskop einer dreisei tigen Py-
ramide mit gewölbter Grundfläche ähnelnde, netzig
gerippte Körnchen (Fig. 535), welche ein höchstfeines"
leichtbew egliches, hellgelbes, geruch- und geschmackloses
Pulver bilden, auf dem "Wasser schwimmen, sich nur schwierig
davon benetzen lassen und, in eine Flamme geblasen, prasselnd,
aber ohne Rauch verbrennen. — Man sammelt sie im Spätsommer
durch Ausklopfen der Fruchtähren.
Fig. 535. Fig. 586. Fig. 537.
Lycopodium vergr. Kiefer-Pollen. Haselnuss -Pollen.
Verfälschungen: 1. Der Blütenstaub der Kiefer ist grün-
lichgelb , klümpert sich leicht und riecht beim Reiben terpentin-
39*
612
artig; seine Körner (Fig. 536) bestehen aus zwei, durch ein breites
Band verbundenen Knöpfchen. 2. Der Blütenstaub der
Ha«elnuss (Fig. 537) zeigt rundliche Körner mit mehreren
zitzenförmigen Hervorragungen. 3. Stärkemehl und Erbsen-
mehl entbehren der netzig runzeligen Oberfläche und nehmen
auf Zusatz von etwas Jodtinktur blaue Färbung an. 4. Sand,
Schwefel, Grips und dergl. setzen sich beim Schütteln mit Wasser
oder Chloroform zu Boden, während der Bärlappsamen schwimmt.
Bestandteile: Fettes Öl, Pollenin (90°/0).
Anwendung: Zum Bestreuen wunder Hautflächen, innerlich
in Emulsion gegen Blasenkatarrh.
b) Drüsen.
Glandulae Lupuli, Hopfenmehl, Lupulin.
Humulus Lupulus. (Urticaceae). — Europa.
Winzige Drüsen, welche auf der Bückseite der Deckblättchen
des Hopfen-Kätzchens sitzen; sie stellen ein etwas harziges, gold-
gelbes, später bräunlich werdendes Pulver dar und er-
scheinen unter dem Mikroskop von der Seite als
kreiseiförmige, vom Scheitel als halbkugelige, von
unten oft als eingestülpte Zellen , die mit einem
citronengelben Balsam erfüllt sind. (Fig. 538.)
— Geschmack bitter, Geruch gewürzig.
Bei längerer Aufbewahrung verharzen sie, werden
bräunlich und riechen käseartig; sie sind deshalb nicht über ein
Jahr und vor Licht geschützt aufzubewahren.
Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff, Harz.
Anwendung: Bei Blasenleiden, Neuralgien u. a.
Kamala, Kamala.
Mallotus Philippensis (Rottlera tinctoria) (Eu-
phorbiaceae). — Ostindien.
Ein schwach harziges, ge-
ruch- und geschmackloses, zie-
g e_lrotes Pul ver aus winzigen
Drüsen , welche auf der Frucht
der Pflanze sitzen und unter
dem Mikroskop als rundliche,
einerseits etwas abgeflachte Zellen
(Fig. 539 a) erscheinen, die innen
viele, von der Anheftungsstelle
aus divergierende, keulige, bal-
samführende Bläschen bergen.
Meist finden sich leichte gelbe
Sternhaare (b ) beigemischt,
Fig. 538.
Lupulin vergr.
Fig. 539. Kamala.
a Drüsen, b Stembaare vergr.
— 613 —
auch oft grössere Mengen eines roten Sandes; derselbe sondert
sich beim Vermischen mit Wasser von der auf diesem schwim-
menden Kamala.
Bestandteile: harziger Farbstoff, Rottlerin.
Anwendung: Als bandwurmtreibendes, zugleich abführendes
Mittel.
c) Stärkemehlkörper.
Amyium Tritici, Weizenstärke.
Triticum vulgare. (Gratnineae). — Europa.
Unregelmässige, kantige, weisse, glanzlose Stücke,
welche beim Zerreiben ein bläulichweisses, /%^\g/]Ä\
geruch- und geschmackloses Pulver liefern 0m^Qß(i^
und unter dem Mikroskope als flache, ^^
runde Scheibchen von sehr ver- Fig. 540.
schiedener Grösse erscheinen, an Weizenstärke vergr.
denen kaum eine Schichtung wahrgenommen werden kann.
(Fig. 540.) Mit 100 Teilen kochenden Wassers giebt die Stärke
einen dünnen Kleister, der durch Jodlösung gebläut wird.
— Man gewinnt sie aus dem Mehle des Samenkorns durch Ab-
schlämmen mit Wasser.
Verwechslung: Die Kar tof fels t ärk e (Fig. 544) besteht aus
eiförmigen, konzentrisch geschichteten Körnchen mit excentrischem
Mittelpunkt; sie giebt mit 10 Teilen verdünnter Salzsäure eine
nach frischen Bohnenhülsen riechende Gallerte.
Anwendung: Als Streupulver auf wunde Hautstellen, zu
Klystier u. a.
Amyium Marantae, Arrow-root.
Maranta arundinacea. (Marantaceae). — Westindien.
Ein feines, glanzloses, r einweisses Pulver, ohne Geruch und Ge-
schmack, unlöslich in kaltem Wasser, wie in Weingeist, mit 100 Teilen
kochenden Wassers einen dünnen , klaren Kleister bildend , der durch
Jodlösung gebläuet wird. Unter dem Mikroskop erscheinen die Körn-
chen oval oder eiförmig, mit konzentrischen Schichten und an
der breiteren Seite mit einer kleinen Querspalte oder einem Punkte
versehen. (Fig. 541.) Man gewinnt dieses Stärkemehl aus dem Marke
des Wurzelstocks durch Abschlämmen mit Wasser.
Verwechslungen: 1. Die Curcumastärke, sogen. Tikmehl (von
Curcuma leucorrhiza und C. angustifolia) aus Ostindien, besteht aus flachen,
eiförmigen, einerseits spitzen Körnchen, mit zahlreichen, konzen-
trischen Schichten und einem am spitzen Ende gelegenen excen>
trischen Punkte. (Fig. 542.) 2. Die Tapioka- oder Cassava-Stärke
(von Manihot utilissima), aus Brasilien, besteht aus zusammenhängenden
Körnchen, die beim Trocknen sich trennen und paukenförmig (einerseits
kugelig , andrerseits flach) erscheinen , mit konzentrischen Schichten und
einem centralen Punkte. (Fig. 543.) 3. Die Kartoffelstärke besteht
aus eiförmigen Körnchen mit konzentrischen Schichten und einem
excentrischen Punkte nach dem schmäleren Ende hin. (Fig. 544.)
— 614
Fig. 541.
Marantastärke, vergr.
Fig. 542.
Curcumastärke, vergr.
Fig. 543. Fig. 544.
Cassavastärke, vergr. Kartoffelstärke, vergr.
Schüttelt man das Arrow-root mit 10 Teilen verdünnter Salzsäure, so
scheidet sie sich wieder grösstenteils unverändert ab; Weizenstärke und
Kartoffelstärke geben damit eine Gallerte, die bei letzterer nach frischen
Bohnen riecht.
Anwendung: zur Nahrung kleiner Kinder.
Schlüssel zum Bestimmen der mikroskopischen Pflanzengebilde.
A. Pulver weiss, ohne Geruch und Geschmack, durch
Jodlösung blau werdend.
a) Körnchen eiförmig oder oval, geschichtet Amylum Marantae.
b) Körnchen scheibenförmig, undeutlich ge-
schichtet Amylum Tritici.
B. Pulver heller oder dunkler gelb.
a) Geschmack und Geruch fehlen .... Lycopodium.
b) Geschmack und Geruch gewürzig . . . Gland. Lupuli.
C. Pulver ziegelrot, geschmack- und geruchlos . . . Kamdia.
IV. Offizinelle Pflanzenprodukte ohne zelligen Bau.
A. Erhärtete Sekrete und Milchsäfte.
Produkte der Umbildung grösserer Zellpartien (im Baste der Gewächse),
aus Bissen uud Einschnitten der Rinde fliessend und an der Luft erhärtend.
a) Zuckerarten.
In Wasser völlig löslich und süss.
Manna. Manna.
Fraxinus Ornus. (Oleaceae). — Italien.
Handelssorten: 1. Röhren-Manna(.Mflm»m canellata seu electa)1
— 615 —
dreikantige oder rinnige Stücke, welche weisslich oder
gelblich, trocken, nur wenig klebrig und von rein süssem Ge-
schmacke sind.
2. Gemeine Manna (Manna Geracina seu communis), zu-
sam menklebend e, w eissliche oder bräunliche Klumpen
von süssem, schwachkratzendem Geschmacke.
3. Die (im Oktober gesammelte) fette Manna (Manna pinguis
seu de Puglia), eine schmierige, bräunliche, verunreinigte oder
gährende Masse von kratzendem Geschmacke, ist zu verwerfen.
Bestandteile: Mannit, Zucker, Gummi.
Anwendung: Als mildes Abführmittel, zu Syrupus Mannae,
und Infus. Sennae comp.
b) Gummiarien.
In Wasser zu einem Schleime löslich.
Gummi arabicum, arabisches Gummi.
Acacia Senegal. (Mimosaceae). — Nordafrika (am oberen Ml).
Kugelige Stücke, welche leicht in zahlreiche, scharf-
kantige, glas glänzende Stücke zerbrechlich, farblos oder
schwach gelblich, durchscheinend und von muscheligem Bruche
sind. Sie lösen sich in "Wasser völlig und klar auf. Geschmack
schleimig, fade.
Verwechslung: Das Senegalgummi aus Senegambien, ist
glanzlos, in Wasser gallertig löslich, zerbricht nicht in kleine
Stückchen und schmeckt sauer.
Bestandteile: Arabin, an Kalk (3%) gebunden.
Anwendung: Zu Mucilago Gummi arabicum (1 : 2), Mixtura
und Pasta gummosa, Pulvis und Syrupus gummosus.
Tragacantha, Tragant,
Astragalu s verus u. a. Arten dieser Gattung (Papilio-
naceae). — Kleinasien, Armenien, Persien.
Handelssorten: I. Smyrnaer Tragant aus Kleinasien,
bald flache, rundliche, spiralige oder halbmondförmige Platten
mit verdickten, konzentrischen Schichten — sog. Blät-
tertragant (aus Kleinasien); bald dünne, schmale, schnecken-
förmig gewundene Streifen — sog. faden- oder wurm förmig er
Tragant, beide von weisser oder weisslicher Farbe, glanzlos^
schwach durchscheinend.
2. Syrischer und persischer Tragant, in knolligen oder
traubenförmigen Stücken, von hellgelber bis rötlicher Farbe und
etwas glänzend. Der Tragant besitzt hornartige Beschaffenheit,
lässt sich schwierig pulvern, quillt in Wasser langsam auf, ge-
pulvert bildet er mit 50 Teilen Wasser einen gallertigen Schleim.
— 616 —
Verwechslungen: Der M orea-Tragant, aus Griechenland,
ist bräunlich und sehr unrein.
Bestandteile: Bassorin.
Anwendung: Zu Schleim als Bindemittel für Pillen, Pastillen.
c) Gummiharze.
Bestellend aus einem harzigen, in Weingeist löslichen, und einem
gummiartigen, in Wasser löslichen Bestandteile; in Weingeist nur teilweise
löslich, mit Wasser eine Emulsion gebend.
a) Aus der Familie der Umbelliferen.
Ammoniacum, Ammoniakgummi.
Doremaimmouia cu m. (Umbelliferae.) — Persien , Turkestan.
K, un d lieh e , erbsen- bis walnussgrosse Körner {A. in granis)
oder eine bräunliche Masse, in welcher derartige Körner
eingebettet liegen (A. in mussis); gelb bis bräunlich, auf
dem muscheligen Bruche o pal artig milch weiss fettglänzend ;
kalt spröde, in der Handwärme erweichend. — Geschmack bitter,
kratzend; Geruch eigentümlich.
Zu Ammoniacum d e p u r a t u m wird es entweder der
Prostkälte ausgesetzt oder über Kalk ausgetrocknet, dann gepulvert
und gesiebt.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummü
Anwendung: Äusserlich als zerteilendes Mittel, zu Emplas-
trum Ammoniaci und anderen Pflastern.
Galbanum, Mutterharz.
F e r u 1 a galbaniflua und F. r u b r i c a u 1 i s. (Umbelliferae.)
— Persien.
Erbsen- bis haselnussgrosse, rötlich- oder bräunlichgelbe
Körner {Gr. in granis), oder grünliche bis b las s braune
Massen, in denen solche Körper eingebettet liegen (Cr. in
massis); auf dem muscheligen Bruche opalartig gelblich, fett-
glänzend. In der Kälte spröde, in der Handwärme erweichend,
klebrig. Übergiesst man das Gummiharz mit Salzsäure, so färbt
sich dieselbe allmählich rot; mit "Wasser übergössen und mit einem
Tropfen Ätzammoniak versetzt, erzeugt es ein bläuliches Schillern.
— Geschmack bitter, brennend; Geruch balsamisch.
Zu Galbanum d epuratum wird es entweder der Frostkälte
ausgesetzt oder über Kalk ausgetrocknet, dann gepulvert und gesiebt.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummi.
Anwendung: Zu Emplastrum Galbani crocatum und anderen
Pflastern.
Äsa foetida, Stinkasant, Teufelsdreck.
Ferula Scorodosma und Ferula N arthex. (Umbelli-
ferae.) — Persien und Afghanistan.
— (517 —
Das aus der Wurzel quellende Gummiharz kommt teils als
rundliche, haselnussgrosse Körner (A. f. in granis), teils als
bräunliche Massen, in denen solche Körner eingebettet
liegen {A. f. in massis) zu uns; auf frischem Bruche opalartig
weisslich, fettglänzend, bald purpurrötlich anlaufend,
schliesslich braun. Kalt spröde, in der Handwarme erweichend
und klebrig. — Geschmack bitterlich, Geruch widrig, knoblauch-
ähnlich.
Zu Asa foetida depurata wird es entweder der Frostkälte
ausgesetzt oder über Kalk ausgetrocknet, gepulvert und gesiebt.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummi.
Anwendung: Als krampfwidriges, die Darmbewegung an-
regendes Mittel in Emulsion; äusserlich als verteilendes Mittel;
zu Empl. foetidum, Aqua foetida antihysterica, Tinct. Asae foetidae.
ß) Aus der Familie der TereMnthaceen,
Myrrha, Myrrhe.
Balsamea (Balsamodendron) Myrrha. (Terebinthaceae.) —
Südwest-Arabien und Ostspitze Afrikas (Somaliland).
Rundliche Stücke von verschiedener Grösse, aussen be-
stäubt, gelblich bis rötlich-braun, auf dem Bruche wachs-
glänzend , nur in Splittern etwas durchscheinend. Betupft man
die Myrrhe zuerst mit Weingeist und hernach mit Salpetersäure,
so nimmt sie eine violett rote Färbung an. — Geschmack
bitter; Geruch stark balsamisch.
Verfälschungen: 1. Das B d e 1 1 iu m (ein Harz von Balsamoden-
dron africanum) ist dunkelbraun und ohne die oben angegebene
Farbenreaktion mit Salpetersäure. 2. Kirsch- oder Pflaume n-
gummi, sowie dunkle Stücke Senegalgummi, sind durchschei-
nender, befeuchtet klebrig und in Wasser zu einem gallertigen
Schleim löslich.
Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummi (über 50°/0).
Anwendung: Innerlich als anregendes Mittel, zu Extrakt;
äusserlich zu Mund- und Zahnmitteln, als Tinktur.
Oübanum (Thus), Weihrauch.
Boswellia sacra. (Terebinthaceae). — Nordostspitze Afrikas (Somali-
land), von wo das Gummiharz über Ostindien nach Europa gelangt.
Rundliche, aussen bestäubte, weissliche, bräunlichgelbe oder
rötliche Körner von verschiedener Grösse, auf dem Bruche wachsartig,
kaum durchscheinend. Beim Erhitzen schmelzen sie mit balsamischem
Dufte. — Geschmack und Geruch balsamisch.
Verfälschungen: Fichtenharz (Thus communis) löst sich in
Weingeist völlig auf und verbreitet beim Schmelzen einen Terpentingeruch.
Sandarak ist auf dem Bruche glasglänzend und durchsichtig.
Bestandteile: äther. Ol, Harz, Gummi.
Anwenduno-: Zusatz zu einigen Pflastern.
618
y) Aus der Familie der Guttiferen.
Gutti, Gunrmigutt.
Gar ein ia Morella. (Guttiferae). — Hinterindien (Siani).
Cylindrische, aussen bestäubte Stücke (Röhrengutti),
oder Klumpen und Kuchen ohne bestimmte Form (Kuchen- oder
Schollengutti) j und von geringerer Güte, oft mit Holzstückchen
verunreinigt; pomeranzengelb, gepulvert citronengelb, hart,
spröde, mit glattem, wachsgiänzendem , breitmuscheligem
Bruche. — Geschmack süsslich, zuletzt brennend; Geruch fehlt.
Bestandteile: Gummi, saures Harz.
Anwendung: Drastisch abführendes Mittel.
d) Harze.
In Weingeist, nicht in Wasser löslich, beim Erhitzen schmelzend.
a) Aus der Familie der Coniferen.
Resina Dammar, Dainmarharz.
Dammara alba und D. orientalis, sowie Hopea
micrantha und H. splendida. (Coniferae). — Ostindische Inseln.
Farblose oder weissliche, durchscheinende, spröde, un-
förmliche Stücke ohne Geruch, in Wasser untersinkend, erst bei
180° schmelzend.
Anwendung: Zu Empl. adhaesivum ; technisch zu Lack.
Colophonium, Geigenharz.
Das bei der Terpentinöl - Destillation aus dem Terpentin zu-
rückbleibende Harz (sog. gekochter Terpentin) wird durch
Schmelzen wasserfrei gemacht.
Heller oder dunkler gelbe, aussen bestäubte, durchsich-
tige, sehr spröde Stücke, auf dem flachmuscheligen Bruche
glasglänzend, ohne Geschmack und Geruch, in der Handwärme
schwach terpentinartig riechend ; leicht löslich in Weingeist, Äther.
Bestandteile: Kolopholsäure (Anhydrid der Abietinsäure).
Anwendung; Als Konsistenzmittel vieler Pflaster und Salben.
Resina Pini, Fichtenharz, Burgunderharz.
Pinus silvestris und P. Pinaster. (Coniferae). — Europa.
Das zur Winterzeit ausfüessende Harz erscheint teils als gelbliche,
oft etwas zähe, durch Wassergehalt undurchsichtige Klumpen (weisses
Harz) oder als gelbbraune, spröde, durchscheinende, auf dem
Bruche glänzende, in der Handwärme erweichende Stücke (Burgunder-
harz), mehr oder weniger von terpentinartigem Gerüche und fast voll-
kommen in Weingeist löslich.
Bestandteile: ein saures Harz (Abietinsäure), welches mit Alkali-
lauge Harzseife bildet; etwas Terpentinöl.
Anwendung: zu Ceratum Resinae Pini, Pflastern und Salben.
- 619 —
Succinum, Bernstein.
Pinus succinifera. (Coniferae), — ein vorzeitlicher Baum, dessen
Harz an der preussischen Ostseeküste teils gegraben, teils aufgefischt wird.
Ein gelbes oder gelbbraunes, mehr oder weniger durchsichtiges,
sprödes, auf dem muscheligen Bruch glänzendes, in Weingeist, Äther und
Ölen kaum lösliches, geruchloses Harz, dessen unansehnliche Bruchstücke
zur Verwendung gelangen. -Auf glühenden Kohlen oder heissen Platten
mit Wohlgeruch schmelzend.
Bestandteile: Harz, Bernsteinsäure. — Beim Schmelzen des Bern-
steins destilliert das tiefbraune Oleum Succini als Teer über, Acidum
succinicum sublimiert, und im Rückstand bleibt ein Harz (Colopho-
nium Succini), welches zu Bernsteinfirnis dient. Durch Rektifikation
des Oleum Succini mit Wasser gewinnt man das dünnflüssige, gelbliche
oder farblose Oleum Succini rectificatum.
Sandaraca , Sandarak.
Callitris quaHrivalvis. (Coniferae). — Nordafrika (Atlas).
Citronengelbe, langgestreckte, weissbestäubte, durchsichtige,
auf dem Bruche glas glänzende Körner, welche beim Kauen sich
pulvern, ohne zu erweichen; in heissem Weingeist und in Terpentinöl
völlig löslich. — Geschmack bitterlich, Geruch beim Schmelzen balsamisch.
Anwendung: zu Lackfirnissen, Empl. Mezerei canth.
(5) Aus der Familie der Terebinthaceen.
Mastix, Mastix.*)
Pistacia Lentiscus. (Terebinthaceae). — Orient (Insel Chios).
Blassgelbe, aussen bestäubte, erbsengrosse, rundliche Körner,
auf dem Bruche glasglänzend, durchsichtig, spröde, beim Kauen
zu einer wachsähnlichen Masse erweichend, in Weingeist teilweise lös-
lich. — Geschmack harzig gewürzhaft; Geruch beim Schmelzen balsamisch.
Bestandteile: Harz, Masticin.
Anwendung: zu einigen Pflastern und Zahnkitten.
Elemi, Elemi.
Icica Abilo. (Terebinthaceae). — Philippinen.
Feste oder halbweiche, kaum durchscheinende Massen von citro-
nengelber Farbe, mit einem Stich ins Grünliche; leicht schmelzbar
und in siedendem Weingeist löslich. — Geschmack bitter gewürzig; Ge-
ruch balsamisch, an Fenchel erinnernd.
Bestandteile: Harz, äther. Öl.
Anwendung: zu Unguentum Elemi.
y) Aus anderen Familien.
Benzoe, Benzoe.
Styrax Benzoin. (Styraceae). — Hinterindien und
Sumatra.
Handelssorten: 1. Die Siam-Benzoe, in braun- oder röt-
lich-gelben, innen milchweissen, wachsglänzenden Kör-
nern (B.in granis) , die auch wohl zu rotbraunen, auf dem
*) Mastis von masticare (kauen), weil die Orientalen das Harz kauen
zur Verbesserung des Athems und Zahnfleischs.
— 620 —
Bruche porösen, harzglänzend e n Massen mit zahlreichen
eingestreuten, helleren Körnern (B. in niassis) verklebt vorkom-
men. — Geruch fein vanilleartig.
2. Die Sumatra- oder Penang-Benzo e, in hellbräun-
lichen, glanzlosen Massen mit vielen grossen, weisslichen
Mandeln (B. amygäalöides) von Storax-Geruch.
Bestandteile: Harz, Benzoesäure (in der Sumatra-B. mehr
oder weniger durch Zimtsäure vertreten).
Anwendung; Zu kosmetischen Zwecken (Tinctura Benzoes)
und Bereitung der Benzoesäure.
Resina Guajaci, Guajakharz.
Guajaeum officinale. (Zygophylleae). — Westindien.
Formlose Massen (R. G. in massis), seltener tropfenförmige,
hasel- bis walnussgrosse Körner (R. Q. in tac?,imis), mehr oder weniger
dunkelbraun, mit einem grünlichen Pulver bestäubt, am Rande
durchscheinend, spröde, auf dem Bruche glänzend, uneben; in Wein-
geist, Alkalilaugen und Äther, nicht in Ölen löslich. — Geschmack kratzend ;
Geruch schwach, beim Anrauchen vanilleartig.
Bestandteile: drei saure Harze, Guajaksäure. Dem einen Harze
verdankt das Guajakharz die Eigenschaft, an der Luft, sowie durch
oxydierende Mittel grün oder blau zu werden, wie auch sein Pulver
bei der Aufbewahrung grünlich wird.
Anwendung: als anregendes und schweisstreibendes Mittel gegen
Rheumatismus, Skrofeln und Syphilis.
Resina Draconis (Sanguis Draconis), Drachenblut.
Calamus Draco. (Palmae). — Ostindien.
Entweder fingerdicke, mit Palmfiedern umwickelte Stangen oder Kuchen,
auch wohl erbsen- bis haselnussgrosse Körner, bräunlich rot, undurch-
sichtig, spröde, auf dem Bruche matt, fast ohne Geschmack und
Geruch, völlig löslich in Weingeist, teilweise in Äther und Ölen. Giebt
auf Papier einen feuerroten Strich.
Bestandteile: rotes Harz, etwas Benzoesäure.
Anwendung: zu Zahnpulvern ; meist technisch, zu roten Lacken.
e) Eingetrocknete Milchsäfte.
Sie lösen sich zufolge ihres Kautschukgehaltes nur unvollständig in
Wasser, Weingeist, Äther.
Opium (Laudanum, Meconium), Opium.
Papaver somniferum. ( Papaveraceae ). — Kleinasien.
Der durch Anritzen der unreifen Kapseln gewonnene und
nach dem Eintrocknen zu Kuchen geknetete Milchsaft kommt als
levantisches Opium teils über Smyrna, teils über Kon-
stantinopel nach Europa. Dasselbe stellt etwas flache, rundliche
Kuchen dar, aus einer rotbraunen, innen aus kleinen Körnern,
sog. Thränen, zusammengekneteten, noch etwas weichen Masse,
aussen mit Mohnblättern umhüllt und mit Ampferfrüchten
bestreut. — Geschmack bitter; Geruch narkotisch.
- 621 -
Verwechslungen-. Das egyptische Opium (Opium the-
baicum) ist innen gleichförmig, zwar auch in Mohnblätter gehüllt,
aber nicht mit Ampferfrüchten bestreut und morphinärmer. Das
persische Opium ist in Europa selten und bildet Stangen. Alles
in Ostindien produzierte Opium wird in Asien (China) verbraucht.
Bestandteile-, Morphin (7—1 5°/0), Narkotin (6 — 10%), Codein
(bis % %) u. a., Mekonin (Bitterstoff], Mekonsäure, Gummi,
Kautschuk. Das Opiumpulver soll mindestens 10 % Morphium
enthalten ! (Vgl. S. 303.)
Anwendung: Als beruhigendes, schlafmachendes und stopfen-
des, in grösseren Dosen betäubend giftiges Mittel (zumal bei Kindern),
zu Extractum und Tinctura Opii simpl. und crocata (10 % Opium!).
Lactucarium, Giftlattichsaft.
Lactuca virosa. (Compositae). — Europa.
Formlose, erbsengrosse, gelbe oder bräunliche, feste
Stücke, auf dem Bruch wachsartig, in der Wärme erweichend,
ohne zu schmelzen, in Wasser trübe und vollständig löslich. —
Geschmack bitterlich; Geruch eigentümlich, narkotisch.
Verwechslungen: Das fr an z ö sisch e Lac tucarium, sogen.
Thridax, von Lactuca sativa, stellt bald ein braunes Extrakt,
bald braune, in Wasser lösliche Kuchen oder Platten dar,
Bestandteile: Lactucon (Harz, c. 50 %), Lactucin (Bitterstoff),
Lactucasäure, Gummi.
Anwendung: Als reizmilderndes Hustenmittel.
Euphorbium, Euphorbium.
Euphorbia resinifera. (Euphorbiaceae). — Marokko.
Der beim Anritzen aus dem fleischigen Stengel austretende
und an den Stacheln desselben eintrocknende Milchsaft kommt
als gelbliche, erbsen- bis haselnussgrosse, kuglige oder eckige,
meist zw ei hörnige Klümpchen zu uns, die mit 1 bis 3 Löchern
versehen sind oder noch die Stacheln umschliessen ; aussen be-
stäubt, oft verunreinigt durch Stacheln, dreiknöpfige Früchte u. a.
— Geschmack anfangs milde, später heftig brennend.
Bestandteile: Harz, Euphorbon (scharf), Gummi.
Anwendung: Äusserlich zu Hautreizen, als Zusatz zu Empl.
Cantharidum perpetuum, Empl. Picis irritans, Unguentum acre.
Gutta pörcha, Guttapercha,
Dichopsis Gutta. (Sapotaceae). — Ostindien (Malakka).
Der Milchsaft kommt als rohe Guttapercha nach Europa
und wird daselbst durch Auflösen in Schwefelkohlenstoff oder
Chloroform gereinigt.
Weissliche, öfters rot marmorierte, dünne Stängelchen, wenig
elastisch, in heissem Wasser (65 — 70°) erweichend und knetbar, in
— 622 —
siedendem Wasser schmelzend. Nicht in Wasser, kaum in Wein-
geist, wenig in Äther und kaltem Terpentinöl (darin aufquellend), völlig
in Schwefelkohlenstoff und Chloroform löslich. Da sie an der Luft brock -
lich wird, bewahrt man sie unter Wasser auf und gebraucht sie zu Zahnkitt.
Dünn ausgewalzte Guttapercha stellt das Guttaperchapapier,
Percha lamellata dar, welches man vielfach (zu Verbänden, Eisbeuteln
u. a.) gebraucht.
B. Eingekochte Fflanzensäfte (Extrakte).
a) Bittere Extrakte.
Aloe, Aloe.
Aloe spicata, A. ferox, A. vulgaris und A. Lingua.
(Liliaceae). — Capland.
Der durch Auspressen der fleischigen Blätter gewonnene und
eingekochte Saft bildet Stücke von dunkelbrauner Farbe mit
einem Stiche ins Grünliche, in der Masse undurchsichtig,
aber in Splittern und am Rande braun durchscheinend,
auf dem muscheligen Bruch glas glänzend. Das Pulver ist
grünlich gelb. Kaltes Wasser löst sie nur teilweise; sieden-
des "Wasser nimmt sie trübe auf, beim Erkalten Harz abscheidend;
Weingeist löst sie völlig und klar. — Geschmack sehr bitter;
Geruch (zumal beim Anhauchen) widrig.
Verwechslungen-, Die Leb er- AI oe (Aloe hepatica), aus
Ostindien und Arabien, ist leberbraun, auf dem Bruche matt und
in Splittern undurchsichtig. Ähnlich die schwärzliche west-
indische Aloe: Dagegen ist die im Handel kaum mehr vor-
kommende Socotora-Aloe (von Aloe socotrina auf der Insel
Socotora im indischen Ocean) von gleicher Güte und Beschaffenheit
wie die Cap-Aloe, aber mehr gelbbraun und gepulvert rötlich gelb.
Bestandteile: Aloebitter (löslich in Wasser), Harz (in einer
Lösung des Aloebitters, nicht in reinem Wasser löslich).
Anwendung : Als drastisches Abführmittel, zu Extrakt, Tinktur
und Zusatz anderer Extrakte und Tinkturen.
b) Gerbstoffreiche Extrakte.
Catechu (Gutta Gambir), Katechu.
Uncaria Gambir. (Rubiaceae). — Sumatra.
Grössere Würfel von dunkelbrauner Farbe, innen matt
erdfarbig; unter dem Mikroskop sich als ein Haufen werk
kleinster Kiy ställchen (Catechin) darstellend. — Geschmack sehr
herbe. Wasser löst das Gambir nur teilweise, Weingeist voll-
ständig.
Das Palnien-Katechu (aus den Samen von Areca Cate-
chu) in flachen, scheibenförmigen Kuchen, innen dunkelbraun und
glänzend, aussen mit Reisspelzen bestreut, kommt nicht in den
europäischen Handel. Das Pegu -Katechu (Terra japonica) von
— 623 —
Acacia Catecbu in formlosen Stücken von dunkelbrauner
Farbe, auf dem Brucbe porös glänzend, gleichfarbig und unter
dem Mikroskop nicht kristallinisch.
Bestandteile: Katechugerbsäure, Katechin (Katechusäure).
Anwendung: Tinctura Catecbu, als adstringierendes Mittel.
Kino, Kino.
Pterocarpus Marsupiuni. (Papilionaceaej. — Ostindien.
Eckige, dunkelbraune, glänzende, undurchsichtige, jedoch
am Rande rubinrote, durchscheinende, spröde Stückchen, welche in
kaltem Wasser aufquellen, in heissem Wasser sich trübe, in Weingeist
klar und mit tiefroter Farbe lösen. — Geschmack sehr herbe.
Bestandteile: Kinogerbsäure, Gerbsäureabsatz.
c) Süsse Extrakte.
Succus Liquiritiae crudus, Lakriz.
Glycyrrhiza glabra. (Papilionaceae). — Südeuropa.
Der aus der frischen Wurzel ausgepresste Saft wird nach
dem Eindampfen mit Stärke, Erbsenmehl u. dergl. versetzt und in
Stangen gerollt. Cylindrische, dunkelbraune, auf dem Bruche
schwarz glänz ende Stangen, in der Kälte spröde, in der Wärme
weich und in Wasser nicht vollständig löslich. — Geschmack sehr
süss, kaum kratzend.
Verfälschungen: Zusätze von Thon , Gips u. dgl. bringen
den Aschengehalt auf mehr als 6°/0 ; zu viel Mehl ist vorhanden,
wenn der Rücktand bei der wässerigen Extraktion getrocknet über
25 °/'0 beträgt.
Bestandteile: Glycyrrhizin, Zucker, Stärkemehl (10— 15 °/0
Anwendung: Als versüssendes, reizmilderndes Mittel, zu Suc-
cus Liquiritiae depuratus und Elixir e Succo Liquiritiae.
C. Teige (Pastete)
Man bereitet die nachfolgenden aus gepulverten Samen.
Pasta Cacao (Massa Cacaotina), Kakaomasse.
Theobroma Cacao. (Buettneriaceae). — Westindien und
nördliches Südamerika.
Die aus den gerösteten, geschälten und in der Wärme zu
einem zarten, unfühlbaren Teige angestossenen Samen dargestellte
Masse wird in Tafeln geformt und ist dunkelbraun, in der
Kälte zerbrechlich, in der Wärme erweichend. ■ — Geschmack
bitter: Geruch eigentümlich.
Bestandteile-, fettes Öl (53°/0), Theobromin (Alkaloid), Stärke-
mehl.
Anwendung; Zu Schokolade, als Excipiens für Pastillen. Das
fette Ol, Oleum Cacao, ist ein weissliches, starres Öl von schwa-
chem Geruch, in gelinder Wärme schmelzend.
— 624 —
Pasta Guarana, Guarana.
Paullinia sorbilis (Sapindaceae). — - Brasilien.
Die gepulverten und mit Wasser angerührten, dann an der Sonne
oder im Rauche getrockneten Samen liefern eine harte, schwarzbraune
Masse, meist zu Stangen geformt, seltener in Kugeln oder Kuchen,
auf dem Bruche flach, etwas glänzend und häufig noch Samen ein-
schliessend. — Geschmack herbe, bitterlich; Geruch eigentümlich.
Bestandteile: Gerbsäure, Coffein.
Anwendung: gegen Migräne.
D. Farbstoffe.
Lacmus (Lacca Musci), Lackmus.
Lecanora tartarea Ach., Roccella tinctoria u. a.
(Lichenes.) — Holland, Frankreich.
Die Flechten werden unter Zusatz von Urin und Kalk der
Gährung überlassen, schliesslich mit Kreide vermengt und geformt.
Dann stellen sie "Würfel von hellblauer Farbe vor, welche
an Wasser ihren blauen Farbstoff leicht abgeben, kohlensauren
Kalk zurücklassend. — Dieser Auszug wird durch Säuren rot.
Bestandteile: Flechtensäure (rot, durch Alkalien sich bläuend).
Anwendung: Zu Lackmustinktur (wässeriger Auszug), Charta
exploratoria coerulea und rubra.
Indicum, Indigo.
Iudigofera tinctoria (Papilionaceae). — Ostindien.
Die der Gährung überlassenen Blütenzweige scheiden den Indigo ab,
den man dann trocknet.
Tiefblaue, matte und undurchsichtige, gerieben kupferrot
glänzende, zerbrechliche Stücke, unlöslich in Wasser und Weingeist,
in rauchender Schwefelsäure mit dunkelblauer Farbe (zu Indigoschwefel-
säure) löslich. Diese Lösung liefert mit Soda das dunkelblaue indig-
schwefelsaure Natron (Indigkarmin).
Verfälschung: das sehr ähnliche Berlinerblau hinterlässt beim
Glühen auf Platinblech rotes Eisenoxyd, während Indigo in violetten
Dämpfen sich völlig verflüchtigt.
Bestandteile: Indigoblau (bis 56%)) Indigrot (in Ölen löslich), In-
digbraun (in Alkalien löslich).
Anwendung: zu Indiglösung, technisch zum Blaufärben.
E. Balsame.
Auflösungen von Harz in ätherischem Öle; daher mit Wasser nicht mischbar
und nur mittelst arabischen Gummis emulgierbar. Sie fliessen freiwillig oder
aus Einschnitten der Stämme aus.
Baisamum Copaivae, Kopaivabalsam.
Copaifera officinalis und C. Guianensis. ( Caesal-
piniaceae.) — Westindien, Brasilien,
Ein dicklicher, zähflüssiger Balsam, durchsichtig, gelb
oder bräunlich, yon bitterlichem, scharf kratzendem Geschmack
und starkem, eigentümlichem Geruch.
- 625 —
Verfälschungen: 1. Terpentin, kenntlich am Terpentinöl-
geruch beim gelinden Erwärmen des Balsams. 2. Fette Öle,
kenntlich an dem schmierigen Rückstand, den der Balsam beim
Abdampfen hinterlässt; reiner Balsam hinterlässt ein sprödes Harz.
o. Der Gurjunbalsam ist dunkler, grünlich schillernd, etwas
trübe; seine Lösung in Schwefelkohlenstoff färbt sich durch
Schwefelsäure mit rauchender Salpetersäure violettrot.
Bestandteile: äther. Öl, saures Harz (Copaivasäure).
Anwendung: Gegen Tripper, unvermischt oder in Pillen (ent-
weder mit t/2 Teil gelbem Wachs geschmolzen oder durch Zusatz
von 10°/0 Magnesia usta nach längerem Stehen erhärtet).
Balsamum peruvianum, Perubalsam.
Toluifera (Myroxylon) Pereirae. (Papilionaceae.) — Cen-
tralamerika (San Salvador).
Ein dicklicher, zähflüssiger, undurchsichtiger und
nur in dünnen Schichten rötlich durchscheinender, dunkel-
brauner, nicht eintrocknender Balsam, von saurer Reaktion,
scharf kratzendem Geschmack und vanilleartigem Geruch.
Spez. Gewicht 1,14. Löslich in Weingeist, nur wenig in Benzin.
Verfälschungen: 1. Fettes Öl (Ricinusöl), kenntlich an dem
schmierigen Rückstand beim Vermischen des Balsams mit konz.
Schwefelsäure; reiner Balsam liefert nach dem Auswaschen ein
sprödes Harz. 2. Kopaivabalsam erzeugt beim Vermischen mit
der konz. Schwefelsäure schwefligsaure Dämpfe. 3. Kolophonium,
kenntlich an der Gallerte, die Ätzammoniak mit dem Balsam er-
zeugt. 4. Ätherische Öl e lassen sich mittelst Wassers ab destillieren.
Bestandteile: Zimtsäure, Cinnamein (zimtsaures Benzyl),
Stryacin (zimtsaures Cinnamyl).
Anwendung: Gegen Wunden und Hautkrankheiten.
Balsamum tolutanum, Tolubalsam.
Toluifera Balsamum. (Papilionaceae). — Nördliches Südamerika,
(bei Tolu).
Ein dickflüssiger, durchscheinender, gelber, terpentinähnlicher
Balsam, welcher mit der Zeit bräunlich wird und erhärtet, von vanille-
artigem Geruch und gewürzigem Geschmack. Verhält sich zu Lösungs-
mitteln wie Perubalsam.
Bestandteile: Zimtsäure, Toleu (äther. Öl), Harz.
Styrax liquidus, flüssiger Storax.
Liquidambar Orientale. (Balsamifluae.) — Kleinasien, Syrien.
Ein durch Auskochen der Rinde gewonnener, sehr dick-
flüssiger Balsam, durchsichtig, graubraun, mannigfache
Unreinigkeiten und Wasser enthaltend, löslich in Weingeist; von
benzoeartigem Geruch und saurer Reaktion.
Bestandteile: Zimtsäure, Styracin (zimtsaures Cinnamyl)Styrol.
Anwendung: Äusserlich gegen die Krätze.
Schlickum, Apothekerlehrling. 40
— 626 —
Tereblnthina (communis), gemeiner Terpentin.
Pinus Pinaster und P. Laricio. (Coniferae.) — Europa.
Ein zähflüssiger, undurchsichtiger, gelblicher Balsam,
welcher in der Ruhe eine körnige Schicht absetzt. — Ge-
schmack bitter; Geruch eigentümlich.
Bestandteile: äther. Öl (Ol. Terebinthinae), Harz (ResinaPini).
Anwendung: Konsistenzmittel für Pflaster und Salben.
Terebinthina laricina, Lärchenterpentin.
Larix decidua. (Coniferae). — Europa.
Ein zähflüssiger, klarer, durchsichtiger, gelblicher oder grün-
gelblicher, gleichförmiger Balsam. — Er löst sich völlig in Weingeist
and Benzin auf. Geschmack bitter; Geruch angenehmer wie beim vorigen.
Bestandteile: äther. Öl, Harz.
Anwendung: innerlich in Pillen (mit l/5 gelbem Wachs zusammen-
geschmolzen) und Emulsion.
F. Ätherische Öle.*)
Sie werden durch Destillation der betreffenden Pflanzenteile mit Wasser,
seltener durch Sublimation oder durch Auspressen gewonnen. In Wasser
nur wenig, in Weingeist leichter, in Äther und fetten Ölen leicht löslich.
Camphora, Kampfer.
Cinnamomum Camphora. (Laurineae.) — China, Japan.
Der durch Sublimation aus den Zweigen gewonnene Kampfer
kommt in Form rötlicher, bröcklich körniger Massen (Roh kämpf er)
nach Europa, wo er in kurzhalsigen Kolben oder in Töpfen mit
gewölbtem Deckel umsublimiert wird. Er stellt dann weisse,
durchscheinende, oberseits konvexe, unterseits konkave Kuchen
dar, auf dem Bruche blätterig und glänzend. Mit Wein-
geist besprengt zerreiblich, beim Erhitzen schmelzend, dann sich
verflüchtigend und mit leuchtender, rauchender Flamme verbren-
nend; nicht in "Wasser, leicht in Weingeist, Äther, Ölen, Chloro-
form und konzentrierter Essigsäure löslish. — Geschmack küh-
lend; Geruch stark aromatisch.
Anwendung: Als krampfstillendes Mittel in kleinen, als nerven-
erregendes in grösseren Gaben; äusserlich zu Linimentum ammo-
niato- und saponato-camph. ; Oleum, Spiritus, Yinum camph.
Oleum Cajeputi, Cajeputöl**).
Melaleuca Leucadendron. (Myrtaceae.) — Molukken.
Ein grünliches, dünnflüssiges, in jeder Menge Weingeist
lösliches, flüchtiges Öl, von stark gewürzigem, kampferartigem
Geruch und kühlendem Geschmack.
Die grüne Farbe rührt häufig von Chlorophyll her, häufig aber
auch von Kupfer (in diesem Falle wird das Öl beim Schütteln
*) Es finden hier nur diejenigen eine Stelle, welche nicht bereits bei
anderen Droguen erwähnt wurden.
**) Cajeputi vom malaiischen Caju-Puti (weisser Baum.)
— 627 -
mit salzsäurehaltigem Wasser sich entfärben, und letzteres dann
durch Ferrocyankaliumlösung sich braun trüben), welche letztere
Verunreinigung durch kupferne Flaschen veranlasst wird.
Anwendung: Gegen Zahnschmerzen, Magenkrampf u. a. m.
Oleum Rosae, Rosenöl.
Rosa damascena. (Rosacea e.) — Auf den Südabhängen
des Balkans (bei Philippopel) kultiviert.
Das aus den Blüten destillierte Öl wird über Konstantinopel
in den Handel gebracht und stellt ein schwach gelbliches und
dickliches, bei 12° krystallinisch gefrierendes, flüch-
tiges Öl von sehr starkem Rosengeruch dar.
Verfälschungen: Das Rosen-Geraniumöl (Ol. Palmae Rosae),
aus den Blüten von Pelargonium roseum besitzt einen rosenähn-
lichen, aber schärferen Geruch, ist dünnflüssig und reagiert sauer.
Anwendung: Zu Aqua Rosae.
Gr. Fette Öle*)
Man gewinnt sie durch Auspressen aus Samen u. dg].
Oleum Olivarum, Olivenöl, Baumöl.
Olea europaea. (Oleaceae.) — Südeuropa (Provence).
Das aus der dunkelgrünen Steinfrucht, der Olive, gepresste
Öl kommt in zwei Sorten zu uns:
1. Oleum provinciale, dasPro venceröl, durch kalte Pres-
sung frischer Oliven, blassgelb, von mildem Geschmack und Geruch.
2. Oleum Olivarum commune seu viride, gemeines oder
grünes Baumöl, durch heisse Pressung auf Haufen geschich-
teter Oliven, grünlich, von etwas scharfem Geruch.
Das Olivenöl erstarrt wenige Grade über Null zu einer kör-
nigen, weisslichen Fettmasse; es trocknet nicht an der Luft ein.
Anwendung: Das Provenceröl als reizmilderndes Mittel (in Emul-
sionen), sowie für feinere Salben das grüne Baumöl zu Emplastra.
Oleum Ricini, Ricinusöl.
Ricinus communis. (Euphorbiaceae.) — In Amerika, Ober-
italien kultiviert.
Ein dickflüssiges, in der Kälte erstarrendes, farbloses
oder etwas gelbliches, mild-schmeckendes , fettes Öl, welches
sich in "Weingeist leicht und klar auflöst.
Anwendung: Als mildes Abführmittel.
Oleum Crotonis, Krotonöl.
Croton Tiglium (Euphorbiaceae.) — Ostindien.
Ein etwas dickes, bräunlich gelbes, fettes Öl von un-
*) Es finden hier nur diejenigen eine Stelle, welche nicht bereits bei
anderen Droguen erwähnt, wurden.
40*
— 628 —
angenehmem Geruch, welches auf der Haut Rötung und Pusteln
erzeugt. (Die Schärfe beruht auf der flüchtigen Krotonsäure.) —
Geschmack brennend, gefährlich!
Anwendung: Äusserlich zu Hautreizen, innerlich mit Ricinusöl
verdünnt, als drastisches Abführmittel.
Oleum Cocos, Kokosöl.
Cocos nucifera. (Palmae.) — Ostindien, Südamerika.
Ein weisses, körniges, in derKälte festes, in mitt-
lerer Sommerwärme flüssiges Fett, von eigentümlichem Gerüche.
Anwendung: zu Salben, technisch zur Seifenbereitung.
Schlüssel zum Bestimmen der pflanzlichen Produkte.
I. Teste Stoffe.
A. Gleichartige Massen.
1. Formlose Stücke.
a) Mehr oder weniger durchscheinende Harzrnassen.
a) Von weisser Farbe Resina Dammar.
ß) Von gelber oder braungelber Farbe.
aa) Geruch in der Handwärme terpentinartig.
aa) Harz trübe durchscheinend Resini Pini burgundica.
ßß) Harz bestäubt, durchsichtig Colophonium.
bb) Geruch vanilleartig .... Balsam, tolutanum.
cc) Geruch fenchelartig, Masse zähe Elemi.
dd) Geruch fehlt Succinum.
y) Farbe dunkelbraun, grünlich bestäubt.
aa) Geruch schwach benzoeartig . Resina Guajaci.
bb) Geruch eigen, Geschmack bitter Aloe.
b) Undurchsichtige Massen.
a) Farbe gelblich, Geruch narkotisch . Lactucarium.
ß) Farbe dunkelrot (schwärzlich) . . Kino.
y) Farbe tiefblau Indicum.
2. In Stangen, Kuchen oder Würfel geformt.
a) Fettstoffe.
a) Durchsichtig, blätterig-krystallinisch, Camphora.
ß) Undurchsichtig, weisslich, geruchlos Oleum Cacao.
y) Undurchsichtig, gelb, oft marmoriert Ol. Myristicae.
b) Harzmassen.
a) Farbe pomeranzengelb Gutti.
ß) Farbe zinnoberrot Resina Draconis.
c) Extraktartige Stoffe.
a) Braune, krümlich - körnige Kuchen
von narkotischem Geruch .... Opium.
ß) Bräunliche, harte, herbe Stangen . Pasta Guarana.
y) Braunschwarze, süsse Stangen . . Succ. Liquiritiae.
3) Würfel von blauer Farbe .... Lacmus.
s) Braune, erdige Würfel Catechu.
3. Dreikantige, rinnige Stücke, weiss, süss . Manna electa.
4. Platten oder Bänder, weiss, hart .... Tragacantha.
5. Rundliche Körner.
a) Durchscheinend, Bruch glasglänzend.
a) In Wasser schleimig löslich . . , Gummi arabicum.
— 629 -
ß) Harze.
aa) Beim Kauen erweichend, kugelig Mastix.
bb) Beim Kauen sandig, länglich . Saadaraca.
b) Undurchsichtig, trübe.
a) Etwas weich, süss Manna.
ß) Harte Körner.
aa) Weisslich - gelblich, bestäubt.
aa) Geruch schwach .... Olibanum.
ßß) Geruch vanilleartig . . . Benzoe.
bb) Braun, rotbraun Myrrha.
cc) Gelb, zweihörnig, mit Dornen
gemischt Euphorbium.
B. Ungleichartige Massen mit eingesprengten,
weisslichen Körnern (Mandeln).
1. Von angenehmem Geruch, rötlichbraun . Benzoe.
2. Von unangenehmem Geruch, braun . . . Asa foetida.
3. Schwach riechend, gelblich.
a) Bruch milchweiss Ammoniacum.
b) Bruch gelblich Galbanum.
IL Flüssigkeiten.
A. Stark riechende, dickflüssige, harzreiche Balsame.
1. Durchsichtig, gelblich.
a) Geruch terpentinartig Terebinthina laricina.
b) Geruch eigeutümlich Bals. Copaivae.
c) Geruch vanilleartig Bals. Tolutanum.
2. Fast undurchsichtig.
a) Schwarzbraun, wohlriechend .... Bals. peruvianum.
b) Graubraun, benzoeduftend, steif . . . Styrax liquidus.
c) Gelblich, körnig absetzend Terebinthina.
B. Nichtflüchtige , fette Öle, einen dauernden
Fettfleck erzeugend.
1. In gewöhnlicher Temperatur halbweich;
a) Grün Ol. Lauri.
b) "Weiss Ol. Cocos.
2. In gewöhnlicher Temperatur flüssig.
a) In der Kälte körnig gestehend.
aa) Gelblich, dünnflüssig . ... Ol. Olivarum.
bb) Farblos, dicklich Ol. Ricini.
b) In der Kälte nicht erstarrend.
aa) Geruch unangenehm . ... Ol. Orotonis; Ol. Lini.
bb) Ger. schwach, Gesch. milde. Ol. Papaveris, Amygdalarum.
C. Flüchtige Öle, starkriechend und dünnflüssig.
1. In der Kälte erstarrend oder verdickend. Ol. Anisi, Rosae, Chamomülae.
2. Nicht erstarrend in der Kälte.
a) Auf Wasser schwimmend.
a) In gleichviel Weingeist klar löslich: Ol. Carvi, Foeniculi,
Rosmarini, Thymi, Lavandulae, Menthae crisp. und pip.,
Sabinae, Ol. flor. Aurantii, Calami, Majoranae, Valerianae,
Beroanwttae. Cajeputi.
ß) In gleichviel Weingeist trübe löslich:
Ol. Citri, Juniperi, Macidis, Terebinthinae.
b) In Wasser untersinkend: Ol. Caryophylli, Cinnamomi. Sinapis.
- 630
B. Die Droguen des Tierreichs.
Man hat das gesamte Tierreich in zwei grosse Abteilungen
und eine jede derselben wieder in mehrere Klassen eingeteilt:
I. Abteilung. Wirbeltiere (Vertebrata). Tiere mit einer Wirbel-
säule und rotem Blut.
1. Klasse. Säugetiere (Mammalia). Mit rotem, warmem Blut,
durch Lungen atmend und lebendige Junge gebärend, die-
selben säugend.
2. Klasse. Vögel (Aves). Wie vorige, aber Eier legend.
3. Klasse. Amphibien (Amphibia). Mit rotem, kaltem Blut,
durch Lungen atmend, ohne Flossen.
4. Klasse. Fische (Pisces). Mit rotem, kaltem Blut, durch Kiemen
atmend, mit Flossen.
II. Abteilung: Wirbellose Tiere (Bvertebrata). Tiere ohne
Wirbelsäule mit meist weissem Blut.
A, Tiere mit gegliedertem Körper.
5. Klasse. Kerftiere (Insecta). Mit drei Körperabschnitten, zwei
Fühlern und drei Fusspaaren.
6. Klasse. Spinnen (Arachnoidea). Mit zwei Köi perabschnitten,
vier Fusspaaren, ohne Fühler.
7. Klasse. Krustentiere (Krebse) (Crustacea). Mit vielen
Körperabschnitten und Fusspaaren.
8. Klasse. Ringelwürmer (Annulata). Ohne Füsse.
B. Tiere mit ungegliedertem Körper.
9. Klasse. Eingeweidewürmer (Entozoa). Walzenförmige,
schmarotzende Tiere.
10. Klasse. Weichtiere(Mollusca). Schleimige Tiere m. Kalkschale.
11. Klasse. Strahltiere (Radiata). Mitsternförm. strahligemKörper.
12. Klasse. Quallen (Acalepha). Blasen- oder scheibenförmige
Wassertiere mit Fangarmen.
13. Klasse. Polypen (Polypi). Strahlige Tiere, an einem Kalk-
gerüste gesellig lebend.
14. Klasse. Aufgusstiere. (Infusoria). Mikroskopisch kleine Tiere,
in Flüssigkeiten lebend.
Die Säugetiere (Mammalia).
Man teilt die Säugetiere in folgende Ordnungen ein:
A. Füsse mit Krallen oder Plattnägeln.
a) Gebiss fast oder ganz vollständig,
a) Mit zwei Händen und zwei Füssen
1. Zweihänder (Bimana).
ß) Mit vier Händen 2. Affen (Quadrumana).
Y) Mit vier Füssen:
aa) Füsse mit Flughaut 3. Fledermäuse (Chiroptera).
bb) Am Bauch einen Beutel
für die Jungen 4. Beuteltiere (Marsupialia).
cc) Eckzähne stark 5. Raubtiere (Ferae).
dd) Eckzähne den Vorderzähnen gleich
6. Insektenfresser (Insectivora).
— 631 -
b) Gebiss unvollständig.
a) Ohne Eckzähne; Vorderzähne meisselförmig
7. Nagetiere (Glires).
ß) Ohne Sehneidezähne,
zuweilen ganz zahnlos 8. Zahnlose (Edentata).
B. Füsse mit Hufen.
a) Zehen in einen einzigen Huf
verschmolzen 9. Einhufer (Solidungula).
b) Zehen in 2 Hufe verschmolzen 10. Zweihufer (Bisulca).
c) Drei bis fünf Hufe 11. Vielhufer (Multungula).
C. Füsse mit Flossen.
a) Füsse ver kürzt m. Schwimmhaut 12. Robben (Phocae).
b) Vorderfüsse in Flossen, Hinterfüsse
in einen Schwanz verwandelt 13. Wale (Cetacea).
Castoreum (canadense), Bibergeil.
CastorAmericanus, Biber. (Nagetiere, Glires.) — Kanada,
wo das Tier die Flussufer bewohnt, an denen es grosse Bauten
errichtet.
Zwei zusammenhängende Beutel, welche sich bei beiden Ge-
schlechtern am Bauche, zu beiden Seiten des Afters, finden und
Drüsensäcke unter der Haut darstellen. Der Bibergeilbeutel ist
5 — 8 cm lang, dunkelbraun, kahl, und besteht aus vier Häuten, von
denen die beiden äusseren derb, die inneren dünn und zart sind.
Die äusseren Häute lassen sich nicht ablösen. Im Inneren
des Beutels befindet sich die Bibergeilmasse, frisch eine salben-
artige, später trockene, zerreibliche, dunkelbraune Masse, die auf
der Schnittfläche glänzend erscheint und einen eigentüm-
lichen Geruch besitzt.
Bestandteile: Harz, äther. Öl, Gallenfett, Castorin.
Anwendung: Als ein nervenanregendes Mittel, zu Tinktur.
Castoreum sibiricum. Sibirisches Bibergeil.
Castor Fiber. — Sibirien, daselbst selten geworden.
Diese Beutel sind den kanadischen sehr ähnlich, unterscheiden sich
jedoch dadurch von ihnen, dass die Aussenhäute sich leicht abziehen
lassen; die Bibergeilmasse ist auf der Schnittfläche glanzlos, mehr von
erdiger Beschaffenheit und von viel stärkerem Gerüche.
Bestandteile und Gebrauch wie beim vorigen.
Moschus, Bisam.
Moschus moschiferus, Moschustier. (Zweihufer, Bisulca.)
— Hochebenen Tibets und Chinas.
Ein Beutel am Bauche des Männchens , dicht vor dessen
Bäte; 3 — 4 cm gross, auf der dem Bauche zugewendeten Seite
flach und kahl, auf der nach aussen gekehrten Seite gewölbt und
mit dicken, steifen, gelblichen Haaren besetzt, die nach
der Mitte gerichtet, meist aber kurz abgeschnitten sind. Diese
konvexe Seite besitzt zwei Öffnungen : die Beutelöffnung und eine
durch die Muskelhaut verlaufende für die Rute. Die Wandung
— 632 —
des Beutels ist doppelt , die äussere muskulös , die innere dünn ;
letztere umschliesst die Moschussubstanz, frisch eine salbenartige,
trocken eine krümliche, dunkelbraune, fettglänzende Klümp-
chen enthaltende Masse von höchst intensivem Gerüche.
Bestandteile: eigentümliche Stoffe.
Anwendung: Als kräftig anregendes Mittel; zu Tinktur.
Verwechslung: An Stelle des offizinellen sog. tibetanischen
Moschus darf nicht der russische oder kabardinische Moschus
verwendet werden, der aus der Mongolei stammt, in Gestalt
platter, aschgrau behaarter Beutel, deren Masse einen schwä-
cheren, mehr urinösen Geruch besitzt.
Cetaceum, Walrat.
Physeter macrocephalus, Pottwal. (Wale, Cetacea.)
— Ein fischartiges Säugetier in der Südsee.
In Höhlungen des gewaltigen Schädels befindet sich ein flüs-
siges Fett, welches nach dem Tode des Tieres den Walrat als eine
feste, krystallinische Fettmasse ausscheidet. Er stellt ein
rein weisses, glänzendes, auf dem Bruche blätteriges Fett dar.
Bestandteile: palmitinsaures Cetyl.
Ambra grisea. Grauer Amber.
In den Eingeweiden des Potwals findet man den Amber als eine Art
Gallenstein, eine graue, wachsartige Masse von sehr angenehmem
Gerüche. Sie wird auch häufig von dem Tiere ausgeworfen und auf dem
Meere schwimmend gefischt. Man benutzt sie zu Tinktur.
Adeps suillus, Schweineschmalz.
Sus Scrofa, Schwein. (Vielhufer, Multungula.) — Ein
Haustier, dessen Fett an Netz und Nieren beim Ausschmelzen
das Schweineschmalz, als butterweiche, sehr weisse Fett-
masse liefert.
Sebum ovile, Hammeltalg.
Ovis Aries, Schaf. (Zweihufer, Bisulca.) — Ein Haustier,
dessen Fett an Netz und Nieren durch Ausschmelzen den Talg,
als feste, weisse Fettmasse, liefert.
Die Fische (Pisces).
Man teilt die Fische ein:
Av Knochen knorpelig 1. Knorpelfische (Chondracanthi).
B. Knochen fest, beinhart (Grätenfiscl;e):
a) Rückenflosse nicht stachelig 2. Weichflosser (Malacopterygii).
b) Rückenflosse stachelig 3. Stachelflosser (Acanthopterygii).
Oleum Jecoris Aselli, Leberthran.
Gadus Morrhua, Kabeljau. (Weichflosser.) — Ein Fisch
des atlantischen Ozeans, der zur Laichzeit in grossen Zügen
— 633 —
die norwegischen Küsten aufsucht und im Frühling daselbst ge-
fangen wird.
Der Leberthran ist das Fett der Leber und wird aus der-
selben durch gelinde Erhitzung mittelst Dampf gewonnen. Zuerst
fliesst der sog. hell blanke Thran ab, ein Öl von blassgelber
Farbe und eigenem, mildem, fischartigem Geruch und Geschmack.
Geringere Handelssorten: 1. Der braunblanke Leberthran,
aus länger gelagerten Lebern, von dunklerer Farbe, zwar noGh
klar, aber von bitterlichem Geschmacke und saurer Eeaktion. —
2. Der braune Leberthran, durch Auskochen der rückständigen
Lebern gewonnen, trübe, dunkelbraun, beim durchfallenden Lichte
grünlich, übelriechend und scharfschmeckend.
Colla piscium. (Ichthyocolla). Hausenblase.
Acipenser Huso (Hausen) und A. Sturio (Stör), zwei Fische in
den russischen und polnischen Flüssen. (Knorpelfische.)
Die Schwimmblase dieser Fische wird aufgeschnitten, ausgebreitet,
abgeschabt und getrocknet. Sie kommt meist in dünnen, flachen, weiss-
lichen und durchscheinenden Platten, seltener zu Ringen gedreht, in
den Handel.
Man benutzt sie, in heissem Wasser gelöst, zu Emplastrum anglicum.
Die Kerftiere (Insecta).
Man teilt die Insekten folgendermassen ein:
A. Vollkommene Verwandlung mit 2 Vorstadien: Larve, Puppe.
a) Vorderflügel hornartig
(Flügeldecken) 1. Käfer (Coleoptera).
b) Vier häutige Flügel 2. Haut flügler (Hymen optera).
c) Zwei häutige Flügel 3. Zweiflügler (Diptera).
d) Vier mit Schülferchen
besetzte Flügel 4. Schmetterlinge (Lepidoptera).
B. Unvollkommne Verwandlung mit 1 Vorstadium: Larve.
a) Vier gleiche, netzartige Flügel 5. Netzflügler (Neuroptera).
b) Vorderflügel pergamentartig 6. Geradflügler (Orthoptera).
c) Vorderflügel unten hornartig 7. Halbflügler (Hemiptera).
Cantharides, spanische Fliegen.
Lytta vesicatoria,
Pflasterkäfer. (Käfer, Coleop-
tera.) — Südeuropa, zuweilen
auch in Deutschland, auf
Eschen, Liguster u. a.
Ein Käfer (Fig. 545) mit
hornartigen Yorderflügeln,
welche fast von der Länge des Lytta vesicatoria
ganzen Hinterleibes, in Form in nat. Grösse.
eines Rechtecks lindgrün
goldig schimmernd sind. Fig. 545.
— 634 —
Verwechslungen: Der ähnlich gefärbte Ro sen- oder Gold-
käfer ist mehr quadratisch, der Laufkäfer oval.
Bestandteile: Die blasenziehende Wirkung verdankt der
Pflasterkäfer dem Cantharidin (Cantharidenkarnpfer).
Anwendung: zu Empl. ordin. u. perpetuum, Tinctura und
Ungt. Cantharidum.
Mel, Honig. — Cera flava, Wachs.
Apis mellifica, Biene. (Hautüügler, Hymenoptera.)
Die geschlechtlosen Arbeiterinnen sondern zwischen den Ringen
ihres Hinterleibs das gelbe Wachs, Cera flava, aus, womit
sie die Waben aufbauen, innerhalb deren sie den von ihnen aus
den Blumen gesammelten Honig aufspeichern. Durch Auspressen
und Erwärmen lässt man letzteren aus den Waben ausfüessen;
anfänglich ein klarer, gelber Syrup, gesteht er bei der Aufbewah-
rung, zufolge der Auskrystallisierung des Traubenzuckers, zu einer
körnigen, undurchsichtigen Masse. Die vom Honig entleerten
Waben werden mit Wasser ausgekocht, wobei das gelbe Wachs
sich über dem Wasser ansammelt. Durch Bleichen im Sonnen-
lichte entfärbt man das gelbe Wachs zu dem härteren, spröderen,
etwas schwerer schmelzbaren weissen Wachs, Cera alba.
Formicae. Ameisen.
Forinica rufa, Waldameise. (Hautüügler, Hymenoptera.)
Ein rotbraunes Insekt, ohne Flügel, mit schwarzem Hinterleib,
bis 7 mm lang vorzugsweise in Nadelwäldern zu finden. Fig. 546. Man
sammelte die geflügelten Geschlechtlosen (Arbeiterinnen), welche in einer
Drüse am Hinterleib Ameisensäure absondern, und bereitete aus ihnen
Spiritus und Tinctura Formicarum.
ab c
Fig. 546. Formica rufa, in nat. Grösse, a Männchen, b Arbeiterin, c Weibchen.
Coccionella. Kochenille.
Coccus Cacti. (Halb flügler, Hemiptera.) Mexiko, wo das
Insekt auf einer Cactusart (Opuntia coccinellifera), nach Art
I fn 1P ^er Blattläuse lebt. Man kultiviert daselbst die Weibchen
und tötet sie auf heissen Platten oder mit Wasserdampf.
Körnchen - ähnliche Insekten, oberseits bläulichrot,
weiss bereift und querrunzelig, unterseits weisslich,
•Fi 547- mit den Resten der Beine; flügellos. Fig. 547.
Weibl.Coccus Bestandteile: (Carmin, Farbestoff).
Cacti, vergr.
- 635 —
1°
tr~\
i a
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cz— - ~\
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Ringelwüriner (Annulata).
Hirudines, Blutegel.
Sanguisuga medicinalis und S. officinalis. (Glatt-
würmer, Apoda.) In Teichen des mittleren Europa.
Würmer, die sich vom Blute höherer Tiere nähren, welches
sie mit Hilfe des Mundes, der mit drei zahnartigen Kiefern bewaffnet
ist, saugen. Am hinteren Körper-
ende tragen sie einen Saugnapf,
jedoch ohne Öffnung. Beide Arten
besitzen einen olivengrünen,
mit (3 rostroten, schwarz-
punktierten Längsstreifen
gezierten Kücken. Der deut-
sche Blutegel, (Sanguisuga
medicinalis) ist körnig rauh,
unterseits grünlichgelb,
schwarzgefleckt; der unga-
rische Blutegel, (Sangui-
suga officinalis) ist glatt,
unterseits olivengrün, nicht ge-
fleckt ; mehr im östlichen Europa.
Fig. 548.
Verwechslungen: DerRoss-
es;ei (Haemopis Sanguisorba),
zum Saue-en we«-en seiner FiS- 548, Sanguisuga officinalis.
Z,ULU OdUgeil we&t;il bümei n. Vorderes Körperende, mit den Augen.
Stumpfen Zähne Untauglich, HI. Mundöffnung mit den drei Zähnen.
unterscheidet sich durch einen unregelmässig gefleckten, aber
nicht gestreiften, dunkelgrünen Rücken. Häufig in Gräben.
Die Weichtiere (Mollusca).
Conchae. Austerschalen. Ostrea edulis. (Muscheln). — Ost und
Nordsee, an deren Küsten sie gesellig lebt, unter Wasser Bänke bildend.
Die Schalen sind rundlich, aussen graubraun, innen glatt, rnilch-
weiss, perlrnutterglänzend, und zeigen konzentrische Schichten. Mit
Wasser ausgekocht, abgebürstet, getrocknet und gepulvert, darauf ge-
schlämmt, stellen sie die präparierten Austerschalen, Conchae jwaeparatae, dar.
Bestandteile: kohlensaurer und etwas phosphorsaurer Kalk.
Os Sepiae. Sepia officinalis, Tintenfisch. (Kopffüssler.) — Mittelmeer.
Im Rücken beitzt das Tier ein plattes, eiförmiges Schalenstück,
welches ein weisses Pulver liefert (kohlensauren Kalk).
V. Abteilung.
Spezielle Pharmazie.")
A. Die pharmazeutischen Zubereitungen.
(Defektur.)
1. Die Zubereitung der Droguen.
§ 486. Vom Einsammeln der Vegetabilien. Die einheimischen vege-
tabilischen Droguen werden vielfach von den Apothekern selbst
eingesammelt und getrocknet.
Die Zeit der Einsammlung ist für die Kräuter, Blätter
und Blüten im allgemeinen diejenige, in welcher die Pflanze
aufzublühen beginnt.
Ausnahmen hiervon giebt die Pharmacopoea besonders an; so lässt sie
Salbei- und Rautenblätter vor dem Aufblühen einsammeln. Andere Fälle
bestimmen sich von selbst; wenn nämlich zur Blütezeit die Blätter noch
nicht entwickelt sind, wie beim Huflattich, dem Walnussbaum, fällt das
Einsammeln der Blätter nach der Blütezeit.
Beim Einsammeln der Kräuter und Blüten achte man auf sonniges,
trocknes Wetter, anderenfalls dieselben missfarbig werden. Zumal er-
fordern die Wollblumen und Hollunderblüten warmen Sonnenschein beim
Sammeln, um möglichst trocken gepflückt zu werden.
Man streut die gesammelten Kräuter, Blätter und Blüten
zum Trocknen in dünner Schicht auf den zuvor reingefegten
Hausboden aus, wo man sie lufttrocken werden lässt, um sie dann
ohne Verzug auf Hürden an einem lauwarmen Orte — im Son-
nenschein oder Trocken schrank — vollständig auszutrocknen und
dann in die Vorratsbehälter zu bringen.
Bei sonnigem Wetter genügt für manche Kräuter der Hausboden zum
völligen Trocknen. Diejenigen, welche in Blechkästen aufbewahrt werden
sollen, bedürfen jedoch künstlicher Wärme, da sie bei Rückhalt selbst
*) Näheres findet sich in dem von mir herausgegebenen „Taschen-
buch der pharmazeutischen Receptur und Defektur." Leipzig,
Ernst Günthers Verlag".
— 637 —
geringer Feuchtigkeit in den festverschlossenen Gefässen schimmeln. Holz-
kästen erlauben immer noch ein nachträgliches Austrocknen.
Die Binden werden bei Beginn des Frühlings von jungen
Stämmen oder nicht zu alten Asten geschält. Die Wurzeln
und Wurzelstöcke gräbt man vorzugsweise von den dreijährigen
Gewächsen entweder zu Anfang Frühlings oder Ausgang Herbstes ;
von zweijährigen Krautgewächsen, z. B. Klette, Engelwurz, werden
sie im Frühling des zweiten Jahres gesammelt. Man säubert die
Wurzeln von der anhängenden Erde durch Bürsten, seltener durch
Waschen, schneidet dann die morschen Teile ab, spaltet die dickeren
Wurzeln der Länge nach und trocknet sie zunächst auf dem
Hausboden , schliesslich im Trockenschranke. Gewisse Wurzeln
werden vor dem Trocknen geschält, z. B. Eibisch-, Kalmus-, Alant-,
Farn wurzel.
Früchte und Samen werden zur Zeit ihrer Reife gesammelt,
welche in den September oder Oktober, bei der Zeitlose in den
Mai und Juni fällt.
Jährlich frisch einzusammeln, und nach einjähriger Aufbe-
wahrung zu beseitigen, sind Folia Digitalis, Glandulae Lupuli und
Rhizoma Filicis.
§ 487. Vom Schneiden der Vegetabilien. Das Zerkleinern der Ve-
getabilien geschieht durch das Messer, seltner durch den Stossmörser.
Wurzeln und.dgl. zerschneidet man mit dem Schneidemesser,
Kräuter, Blätter und Blumen mit dem Wiegemesser, Rollmesser
oder Stampfmesser (im Stampftrog). Um die Bruchstücke in an-
nähernd gleicher Grösse zu erhalten , trennt man die gröberen
Teile durch ein Speciessieb ab und bringt sie nochmals unter
das Messer; die feineren Teile entfernt man durch ein Sieb für
grobe Pulver.
Der Speciessiebe giebt es mehrere: zwei für gröbere
Species, mit der Maschenweite von 6—4 iw, das weitere für
Kräuter, das engere für Wurzeln, ebenso zwei Siebe für feinere
Species, mit der Maschenweite von 3-2 mm.
Bsp. Die weiteste Nummer (Nr. 9) für Folia Sennae conc, die
nächst engere (Nr. 8) für Rad. Althaeae conc, die folgende (Nr. 7) für
Species aromaticae und die engste Nummer (Nr. 6) für Cortex Chinae
contus. Harte, holzige Rinden und Wurzeln, wie Chinarinde, Brech-
wurzel u. a., werden zu feinerer Zerkleinerung nicht mit dem Messer ge-
schnitten, sondern im Mörser kontundiert.
§ 488. Vom Pulvern. Das Pulvern geschieht im kleinen durch
Zerstossen im Stossmörser, im grossen auf eigenen Pulverisier-
anstalten durch mannigfache mechanische Hilfsmittel, vorzugsweise
in rotierenden Trommeln mittelst eiserner Kugeln.
Dem Pulvern geht in den meisten Fällen ein Trocknen
-der Substanz voraus, welches stets mit Vorsicht und in nicht zu
— 638 —
hoher Temperatur geschehen soll. Bei den Gummiharzen wird
statt dessen Frostkälte zur Hilfe genommen, wobei sie sich leicht
pulvern lassen. Übrigens gelingt dies auch im Sommer, sofern
die Gummiharze frei von hygroskopischer Feuchtigkeit sind, was
man durch längeres Lagern derselben über gebranntem Kalk
erzielen kann.
Man unterscheidet grobe und feine Pulver. Jene dienen
vorzugsweise in der Yeterinärpraxis und zu mancherlei Ansätzen.
Man bedient sich dabei zweier Siebe; teils eines feineren Draht-
siebes (Nr. 5) , teils eines Pferdehaarsiebes (Nr. 4) , jenes für
ölreiche Samen und Früchte (Anis, Fenchel u. dgl.), dieses für
"Wurzeln u. dgl.
Die feineren Pulver lassen sich unterscheiden in mittel-
feine und höchstfeine (alkoholisierte). Für erstere hat
man zwei Siebe aus Pferdehaar, ein gröberes (Nr. 3) für Zucker,
Salze und ähnliche lösliche Stoffe, ein feineres (Nr. 2) für ölhal-
tige Yegetabilien , Gummiharze, Weinstein u. dgl. Die höchst-
feinen Pulver erfordern ein Flor sieb (Nr. 1) aus ungebleichter,
weisser oder strohgelber Seide, und werden aus ölfreien Vegeta-
bilien dargestellt.
Die drei feineren Siebe bestehen aus je drei Teilen: dem
eigentlichen Siebe, dem Boden und dem Deckel ; die beiden letzte-
ren sind mit Schafleder überzogen.
§ 489. Vom Präparieren. Für die mineralischen Stoffe giebt es
ein höchst feines Pulver, welches man präpariert nennt. Man
zerreibt die Substanz nach dem Pulvern im Mörser, portionen-
weise mit kräftigem Drucke in der Reibschale. Statt des Ab-
siebens bedient man sich dabei besonderer Methoden; die unlös-
lichen Körper werden geschlämmt, die löslichen gebeutelt.
Das Schlämmen oder Lävigieren, welches man beim
Kalomel, den Austerschalen u. a. m. anwendet, besteht darin,
dass man die feinzerriebene Substanz in der Reibschale mit vielem
"Wasser anrührt, letzteres nach wenigen Momenten in ein Gefäss
abgiesst und den Bodensatz der weiteren Präparation unterwirft.
Was das abgegossene Wasser absetzt, ist das gewünschte Pulven
Beim Beuteln hängt man ein Stück glatte, dichte Leinwand
in ein weites Gefäss oder eine Blechbüchse, bindet es am Ge-
fässrand fest, füllt es mit der präparierten Substanz, tektiert das
Gefäss mit starkem Papier oder setzt einen dichtschliessenden
Deckel auf, und schüttelt anhaltend hin und her. Dabei schlägt
der Beutel gegen die Gefässwand an und lässt das Feinste der
Substanz durch seine Poren durchgehen. Jede Substanz erhält
ihr eigenes' Beuteltuch.
639 -
2, Destillierte Wässer, Aquae destillatae.
§ 490. Wie gewinnt man die destillierten Wässer? Mau stellt die
destillierten Wässer aus Arzneikörpern dar, welche ätherisches
Öl enthalten; sie sind daher als wässerige Lösungen ätherischer
Öle zu betrachten. Obwohl man sie daher durch Schütteln von
(lauwarmem) Wasser mit geringen Mengen des betreffenden äthe-
rischen Öles (1000 : 1) erhalten kann, bereitet man sie doch besser
durch Destillation der Pflanzenteile mit Wasser resp. Wasser-
dampf, so das Fenchelwasser aus den Fenchelfrüchten, das Zimt-
wasser aus der Zimtrinde, das Pfefferminzwasser aus den Pfeffer-
minzblättern. Ausser diesen rein wässerigen Destillaten stellt
man einige spirituöse Wässer durch Zusatz von Weingeist
dar, z. B. spirituöses Zimtwasser (Aqua Cinnamomi spirituosa).
Auch das Bittermandel wasser zählt zu denselben.
§ 491. Darstellung über freiem Feuer. Die ältere Methode
der Gewinnung destillierter Wässer ist die Destillation über
freiem Feuer. Man nimmt sie in kupfernen Destillierblasen
vor , die nur bis zur Hälfte , höchstens zu zwei Drittel mit den
Ingredienzien gefällt werden dürfen , da in den meisten Fällen
die Mischung bei Beginn des Siedens stark aufschäumt. Die zer-
schnittenen Wurzeln, Kräuter, Blumen, die zerstampften Samen,
Früchte, Binden werden mit so viel Wasser in die Blase gegeben,
dass die Mischung nach dem Abzug des zu gewinnenden Destil-
lates auch flüssig bleibt und nicht anbrennt.
In manchen Fällen geht der Destillation eine Maceration zu-
vor, wie beim konzentrierten Himbeerwasser, Schlagwasser u. a.
Nach dieser Methode lassen sich alle destillierten Wässer dar-
stellen; sie ist für manche die ausschliessliche geblieben, z. B. für
Aqua Lauro-Cerasi, Aqua foetida antihyst., ebenso für die kon-
zentrierten Wässer.
§ 492. Darstellung durch Dampfdestillation. Die neue reMethode
ist die Gewinnung der destillierten Wässer durch Dampfdestil-
lation aus dem Beindorfschen Dampfapparate. Sie lässt sich
in den meisten Fällen anwenden und vereinigt viele Vorteile.
Ein Anbrennen ist unmöglich, die Reinigung der Blase sehr leicht,
auch zeichnen sich die Wässer durch guten Geruch und Reinheit
aus. Man bringt die zerkleinerten Vegetabilien in der Regel
trocken auf den nötigenfalls mit Leinwand bedeckten Siebboden
des zinnernen Einsatzkessels , nachdem das Dampfzuleitungsrohr
bereits eingefügt worden ; dann setzt man den Helm auf und be-
ginnt die Destillation.
— 640 —
Soll ein destilliertes Wasser weingeisthaltig sein, so bringt
man den Weingeist in das Wasser des äusseren Kupferkessels
oder kann auch die Vegetabilien damit besprengen.
Yon manchen, an sich schwach riechenden oder wenig halt-
baren Wässern, wie Aqua Chamomillae, Melissae, Sambuci, Tiliae,
u. a., stellt man konzentrierteWässer dar, indem man zu-
nächst durch Dampfdestillation ein einfaches Wasser gewinnt und
dieses dann nach einem Zusätze von Weingeist für sich abermals
der Destillation aussetzt, wobei man nur den zehnten Teil des
ersteren übergehen lässt. Dieses konzentrierte Wasser ist beim
Gebrauche auf das Zehnfache zu verdünnen.
rä§B| Bei vielen Wässern erhält man zugleich
fpflff mehr oder weniger ätherisches Öl, z. B. bei
Aqua Foeniculi, Menthae piperitae u. a. Diese
=^i fangt man in eine sog. Florentinerflasche
(Fig. 560) auf, in welcher sich (bei a) das
ätherische Öl sammelt, während das Wasser
durch das Ausüussrohr (b) abfliesst. Ist die
Destillation beendigt, so leitet man das äthe-
rische Öl mit Hilfe eines kleinen Dochtes oder
^s, eines Päuschchens Watte in ein angehängtes
^W^ Gläschen über. Grössere Mengen kann man in
'^^^ij^ einen verschlossenen Trichter abgiessen und lässt
* "~7" nach einiger Ruhe das Wasser vom abgeschie-
iig. 54J. denen Öle abfliessen. (Scheidetrichter.)
Der Weingeistgehalt der Spirituosen destillierten Wässer er-
höht deren Lösungsvermögen zum Öle; daher scheiden solche kein äthe-
risches Öl ab.
3. Medizinische Spiritus.
§493. Was sind die medizinischen Spiritus ? Die medizinischen
Spiritus sind farblose, weingeistige Lösungen ätherischer oder
ätherisch - öliger Stoffe , seltener anderweitiger Körper (wie der
Ameisen- und Seifenspiritus).
Man stellt die medizinischen Spiritus dar:
a) Durch Mischung einer Flüssigkeit mit Weingeist; so
den Ätherweingeist (Spiritus aethereus) aus 1 Teil Äther und 3 Teilen
Weingeist, den Senfspiritus (Spiritus Sinapis) aus 1 Teil Senföl
und 50 Teilen Weingeist.
b) Durch Auflösung eines Arzeneikörpers in Weingeist,
z. B. den Kampferspiritus (Spiritus camphoratus) durch Auflösen
von 1 Teil Kampfer in 7 Teilen Weingeist und Verdünnung der
klaren Flüssigkeit mit 2 Teilen dest. Wasser.
c) Durch Destillation von Yegetabilien mit verdünntem
Weingeist, z. B. Spir. Cochleareae von frischem blühenden Löffel-
kraut , Spir. Juniperi von zerstossenen Wacholderbeeren , Spir.
— 641 —
Lavandulae von Lavendelblüten, Spir. Rosmarini von Kosmarin-
blättern , Spir. Serpylli vom blühenden Quendel , Spir. Angelicae
comp, von zerschnittener Engelwurzel , Baldrianwurzel und zer-
stossenen Wacholderbeeren.
Man kann diese Destillation zwar auch über freiem Feuer
ausführen , aber in der Kegel benutzt man den Beindorfschen
Dampfapparat, in dessen zinnernen Einsatzkessel (nach Heraus-
nahme des Siebbodens) die Mischung gebracht und , ohne das
Dampfzuleitungsrohr einzufügen, aus dem Wasserbade abdestilliert
wird. (Eine Mischung aus gleichen Teilen Weingeist und Wasser
lässt, im Wasserbade erhitzt, verdünnten Weingeist von 0,89
spez. Gew. überdestillieren.)
4. Tinkturen und Elixire,
§494. Was sind die Tinkturen? Die Tinkturen, Tincturae*),
sind farbige, weingeistige Auszüge vegetabilischer und tierischer,
seltener chemischer Arzneistoffe. Geschieht die Extraktion durch
Ätherweingeist, so nennt man die Tinktur eine ätherische;
wendet man Wasser an, mit geringem Weingeistzusatz, so heisst
sie eine wässerige Tinktur, z. B. Tinct. Rhei aquosa; wendet
man Wein (Xereswein) an, so erhält man eine weinige Tinktur
oder einen medizinischen Wein, z. B. Tinct. Rhei vinosa,
Yinum Colchici u. a.
Die Mehrzahl der Tinkturen wird mit verdünntem Wein-
geist bereitet: dessen Gewichtsmenge in der Regel das Fünffache,
bei stark wirkenden Arzeneimitteln das Zehnfache der zu extrahieren-
den Ingredienzien beträgt. Harze und harzähnliche Körper (Aloe,
Myrrha, Benzoe u. a.), sowie harz- und ölhaltige Arzeneistoffe
(Castoreum, Cantharides u. a.) erfordern un verdünn ten Wein-
geist, Man übergiesst die zerkleinerten Stoffe — zerschnittene
Wurzeln und Kräuter, zerstossene Früchte und Samen — in
einer weithalsigen Flasche mit dem Weingeist, ohne dass jedoch
das Gefäss sich völlig damit anfülle, tektiere dann die Mündung
mit befeuchteter Blase oder Pergamentpapier und stecke eine
Stecknadel in dieselbe, um der Dampfspannung etwas Ausweg
zu lassen. Nach achttägiger Einwirkung, welche in der Kegel
eine Maceration in mittlerer Sommertemperatur ( 1 5 — 20° C)
ist, während deren die Mischung öfters umgeschüttelt werden
muss, wird der Weingeist abgegossen, der Rückstand ausgepresst
und die Tinktur nach mehrtägigem Absetzenlassen filtriert.
Schliesslich seien die wenigen Tinkturen erwähnt, welche
durch Auflösen von Extrakten und anderen Stoffen gewonnen
*) Tinctura von tingo (färben.)
Schlickum, Apothekerlelirling. 41
— 642 -
Averden, wie Tinct. Cannabis indicae aus Extr. Cannabis ind., Tinct.
Ferri pomata aus Extr. Ferri pom., Tinct. Chinoidini aus Chinoidin,
Tinct. Ferri chlorati aus Eisenchlorür, Tinct. Jodi aus Jod.
§495. Elixire. DieElixire, Elixiria*), sind dunkelfarbige,
meist undurchsichtige, auch wohl trübe Extraktlösungen,
wie Elixir amarum, e Succo Liquiritiae, oft mit einem Auszug
verbunden, wie Elixir Aurantii comü.
5. Extrakte, Extraeta,
§496. Die Extrakte im allgemeinen. Die Extrakte, Extraeta,
sind eingedickte Auszüge vegetabilischer Stoffe, welche die
arzeneikräftigen Bestandteile derselben enthalten. Nach ihrer Kon-
sistenz unterscheidet man 1. dünne Extrakte, von der Dicke
des frischen Honigs; 2. dicke Extrakte, welche vom Spatel
kaum mehr abfliessen und sich mit demselben in Fäden ziehen
lassen; 3. trockne Extrakte von pulveriger Beschaffenheit.
Während die dicke Extraktform als die gewöhnliche zu bezeichnen
ist, wird die dünne nur in wenigen Fällen, nämlich beim Ein-
dampfen ätherischer Auszüge harz- und ölreicher Substanzen
(Cina, Cubeba, Filix mas, Mezereum) gewählt, die trockne Form
dagegen in solchen Fällen, wo wegen eines Gehaltes an Gummi,
Schleim u. dgl. das dicke Extrakt leicht dem Schimmeln unter-
worfen ist, z. B. bei Opium, Colombo, Myrrha, Ratanha, Strychnos.
Man bewahrt die steifen Extrakte an einem trocknen, aber
nicht zu warmen Orte auf.
§ 497. Bereitung der Extrakte. Man unterscheidet bei der Extrakt-
bereitung 1. Extraktion, 2. Eindampfen des Auszugs.
Im allgemeinen benutzt man die getrockneten Vegetabilien
zur Extraktion ; bei den einheimischen narkotischen Gewächsen
verwendet man dazu das frische Kraut. Betrachten wir zu-
nächst die allgemeine Methode, so hängt das Extraktionsverfahren
von der Beschaffenheit der Substanz und der Wahl des Ex-
traktionsmittels ab. Letzteres kann sein: a) -Reines Wasser;
b) Wasser mit Weingeist; c) reiner Weingeist; d) Weingeist mit
Äther; e) reiner Äther.
Je nachdem das eine oder das andere dieser Extraktions-
mittel zur Anwendung gelangt, bezeichnet man das Extrakt als
ein wässeriges, spirituös-wässeriges, spirituöses, äthe-
risch-spirituöses oder ätherisches Extrakt.
*) Elixir von elicio (herauslocken, herausziehen).
— (343 -
§ 498. Wässerige Extrakte. In allen Fällen, wo die wirksamen
Bestandteile eines Vegetabils nur in Salzen und Bitterstoffen be-
stehen (wie bei Carduus bened., Gentiana Centaurium , Dulca-
naara, Quassia, Taraxacum, Trifolium fibrin.), oder in Zucker und
ähnlichen süssen Stoffen (wie bei Rhiz. Graminis, Liquir.), oder
in Gerbestoffen (wie bei Ratanhia, China), bedient man sich des
Wassers als Extraktionsmittels. Dasselbe sei möglichst frei von
Kalk, daher destilliertes oder Regen wasser.
Von der Art des wirksamen Prinzipes, sowie von der äusse-
ren Beschaffenheit des Yegetabils hängt es ab, in welcher "Weise
die Extraktion stattfinden soll. Im allgemeinen befolgt man das
Verfahren , die zerschnittene oder zerstossene Substanz mit der
4— 6 fachen Menge siedenden Wassers zu übergiessen, das
Ganze einer sechsstündigen Digestion (bei lauer Wärme) zu
überlassen, dann auszupressen und die Extraktion mit der halben
Wassermenge nochmals in gleicher Weise zu repetieren. So ver-
fährt man beispielsweise bei Extr. Cardui bened., Dulcamarae,
Graminis, Strychni aquosum.
Holzige Substanzen , wie Campecheholz , erfordern ein mehr-
stündiges Kochen, indem man sie mit der achtfachen Wasser-
menge abkocht, bis die Hälfte des Wassers verdampft ist.
Von der heissen Extraktion wird in gewissen Fällen Abstand
genommen und eine 1— 2tägige Maceration der Substanz mit
der 4 — 6 fachen Menge kalten Wassers angewendet. Dies
geschieht wegen der harzigen Bestandteile , bei Opium , Aloe,
Myrrha, bei Gentiana wegen des Pektingehaltes, beim Lakriz und
Süssholz wegen des Stärkemehls, bei der Ratanha wegen des Gerb-
säureabsatzes.
Würde man solche Substanzen mit siedendem Wasser behandeln, so
erhielte man trübe, dickliche, nicht zu klärende Brühen und kaum lösliche
Extrakte. Entweichende Körper, wie den Lakriz, schichtet man mit ge-
schnittenem Stroh in Dekantirtöpfe , aus deren seitlichen Offnungen die
klaren Brühen abgezapft werden; eine Pressung findet dabei nicht statt,
vielmehr wiederholt man mehrmals die Extraktion mit frischem Wasser.
Die vermischten , durch Absetzen und Kolieren geklärten
Brühen werden ohne Zeitverlust im Dampfbade eingedickt. Da
ein längeres Kochen wohl zu vermeiden ist, empfiehlt sich nicht
ein Abdampfen über freiem Feuer. Man benutzt zinnerne oder
porzellanene Schalen, jedoch keine aus Eisen oder Kupfer, welche
das Extrakt verunreinigen würden. Man dampft die Brühe bis
etwa zum dritten Teile ein , stellt sie dann kurze Zeit an einen
kühlen Ort und koliert sie vom abgeschiedenen Bodensätze ab.
Gewisse Extrakte, wie Extr. Taraxaci, Graminis, scheiden schwerlös-
liche Salze ab, weshalb man sie nach dem Eindampfen zur Syrupkonsistenz
einige Zeit stehen lässt, darauf nochmals in der vierfachen Menge kalten
Wassers löst und die filtrierte Flüssigkeit zum steifen Extrakte einengt.
41*
— 644 —
Trotzdem kann es bei gerbstoff haltigen Extrakten nicht verhütet werden,
dass sie sich später trübe in Wasser lösen, da der Gerbstoff sich beim
Abdampfen durch Sauerstoffaufnahme in schwerlöslichen Gerbsäureabsatz
umwandelt. Solche Extrakte lassen sich, wie leicht ersichtlich ist, durch
abermaliges Auflösen und Eindampfen nicht verbessern.
§ 499. Spirituöse Extrakte. Beruht die arzneiliche Kraft in aro-
matischen Stoffen, flüchtigen Ölen, Harzen u. dgl., so bereitet man
ein spirituöses Extrakt.
Die Beimischung solcher Substanzen, welche wässerige Lösungsmittel
erfordern, z. B. von Bitterstoffen, macht es nötig, den Weingeist mehr
oder weniger mit Wasser zu verdünnen. Hiernach verwendet man beim
Wermut, Kalmus. Alant, Baldrian, den Pomeranzenschalen, Kamillen,
Sadebaumspitzen eine Mischung aus 40 Teilen Weingeist und 60
Teilen Wasser. Dieselbe Mischung nimmt man bei Rhabarber und Co-
lombowurzel, um nicht die gummösen und schleimigen Bestandteile der-
selben aufzulösen. Verdünnten Weingeist (von 0,89 spezif. Gew.) ver-
wendet man in derselben Absicht bei China, Colocynthis, Faba Calabarica,
Scilla. Sind dagegen die Bestandteile mehr harziger Natur, so extrahiert
man sie mit unverdünntem Weingeist, z. B. Cannabis indica, Mezereum.
Die zerschnittenen oder zerstampften Vegetabilien werden
mit dem verdünnten oder unverdünnten Weingeist maceriert.
Nach dem Auspressen unterzieht man den Rückstand der näm-
lichen Behandlung mit einer neuen Flüssigkeitsmenge. Die ver-
mischten Auszüge werden nach dem Absetzen filtriert und ein-
gedampft. Hierbei ist es gestattet, den verwendeten Weingeist
im Dampfbade abzudestillieren.
Man bringt die klare Extraktbrühe in den zinnernen Einsatzkessel
des Beindorfschen Dampfapparates und destilliert für sich, so lange noch
etwas übergeht; darauf giesst man den Rückstand in eine flache Schale
und engt ihn im Dampf bade zum Extrakt ein. Der übergegangene Wein-
geist besitzt gewöhnlich den Geruch der Drogue und ist zur Gewinnung
des nämlichen Extraktes, auch in gewissen Fällen zur äusserlichen An-
wendung, recht wohl geeignet.
Nach Yerjagung der geistigen Flüssigkeit erscheint die Ex-
traktbrühe meist trübe, wegen des nun vorherrschenden Wasser-
gehaltes, und erfordert beim Eindampfen beständiges Umrühren.
§500. Ätherische Extrakte. Einige Droguen liefern ätherische
Extrakte, indem sie mit einer Mischung aus gleichen Teilen
Äther und Weingeist (wie die Kubeben und Zittwerblüten) oder
mit reinem Äther (wie der Wurmfarn) drei Tage lang maceriert,
dann ausgepresst, filtriert und eingedampft werden. Der ange-
wandte Äther lässt sich durch Destillation wiedergewinnen; man
setzt den Auszug in einem Kolben heissem Wasser oder Dampf
aus, nachdem man zuvor eine Glasröhre, welche in eine Vorlage
hineinreicht, luftdicht angefügt hat. Den Rückstand dampfe man
zum dünnen Extrakte ein.
— 645 —
§ 501. Extrakte aus frischen Kräutern. Die einheimischen nar-
kotischen Kräuter, wie Belladonna, Digitalis, Conium, Chelidonium,
Hyoscyanius, Lactuca virosa, Stramonium , unterliegen einer be-
sonderen Extrahierungsmethode. Man zerschneidet sie im frischen,
blühenden Zustande, zerstampft sie im Steinmörser mit ^o
Wasser und presst stark aus , den Rückstand unter abermaligem
Wasserzusatz derselben Operation unterwerfend. Die gemischten
Brühen erhitzt man nahe zum Sieden, wobei Gerinnung ihres
Eiweissgehaltes erfolgt, koliert und engt sie im Dampf bade auf ein
Zehntel des angewendeten Krautes ein. Der Rückstand wird mit
gleichviel Weingeist gemischt, nach einem Tag von dem schleimi-
gen und gummösen Absatz koliert, letzterer abgepresst, nochmals
mit verdünntem Weingeist ausgewaschen und abermals gepresst.
Die vereinigten weingeistigen Auszüge werden nach der Filtration
dem Eindampfen unterworfen , wobei sich der Weingeist durch
Destillation wiedergewinnen lässt.
§ 502. Trockne Extrakte. Die trocknen Extrakte gewinnt
man durch stärkeres Einengen der Extraktbrühe, bis die steife
Masse selbst im warmen Zustande sich in Fäden ziehen lässt,
worauf man sie in dünne Schichten und Bänder ausbreitet und
auf flachen Porzellantellern an einem massig warmen Orte völlig
austrocknet. Sowie sie spröde erscheint, wird sie in einem an-
gewärmten Mörser zerrieben und sofort in ein trocknes, erwärm-
tes, mit Korkstöpsel wohl zu verschliessendes Gefäss gebracht.
Um die steifen narkotischen Extrakte in trockne Form zu
bringen und auch für Pulvermischungen geeignet zu machen,
trocknet man sie mit Süssholzpulver in gelinder Wärme aus und
zerreibt die pulverige Masse, unter Zusatz von so viel Süssholz-
pulver, dass das Ganze doppelt so viel wiegt wie die ange-
wendete Extraktmenge. Bei der Dispensation wird ein doppeltes
Quantum abgewogen, als verordnet ist. Die betreffenden Stand-
gefässe erhalten die Aufschrift : sumatur duplum.
6. Syrupe, Syrupi.
§ 503. Bereitung der Syrupe. Die Syrupe, Syrupi, sind dick-
liche Zuckerlösungen, gewonnen aus weissem Zucker und
einer wässerigen Flüssigkeit, deren Yerhältnis in der Regel wie
60 : 40 angenommen wird. Sie dienen zum Versüssen der Mix-
turen und führen kleine Mengen aromatischer und anderer arzenei-
lich wirksamer Stoffe. Beim weissen Syrup wird destilliertes
Wasser, beim Althaesyrup ein Althae-Aufguss, beim Himbeersyrup
vergohrener Himbeersaft, beim Mandelsyrup eine Mandel-Emulsion
— 646 -
zur Lösung des Zuckers benutzt. Man bringt die Zuckerlösung
zum einmaligen Aufkochen, wobei der Eiweissgehalt gerinnt
und , alle Unreinigkeiten mit sich reissend , zur Klärung des
Syrups wesentlich beiträgt. (Man unterlässt dieses Aufkochen
nur beim Mandelsyrup.) Nach dem Aufkochen wird der Syrup
geschäumt, durch Wasserzusatz auf sein Gewicht ergänzt und
noch heiss durch weissen Stramin koliert, aber erst nach völligem
Erkalten in die möglichst trockenen Gefässe gebracht.
Die Fruchtsäfte, welche man zu Syrupen benutzt, sind:
Kirschsaft (von den sauren, rotsaftigen Morellenkirschen), Him-
beersaft, Kreuzbeerensaft, Maulbeersaft (von den schwarzen Maul-
beeren). Man gewinnt sie, indem man die Früchte zerquetscht,
einige Tage in mittlerer "Wärme stehen lässt, dann auspresst (zwi-
schen Holzplatten) und den Saft filtriert und mit Zucker im Ver-
bältnisse wie 65 : 35 verkocht.
§ 504. Honig und Sauerhonig. Den Syrupen schliessen sich der
gereinigte Honig, sowie die Sauerhonige an. Das Reini-
gen des Honigs bezweckt die Abscheidung der albuminösen
Beimengungen ; sie wurde früher durch Zusatz gewisser Abscheide-
mittel (Gerbsäure, Galläpfelpulver, Magnesia, Thonerde, Holzkoh-
len u. a.), jetzt ausschliesslich durch einstündiges Erhitzen des
verdünnten Honigs nahe zum Siedepunkt, jedoch ohne Kochen,
bewirkt, wobei das Eiweiss gerinnt und den Honig klärt. Nach
der Filtration dampft man ihn zur Syrupkonsistenz ein.
Verdünnt man den gereinigten Honig mit einem ßosen-
blätteraufguss , Essig oder Meerzwiebelessig, und dampft wieder
zur Syrupkonsistenz ein, so erhält man Mel rosatum, Oxymel
simplex, 0. scilliticum. Man erfährt den Konzentrationspunkt am
besten durch die Wage, indem man bis zum Gewicht des an-
gewendeten Honigs eindampft.
7, Linimente und medizinische Seifen.
§ 505. Opodeldok. Die Linimente sind dickliche oder gela-
tinöse Mischungen zum Einreiben, wie das Linimentum ammo-
niatum, das sog. flüchtige Liniment, eine Mischung aus
4 Teilen Öl und 1 Teil Salmiakgeist. Von den Linimenten wird
im Laboratorium vorzugsweise der Opodeldok, Linimentum
saponato-camphoratum, angefertigt. Derselbe ist eine Seifen-
gallerte, eine heissbereitete Auflösung von medizinischer Seife in
Weingeist, welche beim Erkalten gesteht. Zumal die Talg-Natron-
seife (Hausseife) veranlasst ein Gelatinieren der weingeistigen
Lösung, während die Ölnatron seife (spanische Seife) und Ölkali-
seife in verdünntem Weingeist flüssig bleibt (Spiritus saponatus).
— 647 —
§ 506. Medizinische Seifen. Abgesehen von Sapo medicatus,
oleaceus und viridis, über welche bereits in der Chemie
das Nähere mitgeteilt wurde, kommt hier Sapo jalapinus und
terebinthinatus in Betracht Die Jalappenseife bereitet man aus
medizinischer Seife und Jalappenharz durch Auflösen in verdünn-
tem Weingeist und Eindampfen zur Pillenkonsistenz ; die Terpen-
tinseife durch Mischen gepulverter spanischer Seife mit fein-
zerriebenem kohlensaurem Kali und Terpentinöl.
8, Salben, gekochte Öle und Cerate.
§ 507. Salben. Von den in der Offizin vorrätigen Salben
wird ein Teil durch Verreibung fester oder flüssiger Arzneistoffe
mit Schweineschmalz oder einer Fettmischung dargestellt. Un-
lösliche mineralische Körper werden zunächst gepulvert und dann
mit etwa dem gleichen Volum des Fettes in einer Reibschale
aufs feinste verrieben, bevor man die übrige grössere Menge
des Fettes zumischt. So bei JJngt. Cerussae, Zinci, sulfuratum.
Das Verreiben muss so lange fortgesetzt werden , bis man beim
Streichen einer Probe auf den Fingernagel keine festen Partikel
fühlt, noch sieht. Ungt. Hydrargyri cinereum erfordert ein so
lange fortgesetztes Verreiben (Töten) des Quecksilbers mit alter
Quecksilbersalbe , bis man beim Ausstreichen einer Probe keine
Metallkügelchen mehr wahrnehmen kann. Man kann diese
Operation , welche bei der Quecksilbersalbe gewöhnlich mehrere
Stunden anhaltenden Reibens erfordert, sehr beschleunigen,
wenn man der Masse die gehörige Weichheit giebt, d. i. bei
kälterer Temperatur gelinde erwärmt. Ein Terpentinzusatz fördert
in gleicher Weise das Töten des Metalles.
Lösliche Körper, z. B. Jodkalium zu Ungt. Kalii jod., werden
in der möglichst geringen Wassermenge aufgelöst und dann die
Fettmenge untergearbeitet.
Eine grössere Reihe von Salben erfordert Schmelzen.
Einfache Fettmischungen sind : Ungt. basilicwm,, cereum, Elemi,
Eosmarini comp., Terebinthinae. Man schmilzt die Fette in einer
Porzellan- oder Zinnschale im Wasserbad.
Bei einigen Salben findet eine Extraktion durch Fett statt;
so digeriert man zu Ungt. Cantharidum die gepulverten Canthariden
mit Öl, zu Ungt. flavum die Curcuma mit Schweineschmalz.
Beim Erkalten einer aus mehreren verschiedenen festen Fetten
zusammengeschmolzenen Salbe ist in den meisten Fällen fleissiges
Umrühren geboten, damit das festere Fett sich nicht von dem
weicheren ausscheide, so bei den mit Wachs oder Walrat be-
reiteten Salben, z. B. Ungt. cereum, Cantharidum.
— 648 —
Andere derartige Fettinischungen , in denen Terpentin oder
ein Harz eingeht, lässt man ohne Umrühren erkalten, da durch
dieselben die ungleichflüssigen Bestandteile sich enger verbinden.
So bei TJngl. basüicum, Elemi, Rosmarini comp.
§ 508. Gekochte Öle. Gewisse Vegetabilien wurden früher im
frischen Zustande mit Öl oder Schweinefett in einem kupfernen
Kessel auf gelindem Feuer so lange gekocht, bis die wässerige
Feuchtigkeit verdampft war. Den richtigen Zeitpunkt erkannte
man daran, dass die anfänglich stark schäumende und hoch-
steigende Masse zusammensinkt , aufhört Blasen zu werfen und
beim Umrühren einen raschelnden Ton abgiebt. Diese Öle und
Fette besitzen stets eine dunkelgrüne oder braune Färbung.
Durch Einführung des Dampfbades in das pharmazeutische
Laboratorium hat auch die Methode der Darstellung der ge-
kochten Fette eine Änderung erlitten. Man besprengt die ge-
trockneten und zerschnittenen Vegetabilien mit Weingeist, lässt
sie im verschlossenen Gefässe einige Stunden (zur innigeren
Durchdringung) stehen und digeriert sie dann mit dem Fette in
einer zinneren Schale im Dampf bade so lange, bis der Weingeist
sich völlig verflüchtigt hat, was sich an der Klarheit des Fettes
erkennen lässt. Hierauf presst man aus und koliert resp. filtriert
(durch zuvor getrocknetes Papier!).
In dieser Weise gewinnt man aus Schweineschmalz mit
Leinkraut Ungt. Linariae , mit Meiran Majoranae , mit Pappel-
knospen Ungt. Populi; aus Olivenöl mit Kamillen Oleum Chamo-
millae infüsum, mit Bilsenkraut Ol. Hyoscyami infusum (coctum),
§ 509. Gerate. Die Cerate, Cerata, bestehen zur Haupt-
masse aus Wachs, besitzen daher eine spröde, harte Konsistenz.
Man gewinnt sie durch Zusammenschmelzen von Wachs mit
Walrat (Ceratum Cetacei) , Muskatbutter (Ceratum Myristicae),
Talg, Fichtenharz und Terpentin (Ceratum Bes. Pini), teilweise
unter Zusatz gepulverter Körper (Grünspan zu Ceratum Aeruginis).
Die geschmolzene Mischung wird in Papierkapseln ausgegossen
und nach dem Erstarren in Täfelchen abgeteilt.
9. Pflaster, Emplastra.
§ 510. Bleipflaster. Die Pflaster, welche ölsaures und marga-
rinsaures Bleioxyd zur Grundlage haben, werden aus Öl resp.
Schweineschmalz mit Bleiglätte, wie Empl. Lithargyri Simplex,
oder Mennige, wie Empl. fuscum, gekocht.
Das einfache Bleipflaster, aus gleichen Teilen Olivenöl,
Schweineschmalz und Bleiglätte bereitet, kann auf doppeltem Wege
— 649 -
gekocht werden: auf freiem Feuer oder im Dampf bade. In jedem
Falle ist aber ein Wasserzugang nötig, um Glycerin zu bilden.
Die Kochmethode über freiem Feuer beendigt sich in mehreren
Stunden, beansprucht jedoch eine gewisse Übung und grosse Vorsicht. Man
schmilzt das Fett in einem geräumigen, zuvor ausgescheuerten kupfernen
Kessel, fügt die feinzerriebene, klümpchenfreie Bleiglätte unter Umrühren
bei, giebt l/4 Pfd. Wasser hinzu und kocht bei gelinder Feuerung, die
schäumende und steigende Masse mit einem Holzspatel wohl umrührend,
damit die Glätte sich nicht am Boden festsetze. Sehr zu beachten ist,
dass es niemals an Wasser fehle und die Masse stets im Kochen bleibe,
weshalb man, sowie dieselbe aufhört zu schäumen und zusammensinkt,
eine Portion Wasser beizugeben hat. Dieser Wasserzusatz ist bis zur Be-
endigung der Pflasterbildung öfter zu wiederholen. Sobald die Glätte sich
völlig gelöst hat, beginnt die Masse weiss zu werden und nimmt den
eigentümlichen Pflastergeruch an. Von Zeit zu Zeit hat man dann zu
prüfen, ob die Pflasterbildung vollendet ist, indem man einige Tropfen
in kaltes Wasser giesst und knetet; sobald die erkaltete Probe hart er-
scheint, nicht mehr schmierig oder klebrig, ist das Pflaster fertig.
Dieselbe Operation nimmt im Dampfbad einige Tage in Anspruch,
gewährt aber bei geringerer Übung mehr Sicherheit, da ein Anbrennen
des Pflasters nicht stattfinden kann. Man füllt eine Zinnschale mit der
Fettmasse an, giebt, sobald sie geschmolzen ist, die Bleiglätte mit etwas
Wasser bei und hält das Ganze im vollen Dampfbad, öfters umrührend,
damit die. Glätte sich nicht am Boden festsetze, auch den Wasserzusatz
von Zeit zu Zeit wiederholend. Letzterer ist nicht in der Menge nötig,
wie bei ersterer Methode, da eine viel geringere Verdampfung stattfindet.
Wenn das Pflaster die Gare erlangt hat, knetet man es unter
kaltem Wasser, in welchem sich das Glycerin auflöst. Das durch
hinreichendes Kneten (Malaxieren) ausgewaschene Pflaster wird
schliesslich auf einem sauberen Brette in Stangen ausgerollt.
Das Mutterpflaster wird aus 1 Teil Mennige und 2 Teilen
Olivenöl gekocht. Man trage in das im geräumigen kupfernen
Kessel über gelindem Feuer erhitzte Öl die feinpräparierte, knöll-
chenfreie Mennige unter Umrühren ein und fahre mit dem Um-
rühren unablässig fort, bis die Mennige sich aufgelöst hat, was
unter Schäumen und Steigen der Masse geschieht. Ein Wasser-
zusatz findet nicht statt.
Das Glyzeryl entweicht hierbei als Akrol in stechenden Dämpfen.
Man kocht nach Auflösung der Mennige das sich schwärzende Pflaster, bis
eine Probe auf kalter Metallfläche zur festen, nicht mehr schmierigen
Masse erstarrt. Man giebt dann gelbes Wachs in das Pflaster und nach
einigem Abkühlen Kampfer, mit Öl angerieben, worauf die Masse in Papier-
kapseln ausgegossen wird.
§ 511. Gemischte Pflaster. Die gemischten Pflaster wer-
den aus Wachs, Harz, Öl, Terpentin, Talg u. s. w. zusammen-
geschmolzen, oder sie besitzen als Grundlage das Bleipflaster.
Einfache Mischungen von Wachs , Talg und gepulverten
Herzen sind beispielsweise Empl. aromaticum, Ammoniaci, foetidmn,
— 650 —
Galbani croc. , oxycroceum u. a. Man mischt der geschmolzenen
Fettmasse die klümpchenfreien Harzpulver zu und rollt das halb-
erkaltete Pflaster in Stangen auf einer mit Öl befeuchteten Fläche
aus. Gummiharze (Ammoniak , Mutterharz , Stinkasant) erweicht
man mittelst des Dampfbades (oder über sehr gelindem Feuer) in
Terpentin, bevor man sie dem etwas verkühlten Fettgemenge zusetzt.
Viele derartige Pflaster enthalten Kräuterpulver, die man der
geschmolzenen Wachsmischung unterrührt. Hierhin gehören Empl.
Belladonnae, Cantharidum, Conii, Meliloti. Um ihr Schimmeln zu
verhüten , müssen die vegetabilischen Pulver zuvor getrocknet
werden. Auch diese Pflaster rollt man mit Öl aus.
Gemischte Pflaster mit Bleipflaster als Grundlage sind: Empl.
adhaesivnm — Bleipflaster mit Wachs, Dammarharz, Geigenharz
und Terpentin; Empl. Hydrarg yri — Bleipflaster mit einer Yer-
reibung von Quecksilber mit Terpentin ; Empl. saponatum — Blei-
pflaster mit Seifenpulver, welches man innig dem geschmolzenen
Pflaster beimischt; Empl. Lythargyri compositum - — Bleipflaster
mit Ammoniak- und Galbanum-Gummiharz, welche in Terpentin
mittelst des Dampfbades erweicht und dem geschmolzenen (nicht
zu heissen !) Pflaster beigefügt werden. Diese Pflaster kann man
mit Wasser ausrollen.
§ 512. Englisches Heftpflaster. Eine besondere Art Pflaster ist
das englische Heftpflaster, ein mit Hausenblase über-
zogener Seidentaffet. Letzteren wählt man in mehreren Farben
(schwarz, rot, weiss), spannt ihn angefeuchtet über einen vier-
eckigen Holzrahmen und überzieht ihn in wiederholten Auf-
strichen mit einer Hausenblasenlösung. Schliesslich netzt man
die Kückseite des Taffets mit Benzoetinktur.
Ahnlich wird Empl. Mezerei cantharidatum angefertigt, indem man
Seidentaffet zuerst mit einer Hausenblasenlösung und nachher mit einem
Essigäther -Auszug aus spanischen Fliegen und Seidelbast, worin etwas
Sandarak, Elemi und Geigenharz aufgelöst wurde, überzieht.
— 651 -
B. Die Bereitung der Arzneien.
(Receptur.)
a) Arzeneien zum innerlichen Gebrauche,
a) Flüssige Arzeneien.
1, Mixturen, Mixturae.
§ 513. Mischung flüssiger Arzneistoffe. Bei der einfachen Mischung
mehrerer Flüssigkeiten sind folgende Regeln zu beobachten:
1. Alle Ingredienzien sind auf der Wage (Tarierwage) in das
zuvor tarierte Glas abzuwägen. Nur wenn eines oder mehrere
derselben ausdrücklich in einer gewissen Tropfenzahl zugesetzt
werden sollen, darf man sie abtröpfeln. Auch ist es nicht gestattet,
Flüssigkeiten dem Masse nach zu bestimmen (zu mensurieren).
Es soll alles nach Gewicht angegeben und genommen werden.
Man darf sich für grössere Mengen u. dgl. wohl vielfach der Mensuren
bedienen, jedoch sollen dieselben nicht die Wage ersetzen, vielmehr nur im
allgemeinen die anzuwendende Flüssigkeitsmenge bestimmen. Das Ab-
tröpfeln kleiner Mengen scheint zwar bequemer und genauer als das Ab-
wägen derselben auf einer grossen Tarierwage; jedoch ist das Tröpfeln unsicher
und die Grösse des einzelnen Tropfens nicht allein nach der Natur der ver-
schiedenen Flüssigkeiten, sondern auch nach dem Rande der jeweiligen Stand-
flasche verschieden. Je dünnflüssiger ein Mittel, um so kleinere Tropfen
bildet es; je breiter der Geiässrand, um so grösser fallen die Tropfen aus.*)
2. Beim Abwägen beginne man mit der kleinsten Menge und
schreite stufenweise zu den grösseren fort. Man ist nicht an
die Reihenfolge, wie sie das Rezept zeigt, gebunden.
Dies ist darum geboten, weil die Wage eine um so grössere Empfind-
lichkeit besitzt, je weniger sie belastet ist. Es lassen sich 1 — 2 Gramm
recht exakt in ein leeres Glas einwägen, aber mit viel geringerer Genauig-
keit in ein solches, welches bereits 100 — 2C0 Grm. Flüssigkeit enthält.
Abzutröpfelnde Mittel sind stets zuerst ins leere Glas zu bringen.
Beispiele:
R(ecipe). Acidi hydrochlorici 1,0 R(ecipe). Tincturae Opii simpl. gutt. 20
(gramma unum) (guttas viginti)
Aquae destillatae 150,0 Aquae Lauro-Cerasi 10,0
(gram, centum quinquaginta) (grammata decem)
Syrupi Rubi Idaei 30,0 M(isce). D(etur). S(ignetur): Nach Be-
(grammata triginta). rieht zu nehmen.
M(isce). D(etur). S(ignetur): Stündlich
einen Esslöffel.
*) Die Taxbestimmung, dass für 1 Grm. 20 Tropfen Tinktur, fettes
Öl, 25 Tropfein wässerige Flüssigkeit, äther. Öl, Chloroform, Essigäther,
Atherweingeist , sowie 50 Tropfen Äther berechnet werden sollen, bezieht
sich nicht auf ein Tröpfeln statt des Wagens, sondern nur auf die Taxie-
rung tropfenweise verordneter Mittel.
— 652 —
Ausnahmen von dieser Regel:
1. Sehr flüchtige, sowie starkriechende Arzneimittel müssen
zuletzt eingewogen werden.
Würde man Äther, Chlorwasser oder Salmiakgeist in erster Reihe
einwägen, so verbreitete sich ihr Dunst in die nachfolgenden Standüaschen.
Man setzt sie also der fertigen Mischung zu.
' Bsp.: R. Aquae chloratae 20,0
„ destillatae 100,0
Syrupi simplicis 15,0.
M. D. S. ad vitrum nigrum.
2. Werden durch gewisse Bestandteile Niederschläge hervor-
gerufen, so sind dieselben zuletzt beizumischen.
Wenn durch Zusatz eines Mittels ein Niederschlag oder eine Aus-
scheidung hervorgerufen wird, z. B. durch Zumischen von Kampferspiritus
zu einer wässerigen Flüssigkeit, von Opiumtinktur zu Bleiwasser, so ist
dieses Mittel zuletzt beizugeben, damit der Niederschlag in einer möglichst
verdünnten Flüssigkeit entstehe und recht locker ausfalle.
Dass dabei das Ganze wohl umgeschüttelt werde, ist ausserdem zu
beachten.
Bsp.: R. Liquoris Plumbi subacetici 1,0
Tincturae Opii crocatae gutt. 20
Aquae Rosae 100,0.
M. D. S. Augenwasser.
3. Beim Mischen ungleichartiger Flüssigkeiten ist die Folge
des Abwägens so zu treffen, dass das Gleichartige zuerst mit ein-
ander gemischt und der ungleichartige Bestandteil zuletzt bei-
gegeben werde.
Bsp.: R. Spiritus Aetheris nitrosi 5,0
Aquae destillatae 120,0
Olei Menthae piperitae gutt. 5
Syrupi corticis Aurantii 30,0
M. D. S.
Bei diesem Rezept ist zuerst der Salpeteräther ins Glas einzuwägen,
dann das Pfefferminzöl zuzutröpfeln und in jenem zu lösen, bevor der Syrup
und schliesslich das Wasser beigegeben wird.
§ 514. Anreibungen. Unter einer Anreibung versteht man
die feine Verteilung unlöslicher oder nur teilweise löslicher Sub-
stanzen in Flüssigkeiten. So reibt man vegetabilische Pulver
(von Wurzeln, Kräutern u. dgl.), Pulpen (z. B. Tamarindenmus),
Latwergen und schwer- oder unlösliche mineralische Stoffe (z. B.
Weinstein, Goldschwefel) mit wässerigen Flüssigkeiten an. Auch
zählt hierhin die Bereitung des Tragant- und Salepschleims, durch
Anreiben des Pulvers mit kaltem resp. heissem Wasser.
Bsp.: R. Radicis Ipecacuanhae pulveratae 2,00
Aquae destillatae 30,0
Oxymellis Scillae 20,0
M. D. S. Gut umgeschüttelt alle zehn Minuten einen
Löffel voll zu nehmen, bis Erbrechen erfolgt.
- 653 —
Die Anreibung bezweckt den betr. Körper in möglichst feine Ver-
teilung zu bringen. Daher ist ein Verreiben zum zartesten Breie oder die
Anwendung des feinsten Pulvers geboten, welches man bald im Glase mit
der Flüssigkeit zusammenschüttelt, bald im Aufgussmörser damit anrührt.
Ersteres ist bei nicht klümpernden Pulvern, z. B. Ipecacuanhae, gestattet,
aber zu beachten, dass man das Pulver nicht ins leere Glas, sondern
in ein Mehrfaches der Flüssigkeit schüttet, um etwaiges Festsetzen
an den Gefässboden zu vermeiden.
Der Tragant schleim wird stets im Mörser bereitet, indem man
das Tragantpulver mit der 15 fachen Wassermenge anreibt und den ent-
stehenden Schleim mit mehr Wasser verdünnt. Am leichtesten gelingt das
Anreiben des Tragantes, wenn man ihn zuvor mit der mehrfachen Menge
Zucker oder mit dem etwa zugleich verordneten Syrup vermischt und dann
die nötige Wassermenge portionenweise zugiebt.
Den Salepschleim bereitet man im Glase durch Schütteln von
1 Teil Salep-Pulver mit 90 Teilen kochenden Wassers, nachdem man zuvor
das Pulver mit 10 Teilen kalten Wassers zerrührt hat, um das Klümpern zu
vermeiden.
Anreibungen sind Schüttelmixturen, d. h. sie erfordern
vor dem jedesmaligen Gebrauche sorgfältiges Umschütteln.
§ 515. Auflösungen. Man unterscheidet vornehmlich zweierlei
Auflösungen: Salzlösungen und Extraktlösungen. In
beiden Fällen benutzt man Mixturmörser, doch kann man bei
sehr leicht löslichen Salzen und ähnlichen Stoffen (Zucker u. a.)
die Lösung im Glase vornehmen. Unklare Salzlösungen erfor-
dern eine Eiltration; bei unklaren Extraktlösungen ist eine
solche nicht gestattet, wenn die Trübung durch Substanzen, die
wesentliche Bestandteile des Extraktes bilden, hervorgerufen wird.
So löst sich ein spirituöses oder ein wässerig spirituöses Extrakt
wegen der harzigen Bestandteile unklar in Wasser, ein wässeriges
Extrakt wegen seiner salzigen oder gummösen Bestandteile un-
klar in einer Tinktur.
R. Extracti Hyoscyami 1,0 R. Cupri sulfurici 0,25 (centigrammata
Vini stibiati 30,0. viginti quinque)
S(olve). D. S. Zweistündlich zwanzig Aquae destillatae 30,0.
Tropfen zu nehmen. S(olve). D. S. Augentropfen.
"Wenngleich bei den meisten Salzen und Extrakten gemeines
Wasser die gleichen Dienste thut wie destilliertes, so ist doch
stets destilliertes Wasser anzuwenden zur Lösung von
Natrum bicarbonicum , Argentum nitricum, Plumbum aceticum,
Cuprum sulfuricum , Tartarus stibiatus , Hydrargyrum bichlo-
ratum, teils wegen der zersetzenden Wirkung des im gemeinen
Wasser enthaltenen kohlensauren Kalkes (auf das Natriumbikarbonat
und die Quecksilber-, Blei-, Kupfer- und Antimonsalze), teils
wegen des ebenfalls nie fehlenden Kochsalzes (auf die Silbersalze).
In gewissen Fällen ist heisses Wasser anzuwenden, z. B. bei der
Manna, bei schwer löslichen Salzen, wie Kali chloricum und sulfuricum,
— 654 —
Alumen u. a. Jedoch darf in letzterem Falle die Menge des Salzes sein
Löslichkeits-Verhältnis zum Wasser nicht übersteigen. Reicht das Lösungs-
mittel nicht hin zur Auflösung der ganzen Menge des Salzes, so würde,
wenn man die Lösung nicht durch Wärme erzwänge, die Flüssigkeit beim
Erkalten einen Teil des Salzes krystallinisch ausscheiden. In solchen Fällen
pulvert man das Salz fein und bereitet eine Schüttelmixtur.
Wenn ausser den zur Lösung verordneten Ingredienzien
noch andere Mittel als Zusätze beigegeben werden sollen , so ist
die Lösung für sich zu bereiten, und erfolgen dann die Zusätze.
Leicht lösliche Salze kann man jedoch der fertigen Mixtur zugeben.
R. Ammonii chlorati 5,0 R. Natri bicarbonici 5,0
Elixir e Succo Liquiritiae 2,50 Extracti Cardui benedicti 3,0
Aquae destillatae 150,0. Aquae Menthae piperitae 150,0.
M(isce) s(olvendo). D. S. M(isce) s(olvendo). D. S.
Im ersten Beispiele kann der Salmiak recht gut zur fertigen Mischung
beigegeben werden; im letzten Beispiele muss zunächst mit der Hälfte des
Pfefferminzwassers im Glase die Lösung des Natriumbicarbonates bewerk-
stelligt werden, worauf man die mit der anderen Wasserhälfte im Mörser
oder auch in der Mensur dargestellte Extraktlösung beimischt.
Wenn dabei durch ein Zusatzmittel eine Präcipitation oder ander-
weitige Zersetzung der Auflösung hervorgerufen wird, so ist dieses Mittel
erst der vollständigen Mixtur beizufügen, damit die Zersetzung bei mög-
lichster Verdünnung vor sich gehe. Bsp.: Der Zusatz von Opiumtinktur
zu einer Bleizuckerlösung hat zuletzt und zwar zur verdünnten Lö-
sung zu geschehen. Ein Gleiches ist zu beobachten beim Auflösen zweier
sich gegenseitig unter Fällung zersetzender Salze, wie Plumbum aceticum
und Zincum sulfuricum; beide Salze sind für sich zu lösen und ihre ver-
dünnten Lösungen zu mischen.*)
Ist nicht Wasser, sondern Weingeist (etwa eine Tinktur) oder ein
Ol das Lösungsmittel, so ist auch diese Lösung zuerst und für sich zu
bereiten, ehe etwaige andere Zusätze beigefügt werden dürfen.
Bsp.: R. Chinini sulfurici 0,30
Tincturae corticis Aurantii 30,0
Elixiris Aurantii compositi 15,0
S(olve). M. D. S.
Hier ist das Chininsalz zuerst in der Tinktur zu lösen.
Der Phosphor wird in Öl gelöst, indem man ihn durch Einstellen
des Gefässes in heisses Wasser ^schmilzt, bis zum Erkalten des Öles schüttelt,
und nach dem Absetzen das Öl vom ausgeschiedenen Phosphor abgiesst.
*) Derartige gegenseitige Zersetzungen finden statt zwischen:
Magnesia-, Schwermetall- , Alkalo'idsalzen mit ätzenden oder kohlen-
sauren Alkalien, z. B. Bitterzalz mit kohlensaurem (auch phosphorsaurem)
Natron, Eisensalz mit doppeltkohlensaurem Natron, Morphiumsalz mit.
Atzammoniak (auch Liquor Ammonii anisatus!);
Eisen- , Blei- , Kupfer- , Alkalo'idsalzen mit Gerbsäure oder gerbstoff-
haltigen Auszügen wie Aufgüssen und Extrakten von Rhabarber, China-
rinde, Fingerhut u. a. ;
Blei-,Silber-,Quecksilberoxgdulsalzen mit Chlor-, Brom-unäJodmetallen . ;
Bleisahen mit schwefel-, phosphor-, weinsauren Salzen, Borax u. a. •,
Alkalo'iden mit Jodtinktur.
— 655 —
2. Saturationen, Saturationes.
§ 516. Was ist eine Saturation? Saturationen sind kohlen-
säurereiche Mixturen, bereitet durch Sättigung eines kohlen-
sauren Alkalis mit einer vegetabilischen Säure.
Als Alkalien wendet man an: neutrales und saures kohlensaures Kali
resp. Natron, seltener kohlensaure Magnesia oder kohlensaures Ammoniak,
Als Säuren: Citronensäure. Weinsäure, Citronensaft, Essig, sowie angesetzte-
Essige (Acetum Digitalis, Scillae u. a.).
Bsp.: R. Kali carbonici puri 5,0
Aceti q. s. (quantum sufhcit) ad perfectam Saturation em.
M. D. S.
Die Reaktion einer Saturation soll rnöglichstneutral sein ;
blaues Lackmuspapier darf nur vorübergehend gerötet werden
(durch die freie Kohlensäure). Andrerseits muss aber die Flüssig-
keit möglichst reich an Kohlensäure sein, soweit dies ohne
Schaden für Glas und Stopfen geschehen kann.
Potio Riveri ist eine Saturation aus 4 Teilen Citronen-
säure, 9 Teilen kryst. kohlensaurem Natron und 190 Teilen
Wasser.
§ 517. Wie wird eine Saturation bereitet? Bei der Bereitung
einer Saturation ist erstes Erfordernis:
Säure und Alkali müssen sofort in derjenigen Menge abge-
wogen werden, in welcher sie sich genau neutralisieren.
Man muss daher die Sauerheit resp. Alkalität der Ingredienzien zu-
vor genau kennen, sei es durch Anwendung reiner fester Stoffe oder
durch vorhergegangene Säurebestimmung' mittelst Versuche. Wollte man
erst bei Anfertigung der Saturation durch Lackmuspapier ihre Neutralität
feststellen und probieren, so würde mittlerweile weit mehr Kohlensäure
abbrausen, als nötig ist. Auch reagiert die genau gesättigte Flüssigkeit,
so lange sie noch freie Kohlensäure hat, schwach sauer.
Zweites Erfordernis ist:
Es sollen bei Anfertigung einer Saturation möglichst wenig
Gefässe und Operationen zur Anwendung kommen , auch darf
das Schütteln das notwendigste Minimum nicht überschreiten.
Man bereitet daher die Saturation im Glase , worin sie dis-
I pensiert wird , und schwenkt dasselbe nur gelinde um , ohne-
; stärker zu schütteln. Weder Mixturmörser , noch Trichter und
j Filter dürfen gebraucht werden.
Zuerst wird die Säure abgewogen, mit der vorgeschriebenen
I (kalten) Flüssigkeitsmenge gemischt resp. darin gelöst, dann zur Lösung
nach und nach die nötige Alkalimenge zugegeben und unter sanf-
\ tem Umschwenken des geöffneten Glases in Lösung übergeführt, worauf
| letzteres sofort verschlossen werde. Dabei entweicht das Übermass der
| Kohlensäure , und nur so viel bleibt in der Flüssigkeit zurück, dass sie
I reichlich damit gesättigt ist.
— 656 —
Soll die Saturation anderweitige Zusätze erhalten, so sind
dieselben der Säure, vor dem Alkalizusatze , beizugeben. Auch
sind der Saturation keine heissen Flüssigkeiten zuzumischen.
Wollte man Salze, Zucker, Syrupe u. dgl. der fertigen Saturation
zumischen, so wäre infolge des notwendigen Schütteins ein Verlust an
Kohlensäure unausbleibliche Folge. Deshalb giebt man solche vor der
Sättigung zur Säure. Auch ist hierbei zu beachten, dass die Säure zuerst
abgewogen werde — nicht umgekehrt, weil eine Einwirkung des Alkalis
auf die anderweitigen Zusätze zu befürchten steht, wenn man zuerst das
Alkali mit den übrigen Ingredienzien mischte und schliesslich mit der
Säure sättigte.
Bsp.: R. Natri bicarbonici 30,0
Succi Citri q. s. ad perfectam saturationem , adde
Elaeosacharii Citri 5,0.
M. D. S.
In diesem Beispiele ist die notwendige Menge Citronensaft zuvor fest-
zustellen, mit dem Ölzucker zusammen ins Glas zu geben und schliesslich
mit dem Natriumbikarbonat zu sättigen.
Da Hitze der Absorption von Gasen entgegenwirkt, so darf die Sa-
turation weder mit heissem Wasser bereitet, noch derselben ein heisser
Zusatz beigegeben werden.
3, Emulsionen, Emulsiones.
§ 518. Samen-Emulsionen. Stösst man ölreiche Samen, z. B.
Mandeln, Mohnsamen, Hanfsamen u. dgl., mit "Wasser an, so ent-
steht eine milchartige Flüssigkeit, eine Samen-Emulsion.
Der nie fehlende Pflanzen schleim bildet das Binde-
mittel zwischen dem fetten Öle des Samens und dem ange-
wendeten "Wasser.
Der Same wird im Emulsionsmörser (aus Porzellan, Marmor
oder auch wohl Messing, nicht aber Eisen) zuerst für sich fein-
zerstossen, und zwar am besten unter Zusatz einer ganz kleinen
Wassermenge , damit das fette Öl nicht unverbunden aus dem
Samen austrete. Den zarten Teig rührt man dann unter por-
tionenweissem Zusätze des Wassers zur Emulsion an und kotiert
schliesslich durch ein weisses, wollenes, nicht zu dichtes Tuch,
unter Anwendung gelinden Druckes.
Mandeln bedürfen vor dem Anstossen des Schälens, was durch Über-
giessen mit heissem Wasser und geeigneten Fingerdruck leicht von
statten geht.
Wenn nähere Bestimmungen fehlen , so nimmt man auf
10 Teile Emulsion 1 Teil Samen.
R. Seminis Papaveris 30,0 R. Emulsionis Amygdalarum 300,0
Aquae destillatae 150,0 Aquae Laurocerasi 5,0.
F(iat) emulsio. D. S. Syrupi simplicis 30,0.
M. D. S.
— (557 —
§ 519. Öl-Emulsionen, Die Öl-Emu lsionen werden durch
Emulgierung fetten Öles mit "Wasser, unter Beihilfe arabi-
schen Gummis bereitet. Die eigentliche Emulgierung geschieht
entweder durch allmähliches Einrühren des Öles in einen kon-
sistenten Gummischleim oder durch gleichzeitiges Mischen des
Öles und Gummis mit Wasser. Man rechnet auf 2 Teile Öl
1 Teil Gummi und 2 Teile Wasser. Hiernach kann man
also eine der nachstehenden Methoden befolgen:
1. Man rührt im Porzellanmörser (mehr weit als hoch) 1 Teil
arabisches Gummi mit 2 Teilen "Wasser an und giebt unter
starkem Umrühren die 2 Teile Öl im langsamen Strahle hinzu.
2. Man mischt die 2 Teile Öl mit 1 Teile arabischem Gummi
und rührt 2 Teile "Wasser auf einmal kräftig ein.
Ist die Emulgierung beendet, so wird die übrige Wasser-
menge portionenweise untergemischt. Beim Mangel näherer An-
gaben rechnet man auf 10 Teile Gesamtgewicht der Emulsion
1 Teil fettes Öl.
Beim Rizinusöl braucht man weniger Gummi und rechnet auf 2 Teil
Rizinusöl 1/2 Teil arabisches Gummi, die man mit l1/^ Teil Wasser emulgiert.
Soll die Emulsion noch andere Zusätze erhalten, z. B. Syrup,
Salze, Extrakte u. dgi., so sind dieselben erst der fertiggestellten
(verdünnten) Emulsion beizugeben.
Würde man Zucker, Salze u. dgl. in der nicht hinreichend verdünnten
Emulsion auflösen, so zersetzte sich dieselbe wieder in Ol und Wasser.
Überhaupt wirken Salze, zumal kohlensaures Alkali, ungünstig auf Emul-
sionen ein; ebenso weingeistige Flüssigkeiten (Tinkturen).
Soll die Emulsion mit Tragantschleim bereitet werden,
so mische man 1 Teil Öl mit einem aus i/2 Teil Wasser und
7 25 Teil Tragantpulver im Mörser angeführten Schleim kräftig,
unter Zugabe von noch 1j2 Teil Wasser. Darauf verdünne man
mit Wasser.
Bsp.: R. Olei Amygdalarum 20,0
Tragacanthae q. s.
F(iat) emulsio (ponderis) 120,0. D. S.
Auch Eidotter dient häufig zur Emulgierung, anstatt des
arabischen Gummis. Man zerrühre den Eidotter im Mörser zu-
nächst für sich , arbeite dann das Öl in dünnem Strahle unter
und mische endlich das Wasser nach und nach hinzu. Man
rechnet auf 15 Gramm Öl einen Eidotter.
§ 520. Gummiharz-Emulsionen. Die Emulsionen der Gum-
miharze (Asa foetida, Ammoniacum, Galbanum, Myrrha, Gutti)
lassen sich mit und ohne Bindemittel anfertigen. Man zerreibt
die Gummiharze zunächst für sich im Mörser möglichst fein, giebt
dann einen kleinen Teil des Wassers bei und portionenweise das
Schlickum, Apothekerlehrling. 42
— 658 -
Übrige. Wenn sich das Gummiharz wegen angezogener Feuchtig-
keit nicht fein zerreiben lässt, so erweiche man es im Dampf-
bade und emu]giere es mit lauwarmem Wasser.
Ein Zusatz von 1/j Teil Gummi oder einem Eidotter macht die Emul-
sion haltbarer. Man mischt dieselben dem feingeriebenen Gummiharze vor
dem Wasserzusatze bei.
Bsp.: R. Asae foetidae 20,0
Aquae destillatae 200,0.
F(iat) emulsio ope vitelli (unius) ovi. D. S.
§ ;521. Harz-, Balsam- und Kampfer - Emulsionen. Die Harz-
Emulsionen werden wie die der Gummiharze augefertigt, unter
Zusatz von */2 Teil arabischem Gummi , welches man mit dem
Harze (Guajakharz, Jalapenharz) zuvor fein verreibt, worauf man
das Wasser in kleinen Portionen untermischt. (Jalapenharz lässt
sich auch durch Anstossen mit süssen Mandeln emulgieren).
Die Balsam-Emulsionen ähneln den Öl-Emulsionen;
gewöhnlich verwendet man jedoch gleiche Teile arabisches Gummi
und Balsam, die man mit eben so vielem Wasser kräftig mischt.
Eine gleiche Behandlung erfordern die harzreichen ätherischen
Extrakte, z. B. Extr. Eilicis, Cubebae, sowie der Kampfer.
Man mischt sie mit der mehrfachen Menge arabischen Gummis
oder mit etwas Tragant oder einem Eigelb (je nach der Ver-
ordnung) und rührt das Wasser portionenweise zu. Eine der-
artige Emulsion ist der Yinum camphoratum, aus je 1 Teil
gepulvertem Kampfer und arabischem Gummi und 48 Teilen
Weisswein. Ätherische Öle verreibt man mit Zucker und
giebt das Wasser allmählich bei.
Bsp.: R. Olei Terebintliinae rectificatae 2,0
Aquae destillatae 120,0
Elaeosacchari Citri 10,0.
M. D. S.
4, Aufgüsse, Infusa.
§ 522. Die Aufgüsse, Infusa, wurden in früherer Zeit
durch Aufgiessen siedenden Wassers auf zerschnittene
resp, kontundierte Yegetabilien, und Kotieren nach dem Er-
kalten dargestellt. Vorzugsweise werden solche Stoffe infundiert,
welche flüchtige Öle und stärkemehlreiches Gewebe enthalten,
um die Öle nicht zu verjagen, noch das Stärkemehl in Kleister
zu verwandeln. Man bereitet daher Infusa von Baldrian wurzel,
Kalmus, Pfefferminze, Salbei, Kamillen, Lindenblüte, Fenchel,
Anis, Rhabarber, Althäwurzel, Sennesblätter u. a.
Jetzt gewinnt man die Aufgüsse mittelst des Dampf-
— (359 —
b ad es, "indem man die zu infundierende Substanz in einer zin-
nernen oder porzellanenen Büchse mit der zehnfachen Menge
(im Falle nicht anders vorgeschrieben) siedenden Wassers
übergiesst, 5 Minuten lang verschlossen im kräftigen Dampf-
bad stehen lässt, dann nach völligem Erkalten durch ein
Tuch aus ungebleichter Leinwand unter Ausdrücken koliert.
Da in der verschlossenen Büchse weder Aufkochen noch Verdampfung-
stattfindet, so ist kein Verlust an flüchtigen Bestandteilen zu befürchten.
Bevor das Infusum abgegeben wird, lasse man die kolierte
Flüssigkeit kurze Zeit absetzen und giesse vom abgeschiedenen
Bodensätze möglichst klar ab.
Wurzeln, Kräuter, Blätter und Blüten wendet man zu Auf-
güssen zerschnitten , Früchte und Samen zerquetscht an. Sind
Salze, Manna, Extrakte u. dgl. zugleich verordnet, so werden sie
nicht mit infundiert, sondern in der Kolatur aufgelöst.
B. Foliorum Sennae 15,0 R. Infusi Foliorum Sennae 150,0
infunde cum aqua fervida q. s. (ex 15,0 parati)
ad colaturae 150,0 Mannae 20,0.
adde Syrupi Cerasorum 80,0.
Magnesia sufuricae. M. D. S.
Syrupi Cerasorum ^T (ana) 83,0.
M. D, S.
Ein konzentrierter Aufguss (Infusum concentratum)
wird aus l1^ Teil Substanz auf 10 Teile Kolatur, ein höchst-
konzentrierter Aufguss (Infusum concentratissimum) aus
2 Teilen Substanz auf 10 Teile Kolatur bereitet. Bei narkotischen
Vegetabilien muss das anzuwendende Quantum stets vom Arzte
verordnet sein !
5, Abkochungen, Decocta,
§ 523. In früherer Zeit bereitete man die Ab kochungen,
Decocta, durch ein längeres Kochen der Ingredienzien mit
Wasser, Abkolieren und Absetzenlassen. Vorzugsweise werden
harte, holzige Vegetabilien ohne riechende Bestandteile abgekocht,
z. B. Chinarinde, Kolombowurzel, Quassienholz, Hauhechel.
Jetzt werden die Abkochungen im Dampfbade bereitet, ähn-
lich den Aufgüssen, nur dass man die Substanz mit kaltem
Wasser übergiesst, eine halbe Stunde lang ins Dampfbad
setzt und sofort noch warm koliert.
R. Corticis Chinae Calisayae 25,0 R. Decocti corticis Chinae Calisayae
coque ad colaturae 200,0 200,0 (ex 25,0 parati)
adde Vini rhenani 50.0
Vini rhenani 50,0 Syrupi corticis Aurantii 30,0.
Syrupi corticis Aurantii 3,00. M. D. S.
M. D. S.
42*
— 660 —
In Bezug auf die anzuwendenden Spezies gilt das bei den
Aufgüssen Gesagte; auch die Bestimmungen über die Menge der
Kolatur. Bei einer konzentrierten Abkochung (Dec. con-
centratum) verwendet man auf 10 Teile Kolatur 1% Teile Sub-
stanz, bei einer höchstkonzentrierten (Dec. concentratissimum)
2 Teile Substanz.
Zuweilen soll mit einer Abkochung ein Aufguss verbunden
werden; solche Decocto- In fusa bereitet man durch Zugabe
der zu infundierenden Substanz gegen Ende der Abkochung (sub
finem coctionis), worauf man bis zum Erkalten bei Seite setzt.
Bsp.: R. Radicis Colombo 150,0
coque ad colaturae 15,0
sub finem coctionis adde Rad. Rhei 2,0
colaturae adde Aquae Cinnamomi 30,0
Syrupi siniplicis 20,0.
M. D. S. ..
Wenngleich ältere Arzte Decoctum Althaeae vorsclrreiben , ist die
Althäwurzel stets zu infundieren; auch gebraucht man nicht selten den
Ausdruck Decoctum Salep für Mucilago Salep.
6, Macerationen und Digestionen.
§ 524. Unter einer Maceration versteht man die Ein-
wirkung einer wässerigen oder geistigen Flüssigkeit auf eine
Substanz in gewöhnlicher Temperatur (15 — 20° O); unter
einer Digestion eine solche in lauer Wärme (35 — 40° C).
Man lässt ihr gewöhnlich 24 Stunden Zeit, wenn nicht anders
verordnet ist. Ein kalter Aufguss (Infusum frigidum)
ist eine zweistündige Maceration.
ß) Dickliche und halbflüssige Arzneien.
7, Schleime und Gallerten.
§ 525. Schleime, Mucilagines, sind dickliche, faden-
ziehende Flüssigkeiten; teils blosse Lösungen, wie der Mucilago
Gummi arabici, den man am klarsten aus unzerstossenem
arabischen Gummi durch Aufgiessen der doppelten Wassermenge
und Aufquellenlassen bereitet; teils heisse Aufgüsse, wie Muci-
lago Salep, über welchen bereits oben gesprochen wurde;
teils kalte Auszüge, wie der Mucilago Cydoniae, den man
durch halbstündige Maceration der unzerstossenen Quittensamen
mit der 50 fachen Menge Rosen wasser bereitet. Über den Tra-
gantschleim vgl. § 514.
— 6(51 —
§ 526. Die Gallerten, Gelatinae, sind Abkochungen
schleim- oder leimreicher Substanzen, welche beim Erkalten ge-
latinieren. Hauptsächlich verwendet man nur noch isländisches
Moos und Karrageen, auch wohl Hausenblase oder Gelatine.
Die zerschnittene Substanz wird mit Wasser, dessen Menge
ein Yielfaches der verlangten Gallerte betragen muss, abgekocht,
die klare Flüssigkeit koliert, bis zum vorgeschriebenen Gewichte
abgedampft, worauf man sie noch warm mit den übrigen Zusätzen
versieht und ruhig erkalten — gelatinieren — lässt.
Bsp.: R. Lichenis islandici 30,0
coque cum aque quantitate sufficienti ad gelatinae 100,0
adde
Syrupi corticis Aurantii 30,0.
M. D. S.
10 Teile Gallerte lassen sich aus 1 Teil Carrageen, sowie aus 3 Teilen
isländischen Mooses bereiten; jenes wird mit 40 Teilen, dieses mit 100
Teilen Wasser abgekocht. 1 Teil Hausenblase reicht hin für 25 Teile
Gallerte, 1 Teil Gelatine für 50 Teile Gallerte; man löst sie in heissem
Wasser, koliert und lässt erkalten.
8, Latwergen, Electuaria.
§ 527. Latwergen sind Gemenge vegetabilischer Pulver
mit Honig, Syrup oder einem eingedickten Fruchtsafte, in solchem
Verhältnisse, dass eine breiartige Masse entsteht. Man mischt
zunächst die Pulver mit einander und giebt die nötige Menge
Zuckersaft portionenweise hinzu.
Leichte, voluminöse Pulver erfordern gewöhnlich ihre dreifache;
salzige, lösliche nur ihre doppelte ; schleimige, aufquellende sogar ihre fünf-
fache Menge Zuckersaft. Soll Lycopodium zur Latwerge verarbeitet
werden, so ist ein Reiben desselben unter stärkerem Drucke notwendig,
um es fähig zu machen, sich mit dem Safte zu benetzen.
Plsp.: R. Plorum Cinae pulveratorum 25,0
Radicis Valerianae pulverata.e 5,0.
Mellis depurati q. s. ut fiat electuarium. D. S.
y) Feste Arzneien.
9. Pillen, Pilulae.
§ 528. Die Bereitung der Pillenmasse. Man bereitet die Pillen-
masse im Pillenmörser (aus Eisen, Porzellan, auch wohl Messing)
durch Anstossen pulveriger Substanzen mit einem Bindemittel ,
welches in den meisten Fällen aus Extrakten, zuweilen aus
Zuckersaft, Honig, Tragant- oder Gummischleim besteht.
Eine gute Pillenmasse muss plastisch, d. i. bildsam, weder
zu weich (schleimig), noch zu hart (bröckelig) sein.
— 662 —
Wenngleich zum Anstossen einer Pillenmasse sich kaum allgemeine
Regeln geben lassen, so merke man sich doch folgendes:
1. Vegetabilische Pulver lassen sich mit 2/3 — 3/4 Teilen Extrakt
zur guten Pillenmasse anstossen; schleimreiche, aufquellende dagegen,
wie Althäa-, Rhabarberpulver, erfordern eine gleiche' Menge Extrakt.
R. Radicis Rhei 7,5 R. Extracti Cardui benedicti 5,0
Extracti Chelidonii 5,0 Flavedinis corticis Aurantii 3,0
„ Taraxaci q. s. (2,5). Rhizomatis Calami q. s. (3,0).
M(isce) f(iat) m(assa), e qua formentur M. f. m. e qua formentur pilulae pon-
pilulae No. (numero) CL. (Con- deris decigrammatis unius. Con-
sperge lycopodio.) D. S. sperge Rhizomate Calami. D. S.
Ist zu wenig Extrakt verordnet, so lässt sich die Masse durch einen
genügenden Zusatz von Gummischleim, Succus Liquir. dep. oder auch Aqua
destillata plastisch machen. Ein Zusatz von Zuckersaft oder Honig ist
weniger ratsam. — Bei einem Übermasse an Extrakt setze man die ge-
nügende Menge Althäa- oder Süssholzpulver zu. Bei grossem Extrakt-
Überschuss dient ein kleiner Zusatz von Salep - Pulver , dessen Verdickung
eine kleine Weile abzuwarten ist, besser als eine grössere Menge Althäa-
pulver, durch welche die Pillen nach einiger Zeit hart werden. — Macht
medizinische Seife einen Bestandteil der Pillenmasse aus, so ist ein Extrakfc
überflüssig, da die Seife schon mit etwas Wasser oder verdünntem Wein-
geist eine plastische Masse bildet. Jedoch ist bei diesem Wasserzusatze
grosse Vorsicht geboten.
2. Gummiharze und Harze erfordern die Hälfte ihres Gewichtes an
Extrakt, lassen sich aber auch mit etwas verdünntem (bei Harzen unver-
dünntem) Weingeist zur plastischen Masse anstossen. Man tröpfele den
Weingeist aus einem Löffelchen und mit Vorsicht zu, da schon ein kleiner
Überschuss desselben das Plattdrücken der fertigen Pillen veranlasst.
Harzige Massen erscheinen gewöhnlich anfänglich zu trocken und nehmen
erst nach kräftigem Anstossen Plasticität an.
Bsp.: R. Asae foetidae 7,5
Extracti Valerianae 3,5.
M. f. m. e qua formentur pilulae No. XC.
Consperge Rhizomate Iridis. D. S.
Hierhin gehören die Pilulae aloeticae ferratae, aus gleichen
Teilen Aloepulver und entwässertem schwefelsauren Eisenoxydul bestehend,
die mit wenigen Tropfen Weingeist auf 10 g Masse angestossen und
ohne Streupulver formiert Averden. Dabei nehmen sie eine schwarze Farbe
an, auch Glanz, wenn man sie beim Rollen anhaucht oder die fertigen
Pillen in einer schwach mit Weingeist befeuchteten Schale umschwenkt.
3. Lösliche Salze werden am besten mit Tragant- oder Althäa-
pulver und etwas Wasser zur Pillenmasse angestossen. Unter allen Um-
ständen sei man mit dem Wasserzusatze sehr vorsichtig, um keine zu
weiche Masse zu erhalten. Arabisches Gummi eignet sich weniger gut für
salzreiche Pillenmassen.
Bsp.: R. Ferri sulfurici
Kali carbonici puri ^ 15,0
Tragacanthae q. s. (3).
M. f. m. e qua formentur pil. No. C.
Consperge Cortice Cinnamomi. D. S.
Bei dieser Pillenmasse muss der Zersetzung wegen das reine Salzge-
menge zuerst mit etwas Wasser angestossen werden zu einem Teige, der
— 663 —
alsdann durch den Tragant — oder Althäwurzel — plastisch gemacht
und ohne Zögern schnell ausgerollt werden muss.
Sehr empfindliche, leicht zersetzbare Salze, wie Argent. nitric, Hy-
drargyr. bichlor., stösst man nicht mit vegetabilischen Pulvern, sondern
mit Argilla alba oder Mica panis (getrocknete und gepulverte Semmel-
krume) und etwas dest. Wasser.
R. Argenti nitrici 0,2 R. Hydrargyri bichlorati corr. 0,25
Argillae albae 2,5. Micae panis 2,5.
M. f. pilul. No. XXX. M. f. pilul. No. XXV.
4. Balsame und fette Öle erfordern gewöhnlich eine Verdickung
durch Wachs, bevor sie mit vegetabilischen Pulvern zu Pillen verarbeitet
werden. Man schmilzt sie mit l/3 — 1/.2 Teil gelbem Wachse in gelinder
Wärme zusammen. Terpentin lässt sich, ohne Wachszusatz, mit Althä-
pulver (l1/^ Teil) verarbeiten; Copaivabalsam auch wohl mit gebrannter
Magnesia (l1/2 Teil), wobei man aber gelinde erwärmen oder einige Stunden
stehen lassen muss.
R. Baisami Copaivae 10,0 R. Baisami Copaivae 10,0
Cerae flavae 5,0 Magnesiae ustae q. s. (15,0).
liquefactae et refrigeratae massae M. f. m. e qua formentur pilul. No. CC.
adde Consperge pulvere Cubebarum.
Cubebarum pulv. q. s. (2,5).
M. f. pil. No. CC.
Ätherische Öle lassen sich wohl in sehr kleinen Mengen
einer Pillenmasse unterarbeiten , in grösserer Menge verordnet,
aber nnr mittelst konsistenten Tragantschleims oder gelben
"Wachses, das man geschabt im gelind erwärmten Pillenmörser
mit ihnen verreibt.
Die Pilulae odontalgicae sind auf diese Weise aus Mandel-, Caje-
put- und Nelkenöl mittelst Schmelzens mit gelbem Wachs bereitete Pillen.
§ 529. Die Formierung der Pillen. Die Formierung der Pillen
geschieht auf der Pillenmaschine, welche gewöhnlich aus Eisen,
für bestimmte Fälle (bei leicht zersetzbaren Salzen) aus Holz
besteht. Es lassen sich je 30 Stück zugleich auf ihr abteilen. Es
ist fürs erste die Gesamtzahl der Pillen festzustellen. Der
Arzt bestimmt entweder diese Zahl oder das Gewicht der ein-
zelnen Pille. In letzterem Falle wird dieses Einzelgewicht in
das Gesamtgewicht der Pillenmasse dividiert, woraus dann die
Zahl der anzufertigenden Pillen resultiert.
Ist die Gesamtzahl der Pillen bekannt, so teilt man die
Piiienmasse in so viele gleiche Teile, als 30 in der Gesamtzahl
enthalten sind, entweder auf der Wage oder mittelst der Pillen-
maschine selbst. Die erhaltenen Teile Averden alsdann zu einem
gleich dicken Strange ausgerollt und abgeteilt, worauf man die
einzelnen Pillen mit Daumen und Zeigefinger abrundet oder sie
zu 30 unter einem Rollbrettchen abdreht.
Gewöhnlich werden die fertigen Pillen mit einem Streupulver
— 664 —
versehen d. i. konsp er giert. Ist kein besonderes Pulver ver-
ordnet, so greift man zum Lycopodium.
Sollen die Pillen versilbert resp. vergoldet werden, so schüttelt
man die nicht konspergierten Pillen mit etwas Blattsilber resp. Blatt-
gold in einer hohlen Hornkugel. Sollen die Pillen mit Gelatine über-
zogen werden, so taucht man sie einzeln an einer Nadel oder einem zu-
gespitzten Holzstäbchen in eine konsistente, erwärmte Gelatinelösung und
lässt sie dann an der Luft abtrocknen.
10. Pastillen, Pastilli, Trochisci.
§ 530. Die Pastillen sind runde, 1 g schwere Scheib-
chen, aus Zucker oder Kakaomasse bestehend, mit einem medi-
zinisch wirksamen Zusatz. Früher bereitete man sie nach
Art der Pillen, durch Anstossen der Zuckermasse mit etwas
Tragantschleim zur plastischen Masse, die man auf der Pillen-
maschine abteilte und formierte, worauf die einzelnen Kügelchen
durch einen Stempel plattgedrückt und an einem lauwarmen
Orte getrocknet wurden.
Jetzt bereitet man die Pastillen durch Ausstechen der ge-
nügenden Menge mittelst des sog. Pastillen Stechers, einer
metallenen Röhre mit scharfem Rande, Die Zuckermasse wird
mit 15— 20°/0 verdünntem Weingeist befeuchtet, mittelst
einer Nudelwalze auf einem weissen Brette gleichdick ausgewalzt
und mit dem Pastillen Stecher ausgestochen. Man benutzt häufig
einen Pastillen Stecher mit federndem Kolben, dessen Unterseite
ein Zeichen trägt, welches sich der Pastille aufprägt. Die aus-
gestochenen Pastillen werden auf einem Papierbogen gesammelt
und an der Luft getrocknet.
(Nach älterer Darstellung:) (Nach neuerer Darstellung:)
R. Natri bicarbonici. R. Natiü bicarbonici,
Sacchari albi S 100,0 Sacchari albi ^ 100,0
Olei Menthae pip. 1,0 Olei Menthae pip. 1,0
Tragacanthae q. s. (2,0). Spiritus diluti q. s. [30.0).
M. f. pastilli No. CC. M. f. pastilli No. OC.
Die aus Kakaomasse bereiteten Pastillen werden nicht ange-
feuchtet, Man erweicht die Kakaomasse in sehr gelinder
Wärme, mischt die übrigen Ingredienzien bei, rollt sie auf einer
Blechtafel mit einer Walze aus und sticht mit einer Blech-
röhre die einzelnen Pastillen ab, welche sich nach dem Erkalten
leicht von der Blechtafel ablösen lassen.
Bsp.: R. Ferri reducti 10,0
Massae cacaotinae
Sacchari albi äa 45,0
M. f. pastilli No. C.
065 —
IL Tkeemisclmngen, Spezies,
§ .531. Die Spezies sind Mischungen mehr oder weniger
gröblich zerschnittener Vegetabilien , Blätter, Kräuter, Blüten,
"Wurzeln, Früchte u. dgl. Man wendet Früchte und Samen zer-
quetscht (kontundiert), Wurzeln und Wurzelstöcke feiner,
Blätter und Blüten gröber geschnitten an. Mineralische Stoffe,
z. B. Salze, kommen grobgepulvert hinzu.
Nach der Feinheit und der Anwendung unterscheidet man:
a) Eigentliche Theespezies (Species ad infusum),
von mittlerer Feinheit, durch Absieben vom feineren Pulver be-
freit. Bsp.: Species pectorales, ad decoct. lignorum.
b) Kräuterkissenspezies (Species ad f Omentum),
kleiner zerschnitten als vorige. Bsp.: Spec. aromaticae.
c) Breiumschlagspezies (Species ad cataplasma),
ein gröbliches Pulver. Bsp.: Spec. emollientes.
Bei den Theemischungen werden die kleineren Mengen
zuerst abgewogen und gemischt, bevor man die grös-
seren Quantitäten zusetzt. Soll die Mischung in eine
Anzahl gleicher Teile abgeteilt werden, so ist ein exaktes Mengen
zumal geboten; bei sehr ungleichartigen Teilen, wenn z. B. Salze,.
kontundierte Samen u. dgl. zu groben Spezies verordnet sind,
empfiehlt es sich jedoch, von diesen feineren Arzneistoffen die
Dosen für sich abzuwägen und den abgeteilten Portionen bei-
zumischen.
ü. Radicis Althaeae (concisae) 25,0 R. Fol. Sennae 5,0
Floruni Malvae vulg. (concisorum) 8,0 Fruct. Coriandri (contusi) 2,5
Fructus Foeniculi (contusi) 5.0. Natri sulfurici 5,0.
M. f(iaut) sp(ecies). D. S. M. f. sp. Dentur tales doses No. VI.
12, Pulvermischungen, Pulveres.
§ 532. Bereitung eines gemischten Pulvers. Man unterscheidet
gröbliche und feine Pulvermischungen, je nachdem die
Ingredienzien gröber oder feiner zerteilt sind. Die Mischung
geschieht im Pulvermörser und wird so lange fortgesetzt, bis
keine Verschiedenheit zwischen den einzelnen Teilen des Pulvers
mehr wahrzunehmen ist. Als Hauptregel beim Pulvermischen
merke man sich:
Man beginne mit den kleinsten Gewichtsmengen, denen der
Eeihe nach die grösseren beizufügen sind.
Sehr häufig ist von einer stark wirkenden Substanz nur eine sehr kleine
Quantität abzuwägen und mit einer verhältnismässig grossen Menge Zucker
oder eines anderen indifferenten Mittels zu mischen. In solchen Fällen
-verreibe man jene kleine Menge zuerst mit wenig Zucker und setze dessen
— 666 -
übriges Quantum, später zu. Dies bat man besonders bei Calomel zu be-
achten, dessen hohes spezifisches Gewicht die an sich kleine Gewichtsmenge
noch kleiner im Volum erscheinen lässt. Sulfurat und andere, durch
Fällung oder Krystallisation , nicht durch Präparation gewonnene Arznei-
stoffe bedürfen dabei einer mit Druck ausgeführten Verreibung mit Zucker.
Bsp.: R. Stibii sulfurati nigri 5,0
Sulfuris depurati 10,0
Sacchari albi 20,0.
M(isce) f(iat) p(ulvis). D. S.
Eine besondere Schwierigkeit bieten Mischungen sehr leichter, volu-
minöser Pulver mit schweren. Soll z. B. kohlensaure oder gebrannte Magnesia
mit Zucker resp. einem vegetabilischen oder Salzpulver verrieben werden,
wie zu Pulv. Magnes. c. Rheo, so füge man dem letzteren anfänglich
ein ihm gleiches Volum der Magnesia zu, und erst nach vollendeter
Mischung die übrige Menge der letzteren. (Durch Schütteln in einer Holz-
büchse oder Pappschachtel, unter Beigabe einiger eisernen Kugeln oder
Gewichtsstücke, bewerkstelligt man in ganz kurzer Zeit derartige Mischungen
der Magnesia.)
Soll ein steifes Extrakt einer Pulvermischung beigegeben werden, so
verreibe man dasselbe zuerst mit dem verordneten Zucker oder einem vege-
tabilischen Pulver. Grössere Extraktmengen müssen dagegen im Wasser-
bad zuvor eingetrocknet werden. Ätherische Extrakte lassen sich, mit den
übrigen Ingredienzien gemischt, an der Luft trocknen.
Ätherische Öle lassen sich leicht mit Zucker verreiben. Man
nennt eine solche Mischung Ölzucker,Elaeosaccharum,
und rechnet auf je 2 g Zucker einen Tropfen des ätherischen
Öles. Die Ölzucker müssen für sich angefertigt und dann den
übrigen Ingredienzien beigegeben werden, wenngleich es auch
angeht, das Öl zur fertigen Mischung zuzutröpfeln , im Falle die
letztere vorzugsweise aus Zucker besteht.
Grössere Partien zu mischender Pulver, z.B. Pulvis Liquiritiae comp.,
lassen sich schnell bewältigen, wenn man sie durch ein Haarsieb schlägt.
§ 533. Division von Pulvern. Soll eine Pulverinischung in eine
gewisse Anzahl gleicher Teile abgeteilt werden, so geschieht dies
mit der "Wage — nicht nach Abschätzung mit dem Löffel! Die
einzelnen Teile kommen alsdann in Pulverkapseln, welche man
aus geglättetem Papier anfertigt. Bei flüchtigen Ingredienzien,
wie Kampfer, Ölzucker, sowie zerfliesslichen oder feuchtwerdenden
Salzen, wie essigsaurem Kali, Jodkalium u. a., sind Kapseln
aus Wachspapier oder Pergamentpapier geboten. In
neuerer Zeit sind Oblaten in Anwendung gekommen, zumal für
stark- oder bitterschmeckende Pulver. Zwei konkave, genau auf
einander passende Oblaten (capsulae aniylaceae) werden,
nachdem die untere mit dem Pulver gefüllt und die obere am
Rande befeuchtet ist, mittelst eines Stempels zusammengeklebt
und verschliessen den Inhalt nahezu luftdicht. Der Patient ver-
schluckt sie, nachdem sie in Wasser getaucht worden.
— 667 —
Mit der Division eines Pulvergenienges in eine Anzahl glei-
cher Teile ist die vervielfältigte Abgabe einer Einzeldosis
gleichbedeutend. Man hat im letzteren Falle die angegebenen
Gewichtsmengen mit der Zahl der Dosen zu multiplizieren und
die dabei resultierenden Grössen zu mischen, worauf die Abtei-
lung in die verlangten Dosen erfolgt.
R. Hydrargyri chlorati mitis 0,05 R. Hydrargyri chlorati mitis, 0,50
Sacchari albi 0,50. Sacchari albi 5,0.
M(isce) f(iat) p(ulvis). Dentur tales M(isce) f(iat) p(ulvis). Divide in partes
doses No. X. S. aequales X. D. S.
2. Arzneien zum äußerlichen Gebrauch.
13. Linimente, Linimenta.
§ 534. Linimente sind halbflüssige, dickliche oder gela-
tinöse Mischungen zum Einreiben oder zu Umschlägen. Man
kennt solche Linimente aus Öl und ätzenden Alkalien resp.
Bleiessig, aus Seife und "Weingeist.
Das flüchtige Liniment, Linimentum ammonia-
tum, eine Mischung aus 4 Teilen Olivenöl und 1 Teile Salmiak-
geist, wird durch kräftiges Schütteln im Glase dargestellt. Das
Kampfer-Liniment, Linimentum camphorato-ammo-
niatum, verwendet Kampferöl statt des Olivenöls.
Sollen zu diesen Linimenten Zusätze gegeben werden, so geschieht
dies zum fertigen Linimente. Spirituöse und ölige Flüssigkeiten lassen sich
ihnen leicht zumischen, Extrakte dagegen oder feste lösliche Körper be-
dürfen zuvor der Auflösung in etwas Wasser. Ätherische Öle, Phosphor,
steife Salben werdeu aber zuvor in dem Öle aufgelöst.
R. Linimenti ammoniati 30,0 R. Linimenti ammoniati
ölei Crotonis 3,0 Unguenti Hydrargyri cinereiS 15,0
M. D. S. Zum Einreiben. M. D. S.
Während das Crotonöl dem fertigen Linimente beigegeben wird, ver-
reibt man die Quecksilbersalbe zuerst mit dem Baumöl des Linimentes
(12 Grm.) und mischt den Salmiakgeist (3 Grm.) schliesslich zu.
Zu den Seifenlinimenten gehören der Opodeldok, Lini-
mentum saponato-camphoratum, eine gelatinierte Auf-
lösung von Seife in Weingeist, sowie das flüssige Seifen -
liniment, Linimentum saponato-ammoniatum, eine
Auflösung von Seife in verdünntem Weingeist, mit Salmiakgeist.
Mit dem Opodeldok lassen sich nicht leicht andere Arzeneimittel
mischen: Salben oder Fette unter schwachem Drucke im Mörser, Tinkturen
Salze u. dgl. durch Auflösung im geschmolzenen Opodeldok, der beim Er-
kalten wieder gelatiniert.
§ 535. An die Linimente reiht sich der Umschlag, Cata-
plasma, ein weicher Brei aus gepulverten Yegetabilien oder
- 668 —
anderen pulverigen Substanzen mit Wasser, welcher auf Lein-
wand gestrichen aufgelegt wird. Eine derartige Kräutermischung,
Species emollientes, dient zur Anfertigung erweichender
Umschläge im Hause des Patienten. — Der Senfteig, Sina-
pismus, wird noch häufig in der Apotheke verlangt, weicht aber
immer mehr dem Senfpapiere; man zerrührt gleiche Teile ge-
pulverten Senfsamen und lauwarmes Wasser.
Zu den Umschlägen gehört auch Plumbum tannicum pulti forme
(Cataplasma ad decubitum), ein Niederschlag, den man in einer Abkochung
von Eichenrinde (Lohe) durch genügenden Zusatz von Bleiessig erzeugt und
nach dem Abtropfen mit etwas Weingeist vermischt.
14, Salben, Unguenta.
§ 536. Die Salben, Unguenta, sind halb weiche Fett-
mischungen, deren Hauptmasse meist aus Schweineschmalz besteht.
a) Ist eine Salbe nur aus Fetten zusammenzumischen,
so lässt sich dies im Mörser (Salbenmörser) , häufig auch im
Topfe, worin man die Salbe dispensiert, vornehmen.
Man beginne mit den kleineren Quantitäten und mische
denselben der Reihe nach die grösseren bei. Man ist deshalb
nicht an die Keihenfolge auf dem Rezepte gebunden.
Im Falle die Fette eine verschiedene Konsistenz haben, ist
das festere Fett zuerst im Mörser für sich zu zerreiben und
dann das weichere Fett portionenweise beizumischen.
R. Unguenti Plumbi 10,0 R. Ung. Hydrargyri cinerei 7,5
„ Zinci 20,0 Olei Hyoscyami cocti 15,0.
M(isce) f(iat) unguentum. D. S. M. f. ungt. D. S.
Harte Fette, wie Wachs, Walrat, Kakaoöl, Talg, werden vorher in
gelinder Wärme geschmolzen und alsdann mit den übrigen Ingredienzien
gemischt.
b) Ist eine Fettmischung mit Zusätzen nicht fettiger
Art verordnet, so ändert sich die Operation je nach dem Zusätze:
1. Wässerige oder weingeistige Flüssigkeiten, wie
Bleiessig , Tinkturen , lassen sich nur in beschränkter Menge
Fetten beimischen, wenn die Flüssigkeit sich nicht herausdrücken
soll. Fette nehmen in der Regel nur */5 ihres Gewichtes an
wässeriger, und nur l/6 — 1/8 weingeistiger Flüssigkeit auf.
Bsp.: R. Unguenti Rosmarini compositi 25,0
Mixturae oleoso-balsamicae 5,0.
M. f. ungt. D. S.
Hierbei ist zu beachten, dass das Fett vor dem Zusätze der
Flüssigkeit im Mörser zu verreiben ist, da es demselben nicht mehr
adhäriert, wenn er zuvor mit der Flüssigkeit benetzt worden ist ; auch wird
die Salbe durch das Verreiben weicher und nimmt den Zusatz leichter auf.
Übersteigt die Menge der beizumischenden Flüssigkeit obige Grenze,
- 669 —
so gelingt die Salbe dennoch häufig, wenn das Fett sehr weiche Konsistenz
besitzt. Härtere Fette verdünne man daher in solchem Falle mit etwas
Olivenöl. Eine Salbe mit übermässigem Wassergehalte und rahmartiger
Beschaffenheit ist Ungt. leniens; die geschmolzene Mischung aus Wachs,
Walrat und Mandelöl wird beim Abkühlen mit dem Rosenwasser kräftig
umgerührt und zum Schlüsse schaumig geschlagen.
2. Extrakte und leicht lösliche Salze, z. B. Jod-
kalium, Argentuni nitricuni, müssen vor dem Zumischen des
Fettes in der möglichst geringen Menge Wassers aufgelöst werden,
wobei die oben angegebene Grenze, bis zu welcher die Salben
solche Flüssigkeiten annehmen, wohl zu beachten ist.
Trockne Extrakte, wie Opiumextrakt, bedürfen ebenfalls der Lösung
in Wasser. Kampfer verreibt man dagegen mit etwas Olivenöl. Löst sich
der Körper, z. B. Veratrin. weniger in Wasser als in Weingeist, so wende
man letzteren an. Würde aber die Wassermenge zu gross werden gegen
die Fettmenge, so stehe man von einer Lösung ab und zerreibe das Salz
aufs feinste für sich oder mit etwas Öl.
R. Argenti nitrici 1,0 R. Unguenti cerei 20,0
Adipis suilli 80,0. Extracti Opii 0,50.
M. f._ ungt. D. S. M. f. ungt. D. S.
Hierhin zählen die zu extemporierenden Salben der narkotischen Ex-
trakte, z. B. Ungt. Belladonnae, Conii, Digitalis, Hyoscyami, Mezerei, Sabinae.
3. Feste, nichtlösliche Körper, z. B. Schwefel, Zink-
oxyd, Quecksilberoxyd, Bleiweiss u. a., bedürfen einer höchst
feinen Präparierung. Man zerreibe den Körper im Mörser für
sich oder unter Beigabe von etwas Wasser resp. Olivenöl aufs
feinste, so dass man zwischen den Fingern keine rauhen
Partikelchen mehr wahrzunehmen vermag; alsdann mische
man das Fett portionenweise bei. Eine solche Salbe darf auf
dem Strich keine festen Körnchen zeigen.
Hierhin: Ungt. Hydrargyri albi und rubrum, Tartari stibiati.
15. Pflaster, Emplastra.
§ 537. Mischung von Pflastern. Die Pflaster, Emplastra,
sind in gewöhnlicher Temperatur harte und feste, in der Hand-
wärme erweichende und klebende Arzneimittel, welche auf Lein-
wand oder Leder gestrichen der Haut appliziert werden. Man
unterscheidet: 1. Bleipflaster, 2. Wachs- und Harzmischungen,
oft Gummiharze, Balsame oder vegetabilische Pulver enthaltend.
Ist ein Pflaster mit einem anderen Pflaster oder sonstigen
Zusätze zu mischen, so wird es zuvor in gelinder Wärme ge-
schmolzen, sofern es von harter Konsistenz ist; z. B.:
R. Emplastri Lithargyri compositi,
„ oxycrocei ^ 20,0.
M(isce) f(iat) emplastrum. D. S.
— 870 —
oder, sofern sich dies bewerkstelligen lässt, erweicht man sie
durch Kneten in der Hand (Malaxieren) z. B.:
R. Emplastri Conii 10,0
Meliloti 15,0,
M. f. empl. D. S.
Häufig gelingt ein halbes Schmelzen durch Übergiessen des Pflasters
mit heissem Wasser — was man selbstverständlich nicht anwenden darf,
wenn die Pflastermasse lösliche oder ausziehbare Bestandteile enthält. Mit
fetten Ölen lassen sich die Bleipflaster nicht vollkommen mischen, es gelingt
die Mischung überhaupt nur dann, wenn man das Ganze nur sehr gelinde
erwärmt, wodurch das Pflaster halbflüssig wird. Beisp. : Ungt. diachylon Hebrae.
Ist die Pflastermischung' in der einen oder anderen Weise
vollzogen , so wird sie auf einem reinen Brette mit Wasser zu
einer Stange ausgerollt.
Zusätze, wie Harze, Yegetabilien, Seifen, mineralische Pulver,
setzt man in feingepulvertem Zustande der geschmolzenen oder
erweichten Pflastermasse zu. Kampfer wird mit etwas Öl, Ex-
trakte, Opium, leichtlösliche Salze mit etwas Wasser, Jod mit
Weingeist angerieben und beigemischt.
R. Emplastri fusci 30,0 R. Emplastri Cerussae R. Emplastri saponati
Baisami peruviani 2,0. 25,0 50,0
M. f. empl. D. S. Camphoare 1,0. Jodi 0,50.
M. f. empl. D. S. M. f. empl. D. S.
§ 538. Streichen der Pflaster. Man streicht die Pflaster auf
Schaf leder (aluta oder coreum), Leinwand (linteum) oder Taffet
(pannum sericeum oder bombycinum). Dem Streichen muss das
Erweichen des Pflasters (Malaxieren) vorhergehen, indem man
es zwischen den Händen knetet und mit dem Daumen aufstreicht.
Harte Pflaster werden in gelinder Wärme geschmolzen und mit
dem Pflasterspatel aufgetragen. Auch kann man sie auf dem
Leder selbst schmelzen, durch Aufdrücken mit dem erhitzten
Pflasterspatel und Ausstreichen. Nicht klebende Kräuterpflaster,
die mit einem Heftpflasterrande versehen werden, kann man direkt
auf gestrichenes Heftpflaster auftragen, ringsum Rand lassend.
In der Regel streicht man das Pflaster in der Dicke eines Messer-
rückens auf. Heftpflaster, sowie Bleipflaster und dessen Mischungen werden
dagegen sehr dünn aufgestrichen. Letzteres Pflaster trägt man gewöhnlich
mittelst einer Pflaster streich- Maschine auf, deren Konstruktion, im ein-
zelnen verschieden, darin übereinstimmt, dass ein Streifen Leinwand oder
Shirting am Boden eines Behälters durchgezogen wird, der mit der flüssigen
Pflastermasse gefüllt ist. Solche gestrichene Pflaster nennt man Sparadrap.
Mit der Zeit verlieren sie ihre Klebkraft, die sie jedoch durch Befeuchten
mit etwas Terpentinöl oder durch Erwärmen wiedergewinnen.
In Gestalt und Grösse eines gestrichenen Pflasters hat
man sich nach der ärztlichen Ordination zu halten. Entweder
giebt der Arzt die Grösse der bestrichenen Stelle, oder die Menge
des zu verbrauchenden Pflasters an.
671 —
Für je 10 qcm kann man 1,5 g Pflastermasse, von Blei-
pflastermischungen aber 2 g berechnen.
Man unterscheidet runde, ovale und viereckige Formen.
Runde Formen wählt man für kleine Pflaster z. B. von der
Grösse eines Guldens (florini), Thalers (thaleri) u. s. f. Für grös-
sere Mengen passen besser ovale Formen, wie die Grösse
des Handtellers (magnitudine volae manus oder palmae manus
minoris); oder der ganzen Hand (magnitudine palmae manus
majoris). Yi er eckige Formen sind beispielsweise: von der
Grösse einer Spielkarte (chartae lusoriae), eines Oktav- oder
Quartblattes (schedae octonariae, quaternariae), eines Papierbogens
(plagalae chartae). Ausserdem giebt es für Ohrenpflästerchen
eine Halbmondform (forma semilunaris.)
E. Emplastri Canthariduin ordinarii R. EmplastriCantharidumperpetui0,5.
q. s. (7.5). Extende super pannum sericeum
Extende super coreum (alutam) (bombycinurn) formae semilunaris.
magnitudine palmae manus mi- Detur in duplo. S. Ohren-
noris. D. S. Zugpflaster. pflästerchen.
Man findet den Flächeninhalt einer viereckigen Form durch
Multiplikation der Länge mit der Breite; den einer runden Form
durch Multiplikation des Halbmesserquadrats mit 22/7; den einer
ovalen Form durch Multiplikation zunächst der halben grossen
Axe mit der halben kleinen Axe, dann mit 22/7.
Hiernach berechnet sich der Flächeninhalt eines Guldens auf etwa
•5 qcm, eines Thalers auf 9 qcm, des Handtellers auf 30 — 60 gern (je nach
der Grösse der Hand), der Handfläche auf 75 — 100 qcm, der Spielkarte auf
40 qcm, eines Ohrenpflästerchens auf 9 qcm.
16, Bougies und Stuhlzäpfchen,
§ 539. Bougies, Cereoli, sind konisch zulaufende, bis
30 cm lange , federkieldicke Cylinder aus Leinwand , die mit
Wachs getränkt worden. Um sie anzufertigen, schneidet man ein
Stück Leinwand in 30 cm lange, 3 — 5 cm breite Streifen,
ähnlich einer abgestumpften Messerklinge, zieht sie durch ge-
schmolzenes "Wachs und rollt sie dann auf einer glatten Fläche,
von der längeren Seite aus, in einen konischen Cylinder zusammen,
mit einem Brettchen in derselben Richtung feststreichend.
Auch kann man Darmsaiten benutzen, welche, fest angezogen, mit
einem wachsgetränkten wollenen Läppchen bestrichen werden. Übrigens
haben die Bougies aus Kautschuk die eben beschriebenen verdrängt.
§ 540. Stuhlzäpfchen, Suppositoria, sind 3—4,5 cm
lange, unten 1,2 — 1,3 cm breite Kegel aus Seife, Kakao-Öl, einer
Pflastermasse oder einer festen Pillenmasse. Man formt sie mit
— 672 —
der Hand resp. dem Messer, oder giesst sie, im Falle einer
Kakao-Ölmischung, in kegelig gerollte Papierhüllen. Schliesslich
werden sie mit etwas Mandelöl bestrichen und in Wachspapier
dispensiert.
R. Olei Cacao 50.0 R. Natfi sulfurici sicci 10,0,
Cerae 5,0 Saponis oleacei 20,0,
leni calore liquefacta in modulos Mellis q. s.
ad suppositoria effundantur. M. f(iant) suppositoria V. D. S.
Fiant suppositoria X. D. S.
Sollen dem Kakao-Öle Zusätze gemacht werden, z. B. Tannin, AloeV
Opium, Morphin u. a., so mischt man sie im feingepulverten Zustande dem
geschmolzenen Fette bei. Extrakte wendet man auch, wenn irgend mög-
lich, als trocknes Pulver an. Mischungen von Arzneikörpern mit Kakaoöl
lassen sich auch ohne Schmelzen zu Suppositorien verarbeiten. Man zer-
stösst das Kakaoöl in einem Mörser, mischt das übrige hinzu und giebt
dann etwas Öl oder Wachssalbe (nicht mehr als 1/5 — 1/6 des Kakao-Öles)
hinzu, dass die Masse knetbar wird, die man in eine Stange ausrollt, ab-
teilt und mit der Hand in Kegel formt.
Gefährliche Arzeneistoffe und Mischungen.
§ 541. Gefährliche Arzeneistoffe. Von den zahlreichen Arzeneistoffen
erfordern viele eine gewisse Vorsicht bei ihrer Handhabung, teils in Rück-
sicht ihrer Giftigkeit, teils wegen Feuergefährlichkeit, Zersetzbarkeit u. a.
Wegen der starkätzenden Wirkung auf die Haut muss man sich bei
der Dispensation von Acidum sulfuricum concentratum, Acidum aceticum
concentr., Acidum carbolicum, li'reosotum, Acidum nitricum crudum und fumans,
Oleum Crotonis u. a. m. vor Benetzung der Hände und Kleider hüten.
Bei der Abgabe von Aether, Aether Petrolei, Benzinum, Carboneum
sulfurat.um, Spiritus aethereus u. a. achte man auf die Feuergefährlichkeit
ihres Dunstes und halte jedes Licht in der nötigen Entfernung.
Beim Abwiegen und Verreiben von Rhisoma Veratri pulv., Veratrinum,
Atropinum , Cantliarides pulv., Euphorbium pulv. vermeide man jegliches
Stäuben und halte Augen und Nase, wegen der höchst gefährlichen Wir-
kung selbst des geringsten Staubes, in einiger Entfernung. Ein Gleiches
ist dringend anzuraten bei Bromum und Aqua clilorala, deren Gase in
hohem Grade gesundheitsgefahrlich sind, auch wegen ihrer korrodierenden
Wirkung die Metallfiächen der Wage angreifen.
Den Phosphor fasse man nie mit blossen Händen au, schneide ihn
stets unter Wasser mit einer Schere und vermeide, dass geschmolzener
Phosphor in Berührung mit der atmosphärischen Luft gelange, da er dann
sofort in Flammen gerät.
§ 542. Gefährliche Mischungen. Wenn bei der chemischen Wirkung
zweier Körper auf einander ein Übermass von Wärme frei wird, so ge-
hört die Mischung derartiger Stoffe zu den gefährlichen.
Die konzentrierte Schwefelsäure, macht beim Vermischen
a) mit Wasser oder Weingeist,
b) mit vielen ätherischen Ölen, namentlich Terpentinöl,
eine solche Erhitzung, dass es stets gefährlich ist, solche Stoffe zur konz.
Schwefelsäure zu fügen — vielmehr mache man es sich zur strengen Regel:
— 673 —
Die konzentr. Schwefelsäure ist dem Wasser resp. dem Weingeist in
kleinen Portionen, unter kräftigem Umrühren und (bei grösseren Quantitä-
ten) unter Abkühlen durch Einstellen in kaltes Wasser beizugeben.
Hie und da soll nach alten Veterinär-Rezepten Terpentinöl mit Vitriolöl
(konz. Schwefelsäure) gemischt werden; gewöhnlich gehen noch einige
andere Öle, Leinöl und Steinöl, in dieselbe Mischung ein. Da sich nun die
Schwefelsäure mit den fetten Ölen, wie auch mit Petroleum ohne Be-
denken mischen lässt, so verdünnt man zuerst das Terpentinöl mit den
fetten Ölen und giebt dann portionenweise, unter Einstellen des Glases
in kaltes Wasser, das Vitriolöl bei.
In ähnlicher Weise kann eine Mischung von Salzsäure mit Salpeter-
säure, das sogenannte Königsrvasser , gelährliche Erhitzungen erzeugen,
wenn ihr Weingeist oder ein weingeistiger Auszug (Tinktur) zugefügt
wird. Die Zersetzung ist hier keine augenblickliche, sie tritt gewöhnlich
erst nach einer Viertelstunde oder später ein und veranlasst, wenn die
Mischung in einer verschlossenen Flasche sich befindet, deren Zertrümmerung.
Zu den leicht explodierenden Mischungen zählen vorzugsweise solche
von brennbaren Materien (zu denen auch alle organischen gehören) mit
Acidum chromicum , Kali chloricum , Kali hgpermanganicum und anderen
sauerstoffreichen und leicht reduzierbaren Substanzen.
Was vom chlorsauren Kali S. 172 gesagt wurde, gilt auch wörtlich
für das übermangansaure Kali. Mischungen desselben mit oxydierbaren
Stoffen haben stets eine chemische Zersetzung zur Folge; bei brennbaren
Körpern tritt Entzündung ein. Übermangansaures, wie chlorsaures Kali
entzündet sich z. B. mit Glycerin.
Eine Mischung von Chlorkalk mit Terpentinöl erhitzt sich bei''
grösseren Mengen sogar bis zur Entzündung des Öles. Mit Salmiak und
Wasser erzeugt der Chlorkalk den explosiven Chlorstickstoff.
Ebenso bedenklich sind Mischungen von Jod oder Jodtinktur mit
wässerigem Salmiakgeist oder solchen Medikamenten, die denselben ent-
halten, z. B. flüchtiges Liniment, Opoldeldoc u. a. Zumal ist eine Ver-
reibung des festen Jod mit einem dieser Linimente explosiv, wie z. B. bei
der Vorschrift:
Jod 2,0
Linirnenti camphorati
— saponati ^ 60,8.
Sehlickuui, Apothekerlehrlmg.
VI. Abteilung.
Amtliche Bestimmungen.
1. Die Vorbildung, Lehrzeit und Prüfung
der deutschen Apothekerlehrlinge.
(Bekanntmachung des Bundesrate«
vom 13. November 1875.)
§ 1. (Prüfungsbehörde.) Die Prüfungsbehörden für die Gehilfen-
prüfung bestehen aus einem höheren Medizinalbeamten oder dessen
Stellvertreter als Vorsitzendem und zwei Apothekern, von denen
mindestens einer am Sitze der Behörde als Apothekerbesitzer an-
sässig sein muss.
Der Sitz der Prüfungsbehörden wird von den Centralbehörden
der einzelnen Bundesstaaten dauernd bestimmt.
Der Vorsitzende und die Mitglieder werden für drei Jahre von
dem Vorsitzenden derjenigen Behörde ernannt, welche die Aufsicht
über die Apotheker an dem Sitz der Prüfungsbehörde führt.
Für die Prüfung von Lehrlingen, welche bei einem der Exa-
minatoren gelernt haben, ist ein anderer Apotheker zu bestellen.
§ 2. (Prüfungstermine). Die Prüfungen werden in den Monaten
Januar, April, Juli und Oktober jeden Jahres an den von dem Vor-
sitzenden der im § 1 bezeichneten Aufsichtsbehörde festzusetzenden
Tagen abgehalten.*)
Die Anträge auf Zulassung zur Prüfung sind seitens des Lehr-
herrn dei dem gedachten Vorsitzenden spätestens bis zum 15. d38
vorhergehenden Monats einzureichen; spätere Meldungen können erst
für die nächste Prüfung berücksichtigt werden.
*) Dieser Absatz wurde durch das Reskript des preussischen Kultus-
ministers vom 19. Dezember 1878 dahin abgeändert:
Die Prüfungen werden in der zweiten Hälfte der Monate März, Juni,
September und Dezember jeden Jahres an den von dem Vorsitzenden der
im § 1 bezeichneten Aufsichtsbehörde festzusetzenden Tagen abgehalten.
Hiernach müssen also auch die Anmeldungen zur Prüfung bis spätestens
zum Ende des vorhergehenden Monats (Ende Februar, Juni, August, No-
vember) eingereicht werden.
— 675 —
§ 3. (Erfordernisse zur Zulassung der Prüfung; Vorbildung, Dauer
der Lehrzeit.) Der Meldung zur Prüfung sind beizufügen:
1. das Zeugnis über den im § 4 No. 1 der Bekanntmachung
vom 5. März 1875 geforderten Nachweis der wi ssensc haftlichen
Vorbildung;
(Dieser § 4 Nr. 1. lautet:
„Der Nachweis ist zu fähren -durch das von einer als be-
rechtigt anerkannten Schule, anf welcher das Latein obliga-
torischer Lehrgegenstand ist, ausgestellte wissenschaftliche
Qualifikationszeugnis für den einjährig freiwilligen Militärdienst.
Ausserdem wird zur Prüfung nur zugelassen / wer auf einer
anderen als berechtigt anerkannten Schule dies Zeugnis er-
halten hat, wenn er bei einer der erstgedachten Anstalten
sich noch einer Prüfung im Latein unterzogen hat und auf
Grund derselben nachweist, dass er auch in diesem Gegen-
stande die Kenntnisse besitzt, welche behufs Erlangung der
bezeichneten Qualifikation erfordert werden." *)
2. das von dem nächstvorgesetzten Medizinalbeamten (Kreis-
physikus, Kreisarzt u. s. w.) bestätigte Zeugnis des Lehrherrn über
die zurückgelegte, vorschriftsmässige , dreijährige oder, für den In-
haber eines zum Besuche einer Universität berechtigten Zeugnisses-
der Reife**), zweijährige Lehrzeit, sowie über die Führung des
Lehrlings während der letzteren. Ist bei der Meldung die Lehrzeit
noch nicht vollständig abgelaufen, so kann die Ergänzung des Zeug-
nisses nachträglich erfolgen***);
3. das Journal, welches jeder Lehrling während seiner Lehrzeit
*) (Ministerial-Reskr. vom 30. Nov. 1878.) .... Demgemäss dürfen
nur solche junge Leute als Apothekerlehrlinge angenommen werden, welche
das von einer als berechtigt anerkannten Schule, auf welcher das Latein
obligatorischer Lehrgegenstand ist, ausgestellte wissenschaftliche Quali-
fikationszeugnis zum einjährig freiwilligen Militärdienst besitzen, oder
dieses Zeugnis auf einer anderen, als berechtigt anerkannten Schule er-
halten, alsdann bei einer der erstgedachten Schulen sich noch einer Nach-
prüfung im Latein unterzogen haben und auf Grund derselben nachweisen,
dass sie auch in diesem Gegenstande die Kenntnisse besitzen, welche
behufs Erlangung der bezeichneten Qualifikation erfordert werden.
**) Die Bekanntmachung des Reichskanzleramtes vom 25. Dezember
1879 gestattet die zweijährige Lehrzeit den Inhabern des Reifezeugnisses
sowohl eines deutschen Gymnasiums, als auch einer Realschule erster
Ordnung mit obligatorischem Unterrichte im Lateinischen.
***) Ziffer 2 wurde durch das Minist.-Reskr. vom 19. Dez. 1878 dahin um-
geändert: Das von dem nächstvorgesetzten Medizinalbeamten (Kreisphysikus,
Kreisarzt u, s. w.) bestätigte Zeugnis des Lehrherrn über die Führung des
Lehrlings, sowie darüber, dass der letztere die vorschriftsmässige drei-
jährige — für den Inhaber eines zum Besuche der Universität berechtigen-
den Zeugnisses der Reife, zweijährige — Lehrzeit zurückgelegt hat
oder doch spätestens mit dem Ablauf des betreffenden Prü-
fungsmonats zurückgelegt haben wird.
43*
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über die im Laboratorium unter Aufsiebt des Lehrherrn oder Ge-
hilfen ausgeführten pharmazeutischen Arbeiten fortgesetzt führen, und
welches eine kurze Beschreibung der vorgenommenen Operationen
und der Theorie des betreffenden chemischen Prozesses enthalten
muss (Laborationsjournal).
§ 4. (Prüfungsgebühren.) Nach Empfang der Zulassungsverfügung,
in welcher auch der Termin der Prüfung bekannt gemacht wird, hat
der Lehrherr dafür Sorge zu tragen, dass die von dem Lehrlinge zu
entrichtenden Prüfungsgebühren im Betrage von 24 Mark an den
Vorsitzenden der Prüfungsbehörde eingezahlt werden, und den Lehrling
gleichzeitig dahin anzuweisen, dass er sich vor Antritt der Prüfung
mit der Zulassungsverfügung und der Quittung über die eingezahlten
Gebühren noch persönlich bei dem Vorsitzenden zu melden hat.
§ 5. (Einteilung der Prüfung.) Die Prüfung zerfällt in drei Ab-
schnitte :
I. die schriftliche Prüfung,
II. die praktische Prüfung und
III. die mündliche Prüfung.
§ 6. (Die schriftliche Prüfung.) I. Zweck der schriftlichen
Prüfung ist, zu ermitteln, ob der Lehrling die ihm zur Bearbeitung
vorzulegenden Materien, soweit dieses von ihm gefordert werden kann,
beherrscht und seine Gedanken klar und richtig auszudrücken vermag.
Der Lehrling erhält drei Aufgaben, von denen eine dem Gebiete
der pharmazeutischen Chemie, eine dem der Botanik oder Pharma-
kognosie und die dritte dem der Physik entnommen ist.
Die Aufgaben werden aus einer hierzu angelegten Sammlung *)
*) In der Bekanntmachung vom 1. Mai 1876 stellte der preussische
Minister folgende Themata für die Aufsätze zur Benutzung der Prü-
fungskommissionen zusammen :
I. Pharmazeutische Chemie.
1. Äther. — 2. Alkohol. — 3. Alkaloide. — 4. Aluminium und
dessen Salze. — 5. Antimon. — 6. Arsenik. — 7. Benzoesäure. —
8. Blausäure, Bittermandelöl, Bittermandelwasser. — 9. Bleiglätte,
Bleiweiss, Mennige. — 10. Borsäure und Borax. — 11. Brom und
seine Salze. — 12. Calcium und seine Salze. — 13. Karbolsäure
und Kreosot. — 14. Chlor und Chlorwasser. — 15. Chloroform und
Jodoform. — 16. Eisen und dessen Salze. — 17. Essigsäure. — 18.
Glycerin. — 19. Jod und seine Salze. — 20. Kalium und seine
Salze. — 21. Kohle. — 22. Kupfer und seine Salze. — 23. Magnesia
und ihre Salze. — 24. Natrium und seine Salze. — 25. Pflaster. —
26. Phosphor und Phosphorsäure. — 27. Quecksilber und seine Salze.
— 28. Reagentien. — 29. Salicylsäure. — 30. Salpetersäure. — 31.
Salzsäure. — 32. Schwefel und Schwefelsäure. — 33. Seifen. — 34.
Volumetrische Lösungen. — 35. "Weinstein und Weinsteinsäure. —
36. Wismut und seine Salze. — 37. Zink und seine Salze.
— 677 -
•durch das Loos bestimmt und sind sämtlich so einzurichten , dass
je 3 von ihnen in 6 Stunden bearbeitet werden können.
Die Bearbeitung erfolgt in Klausur, ohne Benutzung von Hilfs-
mitteln.
§ 7. (Die praktische Prüfung.) II. Zweck der praktischen
Prüfung ist, zu ermitteln, ob der Lehrling das für den Apotheker-
gehilfen erforderliche Geschick sich angeeignet hat.
Zu diesem Behufe muss er sich befähigt zeigen:
1) 3 Rezepte zu verschiedenen Arzeneiformen zu lesen, regelrecht
anzufertigen und zu taxieren;
2) ein leicht darzustellendes galenisches und ein chemisch-phar-
mazeutisches Präparat der Pharmacopoea Germanica zu bereiten;
3) 2 chemische Präparate auf deren Reinheit nach Vorschrift
der Pharmacopoea Germanica zu untersuchen.
Die Aufgaben ad 2 und 3 werden aus je einer hierzu ange-
legten Sammlung*) durch das Los bestimmt, die Rezepte zu den
II. Botanik und Pharmakognosie.
1. Adeps und Sebum. — 2. Amylum und Dextrin. — 3. Castoreum.
— 4. Cortex Chinae. — 5. Cortex Frangulae. — 6. Cortex Granati. —
7. Crocus. — 8. Flores Arnicae. — 9. Flores Chamomillae. — 10.
Flores Cinae. — 11. Flores Koso. — 12. Flores Sambuci. — 13.
Flores Tiliae. — 14. Flores Verbasci. — 15. Folia Digitalis. — 16.
Folia Juglandis. — 17. Folia Menthae crispae und piperitae. — 18.
Folia Sennae. — 19. Fructus Anisi. — 20. Fructus Foeniculi. —
21. Fructus Juniperi. — 22. Gummi arabicum. — 23. Herba Ab-
sinthii. — 24. Herba Conii. — 25. Herba Hyoscyami. — 26. Herba
Violae tricoloris. — 27. Lycopodium. — 28. Manna. — 29. Moschus.
— 30. Oleum Amygdalarum. — 31 Oleum Jecoris Aselli. — 32.
Oleum Olivarum. — 33. Oleum Ricini. — 34. Opium. — 35. Radix
Althaeae. — 36. Radix Gentianae. — 37. Radix Ipecacuanhae. —
38. Radix Liquiritiae. — 39. Radix Rhei. — 40. Radix Sarsapa-
rillae. — 41. Radix Senegae. — 42. Radix Valerianae. — 43. Rhi-
zoma Calami. — 44. Rhizoma Filicis. — 45. Rhizoma Iridis. — 46.
Rhizoma Zingiberis. — 47. Saccharum. — 48. Seeale cornutum. —
49. Semen Lini. — 50. Semen Sinapis. — 51. Semen Strychni. —
52. Tubera Jalapae. — 53. Tubera Salep. — 54. Vina medicinalis.
III. Physik.
1. Thermometer. — ■ 2. Barometer. — 3. Wage. — 4. Spezifisches
Gewicht. — 5. Freier Fall der Körper. — 6. Elektrizität. — 7.
Magnetismus. — 8. Wärme. — 9. Adhäsion, Cohäsion, Attraktion.
— 10. Mikroskop. — 11. Dampfmaschine. — 12. Luftpumpe. — 13.
Aggregatzustände der Körper. — 14. Polarisation. — 15. Apparate
zur Massanalyse.
*) IV. Galenische Mittel.
1. Aqua Cinnamomi. — 2. Cuprum aluminatum. — 3. Electuarium
e Senna. — 4. Elixir amarum. — 5. Elixir e sueco Liquiritiae. —
. 6. Emplastrum Cantharidum ordinarium. — 7. Emplastrum Can-
tharidum perpetuum. — 8. Emplastrum Conii. — 9. Emplastrum
Lithargyri compositum. — 10. Linimentum saponata-camphoratum.
— 678 —
Arzeneifonnen von den Examinatoren unter thunlichster Benutzung
der Tagesrezeptur gegeben.
Die Anfertigung der Rezepte und Präparate, sowie die Unter-
suchung der chemischen Präparate geschieht unter Aufsicht je eines
der beiden als Prüfungskommissare zugezogenen Apotheker.
§ 8. (Mündliche Prüfung.) III. Zweck der mündlichen Prüfung,
bei welcher auch das während der Lehrzeit angelegte Herbarium
vivum vorgelegt werden muss, ist, zu ermitteln, ob der Lehrling die
rohen Arzeneimittel kennt und von andern Mitteln zu unterscheiden
11. Liquor Animonii anisatus. — 12. Mucilago Gummi Arabici. —
13. Mucilago Salep. — 14. Oxyrnel Scillae. — 15. Pilulae aloeticae
ferratae. — 16. Potio Riveri. — 17. Pulvis aerophorus. — 18. Pul-
vis Magnesiae cum Rheo. — 19. Spiritus camphoratus. — 20. Spi-
ritus saponatus. — 21. Syrupus Althaeae. — 22. Syrupus Anryg-
dalarum. — 28. Syrupus Mannae. — 24. Tinctura Cannabis Indici.
— 25. Tinctura Jodi. — 26. Tinctura Rhei aquosa. — 27. Ungu-
entum Glycerini. — 28. TJngnentnm Kalii jodati. — 29. Unguentum
leniens. — 30. Unguentum Paraifini. — 31. Unguentum Sabinae. —
32. Unguentum Zinci. — 33. Vinum eamphoratum. — 34. Vinum
stibiatum.
V. Chemisch-pharmazeutische Präparate.
1. Acidum benzoi'cuni. — 2. Aciduni carbolicum liqueiäctum. — 3.
Acidum sulfuricum dilutum. — 4. Ammonium chloratum ferratum.
— 5. Aqua chlorata. — 6. Aqua hydrosulfurata. — 7. Calcium phos-
phoricum. — 8. Ferrum chloratum. — 9. Ferrum jodatum saccha-
ratum. — 10. Hydrargyrum bijodatum. — 11. Hydrargyrum jodatum.
12. Hydrargyrum oxydatum via humida paratum. — 13. Hydrargyrum
praecipitatum album. — 14. Kalium sulfuratum. — 15. Liquor Ani-
monii acetici. — 16. Liquor Kali acetici. — 17. Liquor Kali ar-
senicosi. — 18. Liquor Plumbi subacetici. — 19. Sapo kalinus. —
VI. Chemische Präparate zur Prüfung.
1. Acidum aceticum. — 2. Acidum benzoi'cum. — 3. Acidum boricum.
- — 4. Acidum citricum. — 5. Acidum hydrochloricum. — 6. Acidum
nitricum. — 7. Acidum phosphoricum. — 8. Acidum salicylicum. —
t Acidum tannicum. — 10. Acidum tartaricum. ■ — 11. Aether. — 12.
Aether aceticus. — 13. Aqua Amygdalarum amararum. — 14. Aqua
chlorata. — 15. Balsamuni peruvianum. — 16. Bismuthum subni-
tricum. — 17. Calcaria chlorata. — 18. Chininum hydrochloricum.
— 19. Chininum sulfuricum. — 20. Chloralum hydratum. — 21.
Chlorofoimium. — 22. Ferrum pulveratum — 23. Glycerinum. —
24. Hydrargyrum bijodatum. — 25. Hydrargyrum chloratum. —
26. Hydrargyrum jodatum. — 27. Hydrargyrum praecipitatum album.
— 28. Kalium bromatum. — 29. Kalium carbonicum. — 30. Ka-
lium chloricum. — 31. Kalium jodatum. — 32. Kalium nitricum.
— 33. Magnesia usta. — 34. Morphinum. - 35. Natrium bicar-
bonicum. — 36. Natrium bromatum. — 37. Natrium nitricum. —
38. Natrium sulfuricum. — 39. Stibium sulfuratum aurantiacum.
— 40. Strychninum nitricum. — 41. Sulfur praecipitatum. —
42. Tartarus depuratus. — 43. Tartarus natronatus. — 44. Tartarus
stibiatus. — 45. Zincum oxydatum. — 46. Zincum sulfuricum.
— 679 —
weiss, ob er die Grundlehren der Botanik, der pharmazeutischen
Chemie und Physik inne hat, ob er die erforderlichen Kenntnisse in
der lateinischen Sprache besitzt und sich hinlänglich mit den gesetz-
lichen Bestimmungen bekannt gemacht hat, welche für das Verhalten
und die Wirksamkeit des Gehilfen in einer Apotheke massgebend sind.
Zu diesem Behufe
1. sind dem Examinanden mehrere frische oder getrocknete
Pflanzen zur Erkennung oder terminologischen Bestimmung, und
2. mehrere rohe Droguen und chemisch -pharmazeutische Prä-
parate zur Erläuterung ihrer Abstammung, ihrer Verfälschung und
ihrer Anwendung zu pharmazeutischen Zwecken, so wie bezw. zur
Erklärung ihrer Bestandteile und Darstellungen vorzulegen;
3. hat derselbe zwei Artikel aus der Pharmacopoea Germanica
in das Deutsche zu übersetzen;
4. sind von ihm die auf die bezeichneten Grundlehren und die
Apotheker-Gesetze bezüglichen Fragen zu beantworten.
§ 9. (Zeitdauer der Prüfung, Anzahl der Examinanden.) Für die ge-
samte Prüfung sind zwei Tage bestimmt.
In der Regel dürfen nicht mehr als vier Examinanden zu einer
mündlichen Prüfung zugelassen werden.
§ 10. (Prüfungs- Protokoll.) Über den Gang der Prüfung eines
jeden Examinanden wird ein Protokoll aufgenommen, welches von
dem Vorsitzenden und den beiden Mitgliedern der Kommission unter-
zeichnet und zu den Akten der in § 1 bezeichneten Aufsichts-Behörden
genommen wird.
§ 11. (Zeugnis.) Für diejenigen Lehrlinge, welche in der Prüfung
bestanden haben, wird unmittelbar nach Beendigung der Prüfung ein
von den Mitgliedern der Prüfungsbehörde unterzeichnetes Prüfungs-
Zeugnis angefertigt*) und dem Lehrherrn zur Ausstellung des vom
nächstvorgesetzten Medizinal-Beamten (Kreisphysikus, Kreisarzt u. s. w.)
mit zu unterzeichnenden Entlassungs-Zeugnisses zugestellt.
§ 12. (Nichtbeetehen der Prüfung.) Das Nichtbestehen der Prüfung
hat die Verlängerung der Lehrzeit um 6 bis 12 Monate zur Folge,
nach welcher Frist die Prüfung wiederholt werden muss.
Wer nach zweimaliger Wiederholung nicht besteht, wird zur
weiteren Prüfung nicht zugelassen.
Über das Nichtbestehen ist von der Prüfungs-Behörde ein Ver-
merk auf der in ^ 3 Ziffer 1 genannten Urkunde zu machen.
*) Im Prüfungszeugnis ist das Gesamtergebnis durch eine der Cen-
suren: „sehr gut", „gut", „genügend" zu bezeichnen. (Bekanntmachung des
Bundesrats vom 23. Dezember 1882.)
— 680 —
§ 18. Vorstehende Bestimmungen treten mit dem 1. Januar 1876
in Kraft.
§ 14. Lehrlinge, welche vor dem 1. Oktober 1875 in die Lehre
getreten sind, sind zur Prüfung auch dann zuzulassen, wenn sie den
Nachweis der erforderlichen Vorbedingungen nach Massgabe des § 22
der Bekanntmachung vom 5. März 1875 führen.
Die Vorlegung des Laborations-Journals fällt bei den Lehrlingen,
welche vor dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung in die Lehre
getreten sind, für die Zeit, welche sie bis zum Inkrafttreten der Be-
kanntmachung in der Lehre zugebracht haben, da weg, wo nach den
bisherigen Vorschriften die Führung eines Laborations-Journals nicht
gefordert wurde.
Berlin, den 1 3. November 1875.
Der Reichskanzler.
In Vertretung: (gez.) Delbrück.
2. Gesetzliche Vorschriften über den Geschäfts-
betrieb in der Apotheke.
(Auszug aus den Apothekerordmmgen der Deutschen Staaten mit
Hinzuziehung' Österreichs.)
I. Allgemeine Pflichten eines Rezeptars. Zu den mannigfachen
Erfordernissen, die an einen gewissenhaften Apotheker zu stellen
sind, gehören ausser den ausreichenden Kenntnissen gewisse
Charakter-Eigenschaften ; vornehmlich :
1. Gewissenhaftigkeit — vor allem dem Apotheker not-
wendig, da das Publikum auf seine Beellität volles Vertrauen zu
setzen gezwungen ist, von ihr auch häufig das Wohl und Wehe
des Patienten abhängt. — Diese Gewissenhaftigkeit erheischt, bei
der Annahme eines Kezeptes, dasselbe ohne Verzug, selbst zur
Nachtzeit, anzufertigen. Besonders gilt dies von den als dringlich
bezeichneten Rezepten, welche vor den andern anzufertigen sind. J)
Die Anfertigung der Rezepte geschehe regula artis!
') Preussen. Apothekerordnung (1801) Tit. III, § 2 f. In gleiche
Strafe soll derjenige Apotheker genommen werden, welcher die ihm zu-
geschickten Rezepte, es sei bei Tag oder bei Nacht, nicht sogleich ohne
Aufenthalt anfertigt, den Handverkauf vorzieht und die Patienten ohne
Not auf die Medizin warten lässt. Besonders sollen diejenigen Rezepte,
die mit cito bezeichnet werden, sogleich bereitet und die Arzneien den
Boten, welche die Rezepte einhändigen, mitgegeben werden.
— 681 —
Die Substituierung eines verordneten, wirksamen Arzneimittels,
sei es ein veraltetes , sei es ein ganz neues , durch ein anderes,
vielleicht minderwertiges, ist streng zu unterlassen. In fraglichen
Fällen muss der Rezeptar Rücksprache mit dem ordinierenden
Arzte nehmen. Unleserlich geschriebene Rezepte erfordern vor-
herige Anfrage beim Arzte; ebenso, wenn der Apotheker einen Irr-
tum vermutet.2)
2. Reinlichkeit — in der Apotheke nicht weniger nötig,
wie in der Küche. Nicht allein vermeide der Rezeptar jedes
Übergiessen, Zerbrechen von Gefässen, er halte auch den Rezeptier-
tisch stets frei und rein,- die Standgefässe sauber, die Extrakt-
und Salbentöpfe innerlich rein u. s. w.3) Auch schone man das
Handtuch nach Möglickeit, wische damit keine Flüssigkeiten,
Bayern. Apothekerordnung (1842) Tit. III, § 59. Der Apotheken-
vorstand oder ein Gehilfe muss in der Regel von Morgens 6 bis Abends
10 Uhr in der Offizin und ausser diesen Stunden doch in deren Nähe sich
befinden, sodass er von den Arzeneisuchenden mittelst eines Glockenzuges
jederzeit herbeigerufen werden kann. — § 62. 2. Bei Konkurrenz mehrerer
Rezepte sind vor allem die als dringend ausdrücklich bezeichneten, so-
dann die für entfernt wohnende Kranke bestimmten , und hierauf die
übrigen nach ihrer Priorität, zu dispensieren.
Baden. Apothekerordnung (1806) § 47. Von den einlaufenden Re-
zepten sind zuerst die vom Arzt als eilig oder dringlich bezeichneten,
dann die für Landpatienten bestimmten anzufertigen.
Ahnliches schreibt die Medizinalordnung von Hessen (1861 § 54),
die der thüringischen Staaten (Sachsen-Weimarsche M.-O. von 1858
§ 17), sowie die Österreichische Apoth.-Instr. von 1834, § 15 vor.
2) Preussen. Ap.-O. III, § 2 i). Sollte es sich zutragen, dass ein
verschriebenes Ingredienz nicht vorrätig oder sogleich nicht anzuschaffen
sei, so darf der Apotheker nicht willkürlich ein anderes dafür substituieren
oder etwas hinweglassen , sondern er hat solches sofort dem Arzte anzu-
zeigen und es diesem zu überlassen, an dessen Statt ein anderes Mittel
von gleicher Eigenschaft zu verordnen.
Bayern. Ap.-O. III, § 62 4. Wenn ein Rezept einen in der Offizin
nicht verfügbaren Stoff enthält, so ist mit Unterlassung jeder Substitution
mit dem ordinierenden Arzte sich zu benehmen.
Österreich Ap.-Instr. § 21 bestimmt dasselbe. — § 22 u. 23 ver-
ordnen die Rücksprache mit dem Arzte bei Unleserlichkeit resp. Irrtum.
3) Preussen. Ap.-O. III, § 2 b. Bei der Rezeptur muss die strengste
Genauigkeit, Ordnung und Reinlichkeit herrschen. Sämtliche Gefässe und
Instrumente müssen stets rein und sauber, auch Wagen und Gewichte im
akkuraten Zustande gehalten werden. Auch das Reinhalten der iSeihetücher
zu Dekokten und Infusionen ist nicht zu vernachlässigen u. s. f.
Baden. Ap.-O. § 59. Seine Gehilfen und Lehrlinge muss' der Apo-
theker überhaupt zur Sittlichkeit erziehen, so insbesondere dazu anhalten,
dass sie sich aller unreinen und ekelhaften Angewohnheiten, z. B. des
Ausstreichens der Gefässe mit den Fingern, des Ableckens der Gefässe,
des Anhauchens der Pillen, des Kauens der Stöpsel u. dergl. enthalten.
Österreich. Ap.-Instr. § 7. Allenthalben muss die grösste Ordnung,
Genauigkeit und Reinlichkeit beobachtet werden.
— 682 —
am wenigsten Öl ab, kaue die Korkstopfen nicht weich, blase
nicht, namentlich in Gegenwart des Publikums, in die Pulver-
kapseln u. s. f.
3. Gesittetes Betragen gegen das Publikum, verbunden
mit Freundlichkeit , am wenigsten ein grobes oder hochmütiges
Auftreten, selbst nicht bei zudringlicher Inanspruchnahme seitens
der ungebildeten Klasse. Andrerseits enthalte sich der Rezeptar
jeder ungebührlichen Vertraulichkeit, unziemlicher Spässe, ge-
statte auch nicht , dass in der Offizin Zuschauer ihn stören und
Veranlassung zu unangenehmen Szenen geben. Wie das Publi-
kum gebeten wird, das Tabakrauchen in der Offizin zu unter-
lassen, darf es sich auch der Apotheker selbst nicht gestatten,
im Apothekenlokal zu rauchen.4)
4. Yorsicht. "Wegen der steten Gefahr, durch Unacht-
samkeit grosses Unglück anzurichten, kann dem Rezeptar nicht
genugsam minutiöse Aufmerkamkeit und Yorsicht anempfohlen
werden. Nicht allein hat er die Rezepte beim Empfange auf-
merksam zu überlesen, sondern beim jedesmaligen Gebrauch eines
Arzeneimittels hat er sich vor dem Abwägen nochmals das Rezept
4) Preussen. Ap.-O. I, § 18. Übrigens wird von jedem konditionie-
renden Apotheker vorausgesetzt, . . . dass er sich vorzüglich auch eines
guten, moralischen Wandels befleissige, gegen jedermann höflich und be-
scheiden sei, aller ausschweifenden, verführerischen Gesellschaften sich
enthalte, keine unnötigen und unanständigen Besuche in der Offizin an-
nehme und überall in der Erfüllung seiner Pflichten den ihm unterge-
ordneten Lehrlingen mit musterhaftem Beispiele vorangehe.
III, § 2a, . . . Damit auch derjenige, welcher am Rezeptiertisch die
Medikamente zusammenmischt, nicht gestört werde, so soll ausser den in
die Offizin gehörigen Personen niemand zu solchen zugelassen werden.
Nach dem Minist.-Reskr. v. 11. Nov. 1820 und v. 26. Juli 1860 ist
festgestellt, dass für den Ausschank geistiger Getränke, wie künstlicher
Mineralwässer ein besonderes Lokal benutzt und derselbe .nicht von Ge-
hülfen oder Lehrlingen besorgt werde.
Baden. Ap.-O. § 59. Seine Gehülfen und Lehrlinge muss der Apo-
theker dazu anhalten . . ., dass sie sich mit denen, die Arzeneien abholen,
nicht in unnötige Unterredungen einlassen, noch weniger ein unanständiges
Ausfragen der Abholenden sich zu Schulden kommen lassen, oder gar un-
ziemliche Scherze treiben, vielmehr sich schleunige Förderung und freund-
liche, wohlgefällige Behandlung bei Tag und Nacht eigen macht. — § 60.
Weniger noch ist zu gestatten, dass der Arzeneisaal zu einem gesellschaft-
lichen Zusammenkunftsort missbraucht werde, . . . wie denn auch weder er
selbst, noch einer seiner Gehülfen und Lehrlinge jemals mit einer brennenden
Tabakspfeife im Arzeneisaal oder Laboratorium sich betreffen lassen soll.
Baiern. Ap.-O. III, § 60. Alles, was irgend auf den Geschäftsbetrieb
störend einzuwirken geeignet ist, darf in den Geschäftslokalen, namentlich
in der Offizin nicht geduldet werden. Es versteht sich hiernach von selbst,
dass unnütze und zerstreuende Gespräche, gesellschaftliche Zusammen-
künfte, Trinkgelage, Tabakrauchen und sonstige derlei Excesse daselbst
in keiner Weise Platz greifen können.
— 683 —
anzusehen, um sich des Mittels und der vorgeschriebenen Gewichts-
menge zu vergewissern, nach Anfertigung der Arzenei wiederholt
das Eezept durchzugehen , dass kein Bestandteil vergessen und
alles richtig geschehen sei; auch hat er die Signatur mit dem
Rezepte zu vergleichen, um etwa vorgefallene Irrtümer oder Ver-
wechslungen (z. B. äusserlicher mit innerlichen Signaturen) noch
rechtzeitig zu verbessern.5)
Beim Abholen der Arzneien sei der Rezeptar doppelt vor-
sichtig und lasse sich von dem Abholenden stets den Namen des
Patienten deutlich angeben. Niemals verlasse er sich auf sein
Gedächtnis , auch nenne er nicht selber den Namen , sich mit
dem schnellen Ja des Boten begnügend. Bei starkwirkenden
Arzneien erteile man stets Belehrung und Warnung.6)
Um Irrtümer zu verhüten, gewöhne sich der Rezeptar, ein
Rezept ohne Unterbrechung anzufertigen; auch ist es höchst
bedenklich und thunlichst zu vermeiden, dass eine Arznei von
einem anderen beendet werde, als der sie begonnen.7)
5. Verschwiegenheit. Durch die Rezepte wird der
Apotheker häufig Vertrauensmann der Patienten; auch machen
ihm die Überbringer manche vertraulichen Mitteilungen; daher
darf er niemals Rezepte jemandem zeigen, noch von dem ge-
wonnenen Wissen anderwärts Gebrauch machen.8) Zumal gilt
dies anderen Ärzten gegenüber. Das deutsche Strafgesetz-
buch bedroht (§ 300) Apotheker und ihre Gehilfen, »wenn sie
unbefugt Privatgeheimnisse offenbaren , die ihnen kraft ihres
5) Preussen. Ap.-O. III, § 18. Bei der Rezeptur hat er (der Apo-
thekergehilfe) alle Behutsamkeit und Genauigkeit in Dispensierung der
verschiedenen Arzneimittel anzuwenden. Zu dem Ende rnuss er die Vor-
schrift des Rezeptes nicht nur zuvor mit Aufmerksamkeit überlesen, sondern
auch das angefertigte Medikament nicht eher aus der Hand stellen, bevor
er nicht das Rezept nochmals mit Bedacht gelesen und von der ge-
schehenen richtigen Anfertigung und Signatur sich überzeugt hat.
6) Sachsen-Weimar. Min.- Verf. v. 15. Juli 1858. § 20. Bei Ab-
holung von gefährlichen Arzeneien aus der Apotheke hat derjenige, welcher
sie aushändigt, dem Empfänger thunlichst geeignete Belehrung und Warnung
zu erteilen.
7) Bayern. Ap.-O. III, § 62. 8. Die angefangene Fertigung eines Re-
zepts soll so wenig als möglich durch andere Arbeiten unterbrochen werden.
Baden. Ap.-O. § 45 . . . und ist dabei fest darauf zu halten, dass
jeder, der ein Rezept zu verfertigen angefangen habe, solches auch vollende.
y) Preussen. Ap.-O. III, § 2. a) . . . Sowohl die Apotheker, als
deren Gehilfen und Lehrlinge sind verbunden, . . . die Arzeneien nebst
den Rezepten so wenig während der Anfertigung, als nachher jemandem vor-
zuzeigen, noch weniger Abschriften davon zu geben oder nehmen zu lassen.
Baden. Ap.-O. § 55 und 56 verfügt Ähnliches.
Österreich. Ap.-I. § 19. Nie darf ein Apotheker über ein Rezept
oder über den Arzt, der dasselbe verordnete, gegen die Personen, welche
die Arzneien abholen, sich Bemerkungen erlauben.
— 684 —
Standes und Gewerbes anvertraut sind, mit Geldstrafe bis zu
1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu 3 Monaten. Die Ver-
folgung tritt nur auf Antrag ein.« Das österreichische Straf-
gesetzbuch (§ 499) belegt in solchen Fällen den Apotheken vor-
stand mit 5—50 Gulden, den Gehilfen mit 1 — 4 Tagen Arrest.
II. Besondere Vorschriften bei Anfertigung von Rezepten.
1. "Welche Rezepte dürfen angefertigt werden? Im
allgemeinen haben sämtliche Mediziiialordnungen bestimmt, dass
nur solche Rezepte, welche von approbierten Ärzten, Wund- und
Tierärzten verschrieben und unterzeichnet sind, in den Apotheken
angefertigt werden dürfen.9) Zu dem Zwecke hat das Rezept die
Unterschrift des verordnenden Arztes zu tragen; auch ist von ihm
das Datum und der Name des Patienten auf das Rezept zu vermerken.
Unter gewissen Verhältnissen darf der Arzt von der Nennung des
Patienten Abstand nehmen und statt dessen NN schreiben.10)
9) Preussen. Ap.-O. III, § 2. k) Da auch verlauten will, dass noch
hier und da unbefugte Personen sich mit innerlichen und äusserlichen
Kuren befassen, so wird den Apothekern hiermit anbefohlen, sich der Ver-
fertigung solcher Rezepte, die von dazu nicht qualifizierten Personen ver-
schrieben worden, zu enthalten, am wenigsten aber Medikamente von
heftiger und bedenklicher Wirkung, als Drastica, Vomitoria, Mercurialia,
Narcotica, Emmenagoga, namentlich auch Resina und Tinctura Jalapae,
von der Hand, ohne ein von einem approbierten Arzt verschriebenes Re-
zept verabfolgen zu lassen.
Bayern. Ap.-O. III, § 62. 1. Nur Rezepte berechtigter .... ärztlicher
Individuen dürfen angefertigt werden.
Baden. Ap.-O. § 41. Rezepte von nicht approbierten Personen sind
zurückzuweisen und dem Physikat anzuzeigen.
Hessen. Med.-O. § 54. Nur solche Arzneivorschriften, welche von
approbierten Ärzten, Wund- und Veterinärärzten vorgeschrieben und unter-
zeichnet sind, dürfen in Apotheken verfertigt werden Arzeneivor-
schriften von Unbefugten sind dem Kreisarzt zu überliefern.
Österreich. Ap.-Instr. § 18 besagt dasselbe. — § 27. Kuren inner-
licher oder äusserlicher Gebrechen zu unternehmen, ist dem Apotheker unter
keinen Umständen erlaubt.
10) Preussen. Ap -0. III, § 2. a) Sobald ein Rezept zur Bereitung
in die Apotheke gebracht wird, auf welches der Arzt das Datum, die
Jahreszahl, den Namen des Patienten und, wenn dem Apotheker dessen
Hand nicht bekannt ist, auch seinen eigenen Namen geschrieben haben
muss, so ist der Apotheker verpflichtet, es ... zu verfertigen.
Sachsen-Weimar. Min.-Verf. v. 15. Juli 1858. § 13. Kein Rezept,
welches ein Mittel enthält, in dessen Handverkauf der Apotheker gesetz-
lich nicht völlig unbeanstandet ist, darf angefertigt werden, wenn es nicht
zugleich die Unterschrift einer zu der Verordnung berechtigten Medizinal-
person, das Datum, den Namen des Kranken und die zur Verhütung von
etwa zu besorgenden Personen- Verwechslungen noch erforderlichen näheren
Bezeichnungen des Kranken enthält. Jedoch ist auch die Anfertigung
solcher Rezepte erlaubt, welche statt des Namens und sonstiger Bezeichnung
des Kranken die Worte: „für einen Ungenannten" enthalten.
(385 —
Seit Freigabe des ärztlichen Gewerbes (nach der deutschen
Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869) konnte an dieser Vorschrift
nicht mehr in aller Strenge festgehalten, vielmehr musste ge-
stattet werden, Rezepte unbefugter Personen dann anzufertigen,
wenn in ihnen kein giftiges oder starkwirkendes Mittel (Tab. B.
und C. der Pharm. Germ.) enthalten ist.11)
Einige Staaten, z. B. Bayern, Braunschweig, haben bestimmt,
dass Cito-Rezepte auch dann von dem Apotheker angefertigt
werden müssen, wenn nicht sofort Bezahlung erfolgt. l2)
2.WelcheRezepte dürfennichtrepetiert(reiteriert)
werden? Die Repetition von Rezepten, welche giftige oder
starkwirkende Medikamente (Tab. B und C der Pharm. Germ.)
enthalten, erfordert die Anweisung einer approbierten Medizinal-
person. Zumal gilt dies für die Fowlersche Arseniklösung.13)
") Preussen. Min.-Reskr. v. 8. März 1870: Rezepte, welche von
nicht approbierten Ärzten oder Wundärzten verschrieben sind, sind Apo-
theker nur dann anzufertigen berechtigt und verpflichtet, wenn die ver-
schriebene Arzenei lediglich aus solchen Mitteln besteht, welche im Hand-
verkauf abgegeben werden dürfen. Ausgeschlossen sind hiervon insbe-
sondere die in der Tab. B und C der Pharmacopöe aufgeführten Medika-
mente und Gifte. — Der Min.-Erlass v. 3. Juni 1878 macht diejenigen
Mittel namhaft, welche nicht ohne ärztliche Verordnung im Handverkauf
zu verabfolgen sind.
Bayern. Kgl. "Verordn. v. 25. April 1877. § 19. 3. Die Apotheker sind
verpflichtet. Rezepte, welche solche Mittel enthalten, die in der Tabelle
B und C der Pharm. Germ, aufgeführt sind, uur dann zu fertigen oder
fertigen zu lassen, wenn der Name des verordnenden Arztes, das Datum
der Verordnung, sowie die Gebrauchsanweisung deutlich geschrieben sind.
Baden. Ap.-O. V. § 40. Giftige und drastische Stoffe dürfen ... in
der Rezeptur nur auf Verordnung eines bekannten approbierten Arztes
oder Tierarztes abgegeben . . . werden.
1S) Baiern. Kgl. Verord. v. 25. April 1877. § 19. 2. Die Apotheker
sind verpflichtet, jede Arzenei nach ärztlicher Ordination unweigerlich zu
bereiten und abzugeben, und zwar auch an Personen, welche mit der Be-
zahlung von früher bezogenen Arzeneien im Rückstand sind, wenn die Ab-
gabe vom Arzte als dringend bezeichnet wird.
Braun schweig. Med.-O. § 88. Die Abgabe einer mittelst Rezepts
verordneten Arznei darf aus dem Grunde vom Apotheker nicht verweigert
werden, weil nicht sofort Bezahlang erfolgt, wenn schleunige Anfertigung
der Arznei vom Arzte gefordert wird.
13) Preussen. Ap.-O. III, § 2. g) Übrigens sollen solche, von appro-
bierten Ärzten und Wundärzten einmal verschriebenen und verfertigten
Rezepte, welche Drastica, Vomitoria, Menses et Urinam moventia, Opiata
u. a. dergl. stark wirkende Medikamente enthalten, ohne Vorwissen und
Bewilligung des Arztes zum andernmale nicht wieder gemacht werden.
Ministerialreskr. y. 28. Okt. 1810. Solutio arsenicalis darf nur auf
Rezepte approbierter Arzte in der Quantität von 6 Gramm und in ver-
siegelten Fläschchen abgegeben werden. Die Rezepte dürfen nicht zurück-
gegeben werden, sondern müssen als Giftscheine aufgehoben werden. Eine
Reiteratur derselben darf nicht stattfinden.
— 686 —
Für Preussen untersagt das Ministerial - Reskript vom
3. Juni 1878 durchaus, ohne ärztliche Ordinierung zu repetieren :
1. Brechmittel;
2. Mixturen zum innerlichen Gebrauch, Augenwässer, In-
jektionen, Inhalationen und Klystiere, welche direkte Gifte (Tab. B
der Pharm. Germ.), gewisse betäubende Mittel (Chloralhydrat,
Äthylenchlorid, ButylchloralJ, gewisse Corrosiva (Krotonöl, Senföl)
sowie Mutterkorn enthalten;
3. Morphiuminjektionen ;
4. Un vermischtes Chloroform.
Für die Tinkturen und Extrakte der narkotischen Gewächse
(Aconitum, Belladonna, Cannabis indica, Colchicum, Colocynthides,
Conium, Digitalis, Hyoscyamus, Lactuca virosa, Pulsatilla, Stra-
monium, Strychnos, Toxicodendrum und Opium), für Morphin und
Codein, sowie Jodtinktur gestattete obige Min. -Ter. die Repetition
von inneren Arzeneien, Augenwässern, Klystieren, Inhalationen,
sofern die in der Arznei enthaltene Menge des Narkoticums nicht
grösser ist, als die für die Einzelgabe in Tab. A der Pharm.Germ.
angegebene Maximaldosis beträgt.
Für Bayern beschränkt ^die Kgi. Yerordnung vom 25. April
1877 (§ 19, 4) ebenfalls die Repetition von Brechmitteln, Atropin-
lösungen, Morphium-Injektionen, stärkeren Morphiumarzeneien und
Chloralhydrat auf schriftliche, ärztliche Anordnung.
Für Sachsen verbietet die Yerordnung vom 16. August
Bayern. Ap.-O. III, §62. 8. Repetitionen drastisch wirkender Arze-
neien dürfen nur auf ausdrückliche Anordnung des betreffenden ärztlichen
Individuums vollzogen werden.
Würtemberg. Min.-Ver. v. 30. Dezember 1875. § 7. Repetitionen
von Rezepten dürfen, wenn diese die in der Anlage aufgeführten Stoffe
und Präparate zur innerlichen oder einer dieser gleichkommenden Ver-
wendung, wie Klystieren, Inhalationen oder subkutanen Injektionen, sowie
besonders stark wirkende Stoffe desselben Verzeichnisses zum äusserlicben
Gebrauch enthalten, ohne ausdrückliche schriftliche Anordnung des ur-
sprünglichen Verfassers oder einer anderen hierzu ermächtigten Medizinal-
person nur in unverdächtigen und dringenden Fällen ausgeführt werden.
Wo sich in dieser Beziehung irgend ein Anstand oder Zweifel erhebt, ist
vor der Abgabe des Arzeneimittels die ordinierende Medizinalperson oder
nötigenfalls der Oberamtsarzt zu befragen.
Baden. Ap.-O. V, § 40. Giftige und drastische Stoffe enthaltende
Rezepte dürfen nicht ohne den Willen des Arztes repetiert werden. —
§ 41. Alle übrigen Arzeneien dürfen ohne neue Verordnung, auf Wieder-
zurückgabe der Signatur, aber nicht auf blosse mündliche Bestellung hin
angefertigt werden.
Sachsen- Weimar. Min.-Ver. v. 15. Juli 1858. § 14. Rezepte, in
welchen sich ein giftiges oder sonst heftig oder bedenklich wirkendes
Mittel verschrieben findet, dürfen nur auf jedesmalige schriftliche, mit
Datum und Namensunterschrift versehene Anordnung des Verfassers oder
einer anderen dazu befugten Medizinalperson wiederholt bereitet werden.
— (387 —
1876 olme ärztliche Genehmigung die Repetition von Arzeneien
mit direkten Giften (Tabula B der Pharm. Germ.) sowohl für den
inneren, als für den äusserlichen Gebrauch (gestattet ist die Repe-
tition von Salben mit rotem und weissem Quecksilberpräzipitat
und Yeratrin), sowie von Digitalin und Chloroform. — Arzeneien,
welche Mittel der Tab. C der Pharm. Germ, in solcher Quantität
enthalten, dass ihre Einzeldosis den fünften Teil der in Tab. A
der Pharm. Germ, aufgeführten Maximaldosis nicht über-
schreitet, ebenso Arzeneien mit Chloralhydrat, wenn die Maximal-
dosis von 4,0, solche mit Mutterkorn oder dessen Extrakt, wenn
die Maximaldosis von 0,6 resp. 0,3 nicht überschritten wird, sind
auch ohne ärztliche Ordination zu repetieren gestattet, in gleicher
Weise Santoninmittel.
3. "Welche speziellen Regeln sind bei der An-
fertigung der Rezepte zu merken?
Sobald ein Rezept angenommen wird, hat der Rezeptar das-
selbe aufmerksam zu überlesen und sich zu vergewissern, dass
auf demselben keine wesentlichen Bestimmungen fehlen, noch
gegen die betreffenden amtlichen Anordnungen Verstössen. Ent-
hält es Gifte oder starkwirkende Stoffe, so ist auf deren
Dosierung besonderes Augenmerk zu richten. Man findet die
Dosis durch Division der verordneten Menge mit der Anzahl der
Gaben. Bei einer Mixtur gewinnt man die Zahl der Gaben,
wenn man ihr Gesamtgewicht durch das Gewicht der Einzelgabe teilt.
Dabei kann man annehmen :
1 Esslöffel 12 g, 1 Theelöffel 3—4 g,
1 Kinderlöffel 6 „ 20 Tropfen 1 „
B eispiele:
1. R. Infusi Althaeae 200,0 g
Ammon. chlor. 5,0
Extr. Hyoscyarni 1,0
Succ. Liquir. dep. 8,0
M. D. C. Stündlich 1 Esslöffel v. z. n.
Für diese Mixtur berechnen sich 124/12 d. i. nahezu 18 Gaben, in jeder der-
selben ist mithin 1,0/18 = 0,055 g Extr. Hyoscyarni enthalten. Nimmt
der Patient täglich 12 Löffel voll von der Mixtur, so berechnet sich die
Gesamtdosis für den Tag auf 0,66 g Extr. Hyoscyarni.
2. R, Morph, hydrochlor. 0,10 g
Aqu. Amygd. amar. 25,0
M. D. Beim Anfall 20 Tropfen z. n.
Hier beträgt die Einzelgabe 20 Tropfen = 1,0 g die Gesamtzahl der
Gaben ist = 25, daher in jeder Gabe 0,10/25 = 0,004 g Morph, hydrochlor.
enthalten ist. 3. R. Santonini 1,0 g
afe§ Sacch. alb. 7,5
M. s. p. Divide in part. aeq. No. XV.
D. S. Morgens und Abends 1 Pulv. z. n.
Die Einzeldosis beträgt hier für das Santonin 1,0/15 = 0,066. die Tagesdosis
2 X 0,066 = 0, 132 g
— 688 —
Im Falle der Arzt die in Tab. A der Pharm. Germ, vorge-
schriebene Maximaldosis, ohne ein ! beizusetzen, sei es in
der Einzelgabe, sei es in der Tagesgabe, überschritten oder sonst-
wie einen Fehler gemacht (etwa durch Versetzen des Komma
in der Gewichtsangabe) oder etwas wesentliches zu bemerken
vergessen hat, ist der Rezeptar nicht berechtigt, selbst Änderungen
auf dem Rezepte vorzunehmen (es müsste denn der Fehler durch-
aus klar und seine Korrektur eine selbstverständliche sein). Viel-
mehr ist er gehalten, das Rezept dem verordnenden Arzte per-
sönlich oder in verschlossenem Kouvert, mit dem Gesuch um Kor-
rektur zurückzustellen. Ist dies in Kürze nicht möglich, so kann
er sich beim Kreisphysikus resp. Oberamtsarzte die nötige An-
weisung erbitten ; in dringenden Fällen mag es gestattet sein,
die Gewichtsmenge des betreffenden Arzneimittels auf die gesetz-
liche Maximaldosis zurückzuführen, den Arzt jedoch alsbald da-
von in Kenntnis zu setzen. 15)
I5) Preussen. Ap.-O. III § 2. h) Wenn dem Apotheker in den ver-
schriebenen Rezepten ein Irrtum oder Verstoss von der Art, dass davon.
ein Nachteil für den Patienten zu besorgen sei, bemerklich werden sollte,
so hat er sogleich dem Arzte, welcher das Rezept verschrieben, seine ße-
denklichkeit und seine Zweifel bescheiden zu eröffnen. Wenn der Arzt
den Verstoss nicht anerkennt und auf Anfertigung des Rezeptes nach seiner
Vorschrift besteht, so kann es der Apotheker zwar anfertigen, doch hat er
zu seiner eigenen Rechtfertigung den Fall sogleich dem Physikus, oder
wenn dieser das verdächtige Rezept verschrieben hätte, dem kompetenten
Collegio Medico anzuzeigen.
Bayern. Ap.-O. III § 62. 4. Wenn ein Rezept undeutlich geschrieben
ist, einen in der Offizin nicht verfügbaren Stoff enthält oder andere irgend
erhebliche Umstände darbietet, so ist mit Unterlassung jeder Substitution
oder sonstigen eigenmächtigen Vorschreitens mit dem ordinierenden Arzte
sich zu benehmen. 5. Geringfügige, das Datum oder den Namen des Kranken
betreffende Mängel können in der Apotheke selbst nach Thunlichkeit
berichtigt werden, desgleichen der Mangel der Gebrauchsformel bei nicht
heroischen Mitteln im Falle, wenn das Benehmen mit dem ordinierenden
Arzte Schwierigkeiten unterliegt.
Königl. Verordn. v. 25. April 1877. § 19. 5. Im Falle ein Arzt
grössere Gaben eines Arzneimittels, als die im Anhange zur Pharm. Germ.
(Tab. A) als die höchsten aufgeführten ohne Hinzufügung des Zeichens !
verordnet, hat sich der Apotheker über die Zulässigkeit der Abgabe der
Arznei zunächst mit einem anderen Arzte zu benehmen.
Baden. Ap.-O. V. § 44. . . . Sollten in Rezepten Worte oder Zeichen
unleserlich geschrieben sein, oder nicht verstanden werden, oder der
Apotheker Grund finden zu vermuten, es möchte die Gabe unrichtig oder
sonst ein Fehler im Rezept untergelaufen sein, so soll er nicht selbst ändern,
aber auch nicht gleichgiltig dabei bleiben, sondern von dem Verfertiger
der Vorschrift Erläuterung oder, wenn dieser über Land wohnte, von dem
Physikus Weisung seines Verhaltens wegen fordern, und nur wo auch
dieser nicht anzutreffen und ihm ein Schreibfehler klar wäre, mag er für
sich ändern, muss es aber zugleich dem verschreibenden Arzte melden.
— 689 —
Bei Anfertigung des Rezeptes hat der Apotheker alle Medi-
kamente abzuwiegen, nicht aber dem Masse nach oder nach
Augenschein und Gutdünken zu nehmen , was speziell bei der
Division von Pulvern gilt.16) Beim Abwägen stark wirkender
und giftiger Mittel ist besondere Vorsicht anzuwenden und nicht
zu^verabsäumen, die eigens dafür dienenden Wagen und Gerät-
schaften in Anwendung zu ziehen.
Sind die Gewichtsmengen noch nach dem Unzen Systeme
verordnet, so hat sie der Rezeptar nach der amtlichen Reduktions-
tabelle in Gramme umzusetzen und diese Umänderung auf dem
Rezepte selber zu notieren. (Preuss. Min.-Ver. v. 29. Aug. 1867.)
Überlässt der Arzt die Quantität eines Mittels dem Er-
messen des Apothekers, indem er ein q. s. (quantum satis) bei-
fügt, so darf der Rezeptar nicht unterlassen, die verbrauchte
Menge auf dem Rezepte zu bemerken. Dies geschieht häufig bei
Pillen, Saturationen, gestrichenen Pflastern. Wichtig ist die
Notierung sowohl wegen des Preises, wie auch wegen etwaiger
Repetition, damit nicht der reiterierende Apotheker die Pillen
dicker oder dünner mache, das Pflaster kräftiger auftrage u. s. f.
Überhaupt ist bei Repetition en doppelte Aufmerksamkeit
Das Gleiche ist seine Pflicht, wenn etwa einer der verschiedenen Stoffe
nicht vorhanden, noch schnell zu bekommen wäre.
Sachsen- Weimar. Min.- Verf. v. 10. Oktober 1872. § 3. Rezepte,
auf welchen ein Mittel der Tab. A. der Pharm. Germ, ohne ein Ausrufungs-
zeichen verschrieben ist, sind dem Arzte zurückzusenden. Ist derselbe nicht
zu erlangen, so hat der Apotheker mit Genehmigung des Kranken oder
dessen Angehörigen das Rezept dem Amtsphysikus, eventuell einem andern
Arzte zur Abänderung zu unterbreiten.
Österreich. Ap.-Instr. § 23. Vermutet der Apotheker in der Vorschrift
des Arztes einen Irrtum, der dem Leben des Kranken nachteilig werden
könnte, so hat er seine Meinung vor der Verfertigung des Rezeptes dem
verordnenden Arzte allein in Freundschaft zu eröffnen. Wäre dieses aber
wegen zu grosser Entfernung oder Abwesenheit des Arztes für jetzt un-
möglich, und hat der Apotheker die Überzeugung, dass in der Vorschrift
des Arztes ein Irrtum unterlaufen sei, der dem Leben des Kranken nach-
teilig sein könne, und kann er sich nicht mehr mit dem verordnenden
Arzte beraten, so muss er sich noch vorerst, wenn es möglich ist, mit
einem anderen Arzte hierüber beraten; wäre aber auch dies unmöglich,
so ist es ihm erlaubt, ja es ist ihm Pflicht, das Rezept so abzuändern, dass
es den gewöhnlichen Verordnungen vernünftiger Arzte entspreche. Der
Apotheker wird aber dieses, sobald es nur möglich ist, dem Arzte, von
dem die Verordnung herrührte, auf eine geziemende Art und ohne Auf-
sehen zu erregen bekannt machen.
■16) Preussen. Ap.-O. III. § 2. c. Bei Dispensierung der Arzneimittel
soll nichts gemessen, viel weniger nach dem blossen Augenmasse genommen,
sondern alles ordentlich und genau abgewogen werden. — Sollten auch
noch Arzte im Gebrauch haben, Vegetabilien manipulweise zu verschreiben,
so sollen diese dennoch gewogen, und statt eines Manipuls bei Kräutern eine
halbe Unze, und bei Blumen drei Drachmen nach Gewicht genommen werden.
Schlickum, Apothelccrle'hrliDg. 44
— 690 —
vonnöten, um zu vermeiden, dass die Arzenei ein verändertes
Aussehen, anderen Geschmack u. dg-1. erhalte.17)
Zur Yergewisserung der Person, welche ein Rezept fehlerhaft
angefertigt, verfügt die Preuss. Min. -Ter. v. 2. August 1872, dass
der Rezeptar seinen Namen deutlich und leserlich auf dem Re-
zepte vermerke, gleichviel, ob es sich um eine einmalige oder
wiederholte Anfertigung einer Arznei handle.
Der Signatur hat der Rezeptar sein volles Augenmerk zu-
zuwenden, nicht allein durch gewissenhafte Wiedergabe der ärzt-
lichen Ordination, sondern auch durch leserliche Schrift.18) Zahlen
sind bei den Bestimmungen der Gabe und Zeit des Einnehmens
in Buchstaben zu schreiben , nicht in Ziffern. Für Signaturen
innerer Arzeneien dient weisses, für äusserliche Medizinen rotes
oder blaues Papier.
Schliesslich ist der Taxpreis in arabischen Ziffern auf
dem Rezepte zu notieren. Bei Rezepten, die von öffentlichen
17) Preussen. Ap.-O. III. § 2. e) Da noch die Erfahrung gelehrt, dass
öfters diejenigen Arzeneien, welche die Patienten auf Verordnung ihres
Arztes zürn zweiten oder öfteren Male machen lassen, nicht vollkommen
gleich, sondern in Farbe, Geschmack und Geruch verschieden sind und
hierdurch den Patienten verdächtig werden, so soll derjenige Apotheker,
in dessen Offizin dergleichen Nachlässigkeiten erweislich gemacht worden,
in 5 Thaler Strafe verfallen. Damit man aber wisse, wer den Fehler bei
der Reiteratur begangen, so soll derjenige, der solche verfertigt, jedesmal
seinen Namen auf die Signatur schreiben.
Bayern. Ap.-O. III. § 61. . . . Die Repetition einer Arzenei soll,
wenn thunlich. dem früheren Rezeptator übertragen werden.
18) Preussen. Ap.-O. III. § 2. d) Zu mehrerer Verhütung, dass keine
Verwechslung der Medikamente sich zutragen möge, soll in der Apotheke
jedesmal der Name des Patienten, welcher auf dem Rezept steht, ingleichen
der Name des Apothekers, bei welchem das Rezept verfertigt worden, nebst
dem Dato, auf der Signatur bemerkt werden. Auch soll auf der Signatur
die auf dem Rezept bestimmte Gabe und Zeit des Einnehmens nicht mit
Ziffern bezeichnet, sondern jedesmal mit Buchstaben deutlich und leserlich
geschrieben werden.
Bayern. Ap.-O. III. § 62. b) Die der gefertigten Arzenei beizufügende
Signatur ist, je nachdem erstere zu innerlichem oder äusserlichem Ge-
brauche dient, auf weisses Papier zu schreiben, und niuss den Namen des
Kranken, die Gebrauchsformel und das Datum — und zwar bei Re-
petitionen sowohl das Datum der Ordination als das der Repetition —
enthalten, auch ihrem Inhalte nach den minder gebildeten Abnehmern
überdies mündlich noch genügend erklärt werden. Ebenso ist der Signatur
am Rande der Name des Rezeptators beizufügen.
Sachsen-Weimar. Min.-Ver. v. 15. Juli 1858. § 18. Jede nach
einem Rezept bearbeitete Arzenei ist ohne Verzug genau mit der vorge-
schriebenen Signatur und mit dem Namen des Anfertigers, oder, falls eine
besondere Anfertigung nicht stattgefunden hat, des Verabreichers ... zu
bezeichnen. . . . Für Mittel zum innerlichen Gebrauch ist die Signatur auf
ein weisses, für äusserliche Mittel auf blaues Papier zu schreiben.
— 091 —
Kassen bezahlt werden, muss zur Erleichterung der Revision der
Preis in seinen einzelnen Faktoren spezifiziert werden.'9)
4. Wer ist zur Anfertigung der Rezepte befugt?
Ausser dem Apotheker ist in Deutschland wie auch in
Österreich jeder Apothekergehilfe, welcher in deutschen Landen
sein Gehilfenexanien bestanden hat, zur Anfertigung der Rezepte
befugt.20) Der Bundesrat beschloss am 7. Februar 1874, dass
der Grundsatz der gewerblichen Freizügigkeit innerhalb des ge-
samten Bundesgebiets nunmehr auch auf die Apothekergehilfen
ausgedehnt werde , welche in einem Bundesstaate die Gehilfen-
prüfung bestanden haben.21)
10) Preussen. Ap.-O. III. § 2.d) Alinea 2. Ebenso muss die Taxe
der Medikamente auf den Rezepten, wenn sie bei erfolgender Bezahlung
zurückgegeben werden, mit deutlichen Ziffern bemerkt sein.
Bayern. Ap.-O. III. § 62. 7. Bei alsbaldiger Bezahlung der Arznei
ist deren Preis auf dem Rezepte in arabischen Zahlen deutlich zu bemerken
und dabei, wenn die Abnahme für eine öffentliche Adresse geschieht, nach
seinen einzelnen Faktoren genau zu spezifizieren.
Baden. Ap.-O. V. § 46 ... . und muss der Preis gleich nach der
Vollendung (zumal wenn das Rezept zurückverlangt wird) , oder bei über-
häuften Geschäften doch längstens noch am nämlichen Tage auf das
Rezept mit leserlichen Zeichen annotiert werden, das Arzeneimittel mag
gegen baar oder auf Rechnung abgegeben sein.
-°) Preussen. Ap.-O. I. § 18. . . . Als solcher (Apothekergehilfe)
übernimmt er in der Apotheke, bei welcher er sich engagiert, eben die
allgemeinen Verpflichtungen, unter welchen der Prinzipal, dem er sich
zugesellt, zur öffentlichen Ausübung dieses Kunstgewerbes von Seiten des
Staates autorisiert ist. — Reglement v. 11. August 1864. § 16. . . . Der
Apothekenbesitzer darf dem Gehilfen das Dispensieren von Arzeneimitteln
in der Offizin (das Rezeptieren) und die Anwendung von pharmazeutischen
Präparaten im Laboratorium (das Defektieren) selbständig überlassen, ist
aber für die Arbeiten des Gehilfen verantwortlich. Während
kurzer, zufälliger Abwesenheit des Apothekenbesitzers ist der Gehilfe dessen
Stellvertreter. Bei längerer Entfernung vom Geschäft (Reisen) aber ist der
Apotheker, falls sein Gehilfe nicht bereits die Approbation als Apotheker
erlangt haben sollte, verpflichtet, einen approbierten Apotheker als seinen
Stellvertreter anzunehmen und dies dem Kreisphysikus anzuzeigen.
Österreich. Min.-Erlass vom 16. Febr. 1860 hebt das Verbot, aus-
ländische Gehilfen in österreichischen Apotheken zu verwenden, für die
deutschen Bundesstaaten auf und gestattet den aus Deutschland kommenden
Apothekergehilfen, welche daselbst ihr Gehilfenexamen mit gutem Erfolge
bestanden haben, in Österreich zu konditionieren.
21 ) Eine ähnliche Bekanntmachung ist die der Düsseldorfer Regierung
vom 28. Januar 1877: Nachdem jetzt die Erlangung der Approbation als
Apotheker auf Grund des § 29 der Gew.-Ordn. für sämtliche Bandes-
staaten des deutschen Reiches gleichmässig geordnet worden und im An-
schluss hieran betreffs Prüfung der Apothekergehilfen durch Beschluss des
Bundesrats vom 13. Nov. 1875 ebenfalls für sämtliche Bundesstaaten
gleichmässige Bestimmungen getroffen worden sind, sind jetzt deutsche
Apothekergehilfen in jedem Bundesstaate zu servieren berechtigt.
— 692 —
Ausländische Gehilfen haben sich, wie auch früher, zuvor einer
Prüfung vor der Gehilfen-Prüfungs-Kommission zu unterwerfen.
Über die Lehrlinge hat der Apothekenvorstand oder sein Ge-
hilfe stets sorgsam zu achten; die Anfertigung von Rezepten ist
den Lehrlingen nur unter spezieller Aufsicht zu gestatten.22)
III. Vorschriften über den Handverkauf. Für den Handverkauf
in den Apotheken gilt im allgemeinen die Yorschrift , nach wel-
cher ihm alle giftigen , gefährlichen und scharfwirkenden Stoffe
entzogen sind. Vorzugsweise sind dies die Arzeneimittel der Tab.
B und C der Pharm. Germ., mit Ausschluss weniger Medikamente,
die altbekannte Handverkaufsartikel sind und ohne Bedenken als
solche abgegeben werden dürfen, z. B. Bleiwasser, Goulardsches
Wasser, Theriak, Senfspiritus u. a. m. 23)
Dem Handverkauf unter allen Umständen entzogen sind
Hessen. Min.-Ver. v. 10. Jan. 1872. Der Eintritt als Gehilfe in
hessische Apotheken ist jedem Pharmazeuten gestattet, der sich durch
Vorlage eines von einer Früfungskommision des deutschen Reiches aus-
gestellten Prüfungszeugnisses legitimiert. Über die Zulässigkeit von Zeug-
nissen, die nicht von Prüfungskommissionen, oder die von ausserdeutschen
Prüfungsbehörden ausgestellt sind, entscheidet in jedem Einzelfalle das
Ministerium.
22) Preussen. Ap.-O. III. § 2. a) Sobald ein Rezept zur Bereitung
in die Apotheke gebracht wird, ... so ist der Apotheker verpflichtet, es
entweder selbst zu verfertigen, oder einem tüchtigen Gehilfen, allenfalls
auch einem Lehrlinge, welcher aber wenigstens 3 Jahre in der Lehre ge-
standen, und sich wohl appliziert haben muss, zur Bereitung zuzustellen.
(Da jetzt die Lehrzeit auf 3 resp. 2 Jahre herabgesetzt ist, muss obige
Bestimmung entsprechend modifiziert werden.)
Baden. Ap.-O. V. § 45. Wo der Apotheker oder Verwalter mit
Gehilfen und Lehrlingen arbeitet, da soll er alle drastischen Mittel, in-
gleichen alle jene, welche in anderer Hinsicht eine vorzügliche akkurate
Bearbeitung der Mischung fordern, wenn er sie nicht selbst verfertigt, nur
an Hauptgehilfen .... niemals aber an blosse Lehrlinge abgeben. . . .
Sachsen-Weimar. Min.-Ver. v. 15. Juli 1858. § 16. Lehrlinge
dürfen Rezepte nur unter spezieller Aufsicht des Apothekers oder eines
Gehilfen anfertigen.
Österreich. Ap.-I. § 24. Lehrlingen soll die Verfertigung heftiger
Arzeneimittel nie überlassen werden.
23) Preussen. Der Min.-Erlass v. 3. Juni 1878 führt in einem Ver-
zeichnisse diejenigen Mittel an, welche nicht ohne ärztliche Ordination,
also auch nicht im Handverkauf verkauft werden dürfen. Bemerkenswert
ist. dass sich in demselben nicht vorfinden, also im Handverkauf zu-
lässig sind: Carbolsäure und Kreosot, Salzsäure, Salpetersäure und
Schwefelsäure (Vitriolöl), Grünspan, Bleiweiss, Bleiglätte und Mennige,
Höllenstein, Bleiwasser und Goulardsches Wasser, Bleizucker, sowie Blei-
essig, Canthariden, Collodium, Kupfer- und Zinkvitriol, Theriak, Jod und
Jodtinktur, Bromkalium, Ätznatronlauge. Zahnpillen, Santonin, Senfspiritus
und graue Quecksilbersalbe.
Österreich. Ap.-Instr. § 16. Gelinde wirkende, unschädliche Arznei-
mittel dürfen im Handverkauf aus der Apotheke abgegeben werden.
— G93 -
speziell die Brechen erregenden und die Wehen treibenden Medi-
kamente, die drastischen Purgier- und Band Wurmmittel, sowie
die Krätzesalben (in Preussen).24)
Gewisse, zum technischen Gebrauche dienende Mittel können
unbeanstandet an Gelehrte, Künstler oder Handwerker, unter den
nötigen Yorsichtsmassregeln abgegeben werden und, wenn nötig,
mit mündlicher Belehrung über die Schädlichkeit resp. Gefährlich-
keit des Mittels nebst der Gebrauchsanweisung. Zu solchen
Mitteln zählen : Salzsäure, Salpetersäure (Scheidewasser), englische
Schwefelsäure (Vitriol) , Kupfervitriolöl , Zinkvitriol , Höllenstein;
Bleiweiss, Mennige, Bleizucker, Kleesalz u. a. Die Dispensatiort
geschehe in geeigneten Gefässen,-6) die mit deutlicher Signatur
zu versehen sind. Auch werde niemals ein solches Mittel an
Kinder oder unzuverlässige Boten abgegeben.
IV. Über den Giftverkauf. Dem Verkauf der direkten Gifte
(Medikamente der Tab. B der Pharm. Germ.) ohne ärztliche Ver-
ordnung sind sehr enge Schranken gezogen. Es dürfen zunächst
von den verschiedenen Giften nur solche, sei es in reiner Sub-
stanz, sei es in Vermischung mit anderen Stoffen (Zucker, Mehl,:
Weizen, Fleisch u. dgl.) abgegeben werden, welche zur Vertilgung
-von Ungeziefer , schädlichen Tieren (Mäusen , Ratten , Füchsen,
Mardern u. a.) dienen sollen. Hierhin zählen: Arsenik, Phos-
phor, Strychnin.
Diese Gifte dürfen nur an ganz unverdächtige, sichere Per-
sonen abgegeben werden, welche für diesen Zweck einen Gift-
schein als Quittung des erhaltenen Giftes abliefern müssen,
worin die Art und Menge, wie der Zweck des Giftes anzugeben
24) Preussen. Ap.-O. III. § 2-. k) . . . so wird den Apothekern an-
befohlen. . . . am wenigsten aber Medikamente von heftiger und bedenk-
licher Wirkung, als Drastica, Vomitoria, Mercurialia, Narcotica, Emmenagoga,
namentlich auch Resina und Tinctura Jalapae, von der Hand, ohne ein
von einem approbierten Arzte verschriebenes Rezept verabfolgen zu lassen.
Min.-Reskr. v. 21. Jan. u. 11. März 1817, v. 20. Aug. 1818, v. 26. Sept.
1828, vom 21. Aug. 1827, u. v. 8. Nov. 1880 untersagen im Handverkauf
zu dispensieren: Purgier- und Brechmittel, Schwefel- oder Krätzsalbe, Mohn-
köpfe, das Chinin, wie auch die Chinarinde unter den Namen Chinapulver,
Bandwurmmittel, Kusso, Gort. rad. Granatorum, Rad. Filicis und andere
zu diesem Zweck verlangte Medikamente.
Österreich. Ap.-I. § 17 verbietet in ähnlicher Weise den Hand-
A^erkauf von heftig wirkenden Stoffen (Brechmittel, starke Purgiermittel,
Quecksilberpräparate, Opiate, fruchtabtreibende Mittel), sowie aller der in
der Arzneitaxe mit einem Kreuze bezeichneten.
-5) Preussen. Min.-Reskr. v. 27. Okt. 1876. Die Verwendung von
Mineralwasser- und Licpieurflaschen , welche in ihrer Glasmasse die Be-
zeichnung ihres ursprünglichen Inhaltes enthalten, ist zur Abgabe von
Plüssigkeiten in der Rezeptur wie im Handverkaufe untersagt.
— Ö94 —
und vom Empfänger nebst dessen Unterschrift eigenhändig zu
bescheinigen ist.
Diese Giftscheine sind in der Apotheke aufzubewahren und
über dieselben ein Giftbuch zu führen, auf dessen obrigkeitlich
paraphierten Seiten in getrennten Kolumnen das Datum, der
Name und Stand des Empfängers, Wohnort desselben, Art und
Menge des Giftes, sowie dessen angeblicher Gebrauch von der
Hand des Apotheken Vorstandes eingetragen werden muss.
Personen , welche dem Apotheker kein völliges Vertrauen
einflössen oder ihm unbekannt sind, haben von ihrer Ortsbehörde
ein Beglaubigungsattest beizubringen.
Die v4 Dispensation des Giftes muss in geeigneten Gefässen
(nicht in .Papierhüllen) geschehen , deren Signatur die Art des
Giftes deutlich angiebt und der weiteren Sicherheit halber mit
drei Kreuzen über einem Totenkopf und der Bezeichnung „Giftu
versehen sein muss. (Gift Signatur!)
Über den Giftverkauf, der allein dem Apothekenvorstand
untersteht, bestehen überdies in jedem Bezirk spezielle Vor-
schriften der Behörden.
Register.
A.
Abies 466.
Abkochungen 659.
Absorption S.
Acacia 522.
Aceton 314.
Acetum 256.
— plumbicum 216.
— pyrolygnosum 314.
Achaenium 395.
Achillea 500.
Acbr oniatischeLinsenö 6.
Acidimetrie 341.
Aciclum aceticum 258.
— arsenicosuin 229.
— benzoicum 294.
— boricum 162, 163.
— carbolicum 316.
— chromicum 200.
— citricum 279.
— formicicum 260.
— hydrochloricum 148.
— laeticum 307.
— nitricum 137.
— — fumans 138.
— oxalicum. 280.
— ■ phosphoricum 142,
143.
— - pyrogallicum 283.
— salicylicum 295.
— succinicum 293.
— sulfuricum 133.
dilutum 134.
— tannicum 282.
— tartaricum 276.
— valerianicum 260.
Acipenser 633.
Aconitin 302.
Aconitum 536.
Acorus 456.
Acotyledones 444.
Acrol 273.
Adeps 632.
Adhäsion 7.
Ähre 373.
Äpfelsäure 279.
Äquivalent 93.
Ärugo 220.
Äther 262.
— aceticus 264.
Ätherschwefelsäure 264.
Äthyl 255.
Äthylenchlorid 269.
Affinität 110.
Aggregatzustände 5.
Agropvrum 455.
Alant "500.
Alantwurzel 550.
Alaun 197.
Albumen 402.
Albumin 305.
Alburnuni 422.
Aldehyd 257, 261.
Algae 447.
Algarotpulver 225.
Alkalimetri 342.
Alkalien 165.
Alkaloide 297.
Alkanna 481.
Alkannawurzel 547.
Alkohol 251.
— sulfuris 157.
Alkoholometer 21.
Allium 459.
Allotropie 107.
Aloe 459, 622.
Alpinia 462.
Alsineae 523.
Althaea 538. «
Alumen 197.
— ustum 197.
Alumina hydrata 198.
Aluminium 195.
— sulfuricum 198.
Amalgame 234.
Ambra 632.
Ameisen 634.
Ameisensäure 260.
Amentum 373.
Ammoniacum 616.
Ammoniak 181.
Ammoniakalaun 197.
Ammonium bromatum
183.
— carbonicum 184.
— — pyrooleosum 184.
— chloratum 183.
— — ferratum 207.
— oxalicum 281.
— phosphoricum 185.
Ammoniumsulfhydrat
185.
Ampelideae 526.
Amygdalae 606.
Amygdaleae 514.
Amygdalin 291.
Amygdalus 516.
Amylium nitrosum 265.
Amylnitrit 264.
Amylum Marantae 247,
613.
- Tritici 247, 613.
Anacardium 526.
Anacyclus 500.
Andira 521.
Anemone 535.
Aneroid-Barometer 28.
Angiospermia 438.
Anilin 318.
eye
Anis 595.
Anode 80.
Anthemis 500.
Anthera 387.
Antidotum Arsenici 230.
Antimon 224.
Antimon chlorür 225.
Antimoniumcrudum 224.
Antimonoxyd 225.
Antimonsäure 225.
Antimonsulfid 227.
Antimonsulfür 227.
Antimonwasserstoff 225.
Antirrhineae 490.
Apetalae 444.
Apis 634.
Apomorpkin 299.
Apothecien 449.
Aqua Amygdalarum 290.
— Calcariae 188.
— chlorata 144.
— hydrosulfurata 128.
— phagedaenica 236.
- Plumbi 216.
Aquifoliaceae 484.
Arabin 248.
Araeometer 21.
Araliaceae 512.
Archangelica 508.
Arctostaphylos 492.
Areca 458.
Argentuni foliatum 241.
— nitrieum 241.
Argilla 196.
Arillus 403.
Aristolochia 477.
Aristolochiaceae 476.
Arnica 500.
Aroideae 456.
Arrak 253.
Arrow-root 613.
Arsen 229.
Arsenicum album 229.
— citrinum 231.
— rubrum 231.
Arsenige Säure 229.
Arsenik 229.
Arsensäure 280.
Arsensulfid 231.
Arsensulfür 231.
Arsenwasserstoff 231.
Artemisia 498.
Arum 456.
Asa foetida 616.
Asarum 477.
Asbest 192.
Asclepiadeae 482.
Asparageae 459.
Asparagus 460.
Asperula 502.
Aspidium 452.
Asplenium 452.
Astragalus 520.
Atmosphärische Luft
116.
Atom 91.
Atomgewicht 92.
Atropa 478.
Atropin 302.
Aufgüsse 658.
Auge 66.
Aurantiaceae 538.
Auripigment 231.
Auro-Natriuni chloratum
244.
Aurum foliatum 243.
Ausdehnbarkeit 2.
Ausdehnung 1.
Ausläufer 351.
Austerschalen 635.
Avena 455.
B.
Bacca 398.
Bärentraube 492, 584.
Bärlapp 452.
Bärlappsamen 611.
Baldrian 504.
Baldriansäui'e 260.
Baldrianwurzel 552.
Balsamea 524.
Balsamifluae 470.
Balsamodendron 524.
Balsamum Copaivae 624.
— peruvianum 625.
- tolutanum 625.
Barometer 27.
Barosrna 524.
Baryt 194.
Baryum 194.
— ■ chloratum 195.
— nitrieum 195.
Bassorin 248.
Bast 419, 422.
Baumöl 627.
Be«herhülle 398.
Beere 398.
Beharrungsvermögen 1,
2.
Beifuss 498.
Beifusswurzel 556.
Benzin 315.
Benzoe 619.
Benzoesäure 294.
Renzol 315.
Berberideae 526.
Berberis 526.
Berlinerblau 287.
Bernsteinsäure 293.
Bertramwurzel 546.
Biber 631.
Bibergeil 631.
Biberneil 508.
Bildungsgewebe 417.
Bilsenkraut 478, 574.
Bilsenkrautsamen 605.
Bismuthum subnitricum
222.
Bittermandelöl 290, 291.
Bittersalz 193.
Bitterwässer 121.
Blatt 359.
Blattgold 243.
Blattgrün 431.
Blatthäutchen 360.
Blattscheide 360.
Blattsilber 241.
Blattstiel 360.
Blattzüngelchen 360.
Blauholz 567.
Blausäure 286.
Blei 213.
Bleiessig 216.
Bleiglätte 214.
Bleiglanz 213.
Bleioxyd 214.
Bleipflaster 274, 670.
Bleisuperoxyd 214.
Bleiwasser 216.
Blei weiss 215.
Bleizucker 216.
Blitz 71.
Blitzableiter 72.
Blüte 372, 378.
Blütenboden 878.
Blütenhülle 360.
Blütenköpfchen 373.
Blütenkolben 373.
Blütenscheide 360.
Blütenstände 372.
Blütenstaub 387.
097 —
Blütenstiel 372.
Blume 381.
Blumenkrone 381.
Blut 304.
Blutegel 635.
Blutfarbstoff 305.
Blutkuchen 305.
Blutlaugensalz 286, 287.
Blutwasser 305. h
Bockshornsamen 606.
Bolus 196.
Bor 160.
Boragineae 480.
Borago 480.
Borax 179.
Boretsch 480.
Borfluorwasserstoffsäure
163.
Borsäure 162.
Boswellia 524.
Bougies 669.
Bractea 360.
Brandharze 313.
Brandöle 313.
Branntwein 253.
Brassica 529.
Braunstein 199.
Brayera 514.
Brechungsexponent des
Lichtes 55. g
Brechweinstein 226.
Brechwurzel 547.
Brennhaare 368.
Brennpunkt 54, 63.
Brille 67.
Brom 151.
Bromkalium 178.
Bromum 151.
Bromwasser 151.
Bromwasserstoff 153.
Brucin 301.
Brückenwage 17. W,
Brunnenwasser 120.
Bryonia 512.
Bürette 345.
Buettneriaceae 540.
Bulbotuber 358.
Baibus 357.
- Scillae 565.
Burgunderharz 616.
Buttersäure 260.
Buxbaum 473.
c.
Cadmium sulfuricum 213.
Caesalpiniaceae 521.
Caesium 187.
Cajeputöl 626.
Calabarbohne 606.
Calamus 458.
Calcaria chlorata 190.
- usta 187.
Calcium carbonicuml89.
— phosphoricum 190.
— sulfuricum 190.
Callitris 466.
Calomel 237.
Calorie 36.
Calyx 381.
Cambium 417.
Campanulaceae 502.
Campecheholz 567.
Camphora 476, 626.
Cannabis 472.
Cantharides 633.
Capillarität 7.
Capillarröhrchen 7.
Capita Papaveris 596.
Capitulum 873.
Caprifoliaceae 504.
Capsicum 480.
Capsula 396.
Caramel 249.
Carbo 155.
Carb olsäure 816.
Carbolschwefelsäur e 3 1 6 .
Cavboneum sulfuratum
157.
Carex 456.
Caricae 599.
Carlina 496.
Carrageen 609.
Caruni 508.
Caryophylleae 528.
Caryophylli 592.
Caryopsis 395.
Cassia 521.
Castor 631.
Castoreum 681.
Catechu 622.
Caulis 352.
Cellulares 444.
Cellulose 246.
Centaurea 496.
Centimeter 3.
Centrifugalkraft 3.
Centrifugalmaschine 3.
Cephaelis 504.
Gera 634.
Cerata 648.
Ceratonia 521.
Cereoli 671.
Cerussa 215.
Cetaceum 632.
Cetraria 449.
Chalaza 404.
Chelidonium 530.
Chenopodeae 474.
Chenopodium 474.
Chinarinde 570.
Chinin 300.
Chino'idin 301.
Chlor 144.
Chloraethyl 267.
Chloral 267.
Chloralhydrat 268.
Chlorammonium 183.
Chlorbaryum 195.
Chlorcalcium 191.
Chlorhydrat 144.
Chlorige Säure 146.
Chlorkalk 190.
Chlornatrium 175.
Chloroform 268.
Chlorophyll 431.
Chlorsäure 146.
Chlorstickstoff 184.
Chlorwasser 144.
Chlorwasserstoff 147.
Chlorzink 212.
Chondrus 448.
Chrom 200.
Chromalaun 200.
Chromeisenstein 200.
Chromoxyd 200.
Chromsäure 200.
Chrysarobin 296.
Chrysophansäure 295.
Cichoraceae 495.
Cicuta 510.
Cinchona 502.
Cinchonaceae 502.
Cinchonin 301.
Cinchoninum sulfuricum
301.
Cinnabaris 239.
Cinuamoinum 476.
Citrone 602.
Citronenschale 602.
Citronensäure 279.
698 —
Citrullus 510.
Citrus 540.
Claviceps 450.
Cnicus 496.
Codein 299.
Coccionella 634.
Coccus 634.
Cochenille 634.
Cochlearia 530.
Cocos 458.
Codeinum 299.
Coffea 504.
Coffein 302.
Cognak 254.
Cohäsion 5.
Colchicaceae 458.
Colchicum 459.
Colla piscium 633.
Collodium 247.
Collophonium 618.
Complementärfarben 61.
Compositae 494.
Compressionspumpe 32.
Conchae 635.
Coniferae 464.
Coniin 302.
Conium 510.
Constante Kette 77.
Conus 400.
Convolvulaceae 481.
Convolvulus 481.
Copaifera 521.
Copaivabalsam 624.
Coriandrum 510.
Corolla 381.
Coiiex Cascarillae 567.
— Chinae 570.
— Cinnamomi 568.
— — Zeylanici 568.
— Condurango 568.
— Frangulae 569.
— fructus Aurantii 602.
Citri 602.
- Juglandis 003.
- Granati 568.
— Mezerei 570.
— Quercus 569.
Corymbus 373.
Cotyledo 404.
Cremocarpium 397.
Cremor Tartari 277.
Crocus 460, 593.
Croton 473.
Cruciferae 528.
Cubeba 470, 599.
Cubus 12.
Cucumis 510.
Cucurbitaceae 510.
Cuprum aceticum 220.
— aluminatum 220.
— oxydatum 219.
— sulfuricum 219.
— — ammoniatum 220.
Cupula 398.
Cupuliferae 466.
Curcuma 462. 561.
Cyan 284.
Cyankalium 286.
Cyansäure 284.
Cyanwasserstoff a 286.
Cydonia 516.
Cyma 374.
Cyperaceae 455.
D.
Dammara 446.
Danimarharz 616.
Dampfmaschine 33.
Daphne 476.
Datura 480.
Daucus 510.
Decimalwage 17.
Deckblätter 360.
Deklinationsnadel 83.
Decocta 659.
Dekandria 435.
Delphinium 536.
Destillation 45.
— trokene 312.
Dextrin 248.
Diadelphia 435.
Dialyse 2.
Diamant 155.
Diandria 435.
Dichte 3,
Dicotyledones 444, 464.
Didynamia 435.
Diffusion 7.
Digestionen 660.
Digitalis 490.
Digynia 438.
DiU 506.
Dimorph 15.
Dioecia 435.
Dispersion des Lichtes
59.
Dithionige Säure 131.
Dodekandria 435.
Dolde 373.
Doldengewächse 505.
Doldentraube 373.
Donner 71.
Dorema 510.
Dorsch 674.
Dost 486.
Drachenblut 620.
Drachme 4.
Druckpumpe 29.
Drüsenhaare 370.
Drupa 398.
Duramen 422.
E.
Ebenstrauss 373.
Eberwurzel 546.
Ebur ustum 155.
Ecballion 512.
Echo 51.
Ehrenpreis 490.
Eibe 465.
Eibisch 538.
— blätter 584.
— wurzel 548.
Eiche 468.
Eicheln 608.
Eichen 391.
Eichenrinde 568.
Eisen 201.
Eisenalaun 197.
Eisenchlorid 207.
Eisenchlorür 207.
Eisenhut 536.
Eisenjodür 208.
Eisenoxyd 205.
Eisenoxydul 203.
Eisensalmiak 207.
Eisensäuerlinge 205.
Eisenvitriol 204.
Eisenzucker 206.
Eiweiss 305, 402.
Elaeosaccharum 666.
Elaeopten 289.
Elaphomyces 450.
Elastizität 2.
Electuarium 661.
Elektrisiermaschine 721
Elektrizität 68.
Elektrolyse 80.
Elektromagnet 84.
Elektrometer 73.
6UD
Elektromotor 76.
PJlektrophor 72.
Elektroskop 73.
Element, chemisches 77,
88.
— galvanisches 76.
Elemi 619.
Elettaria 462.
Elixir 642.
Embryo 403.
Emplastrum 648, 669.
- Cerussae 274.
— fuscum 274.
— Lithargyri 274.
Emulsionen 656.
Endocarpium 394.
Endogenae 444.
Endosmose 4.
Engelwurzel 545.
Enneandria 435.
Enzian 481.
Enzianwurzel 549.
Epiblema 424.
Epicarpium 394.
Epidermis 424.
Epithelium 424.
Equisetaceae 452.
Erdbeere 514.
Erdrauch 532.
Ericaceae 492.
Ervthraea 481.
Essig 256.
Essigäther 264.
Essigsäure 256.
Eucalyptus 517.
Eugenia 517.
Eukalyptusblätter 582.
Euphorbia 473.
Euphorbiaceae 472.
Euphorbium 621.
Exogenae 444.
Extractum 642.
— Camis 306.
— Ferri pomatum 279.
F.
Faba Calabarica 606.
Fallgesetze 23.
Farben 58.
Farnkräuter 451.
Faulbaum 526.
Faulbaumrinde 569.
Federkrone 383.
Feigen 599.
Fei Tauri 309.
Feldspat 196.
Fenchel 506, 595.
Fernrohr 65.
Ferridcyankalium 287.
Ferrocyankalium 286.
Ferrocyanzink 286.
Ferrum carbonicum 205.
— chloratum 207.
— citricum 280.
— dialysatum 207.
— jodatum 208.
— lacticum 308.
— oxydatum 205.
— — saccharatum 206.
— phosphoricum 206.
— pulveratum 202.
— pyrophosphoricum
206.
— reductum 202.
— sesquichloratum 207.
— sulfuricum 204.
Ferula 510.
Fette 270.
Feuerschwaram 610.
Fibrin 305.
Fichtenharz 618.
Ficus 472.
Fieberklee 585.
Filices 451.
Fingerhutblätter 583.
Flechten 447.
Fleischextrakt 306.
Fliegen, spanische 633.
Florentiner Flasche 640.
Flores Arnicae 591.
— Aurantii 591.
— Benzoes 294.
— Chamomillae Rom.
589.
— — vulg. 588.
— Cinae 589.
— Koso 590.
— Lavandulae 591.
— Malvae arboreae 592.
vulg. 592.
— Millefolii 589.
— Primulae 593.
— Rhoeados 593.
— Rosae 593.
— Sambuci 590.
— Sulfuris 126.
— Tiliae 591.
Flores Verbasci 592.
— Zinci 210.
Flos 372.
— compositus 374.
Flügelfrucht 398.
Fluor 151.
Fluorbor 162.
Fluorescenz 60.
Fluorkiesel 162.
Fluorwasserstoff 154.
Flusssäure 154.
Focus 54, 63.
Foeniculum 506.
Folia Althaeae 584.
— Aurantii 582.
— Belladonnae 582.
— Digitalis 583.
— Eucalypti 582.
— Farfarae 585.
— Jaborandi 586.
— Juglandis 586.
— Lauro-Cerasi 584.
— Malvae 584.
— Melissae 581.
— Menthae crispae 581,
— — piperitae 581.
— Millefolii 585.
■ — Nicotianae 582.
— Rosmarini 582.
— Rutae 585.
— Salviae 581.
— Sennae 586.
— Stramonii 583.
— Trifolii über 585.
— Toxicodendri 585.
— Uvae Ursi 584.
Foliolum 356.
Folium 369.
— compositum 366.
Formicae 634.
Fowlersche Tropfen 685.
Fragaria 514.
Fraxinus 484.
Freisamkraut 577.
Frucht 394.
Fruchtknoten 391.
Fruchtschale 394.
Fruchtzucker 249.
Fructus 394.
— Anisi stell. 598.
— — vulg. 595.
— Aurantii immaturi
600.
— Cannabis 596.
— 700 —
Fructus Capsici 599.
— Cardamomi 597.
— Carvi 595.
— Ceratoniae 596.
— Citri 602.
— Colocynthidis 599.
— Coriandri 596.
— Foeniculi 595.
■ — Juniperi 600.
— Lauri 600.
— Myrtilli 602.
— Papaveris 596.
— Petroselini 596.
— Phellandrii 595.
— Rhamni cath. 600.
— Rubi Idaei 600.
— Sabadillae 598.
— Sanibuci 600.
— Vanillae 597.
Frutex 353.
Fuligo 155.
Fumaria 532.
Fumigationes Chlori 146.
Fungi 447.
Fungus Chirurgoruni 610.
— laricis 610.
Fuselöl 254.
G.
Gadus 632.
Gährung 252.
Galbanum 616.
Galeopsis 488.
Galgant 560.
Gallae 611.
Galläpfel 611.
Galle 309.
Gallusgerbsäure 282.
Gallussäure 293.
Galmei 209.
Galvanische Kette 76.
Galvanismus 76.
Galvanometer 84.
Galvanoplastik 80.
Garcinia 540.
Gefässe 410.
Gefässbündel 417.
Gef ässkryptogamen 451 .
Geigenharz 618.
Gelatinae 661.
Gemma 356.
Gemmae Populi 579.
Gentiana 481.
Gentianeae 481.
Gerbsäure 281.
Germen 391.
Geum 514.
Gewicht 3.
— spezifisches 19.
Gewürznelken 592.
Gewürznelkenbaum 517.
Giftlattich 573.
Giftsumach 585.
Gigartina 448.
Gips 190.
Glandes Quercus 608.
Glandulae Lupuli 612.
Glas 161.
Glaubersalz 176.
Gleichgewicht 8.
Glycerin 272.
Glyceryl 271.
Glycocholsäure 309.
Glycose 249.
Glycoside 250.
Glycyrrhiza 520.
Glycyrrhizin 250.
Gnaphalium 498.
Gold 243.
Goldchlorid 243.
Goldschwefel 227.
Gonolobus 482.
Gossypium 538.
Gottesgnadenkraut 575.
Gräser 454.
Gramineae 454.
Gramm 4.
Gran 4.
Granatrinde 568.
Graphit 155.
Gratiola 490.
Grauspiessglanzerz 224.
Griffel 391.
Grossularieae 512.
Grünspan 220.
Grubengas 156.
Guajacum 524.
Guajakharz 620.
Guajakholz 566.
Guarana 624.
Gummi 248.
— arabicum 615.
Gummigutt 618.
Gummiharze 293.
Gusseisen 201.
Guttapercha 621.
Gutti 618.
Guttiferae 540.
Gymnospermia 438.
Gynandria 435.
H.
Haar öhrchen- Anziehung
7.
Haematoxylon 521.
Hagenia 514.
Halbstrauch 353.
Halm 352.
Hammeltalg 632.
Hammerschlag 203.
Hanf, indischer 578.
Hanfsamen 596.
Harn 310.
Harnsäure 311.
Harnstoff 310.
Harnzucker 249.
Harze 292.
Haselwurz 554.
Hauhechel 518.
Hauhechelwurzel 544.
Hausenblase 633.
Haustorium 352.
Hebel 15.
Heber 26, 28.
Hedera 512.
Hefe 252.
Heidelbeere 494, 602.
Helichrysum 498.
Helleborus 536.
Helminthochorton 448.
Hernieder 14.
Hepar Sulfuris 173.
Heptandria 435.
Herba 352.
— Absinthii 572.
— Cannabis indicae 578.
— Cardui benedicti 573.
— Centaurii 575.
— Chelidonii 577.
— Chenopodii ambro- -
sioidis 578.
— Cochleariae 576.
— Conii 576.
— Galeopsidis 574.
— Gratiolae 575.
— Hyoscyami 574.
— Lactucae 573.
— Linariae 576.
— Lobeliae 575.
— Majoranae 574.
701
Herba Meliloti 577.
— Polygalae 578.
— Pulsatillae 577.
— Serpylli 573.
— Spilanthis 573.
— Thymi 574.
— Violae tricoloris 577.
Herbstzeitlose 459.
Hexaeder 12. J
Hexandria 435.
Himbeere 514, 601.
Hippursäure 294.
Hirschbrunst 450.
Hirschhorngeist 318.
Hirschhornöl 318.
Hirschhornsalz 184, 318.
Hirudines 635.
H Öhrrohr 52.
Höllenstein 241.
Hohlspiegel 54.
Hohlzahn 574.
Hollunder 504.
— beeren 601.
— blurnen 590.
Holzessig 314.
Holzgeist 314.
Holzkohle 155.
Holzstamm 352.
Holzteer 315.
Honig 634.
Honigklee 518.
Hopfen 472.
Hopfenmehl 612.
Hüllkelch 374.
Hülse 396.
Huflattich 585.
Humulus 472.
Hundskamille 498.
Hundspetersilie 506.
Hutpilze 450.
Hydrargyrum 233.
— bichloratum 236.
— bijodatum 238.
— chloratum 237.
■ — cyanatum 287.
— jodatum 238.
— nitricum 235.
— oxydatum 236.
— praecip. alb. 238.
— sulfuratum 239.
Hydrothionammonniak
185.
Hydrostatische Wage 21.
Hydroxyde 102.
Hymenomycetes 450.
Hymenoptera 634.
Hyoscyamus 478.
Hypericum 540.
Byphonrycetes 450.
I.
Jaborandiblätter 586.
Jahresringe 422.
Jalape 564.
Jateorrhiza 536.
Ignatiusbohnen 482.
Ikosandria 435.
Illicium 536..
Imperatoria 510.
Indicum 624.
Indigo 624.
Indigofera 521.
Induktionsapparat 86.
Infusa 658.
Ingwer 561.
Inhalationsapparat 29.
Inklinationsnadel 83.
Inula 500.
Inulin 247.
Involucrum 360.
Jod 151.
Jodblei 214.
Jodkalium 173.
Jodoform 269.
Jodschwefel 153.
Jodstärke 151.
Jodstickstoff 184.
Jodtinktur 151.
Jodum 151.
Jodwasserstoff 153.
Johannisbrot 596.
Johanniskraut 540.
Ipomöa 481.
Irideae 460.
Iris 460.
Isolator 69.
Isomerie 107.
Isomorph 15.
Juglans 468.
Juniperus 465.
K.
Kabeljau 632.
Kadmium 213.
Käfer 633.
Kältemischungen 39.
Käsestoff 306.
Kätzchen 373.
Kaffeebaum 504.
Kaffem 302.
Kakao 623.
Kalabarbohne 606.
Kali 169.
— causticum fusmn 171.
Kalihydrat 171.
Kalilauge 171, 174.
Kalisalze 171.
Kalium 168.
— aceticum 172.
— bicarbonicum 170.
— bichromicum 200.
— bromatum 173.
— carbonicum 170.
— chloricum 171.
— ferricyanatum 287.
— ferro cyanatum 286.
— hyperoxydatum 169.
— jodatum 173.
— nitricum 171.
— rhodanatum 288.
— permanganicum 199.
— sulfocyanatum 288.
— sulfuratum 173.
— sulfuricum 171.
— tartaricum 278.
Kalk 187.
Kalkhydrat 188.
Kalksalze 189.
Kalkspat 189.
Kalkstein 189.
Kalkwasser 188.
Kalmus 456.
Kalmuswurzel 559.
Kalorie 36.
Kalorimeter 39.
Kamala 612.
Kamille 498, 588.
Kampfer 626.
Kampferbaum 476.
Kandis 249.
Kapillarität 7.
Kapsel 396.
Kardobenediktenkraut
573.
Kardamom 597.
Karpellblätter 390.
Kartoffel 478.
Kasein 306.
Kaskarillrinde 567.
Katechu 622.
702
Kathode 80.
Kautschukbaum 473.
Keil 24.
Keim 403.
Keimblätter 403.
Keimpflänzchen 403.
Kelch 381.
Kelp 151.
Kernobst 516.
Kesselstein 120.
Kiefer 465.
Kiefersprossen 579.
Kienruss 155.
Kiesel 160.
Kieselfluorwasserstoff-
säure 163.
Kieselsäure 160.
Kilogramm 4.
Kino 623.
Kirschlorbeerblätter
584.
Klammerwurzel 352.
Klatschrose 530, 593.
Kleber 431.
Klee 520.
Kleesalz 280.
Kleesäure 280.
Klette 496.
Klettenwurzel 547.
Klinorhombische Säule
13.
Knallgas 122.
Knochenasche 190.
Knochenkohle 155.
Knolle 358.
Knospe 356.
Kochsalz 175.
Königswasser 149.
Köpfchen 373.
Kohäsion 5.
Kohl 529.
Kohle 154.
Kohlenhydrate 246.
Kohlenoxyd 156.
Kohlensäure 157.
Kohlensulfid 157.
Kohlenwasserstoff 156.
Koloquinte 599.
Kokosöl 628.
Komplementärfarben 61.
Kompressionspumpe 32.
Konstante Kette 77.
Kopaivabalsam 624.
Korbblütler 494.
Koriander 596.
Kork 424.
Krameria 584.
Krauseminze 581.
Kreatin 306.
Kreatinin 306.
Kreide 189.
Kreosot 316.
Kreuzblütler 528.
Kreuzdorn 526.
Kreuzdornbeeren 600.
Krotonöl 627.
Kryptogamen 447.
Kryptogarnia 435.
Krystalle 10.
Krystallisation 10.
Kry s tallsy steme 1 1 .
Krystallwasser 11.
Kubeben 599.
Kubus 12.
Küchenschelle 535, 577.
Kümmel 595.
Kupfer 217.
Kupferalaun 220.
Kupferkies 217.
Kupferoxyd 219.
Knpferoxydul 218.
Kupfervitriol 219.
Kusso 590.
L.
Labiatae 485.
Lackmus 624.
Lackmuspapier 323.
Lactuca 496.
Lactucarium 621.
Lärche 466.
Lärchenschwamm 610.
Lagerpflanzen 447.
Lakriz 623. |§t
Laminaria 448, 609.
Lappa 496.
Lapis divinus 220.
— infernalis 241.
Larix 466.
Larvenblütler 488.
Latente Wärme 38.
Latex 423.
Latwerge 661.
Laurineae 474.
Laurus 476.
Lavandula 488.
Lavendel 488, 591.
Lebensbaum 579.
Leberthran 632.
Lederkork 425.
Legumen 396.
Leidener Flasche 73.
Leinkraut 576.
Leinsamen 605.
Levisticum 508.
Leuchtgas 317.
Liehen islandicus 609.
Lichenes 447.
Licht 52.
— elektrisches 79.
Liebstöckel 508.
— wurzel 545.
Lignum campechianum
567.
— Fernambuci 567.
— Guajaci 566.
— Quassiae 566.
— Sassafras 566.
Ligula 360.
Liliaceae 459.
Linaria 490.
Linde 540.
Lindenblüten 591.
Lineae 523.
Linimentum 646, 667.
Linsen, optische 62.
Linum 524.
Lippenblütler 485.
Liquidambar 470.
Liquor Aluminii acetici
198.
— Ammonii acetici 185.
— carbonici 184.
— caustici 182.
— succinici 294.
— sulfurati 185.
— Ferri acetici 206.
— — ■ oxychlorati 207.
- — sesquichlorati207.
— — sulfuricioxyd. 204.
— hollandicus 269.
— Kalii acetici 172.
— — arsenicosi 23ü.
-~ — carbonici 170.
— Kali caustici 171, 174.
— Natri caustici 178.
— Plumbi subacetici
216.
Liquor Stibii chlorati
225.
Liter 3.
703 —
Lithargyrum 214.
Lithium 187.
— carbonicum 187.
Lobelia 502.
Lobeliaceae 502.
Löffelkraut 530, 576.
Löwenzahn 496.
— wurzel 547.
Lorbeer 476.*
Lorbeeren 600.
Lorbeeröl 271.
Luft, atmosphärische
116.
Luftdruck 26.
Luftpumpe 30.
Lungenkraut 481.
Lupe 64.
Lupuli n 612.
Lycopodiaceae 452.
Lycopodiurn 452, 611.
Lytta 633.
M.
Macerationen 660.
Macis 608.
Magisterium Bismuthi
222.
gnesia 192.
usta 192.
Magnesit 194.
Magnesium 192.
— carbonicum 194.
— citricum 280.
— sulfuricum 193.
Magnet 83.
Magnetismus 82.
Magnetnadel 83.
Magnoliaceae 536.
Mallotus 473.
Malva 538.
Malvaceae 536.
Malvenblätter 584.
Malvenblüten 592.
Mandelbaum 516.
Mandeln 606.
Mangan 199.
Mangansuperoxyd 199.
Manganum sulfuricum
199.
— superoxydatum 199.
Manna 614"
Manna-Esche 434.
Mannit 250.
Manometer 34.
Maranta 462.
Marantaceae 462.
Margarinsäure 271, 274.
Mariotte's Gesetz 6.
Mark 418.
Markscheide 422.
Markstrahlen 422.
Marrubium 488.
Marsh'scher Apparat
232.
Mastix 619.
Matricaria 498.
Medicinalgewicht 4.
Meerrettig 530.
Meerwasser 121.
Meerzwiebel 565.
Meiran 574.
Meisterwurz 510.
Meisterwurzel 557.
Mel 634.
Melaleuca 517.
Melasse 249.
Melilotus 518.
Melis 248.
Melissa 486.
Melissenblätter 581.
Menispermeae 536.
Mennige 215.
Mentha 486.
Menyanthes 482.
Metalle 163.
Metamerie 107.
Metaphosphorsäure 142.
Meter 3.
Methylalkohol 255, 314.
Mikroskop 62.
Milch 306.
Milchsäure 307.
Milchsaft 423.
Milchzucker 249.
Mimosaceae 522.
Mineralwasser 121.
Mineralwasserapparate
158.
Minium 215.
Mistel 476.
Mixtura sulfurica acida
264.
Mixturen 651.
Mohn 530.
Mohnköpfe 596.
Mohnsamen 604.
Mohrs Wage 21.
Moleküle 2, 92.
Molekulargewicht 93.
Molekulartheorie 94.
Molken 307.
Monadelphia 435.
Monandria 435.
Monocotyledones 444.
454.
Monoecia 435.
Monogynia 438.
Monopetalae 444.
Moos, irländisches 609.
- isländisches 609.
Morphin 299.
Moschus 631.
Mucilago 660.
Muskatblüte 608.
Muskatnuss 607.
Muskatnussbaum 476.
Muskatnussöl 645.
Mutterkorn 610.
Myristica 476.
Myristiceae 476.
Myronsaures Kali 291.
Myroxvlon 520.
Myrrha 617.
Myrtaceae 517.
N.
Nachhall 51.
Nachtschatten 478.
Nadelhölzer 464.
Naphtalin 318.
Narbe 391.
Narcotin 300.
Natrium 175.
— aceticum 180.
— benzoicum 294.
— bicarbonicum 178.
— bromatum 176.
— carbonicum 177.
— chloratum 175.
— jodatum 176.
— nitricum 179.
— phosphoricum 179.
— pyrophosphoricum
179.
— salicylicum 295.
— sulfuricum 176.
Natron 175.
Natronhydrat 175.
Natronlauge 175.
Nebenblatt 359.
704 -
Nebenblume 383.
Nebenstaubgefässe 383.
Nektar 382.
Nelkenwurz 514.
Nicotiana 478.
Nicotin 302.
Niesswurz 536.
Niesswurzel 554, 560,
Nitrocellulose 251.
Nitroglycerin 276.
Nitruni 171.
Nuces vomicae 642.
Nuss 398.
Nux 398.
— moschata 607.
— vomica 605.
0.
Oberhaut 423, 424.
Objektivlinse 65.
Oktaeder 11.
Oktandria 435.
Okularlinse 65.
Ölbaum 482.
Öle, ätherische 288.
— fette 270.
Olgas 157.
Ölsäure 274.
Önänthe 506.
Olea 482.
— aetherea 288.
Oleaceae 482.
Olein 271.
Oleum animale 318.
— Cajeputti 626.
— ■ Cocois 628.
— Crotonis 627.
— Jecoris Aselli 632.
— Olivarum 627.
— phosphoratum 140.
— Ricini 627.
— Ilosae 627.
— Rusci 317.
Olibanum 617.
Olivenöl 627.
Ononis 518.
Operment 231.
Opium 620.
Orangen 538.
Orchideae 460.
Orchis 460.
Origanum 486.
Os Sepiae 635.
Ostrea 635.
Ovarium 391.
Oxalium 280.
Oxalsäure 280.
Oxydation 116.
Oxyde 100.
Oxygenium 118.
Ozon 140.
P.
Paeonia 536.
Palmae 456.
Palmitinsäure 271, 274.
Panicula 373.
Papaver 530.
Papaveraceae 530.
Papilionaceae 517.
Papinscher Topf 38.
Pappel 468.
Pappelknospen 579.
Pappus 383.
Paracorolla 383.
Paraffin 316, 317.
Parakresse 573.
Parastemones 383.
Parenchyma 408.
Pasta Cacao 623.
— Guarana 624.
Pastillen 664.
Pedunculus 372.
Pendel 25.
Pentagondodekaeder 12.
Pentagynia 438.
Pentandria 435.
Pepo 398.
Pepsin 309.
Pericarpium 394.
Periderma 425.
Perigonium 381.
Perubalsam 625.
Petala 382.
Petersilie 566.
Petersiliensamen 596.
Petiolus 360.
Petroleum 315.
Petroleumäther 315.
Petroselinum 506,
Pfaffenröhrchen 496.
Pfannen stein 120.
Pfeffer 470.
Pfeffer, spanischer 599.
Pfefferminze 581.
Pfingstrose 536.
Pflaster 648.
Phanerogamen 454.
Phenol 316.
Phenolphthalein 342.
Phosphor 139.
Phosphorige Säure 141.
Phosphorsäure 141.
Phosphorsalz 185.
Phosphorwaserstoff 141.
Photographie 242.
Physeter 632.
Physostigma 521.
Physostigmin 303»
Picraena 524.
Pillen 661.
Pilocarpin 303.
Pilocarpus 524.
Pilze 447.
Pimpinella 508.
Pinus 465.
Piper 470.
Pipetten 348.
Pirus 516.
Pistacia 524.
Pistillum 390.
Pix liquida 315.
— navalis 317.
Plantago 485.
Platin 245.
Platinchlorid 245.
Platinmohr 245.
Platinschwamm 245.
Platinum bichloratum
245.
Plumbum aceticum 216,.
— jodatum 214.
Plumula 403.
Podophyllus 526.
Polarisation 54.
Polarisationsapparat 56,
Pollen 387.
Polyadelphia 435.
Polyandria 435.
Polygala 534.
Polygamia 435, 438.
Polygoneae 473.
Polygonum 473.
Polygynia 438.
Polypetalae 444.
Polypodium 452.
Polyporus 451.
Polystichum 452.
Poma acida 601.
Pomaceae 516.
705
Pomeranze 540.
Pomeranzen, unreife 601.
Pomeranzenblätter 582.
Pomeranzenblüten 591.
Pomeranzenschale 602.
Pomuni 399.
Populus 468.
Porosität 1.
Porzellan 196.
Pottasche 169.
Potentilla 514.
Potwal 632.
Primula 482.
Primulaceae 482.
Prisma 11.
Prosen chyma 410.
Prote'instoffe 305.
Protoplasma 408.
Prunus 516.
Psych otria 504.
Pterocarpus 520.
Pulmonaria 481.
Pulpa 399.
- Tamarindorum 603.
Pulver es 665.
Punica 517.
Pupille 66.
Putamen 398.
.Pyknometer 20.
Pyrogallussäure 283.
Pyrometer 44.
Pyrophosphorsäure 142.
<}•
Quarz 161.
Quassia, 524, 566.
Quecke 558.
Quecksilber 233.
Quecksilberchlorid 236.
Quecksilberchlorür 237.
Quecksilberjodid 238.
Quecksilberjodür 238.
Quecksilberoxyd 236.
Quecksilberoxydul 236.
Quecksilberpräcipitat
238.
Quecksilbersublimat
236.
Quecksilbersulfid 239.
Quellwasser 120.
Quendel 573.
Quercus 468.
Quitte 516.
Quittensamen 607.
R.
Racemus 373.
Radicula 403.
Radix 349.
— Alkannae 547.
— Althaeae 548.
— Angelicae 545.
— Arnicae 553.
— Artemisiae 556.
— Asari 554.
— Bardanae 547.
— Belladonnae 549.
— Calinae 546.
■ — Colombo 550.
— Gentianae 549.
— Helenii 550.
— Hellebori viridis 554.
— Ipecacuanhae 547.
— Levistici 545.
— Liquiritiae 543.
— Ononidis 544.
— Pimpinellae 545.
— Pyrethri 546.
— Ratankia.e 544. '
- Rhei 551."
— Saponariae 547.
— Sarsaparillae 555.
— - Scammoniae 549.
— Senegae 546.
— Serpentariae 553.
— Taraxaci 547.
— Turpethi 549.
— Valerianae 552.
Ranunculaceae 534.
Raphanus 530.
Raps 529.
Rautenblätter 585.
Realgar 231.
Receptaculum floris 378.
Reflexion des Lichtes 54.
Regenbogen 59.
Regenwasser 120.
Reibung 2, 36.
Repulsivkraft 5.
Resina Dainmar 618.
— Draconis 620.
— Guajaci 620.
— Pini 618.
Resonanzboden 50.
Schlickum , Apothekerlehrling.
Rettig 530.
Rhabarber 551.
Rhamneae 526.
Rhamnus 526.
Rheum 474.
Rhizoma 351.
— Calami 559.
— Caricis 558.
— Chinae 562.
— Curcumae 561.
— Filicis 562.
— Galangae 560.
— Graminis 558.
— Iniperatoriae 557.
— Iridis 559.
— Tormentillae 558.
— Veratri 560.
— Zedoariae 561.
— Zingiberis 561.
Rhodankalium 288.
Rhombendodekaeder 12.
Rhombische Säule 13.
Rhomboecler 14.
Rhus 526.
Ribes 512.
Ricinus 473.
Ricinusöl 627.
Riedgräser 455.
Riementang 609.
Rispe. 373.
Rittersporn 536.
Rohrzucker 248.
Rosa 514.
Rosaceae 512.
Rosen 593.
Rosenöl 627.
Rosmarinblätter 582.
Rosmarinus 488.
Rottlera 473.
Rubiaceae 502.
Rubidium 187.
Rubus 514.
Rum 254.
Ruta 524.
Rutaceae 524.
S.
Sabadilla 459.
Sabadillsamen 598.
Saccharum 248.
Saccharum lactis 249.
Sadebaum 578.
45
706
Safran 598.
Sal Ammoniaci 183.
— Cornu cervi 184.
— duplicatum 171.
— Glauberi 176.
— Tartari 170.
— volatile 184.
Salbei 581.
Salben 647, 668.
Salep 568.
Salicin 250.
Salicineae 468.
Salicylsäure 295.
Salix 468.
Salmiak 183.
Salmiakgeist 182.
Salpeter 171.
Salpetersäure 136.
Sal via 488.
Salzäther 267.
Salzsäure 147, 148.
Samara 398.
Sambucus 504.
Samen 402.
Samenkern 402.
Samenlappen 404.
Samenschale 402.
Samenträger 391.
Sandaraca 619.
Sanguis Draconis 620.
Sanguisuga 635.
Santonin 296.
Sapo medicatus 273.
Saponaria 523.
Sarmentum 351.
Sassafras 476, 566.
Sattelwage 18.
Saturationen 655.
Säuerlinge 121.
Sauerkirschen 600.
Sauerstoff 118.
Saugheber 28.
Saugpumpe 28.
Saugwurzel 352.
Scapus 372.
Schachtelhalm 452.
Schafgarbe 500, 585, 589.
Schaft 372.
Schalfrucht 395.
Schall 48.
Scheeles Grün 230.
Scherbenkobalt 229.
Schierling 576.
Schiessbaumwolle 247.
Schiesspulver 171,
Schirmtraube 373.
Schizocarpium 397.
Schlämmen 638.
Schlangenwurzel 553.
Schliessfrüchte 395.
Schlippesches Salz 228.
Schlüsselblumen 593.
Schmalz 632.
Schmarotzerpflanzen
352.
Schmetterlingsblütler
517.
Schnellwage 18.
Schöllkraut 530, 577.
Schössling 351.
Schote 398.
Schraube 25.
Schwammkohle 156.
Schwammkork 425.
Schwämme 449.
Schwärmfäden 452.
Schwefel 125.
Schwefelalkohol 157.
Schwefelammonium 185.
Schwefelarsen 231.
Schwefelcyankalium288.
Schwefeleisen 130.
S chw ef elkalin m 173.
Schwefelkies 126, 201.
Schwefelkohlenstoff 157.
Schwefelleber 126.
Schwefelmilch 126.
Schwefelsäure 131.
Schwefelwässer 121.
Schwefelwasserstoff 128.
Schwefelwasserstoff-
wasser 128, 130.
Schweflige Säure 131.
Schweineschmalz 682.
Schweinfurter Grün 230.
Schwerkraft 8.
Schwerpunkt 8.
Schwerspat 195.
Schwertlilie 460.
Scilla 459.
Scitamineae 462.
Scrophularineae 488.
Sebum 684.
Seeale cornutum 610.
Sehweite 67.
Sehwinkel 67.
Seidelbast 570.
Seife 278.
Seifenkraut 523.
Seifenwurzel 547.
Semen 402.
— Cardui Mariae 510.
— Colchici 604.
— Cj^doniae 607.
— Faeni graeci 606.
— Hyoscyami 605.
— Lini 605.
— Myristicae 607.
— Papaveris 604.
— Quercus 608.
— Sinapis 607.
— Stramonii 605.
— Strychni 605.
Senf 529, 607.
Senföl 290.
Senfteig 668.
Sennesblätter 586.
Sepia 685.
Serum lactis 307.
Sicherheitsventil 33.
Siebe 638.
Silber 240.
Silberoxyd 241.
Sileneae 523.
Silicium 160.
Silicula 397.
Siliculosa 438.
Silikate 160.
Siliquosa 438.
Silyburn 496.
Simarubeae 524.
Sinapismus 668.
Skrupel 4.
Smilax 459.
Smirgel 196.
Soda 177.
Solaneae 477.
Solanum 478.
Solidago 500.
Solutio arsenicalis 230.
Spadix 373.
Spaltfrüchte 397.
Spaltöffnungen 424.
Spanische Fliege 633.
Sparatrap 670.
Spatha 860.
Spektralanalyse 60.
Spektralapparat 61. ■
Spektrum 59.
Spermophorum 391.
Spezies 665.
Spezifisches Gewicht 19.
TUT
Spezifische Wärine 39.
Sphaerococcus 448.
Spica 373.
Spicula 373.
Spiegel 53.
Spiessglanz 224.
Spiessglanzbutter 225.
Spilantlies 498.
Spiralfaserzellen 411.
Spiralgefässe 413.
Spiritus 252.
- Ätheris chlorati 267.
— — nitrosi 265.
Splint 422.
Spodium 155.
Sporangien 452.
Sporen 449.
Spritznasche 29.
Sprosse 356.
Stabeisen 202.
Stärkemehl 247.
Stahl 202.
Stahlwässer 205.
Stamina 386.
Stamm 352.
Stannum chloratum 224.
Statisches Moment 16.
Staubbeutel 387.
Staubgefässe 386.
Staubpilze 478.
Stauden 353.
Stearin 272.
Stearinsäure 271, 274.
Stearopten 289.
Stechapfel 480.
Stechapfelblätter 583.
Stech apfelsamen 605.
Stechheber 26.
Steinfrucht 398.
Steinklee 577.
Steinöl 315.
Steinobst 514.
Steinsalz 175.
Stellatae 502.
Stempel 390.
Sternanis 598.
Stibiuni sulfuratum au-
rantiacum 227.
— — nigrum 227.
rubeum 227.
Stickstoff 135.
Stickstoffoxyd 138.
Stickstoflbxyclul 138.
Stisnna 391.
Stinkasant 616.
Stipites Dulcamarae565.
Stipula 359.
Stockrose 538, 592.
Stöchiometrie 93.
Stör 633.
Stolones 351.
Stomata 424.
Storax 625.
Strauch 353.
Strobilus 373, 400.
Strontian 195.
Strontianit 195.
Strontium 194.
Strychnaceae 482.
Strychnm 301.
Strychnos 482.
Stuhlzäpfchen 671.
Stylus 391.
Styraceae 485.
Styrax 485.
Styrax liquidus 625.
Suber 425.
Sublimation 45.
Succinum 619.
Succus Liquiritiae 623.
Süssholz 543.
Suffrutex 353.
Sulfur auratum 227.
— depuratum 126.
— jodatum 153.
— praecipitatum 128.
— sublimatum 126.
Summitates Sabinae578.
— Thujae 579.
Sumpfluft 156.
Suppositoria 671.
Syconium 400.
Symphytum 503.
Syngenesia 435.
Syrupi 645.
Syrupus Ferrijodati208.
T.
Tabak 480.
Tabaksblätter 582.
Talg 634.
Talk 192.
Tamarindenmus 603.
Tamarindus 521.
Tanacetum 496.
Tange 447.
Tannin 282.
Taraxacum 496.
Tartarus boraxatus 279.
— depuratus 277.
— natronatus 278.
- stibiatus 226.
Taurocholsäure 309.
Tausendgül denkraut
575.
Taxus 465.
Teer 313.
Teilbarkeit 1.
Telegraphie, elektrische
84.
Telephon 85.
Terebinthaceae 524.
Terebinthina 626.
Terpentin 626.
Tetradynamia 435.
Tetraeder 14.
Tetrandria 435.
Tetrathionsäure 131.
Teufelsdreck 616.
Thalamus 378.
Thallophyta 444, 447.
Thallus 349.
Theemischungen 665.
Theobrama 540.
Thermometer 42.
Thon 196.
Thonerde 195.
Thonerdehydrat 198.
Thuja 465.
Thymelaeae 476.
Thymian 574.
Thymol 289.
Thymus 486.
Thyrsus 374.
Tierkohle 155.
Tilia 540.
Tincturae 641.
Tinctura Fem chlor.
aether. 267.
— Jodi 151.
Tollkirsche 480.
Tollkirschenblätter 582.
Tollkirschenwurzel 549.
Tolubalsam 625.
Toluifera 520.
Tormentille 514.
Tormentillwurzel 558;
Tragacantha 615.
Traganth 615.
Traube 373.
Traubenzucker 249.
708 —
Triandria 435.
Trieblager 349.
Trigonella 520.
Trigynia 438.
Triticuin 435.
Trochisci 664.
Trugdolde 374.
Truncus 352.
Tuber 358.
Tabera Aconiti 465.
— Jalapae 564.
— Salep 563.
Turio 356.
Turiones Pini 579.
Tussilago 500.
Typentheorie 109.
U.
Übermangansaure 199.
Ulmus 472.
Umbella 373.
Umbelliferae 505.
Uncaria 504.
Undurchdringlichkeit 1.
Unguenta 647, 668.
Unter chlorige Säure 146.
Unterchlorsäure 146.
Untersalpetersäure 138.
Unterschweflige Säure
131.
Unze 4.
Urticaeeae 470.
V.
Vacciniurn 494.
Vagina 360.
Valeriana 504.
Valerianeae 504.
Vanilla 462, 597.
Vasa 412.
Vasculares 444.
Veilchen 532.
Veilchenwurzel 559.
Veratrin 302.
Veratrum 459.
Verbascum 492.
Verbena 492.
Verdunstung 38.
Veronica 490.
Verstärkungsflasche 73.
Verwesung 117.
Verwittern 11.
Viola 532.
Vitis 526.
Vitriol, blauer 219.
— grüner 204.
— weisser 211.
Vitriolöl 132.
Voltasche Säule 78.
W.
Wacholder 465.
Wacholderbeeren 601.
Wachs 634.
Wärme 36.
Wärmekapazität 39.
Wärme, latente 38.
Wärmeleitung 40.
Wärmestrahlung 40.
Wage 17.
Walnussblätter 586.
Walrat 632.
Wasser 120.
— destilliertes 121, 639.
Wasserfenchel 595.
Wasserstoff 128.
Weihrauch 617.
Wein 253.
Weingeist 251.
Weinsäure 276.
Weinstein 277.
Weinstock 520.
Weizenstärke 613.
Wermut 572.
Wickel 874.
Wiederhall 51.
Wismut 221.
Wismutoxyd 222.
Wohlverleihblumen 591.
Wolfsmilch 473.
Wollblume 492, 592.
Würfel 12.
WundschwaEim 610.
Wurmfarn 562.
Wurmsamen 589.
Wurzel 349.
Wurzelblätter 359.
Wurzelhaube 350.
Wurzelstock 351.
Z.
Zapfen 373, 400.
Zeitlose 459.
Zeitlosensamen 604.
Zelle 408.
Zellkern 408.
Zimt 568.
Zimtsäure 295.
Zincum aceticum 212.
— chloratum 212.
— ferro cyanatum 287.
— lacticum 308.
— oxydatum 210.
— sulfocarbolicum 316
— sulfuricum 211.
— valerianicum
261.
Zingiber 462.
Zink 209.
Zinkblende 209.
Zinkoxyd 210.
Zinkvitriol 211.
Zinkweis s 210.
Zinn 223.
Zinnchlorür 224.
Zinnober 239.
Zinnoxyd 223.
Zinnoxydul 223.
Zitwerwurzel 561.
Zitwersamen (bluten)
589.
Zucker 248.
Zuckerrohr 455.
Zündmachine 124.
Zwiebel 357.
Zwiebelknolle 358.
Zvgophylleae 524.
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Manuale pharmaceuticum. Vol. II. Adjumenta varia chemica et pharmaceutica atque
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sächlichsten Pharmacopoeen des In- und Auslandes. Xeue Aufl. in
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chemischen Untersuchungen, sowie zur Prüfung der Chemikalien, natürlichen
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Experimente. Mit einer kurzen Darlegung der neuesten chemischen Theorie
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gattungen. Mit zwei systemat. Tabellen. 2. Ausgabe. 1875. 3. —
Ambühl, Dr. G. , Lebensmittelpolizei. Anleitung zur Prüfung und Beurthei-
lung von Nahrungs- und Genussmitteln. 1883. 3. — .
Cieszynski, T., Der polnische Apotheker. Polnisch-latein. Wörterbuch, enthaltend
die in polnischen Gegenden gebräuchl. Namen der Arzneikörper. 1880. 3.
RÖSSig, G., Convolvulaceae in medicinisch-pharmaceutischer Beziehung. 1876. 1.50
Sendner, Dr. med. H, Die Normaldosen d. Arzneimittel nach Unzen- u. Grammengewicht.
Nebst Bemerk, üb. Bereit., Zusammensetz. u. Bestandtheile d. Arzneimittel. 1.50,
Stromeyer, W., Handverkaufs-Taxe für Apotheker, gr. 8. 3. —
(Für alle Zeiten, Länder und Verhältnisse passend.)
Darwinistische Schriften.
Nr. 1. Haeckel, Ernst, Das Protistenreich. Eine populäre Übersicht über das
Formengebiet der niedersten Lebewesen. Mit einem wissenschaftlichen An-
hange: „System der Protisten". Mit zahlr. Holzschn. 1878. M 2.50
Nr. 2. Jaeger, Prof. Dr. G., Seuchenfestigkeit und Konstitutionskraft und
ihre Beziehung zum spezifischen Gewicht des Lebenden. 1878. M 3.—
Nr. 3. Kühne, Dr. H.,Die Bedeutung des Anpassungsgesetzes für die Heil-
kunde. 1878. M 2.—
Nr. 4. du Perl, Dr. Carl, Psychologie der Lyrik. Beiträge zur Analyse der
dichterischen Phantasie. 1880. M 3.—
Nr. 5. Würtenberger, L., Studien über die Stammesgeschichte derAmmo-
niten. Mit 4 Stammtafeln. 1880. M 8.—
Nr. 6. Darwin, Ch., und Krause, E., Dr. Er asmus Darwin und seine Stellung in
der Geschichte der Descendenz-Theorie. Mit Portrait. 1880. M 3.—
Nr. 7. Allen, Grant, Der Farbensinn, sein Ursprung und seine Entwicklung. Ein
Beitrag z. vergleich. Psychologie. Mit e. Einl. v. Dr. E. Krause. 1880. M 5.—
Nr. 8. du Prel, Dr. Carl, Die Planetenbewohner und die Nebularhypothese.
Neue Studien zur Entwicklungsgeschichte des Weltalls. 1880. M 3.—
Nr. 9. Beichenau, W. von, Die Nester und Eier der Vögel in ihren natürlichen
Beziehungen betrachtet. 1880. M 2. —
Nr. 10. Schultze, Prof. Dr. Fritz, Die Sprache des Kindes. Eine Anregung zur,
Erforschung des Gegenstandes. 1880. " M 1. —
Nr. 11. Schultze, Prof. Dr. Fritz, Die Grundgedanken des Materialismus und
die Kritik derselben. 1881. M 2 —
Nr. 12. Büchner, Prof. Dr. Ludw., Die Macht der Vererbung und ihr Einfluss
auf den geistigen Fortschritt der Menschheit. 1882. M 2.—
Nr. 13. Elfeid, C. J., Die Religion u. der Darwinismus. Eine Studie. 1883. M 2.—
Nr. 14. Philipp, S.,Ursprungu. Lebenserscheinungen der tierischen Organismen.
Lösung des Problems über das ursprüngl. Entstehen organ. Lebens. 1883. M 3. —
Nr. 15. Schultze, Prof. Dr. Fritz, Die Grundgedanken des Spiritismus und
die Kritik derselben. 1883. M 5.—
D
m. i „ t> + ••+ "1 vorzügl. Photographie in Visite M 1.—
arwin, Charles, Portrat I B ° * in Cabin M 2 _
(letzte Aufnahme) f " in Gross.Foiio M 6._
du Prel, Dr. Carl, Entwicklungsgeschichte des Weltalls. Versuch
einer Philosophie der Astronomie. Dritte verm. Auflage der Schrift „Der Kampf
ums Dasein am Himmel". 1882. M 6. —
Schultze, Prof. Dr. Fritz, Philosophie der Naturwissenschaft. Eine
philosophische Einleitung in das Studium der Natur und ihrer Wissenschaften.
2 Bände. 1882. M 18.—
DRUCK VON EMIL HERRMANN SEN., LEIPZIG.
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